Mario Büsch Praxishandbuch Strategischer Einkauf
Mario Büsch
Praxishandbuch Strategischer Einkauf Methoden, Verfahren, Arbeitsblätter für professionelles Beschaffungsmanagement 2., überarbeitete und erweiterte Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2007 Nachdruck 2008, 2009 2. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Ulrike M. Vetter Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1904-5
Vorwort zur zweiten Auflage
V
Vorwort zur zweiten Auflage
Die erste Auflage dieses Buches konzentrierte sich darauf, die fachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die eine strategische Einkäuferin bzw. ein strategischer Einkäufer besitzen sollte, um durch ihre/seine Tätigkeit einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen zu erreichen. Der Fokus lag hierbei auf der internen und externen Analyse des Beschaffungsumfeldes, der Definition und Umsetzung von Beschaffungsstrategien sowie den Beschaffungstaktiken, die als Umsetzungswerkzeuge dienen. In vielen Gesprächen mit befreundeten Einkäufer/innen und Einkaufsleiter/innen sowie aus den vielen praktischen Herausforderungen, die sich in der Zwischenzeit ergeben haben, ist jedoch deutlich geworden, dass Kompetenzen, die über die Fachkompetenzen hinausgehen, nötig sind, um die volle Wirkung des Einkaufs für ein Unternehmen zu erschließen. Die weitere notwendige Ebene beschreibt die organisatorischen Fähigkeiten einer Einkäuferin und eines Einkäufers, die auch als Business-Kompetenzen bezeichnet werden. Business-Kompetenzen sind die Fähigkeiten, die strategische Einkäufer besitzen sollten, um die Zusammenarbeit mit internen und externen Partnern zu optimieren. Dies kann mit Fachabteilungen oder mit Lieferanten sein, dies kann eine einzelne Warengruppe, ein Projekt oder aber das gesamte Beschaffungssystem betreffen. Diese Kompetenzen sind in dem neuen Teil V „Organisationskompetenzen“ zusammengefasst. Zunächst wird – wie bereits in der ersten Auflage – das Projektmanagement erörtert. In einem weiteren Kapitel wird dargestellt, wie man mit internen Fachabteilungen oder Lieferanten kooperativer zusammenarbeitet. Abschließend wird beschrieben, wie man das gesamte Beschaffungssystem analysiert und Verbesserungsvorschläge bzw. Veränderungsoptionen bietet. Abbildung 1 zeigt – wie bereits in der ersten Auflage – den grundsätzlichen Aufbau des Buches.
VI
Vorwort zur zweiten Auflage
Beschaffungsprinzipien Externe Fähigkeiten
Interne Geschäftsbedürfnisse Verbinden
Grundlagenwissen Strategisches Materialgruppenmanagement
Beschaffungsstrategie
Externe Umfeldanalyse • Industrieanalyse • Lieferantenanalyse • Benchmarking & Wettbewerberanalyse • Forecast
Beschaffungswerkzeuge • • • • • •
Beschaffungshebel Angebote im Wettbewerb Verhandlungsführung Geschäftsvereinbarungen Lieferantenmanagement Commodities
Interne Geschäftsbedürfnisse • Interne, betriebliche Umfeldanalyse
Organisationskompetenzen • Analyse Beschaffungssystem
• Projektmanagement • Kooperation und Zusammenarbeit
Regeln & Vorschriften
Abbildung 1:
Aufbau des Buches
Der Erfolg der ersten Auflage hat mich überrascht. Ich freue mich sehr, dass mir die zweite Auflage die Gelegenheit bietet, zwei weitere Kapitel in das Praxishandbuch Einkauf aufzunehmen, und ich hoffe, dass die Leserinnen und Leser auch hieraus ihren Nutzen ziehen können, um ihren Einkauf gesamthaft zu verbessern.
Köln, im März 2011
Mario Büsch
Vorwort zur ersten Auflage
VII
Vorwort zur ersten Auflage
Der strategische Einkauf trägt wesentlich zum Erfolg eines Unternehmens bei. Um dies auch professionell zu können, ist die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung. Dieses Buch ist aus internen Schulungsunterlagen, Vordrucken und Modellen entstanden. Es wendet sich an die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Einkaufsabteilung und der verwandten Bereiche. Es beschreibt konkret die Arbeitschritte und notwendige Kompetenzen einer erfolgreichen Einkäuferin und eines erfolgreichen Einkäufers. Eine gute Einkäuferin bzw. Einkäufer kann sicherlich vieles bewirken, aber den eigentlichen Durchbruch schafft ein Unternehmen erst, wenn es sich nach einer gesamten Optimierung der externen Beschaffungskosten ausrichtet. Hierbei muss allen Beteiligten aus der Unternehmensleitung und den anderen Fachabteilungen klar sein, dass externe Beschaffungen nicht nur den Einkauf, sondern alle Unternehmensfunktionen betreffen. Die Einkäuferin bzw. der Einkäufer der Zukunft ist der interne Projekt- und Prozessmanager, der alle Wertschöpfungsstufen der Supply Chain optimiert. Um dies zu erreichen, muss er die internen Geschäftsbedürfnisse und das externe Umfeld eingehend analysieren, um anschließend gewinnbringende Beschaffungsstrategien zu erarbeiten, diese im Unternehmen abstimmen, um sie dann erfolgreich umzusetzen und regelmäßig zu erneuern. Dieses Buch beschreibt in der Praxis erprobte Methoden und Verfahren. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben über Jahre immer wieder einen entscheidenden Schritt dazu beigetragen. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen, die einen Beitrag geleistet haben, dafür bedanken! Speziell hervorheben möchte ich Herrn Michael Ebner, der mir dabei geholfen hat, große Teile des Handbuches zu überarbeiten und in die heutige Fassung zu bringen. Auf zahlreiche Fußnoten habe ich nicht deshalb verzichtet, um alle Gedanken und Konzepte als meine eigenen auszugeben, sondern weil es mir schließlich unmöglich erschien, alles den Urhebern zuzuordnen. Hiermit soll allen gedacht werden. Am Ende habe ich alle Bücher aufgelistet, die ich einer strategischen Einkäuferin bzw. Einkäufer empfehlen kann. Diese Liste erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Noch ein kleiner Hinweis zur Ansprache. Obwohl es mir am Herzen liegt, jeden einzeln und persönlich anzusprechen, so möchte ich doch um Ihre Erlaubnis bitten, im Weiteren nur noch von Einkäufern zu sprechen, da dies zur Vereinfachung der Sprache beiträgt. Um es noch einmal ausdrücklich zu sagen, dies dient der besseren Lesbarkeit, denn selbstverständlich sind beide Geschlechter angesprochen.
VIII
Vorwort zur ersten Auflage
Abbildung 1 zeigt den grundsätzlichen Aufbau des Buches. Im Teil I werden die Beschaffungsprinzipien als Rahmen für den Einkauf, sowie das Verbinden als Grundaufgabe beschrieben. Teil II beschreibt die internen und externen Umfeldanalysen. Anschließend wird im Teil III die Beschaffungsstrategie ausführlich behandelt. Im abschließenden Teil IV werden die einzelnen Beschaffungswerkzeuge beschrieben. An dieser Stelle wünsche ich allen Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Einkaufsabteilungen, seien es nun kleine Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern oder große Konzerne, eine für ihr Unternehmen erfolgreiche und fruchtbare Beschaffungsarbeit, die einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für das entsprechende Unternehmen generiert.
Nürnberg, im Dezember 2006
Mario Büsch
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur zweiten Auflage ..................................................................................................V Vorwort zur ersten Auflage..................................................................................................VII
Teil I Grundlagen des strategischen Einkaufs ........................... 1 Verbinden als Grundaufgabe ..................................................................................................3 1. Grundlagen ...........................................................................................................................3 2. Einzelheiten des Verbindens.................................................................................................4 2.1 Soziales Verbinden ........................................................................................................5 2.2 Technisches Verbinden ..................................................................................................6 2.3 Umsetzung mit Beschaffungswerkzeugen ....................................................................8 3. Beschaffungskompetenzen ...................................................................................................8 Beschaffungsprinzipien..........................................................................................................11 1. Ehrliche, ethische und faire Geschäftsbeziehung...............................................................11 1.1 Corporate Governance.................................................................................................11 1.2 Unternehmensinterne Regelungen ..............................................................................11 2. Vier-Augen-Prinzip ............................................................................................................13 3. Erfolgsmessung im Einkauf ...............................................................................................16 4. Unterschriftenregelung .......................................................................................................22 4.1 Prokura nach HGB ......................................................................................................22 4.2 Handlungsvollmachten nach HGB..............................................................................23 4.3 Geschäftsführer nach GmbH-Gesetz...........................................................................24 4.4 Spezielle interne Regelung für den Einkauf................................................................27 5. Kauf bei Wettbewerbern .....................................................................................................29 5.1 Grundlagen ..................................................................................................................29 5.2 Schwierigkeiten ...........................................................................................................29 5.3 Vorgehensweisen .........................................................................................................30
X
Inhaltsverzeichnis
6. Bester Gegenwert............................................................................................................... 31 6.1 TCO (Total Cost of Ownership) -Ansatz.................................................................... 32 6.2 Kostenarten ................................................................................................................. 32 6.3 Anwendung bei Beschaffungsentscheidungen ........................................................... 33 7. Beschaffungskompetenzen ................................................................................................ 33
Teil II Umfeldanalyse ................................................................... 35 Übersicht Umfeldanalyse ...................................................................................................... 37 Analyse des internen Umfeldes............................................................................................. 39 1. Der Begriff Geschäftsbedürfnisse...................................................................................... 39 2. Identifikation der internen Bedürfnisse ............................................................................. 39 3. Analyse des internen Umfeldes ......................................................................................... 40 3.1 Technische Anforderungen ......................................................................................... 41 3.2 Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie ............................................................. 42 3.3 Besonderheiten der Werke oder Bereiche................................................................... 43 4. Spezifikationen und deren Besonderheiten........................................................................ 43 4.1 Spezifikation ............................................................................................................... 44 4.2 Probleme bei der Spezifikationserstellung ................................................................. 44 4.3 Kommunikation und Zusammenarbeit ....................................................................... 45 4.4 Checkliste für eine gute Spezifikation........................................................................ 46 4.5 Schema einer Spezifikation ........................................................................................ 46 5. Beschaffungskompetenzen ................................................................................................ 47 Industrieanalyse ..................................................................................................................... 49 1. Grundlagen......................................................................................................................... 49 2. Anwendung der Industrieanalyse....................................................................................... 49 3. Datenquellen und deren Gewinnung.................................................................................. 50 4. Industrieanalyse nach dem Porter-Modell ......................................................................... 51 4.1 Gefahr durch Markteintritt – neue Konkurrenten....................................................... 52 4.2 Rivalität unter den Wettbewerbern (Lieferanten) ....................................................... 54 4.3 Bedrohung durch Substitutionsprodukte .................................................................... 56 4.4 Verhandlungsmacht der Abnehmer (eigenes Unternehmen und dessen Wettbewerber)..................................................... 57 4.5 Verhandlungsstärke der Vorlieferanten....................................................................... 58 5. Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung .......................................................... 59
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XI
Lieferantenanalyse .................................................................................................................63 1. Grundlagen .........................................................................................................................63 2. Ablauf der Lieferantenanalyse ...........................................................................................64 3. Bedeutung des Lieferanten für das eigene Unternehmen...................................................64 4. Datenerfassung und Sammlung..........................................................................................65 5. Datenanalyse.......................................................................................................................66 6. Entwicklung von Ergebnissen ............................................................................................72 7. Dokumente und Durchführung...........................................................................................73 8. Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung ...........................................................74 Benchmarking/Wettbewerbsanalyse ....................................................................................77 1. Grundlagen .........................................................................................................................77 2. Benchmarking.....................................................................................................................79 2.1 Grundlagen des Benchmarkings..................................................................................79 2.2 Wesen des Benchmarkings..........................................................................................80 2.3 Prozess eines Benchmarkings .....................................................................................81 2.4 Informationsbeschaffung.............................................................................................82 2.5 Das Problem der Auswahl ...........................................................................................83 2.6 Grenzen und Fallen des Benchmarkings.....................................................................83 3. Die Wettbewerbsanalyse.....................................................................................................84 3.1 Fragen der Wettbewerbsanalyse ..................................................................................85 3.2 ABC der Informationsbeschaffung .............................................................................87 3.3 Vordruck zur Wettbewerberanalyse.............................................................................88 3.4 Bezug zum Einkauf .....................................................................................................93 4. Beschaffungskompetenzen .................................................................................................93 Forcasting ................................................................................................................................95 1. Grundlagen .........................................................................................................................95 1.1 Quantitative Prognoseverfahren ..................................................................................95 1.2 Qualitative Prognoseverfahren ....................................................................................96 1.3 Grafische Darstellung..................................................................................................97 2. Analytischer Forecast .........................................................................................................97 2.1 Forecast-Objekt ...........................................................................................................98 2.2 Methode.......................................................................................................................98 2.3 Forecast über die Wertschöpfungskette.......................................................................98
XII
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3. Datenfindung.................................................................................................................... 100 3.1 Wer erhebt die Daten?............................................................................................... 101 4. Exkurs: Zyklen auf Commodity-Märkten........................................................................ 102 5. Beschaffungskompetenzen .............................................................................................. 104
Teil III Beschaffungsstrategie................................................... 107 Beschaffungsstrategie .......................................................................................................... 109 1. Grundlagen....................................................................................................................... 109 2. Prinzipien für die Beschaffungsstrategie ......................................................................... 110 3. Analyse des externen Umfeldes....................................................................................... 112 3.1 Industrieanalyse unter Verwendung des Porter-Modells ......................................... 113 3.2 Angebot/Nachfrage in der Beschaffungsbranche ..................................................... 114 3.3 Lieferantenanalyse .................................................................................................... 114 3.4 Wettbewerbsanalyse.................................................................................................. 116 3.5 Analyse des wirtschaftlichen Umfelds ..................................................................... 116 4. Analyse des internen Umfeldes und der geschäftlichen Anforderungen......................... 118 4.1 Bewertung von geschäftlichen Anforderungen ........................................................ 119 4.2 Verknüpfung des geschäftlichen Leistungspotentials............................................... 120 5. Strategieentwicklung........................................................................................................ 122 5.1 Gewünschte Ergebnisse ............................................................................................ 122 5.2 Klassifizierungsmodell ............................................................................................. 125 5.3 SWOT-Analyse ......................................................................................................... 127 6. Darlegung der Strategie ................................................................................................... 128 6.1 Zeitrahmen ................................................................................................................ 128 6.2 Entscheidungen......................................................................................................... 129 6.3 Potentielle Interventionsbereiche.............................................................................. 129 6.4 Kosten-Nutzen-Bewertung ....................................................................................... 131 7. Taktische Planung und Ausführung ................................................................................. 132 7.1 Wichtige taktische Schritte ....................................................................................... 132 7.2 Operativer Aktionsplan............................................................................................. 134 8. Dokumentationsphase ...................................................................................................... 134 9. Erneuerungsphase ............................................................................................................ 135 10. Sonderform: Einmalige Beschaffungen........................................................................... 136
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11. Sonderform: Beschaffungsplan ........................................................................................141 11.1 Beschaffungsteam .....................................................................................................141 11.2 Beschaffungsziele......................................................................................................142 11.3 Beschaffungstaktiken ................................................................................................142 11.4 Zeitplan......................................................................................................................145 12. Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung .........................................................145
Teil IV Beschaffungswerkzeuge .............................................. 149 Beschaffungshebel ................................................................................................................151 1. Grundlagen .......................................................................................................................151 2. Kommerzielle Hebel.........................................................................................................154 2.1 Bündelung .................................................................................................................154 2.2 C-Teile-Management.................................................................................................155 2.3 Ausschreibung und/oder Verhandlung ......................................................................156 2.4 E-Auktion ..................................................................................................................157 2.5 E-Katalog...................................................................................................................157 3. Technische Hebel..............................................................................................................158 3.1 Standardisierung ........................................................................................................158 3.2 Lieferantenmanagement ............................................................................................159 3.3 Ziel-Kosten-Analyse .................................................................................................159 3.4 Frühe Einbindung in den Beschaffungsprozess ........................................................160 3.5 Einkaufsdienstleister .................................................................................................160 4. Organisatorische Hebel.....................................................................................................161 4.1 Beschaffungskooperationen ......................................................................................161 4.2 Globaler Einkauf .......................................................................................................162 4.3 Outsourcing ...............................................................................................................163 4.4 Supply Chain Management .......................................................................................164 4.5 Materialgruppenmanagement....................................................................................165 5. Beschaffungskompetenzen ...............................................................................................167 Angebote im Wettbewerb.....................................................................................................169 1. Grundlagen .......................................................................................................................169 2. Planung .............................................................................................................................170 2.1 Bedarfsmeldung.........................................................................................................171 2.2 Beschaffungsplanung (Strategie oder Plan) ..............................................................171
XIV
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3. Voranfrage........................................................................................................................ 172 4. Anfrageunterlagen............................................................................................................ 174 5. Finalisierung des Lieferumfangs ..................................................................................... 176 6. Angebotspräsentation....................................................................................................... 182 7. Empfehlung...................................................................................................................... 182 8. Vertragsabschluss............................................................................................................. 183 9. Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung ........................................................ 184 Verhandlungen ..................................................................................................................... 187 1. Grundlagen....................................................................................................................... 187 2. Hauptarten von Verhandlungen........................................................................................ 188 3. Verhandlungsstrategie ...................................................................................................... 191 3.1 Verhandlungsführung................................................................................................ 194 3.2 Teamverhandlungen.................................................................................................. 195 4. Verhandlungsplan............................................................................................................. 196 5. Verhandlungstaktiken....................................................................................................... 201 5.1 Limit-Taktik .............................................................................................................. 201 5.2 Entgegengesetzte Auktion ........................................................................................ 202 5.3 Knabbern................................................................................................................... 203 5.4 Eskalation ................................................................................................................. 204 5.5 Zeit-Taktiken............................................................................................................. 205 5.6 Autoritäts-Taktiken ................................................................................................... 210 5.7 Guter Bulle – Böser Bulle (Lockvogel-Taktik) ........................................................ 214 6. Beschaffungskompetenzen .............................................................................................. 215 Vertrag .................................................................................................................................. 217 1. Grundlagen....................................................................................................................... 217 2. Kaufvertrag ...................................................................................................................... 219 3. Der Vertrag im Beschaffungsprozess............................................................................... 220 3.1 Vorbereitungs- und Verhandlungsphase.................................................................... 220 3.2 Vertragsunterzeichnung ............................................................................................ 222 3.3 Aufbewahrung der Verträge...................................................................................... 222 3.4 Zusammenspiel zwischen Bestellung und Vertrag ................................................... 223 4. Vertragsbeispiel................................................................................................................ 223 5. Beschaffungskompetenzen .............................................................................................. 235
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Lieferantenmanagement ......................................................................................................237 1. Grundlagen .......................................................................................................................237 2. Lieferantensegmentierung (Einordnung)..........................................................................237 3. Lieferantenbewertung.......................................................................................................239 4. Lieferantenentwicklung....................................................................................................241 5. Entwicklung der Lieferanten-Supply-Chain.....................................................................243 6. Aktive Entwicklung durch Lieferanten-KVP...................................................................245 6.1 Grundlagen ................................................................................................................245 6.2 Die Schritte eines KVP-Workshops ..........................................................................252 7. Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung .........................................................254 Commodities .........................................................................................................................257 1. Grundlagen .......................................................................................................................257 2. Produkte im Unternehmen (Commodities?).....................................................................258 3. Relative Lieferantenabhängigkeit.....................................................................................258 4. Beschaffungsmarktanalyse ...............................................................................................259 4.1 Einfluss der Feedstock-Kosten auf den Marktpreis ..................................................259 4.2 Analyse der Angebots- und Nachfragefaktoren ........................................................260 4.3 Marktformanalyse .....................................................................................................262 5. Quellen für Marktinformationen ......................................................................................263 6. Ziele der Beschaffung.......................................................................................................264 7. Beschaffungsstrategien.....................................................................................................264 8. Beziehungsmanagement ...................................................................................................266 8.1 Vorbereitung auf Verhandlungen mit Lieferanten .....................................................266 8.2 Auftreten gegenüber den Lieferanten........................................................................267 8.3 Lieferantenmanagement ............................................................................................267 9. Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung .........................................................268
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Teil V Organisationskompetenzen........................................... 271 Projektmanagement............................................................................................................. 273 1. Grundlagen....................................................................................................................... 273 2. Projektphasenmodell........................................................................................................ 275 3. Projektkompetenzen......................................................................................................... 277 3.1 Projektorganisation ................................................................................................... 277 3.2 Projektumfang (Scope-Management)....................................................................... 281 3.3 Projektvertrag ........................................................................................................... 282 3.4 Projektkommunikation ............................................................................................. 286 3.5 Change Management ................................................................................................ 289 3.6 Planung und Zeitplanung.......................................................................................... 290 3.7 Risikomanagement ................................................................................................... 294 3.8 Kostenmanagement und Budgetierung..................................................................... 296 3.9 Beschaffung .............................................................................................................. 298 3.10 Projektabschluss ....................................................................................................... 298 4. Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung ........................................................ 299 Analyse des Beschaffungssystems....................................................................................... 302 1. Einführung ....................................................................................................................... 302 2. Qualitative Bewertung ..................................................................................................... 305 3. Ausrichtung des Beschaffungssystems ............................................................................ 306 4. Prozesse............................................................................................................................ 308 4.1 Übergeordneter Planungsprozess.............................................................................. 309 4.2 Strategischer Beschaffungsprozess........................................................................... 311 4.3 Operativer Beschaffungsprozess............................................................................... 312 4.4 Lieferantenentwicklung ............................................................................................ 312 5. Ressourcen und Infrastruktur des Beschaffungssystems ................................................. 314 5.1 Einkaufsorganisation ................................................................................................ 314 5.2 Einkaufsmitarbeiter und Status................................................................................. 317 5.3 Controlling und Leistungsmessung .......................................................................... 320 5.4 IT-Technologie.......................................................................................................... 321
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XVII
Kooperation und Zusammenarbeit ....................................................................................325 1. Grundlagen .......................................................................................................................325 2. Kooperationsperspektiven ................................................................................................326 2.1 Zusammenfassung .....................................................................................................337 3. Management und Leitung einer Kooperation...................................................................338 3.1 Führungstätigkeiten und Aktivitäten im Sinne der Kooperation...............................339 3.2 Führungsaktivitäten, die vermeintlich rücksichtslos sind .........................................342 2.3 Führung, um einen gemeinsamen Vorteil durch Kooperation zu erlangen ...............345 Literaturhinweise .................................................................................................................349 Der Autor...............................................................................................................................351 Stichwortverzeichnis.............................................................................................................353
1
Teil I Grundlagen des strategischen Einkaufs
Verbinden als Grundaufgabe
3
Verbinden als Grundaufgabe
1.
Grundlagen
Die Aufgabe jeder Beschaffungsorganisation – und somit von jedem Einkäufer – ist es, die Geschäftsbedürfnisse des eigenen Unternehmens mit den Fähigkeiten der Lieferanten zu verbinden. Hierunter versteht man, die internen Geschäftsbedürfnisse durch effektives Management mit den externen Lieferantenfähigkeiten so zu verbinden, dass ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen entsteht. Aus diesem Grund ist die Fähigkeit des Verbindens für den Erfolg des Einkaufs und des Unternehmens von zentraler Bedeutung.
technisches Verbinden
Wissen Geschäftsbedarf des eigenen Unternehmens
Wissen
UnternehmenLieferantenBeziehung
Leistungsfähigkeit der Lieferanten Vertrauen
Respekt
soziales Verbinden
Abbildung 2:
Technisches und soziales Verbinden
Zur optimalen Erfüllung dieser Aufgabe ist zunächst die aktuelle Situation zu analysieren und anschließend ist die ideale Liefersituation zu beschreiben. Daraufhin wird mit der Beschaffungsstrategie der Weg zu diesem Idealzustand beschrieben. Die Beschaffungswerkzeuge dienen schließlich dazu, den definierten Idealzustand zu erreichen. Dieser kurz angedeutete Prozessablauf bildet die Grundlage für das vorliegende Buch. Erfolgreiches Verbinden teilt
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Verbinden als Grundaufgabe
sich auf in technisches und soziales Verbinden sowie die anschließende Umsetzung. Alle Teile sind notwendig, damit sowohl die Beschaffungsstrategie als auch das Management von Lieferantenbeziehungen erfolgreich umgesetzt werden können. Technisches Verbinden bedeutet, die internen Anforderungen und die Leistungsfähigkeit der externen Lieferanten genau zu kennen, um hierdurch einem Lieferanten ein bestimmtes Unternehmensinteresse erfolgreich zuordnen zu können. Das technische Verbinden beinhaltet internes und externes Wissen. Soziales Verbinden hingegen bedeutet, dass durch die Pflege von Beziehungen Einfluss auf Lieferanten gewonnen werden kann. Des Weiteren wird intern, zu Kollegen und anderen Abteilungen, wie extern, zu Lieferanten, ein Vertrauensverhältnis geschaffen und ausgebaut, das von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Auch die erfolgreiche Umsetzung, als drittes Glied in dieser Kette, ist entscheidend. Hier geht es darum, dass der Einkäufer kontinuierlich an den individuellen Beschaffungsprozessen arbeitet, um seinen persönlichen Beitrag zum Geschäftserfolg zu leisten. Jede der drei Komponenten: Wissen, Einfluss und Disziplin ist notwendig, wenn das Endergebnis, nämlich erfolgreiches Verbinden, erreicht werden soll. Geschieht dies nicht, so ergeben sich die folgenden Problemstellungen: Ein Einkäufer kann eine breite Wissensbasis besitzen. Sein Wissen wird aber nur dann zum Erfolg führen, wenn der Einkäufer auch Einfluss hat. Die Arbeit des Einkaufs, wichtige Ergebnisse zu erzielen und die Lieferanten zu beeinflussen, hängt zu einem großen Teil von der reibungslosen Zusammenarbeit aller Beteiligten ab. Die Aktionen eines Einkäufers bleiben auch dann erfolglos, wenn dieser seine Tätigkeiten ohne Sachwissen (eigenes Unternehmens-, Materialien-, Lieferanten- oder Branchenwissen) ausführt. Ein weiteres Problem kann sein, dass ein Einkäufer zwar sowohl Sachwissen als auch Einfluss hat, ihm aber die Disziplin fehlt, konsequent an der Umsetzung zu arbeiten. Wissen und Einfluss sind hier nutzlos, da sie nicht Teil eines Plans sind, der zu Geschäftserfolgen führt.
2.
Einzelheiten des Verbindens
Die Dreiteilung des Verbindens in soziales und technisches Verbinden sowie deren Umsetzung wird im folgenden Abschnitt genauer erklärt.
Verbinden als Grundaufgabe
2.1
5
Soziales Verbinden
Das soziale Verbinden hat, wie bereits oben erwähnt, zwei Seiten. Der Einkauf hat sowohl die Aufgabe, für eine reibungslose Zusammenarbeit mit den internen Abteilungen zu sorgen als auch die Lieferantenbeziehungen möglichst störungsfrei zu gestalten. Gegenseitiges Verständnis, Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft sind die Triebfedern für eine effektive Zusammenarbeit. Ein Klima des Vertrauens und gemeinsame Zielsetzungen mit anderen Abteilungen und Funktionen können ein Klima schaffen, das eine Erfolg versprechende Zusammenarbeit ermöglichen kann, die gleichzeitig den Sinn für Teamarbeit stärkt. So können Einkäufer die Entscheidungen von anderen Funktionsbereichen im Sinne des Unternehmens beeinflussen. Eine ineffektive Zusammenarbeit zwischen internen Abteilungen und dem Einkauf kann zu Unzufriedenheit, Missverständnissen und Unstimmigkeiten führen. Deshalb ist neben internem Wissen auch das Miteinander zwischen internen Abteilungen und dem Einkauf ein wichtiger Aspekt zur erfolgreichen Erfüllung der Aufgaben. Das soziale Verbinden mit Lieferanten ist abhängig von der Art der Beziehung zu dem jeweiligen Lieferanten. Sie reicht von einer rein wettbewerbsorientierten Beziehung (Lieferant im Wettbewerb), über eine durch den Wettbewerb zwangsläufig festgelegte Beziehung (qualifizierter, anerkannter Lieferant), eine auf Präferenzen beruhende Beziehung zu den Lieferanten (Vorzugslieferant) bis hin zu einer strategischen Geschäftsverbindung (Strategischer Lieferant). Für Lieferanten im Wettbewerb spielt das soziale Verbinden kaum eine Rolle. Hier haben beide Parteien kurzfristige Interessen. Diese Beziehungen können leicht eingegangen und ebenso leicht wieder beendet werden, da es sich oft um einmalige Transaktionen handelt. Im Gegensatz zum Lieferant im Wettbewerb spielt das soziale Verbinden bei den anderen drei Lieferantenarten eine sehr wichtige Rolle. Die aktive Entwicklung von Lieferanten erfordert eine starke Vertrauensgrundlage und führt zu langfristigem Engagement auf beiden Seiten. Ein Erfolg ist nur dann möglich, wenn die Kommunikation offen, ehrlich und fair erfolgt. Alle Verhaltensweisen, die diesen Prinzipien widersprechen, sind zu vermeiden, auch wenn sie einen kurzfristigen günstig erscheinenden Erfolg bringen könnten. Enge Beziehungen zwischen dem Einkauf und den Lieferanten können zukünftig enormen Wert in Bezug auf Strategieentwicklung, Produktinnovation und technologischen Fortschritt bringen, was Einsparungspotentiale mit sich bringt. Eine weitere Facette des sozialen Verbindens besteht in der Beteiligung der Lieferanten in erster Linie bei Strategischen Lieferantenbeziehungen an den täglichen Geschäftsvorgängen. Es kann passieren, dass Lieferanten beginnen, Verbesserungsvorschläge in den Bereichen Produktions- und Effizienzverbesserung zu machen, die zu wichtigen Innovationen führen können und damit den eigenen Unternehmenszielen dienen.
6
Verbinden als Grundaufgabe
2.2
Technisches Verbinden
Der Einkäufer hat die Verantwortung, sich Expertenwissen über die Belange seines Beschaffungsgebietes zu erarbeiten. Dieses setzt sich zusammen aus der Kenntnis: Der Geschäftsbedürfnisse und des Bedarfs der internen Abteilungen. Der Geschäftsstrategien des eigenen Unternehmens oder von Geschäftseinheiten. Der Zielvorgaben bezüglich Gewinne und Volumen und somit Kosten, Mengen etc. Des zukünftigen Bedarfs an Rohstoffen, Produkten, Waren und Dienstleistungen auf einer Jahresbasis (lokal, regional, international). Für das kommende Geschäftsjahr. Für die nächsten drei Jahre. Mit diesem Expertenwissen des Einkäufers als Grundlage beginnt der Beschaffungsprozess. Je nach Umfang der Beschaffung und Wichtigkeit für das Unternehmen muss entschieden werden, ob ein Beschaffungsteam benötigt wird oder ob die Beschaffung vom Einkauf alleine durchgeführt werden kann. Generell sollte ein interdisziplinäres Team, geleitet vom Einkauf, die bevorzugte Option darstellen. Dieses Einkaufsteam definiert dann in Zusammenarbeit mit den internen Abteilungen die Beschaffungsziele. In Abhängigkeit von Projekt und Geschäftsbedürfnissen müssen die entsprechenden internen Abteilungen Marketing & Vertrieb, Forschung & Entwicklung, Logistik, Produktion oder die Geschäftsleitung einbezogen werden. Kostenbezogen
Lieferbezogen
Leistungsbezogen
Gesamte Systemkosten
Verfügbarkeit
Technologieentwicklung
Einstandspreis
Zuverlässigkeit
Verbraucherbedürfnisse
Risiko
Vorhersehbare Fähigkeit
Kundenbedürfnisse
Lagerkosten
Zeitplanung
Optik
Transportkosten
Effektivität, Flexibilität
Total Quality
Abbildung 3:
Zielbündel im Beschaffungsprozess
Die zu definierenden Ziele für den jeweiligen Beschaffungsprozess sind zum einen von dem Beschaffungsobjekt, zum anderen von der Abteilung, die das Produkt, die Ware oder Dienstleistung verwendet, abhängig. Grundsätzlich müssen die Ziele von den Unternehmenszielen bzw. den Zielen der Geschäftseinheiten abgeleitet werden.
Verbinden als Grundaufgabe
7
Neben internem Wissen wird zum Entwickeln einer Beschaffungsstrategie auch externes Wissen benötigt. Der Einkauf ermittelt hierfür die Lieferanten- und Branchenfähigkeiten, die den gesuchten Anforderungen entsprechen. Als Erstes sind das Marktumfeld und die Marktgegebenheiten für die zu beschaffende Ware oder Dienstleistung zu analysieren. Hierbei sind mit Hilfe von Insiderwissen und anderen Quellen folgende Punkte zu bewerten: Industrie
Lieferanten
Marktdynamik
Kapazität
Finanzielle Situation
Kostendruck
Technologie
Qualitätssicherung
Gewinnspanne
Finanzielle Situation
F&E-Kapazität
Angebot und Nachfrage
Kostenstruktur
Technologie
Öffentlichkeit
Rohmaterialien
Kapazität
Politik
Ersatzwaren
Materialfluss
Lagerbestand
Käuferwettbewerb
Rolle in der Industrie
Technologieentwicklung
Abbildung 4:
Analyse des Beschaffungsumfeldes
Die aktuelle Liefersituation und die ideale Liefersituation werden auf Basis der Marktanalyse definiert. Das Beschaffungsziel ermöglicht es, die Auswahl der potentiellen Lieferanten an den Erfordernissen des eigenen Unternehmens auszurichten. Die sich hieraus ergebende eingeschränkte Anzahl an Lieferanten wird im Hinblick auf die Übereinstimmung mit den Anforderungen und Zielen verglichen. Unter Zuhilfenahme der SCOPE-Methode werden vorliegende Informationen in die Kategorien der fünf wichtigsten Lieferantenfähigkeiten gegliedert. Diese sind: Strategic Fit (strategische Eignung). Customer Portfolio (Kundenportfolio). Operational Excellence (operative Fähigkeiten). Product/Process Development (Produkt- und Prozessverbesserungen). Economic Viability (finanzielle Gesundheit). SCOPE ist sowohl für die Auswahl von neuen Lieferanten als auch für die Bewertung bestehender Lieferanten, im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung der Beziehungen, geeignet. Das Ziel ist es, für jede zu beschaffende Ware oder Dienstleistung unter Verwendung der verfügbaren Informationen die optimale Beschaffungsstrategie zu entwickeln. Mit ihrer Hilfe soll dann ausgehend von der aktuellen Liefersituation eine ideale Liefersituation erreicht werden.
8
2.3
Verbinden als Grundaufgabe
Umsetzung mit Beschaffungswerkzeugen
Das technische Verbinden dient dem Einkäufer als Grundlage zur Erstellung einer effektiven Beschaffungsstrategie. Das soziale Verbinden hingegen führt dazu, dass die Einkäufer andere lenken und eine spezielle Sichtweise durchsetzen können. Aus diesen beiden Möglichkeiten des Verbindens, unter Einsatz der richtigen Beschaffungswerkzeugen und -taktiken, schaffen die Einkäufer einen Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen. Beschaffungswerkzeuge und -taktiken sind notwendige Mittel, um die Strategie umzusetzen. Sie sind eher kurzfristig einsetzbar und können je nach Situation oder Bedarf angepasst werden. Für die Umsetzung der Strategie ist zu entscheiden, welches die richtigen Beschaffungswerkzeuge sind, abhängig von den aktuellen Marktbedingungen und den Geschäftsbedürfnissen. Bei korrekter Anwendung der richtigen Beschaffungswerkzeuge entstehen entscheidende Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen zum Beispiel: Einsparungen (Einstandskosten oder laufende Kosten), Kostenverhinderungen (Verhinderung von Mehrausgaben), Arbeitsvereinfachungen (Einsparung von Ressourcen), Entwicklung neuer Vorgehensweisen, höhere Zuverlässigkeiten (längere Standzeit) oder ein besserer Service.
3.
Beschaffungskompetenzen
Abbildung 5 zeigt einen Überblick über die Beschaffungskompetenzen, Abbildung 6 ist eine grafische Zusammenfassung des Kapitels „Verbinden“.
VERBINDEN DER GESCHÄFTSBEDÜRFNISSE MIT DEN LIEFERANTENFÄHIGKEITEN
Abbildung 5: Bewiesene Fähigkeiten: Hat Verbinden über verschiedene Geschäfts- und Lieferbereiche angewendet (Geschäftsbereich oder länderübergreifend).
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat Fähigkeiten in beiden Bereichen des Verbindens bei zwei wichtigen Material-/Lieferanten-Schnittstellen im Unternehmen bewiesen.
KÖNNER Soziales Verbinden: Nimmt ständig Einfluss auf die langfristige Lieferantentechnologie und die Ressourceneinteilung hin zum eigenen Unternehmen als bevorzugtem Kunden. Baut fortgeschrittene Beziehungen zu Hauptlieferanten auf, um eine strategische Anpassung an das Unternehmen zu ermöglichen. Ist in der Lage, Beziehungen zu Lieferanten effektiv zu managen. Technisches Verbinden: Sieht und ergreift Gelegenheiten zur Synergie zwischen dem Unternehmen und verschiedenen Lieferanten und verschiedenen Positionen der Beschaffungskette. Wägt Risiken und Risiko-Management pro-aktiv mit der Lieferbasis ab. Verbindet die Kompetenzen von Hauptlieferanten miteinander.
Soziales Verbinden: Baut effektive interne und externe Beziehungen auf und nutzt diese gezielt. Hält und leitet die Lieferantenschnittstelle. Fördert auf Vertrauen und gegenseitigen Respekt basierende Beziehungen zu wichtigen internen Funktionen. Versteht die gesamte Palette der Lieferantenbeziehungen (Lieferant im Wettbewerb, Vorzugslieferant, Qualifizierter Lieferant, Strategischer Lieferant) und entwickelt diejenige, die zur situationsbedingten Zusammenarbeit passt. Steuert die Erwartungen der Lieferanten so, dass sich für ihn verantwortliche Risiken lohnen. Erleichtert funktionierende Arbeitsbeziehungen zwischen den Lieferanten und internen Unternehmensfunktionen. Fördert Aufgeschlossenheit und Empfänglichkeit gegenüber den Ideen und Vorschlägen der Lieferanten. Technisches Verbinden: Ist in der Lage, die geschäftlichen Anforderungen des Unternehmens in die Arbeitsprioritäten der Einkaufsabteilung zu übertragen. Zieht das gesamte Spektrum der Verbindungsmöglichkeiten in Betracht und setzt die optimalen ein. Setzt zur Bewertung von Lieferanten eine ganzheitliche Gesamtwerteinschätzung ein: Kosten, Qualität, F&E, Flexibilität, Risikomanagement etc.
KENNER
Zu den erbrachten Geschäftsergebnissen zählen:
Beschaffungskompetenzen: Verbinden
Hat das Wissen und die Vorgehensweisen zum Verbinden von Lieferantenfähigkeiten mit den Unternehmensbedürfnissen konsequent weiterentwickelt. Hat entsprechende Schulungen entworfen und vermittelt dieses Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Seine Meinung zu Themen aus dem Bereich des Verbindens und der Lieferantenbeziehungen wird auf breiter Ebene nachgefragt und von Führungskräften des Unternehmens respektiert. Ein Vordenker bei der Entwicklung neuer Instrumente und Verfahren für die Optimierung von Lieferantenbeziehungen. Gilt bei den Lieferanten als Ansprechpartner zur Lösung von Problemen mit der Schnittstelle oder bei geschäftlichen Problemen mit dem Unternehmen. Verfügt über Erfolge bei der Förderung und Pflege von Beziehungen zwischen Lieferanten und ihren Pendants beim eigenen Unternehmen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Seine Ansicht darüber, wie man neue, einzigartige Lieferkompetenzen finden und verbinden kann, ist bei den Führungskräften des Unternehmens gefragt.
EXPERTE
Sorgt für einen Wettbewerbsvorteil für sein Unternehmen, indem er die internen Anforderungen des Unternehmens mit den Fähigkeiten der Lieferanten technisch verbindet. Dies erfolgt über eine als soziales Verbinden bezeichnete Aktivität, bei der interne und externe Beziehungen zu einzelnen Lieferanten hergestellt und gesteuert werden, wodurch die Vermittlung der geschäftlichen Anforderungen vereinfacht wird.
Verbinden als Grundaufgabe 9
Abbildung 6:
Zusammenfassung des Verbindens
•Vorhersehbare Bedarfe •Verfügbarkeit •Zuverlässigkeit •Effektivität •Zeitplanung/Anlieferfenster •Flexibilität
Lieferung
•F&E, Technologieentwicklung •Kunden-/Verbraucherbedürfnisse •Öffentlichkeits- & Sicherheitsanforderungen •Optik •Total Quality
Leistung
•Gesamte Systemkosten •Einstandspreis •Betriebskosten •Risiko •Lagerkosten
Kosten
Geschäftsbedürfnisse
•Verhandlung •Verträge •Konzentration •Standardisierung
soziales Verbinden
•Lieferant im Wettbewerb •Qualifizierter Lieferant •Vorzugslieferant •Strategischer Lieferant
Art der Lieferantenbeziehung
•Anfrage •Risikoanalyse •Wettbewerb •Kostenanalyse
Werkzeuge
Umsetzen durch Beschaffungswerkzeuge und -taktiken
Entwickeln einer Beschaffungsstrategie
technisches Verbinden
•Kapazität •Käuferwettbewerb •Finanzielle Gesundheit •Kostenstruktur •Beziehung zu Mitbewerbern •Materialfluss •Strategische Richtung •Rolle in der Industrie •F&E-Kapazität •Produktionskapazität •Technik
•Kostendruck •Gewinnspanne •Lagerbestand
•Angebot/Nachfrage •Fortschritt/Technologie •Öffentlichkeit/Politik
Marktdynamik
•Finanzielle Situation •Management •Philosophie •Verträge •Qualitätssicherung •Mitarbeiterstamm •Technologie
Lieferantenanalyse
•Feedstocks •Ersatzwaren •Technologie •Einstandskosten
Industrie
Lieferantenfähigkeiten
10 Verbinden als Grundaufgabe
Beschaffungsprinzipien
11
Beschaffungsprinzipien
1.
Ehrliche, ethische und faire Geschäftsbeziehung
1.1
Corporate Governance
Hat sich das eigene Unternehmen den Corporate-Governance-Grundsätzen (CGG) der deutschen Wirtschaft, den Grundsätzen einer transparenten, verantwortlichen und auf Wertsteigerung ausgerichteten Führung und Kontrolle des Unternehmens, verpflichtet, so sind sowohl der Aufsichtsrat und Vorstand als auch alle Führungskräfte und Mitarbeiter des Unternehmens dieser Zielsetzung verpflichtet. Die CGG spielen somit für jeden Mitarbeiter eine Rolle. Sie legen die grundsätzlichen Handlungs- und Verhaltensweisen für die Arbeit fest. Das eigene Unternehmen verpflichtet sich darin zu ehrlichem, ethischem und fairem Verhalten gegenüber allen Interessensgruppen. Ziel der CGG ist die Steigerung des Vertrauens der nationalen und internationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung des Unternehmens. Die CGG berücksichtigen die durch Recht und Gesetz gegebenen Rahmenbedingungen und werden durch anerkannte nationale und internationale Wohlverhaltensregeln und durch marktmäßige Gewohnheiten ergänzt. Die CGG sind keine für alle Zeiten festgelegten Verhaltensleitlinien, sondern ein fortlaufender Prozess und werden unter Berücksichtigung neuer gesetzlicher Bedingungen und sonstiger Erkenntnisse und Notwendigkeiten sowie nationaler und internationaler Standards überprüft und gegebenenfalls angepasst.
1.2
Unternehmensinterne Regelungen
Da die CGG nicht speziell genug für die Verhaltensgrundsätze im Beschaffungsumfeld sind, sollten die Erwartungen zum Verhalten an die eigenen Mitarbeiter klar und offen kommunizieren werden. Von den Einkaufsmitarbeitern wird erwartet, dass sie ihre Handlungen nach ethischen Geschäftsprinzipien ausführen.
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
12
Beschaffungsprinzipien
Vertrauen ist die Grundlage jeder effektiven Lieferantenbeziehung. Ehrliche, ethische, faire und legale Arbeit bildet das Fundament und fördert die Attraktivität des eigenen Unternehmens als Kunden. In diesem Zusammenhang werden von Ihnen als Einkäufer folgende Verhaltensweisen erwartet: Bleiben Sie bei der Wahrheit leiten Sie andere nicht absichtlich fehl. Bluffen Sie nicht und machen Sie sich keine offensichtlichen Fehler des Lieferanten zunutze. Klären Sie Probleme, Ansprüche und Streitigkeiten sachlich und fair. Sorgen Sie dafür, dass die Lieferanten die Spielregeln im Laufe der Geschäftsbeziehung verstehen und auch selbst anwenden. Bieten Sie den Lieferanten ein aussagekräftiges Feedback hinsichtlich ihrer Leistung und des Preises, so dass diese wissen, wo sie stehen, und Maßnahmen zur Verbesserung oder zum Schließen von Lücken ergreifen können. Teilen Sie nicht den Preis eines Lieferanten seinen Wettbewerbern mit, es sei denn, die Identität des Lieferanten kann geschützt werden oder der Lieferant ist damit einverstanden. Behandeln Sie firmeneigene Informationen des Lieferanten vertraulich. Die folgenden Regeln können bzw. sollen ein Bestandteil der Einkaufsvorschriften jedes Unternehmens sein. Als solches sollen sie für alle Mitarbeiter des Unternehmens gelten, ob sie Beschaffungsverantwortung haben oder nicht. Diese Richtlinie wahrt das Renommee als ein Unternehmen, dessen Entscheidungen nur auf legitimen, wirtschaftlichen Überlegungen basieren. Konkret bedeutet das für die Einkäufer, wie aber auch für alle anderen Mitarbeiter: Die Annahme von Geschenken als eine Voraussetzung für das Zustandekommen von Geschäften ist nicht erlaubt. Geschenke von Lieferanten dürfen nicht angenommen werden (dem Lieferant ist ruhig, aber bestimmt zu erklären, dass dies entgegen der Firmengrundsätze ist), hiervon ausgenommen sind Streuartikel mit einem Warenwert unter zehn Euro (oder einem anderen vorher definierten Wert). Einladungen zu Vergnügungsveranstaltungen (Sport, Theater usw.) sollen nicht angenommen werden. Falls ein Lieferant einen Standort des eigenen Unternehmens besucht, kann dieser zum Essen eingeladen werden. Falls der Einkäufer beim Lieferanten zu Besuch ist und er wird zum Essen eingeladen, darf dies angenommen werden, wenn es geschäftsbezogen ist. Es ist darauf zu achten, dass dieses Essen dem Anlass angemessen ist. Unter keinen Umständen sollte ein Lieferant für Reise- und Übernachtungskosten von Einkäufern oder anderen Mitarbeitern des eigenen Unternehmens aufkommen. Situationen mit einem Lieferanten, die einen Interessenkonflikt erzeugen können, sind zu vermeiden. Jeder, der Einkaufsentscheidungen auf einer dauerhaften oder einmaligen Basis an Freunde, Verwandte oder Firmen mit Geschäftsbeteiligungen trifft, sollte den potentiellen Interessenkonflikt mit der Geschäftsleitung besprechen.
Beschaffungsprinzipien
2.
13
Vier-Augen-Prinzip
Definitionen des Begriffes „Aufgabenteilung“. Unter Aufgabenteilung versteht man, dass verschiedene Personen verschiedene Funktionen erfüllen, d. h., jede Handlung wird von einer anderen Person durchgeführt. Die Aufgabenteilung trägt dazu bei, dass: Die richtigen wie auch verschiedene Personen eine Geldausgabe der Firma freigeben und ausführen. Fehler vermieden und entstandene Fehler aufgedeckt werden. Die Integrität aller Beteiligten geschützt wird. Der Ablauf des Beschaffungsprozesses beginnt mit der Bedarfsidentifikation und endet bei der Bezahlung des Lieferanten. Die fünf hier beschriebenen Funktionen bzw. Organisationseinheiten sollen einzelne, real existierende Personen sein. Der Antragsteller und der Freigabeverantwortliche müssen zwei verschiedene Personen sein. Antragsteller Erstellt die Bestellanforderung (BANF); bestätigt üblicherweise, dass die Leistung erbracht ist; bestätigt die Stundenzettel bzw. Rechnung Ļ Freigabeverantwortlicher Erteilt die Freigabe für die BANF; hat die Budget-, Finanz- und Prozessverantwortung Ļ Einkäufer Erfüllt Beschaffungsfunktion und platziert die Bestellung beim Lieferanten, ist Eigentümer der Lieferantenbeziehung Ļ Empfänger der Ware oder Dienstleistung Empfängt die Ware, wenn sie zum Werk geliefert wird, und verbucht zeitnah den Wareneingang im System Ļ Finanzbuchhaltung Rechnungsfreigabe erfolgt im System SAP, wenn sie in der Buchhaltung eingeht
Abbildung 7:
Aufgabenteilung im Beschaffungsprozess
14
Beschaffungsprinzipien
Aufgaben und Erwartungen an den Antragsteller Definiert zusammen mit dem Einkäufer den Umfang der Arbeit bzw. Ware. Entwickelt zusammen mit dem Einkäufer die Erfolgskriterien und arbeitet mit dem Einkäufer zusammen, um qualifizierte Lieferanten zu definieren. Nimmt an der Entwicklung und Ausführung der Beschaffungsstrategie teil. Erstellt die Spezifikationen und den Inhalt des Anfragepaketes, falls eine Anfrage nötig ist. Ist der technische Hauptkontakt zum Lieferanten, nachdem die Bestellung platziert ist. Er gibt die Richtung vor, gibt Feedback, löst Probleme, die sich in der Zusammenarbeit ergeben und arbeitet an der Verbesserung der Lieferantenqualität. Der Antragsteller arbeitet mit dem Einkäufer zusammen, damit sichergestellt ist, dass ein Lieferantenfeedback entsprechend den vorgegebenen Erwartungen und Richtlinien erfolgt. Speziell für Dienstleistungen gilt: Bestätigung der Leistungen (Stunden & Material) Gegenzeichnung der Stundenzettel auf wöchentlicher Basis Rückgabe der Rechnung an die Finanzbuchhaltung
Aufgaben und Erwartungen an den Freigabeverantwortlichen Überprüft den Inhalt der BANF auf Klarheit und Vollständigkeit und stellt sicher, dass der Inhalt der BANF zum Budget bzw. zum Projekt passt sowie dass die Kontierung auf der BANF zum Inhalt passt. Entscheidet, ob die Ware bzw. Dienstleistung direkte Ausgaben oder Investitionen sind (geringwertiges Wirtschaftsgut). Stellt sicher, dass der Antragsteller qualifiziert genug ist, die beauftragten Leistungen zu betreuen.
Aufgaben und Erwartungen an den Einkäufer Leitet den Beschaffungsprozess und ist Eigentümer der Lieferantenbeziehung. Stellt sicher, dass der Antragsteller und der Lieferant seine Verantwortlichkeiten verstehen. Macht sie verantwortlich für die Einhaltung der erforderlichen Prozeduren; gibt Hilfestellungen, falls diese nötig ist.
Beschaffungsprinzipien
15
Erstellt eine Liste der potentiellen Lieferanten, die zum Geschäftszweck passen, und stellt sicher, dass die Lieferanten die vorgegebenen Anforderungen verstehen und einhalten. Managt die Anfrage bzw. den Verhandlungsprozess und stellt im Anschluss sicher, dass die Bestellung oder der Vertrag sofort und richtig platziert wird. Ist der Eigentümer der übergeordneten Beziehung zwischen den Lieferanten und dem Werk bzw. der Geschäftseinheit. Löst Probleme mit Unterstützung des Antragstellers: Erstellt die Grundregeln für die Zusammenarbeit der Antragsteller mit den Lieferanten. Arbeitet mit den Antragstellern an der Entwicklung von Verbesserungszielen und Verbesserungsplänen. Unterstützt den Antragsteller bei berechtigten Forderungen an die Lieferanten. Dies gilt auch für den umgekehrten Fall. Löst Konflikte zwischen Lieferanten und dem Werk bzw. der Geschäftseinheit. Stellt sicher, dass der Lieferant ein Feedback zu seinen Leistungen erhält. Informiert den Lieferanten, wenn die Leistungsfähigkeit nachlässt und somit die Geschäftbeziehung gefährdet ist. Hierbei muss jedoch sichergestellt sein, dass das Feedback auf einer ausreichend großer Datenbasis basiert. Falls Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungsstellung auftauchen, leitet der Einkäufer die nötigen Arbeitsschritte ein, um diese zu klären. Speziell für Dienstleistungen gilt: Spezielle Preisvereinbarungen sind schriftlich in der Bestellung niedergeschrieben. Bei Stundenaufträgen oder Limitbestellungen ist ein Maximalbetrag zu definieren, der nicht überschritten werden darf. Stellt sicher, dass der Lieferant die Anforderungen, die an seine Rechnungen gestellt werden, versteht.
Aufgaben und Erwartungen an den Empfänger Nimmt nur Lieferungen an, die eine entsprechende Bestellnummer aufweisen. Überprüft, falls möglich, die Lieferung auf Beschädigungen, bevor die Lieferung akzeptiert wird. Arbeitet mit dem Antragsteller und dem Einkäufer an beschädigten und unvollständigen Lieferungen. Für den Fall, dass Teile ohne eine gültige Bestellnummer ankommen, leitet der Empfänger mit Unterstützung des Einkaufes den Problemlösungsprozess, zum Beispiel fehlende Bestellnummer auf den Lieferantenpapieren, Notfallbestellung, kostenlose Testlieferung, usw. Überprüft, ob die Bestellung mit dem Lieferschein und der Lieferung übereinstimmt, und erfasst den Wareneingang zeitnah im System.
16
Beschaffungsprinzipien
Informiert den Antragsteller über den Wareneingang und lagert die Waren, bis sie vom Antragsteller übernommen werden. Stellt sicher, dass die richtigen Frachtpapiere vorhanden sind, und legt diese ab. Falls Lieferungen außerhalb der Geschäftszeiten erfolgen oder Notfalllieferungen nötig sind, stellt er sicher, dass alle Dokumente vorhanden sind.
Aufgaben und Erwartungen an die Finanzbuchhaltung Bucht nur Rechnungen, für die eine offene Bestellung existiert bzw. die zur Buchung freigegeben sind, stellt sicher, dass Skonto genutzt wird. Speziell für Materialrechnungen gilt: Überprüft Rechnungen versus Wareneingang mit Hilfe von SAP. Überprüft den Rechnungsbetrag versus Bestellung mit Hilfe von SAP. Speziell für Dienstleistungen gilt: Stellt sicher, dass die erforderlichen Dokumente oder Freigaben entsprechend dem Ablaufplan vorhanden sind. Stellt sicher, dass die berechneten Stunden mit den unterschriebenen Leistungsnachweisen übereinstimmen. Schickt die Rechnung zum Antragsteller, damit dieser die Leistung bestätigen kann. Hat ein System, um die Doppelzahlung von Rechnungen zu verhindern.
3.
Erfolgsmessung im Einkauf
Der Wertbeitrag des Einkaufes entsteht durch Kosteneinsparungen oder -verhinderungen. Hierbei ist es wichtig, die Sprache der Geschäftsleitung zu sprechen. Von primärem Interesse sind natürlich Einsparungen, die G&V-wirksam werden. Bei direkten Verbrauchsmaterialien oder Rohstoffen zeigt sich eine Einsparung gegen die vom Einkauf geplanten Kosten bzw. die Kosten des Vorjahres. Bei Einsparungen von Hilfs- und Betriebsstoffen ist die Wirksamkeit wesentlich schwieriger zuzuordnen, da zumeist Wartungsbudgets nur pauschal geplant werden, d. h., es gibt hier häufig Preis-, Mengen- und Mixeffekte. Noch schwieriger wird es bei Investitionsvorhaben, denn zum einen wirkt nur eine Kostenreduzierung über die Abschreibung, und was ist der Referenzrahmen, wogegen gemessen wird? Aus diesem Grunde hat es sich als praktikabel erwiesen, einen neuen Begriff einzuführen, die „Kostenverhinderung“.
Beschaffungsprinzipien
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Prinzipien Es gibt zwei Schlüsselprinzipien, die festlegen, ob eine Kosteneinsparung bzw. Kostenverhinderung berichtet werden kann oder nicht:
Geld muss gespart worden sein, bzw. die Ausgabe von Geld muss verhindert worden sein,
und Mitarbeiter des Einkaufes waren aktive Teilnehmer im Entscheidungsprozess.
Damit eine Einsparung von Geld bzw. Verhinderung von Ausgaben berichtet werden kann, muss ein spezifischer, definierbarer Beitrag beim Einkaufsprozess und bei der Abwicklung entstanden sein. Es ist entscheidend für den Einkauf, eng mit den jeweiligen Abteilungen zusammenzuarbeiten, um so Wettbewerbsvorteile zu erlangen.
Kosteneinsparung oder Kostenverhinderung Wenn Geld von einem festgelegten Budget einspart wird, so ist dies eine Einsparung. Die Mehrzahl der Budgetverbesserungen sind Einsparungen. In der Regel liegt eine Einsparung für einen laufenden Bedarf vor. Eine Einsparung zeigt sich sofort in der G&V. Eine Kostenverhinderung ist in der Regel mit einem Projekt verbunden. Dies kann auch die Abwendung einmaliger Kosten sein, die verhindert werden (zum Beispiel Skontoausbuchungen). Üblicherweise beziehen sich Kostenverhinderungen auf einen einmaligen Bedarf bzw. eine Sache. Neben der Verhinderung gibt es auch Budget-Kostenverhinderungen und Investitionseinsparungen, diese sind jedoch nicht so häufig. Es ist zwingend erforderlich, die Begriffe und Vorgehensweisen im Unternehmen eindeutig zu definieren und mit der Geschäftsleitung abzustimmen. Sonst kann es dazu kommen, dass der Einkauf große Zahlen berichtet, der Kaufmann aber keine Verbesserungen findet!
Richtlinien Die folgenden Richtlinien sollen die Berechnung von Kosteinsparungen bzw. Kostenverhinderungen darstellen, an denen der Einkauf beteiligt ist. Wenn eine Beauftragung verbunden mit einem Lieferantenwechsel erfolgt, so ist der Unterschied zwischen dem Preis des vorhergehenden Lieferanten und dem Preis des neu ausgewählten Lieferanten anzusetzen. Für den Fall, dass die Ware zum ersten Mal beschafft wird und mehrere Anbieter auf dem Markt sind, so ist der Abschluss gegen den Marktpreis zu vergleichen. Als Marktpreis wird der Durchschnitt aller Angebote angenommen, jedoch ohne Bewertung des teuersten.
18
Beschaffungsprinzipien
Wird eine Verhandlung durchgeführt und es ist kein gegenwärtiger Lieferant vorhanden, so ist die Differenz zwischen Angebot und Auftrag heranzuziehen. Für den Fall, dass ein Investitionsantrag mit detaillierter Kosteneinsparung existiert, kann eine Kostenverhinderung gegen die Schätzung gemessen werden, falls ein niedrigerer Preis durch die Beteiligung des Einkaufs erreicht wurde. Sofern durch Unterstützung des Einkaufs Einsparungen für Aufgaben erzielt werden, die nicht unmittelbar zum Einkauf gehören, so sind diese ebenfalls entsprechend zu bewerten, zum Beispiel Ausbuchung von Skontonachforderungen, Bonusgutschriften bzw. Sonderregelungen, Geltendmachung einer Vertragsstrafe, Rückgabe unbegründeter Rechnungen, Naturallieferungen (Serviceleistungen), Verhinderung von Mahn- und Rechtskosten. Wird das Anlagevermögen durch den Einkauf (Konsignationslager) reduziert, so sind die Kosten, die durch die Lagerung als Einsparung entstehen, zu berichten. Findet der Einkauf einen neuen Lieferanten, dessen Produkt eine längere Standzeit hat als das gegenwärtige Produkt, so ist dies als Einsparung zu berichten. Bei Verträgen mit mehreren Jahren Laufzeit soll die Einsparung für ein Jahr jeweils im Berichtszeitraum dargestellt werden. Hierbei ist eine eventuelle Preissteigerung über die Laufzeit zu berücksichtigen. Eine längere Fortschreibung reduziert die Glaubwürdigkeit gegenüber der Geschäftsleitung zu sehr.
Vordruck: Empfehlung einer Auftragsvergabe Ein wichtiges Dokument sind die „Empfehlungen der Auftragsvergabe“. Hiermit wird dokumentiert, warum ein Vertrag bzw. Auftrag an einen Lieferanten vergeben wird. Der folgende Vordruck in Abbildung 8 stellt sicherlich die Maximalforderung für eine Empfehlung dar. In der betrieblichen Praxis kann bei kleineren Beschaffungen auch eine vereinfachte Form verwendet werden. Es ist aber auf jeden Fall wichtig, eine Dokumentation der Auftragsvergabe zu haben, damit die Vorgänge „revisionssicher“ sind.
Beschaffungsprinzipien
19
- Seite 1 -
VERGABEEMPFEHLUNG für *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Beschaffungsprojektes)
(Datum)
EMPFEHLUNG DER AUFTRAGSVERGABE Geschäftsleitung oder Einkaufsleitung, wie in der Unterschriftenregelung oder Geschäftsordnung definiert
An:
Grunddaten
Anweisungen Ware, Rohmaterial, Maschine, Dienst-
Was
Leistung etc. Gesamtgeschäftsvolumen in EURO und
Wert
EURO pro Jahr Vertragsgültigkeit von bis und Gesamt-
Laufzeit
dauer in Monaten, bzw. Jahren
1. Empfehlung das, x
x
x
x
x
Einzelheiten das Geschäft.__________________________ mit einem gesamten Geschäftsvolumen von EURO _________ für einen Zeitraum von._______ Monaten vom _________ bis zum._________ vergeben. einen._________ Monate gültigen Vertrag mit ______________ und einen _________ Monate gültigen Vertrag mit ___________________ abschließen. Wir uns die Option vorbehalten, dass _________
Wir beabsichtigen mit der Qualifikation von __________________ zu beginnen oder diese fortzusetzen, um eine Kosteneinsparung von EURO ___________. pro Jahr zu erreichen. Diese Empfehlung hat die Zustimmung von _____________________
2. Schlussfolgerung für das eigene Unternehmen und die Lieferanten Einzelheiten Einfluss der Auftragsvergabe für die betroffenen Werke, Geschäftseinheiten oder das gesamte Unternehmen: x Diese Empfehlung mit einem Gesamtwert von EURO ________ oder EURO ________ pro Jahr, bedeutet eine Kostenerhöhung/ Kostenreduzierung von EURO ________ verglichen zum letzten Jahr, bzw. einer Erhöhung/Reduzierung um _______ %. x Der Verlust/Gewinn gegenüber der letzten Forecast vom ______ für das Geschäftsjahr ______ beträgt EURO ______ oder _____ %. x
Diese bedeutet für die einzelnen Werke und Standorte Folgendes: Werk A B GESAMT:
Jährliche Ausgaben EURO/a
Kosten Veränderung EURO %
Anweisungen Beschreibung, um welches Geschäft es sich handelt, mit dem Geschäftsvolumen und der Vertragslaufzeit (d. h. Wiederholung der Grunddaten als Fließtext) Falls mehrere Verträge abgeschlossen werden sollen, werden hier die individuellen Laufzeiten und Lieferantennahmen eingetragen. Sollte es notwendig sein, bestimmte Optionen offen zu lassen (z. B. nicht die komplette Vergabe), so ist dies hier anzumerken. Falls der neue Lieferant noch nicht qualifiziert ist, ist dies hier zu vermerken, inkl. des wirtschaftlichen Vorteiles der Qualifikation. Zustimmung der Fachabteilungen, wie F&E, Werksleitung, Technik, QS etc.
Anweisungen
Eine klare Kommunikation über den Einfluss auf das Geschäft ist unerlässlich. An dieser Stelle geht es um eine Referenz zum letzten Geschäftsjahr. Einfluss des Abschlusses gemessen am Budget bzw. am Forecast. Einfluss des Abschlusses auf die einzelnen Werke und Standorte.
Gewinn/Verlust vs. Budget (Forecast) EURO/a %
20
Beschaffungsprinzipien
- Seite 2 -
VERGABEEMPFEHLUNG für *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
x
(Name des Beschaffungsprojektes)
Einfluss des Abschlusses auf die Lieferantenbasis.
Diese bedeutet für die Lieferanten: Lieferant
Gegenwärtige Geschäftsausgaben EURO Volumen
(Datum)
Empfehlung EURO Volumen
Änderung % (EURO) %
A B C GESAMT:
3. Geschäftsergebnisse Vorherige Kosten (alter Lieferant und alte Kosten) x Beim aktuellen Lieferanten _________________, d. h. vor der Interaktion durch den Einkauf, würden sich die Kosten projiziert auf die neue Vertragsdauer auf EURO ________ bzw. EURO _______ pro Jahr belaufen. Neue Kosten (neuer Lieferant und neue Kosten) x Beim neuen Lieferanten _________________, d. h. nach der Interaktion durch den Einkauf, würden sich die Kosten projiziert auf die neue Vertragsdauer auf EURO ________ bzw. EURO _______ pro Jahr belaufen. Geringste Kosten (d.h. bestes Angebot) x Welches sind die theoretischen geringsten Kosten in EURO ________ und die praktischen geringsten Kosten in EURO ________ pro Jahr. Welches Potenzial in EURO _______ pro Jahr bleibt ungenutzt. x
Begründung: _____________________________________________
Letzte Empfehlung x Bei der letzten Geschäftsvergabe im Jahr ______ wurden für EURO _______ pro Jahr ein Volumen von _______ unter Vertrag genommen. x
Im Vertragszeitraum wurde ein Umsatz von EURO ________ bei einem Volumen von _______ gemacht.
x
Die Abweichung ergibt sich aus ________________
4. Diskussion Marktkräfte x Zukünftige Anforderungen der Werke bzw. der Geschäftsbereiche: _______________________________________________________ x
Angebot und Nachfrage: ___________________________________
x
Entwicklung der Feedstocks und Kostentreiber: _________________
Anweisungen Zur Beurteilung sind die Kosten des alten Lieferanten, d. h. alter Preis, mit dem neuen Volumen zu multiplizieren.
Anweisungen Verliert ein aktueller Lieferant ein Geschäft, so ist es wichtig zu hinterfragen, wie sich sein alter bzw. neuer Preis mit dem Preis, der dieser Empfehlung zu Grunde liegt, vergleicht.
Anweisungen Theoretische Kosten entsprechen dem reinem Angebot bzw. dem verhandelten Preis. Die praktischen Kosten sind abzüglich der Qualifizierungskosten. Erfolgt die Geschäftsvergabe nicht an den günstigsten Anbieter, weil der Qualifikationsaufwand zu hoch ist oder die technische Vorbeurteilung keine zufrieden stellenden Ergebnisse geliefert hat, so ist hier auszuführen warum.
Anweisungen Planung für die letzte Geschäftsvergabe in Wert und Menge. Umsatz und Mengenvolumen, das während der Geschäftslaufzeit gemacht wurde. Falls sich ein Unterschied aus der Planung und dem wirklichen Umsatz ergibt, ist die Begründung hier darzustellen.
Anweisungen Planung für die kommende Vertragsperiode bezüglich Volumenentwicklung, neuer Produkte, Alternativen etc. Beschreibung der Marktkräfte nach dem Porter Modell. Entwicklung der Feedstocks (z. B. Papier, Kunststoff, Öl etc.) und weiterer Einflussfaktoren (z.B. Inflation, US-DollarKurs etc.)
Beschaffungsprinzipien
21
- Seite 3 -
VERGABEEMPFEHLUNG für *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Beschaffungsprojektes)
Wie gut trifft die Vergabe den eigenen Geschäftsbedarf? x War die Beschaffungsstrategie richtig? _________________________ x
Wurden die richtigen Annahmen getroffen? ______________________
x
Stimmt diese Auftragsvergabe mit der langfristigen Geschäfts- und Beschaffungsstrategie überein?_________________________________ Wie wird der Beschaffungsmarkt voraussichtlich bei der kommenden Vergabe reagieren? ________________________________________
x
Lieferantentaktiken x Was wurde angeboten? _____________________________________ x
Entsprachen die Angebote den Erwartungen? ___________________
x
Haben die Verhandlungsstrategien mit den Lieferanten gewirkt? ________________________________________________________
x
Sind weitere Gespräche notwendig? ___________________________
(Datum)
Anweisungen Vergleich der zuvor definierten Beschaffungsstrategie vs. der Vergabe.
Der Leser muss nach dem Lesen davon überzeugt sein, dass dies die beste Geschäftsvergabe ist und alle Eventualitäten bedacht wurden.
Anweisungen Vergleich der zuvor definierten Taktiken und Verhandlungsstrategien vs. der Vergabe.
Der Leser muss nach dem Lesen davon überzeugt sein, dass jeder Lieferant die Geschäftsbedürfnisse richtig verstanden hat.
Werke x Welchen Einfluss hat diese Geschäftsvergabe auf die Werke? _______________________________________________________
Einzelheiten je Standort.
Anweisungen
x
Warum wird das Geschäft/Auftrag genau an den/die Lieferanten _______________________________________________ vergeben?
Erklärung für die Geschäftsvorgabe.
x
Wie sind die lokalen Erfordernisse (Standort/Werk) bedacht worden? ________________________________________________________
Auswirkungen, z. B. auf existierende Maschinen, Anfahrtswege, Lagerkapazitäten etc.
Darf ich bitte Ihre Zustimmung haben. Mit freundlichem Gruß
Ort, Datum
Abbildung 8:
Name, Unterschrift
Mustervordruck für die Dokumentation einer Auftragsvergabe
22
4.
Beschaffungsprinzipien
Unterschriftenregelung
Sehr gebräuchlich und dennoch in ihrer genauen Bedeutung vielfach nicht genau bekannt sind die Zusätze i. A., i. V. und ppa. im schriftlichen Geschäftsverkehr. Diese Kürzel stehen für ppa.
Unterzeichner besitzt Prokura
i. V.
in Vollmacht bzw. in Vertretung
i. A.
im Auftrag
Das Handelsgesetzbuch (HGB) enthält die gesetzlichen Regelungen zu diesen Vertretungsformen. Diese im Geschäftsverkehr typischen Vollmachten ergänzen die Regelungen zur Vertretung im BGB. Der Vollmachtgeber hat somit die Möglichkeit, seine Arbeitnehmer mit Befugnissen auszustatten, so dass diese für ihn im Handelsverkehr auftreten und Verträge schließen können. Das Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird durch das Arbeitsrecht und speziell durch denn Arbeitsvertrag zwischen beiden festgelegt. Im Außenverhältnis zu Geschäftspartnern dagegen gelten daneben die Vertretungsvorschriften des BGB und des HGB.
4.1
Prokura nach HGB
Die Prokura ist eine durch Rechtsgeschäft erteilte handelsrechtliche Vollmacht mit einem gesetzlich festgelegten weitesten Umfang. Für diese Vollmacht, ihre Erteilung, Ausübung und ihre Wirkung gelten die Normen des BGB, soweit im HGB nicht anderes bestimmt ist.
Erteilung der Prokura Eine Prokura kann nur durch eine ausdrückliche Erklärung des Inhabers eines kaufmännischen Handelsgewerbes (= Unternehmen) erteilt werden. Folgende weitere Voraussetzungen müssen zusätzlich erfüllt sein: ausdrückliche und persönliche Bevollmächtigung durch den Geschäftsinhaber (schriftlich oder mündlich), Erteilender muss Kaufmann nach HGB sein, und deklaratorische Eintragung ins Handelsregister muss erfolgen.
Beschaffungsprinzipien
23
Umfang der Prokura Der Umfang der Prokura ist im HGB zwingend für das Außenverhältnis zu Geschäftspartnern festgelegt. Danach ermächtigt sie zu allen Geschäften, die der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringt. Der Begriff „Handelsgewerbe“ ist im Handelsgesetzbuch definiert. Ein Handelsgewerbe meint hierbei kein Handelsunternehmen, sondern jede Unternehmung, die in kaufmännischer Weise betrieben wird. Die Prokura ist also nicht branchenbezogen oder auf gewöhnliche Geschäfte beschränkt. Somit kann der Prokurist im Namen des Inhabers Prozesse führen, Vergleiche schließen, Kredite aufnehmen, Grundstücke erwerben oder branchenfremde Geschäfte tätigen.
Grenzen der Prokura Obwohl die Prokura im Außenverhältnis grundsätzlich unbeschränkbar ist, gibt es Beschränkungen, die sich aus dem Gesetz selbst, aber auch Kraft Vollmachterteilung ergeben. Kraft Gesetzes sind folgende Grundlagengeschäfte für den Prokuristen ausgeschlossen: Veräußerung und Belastung von Grundstücken setzt eine besondere Ermächtigung voraus. Inhabergeschäfte (Prinzipalgeschäfte) wie Bilanzunterzeichnung, Prokura-Erteilung und -Entzug, Anmeldung zum Handelsregister, Insolvenzantrag, Firmenänderung. Geschäfte, die nicht dem Betrieb dienen, wie die Einstellung oder Veräußerung des gesamten Handelsgeschäfts (Grundlagengeschäfte).
Innenverhältnis Eine mögliche Regelung zum Innenverhältnis mit den jeweiligen Kompetenzgrenzen bildet die Unterschriftenregelung für Einkaufsgeschäfte, die diesem Abschnitt als Beispiel folgt. Weitere Regelungen für die einzelnen Gesellschaften sind in den jeweiligen Geschäftsordnungen festgelegt.
4.2
Handlungsvollmachten nach HGB
Als Handlungsvollmacht gilt jede im Rahmen eines Handelsgeschäftes erteilte Vollmacht, die nicht Prokura ist. Im Gegensatz zur Prokura kann die Handlungsvollmacht auch durch einen Prokuristen oder einen anderen Handlungsbevollmächtigten erteilt werden. Die Erteilung kann formlos, also ausdrücklich, aber auch konkludent, d. h. durch schlüssiges Handeln, erfolgen (auch Duldungs- oder Anscheinsvollmacht).
24
Beschaffungsprinzipien
Da sie nicht ins Handelsregister eingetragen werden muss, muss der Handlungsbevollmächtigte auf Verlangen den Nachweis durch eine Vollmachtsurkunde führen. Im Schriftverkehr unterzeichnet der Handlungsbevollmächtigte grundsätzlich mit dem Firmennamen und seinem eigenen Namen, dem i. V. oder i. A. vorgesetzt wird. Dabei können diese Zusätze entweder vor der handschriftlichen Namenszeichnung oder vor der maschinenschriftlichen Wiedergabe des Namens stehen. Wird ein Dokument von mehreren Personen gezeichnet, unterschreibt der Ranghöhere immer links.
i. A. – im Auftrag Die Vollmacht mit dem kleinsten Umfang ist der Auftrag. Diese besagt, dass derjenige, der mit diesem Zusatz unterzeichnet, nur für dieses eine Rechtsgeschäft die Vollmacht, sprich den Auftrag dieses Geschäft zu tätigen, erhalten hat. Das bedeutet, der Unterzeichner hat nur für das eine Dokument, das er unterzeichnet, eine Vollmacht erhalten. Für ein weiteres Dokument – auch mit gleichem Inhalt – muss ihm offiziell wieder der Auftrag erteilt werden.
i. V. – in Vollmacht bzw. in Vertretung Diese Vollmacht ist laut Gesetz beschränkt auf branchenübliche und nicht ungewöhnliche Geschäfte. Außer der Einschränkung auf übliche und sich im finanziellen Rahmen des derartigen Handelsgewerbe haltende Geschäfte darf der Vertreter auch keine Grundstücke veräußern oder belasten, Wechselverbindlichkeiten eingehen, Darlehen aufnehmen und Prozesse führen. Für diese Geschäfte braucht der Handlungsbevollmächtigte eine Spezialvollmacht. Über die vorgenannten gesetzlichen Einschränkungen hinaus kann der Vollmachtgeber allerdings durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen die Handlungsvollmacht weiter einschränken. Diese Beschränkungen wirken im Gegensatz zur Prokura nicht nur im Innenverhältnis, sondern auch gegenüber Dritten, wenn diese die Beschränkungen der Handlungsvollmacht kannten oder kennen mussten.
4.3
Geschäftsführer nach GmbH-Gesetz
Da im Unternehmen im Innenverhältnis der Einkauf meist keine Beschaffungsverträge in unbeschränkter Größenordnung eingehen kann, werden hier auch die Befugnisse und Kompe-
Beschaffungsprinzipien
25
tenzen der Geschäftsführer beleuchtet. Die Darstellung ist jedoch weiter gefasst, um auch eventuelle Beschaffungsgesellschaften zu berücksichtigen. Die Geschäftsführer sind das vertretungsberechtigte Organ der GmbH. Ihre Bestellung erfolgt im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafterversammlung. Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden, wobei der Gesellschaftsvertrag die Widerrufsmöglichkeiten einschränken kann. Die Bestellung und Abberufung als Organisationsakt ist streng zu trennen von dem Abschluss und der Kündigung des damit verbundenen Dienstvertrags des Geschäftsführers mit der GmbH. Während der Dienstvertrag durch Kündigung beendet wird, endet die organschaftliche Geschäftsführung durch Amtsniederlegung oder durch Abberufung durch die Gesellschafterversammlung mit Mehrheitsentscheidung und durch Bekanntgabe des Beschlusses an den Abberufenen. Die Eintragung der Bestellung oder Abberufung im Handelsregister ist nur deklaratorisch.
Aufgaben im Außenverhältnis Nach dem GmbH-Gesetz wird die GmbH durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Nach dem Gesetz gilt Gesamtvertretung aller Geschäftsführer. In der Praxis wird von dieser unzweckmäßigen Regelung abgesehen und entweder AlleinGeschäftsführung jedes Geschäftsführers oder jeweils zweier Geschäftsführer oder eines Geschäftsführers mit einem Prokuristen (unechte Gesamtvertretung) vereinbart. Inhaltlich kann die Vertretungsmacht nicht beschränkt werden. Ausgenommen sind die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer selbst sowie die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen sie. Eine etwaige Beschränkung durch den Gesellschaftervertrag wirkt nur im Innenverhältnis.
Aufgaben im Innenverhältnis Dem Geschäftsführer obliegt im Innenverhältnis die Besorgung der Geschäfte der GmbH. Die Geschäftsführungsbefugnis bestimmt also, in welchem Umfang Maßnahmen zur Verfolgung des Unternehmenszwecks den Gesellschaftern gegenüber zulässig sind. Die Geschäftsführer haben damit die Beschränkung einzuhalten, die ihnen der Gesellschaftsvertrag, die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat auferlegt. Hierbei ist jede Einschränkung bis zur völligen Entziehung zulässig. Es gibt damit keinen weisungsfreien Bereich des Geschäftsführers. Das GmbH-Gesetz hebt einzelne Aufgaben der Geschäftsführer hervor, wie zum Beispiel die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung. Damit geht die Pflicht einher, die Liquidität und den Schuldenstand der GmbH zu beobachten.
26
Beschaffungsprinzipien
Haftung der Geschäftsführer Die Geschäftsführer haften der GmbH zwingend für die schuldhafte Verletzung ihrer Obliegenheit auf Schadenersatz. Ferner kann die Geschäftsführerbestellung widerrufen werden. In den nachfolgenden Fällen ergibt sich eine zusätzliche Haftung für: Falsche Angaben bei der Anmeldung der GmbH. Die ungesetzliche Rückzahlung von Stammeinlagen. Nichtanmeldung des Insolvenzverfahrens. Steuerschulden der GmbH bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Ferner machen sich die Geschäftsführer auch strafbar, wenn sie: Die GmbH nicht informieren, obgleich die Hälfte des Stammkapitals aufgezehrt ist. Nicht rechtzeitig (d.h. drei Wochen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Bilanz) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anmelden. Im Insolvenzverfahren Straftaten begehen. Falsche Angaben gegenüber dem Handelsregister machen. Geheimhaltungspflichten verletzen. Dritten entstehen gegen den Geschäftsführer der GmbH grundsätzlich keine vertraglichen Ansprüche, da Vertragspartner die GmbH ist. Unberührt bleibt seine mögliche Haftung aus unerlaubter Handlung. Darüber hinaus ist es jedoch möglich, dass ein Geschäftsführer in Anspruch genommen werden kann, wenn: Er bei einem Geschäftsabschluss in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat. Dem Verhandlungsgegenstand besonders nahe steht, weil er wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsschluss interessiert ist und aus dem Geschäft einen eigenen Nutzen anstrebt. Die bloße Gesellschafterstellung oder Geschäftsführertätigkeit ist allein kein Grund für eine eigene Haftung.
Innenverhältnis Die speziellen Regelungen zum Innenverhältnis sind für die Angelegenheiten, die Geschäftsführer betreffen, den Geschäftsordnungen der jeweiligen Gesellschaft zu entnehmen.
Beschaffungsprinzipien
4.4
27
Spezielle interne Regelung für den Einkauf
Mit einer speziellen von der Geschäftsführung freigegebenen Unterschriftenregelung können die speziellen Vollmachten und Kompetenzen im Zusammenhang mit Einkaufsgeschäften geregelt werden. Einen Vorschlag zur Ausgestaltung einer solchen Unterschriftenregelung zeigt Abbildung 9. Der Abschluss aller Einkaufsverträge und Bestellungen obliegt allein den Mitarbeitern des Einkaufs. Die entsprechenden Fachabteilungen können dann für den richtigen Inhalt des Vertrags gegenzeichnen. Die internen Regelungen beschränken allerdings die vom Gesetzgeber gegebenen Kompetenzen für Geschäftsführer und Prokuristen. Schließt ein Geschäftsführer oder Prokurist einen Vertrag, der nicht innerhalb seiner Kompetenzen liegt, behält dieser seine Gültigkeit. Das eigene Unternehmen kann aber bei groben Verstößen gegen interne Regelungen Schadensersatz von dem jeweiligen Geschäftsführer oder Prokuristen fordern.
Abbildung 9:
Verantwortlichkeiten
Muster für eine unternehmensweite Unterschriftenregelung 50 Tsd. Euro
*1) Ab 50 Tsd. Euro pro Lieferant und Jahr sind Rahmenverträge bzw. Limitbestellungen erforderlich, die nur durch den Zentraleinkauf erstellt werden dürfen. *2) Alle Verträge sind von mindestens 2 Personen zu unterschreiben. Bei einem GF muss ein weiterer GF oder ppa unterschreiben; bei einem ppa ein weiterer ppa. *3) Mitarbeiter der Beschaffungsgesellschaft 1 dürfen nur Beschaffungen tätigen, die im Zusammenhang mit dem Rohstoff C sind. *4) Mitarbeiter der Beschaffungsgesellschaft 2 dürfen nur Beschaffungen tätigen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftszweck stehen. *5) Alle Verträge, auch die für die Geschäftseinheiten, werden ausschließlich von der Muttergesellschaft im Namen und auf Rechnung der Untergesellschaften geschlossen.
125 Tsd. Euro
Bestellung fünf Tsd. Euro bis zu einer Vertragslaufzeit von sechs Monaten.
Rohstoff A1: bis 15 Tsd. Euro bei hinterlegten EKInfosätzen Rohstoff B1: 50 Tsd. Euro bei Abrufaufträgen aus bestehenden Rahmenverträgen Abrufe bis fünf Tsd. Euro bei hinterlegten EK-Infosätzen
Auszubildende und Praktikanten in den Werken oder im Zentraleinkauf
Freigegeben Vorsitzender GF der Muttergesellschaft
eine Mio. Euro
mit gegenseitig gleichwertigen Verpflichtungen
G. Investitionsgarantien bei Lieferanten oder Anzahlungen
ohne Beschränkung
ohne Beschränkung
D. Geheimhaltungsvereinbarungen
ohne Beschränkungen
100 Tsd. Euro Beschränkung bis zu einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten
200 Tsd. Euro Beschränkung bis zu einer Vertragslaufzeit von 24 Monaten
500 Tsd. Euro Beschränkung bis zu einer Vertragslaufzeit von 36 Monaten
keine Euro Beschränkung bis zu einer Vertragslaufzeit von 36 Monaten
C. Mietverträge für Gebäude oder Logistik (Transport, Fuhrpark) oder Logistikservices (Dienstleister) *3), 4)
zehn Tsd. Euro Beschränkung bis zu einer Laufzeit von zwölf Monaten mit gegenseitig gleichwertigen Verpflichtungen 50 Tsd. Euro Beschränkung bis zu einer Laufzeit von 24 Monaten
wie unter A definiert
wie unter A definiert
wie unter A definiert
bis 50 Tsd. Euro bei hinterlegten EKInfosätzen; Bestellung bis 25 Tsd. Euro und zwölf Monaten *1) 25 Tsd. Euro Beschränkung bis zu einer Vertragslaufzeit von sechs Monaten. bis 50 Tsd. Euro bei hinterlegten EKInfosätzen; Bestellung bis 50 Tsd. Euro und zwölf Monaten *1) 25 Tsd. Euro Beschränkung bis zu einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten.
Rohstoff C1: 500 Tsd. Euro je Bestellung oder Rahmenvertrag pro Material
wie unter A definiert
wie unter A definiert
Rohstoff A1: bis 150 Tsd Euro bei hinterlegten EK-Infosätzen Rohstoff B1: 500 Tsd. Euro bei Abrufaufträgen aus bestehenden Rahmenverträgen
Rohstoff A1: 500 Tsd. Euro je Bestellung oder Rahmenvertrag pro Material Rohstoff B1: drei Mio. Euro je Bestellung oder Rahmenvertrag, maximal für drei Monate
125 Tsd. Euro Beschränkung und max. zwölf Monaten bei Dokumenten, die von der Rechtsabteilung freigegeben worden sind; 25 Tsd. Euro und max. zwölf Monate ohne Freigabe der Rechtsabteilung
3. Investitionen, Dienstleistungen, Hilfs- und Betriebsstoffe *3), 4)
wie unter A definiert
Rohstoff B1: fünf Mio Euro je Bestellung oder Rahmenvertrag, maximal für drei Monate
wie oben definiert
Operativer Einkäufer oder Disponent in den Werken oder im Zentraleinkauf*5)
Operativer Einkäufer oder Disponent in den Werken mit Freigabe durch Werkleiter*5)
125Tsd. Euro Beschränkung bis zu einer Vertragslaufzeit von max. zwölf Monaten
Strategischer Einkäufer in Zentraleinkauf oder den Beschaffungsgesellschaften
wie unter A definiert
Rostoff B1: zehn Mio. Euro je Bestellung oder Rahmenvertrag, maximal für drei Monate
eine Mio Euro Beschränkung und max. 24 Monaten bei Dokumenten, die von der Rechtsabteilung freigegeben worden sind; 50 Tsd. Euro und max. zwölf Monate ohne Freigabe der Rechtsabteilung
drei Mio. Euro Beschränkung und max. 36 Monaten bei Dokumenten, die von der Rechtsabteilung freigegeben worden sind; 100 Tsd. Euro und max. 24 Monate ohne Freigabe der Rechtsabteilung
keine Beschränkung und max. 36 Monate, bei Dokumenten, die von der Rechtsabteilung freigegeben worden sind; 100 Tsd. Euro und max. 36 Monate ohne Freigabe der Rechtsabteilung
wie unter A definiert
wie oben definiert
wie oben definiert
wie oben definiert
eine Mio. Euro Beschränkung bis zu einer max. Vertragslaufzeit von 24 Monaten
Prokuristen in Zentraleinkauf oder den Beschaffungsgesellschaften
drei Mio. Euro Beschränkung bis zu einer max. Vertragslaufzeit von 36 Monaten
Einkaufsleiter Zentraleinkauf oder Geschäftsführer der Beschaffungsgesellschaften
keine Euro Beschränkung bis zu einer max. Vertragslaufzeit von 36 Monaten
Einkaufsleiter Zentraleinkauf oder Geschäftsführer der Beschaffungsgesellschaften mit Freigabe durch den Vorsitzenden der GF
2. Rohstoffe der Klasse C1, die in das eigene Produkt einfließen *3)
B. Anlage von Bestellungen & SAP Rahmenverträge (unter Einbeziehung der allgemeinen Einkaufsbedingungen) 1. Rohstoffe der Klasse A1 und B1, die in das eigene Produkt einfließen, oder Handelsware
2. Verträge auf standardisierten Dokumenten des eigenen Unternehmens (kann nicht standardisierte Klauseln enthalten, die von einem Einkaufsleiter oder der Rechtsabteilung freigegeben sind) 3. Verträge auf Dokumenten der Lieferanten
A. Beschaffungsverträge für Waren und Dienstleistungen *2), 3), 4) 1. Verträge auf standardisierten Dokumenten des eigenen Unternehmens
Auszuführende Dokumente
28 Beschaffungsprinzipien
Beschaffungsprinzipien
5.
29
Kauf bei Wettbewerbern
Der Kauf bei einem Wettbewerber zeichnet sich durch mehrere Besonderheiten aus, die natürlich auch ein bestimmtes Verhalten und somit spezielle Einkaufsgrundsätze erfordern.
5.1
Grundlagen
Bei der Beschaffung von Wettbewerbern ist grundsätzlich nach der Art der zu beschaffenden Ware zu unterscheiden: Waren, mit denen das eigene Unternehmen und der Wettbewerber sofort im Wettbewerb auf dem Absatzmarkt stehen, sei es als Aushilfslieferung bei Engpässen (zum Beispiel Maschinenbruch) oder als Substitutionsprodukte. Ware, die als Vorprodukt für beide (Wettbewerber und eigenes Unternehmen) dient. Ware, die als Sortimentsergänzung für das eigene Unternehmen dient (Handelsware). Die Entscheidung, bei einem Wettbewerber zu kaufen, trifft der Einkauf oft nicht allein. Vielmehr stehen strategische Überlegungen der Geschäftleitung oder einer anderen Fachabteilung dahinter. Der Kauf bei einem Wettbewerber kann aus unterschiedlichen Gründen relevant werden: Der Wettbewerber ist günstiger als die eigene Produktion, da er eventuell günstigere Logistikkosten hat oder eine andere Produktionsanlage. Das eigene Unternehmen bewegt sich nahe der Kapazitätsgrenze und erwartet wichtige Aufträge. Oder nach Produktionsausfällen, um alle Verpflichtungen gegenüber Kunden zu erfüllen und damit Konventionalstrafen zu entgehen. Das Produkt dient der Sortimentsergänzung, oder es sind Sonderprodukte, die nicht selbst hergestellt werden können und weiterverarbeitet werden sollen.
5.2
Schwierigkeiten
Schwierigkeiten können bei dieser Art von Geschäften sowohl intern als auch extern entstehen. Intern ist in erster Linie auf die Schnittstellenproblematik hinzuweisen. So sind in erster Linie die Logistik, Marketing-Abteilung, der Vertrieb und die Produktion neben dem Einkauf
30
Beschaffungsprinzipien
betroffen. Aus diesem Grund sind eine enge Zusammenarbeit und vollständige Informationsweitergabe zwischen den einzelnen, internen Abteilungen notwendig, damit alle Beteiligten auf einem einheitlichen Wissensstand sind und dadurch das Unternehmen optimal nach außen vertreten können. Ein weiteres Problem tritt beim Kauf von Engpassprodukten oder Sortimentsergänzungen auf. Bei diesen Produkten ist der Beschaffungspreis in einem nicht unerheblichen Umfang vom eigenen Verkaufspreis abhängig. Kein Wettbewerber wird es zulassen, eine Ware zu einem Vorzugspreis zu verkaufen, um dann mit derselben Ware bei seinen eigenen Kunden Konkurrenz zu erhalten. Anders stellt sich das Geschäft mit Vorprodukten dar. Vorprodukte sind Materialien oder Module, die nicht am Markt verkauft werden. Ein solcher Einkauf ist immer mit den Herausforderungen der Preisbildung, Versorgungssicherheit und Informationsweitergabe verbunden. Trotz vertraglicher Zusagen ist die Wahrscheinlichkeit von Lieferausfällen bei dieser Art von Geschäften höher als bei normalen Beschaffungsgeschäften. So ist es nicht im Interesse des Wettbewerbers, ein fremdes Unternehmen bei dauerhaften Kapazitätsengpässen zu unterstützen. Hingegen unterstützen sich, je nach Branche und deren internen Gesetzmäßigkeiten, die Wettbewerber bei kurzfristigen Problemen (zum Beispiel Anlagenausfall) häufig. Deswegen kann vom Einkauf die Lieferzuverlässigkeit letztendlich nicht garantiert werden. Außerdem wird der Wettbewerber oft versuchen, die Materialen zum Bestpreis zu verkaufen.
5.3
Vorgehensweisen
Diese externen Schwierigkeiten können durch die Vereinbarung von Gegengeschäften gelöst werden, denn der Wettbewerber muss ebenso wie das eigene Unternehmen mit möglichen Kapazitätsengpässen rechnen. Bei Geschäften mit Wettbewerbern ist grundsätzlich nach den gleichen ethischen und fairen Regeln zu handeln wie mit normalen Lieferanten. Allerdings gelangt die grundsätzliche Offenheit im Geschäftsverkehr mit Wettbewerbern an ihre Grenzen. Wettbewerber dürfen nie mehr interne Informationen als unbedingt nötig erhalten. Weiterhin müssen die nachfolgenden Regeln unbedingt eingehalten werden. So sind folgende Handlungen unter keinen Umständen gestattet: Verletzung von Einkaufsprinzipien, der Geschäftsethik und der Corporate Governance Falsche Darstellung der Wahrheit (Lüge) Als Hilfsmittel zur Informationsbeschaffung kann die im weiteren Verlauf dieses Buches vorgestellte Wettbewerberanalyse durchgeführt werden.
Beschaffungsprinzipien
6.
31
Bester Gegenwert
Der Einkauf wird häufig von den internen Kollegen aus den Fachabteilungen mit dem Vorwurf konfrontiert, nur auf den Preis zu achten und sich nicht genügend für den wirklichen Erfolg der Beschaffungsaktivität zu interessieren. Im Extremfall führt dies gar dazu, dass die Fachabteilungen den Einkauf erst so spät einbinden, dass er nicht mehr wirkungsvoll im Sinne des Unternehmens arbeiten kann. Aber warum ist das so? Wie bereits beschrieben wird der Einkauf an seinem Beitrag zum Geschäftserfolg, d. h. den Kosteneinsparungen und Kostenverhinderungen, gemessen. Gibt es nun keine Entscheidungsprinzipien, so wird der Einkauf sicherlich darauf drängen, den günstigsten Anbieter zu berücksichtigen. Genau an dieser Stelle setzt das folgende für das Unternehmen überaus wichtige Beschaffungsprinzip an!
Beschaffungsentscheidungen werden auf dem Prinzip des besten Gegenwertes für das eigene Unternehmen getroffen.
Neben dem Anschaffungspreis werden beim besten Gegenwert alle Kosten und Vorteile berücksichtigt, die über die gesamte Lebenszeit der Ware entstehen. Beispielhaft können hier Kosten für Versand, Wartungen, Garantien etc. genannt werden.
Vorgehensweise Bei der Methode des besten Gegenwerts sind folgende Punkte zu beachten: Der beste Gesamtwert wird durch die wirtschaftlichen Bedürfnisse bestimmt. Die wichtigsten Komponenten des Wertes sind häufig abteilungsübergreifend (Liefergarantie, Kosten, Qualität, Forschung und Entwicklung, Zeit bis zur Marktreife eine Produktes, Cashflow, Reaktionsbereitschaft, Marktinformationen); die relative Bedeutung eines jeden Faktors in der Wertgleichung ändert sich mit der Strategie des Geschäftsbereiches, den individuellen Anforderungen und der Wettbewerbsposition. Es wird von einem strategischen Einkäufer erwartet, dass er über ein tiefgehendes Verständnis der Geschäftsstrategie verfügt, so dass er bei den Lieferanten besonderen Wert auf die entsprechenden Elemente legen kann. Bei der Beschaffungsarbeit kommt es häufig zu Überschneidungen mit anderen Abteilungen. Ist dies der Fall, ist es wichtig, dass ein Einkäufer versteht, welche Auswirkungen eine Beschaffung möglicherweise auf andere Bereiche haben könnten. Weiterhin ist wichtig, dass die Zusammenarbeit so gestaltet ist, um den besten Wert für das Unternehmen zu erhalten – zusammen mit den Ergebnissen des Geschäftsbereiches.
32
Beschaffungsprinzipien
Bei der Bestimmung des besten Gesamtwerts kommt es darauf an, den Bedarf zu erkennen, um kurz- und langfristige Bedürfnisse in angemessener Weise ausgleichen zu können. Kurzfristige Beschaffungsentscheidungen können langfristige indirekte Folgen nach sich ziehen. Bei vielen Beschaffungsentscheidungen spielen die wirklichen Kosten, die mit einer Investition verbunden sind, eine entscheidende Rolle. Bei der Beantwortung dieser Fragestellung kann der im Folgenden beschriebene TCO-Ansatz helfen.
6.1
TCO (Total Cost of Ownership) -Ansatz
Die „Total Cost of Ownership“ (TCO) -Betrachtung ist ein Verfahren, das dazu dient, Anwendern, Einkauf und der Geschäftsleitung dabei zu helfen, die richtigen Entscheidungen bei Investitionsanschaffungen unter einer Gesamtkostenbetrachtung über die Lebenszeit der angeschafften Ware oder Dienstleistung zu treffen. Das Ziel dabei ist, eine Übersicht zu erhalten, die nicht nur die Anschaffungskosten enthält, sondern alle Aspekte der späteren Nutzung (Energiekosten, Reparatur und Wartung) der betreffenden Ware oder Dienstleistung. Somit können bekannte Kostentreiber oder auch versteckte Kosten möglicherweise bereits im Vorfeld einer Investitionsentscheidung identifiziert werden. Wichtigste Grundlage für das weitere Verständnis der TCO ist die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Kosten. Bei jeder Form der Berechnung sollte beachtet werden, dass es sich um eine unternehmensindividuelle Vorgehensweise handelt, d. h., jedes Unternehmen muss für sich definieren, welche Kosten es berücksichtigen möchte und welche nicht. Wichtig ist jedoch, dass immer dieselben Kriterien angewendet werden.
6.2
Kostenarten
Unterteilt werden direkte Kosten, die nicht in Kostenstellen, sondern in Prozessen entstehen, deren Kosten sich grundsätzlich durch Umlage anderer Kostenstellen berechnen lassen. Typischerweise fallen diese Kosten bei der Beschaffung und Betreuung von Investitionsobjekten an. Direkte Kosten sind durch ihre Budgetierbarkeit gekennzeichnet. Somit ist ein nachhaltiger Effekt dieser Kosten, unabhängig davon, ob im positiven oder negativen Sinne, auf den Unternehmenserfolg grundsätzlich nachweisbar. Indirekte Kosten entstehen nicht aufgrund der Anschaffung oder des Betriebes von Investitionsgütern, sondern infolge unproduktiver Nutzung durch den Anwender. Dabei handelt es sich immer um Prozesse, Vorgänge oder Situationen, die den Anwender in seiner Produktivität hemmen. Da sich diese Vorgänge bei allen Anwendern unterscheiden können, ist die Messbarkeit eines solchen Vorgangs grund-
Beschaffungsprinzipien
33
sätzlich problematisch. Umstritten ist jedoch, in welchem Umfang diese Kosten für ein Unternehmen zahlungs- bzw. erfolgswirksam sind, also in Form von Geldströmen den Cashflow berühren.
Beschaffung
Lieferung/Leistung
Besitz/Einsatz
Entsorgung
•Recycling •Obsoleszenzkosten •Finanzierung •Logistik •Administration •Zahlung etc. •WE •QM •Angebote •Pflege •Management
T C O
•Abwicklung •Überwachung •Preis •Boni •Skonti
Abbildung 10: TCO-Konzept
6.3
Anwendung bei Beschaffungsentscheidungen
Selbst wenn eine TCO-Betrachtung nicht alle zukünftigen Kosten richtig beurteilt, seien sie nun schlecht eingeschätzt worden oder gar wegen einer gewissen Geringfügigkeit nicht berücksichtigt wurden, so wird doch deutlich, dass eine Beschaffungsentscheidung nach einer Gesamtkostenbetrachtung und nicht nach einer Einstandspreisbetrachtung zu erfolgen hat.
7.
Beschaffungskompetenzen
Abbildung 11 zeigt die notwendigen Kompetenzen für die Beschaffungsprinzipien in den drei Einstufungen: Kenner, Könner und Experte.
ANWENDUNG DER BESCHAFFUNGSGRUNDSÄTZE
Gefragt als qualifizierter Ratgeber zu Grundsätzen. Erkennt Gelegenheiten, in denen Flexibilität oder eine großzügigere Auslegung anwendbar sein müssen; ergreift die entsprechenden Maßnahmen. Sorgt dafür, dass die Grundsätze ein hilfreiches Instrument und kein Hindernis für die effektive Beschaffung sind. Versorgt alle Personen, die nicht aus dem Einkauf kommen, mit Geschäftsbeispielen aus der Praxis zu Auswirkungen, die aus der Beachtung bzw. Nichtbeachtung von Grundsätzen entstehen. Leitet die Anwendung und den Einsatz von Grundsätzen im Hinblick auf das funktionsübergreifende Zusammenspiel mit den Lieferanten.
Versteht und wendet die Beschaffungsgrundsätze in Standardsituationen an, erkennt, wann weitere Orientierung nötig ist, und sucht diese in: • Unternehmensrichtlinien und -grundsätzen • Richtlinien, Werten, Ethik • Fairness gegenüber Kunden und Lieferanten • Interessenskonflikten, Bestechung • Vertraulichen, firmeneigenen Informationen
Abbildung 11: Beschaffungskompetenzen: Beschaffungsprinzipien Bewiesene Fähigkeiten: Hat sich mit mehreren Themen aus dem Bereich der Grundsätze in „Grauzonen“ befasst, die einer Auslegung bedurften (z.B. Kauf bei Wettbewerbern etc.)
Bewiesene Fähigkeiten:
Ist in der Lage, Grundsätze sowie Richtlinien so gut zu verstehen, dass er als Ansprechpartner bei der Definition oder Auslegung der Politik funktionsübergreifend dient.
Kennt rechtliche Richtlinien für den Einkauf • Unterscheidet zwischen betrieblichen Richtlinien/ Grundsätzen und Politik/Vorschriften. • Kann sowohl intern wie extern die Grundsatzpolitik und die dahinter stehenden Gedanken artikulieren.
Erfüllt Unternehmensgrundsätze bezüglich der Arbeit der Einkaufsabteilung • Grundsatz von Eigen- vs. Fremdfertigung • Sammlung von Informationen über die Konkurrenz • Grundsatz zum Kauf von der Konkurrenz
KÖNNER
KENNER
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Hat die Beschaffungsgrundsätze konsequent mitbzw. weiterentwickelt. Hat entsprechende Schulungen entworfen und vermittelt dieses Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Vordenker für strategische Veränderungen der Richtlinien oder Grundsätze zur Erbringung bahnbrechender Ergebnisse. Wird auf breiter Ebene anerkannt und als eine der Top-Kapazitäten für die Auslegung von Grundsätzen und Richtlinien im Unternehmen eingesetzt. Vordenker bei der Entwicklung von angemessenen neuen Richtlinien oder Grundsätzen zur Steuerung der Beschaffungsaktivitäten, bringt bahnbrechende Ergebnisse. Erkennt breite Veränderungen der geschäftlichen Situationen für das Unternehmen und sorgt dafür, dass die politischen Richtlinien bei solchen Veränderungen aktuell bleiben. Übernimmt die Führungsrolle bei der Klärung von Differenzen bei der Auslegung bzw. Anwendung.
EXPERTE
Verständnis und angemessene Anwendung von Richtlinien und Grundsätzen in Schlüsselbereichen, die Einfluss auf die Vorgehensweisen und Verhaltensmuster bei den Beschaffungsaktivitäten haben. Verständnis und Anwendung der Vorschriften oder Gesetze, die bei den Beschaffungsaktivitäten beachtet werden müssen. Verständnis dafür, wie diese Richtlinien, Grundsätze und Standards von den Lieferanten gesehen werden.
34 Beschaffungsprinzipien
Beschaffungsprinzipien
Teil II Umfeldanalyse
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Übersicht Umfeldanalyse
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Übersicht Umfeldanalyse
Die Umfeldanalyse in der strategischen Beschaffung bildet die Grundlage für eine effiziente und wirkungsvolle Beschaffungsstrategie. Hierbei ist zu beachten, dass die grundsätzliche Herausforderung bei der Umfeldanalyse darin besteht, dass nicht immer alle benötigten Daten und Informationen frei zugänglich sind und dass es schwierig ist, zwischen den relevanten und irrelevanten Informationen zu unterscheiden.
Lieferantenanalyse
Industrieanalyse und Forecast
Strategische Eignung
Gesetze, Regelungen, Vorschriften
Weltwirtschaft
Kundenportfolio Feedstocks
Staat Operative Excellenz
Vorlieferanten Produktentwicklung Lieferanten Wirtschaftliche Stabilität
alternative Kunden
DER EINKAUF
Mitarbeiter
Wertschöpfungstiefe Beschaffungsverhalten
Fachabteilungen
Wettbewerber
Geschäftsleitung
strategisch
Handelsware Kunden Anforderungen
Interne Umfeldanalyse
Material- oder Dienstleistungsklasse
Anwendung unkritisch
Benchmarking, inkl. Wettbewerberanalyse
Abbildung 12: Elemente der Umfeldanalyse Die Qualität der internen und externen Umfeldanalyse lässt sich sowohl durch ständige Plausibilitätsprüfung der Analyse selbst wie auch durch eine intensive Zusammenarbeit mit den internen Fachabteilungen sicherstellen. Die Ausarbeitung einer in sich konsistenten und plausiblen Umfeldanalyse ist eine der schwierigsten und zeitaufwändigsten Aufgaben im strategischen Einkauf. Die meisten Fehler bei Beschaffungsstrategien werden bei der Umfeldanalyse gemacht. Wichtige Marktkräfte oder Entwicklungen werden nicht richtig betrachtet oder
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Übersicht Umfeldanalyse
werden falsch eingeschätzt. Dies führt dann in der Konsequenz zu einer falschen Strategie, die in der Umsetzung nicht die geforderten Ziele erreicht. Um die Risiken einer Fehleinschätzung des internen wie externen Umfeldes zu minimieren, ist es zwingend notwendig, diese Analysen immer schriftlich zu erstellen, egal wie gut man glaubt, sein Umfeld zu kennen! Zu Beginn einer ersten Umfeldanalyse glauben viele Einkäufer, dies sei eine leichte und schnelle Aufgabe, zumal wenn sie schon seit einiger Zeit die Warengruppe beschaffen. Je mehr sich die Einkäufer jedoch mit der Sachlage auseinander setzten, desto mehr erkennen sie den Aufwand und die intellektuelle Herausforderung einer wirklich guten Umfeldanalyse. Bei der Erstellung der Umfeldanalyse ist zu beachten, wer die Adressaten der Analyse sind. Es ist erforderlich, eine Sprache und eine Informationstiefe der Analyse zu wählen, die sicherstellt, dass die internen Fachabteilungen und die Geschäftsleitung die Analyse nicht nur verstehen, sondern der Umfeldanalyse und den daraus getroffenen Schlussfolgerungen auch zustimmen. Auf der einen Seite heißt dies, dass man spezielle Marktgegebenheiten erklären muss, damit ein Unbeteiligter sie versteht, auf der anderen Seite heißt dies aber auch, dass man sich nicht in unwichtigen Einzelheiten verlieren darf.
Analyse des internen Umfeldes
39
Analyse des internen Umfeldes
1.
Der Begriff Geschäftsbedürfnisse
Hinter dem Begriff der internen Geschäftsbedürfnisse verbirgt sich die Anforderung des eigenen Unternehmens nach allen Waren und Dienstleistungen, die durch externe Lieferanten gedeckt wurden bzw. gedeckt werden sollen (inkl. Outsourcing-Bestrebungen). Dies können Rohstoffe, Investitionsgüter, Frachten oder Dienstleistungen sein, um nur einige Beispiele zu nennen. Geschäftsbedürfnisse werden auch als interne Bedürfnisse oder Bedarf bezeichnet. Die Hauptaufgabe des Einkaufes ist es, diese zu analysieren, in realisierbare Anforderungen zu übersetzen und so zu decken, dass ein Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen garantiert wird.
2.
Identifikation der internen Bedürfnisse
Bei den internen Geschäftsbedürfnissen wird zwischen zwei Arten unterschieden, einem spezifischen Geschäftsbedürfnis (hier gibt es einen klaren Anforderer, der eine Spezifikation erstellt, und einen Anwender) und einem unspezifischen bzw. allgemeinem Geschäftsbedürfnis (dies kann zum Beispiel eine Ware oder Dienstleistung mit vielen Anwendern sein).
Unspezifische Geschäftsbedürfnisse Zu einem unspezifischen Bedarf gibt es häufig keinen direkten Anforderer oder Anwender der zu beschaffenden Ware oder Dienstleistung. Meist wird die Ware oder Dienstleistung von vielen Anwendern und zum Teil in unterschiedlichen Applikationen verwendet. Möchte nun zum Beispiel ein Einkäufer den unternehmensweiten Bedarf nach Mietwagen, die Bewirtung der Werkskantine oder einen Hauptrohstoff, der an unterschiedlichen Standorten oder Werken in unterschiedlichen Anwendungen verwendet wird, neu ausschreiben, so wird er zuerst
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Analyse des internen Umfeldes
mit der schriftlichen Definition des internen Bedarfes beginnen. Die Erstellung der internen Umfeldanalyse obliegt dem strategischen Einkäufer. Nur er ist in der Lage, den Überblick über die verschiedenen Standorte, Anwender und Anforderungen zu behalten und alle Informationen und Anforderungen zusammenzutragen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die internen Fachabteilungen sowohl ihre Optionsmöglichkeiten und Freiheitsgrade bei der Leistungsdefinition kundtun als auch umfänglich der Endfassung der internen Analyse zustimmen. Denn nichts ist schlimmer als eine Fachabteilung, die dem Einkauf beweisen will, dass die falsche oder eine zu schlechte, weil zu billige, Ware oder Dienstleistung beschafft wurde. Es liegt in der Verantwortung des Einkäufers, alle Informationen und Anforderungen zusammenzutragen und einen Konsens mit allen möglichen Stakeholdern, d. h. Personen, die ein mittelbares oder unmittelbares Interesse an der Ware oder Dienstleistung haben, herbeizuführen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine Besonderheiten in den Anforderungen geben darf. Wichtig ist die ausnahmslose Zustimmung, dann erst in einem zweiten Schritt sollte man sich um Standardisierung und Vereinheitlichung zur Realisierung von Volumeneffekten in der Beschaffung kümmern.
Spezifische Geschäftsbedürfnisse Im Unterschied zu einem unspezifischen Geschäftsbedürfnis gibt es bei einem spezifischen einen klaren Anforderer für die Ware oder Dienstleistung und einen Anwender. Dies können die gleichen Personen oder Personengruppen (Fachabteilungen) sein, müssen es aber nicht. Die Herausforderung für den Einkauf liegt hierbei darin, dass die internen Geschäftsbedürfnisse nicht zugleich den Bedürfnissen oder Wünschen des Anforderers oder der anfordernden Abteilung entsprechen müssen. Hierin liegt auch die Schwierigkeit, denn häufig wird der Bedarf lösungsorientiert anstatt neutral und offen definiert. Genau an dieser Stelle ist der Einkauf gefordert, mit den internen Fachabteilungen den wirklichen Geschäftsbedarf herauszuarbeiten.
3.
Analyse des internen Umfeldes
Neben der eigentlichen Analyse des internen Umfeldes, müssen sich die geschäftlichen Bedürfnisse auch in durchsetzbare Anforderungen übertragen lassen. Bei der Bewertung der geschäftlichen Anforderungen müssen die Beiträge und das Wissen der anderen Funktionsbereiche des Unternehmens mit einbezogen werden. Die Bewertung der geschäftlichen Anforderungen ist entscheidend für eine erfolgreiche Strategie.
Analyse des internen Umfeldes
3.1
41
Technische Anforderungen
Im ersten Schritt werden die technischen Anforderungen analysiert. Dies kann durch eine Abfrage der Werke, Standorte oder Geschäftseinheiten erfolgen. Um einen schnellen Überblick über das Geschäft zu erlangen, empfiehlt es sich, mit den Mengenprognosen zu beginnen. Hierzu sollte man zuerst das letzte volle Geschäftsjahr, dann das laufende Jahr und dann die Zukunft betrachten. Mengenprognosen Welche Mengen der Ware/Dienstleistung wurden im letzten vollen Geschäftsjahr benötigt? Mengenhochrechnung für das laufende Geschäftsjahr? Wo liegen die jährlichen Mengenprognosen für drei oder mehr Jahre? Kommt es innerhalb eines Jahres zu beachtlichen Nachfrageschwankungen? Sind die Nachfragemuster jedes Jahr gleich? Welche Auswirkungen hat dies vermutlich auf die Lieferkapazität und die Kosten? Welche zugrunde liegenden geschäftlichen Hypothesen steuern die Mengenprognosen? Sind sie risikobereinigt? Qualitäts-/Zuverlässigkeit-/Informationsüberlegungen Anforderungen des eigenen Unternehmens an die Qualität und Einsatz der Ware bzw. Dienstleistung? Wie wird die Leistungsfähigkeit der eigenen Produkte/Dienstleistungen durch die Beschaffung beeinflusst? Welchen Grad an Service, Zuverlässigkeit und Kundendienst benötigen die Anwender, die die Ware oder Dienstleistung verwenden? Welche Arten von Verwaltungs-, Informations- und Kommunikationsschnittstellen werden benötigt? Wird es nur Bestellungen oder nur Abrufe aus einem Rahmenvertrag geben? Wie viele Transaktionen wird es pro Jahr geben? Lohnt sich eine EDI (Electronic Data Interchange) -Anbindung? Bedarf jede Lieferung einer Qualitätsfreigabe? Wenn ja, wie erfolgt diese? Welche logistischen Anforderungen gibt es? Kosten und Cashflow-Überlegungen
Wie hoch liegen die prognostizierten Kosten und was sind die Zielkosten? Anforderungen an den Lagerbestand bzw. Cashflow? Handelt es sich hierbei um einen wichtigen Ausgabenposten? Falls es sich um die Option „make or buy“ handelt, was wird beim eigenen Unternehmen für diesen Artikel bezahlt? Falls es Unterschiede gibt, warum gibt es Unterschiede?
42
Analyse des internen Umfeldes
3.2
Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie
Ein weiterer Analyseblock beschäftigt sich mit der Verknüpfung zu den unternehmensstrategischen Ausrichtungen. Der strategische Einkäufer analysiert hierzu die Auswirkungen der Geschäftsstrategie, inkl. der technologischen Strategie und möglicher Investitionsvorhaben, auf das interne Umfeld. Dieser Analyseschritt muss eng mit der Geschäftsleitung abgestimmt werden, denn zum einen ist diese tiefer in zukünftige Großprojekte eingebunden, und auf der anderen Seite ist es wichtig, dass durch weit reichende Beschaffungsentscheidungen (zum Beispiel Outsourcing, Kooperationen) nicht Zustände geschaffen werden, die später die Unternehmensentwicklung behindern. Geschäftsstrategie und -ziele Wie lautet die Strategie der Unternehmenssparte oder des Geschäftsbereiches? Beeinflusst die Strategie die zu beschaffende Ware oder Dienstleistung? Wie beeinflusst die Ware oder Dienstleistung, die das eigene Unternehmen kauft, diese Strategie? Welches Mengenwachstum ist geplant? Welche Innovationen sind vorgesehen? Werden die Mengenbedarfe hiervon beeinflusst? Ist ausreichend Nachschub vorhanden oder ist mit Versorgungsengpässen zu rechnen? Welche Auswirkungen hat dies auf die Beschaffungsstrategie? Worin bestehen die Ziele der Unternehmenssparte? Wie beeinflusst das, was gekauft wird, diese Ziele? Wie lange dauert es, neue Produkte auf den Markt zu bringen? Potentielle Übernahmen, Veräußerungen durch das eigene Unternehmen oder Outsourcingvorhaben? In welcher Form beeinflusst dies die Anforderung an das Beschaffungsvorhaben? Technologische Strategie Wie lautet die technologische Strategie für Waren oder Dienstleistungen? In welcher Phase des Produktlebenszyklus befinden sich die Produkte des eigenen Unternehmens? Beeinflusst der Produktlebenszyklus dieses Produktes andere zu beschaffende Waren oder Dienstleistungen (zum Beispiel Ersatz, Austausch)? Wo liegt die Innovationsrate für dieses Produkt? Welchen Einfluss hat dies auf die Beschaffung? Innovationsüberlegungen Handelt es sich um eine zu entwickelnde Ware oder eine neu benötigte Dienstleistung? An welches Projekt ist sie gebunden? Wie lauteten die Überlegungen für geistiges Eigentum bzw. Exklusivitäten? Müssen Überlegungen in Bezug auf geistiges Eigentum in Betracht gezogen werden? Patentrechte? Lizenzierung?
Analyse des internen Umfeldes
43
Welcher Zeitrahmen für die Entwicklung ist vorgesehen? Wie lang laufen anschließend die Schutzrechte? Gibt es Gebietseinschränkungen (zum Beispiel nur bestimmte Länder?) Wie lange dauert es, neue Produkte auf den Markt zu bringen? Hat die Entwicklung des Produktes Einfluss auf die Mengen derzeit eingesetzter Waren und Dienstleistungen? Behalten bestehende Vereinbarungen ihre Gültigkeit? Für wie lange? Kommt es zu Auswirkungen auf die Lieferantenbeziehungen, zu Auswirkungen auf Kosten?
3.3
Besonderheiten der Werke oder Bereiche
Nachdem nun die allgemein gültigen Anforderungen analysiert sind, wendet sich der strategische Einkäufer den Spezialitäten und Besonderheiten zu. Es ist von entscheidender Bedeutung, alle Besonderheiten je Werk oder Geschäftsbereich genau zu kennen. Genau an dieser Stelle wird der strategische Einkäufer zum internen Projektmanager, der versucht, mit den internen Fachabteilungen eine Standardisierung zu erreichen, um größere Mengeneffekte in der Beschaffung zu erzielen. Wird der Artikel in mehr als einem Unternehmensbereich oder Werk eingesetzt? Sind die Spezifikationen gleich? Wenn nicht, könnten sie es sein? Bestehen zwischen den Anforderungen der Bereiche oder Werke Gemeinsamkeiten oder Unterschiede? Wie addieren sich ihre Mengenprognosen? Wie sollten sich die Unternehmenssparten zur Zusammenarbeit organisieren?
4.
Spezifikationen und deren Besonderheiten
Nachdem nun der unspezifische Bedarf beschrieben wurde, folgt nun der spezifische Geschäftsbedarf. Hier gibt es einen eindeutigen Anforderer und Anwender, der sein Problem bzw. sein Projekt durch eine externe Beschaffung einer Ware oder Dienstleistung lösen möchte. Die Besonderheit dieses internen Bedarfes liegt darin, dass der Anforderer eine mehr oder weniger gute Spezifikation seines Bedarfes formuliert. Diese Spezifikation entspricht im ersten Ansatz nun mehr oder weniger gut dem wirklichen, objektiven Geschäftsbedarf. Genau diese Problematik und mögliche Vorgehensweisen um eine Spezifikation des wirklichen Geschäftsbedarfes zu erlangen, werden in diesem Abschnitt behandelt.
44
4.1
Analyse des internen Umfeldes
Spezifikation
Beim Kauf der Ware beschreibt die Spezifikation die „vereinbarte Beschaffenheit“, zu der sich der Verkäufer verpflichtet hat. Die Spezifikation ist damit Vertragsbestandteil. Eine Abweichung von der Spezifikation stellt einen Sachmangel dar und löst Gewährleistungsansprüche aus. Die Spezifikation bietet die Grundlage für jeden Vertrag. Sie ist sozusagen ein Eigenschaftspaket, das der Lieferant mit seinem Angebot abdecken soll. Bei der Beschaffung von Dienstleistungen und speziellen Waren, die zum Beispiel das erste Mal oder selten beschafft werden, ist die Erstellung der Spezifikation häufig schwierig, denn nicht immer ist ganz klar, welche Eigenschaften eine Dienstleistung bzw. Ware überhaupt erfüllen muss, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, bzw. welche Möglichkeiten die Lieferanten haben. Eine wirkungsvolle Vorgehensweise zur Spezifikationserstellung ist das Einholen von Budgetangeboten oder direkte Gespräche mit Lieferanten. In vielen Fällen klärt sich der genaue Umfang der Spezifikation erst durch solche Gespräche, denn nur so fließt das aktuelle Marktwissen in die Spezifikation ein. Selbst bei der finalen Spezifikation, die die Grundlage für die Ausschreibung oder sogar den Vertrag bildet, sollte man sich die Freiheit lassen, die Lieferanten explizit nach alternativen Lösungsvorschlägen zu fragen. Häufig können sich hieraus wesentlich bessere Lösungen ergeben.
4.2
Probleme bei der Spezifikationserstellung
Bei einigen Beschaffungsvorgängen (vor allem bei einmaligen Vorgängen) kommt es dazu, dass das zu beschaffende Produkt oder die Dienstleistung nicht das interne Geschäftsbedürfnis optimal befriedigt. Dies kann zum einen durch eine Überspezifikation (die beschaffte Lösung ist viel zu komplex und teuer für das zu lösende Problem) oder durch Spezifikationsfehler (wichtige Aspekte wurden nicht erkannt oder berücksichtigt) entstehen. Die Probleme entstehen meistens durch: unzureichende Zusammenarbeit bei der Spezifikationserstellung zwischen den Anwender, Anforderer und dem Einkauf mangelhaftes Eingehen auf differenzierte Erwartung oder Überspezifikation der Erwartung, sowie unzureichende Kenntnisse der Geschäftsbedürfnisse und der eigenen Bedürfnisse (seitens Anwender, Anforderer und Einkäufer) Informationsdefizite hinsichtlich der Probleme bzw. Erwartungen der Anwender. Mangel an geeigneten Vorgehensweisen, Methoden und Werkzeugen
Analyse des internen Umfeldes
Anwender/ Verbraucher
Anforderer (erstellt Spezifikation)
45
Einkäufer
Lieferant
Informationsfluss
Anforderer
Einkauf
Ware/ Dienstleistung
Lieferprozess
Vorgesetzte, Mitarbeiter in Projektleiter, externe Fachabteilungen Berater/Ingenieure
= Schnittstellenproblematik
Abbildung 13: Schnittstellenprobleme bei der genauen Definition der internen Bedürfnisse Egal, an welcher Stelle diese Schnittstellenproblematik auftritt, sei es am Anfang zwischen Anwender und Anforderer oder später in der Kommunikationskette zum Lieferanten-, die beschaffte Ware oder Dienstleistung wird die Geschäftsbedürfnisse wahrscheinlich nicht voll erfüllen.
4.3
Kommunikation und Zusammenarbeit
Neben dem internen Wissen ist die Kommunikation zwischen Anwender, Anforderer, Einkauf und dem Lieferanten wichtig für die Erfüllung der Geschäftsbedürfnisse. Durch eine enge Kooperation zwischen den Beteiligten können die Bedürfnisse rasch erkannt und somit mögliche Lösungen gefunden werden. Wenn regelmäßig Erfahrungen ausgetauscht, Erwartungen und Unsicherheiten thematisiert werden, dann entstehen weniger Missverständnisse und Konflikte. Je klarer und offener die Kommunikation zwischen allen Beteiligten, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, eine nicht zu 100 Prozent passende Ware bzw. Dienstleistung zu beschaffen. Trotz der Bemühungen nach guter Kommunikation und Zusammenarbeit kann es immer wieder passieren, dass die internen Bedürfnisse nicht erfüllt werden, weil es zwischen den Parteien zu Missverständnissen, Fehlschlüssen oder falschen Annahmen kommt. Wirkungsvoll zur Vermeidung solcher Probleme sind schriftliche Spezifikationen. Durch Erstellen von Spezifikationen kann man eine möglicherweise missverständliche Kommunikation zwischen strategischem Einkäufer und Anforderer erleichtern. Es werden unmissverständliche Ziele definiert und schriftlich fixiert. Es hilft dem Einkäufer zu verstehen, was die interne Fachabteilung genau benötigt.
46
Analyse des internen Umfeldes
Darüber hinaus ist die Spezifikation in jedem Fall auch schriftlicher Vertragsbestandteil zwischen dem eigenen Unternehmen und dem Lieferanten. Kommt es zu Streitigkeiten, kann nun anhand eines schriftlich dokumentierten Leistungsumfanges beurteilt werden, wo der Fehler entstanden ist. Für jede Ware oder Dienstleistung sollte eine Spezifikation vorhanden sein. Die Inhalte der Spezifikationen sind von Ware zu Ware unterschiedlich und werden meistens vom Anforderer aus der Fachabteilung erstellt. Der effektive Einkäufer muss kein detaillierter Experte für das zu beschaffende Produkt oder die Dienstleistung sein. Er muss jedoch ein Experte in den Beschaffungsvorgängen und im Management des Spezifikationsprozesses sein. Durch das Stellen der richtigen Fragen wird er sich ein ausreichendes Wissen über die Bedürfnisse der internen Fachabteilungen und die Fähigkeiten der Lieferanten aneignen.
4.4
Checkliste für eine gute Spezifikation
Die folgende Checkliste dient zur Überprüfung einer Spezifikation. Sie kann gleichermaßen vom Einkauf wie auch vom Ersteller der Spezifikation genutzt werden. Es ist immer zu beschreiben, was gebraucht wird und nicht wie es umgesetzt werden sollte. Wird in der Spezifikation eindeutig zwischen den Muss-Kriterien und den KannKriterien unterschieden? Sind die Parameter der internen Umfeldanalyse (Menge, Qualitäten, Cashflow etc.) eindeutig in der Spezifikation wiedergegeben? Ist die Spezifikation verständlich und eindeutig beschrieben? Wurden alle möglichen Merkmale (zum Beispiel Liefertermin, Qualitätsanforderungen) in der Spezifikation berücksichtigt? Wird nach vergleichbaren Alternativen gefragt? Kann das Produkt bzw. die Dienstleistung beschafft werden? Entspricht das Produkt oder die Dienstleistung im Markt grundsätzlich der Spezifikation? Wenn nein, was muss geändert werden? Handelt sich um ein Outsourcing-Projekt, bei dem damit zu rechen ist, dass es einen Personalübergang gibt? Wenn ja, ist die Personalabteilung frühzeitig und umfassend eingebunden?
4.5
Schema einer Spezifikation
Abbildung 14 zeigt den Rahmen für ein Spezifikationsmuster auf.
Analyse des internen Umfeldes
47
Zielsetzung
Musskriterien – Welche Anforderungen müssen auf jeden Fall erfüllt werden? Wunschkriterien – Welche Anforderungen müssen nicht unbedingt erfüllt werden, sind aber sinnvolle Ergänzungen?
Abgrenzungskriterien – Welche Ziele sollen bewusst nicht erreicht werden? Menge
In welcher Menge wird die Ware oder Dienstleistung benötigt? Wie ist der Bedarf pro Standort?
Einsatz
In welchen Bereichen oder Abteilungen wird das Produkt bzw. die Dienstleistung eingesetzt? Für wen wird die Dienstleistung vorgesehen? Ist es ein einmaliger oder regelmäßiger Einsatz?
Funktionen
Welche Funktionen werden von dem Produkt bzw. der Dienstleistung erwartet? Transport bzw. Belieferung
Welche Transportalternativen sollen verwendet werden? Ort der Anlieferung? Standort? Qualitätsanforderungen
Welche Qualitätsmerkmale soll das Produkt haben? Design, Ausstattung, Bedienungskomfort, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, einfache Wartungsarbeiten, problemlose Entsorgung etc.
Welche Merkmale soll die Dienstleistung haben? Verfügbarkeit, Komfort, Zuverlässigkeit, Personalisierung, Preis, Qualität, Ansehen, Sicherheit, Geschwindigkeit. Abbildung 14: Spezifikationsmuster
5.
Beschaffungskompetenzen
Abbildung 15 geht auf die Beschaffungskompetenzen der internen Umfeldanalyse mit den drei Einstufungen: Kenner, Könner und Experte ein.
ANALYSE DES INTERNEN UMFELDES
KÖNNER Gilt als Ansprechpartner für detaillierte Analysen des internen Umfeldes und deren Anwendung. Versteht den Technologiefluss und die Antriebskräfte für die Kosten. Gefragt als Berater zu Grundsätzen der internen Umfeldanalyse. Erkennt mögliche Probleme frühzeitig. Sorgt dafür, dass die interne Umfeldanalyse als nützliches Instrument gesehen wird. Pflegt wichtige Kontakte im Unternehmen, die zu Informationen führen und über die üblicherweise zur Verfügung stehenden hinausgehen. Ist bei Überlappungen in der Lage, über die Fachabteilungen übergreifend zu integrieren.
Bewiesene Fähigkeiten: Hat mehrere interne Analysen aus den verschiedensten Ausgabengruppen (Rohstoffe, Dienstleistungen, Investitionen etc.) durchgeführt und die dabei aufgetretenen Probleme gelöst.
KENNER
Analysiert pro-aktiv und in regelmäßigen Abständen alle Ausgabengruppen des Unternehmens und definiert hieraus die Geschäftsbedürfnisse. Ist in der Lage, die zum Teil unspezifischen Anforderungen des Unternehmens genau zu analysieren und in konkrete Anforderungen zu übersetzen, die als Grundlage für die externe Beschaffung dienen. Ist in der Lage, die internen Geschäftsbedürfnisse so zu bündeln, dass in der Beschaffung ein Mehrwert für das Unternehmen erreicht wird. Führt regelmäßig Analysen zum make-or-buy durch, leitet hieraus Empfehlungen an die Geschäftsleitung ab. Ist in der Lage, das interne Umfeld so zu analysieren und Rückschlüsse daraus zu ziehen, dass dies als Grundlage dient, grundsätzliche Verbesserungen herbeizuführen. Kann zwischen Details und dem großen Bild unterscheiden und wählt immer den optimalen Betrachtungsrahmen. Arbeitet effektiv mit den Fachabteilungen zusammen, um lösungsneutrale Spezifikationen zu erstellen. Weiß zwischen den persönlichen Wünschen des Anforderers und den Geschäftsbedürfnissen zu unterscheiden und erzeugt einen objektiven Spezifikationsprozess.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat mindestens eine komplexe Spezifikation selbst erstellt und für einen weiteren Beschaffungsfall die Fachabteilung so gecoacht, dass eine lösungsneutrale Spezifikation entstanden ist.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Abbildung 15: Beschaffungskompetenzen: Interne Umfeldanalyse Hat das Verfahren der Analyse des internen Umfeldes mit- oder weiterentwickelt. Hat entsprechende Schulungen zur Analyse des internen Umfeldes entworfen und vermittelt sein Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Wird auf breiter Ebene anerkannt und als Experte auf dem Gebiet der Analyse des internen Umfelds gesehen. Übernimmt Führungsrolle bei der Klärung von Differenzen. Eine der Top-Kapzitäten für interne Analysen im Unternehmen. Prüft regelmäßig die Triebkräfte der Analyse und reagiert sensibel auf Veränderungen dieser Antriebskräfte. Fördert neueste Verfahren, indem er Informationsquellen zu vorher nicht verfügbaren analytischen Verfahren entwickelt. Teilt sein Fachwissen großzügig und wird in sehr wichtigen Fragen als Ansprechpartner gesehen.
EXPERTE
Analysiert die internen Geschäftsprozesse und leitet daraus den internen Bedarf des Unternehmens ab. Leitet aus den übergeordneten Zielen spezielle Ziele und Aufgabenstellungen für spezielle Beschaffungsgüter ab. Ist in der Lage, mit den internen Abteilungen so zusammenzuarbeiten, dass ein wettbewerbsorientierter Beschaffungsprozess auf Grundlage einer lösungsneutralen Aufgabenbeschreibung (z.B. Spezifikation) durchgeführt wird.
48 Analyse des internen Umfeldes
Industrieanalyse
49
Industrieanalyse
1.
Grundlagen
Die Industrieanalyse gehört zur externen Umfeldanalyse und ist Teil der Beschaffungsmarktforschung. Die Beschaffungsmarktforschung ist ein Instrument, um Marktchancen und Marktprobleme zu erkennen. Außerdem bildet sie die Grundlage, um neue oder überarbeitete Beschaffungsstrategien zu erstellen. Ziel ist es, einen möglichst umfassenden Überblick über Produkte, den Markt und seine Marktkräfte zu erlangen. Geeignete Maßnahmen, um Informationen zu sammeln und aufzubereiten, sind die Marktanalyse und die Marktbeobachtung. Versteht man auf der einen Seite unter der Marktanalyse eine statische Betrachtung, die sich auf den Ist-Zustand bezieht, so versteht man auf der anderen Seite unter einer Marktbeobachtung eine dynamische Sichtweise und bezieht die zukünftige Entwicklung mit ein. Befindet man sich in einem dynamischen oder kippenden Beschaffungsmarkt, so wird die Industrieanalyse nur eine zeitlich beschränkte Gültigkeitsdauer haben. Daraus ergibt sich, dass die Analyse in kurzen Abständen zu aktualisieren ist und dass die Beschaffungsstrategie sehr dynamisch ausgelegt sein muss.
2.
Anwendung der Industrieanalyse
Eine Industrieanalyse für den Beschaffungsmarkt ist dann zu erstellen, wenn: Die Ausgabengruppe einen großen Kostenblock und damit ein hohes finanzielles Risiko darstellt Die Verfügbarkeit der Ware oder Dienstleistung nicht sichergestellt ist und damit ein hohes Versorgungsrisiko besteht Die Beschaffung auf einem globalen Markt stattfindet oder neue Schlüsseltechnologien eingesetzt werden
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
50
3.
Industrieanalyse
Datenquellen und deren Gewinnung
Ein strategischer Einkäufer benötigt viele verschiedene Daten und Informationen, um erfolgreich handeln zu können. Folgende Daten sind bei einer Industrieanalyse eines Beschaffungsmarktes unbedingt notwendig: Marktvolumen, eventuell pro Land oder regionalem Markt Anzahl der Anbieter, eventuell pro Land oder regionalem Markt Marktanteile der Anbieter Umsatz der Anbieter und Anteil am Markt (Herstellungs-) Kapazitäten der Lieferanten (Produkt-) Qualitäten Diese notwendigen Daten können aus folgenden Quellen gewonnen werden: Öffentlich zugängliche Daten
Patente Handelsregister Wirtschafts- und Branchenverbände Branchendienste Testberichte Internet allgemeine Presse, Branchenpresse Einkaufshilfen Kreditversicherung Studien- und Diplomarbeiten
Vom Unternehmen veröffentlichte Daten Geschäftsinformationen
Ad-hoc-Mitteilungen Pressemitteilungen Produktkataloge Unternehmenswebsite Werbung
Finanzdaten
Aktienkurse Jahresabschlüsse Bilanzkennzahlen Analystenbeurteilungen
Abbildung 16: Quellen zur Datengewinnung Produktlebenszyklen und Reifegrad des Marktes Substitutionsgüter für das zu beschaffende Produkt Infrastruktur und Logistik der Lieferanten Produktionsprozesse, inkl. deren Vor- und Nachteile in den Herstellungsverfahren Produktspezifikationen und Eigenschaften
Industrieanalyse
51
Abnehmermärkte und finanzielle Möglichkeiten der anderen Märkte Politik und potentielle Auflagen Währungs-, Konjunktur-, Saison- und Trendschwankungen Primärinformationen (Felddaten) können durch Interviews mit direkten Branchenteilnehmern, wie Lieferanten oder Vorlieferanten, direkt gewonnen werden. Eine weitere Möglichkeit besteht auch darin, Informationsgespräche mit Nachfragekonkurrenten (Unternehmen, die die gleichen Waren oder Dienstleistungen benötigen wie das eigene Unternehmen) zu führen. Dies können Unternehmen aus der gleichen Branche sein (siehe Wettbewerberanalyse) oder aus anderen Branchen (siehe Benchmarking).
4.
Industrieanalyse nach dem Porter-Modell
Das vom Harvard Professor Michael E. Porter entwickelte Modell, dass er in seinem Buch „Wettbewerbsstrategie“, beschrieben hat, bildet die Grundlage für die folgende Beschreibung. Neben der Rivalität zwischen bestehenden, konkurrierenden Unternehmen (hier: potentielle Lieferanten für das eigne Unternehmen) besteht im weiteren Sinn ein erweiterter Wettbewerb durch folgende Marktteilnehmer: Kunden (Abnehmer, wie zum Beispiel das eigene Unternehmen) Vorlieferanten (Feedstock-Lieferanten) Potentielle neue Anbieter (neue Lieferanten) Hersteller von Ersatzprodukten Alle fünf Marktkräfte bestimmen gemeinsam die Wettbewerbsintensität und Rentabilität einer Branche. Die Untersuchung dieser Wettbewerbskräfte stellt die Grundlage bei der Erstellung einer effektiven Beschaffungsstrategie dar. Die Qualität und die Ergebnisse einer solchen Analyse sind von den drei folgenden Faktoren abhängig: Aktualität der Informationen (Zeitleiste) Vollständigkeit der Informationen (Quellen) Genauigkeit der Informationen (Qualität der Angaben)
52
4.1
Industrieanalyse
Gefahr durch Markteintritt – neue Konkurrenten
Die Wahrscheinlichkeit des Markteintrittes eines neuen, potentiellen Lieferanten hängt von den bestehenden Eintrittsbarrieren, evtl. Wideraustrittsbarrieren und absehbaren Reaktionen der etablierten Wettbewerber ab. Sind die Barrieren hoch, so ist die Gefahr gering, dass ein potentieller neuer Lieferant als Konkurrent der bestehenden Lieferanten in den Markt eingreift. Falls es einfach ist, dass neue Unternehmen teilnehmen, bedeutet das für den Einkauf, dass er sich auf einen Käufermarkt einstellen muss und mit sinkenden Preisen rechnen kann. Es sind dann Beschaffungstaktiken anzuwenden, die den Wettbewerb noch weiter fördern. Betriebsgrößenersparnisse (Economies of Scale) liegen vor, wenn bei steigender Stückzahl die Herstellungskosten pro Stück sinken. Sie schrecken Neuanbieter vor einem möglichen Eintritt ab, da sie gezwungen werden, mit einer so großen Stückzahl in den Markt einzutreten, dass der Absatz nicht mehr gesichert ist. Größenvorteile können in allen Unternehmensteilen erzielt werden: Abteilung
Beispiel
Produktion
Effektiverer Einsatz von Maschinen
Einkauf
Mengenrabatte
Forschung und Entwicklung
Effektiver Ressourceneinsatz
Vertrieb
Bekanntheit des Unternehmens, der Marke
Marketing
Umfassende Marktkenntnis
Servicenetz
Nähe zum Verbraucher
Außendienstpräsenz
Nähe zum Kunden
Abbildung 17: Möglichkeiten für Betriebsgrößenersparnisse Produktdifferenzierung bedeutet also, dass ein neuer Lieferant, um in einen bestehenden Markt eindringen zu können, sein Produkt so verändern muss, dass er bekannte Marken und die Käuferloyalität der etablierten Unternehmen überwinden kann. Dies ist oft mit hohen Kosten verbunden, da sowohl Innovationen als auch der Aufbau neuer Vertriebswege nötig sein können. Produktdifferenzierung bedeutet, dass bereits etablierte Unternehmen über bekannte Marken und Käuferloyalität aus der Vergangenheit verfügen. Um diese bestehende Käuferloyalität zu überwinden, muss der neue Konkurrent wiederum erhebliche Mittel zur Beseitigung der Differenzierung aufbringen. Wechselt das eigene Unternehmen den Lieferanten, so muss bedacht werden, dass ein abgewandeltes Produkt auch Änderungen im eigenen Produktionsprozess hervorrufen kann. Deswegen sind solche Änderungen immer mit der entsprechenden Fachabteilung abzustimmen.
Industrieanalyse
53
Kapitalbedarf. Eintrittsbarrieren existieren auch, wenn massiv Mittel investiert werden müssen, um wettbewerbsfähig zu sein. Beispielhaft lassen sich folgende Kostentreiber nennen:
Einstiegswerbung Forschung & Entwicklung, Patente Produktionsanlagen und -verfahren Personal Kundenkredite (Zahlungsziele, Konsignationslager) Inventar (Ausstattung, Hard-/Software, Fuhrpark)
Ist für den Markteintritt ein hoher Kapitalbedarf nötig, kann der Einkäufer kurz- und mittelfristig nicht mit mehr Wettbewerb rechnen. Umstellungskosten der Kunden und des eigenen Unternehmens. Umstellungskosten sind einmalige Kosten für einen Abnehmer, der vom Produkt eines Lieferanten zu dem eines anderen wechselt. Sind die Umstellungskosten hoch, müssen Neuanbieter wesentlich niedrigere Preise oder bessere Leistung bzw. Qualität bieten. Als Beispiel lassen sich folgende nennen:
Personal-, Umschulungs- und Einarbeitungskosten Test- und Umstellungskosten an den Anlagen erforderliche Zusatzaggregate in der Produktion Produktdesignkosten/Zulassungen
Verursacht der Wechsel eines Lieferanten im eigenen Unternehmen Kosten, so sollte der Einkäufer anstreben, dass diese Kosten vom neuen Lieferanten mitgetragen oder sogar übernommen werden. Auch hier ist für einen erfolgreichen Abschluss die Zusammenarbeit mit der entsprechenden Fachabteilung entscheidend. Zugang zu Vertriebskanälen. Ein neuer Marktteilnehmer muss darauf achten, dass neben der Produktion auch der Vertrieb des Produktes sichergestellt ist. Dabei wird er ebenfalls mit den bereits etablierten Unternehmen konkurrieren und sich eventuell auf ungünstige Bedingungen einlassen müssen. Das bedeutet, dass dem Vertrieb die Möglichkeit eingeräumt werden muss, Einführungs- und Verkaufsförderungsmaßnahmen durchzuführen. Hierbei ist auch zu beachten, dass der Käufer nicht immer gleichzeitig Endverbraucher ist. Der Einkäufer kann diese Situation nutzen, um unter den bestehenden Lieferanten den Wettbewerb zu verstärken. Größenunabhängige Kostenvorteile. Etablierte Lieferanten können über Kostenvorteile verfügen, die für neue Konkurrenten zunächst unerreichbar sind. Kann ein neuer Lieferant diese Kostennachteile nicht selbst tragen und versucht er, sie an das eigene Unternehmen als Kunden weiterzugeben, ist eine Zusammenarbeit mit diesem Lieferanten nicht ratsam und die Beziehung zum alten Lieferanten sollte beibehalten werden. Zu den wichtigsten Vorteilen von eingesessenen Unternehmen zählen:
54
Industrieanalyse
Kostenvorteil
Beispiel
Besitz von Produktionstechnologien
Rezepturen, Patente
günstiger Zugang zu Rohstoffen
Kontakte, Erfahrungen, Kontrakte
günstige Standorte
bestehende Reserveflächen sind meist günstiger als Neuerwerbungen
staatliche Subventionen
Förderprogramme, zum Beispiel Regenerative Energien, EU- Gebietsförderungen
Lern- und Erfahrungskurve
Erfahrungen in Produktion, Vertrieb, Einkauf reduzieren Stückkosten
Abbildung 18: Kostenvorteile Staatliche Politik. Maßgebliche Ursachen für Eintrittsbarrieren können auch in der Politik des Staates liegen. Diese kann den Markteintritt begrenzen oder sogar verhindern. Beispiele hierfür sind die Lkw-Maut, Umweltschutzauflagen, Sicherheitsvorschriften, Steuerpolitik, Arbeitsschutz- oder Verbraucherschutzgesetze. Wirken sich staatliche Auflagen und Gesetze auf die Unternehmen-Lieferanten-Beziehung aus, sollte der Einkäufer nach alternativen Beschaffungsmöglichkeiten suchen. Erwartete Wettbewerberreaktionen. Der Eintritt kann verhindert werden, wenn die Erwartung besteht, dass die bestehenden Wettbewerber im Markt heftig reagieren. Ein Indikator für eine zu erwartende Vergeltungsmaßnahme ist, dass bereits gegen früher in den Markt eingetretene Unternehmen heftige Abwehraktivitäten erfolgten. Meist haben etablierte Unternehmen die finanziellen Mittel, um eine solche Gegenmaßnahme zu finanzieren. Ressourcen bilden hierbei:
überschüssige Liquidität unausgeschöpfte Kreditrahmen unausgelastete Produktionskapazitäten starke Position in den Vertriebskanälen
Kommt es zu Vergeltungsmaßnahmen, werden diese häufig als Preiskampf ausgetragen. Diese Situation kann der Einkäufer bei unkritischen Materialien nutzen, um Kostenvorteile für das eigene Unternehmen zu schaffen.
4.2
Rivalität unter den Wettbewerbern (Lieferanten)
Wettbewerb bis hin zur Rivalität unter den existierenden Lieferanten begegnet uns in Form von:
Industrieanalyse
55
Preiskämpfen Werbeschlachten Einführung neuer Produkte verbesserten Service- und Garantieleistungen. In manchen Branchen ist die Rivalität hoch, in anderen gering. In Branchen mit hohem Preisdruck bieten sich für den Einkauf große Chancen, da oft über den Preis verkauft wird. Diese intensive Rivalität ist das Ergebnis einer Reihe struktureller Faktoren. Alle nachfolgend aufgeführten Punkte kann der Einkäufer nutzen, um wiederum Kostenvorteile für das eigene Unternehmen zu erwirtschaften und damit die eigene Wettbewerbssituation zu verbessern. Zahlreiche und gleichwertig ausgestattete Wettbewerber. Wenn es viele Lieferanten als Anbieter gibt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass einige Unternehmen glauben, sie könnten Maßnahmen ergreifen, ohne dass die anderen davon Notiz nehmen. Sind im Markt wenige, aber im Hinblick auf ihre Größe und Mittel relativ ausgeglichene Anbieter, kann durch Aktionen ein instabiler Zustand geschaffen werden, der die Kampfbereitschaft und somit die Wahrscheinlichkeit für dauerhafte und harte Vergeltungsmaßnahmen erhöht. Langsames Branchenwachstum. Bei langsamem Branchenwachstum bedeutet Wettbewerb für Unternehmen, die expandieren wollen, in erster Linie Kampf um die Höhe des Marktanteiles, da in Wachstumsmärkten höhere Absatzpotentiale durch die Akquisition neuer Kunden entstehen. Dies hat zur Folge, dass für den Kampf um Marktanteile sowohl ausreichend finanzielle als auch personelle Ressourcen vorhanden sein müssen. Hohe Fix- und Lagerkosten. Hohe Fixkosten üben auf alle Unternehmen den Druck aus, ihre Kapazität möglichst optimal auszulasten. Dies führt bei Überschusskapazitäten oft zu einem schnell eskalierenden Preiskampf. Sind die Produkte nur schwer oder kostenintensiv zu lagern, sind die Unternehmen versucht, sukzessive durch Reduzierung ihrer Verkaufspreise ihre Verkäufe abzusichern. Fehlende Differenzierung oder Umstellungskosten. Besteht eine völlige Austauschbarkeit der Produkte, so handelt es sich um ein Commodity. In diesem Fall kann der Käufer einfach von einem Produkt zum anderen zu wechseln. Die Käuferentscheidung beruht hauptsächlich auf Preis und Service. Umstellungskosten können allerdings sowohl in einer Kundenbindung in der technischen Spezifikation als auch in Mehrwertleistungen liegen. Heterogene Lieferanten im Wettbewerb. Anbieter, die sich in Bezug auf Strategie, Herkunft, Persönlichkeit und Beziehung zum eigenen Unternehmen unterscheiden, haben verschiedene Ziele. Dadurch können sie kontinuierlich in Konflikt miteinander geraten, da sie sich nicht über die Spielregeln der Branche einigen können. Ausländische Anbieter verzerren oft zusätzlich die Branche, da diese meist von anderen Bedingungen ausgehen und häufig abweichende Ziele haben.
56
Industrieanalyse
Hohe strategische Einsätze. Die Rivalität in einer Branche wird noch explosiver, wenn einige Unternehmen aus strategischen Überlegungen (Prestige, Konzernstrategie) heraus den Erfolg um jeden Preis suchen. Hohe Austrittsbarrieren. Austrittsbarrieren lassen sich in ökonomische, strategische und emotionale gliedern. Diese Faktoren können Unternehmen zum Verbleib in der Branche veranlassen, selbst wenn sie niedrige oder sogar negative Ertragsraten erwirtschaften. Ursachen
Beispiele
Spezialisierte Aktiva
Spezialmaschinen, Standortnähe zum Verbraucher
Fixkosten des Austrittes
Sozialpläne, Umstellungskosten, Ersatzteilversorgung
Strategische Wechselbeziehungen
Marketing zum Beispiel Farbverbund, gemeinsam betriebene Anlagen
Emotionale Barrieren
Karriere, Stolz, Loyalität zum Personal
Abbildung 19: Austrittsbarrieren Große Kapazitätserweiterungen. Wo Betriebsgrößenersparnisse und technisch bedingte Mindestmengen Kapazitätserweiterungen nur in großem Umfang erlauben, können diese das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage des Marktes nachhaltig stören. Die Gefahr besteht, dass durch Überkapazitäten ein Preisverfall entsteht oder nicht auf Kapazitätsausweitungen entsprechend schnell reagiert wird und somit Versorgungsengpässe entstehen. Veränderung der Rivalität. Ein Rückgang der Wachstumsrate aufgrund von Reifungsprozessen in der Branche führt zu verstärkter Rivalität. Diese angespannte Situation hat wiederum sinkende Preisen zur Folge und damit verbunden sinkende Gewinne. Dies kann in letzter Konsequenz zur Trennung von einzelnen Geschäftsbereichen führen.
4.3
Bedrohung durch Substitutionsprodukte
Alle Lieferanten einer Branche konkurrieren (im weitesten Sinne) mit Branchen, die Ersatzprodukte (Substitute) herstellen. Ersatzprodukte begrenzen das Gewinnpotential einer Branche, indem sie eine Obergrenze für den Preis setzen. In den nächsten Abschnitten wird kurz darauf eingegangen, wann Substitutionsartikel von den Unternehmen gekauft werden. Besseres Preis-Leistungsverhältnis. Ein Ersatzprodukt, dessen Preis-Leistungsverhältnis sich gegenüber dem Produkt der Branche besser darstellt, kann etablierte Unternehmen
Industrieanalyse
57
aus dem Markt drängen (zum Beispiel Digitaldruck in kleinen Losgrößen zu vertretbaren Kosten gegenüber Tiefdruck in Großlosgrößen). Sichere Verfügbarkeit. Ein Ersatzprodukt, dessen Versorgungssicherheit bzw. Verfügbarkeit sich gegenüber dem Produkt der Branche besser darstellt, kann alte Unternehmen aus dem Markt drängen.
4.4
Verhandlungsmacht der Abnehmer (eigenes Unternehmen und dessen Wettbewerber)
Die Abnehmer konkurrieren mit der Beschaffungsbranche, indem sie die Einstandspreise reduzieren, höhere Qualität oder bessere Leistungen verlangen und Marktteilnehmer des Beschaffungsmarktes gegeneinander ausspielen. Eine Käufergruppe kann aus folgenden Gründen mächtig sein. Großer Anteil am Gesamtumsatz des Lieferanten. Wenn ein großer Teil des Umsatzes auf einen bestimmten Abnehmer entfällt, dann erhält das Geschäft ein besonderes Gewicht in Bezug auf das Gesamtergebnis. Großabnehmer sind besonders mächtig, wenn die Branche hohen Fixkosten gegenübersteht, die ausgelastete Kapazitäten erfordern, zum Beispiel chemische Großanlagen oder Papiermaschinen. Produkt hat einen signifikanten Anteil an den Stückkosten. In diesem Fall ist der Käufer bereit, Zeit und Geld auf die Suche nach einem günstigeren Preis zu verwenden. Wenn das Produkt hingegen nur einen kleinen Teil an den eigenen Kosten ausmacht, ist der Käufer weitaus weniger preisempfindlich. Standardprodukte ohne Differenzierung. Der Abnehmer ist sicher, dass er immer alternative Lieferanten finden wird, von denen er sich den besten aussuchen kann. Hier werden in der Praxis oft Wettbewerber gegeneinander ausgespielt. Umstellungskosten auf Wettbewerber sind gering. Der Käufer kann einfach auf ein anderes Produkt umschwenken, da er nur geringe Umstellungskosten hat. Hat der Verkäufer auf seiner Seite hohe Umstellungskosten, da die Produktion an die spezifischen Kundenerfordernisse angepasst wurde, so steigert dies ebenfalls die Macht des Käufers. Gewinne der Abnehmer sind gering. Niedrige Gewinne drängen die Käufer, ihre Einkaufskosten mit aller Macht und allen Möglichkeiten zu senken. Drohung mit Rückwärtsintegration. Ist der Käufer in der Lage, zugekaufte Waren oder Dienstleistungen selbst herzustellen, so kann er sich selbst in Konkurrenz zum Lieferanten bringen und seine Position so stärken. Durch partielle Integration – Kunde produziert bereits selbst einen Teil der benötigten Ware – verfügt er über detaillierte Kenntnis der Kosten, was für die Verhandlungen ausgenutzt werden kann.
58
Industrieanalyse
Vollständige Marktkenntnisse. Je umfassender der Abnehmer über die Nachfrage, aktuellen Marktpreise, Rohstoff- und Produktionskosten der Branche sowie die Kosten seines Lieferanten informiert ist, desto ausgeprägter wird seine Verhandlungsstärke sein.
4.5
Verhandlungsstärke der Vorlieferanten
Vorlieferanten können ihre Verhandlungsstärke ausspielen, indem sie damit drohen, die Preise zu erhöhen oder die Qualität zu senken. Die Voraussetzungen, die den Vorlieferanten Macht verleihen, sind meist die Spiegelbilder jener Bedingungen, die die Grundlage der Käufermacht bilden. Eine Verkäufergruppe ist stark, wenn sie sich in einer der folgenden Positionen befindet. Beherrschende Marktstellung. Stärker konzentrierte Vorlieferantenlandschaften, die an viele verschiedene Branchen und Abnehmer verkaufen, werden meist einen beträchtlichen Einfluss auf Preis, Qualität und Lieferbedingungen ausüben können. Keine Bedrohung durch Ersatzrohstoffe. Selbst die Macht großer, einflussreicher Kunden kann kontrolliert werden, wenn sie keine Alternative zum eingekauften Produkt haben, zum Beispiel bei der Beschaffung in den Rohölmärkten. Geringer Stellenwert des Kunden. Hat der Kunde oder die Branche keinen signifikanten Anteil am Umsatz des Verkäufers, so ist das Interesse des Vorlieferanten an Zugeständnissen dem Kunden gegenüber gering. Der Vorlieferant wird nicht bemüht sein, die Branche durch kooperative Preisgestaltung, Unterstützung bei Forschung und Entwicklung oder gemeinsame Interessenvertretung zu schützen. Wichtiger Rohstoff für den Abnehmer. Die Position des Vorlieferanten verstärkt sich, wenn das Produkt nicht lagerfähig ist, der Abnehmer keine Bestände davon aufbauen kann oder das Produkt wichtig für den Prozess- bzw. Produktionsablauf ist. Vorlieferant droht glaubwürdig mit Vorwärtsintegration. Hierdurch werden die Einkaufsbedingungen der Abnehmer wesentlich verschlechtert. Produktdifferenzierung und Umstellungskosten beim Abnehmer. Differenzierte Produkte (Spezifikationen) und daraus resultierende Umstellungskosten reduzieren beim Abnehmer die Möglichkeiten, die Vorlieferanten gegenseitig auszuspielen. Staat als Marktteilnehmer. Neben den Faktoren, wie der Staat Ein- und Austrittsbarrieren von Marktteilnehmern beeinflusst, tritt er in vielen Fällen auch als Lieferant (Forstwirtschaft) oder Kunde (Rüstung, Infrastruktur) auf. Zur Vereinfachung in der Übersichtlichkeit, welche der unter 4.1 bis 4.5 beschriebenen Kräfte den größten Einfluss auf den Einkäufer hat, sind diese mit gering, mittel und hoch zu werten. Anschließend hat die Begründung zu erfolgen. Die Eingabemaske, wie in Abbildung 20
Industrieanalyse
59
dargestellt, dient als Vorlage für eine einfachere Beschaffungsstrategie. Sie kann auch für eine Schnellprüfung angewendet werden, wenn die Zeit drückt. Handelt es sich allerdings um ein wichtiges Material so ist mehr Aufwand in die Beschaffungsmarktanalyse zu investieren, damit ein guter Überblick für die Beschaffungsstrategie gewonnen werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, neue Lieferanten zu involvieren ist …….., weil:
Die Verhandlungsstärke der Vorlieferanten ist …….., weil:
Der Wettbewerb zwischen den existierenden Lieferanten ist ……., weil:
Die Verhandlungsstärke der Hauptabnehmer ist ……., weil:
Die Wahrscheinlichkeit eines Ersatzproduktes ist ……., weil:
Abbildung 20: Eingabemaske für die Industrieanalyse in der Zusammenfassung
5.
Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung
Abbildung 21 zeigt die erforderlichen Beschaffungskompetenzen in den Ausprägungen Kenner, Könner und Experte für die Industrieanalyse. Abbildung 22 zeigt ein auf die Beschaffungsmarktanalyse angepasstes Porter-Modell.
INDUSTRIEANALYSE
Abbildung 21: Beschaffungskompetenzen: Industrieanalyse Bewiesene Fähigkeiten: Hat mindestens drei komplexe Branchenanalysen effektiv abgeschlossen, die zum Prozess der Formulierung einer erfolgreichen Beschaffungsstrategie beigetragen haben.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat mindestens eine relativ komplexe Branchenanalyse erfolgreich abgeschlossen (neue oder bedeutende Aktualisierung einer bestehenden Analyse), die eine robuste Beschaffungsstrategie ermöglicht hat, oder drei relativ einfache Branchenanalysen.
Hat die Industrieanalyse entscheidend mit- bzw. weiterentwickelt. Hat entsprechende Schulungen zur Industrieanalyse entworfen und vermittelt sein Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
EXPERTE Eine der Top-Kapazitäten für Industrieanalysen im Unternehmen. Prüft regelmäßig, was die Branchenkräfte treibt, und reagiert sensibel auf Veränderungen dieser Antriebskräfte. Fördert neueste Verfahren zur Industrieanalyse, indem er Informationsquellen zu vorher nicht verfügbaren analytischen Verfahren entwickelt bzw. entdeckt. Teilt sein Fachwissen großzügig und wird in hohem Maße als Ansprechpartner angesehen.
KÖNNER Gilt als Ansprechpartner für detaillierte PorterAnalysen und deren Anwendung. Versteht die Antriebskräfte hinter den Porter-Kräften. Versteht die Antriebskräfte für die Kosten und den Technologiefluss. Pflegt wichtige Kontakte und Quellen in der Beschaffungsbranche, die zu Informationen führen und über die üblicherweise zur Verfügung stehenden hinausgehen. Setzt seine Kenntnisse über die Beschaffungsbranche und Material zur Beeinflussung von geschäftlichen Entscheidungen ein. Ist bei Überlappungen in der Lage, branchenübergreifend zu integrieren (z.B. vertikale Integration).
KENNER
Verfügt über umfassende Kenntnisse des PorterModells und darüber, wie dessen fünf Bestandteile in gegenseitiger Beziehung stehen: • Verhandlungsmacht der Abnehmer • Rivalität unter den bestehenden Unternehmen • Bedrohung durch neue Konkurrenten • Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste • Verhandlungsstärke der Lieferanten Setzt das Porter-Modell ein und zieht entsprechende Folgerungen, um bei der Formulierung vernünftiger Einkaufsstrategien/-prognosen zu helfen etc. Entwickelt historisches Wissen und Perspektive über die Beschaffungsbranche. Richtet angemessene Quellen für Informationen über die Branche und Materialien ein und behält diese bei. Teilt Branchenwissen innerhalb der Organisation (Kategorien, Geschäftssparten, Länder, Funktionen etc.).
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Sorgt für den Wettbewerbsvorteil des eigenen Unternehmens durch Einholung und Analyse von Informationen zur Dynamik von Angebot und Nachfrage innerhalb der Beschaffungsbranche. Diese Informationen umfassen Produktionstechnologie und Kostenstruktur (Rohstoffe, Kapital), die beim Aufbau effektiver Einkaufsstrategien, Kostenprognosen und Verhandlungspositionen eingesetzt werden.
60 Industrieanalyse
Abbildung 22: Porter-Modell für Beschaffungsmärkte
der Branche Grad, zu dem das Produkt standardisiert ist Wie einfach kann die Industrie die Rohmateriallieferanten wechseln Profitmarge der Industrie am Rohmaterial Möglichkeit der Rüchwärtsintegration Informationsgrad des Käufers über die Rohmaterialindustrie Angebots- und Nachfrage Balance
Dies ist ein leicht verändertes Porter Modell Das einkaufende Unternehmen, das der Einkäufer repräsentiert, ist Abnehmer der Branche. Die Lieferanten sind die Wettbewerber der Branche.
Achtung:
•
• • •
• •
Verhandlungsstärke der Lieferanten: • Relative Höhe des Einkaufsvolumens • Wichtigkeit der Rohmaterialkosten an den Kosten
Rohmaterial Vorlieferanten
Wettbewerbstreibende Kräfte in der Beschaffungsindustrie
• • •
• •
•
• • •
• •
Gesamtkosten Grad, zu dem das Produkt standardisiert ist Wie einfach kann der Käufer den Lieferanten wechseln Profitmarge des Käufers Möglichkeit der Rückwärtsintegration Informationsgrad des Käufers über die Industrie Angebots- und Nachfrage Balance
Verhandlungsmacht der Abnehmer: • Relative Höhe des Einkaufsvolumens • Wichtigkeit des Produktes an den
Abnehmer (d. h. eigenes Unternehmen etc.)
Einheiten Besitz von Produkttechnologien, Rohstoffzugang Grad der Käuferloyalität und Produktdifferenzierung Zugang zu Vertriebskanälen Staatliche Politik, Subventionen, Standort Gewinnmargen der Branche
Bedrohung durch neue Konkurrenten: • Höhe der Umstellungskosten der Abnehmer • Kapitalbedarf für den Markteintritt • Betriebsgrößenersparnisse erfordern große
Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste: • Entwicklung neuer Produkte mit ähnlichen Preis- und Leistungsmerkmalen • Grad, wie die existierenden Lieferanten diese Gefahr wahrnehmen
Ersatzprodukte
Rivalität unter den bestehenden Unternehmen: • Anzahl gleich ausgestatteter Wettbewerber • Geschwindigkeit des Branchenwachstums • Kapazitätsauslastung einzelnen Anbieter • Höhe der Fix- und Lagerkosten • Fehlende Differenzierung oder Umstellungskosten • Kapazitätserweiterungen in der Branche • Heterogene Wettbewerber • Höhe strategischer Einsätze einzelner Anbieter • Höhe der Austrittsbarrieren
Wettbewerb in der Beschaffungsbranche (d. h. Lieferanten)
Potenzielle neue Konkurrenten (d. h. neue Lieferanten)
Ist dieser Markt: balanciert, ein Käufer- oder Verkäufermarkt, oder in Übergang?
Industrieanalyse 61
Lieferantenanalyse
63
Lieferantenanalyse
1.
Grundlagen
Die Lieferantenanalyse wird zur Vorhersage der Gesamtleistung des Lieferanten und zur Überprüfung der langfristigen Nachhaltigkeit seiner Ergebnisse eingesetzt. Sie ist dadurch ein kontinuierlicher Bestandteil der Arbeit eines Einkäufers. Bei der Lieferantenanalyse handelt es sich um ein Instrument, mit dem man mögliche zukünftige Lieferanten analysiert. Sie erleichtert die Fundierung der Einkaufsentscheidung vor der eigentlichen Vertragsvergabe. Die Lieferantenanalyse dient allein zur Beurteilung potentieller neuer Lieferanten und ist nicht mit der Lieferantenbewertung zu verwechseln, die sich mit der Beurteilung von bestehenden Lieferanten auseinander setzt und Bestandteil des Lieferantenmanagements ist. Das Ziel bei der Lieferantenanalyse ist es, strategischen Einkäufern die Möglichkeit zu geben, unter Anwendungen entsprechender Tools und Parameter, Lieferanten im Hinblick auf die Geschäftsbedürfnisse des eigenen Unternehmens zu analysieren. Zusätzlich wird neuen Einkäufern die Möglichkeit gegeben, frühere Entscheidungen für oder gegen einen Lieferanten nachvollziehen zu können. Aufbauend darauf sollen auch die internen Fachabteilungen, die externen Lieferantenkontakt haben, in den Grundlagen der Lieferantenanalyse unterwiesen werden. Die Lieferantenanalyse bietet folgende Möglichkeiten für das eigene Unternehmen: Möglichkeiten oder Probleme der Lieferantenbeziehung frühzeitig erkennen. Beeinflussung der Lieferantenauswahl. Synergien, Chancen und Risiken erkennen und umsetzen. Die Lieferantenanalyse ist allerdings nur eine Momentaufnahme zu dem Zeitpunkt, zu dem sie erstellt wurde. Bei bestehenden Lieferantenbeziehungen ist die Lieferantenbewertung dagegen ein kontinuierlicher Prozess der Erfassung und Speicherung von Informationen zu einem Lieferanten. Bei neuen Lieferantenbeziehungen stellt die Lieferantenanalyse die Einleitung einer fokussierten Überprüfung des in Erwägung gezogenen Lieferanten dar. Die Analyse bildet mit Hilfe der gewonnenen Daten und der Beziehung zum Lieferanten die Grundlage der Lieferantenauswahl. Eine solche konsequente Auswahl, Analyse und Beurteilung der Lieferanten bringt für das eigene Unternehmen folgende Vorteile, dass die eigene Wettbewerbssituation verbessert werden kann, dass die Planungssicherheit steigt, dass wertvolle Auswahlentscheidungen getroffen werden und dass bessere Ergebnisse erbracht werden.
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
64
2.
Lieferantenanalyse
Ablauf der Lieferantenanalyse
Falls der zu beurteilende Lieferant nicht hinlänglich bekannt ist, ist die Analyse von einem Beschaffungsteam bzw. den Schlüsselpersonen aus den internen Fachabteilungen gemeinsam mit dem Einkauf durchzuführen. Nachdem Richtlinien und Auswahlkriterien aufgestellt worden sind und diese mit der Leistungsfähigkeit der möglichen Lieferanten verglichen wurden, ergibt sich eine eingeschränkte Anzahl an potentiellen Lieferanten. Diese erste Auswahl ist nun auf die größte Übereinstimmung mit den festgelegten Anforderungen und Zielen des eigenen Unternehmens zu überprüfen. Die Lieferanten mit den besten Ergebnissen der Analyse werden in der Lieferantenbeurteilung zusammengefasst und formalisiert ausgewertet. Dieser Prozess unterstützt lediglich den strategischen Einkäufer bei seiner Entscheidungsfindung. Es wird ihm aber nicht die eigentliche Auswahl des Lieferanten abgenommen. Seine Entscheidung wird formalisiert und gewinnt dadurch an Objektivität.
3.
Bedeutung des Lieferanten für das eigene Unternehmen
Vor Durchführung der Lieferantenanalyse muss zunächst sichergestellt werden, dass Klarheit über die eigenen Bedürfnisse herrscht, damit die Kriterien für die Lieferantenauswahl genau definiert werden können. Wird das versäumt, führt dies unweigerlich zu einer schlechten Verbindung zwischen den Lieferantenfähigkeiten und den eigenen Bedürfnissen. Die Lieferantenanalyse behandelt übergeordnete, strategische Fragen, wie: Soll mit diesem Lieferanten eine Verbindung eingegangen werden oder eine Verbindung aufrechterhalten werden? Passt der Lieferant überhaupt zum eigenen Unternehmen? Auch taktische Fragen sollen berücksichtigt werden. So etwa: Kann der Lieferant das, was wir benötigen, herstellen bzw. liefern? Der strategische Einkäufer sollte Antworten auf die einschlägigen Fragen suchen. Weitere Fragen können beispielhaft die folgenden sein: Warum wird der Lieferant eingesetzt? Warum ziehen wir diesen Lieferanten in Betracht? Welche Ergebnisse braucht das Unternehmen und erwartet es von diesem Lieferanten? Wie steigern das Leistungspotential und die Ressourcen des Lieferanten das Leistungspotential und die Ressourcen des eigenen Unternehmens?
Lieferantenanalyse
65
Welche Lieferanten haben das Potential, unseren wichtigsten Geschäftsbedürfnissen zu entsprechen? Der strategische Einkäufer muss erkennen, dass es nur wenige Lieferanten gibt, die alle Bedürfnisse erfüllen können.
4.
Datenerfassung und Sammlung
Im ersten Schritt muss der Einkäufer eine große Bandbreite an Informationen über den zukünftigen Lieferanten sammeln. Die gesammelten Informationen bilden die Grundlage zur Verbesserung und Optimierung der Ergebnisse und der Lieferantenbeziehung. Diese Informationen oder aktiven Dossiers über einen Anbieter werden lebendig, wenn sie von Einkäufer zu Einkäufer weitergegeben werden. Der Aufwand der Datenerfassung variiert in Abhängigkeit davon, ob der Lieferant neu für das eigene Unternehmen ist oder ob es sich um einen bereits bestehenden Lieferanten handelt. Bei einem neuen Lieferanten beginnt die Arbeit bei Null und beinhaltet das Sammeln von Informationen zur Erstellung eines genauen Bildes der Leistungsfähigkeit des Lieferanten. Bei einem bereits bestehenden Lieferanten dagegen besteht die Arbeit darin, die kollektiven Erfahrungen des Unternehmens mit diesem und das kollektive Wissen über den Lieferanten über die Zeit zu analysieren und zu aktualisieren. Über dieses Wissen verfügen in erster Linie die Personen, die eng mit dem Lieferanten zusammenarbeiten. Mögliche Informationen bieten folgende Personen und Quellen: Gespräche mit Vertriebs-, Außendienstmitarbeitern und Managern des Lieferanten. Gespräche mit eigenen Kollegen, die mit diesem Lieferanten Erfahrungen gemacht haben. Suche nach öffentlich verfügbaren Informationen sowohl aus elektronischen wie auch aus herkömmlicheren Quellen wie zum Beispiel Fachzeitungen oder Geschäftsberichten. Öffentlich zugängliche Daten
Patente Handelsregister Wirtschafts-/Branchenverbände Branchendienste Testberichte über Produkte Internet allgemeine Presse, Branchenpresse Kreditversicherung
Vom Unternehmen veröffentlichte Daten
Geschäftsinformationen Ad-hoc-Mitteilungen Pressemitteilungen Produktkataloge Unternehmenswebsite Werbung
Abbildung 23: Datenbasis für Informationen
Finanzdaten Aktienkurse Jahresabschlüsse Bilanzkennzahlen Analystenbeurteilungen
66
Lieferantenanalyse
Es ist empfehlenswert, die Informationen im Team zu sammeln. Hilfreich ist in einer solchen Situation auch, andere Geschäftsbereiche, Werke oder andere strategischen Einkäufer und Anwender mit einzubeziehen. Häufig wird die Informationsbeschaffung als Problem gesehen, da die Lieferanten diese gewünschten und relevanten Informationen meist nicht veröffentlichen. Dennoch ist erkennbar, wie wichtig spezifische Informationen des Lieferanten für die Analyse und Auswahl sind. Als generelle Forderung gilt die Übereinstimmung der Daten (qualitative und quantitative) in möglichst vielen Bereichen mit denen des eigenen Unternehmens bzw. der gestellten Anforderungen (an den Lieferanten). Mögliche Informationsquellen ergeben sich analog der Industrieanalyse. Es ist jedoch mehr Augenmerk auf die lieferantenspezifischen Informationen zu legen. Weiterhin bietet sich hier auch die Möglichkeit, den Lieferanten direkt zu befragen. Wenn man die Bewertungskriterien und den Auswahlprozess offen kommuniziert, wird sicherlich kein Lieferant, der ernsthaft an einem zukünftigen Geschäft interessiert ist, die Auskunft verweigern.
5.
Datenanalyse
In der Phase der Datenanalyse müssen die eingeholten Informationen in eine Struktur gebracht werden, die für die weitere Anwendung nützlich ist. Als Hilfestellung dient hier das so genannte Periodensystem der Lieferantenanalyse. Das Kürzel SCOPE bietet eine aussagekräftige Möglichkeit zur Gliederung der über einen Lieferanten eingeholten Informationen in die Kategorien der fünf wichtigsten Fähigkeiten: Strategic Fit (strategische Eignung) Customer Portfolio (Kundenportfolio) Operational Excellence (operative Fähigkeiten) Product and Process Development (Produkt- und Prozessentwicklung) Economic Viability (Rentabilität/wirtschaftliche Lage) In jeder Kategorie befinden sich Elemente, die sich auf die bestimmte Kategorie beziehen.
Lieferantenanalyse
67
- Seite 1 -
LIEFERANTENANALYSE *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Lieferanten)
(Datum)
Grunddaten der Lieferantenanalyse
Anweisungen
Bewertungsteam Anlass der Bewertung
SCOPE Bewertungskriterien S
Teilnehmer der Lieferantenbewertung aus den entsprechenden Fachabteilungen Innerhalb welchen Beschaffungsprojektes wird die Bewertung durchgeführt?
Minimum Punkte
Erreichte Punkte
Strategische Eignung Managementansatz Geschäftsstruktur Strategische Ausrichtung Unternehmensführung Kundensicht (eigenes Unternehmen) Zwischenergebnis:
C
Kundenportfolio Schlüsselkunden Marktpositionierung Beziehung zu Kunden Kommerzieller Ansatz Externe Beziehungen Zwischenergebnis:
O
Operative Fähigkeiten Produktionspotenzial Qualitätssysteme IT-Systeme Lieferantenbasis Logistikfähigkeit Personalstruktur Zwischenergebnis:
P
Produkt-/Prozessentwicklung Kernkompetenz Forschungsaktivitäten Prozessfähigkeiten Projektausführung Patente KVP-Menthalität Zwischenergebnis:
E
Wirtschaftliche Lage Finanzielle Ergebnisse/Risiko Kostenstruktur Profit Center Eigentümerstruktur Zwischenergebnis:
Gesamtergebnis:
Erfüllungsgrad (%):
Abbildung 24: Vordruck für eine Lieferantenschnellanalyse
Bemerkung
68
Lieferantenanalyse
Nicht zu vergessen ist, dass – während einige dieser Elemente eine breite Anwendung finden – andere Elemente (insbesondere diejenigen in Bezug auf Herstellung und Entwicklung) möglicherweise nicht für alle Lieferanten, vor allem nicht für Lieferanten von Serviceleistungen Anwendung finden. Das SCOPE-System ist als ein virtueller Aktenschrank zu betrachten, in dem die Daten über den Lieferanten systematisch innerhalb jeder Kategorie des Leistungspotentials abgelegt werden.
„S“ Strategic Fit (Strategische Eignung) Diese Kategorie ermittelt, wie gut die strategischen Ziele, die organisatorische Struktur und das Produktprofil des Lieferanten mit den eigenen Zielen für die Beziehung übereinstimmen. Sie hilft auch bei der Definition der Unternehmens-Persönlichkeit und wie das eigene Unternehmen als Kunde empfunden wird. Management-Ansatz (Ma): Über welchen Background, welche Fertigkeiten, welche Branchenerfahrung und Führungsstile verfügt das Management des Lieferanten? Über welche Qualifikationen verfügt das Management? Geschäftsstruktur (Gs): Welche Geschäftsbereiche betreibt der Lieferant und wie würde unser Unternehmen in sein gesamtes Kundenportfolio passen? Wie sind die Geschäftsbereiche beim Lieferanten organisiert? Ist eine hohe Priorität unseres Beschaffungsvorhabens zu erwarten? Strategische Ausrichtung (Sa): Wie sieht die Geschäftsstrategie des Lieferanten aus (entweder auf unser Unternehmen als Ganzes oder einen Geschäftsbereich) und wie passt unser Auftrag in diese Pläne? Unternehmensführung (Uf): Wie werden Entscheidungen durch diesen Lieferanten getroffen? Durch wen und wie schnell werden Entscheidungen getroffen? Kundensicht (zum eigenen Unternehmen) (Ks): Welche Bedeutung haben wir als Kunde für diesen Lieferanten bzw. würden wir haben? Welche Erfahrungen haben das Unternehmen oder seine Manager mit uns gemacht?
Lieferantenanalyse
69
„C“ Customer Portfolio (Kundenportfolio) In dieser Kategorie wird die Wechselwirkung zwischen dem Lieferanten und seinen wichtigsten Kunden analysiert und wie sein kommerzieller Ansatz die von ihnen gewünschten Ergebnisse beeinflusst. Schlüsselkunden (Sk): Wer sind seine wichtigsten Kunden? Steht der Lieferant in enger Verbindung zu einem unserer Wettbewerber? Gibt es in irgendeinem Bereich Wettbewerber oder Kunden des eigenen Unternehmens? Was bedeutet dies? Marktpositionierung (Mp): Welche Position nimmt er innerhalb der Branche ein - wächst oder sinkt sein Marktanteil? Ist er ein Marktführer? Wie ist der Grad der Verflechtung mit dem Wettbewerb? Beziehungen zu Kunden (Kb):
Wie sieht sein Kundendienst-Ansatz aus? Wie behandelt er seine Kunden? Ist er offen oder verschwiegen? Wie abhängig sind wir als Kunde vom Lieferanten?
Kommerzieller Ansatz (Ka): Wie flexibel ist der Lieferant bei Verhandlungen der Lieferbedingungen gegenüber einem Kunden? Wie sind die Konditionen und der Service, zum Beispiel: Incoterms; Rabatt- bzw. Bonusmöglichkeiten; Preiszugeständnisse anderer Art; Kunden- bzw. Beratungsdienste; Garantie- bzw. Kulanzleistungen? Steht er der Risikoteilung offen gegenüber (d. h., ist er bereit, vertretbare Risiken zu übernehmen)? Ist er ein Preisführer oder zieht er nur nach? Externe Beziehungen (Eb): Welchen Ruf genießt er innerhalb der Branche? Wie wäre die Imagewirkung bei Bezug bzw. der Imagetransfer? Wie verfährt er gegenüber Aufsichts- oder Regierungsbehörden?
„O“ Operative Excellence (Operative Fähigkeiten) Im weiteren Sinne muss ein Gesamtüberblick über die operativen Fähigkeiten des Lieferanten erfolgen. Abhängig von der jeweiligen Einstufung der SCOPE-Elemente kann diese Katego-
70
Lieferantenanalyse
rie jetzt besonders wichtig für die eigenen Bedürfnisse sein oder kann möglicherweise eine untergeordnete Rolle spielen, da sich das Beschaffungsprojekt in einer früheren Phase eines Entwicklungsprojekts befindet und dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht für den Erfolg entscheidend ist. Produktionspotential (Pp): Wo befinden sich die Anlagen und welche Möglichkeiten haben die Fabrikationsbetriebe bzw. Produktion? Sind sie vertikal integriert? Qualitätssysteme (Qs): Reichen die Qualitätssysteme des Lieferanten zur Gewährleistung der von uns benötigten Qualität aus? IT-Systeme (Is): Lassen sich die IT-Systeme des Lieferanten für Bestellung und Fakturierung mit den eigenen Systemen verbinden (EDI)? Wie genau und leistungsfähig sind seine wichtigsten Verwaltungssysteme? Lieferantenbasis (Lb): Wer sind seine Hauptvorlieferanten? Besteht eine signifikante Abhängigkeit von einem Vorlieferanten? Wie sehen deren Einkaufsmöglichkeiten und -philosophie aus? Logistik Fähigkeit (Lf): Wie zuverlässig sind seine Systeme für Produktionsplanung und Transport? Personalstruktur (Ps): Welche Art der Personalführung wird innerhalb der Organisation eingesetzt? Werden talentierte Leute in Schlüsselpositionen behalten? Wie sieht die Beziehung zur Arbeiterschaft aus? Sind die Fabriken gewerkschaftlich organisiert und wann laufen die aktuellen Tarifverträge aus?
„P” Product Development (Produktentwicklung) In dieser Kategorie soll das Gesamtformat des Programms zur Produktentwicklung des Lieferanten von der Forschung bis zur Vermarktung bewertet werden. Kernkompetenz (Kk): Worin bestehen die Kernkompetenzen und wie kann das eigene Unternehmen davon profitieren?
Lieferantenanalyse
71
Forschungsaktivitäten (Fa): Handelt es sich bei dem Lieferanten um ein führendes Unternehmen oder einen Mitläufer bei der Forschung in seinem Bereich? Wie viele Ressourcen stehen den Forschungs- und Entwicklungsprioritäten gegenüber? Prozessfähigkeiten (Pf): Welche Möglichkeiten hat der Lieferant zur Entwicklung von Prozessen zur Vermarktung neuer Verfahren innerhalb eines Fertigungsumfeldes? Kann er Laborentwicklungen umstellen? Projektausführung (Pa): Wie gut werden Projekte von diesem Lieferanten gemanagt? Im zeitlichen Rahmen, im Rahmen des Budgets? Patente/Geistiges Eigentum (Ge): Welche Strategie verfolgt der Lieferant in Bezug auf geistiges Eigentum und wie beeinflusst diese Strategie die Verhandlungen mit Kunden bei Themen wie Patenten, gemeinsame Entwicklung, Exklusivität etc.? KVP-Mentalität (Km): Strebt der Lieferant nach einer ständigen Verbesserung seiner Produkte und Prozesse zum Wohle seiner Kunden? Kommt der Lieferant pro-aktiv mit Verbesserungsvorschlägen zu seinen Kunden? Strebt er nach einer Verfestigung der Kunden-Lieferanten-Beziehung durch ein konstantes Arbeiten an diesem Interface?
„E“ Economic Viability (Rentabilität, wirtschaftliche Lage) Die finanzielle Lage eines Lieferanten durchdringt und beeinflusst jede der oben aufgeführten Kategorien. Es ist sehr wichtig, die Grundlage der finanziellen Performance eines Lieferanten zu verstehen. Finanzielle Leistung (Fl): Wie sieht die finanzielle Performance dieses Lieferanten aus? Wie werden die Risiken gemanaged? Gewinne, Cashflow, Umsatzentwicklung, Schuldenmanagement? Kostenstruktur (Ks): Hat dieser Lieferant eine Kostenstruktur, die ihm einen konkurrenzfähigen Preis ermöglicht?
72
Lieferantenanalyse
Hierzu zählen sowohl die Kosten für den Wareneinkauf als auch die gesamte interne personelle Leistungsfähigkeit. Profit Center (Pc): Über welche Organisationsgliederung verfügt der Lieferant? Wie sind die Geschäftszweige des Lieferanten in Profit Center organisiert und welche Leistung erbringen die jeweiligen Profit Center? Wie beeinflussen sich die Profit Center untereinander? Eigentümerstruktur (Es): Wie sind die Inhaberverhältnisse und Rechtsform? Wie beeinflusst die Eigentümerstruktur dieses Lieferanten seine Entscheidungsfindung, seine finanzielle Stärke und Gesamtleistung? Gibt es Hauptaktionäre, Partner, involvierte Joint-Venture-Partner?
6.
Entwicklung von Ergebnissen
In dieser Phase werden die gesammelten Daten mit einer gut fundierten Urteilsfähigkeit und Intuition betrachtet, um sinnvolle Ergebnisse zu entwickeln. Dies ist der Kern der Lieferantenanalyse, da die Daten in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Es ist wichtig, im Rahmen der SCOPE-Analyse über die Datenerfassung hinauszugehen und die Daten zur Bewertung zu nutzen und Lieferanten auszuwählen, die unseren Geschäftsbedürfnissen entsprechen und/oder die Leistung alter Lieferanten mit der Zeit zu verbessern. Der erste Schritt besteht darin zu entscheiden, welches in dem vorliegenden Fall das vorherrschende Geschäftsbedürfnis des eigenen Unternehmens ist. Wenn diese Bedürfnisse erkannt sind, wird die jeweilige Bedeutung einer SCOPE-Kategorie unter Berücksichtigung der Geschäftsbedürfnisse bewertet. Einige Beispiele hierzu sind in Abbildung 25 aufgeführt. Im Sinne dieser Tabelle erstrecken sich die Bewertungen der Wichtigkeit von der höchsten zur geringsten Priorität; es werden folgende Begriffe verwendet: unverzichtbar, wichtig und sachdienlich. Zeit und Energie ist auf die wichtigsten Kategorien zu konzentrieren, während in allen anderen Kategorien nur das Wesentliche abgedeckt werden muss. Die Stärken und Schwächen eines jeden Lieferanten müssen unter Bezug auf die als höchste Priorität eingestuften Kategorien bewertet werden. Beispielsweise sind die geringen Entwicklungsmöglichkeiten eines Lieferanten für die Gesamtbeurteilung möglicherweise nicht von Bedeutung, wenn das Beschaffungsprojekt keine Produktentwicklung erfordert. Ist das Projekt jedoch von Produkt-
Lieferantenanalyse
73
entwicklung abhängig, würde ein Lieferant mit geringen Entwicklungsmöglichkeiten wahrscheinlich nicht weiter in Betracht gezogen werden können.
primäre Geschäftsbedürfnisse
S
C
O
P
E
strategische Eignung
KundenPortfolio
Operative Fähigkeiten
Produktentwicklung
Rentabilität
Innovation
Wichtig
Sachdienlich Sachdienlich
Unverzichtbar
Sachdienlich
kontinuierliche Geschäftskosten (KVP)
Wichtig
Sachdienlich
Unverzichtbar
Sachdienlich
Wichtig
Lohnfertigung unseres Produkts
Unverzichtbar
Wichtig
Unverzichtbar
Wichtig
Sachdienlich
Schwankende Anforderungen zu bezahlbaren Kosten
Unverzichtbar
Sachdienlich
Unverzichtbar
Sachdienlich
Wichtig
Innovationswettlauf zur Markteinführung gegen bekannte Wettbewerber
Unverzichtbar
Wichtig
Wichtig
Unverzichtbar
Sachdienlich
Abbildung 25: Nutzung des SCOPE-Modells, je nach Geschäftsbedürfnis Erforderlich ist hierzu eine einheitliche Methode, um Lieferanten gegeneinander und gegen die aktuellen, bzw. zukünftigen Geschäftsbedürfnisse des eigenen Unternehmens zu beurteilen. Anzuwenden ist die Lieferantenanalyse während der Anfrage bzw. des Lieferantenauswahlprozesses oder immer dann, wenn ein Bedarf besteht, die gegenwärtigen Lieferantenfähigkeiten zu verbessern.
7.
Dokumente und Durchführung
Die Lieferantenbewertung hilft, die aktuellen Lieferantenfähigkeiten und Möglichkeiten zu bestimmen und ergibt eine schriftliche Einschätzung der SCOPE-Bereiche.
74
Lieferantenanalyse
Die Bewertung erfolgt auf einer Skala von 0 bis 5 Eine 5 bedeutet, dass das Bewertungskriterium sehr wichtig ist bzw. komplett vom Lieferanten erfüllt wird. Eine 0 bedeutet, dass das Kriterium nicht wichtig ist bzw. nicht vom Lieferanten erfüllt wird. Die Zahlen 1 bis 4 dienen zur Abstufung. Zuerst wird die Zielbewertung bestimmt, d. h. die mindestens zu erreichende Punktezahl, um die eigenen Geschäftsbedürfnisse – gemäß der bereits beschriebenen Vorgehensweise – zu erfüllen. Dies ist gleich für Lieferanten innerhalb der gleichen Materialklasse. Alle Lieferanten werden anhand der gleichen Skala bewertet. Im Idealfall bewertet immer das gleiche Team alle Lieferanten einer Materialgruppe. Die SCOPE-Kategorien können nicht isoliert beurteilt werden, sondern müssen immer im Zusammenhang verstanden werden. Entscheidung über Lieferantenauswahl Finales Ergebnis dieser Phase ist die Entscheidung, ob das Potential des Lieferanten weitere Berücksichtigung im Beschaffungsprozess rechtfertigt oder nicht. Wenn ja, gibt es drei mögliche Szenarien: Nur ein Lieferant kristallisiert sich als mögliche Wahl heraus - dies lenkt die restliche Strategie. Mehrere Lieferanten kommen in Frage, und die Arbeit des Beschaffungsprozesses muss somit fortgesetzt werden, bevor sich für einen Lieferanten entschieden wird. Wenn es sich bei dem Lieferanten um einen bisherigen Lieferanten handelt, zu welchen Folgerungen kann man kommen, die Ihnen eine Maximierung der Ergebnisse, die Sie von diesem Lieferanten erhalten, ermöglichen?
8.
Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung
Abbildung 26 geht auf die Beschaffungskompetenzen mit den drei Einstufungen Kenner, Könner und Experte ein und Abbildung 27 zeigt das Periodensystem der Lieferantenanalyse.
LIEFERANTENANALYSE
KÖNNER Setzt sein Wissen über Lieferanten zur Einflussnahme bei der Entwicklung der Unternehmensstrategien und bei der Produktentwicklung ein. Nimmt Einfluss auf die Geschäftsstrategien der Lieferanten, um einen Wettbewerbsvorteil für sein Unternehmen zu erzielen. Schafft, beeinflusst oder nutzt Gelegenheiten, um gemeinsame Synergien und Wettbewerbsvorteile zwischen den strategischen Zielen des Lieferanten und des Unternehmens zu erzeugen. Kennt die Manager der Hauptlieferanten und weiß, wodurch deren Ansicht über sein Geschäft und das des Unternehmens gelenkt wird.
Bewiesene Fähigkeiten: Kann zahlreiche Beispiele wichtiger Einflussnahme auf das eigene Unternehmen oder auf Lieferanten, geschäftliche Ausrichtungen oder Ressourcenzuteilungen nachweisen.
KENNER
Verfügt über gründliche Kenntnisse der Möglichkeiten der Lieferanten. Verfügt über ausreichendes Wissen der Geschäftsstrategien der Lieferanten, um die langfristige Eignung für das Unternehmen einzuschätzen; ermittelt potenzielle Risiken und Chancen. Erstellt produktive Kontakte zu Lieferanten, die zu Informationen und zur frühzeitigen Lösung von Problemen führen und pflegt diese; versteht die Kultur des Lieferanten. Ist aktiv an der Bewertung der technischen Kompetenz des Lieferanten beteiligt. Verfügt über ausreichendes Verständnis oder Kenntnis der finanziellen Lage sowie der Beziehung zu anderen Kunden des Lieferanten. Setzt sein Wissen über die Lieferanten ein, um vernünftige Beschaffungspläne/-strategien zu erstellen. Teilt sein Wissen über die Lieferanten im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat effektiv Hauptlieferanten analysiert, die unter seine Verantwortung fallen. Legt eine schriftliche Zusammenfassung der wichtigsten Einblicke aus dieser Analyse vor. Hat dieses Wissen bei Anwendungen eingesetzt (Beschaffungsstrategie, Verhandlungsplan, Vorab-Anfrage, etc.), um Ergebnisse zu erbringen.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Abbildung 26: Beschaffungskompetenzen: Lieferantenanalyse Hat die Lieferantenanalyse entscheidend weiterentwickelt. Hat entsprechende Schulungen zur Lieferantenanalyse entworfen und vermittelt sein Wissen proaktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Setzt die Lieferantenanalyse in einer derart bahnbrechenden Weise ein, die die Spielregeln verändert (kombiniert z.B. die Kompetenzen zweier Lieferanten durch Zusammenarbeit). Zieht ohne weiteres die nicht direkt erkennbare Verbindung zwischen den Aktionen eines Lieferanten und den Auswirkungen auf das eigene oder andere Unternehmen. Wird auf breiter Ebene als Fachmann in diesem Bereich anerkannt und gefragt. Teilt sein Wissen gerne und regelmäßig mit anderen. Verfeinert die analytischen Methoden sowohl auf strategischer wie auch auf taktischer Ebene.
EXPERTE
Entwickelt ein höheres Verständnis für die Möglichkeiten des Lieferanten und setzt dieses Verständnis dafür ein, dass die Waren, Dienstleistungen, Technologien etc. einen optimalen Gesamtwert (Preis, Leistung, Qualität) für das eigene Unternehmen erbringen.
Lieferantenanalyse 75
76
Lieferantenanalyse
S
STRATEGIC FIT
C
CUSTOMER PORTFOLIO
O
P
OPERATIONAL EXCELLENCE
PRODUCT/ PROCESS DEVELOPMENT
E
ECONOMIC VIABILITY
Ma
Sk
Pp
Kk
Fl
Managementansatz
Schlüsselkunden
Produktionspotenzial
Kernkompetenz
Finanzielle Leistung
Gs
Mp
Qs
Fa
Ks
Geschäftsstruktur
Marktposition
Qualitätssysteme
Forschungsaktivität
Kostenstruktur
Sa
Kb
Is
Pf
Pc
Strategische Ausrichtung
Kundenbeziehung
IT-Systeme
Prozessfähigkeit
ProfitCenter
Uf
Ka
Lb
Pa
Es
Führung
Kommerziell
Lieferantenbasis
Projektausführung
Eigentümerstruktur
Ks
Eb
Lf
Ge
Rl
Kundensicht
Externe Beziehung
Logistikfähigkeit
Geistiges Eigentum
Risikolage
Ps
Km
Personalstruktur
KVPMentalität
Abbildung 27: Periodensystem der Lieferantenanalyse
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
77
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
1.
Grundlagen
Ziel des Benchmarkings ist es, durch externe Erfahrungen (in diesem Sinne kann extern auch eine andere Abteilung, Werk, Niederlassung, Geschäftsbereich oder Land sein) die eigenen Beschaffungsstrategien und Prozesse ständig zu verbessern. Hierbei stehen grundsätzlich verschiedene Quellen zur Verfügung. Dies können zum einem Wettbewerber, andere fremde Organisationen oder auch Werke bzw. Geschäftseinheiten sein. Welche der Quellen verwendet wird, hängt von der Aufgabenstellung, der Zielsetzung und der Materialgruppe ab. Sollen zum Beispiel für ein bekanntes Beschaffungsmaterial die Verbrauchswerte überprüft werden, so liefert ein internes Benchmarking zwischen den eigenen Produktionsstandorten schon gute Ergebnisse. Sollen hingegen die Leistungsparameter für ein A-Material durchleuchtet werden, bietet eine Wettbewerbsanalyse die entsprechenden Ansatzpunkte. Besteht das Benchmarkingziel in der operativen Prozessverbesserung, wie zum Beispiel dem Bestellabwicklungsprozess, so kann ein allgemeines Benchmarking mit einem anderen Industriebetrieb zum Ziel führen. Als direkte Benchmarking-Partner im Bereich der Prozesse und nichtstrategischen Materialien eignen sich sowohl Lieferanten, Kunden als auch Kooperationspartner. Erst wenn sich unter den bestehenden Kontakten kein geeigneter Kandidat befindet, sollte die Suche nach externen Partnern beginnen.
Unterschiede Wettbewerbsanalyse und Benchmarking Benchmarking umfasst das bewusste Orientieren an den Punkten, die bei anderen Unternehmen und Organisationen zum Erfolg führen. Die Organisationen können in diesem Zusammenhang ein anderes Werk, ein Wettbewerber oder sogar ein Unternehmen aus einer anderen Branche sein. Benchmarking beinhaltet das systematische und kontinuierliche Bestreben, die jeweils besten verfügbaren Praktiken zu entdecken, zu analysieren, zu beschreiben und zu messen. Nachfolgend sollen sie auf das eigene Unternehmen angepasst werden, bevor sie übernommen und weiterentwickelt werden. Ziel ist es, sämtliche Geschäftsprozesse einem Marktmechanismus auszusetzen, um damit kurzfristig Effizienzsteigerungen zu erreichen und langfristig einen Wettbewerbsvorteil auf- bzw. ausbauen zu können. Durch die systematische Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten betrieblicher Prozesse und deren Umsetzung ein-
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
78
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
schließlich der Erfolgskontrolle soll letztlich ein ständiges Lernen der Organisation erreicht werden.
Benchmarkingprozess
Datengewinnung
Leistungslücke
Beste Vorgehensweise entwickeln
Vergleichswerte
Ziel: Ware, Prozess etc.
Ziel
Benchmarking-
Art
des Benchmarkings
Strategisches Material, A-Material oder kritisches Material
Materialverbrauch oder Anwendung
Nicht strategisches Material oder Prozess
Wettbewerbsanalyse
Internes Benchmarking
Externes Benchmarking
Abbildung 28: Benchmarking-Arten und Anwendungsfälle Benchmarking ist deshalb einer der effektivsten Wege, externes Wissen rasch in das eigene Unternehmen einzubringen. Eine Wettbewerbsanalyse beschäftigt sich dagegen mit der Analyse von Marktposition, Zielen, Beschaffungs- und Absatz-Strategien sowie den Fähigkeiten der Konkurrenten. Somit kann eine Wettbewerbsanalyse als ein Teil des Benchmarkings gesehen werden. Benchmarking bedeutet nämlich nicht nur das Sammeln und Analysieren von Fakten, sondern das genaue Betrachten der Prozesse, die zu einer bestimmten Marktstellung geführt haben. Benchmarking befasst sich also gar nicht immer und unbedingt mit einem Wettbewerber. Es ist ein Schritt zu einer besseren Marktposition des eigenen Unternehmens. Wettbewerbsanalysen dagegen beschäftigen sich naturgemäß mit den Konkurrenten, und dazu können verschiedene Instrumentarien angewandt werden.
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
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Gründe für die Durchführung Außer den bereits vorgestellten Analysen der verschiedenen Anspruchsgruppen, müssen von einem Einkäufer die Wettbewerber ständig beobachtet und analysiert werden. Die Handlungen und Intentionen der Konkurrenten müssen nach dieser Analyse nachvollziehbar sein, dies gilt besonders für deren Aktionen im Beschaffungsmarkt. Viele Unternehmen befinden sich in gesättigten Absatzmärkten. In Anbetracht von Überkapazitäten bei den eigenen Produkten muss die Wettbewerberanalyse eine größere Bedeutung erfahren, da das eigene Unternehmen oft nur noch zu Lasten der Konkurrenz wachsen kann. Um in diesem Umfeld mit einem hohen Erfolgsdruck bestehen zu können, müssen die Wettbewerber auch von der Einkaufsseite her betrachtet werden, da in diesem Bereich oft noch Möglichkeiten bestehen, einen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Auf der anderen Seite wird der Aspekt der kreativen Analyse und Bewertung von Wettbewerberaktivitäten zunehmend vernachlässigt. Dabei müssen die Wettbewerber in Zeiten starker Marktdynamik unbedingt ein wesentlicher Fokus erfolgreicher Unternehmen sein: Ausschöpfen von Wettbewerbsvorteilen auf dem Beschaffungsmarkt Wettbewerberprodukte und -services beeinflussen maßgeblich das Anspruchsniveau von Kunden und damit die Anforderungen an das eigene Unternehmen. Bestehende Kundenbeziehungen gelten unter aggressiven Wettbewerbern gegenseitig als nicht ausgeschöpftes Potential. Ziel, nicht nur in Zeiten hart umkämpfter Märkte, ist es, effizient zu arbeiten, eine starke Marktposition aufzubauen und zu halten und sich so Vorteile gegenüber der Konkurrenz zu erarbeiten. Benchmarking und Wettbewerbsanalyse können dabei helfen.
2.
Benchmarking
2.1
Grundlagen des Benchmarkings
Mit Hilfe von Benchmarking sollen kontinuierliche Verbesserungen mit dem Ziel, eine „Beste Vorgehensweise“ zu entwickeln, erreicht werden. Diese können beispielsweise in den Bereichen Produktqualität, Lieferzeiten oder Beschaffungskosten liegen. Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Benchmarking ist das Bewusstsein, dass es nicht um die Übernahme und Imitation von Praktiken geht, sondern um Übernahme und Innovation. Eine unkritische spiegelbildliche Übernahme von einzelnen Prozessen wird selten zu dem gewünsch-
80
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
ten Ergebnis führen. Denn die Wirksamkeit einer bestimmten Praktik hängt immer auch von dem Gesamtsystem ab, in das sie eingebunden ist. Dieses umfasst angrenzende Geschäftsprozesse ebenso wie zum Beispiel die konkrete Ausgestaltung der Beziehungen zu Geschäftspartnern, die durch die Unternehmenskultur bestimmte Einstellung der Mitarbeiter oder bestimmte Kernkompetenzen einer Organisation. Daher muss stets überlegt werden, wie ein Erfolgsmodell auf das eigene Unternehmen, das Werk oder die Abteilung anzuwenden ist: Welche Probleme werden mit der gebenchmarkten „Besten Vorgehensweise“ gelöst? Welche Probleme können nicht gelöst werden? Welche Rahmenbedingungen sind notwendig, damit die „Beste Vorgehensweise“ erfolgreich implementieret werden kann? Welche Hindernisse erschweren diesen Weg, und wie können Sie diese überwinden? Welches sind die nächsten Schritte? Benchmarking heißt also kapieren und nicht einfach kopieren. Denn die „Beste Vorgehensweise“ des Benchmarking-Partners kann meist nicht 1:1 übernommen werden, sondern muss sinnvoll auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden.
2.2
Wesen des Benchmarkings
Beim Benchmarking geht es darum, durch klar definierte und begrenzte Projekte Leistungssteigerungen in einzelnen betrieblichen Funktionen zu erreichen. So kann beispielsweise die Verminderung der Beschaffungskosten für ein Material oder die Verbesserung der Koordination zwischen den Fachabteilungen eine solche Zielsetzung sein. Dies wird dann auch als Benchmarking-Objekt bezeichnet. Ein Benchmarking-Projekt beginnt dann immer mit der Analyse des Objektes und dem Finden von Leistungskennzahlen. Daran schließen sich der Vergleich mit dem Vergleichsbetrieb (im eigenen Unternehmen, extern oder sogar ein Wettbewerber) sowie die Entscheidung über die Umgestaltung der eigenen betrieblichen Prozesse an. Im nächsten Schritt müssen dann Benchmarking-Zielgrößen festgelegt werden, die in Zukunft erreicht werden sollen. Somit gliedert sich Benchmarking immer in die drei folgenden Teile: Objekt (Material, Kosten, Prozess etc.) Vergleichsunternehmen (intern, extern, Wettbewerber etc.) Zielgrößen (Zahlen oder Beschreibungen) Ein Benchmarking umfasst zudem meist nicht das gesamte Spektrum betrieblicher Aktivitäten, sondern in der Regel nur einen verhältnismäßig engen Ausschnitt betrieblicher Funktionen, damit eine detaillierte Betrachtung ermöglicht wird. Benchmarking kann als einmalige
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
81
Aktion zur Lösung einer konkreten Fragestellung oder als dauerhafter Prozess zur kontinuierlichen Verbesserung der Abläufe und Prozesse eingesetzt werden.
2.3
Prozess eines Benchmarkings
Abhängig von der Zielsetzung des Benchmarkings kann der Ablauf als Projekt oder als ein ständiger Prozess organisiert sein. Den Projektansatz wählt man, wenn man punktuell eine Verbesserung, zum Beispiel eines internen Prozesses, Beschaffungskosten für ein spezielles Material oder Effizienzen einer Anlage erreichen will. Dem Vergleich sollte immer eine sorgfältige
Benchmarking-Projekt 1.
Analyse des Problems
2.
Entscheidung für ein Benchmarking-Projekt
3.
Informationsbeschaffung – Wahl des Vergleichsbetriebes (intern, extern) – Informationsbeschaffung aus Drittquellen
4.
Feststellung der genauen Leistungslücken
5.
Beseitigung der Leistungslücken
6.
Entwicklung einer „Besten Vorgehensweise“
7.
Erfolgskontrolle
Benchmarking-Prozess Auswahl des Objektes (Produkt, Methode, Prozess)
Seine eigene, „Beste Vorgehensweise“ entwickeln
Feststellung der Leistungslücken und deren Ursachen
Festlegung der Vergleichswerte und Auswahl der Vergleichsbetriebe
Datengewinnung (über Sekundär- und Primärinformationen)
Abbildung 29: Benchmarking als Projekt oder als kontinuierlicher Prozess
82
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
Analyse vorangehen. Dabei muss das Benchmarking-Objekt beschrieben werden, anschließend werden die Kennzahlen definiert, die das Objekt beschreiben. Oft werden dabei Kennzahlen Verwendung finden, die im Rechnungswesen und Berichtswesen des Betriebes bisher nicht als Steuerungs- oder Kontrollgrößen benutzt wurden. Danach erfolgt die Auswahl des Vergleichsbetriebes; dies kann eine interne Abteilung oder Werk sein, aber auch ein externes Unternehmen oder sogar ein Wettbewerber. Nachdem ein Vergleichbetrieb gewonnen werden konnte, werden die korrespondierenden Prozesse analysiert und deren Kennzahlen ermittelt. Anschließend können die Unterschiede herausgearbeitet werden. Damit ist die Basis geschaffen, um Veränderungsvorschläge für das eigene Unternehmen zu erarbeiten. Wird die Umsetzung der Veränderungsvorschläge beschlossen, ist nach deren Implementierung die Kontrolle der Zielerreichung durch Messung der erreichten Verbesserung mit den entwickelten Kennzahlen die das Projekt abschließende Phase. Sieht man also Benchmarking als eine Projektaufgabe, so ergeben sich die Schritte, wie in Abbildung 29 dargestellt. Strebt man jedoch eine ständige Verbesserung an, so ist das Benchmarking als ein Prozess zu organisieren, in dem ständig fünf Schritte durchlaufen werden.
2.4
Informationsbeschaffung
Der Erfolg eines jeden Benchmarking hängt entscheidend von den zu Grunde liegenden Informationen ab. Hierfür ist eine ausführliche Analyse der Ist-Situation notwendig. Dabei muss die Situation des eigenen Unternehmens und der Industrie mit einbezogen werden. Vorteile
Nachteile
Benchmarking mit anderen Organisationseinheiten (zum Beispiel eigene Werke, Geschäftsbereiche)
Guter Zugang zu Daten Vorteilhaft bei ähnlichen
Benchmarking mit Wettbewerbern
Hohe Wirksamkeit Position im Wettbewerb
Eigene Organisation für
bestimmbar Übereinstimmende Aufgaben
Wettbewerber erlangt erwei-
Vielseitige Vergleichsmög-
Suche und Austausch auf-
Strukturen
Nur interne Sicht Wenn alle Beteiligten wenig effizient sind, wird dies nicht entdeckt Datenaustausch notwendig terte Informationen über uns
Nur Einholen- statt Überholen-Mentalität
Benchmarking mit strukturähnlichen, aber branchenfremden Organisationen
lichkeiten
Anders geartete Ideen kommen dazu
wendig
Übertragbarkeit der Ergebnisse teilweise schwierig
Abbildung 30: Benchmarking-Arten und deren Vor- und Nachteile
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
83
Die Auswahl von Vergleichspartnern erfolgt im Hinblick auf deren Leistung bei einer bestimmten betrieblichen Funktion und nicht aufgrund von mehreren allgemeinen Strukturähnlichkeiten. Die Anzahl der möglichen Vergleichspartner ist dadurch gering. Auf Grund der Wichtigkeit ist die Auswahl des geeigneten Vergleichspartners ein eigener Projektschritt. Bei der Auswahl der Teilnehmer am Benchmarking sollte stets in großem Maßstab gedacht werden. Dabei ist es sehr wichtig, die eigene Benchmarking-Position im Vergleich zu verstehen. In Abhängigkeit von der Ausrichtung der Benchmarkingaktivitäten werden verschiedene Typen unterschieden. Sie sind in ihrer Bedeutung gleichberechtigt und müssen entsprechend den konkreten Bedürfnissen ausgewählt werden.
2.5
Das Problem der Auswahl
Wichtig für den Erfolg von Benchmarking-Projekten ist, dass Partner gefunden werden, deren Leistung bezogen auf das Benchmarking-Objekt dem eigenen Unternehmen deutlich überlegen ist. Grundsätzlich wird das Unternehmen gesucht, das die absolute Spitzenleistung, d. h. „Beste Vorgehensweise“ erbringt. In der Realität liegen jedoch oft zu wenige Informationen vor, um genau dieses Unternehmen zu finden. Das Problem der Gewinnung des Vergleichspartners kann sich insbesondere dann als besonders schwierig oder sogar unlösbar herausstellen, wenn der gewünschte Vergleichspartner ein bedeutender Wettbewerber des Unternehmens ist. Ein Wettbewerber besitzt häufig ein vitales Interesse daran, dass das konkurrierende Unternehmen nicht in die Lage versetzt wird, verbesserte Prozesse zu implementieren und dadurch an Wettbewerbskraft zu gewinnen. Dieser Umstand begünstigt die Wahl von branchenfremden Vergleichspartnern, bei denen Konkurrenzprobleme dem Vergleich nicht im Wege stehen. Es taucht aber dann das Problem auf, dass sich ein als Vergleichspartner ausgewählter Betrieb nur dann zu den auch für ihn zeitaufwendigen Vergleichsaktivitäten bereit erklärt, wenn er sich selbst einen Vorteil verspricht, der mindestens seine Kosten deckt. Deutlich leichter sind branchenübergreifende Benchmarking-Projekte, wenn die beteiligten Unternehmen zu einem Konzern gehören oder auf andere Weise Verflechtungen aufweisen, zum Beispiel durch einseitige oder beiderseitige Lieferbeziehungen.
2.6
Grenzen und Fallen des Benchmarkings
Neben der Verbesserung von Prozessen sind auch negative Folgen eines Benchmarking denkbar. Eine Herausforderung dabei ist, dass erfolgreiche Strategien nur bedingt kopiert werden können. Ihr Erfolg beruht in der Regel gerade in ihrer Alleinstellung, dass ein Unternehmen eine für dieses Segment einmalige Leistung bietet.
84
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
Hinsichtlich der strategischen Ausrichtung ist Benchmarking somit wesentlich differenzierter zu betrachten. Die Übernahme erfolgreicher Prozesse, Vorgehensweisen oder Vertragskonditionen sollte genau überlegt werden. Wenn es um Strategien geht, die nachhaltig zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition führen, ist ein höherer Grad eigener Innovationsfähigkeit gefragt. Benchmarking sollte hier eher darauf abzielen, die Quellen der Innovationskraft und Kreativität erfolgreicher Wettbewerber zu ergründen. Diese liegen jedoch oft in den historisch gewachsenen Unternehmenskulturen, der Vision und Motivationskraft einzelner Führungspersönlichkeiten oder anderen nicht konkret messbaren Eigenschaften einer Unternehmung begründet. Eine weitere Gefahr von Benchmark-Untersuchungen liegt darin, dass mehr Zeit dafür aufgewendet wird, Zahlen zusammenzutragen, als sie anschließend genau zu analysieren. Man muss die Lagen Schicht für Schicht entfernen, bis die Kernunterschiede zwischen den Zahlen bloßgelegt sind, denn nur hier kann man die wirklichen Möglichkeiten zur Verbesserung aufspüren.
3.
Die Wettbewerbsanalyse
Das Sammeln von Wettbewerberwissen ist ein analytischer Prozess, der fragmentierte Informationen über Wettbewerber in anwendbares Wissen über deren Positionierung, Leistungsfähigkeit und Absichten transformiert. In diesem Zusammenhang ist die Wettbewerbsanalyse eine Sonderform des Benchmarking. Wie bereits erwähnt, beschäftigt sich die Wettbewerbsanalyse mit den Konkurrenten. Die Aufgaben hierbei sind: Analyse des Einkaufsverhaltens und der dahinter liegenden Strategie. Antizipation von relevanten Marktveränderungen, die durch Wettbewerberverhalten hervorgerufen sind. Antizipation von Aktivitäten der Wettbewerber. Sammlung von Wissen über für das eigene Unternehmen potentiell relevante Technologien, Produkte, Gesetze und Verordnungen. Auswertung der Erfolge/Misserfolge der Wettbewerber und Ableiten von Rückschlüssen. Verbesserung der Qualität. Vermittlung eines besseren Verständnisses über bestehende und zukünftige Wettbewerber, Zulieferer, Kunden, Partner. Einschätzung neuer Geschäftsmodelle, Märkte und Technologien. Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition.
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
85
Reduktion von Unsicherheiten bei Entscheidungsfindung. Analyse der Wettbewerber in Bezug auf die Wertschöpfungstiefen und die sich hieraus ergebenden Risiken von Marktveränderungen. Analyse der Lieferantenstruktur der Wettbewerber und Rückschlüsse auf das eigene Verhalten am Beschaffungsmarkt.
3.1
Fragen der Wettbewerbsanalyse
Die Wettbewerbsanalyse konzentriert sich auf die folgenden Fragen: Wer sind die Konkurrenten? Bei welchen Produktgruppen? Welche Märkte bzw. Länder? Was sind ihre Ziele im Beschaffungsmarkt? Was sind ihre Ziele im Absatzmarkt und beeinflussen diese den eigenen Beschaffungsmarkt? Welches sind ihre Stärken und Schwächen? Welche Strategien werden vom Wettbewerber verfolgt? Welche Wertschöpfungsstrategie bzw. Make-or-Buy-Strategie verfolgen die Wettbewerber? Welche voraussichtlichen Kosten, Qualitäten oder Service-Level erreicht der Wettbewerber mit seinem Verhalten? Die meisten Wettbewerbsanalysen setzen sich mit den direkten Konkurrenten oder den Konkurrenten der gleichen Branche auseinander. Dies verringert die Anzahl der zu analysierenden Konkurrenten auf ein überschaubares Maß. Allerdings muss man sich dessen bewusst sein, dass auch indirekte Konkurrenten mit Substituten eine Gefahr darstellen können. Auch Konkurrenten sind in der Lage, im Laufe der Zeit neue Fähigkeiten zu erwerben und sich damit in eine neue strategische Gruppe, die für sie interessanter oder profitabler ist, zu begeben. Die Ziele jedes einzelnen Konkurrenten sind zu interpretieren und sich gegebenenfalls daraus ergebende Gefahren zu bewerten. Es ist zu überlegen, ob ansprechende Ziele zur aggressiven Ausdehnung des Marktanteils bestehen. Zwei entscheidende Faktoren beeinflussen dabei maßgeblich diese Ziele: Zusammensetzung des Portfolios seiner Geschäfte. Finanzielle Lage des Konkurrenten. Ist das entsprechende Produkt margenträchtig und umsatzstark im Portfolio des Konkurrenten, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der Konkurrent aggressiv auftreten wird. Der zweite Faktor ist die finanzielle Situation des Konkurrenten. Sind die Profitabilität und der Cashflow unzureichend, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Management eher im Zwang steht, den Ertrag zu verbessern und die Kosten zu senken als den Marktanteil des Unternehmens zu
86
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
erhöhen. Eine Handelsanalyse und eine genaue Analyse der Jahresabschlüsse der Konkurrenten sind die Grundlage, um Bewertungen und Einschätzungen vorzunehmen. Um die Frage zu beantworten, ob ein Konkurrent eine große Gefahr für das eigene Unternehmen darstellt, muss das Management die Stärken und Schwächen jedes Konkurrenten mit dem eigenen Unternehmensprofil vergleichen. Dimensionen dieses Vergleichs sind in Abbildung 31 dargestellt. Marketingstärken
Image unter Kunden Marktanteil Reputation hinsichtlich Qualität und Service Effektivität der Kommunikation
Beschaffungsstrategie
Einkaufsstärken langfristige bzw. kurzfristige Verträge große bzw. kleine Lieferanten Partnerschaften Supply Chain
finanzielle Stärken
Profitabilität Cashflow Verschuldung
operationale Stärken
Kosten Kapazitäten technische Fähigkeiten pünktliche Lieferung
organisatorische Stärken
Unternehmensführung Mitarbeitermotivation Flexibilität unternehmerische Fähigkeiten
Abbildung 31: Dimensionen des Unternehmensvergleiches Bei dieser Analyse ist es sehr wichtig, einen unabhängigen Blick auf die Faktoren zu erhalten. Im Allgemeinen neigt man dazu, die Reputation der eigenen Produkte und Mitarbeiter bei Kunden zu überschätzen und die der Konkurrenz zu unterschätzen. Um die wahrscheinlichen Strategien der Konkurrenten herauszufinden, ist es notwendig, ihre Ziele und ihre Stärken/Schwächen analysiert und verstanden zu haben. Eine Strategie, die bisher erfolgreich verfolgt wurde, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, auch in Zukunft verfolgt zu werden. Für den Fall, dass der Konkurrent die Chancen des bisher bedienten Marktsegments vollständig ausgenutzt hat, liegt es ebenso nahe, dass er nun zu neuen Marktsegmenten oder neuen Marktgebieten übergehen wird. Nischenanbieter im hochpreisigen Marktsegment sind gegenüber Angriffen von Massenproduzenten, die nach weiteren Möglichkeiten zum Wachstum suchen, relativ leicht verwundbar. Ihr Zugang zu Ressourcen und ihre Möglichkeit, Skaleneffekte auszunutzen, können im Zeitablauf die Mobilitätsbarrieren überwinden, die kleinere Unternehmen schützen. Ebenso ist ein Angriff durch einen Konkurrenten dort möglich, wo er seine besonderen Stärken hat. So kann zum Beispiel ein Niedrigkosten-Hersteller einen
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
87
hochpreisigen Nischenanbieter angreifen und dabei den Preis als Angriffswaffe einsetzen. Idealerweise wird die bisher durchgeführte Wettbewerbsanalyse dem Unternehmen erlauben, eine pro-aktive Antwort auszuführen. Manchmal wird eine solche – unerwartete – Antwort allerdings eine schnelle Reaktion erfordern. Eine pro-aktive Strategie besteht aus mehreren Komponenten: Auseinandersetzung mit den Stärken und den Schwächen des eigenen Unternehmens, die sich aus der SWOT-Analyse ergeben haben. Verstärkung und Vermarktung der Gebiete, in denen Stärken bestehen mit dem Ziel der Verbesserung der eigenen Position in der strategischen Gruppe. Ausnutzung von Möglichkeiten, die Mobilitätsbarrieren zu erhöhen und das Eindringen von neuen Konkurrenten zu erschweren, wenn nicht sogar ganz zu verhindern. Mögliche Maßnahmen sind:
3.2
Verstärkung der Marketing-Aktivitäten zur Imageverbesserung Ausdehnung der Produktpalette zum Füllen von ggf. vorhandenen Lücken Patentschutz Kontrolle der Quellen von Rohmaterial Ausnutzung von Skaleneffekten
ABC der Informationsbeschaffung
Um zu gewinnbringenden Informationen über seine Konkurrenten zu gelangen, muss das nachfolgend vorgestellte ABC von allen Mitarbeitern beachtet und verinnerlicht werden. Es ist dabei wichtig: Interaktionen mit den Marktteilnehmern zu nutzen, um zu einwandfreien Wettbewerbsinformationen zu gelangen. Informationen der Wettbewerbsanalyse mit Kollegen zur Interpretation und der gemeinsamen Richtungsvorgaben zu besprechen und sich die Informationsquelle zu notieren. Interdisziplinäre Ressourcen (F&E für Herstellungskosten, Finanzen für Zielkostenanalyse etc.) zu nutzen. Es darf dabei nicht: Gegen die Einkaufsprinzipien verstoßen werden. Eine zu plumpe Befragung von Lieferanten erfolgen oder versucht werden, an Informationen zu kommen, die Lieferanten als geheim betrachten. Gelogen oder die Wahrheit falsch interpretiert werden.
88
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
Aktives Bewusstsein
Kultivierung eines Bewusstseins für die Aktivitäten der Wettbewerber in allen Belangen der Beschaffungsaktivitäten.
Benchmarking
Beschaffungsstrategien der Wettbewerber. Identifikation der Wettbewerber, Analyse der potentiellen Beschaffungskosten und -struktur.
Company Policy
zur Sammlung von Wettbewerbsinformationen – sie kennen und sie beachten.
Abbildung 32: Das ABC der Informationsbeschaffung
3.3
Vordruck zur Wettbewerberanalyse
Der folgende Vordruck (Abbildung 33) stellt die möglichen Interessenfelder einer Wettbewerberanalyse dar. Hierbei ist zu beachten, dass dieser Vordruck sich auf eine Wettbewerberanalyse aus Einkaufssicht konzentriert. Eine allgemeine Analyse bezieht stärker die Vertriebsbelange mit ein.
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
- Seite 1 -
WETTBEWERBERANALYSE *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
89
(Name des Beschaffungsprojektes)
Allgemeine Analyse des Wettbewerbers Generelles Allgemeine Analyse des Wettbewerbers Sitz der Muttergesellschaft Sitz der Töchter Mitarbeiter u. Entwicklung Umsatz u. Entwicklung Eigentumsverhältnisse Kernkompetenzen Standorte u. Produkte Wertschöpfungsstufen
(Datum)
1 1a
Anweisungen Stadt und Land der Gesellschaft Prägender Kulturkreis; Geschäftsverhalten Stadt und Land der Töchter Eigene Firmenkultur? Entwicklung der Mitarbeiteranzahl der Letzten 10 Jahre Umsatzentwicklung der letzten 10 Jahre Inhabergeführtes oder öffentliches Unternehmen, Rechtsform und Veröffentlichung Wertschöpfungstiefe und Selbstdarstellung des Wettbewerbers Lage der Standorte, Produkte je Standort und Produktionskapazitäten Rückwärts- und Vorwärtsintegration
Bewertung der Kernkompetenzen: Generelle Stärken: Generelle Schwächen: 1b
Unternehmen/Organisationsstruktur, Management und Mitarbeiter Organisationsanalyse des Wettbewerbers Anweisungen Organisationsaufbau und Leitungsebenen Organigramm Sind MA in anderen Unternehmen oder VerflechVerbänden tätig? tungen Welche eigenständigen Geschäftsbereiche Geschäftshat der Wettbewerber? bereiche Ist er Kooperationen eingegangen? KooperaWelcher Art sind diese Kooperationen? tionen An welchen Unternehmen ist der WettBeteilibewerber beteiligt? gungen Managementanalyse des Wettbewerbers Anweisungen Name der Leitfiguren des Wettbewerbers Mgt. Persönlichkeiten Welche Art der Mitarbeiterführung Führungspraktiziert der Wettbewerber? kultur Mitarbeiteranalyse des Wettbewerbers Anweisungen Gibt es besondere MA Qualifikationen? Qualifikation Was motiviert die MA des Wettbewerbers? Motivation
Bewertung der Orga/Mgt./MA: Stärken: Schwächen:
90
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
- Seite 2 -
WETTBEWERBERANALYSE *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Beschaffungsprojektes)
Allgemeine Finanzsituation des Unternehmens Kostenstruktur des Wettbewerbers Bilanzstruktur G&Vstruktur Cash-Flow inkl. Kennzahl Umsatzrendite Finanzrating Investionen 1, 2 u. 3 Jahre Eigenkapitalquote Verschuldung
(Datum)
1c
Anweisungen Aktiva/Passiva % der Hauptkostenblöcke (Material, Personal, etc.) vom Umsatz Liquide Mittel Gewinn und Gewinnqualität Bewertung der Ratingagenturen Investitionen in % vom Umsatz in den letzten Jahren Eigenkapital in % vom Umsatz Verschuldung in % vom Umsatz
Bewertung der Kapitalstärke: Stärken: Schwächen: 2 2a
Produktion und Technik (inkl. Forschung & Entwicklung) Produktion Produktion des Wettbewerbers Werksstandorte Ausstattung Anzahl der Mitarbeiter Produktionsmenge Fertigungstiefe vermutete Kostenstruktur Produktionsverfahren ProduktionsKnow-how
Bewertung der Produktion: Stärken: Schwächen:
Anweisungen Lage der Produktionsstandorte Maschinenausstattung der Standorte Anzahl der MA pro Standort Produktionsmenge je Produktkategorie Produktionsschritte und Hauptaggregate Materialkosten, etc. Welche Produktionsverfahren gibt es je Standort? Hat der Wettbewerber spezielles Produktions-Know-how?
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
- Seite 3 -
WETTBEWERBERANALYSE *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
91
(Name des Beschaffungsprojektes)
Forschung & Entwicklung F&E des Wettbewerbers Ausstattungs-grad Anzahl der Mitarbeiter F&EAufwand Umsatz neue Produkte (%)
(Datum)
2b
Patente
Anweisungen tech. Ausstattung der F&E-Abteilung Grundlagen- oder Anwendungsforschung Anzahl Mitarbeiter und Qualifikation Kosten in % vom Umsatz Wie viel Umsatz macht der Wettbewerber mit neuen Produkten (< 3 Jahre im Markt)? Anzahl und Bedeutung von Patenten
Bewertung der Forschung & Entwicklung: Stärken: Schwächen: 3
Einkauf, Beschaffung und Disposition Beschaffungsorganisation des Wettbewerbers Einkaufsorganisation Einkaufsleiter Einkaufsmitarbeiter Lieferantenstruktur des Wettbewerbers Hauptlieferanten Lieferantenkooperationen Beschaffungsquellen Logistik-Konzept/Kosten Wertschöpfungstiefe Beschaffungsstrategie des Wettbewerbers Lieferantennetz Risikobereitschaft Supply Chain Zahlungsverhalten
Bewertung der Beschaffung: Stärken: Schwächen:
Anweisungen Wie ist der Einkauf organisiert? Anzahl strategische Einkäufer? zentral/dezentral? Name des Einkaufsleiters? Qualifikation? Persönlichkeit? Anzahl der Einkaufsmitarbeiter? Trennung Beschaffung und Disposition?
Anweisungen Wer sind die Hauptlieferanten? Gibt es engere Kooperationen mit Lieferanten? Liefern Hersteller oder Händler? Aufbau der Supply Chain? Verwendung spezieller Logistikkonzepte? Viele Lieferanten, da viel Outsourcing betrieben wird? Kernkompetenzen?
Anweisungen Liefern regionale oder globale Lieferanten? Werden langfristige Verträge geschlossen oder werden Spotgeschäfte gemacht? Wird JIT geliefert oder eine intensive Lagerhaltung betrieben? Zahlt der Wettbewerber mit Skonto? Wird pünktlich bezahlt?
92
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
- Seite 4 -
WETTBEWERBERANALYSE *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Beschaffungsprojektes)
Produktprogramm, Produkte und Technik Kostenstruktur des Wettbewerbers Produkte und Programm Art der Marktbearbeitung Hauptumsatzträger Hauptgewinnbringer Anteil Materialkosten Produktqualität
(Datum)
4
Anweisungen Welche Produkte werden alles hergestellt? Markenprodukte, Weiße Ware, B2B oder B2C Mit welchen Produkten macht der Wettbewerber seine Hauptumsatz? Mit welchen Produkten mach der Wettbewerber seinen Hauptgewinn? Wie hoch ist der Anteil der Materialkosten je Produktfamilie Qualitätsanforderungen ja Produktfamilie?
Bewertung der Produkte: Stärken: Schwächen: 5
Übergeordnete Ziele und Strategien des Wettbewerbers Zukunftspotentiale des Wettbewerbers Unternehmensstrategie Produktionsstrategie Wertschöpfungsstrategie Marktstrategie Entwicklungsstrategie Produktstrategie Expansionsstrategie Beschaffungsstrategie Investitionsvorhaben Visionen
Anweisungen Strategische Ausrichtung des Wettbewerbers? Welche Produktionsstrategie verfolgt der Wettbewerber? Grad der Rückwärts- oder Vorwärtsintegration in der Wertschöpfung Wie erfolgt die Marktbearbeitung? Wie wird F&E betrieben? Woran wird geforscht bzw. was wird entwickelt? In welche Produktsegmente will der Wettbewerber zukünftig wachsen? In welchen Regionen und mit welchen Produkten wird expandiert? Welche Beschaffungsstrategien werden verfolgt? Welche Investitionen sind geplant? Welche Visionen verfolgt der Wettbewerber?
Bewertung der Zukunftspotenziale: Stärken: Schwächen:
Abbildung 33: Vordruck zur Wettbewerberanalyse
Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
3.4
93
Bezug zum Einkauf
Der Einkauf lernt durch die Wettbewerberanalyse neue Möglichkeiten zur Beschaffung von Waren und Dienstleistungen kennen. Informationen, Techniken und Vorgehensweisen, die der Einkauf kennen lernt, ergeben sich aus der Analyse der Beschaffungsstrategien und des Beschaffungsmarktverhaltens der Wettbewerber. Die Wettbewerbsanalyse dient allerdings nicht nur zur Entwicklung von neuen Strategien. Sie liefert primär Informationen über Wettbewerber. Der Einkauf muss diese wichtige Aufgabe auch deshalb übernehmen, da er über Lieferanten, die auch Wettbewerber beliefern, quasi direkten Zugang zu den Wettbewerbern hat. Folgende Informationen sind primär für den Einkauf von Interesse: Prüfung des Einsatzes eines Materials durch Konkurrenten oder alternative Nutzer.
Welche Waren und Dienstleistungen werden eingesetzt, ungefähre Menge, Standorte? Spezifizierungen, Qualitätsanforderungen. Welche Lieferanten, welche Werke, wie ist ihre Beziehung zueinander? Schätzung der Kosten bzw. des Volumens, logistische Vorbereitung, lokal oder Import, Auswirkungen auf die Spezifizierung, Auswirkungen auf die Werkstoffe? Einkaufsmethode (zentralisiert bzw. dezentralisiert, global bzw. lokal, Konkurrenz oder Allianz, Verbindungen über die Lieferkette etc.). Entwicklungsmethode (Patentpositionen, Einsatz von Material in Produkten, einzigartige Lieferantenkompetenz, Urheberrechte etc.). Setzen die Konkurrenten E-Commerce (Kataloge, Ausschreibungen, Auktionen etc.) für dieses Material ein? Sind sie Mitglied in Einkaufskonsortien? Einschätzung der Vor- und Nachteile gegenüber den Wettbewerbern.
Lieferbarkeit, Qualitätsstandards Einfluss und Bündelung des Lieferanten Zeit (Lieferzeiten, Entwicklungszeit, Expansionszeit) Leistungsfähigkeit (E-Commerce, Ressourcenallokation etc.)
Wenn der Konkurrent diesen Artikel nicht einsetzt, wodurch ersetzt er ihn dann?
4.
Beschaffungskompetenzen
Abbildung 34 zeigt die entsprechenden Beschaffungskompetenzen in den drei Stufen Kenner, Könner und Experte.
BENCHMARKING, inkl. WETTBEWERBERANALYSE
KÖNNER Leitet Benchmarking-Projekte persönlich; sorgt dafür, dass Benchmarking in entsprechenden Situationen von anderen durchgeführt wird. Hat breit gefächerte, umfangreiche BenchmarkingProjekte durchgeführt (z.B. geschäftsbereichübergreifend, extern etc.) und die Ergebnisse des Benchmarkings in messbare Resultate umgesetzt (z.B. Kosteneinsparungen, Produktverbesserungen usw.). Betrachtet Situationen in neuem Licht; durchbricht Paradigmen; entdeckt regelmäßig zuvor nicht erkannte Anwendungen und Daten- bzw. Informationsquellen. Versteht, welche Daten und Informationen des Unternehmens möglicherweise als Teil von gegenseitigem Benchmarking in angemessener Weise mit anderen Unternehmen geteilt werden können. Schützt empfindliche Geschäftsinformationen. Unterhält ausgezeichnete Kontakte zu den Lieferanten und nutzt diese zur Wettbewerberanalyse.
Bewiesene Fähigkeiten: Hat Erfahrungen bei verschiedenen BenchmarkingProjekten gesammelt (Kosten, Arbeitsabläufe, verschiedene Branchen) und zwei wichtige Benchmarking-Projekte persönlich geleitet, die zu beachtlichen Vorteilen für das Unternehmen geführt haben.
KENNER
Setzt Benchmarking, inkl. Wettbewerberanalyse als wirkungsvolles Mittel für Veränderungen ein; möchte nicht nur den Status quo erhalten. Wählt angemessene Situationen zum Benchmarking als Möglichkeit zum Einholen von Informationen zum Vergleich mit internen und externen Daten. Legt für jedes Benchmarking-Projekt Verbesserungsziele fest. Definiert die zum Erreichen der Ziele erforderlichen angemessenen Daten und Informationen und entwickelt einen wirkungsvollen Plan zum Einholen der Daten und Informationen. Erreicht die Ziele der Benchmarking-Methode, indem er aussagekräftige und gültige Vergleiche entwickelt, die zur Ergreifung von Maßnahmen führen. Verfolgt die Maßnahmen pro-aktiv, die durch Benchmarking angezeigt werden, um für das eigene Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Erkennt, dass das eigene Unternehmen externes Benchmarking teilen muss, und versucht zu verstehen, wann oder was zurückzuhalten und wann zu teilen ist. Kennt die Grenzen der Wettbewerberanalyse und hält sich an die ethischen Grundsätze.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat Verständnis dieser Fertigkeit durch Teilnahme an zumindest einem Projekt, das „über die Grundzüge hinausgeht“, oder an mehr als einem elementaren Benchmarking-Projekt, das zu einer messbaren Verbesserung der Ergebnisse geführt hat, bewiesen.
Bringt Geschäftsergebnisse und:
Hat Methoden zur Erstellung von Benchmarkings weiterentwickelt und Benchmarking-Prozesse neu gegliedert. Hat entsprechende Schulungen zur Wettbewerbsanalyse und zum Benchmarking geschaffen und vermittelt sein Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Ergebnisse seiner Benchmarking-Projekte zählen zu den besten des Unternehmens. Bringt das Verfahren des Benchmarkings im Unternehmen durch die Entwicklung von Schulungen, Auswahl von Methoden und Zielen voran. Ist als wichtiger Ansprechpartner bei der Einführung des Benchmarkings in neuen Bereichen gefragt. Erkennt die Auswirkungen der Unternehmenskulturen auf Arbeitsabläufe und setzt Ideen erfolgreich aus einer Kultur in eine andere um bzw. passt sie an.
EXPERTE
Versucht durch Einsatz eines kontinuierlichen Vergleichs- und Gegenüberstellungsprozesses von quantitativen Ergebnissen (z. B. Kosten, Qualität, etc.) sowie internen und externen Prozessen, die werks- oder geschäftsbereichübergreifend sind, verbesserte Geschäftsergebnisse oder Wettbewerbsvorteile zu erzielen, um den „Klassenbesten“ zu ermitteln; anschließend Feststellung und Durchführung angemessener Pläne, um den „Klassenbesten“ aufzuzeigen und die Geschäftsbedürfnisse zu erfüllen.
94 Benchmarking/Wettbewerbsanalyse
Abbildung 34: Beschaffungskompetenzen: Benchmarking/Wettbewerberanalyse
Forcasting
95
Forcasting
1.
Grundlagen
Das Wort „Forecast“ ist der englische Begriff für Vorhersage. Im betriebswirtschaftlichen Umfeld kann es sich grundsätzlich um eine Mengenvorhersage, Gewinnvorhersage, aber auch um eine Preisvorhersage eines bestimmten Produktes oder Rohstoffes vom heutigen Standpunkt für einen bestimmten Zeitabschnitt (Quartal, Jahr) handeln. Im Folgenden soll ein vereinfachter Überblick über verschiedene Methodiken gegeben werden, die im Beschaffungsumfeld eingesetzt werden können, um eine genauere Aussage über zukünftige Entwicklungen zu erhalten. Es wird dabei unterschieden zwischen quantitativen und qualitativen Methoden.
1.1
Quantitative Prognoseverfahren
Die quantitativen Verfahren bedienen sich der Zeitreihenanalyse, um den zukünftigen Verlauf quantifizierbarer Größen abschätzen zu können. Die Zeitreihenanalyse umfasst vielfältige statistische Verfahren, die es ermöglichen, Strukturen und Abhängigkeiten zu identifizieren. Sie dienen damit der Ableitung von Modellen für diese Zeitreihen, die Grundlage für die Forecasts bilden. Aus der Vielzahl der formal-mathematischen Verfahren werden beispielhaft zwei, mit einer Relevanz in der industriellen Beschaffung, herausgegriffen, die unterjährige rollierende Prognose und die Trendexploration. Bei den unterjährigen Preis-Forecasts zur Vorausschätzung des jährlichen Preiseffektes wird die Budgetüber- oder Budgetunterschreitung auf das Jahresende hochgerechnet. Im ersten Quartal des Jahres ist diese Vorgehensweise meistens nicht sehr wirkungsvoll, es sei denn, es existieren stabile Saisonkennzahlen und die Branche ist träge. Wird zum Beispiel der Materialverbrauch über die letzten zwölf Monate gebildet, dann ergibt sich ein gleitender, roulierender zwölf-Monatsverbrauch. Damit man den zukünftigen Verbrauch und somit den spezifischen Preis vorhersagen kann, ist es sinnvoll, den zwölf-Monatsverbrauch einer Trendexploration zu unterziehen.
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
96
Forcasting
Die Trendexploration beruht auf Hypothesen über die Verlaufsform der (hier) Verbrauchsfunktion. Die einfachste Variante ist die der linearen Trendbestimmung. Eine Trendbestimmung kann heute standardmäßig in Tabellenkalkulationen vorgenommen werden. Beurteilung der quantitativen Prognosefunktionen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob diese Prognosemethoden der sich wandelnden Umwelt gerecht werden können, da hier lediglich Vergangenheitswerte für zukünftige Entwicklungen herangezogen werden. Deshalb sind diese Forecasts meist nur für einen kurzfristigen, unterjährigen Betrachtungszeitraum geeignet. Für einen weiteren Ausblick fehlt häufig die nötige Aktualität des Datenmaterials sowie die Zukunftsorientierung, was eine generelle Schwäche der meisten quantitativen Verfahren darstellt.
1.2
Qualitative Prognoseverfahren
Die im Folgenden vorgestellten Prognoseverfahren nutzen die Erfahrungen von Mitarbeitern, Sachverständigen und Experten, um zu einer Aussage über zukünftige Entwicklungen zu gelangen. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass sie besondere Marktkenntnisse haben und folglich Prognoseentwicklungen besser einschätzen können. Die Expertenbefragung. Die einfachste Form einer qualitativen Prognose ist die Befragung. Zur Bestimmung der Rohstoffeinkaufspreise können Geschäftsleitung, Einkaufsleitung, Einkäufer sowie weitere sachverständige Personen wie zum Beispiel Lieferanten befragt werden. Die Befragung kann mittels E-Mail, Telefon, Workshops oder auch persönlich durchgeführt werden. Ein Problem ist allerdings, dass die Expertenbefragung nur subjektive Meinungen widerspiegelt und auf verschiedenen, nicht abgestimmten Annahmen beruht. Die Delphi-Methode. Eine Methode, die sowohl diese Subjektivität abschwächt als auch eine Interaktion zwischen den prognostizierenden Personengruppen zulässt, stellt die Delphi-Methode dar. Bei der Delphi-Methode handelt es sich um eine mehrstufige Befragungsmethode. Dabei werden in einer ersten Runde die teilnehmenden Experten befragt, die Ergebnisse werden anschließend zusammengefasst und den Teilnehmern vorgelegt. Die Experten haben in der zweiten Befragungsrunde, in der die Fragen der vorhergehenden ersten Befragungsrunde gestellt werden, die Gelegenheit, ihre Meinung beizubehalten oder zu revidieren. Dieses Verfahren kann so lange wiederholt werden, bis die Sichtweisen der verschiedenen Experten zu einem Konsens führen
Forcasting
1.3
97
Grafische Darstellung
Damit man sich einen verbesserten Überblick über die Vielzahl der Informationen verschaffen kann, gilt in diesem Falle das Motto „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Bevor also dazu übergegangen wird, eine bestimmte Forecastmethode anzuwenden, sollten die bisher ermittelten Daten der vergangenen Zeitperioden graphisch dargestellt werden. Hierbei können bereits erste wichtige Erkenntnisse bzw. Fragestellungen für das weitere Verständnis abgeleitet werden. Gab es in der analysierten Zeitreihe besondere Ereignisse? (Rezession, besondere Lieferantenangebote, Kursschwankungen etc.) Lässt sich aus der Zeitreihe eine Trendprognose ableiten? Gibt es einen Grund, weshalb die Kurve zukünftig anders verlaufen könnte? Linearer Verlauf
Saisonaler Verlauf 8
8
7
7
6
6
5
5
4
4
3
3
2
2
1
1 0
0 Q1/02 Q2/02 Q3/02 Q4/02 Q1/03 Q2/03 Q3/03 Q4/03 Q1/04 Q2/04 Q3/04 Q4/04
Q1/02 Q2/02 Q3/02 Q4/02 Q1/03 Q2/03 Q3/03 Q4/03 Q1/04 Q2/04 Q3/04 Q4/04
Abbildung 35: Unterschiedliche Verläufe
2.
Analytischer Forecast
Neben den rein qualitativen Methoden findet der qualitative, analytische Forecast die meiste Anwendung im Einkauf, da hier die Vorhersagen auf Marktdaten beruhen und so plausibel hergeleitet sind.
98
2.1
Forcasting
Forecast-Objekt
Zu Beginn der Forecasterstellung müssen die Rahmenbedingungen der Analyse definiert werden. Dabei sind grundsätzliche Fragestellungen zu beachten: Was soll prognostiziert werden (Warengruppe, Material)? Welcher Zeitraum ist zu wählen (Monat, Quartal, Jahr)? Wer sind die Ansprechpartner (Geschäftsleitung, EK-Leitung, Controlling, Lieferanten)?
2.2
Methode
Es muss eine geeignete Forecastmethode gefunden werden, die quantitative und qualitative Verfahren miteinander verbindet. Abweichungsanalysen aus der Vergangenheit (falls solche existieren) sollten bei diesem Vorgang helfen, um insbesondere Fragestellungen bezüglich der Abweichungen zwischen abgegebenem Forecast und dem tatsächlichem Ist-Wert aufzuzeigen und zu klären. Damit ein ganzheitlicher Ansatz unter Einbeziehung aller relevanten Einflussgrößen gewählt werden kann, ist die Betrachtung eines Produktes/Rohstoffes über die gesamte Wertschöpfungskette notwendig.
2.3
Forecast über die Wertschöpfungskette
Die Notwendigkeit einer umfassenden Betrachtung für eine Prognose erfordert vielmehr die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette unter Einbeziehung aller unternehmensinternen und -externen Einflussfaktoren. In einem ersten Schritt muss sich der strategische Einkäufer über die Hauptkostentreiber der zu beschaffenden Ware klar werden. Die Hauptkostentreiber können auf der ersten oder einer weiter vorgelagerten Wertschöpfungsstufe liegen. Nur durch diesen Schritt wird es möglich, die Hauptkostentreiber einzeln zu betrachten und für jeden einen separaten Forecast zu erstellen. Um diese Vorgehensweise etwas anschaulicher zu gestalten nehmen wir als Beispiel eine chemische Ware, die nur eine relativ geringe Veredelung erfährt. Die Kosten der Ware teilen sich in vier Hauptbestandteile, 50 Prozent wird vom Feedstock A beeinflusst, 25 Prozent vom Feedstock B, 15 Prozent von den Transportkosten und die letzten 10 Prozent von den Herstellungskosten, inkl. der Lieferantenmarge.
Forcasting
99
Für beide Feedstock-Materialien bilden sich die Preise in einem globalen Markt. Da es sich um einen nicht regulierten Markt handelt, gibt es keine vollständige Transparenz, sondern nur durch einen Brachendienst veröffentlichte Informationen. Beide Feedstock-Materialien unterliegen eigenen Marktgegebenheiten. Somit bildet sich für jedes Material ein eigener Forecast heraus, der von jeweils unterschiedlichen Faktoren abhängt, die der strategischen Einkäufer kennen und berücksichtigen muss.
Kosten
10 %
100 % 15 % 25 %
Prozess und Marge Transport und Verpackung
50 %
vier, voneinander unabhängige Märkte
Zu beschaffende Ware
Feedstock A
Feedstock B
Abbildung 36: Kostenanalyse als Grundlage für einen analytischen Forecast Neben den beiden Rohstoffen, die 75 Prozent der Kosten der Ware beeinflussen, gibt es zwei weitere Abschätzungen, die der strategische Einkäufer vornehmen muss. Erstens muss er sich eine Meinung zu den zukünftigen Entwicklungen des Dieselkraftstoffes machen, da dies der größte Kostenblock an den Frachtkosten ist. Dies kann allerdings nur als eine Indikation dienen, denn entscheidend für die Frachtkosten sind auch die Marktverhältnisse im Frachtmarkt. In einem weiteren Schritt muss der strategische Einkäufer eine Abschätzung zur mittel- und langfristigen Mengenbilanz der zu beschaffenden Ware erstellen. Aus der Mengenbilanz erkennt man, ob der Markt über- oder unterversorgt ist. Hat der Markt mehr Angebot als Nachfrage, so wird dies einen Einfluss auf die Margenerwartung der Lieferanten haben. Nachdem nun die einzelnen Hauptkostentreiber einzeln betracht wurden und für jeden der Kostentreiber eine eigene Vorhersage erstellt wurde, sind alle Daten zu dem finalen Forecast für die zu beschaffende Ware zu konsolidieren.
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Forcasting
allgemeine wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen Inflation/Deflation, Lohnkosten, Wechselkurse, Politische Rahmenbedingungen (Steuerpolitik, Umweltpolitik, EU-Richtlinien etc.), Informationen liefert z. B. Industriepreisindex, Rohstoffpreisindex allgemeine Commodities und Feedstocks Angebot/Nachfrage, Nutzungsraten, Kosten, Technologie, Wert der Nebenprodukte, Informationen liefert z. B. ICIS LOR, EUWID
Allgemeiner Markt
Zwischenrohstoffe Industriefeedstocks Angebot/Nachfrage, Nutzungsraten, Kosten, Technologie, Informationen liefern z. B. Fachzeitschriften Hersteller/Branche Angebot/Nachfrage, Technologie, Finanzielle Gesundheit der Industrie, Informationen z. B. Lieferantengespräche Werksspezifischer Materialpreis Kostenfaktoren, Zeitreihe, Transport, Fracht
Spezielles Produkt
Abbildung 37: Vorgehensweise für einen analytischen Forecast nach der Dreieckspyramide In diesem einfachen Beispiel erfolgte die Analyse nur eine bis zwei Ebenen tiefer in der Wertschöpfungsstufe. Bei komplexen Materialien kann dies aufwendiger sein. Es ist aber auf jeden Fall zwingend erforderlich, dass sich der strategische Einkäufer mit den Hauptkostentreibern, deren individuellem Marktverhalten und den generellen Kostenstrukturen seiner Lieferanten beschäftigt.
3.
Datenfindung
Ein zeitaufwendiger Aspekt im Forecastprozess ist das Finden der benötigten Daten. Der Zeitaufwand soll dabei jedoch in einem vertretbaren Verhältnis stehen, und die Datenfindung sollte nur für die Hauptkostentreiber erfolgen. Das Wissen über das vergangene, aktuelle und zukünftige Marktgeschehen ist der entscheidende Erfolgsfaktor zur Ermittlung einer Forecastanalyse und der daraus resultierenden Ableitung einer Beschaffungsstrategie. Beschafft
Forcasting
101
man Waren aus nicht regulierten Märkten oder kommen die Feedstocks aus solchen Märkten, so sind neben Lieferantengesprächen so genannte Wirtschaftsinformationsdienste die besten Informationsquellen. Bei den Preisangaben, besonders wenn es sich um absolute Zahlen handelt, ist jedoch zu beachten, dass die voraussichtlichen Beschaffungspreise von den veröffentlichten Informationen zum Teil erheblich abweichen. Wirtschaftsinformationsdienste erlangen ihre Informationen durch eine sehr gute Verankerung in der Branche und hier durch Gespräche, häufig Telefonate. Da sowohl Anbieter wie Nachfrager befragt werden und es in einem nicht öffentlichen Markt keine transparente Wahrheit gibt, werden sehr häufig subjektive Interessen mit in die Preisbeantwortung einbezogen. Die einschlägigen, öffentlichen Quellen sind spezifisch für jedes Hebelmaterial zu bestimmen, Beispielhaft hier einige Quellen für die Holz-, Zellstoff- und Chemiemärkte. Analog gibt es zu anderen Commodities, wie Energie, Metalle etc., analoge Informationsmedien: Rohstoff-Preisindex des HWWA (Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv) ICIS-LOR (Chemierohstoffe) EUWID (Europäischer Wirtschaftsdienst) PULPEX (Zellstoff) Besonders hervorzuheben ist die Informationsgewinnung durch Lieferantengespräche bzw. entsprechende Fachmessen. Es hat sich als sehr zielführend erwiesen, seine Grundannahmen zur Preisentwicklung der Feedstocks mit den Annahmen der Lieferanten abzugleichen.
3.1
Wer erhebt die Daten?
ICIS-LOR: ICIS (Independent Commodity Information Service) wurde 1980 in Paris gegründet. Seine Aufgabe war, über die Geschäftspreise in der petrochemischen Industrie in Europa zu berichten. LOR (London Oil Reports) wurde 1981 in London als Industrienewsletter gegründet. Nach dem Zusammenschluss mit ICIS im Jahre 1986 wechselte LOR zu seinem heutigen Aufgabenfeld. ICIS-LOR bietet Preisinformationen des Petrochemie- und Ölmarktes für über 120 Commodities. Die Reporte werden, je nach Commodity, von einmal monatlich bis zu viermal täglich veröffentlicht. In diesen Reports werden auch die Faktoren beschrieben, die Einfluss auf den jeweiligen Preis haben (zum Beispiel Streiks, technische Probleme bei Erzeugern, etc.). Der bedeutendste Markt für ICIS-LOR ist der Petrochemiemarkt. Für diese Commodities gibt es keine regulierten Märkte, in denen die Transaktionspreise angezeigt werden. Die Preisinformationen müssen darum durch Gespräche (meist per Telefon) mit den Geschäftsteilnehmern eingeholt werden. Der Service von ICIS-LOR beinhaltet wöchentliche Berichte für über 100 Commodities, zumeist aus der petrochemischen Industrie: Leistungsdaten von chemischen Fabriken und Raffine-
102
Forcasting
rien, Schiffsinformationen für Chemietanker, Raffinerie-Feedstocks, Rohöle und ÖlProdukte. EUWID ist ein Fachverlag, der 1926 gegründet wurde und über folgende Branchen informiert: Papier, Holz, Recycling/Entsorgung, Wasser/Abwasser, Möbel, Kunststoff, Verpackung und Logistik. EUWID verfügt über ein weltweites Netz an Nachrichtenquellen und Fremdsprachenkorrespondenten. Neben dem Nachrichtendienst hat EUWID im Bereich Papier und Holz bereits mehrere Studien erstellt, die einen umfassenden Überblick über die einzelnen Märkte geben.
4.
Exkurs: Zyklen auf Commodity-Märkten
Hersteller von Commodities haben mit schwankenden Preisen und Gewinnspannen zu kämpfen Bei einem konjunkturabhängigen Commodity-Produkt werden bis zu 75 Prozent des Gewinnes in einer konjunkturellen Hochphase erwirtschaftet, die zeitlich etwa nur 30 Prozent des gesamten Zyklus ausmachen. Eine Untersuchung von McKinsey hat gezeigt, dass zyklische Geschäfte attraktive Renditen erwirtschaften, sofern sie richtig gemanagt sind. Hierfür ist zum einen erforderlich, die Ursachen für zyklische Schwankungen genau zu verstehen, zum anderen muss man die Hebel, mit denen sich die Auswirkungen der konjunkturellen Schwächephasen eindämmen lassen, richtig einsetzen. Dazu gehört vor allem die Fähigkeit, den richtigen Zeitpunkt für Investitionen in Kapazitäten zu bestimmen sowie die Preisentwicklung zutreffend vorherzusagen. Die Ursachen der zyklischen Schwankungen liegen in der dynamischen Beziehung zwischen Produktpreis und Auslastungsgrad (Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage), die nicht linear verläuft. Kurze Preishöhenflüge werden unterbrochen von lang anhaltenden Niedrigpreisphasen. Häufig wird in konjunkturellen Hochphasen in zu große Anlagen investiert, die weder in der nächsten Hochphase noch im Abschwung ausgelastet sind, das wiederum erhöht den Preisdruck. Das Business-Dynamics-Modell kann die Ursachen für das zyklische Verhalten transparent machen. Wenn es um verschiedene Szenarien erweitert wird, zeigt es, wie sich die Erträge durch aktives Management verbessern lassen. Aktives Management bedeutet richtiges Timing. Neue Kapazitäten sind dann verfügbar, wenn die Preise im Begriff sind zu steigen. Um den idealen Zeitpunkt für Investitionen zu erkennen, muss die Nachfrage möglichst genau vorhergesagt werden -in Chemiegeschäften ist diese Fähigkeit zumeist nur wenig ausgeprägt. Trotzdem kann schon die gezielte Investition einer relativ geringen Summe in neue Kapazitäten dazu beitragen, die Nachfragedynamik bei chemischen Produkten zu verstehen (zum Beispiel die Preiselastizität bei konkurrierenden Materialien sowie die Rolle von Lagerbeständen in der Lieferkette) und so die Gewinnschwankungen in einem zyklischen Umfeld zu reduzieren. Genaue Nachfragevorhersagen würden den Unternehmen darüber hinaus dabei helfen, ihr Angebot weniger kapitalin-
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103
tensiv anzupassen, zum Beispiel durch den Ausbau oder die Wiederinbetriebnahme bestehender Anlagen oder auch durch Zukauf von Produkten aus anderen Quellen, um die Auslastung auszugleichen und die Preispolitik zu stabilisieren. Ein großes Problem ist auch, dass die meisten Manager noch keinen großen Konjunkturzyklus miterlebt haben. Aus diesem Grund fehlt häufig das Verständnis, für die komplexen und oft produktspezifischen Faktoren, die zu den schwankenden Margen (Handelsspannen) beitragen.
Plötzlich große Angebotsmengen
Unsichere Informationen über Angebot Kapazität im Aufbau
Angebot Nachfrage
Verfügbarkeit der Finanzierung
Restriktionen bzw. richtiger Investitionszeitpunkt
Kapitalrendite
Auslastung
Nachfrageunsicherheit Marktfrage
Quelle: McKinsey Abbildung 38: Business-Dynamics-Modell – dynamischer Kreislauf für Investitionsentscheidungen in der chemischen Industrie (bekannt als Schweinezyklus)
Erklärung des Begriffes „Schweinezyklus“: Die Schweinezüchter, die auf diesem Markt als Anbieter auftreten, stehen vor dem Problem, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Angebotsmengen den Preis, zu dem sie verkaufen können, nicht kennen. Die Ferkelzucht ist zeitintensiv (beim Hausschwein beträgt allein die Tragzeit etwa vier Monate).
Die Entscheidungen über die Weiterführung von zyklischen Geschäften oder neue Investitionen beruhen meist auf Zahlen, die nur wenige Jahre zurückliegen. Diese Zahlen spiegeln also nicht den gesamten Zyklus eines Produktes wider, solche Daten sind irreführend, was die durchschnittlichen Erträge in der Vergangenheit und damit auch in der Zukunft betrifft. Ein möglicher Ansatzpunkt, die langfristige Entwicklung von Erträgen und Preisen vorherzusa-
104
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gen, sind die so genannten Reinvestitionskosten. Darunter versteht man das Preisniveau für Commodity-Produkte, auf dem die kostengünstigsten Produzenten noch Grenzinvestitionen rechtfertigen können. Liegt der durchschnittliche Preis lange unter diesem kritischen Wert, dann werden Investitionen in Kapazitäten zur Befriedigung zusätzlicher Nachfrage unattraktiv. Bleibt der Preis länger über diesem Wert, so werden zusätzliche Kapazitäten installiert, und ein neuer Preiskampf bricht aus. Am Ende werden sich die Preise jedoch wieder dem Reinvestitionsniveau annähern. Anhand der historischen Reinvestitionskosten eines führenden Herstellers lassen sich das Ausmaß und die Richtung der zukünftigen durchschnittlichen Produktpreise relativ gut ableiten. Detaillierte Angaben über ein künftiges Preishoch ergeben sich daraus jedoch nicht. Eine ausgefeilte mikroökonomische Analyse der historischen Preismechanismen bietet in diesem Fall eine mögliche Abhilfe.
5.
Beschaffungskompetenzen
Abbildung 39 zeigt die Beschaffungskompetenzen für Forecasts, wiederum mit den drei Einstufungen Kenner, Könner und Experte.
FORECASTS
KÖNNER Wird bei der Erstellung und Bewertung von Forecasts als wichtige Quelle innerhalb des eigenen Unternehmens betrachtet. Vergleicht die Genauigkeit, Übereinstimmung und Zuverlässigkeit der Forecasts mit den tatsächlichen Ergebnissen und verwendet diese als Mittel zur stetigen Verbesserung von Forecasts und zur Steigerung des Markt- und Geschäftsverständnisses. Erkennt routinemäßig, wie sich die Forecasts auf andere auswirken können, und kommuniziert mit diesen. Nimmt Einfluss auf Geschäftspläne. Ist aktiv an der strategischen Geschäftsplanung beteiligt, die durch die Forecasts beeinflusst wird.
Bewiesene Fähigkeiten: Hat Forecasts über mehr als eine Branche hinweg oder mehr als eine Art (z.B. Preis und Verfügbarkeit) erstellt.
KENNER
Verwendet Daten aus diversen Quellen, um einen begründeten Forecast zu Preisen und zur Verfügbarkeit von Materialien und Serviceleistungen zu definieren, erteilt diesbezügliche Ratschläge und ergreift entsprechende Maßnahmen. Nutzt die direkten Lieferanten oder Feedstocklieferanten oder andere Branchen als Quellen für eine detaillierte Prognose. Verfügt über Verständnis der beteiligten Märkte und der externen und internen Kräfte, die diese bewegen. Wählt einen realistischen Ansatz, der auf den bestmöglichen verfügbaren Informationen basiert; prognostiziert sowohl „gute“ als auch „schlechte“ Nachrichten.” Nutzt Forecasts zur Feststellung von geschäftlichen Chancen und Risiken. Hilft bei der Bewertung der geschäftlichen Auswirkungen von Forecasts.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat mindestens zwei Marktanalysen durchgeführt; entweder im Rahmen des jährlichen BudgetProzesses oder bei anderen wichtigen Fragen zur Kostenund Machbarkeits-Bewertung. Diese Analysen sollten sowohl Inputs aus der Industrie- und Lieferantenanalyse enthalten als auch generelle Marktentwicklungen berücksichtigen.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Abbildung 39: Beschaffungskompetenzen: Forecasts Hat verschiedene Forecastmethoden entscheidend weiterentwickelt. Hat entsprechende Schulungen zur Durchführung von Forecasts entworfen und vermittelt sein Wissen proaktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Entwickelt neue Forecasttechniken und -methoden, einschließlich externer Quellen für Ideen und Techniken zur Erstellung besserer Forecasts. Wird regelmäßig und auf breiter Ebene als Quelle für die Methodik zur Erstellung von Vorhersagen gesucht. Wird um Input bei bestimmten Forecasts gefragt. Hat sich durch gute Vorhersagen eine breite Glaubwürdigkeit erarbeitet. Verfügt über eine strategische Marktperspektive; setzt Trends und Ereignisse in die richtige historische Perspektive. Ist geübt bei der Integration von Auswirkungen der Einkaufsforecasts auf die Geschäftspläne.
EXPERTE
Prognostiziert Kosten und Preise sowie Verfügbarkeit und Trends von Material, Ausstattung und Dienstleistungen, die vom eigenen Unternehmen extern zugekauft werden, und antizipiert wichtige kurz- und langfristige Veränderungen mit möglichen Auswirkungen auf die Beschaffungsstrategie oder die Geschäftsstrategie.
Forcasting 105
Forcasting
Teil III Beschaffungsstrategie
107
Beschaffungsstrategie
109
Beschaffungsstrategie
1.
Grundlagen
Ziel dieses Kapitels ist es, einen analytischen Denkprozess für die Entwicklung von Beschaffungsstrategien für große oder kritische Materialgruppen, aber auch für umfangreiche, einmalige Einkäufe darzustellen. Eine Beschaffungsstrategie wird nur für Waren oder Dienstleistungen erstellt, die extern beschafft werden. Der Denkprozess beinhaltet die analytischen Vorgehensweisen, die Bestandteile der Strategie sowie deren Dokumentation. ÜBERPFÜFUNG INTERNES UMFELD:
F
Geschäftsbedürfnisse Geschäftsfähigkeiten
ÜBERPRÜFUNG EXTERNES UMFELD: Angebots-/NachfrageAnalyse Porter-Analyse Lieferantenanalyse Mitbewerberanalyse Markwirtschaftliche Veränderungen Kostenstruktur
ERWARTETE ERGEBNISSE:
Strategieentwicklung
AUSSAGE DER STRATEGIE
N
M
O T
G
TAKTISCHE PLÄNE
DENKEN!
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führung
K T I O
des
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I
PLANEN
I
PLANS
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Stärken Schwächen Möglichkeiten Gefahren
INPUT
Durch-
H
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SWOT-ANALYSE:
E E
Was wird gemacht und warum?
Messbar Relativ Systematisch
G
HANDELN!
?
!
ERNEUERUNG
Abbildung 40: Denkprozess und Vorgehensweise der Strategie, inkl. Dokumentation Auf Basis der aus der übergeordneten Geschäftsstrategie abgeleiteten Ziele, der internen Analyse und der Umfeldanalyse (Industrieanalyse, Lieferantenanalyse, Benchmarking, Fore-
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
110
Beschaffungsstrategie
cast und Wettbewerberanalyse) wird die Beschaffungsstrategie entwickelt. Die Entwicklung der Strategie ist die zentrale Aufgabe des strategischen Einkäufers oder des Beschaffungsteams. Zu einer erfolgreichen Strategieentwicklung und -umsetzung – sprich Erlangung eines Wettbewerbsvorteils für das eigene Unternehmen benötigen die Einkäufer analytisches Denkvermögen, Kreativität und soziale Kompetenz für eine effektive Zusammenarbeit mit den internen Fachabteilungen. Die Zusammenarbeit erfolgt unter anderem mit folgenden Personen: Einkaufsleitung und andere Einkäufer. Geschäftsleitung des eigenen Unternehmens. Kollegen aus anderen Fachabteilungen, die mit dem Einkauf zusammenarbeiten Damit ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen erreicht wird und die Geschäftsvisionen bezüglich der Steigerung des Gewinnes und Cashflows umgesetzt werden, ist auch hier die effektive Verbindung der internen Anforderungen mit den externen Lieferantenfähigkeiten ein zentraler Punkt.
2.
Prinzipien für die Beschaffungsstrategie
Die im Folgenden dargestellten Prinzipien gelten für erfolgreiche Beschaffungsstrategien, die einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen liefern sollen:
Strategien sind langfristig und werden regelmäßig erneuert.
Bei Einkaufs- und Beschaffungsstrategien handelt es sich um strategische Pläne, die sich auf langfristige Leistungen konzentrieren. Dabei müssen sie über genügend Flexibilität verfügen, um unabhängig von vorhersehbaren Marktschwankungen und den üblichen, innerhalb eines solchen Zeitrahmens erwarteten Änderungen zu funktionieren. Strategien müssen regelmäßig erneuert werden und sind schriftlich zu dokumentieren.
Beschaffungsstrategien werden für A- und kritische Waren oder Dienstleistungen, die extern beschafft werden, aufgestellt.
Beschaffungsstrategien finden ebenfalls für umfangreiche, einmalige Beschaffungen Anwendung, wie zum Beispiel große Maschinen oder neue Anlagen und Werke. In diesem Fall richtet sich die Strategie auf die Auswahl des Lieferanten und die in Zusammenhang mit
Beschaffungsstrategie
111
diesem Lieferanten zu ergreifende Methode. Die Beschaffungsstrategie ist auch bei der Entscheidungsfindung in Bezug auf Outsourcing (Eigenfertigung oder Fremdbezug) ein wichtiges Element. Die externe Lieferoption muss gegenüber der internen Herstellung oder Erbringung von Dienstleistungen einen Wettbewerbsvorteil in Bezug auf Zuverlässigkeit, Qualität, Kapital- und Ressourcenintensität, Kosten, Geschwindigkeit, Technologieleben, etc. in einer langfristigen Perspektive erbringen. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Entscheidung, keine Beschaffungsstrategie für eine spezielle Materialgruppe zu haben, auch eine strategische Entscheidung ist, wenn sie entsprechend dokumentiert wird.
Der Rahmen der Strategie spiegelt den Stand der wertschöpfenden Bündelung wider.
Der Rahmen der Strategie innerhalb des eigenen Unternehmens kann werksübergreifend, regional, lokal und innerhalb des Geschäftsbereiches liegen – abhängig von den Ergebnissen, die für den zu beschaffenden Artikel erreichbar sind. Strategien treffen, innerhalb ihres Rahmens, Entscheidungen, die für das Unternehmen richtig sind. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Strategien versuchen, den Anforderungen aller beteiligten Unternehmensbereiche mit der Zeit gerecht zu werden. Wenn ein Bereich die durch die Strategie festgelegten Ziele nicht erreicht, ist die Strategie nicht tauglich und muss geändert werden.
Strategien basieren sowohl auf Daten wie auch auf Erkenntnissen. Bestehende Vereinbarungen sind zu honorieren.
Strategien werden aus einer Kombination von internen und externen Daten sowie Erkenntnissen, die sowohl aus Kenntnissen des Marktes als auch auf internen Kenntnissen basieren, erstellt. Treten Probleme oder Unstimmigkeiten in Bezug auf eine vorgeschlagene Strategie auf, werden diese offen unter Verwendung von verfügbaren Daten geklärt. Es kann nicht akzeptiert werden, dass einer Strategie zugestimmt und dann anders verfahren wird. Bestehende Verträge und Verpflichtungen sind jedoch zu berücksichtigen, soweit keine moralische oder legale Möglichkeit der Vertragsauflösung besteht.
Die Ausführlichkeit der Strategie wird durch die Komplexität und Größe der zu beschaffenden Ware oder Dienstleistung bestimmt.
Der Umfang und die Ausführlichkeit einer Strategie sind abhängig von der Komplexität und der relativen Bedeutung der zu beschaffenden Ware oder Dienstleistung. Dadurch ist es möglich, auf jede geschäftliche Situation eine schriftliche Strategie zuzuschneiden. Der Grund für die Entwicklung von Strategien besteht darin, Wettbewerbsvorteile aus den Lieferantenbeziehungen und Geschäftsvereinbarungen zu erbringen. Umgesetzt wird die Strategie anschließend, indem taktische Maßnahmen gegenüber Lieferanten und internen Unternehmensberei-
112
Beschaffungsstrategie
chen ergriffen werden. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen werden gemessen, damit sichergestellt ist, dass die Strategie und die Maßnahmen wirkungsvoll sind. Eine Angleichung über verschiedene Organisationen hinweg (Abteilungen, Länder, Funktionen oder Geschäftsbereiche) ist für den Erfolg ausschlaggebend.
Die Entwicklung der Beschaffungsstrategie ist ein analytischer Denkprozess.
Der analytische Denkprozess gibt den Rahmen für die Formulierung und Durchführung einer Beschaffungsstrategie vor. Die acht wichtigsten Schlüsselelemente bieten einen logischen Ansatz für die Ausarbeitung einer Strategie. Sie umreißen die entscheidenden Gesichtspunkte, die bei der Entwicklung von Beschaffungsstrategien zu berücksichtigen sind, und gliedern sich in drei Phasen:
Die Phase der Datenanalyse 1. Bewertung der geschäftlichen Anforderungen (internes Umfeld) 2. Bewertung des Beschaffungsumfeldes (externes Umfeld) 3. Analyse der Gesamtwirtschaft und der Kosten Die Phase der Strategieentwicklung 4. Gewünschte Ergebnisse (Ziele der Strategie) 5. Klassifizierungsmodell und SWOT-Analyse 6. Darlegung der Strategie 7. Taktische Pläne und Ausführung Die Phase der Genehmigung- und Erneuerung 8. Dokumentation und Erneuerung Abbildung 41: Vorgehensmodell für eine Beschaffungsstrategie
3.
Analyse des externen Umfeldes
In diesem Abschnitt werden der Beschaffungsmarkt, sein prognostiziertes Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, die Lieferanten, deren Beziehungen zum eigenen Unternehmen sowie die Position der Konkurrenz auf dem Beschaffungsmarkt bewertet. Die Datenanalyse liefert das Rohmaterial, aus dem die Strategie und Taktiken erarbeitet werden sollen. Es han-
Beschaffungsstrategie
113
delt sich hierbei um eine umfassende Prüfung des externen Umfeldes. Zur Referenz wird auch ausdrücklich auf die Umfeldanalysen im Teil II dieses Buches verwiesen.
3.1
Industrieanalyse unter Verwendung des Porter-Modells
Der Zweck dieser Analyse besteht darin, Schlussfolgerungen über die Branche zu erhalten und zu erfahren, wie die Branche durch die Umsetzung der Beschaffungsstrategie erfolgreich beeinflusst werden kann. Die Branchenanalyse nach Porter bildet hierzu die Grundlage.
Bedrohung durch neue Konkurrenten
Potenzielle neue Konkurrenten
Wettbewerber in der Branche
Rohmaterial Lieferanten
Abnehmer
Verhandlungsstärke der Lieferanten
Verhandlungsmacht der Abnehmer Rivalität unter den bestehenden Unternehmen
Ersatzprodukte Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste
Abbildung 42: Porter-Modell auf die Beschaffungsmarktanalyse angepasst Das Porter-Modell wird von fünf Kräften bestimmt: Bedrohung durch neue Konkurrenten. Verhandlungsstärke der Lieferanten (Vorlieferanten unserer Lieferanten).
114
Beschaffungsstrategie
Rivalität zwischen den Lieferanten, die innerhalb ihrer Branche im Wettbewerb untereinander stehen. Gibt es offene Konkurrenz, Kartelle oder Zusammenarbeit zwischen Konkurrenten? Bedrohung durch Ersatzprodukte oder -dienstleistungen. Verhandlungsstärke der Nachfragekunden, d. h. Unternehmen, die die gleichen Waren nachfragen wie das eigene Unternehmen, und die direkten Wettbewerber. Einschätzung, wie diese Kräfte die finanzielle Gesundheit der Branche beeinflusst haben. Steht eine Rationalisierung bevor? Analyse dessen, was diese Kräfte für die eigene Beschaffungsstrategie bedeuten. Dies ist das wichtigste Ergebnis der Porter-Analyse. Es erfordert Verständnis der zu Grunde liegenden Ursachen jeder Kraft und wie diese die Branche und das individuelle Verhalten der Lieferanten beeinflussen.
3.2
Angebot/Nachfrage in der Beschaffungsbranche
Für einen Einkäufer ist es wichtig zu wissen, ob man sich in einem Anbieter- oder Nachfragemarkt befindet. Entscheidende Fragestellungen sind unter anderem: Wie sieht der prognostizierte Bedarf für diese Branche aus? Welche wichtigen Kundengruppen bilden diese Nachfrage? Warum wurde ihr Bedarf auf diese Weise prognostiziert? Geht man von zusätzlicher Branchenkapazität aus? Lieferzeit? Investitionen? Wird die Kapazität vertraglich festgelegt? Schließungen? Übernahmen? Konkurse? Fusionen? Gibt es ein Über-, Unterangebot oder einen ausgeglichenen Markt? Wie beeinflusst dies die eigene Beschaffungsmethode? Werden die Werkstoffe/Kosten für diesen Artikel durch Angebot und Nachfrage des Marktes gesteuert? Wenn ja, bleibt zu erwarten, dass dies den Materialbezug beeinflusst?
3.3
Lieferantenanalyse
Neben dem Verständnis für den Markt ist es für die Strategie von großer Bedeutung, die Lieferanten genau zu kennen. Dabei ist es wichtig, alle betroffenen Funktionen, die in Frage kommen, bei der Erstellung dieser Analyse einzubeziehen – insbesondere die internen Fachabteilungen.
Beschaffungsstrategie
115
Wie sieht die derzeitige Beziehung (falls eine besteht) zu jedem der in Betracht gezogenen Lieferanten aus?
Lieferant im Wettbewerb. Qualifizierter Lieferant. Vorzugslieferant. Strategischer Lieferant.
Wo liegen die Stärken und Schwächen des Lieferanten? Geschäftsführung und Strategie. Wo liegen die Kernkompetenzen des Lieferanten? Wer sind die wichtigsten Entscheidungsträger? Sind diese im eigenen Unternehmen bekannt? Passt das eigene Unternehmen als Kunde in die Strategien des Lieferanten? Finanzen. Kostenstruktur (Personal, Logistikkosten, Wertminderung etc.), ProfitCenter-Entwicklung (nach Anlage, Land, Geschäftsbereich), Verschuldungsgrad, Cashflow/Rentabilität Forschungs- und Entwicklungskapazität. Technische Kompetenzen? Gibt es Möglichkeiten zur Umstellung der Produktion? Entwicklung innovativer Dienstleistungen? Informationstechnologie. Sind die Lieferanten in der Lage, Transaktionen und Mengenplanung auf elektronischem Wege mit hoher Zuverlässigkeit zu handhaben (EDI)? Kundenbestand. Sind die Konkurrenten wichtige Kunden der Lieferanten? Haben sie strategische Beziehungen zur Konkurrenz? Material. Gehört das Material, das von dem Lieferanten beschafft werden soll, bei dem Lieferanten zum Kerngeschäft? Wie passt es zu den anderen Geschäften des Lieferanten? Besteht die Gefahr der Veräußerung des Geschäftsbereiches? Beziehungen. Wie sieht die Geschäftsführung aus? Werden auch andere Artikel bei diesem Lieferanten beschafft? Welche Beziehungen bestehen zu den Lieferanten? Standorte. Wo liegen die Standorte des Lieferanten für Herstellung, Vertrieb, Servicebüros? Wie eng sind sie mit dem jeweiligen eigenen Standort verbunden? Spielt es eine Rolle? Sind sie gut geführt? Service. Wie ist der Ruf des Kundenservices? Gut? Schlecht? Warum? Operative Messgrößen des Lieferanten. Kostenstruktur. Preis, einschließlich der nicht durch die Beschaffung verursachten Kosten (Fracht, Abgaben, Lagerung etc.). Cashflow. Bestand, Zahlungsbedingungen, Möglichkeit der Anlageinvestition, Schuldenstand. Qualität. Statistische Messungen zur Prozesssteuerung, Reklamationen, Qualitätskosten, Input des eigenen Anwenders aus der Fachabteilung. Logistikleistungen. Zuverlässigkeitsmessungen (Pünktlichkeit, korrekte Menge etc.), Bewertung der täglichen Interaktion des Lieferanten, interne Kundenbewertung der Dienstleistung und Interaktion des Lieferanten. Innovation. Geistiges Eigentum, Erfahrung bei Forschung und Entwicklung, Exklusivitätsbedingungen etc. Marktintelligenz. Informationen über den Markt, seine Lieferanten und Kunden.
116
Beschaffungsstrategie
Geschwindigkeit und Zeit. Lieferzeiten, Reaktionszeiten, Zeiten für die Umstellung der Produktion, Zeitrahmen für Innovationen und Investitionen. Operative Verwaltung. Genauigkeit der Rechnungen, elektronische Schnittstellen etc.
3.4
Wettbewerbsanalyse
Bei diesem Schritt können andere Abteilungen häufig von großem Nutzen sein, denn sie betrachten den Wettbewerb aus einem anderen Blickwinkel. Prüfung des Einsatzes von einem Material durch Konkurrenten oder alternative Nutzer. Welche Produkte bzw. Unternehmen setzen es ein, ungefähre Menge, einsetzende Standorte? Spezifizierungen, Qualitätsanforderungen. Welche Lieferanten, welche Werke, wie ist ihre Beziehung zueinander? Schätzung der Kosten bzw. des Volumens, logistische Vorbereitung, lokal oder Import, Auswirkungen auf die Spezifizierung, Auswirkungen auf die Werkstoffe. Einkaufsmethode (zentralisiert bzw. dezentralisiert, global bzw. lokal, Konkurrenz oder Allianz, Verbindungen über die Lieferkette etc.). Entwicklungsmethode, Patentpositionen, Einsatz von Material in Produkten, einzigartige Lieferantenkompetenz, Urheberrechte etc. Einschätzung der Vor- und Nachteile gegenüber den Wettbewerbern.
Lieferbarkeit. Qualitätsstandards. Einfluss und Bündelung des Lieferanten. Zeit (Lieferzeiten, Entwicklungszeit, Expansionszeit). Leistungsfähigkeit (E-Commerce, Ressourcenallokation etc.).
Wenn der Konkurrent diesen Artikel nicht einsetzt, wodurch ersetzt er ihn dann?
3.5
Auswirkungen der Ersatzprodukte (Verbrauch, Leistung, Zeit, Bezug etc.).
Analyse des wirtschaftlichen Umfelds
Dieses Element konzentriert sich auf Faktoren, die nicht auf der Branche basieren und Auswirkungen auf die Kosten sowie Angebot/Nachfrage haben. Es gibt zwei wesentliche Arten von Faktoren:
Beschaffungsstrategie
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Die Gesamtwirtschaft lenkt die staatlichen, Handels- und Währungsentwicklungen. Strukturelle Kosten bestimmen die Break-Even-Punkte der Branche und Lieferanten. Hierzu zählen Unternehmenskosten und Kostenfaktoren, die nicht durch die Beschaffung verursacht werden. Diese sind die Konstante, um die herum sich die Marktkräfte bewegen.
3.5.1
Analyse der Gesamtwirtschaft
Handelsauswirkungen, wie Zölle, Anti-Dumping-Gesetze, Arbeitskämpfe, Verbände, rechtliche Unbeständigkeit und Rechtsprechung, Steuern. Politische Auswirkungen, wie Krieg, Verantwortlichkeit zwischen lokaler und nationaler Regierung, Marktkontrolle, Aufsichts- und Steuerbehörden, politische Veränderungen etc. Währungs- und Kursschwankungen, wie Auswirkungen der Handelsbilanz, Währungsstrategie des Landes, Auswirkungen der Inflation, Währungsreserven, Abwertungspotential, Kapitalkontrollen etc. Worin besteht die lokale Komponente dieses Artikels? Importierte Komponenten in welcher Währung? Haben wir Optionen in Bezug auf die Devisenzahlung? Was geschieht bei Kursverschiebungen? Welche Position bezieht das eigene Unternehmen in Bezug auf die bestimmte erforderliche Währung? Welche der Lieferant? Geldpolitik, wie Zinssätze, Inflation bzw. Deflation, Geldmenge etc.
3.5.2
Analyse der Branchenkostenstruktur
Was treibt die Kosten in der Branche? Forschung & Entwicklung, Kapital, Werkstoffe, Personal etc.? Was sind die wichtigsten Kostenfaktoren bei der Beschaffung des Produktes/der Dienstleistung? Sind die Verwaltungs- oder Forschungskosten die wesentlichen Triebkräfte? Produktionskosten? Logistische Bewegungen? Wie sehen die Prognosen für diese Kostenfaktoren für die kommenden Monate oder Jahre aus? Wo liegen die treibenden Kräfte in den Bereichen der Verwaltungs- (Gemeinkosten) oder Forschungskosten (Kopfzählung, Investitionsausgaben, Kosten für geistiges Eigentum, Vertrieb und Marketing etc.)? Wo liegen die treibenden Kräfte in den Bereichen der Produktionskosten (Material, Personal, Informationssysteme, Garantieaufwendungen, Kapitalabschreibung, Ausschuss, Erträge etc.)? Welche Technologien treiben die Kosten für die Produktion oder Lieferung des Artikels?
118
Beschaffungsstrategie
Wie sehen Kostenstruktur und Kostenfaktoren des Lieferanten aus? Treiben diese Kostenstrukturen die Kostenstruktur des eigenen Unternehmens? Gibt es Unterschiede in der Kostenstruktur verschiedener Lieferanten in der Branche? Konkurrierende Methoden zur Herstellung der Ware oder Dienstleistung? Überlegungen in Bezug auf geistiges Eigentum, Kostenvorteile oder -nachteile bei verschiedenen Lieferanten. Verschiedene Unternehmensstrukturen (Gemeinkosten etc.). Buchführungsmethoden/Gewinnansprüche (Kostenallokation, Hürden bei Zielinvestitionen etc.). Können gesamtwirtschaftliche oder politische Faktoren (zum Beispiel Währung, Handelsboykotte) die Elemente der Kostenstruktur erheblich verändern? Wie sieht die Struktur der „nicht durch die Beschaffung verursachten Kosten“ aus? Zölle, Lizenzgebühren, Gebühren für Makler/Händler etc. aus? Welche Faktoren treiben diese Kosten? Sind diese zu beeinflussen? Ist eine Analyse der Eigenfertigung gegenüber Fremdbezug gerechtfertigt? Ist die Branche bzw. der Markt in der Lage, das zu liefern, was das eigene Unternehmen benötigt? Verfügt das eigne Unternehmen über das Fachwissen, die Mittel (Personal und Kapital) sowie das langfristige Engagement für die Herstellung der Ware oder Dienstleistung und zur Beibehaltung des Fachwissens über diese Zeit? Wenn Ware oder Dienstleistung nicht selbst hergestellt wird, sollte die Herstellung fremdvergeben (Outsourcing) werden?
4.
Analyse des internen Umfeldes und der geschäftlichen Anforderungen
Hier wird gezeigt, wie sich die geschäftlichen Bedürfnisse in durchsetzbare Anforderungen übertragen lassen. Bei der Bewertung der geschäftlichen Anforderungen sollten die Beiträge und das Wissen der anderen Funktionsbereiche des Unternehmens einbezogen werden. Die Bewertung der geschäftlichen Anforderungen ist entscheidend für eine erfolgreiche Strategie.
Beschaffungsstrategie
4.1
119
Bewertung von geschäftlichen Anforderungen
Die folgenden Punkte sind entscheidend für die interne Analyse der geschäftlichen Bedürfnisse: Geschäftsstrategie und -ziele. Wie lautet die Strategie der Unternehmenssparte? Wie beeinflusst der eigene Bedarf diese Strategie? Mengenwachstum? Innovation? Kostenkontrolle? Ausreichend Nachschub? Wie lange dauert es, neue Produkte auf den Markt zu bringen? Worin bestehen die Ziele der Unternehmenssparte? Technologische Strategie. Wie lautet die technologische Strategie für Materialien oder Dienstleistungen? In welcher Phase des Produktlebenszyklus befinden sich die eigenen Produkte? Beeinflusst der Produktlebenszyklus dieses Artikels andere zu beschaffende Waren und Dienstleistungen (Ersatz, Austausch etc.)? Wo liegt die Innovationsrate für diese Waren? Mengenprognosen. Wo liegen die jährlichen Mengenprognosen für drei oder mehrere Jahre? Kommt es innerhalb eines Jahres zu beachtlichen Nachfrageschwankungen? Welche Auswirkungen hat dies auf die Lieferkapazität und Kosten? Welche zugrunde liegenden geschäftlichen Hypothesen steuern die Mengenprognosen? Sind sie risikobereinigt? Innovationsüberlegungen. Handelt es sich um einen Entwicklungsartikel oder eine neu benötigte Dienstleistung? An welches Projekt ist die Beschaffung gebunden? Wie lautet die Strategie für geistiges Eigentum? Müssen Überlegungen in Bezug auf geistiges Eigentum in Betracht gezogen werden? Patentrechte? Lizenzierung? Welcher Zeitrahmen ist vorgesehen? Wie lange dauert es, neue Produkte auf den Markt zu bringen? Hat die Entwicklung des Artikels Einfluss auf die Mengen derzeit eingesetzter Artikel? Gibt es Überlegungen in Bezug auf Informationssicherheit in dieser Situation? Qualitäts-/Zuverlässigkeit-/Informationsüberlegungen. Welche Anforderungen an die Qualität hat das eigene Unternehmen? Wie wird der Artikel eingesetzt? Wie wird die Leistung des Produkts oder des Arbeitsprozesses beeinflusst? Welchen Grad an Zuverlässigkeit und Kundendienst benötigen die Anwender der Beschaffungsware? Welche Art von Verwaltungs-, Informations- und Kommunikationsschnittstellen wird benötigt? Welche logistischen Anforderungen gibt es? Kosten und Cashflow-Überlegungen. Wie hoch liegen die prognostizierten Kosten? Zielkosten? Anforderungen an den Warenbestand bzw. Cashflow? Handelt es sich hierbei um einen wichtigen Ausgabeposten? Was wird im eigenen Unternehmen für diesen Artikel bezahlt? Warum gibt es Unterschiede? Potentielle Übernahmen, Veräußerungen durch das eigene Unternehmen oder Outsourcing. Wie wird der Gebrauch beeinflusst? Behalten bestehende Vereinbarungen ihre Gültigkeit? Für wie lange? Kommt es zu Auswirkungen auf die Lieferantenbeziehungen, zu Auswirkungen auf Kosten?
120
Beschaffungsstrategie
Verschiedene Geschäftsbereiche (Werke, Abteilungen). Wird die Ware oder Dienstleistung in mehr als einem Bereich eingesetzt? Sind die Spezifikationen gleich? Wenn nicht, könnten sie es sein? Bestehen zwischen den Anforderungen der Geschäftsbereiche Gemeinsamkeiten? Wie sollten sich die Geschäftsbereiche zur Zusammenarbeit organisieren?
4.2
Verknüpfung des geschäftlichen Leistungspotentials
Dieser Abschnitt befasst sich mit der strategischen Bedeutung des Materials und soll bei der Abwägung helfen, ob bedeutende Ressourcen zur Unterstützung der Materialbeschaffung eingesetzt werden sollen.
Risiko/Komplexität
Hoch
Gering
II Engpassmaterialien
IV strategische Materialien
I unkritische Materialien
III Hebelmaterialien
Gering
Hoch
Volumen/Kosten
Abbildung 43: Verschiedene Materialien erfordern unterschiedliche Beschaffungsstrategien Es werden zwei Dimensionen betrachtet: wirtschaftliche Größe (Kosten- oder Mengenvolumen) und Risiko- bzw. Komplexitätspotential: 1. Kleines Volumen & hohes Risiko/Komplexität: Zur Bewältigung bzw. Beseitigung des Risikos und der Komplexität werden hohe kommerzielle, technische und betriebliche Ressourcen-Zuteilungen benötigt. 2. Kleine Volumen & geringes Risiko/Komplexität: Machen eine Minderung bzw. Beseitigung der Ressourcen-Zuteilung erforderlich.
Beschaffungsstrategie
121
3. Großes Volumen & geringes Risiko/Komplexität: Machen eine hohe kommerzielle Ressourcen-Zuteilung erforderlich und müssen technische oder betriebliche Ressourcen rechtfertigen. Sie basiert üblicherweise auf wirtschaftlichem Potential (Einsparungen). 4. Großes Volumen & hohes Risiko/Komplexität: Machen eine hohe kommerzielle, technische und betriebliche Ressourcen-Zuteilung erforderlich. Funktionelles Leistungspotential in den Unternehmenssparten. Ressourcen. Können angemessene, erfahrene Unternehmensressourcen bei der Erstellung der Beschaffungsstrategie für das Material eingesetzt werden? Bereichsübergreifende Angleichung. Gibt es eine starke bereichsübergreifende Interaktion, die eine Basis für die Angleichung an die Maßnahme bilden kann? Beschaffung. Welche Mittel kann der Einkauf für die Beschaffung einsetzen? Hat das eigene Unternehmen Erfahrung und kennt es den Markt? Welche Kenntnisse hat das eigene Unternehmen über die Funktion und Herstellung der Ware oder Dienstleistung? Wie wird die Ware für die eigenen Produkte und Dienstleistungen verwendet? Stehen technische Ressourcen für Qualifikationen, Qualitätsverbesserung, Vereinfachung von Spezifizierungen bzw. Standardisierungen, Integration des Lieferanten in die eigenen IT-Systeme etc. zur Verfügung? Finanziell. Ist das eigene Unternehmen bereit, finanzielle Mittel (Personal, Geld) zur Verbesserung der Beschaffungsergebnisse für dieses Material zu investieren? Logistik. Hat das eigene Unternehmen ein starkes Logistiksystem für die Materialbeschaffung? Ist es flexibel und zuverlässig? Bei Artikeln, die nicht aus dem Materialbereich kommen: Sind die Anwender der Dienstleistung oder des Gerätes in der Lage, mit dem Dienstleister zusammenzuarbeiten oder das betreffende Gerät zu bedienen? Informationstechnologie. Gibt es IT-Unterstützung für die Kommunikation und Zusammenarbeit mit der Versorgungsbasis? Werden Verbindungen über das Internet hergestellt, und sind Hardware, Software und Bandbreiten-Infrastruktur in der Unternehmenssparte bereits installiert und üblich? Geschäftsbereichsangleichung. Wenn es sich um einen geschäftsbereichsübergreifendes zu beschaffendes Material handelt, stehen die oben angeführten Möglichkeiten in jedem betroffenem Geschäftsbereich zur Verfügung? Es kommt in den Geschäftsbereichen möglicherweise zu Unterschieden in Bezug auf den Stand des Leistungsvermögens. Wie können diese Unterschiede ausgeglichen werden? Ressourceneinsatz bei der Arbeit mit potentiellen Lieferanten Kommerziell. Ist das eigene Unternehmen ein großer Abnehmer des Materials? Ein gewünschter Kunde? Hat das eigene Unternehmen gute und produktive Beziehungen zu irgendeinem Lieferanten dieses Artikels? Finanziell. Wo liegen die wirtschaftlichen Ziele und Zwänge, denen entsprochen werden muss? Sind Investitionen ein Hindernis für Veränderungen? Technisch. Versteht das eigene Unternehmen aus technischer Sicht, wie der Artikel funktioniert und hergestellt wird? Gibt es regulative oder sicherheitsbedingte Risiken?
122
Beschaffungsstrategie
Logistik und Betrieb. Wie lang bzw. wie komplex ist die logistische Vorbereitung? Wie schwierig ist die Eingliederung der Dienstleistung in die Systeme? Wie schnell nimmt das Personal die Eingliederung auf? Informationstechnologie. Ist es leicht, die Informationssysteme mit denen des Lieferanten zu verbinden? Sind sie übersichtlich bei Lieferantenwechsel oder ein Hindernis bei Veränderungen? Haben sich die internen Organisationen auf eine bevorzugte Kommunikationsmethode (Internet) geeinigt oder gibt es bereichsspezifische Präferenzen? Ist das eigene Unternehmen bereit, den Lieferanten die Webnutzung vorzuschreiben, oder ist es ihre eigene Entscheidung? Angleichung. Vermitteln die Unternehmenssparten oder verschiedenen Bereiche die gleiche Nachricht? Komplexität. Ist der Einsatz des zu beschaffenden Artikels für das eigene Unternehmen komplex und erfordert er präzise Integration? Ist die Aufmachung des Artikels komplex? Ist das Projekt, das ihn einsetzt, komplex? Lässt sich diese Komplexität verringern? Ist auf Grund der Komplexität die Weitergabe von Wissen an den Lieferanten nötig? Zeit. Welche Lieferzeit hat das eigene Unternehmen als Ziel? Wie lange dauert es, neue Produkte auf den Markt zu bringen? Wie viel Zeit steht zur Verfügung, um Maßnahmen mit dem Lieferanten zu ergreifen?
5.
Strategieentwicklung
Diese Phase legt die wirtschaftlichen Ziele fest, die die Strategie und ihre Taktiken erreichen müssen. Die Ziele und die Informationen aus der Phase der Datenanalyse werden für die Entwicklung der Strategie und des taktischen Plans zur Ausführung der Strategie eingesetzt. Die Beschaffungsstrategie muss die Geschäftsziele des eigenen Unternehmens unterstützen.
5.1
Gewünschte Ergebnisse
Nachfolgender Abschnitt beschreibt die Ergebnisse, die eine erfolgreiche Strategie erbringen soll. Sie beinhalten sowohl die langfristigen, strategischen Ergebnisse als auch die kurzfristigen, taktischen Ergebnisse, die zum nötigen Erfolg des Unternehmens beitragen. Ein wichtiger Schritt ist auch die Einbeziehung der Geschäftsleitung und anderer interner Abteilungen in die Entwicklung dieser Erfolgskriterien, damit die notwendige Unterstützung für die Strategie und die Taktik gewährleistet bleibt.
Beschaffungsstrategie
123
Die gewünschten Ergebnisse können in drei Arten von strategischen Ergebnissen unterteilt werden. Für jeden zu beschaffenden Artikel ist dies je nach Wichtigkeit zu priorisieren. Hier sollte es sich um anspruchsvolle Ziele handeln, die sich klar auf die Anforderungen und Ziele des Unternehmens beziehen.
Quantitative Ergebnisse Bei den quantitativen Ergebnissen handelt es sich um spezifische numerische oder materielle Ergebnisse, die von drei Mechanismen bestimmt werden. Sie müssen in einer Art und Weise kommuniziert werden, die mit der in der Unternehmenssparte verwendeten übereinstimmt. Verlustanalyse. Eine Analyse der Kostendifferenz zwischen dem internen Benchmark des eigenen Unternehmens und den Kosten aller Standorte, die Benchmarking nicht einsetzen. Diese Gesamtsumme liefert das maximale Einsparpotential für den Artikel zum Zeitpunkt der Strategieentwicklung. Eine zweite Methode ist die Anwendung der „Ziel-KostenAnalyse“ zur Berechnung der theoretisch niedrigsten Kosten für die Produktion des betreffenden Artikels. Diese werden zum Eckwert, mit dem die aktuellen Kosten zur Bestimmung des Verlustes verglichen werden. Innovations-/Zeitanalyse. Eine Analyse des Stands von Innovation, Marktzugang und Kundenwert des Produktes, das den zu beschaffenden Artikel einsetzt. Hierzu zählen: Innovation des neuen Artikels (Material, Dienstleistung, Maschinengestaltung etc.) sowie die Initiative, die den neuen Artikel einsetzt, der Zeitrahmen zur Entwicklung, zum Test und zur Expansion des neuen Produktes oder der neuen Dienstleistung, den die Innovation enthält, die Menge, die erforderlich ist, um die Expansionspläne des Unternehmens zu unterstützen, und die Zielkosten des Artikels und/oder der Initiative, um einen starken Kundenwert zu gewährleisten. Zur Messung des Zeitverlusts kann eine Verlustanalyse effektiv eingesetzt werden. Potentialanalyse. Eine Analyse des geschäftlichen Potentials der Unternehmensinitiative, das von dem zu beschaffenden Artikel ausgeht. Sie findet vor allem beim Einkauf von Marketingdienstleistungen Anwendung und bei Einkäufen, die neue Produktinitiativen unterstützen oder Nettomarktverkäufe über Volumen- oder Preiserhöhungen anheben sollen.
Relative Ergebnisse Bei den relativen Ergebnissen handelt es sich um Vergleiche mit anderen Positionen auf dem Markt. Es ist bisweilen schwierig, diese genau zu quantifizieren. Sie basieren häufig auf Erkenntnissen, Konkurrenten- oder Marktanalysen, Informationen sowie veröffentlichten Branchenindizien. Wettbewerbsvorteil. Eine Bewertung, in der Regel eine Abschätzung darüber, wie die eigenen Kosten/geistiges Kapital/Leistungsqualität verglichen mit der Konkurrenz ausfal-
124
Beschaffungsstrategie
len. Die Maßstäbe sind Kosten, Exklusivität der Leistung sowie Qualität des Produkts oder der Dienstleistung in Abhängigkeit von der Konkurrenz. Diese Maßstäbe treiben den Kundenwert. Vergleich mit der Industriebranche. Eine Bewertung darüber, wie die eigenen Kosten und die Verfügbarkeit verglichen mit dem allgemeinen Markt für den Artikel aussehen. Ist das eigene Unternehmen ein Großabnehmer, dann sollten niedrigere Kosten eingeräumt werden. Ist man ein bevorzugter Kunde, sollte bei angespannter Marktlage eine bessere Verfügbarkeit eingeräumt werden. Ziel ist es, den Markt zu schlagen, nicht nur mit dem Markt zu gehen. Vergleich mit dem Budget und dem Forecast. Eine Bewertung der Ist-Ergebnisse (Kosten oder Zeit) verglichen mit den von der Einkaufsabteilung oder Geschäftsleitung prognostizierten Ergebnissen. Arbeitsprozess und Systemergebnisse sind Maßnahmen, die die Entwicklung oder wichtige Verbesserungen von Systemen verfolgen. Zu den Beispielen zählen Materialvereinfachung, Systeme zur Prognose von Volumen, Systeme zur Bewertung der Lieferantenqualität, Senkung des Verwaltungsaufwands, elektronische Beschaffung und andere arbeitsunterstützende Methoden. Ziel ist es, effektiver und effizienter zu sein. Die Verlustanalyse von Personaleinsatz ist auf diesem Gebiet eine effektive Methode
Taktische Ergebnisse Bei den taktischen Ergebnissen handelt es sich um die Ziele, die für jede kurzfristige Beschaffungsintervention, die Teil einer längeren Strategie ist, gesetzt werden. Sie sind fast immer quantitativer Natur und müssen mindestens erreicht, besser aber übertroffen werden, damit die taktische Intervention als erfolgreich betrachtet wird. Diese Ziele sollen SMART sein: Specific (spezifisch). Measurable (messbar). Attainable (erreichbar). Reliable (zuverlässig). Time-bound (zeitgebunden). Im Laufe der Zeit sollen die quantitativen Ergebnisse dieser kurzfristigen Maßnahmen direkt zu den langfristigen Zielen der Strategie werden.
Beschaffungsstrategie
5.2
125
Klassifizierungsmodell
Nachdem der Einkäufer sowohl das interne als auch das externe Umfeld analysiert hat, das das zu beschaffende Material beeinflusst, muss der Einkäufer die strategische Bedeutung des Materials, das er aus interner Sicht in der Bewertung der geschäftlichen Anforderungen und des Leistungspotentials geprüft hat, neu bewerten. Externe Faktoren liefern weiteren Einblick in die Risiken und die Komplexität des Artikels. Das unten aufgeführte Klassifizierungsmodell verwendet eine 2x2-Matrix, um zu entscheiden, ob die Beschaffung dieses Artikels intern oder extern erfolgen soll oder ob es zu einer Kombination der beiden Möglichkeiten kommt. Dieses Modell ist dynamisch, nicht statisch. Materialien können auf Grund von Maßnahmen des eigenen Unternehmens, Maßnahmen der Lieferanten oder externer Marktkräfte den Quadranten wechseln. Es ist deshalb riskant, einfach nur anzunehmen, dass ein Material immer in seinem Quadranten bleiben wird. Manchmal verlangt auch die eigene Strategie, ein Material von dem einen in den anderen Quadranten zu bewegen. Unkritische Materialien (geringes Volumen/Kosten & geringes Risiko/Komplexität) Bei diesen Artikeln muss gewährleistet sein, dass zum besten Preis einkauft wird, obwohl nur kleinere Volumen beschafft werden. Es ist außerdem notwendig, dass Zeit und Mühe drastisch gesenkt werden, um geringe Gesamtkosten zu erhalten. Um dies zu erreichen, sind folgende Maßnahmen denkbar: Outsourcing an einen dritten Einkäufer (E-Börse, Konsortium, Vertriebshändler) mit kontrollierten Erfolgskriterien. Einen Lieferanten auswählen und auf E-Procurement-Katalog umstellen. An die Abteilung weiterleiten, die den Artikel braucht. Der Einkauf kann dann direkt erfolgen. Transaktionen sollen so weit wie möglich automatisiert werden. Engpassmaterialien (geringes Volumen/Kosten & großes Risiko/Komplexität) Hierbei handelt es sich um die schwierigste Situation. Das Volumen reicht nicht aus, um für einen Lieferanten Renditen auf strategischer Ebene zu bringen, und die Mittel, die zum Risikomanagement erforderlich sind, liegen über den Kosten. Mögliche Lösungsansätze sind:
Risiko senken. Artikel oder dessen Einsatz vereinfachen. Volumen steigern. Einsatz dieses Artikels beenden.
Um einen solchen Artikel fremdzuvergeben, ist immer eine klare Beschaffungstaktik notwendig. Es ist wichtig, die Sicherstellung der Versorgung mit diesen Materialien zu gewährleisten. Sie sind bei Versagen von sehr strategischer Bedeutung. Ihre Bedeutung bei reibungslosem Ablauf fällt dagegen kaum ins Gewicht.
126
Beschaffungsstrategie
Risiko/Komplexität
Hoch
Engpassmaterialien II Bewältigen, Wachsen oder Aufhören
Gering
Unkritische Materialien I Outsourcing oder Einstellung, Effizienz steigern
Gering
Strategische Materialien IV Supply Chain Management
Hebelmaterialien III Wettbewerb, bei verschiedenen Lieferanten bleiben
Hoch Volumen/Kosten
Abbildung 44: Individuelle Beschaffungsstrategie je Materialklasse Hebelmaterialien (hohes Volumen/Kosten & geringes Risiko/Komplexität) Diese Materialien sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und Größe strategisch wichtig. Der Einkauf muss sein Marktwissen beim Erwerb dieser Materialien einsetzen. Entscheidend ist, dass wir deren Größe und Einfachheit nutzen, um den marktüblichen Preis zu unterbieten. Der Wettbewerb soll genutzt werden, und die Infrastruktur zur Nutzung des Wettbewerbs soll aufgebaut werden (einfache Spezifizierungen, schnelle Qualifikationsverfahren, schnelle Entscheidungsfindung). Zusammenlegung bzw. Konsortium mit anderen zur Bündelung größerer Volumen. Suche nach entscheidenden Mengenrabatten. Strategische Materialien (hohes Volumen/Kosten & hohes Risiko/Komplexität) Diese Materialien haben einen großen Einfluss auf das Ergebnis und weisen eine höhere technische Komplexität auf. Diese Materialien müssen sowohl gehoben als auch gesteuert werden, um Wert (Nutzen/Kosten) zu bringen: Strategische oder bevorzugte Lieferantenbeziehungen sind wichtig. 1:1-Austauschmodelle im E-Commerce. Benötigen Management und Mittel, um konkurrenzfähig und effektiv zu bleiben.
Beschaffungsstrategie
5.3
127
SWOT-Analyse
Die SWOT-Analyse fasst die bisher vorgestellten Analysen zusammen und gibt so die Kernaussagen komprimiert wieder. Ziel ist es dabei, aus den Analysen Parameter für die Strategieentwicklung zu gewinnen. Sie kombiniert die internen Stärken-Schwächen-Analysen mit der externen Chancen-Risiken-Analyse. Die Aufgabe der SWOT-Analyse ist es, das Entscheidungsfeld im Strategieprozess einzuengen, indem beispielsweise anschaulich gemacht wird, wo die Chancen vielleicht die Ressourcen überschreiten oder mit dem Ressourcenprofil nicht vereinbar sind. Während Stärken und Schwächen durch Aktionen im eigenen Unternehmen beeinflusst werden können, ist man bei den Chancen und Risiken von externen Faktoren abhängig, deren Beeinflussung nicht oder nur bedingt möglich ist. Interne Bewertung des eigenen Unternehmens. Stehen die Faktoren Stärken oder Schwächen in Bezug zu den gewünschten Ergebnissen der Strategie? Stärken
Schwächen
Über welche Stärken verfügt das eigene Unternehmen im Hinblick auf den zu beschaffenden Artikel? Kann Dinge wie unser Volumen, technisches Fachwissen, wichtige Lieferantenbeziehungen, Ersatzmöglichkeit durch andere Artikel, Position in Bezug auf geistiges Eigentum, vereinfachte Spezifizierungen, Mitgliedschaften an E-Börsen der Branche, interne Kapazität, Status unserer Plattform für E-Commerce, etc. enthalten.
Über welche Schwächen verfügt das eigene Unternehmen im Hinblick auf den zu beschaffenden Artikel? Kann Dinge wie begrenzte Mittel, mangelnde, bereichsübergreifende Harmonisierung, schlechte Lieferantenbeziehungen, schwierige Qualifikationsverfahren, verschiedene oder schlecht definierte Spezifizierungen, mangelnde Erfahrung mit Einkaufskonsortien, Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit oder beim Teilen von Information, etc. enthalten.
Abbildung 45: Interne Bewertung der Stärken und Schwächen Externe Bewertung des eigenen Unternehmens. Stehen die Faktoren Chancen oder Risiken in Bezug zu den gewünschten Ergebnissen der Strategie? Chancen
Risiken
Welche externen Gelegenheiten stehen in Bezug auf diesen Artikel zur Verfügung? Kann Dinge wie überschüssige Lieferantenkapazität, Kernkompetenzen des Lieferanten, Wunsch nach Zusammenarbeit mit dem Lieferanten, günstige Devisenpositionen, Handelsvereinbarungen, leichter Transport über Distanz, Zugriff auf E-Börsen enthalten.
Welche externen Bedrohungen bestehen im Hinblick auf diesen Artikel? Kann Dinge wie Handelsschranken, hohe Versandkosten, Volumenvorteile der Konkurrenz, angespannte Kapazität für ein Material oder dessen Werkstoff, schnelle Veralterung der Technologie, schlechte Lieferantenbeziehungen, Monopol oder Lieferantenabsprachen, Zusammenlegung der Konkurrenz an E-Börse, etc. enthalten.
Abbildung 46: Externe Bewertung der Chancen und Risiken
128
Beschaffungsstrategie
Der strategische Einkäufer entscheidet, welche Faktoren als die Hauptfaktoren in jedem der Quadranten zu betrachten sind. Dabei ist zu beachten, dass die Entscheidung für die Hauptfaktoren im Einklang mit den Geschäftsbedürfnissen steht und zum Geschäftserfolg beitragen soll. Gibt es irgendwelche unabhängige Faktoren, die in der Strategie berücksichtigt werden müssen? Beeinflussen sich irgendwelche Faktoren untereinander? (zum Beispiel zur Ergreifung einer Chance muss das eigene Unternehmen eine Stärke nutzen und eine Bedrohung vermeiden). Diese Faktoren müssen zu einer Gruppe verwandter Artikel mit ähnlichem Gegenstand verbunden werden, die in der Strategie als eine Intervention, interne Zwänge oder einen bestimmten Lieferanten beeinflussen. Bei diesen Schlüsselfaktoren oder Gruppen verwandter Faktoren handelt es sich um potentielle Strategiepunkte, die im nächsten Element der Schulung Berücksichtigung finden.
6.
Darlegung der Strategie
Die Ergebnisse der SWOT-Analyse und die gesetzten Ziele werden zur Bestimmung der Beschaffungsstrategie genutzt. Diese soll die Schlüsselfaktoren in Bezug auf den zu beschaffenden Artikel berücksichtigen. Dafür ist die Schaffung einer begrenzten Anzahl an Strategiepunkten für drei und mehr Jahre nötig, die die erforderlichen Geschäftsergebnisse erzielen sollen. Die Strategie beinhaltet eine Reihe von Entscheidungen, die für das eigene Unternehmen die strategischen Einkaufsmethoden für das betreffende Material definiert. Es handelt sich nicht um die Auswahl eines bestimmten Instruments. Es ist wichtig, bereichsübergreifende Zustimmung und Engagement für die Strategie zu erlangen. Dies kann durch Einbeziehung anderer Abteilungen bei der Entwicklung der Strategiepunkte, eine offene Prüfung der SWOT-Analyse vor der Strategieentwicklung oder eine umgehende Prüfung der Strategie als Input bzw. Zustimmung nach diesem Element erreicht werden. Da bereits bei der Datenanalyse bereichsübergreifend vorgegangen wurde, sollte hierauf aufgebaut werden.
6.1
Zeitrahmen
Strategiepunkte benötigen einen zeitlichen Horizont von drei und mehr Jahren. Es muss ein Gleichgewicht zwischen möglichst flexibler und möglichst naher Orientierung an der Strate-
Beschaffungsstrategie
129
gie erreicht werden. Die Punkte müssen also breit genug angelegt sein, um mit normalen Geschäftsschwankungen und Mengenplanungen zurechtzukommen, sie müssen jedoch ausreichend fokussiert sein, um eine langfristige Richtung anzugeben.
6.2
Entscheidungen
Die Anzahl der Strategiepunkte sollte begrenzt sein, damit ein Schwerpunkt gesetzt werden kann. Werden zu viele Punkte entwickelt, führt dies zu zunehmender Verwässerung des Einsatzes und zum Risiko, dass die vollständige Strategie nicht durchgezogen wird. Die SWOTAnalyse mag viele potentielle Optionen für Strategiepunkte herausstellen. Das Element der Strategieentwicklung erfordert die vorrangige Behandlung der wichtigsten Optionen für die Erbringung der laufenden Geschäftsergebnisse. Die Entwicklung einer Strategie erfordert Entscheidungen darüber, was man nicht tut, und darüber, was man tut. Es kann sehr schwer sein, mehr als drei oder vier Punkte auszuführen.
6.3
Potentielle Interventionsbereiche
Üblicherweise fallen die strategischen Stoßrichtungen in die folgenden drei Hebelgruppen: Technische Hebel der Intervention. Organisatorische Hebel der Intervention. Kommerzielle Hebel der Intervention. Im Rahmen der Beschaffungsstrategie soll im Folgenden beispielhaft auf sechs Interventionsarten eingegangen werden, die sehr häufig zur Anwendung kommen. Marktintervention. Definiert Entscheidungen, die auf dem Markt für den zu beschaffenden Artikel getroffen werden. Dazu zählen:
Ein Lieferant gegenüber verschiedenen Lieferanten. gegenüber Lieferanten eingesetzte Methode (Konkurrenz oder Zusammenarbeit). Eigenfertigung gegenüber Fremdbezug. Eigene Beschaffung der Feedstocks (Beistellung etc.). Förderung von Zusatzkapazität. Globale gegenüber regionaler, regionaler gegenüber lokaler Beschaffung oder eine Mischung dieser drei Formen.
130
Beschaffungsstrategie
Technische Intervention. Definiert die technischen Entscheidungen mit den kaufmännischen Auswirkungen auf die Erbringung von Geschäftsergebnissen. Zu den Beispielen zählen u.a.: Materialvereinfachung gegenüber der alten Spezifizierungen. Eignung von Ersatzmaterialien, -dienstleistungen, Produktformeln und Abläufen, die Flexibilität bieten. Optionen für IT bzw. Internet-Technologie, Vermarktung neuer Artikel. Intervention in der Kostenstruktur. Definiert Bemühungen zur Einflussnahme auf die zugrunde liegende Kostenstruktur des Artikels. Dazu zählen:
Anstrengungen zur Vermeidung von Verschwendung. Verwendung anderer Herstellungsverfahren. Lobbying-Bemühungen zum Beispiel zur Senkung von Zöllen oder Subventionsabbau. Ertragsverbesserung. Rationalisierung bzw. Automatisierung. Senkung der Gemeinkosten etc. Analysen der Soll-Kosten und der Ziel-Kosten können bei dieser Intervention ebenso wertvolle Instrumente sein wie der Einsatz von E-Commerce zur Senkung der Transaktionskosten.
Intervention in die Lieferantenbeziehung. Definiert die Bemühungen zur Änderung der Beziehungen zu wichtigen Lieferanten. Zum Beispiel kann eine auf Wettbewerb basierende Lieferantenbeziehung zu einer strategischen oder bevorzugten Lieferantenbeziehung entwickelt werden. Dies kann durch andere Interventionen gesteuert werden, die, um zu funktionieren, eine Änderung oder erhebliche Verbesserung in der Beziehung zu einem Lieferanten erfordern. Die Änderung einer Lieferantenbeziehung erfordert häufig einen großen zeitlichen Aufwand sowie die Bereitschaft sowohl seitens des eigenen Unternehmens als auch des Lieferanten für diese Veränderung. Üblicherweise sollte diese Art der Intervention als Strategiepunkt bezeichnet werden, da sie von beiden Parteien persönlichen Einsatz erfordert. Macht die Strategie keine Änderung der Lieferantenbeziehung erforderlich, ist es normalerweise nicht nötig, die Lieferantenbeziehung als Strategie zu bezeichnen, sondern sie muss auf taktischer Ebene eine wichtige Überlegung sein. In einigen Fällen gibt es keine vorhandene Lieferantenbeziehung. Die Entscheidung für eine erstmalige Beziehung ist häufig eine strategische Entscheidung, vor allem bei der Etablierung eines bevorzugten Lieferanten oder einer strategischen Lieferantenbeziehung. Bei der Erneuerung einer Strategie mag es angebracht sein, die Notwendigkeit dieser fortgeschrittenen Beziehungen als beibehaltenen Strategiepunkt neu darzulegen. Intervention in den internen Arbeitsabläufen des eigenen Unternehmens. Definiert Bemühungen, die zu einer Änderung im Beschaffungsprozess eines bestimmten Materials führen. Hierbei handelt es sich um Änderungen, die wir an unseren internen Systemen vornehmen müssen. Beispiele können sein:
Beschaffungsstrategie
131
Änderung am Prozess oder der Volumenprognose. SAP-kompatible Arbeit. Änderungen am Qualifikationssystem. Zusammenlegen ähnlicher Artikel in eine Warengruppe, die zusammen beschafft werden. Outsourcing der Arbeit etc.
6.4
Kosten-Nutzen-Bewertung
Nachdem die Interventionen als Entwurf gewählt wurden, muss das eigene Unternehmen die Mittel, die für die Ausführung der Strategiepunkte erforderlich sind, berücksichtigen. Zu den Mitteln zählen organisatorische Punkte (Personal, Zeit, Reisebudget, Kosten, die dadurch entstehen, dass keine andere Arbeit getan werden kann). Hierzu zählen ebenfalls materielle Ressourcen wie Vorkasse, Investitionen, höhere Bestände sowie laufende Kosten. Die Risikobewertung ist ebenfalls hilfreich. Wie hoch ist der Schwierigkeitsgrad der Intervention? Rechtfertigen die Erfolgschancen, der Nutzen sowie die Investition von Mitteln die Entscheidung? Wie wichtig ist der Nutzen? Überwiegt er die Investition? Eine finanzielle Analyse ist ein ausgezeichneter Maßstab hierfür. Nach Abschluss dieser Kosten-Nutzen-Bewertung trifft das eigene Unternehmen eine endgültige Entscheidung bezüglich der Strategie bzw. der Interventionen am Beschaffungsmarkt. Dokumentation der Strategie. Eine Strategie soll derart dokumentiert werden, dass diese alle Punkte sowie die logischen Grundgedanken eines jeden Punktes enthält. Harmonisierung. Nach Abschluss der Dokumentation muss die Strategie mit ihrem logischen Grundgedanken und allen notwendigen unterstützenden Daten (zum Beispiel Eckwerte aus SWOT- oder Porter-Analyse, Verlustanalyse) zur Harmonisierung mit den internen Entscheidungsträgern geprüft werden (Einkaufsleitung, wichtige beteiligte Parteien).
132
7.
Beschaffungsstrategie
Taktische Planung und Ausführung
Dieses Element greift die im vorherigen Element entwickelten Strategien auf und setzt die kurzfristigen taktischen Entscheidungen und die detaillierten betrieblichen Aktionspläne fest. Sie sind zur Erbringung der strategischen Ergebnisse notwendig. Es enthält ebenfalls die tatsächliche Ausführung dieser Pläne, die häufig einen hohen zeitlichen Aufwand bei der Erbringung der gewünschten Ergebnisse bedeuten. Bereichsübergreifende Zustimmung, Unterstützung und Ressourcenbereitstellung für diese Arbeit sind oft entscheidend für die erfolgreiche Ausführung. Die Angleichung anderer beteiligter Funktionen und Parteien am taktischen Plan muss vor Beginn der Ausführung vereinbart werden. Wenn der strategische Einkäufer nicht sicher ist, dass diese Harmonisierung besteht, ist es sehr wichtig, dass die Durchführung mit den Lieferanten solange verzögert wird, bis der Einkäufer die für den Erfolg notwendige Unterstützung hat. Geschwindigkeit und Transparenz des Beschaffungswerkzeugs steuern die Dringlichkeit und den Grad der vorherigen bereichsübergreifenden Harmonisierung und unverzüglicher Aktion. Über E-Auktionen ist es zum Beispiel allen beteiligten Abteilungen möglich zu erkennen, wie viel man aufgibt, wenn man nicht schnell genug einen neuen Lieferanten mit günstigem Angebot qualifizieren. Eine traditionelle Anfrage ist hier weniger transparent.
7.1
Wichtige taktische Schritte
Quantitative Ziele setzen (wie in den gewünschten Ergebnissen beschrieben). Es handelt sich hierbei um die kurzfristigen Erfolgskriterien. Bei den langfristigen Ergebnissen sind der Trend zu berücksichtigen, den das eigene Unternehmen sucht, sowie die kurzfristigen Marktbedingungen, eigene Geschäftsanforderungen (Kosten-, Gewinnprognosen, neue Produktinitiativen etc.). Auswahl der Instrumente. Auswahl auf der Grundlage der Strategie, den entsprechenden Instrumenten bzw. Methoden zur Erbringung von Ergebnissen. Dies sind die wichtigen Taktiken (zum Beispiel Anfrage, Verhandlung, Auktion, bestimmte Vereinbarung zu geschäftlichem oder geistigem Eigentum, Beseitigung von Verschwendung in der Lieferkette). Gründe für die Auswahl dieser Taktiken sind oft wertvoll. Das Management von Lieferantenbeziehungen. Zu beachten ist, dass basierend auf der Strategie eine angemessene Lieferantenbeziehung zur Unterstützung der Strategie besteht oder gerade aktiv aufgebaut wird. Das Management von Lieferantenbeziehungen ist für die erfolgreiche Ausführung sowohl der Taktik als auch der Strategie entscheidend. Vorhandene Beziehungen, die mit den Anforderungen der Strategie übereinstimmen, müssen beibehalten werden.
Beschaffungsstrategie
133
Integration von Instrumenten bei Lieferantenbeziehungen. Der Einkäufer bewertet, wie potentielle Lieferanten auf die ausgewählten Instrumente reagieren. Die Methode soll so zugeschnitten werden, dass sie bei jedem Lieferanten, basierend auf der Art und der Stabilität der aktuellen und der gewünschten zukünftigen Beziehung, effektiv ist. Wenn Beziehung und Instrument nicht übereinstimmen, ist die Auswahl des Instruments zu überdenken oder die Strategie neu zu bewerten und eine Intervention in die Lieferantenbeziehungen einzufügen.
Beispiel Der Einsatz einer Auktion gegenüber einem strategischen Partner sollte den strategischen Einkäufer zum Nachdenken und Innehalten veranlassen. Der strategische Einkäufer sollte entweder das Instrument oder die Art der Lieferantenbeziehung infrage stellen, da Auktionen häufig den Einsatz starker Konkurrenz benötigen und aufgrund der Transparenz und des Zeitdrucks mehr Aufregung als traditionelle Instrumente verursachen können.
Bewertung der Betriebskapazität des Lieferanten. Für jeden neuen Standort eines potentiellen Lieferanten: Aktuelle bzw. etablierte Lieferantenstandorte sollten bereits als Teil der Lieferantenanalyse und der Maßnahmen, die Teil der Bewertung der Lieferbranche und des Endverbrauchermarktes sind, bewertet worden sein. Kann der spezifische Standort des Lieferanten, der die eigenen Werke beliefern soll, die Anforderungen erfüllen? Dafür sind folgende Punkte zu klären: Kapazität, Qualität, Logistik, IT, Fakturierung, Forschung & Entwicklung, Notfallplan etc. Ist das Team der Geschäftsführung des Lieferanten vor Ort stark? Kundenorientiert? Verbesserungsfähig? Handelt es sich um eine starke Organisation? Gibt es starke Gewerkschaften? Wie sieht die Kostenstruktur dieses Standorts aus? In welcher Höhe ist der Lieferant bereit, Investitionen für Verbesserungen, die sich auf das geplante Geschäft auswirken, zu tätigen? Wie arbeitet der Lieferant mit den Kunden zusammen? Insbesondere mit dem eigenen Unternehmen? Zeitplan für Interventionen. Der Einkäufer entscheidet, wann ein Eingriff erfolgen soll, und zieht die Zeitpunkte wie Vertragsauslauf, Marktbedingungen, Dringlichkeit der Anforderung und Lieferantenbeziehung mit in Erwägung. Art der Geschäftsvereinbarung. Der Einkäufer bestimmt die Art und die notwendigen Bedingungen, die das eigene Unternehmen für den Bezug dieses Artikels benötigt.
134
7.2
Beschaffungsstrategie
Operativer Aktionsplan
Der Einkäufer bestimmt die Aktionen, die für die taktischen Entscheidungen zu erfolgen haben: Welche Schritte und Ereignisse müssen erreicht werden? Wann sollten diese erreicht werden? Wer muss sie erledigen? Hierzu zählt auch die Freigabe der Mittel durch alle beteiligten Funktionen. Wie werden die Schritte durchgeführt (Methode)? Maßnahmen ergreifen und die Aufträge an den ausgewählten Lieferanten vergeben. Die Zuteilung der Aufträge sollte immer mit Hilfe einer Empfehlung für die Genehmigung durch die entsprechende Einkaufsleitung schriftlich dokumentiert werden. Entsprechende Geschäftsvereinbarung aufstellen. Ergebnisse der Taktik jedes strategischen Punktes messen.
8.
Dokumentationsphase
Dieser Abschnitt beschreibt zum einen die für eine Strategie notwendige Mindestdokumentation sowie zum anderen die Voraussetzungen für die Erneuerung der Strategie wie auch der Taktiken. Alle Strategien sollten schriftlich dokumentiert werden und vom Management des entsprechenden Geschäftsbereiches genehmigt werden (normalerweise mindestens von der Einkaufsleitung und den betroffenen Fachabteilungen, manchmal auch von der Geschäftsführung). Die Informationen, die ein Strategiedokument enthalten sollte, sind: Kernaufgabe, erwartete Ergebnisse bzw. Ziele, Geschäftsbedürfnisse, Beschaffungsmarkt, Wettbewerber, Marktsituation, Lieferanten, Porter-Analyse, SWOT-Analyse, Darlegung der Strategie, Taktiken und Aktionspläne sowie der Anhang. Datensicherung. Es ist ratsam, Kopien der Daten, die zur Formulierung der Strategie und Taktik eingesetzt wurden, vorzugsweise in einer einfachen, kurzen Zusammenfassung zu behalten. Dies ist besonders wertvoll bei der Erneuerung der Strategie. Diese Daten können zum späteren Gebrauch elektronisch gespeichert werden. Strategievorlagen. Es gibt verschiedene Strategievorlagen und Muster. Jedoch sollte die Strategie in einer dem Geschäftsbereich und der Organisation angepassten Form und im passenden Format geschrieben werden. Während Vorlagen eine gute Übersicht sein kön-
Beschaffungsstrategie
135
nen, sind sie kein Ersatz für eingehende Analyse und Gedanken. Vorlagen sind Mittel zum frühen Lernen und bieten Denkanstöße. Sie sind kein Routinerezept. Eine starke Strategie erfordert Verständnis, das häufig über die Grundfragen einer Vorlage hinausgeht. Vorlagen bilden somit die Grundlage eines Denkprozesses. Nicht jedes wichtige Element muss im Strategiedokument aufgeführt werden. Abbildung 47 zeigt einen Vordruck, der sehr gut für einmalige Beschaffungen verwendet werden kann, aber auch als Stütze für eine ausformulierte Strategie dienen kann.
9.
Erneuerungsphase
Die Märkte und Kostenstrukturen sind dynamisch – sie ändern sich. Somit ist die Erneuerung der Strategien und Taktiken von extremer Wichtigkeit. Strategieerneuerung. Geschäfte sind dynamische Prozesse, die sich mit der Zeit ändern. Obwohl der Strategiehorizont bei drei und mehr Jahren liegt, sollte er überwacht werden und regelmäßig erneuert werden. Personelle Veränderungen sind kein Grund für eine Änderung der Strategie – eine starke mehrjährige Strategie sollte sogar personelle Veränderungen überstehen. Es gibt üblicherweise vier Ereignisse, die eine Strategieerneuerung hervorrufen sollten: Änderungsbedarf des Geschäftsbereiches. Erhebliche Veränderungen in der Situation des Geschäftsbereiches, der Strategien oder Produktpläne sollten eine Erneuerung der Beschaffungsstrategie auslösen, damit gewährleistet wird, dass die notwendigen Ergebnisse weiterhin erbracht werden. Veränderungen in der Branche, auf dem Markt oder beim Lieferanten. Erhebliche Veränderungen in der Branche (zum Beispiel Konsolidierung oder Expansion), auf dem Markt (zum Beispiel sprunghafter Anstieg der Nachfrage, Engpässe bei Feedstocks, Devisenschwankungen) oder beim Lieferanten (Übernahme oder Veräußerung, Veränderungen im Management oder an der Strategie, nachlassende Leistung) sollten eine Erneuerung der Strategie auslösen. Ergebnisse liegen unter den Erwartungen. Wenn die Strategie nicht die notwendigen oder erwarteten Ergebnisse bringt, ist eine Erneuerung notwendig. Zeitablauf. Tritt keiner der oben angeführten Fälle ein, sollte die Strategie mindestens alle 18 bis 24 Monate überprüft und gegebenenfalls erneuert werden. Taktische Erneuerungen. Neben der Erneuerung der Strategie ist auch eine Bewertung der gewählten Taktiken erforderlich. Das ist vor der nächsten Taktikrunde und wenn ein taktischer Eingreif erfolgte der Fall. Die Taktik muss geändert werden, wenn:
136
Beschaffungsstrategie
Sie nicht funktioniert (die Ergebnisse liegen unter den Erwartungen). Die Beschaffungsstrategie sich ändert. Man erwartet, dass externe oder interne Veränderungen die Nützlichkeit der Taktik verringern. Eine Höchstdauer von acht bis 14 Monaten abgelaufen ist.
10.
Sonderform: Einmalige Beschaffungen
Auf den folgenden Seiten (Abbildung 47) ist eine Kurzform einer Beschaffungsstrategie basierend auf einem Vordruck dargestellt. Dieser Vordruck dient zum einen für unkritische Materialien, die keine vollständig ausformulierte Beschaffungsstrategie benötigen, zum anderen als Leitfaden für komplexere Beschaffungen. Der Hauptfokus des Vordrucks liegt sicherlich bei Investitionen und Dienstleistungen. Weiterhin konzentriert er sich auch auf meist einmalige Beschaffungsvorgänge. Somit ergeben sich gegenüber der normalen, ausformulierten Beschaffungsstrategie einige Abweichungen. Begonnen wird im Vordruck mit der Beschreibung der Geschäftsbedürfnisse, gefolgt von der externen Marktbeschreibung mit Hilfe des Porter-Modells. Da man bei einmaligen Beschaffungen davon ausgeht, dass als Taktiken zumeist die Ausschreibung, Verhandlung oder eine Kombination aus beiden zum Einsatz kommt, erfolgt eine Auswahl anhand des Wissens und der Marktmacht. Dieser folgt ein Arbeitsplan-Muster zur Durchführung der Taktiken. Vergleicht man den Vordruck nun mit einer ausformulierten Beschaffungsstrategie, so stellt man fest, dass für einmalige Beschaffungen das Hauptaugenmerk auf der Umfeldanalyse und der Durchführung der Taktiken liegt. Neuen Einkäufern kann dieser Vordruck helfen, sich die richtigen Fragen zu stellen. Erfahrenen Einkäufern hilft der Vordruck, sich schnell einen Überblick zu verschaffen und sich die Grundlagen schnell zu erarbeiten, um eine ausformulierte Beschaffungsstrategie zu erstellen. Der strategische Einkäufer muss sich bewusst sein, dass für Hebel- oder Schlüsselmaterialien dieser Vordruck zumeist nicht ausreichend ist bei der Anwendung, da viele Fragen nicht adressiert sind und die Strategieoptionen nicht ausreichend sind.
Beschaffungsstrategie
137
- Seite 1 -
BESCHAFFUNGSSTRATEGIE *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Beschaffungsprojektes)
Angaben zu den Geschäfts-und Kundenbedürfnissen: Interne Bedürfnisse Ware oder Dienstleistung Geschätzter Preis Ware schon verwendet? Noch Restbestände? Noch gültiger Vertrag? Bestellung/ Vertrag
(Datum)
1
x
Anweisungen Beschreibung der zu beschaffenden Ware oder Dienstleistung Geschätzter Preis bzw. Wert der Ware oder Dienstleistung. Ist die Ware oder Dienstleistung gegenwärtig schon im Einsatz? Bei Waren, gibt es noch Restbestände und wie lange reichen diese? Gibt es noch einen gültigen Vertrag? Wie viel kann noch dagegen geliefert werden? Wird die Beschaffung über eine Bestellung oder einen Vertrag abgewickelt?
Beschaffungen von Waren (z.B. Maschinen, Anlagen) müssen über einen schriftlichen Vertrag abgewickelt werden, wenn der Auftragswert 500 Tsd. Euro übersteigt oder die Lieferzeit mehr als zwölf Monate beträgt oder ein besonderes Risiko besteht (Grenze je Unternehmen festlegen). Für Dienstleistungen ist ein schriftlicher Vertrag notwendig, wenn das Dienstleistungsabkommen 200 Tsd. Euro überschreitet (unabhängig von der Laufzeit) oder der Auftragswert bei einer Laufzeit von mindestens zwölf Monaten größer ist als 50 Tsd. Euro ist. Bis wann wird die Ware oder DienstLieferzeit-
x
leistung benötigt?
punkt Lieferzeit Möglicher Zeitkonflikt? 1a
Wie lange ist die Lieferzeit der Ware oder Dienstleistung? Sind die beiden Zeitpläne passend? Wenn nicht, was sind mögliche Lösungen?
Interne Anforderer und Anwender:
In den meisten Fällen sollte ein Team die Beschaffungen eines Projektes übernehmen. Wer sollte in diesem Team mitarbeiten, und wessen Zustimmung benötigen die Mitarbeiter des Beschaffungsteams?
Mitarbeitername
Aufgabe/Rolle
Telefon
E-Mail
Zu der Bearbeitung der internen Geschäftsbedürfnisse zählen auch: x Auswahlkriterien für Auftragsvergabe an die Lieferanten. x Preisvorstellungen (sowohl der internen Fachabteilungen als auch der Geschäftsleitung). x Bevorzugte Zahlungsweise für das Projekt (Festpreise, nach Stunden- und Materialverbrauch, erfolgsabhängig etc.). x Zeitplan und Erwartungen bzgl. Liefertermins (sowohl der internen Fachabteilungen als auch der Geschäftsleitung). x Spezifikationen, Materialgarantien und Garantie der Arbeitsausführung. x Weitere Erwartungen (sowohl der Anforderer und Anwender als auch der Geschäftsleitung).
2
Externe Möglichkeiten des Marktes (I):
Wenn ein Beschaffungsteam an einem Beschaffungsprojekt arbeitet, sollten Antworten auf folgende Fragen gesucht werden:
Externer Markt Wettbewerb im Markt Wettbewerb zu schaffen? Potentielle Anbieter?
Anweisungen Wie stark ist der Wettbewerb unter den Lieferanten? Wenn nötig, gibt es Möglichkeiten, Wettbewerb zu schaffen? Namen der möglichen Anbieter, die für das konkrete Beschaffungsprojekt berücksichtigt werden können? (nur Anbieter, die auch wirklich in Frage kommen)
Anzahl Lieferanten? Mehrere Lieferanten? Wie?
Wie viele Lieferanten werden für ein erfolgreiches Projekt benötigt? Beauftragung mehrerer Lieferanten? Wie erfolgt die Aufgabenteilung?
138
Beschaffungsstrategie
BESCHAFFUNGSSTRATEGIE *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
- Seite 2 (Name des Beschaffungsprojektes)
Externe Möglichkeiten des Marktes (II): Ein Lieferant? Warum? Beschaffungstaktiken? Anfrage?
(Datum)
2
Welche Gründe sprechen gegen eine Aufgabenteilung? Welche Taktiken (Anfrage/Verhandlung oder Kombination) kommen in Frage? Wie viele Lieferanten werden angesprochen und warum? Mit welchen Lieferanten wird eine Ver-
Verhandlung?
handlung in Betracht gezogen? Warum? Falls nicht genug Lieferanten vorhanden
Ideale Anzahl? Schritte zum Wettbewerb? Beteiligte Lieferanten? Kriterien der Aufteilung? Art der Beziehung 2.1
sind, was ist die ideale Anzahl? Was ist zu unternehmen, um Wettbewerb zu schaffen? Ideale Lieferantenanzahl? Mit welchen Lieferanten wird eine Verhandlung in Betracht gezogen? Warum? Nach welchen Kriterien wird die Arbeit bei mehreren Lieferanten aufgeteilt? Angestrebte Lieferantenbeziehung? (LW, QL, VL, SL)
Porter Model
Um eine bessere Übersicht über den Beschaffungsmarkt zu erhalten, sollte eine Analyse nach dem Porter Model durchgeführt werden.
Rivalität unter den bestehenden Lieferanten x x x x
Verhandlungsstärke des Käufers x x x
x x x
x x
x
nicht bekannt
hoch
mittel
gering
nicht bekannt
hoch
mittel
gering
nicht bekannt
hoch
mittel
gering
nicht bekannt
hoch
mittel
gering
nicht bekannt
Inwieweit könnten Produkte oder Dienstleistungen aufgrund eines besseren Preis/Leistungsverhältnises durch Substitutionsprodukte ersetzt werden? Wie einfach ist es für den Käufer, Lieferanten oder Produkt/Dienstleistung zu wechseln? In welchem Maß fühlt sich der Verkäufer durch Substitutionsprodukte bedroht?
Verhandlungsschwäche des Verkäufers x
gering
Wie einfach ist es, von einem Lieferanten zu einem neuen zu wechseln (Umstellungskosten)? In welchem Maß erhalten neue Wettbewerber staatliche Unterstützung? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Anfangskosten des neuen Konkurrenten bei Markteintritt und der weitere Kapitalbedarf für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit gering sind? In welchem Maß kommen freie Technologien (nicht durch Eigentumsrechte geschützt) zum Einsatz?
Chancen von Ersatzprodukten/-dienstleistungen x
mittel
Welchen Anteil hat das Einkaufsvolumen am Verkaufsvolumen des Lieferanten? Inwieweit ist die zu beschaffende Ware/Dienstleistung standardisiert und lässt somit Alternativen zu? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Umstellungskosten bei einem Lieferantenwechsel gering sind?
Chancen neuer Konkurrenten auf dem Markt x
hoch
Wie groß ist die Anzahl der Lieferanten, die die Ware oder Dienstleistung anbieten können? Wie stark ist der Wettbewerb unter den Lieferanten? Wie hoch ist die Branchenwachstumsrate? In welchem Maß besitzen die Lieferanten noch Überschusskapazitäten in ihren Unternehmen?
Wie schwach ist die Verhandlungsposition des Verkäufers (wenig Abnehmer, Produkt lagerfähig)? Wie groß ist die Anzahl annähernd gleichwertiger Ersatzprodukte?
Beschaffungsstrategie
139
BESCHAFFUNGSSTRATEGIE
- Seite 3 -
*** Geheim, wenn ausgefüllt ***
3 3.1
(Name des Beschaffungsprojektes)
Auswahl der Beschaffungstaktik Zusammenfassung der Marktkräfte hoch
x
Rivalität unter den bestehenden Lieferanten
x
Verhandlungsstärke des Käufers
x
Chancen neuer Konkurrenten auf dem Markt
x
Chancen von Ersatzprodukten/-dienstleistungen
x
Verhandlungsschwäche des Verkäufers
3.2
(Datum)
mittel
gering
nicht bekannt
Taktikwahl
Entsprechend den Marktkräften nach der Porter-Analyse sind die Wettbewrbskräfte sowie das Wissen über Markt- und Lieferanten nach der folgenden Matrix einzutragen. Bei vielen Beschaffungen von technischen Waren und Dienstleistungen ist es ausreichend, zwischen den beiden Haupttaktiken Verhandlung und Ausschreibung zu unterscheiden.
Wissen des Käufers bezüglich Markt und Lieferant
Wettbewerbsstärke x x x x
4
niedrig
hoch
hoch
Anfrage
Anfrage oder Verhandlung
niedrig
Anfrage
Verhandlung
Bei einer Anfrage: Welche Lieferanten werden beteiligt? Bei einer Verhandlung: Mit welchem Lieferanten wird verhandelt? Warum? Wie sieht die Kostenstruktur aus, auch im Vergleich zu den Preisen in der Vergangenheit? Welche Schritte können unternommen werden, um die Beschaffung der betroffenen Ware oder Dienstleistung in Zukunft kostengünstiger (z.B.durch stärkeren Wettbewerb), effizienter etc. zu machen?
Durchführung der Taktiken Aufgaben
Spezifikation x
Überprüfeung, ob die Spezifikationen der Ware oder Dienstleistung, die beschafft werden soll, so exakt wie möglich sind und ob die Erfolgskriterien genau festgelegt sind.
Anfrage x x x
Ist eine schriftliche Anfrage erforderlich? Welche Lieferanten sollen angefragt werden? Ist eine Checkliste für alle Punkte entwickelt und der Anfrage beigefügt.
Anschreiben x
Was gehört zum Anschreiben? Entwurf vorbereitet?
Vertragsentwurf (inkl. der Einkaufsbedingungen) x x x x x
Was muss alles in der Anfrage angesprochen werden, um eine vollständige Bestellung bzw. einen vollstandigen Vertrag zu ermöglichen? (z.B. spezielle Bedingungen oder Garantien, besondere Klauseln) Welche Informationen und Daten werden benötigt? Eine gute Kenntnis der Marktsituation kann die Abschätzung der Auftragsdauer erleichtern. Die Anfrage sollte Angaben darüber enthalten, auf welche Art und Weise Angebote abzugeben sind. Außerdem muss eine Frist für die Angebotsabgabe gesetzt werden.
Hintergrundinformationen zu Erwartungen (I) x x x x
Ziel ist es, Informationen über die anbietenden Lieferanten zu erhalten und die Angebote in Einklang mit den Ansprüchen des Unternehmens zu bringen. Könnte ein Treffen mit den Lieferanten vor einer Anfrage sinnvoll sein? Bei einem Vorabtreffen müssen die Tagesordnung und die Rollen der verschiedenen Teilnehmer festgelegt werden. Die Erwartungen des eigenen Unternehmens bzgl. der Arbeitsausführung und der Qualität sollten in der Anfrage klar definiert werden, so dass die Auftragsvergabe nach Preis/Leistungsverhältnisse durchgeführt wird.
Erforderliche Zeit
Verantwortlich
140
Beschaffungsstrategie
- Seite 4 -
BESCHAFFUNGSSTRATEGIE *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Beschaffungsprojektes)
Aufgaben
(Datum)
Erforderliche Zeit
Verantwortlich
Erforderliche Zeit
Verantwortlich
Hintergrundinformationen zu Erwartungen (II) x x x x x x
Wenn die Liefeanten ihre Angebote abgegeben haben, sind die Angebote durchzuarbeiten, zusammenzufassen und für den Vergleich übersichtlich anzuordnen. Gemäß der Auswahlkriterien kann dann ein Lieferant ausgewählt werden. Alle angefragten Lieferanten werden über die getroffene Entscheidung informiert. Oft ist es sinnvoll, die Lieferanten, die den Auftrag erhalten werden, zu einem klärenden Gespräch einzuladen. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Wünsche und Bedingungen seitens des eigenen Unternehmens eingehalten werden. Die Lieferanten, die nicht berücksichtigt werden konnten, müssen davon in Kenntnis gestzt werden (ggfs. mit Angabe der Gründe, jedoch ohne konkrete Zahlen zu nennnen). Die Verträge müssen fertiggestellt und unterzeichnet werden.
Verhandlungen x x x x x
Ist das Wissen bzgl. Industrie, Markt und Lieferanten ausreichend, um eine erfolgreiche Verhandlung durchzuführen? Sind die Geschäftsbedürfnisse und die Bedürfnisse der internen Kunden klar definiert? Entwicklung eines Verhandlungsplans nach vorheriger Zusammenstellung der Anlagen: Vertragsentwurf Preisvorstellungen etc. (siehe Vorgehensweise bei Anfragen). Nachdem die Rollen aller Teilnehmer genau festgelegt sind, kann die Verhandlung begonnen werden. Die Verhandlung ist abgeschlossen, wenn in allen Punkten Einigung erzielt wurde.
Anfrage mit anschließender Verhandlungen x
5
In diesem Fall müssen die Lieferanten über die Möglichkeit informiert sein und eine faire Entscheidung muss getroffen werden.
Überprüfung des Erfolgs Aufgaben
War die Strategie erfolgreich? x x x
Etablierung einer Lieferanten-Werk-Beziehung für die Vertragsdauer, um die Zusammenarbeit zu verbessern Ermittlung der Kosteneinsparungen und Vorteile für das eigene Unternehmen Informationensweiterleitung über diese Verbesserungen ans Management
Bitte um die Freigabe der dargestellten Beschaffungsstrategie!
Datum, Name, Einkäuferunterschrift
Datum, Name, Einkaufsleitung, ggf. Geschäftsleitung
Abbildung 47: Vordruck für einmalige Beschaffungen
Beschaffungsstrategie
11.
141
Sonderform: Beschaffungsplan
Eine Sonderform der Beschaffungsstrategie ist der Beschaffungsplan. Ein Beschaffungsplan kann für größere Investitionsprojekte oder für die jährlichen Beschaffungen eines Werkes oder einer Abteilung erstellt und angewendet werden. Im Idealfall wird der Beschaffungsplan bzw. werden die Beschaffungspläne direkt im Zusammenhang mit der jährlichen Budgeterstellung ausgearbeitet.
11.1 Beschaffungsteam Die Erstellung eines Beschaffungsplans ist eine Teamarbeit von: Mitgliedern der Fachabteilung bzw. bei Projekten der Projektverantwortliche. dem Projekt- oder Werkseinkäufer. strategischen Zentraleinkauf. Das Beschaffungsteam erstellt den Beschaffungsplan. Die Beschaffungsteam-Mitglieder sind namentlich im Beschaffungsplan festzuhalten, um Zuständigkeiten festzulegen. In Bezug auf das Projekt stellen sie für die Lieferanten die jeweiligen Ansprechpartner und damit Schnittstellen im eigenen Unternehmen dar. Der Aufgabenbereich des Einkaufs umfasst: Das Verbinden von Lieferantenfähigkeiten mit Geschäftsbedürfnissen. Die Entwicklung von Beschaffungstaktiken zur Verbesserung der Wettbewerbssituation. Herstellung des Kontaktes zu den Lieferanten. Aushandeln von Verträgen nach kaufmännischen, juristischen und technischen Kriterien, gemeinsam mit den Fachabteilungen. Das Fördern der Kommunikation und des Erfahrungsaustausches zwischen den einzelnen beteiligten Gruppen. Das Einholen und Überprüfen der Angebote nach kaufmännischen Kriterien und Übereinstimmung mit der Spezifikation. Versicherungsabfrage der Lieferanten und Klärung der lieferantenseitigen Versicherungen. Die Fachabteilung bzw. der Projektverantwortliche ist zuständig für die unten aufgeführten Aufgaben:
142
Beschaffungsstrategie
Einhaltung der Projektabwicklung und der Projektrichtlinien. Definieren der Anforderungen, Leistungen etc., die die zu beschaffende Ware (zum Beispiel Investitionsgut) oder Dienstleistung zu erbringen hat (Spezifikation). In Zusammenarbeit mit dem Einkauf Auswählen des Lieferantenkreises aufgrund der Anforderung unter Berücksichtigung von Qualitätsansprüchen, der Wirtschaftlichkeit, der Umwelt- und Sicherheitsaspekte. Abnahme und Inbetriebnahme der beschafften Investitionsgüter und Bearbeiten von technischen Reklamationen. Buchung des Wareneingangs im System. Prüfung der CE-Konformitätserklärung. Rechtzeitige Involvierung des Einkaufs.
11.2 Beschaffungsziele Beschaffungsziele sollen definiert und im Beschaffungsplan dokumentiert werden, die im Zusammenhang mit der Umsetzung des Projekts angestrebt werden. Ziele dienen: zum einen als Wegweiser zum Einkaufserfolg und ermöglichen den nachträglichen Abgleich mit dem Erreichten. zur Erzielung von Einigkeit und einer formalisierten Zustimmung zwischen Einkauf und der Fachabteilung. Ziele können Kosten- oder Wettbewerbsvorteile sein, wie etwa Einsparungen, Kostenverhinderungen, Arbeitsvereinfachungen, Entwicklung neuer Vorgehensweisen, bessere Zuverlässigkeit, besserer Service etc. Sie sind je Waren oder Ausgabengruppe zu definieren.
11.3 Beschaffungstaktiken Beschaffungstaktiken sind die kurz- bis mittelfristigen Mittel, mit denen die Beschaffungsstrategie durchgeführt und die gesetzten Ziele erreicht werden sollen. Sie können je nach Bedarf geändert und angepasst werden. Mögliche Beschaffungstaktiken sind die Anfrage, die Anfrage mit Voranfrage, die Anfrage mit anschließender Verhandlung oder auch direkte Verhandlung mit einem oder mehreren Lieferanten. Handelt es sich um einen Werksbeschaffungsplan für jährliche, wiederkehrende Ausgaben, so können auch andere Taktiken (siehe
Beschaffungsstrategie
143
Beschaffungshebel) zur Anwendung kommen. Hierbei soll folgende Hierarchie der unterschiedlichen Möglichkeiten eingesetzt werden, um den besten Gesamtwert zu erhalten: Bevorzugte Lieferanten. Es wird als vorrangiger Beschaffungsprozess auf die vorhandenen Systemlieferanten zurückgegriffen. Dies kann ein Lieferant sein, der auch eine ursprüngliche Anlage geliefert hat, oder ein Lieferante, der sich in der Vergangenheit dafür qualifiziert hat. Voraussetzung ist es allerdings, dass es bereits verhandelte Konditionen mit dem Lieferanten gibt und dies nicht nur der bevorzugte Lieferant der Fachabteilung ist. Anfrage. Wenn kein Systemlieferant existiert, setzt das Beschaffungsteam den Anfrageprozess als vorrangige Beschaffungsmethode ein, wenn man grundsätzlich davon ausgehen kann, dass man sich in einem Käufermarkt befindet. Dies trifft für viele Waren und Dienstleistungen aus den Warengruppen Hilfs-& Betriebsstoffe oder für Investitionen zu, die benötigt werden – aber eben nicht für alle. Verhandlung. Muss man aber die Waren oder Dienstleistungen bei einem bestimmten Anbieter beschaffen, verhandelt und bewertet das Beschaffungsteam, auf welcher Basis das beste Ergebnis zu erreichen ist (Pauschalbestellungen, Aufteilen der Bestellung, zum Beispiel Montage, Abholung). Es kann bzw. muss also nicht immer zwangsläufig eine Anfrage durchgeführt werden, es kann auf bereits Bestehendes zurückgegriffen werden. Letztendlich ist die Anfrage aber trotzdem das effektivste Mittel, das dem strategischen Einkauf zur Verfügung steht, um eine marktgerechte Leistung zu erhalten. Wird eine Anfrage durchgeführt, sollen unter anderem die folgenden Gesichtspunkte berücksichtigt werden: Welche Lieferanten werden aufgefordert, ihr Angebot abzugeben? Wie viele Lieferanten sollen angefragt werden? (gestaffelt nach Auftragswert) Können neue Lieferanten beteiligt werden und/oder bestehende Lieferanten aktiv weiterentwickelt werden? Wie wird eine effektive Anfrage (eventuell mit Vor-Anfrage Meetings) durchgeführt? Wird ein „Scope Clarification Meeting“ (technisch, kommerzielles Klärungsgespräch) stattfinden, um die Angebote vergleichbar zu machen? Wie gut ist der Qualität der Spezifikation? Wie wird ein richtiger Angebotsvergleich erstellt, und was sind die Vergleichskriterien? Wie werden die Vergleichskriterien gewichtet? Reicht eine Bestellung aus oder muss ein professioneller Vertrag benutzt werden? Auch die Lieferanten, die mit der Anfrage bedacht werden sollen, werden im Beschaffungsplan aufgeführt. Im Weiteren sollen Anschrift und Ansprechpartner dem Plan entnommen werden können.
Abbildung 48: Muster eines Beschaffungsplans
etc.
Installation/ Montage
Entwicklung/ Engineering
Dienstleistungen
Investitionen
z. B. Investitionen Dienstleistungen Engineering etc.
Warengruppe
x x x
Kostennummer
Kostenschätzung für Investitionsprojekt oder Abteilungsbudget
_______________________________ Projekt/Budget Einkäufer
Budgetnummer Projetnummer etc.
Voraussichtliche Lieferzeit ProjektEinkäufer
Projektmanager/ Budgetverantwortlicher
Projekt-/ Budgeteinkäufer
x x x x
Projektnummer Budgetnummer
Projektname/ Budgetname
Potenzielle Lieferanten
x Verhandlung x Anfrage x Kombination
Beschaffungstaktik
_______________________________ Projektmanager Budgetverantwortlicher
technischer Ansprechpartner
Zeitplan für das Projekt bzw. Budget
Gesamtvolumen des Projektes, Budgets
Zeitplan x Angebotserstellulung x Projektstart x Messen etc.
144 Beschaffungsstrategie
Beschaffungsstrategie
145
11.4 Zeitplan Aus dem Beschaffungsplan soll auch ersichtlich sein, wann welche Schritte zu tätigen sind, was wann bestellt werden soll (Bestellzeitpunkt) und vor allem bis wann alles geliefert sein muss (Endliefertermin). Den Lieferanten soll immer eine angemessene Zeit zur Angebotserstellung zugestanden werden. Angemessen bedeutet im Regelfall einige Wochen, bei komplexeren Anforderungen allerdings länger, bei einfacher Aufgabenstellung entsprechend kürzer. Das Beschaffungsteam soll sich schon bei der Erstellung des Beschaffungsplans Gedanken zum Zeitplan machen, denn nur so ist es möglich, genügend Zeit für die eigentlichen Beschaffungen, Ausschreibungen und Verhandlungen zu haben.
12.
Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung
Abbildung 49 beinhaltet die Beschaffungskompetenzen für die Erstellung und Durchführung von Beschaffungsstrategien in den drei Stufen Kenner, Könner und Experte. Abbildung 50 fasst das Kapitel auf einer Seite zusammen.
BESCHAFFUNGSSTRATEGIE ENTWICKELN und DURCHFÜHREN
KÖNNER Integriert die Formulierung der Beschaffungsstrategie in andere funktionelle Strategien im Unternehmen, indem er pro-aktiv dafür Sorge trägt, dass das Wissen und die Perspektive der Einkaufsabteilung frühzeitig berück-sichtigt und bei der Entwicklung von Geschäftsstrategien eingegliedert werden. Hat die Entwicklung komplexer Strategien in schwierigen Situationen erfolgreich geleitet, die zu Schlüsselergebnissen geführt haben. Setzt Erfahrungen und Wissen aus der Vergangenheit ein – bei denen Beschaffungsstrategien funktioniert haben – als Basis für dauerhafte Verbesserung und erneute Anwendung.
Bewiesene Fähigkeiten: Hat verschiedene Strategien von bedeutender Vielschichtigkeit abgeschlossen, die zu wirklich erfolgreichen Ergebnissen geführt haben und, bereitet die Bühne für noch bessere zukünftige Ergebnisse der Lieferanten vor.
KENNER
Verfügt über Kenntnisse zur Erstellung einer effektiven Beschaffungsstrategie und wählt die Elemente aus, die für die zu beschaffende Ware oder Dienstleistung wichtig sind. Verwendet Fähigkeiten des „Verbindens von Geschäftsbedürfnissen mit Lieferantenfähigkeiten“ zum Verständnis interner und externer Faktoren. Ist in der Lage, durchführbare Strategien aus der Umfeldanalyse zu entwickeln. Überträgt die Bedürfnisse in sachdienliche lang- und kurzfristige Ziele. Entwickelt taktische Pläne, führt diese durch und erneuert sie und denkt dabei an die Lieferantenbeziehung. Gewährleistet, dass entsprechende andere Funktionen und Organisationen die Beschaffungsstrategie und deren Ausführung unterstützen. Unterscheidet gegebenenfalls zwischen strategischer und taktischer Beschaffung; gewährleistet, dass AArtikel die maximale Beachtung bekommen, indem er Prioritäten setzt und sich auf die Strategie konzentriert.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat mindestens eine dokumentierte Beschaffungsstrategie oder 2-3 elementare Beschaffungsstrategien in der Kurzform abgeschlossen, die zu messbaren verbesserten Ergebnissen geführt haben und sich im Laufe der Zeit bewährt haben.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Abbildung 49: Beschaffungskompetenzen: Beschaffungsstrategie Hat verschiedene Methoden für Beschaffungsstrategien entscheidend mit- und weiterentwickelt. Hat entsprechende Schulungen zur Erstellung von Beschaffungsstrategien entworfen und vermittelt sein Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Wird auf breiter Ebene und als einer der Vordenker für Beschaffungsstrategien angesehen; seine Ansichten zu besonders komplexen und schwierigen Strategien sind bei anderen im ganzen Unternehmen gefragt. Sorgt pro-aktiv dafür, dass sich strategische Betrachtungen international und auf Unternehmensebene in den wichtigsten Bezugsentscheidungen widerspiegeln; sorgt für die Überwachung, um Ausfälle zu vermeiden. Bringt neueste Verfahren zur Entwicklung und Durchführung von Beschaffungsstrategien nach vorne, indem er innovative Ansätze findet und anwendet; institutionalisiert Verbesserungen im Prozessablauf des eigenen Unternehmens. Beeinflusst die Formulierung der Unternehmensstrategien, indem er pro-aktiv gewährleistet, dass das Wissen und die Perspektive der Einkaufsabteilung frühzeitig berücksichtigt und in die Entwicklung solcher Strategien integriert werden.
EXPERTE
Erbringt die erforderlichen Geschäftsergebnisse durch die entsprechende Anwendung der Konzepte, die zur Bestimmung einer Beschaffungsstrategie und zur dynamischen Anpassung dieser Strategien - wie dies sich ändernde Geschäfts- und Marktbedingungen verlangen - erforderlich sind. Hierzu zählt die Entwicklung der Strategie durch (1) Analyse des internen und externen Umfeldes unter Einbeziehung von Branchenanalyse, Lieferantenanalyse, Bewertung der Geschäftsbedürfnisse, Wettbewerberanalyse, Benchmarking, Hebelwirkung sowie Prognose von Angebot/Nachfrage; (2) das Herausarbeiten der benötigten Daten und Entwicklung einer wirkungsvollen Strategie und der dazugehörigen Taktiken; (3) Durchführung der Strategie; und (4) Messung der Ergebnisse und Erneuerung von Strategie und Taktik, sowie (5) die Erneuerung der Strategie.
146 Beschaffungsstrategie
Beschaffungsstrategie
Fragen beantworten Was?
147
durch Element
die Erledigung von Aufgaben
die zu Output führen
1
Prüfung des internen Umfelds Bewertung der geschäftlichen Anforderungen
Verknüpfung von geschäftlichen Anforderungen
Datenanalyse
(benötigen wir, oder)
(können wir selber tun) Was? (passiert draußen, am Beschaffungsmarkt?)
2
Welche? (Faktoren sind auswirkend)
3
Wie viel? (benötigen wir)
Was?
Entwicklung der Beschaffungsstrategie
Verknüpfung des geschäftlichen Leistungspotenzials
Prüfung des externen Umfelds
Porter-Analyse Marktanalyse Lieferantenanalyse Konkurrentenanalyse
Branchenanalyse Marktprognose Verständnis des Lieferanten Verständnis der Konkurrenz
Analyse der Gesamtwirtschaft
Konjunkturprognose
Analyse Kostenstruktur
Auswirkungen auf die Kosten
4
Bestimmung der gewünschten Ergebnisse Quantitative Ergebnisse Relative Ergebnisse Taktische Ergebnisse
Gewünschte Ergebnisse durch die Strategie
5
Materialklassifizierungsmodell
(ist Wichtiges in den Daten erhalten)
Welche? (Interventionen sind notwendig)
Bewertung des eigenen Leistungspotenzials
Engpass-, strategisches, unkritisches oder Hebel-Material SWOT-Analyse Interne: Stärken, Schwächen Externe: Gelegenheiten, Bedrohungen
6
Wie?
Entscheidung bei der Beschaffung Materialklassifizierung SWOT-Schlussfolgerungen
Darlegung der Strategie Strategische Punkte (Interventionen)
Strategie-Interventionen
Markt Technik (Spezifikation) Kostenstruktur Lieferantenbeziehung Arbeitsablauf Exchange Erstellung einer Kosten-/NutzenAnalyse
Endgültige Entscheidung der Strategie
Taktische Planung und Ausführung
Zur Erbringung der strategischen
(sinnvoll sind diese Interventionen) Wie? (werden wir es ausführen)
7
Ergebnisse
Taktik auswählen Steuerung der Lieferantenbeziehungen Integration der beiden
Entwicklung eines operativen Aktionsplans
Was?
Zur Erbringung von Ergebnissen Zur Unterstützung der Strategie Übereinstimmung der beiden Für die taktischen Entscheidungen
(ist der Aktionsplan) Maßnahmen ergreifen und Aufträge an die/den ausgewählten Lieferanten Dokumentation empfohlener/ genehmigter Auftragsvergaben Ergebnisse messen
Pack's an! (den Plan)
Erneuerung
8 Funktioniert der Plan?
Genehmigte Empfehlungen Geschäftsvereinbarung Ergebnisse
Dokumentation
Erneuerung
Taktische Erneuerung Strategische Erneuerung
Abbildung 50: Zusammenfassung: Prozess der Strategieentwicklung
149
Teil IV Beschaffungswerkzeuge
Beschaffungshebel
151
Beschaffungshebel
1.
Grundlagen
Beschaffungshebel sind beschaffungsspezifische Kernfähigkeiten, die es einem strategischen Einkäufer erlauben, seinen Beitrag zu maximieren, indem er sowohl allgemein zur Verfügung stehende als auch einzigartige Ressourcen so kombiniert und nutzt, dass das Gesamtergebnis größer ist als die Summe der Einzelteile.
Standardmathematik
Mathematik der Hebelwirkung
1
1
+
1
=
2
+
1
=
Das Ergebnis ist größer als die Summe der Einzelheiten
Spezielle und allgemeine Ressourcen
3
Abbildung 51: Mathematik der Hebelwirkung Innerhalb des Unternehmens sind einzigartige und allgemeine Ressourcen all das, was für ein Unternehmen einen bestimmten Wert darstellt. Diese Ressourcen können für eine bestimmte Ware oder Dienstleistung einzigartig sein. Es kann sich aber auch um geografische Eigenheiten bzw. Geschäftsbereiche handeln. Das Geheimnis liegt darin, dass alle Ressourcen das Potential bergen können, auf die eine oder andere Art und Weise genutzt zu werden, um einen höheren Gegenwert für das eigene Unternehmen zu schaffen. Beispiele für solche Ressourcen sind: Spezielle Problemlösungen oder spezielle Technologien. Volumina bzw. Mengen oder aktuelle Projekte.
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
152
Beschaffungshebel
Fähigkeiten von speziellen Lieferanten und deren Mitarbeitern. Aktuelle, optimale Vorgehensweisen. Lieferantenbeziehungen. Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterfähigkeiten. Partnerschaften oder Kooperationen. Die wesentliche Wirkungsweise der Hebelwirkung entsteht durch die Möglichkeit, durch die Kombination von Geschäften oder Ressourcen das Gesamtergebnis wesentlich zu verbessern gegenüber den separaten Ergebnissen. Das Konsolidieren von Beschaffungsvolumina über Werke und Geschäftsbereiche hinweg; dies auf eine Art und Weise, die die Attraktivität der Geschäftsbedürfnisse für Lieferanten erhöht und damit für jeden beteiligten Geschäftsbereich einen Mehrwert darstellt. Weiterer Ausbau einer bereits bestehenden erfolgreichen Lieferantenbeziehung zur Optimierung der Geschäftssituationen, für andere Waren oder Dienstleistungen oder für andere Werke oder Regionen. Ermitteln und weitere Anwendung aktueller, optimaler Vorgehensweisen, auch für andere Warengruppen, Werke oder Regionen. Entwickeln koordinierter Beschaffungsstrategien mit anderen geografischen Funktionsoder Geschäftsbereichen (von standortübergreifender zur internationalen Beschaffung), in denen gleiche Lieferanten oder Materialien verwendet werden. Umfassender Informations- und Know-how-Austausch, so dass die Informationsgrundlage stets wächst und in zunehmendem Maße nutzbar wird. Die Identifikation und der erfolgreichen Einsatz von Beschaffungshebeln übertreffen immer das Ergebnis der normal zu erzielenden Ergebnisse. In zunehmendem Maße verschiebt sich heute die Bündelungsaktivität über die Grenzen von einzelnen Werken hinaus und umfasst damit die unternehmensweite Beschaffung, bei der geschäftsbereichsübergreifende Teams gebildet werden, um spezielle und gemeinsame Ressourcen sinnvoll zu nutzen. Der Einsatz des Prinzips der Beschaffungshebel sollte zum Reflex für jeden strategischen Einkäufer werden. Wesentlich dabei sind Aufmerksamkeit und Wachsamkeit in Bezug auf alle sich bietenden internen oder externen Möglichkeiten zur Ausnutzung von Ressourcen, Wissen, Lösungen, Technologien oder optimierten Verfahrensweisen. Wurden solche Möglichkeiten identifiziert, müssen sie nur noch auf die speziellen Bedürfnisse des Werkes, der Abteilung oder des Geschäftsbereichs angewendet werden. Im Grunde lassen sich drei Klassen bzw. Arten von Hebelgruppen unterscheiden: Kommerzielle Hebel. Technische Hebel. Organisatorische Hebel.
153
ell e
Au u. ssch Ve rei rha b. nd l.
erz i
EKa tal
og
Beschaffungshebel
Organisatorische Globaler Einkauf
Outsourcing
ten an fer Lie KVP he in Frü dung bin sse Ein roze P
Ko mm
iard nd g Sta run
sie e ch nis ch Te
Ma C-Te na ilege me nt
stien -D r EK eiste l
EAu ktio n
nste lko se Zie naly a
Bü nd elu ng
Beschaffungshebel
Material- Supply Chain Beschaffungsgruppen- Management kooperation management
Abbildung 52: Die drei Haupthebel inkl. der Unterpunkte Bei den kommerziellen Hebeln kann der Einkauf in vielen Anwendungsfällen relativ unabhängig über die Art und Weise der Hebel entscheiden, denn sie betreffen meist nur die Kernprozesse der Beschaffung. Bei der Anwendung von technischen Hebeln ist es jedoch zwingend erforderlich, die Kollegen der technischen Fachabteilungen miteinzubeziehen, da die Hebelanwendung meist eine geänderte Spezifikation nach sich zieht und somit einen mittelbaren Einfluss auf andere Funktionsbereiche hat. Weiterhin ist es notwendig, das Unternehmen auf die Anwendung technischer Hebel vorzubereiten, damit dort überhaupt die Flexibilität einer Spezifikationsänderung existiert. Die organisatorischen Hebel bedürfen meist der direkten Einbindung der Geschäftsleitung, da hier mehr oder weniger stark in die Aufbauorganisation des Unternehmens eingegriffen wird, aus der sich auch Änderungen der Unternehmensprozesse ergeben können. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden jeweils beispielhaft einzelne Hebel dargestellt. Hierbei ist es unbedeutend, ob ein Hebel richtig den drei Obergruppen zugeordnet ist, viel entscheidender ist es, dass er seine Wirkung entfaltet. Die hier aufgeführten Hebel sind nur als eine Auswahl zu betrachten. Entsprechend den speziellen Gegebenheiten kann es weitere Hebel gegen bzw. einzelne hier beschriebene Hebel funktionieren nicht. Somit sind immer die Kreativität und die Erfahrung des strategischen Einkäufers gefragt.
154
2.
Beschaffungshebel
Kommerzielle Hebel
Kommerzielle Hebel beschreiben die Art und Weise, wie man besser einkaufen kann. Ein strategischer Einkäufer sollte sich bei jeder seiner Warengruppen fragen: Welche Hebel können zu einem besseren Gesamtergebnis führen?
2.1
Bündelung
Zwei klassische Analysemethoden, die der eigentlichen Bündelung vorgeht, sind die ABCund die XYZ-Analyse. Die ABC-Analyse sagt etwas über die wertmäßige Wichtigkeit aus, die XYZ-Analyse etwas über den Verbrauchs- oder Bestellrhythmus. Zur Erstellung einer ABC-Analyse ist das relevante Beschaffungsvolumen (zum Beispiel eines Werkes oder einer Materialgruppe) in drei Teile zu teilen: 75 % des Volumens = A-Waren oder Dienstleistungen 20 % des Volumens = B-Waren oder Dienstleistungen 5 % des Volumens = C-Waren oder Dienstleistungen Es ist nicht zwingend erforderlich, die Einteilung genau in diesen Prozentsätzen vorzunehmen, wichtig ist jedoch, dass alle ABC-Analysen im Unternehmen nach den gleichen Einteilungen durchgeführt werden. Bei der XYZ-Analyse werden alle relevanten Verbrauchsdaten oder Bestelldaten ebenfalls in drei Teile geteilt: je Woche 1 Bestellung = X-Waren oder Dienstleistungen je Monat 1 Bestellung = Y-Waren oder Dienstleistungen je Jahr 1 Bestellung = Z-Waren oder Dienstleistungen Die zeitliche Aufteilung ist im Einzelfall auch für das Unternehmen und den genauen Geschäftszweck anzupassen. Es kann durchaus sein, dass die Zeiteinheit eines Tages, einer Woche oder eines Monats bessere Analyseaussagen liefert. Ziel einer Bündelung ist es, nach der der ABC-Analyse und der XYZ-Analyse möglichst viele Waren oder Dienstleistungen zu finden, die gleich sind und somit gleich (d. h. zusammen) zu beschaffen sind (gleicher Lieferant, gleicher Preis und gleiche Spezifikation). Um einen möglichst großen Effekt zu erzielen, wird der strategische Einkäufer logischerweise mit der Bündelung der A-X-Artikel beginnen. A-X-Beschaffungsartikel haben ein hohes Beschaffungsvolumen und werden zudem häufig bestellt. Anschließend werden die Artikel B-X, B-Y und A-Y untersucht. Der Einkäufer muss herausfinden, wer alles im Unternehmen die zu beschaffenden Materialien und für welche Zwecke einsetzt und wo sie beschafft werden. Oft werden im Unternehmen verschiedene
Beschaffungshebel
155
Waren für gleiche Aufgaben verwendet, die dann auch noch bei unterschiedlichen Lieferanten beschafft werden. Hier gilt es für den Einkäufer, die verschiedenen Waren und Arten von Dienstleistungen miteinander vergleichbar zu machen. Bei der Bündelung gibt es drei Hauptangriffspunkte: die Bündelung auf einen günstigeren Lieferanten, die Bündelung auf eine Kondition für verschiedene Werke oder Geschäftsbereiche und die Volumenbündelung, um dadurch in eine bessere Mengenstaffel zu gelangen. Einsparung durch Vergabe an günstigere Lieferanten Preis
Ist
Einsparung durch Nutzung von Volumeneffekten
Neulieferanten Maßnahme
Maßnahme
Anforderungsermittlung und Marktabfrage
Reduktion der Variantenvielfalt Einsparungen durch Vereinheitlichung von Konditionen
Hohe Kostenreduktion möglich!!
Auf Produktebene beginnen!!
Rabatt Bonus
Werk 2
Werk 1
Geschäftsbereich oder Werk
Maßnahme Zentrale Abwicklung und Nachverhandlung Einheitliche Rahmenvereinbarungen!!
Abbildung 53: Hauptarten der Bündelung
2.2
C-Teile-Management
C-Artikel sind alle Materialien, bei denen der Beschaffungsaufwand im Vergleich zum Beschaffungswert relativ hoch ist. Eigenschaften von C-Artikeln sind:
156
Beschaffungshebel
Meist geringes Beschaffungsrisiko. Geringer prozentualer Bedarfswert. Hoher Bestellaufwand. Hohe Lieferantenanzahl und viele Bedarfsträger. Es handelt sich dabei in erster Linie um Verbrauchsmaterialien und Hilfsmittel, die zumeist nicht in das eigentliche Produkt einfließen. Klassische Beispiele hierfür sind zum Beispiel Büromaterial, Werkzeuge oder andere Normteile, die eindeutig klassifiziert sind. Der Hauptfokus für die Beschaffung bei C-Artikeln kann nicht auf der Reduzierung einzelner Einstandspreise je Artikel liegen. Ziel muss es hier sein, sowohl die Reduzierung ganzer Materialgruppen zu erreichen als auch eine hoch effektive Bestellabwicklung zu ermöglichen. Je nach Unternehmen kostet eine SAP-Bestellung inkl. aller Kosten einen mittleren zweistelligen Eurobetrag, somit lohnt es nicht, eine Ware mit einem Wert im einstelligen Eurobereich nachzuverhandeln, sondern hier muss vorrangig ein preisgünstigerer Beschaffungsprozess gefunden werden. Potentielle Lösungsmöglichkeiten für solche Materialgruppen könnten Katalogsysteme über eine Internetplattform oder aber auch Kanban-Systeme sein, bei denen der Lieferant selbstständig immer einen Vorrat im Regal bereithält.
2.3
Ausschreibung und/oder Verhandlung
Ausschreibung und Verhandlung sind Beschaffungshebel mit zentraler Bedeutung für den strategischen Einkäufer. Wann aber lohnt sich der Einsatz, welchen Hebels? Wissen des Einkäufers bezüglich Markt und Lieferant
Wettbewerbsstärke
niedrig
hoch
hoch
Anfrage
Anfrage oder Verhandlung
niedrig
Anfrage
Verhandlung
Abbildung 54: Entscheidungsmatrix für Anfrage und Verhandlung Der strategische Einkäufer muss sich zuerst über die Wettbewerbskräfte (Porter-Analyse) klar werden, d. h., befindet er sich in einen Angebots- oder Nachfragemarkt. In einem weiteren Schritt muss sich der Einkäufer darüber klar werden, wie gut er die einzelnen Lieferanten kennt. Die Entscheidungsmatrix bietet vier Möglichkeiten, die als eine Indikation für die
Beschaffungshebel
157
Anwendung der beiden Haupttaktiken die wahrscheinlich besten Ergebnisse liefert. Davon unberührt ist es natürlich, dass ganz andere Hebel wesentlich bessere Resultate erzielen können.
2.4
E-Auktion
Eine E-Auktion über eine Internetplattform läuft in verschiedenen Schritten ab und bietet in vielen Fällen eine gute Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile für das eigene Unternehmen zu schaffen. Die sehr unterschiedlichen Güter im industriellen Bereich erfordern, dass zunächst der Bedarf sehr genau definiert, beschrieben und von den Lieferanten verstanden ist. Dies stellt sicher, dass nur Lieferanten an der Auktion teilnehmen, die die Spezifikation auch erfüllen können. Anschließend ist noch ein Eröffnungspreis festzulegen, der einen Maximalpreis darstellt. Die genaue Spezifikation wird dann gemeinsam mit dem Zeitpunkt und der Dauer der Auktion öffentlich bekannt gegeben. Nun kann jeder Anbieter sein spezielles Gebot abgeben. Die Höhe der Gebote wird dabei allen Auktionsteilnehmern dargestellt, damit diese ihr eigenes Gebot nachbessern können. Nach Ablauf der Gebotszeit ist den Anbietern noch die Möglichkeit gegeben, innerhalb einer Nachgebotsfrist von zum Beispiel fünf Minuten erneut nachzubessern. Wenn innerhalb der Nachgebotsfrist kein besseres Angebot erfolgt ist, bekommt der Anbieter mit dem geringsten Gebot den Zuschlag. Ansonsten verlängert sich die Nachgebotsfrist um jeweils fünf Minuten. Nachverhandlungen sollen dabei ausgeschlossen werden. Entscheidend für den Erfolg ist, dass der Eröffnungspreis richtig gewählt wird, die verschiedenen Lots, die vergeben werden, richtig in der Größe gewählt sind und dass neue Lieferanten schon qualifiziert bzw. ganz sicher qualifiziert werden können.
2.5
E-Katalog
Ein großer Teil der Hilfs- und Betriebsstoffe, die heute einkauft werden, sind standardisierte Güter, d. h., es gibt eine eindeutige, marktübliche und einheitliche Beschreibung der Merkmale sowie eine große Anzahl von möglichen Lieferanten, die diese Produkte anbieten. Im Gegensatz zu spezifischen und komplexeren Gütern sind diese Materialien meist normierte oder gängige Standardprodukten, die dementsprechend austauschbar sind und in der Regel nicht direkt in das Endprodukt einfließen, sondern vielmehr für den eigentlichen Herstellungsprozess oder in der Verwaltung benötigt werden. Darunter fallen zum Beispiel Büromaterialien, Werkzeuge, Verpackungen, Schmierstoffe, IT-Hardware und Standardsoftware, Verbindungselemente (Schrauben etc.) oder Ersatzteile. Außerdem haben diese Produkte oft einen sehr geringen Einzelwert, werden aber in einer großen Anzahl von vielen verschiedenen Verbrauchern im Unternehmen benötigt. Da der Einsatz der oben genannten Waren relativ geschäftsunabhängig ist, ist bei solchen Produkten eine überregionale Zusammenfassung
158
Beschaffungshebel
der Einkaufsaktivitäten gut möglich. Die Zusammenfassung erfolgt hier mit Hilfe eines Internet-Katalogs. Die darin gelisteten Produkte können direkt vom Verbraucher online bestellt werden. Dies erfolgt auf der Grundlage von individuellen Nutzerprofilen, die je nach Abteilung, Warengruppe, Bestelllimits o. Ä. angepasst werden können. Die Bestellung durchläuft dann einen hinterlegten automatischen Genehmigungsprozess. Hier können jeweils noch Sicherheitshürden eingebaut werden, zum Beispiel die manuelle Genehmigung durch den Vorgesetzten. Das Bestellsystem verteilt die Bestellungen nach Lieferanten und übermittelt den Bedarf an den jeweiligen Lieferanten. Ebenso kann auch die Abwicklung der Zahlung erfolgen. Ein E-Katalog erleichtert und beschleunigt den Bestellprozess. Dadurch werden die Prozesskosten reduziert, woraus sich für das eigene Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil ergibt. Ein weiteres Einsparungspotential bietet die Konzentration auf einen Vorzugslieferanten, da die Transparenz der Beschaffung erhöht wird und dadurch Materialkosten eingespart werden.
3.
Technische Hebel
In gewachsenen Unternehmen und Strukturen definieren die Anforderer ihre Bedürfnisse zum Teil sehr subjektiv. Ob es nun unterschiedliche Personen sind, die ein internes Geschäftsbedürfnis beschreiben, oder es sich gar um durch Zukauf entstandene Bereiche oder Werke handelt, so ist es fast üblich, dass ein objektiv vergleichbares Bedürfnis subjektiv unterschiedlich beschrieben wird. Dies führt in der Konsequenz dann dazu, dass Waren und Dienstleistungen in der Mehrzahl der Fälle von unterschiedlichen Lieferanten mit unterschiedlichen Ausprägungen (technische Leistungsmerkmale) beschafft werden. Hier gilt es nun, die Wünsche der Anforderer mit den Zielen einer Gesamtkostenbetrachtung zu einer optimierten Beschaffung von Waren und Dienstleistungen so zu gestalten, dass sowohl hinsichtlich der Menge als auch der Lieferanten eine Bündelung erfolgt.
3.1
Standardisierung
Standardisierung meint die Vereinheitlichung von Spezifikationen und Anforderungen, um bei den Lieferanten mehr von einem gleichen Produkt zu beschaffen und dadurch Kostenund somit Preisvorteile zu erlangen. Wird die Standardisierung konsequent umgesetzt, heißt das, dass nur noch die eine Ware oder Dienstleistung für eine vergleichbare Anwendung im Unternehmen eingesetzt wird. Dadurch kommt es zu einer Vereinheitlichung, die die Grundlage für weitere Wettbewerbsvorteile bildet. So können zum Beispiel intern auch Rüstkosten,
Beschaffungshebel
159
Schulungskosten und damit Personalkosten eingespart werden. Eine absolute Standardisierung von Waren und Dienstleistungen in einem Unternehmen durchzuhalten erfordert sehr viel Konsequenz des Managements, vor allem des Top-Managements. Bei Unternehmensverbünden, die durch Zukauf entstanden sind, kann eine Standardisierung so kostenintensiv sein, dass sie sich nicht rechnet. Entscheidend ist auch in diesem Fall wieder, dass das Management genau unterscheidet zwischen nicht können und nicht wollen!
3.2
Lieferantenmanagement
Ausgehend von einer Lieferantenbewertung und Klassifizierung befasst sich das Lieferantenmanagement mit der Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Lieferanten. Diesem Thema kommt in der strategischen Beschaffung eine so besondere Rolle zu, dass sich ein eigenes Kapitel damit befasst. Das Lieferantenmanagement startet mit einer Lieferantenklassifizierung: Lieferant im Wettbewerb. Qualifizierter, anerkannter Lieferant. Vorzugslieferant. Strategischer Lieferant. Daran schließt sich eine Bewertung der aktuellen Lieferantenbeziehungen an, d. h., welchen der vier Klassen entsprechen die Lieferanten (gesamt oder für eine Warengruppe) heute. In einem weiteren Schritt wird der Ziel-Zustand definiert, welcher der vier Klassen eine spezielle Lieferantenbeziehung entsprechen sollte? Vergleicht man nun den Ist- mit dem ZielZustand, so lassen sich eventuell Lücken feststellen, die durch ein effektives Lieferantenmanagement zu schließen sind. Werkzeuge hierzu können unter anderem sein: Lieferanten-KVP, Werksliefervereinbarung, Supply Chain Scorecard und Lieferantenmeeting. Welche Werkzeuge genau zur Anwendung kommen, hängt von der Bedeutung der Waren oder Dienstleistung ab und wohin ein Lieferant entwickelt werden soll. Ist eine Entwicklung nämlich nicht möglich, so stellt ein Lieferantenaustausch die letzte Konsequenz dar.
3.3
Ziel-Kosten-Analyse
Die Ziel-Kosten-Analyse dient dazu, die gewünschten, maximalen Kosten für eine Problemlösung (Produkt oder Dienstleistung) festzulegen. Hierbei ist es wichtig, das Problem so neutral wie möglich zu fassen, damit die Lieferanten all ihre Kreativität einbringen können.
160
Beschaffungshebel
Hierbei unterscheidet man zwei Arten, wie man den Zielpreis für eine Problemlösung festlegen kann: Zum einen kann der strategische Einkäufer den eigenen Absatzmarkt betrachten. Folgende Frage ist zu stellen: Was kann ein potentieller Kunde für das Produkt zahlen? Welchen Einfluss hat der Preis des eigenen Produktes auf die zu beschaffenden Waren oder Dienstleistungen? Eine weitere Möglichkeit ist das Benchmarking. Hierbei sollten vergleichbare Problemlösungen oder vergleichbare Produkte verglichen werden, die aber auf einem anderen Herstellungsverfahren beruhen. Für den Lieferanten besteht jetzt die Aufgabe darin, eine Lösung zu entwickeln, die den ZielKosten entspricht.
3.4
Frühe Einbindung in den Beschaffungsprozess
Der Einkauf sollte zu einem frühest möglichen Zeitpunkt in den Beschaffungsprozess eingebunden werden. Dies bringt Vorteile für die verschiedenen an der Beschaffung beteiligten Funktionen und letztlich für das eigene Unternehmen. So können sowohl der Anforderer als auch der Anwender bzw. der Verbraucher davon profitieren, dass der Einkauf die spezifischen Einkaufshebel richtig und effektiv anwenden kann. Dadurch entsteht für das Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil, da die komplette Kraft der Hebel zum Einsatz kommt. So sollte der Einkäufer, sobald sich ein Bedarf abzeichnet, kontaktiert werden und bei wichtigen Materialien oder Dienstleistungen ein Beschaffungsteam gebildet werden.
3.5
Einkaufsdienstleister
Es gibt bereits seit längerer Zeit Einkaufsdienstleister in Form von Einkaufsgenossenschaften und Einkaufsverbänden. Durch neue Möglichkeiten im Einsatz von Internet und elektronischen Marktplätzen werden diese Dienstleister für Unternehmen immer interessanter, sie in den Beschaffungsprozess zu integrieren. Die Schnittstellenproblematik stellte in der Vergangenheit häufig das zentrale Hindernis dar. Auf Grund der unterschiedlichen Aufgaben, die im Einkauf anfallen, bieten die unterschiedlichsten Unternehmen ihre Dienstleistungen an. Die Auswahl eines EK-Dienstleisters erfolgt auf Grundlage einer Analyse. Hierfür stellen sich folgende Fragen: Welche Beschaffungsteilprozesse werden im Unternehmen benötigt bzw. sind schon vorhanden?
Beschaffungshebel
161
Welche operativen Kosten sind mit diesen Teilprozessen verbunden? Welche Beschaffungsprozesse tragen zur Wettbewerbsdifferenzierung des Unternehmens bei? Wie hängen Beschaffungsprozesse mit anderen Prozessen des Unternehmens zusammen, welche technischen und organisatorischen Schnittstellen gibt es? Die Transparenz der eigenen realen, operativen Kosten für jeden Beschaffungsteilprozess ist in vielen Unternehmen nicht (wirklich) voll gegeben. Die Schaffung von Transparenz ist aber Voraussetzung für die erfolgreiche Integration eines Einkaufsdienstleisters.
4.
Organisatorische Hebel
4.1
Beschaffungskooperationen
Aufgrund der Konzentration auf Kernkompetenzen werden immer mehr Waren und Dienstleistungen fremdbezogen. Somit wird es immer wichtiger, Material- und Prozesskosten durch eine Senkung der Einstandspreise und eine effiziente Abwicklung der Beschaffung möglichst gering zu halten. Jedes Unternehmen kann seine Situation durch Zusammenschluss mit anderen Unternehmen zur übergreifenden Nachfragebündelung verbessern. Einen solchen Zusammenschluss bezeichnet man als Beschaffungs- oder Einkaufskooperation. Eine Beschaffungskooperation besteht in der Regel aus zwei oder mehr Unternehmen, die sich auf freiwilliger Basis zusammenschließen, um durch die gemeinsame Ausübung des Einkaufs bzw. der Beschaffung ihre jeweilige wirtschaftliche Situation zu verbessern. Eine solche Kooperation kann für das Unternehmen folgende Vorteile mit sich bringen: Preissenkung durch Nachfragebündelung, Erschließung neuer Märkte, Effizienzsteigerung und Know-how-Erweiterung. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verbietet „Vereinbarungen zwischen einander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken“ (§ 1 GWB). Dennoch können Mittelstandskartelle, die zum Zweck des gemeinsamen Einkaufs von Waren bestehen, von diesem Verbot ausgenommen werden. Für Einkaufskooperationen besteht eine Anmeldepflicht. Zur Freistellung vom Kartellverbot muss eine Beschaffungskooperation drei Voraussetzungen erfüllen: Durch die Kooperation wird die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen verbessert.
162
Beschaffungshebel
Für die einzelnen Unternehmen besteht keine über den Einzelfall hinausgehende Verpflichtung. Der Wettbewerb auf dem Markt wird nicht wesentlich beeinträchtigt. Keine Voraussetzung für die Freistellung vom Kartellverbot ist, dass die Unternehmen auf dem Absatzmarkt konkurrieren. Einkaufskooperationen, an denen nur Großunternehmen beteiligt sind, sind nicht erlaubt. Dagegen ist eine Kooperation zwischen Großunternehmen und mittelständischen oder kleinen Unternehmen nicht grundsätzlich verboten. Strebt ein Unternehmen eine Einkaufskooperation an, so muss es sich darüber im Klaren sein, dass dies nur mit geeigneten Kooperationspartnern zum Erfolg führen kann. Zur Auswahl der Partner können mehrere Kriterien genannt werden: Fundamentaler Fit: Die Unternehmen sollten in dem bestimmten Bereich ungefähr gleich leistungsfähig sein und sich durch eine Zusammenarbeit beiderseitige Vorteile verschaffen können. Strategischer Fit: Die von den Unternehmen angestrebten Beschaffungsziele sollten ungefähr gleich sein. Kultureller Fit: Die Unternehmenskulturprofile sollten sich nicht zu sehr voneinander unterscheiden. Beschaffungs-Fit: Hierfür müssen sich die Beschaffungswaren und -dienstleistungen der Kooperationspartner möglichst ähnlich sein. Merkmale sind zum einen in der Ware oder Dienstleistung selbst begründet, zum anderen in den Beschaffungsmärkten. Eine Schlüsselrolle bei der zwischenbetrieblichen Kooperation spielt die InternetTechnologie als Werkzeug für die Abwicklung der gemeinsamen Beschaffungsaktivitäten sowie der Kommunikation der Partner untereinander. Standardisierte Softwaretools bieten schnellere und billigere Kommunikationswege und führen zum leichteren, kostengünstigeren und weniger fehleranfälligen Austausch von Informationen.
4.2
Globaler Einkauf
Für diesen Hebel ist zu prüfen, ob Märkte existieren, auf denen das benötigte Material günstiger zu beschaffen ist als auf dem heimischen Markt. Dazu ist im ersten Schritt eine Bedarfsanalyse notwendig. Sie soll klären, ob für das betrachtete Material eine internationale Beschaffung überhaupt in Frage kommt. Zu einer Bedarfsanalyse gehören die Bedarfsmenge, Bedarfsstruktur, Bedarfsentwicklung und allgemeine technologische Trends. Technologietrends sind insbesondere dann zu beachten, wenn sich Märkte im Umbruch befinden. Es folgt die Marktanalyse, bei der die Märkte untersucht werden, auf denen grundsätzlich Kostenvorteile für das jeweilige Material zu erwarten sind. Marktanalysen sollten, neben dem Internet,
Beschaffungshebel
163
die klassischen Informationsquellen wie Messebesuche, Datenbanken und internationale Einkaufsbüros beinhalten. Plant man wirklich, den globalen Einkauf in einem stärkeren Maße anzuwenden, so sollte man sich auch Gedanken über eine Präsenz vor Ort machen. Dies kann persönlich oder aber über einen Einkaufsdienstleister erfolgen.
4.3
Outsourcing
Dem strategischen Einkauf kommt bei potentiellen Outsourcingvorhaben im Unternehmen eine besondere Rolle zu. Ist er es doch, der entscheidend in die Lieferantenauswahl und deren dauerhaftes Management eingebunden ist. Neben den allgemeinen Chancen und Risiken, die sich durch ein Outsourcing ergeben, sind aus der Beschaffungssicht weitere operative Punkte zu beachten. Werden unternehmenseigene Tätigkeiten an einen externen Dienstleister vergeben, so ist zu beachten: Die internen Kosten sind wirklich transparent darzustellen, um eine aussagekräftige Vergleichbarkeit zu erreichen. Die Personalabteilung ist bei einem vermuteten Personalübergang von eigenen Mitarbeitern an den Dienstleister frühzeitig zu involvieren Die neu zu schaffenden Schnittstellen (wo beginnt die Leistung des Lieferanten, was muss das eigene Unternehmen genau an den Lieferanten übergeben) sind genau zu definieren und die Leistungsfähigkeit der Schnittstelle ist kontinuierlich zu messen. Das operative Lieferantenmanagement ist durch das eigene Unternehmen (in diesem Falle die Fachabteilung) sicher zu stellen. Management heißt in diesem Zusammenhang nicht, in die unternehmerischen Entscheidungen des Lieferanten einzugreifen. Outsourcing wird heute angewendet, um Alternativen zur Optimierung der Unternehmensorganisation zu finden, neue Perspektiven zur Reduzierung von Fixkosten zu erhalten oder Beschäftigungsschwankungen gerecht zu werden. Beim Thema Outsourcing werden die zentralen und grundsätzlichen Fragestellungen zur Gewinnmaximierung und Existenzsicherung der Unternehmung angesprochen: Könnte ein Outsourcing einer oder mehrerer Unternehmensfunktionen den Unternehmenserfolg nachhaltig positiv beeinflussen? Hat das Unternehmen in Krisensituationen, wie beispielsweise starker Beschäftigungsrückgang, durch outgesourcte Funktionen wesentlich bessere Überlebenschancen? Diese oder ähnliche grundsätzliche Fragestellungen sollten bei der Entscheidungsfindung als Erstes geklärt werden, um zu vermeiden, dass nur aktuelle, operative Kostenvergleiche als einzige Entscheidungsgrundlage verwendet werden. Die Entscheidung für oder gegen Outsourcing sollte also unter Berücksichtigung zahlreicher verschiedenartiger Aspekte getroffen werden. Zudem muss im Vorfeld geklärt sein, dass alle strategischen Faktoren der Unternehmensorganisation im Kontext beachtet worden sind.
164
Beschaffungshebel
Chancen. Konzentration auf die Kernkompetenzen dies ist bei Outsourcing-Überlegungen die meistgenannte Chance. Denn Outsourcing ermöglicht es, Strukturen innerhalb von Unternehmen zu verbessern und sie übersichtlicher zu gestalten. Viele Unternehmen starten Outsourcing-Überlegungen, da sie hoffen, bei der Abgabe ausgewählter Unternehmensfunktionen an professionelle Dienstleister die Kosten auf Marktniveau zu senken. Denn bei einem Outsourcing wandeln sich fixe in variable Kosten, die auch nur bei Inanspruchnahme anfallen. Manche Unternehmen sehen durch Outsourcing die Chance, auch die Qualität von Leistungen zu steigern. Risiken. Ein mögliches Risiko ist eine negative Veränderung der Kostensituation. So kann die durch Outsourcing erwartete Kostenoptimierung nicht eintreten, wenn etwa nur langsam abbaubare Fixkosten existieren oder zusätzliche Kosten, aufgrund der neuen Systematik der Zusammenarbeit, anfallen. Ein weiteres Risiko ist der Verlust von Kompetenzen und deren Weiterentwicklung innerhalb des Unternehmens. Dieses Risiko gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn beim Outsourcing Funktionen und Funktionsbereiche ausgegliedert werden, die sich später als Kernkompetenzen für das Unternehmen herausstellen. Ein großes Risiko beim Outsourcing ist die Möglichkeit einer entstehenden Abhängigkeit vom Outsourcing-Dienstleister. Dies ist der Fall, wenn die Dienstleistungen, aufgrund ihres individuellen Charakters, nicht einfach durch dritte Anbieter ersetzt werden können.
4.4
Supply Chain Management
Unter dem Begriff Supply Chain Management (SCM) versteht man die effiziente Integration und das Management von Lieferanten, Produzenten, Logistikzentren und Händlern, so dass Produkte oder Dienstleistungen in der richtigen Menge, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, unter Minimierung der Gesamtkosten und Maximierung der Service-Qualität eingekauft, hergestellt und ausgeliefert werden können. Damit ist SCM ein Lenkungsinstrument, das heute unter Einbeziehung von Informationstechnologien die Informationsflüsse, Materialströme, Geldtransaktionen und die zugrunde liegenden Prozesse in Unternehmen steuert. Dabei geht es um die Kunst, aus Rohmaterialien ein Produkt oder eine Dienstleistung zu generieren, das für potentielle Kunden einen konkreten Mehrwert darstellt. Ziel ist es, Entscheidungen mit einem möglichst hohen Informationsgrad, unterstützt von einem hohen Automatisierungsgrad, fällen zu können. Damit dies geschehen kann, ist es wichtig zu wissen, welche Teile im Rahmen eines komplexen Produktionssystems einen kritischen Zeitfaktor darstellen. Da der Einkauf mit seinen Beschaffungsvorgängen zu Beginn der physikalischen Supply Chain steht, soll hier nur die Optimierung der Zulieferkette betrachtet werden. Eine Optimierung der Supply Chain geht sehr häufig mit Lieferantenmanagement einher. Ziel dieser Anstrengungen ist es, gemeinsam mit dem Lieferanten Aufwand – und somit Kosten – aus der Lieferkette zu reduzieren.
Beschaffungshebel
4.5
165
Materialgruppenmanagement
Ein Materialgruppenmanager ist ein strategischer Einkäufer, der eine oder mehrere Warengruppen übergreifend für mehrere Werke, Funktions- oder Geschäftsbereiche beschafft. Durch seine organisatorische Etablierung hat er die Möglichkeit, eine maximale Bündelung und somit beste Konditionen zu erreichen. Da Materialgruppenmanagement (MGM) eine Zusammenarbeit über gestehende Organisationsgrenzen innerhalb des Unternehmens erfordert, kann die Einführung des Materialgruppenmanagements als ein Projekt organisiert werden. Für die Arbeit im MGM-Team dienen die folgenden Aufgabenfelder zur Orientierung. Koordinierung der Beschaffung mehrerer operativen Einheiten einer Materialgruppe. Ständige Optimierung und Kommunikation von Material und Lieferantendaten. Koordinierung der Bestände und des Materialflusses innerhalb der Materialgruppe. Analyse des für die Materialgruppen relevanten Beschaffungsmarktes. Analyse und Gestaltung der Beschaffungsabläufe in der Materialgruppe und ihrer Schnittstellen. Daneben sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen: Arbeitsweisen im MGM. Kennzeichen des Arbeitens sind die Teamorientierung und die interdisziplinären Zusammensetzungen der Teams. Wesentliche Punkte sind hierbei: Zusammenarbeit: Techniker und Einkäufer in den MGM-Teams bringen die Stärke aus beiden Bereichen zusammen. Losgelöst von möglichen Linienstrukturen im Unternehmen kann das Team Spezialisten für die Aufgabe zusammenführen. Zuständigkeit: Ein Mitglied des strategischen Einkaufs übernimmt die Führung des MGM-Teams und trägt damit Sorge für die reibungslose Zusammenarbeit in dem Team und die Einbindung der betroffenen Geschäftsbereiche. Ein Stellvertreter gewährleistet einen reibungslosen Ablauf, sollte der Teamleiter nicht verfügbar sein. Jeweils zwei Mitarbeiter des MGMs erhalten die Verhandlungsvollmacht, die es ihnen gestattet, innerhalb ihrer Materialgruppe für das gesamte Unternehmen zu verhandeln. Kommunikation: Die Teamstruktur mit ihren kurzen Kommunikationswegen ermöglicht rasche und informelle Kommunikation. So können die Teams schlagfertig arbeiten. Der Austausch von Material- und Lieferantendaten wird durch einheitliche Schlüsselung und durch den Einsatz von Informationssystemen erleichtert. Probleme bei der MGM-Arbeit. Kein Konzept lässt sich gänzlich ohne Schwierigkeiten und Hürden realisieren. In der Praxis stößt man oftmals auf Schwierigkeiten hinsichtlich: Mitarbeit und Umsetzung der Rahmenverträge bei dezentralisierten Einkaufsorganisationen. Technische Restriktionen bei Produktionsmaterial.
166
Beschaffungshebel
Änderung von eingefahrenen Lieferantenbeziehungen. Beharren auf vorhandenen Lösungen. Politisches Agieren statt sachbezogenem Handeln, besonders über Geschäftsbereichsoder Ländergrenzen hinweg. Beispiele aus der Praxis zeigen aber, dass diese Barrieren überwunden werden können. Gerade aus den vorangegangenen Gründen erweist es sich als wichtig, die Mitarbeiter in das MGM einzubinden und sie von den Vorteilen ihrer Arbeit für das Unternehmen als Ganzes zu überzeugen. Vorteile und Nutzen. Durch die MGM-Tätigkeit lassen sich nachhaltige Einsparungen erzielen. Leistungssteigerungen entstehen, insbesondere hinsichtlich Beschaffungsstrategien und Benchmarking. Das MGM vermag eine hochwertige Zusammenarbeit im Unternehmen zu realisieren:
Gegenseitiges Kennenlernen. Positives Grundverständnis und Denken. Laufender und strukturierter Informationsaustausch. Vertrauensbasis untereinander. Transparenz über einkaufsrelevante Daten und Fakten. Aufbau von Know-how.
Erfolgsfaktoren. Kriterien für eine erfolgreiche Umsetzung des MGM-Konzepts in der Praxis sind insbesondere: Aktive Förderung und Unterstützung durch das Top-Management, die Geschäftsführer, Bereichsvorstand und Vorstand. Machbare Ziele und Aufgaben (Zeit) und Nachweis des Einsparungspotentials. Systemtische MGM-Arbeit und Projektmanagement (Zielvereinbarung, Maßnahmen, Controlling). Auswahl motivierter Mitarbeiter und Teamgeist (Offenheit, Kompromissbereitschaft). Spielregeln der Zusammenarbeit definieren (Kompetenzen, Verpflichtungen). Transparenz über das Einkaufsgeschehen etablieren. Beschaffungsmarktorientierte, einheitliche Materialgruppenschlüssel. Unterstützung durch Informationstechniken (Intranet). Auftreten auf dem Beschaffungsmarkt als ein Unternehmen. Trennung operativer und strategischer Beschaffungsaufgaben. Bei der Bündelung ist es immer wichtig, die Gemeinsamkeit zu sehen und in den Vordergrund zu stellen, zum Beispiel gleiche Technologie oder gleiche Lieferanten etc. Die Unterschiede und Gegenargumente, warum eine Bündelung nicht möglich ist, hört man von den Lieferanten noch früh genug. Möglicher Projektablauf. In Abbildung 55 ist schematisch dargestellt, wie ein Materialgruppenmanagement als „Bottom-Up“ Prozess im Unternehmen etabliert werden kann. Hier muss man sich langsam ein Vertrauen der anderen Werke und Geschäftsbereiche erarbeiten.
5. Präsentation MGM-Idee
Umsetzung/ Arbeit nach den MGM-Regeln
Kick-Off. Workshop
Phase 2: Umsetzung
Freigabe der MGM
Präsentationsvorbereitung
Materialgruppierung
Informationsbeschaffung
MGM-Idee
Phase 1: Vorbereitung Tätigkeiten
•Abschlussverhandlungen des MGMs
•Werke informieren über Mitwirkung
•Werke entscheiden über Mitwirkung
•Informationsaustausch nach Bedarf •Entscheidungsgrundlage •Machbarkeitsprüfung durch die Werke
•Ergebnisse diskutieren •Informationsstrategie an Werke festlegen
•Info von den Werken einholen •Mengen koordinieren •Konzepte erarbeiten Rahmenverträge Strategie, Marketing Bestände, Logistik •Verhandlungen mit Lieferanten
•Vorgehen planen •Aufgaben verteilen •Konkrete Ziele setzen
Konzepte werden umgesetzt
MGM-TeamBesprechung
•Ablehnung prüfen •Entscheidung treffen •Konflikte lösen
Werk/BU begründet Ablehnung
nein
MGM-TeamBesprechung
ja
BU/Werks Abgleich
MGM-TeamBesprechung
Einzelarbeit
MGM-TeamBesprechung
Vorgehensweise
Phase 2: Umsetzung
Beschaffungshebel 167
Abbildung 55: Projektablauf für die MGM-Einführung
Beschaffungskompetenzen
Abbildung 56 zeigt die Beschaffungskompetenzen zu den Beschaffungshebeln.
BESCHAFFUNGSHEBEL
Abbildung 56: Beschaffungskompetenzen Schafft bahnbrechende Verbesserungen bei der kreativen Anwendung/Schaffung von Maßstäben, für die Hebelwirkung eingesetzt werden kann. Schaut z.B. außerhalb des eigenen Unternehmens nach Maßstäben und Gelegenheiten. Führt neue Anwendungen des Hebelwirkungsprozesses ein und wendet den Prozess in einem zuvor nicht erreichbaren Maße an. Wird auf breiter Ebene anerkannt als eine der TopAutoritäten, der Hebelwirkung innerhalb und außerhalb der Einkaufsabteilung einsetzt. Ist immer auf dem neuesten Stand. Ist eine Person mit Führungsqualitäten, die in der Lage ist, dafür zu sorgen, dass die Menschen außerhalb der Einkaufsabteilung die Hebelwirkung verstehen, daran glauben und es praktizieren.
Hat diese Fähigkeiten wiederholt unter verschiedenen Umständen angewandt und erzielt ständig messbare Ergebnisse. Zu diesen Anwendungen zählt, dass sowohl aus einzelnen wie auch aus gemeinsamen Ressourcen Nutzen gezogen wird. Schafft ein Umfeld, das andere (innerhalb und außerhalb der Einkaufsabteilung) zur Hebelwirkung ermutigt. Durchbricht Hindernisse, die die Zusammenarbeit und Schaffung eines Maßstabs über Grenzen hinweg hemmen. Sucht nach Effizienz und neuen Formen der Anwendung. Erkennt die Chancen für Unternehmen der eigenen Größe und des eigenen Maßstabs.
Bewiesene Fähigkeiten: Nutzt im Laufe der Zeit die Hebelwirkung in verschiedenen Bereichen, um deutliche Ergebnisse zu erzielen (z. B. Volumen, Wissen, Ressourcen).
Sucht nach übergreifenden Gemeinsamkeiten, die Maßstäbe, Wissen sowie Chancen schaffen, die zugunsten des eigenen Unternehmens eingesetzt werden können. Weiß, dass nicht jede Situation von der Hebelwirkung profitiert. Weiß, dass verschiedene HebelwirkungAnstrengungen unterschiedliche Ausmaße haben, z. B. global, regional, Geschäftseinheit, Werk. Beweist die Fähigkeit, kluge Entscheidungen zu treffen. Hat diese Fähigkeiten absolut kompetent angewandt und messbare Ergebnisse erzielt. Kennt und nutzt effektiv die vielfältigen Hebel: • Kommerzielle. • Technische. • Organisatorische. Ist in der Lage, die internen Prozesse zu steuern, die für die organisatorischen Hebel nötig sind.
Bewiesene Fähigkeiten:
Beteiligung an mindestens zwei Netzwerken von Personen, die gemeinsame oder eng verwandte Ziele verfolgen, und hat messbar verbesserte Ergebnisse über diese zweckbestimmte Verbindung erzielt.
Verbessert die Vorgehensweise der Hebelwirkung. Erstellt Schulungen und unterrichtet andere in der Anwendung der Hebelwirkung und in der Erkennung von Chancen. Gilt als gut unterrichtete Quelle und wird als solche respektiert.
Bewiesene Fähigkeiten:
EXPERTE
KÖNNER
KENNER
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Entwickelt ein höheres Verständnis für die Möglichkeiten der Beschaffungshebel und nutzt dieses Verständnis, damit Waren, Dienstleistungen, Technologien etc. mit dem optimalen Gegenwert für die Geschäftsbedürfnisse des eigenen Unternehmens beschafft werden.
168 Beschaffungshebel
Angebote im Wettbewerb
169
Angebote im Wettbewerb
1.
Grundlagen
Ergibt die Umfeldanalyse, dass man sich in einen Nachfragermarkt befindet, bzw. will man einen groben Marktüberblick erhalten, so ist die Anfrage ein perfektes Beschaffungswerkzeug, um festzustellen, zu welchen Preisen und zu welchen Konditionen eine Ware oder Dienstleistung bezogen werden kann. In Abbildung 57 ist der Ausschreibungsprozess in seinen einzelnen Schritten dargestellt.
Planung
Voranfrage
Angebotsunterlagen
Finalisierung AngebotsLieferumfang präsentation
Empfehlung
Vertragsabschluss
Nach einem wirtschaftlichtechnischen Klärungsgespräch (Scope Clarification Meeting) kann es notwendig werden, die Anfrage mit besseren Informationen zu wiederholen
Abbildung 57: Ausschreibungsprozess von der Planung bis zum Vertragsabschluss Eine Anfrage unterliegt keiner gesetzlichen Formvorschrift. Der Anfragende ist rechtlich nicht gebunden, eine auf die Anfrage hin angebotene Leistung auch abzunehmen. Unterschieden werden Anfragen zum allgemeinen Lieferprogramm eines Anbieters und spezielle Anfragen zu einem bestimmten Produkt oder einer bestimmten Dienstleistung. Im Folgenden wird die spezielle Anfrage ausführlich behandelt. Ein Käufermarkt bezeichnet eine Marktsituation, in der sich der Käufer in einer verhandlungstaktisch günstigeren Situation als der Verkäufer befindet. Gründe für die starke Stellung des Käufers können sein, dass das Angebot die Nachfrage übersteigt, also ein Angebotsüberhang besteht, oder dass der Verkäufer vom Käufer abhängig ist, die Leistung nicht dringlich und somit zeitlich verschiebbar ist oder dergleichen. Grundsätzlich stehen die Anbieter in einem Käufermarkt miteinander im Wett-
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_11, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
170
Angebote im Wettbewerb
bewerb. Im Gegensatz zum Käufermarkt herrscht auf dem so genannten Verkäufermarkt kein Wettbewerb. Dieser bezeichnet eine Marktsituation, in der sich der Verkäufer in einer verhandlungstaktisch günstigeren Situation als der Käufer befindet. Gründe für die starke Stellung des Verkäufers können sein, dass ein Nachfrageüberhang besteht, die Leistung dringlich und zeitlich nicht verschiebbar ist, der Verkäufer über höhere Fachkenntnisse verfügt, der Käufer vom Verkäufer abhängig ist oder auch, dass der Markt reguliert bzw. durch Kartelle Konkurrenz ausgeschaltet ist. Zwischen den Anbietern besteht nur begrenzt bzw. gar kein Wettbewerb. Die genaue Marktanalyse erfolgt bei der Erstellung der Beschaffungsstrategie. Weiterhin muss in der Beschaffungsstrategie dargelegt werden, welches Beschaffungswerkzeug zu verwenden ist.
2.
Planung
Oberstes Ziel ist es, dass der Einkauf den Beschaffungsprozess leitet bzw. frühzeitig beteiligt ist. Sichergestellt wird das dadurch, dass bei Beschaffungsvorhaben ab einem vorher fest definierten Betrag alle Anfragen über den Einkauf erstellt werden müssen. Außerdem ist bei größeren Vorhaben immer eine Beschaffungsstrategie bzw. ein -plan zu erstellen. Zu beachten ist, dass durch Fehlverhalten von Fachabteilungen ein eigentlicher Käufermarkt zu einem Verkäufermarkt mutieren kann. Deshalb dürfen keine zu engen und lieferantenspezifischen Vorgaben gegeben werden, weil diese Wandlung sonst eintreten könnte. Die Leitung des Beschaffungsprozesses bzw. eine frühe Einbindung des Einkaufs garantiert die folgenden Vorteile: Dass die vorliegenden Erfahrungen und Kontakte zum Markt, d. h. zu den Lieferanten, effektiv genutzt und mit den Geschäftsbedürfnissen des eigenen Unternehmens in Einklang gebracht werden können. Dass die Angebote nach kaufmännischen Kriterien eingeholt und überprüft werden. Abbildung 58 zeigt deutlich, dass zu Beginn eines Projekts, in der so genannten InitiationsPhase, die Kosten noch am meisten beeinflusst, d. h. reduziert werden können. Im Anschluss daran, bei der Projekt-Durchführung, sind die Möglichkeiten der Kostenbeeinflussung wesentlich geringer und nehmen, je weiter der Beschaffungsprozess fortgeschritten ist, immer mehr ab. Mit den Ausgaben verhält es sich dagegen gerade umgekehrt: Am Anfang des Prozesses sind diese gering und steigen im Verlauf immer weiter an. Am Ende des Prozesses sind die Ausgaben getätigt, eine Einflussmöglichkeit auf die Kosten ist nicht mehr vorhanden.
Angebote im Wettbewerb
171
Kostenbeeinflussung
Cashflow bzw. Ausgaben
Möglichkeiten, die Kosten zu beeinflussen
Initiation
Projekt-Durchführung
Projektstart
Abschluss
Fertigstellung
Abbildung 58: Kostenbeeinflussungsmöglichkeiten im Projektverlauf
2.1
Bedarfsmeldung
Der eigentliche Beschaffungsprozess beginnt mit der Bedarfsfeststellung eines Produktes bzw. einer Dienstleistung. Dies kann für spezifische Bedarfe aus einer Fachabteilung wie zum Beispiel der Technik oder Marketing erfolgen oder bei unspezifischen durch Produktionspläne oder Verbrauchsmeldungen. Da ein spezifischer Bedarf in wesentlichen Abläufen komplexer ist bzw. manueller erfolgt, wird dieser eingehender beleuchtet. Der Bedarf wird durch einen Einkaufsantrag (zum Beispiel als BANF in SAP) dem Einkauf mitgeteilt.
2.2
Beschaffungsplanung (Strategie oder Plan)
Zur effektiven Einkaufsarbeit sind Beschaffungsvorgänge frühzeitig zu planen. Dies erfolgt je nach Art des zu beschaffenden Gutes bzw. der Dienstleistung entweder über eine Beschaffungsstrategie oder einen Beschaffungsplan.
172
Angebote im Wettbewerb
Handelt es sich um ein bestimmtes Material oder eine Materialgruppe, die einer großen Ausgabengruppe oder einem Engpassmaterial angehört, so ist eine ausformulierte Strategie zu erstellen. Da zum Beispiel aber Investitionen häufig aus einem Bündel einzelner Beschaffungen bestehen, ist in diesem Fall ein Beschaffungsplan wesentlich praktischer. Ein Beschaffungsplan gibt für jede Ausgabengruppe eine Strategiekurzform wieder. Dieser Plan ist nach der Investitionsgenehmigung und vor den ersten Ausgaben in Zusammenarbeit von Fachabteilung und Einkauf zu erstellen. Analog zu Investitionen kann man auch die gesamten Ausgaben eines Werkes oder einer Fachabteilung parallel zur operativen Budgetplanung in eine Beschaffungsplanung überführen. Beschaffungsstrategie. Bei der Beschaffungsstrategie handelt es sich um strategische Pläne, die sich zum einen auf langfristige Leistungen konzentrieren und über genügend Flexibilität verfügen, um unabhängig von vorhersehbaren Marktschwankungen und den üblichen, innerhalb eines solchen Zeitrahmens erwarteten Änderungen funktionieren. Strategien werden regelmäßig erneuert und schriftlich dokumentiert. Zum anderen finden Beschaffungsstrategien aber auch für umfangreiche einmalige Einkäufe Anwendung, wie zum Beispiel große Maschinen oder neue Anlagen. In diesem Fall richtet sich die Strategie auf die Auswahl des Lieferanten und der zu ergreifenden Methode. Erstellt wird die Beschaffungsstrategie aus einer Kombination von Datenanalyse (extern wie auch intern) und Erkenntnissen, die auf Kenntnissen des Marktes sowie auf internem Wissen basieren. Wie ausführlich die Strategie ausgearbeitet wird, hängt von den Umständen, der Komplexität und Größe des zu beschaffenden Artikels ab. Dadurch wird es möglich, Länge und Umstände der schriftlichen Strategie auf die betreffende geschäftliche Situation zuzuschneiden. Beschaffungsplan. Vor allem bei großen und für das eigene Unternehmen entscheidenden Projekten ist ein sinnvolles und geplantes Vorgehen wichtig. Deshalb sollte ab einem definierten Projektvolumen ein Beschaffungsplan obligatorisch sein. Vorher muss allerdings der Investitionsantrag genehmigt worden sein.
3.
Voranfrage
Interne Umfeldanalyse mit Spezifikation als Sonderfall. Aus der internen Umfeldanalyse ergibt sich der Geschäftsbedarf des eigenen Unternehmens. Bei einem unspezifischen Bedarf hat der Einkäufer alle notwendigen Informationen zusammengetragen. Bei einem spezifischen Geschäftsbedürfnis ist durch den Anforderer eine Spezifikation erstellt worden.
Angebote im Wettbewerb
173
Marktsondierung. Hauptaufgabe der Voranfrage ist eine Marktsondierung, um überhaupt erst einmal einen Überblick über die potentiellen Anbieter und ihre Möglichkeiten zu erhalten. Eine Voranfrage wird häufig auch als RFQ (Request for Quotation) bezeichnet. Der Einkäufer arbeitet hier eng mit der Fachabteilung zusammen, indem diese ihr Fachwissen und ihre Branchenkenntnisse einbringt, zum Beispiel von welchen Anbietern das Gesuchte angeboten wird oder werden könnte, ob bereits eigene Erfahrungen mit ihnen bestehen oder ob fremde Erfahrungen bekannt sind etc. Einen Überblick über die Branche und damit über die Lieferanten kann man sich auch verschaffen durch:
Internetrecherche, beispielsweise in Lieferantenverzeichnissen wie „Wer liefert was?“ Nachschlagewerken wie „ABC der deutschen Wirtschaft“ oder „Industrie-Kompass“. Messebroschüren. Infomaterial von Dachverbänden. Rückfrage bei den Anbietern.
Eigenpositionierung. Nach der Marktanalyse muss man die eigene Position im Markt feststellen, um eventuelle Lücken zur Soll-Position schließen zu können. Die Positionierung wird auch als Marketing bezeichnet und beinhaltet das gezielte, planmäßige Schaffen und Herausstellen von Stärken und Qualitäten, durch die sich die Einschätzung der Zielgruppe klar und positiv von anderen unterscheidet. Folglich ist die Eigenpositionierung in diesem Fall die gezielte positive Darstellung des eigenen Unternehmens. Potentielle Lieferanten sollen das Bestreben haben, Geschäftspartner zu werden bzw. zu bleiben und hart dafür zu arbeiten. Es soll gewissermaßen ein Wettbewerb um die Geschäfte des eigenen Unternehmens erzeugt und gefördert werden. Positionierung der Lieferanten. Andererseits ist es wiederum an den potentiellen Geschäftspartnern, sich zu positionieren und zu empfehlen. Sie müssen Überzeugungsarbeit leisten, warum gerade sie für Anfragen berücksichtigt werden sollen. Diese ist die wichtigste Phase im gesamten Beschaffungsprozess. Denn zum einen sind die Lieferanten bereit, ihr Wissen und Können zu demonstrieren, um so auch den Lieferumfang zu verbessern. Zum anderen dienen die Lieferantengespräche dazu, dass sich der eigene Meinungsbildungsprozess festigt und man am Ende genau weiß, was benötigt wird. An diesem gegenseitigen Geben und Nehmen ist besonders gut zu erkennen, dass die Beziehung zwischen dem eigenen Unternehmen und den Lieferanten einwandfrei sein muss: Der Lieferant soll motiviert und dazu bereit sein, sich wirklich einzubringen und zu einem Erfolg beizutragen. Dazu muss ihm natürlich die Chance gegeben werden: Die Basis für die Zusammenarbeit ist, dass dem Lieferanten alle Informationen zur Verfügung gestellt werden, die er für die Angebotserstellung benötigt. Ihm muss auch ein Ansprechpartner im eigenen Unternehmen genannt werden, auf den er jederzeit mit eventuellen Rückfragen zukommen kann. Bei komplexen Angebotserstellungen sollte dem Lieferanten die Möglichkeit gegeben werden, sein Angebot vorzustellen und ggf. zu verteidigen. Ethisches Verhalten. Unter ethischem Verhalten ist zu verstehen, dass man Werte und Normen einhält und einer allgemeinen Moral folgt. Für den Einkauf bedeutet dies, dass man mit seinen Geschäftspartnern ehrlich umgeht und sie nicht zu eigenen Gunsten be-
174
Angebote im Wettbewerb
trügt und ausnutzt. Es werden keine Lieferanten bevorzugt behandelt: Alle Lieferanten bekommen mit den Ausschreibungsunterlagen die gleichen Informationen und alle ihre Fragen werden beantwortet. Ist aber ein Lieferant durch eine gute Fragetechnik in der Lage, die „richtigen“ Fragen zu stellen, und kann dadurch ein besseres Angebot machen, so ist dies sein Wettbewerbsvorteil.
4.
Anfrageunterlagen
Unterliegt die angefragte Ware oder Dienstleistung dem freien Markt, so werden mehrere, d. h. mindestens drei, vergleichbare Angebote benötigt. Dafür mag es nötig sein, wesentlich mehr Lieferanten anzufragen. Eine Anfrage sollte so kurz wie möglich, aber so ausführlich wie nötig gehalten werden. Das Format der eigentlichen Angebotsanfrage ist und muss flexibel sein und an die jeweilige Situation angepasst werden. Zur Umsetzung einer schriftlichen Anfrage gehören die folgenden Dokumente: Anfrageschreiben. Spezifikationen. Technische Zeichnungen, sofern vorhanden (immer noch die eindeutigste Spezifikation). Arbeits-/Leistungsbeschreibungen. Lieferantenempfehlungen/bzw. -ausschlüsse, sofern vorhanden. Erwarteter Liefertermin und Abgabetermin des Angebots (Angebote benötigen Zeit). Soweit keine Geheimhaltungseinschränkungen oder andere gute Gründe vorliegen, die Verbrauchsmengen bekannt zu geben, sollten diese so genau wie möglich definiert werden. Je besser der Lieferant informiert ist, desto attraktivere Angebote kann er bieten. Außerdem verringern klare Definitionen potentieller Anforderungen und potentieller Lieferplanungen die Gefahr möglicher Missverständnisse. Außerdem empfiehlt es sich, die Verlaufsdaten der Verbrauchsmengen (Rechnungen, Lieferantendaten, Kaufdaten etc.) zu prüfen. Es ist gut zu wissen, wie die Verbrauchsdaten waren und warum, und wie sie wahrscheinlich in Zukunft sein werden. Des Weiteren soll der Anbieter darüber informiert werden, dass Aufträge manchmal auch ohne weitere Nachverhandlungen vergeben werden. Dies stellt bei den Lieferanten sicher, dass die Angebote in jeglicher Hinsicht vollständig sind und es sich um den finalen Angebotspreis handelt. Wenn viele Daten ausgefüllt werden müssen, ist es sinnvoll, der Anfrage ein Angebotsformular beizulegen. Dadurch kann bei der Angebotsbewertung viel Arbeit gespart werden, da alle Angebote auf die gleiche Weise erfolgen. Außerdem werden
Angebote im Wettbewerb
175
die Anbieter zu klaren und vollständigen Antworten gezwungen, was wiederum die Angebotsaufstellungen für sie vereinfacht. Alternative Lösungsmöglichkeiten. Bei jeder Anfrage sollte ein Satz formuliert werden, der den Verkäufer zu einem kreativen, alternativen Angebot animiert, zum Beispiel „Wir unterstützen alle technischen und kommerziellen Ideen und Vorschläge, die zu einer besseren Lösung führen, die folglich zu einem besseren Geschäft mit Ihnen als Lieferant führen.“ Unabhängig von der spezifischen Formulierung soll den Lieferanten klar übermittelt werden, dass kreative Angebote gefördert, belohnt und man gegenüber Alternativen offen ist. Substitutionen, alternative Materialien, überarbeitete Spezifikationen, Liefermethoden, Nachlass bei Verpackungen, Zahlungsbedingungen, Lieferkonzessionen, Vertragslänge, Produktionsdauer etc. sind legitime Mittel für eine bessere Wettbewerbsposition, um bessere Konditionen zu erreichen. Es wäre ein Fehler, sich vor alternativen Lösungsmöglichkeiten zu verschließen: Damit ließe man Innovationen und möglicherweise Gelegenheiten zur Kosteneinsparung keine Chance. Daraus könnten dem eigenen Unternehmen Wettbewerbsnachteile erwachsen. Anzahl der geforderten Angebote. Unterliegt die angefragte Ware oder Dienstleistung dem freien Markt, so werden mindestens drei vergleichbare Angebote benötigt, um einen fairen, leistungsgerechten Preis ermitteln zu können. Die anzufragenden Lieferanten sind der Beschaffungsstrategie bzw. dem Beschaffungsplan zu entnehmen. Allgemein gilt auch, dass bereits in der Anfrage der Anbieter darüber zu informieren ist, dass bei Angebotsabgabe evtl. Subunternehmer anzugeben sind. Diese sind durch den strategischen Einkäufer freizugeben. Nicht jede kleine Anfrage muss über den Einkauf erfolgen. Ziel ist es, die Entscheidungsfreiheit der Anforderer zu erhöhen und den nicht unerheblichen Zeitaufwand für Anfragen im Einkauf zu minimieren. Kleinanfragen sollen an den Anforderer delegiert werden. Bei einem Bestellwert bis 3.000 Euro oder wenn es sich um ein aufwendig zu erstellendes Angebot handelt, genügen zwei Vergleichsangebote bzw. eine eindeutige Empfehlung, warum der Auftrag bei einer bestimmten Firma platziert werden soll. Die Anfragen können auch durch die Anforderer/Projektverantwortlichen erfolgen. Bei einem erwarteten Bestellwert ab 3.000 Euro bis 10.000 Euro muss eine Anfrage schriftlich erfolgen. Damit wird sichergestellt, dass alle angefragten Lieferanten eindeutig die gleichen Informationen bekommen. Es sind so viele Firmen anzufragen, dass mindestens drei vergleichbare Angebote eingehen. Eine kurze Beschreibung oder Zeichnung als Spezifikation ist ausreichend. Die Anfrage kann auch durch den Anforderer/Projektverantwortlichen erfolgen. Bei einem erwarteten Bestellwert ab 10.000 Euro muss eine Anfrage über den Einkauf erfolgen. Erfolgt die vorherige Abstimmung mit dem Einkauf nicht, so kann dies zu Zeitverzögerungen führen, da noch weitere Anfragen erstellt werden müssen. Der Einkauf von standardisierten Materialien bei bevorzugten Lieferanten kann für das eigene Unternehmen Vorteile haben, wie eine bessere Preisgestaltung, kürzere Lieferzeiten, besseren Service, indirekte Kostenreduzierungen, bessere Zuverlässigkeit. Der wichtigste Punkt hierbei ist jedoch, dass Standard-Material nicht bedeutet, dass es nur
176
Angebote im Wettbewerb
einen Lieferanten hierfür gibt. Denn wenn man sich auf nur einen Lieferanten festlegt, bedeutet dies Abhängigkeit von einem Lieferanten (der Lieferant kann also wie ein Monopollieferant auftreten), Ausschaltung des freien Wettbewerbes und Abhängigkeit von Kapazitätsbeschränkungen des Lieferanten. Um dies zu vermeiden sollte man sicherstellen, dass man den „besten“ Lieferanten ausgewählt hat, offen ist für neue Technologien, den Markt beobachtet und diesen Lieferanten einem ständigen Benchmark unterzieht.
5.
Finalisierung des Lieferumfangs
Ein Angebot im Beschaffungsprozess ist eine individuelle und meist schriftlich erstellte einseitig bindende auf den Interessenten zugeschnittene Zusammenstellung von Waren, Dienstleistungen und Preisen. Im Regelfall sind solche Angebote zeitlich befristet. Zur Angebotserstellung gehören insbesondere: Konzepterstellung, wie und mit welchen Produkten oder Dienstleistungen der Kundenwunsch erfüllt werden kann. Ermittlung der Beschaffungskosten zugekaufter Waren bzw. durch Subunternehmer zu erbringende Leistungen. Ermittlung technischer, rechtlicher, kaufmännischer und sonstiger Rahmenbedingungen. Ermittlung des zur Auftragsausführung erforderlichen Personals. Zusammenstellung eventueller weiterer entstehender Kosten (Transport, Zölle, Genehmigungen usw.). Vorkalkulation, d. h. die Zusammenstellung aller Kosten und die Bestimmung der erwünschten Marge und damit des Angebotspreises unter Berücksichtigung der vermuteten Angebote der Mitbewerber. Rechtsverbindliche Unterzeichnung aller relevanten Seiten des Angebotes. Zustellung des Angebotes. Ausgeschlossene bzw. beizustellende Güterleistungen. In der Finalisierungsphase des Leistungsumfanges sind besonders die folgenden Punkte zu beachten: Alternative Problemlösungsvorschläge. Die aufgrund der Anfrage eingehenden Angebote der Lieferanten stellen Problemlösungsvorschläge auf Basis der Spezifikation dar. Es muss
Angebote im Wettbewerb
177
nun überprüft werden, inwieweit sie tatsächlich zur Problemlösung beitragen bzw. sogar einen Mehrwert schaffen. Diskrete Handhabung. Eingehende Angebote gehen immer an den Anfragenden, d. h., bittet der Projektverantwortliche bei kleineren Beschaffungen um Angebote, gehen diese an ihn. Stellt der Einkauf die Anfrage, gehen die Angebote an ihn. Bestandteil des ethischen Verhaltens des eigenen Unternehmens ist es auch, die eingegangenen Angebote diskret zu behandeln. Das bedeutet, dass sich die Anbieter darauf verlassen können, dass keine Angebotsdetails an Dritte, vor allem nicht an direkte Mitkonkurrenten weitergegeben werden - weder vor noch nach dem Angebotseingang oder der Auftragsvergabe. Besonders kritisch ist die Weitergabe von Preisen an Konkurrenten zu sehen. Eine direkte Offenlegung erzeugt in vielen Fällen zwar ein besseres Angebot, jedoch kann dieser kurzfristig gewonnene Vorteil langfristige Nachteile nach sich ziehen. Zum Beispiel können potentielle Lieferanten nicht mehr bereit sein, Angebote zu erstellen, oder als Gegenreaktion können sich Anbieter zusammenschließen, um Preisabsprachen zu vereinbaren. Auch dadurch würden dem eigenen Unternehmen erhebliche Nachteile erwachsen. Die angefragten Lieferanten sollen sich selbst und ihre Angebote also geachtet und mit gleichen Chancen auf Erfolg verbunden sehen. Das ist für die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs außerordentlich wichtig. Als transparentes und von den Lieferanten als fair empfundenes Einkaufsverhalten kann man eine Zielkostenvorgabe machen. Diese Kosten sind durch ein Angebot zu erreichen oder sogar zu unterschreiten, bei einer kompletten Befriedigung der Geschäftsbedürfnisse, jedoch eventuell abweichend von der ursprünglichen Spezifikation. Datensichtung. Liegen die Angebote vor, werden sie zunächst gesichtet, um einen ersten Überblick und Eindruck zu gewinnen. Sie werden einer formellen Prüfung unterzogen: Es wird kontrolliert, ob zwischen der angefragten und der angebotenen Qualität, der angefragten und der angebotenen Menge, der angefragten und der angebotenen Lieferzeit und den eigenen Einkaufsbedingungen und den Verkaufsbedingungen des Lieferanten Übereinstimmungen bestehen. Klärungsgespräch zum Lieferumfang. Je spezieller das zu beschaffende Produkt oder die Dienstleistung ist, desto wahrscheinlicher sind entweder alternative Lieferantenvorschläge oder Unklarheiten, die geklärt werden müssen. Diese Gespräche sollten unbedingt immer vom Einkauf und der Fachabteilung gemeinsam durchgeführt werden. Aufgabe des technisch-kommerziellen Klärungsgespräches (Scope Clarification Meeting) ist das inhaltliche Verstehen der eingegangenen Angebote. Verstehen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Vor- und Nachteile des Angebotes. Einzelheiten des Angebotes. Dies kann soweit gehen, dass man die Kalkulation inklusive der potentiellen Risikofaktoren des Lieferanten zu ergründen versucht. Es wird diskutiert: Tragen die Angebote tatsächlich zur Problemlösung bei? Beinhalten die eingegangenen Angebote brauchbare alternative Lösungsvorschläge? Können aus den Angeboten eigene alternative Ideen entwickelt werden?
178
Angebote im Wettbewerb
Anwesend sind mindestens der strategische Einkäufer und der Anforderer der Fachabteilung. Idealerweise sind aber all jene am Klärungsgespräch beteiligt, die bei der Realisierung und Umsetzung des Beschaffungsvorhabens beteiligt sind und einen Gesprächsbeitrag leisten können. Im Vorfeld fasst der Einkauf noch einmal alles zusammen: Gesprächsplanung und Tagesordnung. Konkrete Forderungen. Ausführungsmerkmale. Die Zusammenfassung, auch Briefing genannt, übermittelt er an die internen Beteiligten, entweder durch ein kurzes Treffen oder schriftlich durch interne Mitteilungen. Wichtig ist, dass alle Beteiligten über vollständige Informationen verfügen, um die Angebote richtig bewerten und einordnen zu können. Während der Verhandlung ist der strategische Einkäufer ebenfalls federführend, er ist der Gesprächsführer und Moderator. Protokollerstellung. Sind für die Anfragen bzw. Angebotserstellung Gespräche und Verhandlungen geführt worden, sollen davon Protokolle erstellt werden. Gesprächszusammenfassungen sind das Grundrüstzeug eines strategischen Einkäufers. Sie dienen als Dokumentation von Vereinbarungen sowie zur Lieferantenentwicklung. Andere, die bei den Verhandlungen nicht anwesend waren, müssen die Gesprächs- und Verhandlungsergebnisse nachvollziehen können. Auf der anderen Seite sollten die Protokolle aber auch kurz und knapp sein. Die Protokolle sollen innerhalb weniger Tage nach einer Lieferantenbesprechung erstellt werden. Sie gliedern sich immer in zwei Teile: Der erste Teil ist die Zusammenfassung ist nur für die Teilnehmer des eigenen Unternehmens bestimmt. Der zweite Teil ist die gemeinsame Aktionsliste bzw. Vereinbarung mit dem Lieferanten, die im Normalfall an den ihn geschickt wird, um Einigkeit zu erzielen. Folgendes sollte immer in einem Protokoll enthalten sein:
Lieferantenname, Datum, Ort. Teilnehmer des Meetings mit Name und Funktion. Verteilerliste des Protokolls. Zweck des Meetings. Tagesordnungspunkte, die besprochen wurden. Die Hauptargumente sind zuerst auszuführen. Datum, Zeitpunkt und Ort des nächsten Gespräches, falls eines stattfindet. Entscheidungen, die getroffen wurden inkl. der Arbeitsliste als Anhang. Überarbeitung der Anfrageunterlagen. Möglicherweise sind im Gespräch mit den Lieferanten neue Ideen zur Problemlösung entstanden, die aus welchen Gründen auch immer bei der ersten Anfrage nicht aufgekommen sind, die aber wesentlich zur Problemlösung beitragen bzw. sogar besser dazu geeignet sind. Die Spezifikation muss dann entsprechend dem neuen Input überarbeitet werden. Gleiches gilt für die Anfrage, die aufgrund der neuen Spezifikation neu gestellt werden muss. Durch die Überarbeitung der Spezifikation be-
Angebote im Wettbewerb
179
ginnt ein neuer Anfrageprozess. Dieser Prozess kann sich eventuell mehrfach wiederholen, bis man zur besten Realisierung des Projekts gekommen ist. Angebotsvergleich. An die formelle Angebotsprüfung schließt sich die materielle Angebotsprüfung an. Sie ist in der Praxis häufig in die Angebotsanalyse und den Angebotsvergleich unterteilt. Die Angebotsanalyse bezieht sich auf die systematische Untersuchung der einzelnen Angebote. Im Angebotsvergleich werden die Ergebnisse aller Einzelanalysen zusammengestellt. Diese Trennung hat den Vorteil, dass mit der Bearbeitung schon begonnen werden kann, wenn noch nicht alle Angebote vorliegen. Des Weiteren muss man sich nur auf die Beurteilung des vorliegenden Angebots konzentrieren, ohne gleichzeitig die Unterschiede zwischen den einzelnen Angeboten herauszuarbeiten. Das bleibt dem abschließenden Angebotsvergleich vorbehalten. Der Angebotsvergleich muss schriftlich dokumentiert werden. Außenstehenden muss es jederzeit möglich sein, ihn zu verstehen. Angebotsanalyse und Vergleichsfaktoren. Das Hauptziel der Angebotsanalyse und des Angebotsvergleiches ist es, eine Hilfestellung bei der Auswahl des geeigneten Lieferanten zu geben. Außerdem muss die Dokumentation des Vergleichs gewährleistet sein, damit jederzeit problemlos nachvollzogen werden kann, warum der Auftrag an einen bestimmten Anbieter erteilt worden ist. Die Entscheidung wird nach der Überprüfung der vorher definierten Vergleichsfaktoren getroffen. Die wichtigsten kaufmännischen Vergleichsfaktoren sind: Preis, Qualitätsniveau, Lieferzeit, Zuverlässigkeit, Kapazität, Service und Standort. Art des Angebotsvergleichs. Aus Kosten- und Zeitgründen ist es nicht möglich, alle Vergleichsfaktoren bei der täglichen Arbeit gleichzeitig zu berücksichtigen. Damit entsteht die Schwierigkeit, eine geeignete Auswahl zu treffen. Dies hängt sicherlich vom Wert der zu beschaffenden Dienstleistung oder Ware ab sowie von der Entscheidung, welche Vergleichsfaktoren die höchste Priorität haben. Grundsätzlich soll bei einer professionellen Beschaffung der Preis das Hauptentscheidungskriterium einer Kaufentscheidung bzw. Empfehlung sein („Preis entscheidet“). Gleichzeitig werden aber auch andere wichtige Vergleichsfaktoren berücksichtigt wie Qualität, Service und Zuverlässigkeit. Damit soll gewährleistet werden, dass der günstigste Anbieter ausgewählt wird und dass gleichzeitig auffällige Diskrepanzen zwischen Preis und Leistung auffallen und berücksichtigt werden. Bewertungsfaktoren. Zu beachten ist, dass Vergleichsfaktoren wie Zuverlässigkeit, Qualität oder Service schwierig zu bewerten sind, da sie als nichtrechenbare Größen schwer quantifizierbar sind. In der Praxis haben sich deshalb für die Lösung des Problems der Bewertung die folgenden Lösungshilfen durchgesetzt: Durch die zahlenmäßige Benotung verbaler Beschreibungen wird die Beurteilung sicher und objektiv gestaltet (Punktungsverfahren): Hierbei werden die einzelnen Vergleichsfaktoren mit Punkten zwischen 0 und 10 bewertet, wobei schlechte Leistungen eine geringe Punktzahl, gute eine hohe erhalten. Beispielsweise:
180
Angebote im Wettbewerb
0
System nicht realisiert, große Mängel oder schwerwiegende Fehler in Bezug auf Qualität, Lieferzeit etc.
6
Grundlagen OK, System jedoch nicht vollständig realisiert; Systeme werden nach Geschäftserfolg bewertet und verbunden; Ergebnisse sind leicht unbeständig und nur teilweise akzeptabel in Bezug auf Qualität, Lieferzeit etc.
10
Vollständig realisiert und wirksam. Liefert dauerhaft hervorragende Geschäftsergebnisse in Bezug auf Qualität, Lieferzeit etc.
Abbildung 59: Punktebewertungsmöglichkeiten im Angebotsvergleich Es ist wichtig zu beachten, dass der Preis nicht bewertet wird! Er ist als Summe der Kosten für die jeweilige Punkteanzahl zu sehen. Dadurch sind alle Vergleichsfaktoren miteinander addierbar und somit zu verknüpfen, und die Gewichtung der Vergleichsfaktoren wird wesentlich erleichtert. Da nicht bei jedem Beschaffungsfall alle Vergleichsfaktoren gleich wichtig sind, ist eine Gewichtung nötig. Diese erreicht man, indem man sich einzelner Gewichtungsfaktoren für die Vergleichsfaktoren bedient. Die Vergleichsfaktoren mit hoher Priorität erhalten hohe Gewichtungsfaktoren, die von niedriger Wichtigkeit niedrige. Um eine objektive Bewertung durchzuführen, ist die Gewichtung vor der Abgabe der Angebote gemeinsam mit dem Einkauf durchzuführen. Mit einer nachträglich erstellten Gewichtung besteht sonst immer die Möglichkeit, das Ergebnis zum Vorteil eines Lieferanten zu „manipulieren“.
3
5
3 5
Erfahrung mit dem Unternehmen
Qualifikationen, Fähigkeiten
Serviceleistungen**
Zuverlässigkeit***
***
**
5
5
7
7
8
Wertung
136
25
15
35
21
40
Ergebnis
10
9
9
8
5
Wertung
171
50
27
45
24
25
Ergebnis
120,00 Euro
Angebot B
9
8
9
-
10
Wertung
164
45
24
45
-
50
Ergebnis
90,00 Euro
Angebot C
10
3
5
-
4
Wertung
104
50
9
25
20
Ergebnis
70,00 Euro
Angebot D
Der Preis der Waren oder Dienstleistungen bestimmt direkt die Anschaffungskosten. Dieser Zusammenhang ist leicht einsehbar und zahlenmäßig belegbar. Der Umfang der vom Lieferanten zu erwartenden Serviceleistungen, sei es im kaufmännischen (Beratung, Information, Ausarbeitung von Alternativangeboten, Garantien) oder im technischen Bereich (Gebrauchsanleitung, Anfertigung von Werkzeugen, Ersatzteillagerung), kann zu erheblichen Kosteneinsparungen im eigenen Unternehmen führen. Das Bewertungskriterium Zuverlässigkeit bezieht sich auf die im Angebot dargestellte Leistung, verglichen mit der in der Wirklichkeit erbrachten. Dies gilt vor allem für die Punkte Qualität, Lieferzeit und Service. Weiß man beispielsweise aus Erfahrung, dass ein Lieferant die vereinbarte Lieferfrist bei früheren Aufträgen nur mit Mühe eingehalten oder gar überschritten hat, so soll der Vergleichsfaktor Zuverlässigkeit diese Tatsache bei der Beurteilung eines Angebotes berücksichtigen.
5
allg. Erfahrungsstand des Lieferanten
*
Gewichtung
80,00 Euro
Preis*
sonstige Erfolgskriterien
Angebot A
Aktueller Kostenstand
Angebote im Wettbewerb 181
Abbildung 60: Muster eines Angebotsvergleichs mit getrennter Darstellung des Preises und der Leistungskriterien
182
6.
Angebote im Wettbewerb
Angebotspräsentation
Sind die Angebote vergleichbar gemacht und hat sich im Klärungsgespräch herausgestellt, dass sich der Bedarf durch die Angebote decken lässt, folgt als nächster Schritt die Angebotspräsentation. Damit ist gemeint, dass noch einmal die erfolgsversprechenden Angebote ausführlich betrachtet und miteinander verglichen werden, um abschließend eine Kaufempfehlung auszusprechen. Bei Dienstleistungen, wie Beratungsleistungen, hat es sich bewährt, nicht nur nach den schriftlichen Unterlagen zu entscheiden, sondern die besten Anbieter jeweils in einem „Schönheitswettbewerb“ selbst ihre Angebote vor dem Entscheiderkreis präsentieren zu lassen. Entscheiderkreis. Der Entscheiderkreis setzt sich neben den Einkäufern aus weiteren relevanten Personen aus den Fachabteilungen und Geschäftsleitung zusammen. Je wichtiger das Beschaffungsprojekt für das Unternehmen ist, desto eher muss die Geschäftsleitung in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden. Preis-/Leistungsverhältnis. Bei jedem Beschaffungsprozess soll, wie bereits erwähnt, der Preis das ausschlaggebende Kriterium für die Kaufentscheidung sein. Allerdings kann dies nicht das alleinige Kriterium bleiben, wie schon an anderer Stelle ausführlich dargestellt.
7.
Empfehlung
Nach der Angebotspräsentation, bei der noch einmal alle Angebote angemessen berücksichtigt und bewertet wurden, spricht der strategische Einkäufer in Abstimmung mit der Fachabteilung eine Empfehlung aus, welchem Anbieter der Auftrag erteilt werden soll. Wichtig ist, dass immer genügend Zeit für die Entscheidungsfindung, Empfehlung und auch für die Prüfung durch das Management gewährt wird. Begründung der Entscheidung. Grundlegend ist, dass die Entscheidung, wie man zu der Empfehlung gekommen ist, immer gut begründet ist. Es muss immer nachvollziehbar sein, welche Kriterien ausschlaggebend waren. Die Begründung muss deshalb schriftlich fixiert werden. Ein Bestandteil der Begründung muss der Angebotsvergleich sein. Kostenbewusstes Handeln. Immer wieder ist in der betrieblichen Praxis zu beobachten, dass bei Anfragen über kleinere Summen viel Aufwand betrieben wird, um den günstigsten Anbieter zu ermitteln und beauftragen zu können. Aufträge über größere und große Summe werden dagegen vergeben, ohne dass ausreichend Angebote eingeholt und miteinander verglichen wurden, weil häufig Zeitdruck besteht bzw. die Geschäftsleitung (im ne-
Angebote im Wettbewerb
183
gativen Sinne) selbst beteiligt ist. Ziel muss es sein, dass bei allen und ganz besonders bei den großen, möglicherweise komplizierten und komplexen Aufträgen ein kostenbewusstes Vorgehen an den Tag gelegt wird. Gerade hier muss sich die Mühe gemacht werden, ausreichend Angebote einzuholen, um tatsächlich die für das eigene Unternehmen beste Realisierung zu ermitteln und eine fundierte Empfehlung aussprechen zu können. Das Motto muss sein: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“.
8.
Vertragsabschluss
Ist die Entscheidung für einen Lieferanten gefallen und ist die Bestellung vom Management freigegeben, kann die Bestellung verschickt bzw. der Vertrag unterzeichnet werden. Vertragsverhandlungen und Vertragsunterzeichnung. Oft ist im Vorfeld der Auftragsvergabe oder Vertragsunterzeichnung eine Vertragsverhandlung angesetzt, bei der letzte Fragen geklärt werden. Die Vertragsverhandlungen werden unter der Leitung des strategischen Einkäufers geführt. Die Vertragsunterzeichnung erfolgt grundsätzlich durch Mitarbeiter des Einkaufs. Abweichungen davon regelt die Beschaffungsstrategie. Die Fachabteilung bestätigt grundsätzlich die Auftragsvergabe durch Freizeichnen. Bei alltäglichen Projekten sind Vertragsverhandlungen allerdings nicht mehr notwendig, da meistens bereits den Anfrageunterlagen ein Standardvertrag beigefügt ist und dem Lieferanten somit die vertraglichen Grundlagen bereits bekannt sind und er sie mit der Angebotserstellung akzeptiert hat. Vertragsgestaltung. Grundsätzlich sind die Einkaufsbedingungen des eigenen Unternehmens Vertragsgrundlage. Individuelle Abweichungen bzw. Ergänzungen wie Zahlungsbedingungen, Gewährleistung etc. sind zulässig, wenn sie vorher von der Rechtsabteilung freigegeben wurden. Grundsätzlich unzulässig ist die Verwendung von Standardvordrucken der Lieferanten. Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn der Fremdvertrag durch die Einkaufsleitung und die Rechtsabteilung freigegeben wurde. In den Vertrag sind auch die Spezifikation, Lieferzeitpunkte und Garantien aufzunehmen. Je nach Bedarf und Bedeutung des Projekts können auch Geheimhaltungsvereinbarungen getroffen werden. Bestellung und Auftragsbestätigung. Die Zusage an einen Lieferanten muss schriftlich erfolgen, unter allen Umständen soll es vermieden werden, mündliche Zusagen zu tätigen. In aller Regel übersendet der Lieferant nach Erhalt der Bestellung auch eine Auftragsbestätigung, die den Inhalt der Bestellung vollinhaltlich anerkennt oder aber in gewissen Bereichen ändert oder ergänzt. In jedem Fall muss die Auftragsbestätigung gründlich auf Übereinstimmung mit der Bestellung überprüft werden, damit etwaige Differenzen sofort sichtbar werden und nicht erst bei Auslieferung bzw. Ausführung der Arbeiten. Eine Bestellung im gleichen Wortlaut wie das Angebot stellt die uneingeschränkte Annahme eines
184
Angebote im Wettbewerb
vorher unterbreiteten Angebots dar. In diesem Fall ist die Auftragsbestätigung juristisch belanglos, da der Kaufvertrag bereits durch die Bestellung abgeschlossen wurde. Ist die Bestellung dagegen erfolgt, ohne dass ein konkretes Angebot vorlag, bzw. weicht die Bestellung in wesentlichen Teilen von dem Angebot ab, ist die Bestellung als Antrag an den Lieferanten zum Abschluss eines Kaufvertrags zu sehen. Die vollinhaltliche gleiche Auftragsbestätigung bedeutet die Annahme des Antrags durch den Lieferanten und damit den Abschluss des Kaufvertrags. Weicht allerdings die Auftragsbestätigung von der Bestellung ab, so ist noch kein Kaufvertrag abgeschlossen worden, sondern bedarf nochmals einer Rückbestätigung bzw. gilt als beschlossen, wenn der Lieferant seine Arbeit beginnt bzw. bei Übergabe der Lieferung. Absage an andere Anbieter. Wenn ein Lieferant ein Angebot erstellt hat, er aber bei der Auftragsvergabe nicht erfolgreich war, soll ihm eine Absage erteilt werden. Eine Absage gehört zum guten Ton des Unternehmers, am besten erfolgt diese schriftlich. Das, was den nicht erfolgreichen Anbietern gesagt wird, vor allem wie es gesagt wird, kann für die nächste Anfrage bei ihnen ausschlaggebend sein. Nicht erfolgreiche Anbieter sollen empfinden, dass die Entscheidungen bei der Auftragsvergabe fair und ethisch waren und auf der Geschäftspolitik beruhen. Ansonsten werden sie kaum bereit sein, bei einer späteren Anfrage noch einmal ein Angebot zu unterbreiten. Obwohl einem nicht erfolgreichen Anbieter nicht alle Einzelheiten mitgeteilt werden können, warum man sich nicht für ihn entschieden hat, möchte man doch, dass er bei der nächsten Anfrage versucht, die Bereiche zu korrigieren, in denen er Mängel zeigte.
9.
Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung
Abbildung 61 zeigt die Beschaffungskompetenzen in den drei Stufen Kenner, Könner und Experte und Abbildung 62 den zusammengefassten Ausschreibungsprozess mit seinen Einzelschritten.
ANGEBOTE IM WETTBEWERB: ANFRAGEN
KÖNNER Schafft durch den Einsatz von Auktionen/Anfragen pro-aktiv unternehmensweite Chancen für geschäftliche Vorteile. Findet regelmäßig kreative, innovative Möglichkeiten zur Überwindung bedeutender Hindernisse; z. B. wenig entgegenkommende und unempfängliche Lieferanten oder starker interner Widerstand gegenüber Maßnahmen, etc. Ist in der Lage zu bestimmen, wie Auktionen oder Anfragen in Übereinstimmung mit anderen Instrumentarien eingesetzt werden (z. B. Zielkosten, Verhandlungen), und zwar in einer Weise, die mit den Standards der Einkaufsabteilung vereinbar ist.
Bewiesene Fähigkeiten: Hat in mindestens zwei komplexen Situationen mit jedem der Instrumentarien bei verschiedenen Beschaffungsgruppen erheblich verbesserte Ergebnisse gebracht. Hat bei unterschiedlicher Anwendung dieser Tools unter unterschiedlichen Marktbedingungen (Anfrage/ Auktion) oder bei der Bestimmung ihres Einsatzes bei unterschiedlichen Marktbedingungen Flexibilität gezeigt.
KENNER
Beweist ein umfassendes Verständnis der Macht und Vielseitigkeit von Anfragen und Auktionen als Instrumentarien. Verwendet eine Beschaffungsstrategie, um die Entscheidung für den Einsatz von Anfrage oder Auktion als das „gewählte Instrumentarium“ voranzutreiben. Steckt klare Ziele für jede Auktion/Anfrage, mit Unterstützung der entsprechenden UnternehmensFunktionen (Geschäftsleitung, Entwicklung, Technik, Vertrieb, etc.). Nutzt Sitzungen, die vor den Auktionen/Anfragen mit den Bietern stattfinden, als Gelegenheit zur Beeinflussung und Optimierung der Ergebnisse; z. B. Verbesserung der Kommunikation, Austausch von Erwartungen, Festlegung klarer Ziele, etc. Nutzt technische und kommerzielle Klärungsgespräche, um die Leistung der Lieferanten zu verbessern oder die Kosten zu reduzieren. Leitet alle Aktivitäten in Bezug auf die Auktion oder Anfrage (einschließlich der Sitzungen, die vorher oder nachher stattfinden) gemäß den Beschaffungsprinzipien, den ethischen Standards, rechtlichen Anforderungen, etc.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat in mindestens zwei weniger schweren Situationen durch den Einsatz von Ausschreibungs-Instrumentarien verbesserte Ergebnisse erzielt. Hat die Fähigkeit bewiesen, abschätzen zu können, welches der Ausschreibungsinstrumentarien wann am besten geeignet ist.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Abbildung 61: Beschaffungskompetenzen: Angebote im Wettbewerb Verbessert die Vorgehensweisen zur Anfrage und Ausschreibung. Hat entsprechende Schulungen für den Bereich Angebote im Wettbewerb entworfen und vermittelt sein Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Personen von innerhalb und außerhalb des Geschäftsbereichs suchen auf breiter Ebene seine Tipps und Beratung, einschließlich der Bereiche, wo der Einsatz von Auktionen oder Anfragen ein neuer Ansatz ist. Erweitert die Technik der Auktion und Anfrage ständig mit neuen Konzepten für den „Mechanismus“ des Instrumentariums (Anwendungen, Positionierung, Timing, Ansatz, etc.) und den Einsatz dieses Tools zusammen mit anderen Instrumentarien in neuen Situationen. Erleichtert den Einsatz von Auktionen oder Anfragen, indem er gewährleistet, dass das, was als „annehmbare Praktiken“ betrachtet wird, ständig unter dem Aspekt sich verändernder Geschäftssituationen aktualisiert wird.
EXPERTE
Effektiver Einsatz von Ausschreibungs-Instrumentarien, wie Anfragen oder Internet-Auktionen, zur Erzielung von Geschäftsergebnissen bzw. Wettbewerbsvorteilen. Erkennen der Marktkräfte und situativ richtiger Einsatz von Anfragen als Beschaffungswerkzeug.
Angebote im Wettbewerb 185
Ethisches Verhalten
Geplante Vorbereitungen
Reduzierung der „long list“ (alle potentiellen) zur „short list“ (Lieferanten, die finale Anfrage bekommen)
Überzeugen
Schnittstellen (intern/extern)
Eigenpositionierung
Lieferantenanalyse
Ziel/Zweck
Akteure/ Teilnehmer
Marktsondierung
Voranfrage
Beschaffungsstrategie
Planung
Keine Vorurteile gegenüber potentiellen Lieferanten oder alternativen Lösungen
Abbildung 62: Zusammenfassung des Ausschreibungsprozesses Überarbeitung der Anfrageunterlagen
Protokollerstellung
Inhaltliches Klärungsgespräch
Angebotsvergleich
Datensichtung
Kalkulationsgrundlage
Diskrete Handhabung
Problemlösungsvorschläge
PreisLeistungsVerhältnis
Wichtige Entscheidungsfaktoren
Angebotsvorstellung
Entscheiderkreis
Finalisierung AngebotsLieferumfang präsentation
Gleichwertige Behandlung der Lieferanten
Offen sein für alternative Lösungsmöglichkeiten
Angebotsunterlagen
Transparenz und Konsistenz der Entscheidung
Einkaufspolitik
im Kleinen sparsam und im Großen verschwenderisch
Begründung der Entscheidung
Empfehlung
Absagen an andere Anbieter
Zukünftige Position
Vertragsabschluss
186 Angebote im Wettbewerb
Verhandlungen
187
Verhandlungen
1.
Grundlagen
Einflüsse auf Verhandlungen. Die meisten Menschen betrachten eine Verhandlung aus dem falschen Blickwinkel. Sie sehen sie als einen Wettbewerb an, in dem ein Teilnehmer auf Kosten des anderen gewinnt. Aber eine Verhandlung ist nicht notwendigerweise ein Wettbewerb. Obwohl Elemente des Wettbewerbes ohne Zweifel im Prozess der Verhandlung enthalten sind, ist es weit mehr als ein Gegeneinander. Es gibt fünf Arten von Verhandlungen, die alle gleichzeitig stattfinden. Das Wissen um die Gleichzeitigkeit der fünf auftretenden Verhandlungsarten: Erlaubt es, eine Verhandlung lebendig zu halten, die kurzfristig keinen eindeutigen Verlauf hat. Gibt ein besseres Wohlbefinden in Verhandlungen. Erlaubt mehr Informationen zu sammeln. Verhindert oder bricht einen toten Punkt in einer Verhandlung. Erzeugt ein besseres Verständnis für die Taktiken, die man benutzt bzw. die der Gegenpart benutzt. Abmachungsspielraum. Menschen, die auf einen besseren Abschluss zielen, erreichen diesen für gewöhnlich auch. Diese Regel stimmt jedoch nur innerhalb bestimmter Grenzen. Der Abmachungsspielraum ist die Differenz zwischen dem Minimum, das ein Verkäufer bereit ist anzunehmen, und dem Maximum, welches ein Käufer bereit ist zu zahlen. Dies hört sich einfacher an, als es ist, denn in Wirklichkeit gibt es drei verschiedene Abmachungsspielräume: Spielraum im Kopf des Käufers. Spielraum im Kopf des Verkäufers. Spielraum, wie ihn ein Dritter sehen würde (objektiver Spielraum). Abbildung 63 zeigt deutlich, es ist nur dann ein Abschluss möglich, wenn sich der subjektive Spielraum des Verkäufers mit dem des Käufers überschneidet. Falls dies nicht der Fall ist, wird es keinen Abschluss geben.
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_12, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
188
Verhandlungen
Erfolgreicher Geschäftsabschluss
Gescheiterter Geschäftsabschluss Maximal zu erreichender Verkaufpreis
Maximal zu erreichender Verkaufpreis
Maximal akzeptierter Kaufpreis
Übereinkommen Minimal akzeptierter Verkaufpreis
Minimal zu erreichender Kaufpreis
Minimal zu erreichender Kaufpreis
Käufer
Maximal akzeptierter Kaufpreis
Minimal akzeptierter Verkaufpreis
Verkäufer
Käufer
Verkäufer
Abbildung 63: Abmachungsspielraum
2.
Hauptarten von Verhandlungen
Die fünf Arten der Verhandlung, die hier besprochen wurden, existieren in jeder Verhandlung. Sie stellen eine Möglichkeit für jeden dar, die Qualität des Abschlusses zu verbessern. Die hilfsbereite Art der Verhandlung. Die konkurrierende Art der Verhandlung. Die partnerschaftliche Art der Verhandlung. Die organisationell geprägte Art der Verhandlung. Die persönliche Art der Verhandlung. Es folgt eine genaue Beschreibung der fünf Verhandlungsarten: Die hilfsbereite Art der Verhandlung. Grundlage der hilfsbereiten Art der Verhandlung ist, dass immer ein besseres Geschäft für beide Teilnehmer möglich ist. Dazu müssen aber
Verhandlungen
189
beide Teilnehmer willens sein, sich die Zeit zu nehmen und danach zu suchen. Beide, Käufer und Verkäufer, können ihren Gewinn und Erfolg vergrößern, ohne den anderen zu verletzen. Um ein besseres Geschäft abzuschließen, sollten die folgenden Punkte beachtet werden:
Ist ein besser koordinierter Lieferzeitplan möglich? Kann die Spezifikation überarbeitet werden? Entspricht die angebotene Ware oder Dienstleistung genau dem, was benötigt wird? Hat der Anbieter eventuell Annahmen getroffen, die nicht zutreffen? Ist die Art des Transportes angemessen? Ist die Verpackung angemessen? Zahlungsbedingungen? Zusätzlicher Kauf einer Ware oder andere Optionen? Übereinstimmung zwischen Käufer und Verkäufer wer macht was? Es kann sein, dass bestimmte Leistungen vom Käufer wesentlich besser zu erledigen sind. Langfristiger oder kurzfristiger Vertrag? Kauf einer Kombination von Produkten. Zugaben zum eigentlichen Produkt. Verbindung von Kauf eines Produktes mit zusätzlicher Werbung für den Verkäufer. Beteiligung eines Dritten.
Die konkurrierende Art der Verhandlung. Eine Tatsache, der man sich bei einer Verhandlung bewusst werden muss, ist, dass es einen Wettbewerb der Verhandlungsteilnehmer untereinander gibt. An einem Punkt der Verhandlung entsteht der Gewinn eines Teilnehmers nur aus dem Verlust des anderen. Die folgenden Verhaltensregeln dienen als Hilfestellung im Umgang mit dieser Art der Verhandlung: Regel 1: Still sein. Je weniger der andere über einen weiß, desto besser. Regel 2: Annahmen nicht vertrauen. In Verhandlungen sind die Dinge oft nicht so, wie sie zu sein scheinen. Skepsis ist an dieser Stelle angebracht! Wann immer man sich selbst dabei ertappt, eine Annahme zu treffen, sollte bedacht werden, dass die Annahme richtig, aber auch falsch sein könnte. Es ist nur eine Annahme – nicht mehr. Das Problem mit Annahmen ist, dass dadurch das Verhalten in einer Verhandlung beeinflusst wird, zum Beispiel: „Der Verkäufer hat knapp kalkuliert, also brauche ich nicht nach einem Preisnachlass zu fragen.“ Regel 3: Kostenaufschlüsselung. Hier gibt es zwischen Einkäufer und Verkäufer zwei grundverschiedene Ausgangspositionen. Der Einkäufer will immer eine detaillierte Aufschlüsselung der Kosten, da er aus Erfahrung weiß, dass es sich mit mehr Informationen und um Details leichter verhandeln lässt. Der Verkäufer wird aber auf jeden Fall versuchen, diese Kostenaufschlüsselung zu vermeiden, falls sie nicht per Gesetz verlangt ist (aus diesem Grunde sollte ein guter Einkäufer schon direkt bei einer Ausschreibung immer eine Aufschlüsselung verlangen). Regel 4: Zugeständnisse machen. Es ist wichtig für den Erfolg in Verhandlungen, dass es genügend Verhandlungsspielraum gibt. Eine Gefahr lauert hierbei aber auch darin, dass der Startpunkt des Einkäufers zu niedrig gewählt wird. Dadurch wird eine negative
190
Verhandlungen
Stimmung in die Verhandlung getragen. Es ist also genau abzuwägen, wie der Startpunkt gewählt wird. Wenn es darum geht, Zugeständnisse zu machen, sind folgende Punkte zu beachten: Nie in zu großen Schritten nachgeben. Der Verkäufer fordert immer mehr, als er erwartet. Die Regel „wie du mir, so ich dir“ sollte in Verhandlungen vermieden werden. Große Beträge oder Leistungen sollten nie unter starkem Zeitdruck gewährt werden. Regel 5: Nicht aus der Hüfte schießen, d. h. nicht spontan entscheiden. Entscheidungen sollten niemals aus dem Stand getroffen werden, wenn sie nicht genügend vorbereitet sind. Die partnerschaftliche Art der Verhandlung. Die meisten Käufer würden 200 Euro oder 300 Euro mehr für ein gebrauchtes Auto bezahlen, wenn sie sicher wären, dass der Verkäufer sich verpflichtet fühlt, sie richtig zufrieden zu stellen. Wenn beide Verhandlungsteilnehmer sich so verhalten, gibt es immer ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Denn in jeder Verhandlung bestimmen weiche Faktoren wie Sympathie und Wohlwollen einen Teil des Preises. Im Geschäftsleben verhandeln wir über Einstellungen genauso so wie über Waren und Leistungen. Teile des Preises sind solche Faktoren wie Sympathie, Vertrauen, Freundschaft, Integrität, Wohlwollen, Glaubwürdigkeit oder Status. Es macht Sinn sich bewusst zu machen, dass zueinander passende Eigenschaften zu besseren Übereinkünften führen. Man kann keinem Preis vertrauen, der von jemand festgelegt wurde, dem man persönlich nicht traut. Vertrauen, Freundschaft und Anerkennung sind Geschäftspunkte. Man sollte sich Zeit nehmen, um eine Zufriedenheit für beide Seiten zu erzeugen: Dazu zählen auch Punkte wie ein angenehmes Verhandlungsumfeld, Raum, Zeit und Umstände, in denen die Verhandlungen stattfinden.
Eigenes Unternehmen
Lieferant
Planung
Planung
Finanzen
Finanzen SCM/Logistik
SCM/Logistik Einkäufer
Verkäufer
Produktion Geschäftsleitung F&E/Technik
Abbildung 64: Einkäufer und Verkäufer verhandeln nie allein
Produktion Geschäftsleitung F&E/Technik
Verhandlungen
191
Die organisationsgeprägte Art der Verhandlungen. Auch wenn nur zwei Personen am Verhandlungstisch sitzen, so nehmen immer mehrere an der Verhandlung teil. In jeder Verhandlung sind sowohl der Verkäufer als auch der Käufer nur Teile einer größeren Organisation. Dies gilt bedingt auch im privaten Bereich (Partner, Kinder, Freunde usw.), aber auf jeden Fall im geschäftlichen Bereich. Ein Beispiel für den Einfluss der Geschäftsleitung sind Regeln, die das Auftreten und Verhalten der Einkäufer bestimmen. Der Einkäufer und auch der Verkäufer müssen die Wünsche des Managements, der TechnikAbteilung, der Produktion, der Gewerkschaften, des Gesetzgebers usw. erfüllen. Das Prinzip ist immer das Gleiche. Die persönliche Art der Verhandlung. Die Verhandlungspunkte in einem Verkaufsgespräch sind differenzierter als die Punkte, die auf der Tagesordnung stehen. Was die großen Probleme sein werden, ist nicht ersichtlich. Geld, Waren und Dienstleistungen sind wichtig, sie sind jedoch nur die Spitze des Eisberges. Doch es gibt weitaus mehr Punkte, die nicht direkt gesehen werden und die niemals in einen Vertrag geschrieben werden. Dies sind all die persönlichen Punkte, die keiner laut sagen kann, aber ohne die kein Abschluss erfolgen kann. Beispielhaft einige dieser persönlichen Punkte unter der Oberfläche: Die Tatsache, dass ich am Montag meinen dreiwöchigen Urlaub beginne, beeinflusst die Verhandlung am Freitag. Durch eine Umorganisation habe ich einen neuen Vorgesetzten, dem ich zeigen möchte, wie gut ich bin. Meine Grippe steht kurz vor dem Ausbruch. Dadurch fühle ich mich schlecht. Heute habe ich um 5 Uhr eine private Verabredung und möchte pünktlich nach Hause gehen. Ich habe mehr Arbeit, als ich bewältigen kann. Alle diese Punkte sind wichtig für einen Abschluss. Der Einkäufer, der sensibel auf die persönlichen Probleme des Verkäufers reagiert, wird langfristig mehr Erfolg haben.
3.
Verhandlungsstrategie
Planung zahlt sich in jedem Aspekt des Lebens aus. Aber es gibt nur wenige Bereiche, in denen sich Planung so schnell auszahlt wie bei Verhandlungen. Die Realität zeigt jedoch, dass viele Verhandlungen schlecht vorbereitet sind, es keine Strategie gibt. Es genügt nämlich nicht zu sagen: „Mach Deine Hausaufgaben!“ Das Geheimnis liegt darin zu wissen, was wann und wie zu tun ist.
192
Verhandlungen
Strategie 1: Auswahl der richtigen Personen. Es ist für den Erfolg von Verhandlungen entscheidend, wer die Verhandlungen führt und wie sich das Team zusammensetzt. Dieser Punkt wird im Anschluss ausführlicher erläutert. Strategie 2: Quellen der Macht. Alle an der Verhandlung Beteiligten müssen sich darüber im Klaren sein, welche Macht die einzelnen Teilnehmer haben. Am schwierigsten ist die Einschätzung der eigenen Macht. So unterschätzen viele ihren eigenen Einfluss auf das Verhandlungsergebnis. Es gibt viele verschiedene Machtquellen. Einige basieren auf der Organisation, in der man arbeitet, einige basieren auf dem Gesetz oder auf Vorschriften, wiederum andere basieren auf psychologischen Aspekten. Die wichtigsten Machtquellen ergeben sich aus folgenden Punkten:
Wettbewerb, Geld Ehrlichkeit und der Sinn für Gerechtigkeit Verpflichtung/Bereitschaft, Risiko zu übernehmen Wissen Aufwand oder Arbeit, Zeit Verhandlungsfähigkeiten Freundschaftliche Verbindungen
Planung
Verhandlung
Ausführung
Grundlage für den Erfolg
Effektive Verhandlung und Kommunikation
Vereinbarte Leistung erhalten
EIN PLANUNGSTOOL Element
eigenes Unternehmen
Lieferant
Ziele Zeitplan; Meilensteine Power/Porter-Analyse Beste Alternative außerhalb der Verhandlung Probleme/Interessen Strategie Optionen/Taktik Mögliche Zugeständnisse Startposition Benötigte Informationen
Abbildung 65: Verhandlungsplanung Strategie 3: Langfristige Geschäftsbeziehungen. Langfristige und kurzfristige Ziele müssen in jeder Verhandlung überlegt werden. Ebenfalls ist für Verhandlungen entscheidend,
Verhandlungen
193
wie sich Beziehungen verändern, wenn die Geschäftsbeziehungen schon über mehrere Jahre anhalten. Langfristige Geschäftsbeziehungen können sowohl gut als auch schlecht sein. Es gibt nicht wenige Aspekte in einer solchen Beziehung, wie zum Beispiel Zuverlässigkeit, Freundschaft und innerer Frieden. Viele Einkäufer sind froh, dass der Verkäufer mit dem Geschäft der Vergangenheit zufrieden war, um auch in einer Zeit Abschlüsse tätigen zu können, in der der Absatz nicht so gut läuft. Leider sieht man die Vorteile von langfristigen Geschäftsbeziehungen lieber als die Nachteile. Die Erfahrung zeigt, dass bei einer langfristigen Geschäftsbeziehung einer der beiden Geschäftspartner mehr gewinnt als der andere. Meist ist dies der Verkäufer. Strategie 4: Wert, Risiko und Kostenanalyse (Motivation). Menschen sind bereit, in Verhandlungen zu geben und zu nehmen. Es ist offensichtlich, dass Geld, Waren und Dienstleistungen unter keinen Umständen die einzigen Gegenstände der Verhandlung sind. Der erfahrene Verhandlungsführer weiß, dass Teil jedes Preises die Integrität, die Glaubwürdigkeit und die Befriedigung des anderen Egos ist. Diese versteckten Punkte können wichtiger sein als die offensichtlichen Punkte. Beispiele für den Gewinn nach einer Verhandlung sind:
Gute Lieferanten an sich binden bzw. mehr Menge beziehen. In einen neuen Markt eintreten. Entwicklung eines neuen Produktes. Lernen, wie man eine Tätigkeit ausführt. Herausfinden, wer der Entscheidungsträger ist. Ersatzteilverkauf in einem Markt, in dem der Gewinn aber erst später gemacht wird. Gedeckte Fixkosten. Erzeugen eines Wettbewerbs. Erreichen des „Break Even Point“, ab dem das Geschäft gewinnbringend ist.
Strategie 5: Zielsetzung. Obwohl es grundsätzlich richtig ist, dass Menschen, die höhere Ziele verfolgen, besser abschneiden, kann man doch diese Aussage nicht als universelle Wahrheit betrachten. Denn es gibt auch Menschen, die nach höheren Zielen streben und schlechter abschließen. Vielleicht enden sie sogar mit leeren Händen. Trotzdem ist es entscheidend für eine erfolgreiche Verhandlung, sich vorher über die Ziele im Klaren zu sein. Ob das optimale Ziel gesetzt wurde, kann durch die Beantwortung der folgenden Fragen geklärt werden: Führt die Art, wie die Ziele im eigenen Unternehmen gesetzt werden, zu einem besser vorbereiteten Verhandlungsführer oder -team? Führt die Art der Zielsetzung zu einer gründlichen internen Verhandlung? Sind alle verdeckten Bedürfnisse, Prioritäten und Ansichten ans Tageslicht befördert worden? Führt die Art der Zielsetzung schwieriger zu erreichenden Zielen? Führt die Art der Zielsetzung zu einer starken Bereitschaft des Verhandlungsführers und seines Teams, die Verhandlung erfolgreich abzuschließen? Führt die Art der Zielsetzung zu einer stärkeren Einbeziehung des Managements in die Planung der Verhandlungsstrategie?
194
Verhandlungen
Ist eine schriftliche Vorgehensweise vorhanden, wie eine Verhandlung zu planen ist und wie die Ziele zu setzen sind. Falls eine oder mehrere Fragen mit „nein“ beantwortet worden ist, sind Verhandlungsziele wahrscheinlich nicht optimal definiert. Strategie 6: Produktstrategie. Die grundsätzliche Frage jeder Verhandlung lautet: „Warum will ich gerade dieses Produkt oder diese Dienstleistung kaufen?“ Es gibt keinen richtigen Preis für ein falsches Produkt, auch wenn der Preis sehr niedrig ist. Unglücklicherweise schließen wir oft Geschäfte ab, die keinen Sinn machen, obwohl sie auf den ersten Blick wie ein günstiger Kauf aussehen. Bevor etwas gekauft oder verkauft wird, sollte man das Geschäft ganzheitlich betrachten. Das bedeutet, man muss die Zukunft, die Gegenwart und die Vergangenheit betrachten. Häufig werden Produkte gekauft, ohne die Betriebskosten, die Lagerkosten, überhöhte Reparaturkosten oder sonstige laufende Kosten zu betrachten. Strategie 7: Beste Alternative außerhalb der Verhandlung (BATNA: best alternative to be negotiated). Vor jeder Verhandlung sollte man sich unbedingt bewusst machen, was die beste Alternative außerhalb eines Abschlusses in der Verhandlung ist. Es ist somit die Aufgabe eines jeden Verhandlungsführers, eine beste Alternative mit seinem Team zu entwickeln, auch wenn dies einen gewissen Mehraufwand zur Folge hat. Es ist aber zwingend erforderlich, um eine Alternative zu besitzen. Hat man dies nicht, so kann es passieren, dass man seinen Abmachungsspielraum verändern muss oder feststellt, dass es keine Verhandlungslösung gibt. Dies bedeutet dann, einen ungewollten Deadlock zu erzeugen (Verhandlungsstillstand bzw. Abbruch).
3.1
Verhandlungsführung
Interne Konflikte im Umfeld einer Verhandlung sind aber trotz allen Wohlwollens unvermeidlich, da jeder, der hinter der eigentlichen Verhandlungsbühne steht, sich in seiner jeweiligen speziellen Situation befindet. So legt jeder die eigenen Verantwortungen und Regeln anders aus, hat eine andere Risikobereitschaft, Arbeitsbelastung und Bedürfnisse oder setzt seine Prioritäten anders. Ein weiteres Problem kann dadurch entstehen, dass nicht jeder gleich viel zum Entscheidungsprozess beiträgt. Einige erhalten mehr vom Ergebnis als andere. Eine Verhandlung effektiv und erfolgreich zu führen, ist eine der schwierigsten Tätigkeiten eines erfolgreichen Einkäufers. Der Prozess der Verhandlungsführung erfordert ein gutes Geschäftsverständnis und ein tiefes Wissen im Umgang mit anderen Menschen. Folgende Punkte sind für einen guten Verhandlungsführer unerlässlich: Man muss die Entscheider, Beeinflusser und Anwender des Gegenstandes einer Verhandlung identifizieren können, und dies sowohl intern als auch extern. Zusagen von der Organisation über die Qualität und den Nutzen des Produktes oder der Dienstleistung festigen die Verhandlungsposition.
Verhandlungen
195
Die Fähigkeit, mit Mitgliedern der eigenen Organisation zu verhandeln und ihr Vertrauen zu gewinnen. Der Wille und die Selbstverpflichtung zu planen; das Produkt oder die Dienstleistung und die Alternativen zu kennen. Gutes Geschäftsverständnis. Die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und dann entsprechend zu handeln. Die Fähigkeit, Konflikte und Unklarheiten zu akzeptieren. Den Mut, nach höheren Zielen zu streben und zur Übernahme von Risiken, die damit verbunden sind. Die Klugheit, geduldig auf die ganze Wahrheit zu warten. Der Wille, an den Problemen des anderen und seiner Organisation wirklich beteiligt zu werden; dies ist unbedingt notwendig, um wirklich in der Tiefe handeln zu können. Die Verpflichtung zu Integrität. Die Fähigkeit, aktiv zuzuhören. Die Einsicht, eine Verhandlung vom persönlichen Standpunkt aus zu betrachten; dies hilft, die verdeckten persönlichen Punkte zum Vorschein zu bringen. Selbstbewusst sein, aufgrund von umfassendem Wissen, einer guten Planung und einer guten internen Verhandlung mit der eigenen Organisation. Die Bereitschaft, Experten aus dem Team mitzubeteiligen. Eine „stabile“ Persönlichkeit; jemand, der es gelernt hat, mit sich selber zu verhandeln, und der lachen kann. Jemand, der nicht ständig danach strebt, dass ihn alle mögen, denn er mag sich selbst. Der einkaufende Verhandlungsführer erhält keine „Ja“-Antwort, solange die LieferantenOrganisation nicht von der Lösung überzeugt ist. Die Aufgabe des Einkäufers ist es, dem Verhandlungsführer des Lieferanten zu helfen, die eigene Organisation zu überzeugen. Dies kann entscheidend sein, besonders wenn weit reichende Zugeständnisse gemacht wurden.
3.2
Teamverhandlungen
Es zahlt sich aus, wenn mehrere an einer Verhandlung bzw. deren Vorbereitung beteiligt sind. Umso mehr wundert es, dass die Beteiligung von Teammitgliedern bei Verhandlungen so wenig akzeptiert wird. In der Realität bevorzugen viele, allein zu verhandeln, was ein wirklich großer Fehler ist.
196
Verhandlungen
Begründet liegt die Entscheidung, allein zu verhandeln, im Problem der schlechten Koordination untereinander und im Problem, einen gleichen Informations- und Wissensstand bei allen Beteiligten zu erreichen. Ein weiterer Grund ist, dass man die Verhandlung durch eigene Unstimmigkeiten nicht schwieriger machen möchte. Gegen eine Teambeteiligung spricht häufig auch, dass eigene Verhandlungsfehler besser vertuscht werden können. Viel entscheidender müssen aber die Argumente für eine Teamverhandlung sein: Bessere Koordination bei der internen Verhandlung im eigenen Unternehmen. Erfahrungen besser nutzen und moralische Unterstützung. Besseres Zuhören ist möglich, da auch die eigenen Teammitglieder einmal reden. Bessere Planung durch vorherige Abstimmung. Geringere Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen. Bessere Mitschriften. Die positiven Seiten der Teamverhandlung sind bei weitem den Nachteilen überlegen. So kommen durch Teamverhandlungen weitaus bessere Ergebnisse zu Stande als bei Alleinverhandlungen. Es ist also grundsätzlich eine Teamverhandlung vorzuziehen, sie muss jedoch perfekt vorbereitet sein.
4.
Verhandlungsplan
Wie bereits angekündigt, befindet sich auf den folgenden Seiten (Abbildung 66) ein Planungstool für die detaillierte Verhandlungsvorbereitung. Das Tool kann entweder als Gedankenstütze oder als Vordruck verwendet werden. Egal, wie man das Planungstool verwendet, auf jeden Fall sollte man sich schriftlich vorbereiten, denn nur so stellt man sicher, dass man sich die wirklich wichtigen Fragen stellt. Handelt es sich um eine Teamverhandlung, so ist eine gute Planung unerlässlich.
Verhandlungen
197
- Seite 1 -
VERHANDLUNGSPLAN für *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Beschaffungsprojektes)
(Datum)
1a. Hintergrund/Umfeldanalyse (Für vorausgehende Besprechungen ist ein extra Verzeichnis der Historie zu erstellen) Eigene Partei (Unternehmen) Anweisungen Auflistung der Schlüsselziele Ziel(e) (Einzelziele in Abschnitt 4) Auflistung der Schlüsselprobleme, die
Problem(e)
gelöst werden müssen Auflistung aller, die zustimmen,
Zustimmungsteam Deadlines/ Milestones
freigeben oder informiert werden müssen Auflistung der Deadlines bzw. Milestones, die eingehalten werden müssen
Andere Partei (Lieferant)
Anweisungen Für alle 4 Punkte gelten dieselben
Ziel(e)
Anweisungen, wie oben beschrieben. Punkte, bei denen eine Übereinstimmung
Problem(e)
zwischen der eigenen und der anderen Partei herrscht, sind gesondert hervor-
Zustimmungsteam Deadlines/ Milestones
zuheben, um sie in den Abschnitten 3. (Stärken/Schwächen) und 4 (Ziele/ Interessen) einzutragen.
1b. (Optional) Industrie/Marktkräfteanalyse (Auszufüllen, falls nicht vertraut mit Industrie/Markt) Haupteinflusskräfte, -punkte und -barrieren Anweisungen Schlüsselkräfte, die Entscheidungsprozess Entscheidungsder Verhandlungspunkte beeinflussen prozess Schlüsselkräfte, die Herstellung der Güter Produktion beeinflussen (z.B. Lagerbestand) Schlüsselkräfte, die den Marktpreis
Marktpreis Veränderungsbarrieren
bestimmen (z.B. Rivalität) Schlüsselkräfte, die Veränderungen zur Zielunterstützung verhindern
2. Beziehungsanalyse Gegenwärtig Verl. - Gew.
Geringe Stärke Geringes Vertrauen 1 2 3 4 Pri
Verlust – Gewinn Gewinn – Verlust Gewinn! Gewinn – Gewinn
1
Gewünscht
Anweisungen
Gew. - Verl. Gewinn! Gew. - Gew. 2
3
4
Hohe Stärke Hohes Vertrauen
1.
Markierung der „gegenwärtigen” und der „gewünschten” Beziehung auf der nebenstehenden Liste & entsprechend den untenstehenden Fragen.
Jetzt verlieren (TOP-Ziele aufgeben), um später zu gewinnen? Vertrauen aufbauen? Eigene Stärke gering? Muss andere Partei verlieren, damit eigene gewinnt? Vertrauen/Beziehung unwichtig? Eigene Stärke mittel? Kann eigene Partei unabhängig von der anderen gewinnen? Vertrauen weniger wichtig? Eigene Stärke hoch? Muss andere Partei gewinnen, damit wir gewinnen? Vertrauen wichtig & hoch? Eigene Stärke hoch & anerkannt? 2. „Brainstorm” bzw. Auflisten aller Aktionsschritte Aktivitäten die nötig sind, um die „gewünschte” Beziehung zu erlangen. 3.
Bewerten/Sortieren der Aktionen nach Priorität und mit Zeitplan versehen.
3. Stärken/Schwächen-Analyse Stärken/Möglichkeiten
Pri
Vorteils-Strategien
Anweisungen 1.
Auflistung der eigenen Stärken und der Schwächen der anderen Partei & externen Möglichkeiten.
2.
Auflistung der Strategien, um Vorteile zu erlangen; Konzentration.
3.
Bewerten/Sortieren.
198
Verhandlungen
- Seite 2 -
VERHANDLUNGSPLAN für *** Geheim, wenn ausgefüllt *** Pri
(Name des Beschaffungsprojektes)
Schwächen/Gefahren
(Datum)
Verteidigungs-Strategien
Anweisungen 1.
Auflistung der eigenen Schwächen und Stärken der anderen Partei & externen Gefahren.
2.
Auflistung der VerteidigungsStrategien.
3.
4. Ziele/Interessen-Analyse Eigene Partei
Pri
Ziel/Limit
Grund/Daten
Pri
Andere Partei
Anweisungen 1.
Z L Z L Z L Z L
Bewerten/Sortieren
„Brainstorm”, Ziele/Interessen listen
2.
Gewinn-Ziele listen (Wünsche)
3.
Unteres Limit listen (Bedürfnisse) (Gewinn-Ziele und Untere-Limits müssen messbar sein)
Ziel
4.
Gründe für Ziele & Limits listen
5.
Bewerten/Sortieren nach Priorität
Grund/Daten
Anweisungen Wiederholung der Schritte 1 bis 5 und 6.
Markierung der gemeinsamen Ziele; speziell die eigenen Ziele mit geringer Priorität, die die andere Partei mit hoher Priorität sieht. Dies sind strategische Handelsoptionen
5. Strategische Optionsanalyse F Optionen
Pri
Ziel erreicht
Anweisungen 1.
Brainstorm/alle Optionen zum Erreichen der eigenen Ziele listen; inkl. Alternativen der Übereinstimmung, andere Lieferquellen, Ersatzprodukte.
2.
Alle Pri (s) der erreichten Ziele listen (auch die der anderen Partei).
3.
Bewerten/Sortieren der Prioritäten
4.
Markieren der freien (F) Optionen und kombinierte Strategien zu entwickeln
6a. Frageliste Pri
Fragen der eigenen Partei
Wer
Wann
Anweisungen 1.
Brainstorm/Fragen, die helfen/unterStützen, Optionen zu finden, um die eigenen Ziele zu erreichen.
2.
Auflisten, wer sie wann fragen wird.
3.
Bewerten/Sortieren nach Priorität
Bemerkung: Ableitung der Antworten aus dem Verhandlungsplan, anschließend die Fragen hierzu entwerfen. Die Antworten können auch im Verhandlungslog (Abschnitt 8) festgehalten werden.
Verhandlungen
199
- Seite 3 -
VERHANDLUNGSPLAN für *** Geheim, wenn ausgefüllt *** Pri
(Name des Beschaffungsprojektes)
Fragen der anderen Partei
(Datum)
Gegenantworten
Anweisungen 1.
Brainstorm/Erwartete Fragen von der anderen Partei listen.
2.
Gegenantworten, die die eigenen Ziele unterstützen, auflisten.
3.
6b. (Optional) Zusätzliche Bereiche eines Ausgleiches Eigene Partei Prinzipien
Bewerten/Sortieren nach Priorität.
Anweisungen Auflistung der Prinzipien/Standards und Regeln, die die eigenen Ziele/Optionen mit Priorität unterstützen (z. B. sind von anderen Partei akzeptierbar). Auflistung der dritten Parteien, die bei den
Dritte Parteien Andere:
eigenen Ziele helfen können. Auflistung zusätzliche Bereiche, die ein Ausgleich der eigenen Ziele unterstützen.
Andere Partei
Verteidigung
Anweisungen Für alle 3 Punkte ist analog wie oben
Prinzipien
beschrieben zu verfahren Anschließend sind die eigenen Verteidigungsmöglichkeiten aufzulisten
Dritte Parteien Andere:
6c. (Optional) Verhandlungsaktionsplan Zeit Aktion
Pri
Verantw.
Anweisungen
Messgröße 1.
Brainstorn/Auflistung spezifischer Aktionen, die nötig sind, um Ziele zu verhandeln
2.
Definition Zeilplan, Verantwortlichkeit, Messgrößen
3.
Bewerten/Sortieren nach Priorität
7a. Planung des Verhandlungstreffens (für ein Treffen mit: _______________________________________) Planung Ort Wer eröffnet das Gespräch?
Bemerkung
Anweisungen Werk, andere Partei, neutraler Platz? Eigene Partei eröffnet, falls ein großer Unterschied der bekannten Positionen herrscht, sonst die andere Partei.
Eröffnungsvorschläge/ Hauptpunkte der Agenda/ Punkte
Der Eröffnungsvorschlag und Agendaplan für jeden Punkt. Unterstützung durch Daten, die dies bestätigen, jedoch keine Beschränkungen darstellen und den Verhandlungsspielraum zu den eigenen Zielen vergrößern
Zugeständnis
Teile eines Zugeständnisses Frequenz von Zugeständnissen
Deadlock Unterbrechung Autorität
Was bei Nichterreichung des Limits Umstände für eine Unterbrechung Wann soll man sagen: „Ich kann nicht entscheiden”. Wie geht man bei der anderen Partei zu höherer Autorität?
200
Verhandlungen
- Seite 4 -
VERHANDLUNGSPLAN für *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Beschaffungsprojektes)
(Datum)
7b. (Optional) Verhandlungsteamrollen (ist nötig für Teamverhandlungen) Name Rollenbeschreibung Leiter Senior Manager(s) Technische Experten Regionale Vertreter Schriftführer Beobachter Übersetzer 7c. Planung der Verhandlungstaktiken Eigene Taktiken
Pri
Anweisungen Teamleiter, Chefsprecher Personen, die herausragende Geschäftsziele rechtfertigen Personen, die Spezifikationen erstellen und auf technische Bedürfnisse achten Regionale bzw. globale Vertreter, um potentielle weitere Möglichkeiten zu sehen Person, die Zusagen und Schritte notiert Person, die die andere Partei beobachtet Übersetzer falls nötig
Wann zu benutzen
Anweisungen 1.
Brainstorm/Auflistung der Taktiken
2. Auflisten, wann diese Taktiken angewendet werden sollen
Pri
Taktiken der anderen Partei
3.
Bewerten/Sortieren nach Prioritäten
1.
Brainstorm/Auflistung der Taktiken,
Verteidigungstaktiken
Anweisungen die die andere Seite eventuell nutzt 2. Auflisten von Taktiken, die diese Taktiken verteidigen 3.
Bewerten/Sortieren nach Prioritäten
8. Verhandlungsverzeichnis (für eine Verhandlung mit: __________________________________________ ) 1) Auflistung von Datum/Zeitpunkt und Inhalt des Vorschlages/Fragen, 2) Hervorheben von Zusagen und Antworten und 3) Falls nötig, die andere Partei an früher gemachte Zusagen bzw. Aussagen erinnern.
Datum
Eigene Partei
Datum
Abbildung 66: Vordruck für einen detaillierten Verhandlungsplan
Andere Partei
Verhandlungen
5.
201
Verhandlungstaktiken
Im Folgenden werden einige der bekannten und häufig verwendeten Verhandlungstaktiken erklärt. Sie sollen sowohl eine Anregung sein, das eine oder andere selbst auszuprobieren, sollen aber auch helfen, mögliche Reaktionen und Aktionen des Gesprächspartners besser zu verstehen. Die Aufzählung ist sicherlich nicht vollständig und soll in erster Linie zum Nachdenken und nicht zum Kopieren anregen.
5.1
Limit-Taktik
Grundlagen. Die Limit-Taktik ist eine der effektivsten Taktiken im Arsenal der Verhandlungstaktiken. Sie ist einfach, wirkungsvoll und moralisch absolut einwandfrei. Bei dieser Taktik gibt der Einkäufer, nachdem er die ersten Angebote erhalten hat, bei dem auserwählten Lieferanten ein Zielbudget vor. Der Einkäufer muss dieses Limit – egal, ob es wirklich besteht oder nicht – dem Lieferanten so glaubhaft wie möglich darstellen. Meistens reagiert der Verkäufer auf ein solches Limit und ändert sein Angebot oder zeigt mögliche Alternativen: Der Verkäufer weiß mehr über sein Produkt als der Einkäufer. Die Limit-Taktik gibt dem Einkäufer die Möglichkeit herauszubekommen, was der Verkäufer weiß. Ganz sicher gibt es einen besseren Abschluss für beide Geschäftspartner, wenn sie danach suchen. Die Limit-Taktik startet die Suche. Die Limit-Taktik muss nicht unbedingt zu einem niedrigeren Preis führen, aber sie wird auf jeden Fall ihren Nutzen haben: Man erfährt sehr viel Neues über das Produkt, die Ware oder die Dienstleistung. Einsatz von Beschaffungsteams. Wird die Limit-Taktik in interdisziplinären Teams eingesetzt, verstärkt sich ihre Wirkung. Durch das spezifische Wissen der verschiedenen Teammitglieder lassen sich folgende Vorteile für das eigene Unternehmen generieren:
Sie reduzieren die Spezifikationen auf das wirklich Nötige. Sie ermutigen den Verkäufer, wertvolle Vorschläge zu machen. Sie diskutieren offen über Alternativen. Sie passen die Bedürfnisse den Kosten an und werden hierdurch sehr kosteneffektiv. Sie überprüfen Zwänge, Regeln und Vergehensweisen, die normalerweise ohne nachzudenken akzeptiert würden. Sie überprüfen Annahmen.
202
Verhandlungen
Interdisziplinäre Beschaffungsteams sind sehr erfolgreich, da sie durch ihr breites Wissen effektive Organisationsgruppen darstellen. Es ist jedoch entscheidend, dass jeder seine Rolle kennt. Gegenmaßnahmen des Verkäufers. Ein Verkäufer kann die Limit-Taktik des Einkäufers nicht nur ausgleichen, sondern auch zu seinen Gunsten umkehren. Ein Verkäufer hat folgende Möglichkeiten: Das Limit testen. Die meisten Budgets können flexibel gehandhabt werden. Schon vor dem Verkaufsgespräch Alternativen anbieten; verschiedene Modelle, Lieferund Zahlungsbedingungen. Feststellen, wer die endgültige Entscheidung trifft. Feststellen, ob der Partner schon genau weiß, was er will. Feststellen, wer das Geld hat und wer schließlich die Rechnung bezahlt. Den Einkäufer selbst Vorschläge machen lassen, wie er sich die Verwirklichung seines Limits vorstellt. Flexibel sein in Bezug auf das Zahlungsziel, vielleicht hat der Käufer zu einem späteren Zeitpunkt mehr Geld. Der Verkäufer, der auf ein Limit vorbereitet ist, wird versuchen, dies in eine Chance umwandeln. Wenn er ein Produkt anbieten kann, das preisgünstiger als das Limit ist, und die Kundenbedürfnisse erfüllt werden, führt dies zur Erhöhung der Gewinnspanne. Der Einkäufer muss immer aufmerksam prüfen, inwieweit ein Zugeständnis des Verkäufers ein Entgegenkommen oder einen Nachteil für das eigene Unternehmen darstellt.
5.2
Entgegengesetzte Auktion
Umgekehrte Auktion oder wie bringt man einen Verkäufer dazu, die beste Ware oder Dienstleistung für wenig Geld anzubieten. Dies ist die Traumtaktik harter Einkäufer. Sie zielt darauf ab, dass sich die Verkäufer gegenseitig in ihren Angeboten unterbieten. Wird diese Verhandlungstaktik richtig eingesetzt, können für den Einkäufer große Erfolge erzielt werden. Jedoch kann auch ein Einkäufer mit dieser Taktik in Schwierigkeiten geraten. Der Einkäufer informiert alle Anbieter über die besten Angebote, jedoch ohne den Namen des Lieferanten oder alle Details preiszugeben. Daraufhin werden die Anbieter dem Einkäufer jeweils die Vorteile ihres Angebotes und die Nachteile des Konkurrenten erläutern. Dadurch lernt der Einkäufer die Alternativen kennen und kann dann genaue Bedingungen zur Vergabe definieren. Daraufhin können die Anbieter nun ein neues Angebot abgeben. Der Auftrag geht schließlich an denjenigen, der viel Leistung, viel Service und den niedrigsten Preis in Bezug auf diese Ziele anbietet. Mit der „Entgegengesetzten Auktion“ erreicht der Einkäufer zwei Ziele:
Verhandlungen
203
Neue Informationen. Erlangung eines besseren technischen Verständnisses. Mit Hilfe des neuen Wissens kann der Einkäufer seine Entscheidung auf einem breiteren Fundament aufbauen. Diese Taktik funktioniert aus den folgenden Gründen: Wettbewerb ist gefährlich. Der Einkäufer ist sich sicher, dass der Verkäufer ängstlich wird, wenn er seinen Wettbewerber so dicht vor den Augen hat. Die umgekehrte Auktion setzt das Management des Lieferanten unter Druck. Jeder Anbieter hat z. T. eine Menge Arbeit in das Angebot gesteckt. Jeder hat das Gefühl, dass er mit etwas mehr Arbeit und ein paar Zugeständnissen den Auftrag bekommen kann. Der Käufer weiß, dass mehr Mut dazu gehört, ein Angebot in der Abschlussverhandlung zurückzuziehen als zu Beginn. Einige Firmen machen Zugeständnisse bei der Auktion, die sie unter keinen Umständen halten können, und geben nach. Die umgekehrte Auktion ist nicht ohne Gefahren. Die Verkäufer nehmen die Behandlung übel und suchen nach Wiedergutmachungen. Ist der Vertrag erst unterschrieben, fühlen sie sich nicht schlecht, wenn sie für die kleinste Änderung hohe Nachträge fordern. Viele Aufträge werden dadurch häufig viel zu spät oder mit schlechter Qualität ausgeliefert.
5.3
Knabbern
Knabbern ist eine akzeptierte Geschäftspraktik in fast allen Kulturkreisen weltweit. Der Einkäufer sollte beim Knabbern versuchen, zusätzlich zu einem Geschäftsabschluss noch kleine Zubehörteile, Zusatzleistungen oder Ergänzungen kostenlos zu bekommen. Einkäufer knabbern an Verkäufern und Verkäufer an Einkäufern. Beide sollten wissen, wie und warum diese Taktik funktioniert. Sie funktioniert, weil die meisten Menschen ungeduldig sind. Sie möchten mit einer Verhandlung zum Abschluss kommen, und sie möchten gut miteinander auskommen. Sie möchten zeigen, wie fair sie sind, und sie möchten gute Beziehungen für die Zukunft aufbauen. Man ist bereit, zum Erreichen dieser Ziele Zugeständnisse zu machen. Funktionsweise des Knabberns: Alle Verhandlungsteilnehmer sind entschlossen, den Abschluss zu tätigen. Fast alle Arbeiten sind getan. Warum alles zunichte machen? Der Gegenstand (d. h. Ziel des Knabberns) ist im Verhältnis zum gesamten Geschäft von untergeordneter Bedeutung. Die langfristige Geschäftsbeziehung wird vielleicht durch eine kleine Zugabe verstärkt. Die Zugabe kostet den Verkäufer nur den Einkaufspreis und nicht den Verkaufspreis.
204
5.4
Verhandlungen
Eskalation
Die Eskalation des Preises oder der Forderungen ist eine bewährte Taktik. Einige Arten der Eskalation sind unethisch, andere wiederum nicht. Hierbei ist es wichtig, dass der Einkäufer die Taktik versteht und lernt, wie man sich ihrer bedient bzw. sich dagegen verteidigen kann. In einer Verhandlung weiß keine Partei, wie weit sie gehen kann. Eines ist aber sicher: Je länger sich die Verhandlungen hinziehen, desto besser wird das Ergebnis in der Regel für eine von beiden ausfallen. Mit einer Eskalation deutet man dem anderen an, dass er nicht weiter gehen kann. Wer dem anderen ob als Käufer oder Verkäufer seine Entschlossenheit zeigen und signalisieren will, nicht mehr weiter zu gehen, hat die Eskalations-Taktik als ethische Alternative. Diese Botschaft kommt bei dem Partner eindeutig an. Die unethische Eskalation. Die Eskalation in der unethischen Form funktioniert so: Verkäufer und Käufer einigen sich auf einen Preis machen jedoch keinen finalen schriftlichen Vertrag. Am kommenden Tag erhöht der Verkäufer seinen Preis. Der Käufer ist wütend, tritt aber wieder in Verhandlungen ein. Sie kommen schließlich zu einem Kompromiss, wobei der neue Preis höher liegt als der ursprünglich ausgehandelte. Diese Taktik kann und wird häufig sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer angewendet.
Ob erfolgreich oder nicht, dies ist ein schlechtes Geschäftsgebaren!
Aber warum funktioniert es? Die Entscheidung, eine unethische Eskalation zu akzeptieren, fällt nicht leicht. Sobald die Entscheidung aber gefallen ist, findet man Gründe, sich selbst davon zu überzeugen, dass die Entscheidung richtig war. Sie haben verhandelt, haben sich schließlich entschlossen, haben sich selbst bewiesen, dass die Entscheidung vernünftig ist und sollen dann das Ganze noch einmal von vorne aufrollen. Wenn man während des Entscheidungsprozesses auch noch andere in der Organisation informiert hat, dass das Geschäft vernünftig sei, wird es noch schwieriger, sich einer Eskalation zu widersetzen. Der Unterschied zwischen dem, was man zu erhalten glaubte, und dem, was man wirklich erklärt, wird dann verhältnismäßig unwichtig. Wendet ein Verkäufer diese Taktik an, so ist er darauf hinzuweisen, dass dies nicht akzeptiert wird. Anschließend ist sofort mit dem zweitbesten Lieferanten die Verhandlung wieder aufzunehmen. Die Eskalation durch ein zweifelhaftes Angebot. Diese Art der Eskalation kann in manchen Fällen unethisch sein, in einigen Fällen aber auch nicht. Mit dieser Art der Eskalation kann der Verkäufer auf jeden Fall beweisen, dass der ursprünglich vorgeschlagene Preis fair ist. Am besten lässt sich dies an einem Beispiel erklären.
Verhandlungen
205
Beispiel Ein Einkäufer erhält ein Angebot für 500.000 Euro. Nach der Analyse des Angebotes waren alle auf der Käuferseite davon überzeugt, dass das gesamte Projekt für 440.000 Euro durchgeführt werden könnte. Etwa einen Monat später beginnen die Verhandlungen (nach der Bindungsfrist). Sie fangen mit Schwierigkeiten an. Der Verkäufer teilt mit, dass er sich mit seinem Angebot vertan habe und dass der wirkliche Preis nun 600.000 Euro lauten muss. Für den Käufer ist es nicht nachvollziehbar, ob ein Fehler im Angebot vorlag oder auch nicht. Durch die Reduzierung des Erwartungsspielraumes ist es jedoch für den Käufer ein Erfolg, als der Vertrag für 500.000 Euro unterschrieben wird. Eine solche Eskalation wird von manchen Verkäufern eingesetzt, um einen Käufer davon zu überzeugen, dass sehr knapp kalkuliert wurde. Auf diese Weise wird die Beweisführung leichter.
Die ethische Eskalation. Ein Geschäftsabschluss ist nicht komplett, wenn nicht über alle Punkte entschieden wurde und ein gemeinsames Verständnis auf der Verkäufer- und Käuferseite herrscht. Falls es fünf Verhandlungspunkte gibt und nur eine Übereinkunft bei zwei Punkten, ist es zulässig, die Verhandlung für alle fünf Punkte wiederzueröffnen. Es kommt vor, dass ein Fehler in einer Verhandlung gemacht wird, der schnell bemerkt wird. Hier ist es auf jeden Fall richtig, die Verhandlung wieder aufzurollen, denn es ist vollkommen falsch, einen Fehler unbehandelt zu lassen. Gegenmaßnahmen zu einer Eskalation. Mit folgenden Maßnahmen kann einer Eskalation begegnet werden: Den Bluff des anderen beim Namen nennen. Vielleicht ist er genauso wenig bereit wie Sie, von vorne zu beginnen. Dafür sorgen, dass möglichst viele den Vertrag unterzeichnen. Je mehr Unterschriften unter dem Vertrag stehen, desto schwieriger ist es, die Eskalation einzuleiten. Gegeneskalation: eigenes Angebot oder eigene Forderung erhöhen. Sich zur Beratung mit seinem eigenen Team zurückziehen. Den anderen vor Vertragsunterzeichnung fragen, welche Garantien es gegen Eskalation gibt. Es werden vielleicht gute Sicherheiten geboten, wenn nur danach gefragt wird. Ernsthaft überlegen, ob das Geschäft nicht ganz abzulehnen ist.
5.5
Zeit-Taktiken
Ein weiterer Themenkomplex der Verhandlungstaktiken sind die Zeittaktiken. Eine besondere Bedeutung kommt diesen Taktiken zu, wenn verschiedene Kulturkreise an der Verhandlung teilnehmen, da das individuelle Zeitverständnis je nach Kultur sehr verschieden ist.
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Verhandlungen
5.5.1
Geduld
Anderen Zeit lassen ist so einfach, dass man es vergisst. Jeder braucht Zeit, bis er etwas Neues oder Anderes akzeptiert. Die meisten Verhandlungsführer sind aber ungeduldig und wollen Verhandlungen schnell zu Ende bringen. Geduld ist die wirksamste Taktik bei Verhandlungen, wirksamer noch als ein Stillstand oder Drohungen. Was erreicht man alles als geduldiger Verhandlungsteilnehmer?
Geduld führt zu neuen Zugeständnissen. Geduld separiert Wünsche von Wirklichkeit. Ziele des Gegenübers werden im Laufe der Verhandlungen umdefiniert. Die Verhandlung wird teuer und das Risiko wird größer. Dritte können als Vermittler eingeschaltet werden. Testet die Entschlossenheit des Gegenübers und verstärkt die eigene Entschlossenheit. Erwartungsspielraum des anderen wird meist nach unten verändert. Gibt Zeit, das zu akzeptieren, was zu Beginn der Verhandlungen nie akzeptiert würde. Geduld ermüdet und hält von anderer Arbeit ab. Durch Geduld erhält man neue Informationen.
Diese Vorteile sind so prägnant, dass sich Geduld zu einem bestimmten Grad immer in Verhandlungen auszahlt. Geduld ist eine der stärksten Taktiken in einer Verhandlung. Gegenmaßnahmen. Die folgenden Gegenmaßnahmen können verwendet werden:
Verstehen, dass es für den anderen schwieriger ist als für mich. Einen Stichtag setzen. Entspannen und es sich selbst gemütlich machen. Vorbereitung der eigenen Organisation auf einen langen Prozess. Durch Eskalation die Kosten und das Risiko erhöhen. Überlegen, ob man die Verhandlung verlässt.
5.5.2
Schnelle Geschäfte
Es gibt nichts Gefährlicheres in einer Verhandlung als ein schnelles Geschäft. Einige schnelle Geschäfte sind notwendig, denn es gibt Umstände, die sofortige Entscheidungen erfordern. Grundsätzlich ist es jedoch so, je länger über eine Sache nachgedacht wird, desto besser wird das Ergebnis. Falls man selbst gut vorbereitet ist und der andere nicht, kann ein schnelles Geschäft Vorteile bringen. Bei schlechter eigener Vorbereitung sind schnelle Geschäfte nie zu empfehlen. Die Hauptgefahren bei schnellen Geschäften sind: Es ist keine Zeit vorhanden, um sich den Gesamtüberblick zu verschaffen. Ein besserer Abschluss für beide Partner kann nicht entwickelt werden.
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Es besteht die Tendenz zu reden, bevor man alles überdacht hat. Teile des Abschlusses werden durch Zufall ausgelassen bzw. nicht besprochen. Rechenfehler schleichen sich ein. Die interne Koordination innerhalb der eigenen Organisation ist beschränkt, da nicht immer die Zeit vorhanden ist, alle miteinzubinden. Beweise können nicht geführt werden.
Was, wenn das Telefon klingelt? Telefonverhandlungen muss immer mit Vorsicht begegnet werden. Sie sind das Idealbild von schnellen Geschäften. Obwohl viele Telefonverhandlungen notwendig sind, gibt es Probleme und Gefahren, die man verstehen muss. Telefonverhandlungen können aber in folgenden Situationen sehr hilfreich sein: Es fällt leichter, „Nein“ zu sagen. Man kann Statusunterschiede verringern. Man kann Härte oder Macht demonstrieren.
5.5.3
Bedenkzeit
Die folgenden Ratschläge können in einer Verhandlung oder bei einer Entscheidung genügend Zeit zum Nachdenken eröffnen: Unterbrechen Sie die Sitzung regelmäßig (um sich zu entspannen). Entwickeln Sie Regeln in Ihrem Verhandlungsteam, wie Fragen aufgezeichnet werden. Sind nicht immer alle Hintergrunddaten griffbereit, so sollte die Verhandlung unterbrochen werden (um die Unterlagen zu suchen). Tauschen Sie Verhandlungsteilnehmer im Team aus. Seien Sie hungrig oder durstig oder gehen Sie zur Toilette. Sorgen Sie dafür, dass der Partner seine Position darlegt, bevor Sie die Verhandlung unterbrechen. Das Konzept „dem anderen die Zeit zum Akzeptieren zu lassen“ ist von zentraler Bedeutung bei Verhandlungen. Verhandlungen scheitern häufig, weil Menschen erwarten, dass ihre großartigen Ideen auch sofort als solche erkannt werden. Aber dem ist nicht so. Die Zeit, die der andere braucht, etwas zu akzeptieren, ist ein Teil des Geschäftes. Deswegen ist bei der Zeitplanung zu berücksichtigen, dass der andere Zeit benötigt, etwas zu akzeptieren und dass nicht immer alles glatt über die Bühne geht.
5.5.4
Stichtag (Deadline)
Ein Stichtag ist wie eine Zeitlinie, die Menschen dazu zwingt, eine Entscheidung zu treffen. Falls man sich dazu entscheidet, den Stichtag anzuerkennen, wird das Geschäft bis zu diesem Zeitpunkt getätigt sein. Falls man den Stichtag jedoch nicht akzeptiert, sind die Konsequen-
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zen unvorhersehbar. Man kann nie sicher sein, dass ein Zeitlimit bei Verhandlungen wirklich existiert. Man kann nur mit Sicherheit sagen, welche Kosten anfallen, wenn der Stichtag überschritten wird. Die Erfahrung zeigt, dass einige Stichtage wirklich das Ende sind, andere wiederum nicht. Einige Überschreitungen sind sehr kostenintensiv, andere belanglos. Akzeptiert man einen Stichtag, so gibt er grundsätzlich Planungssicherheit. Es gibt drei Fragen, die man sich vor jeder Verhandlung stellen sollte. Sie helfen, der Falle von zeitlichen Beschränkungen zu entgehen. Was sind die Stichtage, mit denen der Verhandlungspartner leben muss? Was passiert, wenn diese Stichtage überschritten werden? Welche Stichtage hat die eigene Organisation? Es ist nur menschlich, mit einer Entscheidung bis zur letzten Minute zu warten. Dies gilt besonderes bei schwierigen Entscheidungen. Ob nun ein Stichtag zutrifft oder nicht, sollte man genau hinterfragen. Je mehr man über den anderen weiß, wie zum Beispiel Organisationsaufbau, Lagerbestände, Produktionszeitplan und Cashflow, desto besser kann man abschätzen, ob der Stichtag wirklich vorhanden ist oder nicht.
5.5.5
Toter Punkt (Deadlock)
Es sind nur wenige Verhandlungstaktiken so schwer zu handhaben wie der Verhandlungsstillstand. Die Macht des Stillstandes (Deadlock) liegt darin, wie er auf beide Verhandlungspartner wirkt: Ein Verhandlungsstillstand ist ein Test für die Stärke und Entschlossenheit. Beide Parteien sind nach einem Stillstand bestrebt, mehr Zugeständnisse zu machen. Ein Verhandlungsstillstand sendet das Signal zu beiden Organisationen, dass ihre Wünsche nicht mit der Realität übereinstimmen. Durch einen Stillstand werden die Erwartungen beider Parteien reduziert. Ein Verhandlungsstillstand gefährdet die Zeit- und Finanzpläne der Organisation. Stillstand treibt die Kosten und das Risiko in die Höhe. Vielleicht wichtiger als diese Aspekte sind die persönlichen Risiken des Verhandlungsleiters, der einen Stillstand herbeiführt:
Kritik durch seine ganze Organisation. Mehr Arbeit. Ein Gefühl des Versagens oder pure Frustration. Möglichkeit, dass Freundschaften auseinander brechen. Möglichkeit, dass sich persönliche Abneigungen entwickeln. Möglicher Verlust des Selbstwertgefühls. Infragestellen der Erfahrung als Einkäufer.
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Wenn man sich die Probleme vorstellt, die mit einem Verhandlungsstillstand verbunden sind, dann kann man verstehen, warum die meisten Menschen einen Stillstand fürchten. Je größer und bürokratischer die Organisation, desto mehr wird ein Stillstand gefürchtet. Jedoch liegen hierin gerade die Chancen. Eine Organisation, die einen Verhandlungsstillstand realistisch in Kauf nimmt, vergrößert ihre Macht mit der Möglichkeit, auf ein verlorenes Geschäft eingerichtet zu sein. In der Verhandlungsplanung sollte berücksichtigt werden, ob es zu einem Stillstand kommen darf/soll oder nicht. Diese Entscheidung muss von der Organisation bzw. den Entscheidungsträgern mitgetragen werden. Es ist wichtig, über Verhandlungsstillstände zu wissen, dass es in den meisten Fällen möglich ist, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Beide Verhandlungsleiter und ihre Organisationen sind umso eher zu einer Wiederaufnahme der Gespräche bereit, wenn sie schon sehr viel Arbeit investiert haben. Lösungswege. Zu viele Verhandlungen müssen aus falschen Gründen abgebrochen werden. Ein toter Punkt als solcher ist nichts Gravierendes. Ein Verkäufer hat durchaus das Recht zu sagen, dass er lieber gar nicht verkauft als zu einem zu niedrigen Preis. Der Einkäufer lässt die Verhandlungen vielleicht absichtlich in eine Sackgasse laufen, um sein Ziel leichter erreichen zu können. Wichtig ist hier zu sehen, wie man einen ungewollten toten Punkt überwindet. Die folgenden Punkte sind von Nutzen, wenn ein toter Punkt abgewendet oder überwunden werden soll: Verhandlungsleiter oder Teammitglied auswechseln oder einen gemeinsamen Untersuchungsausschuss einsetzen. Schwierige Bereiche ausklammern und Neuverhandlung dieser Bereiche, wenn mehr Informationen vorliegen. Vorschlagen, das Risiko zu teilen. Die Bereitschaft, unbekannte Verluste oder Gewinne zu teilen, kann eine festgefahrene Verhandlung wieder ingang bringen. Zeitplan für die Leistungen ändern, Vermittler bestellen, Art des Vertrags ändern. Form der zukünftigen Zufriedenheit ändern, indem man sich auf ein Verfahren einigt, wie mit Beschwerden oder Garantien umgegangen werden soll. Schwerpunkt der Verhandlungen verlagern. Weg vom Konkurrenzkampf hin zu kooperativer Problemlösung. Verhandlung von Techniker zu Techniker, Produktionsmitarbeiter zu Produktionsmitarbeiter, Chef zu Chef. Bei Leistungen oder Geldbeträgen, die in Prozent von einer Grundsumme berechnet werden, kann die Variation der Prozentzahl oder der Grundsumme Wunder bewirken. Gipfeltreffen arrangieren oder über den „heißen Draht“ telefonieren. Tatsächliche oder scheinbare Optionen hinzufügen. Mit Optionen, die wahrscheinlich nicht zum Tragen kommen, kann man einen ansonsten fragwürdigen Abschluss schmackhaft machen. Spezifikationen oder Bedingungen ändern. Andere Zahlungsweise anbieten. Größere Vorauszahlung, kürzeres Zahlungsziel usw. selbst wenn die Gesamtsumme unverändert bleibt. Eine lustige Geschichte erzählen oder Pause zum Mittagessen machen. Solche Taktiken zur Überwindung des toten Punktes funktionieren, weil der Gegner wieder mit seinem Team oder seiner Organisation verhandeln muss. Das Eis wird gebrochen
210
Verhandlungen
und es entsteht eine Atmosphäre, in der Alternativen entwickelt werden können. Erstaunlicherweise sehen alte Vorschläge nach der Einbringung neuer Alternativen oft besser aus als vorher.
5.6
Autoritäts-Taktiken
Dieser Abschnitt steht in Zusammenhang mit Vollmachten und Befugnissen. Wenn diese in Verhandlungen richtig eingesetzt werden, kann man dadurch Wettbewerbsvorteile schaffen. Das Spiel mit Verhandlungsvollmachten wird unter dem Begriff Autoritätstaktiken zusammengefasst.
5.6.1
Wählen einer höheren Autoritätsebene
Ein Einkäufer hat mit einem Lieferanten verhandelt. Vor Vertragsunterschrift legt er den Entwurf seinem Vorgesetzten vor. Dieser stimmt aber nur zu, wenn der Verkaufspreis reduziert oder eine andere Bedingung in den Vertrag noch aufgenommen wird, die von Vorteil ist. Durch den Einsatz dieser höheren Autoritätsebene gelingt es häufig, den Lieferanten zu einem Zugeständnis gegenüber dem eigenen Unternehmen zu bewegen. Durch das Erhöhen der Autoritätsebene können folgende Punkte erreicht werden:
Reduzierung der Erwartungen des anderen. Bringt die Argumente des anderen vorher zum Vorschein. Erzeugt Meinungsverschiedenheit in der anderen Organisation. Verleitet die andere Person dazu, ihre Bedürfnisse vorschnell offen zu legen. Ermüdet den anderen vor der eigentlichen Verhandlung. Vernichtet die Zeit des anderen.
Wendet ein Lieferant die Taktik der höheren Autoritätsebene an, kann ein Einkäufer ihm mit folgenden Maßnahmen entgegentreten: Beantwortung der Eskalation durch eine Gegeneskalation. Einbringung der gleichen Autoritätsebene, zum Beispiel Einkaufsleiter oder Geschäftsführer. Sich darauf vorbereiten, den Verhandlungstisch zu verlassen. Direkt an die Firmenspitze des Verhandlungspartners gehen. Vorsichtig sein, d. h. Hoffungen der eigenen Organisation nicht zu früh zu wecken. Eigene Organisation darüber informieren, dass eine höhere Autorität eingesetzt wird, um die Vorstellung zu zerschlagen. Nicht die gleichen Argumente auf jeder Ebene wiederholen. Sich zurücklehnen und abwarten.
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211
Der Einsatz dieser Taktik ist jedoch nur in begrenztem Umfang maßvoll einzusetzen, denn fast jeder Lieferant gewährt einen Chef-Rabatt. Wird diese Taktik allzu häufig eingesetzt, so bekommt der Einkäufer jedoch nie den besten Preis; weiterhin schwächt diese Taktik das Selbstbewusstsein des Einkäufers.
5.6.2
Begrenzte Autorität
Die begrenzte Autorität ist eine gute Position, von der aus man eine Verhandlung beginnen kann. Viele Einkäufer empfinden dies als einen Einschnitt in ihre Kompetenzen oder als Erniedrigung. Richtig eingesetzt und von allen richtig verstanden ist diese Taktik aber sehr wirkungsvoll. Sie bietet folgende Möglichkeiten:
Ohne Gesichtsverlust „Nein“ sagen. Aufwertung der eigenen Position. Überprüfung des Sachverhalts von Experten. Überprüfung von Beweisen. Korrektur von Fehlern. Prüfung des Vertragsentwurfs. Einbringung neuer Fragen.
Begrenzte Vollmachten können sich auch zum eigenen Vorteil auswirken. Es gibt eine Vielzahl von Autoritätsgrenzen:
Einkäufe nur bis zu einer bestimmten Höhe. Bestellung muss gegengezeichnet werden. Direktorengenehmigung ist erforderlich. Begrenztes Budget. Plan-Kosten begrenzt. Maximum-Minimum-Preisgrenze.
Grenzen durch Lieferungs- und Zahlungsbedingungen
Kreditsumme und/oder Kreditlaufzeit begrenzt. Vorauszahlungshöhe begrenzt. Tabellen für Mengenrabatt. Produkthaftung begrenzt. Großhandels- und Barzahlungsrabatte sind begrenzt.
Grenzen durch Verfahrensrichtlinien und Unternehmenspolitik
Art des Vertrags. Gemeinkostensätze. Verfahren zur Genehmigung von Änderungen. Vertriebsregeln, dass Kostenaufschlüsselung nicht zulässig ist. Interne Verrechnung. Abwicklung von Zahlungen und Rechnungslegung.
Geldgrenzen
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Nachweis von Arbeits- und Zahlungsweisen. Kündigungen Honorarforderungen für Einweisung durch Fachkräfte.
Juristische Grenzen und Versicherungsgrenzen
Standardbedingungen des Unternehmens. Behördliche Genehmigung erforderlich. Notwendiger Mindestversicherungsschutz. Behördliche Auflagen. Haftungsgrenzen. Haftung gegenüber Dritten. Zollverschlussvorschriften. Gesetze gegen unlauteren Wettbewerb.
Technische Grenzen
Grenze bei Änderung der Spezifikation. Änderung des Gesamtauftragsvolumens. Begrenzte Haltbarkeit. Aufdeckung von Produktionsgeheimnissen.
Nützliche Grenzen durch den Einsatz von Ausschüssen
Einkaufs-, Normen-, und Finanzausschuss. Ausschuss für technische Bewertung. Materialüberprüfungsgruppe. Ausschuss „Make or Buy“. Verhandlungsausschuss.
Sonstige nützliche Grenzen
Preiserhöhungsmöglichkeiten begrenzt. Schadensersatzforderungen begrenzt. Gutschriftengrenzen für fehlerhafte Teile, zu viel gelieferte Ware, verspätete Lieferung. Zeitgrenzen aller Art. Grenzen in Bezug auf Produktionspläne.
Abbildung 67: Arten von nützlichen Autoritätsgrenzen
5.6.3
Keine Autorität
Auch ein Einkäufer, der keine Verhandlungsvollmachten hat, kann eine Verhandlung effektiv führen. Eine Person ohne Autorität wird definiert als jemand, der keine Zugeständnisse in Verhandlungen machen darf. Mit dieser Art der Definition hat eine Person ohne Verhandlungsautorität jedoch andere Autoritäten. Aus diesem Grund kann eine solche Person viele Informationen über den Verhandlungspartner sammeln: Erkundung des Standpunkts des Verhandlungspartners. Teilnahme an einer Win-win-Verhandlung. Unterstützung bei der Erarbeitung eines Abschlusses.
Verhandlungen
213
Unterstützung der Organisationsmitglieder als Spezialist. Persönliche Kontakte zu Verhandlungspartnern. Es ist gut zu wissen, dass der Einkäufer ohne Autorität alles außer Zugeständnissen machen kann. Die Autorität besteht in allen anderen Verhandlungsarten darin, mit der anderen Organisation umzugehen. Sie ist in der Lage, Informationen zu sammeln, und kann bestenfalls auch schon ein paar Zugeständnisse des anderen erhalten.
5.6.4
Gefahren der vollen Autorität
Schon vor langer Zeit wurde der Rat erteilt, dass Staatsoberhäupter besser über Unterhändler verhandeln sollten als von Angesicht zu Angesicht. Dieser Rat hat seine guten Gründe und gilt im gleichen Maße für Firmenleiter, seien es nun Vorstandsvorsitzende oder Geschäftsführer. Gefahren der vollen Autorität: Sich gegenübersitzende Firmenleiter haben nie die gleiche Autorität, außer dass sie bindend für ihre Organisation sprechen. Sie unterscheiden sich in ihren körperlichen Eigenschaften (Gesundheit, Stimmung usw.) und in ihrem Durchhaltevermögen. Sie sind vielleicht nicht gleich gut vorbereitet, sie spielen ihre Rolle vielleicht nicht beide gleich gut und einer fühlt sich vielleicht sicherer als der andere. Einer ist beschäftigter, überarbeiteter, verschuldeter oder reicher als der andere. Sie sind aus verschiedenen Statusgruppen (einer hat studiert und der andere nicht). Einer ist persönlich mehr betroffen als der andere. Einer kann ein junger, aufstrebender Chef sein, der bereit ist, ein hohes Risiko einzugehen, während der andere kurz vor der Rente steht. Einer hat hervorragende Unterstützung durch seine eigene Organisation, der andere nicht. Dies bedeutet auch, dass finale Verhandlungen nicht so schnell nach oben delegiert werden dürfen, wenn es Probleme gibt, denn dies ist gefährlich, da alle Vereinbarungen verpflichtend geschlossen werden. Die Aussage „volle Autorität“ bedeutet eigentlich nur, dass die Organisation bindend zu der Entscheidung verpflichtet ist. „Volle Autorität“ bedeutet nicht eine Ausgeglichenheit auf den anderen Gebieten. Chefs mit der vollen Autorität tun besser daran, ihre Mitarbeiter mit Autoritätsbeschränkungen verhandeln zu lassen. Auswege aus der vollen Autorität. Ein Verhandlungsführer mit „voller Autorität“, braucht manchmal einen Ausweg in einer Verhandlung, wenn er kein Zugeständnis machen will oder sollte. Einige der folgenden Beispiele können dazu genutzt werden: Unbekannter Produktionsablauf. Besprechung mit Aufsichtsrat.
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Gesetzliche Unsicherheit. Abhängigkeit von einem anderen Abschluss. Abstimmung mit Geschäftspartner. Einer der besten Wege ist jedoch immer ein Einfaches „Ich weiß es nicht“ oder „Ich brauche noch etwas Zeit, um darüber nachzudenken“. Das Problem bei der Sache ist jedoch, dass es schwieriger für eine Person aus der Firmenleitung ist, dies zu sagen, als für einen Mitarbeiter aus der unteren Hierarchieebene.
5.7
Guter Bulle – Böser Bulle (Lockvogel-Taktik)
Diese Taktik funktioniert in jeder Teamverhandlung. Ein Einkäufer spielt den Harten und Unerbittlichen. Er stellt hohe und unverschämte Forderungen. Neben ihm sitzt der freundliche Einkäufer, der fast nichts sagt. Nach einer Weile ist der Böse still und der Gute übernimmt das Gespräch. Er stellt seine Forderungen. Im Vergleich zu den Forderungen des Bösen erscheinen sie vernünftig. Für den Verkäufer ist es eine Freude, nach dem unverschämten Einkäufer mit einem solch vernünftigen Einkäufer verhandeln zu dürfen. Der Lieferant wird meistens denken, dass es hätte schlimmer kommen können. Die Bösewichte müssen dabei nicht immer real existieren. Es kann sich um Personen oder Nichtpersonen handeln. Controller, Juristen, Buchhalter oder auch Vorgesetzte können gute Bösewichte sein. Sie sind sehr glaubwürdig. Ausschüsse, gesetzgebende Körperschaften und Banken übernehmen oft die Rolle als Verfolger des harten Kurses. Nichtpersonen sind Firmenpolitik, Standardbedingungen, Kreditregelungen und alle möglichen Arten von Vorschriften. Wer mit einem Bösewicht zu tun hat, kann eine Reihe guter Gegenmaßnahmen ergreifen: Den Bösen reden lassen. Oft sind es die eigenen Leute, die als Erste genug von ihm haben. An höherer Stelle protestieren. Verhandlungen abbrechen (Deadlock). Den anderen in der Öffentlichkeit blamieren. Selbst einen Bösen einsetzen. Schon vor der Verhandlung voraussagen, dass der Böse bald seine Rolle spielen wird. Damit kann man ihn wahrscheinlich neutralisieren. Sich zu einer Beratung mit dem eigenen Verhandlungsteam zurückziehen. Am besten kann man sich schützen, wenn man erkennt, dass der Böse mit dem Guten an einem Strang zieht. Sie wollen beide gemeinsam möglichst viel erreichen und zwar in verschiedenen Rollen.
Verhandlungen
6.
215
Beschaffungskompetenzen
Abbildung 68 zeigt die Beschaffungskompetenzen für Verhandlungen, wieder in den drei Ausprägungen für einen Kenner, Könner und einen Experten. Diese Kompetenzen heben auf die Bedürfnisse des Einkaufes ab, eine lehrreiche Lektüre sind die Bücher, die für Vertriebsmitarbeiter geschrieben sind.
VERHANDLUNGSFÜHRUNG
Abbildung 68: Beschaffungskompetenzen: Verhandlung Bewiesene Fähigkeiten: Hat verschiedene erfolgreiche multifunktionelle Verhandlungen mit Lieferanten geführt. Hat darüber hinaus auch erfolgreiche Verhandlungen in verschiedenen Kulturkreisen geführt.
Bewiesene Fähigkeiten:
Sollte in mindestens zwei Verhandlungen ein erfolgreiches Resultat, wie durch die geschäftlichen Anforderungen sowie die entsprechenden festgelegten Ziele definiert, erzielt haben.
Entwickelt die Verhandlungsführung im eigenen Unternehmen entscheidend weiter und kennt viele Methoden in Theorie und Praxis. Erstellt entsprechende Schulungen zur Verhandlungsführung und vermittelt pro-aktiv sein Wissen an Kollegen aus dem Einkauf und anderen Fachabteilungen.
Bewiesene Fähigkeiten:
EXPERTE Sein Beitrag und seine Ansicht sind auf breiter Ebene bei einer Vielzahl an Verhandlungssituationen gefragt, einschließlich solcher, die in keinerlei Zusammenhang mit der Einkaufsabteilung stehen. Erzielt ständig positive Ergebnisse und Wettbewerbsvorteile in Situationen, die schwierige oder komplexe Verhandlungen mit sich bringen. Entwickelt aktiv persönliche Fähigkeiten durch interne/externe Ressourcen und trägt zur Verfeinerung der Verfahren bei. Ist in der Lage, durch andere zu verhandeln, um regelmäßig Ergebnisse zu erzielen.
KÖNNER Leitet Verhandlungsteams. Ist in der Lage, interne Verhandlung zu führen, um das Team in Einklang zu bringen. Wendet die Fähigkeit wiederholt mit voller Kompetenz an und erfüllt oder übertrifft immer die geschäftlichen Anforderungen. Erkennt und versteht sich als Bindeglied zwischen der Beziehung zu einem Lieferanten und den Verhandlungsarten. Passt Verhandlungsstil und -taktik effektiv an, um im Rahmen der gewünschten Beziehung Ergebnisse zu erzielen. Bewertet regelmäßig die Verhandlungserfahrungen und -ergebnisse (eigene und andere) als Quelle für Ideen zur künftigen Verbesserung von Ansätzen, Strategien und Taktiken. Teilt die Ergebnisse mit anderen. Wendet die Fähigkeit in Situationen zunehmender Vielschichtigkeit an. Ist in der Lage zu bestimmen, wie Verhandlungen in Übereinstimmung mit Anfragen oder anderen Beschaffungswerkzeugen einzusetzen sind.
KENNER
Trifft kluge Entscheidungen, wann Verhandlungen als Beschaffungswerkzeug eingesetzt werden; berücksichtigt hierbei die gesamten Beschaffungspläne, -ziele und -bedürfnisse etc. Ermittelt die betroffenen Parteien, beteiligt und informiert diese angemessen über den ganzen Verlauf der Verhandlungen. Erkennt, wann ein Team-Ansatz zur Verhandlung notwendig ist, und setzt die Gruppe effektiv ein. Wendet die Phasen des Verhandlungsprozesses mit voller Kompetenz effektiv an. Entwickelt eine angemessene Verhandlungsstrategie, Taktik und Stil in Übereinstimmung mit den übergeordneten Beschaffungsstrategien und der Lieferantenbeziehung. Bereitet sich koordiniert und gut auf Verhandlungen vor, indem er diese plant. Arbeitet effektiv den Plan ab, bleibt gleichzeitig aber auch flexibel in seinen Reaktionen. Kommuniziert und dokumentiert Vereinbarungen, gegebenenfalls unter Beteiligung der betroffenen Partei. Sucht und wendet sachdienliche Erfahrungen aus früheren Verhandlungen mit Lieferanten, Material, Branchen, etc. wieder an.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Plant und führt Verhandlungen durch; hinzu kommt die Entwicklung von Verhandlungszielen, -strategien sowie -taktiken, um die notwendigen Geschäftsergebnisse mit den gewünschten Auswirkungen auf die Lieferantenbeziehungen zu erzielen.
216 Verhandlungen
Vertrag
217
Vertrag
1.
Grundlagen
Es ist erforderlich, dass Einkäufer mehr als die Grundzüge des Vertragsrechts beherrschen, um die getroffenen Vereinbarungen auch juristisch abzusichern. Um die rechtliche Absicherung zu vereinfachen, sollte jedes Unternehmen Vertragsvorlagen zur Verfügung stellen, die unter Einbeziehung der Rechtsabteilung einfach auf die speziellen Bedürfnisse angepasst werden können. Der Vertrag ist das Rechtsgeschäft, das am häufigsten in der Beschaffung vorkommt. Begrifflich besteht der Vertrag aus inhaltlich übereinstimmenden Willenserklärungen von mindestens zwei Personen mit rechtlichem Bindungswillen.
Vertrag
Schlüsselpersonen und Vertragsparteien
Exit-Strategie als Möglichkeit der Vertragsauflösung
Ziele (Projekte), Kaufgegenstand und Preis
Meilensteine, z. B. Lieferzeitpunkt und Bezahlung
Abbildung 69: Wesentliche Vertragselemente
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_13, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
218
Vertrag
Die zeitlich erste Willenserklärung bezeichnet man als Antrag oder Angebot, die spätere als Annahme. Der einmal geschlossene Vertrag bindet also die Vertragsparteien, so dass eine nachträgliche Änderung nur noch mit Zustimmung aller Beteiligten möglich ist. Beim Zustandekommen des Vertrags müssen sich die Parteien über die Vertragsbestandteile einigen. Der notwendige Vertragsinhalt bestimmt sich dabei nach den jeweiligen Vorschriften des Schuldrechts, des Sachenrechts oder des Gesellschaftsrechts. Die wesentlichen Elemente des Kaufvertrags sind, wie in Abbildung 69 dargestellt, der Kaufgegenstand, die Kaufvertragsparteien, der Kaufpreis und die Möglichkeiten der Vertragsauflösung. Grundsätzlich kann im Rahmen der Vertragsfreiheit alles vereinbart werden, solange es nicht gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt. In der Praxis werden Verträge aus diesem Grund oft mit weiteren Elementen ausgestaltet. Diese regeln weitere Details wie zum Beispiel den Zeitpunkt der Bezahlung, den Lieferzeitpunkt, den Erfüllungsort.
Vertragsarten Nach einer erfolgreichen Lieferantenauswahl und Verhandlung kommt es zum Vertragsabschluss. Gemäß dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) finden die folgenden Vertragsarten am häufigsten Anwendung: Kaufvertrag. §§ 433 ff. BGB in Verbindung mit §§ 373 ff. HGB. Schwerpunkt ist die Lieferung von Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffen sowie standardisierten Investitionsgütern. Werkvertrag. §§ 631 ff. BGB. Schwerpunkt ist die Herstellung von Investitionsgütern, wobei die Gestellung der Erzeugnisstoffe von beiden Vertragsparteien erfolgen kann. Werkliefervertrag. §§ 651 ff. BGB. Schwerpunkt ist die Herstellung bestimmter Gegenstände, wobei der Lieferant die Erzeugnisstoffe beschafft. Kauf-, Werk- und Werkliefervertrag haben gemeinsam, dass sie auf einen bestimmten Erfolg zielen, zum Beispiel auf die Lieferung und Übereignung einer Sache oder auf die Herstellung eines Gewerkes, d. h., ein Werk wird geschuldet. Hierdurch unterscheiden sich diese Verträge von Verträgen, bei denen nicht der Erfolg, sondern das Tätigwerden bestellt und bezahlt wird, d. h., lediglich das Bemühen wird geschuldet. Dazu gehören insbesondere Dienstverträge. Dienstvertrag. §§ 611 ff. BGB. Schwerpunkt ist die Erbringung einer Dienstleistung, die kein bestimmtes Erfolgskriterium hat. Ebenso wie die bereits genannten Vertragsarten gehört der Mietvertrag zu den besonderen Schuldverhältnissen, die im BGB angesprochen werden. Miet- und Leasingverträge fallen im weiteren Sinne unter die gleichen Regelungen. Mietvertrag. §§ 535 ff. BGB. Schwerpunkt ist die Miete einer bestimmten Sache, die der Erreichung eines Erfolgs dient.
Vertrag
219
Im strategischen Einkauf werden fast ausschließlich Kaufverträge auf Grundlage des § 433 BGB in Verbindung mit §§ 373 ff. HGB geschlossen. Aus diesem Grund wird im Folgenden ausschließlich diese Vertragsart mit ihren Besonderheiten für den Einkauf genauer behandelt.
2.
Kaufvertrag
Der Kauf ist im täglichen Leben und auch in der Beschaffungspraxis das am häufigsten vorkommende Umsatzgeschäft. Durch einen Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Er hat dabei die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übertragen. Der Käufer ist umgekehrt verpflichtet, dem Käufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
Vorstufen des Vertrags Verträge kommen in der Praxis oft nicht sofort zu Stande. Nach dem Stadium der Vorverhandlungen kommt es in vielen Fällen zu einem Vorvertrag, um den Abschluss des Hauptvertrags sicherzustellen. Vor Abschluss eine Vertrags oder Vorvertrags finden in aller Regel Verhandlungen statt. Dieser geschäftliche Kontakt ist für die Beteiligten noch nicht rechtlich bindend, da noch keine Einigung über die wesentlichen Vertragspunkte vorliegt. Während dieser Vertragsverhandlungen bestehen damit noch keine Vertragsverpflichtungen, wohl aber beiderseitige Schutzpflichten aus einem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis, deren schuldhafte Verletzung zu einem Schadensersatzanspruch führen kann. Dieses Vertrauensverhältnis verpflichtet beide Seiten, dem Geschäftspartner wesentliche Punkte mitzuteilen, ob nun ein Vertrag zu Stande kommt oder nicht. Der Vorvertrag (LOI: Letter of Intend) ist eine schuldrechtliche Vereinbarung, durch die die einklagbare Verpflichtung zum späteren Abschluss eines Hauptvertrags begründet wird. Gerade wenn dem Abschluss des Hauptvertrags rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, bietet sich der Abschluss eines Vorvertrags an. Ein Vorvertrag kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn die Vertragsauslegung: Einen beiderseitigen Bindungswillen erkennen lässt. Der Inhalt des Hauptvertrags schon bestimmbar ist.
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Vertrag
Die Einigung muss sich also nicht auf alle Einzelheiten des Geschäfts erstrecken. Jedoch müssen sich zum Beispiel bei einem Kaufvorvertrag zumindest der Kaufgegenstand und der Preis ermitteln lassen. Kommt ein Vertrag, der auf einem „Letter of Intend“ basiert, nicht zustande, besteht die Möglichkeit des Schadensersatzes. Dieser bezieht sich dabei allerdings nicht auf den entstandenen Verlust, sondern nur auf die Kosten, die im Rahmen des „Letter of Intend“ entstanden sind.
Längerfristige Verträge (Rahmenvertrag) In Unternehmen werden häufig längerfristige Verträge mit dem Ziel abgeschlossen, sich Wettbewerbsvorteile auch in der Zukunft zu sichern. Ein so genannter Rahmenvertrag begründet eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung. Aus einem Rahmenvertrag resultiert die Verpflichtung zum Abschluss von Einzelverträgen zu den im Vertrag genannten Bedingungen. Er unterscheidet sich vom Vorvertrag dadurch, dass nach seinem Inhalt in der Regel keine Verpflichtung zum Abschluss eines bestimmten späteren Einzelvertrags begründet wird. Der Nichtabschluss eines Einzelvertrags kann aber eine Verletzung des Rahmenvertrags darstellen. Leistungsstörungen des Einzelvertrags werden nach den allgemeinen Regeln behandelt und berühren den Rahmenvertrag grundsätzlich nicht.
3.
Der Vertrag im Beschaffungsprozess
Entsprechend den Beschaffungsprinzipien und Richtlinien ist ein Vertrag ab einer bestimmten Wertgrenze vorgesehen. Dies sollte jedoch nicht als eine Bürde gesehen werden, sondern als die Chance, möglichst viele Punkte zum Ausbau des eigenen Wettbewerbsvorteils mit dem Lieferanten zu regeln.
3.1
Vorbereitungs- und Verhandlungsphase
Beachtung der eigenen Einkaufsbedingungen. In einer Verhandlung ist der potentielle Vertragspartner sehr früh darauf hinzuweisen, dass beabsichtigt wird, einen schriftlichen Vertrag abzuschließen. Es ist in diesem Falle sehr hilfreich, deutlich zu machen, dass die Benutzung der unternehmenseigenen Vertragsbedingungen erwartet wird. Um dem Ver-
Vertrag
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tragspartner genügend Zeit zu geben, sich mit den Vertragseinzelheiten auseinander zu setzen, kann ein vorbereiteter Vertragsvordruck ausgehändigt werden. Vorgehensweise bei unabwendbaren Vertragsänderungen. Grundsätzlich sollten immer die unternehmenseigenen Vertragsbedingungen verwendet werden. Manchmal ist es auf Grund der Lieferantenmacht jedoch nicht möglich, alle unternehmenseigenen Bedingungen durchzusetzen. Eine Abweichung von den unternehmenseigenen Vertragsbedingungen erfordert aber immer die Zustimmung der Rechtsabteilung sowie der Einkaufsleitung. Wird auf Änderungen bestanden, die der Verkäufer im Beschaffungsprozess für unablässig betrachtet, so ist zu prüfen, ob die Änderungen zu den eigenen Vertragsbedingungen hinzugefügt werden können. Genehmigte Änderungen des Vertragstextes sind auf einer Kopie farblich oder durch Unterstreichen hervorzuheben, dem Lieferanten zur weiteren Zustimmung auszuhändigen und in der eigenen Abteilung abzulegen. Besteht der Verkäufer jedoch auf seiner Vertragsform, so ist sorgfältig auf weitestgehende Übereinstimmung mit den eigenen Einkaufsbedingungen hinzuwirken. Bei Verträgen mit Monopollieferanten oder bei Spezialgeschäften ist man jedoch überwiegend auf Lieferantendokumente angewiesen, da die eigene Verhandlungsposition zu schwach ist. Abschluss der Verhandlungen. Sind die Verhandlungen abgeschlossen, muss der Vertrag ausgefertigt werden. Komplexe Verträge sollten dem Verkäufer als Vorabversion übersandt werden. Auf jeder Seite ist ein Block für eine Seiten-Paraffe vorzusehen. Alternativ kann durch fortlaufende Seitenzahlen inklusive Angabe der maximalen Seitenzahl sichergestellt werden, dass keine Seiten ausgetauscht werden können. Gefahr einer vorzeitigen Vertragszuteilung. Bei der Vertragszuteilung sollte der Käufer folgende Punkte beachten: Wenn ein Einkäufer oder ein anderer Mitarbeiter gegenüber einem Lieferanten äußert, dass ihm ein Vertrag zugeteilt werden wird, so hat der Käufer einen bindenden verbalen Vertrag geschlossen. Dies ist in jedem Fall zu vermeiden, da hierdurch für das eigene Unternehmen eine gefährliche Rechtssituation entstehen kann. Wenn der Käufer einen unsignierten Vertrag zu einem Lieferanten schickt, stellt das den Tatbestand eines Angebots dar. Akzeptiert der Lieferant den Vertrag durch Unterschrift, so ist das eigene Unternehmen vertragsgebunden, auch wenn dieser Vertrag nicht unterzeichnet wurde. Entwürfe sind somit unbedingt als solche zu kennzeichnen. Verträge sollten vor ihrem Versand auf Stimmigkeit und Rechtmäßigkeit geprüft werden. In einigen Fällen ist es nötig, an den Lieferanten einen ungezeichneten Vertrag zu verschicken. Dies ist möglich, ohne ein Angebot auszudrücken, wenn ein Schreiben hinzugefügt wird, aus dem eindeutig hervorgeht, dass es sich bei dem Vertrag um eine nicht autorisierte Vorabversion handelt.
222
3.2
Vertrag
Vertragsunterzeichnung
Vertragspartner. Das Vorgehen bei Vertragsunterzeichnung bzw. Vertragsabschluss: Der Vertrag wird im Namen der korrekten körperschaftlichen Rechtspersönlichkeit der Unternehmung abgeschlossen, dies ist besonders bei Konzernen mit Firmenverbund wichtig. Wichtig ist, dass eine unterschriftsberechtigte Person der Lieferantenfirma den Vertrag unterschreibt. Wenn im Namen des Lieferanten eine Unterschrift erscheint, die zuvor bei vergleichbaren Vereinbarungen nicht aufgetaucht ist, sollte sich der Käufer von der Rechtmäßigkeit der Unterschrift überzeugen. Im Zweifelsfall sollte der Käufer Nachforschungen über die Glaubwürdigkeit in der Lieferantenfirma unternehmen und die Kompetenz der Person prüfen. Nur der Einkäufer mit der notwendigen Kompetenz unterzeichnet für das eigene Unternehmen. Die Kompetenzzuordnung für den Abschluss von Verträgen und Bestellungen ist in der Unterschriftenregelung festgehalten. Bei bestimmten Verträgen hat es sich als praktikabel erwiesen, dass die Fachabteilung gegenzeichnet, um ihre Zustimmung zum Vertrag zu bekunden. Die eigentliche Unterschrift (gilt für beide Vertragsparteien) muss lesbar sein. Sollte dies nicht der Fall sein, so muss der Unterzeichner seinen Namen noch einmal handschriftlich wiedergeben. Vertragsausführungen. Der Original-Vertrag ist an den Lieferanten mit einem Begleitschreiben zu schicken, in dem um Datierung, Unterschrift und Rücksendung gebeten wird. Anschließend ist eine Kopie anzufertigen, die dem Lieferanten überreicht wird. Besteht der Verkäufer auf einer eigenen unterschriebenen Ausfertigung, so sind ihm zwei Verträge auszuhändigen, die beide unterschrieben an das eigene Unternehmen zurückgehen und dort gegengezeichnet werden. Die Lieferanten-Ausfertigung wird mit der Aufschrift „Kopie“ versehen. Das (einzige) „Original“ verbleibt im eigenen Unternehmen.
3.3
Aufbewahrung der Verträge
Es ist wichtig, die Anschreiben zusammen mit dem abgeschlossenen Original aufzubewahren. Aktive Verträge sind für die Dauer ihrer Laufzeit aufzubewahren. Abgelaufene Verträge sind wie Bestellungen zu archivieren. Es gelten die gleichen Aufbewahrungsfristen wie für Bestellungen.
Vertrag
3.4
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Zusammenspiel zwischen Bestellung und Vertrag
Ein Vertrag erfordert immer (einzelne) Bestellungen, um die Bezahlung der Rechnungen zu ermöglichen. Alle notwendigen Regelungen sind im Vertrag niederzulegen. Die Bestellung sollte lediglich auf dem üblichen Weg ergänzt werden und zum Beispiel auf die spezielle Bestellung zutreffende Zahlungsmodalitäten sowie konkrete Frachtzeiten definieren. Ein typischer Verweis auf den Vertrag in der Bestellung könnte lauten: „Die Bestimmungen des Vertrags Nummer (Nr.), geschlossen am (Datum) zwischen den Parteien, sind Bestandteil dieser Bestellung für die (entsprechende Leistung/-en). Spezifizierungen, Preise und mit der Leistung in Verbindung stehende Vereinbarungen sind dem oben genannten Vertrag zu entnehmen. Für die Rechnungsbegleichung dieser Bestellung wird auf die im Vertrag vereinbarten Bedingungen verwiesen, in Verbindung mit den beigefügten/nachfolgend definierten Zeitangaben sowie Zahlungsmodalitäten (Beschreibung: zum Beispiel einmal monatlich) für die jeweilige/-n Leistung/-en.“
4.
Vertragsbeispiel
Im Folgenden wird ein Mustervertrag vorgestellt und werden seine einzelnen Klauseln mit ihrer Bedeutung erläutert. Dieser Vertrag wird in der Hauptsache für Produktionsmaterialien angewendet, einzelne Klauseln können aber sicherlich auch für andere Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Es ist nicht Ziel dieses Buches, juristische Verträge für verschiedene Anwendungen vorzustellen, vielmehr ist es für den strategischen Einkäufer wichtig, die Bedeutung des Vertrags für die Verhandlung zu kennen und Vertragsdokumente in diesem Sinne richtig anzuwenden. Bei diesem Vorschlag ist zu beachten, dass es sich um die Maximalforderung handelt, mit dessen Hilfe eine Verhandlung ermöglicht werden kann.
LIEFERVERTRAG VERTRAGS Nr.: Produkt-Abkürzung, Monat, Jahr
0.
PRÄAMBEL Im Rahmen des gemeinsamen Projekts beabsichtigen beide Parteien, eine stärkere Kooperation miteinander einzugehen. Die Firma X beschäftigt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von XXX, die Firma Y beschäftigt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von YYY.
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Vertrag
Die Präambel bildet eine Einleitung und legt einen groben Rahmen der Beziehung sowie den Sinn und Zweck des Vertrags fest. 1.
KÄUFER Firma Y GmbH Beispielstraße 1 54321 Beispielort nachfolgend als „Käufer“ bezeichnet.
Bestimmt die rechtliche Körperschaft oder Einheit, die auf Seiten des Käufers für die Erfüllung des Vertrags zuständig ist. 2.
VERKÄUFER Firma X Musterstraße 7 12345 Musterhausen nachfolgend als „Verkäufer“ bezeichnet.
Bestimmt die rechtliche Körperschaft oder Einheit, die auf Seiten des Verkäufers für die Erfüllung des Vertrags zuständig ist. Es sind der volle Name und die vollständige und korrekte Anschrift anzuführen. Wenn nicht sichergestellt ist, dass der Verkäufer eine rechtsfähige Einheit ist, so ist auch ein Verweis auf die Muttergesellschaft erforderlich. Diese Punkte sind zum Beispiel für die Durchsetzung von Ansprüchen oder bei Liquiditätsproblemen des Vertragspartners entscheidend, um für das eigene Unternehmen rechtliche bzw. Wettbewerbsnachteile zu verhindern. 3.
MATERIAL XX t pro Jahr (nachfolgend als „XYZ“ bezeichnet) entsprechend der Spezifikation.
Bestimmung des Materials in Oberbegriffen, die unter diesen Vertrag fallen. Es ist der vollständige Name des Materials, einschließlich aller akzeptierten Handelsnamen oder ggf. der Markennamen des Verkäufers anzugeben. Diese Beschreibung dient lediglich als Referenz und wird durch die Qualitätsanforderungen aus der Spezifikation vervollständigt.
Vertrag
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4.
QUALITÄT
a)
Entsprechend der Spezifikationsnummer „ABC“, die schon dem Verkäufer übergeben und komplett akzeptiert wurde und als Anlage dem Vertrag beiliegt. Der Käufer ist nicht verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Menge abzunehmen oder Preisnachteile hinzunehmen, falls es zu Qualitätsproblemen, Service- oder Lieferproblemen des Verkäufers kommt.
b)
Im Falle, dass das Material nicht entsprechend der Spezifikation ist, stimmt der Verkäufer zu, dass der Käufer das Recht auf kostenlosen Ersatz für das defekte Material hat oder das Material anderswo erstehen kann, analog zu 5b.
Dient der Festlegung der erwarteten Qualität. Der Einkäufer sollte dafür Sorge tragen, dass alle Standards, Handbücher etc., auf die in diesem Abschnitt verwiesen wird, im Besitz des Verkäufers sind. Bei der Arbeit an Neuentwicklungen kann folgender Wortlaut verwendet werden: „Käufer und Verkäufer wissen, dass die Auswahl des Materials während der Laufzeit dieses Vertrags variieren kann. Unter dieser Perspektive kann der Käufer besondere Qualitäten empfehlen, an denen der Verkäufer Bewertungsversuche bzw. Ausmusterungen ausführt. Verlaufen die Versuche erfolgreich, so führt der Verkäufer auf Verlangen des Käufers das neue Material so schnell wie möglich ein.“ 5.
SPEZIFIKATION
a)
Die in dieser Vereinbarung angeführten Spezifikationen können während der Vertragslaufzeit Änderungen unterliegen. Der Verkäufer wird durch die Herausgabe einer neuen Spezifikation davon in Kenntnis gesetzt.
b)
Ist der Verkäufer nicht in der Lage oder nicht willens, die überprüfte Spezifikation innerhalb von drei Monaten zu erfüllen, hat der Käufer das Recht, das Material anderswo zu beschaffen, und jeder so getätigte Materialeinkauf fällt unter diese Vereinbarung, und die Verpflichtung (zum Beispiel Menge) von Käufer und Verkäufer wird entsprechend reduziert.
Diese Klausel berechtigt das eigene Unternehmen, die Spezifikation während der Vertragsfrist zu ändern, falls dies durch Markt- oder andere Anforderungen notwendig werden sollte. Falls der Verkäufer diese nicht akzeptiert, kann man bei einer anderen Beschaffungsquelle beschaffen. Eine Änderung der Spezifikation betrifft die Art und Qualität der verschiedenen Bestandteile. Häufig versuchen Lieferanten, diese Klausel zu streichen oder zu verwässern. Ein Lösungsweg zeigt sich dadurch, dass der Einkäufer dem Lieferanten erläutert, wie entscheidend es für die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens ist, dass die besten Produkte zum Einsatz kommen. Dies verstehen die Lieferanten meistens und die Klausel bleibt Vertragsbestandteil.
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6.
Vertrag
VERTRAGSLAUFZEIT Die Vereinbarung beginnt mit dem 01.09.20XX und endet am 31.12.20XX. Das Datum des Vertragsendes gilt als Datum des letzten Abrufes durch den Käufer, die Warenlieferung kann später erfolgen. Spätestens 6 Monate vor Vertragende werden beide Parteien in kooperativen Verhandlungen versuchen, eine Vertragsverlängerung um mindestens 2 Jahre zu erwirken. Kommt es jedoch zu keiner Vertragsverlängerung, so gilt das Enddatum als Zeitpunkt für die letzte Warenbestellung beim Lieferanten.
Hier werden die Vertragslaufzeit und die Verlängerungsmodalitäten geregelt. Es ist unter allen Umständen davon abzusehen, Verträge mit automatischer Verlängerung abzuschließen. Eine Vertragsverlängerung soll immer eine bewusste Handlung darstellen. 7.
KAPAZITÄTEN
a)
Der Verkäufer hat auf der Maschine Alpha eine jährliche Kapazität von XX t und auf der Maschine Beta ist eine Kapazität von XX t eingeplant, die gleichmäßig auf das Jahr verteilt sind. Entsprechend den Zyklen der Maschinen kann die Kapazität mit XX Tage Vorlauf angepasst werden.
b)
Der Käufer wird dem Verkäufer während der letzten Woche eines Kalendermonats eine nicht bindende Bedarfsplanung für die folgenden 6 Monate, die die beste Mengenschätzung des Käufers ist, mitteilen.
c)
Sollte es der Käufer aufgrund einer Neuformulierung, Druck aus der Umwelt, Neuentwicklung von Produkten, Änderung bezüglich der Abläufe oder aus irgendwelchen anderen Gründen für notwendig erachten, die Beschaffung des Materials zu reduzieren oder einzustellen, hat der Käufer das Recht dies zu tun, vorausgesetzt, dass diese Reduzierung oder Einstellung proportional für alle Lieferanten dieser Ware für die Mengen gilt, die weiterhin bestellt und geliefert werden, und dass der Käufer den Verkäufer zumindest 30 Tage vorher über eine derartige Reduzierung oder Einstellung informiert hat.
Paragraf 7 stellt sicher, dass der Verkäufer ausreichende Produktionskapazitäten vorhält, um auch die Mengen, wie unter 3 definiert, zu liefern. Gleichzeitig wird definiert, wo sich die Kapazitäten befinden. Da es häufig vorkommt, dass eine Ware qualitativ nur an einem Standort produziert werden kann, muss der Verkäufer die Kapazitäten genau an dem freigegebenen Standort vorhalten. In Teil b) wird auf den Mengen-Forecast durch den Verkäufer verwiesen. Es ist zwingend notwendig, dass dieser Forecast nie zu einer Bindung des eigenen Unternehmens führt. Unter c) wird geregelt, was passiert, wenn es zu großen Mengenschwankungen kommt. Damit der Verkäufer aus dem Forecast keine Forderungen ableiten kann, wird hier der Gleichbehandlungsgrundsatz aller Lieferanten beschrieben.
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8.
PREIS
a)
Es wird ein Preis frei Haus von XX Euro/kg vereinbart.
b)
Für den Sinn dieser Klausel umfasst der Preis den gesamten Lieferpreis des Käufers einschließlich Fracht, Zölle, Steuern, Gebühren und (ggf.) zusätzliche staatliche Auflagen.
c)
Wenn der Käufer zu irgendeinem Liefertermin während der Laufzeit dieser Vereinbarung Material von gleicher Qualität zu einem geringeren Preis für ähnliche Mengen oder einen erheblichen Teil seines Bedarfs kaufen kann, kann der Käufer den Verkäufer über ein derartiges Angebot informieren, und der Verkäufer muss die Gelegenheit haben, diesen niedrigeren Preis zu erfüllen. Wenn der Verkäufer diesem niedrigeren Preis nicht nachkommen kann, steht es dem Käufer frei zu entscheiden, ob er bei der anderen Quelle oder weiterhin beim Verkäufer einkauft. Jeder auf diese Weise getätigte Einkauf bei einer anderen Quelle fällt unter diese Vereinbarung, und die Pflichten von Käufer und Verkäufer werden entsprechend verringert.
d)
Wenn der Käufer geeignetes Vormaterial zu besseren Bedingungen als der Verkäufer beschaffen kann, hat der Käufer das Recht, besagtes Vormaterial zu kaufen, und der Verkäufer muss Letzteres zur weiteren Erfüllung dieses Vertrags akzeptieren und einsetzen (abhängig von Klausel 16), es sei denn der Verkäufer ist in der Lage, besagte Vormaterialien zu denselben überprüften Bedingungen zu liefern. Auf jeden Fall müssen sich die so erfolgten Einsparungen im Preis des Verkäufers widerspiegeln.
e)
Wenn im Laufe dieser Vereinbarung der Verkäufer das Material oder dessen durch diese Vereinbarung abgedecktes Äquivalent zu Preisen verkauft, die unter den oben für gleiche oder geringere Mengen aufgeführten liegen, gilt dieser besagte niedrigere Preis automatisch für alle nachfolgend vom Käufer vom Verkäufer im Rahmen dieser Vereinbarung verlangten Güter.
Dient der möglichst präzisen Bestimmung des Gesamtpreises, der für die Waren des Verkäufers bezahlt wird. Ein solcher Preis enthält häufig verschiedene Elemente wie Herstellungskosten (Arbeit, Materialien, Energie), Fracht, Währung, Verpackung, Rabatte, Transport. Häufig wird auf die Incoterms verwiesen. Diese bieten eine Reihe internationaler Regeln für die Auslegung der im Außenhandel gebräuchlichsten Bedingungen. Die Abschnitte c) bis e) sind sehr wirkungsvolle Vereinbarungen, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Lieferanten sicherzustellen. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass dies auch so an den Lieferanten kommuniziert wird, denn welcher Lieferant will nicht wettbewerbsfähig sein. Dies kann somit helfen, dass die Klauseln ein Bestandteil des Vertrags bleiben.
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Zu c): Wenn das gleiche Material von einem anderen Lieferanten günstiger angeboten wird, kann der Einkäufer, nachdem er dies dem Lieferanten mitgeteilt hat und kein gleichwertiges günstiges Angebot vom Lieferanten erhalten hat, seine Bezugsquelle wechseln.Zu d): Wenn das eigene Unternehmen gleiche Vormaterialien zu geringeren Kosten kaufen können, haben es das Recht, den Verkäufer zu bitten, diesen Gesamtkosten zu entsprechen oder es zu erlauben, dieses Vormaterial beizustellen. Diese Klausel verstößt nicht gegen das deutsche Kartellrecht, da dadurch kein Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen entsteht. Sie sorgt lediglich dafür, dass ein Nachteil verhindert wird. Das eigene Unternehmen soll nur die gleichen Konditionen erhalten. Zu e): Wenn der Verkäufer während der Laufzeit der Vereinbarung eine Vereinbarung zum Verkauf seiner Produkte zu einem niedrigeren als unserem Preis eingeht, gilt dieser niedrigere Preis für unser Material für die Dauer der Vereinbarung oder bis der niedrigere Preis nicht mehr gültig ist. 9.
RECHNUNG Die Rechnung bezieht sich auf den Preis, der am Tag der Bestellung gültig war.
Diese Klausel stellt sicher, dass die Rechnung immer identisch mit der System-Bestellung ist und der Lieferant nicht seine Wünsche in Rechnung stellt. Dies stellt zum einen sicher, dass es keine gesperrten Rechnungen gibt und der Lieferant vereinbarungsgemäß sein Geld bekommt. Zum anderen wird aber auch sichergestellt, dass Preisveränderungen verhandelt werden und von beiden Parteien systemtechnisch zu verarbeiten sind. 10. ZAHLUNGSBEDINGUNGEN a)
XX Tage X % Skonto oder XX Tage netto.
b)
Zahlungen erfolgen jeweils zum 1. und 15. eines Monats.
c)
Die Berechnung der Zahlungsfrist beginnt entweder mit dem Datum des Wareneingangs in dem jeweiligen Werk oder mit dem Datum des Rechungseingans in der zentralen Kreditorenabteilung, je nachdem welches Datum das nachfolgende ist.
d)
Die Zahlung erfolgt durch Scheck oder Banküberweisung; sie gilt als geleistet ab Datum der Scheckausstellung bzw. Datum des Überweisungsauftrages.
Dient der Festlegung der Barzahlungsbedingungen, Zahlungsfristen und regelt die Art der Bezahlung. Dieser Abschnitt ist so ausführlich, damit jedem Lieferanten klar wird, wie die praktische Abwicklung erfolgt.
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11. ANLIEFERORT Der Anlieferort wird durch den Käufer mitgeteilt und ist gegenwärtig vereinbart als: Werk A
Werk B
Werk C
Industriestraße 32 12345 Musterhausen
Dieser Abschnitt regelt die genauen Lieferanschriften und z. T. auch die Art der Werkszufahrt, je nach Ware. 12. LIEFERUNG a)
Der Käufer erteilt dem Verkäufer ausführliche Anweisungen hinsichtlich der Lieferung der Ware (mit Lieferauftrag, Bestellung oder ähnlichen Anfragen wie erforderliche Versandanzeigen und/oder Rechnungen). Diese Vereinbarung gilt für alle getätigten Einkäufe.
b)
Der Käufer akzeptiert keinerlei Verpackungskosten, es sein denn dies ist vorab schriftlich vereinbart.
c)
Alle Lager- und Zollgebühren, die entstehen, weil keine korrekten Unterlagen vorlagen oder zu spät vorlagen, gehen zu Lasten des Verkäufers.
d)
Weisen Waren bei Erhalt – ganz oder teilweise – Mängel auf oder werden sie der Spezifikation nicht gerecht oder entsprechen sie nicht den Standardmustern, hat der Käufer das Recht, die betreffende Lieferung auf Kosten des Verkäufers zurückzuschicken und eine Ersatzlieferung zu verlangen oder einen Preisnachlass zu erhalten oder einen Schadensersatz aufgrund der Nichterfüllung der Vereinbarung zu verlangen. Der Verkäufer verpflichtet sich, angemessene Qualitätskontrollen einzusetzen und zu pflegen, wenn dies vom Käufer gemäß den vereinbarten Qualitätsstandards verlangt wird.
e)
Der Verkäufer haftet für Schäden am Warenbestand, den Produktionseinrichtungen und den Waren des Käufers, die durch fehlerhafte oder unzulängliche Produktbeschreibung seiner Waren oder aufgrund von Änderungen des Verkäufers bei der Spezifikation des Roh- und Verpackungsmaterials ohne die vorherige schriftliche Genehmigung des Käufers entstehen.
f)
Die Lieferdaten sind absolut verbindlich für den Verkäufer. In Falle einer Verspätung, selbst im Falle von Zufall oder Force Majeure, hat der Käufer das Recht, den Liefervertrag zu kündigen.
g)
Bei allen Aufträgen für Waren, die nicht aus der EU stammen, muss der Käufer den/die Verkäufer über den/die besondere/n Bestimmungsort/e der Lieferung/en informieren. Die Importbestimmungen und andere rechtliche Anforderungen des Bestimmungslandes finden Anwendung. Für den Fall, dass die Zollbehörden des Bestimmungslandes die Einfuhr der Waren verweigern (ausgeschlossen ist der Fall, dass der Käufer es versäumt hat, die entsprechende Einfuhrlizenz zu beantragen oder die Gebühren zu zahlen), ist der Käufer nicht für deren Zah-
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lung verantwortlich und, wenn die Zahlung bereits erfolgt ist, muss der Verkäufer dem Käufer den vollen Betrag erstatten. Darüber hinaus ist der Verkäufer für die Rückführung der Ware auf eigene Kosten verantwortlich.
Regelt grundsätzliche Abmachungen im Hinblick auf lieferungsspezifische Themen. Teil a) ermöglicht den eigenen Werken den Abruf des von ihnen benötigten Materials. Es wird angemerkt, dass diese allgemeinen Bedingungen für alle auf diese Weise getätigten Einkäufe bzw. Abrufe gelten. Teile b) und c) verhindern die Eintreibung von Verpackungskosten, Lager- und Zollgebühren. Teil d) legt die zur Verfügung stehenden Optionen bei Erhalt fehlerhafter Ware dar: Rückgabe der Lieferung und/oder Verlangen einer Ersatzlieferung und/oder Einräumung eines Preisnachlasses und/oder Erhalt von Schadensersatz. Darüber hinaus wird der Verkäufer verpflichtet, angemessene Qualitätskontrollen einzurichten und zu pflegen, wenn dies vom Käufer verlangt wird. Teil e) macht den Verkäufer haftbar bei Schäden, die auf Grund falscher oder unzureichender Produktbeschreibung seiner Waren oder durch Änderung der Spezifikation verursacht wurden, die nicht genehmigt wurden. 13. FORCE MAJEURE Feuer, Überflutungen, Streiks, Aussperrungen, Epidemien, Unfälle, Kriege, Bürgerkriege, Mangel an den üblichen Transportmitteln (oder angemessenem Ersatz) oder andere Gründe, die außerhalb der angemessenen Kontrolle der Parteien liegen und den Verkäufer von der Lieferung oder den Käufer von der Entgegennahme und/oder der Verwendung der von dieser Vereinbarung abgedeckten Artikel abhalten, setzen die Erfüllung dieser Vereinbarung für eine zur Behebung dieser Ursache erforderliche Frist außer Kraft. Die Partei, bei der ein derartiges Ereignis eintritt, muss die andere Partei unmittelbar informieren, und wenn die Aussetzungsfrist länger als zwei Wochen andauert, darf jede Partei zu einem beliebigen Zeitpunkt hiernach jeden gewünschten Teil dieser Vereinbarung mit sofortiger Wirkung stornieren.
Ereignisse, die über die angemessene Kontrolle von Verkäufer oder Käufer hinausgehen und die Erfüllung einer der Parteien im Rahmen dieser Vereinbarung verhindern, setzen Lieferungen bis zur Behebung des Problems außer Kraft. In Deutschland gibt es keine gesetzliche Regelung der höheren Gewalt. Es empfiehlt sich daher immer, Beispiele für die höhere Gewalt aufzuzählen. 14. GEISTIGES EIGENTUM a)
Durch Akzeptanz dieser Vereinbarung gewährleistet und vereinbart der Verkäufer, dass die
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gelieferten Waren nicht gegen geistige Eigentumsrechte dritter Parteien verstoßen, dass er alle Anklagen verteidigen wird, die sich hieraus ergeben, und dass er den Käufer und dessen Filialen oder Konzerngesellschaften freistellen und schadlos halten wird bei Verlusten, Schäden, Kosten und Aufwendungen, einschließlich Anwaltsgebühren, die möglicherweise durch die Geltendmachung von geistigen Eigentumsrechten durch andere Parteien entstehen. b)
Alle Kenntnisse und Erfahrungen, die der Verkäufer bei der Anwendung seiner Produkte in den Produktionsabläufen des Käufers erlangt, dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden.
Verschafft allgemeinen Schutz bei der Haftung im Falle von Verletzung geistigen Eigentums seitens des Käufers und verlangt vom Verkäufer, den Käufer vor Ansprüchen seitens der Konkurrenten des Käufers oder anderer Verkäufer aufgrund von Verletzungen zu schützen. Wenn Bezug auf geistige Eigentumsrechte genommen wird, sind hiermit Patentrechte, Warenzeichen, Modelle und Designs sowie Urheberrechte gemeint. 15. RISIKEN BEI WAREN, DIE DER KÄUFER DEM VERKÄUFER ZUR VERFÜGUNG GESTELLT HAT Alle Materialien jedweder Art, die dem Verkäufer vom Käufer in Verbindung mit dieser Vereinbarung geliefert wurden, gehen auf Risiko des Verkäufers, während sie sich in seinem Besitz befinden. Der Verkäufer sorgt für den angemessenen Versicherungsschutz für diese Materialien. Der Käufer ist für die Qualität dieser Materialien bis zur Lieferung an die Fabrik des Verkäufers verantwortlich. Wenn der Verkäufer bei Empfang feststellt oder vermutet, dass die Materialien ungeeignet für den beabsichtigten Zweck sind, sollte er den Käufer unverzüglich dementsprechend informieren.
Zur Bestätigung, dass der Verkäufer die Nebenkosten für die Waren trägt, die dem Verkäufer zur Integration oder Weiterverarbeitung in Produkte, die das eigene Unternehmen vom Verkäufer kauft, zur Verfügung gestellt wurden. Die „Risiken bei Waren“ müssen deutlich vom „Besitz der Waren“ abgegrenzt werden. Dies wird in dieser Klausel dort klar verdeutlicht, wo der Verkäufer das Risiko des Verlustes besagter Ware tragen muss, obwohl der Käufer im Besitz der Waren ist. 16. KÜNDIGUNG a)
Der Käufer hat das Recht, diese Vereinbarung sofort, ohne Strafe teilweise oder ganz zu kündigen, wenn der Verkäufer die Einhaltung der Bedingungen der Vereinbarung versäumt.
b)
Diese Vereinbarung überträgt lediglich Pflichten und gibt dem Käufer und Verkäufer Rechte. Die Erfüllung der Vereinbarung kann nicht teilweise oder ganz an eine dritte Partei abgetreten werden. Diese Vereinbarung kann vom Käufer jederzeit gekündigt werden, ohne Strafe oder Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz, wenn der Verkäufer übernommen wird oder fusioniert oder alle Aktiva oder Teile davon an eine Person oder Organisation überträgt oder seine Gesellschaftsstruktur auf andere Weise ändert. Es wird nur dann davon ausgegangen,
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dass der Käufer auf sein Recht im Sinne dieses Punktes verzichtet, wenn der Käufer den Verkäufer nicht über seinen Einwand gegenüber dieser Änderung innerhalb von sechzig Tagen nach Erhalt einer schriftlichen Mitteilung des Verkäufers hierüber informiert. c)
Meldet der Verkäufer Konkurs an oder wird er insolvent und eröffnet ein Insolvenzverfahren oder ist ein Konkursverfahren gegen ihn eingeleitet oder wenn es sich bei einem Unternehmen um den Beginn eines Abwicklungsverfahrens handelt, steht es dem Käufer frei, die Vereinbarung unverzüglich durch schriftliche Mitteilung an den Verkäufer oder den Zwangsverwalter, Liquidator oder eine andere Person, an die die Vereinbarung fällt, zu kündigen, oder dem Verkäufer oder Zwangsverwalter, Liquidator oder einer anderen Person die Option zur Durchführung der Vereinbarung zu geben, vorausgesetzt, dass diese eine Garantie für die fällige und getreue Erfüllung der Vereinbarung bietet.
Bietet dem Käufer Schutz im Falle eines Vertragsverstoßes, bei Änderung der Besitzverhältnisse des Verkäufers oder Insolvenz des Verkäufers. Teil a) der Klausel bietet Schutz bei Verstößen gegen die Vereinbarung. Teil b) hebt die Tatsache hervor, dass die Parteien die Erfüllung der Vereinbarung nicht an eine andere Partei abtreten können. Dann wird der Verkäufer verpflichtet, den Käufer über alle Änderungen seiner Gesellschaftsstruktur zu informieren (Übernahme, Fusion, etc.). Ab einer derartigen Mitteilung hat der Käufer 60 Tage Zeit, um zu entscheiden, ob er die Vereinbarung mit der neuen Einheit weiterführt. Nach Ablauf dieser Frist geht man von der Akzeptanz des Käufers aus. Es muss hervorgehoben werden, dass der Käufer nicht auf eine derartige Mitteilung warten muss, um die Vereinbarung zu kündigen. Er kann dies tun, sobald er von einer Änderung erfährt. Teil c) der Klausel gibt dem Käufer die Möglichkeit, die Vereinbarung aufzuheben, sobald der Verkäufer insolvent wird oder Konkurs anmeldet, unter Zwangsvollstreckung gestellt wird oder die Abwicklung beginnt. Es muss erwähnt werden, dass es in einem solchen Fall im Interesse des Käufers liegt, so schnell wie möglich in den Besitz der Ware zu gelangen. In diesem Abschnitt ist nur von außerordentlichen beziehungsweise fristlosen Kündigungen die Rede. Eine ordentliche Kündigung sollte auch möglich sein (vgl. Ausführungen zur Laufzeit). Wichtige Gründe für eine Kündigung sollten beispielhaft aufgezählt sein, wozu immer auch der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei zählt. 17. VERTRAULICHKEIT a)
Verkäufer und Käufer verpflichten sich gegenseitig, Informationen, die sie von der anderen Partei erhalten haben und die in schriftlicher oder elektronischer Form erforderlich sind und in angemessener Weise als vertraulich gekennzeichnet sind („Vertrauliche Informationen“), vertraulich zu behandeln. Ungeachtet des oben Angeführten gelten alle Informationen bezüglich der Preise und Spezifikationen für XYZ und Mengenprognosen des Käufers als vertrauliche Informationen.
b)
Beide Parteien vereinbaren, ohne die vorherige schriftliche Genehmigung der anderen Partei
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keine vertraulichen Informationen der anderen Partei gegenüber einer dritten Partei offen zu legen und diese Informationen nur im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Rahmen dieses Vertrags zu verwenden; unter der Bedingung, dass jede Partei vertrauliche Informationen der anderen Partei gegenüber ihren Direktoren, leitenden Angestellten, Mitarbeitern und Vertretern nur insoweit offen legen darf, wie dies erforderlich ist, damit diese bei der Erfüllung der Pflichten im Rahmen dieses Vertrags oder in Bezug auf diesen Vertrag helfen können und unter der Bedingung, dass diese zur Geheimhaltung dieser Informationen verpflichtet werden. c)
Falls diese Vereinbarung beendet wird – sei es auf gütlicher, vertraglicher oder gerichtlicher Basis oder bei Ablauf – muss jede Partei auf Anfrage der anderen Partei unverzüglich alle Dokumente, Modelle oder Muster, die sich in ihrem Besitz befinden und gesetzlich geschützte oder vertrauliche Informationen der anderen Partei enthalten, innerhalb von dreißig Tagen nach einer derartigen Anfrage zurückgeben.
Diese Abschnitte dienen zur Gewährleistung, dass der Verkäufer die Richtlinien in Bezug auf Vertraulichkeit beachtet, und zum Schutz vertraulicher Informationen im Falle der Beendigung der Vereinbarung auf irgendeiner Grundlage. Teil a) dieser Klausel deckt nicht nur Informationen vertraulicher Art ab, die dem Lieferanten im Rahmen der Vereinbarung geben, sondern gilt sogar die Existenz der Vereinbarung an sich. 18. RISIKOÜBERGANG Erst bei Eingang der Ware am Standort des Käufers oder bei persönlicher Akzeptanz durch einen Vertreter des Käufers geht das Risiko vom Verkäufer auf den Käufer über.
Der Risikoübergang hängt mit den Incoterms bzw. mit dem anwendbaren Recht zusammen. So gibt es in unterschiedlichen Ländern verschiedene Rechtsgrundsätze zu diesem Punkt. Das deutsche Recht ist für den Einkäufer von Vorteil. Die Incoterms sind entsprechend zu prüfen. 19. ANWENDBARES RECHT a)
Alle Verkaufsbedingungen des Verkäufers werden als nichtig betrachtet.
b)
Die Gültigkeit, Auslegung und Erfüllung dieser Vereinbarung unterliegt den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland. Als Gerichtsstand wird Nürnberg vereinbart. Es gilt die deutsche Sprache.
c)
Das UN-Kaufrecht (CISG) wird ausgeschlossen.
Teil a) dieser Klausel sorgt dafür, dass nur der Vertrag für diese Vereinbarung Anwendung findet und die Verkaufsbedingungen (AGB) des Verkäufers ausgeschlossen sind. Es muss immer versucht werden, die AGB des Lieferanten auszuschließen und, wenn möglich, die eigenen Einkaufsbedingungen in den Vertrag mit einzubeziehen. Es kann auch vorkommen, dass beide AGB ausgenommen sind und nur der Vertrag gilt.
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Teil b) legt fest, welche nationale Gesetzgebung für diese Vereinbarung Anwendung findet. Es muss oberstes Ziel sein, mit internationalen Vertragspartnern immer deutsches Recht zu vereinbaren. Wenn eine andere Rechtsordnung vereinbart werden soll, dann sind europäische Rechtsordnungen zu bevorzugen. Gerne wird hier die „neutrale“ Rechtsordnung der Schweiz gewählt. Außerdem ist es bei Auslandsbezug wichtig, die Vertragssprache zu regeln. Als Gerichtsstand empfehlen sich möglichst solche Gerichte, die eine geringe Entfernung zum eigenen Firmensitz aufweisen, da diese am wenigsten kosten- und zeitintensiv für eigene Mitarbeiter sind. Teil c) schließt das UN-Kaufrecht (CISG) explizit aus, da dies ansonsten immer gültig ist. 20. SALVATORISCHE KLAUSEL Sollten einzelne Bestimmungen aus diesem Vertrag ganz oder teilweise unwirksam sein, so berührt dies die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dieses Vertrags nicht. Beide Parteien verhandeln einvernehmlich darüber, eine unwirksame Bestimmung durch eine wirksame Bestimmung zu ersetzen, die dem Sinn und dem Zweck der unwirksamen Bestimmung im größtmöglichen Umfang entspricht. Entsprechendes gilt für die Regelung von Vertragslücken.
Gehört immer in einen Vertrag und regelt das Verfahren, falls eine Klausel gegen geltendes Recht verstößt oder mit einer anderen Klausel kollidiert. 21. ÄNDERUNGEN IM PRODUKTIONSABLAUF Vor Veränderungen am Rohmaterialeinsatz, am Produktionsablauf oder an den Produktionsanlagen oder -standort (en), die für die Erfüllung dieses Vertrags erforderlich sind, muss der Verkäufer den Käufer informieren. Er muss die Zustimmung des Käufers dafür einholen, dass diese Veränderungen die im Rahmen dieses Vertrags gelieferten Materialien für den Einsatz durch den Käufer nicht ungeeignet machen, bevor er derartige Änderungen einleitet.
Der Käufer hat das Recht, reduzierte Mengen zu kaufen oder die Einkäufe vollständig einzustellen, wenn der Bedarf des Käufers für das in dieser Vereinbarung abgedeckte Material aus den angeführten Gründen sinkt oder endet. Der Käufer ist verpflichtet, dies dem Verkäufer zumindest dreißig Tage im Voraus mitzuteilen und alle Lieferanten gleich zu behandeln. 22. SCHRIFTLICHE ÄNDERUNGEN Dieser Vertrag darf weder geändert, modifiziert noch ganz oder teilweise aufgehoben werden – es sei denn in schriftlicher und von den Parteien unterzeichneter Form.
Es ist immer darauf zu achten, dass Änderungen schriftlich dokumentiert werden. Dies liefert Beweise und schafft dadurch Rechtssicherheit.
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Käufer und Verkäufer einigen sich auf die Einhaltung der Bedingungen und Anweisungen dieses Vertrags. Für Firma X
Für Firma Y
Datum
Datum
Ohne Unterzeichnung durch beide Parteien wird eine Vereinbarung für die Parteien nicht verbindlich. Die Unterschrift sollte vom Namen und Titel der Person, die für die jeweilige Partei unterzeichnet, in lesbarer Handschrift sowie vom Datum der Unterzeichnung begleitet werden. Die Tatsache, dass eine Vereinbarung zu einem bestimmten Termin unterzeichnet wird, bedeutet nicht, dass keine Frist, die vor diesem Termin liegt, abgedeckt werden kann. Die Unterschriftenregelung bestimmt, welche Ebene des eigenen Unternehmens eine bestimmte Vereinbarung unterzeichnen darf.
5.
Beschaffungskompetenzen
Abbildung 70 zeigt die Beschaffungskompetenzen in den drei Stufen Kenner, Könner und Experte für die Vertragserstellung und -ausführung.
GESCHÄFFTSVEREINBARUNGEN: VERTRÄGE
KÖNNER Hat Erfahrung mit dem Zweck, der hinter den Vertragsklauseln steckt. Handelt bei der Verhandlung komplexer Vereinbarungen effektiv. Schafft die Vision des „besten Falles“ für das eigene Unternehmen und liefert Verträge, die dieses Ziel erreichen, während gleichzeitig die gewünschten Lieferbeziehungen erhalten bleiben. Entwickelt vereinfachte Abläufe, die zeitlich günstige, effektive Vereinbarungen vereinfachen, und führt diese ein. Sorgt dafür, dass andere Personen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches die Kompetenzrichtlinien befolgen.
Bewiesene Fähigkeiten: Hat mindestens fünf nicht übliche Lieferverträge und mindestens zwei Forschungs-, Entwicklungs- oder Lizenzvereinbarungen oder mindestens zwei Absichtserklärungen entworfen, verhandelt oder erfolgreich ausgefertigt.
KENNER
Sorgt dafür, dass grundsätzliche Vereinbarungen die rechtlichen und kommerziellen Interessen des eigenen Unternehmens schützen. Überträgt die Verhandlungsvereinbarungen in eine klare Vertragssprache. Ist – mit Hilfe von Referenzmaterial – in der Lage, Inhalt und Absicht der üblichen Vertragsbestimmungen des Unternehmens zu verstehen und anzuwenden. Sucht pro-aktiv Wissen aus Präzedenzfällen mit bestimmten Lieferanten, Branchen und Geschäftsvorfällen. Gewährleistet, dass Vereinbarungen zwischen dem eigenen Unternehmen und den Lieferanten sowohl ordnungsgemäß als auch aktuell dokumentiert und bestätigt werden. Gewährleistet die angemessene Beteiligung der Einkaufsabteilung bei den Verhandlungen und der Ausfertigung von Verträgen. Verfügt über Grundkenntnisse aller Vereinbarungen mit den Lieferanten und sieht das Potenzial zum Festlegen bzw. Brechen von Präzedenzfällen. Weiß, wann die Rechtabteilung zu involvieren ist, und gibt ihnen genügend Zeit, ihren Input zu liefern.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat Kompetenz durch Entwurf, Verhandlung, erfolgreiche Ausfertigung von zumindest zwei üblichen Lieferverträgen nachgewiesen, bei denen ein gewisses Maß an Verhandlungen über die Bedingungen erforderlich war. Hat die Verträge mit Unterstützung der Rechtsabteilung angepasst.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Abbildung 70: Beschaffungskompetenzen: Vertrag Verbessert und pflegt ständig die Standardverträge. Erstellt entsprechende Schulungen zu Geschäftsvereinbarungen und vermittelt pro-aktiv sein Wissen an Kollegen aus dem Einkauf und anderen Fachabteilungen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Ist innerhalb und außerhalb der Einkaufsabteilung als erfahrener Ansprechpartner bei der Erstellung von Verträgen unterschiedlicher Art auf breiter Ebene anerkannt und gefragt. Verfügt über ungewöhnlichen Einblick bei der Fokussierung auf die wenigen entscheidenden Elemente einer Vereinbarung, in denen die wahren Chancen für Wettbewerbsvorteile bestehen; liefert diese Elemente bzw. Vorteile so, dass sie für beide Parteien akzeptabel sind. Bringt die neuesten Verfahren für Geschäftsvereinbarungen voran, indem er verbesserte Ansätze entwickelt, die auf die aktuellen Anforderungen eingehen. Ist bewandert in internationalen Vereinbarungen.
EXPERTE
Entwurf und Ausfertigung einschlägiger, schriftlicher Vereinbarungen für den laufenden Geschäftsbedarf (Waren und Dienstleistungen) und Vereinbarungen für die Geheimhaltung von Entwicklungen (Entwicklungsvereinbarung) sowie Vorverträge (LOI – Letter of Intend).
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Lieferantenmanagement
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Lieferantenmanagement
1.
Grundlagen
Lieferantenmanagement bedeutet die pro-aktive Gestaltung aller Lieferantenbeziehungen des Unternehmens über alle Bereiche mit dem Ziel, durch bessere Zusammenarbeit mit Lieferanten und Vorlieferanten Produkte oder Dienstleistungen besser, schneller und zu niedrigeren Kosten zu entwickeln, zu beschaffen und herzustellen. Es kommt bei einem erfolgreichen Lieferantenmanagement entscheidend drauf an, dass die Ziele klar festgelegt werden. Dafür müssen die richtigen Fragen gestellt werden: Was verschafft dem eigenen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil? Welche Vorteile genießen die Wettbewerber bei den Lieferanten? Was sind die Kompetenzen der Lieferanten? Welche Potentiale der Lieferanten nutzt das eigene Unternehmen zurzeit nicht? Wohin geht der Beschaffungsmarkt? Ein effektives Lieferantenmanagement geht grundsätzlich von den folgenden Schritten aus: Das Segmentieren von Lieferanten und Produkten. Die Beurteilung von Lieferanten. Das Entwickeln und Steuern von Lieferantenbeziehungen
2.
Lieferantensegmentierung (Einordnung)
Um sich einen ersten Überblick über alle Lieferanten zu verschaffen, bietet sich die klassische ABC-Analyse an. Hierbei teilt man die Lieferanten jeweils nach verschiedenen Kriterien in drei Klassen. Kriterien können sein:
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_14, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Lieferantenmanagement
Beschaffungsvolumen. Leistungsfähigkeit des Lieferanten in Bezug auf Technologie, Qualität, Logistik oder Preis. Entwicklungskompetenz und Fertigungskompetenz. Strategische Bedeutung. Analysiert man zum Beispiel nach dem Beschaffungsvolumen, so machen die A-Lieferanten 75 Prozent des Beschaffungsvolumens aus. Diese Art der Analyse ergibt nicht eine absolute Einteilung im Sinne der Lieferantensegmentierung, sondern sie stellt lediglich eine erste Ordnung und einen Überblick sicher. Die ABC-Klassifizierung bildet den Ausgangspunkt für die Ableitung von Aktivitäten für einzelne Elemente der Lieferantenbasis. Bei der Einordnung nach dem Beschaffungsvolumen liegt der Fokus bei den A-Lieferanten auf der Optimierung der Materialkosten, bei den C-Lieferanten hingegen auf den Prozesskosten; dies gilt unabhängig von der Art der Lieferantenbeziehung. Erst wenn man durch diese Voranalysen die Lieferanten identifiziert hat, bei denen ein Lieferantenmanagement die richtige Strategie ist, erfolgt die wirkliche Segmentierung in die vier Lieferantenklassen. Lieferanten und ihre Beziehung zum eigenen Unternehmen können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden: von einer rein wettbewerbsorientierten Beziehung (Lieferant im Wettbewerb), über eine durch den Wettbewerb zwangsläufig festgelegte Beziehung (qualifizierter Lieferant), eine auf Präferenzen beruhende Beziehung zu den Lieferanten (Vorzugslieferant) bis hin zu einer strategischen Geschäftsverbindung (strategischer Lieferant). Es ist zwar hilfreich, sich die Beziehungen zu den Lieferanten in diesen vier Kategorien vorzustellen, in der Realität spielen sich solche Beziehungen jedoch nicht nur in den vier hier definierten Kategorien ab, sondern können sich kontinuierlich entwickeln.
Lieferant im Wettbewerb
Qualifizierter, anerkannter Lieferant
VorzugsLieferant
Strategischer Lieferant
Abbildung 71: Kontinuum der Lieferantenbeziehung Generell gilt, dass das für die Beziehung charakteristische Maß an Vertrauen, Offenheit und gemeinsamer Risikoübernahme wächst, wenn sich eine Beziehung auf der Grafik in Abbildung 71 von links nach rechts verschiebt. Ein Lieferant im Wettbewerb ist üblich für einen Beschaffungsmarkt, an dem beide Parteien kurzfristige Interessen haben. Diese Beziehung kann leicht eingegangen und ebenso leicht wieder beendet werden. Sie funktioniert am besten bei Spontankäufen in
Lieferantenmanagement
239
Märkten, in denen alle Lieferanten die gleiche Qualität anbieten und in denen robuster Wettbewerb herrscht. Bei einem qualifizierten, anerkannten Lieferanten bestehen die Beziehungen oft schon seit vielen Jahren. Sie werden jedoch regelmäßig mit dem Wettbewerbsstand vor Ort verglichen. Jeder Lieferant hat gleichermaßen Zugang zu dem Geschäft, der Wechsel der Geschäftsbeziehungen von einem Lieferanten zu einem anderen mag jedoch ein gewisses Maß an Anstrengungen nötig machen. Feste Beziehungen werden geschätzt und stehen auf der Werteskala weiter rechts. Bei einem Vorzugslieferant begrenzt man üblicherweise die Anzahl der Lieferquellen, oft gibt es nur einen Hauptlieferanten. Zwischen beiden Parteien entwickelt sich eine enge Beziehung auf allen Ebenen. Das Vertrauen ist hierbei immer besonders wichtig. Die Lieferantenbeziehung ist schwer zu beenden. Strategische Lieferanten sind sehr selten. Oft entwickeln sie sich im Laufe der Zeit aus den positiven Erfahrungen eines Vorzugslieferanten, dem gesteigerten Bedürfnis nach gemeinsam genutzten Informationen und offenem Umgang miteinander im Interesse des Geschäftswohles. Die Aufteilung des erzielten Gewinns, wie es diese Beziehungsart mit sich bringt, gehört oft zum Wesen eines strategischen Lieferanten. Eine solche Beziehung erfordert absolutes Vertrauen zwischen den Partnern, und beide Parteien kümmern sich um die Belange der jeweils anderen Partei. Diese Beziehungen entwickeln sich über einen langen Zeitraum hinweg und sind ausgesprochen langlebig, weshalb sie auch schwierig zu beenden sind. Wenn die Möglichkeiten in ihrer ganzen Bandbreite erfasst sind, muss mit Bedacht entschieden werden, welche Art der Lieferantenbeziehung die gewünschten Ergebnisse am besten erzielen kann. Unter Umständen muss eine bereits bestehende Beziehung erst auf die gewünschte Ebene gebracht werden. Wichtig ist es, dabei zu bedenken, dass je nach Geschäftsbedarf und Lage auf dem Beschaffungsmarkt jede Beziehung eine vorteilhafte und angemessene Wahl sein kann. Die Pflege einer Beziehung ganz rechts in Abbildung 71 verlangt mehr Zeit und Anstrengung. Aus diesem Grund wird diese Art der Beziehung weniger häufig entwickelt.
3.
Lieferantenbewertung
Im Rahmen der Lieferantenbewertung zeichnen sich in Abhängigkeit der Lieferantenbeziehung, des Risikomanagements und der zu beschaffenden Ware oder Dienstleistung zwei Abhängigkeiten ab:
240
Lieferantenmanagement
Hohe Auswahl an Angeboten und somit an Lieferanten. Geringe Auswahl und somit ganzheitliche Beurteilung. Für einfache, standardisierte Güter mit geringem Beschaffungsrisiko genügt ein einfacher Angebotsvergleich. Durch mehrere Lieferquellen und Aufbau von Konkurrenz kann man Materialpreise und Risiken gering halten.
Risikoreduktion durch sorgfältiges Lieferantenmanagement
Au s un gew d K og on enh sis e ten it z
Auswahl nach ganzheitlicher Beurteilung
Risikomanagement
Risikoreduktion durch mehrere Lieferquellen
Beschaffungsobjekt
• taktisch • einfach • standardisiert • unabhängige Verbesserungen
Auswahl nach Angebotsvergleich
Lieferant im Wettbewerb
Lieferantenbeziehung
• strategisch • komplex • speziell • gemeinsame Verbesserungen
Strategischer Lieferant
Abbildung 72: Definition der Auswahlkriterien in Bezug auf das Risikomanagement, Beschaffungsobjekt und die Lieferantenbeziehung Bei komplexen, strategischen und technologisch anspruchsvolleren Gütern mit hohem Beschaffungsrisiko muss eine ganzheitliche Bewertung erfolgen. Diese Waren oder Dienstleistungen verlangen häufig ein Single Sourcing bzw. eine limitierte Beschaffung und eine langfristige Partnerschaft zwischen dem eigenen Unternehmen und dem jeweiligen Lieferanten.
Beurteilungskriterien Subjektive Meinungen, Intuition sowie Prestigedenken Einzelner beeinflussen heute immer noch stark die Beziehung zu Lieferanten. Überlässt man die Lieferantenbeurteilung dem Zufall, wird sie mit höchster Wahrscheinlichkeit zum Risiko für das Unternehmen. Es muss somit sichergestellt werden, dass die Leistung des Lieferanten für das eigene Unternehmen so objektiv und konsistent wie nur irgendwie möglich beurteilt wird. In der Praxis sind aller-
Lieferantenmanagement
241
dings weder rein objektiv (quantitative, mathematische) noch vollständig subjektive (qualitative) Lieferantenbeurteilungsverfahren erstrebenswert. Zwar bemühen sich Unternehmen, auch jene Kriterien in die Beurteilung mit einzubeziehen, die man vermeintlich nicht in Zahlen fassen kann, jedoch ist deren Operationalisierung immer noch subjektiv. Man kann Kriterien wie Kosten durch Total-Cost-Betrachtung, Qualität durch Qualitätskennziffern und Liefer-/Termintreue durch logistische Kennzahlen vergleichsweise gut objektiv darstellen. Weichere, aber nicht weniger wichtigere Themen wie Innovationsbereitschaft, Einstellungen zu Unweltanforderungen, Bereitschaft zur Teamarbeit oder Ausfallrisiken lassen sich hingegen nur durch die Operationalisierung einer subjektiven Beurteilung miteinander vergleichen. Ein umfassende Beurteilung erfordert zusätzliche und andere Beurteilungskriterien. Neben weichen Beurteilungskriterien (zum Beispiel Vertrauen, Kommunikationsbereitschaft) fallen auch komplexere Beurteilungskriterien (zum Beispiel Total-Cost-Ansätze, Risikobetrachtung) immer mehr ins Gewicht. Die Bewertung und Auswahl von Lieferanten muss – unabhängig von der Gewichtung der einzelnen Kriterien – immer zwei Arten von Beurteilungskriterien enthalten: Kriterien zur Beurteilung der vom Lieferanten angebotenen Leistung (Service, Material, Produkt). Kriterien zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des gesamten Lieferantenunternehmens (gesamtes Marktleistungsangebot, gesamtes Unternehmen). Bei der Lieferantenbeurteilung ist es wichtig, dies als einen kontinuierlichen Prozess im Unternehmen zu etablieren. Weiterhin ist es von entscheidender Bedeutung, auch die internen Fachabteilungen mit in die Beurteilung einzubeziehen.
4.
Lieferantenentwicklung
Als Ergebnis einer Analyse der Leistungslücken bzw. -übererfüllungen zwischen dem Zielund dem Ist-Zustand können Einkauf und Fachabteilung zu der Erkenntnis kommen, dass man die derzeitigen Ziele und die zukünftigen Bedarfe nicht mit der bestehenden Lieferantenstruktur, der momentanen Leistungsfähigkeit von Lieferanten und den aktuellen Lieferantenbeziehungen nicht erreichen kann. Vorgehensweise bei der Analyse von Leistungslücken: 1. Identifikation der Leistungslücken anhand ausgewählter Kriterien. 2. Bewertung der Lücken.
242
Lieferantenmanagement
3. Ableitung möglicher Handlungsalternativen. 4. Beurteilung und Auswahl der Alternativen. Der strategische Einkauf muss nicht immer zwingend Lieferantenentwicklung betreiben, sondern kann mit Leistungslücken auch anders umgehen. Stellt der Einkäufer fest, dass eine Lücke vorhanden ist, stehen ihm zusätzlich noch folgende Alternativen zur Verfügung: Lieferantenwechsel (Ausphasen). Entwicklung anderer bestehender Lieferanten. Entwicklung neuer Lieferanten. Übernahme von Leitungen des Lieferanten (Insourcing). Welche der vier Maßnahmen sollte das eigene Unternehmen verfolgen? Die Antwort hängt häufig auch vom betroffenen Produkt bzw. der Warengruppe ab. Bei standardisierten, unkritischen Materialien ist der Lieferantenwechsel nur mit geringen Kosten verbunden und kann deshalb die vorteilhafteste Strategie sein. Die Strategie, den Lieferanten zu wechseln - insbesondere bei gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnissen, zum Beispiel bei langjährigen Geschäftsbeziehungen oder bei komplexen Marktstrategien – kann dagegen mit hohen Kosten verbunden sein und sollte deswegen nur in Ausnahmefällen verfolgt werden. Das andere Extrem bilden innovative Produkte oder Prozesstechnologien, die einen echten Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen bieten können. Hier sollte man auch die Übernahme des Lieferanten in Erwägung ziehen. In der Folge würde das Produkt selbst gefertigt bzw. die Technologie im eigenen Haus aufgebaut. Insourcing ist aber nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Das Unternehmen geht, um sein Versorgungsrisiko zu verringern, meist ein großes finanzielles Risiko ein. Zum anderen kann diese Maßnahme der Konzentration auf die Kernkompetenzen widersprechen. Auf Grund der genannten Einschränkungen besitzt die Lieferantenentwicklung eine hohe Wichtigkeit und Anwendungsrelevanz in Fällen, die zwischen den beiden oben erwähnten Extremen liegen. In diesen Fällen ist die Lieferantenentwicklung oftmals die beste Lösung. Lieferantenentwicklung beruht im Wesentlichen auf drei Grundsätzen: Vorleistung: Das eigene Unternehmen geht in Vorleistung, weil erwartet wird, dass der Lieferant durch die Maßnahme in Zukunft eine bessere Leistung bieten wird. Aktive Unterstützung: Der Lieferant wird aktiv unterstützt. Passive Maßnahmen, wie zum Beispiel die Vorgabe von Zielen gegenüber Lieferanten oder vertragsrechtliche Forderungen, stellen hingegen keine Lieferantenentwicklung dar. Partnerschaft: Man signalisiert dem Lieferanten ein weitergehendes Interesse an einer partnerschaftlichen Geschäftsbeziehung.
Lieferantenmanagement
243
Intensität der Entwicklung Passive Maßnahmen wie die Verstärkung des Wettbewerbs unter den Lieferanten oder die bloße Forderung nach geringeren Preisen und besseren Leistungen helfen dem Lieferanten meist nicht, sondern setzen ihn nur unter Druck. Unter die aktiven Maßnahmen fallen hingegen: Prozessorientierte, operative Beratung: Der Abnehmer hilft dem Lieferanten, seine Produktions- und Logistikprozesse zu verbessern. Know-how-Transfer: Technologie-Know-how oder sonstiges Fachwissen wird dem Lieferanten zur Verfügung gestellt. Beratung zu strategischen Fragestellungen: Das Unternehmen unterstützt den Lieferanten bei strategischen Entscheidungen. Es werden Daten als Entscheidungsgrundlage oder methodische Unterstützung (zum Beispiel SWOT-Analysen, Szenario-Planung) geliefert. Unterstützung bei Markteintritt: Der Abnehmer hilft dem Lieferanten, in einem für ihn neuen Absatzmarkt erfolgreich auftreten zu können. Transfer personeller Ressourcen: Mitarbeiter des Abnehmers sind temporär beim Lieferanten vor Ort tätig, weil der Lieferant die notwendigen Ressourcen (Kapazitäten oder Know-how) nicht aufbringen kann. Finanzielle Unterstützung: Anstehende, notwendige Investitionen – die auch für den Abnehmer wichtig sind – können vom Lieferanten nicht finanziert werden. Der Abnehmer hilft hier in Form von Krediten oder anderen Finanzierungsmodellen.
5.
Entwicklung der Lieferanten-Supply-Chain
Im Rahmen des Lieferantenmanagements kommt dem Management der eigentlichen Beschaffungs-Supply-Chain eine besondere Bedeutung zu. Ein wichtiges Instrument stellt hier eine pro Werk (d. h. Anlieferstelle) individuell zu erstellende Liefervereinbarung dar. Werksliefervereinbarung. Die Werksliefervereinbarung ist ein Arbeitsdokument, das eine Ergänzung zum Liefervertrag und der Spezifikation darstellt und die operativen Konditionen der Supply Chain definiert. Es beinhaltet Angaben über Vereinbarungen und Bedingungen, die zwischen den operativen Verantwortlichen des Lieferanten (Vertriebsinnendienst) mit der eigenen Organisation (Materialdisponent) getroffen wurden. Dabei dokumentiert es Vorgaben, Zuständigkeiten und Abläufe bei Mengenplanung, Bestellung, Lieferung, Rechnung, Lieferantenmanagement und Qualitätsprüfung. Ob eine Werkslie-
244
Lieferantenmanagement
fervereinbarung notwendig ist oder nicht, hängt von den Eigenschaften bzw. der Bedeutsamkeit der Ware und den besonderen Anforderungen (zum Beispiel der Logistik) ab. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass durch diese Vorgehensweise auch eine noch so problematische Lieferkette nachhaltig beruhigt und optimiert werden kann. Permanente Bewertung mit der Supply Chain Scorecard. Ziel der permanenten Bewertung der Beschaffungslieferkette ist es, positive Aspekte und Mängel in der operativen Abwickelung festzuhalten und für alle involvierten Stellen transparent und zugänglich zu machen. Die gebündelten Informationen sollen den Entwicklungsprozess der Lieferanten objektivieren und optimieren. Stärken, Schwächen und Entwicklungspotentiale der operativen Lieferkette sollen kontinuierlich erkannt und ausgewertet werden, um frühzeitig darauf reagieren und um agieren zu können. Im Laufe der Zeit kann es vorkommen, dass sich die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Lieferanten verändert (meist verschlechtert). Aus diesem Grund ist es notwendig, quantifizierbare Informationen zu sammeln, die auftretende Störungen in der operativen Abwicklung sofort sichtbar machen, um durch frühzeitiges Erkennen die optimale Versorgung sicherzustellen. Die permanente Beurteilung der Supply Chain ist somit ein Instrument zur Verbesserung der Geschäftsbeziehungen zum Lieferanten. Es stellt die Grundlage für Verbesserungen der Einkaufskonditionen, termingerechter Belieferung, Qualitätssicherheit, flexibler Reaktionen auf besondere Wünsche sowie besondere Zusatzleistungen dar. In regelmäßigen Abständen, d. h. etwa alle zwei bis vier Monate, sollten in einer gemeinsamen Besprechung mit dem Lieferanten die aktuelle Situation der operativen Lieferkette besprochen und eventuelle Verbesserungen fest vereinbart werden. Interdisziplinäre Lieferantenmeetings. Regelmäßige, operative Meetings unter Beteiligung aller operativen Personen mit dem Lieferanten sind ein weiterer entscheidender Baustein neben der Werksliefervereinbarung. Hierbei ist eine interdisziplinäre Besetzung des Teams wichtig. Das Team setzt sich zusammen aus Vertretern von Einkauf, Disposition/Logistik, Technik und Qualitätssicherung. Zur Gewährleistung der Effektivität des Meetings müssen sowohl auf der Einkaufs- als auch der Lieferantenseite Vertreter des Managements (Einkaufs- und Vertriebsleiter) anwesend sein. Zweck des Meetings ist die optimale Koordination der Stärken und Fähigkeiten beider Geschäftspartner. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Lieferanten sollen Verbesserungsmöglichkeiten der Lieferantenbeziehung und Pläne für deren Umsetzung erarbeitet werden. Als Grundlage für die Erarbeitung von Verbesserungsanträgen dient maßgebend die Supply Chain Scorecard. Außerdem sollten beide Seiten ihre Ideen und Verbesserungswünsche bezüglich der zukünftigen Beziehungen äußern. Die Durchführung der vereinbarten Maßnahmen zur Erreichung der gemeinsamen Zielsetzung überwacht das Team anhand einer Kontrollliste. Das Zuarbeiten von Informationen durch die betroffenen Stellen ist von entscheidender Wichtigkeit. Bei Bedarf kann auch ein Lieferantenaudit durchgeführt werden. Muster der operativen Dokumente. In Abbildung 73 ist eine Werksliefervereinbarung als Muster dargestellt. Weiterhin gibt es Anlagen zu diesem Dokument, wie eine Übersicht zu den Kontaktpersonen und eine Standardverteilerliste für Informationen. Die Supply Chain Scorecard ist ebenfalls in Abbildung 73 dargestellt. Auch wenn die textlichen Möglichkei-
Lieferantenmanagement
245
ten in Excel etwas beschränkt sind, so bietet ein Tabellenkalkulationsprogramm die Möglichkeit, die Werksliefervereinbarung und die Anlagen je in einem eigenen Tabellenblatt zu erstellen. Die Scorecard kann durch Excel automatisch Rechenoperationen ausführen. Die Verwendung von Excel zwingt einen des Weiteren dazu, sich kurz zu fassen. Auch wenn die Werksliefervereinbarung und die Scorecard einen bindenden Charakter für beide Unternehmen haben sollen, so muss doch sichergestellt werden, dass dies Arbeitsdokumente sind, die auch einer gewissen Dynamik unterliegen. Der strategische Einkäufer sollte hier immer der Maxime folgen, besser ein Dokument, an das sich alle operativen Mitarbeiter beider Unternehmen halten, als einen rechtssicheren Vertragszusatz. Als ein praktikabler Kompromiss hat sich ergeben, im eigentlichen Vertrag jeweils auf die letzte Version zu verweisen und die Dokumente nicht zu unterschreiben.
6.
Aktive Entwicklung durch Lieferanten-KVP
Einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zur ganzheitlichen Verbesserung der Zusammenarbeit zu starten kann entscheidend dazu beitragen, eine bestehende Beziehung weiterzuentwickeln oder überhaupt positiven Einfluss auf den Lieferanten zu nehmen. Der schwierigste Fall für einen strategischen Einkäufer sind Lieferanten mit einer Monopolstellung für Waren oder Dienstleistungen, die eine Beziehung als Vorzugslieferant oder gar strategischer Lieferant rechtfertigen würden, während der Lieferant sich aber wie ein Lieferant im Wettbewerb verhält.
6.1
Grundlagen
Die Aufgabe des Einkaufes ist es, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen zu erzielen. Dies gelingt jedoch nur, wenn dem Einkauf möglichst viele Methoden dazu zur Verfügung stehen. Aber wie überzeugt man einen Lieferanten, der eine Monopolstellung hat, seine Preise zu senken? Durch Wettbewerb? Geht nicht! Durch Druck? Auch nicht! Es gibt aber noch die Möglichkeit, gemeinsam die Kosten zu senken und im Anschluss eine anteilige Preisreduzierung zu erhalten. Ein ähnliches Problem ergibt sich, wenn die externe Beschaffungsmarktanalyse ergeben hat, dass der jetzige Lieferant bereits die günstigsten Konditionen hat. Ist hiermit die Aufgabe eines fortschrittlichen, pro-aktiven Einkaufs abgeschlossen? Sicherlich nicht.
1 von 8 Lieferant: Werksstandort:
Ware: Datum:
Mengen
Die Bestellmengen werden in Mengen mit vollen Verpackungseinheiten (VP) und in halben VP, für „Langsamdreher“ gepackt. Bei Produktan- oder -ausläufen dürfen auch kleinere Einheiten bestellt werden, wenn diese mindestens 6 Wochen vorher bekannt gegeben werden.
Der Kunde liefert dem Lieferanten immer am Donnerstag die Liste der Abrufe für Lieferungen der Folgewoche. Die Abrufliste enthält jeweils eine Zeile pro Spezifikation für ein Lieferdatum
Der Lieferant bestätigt einen Mengenabruf innerhalb von 24 Stunden nach Erhalt gegenüber der Disposition mit einer festen Lieferzeit für den Lkw im Werk des Kunden.
Die Angabe der Lieferzeit hat stundengenau zu erfolgen, da im Werk des Kunden feste Zeitfenster für die Entladung eingerichtet sind.
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Lieferant
Abrufplan bzw. Dispositionsplan
Bei überaltertem Lagerbestand wird zusammen mit dem Lieferanten eine gemeinsame Analyse gestartet.
Bestellungen
Bei überaltertem Lagerbestand (ab 3 Monate nach Produktion) wird eine gemeinsame Analyse mit der Disposition des Kunden gestartet.
Der Mindestlagerbestand wird als 2 Wochen definiert, die maximale Auftragslosgröße wird als 8 Wochen definiert. Nach Freigabe des Produktionslaufs durch den Kunden produziert und lagert der Lieferant die Ware gemäß der Spezifikation bis zum Abruf.
Änderungen des vorgeschlagenen Volumens und Termins können bis zu 24 Stunden für Änderungen bezüglich des Produktions-Mix und bis zu 3 Tage bei Volumenänderungen vor dem Produktionstermin durchgeführt werden. Änderungen werden von der Disposition in der Scorecard festgehalten.
Die Disposition des Kunden gibt den Produktionslauf schriftlich frei, basierend auf dem Vorschlag des Lieferanten.
Der Lieferant überprüft seine Lagerkapazitäten gegenüber dem Forecast und wird dem Kunden (Dispositionsabteilung) die Produktionsmengen und den Produktionszeitpunkt vorschlagen.
Produktionslauf
Der Lieferant trägt seine Lagerbestände, die geplanten Produktionsmengen und Daten in den Excel Forecast ein und sendet ihn an die den Kunden (Disposition).
Der Kunde versorgt den Lieferanten jeden Monat, bis zum dritten Arbeitstag, mit einer gleitenden Schätzung der benötigten Mengen mit einem Zeithorizont von zwölf Wochen.
Der Lieferant plant seine Produktionskapazität Personalbudget entsprechend dem langfristigen „Forecast", den er vom Kunden erhält.
Mengen-Forecast
Eigenes Unternehmen (Kunde) und das Lieferplan
Lieferant
Mengen
Die folgende Übereinkunft wurde für die Supply Chain der Ware _________________ zwischen dem Lieferanten __________________, dem eigenen Produktionsstandort in ____________ und der Disposition mit Unterstützung des strategischen Einkaufs getroffen. Dieses Arbeitsdokument dient als Ergänzung zum Liefervertrag und der technischen Materialspezifikation (im Falle eines Widerspruchs haben immer Vertrag und Spezifikation vorrangige Gültigkeit) und ist gültig ab sofort.
Seite: Dokumenteneigentümer:
Werksliefervereinbarung
246 Lieferantenmanagement
Anweisungen
Lieferscheine
Anlieferzeiten
Der Lieferant garantiert, dass die Lieferung +/- 15 Minuten innerhalb des Lieferfensters am vereinbarten Liefertag ankommt.
Lieferanschrift
x x x x x
Name des Lieferanten Lieferanschrift Nummer des Liefervertrages bzw. SAP-Bestellnummer Kundenproduktnummer, inkl. Produktbeschreibung Mengenangabe und Produktions-LOT
Lieferscheine müssen mindestens die folgenden Angaben enthalten:
Notfalllieferungen sind jederzeit innerhalb von 24 Stunden möglich, jedoch nur als eine Anlieferung per Kleintransporter.
Teillieferungen sind nur von Montag bis Freitag von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr möglich, da hier der Kunde eine verstärkte Schichtbesetzung hat.
Normale Lieferungen können 6 Tage die Woche, von Montag, 6.00 Uhr, bis Samstag, 16.00 Uhr, erfolgen.
Die Fahrer sind für die Entladung der Ware aus dem Lkw verantwortlich. Der Kunde stellt hierfür _____________ zur Verfügung. MITARBEITER DES KUNDEN DÜRFEN NICHT IN DEN FAHRZEUGEN VON LIEFERANTEN ARBEITEN.
Fahrer müssen sich an der Pforte melden. Der Wachmann wird ihm dann Anweisungen erteilen. Es wird erwartet, dass die Fahrer den Anweisungen des Sicherheitspersonals Folge leisten.
Lieferant
Kundenwerk: XYZ
Lieferung
Der Lieferant teilt dem Kunden den Lagerbestand mit Hilfe eines Echtzeit-Lagerbestandssystems auf einer geschützten Internet-Seite oder per EDI mit (bei EDI mindestens eine Datenübertragung pro Tag).
Lagerbestand
Ware:
Werksdisposition bucht die korrekten Mengen im System
Jeder Lkw, der pünktlich ankommt, wird innerhalb von 2 Stunden entladen.
Lieferungen, die außerhalb des zugewiesenen Zeitfensters oder ohne reserviertes Buchungsfenster eintreffen, werden möglicherweise nicht entladen.
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Werksliefervereinbarung Lieferant:
Lieferant
2 von 8
Bestellungen
Seite:
Lieferantenmanagement 247
Der Lieferant liefert preiswerte Euro-Paletten, CHEP-Mehrwegpaletten oder Einwegpaletten guter Qualität.
Verpackung
Neben den Informationen des Lieferscheins müssen noch enthalten sein:
Aufbau der Rechnung
Eigenes Unternehmen (Kunde) Die Verantwortlichkeiten für die Eintragung der Werte der einzelnen Kriterien sind in der Supply Chain Scorecard definiert. Lieferanten-Review-Meeting alle zwei bis vier Monate. Termine sind zum Jahresbeginn bekannt zu geben. Sondertermine sind mit mindestens zwei Wochen Vorlauf anzukündigen und können von beiden Parteien einberufen werden.
Lieferant
Die Verantwortlichkeiten für die Eintragung der Werte der einzelnen Kriterien sind in der Supply Chain Scorecard definiert.
Lieferanten-Review-Meeting alle zwei bis vier Monate. Termine sind zum Jahresbeginn bekannt zu geben. Sondertermine sind mit mindestens zwei Wochen Vorlauf anzukündigen und können von beiden Parteien einberufen werden.
Supply Chain
Scorecard
Lieferanten-ReviewMeeting
Lieferdatum Lieferschein Nr. Betrag der MWSt. MWSt.-Nummer Netto-Rechungswert Brutto-Rechungswert Preis der Ware
Bei fehlenden Angaben schickt der Kunde die Rechnung wieder an den Lieferanten zurück. Eventuelle Zahlungsverzögerungen, die hieraus entstehen gehen nicht zu Lasten des Kunden.
x x x x x x x
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Lieferant
ABC (kann von der Lieferanschrift abweichen) Straße, PLZ Ort
Postanschrift (Rechnung)
FIFO (first in first out) muss sichergestellt werden.
Ware:
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Rechnung
Lagerbedingungen
Gemischte Paletten-Lieferungen werden nicht akzeptiert.
Mindestens die gleichen Angaben wie auf dem Lieferschein, jedoch zusätzlich ein Barcode und die Kundenproduktnummer in Großschrift, damit ein Staplerfahrer die Ware identifizieren kann.
Lieferant:
Paket bzw. Palettenbeschriftung
3 von 8
Lieferant
Lieferung
Seite:
Werksliefervereinbarung
248 Lieferantenmanagement
Werksliefervereinbarung
Das Material liegt außerhalb der Spezifikation und ist nicht einzusetzen, das Material wird umgehend an den Lieferanten zurückgeschickt und eine A-Reklamation eingereicht.
x
x
x
x
x x x
x
die Ware auf Paletten gepackt ist, die nicht den vereinbarten Spezifikationen entsprechen die Ware nicht von der Disposition des Kunden bestellt wurde die Lieferunterlagen nicht korrekt sind die gelieferte Menge nicht im vereinbarten Rahmen der Liefertoleranzen (über/unter) liegt. die Paletten oder Pakete extreme Verschmutzungen aufweisen, verbeult oder beschädigt sind die Identifizierungsetiketten fehlen oder nur teilweise vorhanden sind der Fahrer sich nicht entsprechend den KundenSicherheitskriterien verhält der Lkw oder der Auflieger nicht in einem angemessenen, guten Zustand sind
Der Kunde behält sich das Recht vor, die Annahme von Teil- oder Gesamtlieferungen zu verweigern, wenn:
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Lieferant
des
Der Lieferant reagiert auf die Reklamation, hierzu zählt die Einleitung von korrigierenden Maßnahmen, wie sofortige Neulieferung und Änderung des Produktionsprozesses. Lieferscheine werden korrigiert, bzw. es werden Gutschriften durch den Lieferanten erstellt.
Angaben
A-Defekte
die
Defekte
mindestens
Lieferant
Jedes Analysezertifikat muss Lieferscheins enthalten.
Das Analysezertifikat wird als Referenz abgelegt.
Analysezertifikat gemäß der gültigen Kunden-Spezifikation wird mit jeder Lieferung die Qualitätsabteilung des Kunden geschickt oder vorab per Fax an ______________ oder per E-Mail. Eine Kopie des Analysezertifikats muss an jeder Lieferung physikalisch fest angebracht werden.
Ware:
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Lieferant:
Lieferant
4 von 8
Rückweisungen
Zertifikate
Seite:
Lieferantenmanagement 249
Der Lieferant reagiert auf die Reklamation mit der Einreichung seiner Verbesserungsvorschläge.
Lieferant
C-Defekte
Sicherheit
Zusatzkosten werden vom Lieferanten erstattet.
Der Lieferant reagiert auf die Reklamation, hierzu zählt die Einleitung von korrigierenden Maßnahmen, wie eine Verbesserung des Produktionsprozesses.
Lieferant:
B-Defekte
5 von 8
Lieferant
Zertifikate
Seite:
Ware:
x
x
x
x
Unbefugte Fahrzeuge oder Personen erhalten keinen Einlass auf das Gelände des Kunden. Personen, die unter dem Einfluss oder im Besitz von Alkohol oder Rauschmitteln sind, wird der Zugang zum Standort untersagt. Rauchen ist auf dem gesamten Gelände verboten, auch in den Fahrerkabinen. Jede Person, die rauchend auf dem Gelände entdeckt wird, wird umgehend entfernt. AUSNAHME: Raucherbereich im Aufenthaltsraum für Lkw-Fahrer. Personen, die mit Paletten hantieren, müssen Sicherheitsschuhe tragen (z. B. der Fahrer).
Allgemeine Anmerkungen
Lieferanten, ihre Mitarbeiter und Spediteure müssen ihre Verantwortung für die Arbeitssicherheit in den Produktionsstätten des Kunden verstehen sowie das Bedürfnis, sich an die Anforderungen von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu halten.
Der Kunde besteht auf Arbeitssicherheit.
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Das Material liegt außerhalb der Spezifikation, ist jedoch ohne Zusatzkosten einzusetzen, oder die Verpackung, Etikettierung oder Begleitdokumente entspricht nicht den Anforderungen. Eine CReklamation wird eingereicht.
Eine B-Reklamation ist abhängig von der Zustimmung des Lieferanten. Die Zustimmung muss innerhalb von 48 Stunden nach Bekanntgabe der Reklamation erfolgen, andernfalls erfolgt automatisch eine A-Reklamation.
Das Material liegt außerhalb der Spezifikation, ist jedoch mit Zusatzkosten einsetzbar, eine B-Reklamation wird eingereicht, und eine Rechnung über die Zusatzkosten wird an den Lieferanten geschickt.
Eigenes Unternehmen (Kunde)
Werksliefervereinbarung
250 Lieferantenmanagement
Abbildung 73: Werksliefervereinbarung und Supply Chain Scorecard
Produktionen
Produktionsläufe
Administration
Verluste
Lieferzuverlässigkeit
Lieferanten Zuverlässigkeit
C-Defekte
B-Defekte
A-Defekte
Qualität
Seite:
Anzahl der Produktionsläufe Anzahl Produktionsverschiebungen % von korrekten Produktionen
Anzahl der Vorfälle, bei denen die Rechnung nicht mit der Bestellung übereinstimmt
Anzahl Lieferungen Anzahl vollständiger/ pünktlicher Lieferungen % korrekter Lieferungen
Anzahl A-Defekte Anzahl B-Defekte Anzahl C-Defekte
Messwerte
100 %
Null
XX
Null
100 %
99 %
XX
Null
Null
Null
Ziel
Verantwortlich für Messung Jan
Lieferant: Feb
Mrz
Apr
Mai
Jun
Jul
Supply Chain Scorecard als Anlage 3 zur Werksliefervereinbarung 8 von 8 Aug
Ware: Sep
Okt
Nov
Dez
Lieferantenmanagement 251
252
Lieferantenmanagement
Mit der Prozesswertanalyse im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses bestehen sehr gute Chancen, weiteres Einsparungspotential aufzudecken. Eine Prozesswertanalyse ist kein Thema, das der Einkauf allein bearbeiten kann. Hierzu ist in aller Regel ein multidisziplinäres Team aus Technikern, Logistikern und Qualitätsexperten notwendig. Die Aufgabe des Einkaufs ist es jedoch, die Leitung für diesen Prozess zu übernehmen, Termine mit dem Lieferanten zu vereinbaren, bei den Gesprächen Fragen zu stellen und vor allem die Ergebnisse festzuhalten. Schließlich folgt nach dem Lieferantenmeeting immer das Abschlussgespräch mit dem Einkauf.
6.2
Die Schritte eines KVP-Workshops
Die Schritte eines KVP-Workshops gliedern sich in verschiedene Hauptbereiche: Kick-off-Meeting. Im Kick-off-Meeting beschließen beide Unternehmen den Prozess miteinander zu beginnen. Weiterhin dient das Gespräch dazu, die Prinzipien und Vorgehensweisen zu definieren. Problem
Auswirkungen
Umlaufbestände (Wareneingangslager, Puffer, Versandlager)
benötigen Platz/verursachen Suchvorgänge/verdecken Probleme
Überproduktion (mehr produzieren als Bedarf besteht)
blockiert Kapazitäten, erzeugt Bestände
Wartezeiten (auf Material, Prozess, Prüfungen)
blockiert Kapazitäten, erzeugt Bestände
Reparatur/Wartung/Umrüstung von Maschinen und Werkzeugen
blockiert Kapazitäten, erzeugt Bestände
Transport (Transport von Material zwischen den Prozessschritten)
verursacht Kosten, Beschädigung, Suchvorgänge
Bewegung/Handling von Teilen (unnötige Bewegungen des Bedienungspersonals)
kostet Zeit und somit Geld
Fehlerhafte Teile (Ausschuss)
verursacht Nacharbeit, zusätzlichen Transport, Kontrollen, Ausschuss
Abbildung 74: Verschwendungen im Herstellungsprozess
Lieferantenmanagement
253
Verschwendung und Wertschöpfung. Der Grundgedanke eines KVP-Prozesses ist es, gemeinsam Verschwendungen zu identifizieren, festzulegen, welche Verschwendungen eliminiert werden können, und dies umzusetzen, um die Kosten zu reduzieren. Verschwendung in der Administration. Gerade im administrativen Bereich wird heute sehr viel Papier erzeugt bzw. Nacharbeit verrichtet, die nicht zur Wertschöpfung beiträgt. Zur Identifizierung all dieser Verschwendungen muss man sich freimachen vom heutigen Geschäftsablauf und den Idealzustand betrachten: Der Lieferant liefert genau die Ware (in richtiger Qualität und Menge) zu dem Zeitpunkt an, an dem sie benötigt wird. Der Preis garantiert immer einen Wettbewerbsvorteil und die Bezahlung erfolgt automatisch. Problem
Auswirkungen
Manuelle Disposition (keine automatische Abstimmung mit dem Produktionsplan)
Unterbestand, Überbestand, manuelle Arbeit
Rechnungsbearbeitung (Erstellung, Versand, Prüfen, Verbuchen)
kostet Zeit und somit Geld (Achtung: gesetzliche Anforderungen beachten)
Quartalsgespräche (rituelle Besprechungen)
kostet Zeit und somit Geld
Abbildung 75: Verschwendung in der Administration
Workshop Ein entscheidender Teil eines KVP-Workshops ist eine Betriebsbesichtigung mit einem detaillierten Rundgang durch die Produktion. Ablauf eines KVP-Workshops
Präsentation der Methodik Vorstellung der Teilnehmer Werksrundgang (falls erforderlich) Brainstorming Verbesserungsvorschläge Umsetzung im Team: (I) Ziele setzen, (II) wenn möglich direkte Umsetzung: Versuchen/Testen Aktionskatalog erstellen Abschlusspräsentation der Ergebnisse Abbildung 76: Beispielhafter KVP-Workshop
254
Lieferantenmanagement
Bei der Betriebsbesichtigung ist wichtig, dass man sich auf die Herstellung seiner Zulieferprodukte konzentriert. Sicherlich ist ein umfassender Blick hinter die Kulissen von Interesse, aber es sollen ja die Kosten für das eigene Produkt gesenkt werden. Im Vergleich zu einem Rationalisierungsprojekt geht es bei einem KVP-Workshop darum, das Umfeld zu betrachten und alle Verschwendungen und Verluste zu erkennen. Verluste entstehen sowohl im Herstellungsprozess selbst wie auch im administrativen Bereich. Während des Workshops sind alle Verbesserungsvorschläge festzuhalten, da es nicht möglich ist, alle Maßnahmen sofort umzusetzen. Gleichzeitig ist gemeinsam eine Abschätzung vorzunehmen, zu welchem Prozentsatz ein Verlust eliminiert werden kann. Man muss sich bewusst sein, dass es nicht möglich sein wird, alle Verluste zu 100 Prozent zu eliminieren.
Einkaufs-/Technik-Nachgespräch Nach dem Abschluss des Workshops folgt das technische Nachgespräch. Nach etwa vier Wochen sollte man sich zu einem Gespräch treffen (idealerweise beim Lieferanten), um den Status der Aktivitäten zu überprüfen. Hierbei ist es wichtig zu hinterfragen, welche Maßnahmen umgesetzt wurden und welche nicht. Wenn eine Maßnahme nicht umgesetzt wurde, ist es wichtig zu hinterfragen, warum und was die korrektiven Maßnahmen sind. Wurde seitens des Lieferanten nichts umgesetzt oder nur halbherzig gearbeitet, dann müssen noch einmal die Wichtigkeit und Bedeutung des Projekts klar gemacht werden.
7.
Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung
Abbildung 77 zeigt die Beschaffungskompetenzen für die drei Kompetenzstufen und Abbildung 78 zeigt in einer Zusammenfassung den Grad der Zusammenarbeit für die vier Arten von Lieferanten.
LIEFERANTENMANAGEMENT
KÖNNER Arbeitet über organisatorische Grenzen der eigenen Organisation hinweg, um eine Strategie für die gesamten Beziehungen des Unternehmens zu den Hauptlieferanten zu entwickeln. Leitet die Integration der Beziehung des eigenen Unternehmens zu den Hauptlieferanten über verschiedene Funktionen hinweg, spricht die verschiedenen eigenen Bedürfnisse sowie die sich hieraus ergebenden Vielschichtigkeiten an. Hat die Fähigkeit bewiesen, Beziehungen durch gute Zeiten und durch schlechte Zeiten zu steuern. Kann Beziehungen effektiv auf jede Seite des Kontinuums bewegen – je nachdem was das Geschäft verlangt. Macht dies durch direktes persönliches Zusammenspiel mit den Entscheidungsträgern der Hauptlieferanten, um ein Klima und eine Ebene des Vertrauens zu schaffen, die notwendig sind, um effektiv Einfluss auf diese zu nehmen.
Bewiesene Fähigkeiten: Gilt klar als Führungspersönlichkeit und innovative Kraft in der Entwicklung des Lieferantenmanagements. Verfügt über Beziehungen und Einfluss, die zu einem Wettbewerbsvorteil führen.
KENNER
Versteht die unterschiedlichen Lieferantenbeziehungen (Lieferant im Wettbewerb, Vorzugslieferant, Qualifizierter Lieferant, Strategischer Lieferant) mit ihren Einschränkungen und Chancen. Kann diese auf seine eigenen Einkaufsverantwortlichkeiten anwenden, um sowohl bestehende Beziehungen als auch gewünschte Beziehungen zu ermitteln. Ist in der Lage, einen Plan auszuarbeiten und auszuführen, um die entsprechende Beziehung zum Lieferanten zur Maximierung der Geschäftsergebnisse aufrechtzuhalten oder zu verändern. Setzt seine Fähigkeiten der Lieferantenanalyse zum Verständnis der Hauptlieferanten ein. Stellt persönliche Kontakte zum entsprechenden Management des Lieferanten her, um Einfluss zu nehmen. Artikuliert klar die eigenen Geschäftsbedürfnisse und Anforderungen an die Leistungen der Lieferanten. Legt Ziele, Meilensteine und Kriterien zur Messung der Lieferantenleistung fest. Hat Verständnis für die Bedürfnisse der Lieferanten und kann diese innerhalb des eigenen Unternehmens vertreten, um funktionierende Beziehungen aufzubauen, die durch Konkurrenz oder Gemeinschaft geprägt sind.
Bewiesene Fähigkeiten:
Erbrachte für das Unternehmen in mindestens zwei unterschiedlichen Arten der Lieferantenbetreuung hervorragende Ergebnisse.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Abbildung 77: Beschaffungskompetenzen: Lieferantenmanagement Hat das Wissen und die Vorgehensweise zum Lieferantenmanagement konsequent weiterentwickelt. Hat entsprechende Schulungen entworfen und vermittelt dieses Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Wird sowohl von der eigenen Geschäftsleitung als auch von der des Lieferanten ausgewählt, um bei der Lösung externer Beziehungsprobleme helfend einzugreifen. Setzt breite Benchmarks und versucht, die Fähigkeiten der gesamten Gemeinschaft zu fördern. Hoher Bekanntheitsgrad bei den Lieferanten als leitende Führungskraft des eigenen Unternehmens an der Schnittstelle der Lieferantenbeziehung. Führt die innovativen Gedanken zum weiteren Aufbau von externen Fähigkeiten mit Hilfe der Lieferanten an. Zeigt die Fähigkeit, ausgesprochen komplexe, multikulturelle Mehrparteien-Beziehungen zum gegenseitigen Vorteil aufzubauen.
EXPERTE
Steuert die gesamten Beziehungen zu externen Lieferanten, um das eigene Unternehmen gegenüber dem Lieferanten als auch den Lieferanten gegenüber dem eigenen Unternehmen angemessen zu vertreten. Ist in der Lage, eine Beziehung aufzubauen, indem er als Führungspersönlichkeit und starkes Bindeglied an der kommerziellen Schnittstelle zur Verfügung steht. Dies bedeutet, die Ressourcenallokation der Lieferanten so zu beeinflussen, dass Produktangebote und Geschäftsentscheidungen so getroffen werden, dass sie den Bedarf des eigenen Unternehmens so unterstützen, dass der beste Gegenwert und ein Wettbewerbsvorteil geschaffen werden.
Lieferantenmanagement 255
Abbildung 78: Art der Lieferantenbeziehung und Grad der Zusammenarbeit • Standardqualität
• Niedrigster Preis
• Zweckgemeinschaft
• Einige Win-Win-Vereinbarungen
• Aufbau einer Basis-Supply-Chain
• Gesicherte Versorgung
• Informationsweitergabe nur nach Notwendigkeit
• Funktionserfüllung bei geringen Kosten
• Offene Zusammenarbeit, Win-Win-Beziehung
• Qualifizierter Ressourcen vom Unternehmen und Lieferanten
• Hochentwickelte Supply Chain (teilweise integriert)
• Gemeinsamer Fokus auf Wertsteigerungen
• Integrierte F&E-Aktivitäten nach Bedarf und Kompetenzen
• Aktive Einbeziehung der Einkaufsleitung nach Bedarf
• Mittelfristige Verträge mit einer Laufzeit von bis zu 3 Jahren
• Regelmäßige Kommunikation mit Offenheit zu limitierten Themen
• Sehr auf Zusammenarbeit bezogene Win-Win-Beziehung, gemeinsame Ergebnismessung
• Hochentwickelte Supply Chain (voll integrierte Systeme)
• Gemeinsame F&E-Aktivitäten, die dem Ausbau der Marktposition dienen
• Multifunktionale Teams bearbeiten verschiedenste Schnittstellen zwischen den Unternehmen
• Einkaufsleitung hat aktive Rolle zur Verbesserung der Lieferantenbeziehung
• Prinzipienbasierte, enge Kooperation mit langfristigen Vertragsvereinbarungen (> 5 Jahre)
• Häufige Kommunikation mit voller Offenheit zu vielen Themenbereichen
Art der Lieferantenbeziehung
Lieferant im Wettbewerb
Qualifizierter, anerkannter Lieferant
Vorzugslieferant
Strategischer Lieferant
Grad der Zusammenarbeit mit dem Lieferanten • Gemeinsame Strategien, die über Kunden-Lieferanten-Beziehung hinausgehen (z. B. neue Märkte)
256 Lieferantenmanagement
Commodities
257
Commodities
1.
Grundlagen
Commodities können unverfeinerte oder verfeinerte (veredelte) Rohstoffe sein (Chemikalien, Zellstoff, Metalle oder deren Feedstocks = Grundmaterialien), die als Grundbausteine für andere Produkte dienen. Zwischen den einzelnen Lieferanten eines Commodity-Materials ist eine Substitution möglich, die aus der ausreichenden Uniformität von Qualität und Eigenschaften des Materials resultiert. Charakteristisch für Commodities sind folgende Punkte: Falls sie bereits bearbeitet sind, ist die Werterhöhung durch die Bearbeitung normalerweise niedrig. Homogenität und/oder Standardisierung. Das Angebot kommt aus freien Stücken an den Markt. Commodities sind Waren mit einem Welt- oder regionalen Markt. Gewisse (z. T. sehr geringe) Lagerfähigkeit. Stark schwankende und z. T. geringe Gewinnmargen. Hohe Preisschwankungen, große Abhängigkeit von Umfeld bzw. Umgebung, Angebots-/ Nachfragesensibilität des Preises. Die Preisbildung kann getrennt von der physischen Beschaffung des Produktes erfolgen (zum Beispiel Börsen). Der Preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Angebot und Nachfrage sind weder stetig noch vorhersehbar; allerdings existieren Größen, die sich jeglicher Kontrolle durch große Finanzquellen entziehen. Dollarabhängigkeit und somit Globalität des Commodity.Marktes. Abhängigkeit der Preise von der Feedstockverfügbarkeit (= Verfügbarkeit der Grundmaterialien). Innovationen bei Commodities: geringe Innovationen bei Produkteigenschaften, vielmehr bei Herstellungsverfahren.
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_15, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
258
2.
Commodities
Produkte im Unternehmen (Commodities?)
Die vorhergehende Beschreibung gilt für vollkommene Commodities. Eine genauere Analyse von Produkten im betrieblichen Umfeld zeigt jedoch, dass nicht alle Produkte dieser vollkommenen Beschreibung entsprechen: Einige Rohstoffe und somit die Lieferanten sind nicht beliebig austauschbar. Qualitäten und Eigenschaften eines Materials sind oft von Lieferant zu Lieferant unterschiedlich; folglich sind nur spezielle Qualitäten für spezielle Anwendungen geeignet. Auch Merkmale eines Lieferanten wie Standort, Service oder Innovationen spielen bei der Beschaffung eine wichtige Rolle und lassen sich nicht immer beliebig auswechseln. Transportwege und somit die Transportkosten können einen nicht unerheblichen Anteil an den Gesamtkosten haben. Um den Markt eines zu beschaffenden Materials zu verstehen, ist es notwendig, auch die Märkte und deren Feedstocks zu kennen.
3.
Relative Lieferantenabhängigkeit
In Commodity-Märkten herrschen eigene Gesetze. In manchen existieren breite Anbieterbasen mit hoher Konkurrenzdichte, auf anderen wird der Preis von nur wenigen Herstellern bestimmt, die ihre Produkte mit speziellen Eigenschaften ausstatten. Zwei wichtige Faktoren, nach denen sich die Abhängigkeit von bestimmten Lieferanten richtet, werden im Folgenden etwas näher ausgeführt. Abhängigkeitsreduktion bei breiter Anbieterbasis. Um der Abhängigkeit von einem bestimmten Lieferanten entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, auf den Commodity-Märkten, die eine breite Anbieterbasis verzeichnen, global und breit zu agieren. Es müssen alle Lieferanten in die Überlegungen mit aufgenommen werden, auch solche, deren Standorte weit entfernt vom eigenen Unternehmen sind. Lieferanten können ihre Produkte nur über wertsteigernden Service verkaufen, da der Preis relativ fix ist bzw. wenig beeinflussbar ist. Für den Einkäufer heißt dies, dass die Transportkosten der weiter entfernten Lieferanten tendenziell von ihnen selbst getragen werden. Abhängigkeitsreduktion bei flexiblem Spezifikationen. Spezifische technische Eigenschaften von Commodities erfordern eine spezifische Produktion und erhöhen die Abhängigkeit von einem Commodity-Hersteller. Diese Abhängigkeit ist verständlicherweise sehr
Commodities
259
nachteilig für Materialverfügbarkeit und Preisverhandlungen. Einkauf, F&E und Technik sollten daher bei Produktentwicklungen und Optimierungsprozessen stets darum bemüht sein, den Produktionsprozess hinsichtlich eines Commodity-Materials so flexibel wie möglich zu halten. Auch lohnt es sich, über die Qualitätsanforderungen nachzudenken. Natürlich muss die Qualität einen störungsfreien Produktionsprozess und die Herstellung eines mangelfreien, der Norm entsprechenden Endproduktes gewährleisten. Über diesen Grundmaßstab hinaus sollte die Qualität jedoch nur so gut sein, wie der Kunde bereit ist, dafür zu zahlen. Es ist eine der Hauptaufgaben des Einkaufs, die technischen Anforderungen zu reduzieren und somit den Markt zu öffnen!
4.
Beschaffungsmarktanalyse
Für eine erfolgreiche Commodity-Beschaffung, die den Anforderungen an Versorgungssicherheit und Steigerung des Unternehmenswertes gerecht wird, ist es erforderlich, dass der Einkäufer sehr gute Kenntnisse über die Funktionsweise seiner speziellen CommodityMärkte und somit über das Zustandekommen der Preise hat. Marktstruktur, Machtverhältnisse etc. variieren sehr stark zwischen den Märkten der einzelnen Commodities. Daher muss für jeden Commodity-Markt eine separate Marktanalyse durchgeführt werden. Bei der Analyse liegt der Fokus auf den Faktoren, die Preis und Verfügbarkeit beeinflussen. Diese Faktoren werden nachfolgend erläutert.
4.1
Einfluss der Feedstock-Kosten auf den Marktpreis
Oft versuchen die Anbieter, Preiserhöhungen durch die Steigerung ihrer Feedstock-Kosten zu rechtfertigen und durchzusetzen. Diese angeblichen Kostensteigerungen entsprechen aber nicht immer der Wahrheit. Im Falle von Kostensenkungen werden die Anbieter jedoch meist nicht aus Eigeninitiative den Preis senken. Der Einkäufer muss also wissen, wie sich die Kosten seines Lieferanten zusammensetzen und durch welche Faktoren sie beeinflusst werden. Dieses Wissen, gekoppelt mit dem aufmerksamen Verfolgen der Entwicklung der relevanten Faktoren über geeignete Informationsquellen, befähigt ihn, Veränderungen in den Kosten zu erkennen und rechtzeitig die notwendigen Schritte einzuleiten (zum Beispiel durch frühzeitiges Nachverhandeln der Preise bei Kostensenkungen). Nur mit dem Verständnis der Kosten ist der Einkäufer ein ebenbürtiger Verhandlungspartner, der Aussagen des Lieferanten sofort auf deren Wahrheitsgrad prüfen kann. Auf diese Weise kann ein Preisdiktat des Lieferanten verhindert werden.
260
Commodities
Kostenfaktoren Verfügbarkeit des Naturabhängig (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Ölförderungen) Feedstocks:
Wettersensibilität/Auswirkungen auf das Vorkommen (zum Beispiel Holz und in der Folge Zellstoff durch Windbruch)
Kann durch Staatspolitik, Umwelteinflüsse, Wirtschaftszyklus, Währungsschwankungen (vor allem US-Dollar) und Feedstock-Verbrauchsveränderungen anderer Branchen beeinflusst werden
Herstellungsprozesskosten:
Die Herstellungsprozesskosten variieren von Lieferant zu Lieferant. Gründe dafür sind Unterschiede in:
Produktionsanlagen/Technologie Kapazitätsauslastungen Einkaufsquellen/Organisationsstruktur Produktionsmengen Abbildung 79: Kostenfaktoren für den Feedstock
Steuerung der Feedstocks Um bei der Commodity-Beschaffung Erfolgspotentiale aufbauen zu können, ist es notwendig, die Strategie „Steuerung des Feedstocks“ zu verfolgen. Zum Beispiel hängt der Preis für bestimmte Produkte sehr stark von ihren Feedstocks ab, da der Lieferant nur eine sehr geringe Veredelung und Wertschöpfung durchführt. Ziel der Strategie ist es, den Preis des Feedstocks entweder zu beeinflussen bzw. dessen Preisentwicklung zu analysieren und dadurch bessere Informationen über das entsprechende Commodity zu erlangen. Entscheidendes Instrument zur Steuerung des Feedstocks sind strategische Partnerschaften mit den Lieferanten. Häufig gibt es auch Verkettungen, wenn ein Unternehmen Produkte von einem Commodity-Lieferanten bezieht, von dem gleichzeitig auch die direkten Lieferanten Produkte beziehen.
4.2
Analyse der Angebots- und Nachfragefaktoren
Preis und Verfügbarkeit einer Ware leiten sich in erster Linie aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ab. Es ist für den Einkäufer wichtig zu wissen und zu verstehen, durch welche Faktoren Angebot und Nachfrage bestimmt werden.
Commodities
261
Angebotsfaktoren. Verfügbarkeit der Feedstocks (Grundmaterial). Technologische Fortschritte erhöhen die Produktivität oder senken die Kosten und begünstigen den Marktzutritt potentieller neuer Anbieter. Wirtschaftszyklus (Auf- und Abschwung). Angebotsfaktoren tendieren wegen der immer internationaler werdenden Märkte zur Globalität. Globales Geschehen beeinflusst Preis und Verfügbarkeit, folglich ist den Angebotsfaktoren grenzübergreifend Aufmerksamkeit zu schenken. Natürlich ist auch die Flexibilität der Spezifikation aus der Sicht einer Angebotseinschränkung von entscheidender Bedeutung für die Höhe des Angebotes. Nachfragefaktoren. Bestandskontrolle/Restbestände. Der Wirtschaftszyklus verursacht durch Konjunkturschwankungen auch Nachfrageschwankungen. Konsumverhalten des Endverbrauchers (saisonal, Trend, Mode, Wetter etc.). Konkurrenzfähiges Substitut. Staatspolitik (vor allem Gesetze, Verordnungen, Richtlinien). Öffentliche Ausgaben. Nachfragefaktoren sind tendenziell regional. Technologische Fortschritte können das Commodity für andere Märkte erschließen (Gesamtnachfrage steigt) oder aber Verbrauchseinsparungen ermöglichen (Gesamtnachfrage sinkt). Wirtschaftszyklus (Informationen über reale Konsumentenausgaben). Hebelwirkung durch Beschaffungsvolumen. Da Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, liegt es nahe, dass große Abnahmen einen günstigeren Preis erzeugen. Somit stehen bei dieser Strategie die Mengeneffekte (= Skaleneffekte) sowie kritische Mengen im Mittelpunkt. Diese Strategie erwirtschaftet aber nur dann Erfolge, wenn der Einkauf der Commodities zentral gesteuert und zentrale Verträge abgeschlossen werden. Ein Nachteil dieser Strategie ist die Gefahr der Abhängigkeit des eigenen Unternehmens von einem Lieferanten hinsichtlich Termintreue, Qualität und Preisdiktat. Handel mit Commodities. Um Vorteile bei der mengenmäßigen Preisfindung zu realisieren, sind Commodity-Einkäufer häufig gleichzeitig Verkäufer. Große Mengen kosten im Verhältnis weniger als kleine. Dieser Handel ist nicht nur ein reiner Warenumschlag. Im Gegensatz zum Einkaufsgeschäft kann sich das Verkaufsgeschäft auch in Zeit, Ort und Qualität unterscheiden. Eine weitere geläufige Praktik ist ein Austausch von Produktmengen unterschiedlicher Qualität. Voraussetzung, um sich auf dem Handelsgebiet zu etablieren, sind noch besseres Marktverständnis bzw. -analyse als beim reinen Einkauf von Commodities. Der Markt, vor allem die Positionen der Nachfragewettbewerber, sind genau zu prüfen.
262
4.3
Commodities
Marktformanalyse
Die Marktform (Anzahl der Anbieter und Nachfrager, Größe einzelner Anbieter bzw. Nachfrager) ist maßgebend für das Zustandekommen von Preisen und eventuellen Verhandlungsspielräumen. Die Struktur eines bestimmten Marktes kann man annähernd in eine der folgenden Marktformen einstufen. Vollständige Konkurrenz. Der Markt der vollständigen Konkurrenz ist ein Sonderfall. Er existiert nur für Waren, die den Kriterien eines Commodities vollständig entsprechen. Auf dem Markt der vollständigen Konkurrenz existieren unzählige Anbieter und Nachfrager und die Produkte der einzelnen Anbieter unterscheiden sich nicht. Dem Einkäufer ist es egal, von welchem Lieferanten er seine Waren bezieht. Es herrscht vollständige Preistransparenz. Folglich herrscht auf dem Markt nur ein Preis, bei dem Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht stehen. Die Kaufkraftparität ist erfüllt, d. h., es gilt das Gesetz des einen Preises. Nur zu diesem Preis kommen Verträge zustande. Ein Beispiel solcher Märkte sind Commodity-Exchanges (Commodity-Börsen) und Märkte für Standardprodukte wie Erdöl. Der einzelne Einkäufer hat keinen Einfluss auf den Preis. Auf solchen Märkten bieten sich Hedging (zukünftige Geschäfte zu definierten Konditionen) und Vorratskäufe (falls die Ware lagerfähig ist) an. Unvollständige Konkurrenz. In dem Markt der unvollständigen Konkurrenz unterscheiden sich die Commodities, Leistungen und Eigenschaften der Lieferanten voneinander. Folglich herrschen auf dem Markt der unvollständigen Konkurrenz Präferenzen und dadurch auch unterschiedliche Preise. Es muss auch nicht zwangsläufig Preistransparenz herrschen, d. h., Verkäufer oder Käufer haben nicht unbedingt einen vollständigen Überblick, wie die Preise zustande gekommen sind. In diesem Markt hat der Einkäufer Preisverhandlungsspielräume und sollte sich daher ganz besonders über die aktuellen Preisentwicklungen und Kostenzusammensetzungen informieren. Ein Oligopol, als Sonderform der unvollständigen Konkurrenz, liegt vor, wenn eine Gruppe nahezu gleichartiger Güter von so wenigen Lieferanten auf den Markt gebracht wird, dass jede Änderung der Absatzpolitik eines Lieferanten den Absatz seiner Mitanbieter spürbar beeinflusst. Dementsprechend muss der Oligopolist bei seinen absatzpolitischen Entscheidungen (Preispolitik und Service) die mutmaßlichen Reaktionen seiner Mitbewerber abschätzen und bei der Prognose der Wirkungen seiner Handlungen berücksichtigen. Es besteht die Gefahr der Kartellbildung und stiller Preisabsprachen. Alleingänge in Sachen Preissetzung eines einzelnen Anbieters hätten die Preisanpassung der anderen Anbieter zur Folge und führten für alle Anbieter zu Gewinnreduzierungen. Daher ist es schwer, bei einem Oligopolisten größere Preiszugeständnisse zu erzielen. Man kann jedoch versuchen, den schwächeren Oligopolisten Langzeitverträge anzubieten, um von ihnen im Gegenzug Zugeständnisse zu erlangen.
Commodities
263
Monopol. Ein Monopol, als Sonderform der unvollständigen Konkurrenz, liegt vor, wenn nur ein einziger Lieferant eines Produktes, für das keine engen Substitute existieren, den ganzen Markt bedient. Ursachen eines Monopols: Staatl. Lizenzen oder Patente (vor allem bezüglich Produktionstechnik). Ausschließliche Verfügungsgewalt über Rohmaterialien, Transport- oder Absatzwege (zum Beispiel de Beers: Marktführer bei Rohdiamanten mit einem Marktanteil von 65 Prozent). Natürliches Monopol (die optimale Nachfrage reicht nur für einen Anbieter aus, tritt ein weiterer Anbieter in den Markt ein, erzielen beide Verluste). Der Monopolist setzt seinen Preis gemäß seiner Gewinnoptimierungsbedingungen. Er achtet bei der Preissetzung aber auch darauf, dass er seine Monopolsituation nicht gefährdet. Dem Einkäufer bleibt nur die Möglichkeit, Substitute zu finden und auch einzusetzen oder das herzustellende Produkt anders bzw. selbst zu entwickeln, um die Ware des Monopolisten zu umgehen.
5.
Quellen für Marktinformationen
Mit dem Wissen über das vergangene, aktuelle und zukünftige Marktgeschehen steht und fällt der Erfolg der Commodity-Beschaffung. Nur mit den richtigen Informationen können die Beschaffungsstrategien optimal auf den Markt abgestimmt werden. Als Informationsquellen stehen öffentliche Informationen wie: Rohstoffbörsen oder Wirtschaftsinformationsdienste (ICIS LOR, EUWID etc.). Industrieproduktionsindex. Fachzeitschriften. zur Verfügung. Besonders hervorzuheben ist jedoch die Informationsgewinnung durch Lieferantengespräche, die nicht unterschätzt werden sollte.
264
6.
Commodities
Ziele der Beschaffung
Die Commodity-Beschaffung hat aufgrund des Kostenanteils an den gesamten Produktkosten sehr großen Einfluss auf die Gesamtkosten und ist deswegen von entscheidender Bedeutung für das Geschäftsergebnis und die Unternehmenspositionierung. Ziele der Beschaffung müssen sein: Versorgungs- und Qualitätssicherung zur Gewährleistung eines störungsfreien Betriebsprozesses. Streben nach besseren Einkaufskonditionen (Preis, Service, Reinheit und Eigenschaften des Materials) im Vergleich zu den Marktbegleitern. Verhandeln von Festpreiskonditionen, falls diese besser sind als der Marktpreis in dieser Zeitspanne. Dadurch wird gleichzeitig eine Preisstabilität geschaffen, die langfristig die Geschäftsvorhersehbarkeit ermöglicht. Dies ist für die Vertriebsplanung, Kostenplanung etc. von entscheidender Bedeutung. Relative Wettbewerbsvorteile für das eigene Unternehmen generieren.
7.
Beschaffungsstrategien
Beschaffungsstrategien müssen immer zukunftsbezogen – basierend auf Markt bzw. Preisprognosen und Materialforecasts – erstellt werden. Der Fokus liegt auf einer nachhaltigen Beschaffung, auf wertschöpfenden Konditionen und optimalem Transport zur Absicherung unserer Beschaffungsmengen. Der strategische Einkäufer agiert mit pro-aktivem Verhalten mit dem Ziel, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen zu erringen und strategische Partner auf dem Commodity-Markt zu finden. Dabei müssen messbare und akzeptable Risiken mit einkalkuliert werden, da keinesfalls die Marktkräfte der Feedstocks unberücksichtigt bleiben dürfen. Markt- bzw. Preisprognosen. Für die Erstellung von Marktprognosen wurde mit dem obigen Abschnitt der Beschaffungsmarktanalyse bereits das notwendige Werkzeug zur Verfügung gestellt. Hier finden nun Chartanalyse, Materialressourcenanalyse, Marktformanalyse und Angebots-/Nachfrageprognose ihre Anwendung. Jedoch sollte der Aufwand der Marktanalyse mit dem Nutzen in gesundem Verhältnis stehen. Der Aufwand richtet sich also nach Volumen und Bedeutung des Materials. Zusätzlich sollte man sich über die Art der Marktdynamik im Klaren sein:
Commodities
265
Einerseits gibt es so genannte vorausschauend handelnde Märkte. Das Geschehen dieser Märkte ist stark geprägt von Erwartungen, Erfahrungen der Marktteilnehmer, aber auch durch Spekulationen und menschliche Psychologie. Andererseits gibt es reagierende Märkte. Solche Märkte reagieren erst auf Veränderungen, wenn diese auftreten. Für beide Märkte ist die Dynamik grundsätzlich von der Effizienz und Transparenz des Marktes abhängig. Beispielsweise ist der Markt sehr dynamisch, wenn Verträge relativ schnell abgeschlossen werden, die Informationsverbreitung von Ereignissen relativ schnell erfolgt und Preistransparenz herrscht. Manchmal sind Commodity-Märkte zyklischer Natur, in deren Dynamik sich eine gewisse periodische Regelmäßigkeit feststellen lässt. 1
Aktuelle Weltnachfrage inklusive kurz- und langfristige Trendanalyse
2
Globale Herstellungskapazität (aktuell, zukünftig und Neigung einer Produktionserhöhung/-senkung)
3
Hauptproduzenten (Markteintritte, Fusionen, potentielle Aussteiger)
4
Bedenklichkeit der aktuellen Technologie für unser Produkt und Alternativtechnologie
5
Beziehungen, die den Markt reibungslos verlaufen lassen (zum Beispiel die Produktion in einem Marktsegment, das zusätzlich ein Nebenprodukt erzeugt, welches den Feedstock (Grundmaterial) für ein anderes Produkt darstellt)
6
Potentielle Bedrohungen
7
A)
Produktionsausfälle (1) Gewerkschaftsunruhen (Streik, Bummelstreik) (2) Technische Probleme, höhere Gewalt, etc. (3) Natureinflüsse (Überflutung, Dürre, Erdbeben)
B)
Regierung (1) Umweltschutzvorschriften (2) Politisches Umfeld (3) Zinssatz (4) Währungsschwankungen (5) Handelsbeschränkungen
C)
Marktstrukturveränderungen wie potentielle Kartellbildungen (zum Beispiel OPEC) oder Fusionen/Akquisitionen
Analyse der aktuellen Lieferanten A)
Management (Kompetenz)
B)
Technologie (F&E-Ausgaben)
C)
Finanzieller Status (Insolvenzvorhersagen)
D)
Produkt- und Produktionsprozessverbesserungen (Patente und Herstellungstechnologien)
Abbildung 80: Materialressourcenplan
266
Commodities
Periodische Forecasts des Mengenbedarfs an Commodities stimmen im Nachhinein nie mit dem tatsächlichen Bedarf überein (aufgrund von kurzfristigen Planänderungen oder unvorhersehbaren Ereignissen, wie unplanmäßigen Stillständen). Dennoch sollte versucht werden, den Bedarf so korrekt wie möglich zu planen, damit die richtige Strategie gewählt werden kann. Nur so können die Geschäftsprozesse geschützt werden. Materialressourcenplan. Für Schlüssel-Commodities (A-Materialien, die im Hinblick auf das Einkaufsvolumen besonders bedeutsam sind) ist es ratsam, einen Materialressourcenplan aufzustellen und regelmäßig zu aktualisieren. Erstellung von Beschaffungsstrategien. Der Einkäufer entwickelt für jedes zu beschaffende Material gemäß den verfügbaren Informationen die optimale Beschaffungsstrategie. Als elementarer Bestandteil dieser Strategie gelten die Beschreibung des eigenen Geschäftsbedarfes, die Beschreibungen des Beschaffungsmarktes (Porters Kräftemodell) und die Verknüpfung des Bedarfes mit dem Markt in Form einer SWOT-Analyse. Erst hieraus leitet sich die eigentliche Strategie mit den dazugehörigen Taktiken und Aktionsplänen ab.
8.
Beziehungsmanagement
Alle Arten von Beziehungen eines Unternehmens zu Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern lassen sich im Konzept des Beziehungsmanagements zusammenfassen. Da es sich bei der Commodity-Beschaffung aber hauptsächlich um den Beschaffungsmarkt handelt, stehen Lieferantenbeziehungen im Vordergrund.
8.1
Vorbereitung auf Verhandlungen mit Lieferanten
Bereits vor den Verhandlungen mit den Lieferanten sollte sich der Einkäufer über die eigene Verhandlungsposition klar sein. Das Wissen über die eigene Verhandlungsmacht ist notwendig, um den Verhandlungsspielraum abschätzen zu können. Viele Lieferanten sind häufig bereits langjährige Geschäftspartner. Bei diesen Geschäftsbeziehungen lassen sich die Verhandlungsspielräume zum großen Teil aus den Erfahrungen vergangener Verhandlungen ableiten. Es ist daher sehr nützlich, vor neuen Lieferantengesprächen alte Gesprächsnotizen genau zu studieren und zu analysieren. Anschließend erfolgt die Ausarbeitung der geplanten Verhandlungsstrategie. Der strategische Einkäufer muss zum einen den Markt kennen und zum anderen wissen, wie sich die Preisbildung des Lieferanten zusammensetzt. Nur so ist ein wettbewerbsfähiger Preis zu erreichen.
Commodities
8.2
267
Auftreten gegenüber den Lieferanten
Gerade weil im Commodity-Markt oft jahrelange Beziehungen zwischen einem bestimmten Ein- und einem bestimmten Verkäufer herrschen, ist es sehr wichtig, dass von Anfang an ein zielgerichtetes Verhalten in den Verhandlungen an den Tag gelegt wird, da sich Fehler im Nachhinein schlecht korrigieren lassen. Bedacht werden muss auch, dass Verhandlungstaktiken, für die man sich einmal entschieden hat, manchmal über Jahre hinweg durchzuziehen sind – werden sie aufgedeckt, kann die Glaubwürdigkeit der Person verloren gehen. Es sollen hier nur ein paar Denkanstöße für ein korrektes Auftreten des Einkäufers gegenüber den Lieferanten gegeben werden. Schaffen eines Bildes des eigenen Unternehmens als begehrten Kunden für die potentiellen Lieferanten. Dem Lieferanten das Gefühl geben, dass er ersetzbar ist. Dem Verhandlungspartner Achtung entgegenbringen. Vertrauenswürdiges, überzeugendes, erfahrenes, souveränes, bestimmtes aber, auch freundschaftliches Auftreten.
8.3
Lieferantenmanagement
Bei der Entscheidung für einen Lieferanten spielen nicht nur dessen Größe und Umsatzzahl eine Rolle. Von entscheidender Bedeutung ist vor allem die Lieferantenbeziehung. Umfang und Integrität zum eigenen Unternehmen sind ausschlaggebend für den Erfolg, der bei der Beschaffung von Commodities erzielt werden kann. Strategie: Lieferantenbeziehung. Eine Strategie des Beziehungsmanagements ist der Aufbau und die Integrität von Lieferantenbeziehungen, um dadurch Erfolgspotentiale bei der Beschaffung von Commodities zu schaffen. Daraus ergeben sich folgende Vorteile: Gemeinsame Kosteneinsparungen. Qualitäts- und Terminsicherheit. Optimierung der Produktion des Lieferanten, damit das gelieferte Material immer den Anforderungen entspricht. Schneller Zugang zu privilegierten Informationen. Unterstützung in „harten Zeiten“, zum Beispiel bei Versorgungsengpässen. Zugang zu Feedstock-Informationen. Möglichkeit von Preisfixierung durch Jahres- oder Quartalsverträge.
268
Commodities
Obwohl die zu beschaffenden Waren (und damit auch die Lieferanten) im Prinzip austauschbar sind, kann auf die Pflege von Lieferantenbeziehungen auf einigen Märkten nicht verzichtet werden. Häufig sind die Beschaffungsmärkte klein, die Anzahl der günstigen Lieferanten begrenzt. So kommt es zu langjährigen Geschäftsbeziehungen und teilweise sogar zu Kooperationen mit den Lieferanten. Im Rahmen der Kooperationen werden die Prozesse in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Lieferanten optimiert.
9.
Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung
Abbildung 81 zeigt die Beschaffungskompetenzen für Commodities und Abbildung 82 ist eine Zusammenfassung der Beschaffungsstrategien für eine erfolgreiche CommodityBeschaffung.
BESCHAFFUNG IN COMMODITY-MÄRKTEN
Abbildung 81: Beschaffungskompetenzen: Commodities Bewiesene Fähigkeiten: Verwendet die geeignete Mischung aus Einkaufs- und Verkaufsbeständen, um das Risiko zu minimieren. Weiß, was Hedges sind, wann sie von Vorteil sind, wie man Lieferanten davon überzeugt und dies mit der Geschäftsleitung abstimmt.
Bewiesene Fähigkeiten:
Versteht die internen und externen Beziehungen und antizipiert anstehende Änderungen, sowohl in Richtung wie auch Größe der Änderung. Versteht die Unternehmenspolitik in Bezug auf Risikomanagement. Versteht den Prozess zur Sicherung der Zustimmung der Geschäftsführung.
Setzt seine Kenntnisse in anderen Bereichen des Geschäftes ein. Hat entsprechende Schulungen zur Beschaffung von Commodities entworfen und vermittelt sein Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
EXPERTE Ist bekannt als Commodity-Experte und wird als Ressource für Unternehmensstrategien herangezogen. Arbeitet mit internen Prüfern zusammen, um sicherzustellen, dass ein angemessenes Kontrollsystem existiert. Informiert und unterrichtet die Geschäftsleitung über die Besonderheiten von Commodities und über die Instrumente zur Risikominimierung und nicht, wie häufig die Meinung, zur weiteren Risikomaximierung.
KÖNNER Nutzt sein umfassendes Wissen für die Ausformulierung von langfristigen Beschaffungs- und Unternehmensstrategien. Versteht und schafft Gelegenheit von Verhalten (Preis, Verfügbarkeit) eines Commodity-Produktes auf andere zu schließen. Unterhält wichtige Netzwerke innerhalb und außerhalb des Unternehmens und kann hieraus Wettbewerbs-vorteile generieren. Kennt die internen Regeln zum Handel sehr gut und hält sie stets ein. Balanciert Disziplin und Flexibilität zum Vorteil des Unternehmens.
KENNER
Ist davon überzeugt, dass das Preisverhalten der Märkte nicht völlig zufällig ist. Nutzt auch Verkaufsgelegenheiten zur Reduzierung der Gesamtkosten. Ist in der Lage, zeitlich unabhängig voneinander Kaufund Verkaufsentscheidungen zu treffen, wenn dies auf Grund von Marktbedingungen erforderlich ist. Ist sich aber auch über die physikalischen Implikationen bewusst (Handelgeschäft auf dem Papier, oder wirklicher Materialfluss) Der Commodity-Einkäufer versteht und interpretiert alle Daten mit Bezug auf Angebot und Nachfrage sowie Lagerbestand des Gesamtmarktes und nutzt diese. Ist in der Lage, eine angemessene Mischung aus lang- und kurzfristigen Verträgen für ein CommodityProdukt unter der Berücksichtigung der Risikominimierung abzuschließen.
Erbringt Geschäftergebnisse und:
Neben den Kompetenzen für strategische Einkäufer müssen Commodity-Einkäufer auch ein Verständnis für die Handelsmentalität in den Märkten haben. Dieses beinhaltet Wissen um Preisflüchtigkeit, Unsicherheit in Bezug auf Angebot und Nachfrage sowie marktspezifische Psychologie; hierzu zählen auch Einkaufs- wie Verkaufsgeschäfte. Weiterhin ist ein Commodity-Einkäufer in der Lage, durch eine grundlegende Marktanalyse zukünftige Preis- und Mengenentwicklungen zu antizipieren. Um erfolgreich zu sein, nutzt er entsprechende Instrumente (Futures, Options) und Ressourcen (Händler, Broker, Handelsvereinigungen).
Commodities 269
Besondere Anforderungen
Erfordert einfache Spezifikationen F&E-Ressourcen
Erfordert einfache Spezifikationen F&E-Ressourcen
Abhängigkeit vermeiden
Beziehungen zu Feedstock-Lieferanten Beziehungen zu direkten Lieferanten Qualität, Komplexität
Teilnahme am Handel unter Einhaltung der bestehenden Gesetze
Erfordert spezifische Sachkenntnisse Risikomanagement-Politik Spezielle Freigabe durch die Geschäftsleitung
Aufbau, Integrität
Strategie
Breite Anbieterbasis: Globale Anbieterbasis und selbst bereit zu reagieren
Flexible Spezifikationen: Wirkliches Verstehen von benötigten Schlüsselfunktionen
Hebelwirkungen durch Beschaffungsvolumen: Kritische Mengen, Beschaffungskooperationen/Portale
Steuerung der Feedstocks: Wissen, Verbrauchsentwicklung, „2nd-level“-Vereinbarungen
Handel mit den Materialien: Zusätzlich Verkäufer sein, Tausch von Materialien (Zeitpunkt, Qualitätsgrad, zwischen Standorten)
Hedging: Cash-Hedging-Werkzeuge (Vertragserstellungen) Futures, Optionen, Finanzielles Hedging (Direkt/Indirekt)
Lieferantenbeziehungen
270 Commodities
Abbildung 82: Beschaffungsstrategien für Commodities
271
Teil V Organisationskompetenzen
Projektmanagement
273
Projektmanagement
1.
Grundlagen
Was ist ein Projekt? Immer häufiger werden Unternehmen und Abteilungen mit komplexen, zeitlich begrenzten und neuartigen Aufgabenstellungen konfrontiert, die sich nicht mehr optimal in der routinemäßigen, hierarchischen Linienorganisation lösen lassen. Viele Aufgaben verlangen die bereichs- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit von Spezialisten, die durch Projekte gewährleistet werden kann. Bei diversen Aufgabenstellungen muss auch der Einkauf einen Beitrag leisten. Diese Aufgaben werden als Projekte bezeichnet. Allgemein sind Projekte durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Projekte sind zeitlich befristet (Start und Ende). Projekte sind einzigartig, komplex und neuartig (zum Beispiel Investitionen in ein neues Werk, Produktionstechnik, Qualifikation eines Lieferanten). Projekte bestehen aus verschiedenartigen, untereinander verbundenen und wechselseitig voneinander abhängigen Teilaufgaben bzw. Maßnahmen. Projekte haben begrenzte, eindeutig definierte Ressourcen (Personal, Kapital etc.) zur Verfügung. Projekte bergen aufgrund ihrer Einzigartigkeit und Komplexität ein gewisses Risiko (Scheitern, Verzögerung etc.) in sich. Projekte benötigen eine projektspezifische Organisation, die zur spezifischen Aufgabe passt, und werden in Teamarbeit durchgeführt. Zu einem Projekt gibt es eine eindeutige Aufgabenstellung, Verantwortung und Zielsetzung (je nach Art des Projekts kann es sein, dass diese im ersten Schritt erarbeitet werden). Alle drei Zielgrößen bilden eine gegenseitig konkurrierende Beziehung, das so genannte „magische Projektdreieck“. In erster Linie muss ein Sachziel erreicht werden, wie es im Vorfeld im Projektvertrag als Ziel definiert wurde. Wird die vorgegebene Zeit überschritten, kommt es meist zu verschiedenen Verschiebungen anderer Projekte oder zu Behinderungen im Unternehmens-Alltag. Unter dem Kostenziel sind sowohl finanzielle Ressourcen als auch
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_16, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
274
Projektmanagement
eingesetzte Mitarbeiterleistungen zu verstehen. Verschlechtert sich eine der Zielgrößen, hat dies zumindest auch Auswirkungen auf die jeweils anderen beiden.
Was sind Umfang und Inhalt des Projekts? Welches Endprodukt soll erreicht werden? Welches Qualitätsziel ist zu erreichen?
Sachziel/ Qualitätsziel
Kostenziel Wie hoch ist das Projektbudget? Wie hoch sind die Einsparungen? Wie viele Ressourcen werden für das Projekt bereitgestellt?
Zeitziel Wann soll das Projekt fertig gestellt sein? Welche Meilensteine werden gesetzt?
Abbildung 83: Zielsystem von Projekten Die Beschreibungen der allgemeinen Projektkriterien helfen dem strategischen Einkäufer, die Besonderheiten eines Projekts in Relation zu seinen Linienaufgaben zu erkennen.
Beteiligung des Einkaufes an Projekten Der strategische Einkäufer kann sowohl verschiedene Rollen im Rahmen eines Projekts einnehmen als auch in verschiedensten Projektarten mitarbeiten. Die Rollen können im weiteren Sinne variieren: Beauftragter eines Projekts Projektmanager Einkäufer im Rahmen eines Projekts
Projektmanagement
275
Die Projekte, in denen der strategische Einkäufer seinen Beitrag leistet, können so vielfältig sein, dass sie eine Bandbreite abdecken vom Entwicklungsprojekt über das Einsparungsprojekt bis zu einer Großinvestition. Da die Rollen vielfältig sind und jede ihre speziellen Herausforderungen und Besonderheiten hat, wird in diesem Abschnitt ein generisches Projektmanagementmodell beschrieben, das auf die jeweiligen Projektarten angepasst werden muss. In dem Abschnitt Projektordner wird ein universelles Inhaltsverzeichnis für Projekte vorgestellt, das in der Initiierungsphase hilfreich sein kann, denn es kann durch einfaches Ankreuzen individualisiert werden. In der Rolle des strategischen Einkäufers als Auftraggeber, zum Beispiel bei der Beauftragung der Technik, eine neue Ware zu qualifizieren, muss der Einkäufer sicherstellen, dass der Projektvertrag mit dem Projektmanager richtig geschlossen wurde und dass der Vertrag eingehalten wird. Umso komplexer und herausfordernder ist die Rolle des strategischen Einkäufers als Projektmanager. Beispiele sind Kostensenkungsprojekte oder die Umsetzung einer komplexen Beschaffungsstrategie, bei denen die Projektteams interdisziplinär besetzt sind. Bei dieser Art von Projekten müssen fast alle Elemente des Projektmanagements (siehe Abbildung 84 bzw. 94) angewendet werden. Ist der strategische Einkäufer verantwortlich für die Beschaffung im Rahmen eines Investitionsprojekts, so wird er sich vorrangig um die Beschaffung kümmern. Für den Beschaffungserfolg ist es aber umso wichtiger, dass der Einkäufer den gesamten Projektkontext und Projektablauf versteht.
2.
Projektphasenmodell
Wie in Abbildung 84 bzw. 94 mit der Projektrakete dargestellt, besteht ein Projekt aus unterschiedlichen Phasen, in denen bestimmte Aktivitäten anstehen. Je nach Projektmanagementmodell und der Art des Projekts wird zwischen drei oder mehreren Phasen unterschieden. Ein Phasenmodell im eigenen Unternehmen anzuwenden, ist deshalb sinnvoll, damit gewährleistet ist, dass alle Mitarbeiter im Unternehmen unter den Begriffen das Gleiche verstehen und alle genau wissen, welche Kriterien zum Abschluss einer Projektphase notwendig sind. Dies hat die positive Konsequenz, dass das Management somit immer ganz genau weiß, in welchem Status sich die Projekte im Unternehmen befinden. Viele Projekte lassen sich mit einem dreiphasigen Projektmodell erfolgreich durchführen. Jede der Phasen endet mit einem definierten Meilenstein. Erst wenn der Meilenstein am Ende der Projektphase erreicht ist, kann das Projekt in die nächste Projektphase übergehen. Innerhalb jeder Projektphase hat der Projektmanager spezielle Verantwortungen und Aufgaben. Um die Schlüsselaktionen jeder Phase ausführen zu können, bedient er sich bestimmter Werkzeuge (Tools). In der Phase der Projektinitiierung werden die Ziele und mögliche Ansatzpunkte identifiziert, die in der nachfolgenden Phase umgesetzt werden. Ein weiteres Ziel dieser ersten Phase ist die genaue Beschreibung der einzelnen Maßnahmen für die Umsetzung. Weiter-
276
Projektmanagement
hin ist eine Zeitplanung zu erstellen (Meilensteine), wie das Projekt umzusetzen ist. Als drittes Element ist die Projektorganisation zu definieren. Die finale Projektplanung ist von der Geschäftsleitung zu verabschieden, und die notwendigen Ressourcen (Personal und Geld) sind freizugeben. In der Phase der Projektumsetzung wird das Vorhaben entsprechend den Inhalten des Projektvertrags realisiert. Der Projektmanager hat die Aufgabe, den Projektverlauf so zu steuern, dass die in der Planung festgelegten Kosten- und Terminvorgaben eingehalten und die Qualitäts- und Sachziele erreicht werden. Hierzu muss ein konsequenter Soll-IstVergleich stattfinden, welcher eine schnelle Erkennung und Bekämpfung auftretender Abweichungen ermöglicht. Die eigentliche Umsetzung des Projekts ist somit am Ende dieser Phase durchgeführt.
Projekt-Management Schlüsselfunktionen
ProjektProjektorganisation organisation
Projektvertrag Projektvertrag
KostenKostenmanagement management
ProjektProjektplanung & planung & Zeitplan Zeitplan
Inhalt (Scope) Inhalt (Scope) Management Management
PROJEKTKONTROLLE PROJEKTINITIATION
PROJEKTLEBENSZYKLUS (Klassisch, IT-Projekt, Organisationsänderung, Umsetzung Beschaffungsstrategie, Maschineninstallation (Investition), KVP-Projekt, Wartungsarbeit etc.)
PROJEKTABSCHLUSS
ZUFRIEDENSTELLUNG der STAKEHOLDER
Kapitalplanung Kapitalplanung
ProjektProjektkommunikation kommunikation
Beschaffung & Beschaffung Vertrags- & Vertragsgestaltung gestaltung
RisikoRisikomanagement management
ProjektProjektabschluss abschluss
Projekt-Management Unterstützungsfunktionen
Abbildung 84: Projektrakete als Phasenmodell In der Phase des Projektabschlusses wird nachgeprüft, ob das Projekt seine Ziele, wie sie im Projektvertrag festgelegt sind, auch erreicht hat. Zusätzlich kann noch eine Überprüfung in der Gewinn- & Verlustrechnung des Unternehmens vorgenommen werden, ob die Projekteffekte wirklich angekommen sind. Bei Investitionsprojekten erfolgt zum Abschluss noch die richtige Aktivierung bzw. Verwertung von ausgebauten Komponenten.
Projektmanagement
3.
277
Projektkompetenzen
Wie schon durch die „Triebwerke“ der Projektrakete in Abbildung 84 dargestellt, gibt es zehn Anwendungsfelder bzw. Kompetenzen, die für ein erfolgreiches Management von Projekten beherrscht werden müssen. Die in diesem Buch beschriebenen Aufgabenfelder finden bei Investitionsprojekten Anwendung, handelt es sich jedoch um reine Entwicklungsprojekte mit Grundlagenforschung oder um reine Organisationsprojekte, so kommen nicht alle Elemente zur Anwendung. Einkäufern, die einmal die Rolle eines Projektmanagers haben werden, sei dringend ans Herz gelegt, sich in der Projektinitiierungsphase auf die Projektmanagementschlüsselfunktionen Projektorganisation, Projektvertrag, Projektplanung/Zeitplanung, ScopeManagement und Kostenmanagement zu konzentrieren. Zu Projektbeginn sollte sofort mit dem Entwurf des Dokumentes eines Projektvertrags, Zeitplans und Projektorganigramms begonnen werden. Parallel müssen der Projektscope und die Projektkosten finalisiert werden.
3.1
Projektorganisation
Aufgabe der Projektorganisation ist es, eine Struktur zu schaffen, damit Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens ein Projekt sach- und zielorientiert abwickeln können. Während die Projektaufbauorganisation die Stellung aller Projektmitglieder innerhalb des Projekts definiert, legt die Projektablauforganisation deren Zusammenarbeit und den Ablauf innerhalb der Projektphasen fest.
3.1.1
Rollen im Projekt
Die folgenden Rollen sind die Grundrollen, die in jedem Projekt vorkommen. Diese Beschreibung entbindet den Projektleiter jedoch nicht davon, die Rollen individuell für sein Projekt zu beschreiben und mit dem Projektteam genau abzustimmen. Auftraggeber. Der Auftraggeber kann ein Funktionsbereich oder eine einzelne Person sein, die vielfach aus dem Management oder der Geschäftsleitung kommt. Die Aufgaben des Auftraggebers umfassen: Definition des groben Projektumfanges. Finanzierung des Projekts (Freigabe durch die entsprechenden Gremien). Projektfreigabe im Sinne der richtigen Grundsatzentscheidungen und Optionswahl (während der Initiierungsphase).
278
Projektmanagement
Sponsor. Der Sponsor unterstützt das jeweilige Projekt aus einer der oberen Führungsebenen des Unternehmens heraus. In erster Linie muss er für die Unterstützung des Projekts durch die Unternehmensleitung sorgen. Er trägt seinen Teil zum Erfolg des Projekts bei, indem er Hindernisse aus dem Weg räumt. Die richtige Auswahl des Sponsors erkennt man daran, dass er den größten organisatorischen Nutzen durch den Projekterfolg hat. Der Sponsor hat weiterhin die Aufgaben, interne Werbung für die Projektidee und die erarbeiteten Ergebnisse zu machen, den Abbau von Ängsten zu unterstützen und die Identifikation mit dem Projekt zu fördern. Die Aufgaben des Sponsors umfassen: Beseitigung von Barrieren und Hindernissen. Darstellung der Eskalation bei Ressourcenkonflikten, Hürden und Barrieren. Projektleiter. Der Projektleiter ist für die termingerechte und zielgerichtete Umsetzung seines Projekts und dessen Planung, Überwachung und Steuerung verantwortlich. Die Aufgaben des Projektleiters umfassen: Realisierung der im Projektvertrag (Charter) definierten Ziele für sein Projekt und dessen termingerechte Umsetzung. Gewährleistung der inhaltlichen Qualität der erarbeiteten Konzepte und Projektergebnisse. Planung und sachgerechter Einsatz der Projektressourcen. Rechtzeitiges Einschreiten bei Konflikteskalationen mit Auswirkung auf Ressourcen, Zeit und Qualität bei der Umsetzung der Aufgaben innerhalb seines Projekts. Beratung und Unterstützung der Teammitglieder. Entwicklung von Plänen und Zeitplänen für sein Projekt. Festlegen der Aufbau- und Ablauforganisation seines Projekts. Regelmäßige Berichterstattung der Ergebnisse. Dokumentation der Projektergebnisse. Teammitglied. Die Teammitglieder leisten operative Mitarbeit im Projekt, indem sie ihrem Projektleiter bei der Erarbeitung von Inhalten und Prozessen zur Umsetzung der im Projektvertrag definierten Ziele zur Seite stehen. Sie bringen ihr funktionsspezifisches Wissen bei der Arbeit im Projekt ein. Das Teammitglied ist verantwortlich für: Zeit-, kosten- und qualitätsgerechte Umsetzung seiner Aufgaben. Rechtzeitiges Erkennen von Ressourcenkonflikten und anderen Problemen bei der Ausführung der Aufgaben. Pro-aktive Mitarbeit in Form von frühzeitigen Meldungen bei Problemen an den Projektleiter.
Projektmanagement
3.1.2
279
Ressourcenplanung
Die Ressourcenplanung gestaltet sich für viele Projektleiter schwierig. Die Dauer der Projekte lässt sich nicht immer genau vorhersagen, und Änderungen der Projektziele oder Rahmenbedingungen stellen die Pläne infrage. Welche Ressourcen werden benötigt? Zur erfolgreichen Durchführung eines Projekts werden finanzielle Mittel, Sachmittel und Personen benötigt. Die finanziellen Mittel werden vom Auftraggeber, in Abstimmung mit der Geschäftsleitung, bereitgestellt. Unter die Sachmittel fallen zum Beispiel geeignete Räumlichkeiten, Maschinen oder Kommunikationsmittel. Neben den verschiedenen materiellen Ressourcen ist zur Umsetzung des Projekts aber auch eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Personen nötig. Bei den Humanressourcen sind sowohl die räumliche und zeitliche Verfügbarkeit als auch deren ausreichende Qualifikation von Bedeutung.
3.1.3
Barrieren und Hindernisse
Ein Problem ist dadurch definiert, dass ein unerwünschter Anfangszustand in einen erwünschten Endzustand transformiert werden soll, die hierfür notwendige Transformation jedoch durch eine Barriere behindert wird. Hindernisse können unter anderem in der Organisation, bei der Finanzierung oder bei der Definition des Projektumfangs auftreten.
Unterschiedliche Informationen und Infoverarbeitung
Unterschiedliche Methoden zur Zielerreichung
Diskrepanz zwischen verfügbaren Mitteln und Ansprüchen
Beurteilungskonflikt
Zielkonflikt
Verteilungskonflikt
Sachebene
Gegensätzliche Ziele und Interessen (z. B. Qualität – Kosten)
Wertekonflikt
Unterschiedliche persönliche Werte (z. B. Menschenbild, Führungsverständnis, soziale Werte)
Abbildung 85: Konflikte im Projekt
Personenebene
Konflikte im Projekt Beziehungskonflikt
Antipathie
Misstrauen
Vorurteile
280
Projektmanagement
Eskalationen. Der richtige Umgang mit Konflikten in einem Projekt ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Neben der Fähigkeit, mit diesen Konflikten richtig umzugehen, ist es für den Projekterfolg kritisch, die richtigen strukturellen Methoden zur Deeskalation im Projekt etabliert zu haben. Es kann angenommen werden, dass die potentiellen Konflikte auf der personellen Ebene innerhalb des Projekts gelöst werden. Die Lösung obliegt zuerst dem Projektleiter. Die Geschäftsleitung sollte jedoch Möglichkeiten für den Projektleiter bereithalten, spezielle Unterstützung (zum Beispiel Coach) anzufordern. Konflikte innerhalb eines Projekts. Konflikte und ihre Bewältigung können bis zu 20 Prozent der Zeit/Energie des Projektmanagers in Anspruch nehmen. Daher ist die richtige Konfliktbearbeitung eine Investition in die künftige Arbeitssituation, in der fach- und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit reibungsloser gelingt. Die permanente Flucht vor Konflikten bringt den gleichen Konflikt immer wieder als ungelöstes Problem zurück. Konflikte zwischen der Linienorganisation und einem Projekt. Aufgrund der Neuheit und Einmaligkeit von Projekten sind Konflikte vorprogrammierte Bestandteile der Projektabwicklung. Ein Standardkonflikt besteht zwischen der Linien- und der Projektorganisation hinsichtlich der Ressourcen. Hier müssen Sponsor und letztendlich die Geschäftsleitung eine Klärung herbeiführen.
3.1.4
Entscheidungswege mit dem RACI-Chart
Entscheidungen teilen sich ein in was, wie und wer. In den Beschreibungen zu Projektumfang (Scope), Zeitplanung und Projektvertrag (Charter) wird auf das Was der Entscheidungen bezüglich der Zusammenarbeit im Programmverlauf eingegangen. Wie Entscheidungen getroffen werden, ergibt sich aus den Rollenbeschreibungen. An dieser Stelle gilt es, auf das Wer, nämlich die Verwendung eines so genannten RACI-Charts, einzugehen und den schwerwiegenden Aspekt der Eskalationsprozesse zu verdeutlichen. Das RACI-Chart ist eine einfache Form einer Verantwortlichkeitsmatrix, bei der es vier Arten von Zuständigkeiten gibt: Responsible
= verantwortlich für das Treffen der Entscheidung.
Accountable
= verantwortlich für die Folgen der Entscheidung.
Concuuence
= verantwortlich für die Freigabe der Entscheidung.
Informed
= verantwortlich, die Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen.
Projektmanagement
281
PL SP
Rollen
EK
Zeitplan Charter
R
C
A
I
I
Beschaffungsplan etc.
PL = Projektleiter SP = Sponsor EK = Einkäufer etc.
Aufgaben
Abbildung 86: Muster für ein RACI-Chart
3.2
Projektumfang (Scope-Management)
Im Rahmen des Scope-Managements wird der genaue Inhalt des Projekts festgelegt, um die Erwartungen der Stakeholder (Interessenträger des Projekts) zu erfüllen. Entwicklung des Projektumfangs: Der Projektumfang wird im Laufe der Projektinitiierungsphase vom Groben immer detaillierter zum Feinen formuliert. Zu Beginn des Projekts steht ein gewisser Bedarf oder auch eine Idee, wie Prozesse oder Produkte verbessert werden können. Im Rahmen der Scope-Entwicklung werden diese noch vagen Ideen in einen klar definierten und akzeptierten Projektumfang umgesetzt. Nachdem Ideen von Projektansätzen erarbeitet wurden, werden diese in einem Entwurf des Projektvertrags beschrieben. Ein weiteres Ziel dieser ersten Schritte ist eine grobe Abschätzung des Zeitplans, der Kosten und der Projektorganisation. Um Projekte leichter steuern zu können, empfiehlt es sich, bereits während der ersten Schritte eine grobe zeitliche Strukturierung des Projektverlaufs vorzunehmen. Vor allem die spätere Phase der Realisierung sollte durch Meilensteine in mehrere Teilphasen gegliedert werden. Daher sollte bis zum Ende der Initiierungsphase ein Meilenstein-Zeitplan erstellt werden, der einen Überblick über Projektstart und -ende sowie wichtige Zeitziele bei der Umsetzung des Projekts festlegt. Zu Beginn eines Projekts sind die folgenden Punkte zu definieren:
Potentieller Projektumfang. Ernannte Verantwortliche und Sponsoren. Messgrößen für den Projekterfolg. Grober Meilenstein-Zeitplan.
282
Projektmanagement
Im Rahmen der ersten Projektschritte sollten grobe Lösungsmöglichkeiten für das Projekt erarbeitet werden, die die folgenden Aspekte enthalten:
Investitionskostenschätzung. Beschreibung des Projektumfangs (Scope). Projektzeitplan (Meilenstein-Zeitplan). Entwurf eines Projektvertrags (Charter). Risikoabschätzungen/Einschränkungen.
Anschließend werden die Projektansätze weiter konkretisiert und so weit wie möglich mit Hilfe von messbaren Erfolgskriterien quantifiziert. Nur so ist am Ende eine objektive Projektbewertung möglich. Am Ende der Initiierungsphase steht der Projektvertrag. Während der Realisierungsphase muss möglicherweise auch der Projektvertrag hinsichtlich des Projektumfangs adaptiert oder überarbeitet werden. Da Projektplanung immer zukunftsorientiert ist, ist es praktisch in jedem Projekt notwendig, die anfänglich erstellte Projektplanung regelmäßig zu überarbeiten und zu korrigieren. Während der Realisierungsphase werden oft neue Erkenntnisse gewonnen, die zu Beginn des Projekts nicht bedacht wurden. Sollten umfangreiche Änderungen der Zieldefinition des Projektvertrags hinsichtlich Projektinhalt und -zielen, Budget, Ressourcen, Terminen etc. notwendig werden, ist es zwingend erforderlich, den ursprünglichen Vertrag zu adaptieren und vom Auftraggeber neu genehmigen zu lassen. Änderungen der Projektziele, Änderungen des Projektumfangs und Änderungen von Ausführungsmerkmalen innerhalb des Projekts werden mit dem Änderungsantrag genehmigt.
3.3
Projektvertrag
Die Unterschriften unter dem Projektvertrag sind das formale Startsignal, mit dem das Projektteam mit dem Auftraggeber (Kunde) den Inhalt des Projekts vereinbart. Der Projektvertrag ist durchaus mit einem externen Vertrag zu vergleichen, den das eigene Unternehmen als Kunde mit dem Projektteam als Lieferanten schließt. Da ein Projektvertrag für viele beliebigen Projektarten, Projekte unterschiedlicher Komplexität und verschiedenster Projektgröße abgeschlossen werden kann, konzentrieren sich die folgenden Beschreibungen auf Projektverträge, die eine möglichst breite Anwendung finden. Obwohl der Projektvertrag für die spätere Arbeit am Projekt einen verpflichtenden Vertrag darstellt, kann es im Projektverlauf zu Änderungen kommen. In solchen Fällen muss der Vertrag innerhalb des Projekts überarbeitet werden. Diese Abänderungen werden in Form von Änderungsanträgen (Change Management) schriftlich freigegeben und dem ursprünglichen Projektvertrag beigefügt.
Projektmanagement
283
Erstellen des Projektvertrags Eine der wichtigsten Aufgaben des Projektleiters ist es, den Projektvertrag für sein Projekt zu entwickeln und mit den Stakeholdern (Auftraggeber, interne Kunden, Projektteam etc.) abzustimmen. Dieser Vertrag beschreibt den Lieferumfang, aber auch die Ausschlussinhalte, die das Team liefern bzw. eben nicht liefern wird. Die Erstellung des Projektvertrags beinhaltet: Definition des Projektinhalts durch: Formulierung des Projektvertrags. Festlegung der gewünschten Projektergebnisse und Erfolgskriterien. Klärung der Stakeholder-Erwartungen durch: Finden und Sicherstellen einer gemeinsamen Verständigungsbasis und Position. Schaffung einer Basis für effektive Entscheidungsfindung. Ein Vertrag ist eine verbindliche Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Parteien. Es ist wichtig, dass der Projektvertrag als verbindliche Vereinbarung zwischen dem Projektteam und der Geschäftsleitung genutzt wird. Auf der einen Seite sollte sichergestellt werden, dass vor dem Abschluss des Projektvertrags genügend Klarheit über die Bedürfnisse des Unternehmens und die Erwartungen der Geschäftsleitung besteht. Auf der anderen Seite soll gewährleistet werden, dass kein Projekt ohne Projektvertrag gestartet wird – sprich ohne Klarheit und Übereinstimmung bezüglich des Inhaltes. Zielsetzung. Weiterhin sind bei der Erstellung eines Projektvertrags nachfolgende Aspekte zu berücksichtigen: Der Projektvertrag sollte kurz und prägnant sein, um ihn als nützliches Instrument einsetzen zu können. Bestimmen Sie, welche Inhalte im Projektrahmen liegen und welche nicht. Diese Abgrenzung ist entscheidend. Qualität vor Quantität. Ungenaue Angaben verursachen häufig Anpassungsschwierigkeiten. Unterschriften sind wichtig, da sie mehr Verbindlichkeit und Berechtigung kommunizieren. Die Notwendigkeit von Unterschriften sichert außerdem einen besseren Überblick und die Zustimmung der Parteien. Genauere Ausführungen zum Beispiel zur Organisation, den Maßnahmen, Meilensteinen oder Risiken können als Anlagen zum Projektvertrag hinzugefügt werden. Änderungen am Projektvertrag hinsichtlich der Ziele, des Umfangs oder der Ausführungsmerkmale können nur mit einem Änderungsantrag vorgenommen werden. Probleme der Zielformulierung: Projektziele sind zu Beginn meist schwer zu definieren. Die Zielplanung ist nicht mit einer ersten präzisen Aussage abgeschlossen, da sich Projektmaßnahmen im Verlauf des Projekts aus verschiedensten Gründen ändern können.
284
Projektmanagement
Zwischen dem Gesamtziel und den Teilzielen können Differenzen auftreten, die sofort ausgeglichen werden müssen. Sollte dies nicht beachtet werden, können später Differenzen auftreten, die nicht mehr an das Gesamtziel anzupassen sind. Gesamtprojektziele müssen für die Planungsphase in Teilziele zerlegt und formuliert werden, zwischen denen es keinesfalls zu Überschneidungen kommen darf. Ungenügende Rückmeldungen und Absprachen zwischen der Projektleitung und den Teammitgliedern in der Projektausführung können zu erschwerten Korrekturarbeiten führen. Grundsätze von Zielformulierungen: Die Zielformulierung sollte lösungsneutral sein. Das heißt, dass eventuell entstehende Lösungsideen nicht von vorneherein ausgeschlossen werden und alle sinnvollen Lösungen möglich sind. Die Zielformulierung soll keinen direkten Einfluss auf die Lösung haben. Alle Lösungsvarianten müssen dahingehend beurteilt werden, ob sie zum Gesamtziel führen. Die Zielformulierung ist demnach umfassend. Die Zielformulierung kann auch negative, nicht erwünschte Wirkungen beinhalten. Die Formulierung soll für alle klar verständlich sein. Ziele sollen anspruchsvoll, aber erreichbar sein.
Projektmanagement
285
- Seite 1 -
PROJEKTVERTRAG *** Geheim, wenn ausgefüllt ***
(Name des Projektes)
1 Hintergrund: Zweck des Projektteams:
(Datum)
Was soll das Projektteam erreichen? z.B. Aufbau der Projektmanagementstrukturen
Hintergrund:
Beschreibung des Projekthintergrundes
2 Erwartete Ergebnisse: Zweck des Projektes:
Was soll mit dem Projekt erreicht werden?
Ziele:
Messbare Ziele des Projektes nach dem SMART-Prinzip
Erfolgskriterien:
Was macht das Projekt erfogreich?
Auschlusskriterien:
Welche Punkte/Sachen werden vom Projekt nicht geliefert?
Risiken:
Welche Risiken sind mit dem Projekt verbunden? Was sind die Gegensteuerungsmaßnahmen? Was sind die Eckpunkte des MeilensteinZeitplans? Eventuell als Anlage zum Vertrag. Welche anderen Projekte haben einen Einfluss bzw. können beeinflusst werden?
Zeitplan: Schnittstellen zu anderen Projekten:
3 Richtlinien: Vorgehensweise: Prioritäten: Umfang/Inhalt: Herausforderung:
4 Ressourcen: Sponsor: Teammitglieder: weitere Ressourchen: Finanzierung:
5 Verantwortung: Kunde: Anforderen: 6 Autorisierung: Erstellt von: Freigegeben durch:
Abbildung 87: Muster eines Projektvertrags
Nach welcher Vorgehensweise wird das Projektmanagement durchgeführt? Mit welcher Priorität müssen welche Schritte bis zum Ende der Initiierungsphase durchgeführt werden? Was wird alles von dem Projekt berücksichtigt? Was sind die spezifischen Herausforderungen, die mit dem Projekt verbunden sind?
Wer ist der Projektsponsor? Welche Stellung hat er im Unternehmen und welchen Projektnutzen hat er? Wer sind die Mitglieder im Projektteam und welche Rollen haben sie? Eventuell ein Projektorganigramm als Anlage. Welche weiteren Ressourcen werden zeitweise notwendig sein? Welche Kosten entstehen und wie ist die Finanzierung sichergestellt? Detaillierte Informationen als Anlage zum Vertrag.
Wer sind die Kunden des Projektes? Wie werden sie mit eingebunden? Welche Anforderungen werden an den Projektleiter gestellt?
Wer hat den Projektvertrag erstellt (normalerweise der spätere Projektleiter)? Wer hat die Umsetzung des Projektes freigegeben? Hier sollte man neben der Geschäftsleitung auch den Projektkunden miteinbeziehen.
286
3.4
Projektmanagement
Projektkommunikation
Eine intensive, direkte und von allen getragene Kommunikation und Information ist eine wichtige Voraussetzung für den Projekterfolg. Um Projekte zielgerichtet zu steuern, müssen die Projektbeteiligten regelmäßig mit den für sie wichtigen Informationen versorgt werden. Der Austausch von Informationen zwischen den Projektbeteiligten, insbesondere innerhalb des Projektteams, ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren des Projektmanagements. Trotz aller technischen Hilfsmittel, die die Kommunikation erleichtern, bleibt ausschlaggebend, inwieweit die einzelnen Projektbeteiligten bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen und bei Problemen andere Teammitglieder zu fragen. Wichtig ist eine reibungslose Kommunikation innerhalb des Projekts. Allgemein gelten bei der Projektarbeit folgende Spielregeln:
Protokolle werden zu jeder Teamsitzung von der einladenden Projektebene angefertigt. Start- und Endzeiten der Meetings sind verbindlich, inklusive der Pausen. Mobile Telefone sind nur in den Pausen eingeschaltet. Respekt gegenüber dem Vortragenden. Killerphrasen werden vermieden. Unstimmigkeiten werden offen ausgetragen. Vertretung nur in Ausnahmefällen. Abgestimmte Kommunikation, Informationen gehen nur bei Konsens nach außen.
Diese Liste ist sicherlich nicht vollständig und sollte von den Teammitgliedern im Hinblick auf eine möglichst konfliktfreie Kommunikation erweitert werden. Kick-off-Meeting. Das anfängliche Kick-off-Meeting sollte möglichst während einer der ersten Projektaktivitäten durchgeführt werden. Dieses erste Treffen der Teammitglieder ist deshalb wichtig, weil es dazu beiträgt, einen gewissen Teamgeist zu entwickeln, einzelne Rollen und Verantwortlichkeiten festzulegen und Klarheit in den Prozess zu bringen. Da an dem Kick-off-Meeting eventuell auch Sponsoren oder die Geschäftsleitung teilnehmen, ist es wichtig, dass diese Personen die positive Energie für das Projekt auch an die Organisation weitergeben. Management Reviews. Der Begriff „Review“ stammt aus der Softwareentwicklung und meinte ursprünglich ein Verfahren zur Überprüfung von Entwurfsdokumenten. Heute wird diese Methode jedoch auch in anderen Projekten eingesetzt, vornehmlich dort, wo Zwischenergebnisse überprüft werden müssen. Regelmäßig stattfindende Management Reviews sind wichtig für eine gut funktionierende Projektkommunikation. Sie dienen zur Überprüfung von Teilergebnissen während des Projektablaufs und sollen einzelne Projekte analysieren, bewerten sowie Abweichungen und mögliche Steuerungsmaßnahmen aufzeigen. Das Grundprinzip eines Reviews ist: Vier Augen sehen mehr als zwei! Die Management Reviews finden in einem festgelegten Zyklus statt und sind im Projektzeitplan entsprechend zu planen.
Projektmanagement
287
Kommunikationsplan. Eine wesentliche Aufgabe des Projektleiters besteht darin, für eine möglichst effiziente und reibungslose Projektkommunikation zu sorgen. Im Rahmen der Projektplanung sollte daher der Projektleiter einen Kommunikationsplan erstellen, in dem festgelegt wird, wer, wann (in welchen Abständen), wie und in welchem Umfang Informationen über das Projekt erhält. Dieser Plan soll aufzeigen, wie gesuchte Informationen ausfindig gemacht und schließlich innerhalb und außerhalb des Projektteams kommuniziert werden. Projektstatus- und Maßnahmenbericht. Regelmäßig füllt der Projektleiter den Projektstatusbericht aus. Dieser ist die Basis für die im Management Review präsentierten Projektergebnisse. Der Statusbericht stellt die Kommunikation mit Personen außerhalb des Projektteams sicher, deren Arbeit durch eine Veränderung in der Projektdurchführung beeinflusst wird. Der Statusbericht enthält einen so genannten Ampelstatus. Durch die grobe Einordnung des Stands des jeweiligen Projekts ist eine schnelle Weitergabe von Informationen möglich. Projekte, die kritisch sind (zweimal auf Rot standen, viermal auf Gelb oder einmal auf Rot und zweimal auf Gelb), sollten in der Geschäftsleitungssitzung mit entsprechenden Gegensteuerungsmaßnahmen präsentiert werden. Terminlicher Projektstatus
Inhaltlicher Projektstatus
Grün
Keine Terminverzögerung
Keine inhaltliche Abweichung
Gelb
Terminverschiebung von Maßnahmen führt nicht zu einer Verzögerung des Gesamtprojekts
Inhaltliche Abweichungen führen zu Problemen, das Projektziel ist aber noch nicht gefährdet
Rot
Terminverschiebung von Maßnahmen führt zu einer Verzögerung des Gesamtprojekts
Inhaltliche Abweichungen führen dazu, dass das Projektziel nicht erreicht wird
Abbildung 88: Projekt-Ampelstatus
Projektordner Der Projektordner ist ein wichtiges Instrument für die Projektarbeit. Im Ordner werden alle projektrelevanten Informationen zusammengefasst und archiviert. Basierend auf dem Inhaltsverzeichnis legt sich jeder Projektleiter zusätzlich einen Projektordner in Papierform oder in elektronischer Form an. Dort werden Kopien oder PDF-Dokumente aller unterschriebenen Originaldokumente abgelegt. Es ist dringend zu empfehlen, dass alle Projekte im Unternehmen einen Projektordner und die Dokumente nach einem festen Muster abgelegt sind. Nur so können eine Qualitätskontrolle und ein Austausch der Projektleiter (für Notfälle) gewährleistet werden. Je nach Projektart und Unternehmen mag es notwendig sein, den Aufbau des Ordners anzupassen.
288
Projektmanagement
Projekt:
Kapitalplanung
1
1.1 Übergreifender Projektmasterplan für den Geschäftsbereich 1.2 Übergreifende Machbarkeitsanalysen für alle Projekte des Geschäftsbereiches 1.3 Kostenschätzungen aller Projekte des Geschäftbereiches
Projektvertrag
2
1.5 Projektinvestitionsrechnung 1.6 Projekt-Investitionsantrag als Entwurf
Chartering 2.4 Detaillierte Projekterfolgskriterien
2.2 Detaillierte Projekt-Investitionsrechnung
2.5 Antrag zur Änderung des Projektumfanges
2.3 Projektvertrag (Charter)
2.6 Antrag zur Änderung der Ziele, bzw. Ausführung
Cost Management
3.1 Kostenschätzung Projektbudget
3.4 Erweiterung der Kapitalbereitstellungen
3.2 Detail Kostenschätzungen
3.5
3.3 Aktuelle Kostenberichte
3.6
Planung und Zeitplanung
4
1.4 Projekt-Machbarkeitsanalyse
2.1 Projekt-Investitionsantrag
Kosten Management
3
Capital Planning
Planning and Scheduleing
4.1 Projekt-Meilenstein-Zeitplan
4.4 Inbetriebnahmeplanung
4.2 Bereichszeitplan
4.5 Projektchecklisten
4.3 Installations-Netzplan
Projektumfang
5
5.4 Liste der offenen Projektpunkte
5.2 Schriftliche Definition des Projektumfanges
5.5
5.3 Projekt-Brainstorming-Liste
Projektorganisation
6
Scope Management
5.1 Schriftliche Projektziele (in/out Scope)
5.6
Human Resource Planning
6.1 Projekt-Organigramm
6.4 Übersicht über die Projektverantwortlichkeiten
6.2 Auslastungsplan für Projektteammitglieder
6.5 RACI-Chart
6.3 Rollendefinition der Teammitglieder
7
Kommunikation
7.4 Projekt-Status-Berichte
7.2 Projekt-Informationen
7.5 Projekthandbuch
7.3 Verteilerliste für Informationen
Vertrag und Beschaffung
8
Communications
7.1 Schriftlicher Entscheidungsprozess
7.6
Contracting and Procurement
8.1 Projektbeschaffungsplan
8.4 Verträgskopien
8.2 Anfragen
8.5 Angebotsvergleiche
8.3 Beschaffungsanträge
Risikomanagement
9
9.4 Projekt-Sicherheitsregeln
9.2 Projekt-Risikoplan
9.5 Sicherheitsabnahme
9.3 Eskalationsbericht
Projektabschluss
10
Risk Management
9.1 Projekt-Risikoanalyse
9.6
Project Closure
10.1 Projektabschlussbericht
10.4 Aktivierungen von Aktiva (Anlagen etc.)
10.2 Nachweis des Projekterfolges
10.5
10.3 Verschrottungen von Aktiva (Anlagen etc.)
10.6
Abbildung 89: Inhaltsverzeichnismuster für einen Projektordner
Projektmanagement
3.5
289
Change Management
Da sich die angestrebten Ziele und Rahmenbedingungen während des Projektverlaufs ändern können und entdeckte Fehler beseitigt werden müssen, ist es ratsam, ein systematisches Change Management (Änderungsmanagement) aufzubauen. Was ist Change Management? Change Management ist ein nicht exakt abgrenzbarer Begriff, unter dem das Führen von Veränderungsprozessen in Unternehmen verstanden wird. Änderungen des Projektumfangs, -inhalts oder spezieller technischer Ausführungen sind ein normaler und häufig grundlegender Bestandteil jeder Projektarbeit. Somit lässt sich auch innerhalb der Projektarbeit das Change Management nicht vermeiden. Erfolgreiche Projektleiter bewältigen Veränderungen so effektiv, wie sie die Bereiche der technischen Realisierung, der Projektumsetzung und des Kosten- und Zeitmanagements beherrschen. Gründe für Änderungen während des Projekts können sein: Zusätzliche Wünsche des internen oder externen Auftraggebers. Fehler oder Unterlassungen bzw. unpräzise Angaben in dem ursprünglichen Projektvertrag oder der Spezifikation. Fehler, die während der Projektdurchführung gemacht wurden und die beseitigt werden müssen. Unvorhergesehene Folgewirkungen von konstruktiven und anderen Festlegungen. Neue technische Erkenntnisse/Entwicklungen oder zusätzliche behördliche Auflagen. Die kritische Überlegung geht nicht dahin, welches Modell anzuwenden ist, sondern dahin sicherzustellen, dass das Team über ein Modell verfügt und dass darüber bei allen Projektbeteiligten Klarheit besteht. Arten des Change Managements. Im Change Management sind grundsätzlich zwei gegensätzliche Formen von Änderungen zu unterscheiden: Änderungen von Projektzielen: Bei einer nachträglichen Änderung der im Projektvertrag definierten Ziele werden grundlegende Vertragsinhalte neu festgelegt. Beispielsweise kann es sich um eine Änderung von Maßnahmen bei der Projektdurchführung handeln, damit die neu definierten Ziele erreicht werden können. Änderungen von Projektdetails: Werden festgelegte Details im Projektvertrag nachträglich geändert, so ändert sich im Gegensatz zu einer Änderung von Zielen im Projektvertrag nur die Art der Umsetzung. Zum Beispiel werden statt der vorgeschlagenen Ressourcen zur Durchführung der Maßnahmen andere Mittel verwendet. An den Projektzielen selbst ändert sich in diesem Fall nichts. Im Folgenden werden drei mögliche Arten von Änderungen unterschieden, die mit dem Änderungsantrag vorgenommen werden können. Änderung des Projektziels bzw. Projektvertrags (Charter). Hierunter ist eine maßgebliche Änderung des Projektumfangs, die außerhalb der Projektziele liegt, zu verstehen. Die Vor-
290
Projektmanagement
bereitung der Änderungsgenehmigung übernimmt der Projektleiter. Zur Vorbereitung erforderlich sind folgende Informationen: Genaue Kenntnisse über den aktuellen Projektumfang zum Vergleich mit dem im Antrag formulierten Änderungsvorschlag. Verständnis des Änderungsvorschlags einschließlich Begründung. Eine Schätzung der durch die Änderung ausgelösten Auswirkungen auf Kosten und Projektablauf. Eine Änderung des Projektvertrags muss von den gleichen Stellen (oder Gremien) im Unternehmen freigegeben werden wie die Freigabe des originalen Projektvertrags. Änderung des Projektumfangs (Scope). Hiermit wird eine Änderung des Kostenvoranschlags oder des Projektablaufs autorisiert, die Projektziele bleiben jedoch unberührt. Damit wird die Zustimmung für Änderungen erteilt, die Projektumfang, Kosten oder Projektablauf in angemessener Weise ändern, ohne die ursprünglichen Projektziele zu verändern. Änderung von technischen Ausführungsmerkmalen. Änderungen des Designs oder spezieller Ausführungen innerhalb eines Projekts: Alle Änderungen, die sich für ein Projekt ergeben, ohne dass der Lieferinhalt grundsätzlich verändert oder ergänzt wird. Fehler bzw. Versäumnisse im Design oder bei Einzelheiten des Lieferumfangs. Designs, die nicht funktionstauglich sind oder spezielle Normen bzw. Gesetze nicht ausreichend berücksichtigen. Freigabe durch den Projektleiter und Ingenieur am Standort, falls zutreffend.
3.6
Planung und Zeitplanung
Das Geheimnis einer erfolgreichen Zeitplanung liegt darin, wie man das Projektteam mit einbindet und wie stark sich die Teammitglieder an ihre Aussagen gebunden fühlen. Der Erfolg des Zeitplans ist demnach nicht abhängig von der Zeitplanmethode. Um ein Projekt zu definieren, muss jede Aktivität bzw. Aktivitätengruppe festgelegt sein, die bei erfolgreicher Durchführung des Projekts abgeschlossen sein muss. Eine Aktivität oder Aktivitätengruppe wird als Vorgang (Task) bezeichnet. Ein Vorgang unterteilt ein Projekt in seine kleinsten, jedoch willkürlich definierten Einheiten. Projekte können sich mehr oder weniger stark in einzelne Vorgänge gliedern. Wird ein Projekt zu tief gegliedert, wird der Plan und somit das Projekt zu unübersichtlich. Ist ein Projekt nicht stark genug gegliedert, können Auswirkungen von Terminverzögerungen nicht rechtzeitig erkannt werden. Für jeden Vorgang ist es wichtig, die Dauer zu bestimmen, das heißt wie viel Zeit er in Anspruch nimmt.
Projektmanagement
291
Meilensteine Meilensteine sind Aktivitäten, die eine besondere Bedeutung für das Projekt haben: Sie schließen eigenständige Projektabschnitte ab. Sie dienen der Überprüfung des Projektfortschritts anhand von vorgegebenen Zwischenzielen. Sie beschreiben ein überprüfbares Ergebnis mit definierten Kosten an einem bestimmten Termin. Sie müssen eine wesentliche Zäsur beinhalten und frühzeitig festgelegt werden. Sie beinhalten logische Abschnitte, die inhaltliche Entscheidungen treffen und oft Verantwortlichkeiten wechseln. Sie ermöglichen eine „go or no go“-Entscheidung durch den Auftraggeber.
xStart eines Teilschritts xVoraussetzungen
I
Projektschritt mit definiertem START und ENDE!!
Projektschritt II
Meilenstein
Rückschleife, falls die Voraussetzungen nicht erfüllt sind
III
Meilenstein
•Schritt abgeschlossen •Ergebnisse erreicht •Start des nächsten Schritts
Abbildung 90: Wirkung von Meilensteinen Häufig wird ein Vorgang zu einem Meilenstein, wenn er zwingend eingehalten oder abgeschlossen sein muss, um den Projektausgang nicht zu gefährden. An diesen Punkten stehen oft Entscheidungen oder Ergebnisse an, die für den weiteren Verlauf oder sogar für die Fortführung des Projekts wichtig sind. Gerade durch diese Herausforderung können Meilensteine unter anderem zur Motivation des Projektteams beitragen. Abbildung 90 verdeutlicht den
292
Projektmanagement
Verlauf eines Projektschritts zum nächsten. Ein Schritt ist beendet, wenn der abschließende Meilenstein am Ende des Projektschritts erreicht ist. Gleichzeitig liegen damit die Voraussetzungen für den nächsten Teilschritt vor. Sind die gesetzten Ergebnisse des Projektschritts jedoch nicht erreicht, darf der nächste Schritt noch nicht begonnen werden. In einer Rückschleife müssen erst die nötigen Voraussetzungen für einen Übergang in den nächsten Projektschritt geschaffen werden. Werden die Ergebnisse eines Projektschritts nicht in der zeitlichen Planung erreicht, kommt es aufgrund der nötigen Korrekturen zu Zeitverzögerungen, die in der weiteren Meilenstein-Zeitplanung des Projekts berücksichtigt werden müssen. Meilensteine in einem Projekt festzulegen ist deshalb wichtig, weil sie eine große Hilfe für die Überwachung der Termine sowie des Projektstatus sind. Sie haben die Vorgangsdauer von null. Typische Beispiele für Meilensteine sind der Projektanfang und das Projektende. Weitere Meilensteine können zum Beispiel Besprechungen, in denen Ergebnisse präsentiert oder Entscheidungen gefällt werden, sein.
Ebenen der Zeitplanung Um alle Informationsbedürfnisse abzudecken, gibt es verschiedene Ebenen von Zeitplänen. Für große und mittlere Projekte sind eventuell bis zu drei oder mehr Ebenen notwendig. Für kleinere Projekte können eine oder zwei Ebenen genügen. Die drei Zeitplan-Ebenen sind in der folgenden Abbildung 91 aufgeführt.
MeilensteinZeitplan
Ebene I
Reihenfolge in der Erstellung SYSTEM I
SYSTEM
II
SYSTEM
X
SystemZeitplan
Ebene II
PersönlicherZeitplan
Ebene III Designentwicklung
Abbildung 91: Ebenen von Projektzeitplänen
Installation
Qualifizierung und Ausbildung
Projektmanagement
293
Ebene I – Meilenstein-Zeitplan. Dieser ist der zusammengefasste Zeitplan für das ganze Projekt oder Programm (meist eine Meilensteinliste). Er zeigt die Meilensteine und die Hauptphasen des Projekts sowie Verbindungen zu Schlüsselereignissen außerhalb des Projekts. Dieser Plan gibt die übergeordneten Zeitziele für das Projektteam und die Organisation vor. Normalerweise hat der Meilenstein-Zeitplan einen Wochen- oder Monatskalender. Ebene II – System- (oder Bereichs)-Zeitplan. Diese Ebene beschreibt die Aktivitäten, die notwendig sind, um jedes System so aufzubauen, dass die Meilensteine des MeilensteinZeitplans der Ebene I erfüllt sind. In diesem Zeitplan sind die Aktivitäten oder Aktivitätengruppen aufgeführt. Die Darstellungsform ist meistens ein Balkendiagramm. Ebene III – Persönlicher Zeitplan. Diese Ebene beschreibt die Vorgänge für eine spezielle Arbeitsgruppe oder für sich selbst. Normalerweise hat ein Ebene III-Zeitplan einen Tagesoder Stundenkalender und zeigt die Vorgänge, die notwendig sind, um die Endpunkte des Ebene II-Zeitplans zu erfüllen.
Schlüssel zur erfolgreichen Projektzeitplanung Verantwortung, Eigentümer: Nur eine Person kann die Verantwortung für die Koordination des Projektteams und für das Zusammenfügen der Daten des Zeitplans tragen. Jedes Mitglied des Projektteams muss die Verantwortung für seinen Teil des Zeitplans übernehmen. Glaubwürdigkeit: Der Zeitplan muss Fakten beruhen, die allen Mitgliedern des Projektteams bekannt sind, und so realistisch und glaubwürdig wie möglich sein. Gliederungstiefe: Der Zeitplan muss die richtige Gliederungstiefe für die Ebene haben, auf der er gebraucht wird. Sind zu wenige Einzelheiten aufgeführt, so kann der Projektverlauf nicht richtig dargestellt werden. Sind zu viele Einzelheiten aufgeführt, so wird der Projektleiter mit unnötiger Arbeit überladen, und der Betrachter des Zeitplans verliert unnötigerweise die Orientierung. Aufbau des Zeitplans: Die Informationen des Zeitplans sollen so aufbereitet werden, dass sie einfach zu verstehen sind. Zum Beispiel soll der Zeitplan zuerst nach dem System sortiert werden und dann erst nach der Verantwortlichkeit. Dies hilft der Organisation, die Zusammenhänge zu verstehen, und den Projektteammitgliedern, dass sie nur an den Aufgaben arbeiten, für die sie verantwortlich sind, und nicht durch andere Informationen verwirrt werden. Wissen: Wissen über das Projekt ist die Voraussetzung für das Erstellen eines Zeitplans. Jedes Mitglied des Projektteams sollte die Einzelheiten seines Bereiches kennen. Alle Mitglieder sollen die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der anderen verstehen. Überarbeitung der Zeitpläne: Es muss ein System geschaffen werden, nach dem die Zeitpläne in regelmäßigen Abständen überarbeitet werden (zum Beispiel Projektbeginn).
294
Projektmanagement
Bei der Überarbeitung sollen sowohl gegenwärtige und zukünftige Aufgaben berücksichtigt werden als auch die Messung des Projektfortschritts.
3.7
Risikomanagement
Risikomanagement ist eine wichtige Disziplin, um den Erfolg von Projekten zu sichern. Jedoch bildet das Risikomanagement immer noch die große Unbekannte der Projektmanagementdisziplinen. Ursachen dafür liegen sowohl im psychologischen Bereich (Wer will sich schon bei Projektstart mit den möglichen Risiken beschäftigen?), in der praktischen Anwendbarkeit als auch in dem unmittelbaren Nutzen für die Projektbeteiligten (Welche sind die geeigneten Maßnahmen, um die Risiken einzudämmen?). Da es sich bei Projekten um neuartige Vorhaben handelt, sind diese zwangsläufig mit Risiken verbunden. Wenn man sie schon „in Kauf nehmen“ muss, sollte zumindest versucht werden, sie zu steuern. Das Risikomanagement ist der Teil des Projektmanagements, der sich mit der Identifizierung, Analyse und Beherrschung von Risiken für die geplante Projektabwicklung beschäftigt. Alle Projekte sind mehr oder weniger mit dem Risiko der Terminüberziehung, der Überschreitung der geplanten Kosten und der Verfehlung der gesetzten Qualitäts- und Funktionsziele behaftet. Je früher die wichtigsten „Risikotreiber“, also Faktoren, die den rechtzeitigen Projektabschluss, die Einhaltung des Projektbudgets und die Erreichung der Leistungsziele gefährden können, aufgedeckt werden, umso eher kann auch Risikovorsorge getroffen werden. Allen Projekten ist ein Risikoplan zugrunde zu legen, um unsichere Ergebnisse aufzuführen und um sicherzustellen, dass das Projekt allen betrieblichen und öffentlichen Anforderungen entspricht. Ein Risikoplan bietet auch Gelegenheit zu einer umsichtigen Handhabung verschiedener Risiken, um somit Ergebnisse zu erzielen, die den wirtschaftlichen Anforderungen entsprechen. Der Plan sollte finanzielle und zeitliche Überlegungen enthalten.
Risikoarten Risiken im Projekt sind mögliche Ereignisse oder Situationen, die für das Projekt gegenüber der Planung nachteilige Folgen haben. Risiken können entsprechend den folgenden Ursachen eingeteilt werden: Geschäfts- und wirtschaftliche Risiken, die wie bei jeder geschäftlichen Unternehmung die Möglichkeit eines Gewinns oder Verlusts beinhalten. Technische und physische Risiken, die aufgrund technischer Ungewissheiten eines Projekts, aus der Anwendung neuer Technologien, der falschen Anwendung bekannter oder vorhandener Technologien und aufgrund von Umwelt-, technischen und persönlichen Sicherheiten entstehen.
Projektmanagement
295
Risiken aufgrund politischer, gesellschaftlicher, organisatorischer und menschlicher Ressourcen, einschließlich der Fähigkeit, Projektziele aufgrund behördlicher oder organisatorischer Faktoren und des menschlichen Verhaltens zu erfüllen.
Kostenrisiken Interpersonelle Risiken Skillsmangel Unstimmigkeiten im Team Ungesunder Stress
Idee, Anforderung, Problem
!
Unterschiedliche Entwicklungsorte Kunde zahlt nicht
Technische Risiken Mangelhafte Entwicklungsumgebung Unbekannte Tools und Methoden
ProjektERFOLG
Projektverlauf
Qualitätsrisiken Mangel an Zwischenergebnissen Mangelnde Anwendung der Projektmethode Zu wenig Kontrollen/Tests
Ressourcenrisiken Zu wenig qualifizierte Mitarbeiter verfügbar Projektleiterwechsel Projektleiter ist mangelhaft ausgebildet
Terminrisiken Keine rechtzeitige Übergabe Projektende verschiebt sich
Abbildung 92: Risikomanagement im Projekt Aufgrund der Vielzahl möglicher Risiken ist eine Kategorisierung erforderlich. Diese ist sowohl unter sachlichen als auch zeitlichen Gesichtspunkten möglich. Bei der sachlichen Kategorisierung werden die einzelnen Risiken verschiedenen übergeordneten Gruppen zugeordnet, wie zum Beispiel Risiken fachlicher, technischer, personalpolitischer oder finanzieller Art. Bei der zeitlichen Kategorisierung hingegen werden die Risiken den entsprechenden Projektphasen, in denen sie auftreten, zugeordnet.
Zielabweichungen im Projekt lassen sich häufig bereits durch Frühindikatoren vorhersehen.
Zu diesen Frühindikatoren zählen zum Beispiel:
Ständige Hektik im Projekt. Abnehmende Konsensentscheidungen. Unzureichende Planung, wenige qualitätssichernde Maßnahmen. Beschwichtigungen statt harter Fakten. Erhöhung von Mitarbeiterfluktuation und Krankheitsstand. Sinkende Motivation der Projektmitarbeiter. Kritische Einstellung der Projektmitarbeiter zum Projekterfolg. Größere Sitzungsintervalle bei steigender Sitzungsdauer.
296
Projektmanagement
Tauchen diese Indikatoren im Laufe des Projekts mehrfach auf, muss der Projektleiter die Risiken erkennen und analysieren, um eine Eskalation der Situation zu vermeiden.
3.8
Kostenmanagement und Budgetierung
Als Investition im Sinne der Betriebswirtschaftslehre gilt die Anschaffung eines langfristig nutzbaren Produktionsmittels. Aus der Sicht des Rechnungswesens handelt es sich bei einer Investition um die Überführung von Zahlungsmitteln in Sach- und Finanzvermögen. Allgemein gelten Investitionen als heikle, zentrale Entscheidungen im operativen Geschäft, da sie häufig eine langfristige strategische Bedeutung haben. Das gesamte Investitionsbudget beinhaltet alle Projekte des eigenen Unternehmens und dient als Grundlage für die jährliche Finanzplanung. Das Jahresinvestitionsbudget wird von der Geschäftsführung genehmigt. Folgende Projekte bzw. Projektarten werden geplant: Operative Investitionsprojekte Strategische Investitionsprojekte Großreparaturen (Reparaturen ab einer vorher definierten Wertgrenze, die im Reparaturplan einzeln aufzuführen sind) Bei Projekten, die zum Beispiel dem Ausbau der Produktion oder einer Kosteneinsparung dienen, ist jeweils der erwartete ROI (Return on Investment) des Investments anzugeben. Vom Antragsteller sind für jede geplante Investition eine Projektbeschreibung mit Auswirkungen auf die Umwelt sowie eine Investitionsrechnung in Zusammenarbeit mit dem Werksund dem Bereichscontroller zu erstellen und als Investitionsantrag zusammenzufassen. Eine genaue Investitionsrechnung umfasst alle Verfahren, die eine rationale Beurteilung der errechenbaren Aspekte einer Investition ermöglichen. Dazu sollen die monetären Konsequenzen einer Investition quantifiziert und verdichtet werden, um darauf aufbauend eine Entscheidungsempfehlung zu bieten. Die Investitionsrechnung ist die Hauptentscheidungshilfe bei Investitionsentscheidungen. Sie ist für die Vorauswahl und Nachberechnung von Bedeutung und unabhängig von der Investitionsentscheidung. Die laufenden Kosten (inkl. der Umweltkosten) sind bei der Investitionsrechnung mit zu berücksichtigen. Bei Vollständigkeit des Investitionsantrags und entsprechender Ausprägung der Kennziffern bzw. bei zwingender Notwendigkeit (zum Beispiel aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, behördlicher Auflagen oder interner Regelungen) werden die Projekte entsprechend bestimmter Freigabegrenzen genehmigt: Bis 125.000 Euro vom zuständigen Geschäftsführer für seinen Geschäftsbereich. Bis 500.000 Euro durch die Geschäftsleitung der Muttergesellschaft. Über 500.000 Euro vom Konzernvorstand.
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297
Solange der Investitionsantrag nicht genehmigt ist, dürfen keine Ausgaben getätigt und keine Verpflichtungen, zum Beispiel in Form von Bestellungen, eingegangen werden. Kostenschätzung. Kosten stehen für den bewerteten Verbrauch an Produktionsfaktoren, die zur Erstellung der betrieblichen Leistung notwendig sind. Die Bewertung erfolgt in Geldeinheiten. Ziele und Aufgaben der Kostenschätzung sind die Wirtschaftlichkeitskontrolle der Abteilungen bzw. Betriebe, die Kalkulation und Bewertung der Kostenträger und somit auch die Informationsbeschaffung. Die Abschätzung der Gesamtkosten aufgrund weniger Eckdaten wird auch globale Kostenschätzung genannt. Hierbei kommen Verfahren zum Einsatz, die auch bei der Aufwandsschätzung Anwendung finden, beispielsweise die Vollkostenrechnung, die die effektiv oder planmäßig entstandenen Kosten eines Kostenträgers feststellt. Hierzu erfolgt zuerst eine Differenzierung der Kostenarten, um dann mit Hilfe der Kostenstellenrechnung die Gemeinkosten auf die Kostenträger zu verteilen. Sie liefert relativ schnell einen guten Überblick über die zu erwartenden Kosten, kann jedoch nicht für eine effektive Kostenüberwachung während des Projektverlaufs herangezogen werden, da sie mit einer hohen Ungenauigkeit behaftet ist und nicht ohne Weiteres, wie für das Controlling erforderlich, auf einzelne Arbeitspakete heruntergebrochen werden kann. Direkte Kosten. Direkte Kosten können einem Erzeugnis unmittelbar zugerechnet werden. Vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus zeichnen sich direkte Kosten durch ihre Budgetierbarkeit aus. Somit ist ein nachhaltiger Effekt dieser Kosten, unabhängig davon, ob im positiven oder negativen Sinne, auf den Unternehmenserfolg grundsätzlich nachweisbar. Indirekte Kosten. Indirekte Kosten werden nach entsprechenden Schlüsseln auf die Erzeugnisse umgelegt. Indirekte Kosten entstehen nicht aufgrund der Anschaffung oder der Gewährleistung des Betriebes von Investitionsgütern, sondern infolge unproduktiver Nutzung durch den Endanwender. Umstritten ist, in welchem Umfang diese Kosten für ein Unternehmen zahlungs- bzw. erfolgswirksam sind, also in Form von Ein- oder Auszahlungen den Cashflow berühren. Kostenkontrolle. Unter Kostenkontrolle versteht man alle Verfahren und Vorgehensweisen, die dazu dienen, das Projekt in der geforderten Zeit, mit dem geforderten Inhalt, zu den geschätzten Kosten zu realisieren. Sie ist vonnöten, um vorgesehene Obergrenzen nicht zu überschreiten. Die Kostenkontrolle erfolgt durch einen Soll-Ist-Vergleich. Dafür muss die Kostenplanung ausreichend detailliert und vor allem realistisch sein. Nur wenn Kostenabweichungen so früh wie möglich erkannt werden, besteht die Möglichkeit, rechtzeitig und mit relativ geringem Aufwand Korrekturmaßnahmen durchzuführen. Es ist von großer Bedeutung, die tatsächlich entstehenden Kosten zeitnah mit der Kostenplanung zu vergleichen und die Ursachen für mögliche Abweichungen zu ermitteln. Nur so besteht die Möglichkeit zu Korrekturen. Treten auffällige Abweichungen auf, sind Ursache und Verantwortlichkeit festzustellen.
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Projektmanagement
Gründe für Kostenabweichungen können sein:
Unklare Projektdefinition oder Projektabgrenzung. Höhere Aufwendungen, die durch Verspätungen bedingt sind. Unrealistische Kostenschätzungen. Änderungen der Anforderungen.
Maßnahmen zur Gegensteuerung können sein:
Budgetanpassung. Änderung der Planwerte. Anpassung des Leistungsumfangs. Verbesserung der Rahmenbedingungen.
Sollte es aufgrund der Gegensteuerungsmaßnahmen zu Änderungen des Projektinhalts oder -umfangs kommen, so sind diese analog über das Change Management durchzuführen.
3.9
Beschaffung
Für alle Beschaffungsaktivitäten von externen Waren (Materialien, Maschinen etc.) und Dienstleistungen (Ingenieur, IT etc.) im Rahmen des Projekts ist der Projektleiter in Abstimmung mit dem Einkauf zuständig. Allerdings kauft der Projektleiter selbst nicht ein. Der Einkauf, eventuell unter Beteiligung des Projektleiters, führt auf Grundlage der definierten Spezifikationen den notwendigen Beschaffungsprozess durch.
3.10 Projektabschluss Der Projektabschluss ist das formale Ende eines Projekts und besteht in der Beendigung aller Tätigkeiten, die mit dem Projekt in Zusammenhang stehen. Der Projektabschluss ist ebenso wichtig wie die Steuerung und Überwachung des Projekts während der Abwicklung. Selbst wenn die Projektziele alle erreicht sind, ist das Projekt damit nicht beendet. Zum formellen Projektabschluss gehören die Abschlusskontrolle, die Dokumentation und die Auflösung der Projektstrukturen. Bevor das Projektteam auseinandergeht, bietet der Projektabschluss die Chance, die Projektergebnisse, die Projektdurchführung und Erfahrungen zu bewerten und die Ergebnisse als Handlungsempfehlungen neuen Projekten zur Verfügung zu stellen. Ein offizieller Projektabschluss entlastet den Projektleiter und das Projektteam und gibt sie für neue Aufgaben frei.
Projektmanagement
299
Projektabschlussbericht. Der Kontrolle des fertigen Projektabschlussberichts muss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Diese Durchsicht ist auch gleichzeitig die letzte Gelegenheit, zu überprüfen, ob alle Punkte des Projektvertrags bearbeitet wurden, und um eventuelle Lücken zu schließen. Dabei kommt es nicht nur auf die inhaltliche, sondern auch auf die formale Kontrolle an, um Missverständnisse zu vermeiden. Erfahrungssicherung. „Projekte lernen schlecht!“ Damit ist gemeint, dass positive und negative Erfahrungen, die in Projekten gemacht wurden, oft nicht genügend für weitere Aufgaben genutzt werden. Bei der Durchführung eines Projekts werden laufend neue Erkenntnisse gewonnen. Während die positiven Erfahrungen als Leistungen und Ergebnisse stolz verkündet werden, wird um die negativen Erkenntnisse meist der Mantel des Schweigens gehüllt. Daraus resultiert, dass bestimmte Fehler immer wieder gemacht werden. Das Gegenmittel, um immer wiederkehrende Fehler zu vermeiden, ist das Dokumentieren und strukturierte Sammeln von Erfahrungsberichten, den so genannten „lessons learned“. Weiterhin sollte eine abschließende Sitzung mit allen Projektmitgliedern stattfinden, in der ein Projektrückblick erfolgt und die Möglichkeit zur Äußerung von Kritikpunkten besteht. Nur durch Feedback aller Projektmitglieder können positive und negative Erfahrungen aus dem Projekt für die nächsten Vorhaben gesichert werden. Projektübergabe. Nach der Fertigstellung des Projektabschlussberichtes, dementsprechend dem Abschluss der letzten Projektphase, wird das Projekt an die operative Linienorganisation übergeben. Der Projektleiter wird somit durch den Auftraggeber und die Linienorganisation von seiner Verantwortung gegenüber dem Projekt offiziell entlastet. Um die Projektergebnisse erfolgreich an die operative Linienorganisation übergeben zu können, muss sich der Projektleiter jedoch vorher die Planung und Implementierung von Mitarbeiterschulungen bezüglich der Projektergebnisse anstoßen. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass jeder Mitarbeiter über die genauen Prozesse informiert ist und dass die im Projekt erarbeiteten Ergebnisse operativ in der Linie fortwährend umgesetzt werden können.
4.
Beschaffungskompetenzen und Zusammenfassung
Abbildung 93 zeigt die Beschaffungskompetenzen für das Projektmanagement und Abbildung 94 die Projektrakete als Zusammenfassung für dieses Kapitel.
PROJEKTMANAGEMENT IM EINKAUF
KÖNNER Schafft pro-aktiv unternehmensweite Chancen für die Anwendung von Projektmanagementtechniken. Nimmt Einfluss auf den gesamten Ablauf des Projektes, um den Business-Plan und die Beschaffungsstrategie (Ware oder Dienstleistung) zu optimieren. Integriert erfolgreich kaufmännische Aspekte in den Projektablauf. Bereichert mit seiner Erfahrung und dem entsprechenden Know-how die Aktionspläne des Projektteams. Ist in der Lage, die von ihm geleiteten Projekte dynamisch den Anforderungen entsprechend zu managen. Erreicht oder übererreicht die Projektziele.
Bewiesene Fähigkeiten: Hat erheblich verbesserte Ergebnisse in mindestens zwei komplexen Projektsituationen durch die Anwendung der Projekt-Tools erbracht. Ist in der Lage, die Projekt-Tools flexibel, je nach Projektart und -situation, einzusetzen.
KENNER
Kennt das Projektmanagement-Modell und versteht die organisatorischen Zusammenhänge zwischen dem Einkauf und anderen Unternehmensfunktionen bei den verschiedenen Projektarten: • Einführung eines neuen Produktes oder neuer Prozesse • Investitionsprojekte • Effizienzsteigerungsprojekte oder Kosteneinsparungsprojekte Ist als Projektleiter in der Lage, einen entsprechenden Projektvertrag (Charter) mit dem Management abzuschließen und das Projektteam aufzustellen. Effizientes Management des Projektzeitplanes, der Aktionspläne und eine effiziente Kommunikation innerhalb aller Projektphasen. Aufbau einer effizienten Zusammenarbeit innerhalb des Projektteams und zwischen den Unternehmensfunktionen während aller Phasen des Projektes. Lieferantenüberwachung in Bezug auf Produktionsverbesserung und Investitionen im Verlauf des Projektes. Kaufmännische Unterstützung für den Prozess der Inbetriebnahme, Qualifikation und Verifikation des Lieferanten. Aufbau einer optimierten Supply Chain und Versorgungssituation bei Produktneueinführungen oder anderen neuen Versorgungssituationen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat verbesserte Ergebnisse in mindestens zwei einfachen Projektsituationen durch die Anwendung der Projekt-Tools erbracht. Ist in der Lage, die Projekt-Tools flexibel für einfache Projektarten und -situation einzusetzen.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Abbildung 93: Beschaffungskompetenzen: Projektmanagement Verbessert die Vorgehensweisen zum Projektmanagement Hat entsprechende Schulungen für den Bereich Projektmanagement entworfen und vermittelt sein Wissen pro-aktiv im Unternehmen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Personen von innerhalb und außerhalb des Geschäftsbereichs suchen auf breiter Ebene seine Tipps und Beratung, einschließlich der Bereiche, in denen der Einsatz von Projektmanagementtechniken ein neuer Ansatz ist. Erweitert und verbessert die Technik des Projektmanagements ständig und sucht nach neuen Anwendungsmöglichkeiten im betrieblichen Umfeld.
EXPERTE
Effektiver Einsatz von Projektmanagementtechniken, um den gewünschten Geschäftserfolg, nachhaltigen Wettbewerbsvorteil durch effektive Projektleitung oder -mitarbeit vom Anfang bis zum Ende sicherzustellen.
300 Projektmanagement
Abbildung 94: Projektrakete zum Erfolg KostenKostenmanagement management
ProjektProjektplanung & planung & Zeitplan Zeitplan Inhalt (Scope) Inhalt (Scope) Management Management
ProjektProjektkommunikation kommunikation
Beschaffung & Beschaffung Vertrags- & Vertragsgestaltung gestaltung
Phasen-Kick-Off Scope-Management, inkl. Change Qualitätsmanagement Projektplanung Kostenmanagement Risikomanagement Personal Management Beschaffung Projektkommunikation
AKTIONEN
Endbeurteilung der Phasen
Statusbericht Changebericht Risikobericht
Projektabschluss Abnahme durch Stakeholder Projektabschluss Kontinuierliche Prozessverbesserung Nachweis des Projekterfolges Investitionsaktivierung
Projektkontrolle
ProjektProjektabschluss abschluss
ProjektERFOLG
Projekt-Kick-Off Inhalt (Scope) Definition Planung & Meilensteinzeitplan Projektfinanzierung Projektorganisation Beschaffungsplan Projektvertrag
RisikoRisikomanagement management
PROJEKTABSCHLUSS
Projektinitiation
Projekt-Management Unterstützungsfunktionen
Kapitalplanung Kapitalplanung
ZUFRIEDENSTELLUNG der STAKEHOLDER
PROJEKTLEBENSZYKLUS (Klassisch, IT-Projekt, Organisationsänderung, Umsetzung Beschaffungsstrategie, Maschineninstallation (Investition), KVP-Projekt, Wartungsarbeit etc.)
PROJEKTKONTROLLE
Projektvertrag Projektvertrag
PHASE
PROJEKTINITIATION
ProjektProjektorganisation organisation
Projekt-Management Schlüsselfunktionen
Projektmanagement 301
302
Analyse des Beschaffungssystems
Analyse des Beschaffungssystems
1.
Einführung
Die Art und Weise, wie einzelne Einkaufsmitarbeiter ihre Tätigkeiten ausführen oder wie eine Organisation arbeitet, hat sich im Laufe der Zeit herausgebildet. Die Prozesse und Arbeitsschritte können für lange Zeit richtig gewesen sein, aber wenn sich das externe oder interne Umfeld der Beschaffungsorganisation ändert, müssen häufig Anpassungen vorgenommen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten. In den letzen Jahrzehnten hat sich das Einkaufs- und Beschaffungsumfeld mehr verändert als das Umfeld für viele andere Bereiche eines Unternehmens, dies vor allem durch ein durch das Internet vernetztes Geschäftsumfeld und globale Beschaffungen. Firmen haben sich immer mehr spezialisiert und ihre Wertschöpfungstiefe reduziert, was dazu geführt hat, dass immer mehr externe Waren und Dienstleistungen beschafft werden müssen. Gleichzeit hat sich der globale Handel weiter ausgeweitet und die vormals geschlossenen und lokalen Märkte sind vielfach abgelöst worden. Es gibt heute fast immer einen Markt, auf dem man etwas für geringere Beschaffungskosten kaufen kann. Eine regelmäßige Analyse der externen Faktoren ist eine gute Möglichkeit, um frühzeitig Indikatoren für einen anstehenden Veränderungsbedarf zu identifizieren. In der folgenden Übersicht in Abbildung 95 sind exemplarisch einige externe Faktoren aufgeführt, die einen direkten Einfluss auf das Einkaufssystem haben können. Wenn die Abweichungen, die sich zwischen der Organisation und den Erfordernissen, die sich aus der Veränderung der externen Faktoren ergeben, zu groß werden, müssen sich die Organisation und somit das Einkaufssystem verändern, d. h. anpassen. Leider sind jedoch viele Einkaufsorganisationen immer noch auf dem Stand vergangener Jahre oder Jahrzehnte und sind mehr eine Schreibstube und häufig nur Erfüllungsgehilfe der anfordernde Stelle als ein moderner Einkauf, der pro-aktiv Entscheidungen trifft bzw. vorbereitet. Die Wichtigkeit, die der Einkauf in der heutigen Wirtschaft hat, reflektiert in vielen Fällen nicht die Art und Weise, wie aktuell gearbeitet wird bzw. auf welche Weise der Einkauf in die Unternehmensprozesse eingebunden ist. Viele Einkaufsorganisationen haben ein großes Potential – ein Potential, um die Vorteile einer globalisierten Beschaffungswelt zum Vorteil des Unternehmens zu erschließen. Um dieses jedoch für das Unternehmen nutzbar zu machen, ist es notwendig, die aktuellen Wertschöpfungspotentiale durch den Einkauf zu bewerten und einen pragmatischen Veränderungsplan zu entwerfen, der sich schnell in die Tat umsetzen lässt.
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_17, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Analyse des Beschaffungssystems
Soziale Faktoren
• Ständige globale Erreichbarkeit durch Handy, PDA und Internet • Wandel der allgemeine Sichtweise auf den Einkauf und seinen Wertbeitrag
Technologische Faktoren
• Durch Internet ist Kommunikation schneller und vernetzter geworden • Beschaffungsprozesse sind Internetfähig geworden (Sourcing- und Procurement-Prozess)
Wirtschaftliche Faktoren
• Internationalisierung der Wirtschaft; stärkerer globaler Kapital- & Warenfluss • Wirtschaftsabschwung durch Kriese in Banken- und Immobilienbranche
Umweltfaktoren
• Subventionen für umweltgerechteres Verhalten • Nachhaltiges Wirtschaften rückt mehr ins Bewusstsein der Verbraucher
Politische Faktoren
• Niedergang des Kommunismus fördert Privatisierung & EU Osterweiterung • Corporate Governance verlangt fairen Umgang mit Mitarbeitern & Lieferanten
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Chancen
Einfluss auf: (I) Einkaufssystem als Ganzes (II) Einzelne Beschaffungsstrategien
• Größer Beschaffungsmärkte und weniger Grenzen • Internationale Suche nach Lieferanten • Prozessvereinfachung durch e-Procurement • Einkauf als aktiver Wertgestalter
Risiken • Andere Kulturen und Sprachen erforderlich • Höhere Qualifikationen im Einkauf erforderlich • Zunehmende Geschwindigkeit • Komplexere Lieferketten & Beziehungen
Abbildung 95: Beispielhaft einige externe Faktoren, die einen Einfluss auf den Einkauf haben können, und mögliche Chancen und Risiken, die sich daraus ergeben
Ein weiterer Grund, der, eine Veränderung der Beschaffungsorganisation notwendig machen kann, ist eine organisatorische Leistungsschwäche, die offensichtlich zutage tritt, wie z .B. bei den Beschaffungskosten oder der Innovationsfähigkeit durch Lieferanten (siehe Abbildung 96). Dies ist normalerweise ein typischer Auslöser, um die eigene Prozesseinbindung und Beschaffungsfähigkeit zu hinterfragen. So kann das Erkennen einer Leistungsschwäche in der Beschaffung helfen, die internen Veränderungskräfte neu zu beurteilen. Eng verbunden mit den in der Abbildung 96 aufgeworfenen Fragen ist eine zweite Gruppe von Fragen (innerhalb der Raute), die Vision, Mission und die Werte der Organisation betreffend. Die regelmäßige Überprüfung der internen Stärken und Schwächen (kombiniert mit den externen Gefahren und Möglichkeiten, wie in Abbildung 95 dargestellt) kann eine Quelle sein, um aktiv zu werden und eine Veränderung einzuleiten und umzusetzen. Ein mögliches Ergebnis dieser Selbsterkenntnis kann sein, dass die Einsicht, was passieren würde, wenn man so weitermacht wie bisher, deutlich sichtbar und transparent für die Organisation wird. Somit werden auch die notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen sichtbar, die für eine Veränderung notwendig sind. Organisationen haben grundsätzlich immer die Wahl, auf welche Weise sie auf einen bestimmten Auslöser reagieren. Es kann jedoch sein, dass die gewählte Art und Weise einer Reaktion weitreichende Konsequenzen nach sich zieht.
304
Analyse des Beschaffungssystems
Stärken
Wie hoch ist der Ertragsbeitrag durch den Einkauf und wie kann der Einkauf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens steigern?
Vision Welche Fähigkeiten benötigen der Einkauf zur Erfüllung der Vision/Mission?
(Wer/was sind wir? Wer/was wollen wir sein?)
Mission (Was ist unsere strategische Aufgabe?)
Werte (Wofür stehen wir & woran glauben wir?)
Wie ist der Einkauf in die Geschäftsprozesse eingebunden?
Wer sind die Anforderer, Nutzer und Interessenträger in Bezug auf den Einkauf; welche berechtigten Interessen haben sie?
• Einkauf kann ein Wettbewerbsvorteil sein • Aktives Management der Interessenträger • Einkaufsziele sind auf Unternehmensziele abgestimmt
Schwächen • Notwendigen Fähigkeiten sind noch nicht genügend vorhanden • Einkauf ist nicht in alle Beschaffungsprozesse eingebunden • Stärkere Automatisierung der Beschaffungsprozesse
Abbildung 96: Interne Gründe, die für eine Veränderung sprechen können, und mögliche Stärken und Schwächen Ein Veränderungsprozess ist ein komplexes Vorhaben und die einzelnen Schritte sind in hohem Maße vom jeweiligen Umfeld und der Situation abhängig. Es gibt kein allgemeingültiges Konzept, das man wie ein Kochrezept anwenden kann und dann erfolgt die Veränderung. Menschen – und um die geht es schlussendlich – lassen sich nicht so einfach nach einem Kochrezept ändern. Dieses Kapitel stellt jedoch einige Vorgehensweisen und Hilfsmittel vor, die dabei unterstützen können, ein Veränderungsvorhaben zu definieren und umzusetzen. Zur Vereinfachung wird der Veränderungsprozess in einem Prozessschaubild dargestellt, in dem Bewusstsein, dass sich diese Phasen in der Praxis überlappen oder dass es sogar nötig sein kann, Schleifen zu ziehen und manche Schritte mehr als einmal zu durchlaufen. Ein Plan auf Papier hat keinen Wert, wenn er nicht die Herzen und die Köpfe der Menschen erreicht, die die Veränderung durchführen oder von ihr betroffen sind. Aus diesem Grunde hat ist es notwendig, dass sowohl in der Analyse wie im Design des zukünftigen Beschaffungssystems die entsprechenden Mitarbeiter und Interessenträger mit eingebunden sind.
Analyse des Beschaffungssystems
305
Konzept
WAS
Zieldefinition des Beschaffungssystems
Umsetzung
1
Kick-Off Organisation
2 Organisatorische Voraussetzung
4 Durchführen der Veränderung
5 Festigung des neuen Beschaffungssystems
WIE
3
Kommunikation der Veränderung • Ist-/ Zielorganisation • Ist-/ Zielprozesse • Personal/ Entwicklung • Erwartungen Fachabteilungen • Erwartungen Einkauf
Inhalt der Veränderung
• Beschaffungsvision • Veränderungsteam • Definition Veränderungsprojektlandschaft • Kommunikationsstrategie definieren
• Stakeholder Management • Schulung/Training • Quick-Wins (schnelle, sichtbare Änderung) • Umsetzung der Projekte • Kommunikation
• Verfahrensanweisung/ Einkaufshandbuch • Projektaudits • Controlling der Veränderung
Gestaltung der Veränderung
Durchführung der Veränderung
Festigung/ kontinuierliche Verbesserung
etwa 10 bis 12 Wochen
etwa 12 bis 18 Monate
Abbildung 97: Vorgehensweise zur Veränderung des Beschaffungssystems
2.
Qualitative Bewertung
Eine systematische Bewertungsmethode für die Designelemente des gegenwärtigen Beschaffungssystems bildet die Grundlage aller Organisationsentwicklungen. Ein herausragendes Beschaffungssystem zeichnet sich durch einige Schlüsselelemente aus. Ziel ist es, immer einen Wettbewerbsvorteil für die eigene Organisation zu erzeugen. Es gibt einige Designelemente, die ein größeres Potential als andere haben, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzeugen. Genau dies sind die Designelemente, auf die man sich konzentrieren muss. Zusammenfassend zeigt Abbildung 98 die Analyseelemente zur Optimierung des Beschaffungssystems. Die Grundlage bilden die Unternehmenszielsetzung und Strategie, d. h. die Geschäftsfelder und das Geschäftssystem des Unternehmens. Hieran muss sich das Beschaffungssystem ausrichten. Die Handlungsfelder sind dann beginnend mit der Beschaffungsvision, der Steuerung des Einkaufes, die operativen und strategischen Beschaffungsprozesse und das Lieferantenmanagement. Den strukturellen Rahmen bilden der Organisationsaufbau (Organigramm), das Personal, Controlling sowie die IT und Kommunikationstechnik.
306
Analyse des Beschaffungssystems
Vision/ Strategie
Wie soll sich der Einkauf zukünftig ausrichten ? • Implementierung strategischer Einkauf • Definition Beschaffungsstrategien • Erfolgsmessung
1
Steuerung der Einkauf
Prozesse
Strategische Beschaffung
2
Supplier Management
Wie wird der Einkauf eingebunden? • Angebotskalkulation • Beschaffungsteam • Projektabwicklung
3
Operativer Einkauf
Ressourcen, Infrastruktur Organisation 4
Personal Controlling 5
6
IT 7
Welche Ressourcen sind hierfür notwendig? • Organisation Einkauf • IT-Unterstützung • Erfolgscontrolling • Kompetenzen
Abbildung 98: Analyserahmen des Beschaffungssystems zur Ableitung des Zielzustands Die Bewertung sollte einen zukünftigen Plan für den Einkauf und das Beschaffungssystem entwerfen und die Transformation der Organisation beschreiben. Das Ziel ist es, als Ergebnis einen pragmatischen Veränderungsplan zu erhalten, der auf der einen Seite realistisch sein sollte, aber auf der anderen Seite auch eine gewisse Herausforderung darstellt.
3.
Ausrichtung des Beschaffungssystems
Eine Veränderung des Beschaffungssystems bzw. von Teilen des Beschaffungssystems ist häufig notwendig, wenn die Leistungsfähigkeit der Organisation nicht mehr ausreicht oder externe Veränderungen eine Anpassung notwendig machen. Beispielhaft werden die folgenden Anforderungen an ein Beschaffungssystem gestellt, um nachhaltig den Wertbeitrag durch den Einkauf für das Unternehmen sicherzustellen: Eine Beschaffungs- und Supply-Strategie, die auf die Unternehmensstrategie abgestimmt ist, und ein abgestimmtes Zielsystem für den Einkauf. Klare und abgestimmte Schnittstellen zwischen Einkauf und Fachabteilungen; Beschaffungsprozesse, die einem maximalen Wertbeitrag sichern. Der Einkauf als Eigentümer der Lieferantenbeziehungen und ein durchgängiges Management der Lieferanten.
Analyse des Beschaffungssystems
307
Eine Organisationsform für den Einkauf, die einen maximalen Wertbeitrag liefern kann und die „richtige“ Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung gewährleistet. Einkaufsmitarbeiter in der passenden Anzahl und mit der notwendigen Qualifikation sowie ein auf den Entwicklungsbedarf der Mitarbeiter abgestimmtes Schulungskonzept. Controlling der Einkaufskennzahlen, die sowohl aus Ergebnisgrößen wie auch Prozessmessgrößen bestehen. IT-Systeme, die den Einkauf bestmöglich in den strategischen und operativen Prozessen unterstützen. Eine Einkaufsstrategie muss zwei grundsätzliche Fragen beantworten: (I) Was ist die Mission der Beschaffungsfunktion und wofür steht sie? (II) Wie wird diese Mission sichergestellt? Häufig ist es so, dass wenn man diese Fragen einfach beantworten kann, dann zählt die Einkaufsfunktion vielfach zu den wahrscheinlich schlechteren. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Beantwortung der Fragen sehr vom Unternehmen und von der Branche abhängt. Befindet sich das Unternehmen beispielsweise in einer unreifen Industrie (Software oder Biotech), in der Innovation und Wachstum die wichtigsten Aspekte sind, sollte sich die Beschaffungsfunktion darauf konzentrieren, eine Lieferantenbasis zu schaffen, die zu diesen Innovationen beitragen kann. Somit wird sichergestellt, dass das Unternehmen wirklich die Waren und Dienstleistungen bekommt, die benötigt werden und um das Rennen um Marktanteile zu gewinnen. Befindet man sich auf der anderen Seite in einer reifen oder sogar schrumpfenden Industrie, sollte sich der Einkauf auf Kostenreduktionen, Produkt- und Lieferqualität sowie Supply-Chain-Effizienz konzentrieren. Von Bedeutung ist des Weiteren die Festlegung der Einkaufsaufgabe. Wofür ist der Einkauf verantwortlich? Die Beantwortung dieser Frage sollte sich sowohl auf die Prozessverantwortung wie auch auf die Verantwortung für Beschaffungskategorien beziehen. Die Frage nach der Prozessverantwortung sollte die folgenden Aspekte berücksichtigen: Ist der Einkauf verantwortlich für den Entwicklungseinkauf? Ist der Einkauf an der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen beteiligt? Ist der Einkauf verantwortlich für den Abschluss von Rahmenverträgen, von Einmalbeschaffungen oder Abrufen (Disposition) oder nur für Teilbereiche? Ist der Einkauf für alle Beschaffungsprozesse verantwortlich oder gibt es besser qualifizierte Bereiche im Unternehmen? Bei der Festlegung der Beschaffungskategorien wird es meist noch etwas vager. Ist der Einkauf wirklich für alle Beschaffungen des Unternehmens zuständig, wie zum Beispiel auch für Lohnfertigung (d. h. Beschaffungen zur Kapazitätserweiterung oder Ersatz im eigentlichen Kernprozess des Unternehmens), Marketingleistungen, Beraterverträge, IT-Leistungen, oder sind einige Kategorien von der Einkaufsverantwortung ausgenommen? Vielfach herrscht hier eine gewisse Unsicherheit. Einige Kategorien, die in der Vergangenheit nicht durch den Einkauf beschafft wurden, aber nun durch den Einkauf beschaffet werden, können zu internen Abstimmungsproblemen führen.
308
Analyse des Beschaffungssystems
Hauptfragen in der Strategiephase Sind der Zweck des Einkaufes, seine Mission und Aufgabe formal definiert und im Unternehmen verankert? Hat die Einkaufsorganisation eine mit der übergeordneten Geschäftsstrategie übereinstimmende, formale und eingeführte Einkaufsstrategie? Ist der Einkauf in den Budgetprozess des Unternehmens mit eingebunden? Hat die Einkaufsorganisation einen klar definierten Verantwortungsrahmen, inkl. der vom Einkauf zu beschaffenden Kategorien, der zu verwendenden Prozesse und des internen Servicegrades? Hat die Einkaufsorganisation definiert, wie sie die Ziele in Bezug auf Prozesse, Organisation, Personal, Controlling und IT erreichen will? Abbildung 99: Analysefragen zur Strategiebeurteilung
4.
Prozesse
Entsprechend den persönlichen Vorlieben kann man Prozesse mögen oder aber auch nicht. Wie auch immer, es muss sichergestellt werden, dass die richtigen Dinge gemacht werden (strategische Prozesse) und dass diese Dinge dann auch richtig gemacht werden (operative Prozesse). Weiterhin ist es nötig, dass es einen Prozess gibt, der zu einer ständigen Verbesserung der strategischen und operativen Prozesse führt, einen so genannten kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Jedes Unternehmen sollte die folgenden Schlüsselprozesse im Einkauf etablieren: Prozess zur allgemeinen Überprüfung der Einkaufsstrategie Übergeordneter Planungsprozess für die Einkaufsziele, Maßnahmen, Kennzahlen und Beschaffungsprojekte (= Steering) Prozess zur Formulierung und Einführung von Beschaffungsstrategien Strategischer Beschaffungsprozess (= Sourcing) Operativer Beschaffungsprozess bis zur Bezahlung (= Procurement) Prozess zur Lieferantenentwicklung Prozess zur Verwaltung und Pflege von einkaufsrelevanten Stammdaten
Analyse des Beschaffungssystems
4.1
309
Übergeordneter Planungsprozess
Zumeist nach dem Sommer, aber noch bevor der allgemeine Budgetierungsprozess gestartet ist, arbeiten viele Firmen an der Überprüfung oder Neudefinition ihrer Strategie. Dies ist genau die Zeit, in der der Einkauf auch an seiner Strategie arbeiten sollte. Sinn dieses Überprüfungsprozesses ist, die Schlüsselelemente der Strategie auf den Prüfstand zu stellen: Wofür ist die Organisationseinheit verantwortlich und welche Initiativen sollten im kommenden Jahr gestartet und durchgeführt werden? Das Ergebnis sollte ein aktualisiertes Strategiedokument für den Einkauf sein. Abbildung 100 zeigt eine mögliche Systematik für eine Einkaufsstrategie.
WAS
WIE
Zielsetzung
Ziel
Umsetzungsstrategien
Messgrößen
„ Was müssen wir erreichen?“
„ Qualitative Ziele des Fortschritts in Richtung der Zielsetzung“
„ Wie die Zielsetzung & die Ziele erreicht werden sollen“
„Quantitative Ziele in Richtung der Umsetzungsstrategie“
Worte
Zahlen
Worte
Zahlen
Erfolgreiche Umsetzung der Umsetzungsstrategien sollte dazu führen, die Zielsetzung zu erreichen
Abbildung 100:
Erreichen der Messgrößen sollte dazu führen, dass die Ziele erreicht werden
Systematik einer Einkaufsstrategie
Es ist sicherlich ratsam, die Beschaffungsinitiativen immer parallel mit dem Budgetansatz zu planen. Zur Überprüfung sollte die geplante prozentuale Einsparung auf das gesamte Beschaffungsvolumen bestimmt werden. Der Einkauf soll sich auf die Kosten, Qualität und die Effizienz der Lieferketten konzentrieren. In Abbildung 101 wird ein Beispiel für ein Produktionsunternehmen in einem reifen Markt gezeigt. Wichtiger als die absoluten Ziele und die Einschätzung, ob die Planung nun eine Herausforderung darstellt oder nicht, ist der Fakt, dass eine Einigkeit innerhalb des Einkaufs und innerhalb des Unternehmens mit diesem Prozess erreicht wurde.
310
Analyse des Beschaffungssystems
Zielsetzung: Effizienzsteigerung Einkaufsprozess & Senkung der TCO Ergebnisbeitrag durch professionelle Beschaffung, Integration von Lieferanteninnovationen ins Unternehmen, Lieferantenmanagement und Entwicklung, integrierte Kostenteams und Einkäufer als Projektmanager Ziel
Umsetzungsstrategie
Externe Liefer-
•
zuverlässigkeit
• • •
Kosteneinspar-
•
ungen/-Kosteneinsparungsideen • •
Organisationsauf-
•
bau (Effizienz/ Effektivität) • • • •
Kennzahlensystem
Abbildung 101:
Messgrößen
Werksliefervereinbarungen für ALieferanten, Audits, Verträge Alternative Lieferanten für Hauptprodukte Professionelle und schnellere Reklamationsbearbeitung Strategische Lieferantenentwicklung Beschaffungsstrategien für Schlüsselmaterialien (Verpackung/Rohstoffe) erstellen und umsetzen Anzahl der Innovation durch Lieferanten Beschaffungsinitiativen für spezielle Warengruppen und Standorte pro-aktiv leiten
•
Standards schaffen für Verträge, Verhandlungen, Ausschreibungen, inkl. MA-Schulung (Einkauf und Technik) Beschaffungsplan für alle Investitionen vor erster Bestellung, frühzeitige EK-Einbindung Einführung SAP-Anwendung für Schlüsselprozesse Prozessoptimierung: E-Procurement Preismanagement mit Controlling und Vertrieb abgestimmt
•
Standortübergreifendes
System
für
• •
• •
• •
• • • • •
Anzahl O.K. Lieferung/alle Lieferungen pro Lieferant Anzahl Rahmenverträge vs. Ziel min. 2 qualifizierte Lieferanten pro Warengruppe
Einsparungen und Kostenverhinderungen Sicherung und Dokumentation der Einkaufseffekte (EBITwirksam: 1 Mio. Euro verwirklicht pro Jahr) Zwei Lieferanteninnovationen im Jahr Höhe beeinflussbares Volumen, Einsparung, Verhinderung, Ideen: 5 Mio. Euro, davon realisiert mehr als 30 % Rechtssichere AGBs/Standardverträge bis Jahresende etabliert Standardprozess für Verhandlungen, Bestellungen etabliert Alle Einkaufsschulungen durchgeführt Verhandlungen zu Investitionsbeschaffungen im Team aus Technik und Einkauf in Prozent Anzahl der Prozesse eingeführt bis Jahresende Anzahl Rohstofferhöhungen in Abstimmung mit Vertrieb termingerecht weitergegeben
Rechtzeitige
Information
erfolgt?
Einkaufs- sowie die G&V-Effekte, inkl.
G&V-Effekte vergleichsweise groß,
der Rohstoffentwicklung
wie Einkaufseffekte
Beispiel einer Einkaufsstrategie
Analyse des Beschaffungssystems
4.2
311
Strategischer Beschaffungsprozess
Abbildung 102 zeigt schematisch den strategischen und den operativen Beschaffungsprozess. Bei einer Prozessbetrachtung im Einkauf ist es wichtig, zwischen den einzelnen Hauptprozessen zu unterscheiden und diese nicht zu vermischen.
Stammdatenmanagement: Grundlagen jeden Erfolgs
Prozess
Prozess
Strategischer Einkauf: Erfolg durch Effektivität des Einkaufs (“Doing the right things“)
Abbildung 102:
Bedarfsanalyse
Beschaffungsmarktanalyse
Beschaffungsstrategie
Lieferantenauswahl & Vergabe
Vertragsschluss und -verwaltung
Operativer Einkauf: Erfolg durch Effizienz des Einkaufs („Doing the things right“)
Bedarfsermittlung
Preferred Supplier Auswahl
Freigabe
Bestellabwicklung
Rechnungsabwicklung
Strategischer Beschaffungsprozess (Sourcing) und operativer Beschaffungsprozess (Procurement)
Die meisten Beschaffungskategorien (Warengruppen) bedürfen einer formalen Beschaffungsstrategie. Sie sollte darauf Antworten geben, wie die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens für diese speziellen Beschaffungskategorien (Innovation, Kosten, Qualität, Kontrolle etc.) sichergestellt werden sollen. Eine Beschaffungsstrategie ist in der Tendenz ein Dokument, das eine gewisse Gültigkeitsdauer hat und bei dem eine komplette Überarbeitung vielfach nötig ist. So können interne Faktoren (Veränderung der Unternehmensstrategie, Volumensteigerungen oder -reduzierungen, aktuelles Produkt funktioniert so nicht mehr) oder externe Faktoren (Industriekonsolidierungen, Technologieentwicklungen, neue Kundenanforderungen etc.) eine Überarbeitung der Beschaffungsstrategie erforderlich machen. In der Praxis hat sich eine Überprüfung alle 18 bis 24 Monate als sinnvoll erwiesen. Eine wirkungsvolle Beschaffungsstrategie muss die Machtverhältnisse vor und nach dem Geschäftsabschluss berücksichtigen. So kann es richtig sein, einen langfristigen OutsourcingPartner in einem Wettbewerbsprozess auszusuchen, man sollte aber berücksichtigen, dass sich das Machtverhältnis nach einer gewissen Zeit umkehren könnte und dann entsprechende Mechanismen wirken müssen. Wenn der Outsourcing-Partner in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld operiert und sein Hauptlieferant ein Monopolist ist, dann sind die Kontrollmöglichkeiten reduziert und Preissteigerungen und Versorgungsrisiken durch den Hauptlieferanten unausweichlich.
312
4.3
Analyse des Beschaffungssystems
Operativer Beschaffungsprozess
Im operativen Beschaffungsprozess geht es um direkte Materialien oder Dienstleistungen oder aber um indirekte Bedarfe. Die Hauptziele für direkte Materialien sind üblicherweise: Sicherstellung der Materialverfügbarkeit bei gleichzeitiger Reduktion der eigenen Lagerbestände (Integration der Lieferkette und der Produktionsplanung). Geringe Prozesskosten und Reduzierung des Fehllieferungsrisikos durch eine elektronische Anbindung (EDI) der Rechnungen bzw. Wareneinganges. Indirekte Materialien dagegen beinhalten andere Herausforderungen: Sicherstellung, dass es den internen Nutzern in der Organisation bekannt ist, welche Vereinbarungen bestehen bezüglich dessen, was wo zu beschaffen ist; und dass diese Vereinbarungen auch eingehalten werden (Sichtbarkeit und Service). Geringe Prozesskosten durch einen hohen Automatisierungsgrad, inkl. Lieferschein und Rechnungsverbuchung (zum Beispiel E-Procurement-Lösung). Viele Produktionsunternehmen sind schon recht gut aufgestellt, wenn es um die operativen Beschaffungsprozesse für direkte Materialien geht. In der Praxis zeigt sich jedoch bei den indirekten Materialien und Dienstleistungen ein geringerer Reifegrad. Sieht man sich in anderen Industrien um, wie zum Beispiel in der Bauindustrie, so gelten für die Vergabe von Nachunternehmerleistungen oft komplett andere Bedingungen.
4.4
Lieferantenentwicklung
Lieferantenentwicklung wird vordergründig in vielen Unternehmen auf dem Papier, aber nicht in der Praxis praktiziert. Weiterhin ist es keinem Unternehmen möglich, alle seine Lieferanten ständig zu auditieren. Aus diesem Grund soll eine Lieferantenentwicklung nur bei den wirklich kritischen Lieferanten betrieben werden. Darunter sind die Lieferanten zu fassen, bei denen man einen Effekt erreichen kann. Man stelle sich vor, Lieferant für ein wichtiges Produkt, das man regelmäßig in großen Stückzahlen benötigt, ist ein Monopollieferant. Sollte man nun bei dem Monopolisten ein detailliertes Audit durchführen und die Produktionsstätten begutachten? Wahrscheinlich nicht. Unternehmen, die wirkungsvoll einen Lieferantenentwicklungsprozess etabliert haben, verfügen über eine IT-Infrastruktur, die konsistente und transparente Prozesse sicherstellt, die sich auf die Kernprobleme beziehen und die Leistungsfähigkeit der Prozesse anhand harter Messgrößen darstellen. Hat der Monopolist nun schlecht geliefert und man kann dies dokumentieren, sind die Chancen für eine Lieferantenentwicklung jedoch gegeben.
Analyse des Beschaffungssystems
313
Hauptfragen in der Phase der Prozessbewertung Werden im Rahmen des jährlichen Budgetprozesses die Hauptkategorien geplant, die Einkaufsziele definiert und mit Maßnahmen hinterlegt? Werden die Beschaffungsstrategien regelmäßig den sich verändernden Bedingungen angepasst oder aber spätestens einmal im Jahr überarbeitet? Ist ein Ausschreibungsplan definiert und für alle Warengruppen, auf die dies zutreffend ist, in Funktion? Werden Commodity-Preise regelmäßig überprüft? Folgt die Beschaffungsorganisation einem geplanten Sourcing-Prozess, von der Datenaufnahme über Überprüfung der Spezifikation, Beschaffungsstrategie, LieferantenRecherche, Ausschreibung bis zu Verhandlung und Vertragsabschluss? Erfolgt die Mehrheit aller Beschaffungen nach diesem Modell? Die operativen Beschaffungsprozesse sind so ausgeprägt, dass korrekte Belieferung gesichert ist, Lagerbestände gering sind, Vereinbarungen eingehalten werden, geringe Prozesskosten entstehen und ein hoher interner Service sichergestellt ist. Erfolgt die Mehrheit aller Beschaffungen nach diesem Modell? Wie ist die Disposition mit den Beschaffungsaktivitäten des Einkaufs verzahnt, d. h., wie und wann wird der Einkauf für die jeweiligen Bedarfe in den Prozess mit eingebunden? Werden die Lieferanten entsprechend ihrer Wichtigkeit eingestuft und differenziert vom Unternehmen behandelt? Findet eine regelmäßige und durchgängige Lieferantenbeurteilung statt? Werden Konsequenzen aus der Beurteilung gezogen? Es existiert ein Lieferantenentwicklungsprozess, der für ausgewählte Lieferanten angewendet wird?
Abbildung 103:
Analyse zur Bewertung der Prozesse
314
5.
Analyse des Beschaffungssystems
Ressourcen und Infrastruktur des Beschaffungssystems
Nachdem die Ausrichtung des Beschaffungssystems bewertet wurde und die Prozesse eingehend analysiert wurden (Zielvorgabe, strategische und operative Beschaffung, Lieferantenentwicklung), folgt die Betrachtung des Fundamentes des Beschaffungssystems: der Ressourcen und der Infrastruktur. Im Durchschnitt ist eine Einkaufsorganisation für etwa 40 bis 70 Prozent der Kosten in einer Gewinn- & Verlustrechnung (G&V) eines Unternehmens verantwortlich. Die „Gegenspieler“ des Einkaufs – die Vertriebsorganisationen – haben ihre besten Mitarbeiter am Verhandlungstisch, um mehr Produkte oder Dienstleistungen zu einem höheren Preis zu verkaufen. Kommt es zu einem Ungleichgewicht der Kompetenzen am Verhandlungstisch, so führt dies zu wirtschaftlichen Nachteilen für die einkaufende Organisation. Der Einkauf übernimmt in diesem Fall die Rolle der Vertriebsorganisation. Wenn zum Beispiel der Vertrieb von kundenindividuellen Lösungen und Kombinationsangeboten spricht, muss der Einkauf in diesem Falle über Standardisierung und Einzelvergaben sprechen. Innerhalb der Bewertung des Beschaffungssystems werden die folgenden Elemente betrachtet, wenn es um die Organisationsbewertung geht: Organisatorische Einbindung des Einkaufs. Organisatorische Struktur des Einkaufs, inkl. der zentralen/dezentralen Betrachtung. Anzahl der Mitarbeiter und Mitarbeiter mit welchem Qualifikationsprofil. Vergütungsmodelle und Belohnung im Einkauf.
5.1
Einkaufsorganisation
In den meisten Unternehmen beschafft der Einkauf für mehrere Geschäftsbereiche, Werke oder Tochterfirmen. Somit ist es nicht einfach zu entscheiden, an wen der Einkaufsleiter berichten soll. Da eine Berichtslinie an den CEO, CFO oder COO oder eine andere Person im Unternehmen jeweils individuell vom Unternehmen und seinem Umfeld abhängt, wird an dieser Stelle eine Alternative bzw. Ergänzung dazu vorgestellt. Unabhängig von der Berichtslinie des Einkaufsleiters ist es nötig, dass die Interessenträger (Geschäftsbereiche, Werke etc.) eine gewisse Einflussmöglichkeit auf den Einkauf haben. In diesen Fällen kann ein Managementteam, das eine Art Aufsichtsratsfunktion für den Einkauf darstellt, eine praktikable Lösung sein.
Analyse des Beschaffungssystems
315
Die Vorteile dieser Konstruktion sind vielfältig. Erstens müssen die Geschäftsbereiche, für die der Einkauf tätig ist, definieren, was sie genau vom Einkauf erwarten. Zweitens kann ein solcher Aufsichtsrat zur Klärung und Lösung von Konflikten beitragen. Drittens hat der Einkaufsleiter auf diese Weise einen Sparringspartner für die Festlegung des Beschaffungsbudgets. Viertens stellt das Unternehmen derart sicher, dass die Ressourcen wirkungsvoll eingesetzt werden. Die Rolle eines solchen Einkaufsaufsichtsrates kann sehr unterschiedlich aussehen je nach der Art und Struktur des Unternehmens. Es kann über die allgemeinen Steuerungsaspekte hinaus auch notwendig sein, dass Entscheidungen über die Lieferantenauswahl, das Lieferantenrisikomanagement und anderes mehr getroffen werden. Die Position des Einkaufsleiters in der Organisationsstruktur sollte die Wichtigkeit des Einkaufes für die Organisation reflektieren. Zum Beispiel kann es für eine Bank, die nur ein Beschaffungsvolumen von etwa zehn Prozent bis 20 Prozent vom Umsatz hat und in wettbewerbsintensiven Märkten beschafft, vollkommen ausreichend sein, wenn der Einkaufsleiter in der dritten oder vierten Berichtsebene positionieret ist. Für ein Produktionsunternehmen, dessen Kosten zu mehr als 70 Prozent vom Einkauf bestimmt werden, der in komplexen Strukturen beschafft, sollte eine Position auf der zweiten Leitungsebene angemessen sein, damit der Einkauf eine entsprechende Position im Unternehmen innehat. Meist wird zwischen zwei extremen Organisationsformen für die Einkaufsorganisation unterschieden: Zentraleinkauf, der für alle Geschäftseinheiten und Länder beschafft. Dezentrale Struktur mit einem Einkauf in jedem Geschäftsbereich oder Land und einer eventuell weichen „Berichtslinie“ an eine kleine Zentralfunktion, die Richtlinienkompetenz hat. Sowohl ein Zentraleinkauf wie auch ein dezentraler Einkauf haben Vor- und Nachteile, wie Abbildung 104 zeigt.
Analyse des Beschaffungssystems
Nachteile
Vorteile
316
Zentraler Einkauf
Dezentraler Einkauf
• Beschaffungsprozesse und Spezifikationen lassen sich einfacher standardisieren • Personalkapazitäten und Qualifikationen lassen sich besser entwickeln und verwalten • Klare Verantwortlichkeiten, Prozessdisziplin und Richtlinieneinhaltung (Governance) • Einfachere Führung und Steuerung des Einkaufs • Wissens- und Informationsaustausch erlaubt Bündelungen
• Größtmögliche Nähe und Integration in die betreffende Organisationseinheit • Nutzung detaillierten Know-hows und hohe Problemfokussierung • Kurze Entscheidungswege, große Flexibilität und hohe Prozessgeschwindigkeit • Klare Ergebnisverantwortung wenn der Einkauf ein Teil der Organisationseinheit ist
• Risiko eines hohen Verwaltungsaufwandes, sowie langwieriger, bürokratischer Abläufe • Zu große Entfernung des Einkaufs zu den Bedarfsträgern • Gefahr des Zielkonfliktes zwischen Einkauf und ergebnisverantwortlichen Organisationseinheiten in Bezug auf Einkaufserfolge, Risiken und Verantwortungen
• Redundanzen in Know-how und geringere Marktmacht bei gleichartigem Bedarf • Unterschiedliche Verantwortung und ineffiziente Abwicklung • Unterschiedliche warengruppenspezifische Abwicklung • Komplizierte Führung und Leitung des Bereiches
Abbildung 104:
Vor-/Nachteile einer zentralen/dezentralen Einkaufsorganisation
Unternehmen sollten sich auf Folgendes konzentrieren: Balance zwischen Volumenbündelung, Nähe zum Geschäft und Lieferantenmarkt. Diese drei Elemente werden nachfolgend näher betrachtet: Volumenbündelung: Falls mehr als ein Geschäftsbereich oder Land in der gleichen Kategorie einkauft, legt dies Zentralisierung nahe. Es gibt drei Argumente dafür: Größere Mengen liefern bessere Konditionen, die strategische Beschaffung erfolgt effektiver, als wenn sie parallel an mehreren Stellen erfolgt, es sind weniger Personen nötig (Beschaffungskompetenzen und qualifizierte Mitarbeiter sind immer ein Engpass). Nähe zum Geschäft: Der Nachteil einer jeden Zentralisierung ist, dass die betroffene Person nicht mehr den operativen Druck der lokalen Einheit spürt und nur geringeres Verständnis für die lokalen Probleme aufbringt. Somit sollte jede Beschaffung, die nur ein geringes Bündelungspotential ausweist, besser dezentral organisiert bleiben. Struktur des Lieferantenmarktes: Einige Märkte sind national, andere europäisch und wiederum andere sind global aufgestellt. Der Einkauf sollte ebenfalls entsprechend organisiert sein. Aus diesen Gründen ist eine effektive Einkaufsorganisation häufig eine Kombination von zentralen und dezentralen Bestandteilen, etwa in Form von Materialgruppenmanagement, Commodity-Einkauf oder einer Lead-Buyer-Struktur.
Analyse des Beschaffungssystems
5.2
317
Einkaufsmitarbeiter und Status
Ein einfaches Prüfkriterium für die Bewertung einer Einkaufsorganisation ist, auf den internen Status der Einkaufsmitarbeiter in einer Organisation zu achten. In einigen Unternehmen hat die Entwicklung den höchsten Status, in anderen ist es vielleicht der Vertrieb. An welcher Stelle der Rangordnung steht der Einkauf? Falls der Einkauf an letzter Stelle steht, ist es für ihn problematisch, kompetente Mitarbeiter anzuziehen. Gute Mitarbeiter wollen Anerkennung für ihre Tätigkeit und mit Anerkennung wird man wiederum attraktiv für potentielle neue Mitarbeiter. Eine andere Möglichkeit, die Wichtigkeit des Einkaufs zu bewerten, liegt darin, den Anteil an Akademikern im Einkauf zu bestimmen. Sicherlich ist dies nur eine ungenaue Indikation, aber er kann doch sehr viel über den Wert einer Funktion im Unternehmen aussagen. In einer Einkaufsabteilung, die in gleichem Maße strategische Beschaffungsaufgaben wie operative Bestellvorgänge wahrnimmt, sollte der Anteil an Akademikern nahe bei 50 Prozent liegen oder sogar mehr als 50 Prozent betragen. Strategische Beschaffung erfordert hoch qualifizierte und kompetente Mitarbeiter, die in der Lage sind, Märkte zu analysieren, und die interne Interessenträger zu einer Veränderung der Spezifikation bewegen und Lieferanten aktiv führen. Wenn das Ziel ist, einen schnellen Ergebniseffekt zu erzielen, dann muss man die richtigen Mitarbeiter dafür haben. Durch den Kapitalmarkt und die Private Equity Funds haben sich nicht nur die Bilanzen und G&Vs vieler Unternehmen verändert, sondern auch die Gehaltssysteme, die sich stark am Wert für den Gesellschafter orientieren. Auf den Einkauf angewendet bedeutet dies, dass ein Einkaufsmanager, der zum Beispiel für ein Beschaffungsbudget von 280 Millionen Euro verantwortlich ist, von dem er 50 Prozent beeinflussen kann, und hiervon sieben Prozent einspart, den Gewinn um 9,8 Millionen Euro gesteigert hat. Für den Gesellschafter, der den Wert einer Firma nach dem „Multiple“ bewertet, kann dies ein Vielfaches an Wertsteigerung bedeuten. Selbst wenn das Unternehmen nicht zu einem institutionellen Investor gehört, so kann es erhellend sein, wenn man die Einkaufseinsparung in Umsatz umrechnet. Abbildung 104 zeigt den Effekt, den eine Einsparung von 9,8 Millionen Euro bei einem Unternehmen mit 350 Millionen Euro Umsatz und einer Umsatzrendite von zwei Prozent hat. Der Vertrieb müsste den Umsatz um 140 Prozent oder 490 Millionen Euro steigern, um den gleichen Effekt zu erzielen.
318
Analyse des Beschaffungssystems
Reduzierung der Beschaffungskosten ...
... verbessert signifikant den Profit Entspricht einer Umsatzsteigerung von 140 % oder Mio. 490 €
Annahme: Umsatz: Mio. 350 € / Rendite 2% EBT Gemeinkosten
Beschaffungskosten
Personalkosten - Vereinfachte Darstellung -
Abbildung 105:
Mio. 280 €
Mio. 280 € Beschaffung 50 % angreifbar 7 % Reduzierung Mio. 9,8 € EBT zusätzlich
EBT +140 %
Einkaufshebel in Relation zum Vertrieb
Berücksichtigt man den Hebel, den der Einkauf hat, so ist es sicherlich sinnvoll, Gehaltspakete zu definieren, die die richtigen Personen anziehen, und Bonussysteme anzuwenden, die sich am Unternehmenswert orientieren. Unternehmen, die dies nicht berücksichtigen, laufen Gefahr, langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen. Um einen schlagkräftigen Einkauf zu haben, ist es weiterhin wichtig, dass im Unternehmen definiert ist, welche Fähigkeiten oder Competencies die Mitarbeiter benötigen. Die Anforderungen an Einkaufsmitarbeiter müssen auf die allgemeinen Einkaufsaufgaben und Beschaffungsprozesse abgestimmt sein, denn nur so können die Mitarbeiter zu einem Wettbewerbsvorteil beitragen. Competencies ist in diesem Zusammenhang der Begriff für die Fähigkeiten, die erfolgreiche Einkaufsmitarbeiter auszeichnen. Sie umfassen das Wissen und die Erfahrungen, die Vorgehensweisen und Methodenkenntnisse, die bestimmend für hervorragendes Verhalten sind und großen Erfolg ermöglichen. Als praktikabel hat es sich erwiesen, wenn sich die Competencies an der Position und den funktionalen Anforderungen einer Stelle orientieren. Kommen Führungsaufgaben dazu, sind diese entsprechend zu ergänzen. Die einzelnen Ebenen innerhalb des Kompetenzmodells für den Einkauf sind entsprechend der Aufgabe und Führungsverantwortung anzuwenden. Für die Facheinkäufer gelten die Ebenen 1 und 2 und für Führungskräfte gelten die Ebenen 1 bis 3 des Modells. Bei den Competencies ist zu beachten, dass es immer wieder zu Überschneidungen zwischen den Ebenen kommen kann bzw. dass bestimmte, einzelne Competencies für einen individuellen Mitarbeiter nicht zur Anwendung kommen müssen. Dies liegt daran, dass es spezielle Aufgabengebiete im Einkauf gibt oder sich Mitarbeiter in einer gewissen Sonder- oder Übergangsposition befinden.
Analyse des Beschaffungssystems
Allgemeine Grundlagen • BWL für Einkäufer • Arbeitsorganisation • Arbeitsprozesse • Produkt-/ Projektwissen • Fremdsprachen • Angebotskalkulation • EDV für Einkäufer • Recht
319
OperativeStrategisches Einkaufs-
Allgemeine Grundlagen
3 Interne und externe Umfeldanalyse • Analyse des internen Umfelds • Mengenvorhersage • Analyse des Beschaffungsmarkts • Lieferantenanalyse • Externer Forecast Beschaffungsaufgabe & Strategie Beschaffungswerkzeuge • Hebelwirkung • Ausschreibung/ Auktion • Lieferantenmanagement • Verhandlungsführung • Vereinbarungen • Beschaffungsprinzipien
Abbildung 106:
2
Geistige / Methodische und Soziale Kompetenz
Grundlagenwissen für den Einkauf management Bereichsleitung
2
3
Planen, Entscheiden, Problemlösen • Situationsanalyse, Zielbestimmung • Maßnahmen, Umsetzung • Erfolgskontrolle Lernen und Lehren Selbstmanagement • Selbstorganisation • Selbststeuerung Kommunikation • Schriftlicher Ausdruck • Gesprächsführung • Präsentation Zusammenarbeit • Integrationsfähigkeit, Teamarbeit • Interkulturelle Zusammenarbeit • Konfliktmanagement Einkaufsleitung • Einkaufsvision • Beschaffungsprozesse • Prozess des Lieferantenmanagements • Kompetenzmanagement • Organisationsaufbau • Definition IT/Tools Unterstützung • Beschaffungscontrolling
Beispielhaftes Einkaufskompetenzmodell zur Personalentwicklung
Individuell für jeden Mitarbeiter oder besser noch für eine Gruppe von Mitarbeitern (zum Beispiel die Facheinkäufer) ist ein Zielprofil zu definieren, das jeder Mitarbeiter mittelfristig erreichen sollte. Da die Anforderungen an den Einkauf einem ständigen Wandel unterworfen sind, sollten die Zieldefinition und Ausprägung in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Für jedes Kapitel dieses Buches ist eine Einteilung nach Kenner, Könner und Experte gewählt worden. Diese Skala kann man in der praktischen Anwendung feiner wählen, eine Skale mit 6 Stufen hat sich als angemessen bewährt. Man sollte auf jeden Fall eine gerade Anzahl von Stufen wählen, denn sonst wird häufig die Mitte der Skala zur Bewertung gewählt. Jeder Mitarbeiter sollte die Einschätzung für sich selbst vornehmen. Wenn es zur Unternehmenskultur passt, sollte auch ein Feedback von Kollegen und Untergebenen erfolgen (360-Grad-Feedback). Anschließend erarbeitet der Vorgesetzte mit dem Mitarbeiter einen Entwicklungsplan für das folgende Jahr. Dieser Entwicklungsplan beschreibt dann die vereinbarten Maßnahmen zur Weiterentwicklung, zum Beispiel die Leitung eines Beschaffungsprojekts oder den Besuch einer Fortbildungsveranstaltung.
320
Analyse des Beschaffungssystems
Hauptfragen in der Phase der Organisationsbewertung Verfügt der Einkauf über eine effektive, übergeordnete Steuerung? Ist der Einkaufsleiter ein Mitglied des Top-Managements bzw. einer angemessenen Ebene im Unternehmen? Ist der Einkauf so organisiert, dass er die richtige Balance zwischen Volumenbündelung, Nähe zum Geschäft und den Beschaffungsmärkten findet? Hat jede Beschaffungsgruppe, jeder Geschäftsbereich und jedes Land einen Verantwortlichen für alle Beschaffungen? Hat die Einkaufsfunktion einen ausreichenden internen Status inne, um talentierte Mitarbeiter anzuziehen und zu halten? Ist die Anzahl der Personen im Einkauf richtig gewählt (als Richtwert kann man in einem durchschnittlich komplexen Geschäft von etwa 20 bis 40 Millionen Euro Beschaffungsvolumen pro strategischem Einkäufer ausgehen)? Die Einkäufer haben die für ihre Aufgabe benötigten Kompetenzen und werden von den internen Interessenträgern respektiert; dies auch in den spezielleren Beschaffungsgruppen wie Marketing oder IT? Hat die Mehrzahl der strategischen Einkäufer einen akademischen Abschluss? Reflektieren die Vergütungsmodelle im Einkauf und der Bonus die Wichtigkeit des Einkaufs an der Werterzeugung und den Einfluss auf die Interessenträger? Gibt es für die Einkaufsmitarbeiter ein Anforderungsprofil (Kompetenzmodell) und finden regelmäßige Selbst- und Fremdbeurteilungen statt? Gibt es für jeden Einkaufsmitarbeiter einen persönlichen Arbeits- und Entwicklungsplan, der sowohl die Entwicklungsgebiete des Mitarbeiters definiert als auch seine persönlichen Arbeitsschwerpunkte für die kommende Zeit? Abbildung 107:
5.3
Analysefragen zur Organisation (Aufbauorganisation & Personal)
Controlling und Leistungsmessung
In der Praxis zeigt sich, dass es eine klare Verbindung zwischen der Leistungsmessung (Controlling) und der eigentlichen Leistung gibt. Gute Unternehmen messen ihre Entwicklung, bauen ihre Stärken aus und handeln bei ihren Schwächen. Die Einführung eines Beschaffungscontrollings hat einen starken psychologischen Effekt, alleine durch die Messung und Transparenz werden sich Effekte einstellen. Interessant ist auch, dass je nach Erwartungshaltung der Geschäftsleitung an den Einkauf sich die Messgrößen für die Einkaufserfolgsmes-
Analyse des Beschaffungssystems
321
sung anpassen werden. Sieht eine Geschäftsleitung den Einkauf nur als eine Verwaltungsund Administrationsfunktion, dann werden zumeist nur operative Kennzahlen wie Anzahl der Bestellungen, Bearbeitungszeit etc. erhoben. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 108 dargestellt.
Erwartungshaltung der Geschäftsleitung
Status innerhalb der Organisation
Einkauf als reine Verwaltungsfunktion
Niedriger Status innerhalb der Organisation
Messgrößen für Erfolgsmessung
Ziele
Anzahl der Bestellungen, Anzahl Anfragen, Bearbeitungszeit, Prozessabweichungen, etc.
Ist-Situation
Einkauf als kaufmännische Funktion
Berichtet an Management
Einsparungen, Kostenverhinderungen, Preisnachlässe, ROIMaßnahmen, Währungs-/ Commodity Reports,
Einkauf als Teil eines integrierten Logistikmanagements
Einkauf integriert in den Bereich Supply Chain Management
Einsparungen, Kostenverhinderung, Lieferantenbewertung, Ausschussraten, Reduktion Beschaffungszeiten
Einkauf als strategisch ausgerichtete Unternehmensfunktion
Abbildung 108:
Einkauf vertreten im TopManagement
Zielpreisbildung, Frühe Lieferanteneinbindung, Make-or-Buy Analysen, Lieferantenreduktion
Vision
Art des Controllings bestimmt die Art des Einkaufsbeitrages
Es ist ratsam, die Messgrößen für den Einkauf zu verändern, wenn man das Beschaffungssystem verändern möchte. Dies sollte mit der grundsätzlichen Diskussion verbunden werden, warum überhaupt ein Einkauf vorhanden ist und was seine Aufgaben sind. Somit erreicht man ein gemeinsames Verständnis von der Mission und Aufgabe des Einkaufs, bevor man mit der eigentlichen Definition der Messgrößen für den Einkaufserfolg beginnt.
5.4
IT-Technologie
Betrachtet man einen Büroarbeitsplatz, wie zum Beispiel den eines Einkaufsmitarbeiters, und seine Entwicklung über die letzten 20 Jahre, so hat sich dieser stark verändert. Durch verschiedene Technologien hat sich die Produktivität von Büroarbeitsplätzen nachhaltig gesteigert; diese Produktivitätssteigerung hat aber auch einen gravierenden Wandel der Arbeitsprozesse zur Folge. Es gibt drei Treiber für die Produktivitätssteigerungen:
322
Analyse des Beschaffungssystems
Automatisierung: Routinetätigkeiten werden durch Maschinen zu geringeren Kosten erledigt. Prozess-Standardisierung: Die Starrheit von IT-Systemen ermöglicht es, Prozesse (also die Art und Weise, wie die Dinge erledigt werden) zu standardisieren. Optimierte Vorgehensweisen können so in die Systeme integriert werden. Zugängliche Informationen: Informationen sind schneller verfügbar, und so können bessere Entscheidungen getroffen werden. Die Anwendungsmöglichkeiten von IT-Technologie im Einkauf können sehr vielfältig sein. Zum Beispiel können Bestellungen, Dispositionsabrufe oder Rechnungen automatisiert werden. Standardisierte Beschaffungs- und Dispositionsprozesse sichern bessere Lieferantenleistungen und eine bessere Vertragserfüllung. Sowohl die Lieferantenrecherche als auch die Lieferantenbewertungen profitieren von besser zugänglichen Daten. Es gibt eine Reihe von Softwarepaketen verschiedenster Anbieter, die man heute in einem Unternehmen einsetzen kann. Die Auswahl des Softwarepaketes hängt von der Art, Größe und Komplexität des Unternehmens ab. Unabhängig hiervon sind jedoch in vielen Unternehmen die indirekten Materialien und Dienstleistungen vergleichbar. Aus diesem Grund können nachfolgend einige allgemeine Empfehlungen gegeben werden: Es gilt, so schnell wie möglich ein E-Procurement-Katalogsystem für indirekte Beschaffungskategorien einzuführen, denn die Vorteile sind vielfältig: Der Einkauf bekommt einen direkten, formalen Kontakt zu seinen internen Kunden, um seine (Rahmen-)Verträge zu kommunizieren. Somit kann der Einkauf die Beschaffungen zu den bevorzugten Lieferanten lenken und die Beschaffungskosten reduzieren. Des Weiteren reduziert sich dadurch die Arbeitsbelastung der operativen Einkaufsmitarbeiter und sie können die Zeit dazu nutzen, um sich auf komplexe, taktische Beschaffungen zu konzentrieren: Einmalbeschaffungen für Investitionen oder Dienstleistungen. Parallel sollte mit einem kleinen und begrenzten E-Sourcing-Projekt (Ausschreibung und Auktion) für direkte Materialien begonnen werden. Auch wenn dies von einer geringeren Anzahl von Mitarbeitern genutzt wird, so ist in der Praxis häufig ein gewisser Widerstand der Einkäufer dagegen zu verspüren. Viele Einkäufer befürchten, dass die Lieferantenbeziehung dadurch so stark leidet, dass dies in keinem Verhältnis zum potentiellen wirtschaftlichen Vorteil steht. Somit sollte man auf jeden Fall mit einer eng definierten Beschaffungskategorie beginnen und eine Erfolgsgeschichte generieren. Anschließend sollten die Prozesse zur elektronischen Rechnung und zum Wareneingang eingeführt werden. Mit E-Procurement erhält man automatische Bestellungen und geht somit den ersten Schritt. Es ist unbedingt sicherzustellen, dass die Buchhaltung so früh wie möglich involviert wird. Zuerst sollte man sich auf ein paar wenige Lieferanten mit einem hohen Umsatzvolumen und einer großen Anzahl von Rechnungen konzentrieren. In der Praxis kann die Einführung häufig an einer schlechten Beteiligung der Buchhaltung oder IT scheitern oder an einer zu schnellen und schlecht durchgeführten Softwareimplementierung.
Analyse des Beschaffungssystems
323
Es ist sicherzustellen, dass die oben beschriebene IT-Technologie vollständig und perfekt eingeführt sind, bevor weitere und komplizierte IT-Lösungen wie Vertragsmanagement, Ausgabenanalyse oder Lieferantenmanagement eingeführt werden. Denn diese Tools haben einen geringeren Nutzen für den Einkauf und die Organisation. Weiterhin sollte man die Organisation nicht auf Nebenschauplätze konzentrieren.
Prüffragen für den Reifegrad der IT-Ausstattung Sind Auswertesysteme und Berichte in Verwendung, die eine Aussage über das aktuelle Beschaffungsvolumen zulassen? Sind alle Verträge an einer zentralen Stelle abgelegt und für die entsprechenden Personen zugänglich? Werden im Einkauf einheitliche IT-Werkzeuge verwendet, um den Beschaffungsprozess zu vereinfachen und den Wettbewerb zwischen den Lieferanten zu erhöhen (E-Sourcing etc.)? Wird in den Systemen klar zwischen strategischer und operativer Beschaffung sowie Abrufen unterschieden? Wird die Verwendung von Abrufen maximiert, damit der interne Verwender die Disposition selber übernehmen kann (zum Beispiel bei C-Artikel)? Werden Rechnungen automatisch gescannt oder – besser noch – werden sie als E-Rechnung versendet? Wird die Übereinstimmung der Bestellung mit der Rechnung automatisch geprüft? Sind entsprechend Systemintegrationen (zum Beispiel E-Katalogsystem, Ausgabenanalyse, Vertragsdatenbank, SAP) vorhanden? Ist interne Information zur Leistung individueller Lieferanten leicht erhältlich und wird diese genutzt, um die Leistungsfähigkeit der Lieferanten zu verbessern? Abbildung 109:
Analysefragen zur IT
ANALYSE BESCHAFFUNGSSYSTEM
Abbildung 110: Bewiesene Fähigkeiten: Arbeitet am System, um grundsätzlich den Wertbeitrag durch den Einkauf zu steigern. Hat nach einer eingehenden Analyse des eigenen Beschaffungssystems Vorschläge zur Verbesserung unterbreitet und diese dann auch praktisch umgesetzt. Die Wertbeiträge des neuen Einkaufssystems sind definiert und entsprechend dargestellt.
Bewiesene Fähigkeiten:
Arbeitet im System und nutzt die vorhandenen Freiheitsgrade aus um den Wertbeitrag des Einkaufs zu steigern.
Beherrscht die Methodik des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses und wendet sie an, um das Einkaufssystem ständig zu verbessern.
KÖNNER Ist in der Lage sich mental aus dem eigenen Beschaffungssystem soweit zu lösen, dass er dieses gesamthaft und neutral nach faktischen Bewertungskriterien beurteilen kann. Stützt seine Beurteilung auf fundierte Beobachtungen, die er mit Fakten untermauert. Entwirft einen Vorschlag für ein verbessertes Beschaffungssystem, dass die entsprechenden internen und externen Faktoren berücksichtigt. Findet Gehör in der eigenen Organisation für die identifizierten Verbesserungen und bindet die Betroffenen und Interessenträger so ein, dass die Verbesserungen umgesetzt werden können.
KENNER
Kann innerhalb des eigenen, bestehenden Beschaffungssystems arbeiten und die bestehenden Freiheitsgrade ausnutzen um den Wertbeitrag des Einkaufs zu steigern. Kennt die grundsätzlichen Anforderungen an ein Beschaffungssystem und ist in der Lage dies auf die eigene Situation anzuwenden. Kennt die Einzelheiten des eignen Beschaffungssystems und ist mit der Analysemethodik soweit vertraut, dass er die richtigen Fragen stellt und punktuelle Verbesserungsvorschläge machen kann.
Erbringt Geschäftsergebnisse und:
Kompetenzen: Analyse Beschaffungssystem
Entwickelt Möglichkeiten zur Analyse- und Zieldefinition des Beschaffungssystems in Theorie und Praxis entscheidend weiter. Erstellt entsprechende Schulungen und vermittelt pro-aktiv sein Wissen an Kollegen aus dem Einkauf und anderen Fachabteilungen. Hat für ein externes Beschaffungssystem (z.B. im Rahmen einer Akquisition) im Detail eine Ist-Analyse durchgeführt, wie auch ein Zielsystem entworfen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Ist in der Lage, durch andere Veränderungen umzusetzen und regelmäßig Ergebnisse zu erzielen, indem er andere entsprechend coached und führt.
Sein Beitrag und seine Ansicht sind auf breiter Ebene bei einer Vielzahl an Veränderungssituationen gefragt, einschließlich solcher, die in keinerlei Zusammenhang mit der Einkaufsabteilung stehen. Erzielt ständig positive Veränderungen und Wettbewerbsvorteile in schwierigen und komplexen Situationen. Entwickelt aktiv persönliche Fähigkeiten des Beschaffungssystems durch interne/externe Ressourcen und trägt zur Verfeinerung der Prozesse und Arbeitsmittel bei.
EXPERTE
Analysiert sowohl das eigene Beschaffungssystem, wie auch fremde (z.B. im Rahmen einer möglichen Firmenübernahme) um hieraus Handlungsempfehlungen für ein Veränderungsprojekt, einzelner oder alle Designelemente betreffend, zu definieren.
324 Analyse des Beschaffungssystems
Kooperation und Zusammenarbeit
325
Kooperation und Zusammenarbeit
1.
Grundlagen
Ein strategischer Einkäufer ist in vielen Fällen in Kooperationen eingebunden oder leitet sie. Diese Kooperationen können intern oder extern bestehen sowie mit einem oder mehreren Lieferanten. Sie können gar verschiedene Wettbewerber und komplementäre Unternehmen betreffen. Bei einer internen Kooperation kann ein strategischer Einkäufer zum Beispiel ein Beschaffungsteam leiten, das interdisziplinär aus verschiedenen Funktionsbereichen zusammengesetzt ist. Bei einer externen Kooperation kann er mit Lieferanten oder Lieferantennetzwerken zusammenarbeiten, damit diese Netzwerke einen Mehrwert für das eigene Unternehmen leisten. Er kann aber auch ein Mitglied in einem Einkaufsverband sein und hier mit anderen Unternehmen kooperieren. Somit können die Situationen, in denen ein strategischer Einkäufer intern oder extern kooperieren muss oder die Leitung in einer kooperativen Situation übernimmt, sehr verschieden sein. Obwohl komplexe Beschaffungskategorien in Teams heute üblich sind und häufig vorkommen, kann es schwierig sein, diese zu koordinieren und als Ganzes zu führen, da es unterschiedliche Erwartungen, Ziele und Erfahrungen der beteiligten Parteien geben kann. Vom strategischen Einkäufer wird zunehmend erwartet, dass er sowohl selbst wesentlich stärker mit anderen Unternehmensfunktionen kooperiert als auch Kooperationen selbst leiten kann, zum Beispiel in Supply-Chain-Partnerschaften. Joint Ventures, Partnerschaften oder ein Konsortium sind Möglichkeiten der direkten Zusammenarbeit zwischen Organisationen. Das Management einer kooperativen Situation kann Unsicherheiten erzeugen und erscheint vielen komplex. In der Praxis aber können Kooperationen Synergien schaffen und Vorteile für die Beteiligten (seien es Organisationen oder Einzelpersonen) generieren. Manchmal werden erst durch Kooperationen Vorhaben möglich, die man alleine nie hätte umsetzen können. Es kann jedoch auch vorkommen, dass durch den fehlenden Schwung in einer Kooperation die Zusammenarbeit im Sande verläuft oder die Umsetzungsgeschwindigkeit stark reduziert wird. Das Verständnis von Zusammenarbeit in kooperativen Situationen wird häufig durch zwei Aspekte beeinflusst: auf der einen Seite durch die allgemeine Erwartungshaltung oder allgemeine Annahme darüber, wie Kooperationen zu funktionieren haben, und auf der anderen Seite durch die Erfahrungen in der Realität. Untersuchungen haben gezeigt, dass in einer
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5_18, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Kooperation und Zusammenarbeit
kooperativen Zusammenarbeit sieben Perspektiven zu beachten sind. Zu jeder dieser Perspektiven wird im Folgenden eine praktische Vorgehensweise vorgestellt, die schnell und einfach angewendet werden kann. Abbildung 111 gibt einen ersten Überblick über die allgemeinen Erwartungen, die häufig erlebte Realität und praktische Empfehlungen für jede der Perspektiven.
Allgemeine Erwartungen an Zusammenarbeit …
… oft erfahrene Realitäten in Kooperationen
Praktische Empfehlungen
1
Die Partner in einer Kooperation müssen gemeinsame Ziele haben, …
… jedoch die Partner können sich nicht einigen.
Erstellung einer Zielmatrix je Partner mit offensichtlichen, angenommene und verdeckten Erwartungen
2
Die Machtteilung in einer Kooperation ist wichtig, …
… aber die Partner verhalten sich so, als ginge es nur um ihren Geldbeutel.
Teilnehmer sollten sich ihrer Macht/ ihres Einflusses bewusst sein und diese nutzen
3
Vertrauen ist wichtig f ür eine erf olgreiche Kooperation, …
… jedoch die Partner misstrauen einander.
Entsprechend dem Kreislauf des Vertrauensaufbaus auf kleine, aber realistische Ergebnisse zielen
4
Aktive Beteiligung an der Kooperation ist entscheidend, …
… aber die Partner sind kooperationsmüde und wollen nicht mehr in alle Richtungen gezogen werden.
Durch grafische Darstellung Einbindung in Kooperationen Verknüpfungen sichtbar machen
5
Beständigkeit und Stabilität sind in einer Kooperation nötig, …
… jedoch es ist alles im Fluss und ändert sich ständig.
Die Pflege des Vertrauensaufbaus muss kontinuierlich erfolgen; gewisse Stabilität sollte eingebaut werden
6
Den Partnern der Kooperation obliegt die Führungsauf gabe, …
… aber die wirkliche Führung liegt nicht in den Händen der Partner.
Visualisierung der Kooperation ,um Art/Weise zu verdeutlichen; entsprechende Strukturen und Prozesse
7
Leitungs- und Führungsaktivitäten werden von Partnern gewünscht, …
… doch die Partner, die Führung übernehmen, stoßen ständig auf Schwierigkeiten und Probleme.
Erfolgreiche Kooperationsleiter nutzen beide Perspektiven: im Sinne & rücksichtslos gegen die Kooperation
der die
Abbildung 111: Allgemeine Erwartungen an Zusammenarbeit, oft erfahrende Realität in Kooperationen und praktische Empfehlungen
2.
Kooperationsperspektiven
In der folgenden Beschreibung wird im Detail auf jede Perspektive eingegangen und es werden praktische Vorschläge unterbreitet, wie eventuell auftretende Probleme überwunden werden können. Die Probleme entstehen häufig aus der Diskrepanz zwischen den allgemeinen Erwartungen und der praktischen Realität.
Kooperation und Zusammenarbeit
1. Perspektive:
327
Kooperationspartner müssen gemeinsame Ziele haben, jedoch können sie sich nicht einigen
Ein gemeinsames Verständnis von den Zielen einer Kooperation ist sicherlich ein guter und angemessener Startpunkt. Genau dies wird jedoch häufig als Problem identifiziert. Üblicherweise verhandeln einzelne Personen (zum Beispiel der Einkauf mit dem Vertrieb oder die Geschäftsführer der beteiligten Firmen untereinander) die gemeinsamen oder zumindest akzeptablen Ziele, auf die man sich als Startpunkt für eine Kooperation und Zusammenarbeit einigt. In der Praxis erschweren jedoch häufig die unterschiedlichen organisatorischen und persönlichen Themen, die zu Beginn einer möglichen Kooperation vorhanden sind, eine Übereinkunft. Auf der einen Seite kommen Personen oder Organisationen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Ressourcen und Erwartungen am Verhandlungstisch zusammen. Auf der anderen Seite ergeben sich aber genau hieraus die Vorteile einer Kooperation. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Firmen in Kooperationen involviert sind bzw. weshalb ihre Repräsentanten versuchen, unterschiedliche Ergebnisse für die Beteiligung zu erreichen. So entstehen Spannungen, wenn Personen oder Firmen ein starkes Interesse daran haben, die gemeinsamen Ziele und Themen zu kontrollieren oder zu beeinflussen, oder aber nicht bereit sind, die notwendigen Ressourcen zur gemeinsamen Zielerreichung bereitzustellen. Auf den ersten Blick mag es vielleicht so aussehen, als ob man sich nur um das gemeinsame Ziel einer Kooperation kümmern muss. Bei genauerer Betrachtung können aber die organisatorischen und persönlichen Ziele eine Übereinkunft behindern, da sie zu Konfusion, Missverständnissen und Interessenkonflikten führen. Zusätzlich sind einige Ziele klar, wohingegen andere nur von einem Partner verfolgt werden, ohne dass sie für den anderen offensichtlich sind. Des Weiteren sind viele Ziele verdeckt und nicht sofort zu erkennen.
Praktische Vorgehensweise Die Anwendung der vereinfachten Version einer Zielmatrix für eine kooperative Situation ist ein wirkungsvolles Werkzeug, um die Motive der involvierten Parteien besser zu verstehen (siehe Abbildung 112). Gleichzeitig werden dann unterschiedliche (und zum Teil auch mit Konflikten behaftete) Ziele sichtbar, die eine Vereinbarung verhindern können oder den Prozess blockieren. Diese Zielmatrix sollte von jedem Teilnehmer der Kooperation ausgefüllt werden.
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Kooperation und Zusammenarbeit
• Identifikation der Kooperationsteilnehmer Beteiligte Organisationen Personen, die die Organisationen vertreten • Ausdrückliche, angenommene und verdeckte Ziele • Füllen der Zielmatrix für jede Organisation und Teilnehmer
Explizit/ TeilnehmerAngenommen Verdeckt Perspektive der Explizit/ Angenommen Verdeckt Ausdrücklich perspektive Explizit/ TeilnehmerAngenommen Verdeckt Teilnehmer Ausdrücklich Perspektive der Explizit/ Angenommen Per Definition Verdeckt Ausdrücklich perspektive sind Explizit/ Teilnehmer- Ausdrücklich Teilnehmer Angenommen Verdeckt die gemeinsamen Ziele der Perspektive der DerAusdrücklich Explizit/ AngenommenZiele Verdeckt perspektive Per transparent Definition, sind Zweck der Kollaboration Explizit/ TeilnehmerAngenommen Verdeckt Kollaboration gemeinsamen Teilnehmer unddie können nicht Ziele Perspektive der der Ausdrücklich Explizit/ Angenommen Verdeckt Ausdrücklich perspektive Der Zweck der Kollaboration Pertransparent Definition, sind Ziele verdeckt sein Teilnehmer Ausdrücklich Kollaboration gemeinsamen unddie können nicht Ziele der Pertransparent Definition, sind Der Zweck der Kollaboration Ziele verdeckt sein gemeinsamen Kollaboration und die können nicht Ziele derZiele der Derbeteiligten Zweck der Kollaboration Was jede der Organisation durch dieZiele transparent
verdeckt sein Organisation Kollaboration Kooperation zu gewinnen hofft und können nicht Ziele der Was jede der beteiligten Organisation erhofft durch die verdeckt sein Organisation Kooperation zu gewinnen Ziele der Was jede der beteiligten Organisation erhofft durch die Organisation Kooperation zu gewinnen Persönliche Ziele der Was jede beteiligten Organisation erhofft Was jede Person fürder sich persönlich denkt, von der durch die Kooperation zu gewinnen Kooperation gewinnen zu können
Ziele Organisation Persönliche Ziele Persönliche Ziele Persönliche Ziele
Was jede Person für sich persönlich denkt, von der Kooperation gewinnen zu können
Was jede Person für sich persönlich denkt, von der Kooperation gewinnen zu können
Maßnahmen unter Berücksichtigung der allgemeinen Erwartungen bzw. der vermuteten und verdecken Ziele definieren
Abbildung 112:
Zielmatrix der offensichtlichen oder vermuteten Ziele einer Kooperation
Das Verständnis von den möglichen Zielen und Motiven der beteiligten Parteien kann helfen, Wege zu finden, die verschiedenen Bedenkenträger zu adressieren. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Zielmatrix nicht hilft, zwischen verschiedenen Arten von Zielen zu unterscheiden. Einige Ziele werden nur vermutet, einige Ziele sind bekannt, und viele Ziele sind vollkommen unbekannt und verdeckt. Die Matrix kann aber genutzt werden, um wertvolle Einsichten über die verschiedenen Motivationen zu bekommen – auch die eigene! Sicherlich ist es nicht möglich, die verdeckten Motive der anderen Parteien wirklich zu kennen. Der Versuch, alle Felder der Matrix für alle beteiligten Partner zu füllen, kann jedoch wichtige Erkenntnisse bringen. Diese Erkenntnisse über die Erwartungen und Motivationen der Partner können helfen, besser einzuschätzen, wie man am besten mit ihnen zusammenarbeitet. Hierin liegt aber auch das Dilemma – eine Klarheit über die Zielsetzungen erzeugt viel Klarheit über die notwendige Richtung, jedoch nur eine offene Diskussion kann schwerwiegende Differenzen zutage fördern. Oft ist der einzige praktikable Weg, einen Fortschritt zu erzielen, mit kleineren Aktionen zu beginnen, ohne jedoch eine vollständige Übereinkunft über die Ziele zu haben.
Kooperation und Zusammenarbeit
2. Perspektive:
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Teilung der Macht ist wichtig, aber die Beteiligen verhalten sich so, als interessiere sie nur der eigene Geldbeutel
Wie bei der vorhergehenden Perspektive, so taucht auch hier in der Praxis häufig das Problem auf, dass sich Machtprobleme in der Kooperation ergeben. Meist wird angenommen, dass derjenige, der Finanzmittel oder andere Ressourcen beisteuert, die meiste Macht hat. In der Realität besteht dazu aber eine Diskrepanz, denn die meisten Kooperationspartner haben zumindest die Macht, die Kooperation zu verlassen. Betrachtet man, wie Macht dazu eingesetzt wird, Aktivitäten der Kooperation zu verhandeln oder umzusetzen, so ist es möglich, verschiedene Machtpunkte zu identifizieren. Viele dieser Maßnahmen werden auf der Detailebene einer Kooperation umgesetzt und sind den Beteiligten häufig nicht einmal bewusst. Eine Möglichkeit der Machtausübung betrifft zum Beispiel die Namensgebung der Kooperation, da diese wahrscheinlich auch einen Einfluss darauf hat, wie die Kooperation genau ausgestaltet wird. Somit befinden sich die Personen, die am Prozess der Namensgebung beteiligt sind, in einer machtvollen Position. Ein anderes Beispiel betrifft die Einladungen zu Sitzungen. Die Personen, die auswählen, wer eingeladen wird, haben sicherlich eine hervorgehobene Stellung inne; jedoch verfügen diejenigen, die den grundsätzlichen Prozess bestimmen, wer beteiligt werden soll, über mehr Macht. Die Person, die den Vorsitz oder die Koordination einer Besprechung übernimmt, hat Macht. Eine wesentlich subtilere Macht übt jedoch die Person aus, die darüber entscheidet, welche Person den Vorsitz übernimmt. Die Wahl eines Ortes für eine Besprechung ist ein weiteres Beispiel für die Ausübung von Macht, hier im Speziellen, ob die Besprechung am eigenen Standort stattfindet oder nicht. Es ist möglich, wesentlich mehr Machtpunkte zu identifizieren, die bei einer Kooperation entscheidend sein können. Eine wichtige Eigenschaft von Macht ist, dass sie nicht statisch ist. In einer Kooperation verändern sich die Machtpositionen laufend. Zum Beispiel befinden sich diejenigen, die den Vertrag in der Startphase definiert haben, in einer machtvollen Position. Wenn die Kooperation einmal begonnen hat, haben die Personen, die mit der täglichen Administration betraut sind, großen Einfluss auf die Entwicklungsrichtung und die Arbeitsweise der Kooperation. Nicht so offensichtlich, aber signifikant ist die dauerhafte Veränderung der Machtpositionen während aller Phasen der Kooperation. Es kann vorkommen, dass während eines Meetings die Teilnehmer sehr viel Einfluss und Macht verschieben, indem sie neue Mitglieder bestimmen, Zeitpunkte und Orte weiterer Meetings festlegen oder bestehende Vereinbarungen anpassen.
Praktische Vorgehensweise Die Kontrolle der offensichtlichen Machtfelder ist wichtig, es gibt jedoch viele weitere Bereiche, in denen praktische Macht in einer Kooperation ausgeübt wird. Alle Mitglieder einer Kooperation haben zu dem einen oder anderen Zeitpunkt Macht, und viele Mitglieder haben
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Kooperation und Zusammenarbeit
die Möglichkeit, ihre Macht auszubauen. Durch eine eingehende Analyse kann ein Verständnis dafür aufgebaut werden, wie Macht von anderen ausgeübt werden kann oder wird bzw. wie andere erkennen, wann und wie man selbst Macht ausübt. Das Erlangen dieser Erkenntnisse erfordert jedoch die Bereitschaft, dass man ein manipulierendes Verhalten bei den anderen und sich selbst akzeptiert. Dieser Punkt wird, wenn es um die Rolle des Kooperationsmanagers (d. h. Leiter der Kooperation) geht, weiter im Detail erklärt.
3. Perspektive:
Für eine erfolgreiche Kooperation ist Vertrauen wichtig, jedoch misstrauen die Partner einander
Dass es Probleme mit dem Vertrauen unter den Partnern gibt, wird häufig aus der Praxis berichtet. Es scheint so, als sei Vertrauen eine Vorbedingung für eine erfolgreiche Kooperation. Aber selbst wenn Vertrauen zwischen den Partnern das Ideal darstellt, ist die häufig gelebte Praxis jedoch, dass Misstrauen und nicht Vertrauen den Startpunkt der Kooperation bestimmt. Vielfach hat man nicht die Möglichkeit, sich seinen Kooperationspartner auszusuchen. Ein Partner kann vorgeschrieben sein (zum Beispiel durch eine Vorschrift), oder die jeweilige Situation bestimmt, dass ein bestimmter Partner notwendig ist, selbst wenn das Vertrauen in diesen Partner gering ist. Es kann sein, dass man sich auf einen Partner einlassen muss, den man nicht mag, nur um zu verhindern, dass ein Wettbewerber mit ihm zusammenarbeitet. Dementsprechend ist es notwendig, dem Vertrauensaufbau zwischen Partnern Aufmerksamkeit zu schenken. Eine Möglichkeit, über den Aufbau von Vertrauen nachzudenken, ist der Kreislauf in Abbildung 113. Der Kreislauf beschreibt zwei wichtige Faktoren, die notwendig sind, um Vertrauen aufzubauen. Der erste Faktor konzentriert sich auf die Festlegung der zukünftigen Erwartungen an die Kooperation. Diese Erwartungen basieren entweder auf der allgemeinen Reputation des Kooperationspartners, seinem vergangenen Verhalten oder der Einhaltung von bereits geschlossenen Absprachen. Berücksichtigt man die vorhergehende Bemerkung, wie schwierig es ist, sich auf die Ziele einer Kooperation zu einigen, wird deutlich, dass dies ein schwieriger Startpunkt ist.
Kooperation und Zusammenarbeit
331
Verlangen nach einem vertrauenswürdigen Verhalten
Bestätigung führt zu einer ambitionierteren Kooperation
Wunsch nach realistischen (beginnend mit moderaten), aber erreichbaren Ergebnissen
Festlegung der zukünftigen Erwartungen bezüglich der Kooperation basierend auf der Reputation, dem vergangenen Verhalten oder dem Erfüllen von geschlossenen Verträgen und Übereinkünften
Abbildung 113:
Ausreichendes Vertrauen sowie die Bereitschaft, Verantwortung und das Risiko für die Initiierung einer Kollaboration zu übernehmen, müssen vorhanden sein
Der Vertrauenskreislauf zum Aufbau von Vertrauen
Der zweite Startpunkt bedeutet, Risiken einzugehen. Es muss nur so viel Vertrauen vorhanden sein, dass das Risiko des Beginns einer Kooperation eingegangen werden kann. Wenn beide Startfaktoren vorhanden sind, kann weiteres Vertrauen Stück für Stück aufgebaut werden, indem man mit moderaten, aber realistischen Zielen beginnt, die erfolgreich umgesetzt werden. Diese Vorgehensweise bestätigt das Vertrauen zwischen den Partnern und bildet die Grundlage für eine ambitionierte Kooperation.
Praktische Vorgehensweise Die praktische Schlussfolgerung aus dem Vertrauenskreislauf lautet analog zu den gemeinsamen Zielen: Manchmal ist es besser, mit kleinen, aber erreichbaren Schritten zu beginnen, um dann anschließend langsam Vertrauen aufzubauen. Diese Schritt-für-Schritt-Vorgehensweise zum Aufbau von Vertrauen ist jedoch nicht anwendbar, wenn man in kurzer Zeit ein großes Ziel erreichen muss. In diesen Situationen müssen die Ziele parallel mit der Übernahme von Risiken formuliert werden, während weitere vertrauensbildende Maßnahmen laufen. In anderen Situationen ist der schrittweise Aufbau von Vertrauen jedoch der richtige Weg und praktisch anwendbar.
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4. Perspektive:
Kooperation und Zusammenarbeit
Kooperationen bringen Vorteile und sind wichtig, aber die beteiligten Parteien sind kooperationsmüde
In dieser Perspektive sind es nicht so sehr die gemeinsamen Wünsche, die infrage gestellt werden, sondern die allgemeinen Annahmen. In Kooperationen kann immer wieder beobachtet werden, mit welch hoher Frequenz sich die einzelnen Ansprechpartner verändern. Wenn eine Kooperation eine gewisse Größe erreicht hat, können selbst Personen, die sehr eng in eine Kooperation eingebunden sind, häufig nicht die Namen der einzelnen Partner nennen, ohne offizielle Dokumente zur Hilfe zu nehmen. Dies liegt häufig darin begründet, dass die Personen einen unterschiedlichen internen Status haben oder dass ihre persönliche oder organisatorische Zustimmung zu der Kooperation recht unterschiedlich sein kann. Die Unwissenheit darüber, wer die richtigen Ansprechpartner sind, liegt häufig auch in der Komplexität der Kooperation begründet. Grund dafür kann die schlichte Größe eines Netzwerkes sein. Es kann vorkommen, dass eine Organisation in unterschiedlichen Netzwerken und Kooperationen aktiv ist. Wenn eine Organisation eine gewisse Größe erreicht hat, ist selbst der beste Kooperationsmanager nicht mehr in der Lage, alle Kooperationen und Ansprechpartner zu benennen. Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, dass eine Organisation durch die unterschiedlichen Kooperationen, die sie eingeht, in unterschiedliche Richtungen gezogen wird. In der Praxis wird häufig von einer gewissen Kooperationsmüdigkeit gesprochen, da einzelne Schlüsselpersonen in mehrere Kooperationen involviert sind. Außer einer gewissen Kooperationsmüdigkeit ergeben sich weitere Konsequenzen aus diesen verschiedenen Initiativen. So kann es vorkommen, dass einzelne Mitglieder versuchen, die verschiedenen Aspekte unterschiedlicher Kooperationen miteinander zu verbinden, wenn sie eine spezielle Verbindung sehen. Dies passiert auch, wenn es nur die eigene Organisation betrifft. Ein weiteres Problem für beteiligte Personen liegt darin einzuschätzen, ob bestimmte Aspekte oder Meinungen, die eingebracht werden, den Standpunkt der entsendenden Organisation oder die einer anderen Kooperation widerspiegeln. Zu dem Problem der zunehmenden Anzahl von Beziehungen kommt die Frequenz, in der Kontakte stattfinden oder Informationen ausgetauscht werden, hinzu. In einem komplexen Liefernetzwerk kann jeder Lieferant mehrere Kunden haben, jeder Kunde verschiedene Lieferanten, Lieferanten haben wiederum ihre eigenen Lieferanten und Kunden haben ebenfalls ihre Kunden – die Komplexität kann so enorm zunehmen.
Praktische Vorgehensweise Für die beteiligten Manager ist es sicherlich schwierig, sich über die Ziele und die Richtung einer Kooperation zu einigen, ein gemeinsames Verständnis und Vertrauen aufzubauen und die Machteinflüsse zu managen, wenn sie nicht einmal wissen, wer die beteiligten Partner sind. Gleichzeitig ist das Management einer komplexen, kooperativen Situation diffizil, da sich die verschiedenen Elemente gegenseitig beeinflussen und es keine Klarheit über die
Kooperation und Zusammenarbeit
333
einzelnen Verbindungen gibt. Ein einfaches Schaubild (siehe Abbildung 114) zur Darstellung des gesamten Systems kann ein hilfreicher Weg sein, sich selbst Klarheit über die Struktur der Partnerschaften zu verschaffen. Natürlich kann ein solches Schaubild nicht die Unsicherheit und Ungewissheit komplett eliminieren, aber es ist grundsätzlich recht aufschlussreich und kann in Zukunft als Referenz verwendet werden. Wie bei der Zieldefinition kann dieser Schritt mehr oder weniger detailliert ausfallen. Generell sind die Identifikation, das Leben mit und das Überwinden von Unsicherheit und Komplexität die Hauptherausforderungen dieser Perspektive. Einen wichtigen Aspekt bildet ein angemessener Ansatz, wie man eine Beziehung pflegt.
Chemieunternehmen als Lieferanten Sägewerke
Papierhersteller für Dekorpapier
Roh- und/oder Frischholzlieferanten
Einschlagunternehmen
Recyclingunternehmen (Aufbereiter)
Holzwerkstoffindustrie Hersteller für Spanplatten und direktbeschichtete Spanplatten
Hersteller für Schichtstoffe und Arbeitsplatten
Leim-Lieferanten (Chemieunternehmen)
Direkte Lieferindustrie
Anlagenbauer
Holzhandel und DIY Bauunternehmen
Küchenproduzenten
Dekorpapierdrucker
Möbelhersteller
Möbeleinzelhandel oder Möbelketten
Kundenindustrie
Abbildung 114:
Beispielhafte Systemdarstellung einer Industrie und die Verbindungen der Akteure am Beispiel der Holzwerkstoffindustrie
5. Perspektive:
Beständigkeit ist wichtig, aber alles ist im Fluss und ändert sich ständig
In kooperativen Strukturen wird vielfach so gehandelt, als würde es eine Stabilität der Mitglieder geben – wenn auch nicht auf Dauer, so zumindest für eine gewisse Zeit. In der Praxis haben jedoch sich wandelnde Vorschriften einen Einfluss auf die Strukturen, indem sie eine Neuorganisation der Mitglieder erforderlich machen. Zusammenschlüsse oder Verkäufe, Firmengründungen oder Insolvenzen, Zukäufe oder Restrukturierungen sind an der Tagesordnung. Im Gegenzug erfordert dies den Umbau der Kooperation, in der eine Organisation ein Partner ist. Ändern einzelne Organisationen die Politik die Kooperation betreffend, verändert sich demnach auch die Art der Zusammenarbeit. Diese Veränderung kann intern ge-
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Kooperation und Zusammenarbeit
schehen, zum Beispiel als Ergebnis einer strategischen Neuausrichtung. Oder sie kann extern geschehen als Ergebnis der Politik einer Regierung oder schwerwiegender Marktstörungen. Egal auf welcher Ursache sie basiert, sie bedeutet immer eine Veränderung in der Zusammenarbeit. Neue Mitglieder können beitreten oder andere können die Kooperation verlassen. Problematisch ist nicht, dass die Kooperation nicht mehr funktioniert, sondern dass aufgrund einer neuen Konstellation die Kooperation anders zusammenarbeiten muss und mit bewährten Vorgehensweisen brechen muss, um neue zu schaffen. Die Beziehungen zwischen einzelnen Teilnehmern in einer Kooperation bilden manchmal die Grundlage für die Bearbeitung bestimmter Aspekte. Dies macht eine Kooperation natürlich anfällig für einzelne Beschäftigungsverhältnisse, selbst wenn es sich nur um eine interne Versetzung eines Mitarbeiters handelt. Abschließend kann festgehalten werden, dass, selbst wenn alle aufgeführten Strukturen stabil bleiben, einer Kooperation eine gewisse interne Dynamik innewohnt. Wenn der ursprüngliche Zweck der Kooperation erreicht ist, ist es an der Zeit, neue kooperative Aufgaben anzugehen, und diese erfordern häufig andere Teilnehmer. Alle Organisationen sind in einem gewiesen Maße dynamisch in der Form, dass sie sich schrittweise weiterentwickeln. Jedoch sind Kooperationen sehr anfällig für Veränderungen in der Organisation eines Partners und verändern sich somit auch sehr schnell.
Praktische Vorgehensweise Aus der dynamischen Natur von Kooperationen kann gefolgert werden, dass der Vertrauenskreislauf ein sehr zerbrechliches Gebilde ist. Wenn Organisationen, die eine Schlüsselrolle in einer Kooperation einnehmen, ihre Organisationsstruktur verändern und Mitarbeiter durch Versetzung aus der Kooperation ausscheiden, kann dies das Vertrauen zwischen den Kooperationspartnern stark belasten. Als eine praktische Schlussforderung für alle erfolgreichen Kooperationen gilt, dass ein Weg gefunden werden muss, den Vertrauenskreislauf ständig und behutsam zu pflegen und weiterzuentwickeln. Je schneller gemeinsame Erfolge erreicht werden, desto einfacher kann eine Veränderung bei den einzelnen Partnern aufgefangen werden.
6. Perspektive:
Den Teilnehmern obliegt die Führung in der Kooperation, aber die wirkliche Führung liegt nicht immer in ihren Händen
Berücksichtigt man die bisher dargestellten Schwierigkeiten, die in den kooperativen Formen der Zusammenarbeit liegen, so wird offensichtlich, dass das Thema Führung sehr zentral ist. Da es in Kooperationen keine traditionellen hierarchieschen Strukturen gibt, sollte Führung in einem weiteren Sinne verstanden werden und sich nicht nur auf die Geschäftsführer oder den Einkauf/Verkauf konzentrieren. In diesem Zusammenhang werden unter Führung die Aktivitäten verstanden, die zu den aktuellen Ergebnissen einer Kooperation führen. Oder einfach
Kooperation und Zusammenarbeit
335
ausgedrückt, die Konzentration darauf, was dafür sorgt, dass Dinge innerhalb der Kooperation erledigt werden. Betrachtet man Führung aus dieser Perspektive, so wird sie nicht nur von einzelnen Personen ausgeübt. Strukturen und Prozesse sind genauso wichtig bei der Definition von Inhalten und Aktionen. Zum Beispiel sollte eine Kooperation, die zwei Partner betrifft, beiden Partnern die Möglichkeit zur Definition der Ziele und Aufgaben geben, andere jedoch ausschließen. Auf der anderen Seite kann es bei einer Kooperation, bei der viele Organisationen Partner sein möchten, nötig sein, einen Vertreter zu entsenden. Somit kann es für den Einzelnen schwierig werden, seinen Einfluss geltend zu machen. Eine Kooperation wiederum, bei der die Kommunikation in offenen Besprechungen stattfindet, bietet andere Möglichkeiten der direkten Einflussnahme. Findet die Kommunikation jedoch nur auf Distanz – durch Briefe, E-Mails oder über Telefon – statt, werden die Inhalte stark durch die Strukturen und Prozesse beeinflusst, nach denen die Zusammenarbeit erfolgt. Strukturen, Prozesse und Teilnehmer können als unterschiedliche Aspekte betrachtet werden, durch die Führung in Kooperation ausgeübt wird. Strukturen und Prozesse sind häufig von außen vorgegeben, zum Beispiel durch Vorschriften, einen Gesellschafter oder die Unternehmenszentrale. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, so ergeben sie sich häufig eher durch Aktionen ihrer Mitglieder, als dass sie planvoll entworfen wurden. Externe Interessenträger, wie Kunden oder Interessenverbände, können die Art und den Umfang einer Kooperation oder einer Allianz wesentlich beeinflussen. Auch Personen, die eigentlich keine direkten Teilnehmer der Kooperation sind, sondern nur eine unterstützende Rolle haben, können eine Kooperation stark beeinflussen.
Praktische Vorgehensweise Die Perspektive beschreibt, wie schnell es geschehen kann, dass die Kooperation in eine Richtung läuft, die die Partner nicht mehr beeinflussen können. Erkennt man an, dass dies zum Teil unvermeidlich ist, so muss man Wege finden, wie man in der Praxis diesen Aspekt berücksichtigen kann. Diagramme, wie in Abbildung 115 gezeigt, sind hilfreich, um sich als einen ersten Schritt der Kooperationsstrukturen bewusst zu werden. Für Manager, die sich wünschen, aktiver zu führen, bedeutet dies, dass es Teil ihrer Führungsaufgabe ist, sich mit den Strukturen und Prozessen einer Kooperation zu beschäftigen, besonders mit den Überwachungs-, Kontroll- und Bewertungsprozessen.
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Kooperation und Zusammenarbeit
Ich habe hier mit einer Sache gute Erf ahrungen gemacht, kann ich es allgemein beschreiben und an alle Teilnehmer verteilen? Einzelne Teilnehmer übernehmen Führungsverantwortung und leiten andere Teilnehmer an
Es ist genauso wichtig, dass die Teilnehmer einen Einf luss auf die Agenda haben, wie dass sie sich aktiv beteiligen können
Veranstaltung eines Tagesseminars zu den Kernpunkten der Kooperation und Schlüsselelementen der Zusammenarbeit
Sich Zeit nehmen, um mit neuen Teilnehmern durch die bestehenden Dokumente zu gehen Erstellung einer kurzen, schrif tlichen Einf ührung über die Historie und die wichtigen Prozesse, Systeme und anderen Teilnehmer Was kann neuen Teilnehmern dabei helf en, sich besser an der Agenda zu beteiligen und sich mehr einzubringen?
Abbildung 115:
Motivation potenzieller Teilnehmer
Veranstaltungen
Förderung der Kooperation Einführung neuer Mitglieder
Inf ormationsveranstaltung f ür potenzielle Mitglieder durchf ühren Mögliche Zielteilnehmer identif izieren und ansprechen Direkte Ansprache: „Sie sind eingeladen worden, da wir der Auf f assung sind, dass es f ür Sie von Interesse ist.“
Verstehen des Kernproblems der Zielteilnehmer, was ist der größte Engpass?
Beteiligung einzelner Mitglieder
Keinen Druck auf einzelne Teilnehmer ausüben
Gezielte Inf ormation an einzelne, aktive Mitglieder Vorsichtige Einf ührung der neuen Teilnehmer, da es sich um eine komplexe Kooperation handelt und Lernen Zeit braucht
Unterschiedliche Behandlung der Gründungsmitglieder vs. der neuen, noch nicht so aktiven Mitglieder
Visualisierung der möglichen Handlungsfelder als Schritt zu einer aktiven Führung (als Kooperationsmanager oder Teilnehmer)
7. Perspektive:
Führungsaktivitäten werden gewünscht, doch sie stoßen ständig auf Schwierigkeiten und Probleme
Unabhängig von einer starken, offiziellen Führung, die sich durch den Kontext, die Struktur der Kooperation oder die Prozesse ergibt, führen alle Teilnehmer (seinen sie nun offizielle Mitglieder oder nicht) in irgendeiner Weise, zumeist in der Form, dass sie die Kooperation in eine Richtung voranbringen wollen, die für sie selbst von Vorteil ist. Durch solche Aktionen wird das Ergebnis der Kooperation beeinflusst. Hierdurch stößt man häufig auf Probleme und die Ergebnisse fallen nicht so aus, wie man sie sich erhofft. In der Praxis sind viele Aktionen der Mitglieder, die die Kooperation voranbringen möchten, absolut im Sinne der Kooperation. Diese Aktionen sind unterstützend, da sie Mitglieder beteiligen, ermächtigen, einbeziehen und mobilisieren. Aber genau diese Personen sind auch mit Aktivitäten beschäftigt, die nicht viel mit dem Geist der Kooperation zu tun haben müssen. Vielfach werden der Zweck und die Ziele der Kooperation manipuliert und politisiert. Diese Aktivitäten können in gewissem Sinne als rücksichtslos gegenüber der Kooperation und deren Mitgliedern bezeichnet werden.
Kooperation und Zusammenarbeit
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Praktische Vorgehensweise Bedeutet dies, dass es ein Dilemma zwischen einem kooperativen Arbeitsstil und dem notwendigen Pragmatismus gibt? Nicht notwendigerweise. Eine Betrachtungsweise wäre die der Hege und Pflege. Sicherlich sind rigorosere Maßnahmen notwendig, wenn man einen verwilderten Garten wieder in Form bringen möchte. Das Eliminieren von Unkraut wird eine Hauptaufgabe sein neben der Hege und Pflege der einzelnen Nutz- und Zierpflanzen. Erfolgreiche Manager von Kooperationen nehmen beide Perspektiven ein – sowohl im Sinne der Kooperation als auch rücksichtslos gegenüber der Kooperation – und sie wechseln zwischen beiden oder führen beide gleichzeitig aus. Diese Vorgehensweise ist von zentraler Bedeutung, wenn man die Leitung einer Kooperation übernimmt bzw. wenn man die Handlungen eines Kooperationsmanagers verstehen möchte.
2.1
Zusammenfassung
Nachdem nun die sieben Perspektiven und die praktischen Vorschläge zu jeder Perspektive besprochen wurden, gilt es nun zu entscheiden, welche konkreten Schritte zu unternehmen sind. Diese Entscheidung ist abhängig von den Zielen und dem Startpunkt einer Kooperation, also ob eine ambitionierte oder lockere Kooperation angestrebt wird und ob schon Vertrauen vorhanden ist oder nicht. Abbildung 116 zeigt als Zusammenfassung vier mögliche Vorgehensweisen je nach Ziel und Voraussetzung. Da ein strategischer Einkäufer sowohl die Leitung in einer Kooperation übernehmen als auch ein Mitglied in einer Kooperation sein kann, werden im Folgenden das Leiten und Managen einer Kooperation näher beschrieben. Für die praktische Relevanz eines strategischen Einkäufers ist zu berücksichtigen, dass hier bewusst eine kooperative Extremsituation dargestellt wird. Ein strategischer Einkäufer wird vermutlich seltener ein Netzwerk von externen Interessenvertretern leiten, wohl aber ein internes interdisziplinäres Projektteam oder Mitglied in einem solchen sein. Hier kann es auch vorkommen, dass der Projektleiter seine Teammitglieder ermutigen oder motivieren muss oder dass er Entscheidungsprozesse beeinflusst, um einen Projektfortschritt zu erzielen. Da klassische Kunden-Lieferantenbeziehungen immer mehr durch komplexe Netzwerke abgelöst werden, ist es für den strategischen Einkäufer wichtig, die Mechanismen der Leitung einer Kooperation zu verstehen, unabhängig davon, ob er diese Position nun selbst innehat oder lediglich ein Mitglied der Kooperation ist.
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Kooperation und Zusammenarbeit
Schwaches Vertrauen unter den Teilnehmern -> Initiierung des Vertrauenskreislaufes (schwaches Vertrauen)
Das Risiko als ein integraler Bestandteil des Vertrauensaufbaus managen
„Ganzheitliches“ Management von Vertrauen (ambitionierte Kooperation)
„Kleine Erfolge“ Management von Vertrauen (geringe Kooperation)
Abbildung 116:
3.
Erkundung der Komplexität und Ziele: x Mit wem im Netzwerk sollte man kooperieren? x Analyse der Macht- und Einflussmöglichkeiten x Analyse, wem Agieren grundsätzlich möglich ist x Analyse der unterschiedlichen Ziele der beteiligten Organisationen x Verhandlung der gemeinsamen Ziele x Bewertung der Bereitschaft und Möglichkeit ,die Kooperation umzusetzen
Grundsätzliches Vertrauen unter den Teilnehmern vorhanden -> Nachhaltigkeit des Vertrauenskreislaufes (Vertrauen vorhanden)
Die Beziehung pflegen
Durchlaufen des Vertrauenskreislaufes: x Dauerhaftes Pflegen der Beziehung x Beachtung aller Aspekte der Kooperation inkl. Kommunikation, Machtungleichgewicht, Zusagen, gemeinsamen Eigentumsverhältnissen unterschiedlicher Zustimmung und Verpflichtung, widersprüchlicher Ansichten der Agenda oder der Ziele etc.
Bewertung potenzieller Vorteile der Kooperation und ob das involvierte Risiko gemanagt werden kann und wert ist, das es eingegangen wird
Unterhaltung eines hohen Vertrauens, um die Basis für einen gemeinsamen Vorteil durch die Kooperation zu schaffen
Adaption des Ansatzes der kleinen Gewinne, um Vertrauen aufzubauen
Management von Instabilitäten
Initiierung von Vertrauen bei relevanten Partnern zum Beispiel durch: x Identifikation der Partner, zu denen Vertrauen aufgebaut werden soll und x erste Schritte durch kleine, aber gemeinsame Aktivitäten
Management der Dynamiken und Macht eines möglichen Ungleichgewichtes z. B. durch: x Schwung behalten, wenn vertrauensvolle Schlüsselpersonen die Kooperation verlassen x Beachtung der unvermeidlichen Effekte, die durch ein Machtungleichgewicht entstehen x Wege finden, um die Teilung der Macht zu maximieren
Start der Aktivitäten, ohne alle Aspekte des Vertrauensaufbaus zu beachten
Vertrauen lange genug erhalten, um einen Punkt zu erlangen, an dem mit einem komfortablen Vertrauenspolster weitergearbeitet werden kann
Mögliche Vorgehensweisen zur Kooperation je nach Startposition und Erwartungshaltung an die Kooperation
Management und Leitung einer Kooperation
Die Rolle des strategischen Einkäufers verändert sich nachhaltig, wenn ein Unternehmen eine strategische Partnerschaft mit einem Lieferanten eingeht. So kann ein größeres OutsourcingProjekt zur Folge haben, dass der strategische Einkauf ein noch aktiveres Management der Lieferanten übernehmen muss. Entscheidet sich ein Unternehmen im Rahmen einer Make-orBuy-Untersuchung für eine Rückwärtsintegration durch ein Joint Venture mit einem Lieferanten, so kann es sein, dass auch dieses Unternehmen vom Einkauf geführt wird. Je nach der speziellen Konstellation kann dies vergleichbar mit einem Lieferanten oder einer eigenen Abteilung sein. Eine noch komplexere Situation ergibt sich für den strategischen Einkäufer, wenn er ein Einkaufsnetzwerk managen muss oder aber eine Gruppe eines Verbandes leitet. In den nachfolgenden Ausführungen wird von Teilnehmern, Mitgliedern, oder aber auch Partnern gesprochen. Diese Begriffe werden hier ohne weitere Unterscheidung benutzt, da die Situationen, in denen man die Fähigkeiten zur Leitung einer Kooperation anwenden kann, so vielfältig sind. Die folgende Beschreibung gibt einen Überblick über die beiden Perspektiven, die für die Leitung einer Kooperation wichtig sind.
Kooperation und Zusammenarbeit
3.1
339
Führungstätigkeiten und Aktivitäten im Sinne der Kooperation
Allgemein wird von einem Manager, der die Leitung einer Kooperation übernimmt, erwartet, dass er Vertrauen unter den Teilnehmern aufbaut, Machtverhältnisse managt, die Kommunikation anregt und verschiedene, zum Teil auch widersprüchliche Interessen unter den Teilnehmern ausgleicht. Diese Tätigkeiten kann man als Unterstützung der Teilnehmer betrachten, damit diese effektiver miteinander arbeiten. Abbildung 117 zeigt die vier eng miteinander verbundenen Führungsaufgaben, die zu dieser unterstützenden Rolle beitragen: Beteiligung, Ermächtigung, Einbeziehung und Mobilisierung.
Beteiligung
Ermächtigung
Einbeziehung
Mobilisierung
Beteiligung der „richtigen“ Teilnehmer
Ermächtigung der Teilnehmer, um ihnen die Teilnahme zu ermöglichen
Einbeziehung und Unterstützung aller Mitglieder
Mobilisierung der Mitglieder, um Dinge umzusetzen
Beispielhafte Herausforderungen:
Beispielhafte Herausforderungen:
Beispielhafte Herausforderungen:
Beispielhafte Herausforderungen:
•Beteiligung derer, die involviert werden wollen •Beteiligung aller erforderlichen Teilnehmer bzw. Personen, auch wenn sie noch nicht teilnehmen möchten •Förderung von Aktionen zur Kooperation in Situationen, in denen einzelne Mitglieder noch nicht komplett an Bord sind
• Schaffung einer Infrastruktur, durch die allen Mitgliedern eine Teilnahme ermöglicht wird • Aufrechterhaltung einer effektiven Kommunikation, auch wenn die Teilnehmer sehr verschieden sind • Sicherstellung von individueller Unterstützung, wenn Hilfe benötigt wird
• Einbeziehung aller Mitglieder ungeachtet der unterschiedlichen Rollen und Machtpositionen • Ausgleich in der Kommunikation zu allen Mitgliedern schaffen, auch wenn diese persönlich stark mit der eigenen Organisation verbunden sind
• Ermutigung der Teilnehmer, im Sinne der Kooperation zu arbeiten • Voranbringen der Kooperation, auch wenn die Belohnungssysteme einzelner Mitglieder unterschiedlich sind • Begeisterung der Mitglieder, auch wenn sie unterschiedliche Ausprägungen einer Zusage getroffen haben • Mobilisierung von Aktivitäten, auch wenn einzelne Mitglieder schlecht informiert wurden
Abbildung 117: Führungsaufgaben eines Kooperationsmanagers im Sinne und Geist der Kooperation
Beteiligung der Mitglieder Die Beteiligung der „richtigen“ Teilnehmer in einer Kooperation klingt, als sei dies der erste Schritt einer neuen Partnerschaft, aber häufig sind die verantwortlichen Kooperationsmanager dauerhaft mit der Teilnehmerauswahl beschäftigt. Dabei gibt es zwei sich gegenseitig beeinflussende Herausforderungen: Es kann sein, dass man sehr viel Zeit dafür aufwenden muss, neue Mitglieder zu gewinnen, und gleichzeitig die Mitglieder unterstützen muss, die sich als Teilnehmer aktiv in der Kooperation engagieren wollen. Weiterhin muss man auch Zeit dafür aufwenden, genau die Personen oder Organisationen zu fördern, die die Kooperation voranbringen. Die möglichen neuen Mitglieder, die von den bereits vorhandenen Mitgliedern ge-
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Kooperation und Zusammenarbeit
wünscht oder gesetzlich notwendig sind, sehen nicht immer einen Sinn in ihrer aktiven Beteiligung. Somit kann die Überwindung von Widerständen sehr zeitintensiv sein. Wege zu finden, diejenigen zu beteiligen, die beteiligt werden wollen, kann ein komplett anderes Problem darstellen. Möglicherweise ist eine der herausfordernden Führungsaufgaben, Interessengruppen zu beteiligen. Wer kann als ein Vertreter einer Gruppe betrachtet werden? Selbst wenn die Teilnehmergruppe gut definiert ist, ergeben sich häufig Probleme. Die Beteiligung von Mitgliedern erfordert es, dass man den neuen Mitgliedern besondere Aufmerksamkeit schenkt. Kooperationen sind oft sehr dynamisch, da sich die Zusammensetzung der Mitglieder häufig ändert. Manchmal wird die Beteiligung neuer Mitglieder als frischer Input und eine Möglichkeit zur Richtungsänderung angesehen, aber häufiger ist es notwendig, dass die Kontinuität der Arbeit bewahrt bleibt und dass sich die neuen Mitglieder den Werten und Zielen der Kooperation aktiv anschließen. Ein Teil der Führungsaufgabe besteht darin, in bestimmten Situationen genau diejenigen Teilnehmer zu beteiligen, die noch nicht ganz an Bord sind.
Ermächtigung der Mitglieder Die Beteiligung der Mitglieder allein ermächtigt sie jedoch nicht dazu, dass sie eine Stimme in der Kooperation haben und die Richtung der Kooperation mitbestimmen. Die Schaffung einer Infrastruktur, die es Personen und Organisationen ermöglicht, sich zu beteiligen, ist ein zentraler Aspekt in der Führungsrolle vieler Kooperationsmanager. Häufig ist eine Schlüsselaufgabe, eine Struktur zu entwickeln, die es den Mitgliedern ermöglicht, zu agieren und eine aktive Rolle einzunehmen. Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, effektive Kommunikationsmechanismen zwischen den Partnern zu etablieren, sind wichtige Faktoren bei der Ermächtigung der Mitglieder. Die Aufrechterhaltung eines effektiven Kommunikationsflusses ist sicherlich ein weiterer Aspekt. Da die Mitglieder gewöhnlich räumlich verteilt sind, besteht nicht die Möglichkeit, sie zu täglichen Gesprächen zu motivieren. Vielfach wird deshalb ein Projektrundschreiben genutzt, das es auch ermöglicht, Außenstehende zu informieren. Die Voraussetzungen für einen persönlichen Kontakt der Mitglieder zu schaffen, ist ein wichtiger Aspekt bei der Ermächtigung der Mitglieder, etwa indem sie bei der persönlichen Kommunikation in Besprechungen, in Arbeitsgruppen oder anderen Ereignissen unterstützt werden. Obwohl dies schwierig ist, ist es die wichtigste Tätigkeit, um die Mitglieder zu aktivieren. Da bei Kooperationen häufig Mitglieder mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Hintergründen und Erfahrungen zusammenarbeiten, ist es nicht so einfach, einen Kommunikationsstil zu wählen, der für alle passend ist. Um dem zu begegnen, sollte man den Teilnehmern vor einer Besprechung ausreichend Zeit geben, die schriftlichen Informationen zu lesen und zu verstehen.
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Einbeziehung der Mitglieder Die Beteiligung der Mitglieder wird durch das Schaffen von Strukturen und deren Unterstützung sichergestellt. Die Führungsrolle eines Kooperationsmanagers beinhaltet häufig Aktivitäten, die Hindernisse überwinden sollen. Probleme entstehen dadurch, dass die Anliegen einiger Partner vermeintlich zentraler sind als die anderer Mitglieder. Somit muss das Ungleichgewicht zwischen möglichen Haupt- und Nebenmitgliedern immer wieder neu zu einem Ausgleich geführt werden. Die Führungsaufgabe des Kooperationsmanagers beinhaltet dementsprechend auch, die Ausgewogenheit der Beteiligung der Mitglieder, die erreicht ist bzw. die erreicht werden kann, richtig einzuschätzen. Darauf aufbauend müssen dann Wege gefunden werden, um die Machtverhältnisse besser auszugleichen. Eine andere Form eines Ungleichgewichtes kann vorkommen, wenn eine einzelne Organisation eine dominante Rolle in einer Kooperation hat. Kooperationsmanager sind häufig Angestellte einer formal definierten Organisation/Abteilung oder sind zumindest dort physisch oder administrativ angesiedelt. Für Kooperationsmanager, die sich in einer solchen Situation befinden, bedeutet dies, sich bewusst zu machen, welche Beziehung sie zu jedem Mitglied haben. Dazu gehört es, dass sie pro-aktiv das Dilemma zwischen der Loyalität zu ihrem Arbeitgeber/Abteilung und zu den anderen Kooperationsmitgliedern managen müssen.
Mobilisierung der Mitglieder Beteiligung, Ermächtigung und Einbeziehung der Mitglieder sind wichtig, jedoch sorgen sie nicht alleine dafür, dass Dinge erledigt werden. Eine weitere Herausforderung für Kooperationsmanager besteht darin, einzelne Personen oder eine Organisation zu einer aktiven Teilnahme und Unterstützung der Kooperation zu bewegen und zu gewährleisten, dass alle Teilnehmer einen Vorteil aus der Teilnahme ziehen. Es ist die zentrale Aufgabe eines Kooperationsmanagers, Wege zu finden, die einen Anreiz für die Beteiligten darstellen. Man muss die Bedürfnisse der beteiligten Organisationen verstehen, um eine Investition von Ressourcen in die Ziele zur Erlangung eines gemeinsamen Vorteils zu fördern. Wichtig hierbei ist, eine funktionierende Schnittstelle zu den Teilnehmern zu bilden bzw. zwischen den Teilnehmern zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Sensibilität in Bezug auf die individuellen Bedürfnisse der Organisationen bzw. der Mitglieder und eine angemessene Kommunikation können dazu beitragen, dass sich Organisationen in hohem Maße beteiligen. Die Mobilisierung der Vertreter und ihrer Organisationen ist eine wichtige Führungsaufgabe, um eine aktive Teilnahme sicherzustellen. Für die beteiligten Organisationen ist die Balance zwischen einer gewissen Verpflichtung bezüglich der Kooperation und der Verantwortung gegenüber der eigenen Organisation zuweilen recht schwierig. Der vielleicht größte Widerspruch in einer Kooperation ist jedoch, dass das Potential für einen gemeinsamen Vorteil in den verschiedenen Ressourcen liegt, die die Organisationen einbringen. Dies bedeutet auf der anderen Seite jedoch auch, dass jeder zwangsläufig nach den Dingen sucht, die er selbst nicht zur Verfügung hat. Häufig verursachen genau diese
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Kooperation und Zusammenarbeit
unterschiedlichen Bedürfnisse unterschiedliche Verpflichtungen der Organisationen zur Kooperation und sie können sogar zu Konflikten in Bezug auf die Ausrichtung und Ziele der Kooperation führen. Ein guter Kommunikationsprozess kann jedoch dabei helfen, die Mitglieder zur Beteiligung und Zusammenarbeit zu motivieren. Eine weitere Möglichkeit für Kooperationsmanager, Partnerschaft und Zusammenarbeit anzuregen, besteht in einer aktiven Gestaltung von Prozessen, um Schnittstellen effektiv zu gestalten und somit Kommunikationshürden zu reduzieren. Das persönliche Zusammenbringen von Mitgliedern in einer direkten Interaktion, in Ausschüssen, Arbeitsgruppen, Seminaren oder Ähnlichem ist ein beliebtes Mittel, um dies zu erreichen. Diese Maßnahmen sollen es den Mitgliedern erleichtern, ihren vollen Beitrag zu der Kooperation zu leisten, etwa indem sie bei Veranstaltungen wichtige Einzelheiten direkt miteinander verhandeln. Es scheint so, als hätten Kooperationsmanager häufig zu wenig Erfahrung oder eine unzureichende Ausbildung, um solche Prozesse effektiv zu führen. Selbst der einfühlsamste und sorgfältigste Manager kann dabei scheitern. Bei Kooperationen kommt noch ein weiterer Aspekt zum Tragen: Aktionen der einzelnen Mitglieder sollten auf einer soliden Informationsbasis gründen. Trotz der Bemühungen eines Kooperationsmanagers, die Kommunikation mit und zwischen den Mitgliedern zu stimulieren, hört man jedoch häufig, dass sich einzelne Mitglieder schlecht bzw. falsch informiert fühlen. Ein weiteres Paradoxon der Zusammenarbeit ist, dass bisweilen gerade die Kooperationsmanager ein besseres und klareres Verständnis von der Ausrichtung der Kooperation haben als die eigentlichen Mitglieder. Somit beinhaltet die Führungsaufgabe, die Balance zu halten zwischen dem Fortschritt, den die Kooperation erzielt, und einer kontinuierlichen Information der Mitglieder und Teilnehmer.
3.2
Führungsaktivitäten, die vermeintlich rücksichtslos sind
Zuvor wurden Kooperationsmanager in einer unterstützenden Rolle beschrieben. Von dieser Perspektive aus ist Führung eine unterstützende Tätigkeit, die nahelegt, über Kompetenzen im persönlichen Miteinander, wie zum Beispiel Geduld, Empathie, Ehrlichkeit, zu verfügen. Jedoch entspricht dieser Ansatz nicht unbedingt der Realität und der Praxis. Um Unzulänglichkeiten zu überwinden, die entstehen, wenn nicht alle Mitglieder an Bord sind oder sie sich unterschiedlich zur Kooperation verpflichtet fühlen, nutzen Kooperationsmanager einen Teil ihrer Führungsrolle für eine pragmatische Vorgehensweise. Diese pragmatische Vorgehensweise ist, wenn man sie genau betrachtet, vielfach nicht im offiziellen Interesse der Kooperation. Die pragmatische Führungsrolle beinhaltet die Manipulation einer Kooperation sowie politisches Manövrieren.
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Manipulation der Ausrichtung und Ziele der Kooperation Häufig ist der offizielle Manager einer Partnerschaft oder Kooperation von dieser eingesetzt oder wird zumindest offiziell dazu ernannt, um die Mitglieder zu unterstützen. In dieser Funktion hat er häufig keine Berechtigung, die Ausrichtung und Ziele der Kooperation mitzubestimmen. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Gründen, warum es vorkommt, dass sie doch mit Problemen der Kooperation konfrontiert werden. Sowohl bei der Ermächtigung als auch bei der Mobilisierung von Mitgliedern kann es vorkommen, dass sie den Sinn und Zweck der Kooperation bewerben müssen. Weiterhin führen sie häufig Aktionen und Tätigkeiten durch, die direkt mit dem Zweck der Kooperation verbunden sind. Sie sind häufig damit beschäftigt, Dokumente zu erstellen, die dies zum Inhalt haben. Das setzt voraus, dass die Mitglieder akzeptieren, dass sie als Kooperationsmanager eine wichtige Rolle zu erfüllen haben. Dazu ist es erforderlich, dass die Mitglieder richtig einschätzen können, wie relevant die Probleme für die Ausrichtung und Ziele der Kooperation sind. Viel Einfluss auf die Richtung einer Kooperation kann dadurch genommen werden, wie man Probleme definiert oder wie man Schriftstücke erstellt, verteilt und verbreitet. Zwangsläufig kann der Kooperationsmanager dadurch beeinflussen, wie er spezielle Probleme zu einem Teil der allgemeinen Aufgaben der Kooperation macht. Einige Arten der Einflussnahme durch den Kooperationsmanager sind indirekter Art, sowohl unbeabsichtigt als auch ungewollt. Die Möglichkeit, Leistung und Fortschritt in der Kooperation zu zeigen (gegenüber sich selbst und anderen), hängt von den Fortschritten ab, die die Kooperation macht. Möglichkeiten zur Überwindung von Trägheit in Kooperationen zu finden, ist ein wichtiger Aspekt der Führungsaufgabe. Vielfach führt dies dazu, dass die Inhalte und Aktionen der Kooperation durch den Kooperationsmanager vorangetrieben werden. Hierbei überrascht es jedoch nicht, dass einige Kooperationsmanager wohl eher eine aktive als eine unterstützende Führungsrolle übernehmen, bei der die Mitglieder zustimmen müssen und gemeinsam ihre eigenen Punkte umsetzen. Kooperationsmanager können bei der Beeinflussung der Ausrichtung und Ziele einer Kooperation recht erfinderisch und häufig manipulierend sein. Sie befinden sich meist in einer besseren Position als die eigentlichen Mitglieder, um die Weiterentwicklung und Richtung der Kooperation zu beurteilen. Kooperationsmanager wenden verschiedene Mittel und Wege an, um die Entwicklung einer Kooperation voranzutreiben, und einige sind dabei bestimmender und weniger subtil als andere, die einen nachhaltigen Einfluss auf die Kooperation haben. Kooperationsmanager sehen es oft als notwendig an, die Führungsrolle zu übernehmen, selbst wenn dies nicht ihre offizielle Aufgabe ist, da sie sich oft offiziell in der Rolle sehen, die Ziele und Richtung der Kooperation zu bestimmen. Häufig kann es jedoch von Vorteil sein, wenn sich der Kooperationsmanager stärker zurücknimmt. Denn je stärker die Kooperationsmitglieder der Überzeugung sind, ihre eigenen Ideen auszuführen, desto größer ist auch die Verpflichtung, diese Ideen in die Tat umzusetzen. Unabhängig von der Art und Weise, wie die Führung einer Kooperation erfolgt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich Kooperationsmanager in Situationen wiederfinden, in denen sie zwischen dem Fortschritt, den die Kooperation macht, und den Inhalten der Kooperation abwägen müssen. Folglich müssen sie für sich
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Kooperation und Zusammenarbeit
zwischen einem kooperativen Verhalten in schwierigen Situationen, zum Beispiel in Arbeitsgruppen, und dem Zwang zum Fortschritt abwägen.
Manipulation der Kooperation Beispielhafte Herausforderungen: Ergebnisse erzielen durch … • Mitgliedern ein vorgegebenes Verständnis zu wichtigen Punkten aufdrücken
• Beeinflussung der kooperativen Inhalte durch verdeckte Aktivitäten
• Im Namen anderer entscheiden, wie die Kooperation weiter vorangetrieben werden soll
• Manövrieren einzelner Mitglieder dahin, dass sie sich im Sinne der Kooperation verhalten
Poltisches Manövrieren Beispielhafte Herausforderungen: Ergebnisse erzielen durch … • Ausspielen politischer Strömungen zwischen einzelnen und um einzelne Mitglieder
• Netzwerken, um herauszufinden, um wen es sich zu bemühen lohnt
• Beziehungen zwischen Organisationen managen, die normalerweise nicht miteinander arbeiten würden
• Wege finden, wie man die ausschließt, die es nicht wert sind, dass man sich um sie bemüht
Abbildung 118: Führungsverhalten des Kooperationsmanagers in Richtung kooperativer Rücksichtslosigkeit
Politisieren Obwohl eine Kooperation eine positive Art der Zusammenarbeit beinhaltet, kommt ein gewisses politisches Manövrieren sehr häufig vor. Dies umso häufiger, je komplexer die beteiligten Organisationen sind. Partnerschaften, die durch politische Vorgaben initiiert werden, bringen häufig Lieferanten oder Firmen zusammen, die normalerweise nicht zusammenarbeiten würden. Dabei entstehen Probleme, zum Beispiel durch das Agieren in den jeweils anderen Territorien, Konkurrenz um Ressourcen oder den Zwang, sich gegenseitig zu überflügeln. Selbst wenn Kooperationen freiwillig eingeleitet werden, tauchen Probleme auf, da eine Reihe von häufig konkurrierenden Agenden befriedigt werden muss. Darüber hinaus berichten Kooperationsmanager in der Regel an einen Verwaltungs- oder Lenkungsausschuss, was dazu führen kann, dass die üblichen politischen Probleme durch dieses Unterstellungsverhältnis in einer ungewöhnlichen Art und Weise verstärkt werden. Der Versuch, parallele Schritte zu unternehmen, die sonst vielleicht den Fortschritt der Arbeit behindern, ist für Kooperationsmanager eine Möglichkeit, einen Fortschritt in der Kooperation erzielen. Vor dem Hintergrund sowohl der Spannungsverhältnisse zwischen Ausrichtung und Substanz als auch der Koordination von partnerschaftlichen Aktivitäten auf der einen Seite und dem politi-
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schen Agieren auf der anderen Seite ist es nicht überraschend, dass Kooperationsmanager immer wieder die Notwendigkeit unterstreichen, in der Partnerschaft gut vernetzt zu sein. Es scheint auch, dass einzelne Personen wechselseitige Beziehungen im Hinblick auf den Austausch von Informationen und Aktionen eingehen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Einige nehmen jedoch eine striktere Haltung ein und sortieren klar aus, bei wem sich dieser Aufwand lohnt und bei wem nicht. Auch wenn dies das Gegenteil des Kooperationsgeistes darstellt, scheint es eine positive, pragmatische Art und Weise des Managements einer komplexen Situation zu sein. Sicherlich liegt die Kunst darin, genau die richtige Balance zwischen der Unterstützung der Kooperationsmitglieder und Rücksichtslosigkeit im Handeln zu finden.
3.3
Führung, um einen gemeinsamen Vorteil durch Kooperation zu erlangen
Die vorhergehende Beschreibung hat gezeigt, welche Probleme es zwischen der reinen Theorie und einer pragmatischen Vorgehensweise im Management von Kooperationen (zu einem gemeinsamen Vorteil) gibt. Darum ist es notwendig, das Spannungsverhältnis zwischen einem Verhalten im Geiste der Kooperation und Rücksichtslosigkeit in ihren Einzelheiten zu verstehen. Der Begriff „Rücksichtslosigkeit“ sollte jedoch nicht wörtlich genommen werden. Sicherlich ist dieser Ausdruck extrem, aber er wird hier nur genutzt, um ein Bewusstsein für eine pragmatische Art der Führung von Kooperationen zu erzeugen. Bei der Führung von Kooperationen muss man sich der pragmatischen Seite der Aufgabe bewusst sein. Die Identifikation der „Rücksichtslosigkeit“ am Ende des Spektrums ist deshalb bedeutsam, weil diese Handlungsweise weit von dem üblichen Verhalten eines partnerschaftlichen Ansatzes entfernt ist. Eine Kooperation in einer unterstützenden und fördernden Art zu führen, ist nötig und wird auch erwartet. Jedoch zeigt die Praxis, dass dies alleine nicht ausreicht, um einen gemeinsamen Vorteil durch eine Kooperation zu generieren. Die beiden gegensätzlichen Seiten der Führung einer Kooperation zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit verschiedenartigen Führungsstilen – autokratisch gegenüber demokratisch oder beziehungsorientiert versus aufgabenorientiert, um nur einige Beispiele zu nennen. Man könnte argumentieren, dass Führung „im Sinne der Kooperation“ auf der einen Seite recht übereinstimmend ist mit einem demokratischen Führungsstil, bei dem Beachtung der Einzelinteressen und Verantwortung betont werden. Ein demokratischer Führungsstil bedeutet auf der anderen Seite aber nicht, dass die erforderlichen Aktivitäten für eine Kooperation – Beteiligung, Ermächtigung, Einbeziehung und Mobilisierung – automatisch durchgeführt werden. Genauso entspricht eine gesunde Portion „Rücksichtslosigkeit“ dem autokratischen Führungsstil, bei dem Maßnahmen definiert werden, die dann von anderen durchgeführt werden müssen. In einer kooperativen Führungssituation ersetzen Manipulation und Politisierung die Anwendung einer legitimen Macht, die in einer traditionellen hierarchischen Anordnung
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Kooperation und Zusammenarbeit
gegeben wäre, um offiziell autokratische Entscheidungen zu treffen. Kooperationsmanager agieren immer aus entgegengesetzten Positionen, und beide Positionen sind wichtig, um einen Fortschritt zu erzielen. Dies legt nahe, dass Kooperationsmanager die Fähigkeit besitzen müssen, beide Rollen aktiv einzunehmen, und sie müssen die Interaktionen zwischen beiden Rollen effektiv handhaben, da eine Überbetonung der einen oder anderen Rolle keinen Kooperationsvorteil erzeugen würde.
Von im Sinne der Kooperation … Im Wesen Beteiligung Beteiligung der richtigen Mitglieder
Ermächtigung Ermächtigung der Mitglieder, um Teilnahme zu ermöglichen
Einbeziehung
Mobilisierung
Einbeziehung und Unterstützung aller Mitglieder
Mobilisierung der Mitglieder, um Dinge umzusetzen
Manipulation der Kooperation Ergebnisse erzielen durch …
einer Führung für einen Vorteil durch
Kooperation
Politisches Manövrieren Ergebnisse erzielen durch …
… bis hin zu einer gewissen Rücksichtslosigkeit
Abbildung 119: Effektive Führung einer Kooperation zwischen Förderung der Kooperation und Rücksichtslosigkeit
KOOPERATIONSMANAGEMENT
KÖNNER Ermittelt als Leiter einer Kooperation die betroffenen Parteien und beteiligt und informiert diese angemessen über den ganzen Zeitverlauf der Kooperation. Leitet Kooperationen; ist in der Lage, interne Verhandlung zu führen, um die Kooperationsziele mit den Organisationszielen in Einklang zu bringen. Wendet die Fähigkeit zur Leitung von Kooperationen wiederholt und mit großer Kompetenz an. Erfüllt oder übertrifft immer die geschäftlichen Anforderungen. Erkennt und versteht sich als Bindeglied zwischen der eigenen Organisation und der Kooperation. Kennt und wendet die Führungsaufgaben an, die im Sinne der Kooperation sind. Beherrscht auch die Aktivitäten, die als rücksichtslos gegenüber der Kooperation bezeichnet werden, um Fortschritt zu erzielen. Ist in der Lage, genau die richtige Balance zwischen beiden Positionen zu finden.
Bewiesene Fähigkeiten: Hat mindestens drei Kooperationen erfolgreich geleitet und dadurch dafür gesorgt, dass die Beschaffungsorganisation und deren Einbindung bzw. Aufgaben für die Organisation einen wesentlich höheren Stellenwert erlangt haben. Hat darüber hinaus auch komplexere interne Kooperationen erfolgreich geleitet (z. B. in internationaler Organisation oder stark dezentraler Organisation etc.)
KENNER
Kennt als Kooperationsteilnehmer die allgemeinen Erwartungen an Kooperationen und die Probleme, die sich hieraus ergeben. Trägt als Kooperationsteilnehmer dazu bei, dass praktische Vorgehensweisen zur besseren Gestaltung von Kooperation angewendet werden, und vermittelt das nötige Praxiswissen hierzu. Entwickelt angemessene Taktiken und Vorgehensweisen für sein eigenes Verhalten, in Übereinstimmung mit den übergeordneten Strategien der eigenen Organisation und der Kooperation. Bereitet sich koordiniert und gut auf Aktivitäten der Kooperation vor, indem er diese entsprechend plant. Arbeitet effektiv den Plan ab, bleibt gleichzeitig aber auch flexibel in seinen Reaktionen. Sucht nach Erfahrungen aus früheren Kooperationen und wendet eigene und von anderen gemachte wieder an.
Bewiesene Fähigkeiten:
Hat in zwei Kooperationen die Unternehmensinteressen erfolgreich vertreten und aktiv als Kooperationsteilnehmer die Kooperation mitgestaltet und weiterentwickelt.
Erbringt Geschäftsergebnisse:
Abbildung 120: Beschaffungskompetenzen Entwickelt das Wissen und die Fähigkeiten zur Kooperation und zur Leitung von Kooperation im eigenen Unternehmen entscheidend weiter und kennt Methoden in Theorie und Praxis. Erstellt entsprechende Schulungen zur Teilnahme bzw. Management von Kooperationen und vermittelt pro-aktiv sein Wissen an Kollegen aus dem Einkauf und anderen Fachabteilungen.
Bewiesene Fähigkeiten:
Sein Beitrag und seine Ansicht sind auf breiter Ebene bei einer Vielzahl von Kooperationssituationen gefragt, einschließlich solcher, die in keinem Zusammenhang mit der Einkaufsabteilung stehen. Erzielt ständig positive Impulse und Wettbewerbsvorteile, auch in schwierigen und komplexen Situationen. Entwickelt aktiv persönliche Fähigkeiten durch interne/externe Ressourcen und trägt zur Verfeinerung der Verfahren bei. Ist in der Lage, durch andere Kooperationen zu managen, indem er für strategische Einkäufer/Mitarbeiter ein interner Coach ist.
EXPERTE
Aktive Mitarbeit und Gestaltung von Kooperationen sowie Planung und Führung von internen und externen Kooperationen, die es der eigenen Organisation ermöglichen, einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.
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Literaturhinweise
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Literaturhinweise
Hier sind die Bücher aufgelistet, die mir persönlich am besten bei meiner Arbeit als Einkaufsleiter geholfen haben und die ich empfehlen möchte. Die Liste spiegelt meine persönliche Meinung wider und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Boutellier, Roman; Wagner, M. Stephan; Wehrli, Hans Peter. Handbuch Beschaffung. München, Wien: Hanser 2003 Mit mehr als 1000 Seiten ist dies eine der besten Gesamtdarstellungen zum Thema Beschaffung. Dieses Buch zeichnet sich aus durch eine gute theoretische Beschreibung und einen fundierten Praxisbezug.
Boutellier, Roman (Hrsg.). Pocket Power Einkauf und Logistik: Verschiedene Titel. München, Wien: Hanser In dieser handlichen Reihe sind Titel zu verschiedenen Themenbereichen aus dem Bereich Einkauf und Logistik erschienen. Hierbei wird immer ein spezielles Thema ausführlich behandelt und mit praktischen Beispielen hinterlegt. Eine gute Grundlage für Mitarbeiterschulungen.
Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (Hrsg.). Best Practice in Einkauf und Logistik: Erfolgsstrategien der Top-Entscheider Deutschlands. Wiesbaden: Gabler, 2. Auflage 2008 In 25 fachlich fundierten Darstellungen beschreiben die verschiedenen Autoren jeweils die praktischen Erfahrungen aus verschiedenen Unternehmen oder Beratungen. Da hier Experten mit einem breiten Erfahrungshintergrund zur Sprache kommen, bietet dieses Buch vielfältige Gedankenansätze.
Cavinato, Joseph L.; Kauffmann, Ralph G.. The Purchasing Handbook: A Guide for the Purchasing and Supply Professionals. New York: Mc Graw Hill, 2000 Dieses amerikanische Beschaffungshandbuch mit mehr als 1000 Seiten lohnt sich besonders für Einkäufer, die für eine amerikanische Firma arbeiten. Ausführlich beschrieben werden Beschaffungsvorgänge von der Commodity-Beschaffung bis hin zu IT-Service-Beschaffungen.
Karras, Chester L., Give and Take: The Complete Guide to Negotiating Strategies and Tactics. The Negotiating Game: How to get what you want. New York: Harper Collins. Beide Bücher – erstmalig in den frühen 70er Jahren veröffentlicht – sind Teil des Karras Verhandlungstrainings. Der Kurs wird ausschließlich in Englisch gehalten und ist heute noch so aktuell wie vor 40 Jahren. Das Material wurde angepasst.
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Literaturhinweise
Large, Rudolf, Stragisches Beschaffungsmanagement – Eine praxisorientierte Einführung. Mit Fallstudien, Wiesbaden: Gabler, 4. Aufl. 2009 Dieses Buch zeigt, welche Erfolgspotentiale im Einkauf vorhanden sind und wie man diese erschließt und dauerhaft sichert.
Leeser, Robert C. Engineer’s Procurement Manual for Major Plant Equipment. New York: Prentice-Hall, Inc. 1996 Eine gute Quelle für alle Einkäufer, die große Anlagen oder Investitionen für ihre Werke beschaffen müssen. Mit praktischen Beispielen und Mustern.
Vangen, Siv; Huxham, Chris, Nurturing Collaborative Relations, The Journal of Applied Behavioral Science, March 2003; Enacting Leadership for Collaborative Advantage: Dilemmas of Ideology and Pragmatism in the Activities of Partnership Managers, British Journal of Management, 2003 Die beiden Artikel bilden die Grundlage für das Kapitel über Kooperation und Zusammenarbeit. Die beiden Wissenschaftler zeigen, wie Kooperationen funktionieren und welche Rollen ein Kooperationsmanager wahrnimmt.
Versteeg, André. Revolution im Einkauf: Höchste Qualität und bester Service zum günstigsten Preis. Frankfurt, New York: Campus 1999 Dieses Buch gibt einen sehr guten Einblick in die Einkaufspraxis eines internationalen Automobilbauers.
Der Autor
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Der Autor
Der Autor ist Principal bei der INVERTO AG, einer führenden, international tätigen Unternehmensberatung, die sich mit rund 100 Mitarbeitern und acht weltweiten Niederlassungen auf Einkauf und Supply Chain Management spezialisiert hat. Dort leitet er das Excellence Center Construction & Project Purchasing. Bei Industrie- und Dienstleistungskunden und im speziellen bei Kunden des Anlagenbaus und der Bauindustrie hat er sowohl Einsparungen in der Höhe von zweistelligen Prozentzahlen realisiert, wie auch gesamte Beschaffungssysteme nach einer eingehenden Analyse neu ausgerichtet. Zuvor war er Geschäftsführer für Supply Chain Management & Purchasing bei einem führenden Dienstleister der Konsumgüterindustrie. Weiterhin leitete er fünf Jahre den Bereich „Purchasing & Supply Chain Management“ bei der Pfleiderer AG. Außerdem war er mehrere Jahre bei Procter & Gamble tätig, zuletzt im strategischen Einkauf in der europäischen Hauptverwaltung in Genf. Mario Büsch ist Diplom-Ingenieur der Elektrischen Energietechnik (Fachhochschule Köln) und besitzt einen MBA-Abschluss (Master of Business Administration, OU Business School in Milton Keynes, Großbritannien). Kontakt:
[email protected].
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Management und Leitung einer Kooperation
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Stichwortverzeichnis
Abmachungsspielraum...................... 187 Aktionsplan......................................... 134 Analyse Beschaffungsumfeld ................. 7 Analytischer Forecast ........................... 97 Anfrage ....................................... 143, 169 Ȭ Anfrageunterlage ..................... 174 Ȭ Angebotsvergleich ................... 179 Ȭ Bedarfsmeldung ....................... 171 Ȭ Finalisierung des Lieferumfanges ................................. 176 Ȭ Planung .................................... 170 Ȭ Vergabeempfehlung ................. 182 Ȭ Vertragsabschluss..................... 183 Ȭ Voranfrage................................ 172 Angebot/Nachfrage......................114, 260
Benchmarking ............................... 77, 79 Beschaffungshebel.............................. 151 Beschaffungskompetenzen Ȭ Angebote im Wettbewerb ........ 184 Ȭ Benchmarking............................ 93 Ȭ Beschaffungshebel ................... 167 Ȭ Beschaffungsstrategie .............. 145 Ȭ Commodities............................ 268 Ȭ Forecast.................................... 104 Ȭ Industrieanalyse ......................... 59 Ȭ interne Umfeldanalyse ............... 47 Ȭ Lieferantenanalyse ..................... 74 Ȭ Lieferantenmanagement .......... 254 Ȭ Prinzipien/Regeln ...................... 33 Ȭ Verbinden ..................................... 8 Ȭ Verhandlungen ......................... 215 Ȭ Vertrag...................................... 235 Ȭ Wettbewerbsanalyse................... 93
Beschaffungskooperation ................... 161 Beschaffungsmarkt ............................... 49 Beschaffungsplan........................ 141, 171 Beschaffungsprinzipien ........................ 11 Beschaffungsstrategie..... 3, 109, 171, 264 Beschaffungstaktiken.......................... 132 Beschaffungsteam........................... 6, 141 Beschaffungswerkzeuge ......................... 3 Bestellung ........................................... 223 bester Gegenwert .................................. 31 Bündelung....................................111, 154
Commodity ............................... 102, 257 Ȭ Beschaffungsmarkt .................. 259 Corporate Governance.......................... 11 C-Teile-Management .......................... 155
Datenquellen ....................................... 50 Dienstleistungen ............................. 15, 16 Dreieckspyramide............................... 100 E-Auktion.......................................... 157 Einkaufsdienstleister........................... 160 Einkaufsvorschriften............................. 12 Einladungen .......................................... 12 einmalige Beschaffungen ................... 136 E-Katalog............................................ 157 Erfolgsmessung .................................... 16 Ȭ Kosteneinsparung................... 8, 17 Ȭ Kostenverhinderung............... 8, 17 Ȭ Prinzipien ................................... 17 EUWID............................................... 102 externes Umfeld.................................. 112
M. Büsch, Praxishandbuch Strategischer Einkauf, DOI 10.1007/978-3-8349-6631-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Stichwortverzeichnis
Forecast................................................ 95
Marktformen ..................................... 262
frühe Einkaufseinbindung................... 160
Ȭ Monopol ................................... 263 Ȭ Oligopol.................................... 262 Ȭ unvollständige Konkurrenz ......262 Ȭ vollständige Konkurrenz .......... 262 Marktinformationen ............................ 263 Marktzyklen ........................................ 102 Materialgruppenmanagement .............165 Materialklassen ................................... 120 Materialressourcenplan ....................... 265
Gefahr durch Markteintritt .................. 52 Geschäftsbedürfnisse .................... 3, 6, 39 Geschäftsprozesse ................................. 77 Geschenke ............................................. 12 Globaler Einkauf................................. 162
Handelsware ........................................ 29 Hebel Ȭ kommerziell...................... 152, 154 Ȭ organisatorisch ................. 152, 161 Ȭ technisch........................... 152, 158
ICIS-LOR........................................... 101 Industrieanalyse .................................... 49 Informationsbeschaffung ...................... 87 internes Umfeld............................. 39, 118
Kauf bei Wettbewerbern...................... 29 Kommunikation .................................... 45 Kostenarten ........................................... 32
Lieferant im Wettbewerb ....................... 5 Lieferantenanalyse ........................ 63, 114 Lieferantenarten .................................. 237 Ȭ Lieferant im Wettbewerb.......... 238 Ȭ qualifizierter Lieferant ............. 239 Ȭ strategischer Lieferant.............. 239 Ȭ Vorzugslieferant ....................... 239 Lieferantenbewertung ................... 63, 239 Ȭ Beurteilungskriterien................ 240 Lieferantenentwicklung ...................... 241 Ȭ Lieferanten-KVP ...................... 245 Ȭ Supply Chain............................ 243 Lieferantenfähigkeit................................ 3 Lieferantenmanagement...... 159, 237, 267 Lieferumfang Ȭ Scope Clarification Meeting .... 177
Outsourcing ............................... 111, 163 Porter-Modell............................... 51, 113 Prognoseverfahren ................................ 95 Qualifizierter Lieferant.......................... 5 Rivalität unter Wettbewerbern.............54 Schnittstellenprobleme......................... 45 Schweinezyklus................................... 103 SCOPE-Modell ..................................... 66 Spezifikation ......................................... 43 spezifisches Bedürfnis .......................... 40 Standardisierung.................................. 158 Strategiedokumentation ...................... 134 Strategieerneuerung ............................ 135 strategischer Lieferant.............................5 Substitutionsprodukte ........................... 56 Supply Chain Management.................164 SWOT-Analyse ................................... 127
TCO-Ansatz......................................... 32 Teamverhandlungen ............................ 195 technische Anforderung ........................ 41
Umfeldanalyse ..................................... 35 unspezifisches Bedürfnis ...................... 39 Unternehmensstrategie.......................... 42
Stichwortverzeichnis
Unterschriftenregel ......................... 22, 28 Ȭ Einkaufsregeln ........................... 27 Ȭ Geschäftsführer.......................... 24 Ȭ Handlungsvollmacht .................. 23 Ȭ im Auftrag .................................. 24 Ȭ in Vertretung .............................. 24 Ȭ Prokura....................................... 22
Verbinden Ȭ soziales......................................... 4 Verbinden................................................ 3 Ȭ technisches ................................... 4 Verbinden Ȭ soziales......................................... 5 Verbinden Ȭ technisches ................................... 6 Verhandlung........................................ 143 Verhandlungen.................................... 187 Ȭ Arten ........................................ 188 Verhandlungsführung ......................... 194 Verhandlungsmacht der Abnehmer....... 57 Verhandlungsplanung Ȭ ausführliche Planung ............... 196 Ȭ schnelle Planung ...................... 192 Verhandlungsstärke der Vorlieferanten. 58 Verhandlungsstrategie......................... 191 Verhandlungstaktiken ......................... 201 Ȭ Autoritäts-Taktiken .................. 210 Ȭ Deadline ................................... 207 Ȭ Deadlock .................................. 208
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Ȭ Entgegengesetzte Auktion ....... 202 Ȭ Eskalation................................. 204 Ȭ Knabbern.................................. 203 Ȭ Limit-Taktik ............................. 201 Ȭ Lockvogel ................................ 214 Ȭ Zeit-Taktiken............................ 205 Vertrag ................................................ 217 Ȭ Bestellung ................................ 223 Ȭ Kaufvertrag .............................. 219 Ȭ LOI........................................... 219 Ȭ Rahmenvertrag......................... 220 Ȭ Vertragsarten ............................ 218 Ȭ Vertragsbeispiel........................ 223 Ȭ Vertragselemente...................... 217 Vertragsunterzeichnung ...................... 222 Vier-Augen-Prinzip .............................. 13 Ȭ Antragsteller......................... 13, 14 Ȭ Buchhaltung ......................... 13, 16 Ȭ Einkäufer.............................. 13, 14 Ȭ Freigabeverantwortlicher ..... 13, 14 Ȭ Warenempfänger .................. 13, 15 Vorzugslieferant...................................... 5
Wertschöpfungskette .......................... 98 Wettbewerbsanalyse ............... 77, 85, 116 wirtschaftliches Umfeld...................... 116
Ziel-Kosten-Analyse ......................... 159 Zusammenarbeit ................................... 45