Ansgar Thießen Organisationskommunikation in Krisen
Ansgar Thießen
Organisationskommunikation in Krisen Reputationsm...
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Ansgar Thießen Organisationskommunikation in Krisen
Ansgar Thießen
Organisationskommunikation in Krisen Reputationsmanagement durch situative, integrierte und strategische Krisenkommunikation
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugelassene Dissertation Université de Fribourg, 2011
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18239-1
Vorwort
Die vorliegende Arbeit gibt Krisenkommunikation einen systematischen Rahmen. Der Anstoß für das zugrundeliegende Forschungsprojekt waren die zahlreichen Einzelfallstudien, die über Kommunikation in Krisen vorliegen. Ihnen stehen bislang jedoch kaum Forschungsarbeiten gegenüber, die gewonnene Erkenntnisse zusammenführen, sie einordnen oder sie in einen Zusammenhang stellen. Ebendies will die vorliegende Arbeit leisten. Das entwickelte integrative Modell der Krisenkommunikation fußt gleichsam auf kommunikationswissenschaftlichen wie auf den Erkenntnissen angrenzender wissenschaftlicher Disziplinen. Wenngleich die Arbeit empirisch fundierte Ergebnisse liefert, so präsentiert sie bewusst auch praxistaugliche Hinweise. Damit ist ihr erklärtes Ziel, eine Systematisierung sowohl für den akademischen wie auch den praktischen Diskurs über Krisenkommunikation zu leisten. Die Studie ist entstanden als Promotionsprojekt am Departement für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Université de Fribourg. Sie profitierte vom Austausch auf den zahlreichen nationalen und internationalen Konferenzen und mit dem Schweizer Verband für Krisenkommunikation. Die dabei entstandenen Hinweise sind konsequent in die Studie mit eingeflossen. Die Arbeit hätte in der Form nicht geschrieben werden können ohne all diejenigen, die als Quelle der Anregung, Kritik und Weiterentwicklung an der Entstehung beteiligt waren. Daher gilt mein ganz ausdrücklicher Dank meinen Betreuern Prof. Dr. Diana Ingenhoff und Prof. Dr. Klaus-Dieter Altmeppen, die mich während der zweieinhalb Jahre betreut und begleitet haben. Danken möchte ich aber auch der Stiftung der Deutschen Wirtschaft und dem Schweizerischen Nationalfonds, durch die meine Promotion überhaupt erst möglich geworden ist. Auch wenn eine solche Studie zweifelsohne durch den Diskurs mit einer Vielzahl an Wissenschaftskollegen entsteht, so will ich ganz besonders Katharina Sommer, Martina Kölling, Torsten Bornemann, Tobias Nolting, Thomas Rebbe, Lea Hellmüller und Steffen Kolb für ihren kritischen Geist und ihre stete Inspiration danken. Schließlich gilt mein ganz besonderer Dank meiner Frau Elisabeth, die mich mit ihrer Geduld und ihrem Rückhalt während der unvergesslichen Zeit der Promotion begleitet hat.
Zürich, den 1. August 2011
Ansgar Thießen
Inhaltsübersicht
1 EINFÜHRUNG ............................................................................................................ 15 1.1 PROBLEMSTELLUNG UND ÜBERBLICK .................................................................... 15 1.2 RELEVANTE FORSCHUNGSFELDER .......................................................................... 17 1.3 FORSCHUNGSBEDARF ............................................................................................. 20 1.4 FORSCHUNGSFRAGEN UND METHODISCHES VORGEHEN ......................................... 21 1.5 RESÜMEE ................................................................................................................ 25 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN ......................................................................... 26 2.1 REPUTATION ........................................................................................................... 27 2.2 KRISEN.................................................................................................................... 62 2.3 KRISENKOMMUNIKATION ....................................................................................... 85 2.4 REPUTATIONSKONSTITUTION DURCH KRISENKOMMUNIKATION ............................ 98 2.5 RESÜMEE .............................................................................................................. 120 3 DAS FORSCHUNGSKONZEPT – GRUNDLEGUNG EINES INTEGRATIVEN MODELLS DER KRISENKOMMUNIKATION .................. 122 3.1 FORMULIERUNG DER VORANNAHMEN: DER THEORETISCHE BEZUGSRAHMEN ..... 122 3.2 DIE STRUKTURATIONSTHEORIE NACH GIDDENS ................................................... 123 3.3 DIE ABLEITUNG DES BEZUGSRAHMENS: STRUKTURATIONSTHEORETISCHE MODELLIERUNG VON KRISENKOMMUNIKATION ................................................... 138 3.4 GRUNDLEGUNG EINES INTEGRATIVEN MODELLS DER KRISENKOMMUNIKATION . 152 3.5 FORSCHUNGSÜBERBLICK UND HYPOTHESEN ........................................................ 160 3.6 RESÜMEE .............................................................................................................. 190
8
Inhaltsübersicht
4 METHODISCHES VORGEHEN ............................................................................ 192 4.1 UNTERSUCHUNGSDESIGN ..................................................................................... 193 4.2 GÜTEKRITERIEN QUANTITATIVER FORSCHUNG .................................................... 209 4.3 DATENAUSWERTUNG ............................................................................................ 221 4.4 RESÜMEE .............................................................................................................. 221 5 ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN ANALYSE ................................................. 223 5.1 SITUATIVE KRISENKOMMUNIKATION ................................................................... 223 5.2 INTEGRIERTE KRISENKOMMUNIKATION ............................................................... 254 5.3 STRATEGISCHE KOMMUNIKATION ........................................................................ 274 5.4 RESÜMEE .............................................................................................................. 299 6 IMPLIKATIONEN .................................................................................................... 304 6.1 FORSCHUNGSTHEORETISCHE IMPLIKATIONEN ...................................................... 305 6.2 IMPLIKATIONEN FÜR DAS KRISENKOMMUNIKATIONSMANAGEMENT .................... 313 6.3 RESÜMEE .............................................................................................................. 317 7 SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK .................................................... 319 7.1 ANNAHMEN UND GRENZEN DER STUDIE............................................................... 319 7.2 AUSBLICK ............................................................................................................. 322 TABELLENVERZEICHNIS........................................................................................... 325 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...................................................................................... 327 LITERATURVERZEICHNIS......................................................................................... 328
Inhaltsverzeichnis
1 EINFÜHRUNG ............................................................................................................ 15 1.1 PROBLEMSTELLUNG UND ÜBERBLICK .................................................................... 15 1.2 RELEVANTE FORSCHUNGSFELDER .......................................................................... 17 1.2.1 Forschungsentwicklung des Reputationsmanagements ............................... 18 1.2.2 Forschungslinien des Krisenmanagements .................................................. 19 1.3 FORSCHUNGSBEDARF ............................................................................................. 20 1.4 FORSCHUNGSFRAGEN UND METHODISCHES VORGEHEN ......................................... 21 1.4.1 Zielsetzung, Forschungsfragen und Analyseeinheit .................................... 21 1.4.2 Argumentationsaufbau der Arbeit ............................................................... 24 1.5 RESÜMEE ................................................................................................................ 25 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN ......................................................................... 26 2.1 REPUTATION ........................................................................................................... 27 2.1.1 Begriffliche Grundlagen .............................................................................. 27 2.1.1.1 Terminologische Eingrenzung und zentrale Merkmale von Reputation .... 27 2.1.1.2 Abgrenzung des Reputationsbegriffs .......................................................... 29
2.1.2 Theoretische Bezugspunkte zur Reputation ................................................ 36 2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.2.3 2.1.2.4
Reputation aus soziologischer Perspektive ................................................. 36 Reputation aus ökonomischer Perspektive ................................................. 37 Reputation aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive................ 40 Zusammenfassung: Theoretische Bezugspunkte zur Reputation ............... 41
2.1.3 Der Bezugsrahmen von Reputation für Organisationen .............................. 42 2.1.3.1 Reputation im Kontext der Mediengesellschaft .......................................... 43 2.1.3.2 Reputation im Stakeholderkontext .............................................................. 45 2.1.3.3 Reputation im Branchenkontext ................................................................. 47
2.1.4 Reputation als multidimensionales Konstrukt ............................................. 49 2.1.4.1 Messansätze von Reputation ....................................................................... 49 2.1.4.1.1 Perspektiven der Messbarkeit von Reputation .......................... 49 2.1.4.1.2 Finanzielle Messansätze ............................................................ 50 2.1.4.1.3 Inhaltliche Messansätze ............................................................ 51 2.1.4.2 Dimensionierung von Reputation ............................................................... 53 2.1.4.3 Zusammenfassung: Reputation als multidimensionales Konstrukt ............ 57
2.1.5 Zusammenfassung: Reputation im Kontext der Mediengesellschaft .......... 61
10
Inhaltsverzeichnis
2.2 KRISEN.................................................................................................................... 62 2.2.1 Begriffliche Grundlagen .............................................................................. 63 2.2.1.1 Terminologische Eingrenzung und zentrale Merkmale von Krisen ........... 63 2.2.1.2 Abgrenzung des Krisenbegriffs .................................................................. 67 2.2.1.3 Klassifikation von Krisen ........................................................................... 68 2.2.1.3.1 Klassifikation nach zeitlichen Kriterien .................................... 69 2.2.1.3.2 Klassifikation nach inhaltlichen Kriterien ................................ 71 2.2.1.3.3 Klassifikation in Bezug auf die Reputationsdimensionen ......... 74
2.2.2 Theoretische Bezugspunkte organisationaler Krisen ................................... 76 2.2.2.1 Krisen aus psychologischer Perspektive ..................................................... 76 2.2.2.2 Krisen aus wirtschaftswissenschaftliche Perspektive ................................. 78 2.2.2.3 Krisen aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive ...................... 81
2.2.3 Der Bezugsrahmen von Krisen für Organisationen ..................................... 82 2.2.3.1 Krisen im Kontext der Mediengesellschaft................................................. 82 2.2.3.2 Krisen im Branchenkontext ........................................................................ 83
2.2.4 Zusammenfassung: Krisen im Kontext der Mediengesellschaft ................. 84 2.3 KRISENKOMMUNIKATION ....................................................................................... 85 2.3.1 Begriffliche Grundlagen .............................................................................. 85 2.3.1.1 Terminologische Eingrenzung und zentrale Merkmale von Krisenkommunikation................................................................................. 85 2.3.1.2 Krisenkommunikation vor, während und nach der Krise ........................... 88 2.3.1.3 Dimensionierung von Krisenkommunikation ............................................. 89
2.3.2 Theoretische Bezugspunkte zur Krisenkommunikation .............................. 91 2.3.2.1 Situational Crisis Communication Theory (Coombs)................................. 92 2.3.2.2 Theorie öffentlichen Vertrauens (Bentele) ................................................. 95
2.3.3 Zusammenfassung: Krisenkommunikation im Kontext der Mediengesellschaft ...................................................................................... 97 2.4 REPUTATIONSKONSTITUTION DURCH KRISENKOMMUNIKATION ............................ 98 2.4.1 Krisen als Gefahr für die Reputation ........................................................... 98 2.4.2 Krisenkommunikation als Steuerungsinstrument von Reputation............. 103 2.4.2.1 Das Management von Reputation ............................................................. 103 2.4.2.2 Reputationsmanagement durch Krisenkommunikation ............................ 108
2.4.3 Vertrauenswürdigkeit als Einflussvariable von Krisenkommunikation .... 110 2.4.4 Zusammenfassung: Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation ............................................................................... 117 2.5 RESÜMEE .............................................................................................................. 120
Inhaltsverzeichnis
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3 DAS FORSCHUNGSKONZEPT – GRUNDLEGUNG EINES INTEGRATIVEN MODELLS DER KRISENKOMMUNIKATION .................. 122 3.1 FORMULIERUNG DER VORANNAHMEN: DER THEORETISCHE BEZUGSRAHMEN ..... 122 3.2 DIE STRUKTURATIONSTHEORIE NACH GIDDENS ................................................... 123 3.2.1 Grundzüge der Strukturationstheorie ......................................................... 124 3.2.1.1 3.2.1.2 3.2.1.3 3.2.1.4
Reflexivität und Rekursivität .................................................................... 124 Handeln und Handelnde ............................................................................ 126 Struktur ..................................................................................................... 128 Die Dualität von Struktur und die Dimensionen des Sozialen ................. 129
3.2.2 (Kommunikatives) Organisationshandeln als Prozess reflexiver Strukturen................................................................................................... 131 3.2.2.1 Strukturationstheoretischer Organisationsbegriff ..................................... 132 3.2.2.2 Die Kommunikationsfunktion von Organisationen .................................. 134
3.2.3 Die Strukturationstheorie und empirische Forschung ............................... 135 3.2.4 Grenzen und Kritik .................................................................................... 136 3.3 DIE ABLEITUNG DES BEZUGSRAHMENS: STRUKTURATIONSTHEORETISCHE MODELLIERUNG VON KRISENKOMMUNIKATION ................................................... 138 3.3.1 Reputation, Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit im Blickfeld der Strukturationstheorie .................................................................................. 139 3.3.2 Krisen im Blickfeld der Strukturationstheorie ........................................... 141 3.3.3 Krisenkommunikation im Spannungsfeld von Dualität und Rekursivität . 147 3.4 GRUNDLEGUNG EINES INTEGRATIVEN MODELLS DER KRISENKOMMUNIKATION . 152 3.4.1 Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen ..................................... 152 3.4.2 Zusammenfassung des strukturationstheoretischen Bezugsrahmens ........ 154 3.4.3 Integratives Modell zur Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation ............................................................................... 155 3.5 FORSCHUNGSÜBERBLICK UND HYPOTHESEN ........................................................ 160 3.5.1 Postulat der situativen Krisenkommunikation: Die Botschaftsebene ........ 162 3.5.1.1 Die Antwortstrategie der Übereinkunft .................................................... 163 3.5.1.2 Die Strategie aktiver Krisenkommunikation ............................................ 167
3.5.2 Postulat der integrierten Krisenkommunikation: Die Organisationsebene 170 3.5.2.1 Kommunikative Integrität ......................................................................... 171 3.5.2.2 Beleg der Krisenkompetenz ...................................................................... 174
3.5.3 Postulat der strategischen Krisenkommunikation: Die gesellsch. Ebene .. 176 3.5.3.1 Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung ........................ 178 3.5.3.2 Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung ............................ 183
3.5.4 Weitere Einflussfaktoren auf den Erhalt von Reputation in Krisen .......... 186 3.5.5 Zusammenfassende Darstellung der Hypothesen ...................................... 189 3.6 RESÜMEE .............................................................................................................. 190
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Inhaltsverzeichnis
4 METHODISCHES VORGEHEN ............................................................................ 192 4.1 UNTERSUCHUNGSDESIGN ..................................................................................... 193 4.1.1 Grundlegung .............................................................................................. 193 4.1.2 Die experimentelle Versuchsanordnung .................................................... 194 4.1.3 Herleitung der Hypothesentests und Pretests............................................. 196 4.1.3.1 Die unabhängigen Variablen..................................................................... 199 4.1.3.1.1 Das Stimulusmaterial .............................................................. 199 4.1.3.1.2 Organisations- und Krisentypen ............................................. 201 4.1.3.1.3 Krisenkommunikationsstrategien ............................................ 202 4.1.3.2 Die abhängigen Variablen......................................................................... 203 4.1.3.2.1 Entwicklung der Vertrauenswürdigkeitskonstrukte ................ 203 4.1.3.2.2 Fragebogenentwicklung .......................................................... 205
4.1.4 Versuchseinheiten und Referenzraum der Studie ...................................... 207 4.1.5 Ablauf der Experimente ............................................................................. 208 4.2 GÜTEKRITERIEN QUANTITATIVER FORSCHUNG .................................................... 209 4.2.1 Experiment ................................................................................................. 210 4.2.1.1 Manipulationsüberprüfung ........................................................................ 210 4.2.1.2 Interne Validität ........................................................................................ 215 4.2.1.3 Externe Validität ....................................................................................... 216
4.2.2 Fragebogen................................................................................................. 217 4.2.2.1 Validität..................................................................................................... 217 4.2.2.2 Reliabilität ................................................................................................. 217
4.2.3 Grenzen und Methodenkritik ..................................................................... 218 4.3 DATENAUSWERTUNG ............................................................................................ 221 4.4 RESÜMEE .............................................................................................................. 221 5 ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN ANALYSE ................................................. 223 5.1 SITUATIVE KRISENKOMMUNIKATION ................................................................... 223 5.1.1 Strategie der Übereinkunft ......................................................................... 224 5.1.1.1 5.1.1.2 5.1.1.3 5.1.1.4 5.1.1.5 5.1.1.6
Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit .......................... 224 Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit ......... 225 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps .............................. 232 Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps .......................................... 235 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps .......... 236 Qualifizierung ........................................................................................... 237
5.1.2.1 5.1.2.2 5.1.2.3 5.1.2.4 5.1.2.5 5.1.2.6
Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit .......................... 239 Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit ......... 242 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps .............................. 244 Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps .......................................... 246 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps .......... 247 Qualifizierung ........................................................................................... 250
5.1.2 Aktive Kommunikation ............................................................................. 239
5.1.3 Zusammenfassung ..................................................................................... 252
Inhaltsverzeichnis
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5.2 INTEGRIERTE KRISENKOMMUNIKATION ............................................................... 254 5.2.1 Kommunikative Disintegrität .................................................................... 255 5.2.1.1 5.2.1.2 5.2.1.3 5.2.1.4 5.2.1.5 5.2.1.6
Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit .......................... 255 Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit ......... 257 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps .............................. 259 Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps .......................................... 259 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps .......... 260 Qualifizierung ........................................................................................... 261
5.2.2.1 5.2.2.2 5.2.2.3 5.2.2.4 5.2.2.5
Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit .......................... 264 Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit ......... 265 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps .............................. 267 Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps .......................................... 268 Qualifizierung ........................................................................................... 270
5.2.2 Mangelnder Beleg von Krisenkompetenz .................................................. 264
5.2.3 Zusammenfassung ..................................................................................... 272 5.3 STRATEGISCHE KOMMUNIKATION ........................................................................ 274 5.3.1 Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung ........................ 275 5.3.1.1 5.3.1.2 5.3.1.3 5.3.1.4 5.3.1.5
Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit .......................... 275 Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit ......... 277 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps .............................. 280 Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps .......................................... 280 Qualifizierung ........................................................................................... 282
5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.3.2.4 5.3.2.5 5.3.2.6
Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit .......................... 284 Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit ......... 285 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps .............................. 288 Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps .......................................... 288 Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps .......... 290 Qualifizierung ........................................................................................... 292
5.3.2 Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung ............................ 284
5.3.3 Der Zusammenhang zwischen unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung .............................................................. 294 5.3.3.1 Der Zusammenhang in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit 294 5.3.3.2 Der Zusammenhang differenziert nach weiteren Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit ................................................................................ 296
5.3.4 Zusammenfassung ..................................................................................... 298 5.4 RESÜMEE .............................................................................................................. 299
14
Inhaltsverzeichnis
6 IMPLIKATIONEN .................................................................................................... 304 6.1 FORSCHUNGSTHEORETISCHE IMPLIKATIONEN ...................................................... 305 6.1.1 Implikationen für das integrative Modell der Krisenkommunikation ....... 305 6.1.2 Implikationen für die Klassifikation von Krisensituationen ...................... 306 6.1.3 Implikationen für die empirische Krisenkommunikationsforschung ........ 308 6.1.4 Implikationen für die Strukturationstheorie ............................................... 309 6.2 IMPLIKATIONEN FÜR DAS KRISENKOMMUNIKATIONSMANAGEMENT .................... 313 6.3 RESÜMEE .............................................................................................................. 317 7 SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK .................................................... 319 7.1 ANNAHMEN UND GRENZEN DER STUDIE............................................................... 319 7.2 AUSBLICK ............................................................................................................. 322 TABELLENVERZEICHNIS........................................................................................... 325
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...................................................................................... 327 LITERATURVERZEICHNIS......................................................................................... 328
1
Einführung
1.1
Problemstellung und Überblick
Krisen treten bei einer Vielzahl von Organisationen1 auf und können verheerende Folgen nach sich ziehen: den Verlust eines über Jahre aufgebauten guten Rufs, den Schwund von Mitgliedern und Kunden, finanzielle Einbußen an den Kapitalmärkten, die Liste ließe sich beliebig fortführen (vgl. Ingenhoff, 2004, S. 15). Der Grund für die steigende Bedeutung von Krisen und deren Folgen lässt sich aus mehreren Perspektiven charakterisieren. Einerseits tragen sich verändernde mediale Rahmenbedingungen und die sich für Organisationen unmittelbar daraus ergebenen Folgen zur steigenden Relevanz bei. Akteure müssen sich im Umfeld einer sich ausdifferenzierenden Medien- und Informationsgesellschaft und im Sinne einer Aufmerksamkeitsökonomie verstärkt dem Angebot konkurrierender Botschaften um Vertrauen und Anerkennung stellen (vgl. Eisenegger, 2005, S. 35). So agieren Wirtschaftsunternehmen beispielsweise nicht mehr nur auf dem Absatz-, Kapital-, Arbeits- oder dem politischen Meinungsmarkt, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch auf dem Markt öffentlicher Meinung (vgl. Dyllick, 1989). Dies gilt gleichermaßen für politische und Nicht-Regierungs-Organisationen (vgl. Boyer, 1997, S. 481; Sacrinelli, 1998, S. 678). Die Bedingungen zunehmender Komplexität und knapper Aufmerksamkeit haben Konsequenzen für die Wahrnehmung von Organisationen bei zentralen Stakeholdern2. Positiv formuliert bietet die mediale Arena eine Plattform, Informationen einem dispersen Publikum koordiniert und zeitnah zu präsentieren (vgl. Argenti & Forman, 2002, S. 12). Umgekehrt hat sich jedoch die Anzahl der Berichte über Unternehmenskrisen in der USAmerikanischen Wirtschaftsberichterstattung in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt (vgl. hierzu auch Eisenegger, 2005, S. 92; vgl. ICM, 2008, S. 1). Damit wird die Einflussnahme auf die öffentliche Wahrnehmung krisenbezogener Themen zur zentralen Herausforderung von Kommunikationsverantwortlichen (vgl. Sapriel, 2002, S. 5; Sturges, 1994a, S. 298). Gleichzeitig verändern neue Informations- und Kommunikationstechnologien den Austausch von Informationen zwischen den Akteuren selbst. So spielt beispielsweise das Internet als hybrides Medium in Krisen eine immer stärkere Rolle (vgl. Clark & Moreland, 2003; Yang, Kang, & Johnson, 2010). Grundsätzlich unterschieden werden kann dabei zwischen einer PR-strategischen Nutzung des Internets in Krisensituationen und dem Mobilisierungspotenzial des Mediums von Interessen geleiteten Gruppierungen vor und in Krisen. Während ersteres bisher trotz seiner Relevanz noch kaum systematisch Einzug in un1
2
Organisation wird unabhängig verwendet für Wirtschaftsunternehmen, politische Parteien, Interessensverbände, Non-Profit-Organisationen und Non-Governmental-Organisationen. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt jedoch auf Profit- und Non-Profit-Organisationen. Der Begriff Stakeholder bezeichnet Gruppen oder Individuen, die Ansprüche gegenüber Organisationen geltend machen oder von Leistungen der Organisationen betroffen sind (vgl. Freeman, 1984, S. 52). Die Begriffe Stakeholder und Anspruchsgruppen werden in dieser Arbeit synonym verwendet.
A. Thießen, Organisationskommunikation in Krisen, DOI 10.1007/978-3-531-93372-6_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
16
1 Einführung
ternehmerisches Krisenmanagement erhalten hat (vgl. Köhler, 2006, S. 365), gewinnt die vergleichsweise einfache und themenspezifische Mobilisierung von Interessensgruppen stark an Bedeutung (vgl. Bauhofer, 2004, S. 34; Emmer, 2005). Stakeholder vernetzen sich spontan und können als Teil der Medienarena ihre Anliegen global und binnen kürzester Zeit artikulieren (vgl. Tucker & Melewar, 2005, S. 377). Damit haben sie in Krisen nicht nur die Möglichkeit, ihre Stimme zu erheben, sondern können gleichzeitig auch ihr Auslöser sein. Der Bedeutungszuwachs von Krisen lässt sich andererseits anhand der Veränderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen aufzeigen. Organisationen werden zunehmend als soziale Akteure wahrgenommen und damit nicht mehr nur unter rein quantifizierbaren Gesichtspunkten bewertet (vgl. Glotz, 2001; Imhof & Eisenegger, S. 259). Dieser Wandel bedingt, dass immaterielle Werte an Aussagekraft gewinnen, um sich einerseits vom Wettbewerb abzugrenzen und andererseits organisationales Handeln zu legitimieren (vgl. Ingenhoff, 2004, S. 19). Bereits in den 90er Jahren konnte Hall zeigen, dass die Reputation von Wirtschaftsunternehmen einen entscheidenden strategischen Wert für erfolgreiches (Kommunikations-) Management darstellt (vgl. hierzu auch Fombrun, 2000; Hall, 1992, S. 135). Ökonomischer Erfolg ist damit nicht mehr alleiniges Merkmal solider Unternehmenskennzahlen, sondern wird maßgeblich beeinflusst durch Markenwerte, Mitarbeiterzufriedenheit oder Unternehmensreputation (vgl. Deephouse, 2000). Es ist vor allem die öffentliche Kommunikation der Mediengesellschaft, die den Aufbau von Reputation ermöglicht. Reputation als partikulares soziales Gut ist die Bewertung einer Organisation durch ihre zentralen Anspruchsgruppen im Hinblick auf ihre Aktivitäten, Wertschätzung und Wissen (vgl. Fombrun & Shanley, 1990, S. 233). Sie erwächst entweder aus konkreten Handlungen zwischen Organisationen und ihren Anspruchsgruppen (Interaktion), oder Informationen über ebendiese (Informationen von und über Organisationen) und ist somit ein immaterieller Wert, der einer Organisation direkt zugeordnet wird (vgl. Hall, 1992). Die Bildung von Reputation setzt zwar Vermittlungsprozesse einer Wertschätzung an unbekannte Dritte voraus (vgl. Eisenegger, 2005, S. 21) sie beschränkt sich jedoch nicht auf eine rein persönliche Weitergabe (wie z.B. beim Aufbau eines Images3). Erst die öffentliche Kommunikation ermöglicht eine umfassende Wahrnehmung, die zur Bildung von Reputation beiträgt (vgl. ebd., S. 21; Fombrun & van Riel, 2004). Krisen stellen ein immenses Risiko dar, Reputation als zentralen Unternehmenswerttreiber zu zerstören (vgl. Coombs, 2002, S. 340; Forstmoser & Herger, 2006, S. 414; Pearson & Mitroff, 1993, S. 48; Rayner, 2003, S. 15; Weiner, 2006, S. 1). Eine Krise ist eine Situation, die eine Organisation in ihrem „eingelebten Anspruchsniveau“ (Luhmann, 1970, S. 12) nachhaltig bedroht (vgl. ebd., S. 12; Coombs, 1999c). Unabhängig davon, ob sie plötzlich oder schleichend auftreten (vgl. Beger, Gärtner, & Mathes, 1989, S. 155), weisen Krisen ein hohes Maß an Komplexität und Unsicherheit auf, so dass ihr Ausgang meist nicht vorhersehbar ist (vgl. Krystek, 1987). Dies hat zur Konsequenz, dass Krisen durch hohen Handlungsdruck (vgl. T. Roach, 2004, S. 12) ein Informationsinteresse der beteiligten Akteure, der Öffentlichkeit und vor allem der Medien hervorrufen (vgl. Baumgärtner, 2005, S. 20). Die Wahrnehmung von Krisen ist dabei in der Regel negativ (vgl. Möhrle & Fasse, 2002, S. 81; Scherler, 1996, S. 1), weil zentrale Erwartungen der Stakeholder nicht erfüllt werden (vgl. Rayner, 2003, S. 194). Gelingt es Organisationen nicht, dieses Un3
Zur Abgrenzung der Begriffe Image und Reputation vgl. Kapitel 2.1.1.2.
1.2 Relevante Forschungsfelder
17
gleichgewicht binnen kürzester Zeit wieder herzustellen, führen Krisen zu einem nachhaltigen Verlust von Reputation (vgl. Argenti & Forman, 2002, S. 88; Barton, 2001; Coombs, 2006c; Dowling, 2002; D. Weiner, 2006, S. 1). Kommunikation spielt in Krisen damit eine zentrale Rolle für den Erhalt oder Aufbau von Reputation. Wird ihr strategischer Wert nicht erkannt, stellt sie sogar selbst eine Gefahr dar und kann Reputation negativ beeinflussen (vgl. Seeger, Sellnow, & Ulmer, 2003, S. 65). Deshalb gilt es, Krisenkommunikation als Reputationstreiber zu verstehen (vgl. Barton, 2001; Benoit, 1995; Rayner, 2003, S. 14) und den Einfluss mittels empirisch analytischer Methoden differenziert zu untersuchen. Den inhaltlichen Bezugsrahmen liefert zunächst die Situational Crisis Communication Theory (SCCT) nach Coombs (1996, 2002), die einen Zusammenhang zwischen Krisenkommunikation und Reputation postuliert (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1: Modellvariablen der Situational Crisis Communication Theory
(i.A.a. Coombs & Holladay, 2002, S. 168) Während bisherige Studien jedoch vor allem die Beziehung von persönlichem Einfluss (vgl. Coombs & Holladay, 2002), Ausmaß (vgl. Coombs & Holladay, 1996) und vergangener Leistung (vgl. Coombs, 2004) auf Krisenverantwortlichkeit untersuchen, ist Ziel der vorliegenden Arbeit, explizit den Zusammenhang zwischen Krisenkommunikationsstrategien und organisationsbezogener Reputation aufzuzeigen. Dafür gilt es zunächst, die relevanten Forschungsfelder der Arbeit vorzustellen. 1.2
Relevante Forschungsfelder
Die zugrunde liegenden Begriffe, Zusammenhänge und Modelle werden aus zwei Forschungsperspektiven entwickelt: Sowohl die Perspektive der Reputationsforschung als auch
18
1 Einführung
die Perspektive der Krisenkommunikationsforschung sind Grundlage für den theoretischen wie empirischen Bezugsrahmen (vgl. Kapitel 1.4.1). Der folgende Forschungsüberblick aus beiden Bereichen soll daher zunächst die Grundlage liefern für die Darlegung des Forschungsbedarfs der vorliegenden Arbeit (vgl. Kapitel 1.3). 1.2.1
Forschungsentwicklung des Reputationsmanagements
Aus theoretischer Sicht bieten neben grundlegenden Arbeiten von Fombrun & Shanley (1990) vor allem auch neuere Studien von Gaultier-Gaillard & Louisot (2006), Rayner (2003), Lyon & Cameron (2004) und Tucker & Melewar (2005) Ansatzpunkte für eine Diskussion von Reputation im Zusammenhang mit Krisenkommunikation. So untersuchen Fombrun & Shanley (1990) den Einfluss von marktrelevanten Signalen auf die Reputationsbildung bei Stakeholdern. Sie weisen nach, dass organisationsbezogene Anspruchsgruppen ihre Einstellung zu Unternehmen anhand einer Vielzahl von Marktinformationen, Medienberichten und nicht marktbezogenen Daten formen. Ihre Analyse der Rolle der Medien bleibt jedoch nur grundlegend betrachtet und widerspricht zudem in Teilen späteren Studien von Deephouse (2000) oder Herger (2006). Dennoch zeigen die Autoren erstmalig den Bedarf auf, einerseits kurzfristige Einflussfaktoren und andererseits die Rolle von Krisen in Untersuchungen über die Bildung von Reputation mit einzubeziehen. Einen Überblick der Risikofaktoren für Reputation aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht geben Gaultier-Gaillard & Louisot (2006). Sie stellen die Hypothese auf, dass Organisationen im Hinblick auf ihre Reputation am stärksten verwundbar sind, wenn eine Krise ihr Kerngeschäft bedroht. Umgekehrt birgt ein Angriff außerhalb dessen große Chancen für einen nachhaltigen Aufbau von Reputation. Sie stellen Krisenkommunikation als einen die Reputation beeinflussenden Faktor dar, bleiben jedoch einer empirischen Überprüfung ihrer Hypothese schuldig. Rayner (2003) zeigt ähnlich wie Gaultier-Gaillard & Louisot aus unternehmenspraktischer Sicht, dass einer von unterschiedlichen Reputation bildenden Faktoren Krisenkommunikation sein kann. In seiner ganzheitlichen Betrachtung von Reputationsaufbau nimmt Krisenkommunikation neben Reputationstreibern wie sozialer Verantwortung oder Unternehmenskennzahlen einen gleichen Stellenwert ein. In ihrer Ausführung fehlt es jedoch vor allem an einer schlüssigen Abgrenzung der insgesamt sieben Reputationsfaktoren und bedarf daher einer weitergehenden Überprüfung. Lyon & Cameron (2004) unternehmen schließlich den Versuch, Reputation und kommunikative Strategien in Krisen zusammenzuführen. Sie unterstellen einen Zusammenhang zwischen Reputation und der Krisenkommunikationsstrategie „Entschuldigung“ und konnten zeigen, dass Teilnehmer ihrer Experimentalstudie nicht in Unternehmen investieren, denen eine schlechte Reputation zugesprochen wird. Damit weisen sie nach, dass Reputation durchaus kurz- und langfristig einen Effekt auf die Perzeption von Unternehmen hat. Die Autoren differenzieren in ihrer Analyse allerdings nicht zwischen verschiedenen Krisenkommunikationsstrategien und lassen somit den Zusammenhang zu weiteren Strategien weitestgehend offen. Die Arbeit von Tucker & Melewar (2005), die Reputation aus der Sicht des Krisenmanagements betrachten, weist die fundamentale Gefahr von Krisen für die Reputation von Organisationen nach (vgl. hierzu auch D. Weiner, 2006, S. 1). Sie fordern ähnlich wie Lyon
1.2 Relevante Forschungsfelder
19
& Cameron daher eine Verknüpfung von Reputationsmanagement und Krisenkommunikationsstrategien und gehen davon aus, dass Reputation einerseits ein Faktor für und andererseits eine Konsequenz aus Krisenkommunikation ist. Obwohl sie konstatieren, dass ein erfolgreiches Krisenmanagement eine Reputationssteigerung ermöglicht, lassen sie den Leser durch ihren Untersuchungsfokus auf externe Stakeholdergruppen mit dieser Aussage alleine und führen den aufgezeigten Zusammenhang nicht weiter aus. Zentrale Hinweise für die Reputationskonstitution in Krisen liefern schließlich Ingenhoff & Sommer (2007, 2010), indem sie den Zusammenhang zwischen Reputation, Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit differenziert aufzeigen. In ihrem Modell der Reputationskonstitution gehen sie auf funktionale, soziale und emotionale Elemente der Reputationskonstitution ein und präsentiere damit einen mehrdimensionalen Ansatz für die Beschreibung der Reputationskonstitution. Ihre theoretischen Annahmen werden empirisch getestet, jedoch bislang nicht auf das Themenfeld der Krisenkommunikation übertragen. 1.2.2
Forschungslinien des Krisenmanagements
Die theoretische Auseinandersetzung zur Krisenkommunikation ist geprägt durch eine fallstudienartige Analyse von politischen und unternehmerischen Krisen, um deren Bedingungen, Strukturen und Auswirkungen darzustellen (vgl. Töpfer, 2006, S. 366). Inhaltlich lassen sie sich in erster Linie in kriegerische Auseinandersetzungen einerseits und Unternehmenskrisen andererseits klassifizieren (vgl. Löffelholz & Schwarz, 2008, S. 23). Grundsätzlich können Fallstudien zwar hilfreich sein, Bedingungen und Prozesse von Krisenkommunikation zu beschreiben und zu verstehen, da auch sie ein soziales und beobachtbares Konstrukt sind (vgl. Kohring, Görke, & Ruhrmann, 1996). Schwierig ist dennoch durch den Mangel an komparativen Ansätzen, verallgemeinerbare Zusammenhänge zu identifizieren oder daraus gar grundsätzliche Managementstrategien abzuleiten (vgl. hierzu auch Kunczik, Heintzel, & Zipfel, 1995, S. 13). Dies schlägt sich entsprechend in der wissenschaftlichen Literatur nieder, in der krisenkommunikationsimmanente Theorieansätze kaum zu finden sind. Für die vorliegende Arbeit sind aus theoretischer Sicht daher vor allem die Arbeiten von Benoit (1997), Coombs & Holladay (2002) und Coombs (2006) von Bedeutung. Eine der ersten wichtigen Studien, die Krisenkommunikation mit dem Verlust eines Unternehmensimages4 in Verbindung bringt ist die von Benoit (1997). Er überträgt die image restauration theory auf Krisensituationen und zeigt theoretisch auf, wie kommunikative Strategien dazu beitragen können, ein langfristig verankertes Image in Krisen nicht zu gefährden. Auch wenn er seine Annahmen nicht auf Reputation bezieht und eine empirische Überprüfung schuldig bleibt, zeigt er durch seine theoretische Modellierung erstmals, dass diversifizierte Kommunikationsstrategien Auswirkungen auf die Meinungsbildung über Organisationen haben. Seine Arbeit ist zugleich die Grundlage zahlreicher Folgestudien, insbesondere zu situativen Krisenkommunikationsansätzen (vgl. An & I-Huei, 2010; Coombs, 1999c; Fediuk, Pace, & Botero, 2010; A. Schwarz, 2008). Die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Krisenverantwortung und Organisationsreputation unter Krisenbedingungen stellen erstmalig Coombs & Holladay (2002). 4
Zur Abgrenzung von Reputation und Image vgl. Kapitel 2.1.1.2.
20
1 Einführung
Krisenkommunikationsverantwortliche, so die Autoren, müssen ihre Strategien an dem potenziellen Ausmaß des reputativen Schaden ausrichten. Auch wenn ihre Ergebnisse die Hypothese bestätigen, dass eine zugesprochene Reputation bei stark attribuierter Krisenverantwortlichkeit negativ ausfällt, so bleiben dennoch viele Fragen offen. Weder konnten sie zeigen, welche Strategien im einzelnen mit welcher Wirkung auf die Bildung von (negativer) Reputation Einfluss nehmen, noch verfolgen sie eine differenzierte Betrachtung des Konstrukts Reputation. Eine Verbindung von Krisenkommunikationsstrategien zu Stakeholdern schlägt schließlich Coombs (2006b) vor und weist nach, dass kommunikative Strategien in Krisen von Stakeholdern tatsächlich erkannt werden. Durch den Fokus seiner Studie ist es ihm allerdings nicht gelungen, elaborierte Schlussfolgerungen auch für den Erhalt oder Aufbau von Reputation zu ziehen – eine Prämisse, die damit bislang nur rudimentär ins Blickfeld einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung gerückt ist. 1.3
Forschungsbedarf
Die vorliegende Studie greift Erkenntnisdefizite aus wissenschaftlicher und organisationspraktischer Perspektive auf. So fehlt aus wissenschaftlicher Sicht die Einbettung von Krisenkommunikation in einen theoriebasierten Bezugsrahmen, der gleichsam eine Verankerung in ein langfristiges Reputationsmanagement mit einbezieht. Insbesondere im deutschsprachigen Raum existieren kaum Forschungsarbeiten, die eine krisenimmanente Theoriebildung vorsehen. Studien im angloamerikanischen Sprachraum setzen sich hingegen durchaus mit theoriegeleiteter Krisenkommunikation auseinander. Inwieweit diese Konzepte jedoch auf den deutschsprachigen Raum übertragbar sind, bleibt es zu klären. Auffallend in beiden Sprachräumen ist vor allem die dominierende Praktikerliteratur. Wissenschaftliche Arbeiten bearbeiten das Thema fast ausschließlich fallstudienartig und damit wenig elaboriert (vgl. Löffelholz, 2004, S. 45; Shrivastava, 1987, S. 2). Krisenübergreifende Forschung, die versucht eine komparative Herangehensweise zu verfolgen, gibt es kaum. Diese Desiderata haben zur Konsequenz, dass es der Forschungsdisziplin an einer theoriegeleiteten und vor allem systematischen Aufarbeitung weitestgehend fehlt (vgl. ebd., S. 47 sowie Hauschildt, 2006, S. 28). Der Forschungsbedarf für die vorliegende Arbeit und damit das primäre Ziel einer notwendigen empirischen Überprüfung lässt sich aus Richtungen aufzeigen. Die zu schließende Forschungslücke formulieren Ruth & York für wirtschaftliche Organisationen: „While companies recognize the need to manage their reputation, academia has been slow to provide theory-based guidance on how firms should do this, particularly with respect to problem areas of their business activities” (Ruth & York, 2000, S. 14).
Dies lässt sich gleichermaßen auf Organisationen jedweder Art übertragen und so gilt es (1) dem derzeitigen Mangel an empirischer Forschung entgegenzuwirken, Krisenkommunikation als einen Einflussfaktor zur Bildung von Reputation systematisch zu erfassen (vgl. Fombrun & Shanley, 1990, S. 255; Tucker & Melewar, 2005, S. 385). Daran schließt sich (2) die Erkenntnis an, das Forschungsfeld Krisenkommunikation weitergehend zu untersuchen und der Stakeholderperspektive gegenüberzustellen. Denn welche Wirkung die Einflüsse von Krisenkommunikationsstrategien auf die Bildung von Reputation bei zentralen Stakeholdergruppen haben, bleibt bislang ebenfalls weitestgehend offen.
1.4 Forschungsfragen und methodisches Vorgehen
21
„Empirical research exploring the drivers of reputation among specific categories of stakeholders, however, is still scare” (Gabbioneta, Ravasi, & Mazzola, 2007, S. 99; vgl. hierzu auch Coombs & Holladay, 2002, S. 182).
Die Relevanz aus organisationspraktischer Sicht leitet sich aus der Tatsache ab, dass Organisationen durch falsche Kommunikations- bzw. Managementstrategien in Krisen ihre Reputation auf Jahrzehnte zerstören können (vgl. Eisenegger & Langen, 2005, S. 3; D. Weiner, 2006, S. 1). Die Arbeit greift damit ein Thema auf, dass auch für PR-Entscheider stark an Bedeutung gewinnt. In einer explorativen Studie der Universität Leipzig nennen PR-Verantwortliche den Aufbau und Erhalt von Vertrauen durch authentische Kommunikation als eines der wichtigsten Ziele für die kommenden Jahre (vgl. Zerfaß & Buchele, 2008, S. 10). Die zentralen Herausforderungen liegen im Einfluss von Kommunikation auf die Bildung von Reputation, der kommunikativen Steuerung von Stakeholder-Meinungen sowie der Vermeidung von Krisen (vgl. ebd.: 21). 1.4
Forschungsfragen und methodisches Vorgehen
1.4.1
Zielsetzung, Forschungsfragen und Analyseeinheit
Die Arbeit greift durch ein theoriegeleitetes und empiriegestütztes Vorgehen die aufgezeigten Defizite auf und liefert so einen wichtigen Beitrag sowohl für die Krisenkommunikations- wie auch die Reputationsforschung. Als Ergebnis des Forschungsprozesses lassen sich gleichzeitig aber auch praxisrelevante Schlussfolgerungen für die strategische Krisenkommunikation sowie das (kommunikative) Reputationsmanagement ziehen. Vor dem Hintergrund des skizzierten Forschungsbedarfs verfolgt die Arbeit das Ziel, a)
einen Bezugsrahmen zur konzeptionellen Einordnung kommunikativer Strategien in Krisen in die Formen organisationsbezogener Reputation zu entwickeln,
b) den Zusammenhang zwischen Krisenkommunikationsstrategien und dem Aufbau und Erhalt von Reputation in Krisen differenziert aufzuzeigen, um anschließend c)
Gestaltungsmerkmale kommunikativer Strategien in Krisen zum langfristigen Erhalt oder sogar Aufbau organisationsbezogener Reputation in und nach Krisen zu formulieren.
Zur Erreichung dieser Ziele gilt es, die Perspektiven der Krisenkommunikations- sowie der Reputationsforschung gleichermaßen mit einzubeziehen. Aus Sicht der Krisenkommunikationsforschung liegt der Fokus auf der Interpretation der Krisensituation sowie der Entscheidung für eine angemessene Krisenkommunikationsstrategie. Aus der Perspektive der Reputationsforschung steht die Frage nach dem Erfolg der gewählten Strategie im Hinblick auf den Erhalt der Reputation bei zentralen Stakeholdern im Zentrum der Betrachtung. Beide Perspektiven sollen wissenschaftlich fundierte Vorschläge für eine unternehmenspraktische Gestaltung generieren. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Entscheidungsfindung und Auswahl einer angemessenen Kommunikationsstrategie in Krisen. Im Zentrum der Untersuchung steht damit die folgende Hauptforschungsfrage:
22
1 Einführung
Welchen Einfluss haben kommunikative Strategien in Krisen auf den Erhalt oder die Bildung von Reputation? Die Forschungsfrage wird auf der Grundlage der Literatur in den Bereichen Krisenkommunikations- und Reputationsforschung sowie der Durchführung einer empirischen Studie erarbeitet. Sie lässt sich in fünf Schritten und damit anhand der folgenden Teilforschungsfragen operationalisieren. Im ersten Schritt gilt es, den Zusammenhang zwischen organisationalen Krisen und den Formen von Reputation herzustellen. Dies ist notwendig, um anschließend den Bezug zwischen Krisenkommunikation und Reputation aufzeigen zu können. Ziel ist, eine Typologie zu formulieren, die Krisensituationen in Bezug auf ihren möglichen Schaden für eine bestimmte Reputationsform gruppiert. Die erste Fragestellung lautet somit: (1) Anhand welcher Merkmale lassen sich organisationale Krisen als Gefahr für organisationale Reputation klassifizieren? Die Klassifikation von Krisen ist die Grundlage für die Wahl einer geeigneten Kommunikationsstrategie. Im zweiten Schritt gilt es nun den Wirkungsbereich von Krisenkommunikation in Bezug auf die Reputationskonstitution zu klären. (2) Wie kann Krisenkommunikation kurzfristig dazu beitragen, sich langfristig bildende Reputation zu schützen oder zu konstituieren? Um dies zu zeigen, werden die Konzepte der Vertrauenswürdigkeit, Reputation und Vertrauen miteinander in Beziehung gesetzt und der Wirkungsbereich von Krisenkommunikation diskutiert. Mit der Klassifikation von Krisen und dem Aufzeigen des Prozesses der Reputationskonstitution wurde ein wesentlicher (deskriptiver) Teil der Arbeit erreicht. Aufbauend auf diesen Überlegungen ist es anschließend möglich, die theoretische Grundlegung der Arbeit zu entwickeln. (3) Wie lässt sich Krisenkommunikation in einem Modell differenziert als Instrument organisationaler Reputationskonstitution darstellen? Für die theoretische Grundlegung wird auf wesentliche Annahmen aus der Strukturationstheorie (vgl. Giddens, 1984) Bezug genommen und Krisenkommunikation auf einer situativen, integrierten und strategischen Ebene modelliert. Damit wird der Versuch unternommen, Krisenkommunikation einen theoretisch fundierten Bezugsrahmen zu geben, der sich aus den Überlegungen einer sozialtheoretischen Grundsatztheorie orientiert. Dieser gibt gleichzeitig die Struktur für die empirische Studie vor.
1.4 Forschungsfragen und methodisches Vorgehen
23
Forschungslogisch stellt sich nun die Frage nach der Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien. Die empirische Analyse soll daher im nächsten Schritt Auskunft darüber geben, welche Wirkung Krisenkommunikation auf den modellierten Ebenen in Bezug auf organisationale, funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit entfaltet. Die Fragestellung für den empirischen Teil der Arbeit lautet somit: (4) Welche Wirkung entfaltet situative, integrierte und strategische Krisenkommunikation in Bezug auf Vertrauenswürdigkeit und Reputation? Durch ein Experimentaldesign lassen sich empirisch Wirkungszusammenhänge zwischen Krisenkommunikationsstrategien und deren Auswirkung auf Vertrauenswürdigkeit und Reputation mehrdimensional und differenziert zeigen. Hierfür werden die Kommunikationsstrategien in Abhängigkeit des Krisentyps (Profit- und Non-Profit-Organisation) Die Ergebnisse sind abschließend die Grundlage für die (normative) Identifikation und Diskussion von Erfolgsfaktoren für den Erhalt oder Aufbau von Reputation durch kommunikative Strategien in Krisen. Im Transfer der Arbeit soll sich daher auseinandergesetzt werden mit der Frage: (5) Wie lassen sich die Erkenntnisse in forschungstheoretische und praxisrelevante Implikationen überführen? Sowohl die inhaltliche Ausrichtung als auch die Erkenntnisse aus der empirischen Überprüfung müssen an dieser Stelle gleichsam eingegrenzt werden, um den Referenzraum der Studie klar zu umreißen.
Die Arbeit bezieht sich weder auf die Zeit vor einer Krise, bei dem es in erster Linie um einen langfristigen Reputationsaufbau sowie ein systematisches Issues Management geht (vgl. Ingenhoff, 2004, S. 131; Sapriel, 2007a, S. 26; Seeger, et al., 2003, S. 83 ff.), noch wird der Zeitraum nach einer Krise näher untersucht, bei dem vor allem langfristige Lernprozesse im Vordergrund stehen (vgl. Marra, 1998, S. 464; Sapriel, 2007b; Weick, 1988). Die Untersuchung der Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien bezieht sich auf akute, vermeidbare Krisen (wobei zwischen einem funktionalen und einem sozialen Krisentyp im Laufe der Untersuchung differenziert wird).
Die Arbeit hat den Anspruch, den Begriff der Organisation nicht nur auf Wirtschaftsunternehmen zu beziehen, sondern auf Organisationen allgemein. Daher wird in der empirischen Analyse sowohl eine Profit- als auch eine Non-ProfitOrganisation untersucht. Politische Organisationen werden hingegen nicht zum Untersuchungsgegenstand.
Die Analyseebene in Bezug auf die Strukturationstheorie ist die Interaktionsebene. Dennoch erhält die Strukturebene Einzug in die theoretische Diskussion in dem Aufzeigen forschungstheoretischer Implikationen.
24
1 Einführung
Zusammenfassend knüpft die Arbeit in ihrer Themenstellung aus wissenschaftlicher Sicht an die zentralen Desiderata der Krisenkommunikations- und Reputationsforschung. Sie liefert weiterführende Erkenntnisse, für die Nutzung kommunikativer Strategien bei Organisationen in Krisen zum Erhalt bzw. Aufbau von Reputation. Anhand des theoretisch erarbeiteten Bezugsrahmens sowie der empirischen Überprüfung kann so die Forschungslücke für beide Wissenschaftsdisziplinen geschlossen werden. Gleichzeitig bezieht sich die Arbeit in kommunikationspraktischer Hinsicht auf aktuelle Defizite, die anhand der gewonnenen empirischen Erkenntnisse im abschließenden Teil in konkrete Handlungsempfehlungen münden. 1.4.2
Argumentationsaufbau der Arbeit
Ziel der Arbeit ist es, einen kommunikationswissenschaftlich tragfähigen Rahmen zu entwickeln, innerhalb dessen sich Krisenkommunikation und der Erhalt bzw. die Bildung von Reputation verorten lassen. Die Bearbeitung der aufgezeigten Problemstellung soll zugleich ein wissenschaftlicher Impuls für die sich ausdifferenzierende Krisenkommunikationsforschung sein. Ergebnis ist somit ein krisenkommunikationstheoretisches Fachwissen, das „vor allem kausal-adäquate Lösungen für erwartbare Probleme auf der Basis von begründbaren, sachlogischen und regelgeleiteten Ableitungen anbietet“ (Röttger, 2000, S. 352). Damit ergibt sich für die Arbeit der folgende Aufbau: Kapitel 1: Im ersten Kapitel wird zunächst ein erster Überblick des Forschungsfeldes der Krisenkommunikations- und Reputationsforschung gegeben der zugleich die Grundlage für die Formulierung der Forschungslücke ist. Die Diskussion mündet in der zentralen Zielsetzung und den Forschungsfragen der Arbeit. Kapitel 2: Das zweite Kapitel liefert die theoretischen Grundlagen der Arbeit. Reputation, Krisen und Krisenkommunikation werden in den Kontext der Mediengesellschaft gestellt sowie die Argumentation für Krisenkommunikation als Faktor der Reputationskonstitution entwickelt. Alle für die Arbeit zentralen Begriffe und Konzepte werden hier systematisch eingeführt. Kapitel 3: Im dritten Kapitel wird ein integratives Modell der Krisenkommunikation erarbeitet. Anhand theoretischer Vorüberlegungen aus der Strukturationstheorie wird so der theoretische Bezugsrahmen bereitgestellt, der gleichsam die Grundlage für den empirischen Teil der Arbeit ist. Anhand des aktuellen Forschungsstandes werden zudem Schritt für Schritt die Forschungshypothesen der Arbeit entwickelt. Kapitel 4: Das vierte Kapitel stellt das methodische Vorgehen vor. Dabei werden die unabhängige und die abhängige Variablen systematisch operationalisiert. In dem Kapitel wird abschließend ebenso auf die Diskussion von Gütekriterien qualitativer Forschung eingegangen wie auf die Darlegung der Auswertungsstrategie.
1.5 Resümee
25
Kapitel 5: Kapitel fünf stellt die Ergebnisse der empirischen Analyse vor. Die Darstellung der Ergebnisse orientiert sich wesentlich an den Ebenen des integrativen Modells der Krisenkommunikation und folgt damit konsequent der Gesamtlogik der Arbeit. Kapitel 6: Die Konsequenzen der Ergebnisse werden in Kapitel sechs zum einen in forschungstheoretische und zum anderen in kommunikationspraktische Implikationen überführt. Kapitel 7: Kapitel sieben fasst schließlich die zentralen Annahmen und Ergebnisse noch einmal abschließend zusammen, zeigt die Grenzen auf und gibt einen Ausblick auf zukünftige Forschungsfelder und -ansätze. 1.5
Resümee
Diese aufgezeigten Entwicklungen und Zusammenhänge verlangen nach Kommunikationskonzepten, die den veränderten Rahmenbedingungen begegnen und die gesellschafspolitische Rolle von Organisationen auch in Krisen aktiv gestalten (vgl. Zerfaß, 2004, S. 400). Um diesem Anspruch gerecht zu werden und durch den Mangel an wissenschaftlichen Erkenntnissen, widmet sich die vorliegende Arbeit der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Krisenkommunikation und Reputation von Organisationen. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, wie Unternehmen kommunikative Strategien in Krisen nutzen können, um eine über Jahre gewonnene Reputation langfristig nicht zu verlieren. Ziel der Arbeit ist es zum einen, einen theoretischen Bezugsrahmen zur Verankerung der Krisenkommunikation zu erarbeiten (vgl. Kapitel 2 und 3). Dieser Bezugsrahmen soll zum anderen Grundlage für eine empirische Untersuchung sein, die den Zusammenhang zwischen Krisenkommunikationsstrategien und dem Aufbau unternehmerischer Reputation analysiert (vgl. Kapitel 4), erklärt (vgl. Kapitel 5) und vor einem wissenschaftlichen wie praktischen Hintergrund bewertet (vgl. Kapitel 6). Den vorgestellten Desiderata einer stark fallstudiengeprägten wissenschaftlichen Auseinandersetzung (vgl. hierzu auch Reilly, 1993, S. 116) setzt diese Arbeit entgegen, indem sie zwar Krisenkommunikationsstrategien konkreter Krisenfälle analysiert, jedoch verallgemeinerbare Schlussfolgerungen auf einer normativen Ebene zieht. Sie reiht sich damit ein in die wenigen Arbeiten ein, die sich in der Krisenkommunikationsforschung bewusst von fallstudienartigen Einzelfallanalysen distanzieren, um einen empirisch tragbaren Beitrag sowohl für einen wissenschaftlichen wie praktischen Diskurs zu leisten.
2
Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen für Reputation und Krisenkommunikation gelegt. Ziel ist es, ein für die Arbeit tragfähiges Verständnis der zentralen Konzepte zu schaffen. Die inhaltliche Skizzierung des Untersuchungsgegenstands ist bedeutsam einerseits im Hinblick auf die Formulierung des theoretischen Bezugsrahmens (Kapitel 3) und andererseits für die empirische Analyse (Kapitel 4). Die für die Arbeit zentralen Begriffe, Zusammenhänge und Theoriemodelle werden anhand von zwei Forschungskomplexen entwickelt. Während die abhängige Variable (Reputation von Unternehmen) aus Erkenntnissen der Reputationsforschung abgeleitet wird, hält die Krisenkommunikationsforschung Erklärungen für die unabhängige Variable (Krisenkommunikationsstrategien) bereit. Die Erkenntnisse werden zusammengeführt aus soziologischen, psychologischen, wirtschafts- und kommunikationswissenschaftlichen Überlegungen. Sowohl die theoretischen Konstrukte Reputation als auch Krisen und Krisenkommunikation werden jeweils aus der Perspektive der Mediengesellschaft entwickelt. Charakteristika dieser Mediengesellschaft sind die rasante Ausbreitung publizistischer Medien, die Etablierung neuer Medienformen, die Zunahme der Vermittlungsleistung und -geschwindigkeit sowie ein durch ihre Relevanz begründetes Erlangen gesamtgesellschaftlicher Aufmerksamkeit und Anerkennung (Jarren, 2001, S. 11 f.). Das Einnehmen dieser Perspektive ist eine wichtige Fokussierung der vorliegenden Arbeit. In Kapitel 2.1 wird zunächst Reputation in den Kontext der Mediengesellschaft gestellt und zentrale Begrifflichkeiten und Konstruktvariablen geklärt. Zur Formulierung des Bezugsrahmens erhalten Erkenntnisse sowohl aus dem Stakeholder- wie auch dem Branchenkontext Einzug in die Diskussion. Reputation wird als mehrdimensionales Konstrukt entwickelt, das Komponenten einer funktionalen, sozialen und emotionalen Dimension aufweist. In Kapitel 2.2 wird das Krisenverständnis aus psychologischer, wirtschaftswissenschaftlicher und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive entwickelt. Krisen sind demnach Situationen, die einen kontinuierlichen Prozessverlauf nachhaltig stören und in der Mediengesellschaft abhängig von einer öffentlichen Debatte sind. Kapitel 2.3 ergänzt den inhaltlichen Rahmen und stellt das Verständnis von Krisenkommunikation vor. Dabei geht es vor allem darum, Krisenkommunikation als Form öffentlicher Kommunikation von Organisationen zu entwickeln. Diese kann grundsätzlich intern und extern sein, der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt jedoch auf der externen Kommunikation. In Kapitel 2.4 wird Reputation abschließend in den Zusammenhang von Krisensituationen gestellt. Das Kapitel ist damit inhaltliches Bindeglied zwischen Reputation als Zieldimension und Krisenkommunikation als Steuerungsinstrument. Ausgehend von Überlegungen, warum Krisen eine Gefahr für organisationale Reputation darstellen, kann Vertrauenswürdigkeit als zentrale Einflussgröße auf den Erhalt bzw. die Konstitution von Reputation in Krisen entwickelt werden.
A. Thießen, Organisationskommunikation in Krisen, DOI 10.1007/978-3-531-93372-6_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2.1 Reputation
2.1
27
Reputation
Die Begriffsbestimmung von Reputation erfährt je nach Wissenschaftsdisziplin aus der man sich ihr nähert eine andere Prägung. Aus der aktuellen Literaturdebatte lassen sich dabei vor allem zwei Desiderata ableiten: Erstens leidet sie an einer dominierenden ökonomischen Orientierung (vgl. Eisenegger & Imhof, 2007, S. 1). Folglich wird Reputation vor allem in Bezug auf privatwirtschaftliche Unternehmen reflektiert, sodass die fachbezogene Debatte unter einem „Corporate Bias“ leidet (vgl. ebd.). Um Reputation auch auf andere, nicht-ökonomische Organisationsformen beziehen zu können, mangelte es – trotz einer steigenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung – bislang an einer nötigen Theoriedebatte (vgl. Barnett, Jermier, & Lafferty, 2006, S. 27). Daraus ergibt sich zweitens eine bisher wenig theoretische und damit kaum disziplinübergreifende Herleitung des Begriffs (vgl. Bromley, 2002, S. 35). Diese Erkenntnisse sollen Einzug in die Entwicklung eines für die Arbeit tragfähigen Reputationsverständnisses erhalten. So wird zunächst eine terminologische Einordnung vorgenommen, die die Reputation von anderen, ähnlichen Konstrukten abgrenzt. Auf dieser Grundlage ist es anschließend möglich, die theoretischen Entwicklungslinien aus soziologischer, ökonomischer und kommunikationswissenschaftlicher Sicht zu skizzieren und Reputation als mehrdimensionales, multiperzeptives Konstrukt zu konzeptionieren. Aus diesem entwickelten Reputationsverständnis wird abschließend die Bedeutung von Reputation für Organisationen im Kontext der Mediengesellschaft, dem Stakeholderkontext und dem Risikokontext gezeigt sowie ein Bezugsrahmen aus dem Reputationsmanagement entwickelt. 2.1.1 2.1.1.1
Begriffliche Grundlagen Terminologische Eingrenzung und zentrale Merkmale von Reputation
Etymologisch leitet sich Reputation aus dem lateinischen ab und bedeutet so viel wie Erwägung oder Berechnung. Durch verschiedene sprachliche Einflüsse kommt später auch die Bedeutung von Ansehen und Ruf hinzu (vgl. Hermann, 1994, S. 415; Menge, 1996, S. 656). In der deutschsprachigen Literatur wird insbesondere der Ruf zum Gegenstand der Begriffsbestimmung von Reputation – entweder als Synonym (vgl. Sandig, 1962, S. 7) oder als zentraler Bestandteil. So definiert Eisenegger (2005, S. 29) beispielsweise Reputation als den ‚Ruf von Vertrauenswürdigkeit’ oder Helm (2004, S. 27) als ‚Ruf in der Öffentlichkeit’. Dass Ruf und Reputation oft als gleichwertig betrachtet werden (vgl. Wiedmann, 2001, S. 6 ff.) lässt sich mit einer grundlegenden Ähnlichkeit hinsichtlich ihres Vermittlungsprozesses begründen: Ebenso wie der Ruf jenseits persönlicher Beziehungen entsteht, so ist auch Reputation eine aus zweiter Hand vermittelte Anerkennung (vgl. Hofstätter, 1940, S. 65; Voswinkel, 2001, S. 119). Eine Differenzierung zwischen Ruf und Reputation findet jedoch ausschließlich im deutschsprachigen Raum statt. Englischsprachige Studien zu Reputation kennen eine solche Differenzierung nicht. Dort wird in erster Linie der Begriff corporate reputation eingeführt (vgl. Berens & van Riel, 2004; Chun, 2005; Fombrun, 1996a) was insbesondere die eingangs skizzierte ökonomische Prägung des Begriffsverständnisses aufzeigt. Eine der zentralen Definitionen von Reputation ist nach wie vor die von Fombrun (vgl. u.a. Fombrun & van Riel, 1997; Gardberg & Fombrun, 2002). Ein grossteil der Studien zum Thema Reputation bezieht sich entweder gänzlich oder in weiten
28
2 Theoretische Grundlagen
Teilen auf ebendiesen Ansatz. Und so fußt eine Vielzahl an Studien auf das durch Fombrun eingeführte Reputationsverständnis (Gotsi & Wilson, 2001, S. 24). In der Literatur beider Sprachräume lassen sich trotz der unterschiedlichen begrifflichen Annährung gemeinsame Charakteristika ableiten. Die wichtigsten Merkmale sind dabei erstens, dass Reputation als eine kollektive Fremderfahrung verstanden werden kann, die sich zweitens anhand von unterschiedlichen Merkmalen und drittens durch öffentliche Meinungsbildung konstituiert. Dies soll im Folgenden erläutert werden. Reputation als Fremderfahrung Die Bildung von Reputation vollzieht sich anhand zwei grundsätzlicher Prinzipien – entweder bildet sie sich anhand persönlicher Erfahrungen oder aus den Erfahrungen Dritter (vgl. Dozier, 1993, S. 230). Die direkte und die indirekte Erfahrung sind dabei jedoch „not mutually exclusive“ (Caruana, Cohen, & Krentler, 2006b, S. 433), so dass eine deterministische Zuordnung von Reputationsattributen oft unklar bleibt und insbesondere in empirischen Studien einer klaren Abgrenzung bedarf. Wie direkte und indirekte Erfahrung zusammenhängen wird anhand der Reputationskonstitution deutlich. Denn kennzeichnend für die persönliche Erfahrung ist, dass sie nicht immer vollständig zur Verfügung steht. Entsprechend führt eine aus dieser Informationsasymmetrie entstehende Unsicherheit, das Verhalten eines Akteurs einzuschätzen, zunächst zu einer grundsätzlichen Suche nach Indizien (vgl. Voswinkel, 2001, S. 120). Reputation als ‚Ruf der Vertrauenswürdigkeit’ ist ein solches Indiz, Erfahrungsdefizite zu kompensieren. Sie kann verstanden werden als „[...] Informationsstand Dritter darüber, wie vertrauenswürdig [sich ein Reputationsträger] in der Vergangenheit anderen gegenüber verhalten hat“ (Ripperger, 1998, S. 183). Ähnlich argumentiert Ringbeck (vgl. Ringbeck, 1986, S. 5) für Hersteller von Produkten, indem er Reputation als Zusammenführung von Qualitätserwartungen definiert. Wenngleich also die subjektive Wahrnehmung bei der Beschreibung von Reputation eine zentrale Rolle spielt, so ist sie zugleich auch Ausdruck kollektiver Meinungsbildung (vgl. Bromley, 2001, S. 317). In einem Großteil der Literatur wird Reputation daher als „[...] the net perception of a company’s ability to meet the expectations of all its stakeholder“s (Fombrun, 1996a, S. 37) und damit als eine Zusammenfassung vieler unterschiedlicher Einstellungen bei zentralen Anspruchsgruppen verstanden (vgl. Gotsi & Wilson, 2001, S. 24). Wie stark der Einfluss von eigener und Fremderfahrung auf die Reputationskonstitution ist, wird in der Literatur wiederum uneinheitlich diskutiert. Während MacMillan Money & Dowling (2002) annehmen, dass vor allem die eigene Erfahrung die Reputation beeinflusst, legt sich Mahon (2002) diesbezüglich bewusst nicht fest. Ripperger (1998) wiederum konstatiert, dass Reputation ausschließlich aus Fremderfahrung hervorgeht und ausschließlich die eigene Erfahrung zur Vertrauensbildung führt. Reputation als multidimensionales Konzept Einstellungen, die einer Reputationskonstitution zugrunde liegen, formen sich nicht nur anhand eines einzelnen Merkmals (vgl. Ringbeck, 1986, S. 7). Vielmehr lassen sie sich in unterschiedlichen Dimensionen differenzieren (vgl. Fombrun, 1996a; Fombrun, Gardberg, & Sever, 2000; Fombrun & van Riel, 2004). Entscheidendes Defizit des Ansatzes von Fombrun et al. ist jedoch, dass bei ihnen ein Entstehen von Reputation fast ausschließlich auf funktionale Kriterien zurückgeführt wird. Jüngere Studien zeigen jedoch auf, dass diese Sicht zu einseitig ist und Reputation auch anhand weiterer nicht-funktionaler Dimensionen
2.1 Reputation
29
beschrieben werden muss. Schwaiger (2004a) beispielsweise schlägt vor, zwischen einer kognitiven und einer affektiven Reputationsdimension zu differenzieren (vgl. hierzu auch Hall, 1992). Eisenegger & Imhof (2007) sowie Ingenhoff & Sommer (2007) erweitern dieses Verständnis abermals und unterscheiden innerhalb der kognitiven Dimension zwischen funktionalen und sozialen Attributen. Demnach entfaltet sich Reputation in einer kognitiv-funktionalen, kognitiv-sozialen und affektiven-emotionalen Dimension (vgl. ebd.). An dieser Stelle soll zunächst genügen festzuhalten, dass Reputation sich anhand verschiedener differenzierbarer Merkmale konstituiert5. Reputation und öffentliche Meinung Der Prozess der Reputationskonstitution wird in erster Linie möglich, wenn Informationen über einen Reputationsträger direkt oder indirekt zur Verfügung stehen. Reputation ist damit primär an öffentliche Bekanntheit gebunden, denn auch die Erfahrungen Dritter werden vor allem über öffentliche Kommunikation vermittelt (vgl. Voswinkel, 2001, S. 118). Und so kann „ohne die Öffentlichkeit, die öffentliche Kommunikation und die öffentliche Meinung [...] Reputation nicht entstehen“ (vgl. Herger, 2006, S. 182) bzw. wird sukzessive zersetzt (vgl. Eisenegger, 2005, S. 45). Die öffentliche Arena wird zum Intermediär zwischen Organisationen auf der einen Seite und ihren zentralen Stakeholdern auf der anderen, in der sich Reputation bildet oder nachhaltig geschädigt wird. Reputation kann damit als perzeptives Konstrukt verstanden werden, das sich aufgrund subjektiver Erfahrungen als Resultat eines Kommunikationsprozesses bildet (Fombrun, 1996a; Morley, 1998; Wartick, 2002). Diese Charakteristika ermöglichen an dieser Stelle bereits eine erste Einordnung, sind aber für eine Erschließung des Konstrukts noch nicht zufriedenstellend. Daher wird im Folgenden Reputation von ähnlichen – oft synonym verwendeten – Konstrukten weiter differenziert. 2.1.1.2
Abgrenzung des Reputationsbegriffs
Reputation wird in der Literatur je nach Kontext verschieden verwendet und oft nur unzureichend definiert. Während in der Soziologie vor allem der Begriff Prestige zum Tragen kommt wird im Marketing vom Image gesprochen. In der Rechtswissenschaft erhält der Begriff des Wohlwollens Einzug während sich in der Wirtschaftswissenschaft der Reputationsbegriff etabliert hat (vgl. zur Übersicht Shenkar & Yuchtman-Yaar, 1997, S. 1370). Häufig werden die Begriffe Reputation und Image auch gleich verwendet, denn sie sind „closely allied elemetns“ (Marwick & Fill, 1997, S. 396). Für die Begriffsbestimmung von Reputation ist daher von besonderer Bedeutung, die Beziehung zwischen Reputation und Image möglichst genau aufzuzeigen (vgl. Whetten & Mackey, 2002, S. 410). Aber auch Identität und Marke weisen Ähnlichkeiten auf, die es vom Reputationsbegriff zu differenzieren gilt. Die Abgrenzung von Reputation zu Identität, Image und Marke ist vor allem aus zwei Gründen sinnvoll. Erstens wird dadurch das Begriffsverständnis von Reputation vertieft. Zweitens kann neben einer Abgrenzung auch der Zusammenhang zwischen den Konstrukten diskutiert werden. Beides hilft, den Reputationsbegriff in den Kontext ähnlicher Konstrukte einzubetten und das Verständnis von Reputation für die vorliegende Arbeit zu 5
Der Mehrdimensionalität von Reputation widmet sich ausführlich das Kapitel 2.1.4.
30
2 Theoretische Grundlagen
schärfen. Hierzu werden Identität, Image und Marke zunächst separat voneinander vorgestellt und anschließend in den Zusammenhang von Reputation gestellt. Identität Unter der Identität einer Organisation lassen sich allgemein die Prinzipen und Werte verstehen, die von ihren Mitgliedern dauerhaft mit ihr verbunden werden (vgl. Gray & Balmer, 1998, S. 695). Dabei geht es weniger um die Identifikation mit einer Organisation, als vielmehr um die Identität der Organisation selbst (vgl. Barnett, et al., 2006, S. 33). Konstruiert wird sie durch die Herstellung von Symbolen, Normen, Einstellungen, Kultur und Leitbild sowie Sprachregelungen und damit letztlich durch die Interaktion ihrer Mitglieder. Melewar & Jenkins (2002, S. 80) identifizieren vier Basiselemente der organisationalen Identität: Kommunikation, Verhalten, Organisationskultur und das Marktumfeld wobei sie zwischen praxisorientierten und theoriegeleiteten Ansätzen unterscheiden6. Während praxisorientierte Ansätze die Differenz des Selbst- und Fremdbild betonen, beinhalten die theoriegeleiteten auch den Aspekt einer Beeinflussung des Verhaltens der Organisationsmitglieder (vgl. van Riel, 1997). Anhand dieser Unterscheidung wird deutlich, dass Identität sich nicht nur auf die Gestaltung beschränkt (wie Leitbilder oder Corporate Design). Vielmehr umfasst sie auch eine Abstimmung zwischen Darstellung (Visibilität) und Verhalten (Inhalt) (vgl. van Riel, 1995, S. 39 ff.) und kann durch die Herstellung von Symbolen damit auch als strategisches Steuerungsinstrument genutzt werden (vgl. Herger, 2006, S. 91). Image Während Identität in erster Linie die Innensicht und das Selbstverständnis einer Organisation darstellt, spiegelt das Image die zugeschriebene Sicht von außen auf sie wieder (vgl. Hatch & Schultz, 1997, S. 361). Es ist damit ein (Ab-)Bild, das individuell anhand subjektiv wahrgenommener Merkmale bei Stakeholdern entsteht. Herger spricht von einem Image als Assoziationsfeld und meint damit schematische Erinnerungen an eine Organisation (vgl. Herger, 2006, S. 161). Anhand seiner Argumentation wird deutlich, wie schwierig es ist, Image von Reputation abzugrenzen denn auch sie bezieht sich auf vergangene Eindrücke und Handlungen einer Organisation (vgl. Fombrun, 2001b). Grundsätzlich muss in der Literatur daher zwischen Studien unterschieden werden, die Image und Reputation gleichsetzen und denen, die es als zwei unterschiedliche Konzepte betrachten (vgl. Gotsi & Wilson, 2001, S. 25 ff.)7. Letztere sind inhaltlich so unterschiedlich, dass an dieser Stelle eine kriteriengeleitete Abgrenzung notwendig wird (vgl. Helm, 2004, S. 38 ff.). Ein Image wird erstens durch aktive Kommunikation erzeugt. Images können damit verstanden werden als Bilder, die sich eine Organisation selbst aktiv gibt (vgl. Lyon & Cameron, 2004; Marziliano, 1997). Entscheidend dabei ist, dass Images im Gegensatz zur 6
7
Eine ähnliche Differenzierung nehmen Birkigt, Stadler & Funck (2002, S. 15 ff.; vgl. hierzu auch Luhmann, 1996a) vor, indem sie zwischen Unternehmenspersönlichkeit, Unternehmenskommunikation, Unternehmensverhalten und Unternehmenserscheinungsbild unterscheiden. An dieser Stelle soll jedoch der Argumentation von Melewar & Jenkins gefolgt werden, die das Marktumfeld als Steuerungsgröße mit einbeziehen. Ihr wirtschaftswissenschaftlicher Ansatz lässt sich für die vorliegende Arbeit übertragen, so dass die organisationale Identität in das Umfeld der Mediengesellschaft eingebettet ist. Die Autoren zeigen insgesamt vier Vorstellungen von Reputation und Image auf: Reputation wir dem Image gleichgestellt, Reputation unterscheidet sich von Image, Reputation ist für das Image bestimmend und das Image ist bestimmend für die Reputation.
2.1 Reputation
31
Identität durch Kommunikationsmaßnahmen bewusst geformt bzw. gesteuert werden können (z.B. durch Werbung oder medienbasierte Kampagnen).8 Reputation hingegen bildet sich anhand von Einstellungen über eine Organisation, denn „reputation depends on establishing the trust of key stakeholders“ (Svendsen, 1998, S. 1). Demnach ist die Kommunikation zwischen Stakeholdern Voraussetzung für Aufbau und Gestaltung von Reputation. Der Unterschied zwischen Image und Reputation lässt sich zweitens in Bezug auf die Trägerschaft aufzeigen. Während ein Image auch Gegenständen zugeschrieben werden kann, sind Träger von Reputation ausschließlich Personen und Organisationen (vgl. Eisenegger, 2005, S. 22 f.; Plötner, 1995, S. 43). Drittens gilt es, auch in Bezug auf eine Bewertung zu unterscheiden: „Reputation ist [im Gegensatz zum Image] die evaluative Seite eines Images“ (Voswinkel, 2001, S. 111). Demnach ist sie eine Gesamtbewertung der subjektiven Wahrnehmung kollektiv vorliegender Images. Ein Aspekt, der im Zusammenhang mit Images in der Literatur jedoch nicht weiter vertieft wird (vgl. hierzu auch Gray & Balmer, 1998, S. 697; Helm, 2004, S. 46). Images können zusammenfassend somit als Assoziationen mit einer Organisation bezeichnet werden während Reputation ein Werturteil darüber ist, wie die Handlungen von Organisationen (oder Akteuren) in der Vergangenheit wahrgenommen wurden. Auch wenn die Grenzziehung zwischen Image und Reputation in erster Linie definitorischer Natur ist, so werden die beiden Konstrukte fortan als zwei eigenständige Untersuchungsgegenstände betrachtet. Abbildung 2 stellt die bisherige Diskussion der Konstrukte Identität, Image und Reputation überblicksartig nebeneinander: Gezeigt werden konnte, dass zentrales Element von Identität die interne Herstellung von Symbolen ist. Hingegen bezieht sich das Image auf subjektive Eindrücke von außen, während zentrale Eigenschaft der Reputation wiederum ihr bewertender Charakter ist. Abbildung 2: Abgrenzung von Corporate Reputation
Corporate Identity
Corporate Image
Corporate Reputation
Collection of symbols
Impressions of the firm
Judgements by observer
(i.A.a. Barnett, et al., 2006, S. 33) Marke Der Markenbegriff steht inhaltlich in engem Zusammenhang mit der weiter oben skizzierten Identität. Das heutige Markenverständnis hat sich dabei fast ausschließlich im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext entwickelt. Dort ist die zentrale Funktion einer Marke, die Differenzierung von Organisationen und deren Dienstleistungen oder Produkte zu ermöglichen. Marken unterstützen die Transaktionsbeziehungen zwischen Nachfrager und 8
Zur Diskussion der Steuerung von Reputation vgl. Kapitel 2.4.2.1.
32
2 Theoretische Grundlagen
Anbieter einer Unternehmung und sollen einen Austausch von Leistungen hervorrufen (vgl. Meffert, 1991). Dies kann geschehen durch „Wörter, Buchstaben, Zahlen, bildliche Darstellungen, dreidimensionale Formen oder Verbindungen solcher Elemente untereinander oder mit Farben“ (Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen Art. 1 Abs. 1, o.V., 1994). Durch diese vereinfachte, in erster Linie visuelle Kommunikationsform werden Marken als Element kommunikativer Selbstdarstellung eingesetzt (vgl. Kückelhaus, 1998, S. 349 ff.). Grundsätzlich übernehmen Marken einerseits wirtschaftliche Funktionen, indem sie ein Leistungs- und Verhaltensversprechen für eine Dienstleistung oder ein Produkt vermitteln. Andererseits sind sie eng mit öffentlicher Kommunikation verknüpft, denn sie werden im kommunikativen Kontext eingeführt und erklärt. Markenkommunikation wird daher zurecht auch in der Public-Relations-Literatur thematisiert (vgl. Bentele, Fröhlich, & Szyszka, 2005; Zerfaß, 2004). In Abgrenzung zur Identität lässt sich an dieser Stelle abermals eine kriteriengeleitete Differenzierung vornehmen (vgl. Herger, 2006, S. 134). So ist die Funktion der Identität eine Selbstbeschreibung durch Normen und Werte, die der Marke hingegen eher eine Kennzeichnung durch Zeichen und Symbole. Ihre Wirkungsabsicht ist die Identifikation und Unternehmenskultur, während Marken stakeholderspezifische Aufmerksamkeit erregen sollen. Marken schaffen ein Profil, Identität zielt auf ein fortbestehendes Erlebnis. Ähnlich einer kommunikativen Steuerung von Images hält die Marketinglehre dafür Konzepte zur strategischen Markensteuerung bereit. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zur Reputation sind die involvierten Stakeholder. So unterstützen Marken beispielsweise einen Kaufentscheidungsprozess und beziehen sich in erster Linie auf die Gruppe der Kunden. Reputation hingegen entsteht durch einen Austausch zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen, so dass die Bildung von Reputation bei nur einer einzigen Stakeholdergruppe nicht sinnvoll begründbar ist. Marken sind letztlich ein konkretes Vorstellungsbild einer Dienstleistung oder eines Produktes, also des Leistungsangebotes einer Organisation. Reputation umfasst hingegen sämtliche Gegenstandsbereiche ihrer Wahrnehmung bei relevanten Anspruchsgruppen. Demnach können Marken ebenso wie Identität und Images als weiteres konstituierendes Element von Reputation gesehen werden (vgl. Fombrun & van Riel, 2004, S. 5 f. ). Zusammenfassung Die Abgrenzungen zwischen Identität, Image und Marke zu Reputation sollen im Folgenden graphisch anhand von Leitfragen zusammengefasst werden. Insgesamt lassen sich vier Sichtweisen einer Organisation identifizieren: die Innensicht (Identität), die intendierte Sicht von einer Organisation (Marke), die Sicht einer Organisation auf sich selbst (Image) und schließlich die Sicht externer Stakeholder auf eine Organisation (Reputation) (vgl. Abbildung 3).
2.1 Reputation
33
Abbildung 3: Sichtweisen einer Organisation (2) Organisation (1)
(3)
Stakeholder
(4)
(1) Wer sind wir als Organisation? (2) Was will die Organisation, das andere über sie denken? (3) Was glaubt die Organisation, das andere über sie denken? (4) Was denken andere (hier Stakeholder) über die Organisation?
(i.A.a. Brown, Dacin, Pratt, & Whetten, 2006, S. 100) Während Brown et al. für die vier Sichtweisen entsprechende Leitfragen formulieren, können diese den bisher entwickelten Konzepten von Identität, Image, Marke und Reputation zugeordnet werden (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1: Abgrenzung ähnlicher Konstrukte durch zentrale Fragen Begriff
Definition
Frage
Identität
Interne Attribute (Prinzipien und Werte) einer Organisation
Wer bist du?
Marke
Kommunikative Selbstdarstellung von Produkten und Dienstleistungen
Wer sagst du bist du und wer willst du sein?
Image
Externes Abbild subjektiv wahrgenommener Merkmale (wie Identität und Marke) einer Organisation
Wie nehmen externe Stakeholder dich wahr durch das, was du ihnen sagst?
Reputation
Summe der bewerteten Wahrnehmung einer Organisation durch eigene oder die Erfahrung Dritter.
Wie bewerten externe Stakeholder dich aufgrund dessen was du ihnen sagst und wie du dich in der Vergangenheit verhalten hast?
(i.A.A. Argenti & Druckenmiller, 2004, S. 369)
34
2 Theoretische Grundlagen
Die Darstellung des Zusammenhangs von Identität, Image, Marke und Reputation zeigt, dass die Konzepte trotz ihrer in der Literatur postulierten Verwandtheit nicht gleichzusetzen sind. Vielmehr lassen sich für ihre Zusammenhänge auch teils widersprüchliche Modellvorstellungen identifizieren. Es wird argumentiert, dass Reputation sich aus der Summe von Identität (also die Innensicht auf eine Organisation) und Image (also die Außensicht) ergibt (vgl. Wartick, 2002, S. 376): „Reputation is taken to be a collective term referring to all stakeholders’ views of corporate reputation, including identity and image“ (Davies, Chun, da Silva, & Roper, 2003, S. 61). Diese Sichtweise ist jedoch problembehaftet, denn nicht alle Stakeholder haben die Möglichkeit die Identität einer Organisation als Bewertungsgrundlage mit einzubeziehen. Rindova (1997, S. 189) geht daher davon aus, dass Reputation sich in erster Linie nur aus der Bewertung von Images bildet – jedoch nicht aus einem einzigen Image, sondern je nach Stakeholdergruppe aus verschiedenen Images. Ihre Sicht lehnt sich damit eng an die von Fombrun (1996b) an, der aufzeigt, dass Reputation eine Diffusion von Bewertungen über die internen und externen Handlungen einer Organisation ist (vgl. hierzu auch Cullen, 2005, S. 101). Demnach kann Reputation charakterisiert werden als [...] a collective representation of a firm’s past actions and results that describes the firm’s ability to deliver valued outcomes to multiple stakeholders. It gauges a firm’s relative standing both internally with employees and externally with its stakeholders, in both its competitive and institutional environments“ (Fombrun, 1997, S. 72).
Die Identität eines Unternehmens wird hier nicht ausgeblendet, sondern als Voraussetzung zur Imagebildung gesehen. Denn je nach Stakeholder tragen unterschiedliche Images zur Bildung einer Gesamtreputation bei (vgl. Abbildung 4). Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Identität, Image und Reputation nach Fombrun Corporate Identity
Corporate Communication
Stakeholder Image 1
Stakeholder Image 2
Stakeholder Image 3
Stakeholder Image n
Corporate Reputation
(i.A.a. Argenti & Forman, 2002, S. 69; Fombrun, 1996a, S. 37) Stahl widerspricht dieser Auffassung und definiert das Image als einen Soll-Zustand der Reputation (vgl. Stahl, 2000). Reputation wiederum ist für ihn die externe Wahrnehmung
2.1 Reputation
35
einer Organisation und damit ihr Ist-Zustand. Durch die Beziehung zu unterschiedlichen Stakeholdern formen sich seiner Argumentation folgend unterschiedliche Reputationen. Er differenziert damit nicht zwischen verschiedenen Images sondern zwischen verschiedenen Stakeholder-Reputationen, die sich ausdrücklich nicht zu einer Gesamtreputation formen. Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Identität, Image und Reputation nach Stahl Corporate Identity
Corporate Image
Stakeholder Reputation 1
Stakeholder Reputation 2
Stakeholder Reputation 3
Stakeholder Reputation n
(i.A.a. Stahl, 2000, S. 153 f.) Bezogen auf das Reputationsverständnis stehen sich damit zwei grundsätzliche Argumentationslinien gegenüber (vgl. hierzu auch Helm, 2004, S. 37). Einerseits wird davon ausgegangen, dass sich bedingt durch die Bewertung unterschiedlicher Attributionen (Image, Identität, Marke) eine Gesamtreputation der Organisation konstituiert. Reputation wird dabei als singuläres Konstrukt gesehen und schließt weitere Reputationen aus. Dem gegenüber steht die Auffassung, dass Reputation sich bei verschiedenen Stakeholdern durchaus unterschiedlich ausprägt (fragmentierte Reputation) – sowohl inhaltlich wie auch in ihrer Intensität. Dabei wird nicht von einer einzigen Gesamtreputation ausgegangen sondern von unterschiedlichen Reputationen. Sowohl die Sichtweise einer Gesamtreputation, als auch die fragmentierter (stakeholderabhängiger) Reputationen haben ihre konzeptionellen Schwächen. Gesamtreputation konnte in Studien bisher fast ausschließlich an ökonomischen Organisationen gezeigt werden. Entsprechend werden dort in erster Linie funktionale Merkmale gemessen, die zur Bildung von Reputation führen. Multireputationsansätze hingegen blenden aus, dass Stakeholder nicht als homogene Gruppierungen angesehen werden können (vgl. Wartick, 2002, S. 377). Vielmehr sind diese in einer Netzwerkstruktur miteinander verknüpft, so dass sich Interessen teilweise sogar überschneiden. Dies gilt analog auch für die Reputation – eine klare Trennung der jeweiligen Reputationsarten ist daher weder messbar noch sinnvoll zu differenzieren. Im weiteren Verlauf wird daher weder von einer einzigen Gesamtreputation noch von mehreren Steakholder-Reputationen ausgegangen. Vielmehr wird ein Reputationsverständnis konzeptioniert, das sich auf eine inhaltliche und stakeholderbezogene Differenzierung von Reputation gleichzeitig stützt (vgl. Kapitel 2.1.3.3). Dafür gilt es, sich im Folgenden zunächst der theoretischen Auseinandersetzung zu widmen.
36
2 Theoretische Grundlagen
2.1.2
Theoretische Bezugspunkte zur Reputation
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Reputation hat inzwischen eine lange Tradition (vgl. Gabbioneta, et al., 2007, S. 100) wobei die Einordnung des Untersuchungsgegenstands eine uneinheitliche Konkretisierung erfährt. Sie hängt stark von der Wissenschaftsdisziplin ab, auf dessen Grundlage man sich ihr nähert (vgl. Fombrun & van Riel, 1997, S. 6; Whetten, 1997, S. 30). Daher genügt es nicht, den theoretischen Bezugsrahmen aus nur einer Perspektive zu formulieren. So wird der Begriff im Folgenden aus Sicht der für die Arbeit relevanten und damit der soziologischen, ökonomischen und der kommunikationswissenschaftlichen Perspektiven geklärt. 2.1.2.1
Reputation aus soziologischer Perspektive
Aus soziologischer Perspektive wird Reputation als eine vermittelte Form gesellschaftlicher Anerkennung oder Geringschätzung begriffen (vgl. Voswinkel, 2001, S. 107). Zentrale Steuerungsgröße ist die einer Organisation durch die Gesellschaft zugesprochene Glauboder Vertrauenswürdigkeit. Die Forschungsliteratur sieht Reputation in erster Linie als Resultat eines (gesellschaftlichen) Legitimations- und Austauschprozesses. Wie diese Legitimation erreicht werden kann, lässt sich aus zwei grundlegenden Perspektiven beschreiben. So bezieht sich eine soziopolitische Legitimation auf eine Übertragung von Anerkennung durch externe Legitimationsträger. Das bedeutet, dass Organisationen gesellschaftlich legitimiert werden, indem ihnen beispielsweise von politischen oder anderen gesellschaftlich anerkannten Organisationen (wie z.B. NPO, Religionsgemeinschaften, Stiftungen) eine Legitimitätsberechtigung implizit zugeschrieben wird (vgl. zur Übersicht Rao, 1994, S. 29 f.). Dem gegenüber steht ein Verständnis von Legitimation als kognitive Anerkennung. Hierbei bewegen sich Organisationen mit ihren eigenen Handlungen und Verhaltensmustern in einem Rahmen gesellschaftlich anerkannter Normen und Werte. Beide Perspektiven zeigen, dass gesellschaftliche Legitimation keine normative Rechtfertigung von Organisationen ist. Vielmehr stellt sie organisationales Handeln als erstrebenswert dar, welches sich an einem gesellschaftlichen Grundkonsens von Normen und Werten orientiert. Reputation wird bei unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollenträgern nicht auf die gleiche Weise ausdifferenziert. So spricht Voswinkel (2001, S. 115) von Reputationsarenen als einem kognitiven Raum, in dem sich Reputation bei Akteuren mit einem jeweils anderen inhaltlichen und emotionalen Schwerpunkt bildet (vgl. hierzu auch Caruana, et al., 2006b, S. 430). Untereinander wird die Reputation innerhalb einer Arena nicht von der einer anderen berührt. Subjekte können daher die Erfahrung machen, dass gleiche Verhaltensweisen in unterschiedlichen Kontexten andere Anerkennungsreaktionen und damit eine andere Bildung von Reputation hervorrufen9. Zeitlich bezieht sich Reputation im soziologischen Kontext stets auf Leistungen, die in der Vergangenheit liegen: „Reputation emerges if an actor’s future partners are informed on his present behaviour“ (Raub & Weesie, 1990, S. 626). Eine Sichtweise, die sich auch in der ökonomischen und kommunikationswissenschaftlichen Interpretation von Reputation wieder finden lässt. Aus soziologischer Perspektive lassen sich demnach drei zentrale Erkenntnisse für das weitere Reputationsverständnis ableiten. Erstens ist die Begriffsbestimmung von Reputation als gesellschaftliche Anerkennung eine eher unspezifische und allgemeine Deutung. 9
Zur Gesamt- und Partialreputation vgl. Kapitel 2.1.1.2.
2.1 Reputation
37
Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, operationalisierbare Bewertungskriterien von Reputation zu generieren. Dennoch hält die soziologische Perspektive zweitens eine Erklärung für Reputation als (externe) gesellschaftliche Legitimation bereit. Diese Legitimationsfunktion kann gleichermaßen als sozialer Machtfaktor10 gesehen werden, der in einem Rahmen gesellschaftlich anerkannter Normen Bestand hat. Reputation nimmt damit eine gesellschaftliche Integrationsfunktion ein (vg. hierzu auch Eisenegger & Imhof, 2007, S. 9). Drittens schließlich wird Reputation zwar als gesamtgesellschaftliche Anerkennung verstanden, die sich jedoch bei gesellschaftlichen Rollenträgern unterschiedlich ausdifferenziert. Auch wenn die Argumentation, dass Reputationsarenen autark sind an anderer Stelle noch hinterfragt wird (vgl. Kapitel 3.2), liefert diese Erkenntnis die Grundlage für eine differenzierte Betrachtung von Reputation im Hinblick auf unterschiedliche Bezugsgruppen (vgl. Kapitel 2.1.3.2). Eine rein soziologische Betrachtung von Reputation reicht jedoch für ein umfassendes Begriffsverständnis nicht aus. Fragen der Steuerung von Reputation bleiben ebenso ungeklärt wie deren konkrete Bedeutung für Organisationen. Daher gilt es, Erkenntnisse weiterer Perspektiven ergänzend zu diskutieren. 2.1.2.2
Reputation aus ökonomischer Perspektive
Im ökonomischen Kontext wird Reputation in Abhängigkeit der jeweiligen Teildisziplin zunächst unterschiedlich verstanden und interpretiert. Für das Marketing ist sie ein Teil des Markenmanagements, für Ökonomen ein Signal über zukünftiges Verhalten von Unternehmen und für das Rechnungswesen ein immaterieller Vermögensgegenstand. Aus Sicht der Organisationslehre manifestiert sie sich aus der Unternehmensidentität und im Management ist sie Markteintrittsbarriere und strategischer Wettbewerbsvorteil (vgl. Fombrun, 2001b, S. 23; Schwaiger, 2004a, S. 48). Allen ökonomischen Ansätzen ist jedoch gemein, dass sie Reputation als einen Unternehmenswert betrachten, der sich aus ökonomischen Handlungsmodellen ableiten und als finanziellen Wert beschreiben lässt (vgl. Eberl & Schwaiger, 2005; Fombrun, 2000; Paine, 2003; Roberts & Dowling, 2002; Schnietz & Epstein, 2005). Ursprünglich haben Ökonomen Reputation als Erklärungsansatz irrationalen Verhaltens verwendet. Daher wird vor allem spieltheoretisch argumentiert, dass „reputation effects“ einen Einfluss auf die Kooperation zwischen zwei Akteuren haben. Reputationseffekte sind dabei eine subjektive Wahrnehmung, die Teilnehmer unter Bedingungen unvollständiger Information dem jeweils anderen Spieler zuschreiben. Diese projizierten Wahrnehmungen haben entsprechend Auswirkungen auf bevorstehende strategische Interaktionsentscheidungen (vgl. Weigelt & Camerer, 1988, S. 443). Reputationseffekte werden spieltheoretisch aber auch bei Markteintritten als Argument diskutiert. So sollen neue Marktteilnehmer durch die Reputation bereits bestehender Marktteilnehmer daran gehindert werden, ebenfalls in einen bestehenden Markt einzutreten (vgl. Kreps & Wilson, 1982). Aus ökonomischer Sicht wird Reputation zudem als immaterieller Vermögensgegenstand konzipiert, der unternehmensindividuell zugeschrieben wird (vgl. Rindova & Williamson, 2010). Reputation wird dafür entweder dem Bereich der sozialen Verantwortung („corporate social-financial performance“) (vgl. Schnietz & Epstein, 2005, S. 341) zuge10
Zu Reputation und Macht vgl. auch Eisenegger (2005, S. 32).
38
2 Theoretische Grundlagen
ordnet oder eine differenzierte Betrachtung nach Reputation durch Preis, Markenbild oder Krisenmanagement propagiert (vgl. Sinickas, 2004). Für Unternehmen ergibt sich aus ökonomischer Sicht ein Reputationsverständnis mit zwei wesentlichen Charakteristika: Erstens können Transaktions- und Interaktionsbeziehungen mit Stakeholdern von Dritten nur schwer nachvollzogen oder imitiert werden (vgl. Barney, 1991, S. 115; Hunt & Morgan, 1995, S. 12 f.; Mahon, 2002, S. 423). Reputation wird damit zur unternehmensabhängigen Ressource, die nicht auf andere Unternehmen übertragbar ist. Zweitens haben sich Messmodelle etabliert in denen sich Reputation anhand von Kennzahlen darstellen und damit quantifizieren lässt. Dies geschieht im Hinblick auf die Ableitung eines finanziellen Ertrags für Unternehmen (vgl. Ressel, 2008, S. 10 f.) wobei eine Vielzahl unterschiedlicher Messmethoden und -modelle zum Einsatz kommt (vgl. Bromley, 2002, S. 35 f.). Auch im Zusammenhang des Controllings und damit als Grundlage für ein zahlengetriebenes Reputationsmanagement werden Messmodelle von Reputation diskutiert (vgl. Pfeifer, 2005). Der Zusammenhang zwischen Reputation und finanziellem Erfolg ist aber auch stark umstritten, denn „most empirical studies [...] concentrate on one industry or a small sample that makes generalizing findings difficult [...]“ (Schnietz & Epstein, 2005). Zwar schreiben wie gezeigt einige Studien Reputation eine Wirkung auf Mitarbeitergewinnung, Investorentscheidungen oder Kundenloyalität zu. Da „[...]diese Faktoren wiederum zu einer Steigerung des wirtschaftlichen Erfolgs von Unternehmen beitragen können, wird implizit eine Kausalwirkung von der Reputation auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens suggeriert. Da aber bis dato keine empirische Untersuchung vorliegt, die eindeutig bestätigt, dass eine gute Unternehmensreputation tatsächlich zu den oben genannten positiven Aspekten führt und nicht etwa durch diese konstituiert wird, kann auch die ad hoc eingängige, ursächliche und positive Wirkung von Unternehmensreputation auf den wirtschaftlichen Erfolg nicht unreflektiert hingenommen werden“ (Schütze & Rennhak, 2005, S. 5).
Eine direkte Kausalbeziehung zwischen positiver Reputation und Erfolg einer Organisation herzustellen lässt sich empirisch also kaum belegen. Fraglich ist zudem, ob eine positive Reputation maßgeblich zum Erfolg beiträgt oder guter Erfolg zu einer positiven Reputation. Doch der finanzielle Ertrag von Reputation ist ohnehin nur ein Teilbereich ökonomischer Reputationsforschung. Vielmehr lassen sich in der Literatur auch eine ganze Reihe weiterer untersuchter Wirkungszusammenhänge identifizieren. So zeigt ein Teil der Studien, dass positive Reputation einen Einfluss auf das Vertrauen in Produkte hat oder die (Wieder-)Kaufsabsicht erhöhen kann (vgl. Yoon, Guffey, & Kijewski, 1993). Unternehmen ist es damit möglich, aufgrund dieses Vertrauens einen höheren Preis für ihre Produkte und Dienstleistungen geltend zu machen (vgl. Lyon & Cameron, 2004, S. 226; Schütze & Rennhak, 2005, S. 11). Reputation schafft zudem einen besseren Zugang zu Kapitalmärkten, was wiederum die Investitions- und Beschaffungskosten senkt (vgl. Helm, 2007). Durch sie können Beziehungen zu Interaktions- und Marktteilnehmern aufgebaut und gepflegt werden (vgl. de Castro, López Saéz, & Navas López, 2004). Eine positive Reputation hat schließlich Auswirkungen auf Kundenloyalität (vgl. Helm, 2004, 2007) oder Anlageentscheidungen (vgl. Schütze & Rennhak, 2005). Fombrun & Wiedmann wählen in einer Zusammenfassung daher treffend die Metapher von Reputation als Magnet, der aufgrund einer Vielzahl unterschiedlicher Aspekte Stakeholdergruppen „anzieht“ (vgl. Fombrun & Wiedmann, 2001, S. 5). Insgesamt, so scheint es, wirkt eine starke Reputation sich also positiv auf die strategische Position einer Unternehmung aus. Da dies wiederum zu einer Steigerung des wirt-
2.1 Reputation
39
schaftlichen Erfolgs beitragen kann, wird implizit auch eine positive Wirkung von Reputation auf den Unternehmenserfolg suggeriert. Und so wird in der Literatur auch durchaus versucht, einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen Unternehmensreputation und -erfolg zu belegen. Dieser Zusammenhang kann jedoch nicht unreflektiert hingenommen werden. Denn auch wenn der Verlust von Reputation oft in dem Rückgang von Gewinnen, Kunden, etc. quantifizierbar wird, bleibt der Zusammenhang empirisch nur schwer anhand von Messwerten zu fassen, um dadurch einen positiven Einfluss konkret nachzuweisen (vgl. Sabate & Puente 2003; Forstmoser & Herger 2006: 415). Zwei grundsätzliche Voraussetzungen für das Aufzeigen eines Kausalzusammenhangs sind daher das zeitliche Vorangehen der Ursache vor der Wirkung sowie die Korrelation zwischen beiden (vgl. Schnell, Hill, & Esser, 1999, S. 51 ff.)11. Eine grundsätzliche Korrelation zwischen Reputation und Unternehmenserfolg wird wie angedeutet in der Literatur weitestgehend unumstritten gezeigt (vgl. Fombrun, 2001b, S. 25). Im Hinblick jedoch auf die Wirkungsrichtung lassen sich drei divergierende Perspektiven erkennen: Erstens Unternehmenserfolg als Ursache für die Bildung von Reputation (vgl. Schwaiger, 2004a, S. 50). Zweitens Unternehmenserfolg als Wirkung aufgrund von Reputation. Zumindest in begrenztem Umfang können Studien einem überdurchschnittlichen monetären Unternehmenswert aufgrund von Reputationseffekten nachweisen (vgl. de la Fuente Sabate & de Quevedo Puente, 2003; Manz, 2005; Ripperger, 1998). Wiedmann & Buxel (2005, S. 154) gehen zudem davon aus, dass Reputation einen positiven Einfluss auf die Differenzierung mit Wettbewerben hat – von der Imageverbesserung bis hin zur Kundengewinnung (Wiedmann & Buxel, 2005, S. 154). Drittens schließlich konzeptionieren Untersuchungen Reputation und Unternehmenserfolg als sich gegenseitig beeinflussende Determinanten, ohne sich auf eine bestimmte Richtung festzulegen (vgl. Roberts & Dowling, 2002, S. 1077; Sobol, Farelli, & Taper, 1992, S. 115). Allerdings führt eine Akzeptanz der wechselseitigen Beeinflussung zu Problemen bei einer Modellierung des Reputationskonstruktes. Insbesondere der gleichzeitig formative und reflexive Einfluss einzelner Variablen auf Reputation ist nicht möglich und wird in der Literatur unzureichend thematisiert (vgl. Schütze & Rennhak, 2005, S. 6). Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die ökonomische Perspektive vier zentrale Erkenntnisse zum bisherigen Verständnis des Reputationskonstruktes beiträgt. Reputation kann demnach erstens als ein immaterieller Vermögenswert gesehen werden, der Einfluss auf die unternehmerische Wertschöpfung nimmt. Zweitens sind aus der ökonomischen Perspektive daher entsprechende Messkonzepte hervorgegangen, die Reputation systematisch zu quantifizieren versuchen. Drittens kann anhand der Wirkungszusammenhänge argumentiert werden, dass Reputation Auslöser für Anschlusshandeln bei zentralen Anspruchsgruppen ist. Sie hat damit insbesondere Einfluss auf Vertrauen oder Handlungsentscheidungen. Und viertens dient sie in Zeiten unvollständiger Information einer grundsätzlichen Komplexitätsreduktion. Diese Erkenntnisse helfen bereits, das in der Arbeit verwendete Reputationsverständnis zu schärfen. Reputation wird fortan nicht als instrumentelles Konzept verstanden, welches als strategisches Steuerungsinstrument eingesetzt werden kann. Vielmehr wird Reputation zum Ergebnis einer strategischen Steuerung von funktionalen, sozialen und emotionalen Wahrnehmungsmustern. Allgemein von dem, was Fom-
11
Als weitere Voraussetzungen nennen die Autoren das Nichtvorhandensein systematischer Messfehler und Störfaktoren.
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2 Theoretische Grundlagen
brun & van Riel als Attraktivität bezeichnen: „Naturally, [...] managers can make strategic use of a company’s reputation to signal its attractiveness“ (Fombrun & van Riel, 1997, S. 6). Die Attraktivität einer Organisation spiegelt sich demnach in seiner wahrgenommenen Reputation wieder. Die Grenzen dieser Sichtweise werden im Zusammenhang mit dem Reputationsmanagement noch eingehend aufgezeigt (vgl. Kapitel 2.4.2.1). Darüber hinaus wird Reputation als messbares Konzept verstanden, das mit Hilfe von Kennzahlen standardisiert dargestellt werden kann. Die ökonomische Perspektive hält also vor allem Wirkungszusammenhänge von und auf Reputation bereit sowie Ansätze einer quantifizierbaren Darstellung. Die zentrale Darstellung der Konstitution von Reputation kann sie jedoch nicht liefern. Dafür bedarf es abschließend der kommunikationswissenschaftlichen Perspektive. 2.1.2.3
Reputation aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive
Kommunikationswissenschaftlich erhält der Reputationsbegriff vor allem Einzug im Zusammenhang mit Forschungsarbeiten zur Mediengesellschaft (vgl. Eisenegger, 2005), Risikovermeidung (vgl. Eccles, Newquist, & Schatz, 2007; Rayner, 2003) und Krisenkommunikation (vgl. Coombs & Holladay, 2002; Griffin, 1972; Larkin, 2003; Winter & Steger, 1998). Dabei geht die Auseinandersetzung einerseits um die Darstellung eines kommunikativen Steuerungsbegriffs (Kommunikation als Instrument des Reputationsmanagements) sowie andererseits um die Darstellung kommunikativer Rahmenbedingungen (Reputationskonstitution durch medienvermittelte Kommunikation). Denn erst durch sie kann einer Organisation Vertrauenswürdigkeit entgegengebracht werden und Reputation sich bilden: „Damit wird der Betriff Reputation für öffentliche und insbesondere für medienvermittelte Kommunikation reserviert“ (Eisenegger, 2005, S. 45). Zentrales Argument für die Reputationskonstitution ist in der kommunikationswissenschaftlichen Perspektive, dass Reputation eine öffentliche Information ist sowie eine Form von Anerkennung ist, die über mediatisierte Angebote interpersonal vermittelt wird (vgl. hierzu sowie zur Rolle der Medien Kapitel 2.1.3.1). Reputation entsteht nicht nur durch unmittelbare Beobachtung bzw. Erfahrung sondern ist gleichzeitig eine indirekten Anerkennung Dritter gegenüber einem Reputationsträger. Bedingung dieser Anerkennung ist jedoch die Aufmerksamkeit was voraussetzt, dass Reputationskonstitution ohne eine mediale Öffentlichkeit aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive aus Sicht von Eisenegger (2004) nicht möglich ist. Vielmehr wird sie zu einem „öffentlichen Ansehen, dass [...] ein (Kollektiv-)Subjekt mittel- oder langfristig genießt“ (Eisenegger, 2005, S. 24). Öffentliche Kommunikation spielt also bei der Reputationskonstitution eine zentrale Rolle (vgl. hierzu auch Gray & Balmer, 1998). Durch sie kann öffentliche Wahrnehmung gesteuert und so die Konstitution von Reputation kommunikativ beeinflusst werden (vgl. Zerfaß, 2004, S. 144 f.). Öffentliche Kommunikation nimmt damit die Rolle eines Steuerungselements der Unternehmensführung ein. Dies wird freilich nur dann möglich, wenn Kommunikation auch als integrativer Teil der Unternehmensführung gesehen wird (vgl. Seemann, 2008; Zerfaß, 2004). Kommunikation als Steuerungsinstrument wird in der kommunikationswissenschaftlichen Argumentation jedoch erst durch die Vermittlung durch Medien möglich. Diese nehmen die Mittlerrolle zwischen Organisation und Zielpublikum ein und sind die Voraussetzung dafür, dass Wirkungen durch Kommunikation erzielt werden können. Medien sind dabei nicht notwendigerweise neutral, sondern beeinflussen Reputation durch eigene Selektions- und Interpretationsmuster (vgl. hierzu auch Deephouse,
2.1 Reputation
41
2000; vgl. Herger, 2006, S. 179). Damit stellt sich die Frage, inwieweit es Organisationen überhaupt gelingen kann, die Steuerung öffentlicher Meinung zur Reputationskonstitution zu nutzen. „Voraussetzung dafür ist die Kenntnis über Zusammenhänge zwischen der Öffentlichkeit, deren Themen und der öffentlichen Meinung“ (Herger, 2006, S. 177). Reputation, so wurde gezeigt, ist die Summe der Wahrnehmungen einer Organisation bei ihren zentralen Anspruchsgruppen bzw. (Teil-)Öffentlichkeiten. Das bedeutet, dass sich Reputation vom tatsächlichen Charakter einer Organisation unterscheiden kann. Je weiter sich die Reputation (also der wahrgenommene Charakter) vom Handeln und Auftreten einer Organisation (also dem tatsächlichen Charakter) entfernt, desto größer ist nun das Risiko, eine Reputation auf lange Sicht zu verlieren (vgl. Eccles, et al., 2007, S. 107 sowie Kapitel 2.4.1). Dies gilt sowohl für positive wie für negative Reputation. Zur Vermeidung eines solchen Reputationsrisikos wird es zur Aufgabe Kommunikationsverantwortlicher, die Lücke zwischen wahrgenommenem und tatsächlichem Charakter zu schließen. Dies wird möglich durch eine bewusste und damit strategische Beeinflussung von Wahrnehmungsmustern und Erwartungen durch Kommunikation. Da sich Erwartungen kontinuierlich verändern (vgl. A. Carroll, 1979) ist die Risikovermeidung durch Kommunikation ein fortlaufender Prozess, der einer ständigen Beobachtung und Kontrolle der Wahrnehmung bei relevanten (Teil-)Öffentlichkeiten einerseits und der Organisationsrealität andererseits bedarf. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive wird zudem argumentiert, dass negative Berichterstattung eine negative Wahrnehmung hervorruft und Reputation damit nicht mehr nur einem Risiko ausgesetzt ist, sondern langfristig Schaden nehmen kann. Dies tritt vor allem in Krisensituationen ein, wenn die Berichterstattung über Organisationen fast ausschließlich negativ ist. Ziel der Organisationskommunikation ist es dann, einen Schaden auf die Reputation zu vermeiden (vgl. Heath, 2006; D. Weiner, 2006). Neben operativem Krisenmanagement nimmt Krisenkommunikation einen zentralen Stellenwert ein. Denn durch sie lassen sich – wie bei der Reputationskonstitution – Wahrnehmungsmuster und damit langfristig Einstellungen und Handeln maßgeblich beeinflussen (vgl. Penrose, 2000). Da in Krisen die bisherige Reputation von Organisationen in Frage gestellt wird (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 2.4.1) ist es Aufgabe der Kommunikation in Krisen, die bisherige Reputation vor allem kurzfristig zu schützen. 2.1.2.4
Zusammenfassung: Theoretische Bezugspunkte zur Reputation
Bis hierher konnte gezeigt werden, dass die unterschiedlichen Betrachtungen von Reputation zu teilweise sehr eng gefassten Begriffsbestimmungen führen. Eine rein ökonomische Betrachtung liefert zwar Hinweise auf dessen Messbarkeit und Wirkungsmechanismen, die Konstitution durch medienvermittelte Kommunikation blendet sie jedoch weitestgehend aus. Diesem Defizit widmet sich zwar die kommunikationswissenschaftliche Perspektive, kommt allerdings einer gesellschaftlichen Einbettung nicht nach was wiederum durch soziologische Forschung aufgegriffen wird. Neben den drei diskutierten Perspektiven gibt es weitere, in denen der Reputationsbegriff zumindest implizit eine Rolle spielt. So steht aus Sicht der Psychologie der Prozess der Informationsverarbeitung im Vordergrund. Petty & Cacioppo (1998) gehen davon aus, dass Reputation die Bewertung verschiedener Stimuli von Subjekten über ein Objekt ist. Diese Bewertung muss einen kognitive Prozess durchlaufen, um langfristig im Gedächtnis
42
2 Theoretische Grundlagen
zu haften und somit eine Reputation zu bilden: Aufmerksamkeit, Verstehen, Akzeptieren und Speicherung des Stimulus. Die psychologische Perspektive hilft zu verstehen, welche Prozesse und Instrumente notwendig sind, damit Reputation bei Stakeholdern entstehen kann. Wendet man den aufgezeigten Prozess beispielsweise auf Marketing-Kommunikation an so wird deutlich, dass diese es nicht schafft, Verstehen hervorzurufen. Damit relevante Teilöffentlichkeiten Informationen langfristig speichern und sich Reputation bilden kann, muss Kommunikation eine Bedeutung beigemessen werden. Erst dann werden Botschaften verstanden und akzeptiert. Da Marketing auf kurzfristige Kaufanreize setzt ist es entsprechend nur bedingt als kommunikative Steuerung von Reputation anwendbar (vgl. van Riel & Fombrun, 2007, S. 51). Weder die Definitionsansätze aus der PR-Wissenschaft, noch rein ökonomische Reputationskonzepte sind zusammenfassend in der Lage, den Reputationsbegriff umfassend zu charakterisieren. Im Gegensatz dazu sind die Ansätze aus soziologischer Perspektive zu allgemein, so dass auch diese nur in Teilen zu einer tragfähigen Darstellung beitragen können (vgl. hierzu auch Chun, 2005, S. 92). Eine Möglichkeit dem zu begegnen, ist Reputation als integriertes Konstrukt zu fassen und wesentliche Elemente aus den drei Perspektiven zusammenzuführen. Erst die Zusammenführung zentraler Konzepte zur Reputation ermöglicht eine angemessene Darstellung des Konstrukts. Denn für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit spielt die Konstitution von Reputation, deren Einflussvariablen zur Bildung und deren legitimierenden Charakter – und damit Aspekte aller vorgestellten Perspektiven – eine Rolle. 2.1.3
Der Bezugsrahmen von Reputation für Organisationen
Bevor das Reputationskonstrukt in Kapitel 2.1.4 konzipiert werden kann, gilt es den (interdisziplinären) Bezugsrahmen systematisch zu entwickeln. Hierfür wurden in einem ersten Schritt die theoretischen Bezugspunkte von Reputation dargestellt (Kapitel 2.1.2). Reputation ließ sich hierfür aus soziologischer, ökonomischer und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive fassen. Für die Entwicklung des Reputationskonstrukts reicht eine rein theoriegeleitete Formulierung des Bezugsrahmens jedoch nicht aus. Daher wird Reputation im Folgenden in den Kontext der für die Arbeit relevanten Regularitäten gestellt: Die Differenz von Reputation in Bezug auf die Anspruchsgruppen von Organisationen sowie ihrer Konstitution innerhalb des Argumentationsrahmens der Mediengesellschaft. Stakeholderkontext (Kapitel 2.1.3.2) und Mediengesellschaft (Kapitel 2.1.3.1) sind dabei allerdings nur zwei der zentralen Bezugspunkte. Denn Reputation wurde bislang nur organisationsimmanent beschrieben. Für Organisationen in der Mediengesellschaft gewinnt jedoch die Branchen- oder Umfeldreputation einen ebenso wichtigen Stellenwert, der entsprechend als weiterer wesentlicher Teil des Bezugsrahmens konzipiert wird (Kapitel 2.1.3.3).
2.1 Reputation
2.1.3.1
43
Reputation im Kontext der Mediengesellschaft
Die vorliegende Arbeit stellt Reputation in den Kontext der Mediengesellschaft. Dies macht es notwendig, auf zwei Aspekte dieser Kontextualisierung einzugehen: Erstens die Explikation des Mediengesellschaftsbegriffs und zweitens die Klärung des Zusammenhangs zwischen Reputation und Mediengesellschaft. Öffentlichkeit ist seit dem 18. Jahrhundert einem Strukturwandel unterlegen, bei dem die Medienöffentlichkeit zum zentralen Element avanciert ist (A. Schulz, 2000). Dieser Wandel hat einen Übergang von direkter Kommunikation zur medienvermittelten, indirekten Kommunikation zur Konsequenz (vgl. Schade, 2004, S. 117) und Medienformate, Medientechnologien oder sogar neue Formen von Medien durchdringen einen wesentlichen Teil der Funktionsbereiche einer Gesellschaft. Zentrales Merkmal ist dabei die mediatisierte Kommunikation, die nicht mehr gleichzeitig stattfindet (Entzeitlichung), sondern über einen medialen Träger und damit unter Abwesenheit von Sender und Empfänger (Enträumlichung). Durch den zentralen Stellenwert, den mediatisierte Kommunikation in diesem Transformationsprozess einnimmt, lässt sich übergreifend von einer Mediengesellschaft sprechen (vgl. ebd., S. 115 ff.). Die Mechanismen der Mediengesellschaft sind erstens auf der Makro-Ebene die Ausdifferenzierung eines eigenlogischen Mediensystems und die Veränderung der kommunikativen Infrastruktur unserer Gesellschaft. Neue Medienformen und -formate entstehen und neben Massenmedien, die eine Vielzahl von Rezipienten erreichen, bilden sich Individualmedien und fragmentierte Medienformate, Sparten- und Onlinemedien. Bisherige private Bereiche der Gesellschaft werden durch die Medialisierung entprivatisiert und Teil eines öffentlichen Raums (vgl. Jarren, 2001, S. 11). Zweitens entsteht dadurch auf der MesoEbene ein Medienpublikum, welches über die Medien mit gesellschaftlichen Rollenträgern in den Dialog tritt. Damit geht einher, dass die Mediengesellschaft neue Selektions-, Interpretations- und Inszenierungslogiken bereithält (vgl. Imhof, 2006, S. 200), die insbesondere für die Priorisierung gesellschaftlich relevanter Themen wichtig werden. Die Vermittlungsgeschwindigkeit und -leistung publizistischer Inhalte nimmt dabei stetig zu. In diesem Prozess verändern sich auf der Mikro-Ebene drittens schließlich Rollen ebenso wie Inszenierungsregularitäten (Personalisierung, Skandalisierung, Emotionalisierung, Individualisierung). Diese Mechanismen haben für Organisationen zur Konsequenz, dass Kommunikation bei der Herstellung, Durchsetzung und Begründung ihrer Entscheidungen inzwischen eine zentrale Rolle einnimmt (vgl. Saxer, 2004, S. 145). Gleichzeitig findet der beschriebene Strukturwandel auch innerhalb der Organisationen statt, indem sich Kommunikationsstrukturen und -prozesse ausdifferenzieren und v.a. professionalisieren. Kommunikation passt sich zunehmend an die Definitionsmacht der Medien in Form von Nachrichtenfaktoren an und eine Differenzierung findet nicht mehr nur über die Organisationsleistung selbst, sondern vor allem über medienvermittelte Images und Reputation statt. Denn so wie Organisationen im Wettkampf um Kunden, Befürworter oder gesellschaftliche Akzeptanz stehen, stehen sie im Wettkampf für „reputational status“ (Fombrun & Shanley, 1990, S. 234). Insbesondere im wirtschaftlichen Umfeld wird es durch gesättigte Märkte und Qualitätshomogenität notwendig, durch kommunikative Mittel neue Absatzziele zu erreichen. „Die Medialisierung ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass selbst Mitarbeiter ihr Bild vom eigenen Unternehmen zentral via Medien ausformen“ (Eisenegger & Künstle, 2003, S. 60).
44
2 Theoretische Grundlagen
Ein Kriterium des öffentlichen Meinungsmarktes ist es, dass Informationen nicht überall und jederzeit verfügbar sind, um Legitimierungsprozesse in Gang zu setzen. Auch oder vielmehr insbesondere auf dem medienvermittelten Meinungsmarkt herrscht eine Informationsasymmetrie. Entsprechend wird Vertrauen zu einer unerlässlichen Handlungsressource die es ermöglicht, Austauschbeziehungen „auch unter Bedingungen unvollständigen oder nicht überprüfbaren Wissens aufzubauen“ (Eisenegger, 2004, S. 267). Die Bedeutung von Reputation in der Mediengesellschaft lässt sich damit also über die Interdependenz von Reputation und Vertrauen erschließen: Reputation wird zum Ruf der Vertrauenswürdigkeit (vgl. Eisenegger, 2005, S. 29) und medienvermittelte Kommunikation zum zentralen Mechanismus, sie zu konstituieren. Sie kann entsprechend dazu beitragen, das Informationsdefizit zu füllen (vgl. G. Jones, Jones, & Little, 2000, S. 27 sowie ausführlich Kapitel 2.2.3). „Dabei resultiert Reputation aus der Diffusion von [I]nformation über den Geltungsbereich persönlicher Netzwerke hinaus. Dieser Verbreitungsprozess reproduziert sich in interpersonaler Anschlusskommunikation prinzipiell beliebiger Netzwerke mit Rekurs auf öffentliche, insbesondere medienvermittelte, Kommunikation“ (Eisenegger, 2005, S. 30).
Umgekehrt tragen Medien wie das Internet dazu bei, Informationen jederzeit, global und gleichzeitig bereitzustellen. Dies hat einerseits Konsequenzen für die Konstitution von Reputation durch neue Medienträger und andererseits birgt dies neuerliche Risiken, denn Reputation kann binnen kürzester Zeit weltweit aberkannt werden. Grundsätzlich gilt, dass positive Berichterstattung dazu beitragen kann, eine gute Reputation zu festigen (vgl. C. Carroll & McCombs, 2003; Fombrun & Shanley, 1990). Wenngleich medienvermittelte Kommunikation damit festlegt, welche Akteure Teil des Legitimierungsprozesses werden und welchen Verlauf dieser nimmt, so hat dies für die Reputationskonstitution in der Mediengesellschaft eine weitere Konsequenz. Denn ihr Aufbau wird auch kritisch beurteilt: „Wer Reputation anstrebt, dem attestiert man Bemühungen um Glaubwürdigkeit, aber zugleich hegt man den Verdacht, er handle nicht um der Sache, sondern um des Eindrucks willen“ (Voswinkel, 2001, S. 111). Damit lässt sich Reputation im Kontext der Mediengesellschaft anhand von zwei Charakteristika beschreiben. Erstens wird Reputation in der Mediengesellschaft primär über Medien konstituiert – insbesondere über Massenmedien (medialisierte Reputationskonstitution). Sie bildet sich zwar auch durch eigene Erfahrung oder Individualkommunikation, aber ein wesentlicher Teil der Reputationskonstitution wird erst durch medienvermittelte Kommunikation möglich. Dies liegt daran, dass Reputation in erster Linie eine Fremderfahrung Dritter ist und erst die Mediengesellschaft Mechanismen bereithält, diese Dritterfahrung unabhängig von Raum und Zeit zu ermöglichen. Zweitens wird Reputation zu einem Teil der Mediatisierung selbst, indem sie zum Ruf der Vertrauenswürdigkeit avanciert. Sie ist eine Erwartungshaltung, die es von einem Reputationsträger zu erfüllen gilt. Erst wenn Handlung und Kommunikation der entgegengebrachten Reputation entsprechen kann sich Vertrauen bilden. Umgekehrt wird sie bei Nichtentsprechen einem Reputationsträger die Reputation entzogen (vgl. Eccles, et al., 2007).
2.1 Reputation
2.1.3.2
45
Reputation im Stakeholderkontext
In den begrifflichen Grundlagen wurde der Reputationsbegriff auf Reputationsträger – hier Organisationen – bezogen. In den theoretischen Bezugspunkten wurde die ökonomische Perspektive dann aus dem Verständnis heraus entwickelt, welche Vorteile Reputation für Wirtschaftsorganisationen hat. Damit fehlt es bislang an einer Diskussion der Rolle von Anspruchsgruppen (Stakeholder12) gegenüber einem Reputationsträger. Eine Möglichkeit, den Reputationsbegriff weiter zu differenzieren, ist daher die Unterscheidung zwischen organisationsorientierter und stakeholderorientierter Perspektive. Während bei der Untersuchung organisationsorientierter Reputation diese vor allem als immaterieller mitunter steuerbarer Unternehmenswert gesehen wird (‚intangible asset’) (vgl. Hall, 1992; Schnietz & Epstein, 2005; Sinickas, 2004), geht es bei der stakeholderorientierten Perspektive in erster Linie um Reputation als kollektive Wahrnehmung. Reputation konstituiert sich bei Anspruchsgruppen aufgrund ihrer differenten Erwartungen an einen Reputationsträger unterschiedlich. Der Grund dafür ist, dass sie in der Zuschreibung von Reputation jeweils unterschiedliche Kriterien zugrunde legen (vgl. Fombrun & Shanley, 1990, S. 234). Aufgrund von Informationsasymmetrie auf dem Markt für reputationsbezogenen Status informiert sich jede Stakeholdergruppe zudem über unterschiedliche Informationskanäle, um sich ein Bild von einem Reputationsträger zu machen (vgl. ebd.). Umgekehrt lässt sich Reputation daher auch unterschiedlichen Stakeholdergruppen zuordnen (vgl. Caruana, Cohen, & Krentler, 2006a, S. 31). Eine Analyse von Reputation differenziert nach Stakeholdergruppen kann somit für das Reputationsmanagement aufschlussreich sein. Nicht jede Anspruchsgruppe hat für eine Organisation in Bezug auf die Zuschreibung von Reputation jedoch die gleiche Relevanz. Der Stellenwert von Stakeholdern hängt im Wesentlichen ab von der Beziehung, in der sie mit einer Organisation stehen (vgl. Illia & Lurati, 2007, S. 298). Dies rückt die Notwendigkeit einer Priorisierung von Stakeholdergruppen in den Vordergrund (vgl. Benoit, 1997, S. 187). Insgesamt lassen sich in der Literatur drei Gruppen von Ansätzen finden (vgl. ebd., S. 300 ff.):
12
Anspruchsgruppen mit keiner Beziehung zur Organisation Reputation wird hier konzipiert als eine Gesamt-Außenansicht von Organisationen, die von jeder Anspruchsgruppe zugeschrieben werden kann. Es ist nicht wichtig, in welcher Beziehung die Anspruchsgruppe mit der Organisation steht sondern, dass sich Reputation in einer heterogenen Gruppe bilden kann. Diese Gruppe kann durchaus in keiner Beziehung zur Organisation stehen.
A priori Anspruchsgruppen Hier wird davon ausgegangen, dass die Wahrnehmung einer Organisation von bestimmten Anspruchsgruppen wichtiger ist als die anderer. Anspruchsgruppen lassen sich in dieser Argumentation im Vorfeld klar bestimmen (z.B. Mitarbeiter, Wettbewerber, Medien) und nach Relevanz priorisieren.
Die Begriffe Anspruchsgruppe (vgl. Dubs, Euler & Rüegg-Stürm 2002), Bezugsgruppe und Stakeholder (vgl. Freeman 1984) werden synonym verwendet.
46
2 Theoretische Grundlagen
Spontane Anspruchsgruppen Reputation kann sich für Organisation aber auch bei Anspruchsgruppen formen, die sich nicht a priori festlegen lassen. Spontane Anspruchsgruppen werden unter bestimmten Bedingungen für Organisationen relevant, da sich eine kurzfristige Beziehung zwischen ihnen bildet. Dies ist insbesondere in Krisen der Fall.
Die Analyse einer Gesamtreputation kann nur der Beginn sein, die Außenwahrnehmung von Organisationen differenziert aufzuzeigen. Sie muss einhergehen mit der Identifikation der Reputation derjenigen Anspruchsgruppen, die einerseits die größten Konsequenzen für die Außenwahrnehmung hat und andererseits den höchsten Einfluss auf die Bildung von Reputation anderer Anspruchsgruppen. Stakeholder weisen analog zu ihrer Beziehung zum Unternehmen auch einen unterschiedlichen Grad an Organisiertheit auf. So können bestimmte Anspruchsgruppen gut identifiziert werden, weil sie eine homogene Gruppe in Bezug auf ihren Anspruch sind und sich zeitlich, örtlich und inhaltlich von anderen Anspruchsgruppen klar abgrenzen. Umgekehrt führt ein sinkender Grad an Organisiertheit zu einer Verwässerung der Abgrenzung der Anspruchsgruppe und somit zu einer unklaren Abgrenzung. Bis hierher wurde argumentiert, dass Stakeholder jeweils spezifische Reputationserwartungen haben. Damit stellt sich die Frage, wie diese untereinander im Zusammenhang stehen. Der Aussage, dass „[t]here is no effective vehicle for comparing [...] customer perceptions of company reputation with employees’ perceptions“ (Scholes & Clutterbuck, 1998, S. 237) wird im weiteren Verlauf nicht gefolgt. Vielmehr gibt es durchaus Beziehungen zwischen Anspruchsgruppen und so lässt sich die Literatur über Reputation im Stakeholderkontext anhand von drei Paradigmen differenzieren (vgl. Chun, 2005, S. 92 ff.): Erstens konzentrieren sich bewertende Ansätze auf eine monetär messbare Bewertung von Reputation und finden daher vor allem im ökonomischen Kontext Verwendung. Bei diesen Ansätzen geht es tatsächlich um die Analyse des Verhaltens einzelner Stakeholder. Dem gegenüber stehen dann aber zweitens wahrnehmungsbezogene Ansätze, die das Image und die Identifikation mit Organisationen und damit Gruppen von Stakeholdern ins Zentrum der Betrachtung rücken. Drittens stellen vergleichende Ansätze Reputation als Konglomerat von Einzelmeinungen unterschiedlicher Stakeholder (-gruppierungen) dar. Kerngedanke ist hier der Vergleich verschiedener Stakeholdergruppierungen untereinander. Tabelle 2 stellt die Reputationsansätze im Stakeholderkontext noch einmal zusammenfassend gegenüber. Fortan wird also ein Verständnis von Reputation zugrunde gelegt, das Reputation als ein sich aus unterschiedlichen Einzelreputationen zusammensetzendes Konstrukt betrachtet. Stakeholder (-gruppen) stehen dabei durchaus in unterschiedlichen (i.d.R. ungleichen) Beziehungen zu einer Organisation. Entsprechend ihrer differenzierten Erwartungen bildet sich eine jeweils eigenständige Reputation, die sich zu einer Gesamtreputation fügt (vgl. zum Multi-Stakeholderansatz von Reputation auch Davies, et al., 2003, S. 61; Fombrun, et al., 2000, S. 242 ff.). Durch die Untersuchung des Gesamteindrucks von Organisationen in der empirischen Erhebung (vgl. Kapitel 4) reiht sich die vorliegende Arbeit damit in die der Forschungsarbeiten der wahrnehmungsbezogenen Ansätze ein.
2.1 Reputation
47
Tabelle 2: Überblick Reputationsansätze im Stakeholderkontext Ansätze Bewertende Ansätze
Publikum Einzelne Stakeholder
Investorenverhalten, Verknüpfung von Reputation und finanzieller Leistung
Eindruck einer einzelnen Stakeholdergruppe
Image/Corporate Identity, Sicht jeweils der Kunden/Medien/Mitarbeiter/ u.a. auf die Reputation
Vergleich unterschiedlicher Stakeholdergruppen
Multi-Stakeholder-Ansatz, Vergleich von interner Sicht (Identität) und externer Sicht (Image)
Reputation als Bewertung finanzieller Leistung Wahrnehmungsbezogene Ansätze Reputation als Gesamteindruck Vergleichende Ansätze
Fokus
Reputation als Gesamteindruck von Einzeleindrücken (i.A.a. Chun, 2005, S. 94) 2.1.3.3
Reputation im Branchenkontext
In Anlehnung an die Erkenntnisse aus der ökonomischen Perspektive auf Reputation wurde argumentiert, dass Reputation sich für jede Organisation individuell bildet und nicht übertragbar ist (vgl. Kapitel 2.1.2.2). Diese Argumentation muss an dieser Stelle ergänzt werden um die Perspektive einer Branchen- oder Umfeldreputation. Wissenschaftlich empirische Erkenntnisse darüber gibt es kaum, so dass auf eher grundlegende Hinweise aus der Literatur zurückgegriffen wird. Jede Organisation steht in einem Zusammenhang zu weiteren Organisationen, die sich aufgrund ihres funktionalen Auftrags in einem ähnlichen Kontext bewegen: Wirtschaftsunternehmen lassen sich in Branchen zusammenfassen oder Organisationen in ein inhaltlich ähnliches Umfeld (z.B. Umweltschutz, Politik). Ebenso wie bei Organisationen als Einzelakteur lässt sich auch bei einem solchen Umfeld von einer (relationalen) Identität sprechen (vgl. Lewellyn, 2002, S. 449) bzw. von einer Branchen- oder Umfeldreputation (vgl. hierzu auch Hoffman & Ocasio, 2001, S. 416). Diese kann gesehen werden als ein „[...] collective judgement [...] by stakeholders and the general public, where that judgement is based on assesments of the economic, social and environmental impacts attributed to that industry over time“ (Winn, MacDonald, & Zietsma, 2008, S. 36).
Diese Erkenntnis hat in erster Linie Konsequenzen für das Reputationsmanagement. Wiedmann & Böcker (2005) zeigen entsprechend auf, dass nach Branchen bzw. Sektoren differenzierte Messkonzepte einerseits eine genauere Analyse der Reputationskonstitution zulassen (vgl. ebd., S. 1534 f.). Der Einbezug der Reputation zumindest des nahen Organisation-
48
2 Theoretische Grundlagen
sumfelds ermöglicht andererseits damit ein differenzierteres Reputationsmanagement. Dies gilt nicht nur für die Reputation einer Branche, sondern auch für so genannte strategische Gruppen. Als eine strategische Gruppe bezeichnet man Unternehmen, die sich entlang bestimmter Kriterien von anderen Unternehmen innerhalb einer Industrie unterscheiden. Reputation lässt sich, so zeigen Ferguson, Deephouse & Ferguson (2000), auch solchen strategischen Gruppen zuordnen – mit entsprechenden Konsequenzen für das Reputationsmanagement. Neben der Steuerung der eigenen Reputation müssen sich Organisation also auch mit der Reputation einer Branche13 bzw. strategischen Gruppe auseinandersetzen (vgl. Winn, et al., 2008, S. 50). Dies ermöglicht insbesondere, einem kollektiven Druck von außen (z.B. durch eine grundsätzlich hohe mediale Aufmerksamkeit oder gut organisierte Interessenvertretungen) entgegen zu wirken (vgl. Barnett, 2006). Verlässlichkeit und Integrität durch Reputation gewinnt dann besonders an Glaubwürdigkeit, wenn diese sich von der Branchenreputation nicht grundlegend unterscheidet (vgl. Podnar, 2004, S. 378). Reputation bildet sich also nicht notwendigerweise nur bei einer Organisation, sondern durchaus auch bezogen auf eine ganze Industrie oder Gruppe von Organisationen. Ebenso wie sich positive Reputation von einer Organisation auf mehrere weitere übertragen kann, gilt dies auch für negative Reputation. Beispiele hierfür ist die negative Branchenreputation der Chemieindustrie oder der Atomenergieunternehmen (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 2.2.3.2). Die Steuerung der Branchenreputation ist allerdings nur in begrenztem Umfang möglich und vor allem sinnvoll. Um dies zu zeigen, muss zunächst grundsätzlich zwischen zwei Arten des Reputationsmanagements unterschieden werden: einem kollektiven und einem kompetitiven (vgl. Winn, et al., 2008, S. 46). Kompetitives Reputationsmanagement dient in erster Linie der Differenzierung. Reputation als Differenzierungsmerkmal entfaltet allerdings nur in den Dimensionen den größten Effekt, in denen alle anderen Organisationen über eine Branche hinweg die größte Streuung aufweisen. Das bedeutet, dass eine Differenzierung beispielsweise über die „Qualität der Produkte“ in einer Branche schwierig ist, in der alle Unternehmen ähnlich gute Reputationswerte aufweisen. Kollektives Reputationsmanagement ermöglicht hingegen die Steuerung des einer Branche oder Organisationsumfelds. Dies ist insbesondere sinnvoll z.B. bei der Etablierung gemeinsamer Qualitäts- oder Ethikstandards (vgl. ebd., S. 47 f.). Ob und in wie weit Organisationen einem gemeinsamen Reputationsmanagement folgen, konnte bislang kaum systematisch gezeigt werden. Die Diskussion der Branchen- oder Umfeldreputation widerspricht der Argumentation, dass Reputation einer Organisation individuell zugeschrieben wird, nicht grundlegend. Vielmehr ist dies eine sinnvolle Ergänzung zum Verständnis der Reputationskonstitution. Denn der individuelle Charakter einer Organisationsreputation bleibt zwar erhalten, er wird jedoch beeinflusst durch Kontextfaktoren (hier der Branchenreputation). Aus diesem Verständnis lassen sich hilfreiche Erkenntnisse für den Wirkungsgrad des Reputationsmanagements ableiten (vgl. Kapitel 2.4.2.1 sowie Kapitel 7).
13
Winn, et al. Beziehen bei einer Branchenreputation auch geschlossene Gruppen ähnlicher Unternehmen mit ein („we use the term industry reputation and collective reputation synonymously, as distinct from (individual) firm reputation“, ebd., S. 37). Auch wenn die Abgrenzung nicht weiter spezifiziert wird, lässt sie sich für Orga nisationen allgemein anwenden. Es kann dann nicht mehr von einer Branche, sondern von einem Organisati onsumfeld oder -kontext gesprochen werden.
2.1 Reputation
2.1.4
49
Reputation als multidimensionales Konstrukt
Bis hierher wurden Reputation theoretische Ansätze von Reputation vorgestellt und das Konzept in den Zusammenhang von Mediengesellschaft, Stakeholder und Branchen gestellt. Damit fehlt es bislang an einer Diskussion dessen, was Reputation eigentlich ausmacht. Reputation wird in der vorliegenden Arbeit verstanden als ein multidimensionales Konstrukt. Um dies zu zeigen, werden im Folgenden zunächst zentrale Messansätze von Reputation vorgestellt. Sie geben an, wie sich die eingangs diskutierten Rahmenbedingungen von Reputation qualitativ und quantitativ darstellen lassen. Aus der Diskussion dieser Parameter lässt sich anschließend eine Dimensionierung von Reputation vornehmen, die sie als funktionales, soziales und emotionales Konstrukt beschreibt und dabei den vorgestellten Bezugsrahmen reflektiert. 2.1.4.1
Messansätze von Reputation
2.1.4.1.1
Perspektiven der Messbarkeit von Reputation
Im wissenschaftlichen Fachdiskurs besteht bisher kaum Einigkeit darüber, welche Faktoren letztlich genau zur Bildung von Reputation beitragen (vgl. Bromley, 2001, S. 322). Dies liegt einerseits an den unterschiedlichen Indikatoren, die sich teilweise erheblich voneinander unterscheiden und lässt sich andererseits mit einem Mangel an einer theoretischen Verankerung begründen. Bevor zentrale Ansätze zur Messung von Reputation vorgestellt werden, sollen an dieser Stelle drei Zielstellungen zur Messbarkeit von Reputation dargelegt werden. Dies soll verdeutlichen, dass sich die Messansätze bereits an divergierenden Zielstellungen orientieren und sich die dargestellten Wirkungszusammenhänge, Regularitäten und Bewertungslogiken daher zum Teil grundlegend unterscheiden müssen. Reputation als Netzwerkressource Aus spieltheoretischer Sicht ist das Ziel von Reputation, das gegenwärtige Verhalten eines Reputationsträgers seinen zukünftigen Interaktionspartnern zu signalisieren. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Interaktionen im Netzwerk zwischen Reputationsträgern und Austauschpartnern nicht oder nur unzureichend bekannt sind (vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.2.2). Reputation kann dieses Informationsdefizit über kurze Zeit auffangen und so zu einer effektiveren Netzwerkbildung beitragen (vgl. Raub & Weesie, 1990, S. 626 ff.). Im Zusammenhang mit Unternehmen wird dabei von „relational capital“ (de Castro, Navas López, & López Saéz, 2006, S. 575) gesprochen, bei dem Reputation einerseits dazu beiträgt, Netzwerkbeziehungen zu engen Netzwerkpartnern (Stakeholder) zu formen und Netzwerkbeziehungen zu entfernten Netzwerkpartnern (Gesellschaft) zu beeinflussen. Reputation als finanzielle Ressource Wie bereits diskutiert ist die Wirkung von Reputation auf Anlageentscheidungen stark umstritten – dennoch ist sie ein immer wieder definiertes Ziel aus der ökonomischen Perspektive (vgl. hierzu insb. Schütze & Rennhak, 2005). Als Zieldimensionen werden der Einfluss auf Anlageentscheidungen ebenso angeführt wie die Signalisierung von Qualität (vgl. Wirtz, Kum, & Lee, 2000). Ein ebenso formuliertes Ziel von Reputation ist, die Loyalität von Investoren zu erhöhen (vgl. Helm, 2004, 2007). Es wird gezeigt, dass Reputation
50
2 Theoretische Grundlagen
einen direkten Einfluss auf affektive Loyalität hat sowie einen (zumindest indirekten) auf verhaltensorientierte Loyalität (z.B. den Kauf von Wertpapieren) (vgl. ebd. 2007, S. 34). Reputation als Vertrauensressource Für Unternehmen wird als Zieldimension von Reputation schließlich auch die Bildung von Vertrauen angeführt (vgl. insb. Ingenhoff & Sommer, 2007). Reputation ist demnach eine Voraussetzung dafür, dass sich Vertrauen langfristig bilden kann und sich daraus einerseits Kaufabsichten ergeben oder andererseits die Weiterempfehlung von Produkten. Hierfür wirkt sich vor allem die Bewertung funktionaler Reputation auf die Bildung von Vertrauen aus (vgl. ebd., S. 22). Die Darstellung dieser drei Perspektiven zeigt bereits, dass je nach Zielstellung eine andere Bewertungslogik notwendig ist, Reputation zu quantifizieren. Diese kann erstens in Bezug auf ihre Stellung im organisationalen Beziehungsnetzwerk dargestellt werden, zweitens als finanziellen Unternehmenswert oder drittens als Quelle organisationalen Vertrauens. Dies ist auch der Grund dafür, dass sich inzwischen eine ganze Reihe unterschiedlicher Vorschläge entwickelt haben, Reputation qualitativ und quantitativ darzustellen. Die Ansätze lassen sich dabei grob unterteilen in die Messung von Corporate Reputation als finanziellen Unternehmenswert (quantifizierbare Ansätze) und die Messung von Reputation als immateriellen Unternehmenswert (relationale Ansätze). Im Hinblick auf die Methode Reputation empirisch zu erheben, lässt sich grundlegend zwischen Reputationsrankings, Reputationsquotienten, Vergleichs-/Benchmarkanalysen und Fallstudienvergleiche unterscheiden (vgl. Bromley, 2002, S. 35). Vor allem die Benchmark- und Fallstudienanalysen leiden an einer starken Uneinheitlichkeit der Methoden und Konstrukte, so dass sie wissenschaftlich kaum haltbar sind (vgl. Fombrun & Wiedmann, 2001, S. 7 f.). Im Folgenden wird daher die Unterscheidung zwischen finanziellen und inhaltlichen Messansätzen gewählt. 2.1.4.1.2
Finanzielle Messansätze
Finanzielle Messansätze gehen davon aus, dass Reputation anhand eines monetären Wertes quantifizierbar ist. Reputationskapital als materieller und damit bilanzierbarer Vermögenswert kann aus ökonomischer Sicht als Fortführung des Markenwertes und damit als Lizenzgebühr verstanden werden (vgl. Fombrun & van Riel, 2004, S. 15). Erheblicher Nachteil dieser Methode ist jedoch, dass die Stakeholderperspektive dadurch ausgeblendet wird und sie damit als alleinige Darstellung von Reputation nicht in Frage kommt. Eine weitere Methode, die bei den finanziellen Messansätzen verfolgt wird, ist die in einer Krise angefallenen Kosten zu schätzen (vgl. ebd.: 34). Diese Methodik lässt sich allerdings nur auf Krisen anwenden, die sich zudem ausschließlich auf Veränderungen in der Wahrnehmung zurückführen lassen und ist damit ebenso nur bedingt zur Messung von Reputation nutzbar. Diskutierte Ansätze, Reputation schließlich mit dem Börsenkurs in Beziehung setzen sind bisweilen nur schwer empirisch zu belegen: „the process, that produced this effect remain a ‚black box’“ (Schnietz & Epstein, 2005, S. 342). Ein umfassendes Instrumentarium zur Messung von Reputation ist auch diese Methode daher nicht. Ebenso der Vorschlag, derivaten (also erworbenen) Goodwill einer Unternehmung zu messen hat bisher zu kaum annehmbaren Schlussfolgerungen in theoretischer wie methodischer Hinsicht geführt (vgl. Moxter, 1999, S. 1102; Sellhorn, 2000, S. 888).
2.1 Reputation
51
Durch die Schwierigkeit einer finanziellen Zuordnung und den Fokus der vorliegenden Arbeit auf eine vor allem kommunikationswissenschaftliche Perspektive wird die finanzielle Darstellung von Reputation an dieser Stelle nicht weiter vertieft. 2.1.4.1.3
Inhaltliche Messansätze
Inhaltsorientierte Messansätze fassen Reputation zunächst unabhängig der wissenschaftstheoretischen Verortung als immateriellen Unternehmenswert auf. Ziel des nun folgenden Kapitels ist es, zentrale Bewertungsansätze vorzustellen und diese anschließend systematisch zusammenzuführen. Der American (bzw. Global) Most Admired Companies-Index (AMAC bzw. GMAC) wird seit 1983 (bzw. 1997) in der amerikanischen Zeitschrift Fortune veröffentlicht und ist ein branchenübergreifendes und internationales Ranking der Reputation von Wirtschaftsunternehmen. Grundlage des Index ist eine Erhebung unter Managern und Analysten, die eine Auswahl von Unternehmen anhand von insgesamt neun Kriterien (vgl. Tabelle 3) auf einer 11-Punkte-Skala (0 = „poor“ bis 10 = „excellent“) bewerten. Die ersten zehn Plätze des Index werden dadurch bestimmt, dass die Probanden unabhängig der Branche zehn Unternehmen angeben, die für sie das höchste Ansehen genießen. Insgesamt nehmen an der Erhebung jährlich rund 10.000 Personen in rund 30 Ländern teil. Tabelle 3: Bewertungskriterien der Unternehmensreputation des American (bzw. World’s) Most Admired Companies Index
Ability to attract and retain talented people
Quality of management
Social responsiblility to communicty and the environment
Innovativeness
Quality of products and services
Wise use of corporate assets
Financial soundness
Long-term investment value
Effectiveness in doing business globally (nur WMAC)
(vgl. o.V., 2010) Vorteil dieser Studie ist zweifelsfrei ihr Langzeitcharakter. Dennoch gibt es zahlreiche Kritikpunkte, die dem Ansatz entgegenstehen. So zeigt Schwaiger (2004b, S. 4), dass es dem Index an einer theoretischen Einbettung weitestgehend fehlt (vgl. hierzu auch Davies, Chun, Vinhas da Silva, & Ropper, 2001, S. 115). Insbesondere die zugrunde gelegten Kriterien sind nicht eindeutig voneinander zu trennen (vgl. Bromley, 1993, S. 176). Vor allem jedoch wird das Reputationskonstrukt sehr eng ausgelegt: Erstens wird sie ausschließlich bei Managern und Analysten erhoben. Der Tatsache, dass sich Reputation bei allen für eine Organisation relevanten Stakeholder bildet hält diese Argumentation damit nicht stand. Zweitens liegt der Schwerpunkt der untersuchten Items deutlich auf dem finanziellen Erfolg und wurde in der Literatur als Halo-Effekt identifiziert (vgl. Fryxell & Wang, 1994, S. 2). Es ist daher fraglich, ob mit diesem Index nicht lediglich der finanzielle Erfolg und weniger die Reputation gemessen wird (vgl. hierzu auch Gardberg, 2001, S. 62). Diese Kritikpunkte
52
2 Theoretische Grundlagen
zeigen, dass der Ansatz in seiner Gesamtheit kein probates Mittel ist, Reputation umfassend zu messen. Der Reputation Quotient (RQ) ist die Antwort auf die theoretischen und empirischen Defizite des World Most Acquired Companies Index (WMAC) mit dem Ziel, eine tragfähige Grundlage für das (internationale) strategische Reputationsmanagement zu sein (vgl. Fombrun & Wiedmann, 2001, S. 8; Gardberg, 2001, S. 64). Er misst anhand eines standardisierten Messinstruments Unternehmensreputation bei unterschiedlichen Stakeholdergruppen und begegnet damit einem der zentralen Kritikpunkte des WMAC. Vorteil der Methode ist, dass Reputation als mehrdimensionales Konstrukt verstanden wird, dessen Dimensionen in Vorstudien durch systematische Faktoranalysen gebildet wurden (vgl. Gardberg & Fombrun, 2002, S. 304). Die Bestimmung des Reputation Quotient (RQ) ist dabei mehrstufig angelegt: Durch Vorstudien wird zunächst die Übertragbarkeit der Items in einem Land überprüft. Anschließend werden die Unternehmen ausgewählt, deren Reputation untersucht werden soll. In einer dritten Phase werden die Unternehmen dann anhand von insgesamt sechs unterschiedlichen Kriterien bewertet (vgl. Tabelle 4). Tabelle 4: Bewertungskriterien des Reputation Quotient
Emotional Appeal (like, trust, respect)
Products and services (strong brand, innovativeness, quality, value)
Vision and leadership (inspiring vision, strong leadership, clear values)
Workplace environment (well-managed, appealing workplace, employee talent)
Financial performance (past results, low risk, growth prospects, recognises opportunities)
Social and environemt responsiblity (citizenship, environmental stewardship, ethics)
(vgl. Fombrun, 2001b, S. 24) Mit der Bestimmung einer Rangreihe wird anschließend ein Reputationsquotient gebildet, wobei die Daten in zwei daran anschließenden Phasen zur weiteren Analyse genutzt werden (Detailanalysen, Zeitverlaufsanalysen, internationaler Vergleich, u.a.). Trotz seiner wissenschaftlichen Fundierung gilt es aber auch hier wesentliche Kritikpunkte anzuführen. Erstens werden die zu analysierenden Unternehmen nach der so genannten „Top-of-mind“-Methode ausgewählt, d.h. die Befragten nennen spontan das Unternehmen mit dem ihrer Meinung nach besten oder schlechtesten Ruf. Das setzt allerdings eine gewisse öffentliche Präsenz von Organisationen voraus (vgl. van Riel & Fombrun, 2002, S. 297). Unternehmen beispielsweise im Business-to-Business-Bereich werden somit nur selten in das Ranking mit aufgenommen (vgl. Wiedmann, 2001, S. 11). Zweitens haben methodische Ungenauigkeiten wie eine Telefon- bzw. Onlineumfrage sowie der Annahme
2.1 Reputation
53
die Probanden gewichten die Indikatoren gleich, Auswirkungen auf die Repräsentativität bzw. Interpretation der Daten. Die Autoren versuchen diese Kritik aufzugreifen, indem sie beispielsweise die jeweiligen Indikatorengruppen nachträglich unterschiedlich gewichten. Dennoch zeigt Wiedmann (2005), dass fünf der sechs Dimensionen eine Auswirkung vor allem auf den „emotional appeal“ haben (vgl. hierzu auch Ingenhoff & Sommer, 2010). Diese emotionale Komponente wird bisher jedoch nicht explizit in den RQ mit aufgenommen. Drittens wird auch der RQ dem Anspruch nicht gerecht, die Reputation verschiedener Stakeholder zu messen. Der Fokus der Messung liegt in erster Linie auf der zwar wichtigen Gesamtbevölkerung, es wird aber nicht zwischen weiteren Gruppen differenziert (vgl. Wartick, 2002, S. 384). Und viertens schließlich ist fraglich, ob die Reputation eines Unternehmens sich anhand einer einzelnen Kennzahl sinnvoll darstellen lässt. Es bleibt zu bedenken, dass sich bestimmte Aspekte von Reputation nur unzureichend in Kennzahlen darstellen lassen. Solche qualitativen Darstellungen werden im Reputation Quotient kaum beachtet. Zudem werden detaillierte Rückschlüsse auf die Unternehmensreputation verhindert oder zumindest erschwert. Dies hat zur Konsequenz, dass ein gezieltes Management schlechter Reputation nur bedingt möglich ist. 2.1.4.2
Dimensionierung von Reputation
Die vorgestellten Messansätze zeigen, dass Reputation sich entlang verschiedener Determinanten qualitativ und quantitativ beschreiben lässt. Die Auswahl der Indikatoren erfolgt sowohl scheinbar eklektisch aber auch theoriegeleitet. Die Vielzahl der Determinanten lässt es zu, diese zusammenzuführen und in Beziehung zu setzen. Doch auch eine solche Systematisierung bedarf eines theoriegeleiteten Rahmens, innerhalb dessen sich die Items sinnvoll dimensional abgrenzen lassen. Denn ein adäquates Messmodell für Reputation zu konstruieren ist nach wie vor eine der zentralen Herausforderungen in der Reputationsforschung (vgl. Larkin, 2003). Fombrun & van Riel (1997) schlagen vor, Reputation allgemein als Ergebnis subjektiver Bildung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu sehen und differenzieren dabei zwischen sechs Reputationsdimensionen (Produkte & Service, finanzielle Leistung, Führung & Management, Arbeitsplatzumfeld, soziale Verantwortung, emotionale Anziehung) (vgl. hierzu auch Fombrun, Gardberg, & Sever, 2000). Doch trotz ihrer differenzierten Betrachtung ist ihr Ansatz immer noch stark ökonomisch orientiert und trägt daher nur bedingt zu einer umfassenden Dimensionierung von Reputation bei. Eine wichtige Ergänzung bietet daher die Unterscheidung zwischen einer objektiven und subjektiven Wahrnehmungsdimension (vgl. Dozier, 1993). Reputation entsteht demnach objektiv anhand von direkter und subjektiv anhand von übermittelter, indirekter Erfahrung (vgl. ebd., S. 230 ff.). Objektive und subjektive Erfahrung lässt sich in Bezug auf Reputation anhand von zwei Parametern kennzeichnen. Einerseits umfasst Reputation wahrnehmbare (kognitive) Parameter und andererseits bildet sich Reputation durch Einstellungen gegenüber einem Reputationsträger (affektive Parameter) (vgl. Schwaiger, 2004a). Kognitive Parameter beziehen sich wiederum auf die Zuschreibung von Kompetenz und Auftrag eines Reputationsträgers während sich einstellungsorientierte Parameter vor allem auf die Zuschreibung wahrgenommener Sympathie beziehen. Auch Wiedmann (2004) entwickelt das Messkonzept des RQ weiter, indem er die Reputationstreiber in affektive, kognitive und konative Komponenten unterteilt. Er argumen-
54
2 Theoretische Grundlagen
tiert, dass sich Reputation sich aus der Wahrnehmung von Images (Wahrnehmungs- und Beurteilungskomponente) bildet sowie aus einem aus der Wahrnehmungsbewertung ergebenden Unterstützungspotenzial. Emotional Appeal stellt er damit als affektive Komponente dar und bezieht die verbleibenden fünf Dimensionen auf die kognitive Komponente. Mögliche Unterstützungspotenziale bilden entsprechend die konative bzw. handlungsbezogene Komponente (vgl. Wiedmann, 2004, S. 17). Wiedmann testet seine Darstellung empirisch (vgl. Wiedmann, 2004; Wiedmann & Buxel, 2005) und leistet damit insbesondere für Deutschland einen wichtigen Beitrag zur Dimensionierung des Reputationskonstrukts. Das Reputationsmodell von Schwaiger (2003) beschreibt Reputation als Kombination von Kompetenz (Qualität und Performance) und Sympathie (Attraktivität und Verantwortung). In dem vorgestellten Strukturgleichungsmodell zeigt er detailliert die Wirkung der formativen Indikatoren auf Sympathie und Kompetenz. Als reflektive Indikatoren wählt er Identifikation, Sympathie, Bedauern, Anerkennung, Stellung des Unternehmens und Leistung. Durch das ausdifferenzierte Modell lassen sich zudem Branchenspezifika erklären. Schwaigers Reputationsmodell lässt sich einerseits empirisch bestätigen (vgl. ebd., S. 60 f.) und bezieht andererseits unterschiedliche Stakeholder in die Bewertung mit ein. Diese werden allerdings nicht separat ausgewiesen, so dass unklar bleibt, anhand welcher Stakeholder die gezeigten Parameter identifiziert wurden. Vorgeworfen werden kann dem Modell zudem, dass einige der Items selbst Konstrukte sind und daher nur ungenau beantwortet werden können. Dies wiederum führt zu einer ungenauen Identifikation der Parameter. Die meisten Arbeiten, die Reputation als mehrdimensionales Konstrukt verstehen, differenzieren bislang zwischen einer funktionalen und einer sozialen Komponente (vgl. Schwaiger, 2004a). So differenzieren Brown & Dacin (1997) beispielsweise zwischen corporate ability und corporate social responsibility oder Chew (1992) zwischen economic performance und social conduct. Von Unternehmen wird demnach in erster Linie die Erbringung eines funktionalen Leistungsauftrags erwartet. Darüber hinaus lassen sich gewisse Erwartungen, die sie in ihrer Rolle als gesellschaftlicher Akteur einnehmen, mit dieser Kategorie nicht fassen. Entsprechend hat sich eine sozialorientierte Kategorie der Erwartungen etabliert. Diese Differenzierung ist immer noch nicht umfassend und muss daher ergänzt werden um die Zuschreibung expressiver Parameter. Eisenegger & Imhof (2007) schlagen daher vor, Reputation entlang von drei Dimensionen zu fassen. Angelehnt an Habermas DreiWelten-Konzept konstituiert sich Reputation demnach in einer objektiven, subjektiven und sozialen Welt konstituiert (vgl. Habermas, 1984, S. 84 ff.). In der objektiven Welt werden Reputationsträger aus den Überlegungen zweckrationalen Handelns kognitiv nach ihrer Funktionserfüllung beurteilt (funktionale Reputation). Subjektive (oder expressive) Reputation ergibt sich aus einer emotionalen Bewertungslogik. Hier geht es in erster Linie um Fragen der Attraktivität bzw. Anziehungskraft des Reputationsträgers. Die soziale Welt wird schließlich durch einen normativen Kontext konstituiert, der sich an sozialen Normen und Werten orientiert. Wird zweckrationales Handeln daher durch gesamtgesellschaftliche Legitimität und Integrität normativ-moralisch bewertet, ist dies die Grundlage zur Bildung sozialer Reputation (vgl. Eisenegger & Imhof, 2007, S. 3). Auch wenn bereits Winters (1986) Erwartungen gegenüber Unternehmen anhand drei ähnlicher Dimensionen formuliert (wirtschaftliche Leistung, soziale Leistung sowie einen philanthropischen Beitrag), fehlte es bei seinem Konzept an einer theoretisch fundierten Herleitung. Dem begegnet die aufgezeigte gesamtgesellschaftliche Ableitung. Reputation umfasst demnach kognitive
2.1 Reputation
55
Elemente, die sich vor allem auf funktionale Parameter beziehen. Expressive Elemente beziehen sich dagegen auf subjektive Einstellungszuschreibungen während soziale Elemente die gesellschaftsbezogenen Parameter umfassen. Eisenegger & Imhofs Vorschlag kann vorgeworfen werden, dass er das Habermassche Drei-WeltenKonzept diskursiv nicht einlöst, da ihre Darstellung stark handlungsorientiert bleibt. Dennoch hat die Ableitung der Reputationskonstitution den besonderen Vorteil, dass Reputation als ausdifferenzierte Größe entwickelt wird und sämtlichen gesellschaftlichen Funktionssystemen zugesprochen und entzogen werden kann. Reputationskonstitution erhält dadurch einen gesamtgesellschaftlichen Geltungsanspruch. Erst durch die Entsprechung der drei Reputationsdimensionen mit der Grundlogik moderner Gesellschaften lässt sie sich auf beliebige Organisationstypen – und damit nicht mehr nur auf ökonomische Organisationen – übertragen (vgl. Eisenegger & Imhof, 2007, S. 3). Dies spielt insbesondere für die differenzierte Beantwortung der Forschungsfrage (Welchen Einfluss haben kommunikative Strategien in Krisen auf den Erhalt oder die Bildung von Reputation?) eine besondere Rolle (vgl. Kapitel 1.4). Tabelle 5 stellt die drei Dimensionen in Bezug auf ihren Reputationsbezug, ihre Indikatoren und Bewertungslogik überblicksartig nebeneinander. Tabelle 5: Funktionale, soziale und expressive Reputation Funktionale Reputation
Soziale Reputation
Expressive Reputation
Reputationsbezug
Leistungsbasierte Funktionssysteme
Moralisch-normative Standards
Individuelle Identität/Sympathie
Reputationsindikatoren
Kompetenz, Erfolg
Integrität, Sozialverantwortlichkeit, Legitimität
Attraktivität, Einzigartigkeit, Authentizität
Kognitiv-rational (Kennzahlen)
Normativmoralisierend
Affektiv-emotional
Bewertungslogik
(i.A.A. Eisenegger & Imhof, 2007, S. 6) Mit diesen Überlegungen können allerdings noch keine Zusammenhänge zwischen den drei Dimensionen hergestellt werden. Offen bleibt zunächst, in welchem Bezug sie zueinander stehen und mit welcher Zielgröße sie sich verknüpfen lassen. Denn funktionale, soziale und expressive Reputation tragen nicht in gleicher Weise zu einer Gesamtreputation von Organisationen bei. Vielmehr haben sowohl die funktionale als auch die soziale Reputation eine Wirkung auf expressive Reputation (vgl. Ingenhoff & Sommer, 2010; Schwaiger, 2004). Diese lässt sich entsprechend als reflexives Konstrukt konzipieren, bei dem funktionale und soziale Reputation zur zentralen Steuerungsgröße werden (vgl. Ingenhoff & Sommer, 2007). Für das Management von Reputation (vgl. Kapitel 2.4.2.1) hat dies zur Konsequenz, dass funktionale und soziale Reputation als kognitive Konstrukte direkt beeinflussbar sind während expressive Reputation als affektives Konstrukt sich in erster Linie aus Sympathieattributen konstituiert, die allenfalls indirekt zu einer Steuerungsgröße werden.
56
2 Theoretische Grundlagen
Ingenhoff & Sommer (2007) greifen diesen zentralen Vorwurf auf und entwickeln ein differenziertes Modell der Reputationskonstitution durch Einflussgrößen einer funktionalen, sozialen und emotionalen Dimension. Die funktionalen und sozialen Parameter werden in einem Strukturgleichungsmodell als formative Indikatoren beschrieben während die emotionalen Treiber reflexiv modelliert werden. Das Modell ist ebenso wie das von Schwaiger so detailliert, dass die Wirkungsmechanismen einzelner Items mit den drei Reputationskonstrukten sehr genau gezeigt werden können. Das Modell wurde in einer Langzeitanalyse eines Telekommunikationskonzerns empirisch bestätigt, vergleichende oder Branchen übergreifende Studien gibt es bislang noch nicht. Darüber hinaus gibt es einige weitere Messmodelle, die Reputation quantifizieren aber weit weniger wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. So bewertet beispielsweise das Imageprofil des Manager Magazins die umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands in 16 Branchen anhand von insgesamt 13 Faktoren (vgl. Döhle & Werres, 2010). Das Imageprofil ist jedoch als unzureichend zu klassifizieren, weil erstens die Konzepte Reputation, Image und Ruf nicht voneinander differenziert werden und zweitens die Gesamtreputation anhand von nur einem Item erhoben wird. Damit trägt das Imageprofil Reputation als multidimensionales Konstrukt keine Rechnung. Drittens ist das Imageprofil ein Ranking, das Unternehmen direkt miteinander vergleicht, ohne nach der Branchenzugehörigkeit zu unterscheiden. Wenngleich insbesondere durch den Vorschlag von Ingenhoff & Sommer eine solide Differenzierung der drei Dimensionen vorliegt die gleichsam deren Zusammenhänge aufzeigt, so ist die Wirkung der Reputationstreiber sicher noch nicht abschließend geklärt. Cullen stellt treffend fest, dass allein die funktionale Reputation noch stärker durch die Unternehmen differenziert werden kann: „It is important to bear in mind that reputations are a fluid construct and are processed differently by individuals. [...] [A] company might have an exceptional reputation for being the most competitive on grounds of cost or reliability, but a poor reputation for customer service or innovation“ (Cullen, 2005, S. 103).
Die Erwartungen gegenüber Unternehmen ändern sich zudem mit der Zeit (vgl. A. Carroll, 1979) – eine Beobachtung, die sich auch in der Literaturdebatte über Reputation niederschlägt (vgl. Berens & van Riel, 2004): Während in den 50er Jahren kaum Items zur Umweltfreundlichkeit von Unternehmen, deren sozialem Engagement oder finanzieller Stabilität in Skalen zur Reputation erwähnt werden (vgl. z.B. die Skala von Cohen, 1963) sind diese inzwischen ein zentraler Bestandteil fast aller aktueller Skalen (vgl. insb. die von Fombrun, 2001b). Mit dieser Dimensionierung von Reputation ist bereits eine wichtige begriffliche und konzeptionelle Abgrenzung der Arbeit erreicht. Es konnte gezeigt werden, anhand welcher Merkmale sich Reputation von ähnlichen Konzepten abgrenzt. Zudem wurde argumentiert, dass Reputation nicht nur anhand funktionaler Kriterien konstituiert, sondern differenziert nach funktionalen, sozialen und emotionalen Attributen dimensioniert werden muss. Diese Dimensionierung von Reputation ist zentrale Annahme für die Operationalisierung der abhängigen Variable der empirischen Studie (vgl. Kapitel 4).
2.1 Reputation
2.1.4.3
57
Zusammenfassung: Reputation als multidimensionales Konstrukt
Während ein Großteil der in der wissenschaftlichen Fachdebatte vorgestellten Reputationskonzepte überhaupt keine Dimensionierung vornimmt, kann man aufgrund einer stark ökonomischen Orientierung viele der untersuchten Items vor allem einer funktionalen Kompetenz-Dimension zuordnen. Daneben beeinflussen Steuerungsgrößen soziales Engagement die Bildung einer sozialen Reputationsdimension, wobei diese Zweiteilung kaum theoriegeleitet begründet wird (vgl. hierzu auch Hall, 1992, S. 38). Entsprechend wird die zweite Gruppe auch mitunter stark uneinheitlich auf die Übernahme sozialer Verantwortung (vgl. Eberl & Schwaiger, 2004), Attraktivität und gesellschaftliche Verantwortung (vgl. Schwaiger, 2004b), Fairness, Transparenz und Sympathie (vgl. Walsh & Wiedmann, 2004) oder emotionale Reize (vgl. Fombrun, 2001b) bezogen. Aus den drei Dimensionen von Dollinger et al. (1998) lassen sich wiederum Verantwortung des Managements und Umweltverantwortung als soziale Komponente extrahieren. Zwischenfazit: Der Beitrag der Messansätze zur Erklärung von Reputation Dass die entwickelte Dreidimensionalität von Reputation sich von bisherigen Messansätzen nicht ausschließt verdeutlicht die folgende Zusammenstellung (vgl. Tabelle 6). Alle vorgestellten Messsystematiken können entlang funktionaler, sozialer und expressiver (respektive emotionaler) Kriterien zusammengefasst werden. Tabelle 6: Zuordnung der Items vorgestellter Messansätze14 Funktionale Reputation Fortunes Worlds Most Acquired Companies
14
Ability to attract and retain telented people
Quality of management
Innovativeness
Quality of products and services Wise use of corporate assets
Long-term investment value
Effectiveness in doing global business
Soziale Reputation
Expressive Reputation
Social responsiblility to communicty and the environment
Die Items der Messansätze werden in der Originalsprache angeführt, um Übersetzungsfehler zu vermeiden.
58
2 Theoretische Grundlagen
(Fortsetzung) Fombruns Reputation Quotient
Schwaiger
Products and services (strong brand, innovativeness, quality, value)
Financial performance (past results, low risk, growth prospects, recognises opportunities)
Qualität (Produkte, Dienstleistungen, Preise, Service, Fokus, verlässlicher Partner, Vertrauenswürdigkeit, Respekt vor Leistungen, u.a.)
Performance (Führung, Stabilität, überschaubare Risiken, Wachstumspotenzial, klare Zukunftsvorstellungen, Vorreiterrolle)
Kompetenz
Ingenhoff & Sommer
Kundenwert
Pioniergeist
Rolle als Arbeitgeber
Emotional Appeal (like, trust, respect)
Vision and leadership (inspiring vision, strong leadership, clear values)
Social and environemt responsiblity (citizenship, environmental stwardship, ethics) Verantwortung (Wettbewerb, Profitdenken, gesellschaftliche Verantwortung, Umweltengagement, aufrichtige Information)
Attraktivität (qualifizierte Mitarbeiter, als Arbeitgeber vorstellbar, Erscheinungsbild)
Soziales Engagement
Sympathie
Sozialverantwortung
Produktattraktivität
Umweltschutz
Enthusiasmus für die Marke
Ressourcenfreundlichkeit
Produktqualität Preis-Leistungsverhältnis
Workplace environment (wellmanaged, appealing workplace, employee talent)
Sympathie
2.1 Reputation
59
(Fortsetzung)
Wissen
Investment in Forschung und Entwicklung
Wirtschaftliche Stabilität
Wachstumspotential
Top-ManagementTeam
Kompetenz der Geschäftsleitung
Strategische Entscheidungen
Zukunftsvisionen
Fürsorge für die Mitarbeiter
(Eigene Darstellung) Reputation kann also nicht nur eindimensional beschrieben werden, wenngleich die Reputationstreiber stark von dem jeweiligen Forschungskontext abhängen. Für die vorliegende Arbeit wurde ein Reputationsverständnis vor dem Hintergrund mediengesellschaftlicher Regularien entwickelt sowie einem immanenten Risiko des Reputationsverlusts in Krisen. Dies war notwendig, da „while interest in the concept of corporate reputation has gained momentum in the last few years, a precise and commonly agreed upon definition is still lacking“ (Barnett, et al., 2006, S. 26). Durch die multiperspektivische Darstellung von Reputation wurden zentrale Argumentationslinien aufgezeigt und wesentliche Elemente daraus systematisch zusammengeführt. Diese Elemente werden abschließend noch einmal in einem zeitlichen, sozial-interaktiven und sachlichen Kontext zusammengefasst und münden anschließend in einer für die Arbeit tragfähigen Arbeitsdefinition. Der zeitliche Kontext Es wurde gezeigt, dass Reputation Bewertungsgrundlage für zukünftige Entscheidungen von Akteuren ist. Damit bezieht sie sich indirekt auf zukünftige Erwartungen gegenüber einer Organisation. Zentrales Bewertungskriterium ist jedoch das Verhalten und die Kommunikation einer Organisation in der Vergangenheit. Reputation wird als immaterieller Wert einer Organisation verstanden, der sich über einen langen Zeitraum konstituiert. Barnett, Jermier & Lafferty (2006, S. 34) beschreiben Reputation entsprechend als „[...] the observer’s collective judgements of a corporateion based on assessments of the financial, social, and environmental impacts attributed to the corporation over time“.
60
2 Theoretische Grundlagen
Der sozial-interaktive Kontext Zweitens beinhaltet Reputation ein evaluatives Moment. Das bedeutet, dass Reputation eine Bewertung (im Gegensatz zu einer neutralen Wahrnehmung) ist, die in der Regel über öffentliche Kommunikation und damit über Dritte vermittelt wird. Diese Bewertung kann sowohl positiv als auch negativ ausfallen was Konsequenzen für sich anschließende (kognitive) Prozesse hat. Reputation wird Organisationen entsprechend des Interaktionskontextes zugeschrieben, d.h. Reputation ist zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen different. Der sachliche Kontext Die Determinanten von Reputation lassen sich inhaltlich entlang von drei Dimensionen fassen. Während die funktionale Dimension in erster Linie eine Bewertung im Hinblick auf die Leistungserfüllung einer Organisation ist, bildet sich soziale Reputation anhand von einer Entsprechung gesellschaftlicher Normen und Werte. Die Reputationsindikatoren dieser Dimensionen werden kognitiv zugeschrieben. Emotionale Reputation beschreibt hingegen die entgegengebrachte Sympathie. Sie ist gleichermaßen Zielkonstrukt der beiden anderen Dimensionen und bildet sich affektiv. Um Reputation anschließend als quantitativ darstellbares Konstrukt darzustellen, wurden wesentliche Indikatoren entlang dieser drei Dimensionen vorgestellt. Diese sind die Grundlage für das empirische Messmodell in Kapitel 4. Diese Zusammenfassung erlaubt es, die Konstitution von Reputation auf Organisationen im Allgemeinen zu beziehen und verdeutlicht die Mehrdimensionalität des Konstrukts. Für die in dieser Arbeit zu untersuchenden Wirkungsmechanismen auf Reputation lässt sich unter Hinzuziehung der drei Dimensionen sowie des kontextuellen Rahmens der Mediengesellschaft folgende Arbeitsdefinition festhalten: Reputation ist die Zusammenfassung persönlicher (direkter) oder medienvermittelter (indirekter) Erfahrungen, die verschiedene Stakeholder einer Organisation attribuieren und kann sich beziehen auf funktionale, soziale und emotionale Determinanten. Sie ist gleichsam eine Erwartung, die Stakeholder anhand vergangener oder aktueller Handlungen (organisationsimmanent) oder Signale (medienvermittelte Interpretation) an den Reputationsträger stellen. Dieses Reputationsverständnis greift damit wesentliche Aspekte auf, die bis hierher schrittweise entwickelt wurden. Reputation wird verstanden als eine kollektive Wahrnehmung, die sich bei unterschiedlichen Stakeholdern bildet. Sie ist mehrdimensional und beschreibt eine Erwartungshaltung die sich aufgrund einer vorhandenen Informationsasymmetrie entweder anhand eigener Erfahrungen oder medienvermittelt bildet. D.h. Reputation konstituiert sich sowohl durch Signale und Verhalten des Reputationsträgers (und somit auch durch Kommunikation) als auch durch kognitive und affektive Wahrnehmung. In diesem Verständnis wird der finanzielle Wert von Reputation zwar explizit ausgeschlossen, auf die Relevanz als immateriellen Unternehmenswert jedoch implizit hingewiesen. Die Vorteile des erarbeiteten Reputationsverständnisses liegen auf der Hand. Es versucht dem eingangs gezeigten „Corporate Bias“ entgegen zu wirken, indem Elemente aus ökonomischer, soziologischer und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive berücksichtigt werden. Die Zusammenführung dieser drei Perspektiven erhebt den Anspruch,
2.1 Reputation
61
Reputation nicht ausschließlich aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Blickwinkel zu betrachten und damit vielmehr zu einem umfassenden Verständnis beizutragen. Insbesondere im Hinblick auf medienvermittelte Reputation sowie ihre gesellschaftliche Einordnung hat die Wahl der drei Perspektiven gezeigt, eine sinnvolle Ergänzung zu sein. Darüber hinaus lehnt sich die Differenzierung zwischen funktionaler, sozialer und affektiver Dimension an eine gesellschaftstheoretische Herleitung an. Damit wird Reputation als Konstrukt verstanden, das sich auf allen Ebenen moderner Gesellschaften konstituieren kann. Insbesondere für die theoretische Einbettung (vgl. Kapitel 5) ist diese Sichtweise dienlich. 2.1.5
Zusammenfassung: Reputation im Kontext der Mediengesellschaft
Reputation ist die Summe bewerteter Wahrnehmungen einer Organisation durch eigene oder die Erfahrung Dritter. Damit grenzt sie sich ab von Konstrukten wie Identität (interne Attribute einer Organisation), Marke (kommunikative Selbstdarstellung einer Organisation) oder dem Image (subjektive Einzelwahrnehmung). In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung lässt sich Reputation aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben, mit jeweils differenten Konzeptionalisierungen. Aus soziologischer Sicht ist sie eine vermittelte Form gesellschaftlicher Anerkennung, die gesellschaftlichen Rollenträger zugeschrieben wird. Aus der ökonomischen Perspektive steht der (teilweise quantifizierbare) immaterielle Unternehmenswert im Fokus der Betrachtung, der sich in der Wahrnehmung des Unternehmens insgesamt aber auch in seinen Teilbereichen niederschlägt. Die kommunikationswissenschaftliche Perspektive hält Wirkungsmechanismen von Organisationskommunikation auf die Reputation einerseits und Argumente für die Konstitution von Reputation innerhalb der Mechanismen der Mediengesellschaft andererseits bereit. Insbesondere die Relevanz in Krisen ist Teil dieser Auseinandersetzung. Der Bezugsrahmen für Reputation orientiert sich erstens an den Mechanismen der Mediengesellschaft. Mediatisierung lässt Reputation zum zentralen Differenzierungsmerkmal von Organisationen avancieren. Gleichzeitig wird sie zu einem wichtigen Element, Skandalisierungen von Organisationen entgegenzuwirken. Zweitens unterscheidet sich Reputation im jeweiligen Stakeholderkontext. Dies hängt damit zusammen, dass unterschiedliche Anspruchsgruppen differente Erwartungen gegenüber Organisationen formulieren und sich daraus unterschiedliche Reputationszuschreibungen ableiten. Die Besonderheit in Krisensituationen ist, dass sich Anspruchsgruppen spontan, global und kontextbezogen bilden können und dabei gleichzeitig eine gleichsam hohe Relevanz für die Reputationskonstitution haben. Drittens lässt sich organisationale Reputation nicht umfassend beschreiben, ohne auf den Kontext der Branchen- oder Umfeldreputation einzugehen. Denn die Kontextualisierung von Reputation hat einen Einfluss auf die Wahrnehmung spezifischer Reputation und wird damit zu einer weiteren wichtigen Einflussvariable der Reputationskonstitution für Organisationen. Empirisch lässt sich Reputation abschließend als multidimensionales Konstrukt beschreiben. Messansätze – gleichwohl ob sie sich an einer finanzwirtschaftlichen oder einer inhaltsbezogenen Quantifizierung orientieren – lassen sich in drei Dimensionen zusammenfassen. Während die Zuschreibung von Kompetenz und Auftrag eine funktionale Dimension von Reputation beschreibt spiegelt die Zuschreibung von Attributen, die eine Organisation als gesellschaftlichen Akteur bewerten, eine soziale Dimension wieder. Reputations-
62
2 Theoretische Grundlagen
treiber wie Sympathie und Attraktivität lässt sich in einer expressiven oder emotionalen Dimension von Reputation zusammenfassen. Funktionale und soziale Attribute bilden sich kognitiv während emotionale Reputation als affektives Konstrukt beschrieben werden muss. Mit diesen Überlegungen wurden vier wesentliche Ziele der theoretischen Grundlegung erreicht. So wurde erstens der Begriff Reputation systematisch hergeleitet und abgegrenzt, zweitens Reputation in den Kontext zentraler Forschungstraditionen gestellt, drittens ihr Bezugsrahmen formuliert und viertens die zentralen Treiber dimensional zusammengefasst. Reputation konnte damit gezielt in den Kontext der Mediengesellschaft gestellt und das Zielkonstrukt für die vorliegende Arbeit definiert werden. Durch den Fokus der Forschungsfrage gilt es nun, Reputation in den Zusammenhang von Krisensituationen zu stellen und Krisenkommunikation als wesentliches Element der Reputationskonstitution in Krisen zu entwickeln. Beides ist Gegenstand des nun folgenden Kapitels. 2.2
Krisen
Krisen sind Gegenstand der Analyse in unterschiedlichsten Kontexten und Wissenschaftsdisziplinen. Auf der Mikro-Ebene stehen persönliche Krisen und deren Bedingungen und Folgen für das Individuum im Vordergrund. Insbesondere die Medizin (Krise als krankhaften Zustand) und die Psychologie (Krise als eine Veränderung der Persönlichkeit) thematisieren Krisen auf dieser Ebene. Hingegen sind auf einer Meso-Ebene Organisationskrisen Gegenstand der Betrachtung: Während die Politikwissenschaft Regierungs- und Territoriums-/Ressourcenkrisen thematisiert, setzt sich die Wirtschaftswissenschaft mit volkswirtschaftlichen sowie mit einzelunternehmerischen Krisenphänomenen auseinander (vgl. hierzu auch Krystek, 1987, S. 4 f.). Auf einer Makro-Ebene können Krisen als ein Konzept temporaler Diskontinuität gesehen werden, das sich gleichermaßen systemtheoretisch wie differenztheoretisch beschreiben lässt (vgl. Merten, 2008, S. 96). Inhaltlicher Fokus liegt hier auf Krisen in Gesellschafts- bzw. Funktionssystemen, so dass das Krisenphänomen vor allem zum Gegenstand der Gesellschafts- und Sozialwissenschaften wird. Im Fortlauf der Arbeit sind weder persönliche (Mikro-Ebene) noch Gesellschaftskrisen (Makro-Ebene) Gegenstand der Untersuchung. Mit der Analyse von organisationalen Krisen ist die Arbeit damit der Meso-Ebene als Betrachtungsebene zuzuordnen15. Die unterschiedlichen Kontextualisierungen zeigen auf, dass es für die vorliegende Arbeit einer Einbettung des Krisenbegriffs bedarf. Entsprechend wird in einem ersten Schritt das Krisenverständnis anhand einer begrifflichen Grundlegung geklärt (vgl. Kapitel 2.1.1). Da es an einem analytischen Zusammenhang zwischen Krisentypen und Reputationsrisiken bislang fehlt, wird diese Lücke anhand einer neuen Krisentypologie geschlossen (vgl. Kapitel 2.2.1.3.3), und anschließend der Bezugsrahmen von Krisen für Organisationen aufgezeigt (vgl. Kapitel 2.1.3). Um den Krisenbegriff adäquat abzugrenzen, wird dabei auf zentrale Eigenschaften relevanter Wissenschaftsdisziplinen Bezug genommen (vgl. Kapitel 2.2.2).
15
Wenn im weiteren Verlauf der Arbeit von „Krise“ die Rede ist, sind damit organisationale Krisen – also Krisen politischer, wirtschaftlicher, etc. Organisationen gemeint.
2.2 Krisen
2.2.1 2.2.1.1
63
Begriffliche Grundlagen Terminologische Eingrenzung und zentrale Merkmale von Krisen
Unter dem Begriff der (organisationalen) Krise werden in der Alltagssprache wie in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Situationen subsumiert: „We use the term ‚crisis’ rather loosely [...] when we talk about crisis management/communication“ (Coombs, 2002, S. 339; vgl. hierzu auch Löffelholz & Schwarz, 2008, S. 21). Sprachwissenschaftlich lässt sich der Begriff auf das griechische „krisis“ zurückführen und umschreibt zunächst ganz grundsätzlich einen Wende- oder Höhepunkt einer bis dahin kontinuierlich verlaufenden Entwicklung (vgl. Drosdowski, 1989, S. 388). Kennzeichnend ist dabei der unbedingt ambivalente Verlauf – der Ausgang einer Krise bleibt per Definition zunächst unbestimmt. Erst im heutigen Sprachgebrauch tritt der negative Charakter einer Krise in den Vordergrund. Um sich dem Begriff systematisch zu nähern, werden vier zentrale konstitutive Merkmale organisationaler Krisen anhand von vier Dimensionen zusammengeführt: in Bezug auf die Ursachen von Krisen anhand der System- und Prozessdimension und in Bezug auf die Wirkung von Krisen in Bezug auf die Rezeptions- und Zieldimension. Die Systemdimension: Krisen als Folge von Systemkomplexität Organisationen sind komplexe Systeme (vgl. Luhmann, 1996b). Sie sind damit zwar einerseits steuerbar, unterliegen andererseits jedoch einer starken Eigendynamik. Krisen lassen sich daher erstens als eine Folge einer Systemkomplexität beschreiben (vgl. Perrow, 1987). Diese These geht vor allem zurück auf den Krisentheoretiker Minsky (1992), der die Arbeiten den britischen Ökonomen John Maynard Keynes fortgesetzt hat. Er argumentiert für das Finanzsystem: „The financial instability hypothesis is a model of a capitalist economy which does not rely upon exogenous shocks to generate business cycles of varying severity. The hypothesis holds that business cycles of history are compounded out of (i) the internal dynamics of capitalist economies, and (ii) the system of interventions and regulations that are designed to keep the economy operating within reasonable bounds“ (ebd., S. 9).
Das bedeutet, dass Krisen nicht ausschließlich ein von außen an ein System herangetragener Schock sein müssen. Vielmehr entstehen sie bereits aufgrund einer aus der Organisation kommenden Systemkomplexität. Je komplexer die Systemstruktur, desto wahrscheinlicher der Krisenfall. Solche Krisen können dann sogar den Systembestand gefährden. In Bezug auf Wirtschaftsunternehmen hat Krystek (1987) in einer umfassenden Definition entsprechend dargelegt, dass Krisen „[...] den Fortbestand der gesamten Unternehmung substantiell und nachhaltig [...] gefährden oder sogar unmöglich [...] machen“ (ebd., S. 6). Auch Merten weist darauf hin, dass ein möglicher Ausgang von Krisen die Katastrophe ist und damit die dauerhafte Fortführung der Unternehmung gefährdet (vgl. Merten, 2008, S. 86). Daraus ergibt sich schließlich ein unmittelbarer Handlungsbedarf, denn „[...] a crisis is a disruption that physically disrupts a system as a whole and threatens its basic assumptions, its subjective sense of self, its existential core“ (Pauchant & Mitroff, 1992, S. 12).
64
2 Theoretische Grundlagen
Die Prozessdimension: Krisen als Veränderung einer Prozessstruktur Krisen sind zweitens jedoch vor allem eine Veränderung einer bis dahin kontinuierlich verlaufenden Prozessstruktur. Erste Hinweise zur Prozesshaftigkeit von Krisen finden sich in volkswirtschaftlichen Arbeiten, die sich mit zyklisch auftretenden Wirtschaftskrisen beschäftigten (vgl. Krystek, 1979). Während volkswirtschaftlich eine Über- bzw. Untersättigung an Konsum und Nachfrage thematisiert wurde (Makro-Ebene), kam aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht später die Auseinandersetzung mit zyklischen Unternehmenskrisen hinzu (Meso-Ebene): Organisationen folgen demnach einem funktionalen Auftrag, den sie anhand fester Prozesse, Strukturen oder Handlungsmuster erfüllen. Krisen werden beschrieben als Situationen, in denen dieser Prozess bewusst oder ungewollt unterbrochen wird. Die Unterscheidung zwischen bewusster und ungewollter Unterbrechung ist entscheidend für die Entwicklung des Krisenverständnisses. Denn unter Krisen als Veränderung einer Prozessstruktur lassen sich zunächst sowohl Handlungen des Change Management – und damit der bewussten Prozessveränderung – zusammenfassen wie auch der unvorhergesehene Unfall. In der vorliegenden Arbeit sind angelehnt an diese Differenzierung Krisen daher als „ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer [...]“ (Krystek, 1987, S. 6) gemeint sowie Krisen als Latenzphase mit negativem Besatz (vgl. Merten, 2008). Bei Krisen als bewusst herbeigeführte Prozessveränderung mit dem Ziel der Prozessoptimierung oder -neuausrichtung sollte angelehnt an die Managementliteratur eher von Reorganisation gesprochen werden (vgl. Ortmann, Sydow, & Windeler, 1997). Für eine Krisendefinition gilt es abschließend, die eingangs erwähnte Gefährdung des Systembestands als Voraussetzung für den für die Arbeit relevanten Krisenbegriff hinzuzufügen. Denn für Unternehmen sind beispielsweise bereits Tarifverhandlungen mit Streik eine Veränderung einer bis dahin kontinuierlich verlaufenden Prozessstruktur (sie könnten als planbare Krise bezeichnet werden). Hier würde man nur bedingt von keiner Krise sprechen, da Tarifverhandlungen in der Regel nicht System gefährdend sind. Es reicht daher nicht, Krisen nur über ihr Veränderungspotenzial zu charakterisieren. Vielmehr gilt es, als zweites konstituierendes Kriterium auch eine mögliche Systemgefährdung als konstituierendes Kriterium in die Krisendefinition mit einzubeziehen. Die Rezeptionsdimension: Krisen sind wahrnehmungsabhängig Krisen sind drittens das Ergebnis komplexer Veränderungsprozesse und existieren in der Mediengesellschaft nicht unabhängig von der Wahrnehmung ihrer Beobachter (vgl. Kohring, et al., 1996, S. 284). Die Wahrnehmungsabhängigkeit ist damit für die Eingrenzung des Krisenbegriffs von entscheidender Bedeutung: „Wo alles klar ist, endet Kommunikation oder beginnt sie gar nicht erst“ (Arlt, 2008, S. 70). Wo hingegen Ungewissheit herrscht und ein Mangel an Information, dort ist vice versa Sinnstiftung durch Kommunikation notwendig. Krisen sind Situationen hoher informativer Ungewissheit. Sie entstehen oft plötzlich und rufen öffentliches Interesse und damit eine Reaktion der Organisation hervor: „[O]rganizations are usually forced to take some action withoud adequate information about the nature of the crisis, the scope of harm, or how those actions may affect crisis development“ (Seeger, et al., 2003, S. 131). Krisen sind jedoch nicht immer nur die Voraussetzung für Kommunikation, sondern können auch eine Folge von Kommunikation sein (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 2.2.2.3). Aus systemtheoretischer Sicht lassen sich Krisen auch verstehen als Situationen, in denen einer Kommunikation widersprochen wird (vgl. Kohring, et al., 1996, S. 284). Krisen sind
2.2 Krisen
65
damit Situationen, „wenn Erwartungen kommuniziert werden und das Nichtakzeptieren der Kommunikation rückkommuniziert wird“ (vgl. hierzu auch Luhmann, 1996a; Luhmann, 1996b, S. 530). Diese Definition Luhmanns schließt jedoch auch Krisen mit ein, die aufgrund von Früherkennung gar nicht erst in die öffentliche Arena gelangt sind. Durch den inhaltlichen Fokus der vorliegenden Arbeit muss seine allgemeine Argumentation daher um den Aspekt der publizistischen Krise ergänzt werden als „[...] Auseinandersetzungen, in denen die Massenmedien eine wesentliche Rolle spielen“ (Kepplinger, 1992, S. 30). Sie sind es, die an dem Erhalt eines sich durch Krisen konstituierenden Kommunikationssystems interessiert sind und richten ihre Prozesse und Routinen entsprechend daran aus (vgl. J. Schulz, 2000). Damit sind Krisen zusammenfassend deutungsabhängige Phänomene als kommunikativ ausgehandelte Irritationen in einem gesellschaftlich-organisationalen Ordnungsrahmen. Durch den Rahmen der Mediengesellschaft wird öffentliche Kommunikation für Krisen einerseits zur notwendigen Voraussetzung und andererseits zur wichtigsten Folge: Krisen werden erst dann wahrgenommen, wenn sie auf der öffentlichen Agenda stehen. Umgekehrt kann aber auch eine Mediendebatte eine Krise auslösen. Dies verdeutlicht, dass Krisen nicht in erster Linie nur durch materielle Ursachen ausgelöst werden bzw. materielle Schäden anrichten. Krisen können vielmehr auch immaterielle Ursachen (z.B. publizistische Krisen) und gleichsam immaterielle Auswirkungen haben (z.B. Folgen für Image und Reputation). Das Einbeziehen kommunikativer Aspekte in den Krisenbegriff beschränkt damit die Sicht organisationaler Krisen als Unterbrechung eines Prozessverlaufes nicht, sondern erlaubt eine Übertragung auch auf Akzeptanz- und Vertrauenskrisen, „die in der Arena der gesellschaftlichen Konflikte heute einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen als noch vor wenigen Jahrzehnten“ (Baumgärtner, 2005, S. 20). Die Zieldimension: Krisen sind ungewiss Die Ursache einer Krise bleibt ebenso offen wie ihr Ausgang. Damit sind Krisen viertens der Beginn einer (oft überraschend eintretenden) Latenzphase, die in zeitlicher wie inhaltlicher Hinsicht nicht vorhersagbar ist: zeitlich ist ungewiss wann genau die Krisenphase begonnen hat und wann sie endet und inhaltlich welchen Ausgang sie nehmen wird. Da Ziel- und Kontinuitätserwartungen einer Krise wie geschildert beobachtbar sind, ist beides personen- bzw. systemspezifisch. Die Prozesshaftigkeit einer Krise hat gezeigt, dass ihr ein Verlauf zugeordnet werden kann. Entscheidend ist dabei nun, dass dieser Verlauf ungewiss ist – der Ausgang einer Krise ist zu Beginn nicht vorhersehbar. Insgesamt kann der Krisenprozess vier mögliche Wege nehmen: es kann zu einer Verbesserung des status quo kommen, es bleibt beim status quo, es kommt zu einer Verschlechterung des status quo oder sie endet in der Katastrophe (vgl. Abbildung 6).
66
2 Theoretische Grundlagen
Abbildung 6: Prozessoptionen der Krise als Latenzphase Positive Lösung
Gewohnheit
Krise als inhaltliche und zeitliche Latenz
Status quo ante
Negative Lösung
Katastrophe, weitere Krisen
(i.A.a. Merten, 2008, S. 84) Trotz dieser Ungewissheit über den Ausgang der Veränderung der Prozessstruktur ist die Latenzphase zeitlich begrenzt – einen Krisendauerzustand gibt es nicht. Aufgabe des Krisenmanagers ist es, den Verlauf einer Krise möglichst so zu beeinflussen, dass eine positive Lösung erreicht wird – zumindest jedoch die Wiederherstellung des status quo. Die Darstellung der Krisenursache (endogene vs. exogene Ursachen), Prozesshaftigkeit, Wahrnehmungsabhängigkeit und Phase einer zeitlichen und inhaltlichen Latenz sind damit bereits eine erste Annäherung an den für die Arbeit relevanten Krisenbegriff. Es wurde skizziert, dass Krisen nicht nur materielle (z.B. finanzielle) Werte, sondern auch immaterielle (z.B. die Reputation eines Unternehmens) bedrohen (vgl. hierzu auch Coombs, 2002, S. 340 f.), zumeist negativ wahrgenommen werden (vgl. Möhrle & Fasse, 2002, S. 81; Scherler, 1996, S. 1), einen hohen Grad an Komplexität und Unsicherheit aufweisen (vgl. Girgensohn, 2002, S. 84), bei geringem Handlungsspielraum einen hohen Handlungsdruck herausfordern (vgl. T. Roach, 2004, S. 12): 12) und ein hohes Informationsinteresse der beteiligten Akteure, der Öffentlichkeit und vor allem der Medien hervorrufen (vgl. Baumgärtner, 2005, S. 20). Bevor dieser durch theoretische Bezugspunkte noch weiter spezifiziert wird, gilt es die Krise zunächst von weiteren (ähnlichen) Konzepten abzugrenzen.
2.2 Krisen
2.2.1.2
67
Abgrenzung des Krisenbegriffs
Mit der dimensionalen Begriffsexplikation konnte gezeigt werden, dass Krisen Ergebnis komplexer Systeme sind, die Störung eines Prozessverlaufes darstellen, wahrnehmungsabhängig und in ihrem Ausgang (zeitlich wie inhaltlich) offen sind. Damit gilt es den Krisenbegriff nunmehr von anderen, ähnlichen Phänomenen abzugrenzen. Denn in der Krisenliteratur sind die Grenzen zwischen den Konzepten oft fließend – insbesondere die Krise, der Konflikt und das Risiko werden (wenn überhaupt) oft nicht trennscharf zueinander abgegrenzt16. Der Konfliktbegriff ist ebenso wie Krise und Risiko nicht einheitlich definiert (vgl. Hoffjann, 2001, S. 255). Angelehnt an die eingeführte Definition von Luhmann sind Konflikte zunächst ein grundsätzlicher Widerspruch einer Anschlusskommunikation. In publizistischer Hinsicht lassen sich dabei der Interessen- und Wertkonflikte sowie der gewaltsame und gewaltlose Konflikte differenzieren (Kepplinger, 1992, S. 30 ff.). Bei gewaltlosen Konflikten gibt es private, öffentliche und publizistische Konflikte. Während sich in privaten Konflikten Kommunikation ausschließlich am Gegenüber orientiert zielt diese in öffentlichen Konflikten sowohl auf den Gegenüber als auch auf das öffentliche Publikum. In publizistischen Konflikten richtet sich Kommunikation hingegen explizit an die Medien (vgl. ebd., S. 34 f.). Renn (1998, S. 11) identifiziert in dem Zusammenhang drei Merkmale, die der Kommunikation über einen Konflikt voran gehen: Erstens der eigentliche Gegenstand des Konflikts, zweitens die widersprüchlichen Erwartungen der Konfliktgegner und drittens der Handlungsdruck beider Seiten, auf die Erwartungen zu reagieren. Der Begriff des Konfliktes wird von Tewes und Wildgrube daher passend als eine Auseinandersetzung mit „widersprüchlichen oder unvereinbaren Verhaltenstendenzen“ (Tewes & Wildgrube, 1999, S. 209) beschrieben. Die interdisziplinäre Risikoforschung identifiziert hingegen elf unterschiedliche Sichtweisen (mathematisch, naturwissenschaftlich, entscheidungstheoretisch, psychologisch, wirtschaftswissenschaftlich, rechtswissenschaftlich, soziologisch, politikwissenschaftlich, kulturanthropologisch, gesellschaftstheoretisch und philosophisch-ethisch) mit jeweils unterschiedlichem Theorie- und Reifegrad in der Auseinandersetzung (vgl. Banse & Bechmann, 1998). Für die Klärung des Risikobegriffs schlägt Baumgärtner daher eine übergreifende Systematik vor, die zentrale Schlüsselkriterien identifizieren (vgl. Baumgärtner, 2005, S. 9):
16
Zeitbezug (hypothetischer Charakter von Risiko, da es aus einer Unsicherheit über zukünftige Entwicklung entspringt)
Entscheidungsabhängigkeit (Risiko hat einen Handlungsbezug, denn es ist eine Folge menschlichen Handelns oder Unterlassens)
Subjektivierbarkeit und Rollendifferenzierung (jedes Risiko hat einen Verursacher und einen Betroffenen)
Ambivalenz (Risiko ist ergebnisoffen, da eingeleitete oder unterlassene Handlungen in ihrem Ergebnis ungewiss sind. Auch die Bewertung von Risiko ist ambivalent)
Zum Skandalbegriff vgl. ausführlich Kapitel 2.2.3.1.
68
2 Theoretische Grundlagen
Wissensabhängigkeit (Risiko lässt sich minimieren, je mehr über die Situation bekannt ist)
Paradoxheit (bei der Realisierung einer Option steigt die Ungewissheit der Folgen, bei der Nicht-Realisierung aber ebenso
Im Vergleich zum Konflikt fällt auf, dass das Risiko als ein (zukünftiger) Zustand beschrieben wird, während der Konflikt eindeutig Prozesscharakter hat. Risiko aus der ursachenfokussierten Definitionssicht stellt eine Entscheidung aufgrund einer vorliegenden Informationsasymmetrie in den Mittelpunkt. Daneben zielt die wirkungsfokussierte Risikodefinition auf eine mögliche Zielverfehlung – diese oft implizit mit negativem Besatz. Die vorgestellte Aufschlüsselung hat jedoch nur analytischen Charakter, inhaltlich sind die ursachen- und die wirkungsfokussierte Sichtweise nicht zu trennen. Risiko soll daher hier allgemein beschrieben werden als „eine auf Basis ungenügender Information getroffene Entscheidung für eine Handlungsoption, die zu einer Abweichung von den anvisierten Zielen führen kann“ (Herkenhoff, 2008, S. 30 f.). Die Differenz von Krise, Konflikt und Risiko Zwischen Krise, Konflikt und Risiko besteht zunächst keinerlei Kausalzusammenhang (Baumgärtner, 2005, S. 22): Risiken müssen nicht zwangsläufig zu Konflikten führen und diese wiederum nicht unbedingt zu einer Krise. Umgekehrt gehen Krisen jedoch oft Konflikte voraus, die aus deinem gewissen Risiko heraus entstanden sind. Konflikt und Risiko spielen daher bei der Krisenprävention eine wichtige Rolle, da durch eine Risikominimierung oder das Erkennen eines Konfliktes Krisen durchaus verhindert werden können. Zusammenfassend grenzen sich Krise, Konflikt und Risiko daher wie folgt ab:
Eine Krise ist eine Unterbrechung eines bis dahin geradlinig verlaufenden Prozesses. Sie lässt sich als eine Phase zeitlicher und inhaltlicher Latenz beschreiben und damit als Prozess (mit negativem Besatz).
Konflikte sind manifeste Gegensätzlichkeiten und durch einen Verlauf gekennzeichnet.
Ein Risiko ist die Wahrscheinlichkeit einer negativen oder positiven Konsequenz von Handeln oder Nicht-Handeln und kann als Zustand beschrieben werden.
Diese Abgrenzung kann freilich nur einer ersten Einordnung dienen und so werden im Folgenden Krisen weiterführend systematisch klassifiziert. 2.2.1.3
Klassifikation von Krisen
Klassifikationen helfen, komplexe Prozesse zu vereinfachen und Zusammenhänge darzustellen. In Bezug auf die Kommunikation in Krisen lassen sich durch sie zudem Instrumente und Maßnahmen entsprechend bündeln und gezielt zuordnen: Denn „each crisis type produces a unique crisis management dynamic. As a result, each crisis type must be examined separately“ (Coombs, 1999b, S. 138). Je besser es Kommunikationsmanagern also möglich ist die Krisensituation einzustufen, desto gezielter können sie ihre Instrumente und Strategien an die Situation anpassen. Doch neben ihrem Nutzen haben Klassifikationen den entscheidenden Nachteil, dass sie stets auf vorgefundenes Wissen zurückgreifen – Kategorisierungen die heute Gültigkeit besitzen können sich für zukünftige Ereignisse bereits nicht
2.2 Krisen
69
mehr relevant sein. Daher müssen sinnvolle Krisentypologien den Spagat zwischen Allgemeingültigkeit auf der einen Seite und zu engen Klassen andererseits schaffen. Um die vorliegende Arbeit inhaltlich zu verorten, werden zunächst zentrale Klassifikationen von Krisen vorgestellt. Neben ganz grundsätzlichen Krisentypologien (z.B. selbstverschuldet/fremdverschuldet) hält die Kommunikationswissenschaft Modelle bereit, die sich an Kriterien wie der attribuierten Krisenschuld orientieren. Typologien der Sozialpsychologie differenziert nach menschlichen (Management-)Fehlern und Einordnungen aus der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gehen davon aus, dass die Ursache einer Krise im leistungswirtschaftlichen oder finanzwirtschaftlichen Bereich eines Unternehmens liegt (vgl. Kapitel 2.2.1.3.2). Dies zeigt, dass je nach Forschungsdisziplin andere Kriterien zugrunde gelegt werden, Krisen zu klassifizieren. Allgemein konnte gezeigt werden, dass Krisen zu einem bestimmten Zeitpunkt (wann) und einem bestimmten Ereignis (was) auftreten (vgl. Kapitel 2.2.1). Entsprechend stehen am Ende ihrer Latenzphase zwei Ereigniswerte: der Endpunkt der Unsicherheit (zeitliche Dimension) sowie die Ausprägung des Ausgangs (inhaltliche Dimension) (vgl. Merten, 2008, S. 85 ff.). Krisen als negative Latenz unsicherer Entscheidungen lassen sich daher stets auf diese zwei Analysedimensionen zurückführen: temporale und inhaltliche Entscheidungen (vgl. ebd.). Angelehnt an diese beiden Ausprägungen werden die im Folgenden vorgestellten Klassifikationen von Krisen zunächst in zeitlicher wie in sachlicher Hinsicht analytisch getrennt. 2.2.1.3.1
Klassifikation nach zeitlichen Kriterien
Krisen lassen sich als zeitlichen Prozess abbilden wobei die jeweiligen Prozessschritte definitorischer Natur sind. Entsprechend unterscheidet sich die Anzahl der Phasen von Krisenverlaufsmodellen teilweise erheblich (vgl. Abbildung 7). Auch sind bislang nur wenige empirisch gestützt und orientieren sich dominant an plausiblen, sich in Teilen überschneidenden Kriterien (vgl. Hauschildt, 2006, S. 22). Dies liegt vor allem daran, dass eine Beurteilung von Krisen und ihrer Phasen subjektiv und damit nur schwer ermittelbar ist (vgl. Leker, 1993, S. 14; Staehle, 1993, S. 2453). Im Vergleich lassen sich fast alle Phasenmodelle auf einen grundsätzlichen Dreischritt zurückführen: die Klassifikation in eine Phase vor der Krise, der Krise selbst und eine Phase nach der Krise. Je nach Modell werden entsprechend weitere Phasen vorgestellt, die diesem Dreischritt jedoch nicht grundlegend widersprechen (vgl. Abbildung 7). Kennzeichnendes Element der Phase vor der Krise ist die Erkennung von Krisensignalen. Für Organisationen gilt es in dieser Phase, Prozesse und Instrumente zu entwickeln, mit denen Sie Krisen frühzeitig erkennen und begegnen können. Dies geschieht durch ein analytisches Erarbeiten krisenrelevanter Prozesse und Strukturen und deren Formalisierung (vgl. Argenti & Forman, 2002, S. 256). Diese Phase lässt sich daher als Phase der Krisenprävention bezeichnen. In der eigentlichen Krisenphase geht es dann konkret um spezifische (Kommunikations-)Instrumente, um aktiv auf den Krisenverlauf Einfluss zu nehmen bzw. mediale Deutungsmuster zu gestalten. Die Kommunikation in Krisen zielt darauf ab, eine Deutungshoheit zu verteidigen, um direkten Einfluss auf das Handeln beteiligter Dialoggruppen zu nehmen. Dabei können durchaus Maßnahmen und Strukturen zum Tragen kommen die präventiv in der Phase vor der Krise in Organisationen entwickelt und implementiert wurden. Organisationen sind in dieser Phase bestrebt, den Status quo möglichst schnell (zeitliche Dimension) und ursprünglich (sachliche Dimension) wiederherzustellen.
70
2 Theoretische Grundlagen
Die Phase nach der Krise ist die Lernphase der Organisation und zugleich die der Neuausrichtung des kommunikativen Reputationsmanagements. Die Auswirkungen gewählter Strategien auf die Dialoggruppen, die mediale Darstellung (Frequenz und Inhalt) sowie die Auswirkungen auf die Gesamtreputation sind Indikatoren für eine systematische Evaluation und Weiterentwicklung der präventiven wie reaktiven Maßnahmen (vgl. Besson, 2008). Insbesondere in praxisorientierter Literatur wird darauf verwiesen, dass Krisen(kommunikations)management nur dann erfolgreich sein kann, wenn es über alle Prozessschritte hinweg geplant und umgesetzt wird (vgl. C. Meyer, Schill, & Spreiter, 2004, S. 8; Sapriel, 2007b, S. 26). Abbildung 7: Phasenverlaufsmodelle von Krisen im Überblick Zwei Phasen Nicht-Krise, Normalzustand
Drei Phasen Vor der Krise
Vier Phasen Potentielle Unternehmenskrise
Fünf Phasen
Sechs und mehr Phasen
Prävention Frühaufklärung
In der Krise
Latente Unternehmenskrise
Eindämmung
Akute Unternehmenskrise Nach der Krise
Nach der Krise
Nachkritische Unternehmenskrise
„Recovery als Neustart“ Lernen aus der Krise
(Röthig, 1976)
(Sapriel, 2007b)
(Coombs, 1999c; Hauschildt, 2000; Krystek, 1980)
(Klimke & Schott, 1993; Töpfer, 1999)
(Ogrizek & Guillery, 1999)
(Eigene Darstellung) Die Klassifikation von Krisen nach zeitlichen Kriterien ermöglicht es, diese nicht als unspezifisches Ganzes zu sehen sondern in konsekutive Teilschritte zu untergliedern. Die Anzahl der Schritte ist dabei zunächst unerheblich. Denn grundsätzlich gilt, dass jede Phase andere Anforderungen an Krisenmanagement und -kommunikation stellt. Durch eine analytische Trennung der Krisenphasen können diese Anforderungen identifiziert und geeignete Instrumente zur Krisenbewältigung gezielt eingesetzt werden. Während also vor einer Krise
2.2 Krisen
71
präventive Maßnahmen wie Audits, Informationssysteme, Krisenhandbücher oder Risk & Issues Management relevant sind (vgl. C. Meyer, et al., 2004) verlangt die Krise selbst reaktives (Kommunikations-)Management. Nach der Krise wiederum steht die Wiederherstellung oder Neuorientierung im Vordergrund (vgl. hierzu auch Mast, 2008a). Der dargestellte Prozess einer Krise muss allerdings nicht vollständig durchlaufen werden. So können Krisen je nach (Kommunikations-)Management auch erfolgreich beigelegt werden, bevor es zur Eskalation kommt. Deutlich wird dies an der Klassifikation nach Krystek (1987, S. 29 ff.), der zwischen einer potentiellen, latenten, akut beherrschbaren und akut nicht beherrschbaren Krisenphase unterscheidet (vgl. eine ähnliche Systematik auch Coombs, 1999c). Krisen, die frühzeitig erkannt und beigelegt werden durchlaufen den Prozess nicht bis zur akuten nicht beherrschbaren Krise. Wird umgekehrt ein Risiko nicht oder zu spät erkannt bzw. zwingen externe Ereignisse eine Organisation in die Krise, wird entsprechend die Phase der latenten Krise übersprungen. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn Krisen plötzlich und unerwartet eintreten wobei ein plötzlicher Krisenbeginn den prozessualen Charakter einer Krise nicht grundsätzlich aufhebt (vgl. ebd.). Krisenverlaufsmodelle sind nicht nur für das Management externer Kommunikation relevant. Ein wichtiger Teil von Krisenmanagement und -kommunikation ist der Umgang mit internen Stakeholdern, insbesondere den Mitarbeitern (vgl. Caillouet & Allen, 1996; Cravens & Oliver, 2006). Entsprechend zeigen Witt & Schönbucher (2006), dass vom Krisenschock bis zur Aktivität insgesamt sieben Phasen vergehen, in denen Mitarbeiter zu unterschiedlichem Grad aktiv werden. Das Modell legt damit nicht den Fokus auf die externe Wahrnehmung von Krisen (wie der Großteil der Phasenverlaufsmodelle), sondern explizit auf Prozesse innerhalb der Organisation und identifiziert damit neuen Handlungsspielraum für Krisenmanagement und -kommunikation. Wesentliches Manko von Verlaufsmodellen ist die Schwierigkeit der Identifikation ihrer Phasen (vgl. Gundel, 2005, S. 108). Die Entscheidung, ob und wenn ja wann beispielsweise eine akute nicht beherrschbare Krisensituation für eine Organisation vorliegt unterliegt stark subjektiven Kriterien. Auch ist es möglich, dass für eine Anspruchsgruppe (z.B. die Mitglieder einer Organisation) eine Krise bereits akut ist während eine andere (z.B. der Vorstand) die Situation noch als latente Krise einschätzt. In der Krisenliteratur werden zudem unterschiedliche Auffassungen über die Geschwindigkeit des Auftretens einer Krise vertreten. Ulmer, Sellnow & Seeger (2007) gehen davon aus, dass Krisen in der Regel plötzlich und unerwartet auftreten. Dagegen belegt das Institute for Crisis Management (2008), dass der Anteil plötzlicher Krisen in den letzten Jahren zwar stetig gestiegen ist, den Großteil jedoch schleichende Krisen ausmachen also Krisen, die sich über einen langen Zeitraum entwickeln. Dies zeigt, dass eine Einteilung nach rein zeitlichen Kriteriensituationen nicht ausreicht, diese präzise zu systematisieren – es gilt, auch inhaltliche Kriterien mit einzubeziehen. 2.2.1.3.2
Klassifikation nach inhaltlichen Kriterien
Auch die inhaltliche Klassifikation von Krisen unterliegt einem Wahrnehmungsbias. Im Folgenden werden daher zunächst zentrale inhaltliche Unterscheidungskriterien vorgestellt bevor anschließend eine für die Arbeit tragfähige Typologisierung entwickelt werden kann.
72
2 Theoretische Grundlagen
Unterscheidung nach Auslösertyp Eine simple aber in der Literatur immer wieder angeführte Unterscheidung ist, ob eine Krise aufgrund vorsätzlicher Handlungen ausgelöst wurde oder durch äußere Umstände (vgl. Ulmer, et al., 2007, S. 9). Bei der Unterscheidung bleibt es jedoch bei der stark dichotomen Betrachtungsweise. Terrorismus (also eine organisationsexterne Ursache) zählt ebenso zum Bereich vorsätzlich ausgelöster Handlungen wie Fehler der Geschäftsführung (also eine organisationsinterne Ursache). Die Klassifikation ausschließlich nach Auslösertyp ist für eine Wahl geeigneter Kommunikationsstrategien daher eindeutig zu weit gefasst und ist für den weiteren Argumentationsverlauf daher nur von geringer Relevanz. Unterscheidung nach der Gefährdung für die Reputation Eine sinnvolle Weiterentwicklung der Unterscheidung nach Auslösertyp ist die Verknüpfung mit einem möglichen Schaden für die Reputation. Während Krisen, die durch vorsätzliches Handeln innerhalb einer Organisation (vermeidbare Krise) zu einem hohen Schaden für die Reputation führen können, stellen Krisen, die durch (interne) unintendierte Unfälle verursacht werden (Unfallkrise) eine moderate Gefahr für die Reputation dar. Sind Organisationen schließlich Opfer externer Umstände (Opferkrise), gefährdet dies die Reputation in dem geringstem Maße (vgl. Coombs, 2007b, S. 168). Mit dieser Klassifikation erhält die Unterscheidung nach Auslösertyp die nötige Trennschärfe in Bezug auf interne und externe Auslöser und verknüpft sie sinnvoll mit dem Reputationskriterium. Unterscheidung nach finanzwirtschaftlichen Kriterien Eine in der Wirtschaftswissenschaft weit verbreitete Unterscheidung greift den weiter oben aufgezeigten Dreischritt in zeitlicher Hinsicht auf und legt als zentrales Unterscheidungskriterium die Zahlungsunfähigkeit und dem damit verbundenen Handlungsspielraum eines Unternehmens an. Demnach hat den geringsten Handlungsspielraum ein Unternehmen kurz vor einer Insolvenz. Diese Krisenphase in der Unternehmen bereits zahlungsunfähig sind wird entsprechend als Liquiditätskrise bezeichnet. In der Phase davor werden erfolgs- und finanzwirtschaftliche Belastungen sichtbar, das Unternehmen hat mäßigen Spielraum darauf zu reagieren. In der Literatur wird diese Phase oft als operative- oder Erfolgskrise eingestuft. Alle Phasen davor sind weniger eindeutig bestimmbar und können als strategische oder Strukturkrise identifiziert werden (vgl. ebd., S. 22; Müller, 1986, S. 25). Unterscheidung nach Wahrnehmungskriterien Aber auch die Wahrnehmung von Krisen selbst kommt durchaus als Klassifikationskriterium in Frage: So ist eine strategische Krise meist nur dem Management bekannt, eine operative Krise darüber hinaus den Mitarbeitern und die Liquiditätskrise schließlich auch Banken und Öffentlichkeit (vgl. Hauschildt, 2006, S. 23). Mit dieser Differenzierung kann jedoch allenfalls die Aussage getroffen werden, dass bereits operative Krisen einer internen Krisenkommunikation bedürfen. Weder für Management- noch für Kommunikationsstrategien lassen sich plausible Schlussfolgerungen ziehen. Unterscheidung nach bilanzanalytischen und qualitativen Kriterien Eine Kombination aus bilanzanalytischen und qualitativen Krisenkriterien schlägt Hauschildt (1987) vor. Er zeigt auf, dass die Ursachen von Krisen bei unterschiedlichen Unternehmenstypen sich inhaltlich zusammenfassen lassen. Während beispielsweise bei innova-
2.2 Krisen
73
tionsaversen Unternehmen die Krisenursache oft im Bereich Forschung und Entwicklung liegt sind es bei inhabergeführten Unternehmen vor allem Management- und Führungsfehler. Seine Typologie hilft vor allem dem Risikomanagement, um aufzuzeigen in welchem Bereich je nach Unternehmenstyp eine Krisengefährdung liegt. Für die Klassifikation in einer Krise selbst ist dieses Konzept wiederum nur bedingt von Relevanz. Unterscheidung nach internen und externen Ursachen Krisen nach ihren Ursachen zu differenzieren ist eine weitere inhaltliche Dimension. Unterschieden werden kann zwischen strukturellen Veränderungen im Umfeld (also externe Faktoren) sowie Entwicklungen in der Organisation selbst (also interne Faktoren). Der Großteil untersuchter Krisenursachen lässt sich vor allem auf interne Faktoren zurück führen (vgl. Krystek, 2006, S. 56). Unterscheidung nach Entscheidungsprozessen Für das Management in Krisen spielen Kriterien eine Rolle, anhand derer operative Maßnahmen bewertet und umgesetzt werden können. Unhabhängig des Ansatzes der verfolgt wird nimmt dabei die Situationsanalyse einen zentralen Stellenwert ein. Sie ist der Ausgangspunkt für operative Entscheidungsprozesse, anhand derer auf den Verlauf der Krise Einfluss zu nehmen versucht wird. Entsprechend orientieren sich Klassifikationsmodelle an Überlegungen strategischer Entscheidungsoptionen. Ein solches Modell ist die crisis classification matrix von Burnett (1998, S. 482 f.), die sich stark an der Systematik strategischer Entscheidungsprozesse anlehnt und insgesamt 16 mögliche Krisenarten beschreibt. Kriterien, anhand eine dieser Krisen klassifiziert wird, sind die Bedrohung für die Organisation, der Zeitdruck, Handlungsmöglichkeiten sowie der Grad an Kontrolle. Unterscheidung nach Grad der Bedrohung von Managementzielen Vor allem in der betriebswirtschaftlichen Krisenforschung findet man weitere Differenzierungsmodelle, die nach dem Grad der Bedrohung von Managementzielen unterscheiden. Müller beispielsweise differenziert bei Managementkrisen zwischen einer strategischen, Erfolgs- und Liquiditätskrise sowie der Insolvenz eines Unternehmens (vgl. Müller, 1986, S. 25). Daneben gibt es Ansätze wie den von Krystek, der eine phasenhafte Darstellung mit der nach dem Grad der Bedrohung in einem eigenen Modell zusammenführt (vgl. Krystek, 2006, S. 51). Diese phasenhafte Herangehensweise ist in der Analyse kommunikativer Krisen besonders häufig anzutreffen (vgl. Löffelholz, 2004, S. 45). Die bis hierher vorgestellten Klassifikationen von Krisen lassen bereits zwei Rückschlüsse zu. Erstens entspringt ein Großteil der Erkenntnisse wirtschaftswissenschaftlicher Literatur. Diese Perspektive hält vor allem finanzanalytische Kriterien bereit, so dass viele der Typologien nur bedingt auf Organisationen allgemein übertragbar sind. Auch für die Einordnung von Krisen als Grundlage für die Wahl von Kommunikationsstrategien kommen sie entsprechend nur bedingt oder gar nicht in Frage. Zweitens stellen die Systematisierungen Krisensituationen kaum in den Zusammenhang von Auswirkungen auf Reputation so dass es gilt, diese Lücke zu schließen.
74
2 Theoretische Grundlagen
2.2.1.3.3
Klassifikation in Bezug auf die Reputationsdimensionen
Die Erkenntnisse aus den bisherigen Überlegungen lassen sich nunmehr in eine Typologie zusammenführen, die Krisensituationen in Bezug auf die Reputationskonstitution differenziert darstellt. So konnte erstens gezeigt werden, dass sich Reputation entlang einer funktionalen, sozialen und einer emotionalen Dimension konstituiert (vgl. Kapitel 2.1.4). Zweitens haben Krisen (zumeist negative) Auswirkungen auf die Reputation von Organisationen (vgl. Kapitel 2.4.1). Drittens bezieht das Modell situativer Krisenkommunikation explizit die Wirkung bei Stakeholdern und damit die Konstitution von Reputation in seine theoretischen Überlegungen mit ein (vgl. Kapitel 2.3.2.1): Während bei einer Opferkrise ein nur geringer Reputationsschaden zu erwarten ist, lässt dieser bei Unfallkrisen bereits als moderat und bei vermeidbaren Krisen als hoch einstufen. Was Coombs jedoch nur für Reputation im Allgemeinen (und damit in seinen Ausführungen in Bezug auf funktionale Reputation) zeigt, gilt gleichermaßen auch differenziert für soziale und emotionale Aspekte von Reputation. In Abbildung 8 werden diese Erkenntnisse in einer gemeinsamen Matrix zusammengeführt und Krisentypen mit den drei Reputationsdimensionen in Beziehung gesetzt. Abbildung 8: Krisentypen in Abhängigkeit von der Reputationsdimensionen
(Eigene Darstellung) Diese Sicht auf Krisen in Abhängigkeit ihres Reputationsrisikos lässt zwei Implikationen zu. Zum einen können Krisen mit dieser Darstellung entlang funktionaler, sozialer und emotionaler Aspekte unterschieden werden. Es wird argumentiert, dass sich Krisensituationen entlang des Reputationsschadens differenzieren lassen:
Funktionale Organisationskrisen verursachen einen Schaden, der sich dem funktionalen Auftrag einer Organisation zuordnen lässt. Dies betrifft ihre Kernkompetenz, ihre Rolle als Arbeitgeber, ihre strategischen Entscheidungen oder (ökonomische) Stabilität. Zentrales Kriterium ist also der Schaden bei der Ausübung des originären Organisationszwecks.
2.2 Krisen
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Eie soziale Organisationskrise liegt dann vor, wenn diese einen Schaden verursacht, der das gesellschaftliche Ansehen einer Organisation in Frage stellt. Dies betrifft ihr soziales Engagement, ihre allgemeine Rolle in der Gesellschaft, ihre soziale Verantwortung (z.B. gegenüber Mitarbeitern) aber auch ihre Verantwortung im Umweltschutz. Zentrales Kriterium ist also der Schaden in ihrem sozialen Handeln.
Eine emotionale Organisationskrise verursacht schließlich primär einen Schaden in Bezug auf die Sympathie und das Wohlwollen gegenüber einer Organisation. Dies betrifft die Wahrnehmung der Attraktivität, Begeisterung (z.B. als Arbeitgeber oder für die Produkte) oder auch die Konnotationen gegenüber der Organisation als Marke. Zentrales Kriterium ist also der Schaden wahrgenommener Sympathie.
Die Stärke des Reputationsschadens wird dabei entlang der zugeschriebenen Attribution der Krisenschuld entwickelt: Während in der Opferkrise nur von einem geringen Reputationsschaden auszugehen ist, tritt in der Unfallkrise bereits ein moderater Reputationsschaden auf. Den größten Schaden nimmt die Organisation in Bezug auf ihre Reputation in der vermeidbaren Krise (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 2.3.2.1). Krisen mit Bezug auf die drei Reputationsdimensionen zu typologisieren ermöglicht zum anderen, eine gleichsam allgemeingültige wie gezielte Einordnung von Krisensituationen. Allgemeingültig deshalb, weil die Dimensionierung sich an leicht identifizierbaren Ausprägungen (funktional, sozial, emotional) orientiert. Gezielt deshalb, weil diese sich an den Dimensionen der Reputationskonstitution einerseits und den Krisenclustern der Situational Crisis Communication Theory orientieren. Bislang wurden Krisen vor allem als Gefahr für Reputation allgemein dargestellt wobei der direkte Bezug in Studien oft nur rudimentär begründet wird. Die aufgezeigte Darstellung stellt jedoch ausdrücklich die Dimensionen der Reputationskonstitution in den Fokus der Betrachtung (funktionaler, sozialer oder emotionaler Reputationsschaden). Damit stellt sie Krisen in den Zusammenhang der Zieldimension der Reputationskonstitution und verbindet so die zwei zentralen Argumentationslinien der vorliegenden Arbeit. Dies lässt eine Einordnung sowohl im Hinblick auf die zu wählende Kommunikationsstrategie als auch auf ihre Auswirkungen auf den Erhalt von Reputation zu und damit die Formulierung gezielter Management- und Kommunikationsmaßnahmen. Einschränkend ist an dieser Stelle hinzuzufügen, dass die Krisentypologie eine stark analytisch geprägte Krisenklassifikation mit idealtypischen Charakter ist. Einerseits sind Krisen Situationen hoher Komplexität, so dass es durchaus vorkommen kann, dass sowohl funktionale als auch soziale Aspekte gleichzeitig betroffen sind. Andererseits verändert sich der Verlauf einer Krise. Das bedeutet, dass eine Krise als soziale Organisationskrise beginnen kann und sich zu einer emotionalen Organisationskrise entwickelt. Dennoch wird mit der vorgestellten Matrix bereits ein wesentlicher Schritt der Arbeit in Bezug auf eine Systematisierung von Krisensituationen erreicht. Erstens erweitert die Matrix das in der Literatur vorherrschende Verständnis, Krisen wirken sich allgemein auf Reputation aus. Es wird hier argumentiert, dass Krisen sich entlang der Reputationsdimensionen klassifizieren lassen. Zweitens erweitert die Matrix auch die Klassifikation von Krisenkommunikationsstrategien, indem sie davon ausgeht, dass Wirkungszusammenhänge in funktionalen Organisa-
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2 Theoretische Grundlagen
tionskrisen nicht gleichsam auch für soziale oder emotionale Organisationskrisen gelten. Sowohl die Klassifikation nach Kriterien des Reputationsschadens als auch der Wirkungszusammenhänge von Krisenkommunikationsstrategien in den unterschiedlichen Feldern der Matrix gilt es, in der empirischen Analyse zu überprüfen (vgl. Kapitel 4). 2.2.2
Theoretische Bezugspunkte organisationaler Krisen
Nachdem die begriffliche und analytische Grundlegung von Krisen abgeschlossen wurde, stehen im folgende theoretische Bezugspunkte organisationaler Krisen im Vordergrund. Dies soll dazu beitragen, das Krisenverständnis der vorliegenden Arbeit anhand zentraler Merkmale relevanter Wissenschaftsdisziplinen weiter zu schärfen. Theoretische Konzepte der Krisenforschung untersuchen ganz allgemein Ursachen, Verläufe und Ausgangsoptionen von Krisen, ihr Beitrag zur Theoriedebatte ist entsprechend divers (vgl. Hauschildt, 2006, S. 27). Während psychologische Konzepte persönliches Missmanagement in den Vordergrund rücken, zeigen Lebenszyklus-Konzepte Schlüsselereignisse für den Krisenverlauf auf. Situative Konzepte wiederum gehen auf externe Krisenursachen ein während chaostheoretische Konzepte versuchen, Krisen in ihrer Komplexität ganzheitlich zu beschreiben. Im Folgenden steht die Darstellung theoretischer Konzepte der Krisenforschung und dabei konkret die psychologische, wirtschaftswissenschaftliche und kommunikationswissenschaftliche Perspektive im Zentrum der Betrachtung. Ziel des Kapitels ist es, zentrale Erkenntnisse aus diesen Perspektiven zu erarbeiten und in einem für die Arbeit tragfähigen Krisenverständnis zusammen zu führen. 2.2.2.1
Krisen aus psychologischer Perspektive
Die psychologische Perspektive hält in erster Linie auf der Mikro-Ebene Erklärungsansätze für das Verhalten von Organisationsmitgliedern während einer Krisensituation bereit. Dennoch lassen sich Erkenntnisse auch auf die Meso-Ebene übertragen. Beide Ebenen aus psychologischer Sicht sind für die Diffusion des Krisenbegriffs der vorliegenden Arbeit von Relevanz und werden daher im Verlauf des Kapitels zusammengeführt. In der Psychologie wird der Krisenbegriff zunächst nicht durchgehend gleich verwendet, da er weder Teil einer theoretischen Auseinandersetzung des Faches ist noch als eine seiner Grundkategorien eingeführt wird (vgl. Ulich, 1987). Dennoch lassen sich aus der Psychologie Elemente zur Schärfung des Krisenbegriffs ableiten (vgl. ebd., S. 187): So führt die Stressforschung den Krisenbegriff im Zusammenhang mit der Ausübung von Tätigkeiten ein, die Lebensereignisforschung stellt soziokulturelle Faktoren in den Vordergrund, die Social-Support-Forschung beschäftigt sich mit dem Umfeld des Individuums, die Coping-Forschung rückt die Bewältigung schwieriger Situationen in ihr Forschungsinteresse und die Kognitionspsychologie setzt sich mit Prozessen, Strukturen und deren Interpretation besonderer Situationen auseinander. Krisen als Wendepunkt mit unterschiedlichem Ausgang In der Psychologie werden Krisen vor allem beschrieben als eine Interaktion zwischen einem Ereignis, einer Person die das Ereignis betrifft, ihrer Biographie sowie ihrer persönlichen Belastbarkeit (vgl. ebd., S. 26 f.). In der Entwicklungspsychologie konzipiert Erikson (1998) diese Interaktionen beispielsweise als insgesamt acht Konflikte menschlicher Entwicklung (Vertrauen vs. Misstrauen, Autonomie vs. Scham, Initiative vs. Schuldgefühl,
2.2 Krisen
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Tätigkeit vs. Minderwertigkeit, Identität vs. Identitätsverwirrung, Identität vs. Isolierung, Schöpferische Tätigkeit vs. Stagnation und Integrität vs. Verzweiflung) (vgl. ebd., S. 95). Jede dieser Stufen, so Erikson, stellt eine radikale Veränderung des persönlichen Lebenslaufes dar und hat damit das Potenzial zur Krise. Aus seiner Darstellung wird deutlich, dass Erikson den Krisenbegriff stark auf das Verständnis als Wendepunkt im eigentlichen Wortsinn bezieht. Er entwickelt aus psychologischer Sicht damit ein Krisenverständnis sowohl als Einzelereignis als auch als Gesamtprozess (vgl. Ulich, 1987, S. 14) wenngleich bei dieser Darstellung offen bleibt, welchen Verlauf die Krise nimmt. Hier finden sich Ansätze in der Psychoanalytik. Auch hier wird die (persönliche) Krise beschrieben als Situation, die den Normalzustand eines Menschen stört (vgl. Caplan, Mason, & Kaplan, 2000). Caplan et al. gehen – wie Erikson – von der Krise als Wendepunkt aus, schlagen aber insgesamt drei mögliche Entwicklungen vor: erstens eine positive Veränderung (Entwicklung des Menschen), zweitens ein neues Gleichgewicht (keinerlei Veränderung des Menschen) und drittens eine negative Veränderung (Fehlentwicklung des Menschen). Das Krisenverständnis der vorliegenden Arbeit lässt sich aus diesen Ausführungen bereits weiter verdichten. Krisen werden im weiteren Verlauf gesehen als Konfliktsituationen, die einen bisher geradlinig verlaufenden Prozess nachhaltig stören. Der Ausgang ist dabei ungewiss und kann zu unterschiedlichen Situationen führen: Krisen mit einer positiven Lösung, einer Lösung, die den status quo ante wieder herstellt oder einer negativen Lösung. Als vierte Lösung ergänzt Merten die Katastrophe im Sinne des Anschlusses weiterer Krisen (vgl. Merten, 2008, S. 84). Psychologische Erkenntnisse zur Entscheidungsfindung in Krisen Auf der Mikro-Ebene lässt sich der Verlauf einer Krise mit kognitiven Strukturen individuellen Verhaltens gegenüberstellen (vgl. Clasen, 1992, S. 97). Dafür werden zunächst vier grundlegende Krisenphasen aus psychologischer Sicht identifiziert: (1) der Schock (Bedrohung bestehender Systemziele), (2) der defensive Rückzug (Versuch bestehende Systemziele beizubehalten), (3) das Eingeständnis (Aufgeben bisheriger Systemziele) sowie (4) der Wandel (Aufstellen neuer Systemziele) (vgl. Krystek, 1987, S. 19). Zu diesen Phasen lässt sich nun analog das kognitive und emotionale Verhalten von Individuen projizieren: (1) der Zusammenbruch (Unfähigkeit die Situation rational zu beherrschen, Hilflosigkeit), (2) die defensive Reorganisation (Widerstand gegen jegliche Veränderung, Euphorie), (3) erneut der Zusammenbruch (Neuorganisation auf der Grundlage der veränderten Wahrnehmung, Depression) und (4) die Neuorganisation (auf der Grundlage der gegebenen Ressourcen und Fähigkeiten, Befriedigung) (vgl. Rüsen, 2008, S. 68). Die Zusammenführung psychologischer Aspekte von Einzelakteuren einerseits mit dem Verlauf einer organisationalen Krise andererseits verdeutlicht, dass sowohl Entscheidungsträger als auch Organisationsmitglieder (z.B. Mitarbeiter) ihre Verhaltensweisen (und damit auch das Verhalten einer Organisation) je nach Krisenphase verändern. Für Führungskräfte zeigen Kraus et al. entsprechend auf, dass typische Verhaltensmuster in Krisen Manipulation, Schönreden oder Aktionismus und Verdrängung sind (vgl. Becker-Kolle & Kraus, 2004, S. 50). Dies hat Konsequenzen insbesondere für in einer Krise verantwortliche Entscheidungsträger. Krisensituationen verlangen nach effektiven Entscheidungsprozessen. In Krisen, so wurde gezeigt, sind sowohl die Ursache des Problems als auch deren Verlauf und Ausgang nicht bekannt. Dies stellt für die Entscheidungsfindung eine Herausforderung dar. Fehlent-
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2 Theoretische Grundlagen
scheidungen können zu einer Verschlechterung der Lage führen, tragen zu keiner Lösung bei oder lösen die Krise überhaupt erst aus (vgl. Sniezek, Wilkins, Wadlington, & Baumann, 2002, S. 148). Ein zentraler Aspekt aus der Krisenpsychologie ist daher die Auseinandersetzung mit der Gestaltung von rationalen Entscheidungsprozessen unter Bedingungen von Informationsasymmetrie. Erkenntnisse aus der Luftfahrt-Industrie zeigen beispielsweise, dass das Trainieren von Entscheidungen umso erfolgreicher ist, je besser psychologische Prozesse von Stressbedingungen (z.B. Erregung oder Stress) mitbedacht werden (vgl. Kerry & Harris, 1998). Denn die Leistungsfähigkeit von Entscheidungsträgern ist unter Stress erschwert – sie verbessert sich jedoch analog zur Wahrnehmung einer Krise: je besser eine Krisensituation (z.B. durch regelmäßige Simulationen oder Trainings) bekannt ist, desto rationaler werden die Entscheidungen des Managements (vgl. ebd., S. 263 f.). Daher erhalten inzwischen psychologische Erkenntnisse vor allem Einzug in das Krisentraining von Führungskräften in Bezug auf Entscheidungsfindung und Mitarbeiterführung (vgl. Bergauer, 2001, S. 107). Die Schwierigkeit besteht allerdings in dem Bereitstellen möglichst realitätsnaher Krisenszenarien. Denn die Unterschiedlichkeit von Krisen ist groß, so dass eine Simulation sämtlicher Krisenbedingungen kaum möglich ist. Entsprechend schlagen Sziezek et al. (2002, S. 165) vor, Krisentrainings grundsätzlich vielfältig zu variieren, sie an psychologischen Prozessen zu orientieren und Erfahrungen aus vergangenen (realen) Krisen über ein Feedbacksystem in das Training mit aufzunehmen. Aus der psychologischen Perspektive sind für den Fortlauf der Arbeit drei Erkenntnisse von zentraler Bedeutung: Erstens werden Krisen verstanden als Ereignisse, die in einer Interaktion stattfinden und gleichsam Einzelereignis sind wie Prozess, der – je nach individuellen Faktoren – einen anderen Verlauf nehmen kann. Dieser Verlauf ist abhängig von subjektiven Ursachenfaktoren. Auch wenn sich das Krisenkonzept dabei in erster Linie auf Individuen bezieht, lassen sich die Erkenntnisse auch auf soziale Systeme und damit auch auf Organisationen übertragen. Zweitens werden Krisen fortan als Wendepunkt verstanden, der entweder zu einer Verbesserung, Verschlechterung oder dem Zustand vor der Krise führen kann. Krisen sind drittens eine Konsequenz aus der (offenen oder verdeckten) Konfrontation und in ihrer Bewältigung ungewiss. 2.2.2.2
Krisen aus wirtschaftswissenschaftliche Perspektive
Die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive hält Krisenkonzepte vor allem auf der MesoEbene bereit. Im Wesentlichen leiten sich die Erkenntnisse erstens aus der Managementlehre ab und beziehen sich zweitens fast ausschließlich auf Unternehmen als Organisationsform. Auch wenn die Diskussion von Unternehmenskrisen damit nur einen Teil der für die vorliegenden Arbeit relevanten Organisationsformen abdeckt, so leisten die Erkenntnisse aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive dennoch einen wichtigen Beitrag für die Krisenforschung: Die Wirtschaftswissenschaft kann auf eine lange Forschungstradition zu Mechanismen, Auswirkungen und Typologien von Krisen zurückblicken. Bevor die wesentlichen Grundzüge aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht skizziert werden – eine ausführliche Darstellung ist aufgrund der Vielzahl der divergierenden Konzepte kaum möglich – gilt es einschränkend anzumerken, dass auch die Managementforschung das Forschungsfeld zu Krisen und Krisenkommunikation nicht vollständig abdeckt. Bedingt durch die stark fragmentierten Forschungsansätze kann auch sie damit weder zu einer fundierten Theoriebildung noch zu komparativer Krisenforschung beitragen. Zu un-
2.2 Krisen
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terschiedlich sind die empirischen Herangehensweisen, zu divers das Krisenverständnis (vgl. Hülsmann, 2005, S. 35 f.). Ein Definitionsvorschlag, auf den in vielen Studien zurück gegriffen wird, ist der von Krystek (vgl. 1987, S. 6). Er hatte erstmals versucht, bestehende Definitionsversuche zusammenzuführen und auf die Betriebswirtschaft zu übertragen. Nach Krystek tritt eine Krise überraschend auf (vgl. hierzu auch Beger, et al., 1989, S. 155), gefährdet die Existenz des Unternehmens, ist im Ausgang ambivalent, weist ein Anfang und ein Ende auf lässt sich nur schwer steuern. Doch auch wenn diese Zusammenstellung viele der bisherigen Krisenverständnisse zusammenführt, so bleibt Krystek nur sehr vage mit Konzepten wie Überraschung, Existenzgefährdung oder Steuerbarkeit. Aus diesem Grund gilt es, den Blick auf das Krisenverständnis aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht noch einmal zu weiten. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive haben sich insgesamt zwei Grundlinien herausgebildet, den Krisenbegriff zu fassen. Die eine ist das Verständnis von Krise als plötzliche Veränderung und damit eine (Existenz) bedrohende Situation für das Unternehmen. Die Erreichung der Unternehmensziele ist von einem Moment auf den anderen nicht mehr gewährleistet. Die andere sieht Krisen als Prozess mit einem evolutionären Verlauf, der durch Management durchaus beeinflussbar ist. Dieser Prozess dauert nicht endlos an, sondern ist durch einen mehr oder minder klaren Anfang und ein klares Ende definiert (vgl. Hülsmann, 2005, S. 39). Der Prozess des Krisenmanagements gliedert sich analog dazu in eine Zeit vor der Krise (Risiko- und Issues-Management), die Zeit der Krise selbst (Krisenmanagement und Notfallreaktion) und eine Zeit nach der Krise (Wiederaufnahme des laufenden Geschäfts) (vgl. ähnlich auch Pearson & Mitroff, 1993, S. 53; vgl. Sapriel, 2007b, S. 26). Als zentrale Elemente von Unternehmenskrisen werden (1) ihr ambivalenter Ausgang, (2) die Unklarheit über ihren Auslöser, (3) ihre geringe Wahrscheinlichkeit gegenüber dem potenziell hohen Schaden sowie (4) ihr Zeitdruck für das Fällen von Entscheidungen identifiziert (vgl. Pearson & Clair, 1998, S. 60). Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur hält daneben eine Vielzahl von Managementplänen und Verhaltensregeln bereit (vgl. exemplarisch hierzu Gorman, 2006; Laumer & Pütz, 2006; Pinsdorf, 1987; Robert & Lajtha, 2002; Smits & Ezzat, 2003). Viele sind jedoch nicht mehr als Plausibilitätsaussagen und entbehren jeder empirischer Haltbarkeit. Penrose (2000, S. 161) weist diesbezüglich darauf hin, dass Krisenmanagementpläne zudem nur dann effektiv sind, wenn sie innerhalb der Organisation auch getragen und umgesetzt werden. Eine mangelhafte Kommunikationskultur kann daher Krisenauslöser sein, auch wenn geplante Prozesse und Strukturen für das Krisenmanagement vorhanden sind. Einen interessanten weil der ursprünglichen Definition von Krise sehr nahe kommenden Ansatz zeigt Hutzschenreuter (2006) auf, der Krisen als Teil der Unternehmensentwicklung sieht. Krisen als Wendepunkte in Unternehmen sind eng verknüpft mit der strategischen Unternehmensentwicklung, da sie alle Bereiche des Prozesses tangieren: Die Krisenbekämpfung mit der Analyse der Unternehmensentwicklung, die Signalwahrnehmung mit der Initiierung von Entscheidungsprozessen oder die Formulierung von Strategien und Maßnahmen mit dem Krisenmanagement. Damit wird die Unternehmenskrise nicht durch ein negatives Stigma belegt sondern als Teil unternehmerischer Emergenz formuliert – ein Ansatz, der in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur nur selten verfolgt wird. Eine ökonomische Theorie der Krise hat sich bislang nicht entwickelt – wenngleich es in Ansätzen immer wieder versucht wurde: Der Definitionsversuch von Freiling (2005)
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2 Theoretische Grundlagen
versucht es aus einer marktprozesstheoretischen Perspektive, die Modern Austrian Economics, die Schneidersche Lehre der Unternehmensfunktionen und die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung bleiben stark rudimentär und eklektizistisch. Einen systematischen Ansatz verfolgen hingegen Hülsmann & Schulenburg (2005), indem sie den theoretischen Betrag unterschiedlicher Theoriemodelle für das Management von Ad-hoc-Krisen kriteriengeleitet diskutieren. Sie entwickeln dabei einen evolutionstheoretischen Erklärungsversuch von Ad-hoc-Krisen der zwar einerseits einer theoretischen Diskussion standhält, andererseits jedoch der empirischen Bestätigung bedarf. Die Kopplung einer Identifikation von Krisen an objektive Kriterien bleibt nach wie vor schwierig, da diese erstens stark beobachterabhängig und damit subjektiv sind und zweitens nur einen Ist-Zustand aufgrund vergangener Daten widerspiegeln. Damit ist die Identifikation einer Krise letztlich eine Aushandlung organisationsinterner und externer Beobachtungen bzw. deren Interpretation (vgl. A. Schwarz, 2010) und abhängig von „individuellen oder kollektiven Wahrnehmungs- und Bewusstseinsbildungsprozessen“ (Staehle, Conrad, & Sydow, 1999, S. 903). Aufgrund der Forschungsvielfalt der wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive wird immer wieder auch in anderen Forschungsdisziplinen auf sie Bezug genommen. Insbesondere die Kommunikationswissenschaft bediente sich lange der Konzepte aus der Managementforschung. So entwickelt Burnett (1998) ein Modell strategischen Krisenmanagements mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass dies auch von PR-Fachleuten übernommen werden kann. Auch die vorliegende Arbeit sieht die Kommunikationsfunktion von Organisationen als integralen Bestandteil des Krisenmanagements (vgl. hierzu auch Coombs, 2007a, S. 1). Sie wird damit als gestaltende Organisationsfunktion konzipiert (vgl. hierzu insbesondere Nolting & Thießen, 2008). Damit Kommunikation jedoch als gestaltendes Element des Management erreicht werden kann gilt es, „alle strategiekritischen Entscheidungsprozesse so [zu gestalten], dass die kommunikative und öffentlichkeitswirksame Dimension der dort beschlossenen Maßnahmen systematisch mitbedacht wird“ (Zerfaß, 2004, S. 321). Zusammenfassend hält die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive damit verschiedenste Versuche bereit, Krisensituationen objektiv zu erfassen und sie als Prozess darzustellen. Durch die lange Auseinandersetzung liegen zudem eine Vielzahl an Fallstudien vor, die Krisen oft unter Managementgesichtspunkten analysieren und Handlungsanweisungen formulieren. Dennoch werden vor allem zwei Aspekte vernachlässigt: Erstens eine systematische Theorieentwicklung die auch einer empirischen Überprüfung standhält und zweitens das Einbeziehen beobachtungsabhängiger Phänomene. Ansätze, die diesem Desiderat entgegenwirken sind in erster Linie interdisziplinär. So führen Pearson & Clair (1998) Erkenntnisse aus psychologischer, soziopolitischer und technologischer Sicht zusammen und weiten das Krisenverständnis von Unternehmen aus auf eines, was auch für andere Organisationsformen gilt und die Wahrnehmungsabhängigkeit thematisiert. Krisen sind demnach eine „low-probability, high-impact situation that is perceived by critical stakeholders to threaten the viability of the organization [...]“ (S. 66). Da Krisen in der vorliegenden Arbeit in den Kontext der Mediengesellschaft eingebettet werden, gilt es im Folgenden, die bisher diskutierten Perspektiven um die der Kommunikationswissenschaft zu ergänzen.
2.2 Krisen
2.2.2.3
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Krisen aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive
Die kommunikationswissenschaftliche Perspektive hält keinen eigenen Krisenbegriff bereit und hat ihn bislang auch nicht entwickelt. Dennoch ergänzt die Perspektive das dargelegte Krisenverständnis um drei wesentliche Aspekte: Krisen sind beobachterabhängig, können durch Kommunikation überhaupt erst entstehen und lassen sich durch rhetorische Antwortstrategien steuern. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive sind Krisen erstens beobachterabhängig. Das bedeutet, dass das Ausmaß einer Krise einerseits mit dem öffentlichen Interesse und andererseits mit dem medialen Umgang steigt. Um den Unterschied zum wirtschaftswissenschaftlichen Krisenverständnis zu verdeutlichen, kann zwischen Primärund Sekundärkrisen unterschieden werden. Eine Primäre Krise ist eine Situation, die durch ein physisches Ereignis ausgelöst wird (z.B. einen Unfall). Dagegen sind Sekundärkrisen Situationen, die durch eine (zumeist negative) Medienberichterstattung und damit indirekt ausgelöst werden (publizistische Krisen). Die Kommunikation in publizistischen Krisen kann dabei entweder eine Kommunikation über die Krise sein (Sachdimension) oder die Kommunikation in der Krise (Sozial- und Zeitdimension) (vgl. Löffelholz, 2005, S. 186): „Störfälle, Unglücksfälle, Katastrophenfälle u.ä. finden immer wieder Leser, Seher oder Hörer. Konflikte und Kritik werden in der Öffentlichkeit gern wahrgenommen. Sie finden Grundlagen für Kontroversen in den Medien“ (vgl. Konken, 2002, S. 133). Krisen können demnach zweitens durch Kommunikation überhaupt erst entstehen. Luhmann beschreibt die publizistische Krise in dem Zusammenhang als stimulierte Aufmerksamkeit: „Krisen sind unerwartete (thematisch nicht vorbereitete) Bedrohungen nicht nur einzelner Werte, sondern des Systembestandes in seinem eingelebten Anspruchsniveau. Sie stimulieren und sammeln Aufmerksamkeit dadurch, dass sie den Erfüllungsstand zahlreicher Werte diffus, unbestimmt und unter Zeitdruck gefährden“ (Luhmann, 1970, S. 12).
Insbesondere durch den hohen Zeitdruck entstehen Situationen, in denen diffuse Kommunikation zu unklaren, verspäteten oder widersprüchlichen Kommunikationssituationen führt mit oft negativen Konsequenzen für die (medienvermittelte) Wahrnehmung. Krisen lassen sich drittens durch rhetorische Botschaftsstrategien steuern. Der Großteil der Literatur über Krisen beschäftigt sich in der Kommunikationswissenschaft mit der Auseinandersetzung rhetorischer Wirkungsmechanismen (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 2.3.1 und 2.3.2). Die Argumentation lehnt sich dabei stark an die der Public Relations Forschung an, in der PR als (1) Bereitstellung von Interpretationen, (2) die Steuerung einer Interaktionsstruktur und (3) die Beobachtung von Umweltbeziehungen beschrieben wird (vgl. Jarren & Röttger, 2004). Die explizite Untersuchung von Kommunikationsstrategien hat sich jedoch in keinem Forschungsfeld so weit ausdifferenziert wie in dem der Krisenkommunikationsforschung. Für die Schärfung des Krisenbegriffs liefert die kommunikationswissenschaftliche Perspektive damit drei wichtige Hinweise, die an anderer Stelle der Arbeit ausführlich vorgestellt und in den Argumentationsverlauf integriert werden: die Beobachterabhängigkeit publizistischer Krisen und dessen Konsequenzen in Kapitel 2.4.1 sowie die Systematisierung rhetorischer Botschaftsstrategien in Kapitel 2.3 und 3.4.1. An dieser Stelle gilt es daher, nun den Bezugsrahmen von Krisen für Organisationen zu formulieren und Krisen in den Kontext der Mediengesellschaft und im Branchenkontext zu stellen.
82
2.2.3
2 Theoretische Grundlagen
Der Bezugsrahmen von Krisen für Organisationen
Für die vorliegende Forschungsarbeit sind in erster Linie zwei Bezugspunkte von Krisen für Organisationen relevant: Erstens der Kontext der Mediengesellschaft und zweitens der Branchenkontext. 2.2.3.1
Krisen im Kontext der Mediengesellschaft
„Was in der heutigen Informations- und Mediengesellschaft nicht kommuniziert wird, findet nicht statt“ (Zulauf, 2004, S. 142). Das bedeutet, dass organisationales Handeln in kommunikatives Handeln transportiert werden muss. Denn „[w]as nicht in den Medien ist, kann nicht relevant sein“ (Merten, 2008, S. 90). Überträgt man diesen Mechanismus auf Krisensituationen, so sind Krisen in der öffentlichen Wahrnehmung nur dann relevant, wenn sie Teil einer öffentlichen Mediendebatte werden. Eine durch mediale (Massen)Kommunikation vermittelte Krise hat damit also durchaus Legitimitätscharakter. Krisen finden demnach zwar grundsätzlich unabhängig der medialen Berichterstattung statt – jedoch werden nur die als relevant wahrgenommen, die Teil einer medialen Diskussion werden. Da Krisen per se einen hohen Nachrichtenwert haben (sie sind aktuell, oft negativ und polarisierend) sind sie für die mediale Darstellung von hohem Interesse. In der Literatur werden öffentlichen Krisen als Skandal klassifiziert. Skandale werden verstanden als „Deutungsrahmen für moralische Verfehlungen“ (Eisenegger, 2004, S. 68). In Krisen werden Organisationen zur Rechtfertigung jener Verfehlungen gezwungen und rücken so verstärkt ins Zentrum publizistischen Interesses. Um dies zu verdeutlichen, lässt sich das gesellschaftliche Umfeld für Organisationen noch einmal anhand einer Marktanalogie fragmentieren, aus denen sich unterschiedliche Akzeptanzziele ergeben (vgl. Szyszka, 2009). So bewegen sich Organisationen erstens auf einem Absatzmarkt, bei dem eine Markt- bzw. Leistungsakzeptanz im Zentrum steht. Wirtschaftsunternehmen müssen zusätzlich auf dem Kapitalmarkt ökonomische Akzeptanz erlangen. Auf dem Personalmarkt bemühen sich Organisationen um soziale Akzeptanz während im politischen Meinungsmarkt eine politische Akzeptanz im Vordergrund steht. Öffentliche Akzeptanz und Legitimation erfahren Organisationen hingegen ausschließlich auf dem öffentlichen Meinungsmarkt. Er ist das zentrale Umfeld, in dem Organisationen nach Legitimität suchen – als Voraussetzung dafür, auch auf den anderen Märkten weiterhin akzeptiert zu werden. Ein Skandal ist gekennzeichnet erstens durch eine moralische Verfehlung, zweitens deren Enthüllung und drittens einer öffentlichen Empörung (vgl. Hondrich, 1992). „Erfolgreiche Skandale basieren auf der raschen Diffusion einer Moralisierung, das heißt der Verfestigung einer einheitlichen Position eines spezifischen, verwerflichen Handelns in der öffentlichen Kommunikation“ (Eisenegger, 2005, S. 68).
Doch nicht nur moralische Verfehlungen von Organisationen führen zu Skandalen. Vielmehr tragen auch funktionale und emotionale Verfehlungen zu Skandalisierungsprozessen bei. Daher müssen Skandale allgemein verstanden werden als öffentlicher Deutungsrahmen sowohl für funktionale als auch sozial/moralische oder emotionale Verfehlungen einer Organisation. Gesellschaftliche Trends oder einzelne Ereignisse die zu einem Skandal beitragen dabei treten entweder in der Form eines Issues oder einer Krise auf (vgl. Heugens, van Riel, & van den Bosch, 2004, S. 1350). Der zentrale Unterschied zwischen beiden wird durch die ungleiche zeitliche Dimension und den sich daraus unmittelbar ableitenden Kon-
2.2 Krisen
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sequenzen charakterisiert: Issues können im Idealfall frühzeitig erkannt und durch ein umfassendes, langfristiges Issues-Management thematisch besetzt und damit kommunikativ gesteuert werden (vgl. Ingenhoff, 2004, S. 270). Dies gilt für Krisen nur bedingt. Kennzeichnend für sie ist vielmehr ihr plötzliches, oft unerwartetes Auftreten einhergehend mit der Forderung nach einem zeitnahen und resoluten (Kommunikations-) Management (vgl. Pearson & Clair, 1998, S. 60). Der Verlust von Reputation erfolgt in öffentlichen Krisen also in der Regel abrupt (vgl. Helm, 2004, S. 76). Mediendebatte als Krisenauslöser In Krisen werden die Mechanismen der Mediengesellschaft für Organisationen in besonderem Maße deutlich. Denn durch die zunehmende Aufmerksamkeitsökonomie steigt auch der Druck für die Medien, Aufmerksamkeit bei der Öffentlichkeit zu erreichen. Ein Anstieg und eine Professionalisierung der Skandalberichterstattung sind eine Konsequenz aus diesem Prozess (Kepplinger, Ehmig, & Hartung, 2002). Damit sind Skandale nicht nur Resultat einer Krise, sondern können eine solche auch initiativ auslösen. Inzwischen tragen die Medien selbst einen wesentlichen Beitrag zur Skandalbildung bei. „Bei dieser Intensivierung der Skandalkommunikation ist auch eine Veränderung der tripolaren Struktur des Skandals beobachtbar: Während der klassische Skandal aus einem Skandalisierer, einem Skandalmedium und einem Skandalisierten besteht, übernimmt nun das Skandalmedium in der Regel auch die Rolle des Skandalisierers“ (Imhof, 2006, S. 202).
Die empirische Skandalforschung weist darauf hin, dass Medien an die Stelle klassischer „Erst-Skandalisierer“ (Eisenegger, 2004, S. 69) getreten sind und damit die Rolle von Preassure Groups übernehmen (vgl. Imhof & Eisenegger, 2003). Dies hat zur Konsequenz, dass die Skandalberichterstattung nicht nur quantitativ zunimmt, sondern auch an Qualität gewinnt (vgl. Kapitel 2.1.2.2 sowie Kepplinger, et al., 2002). Diese Überlegungen zeigen zusammenfassend, dass Organisationen sich erstens auf einem öffentlichen Meinungsmarkt bewegen. Organisationales Handeln, das Teil eines Mediendiskurses wird, erhält so öffentliche Relevanz. Dies gilt zweitens gleichermaßen auch für Krisen – erst durch die Verfehlungen in Form eines öffentlichen Skandals erhalten Krisen (publizistische) Aufmerksamkeit und werden als relevant wahrgenommen. Im Kontext der Mediengesellschaft ist die Publizität einer Krise also die Voraussetzung dafür, dass sie in den Augen der Öffentlichkeit auch tatsächlich stattfindet. Dies gilt es abschließend in Kapitel 2.4, in den Zusammenhang der Reputationskonstitution zu stellen. 2.2.3.2
Krisen im Branchenkontext
Eine Krise, die isoliert bei einer einzelnen Organisation auftritt, kann (negative) Auswirkungen auf andere Organisationen haben, die nicht selbst von der Krise betroffen sind. Dies meint nicht die Krise selbst (z.B. den Störfall in einem Atomkraftwerk), sondern vor allem auf die Wahrnehmung der Organisation sowie die zugeschriebene Vertrauens- und Glaubwürdigkeit und damit die Konstitution von Reputation. Eisenegger & Künstle (2003) weisen darauf hin, dass je schlechter die Branchenreputation, desto verletzlicher die eigene Reputation. „Je positiver umgekehrt die Branchenreputation, desto besser sind die jeweili-
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2 Theoretische Grundlagen
gen Unternehmen vor rufschädigenden Attacken geschützt“ (ebd., S. 62). Und auch Czisar & Heidrich (2006) geben an, „[Reputationsrisiken] arose at both at individual firm and industry levels and must be addressed at both levels“ (ebd., S. 393). Krisen haben also Auswirkungen sowohl auf die von der Krise betroffene Organisation wie auch für ihr unmittelbares Umfeld. Hinweise darauf, dass sich negative Reputation nicht isoliert auf Organisationen auswirkt, sondern darüber hinaus auch auf weitere, liefert vor allem die Legitimitätsforschung. Jonsson, Greve & Fujiwara-Greve (2009) weisen nach, dass negative Ereignisse für Unternehmen (und damit Krisen) einen Legitimitätsverlust auch bei nicht betroffenen Organisationen nach sich ziehen können. Und auch Yu & Lester (2008) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Ein negativer Spill-Over-Effekt war bei den Organisationen am stärksten, die entweder der in die Krise geratenen Organisation sehr ähnlich waren (z.B. Versicherungsunternehmen mit einem ähnlichen Profil) oder sich der Kontext des Skandals sich stark ähnelte (z.B. Unternehmen, die mit Industriegütern handeln wenn die Ursprungskrise Korruption bei einem Industriegüterhändler war). Begründen lässt sich die negative Auswirkung von Krisen auf die Reputation nicht von der Krise betroffener Organisationen damit, dass Unternehmen derselben Industrie (oder allgemein Organisationen des gleichen Umfelds) so genannte „reputation commons“ (King, Lenox, & Barnett, 2002, S. 393) haben: „If observers can judge the actions of a firm independently of the actions of its rivals, no commons exists, but when one firm’s actions influence the judgments observers make of another firm or an industry as a whole, a commons arises. This reputation commons intertwines the fates of firms in an industry because all firms suffer when any firm engages in actions that damage the industry’s shared reputation“ (Barnett & King, 2008).
Barnett & King (2008) kommen daher zu dem Schluss, dass Krisen einer Einzelorganisation sich in erster Linie auf die „reputation commons“ weiterer Organisationen auswirken. Um einen industrieweiten Reputationsschaden zu vermeiden, gilt es diese gemeinsame Reputation zu identifizieren und kollektiv zu schützen. Der systematische Aufbau individueller positiver Reputation geschieht vor allem über Attribute, die außerhalb dieser „reputation commons“ liegen (vgl. ebd., S. 1164 f.). 2.2.4
Zusammenfassung: Krisen im Kontext der Mediengesellschaft
Mit diesen Überlegungen konnten die Grundlinien des Krisenverständnisses der vorliegenden Arbeit entwickelt werden. So werden Krisen einerseits verstanden als Situationen, die einen bislang kontinuierlich verlaufenden Prozess stören. Sie werden in der Mediengesellschaft erst dann zur Krise, wenn sie öffentlich wahrgenommen werden und verursachen einen Schaden entweder in Bezug auf die funktionale, soziale oder emotionale Reputationsdimension einer Organisation. Das Ausmaß des Schadens hängt wesentlich von der attribuierten Krisenschuld ab: Ist die Organisation Opfer einer Krise, so hat dies kaum Auswirkungen auf den Reputationsschaden. War die Krise ein Unfall ist der Schaden bereits moderat während bewusst verursachte und damit vermeidbare Krisen den größten Schaden für die Reputation haben. Krisen sind andererseits ein Wendepunkt und müssen daher nicht notwendigerweise negativ besetzt sein. Nach einer Phase zeitlicher und inhaltlicher Latenz kann der Zustand wiederhergestellt oder sogar verbessert werden. Meistens wirken sich Krisen jedoch negativ aus und können sogar in einer Katastrophe enden. Es
2.3 Krisenkommunikation
85
wurde gezeigt, dass die Wahrnehmung einer Krise sich nicht isoliert auf eine Organisation begrenzen lässt. Oftmals tragen so genannte Spill-Over-Effekte dazu bei, dass Organisationskrisen sich auch auf Organisationen im unmittelbaren Umfeld auswirken bzw. umgekehrt Umfeld- oder Industriekrisen einen negativen Effekt auf Einzelorganisationen haben. 2.3
Krisenkommunikation
2.3.1
Begriffliche Grundlagen
2.3.1.1
Terminologische Eingrenzung und zentrale Merkmale von Krisenkommunikation
Der Begriff der Krisenkommunikation hat sich ursprünglich aus einer praktischen Auseinandersetzung mit Unternehmenskrisen entwickelt (vgl. Coombs, 2010, S. 23). Während aus der Perspektive des Krisenmanagements die Kommunikation als eine von vielen Variablen definiert wird (vgl. Marcus & Goodman, 1991) entspringt der Großteil der Studien zu Krisenkommunikation aus der Public-Relations-Forschung oder der Kommunikationswissenschaft (vgl. Hearit, 1994). Im angloamerikanischen Raum wird der Krisenkommunikationsbegriff als ‚crisis intervention’, ‚public participation’ und ‚conflict management’ eingeführt (vgl. Dombrowsky, 1994, S. 17). Krisenkommunikation dient demnach vor allem dazu, bei einer unternehmerischen Entscheidungsfindung Konfliktpotentiale erkennbar zu machen bei denen ein hohes öffentliches Interesse besteht. Dies ist ein Beschreibungsversuch, der die öffentliche Meinung in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Diese Sichtweise beschreibt allerdings nur eine spezifische Art von Krisen, nämlich die von hohem öffentlichen Interesse. Eine umfassende Beschreibung von Krisenkommunikation ist dies noch nicht. In der deutschsprachigen Literatur wird Krisenkommunikation häufig unter dem Begriff der Krisen-PR subsumiert und in den Zusammenhang der Onlinekommunikation (vgl. Köhler, 2006), der Stakeholderperspektive (vgl. A. Schwarz, 2010) oder praxisbezogener Fragestellungen (vgl. Wilmes, 2006) gestellt. Krisenkommunikation dabei lediglich als PR in Krisen darzustellen greift jedoch deutlich zu kurz. Zweifelsfrei kommt ein Großteil der Instrumente, Strukturen und Funktionen der PR auch in Krisen zum Einsatz und lassen sich entsprechend übertragen. Allerdings erweitern sich diese bedingt durch die Sondersituation der Krise. So zeigt Hasse (2004, S. 172), dass in Krisen neue Instrumente der Onlinekommunikation zum Einsatz kommen können und auch die Strukturbedingungen auf Organisationsseite sich ändern– mit Konsequenzen z.B. für den Umgang mit Journalisten (vgl. Thießen, 2007, S. 85 ff.). Ein wesentliches Element der Krisen-PR ist auch die präventive Beobachtung von potenziellen Krisenthemen (z.B. Issues-Management) sowie deren zeitnahe, reaktive Steuerung (vgl. Köhler, 2006, S. 78). Zudem gewinnen neue, kritische (Teil-)Öffentlichkeiten in Krisen an Relevanz, so dass sich der Fokus bisher normaler PR deutlich erweitert. Nähert man sich dem Begriff systematisch, so lässt sich Krisenkommunikation anhand von zwei inhaltlichen Dimensionen unterscheiden: die Kommunikation über Krisen (Inhaltsdimension) und die Kommunikation in Krisen (Sozial- und Zeitdimension) (vgl. Löffelholz, 2005, S. 186). Organisationen können in Krisen sowohl über die Krise kommuni-
86
2 Theoretische Grundlagen
zieren als auch selbst Teil der Krise sein. Daraus ergibt sich ein Verständnis von Krisenkommunikation, das einerseits aus dem Blickwinkel des öffentlichen Interesses (also des Betrachters) auf ein bestimmtes Thema, andererseits aus dem der medialen Aufbereitung (also des Kommunikators) definiert werden kann. Beiden Perspektiven gemein ist das hohe Maß an Unsicherheit, denn Kommunikation in Krisen ist nur bedingt kontrollier- und lenkbar (vgl. Saxer & Bosshart, 1990, S. 283). Krisenkommunikation als Forschungsfeld untersucht Krisen als Medienereignis (vgl. Löffelholz, 2004, S. 15) wobei „vor allem die Kommunikationswissenschaft [...] die Erforschung der Bedingungen und Strukturen von Krisenkommunikation“ (Löffelholz & Schwarz, 2008, S. 22) thematisiert. Die Krisenkommunikation als Forschungsfeld kann damit zwar auf Ergebnisse einer beachtlichen Anzahl von Studien zurückgreifen, dennoch bleibt der Relevanzgewinn durch eine starke Forschungsfragmentierung auf einem niedrigen Niveau (vgl. Pearson & Clair, 1998). Erst in den letzten Jahren erfährt die Krisenkommunikationsforschung einen starken Zuwachs an Experimentalstudien und empirischen Analysen (vgl. Coombs, 2010, S. 24). Die Konsequenzen erfolgreicher Krisenkommunikation werden daher immer weniger durch Fallstudien gezeigt als durch empirische Belege. Mit der zunehmenden Entwicklung des Forschungsfeldes geht einerseits auch eine theoretische Auseinandersetzung einher. Während sich ein Großteil der angloamerikanischen Studien lange auf die Image Repair Theory von Benoit (1995, 1997) beziehen, haben sich in den letzten Jahren ausgereifte Ansätze wie die Situational Crisis Communication Theory entwickelt (SCCT) (vgl. v.a. Coombs & Holladay, 1996). Aus der Idee, die Kontingenztheorie auf sämtliche Bereiche der Public Relations zu übertragen, entstanden darüber hinaus die Arbeiten von Cameron, Pang & Jin (2008; 2010), in denen Annahmen spezifisch in Bezug auf Krisenkommunikation untersucht wurden. Insgesamt ist der Anteil theoriegeleiteter Studien zu Krisen zwischen 2001 und 2006 in relevanten Fachjournalen stark gestiegen, wobei die dominierenden Theoriemodelle die der SCCT, Image Restauration Theory und der Apology Theory waren (vgl. An & I-Huei, 2010, S. 80). Andererseits wächst auch die Literatur, die sich empirischen Problemstellungen der Krisenkommunikationsforschung widmet. Dies bezieht sich sowohl auf die Analyse von Fallstudien, Textanalysen, Inhaltsanalysen oder das wichtige Feld der Experimentalstudien (vgl. hierzu insbesondere das Kapitel „Methodological Variety“ in Coombs & Holladay, 2010). Insgesamt erfährt die Krisenkommunikationsforschung damit eine gänzlich neue Dynamik, die stark zur Ausdifferenzierung und zur Professionalisierung des Forschungsfeldes beiträgt (vgl. Tabelle 7). Die Entwicklung vom klassischen zum postmodernen Krisenkommunikationsverständnis greift damit sich verändernde Rahmenbedingungen auf. Bisher wurde davon ausgegangen, dass Krisen sich einer einzelnen Ursache zuordnen und sich phasenorientiert beschreiben lassen. Das Organisations- und Kommunikationsverständnis wurde durch ein Sender-Empfänger-Modell dominiert und Öffentlichkeiten als homogen und identifizierbar beschrieben. Inzwischen wird in der Literatur von Krisen als Unterbrechung eines Prozessverlaufes ausgegangen sowie von Organisationen als flexible und irrational handelnde Komplexe. Das Kommunikationsverständnis ist aktiv, Kommunikation dient in erster Linie einer Interpretationssteuerung für eine fragmentierte, fließende und multikulturelle Öffentlichkeit.
2.3 Krisenkommunikation
87
Tabelle 7: Charakteristiken Krisenkommunikation Traditionelle Krisenkommunikation
Postmoderne Krisenkommunikation
Zentralisiert (straffe Systeme)
Dezentralisiert (lockere Systeme)
Prozessfokus
Operational, durchdringend, technisch
Krisenprävention, operational-strategisch
Führung und Kontrolle
Rationale Planung durch Regeln und Anweisungen
Improvisation innerhalb eines trainierten strategischen Rahmens
Kommunikationsfokus
Der Sender steht im Zentrum: „erzähle und predige“
Die Öffentlichkeit steht im Zentrum: „verbinde und kommuniziere“
Kommunikator
Ein zentraler Sprecher
Netzwerk von Kommunikatoren
Massenmedien
Massenmedien, Minderheiten- und Mikromedien, interpersonale Medien
Öffentlichkeit wurde informiert und wiederholt nur Inhalte
Öffentlichkeit hat verstanden und kann selbständig handeln
Organisationsform
Medienwahl
Kommunikationsziele
(i.A.a. Falkheimer & Heide, 2009) Mit dem Aufzeigen der Genese des Krisenkommunikationsbegriffs sollte gezeigt werden, dass einerseits zwar die Forschungslandschaft immer noch stark fragmentiert und von Fallstudien dominiert ist. Andererseits zeichnen sich im Forschungsfeld wichtige Entwicklungslinien ab, die zu einer verstärkt theoretischen, komparativen und methodisch fundierten Auseinandersetzung führen. In der vorliegenden Arbeit wird von einem postmodernen Krisenkommunikationsverständnis ausgegangen mit einem Fokus auf der Kommunikation während Krisen.
88
2 Theoretische Grundlagen
2.3.1.2
Krisenkommunikation vor, während und nach der Krise
Krisen lassen sich grundlegend differenzieren in potenzielle, latente, akut beherrschbare und akut nicht beherrschbare Krisen (vgl. Krystek, 2006, S. 48; Marra, 1998, S. 464)17. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Reputationsschadens lässt sich dabei analog zum Grad des Fortschritts einer Krise entwickeln: Während das Risiko für den Verlust positiver Reputation in einer potenziellen und latenten Krise zwar vorhanden ist, können Krisen in diesem Stadium durch Früherkennung und Prävention noch verhindert werden (Bergauer, 2001, S. 6). Für die Reputation stellen diese Krisen daher vor allem ein latentes aber beherrschbares Risiko dar. In akuten Krisen hingegen ist Reputation nicht mehr nur einem Risiko ausgesetzt, sondern nimmt tatsächlichen Schaden (vgl. Benoit, 1997, S. 178; Coombs, 2007b, S. 163; Merten, 2008, S. 87; Tucker & Melewar, 2005, S. 379). Mit dieser Einordnung lassen sich die Auswirkung von Krisen auf die Reputation bereits grob differenzieren. Vor Krisen, wenn das Reputationsrisiko gering ist, spielen andere Aspekte des Reputationsmanagements eine Rolle wie zur Zeit der Krise selbst. So gewinnt vor einer Krise vor allem das Issues Management an Bedeutung. Denn „[e]in Teilaspekt des Issue ist die Wahrnehmung seiner potenziellen Chancen- und Gefahrendimension“ (Ingenhoff, 2004, S. 71). Dies unterstreicht die Notwendigkeit, beim Issues-Management mögliche Reputationsrisiken in die Analyse von Issues mit einzubeziehen. Durch einen sachlichen Bezug von Risiken für die Reputation von Organisationen zu konkreten Ereignissen wird das Issues-Management damit zum Instrument der Risikofrüherkennung. Risikomanagement und Issues-Management können daher zu Recht als zwei Seiten derselben Medaille beschrieben werden (vgl. Mast, 2008b, S. 105; Sapriel, 2007b, S. 26). Während der Krise lassen sich Issues dann nur noch bedingt aktiv steuern, so dass vor allem ein reaktives Reputationsmanagement in den Vordergrund tritt. In Anlehnung an die Argumentation, dass für die Reputationskonstitution die Kommunikation von Organisationen einen entscheidenden Beitrag leistet (vgl. Kapitel 2.1.3.1), lässt sich dies auch für Krisensituationen zeigen (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 2.4.4): Denn in Krisen gilt es unter anderem, einen inhaltlichen Interpretationsrahmen mit Hilfe von reaktiven Antwortstrategien18 zu schaffen und zu steuern. Nach einer Krise wiederum liegt der Fokus des Kommunikations- und Reputationsmanagements vor allem darauf, den Status quo wiederherzustellen oder – wenn nötig – eine Neuausrichtung der Kommunikation zu erreichen. Tabelle 8 stellt die Teilbereiche des Kommunikationsmanagements vor, während und nach der Krise überblicksartig dar19. Eine inhaltliche Trennung zwischen Krisenmanagement und -kommunikation ist an dieser Stelle zunächst nicht weiter relevant. Denn Kommunikation ist vor allem dann erfolgreich, wenn sie in die strategische Unternehmensführung systematisch integriert wird (vgl. Zerfaß, 2004, S. 320). Entsprechend gilt es, Business Continuity20 durch strategisches 17 18 19
20
Für eine ausführliche Diskussion von Krisenklassifikationen vgl. Kapitel 2.2.1.3.1. Vgl. ausführlich hierzu Kapitel 2.3. Eine ähnliche Typologie findet sich bei Töpfer, der allerdings nur zwischen Krisenvorsorge und Krisenbewäl tigung unterscheidet. Krisenmanagement in Tabelle 8 meint hier explizit die Krisenbewältigung. Krisenmana gement in einem weiter gefassten Sinne umfasst auch Krisenvorsorge und ein Lernen aus der Krise (vgl. Töpfer 1999: 19). Das Business Continuity Management ist der Betriebswirtschaft entlehnt. Es umfasst einerseits das Voraus sehen von Krisen, die das Kerngeschäft stören, andererseits aber vor allem die Etablierung standardisierter Prozesse nach Krisen. Ziel ist das Schaffen von Verfahren, auf eine Krise zu reagieren noch während sich ein Unternehmen von einem Zwischenfall erholt (vgl. Wieczorek & Naujoks, 2002, S. IX). Inhaltlich lässt sich das
2.3 Krisenkommunikation
89
Kommunikationsmanagement zu begleiten, um Reputation langfristig zu managen und Umweltbeziehungen zu steuern (vgl. Kapitel 2.4.2.1). Tabelle 8: Elemente des Kommunikationsmanagements in Krisen Krisenmanagement
Krisenzeitpunkt
Krisenkommunikationsmanagement
Risikomanagement
Vor der Krise
Vorausschauende Krisenprävention durch aktives Themenmonitoring und -management (Issues Management)
Krisenmanagement
Während der Krise
Reaktives Kommunikationsmanagement durch so genannte „response strategies“
Business Continuity
Nach der Krise
Wieder- oder Neuaufbau durch strategische Kommunikation, Rückkehr zum normalen Geschäftsbetrieb
(Eigene Darstellung) Die vorliegende Arbeit legt ihren Fokus weder auf Issues- oder Risikomanagement noch auf Business Continuity. Es werden reaktive Kommunikationsstrategien in Bezug auf ihre Wirksamkeit für die Reputationskonstitution untersucht. Damit steht auch nicht das Risiko für die Reputation im Fokus der Untersuchung sondern der konkrete Zusammenhang zwischen Reputationskonstitution und Kommunikation in Krisen. 2.3.1.3
Dimensionierung von Krisenkommunikation
Ebenso wie die Krisenforschung wird auch Krisenkommunikation von Organisationen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen betrachtet (vgl. Löffelholz, 2004; Pearson & Clair, 1998). Dennoch widmet sich insbesondere die Kommunikationswissenschaft einer Erforschung der Bedingungen und Strukturen von Krisenkommunikation (vgl. Löffelholz & Schwarz, 2008, S. 22). Einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen politischer und ökonomischer Krisenkommunikation wird hier gefolgt – denn ökonomische Krisen unterliegen anderen Themen, Bedingungen und damit auch Konsequenzen für die Kommunikation. Im weiteren Verlauf werden politische Krisen nicht weiter thematisiert. Krisenkommunikation im nichtpolitischen Kontext lässt sich aus insgesamt drei Perspektiven beschreiben: der institutionellen, der instrumentellen und der symbolischen (vgl. ebd., S. 23). Auffallend für alle drei Perspektiven ist, dass es an einer systematischen Darstellung bislang weitestgehend fehlt. Der Grund dafür liegt insbesondere in der stark fallstudienartigen Auseinandersetzung mit Krisensituationen bzw. der Kommunikation in Krisen (vgl. Löffelholz, 2004, S. 15 f.). Entweder wird Krisenkommunikation schlicht als „die Konzept auch auf Organisationen allgemein übertragen. Im Vordergrund steht hier dann das organisationale Lernen sowie der Wissenstransfer für zukünftige Krisensituationen.
90
2 Theoretische Grundlagen
herkömmliche Public Relations während einer gefährlichen, die Existenz der Organisation bedrohenden Situation“ (Herbst, 2005, S. 90), als eigenständige „communication in times of crisis“ (Ogrizek & Guillery, 1999, S. xi) eingeführt oder das Begriffsverständnis schlicht vorausgesetzt bzw. der Krisenbegriff definiert, nicht aber Krisenkommunikation. An einer gesamtkonzeptionellen Einbettung fehlt es bislang großteils. Daher soll im Folgenden Krisenkommunikation entlang der drei aufgezeigten Forschungsperspektiven dimensioniert werden, um anschließend die vorliegende Arbeit darin zu verorten. In der institutionell orientierten Forschungsperspektive auf Krisenkommunikation wird der Einfluss von Organisationsstrukturen und -rollenträgern auf das Krisenmanagement und damit auch auf Krisenkommunikation zum Gegenstand der Forschung. Krisenkommunikation wird hier vor allem als PR-Funktion betrachtet, die auf der Leistungsebene Krisenmanagementfunktionen unterstützen soll (vgl. Köhler, 2006; Marra, 1998). So kann die Organisationskultur dazu beitragen, eine Krisengefährdung zu erhöhen da entweder die Risiken oder die Wahrnehmung einer Krise kollektiv falsch eingeschätzt wird (vgl. Pauchant & Mitroff, 2006). Umgekehrt können Organisationsstrukturen dazu beitragen, krisenspezifisches Wissen zu kanalisieren und Kompetenzen zur Krisenbewältigung aufzubauen, um diese in Krisen gezielt anzuwenden (vgl. Roux-Dufort & Metais, 1999). Krisenkommunikation aus instrumentell orientierter Perspektive stellt dagegen den Einsatz und Erfolg von Kommunikationsinstrumenten ins Zentrum der Betrachtung. Hier geht es darum zu zeigen, wie Krisen unter erhöhtem Zeit- und Entscheidungsdruck durch die gezielte Anwendung von Kommunikationsmaßnahmen möglichst erfolgreich beigelegt werden können. Es wird argumentiert, dass an klassische PR-Instrumente besondere Anforderungen gestellt werden (vgl. Barth & Donsbach, 1992; Köhler, 2006) oder Kommunikationsprozesse sich ändern (vgl. J. Lee, Woetse, & Heath, 2007). Insgesamt stehen jedoch vor allem Instrumente der Krisenprävention im Vordergrund, mit denen durch Früherkennung und Issues Management kommunikative Krisen vermieden werden können (vgl. Ingenhoff, 2004, S. 66; Röttger, 2001, S. 12). Die Untersuchung organisationaler Strukturen und Prozesse orientiert sich in der Regel am klassischen Phasenverlauf einer Krise. Für die Phase der Krisenprävention setzt sich die Forschung primär mit dem IssuesManagement auseinander, bei dem für die Organisation relevante Themen systematisch beobachtet, ausgewertet und für die strategische Kommunikation genutzt werden (vgl. Ingenhoff, 2004; Röttger & Preusse, 2008). Für die Phase der Krise wird die Effektivität von Krisenplänen diskutiert und deren Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten im Fall des Eintretens der Krise (vgl. Marra, 1998). Lee, Woetse & Heath (2007) weisen nach, dass in den USA rund 80% der Unternehmen über Krisenpläne verfügen – wobei die Wirksamkeit starrer Pläne in dynamischen Krisensituationen inzwischen stark angezweifelt wird (vgl. Falkheimer & Heide, 2009). Roux-Dufort (2007) plädiert in dem Zusammenhang sogar dafür, Krisen nicht aus Ausnahme- sondern als Regelsituationen zu betrachten. Nur dann hat Krisenkommunikation und Krisenmanagement die Möglichkeit, den Status der Sonderform organisationalen Handelns zu verlassen und sich integriert und innovativ weiter zu entwickeln (vgl. ebd., S. 105). Die symbolische Perspektive auf Krisenkommunikation hält schließlich die Auseinandersetzung mit inhaltlichen Botschaften und deren Wirkung bereit. Ebenso wie die Wirkung von Krisenkommunikation auf das Image (vgl. Benoit, 1997) werden auch die Konsequenzen für die Reputation von Organisationen (vgl. Coombs, 2006c) dargestellt. Der Wirkungsgrad lässt sich dabei in Bezug auf die unterschiedlichen Stakeholdergruppen deutlich
2.3 Krisenkommunikation
91
differenzieren (vgl. B. Lee, 2004; Stephens, Malone, & Bailey, 2005). Rhetorische Antwortstrategien und deren Wirkung werden in der Regel in der Abhängigkeit der Krisensituation diskutiert (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 2.3.2.1). Bradford & Garrett (1995) zeigen dies für die Strategien Verweigerung, Entschuldigung, Rechtfertigung und Offenlegung. Abbildung 9: Kommunikative Reaktionen in Abhängigkeit des Krisentyps Antwortstrategie Verweigerung/Zurückweisung
Entschuldigung
Rechtfertigung
Beichte/Offenlegung
Krisensituation Wenn die Organisation nachweisen kann, dass sie sich nicht unethisch verhalten hat Wenn die Organisation nachweisen kann, dass sie das unethische Verhalten nicht kontrollieren konnte Wenn die Organisation nachweisen kann, dass keine gültigen Standards heran gezogen werden, um das unethische Verhalten zu beurteilen Wenn die Organisation zu dem Schluss kommt, dass die Beschuldigungen richtig sind
(i.A.a. Bradford & Garrett 1995, S. 878 f.) Weitere Studien sind die von Benoit (1995) mit den Strategien denial, evasion, reducing offensiveness, corrective action und mortification, die von Coombs & Holladay (1996) mit den Strategien attac the accuser, denial, excuse, justification, ingratiation, corrective action und full apology sowie Hearit (1994) mit den Strategien denial, counterattac, differentiation, apology und legal. In einer Meta-Analyse der aktuellen Forschungsliteratur zeichnet sich ab, dass die Untersuchungen über die Wirkung von Kommunikationsstrategien bzw. die der Wahrnehmung von Organisationen in Krisen stark zugenommen haben (vgl. An & I-Huei, 2010, S. 78). Die vorliegende Arbeit liefert einen Betrag für alle drei Perspektiven, da sie ein Mehrebenenmodell der Krisenkommunikation als Grundlage wählt. Der Fokus der empirischen Analyse liegt anschließend jedoch auf den Wirkungsmechanismen kommunikativer Strategien, so dass sie sich letztlich primär in die Arbeiten der symbolisch-relationalen Perspektive einreiht. 2.3.2
Theoretische Bezugspunkte zur Krisenkommunikation
Für die theoretische Beschreibung von Krisenkommunikation haben sich bislang nur Ansätze von geringer bis mittlerer Tragweite herausgebildet. An krisenkommunikationsimmanenten Theorieansätzen mangelt es sogar fast vollständig. In der Theoriebildung wird fast immer auf bestehende theoretische Modellierungen (oft anderer Disziplinen und Forschungsfelder) zurückgegriffen.
92
2 Theoretische Grundlagen
Ein wichtiger Ansatz, der Krisenkommunikation theoretisch beschreibt, ist daher die Situational Crisis Communication Theory (SCCT). Sie lehnt sich in ihrer Grundkonzeption zwar stark an die Attributionstheorie (vgl. Weiner, 1986) an, versucht aber explizit Krisenkommunikation aus der kommunikationswissenschaftlichen Perspektive zu beschreiben: „SCCT extends upon this Attribution Theory base to predict the reputational threat presented by a crisis and to prescribe crisis response strategies designed to protect reputational assets. The crisis is the negative event that leads stakeholders to assess crisis responsibility“ (Coombs, 2007b, S. 166).
Die Theorie konnte in den letzten Jahren durch empirische Studien belegt und weiter verfeinert werden, so dass sie inzwischen einen wichtigen Teil der theoretischen Auseinandersetzung von Krisenkommunikation ausmacht. Für den Fortlauf der Arbeit ist neben der SCCT auch die Theorie öffentlichen Vertrauens von Relevanz, die im Folgenden zunächst vorgestellt und anschließend in Bezug auf ihren Beitrag für die theoretische Auseinandersetzung in Kapitel 3 diskutiert wird. 2.3.2.1
Situational Crisis Communication Theory (Coombs)
Die Situational Crisis Communication Theory wurde erstmalig von Coombs & Holladay (1996) eingeführt. Die Theorie geht von zwei grundlegenden Annahmen aus: Erstens werden Krisen von Stakeholdern unterschiedlich wahrgenommen: „SCCT is audience oriented because it seeks to illuminate how people perceive crises, their reactions to crisis response strategies, and audience reactions to the organization in crisis“ (Coombs, 2010, S. 38).
Die unterschiedliche Wahrnehmung wirkt sich, so Coombs & Holladay, auf die Konstitution von Reputation aus. Zweitens hängt die Wahrnehmung der Krise wesentlich von der attribuierten Krisenschuld ab: „Attributions of crisis responsibility have a significant effect on how people perceive the reputation of an organization in crisis and their affective and behavioral responses to that organization following a crisis“ (ebd., S. 38).
Entsprechend widmet sich ein wesentlicher Teil der empirischen Analysen dem Verständnis darüber, wie stark Stakeholder eine Krisenschuld zuweisen und wie sich dies auf die Reputationskonstitution auswirkt. Die SCCT schlägt für die Krisenkommunikation ein Prozessmodell mit zwei zentralen Schritten vor. Erstens ist es notwendig, die Krisensituation einzuschätzen nach dem Maß, in dem Stakeholder eine Krisenschuld attribuieren. Hierfür stehen drei Krisentypen zur Verfügung:
Opferkrise – hier wird nur eine geringe Krisenschuld attribuiert, die Organisation ist selbst Opfer der Krise (z.B. Naturkatastrophen, Gerüchte oder böswillige Handlungen externe Interessengruppen).
Unfallkrise – hier wird eine stärkere Krisenschuld attribuiert, z.B. durch versehentliches Fehlverhalten des Managements, Rückrufe durch technisches Versagen oder unintendierte Störfälle.
2.3 Krisenkommunikation
93
Vermeidbare Krise – hier wird eine hohe Krisenschuld attribuiert, z.B. durch bewusstes Fehlverhalten des Managements, juristische Vergehen oder Rückrufe durch menschliches Versagen.
Der zweite Schritt ist die Analyse, ob die Kausalattribution der Krisenschuld durch weitere intensivierende Faktoren bestimmt wird. Bislang wurden in den Forschungsarbeiten zwei dieser Faktoren untersucht und nachgewiesen: vorangegangene Krisen und die bisherige Reputation. Wenn eine Organisation bereits früher in einer vergleichbaren Krisensituation war, entwickelt sich eine Art Muster schlechten Verhaltens. Dieses hat Auswirkungen auf die Kausalattribution der Krisenschuld: Ist ein Muster schlechten Verhaltens vorhanden, wird grundsätzlich eine höhere Krisenschuld attribuiert (vgl. Coombs, 2004). Ähnliches lässt sich auch für die vor der Krise vorhandene Reputation zeigen: War diese negativ, wird ebenfalls eine grundsätzlich höhere Krisenschuld attribuiert (vgl. Coombs, 2006c, 2007b). Die SCCT beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Wirkung von situativen Botschaftsstrategien auf organisationaler Reputation. Sie untersucht auch die Wirkungsmechanismen auf das Verhalten von Stakeholdern. So zeigen Coombs, Fediuk & Holladay (2007), dass negative Wahrnehmung in der Krise zu negativer Mundpropaganda und zu einem reduzierten Kaufverhalten führt. Sie schließen daraus, dass Zorn und Ärger als Einflussvariablen in der Krise ein wesentlicher Treiber ist für negatives Stakeholderverhalten. Abbildung 10 stellt die vorgestellten Variablen der SCCT in einem Modell zusammenfassend dar. Abbildung 10: Variablen des Modells situativer Krisenkommunikation Krise
Krisenverantwortlichkeit Kommunikationsstrategien
Krisenhistorie
Affekt
Vorherige Reputation
Reputation
Verhalten der Stakeholder
(i.A.a. Coombs, 2010, S. 40) Die SCCT geht davon aus, dass mit Hilfe von rhetorischen Botschaftsstrategien sowohl die Zuschreibung von Reputation als auch das Stakeholderverhalten beeinflusst werden kann. Die Überlegungen von Coombs gehen zurück auf grundlegende Arbeiten von Bardford &
94
2 Theoretische Grundlagen
Garret (1995). Die Autoren zeigen erstmals empirisch, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Unternehmensimage und der Reaktion von Managern in Krisen. Sie geben bereits Hinweise darauf, dass es nicht ausreicht nur zu reagieren, sondern dass es einer Anpassung der Kommunikationsstrategie bedarf. Die Kommunikationsstrategien sind eine Weiterentwicklung von Arbeiten zur Corporate Apologia von Hearit (1994) bzw. der Image Restauration Theory nach Benoit (1995). Die in der SCCT formulierten Strategien werden in insgesamt drei Cluster unterteilt:
Strategien der Zurückweisung – hier geht es darum zu belegen, dass die Organisation keine Schuld an der Krise trägt. Dies ist entweder weil keine Krisensituation vorliegt oder weil die Krise nicht bei der Organisation selbst stattfindet, sondern z.B. bei einem Wettbewerber.
Strategien der Minderung – hier geht es darum zu versuchen, die Krisenverantwortlichkeit zu minimieren. Ziel ist es, die attribuierte Krisenschuld auf ein minimales Level zu bringen.
Strategien des Wiederaufbaus – hier geht es darum, eine verlorengegangene Reputation gezielt wieder aufzubauen. Dies ist möglich durch korrektive Handlungen, die Übernahme der Verantwortung und vollständige Entschuldigung oder die Unterstützung z.B. ermittelnder Behörden.
Die empirisch gestützte Zuordnung dieser drei Strategiecluster zu den Krisentypen bedarf zwar weiterer Spezifizierung, dennoch zeigt Coombs bereits auf, dass in der Opferkrise die Rechtfertigung zu einer positiven Reputationskonstitution führt, in der Unfallkrise hingegen die Entschuldigung oder Kompensation (vgl. Coombs, 2006c, 2007b; Coombs & Schmidt, 2000). Kritik an der SCCT Die SCCT ist ein systematischer Ausgangspunkt, Krisenkommunikation rezeptionsorientiert und theoriegeleitet zu beschreiben. Dennoch gilt es, einige kritische Hinweise zu geben. Erstens geht die SCCT in ihrer Konzeption davon aus, dass sich die (kommunikative) Reaktion einer Organisation in der Krise auf die Reputationskonstitution auswirkt. Auch wenn die Reputationskonstitution nur rudimentär mit den Mechanismen der Mediengesellschaft in Verbindung gebracht wird, bezieht sich die SCCT vor allem implizit auf diesen Zusammenhang. Das Reputationskonzept, von dem die SCCT ausgeht, stützt sich in den empirischen Analysen im Wesentlichen auf die Items von McKroskey zu Ethos (vgl. Coombs & Holladay, 2002, S. 174). Damit wird deutlich, dass die bisherige Forschungsstränge der Reputationsforschung nur basal Einzug in die Theoriebildung erhalten. Zweitens wird Reputation als Konstrukt gesehen, das durch rhetorische Botschaftsstrategien beeinflusst werden kann. Reputation bildet sich jedoch vor allem langfristig, so dass weder die Strategien der Zurückweisung, noch die der Minderung zu einer Reputationskonstitution beitragen können. Drittens hat die Klassifizierung von Krisen einen stark analytischen Charakter. Es bleibt zu diskutieren, ob Krisen sich klar einem der Krisencluster zuordnen lassen. Teilweise wird diese Kritik abgefedert durch die Argumentation, dass auch Variablen wie die Kri-
2.3 Krisenkommunikation
95
senhistorie oder vorherige Reputation Einfluss auf die Kausalattribution haben. Diese Aspekte gilt es, auf eine breitere Basis zu stellen. Viertens weist Schwarz (2010) darauf hin, dass theoretische Bezugspunkte auf die Kausalattribution als abhängige Variable nicht oder nur unzureichend operationalisiert und theoretisch konzeptioniert werden sowie die Beobachterabhängigkeit vernachlässigt wird (vgl. ebd., S. 107). Implikationen für die vorliegende Forschungsarbeit Die Situational Crisis Communication Theory ist für das Forschungskonzept der vorliegenden Forschungsarbeit von zentraler Bedeutung. Die ihr entgegengebrachte Kritik wird im Fortlauf der Arbeit aufgegriffen und in der theoretischen Modellierungen eines integrativen Modells der Krisenkommunikation weiterentwickelt (vgl. Kapitel 3.3.2.3). Im Fortgang der Arbeit wird Krisenkommunikation darüber hinaus in den Zusammenhang von Reputationskonstitution gestellt. Aus Sicht von Organisationen wird Krisenkommunikation dabei nicht nur als die Anwendung rhetorischer Botschaftsstrategien aufgefasst, sondern diese als ein wesentlicher Teilbereich in die Modellierung von Krisenkommunikation integriert. Ebenso wie die SCCT wird von einer Wirkung von Krisenkommunikation auf die Reputationskonstitution ausgegangen, diese jedoch deutlich differenzierter dargestellt (vgl. Kapitel 2.4) – sowohl im Hinblick auf die zeitliche, als auch auf die inhaltliche Dimensionierung. Bereits in Kapitel 2.2.1.3.3 wurde auf die Kausalattribution der SCCT Bezug genommen und eine Matrix vorgeschlagen, Krisen nicht nur anhand der attribuierten Krisenschuld zu beschreiben, sondern darüber hinaus auch differenziert nach dem inhaltlichen Reputationsrisiko. Aus diesen Ergänzungen wird deutlich, dass die vorliegende Forschungsarbeit einen theoretischen wie empirischen Beitrag für die SCCT sowohl in Bezug auf die Kommunikationsstrategien als auch die unterstellte Wirkung auf Reputation (vgl. Abbildung 10) liefert. 2.3.2.2
Theorie öffentlichen Vertrauens (Bentele)
Ein weiterer theoretischer Bezugspunkt für die vorliegende Arbeit ist die Theorie öffentlichen Vertrauens (vgl. Bentele, 1994b). Ausgangspunkt ist hier die Annahme, dass innerhalb der Mediengesellschaft ein Großteil der vorhandenen Informationen medienvermittelt, davon jedoch nur ein geringer Teil für den Einzelnen nachprüfbar ist. Den Medien kommt in diesem Vermittlungsprozess gleichsam eine Doppelrolle zu: Auf der einen Seite vermitteln sie nicht nur Informationen, sondern schaffen auch Vertrauen zwischen Teilnehmern des gesellschaftlichen Zusammenlebens (z.B. politische Institutionen). Zum anderen wird ihnen selbst Vertrauen entgegengebracht (vgl. ebd., S. 136). Öffentlich vermitteltes Vertrauen in der Theorie öffentlichen Vertrauens wird verstanden als „[...] ein kommunikativer Mechanismus zur Reduktion von Komplexität, in dem öffentliche Personen, Institutionen und das gesamte gesellschaftliche System in der Rolle des ‚Vertrauenssubjekts’ fungieren. Öffentliches Vertrauen ist ein medienvermittelter Prozeß, in dem die ‚Vertrauenssubjekte’ zukunftsgerichtete Erwartungen haben, die stark von vergangenen Erfahrungen geprägt sind“ (ebd., S. 141).
Bentele unterscheidet insgesamt zwischen vier Vertrauenstypen: (1) einem interpersonalem Basisvertrauen – also einem angeborenem Vertrauen das zum Überleben notwendig ist, (2) einem öffentlichen Systemvertrauen – also einem Vertrauen in gesellschaftliche (Teil-)Sys-
96
2 Theoretische Grundlagen
teme, (3) einem öffentlichen Institutionenvertrauen – also einem Vertrauen in bestimmte Institutionen und (4) einem öffentlichen Personenvertrauen und damit dem Vertrauen in konkrete Individuen. Öffentliches Vertrauen wird in der Theorie konzipiert als erstens medienvermittelt, zweitens eine Erwartung an eine Person, Institution oder ein System und drittens abhängig von vergangenen Erfahrungen. Neben dem Vertrauenssubjekt, also dem vertrauenden, muss es ein entsprechendes Vertrauensobjekt geben. Also die Person, Instanz oder System, in die oder das man vertraut. Die Beziehung zwischen Vertrauenssubjekt und -objekt kann entweder direkt oder vermittelt sein. Aus der Argumentation der Mediengesellschaft geht jedoch hervor, dass Vertrauen inzwischen zu einem Großteil (medien-) vermittelt ist und damit teilweise konstruiert. Für die Operationalisierung kommunikativer Strategien in der vorliegenden Arbeit sind vor allem zwei Annahmen aus der Theorie öffentlichen Vertrauens relevant. Erstens, so argumentiert Bentele, stellt sich der Verlust von Vertrauen durch so genannte kommunikative Diskrepanzen ein (vgl. ebd., S. 147). Dies können sein die Diskrepanz zwischen Information
Zugrundeliegendem Sachverhalt
Verbale Aussage
Tatsächlichem Handeln
Handeln in ähnlicher Situation zu einem früheren Zeitpunkt
Handeln zum jetzigen Zeitpunkt
Aussage eines Akteurs zu einem früheren Zeitpunkt
Aussage desselben Akteurs zu einem späteren Zeitpunkt
Aussage eines Akteurs der Organisation
Aussage eines anderen Akteurs derselben Organisation
Allgemein rechtlich oder moralisch anerkannte Norm
Tatsächliches Verhalten
Zweitens fällt der Öffentlichkeitsarbeit von Organisationen bei dem Aufbau von Vertrauen bzw. der Vermeidung kommunikativer Diskrepanzen eine entscheidende Rolle zu. Da die Vertrauensvermittlung grundsätzlich als Prozess dargestellt wird, können sich Vertrauensattribute „durch bestimmte Geschehnisse oder Informationen ändern“ (ebd., S. 142). Die Zu- oder Abschreibung von Vertrauen hängt dabei von konkreten Faktoren ab. Bentele zählt hierzu
Sachkompetenz
kommunikative Transparenz
Problemlösungskompetenz
kommunikative Offenheit
Kommunikationsadäquatheit
gesellschaftliche Verantwortung
kommunikative Konsistenz
Verantwortungsethik
2.3 Krisenkommunikation
97
Zentrale Annahme ist nun, dass zur Bildung öffentlichen Vertrauens diese Faktoren möglichst vollständig zutreffen müssen. Die Wahrscheinlichkeit zum Vertrauensverlust ist hingegen umso höher, wenn sie nur gering oder gar nicht ausgeprägt sind. Der Aufbau von Vertrauen ist damit für die Öffentlichkeitsarbeit nicht nur ein zu erreichender Zielwert, sondern wird vielmehr zur zentralen Handlungsgrundlage. Es kann angenommen werden, dass „[...] der Einfluss öffentlichen Vertrauens auf das soziale Vertrauen einer Bezugsgruppe in dem Maße wächst, in dem die Prägung der Relation zwischen Organisation und Bezugsgruppe durch direkte Erfahrungen abnimmt“ (Röttger, 2004, S. 141).
Da Vertrauen nur auf der Basis einer konsistenten und wahrhaftigen Kommunikation erreicht werden kann, gilt es, ein möglichst dialogorientiertes und diskrepanzloses Kommunikationsverhalten zu etablieren. Kritisch anzumerken ist, dass es sich bei der Theorie öffentlichen Vertrauens erstens um eine Theorie mittlerer Reichweite handelt. Es wird zwar in verschiedenen Forschungsarbeiten auf sie Bezug genommen (vgl. Herger, 2006, S. 55; Röttger, 2004), empirisch jedoch bislang nur in einigen Fallstudienanalysen überprüft (vgl. Bentele, 2009). Zweitens ist der unterstellte Vertrauenserwerb nicht unbegrenzt möglich. Um Vertrauen zu gewinnen, bewegt sich das Vertrauensobjekt innerhalb bestimmter Erwartungsgrenzen des Vertrauenssubjekts. Diese gilt es, zu identifizieren denn nur innerhalb derer ist ein Vertrauensgewinn (oder -erhalt) überhaupt möglich. Schließlich bleibt drittens bislang offen, ob öffentliche Kommunikation als strategische Kommunikationsform die Ansprüche an den Erhalt oder Aufbau von Vertrauen überhaupt leisten kann. 2.3.3
Zusammenfassung: Krisenkommunikation im Kontext der Mediengesellschaft
Krisenkommunikation für die vorliegende Arbeit lehnt sich erstens an einem postmodernem Verständnis an, bei dem Krisenkommunikation als operational-strategisches Instrument verstanden wird. Es geht weniger um eine rationale Planung und Kontrolle von Kommunikation als vielmehr eine Improvisation innerhalb eines strategischen Rahmens. Der Kommunikationsfokus liegt auf einer dispersen Öffentlichkeit, die sowohl durch Massen- als auch durch Mikro- und Individualmedien erreicht wird. Als Kommunikator kommt nicht ein einzelner Sprecher in Frage, sondern ein Netzwerk an Kommunikatoren. Krisenkommunikation in der vorliegenden Arbeit bezieht sich zweitens auf die Kommunikation in der Krise. Kommunikationsaspekte vor der Krise (z.B. Issues Management) oder nach der Krise (z.B. Business Continuity) sind zwar Teil eines ganzheitlichen Krisenkommunikationsverständnisses, jedoch nicht für den Fortlauf der Arbeit von Relevanz. Durch die Überprüfung der Wirkung von rhetorischen, organisationalen und gesellschaftlichen Kommunikationsstrategien reiht sich die vorliegende Studie in die Forschungsarbeiten der symbolisch-relationalen Krisenkommunikationsforschung ein, wenngleich sie Erkenntnisse auch für die instrumentelle und institutionelle Forschungstradition liefert. Für die theoretische Verortung und die Diskussion des Forschungsstandes sind die Theoriemodelle der Situational Crisis Communication Theory (Coombs & Holladay) sowie der Theorie Öffentlichen Vertrauens (Bentele) relevant. Beide erhalten Einzug in die Formulierung der Forschungshypothesen (vgl. Kapitel 3.4). Damit bleibt abschließend noch das Organisationsverständnis von Krisenkommunikation zu klären.
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2 Theoretische Grundlagen
Krisenkommunikationsmanagement wird in der Literatur konzeptionell getrennt zwischen politischer Krisenkommunikation und organisationsorientierter Krisenkommunikation. Diese Unterscheidung ist durchaus sinnvoll, denn politische Krisen unterliegen anderen Bedingungen als Krisen von Organisationen (hier Profit- und Non-Profit-Organisationen). Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt weniger auf politisch orientierter Kriegskommunikation, als vielmehr auf organisationsorientierter Krisenkommunikation. Dennoch löst sich die Arbeit so weit es geht von der Untersuchung von Krisenkommunikation, die sich rein auf Wirtschaftsunternehmen bezieht. Denn im Hinblick auf die Thematisierung in den Medien, also die mediale Produktion als auch im Hinblick auf die Rezeption gelten für wirtschaftliche, politische und nicht-politische Organisationen ähnliche Rahmenbedingungen. Dieser Sichtweise wird durch die Untersuchung sowohl von Wirtschafts- wie auch (nicht)politischen Organisationen Rechnung getragen. 2.4
Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
Das folgende Kapitel führt die drei voran gegangenen Erkenntnisse nun systematisch zusammen. In Kapitel 2.1 wurde die abhängige Variable Reputation in den Kontext der Mediengesellschaft gestellt und als multidimensionales Konstrukt eingeordnet. Kapitel 2.2 hat anschließend das Verständnis von Organisationskrisen erklärt und ebenfalls in den Kontext der Mediengesellschaft gestellt. In Kapitel 2.3 wurde schließlich die unabhängige Variable Krisenkommunikation vorgestellt. Damit gilt es nunmehr aufzuzeigen, wie Reputationskonstitution in Krisen durch Krisenkommunikation möglich ist. In der Forschungsliteratur wird darauf hingewiesen, dass Krisen – als Situationen, die den organisationalen Prozessablauf nachhaltig stören – Auswirkungen auf organisationales Handeln einerseits und auf die Reputation andererseits haben (vgl. u.a. Coombs, 2006b, 2006d; Eccles, et al., 2007; Forstmoser & Herger, 2006; Fouhy & Dean, 2008). Um diese Argumentation im Folgenden systematisch entwickeln zu können, wird zunächst der Zusammenhang zwischen Krisensituationen und dem Reputationsverlust hergestellt (vgl. Kapitel 2.4.1). Gleichzeitig zeigt das Kapitel auf, wie Reputation grundsätzlich (vgl. Kapitel 2.4.2.1) sowie durch Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 2.4.2.2) beeinflusst werden kann. Das Ziel von Krisenkommunikation ist es, den Verlust von Reputation zu verhindern bzw. zur neuerlichen Reputationskonstitution beizutragen. Krisen sind das Reputationsmanagement somit Schlüsselsituationen. Instrumente (hier öffentlicher) Kommunikation müssen dabei vor allem kurzfristige Impulse geben, die zum langfristigen Erhalt von Reputation (oder sogar zur Reputationskonstitution) beitragen. Um dies zu ermöglichen, wird anschließend Vertrauenswürdigkeit als zentrale Steuerungsgröße für ein Reputationsmanagement durch Krisenkommunikation beschrieben (Kapitel 2.4.4). 2.4.1
Krisen als Gefahr für die Reputation
Reputation konstituiert sich im Wesentlichen unter den Regularien der Mediengesellschaft und damit über öffentliche Kommunikation (vgl. Kapitel 2.1.3.1). Denn sie „is determined by the signals that publics receive concerning its behaviours whether directly from the firm or via other information, such as the media [...] (Brammer & Pavelin, 2004, S. 704). Doch ebenso wie sich Reputation über öffentliche Kommunikation konstituiert, kann sie über ebendiese auch wieder verloren werden (vgl. Eisenegger, 2004, S. 207). Dies liegt darin
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
99
begründet, dass nicht nur die positiven Attribute die zur Bildung von Reputation führen über die (massen-) mediale Arena vermittelt werden, sondern auch die negativen: „Organizations experience crises not as isolated events but as occurences in the milieu of public opinion [...]“ (Sturges, Carrell, Newsom, & Barrera, 2001, S. 27). Dieser Prozess trägt entweder zur Konstitution negativer Reputation bei oder stellt die bisher als positiv wahrgenommene Reputation in Frage. In der modernen Mediengesellschaft ist Reputation organisationsübergreifend eine der wichtigsten Ressourcen organisationalen Handelns. Sie gilt als „[...] dauerhafte Ausrichtung an anerkennungswürdigem Handeln in kognitiver, moralischer und affektueller Hinsicht. Dies erzwingt Orientierung an – und die Reproduktion von – gesellschaftlich erwartete Funktionsleistungen und gesellschaftlich anerkannten Normen, Werten und Verhaltensformen“ (Imhof, 2005, S. 205).
Diese durch Anspruchsgruppen von Reputationsträgern gesellschaftlich erwartete Funktionsleistung wird im Interaktionsprozess nicht permanent hinterfragt (vgl. hierzu auch Kapitel 3.3.1.2). Vielmehr wird davon ausgegangen, dass sich Organisationen grundsätzlich entsprechend ihres Rufes verhalten und ihr Handeln an eigenen und an gesellschaftlichen Maximen orientieren. Krisen sind nunmehr Situationen, in denen Organisationen ihrem funktionalen, sozialen oder emotionalen Auftrag nicht mehr nachkommen können. Werden diese Verfehlungen öffentlich, stellen Anspruchsgruppen die gesellschaftlich erwartete Funktionsleistung fundamental in Frage. Die größte Gefahr für die Reputation einer Organisation ist also der öffentliche Skandal: „Crises threaten to damage reputation because a crisis gives people reasons to think badly of the organization“ (Coombs, 2007b, S. 164). Krisen die nicht öffentlich werden haben entsprechend kaum Auswirkungen auf einen Verlust oder die Konstitution negativer Reputation. Reputation als fragile Ressource (vgl. Hall, 1993, S. 616) ist erst durch einen Skandal „in danger of being eroded, damaged, dented or even destroyed“ (Davies, et al., 2003, S. 99). Damit ist Reputation nicht nur wie beschrieben ein zentraler immaterieller Wert, sondern wird in Krisen auch zu einer fragile Ressource, denn „it can be damaged easily“ (Hall, 1993, S. 616). Nicht gefolgt wird an dieser Stelle der Argumentation von Davies et al., dass sich eine Reputation in einer Krise vollständig zerstören lässt. Dadurch, dass Reputation sich in erster Linie auf eine Bewertung der Vergangenheit bezieht (vgl. Kapitel 2.1.4.2) kann auch nicht von einer zerstörten Reputation gesprochen werden. Von ihr kann allenfalls ausgegangen werden, wenn eine Organisation nach der Krise nicht mehr existiert. Zweckmäßig erscheint vielmehr die Rede von einem durch Krisen ausgelöstem Verlust oder Verblassen von Reputation (vgl. hierzu auch Davies, et al., 2003, S. 122) bzw. dem Entstehen einer negativen oder mit neuen (negativen) Attributen besetzten Reputation. Aus diesen Überlegungen lässt sich der Zusammenhang zwischen Krisensituationen und dem Reputationsverlust bereits skizzieren. Damit Krisen eine Gefahr für die Reputation werden, ist eine öffentliche Debatte notwendig. Krisensituationen, die nicht Teil einer solchen Debatte werden, tragen in erster Linie nur über direkte Auswirkungen auf Anspruchsgruppen zu einer Veränderung der Reputation bei. Werden Krisen jedoch Teil einer Mediendebatte, wird der gute Ruf einer Organisation nicht nur von direkt betroffenen Anspruchsgruppen, sondern öffentlich in Frage gestellt. Krisen sind dann „any action, event or circumstance that could adversely or beneficially impact an organizations’s reputation“ (Rayner, 2003, S. 20). Dies hat für Krisenmanager zwei mögliche Konsequenzen: entweder
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2 Theoretische Grundlagen
können diese den Reputationserwartungen gerecht werden und signalisieren, dass die Organisation auch in der Krise ihrem guten Ruf gerecht wird (bzw. diesen sogar übertrifft). Dann nimmt eine positive Reputation nur wenig Schaden oder kann sogar noch ausgebaut werden. Oder sie schaffen es nicht, den öffentlichen Erwartungen zu entsprechend. Dann steht die Organisation in der Gefahr, den funktionalen, sozialen oder emotionalen Ruf nachhaltig zu verlieren. Denn in Krisen gilt: „Reputation is distinct from the actual character or behavior [...] and may be better or worse. When the reputation [...] is more positive than its underlying reality, this gap poses a substantial risk. Eventually, the failure [...] to live up to its billing will be revealed, and [...] reputation will decline until it more closely matches the reality“ (Eccles, et al., 2007, S. 107).
Der Verlust positiver Reputation ist in Krisen also gekoppelt an die öffentliche Wahrnehmung. Das Ausmaß des Schadens für die Reputation hängt im Wesentlichen davon ab, wie viel Schuld an der Krisenursache einer Organisation zugeschrieben wird (vgl. Coombs, 2007b, S. 168).
Geringer Reputationsschaden Ist eine Organisation selbst Opfer einer Krise, so wird ihr eine entsprechend geringe Schuld an der Krise zugeschrieben. Solche Opferkrisen können Naturkatastrophen ebenso wie Gerüchte, Gewalt am Arbeitsplatz oder Produktfälschungen sein. In jedem dieser Fälle liegt die Ursache nicht bei der Organisation selbst, so dass ein öffentlicher Skandal einen nur geringen Schaden für die Reputation hat.
Moderater Reputationsschaden Gerät eine Organisation durch ungewollten Handlungen in eine Krise, so wird ihr eine geringe Krisenschuld zugeschrieben. Solche Unfallkrisen können technische Fehler sein oder auch Ansprüche von Anteilseignern gegenüber der Geschäftsführung. Durch die geringe Schuldzuweisung ist der Schaden auf die Reputation im Fall einer öffentlichen Debatte entsprechend als moderat einzuschätzen.
Immenser Reputationsschaden Verursacht eine Organisation schließlich durch bewusstes Fehlverhalten eine Krise, so wird ihr eine entsprechend hohe Krisenschuld zugeschrieben. Krisen dieser Art sind vor allem durch menschliches Versagen hervorgerufene Managementfehler, Produktfehler oder Unfälle. Werden solche vermeidbaren Krisen Teil einer öffentlichen Auseinandersetzung, haben sie das größtmögliche Risiko für einen Reputationsschaden.
Auch wenn eine Organisation nicht selbst Schuld an der Krise ist (Opferkrise), kann eine Krise im Umfeld der Organisation (z.B. in der Branche oder Industrie) zum Risiko werden (vgl. Csiszar & Heidrich, 2006, S. sowie Kapitel 2.1.2.4). Dies gilt auch für die Kommunikation selbst: „Crises often result from poor communication between organizations and the public“ (Falkheimer & Heide, 2006, S. 182). So hat z.B. das bewusste Verschleiern von sachbezogenen Informationen deutlich negative Konsequenzen für die Reputation (vgl. D'Aveni & MacMillan, 1990; Ruth & York, 2000, S. 19). Gleichsam entsteht zu Beginn einer Krise oft eine Informationslücke, die es schnellstmöglich zu füllen gilt. Schaffen es Organisationen nicht, in einem angemessenen Zeitrahmen dieses Informationsvakuum
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
101
(zumindest teilweise) zu füllen, so hat auch dies Auswirkungen auf eine negative Wahrnehmung bei zentralen Stakeholdern (vgl. Seeger, et al., 2003, S. 128). Die Bildung und der Verlust von Reputation sind zusammenfassend zwei Seiten derselben Medaille: In der Medienarena werden positive Botschaften ebenso zu den Dialogund Stakeholdergruppen transportiert wie negative. In Krisen ist die Skandalisierung besonders stark ausgeprägt, so dass Organisationen sich negativer Berichterstattung ausgesetzt sehen und ihre positive Reputation entsprechend verlieren können (vgl. hierzu auch Lerbinger, 1997, S. 6 f.; Penrose, 2000, S. 156). Reputationsrisiko und -chance Aus der bisherigen Argumentation sollte deutlich geworden sein, dass Krisen nicht ausschließlich negative Auswirkungen auf die Reputation haben. Erst wenn Organisationen den öffentlichen Reputationserwartungen nicht gerecht werden, bestätigt sich das Infragestellen des bisher guten Rufes. Damit sind Krisen einerseits eine Chance, die bisherige Reputation zu festigen und andererseits ein Risiko, diese gleichsam zu verlieren. Für Organisation mit einer positiven funktionalen, sozialen oder emotionalen Reputation ist das Entsprechen der Reputationserwartung ein Beleg dafür, dass ihr guter Ruf gerechtfertigt ist. Widerspricht sie in einer Krise dieser Reputationserwartung wird sie zum Risiko, den guten Ruf zu verlieren. Vice versa lässt sich dies auch für Organisationen mit einer negativen Reputation entwickeln. Entspricht ihr Handeln in einer Krise der negativen Reputation, so stärkt diese den schlechten Ruf. Umgekehrt kann hier ein Widersprechen zur Chance werden, eine positive Reputation zu entwickeln. Denn Krisen sind per se Situationen, in denen einer Organisation Medienaufmerksamkeit garantiert ist: „The enduring nature of corporate reputation suggests that, unless an extraordinary event occurs, it may be difficult to change an evaluation once earned“ (Cravens & Oliver, 2006, S. 296).
Ebendiese außergewöhnliche Situation ist die Krise. Sie wird entsprechend zur Chance wird, eine bislang konsolidierte Reputation zu ändern. Dies ist jedoch nicht das Ziel jeder Organisation: „Because reputation does not have a direkt effect on performance, being viewed positively is only valuable to the extend that an organization is also highly relevant“ (Boyd, Bergh, & Ketchen, 2010, S. 17). Abbildung 11: Reputationsrisiko und -chance Entsprechen der Reputationserwartung Widersprechen der Reputationserwartung (Eigene Darstellung)
Positive Reputation
Negative Reputation
Beleg der positiven Reputation
Beleg der negativen Reputation
Reputationsrisiko
Reputationschance
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2 Theoretische Grundlagen
Der Einfluss bisheriger Reputation Die Vergangenheit einer Organisation hat Auswirkungen auf ihre Wahrnehmung in einer Krise. Reputation als der zugeschriebene Ruf der Vertrauenswürdigkeit der sich auf Erfahrungen und Wahrnehmungen in der Vergangenheit bezieht wird zum zentralen Kriterium bei der neuerlichen Bewertung der Reputation in einer Krise (vgl. Coombs, 2007b, S. 165; Fombrun, 2001a, S. 24). Organisationen mit einer guten Reputation werden in Krisen entsprechend positiver wahrgenommen als Organisationen mit einer negativen oder überhaupt keiner Reputation (vgl. Lyon & Cameron, 2004, S. 225 ff.). Umgekehrt steigt das Reputationsrisiko, wenn eine Organisation bereits in der Vergangenheit eine ähnliche Krise zu bewältigen hatte (vgl. Coombs, 2004). Damit mindert eine positive Reputation einerseits die negative Wahrnehmung in der Krise. Andererseits gilt dies nur bis zu einem gewissen Grad. So minimiert persönliche Identifikation mit einem Unternehmen oder seinen Produkten zwar negative Assoziationen in einer Krise, verhindert sie jedoch nicht vollständig. Insbesondere vermeidbare Krisen mit starker negativer Publizität wirken sich ebenso negativ auf die Wahrnehmung bei Stakeholdern mit einer geringen wie mit einer hohen Identifikation aus (vgl. Einwiller, Fedorikhin, Johnson, & Kamis, 2006). Auch Jones, Jones & Little überprüfen die These des „reservoir of goodwill“ und kommen zu dem Ergebnis, dass Reputation nur in moderaten Krisen den Verlust des guten Rufes tatsächlich abschwächt. In heftigen Krisen hat eine bisherige positive Reputation keine Auswirkungen auf den Reputationsverlust (vgl. G. Jones, et al., 2000). Auch Einwiller, et al. (2006) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: „However, companies have to be aware that the buffeting effect of identification has its limits when the news is extremely negative“ (ebd., S. 191). Damit kann eine positive Reputation in Krisen also negative Publizität zumindest abschwächen. Da dies jedoch nur für moderate Krisen gilt, mindert diese Tatsache nicht die Notwendigkeit eines systematischen Reputationsmanagements. Krisen stellen organisationale Reputation fundamental in Frage Krisen sind Situationen, in denen die Reputationserwartungen der Stakeholder gegenüber einer Organisation fundamental in Frage gestellt werden. Gaultier-Gaillard & Louisot (2006) weisen darauf hin, dass der Schaden am größten ist, wenn die Krise den Kernauftrag einer Organisation betrifft. Hingegen: „If the attack target is outside of its core business, the organization may rebound higher and thus the risks on its reputation may create tremendous opportunities“ (ebd., S. 426). Für Organisationen bedeutet dies, dass sie ein maßgebliches Interesse daran haben, Reputation in einer Krise um jeden Preis zu konsolidieren. Denn Krisen sind in erster Linie ein Ausdruck mangelnden Vertrauens (vgl. Jaspers, 1979, S. 73 f.) und so ist es in Krisen von zentraler Bedeutung, die grundlegende VertrauensWürdigkeit unter Beweis zu stellen. Während die Gewährleistung von Vertrauenswürdigkeit zwar auch in Nicht-Krisen eine wichtige Rolle spielt, so rückt sie jedoch vor allem in Krisen in den Vordergrund: „As such, it is likely that reactions to violations of trust are swifter and more pronounced because the stakes are greater“ (Mishra, 1996, S. 285). Fasst man die zentralen Argumente die Krisen als Gefahr für organisationale Reputation beschreiben noch einmal zusammen, so lässt sich dies auf folgende Beobachtungen zusammenführen: Erstens bildet sich Reputation zu einem wesentlichen Teil über öffentliche Kommunikation. Damit Krisen also zur Gefahr für die Reputation werden, müssen diese Teil einer öffentlichen Mediendebatte werden. Zweitens ist Reputation eine Erwartung von
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
103
Stakeholdern gegenüber einer Organisation. Diese Erwartung wird in der Krise in Frage gestellt, so dass Organisationen belegen müssen, auch weiterhin jener Erwartung zu entsprechen. Positiv gesprochen kann ein Reputationsschaden damit abgewendet werden, wenn eine Krise nicht öffentlich wird. Negativ gesprochen stellen öffentliche Krisen (und damit publizistische Krisen bzw. Skandale) Reputation derart in Frage, dass Krisenmanager belegen müssen, trotz Krise dem Ruf der Organisation gerecht zu werden. Gelingt dies, wird die Krise zur Reputationschance. Gelingt dies nicht, stellt die Krise eine bedeutende Gefahr für die Reputation dar. Damit stellt sich an dieser Stelle die zentrale Frage, durch welche Steuerungsmechanismen Reputation derart beeinflusst werden kann, dass sie nicht verloren wird bzw. sich bestenfalls neu konstituiert. 2.4.2 2.4.2.1
Krisenkommunikation als Steuerungsinstrument von Reputation Das Management von Reputation
Reputation nimmt für den Fortbestand von Organisationen einen zentralen Stellenwert ein (vgl. Wiedmann & Buxel, 2005, S. 149). Für wirtschaftliche Organisationen wird sie zu einem Element wertorientierter Unternehmensführung (vgl. Ressel, 2008, S. 24; Schnietz & Epstein, 2005, S. 341; Wiedmann & Buxel, 2004, S. 1) und ist damit mehr als nur ein (quantifizierbarer) Wertfaktor. „Reputation is an important concept in strategic management, and its role in value creation needs to be carefully delineated“ (Boyd, et al., 2010, S. 606). Reputation erhält damit eine strategische Komponente, die konsequent mitbedacht werden muss und so ist inzwischen auch das Management von Reputation ein wichtiger Teil der praktischen und vor allem wissenschaftlichen Auseinandersetzung (vgl. Deephouse, 2002, S. 9). Die Diskussion wird fast ausschließlich in der Wirtschaftswissenschaft geführt und Reputation entweder als Bestandteil allgemeiner Managementmodelle aufgezeigt oder in originäre Reputationsmanagementmodelle eingeführt. Auch im Folgenden wird Reputation zunächst in einen allgemeinen Managementkontext gestellt. Anschließend sind ausgewählte Reputationsmanagementmodelle die Grundlage für einen allgemeinen konzeptionellen Rahmen für das Management von Reputation. In der theoretischen Managementlehre lassen sich für das Management grundlegend zwei unterschiedliche Begriffsbildungen feststellen: Management als Institution einerseits und andererseits als Komplex von Aufgaben (vgl. Steinemann & Schreyögg, 2002, S. 5 f.). Unter Management als Institution werden Personen verstanden, die weisungsbezogen Managementaufgaben wahrnehmen. Hingegen umfasst die funktionale Sicht auf Management bestimmte Prozesse und Funktionen, die zur leistungsrelevanten Steuerung notwendig sind (vgl. hierzu auch Staehle, 1999, S. 65). Diese Unterscheidung ist wichtig, denn bei der weiteren Betrachtung wird Reputationsmanagement nicht als ein Personenkreis, sondern als ein System an Aufgaben und Funktionen verstanden, die zu einer konkreten Leistungserstellung notwendig sind. Unter der Leistungserstellung werden in Bezug auf Reputationsmanagement sämtliche für die Steuerung von Reputation notwendigen Funktionen zusammengefasst (vgl. Kapitel 2.4.2.1). Damit stellt sich die Frage, wie Reputation in diesen funktionalen Managementkontext einzuordnen ist. Um dies zu klären hilft es, strategisches Management aus funktionaler Sicht differenziert auf drei Ebenen zu betrachten (vgl. Fom-
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2 Theoretische Grundlagen
brun & Astley, 1983, S. 48 f.): Während auf Geschäftsebene Strategien entwickelt werden, die sich auf das konkrete Produkt- und Marktumfeld beziehen, formuliert die Strategieentwicklung auf Unternehmensebene interne Organisationsstrukturen sowie die Marktzugehörigkeit. Für die Einordnung des Reputationsmanagements ist allerdings eine dritte Ebene relevant, die Strategien auf Kollektivebene. Diese Strategien sind „[...] the activities and exchanges initiated by the organization as it attemts to control, manipulate or simply influence environmental outcomes through an awareness of the interorganizational environment created by the organizational network it is embedded in“ (ebd., S. 49).
In Anlehnung an die Begriffsbestimmung von Reputation wird deutlich, dass ein Aufbau oder Erhalt von Reputation als kollektive Managementstrategie klassifiziert werden muss. Eine Argumentation für Reputationsmanagement beispielsweise als Geschäftsstrategie ist kaum sinnvoll. Reputation kann zwar Auswirkungen auf den finanziellen Wert einer Unternehmung haben (vgl. Schnietz & Epstein, 2005, S. 327), doch Geschäftsstrategien dienen nicht in erster Linie einem Aufbau von Reputation. Diese beziehen sich vielmehr auf die Gewährleistung eines Unternehmenszwecks (der im Idealfall zur Bildung von Reputation beiträgt). Reputationsmanagement ist damit in einen Interaktionszusammenhang zwischen Organisation und ihren Bezugsgruppen einzuordnen. Im Vordergrund steht die Einflussnahme auf die interne und externe Wahrnehmung der Organisation und lässt sich somit ausschließlich als eine Strategie auf der Kollektivebene klassifizieren. Diese ganz grundsätzliche Einordnung lässt bereits zwei Schlussfolgerungen zu. Erstens kann die strategische Dimension des Reputationsmanagements nicht pauschal in das strategische Management eingeordnet werden. Dies ist insbesondere relevant für die Formulierung konkreter Gestaltungsmerkmale des Reputationsmanagements. Zweitens ist es möglich, mit dieser Kontextualisierung die Strategiedimension des Reputationsmanagements im Folgenden gezielt weiter zu verdichten. Reputationsmanagement Reputation ist die Bewertung vergangener Handlungen und Äußerungen einer Organisation bei ihren zentralen Stakeholdern (vgl. Fombrun, 1996a). Da eine Steuerung von Bewertungen und Meinungen bei einer Vielzahl unterschiedlicher Stakeholder praktisch nicht realisierbar ist, wird der Terminus „Reputationsmanagement“ zurecht in der einschlägigen Literatur teilweise deutlich kritisiert (vgl. Steward, 2006, S. 486). Reputation bildet sich außerhalb der Organisation und liegt damit außerhalb der direkten Kontrolle (vgl. van Riel & Fombrun, 2007, S. 55). Insbesondere die Rolle der Public Relations wird dabei in Frage gestellt (vgl. Hutton, Goodman, Alexander, & Genest, 2001, S. 257 f.). Media visibility und Pressemitteilungen als Reputationsmanagement zu bezeichnen wie Carter (2006) es vorschlägt greift bei weitem zu kurz. Aus Sicht des strategischen Managements muss Reputationsmanagement daher vor allem als gemäßigter Voluntarismus gekennzeichnet werden. Das bedeutet, dass nicht eine bewusste Steuerung im Vordergrund steht, sondern eine konzeptionelle Gesamtsicht der Entwicklung eines Systems (vgl. Kirsch, zu Knyphausen, & Ringlstetter, 1994, S. 6). Überträgt man diese Idee auf das Management von Reputation, so lässt sich diese Gesamtsicht verstehen als „how to induce and maintain favorable assessments by both employees and outside observers“ (Fombrun, 2001b, S. 24). Reputationsmanagement ist also weniger ein direktes Eingreifen in die kognitiv-rationale Konstitution von Reputation bei Stakeholdern als vielmehr der indirekte und abgestimmte Einsatz unter-
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
105
schiedlicher Managementaktivitäten, eine Reputationskonstitution gezielt zu ermöglichen und zu steuern. Denn „erst mit der Zeit fügt sich [daraus] ein stimmiges Bild in den Augen der Stakeholder“ (Bauhofer, 2004, S. 118). Um ein für die Arbeit tragfähiges Verständnis von Reputationsmanagement durch Krisenkommunikation zu entwickeln, hilft zunächst der Blick auf die Modellierung von Reputationsmanagement. Reputationsmanagement Modelle Aus der Sozialforschung gehen Reputationsmodelle vor allem auf der Individualebene hervor (vgl. Zivnuska, 2004, S. C1 f.). Diese weisen jedoch nicht die nötige Komplexität auf, Reputation auf Organisationsebene zu beschreiben und stehen daher im weiteren Verlauf nicht im Zentrum der Betrachtung. Bislang vorgestellte Modelle, die versuchen einen Reputationsmanagement-Prozess auch auf Organisationsebene zu abstrahieren, lehnen sich nur bedingt an der Grundschematik strategischer Managementprozesse an. Je nach Forschungsschwerpunkt werden unterschiedliche Managementprogramme und -instrumente identifiziert. So zeigt zunächst Bauhofer (2004, S. 149 ff.) vier elementare Schritte auf, Reputation langfristig zu managen: Die Erfassung der aktuellen Reputation, die Definition einer Zielreputation, die Einbeziehung des CEO sowie das so genannte Brand Mapping als ein Instrument, die Markenpositionierung eines Unternehmens darzustellen. Seine Abfolge hat jedoch zwei wesentliche Nachteile. Erstens werden zwei Analyseebenen miteinander vermischt: Während die ersten beiden Schritte als strategisches Programm identifiziert werden können, stellen die beiden letzten allenfalls Instrumente zur Reputationssteuerung dar. Zweitens bleibt das Modell damit unvollständig, denn neben der CEO Kommunikation und der Brand Map gibt es eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, die Reputation von Organisationen zu beeinflussen (vgl. Rayner, 2003, S. 14). Ebenfalls angelehnt an das Marketing zeigen Milewicz & Herbig (1994, S. 42 ff.) modellhaft, dass Reputation von positiven bzw. negativen Signalen einer Unternehmung entweder gebildet oder zerstört wird. Je nach dem, ob ein Signal der Reputation entspricht oder nicht, haben diese eine Auswirkung auf Reputation bzw. Glaubwürdigkeit. Die Autoren demonstrieren damit erstens die Rolle von Integrität bei der Bildung von Reputation und zweitens die Relevanz von Reputation für das Markenmanagement. Letzteres ist damit auch der zentrale Kritikpunkt, denn eine Gesamtsicht auf das Reputationsmanagement bleiben die Autoren schuldig. Reputationsmanagement als Einsatz unterschiedlicher Managementaktivitäten kann nur dann als eigenständiges Management gesehen werden, wenn die gewählten Aktivitäten bewusst aufeinander abgestimmt sind (vgl. Steinemann & Schreyögg, 2002, S. 6). In der Außensicht greift demnach der Ansatz zu kurz, Reputationsmanagement lediglich als eine Art Überbegriff verschiedener Managementbereiche zu sehen (vgl. Griffin, 1972, S. 19)21. Denn mit dieser Sicht wird zwar deutlich, dass Reputationsmanagement im Sinne der vorgestellten Überlegungen aus unterschiedlichen Elementen besteht (z.B. Qualitätsmanagement, Corporate Social Responsibility, u.a.). Allerdings ermöglichen diese ohne Koordination kein systematisches Management von Reputation: „Reputation-management requires
21
Griffin fasst unter Reputationsmanagement lediglich Krisenmanagement, Issues Management und das Zeigen gesellschaftlicher Verantwortung zusammen.
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2 Theoretische Grundlagen
collective responsibility on the part of management“ (Larkin, 2003, S. 50). Entsprechend ist auch das bloße Herstellen eines Kausalzusammenhangs zwischen Reputation und beispielsweise Mitarbeiterverhalten, Organisationskommunikation oder Symbolen (vgl. van Riel & Balmer, 1997, S. 342 f.) noch kein Management von Reputation (vgl. hierzu auch Carter, 2006, S. 51 f.; Cravens & Oliver, 2006, S. 294; Deephouse, 2002, S. 17). In der Binnensicht auf Reputationsmanagement sollten analog dazu entsprechend reputationsimmanente Managementfähigkeiten aufgezeigt werden, wenn von einem originären Reputationsmanagement gesprochen wird. So argumentieren Heugens, van Riel & van den Bosch (2004, S. 1358 f.) beispielsweise für die Fähigkeit zum Dialog, zur Anwaltschaft, die Fähigkeit eine Organisation in Krisen aus den Medien zu halten sowie die allgemeine Fähigkeit zur Krisenkommunikation als zentrale Fähigkeiten für das Reputationsmanagement. Auch wenn ihre Argumentation damit vor dem Hintergrund eines eigenständigen Reputationsmanagements entwickelt wird, ist diese Sicht dennoch unbefriedigend: Zu einem Reputationsmanagement gehören mehr als nur kommunikative Elemente (vgl. Fombrun & Astley, 1983, S. 50 f.). Lediglich der Ansatz von Forstmoser & Herger wird dem Anspruch eines immanenten Reputationsmanagements gerecht, in dem sie normativ das Etablieren einer Unternehmensphilosophie, Grundsätze der Unternehmensführung und Regeln zur Einhaltung dieser Philosophie bzw. Grundsätze, als Managementinstrumente für ein Reputationsmanagement identifizieren. Dennoch ist ihre Herleitung nicht theoriegestützt und leitet sich in erster Linie aus der praktischen Anwendung ab. Die Diskussion beider Herangehensweisen spiegelt den Großteil der Literatur über Reputationsmanagement wider: Entweder wird das Konzept nicht systematisch abgeleitet oder in keinen bzw. nur rudimentär in einen originären Managementbezugsrahmen eingebettet (vgl. Brisette, 2005; Dowling, 2002; van Riel & Balmer, 1997; Weiss, Anderson, & MacInnis, 1999). Parallelen lassen sich daher nur indirekt entwickeln, vielmehr bedarf es einer eigenständigen Verortung des Reputationsmanagements. So herrscht Einigkeit vor allem über den ersten Schritt eines Reputationsmanagement-Prozesses: dem Verstehen der eigenen Reputation (vgl. Dowling, 2002, S. 231 ff.). Fombrun & Shanley (1990, S. 234 f.) sprechen in dem Zusammenhang von dem Erfassen interner und externer Signale, bleiben einer plausiblen Argumentation für den weiteren Managementprozess jedoch schuldig. Ihren Ansatz daher als „reputation theory“ (Weiss, et al., 1999, S. 86) zu bezeichnen, entbehrt jeder argumentativen Grundlage. Dennoch weisen Fombrun et al. explizit auf weitere Prozessschritte hin: „If managers can strongly influence reputational assesments by involving themselves in boundary-spanning activities [...] media accounts heavily condition their firm’s reputation“ (Fombrun & Shanley, 1990, S. 253). Auch Davies et al. (2003, S. 135 ff.) zeigen mindestens einen weiteren Prozessschritt auf, den sie aus dem Imagemanagement ableiten. Die vorgestellten Reputationsmanagement-Konzepte lassen sich zusammenfassen in Modelle geringer Elaboriertheit bei denen Reputation lediglich als ein globaler Eindruck definiert wird (Forschungsschwerpunkt Relative Positionierung der Organisation). Modelle mittlerer Elaboriertheit verstehen Reputation als Einstellung bzw. als eine Summe von Wahrnehmungen (Forschungsschwerpunkt der Identifikation von Attributen) während die Modelle hoher Elaboriertheit das Konzept als komplexes Gefüge verstehen und als Netzwerk von Meinungen und Einstellungen zwischen verschiedenen Stakeholdergruppen (Forschungsschwerpunkt Verständnis von Zusammenhängen) (vgl. hierzu auch van Riel & Fombrun, 2007, S. 213). Für die letzte Gruppen können noch einmal zwei wesentliche
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
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Prozessschritte des Reputationsmanagement identifiziert werden: Erstens gilt es, Reputation zu analysieren und darzustellen („assessment“) und zweitens diese zu einem Planungs- und Steuerungsinstrument zu nutzen („planning“) (vgl. v.a. Morley, 1998, S. 17 ff.). Für einen Bezugsrahmen für das Reputationsmanagement sind die beiden aufgezeigten Schritte jedoch weitestgehend unbefriedigend. Denn sie werden nicht anhand einer Sachlogik abgeleitet und sind entsprechend auch nur bedingt in der Lage, Reputationsmanagement in einen Gesamtkontext einzubetten. Daher wird an dieser Stelle der Brückenschlag zum strategischen Management versucht und die Darstellung eines elaborierten Gesamtkonzepts mit Hilfe einer systematischen Ableitung. Strategisches Management als Rahmen für das Reputationsmanagement Es lassen sich grundlegend vier Elemente eines Managementprozesses identifizieren: die strategische Zielplanung, die strategische Analyse und Prognose, die Strategieformulierung und Bewertung sowie die Implementierung (vgl. W. Becker, 2001, S. 129; Steinemann & Schreyögg, 2002, S. 157; Welge & Al-Laham, 2007, S. 298). Die aufgezeigten Prozessschritte „assessment“ und „planning“ finden sich in dieser Systematik bereits wieder wobei sich inhaltlich „planning“ aus den vorgestellten Ansätzen sowohl der Zielplanung, als auch der Strategieformulierung zuordnen lässt. Übertragen auf ein Reputationsmanagement lassen sich die vier Schritte daher zunächst allgemein projizieren auf das Formulieren einer Zielreputation, das Erfassen der eigenen Reputation, der Wahl einer geeigneten Strategie sowie die Implementierung (vgl. Tabelle 9). Tabelle 9: Prozessschritte des Reputationsmanagements Strategisches Management
Reputationsmanagement
Strategische Zielplanung
Formulieren einer möglichen Zielreputation
Strategische Analyse und Prognose
Erfassen der eigenen Reputation
Strategieformulierung und Bewertung
Wahl der geeigneten Reputationsmanagement-Strategie
Implementierung (und Kontrolle)
Implementierung (und Kontrolle)
(Eigene Darstellung) Diese Übersicht hilft, die Prozessschritte des Reputationsmanagements analytisch zu trennen. Damit kann erstens der bisherige Forschungsstand genauer eingeordnet werden. So bezieht sich ein Großteil der Literatur vor allem auf das „Erfassen der eigenen Reputation“ ohne die anderen Schritte argumentativ zu verknüpfen. Wird dennoch ein Bezug hergestellt z.B. auf die Wahl einer geeigneten Strategie, so bislang nur in der einfachen Form „assessment – planning“. Zweitens lässt, Bezug nehmend auf die eingangs aufgezeigte Gesamtsicht der Entwicklung eines Systems, die Wahl der geeigneten Strategie in dieser Übersicht
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offen, ob sie z.B. durch das Management einer Marke, die Führung von Mitarbeitern oder Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden soll. Die Wahl des Instruments ist an dieser Stelle unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, die Wahl in einem Gesamtprozess zu sehen, denn nur so ist es möglich, von einem Management von Reputation zu sprechen und dieses systematisch zu entwickeln. Drittens hilft die Übersicht aber auch, die vorliegende Arbeit einzubetten: Reputationskonstitution durch (Krisen-)kommunikation (vgl. Kapitel 2.4.4) ist damit die Wahl einer geeigneten Strategie für eine Implementierung in Krisensituationen. Die vorgestellten Überlegungen wurden bisher ausschließlich aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive entwickelt. Dennoch sind sie auch auf nichtwirtschaftliche Organisationen übertragbar. Denn die identifizierten Managementschritte gelten unabhängig eines organisationalen Zwecks: So steht für wirtschaftliche Unternehmen eine betriebswirtschaftliche Leistungserstellung und damit Reputation als quantifizierbarer Wert im Vordergrund. Politische oder Nichtregierungsorganisationen hingegen orientieren sich an ideellen Zwecken, bei denen Reputation entsprechend als Glaubwürdigkeitsfaktor eine Rolle spielt. Zusammenfassung Aus den bisher gezeigten Überlegungen lässt sich ein für die Arbeit tragfähiges Verständnis von Reputationsmanagement entwickeln. Erstens lässt sich das Management von Reputation zwar als kollektive Managementstrategie klassifizieren, wenngleich klassische Wirkungshebel nicht zum Tragen kommen. Dies liegt daran, dass Reputation keinen Kontrollmechanismen unterliegt, die sich direkt durch Managementinstrumentarien steuern lassen. Dieser Argumentation folgend wird Reputationsmanagement als gemäßigter Voluntarismus verstanden und damit nicht als eine bewusste Steuerung, sondern als eine konzeptionelle Gesamtsicht der Entwicklung eines Systems. Zweitens kann Reputationsmanagement nicht losgelöst von übergeordneten Zielstellungen entwickelt werden. Reputation lässt sich nur dann steuern, wenn einerseits der status quo bekannt ist und zweitens Vorstellungen darüber vorliegen, welchen Ruf man bei zentralen Stakeholdern entwickeln will. Die Reputationskonstitution wird nicht sich selbst überlassen, sondern wird ebenso wie quantifizierbare Organisationswerte zum fragilen aber durchaus steuerbaren Gut. Und so halten Tucker & Melewar treffend fest: „Among the most important functions of reputation management is crisis management“ (2005, S. 378). Damit stellt sich an dieser Stelle die Frage (a) nach dem Instrumentarium, mit dem sich Reputation steuern lässt und (b) nach der Steuerungseinheit. Beide Fragen werden im Folgenden beantwortet und (a) Krisenkommunikation als Instrument der Einflussnahme auf organisationale Reputation konzipiert sowie (b) Reputation in den Zusammenhang von Vertrauenswürdigkeit und Vertrauen gestellt. Die Antwort auf beide Fragen ist die zentralen Argumentationslinie für Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation. 2.4.2.2
Reputationsmanagement durch Krisenkommunikation
In Krisen gestaltet sich eine an die Öffentlichkeit gewandte Kommunikation als kommunikatives Beziehungsmanagement zu zentralen Dialoggruppen. Grunig (1992) unterscheidet zwischen drei Phasen der Beziehungsgestaltung zu denen sich die jeweiligen Dialoggruppen entsprechend zuordnen lassen (vgl. L. Grunig, Grunig, & Dozier, 2002). Die intensivste Form des kommunikativen Beziehungsmanagements ist das Bezugsgruppenstadium („sta-
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keholder stage“). Organisationen bauen dabei eine langfristige und stabile Beziehung zu zentralen Akteuren auf, diese aber auch zu ihnen. Die Beziehung ist geprägt von Kontinuität und gegenseitiger Beeinflussung. Diese Beziehung muss jedoch nicht dauerhaft konfliktfrei verlaufen. So kommt es vor, dass Akteure (oder Akteursgruppen) das Beziehungsgeflecht in Frage stellen oder sogar problematisieren, es entstehen Publikumsgruppen („publics“). Da diese nicht unbedingt mit den Stakeholdergruppen übereinstimmen müssen, gilt es sie neuerlich zu identifizieren, um gezielt kommunizieren zu können. Denn im Unterschied zur dritten und letzten Phase, der öffentlichen Thematisierung („issue stage“), lassen sich Publikumsgruppen eindeutig erkennen. Rückt die Problematisierung der Organisations-/Akteursbeziehung hingegen auf die öffentliche Agenda, lässt sich kommunikativ nur noch mit der Ausrichtung auf die (Massen-)Medien Einfluss nehmen. Denn Publikumsgruppen sind nicht mehr zu trennen und damit systematisch anzusprechen (vgl. hierzu auch Bohnet & Huck, 2004, S. 362). Diese Darstellung von Grunig et al. zeigt auf, dass sich die Kommunikationsaktivitäten an der Phase der Beziehungsgestaltung orientieren. Während für das Bezugsgruppenstadium langfristige angelegte Kommunikationsinstrumente wie beispielsweise Issues Management zum Tragen kommen gilt es Publikumsgruppen, eher mit dialogorientierten Instrumenten zu begegnen. Öffentliche Krisen bedürfen demnach eines auf die Medienarena ausgerichteten Kommunikationsmanagements. Damit bietet sich die Differenzierung auch an, Krisenkommunikation zu klassifizieren. Denn in Krisen gilt es, „[...] die kurzfristige Zuwendung zu skandalträchtigen Ereignissen von jenem Problembewusstsein zu unterscheiden, das auf eine langfristige Sensibilisierung zurückzuführen ist. Auf der Grundlage solcher Abgrenzungen wird es dann möglich, massenmediale Kommunikationskampagnen durchzuführen“ (Zerfaß, 2004, S. 65).
Mit anderen Worten ist es ein Unterschied, ob sich in einer Krise noch Publikumsgruppen identifizieren lassen oder bereits eine massenmediale Skandalisierung stattfindet. Auch wenn das Ziel exzellenter Öffentlichkeitsarbeit ist, eine Problematisierung des Beziehungsgeflechts zu lösen bevor sie öffentlichkeitswirksam thematisiert wird (vgl. J. Grunig, 1990), so lehrt uns die Alltagsbeobachtung eines Besseren: Krisen treten regelmäßig in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens auf und stellen Kommunikationsverantwortliche vor die Notwendigkeit, in den öffentlichen Dialog zu treten. In Kapitel 2.4.1 wurde gezeigt, dass Krisen den Ruf einer Organisation fundamental in Frage stellen. Organisationen müssen daher in der Lage sein, zu erkennen, welche Reputationsattribute in einer Krise gefährdet sind und ebendiese Teil des Dialogs werden lassen. Krisenkommunikation ist damit „the process of attempting to exert smbolic control over the evaluative predispositions (‚attitudes’, ‚images’, etc.) and subsequent behaviours of releavnt publics or clienteles“ (Miller, 1989, S. 47). Sie ist zentrales Steuerungsinstrument, die Beziehung zu Publikumsgruppen kurzfristig über reputationsrelevante Themen aufrechtzuerhalten oder neuerlich zu etablieren (vgl. Fearn-Banks, 2007, S. 9). Voraussetzung dafür ist, dass Krisenkommunikation als Steuerungsaufgabe wahrgenommen wird (vgl. Coombs, 2007b; Eccles, et al., 2007; Lyon & Cameron, 2004; D. Weiner, 2006): „[C]ommunication is epistemic, allowing organizational participants to come to know and understand various aspects of the system and its environment, including the existing dynamic relationships and risks. The creation and retention of meaningful interpretations among organizational participants in response to equivocality is the general mechanism whereby crisis begins, develops, and is resolved“ (Seeger, et al., 2003, S. 19 f.).
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Die zentrale Frage ist dabei jedoch, wie Krisenkommunikation dazu beitragen kann, Reputation in Krisen zu schützen bzw. zur Konstitution einer neuerlichen Reputation beizutragen. 2.4.3
Vertrauenswürdigkeit als Einflussvariable von Krisenkommunikation
Die Reputation eines Reputationsträgers korrespondiert eng mit dem Vertrauen, das ihm entgegengebracht wird. Denn Vertrauen ist – wie Reputation – zunächst ganz allgemein eine „wirksame Form der Reduktion von Komplexität“ (Luhmann, 1968, S. 6) und ermöglicht es so, Austauschbeziehungen zwischen Akteuren unter Bedingungen nicht vorhandenen oder nicht überprüfbaren Wissens aufzubauen (vgl. Giddens, 1995b, S. 48). Mit der Einführung des Reputationskonstrukts wurde bislang nicht der Zusammenhang zu Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit gezeigt. Dies ist jedoch für eine schlüssige Ableitung des Wirkungsbereichs von Krisenkommunikation zur Reputationskonstitution notwendig. Entsprechend werden im Folgenden die Konzepte des Vertrauens und der Vertrauenswürdigkeit ergänzend eingeführt und in den Zusammenhang der Reputationskonstitution gestellt. Aus diesen Überlegungen lässt sich anschließend schlüssig ableiten, wie Krisenkommunikation dazu beitragen kann, Reputation in einer Krise zu erhalten bzw. zu konstituieren. (1) Vertrauen als Zieldimension Das Ziel von Krisenkommunikation ist die Schaffung eines gemeinsamen Interpretationsrahmens von Organisation und Umwelt – sie ist eine Form externer Kontextsteuerung: „[C]risis communication is composed of efforts to manage (1) the flow of crisis informatione and (2) stakeholder reactions“ (Coombs, 2008, S. 276). Die Schaffung dieses Interpretationsrahmens ist keine unilineare Kausalität im Sinne eines Sender-Empfänger-Modells, sondern entsteht und festigt sich durch Interaktion (vgl. Jarren & Röttger, 2004, S. 39). Voraussetzung für diese Interaktion sind demnach zwei Interaktionspartner, die grundsätzlich dazu bereit sind, Teil des gemeinsamen Referenzraumes zu werden (vgl. Röttger & Voss, 2008, S. 171). Interaktion entsteht in der Regel in Situationen hoher Komplexität oder unvollständiger Information und so wird Vertrauen zu einer wichtigen Voraussetzung dieses Interaktionsprozesses. Vertrauen ist – ähnlich wie Reputation – eine Kontinuitätserwartung von „Haltungen, Entscheidungen und Verhalten einer Organisation bzw. einer Bezugsgruppe in sachlicher, zeitlicher und sozialer Dimension“ (Szyszka, 2009, S. 141). Das weiter oben diskutierte öffentliche Vertrauen (vgl. Kapitel 2.3.2.2) ist damit eine Form von Vertrauen, die speziell innerhalb des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses als generalisierbare Orientierungshilfe dient. Ein wichtiger Aspekt des Vertrauensaufbaus ist abschließend das asymmetrische Prinzip: „That is, negative information associated with a distrusted organization reinforces the public’s distrust, while positive information is discounted. Fortunately, the converse is also true: if people trust an organization, positive information will reinforce that trust and negative information will be discounted“ (Huurne & Gutteling, 2009, S. 811).
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
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Vertrauen ist demnach schwieriger aufzubauen, als es verloren wird. Entsprechend sind Krisen Situationen, die für den Verlust einer Vertrauensbeziehung eine maßgebliche Rolle spielen. (2) Krisen als Rationalisierung der Vertrauensbeziehung Nach Jaspers (1979, S. 73) wird „Krise [...] wirklich als der Mangel an Vertrauen“. Vertrauen bildet sich dabei stets kontextbezogen: Erst das Verhältnis zwischen Vertrauendem und Vertrautem entscheidet darüber, wie sich Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit bilden (vgl. Mayer, Davies, & Schoorman, 1995, S. 727 f.): The act of trusting is a temporal phenomenon since it is based on experiences, interactions, and perceptions of others, organizations and institutions. Truts is an attitude [...]“ (Caldwell & Clapham, 2003, S. 351).
Für Krisensituationen bedeutet dies, dass sich die Rationalisierung, und damit das Infragestellen der Vertrauensbeziehung, zwischen unterschiedlichen Stakeholdergruppen voneinander unterscheidet. Insgesamt können sich Interaktionsbeziehungen in dreifacher Hinsicht entfalten. Entweder treten Organisationen in Krisen mit ihrem Umfeld direkt in Kontakt (z.B. mit den Medien oder durch die Krise direkt betroffene Akteure). Oder sie kommunizieren indirekt mit bekannten Stakeholdern, indem sie versuchen wichtige Botschaften in den Medien zu platzieren. Oder aber sie gehen völlig neue Interaktionsbeziehungen zu neuen Gruppierungen ein, die sich erst durch die Krise gebildet haben (z.B. Bürgerinitiativen, Anwälte der Opfer). Jede Gruppierung steht in einem entsprechend anderen Kontext zur Organisation. Während sich die Beziehungen zu bekannten Stakeholdern bereits über einen langen Zeitraum etabliert haben, so ist dies bei neuen Gruppen nicht der Fall. Hier muss sich Vertrauen kurzfristig aufgrund spontaner Vertrauensmerkmale bilden. In Krisen jedoch sind ebendiese völlig neuen Interaktionsbeziehungen von zentraler Bedeutung, da der öffentliche Skandal in der Regel weit über bekannte Stakeholdergruppierungen hinausgeht. (3)Vertrauenswürdigkeit als Voraussetzung einer Vertrauensbeziehung Die Literatur über Vertrauen unterscheidet konzeptionell zwischen Vertrauenswürdigkeit, Vertrauensneigung und Vertrauen (vgl. Colquitt, Scott, & LePine, 2007, S. 900). Mit der Vertrauenswürdigkeit wird ein zu Vertrauender in Bezug auf seine Fähigkeiten, Wohlwollen und Integrität bewertet. In der Definition von Vertrauen von Mayer et al. (1995) zeigen sie auf, dass die Voraussetzung von Vertrauen die grundsätzlich positive Einschätzung des Gegenübers in allen drei Bereichen ist (vgl. hierzu auch Caldwell, Davis, & Devine, 2009, S. 104). „First, trust is based on a cognitive process which discriminates among persons and institutions that are trustworthy, distrusted, and unknown. In this sense, we cognitively choose whom we will trust in which respects and under which circumstances, and we base the choice on what we take to be ‘good reasons,’ constituting evidence of trustworthiness” (Lewis & Weigert, 1985).
Damit ist das Verständnis von Vertrauenswürdigkeit zentral, um die Entstehung von Vertrauen zu verstehen. Denn Vertrauenswürdigkeit ist die Voraussetzung zur Vertrauensbildung als eine „condition precedent to the development of trust“ (Caldwell & Clapham,
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2003, S. 349). Erst wenn ein Gegenüber als vertrauenswürdig wahrgenommen wird, kann sich kognitiv und affektiv die Entscheidung zum Vertrauen vollziehen. Bisher wurde davon ausgegangen, dass das zentrale Element von Vertrauen die Wahlfreiheit des Vertrauensgebers ist, in eine Interaktionsbeziehung zu treten. Für Vertrauende bedeutet dies, dass sie sich grundsätzlich frei für Ver- oder Misstrauen entscheiden können. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz und so beschreibt die Vertrauensneigung den dispositionellen Willen, sich auf den zu Vertrauenden verlassen zu können. Vertrauensentscheidungen entstehen oftmals unter den Bedingungen knapper Information oder hohem Zeitdruck. Die Entscheidung, seinem Gegenüber zu vertrauen hängt dabei nicht nur davon ab, ob er als vertrauenswürdig wahrgenommen wird sondern auch, ob eine grundsätzliche Neigung vorhanden ist, sich auf eine Vertrauensbeziehung einlassen zu wollen. Ist diese nicht vorhanden, so kann trotz vorhandener Vertrauenswürdigkeit kein Vertrauen entstehen (vgl. Colquitt, et al., 2007, S. 911). Damit stellt sich an dieser Stelle zunächst die Frage, welche Rolle Reputation im Prozess der Vertrauensbildung spielt. (4) Reputation als kontinuierlicher Beleg von Vertrauenswürdigkeit Reputation wurde eingeführt als Bewertung einer Organisation entlang funktionaler, sozialer und emotionaler Attribute durch Dritte (vgl. Fombrun, 2001b; Fombrun & Wiedmann, 2001). Sie ist – gleichsam der Vertrauenswürdigkeit – eine Kontinuitätserwartung aufgrund vergangener Handlungen und damit der öffentliche Ruf von Vertrauenswürdigkeit (vgl. Herger, 2006, S. 175). Diese Kontinuitätserwartung wird jedoch langfristig immer wieder belegt. Das bedeutet, dass Reputation der kontinuierliche Beleg jener Erwartungen Dritter ist, die sich durch ein ständiges Orientieren organisationalen Handelns an ebendiesen Erwartungen auf allen drei diskutierten Dimensionen konstituiert. „[T]here must be some commonly accepted way to enforce that ‘‘trust contract,’’ that is, a socially measurable proof of trustworthiness of the partners; this is precisely what reputation is about when it allows for a trust contract to be entered into by parties with no prior experience of transactions – hence, the notion of focal principles6 built throughout the history of an organization and serving as attributes to reputation“ (Gaultier-Gaillard & Louisot, 2006, S. 427).
Die Konsequenz positiv attribuierter Reputation kann schließlich die Vertrauensbeziehung sein (Vertrauensneigung vorausgesetzt) (vgl. hierzu auch Einwiller, 2003). (5) Konsequenz situativer und kontinuierlicher Vertrauenswürdigkeit: Vertrauen Vertrauen ist schließlich die Intention, aufgrund positiver Erwartungen das Risiko des Vertrauens bewusst einzugehen. Es ist der Grad der Erwartung und damit die subjektive Wahrscheinlichkeit, dass ein Akteur in einer Interaktionsbeziehung kooperativ handelt. Vertrauen dient damit einer Komplexitätsreduktion, bei der Kriterien zur Bewertung der Wahrscheinlichkeit hinzugezogen werden. Sowohl Individuen wie auch soziale Entitäten sind in Situationen hoher Komplexität oder der Informationsasymmetrie nur bedingt handlungsfähig. Vertrauen kann diese Komplexität reduzieren, indem Handlungsentwürfe sich nicht an sämtlichen Umgebungsvariablen orientieren, sondern an situativ subjektiven Vertrauenskriterien. Diese stark funktionale Sicht muss allerdings auch ergänzt werden um eine soziale Sicht: Vertrauen geht davon aus, dass ein Interaktionspartner sich einem anderen wohlwollend verhält (vgl. Schweer & Thies, 2005, S. 48). Die Bewertung der Vertrauenskriterien
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geschieht dabei entweder aufgrund kognitiver Merkmale oder anhand affektiver Komponenten (vgl. McAllister, 1995). Erst wenn die Bewertung aller in den Vertrauensprozess involvierten Merkmale positiv ausfällt, kommt es zur abschließenden Vertrauenshandlung. Im Gegensatz zur Handlung anhand von kontrollierbaren Variablen, basiert das Vertrauen damit auf der Bewertung einiger weniger Grundsatzvariablen, die individuell in den Vertrauensbildungsprozess einfließen. Damit wird deutlich, dass Vertrauen eng mit einem Risiko verbunden ist – denn die Bewertung ebendieser Vertrauenskomponenten ist nicht vollständig kontrollierbar. Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit sich in zwei zentralen Punkten unterscheiden. Erstens ist Vertrauen eine Interaktion zwischen Vertrauendem und Vertrautem. Vertrauenswürdigkeit ist hingegen ein Signal, welches jedoch Voraussetzung zur Vertrauensbildung ist. Zweitens birgt Vertrauen ein Risiko, so dass die Entscheidung, zu vertrauen, bewusst gefällt werden muss. Die Einschätzung von Vertrauenswürdigkeit hat hingegen zunächst keinerlei Konsequenzen. Analog dazu wird auch der Unterschied zwischen Vertrauen und Reputation deutlich und lässt sich anhand vier konstituierender Elemente von Vertrauen noch weiter vertiefen (vgl. v.a. Ingenhoff & Sommer, 2007, 2010). So wird in der einschlägigen Literatur implizit oder explizit zunächst von genau zwei Parteien gesprochen, zwischen denen sich Vertrauen bildet: den Vertrauensgeber und den Vertrauensnehmer (vgl. Möllering & Sydow, 2005, S. 66 f.). Diese unter dem personalem Element zusammengefasste Zweierbeziehung impliziert, dass Vertrauen sich stets zwischen einer vertrauenden Partei und einer, der vertraut wird bildet. Vertrauen kann dabei sowohl individuellen wie kollektiven Akteuren (z.B. Organisationen) entgegengebracht werden (vgl. Winand & Pohl, 2000, S. 248)22. Daraus ergibt sich konsequenterweise das zweite, nämlich das interaktionale Element. Vertrauen entsteht nur dann, wenn beide Parteien in einen Interaktionsprozess miteinander eintreten. Die grundsätzliche Wahlfreiheit in eine Interaktionsbeziehung zu treten, ist dabei entscheidend und zwar sowohl im Hinblick auf den Vertrauenden als auch auf den Vertrautem. Das bedeutet, dass beide Parteien grundsätzlich in der Lage sein müssen (und bereit sind), gemeinsam in eine Interaktion zu treten. Der Fokus auf eine personale- und Interaktionsbeziehung greift jedoch zu kurz, denn er klärt nicht die Ausgestaltung der Interaktionsbeziehung. Vertrauen soll Komplexität reduzieren indem eine erwartbare Handlung oder Verhalten angenommen wird. Aufgrund von Informationsasymmetrie lässt sich freilich von einem unsicheren Zukunftspostulat sprechen, denn ob das Vertrauen erfüllt wird oder nicht lässt sich vorab nicht bestimmen. Erwartet wird daher grundsätzlich eine Vorteilhaftigkeit oder zumindest ein „Nicht-Schaden-Zufügen“ (vgl. ebd., S. 127), wobei das Ausmaß dieser Vorteilhaftigkeit ungewiss ist. Die Ausgestaltung dieser Nicht-Schlechter-Stellung lässt sich mit dem Verhaltenselement von Vertrauen klassifizieren. Jede Vertrauensinteraktion gilt es zudem, in ihren konkreten Interaktionszusammenhang einzubetten, das situative Element. Für die Diskussion von Krisensituationen ist der Einbezug des situativen Bezugsrahmens von besonderer Bedeutung. 22
Schweer & Theis (2005) unterscheiden zwischen personalem (Vertrauen in Interaktionspartner) und systemi schen Vertrauen (Vertrauen in Institutionen). Diese Unterscheidung sagt jedoch noch nichts über die Bezie hung (direkt oder indirekt) aus. Mit dem hier verwendeten Begriff des personalen Elements ist also die grund sätzliche Zweierbeziehung gemeint ist, unerheblich davon ob es sich um eine einzelne Person oder eine Orga nisation/Gesellschaft handelt.
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2 Theoretische Grundlagen
Anhand dieser vier grundlegenden Elemente von Vertrauen lässt sich Reputation abgrenzen sowie der Zusammenhang zwischen Reputation und Vertrauen verdeutlichen (vgl. Tabelle 10). Tabelle 10: Elemente von Reputation und Vertrauen in der Gegenüberstellung Element Personales Element (Vertrauensbeziehung)
Interaktionselement (Fähigkeit zur Interaktion) Verhaltenselement (Ausgestaltung der Interaktion)
Situationselement (situativer Bezugsrahmen)
Reputation
Vertrauen
Direkte Beziehung durch eigene Erfahrung und indirekte Beziehung durch öffentliche Kommunikation
Direkte Beziehung durch Vertrauen zwischen Vertrauendem und Vertrautem
Reputation konstituiert sich v.a. ohne direkte Interaktion
Erbringung von Vertrauen durch direkte Interaktion
Nicht-negatives funktionales, soziales oder emotionales Verhalten
Nicht-negatives vertragliches, fachliches oder wertkonformes Verhalten
Reputation bildet sich langfristig
Vertrauen bildet sich lang- und kurzfristig
(i.A.A. Irion, 2007, S. 129) (6) Krisenkommunikation als Steuerungsinstrument von Vertrauenswürdigkeit Reputation als Gesamtkonstrukt lässt sich durch ihren Langfristcharakter im Konstitutionsprozess kurzfristig nicht steuern. Damit in Krisen jedoch eine Vertrauensbeziehung zwischen individuellen Akteuren und Organisationen aufrecht erhalten werden kann, muss eine direkte Beziehung zwischen Vertrauendem und Vertrautem entstehen und eine Interaktionsleistung erbracht werden – vorausgesetzt der Vertraute verhält sich vertraglich-, fachlich- und/oder wertkonform. Krisen, so wurde gezeigt, sind Situationen, in denen die bisherige Reputation rationalisiert und in Frage gestellt wird. Die Steuerung jener Interaktionsbeziehung ist damit auf der einen Seite kurzfristig und situationsbezogen. Auf der anderen Seite bildet sich die zu steuernde Reputation langfristig. Dieser vermeintliche Widerspruch lässt sich mit der Argumentation zur Vertrauenskonstitution lösen. Krisenkommunikation kann dann zum Erhalt oder zur Reputationskonstitution beitragen, wenn sie sich auf situativ steuerbare Attribute konzentriert. Dies ist in Krisen der Einfluss auf organisationale Vertrauenswürdigkeit. Denn Vertrauenswürdigkeit ist erstens Voraussetzung zur Vertrauensbildung, manifestiert sich zweitens langfristig in Reputation und bildet sich drittens auf den gleichen Dimensionen: „Hence, trustworthiness is a viable measure for reputation“ (Coombs & Holladay, 2002, S. 175). Ob eine Organisation dabei als vertrauenswürdig wahrgenommen wird ist „[...] influenced by how the orga-
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
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nization positions itself in response to the crisis“ (Ray, 1961, S. 98). Die Steuerung von Reputation wird in Krisen möglich durch die kommunikative Einflussnahme auf Vertrauenswürdigkeit (vgl. Abbildung 12). Abbildung 12: Der Prozess der Vertrauensbildung Krisenkommunikation
Vertrauenswürdigkeit
Reputation
Vertrauen
(Eigene Darstellung) Krisen sind Situationen, in denen die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit grundsätzlich hinterfragt wird. „In einer konkreten Interaktion mit einem potenziellen Vertrauensobjekt werden die wahrgenommenen Merkmale mit den vertrauensrelevanten normativen Erwartungen abgeglichen“ (Schweer & Thies, 2005, S. 50).
Aufgabe der Krisenkommunikation ist es daher, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren, um kommunikative Diskrepanzen zu vermeiden (vgl. Bentele & Janke, 2008, S. 129). Reputation ist also das Vertrauenskapital einer Organisation (vgl. Albach, 1980, S. 3). Ist es einer Organisation nicht möglich, in einer Krise dieses Vertrauen aufrecht zu erhalten bzw. wieder herzustellen, werden sie in zukünftigen Interaktionsprozessen mit den Stakeholdern nur noch bedingt in Betracht gezogen (vgl. Helm, 2004). Kurzfristig muss daher gezeigt werden, dass die aktuelle Krise kein Widerspruch zur bisherigen Reputation ist. Gelingt dies, so trägt die bisherige Reputation nur geringen Schaden und ist damit ein Beleg für eine mögliche Vertrauensbeziehung. Gelingt dies nicht, muss von einem langfristigen Verlust der Reputation und damit auch von der bisherigen Vertrauensbeziehung ausgegangen werden. „Vertrauen kann langfristig nur dann aufrecht erhalten werden, wenn nicht nur behauptet wird, daß man Vertrauen will, daß man glaubwürdig sei, sondern wenn eine Repräsentationsbeziehung zwischen Information und zugrundeliegenden Sachverhalten/Ereignissen sowie ein Konsistenzverhältnis zwischen Information und Handeln, zwischen Normen und tatsächlichen Handlungen, etc. auch tatsächlich vorhanden ist und wahrgenommen werden kann“ (Bentele, 1994b, S. 153, Hervorhebung im Original).
Vertrauenswürdigkeit, so wurde gezeigt, ist eine gegenwartsbezogene Vorleistung, die einem zu Vertrauenden entgegengebracht wird. Sie muss auf Nachfrage bestätigt werden können. Erst aus der stetigen Bestätigung dieser Vorleistung entsteht Reputation. Damit wird auch deutlich, dass Vertrauenswürdigkeit sich auf den gleichen Dimensionen wie Reputationskonstitution entfalten muss: funktionale Vertrauenswürdigkeit ist die Vorleistung für funktionale Reputation, soziale Vertrauenswürdigkeit für soziale Reputation und emotionale Vertrauenswürdigkeit für emotionale Reputation. Krisenkommunikation kann
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2 Theoretische Grundlagen
nur dann zur Reputationskonstitution beitragen, wenn sich Vertrauenswürdigkeit über die gleichen inhaltlichen Dimensionen konstituiert wie Reputation. Der Literaturdiskurs zeigt, dass Vertrauenswürdigkeit und Reputation sich auf gleichen inhaltlichen Ebenen beschreiben lassen: Tabelle 11: Gegenüberstellung von Vertrauenswürdigkeit und Reputation Vertrauenswürdigkeit
Dimension
Reputation
Fähigkeiten, Können, Kompetenzen, Expertise
Funktional
Strategische Entscheidungen, ökonomische Stabilität, Wissen und Expertise, Kundenorientierung, u.a.
Wohlwollen, Absichten, Verlangen Gutes zu tun
Sozial
Soziales Engagement und Verantwortlichkeit, Umweltverträglichkeit, Ressourcenschonung, u.a.
Integrität, Charakter, Fairness, Glaubwürdigkeit
Emotional
Sympathie, Attraktivität
(Eigene Darstellung, i.A.a. Caldwell & Clapham, 2003; Ingenhoff & Sommer, 2007; Eisenegger & Imhof, 2007) Zusammenfassung Mit diesen Überlegungen sollte deutlich geworden sein, wie Krisenkommunikation dazu beiträgt, Reputation zu erhalten bzw. zu konstituieren. Erstens wurde gezeigt, dass zentrales Ziel von Krisenkommunikation der Aufbau einer Vertrauensinteraktion ist die zweitens durch Krisen fundamental gefährdet wird. Damit Vertrauen sich bilden kann, ist drittens die Zuschreibung mehrdimensionaler Vertrauenswürdigkeit die zentrale Voraussetzung. Die Kontinuierliche Signalisierung von Vertrauenswürdigkeit mündet viertens der Konstitution langfristiger Reputation. Da Reputation sich langfristig bildet, kann Krisenkommunikation kurzfristig nicht den gesamten Prozess der Reputationskonstitution steuern. Der Wirkungsrahmen von Kommunikation in Krisen fokussiert sich damit fünftens auf die Steuerung von Vertrauenswürdigkeit (wobei Steuerung in Anlehnung an Jarren & Röttger als Dialog verstanden wird). Die Entwicklung dieses Prozesses orientiert sich grundlegend an den Arbeiten zur Vertrauens- und Reputationsforschung. Es konnte gezeigt werden, dass beide Konzepte in einem direkten Zusammenhang stehen und welche Rolle Krisenkommunikation als Steuerungsinstrument dabei einnimmt. Dies gilt es abschließend noch einmal zusammenfassend darzustellen.
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
2.4.4
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Zusammenfassung: Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
Ziel der organisationalen Krisenkommunikation ist es, Reputation situativ zu schützen oder zu konstituieren. Dies wird durch die kommunikative Einflussnahme auf Vertrauenswürdigkeit möglich. Denn „[g]ood external communication in a crisis can result in favorable publi perception, leading to an improved corporate image“ (Penrose, 2000, S. 167). Während Penrose darauf hinweist, dass Krisenkommunikation einen positiven Effekt auf das Image haben kann (vgl. hierzu Kapitel 2.1.1.2), so gilt dies auch für die Reputation. Denn das moderne Mediensystem zeigt „[...] eine massive Zunahme der Skandalisierungsraten. [...] Das hat zur Konsequenz, dass die Unternehmen erhöhten Reputationsrisiken ausgesetzt sind. Weil aber medieninduzierte Reputationsschäden außerhalb der Medien kaum korrigiert werden können, sind betroffene Unternehmen gezwungen, ihre Kommunikation immer stärker auf die Medien auszurichten“ (Eisenegger & Künstle, 2003, S. 60).
Während Issues beispielsweise langfristig erkannt oder sogar antizipiert werden können, um sie anschließend auch im Hinblick auf den Aufbau von Reputation zu gestalten, ist die Kommunikation in Krisen oft kurzfristig und reaktiv. Entsprechend sind Krisen für das Reputationsmanagement eine einzelne, wenngleich besondere Situation, den guten Ruf einer Organisation nicht zu gefährden oder gar zu verschlechtern. Die Argumentation, dass Reputationsmanagement ausschließlich nach Krisen relevant ist (vgl. Garth, 2008, S. 177) greift allerdings deutlich zu kurz. Auch vor und während einer Krisensituation gilt es, durch strategisches Kommunikationsmanagement die Reputation langfristig zu schützen. Krisen wurden dargestellt als Situationen, in denen die Reputation hinterfragt wird (vgl. hierzu auch die strukturationstheoretischen Überlegungen in Kapitel 3.3.1.2). Da Reputation als eine Art Währung in einem Markt des Vertrauens fungiert, findet in Krisen eine fundamentale Überprüfung des substanziell gedeckten Wertes statt. Bildlich gesprochen wird also die Begleichung eines Kredites eingefordert (während gleichzeitig auch neue gewährt werden können)23 (vgl. Voswinkel, 2001, S. 127 ff.). Diese Überprüfung konkretisiert sich im Infragestellen der situativen Vertrauenswürdigkeit. Denn Reputation, so wurde gezeigt, kann als Ruf der Vertrauenswürdigkeit verstanden werden der einer Organisation vorauseilt. Krisen sind damit Situationen, in denen eine Vertrauenserwartung nicht erfüllt werden kann und damit eine „voluntary violation of mutual expectations of the trustor by the trusted party (trustee), which has the potential to threaten the well-being of the trustor“ (Elangovan & Shapiro, 1998). Entsprechend wird in Krisen konkret die Vertrauenswürdigkeit – die sich analog zu den Dimensionen der Reputationskonstitution entfaltet – in Frage gestellt. Voraussetzung für diese Annahme ist, dass Reputation sich primär unter den Bedingungen der Mediengesellschaft bildet und damit zu einem wesentlichen Teil über öffentliche Kommunikation (vgl. Eisenegger, 2005, S. 45; Herger, 2006, S. 182). Reputation muss demnach erworben werden und setzt die Erzeugung von Aufmerksamkeit voraus (vgl. Voswinkel, 2001, S. 113). „Every crisis is also a crisis of information. [...] Failure to control this crisis of information results in failure to control the crisis, including ist directly operational aspects“ (Scanlon, 1975, S. 425). Aufgabe von Reputationsmanagement ist es daher, die Wahrnehmung von Stakeholdern zu antizipieren und situationsgerecht Eindrücke zu vermitteln, die Vertrauenswürdigkeit signalisieren. Voraussetzung dafür ist wiederum 23
Münch (1995, S. 222 ff.) spricht in ähnlichem Zusammenhang von „moralischer Inflation und Deflation“.
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2 Theoretische Grundlagen
eine Medienöffentlichkeit, in der Reputationsträger sowohl beobachtet als auch wahrgenommen werden. Das Erzeugen von Aufmerksamkeit vollzieht sich über öffentliche Kommunikation und so sind kommunikative Prozesse ein entscheidender Treiber von Reputation in Krisen (vgl. Kapitel 2.1.2.3). Denn sie ermöglichen es, Werte, Ziele, Leistungen und zukünftige Aussichten einer Organisation zu vermitteln und damit bei zentralen Stakeholdern Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren (vgl. Rayner, 2003, S. 14; Seemann, 2008, S. 121). In Krisen gilt also, kurzfristig Vertrauen aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen (vgl. Coombs, 2007b, S. 170). Bei einem Verlust von Reputation ist die Kommunikation nach außen ein probates Mittel, um Reputation langfristig zu sichern (vgl. Carter & Dukerich, 1996, S. 154). Für das Aufzeigen des Wirkungsbereiches von Krisenkommunikation wurde der Prozess der Vertrauensbildung analytisch getrennt. Zentrale Voraussetzung für Vertrauen als Zieldimension organisationalen Dialogs ist die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit. Wird Vertrauenswürdigkeit über einen langen Zeitraum immer wieder bestätigt, mündet dies in Reputation. Inhaltlich korrespondieren die funktionale, soziale und emotionale Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit und Reputation. Da Reputation die kontinuierliche Bestätigung von Vertrauenswürdigkeit über die Zeit ist, kann Krisenkommunikation nur Einfluss nehmen auf die Zuschreibung situativer Vertrauenswürdigkeit. Krisen sind zeitlich und inhaltlich derart begrenzt, dass sie für ein systematisches Reputationsmanagement nicht in Frage kommen. Sehr wohl kann jedoch die in Frage gestellte Reputation mehrdimensional durch Krisenkommunikation bestätigt werden, um so langfristigen Schaden zu vermeiden. Kritik Die Rolle der Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation gilt es abschließend kritisch zu hinterfragen. So stellen Hutton et al. (2001) den Wirkungsgrad von Public Relations auf das Management von Reputation grundlegend in Frage. Ihrer Argumentation folgend konstituiert sich Reputation aus zu vielen Dimensionen, deren Steuerung durch Public Relations nicht möglich ist. An dieser Stelle muss Bezug genommen werden auf das Verständnis von Reputationsmanagement der vorliegenden Arbeit (vgl. Kapitel 2.4.2.1). Es wurde gezeigt, dass Reputationsmanagement in erster Linie gemäßigter Voluntarismus ist. Entsprechend nimmt Krisenkommunikation nur einen Teilaspekt – wenngleich einen zentralen – des Reputationsmanagements ein: Einerseits durch die Reputationskonstitution primär durch medienvermittelte Kommunikation (vgl. Kapitel 2.1.3.1) und andererseits durch die Gefahr eines hohen Skandalisierungsgrades öffentlichkeitswirksamer Botschaften (vgl. Kapitel 2.4.1), wird es notwendig, Reputation explizit durch Krisenkommunikation zu steuern (vgl. hierzu auch Sinickas, 2004, S. 13). Damit wird Krisenkommunikation nicht zum einzigen aber zum wesentlichen Faktor, Reputation zu schützen oder zu konstituieren (vgl. Abbildung 13).
2.4 Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
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Abbildung 13: Einflussfaktoren auf die Reputation
Corporate governance and leadership
Long term financial performance
Reputation
Communications and crisis management
Regulatory compliance
Corporate social responsibility
Workplace talent and culture
Delivering partners promise
(i.A.a. Rayner, 2003, S. 228) Darüber hinaus ist die Aufgabe, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren, keinesfalls trivial: „Auf Grund der Reziprozitätsproblematik und des oftmals mangelnden direkten Kontaktes von Organisationen zu einzelnen Individuen ist die Herstellung von wahrgenommener Vertrauenswürdigkeit als Vorbedingung des Vertrauenserlebens problematisch. [...] Erforderlicht ist [...] eine glaubwürdige und konsequente Informationspolitik nach innen und außen“ (Schweer & Thies, 2005, S. 60).
Krisenkommunikation muss demnach glaubwürdig und konsistent sein, um Vertrauenswürdigkeit signalisieren zu können. Beides wird im weiteren Verlauf der Arbeit Gegenstand der Modellierung von Krisenkommunikation. Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation Das Kapitel hat in drei zentralen Schritten entwickelt, wie Krisenkommunikation dazu beitragen kann, Reputation zu schützen oder sie zu konstituieren. So konnte erstens gezeigt werden, dass Krisen eine Gefahr für den Erhalt von Reputation darstellen. Sie stellen den bisherigen Ruf fundamental in Frage und bringen Organisationen in Zugzwang. Da sich Reputation primär unter den Bedingungen der Mediengesellschaft bildet, gewinnt die kommunikative Einflussnahme auf Reputation eine zentrale Bedeutung. Entsprechend wurde zweitens zunächst ganz allgemein das Management von Reputation als gemäßigten Voluntarismus eingeführt und darauf aufbauend der Prozess des Reputationsmanagements durch Krisenmanagement aufgezeigt. Die zentrale Frage nach der Steuerungsgröße von Krisenkommunikation wurde drittens beantwortet, indem der Prozess der Vertrauensbil-
120
2 Theoretische Grundlagen
dung analytisch getrennt wurde in die Konzepte der Vertrauenswürdigkeit, Reputation und Vertrauen. Es konnte gezeigt werden, dass Krisenkommunikation situativ auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit von Organisationen Einfluss nehmen muss. Gelingt es, eine bisherige Reputation durch situative Vertrauenswürdigkeit zu bestätigen, nimmt der Prozess der Reputationskonstitution den geringsten Schaden. Gelingt dies nicht, wird die Reputation dauerhaft in Frage gestellt und muss langfristig wieder aufgebaut werden. 2.5
Resümee
In Kapitel 2 wurden die theoretischen Grundlagen im Sinne der Einführung der für die Arbeit relevanter Begriffe und Konzepte gelegt. Reputation wurde in den Kontext der Mediengesellschaft gestellt und zunächst begrifflich von ähnlichen Konstrukten wie Image oder Marke abgegrenzt. Aus den theoretischen Bezugspunkten der soziologischen, ökonomischen und kommunikationswissenschaftlichen Perspektive konnte Reputation als Konzept entwickelt werden, das messbar ist, sich innerhalb der Medienarena konstituiert und gleichsam einer gesellschaftlich eingebettet ist. Insbesondere die Konstitution innerhalb der Mechanismen der Mediengesellschaft spielt für die vorliegende Arbeit eine tragende Rolle. Reputation konnte hierfür in den Kontext der Stakeholderperspektive gestellt werden sowie in den Kontext von organisationsübergreifender Branchenreputation. Gezeigt wurde, dass sich Reputation bei unterschiedlichen Stakeholdern verschieden ausbildet und die Branchenreputation eine zunehmend wichtige Variable der Reputationskonstitution wird (wenngleich sie nicht Fokus der vorliegenden Arbeit wird). Bei der Entwicklung des Reputationskonstrukts wurde systematisch eine Dimensionierung vorgenommen und Reputation als Konstrukt funktionaler, sozialer und emotionaler Attribute entwickelt. Diese analytische Differenzierung ist zentral für die Entwicklung des Untersuchungsdesigns in Kapitel 4. Auch Krisen wurden in den Kontext der Mediengesellschaft gestellt und zunächst von ähnlichen Konzepten wie Risiko oder Konflikt abgegrenzt. Ein Schwerpunkt des Kapitels lag in dem Aufzeigen von Krisenklassifikationen. Durch das Fehlen einer Einschätzung von Krisen in Bezug auf ihr Reputationsrisiko konnte ein eigenständiger Vorschlag der Klassifikation entwickelt werden. Krisen wurden anschließend aus der psychologischen, wirtschaftswissenschaftlichen und kommunikationswissenschaftlichen Perspektive theoretisch beschrieben und anschließend in den Kontext der Mediengesellschaft gestellt. Krisen sind demnach Situationen, in denen ein bisheriger Prozessablauf nachhaltig gestört wird wobei Krisen in der Mediengesellschaft beobachterabhängig sind. Bei der Einbettung von Krisenkommunikation in den Kontext der Mediengesellschaft wurde der Fokus auf Krisenkommunikation während Krisensituationen gelegt. Durch den Mangel an theoretischen Konzepten von Krisenkommunikation wurden die für die Arbeit relevanten Modelle ausführlich vorgestellt: Die Situational Crisis Communication Theory (Coombs) sowie die Theorie öffentlichen Vertrauens (Bentele). Zentrales Ergebnis des Kapitels war die Darstellung eines postmodernen Verständnisses von Krisenkommunikation als dezentrale, netzwerkorientierte Kommunikation, die einem strategischen Ansatz folgt. Die Erkenntnisse aus diesen drei Kapiteln wurden anschließend in der Darstellung von Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation systematisch zusammengeführt. Krisen wurden als Gefahr der Reputationskonstitution entwickelt und Krisenkommunikation als wichtigstes Steuerungsinstrument von Reputation in Krisen. Durch das Aufzeigen des
2.5 Resümee
121
Vertrauensbildungsprozess konnte der Wirkungsrahmen von Krisenkommunikation klar herausgearbeitet werden: Krisenkommunikation kann durch die Einflussnahme auf die Vertrauenswürdigkeit von Organisationen dazu beitragen, Reputation langfristig zu schützen (oder sogar neu zu konstituieren). Damit wurden alle für den Fortlauf der Arbeit relevanten Begriffe, theoretischen Konzepte und Argumentationslinien grundlegend dargestellt. Diese münden nunmehr in der Entwicklung des theoretischen Forschungskonzepts (Kapitel 3) sowie der Konzeption der empirischen Untersuchung (Kapitel 4).
3
Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Das folgende Kapitel entwickelt den Bezugsrahmen, der Krisenkommunikationsstrategien und Reputation theoriegeleitet zusammenführt. Ausgehend von den theoretischen Grundlagen sowie den begrifflichen und konzeptionellen Eingrenzungen aus Kapitel 2 verfolgt das nun folgende Kapitel vor allem zwei Ziele. Erstens wird eine theoretische Grundlage für die Arbeit geschaffen, um den Zusammenhang von Krisenkommunikation und Reputation einzuordnen und zu modellieren. Zweitens werden aus den Entwicklungslinien der relevanten Forschungsfelder Thesen für die Beschreibung ebendieses Zusammenhangs abgeleitet, die anschließend die Grundlage für die empirische Überprüfung sind (vgl. Kapitel 4 und 5). 3.1
Formulierung der Vorannahmen: Der theoretische Bezugsrahmen
Durch die Eingrenzung der theoretischen Konzepte (vgl. Kapitel 2) konnte bereits ein Vorverständnis entwickelt werden, welches für die begriffliche und konzeptionelle Eingrenzung notwendig ist. Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung reicht dies jedoch nicht aus und so nimmt der theoretische Bezugsrahmen eine Mittlerfunktion ein zwischen bereits beobachteten Phänomenen, einer strukturierten Einbettung und dem zu untersuchenden Forschungsproblem (vgl. hierzu auch Poole & McPhee, 1985, S. 100). Die Zusammenführung theoretischer Annahmen in einer Modellierung von Krisenkommunikation ist ein explizites Forschungsziel der vorliegenden Arbeit (vgl. Kapitel 1.4.1). Dadurch wird ermöglicht, die Komplexität von Krisenkommunikation systematisch zu erfassen und damit zum Erkenntnisfortschritt beizutragen. Gleichsam gilt es, einen Theorieeklektizismus zu vermeiden. Ein theoretischer Beitrag kann nur hilfreich sein, wenn er bisherige Theorieannahmen zweckmäßig ergänzt. Die Formulierung eines theoretischen Bezugsrahmens übernimmt im Forschungsprozess die Funktion der Ordnung. Dies wird möglich, da Theorien den Forschungsgegenstand selektiv einbetten, ihn abstrahieren (wodurch eine Eingrenzung oder Klassifikation möglich wird) und durch den Vergleich Zusammenhänge systematisch darstellen (vgl. Merten, 2004, S. 48). Kommunikationswissenschaftliche Theorien stellen mikroperspektivisch dabei eine Analyse von Instrumenten und Akteuren in den Vordergrund, mesoperspektivisch die Untersuchung von Organisationszusammenhängen und makroperspektivisch eine Gesamtorientierung oder Wesensbestimmung des Forschungsgegenstandes. Unterschiedliche Reichweiten grenzen dabei vor allem den Geltungsbereich ein: Während Theorieansätze großer Reichweite Anspruch auf Allgemeingültigkeit und damit einen umfassenden Erklärungsanspruch erheben konzentrieren sich Theorien mittlerer Reichweite auf bestimmte Funktionen, Institutionen oder Prozesse (vgl. hierzu auch Esser, 2002). Theorien geringer Reichweite erklären hingegen oft nur Einzelaspekte oder klar eingegrenzte Forschungsobjekte. Durch den Fokus der vorliegenden Arbeit wird auf rein wirtschaftswissenschaftliche Theorien zu Krisenmanagement und -kommunikation, auch wenn diese syste-
A. Thießen, Organisationskommunikation in Krisen, DOI 10.1007/978-3-531-93372-6_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
3.2 Die Strukturationstheorie nach Giddens
123
matische Ansätze bereithalten, weitestgehend verzichtet. Rein kommunikationswissenschaftliche Theorieansätze zur Krisenkommunikation lassen sich hingegen bislang nur bedingt identifizieren und so wird bewusst eine sozialtheoretische Perspektive als Ausgangspunkt zur Formulierung des theoretischen Forschungskonzepts gewählt. In Anlehnung an Kubicek (1977, S. 17 ff.) soll der Bezugsrahmen theoretische Kategorien und Dimensionen bereitstellen, die geeignet sind das Forschungsproblem Verständnis fördernd darzustellen (Identifikation von relevanten Größen). Daneben wird an ihn die Anforderung gestellt, Zusammenhänge und deren Richtung aufzuzeigen (Identifikation von relevanten Beziehungen) sowie plausible Begründungen für ebendiese Zusammenhänge (Identifikation von relevanten Mechanismen). Der theoretische Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit gründet in den Erkenntnissen aus der Strukturationstheorie, die den Zusammenhang zwischen individuellen Handlungen und sozialer Struktur aufzeigt. Das Ziel der Arbeit ist es, die Beziehung zwischen kommunikativen Strategien in Krisen und dem Erhalt oder Aufbau von Reputation differenziert aufzuzeigen. Entsprechend gilt es, ebendiese Beziehung nach Möglichkeit vollständig offen zu legen, um sie auch einer theoretischen Reflexion zugänglich zu machen. Durch das Einbeziehen von Handlungsmustern einerseits und Strukturbedingungen andererseits eignet sich die Strukturationstheorie als integrative Sozialtheorie mit dem Anspruch großer Reichweite besonders dazu, die Prozesse und Bedingungen der Krisenkommunikation in einem angemessenen Abstraktionsgrad zu untersuchen. Zahlreiche empirische Studien zeigen zudem, dass die Theorie für die Kommunikationswissenschaft ein tragbares Modell für die theoretische Einbettung ist. Im Folgenden werden zunächst grundlegende Überlegungen und zentrale Begriffe der Strukturationstheorie eingeführt (Kapitel 3.2). Anschließend wird Organisationskommunikation aus den Überlegungen der Strukturationstheorie abgeleitet und die Begriffe Reputation und Krise in ihren Kontext gestellt (Kapitel 3.3). Diese Überlegungen lassen sich abschließend in konkreten Annahmen verdichten, die gleichsam die theoretische Modellierung für die vorliegende Arbeit stellen (Kapitel 3.4). 3.2
Die Strukturationstheorie nach Giddens
Die kommunikationswissenschaftliche Theoriebildung lässt sich anhand von zwei Paradigmen charakterisieren (vgl. Röttger, 2005, S. 12): Erstens ist sie geprägt durch den Dualismus von mikroperspektivischen, handlungstheoretischen Ansätzen auf der einen Seite und makroperspektivischen, systemtheoretischen auf der anderen. Zweitens spielt bei der systematischen Theoriebildung jenes Forschungsfeldes die Meso-Perspektive kaum eine Rolle. Ähnliches gilt für die Organisationstheorien, die ebenso in zwei grundlegende Denkweisen zusammengefasst werden können: Während der eine Teil primär den Organisationskontext in den Fokus der Betrachtung rückt, steht für den anderen vor allem das Handeln der Organisation bzw. seiner Akteure im Mittelpunkt (vgl. Walgenbach, 2006, S. 203). Die Folgen dieser dichotomen Betrachtungsweisen liegen auf der Hand. Während kontextbezogene Theorien den Handlungscharakter einzelner Akteure nicht weiter betrachten oder systemtheoretische Ansätze empirisch nur schwer fassbar sind, schaffen es handlungsorientierte Theoriemodelle nicht, die Brücke zu organisationsstrukturellen Vorgaben zu schlagen.
124
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Der Sozialwissenschaftler Anthony Giddens versucht, dieses Theorielücke zu schließen, indem er mit der Strukturationstheorie einen Vorschlag zur Überwindung der aufgezeigten Handlung-Struktur-Dualität in die Theoriedebatte einführt. Strukturen werden bei ihm als Ressourcen betrachtet, die einerseits Zwänge, andererseits aber auch Handlungsfreiräume und – gemeinsam mit dem Vermögen entscheiden zu können – Handlungen ermöglichen. Anhand dieser Überlegungen wird bereits deutlich, welchem Strukturverständnis Giddens nachgeht: steht der Strukturbegriff in der Sozialwissenschaft sonst eher für Einschränkungen des Subjekts, hat er für Giddens immer auch ermöglichenden Charakter (vgl. Lamla, 2003, S. 51). Giddens wendet sich damit sowohl gegen objektivistische Grundpositionen des Strukturalismus und gleichzeitig aber auch gegen subjektivistische Grundpositionen, die sich in ihren Annahmen dominant auf das Handeln des Einzelnen beziehen. Ziel der Strukturationstheorie ist es, die Vermittlung zwischen Handlung und Struktur sowohl auf der theoretischen wie auf der empirischen Ebene zu ermöglichen. Mitunter durch ihre Komplexität und die Möglichkeit, handlungs- und systemtheoretische Paradigmen zu überwinden, kann die Strukturationstheorie trotz Kritik (vgl. Kapitel 3.2.4) damit als sozialwissenschaftliche Metatheorie betrachtet werden (vgl. Ortmann & Sydow, 2001, S. 427; Ortmann, et al., 1997, S. 321; Weaver & Gioia, 1994, S. 580). Giddens Grundsatztheorie findet inzwischen Beachtung bei einer Vielzahl von Wissenschaftsdisziplinen (vgl. Ortmann, et al., 1997, S. 315; Zerfaß, 2004, S. 392). Insbesondere für die Kommunikationswissenschaft erweist sie sich als ein geeigneter Ansatz, zentrale Diskussionsfelder vor allem der Journalismus- (vgl. Altmeppen, 2006) oder PR-Forschung zu fassen (vgl. Jarren & Röttger, 2004; Röttger, 2000; Zühlsdorf, 2002). Denn wie bereits skizziert lässt sich in der publizistik- und kommunikationswissenschaftlichen Theoriebildung – trotz Vielfalt der Theorieansätze und unterschiedlicher Theoriereichweiten – ein Dualismus von mikro- und makroperspektivischer Ansätze identifizieren. Aus diesem Defizit leitet sich die Forderung nach einem integrativen Ansatz ab, Organisationskommunikation in der Kommunikationswissenschaft sowohl theoriebasiert zu erfassen als auch den Dualismus von Akteur und System zu überwinden. Der Versuch, die Strukturationstheorie auf die Kommunikationswissenschaft zu übertragen, bietet die Möglichkeit diesen formulierten Desiderata zu begegnen. 3.2.1 3.2.1.1
Grundzüge der Strukturationstheorie Reflexivität und Rekursivität
Im Mittelpunkt der Strukturationstheorie stehen die zentralen Annahmen der Reflexivität und Rekursivität. Handelnde Akteure sind bei Giddens bewusstseinsfähige Subjekte, die ihr Verhalten laufend beobachten, kontrollieren und steuern. Handeln muss dabei nicht immer intendiert sein und damit klare Ziele verfolgen. Entsprechend steht bei ihm die Intentionalität auch nicht primär am Anfang des Handelns sondern resultiert aus einer reflexiven Beobachtung heraus. Reflexivität bedeutet, dass sich handelnde Akteure („knowledgeable agents“) mehr oder minder überlegt auf ihr eigenes, vergangenes, gegenwärtiges und zukünftig erwartetes Verhalten beziehen (vgl. Ortmann, et al., 1997, S. 317). Sie richten sich dafür an vorgegebenen Strukturen oder dem Handeln anderer aus. Reflexivität schränkt soziales Handeln damit zunächst einmal ein. Giddens geht jedoch bewusst einen Schritt weiter und argumentiert, dass eine vorgegebene Struktur das Handeln mehr als nur be-
3.2 Die Strukturationstheorie nach Giddens
125
grenzt. Vielmehr wird Struktur durch Handeln gleichermaßen auch modifiziert und reproduziert. Sie geht aus (intendiertem oder nicht-intendiertem) Handeln als Ergebnis hervor (Output), um gleichzeitig wieder in das Handeln als Medium mit ein zu gehen (Input). Ebendiese Sichtweise, dass Akteure ihr Handeln einerseits auf vorgegebene Strukturen beziehen und andererseits diese gleichzeitig dadurch formen, meint der Begriff der Rekursivität. Mit dieser zentralen Annahme der Strukturationstheorie wird deutlich, dass in diesem Denkmodell kein funktionaler Zusammenhang zwischen Handeln und Struktur besteht. Vielmehr ermöglicht Handeln Struktur, die wiederum das Handeln begrenzt und ermöglicht (vgl. hierzu auch Ortmann, et al., 1997, S. 319). Anders ausgedrückt: Soziale Handlungen sind rekursiv, da sie die Bedingungen ihrer selbst reproduzieren. Deutlich wird dies in der Betrachtung im zeitlichen Verlauf (für Giddens ist die Temporalisierung wesentliches Kennzeichen sozialer Praxis). Strukturbildung, die durch die Anwendung von Regeln und Ressourcen (vgl. Kapitel 3.2.1.3) das Ergebnis vorangegangener Handlung ist, bildet gleichzeitig strukturierende Bedingungen aktuellen Handelns (vgl. Abbildung 14). Diesen Prozess der Produktion und Reproduktion bezeichnet Giddens als Strukturation. Abbildung 14: Rekursivität von Struktur und Handlung im Zeitverlauf
Struktur (begrenzt und ermöglicht)
Handlung (reproduziert und modifiziert)
(Eigene Darstellung) Neben der Zeit als wesentliches Element für die Produktion und Reproduktion sozialer Handlung, nimmt Strukturation auch Raum in Anspruch. Denn soziale Praktiken drücken sich stets durch konkrete räumliche Interaktionen ihrer Akteure aus. Soziale Ordnung entsteht damit durch – wenngleich flexible – raumzeitlich wiederkehrende Muster. Mit der Dualität von Struktur formuliert Giddens den Kern der Strukturationstheorie und überwindet damit die aufgezeigte Gegensätzlichkeit von Struktur und Handlung. Denn beide stehen sich nicht mehr gegensätzlich gegenüber, sondern bedingen einander. Im Folgenden werden die Kernelemente Handeln, Struktur sowie die Dimensionen des Sozialen vertiefend dargestellt. Das Verständnis dieser Konzepte ist die Voraussetzung, um anschließend einen geeigneten Theorierahmen zu formulieren.
126
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
3.2.1.2
Handeln und Handelnde
Soziale Akteure, so konnte in Grundzügen bereits dargelegt werden, sind in der Strukturationstheorie gekennzeichnet durch ihr bewusstes und reflexives Handeln und damit die Fähigkeit, auf ihre Umwelt einzuwirken. Sie steuern nicht nur den Fluss ihrer eigenen Aktivitäten (bzw. erwarten dies auch von anderen Akteuren), sondern nehmen gleichsam aktiv Einfluss auf die Umfeldbedingungen, in denen sie sich bewegen (vgl. Giddens, 1995a, S. 55). Handeln erfolgt nach dem Stratifikationsmodell, in dem zwischen insgesamt drei Handlungsschichten differenziert wird. Die zentralen Bestandteile des Modells sind die (bewusste oder unbewusste) Handlungsmotivation, die Handlungsrationalisierung (also das Formulieren von Gründen für das Handeln) sowie die reflexive Steuerung des Handelns (vgl. Abbildung 15). Abbildung 15: Das Stratifikationsmodell des Handelnden
Reflexive Steuerung des Handelns
Diskursives Bewusstsein
Handlungsrationalisierung
Praktisches Bewusstsein
Handlungsmotivation
(Eigene Darstellung; vgl. hierzu auch Giddens, 1997, S. 56) Die drei Ebenen gehen hervor aus Überlegungen zum Handlungsbewusstsein. Handelnde Akteure verfügen grundsätzlich über Kontextwissen, also ein Wissen über die Struktur in der sie sich bewegen. Auch wenn dieses Wissen zwar vorhanden ist, so wird es nicht in jedem Handlungsakt formuliert. Im Gegenteil – vielmehr verfügen Akteure über eine Art handlungspraktisches Wissen welches sich aus routinierten Handlungen ergibt (vgl. Giddens, 1984). Dieses Handlungswissen aus dem praktischen Bewusstsein kann in ein diskursives Bewusstsein überführt werden, d.h. Akteure benennen konkret die Struktur, in der ihr
3.2 Die Strukturationstheorie nach Giddens
127
gegenwärtiges Handeln stattfindet. Die Grenze zwischen dem praktischen und diskursiven Bewusstsein ist dabei fließend, denn auf Nachfrage lassen sich Gründe für das Handeln schnell benennen. Dies zeigt, dass die Trennung zwischen Rationalisierung und reflexiver Steuerung analytisch zu verstehen ist. Das Vermögen, die Struktur in der sich soziale Akteure bewegen zu benennen, bezeichnet Giddens als (Handlungs-)Rationalisierung und beschreibt damit ein weiteres zentrales Merkmal der Strukturationstheorie. Je besser die Qualität des Wissens über das strukturelle Umfeld (bzw. die Fähigkeit dies zu formulieren), desto eher sind Akteure in der Lage dies schließlich auf einer dritten Ebene bewusst zu beeinflussen (reflexive Steuerung des Handelns): „[...] the more adequate their knowledgeability of context [...] the less likely they are to engage in actions that may lead to unintended consequences“ (Stones, 2005, S. 25). Eine reflexive Steuerung des Handelns und damit die aktive Einflussnahme auf das strukturelle Umfeld bedeutet jedoch nicht, dass die Prozesse der Produktion von Struktur durch handelnde Akteure vollständig kontrolliert werden. Das würde voraussetzen, dass sie ständig nach klar bestimmbaren Intentionen handeln. Akteure agieren jedoch erstens zu einem nicht unerheblichen Teil unter unerkannten Handlungsbedingungen (vgl. Abbildung 15) und produzieren damit gleichsam unbeabsichtigte Handlungsfolgen. Diese Folgen werden zu nichtintendierte Bedingung der Strukturreproduktion. In der Argumentation der Strukturationstheorie sind Strukturen demnach zum Teil „nichtbeabsichtigte Folgen, die zurückkehren, um sich als Bedingungen weiteren Handelns zu zeigen“ (Walgenbach, 2006, S. 209) – so genannte homöostatische Kausalschleifen (vgl. Lamla, 2003, S. 60). Zweitens kommt die Handlungsrationalisierung im Alltagshandeln nur sehr selten vor, so dass Routinehandlungen dominieren (vgl. Röttger, 2000, S. 145). Ein Alltagshandeln wäre durch eine permanente Rationalisierung auch kaum möglich. Erst durch routinemäßiges Handeln werden die Bedingungen (Struktur) bzw. unbeabsichtigte Folgen (ebenfalls Struktur) nicht dauerhaft hinterfragt und Interaktionsbeziehungen müssen nicht immer wieder neu aufgebaut werden. Dabei bedeutet Routine nicht, dass die reflexive Beobachtung vollständig aussetzt und sie damit eine unreflektierte Gewohnheitshandlung ist (vgl. Giddens, 1984, S. 64 f.). Vielmehr vermögen Akteure nur die Begründung für ihr Handeln nicht oder nur schwer zu formulieren, weil die Handlungsbedingungen habitualisiert sind. Die reflexive Steuerung und die Rationalisierung des Handelns unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von der Handlungsmotivation. Bis hierher wurde argumentiert, dass Akteure die Absichten – also die Gründe – ihres Handelns (auch wenn dies in der Regel nicht geschieht), diskursiv darlegen können. Diese Annahme lässt sich jedoch nicht auf die (unbewusste) Handlungsmotivation übertragen. Handlungsmotive beziehen sich hier auf Bedürfnisse, die nicht „direkt in die Kontinuität des Handelns eingelassen [sind] wie seine reflexive Steuerung oder Rationalisierung“ (Giddens, 1995a, S. 57). Sie sind damit eher ein Gesamtplan, der hinter dem Handeln steht. Absichten des Handelns lassen sich in der Rationalisierung fast immer konkret benennen, Absichten der Motivation hingegen nicht. Motive lassen sich auch auf Nachfrage nicht benennen (vgl. ebd.). Daraus lässt sich ableiten, dass auch nicht konkret benennbare Intentionen Teil der Strukturation werden.
128
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Abbildung 16: Bewusstseinsebenen und Handlungskontrolle
Diskursives Bewusstsein
Praktisches Bewusstsein
Unterbewusstsein Routiniertes Handeln
Diskursiv gesteuertes Handeln
(i.A.a. A. Becker, 1996, S. 152) Mit dieser Differenzierung lässt sich bereits zusammenfassen, dass zwischen einem unbewussten und einem diskursiven Wissen (und damit dem, was Giddens als „praktisches Bewusstsein“ bezeichnet) unterschieden werden muss. Beide – die beabsichtigten und unbeabsichtigten Handlungsfolgen – können zur (erkannten oder unerkannten) Bedingung des Handelns werden. Akteure sind damit zwar in der Lage, ihr Handeln anhand von Intentionen bewusst zu steuern, plausible Begründungen werden in der Regel jedoch nicht explizit benannt, sondern implizit vorausgesetzt. Dies gilt nicht nur für das eigene Handeln: Akteure gehen vielmehr auch bei ihren Interaktionspartnern davon aus, auf Nachfrage eine nachvollziehbare Begründung für ihr Handeln liefern zu können. Solche impliziten Begründungen fallen allerdings oft verkürzt aus, weil sich im praktischen Alltagshandeln bestimmte Aspekte des Handelns der Kontrolle durch das Subjekt entziehen (unbewusste Motive, unerkannte Motive, unbeabsichtigte Motive) (vgl. Lamla, 2003, S. 49). Handlungsgründe werden in Rationalisierungen entsprechend stark verzerrt wahrgenommen oder verleugnet. 3.2.1.3
Struktur
Auch wenn die reflexive Bewusstseinsfähigkeit zentrales Merkmal handelnder Akteure ist, ein Beleg subjektiver Eigenständigkeit gegenüber sozialen Vorgaben ist dies noch nicht (vgl. Lamla, 2003, S. 50). Erst einerseits durch das Vermögen, sich entscheiden zu können und andererseits durch die strukturelle Vorgabe von Handlungsmöglichkeiten, wird die Bildung autonomer Subjektivität möglich. Giddens differenziert in seinem Handlungsbegriff entsprechend zwischen dem Vermögen zur Entscheidung („capability“) sowie dem Regelwissen, der Einsichtsfähigkeit24 („knowledgeability“) (vgl. Röttger, 2000, S. 139). Handeln entsteht nicht aus einem Vakuum heraus, sondern bezieht sich stets auf vorgefundene Strukturen. Zur Erklärung der Strukturationstheorie führt Giddens daher den Begriff der Strukturprinzipien ein, wobei er diesen „in variierenden Formen und differenten Konnotationen verwendet“ (Altmeppen, 2006, S. 43): Im Singular (Struktur) wird sie definiert als Regeln und Ressourcen, während im Plural (Strukturen) darunter Komplexe ebendieser Regeln und Ressourcen über Raum und Zeit hinweg verstanden werden (vgl. Giddens, 24
Giddens schreibt im Original von „knowledgeability“. In der deutschsprachigen Literatur wird der Begriff oft mit „Bewusstheit“ übersetzt, der Giddens Idee der Reflexionsfähigkeit sozialer Akteure jedoch nur bedingt gerecht wird. In Anlehnung an Neuberger und Röttger wird daher der Begriff der „Einsichtsfähigkeit“ eingeführt (vgl. Neuberger, 1995; Röttger, 2000).
3.2 Die Strukturationstheorie nach Giddens
129
1995a, S. 75). Giddens Strukturbegriff unterscheidet sich damit erheblich von anderen organisationstheoretischen Begriffsbestimmungen. Bei ihm stabilisieren Regeln und Ressourcen die Interaktionsbeziehungen von Akteuren sowohl über Raum als auch über die Zeit hinweg und können verstanden werden als die Verbindungselemente zwischen Handeln und Struktur (vgl. Röttger, 2005, S. 13). Dies gilt es zu explizieren. Jegliche Form sozialer Interaktion benötigt Ressourcen – sie sind es, die den Prozess des sozialen Handelns überhaupt erst ermöglichen. Giddens unterscheidet zwischen allokativen und autoritativen Ressourcen (vgl. Giddens, 1995a, S. 69 ff.). Allokative Ressourcen beziehen sich dabei auf die Fähigkeit, materielle Phänomene der Umwelt (Herrschaft über Objekte) umzugestalten oder zu kontrollieren (z.B. Kapital, Rechte, Güter). Autoritative Ressourcen umfassen hingegen das Vermögen der Umgestaltung von Beziehungen zwischen Akteuren (Herrschaft über Personen) (z.B. Organisationswissen, Reputation, Image). Dabei ist wichtig festzuhalten, dass beide Ressourcen nicht immer dichotom betrachtet werden können. So verleiht beispielsweise das Allokationsmedium Geld zugleich auch Autorität (vgl. Walgenbach, 2006, S. 212). Die Anwendung allokativer und autoritativer Ressourcen ermöglicht es Akteuren, „Macht auszuüben und bestimmte Herrschaftsordnungen [zu] reproduzieren“ (Röttger, 2005, S. 13). Handeln setzt voraus, dass Handelnde eine Wahl haben, sich zwischen bestimmten Handlungsalternativen zu entscheiden. Dabei ist durchaus entscheidend, welche Handlungsalternative Akteure wählen, denn diese determiniert auf welche Umfeldbedingung – und damit auf welche Struktur – sie sich jeweils beziehen. Ihre Entscheidungen fällen sie einerseits anhand von Intentionen, routinierter Handlungen oder unbeabsichtigten Handlungsfolgen. Doch um strukturelle Ressourcen einsetzen zu können, bedarf es andererseits auch sozialen Kontextwissens also dem Wissen über die Handlungsbedingungen, dem Wissen über die Struktur. Entsprechend besteht Struktur nicht nur aus Ressourcen, sondern auch aus Regeln, die Entscheidungsoptionen der Akteure determinieren. Mit Regeln ist das Wissen gemeint, bestimmte Ressourcen legitim und effizient einzusetzen (und damit gleichsam sozialen Routinen zu folgen). Handelnde, die diese Regeln anwenden, kennen durchaus deren Bedeutung, wenngleich sie diese nicht zwangsläufig formulieren können (vgl. Kapitel 3.2.1.2). In der Strukturationstheorie wird unterschieden zwischen Regeln der Sinnkonstitution (Signifikation) und Regeln der Sanktionierung sozialen Verhaltens (Legitimation). Bei der Konstitution von Sinn sind Regeln definiert als interpretative Schemata die sozialen Akteuren helfen, einerseits den Sinn in der Handlung anderer zu erkennen und andererseits durch verallgemeinerbare Verfahrensweisen eine fortlaufende Orientierung ihrer eigenen Aktivitäten sicher zu stellen. „Regeln sind somit generalisierbare Prozeduren, die etablierte Handlungsfolgen aufrecht erhalten [...]“ (Altmeppen, 2006, S. 49). Regeln der Sanktionierung hingegen regulieren soziale Praktiken im Hinblick auf organisierte Regelkomplexe bzw. kodifizierte Gesetze. Beides lässt sich nun in den Dimensionen des Sozialen zusammenführen. 3.2.1.4
Die Dualität von Struktur und die Dimensionen des Sozialen
Bisher wurden Struktur und Handlung getrennt voneinander dargestellt. Im Zentrum der Strukturationstheorie steht jedoch die Zusammenführung beider Prinzipien: Struktur als rekursiv organisierte Menge von Ressourcen und Regeln ist zwar unabhängig von Raum, Zeit und Subjekt denkbar (Giddens, 1995a, S. 77). Sie ist andererseits aber eingebettet in
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
die Aktivitäten handelnder Akteure und wird erst durch sie kontinuierlich reproduziert (vgl. hierzu auch Archer, 1982, S. 457). Durch Struktur als rekursiv organisierte Regeln und Ressourcen wird es möglich, dass soziale Praktiken über Zeit und Raum hinweg damit immer wieder identisch reproduziert werden können. Derart kontinuierlich reproduzierte Interaktionsbeziehungen werden bei Giddens als „soziales System“ bezeichnet (vgl. Giddens, 1984, S. 25). Dabei ist unerheblich, in welcher Dimension die Interaktion stattfindet: Gesellschaften können ebenso ein soziales System bilden, wie Organisationen (z.B. Unternehmen). Für die Zusammenführung skizziert Giddens ein Handlungs-Struktur-Schema (vgl. Abbildung 17), in dem er zwischen drei Dimensionen des Sozialen unterscheidet: Signifikation, Legitimation und Herrschaft. Abbildung 17: Die Dimensionen des Sozialen
(Ortmann, Sydow, Windeler 1999, S. 325 i.A.a. Giddens 1984a, S. 29) Struktur existiert nur durch ihre Realisierung durch soziale Praktiken (vgl. Giddens, 1984, S. 16 ff.). Handeln sozialer Akteure bezieht sich also einerseits auf vorgefundene Strukturen und reproduziert diese andererseits. Die Dimensionen des Sozialen werden gemäß der Dualität von Struktur zum Medium und zum Ergebnis der Praktiken die sie rekursiv organisieren. Die aufgezeigten Regeln der Sinnkonstitution, die der Legitimation sowie die allokativen und autoritativen Ressourcen (Herrschaft) wurden bislang nur auf der Strukturebene formuliert. Sie finden ihre Entsprechung auf der Ebene des Handelns in der Kommunikation, Sanktionierung (also der Bewertung von Verhalten) und Machtausübung. Sie sind die konkreten Praktiken bzw. Interaktionsprozesse sozialer Akteure.
3.2 Die Strukturationstheorie nach Giddens
131
Die Vermittlung von Struktur und Handeln erfolgt über Deutungsschemata, Normen oder Machtmittel, die sich unter dem Begriff der Modalitäten zusammenfassen lassen. Mit ihnen ist die konkrete Anwendung oder Mobilisierung der dargestellten Regeln und Ressourcen in einem Interaktionszusammenhang gemeint. Interpretative Schemata dienen dabei der Sinnkonstitution, d.h. der Interpretation von Handlungen. Durch sie lässt sich der Sinn einer Handlung deuten und spielt daher vor allem innerhalb der Interaktion zwischen Akteuren eine wichtige Rolle. Normen als zweite Modalität dienen dazu, Handlungen zu rechtfertigen oder zu sanktionieren. Sie können entweder kodifiziert (z.B. in Form von Rechtsnormen) oder nicht kodifiziert (z.B. moralisches Verhalten) vorliegen. Bei kooperativem Verhalten lässt sich durch sie bestimmen, was zulässige und was unzulässige Handlungsweisen sind (vgl. Schneidewind, 1998, S. 142). In den Dimensionen des Sozialen vermitteln autoritative Ressourcen schließlich Macht über Akteure, um ihr Verhalten zu steuern. Allokative Ressourcen vermitteln in ähnlicher Form Macht über Sachmittel, die zur Ausführung von Handlungen notwendig wird. Giddens fasst allokative und autoritative Ressourcen als Fazilität (Machtmittel) zusammen. In dem Handlungs-Struktur-Schema konkretisieren sich also die zentralen Annahmen der Strukturationstheorie: Indem sich Akteure in ihrem Handeln auf interpretative Schemata, Machtmittel oder Normen beziehen, sind sie in der Lage Struktur zu reproduzieren. Auch wenn die Strukturdimensionen analytisch getrennt werden, so hängen sie eng miteinander zusammen. Die drei Strukturdimensionen Signifikation, Herrschaft und Legitimation sind daher nur analytisch trennbar, d.h. sie existieren niemals getrennt voneinander: Strukturreproduktion vollzieht sich demnach nicht ausschließlich nur durch Machtausübung oder nur durch Kommunikation. Vielmehr sind immer alle drei Elemente gemeinsam Grundlage der Reproduktion von Struktur – wenngleich mit unterschiedlicher Gewichtung. Sowohl das handelnde Subjekt wie auch das soziale Objekt werden gleichberechtigt in rekursiven sozialen Handlungen konstituiert (vgl. Giddens, 1988, S. 288 f.). Handeln orientiert sich in der Regel an interpretativen Schemata, vollzieht sich unter Rückgriff auf Machtmittel und bewegt sich dabei innerhalb von kodifizierten oder nicht-kodifizierten Rahmenbedingungen. Wenn also Mitglieder einer Organisation kommunizieren beziehen sie sich reflexiv und rekursiv auf Regeln der Signifikation die wiederum zur Modalität ihres Handelns werden. Gleichzeitig üben sie, indem sie sich auf autoritative und allokative Ressourcen beziehen, Macht aus und sanktionieren, indem sie ihr Handeln an bestimmten Normen orientieren. Dadurch wird ihr Handeln wieder legitimiert (vgl. Ortmann, et al., 1997, S. 320). 3.2.2
(Kommunikatives) Organisationshandeln als Prozess reflexiver Strukturen
Mit der Zusammenführung von Handeln und Struktur sowie der Darstellung der Dimensionen des Sozialen wurden die wichtigsten Grundlinien der Strukturationstheorie dargelegt. Bevor diese als Theorierahmen für eine Krisenkommunikation von Organisationen fruchtbar gemacht werden, bedarf es zunächst einiger weiterer theoretischer Überlegungen und Ergänzungen. Organisationskommunikation im Allgemeinen bzw. eine an die Öffentlichkeit gewandte Krisenkommunikation im Speziellen wird im Folgenden als Organisationsfunktion betrachtet (vgl. hierzu auch Röttger, 2005; Zerfaß, 2004). Dazu wird zunächst der Organisationsbegriff strukturationstheoretisch eingebettet, dieser anschließend auf Organi-
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
sationshandeln übertragen und abschließend die Kommunikationsfunktion als organisationale Umweltsteuerung expliziert. 3.2.2.1
Strukturationstheoretischer Organisationsbegriff
Giddens differenziert zwischen zwei Typen von Kollektiven: der Gemeinschaft und der Organisation. Der Unterschied zwischen beiden liegt in ihrer Intention der reflexiven Steuerung, die für eine Strukturreproduktion notwendig ist (vgl. Giddens, 1995a, S. 255): Während für Gemeinschaften die Sicherung der Einflussnahme auf die Bedingungen der sozialen Reproduktion im Mittelpunkt steht, haben Organisationen ein Interesse an der reflexiven Steuerung der Bedingungen der Systemreproduktion. Auch wenn Giddens diese Unterscheidung der Kollektivtypen vornimmt, so bezieht er den Begriff des Handelnden in erster Linie auf individuelle Akteure. Damit stellt sich die Frage, inwieweit auch Organisationen überhaupt als Akteure verstanden werden können. Eine Betrachtung von Organisationen (also Kollektiven) als Einzelakteur ist nicht nur möglich, sondern auch durchaus sinnvoll. Denn Träger von Reflexion in institutionellen Organisationen sind grundsätzlich nicht nur einzelne Subjekte, also personale Akteure. Vielmehr sind diese rekursiv genug, um Organisationen bzw. organisierte Systeme (wie etwa Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft) als Einzelakteur zu betrachten, „wenn ein bedeutsames Maß an reflexiver Steuerung der Bedingungen sozialer Reproduktion gegeben ist“ (vgl. Giddens, 1995a, S. 278). Dies können Routinen und Ressourcen sein, die übergreifend und damit unabhängig von individuellem Handeln in Organisationen existieren. Eine durch Regeln und Ressourcen hervorgebrachte Struktur verleiht Organisationen sogar erst ihre Identität (vgl. Zerfaß, 2004, S. 94 f.). Damit sind Organisationen im Sinne der Strukturationstheorie als korporative Akteure grundsätzlich denkbar. Dennoch soll an dieser Stelle diskutiert werden, ob sich das Ziel der Einflussnahme auf die Bedingungen der Systemreproduktion auch auf unterschiedliche Organisationstypen übertragen lässt. Organisationen lassen sich in Einzel-, Solidar-, politischen, öffentlichen, Gruppen- und Nichtregierungsorganisationen differenzieren (vgl. Tabelle 12). Tabelle 12: Typologisierung von Organisationen Organisationstyp
Zieldimension
Einzel-Organisation
Wirtschaftliche Ziele einzelner Unternehmen
Solidar-Organisation
Wirtschaftliche/soziale Ziele von Gruppen (z.B. Verbände)
Politische Organisation
Politische Gestaltung (z.B. Parteien)
Öffentliche Organisation
Dem Gemeinwohl dienende Interessen (z.B. Verwaltungen, Universitäten)
3.2 Die Strukturationstheorie nach Giddens
133
(Fortsetzung) Gruppen-Organisation
Zusammenschluss ohne wirtschaftliche/politische Ziele (z.B. Vereine)
Nicht-RegierungsOrganisation
Problemfeldbezogen, gemeinwohlorientiert
(i.A.a. Szyszka, 2006, S. 210) Insbesondere für öffentliche Organisationen ließe sich argumentieren, dass im Sinne der Strukturationstheorie ihr Ziel ist, Einfluss auf die Bedingungen der sozialen Reproduktion zu nehmen. Vergegenwärtigt man sich jedoch die Zieldimensionen der verschiedenen Organisationstypen so wird deutlich, dass – auch wenn Gruppen-Organisationen eine stärkere Ausrichtung auf die Gemeinschaft haben als beispielsweise Einzel- oder Solidarorganisationen – sie letztlich nur dem Gemeinwohl dienen. Um zu bestehen ist auch ihr übergeordnetes Ziel, den eigenen Systembestand zu sichern. Damit gilt, dass für alle aufgezeigten Organisationstypen die Steuerung der Bedingungen der eigenen Systemreproduktion im Vordergrund steht – wenngleich sich die Bedingungen an divergenten Zielen orientieren und sich damit deutlich voneinander unterscheiden. Mit diesen Überlegungen lässt sich der Organisationsbegriff nun allgemein strukturationstheoretisch einbetten. Der Begriff „Organisation“ ergibt sich aus einer grundsätzlichen Zweideutigkeit: Einerseits umfasst er den Prozess des Organisierens, andererseits die Organisiertheit sozialen Handelns (vgl. Ortmann, et al., 1997, S. 322). Im strukturtheoretischen Verständnis ergibt sich beides aus der Rekursivität menschlichen Handelns: Handelnd wird diejenige Struktur als Resultat hervorgebracht die das Handeln wiederum überhaupt erst ermöglicht. Interaktionsbezugsrahmen, in denen sich routiniertes Handeln abspielt, werden also durch die Reproduktion der miteinander verbundenen Rollenbeziehungen reflexiv gesteuert. Strukturation im Falle von Organisationen ist analog dazu das Resultat einer um Zweckmäßigkeit bemühte Reflexion (vgl. Ortmann, et al., 1997, S. 317). Das bedeutet, dass das Handeln von Organisationen sich an bestimmten Zwecksetzungen und Zielen orientiert. Handlungsalternativen, die dieser Zwecksetzung nicht entsprechen, werden ausgeblendet. Der Steuerungsbedarf, um diese Organisationsziele zu erreichen, lässt sich anhand von zwei Perspektiven charakterisieren (vgl. Jarren & Röttger, 2004, S. 29 f.). So stellt sich binnenperspektivisch die Frage nach der Zielformulierung sowie der Koordination und Steuerung beteiligter Akteure – und damit nach dem Verhältnis von Handlung und Struktur. Den Strukturierungsmodalitäten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Hingegen stellt sich außenperspektivisch nicht nur die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von Organisationen zu ihrer Umwelt. Vielmehr geht es darum zu klären, welchen Einfluss Organisationen auf ihre Umwelt ausüben können und umgekehrt. Organisationshandeln Interaktionsprozesse zwischen Organisationen und ihrer Umwelt entsprechen einem wechselseitigen Beeinflussungs- und Austauschprozess (vgl. Röttger, 2005, S. 15). Aus strukturationstheoretischer Perspektive kann die Umwelt von Organisationen daher als Medium und Resultat organisationalen Handelns verstanden werden. Wenn das übergeordnete Ziel
134
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
von Organisationen ist, die Freiheitsgerade organisationaler Entscheidungen zu vergrößern (vgl. Zimmer, 2001), haben Organisationen zunächst ein ganz fundamentales Interesse daran, Austauschbeziehungen zu ihrer Umwelt zu pflegen bzw. zu beeinflussen. Sie stehen dabei in einer Vielzahl von Beziehungen zu anderen kollektiven und individuellen Akteuren. Korporative Akteure bringen dadurch Netzwerke hervor, „in dem sie unter Rekurs auf systemisch regulierte Geschäftsinteraktionen und beziehungen und darüber hinaus reichende Kontexte bis hin zu gesellschaftlichen Totalitäten einen dauerhaften Beziehungszusammenhang zwischen sich schaffen und/oder sich im Handeln vergegenwärtigen“ (Windeler, 2001, S. 124 f.).
Bei Organisationen, lässt sich dabei zwischen organisationsbezogenen Beziehungen (z.B. zu Eigentümern, Kunden, Mitarbeitern) und umfeldbezogenen Beziehungen (z.B. zu Regierungen, Wettbewerbern, Interessengemeinschaften, Medien) differenzieren (vgl. Freeman, 1984). Eine rein marktbezogene Betrachtung der Umfeldbeziehungen greift für Wirtschaftsorganisationen jedoch zu kurz. Denn ökonomischer Erfolg wird nicht mehr nur auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten entschieden. „Unternehmerischer Erfolg hängt in modernen Gesellschaften zunehmend auch davon ab, inwieweit sich Wirtschaftsorganisationen im gesellschaftspolitischen Umfeld, d.h. gegenüber gesellschaftlichen Gruppierungen mit konkurrierenden und konfliktären Ansprüchen legitimieren können“ (Röttger, 2005, S. 15).
Das bedeutet, dass neben den marktbezogenen auch gesellschaftspolitische Beziehungen für ökonomische Organisationen von entscheidender Bedeutung sind. Diese gilt es durch Kommunikation einerseits überhaupt erst zu schaffen und andererseits zu stabilisieren. Es stellt sich also die Frage, wie Organisationen dazu in der Lage sind, diese Austauschbeziehungen zu beeinflussen. 3.2.2.2
Die Kommunikationsfunktion von Organisationen
Anknüpfend an die Überlegungen der Zweckorientierung und des Organisationshandelns kann davon ausgegangen werden, dass Organisationen eine ständige Handlungskoordination und Interessenabstimmung erfordern (vgl. hierzu auch J. Grunig & Hunt, 1984). Die einzige Möglichkeit, diese Prozesse zu koordinieren, ist Kommunikation. Eine an die Öffentlichkeit gerichtete Organisationskommunikation (PR) lässt sich dabei konkretisieren als Grenzstelle zwischen organisationsinterner und -externer Umwelt: PR fördert die Koordinierung zwischen der Organisation als Akteur und den Akteuren ihrer Umwelt. Organisationskommunikation25 als Form kommunikativen Handelns bezieht sich strukturationstheoretisch vor allem auf Regeln der Sinnkonstitution, indem sie intern wie extern wirksame Images produziert, Wahrnehmungsmuster prägt oder Deutungsschemata und Interpretationshilfen anbietet (vgl. Röttger, 2005, S. 16). Die Sinnkonstitution unterliegt dabei stets den Vorgaben der Organisationen. Denn ähnlich wie das Handeln kompetenter Akteure entstehen Ziel und Zweck der Organisationskommunikation nicht aus einem Vakuum heraus. Beides ist gebunden an Vorgaben der Organisation, auf den sich die Kommunikation bezieht. So ist Aufgabe von PR, „auf Basis systematischer Umweltbeobachtung legitimations- bzw. organisationsrelevante Informationen aus der Organisationsumwelt in die orga25
Auch wenn Organisationskommunikation interne und externe Kommunikation einschließt, ist wenn im Folgenden von Organisationskommunikation die Rede ist ausschließlich eine an die externe Öffentlichkeit gerichtete Kommunikation gemeint.
3.2 Die Strukturationstheorie nach Giddens
135
nisationale Systemreproduktion einzuspeisen“ (Jarren & Röttger, 2004, S. 41). Dies wird ermöglicht einerseits durch die Beobachtungsfunktion von PR und andererseits durch intendierte kommunikative Steuerung. Die Beobachtungsfunktion von PR lässt sich anhand von drei Perspektiven beschreiben: der internen Beobachtung der Organisation, der Beobachtung der Organisation aus quasi externer Perspektive und der Beobachtung relevanter Stakeholder in der Organisationsumwelt (vgl. Röttger, 2005, S. 16). Der Abgleich dieser drei Perspektiven ermöglicht es der PR, frühzeitig Informationen aus der Organisationsumwelt in die Systemreproduktion einzuspeisen. Public Relations befinden sich dabei allerdings in dem Dilemma, aus einer quasi externen Perspektive zu beobachten, wie zentrale Stakeholder sie sehen und gleichzeitig Teil der Organisation selbst zu sein. Auch die kommunikative Steuerungsfunktion26 lässt sich anhand verschiedener Wirkungsrichtungen klassifizieren: einer marktbezogenen Kommunikationsrichtung einerseits und einer sozial-gesellschaftlichen andererseits. Entscheidend dafür ist, ein entsprechendes PR-Verständnis zugrunde zu legen das dem Postulat einer markt- und gesellschaftlichen Orientierung gerecht wird. Denn die intendierte (also nicht die zufällige) Steuerung durch Organisationskommunikation lässt sich in zweifacher Hinsicht entfalten (vgl. Zerfaß, 2004, S. 297 ff.). So werden erstens durch Öffentlichkeitsarbeit diejenigen Bezugsgruppen beeinflusst, die direkt oder indirekt zur Zweckerfüllung des Unternehmens beitragen. Wirtschaftsorganisationen werden also in ihrem jeweiligen Marktumfeld positioniert. Zweitens findet diese Positionierung aber auch in einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang statt, indem durch die Vermittlung konkreter Wertvorstellungen organisationales Handeln legitimiert werden soll. Kommunikation ermöglicht damit eine Positionierung in Markt und Gesellschaft. Die Einsicht, dass das marktorientierte und soziale Umfeld einer Organisation inzwischen immer mehr zu komplexen Netzwerken miteinander verschmelzen, stellen entsprechend neue Herausforderungen an die Öffentlichkeitsarbeit von wirtschaftlichen Organisationen. Eine leistungsbezogene Kommunikation hält also spezifische Informationen für Transaktionen auf Absatz- und Beschaffungsmärkten bereit, während das Ziel imagebezogener Kommunikation ist, vor allem Glaubwürdigkeit für den Aufbau von Reputation zu vermitteln. Eine kontextbezogene Kommunikation kann dabei gleichzeitig auf ökonomische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen eingehen (vgl. Raffée & Wiedmann, 1989). Somit ist zusammenfassend das Ziel kommunikativer Steuerung, wirtschaftliche und gesellschaftliche Interpretations- und Definitionsfragen gezielt zu beeinflussen, um so eine Systemreproduktion zu sichern (vgl. Kapitel 3.2.2.1). 3.2.3
Die Strukturationstheorie und empirische Forschung
Die Diskussion der empirischen Umsetzbarkeit der Strukturationstheorie ist nicht unerheblich, denn „the conncection to empirical research is fundamentally important, for without this the link both to explaining the events which occur in the social world and to intervening to change this world disappear“ (Gregson, 1990, S. 236). Da Giddens in seinen Ausführungen Interpretationsspielraum lässt bzw. die empirische Umsetzbarkeit nur unzu26
Kommunikative Steuerung soll im Folgenden jedoch nicht im Sinne einer manipulativen Steuerung verstanden werden, sondern als ein aus sozialwissenschaftlich Sicht Einwirken auf Systemstrukturen.
136
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
reichend konkretisiert, wird sie immer wieder Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion (vgl. ebd., S. 238). Giddens Anspruch an die Strukturationstheorie ist, nicht nur einen Interpretationsrahmen für soziale Prozesse zu formulieren. Er will vielmehr auch einen soziologischen Betrachtungsansatz für die empirische Forschung und damit eine theoretisch-methodische Grundlage für die Sozialwissenschaft liefern. Dies hat für die Sozialwissenschaft methodische Konsequenzen. Nach Giddens muss man sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung auf eine „verstehende Rekonstruktion der Wissensbestände der Akteure“ (Walgenbach, 2006, S. 414) einlassen (vgl. Giddens, 1984, S. 336). D.h. Wissen kann nur generiert werden, wenn die laienhaften Beschreibungen der Akteure selbst in die Analyse mit einbezogen werden. Mit Giddens Theorie bleibt damit zunächst unklar, warum das durch die Sozialwissenschaft generierte Wissen dem der Laienakteure überlegen ist. Giddens liefert hierfür als Begründung, dass die Sozialwissenschaft das Wissen der Laienakteure kritisch einordnen kann (vgl. Giddens, 1979, S. 248 ff.) – bleibt aber ungenau, für wen und für welchen Zweck die Sozialwissenschaft dieses Wissen letztlich bereitstellt (vgl. Walgenbach, 2006, S. 415). Mit der Strukturationstheorie versucht Giddens, die sich gegenseitig ausschließenden sozialwissenschaftlichen Grundpositionen des Verstehens und des Erklärens zu überwinden und führt den Dualismus zwischen subjektivistischen und objektivistischen Positionen zusammen (vgl. Giddens, 1997, S. 41). Handeln soll gleichermaßen verstanden wie erklärt werden. In Bezug auf die Strukturationstheorie erfordert dies methodisch die Beobachtung reproduzierter sozialer Systeme (strukturell-institutionelle Analyse) sowie die Analyse von Modi sozialer Beziehungen (Analyse strategischen Verhaltens) (vgl. Giddens, 1984, S. 288). Durch die Rekonstruktion handlungspraktischen Wissens wird so eine Erschließung des sozialen Gesamtsystems (z.B. der Gesellschaft oder der untersuchten Organisation) möglich. Die empirische Umsetzbarkeit der Strukturationstheorie ist dabei nicht trivial und so werden die zentralen Annahmen der Theorie, die Dualität von Struktur, auch nur in wenigen Studien systematisch nachgewiesen (vgl. Phipps, 2001). Dies rührt vor allem aus dem zentralen Vorwurf die Strukturationstheorie verfolge einen zu hohen Abstraktionsgrad, um empirisch überprüft werden zu können (vgl. M. Jones, 1999, S. 111 ff.). Die vorliegende Arbeit nimmt sich dieser Kritik an und integriert die Theorie vor allem als konzeptionellen Rahmen (vgl. Kapitel 3.1). Dadurch wird es möglich, Alltagswissen der untersuchten Akteure zu abstrahieren und Strukturen systematisiert aufzuzeigen. Bei der Analyse werden in erster Linie Kollektivakteure untersucht und deren Fähigkeit, durch eine organisationale Kommunikationsfunktion Struktur zu reproduzieren (vgl. Kapitel 3.2.2.2). Die empirischen Erkenntnisse liefern daher zumindest Hinweise auf den theoretischen Gültigkeitsbereich der Strukturationstheorie. 3.2.4
Grenzen und Kritik
Auch wenn die Strukturationstheorie einen wertvollen Beitrag für die Überwindung der Dualität von Struktur und Handlung in den Organisationstheorien darstellt, so müssen gleichsam ihre Grenzen aufgezeigt werden. Die zentralen Kritikpunkte sind ihre schwierige empirische Überprüfbarkeit (vgl. hierzu Kapitel 3.2.3), die uneindeutige Begriffswelt (formale Kritik) sowie mangelnde inhaltliche Klarheit (inhaltliche Kritik).
3.2 Die Strukturationstheorie nach Giddens
137
Die Strukturationstheorie ist empirisch nur schwer überprüfbar. Durch ihren abstrakten Charakter entwirft sie als Grundlagentheorie Konzepte und Zusammenhänge, die sozialen Wandel beschreiben. Kritiker werfen der Strukturationstheorie daher vor, keinen Beitrag für die empirische Forschung leisten zu können (vgl. Gregson, 1990). Und tatsächlich setzen sich zahlreiche Forschungsarbeiten auch in erster Linie mit der Theoriebildung auseinander und tragen so zur Akzentuierung einer konzeptionellen Diskussion bei. Wenn die Strukturationstheorie Einzug erhält in empirische Arbeiten, so nicht als Forschungsgegenstand sondern als Theorie- und Interpretationsrahmen. Weder lässt sich damit die Strukturierung von Gesellschaftssystemen überprüfen, noch handlungspraktische Mechanismen und damit der zentrale Gedanke der Theorie: die Dualität von Struktur. Die Vermittlung zwischen Handlung und Struktur bleibt damit auf einer theoretischen Ebene erschlossen, nicht jedoch auf einer methodischen (vgl. Walgenbach, 2006, S. 375). Auch die vorliegende Arbeit verfolgt nicht das Ziel, die Strukturationstheorie empirisch zu überprüfen als vielmehr sie zum zentralen Interpretationsrahmen zu erheben. Daher leistet auch sie keinen Beitrag zur empirischen Erschließung, sondern versucht die zentralen Annahmen auf Krisen und Krisenkommunikation zu übertragen und die Erkenntnisse aus der Untersuchung in die theoretische Diskussion wieder mit einfließen zu lassen (vgl. Kapitel 6.1.2). Der Strukturationstheorie mangelt es an einer klaren Begriffswelt. Zwar geht es Giddens um die Entwicklung eines begrifflichen Instrumentariums zur Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Struktur und Handlung doch insbesondere die unklare Diskussion zentraler Konzepte ist für die soziologische Forschung wenig hilfreich. So bleiben die Rationalisierung des Handelns, das Verständnis eines sozialen Systems oder die Reflexionsmächtigkeit der Akteure in den Originalschriften teilweise widersprüchlich (vgl. Walgenbach, 2006, S. 420 f.). Zudem sind viele der Begriffe abstrakt und erfahren erst durch die Konkretisierung mit Elementen anderer Theorien an Erklärungskraft (vgl. Schneidewind, 1998, S. 162). So ergänzt Holtgrewe (2000) die Strukturationstheorie mit Überlegungen zum Konzept des Handelns und der Macht und diskutiert zeitlich-prozessuale Aspekte des Handelns. Weitere Konkretisierungen erfährt die Strukturationstheorie aus der Synergetik (vgl. Schallnuss, 2005), Sozionik (vgl. Dederichs, 2000) oder der Mikropolitik (vgl. Scherm & Pietsch, 2007). Die Uneindeutigkeit der Begriffe hat auch Auswirkungen auf die Konzeption der Theorie und so ist einer der zentralen Kritikpunkte, dass es der Strukturationstheorie an einer klaren Linie bzw. einer schrittweisen Darlegung fehlt. Formal muss sich die Strukturationstheorie auch mit dem Eklektizismusvorwurf auseinander setzen (vgl. Joas, 1988, S. 9 f.). Giddens bezieht sich bei der Formulierung seiner Theorieannahmen auf Autoren unterschiedlicher Theorietraditionen und wissenschaftstheoretischer Richtungen (z.T. aus der Hermeneutik, der interpretativen Soziologie oder dem Funktionalismus und Strukturalismus) (vgl. Walgenbach, 1995, S. 773). Diese Kritik ist jedoch nur zum Teil gerechtfertigt. Denn der Bezug auf die unterschiedlichen Argumentationslinien birgt ebenso neue Möglichkeiten der Theorieformulierung in sich. So ist die Strukturationstheorie „in besonderem Maße anschlußfähig für die Ergänzung um spezifizierende Theoriebausteine“ (Schneidewind, 1998, S. 158). Demnach obliegt es der theoretischen und empirischen Forschung, eine inhaltliche Konkretisierung zentraler Konzepte der Strukturationstheorie vorzunehmen. Auch die vorliegende Arbeit integriert Überlegungen zur Theoriebildung in der Public Relations und ermöglicht so eine Übertragung auf Krisen und Krisenkommunikation.
138
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Die Strukturationstheorie bleibt inhaltlich undeutlich. Einerseits kann man ihr vorwerfen, dass sie zu objektivistisch ist: So bleibt beispielsweise aus Sicht strukturationstheoretischer Überlegungen fraglich, ob es bewusst auf Strukturen einwirkende Akteure überhaupt gibt (vgl. Schneidewind, 1998, S. 149). Auf der anderen Seite wird Giddens aber auch eine zu starke subjektivistische Sicht vorgeworfen, denn ein intentionales und ein strategisches Handeln lässt sich mit seinem Akteursbild (ungleich Habermas’ Theorie kommunikativen Handelns) nicht unterscheiden (vgl. Joas, 1988, S. 23). Zudem bleiben inhaltliche Argumentationslinien unklar. So werden Regeln zwar als veränderbar beschrieben, einer Erklärung unter welchen Bedingungen es zu Transformationsprozessen kommt bleibt Giddens jedoch schuldig. Die Frage wie Macht und Abhängigkeitsbeziehungen von Akteuren einerseits und von Kollektiven andererseits bewältigt werden, bleibt ebenfalls offen. Soziale Strukturen werden in erster Linie als politische Arenen konzipiert und Ressourcen nicht auf Wahrnehmungen und Kommunikationen zurückgeführt (vgl. Schneidewind, 1998, S. 153). Die vorliegende Arbeit versucht, der inhaltlichen und formalen Kritik zu begegnen. Denn trotz der hervorgebrachten Kritik lässt sich konstatieren, dass durch die Strukturationstheorie nicht nur soziale Handlungen analysiert und in einen Interpretationsrahmen gefasst werden können, sondern gleichsam auch organisationstheoretische Fragestellungen (vgl. Ortmann & Sydow, 2001; S. Schwarz, 2007). Entsprechend lässt sich die Wahl als Theorierahmen für die vorliegende Arbeit bekräftigen: Erstens ermöglicht die Anschlussfähigkeit der Strukturationstheorie an weitere Theoriekonzepte eine ideale Anknüpfung an theoretische Überlegungen vor allem aus der Kommunikationswissenschaft. Durch die Verwendung eines eher offenen Systembegriffs gilt dies insbesondere für Überlegungen aus der Systemtheorie (vgl. Kapitel 7.2). Zweitens lässt sich die Theorie auf die Kommunikationsfunktion von Organisationen übertragen und blendet dabei drittens Emotionen von Akteuren nicht aus (vgl. Bergknapp, 2003). Dies ist ein nicht unerheblicher Aspekt, denn die emotionale Dimension ist eine der drei Reputationsdimensionen der vorliegenden Arbeit (vgl. Kapitel 2.1.4.2). Schließlich ist die Einführung von Struktur als beschränkendes und ermöglichendes Moment auf Krisenkommunikation übertragbar. Damit bieten die eingeführten Modalitäten Anknüpfungspunkte, Krisenkommunikation nunmehr systematisch zu beschreiben. 3.3
Die Ableitung des Bezugsrahmens: Strukturationstheoretische Modellierung von Krisenkommunikation
Um dem Ziel der Forschungsfrage welchen Einfluss kommunikative Strategien in Krisen auf den Erhalt oder die Bildung von Reputation haben näher zu kommen, gilt es, die bisherigen Überlegungen an dieser Stelle weiter zu verdichten. Die Konzeption strukturtheoretisch orientierter Krisenkommunikation erfordert zunächst eine Verortung von Reputation und Krisen in die Annahmen der Strukturationstheorie. In einem zweiten Schritt werden zentrale Ideen der Strukturationstheorie auf die Krisenkommunikation von Organisationen übertragen und erhalten so abschließend Einzug in die theoretische Modellierung der Untersuchung.
3.3 Die Ableitung des Bezugsrahmens: Strukturationstheoretische Modellierung von Krisenkommunikation
3.3.1
139
Reputation, Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit im Blickfeld der Strukturationstheorie
Zentrale Elemente für die Einbettung des Reputationsbegriffs in die Strukturationstheorie sind die Strukturmodalitäten (vgl. Giddens, 1995a, S. 81). Reputation lässt sich grundlegend als eine erwartbare Handlung verstehen, die sich aus einem Grundvertrauen einzelner Akteure einem Reputationsträger (hier Organisationen) gegenüber ergibt. Sie ist eine Art Anerkennung Organisationen gegenüber, funktionale und soziale Erwartungen dauerhaft zu erfüllen (vgl. Eisenegger, 2005, S. 30). Diese Erwartungen werden formuliert aufgrund vergangener Handlungs- oder Kommunikationserfahrungen mit einer Organisation. Reputation lässt sich strukturationstheoretisch also als Interpretationsmuster, Definitionsmacht und informale Norm begreifen. Da die drei Dimensionen in der Dualität von Handlung und Struktur stets gleichberechtigt und nicht getrennt voneinander vorkommen, sind sie als analytische Differenzierung zu verstehen. Akteure nehmen Organisationen vor allem durch nach außen vermittelte Interpretationsschemata wahr. Während Image, Corporate Identity u.a. eher vermittelte Bilder sind, ist Reputation ein Wahrnehmungsmuster, das sich langfristig bei den jeweiligen Akteuren aufbaut. Die Handlungswahrnehmung kann dabei entlang der Dimensionen von Reputationen differenziert werden: Während sich funktionale Reputation z.B. über gute Kennzahlen auf den Finanzmärkten bilden kann, ist das soziale Engagement beispielsweise ein Kriterium für die soziale Reputation. Ob eine Organisation eine gute emotionale Reputation hat wird wiederum auf Kriterien wie Innovationsfähigkeit und Sympathie zurückgeführt (vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.4). Reputation stellt demnach einen Sinn gebenden Interpretationsrahmen dar, um die Beziehung einer Organisation zu seinen Stakeholdern zu gestalten. Darunter lassen sich alle formalisierten interpretativen Schemata verstehen, die es einer Organisation ermöglichen, langfristig Reputation aufzubauen. Dies kann beispielsweise die Etablierung einer Unternehmenskultur oder die Implementierung eines gemeinsamen Leitbildes sein (vgl. Herger, 2006, S. 210 f.). Beides erhöht eine Erwartungssicherheit nach innen und ermöglicht durch stabile Strukturen eine Anschlusskommunikation nach außen, so dass sich langfristig Reputation bilden kann (vgl. ebd., S. 212). Die Betrachtung von Reputation zweitens als Normmodalität muss hingegen differenzierter betrachtet werden. Denn Reputation ist keinesfalls eine feststehende regulative Norm wie dies bei Verträgen oder rechtlichen Rahmenbedingungen der Fall ist. Vielmehr stellt Reputation einen informellen (gleichwohl Norm gebenden) Rahmen dar, in dem sich das Handeln von Akteurskollektiven bewegt. Reputation auf der Legitimationsebene ermöglicht „Handlungen, Entscheide oder Ereignisse [...] zu sanktionieren“ (Herger, 2006, S. 216). Dies sind auf formaler Ebene Normen wie Mission Statements oder Codes of Conduct – also Verpflichtungen, im Rahmen eines bestimmten Verhaltenshorizonts zu handeln (nach innen wie nach außen). Auf informaler Ebene drückt sich dies in Form von einer (Unternehmens-)Kultur aus. Grundsätzlich gilt, dass insbesondere informelle Regeln die zur Reputation einer Organisation beitragen immens vielfältig sind und es fraglich ist, ob diese Komplexität im Sinne eines Reputationsmanagements überhaupt gesteuert werden kann (vgl. ebd., S. 217). Reputation im Sinne einer Definitions- und Überzeugungsmacht lässt sich drittens als autoritative Ressource verstehen. Sie kann Machtmittel sein, vor allem um eigene Handlungs- und Kreativitätsspielräume zu erweitern (z.B. durch das Rechtfertigen höherer Produktpreise).
140
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Reputation lässt sich aber nicht nur als Strukturmodalität auf Strukturebene interpretieren – auch auf der Akteursebene kann sie eingebettet werden. Reputation erlaubt die Selektion der Akteurskollektive, mit denen Einzelakteure interagieren wollen (Kommunikation). Zudem entlastet sie diese vom Zwang, ständig die Handlungen des Reputationsträgers kontrollieren zu müssen (Sanktion) und legitimiert zugleich bis zu einem gewissen Grad auch Machtpositionen (Macht). Reputation ist strukturationstheoretisch damit ein Gut, dass (mithilfe von Kommunikation) produziert und stets aufs Neue reproduziert werden muss (vgl. Eisenegger, 2005, S. 27 ff.). Diese Herleitung bleibt für die Formulierung des Theorierahmens zunächst unbefriedigend. Reputation lässt sich nur in bedingtem Maße aktiv steuern (vgl. Kapitel 2.4.2.1). Sie ist vielmehr ein Konstrukt, das sich über zurück liegende Erfahrungen bei einem diversen Publikum von Stakeholdern kollektiv und langfristig bildet. Bezug nehmend auf die kommunikative Steuerungsfunktion von Krisen-PR bedeut dies, dass sie sich in zeitlich begrenzten und damit kurzfristigen Krisen nur indirekt beeinflussen lässt. Daher wird argumentiert, dass Reputation als Ruf der Vertrauenswürdigkeit sich in Krisen über eine signalisierte Vertrauenswürdigkeit manifestiert (vgl. Kapitel 2.4.3). Entsprechend gilt es, auch Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit in der Dualität von Struktur zu betrachten. Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit in der Dualität von Struktur In der Formulierung der Strukturationstheorie wird sowohl Vertrauen auf der Ebene von Personen als auch auf der Systemebene diskutiert. Denn Strukturierung vollzieht sich unter ungewissen Handlungsbedingungen, so dass diese ohne Vertrauen nicht möglich wäre (vgl. Giddens, 1999a, S. 48): „Vertrauen wird [...] dort verlangt, wo es Unkenntnis gibt, sei es mit Bezug auf die Wissensansprüche technischer Experten oder mit Bezug auf die Gedanken und Absichten vertrauter Personen, auf die sich der Betreffende verlässt“ (Giddens, 1999a, S. 114).
Vertrauen ist also funktionales Äquivalent zur rationalen Vorhersage zukünftig möglicher Entwicklungen und Handlungen. Vertrauen in ein Gesellschaftssystem ist eine Form abstrakter Bindung, Vertrauen in eine Person die Form einer konkreten Bindung (vgl. Bentele, 1994b, S. 140). Indem Vertrauensgeber nicht alle Handlungsalternativen in Betracht ziehen, sondern durch Vertrauen bestimmte Optionen ausblenden, reduzieren sie Komplexität. Umgekehrt ermöglicht Vertrauen Interaktionsbeziehungen, die ohne dieses nicht stattfinden würden. Zentrales Ziel der Organisationskommunikation ist es, Interaktionsbeziehungen zu gestalten (vgl. Röttger, 2005, S. 15) und so wird Vertrauen zu einer notwendigen Voraussetzung für die Koordination und Kommunikation von Organisationen (vgl. Gilbert, 2003, S. 143). Doch Vertrauen bildet sich als Folge von Reputation (vgl. Ingenhoff & Sommer, 2010, S. 264 ff.), so dass in Krisen sichergestellt werden muss, dass Vertrauensnehmer ihr gegenüber (also die sich in einer Krise befindende Organisation) zunächst überhaupt als vertrauenswürdig wahrnehmen. Strukturationstheoretisch bildet sich Vertrauen einerseits aus der Vertrauenswürdigkeit – also aus direkten oder indirekten Erfahrungen, ob sich ein Vertrauensnehmer als vertrauenswürdig erweist. Auf der anderen Seite kommen Erwartungen hinzu, wie sich Vertrauensnehmer in „[...] institutionellen Kontexten verhalten, welchen Regeln sie folgen und auf welche Ressourcen sie zurückgreifen. In beiden Fällen entsteht Vertrauen aus Vertrautheit durch die Kopplung von Kontinuitätsannahmen mit Erfahrungswissen“ (Gilbert, 2003, S. 146).
3.3 Die Ableitung des Bezugsrahmens: Strukturationstheoretische Modellierung von Krisenkommunikation
141
Werden Kontinuitätsannahmen gegenüber Organisationen erfüllt kann Reputation entstehen – positiv wie negativ. Die Unterscheidung ist wichtig, denn Vertrauen als Zieldimension bildet sich nur dann, wenn Kontinuitätsannahmen positiv formuliert werden können. Sind diese negativ entsteht hingegen Misstrauen. Erfüllte Erwartungen festigen sich als Reputation wie dargestellt in funktionaler, sozialer und affektiver Hinsicht. Dagegen bildet sich Erfahrungswissen und damit die zweite Determinante der Vertrauensbildung durch eine direkte Interaktion. Vertrauen kann erst entstehen, wenn beide Komponenten zusammen kommen: Einerseits Handlungen, die einer sich aus Kontinuitätsannahmen entstehenden Erwartung entsprechen und andererseits Erfahrungswissen aus der direkten Interaktion. Reputation wurde als eine Kontinuitätsannahme beschrieben bei der in funktionaler Hinsicht die Erfüllung des Leistungsauftrages und in sozialer Hinsicht die Einhaltung gesellschaftlicher Normen und Werte erwartet wird27. Vertrauenswürdigkeit entsteht hingegen durch Interaktionsprozesse und stellt somit kurzfristiges Erfahrungswissen dar. Die Kommunikationsfunktion von Organisationen übernimmt in Krisen die Funktion des Herstellens von Interaktionsbeziehungen (vgl. Röttger, 2005, S. 16) und damit das Aufzeigen von Vertrauenswürdigkeit. Zeitgleich ermöglicht sie das Steuern vertrauensrelevanten Erfahrungswissens, indem sie auf interpretative Schemata, Regeln und Ressourcen sowie kommunikative Normen zurückgreift (vgl. hierzu vertiefend Kapitel 3.3.3). Das Ziel von Krisenkommunikation ist also, durch das Herstellen von Interaktionsprozessen Vertrauenswürdigkeit kurzfristig zu signalisieren. Entspricht diese den Kontinuitätserwartungen, so kann sie funktionale, soziale oder affektive Reputation erhalten bzw. neu konstituieren. 3.3.2
Krisen im Blickfeld der Strukturationstheorie
Krisen lassen sich in mehrfacher Hinsicht aus den Annahmen der Strukturationstheorie ableiten. So hält Giddens erstens auf der Strukturebene die Beschreibung von Episoden bereit. Zweitens können Krisen auf Handlungsebene als unintendierte Rationalisierung charakterisiert werden – sowohl für individuelle wie für Kollektivakteure. Mit diesen beiden Elementen lassen sich bereits organisationale Krisen in den Kontext der Strukturationstheorie einbetten, um daraus anschließend theoretische Annahmen für die Modellierung von Kommunikation als konstituierendes Element zum Erhalt bzw. zur Bildung von Reputation in Krisen zu formulieren. Krisen als Form sozialen Wandels Strukturation umfasst zwei wesentliche Elemente: Strukturiertheit und Strukturieren. Das bedeutet, dass Stabilität (Strukturiertheit) und Wandel (Strukturieren) gleichberechtigt vorkommen. Allerdings sieht die Strukturationstheorie periodisch evolutionären sozialen Wandel in ihrer Argumentation dabei nicht vor. Vielmehr wird jeglicher Strukturdeterminismus abgelehnt und damit auch soziale Wandel, der sich aus einer wiederkehrenden Gesetzmäßigkeit heraus entwickelt. Giddens spricht daher auch nicht von Wandel als kontinuierlich wiederkehrender Mechanismus, sondern von Episoden mit einem klar definierten Anfang und Ende (Giddens, 1995a, S. 301). Umgekehrt besteht „Kontinuität [...] auch wäh27
Emotionale Reputation schlägt sich in Sympathiezuschreibungen wieder und resultiert aus funktionaler und sozialer Reputation (vgl. Ingenhoff, 2010, S. 6 f.).
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
rend der radikalsten Phasen sozialer Transformation“ (Jäger & Weinzierl, 2007, S. 23) durch ein routiniertes Handeln der Akteure. Akteuren ist es einerseits also möglich, durch systematisch wiederkehrende Handlungen eine Systemstabilität zu erreichen. Ihnen ist es andererseits aber genauso möglich, ihr Handeln völlig neu zu gestalten, um so einen Wandel – bewusst oder unbewusst – herbeizuführen. Sozialer Wandel ist für Giddens eine „vergleichend offen zu analysierende, intendierte bzw. nicht-intendierte Veränderung von Strukturprinzipien, Strukturen und Strukturmomenten“ (vgl. ebd., S. 23). Auch wenn Giddens diesen sozialen Wandel für gesamtgesellschaftliche Wandlungsprozesse aufzeigt, lässt er sich gleichsam auch auf organisationalen Wandel übertragen. „Das ist vielleicht der größte Vorzug einer durch Giddens inspirierten Organisationstheorie: dass sie beides, die manchmal so rasanten Veränderungen und die manchmal schier verzweifeln machende Trägheit von Organisationen zu denken erlaubt – ebenso wie die Verwicklung, dass Wandel ohne Stabilität […] gar nicht möglich ist (et vice versa)“ (Ortmann, et al., 1997, S. 335; vgl. hierzu auch S. Schwarz, 2007, S. 105).
Grundlage für die Ableitung von Krisen als nichtevolutionäre Strukturveränderungen sind die vier Dimensionen, die Giddens zur Beschreibung von Episoden vorschlägt: Anfang, Form, Impuls und Verlaufsbahn (vgl. Giddens, 1995a, S. 302). Als Anfang einer Episode führt er zunächst verschiedene Beispiele an – von gesellschaftlichen Verflechtungen, gesellschaftlichen Widersprüchen u.a. (vgl. ebd.). Der organisationale Krisenbegriff kann analog dazu entwickelt werden als eine Situation, die zeitlich mit einem Anfang und einem Ende klar determiniert ist (vgl. Kapitel 2.2.1.1). Krisen beginnen unerwartet als Veränderung einer Prozessstruktur und es ist zunächst unerheblich, wodurch diese Veränderung bewirkt wurde. Dennoch beginnt die Latenzphase einer Krise – selbst wenn ihr Verlauf schleichend ist – mit einem definierten Anfangspunkt nämlich in dem Moment, in dem eine anhaltende Prozessstruktur nachhaltig gestört wird (Veränderung eines Strukturmoments). Unter der Form einer Episode werden in der Strukturationstheorie die Intensität und Extension der Veränderung zusammengefasst, also das Ausmaß sozialen Wandels. Auch für Krisen im Organisationszusammenhang lassen sich Form und Ausmaß bestimmen, wobei sich die Intensitätskriterien je nach Krisenkontext erheblich voneinander unterscheiden: So kann für politische Organisationen eine Krise z.B. hohe negative Publizität bedeuten, für Wirtschaftsunternehmen ist eine Krise hingegen das Zurückziehen wichtiger Fremdkapitalgeber. Oder Non-Profit-Organisationen verlieren beispielsweise das Vertrauen ihrer Gläubiger durch grobes gesellschaftliches Fehlverhalten bzw. die Gewalt an ihren Mitarbeitern beim Arbeitseinsatz im Ausland. Eine Aussage darüber, wie heftig eine Krise den Prozessverlauf stört, kann folglich nur unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs festgelegt bzw. ermittelt werden. Entscheidend ist, dass Krisen kein Dauerzustand sind sondern analog zu Episoden mit einem Ereignis beginnen auf das eine Latenzphase folgt, die wiederum ein bestimmbares Ende hat. Ähnlich wie bei Giddens ist lediglich ungewiss, wann genau dieses Ende eintreten wird. Unter einem Impuls versteht Giddens schließlich die Geschwindigkeit, in der eine Veränderung stattfindet während die Verlaufsbahn die Richtung des Wandels angibt. Beide Dimensionen finden sich auch bei der Konzeptionierung organisationaler Krisen wieder. Eine Krise kann schnell beigelegt werden oder aber sich über einen langen Zeitraum hinziehen. Ähnlich der Form organisationaler Krisen ist ihr Impuls dabei ausschließlich im Zusammenhang ihrer Entstehung zu betrachten. Der Ausgang einer Krise, also die Richtung des Verlaufs, lässt sich hingegen auf vier konkrete Möglichkeiten beschränken: das Herbeiführen einer positiven Lösung, die Herstellung des
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status quo ante, eine negative Lösung oder die Extremform der negativen Lösung, die Katastrophe (vgl. Merten, 2008, S. 84). Einen solchen Determinismus findet man in der Begriffswelt der Strukturationstheorie nicht. Giddens diskutiert zwar unterschiedliche Formen und Verlaufsbahnen sozialen Wandels, schließt aber, dass aufgrund einer zu starken Heterogenität der Umstände eine Kategorisierung aus (vgl. Giddens, 1995a, S. 304 f.). Mit der Beschreibung von Episoden lässt Giddens eine grundsätzliche Vergleichbarkeit zu. Da Beginn, Impuls, Verlauf und Form zu einem gewissen Grad abstrahiert werden können, lassen sich Rückschlüsse auf bereits stattgefundene Episoden ziehen. Ähnliches gilt auch für organisationale Krisen. Je nach Abstraktionsgrad können Krisen also durchaus sinnvoll miteinander verglichen werden. Die steigende Zahl komparativer Krisenforschung ist ein Indiz für diese Annahme (vgl. Löffelholz & Schwarz, 2008). Krisen durch (un-)intendiertes Handeln Neben der dimensionalen Beschreibung von Episoden kann das organisationale Krisenverständnis auch anhand von Überlegungen zum strukturationstheoretischen Handlungsbegriff abgeleitet werden. Giddens weist darauf hin, dass Wandel sowohl durch intendiertes als auch durch unbeabsichtigte Folgen zweckrationalen Handelns ausgelöst wird (vgl. Giddens, 1995a, S. 348). Allgemein vollzieht sich Wandel damit entweder durch ein bewusstes Herbeiführen oder als unintendiertes Nebenprodukt sozialer Handlungen (vgl. auch Stratifikationsmodell sozialer Handlung, Kapitel 3.2.1.2). Gleiches gilt für Organisationskrisen: Coombs unterscheidet bei der Klassifikation von Krisen zwischen drei Krisentypen: die Krise bei der die Organisation Opfer ist (Opferkrise), die Krise die sie aufgrund eines Versehens ausgelöst hat (Unfallkrise) und die Krise die aufgrund von bewusstem Fehlverhalten entstanden ist (vermeidbare Krise) (vgl. Coombs, 2007b, S. 168; Kapitel 2.3.2.2.2). In Anlehnung an die Vorüberlegungen sind Unfallkrisen für Organisationen demnach das unintendierte Herbeiführen eines Wandels. Weick (1987) zeigt sogar, dass in Organisationen die Prozesse die Sicherheit hervorrufen auch gleichzeitig der Auslöser für Unfälle sein können28 (vgl. hierzu auch Coombs, 1999c, S. 83). Der Wandel bei vermeidbaren Krisen ist hingegen bewusst und damit intendiert. Krisen derart zu betrachten hat aber auch seine Grenzen. So kann erstens das Herbeiführen einer Krise im definitorischen Sinne durchaus gewollt sein: Change Management Prozesse in Organisationen zielen darauf ab, Prozessabläufe grundsätzlich neu zu strukturieren (vgl. von der Oelsnitz, 1999). Auf der Grundlage des eingeführten Krisenverständnisses müssen auch diese als Krisen bezeichnet werden. Es gilt daher, zwischen der Zieldimension einer intendierten Handlung zu differenzieren: Krisen, so konnte gezeigt werden, sind eine „Latenzphase mit negativem Besatz“ (Merten, 2008, S. 86). Change Prozesse hingegen intendieren die Verbesserung einer Gesamtsituation und lassen sich daher treffender unter der Reorganisation zusammenfassen (vgl. hierzu auch Ortmann, et al., 1997, S. 333). Zweitens lassen sich Krisen im Sinne (un-)intendierten Handelns aus Sicht der Strukturationstheorie wie gezeigt nur für Unfallkrisen (unintendiert) sowie vermeidbare Krisen (intendiert) entwickeln. Doch Coombs weist darauf hin, dass Krisen nicht nur unintendiert 28
Trainings, die eigentlich dazu dienen sollen Krisen zu vermeiden, können durch geringe Validität oder Ungenauigkeit diese aber auch verschlimmern. Zudem wirken zu viele Informationen kontraproduktiv, da diese eine Ineffizienz fördern. Hingegen führen zu wenig Informationen wiederum zu Ungenauigkeiten und gefährden so die Sicherheit oder den internen wie externen Informationsaustausch (vgl. ebd., S. 113 ff.).
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innerhalb der Organisation entstehen, sondern auch durch Auslöser von außerhalb der Organisation (Opferkrise). Diesen Blickwinkel gilt es mit einzubeziehen und so ist diese dritte Perspektive daher eine sinnvolle Ergänzung für die strukturationstheoretische Ableitung des Krisenbegriffs: Denn für die organisationale Krisenkommunikation sind unintendierte externe Krisen ebenso denkbar wie unintendierte interne Krisen. Es lässt sich zusammenfassen, dass Krisen im Organisationszusammenhang zentrale Elemente sozialen Wandels bzw. dessen was Giddens als Episoden beschreibt aufweisen. Und auch aus der Theoriebildung zur Krisenkommunikation (vgl. Situational Crisis Communication Theory) lassen sich Grundzüge auf die in der Strukturationstheorie formulierten Annahmen übertragen. Sozialer Wandel wie auch organisationale Krisen entwickeln sich je nach Intention der Handlung unterschiedlich. Während Giddens die Auswirkungen und Folgen nicht weiter konkretisiert, werden diese bei der Eingrenzung von Krisensituationen durchaus Teil der theoretischen Diskussion. Dennoch gilt es an dieser Stelle auch die Grenzen der Übertragbarkeit zu diskutieren. So konnte erstens gezeigt werden, dass die Klassifikation von Krisen im Organisationszusammenhang vor allem im Hinblick auf ihren Verlauf oder die Intention der Handlung eine deutliche Konkretisierung erfährt. Dies hängt damit zusammen, dass die Strukturationstheorie als Metatheorie verstanden werden will, während Überlegungen zu Krisen bzw. Krisenkommunikation sich in ihrer Reichweite und Argumentation ausschließlich auf Krisensituationen beziehen. Für die Formulierung des Theoriemodells ist dies nicht weiter problematisch, da die aufgezeigten Konkretisierungen nicht im Widerspruch zu den Annahmen der Strukturationstheorie stehen. Zweitens sieht Giddens in seiner Diskussion sozialen Wandels dessen Zerstörung nicht vor. Dies liegt vor allem darin begründet, dass er gesellschaftliche Strukturprinzipien als sich grundsätzlich fortführend betrachtet. Er schließt die Möglichkeit eines Zusammenbruchs damit grundsätzlich zwar nicht aus, lenkt sein Augenmerk aber auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung bzw. Fortführung sozialen Handelns und sozialer Struktur (vgl. Giddens, 1995a, S. 320). Während auch für Reputation argumentiert wird, dass diese allenfalls minimiert nicht aber zerstört werden kann, so gilt dies nicht für Krisen. Das weiter oben aufgezeigte Krisenverständnis sieht die Katastrophe, also den Ende des Fortbestandes einer Organisation, als konstituierendes Element explizit vor (vgl. Kapitel 2.1.1): Krisen haben das Potenzial zur vollständigen Zerstörung. Bis hierher konnten Krisen auf Strukturebene als Episode beschrieben werden bzw. als Ergebnisse (un-)intendierten Handelns. Darüber hinaus hält die Strukturationstheorie auch Elemente bereit, Krisensituationen auf Akteursebene zu fassen. Krisen als unintendierte Rationalisierung Akteure steuern ihr Handeln nicht kontinuierlich bewusst reflexiv und erwarten dies auch nicht von anderen Akteuren. Vielmehr handeln sie in einer Routine, die sich an wiederkehrenden Mustern innerhalb einer Ordnung orientieren. Das legt die Vermutung nahe, dass sie lediglich vorgegebene Handlungsprogramme wiederholen, die sich an dem Erlernten orientieren. Dies stimmt so nicht, denn die reflexive Beobachtung des eigenen Verhaltens findet durchaus auch weiterhin statt, wenngleich nicht notwendigerweise bewusst. Diese Beobachtung lässt bereits zwei Schlussfolgerungen zu. Erstens gibt es eine habitualisierte Form des Wissens (praktisches und diskursives Bewusstsein) und zweitens eine unbewusste Form (Wahrnehmung/Motive). Das praktische Bewusstsein ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht diskursiv ist – d.h. dass die Praktiken im (Alltags-)Handeln nicht permanent
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reflektiert bzw. problematisiert werden. Erst im diskursiven Bewusstsein werden Gründe für das eigene Handeln abgegeben. Die Fähigkeit, auf Nachfrage Gründe für sein Handeln zu benennen, bezeichnet Giddens als Rationalisierung (vgl. Kapitel 3.2.1.2). Während kompetente Akteure die Absichten ihres Handelns und dessen Gründe fast immer diskursiv darlegen können, trifft dies für die (unbewussten) Motive allerdings nicht bzw. nur bedingt zu. Eine Krise lässt sich charakterisieren als unerwartete Veränderung einer Prozessstruktur (vgl. Merten, 2008, S. 85). Sie sind also Situationen, in denen bislang etablierte Handlungsprozesse unterbrochen bzw. gestört und damit in Frage gestellt werden. In einer Interaktionsbeziehung gilt dies gleichermaßen für das Handeln des Gegenübers wie das eigene Handeln selbst. Krisen stören die Routine und lassen sich somit als unintendierte Abweichung routinierten Handelns verstehen. „[...] Fragen nach den Intentionen und Gründen des Handeln [...] [werden] freilich gewöhnlich nur dann aufgeworfen, wenn ihnen eine Verhaltensweise entweder besonderes Kopfzerbrechen bereitet oder wenn, aufgrund etwa einer ‚Fehlleistung’ die Kompetenz eines Akteurs in Zweifel gezogen werden kann“ (Giddens, 1995a, S. 56).
Fragen nach der Intention und den Gründen für das Handeln werden im Alltag demnach selten gestellt. Krisen als unerwartete Veränderung reflexiven Handelns sind nunmehr Anlass, das eigene bzw. das Handeln der Akteure mit denen interagiert wird aus dem praktischen Bewusstsein diskursiv zu überprüfen. In der Interaktionsbeziehung ist dabei unerheblich, ob die Krise sich auf den Einzelakteur (persönliche Krisen) oder ein Kollektiv (Organisations- bzw. Gesellschaftskrisen) bezieht. Zentral ist: Lässt sich im Zuge des Rationalisierungsprozesses keine plausible Begründung finden, so wird die Kompetenz des jeweiligen Akteurs grundlegend in Frage gestellt. Krisen lassen sich also als eine von außen herangetragene, nicht intendierte Rationalisierung beschreiben. [...] people frequently see things differently when they are shocked into attention, whether the shock is one of necessity, opportunity, or threat“ (Weick, 1988, S. 84 f.).
Und zwar einerseits in Bezug auf das eigene Handeln (kann ich eine Begründung für mein bislang routiniertes Handeln (z.B. den Produktkauf) liefern?) als auch im Hinblick auf das anderer Akteure (kann mein unmittelbares Umfeld eine Begründung für sein Handeln liefern? Kann die Organisation mit der ich interagiere eine plausible Begründung für ihr Handeln liefern?). Letzteres ist im Hinblick auf das Beziehungsgeflecht zwischen Organisationen als Kollektivakteur zu seinen Stakeholdern als Einzelakteur von besonderer Relevanz. Das Ergebnis dieser Überprüfung kann genau zwei Ausprägungen annehmen. Stehen die Begründungen, die der Interaktionspartner liefert, mit den eigenen Vorstellungen im Einklang, so gibt es keinen Anlass sein eigenes Handeln zu korrigieren. Die Interaktionsbeziehung wird wie bisher weiter geführt (beispielsweise in Form des Fortführens einer Mitgliedschaft bzw. den Kauf von Produkten). Es gibt keinen Grund, diese Routine zu unterbrechen und das gewohnte Handeln zu verändern, wenngleich die Krise eine Überprüfung dessen ausgelöst hat. Anders jedoch beim umgekehrten Fall, wenn der Interaktionspartner nicht in der Lage ist eine plausible Begründung für sein Handeln zu liefern. In diesem Fall wird die Interaktion nicht grundsätzlich aufgelöst, sondern kann sich vielmehr grundlegend verändern. Je nach Impuls und Verlauf der Krise ist das Aufkündigen der Interaktionsbeziehung, also der Boykott, sicher die extremste Form der Handlungsänderung. Doch auch
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bis es dazu kommt können individuelle Akteure den Verlauf der Krise deutlich beeinflussen. Einzelakteure können – trotz ihrer Individualität – sich zu handelnden Zweckgemeinschaften zusammenschließen. Geht man von der Beziehung Organisation/Stakeholder aus, so ist dies eine Interaktionsbeziehung zwischen zwei Kollektiven. Innerhalb der Stakeholder- bzw. Dialoggruppen kann nun die Überprüfung eines bislang routinierten Handelns nachhaltige Auswirkungen auf das bis dahin stabile Beziehungsgeflecht haben: Entweder wird das bisherige Beziehungsgeflecht aufgehoben bzw. gestört oder aber es treten Akteure mit Organisationen in eine Interaktion, die es bis zur Krise nicht gab (z.B. Bürgerinitiativen). Letzteres stellt Organisationen vor große Herausforderungen (vgl. weiter unten in diesem Kapitel). Krisen aus der Sicht kollektiver Akteure Genauso wie Krisen für individuelle Akteure der Auslöser sind, rationalisiertes Handeln diskursiv zu hinterfragen, gilt dies auch für Kollektive. Denn auch sie versuchen durch Kommunikation mit ihrem Umfeld ihre Systemreproduktion zu sichern. Krisen sind nunmehr Situationen, in denen das marktbezogene und vor allem gesellschaftspolitische Handeln der Legitimation bedürfen. Zum einen verursachen Krisen die Veränderung der bisherigen Handlungsroutinen, zum anderen werden Gründe für das (organisationale) Handeln von der Organisationsumwelt eingefordert. Analog zur Kommunikationsfunktion von Organisationen ist das Ziel von Krisenkommunikation durch Kommunikation die Strukturmodalitäten zu gestalten und so einen Handlungskorridor zu determinieren. Denn erst dadurch, dass sich Organisationen an die Marktspielregeln und die der Moralität bzw. gesellschaftlichen Legitimation unterwerfen, gewinnen sie an Relevanz und existieren (vgl. Fischer, 2007). In Krisen gilt es, ebendiese Legitimation mitunter durch Kommunikation zu explizieren und damit zu sichern. Dass (Krisen-)Kommunikation für die Strukturreproduktion grundsätzlich ein probates Mittel ist, lässt sich analog mit der eingangs gestellten Annahme begründen, dass Krisen eine von außen herangetragene Rationalität darstellen. Denn in dem Moment, in dem Akteure nach Gründen für das eigene Handeln und das der anderen beteiligten Akteure suchen, können interpretative Schemata zweifelsfrei auch von dem (kollektiven) Akteur besetzt werden, das selbst in der Krise ist. Indem Wirtschaftsunternehmen auf Absatzmärkten agieren, schaffen sie sich ihre Legitimität dabei zunächst selbst. Gleiches gilt für das soziopolitische Umfeld – indem Organisationen in den Rahmenbedingungen bestimmter gesellschaftlicher Moralvorstellungen handeln, legitimieren sie wiederum ihre Existenz. Krisen stellen jedoch in Abhängigkeit vom Krisentyp diese Legitimität in Frage. Rationalisierung setzt sich also damit auseinander, ob Organisationen z.B. noch in der Lage sind als wirtschaftlicher Akteur zu agieren nachdem schwere Managementfehler das Kerngeschäft nachhaltig erschüttert haben. Oder mit der Frage, ob man einer Organisation noch Vertrauen entgegenbringen kann die durch bewusste Täuschung die Öffentlichkeit inkorrekt informiert hat. Krisen sind für Kollektivakteure damit ebenso wie Einzelakteure der Anlass, das eigene Handeln zu hinterfragen und ggf. anzupassen. Rationalisierung in Bezug auf die Organisationsziele bedeutet gleichzeitig das Infragestellen der Existenzberechtigung. Ziel von Organisationen ist es jedoch, genau diese langfristig zu sichern (vgl. ebd.). Eine Möglichkeit hierfür ist die Umfeldsteuerung durch Krisenkommunikation. Es gilt, die Umfeldbeziehungen derart zu steuern, dass die Zweckge-
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richtetheit – und damit die fundamentale Existenzvoraussetzung für Organisationen – in Krisen nicht gefährdet wird. In der vorliegenden Arbeit wird vermutet, dass je besser es Organisationen gelingt, Interpretationsschemata durch gezielte Krisenkommunikationsstrategien bereit zu stellen, desto weniger nimmt ihre Reputation Schaden (vgl. hierzu auch Kapitel 3.4.1). In Krisen tritt das Phänomen auf, dass Organisationen Umfeldbeziehungen zu Stakeholdern eingehen zu denen vorher keinerlei Beziehung bestanden hat (z.B. Interessengruppen, spontane Bürgerinitiativen, neue Finanzinvestoren, Staatsanwaltschaft). Diese sind für eine Systemreproduktion im Sinne der Strukturationstheorie zunächst nicht weiter relevant, denn sie bedingen nicht die Existenz von Organisationen (Unternehmen bestehen auch ohne Bürgerinitiativen oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft): Da die Strukturreproduktion erst durch eine rekursive Anwendung von Regeln und Ressourcen ermöglicht wird, ist es grundsätzlich unabhängig davon, ob Akteure bereits zuvor Interaktionsbeziehungen zu anderen Akteuren eingegangen sind oder nicht. Dennoch können spontan entstehende Akteurskonstellationen die Reproduktion von Struktur nachhaltig beeinflussen. Denn wenn neu entstandene Akteursgruppen eine plausible Handlungsbegründung liefern die Organisationen nicht geben können und die damit zu einem revidierten Handeln primärer Akteursgruppen führt (z.B. den Kaufboykott durch Kunden), dann haben sie damit eine mittelbare Auswirkung auf die Systemreproduktion. In Bezug auf die Dimensionen von Dualität und Struktur bedeutet dies, dass durch Sanktionierung die Legitimation von Organisationen nicht nur ermöglicht, sondern auch begrenzt wird. Mit diesen Ausführungen konnten Reputation, Vertrauenswürdigkeit und Krisen in den Kontext der Strukturationstheorie eingebettet werden. Für den theoretischen Rahmen fehlt damit abschließend noch die Ableitung von Krisenkommunikation aus den strukturationstheoretischen Überlegungen. 3.3.3
Krisenkommunikation im Spannungsfeld von Dualität und Rekursivität
Krisenkommunikation ist eine eigenständige Disziplin der Organisationskommunikation, da sie situationsbedingt eigenen Regeln und Rahmenbedingungen unterliegt. Daher reicht es nicht aus, die Erkenntnisse aus der Organisationskommunikation pauschal auf Krisensituationen zu übertragen. Vielmehr gilt es, sich zunächst die Zieldimensionen von Öffentlichkeitsarbeit noch einmal vor Augen zu führen sowie die zentralen Unterschiede zwischen Öffentlichkeitsarbeit in Normal- und Krisenzeiten zu skizzieren. Anhand dieser Vorüberlegungen kann anschließend Krisenkommunikation eigenständig in den Kontext strukturationstheoretischer Annahmen gebettet werden. Die Zieldimensionen von Öffentlichkeitsarbeit Die allgemeine Kommunikationsfunktion von Organisationen verfolgt im Wesentlichen drei Ziele. Erstens werden durch Organisationskommunikation Umweltbeziehungen aufgebaut und gestaltet. Dies leitet sich aus einem existenziellen Interesse an Austauschbeziehungen zwischen Organisationen und ihrer Umwelt ab, denn „Ziel der Umweltsteuerung ist die Sicherung bzw. Vergrößerung der Freiheitsgerade organisationaler Entscheidungen“ (Röttger, 2005, S. 15). Austauschprozesse sind grundsätzlich zwar vielfältig, für die Orga-
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nisationskommunikation sind in erster Linie jedoch das Marktumfeld29 sowie das gesellschaftliche Umfeld entscheidend (vgl. Zerfaß, 2004, S. 297 ff.). Aus diesem grundlegenden Interesse an Austauschbeziehungen ergibt sich daher zweitens das Ziel, diese aktiv zu steuern bzw. zu stabilisieren und zu koordinieren. In Anlehnung an die Funktionen von PR stehen dafür die interne wie externe Beobachtungsfunktion sowie das Kommunikationsmanagement im Vordergrund. Die Wirkungsrichtungen sind wiederum die aktive Beeinflussung der Handlungsfelder zentraler Stakeholder (Marktumfeld) sowie die gesellschaftspolitische Legitimation (gesellschaftliches Umfeld). Drittens schließlich soll Organisationskommunikation Reputation und damit Vertrauen aufbauen, um letztlich die Komplexität der Austauschbeziehungen zu reduzieren und Anschlusshandeln zu legitimieren (vgl. Ingenhoff & Sommer, 2010). Denn Umweltbeziehungen von Organisationen sind von zentralen Stakeholdergruppen nur zu einem geringen Teil persönlich erfahr- und überprüfbar. Vielmehr werden sie indirekt über die Medien gestaltet, so dass Vertrauen zum zentralen Zielwert von Organisationskommunikation wird (vgl. Bentele, 1994b). Anhand dieser Überlegungen konnte bereits die Organisationskommunikation allgemein in den Rahmen der Strukturationstheorie eingebettet werden (vgl. Kapitel 3.2.2.2). Die Unterscheidung von Organisations- und Krisenkommunikation Auch Krisenkommunikation unterliegt diesen Zieldimensionen, denn sie ist „the enactment of control [...] in the face of high uncertainty in an effort to win external audiences’ confidence, in ways that are ethical“ (Heath, 1994, S. 259; vgl. auch Sturges, 1994b). Demnach sind für Krisenkommunikation a) die kommunikative Steuerung, b) das Schaffen von Vertrauen sowie c) das Bewegen in einem ethisch-moralischen Rahmen die zentralen Zieldimensionen. Krisenkommunikation kann grundsätzlich zwar als eine Form der Organisationskommunikation gesehen werden, unterliegt jedoch besonderen Bedingungen und damit eigenen Prozessen und Strukturprinzipien, bei denen z.T. auch eigene Instrumente zum Einsatz kommen (vgl. insb. Köhler, 2006; B. Lee, 2004; Löffelholz, 2005; Thießen, 2007). „In crisis situation, the role of PR is to deal with crisis communication. In this not normal situation, an open system model of PR has to be applied optimally. In the situation in which uncertainty is going to be escalated, PR must be selectively sensitive to those publics and it must have the capacity for initiating corrective action within the organization and for directing efforts to affect knowledge, predispositions and behaviors of publics“ (Perbawaningsih, 2008, S. 66).
Die zwei wesentlichen Unterschiede zwischen der Öffentlichkeitsarbeit allgemein und der Öffentlichkeitsarbeit in Krisen sind ihr zeitlicher Horizont sowie die Kommunikationsfunktion. So fördert erstens PR die Koordinierung zwischen der Organisation als Akteur und den Akteuren ihrer Umwelt. Diese Koordinierung hat einen langfristigen Charakter, denn Ziel von PR ist der Aufbau und Erhalt von lang anhaltenden Beziehungen (vgl. Ronneberger & Rühl, 1992, S. 257; Szyszka, 2009, S. 135 f.). In Krisen kann diese Langfristigkeit jedoch nicht geltend gemacht werden. Hier geht es darum, kurzfristig Beziehungen zu relevanten (Teil-) Öffentlichkeiten herzustellen und diese aktiv auszugestalten. Zweitens stehen bei Krisenkommunikation vor allem reaktive Strategien im Vordergrund, die das Image einer Organisation kurzfristig und positiv beeinflussen (vgl. Coombs, 2006c; Heath, 1994; 29
Der Begriff des Marktumfeldes beschränkt sich nicht nur auf den für das Marketing relevanten Absatzmarkt, sondern in Anlehnung an Szyzka (2009, S. 142) auch der Meinungsmarkt von Organisationsmitgliedern, der Finanzierung, der Politik sowie der öffentliche Meinungsmarkt.
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Seeger, et al., 2003). Während Issues-Management oder Risikokommunikation PRAktivitäten ermöglichen, die sich an Erkenntnissen aus frühzeitigen Krisensignalen orientieren, greift Krisenkommunikation ad hoc auf diese zurück. Entsprechend werden Krisenkommunikationsstrategien auch in erster Linie im Hinblick auf eine kurzfristige Imagebildung formuliert (vgl. Benoit, 1997)30. Diese beiden zentralen Unterschiede zeigen die Notwendigkeit, Krisenkommunikation eigenständig aus der Strukturationstheorie abzuleiten. Grundlage hierfür sind die aufgezeigten Strukturmodalitäten. Krisenkommunikation als Kommunikation – Zieldimension Vertrauen Auf der Ebene der Sinnkonstitution wird Krisenkommunikation über interpretative Schemata wirksam. Bezug nehmend auf die aufgezeigten Zieldimensionen geht es dabei vor allem um diejenigen Schemata, die einen kurzfristigen Aufbau von Vertrauenswürdigkeit – und damit den langfristigen Erhalt von Reputation – positiv beeinflussen (vgl. hierzu auch Weick, 1988). Ansätze hierfür hält insbesondere die symbolisch-relationale Krisenkommunikationsforschung bereit (vgl. Löffelholz & Schwarz, 2008, S. 28 ff.), bei der Strategien der Gestaltung von Botschaften im Vordergrund stehen. Ziel ist es, (rhetorische) Kommunikationsstrategien zu formulieren, die den durch Krisen entstandenen Image- bzw. Reputationsschaden so gering wie möglich halten. Dies geschieht durch das interessengeleitete Anbieten von Interpretationshilfen für die Rezipienten der Krise (vgl. hierzu auch Hart, 1993; J. Schulz, 2001, S. 228). Kommunikation in Krisen, die darauf abzielt Reputation zu erhalten, ist demnach ein Management von Erwartungen. Während PR auch langfristig Werte und Normen vermitteln kann, unterliegt Krisenkommunikation dem Diktat der Kurzfristigkeit (vgl. Mast, 2008a, S. 102 f.). Daher geht es bei der Kommunikation in Krisen in erster Linie um das Bereitstellen von temporären, wenngleich im Einklang mit der kommunikativen Gesamtstrategie stehenden Deutungsschemata. Unterscheiden lassen sich der Inhalt der Botschaften (was) von der Form der Kommunikation (wie). Zwei Bedingungen sind dabei von entscheidender Bedeutung. Erstens ist eine theoriegeleitete Auswahl geeigneter Strategien nur dann sinnvoll und möglich, wenn diese auf den Krisentyp abgestimmt sind. Dieser Annahme folgt beispielsweise die Theorie situativer Krisenkommunikation (vgl. Coombs & Holladay, 1996) und postuliert insgesamt drei Gruppen von Botschaften, die je nach Krisensituation einen positiven Effekt auf die Reputation von Organisationen haben (Strategien der Verweigerung, Strategien der Abschwächung und Strategien der Übereinkunft31). Daneben entstehen interpretative Schemata über die Kommunikationsform wie die schnelle, aktive oder konsistente Kommunikation (vgl. Huang, 2008). Zweitens ist die Wahrnehmung dieser Strategien aber auch stark stakeholderspezifisch. Das bedeutet, dass Botschaften nur in Abhängigkeit von den relevanten Dialoggruppen formuliert werden können. Im Wechselspiel zwischen Handlung und Struktur hat Krisenkommunikation damit Sinn gebenden Charakter in Bezug auf die Zieldimension Aufbau und Erhalt von Vertrauen: Organisationen werden als vertrauenswürdig wahrgenommen basierend auf einer grundsätzlichen Vertrauensbereitschaft, die ihnen entgegen gebracht wird. Diese Vertrauensbereitschaft hängt maßgeblich davon ab, ob interpretative Schemata bereit gestellt wer30 31
Vgl. zur Abgrenzung von Krisenkommunikation vor, während und nach der Krise Kapitel 2.2.1.3. Sowohl Lee (2004) als auch Schwarz (2008) fordern zurecht, dass die Theorie situativer Krisenkommunikation der interkulturellen Validierung bedarf. Auch ist eine detaillierte Zuweisung von Strategie und Krisentyp hat bislang noch nicht abschließend stattgefunden.
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den, die diese Vertrauensbereitschaft rechtfertigen oder zumindest begünstigen (vgl. hierzu auch Caldwell, Hayes, Karri, & Bernal, 2008). Krisenkommunikation als Macht – Zieldimension Gestalten der Umweltbeziehung Für den Erhalt von Reputation in Krisen lassen sich aber auch autoritative und allokative Ressourcen heranziehen. Dabei stehen die Zieldimensionen des Aufbaus bzw. Aufrechterhaltens der Umweltbeziehung, sowie deren aktive Steuerung im Vordergrund: „[...] reputation follows relationships, and relationships are an outcome of communication“ (Bronn, 2008, S. 287). Ansätze hierfür lassen sich vor allem in der instrumentell orientierten Krisenkommunikationsforschung finden, die Instrumente und Strukturbedingungen der Krisenkommunikation untersucht. Zur Beeinflussung der institutionellen Umwelt setzen Organisationen allokative Ressourcen in Form von Geld und Strukturoptimierung ein. Die Nutzung finanzieller Mittel äußert sich insbesondere dadurch, dass in Krisen z.B. auf externe Agenturleistungen zurückgegriffen wird (vgl. Knobel, 2006, S. 23). Dagegen werden strukturelle Veränderungen primär auf organisationsinterner Ebene sichtbar. Dies geschieht erstens durch die bewusste Veränderung struktureller Gegebenheiten wie das Einrichten von Krisenstäben oder Sonderabteilungen. Zweitens können aber auch bestimmte Prozessabläufe angepasst werden. Letzteres wird häufig in Krisenhandbüchern festgelegt, die vor der eigentlichen Krise organisationsintern entwickelt werden (vgl. Barton, 1990). Vorliegende Studien zeigen, dass etwa ein Drittel der Organisationen über derartige Krisenhandbücher verfügen (vgl. Kunczik, et al., 1995). Der Einsatz autoritativer Ressourcen hängt maßgeblich von den Rahmenbedingungen der Mediengesellschaft ab. So bleibt fraglich, ob mittels Krisenkommunikation die Beziehung zwischen Organisation und Stakeholder überhaupt mittelbar beeinflusst werden kann. Denn die Beziehung wird zu einem erheblichen Teil über massenmediale Kommunikation aufgebaut und gestaltet (vgl. Röttger, 2005, S. 17) was bedeutet, dass auch in Krisen vor allem die Beziehung zu den Medien im Vordergrund zielgerichteter Kommunikation steht. Persönliche Kontakte zu Medienvertretern, das Beantworten von Presseanfragen oder das Halten von Krisenpressekonferenzen sind Möglichkeiten, direkt Einfluss auf Medienvertreter zu nehmen, um somit indirekt auch die institutionelle Umwelt bzw. die Beziehung von Stakeholdern zu steuern. In Bezug auf die Verwendung von PR-Instrumenten hat sich bislang gezeigt, dass einerseits bekannte Standardinstrumente (z.B. Pressekonferenzen, Hintergrundgespräche) zum Einsatz kommen. Andererseits werden in Krisen aber auch krisenimmanente Instrumente verwendet, deren Anwendung sich dezidiert auf Krisensituationen beschränkt (vgl. Hasse, 2004, S. 172; Thießen, 2007, S. 90). Ebenso wie Krisenkommunikation als Signifikation, so hängt auch der Einsatz autoritativer und allokativer Ressourcen als Ausgestaltung der Umweltbeziehungen stark von den jeweiligen Stakeholdergruppen ab. Krisen sind diesbezüglich ein Sonderfall, da auch solche Gruppen relevant werden, die bislang in keinerlei Beziehung zur Organisation standen. Dies sind entweder etablierte Akteurskonstellationen (z.B. politische Organisationen, Interessenvertretungen, Anwohner) oder aber spontane Akteurskonstellationen (z.B. Bürgerinitiativen, kurzfristige Interessengemeinschaften). Dadurch wird der Beziehungsaufbau deutlich erschwert, denn Organisationen können nicht auf etablierte Kommunikationsbeziehungen und somit auf feste Deutungsmuster und Werte zurückgreifen. Auf der Strukturebene wird Krisenkommunikation also in erster Linie zur autoritativen Ressource. Denn erst
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durch sie kann (sowohl zu den Medien als auch zu den Stakeholdern) eine Vertrauensbeziehung aufgebaut werden, die in Form von Interaktionen nutzbar wird. Krisenkommunikation als Sanktion – Zieldimension Legitimation Normen regeln und legitimieren Organisationsentscheidungen und rechtfertigen ihr (kommunikatives) Handeln (oder eben nicht). Dabei lässt sich grundlegend zwischen formalisierten und nicht formalisierten Sanktionsbedingungen unterscheiden. Als formalisierte Normen können das Festlegen von Kommunikationsprinzipien entweder in allgemeinen Leitlinien (z.B. corporate governance, mission statement, o.ä,) oder speziell in Leitlinien für die Krise (z.B. Krisenhandbuch) gesehen werden. Solche formalisierten Normen können die schnelle Kommunikation oder die bewusste Kommunikation gegenüber bestimmten Stakeholdergruppierungen (z.B. Anwohner, Anteilseigner) sein. Aber auch die Verpflichtung zur Transparenz und Offenheit ist eine solche formalisierte Norm. Dagegen sind informelle Normen diejenigen, die sich ohne festgeschrieben zu sein gebildet haben und die Kommunikation in Krisen prägen. Dies können Unternehmenskultur, Rollenbilder oder Sprachregelungen sein. Insbesondere für die Unternehmenskultur konnte gezeigt werden, dass diese auch in Krisen einen Einfluss auf die Kommunikationsfunktion von Organisationen hat (vgl. Fombrun & van Riel, 1997; Gorman, 2006). Daneben spielen gleichzeitig aber auch gesellschaftliche Normen eine nicht unerhebliche Rolle: So widerspricht in Krisen die Unwahrheit zu sagen oder die bewusste kommunikative Irreführung gesellschaftlichen Grundregeln. Das bedeutet, dass auch wenn interpretative Schemata angeboten und diese gezielt an die institutionelle Umwelt weiter gegeben werden, so kann sich kein Vertrauen bilden wenn diese nicht im Einklang mit gesellschaftlichen Grundwerten stehen. Denn es reicht nicht aus, Vertrauenswürdigkeit nur durch den Einsatz von Kommunikationsstrategien erreichen zu wollen. Vielmehr ist Vertrauen allgemein eine Grundlage, „[...] auf der PR-Kommunikation agieren muß. Es ist deshalb unsinnig, Vertrauen nur durch den Einsatz von Kommunikationstechniken erreichen zu wollen, Vertrauen kann nur auf Basis eines konsistenten und wahrhaftigen tatsächlichen Kommunikationsverhalten erlangt werden“ (Bentele, 1994b, S. 155).
Diesen legitimatorischen Charakter erhält Krisenkommunikation auf der Strukturebene. In Abbildung 18 wird die Verankerung von Krisenkommunikation in der Modellierung Giddens Strukturationstheorie zusammenfassend dargestellt: Krisenkommunikation als interpretatives Schema, als Ressource sowie als Legitimationsregel mit dem Ziel, (kurzfristige) Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren.
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Abbildung 18: Krisenkommunikation in der Dualität von Struktur
(Eigene Darstellung)
3.4
Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Die bis hierher formulierten theoretischen Grundannahmen sollen abschließend in ein Modell integrierter Krisenkommunikation münden. Hierfür werden zunächst die zentralen Erkenntnisse aus den Vorüberlegungen zur Reputationskonstitution, Krisenkommunikation und Strukturationstheorie zusammenfassend dargestellt. Anschließend sind diese die Grundlage für einen Modellvorschlag von multidimensionaler Organisationskommunikation in Krisen. 3.4.1
Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen
In den theoretischen Grundlagen (vgl. Kapitel 2) wurden insgesamt vier Schwerpunkte gelegt, die sich an der inhaltlichen Ausrichtung der vorliegenden Arbeit orientieren: Erstens die Einführung eines multidimensionalen Reputationskonstrukts, zweitens die Darstellung organisationaler Krisensituationen, drittens die Beschreibung von Krisenkommunikation als zentrales Steuerungsinstrument für viertens die Reputationskonstitution durch Krisenkom-
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munikation. Die diskutierten Erkenntnisse sind wesentlicher Bestandteil des integrativen Modells der Krisenkommunikation und soll daher im Folgenden noch einmal zusammenfassend skizziert werden. Reputation als multidimensionales Konstrukt Reputation wurde eingeführt als eine Erwartung von Stakeholdern gegenüber einer Organisation, sich entsprechend der eigenen oder medienvermittelter Erfahrungen zu verhalten. Sie konkretisiert sich als Ruf der Vertrauenswürdigkeit in der Anerkennung gegenüber Organisationen für ihr Vermögen, diese Erwartungen dauerhaft zu erfüllen (vgl. Eisenegger, 2005, S. 30). Der Grad der Erfüllung, so wurde gezeigt, entfaltet sich entlang von drei Dimensionen: einer funktionalen Rollenerfüllung, einer moralischen Integrität sowie entlang affektiver Sympathiewerte, die als eine Diffusion funktionaler und sozialer Reputation gesehen werden können (vgl. Ingenhoff, 2007, S. 56; Ingenhoff & Sommer, 2010, S. 258). Werden die Erwartungen erfüllt, kann sich Vertrauen bilden und Reputation langfristig entfalten, denn „[e]rfüllte Erwartungen produzieren Vertrauen, Vertrauen produziert Reputation“ (Eisenegger & Imhof, 2007, S. 3). Für die Modellentwicklung ist ebendiese Mehrdimensionalität relevant sowie die Konstitution von Reputation durch die Mechanismen der Mediengesellschaft. Krisen als zeitliche und inhaltliche Latenz Krisen wurden eingeführt als eine unintendierte Unterbrechung eines bisher kontinuierlichen Prozessverlaufs mit negativem Besatz. Sie sind damit eine Phase inhaltlicher und zeitlicher Latenz, da weder ihr Verlauf noch ihr Ende vorhersagbar ist. Für die Modellierung von Krisenkommunikation wurden Krisen entlang ihres Reputationsrisikos klassifiziert. Diese Argumentation beruhte darauf, dass Krisen als Situationen verstanden werden können, in denen Reputationserwartungen von Stakeholdern rationalisiert werden. Organisationales Fehlverhalten – zunächst unabhängig davon ob durch Eigen- oder Fremdverschulden – stellt den Ruf einer Organisation in Frage. Voswinkel spricht daher im Zusammenhang von Krisen treffend von „Reputationsprüfungen“ (Voswinkel, 2001, S. 130). Im Kontext der Mediengesellschaft wurden Krisen zudem als medienabhängig eingeführt, um Teil einer öffentlichen Debatte zu werden. Damit wird deutlich, dass das Krisenverständnis für die Modellierung stets vor dem Hintergrund der Mechanismen der Mediengesellschaft zu sehen ist. Krisenkommunikation als Managementaufgabe Krisenkommunikation wurde eingeführt als zentraler Steuerungsmechanismus der Organisationen zur Verfügung steht, um in Krisen Umweltbeziehungen zu gestalten. Indem Organisationen die Erwartungsstrukturen ihrer Umwelt in ihren eigenen Strukturen abbilden, stabilisieren sie ihre Außenbeziehungen und sind dadurch in der Lage sich zu legitimieren (vgl. DiMaggio & Powell, 1983, S. 155 ff.). Entsprechend werden Organisations- und Kommunikationsstrukturen als Einflussfaktoren auf die Bildung organisationaler Reputation konstituiert (vgl. Shrum & Wuthnow, 1988, S. 886 f.). Für die Modellierung ist die Gestaltung der Umweltbeziehungen relevant wobei zunächst offen bleibt, in welcher Form Krisenkommunikation zur Reputationskonstitution beiträgt. Diese Differenzierung soll später durch die Argumentation aus der Strukturationstheorie ergänzt werden.
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Vertrauenswürdigkeit als zentrale Steuerungsgröße Reputation, so wurde gezeigt, bildet sich langfristig. Die Aufgaben eines (kommunikativen) Reputationsmanagements können daher zunächst ausschließlich langfristig geplant und durchgeführt werden. Das Ziel von (kommunikativem) Reputationsmanagement ist somit nicht die kurzfristige Anpassung, sondern die langfristig strategische Steuerung von Reputation, um Stakeholdereinstellungen und -verhalten nachhaltig an den Organisationszielen zu orientieren (vgl. Ingenhoff & Sommer, 2010). Wenn sich Reputation jedoch langfristig bildet stellt sich unmittelbar die Frage, wie sie kurzfristig in Krisensituationen durch Kommunikation beeinflusst werden kann. Hierfür wurde gezeigt, dass Reputation eine Bewertung direkter bzw. indirekter Erfahrungen einer Organisation durch ihre Stakeholder ist. Mit der eingeführten Differenzierung von Reputation und Vertrauenswürdigkeit wurde argumentiert, dass die zentrale Steuerungsgröße von Krisenkommunikation Vertrauenswürdigkeit ist. Die Ausprägungen langfristiger Reputation finden in der Literatur ihre Entsprechung in einem ebenso mehrdimensionalen Konstrukt von Vertrauenswürdigkeit. Diese Unterscheidung ist für die Modellentwicklung entscheidend: Reputationskonstitution muss zwar elementarer Bestandteil eines integrativen Modells der Krisenkommunikation werden (da dies explizites Ziel von Krisenkommunikation ist). Jedoch ist sie untrennbar mit der kurzfristigen Steuerung von Vertrauenswürdigkeit in Bezug zu setzen. Beide Elemente müssen demnach in eine Modellierung mit einfließen. 3.4.2
Zusammenfassung des strukturationstheoretischen Bezugsrahmens
Der strukturationstheoretische Bezugsrahmen hält drei wesentliche Elemente für die Formulierung eines integrativen Modells organisationaler Krisenkommunikation bereit. Voraussetzung ist die Annahme, dass das Ziel öffentlicher Kommunikation in Krisen die Interaktion mit relevanten Bezugsgruppen ist. Organisationen koordinieren ihre Umweltbeziehungen und versuchen, diese dadurch zu stabilisieren. Öffentliche Kommunikation hilft ihnen dabei, die situative Komplexität zu reduzieren und Handlungsmuster ihrer Umwelt aktiv zu beeinflussen. Krisenkommunikation erhält erstens die Aufgabe einer Sinnkonstitution. Organisationen stellen interpretative Schemata bereit, um den Reputationserwartungen ihrer Umwelt zu begegnen. Es wurde gezeigt, dass Reputationserwartungen sich zwischen den Anspruchsgruppen einer Organisation unterscheiden. Entsprechend geben Organisationen in Krisen nicht ein singuläres Schema vor, sondern müssen dies zum einen an die relevanten Anspruchsgruppen und zum anderen an den Verlauf der Krise anpassen. Krisenkommunikation verfolgt zweitens das Ziel, Umweltbeziehungen zu gestalten. Als Machtressource hat sie sich dabei an strukturellen Voraussetzungen der Organisation zu orientieren (allokative Ressource). Gleichsam wird sie zu einer Ressource, ein bestimmtes Verhalten bei relevanten Anspruchsgruppen hervorzurufen bzw. zu forcieren (autoritative Ressource). Krisenkommunikation hat drittens schließlich legitimierenden Charakter, indem sie das organisationale (Fehl-)Verhalten rechtfertigen muss. Organisationen entsprechen in Krisensituationen nicht mehr den ihnen entgegengebrachten Reputationserwartung. Das Handeln widerspricht ihrem medial vermittelten Abbild. Krisenkommunikation hat dann die Aufgabe, die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und tatsächlichem Handeln zu mini-
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mieren und so das Organisationshandeln zu legitimieren. Krisenkommunikation wird so zur legitimationsrelevanten Information. Neben diesen drei Dimensionen von Krisenkommunikation hält die Strukturationstheorie aber auch einen Erklärungsrahmen bereit, Krisensituationen in der Dualität von Struktur und Handlung zu beschreiben. Es wurde gezeigt, dass Interaktionsprozesse zwischen Organisationen und ihrer Umwelt einem wechselseitigen Beeinflussungs- und Austauschprozess unterliegen. Reputation fungiert dabei als eine Kontinuitätsannahme der Umwelt gegenüber Organisationen. Diese Annahme wird in der Regel nicht hinterfragt. Krisen wurden nunmehr als Situation unintendierter Rationalisierung entwickelt. Das bedeutet, dass bisher routinierte Handlungsmuster von der Umwelt bewusst hinterfragt werden. Reputation wird plötzlich als Erwartung gegenüber einer Organisation aktiv formuliert. Es wird nach einer Begründung für das Handeln in der Krise verlangt. Entscheidend ist, ob eine Organisation dann in der Lage ist, plausible Begründungen für ihr organisationales Handeln zu liefern. Erst dann wird dieses situativ nicht mehr hinterfragt und der Interaktionsprozess kann routiniert weiterlaufen. 3.4.3
Integratives Modell zur Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation
Bis hierher wurden die wesentlichen Annahmen aus den theoretischen Grundlagen (Reputation, Vertrauen und Krisenkommunikation) sowie dem theoretischen Bezugsrahmen (Strukturationstheorie) noch einmal zusammenfassend dargestellt. Diese werden im Folgenden nun in einer Modellierung von Krisenkommunikation zum Erhalt von Reputation verdichtet. Ziel dieses Kapitels ist es, die Erkenntnisse systematisch zusammenzuführen und abschließend einen Modellvorschlag zu präsentieren. Dabei finden sich die Argumentationsstränge aus der Reputations- und Krisenkommunikationsforschung ebenso wieder, wie die aus der Strukturationstheorie. Der Erhalt von Reputation als Zieldimension Die Zieldimension der Grundlegung eines Modells integrierter Krisenkommunikation ist der Erhalt (oder Aufbau) von Reputation unter Krisenbedingungen. Zentrale Voraussetzungen für die Bildung von Reputation ist Vertrauenswürdigkeit (vgl. Kapitel 2.4.3). Da Reputation sich langfristig und kollektiv bildet, gilt es in Krisen in erster Linie ebendiese Vertrauenswürdigkeit durch Kommunikation zu schaffen bzw. zu signalisieren. Dadurch kann nicht nur ein Reputationsverlust verhindert werden, sondern Reputation durchaus auch konstituieren: Denn Krisenkommunikation „[...] not only can alleviate or eliminate the crisis, but also can sometimes bring the organization a more positive reputation than it had before the crisis“ (Fearn-Banks, 2007, S. 9).
Mit diesen Überlegungen stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Faktoren dazu beitragen, Vertrauenswürdigkeit in Krisen positiv zu beeinflussen, um langfristig Reputation zu erhalten. Strategische Krisenkommunikation dabei als Organisationsfunktion zu definieren, dessen Aufgabe es ist, lediglich kohärente Botschaften schnell zu vermitteln reicht nicht aus, um die kurzfristige Konstitution von Vertrauenswürdigkeit und damit den Erhalt von Reputation in Krisen umfassend zu erklären (vgl. hierzu auch Huang, 2008). Vielmehr tragen weitere konstituierende Elemente dazu bei, den Aufbau von Vertrauenswürdigkeit in
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Krisen zu fördern und müssen in einem Modell integrierter Krisenkommunikation konsequent Berücksichtigung finden. „Solche Vertrauensfaktoren können [...] die (zugeschriebene) An- oder Abwesenheit von Sach- oder Problemlösungskompetenz aber auch gesellschaftliche Verantwortung und ethisches Grundverständnis oder Offenheit sein. In additiver Weise kann das Vorhandensein [solcher] Faktoren (im positiv konnotierten Sinn) entsprechend zum Vertrauensgewinn beitragen“ (Seidenglanz, 2008, S. 43).
Seidenglanz bleibt zwar vage in der Beschreibung der Faktoren, dennoch wird in seinen Ausführungen eines deutlich: Vertrauensgewinn entsteht nicht nur durch Sachkompetenz allein – vielmehr tragen auch gesellschaftliche und ethische Verhaltensweisen von Organisationen dazu bei (vgl. hierzu auch Giddens, 1999b). Postulate der Krisenkommunikation In Anlehnung an die Grundlegungen der Theorie der Unternehmenskommunikation und Public Relations (vgl. Zerfaß, 2004, S. 393 ff.) und zur Erreichung der dargestellten Zieldimension lassen sich für Krisenkommunikation insgesamt drei Postulate formulieren. Sie fassen zusammen, in welchen Dimensionen strategisch ausgerichtete Krisenkommunikation insgesamt zu verorten ist. So fordert zunächst das Postulat einer strategischen Krisenkommunikation die Ausrichtung der Krisenkommunikation an gesellschaftlichen Normvorstellungen. Demnach ist es nicht nur die Aufgabe des Krisenmanagements, sich ethisch und sozial korrekt zu verhalten, sondern auch die Kommunikation in Krisen hat sich an diesen Vorgaben zu orientieren. Strategische Krisenkommunikation übernimmt damit primär die Aufgabe der Legitimationsfunktion von Öffentlichkeitsarbeit. Es ist von zentraler Bedeutung, Widersprüche kurzfristig aufzudecken und die gewonnenen Erkenntnisse direkt wieder in die fortlaufende Krisenkommunikation einfließen zu lassen (vgl. hierzu auch Röttger, 2005). Zweitens fordert das Postulat einer integrierten Krisenkommunikation die Einbindung in ein kommunikatives Gesamtkonzept. Insbesondere der Verknüpfung von interner und externer Krisenkommunikation kommt dabei eine wichtige Rolle zu (vgl. Fearn-Banks, 2007, S. 38). Denn in unsicheren Situationen wie in Krisen bedeuten ungenutzte interne Kommunikationskanäle das Entstehen von Gerüchten und unkontrollierten Kommunikationsbedingungen, die sich negativ auf die externe Krisenkommunikation auswirken können (vgl. ebd., S. 93). Aufgabe integrierter Krisenkommunikation ist es nicht, das Krisenmanagement zu übernehmen, als vielmehr methodisches Wissen bereit zu stellen, die Krisensituation kommunikativ zu begleiten und zu steuern. Das bedeutet: die „situations- und zielgruppenspezifischen Kommunikationskonzepte müssen auf der Handlungsebene soweit miteinander abgestimmt werden, daß sie sich nicht gegenseitig konterkarieren [...]“ (Zerfaß, 2004, S. 325). Dies gilt gleichermaßen für Krisenkommunikation wie für weitere Kommunikationsdisziplinen wie z.B. der Werbung oder dem Krisenmanagement. Drittens fordert das Postulat einer situativen Krisenkommunikation die Ausrichtung an der Krisensituation selbst, bei der eine Konsensförderung und Konfliktresolution im Vordergrund steht. Es konnte gezeigt werden, dass kommunikative Strategien in Abhängigkeit von der Klassifikation der Krise im Hinblick auf den Erhalt von Reputation zu unterschiedlichen Resultaten führen (vgl. hierzu insb. Coombs, 2007b; Huang, 2008). Das bedeutet, um geeignete Kommunikationsmaßnahmen anstoßen zu können, gilt es zunächst relevante Teilöffentlichkeiten zu identifizieren und die Krisensituation mit Bezug auf das Reputationsrisiko adäquat ein-
3.4 Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
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zuschätzen (vgl. Kapitel 2.1.3.2). Erst dadurch wird es möglich, Strategie, Form und Instrumente an der Krisensituation gezielt auszurichten. Vertrauenswürdigkeit als Voraussetzung Die theoretischen Vorüberlegungen (vgl. Kapitel 2) lassen es nunmehr zu, den Zusammenhang zwischen Vertrauenswürdigkeit und den formulierten Postulaten der Krisenkommunikation herzustellen. Caldwell & Clapham (2003) identifizieren für die Bildung intersubjektiver Vertrauenswürdigkeit die Faktoren Integrität32, Wohlwollen und Können (vgl. hierzu auch Mayer, et al., 1995, S. 715). Übertragen auf Vertrauenswürdigkeit von Organisationen, lassen sie sich als das Verhalten im Rahmen legaler Rahmenbedingungen (Integrität), die Intention zu informieren (Wohlwollen) sowie die Zuschreibung von Kompetenz (Können) interpretieren (vgl. ebd., S. 352 f.). Das bedeutet, dass Organisationen dann als vertrauenswürdig eingeschätzt werden, wenn sich erstens ihr (kommunikatives) Verhalten entlang gesellschaftlich akzeptierter Normen bewegt, sie zweitens mit ihrem Umfeld bewusst in Interaktion treten bzw. verantwortlich kommunizieren und drittens ihre funktionale Rolle kompetent erfüllen. Vertrauenswürdigkeit ist die Voraussetzung zur Bildung von Reputation und so können die formulierten Postulate der Krisenkommunikation um die Vertrauensfaktoren entsprechend ergänzt werden. Demnach fordert das Postulat strategischer Krisenkommunikation für die Bildung von Vertrauenswürdigkeit die Orientierung an Grundprinzipien, also an gesellschaftlich anerkannten Normen (gesellschaftliche Ebene). Mit einer solchen Orientierung zeigen Organisationen, dass sie moralische Integrität besitzen – eine wichtige Voraussetzung zur Vertrauensbildung. Denn umgekehrt, so konnte gezeigt werden, tragen (kommunikative) Diskrepanzen dazu bei, dass sich Vertrauenswürdigkeit nicht bilden kann (vgl. Bentele, 1994b, S. 147). Entsprechend gilt, dass nur eine konsistente Darstellung „[...] of the party’s past actions, credible communications about the trustee from other parties, belief that the trustee has a strong sense of justice, and the extent to which the party’s actions are congruent with his or her words all affect the degree to which the party is judged to have integrity“ (Mayer, et al., 1995, S. 719).
Es reicht jedoch nicht aus, sich in Krisen auf die Darstellung der eigenen (Management-) Fähigkeiten zu beschränken. Vielmehr muss, um das Ziel der Herstellung von Vertrauenswürdigkeit zu erreichen, die Darstellung gesellschaftlicher Integrität mitbedacht werden. Entsprechend fordert zweitens das Postulat der integrierten Krisenkommunikation auf der Organisationsebene genau diesen funktionalen Kompetenzbeleg. Es gilt, erstens kommunikativ zu vermitteln, dass eine Organisation in der Lage ist trotz Krise nach wie vor bzw. zukünftig weiterhin ihrem funktionalen Auftrag gerecht zu werden. In Krisen kommt zusätzlich auch die Darlegung von Krisenmanagementkompetenz hinzu also das Aufzeigen der Fähigkeit, die Situation unter Kontrolle zu haben. Die Darlegung von Kompetenz und Können ist insofern von besonderer Relevanz, als dass im Interaktionsprozess Akteure darauf angewiesen sind den funktionalen Fähigkeiten Glauben zu schenken. Denn viele der Organisations-/Umweltbeziehungen basieren auf rein funktionalen Interaktionen – sei es z.B. in Form von Kaufprozessen oder dem Erbringen von (nicht-/politischen) Dienstleis32
Der Begriff „integrity“ ist im Original von seiner Bedeutung her nicht eindeutig – Integrität ist hier im Sinne einer charakterlichen Fairness gemeint.
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
tungen. Die dargelegte Argumentation zeigt auf, dass zur Bildung von Vertrauenswürdigkeit es nicht ausreicht, seine Krisenkommunikation auf rein funktionale Aspekte zu beschränken. Mit dem Postulat der situativen Krisenkommunikation lässt sich schließlich auf der Botschaftsebene die Forderung formulieren, dem Vertrauensgeber Wohlwollen zu signalisieren. Wohlwollen im Sinne einer Intention, betroffene Stakeholder aktiv zu informieren. Dazu gehört auch das Aufzeigen von Empathie (vgl. Silvester, Patterson, Koczwara, & Ferguson, 2007, S. 521). Umgekehrt wurde in der Literatur zur Krisenkommunikation entsprechend gezeigt, dass die Verweigerung von Information zum Verlust an Vertrauenswürdigkeit führen kann (vgl. Schweitzer, Hershey, & Bradlow, 2006, S. 17). Interpretative Schemata, Ressourcen und Normen Krisen stellen für Organisationen eine nicht-intendierte Rationalisierung durch ihre Organisationsumwelt dar (vgl. Kapitel 3.3.2). Das bedeutet, dass Stakeholdergruppen sich ihrer bisherigen Beziehung zur Organisation bewusst werden und diese hinterfragen bzw. neue Stakeholdergruppen erstmalig in den Beziehungskontext einer Organisation treten. Umgekehrt entsteht für Organisationen die Notwendigkeit, mit bisherigen oder neuen Stakeholdergruppen zu interagieren. Dies wird möglich über die integrierte Beanspruchung semantischer und moralischer Regeln sowie das Zurückgreifen auf ein System von Ressourcen: „Structures of signification can be analysed as systems of semantic rules; those of domination as systems of resources; those of legitimation as systems of moral rules. In any concrete situation of interaction, members of society draw upon these modalities of production and reproduction, although as an integrated set rather than three discrete components“ (Giddens, 1976, S. 123 f., Hervorhebung im Original).
Daraus lässt sich ableiten: Zur Erfüllung der formulierten Postulate ist es die Aufgabe von Krisenkommunikation, interpretative Schemata in Form von (kohärenten) Botschaften anzubieten (vgl. hierzu auch Weick, 1988, S. 309 ff.). Zur Steuerung der Kommunikationsbeziehungen greift Krisenkommunikation daher auf Deutungsmuster zurück die sie fortwährend aktualisiert. Dadurch wird es möglich, die inhaltliche Dimension des Krisenverlaufs aktiv zu beeinflussen und im Idealfall zu einer (bedingten) Deutungshoheit beizutragen. Je schneller die Bereitstellung der Deutungsmuster vollzogen wird, desto größer der Einfluss auf die Medianagenda und somit auch die Bildung von Vertrauenswürdigkeit und Reputation. Die Beziehung zwischen Organisation und ihren Anspruchsgruppen vollzieht sich zu einem erheblichen Teil über öffentliche, massenmedial vermittelte Kommunikation. Entsprechend können die Beziehungen zu Journalisten als (immaterielle) allokative Ressource gesehen werden mit der es Organisationen ermöglicht wird, Informationen zielgerichtet zu verteilen. Formen der direkten Kommunikation mit relevanten Stakeholdergruppen (außer den Medien) spielen in Krisen aufgrund des geringen Wirkungsgrads nur indirekt (z.B. in Form von Lobbying oder Hintergrundgesprächen) eine Rolle. Ebenso sind eine Anpassung interner Prozesse (festgehalten z.B. in einem Krisenhandbuch) oder eine Einrichtung von speziellen Kommunikations- und Managementfachgruppen allokative Ressourcen, die Organisationen einsetzen, um aktiv in die kommunikative Umweltsteuerung einzugreifen. Als autoritative Ressource kann dabei die Fähigkeit gesehen werden, die Vertrauenswürdigkeit und damit den Erhalt von Reputation positiv zu beeinflussen. Krisenkommunikation orientiert sich jedoch nicht nur an Regeln, sondern auch an Normen. Ein Teil der Normen lässt sich dabei formalisieren (z.B. in Form eines Krisenhandbuches), ein anderer Teil wiederum nicht. So unterliegt die Kommunikation in Krisen beispielsweise
3.4 Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
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auch gesellschaftlichen Spielregeln, die es insbesondere durch die hohe Medienaufmerksamkeit besonders zu beachten gilt. In Bezug auf die Einflussnahme auf vorhandene Signifikations- und Legitimationsordnungen kann auch bei der Kommunikation in Krisen abschließend zwischen drei Mechanismen unterschieden werden (vgl. Röttger, 2005, S. 17): der Einflussnahme auf die Relevanz der Normen und Regeln, der Einflussnahme auf deren Interpretation sowie dem Versuch, neue Normen und Regeln dauerhaft zu etablieren (vgl. hierzu auch Zimmer, 2001, S. 400). Krisenkommunikation kann als reflexive Steuerung von Organisationen beschrieben werden. Durch die kommunikative Steuerung nehmen Organisationen (kurzfristig und gezielt) Einfluss auf ihre Umwelt und koordinieren so die Interaktionsprozesse. Krisenkommunikation ist dabei sicher nicht die einzige Möglichkeit, die Organisationsumwelt zu beeinflussen – in Krisen jedoch und im Hinblick auf den Reputationserhalt eine wesentliche. Strategisch ausgerichtete Krisenkommunikation hilft Organisationen also, die Bedingungen ihres (kommunikativen) Handelns und dessen Folgen gezielter einzuschätzen. Systematische Modellierung von Krisenkommunikation Die bisherigen Ausführungen lassen sich abschließend und zusammenfassend in einem Modell integrierter Krisenkommunikation verdichten (vgl. Abbildung 19). Abbildung 19: Grundlegung eines integrativen Modells zum Erhalt von Reputation durch Krisenkommunikation – Krisenkommunikation –
Normen
– Reputationskonstitution –
Gesellschaftliche Ebene Postulat der strategischen Krisenkommunikation Moralische Standards
Vertrauenswürdigkeit
Moralische Integrität
Organisationsebene Postulat der integrierten Krisenkommunikation Krisenmanagement
Können und Fähigkeiten
Funktionaler Auftrag
Interpretative Schemata
Botschaftsebene Postulat der situativen Krisenkommunikation
Reputation
Rechtliche Rahmenbedingungen
Autoritative und allokative Ressourcen
Reputation
Wohlwollen und Verantwortung
Kommunikationsstrategien Bereitschaft, zu informieren
(Eigene Darstellung) Während die Funktionen, Strukturen und Prozesse von Organisationskommunikation in Nicht-Krisenzeiten vor allem langfristig orientiert sind, spielt bei der Kommunikation in Krisen die kurzfristige kommunikative Steuerung eine zentrale Rolle. Auf gesellschaftli-
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
cher Ebene kann daher beispielsweise durch Corporate Social Responsibility (CSR) langfristig eine soziale Verantwortung kommunikativ vermittelt werden. In Krisen gilt es jedoch, situativ eine ökonomische, ökologische oder soziale Verantwortung durch ein entsprechendes Krisen- und Kommunikationsmanagement zu signalisieren. Gleiches gilt auf Organisationsebene: Sach- und Problemlösungskompetenz in Nicht-Krisenzeiten lässt sich z.B. an der Qualität von Produkten oder Dienstleistungen festmachen. In Krisen hingegen differenziert sich dieser Kompetenzbeleg aus. Einerseits gilt es zu zeigen, dass man trotz Krise auch weiterhin dem funktionalen Auftrag gerecht wird. Andererseits gilt es, kurzfristig auch ein solides Krisenmanagement nach außen zu präsentieren. Auf Botschaftsebene schließlich spielen langfristige Kommunikationskampagnen nur noch bedingt eine Rolle. Es geht vielmehr darum, durch eine situative Krisenkommunikation die Stakeholdermeinungen aktiv zu beeinflussen sowie eine grundsätzliche Informationsbereitschaft zu signalisieren33. Zusammenfassend entfaltet sich Krisenkommunikation also auf einer Botschafts-, Organisations- und einer gesellschaftlichen Ebene, um damit umfassend Einfluss auf die Vertrauenswürdigkeit von Organisationen zu nehmen. Damit wird insbesondere gezeigt, dass es nicht ausreicht sich bei der Kommunikation in Krisen ausschließlich auf das Vermitteln von Sach- und Krisenkompetenz zu beschränken. Vielmehr muss eine grundsätzliche Übernahme kommunikativer Verantwortung sowie eine Orientierung gesellschaftlich akzeptierter Normvorstellungen konsequent mit kommuniziert werden. Die eingangs dargestellt Matrix hilft, Krisensituationen entsprechen zu klassifizieren (vgl. Kapitel 2.2.1.3.3). Die aufgezeigte Modellierung führt Überlegungen aus der Krisenkommunikationsforschung und Erkenntnisse aus der Reputationsforschung systematisch zusammen. Eingebettet in eine strukturationstheoretische Argumentation ermöglicht diese Darstellung sowohl eine horizontale (Ebenen der Krisenkommunikation) wie eine vertikale Verknüpfung (Vertrauenswürdigkeit durch Krisenkommunikation als Voraussetzung zum Erhalt organisationaler Reputation). Krisenkommunikation wird damit gezielt mit der Reputationskonstitution in Verbindung gebracht. Darüber hinaus stellt das Modell einen systematischen Rahmen dar, die Arbeit fortan theoretisch einzubetten. Es ist die Grundlage sowohl für die sich nun anschließende Entwicklung der Hypothesen (Kapitel 3.5) als auch für die empirische Analyse (Kapitel 4). 3.5
Forschungsüberblick und Hypothesen
Die wissenschaftliche Literatur zum Themenfeld der Krisenkommunikation lässt sich inhaltlich in zwei Bereiche untergliedern. Während ein großer Teil der Forschungsarbeiten sich mit politischer Kriegs- und Krisenberichterstattung auseinandersetzt widmet sich ein zweiter den Strukturen und Bedingungen von Krisenbedingungen und Wirkungen von Krisenkommunikation für ökonomische Organisationen. Die Literatur vernachlässigt fast vollständig die Auseinandersetzung mit Bedingungen und Wirkungsmechanismen für nichtpolitische oder nichtökonomische Organisationen. Der Relevanzgewinn der Auseinandersetzung mit Krisen und Krisenkommunikation ist in der wissenschaftlichen Fachliteratur allenfalls indirekt erkennbar. Während die Beschäftigung mit dem Thema zwar bereits in den 80er Jahren beginnt, widmen sich erst in jüngster Zeit wissenschaftliche Fachzeitschriften mit Sonderausgaben der organisationalen 33
Vgl. zur Abgrenzung zur Issues- und Risikokommunikation sowie zur business continuity Kapitel 2.3.1.1.
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
161
Krisenkommunikation (vgl. Löffelholz & Schwarz, 2008, S. 21). Dies täuscht jedoch sowohl über eine empirisch-systematische wie eine theoretisch-fundamentale Erschließung des Forschungsfeldes hinweg: Nach wie vor dominieren Fallstudienanalysen von besonders prominenten Kriegen (vgl. Löffelholz, 2004) oder (Unternehmens-)Krisen mit hoher öffentlicher Publizität (vgl. Kepplinger, 1992 u.a.; Scherler, 1996; Schubert, 2000; Töpfer, 1999). Fallstudienbezogene Analysen sind zunächst durchaus hilfreich, Wirkungsmechanismen in einem klar begrenztem Untersuchungsraum zu beschreiben und zu verstehen. Denn zentrales Moment von Krisen ist, dass „[t]he variables in any particular crisis situation are so numerous that no historic case is likely to be comparable to the point of providing an optimal response. Any paradigmatic approach to crisis management is, therefore, suspect.” (Berg & Robb, 1992, S. 180).
Ein parataktisches Nebeneinander der Beschreibung von Krisensituationen führt jedoch zu keiner Explikation von gemeinsamen Strukturen, Prozessen und Zusammenhängen. Denn „[a]s [...] critics have noted, case studies limit our understanding of how people respond to crises and crisis response“ (Coombs, 2007b, S. 171). Fallstudienanalysen können daher nur als Zwischenschritt gesehen werden, das Themenfeld der Krisenkommunikation systematisch zu erschließen. Generalisierbare Strategien und übergreifende Wirkungsbeziehungen lassen sich erst durch komparative Forschungen und durch die Loslösung vom Untersuchungsgegenstand als Einzelfall formulieren. Umgekehrt lässt sich eine rein theoretische Erschließung losgelöst von konkret beobachtbaren Krisensituationen nicht auf reale Krisenfälle anwenden und verfehlt damit ihr Ziel, eine Hilfestellung für ein praktisches Krisen- und Kommunikationsmanagement zu sein. Dementsprechend bedarf die Erschließung des Forschungsfeldes der Krisen und Krisenkommunikation sowohl einer Analyse von Einzelfällen als auch der Formulierung von übergreifenden Strukturmomenten. Krisen sind beobachtbar (vgl. Kohring, et al., 1996) und können durch Kommunikation nicht nur vermittelt, sondern auch beeinflusst werden (vgl. Köhler, 2006, S. 22). Der Kommunikation in Krisen fällt damit eine besondere Rolle zu, so dass bisherige Versuche, Krisen und Krisenkommunikation systematisch zu beschreiben, vor allem aus der Kommunikationswissenschaft hervor gegangen sind (vgl. Kapitel 2.3.2). Aber auch die Wirtschaftswissenschaft, Psychologie oder Organisationsforschung widmet sich Krisen und krisenhaften Ereignissen, mit jeweils einem eigenen Forschungs- und Erkenntnisinteresse. Insgesamt „kann der Forschungsstand zur Krisenkommunikation von Organisationen als beachtlich, aber stark fragmentiert beschrieben werden“ (Löffelholz & Schwarz, 2008, S. 22). Im folgenden Kapitel werden die Grundzüge der aktuellen Krisenkommunikationsforschung dargelegt. Für die vorliegende Forschungsfrage sind dafür weniger die Erkenntnisse aus der (politischen) Kriegs- und Krisenkommunikationsforschung relevant, als vielmehr die der (ökonomisch/organisationalen) Krisen- und Krisenkommunikationsforschung. Es wird einerseits Bezug genommen auf das in Kapitel 3.4 formulierte Modell der Krisenkommunikation. Entsprechend wird der Forschungsstand gegliedert in Arbeiten zu situativer (Kapitel 3.5.1), integrierter (Kapitel 3.5.2) und strategischer (Kapitel 3.5.3) Krisenkommunikation (unabhängige Variable). Andererseits werden gleichzeitig auch zentrale Erkenntnisse aus Forschungsarbeiten zur Reputations- und Vertrauensforschung mit eingearbeitet (abhängige Variable). Die Beschreibung des Forschungsstandes ist die Grundlage
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
für die Formulierung der die empirische Analyse leitenden Hypothesen. Kapitel 3.5.5 stellt diese abschließend überblicksartig nebeneinander. 3.5.1
Postulat der situativen Krisenkommunikation: Die Botschaftsebene
Die erste Ebene des integrativen Modells der Krisenkommunikation beschreibt die situative Krisenkommunikation. Sie nimmt damit Bezug auf Krisenkommunikation als Gestaltung rhetorischer Botschaftsstrategien und damit auf einen wesentlichen Teil der Krisenkommunikationsforschung (Löffelholz & Schwarz, 2008, S. 28). Während sich die deutschsprachige Literatur vor allem auf die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Medien und sicherheitspolitischen Verantwortungsträgern konzentriert (vgl. Löffelholz, 2004) liefert insbesondere die angloamerikanische Forschungstradition Erkenntnisse für die Beziehung zwischen Medien und politischen sowie ökonomischen Organisationen. Diskutiert wird dabei die Ausgestaltung von rhetorischen Botschaften unter Krisenbedingungen und deren Wirkung auf die Wahrnehmung von Organisationen im Allgemeinen bzw. auf Image (vgl. Benoit, 1997) oder Reputation (vgl. Coombs & Holladay, 2002) im Speziellen. Der größte Teil der Arbeiten bezieht sich dabei auf die Image Restauration Theory nach Benoit (1995) bzw. die Situational Crisis Communication Theory nach Coombs (1998). Die Wahl von rhetorischen Botschaftsstrategien durch die Organisation wird stets als optional beschrieben: Krisenmanager wählen eine, mehrere oder gar keine Strategie, die Krise kommunikativ zu begleiten (vgl. Barton, 1990). Bei der Wahl der Strategie liegt die Herausforderung darin, genau diejenige auszuwählen, die in der jeweiligen Krisensituation die gewünschte Wirkung erzielt. Eine theoriegeleitete Auswahl ist einerseits jedoch nur dann möglich, wenn die Wirkung rhetorischer Botschaftsstrategien bei bestimmten Teilöffentlichkeiten bekannt ist oder sich zumindest antizipieren lässt. Andererseits müssen gleichzeitig auch Eigenheiten unterschiedlicher Krisensituationen mitbedacht werden und deren Interaktion mit den antizipierten Wirkungsmechanismen (vgl. B. Lee, 2004). Rhetorische Botschaftsstrategien als kommunikative Antwort auf eine Krisensituation haben aber auch ihre Grenzen: „A critical limitation to this research is the dependence on simple lists of crisis response strategies and the use of case studies to develop recommended courses of cation“ (Coombs, 2006c, S. 242).
So leiten Forschungsarbeiten generalisierte Handlungsempfehlungen oft anhand von Einzelfallanalysen ab, ohne die Überkomplexität von Krisensituationen zu diskutieren oder den Einfluss intervenierender Variablen. Jede Empfehlung ist daher stets in den jeweiligen Untersuchungskontext zu betten und deren (teilweise empirischen) Ergebnisse kritisch zu hinterfragen (vgl. Fediuk, et al., 2010). Das Postulat situativer Krisenkommunikation wurde bislang als theoretische Ebene des integrativen Modells der Krisenkommunikation entwickelt (vgl. Kapitel 3.4). Um diese empirisch überprüfen zu können (vgl. Kapitel 5.1.1) gilt es im Folgenden, die relevanten Ausprägungen des Postulats aus dem Literaturstand abzuleiten und diese in Forschungshypothesen zu überführen. Für das Postulat situativer Krisenkommunikation sind dies rhetorische Botschaftsstrategien, die sich in Inhalt und Form unterscheiden. Es gibt eine Vielzahl an inhaltlichen Strategien, einer Krise kommunikativ zu begegnen: Betonung der Unfairness gegenüber einer Organisation (vgl. Benson, 1988, S. 61 f.), Zurückweisung, Entschuldigung, Rechtfertigung oder Eingeständnis (vgl. Bradford & Gar-
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
163
rett, 1995, S. 876 f.), Attacke, Verweigerung, Anbiederung oder korrektive Handlung (vgl. Coombs, 1998, S. 180) und eine Vielzahl weiterer, die vor allem in Einzellfallstudien identifiziert werden (vgl. Coombs, 1995). Organisationen wählen dabei entweder eine einzige Strategie, keine der Strategien oder wechseln diese im Verlauf einer Krise (vgl. Ihlen, 2002). Neben Strategien, die determinieren was gesagt wird gibt es aber auch Strategien wie etwas gesagt wird und damit Strategien, die die Form der Botschaft ins Zentrum der Betrachtung rücken. Im Wesentlichen stehen sich dabei die Wahl einer passiven „noresponse“-Strategie und die einer aktiven Antwortstrategie gegenüber. Forschungsarbeiten zeigen auf, dass wenn Organisationen sich der Kommunikation in Krisen verweigern, diese als unsympathisch wahrgenommen werden (vgl. B. Lee, 2004, S. 612). Gleichzeitig wirkt sich aktive Krisenkommunikation vermeidlich positiver auf die Wahrnehmung bei Stakeholder aus, als die eigentliche rhetorische Botschaft (vgl. Huang, 2008). Der Forschungsstand zur Botschaftsebene des integrativen Modells der Krisenkommunikation orientiert sich zusammenfassend also sowohl an rhetorischen Botschaftsstrategien (was) als auch an aktiver Krisenkommunikation (wie). Schwierig ist, dass empirische Arbeiten zu rhetorischen Botschaftsstrategien und zu formalen Strategiemustern eine Wirkung für Reputation – wenn überhaupt – nur als globales Konstrukt aufzeigen. Keine der Studien führt das Reputationskonstrukt systematisch ein oder differenziert nach unterschiedlichen Attributen der Reputationskonstitution. „A great limitation of crisis response research is the lack of clear conceptual models describing causal relations among central constructs and clarifying the key dependnt variables [...]“ (Fediuk, et al., 2010, S. 228). Aus diesem Grund wurde bereits in Kapitel 2.1 das Reputationskonstrukt systematisch entwickelt. Die zentralen Erkenntnisse dieser Überlegungen werden bei der Entwicklung der Hypothesen in den folgenden Kapiteln mit einbezogen. 3.5.1.1
Die Antwortstrategie der Übereinkunft
In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die Literatur zur Krisenkommunikation damit auseinandergesetzt, welche Rolle Kommunikation bei der Krisenbewältigung spielt: Die meisten Forschungsarbeiten legen dabei den Fokus speziell auf die Analyse des Effekts von Krisenkommunikationsstrategien auf Legitimität (vgl. Allen & Caillouet, 1994; Massey, 2001), Kaufentscheidungsprozesse (vgl. Lyon & Cameron, 2004; Wan & Pfau, 2004), Stakeholderverhalten (vgl. Coombs, 1995, 1998, 2004), Vertrauen (Huang, 2008; B. Lee, 2005) oder Ärger (Coombs, et al., 2007) gegenüber Unternehmen. Die inhaltlichen Antwortstrategien lassen sich grundsätzlich zwischen zwei Typen unterscheiden: Erstens Strategien, die dazu beitragen einen Schaden an einer in die Krise geratenen Organisation zu vermeiden und zweitens Strategien, die dazu beitragen Stakeholderverhalten zu beeinflussen. Für den Erhalt von Reputation sind letztere Strategien relevant die darauf abzielen, einen Schaden der öffentlichen Wahrnehmung zu minimieren, so dass im Folgenden für die Arbeit relevante Studien diesen Typs vorgestellt werden. Eine der ersten Studien, die die Wirkung von Kommunikationsstrategien auf den Erhalt eines Images postuliert ist die von Benoit (1995). Er zeigt theoretisch auf, dass eine Auswahl bestimmter kommunikativer Strategien (Zurückweisung, Ausweichen von der Verantwortlichkeit, korrigierende Handlung, u.a.) eine Wirkung darauf haben, das Image eines Unternehmens zu verbessern. Seine Annahmen sind zwar systematisch, bleiben je-
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
doch theoretisch und werden ausschließlich auf der Grundlage von Fallstudien entwickelt. Sie geben damit zwar einen ersten Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Krisenkommunikation und den Erhalt eines guten Images, bedürfen jedoch weiterer Konkretisierung. Kommunikationswissenschaftliche Studien, die dieses Desiderat aufgreifen, legt vor allem der amerikanische Forscher Coombs vor. Er argumentiert, dass Krisenkommunikationsstrategien kein parataktisches Aggregat sind und damit nicht losgelöst voneinander als strategische Wahl in Erwägung gezogen werden können. Vielmehr gilt es, sie als Kontinuum rhetorischer Antwortmöglichkeiten zu verstehen mit jeweils unterschiedlichen Auswirkungen. Coombs (1998) formuliert daher Krisenkommunikationsstrategien, indem er sie gleichberechtigt nebeneinander stellt. Krisenmanager haben so die Möglichkeit, zwischen der Attacke, Zurückweisung, Entschuldigung, Rechtfertigung, Anbiederung, korrigierender Handlung oder der umfassenden Entschuldigung als Strategie zu wählen. Jede der Strategien wird verstanden als ein Teil jenes Kontinuums rhetorischer Antwortmöglichkeiten. Die Konzeption von Krisenkommunikationsstrategien als Kontinuum war in der Forschungsliteratur lange dominierend und so fehlte es an einer systematischen Zuordnung zu ihrer jeweiligen Wirkung. Erst die schrittweise Untersuchung von Strategien in Bezug auf eine einzige abhängige Variable ließ zu, sie in Clustern zusammenzufassen. Der dominierende Theorierahmen für diese Überprüfung ist die Situational Crisis Communication Theory von Coombs (vgl. hierzu auch Kapitel 2.3.2.1). Wie dort gezeigt geht sie von zwei fundamentalen Grundsätzen aus: erstens wirken sich Krisen negativ auf die Reputation einer Organisation aus und zweitens sind Wirkungsmechanismen von unterschiedlichen intervenierenden Variablen abhängig (vgl. hierzu auch Fediuk, et al., 2010, S. 224 f.). Krisenkommunikation hat demnach einerseits einen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung einer Organisation, deren Wirkungsmechanismen sind andererseits jedoch vom Typ der Krise abhängig (vgl. Coombs, 1995). Die SCCT argumentiert nun, dass die Wirkung von Kommunikationsstrategien davon abhängt, wie viel Schuld einer Organisation an der Krise attribuiert wird. Coombs & Holladay (2002) schlagen drei Wahlmöglichkeiten für rhetorische Antwortstrategien vor: die Krise leugnen („deny response option“), die Attribution der Krisenschuld verringern („diminish response option“) oder eine Einflussnahme auf die Wahrnehmung der Organisation bei Stakeholdern („deal response option“). Coombs (2006c) weist anhand von Experimentalstudien nach, dass sich die Wahrnehmung der Kommunikationsstrategien, die bis dahin auf einem Kontinuum formuliert waren, in drei Clustern zusammenfassen lassen (vgl. Tabelle 13).
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
165
Tabelle 13: Zusammenfassung der Strategie-Cluster und der Krisenkommunikationsstrategien StrategieCluster
Rhetorische Botschaftsstrategie Attacke
Opferkrise (geringer Reputationsschaden)
Strategien der Zurückweisung
Zurückweisung Sündenbock
Unfallkrise (milder Reputationsschaden)
Strategien der Milderung
Vorwand Rechtfertigung Liebenswürdigkeit Betroffenheit
Vermeidbare Krise (hoher Reputationsschaden)
Strategien der Übereinkunft
Beichte Eingestehen Entschuldigung
(i.A.a. Coombs, 2006c, S. 254) In Kapitel 2.3.2 wurde aufgezeigt, dass die vorliegende Forschungsarbeit vermeidbare Krisen zum Untersuchungsgegenstand hat, da sie den größtmöglichen Schaden auf die Reputation von Organisationen haben. Aus dem aufgezeigten Überblick rhetorischer Botschaftsstrategien lässt sich demnach ableiten, dass für die Überprüfung des Postulats situativer Krisenkommunikation vor allem die Strategien der Übereinkunft auf ihre Wirkung auf die Reputationskonstitution zu untersuchen sind. In der Literaturdebatte wird aus dem Cluster der Übereinkunftsstrategien vor allem die der Entschuldigung (Apologia) und der Beichte (Concession) untersucht und deren Wirkung diskutiert. Demnach lässt sich die Zielsetzung einer öffentlichen Entschuldigung wie folgt zusammenfassen: erstens bezweckt sie, einen narrativen Interpretationsrahmen bereitzustellen, der eine Krisensituation vorteilhaft für die Organisation beschreibt. Dabei geht es nicht darum, die Krise zu leugnen, als vielmehr ihre negative Besetzung neu zu interpretieren. Zweitens soll der Ärger gegenüber der Organisation zerstreut werden, indem Bedauern geäußert wird. Und drittens versucht die Entschuldigung eine kognitive Trennung von Organisation und Krise zu erreichen (vgl. Hearit, 1994). Letzteres wird möglich, indem die Organisation die Krise offensichtlich zurückweist, einzelne Personen oder Gruppen für sie verantwortlich macht oder die Krise als Einzelfall darstellt (vgl. ebd.). Lyon & Cameron (2004) zeigen in dem Zusammenhang auf, dass die Entschuldigung als Strategie in einer Krise dazu führt, dass Unternehmen mit einer positiven Reputation wohlwollend wahrgenommen werden. Sie gelten als sozialer, ethisch korrekter und werden insgesamt als sympathischer wahrgenommen (vgl. ebd., S. 227). Dies gilt gleichsam für
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Unternehmen mit einer negativen Reputation. Wählen diese eine entschuldigende Reaktion in der Krise, gelten sie als intelligenter, ehrlicher, tugendhafter und aufrichtiger (vgl. ebd., S. 228). Dies weist deutlich darauf hin, dass die Entschuldigung als Strategie einen positiven Effekt sowohl auf funktionale (Intelligenz, Ehrlichkeit) und soziale (Ethik, Tugend) Attribute von Reputation hat. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Weiner, Graham, Orli, & Zmuidinas (1991). Sie weisen nach, dass im interpersonalen Kontext die Übernahme von Verantwortlichkeit als Voraussetzung für eine entschuldigende Handlung einen positiven Effekt auf Sympathie, Eindruck und Verzeihen hat. Die Entschuldigung wirkte sich in ihrer Studie mildernd auf die Verärgerung des Gegenübers auf und dessen Entscheidung, eine Strafe zu fordern. Es lässt sich also vermuten, dass eine Entschuldigung sich auch auf die emotionale Dimension von Reputation positiv auswirkt. Eine weitere Strategie aus dem Cluster der Übereinkunft ist die der Betroffenheit. Sie ist, so zeigen Bews & Rossouw (2002, S. 383), zum einen ein wichtiger Treiber, Vertrauen zu bilden. Zum anderen ist sie aber auch ebenso wie Loyalität und Entgegenkommen eine Voraussetzung dafür, dass sich Vertrauen überhaupt erst bilden kann. Betroffenheit lässt sich, so Mishra (1996), zwischen zwei Typen unterscheiden: einem passiven Typ, bei dem der Vertrauende von einer grundsätzlichen Fairness ausgeht und einem aktiven Typ, bei dem Betroffenheit ein Wohlwollen aktiv zum Ausdruck bringt. Die vorliegende Studie untersucht Kommunikationsstrategien in Krisensituationen. Folgt man der Typologisierung von Mishra, so gilt es, im späteren Forschungsdesign Betroffenheit als aktive Strategie zu operationalisieren und damit als eine Strategie die Wohlwollen signalisiert. Denn von einer passiven Annahme von Fairness ist unter Krisenbedingungen nicht auszugehen. Sowohl die Studien von Coombs als auch die von Lyon & Cameron, Benoit, Weiner, Graham, Orli, & Zmuidinas und Bews & Rossouw gehen davon aus, dass die jeweils untersuchte Strategie eine positive Wirkung in Bezug auf Glaubwürdigkeit, Vertrauen oder Reputation haben. Dies wird jeweils damit begründet, dass Strategien wie die Entschuldigung, Eingestehen oder Betroffenheit sich auf funktionale, soziale und emotionale Attribute der Reputationskonstitution auswirken – ohne, dass diese Erkenntnisse bislang systematisch zusammengeführt wurden. Diese Beobachtungen werden daher in den Kontext organisationaler Vertrauenswürdigkeit gestellt und münden in der ersten Forschungshypothese: Hypothese 1.1a:
Die Strategie der Übereinkunft als Botschaftsstrategie hat in vermeidbaren Krisen einen positiven Effekt auf organisationale Vertrauenswürdigkeit.
Um auch den Zusammenhang zwischen der Strategie der Übereinkunft und Vertrauenswürdigkeit differenziert nach weiteren Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit aufzeigen zu können, wird in der empirischen Analyse gleichsam die Wirkung auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit überprüft (vgl. hierzu auch Kapitel 2.2.1.3.3 und Kapitel 2.4.3).
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
3.5.1.2
167
Die Strategie aktiver Krisenkommunikation
Krisenkommunikation auf der rhetorischen Ebene umfasst wie eingangs diskutiert zwei Typen von Strategien: erstens inhaltliche Antwortstrategien und zweitens die Form der Kommunikation (vgl. hierzu auch Coombs, 1999b, S. 126 f.). Inhaltliche Strategien beschreiben das, was in einer Krise gesagt wird während die Form der Krisenkommunikation beschreibt, wie diese Botschaft präsentiert wird. Auf der Botschaftsebene des integrativen Modells der Krisenkommunikation ist sowohl der Inhalt, als auch die Form der Krisenkommunikation relevant. Denn das Modell beschreibt auf dieser Ebene allgemein den Sinn gebenden Charakter von Krisenkommunikation: „To sort out a crisis as it unfolds often requires action which subsequently generates the raw material for sensemaking and affects the unfolding of the crisis itself“ (Weick, 1988, S. 305).
Signifikation wird sowohl möglich durch rhetorische Botschaftsstrategien, als auch durch die Form, wie sie präsentiert werden. In Krisen als Situationen zeitlicher und inhaltlicher Latenz (vgl. Kapitel 2.2.1.1) ist das genaue Ausmaß der Krise – insbesondere in dem Moment des Eintretens – oft nicht sofort bekannt. Eine inhaltliche Kommunikationsstrategie lässt sich dann noch nicht klar bestimmen. Dennoch ist das öffentliche Informationsbedürfnis hoch und es wird Signifikation erwartet. In dem Fall rückt die Form der Kommunikation in den Vordergrund (vgl. Seeger, et al., 2003, S. 131): Auch wenn eine Organisation inhaltlich noch wenig zum Mediendiskurs beitragen kann, so wird bereits wahrgenommen ob sie Informationen (z.B. darüber wie mit der Situation umgegangen wird) aktiv nach außen gibt oder nicht. „By doing so, these communicators can usually stipulate the important issues in the topic, and they can also control how message receivers view a topic“ (Benson, 1988, S. 57).
Benson weist damit deutlich darauf hin, dass die Form der Krisenkommunikation zwar nicht zum inhaltlichen Diskurs beitragen kann, sehr wohl aber dazu, wie Inhalte im Verlauf der Krise wahrgenommen werden. Für das Modell integrierter Krisenkommunikation wurde die Antwortstrategie der Übereinkunft als inhaltliche Strategie eingeführt (vgl. Kapitel 3.5.1.1). Um diese auf der Ebene der rhetorischen Strategien sinnvoll zu ergänzen, widmet sich das nun folgende Kapitel der Form von Krisenkommunikation. Es werden zunächst drei Formen von Krisenkommunikation eingeführt und anschließend aktive Kommunikation in den Zusammenhang der Reputationskonstitution gestellt. Krisenmanager haben zunächst unterschiedliche Möglichkeiten, in einer Krise kommunikativ zu reagieren. In der Literatur werden vor allem die Strategien der Verweigerung von Kommunikation (vgl. Coombs, 2006c), der Entschuldigung (vgl. Hearit, 2006), der öffentlichen Beichte (vgl. Bradford & Garrett, 1995), technischer Übersetzungen (vgl. Stephens, et al., 2005) oder der aktiven Kommunikation (vgl. Huang, 2008) diskutiert. Trägt man die Strategien ebenso wie die inhaltlichen Botschaftsstrategien auf einem Kontinuum ab (vgl. Kapitel 3.5.2.1), so stehen sich die Strategie aktiver Kommunikation und die der Verweigerung von Informationen gegenüber, während Vertuschungs-Strategien sich zwischen beiden Polen bewegen. Grundsätzlich kann jedoch gezeigt werden, dass wenn Organisationen inaktiv oder passiv in einer Krise reagieren, sich dies negativ auf öffentliche
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Denn passive Kommunikation hat langfristig hat zur Folge, dass (Kommunikations-)Beziehungen zwischen der Organisation und ihren relevanten Dialoggruppen zerstört oder in Frage gestellt werden (vgl. Coombs, 1999a; Fink, 1986; Pearson & Mitroff, 1993; Ulmer, 2001). Forschungsarbeiten über aktive Krisenkommunikation weisen jedoch darauf hin, dass sie ein wichtiges Element ist, jene kommunikative Beziehungen auszugestalten und positiv zu beeinflussen (vgl. Canary & Stafford, 1994). Aktive Kommunikation in einer Krise wirkt sich vor allem dann positiv auf den Erhalt von Reputation aus, wenn sie nicht nur darauf abzielt, die eigene Position zu präsentieren. Vielmehr gilt es, den Konflikt mit relevanten Stakeholdern zu antizipieren und diese in den Dialog aktiv mit einzubeziehen (Hunter, Le Menestrel, & de Bettignies, 2008, S. 348): „A proactive stance, unlike a reactive approach, anticipates the possibility of needing to communicate on a given topic“ (Benson, 1988, S. 57, Hervorhebung im Original). Das Verständnis von aktiver Kommunikation als Dialog geht damit über ein rein unidirektionales Kommunikationsverständnis hinaus. Wie in Kapitel 2.2.2.3 gezeigt sind Krisen Situationen, in denen Organisationen sich einer öffentlichen Diskussion ausgesetzt sehen. Dies hat zur Konsequenz, dass Stakeholder in einen Dialog mit der in die Krise geratenen Organisation treten. Treffen sie auf eine mangelnde Dialogbereitschaft, hat dies vice versa negative Konsequenzen für die Reputation. Die Verweigerung von Krisenkommunikation wird allerdings oft aus Unwissenheit der Krisenmanager über die Relevanz kommunikativer Reaktion in einer Krise eingesetzt. Verweigerung als Nicht-Reaktion ist in dem Fall als eine Emergenz nicht vorhandener Kommunikationsstrukturen innerhalb einer Organisation zu sehen bzw. resultiert aus einer Hilflosigkeit des Kommunikationsmanagements heraus gegenüber der Krisensituation. Nur selten ist sie Resultat einer strategisch-konzeptionellen Überlegung: Dennoch gibt es Organisationen, die „constantly denied wrongdoing, even in the face of overwhelming evidence to the contrary, perhaps because their lawyers have warned that admissions [der Schuld] could be used against them in court“ (Marcus & Goodman, 1991, S. 282). Mit diesem Hinweis stehen sich eine kommunikative und eine juristische Argumentation grundsätzlich gegenüber: Während es aus juristischer Sicht Sinn hat, möglichst keine Informationen nach außen zu geben, die zu einem späteren Zeitpunkt eventuell juristische Konsequenzen haben (z.B. das Eingestehen der Krisenschuld), hat aktive und offene Kommunikation positive Konsequenzen für die Reputation (vgl. weiter unten). In der aktuellen Forschungsliteratur wird diese Problematik bislang jedoch nur am Rande reflektiert (vgl. hierzu auch Kapitel 7.2). Aktive Krisenkommunikation initiiert einen (Medien-)Diskurs und ermöglicht es Organisationen, wichtige Issues, Botschaften oder Wahrnehmungsmuster bei relevanten Dialog- und Stakeholdergruppen zu platzieren. Im Gegensatz dazu ist reaktive Krisenkommunikation nur Teil des Diskurses und stets eine Antwort auf die durch andere an der Krise beteiligte Parteien initiierte Kommunikation (vgl. Benson, 1988, S. 54). Insgesamt lassen sich vier Faktoren identifizieren, die dazu beitragen, dass aktive Kommunikation zu einer positiven Wahrnehmung beiträgt (vgl. ebd., S. 57 ff.):
Quick initial communication In Krisen ist es nicht immer möglich, sofort das entstandene Informationsvakuum inhaltlich zu füllen. Dennoch wird eine Reaktion erwartet. Schafft es eine Organisation, schnell zu reagieren, trägt dies zur positiven Wahrnehmung bei. Auch Coombs & Schmidt (2000) weisen in einer Studie darauf hin, dass „when no spe-
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
169
cific corrective actions are listed, respondents beleived the organization was working to prevent a repeat of the crisis“ (ebd., S. 173).
Visibility of spokespersons Krisen sind komplexe Situationen, bei denen auch die Organisationen selbst als komplexe Gebilde wahrgenommen werden. Mediensprecher helfen, diese Komplexität zu reduzieren und der Organisation ein Gesicht zu verleihen. Gleichzeitig signalisieren aktive Mediensprecher, dass man die Lage ernst nimmt.
Assertion Auch regelmäßige Erklärungen über das Handeln einer Organisation tragen dazu bei, Krisenkompetenz zu belegen. Denn sie signalisieren, dass es der Organisation ein Anliegen ist, die Öffentlichkeit zu informieren.
Assigning motives to actions Die Aufgabe der Krisenkommunikation ist es, das öffentlich nach außen zu tragen, was das Krisenmanagement intern beabsichtigt umzusetzen. Um Krisenkompetenz zu belegen ist es daher notwendig, jede Aktion durch das Management kommunikativ mit einem Motiv zu belegen. Diese Motive signalisieren, dass organisationales Handeln – trotz Krise – nicht wahllos ist.
Mit dieser Unterscheidung werden insgesamt drei unterschiedliche Formen aktiver Krisenkommunikation vorgestellt: Schnelligkeit, Sichtbarkeit und Inhalt (Erklärung und Motive). Während die Erklärung und die Motivation eher zu den Inhalten von Krisenkommunikation zählen, ist für das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit also die schnelle und offensichtliche Krisenreaktion als Form aktiver Krisenkommunikation relevant. Auch wenn der Zusammenhang zwischen aktiver Kommunikation und Vertrauenswürdigkeit bislang nur rudimentär untersucht wurde, so weisen die diskutierten Forschungsarbeiten zumindest auf ähnliche Zusammenhänge hin: Seeger und Sellnow weisen nach, dass eine konsistente und öffentlich aktive Kommunikation einen positiven Effekt auf die Glaubwürdigkeit von Organisationen hat (vgl. Seeger, 1986; Seeger & Sellnow, 1989) und Anderson & Narus (1990) sowie Morgan & Hunt (1994) belegen, dass aktive Kommunikation einen positiven Einfluss auf die Vertrauensbildung hat. Für Krisenkommunikation ist in dem Zusammenhang insbesondere die Studie von Huang (2008) von Bedeutung, da sie aktive Kommunikation explizit in den Zusammenhang von Krisensituationen stellt. In ihrer quantitativen Studie kann sie nachweisen, dass aktive Krisenkommunikation eine Voraussetzung dafür ist, Stakeholderbeziehungen zu beeinflussen. Werden inhaltliche Botschaftsstrategien (in ihrer Studie der Übereinkunft) konsistent und vor allem aktiv kommuniziert, hatten diese sogar einen größeren Effekt auf den Beziehungsaufbau, als wenn sie als reine Reaktionsstrategie präsentiert wurden. Für die vorliegende Arbeit münden diese Beobachtungen in der zweiten Forschungshypothese auf der Ebene situativer Botschaftsstrategien. Es soll überprüft werden:
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Hypothese 1.2a:
Die Strategie aktiver Kommunikation hat in vermeidbaren Krisen einen positiven Effekt auf organisationale Vertrauenswürdigkeit.
Um auch hier einen differenzierten Zusammenhang aufzeigen zu können, wird in der empirischen Analyse gleichsam die Wirkung auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit überprüft. Mit der Strategie der Übereinkunft (was) und der aktiver Krisenkommunikation (wie) wurden die für die Ebene situativer Krisenkommunikation relevanten Studien vorgestellt und in Forschungshypothesen überführt. Damit gilt es in einem zweiten Schritt, sich der Ebene integrierter Krisenkommunikation zu widmen. 3.5.2
Postulat der integrierten Krisenkommunikation: Die Organisationsebene
Die zweite Ebene des Grundkonzepts der Krisenkommunikation ergibt sich aus der Tatsache, dass Organisationen die strukturellen Voraussetzungen für die Umsetzung konkreter Kommunikationsstrategien schaffen müssen. Krisen auf der Organisationsebene können zwei unterschiedliche organisationale Veränderungen hervorrufen. Auf der einen Seite kann durch Krisen eine generelle interne Umorganisation entstehen: Aufgaben, Positionen oder Potenziale werden langfristig ab-, um- oder aufgebaut (vgl. Krüger, 2006, S. 395 ff.). Das schließt auch Veränderungen im Management mit ein. Oft sind Krisen die Ursache für personelle Umstrukturierungen – insbesondere wenn die Geschäftsführung durch Fehlverhalten sowohl für die Position als auch für das Ansehen einer Organisation nicht mehr tragfähig ist (vgl. Wlecke, 2006, S. 491 f.). Auf der anderen Seite verändern Organisationen gezielt Strukturen und Prozesse, um auf die Krisensituation zu reagieren. Dies geschieht mit dem Ziel, sowohl die Krisensituation adäquat zu managen als auch ihr bestmöglich kommunikativ zu begegnen. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, dass für den weiteren Verlauf der Arbeit die strukturellen Veränderungen betrachtet werden die Organisationen vornehmen, um die Krise zu managen. Die Organisationsebene des integrierten Modells der Krisenkommunikation Um als vertrauenswürdiger Akteur wahrgenommen zu werden – und dadurch Reputation in der Krise zu schützen – müssen auch auf der Organisationsebene zwei Voraussetzungen erfüllt werden. Erstens wird öffentliches Vertrauen erreicht durch kommunikative Integrität. Das bedeutet, dass Organisationen widerspruchsfrei mit ihrem unmittelbaren Umfeld kommunizieren: Consistency theory [...] argued, that these three separate components of behavioral beleifs, affect and bebavioral intentions should, to some degree, be consistent with each other becaus they reflect the same particular attitute“ (Caruana, et al., 2006a, S. 432).
Kommunikative Integrität kann nur dann erreicht werden, wenn die Intention organisationaler Handlung mit der tatsächlichen Handlung übereinstimmt. Aus der Theorie öffentlichen Vertrauens (vgl. Kapitel 2.3.2.2) wurde argumentiert, dass das Ziel kommunikativer Integrität ist, kommunikative Diskrepanzen so gut es geht zu vermeiden. Zweitens zielt das Postulat der integrierten Krisenkommunikation auf die funktionale Komponente von Vertrauenswürdigkeit und Reputation. Diese kann erreicht werden, indem
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
171
Organisationen nachweisen, auch weiterhin ihrem funktionalen Auftrag folgen zu können (Sachkompetenz) und indem sie durch professionelles Krisenmanagement agieren (Problemlösungskompetenz). Ausgangspunkt für diese Überlegung ist die zunächst grundsätzliche Mehrdimensionalität von Vertrauenswürdigkeit (vgl. Kapitel 2.1.2.2). Caldwell & Clapham (2003, S. 352) gehen von insgesamt sieben Verpflichtungen aus, die organisationale Vertrauenswürdigkeit formen: Mit der Kompetenz zeigen Organisationen, dass sie in der Lage sind gemäß ihres Auftrags zu Handeln und dafür das nötige Fach- und Methodenwissen aufbringen. Durch ihr Versprechen zur Qualität geben sie darüber hinaus an zu welchem Grad ihr Handeln bzw. die hervorgebrachten Produkte oder Dienstleistungen allgemeinen Qualitätsansprüchen unterliegen. Die Höflichkeit trifft eine Aussage über den Respekt, den eine Organisation ihren Mitgliedern und ihrem Umfeld entgegenbringt. Dar Grad der Fairness bemisst sich aus dem Einbezug von Stakeholdern in formelle und informelle Prozessabläufe. Die Verantwortung zu Informieren gibt Auskunft über die grundsätzliche kommunikative Offenheit einer Organisation und die Einhaltung rechtliche Vorgaben ob der rechtliche Ordnungsrahmen befolgt wird. Die finanzielle Stärke bemisst schließlich die Effizienz und Effektivität der Organisationsziele (wobei dies in erster Linie für ProfitOrganisationen gilt) (vgl. ebd., S. 352). Jede der vorgestellten Verpflichtungen trägt zur wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit von Organisationen bei. Auch Covey (1990) weist darauf hin, dass neben der moralischen Integrität (vgl. Kapitel 3.5.3) die Kompetenz ein zentraler Faktor (kognitiv wahrgenommener) Vertrauenswürdigkeit ist. Für das Postulat der integrierten Krisenkommunikation sind daher die Vertrauenswürdigkeitsdimensionen relevant, die primär die funktionalen Aspekte abbilden: Kompetenz, Qualitätsversprechen und finanzielle Stärke. Beide Voraussetzungen – also kommunikative Integrität und der Beleg von Krisenkompetenz – werden im Folgenden anhand der Literaturdebatte vorgestellt und daraus die Forschungshypothesen entwickelt. 3.5.2.1
Kommunikative Integrität
Bevor die Relevanz kommunikativer Integrität für den Erhalt von Reputation in Krisen skizziert werden kann, müssen einige Vorannahmen formuliert werden. Der Einführung kommunikativer Integrität liegt zunächst die Annahme zugrunde, dass unser Gesellschaftssystem sich als Medien- und Informationsgesellschaft kennzeichnen lässt (vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.3.1). Die Gründe hierfür finden sich einerseits in der hohen Qualität des Informationssektors, dem hohen technischen Niveau der Informationsverbreitung sowie der Beobachtung, dass Informationen zum entscheidenden Bestandteil unserer Gesellschaft geworden sind (vgl. Bentele, 1994b). Bedingt durch einen gesellschaftlichen Wertewandel nimmt das Vertrauen in Organisationen – zumindest in bestimmten gesellschaftlichen Teilsystemen – jedoch zunehmend ab. Aus diesen Grundannahmen formuliert Bentele (1994) die „Theorie öffentlichen Vertrauens“. Ähnlich wie Luhmann (und teilweise auch Giddens) konstituiert er Vertrauen als kommunikativen Faktor zur Reduktion von Komplexität. Neben weiteren Einflussgrößen sind es jedoch vor allem die Medien, die am öffentlichen Vertrauensbildungsprozess beteiligt sind: einerseits in Bezug auf diejenigen über die sie berichten und andererseits in Bezug auf sich selbst. Analog zur Argumentation von Reputation ist ein Großteil der Informationen zur Vertrauenskonstitution damit medienvermittelt. Entspre-
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
chend wird Organisationskommunikation im allgemeinen und Krisenkommunikation im speziellen eine wichtige Instanz, die Konstitution öffentlichen Vertrauens zu steuern. Bentele nimmt an, dass erst wenn bestimmte Vertrauensvoraussetzungen erfüllt werden, diese zur Konstitution öffentlichen Vertrauens führen (vgl. Bentele, 1994b, S. 145). Eine zentrale Vertrauensvoraussetzung ist dabei die Vermeidung kommunikativer Diskrepanzen. Darunter kann verstanden werden
die Diskrepanz zwischen Information und tatsächlichem Sachverhalt,
die Diskrepanz zwischen Aussage und Handeln,
die Diskrepanz zwischen unterschiedlichem Handeln in der gleichen Situation,
die Diskrepanz zwischen unterschiedlichen Aussagen zu verschiedenen Zeitpunkten,
die Diskrepanz zwischen den Aussagen unterschiedlicher Akteure derselben (oder ähnlichen) Organisation oder
die Diskrepanz zwischen allgemein anerkannten gesellschaftlichen (also moralischen, rechtlichen und ökologischen) Normen und dem Verhalten der Organisation (vgl. ausführlich hierzu auch Kapitel 2.3.2.2).
Durch das Vorhandensein einer oder mehrer dieser Diskrepanzen – so die These – sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass öffentliche Akteure als vertrauenswürdig wahrgenommen werden. Kommunikative Diskrepanzen können damit einerseits die Ausgangsbasis für Krisen sein oder andererseits die Vertrauensbildung maßgeblich beeinflussen (vgl. Bentele & Janke, 2008, S. 123). Reputation wurde eingeführt als eine Erwartung von Stakeholdern gegenüber einer Organisation. Diese Erwartungen gilt es, in einer Krise auf der funktionalen, sozialen und emotionalen Dimension zu erfüllen. Die Kohärenz zwischen der erwarteten Reputation und dem tatsächlichen Wesen einer Organisation lässt sich dabei auf drei Ebenen formulieren (vgl. Ihlen, 2002, S. 191 f.).
Strukturelle Kohärenz: Das was die Organisation nach außen kommuniziert muss logisch zusammenhängen
Materielle Kohärenz: Das was die Organisation nach außen kommuniziert muss umfassend sein
Charakterlogische Kohärenz: Die Organisation selbst muss als glaubwürdig eingeschätzt werden
Die Vermeidung kommunikativer Diskrepanzen ermöglicht, dass eine Organisation zumindest als strukturell kohärent wahrgenommen wird. Materielle und charakterlogische Kohärenz kann durch Krisenkommunikation erreicht werden. Die drei Ebenen der Kohärenz sind gleichsam gültig für die Wahl der Krisenkommunikationsstrategie selbst. Denn jede Phase einer Krise verlangt nach einer strategischen Neuausrichtung von Management und Kommunikation. Der Wechsel von Kommunikationsstrategien wirkt sich dann deutlich negativ auf die Wahrnehmung aus, wenn diese nicht strukturell, materiell und charakterlogisch kohärent sind (vgl. Ihlen, 2002, S. 203).
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
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Diese Argumentation stützende Literatur findet sich vor allem in der Psychologie. So weisen Schweer & Thies (2005) darauf hin, dass organisationale Vertrauenswürdigkeit nur dann entstehen kann, wenn die Kommunikation dem tatsächlichen Handeln entspricht (vgl. hierzu auch Oeckl, 1976, S. 304): „Vertrauen muss als Organisationsprinzip verankert sein, damit auch von außen her erkennbar wird, dass diese Organisation nicht nur vertrauenswürdig erscheint, sondern vertrauenswürdig ist“ (Schweer & Thies, 2005, S. 55, Hervorhebung im Original).
Betrachtet man die Seite der Organisationen so scheint es, dass in Krisen dieser Maxime nur bedingt gefolgt wird. Fearn-Banks (2007) weist darauf hin, dass der Mangel an kommunikativer Integrität für verschiedene Unternehmen in der USA den Verlauf der Krise negativ beeinflusst hat (vgl. ebd., S. 60 f.). Auch Schubert (2000) zeigt diesen Zusammenhang für einen internationalen Ölkonzern auf (vgl. hierzu bereits Ray, 1961, S. 102 f.). Kritisch mit kommunikativer Integrität setzt sich Simons (2002) auseinander und hält dagegen, dass die Möglichkeit Handeln und Kommunikation in Einklang zu bringen stark von der Organisationsform abhängt. Während kleinere Organisationen oft nur eine überschaubare Anzahl an Stakeholdern begegnen müssen, sehen sich große Unternehmen oft einer Vielzahl stark diversifizierter Stakeholder gegenüber. Aufgrund dieser Komplexität sinkt die Wahrscheinlichkeit für kommunikative Integrität (vgl. ebd., S. 28 f.). Trotz dieser Problembehaftung – so Simons – bleibt kommunikative Integrität jedoch eine zentrale Komponente zur Bildung organisationalen Vertrauens. Bentele wiederum warnt davor davon auszugehen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Kommunikationstechnik und Vertrauensbildung besteht. Nur durch mehr und unverzerrte Information werden Organisationen nicht glaubwürdiger oder erfolgreicher wahrgenommen (vgl. Bentele, 1994b, S. 151 f.). Damit gewinnt der Aspekt kommunikativer Integrität für Krisenkommunikation an besonderer Bedeutung. Es wurde argumentiert, dass Organisationen in Krisen situativ Vertrauenswürdigkeit signalisieren müssen, um langfristig Reputation zu schützen. Kommunikative Integrität scheint ein probates Mittel, diese Vertrauenswürdigkeit zu erreichen. Vice versa kann argumentiert werden, dass sich disintegrierte Kommunikation negativ auf Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Auf der Ebene integrativer Krisenkommunikation wird daher die Forschungshypothese formuliert: Hypothese 2.1a:
Disintegrierte Kommunikation hat in vermeidbaren Krisen einen negativen Effekt auf organisationale Vertrauenswürdigkeit.
In der empirischen Überprüfung wird gleichsam die Wirkung auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit überprüft.
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3.5.2.2
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Beleg der Krisenkompetenz
Ausgehend von den theoretischen Überlegungen zur integrierten Ebene von Krisenkommunikation ist hier das Ziel, als Organisation allokative und autoritative Ressourcen bereitzustellen, die eine Reputationskonstitution bzw. die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit stimulieren oder zumindest erleichtern. Ein wesentlicher Indikator, ob Krisenkommunikation als Machtressource zur Reputationskonstitution beitragen kann ist der Nachweis, die Krise lösen zu können. Ganz allgemein wird der Nachweis von Managementkompetenz wesentlich in der Stakeholdertheorie diskutiert (vgl. Fraser & Zarkada-Fraser, 2003, S. 765 f.). Die Wahrnehmung kompetenzbezogener Attribute der Gesamtorganisation, so die Argumentation, konstituiert sich zu einem erheblichen Teil über die Wahrnehmung von Managementkompetenzen. Die Einschätzung der Kompetenz ist dabei stark stakeholderabhängig und variiert zwischen den verschiedenen Stakeholdergruppen teilweise erheblich (vgl. ebd., S. 778). Die Kompetenz, eine Krise zu lösen, wird in der Literatur vor allem anhand von Fähigkeiten und Möglichkeiten des Krisenmanagements diskutiert. Die Kompetenz drückt sich dabei in erster Linie durch Wissen und Fähigkeiten aus, sichtbare Resultate zu erzielen, die zur Beilegung einer Krise führen: „Capacity and response repertoire affect crisis perception, because people see those events they feel they have the capacity to do something about. As capacities change, so too do perceptions and actions. This relationship is one ofthe crucial leverage points to improve crisis management“ (Weick, 1988, S. 311).
In einem Überblick effektiven Krisenmanagements stellt Sapriel (2003) fest, dass Krisenmanagement – inklusive der Krisenkommunikation – ein komplexes Gefüge von Beobachtung, Prozessentwicklung, Training und strategischer Ausrichtung ist (vgl. hierzu auch Hensgen, Desouza, & Kraft, 2003). Um dennoch eine Systematik zu entwickeln lassen sich drei Typen von Krisenmanagement identifizieren: Krisenmanagement der Kollektivisten, Krisenmanagement der Integratoren und Krisenmanagement der Reaktiven (vgl. Lalonde, 2004, S. 79). Beim Krisenmanagement der Kollektivisten steht ein kollegialer Führungsstil im Vordergrund. Die Strategie ist, die Krise möglichst durch dezentrale Teams zu lösen wobei Krisen in erster Linie als lokale Ereignisse verstanden werden. Krisenmanagement der Integratoren zeichnet sich hingegen durch einen hohen Grad an Organisation aus. Teams werden ihrer Kompetenz nach zusammengestellt. Insgesamt geht es bei diesem Typ des Krisenmanagements darum, die organisationalen Fähigkeiten bestmöglich zur Krisenlösung einzusetzen. Das Krisenmanagement der Reaktiven ist schließlich durch Improvisation und spontane Handlungen gekennzeichnet. In diesem Verständnis ändern sich die Rahmenbedingungen in der Krise ständig, so dass Teams sich diesem Wechsel ständig und spontan anpassen. Die Führung in der Krise wird hingegen stark zentralisiert (vgl. ebd.). Der Beleg der Krisenkompetenz spielt für die Zieldimension der Vertrauensbildung nunmehr eine zentrale Rolle. So weist McAllister (1995) darauf hin, dass die Kompetenzwahrnehmung einer Person oder Organisation die Voraussetzung dafür ist, überhaupt als vertrauenswürdig eingeschätzt zu werden. Caldwell & Clapham (2003) gehen noch einen Schritt weiter und führen die Kompetenzzuschreibung als eine von drei Dimensionen bei der Entwicklung des Vertrauenswürdigkeitskonstrukts ein (vgl. ebd., S. 353). Was auf der persönlichen Ebene die Fähigkeiten einer Person sind spiegelt sich auf Organisationsebene durch Kompetenzen wie finanzielle Stärke oder Qualitätserbringung wider. Überträgt man dies auf Organisationen allgemein, so geht es um die Bewertung der Fähigkeit, den
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Organisationsauftrag zu erreichen. Attribute, die diese Fähigkeit messen sind Kompetenzen, Zuverlässigkeit, Expertise, die Einhaltung rechtlicher Vorgaben oder Fachkenntnisse. Caldwell & Clapham führen damit die theoretischen Überlegungen von Mayer, Davies & Schoorman (1995) weiter, die als Voraussetzung zur Vertrauensbildung neben Wohlwollen und Integrität die Fähigkeiten („ability“) von Organisationen bestimmen. „From a practical standpoint,organizations interested in enhancing their performance may need to work to ensure that they remain salient in the minds of key stakeholders“ (Boyd, et al., 2010, S. 604).
Die Kompetenzzuschreibung ist damit ein wesentlicher Bestandteil zur Bildung kognitivfunktionalen Vertrauens. Bei Covey (1990) wird Kompetenz als fundamentale Voraussetzung sowohl zur Bildung interpersonalen als auch Vertrauen gegenüber einer Organisation beschrieben. Auch Frenkel & Orlitzky (2005) stellen Kompetenz ins Zentrum ihres Modells der Zuschreibung von Vertrauen in das Management. Sie weisen für Unternehmen im Servicesektor nach, dass die Kompetenzzuschreibung zur Bildung von Vertrauen und dies wiederum zu einer erhöhten Arbeitsproduktivität beiträgt (vgl. ebd., S. 49). Dies zeigt, dass die Kausalität noch nicht abschließend geklärt ist. Es gibt ebenso plausible Hinweise darauf, dass sich Kompetenz auf Vertrauen auswirkt wie darauf, dass Vertrauen die Kompetenz einer Organisation befördert (vgl. Möllering & Sydow, 2005, S. 65). Das Bereitstellen von Krisenplänen als Voraussetzung für Krisenkompetenz wird indes kontrovers diskutiert. Zur Bildung von Vertrauen sei weniger entscheidend, welchen Prozessen gefolgt wird als vielmehr, wer diese Prozesse vorgibt (vgl. Schoenberg, 2005). Entsprechend sei für die Bildung von Vertrauen in eine Organisation in erster Linie bedeutsam, dass das Management durch starke Führungspersönlichkeiten repräsentiert wird und ebendies auch Teil der öffentlichen Kommunikation wird (vgl. ebd.). Auch Robert & Lajtha (2002) argumentieren ähnlich und weisen darauf hin, dass in Krisen die Fähigkeiten, Flexibilität und Selbstvertrauen einen höheren Stellenwert haben sollten, als das Formulieren von Plänen und Handbüchern. Doch das Management spielt nicht nur für die Vertrauensbildung eine wichtige Rolle, auch zur Etablierung von Stakeholderbeziehungen. Bei der Entwicklung des Forschungsmodells wurde auf die Zieldimension des Gestaltens von Umweltbeziehungen durch Krisenkommunikation hingewiesen (vgl. Kapitel 3.3.3). Ebendies kann in Krisen erreicht werden, wenn Organisationen in der Lage sind, Werteversprechen durch das Management plausibel zu präsentieren (vgl. Ulmer, 2001). Aus diesen Überlegungen, dass Kompetenz erstens ein zentraler Bestandteil integrierter Krisenkommunikation und zweitens des Konstrukts Vertrauenswürdigkeit ist, lässt sich die Forschungshypothese formulieren: Hypothese 2.2a:
Der fehlende Beleg von Krisenkompetenz hat in vermeidbaren Krisen eine negative Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit.
Die Hypothese wird analog zur Strategie integrierter Krisenkommunikation negativ verfasst. Zieht man die Erkenntnisse von Fallstudienanalysen bisheriger Krisensituationen hinzu (vgl. Argenti, 2002; Berg & Robb, 1992; Fearn-Banks, 2007; Hearit, 1995; Hunter, et al., 2008; Regester & Larkin, 2006; Roux-Dufort & Metais, 1999; Shrivastava, 1987; Ul-
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
mer & Sellnow, 2000), so ist mangelnde Kompetenz des Managements deutlich häufiger vorzufinden als der tatsächliche Beleg von Krisenkompetenz. Der Realismus der Hypothese trägt maßgeblich zur Qualität der Operationalisierung der unabhängigen Variable in der empirischen Studie bei. Die Wirkung mangelnder Krisenkompetenz wird abschließend nicht nur in Bezug auf organisationale, sondern auch auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit überprüft. 3.5.3
Postulat der strategischen Krisenkommunikation: Die gesellschaftliche Ebene
Das entwickelte Grundkonzept der Krisenkommunikation entfaltet sich auf drei Ebenen, die unabhängig der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung einen übergeordneten und differenzierten Bezugsrahmen schaffen. Die erste Ebene ergibt sich aus der Tatsache, dass Organisationen sich in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext bewegen und in Austauschbeziehungen mit Akteuren dieses Umfelds stehen (vgl. insb. Szyszka, 2008, S. 104). Die Austauschbeziehungen gestalten sich einerseits durch die Organisationen selbst, indem sie als Kollektivakteur mit anderen Kollektiven interagiert. Andererseits bezieht sie sich durch ihre Mitglieder auf andere Einzelakteure ihres gesellschaftlichen Umfelds. Anhand der aktuellen Literaturdebatte wird im Folgenden zunächst gesellschaftliche Verantwortung als Grundlage für strategische Krisenkommunikation skizziert. Anschließend wird gezeigt, dass das Ziel strategischer Krisenkommunikation die gesellschaftliche Legitimation ist, um Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Dies wird möglich durch die kommunikative Ausgestaltung von Austauschbeziehungen mit der organisationalen Umwelt. Mit dem Forschungsstand zur Wirkung gesellschaftlicher Verantwortung in Krisen kann abschließend die Forschungslücke differenziert aufgezeigt werden. Die Gesellschaftsebene des integrierten Modells der Krisenkommunikation Ausgangspunkt für die inhaltliche Darlegung der gesellschaftlichen Ebene von Krisenkommunikation sind zentrale Annahmen des Forschungsbereichs zu gesellschaftlicher Verantwortung, der Corporate Social Responsibility (CSR)34. Forschungen zu CSR stellen zum einen Erkenntnisse zum Verhältnis von Organisationen in ihrem gesellschaftlichen Umfeld bereit und liefern zum anderen Hinweise auf Möglichkeiten der Ausgestaltung von Verantwortungskommunikation. Zentraler Unterschied zur gesellschaftsorientierten Krisenkommunikation ist dabei die zeitliche Komponente: Während CSR-Kommunikation in der Literatur vor allem als langfristige Aufgabe konzipiert wird (vgl. Curbach, 2009, S. 161), dient Krisenkommunikation auf gesellschaftlicher Ebene in erster Linie einer gezielten und kurzfristigen kommunikativen Steuerung organisationaler Austauschbeziehungen (vgl. Regester & Larkin, 2006, S. 78; Kapitel 2.2.1).
34
Im Deutschen wirt CSR oft als „soziale Verantwortung von Unternehmen“ übersetzt. Ähnlich bezeichnet Wood (1991) unternehmerische Leistungen, die eine Wirkung explizit auf soziale Reputation zeigen als „corporate social performance (CSP)“. Beides greift jedoch zu kurz, denn soziale Verantwortung im engeren Sinne blendet eine ökonomische und ökologische Verantwortung aus. Daher wird im Folgenden ausdrücklich von „gesellschaftlicher Verantwortung“ gesprochen die sowohl ökonomische als auch soziale und ökologische Verantwortung mit einbezieht (vgl. hierzu auch Hiß, 2005, S. 23). Die Kommunikation über gesellschaftliche Verantwortung wird hier als „Verantwortungskommunikation“ eingeführt.
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
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Gesellschaftliche Wertesysteme orientieren sich allgemein an Konventionen oder Institutionen sozialen Lebens, die auf eine dauerhafte affektive Zustimmung und aktive Mitwirkung angewiesen sind. „Zum Kernbestand solcher unverrückbaren Werte-Institutionen zählen die Menschenund Bürgerrechte, das Grundgesetzt oder die Verfahrensregeln der demokratischen Grundordnung. Diese rechtlich normierten Werte sind gesamtgesellschaftlich anerkannt und daher rechtlich wie moralisch [...] als verbindliches Werte-System zu bezeichnen“ (A. Schulz, 2008, S. 33).
Schulz argumentiert damit, dass neben einer sozial-moralischen Komponente auch rechtliche Normen ein gesellschaftliches Wertesystem formen. Auch Giddens geht darauf ein und beschreibt das Rechtssystem einer Gesellschaft als formalisierte Strukturen gesellschaftlichen Zusammenlebens die gleichsam notwendig sind, soziale Systeme zu reproduzieren (vgl. Giddens, 1984, S. 23). Zentral für das Postulat strategischer Krisenkommunikation sind also zunächst sowohl moralisch-normative als auch rechtlich-normative Aspekte. Es ist davon auszugehen, dass Organisationen in Krisen grundsätzlich bestrebt sind, sich an rechtlichen Vorgaben zu orientieren. Das Einhalten vorgegebener gesetzlicher Rahmenbedingungen stellt gewissermaßen ein Minimum gesellschaftlicher Verantwortung dar, die Organisationen in Krisen übernehmen. Entsprechend wird die rechtliche Perspektive an dieser Stelle nicht weiter vertieft. Um gesellschaftliche Verantwortung und dessen Bedeutung für Unternehmen zu systematisieren, schlägt Carroll (1991) ein Pyramidenmodell vor, welches unterschiedliche Abstufungen von gesellschaftlicher Verantwortung charakterisiert. Die beiden untersten Ebenen bilden die ökonomische Verantwortung und die Gesetzestreue, die beide durch die Gesellschaft von Unternehmen eingefordert werden. Darüber liegt die ethische Verantwortung, die gesellschaftlich erwartet wird. Die vierte Ebene ist die philanthropische Verantwortung, die gesellschaftlich erwünscht wird. Diese Darstellung von CSR erlaubt den Schluss, dass mit jeder Ebene gesellschaftlicher Verantwortung sich die Umwelterwartungen ändern. An Carrolls Darstellung wird vor allem der stark analytische Charakter kritisiert und die Tatsache, dass die Ebenen nicht überschneidungsfrei voneinander zu trennen sind (Welzel, 2008). Eine sinnvolle Erweiterung ist daher, gesellschaftliche Verantwortung aus der Sicht von Organisationen nach ihrem Verantwortungsbereich inhaltlich zu trennen (vgl. Hiß, 2005, S. 38). So zählen erstens die Erfüllung des funktionalen Auftrags und die Beachtung gesetzlicher Rahmenbedingungen zu einem inneren Verantwortungsbereich von Organisationen. Zweitens stellt gesellschaftliche Verantwortung, die freiwillig stattfindet und sich gleichzeitig in den funktionalen Auftrag einer Organisation integrieren lässt, einen mittleren (unmittelbaren) Verantwortungsbereich dar. Im äußeren (mittelbaren) Verantwortungsbereich werden drittens die freiwilligen gesellschaftlichen Tätigkeiten zusammengefasst, die in keinem direkten Zusammenhang zum funktionalen Auftrag einer Organisation stehen (Philanthropie). Für die vorliegende Untersuchung liegt der Fokus auf dem unmittelbaren und mittelbaren gesellschaftlichen Verantwortungsbereich und dessen Wirkung in Krisen auf Vertrauenswürdigkeit. Freiwillige gesellschaftliche Verantwortung ist dabei – entgegen der rechtlichen Perspektive – nicht normiert und obliegt der Ausgestaltung der Organisation selbst. Zugleich wird freiwillige Verantwortung aber gesellschaftlich eingefordert bzw. erwartet
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
(vgl. A. Carroll, 1991; Maignan, Ferrell, & Hult, 1999). Organisationen müssen daher den Erwartungen ihrer Umwelt gerecht werden, um bisherige Austauschbeziehungen aufrechtzuerhalten. Bereits nachgewiesen wurde, dass die Kommunikation gesellschaftlicher Verantwortung ein negatives Produktimages nach einer Krise verhindern kann und Unternehmen die eine CSR-Strategie verfolgen, in Krisen ein geringeres Maß an Schuld zugewiesen wird (vgl. Klein & Dawar, 2004). Paine (2003) weist darauf hin, dass nach den Krisen der Firmen Enron und WorldCom das Interesse von Unternehmen an gesellschaftlicher Verantwortung in den USA gestiegen ist. Sie konstatiert, dass Unternehmen sowohl finanzielle als auch soziale Ziele erreichen müssen, um langfristig erfolgreich zu sein (vgl. hierzu auch Hosmer, 2005). Seeger, Sellnow & Ulmer fassen dies in ähnlicher Weise zusammen und konstatieren: „[...] organizational crises almost always include ethical issues – including questions about wrongdoing, intent, cause, blame, and responsibility [...]“ (Seeger, et al., 2003, S. 223). Und Gaultier-Gaillard & Louisot fügen hinzu: „Ethical conduct is the core ingredient of trust, hence of reputation“ (Gaultier-Gaillard & Louisot, 2006, S. 443). Bislang fehlt es allerdings an Erkenntnissen, die die Wirkung von Verantwortungskommunikation explizit in Krisen auf die Vertrauenswürdigkeit von Organisationen untersuchen. Auch die bislang nur theoretisch formulierte These von Paine gilt es, empirisch zu überprüfen. 3.5.3.1
Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung
Der Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und deren Auswirkung in Krisen wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Allgemein lassen sich zunächst drei Wirkungsrichtungen gesellschaftlicher Verantwortung identifizieren: die Wirkung auf Einstellungen und Handlungen von Akteuren, die Wirkung auf das Ausmaß und die Bewertung der Berichterstattung sowie die Wirkung auf die finanzielle Leistung von Unternehmen. In einer experimentellen Studie argumentieren Lyon & Cameron (2004), dass die Reputation von Unternehmen Auswirkungen auf Einstellungen die ihnen entgegengebracht werden haben bzw. Verhaltensänderungen bei Stakeholdern bewirken. Ihnen gelingt es zu zeigen, dass beide Wirkungen nicht nur kurzfristig existieren, sondern über einen längeren Zeitraum Bestand haben und kommen daher zu dem Schluss, dass „[...] a company that has proven to be a shining star of social responsibility is afforded to be the benefit of the doubt in the times of crisis [...]“ (ebd., S. 214).
Sie konkretisieren ihre Aussage in der Studie für die Kommunikationsstrategien „Verteidigung“ und „Entschuldigung“. Die Argumentation von Lyon & Cameron wird von Ingenhoff (2007) in einem differenzierten Modell weiterentwickelt, das die Wirkungen unterschiedlicher Reputationsdimensionen auf die Weiterempfehlung und Wiederkaufsabsicht der Kunden von ProfitUnternehmen untersucht (vgl. Kapitel 2.1.2.3). Auch sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich gesellschaftliche Verantwortung auf Einstellungen und Handlungen von Akteuren auswirkt und zu einem höheren Grad an Weiterempfehlung führen kann. Ihr differenzierter Ansatz lässt sich mit den Erkenntnissen von Sen & Bhattacharya (2001) ergänzen. Denn auch sie zeigen auf, dass sich CSR-Aktivitäten auf die Kaufentscheidung sowohl direkt als auch indirekt auswirken und sogar negativ sein können. Das bedeutet, dass Konsumentengruppen und auch Produktgruppen als Moderatorvariable fungieren. Insgesamt jedoch weisen sie nach, dass CSR sowohl einen Einfluss auf Produktentscheidungsprozesse als auch auf die allgemeine Bewertung eines Unternehmens hat. Für letzteres weisen sie nach, dass
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Informationen über die CSR-Aktivitäten eines Unternehmens asymmetrisch gewichtet sind: Negative Berichterstattung über soziale Verantwortung wirkt sich weitaus negativer auf die Wahrnehmung der untersuchten Unternehmen aus, als positive CSR auf eine positive Wahrnehmung. Das Ergebnis wird moderiert dadurch, wie offen Konsumenten sozialen Aktivitäten von Unternehmen gegenüberstanden (vgl. ebd., S. 238). Für die Konstitution von Reputation lässt sich daraus schließen, dass negative soziale Verantwortung sich stark negativ auf die Wahrnehmung als sozialer Akteur auswirkt und damit auf die Konstitution sozialer Reputation. Eine ähnliche These vertreten bereits Bradford & Garrett (1995). Das wahrgenommene ethische Image einer Organisation misst sich demnach einerseits an dem unethischen Verhalten und andererseits an der kommunikativen Antwort darauf. Sie stellen rhetorische Botschaftsstrategien in den Zusammenhang der Situationsevaluation durch Stakeholder. Unethisches Verhalten wird vor allem dann eingeschätzt, wenn Unternehmen überhaupt nicht auf Vorwürfe die ihnen entgegengebracht werden reagieren (denial). Eine positive Wahrnehmung wird hingegen erreicht, wenn Unternehmen ihre Schuld öffentlich eingestehen (concession): „This finding indicates that the concession may not only protect and maintain corporate image, but may actually enhance it“ (ebd., S. 885). Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive wurde Reputation als unternehmerische Zielgröße eingeführt, um die Wirkung gesellschaftlicher Verantwortung quantitativ darzustellen. Eberl & Schweiger (2004) untersuchen in dem Zusammenhang in einer Studie die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auf Reputation und diskutieren dabei auch interkulturelle Unterschiede. Sie gehen von einem zweidimensionalen Reputationsverständnis aus und konzipieren Reputation als ein Konstrukt aus Kompetenz (funktional) und Sympathie (emotional). Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung sehen sie als ein Konstrukt aus dem fairen Verhalten gegenüber dem Wettbewerber, dem Bewusstsein für Verantwortung, der Formulierung nicht nur von Profitzielen, dem Engagement für die Umwelt sowie der aufrichtigen Information der Öffentlichkeit. Mit ihren Überlegungen konkretisieren sie gesellschaftliche Verantwortung für Profit-Organisationen und weisen nach, dass sie sich positiv auf die Reputation auswirkt sowie sich kulturbedingt unterscheidet. Mit der Diskussion der Auswirkungen auf eine affektiv-emotionale Reputationsdimension folgen sie der Argumentation von Schwaiger (2004a), der theoriegeleitet Reputation in eine kognitive und eine affektive Komponente unterteilt (vgl. Kapitel 2.1.4.2). Dennoch wäre es für ein differenziertes Aufzeigen der Wirkung gesellschaftlicher Verantwortung relevant, diese explizit auf die soziale Dimension von Reputation zu untersuchen. Die Erkenntnisse von Eberl & Schweiger ergänzt Watson (2007) mit dem Hinweis, dass ethisches Verhalten von Unternehmen in Krisen ein entscheidender Faktor für den Reputationsaufbau ist. Er führt als Erfolgsfaktoren für den Erhalt von Reputation den Aufbau von Stakeholderbeziehungen, die Unternehmensführung sowie explizit ethisches Verhalten in der Krise ein (S. 380). Die von Watson entwickelten Erkenntnisse basieren jedoch auf Fallstudienanalysen und sollten durch eine quantitative empirische Analyse validiert werden. Eine weitere Argumentation von gesellschaftlicher Verantwortung führen Schnietz & Epstein (2005) ein, die eine Wirkung von CSR auf den finanziellen Wert einer Unternehmung prüfen. Die Wirkung gesellschaftlicher Verantwortung auf den finanziellen Wert einer Unternehmung ließ sich bisher nur bedingt nachweisen (vgl. Ingenhoff & Sommer,
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3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
2010). Schnietz & Epstein zeigen sogar, dass „gutes Tun“ sich ausdrücklich nicht in einem besseren finanziellen Ergebnis von Unternehmen niederschlägt. Ihr Forschungsansatz geht argumentativ den umgekehrten Weg: Ihr Ziel ist es nicht, die Wirkung gesellschaftlicher Verantwortung im finanziellen Ergebnis nachzuweisen. Sie weisen vielmehr darauf hin, dass gesellschaftliche Verantwortung den Verlust finanzieller Werte in Krisensituationen verhindern kann. CSR wird damit zu einem Puffer für die Reputation, denn „[...] a reputation for social responsibility provided the greatest benefit to firms facing the greatest crises“ (Schnietz & Epstein, 2005, S. 342). Durch ihre inhaltsanalytische Herangehensweise sind sie jedoch nicht in der Lage, Gründe dafür zu liefern warum dieser Zusammenhang ausgerechnet in Krisen besteht. Auf die Wirkung gesellschaftlicher Verantwortung aus kommunikativer Sicht weist schließlich Coombs (1999b) hin. In seiner vorgelegten Studie untersucht er die Strategien Mitleid und Belehrung auf Reputation wobei er Mitleid als eine sozial-orientierte Strategie operationalisiert und die Belehrung als eine funktional-informative Strategie. Seine Ergebnisse zeigen, dass „[...]the social-oriented value of compassion in accident crises is supported. Compassion helps to improve the organizational reputation, to increase honoring of the account, and to facilitate intentions to engage in potential support behavior“ (ebd., S. 137).
Das bedeutet, dass ein durch Mitleid signalisiertes soziales Verhalten des untersuchten Unternehmens sich positiv auf die Zuschreibung seiner Reputation auswirkt. Denn „Like apologies, compassion addresses social concems by acknowl- edging victims' needs“ (ebd., S. 139). Kritisch an seiner Studie anzumerken ist, dass die Operationalisierung des Reputationskonstrukts lediglich auf drei Items von McCroskey (1966) beruht und von einer ursprünglichen Skala von zehn Items aus Platzgründen auf drei reduziert wurde (vgl. ebd., S. 133). Ein differenzierter Nachweis auf Reputation ist demnach kaum möglich. Die Studie von Coombs korrespondiert in ihren Ergebnissen mit der von Barnett White (2005). Diese untersucht die Wirkung von Wohlwollen und Expertise als Grundlage für Entscheidungen in emotionalen Entscheidungssituationen. Wohlwollen ist dabei, ähnlich wie bei Coombs, eher als soziales Konstrukt konzipiert und Expertise als funktionalinformatives. Die Studie zeigt, dass in Situationen schwieriger Entscheidungen wohlwollende Informationen gegenüber Meinungen großer Expertise an Relevanz gewinnen. Begründet wird dies damit, dass wohlwollende Informationen einen „stress buffering effect“ (ebd., S. 141) hervorrufen und kognitive Dissonanzen bei der Entscheidungsfindung vermeiden. Reputationskonstitution durch gesellschaftliche Legitimation Eine Reputationskonstitution durch gesellschaftliche Verantwortung geht davon aus, dass Organisationen sich durch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung legitimieren: „External groups assess the degree to which an organization is operating in a just and worthy manner, consistent with larger social values“ (Seeger, et al., 2003, S. 231). Bereits Burkhart & Probst gehen darauf ein und zeigen auf, dass die Legitimation von Organisationen in Krisen durch eine verständigungsorientierte Kommunikation erreicht werden kann (vgl. Burkart & Probst, 1991). Für Organisationen stellt sich auf der Handlungsebene damit die Frage nach der richtigen und ethisch begründeten Verhaltens- und Entscheidungswahl. Auf der Strukturebene müssen sie die Rechtmäßigkeit der ihrer Existenz bzw. ihres Handelns aufzeigen, um daraus Handlungsansprüche und Rechtfertigungen ableiten bzw. diese
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
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begründen zu können (vgl. Lange, 2005, S. 153). Staatliche Organisationen begegnen dem, indem sie Werte vermitteln die sich aus der Zivilgesellschaft (eines freiheitlich säkularisierten Staates) ergeben (vgl. ebd., S. 162 f.). Gesellschaftliche Legitimation wird dann erreicht, wenn sie sich im Kern an den Grundlinien des (zivil-)gesellschaftlichen Umfeldes orientiert. Diese Herangehensweise lässt sich in Teilen auch auf Profit- und Non-ProfitOrganisationen übertragen, denn: „[...] to create the optimal crisis response, it is necessary to examine crises based on ethicality and rationality“ (Snyder, Hall, Robertson, Jasinski, & Miller, 2006). Anders ausgedrückt gilt es also, in Krisen strategische Optionen sowohl an rationalen (Management-) Entscheidungen als auch an ethischen Grundsätzen auszurichten. Erst dadurch wird eine glaubwürdige und überzeugende Argumentation gesellschaftlicher Legitimation möglich: „Business thinking now holds that the social and financial interests of stakeholders should be balanced“ (Coombs, 1999b, S. 139). Reputationskonstitution durch das Management von Austauschbeziehungen (Soziale) Reputation wird bestimmt durch die Austauschbeziehungen einer Organisation mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld35 (vgl. Hiß, 2005, S. 100; Ingenhoff & Sommer, 2010, S. 4). Dass diese Austauschbeziehungen funktionieren, lässt sich mit dem Anstreben sozialer Vertrauenswürdigkeit begründen: „Neben dem Rechtssystem von Gesellschaften und neben dem System der nicht rechtlich fixierten moralischen normen können bestimmte basale gesellschaftliche Mechanismen ausgemacht werden, die ebenfalls zum Funktionieren menschlicher Gesellschaften entscheidend beitragen. Einer dieser basalen gesellschaftlichen Mechanismen ist das ‚soziale Vertrauen’“ (Bentele, 1994b, S. 131, Hervorhebung im Original)
Caldwell & Karri (2005) weisen jedoch darauf hin, dass durch öffentliche Kritik Vertrauen in Organisationen durch ihre Umwelt auch entzogen werden kann und formulieren damit ein Kernproblem für Organisationen in Krisen: der (abrupte) Verlust von Vertrauen. Ohne soziales Vertrauen ist der Erhalt sozialer Reputation in Krisen allerdings nicht möglich und so wird die Wahrnehmung einer Organisation als vertrauenswürdiger Akteur zur zentralen Steuerungsgröße strategischer Krisenkommunikation. Möglich wird die Darstellung sozialer Vertrauenswürdigkeit durch eine gezielte (kommunikative) Anpassung an die institutionelle Umwelt (vgl. Hiß, 2005, S. 168; i.A.a. J. Meyer & Rowan, 1991, S. 60). Meyer & Rowan weisen darauf hin, dass Vertrauen in Organisationen durch drei elementare Praktiken erhalten werden kann: „Confidence in strucutral elements is maintained through [...] avoidance, discretion, and overlooking“ (J. Meyer & Rowan, 1991, S. 59). Während umsichtige und vorausschauende Kommunikation als Grundregel von Organisationskommunikation formuliert werden können, stellt in Krisen vor allem das Vermeiden unkontrollierter Evaluation durch die Umwelt die größte Herausforderung dar. Organisationen erreichen dies, indem sie durch Kommunikationsmanagement divergierende Rationalitäten koordinieren (vgl. Röttger, 2005, S. 15). Krisenkommunikation ist daher als organisationale Koordinierungs- und Stabilisierungsfunktion
35
Caldwell & Karri (2005) diskutieren diese Austauschbeziehungen unter dem Begriff „covenantal relationship“ – verpflichtende Bindung (ebd., S. 249).
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von Organisationen zu verorten und wird so zu einem wichtigen Steuerungsinstrument öffentlicher Akzeptanz (vgl. hierzu auch Bentele, 1994b, S. 153). Die Ausgestaltung der Austauschbeziehung differenziert sich je nach Akteurs- bzw. Stakeholdergruppe mit unterschiedlichen Schwerpunkten (vgl. Kapitel 2.1.3.2). Ganz grundlegend muss zwischen zwei Stakeholdergruppen unterschieden werden: diejenigen die in einer regelmäßigen und direkten Austauschbeziehung mit der Organisation stehen und diejenigen die nur indirekt mit der Organisation interagieren. Letztere kann in Krisen noch weiter differenziert werden zwischen indirekten Stakeholdern allgemein und Anspruchsgruppen, die bislang in keinerlei Anspruchsbeziehung mit einer Organisation standen. O’Riordan & Fairbrass (2008) argumentieren allgemein, dass Stakeholderbedürfnisse sich nicht nur produktbezogen formulieren lassen. Vielmehr stellen Anspruchsgruppen auch moralische Anforderungen, die sich aus einem politischen, sozialen und rechtlichen Kontext ergeben. Auch de Castro, Navaz López & López Sáez (2006) nehmen diese Unterscheidung vor und zeigen für Unternehmen auf, dass die funktionale Reputation in erster Linie für Stakeholder relevant ist, die regelmäßig mit dem jeweiligen Unternehmen interagieren. Hingegen ist die soziale Komponente von Reputation besonders für Stakeholder bedeutsam, die in einem indirekten Zusammenhang mit dem betroffenen Unternehmen stehen – und damit für gesellschaftliche Akteure im weitesten Sinne (vgl. ebd., S. 367). In Krisen, so wurde gezeigt, werden Organisationen nicht nur von relevanten direkten Stakeholdergruppen wahrgenommen. Es kommen vor allem indirekte Stakeholdergruppen hinzu und diejenigen Akteure, die überhaupt erst bedingt durch die Krise zur Anspruchsgruppe werden (z.B. Opfer, Bürgerbewegungen, Interessengruppierungen). Dies lässt den Schluss zu, dass in Krisen die soziale Dimension von Reputation an Bedeutung gewinnt – zum einen für die Wahrnehmung bei der krisenbedingten Konstellation der Stakeholder sowie zum anderen damit auch für das Reputations- und Kommunikationsmanagement. Grenzen der Wirkung gesellschaftlicher Verantwortung in Krisen Abschließend gilt es die bisherige Argumentation noch einmal in den Gesamtzusammenhang von Krisenkommunikation einzubetten. Es wird zwar grundsätzlich argumentiert, dass die vorliegende Arbeit sich mit der Kommunikation während einer Krisensituation auseinandersetzt (vgl. Kapitel 2.2.1.3). Dennoch steht die Kommunikation gesellschaftlicher Verantwortung nicht losgelöst von bisherigen Kommunikationsaktivitäten. Vanhamme & Grobben (2008) können zeigen, dass Stakeholder in Krisen die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen dann als glaubwürdig einschätzen, wenn die bereits über mehrere Jahre gesellschaftliche Verantwortung gezeigt haben. Hingegen begegnen Stakeholder einer CSR-Strategie in Krisen mit Skepsis und Zweifel, wenn Unternehmen nicht bereits im Vorfeld gesellschaftliche Verantwortung übernommen haben. Auch der Krisentyp hat Auswirkungen auf den Reputationsschaden. Zyglidopoulos (2001) weist darauf hin, dass Krisen mit einem hohen Umweltschaden sich signifikant negativer auf die soziale Reputation von Organisationen auswirken (S. 434). Hingegen spielen Unfälle mit Todesfolge nur eine untergeordnete Rolle in Bezug auf soziale Reputation. Die Wirkung explizit kultureller Kontexte von Krisenkommunikation zeigen Falkheimer & Heide (2006) auf. Sie begründen dies mit veränderten Kommunikationsmustern, die sich in Abhängigkeit des kulturellen Hintergrundes unterscheiden. Auch Coombs (2008) weist darauf hin, dass Krisenkommunikation je nach Kulturraum andere Wirkungen zeigen kann. Konsequenzen haben diese Beobachtungen vor allem für multinationale Organisationen bzw. Krisen, die
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
183
für Organisationen von multinationaler Relevanz sind. Auch wenn auf die Möglichkeit der kulturkontextbezogenen Analyse an dieser Stelle hingewiesen wird, ist sie kein Bestandteil der vorliegenden Untersuchung. Zusammenfassung und Hypothese Diese Überlegungen münden abschließend in der Formulierung der Forschungshypothese. Aus dem Forschungsstand geht zusammenfassend hervor, dass eine Voraussetzung für die Wahrnehmung als vertrauenswürdiger Akteur in Krisen die situative Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ist. Zweitens scheint Krisenkommunikation ein probates Mittel, diese gesellschaftliche Verantwortung zu signalisieren. Drittens kann die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung Auswirkungen sowohl auf die Medienberichterstattung als auch auf die Reputation von Organisationen haben. Es kann daher angenommen werden: Hypothese 3.1a:
Die Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung hat in vermeidbaren Krisen eine positive Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit.
Für die Formulierung von Hypothese 3.1a wurde die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung differenziert nach dem eingeführten unmittelbaren und mittelbaren Verantwortungsbereich von Organisationen dargestellt. Für die Unterscheidung wird der funktionale Auftrag der zu untersuchenden Organisationen zugrunde gelegt, der sich aus ihrem Selbstverständnis und ihrem damit verbundenen Auftrag ergibt. Zum unmittelbaren Verantwortungsbereich einer Organisation gehören demnach gesellschaftliche Aktivitäten die zwar über gesetzliche Vorgaben hinaus gehen und damit freiwillig sind, jedoch dem funktionalen Auftrag einer Organisation zugeordnet werden können (z.B. die Einhaltung von Verhaltenskodizes, normative Kontrollmechanismen wie Krisenhandbücher oder Sprachregelungen, formalisierte ethische Grundsätze die in Krisen gültig sind oder die Verantwortung gegenüber eigenen Mitarbeitern). Die Diskussion mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung ist Gegenstand des nun folgenden Kapitels. 3.5.3.2
Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung
Die Entwicklung der Forschungshypothese für mittelbare gesellschaftliche Verantwortung lehnt sich wesentlich an die Hypothese zu unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung an. Daher stehen im Folgenden ergänzend die Studien im Fokus der Betrachtung, die sich explizit mit der Wirkung mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auseinandersetzen. Aus der Argumentation von Hiß (2005) wurde eingangs die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung abgeleitet. Beide Strategien sind im Sinne von Carrol (1991, 1994, 1998, 1999, 2004) der freiwilligen Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung zuzuordnen. Zentrales Unterscheidungskriterium ist fortan die Bezugsnähe zur Unternehmenskrise (und damit nicht wie von Hiß vorgeschlagen die Integration in den funktionalen Auftrag einer Organisation). Somit lässt sich die Unterscheidung der zwei Strategien an dieser Stelle bereits recht klar umreißen:
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Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung ist die freiwillige Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung einer Organisation in einer Krise, bei der sich der Verantwortungsbereich inhaltlich und zeitlich klar der Krise zuordnen lässt (z.B. Verantwortung gegenüber den von Krise betroffenen Opfern oder Mitarbeitern). Das Engagement ist damit zwar als freiwillig zu kennzeichnen, bezieht sich jedoch unmittelbar auf die Krise.
Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung ist die freiwillige Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung einer Organisation in einer Krise, bei der der Verantwortungsbereich inhaltlich und zeitlich über den der akuten Krisensituation hinaus geht (z.B. als Ölunternehmen die Einrichtung eines Fonds zur Säuberung verunreinigter Küstengebiete oder die Entwicklung branchenweiter Mindeststandards für Arbeitsbedingungen). Das Engagement ist damit zwar als philanthropisch zu kennzeichnen, die unmittelbare Krise ist jedoch der Auslöser.
Gesellschaftliche Verantwortung wird, so Hiß und auch Carroll, vom gesellschaftlichen Umfeld erwartet. Gleiches ist auch in Krisensituationen anzunehmen. Gesellschaftliche Verantwortung lässt sich dabei nicht ausschließlich im unmittelbaren Umfeld der Krise verorten und so weisen Marcus & Goodman darauf hin, dass „[...] managers should adopt a rigorous ethical position in which they lay prudence aside and sacrifice profits for the sake of the victims of a crisis. Especially after product safety and health incidents, when there is no predictable market reaction and managers have no way of knowing how investors will respond, managers should act on the basis of moral conviction“ (Marcus & Goodman, 1991, S. 300)
Caldwell & Jeane (2007) ergänzen diese These und argumentieren, dass ethische Unternehmensführung sich allgemein positiv auf den Aufbau von Vertrauen auswirkt. Diese Argumentation wird fortgesetzt in der Studie von Caldwell, Hayes, Karri & Bernal (2008): „Great leaders are ethical stewards who generate high levels of commitment from followers. [...] [W]e propose that perceptions about the trustworthiness of leader behaviors enable those leaders to be perceived as ethical stewards“ (ebd., S. 153).
Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung lässt sich also als eine Maßnahme charakterisieren, als Leitfigur ethisch-moralischen Handelns wahrgenommen zu werden. Je positiver diese Wahrnehmung, desto größer die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit. Maignan, Ferrel & Hult (1999) beschreiben dies als „Corporate Citizenship“ – ein Begriff, der sich seit den 90er Jahren vor allem aus der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur entwickelt hat (vgl. ebd., S. 456) – und weisen nach, dass sich die Wahrnehmung einer Organisation als gesellschaftlicher Akteur (vgl. hierzu insb. Whetten & Mackey, 2002) durch ökonomische, rechtliche, ethische und freie Attribute kennzeichnen lässt. Zentral in ihrer Annahme ist der instrumentelle Charakter zur Erreichung der vier Dimensionen von Corporate Citizenship: „[...] a company’s public relations department may be in charge of monitoring philanthropic donations while its legal affairs department implements ethics compli- ance and its human resources department coordinates work-family programs. Marketers are more likely to successfully establish the image of a socially responsible organization if they coordinate these various activities and monitor them as a whole“ (ebd., S. 464).
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
185
Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass eine Übernahme mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung als Kommunikationsstrategie in Krisen darauf zielt, die ethischmoralischen Attribute der Wahrnehmung als gesellschaftlicher Akteur aktiv zu gestalten, um damit wiederum Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Denn „[...] reputation depends heavily on how moral one’s behaviour is being perceived by subordinates“ (Bews & Rossouw, 2002, S. 387). Snyder, Hall, Robertson, Jasinski & Miller (2006) weisen in dem Zusammenhang darauf hin, dass die organisationale Reaktion auf eine Krise sich eben nicht nur an funktionalen Rationalitäten orientiert, sondern die ethische Dimension jedweder Entscheidungen konsequent mitbedacht werden muss. Während unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung primär drauf zielt, Umweltbeziehungen kurzfristig zu gestalten geht es bei mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung also darum, eine Position als gesamtgesellschaftlicher Akteur zu festigen. Die Zielsetzung der Signalisierung von Vertrauenswürdigkeit geht damit zwar über die der unmittelbaren Verantwortung deutlich hinaus. Dennoch ist es letztlich nur eine Erweiterung der Strategie auf der gesellschaftlichen Ebene von Krisenkommunikation, so dass Hypothese 3.1a an dieser Stelle ergänzt werden kann: Auch Hypothese 3.2a:
Die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung hat in vermeidbaren Krisen eine positive Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit.
Auf der gesellschaftlichen Ebene wird, um das Postulat strategischer Krisenkommunikation zu prüfen, die Übernahme unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung als Strategieoptionen untersucht. Im Gegensatz zum Postulat situativer (Kapitel 3.5.1) und integrierter (Kapitel 3.5.2) Krisenkommunikation werden damit nicht zwei unterschiedliche sondern eine Strategie unterschiedlicher Ausprägungen gewählt. Dies hat den Vorteil, dass sich ein Zusammenhang zwischen unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung aufzeigen lässt. In Anlehnung an die weiter oben diskutierten Überlegungen von Carroll (1991) und Hiß (2005) wird davon ausgegangen, dass die philanthropische Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung sich in einem stärkerem Maße auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Diese Vermutung mündet in der Zusammenhangshypothese der beiden Kommunikationsstrategien: Hypothese 3.3:
Organisationen, die in vermeidbaren Krisen mittelbare gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren werden als vertrauenswürdiger eingeschätzt als Organisationen, die nur unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren.
186
3.5.4
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Weitere Einflussfaktoren auf den Erhalt von Reputation in Krisen
Nachdem aus dem Forschungsstand und angelehnt an die theoretische Einbettung die Hypothesen über die Wirkung von Krisenkommunikation erarbeitet wurden, folgt abschließend eine Differenzierung des Wirkungszusammenhangs: Der Einfluss von Organisationsund Krisentyp. Der erste vermutete Einflussfaktor auf die Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien ist der des Organisationstyps. Forschungsarbeiten über die Wirkungsmechanismen von Krisenkommunikationsstrategien untersuchen fast ausschließlich Profit-Organisationen. So stellt Fearn-Banks (2007) zwar einen Krisenkommunikationsplan für Non-ProfitOrganisationen (NPO) vor (vgl. ebd., S. 309), überträgt diesen aber vollständig aus den zuvor entwickelten Unternehmensfallstudien und geht damit nicht auf Spezifika für NPO ein. Literatur, die Krisenkommunikation bzw. Krisenmanagement mit NPO in Bezug setzt, stellt dies vor allem in den Zusammenhang einer grundsätzlichen Glaubwürdigkeitskrise von NPO (allgemein) (vgl. McGann & Johnstone, 2006). Im Zusammenhang der Reputationsforschung zeigen Argenti & Druckenmiller (2004), dass Non-Profit-Organisation weniger die Notwendigkeit dafür sehen, sich mit Mechanismen des Reputations- und Markenmanagements auseinander zusetzen, als ProfitOrganisationen (vgl. ebd., S. 369 f.). Dies mag damit zusammenhängen, dass in Non-ProfitOrganisationen Krisenmanagement bislang nur eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. Spillan, 2003). Eisenegger & Imhof (2008) sprechen in dem Zusammenhang von einem „corporate bias“ (ebd., S. 125) in Bezug auf die Reputationsforschung für Non-ProfitOrganisationen. Nur weil sich die Forschung bislang nur wenig mit der Wirkung von Kommunikationsstrategien bei Non-Profit-Organisationen beschäftigt hat bedeutet dies gleichsam nicht, dass es diesen Zusammenhang nicht gibt (vgl. hierzu auch Pleil, 2005). Hinweise darauf, dass der Organisationstyp mit der Zuschreibung wahrgenommener Krisenmanagementkompetenz zusammenhängt liefert beispielsweise Jin (2010). In der Studie kann gezeigt werden, dass sich der Organisationstyp in Verbindung mit der Organisationsgröße zwischen „for-profit“ und „not-for-profit“ unterscheidet. Wenngleich keine Kommunikationsstrategien untersucht werden, liefert die Studie damit dennoch Erkenntnisse für die Unterschiedlichkeit von Wirkungsmechanismen unter Krisenbedingungen in Bezug auf den Organisationstyp. Dem Desiderat mangelnder Erkenntnisse für Non-Profit-Organisationen soll in der vorliegenden Arbeit Rechnung getragen werden. Für das Postulat situativer Krisenkommunikation werden daher die Hypothesen H1.1a und H1.2a ergänzt um: Hypothese 1.1b:
Die Wirkung der Strategie der Übereinkunft auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp.
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
Hypothese 1.2b:
187
Die Wirkung aktiver Kommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp.
Für das Postulat integrierter Krisenkommunikation ergeben sich für die zwei bereits formulierten Hypothesen somit: Hypothese 2.1b:
Die Wirkung disintegrativer Kommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp.
Hypothese 2.2b:
Die Wirkung des Mangels an Krisenkompetenz auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp.
Schließlich werden die Hypothesen des Postulats strategischer Krisenkommunikation ergänzt um: Hypothese 3.1b:
Die Wirkung unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp.
Hypothese 3.2b:
Die Wirkung mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp.
Der zweite vermutete Einflussfaktor ist der des Krisentyps. Kim, Cha & Kim (2008) vertreten für die Entwicklung ihres Krisenmanagement-Index die These, dass für ein effektives Krisenmanagement auf der strategischen Ebene (1) ein grundlegendes Verständnis der Typen von Krisen, (2) ein Verständnis über den Verlauf von Krisen und (3) ein Verständnis verschiedener Stakeholdergruppen notwendig ist. Das Verständnis des Krisentyps ist also zwar notwendig, reicht aber für die vorliegende Arbeit noch nicht aus. Es wird vielmehr argumentiert, dass Krisentypen für die Wahl der Kommunikationsstrategien sogar von entscheidender Bedeutung sind, denn die Wirkungsmechanismen differenzieren nach ihnen.
188
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
Diese Argumentation stützt sich im Wesentlichen auf die Arbeiten von Coombs und Holladay (vgl. Kapitel 2.3.2.1). Die Studien zur Situational Crisis Communication Theory (SCCT) haben gezeigt, dass der Typus Krise einen Einfluss darauf hat, wie Kommunikationsstrategien rezipiert werden: „Analyzing the crisis situation is an important step toward understanding the effective use of crisis responses“ (Coombs, 1998, S. 177). Die SCCT schlägt hierfür die Unterscheidung nach Op-fer-, Unfall- und vermeidbarer Krise vor wobei sich die Typologisierung an der attribuierten Krisenschuld orientiert. In Kapitel 2.2.1.3.3 wurde dieser analytische Rahmen ergänzt um eine inhaltliche Dimension und eine Matrix entwickelt, die Krisen zusätzlich nach dem Kriterium des Reputationsschadens (funktional, sozial, emotional) kategorisiert. Es wird fortan argumentiert, dass sich die Wirkungen von Krisenkommunikationsstrategien nicht nur entlang der attribuierten Krisenschuld zusammenfassen lassen bzw. unterscheiden, sondern auch entlang des akuten Reputationsschadens. Dies gilt es, in der empirischen Analyse zu prüfen. Für das Postulat situativer Krisenkommunikation werden die Hypothesen H1.1a und H1.2a daher ergänzt um die Hypothesen: Hypothese 1.1c:
Die Wirkung der Strategie der Übereinkunft auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp.
Hypothese 1.2c:
Die Wirkung aktiver Kommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp.
Für das Postulat integrierter Krisenkommunikation ergeben sich für die zwei bereits formulierten Hypothesen H2.1a und H2.2a zusätzlich: Hypothese 2.1c:
Die Wirkung disintegrativer Kommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp.
Hypothese 2.2c:
Die Wirkung des Mangels an Krisenkompetenz auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp.
Und die Hypothesen des Postulats strategischer Krisenkommunikation H3.1a und H3.2a werden ergänzt um:
3.5 Forschungsüberblick und Hypothesen
Hypothese 3.1c:
189
Die Wirkung unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp.
Hypothese 3.2c:
Die Wirkung mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp.
3.5.5
Zusammenfassende Darstellung der Hypothesen
Die Forschungshypothesen orientieren sich einerseits an den eingangs formulierten Forschungsfragen (vgl. Kapitel 1.4.1) und andererseits an dem Forschungsstand in Bezug auf die drei Ebenen des integrativen Modells der Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 3.4.3). Mit der Bestätigung oder dem Zurückweisen der Hypothesen kann damit sowohl die Lücke des Forschungsbedarfs geschlossen als auch die Annahmen des entwickelten Forschungsmodells überprüft werden. Im Folgenden werden die Hypothesen noch einmal überblicksartig den Forschungsfragen zugeordnet (vgl. Tabelle 14) sowie die zentrale Forschungsliteratur zusammenfassend dargestellt. Tabelle 14: Zusammenfassung der Forschungsfragen und Hypothesen Forschungsfrage Hypothese(n) Welchen Einfluss haben kommunikative Strategien in Krisen auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit... ... auf der Ebene situativer Krisenkommunikation?
Hypothese 1.1a: Die Strategie der Übereinkunft als Botschaftsstrategie hat in vermeidbaren Krisen einen positiven Effekt auf organisationale Vertrauenswürdigkeit. Hypothese 1.2a: Die Strategie aktiver Kommunikation hat in vermeidbaren Krisen einen positiven Effekt auf Organisationale Vertrauenswürdigkeit.
... auf der Ebene strategischer Krisenkommunikation?
Hypothese 3.1a: Die Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung hat in vermeidbaren Krisen eine positive Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit. Hypothese 3.2a: Die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung hat in vermeidbaren Krisen eine positive Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit.
190
3 Das Forschungskonzept – Grundlegung eines integrativen Modells der Krisenkommunikation
(Fortsetzung) Hypothese 3.3: Organisationen, die in vermeidbaren Krisen mittelbare gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren werden als vertrauenswürdiger eingeschätzt als Organisationen, die nur unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren. Forschungsfrage Hypothese(n) Lässt sich die Wirkung von Krisenkommunikation differenzieren... ... in Bezug auf den Organisationstyp?
Hypothesen 1.1b, 1.2b, 2.1b, 2.2b, 3.1b, 3.2b: Die Wirkung der Strategie ... auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp.
... in Bezug auf den Krisentyp?
Hypothesen 1.1c, 1.2c, 2.1c, 2.2c, 3.1c, 3.2c: Die Wirkung der Strategie ... auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp.
(Eigene Darstellung) 3.6
Resümee
In Kapitel 3 wurde das Forschungskonzept für die vorliegende Arbeit in drei Schritten systematisch entwickelt. Erstens wurde argumentiert, dass sich die Strukturationstheorie als Theorierahmen besonders eignet. Dies wurde abgeleitet aus der Kommunikationsfunktion von Organisationen und der Anschlussfähigkeit der Theorie sowohl auf der Handlungs- als auch auf der Strukturebene. In den Grundzügen der Strukturationstheorie wurde dafür das Konzept der Reflexivität und Rekursivität eingeführt. Aus den Begriffen des Handelns bzw. des Handelnden einerseits und dem der Struktur andererseits konnte anschließend die Dualität von Struktur aus der Argumentationslinie der Strukturationstheorie entwickelt werden. Organisationshandeln wurde dabei als Prozess reflexiver Strukturen konzipiert. Auf den strukturationstheoretischen Organisationsbegriff wurde dabei ebenso eingegangen wie auf die Kommunikationsfunktion von Organisationen. Beides sind zentrale Elemente, die für die anschließende Konzeptionierung des Modells integrativer Krisenkommunikation notwendig sind. Es wurde ferner gezeigt, dass es der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Krisenkommunikation an theoretisch-fundierten Systematisierungen mangelt. Um diesem Desiderat zu begegnen konnte im zweiten Schritt des Kapitels ein Modell integrativer Krisenkommunikation aus den Annahmen der Strukturationstheorie entwickelt werden. Damit wird bereits deutlich, welches Theorieverständnis der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt. Es geht ihr nicht darum, einen Theoriediskurs über die Strukturationstheorie zu führen, sondern ihre zentralen Annahmen in den Forschungsbereich der Krisenkommunikation zu übertragen. Hierzu wurde eingegangen auf Reputation, Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit im Blickfeld der Strukturationstheorie sowie auf die Konzeptionierung von Krisen als
3.6 Resümee
191
unintendierte Rationalisierung. Die Überlegungen, wie sich Krisenkommunikation aus der Strukturationstheorie ableiten lässt orientieren sich in erster Linie an Forschungsarbeiten aus der Öffentlichkeitsarbeit (PR) von Organisationen. Aus den theoriegeleiteten Annahmen sowie den Zusammenfassungen aus den theoretischen Grundlagen (Kapitel 2) konnten zusammenfassend insgesamt drei Postulate der Krisenkommunikation formuliert werden: das Postulat situativer Krisenkommunikation (Zieldimension Vertrauen), das Postulat integrierter Krisenkommunikation (Zieldimension Gestalten der Umweltbeziehung) und das Postulat strategischer Krisenkommunikation (Zieldimension (gesellschaftliche) Legitimation). Ergebnis der Ableitung des Bezugsrahmens war das integrative Modell der Krisenkommunikation. Die theoretischen Annahmen galt es, in einem dritten Schritt nun in empirisch überprüfbare Hypothesen zu überführen. Daher lehnt sich die Zusammenstellung des Forschungsstandes an den drei zuvor formulierten Postulaten an. Der Wirkungszusammenhang von Krisenkommunikation und Vertrauenswürdigkeit bzw. Reputation sollte jedoch nicht nur allgemein, sondern auch nach Organisations- und Krisentyp differenziert aufgezeigt werden. Entsprechend widmet sich der letzte Teil des Forschungsstandes dezidiert den Unterschieden der angenommenen Wirkungszusammenhänge. Mit Kapitel 3 ist damit die theoretische Grundlegung abgeschlossen: Es konnte der Forschungsbedarf aufgezeigt und die Forschungsfragen formuliert (Kapitel 1), zentrale Begrifflichkeiten eingeführt (Kapitel 2) und der theoretische Rahmen systematisch entwickelt werden (Kapitel 3). Forschungslogisch schließt sich nun die empirische Überprüfung der formulierten Annahmen an. Entsprechend wird im anschließenden Kapitel nun das methodische Vorgehen der empirischen Analyse ausführlich erläutert (Kapitel 4).
4
Methodisches Vorgehen
Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit lässt sich grundlegend zwischen zwei Zielstellungen verorten: der theoretischen Diffusion des Verständnisses von Wirkungsmechanismen der Krisenkommunikation auf den Erhalt von Reputation einerseits sowie die Gewinnung einer fundierten Datenbasis für ein Aufzeigen und Ableiten praxisrelevanter Implikationen für das strategische Kommunikationsmanagement andererseits. Um dies zu erreichen, wird ein empirischer Forschungsansatz gewählt, der die entwickelten theoretischen Überlegungen systematisch überprüft (vgl. Kapitel 3) und durch standardisierte und nachvollziehbare Methoden empirisch haltbare Schlussfolgerungen ableitet (vgl. Kapitel 5). Demnach steht sowohl eine theoriebasierte als auch eine empirisch-quantitative Untersuchung der Forschungsfrage im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Bisher wurde aus den Erkenntnissen von Forschungsarbeiten zur Krisenkommunikation und Reputationskonstitution (Kapitel 2) sowie grundlegenden theoretischen Überlegungen (Kapitel 3) der konzeptionelle Bezugsrahmen entwickelt. Dieser Rahmen diente einerseits der inhaltlichen Fokussierung sowie andererseits der systematischen Ableitung der Forschungshypothesen. Ergebnis der theoretischen Grundlegung war die Konzeption einer Reputationskonstitution durch Krisenkommunikation. Es wurde argumentiert, dass der Erhalt von (sich langfristig bildender) Reputation in Krisen durch die Einflussnahme auf (kurzfristige) Vertrauenswürdigkeit möglich wird. Der Zusammenhang zwischen Reputation und Vertrauenswürdigkeit wurde hierfür mehrdimensional entwickelt als ein Konstrukt mit funktionalen, sozialen und emotionalen Attributen. Das Ergebnis der theoretischen Auseinandersetzung war anschließend die Entwicklung eines Forschungsmodells, in dem Krisenkommunikation entlang von drei Zieldimensionen beschrieben wurde: Krisenkommunikation als sinnstiftende Kommunikation (Zieldimension Vertrauen), als Macht (Zieldimension Gestalten von Umweltbeziehungen) und als Sanktion (Zieldimension Legitimation). Diese Zieldimensionen wurden jeweils in einem Postulat situativer, integrierter und strategischer Krisenkommunikation zusammengefasst und damit Krisenkommunikation in einem integrativen Modell zusammengeführt. Diese theoretische Modellierung gilt es nun in ein empirisches Forschungsdesign zu übertragen. Denn neben der Systematisierung von Krisenkommunikation ist explizites Ziel der Arbeit, die aufgezeigten Überlegungen empirisch zu überprüfen (vgl. Kapitel 1). Die Forschungsfrage der Arbeit ist, welche Wirkung Krisenkommunikationsstrategien auf eine funktionale, soziale und emotionale Reputationskonstitution haben. Demnach gilt es erstens, ein geeignetes Erhebungsinstrument zu finden, mit dem sich der Zusammenhang zwischen Kommunikationsstrategien und Vertrauenswürdigkeit grundsätzlich zeigen lässt. Zweitens müssen situative, integrative und strategische Kommunikationsstrategien als unabhängige Variable sowie drittens die Messung mehrdimensionaler Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable operationalisiert werden. Analog zu diesen Überlegungen entfaltet sich das Kapitel in drei zentralen Schritten. Im ersten Schritt wird das Untersuchungsdesign vorgestellt. Als Forschungsdesign wird ein
A. Thießen, Organisationskommunikation in Krisen, DOI 10.1007/978-3-531-93372-6_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
4.1 Untersuchungsdesign
193
2 (Profit-Organisation, Non-Profit-Organisation) X 2 (funktional-vermeidbare Krise, sozialvermeidbare Krise) X 6 (Krisenkommunikationsstrategien) Experimentaldesign gewählt mit einem vollständig randomisierten Versuchsplan (between-subjects-design36) faktorieller Anordnung. Das Experimentaldesign als empirischer Ansatz ist die einzige Möglichkeit, die Forschungsfrage wie sie in Kapitel 1.4.1 formuliert wurde, eingehend beantworten zu können. Die unabhängigen Variablen sind Krisenkommunikationsstrategien unter variierten Krisenbedingungen, die abhängige Variable Vertrauenswürdigkeit als Grundlage zur Bildung von Reputation. Im zweiten Schritt werden die unabhängigen Variablen operationalisiert und die Entwicklung des Stimulusmaterials ausführlich dargestellt. Im dritten Schritt wird analog dazu die abhängige Variable entwickelt als multidimensionales Konstrukt von Vertrauenswürdigkeit. Um die Qualität der Datenerhebung zu diskutieren folgt anschließend eine Darlegung von Gütekriterien quantitativer Forschung. Im Vordergrund stehen dabei die Auswertung in die Untersuchung integrierter Manipulationsüberprüfungen sowie die Diskussion der internen und externen Validität der Studie. Gleiches gilt für den Fragebogen: Hier wird die Validität und Reliabilität noch einmal kritisch diskutiert. Dieser Teil des Kapitels schließt mit einer zusammenfassenden Methodenkritik. Als Überleitung zu Kapitel 5 und zur Nachvollziehbarkeit werden abschließend die Auswertungsstrategie sowie zentrale Kennzahlen der Auswertung skizziert. Damit dient das vierte Kapitel der Nachvollziehbarkeit der gewonnenen Daten, die in Kapitel 5 und 6 systematisch vorgestellt und interpretiert werden. 4.1
Untersuchungsdesign
4.1.1
Grundlegung
Die Sozialwissenschaft hält eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden bereit, sich einem Untersuchungsgegenstand zu nähern und ihn analytisch zu fassen. Als zentrale Methoden nennen Bortz & Döring (2005) das Zählen, Urteilen, Testen, Befragen, Beobachten oder die physiologische Messung (vgl. Bortz & Döring, 2005). Das sozialwissenschaftliche Experiment gehört ausdrücklich nicht dazu, denn es ist keine „eigenständige Methode zur Erhebung sozialer Daten, sondern [...] eine Form von Forschungsstrategie“ (Woelke, 2004, S. 59). Vielmehr ermöglicht ein Experiment die bewusste Einflussnahme auf einen Teil objektiver Realität „mit dem Ziel, das Ergebnis dieser Einflußnahme zu registrieren (beobachten)“ (D. Rasch, Guiard, & Nürnberg, 1992, S. 8). Dieser Argumentation folgend und in Anlehnung an Diekmann (2003) ordnet sich die Offenlegung der experimentellen Versuchsanordnung auch nicht in das Kapitel einer Datenerhebung ein, sondern wird in eigenständigen Kapiteln zur Untersuchungsanlage abgehandelt. Experimente nehmen einen wichtigen Teil im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess ein, denn es lassen sich – in Abhängigkeit eines empirisch nachvollziehbaren Versuchs36
Einige englische Begriffe der experimentellen Analyse und Statistik haben sich auch in der deutschsprachigen Literatur etabliert. Für eine bessere Lesbarkeit wird jedoch auf eine Vermischung von englischen und deutschen Begriffen verzichtet. Aus Gründen der Verständlichkeit wird das englische Äquivalent lediglich an geeigneter Stelle in Klammern ergänzend eingeführt.
194
4 Methodisches Vorgehen
plans – durch sie kausale Zusammenhänge dezidiert aufzeigen. Die Aussage, die mit einem Experiment getroffen werden kann, umfasst jedoch nicht, dass beobachtete Phänomene A und B in einem allgemeinen Zusammenhang stehen sondern vielmehr, dass A kausal für die Ausprägung von B ist. Um einen solchen Zusammenhang empirisch nachweisen zu können, müssen jedoch mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: gemeinsame Umstände, die grundsätzliche Wiederholbarkeit und die Isolierbarkeit der Ursache (vgl. Woelke, 2004, S. 59). Aus diesem Grund folgt ein Experiment einer genauen statistischen Versuchsplanung, in der die Behandlungsbedingungen (Treatments bzw. Faktoren), die Versuchsteilnehmer (Versuchseinheiten) sowie der Versuchsablauf präzisiert werden. Eine genaue Darlegung der Versuchsanordnung ist notwendig, denn die fehlerhafte Planung hat nicht nur ungenaue sondern vor allem fehlerbehaftete Daten und damit falsche Ergebnisinterpretationen zur Folge: Nur wenn beobachtete Verhaltensunterschiede sich unzweideutig auf eine Behandlungsbedingung zurückführen lassen, kann eine empirisch haltbare Kausalaussage getroffen werden. Das Experiment nimmt also eine Erkenntnis erzeugende Funktion ein, wenngleich es ausdrücklich nicht zu den sozialwissenschaftlichen Methoden zuzuordnen ist. Vielmehr sind Experimente bewusste Eingriffe in eine soziale Wirklichkeit, bei der unabhängige Variablen systematisch variiert und Störvariablen ausgeschaltet werden, um eine UrsacheWirkungs-Beziehung auf die abhängige Variable präzise aufzuzeigen. Das Ziel wissenschaftlicher Erkenntnis durch Experimente ist, nicht nur anhand der Ergebnisse eine Kausalitätsbeziehung zu beschreiben, sondern die erkannten Wirkungen auch zukünftig vorhersagen zu können (vgl. Czienskowski, 1996, S. 26). 4.1.2
Die experimentelle Versuchsanordnung
Allgemein lassen sich die in der Literatur vorgestellten Versuchsanordnungen eines Experimentaldesigns zu insgesamt drei Prinzipien zusammenfassen: dem vollständig randomisierten Versuchsplan (between-subjects-design), dem Messwiederholungsplan (withinsubjects-design) sowie der faktoriellen Anordnung (mixed factorial design)37 (vgl. Cobb, 1997, S. 13 ff.; Czienskowski, 1996, S. 66 ff.; D. Rasch, et al., 1992, S. 31 ff.). Der vollständig randomisierte Versuchsplan sieht vor, dass Versuchsteilnehmer zufällig einer Behandlungsbedingung zugewiesen werden. Insgesamt werden dabei mehrere Versuchsteilnehmer in einer Gruppe zusammengefasst, die jeweils nur ein einziges Treatment erhalten. Beobachtete Unterschiede lassen sich durch die Randomisierung entsprechend auf Unterschiede in den Gruppen zurückführen. Der Vorteil eines solchen Designs ist der recht einfache Versuchsplan sowie die Unabhängigkeit gegenüber restriktiven statistischen Annahmen. Um jedoch Wirkungen nachweisen zu können, ist eine statistisch ausreichende Anzahl von Versuchsteilnehmern je Treatment-Gruppe erforderlich (vgl. Czienskowski, 1996, S. 66). Der Messwiederholungsplan unterscheidet sich maßgeblich von dem vollständig randomisierten Versuchsplan, denn die Versuchsteilnehmer werden nicht nur einer einzigen Treatment-Bedingung ausgesetzt, sondern allen. Entsprechend kann eine Variabilität zwi37
In der englischsprachigen Literatur finden sich neben between-subject design, within-subject design und mixed-factorial design auch die Begriffe random assignment, blocking assignment und factorial crossing assignment für die jeweiligen Versuchsplantypen (vgl. Cobb, 1997, S. 13 ff.). Inhaltlich unterscheiden sie sich jedoch nicht.
4.1 Untersuchungsdesign
195
schen den Gruppen nicht mehr berücksichtig werden. Dafür ist es möglich, TreatmentWirkungen auf Unterschiede innerhalb der gesamten Untersuchungsgruppe zurückzuführen. Wirkungen eines untersuchten Faktors können so auf unterschiedlichen Stufen (z.B. zu unterschiedlichen Zeitpunkten oder in unterschiedlicher Intensität) bei Versuchsteilnehmern gemessen werden. Im Gegensatz zu den vollständig randomisierten Versuchsplänen erfordert dies zwar weitaus weniger Teilnehmer, allerdings ist der Messwiederholungsplan sehr sensitiv gegenüber restriktiven statistischen Anforderungen (vgl. Czienskowski, 1996, S. 67). Die faktorielle Anordnung ermöglicht schließlich die Manipulation von mehr als einer unabhängigen Variable in einem Experiment. Dies setzt voraus, dass die Treatments unabhängig voneinander gegeben werden können. Die faktorielle Anordnung folgt der Annahme, dass alle Treatments eine ähnliche oder zumindest kombinierte Wirkung auf die abhängige Variable haben. Der Vorteil dessen ist, dass nicht von einer unikausalen Wirkung einer einzigen unabhängigen Variable ausgegangen wird sondern vielmehr von der Wirkung mehrerer Faktoren und deren Kombination. Bei der faktoriellen Anordnung können sowohl zwei Faktoren eines vollständig randomisierten Designs (also auf einer Stufe) als auch Faktoren einer Messwiederholung (also auf mehreren Stufen) miteinander kombiniert werden. Auch eine Mischform aus ein- und mehrstufiger Anordnung ist möglich (vgl. Czienskowski, 1996, S. 68). Für die empirische Analyse der vorliegenden Untersuchung wird ein vollständig randomisierter Versuchsplan faktorieller Anordnung gewählt. Die vorgeschlagene Versuchsanordnung betrachtet die Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien auf Vertrauenswürdigkeit und Reputation nicht isoliert, sondern erstens im Kontext der Organisationsform und zweitens in Abhängigkeit des Krisentyps. Beides lässt Rückschlüsse auf die Kontextbedingungen von Krisensituationen zu und ermöglicht eine differenzierte Diskussion der abhängigen Variablen. In der Kommunikationswissenschaft ist das Experimentaldesign ein probates Mittel, Unternehmenskommunikation zu evaluieren (vgl. Woelke, 2004, S. 68). Insbesondere die Untersuchung der Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien wird oft experimentell erhoben. Denn Experimente können erstens Wirkungen aufzeigen, zweitens kann der Forscher Umweltbedingungen bewusst kontrollieren und drittens sind Experimente grundsätzlich wiederholbar (vgl. Wimmer & Dominick, 2006). So verwendet Lee (2004) einen 2 (Attribution) X 6 (Kommunikationsstrategien) X 2 (Ausmaß der Krise) vollständig randomisierten Versuchsplan, um die Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien zu messen. Auch die Situational Crisis Communication Theory wurde im Wesentlichen anhand von Erkenntnissen aus Experimenten mit Studenten entwickelt (vgl. Coombs, 1999b; Coombs & Holladay, 2001; Coombs & Schmidt, 2000). Lyon & Cameron (2004) verwenden einen 2 (Krisenkommunikationsstrategien) X 2 (Reputation) Messwiederholungsplan, um die Wirkung von defensiven oder entschuldigenden Kommunikationsstrategien auf Reputation zu zeigen. (vgl. hierzu auch Lyon, 2006). Weitere Experimente untersuchen die Wirkung von Wiederholungen der Botschaft auf die Bildung von Vertrauenswürdigkeit (vgl. Bohnet & Huck, 2004) oder die Effektivität sozialer Kommunikation auf negative Publizität (vgl. Vanhamme & Grobben, 2008). Dies zeigt, dass Experimente Einzug in die Forschung zu Krisenkommunikation erhalten haben, um das ansonsten recht schwer fassbare Untersuchungsfeld der Krisenkommuni-
196
4 Methodisches Vorgehen
kation empirisch zu analysieren. Im Fortlauf der Arbeit werden aus diesen Forschungsarbeiten nicht nur inhaltliche, sondern vor allem auch methodische Erkenntnisse mit berücksichtigt. Entsprechend gilt es, im nächsten Schritt die Versuchseinheiten, den experimentellen Stimulus sowie dessen Störvariablen und den Ablauf des Experiments darzulegen. 4.1.3
Herleitung der Hypothesentests und Pretests
In der vorliegenden Untersuchung wird die Wirkung von Krisenkommunikation auf organisationale sowie funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit untersucht. Die unabhängige Variable (Krisenkommunikation) wird in Anlehnung an die in Kapitel 3.4 formulierten Hypothesen anhand von sechs Kommunikationsstrategien in vier unterschiedlichen Rahmenbedingungen operationalisiert. Für die abhängige Variable wird das Konstrukt organisationale Vertrauenswürdigkeit entwickelt sowie die drei differenzierten Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit (funktional, sozial und emotional). Bei einem Experimentaldesign hängt die Qualität der Operationalisierung der Hypothesen und damit der zentralen Konstrukte dabei maßgeblich von den vorangehenden Pretests ab38. Sie ermöglichen, die Stimuli der unabhängigen Variablen, die Konstrukte der abhängigen Variablen aber auch inhaltliche und methodische Fragestellungen zu testen und anzupassen, bevor Daten durch das eigentliche Experiment erhoben werden. Durch ihre zentrale Funktion für die vorliegende Untersuchung werden daher zunächst die Pretests vorgestellt. Alle Pretest wurden mit Studenten an der Université de Fribourg durchgeführt. PT 01 – Mögliche Krisenszenarien Die ersten Pretests widmeten sich der unabhängigen Variable und damit dem Stimulusmaterial. Der Pretest PT 01 bestand aus zwei Teilen: in einem ersten Schritt wurden die Teilnehmer gebeten, vorgegebene Krisensituationen als funktionale, soziale oder emotionale Krise zuzuordnen. Dies diente dem Finden von möglichst eindeutigen Krisenszenarien für das anschließende Formulieren des Stimulusmaterials. Theoretische Grundlage hierfür war die in Kapitel 2.2.1.3.3 entwickelte Matrix, Krisensituationen entlang ihres Reputationsrisikos zu klassifizieren. Neben der Bewertung vorgegebener Szenarien wurden die Versuchsteilnehmer zudem gebeten, selbständig funktionale, soziale oder emotionale Krisen einer Profit- und einer Non-Profit-Organisation beispielhaft zu nennen. Der Pretest hat gezeigt, dass sich funktionale und soziale Krisen gut kategorial trennen lassen. Rein emotionale Krisen wurden hingegen stark uneindeutig erkannt. Begründen lässt sich dies mit dem generell hohen Emotionalisierungsgrad von Krisen allgemein. Für den weiteren Verlauf des Experiments, bei dem eine möglichst unzweideutige Darstellung des Stimulus wichtig ist, wurde sich daher für die Konstruktion einer funktionalen und einer sozialen Krise entschieden. Dies war anschließend die Grundlage für das Formulieren einer detaillierten Anweisung für Journalisten, die insgesamt vier Krisenszenarien in Form eines NZZ-Online-Artikels ausformulierten (vgl. Kapitel 4.1.3.1.1): eine funktionale und eine soziale Krise einer Profit-Organisation sowie eine funktionale und eine soziale Krise einer Non-Profit-Organisation.
38
Die Pretests werden mit PT abgekürzt und sind nummeriert (PT 01, PT 02, etc.).
4.1 Untersuchungsdesign
197
PT 02 – Stimulusmaterial Die durch Journalisten erstellten Krisenszenarien wurden im Pretest PT 02 neuen Versuchspersonen vorgelegt. Die Teilnehmer wurden darin gebeten, jeweils einen Artikel zu lesen und anschließend Fragen bezüglich Krisentyp, Organisationstyp, Realismus und vorherige Reputation zu beantworten. Ziel dieses Pretests war, die Qualität der Krisenszenarien zu messen und diese ggf. weiter anzupassen. Das Bewerten von Kommunikationsstrategien war noch nicht Gegenstand dieses Pretests. Insgesamt wurden die Krisenszenarien gut erkannt – lediglich die funktionale Krise der Profit-Organisation bedurfte der weiteren inhaltlichen Schärfung. PT 03-a und 03-b – Krisenkommunikationsstrategien, Validitätstest der Items Die Krisenkommunikationsstrategien wurden separat und in Anlehnung an die Hypothesen jeweils als ein Absatz für den späteren NZZ-Online-Artikel formuliert (vgl. Kapitel 0). Ziel war es, den Versuchspersonen möglichst realistische Kommunikationsstrategien zu präsentieren. Dafür wurden Formulierungsvorschläge der sechs Strategien an den Schweizer Verband für Krisenkommunikation versandt mit der Bitte, dieses auf Validität zu bewerten und zu kommentieren. Das Ergebnis dieses Pretests PT 03-a war, dass die sechs Krisenkommunikationsstrategien für das Experiment ausformuliert werden konnten. Diese wurden anschließend im Pretest PT 03-b von Studenten getestet. Die Erkennbarkeit und der Realismus wurden anhand von Manipulationsüberprüfungen ermittelt. Im gleichen Pretest wurden auch die Items der abhängigen Variable (Vertrauenswürdigkeit) in Bezug auf ihre Validität überprüft. PT 04 – Experiment gesamt Die in den Pretests PT 01 bis PT 03 entwickelten Stimuli wurden im Pretest PT 04 nun als gesamtes Experiment getestet. Den Teilnehmern wurde dafür das Stimulusmaterial (sechs Kommunikationsstrategien unter vier Krisenbedingungen sowie vier Kontrollgruppen) vorgelegt sowie ein Fragebogen. In diesem wurden Stimulus, Reliabilität der Konstrukte sowie das Kreuzverhalten getestet. Insgesamt nahmen 58 Versuchspersonen an dem Pretest teil (30 Teilnehmer mit dem Treatment Profit-Organisationen, 28 Teilnehmer mit dem Treatment Non-Profit-Organisationen). 29 Teilnehmer erhielten das Treatment einer funktional-vermeidbaren und 29 einer sozial-vermeidbaren Krise. Jeweils 8 Versuchspersonen waren in einer der Gruppen der sechs Kommunikationsstrategien zusammengefasst, 10 Teilnehmer erhielten in einer Kontrollgruppe keine Kommunikationsstrategie als Stimulusmaterial. Die 7-stufige Likert-Skala reichte von 1 („stimme voll zu“) bis 7 („stimme überhaupt nicht zu“). Die Krisen wurden mit M = 1,95 (SD = 1,03) deutlich als vermeidbare Krise eingestuft. 93,3 % der Profit-Organisationen wurden richtig identifiziert sowie 82,1 % der Non-Profit-Organisationen. Die Teilnehmer erkannten drei der vier Szenarien gut: bei der Profit-Organisation die sozial-vermeidbare Krise (M = 1,73; SD = 0,70), bei der Non-Profit-Organisation die funktional-vermeidbare (M = 5,64; SD = 1,78) und die sozial-vermeidbare Krise (M = 2,93; SD = 1,94)39. Die funktional-vermeidbare Krise der
39
Die Skala für den Krisentyp war bipolar (7 Stufen) zwischen „Die Krise stellt in erster Linie das gesellschaftliche Ansehen von ... in Frage.“ und „Die Krise stellt in erster Linie die Kernkompetenz von ... in Frage.“.
198
4 Methodisches Vorgehen
Profit-Organisation wurde nicht deutlich genug erkannt, was auf die Formulierung der Situation zurück fällt: In der Krisensituation wurden Folgen für Arbeitnehmer ebenso thematisiert wie persönliche Schäden durch die Krise. Die Situation wurde umformuliert und im Pretest 05-b erneut getestet. Die Konstrukte der abhängigen Variable waren insgesamt reliabel: Für organisationale Vertrauenswürdigkeit wurden 3 Items getestet (Cronbach’s α = 0,931), für funktionale Vertrauenswürdigkeit 9 Items (α = 0,762), für soziale Vertrauenswürdigkeit 5 Items (α = 0,809) und für emotionale Vertrauenswürdigkeit 3 Items (α = 0,817). Eine Faktorenanalyse für funktionale Vertrauenswürdigkeit ergab zudem, dass das Konstrukt auf insgesamt zwei Faktoren lädt. Der Pretest PT 04 hatte zur Konsequenz, dass das funktionale Krisenszenario einer Profit-Organisation neu formuliert, die Kommunikationsstrategien der mittelbaren und unmittelbaren Verantwortung verstärkt und die Items der funktionalen Vertrauenswürdigkeit gekürzt wurden. Darüber hinaus wurden die Manipulation Checks der Kommunikationsstrategie aus dem Fragebogen der Kontrollgruppe entfernt, da diese keine Aussage über die Manipulation der Kommunikationsstrategie treffen können. PT 05-a und 05-b – Krisentyp „funktional-vermeidbar“ Pretest PT 05-a widmete sich der methodischen Frage, wie die Manipulation des Krisentyps optimiert werden kann. Getestet wurde die bipolare Skala (7 Stufen) zwischen „Die Krise stellt in erster Linie das gesellschaftliche Ansehen von ... in Frage.“ und „Die Krise stellt in erster Linie die Kernkompetenz von ... in Frage“ gegenüber zwei Einzelskalen. Die bipolare Skala führte zu deutlicheren Ergebnissen, so dass diese Einzug in den Fragebogen erhalten hat. Im Pretest 05-b erkannten die Versuchsteilnehmer die funktional-vermeidbare Krise mit der neuen Formulierung schließlich zufriedenstellend mit M = 3,08 (SD = 1,71). Tabelle 15 stellt die Pretest noch einmal im Überblick dar. Tabelle 15: Übersicht der Pretests Pretest
Inhalt
n
PT 01
Stimulus: Mögliche Krisenszenarien (dimensioniert nach Organisations- und Krisentyp)
9
PT 02
Stimulus: Krisentyp
8
PT 03-a
Stimulus: Krisenkommunikationsstrategien (Validitätstest)
13
PT 03-b
Abhängige Variable
22
(Validitätstest) PT 04
Experiment gesamt (Stimulus, Reliabilität der Konstrukte, Kreuzverhalten)
58
4.1 Untersuchungsdesign
199
(Fortsetzung) PT 05-a
Skala Krisentyp
22
PT 05-b
Krisentyp „funktional vermeidbar“
22
Keine der Versuchspersonen der Pretests hat an dem Experiment teilgenommen. Zusammenfassend wurden für die vorliegende Untersuchung sowohl inhaltliche (Krisenszenarien und -strategien, Konstruktvalidierung) als auch methodische Pretests (Skalentypen und Reliabilitätstests) durchgeführt. 4.1.3.1
Die unabhängigen Variablen
Das Aufzeigen von Wirkungen bzw. kausalen Zusammenhängen verschiedener Faktoren in einem Experiment setzt voraus, dass die Behandlungsbedingungen als unabhängig voneinander konzipiert werden. Das bedeutet, dass ein einzelner Faktor variiert wird ohne gleichzeitig auch andere Faktoren zu variieren. Die Unabhängigkeit der Faktoren schließt dabei nicht grundsätzlich aus, dass mehrere Faktoren eine gemeinsame oder kombinierte Wirkung auf die abhängige Variable haben können. Vielmehr ist auch der Nachweis einer differentiellen Wirkung von Faktorkombinationen in einem Experiment möglich (wie in der vorliegenden Studie der Fall). Voraussetzung dafür sowie für die anschließende Varianzanalyse ist die Unabhängigkeit der einzelnen Faktoren. Differenziert wird im vorliegenden Experiment nach den Faktoren Organisations- und Krisentyp sowie sechs unterschiedlichen Krisenkommunikationsstrategien. 4.1.3.1.1
Das Stimulusmaterial
Wie in vergleichbaren Studien bestand das Stimulusmaterial aus Medienberichten von Organisationskrisen. Dies folgt der Argumentation, dass sich Reputation zu einem wesentlichen Teil medienvermittelt bildet (vgl. Kapitel 2.1.3.1) bzw. Krisen oft überhaupt erst über öffentliche Medienberichterstattung thematisiert werden (vgl. Kapitel 2.2.3.1). Die Qualität des Stimulus ist dabei maßgebliches Kriterium zur Bewertung des Experimentaldesigns. Daher muss zur Konzeption des Stimulusmaterials an dieser Stelle der Aspekt der Medienglaubwürdigkeit diskutiert werden. Denn sie beeinflusst zu einem erheblichen Teil, ob der Stimulus als glaubwürdige Quelle eingeschätzt und damit der Stimulus akzeptiert wird. Deephouse (2000) zeigt, dass in Krisen Medien als unabhängiger Beobachter grundsätzlich eine hohe Glaubwürdigkeit entgegengebracht wird. Und auch Bentele (2008, S. 316) weist darauf hin, dass speziell journalistische Qualitätsmedien als glaubwürdige unabhängige Instanz wahrgenommen werden (vgl. hierzu auch Kohring & Matthes, 2007). Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) und damit ebenso ihr Onlineableger sind in der Schweizer Medienlandschaft als (liberale) Qualitätspresse einzuordnen und damit als Stimulus geeignet. Bekanntheit und Glaubwürdigkeit der gewählten NZZ Online wurde anhand einer siebenstufigen Likert-Skala getestet (1 = „stimme voll zu“ bis 7 = „stimme gar nicht zu“).
200
4 Methodisches Vorgehen
Niedrige Mittelwerte weisen daher auf eine hohe Bekanntheit bzw. Quellenglaubwürdigkeit hin. Den Experimentalteilnehmern war die Onlineausgabe der NZZ bekannt (Single-Item, M = 2,58; SD = 2,11) und wurde von ihnen als glaubwürdige Quelle eingestuft (SingleItem, M = 2,12; SD = 1,20). Die als Stimulusmaterial präsentierten Artikel wurden von Journalisten von SPIEGEL Online und GMX Online verfasst. Diese erhielten genaue Anweisungen, in denen Formulierungshinweise mit Bezug auf die Krisensituationen und inhaltliche Ausrichtung vorgegeben waren. Um schweizspezifische Formulierungen und Inhalte anzupassen, hat eine ehemalige Journalistin des Schweizer Fernsehens die Szenarien im Detail noch weiter angepasst. Im ersten Teil des präsentierten Artikels (Überschrift, Lead, Absatz vor und nach der Werbeanzeige) wurde das Krisenszenario beschrieben (Organisations- und Krisentyp). Der letzte Absatz des Stimulusmaterials beinhaltete die Beschreibung jeweils einer der sechs Krisenkommunikationsstrategien. Die vier Kontrollgruppen haben diesen letzten Teil nicht erhalten. Das Layout der als Ausdruck vorgelegten Internetseite wurde aus Gründen einer möglichst realistischen Darstellung vollständig beibehalten. Ausgetauscht wurden jeweils der Nachrichtentext, das Datum des Artikels sowie das Bild und die Bildunterschrift. Werbeanzeigen und NZZ Online spezifische Gestaltungselemente blieben unverändert. Abbildung 20: Stimulusmaterial der Kontrollgruppen
4.1 Untersuchungsdesign
201
(Fortsetzung)
4.1.3.1.2
Organisations- und Krisentypen
Wie in Kapitel 3.4.4 argumentiert, wird eine unterschiedliche Wirkung der untersuchten Krisenkommunikationsstrategien in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps auf die Vertrauenswürdigkeit von Organisationen vermutet. Entsprechend gilt es, die verschiedenen Krisenszenarien bei der Erstellung des Stimulusmaterials mit zu bedenken. Bei den Treatments wurde entsprechend unterschieden erstens zwischen Profit- und Non-ProfitOrganisationen sowie zweitens zwischen funktionalen und sozialen Krisen (vgl. Matrix in Kapitel 2.2.1.3.3). Um Verzerrungen durch kognitive Prädispositionen in Form von Kenntnissen, Erfahrungen oder die Reputation bekannter Organisationen zu vermeiden, wurden fiktive Organisationen gewählt, was die interne Validität des Versuchsplans noch einmal deutlich erhöht (vgl. Woelke, 2004). Als Szenario einer Profit-Organisation wurde ein Schweizer Aluminiumdosenhersteller „Alufast“ eingeführt, für das Szenario einer Non-ProfitOrganisationen ein Schweizer Kinderhilfswerk „Children for a Better World (CFBW)“. Als funktionale Krise wurden Managementfehler, als soziale Krise Rassismus bzw. unsoziales Verhalten beschrieben. Alle Krisen waren vermeidbar und haben damit das größte Schadenspotenzial auf die organisationale Reputation (vgl. Kapitel 2.3.2.1). Tabelle 16 stellt die vier Krisenszenarien zusammenfassend dar (zur Güte der Szenarien vgl. Kapitel 4.2.1.1).
202
4 Methodisches Vorgehen
Tabelle 16: Übersicht der Krisenszenarien
Profit-Organisation Unternehmen „Alufast“
Non-Profit-Organisation Kinderhilfswerk „Children for a Better World (CFBW)“
funktionalvermeidbar
sozialvermeidbar
Managementfehler mit Produktionsausfall
Rassismus bei der Einstellung von Personal
(n=169)
(n=189)
Managementfehler mit der Handlungsunfähigkeit des Kinderhilfswerks als Folge
Persönliche Bereicherung des Managements an den Finanzen des Kinderhilfswerks
(n=174)
(n=187)
Die Krisenszenarien unterscheiden sich, um eine differenzierte Wirkungen je Krisentyp überprüfen zu können. Dies wirkt sich jedoch auch auf die Vergleichbarkeit der Szenarien aus. Die Konsequenzen daraus werden in Kapitel 6.1.3 aufgegriffen und kritisch diskutiert. 4.1.3.1.3
Krisenkommunikationsstrategien
Die formulierten Krisenkommunikationsstrategien lehnen sich an die im Theorierahmen entwickelten Postulate der Krisenkommunikation an (vgl. Kapitel 3.3.2). So wurden für das Postulat der situativen Krisenkommunikation die rhetorische Strategie der Übereinkunft sowie die Anwendung einer aktiven Kommunikation umgesetzt. Das Postulat integrierter Krisenkommunikation wurde konstruiert als Inkonsistenzen in der Krisenkommunikation sowie der Unfähigkeit, ein solides Krisenmanagement zu präsentieren40. Die unmittelbare bzw. mittelbare Übernahme gesellschaftlicher Antwort sind schließlich abgeleitet aus dem Postulat strategischer Krisenkommunikation (vgl. Tabelle 17). Tabelle 17: Übersicht der Krisenkommunikationsstrategien
Postulat der situativen Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 3.4.1)
40
Strategie a
Strategie b
Übereinkunftsstrategie
Aktive Kommunikation
(n=96)
(n=95)
Diese beiden Strategien wurden negativ formuliert, da dies in den Validitätstests als realistischeres Szenario eingestuft wurde (vgl. Kapitel 4.1.3).
4.1 Untersuchungsdesign
203
(Fortsetzung) Postulat der integrierten Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 3.4.2)
Widersprüche in der Kommunikation
Mangel an Krisenkompetenz
(n=110)
(n=95)
Postulat der strategischen Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 3.4.3)
Unmittelbare Verantwortung
Mittelbare Verantwortung
(n=99)
(n=118)
4.1.3.2
Die abhängigen Variablen
4.1.3.2.1
Entwicklung der Vertrauenswürdigkeitskonstrukte
Für das Testen der Hypothesen ist es notwendig, das Konstrukt Vertrauenswürdigkeit zu operationalisieren. Bei der Entwicklung des Konstrukts organisationaler Vertrauenswürdigkeit wird dabei auf die Vertrauenswürdigkeitsskalen aus den Studien von Möllering & Sydow (2005) sowie Lee (2004) zurückgegriffen. Neben allgemeiner organisationaler Vertrauenswürdigkeit soll die empirische Analyse jedoch auch der Literaturdebatte zur Mehrdimensionalität von Reputation und Vertrauenswürdigkeit Rechnung tragen. Entsprechend werden weitere Konstrukte für funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit entwickelt. Die Skala der funktionalen Vertrauenswürdigkeitsdimension lehnt sich dabei an die Forschungsarbeiten von Mayer & Davies (1999) an, die zwischen globalem Vertrauen, dem Vertrauen gegenüber dem Management, dem Einschätzen der Zukunft der Organisation, dem Anvertrauen schwieriger Aufgaben sowie dem Wunsch der Kontrolle über das Management unterscheiden. Ihre Skala orientiert sich an drei Grundkonzepten der Wahrnehmung von Einstellung und Verhalten Dritter (vgl. hierzu auch Becerra & Gupta, 2003; Mayer, et al., 1995) und fügt sich damit in die Argumentation des Theorierahmens ein (vgl. Kapitel 3.3.2). Die Skala zur sozialen und emotionalen Vertrauenswürdigkeit basiert auf den Studien von Mayer & Davies (1999) und Ingenhoff (2010). Ergänzt wurden die Items des Konstrukts organisationaler Vertrauenswürdigkeit durch zwei weitere von Caldwell & Clapham (2003), die die Qualität des Konstrukts überprüfen. Beide Items sind kein Teil des Konstruktes, sondern dienen der qualitativen Einordnung. Für die Entwicklung der Konstrukte organisationale, funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit bieten die gewählten Skalen eine erste Orientierung. Nicht alle Items sind jedoch für die vorliegende Fragestellung relevant. Hinzu kommt, dass bis auf die von Ingenhoff alle Items auf Englisch vorlagen und ins Deutsche übersetzt werden mussten. Für die Entwicklung der Konstrukte ist es daher unbedingt notwendig, sie vorab auf ihre
204
4 Methodisches Vorgehen
Validität (Pretest PT 03-b) und Reliabilität (Pretest PT 04) zu testen. Die in den Fragebogen eingeflossenen Items werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt41. Organisationale Vertrauenswürdigkeit Aus den Items von Mayer & Davies (1999), Möllering & Sydow (2005) und Lee (2004) wurden „Die Organisation ist glaubwürdig“ (λ = 0,916)42, „Die Organisation ist aufrichtig“ (λ = 0,944) und „Die Organisation ist trotz Krise immer noch eine vertrauenswürdige Organisation“ (λ = 0,956) in den Fragebogen überführt. Die anderen Items der Skalen wurden nach dem Validitätstest nicht übernommen. Mit α = 0,931 ist das Konstrukt als äußerst zufriedenstellend zu bewerten, insgesamt werden 74,38 % der Gesamtvarianz durch die Items erklärt. Funktionale Vertrauenswürdigkeit Aus den Items von Mayer & Davies (1999) und Ingenhoff (2010) wurden insgesamt sechs übernommen. Bei der Faktorenanalyse konnten zwei Komponenten extrahiert werden: drei Items, die sich auf Kompetenz allgemein sowie drei Items, die sich auf Krisenkompetenz beziehen (vgl. Tabelle 18). Tabelle 18: Komponenten funktionaler Vertrauenswürdigkeit Komponente a: Kompetenz allgemein
Komponente b: Krisenkompetenz
Das Management/die Geschäftsführung 43 des U/der O wird ihrer Aufgabe gerecht (λ = 0,780)
Das Management/die Geschäftsführung des U/der O ist in der Lage, die im Artikel beschriebene Krise zu managen (λ = 0,842)
Das Management/die Geschäftsführung des U/der O hat das Wissen, das U/die O zu leiten (λ = 0,911)
Die O verfügt über hohes KnowHow, die Krise zu managen (λ = 0,890)
Das Management/die Geschäftsführung des U/der O hat die nötigen Qualifikationen, Kindern zu helfen/Dosen herzustellen (λ = 0,899)
Die O trifft strategisch gute Entscheidungen, die Krise zu managen (λ = 0,826)
Da die zwei Komponenten sich inhaltlich auf unterschiedliche Aspekte funktionaler Vertrauenswürdigkeit beziehen, werden Sie bei der Analyse der Hypothesen separat verwendet. Mit einem α von 0,824 für allgemeine Kompetenz (74,87 % erklärte Varianz) und 0,809 für Krisenkompetenz (72,73 % erklärte Varianz) messen die beiden Komponenten funktionale 41
42 43
Die Werte beziehen sich in diesem Kapitel auf die Pretests. Die Werte des Experiments finden sich im Kapitel über die Gütekriterien, vgl. Kapitel 4.2. λ gibt die Faktorladung an. Profit-Organisation (hier das Unternehmen Alufast) wird mit U abgekürzt und Non-Profit-Organisation (hier das Kinderhilfswerk CFBW) mit O.
4.1 Untersuchungsdesign
205
Vertrauenswürdigkeit insgesamt sehr gut (vgl. zur Kompetenz-Skala auch Newell & Goldsmith, 2001, S. 242). Die Items „Dem Management/der Geschäftsführung des U/der O geht es in der beschriebenen Krise darum, das Problem zu lösen.“ und „ Dem Management/der Geschäftsführung des U/der O geht es in der beschriebenen Krise nur darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen.“ (Caldwell & Clapham, 2003) wurden aus den Konstrukten entfernt, da sie sich inhaltlich ausschließlich auf die Qualität funktionaler Vertrauenswürdigkeit beziehen. Sie sind jedoch später für die Post-Hoc-Detailanalysen relevant. Soziale Vertrauenswürdigkeit Für die soziale Vertrauenswürdigkeit wurden aus den Items von Mayer & Davies (1999) und Ingenhoff (2010) insgesamt fünf übernommen: „Das Management/die Geschäftsführung kümmert sich um das Wohl der von der Krise betroffenen Opfer“ (λ = 0,917), „[...] kümmert sich um das Wohl der eigenen Mitarbeiter“ (λ = 0,870) und „[...] würde nie etwas wissentlich tun, um den Betroffenen zu schaden“ (λ = 0,778). für den Faktor direkte Verantwortung. Für den Faktor erweiterte Verantwortung wurden „[...] nimmt in der Krise auch die Belange der von der Krise nicht Betroffenen ernst“ (λ = 0,948) und „[...] übernimmt in der Krise gesellschaftliche Verantwortung“ (λ = 0,904) übernommen. Cronbach’s α für dieses Konstrukt ist mit 0,809 sehr zufriedenstellend. Insgesamt werden 49,64 % der gesamten Varianz durch die Items erklärt. Emotionale Vertrauenswürdigkeit Für die emotionale Vertrauenswürdigkeit wurden aus den Items von Mayer & Davies (1999) und Ingenhoff (2010) insgesamt noch drei übernommen bzw. angepasst: „Das Management tut alles, um fair zu sein“ (λ = 0,904), „Das Management scheint sich von guten Werten leiten zu lassen“ (λ = 0,908) und „Ich kann mich trotz Krise für [Name der Organisation] begeistern“ (λ = 0,750). Auch dieses Konstrukt ist mit α = 0,817 sehr zufriedenstellend. Die Items erklären 73,54 % der Gesamtvarianz. 4.1.3.2.2
Fragebogenentwicklung
Die Erhebung der Daten erfolgt durch einen Fragebogen, der in der empirischen Sozialforschung einen zentralen Stellenwert einnimmt (vgl. Brosius & Koschel, 2001, S. 23). Der Aufbau des Fragebogens orientiert sich an dem entwickelten Bezugsrahmen und den aufgestellten Hypothesen. Er gliedert sich in insgesamt fünf inhaltliche Blöcke. Der erste Block (Teil A bis E) dient der Manipulationsüberprüfung (manipulation checks) und damit der Messung der Effektivität der untersuchten unabhängigen Variable. Die Ergebnisse aus diesem Block sind insofern von besonderer Bedeutung, als dass sie Aufschluss über die Qualität der erhobenen Daten liefern. Die Manipulationsüberprüfung erfasst, ob und wie deutlich die Versuchspersonen die Behandlungsbedingung wahrnehmen (vgl. Manstead & Gün, 2007, S. 95 f.). Abgefragt wurden, ob die Krise als vermeidbar erkannt wurde, um welchen Typ Organisation es sich handelt, welchem Krisentyp die Krise zugeordnet wird, welche Kommunikationsstrategie verwendet wurde und ob die Krise den Versuchpersonen bekannt war. Auch Items zur Quellenglaubwürdigkeit wurden abgefragt.
206
4 Methodisches Vorgehen
Der zweite Block (Teil F bis G4) fokussiert auf die abhängige Variable und erhebt die Sympathie und Vertrauenswürdigkeit der vorgegebenen Organisation. Insgesamt ist dieser Block noch einmal in vier Teilbereiche untergliedert, die sich an den im Theorierahmen formulierten Postulaten der Krisenkommunikation orientieren. Nach den Fragen zur Sympathie bezieht sich ein Block auf die organisationale Glaubwürdigkeit. Anschließend werden die funktionale, soziale und emotionale Glaubwürdigkeit in separaten Frageblöcken erhoben. Im dritten Block (Teil H) schließen sich die Globalvariablen funktionaler, sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit an. Während den Versuchsteilnehmern im ersten Block nur die relevanten Fragen zu dem ihnen präsentierten Krisentyp gestellt wurden, erhalten hier alle Gruppen die Globalvariablen. Der vierte Block (Teil I) überprüft die Wichtigkeit der untersuchten Faktoren für die Versuchsperson bevor im fünften Block (Teil J) Störvariablen (Altruismus, Task Involvement) kontrolliert und persönliche Angaben abgefragt werden, die zur statistischen Auswertung und Gruppenbildung dienen. Neben Alter oder Geschlecht wurden auch Angaben wie das Studienhaupt- und Nebenfach abgefragt (vgl. Noelle-Neumann & Petersen, 2000, S. 120). Mit diesen Angaben ist es möglich, ggf. weitere Störvariablen zu identifizieren und Kausalzusammenhänge klar aufzuzeigen. Messskalen Für die Messbarkeit der Zustimmung und Ablehnung wurden die Items numerisch skaliert und eine 7-stufige Rating-Skala gewählt. Die Ausprägungen waren „Ich stimme voll zu“ (1) bis „Ich stimme gar nicht zu“ (7). Die Wahl einer 7-stufigen Skala orientiert sich an zwei Vorteilen, die sich aus ihrer Verwendung ergeben. Erstens hat die Skala eine neutrale Mittelkategorie, auf die bei unsicheren Urteilen ausgewichen werden kann ohne ein tendierendes Ergebnis zu erzwingen (vgl. Bortz & Döring, 2005, S. 167). Zweitens nimmt die Differenzierungsfähigkeit mit der Anzahl der Skalenstufen zu – ohne sich nachteilig auf Validität und Reliabilität auszuwirken (vgl. Schnell, et al., 1999, S. 187 ff.). Die 7 Stufen lassen auch nur geringe Tendenzen im Grad der Zustimmung erkennen. Eine in der Literatur bislang nicht abschließend geklärte Frage ist die Beurteilung des Skalenniveaus mehrstufiger Rating-Skalen. In dieser Arbeit wird der Argumentation von Baker, Hardyck & Ptrinowich (1966) gefolgt, die Rating-Skalen ein Intervallniveau zuweisen (vgl. hierzu auch Bronner, Appel, & Wiemann, 1999). Dies hat insbesondere den Vorteil, dass anschließend Auswertungsverfahren wie T-Tests oder Varianzanalysen durchgeführt werden können. Insgesamt wurden vier Typen von Fragebögen erstellt: Für strategische, integrative und situative Krisenkommunikation sowie für die Kontrollgruppe. Alle vier Typen jeweils für Profit- und Non-Profit-Organisationen, in denen die Namen der Organisationen entsprechend angepasst wurden. Um sicher zu stellen, dass die Versuchsteilnehmer den richtigen Fragebogen zum zugewiesenen Stimulus ausfüllen, wurden sie gebeten, die (zuvor codierten) Kürzel der Autoren des NZZ-Online-Artikels auf der ersten Seite des Fragebogens zu notieren. Diese wurden bei der Auswertung mit dem Fragebogencode verglichen. Kein Fragebogen war einem falschen Text zugeordnet.
4.1 Untersuchungsdesign
4.1.4
207
Versuchseinheiten und Referenzraum der Studie
Als Versuchseinheiten wurden Studenten deutschsprachiger Schweizer Universitäten gewählt. Dies hat Folgen einerseits für die externe Validität (vgl. Kapitel 4.2.1.3), da sich die Aussagen derart homogener Gruppen zunächst nicht auf die Gesamtbevölkerung übertragen lassen. Andererseits haben homogene Gruppen in einem Experiment den Vorteil, dass zufällige Fehler und Störfaktoren deutlich minimiert werden (vgl. Broota, 1989, S. 98). Um trotz der Gruppenhomogenität eine gewisse externe Validität zu ermöglichen, wurden die Versuchsteilnehmer aus inhaltlich heterogenen Vorlesungen zusammengestellt (Religionswissenschaften, Rechtswissenschaften, Politikwissenschaften, Chemie, u.a.). Dies lässt bei der Interpretation der Daten später zumindest eine gewisse Repräsentativität zu und ermöglicht damit eine vorsichtige Generalisierbarkeit. Die Stichprobengröße der Experimentalgruppen orientiert sich an der für Varianzanalysen notwendigen Fallzahl. Einerseits ist für einfaktorielle ANOVA ein Minimum von 15 Fällen je Treatmentbedingung erforderlich (vgl. G. A. Morgan & Griego, 1998). Andererseits sollte die Experimentalgruppe n = 30 nicht überschreiten, da sich sonst zufällige Signifikanzen nicht ausschließen lassen. In der vorliegenden Untersuchung wurde die Stichprobengröße auf n = 25 * 28 Experimentalgruppen = 700 festgelegt. Da mit fehlerhaften bzw. unbrauchbaren Fragebögen zu rechnen ist, wurden die maximal geforderten 25 Teilnehmer um zusätzliche Teilnehmer erhöht. Insgesamt nahmen 772 Studierende an dem Experiment teil. Von den 772 ausgefüllten Fragebögen wurden 53 verworfen (7%), da sie entweder nicht ausgefüllt waren oder bei allen Skalen „stimme überhaupt nicht zu“ gekreuzt wurde. Damit liegt insgesamt eine Fallzahl von 719 Versuchspersonen vor (43,1 % männlich, 54,9 % weiblich, 2 % keine Angabe). Die 28 Treatmentbedingungen wurden je Experimentalgruppe gleichmäßig verteilt, um systematische Fehler durch den Studiengang zu vermeiden. Tabelle 19 stellt die Verteilung der Fälle in den jeweiligen Experimental- und Kontrollgruppen zusammenfassend dar (vgl. zur Verteilung nach Studiengang weiter unten Tabelle 20). Tabelle 19: n in den Versuchs- und Kontrollgruppen Organisationstyp Profit
Krisentyp funktional-vermeidbar
Krisenkommunikationsstrategie strategisch a strategisch b integrativ a integrativ b situativ a situativ b Kontrollgruppe
n 23 28 25 22 24 26 21
208
4 Methodisches Vorgehen
(Fortsetzung) sozial-vermeidbar
Non-Profit
funktional-vermeidbar
sozial-vermeidbar
4.1.5
strategisch a strategisch b integrativ a integrativ b situativ a situativ b Kontrollgruppe strategisch a strategisch b integrativ a integrativ b situativ a situativ b Kontrollgruppe strategisch a strategisch b integrativ a integrativ b situativ a situativ b Kontrollgruppe Gesamt
24 23 27 29 24 24 28 28 27 26 23 23 21 26 24 30 32 21 25 24 31 719
Ablauf der Experimente
Die Experimente wurden während 8 Wochen im November und Dezember 2009 jeweils zu Beginn von Vorlesungen an Schweizer Hochschulen (Universitäten) durchgeführt, an denen auf Deutsch gelehrt wird. Jeder Student erhielt einen zufällig zugewiesenen Text mit dem Untersuchungsmaterial in Form eines NZZ-Online-Artikels und einem Fragebogen (Artikel und der dazugehörige Fragebogen waren zusammengelegt). Für die Randomisierung wurden die Teilnehmer vor dem Austeilen des Materials in zwei Gruppen aufgeteilt: Personen mit einem geraden Geburtsdatum erhielten die Krisenszenarien der ProfitOrganisation („Dosenhersteller Alufast“), Personen mit einem ungeraden Geburtsdatum die der Non-Profit-Organisation („Kinderhilfswerk Children for a Better World)“. Die Reihenfolge des Materials in Bezug auf den Krisentyp und die Krisenkommunikationsstrategie war zufällig. Anschließend wurden die Versuchspersonen aufgefordert, zunächst den Artikel zu lesen und anschließend den Fragebogen zu beantworten, sie hatten dazu ca. 15 Minuten Zeit. Mit dem Einsammeln der Fragebögen war das Experiment abgeschlossen. Insgesamt wurden 13 Experimente durchgeführt (vgl. Tabelle 20).
4.2 Gütekriterien quantitativer Forschung
209
Tabelle 20: Übersicht der Experimente Experiment EX 01 EX 02 EX 03 EX 04 EX 05 EX 06 EX 07 EX 08 EX 09 EX 10 EX 11 EX 12 EX 13
Vorlesung (Universität) Anorganische Chemie (Université de Fribourg) Journalistische Berufsfeldforschung (Université de Fribourg) Unternehmenskommunikation/Marketing (Université de Fribourg) Bankenrecht (Universität Zürich) Politische Kampagnen im Wandel (Universität Zürich) Medien- und Kommunikationsmanagement (Universität St. Gallen) Mediengeschichte (Universität Bern) Makroökonomie I (Université de Fribourg) Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft (Université de Fribourg) Investitions- und Finanzierungstheorie (Université de Fribourg) Altkatholizismus und allgemeine Kirchengeschichte (Universität Bern) Die Privatisierung des Öffentlichen (Universität Zürich) Computer Wissenschaft (Université de Fribourg) Gesamt
n 93 40 67 100 29 35 55 92 95 28 7 60 18 719
Das Untersuchungsmaterial wurde in jeder Experimentalgruppe gleichmäßig verteilt, d.h. in jeder Gruppe wurden alle 28 Szenarien ausgegeben. Dies stellt sicher, dass Gruppenunterschiede nicht von der Experimentalgruppe als Störvariable beeinflusst werden. 4.2
Gütekriterien quantitativer Forschung
Zentrales Gütekriterium quantitativer Forschung ist die intersubjektive Nachprüfbarkeit mit dem Anspruch einer identischen Replikation der Untersuchung (vgl. Seiffert, 2003, S. 203 ff.). Nachdem bisher der Forschungsprozess dokumentiert wurde, geht es im Folgenden darum, die Güte des Experiments einerseits und des Erhebungsinstruments andererseits zu diskutieren. Für den experimentellen Stimulus kommen dabei die Manipulationsüberprüfungen (manipulation checks) zum Tragen während die Items des Fragebogens auf Validität und Reliabilität hin untersucht werden.
210
4 Methodisches Vorgehen
4.2.1
Experiment
Nicht jede Untersuchungsstrategie die einen Stimulus auf seine Reaktion testet, lässt sich als sozialwissenschaftliches Experiment kennzeichnen. Vielmehr müssen grundlegend Bedingungen erfüllt sein, um überhaupt von einem sozialwissenschaftlichen Experiment sprechen zu können. Diekmann (2003, S. 296) schlägt als Kriterien die Bildung von mindestens zwei Gruppen, die Randomisierung der Zuteilung von Versuchspersonen sowie die Manipulation der unabhängigen Variable vor. Atteslander (2003, S. 199) und Czienkowski (1996, S. 57) ergänzen diese um die Isolierbarkeit der Faktoren sowie die Wiederholbarkeit der Manipulation. Anhand dieser fünf Kriterien soll im Folgenden geklärt werden, ob die vorliegende Untersuchungsstrategie als Experiment bezeichnet werden kann (vgl. hierzu auch Woelke, 2004, S. 61). Die Untersuchung hat 24 Versuchs- und 4 Kontrollgruppen. Die Anzahl der Versuchsgruppen orientiert sich an den aus dem Forschungs- und Theoriestand entwickelten Hypothesen, so dass die erste Bedingung als erfüllt bezeichnet werden kann. Die Auswahl der Versuchsteilnehmer erfolgte zufällig – wenngleich die Daten ausschließlich bei Studierenden an Schweizer Universitäten erhoben wurden. Die Zuweisung der Versuchsteilnehmer in die Gruppen folgte dem Zufallsprinzip, so dass auch die zweite Bedingung für Experimente in der Sozialwissenschaft als erfüllt gelten kann. Manipuliert wurde in den vorformulierten Zeitungsausschnitten ausschließlich die unabhängige Variable der Krisenkommunikation und bestätigt damit auch die dritte Bedingung. Jeder Faktor wurde einzeln variiert und als isolierbare Behandlungsbedingung vorgegeben. Das Experiment ist gekennzeichnet durch eine grundsätzliche Wiederholbarkeit, was damit auch die beiden letzten Bedingungen erfüllt. Mit diesen Überlegungen kann festgehalten werden, dass der vorliegende Versuchsaufbau den Kriterien eines sozialwissenschaftlichen Experiments standhält. Allerdings wird damit zunächst nur eine grundsätzliche Einordnung der Untersuchungsstrategie als Experiment vorgenommen und keine Aussage über die statistische Güte des Designs und der erhobenen Daten getroffen. Dies ist Gegenstand der nun folgenden Kapitel. 4.2.1.1
Manipulationsüberprüfung
Die Manipulationsüberprüfung trifft eine Aussage über die Qualität der Stimuli im Experiment. In der vorliegenden Untersuchung wurden voneinander unabhängige Situationen vorgegeben, die sich in der Organisationsform, im Typ der Krise sowie der Krisenkommunikationsstrategie unterscheiden. Entsprechend wurden in den Manipulationsüberprüfungen getestet, ob die Versuchspersonen die Organisationsform, den Krisentyp sowie die Krisenkommunikationsstrategie erkannt haben. Im Fragebogen wurden die folgenden Manipulationen überprüft:
Erkennen der vermeidbaren Krise
Erkennen des Krisentyps (funktional, sozial)
Erkennen des Organisationstyps (Profit, Non-Profit)
Erkennen der Krisenkommunikationsstrategie (allgemein, strategisch, integrativ, situativ)
Realismus und Task Involvement
4.2 Gütekriterien quantitativer Forschung
211
Die Manipulationsüberprüfung erfolgte auf einer siebenstufigen Likert-Skala (1 = „stimme voll zu“ bis 7 = „stimme überhaupt nicht zu“). Für das Erkennen der vermeidbaren Krise werden die Mittelwerte als Referenzwert untersucht. Ein niedriger Wert bedeutet, dass die Manipulation gut erkannt wird, ein hoher Wert weist darauf hin, dass die Manipulation weniger gut erkannt wird. Die Manipulationsüberprüfung zeigt, dass der Stimulus der vermeidbaren Krise von allen Probanden in den Gruppen jeweils gut erkannt wird (vgl. Tabelle 21). Tabelle 21: Manipulationsüberprüfung: Vermeidbare Krise („Alufast/CFBW44 ist selbst schuld an der Krise“) funktionalvermeidbar
sozialvermeidbar
Profit-Organisation
M = 1,81 (SD = 1,14)
M = 2,14 (SD = 1,33)
Non-Profit-Organisation
M = 2,64 (SD = 1,42)
M = 2,55 (SD = 1,41)
Als Manipulationsüberprüfung des Krisentyps wurde eine bipolare Skala gewählt mit den Polen „Die im Artikel beschriebene Krise stellt vor allem das gesellschaftliche Ansehen von Alufast/CFBW in Frage.“ (soziale Krise, Skala Richtung 1) und „Die im Artikel beschriebene Krise stellt vor allem die Kernkompetenz von Alufast/CFBW in Frage.“ (funktionale Krise, Skala Richtung 7) (vgl. Tabelle 22): Tabelle 22: Manipulationsüberprüfung: Krisentyp funktionalvermeidbar
sozialvermeidbar
Profit-Organisation
M = 5,10 (SD = 1,71)
M = 1,90 (SD = 1,22)
Non-Profit-Organisation
M = 4,97 (SD = 1,81)
M = 3,18 (SD = 1,88)
Auffallend ist zunächst, dass die Versuchspersonen der Profit-Organisationen (Mfunktional = 5,10) und Msozial = 1,90) den Krisentyp insgesamt deutlicher erkennen, als die der NonProfit-Organisationen (Mfunktional = 4,97) und Msozial = 3,18). Dies lässt sich damit begrün44
In den Fragebögen wurde nur der jeweilige Name der Organisation benannt, die die Versuchspersonen im Treatment erhalten haben.
212
4 Methodisches Vorgehen
den, dass (funktionale) Fehler der Geschäftsführung einer Non-Profit-Organisation bedingt durch den Organisationstyp immer auch soziale Folgen nach sich ziehen. Vergleicht man jedoch die Gruppenunterschiede miteinander, so werden die Szenarios bei den ProfitOrganisationen mit t(355) = 20,507; p < 0,01 und bei den Non-Profit-Organisationen mit t(359) = 9,210; p < 0,01 signifikant als unterschiedliche Krisentypen erkannt. Für die Überprüfung des Organisationstyps wird die relative Häufigkeit der Klassifikation der Organisation als Kriterium gewählt. 90,2 % der Versuchspersonen in den Gruppen der Profit-Organisation und 86,1 % in den Gruppen der Non-Profit-Organisation erkennen den Organisationstyp korrekt. Für die Überprüfung des Erkennens der Krisenkommunikationsstrategie werden die sechs Treatmentgruppen mit der Kontrollgruppe auf signifikante Gruppenunterschiede miteinander verglichen. In Tabelle 23 sind die Manipulationsüberprüfungen der einzelnen Strategien überblicksartig zusammengefasst (Organisations- und Krisentyp sowie Items der Strategien zusammengeführt) 45. Tabelle 23: Manipulationsüberprüfung: Kommunikationsstrategie erkannt (Vergleich Treatmentgruppe vs. Kontrollgruppe über alle vier Krisenszenarien)
Strategische Krisenkommunikation
Unmittelbare Verantwortung
Mittelbare Verantwortung
MStrategie = 3,44 SDStrategie = 1,53
MStrategie = 2,97 SDStrategie = 1,54
MKontrollgruppe = 5,07 SDKontrollgruppe = 1,59
MKontrollgruppe = 5,07 SDKontrollgruppe = 1,59
t(202) = 7,42 p < 0,01 (∗∗∗)
t(222) = 9,97 p < 0,01 (∗∗∗)
Kommunikative Disintegrität
Mangelnder Beleg an Krisenkompetenz
MStrategie = 4,58 SDStrategie = 1,54 Integrierte Krisenkommunikation
MKontrollgruppe = 5,07 SDKontrollgruppe = 1,59
n.s.
t(214) = 2,17 p < 0,05 (∗∗)
45
Die T-Tests nach Krisenszenarien getrennt unterscheiden sich nur unwesentlich von der Gesamtdarstellung und werden aus Gründen der Übersichtlichkeit an dieser Stelle zusammenfassend dargestellt.
4.2 Gütekriterien quantitativer Forschung
213
(Fortsetzung)
Situativen Krisenkommunikation
Strategie der Übereinkunft
Aktive Kommunikation
MStrategie = 3,66 SDStrategie = 1,70
MStrategie = 2,72 SDStrategie = 1,61
MKontrollgruppe = 5,07 SDKontrollgruppe = 1,59
MKontrollgruppe = 5,07 SDKontrollgruppe = 1,59
t(199) = 6,04 p < 0,01 (∗∗∗)
t(198) = 10,35 p < 0,01 (∗∗∗)
Die Ergebnisse des Gruppenvergleichs zeigen, dass die Treatmentgruppen der strategischen, der situativen Krisenkommunikation und der Strategie kommunikativer Disintegrität sich mit Bezug auf das Test-Item signifikant von der Kontrollgruppe unterscheiden. Der Vergleich der Mittelwerte weist darauf hin, dass die Treatmentgruppen korrekt erkennen, dass die im Treatment beschriebene Organisation mit Krisenkommunikation reagiert hat. Die Kontrollgruppe nimmt dagegen korrekt wahr, dass die Organisation nicht durch Krisenkommunikation reagiert (MTG = 3,77 vs. MKG = 5,07; t(714) = 6,890; p < 0,01). Auffallend sind die Werte der Strategien integrierter Krisenkommunikation. Zum einen liegt der Mittelwert Kommunikativer Disintegrität über dem Median von 4. Demnach wird die Strategie absolut schlechter erkannt, als alle anderen Strategien. Dies lässt sich damit begründen, dass kommunikative Diskrepanz nicht als einheitliche Kommunikationsstrategie erkannt werden kann – und spricht damit wiederum für die Qualität des Stimulus. Zum anderen unterscheidet sich die Treatmentgruppe mit dem Stimulus Mangelnder Beleg an Krisenkompetenz nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Eine Begründung dafür liegt darin, dass Krisenkompetenz nicht als rhetorische Kommunikations- sondern vermutlich als Managementstrategie wahrgenommen wird. Das Test-Item war jedoch: „Alufast/CFBW hat durch Krisenkommunikation reagiert.“. Um dennoch eine Manipulationsüberprüfung zu ermöglichen, wird an dieser Stelle der absolute Mittelwert zwei weiterer Test-Items (über alle vier Szenarien) als Qualitätsmerkmal hinzugezogen (vgl. Tabelle 24). Tabelle 24: Manipulationsüberprüfung: Kommunikationsstrategie erkannt (Mittelwerte der Strategie Beleg der Krisenkompetenz über alle vier Krisenszenarien)46 Item „ Alufast/CFBW hat die Krise im Griff.“ „ Alufast/CFBW weiß in der Krise, was es tut und folgt einem Plan.“
46
n 94
M 5,97
SD 1,18
94
5,78
1,33
Für eine detaillierte Aufstellung aller Mittelwerte je Item aller Kommunikationsstrategien siehe Appendix.
214
4 Methodisches Vorgehen
Ein hoher Mittelwert (hier M = 5,97 bzw. M = 5,78) weist auf eine Ablehnung der zwei Items hin und kann daher als Erkennen der Strategie gedeutet werden. Realismus Ein zentrales Gütemerkmal von Experimenten ist abschließend der Realismus (vgl. Aronsen, Wilson, & Akert, 2008, S. 48), denn die Ergebnisse aus einem Experimentaldesign hängen stark von der Realitätsnähe der Treatmentbedingungen ab. Diese kann sich entweder auf die Realitätsnähe im Experiment selbst beziehen (also ist der Stimulus bzw. das Untersuchungsmaterial realitätsnah) oder auf die Realitätsnähe zu den Versuchungseinheiten bekannten Alltagssituationen (also ist die Situation grundsätzlich realitätsnah). Je weniger realitätsnah ein experimenteller Untersuchungsaufbau ist, desto geringer ist die Bedeutung der Ergebnisse für die tatsächliche Wirklichkeit. Tabelle 25 zeigt auf, dass die Versuchspersonen die jeweilige Situation für sehr realistisch halten. Tabelle 25: Manipulationsüberprüfung: Realismus („Die im Artikel beschriebene Krise halte ich für realistisch.“)
Profit-Organisation Non-Profit-Organisation
funktionalvermeidbar M = 2,65 (SD = 1,38) M = 2,36 (SD = 1,10)
sozialvermeidbar M = 2,91 (SD = 1,45) M = 2,32 (SD = 1,18)
Task Involvement Abschließend werden zur Qualität der Treatmentbedingungen noch zwei Items zum so genannten Task Involvement angeführt und damit eine Aussage darüber, ob die Versuchsteilnehmer die im Fragebogen formulierten Items korrekt beurteilt haben (vgl. hierzu auch Dick, Chakravarti, & Biehal, 1990). Tabelle 26 zeigt, dass sich alle Versuchspersonen insgesamt gut in die beschriebene Situation hineinversetzen konnten. Die Werte des zweiten Items („Ich bin mir nicht sicher, ob ich alle Informationen gründlich beurteilt habe“) fielen weniger deutlich aus. Begründen lässt sich dies mit der uneindeutigen Formulierung (doppelte Verneinung) des Items. Die Pretests haben auf diese Problematik nicht hingewiesen. Tabelle 26: Manipulationsüberprüfung: Task Involvement („Ich konnte mich leicht in die beschrieben Situation versetzen.“)
Profit-Organisation
funktionalvermeidbar M = 3,45 (SD = 1,56)
sozialvermeidbar M = 3,43 (SD = 1,74)
4.2 Gütekriterien quantitativer Forschung
215
(Fortsetzung) Non-Profit-Organisation
M = 3,43 (SD = 1,55)
M = 3,31 (SD = 1,59)
Zusammenfassend zeigen die Manipulationsüberprüfungen, dass die Behandlungsbedingungen insgesamt erfolgreich erkannt wurden. Sowohl die unterschiedlichen Krisenszenarien (Organisationstyp, Krisentyp) als auch die sechs Krisenkommunikationsstrategien werden von den Versuchspersonen korrekt erkannt. 4.2.1.2
Interne Validität
Bei der internen Validität wird geprüft, ob die geschlussfolgerten Kausalitätsbeziehungen tatsächlich gültig sind. Ein zentrales Problem stellt dabei die Konfudierung dar, also die systematische Beziehung zwischen einer untersuchten unabhängigen Variable und eine Störvariable. Der in einem Experiment beobachtete Zusammenhang lässt sich nämlich nicht ausschließlich auf die stimulierte Ursache zurückführen, sondern kann auch durch Störvariablen oder individuelle Voraussetzungen der Versuchseinheiten erklärt werden. Das bedeutet, dass Experimente keine deterministische Beziehung zwischen Stimulus und Response aufzeigen, denn diese ist immer abhängig einerseits von der Unabhängigkeit der Stimuli und andererseits von den Rahmenbedingungen des Versuchsaufbaus. Die experimentelle Gültigkeit von Versuchsplänen und damit auch die Güte der erhobenen Daten hängt daher maßgeblich davon ab, inwieweit die nicht manipulierten Versuchsbedingungen kontrollierbar sind bzw. kontrolliert werden. Diese Kontrolle von Störvariablen trifft damit eine Aussage über die interne Validität der Untersuchung. Denn je mehr Bedingungen in einem Experimentaldesign nicht kontrolliert werden, desto eher nehmen sie einen Einfluss auf die Wirkungserklärung auf die abhängige Variable. Dies gilt es, vor allem beim Design und der Interpretation der Daten mit zu berücksichtigen. Der aufgezeigten Problematik kann durch drei untersuchungsstrategische Prinzipien begegnet werden: die Randomisierung, die Reduktion der Fehlervarianz und die Untersuchung von Abhängigkeiten. Eine Vermeidung einer Zufallsstreuung von Fehlern wird erstens durch das zufällige Zuweisen der Versuchseinheiten zu den Versuchsbedingungen erreicht. Die Zufallszuweisung wird damit zu einem zentralen Element der experimentellen Planung (vgl. hierzu auch Cobb, 1997, S. 148; Czienskowski, 1996, S. 63). Im vorliegenden Experiment erfolgte daher die Auswahl der Versuchsbedingungen, die den Teilnehmern zugeteilt wurden, nach dem Zufallsprinzip (vgl. Kapitel 4.1.5). Zweitens ist ein Experiment so zu konzipieren, dass experimentelle Behandlungen für Versuchspersonen identisch sind. Daher gilt es, Einflüsse von Störvariablen systematisch zu kontrollieren. Ein Großteil der Störeinflüsse der Teilnehmer lässt sich bereits ausschließen, indem die Bedingungen des Experiments für alle Versuchsteilnehmer möglichst exakt gleich sind. Um Effekte durch einen einzelnen Studiengang auszuschließen wurden die 28 Krisenszenarien gleichmäßig je Experiment verteilt. Dies schließt aus, dass einzelne Experimente durch Merkmale wie Studiengang (Inhalt, Semesterzahl, Universität) oder Unruhe bei der Durchführung das Ergebnis systematisch beeinflussen. Das Experiment der vorliegenden Studie
216
4 Methodisches Vorgehen
wurde für alle Studenten zudem zu Beginn einer Vorlesung durchgeführt. Dies minimiert Effekte wie Zeitdruck oder vorzeitiges Abbrechen. Störeinflüsse wie Tageszeit, Sitzanordnung der Studenten u.a. werden in der vorliegenden Untersuchung nicht systematisch kontrolliert, da von keinem signifikanten Einfluss auf das Ergebnis auszugehen ist. Sobald jedoch angenommen werden muss, dass bestimmte Störfaktoren das Ergebnis grundlegend beeinflussen, müssen diese als Kontrollfaktor eingeführt werden (vgl. Czienskowski, 1996, S. 121 f.). Im vorliegenden Experiment wurden aus diesem Grund die Kontrollvariablen Studiengang, Altruismus sowie Branchenreputation erhoben, um deren Einfluss auf die Kausalitätsbeziehung diskutieren zu können. Darüber hinaus ist ein wesentliches Problem der Konfudierung die gleichzeitige Beeinflussung von Kausalitätsbeziehungen durch mehrere Faktoren. Im vorliegenden Experiment wurden die Stimuli der Krisenkommunikationsstrategien innerhalb von vier unterschiedlichen Krisensituationen variiert. Damit wird die Wirkung der Krisenkommunikationsstrategien nicht wie in bisherigen Studien unabhängig der Krisensituation getestet (bisherige Studien unterscheiden nicht zwischen Krisentypen; vgl. Kapitel 2.2.1.3). Vielmehr werden vier unterschiedliche Krisentypen Teil des Stimulus: Die sechs Strategien werden jeweils bei einer Profit- und einer Non-Profit-Organisation sowie in einer funktional-vermeidbaren und einer sozial-vermeidbaren Krise getestet. Damit drittens schließlich die signifikante Ursächlichkeit eines Faktors auf die unabhängige Variable bestätigt werden kann, muss im Anschluss an das Experiment die Nullhypothese durch die Untersuchung der Varianz sowie die Häufigkeiten der Mittelwerte auf Abhängigkeiten entsprechend geprüft werden. Stellen sich diese als nicht signifikant heraus, so kann (unter den Bedingungen des Experiments) von einer identifizierten Kausalbeziehung ausgegangen werden. Die Ergebnisse der Abhängigkeitsuntersuchungen werden an entsprechender Stelle in Kapitel 5 vorgestellt und diskutiert. 4.2.1.3
Externe Validität
Ein weiterer Kritikpunkt zur Güte eines Experiments ist die Bewertung externer Validität und damit die Frage nach einer Generalisierbarkeit der beobachteten Phänomene. Grundsätzlich gilt, dass von erklärbaren Zusammenhängen in einem Experiment nicht auf die Gesamtbevölkerung geschlossen werden kann. Gründe hierfür sind erstens der Eingriff in eine Alltagssituation durch das Experiment und zweitens die für das Experiment zwar ausreichende, für eine Verallgemeinerung jedoch zu geringe Anzahl an Untersuchungseinheiten. Hinzu kommt die Stichprobenselektivität: Schlussfolgerungen, die in einer Population von Studenten gezogen werden, lassen sich nicht ohne weiteres auf andere Populationen transferieren. Dieser Kritik muss sich grundsätzlich jede Experimentalstudie stellen und somit auch die vorliegende Untersuchung. Trotz dieser Einschränkungen können dennoch verallgemeinerbare Aussagen durch die in einem Experiment erhobenen Daten getroffen werden. Dies geschieht dann allerdings nicht direkt, sondern indirekt über den zugrundeliegenden Theorierahmen. Zusammenhänge werden dann anhand einer theoretischen Diskussion aufgezeigt und die Ergebnisse übertragen auf weitere Populationen (z.B. Nicht-Studenten), andere Situationen (z.B. emotionalvermeidbare Krisen) oder auch andere Zeitpunkte (z.B. mehrere Monate nach einer Krise).
4.2 Gütekriterien quantitativer Forschung
4.2.2 4.2.2.1
217
Fragebogen Validität
Die Validität eines Messinstruments gibt die konzeptionelle Richtigkeit einer Messung an – also wie gut es in der Lage ist genau das zu messen, was es zu messen vorgibt (Gültigkeit). Ganz grundsätzlich wird bei der Validität unterschieden zwischen einer Inhalts-, Kriteriums- und Konstruktvalidität (vgl. Bortz & Döring, 2005, S. 200 ff.) wobei für die vorliegende Arbeit die Konstruktvalidität von Relevanz ist. Sie liegt dann vor, wenn theoretisch entwickelte Hypothesen angemessen im empirischen Untersuchungsdesign repräsentiert werden. Fallen die Testwerte so aus wie die aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen es vorgeben, so ist dies ein Indiz für Konstruktvalidität (vgl. ebd., S. 201). Die Konstrukte des Fragebogens wurden sowohl mit Experten des Schweizer Verbands für Krisenkommunikation als auch mit Studenten auf ihre Validität hin überprüft. Für die Operationalisierung des Konstrukts wurden nur die Items übernommen, die von über 70% der Befragten als „eindeutig beantwortbar“ eingeschätzt wurden und sich der absolute Mittelwert auf die Frage „Bestandteil des Konstrukts“ ≤ 2,5 lag (7-stufige Likert-Skala). 4.2.2.2
Reliabilität
Die Reliabilität gibt an, mit welcher Genauigkeit ein Faktor durch die einzelnen Indikatoren gemessen wird (Zuverlässigkeit). Vollständige Reliabilität liegt dann vor, wenn ein wiederholter Test zu genau den gleichen Ergebnissen führt. Die gängigste Bestimmung der Reliabilität ist der Alphakoeffizient (vgl. Cronbach, 1951). Er misst die Reliabilität einer Gruppe von Indikatoren eines Faktors und gibt dabei die mittlere Testhalbierungsreliabilität eines Tests für alle Testhalbierungen an (vgl. Bortz & Döring, 2005, S. 198). Der Alphawert liegt zwischen 0 und 1 und steigt mit der Anzahl der Items in einem Test bzw. je höher die Itemkorrelationen sind (perfekte Interkorrelation = 1). Als Anforderung an die Reliabilität fordert Nunally (1978, S. 245) einen Wert von mindestens 0,70 und Weise (1975, S. 219) von mindestens 0,80. Da mit geringeren Werten von keiner bzw. zu geringer Reliabilität ausgegangen werden muss, werden Konstrukte, die diesen Wert unterschreiten verworfen (Churchill, 1979). Die Reliabilität organisationaler, funktionaler und emotionaler Vertrauenswürdigkeit liegen über dem von Nunally geforderten Mindestwert, die sozialer Vertrauenswürdigkeit nur geringfügig darunter. Tabelle 27 fasst die Ergebnisse der Reliabilitätstest aus dem Experiment zusammen. Sie entsprechen im Wesentlichen den Werten aus dem Pretest PT 04.
218
4 Methodisches Vorgehen
Tabelle 27: Übersicht der Reliabilitätstests
4.2.3
Anzahl Items
Erklärte Varianz
α
Organisationale Vertrauenswürdigkeit
3
74,38 %
0,824
Funktionale Vertrauenswürdigkeit (Kompetenz allgemein)
3
74,87 %
0,824
Funktionale Vertrauenswürdigkeit (Kompetenz allgemein)
3
72,73 %
0,809
Soziale Vertrauenswürdigkeit
6
49,64 %
0,793
Emotionale Vertrauenswürdigkeit
3
73,54 %
0,826
Grenzen und Methodenkritik
Zur Einschätzung des methodischen Vorgehens wird im Folgenden das empirische Vorgehen kriteriengeleitet kritisch reflektiert. Dabei wird ebenso auf die Zweckmäßigkeit der Indikatoren und Konstrukte eingegangen wie die Wahl eines geeigneten Messverfahrens sowie deren Validität und Reliabilität. Zweckmäßigkeit der Indikatoren und Konstrukte Die Indikatoren und Konstrukte wurden aus der aktuellen Forschungsdebatte abgeleitet. Bei der abhängigen Variable ist dennoch auffallend, dass das Konstrukt Soziale Vertrauenswürdigkeit lediglich 49,64 % der Varianz erklärt. In der vorliegenden Untersuchung war dies für beide Konstrukte das bestmögliche Ergebnis. Für zukünftige Studien gilt es jedoch, beide Konstrukte um weitere Indikatoren zu ergänzen und so ähnlich hohe Werte wie die der anderen Konstrukte zu erreichen. Bei den Manipulationsüberprüfungen haben sich die Pretests bewährt. Sie haben ermöglicht, die Indikatoren so weit zu reduzieren, dass einerseits die relevanten Tests möglich werden und andererseits genügend Raum für Indikatoren der abhängigen Variable bleibt. Die Erweiterung der abhängigen Variable organisationale Vertrauenswürdigkeit um funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit ist nicht nur inhaltlich begründbar, sondern ermöglicht gleichzeitig empirische Detailanalysen. Die in der Studie verwendeten Konstrukte und Indikatoren sind somit insgesamt als zweckmäßig zu bewerten.
4.2 Gütekriterien quantitativer Forschung
219
Manipulationsüberprüfungen Fehlerhafte oder unkorrekte Manipulationsüberprüfungen führen zu einer fehlerhaften Einschätzung der Qualität des Experiments. Entsprechend soll an dieser Stelle die Qualität der Manipulationstests diskutiert werden, denn insbesondere bei Experimenten zur Wirkung von Botschaftseffekten sind diese eine häufige Fehlerquelle (vgl. O'Keefe, 2003, S. 252). Für die Bewertung der Stimuli wurden im vorliegenden Experiment T-Tests gewählt, um signifikante Gruppenunterschiede entweder zwischen den Krisen- und Organisationstypen oder zwischen Treatment- und Kontrollgruppe nachzuweisen. Die Interpretation der absoluten Mittelwerte diente der Einschätzung als vermeidbare Krise, der Detailanalyse der Strategie der Krisenkompetenz sowie der Einschätzung des Realismus, da direkte Gruppenvergleiche hier nicht Ziel führend sind. Die Wirkung der Manipulation der Krisenkommunikationsstrategien kann nur durch Varianzanalysen gezeigt werden, so dass die Wahl des T-Tests grundsätzlich korrekt ist. Es kann kritisch eingeworfen werden, dass die hohen Signifikanzen auf die zu starke Unterschiedlichkeit der untersuchten Kommunikationsstrategien zurück zu führen sind. Dieser Einwand ist jedoch nur zum Teil zulässig. Zum einen ist die Studie nicht darauf angelegt, mehrstufige Strategien zu testen. Zum anderen sind bei den Manipulationsüberprüfungen des Postulats strategischer Krisenkommunikation, die als einzige mehrstufig konzipiert waren, die Signifikanzen mit p < 0,01 ebenfalls hoch signifikant. O’Keefe argumentiert, dass bei Studien, die eine direkte Wirkung von Kommunikationsstrategien aufzeigen wollen, offensichtliche Manipulationen (hier die vermeidbare Krise oder der Realismus) nicht mit Manipulationsüberprüfungen getestet werden müssen (vgl. ebd., S. 257). In der vorliegenden Studie wurden die absoluten Mittelwerte dennoch diskutiert, um eine Einschätzung der Ergebnisse zu ermöglichen. Randbedingungen bei Experimenten Bei Experimenten kommt es darauf an, dass Unterschiede zwischen Treatment- und Kontrollgruppe hinreichend auf die experimentellen Faktoren zurückgeführt werden können. Entsprechen spielt die Interpretation von Randbedingungen eine wichtige Rolle bei der Interpretation der Daten. Die Experimentalbedingungen in der vorliegenden Untersuchung wurden einheitlich kontrolliert, wenngleich die Anzahl der Studierenden zwischen n = 7 (Experiment EX11) und n = 100 (Experiment EX04) sich erheblich unterscheidet. Es kann vermutet werden, dass in großen Gruppen durch die größere Unruhe die Ergebnisse eine geringere Qualität haben als die kleiner Gruppen. Um dies zu testen, wurden die Manipulationsüberprüfungen für Experiment EX04 (n = 100), Experiment EX08 (n = 92) und Experiment EX09 (n = 95) separat durchgeführt. In allen Gruppen konnten ähnlich signifikante Gruppenunterschiede gezeigt werden, so dass die Gruppengröße keine Beeinträchtigung der Qualität des Experiments insgesamt ist. Andere Randbedingungen wie Hartmann & Möhring (2008, S. 271 ff.) sie diskutieren, sind für die vorliegende Forschungsfrage als vernachlässigbar einzuschätzen. „Der Einfluss von personengebundenen Störvariablen ist irrelevant, wenn die Störvariablen in den Vergleichsgruppen ähnlich ausgeprägt sind“ (Bortz & Döring, 2005, S. 526). Dies ist bei der Gruppe Studierender anzunehmen.
220
4 Methodisches Vorgehen
Komplexitätsreduktion Der Vorteil von Experimenten, die Forschungsbedingungen weitestgehend kontrollieren zu können, ist zugleich auch ein zu diskutierender Nachteil. Denn Experimente reduzieren die Komplexität des beobachteten Zusammenhangs, der Umfeldbedingungen und oft auch des Forschungsproblems insgesamt. Beim vorliegenden Experiment wird der Zusammenhang zwischen Kommunikationsstrategien und Vertrauenswürdigkeit in Krisenbedingungen untersucht. Dabei kann kein Anspruch darauf erhoben werden, die Komplexität einer Krisensituation adäquat erfasst zu haben. Auch sind Krisensituationen nicht unikausal, d.h. sie lassen sich in der Realität nicht auf simple Wirkungszusammenhänge reduzieren. Dennoch ist eine solche Komplexitätsreduktion notwendig, um erstens die theoretischen Annahmen aus der Strukturationstheorie empirisch fassen zu können. Zweitens wird erst durch die Konstruktion eindeutiger Krisenbedingungen respektive Stimuli das Nachweisen eines Ursache-Wirkung-Zusammenhangs möglich. Erst wenn im Forschungsprozess möglichst alle intervenierenden Variablen ausgeschlossen bzw. kontrolliert werden, lassen sich Zusammenhänge zwischen den Faktoren einerseits und der abhängigen Variable andererseits aufzeigen und interpretieren. Im Zusammenhang mit der Stichprobenselektivität wurde bereits darauf hingewiesen, dass das vorliegende Experiment mit Studierenden deutschsprachiger Universitäten in der Schweiz durchgeführt wurde. Dies schließt eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung einerseits bzw. konkrete Versuchsgruppen wie Mitarbeiter oder Investoren freilich aus. Die vorliegende Studie kann daher keinen Anspruch auf vollständige Generalisierbarkeit erheben. Demnach dient die Komplexitätsreduktion in erster Linie dem Forschungsprozess und die Ergebnisse der empirischen Analyse sind vor diesem Hintergrund zu interpretieren. Wirkungsexperiment publizistischer Inhalte Kritisch hingewiesen werden muss auch auf eine methodische Schwäche von Experimenten, die die Wirkung publizistischer Inhalte untersuchen. Solche Experimente gehen vereinfacht davon aus, dass die Teilnehmer der Untersuchungsgruppen die präsentierten Medieninhalte in gleicher Weise verarbeiten. Individuelle kognitive Prozesse werden damit nicht berücksichtigt. Real haben sie jedoch durchaus einen Einfluss auf die Effektstärke des bereitgestellten Medienangebots. Methodisch begegnet wird dieser Problematik insbesondere bei Medienwirkungsexperimenten durch ergänzende Protokollanalysen, um die Gedankengänge der Probanden bei der Rezeption zusätzlich analysieren zu können (vgl. Woelke, 2007, S. 3). In der vorliegenden Untersuchung wird auf diese Methode verzichtet, da diese Herangehensweise zur Beantwortung der Forschungsfrage nicht angemessen erscheint. Es geht ausdrücklich um die Suche nach grundsätzlichen Gruppenunterschieden bei der Rezeption kommunikativer Strategien in Krisen. Der Mehrwert einer Analyse kognitiver Prozesse ist daher eher gering, wenngleich diese Einschränkung bei der Diskussion der Ergebnisse berücksichtigt werden muss. Der Reliabilitätskoeffizient Auch wenn der Cronbachsche Alpha der am häufigsten angewendete Reliabilitätskoeffizient ist, so wird dieser durch zwei Nachteile beeinträchtigt: Erstens ist eine Beurteilung des Koeffizienten mittels statistischer Tests nicht möglich (vgl. Cortina, 1993, S. 101). Zweitens hängt die Höhe des Koeffizienten positiv von der Indikatorenanzahl ab (vgl.
4.3 Datenauswertung
221
Homburg & Giering, 1996, S. 8). Die in der Studie verwendeten Konstrukte bilden sich bis auf das sozialer Vertrauenswürdigkeit über 3 bzw. 4 Indikatoren. 4.3
Datenauswertung
Die Auswertung der Daten erfolgt über zwei zentrale Schritte: Erstens wird die Güte des Experimentaldesigns mit Hilfe der Manipulationsüberprüfungen bestimmt. Dieser Schritt ist notwendig, um die erhobenen Daten der abhängigen Variablen einschätzen zu können. Zweitens werden die Hypothesen anhand der im Experiment erhobenen Daten der abhängigen Variable mit Hilfe statistischer Analysen überprüft. Nachdem in Kapitel 4.2.1.1 bereits die Manipulationsüberprüfungen ausführlich dargestellt wurden, geht es im Folgenden Kapitel um die Auswertungsstrategie für die zu prüfenden Hypothesen. Die Auswertung der Daten steht dabei in engem Zusammenhang mit dem Erhebungsinstrument, dem standardisierten Fragebogen. Nach der Bereinigung der Daten werden zunächst für die abhängigen Variablen organisationale, funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit Indizes über die Mittelwerte der abgefragten Items gebildet (vgl. Reliabilitätsstatistiken Kapitel 4.2.2.2). In den Hypothesen H1 bis H3 wird der Zusammenhang zwischen Kommunikationsstrategie und Vertrauenswürdigkeit getestet. Der Typ der Organisation sowie der Krisentyp sind intervenierende Variablen dieses Zusammenhangs. Gruppenunterschiede in den Wirkungen lassen sich mit Hilfe von univariaten Varianzanalysen zeigen (vgl. Kapitel 4.3.2). Vor der Durchführung der Varianzanalysen gilt es, die Voraussetzungen zur Durchführung der Analyse zu testen: die Unabhängigkeit und die Normalverteilung der Populationen sowie die Gleichheit der Varianzen der Normalverteilungen (vgl. B. Rasch, Friese, Hofmann, & Naumann, 2009, S. 107 ff.). Darüber hinaus helfen eine Reihe von post hoc Analysen, das Datenmaterial besser einzuschätzen. In Hypothese H3.3 wird ein Unterschied der zwei in H3.1 und H3.2 getesteten Kommunikationsstrategien unterstellt. Dies ist möglich, da das Postulat strategischer Krisenkommunikation (im Gegensatz zu den beiden anderen Postulaten) über einen mehrstufigen Faktor getestet wurde. Entsprechend wird als Auswertungsmethode das T-Testverfahren gewählt, um eine Aussage über einen signifikanten Gruppenunterschied treffen zu können. Als Auswertungsstrategie wird insgesamt ein deduktives Vorgehen gewählt: Lassen sich für die Gesamtkonstrukte der abhängigen Variable keine signifikanten Ergebnisse zeigen, bieten Detailanalysen einzelner Items die Möglichkeit, Einzelwirkungen und Zusammenhänge aufzuzeigen. Die Aussagekraft dieser Analysen ist jedoch begrenzt und so werden sie nur vereinzelt Teil der Darstellung der Ergebnisse (vgl. Kapitel 5). 4.4
Resümee
Aus dem Forschungsstand einerseits und der theoretischen Modellierung andererseits wurden insgesamt vier Hypothesenkomplexe abgeleitet, die den Zusammenhang zwischen Krisenkommunikation und organisationaler Vertrauenswürdigkeit beschreiben (Kapitel 3). Neben der vermuteten Wirkung der sechs Krisenkommunikationsstrategien wurden Organisations- und Krisentyp als Kontextbedingungen explizit mit einbezogen. Forschungslogisch schließt sich der Prozess an, eine geeignete Methodik zu wählen, die Hypothesen empirisch
222
4 Methodisches Vorgehen
zu testen. Hierfür wurde gezeigt, dass die Forschungsfrage nur über ein Experimentaldesign beantwortet werden kann. Für die Entwicklung der unabhängigen und abhängigen Variable wurden insgesamt sieben Pretests durchgeführt, die unterschiedliche Aspekte des Experiments getestet haben. Neben der inhaltlichen Konstruktion des Stimulus und Fragebogeninstruments konnten dadurch auch methodische Schwierigkeiten getestet und letztlich geklärt werden. Das Ergebnis war ein 2 X 2 X 6 between-subjects-design faktorieller Anordnung. Als Stimulusmaterial wurden Online-Artikel gewählt, in der die Faktoren Krisentyp, Organisationstyp und Krisenkommunikationsstrategie beschrieben wurden. Der Fragebogen umfasste insgesamt drei Teile: (1) die Manipulationsüberprüfung, (2) die Erhebung der abhängigen Variable sowie Items zu intervenierenden Variablen und (3) persönlichen Angaben. Die Manipulationsüberprüfungen haben gezeigt, dass die Qualität des Experiments als hoch einzustufen ist. Von den Faktoren der Krisenkommunikationsstrategien wurden insgesamt 5 verstanden und der Organisations- und Krisentyp zufriedenstellend erkannt. Auch wurde das Experiment als realistisch eingestuft und dem OnlineArtikel eine hohe Quellenglaubwürdigkeit attestiert. Die entwickelten Konstrukte organisationale, funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit weisen eine hohe Reliabilität auf, so dass auch von einer zufriedenstellenden Qualität der abhängigen Variable ausgegangen werden kann. Trotz der hohen Qualität der Stimuli und der Konstrukte der abhängigen Variablen, sind Experimente als Untersuchungsanlage in der Kommunikationswissenschaft kritisch zu reflektieren. Denn Grenzen des gewählten Forschungsdesigns liegen insbesondere in der externen Validität, also der Übertragbarkeit der Ergebnisse über den Interpretationsrahmen der studentischen Versuchspersonen hinaus. Damit können zwar Tendenzen und Wirkungszusammenhänge innerhalb der gewählten Untersuchungsgruppe gezeigt werden, eine Generalisierbarkeit schließt dies jedoch kategorisch aus. Zusammenfassend wurde mit der Untersuchungsanlage eine Experimentalbedingung mit unterschiedlichen Faktoren sowie ein Erhebungsinstrument entwickelt, mit dem empirisch haltbare Aussagen über die Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien unter differenzierten Krisenbedingungen auf organisationale, funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit getroffen werden können. Das Experimentaldesign ist zweckmäßig gewählt und ermöglicht, anhand der empirischen Analyse die Hypothesen sowie die eingangs formulierte Forschungsfrage im Folgenden Schritt für Schritt zu beantworten.
5
Ergebnisse der empirischen Analyse
Nach der Darstellung des methodischen Vorgehens werden im folgenden Kapitel die Ergebnisse der empirischen Analyse vorgestellt. Entlang der drei Ebenen des entwickelten Krisenkommunikationsmodells wird dabei zunächst die Wirkung situativer Krisenkommunikation auf Vertrauenswürdigkeit diskutiert (Kapitel 5.1). Im Fokus der Analyse stehen die rhetorische Botschaftsstrategie der Übereinkunft sowie die Strategie aktiver Krisenkommunikation. Daran schließt sich das Kapitel zur integrierten Krisenkommunikation an, in dem gezeigt wird, welche Rolle disintegrierte Kommunikation sowie ein mangelnder Beleg von Krisenkompetenz beim Erhalt von Vertrauenswürdigkeit spielen (Kapitel 5.2). Kapitel 5.3 untersucht schließlich das Postulat strategischer Krisenkommunikation und zeigt die Wirkung auf, die unmittelbare und mittelbare Verantwortung auf die Zuschreibung von Vertrauendwürdigkeit haben. Da in dieser Analyse die zwei Ausprägungen der gleichen Kommunikationsstrategie getestet werden, ist in der Darstellung der Ergebnisse hier zusätzlich ein direkter Vergleich der Strategien möglich (Kapitel 5.3.3). Alle drei Kapitel diskutieren, ob sich Wirkungsunterschiede auch
in Bezug auf den Organisationstyp sowie
in Bezug auf den Krisentyp
zeigen lassen. Neben organisationaler Vertrauenswürdigkeit als zentrale Wirkungsebene werden die Stimuli zudem auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit getestet und diskutiert. Dies, sowie die Unterscheidung nach Organisations- und Krisentyp, ermöglicht einerseits, differenzierte Wirkungsmechanismen von Krisenkommunikation theoriegestützt und empiriegeleitet aufzuzeigen und andererseits, forschungspraktische Implikationen erstmals für unterschiedliche Krisenbedingungen zu formulieren (vgl. Kapitel 6). 5.1
Situative Krisenkommunikation
Die erste Ebene des entwickelten Krisenkommunikationsmodells setzt sich mit situativer Krisenkommunikation auseinander. Im Zentrum der Betrachtung stehen situative Botschaftsstrategien und deren Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit. Für die empirische Analyse wurde erstens ausgehend von Annahnen der Situational Crisis Communication Theory die für vermeidbare Krisen relevante Strategie der Übereinkunft gewählt (Hypothese H1.1a). Als weitere Strategie wurde zweitens die Anwendung einer grundsätzlichen aktiven Krisenkommunikation untersucht (Hypothese H1.2a). Die Analyse der Daten zeigt, dass H1.1a zurückgewiesen werden muss während H1.2a als bestätigt angenommen werden kann. Die Items wurden mit einer siebenstufigen Likert-Skala von 1 („stimme voll zu“) bis 7 („stimme gar nicht zu“) gemessen. Niedrige Werte bedeuten also eine positivere Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit als hohe Werte.
A. Thießen, Organisationskommunikation in Krisen, DOI 10.1007/978-3-531-93372-6_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
224
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
5.1.1 5.1.1.1
Strategie der Übereinkunft Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit
Die Strategie der Übereinkunft ist eine inhaltliche Bündelung rhetorischer Antwortmöglichkeiten von Organisationen als kommunikative Reaktion in einer Krise: „The deal strategies offer a wide range of options that seem to accept responsibility and attend to victim concerns“ (Coombs, 2006c, S. 256). Dazu gehören das Zeigen von Besorgnis und Mitgefühl oder das Bedauern ebenso wie ein sich einschmeicheln oder die offene Entschuldigung. Für vermeidbare Krisen – und damit den Krisentyp mit der größten Gefahr für den Verlust von Reputation – zeigt Coombs (2006c), dass die Strategie der Übereinkunft das größtmögliche Potenzial besitzt, Reputation zu schützen (vgl. ebd., S. 256 ff.). Für die vorliegende Untersuchung wurde die Strategie der Übereinkunft aus zwei Gründen gewählt: erstens sollen die Annahmen aus der Situational Crisis Communication Theory (SCCT) überprüft und zweitens weiter entwickelt werden. Da Forschungsinhalte zur Reputationskonstitution bislang nicht Teil der SCCT geworden sind, liegt das empirische Erkenntnisinteresse in erster Linie in einem Aufzeigen differenzierter Wirkungsmechanismen. In der empirischen Analyse wurde die Strategie der Übereinkunft operationalisiert als Stimulus, bei dem eine Profit-Organisation und eine Non-Profit-Organisation in einer funktionalen und einer sozialen Krise sich jeweils besorgt zeigt, ihren Fehler eingesteht und sich bei den Geschädigten ausdrücklich für ihr Handeln entschuldigt. Für die Untersuchung, ob es einen Unterschied zwischen Treatment- und Kontrollgruppe (TG und KG) gibt, wurde eine univariate ANOVA mit organisationaler Vertrauenswürdigkeit als abhängiger Variable und der Strategie der Übereinkunft als Einflussvariable sowie Organisationstyp und Krisentyp als intervenierende Variablen durchgeführt. Der Mittelwertvergleich weist darauf hin, dass die Versuchspersonen in der Kontrollgruppe mit MKG = 4,96 (SD = 1,08) die Organisationen in ihrer organisationalen Vertrauenswürdigkeit insgesamt schlechter wahrnehmen, als die Treatmentgruppe mit MTG = 4,72 (SD = 1,28). Damit kann angenommen werden, dass die Strategie der Übereinkunft tatsächlich einen positiven Effekt auf die Einschätzung organisationaler Vertrauenswürdigkeit hat. Der Unterschied zwischen Treatment- und Kontrollgruppe überschreitet jedoch mit F(1, 193) = 1,674; p > 0,10 ein zufriedenstellendes Signifikanzniveau, so dass die Hypothese H1.1a Die Strategie der Übereinkunft als Botschaftsstrategie hat in vermeidbaren Krisen einen positiven Effekt auf organisationale Vertrauenswürdigkeit zurückgewiesen werden muss. Strategie der Übereinkunft (n = 96) M SD Organisationale Vertrauens- 4,72 würdigkeit
1,28
Kontrollgruppe (n = 105) M SD 4,96
1,08
df
F
p
1, 193
1,674
n.s.
Im Gegensatz zu bisherigen Forschungsarbeiten zur Strategie der Übereinkunft können die vorliegenden Forschungsergebnisse damit einen Wirkungszusammenhang nicht signifikant bestätigen. Bradford & Garret (1995) hatten gezeigt, dass ein öffentliches Zugeständnis („strategy of concession“) eine Situation der Übereinkunft zwischen Öffentlichkeit und
5.1 Situative Krisenkommunikation
225
Organisation herstellt (vgl. Kapitel 3.4.1). In ihrem Vergleich unterschiedlicher Kommunikationsstrategien (Zurückweisung, Entschuldigung, Rechtfertigung, Zugeständnis) wirkte sich das öffentliche Eingeständnis am besten auf das wahrgenommene Image aus. Und auch in den Studien von Coombs (2006c) wurde nachgewiesen, dass die Wahl der Übereinkunftsstrategie („deal response“) sich in vermeidbaren Krisen am positivsten auf die Reputation von Organisationen auswirkt (vgl. ebd., S. 256 f. sowie Kapitel 3.4.1). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie können diesen positiven Wirkungszusammenhang nicht bestätigen. 5.1.1.2
Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit
Der Stimulus der Strategie der Übereinkunft hat ebenso wie auf organisationale Vertrauenswürdigkeit keinen Haupteffekt auf funktionale, soziale oder emotionale Vertrauenswürdigkeit. Keine der Varianzanalysen erreicht das notwendige Signifikanzniveau. Strategie der Übereinkunft M SD
Kontrollgruppe M SD
df
F
p
1,34
1, 192
0,104
n.s.
4,22
1,26
1, 191
0,501
n.s.
0,97
4,47
1,00
1, 190
0,174
n.s.
1,42
4,93
1,53
1, 191
0,232
n.s.
(Allgemeine) Funktionale Vertrauens- 3,44 würdigkeit
1,34
3,32
(Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 4,32 enswürdigkeit
1,09
Soziale Vertrauens4,51 würdigkeit Emotionale Vertrau4,81 enswürdigkeit
Das bedeutet, dass die Strategie der Übereinkunft weder funktionale (allgemein oder krisenbezogen), soziale oder emotionale Vertrauenswürdigkeit signalisiert und bestätigt somit das Ergebnis aus Kapitel 5.1.1.1. Aus dieser Erkenntnis lässt sich der Bedarf ableiten, auf der Ebene rhetorischer Botschaftsstrategien weitere rhetorischen Antwortstrategien in eine empirische Analyse mit einzubeziehen, die zur Signalisierung funktionaler, sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit und damit zu einem multidimensionalen Erhalt bzw. Aufbau von Reputation beitragen (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 6.1.1 und 7.2). Damit stellt sich die Frage, warum die in vorangehenden Studien bereits aufgezeigte Wirkung einer Strategie der Übereinkunft in der vorliegenden Untersuchung nicht bestätigt werden kann. Begründen lässt sich das Ergebnis einerseits inhaltlich und andererseits methodisch. Beides gilt es, im Folgenden vertiefend darzustellen (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4).
226
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Diskussion der Ergebnisse unter inhaltlichen Gesichtspunkten Ausgangspunkt der inhaltlichen Überlegungen ist die Unterschiedlichkeit des Kulturkontextes, in dem die Studien entstanden sind. Es wird argumentiert, dass die Wirkung rhetorischer Antwortstrategien kulturabhängig ist. Denn „culture shapes expectations for organizational performance including how it should respond to a crisis“ (Coombs, 2008, S. 281 f.). Bislang mangelt es an einer fundierten komparativen Forschung zur Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien im interkulturellen Kontext im Allgemeinen und zur Strategie der Übereinkunft im Speziellen. Dies liegt vor allem daran, dass Krisenkommunikationsstrategien erst langsam eine (inhaltliche wie methodische) Systematisierung erfahren (vgl. Kapitel 3.4) und damit als Vergleichsgrundlage für komparative Studien in Frage kommen. Dennoch lässt sich die Kulturabhängigkeit von Krisen und deren Bewältigung anhand von Hinweisen aus der vergleichenden Kommunikationsforschung ableiten. So zeigen Katz, Swanson & Nelson (2001), dass die internationalen Krisen der Unternehmen Nestlé und Chevron in unterschiedlichen Kulturkreisen ein unterschiedliches Maß an Bürgeraktivität hervorgerufen haben. Sie führen dies zurück auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber Organisationen (vgl. hierzu auch Coombs, 2008). In Kapitel 2.1.3.1 wurde gezeigt, dass ein öffentlicher Skandal eine Nicht-Erfüllung gesellschaftlicher Funktionserwartungen ist. Wenn diese Erwartungen sich in unterschiedlichen kulturellen Kontexten jedoch unterscheiden, so unterliegen auch die Skandalisierungsprozesse unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungskriterien. Um Skandalisierung zu verhindern (oder zu mindern) ist es Aufgabe der Krisenkommunikation, jene Erfüllung gesellschaftlicher Funktionserwartungen zu vermitteln (vgl. Kapitel 2.4.2). Diese müssen sich folglich am jeweiligen Kulturkontext orientieren. Doch nicht nur die gesellschaftlichen Funktionserwartungen als Auslöser öffentlicher Skandale allgemein sind kulturabhängig, sondern auch die Wirkungszusammenhänge kommunikativer Antwortstrategien zwischen Organisation und Stakeholdern. So zeigt Lee (2004), dass in China Stakeholder positiv darauf reagieren, wenn eine Organisation eine Krise nicht kommentiert. Dies widerspricht den Empfehlungen für Krisenmanager im USamerikanischen und auch deutschsprachigen Raum (vgl. Coombs, 2006a; Töpfer, 2006). Hier wird explizit auf die Notwendigkeit einer offenen Kommunikation hingewiesen. Lee weist in dem Zusammenhang auch auf die unterschiedliche Wirkung explizit der Strategie der Übereinkunft hin: Entschuldigungen, so die empirische Erkenntnis, sind in China weitestgehend ritualisiert und gelten damit nicht mehr als besonderes Entgegenkommen einer Organisation. Vielmehr gewinnt in China die Kompensation im Anschluss an eine Krise (z.B. in Form von Geld) an Bedeutung. Dies gilt nicht für die USA. „Crisis communication takes place at different levels, interpersonal as well as massmediated levels. Intercultural issues and problems may be found in most crises today. This is obvious when it comes to crises or disasters involving whole communities, regions or nations. But it is also a fact confronting emergency authorities in local accidents“ (Falkheimer & Heide, 2006, S. 182).
Die erwähnten Studien zur Strategie der Übereinkunft wurden jedoch ausnahmslos an USamerikanischen Universitäten durchgeführt. Internationale Erkenntnisse zu dieser Strategie gibt es bislang nicht. Die vorliegende Untersuchung überträgt erstmals die Erkenntnisse auf den Schweizer Kulturraum. Um das Argument der Kulturabhängigkeit zu stützen gilt es im Folgenden zunächst die Unterschiedlichkeit der Studienhintergründe zu skizzieren, um anschließend zentrale Aspekte dieser Differenz zu diskutieren.
5.1 Situative Krisenkommunikation
227
Die unterschiedliche kulturelle Zugehörigkeit der Schweiz und der USA lässt sich probat aus der GLOBE-Studie ableiten (vgl. House, Hanges, Javidan, Dorfman, & Gupta, 2005). In der Studie wurden Kulturunterschiede anhand von neun Dimensionen über eine Likert-Skala zwischen 1 und 7 abgefragt. Die Mittelwerte der jeweiligen Länder weisen auf ihre Position im Kontinuum der Kulturdimensionen hin. Die deutschsprachige Schweiz zählt zum Ländercluster des germanischen Europas während die USA dem Anglo-Cluster zugeordnet werden. Die GLOBE-Studie unterscheidet bei den Kulturdimensionen zwischen der Darstellung von Werten und Praktiken. Um die Unterschiede zwischen den USA und der Schweiz aufzuzeigen werden die Mittelwerte für die Werte vorgestellt. Dies folgt der Argumentation, dass Werte aus Erfahrungen mit Praktiken resultieren und damit erstrebenswerte Zielzustände darstellen, die das Verhalten maßgeblich beeinflussen (vgl. Grove, 2005). Für die Diskussion der Bildung von Vertrauenswürdigkeit sind daher die zugrundeliegenden Werte relevant und nicht die Praktiken (vgl. Tabelle 28). Tabelle 28: Position der Länder USA und Schweiz auf dem Kontinuum der Kulturdimensionen der GLOBE-Studie Leistungsorientierung (Ausmaß, in dem Leistung belohnt wird) Zukunftsorientierung (Umfang, sich mit zukunftsorientiertem Verhalten zu befassen) Gleichheit der Geschlechter (Ausmaß, in dem geschlechterspezifische Unterschiede minimiert werden) Selbstbewusstsein (Ausmaß eines selbstbewussten Auftretens von Individuen in der Gesellschaft) Gruppen-Kollektivismus (Umfang, in dem Gruppenzusammenhalt wichtig ist) Institutioneller Kollektivismus (Ausmaß, in dem institutionelle Praktiken kollektives Verhalten fördern)
USA
Schweiz
6,14 (B)
5,82 (A)
5,31 (B)
4,79 (A)
5,06 (A)
4,92 (A)
4,32 (A)
3,21 (A)
5,77 (B)
5,35 (C)
4,17 (C)
4,69 (B)
228
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
(Fortsetzung) Machtdistanz (Ausmaß, in dem erwartet wird, dass Macht gleich verteilt ist) Menschlichkeitsorientierung (Ausmaß, in dem Altruismus belohnt wird)
2,85 (C)
2,44 (D)
5,53 (B)
5,54 (B)
(vgl. House, et al., 2005, S. 251, 306, 366, 411, 468 ff., 540, 574, 623) Die Buchstaben A bis E bedeuten die Gruppenzugehörigkeit des Landes in ein Ländercluster. Die Cluster unterscheiden sich signifikant voneinander, so dass unterschiedliche Buchstaben bei USA und Schweiz eine signifikant unterschiedliche Gruppenzuordnung bedeutet. Es liegt eine 7-stufige Likert-Skala zugrunde. Bei der Schweiz wurde zwischen deutsch- und französischsprachiger Schweiz unterschieden. In der Tabelle werden die Werte für die deutschsprachige Schweiz ausgewiesen, da hier die Experimente der vorliegenden Studie stattgefunden haben. Die Tabelle zeigt, dass sich die USA und die Schweiz in den Dimensionen Leistungsorientierung, Zukunftsorientierung, Selbstbewusstsein, Gruppen- und Institutioneller Kollektivismus, Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung voneinander unterscheiden. Für die Zuschreibung von Vertrauen und die Bewertung einer Entschuldigung sollen im Folgenden die Unterschiede in den Dimensionen des Selbstbewusstseins und der Unsicherheitsvermeidung gegenübergestellt werden, denn für die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse spielen diese Dimensionen eine wichtige Rolle. So finden sich Hinweise auf die unterschiedliche Wirkung der Entschuldigung beispielsweise bei Alt & Gelbrich (2009). Sie argumentieren, dass die Entschuldigung in unterschiedlichen kulturellen Kontexten eine andere Wirkung in Bezug auf das Beschwerdeverhalten von Stakeholdern erzielt (hier im Kontext des Beschwerdeverhaltens bei Unternehmen). In ihrer Aufarbeitung komparativer Studien zeigen sie, dass sich die Wirkung der Entschuldigung in den USA im Vergleich zu anderen (nicht einheitlich vergleichbaren) Ländern teilweise erheblich voneinander unterscheidet. Ein Vergleich USA/Schweiz liegt bislang zwar nicht vor, der Vergleich der Kulturdimensionen weist jedoch darauf hin, dass sich beide Länder in den Dimensionen Leistungsorientierung und Gruppen bzw. institutionellem Kollektivismus sowie der Machtdistanz signifikant voneinander unterscheiden. Dies lässt vermuten, dass auch die Wirkung einer Entschuldigung sich in beiden Ländern unterschiedlich auswirkt. Und auch für die Bildung von Vertrauen spielt der kulturelle Kontext eine Rolle. Wenn Krisenbetroffene Organisationen oder ihrer Kommunikation nicht vertrauen, wird es schwer, sie zu erreichen und im weiteren Krisenverlauf zu beeinflussen. Insbesondere nicht-westlichen Kulturkreisen fehlt ein generelles institutionelles Vertrauen, so dass der kommunikative Umgang ein anderer sein muss als in westlich orientierten Ländern (vgl. Falkheimer & Heide, 2006, S. 183). Um die Unterschiedlichkeit der kulturellen Kontexte der Studien diskutieren zu können, sind im Folgenden zunächst zentrale Verhaltensweisen in den Kultur-Clustern der USA und der Schweiz gegenübergestellt.
5.1 Situative Krisenkommunikation
229
Tabelle 29: Typische Verhaltensweisen in den Länder-Clustern der USA und der Schweiz USA Selbstbewusstsein
Unsicherheitsvermeidung
Jeder kann etwas erreichen, wenn er es nur hart genug versucht
Glauben an das Gute in der Welt
Sehen es gern, wenn jemand Initiative zeigt
Schweiz
Wettkampf ist eine Strafe
Glauben nicht an das Gute in der Welt
Sehen gern Loyalität, Integrität und Kooperation
Vertrauen bildet sich aufgrund von Vorhersagbarkeit des Anderen
Vertrauen bildet sich auf der Basis von Fähigkeiten und eigener Berechnung
Haben eine Tendenz eher informell in der Interaktion mit anderen zu sein
Haben eine Tendenz, die Interaktionen mit anderen zu formalisieren
Festgelegte Abläufe sind weniger wichtig, Kommunikation wird nicht schriftlich fixiert
Vertrauen auf festgelegte Abläufe und Regeln, Kommunikation wird schriftlich festgehalten
Sind weniger resistent gegen Wandel
Sind resistenter gegen Wandel
Zeigen größere Toleranz gegenüber Regelbruch
Zeigen weniger Toleranz, wenn die Regeln gebrochen werden
(vgl. House, et al., 2005, S. 405, 618) Die Strategie der Übereinkunft wurde eingeführt auf der situativen Ebene von Krisenkommunikation. Ziel auf dieser Ebene ist die Sinnkonstitution während der Krise durch rhetorische Botschaftsstrategien. Die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit wird erreicht durch die Sinnhaftigkeit organisationalen Handelns (vgl. Weick, 1988). Die empirische Analyse zeigt, dass die Strategie nicht zur Vertrauensbildung und damit zur Reputationskonstitution beiträgt. Aussagen darüber, welche Kulturdimension (vgl. Tabelle 29) ei-
230
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
nen Einfluss auf die Wahrnehmung der Strategie der Übereinkunft hat lässt sich an dieser, Stelle freilich nicht treffen. Dennoch sollen an dieser Stelle Vermutungen darüber geäußert werden, warum die Strategie auf keine der Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit eine signifikante Wirkung erzielen konnte. Die Gegenüberstellung der gesellschaftlichen Verhaltensweisen zeigt, dass im Cluster der USA Initiative gern gesehen ist und Vertrauen sich anhand von Können und Fähigkeiten bildet. Wandel stellt kein großes Problem dar und Regelbruch wird toleriert. Länder in diesem Cluster glauben grundsätzlich an das Gute in der Welt und an den sozialen Halt der Gemeinschaft. Das Länder-Cluster, in dem sich auch die Schweiz befindet, unterscheidet sich teilweise erheblich von diesen Zuschreibungen. Hier bildet sich Vertrauen eher aus einer Vorhersagbarkeit und Kontinuität heraus, bei der Loyalität und Integrität eine wichtige Rolle spielen. Festgelegte Abläufe sind wichtig, so dass Wandel nicht gern gesehen wird und Regelbrüche weniger toleriert werden. Überträgt man diese Erkenntnisse auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit und die Bewertung einer Entschuldigung, so kann vermutet werden, dass im Länder-Cluster der USA Krisen grundsätzlich als Form eines Wandels weniger stark negativ konnotiert sind wie in dem Länder-Cluster der Schweiz. Die Entschuldigung könnte in den USA als Eigeninitiative belohnt werden, während in der Schweiz der Regelbruch und die mangelnde Loyalitätsbeziehung im Vordergrund steht. Krisen sind demnach eine starke Verletzung von Loyalität und Kontinuität, so dass eine Entschuldigung nicht ausreicht, diese Loyalitätsbeziehung wieder herzustellen. Da in den USA stärker an das Gute im Menschen geglaubt wird kann die Entschuldigung zudem schneller akzeptiert werden als im Kulturkreis der Schweiz. Auch die Formalisierung von Interaktionsbeziehungen könnte eine Rolle spielen: Im Länder-Cluster der Schweiz stellen Krisen ein Bruch formalisierter Regeln dar. In den USA hingegen spielt die Formalisierung eine geringere Rolle, so dass Krisen grundsätzlich zwar eine Diskontinuität bestehender Prozessstrukturen sind, diese jedoch weitaus geringer als störend bewertet werden. Die Interpretation der Ergebnisse ist damit freilich nur eine Ergänzung der Hinweise von Falkheimer & Heide, Alt & Gelbrich oder Coombs. Bislang wurde die internationale Dimension vor allem von Coombs (2008) in Bezug auf Spill-Over-Effekte theoretisch diskutiert, international vergleichende Studien in dem Themenfeld gibt es nicht. Der deutliche Wirkungsunterschied bisheriger und der vorliegenden Studie könnte ein Indiz sein, dass rhetorische Botschaftsstrategien zukünftig deutlicher vor dem Hintergrund von Kulturvariablen diskutiert werden müssen. Diskussion der Ergebnisse unter methodischen Gesichtspunkten Der fehlende Wirkungszusammenhang lässt sich zweitens methodisch begründen. Wie in vielen Wirkungsstudien von Krisenkommunikationsstrategien wird auch in der vorliegenden Untersuchung ein Experimentaldesign gewählt. Die Qualität aufgezeigter Wirkungszusammenhänge misst sich dabei maßgeblich an der Qualität des Untersuchungsdesigns. Ein mangelnder Wirkungsnachweis kann somit durchaus auf eine mangelnde Qualität des Experiments zurückgeführt werden. Wie in Kapitel 4.1.3.1 jedoch gezeigt, wurde erstens der Stimulus der untersuchten Krisenkommunikationsstrategien – und so auch der Strategie der Übereinkunft – mehrfach in Pretests verfeinert. Der Stimulus ist erst nachdem eine ausreichende Qualität erzielt wurde Teil des Experiments geworden. Zweitens zeigen die Manipulationsüberprüfungen deutlich, dass die Strategie der Übereinkunft von den Versuchsper-
5.1 Situative Krisenkommunikation
231
sonen korrekt erkannt wurde (vgl. Kapitel 4.2.1.1). Daraus lässt sich folgern, dass sich ein fehlender Wirkungszusammenhang nicht mit der Qualität des Stimulus begründen lässt. Vielmehr scheinen die Versuchsteilnehmer diesen nicht in der erwarteten Form kognitiv zu verarbeiten. Ein zentraler Unterschied in der methodischen Entwicklung des Forschungsdesigns zwischen der vorliegenden und den diskutierten Studien ist daher die Operationalisierung des Reputationskonstrukts. Während Lee wahrgenommene Verantwortlichkeit, Sympathie und den negativen Eindruck misst (vgl. B. Lee, 2004, S. 606) bezieht sich Coombs auf Reputations-Items, die den „Ethos“ eines Unternehmens beschreiben (vgl. Coombs & Holladay, 2002, S. 174). Beide Verständnisse von Reputation leiten sich damit nicht aus der aktuellen Literaturdebatte über die Konstitution von Reputation ab. Diesem Desiderat begegnet die vorliegende Studie bewusst, indem sie das Reputationskonstrukt ausführlich herleitet (vgl. Kapitel 2.1), in den Zusammenhang von Krisensituationen stellt (vgl. Kapitel 2.4.1) und schließlich mehrdimensional operationalisiert (vgl. Kapitel 4.1.3.2). Es wurde zudem argumentiert, dass sich die funktionale, soziale und emotionale Dimension langfristiger Reputationskonstitution kurzfristig in ebendiesen Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit widerspiegelt (vgl. Kapitel 2.4.3). Denn „[...] trustworthiness is a viable measure for reputation“ (Coombs & Holladay, 2002, S. 175). Aus diesem Grund wurde die Wirkung der Strategie der Übereinkunft zunächst auf organisationale Vertrauenswürdigkeit als Globalkonstrukt allgemein und anschließend auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit untersucht. Die vorliegende empirische Analyse orientiert sich an den Items des organisationalen Vertrauenswürdigkeitskonstrukts von Lee (2004), Möllering & Sydow (2005) und Mayer & Davies (1999) sowie Ingenhoff (2010). Coombs bezieht sich hingegen auf das Reputationsverständnis von Fombrun (vgl. Coombs & Holladay, 2002) bzw. Birch, Druckenmiller und Siomkos & Shrivastava (vgl. Coombs, 1998, S. 182). Bradford & Garret wählen wiederum die Skalen des corporate image (vgl. Bradford & Garrett, 1995, S. 875). Damit wird deutlich, dass jede der Studien von einem anderen Reputationsverständnis ausgeht. Bedingt durch ein Experimentaldesign hängen kausale Zusammenhänge jedoch stark von der Operationalisierung der abhängigen Variable ab. Entsprechend kann das vorliegende Ergebnis letztlich nur bedingt im Zusammenhang der vorgestellten Studien diskutiert werden47. Zusammenfassung Die Strategie der Übereinkunft wirkt sich nicht signifikant positiv auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit aus. Das Ergebnis war nicht zu erwarten, da insbesondere Studien aus dem angloamerikanischen Raum jene positive Wirkung konstatieren. Der Grund für die Nicht-Wirkung liegt einerseits in der Unterschiedlichkeit des Kulturkontextes und andererseits in der Differenz der Operationalisierung der abhängigen Variable. Für die Wirkungsmessung von Krisenkommunikation allgemein und für die Strategie der Übereinkunft im Speziellen liefert das Ergebnis damit zwei wichtige Erkenntnisse. So gilt es erstens den Kulturkontext als Moderatorvariable in zukünftige Forschungsarbeiten mit einzubeziehen oder zumindest in der Diskussion der Ergebnisse einfließen zu lassen. Dies gilt insbesondere für globale Krisen oder Krisen global tätiger Organisationen (vgl. hierzu 47
vgl. zur Diskussion methodischer Implikationen Kapitel 6.1.1.
232
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
insb. Coombs, 2008). Zweitens muss für den empirischen Beleg der in Kapitel 2.2.1.3.3 entwickelten Klassifikation von Krisen ein einheitliches Reputationsverständnis vorliegen. Bisherige Studien sind dafür daher nur bedingt geeignet. 5.1.1.3
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps
Die Strategie der Übereinkunft, so wurde in H1.1b vermutet, unterscheidet sich zwischen Profit- und Non-Profit-Organisationen. Die Untersuchung der Interaktionseffekte weist darauf hin, dass mit F(1, 193) = 0,145; p > 0,10 die Strategie der Übereinkunft keinen Interaktionseffekt entfaltet. Um dies zu überprüfen, wurde eine weitere ANOVA innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt mit organisationaler Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable und dem Organisationstyp als festen Faktor. ProfitOrganisation (n = 48) M SD
Non-ProfitOrganisation (n = 48) M SD
Organisationale Vertrauens- 4,61 1,36 4,84 würdigkeit Treatmentgruppe Strategie der Übereinkunft
1,20
df
F
p
1, 96
0,778
n.s.
Die Analyse bestätigt, dass kein signifikanter Gruppenunterschied vorliegt (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Daher kann die Hypothese H1.1b Die Wirkung der Strategie der Übereinkunft auf organisationale Vertrauendwürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp nicht angenommen werden. Das Ergebnis soll an dieser Stelle jedoch um einige Erkenntnisse aus der Detailanalyse ergänzt werden, denn für Non-Profit-Organisationen zeigt die Strategie der Übereinkunft in sozial-vermeidbaren Krisen in Bezug auf vier Items eine negative Wirkung. Detailanalyse zu Kompetenz und Wissen In der Detailanalyse der Wirkung auf funktionale Vertrauenswürdigkeit wurde geprüft, ob die Non-Profit-Organisation wahrgenommen wird als eine Organisation, die die nötigen Qualifikationen besitz, Kindern zu helfen. Das Item testet damit die Kernkompetenz des vorgestellten Kinderhilfswerks. Um einen Gruppenunterschied zu zeigen wurde ein T-Test zwischen der Treatment- und Kontrollgruppe in der Gruppe der Non-Profit-Organisationen und der sozialen Krise durchgeführt. Die Untersuchung zeigt, dass sich Treatment- und Kontrollgruppe im Test-Item mit t(54) = 2,581; p ≤ 0,10 signifikant voneinander unterscheiden.
5.1 Situative Krisenkommunikation
Strategie der Übereinkunft M SD
233
Kontrollgruppe M SD
Die Organisation besitzt die nötigen 3,80 1,32 2,94 1,18 Qualifikationen, Kindern zu helfen Non-Profit-Organisation, sozial-vermeidbare Krise
df
t
p
54
2,581
≤ 0,10
Der Vergleich der Mittelwerte legt jedoch offen, dass die Kontrollgruppe mit MKG = 2,94 (SD = 1,18) besser bewertet wird als die Treatmentgruppe (MTG = 3,80; SD = 1,32). Das bedeutet, dass die Strategie der Übereinkunft sich kontraproduktiv auf die Wahrnehmung der Kernkompetenz auswirkt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die Analyse des Items, ob das Kinderhilfswerk als eine Organisation wahrgenommen wird, die das nötige Wissen hat, die Krise zu managen. Strategie der Übereinkunft M SD
Kontrollgruppe M SD
Die Organisation verfügt über das 4,32 1,15 3,70 1,11 nötige Wissen, Kindern zu helfen Non-Profit-Organisation, sozial-vermeidbare Krise
df
t
p
53
2,025
≤ 0,05
Auch hier unterscheiden sich Treatment- und Kontrollgruppe mit t(53) = 2,025; p ≤ 0,05 signifikant voneinander wobei die Kontrollgruppe ohne den Stimulus mit MKG = 3,70 (SD = 1,11) wieder besser eingeschätzt wird als die Treatmentgruppe (MTG = 4,32; SD = 1,15), die den Stimulus erhalten hat. Die Strategie der Übereinkunft ruft damit offensichtlich nicht den gewünschten Effekt hervor – sowohl die Kernkompetenz des Kinderhilfswerks als auch die Einschätzung des Wissens, die Krise zu managen, wird in der Treatmentgruppe als schlechter eingeschätzt. Detailanalyse zur sozialen Vertrauenswürdigkeit Neben der Kernkompetenz (funktionale Vertrauenswürdigkeit) wurden auch Detailanalysen zur sozialen Vertrauenswürdigkeit von Non-Profit-Organisationen in der sozialen Krise ergänzend durchgeführt (für Profit-Organisationen bzw. die funktional-vermeidbare Krise ließen sich keine signifikanten Unterschiede zeigen). Es wurde durch T-Tests untersucht, ob die Strategie der Übereinkunft eine Wirkung auf einzelne Items sozialer Vertrauenswürdigkeit hat. In der Untersuchung können signifikante Gruppenunterschiede für zwei Items gezeigt werden.
234
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Strategie der Übereinkunft M SD Das Kinderhilfswerk übernimmt 4,88 gesellschaftliche Verantwortung
1,23
Kontrollgruppe M SD 4,23
1,39
Dem Kinderhilfswerk ist es ernst damit, den von 5,00 1,23 4,26 1,41 der Krise Betroffenen zu helfen Non-Profit-Organisation, sozial-vermeidbare Krise
df
t
p
54
1,825
≤ 0,10
54
2,071
≤ 0,05
Ähnlich wie bei den Kompetenz-Items entfaltet die Strategie auch hier eine negative Wirkung: Die Kontrollgruppe wird in der Bewertung der Items als besser eingeschätzt (M = 4,26; SD = 1,41), als die Treatmentgruppe (M = 5,00; SD = 1,23). Damit stellt sich die Frage, wieso die Strategie der Übereinkunft für Non-Profit-Organisationen in sozialen Krisen in Bezug auf die zwei funktionalen und die zwei sozialen Items eine negative Wirkung entfaltet. Es wurde gezeigt, dass die Strategie der Übereinkunft für Non-Profit-Organisationen in sozialen Krisen sich nicht insgesamt auf funktionale bzw. soziale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Jedoch legt die Detailanalyse offen, dass die Strategie der Übereinkunft eine negative Wirkung (und damit nicht wie vermutet eine positive) auf vier Items zur Qualifikation, zum Wissen, zur gesellschaftlichen Verantwortung und zur Ernsthaftigkeit entfaltet. Begründen lässt sich dies mit dem wahrgenommenen doppelten Auftrag einer Non-ProfitOrganisation. Um dies zu zeigen hilft es, sich die Typologie von Non-Profit-Organisationen noch einmal vor Augen zu führen. NPOs kennzeichnen drei Merkmale: erstens sind sie private Organisationen und grenzen sich so von staatlichen Organisationen ab. Zweitens sind sie nicht gewinnorientiert, d.h. ihr Hauptzweck ist nicht wie bei Wirtschaftsunternehmen die Gewinnmaximierung. Und drittens haben sie eine organisationale Formalstruktur, d.h. sie sind keine soziologische Gruppe oder eine gesellschaftliche Bewegung, sondern eine Organisation im engeren Sinne (vgl. Wex, 2004, S. 2). Während der erste und letzte Punkt sich nur unwesentlich von der Profit-Organisation unterscheidet, ist für die Interpretation der Ergebnisse vor allem der zweite von Relevanz. Denn das zentrale Moment in Abgrenzung zur Profit-Organisation ist, „das freie bürgerliche Engagement in der Gesellschaft“ (Wex, 2004, S. 2) oder wie Drucker es ausdrückt: „The non-profit-organization exists to bringt about a change in individuals and in society“ (Drucker, 2006, S. 3). Eine Non-Profit-Organisation hat per definitionem also nicht nur einen funktionalen Auftrag, sondern auch einen gesellschaftlichen. Diese Erkenntnis hat zwei Konsequenzen: erstens wird von einer NPO erwartet, einen funktionalen Auftrag zu erfüllen und zweitens einen gesellschaftlichen. Im Unterschied dazu steht bei Profit-Organisationen hingegen in erster Linie der funktionale Auftrag im Vordergrund. Die Non-Profit-Organisation muss also zwei Erwartungsanforderungen gerecht werden.
5.1 Situative Krisenkommunikation
235
Mit dieser Erkenntnis kann die negative Wirkung der Strategie der Übereinkunft bereits in Bezug auf die zwei sozialen Items erklärt werden: In dem Stimulus des Experimentaldesigns hat die Non-Profit-Organisation (Kinderhilfswerk) in der sozialen Krise ihren Auftrag verfehlt, indem sich das Management persönlich an den Finanzen der Organisation bereichert hat. Damit betrifft die Krise nicht die funktionale, sondern die soziale Erfüllungserwartung der Non-Profit-Organisation. Durch Strategie der Übereinkunft wird diese Verfehlung nicht wie erwartet entschuldigt, sondern im Gegenteil noch bestätigt und damit gefestigt. Als logische Konsequenz daraus ergibt sich eine negative Wahrnehmung als gesellschaftlicher Akteur [BAV_02_07] und stellt gleichsam die Ernsthaftigkeit des gesellschaftlichen Auftrags fundamental in Frage [BAV_02_08]. Da Profit-Organisationen vor allem wahrgenommen werden als Organisationen mit einem funktionalen Auftrag, hat die Übereinkunftsstrategie dort nicht den Charakter einer Bestätigung gesellschaftlicher Verfehlung. Dies wird zumindest indirekt darin bestätigt, dass für die zwei untersuchten Items keine signifikanten Ergebnisse für die Profit-Organisation gezeigt werden konnten. Für Non-Profit-Organisationen zeigt die Strategie der Übereinkunft aber auch eine negative Auswirkung auf Qualifikation [BAV_03_04] und Wissen [BAV_03_02] und damit die funktionalen Items. Es lässt sich vermuten, dass sich die Strategie der Übereinkunft als Bestätigung einer Verfehlung im gesellschaftlichen Auftrag der NPO auf den funktionalen Auftrag überträgt. Das bedeutet, dass wenn die NPO scheinbar ihrem gesellschaftlichem Auftrag nicht gerecht wird, so wird ihr diese Kompetenz auch funktional abgesprochen. Ihr wird weder zugetraut die Qualifikation zu haben, diesem Auftrag gerecht zu werden, noch das Wissen zu haben, ihn zu erfüllen. Ob diese Differenzierung in der Wahrnehmung von Profit-Organisationen und Non-Profit-Organisationen bewusst vorgenommen wird, gilt es in Anschlussuntersuchungen jedoch noch zu zeigen. Die Aussagekraft dieses Ergebnisses muss daher abschließend noch einmal relativiert werden, denn eine signifikante Wirkung konnte ausdrücklich nicht für die Gesamtkonstrukte funktionale und soziale Vertrauenswürdigkeit gezeigt werden, sondern lediglich für die vier vorgestellten Items. Dennoch weisen die Ergebnisse darauf hin, dass die Wirkung der Strategie der Übereinkunft für Non-Profit-Organisationen in sozial-vermeidbaren Krisen nicht uneingeschränkt die beste strategische Wahl ist. Sie entfaltet im Gegenteil sogar negative Wirkung, so dass sie nicht als Legitimierungsstrategie zum Tragen kommt. Dies gilt es, bei zukünftigen Forschungsarbeiten unbedingt zu berücksichtigen (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 6.1.1). Insbesondere für das Krisenmanagement von Non-Profit-Organisationen zeigt die Analyse deutlich, dass auf der Ebene rhetorischer Botschaftsstrategien die Wahl einer geeigneten Krisenkommunikationsstrategie beide Dimensionen des organisationalen Auftrags (funktional und gesellschaftlich) zu berücksichtigen sind. 5.1.1.4
Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps
In bisherigen Studien zur Krisenkommunikation, so wurde in Kapitel 3.4.4 gezeigt, werden die Wirkungsmechanismen von Krisenkommunikation nicht oder nur unzureichend vor dem Hintergrund des Krisentyps diskutiert. So wählt Coombs (2006c) für das Experimentaldesign seiner Untersuchung zwar bewusst keinen spezifischen Krisentyp „[...] because that could have affected the results“ (ebd., S. 251). Er unterschlägt damit aber auch eine intervenierende Variable, die für die Untersuchung der Wirkungsmechanismen von zentraler Bedeutung ist: die unmittelbaren Rahmenbedingungen von Krisensituationen. Hinweise
236
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
darauf, dass Wirkungen von Kommunikationsstrategien zumindest in unterschiedlichen Industriekontexten nicht gleich sind, zeigen Csiszar & Heidrich (2006) oder auch Forstmoster & Herger (2006) beispielhaft für die Versicherungsindustrie. Weitere Unterschiede unter anderen Kontextbedingungen lassen sich daher vermuten. Die Überprüfung der Interaktionseffekte lässt vermuten, dass der Krisentyp mit F(1, 193) = 0,106; p > 0,10 keinen Effekt aufweist. Um dies zu testen wurde eine ANOVA innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt. Funktionalvermeidbare Krise (n = 47) M SD
Sozialvermeidbare Krise (n = 49) M SD
Organisationale Vertrauens- 4,58 1,21 4,86 würdigkeit Treatmentgruppe Strategie der Übereinkunft
1,34
df
F
p
1, 94
1,182
n.s.
Das Ergebnis bestätigt, dass für die Strategie der Übereinkunft in der vorliegenden Untersuchung kein signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe der funktionalen und sozialen Krise auf organisationale Vertrauenswürdigkeit gezeigt werden kann (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Entsprechend muss auch die Hypothese H1.1c Die Wirkung der Strategie der Übereinkunft auf organisationale Vertrauendwürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp zurückgewiesen werden. Das bedeutet, dass es unerheblich ist, in welcher Krise sich eine Organisation befindet – die Strategie der Übereinkunft entfaltet in beiden Krisentypen gleichsam keine Wirkung (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 6.1.3). 5.1.1.5
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps
Der einzige Effekt der gezeigt werden kann ist eine 3-Wege-Interaktion zwischen dem Stimulus, dem Organisations- und dem Krisentyp in Bezug auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit. Die Mittelwerte lassen zunächst vermuten, dass in funktionalen Krisen die Strategie für Profit-Organisationen (M = 4,07; SD = 1,22) eine bessere Wirkung hat als für Non-Profit-Organisationen (M = 4,70; SD = 1,05). Dies gilt auch für sozialvermeidbare Krisen. Auch hier weisen die Mittelwerte darauf hin, dass sich die Strategie der Übereinkunft für Profit-Organisationen (MProfit-Organisation = 4,14; SD = 1,11) besser auswirkt als für Non-Profit-Organisationen (MNon-Profit-Organisation = 4,36; SD = 0,88). Um dies zu prüfen wird jeweils für die Treatmentgruppe mit der funktionalen bzw. die Treatmentgruppe mit der sozialen Krise eine ANOVA durchgeführt mit krisenbezogener funktionaler Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable und den Organisationstyp als festen Faktor. Die Ergebnisse zeigen für funktional-vermeidbare Krisen einen signifikanten Unterschied zwischen den zwei Organisationstypen mit F(1, 44) = 3,429; p < 0,10. Die Ergebnisse für sozial-vermeidbare Krisen sind mit F(1, 46) = 0,554; p > 0,10 nicht signifikant, so dass die Aussage für diesen Krisentyp empirisch nicht belegt werden kann.
5.1 Situative Krisenkommunikation
Profit Organisation M SD Funktional-vermeidbare Krise (Krisenbezogene) Funktionale Ver4,07 1,22 trauenswürdigkeit
237
Non-Profit Organisation M SD
df
F
p
4,70
1,05
1, 44
3,429
≤ 0,10
Sozial-vermeidbare Krise (Krisenbezogene) Funktionale Ver4,14 1,11 4,36 trauenswürdigkeit Treatmentgruppe Strategie der Übereinkunft
0,88
1, 46
0,549
n.s.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Strategie der Übereinkunft in funktionalen Krisen für Profit-Organisationen eine signifikant bessere Wirkung auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit erwirkt als für Non-Profit-Organisationen (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Damit stützt das Ergebnis die Argumentation, dass eine funktionale Verfehlung einer Profit-Organisation scheinbar eher entschuldbar ist, als die einer Non-Profit-Organisation (vgl. Kapitel 5.1.1.3). Allerdings ist die Aussage nur gültig in Bezug auf die zugeschriebene krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit. Das bedeutet, dass die Strategie der Übereinkunft unter den Bedingungen einer funktionalen Krise für Profit-Organisationen dazu dienen kann, Vertrauenswürdigkeit zur Lösung der Krise zu signalisieren. Damit kann H1.1b zumindest unter der Bedingung einer funktionalen Krise und für den Wirkungszusammenhang auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit bestätigt werden (vgl. ausführlich zur Diskussion der Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps Kapitel 6.1.3). 5.1.1.6
Qualifizierung
Die Darstellung der Ergebnisse wurde bisher losgelöst von der Qualität der verwendeten Krisenkommunikationsstrategie diskutiert. Es wird argumentiert, dass eine Krisenkommunikationsstrategie erst dann seine Wirkung entfalten kann, wenn sie nicht als Beschönigungsstrategie oder Täuschungsmanöver eingeschätzt wird. Daher wurden in der vorliegenden Arbeit zur Wirkungsanalyse zusätzlich zwei Items zur Qualifizierung der jeweiligen Strategie ergänzt. Dies hilft, die Wirkungsmechanismen der Strategien besser zu verstehen und zukünftige Forschungsarbeiten daran zu orientieren. Die Items zur Qualifizierung der Strategie lehnen sich an die aus der Studie von Caldwell & Clapham (2003) an. Es wurde getestet, wie Krisenkommunikationsstrategien von den Probanden insgesamt bewertet werden – erstens im Hinblick auf die intendierte Problemlösung der Krise und zweitens mit Bezug auf eine mögliche Beschönigung der Krisensituation. Die Items sind „Der Organisation geht es darum, die Krise zu lösen“ [BAV_03_07] und „Der Organisation geht es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen“ [BAV_03_08]. Als Skala wurde eine 7-stufige Likert-Skala von 1 („stimme volle zu“) bis 7
238
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
(„stimme überhaupt nicht zu“) verwendet. Kleine Werte bedeuten also eine höhere Zustimmung zu der getesteten Aussage. Für die Qualifizierung der Strategie wurde ein Mittelwertvergleich der Treatment- und Kontrollgruppe durchgeführt (T-Test, listenweise Fallausschluss). MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit2,92 Organisation Non-ProfitOrganisation
3,83
Sozial-vermeidbare Krise Profit4,00 Organisation
MKG
df
t
p
3,40
42
1,011
n.s.
3,77
47
0,108
n.s.
4,29
49
0,661
n.s.
Non-Profit4,12 4,03 53 0,221 n.s. Organisation Test-Item [BAV_03_07]: „Der Organisation geht es darum, die Krise zu lösen.“ MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit3,00 Organisation Non-ProfitOrganisation
3,87
Sozial-vermeidbare Krise Profit3,38 Organisation
MKG
df
t
p
3,57
42
1,115
n.s.
4,12
47
0,539
n.s.
4,29
50
2,051
≤ 0,05
Non-Profit3,64 3,00 53 1,510 n.s. Organisation Test-Item [BAV_03_08]: „Der Organisation geht es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen.“ Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass bei Profit-Organisationen in sozialen Krisen die Strategie der Übereinkunft signifikant als eine Beschönigungsstrategie wahrgenommen wird. Für die anderen Treatmentbedingungen lässt sich ein solcher Zusammenhang nicht zeigen. Aus diesem Ergebnis lässt sich folgern, dass die Strategie der Übereinkunft nicht ausnahmslos in allen Krisensituationen die gewollte Wirkung erzielt. Bei Profit-Organisationen in einer sozial-vermeidbaren Krise wird die Strategie der Übereinkunft erkannt und als Strategie eingeschätzt, die ausdrücklich nicht dazu dient, die Krise zu lösen. Damit muss die nachgewiesene Wirkung im Folgenden relativiert werden.
5.1 Situative Krisenkommunikation
239
Denn die Strategie der Übereinkunft verfolgt originär das Ziel, die Wahrnehmung der Organisation bei relevanten Stakeholdern positiv zu beeinflussen (vgl. Kapitel 3.4.1.1). In der empirischen Analyse wurde die Strategie daher u.a. über eine Entschuldigung der Organisation bei den betroffenen Stakeholdern operationalisiert. Ziel dieser Entschuldigung war es, einerseits die eigene Schuld einzugestehen und andererseits zu vermitteln, dass das aufgetretene Fehlverhalten nicht dem normalen Verhalten der Organisation entspricht. Es ging also darum, mit der Strategie die Attribution der Krisenschuld zu minimieren (vgl. Coombs & Holladay, 2002). Diesen Prozess beschreibt Simons (2002) als „penitential“ oder „social account“ (ebd., S. 27). Die Strategie der Übereinkunft wurde bei der Profit-Organisation in der sozialen Krise jedoch enttarnt. Damit steht die organisationale Handlung im Widerspruch zu dem, was sie nach außen vorgibt. Nun sind „[s]ocial accounts [...] especially critical to the behavioral integrity model because they represent the most straight-forward and least costly way that a manager can influence her subordinates' perception of her behavioral integrity“ (Simons, 2002, S. 27).
Das bedeutet, dass die Enttarnung der Strategie in erster Linie eine Disintegrität der Organisation signalisiert und damit zu einem Verlust öffentlicher Glaubwürdigkeit führt (vgl. hierzu auch Bentele, 1994b). Für die Strategie der Übereinkunft gilt demnach für ProfitOrganisationen in sozialen Krisen, dass sie das Ziel, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren nicht erreicht haben. Sie verlieren im Gegenteil sogar an Glaubwürdigkeit und die Strategie der Übereinkunft ist nicht die richtige Wahl für das eingangs formulierte Ziel, die Attribution der Krisenschuld zu verringern. Interessant wäre an dieser Stelle der Vergleich, ob die Enttarnung auch für Non-Profit-Organisationen in sozialen Krisen gilt. Damit ließe sich die These rechtfertigen, dass eine Übereinkunftsstrategie für Profit-Organisationen und NonProfit-Organisationen nur in funktionalen Krisen einen hohen Wirkungsgrad erzielt. Da für diesen Fall jedoch keine signifikanten Daten vorliegen, kann darüber keine Aussage getroffen werden. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass ein signifikanter Unterschied zwischen Treatment- und Kontrollgruppe mit t(53) = 1,510; p ≤ 0,15 bei Non-ProfitOrganisationen in sozialen Krisen nur knapp verfehlt wird. Es kann daher vermutet werden, dass der Krisentyp der sozial-vermeidbaren Krise einen Einfluss darauf hat, ob die Strategie der Übereinkunft ihre Wirkung entfalten kann. Forschungstheoretische und methodische Implikationen aus dieser Erkenntnis werden in Kapitel 6.1 ausführlich diskutiert. 5.1.2 5.1.2.1
Aktive Kommunikation Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit
Die Strategie aktiver Krisenkommunikation ist, anders als die Strategie der Übereinkunft, keine rhetorische Botschaftsstrategie (was), sondern eine prozessuale bzw. formale situative Kommunikationsstrategie (wie). In einer Krise aktiv oder passiv zu informieren, ist ebenso wie die Wahl der rhetorischen Botschaft eine strategische Grundsatzentscheidung. Huang (2008) zeigt auf, dass wie reagiert wird unter bestimmten Krisenbedingungen eine stärkere Wirkung auf die Zuschreibung von Vertrauen zeigt als die Botschaftsstrategie selbst (vgl. ebd., S. 318). Die Frage nach dem Prozess (also ob aktiv oder inaktiv) ist in der
240
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Regel der Wahl der Botschaftsstrategie vorgelagert, denn rhetorische Botschaftsstrategien kommen überhaupt erst dann zum Einsatz, wenn aktive Krisenkommunikation stattfindet. Die Überprüfung der Wirkung aktiver Kommunikation erhält aus zwei Gründen Einzug in die empirische Analyse. Erstens wird aktiver Krisenkommunikation in der Fallstudienliteratur zur Krisenkommunikation eine positive Wirkung unterstellt. Die Annahmen dafür begründen sich jedoch fast vollständig aus allgemeinen Beobachtungen und weniger aus empirischen Befunden (vgl. Benson, 1988; Schmitt, 2004). Zweitens wird aktiver Kommunikation in Krisen umgekehrt entgegengebracht, eine negative Wirkung auf die Glaubwürdigkeit einer Organisation zu haben. Für die Kommunikationswissenschaft vermittelt inaktive oder passive Kommunikation den Eindruck von Gleichgültigkeit, Unkontrollierbarkeit der Situation oder dem bewussten Zurückhalten von Informationen (vgl. insb. J. Grunig, 1992 sowie Kapitel 3.4.1.2). Die vorliegende Untersuchung zur strategischen Grundsatzentscheidung aktiver Kommunikation soll daher zunächst einen grundsätzlichen Wirkungszusammenhang überprüfen und anschließend empirisch belegen, unter welchen Bedingungen sich eine Wirkung auf Vertrauenswürdigkeit entfaltet. Für die Wirkungsanalyse von aktiver Kommunikation wurde eine ANOVA mit aktiver Kommunikation als unabhängige Variable, Organisationstyp und Krisentyp als intervenierende Variablen sowie organisationale Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable durchgeführt. Aktive Kommunikation (n = 95) M SD Organisationale Vertrauens- 4,44 würdigkeit
1,38
Kontrollgruppe (n = 105) M SD 4,96
1,08
df
F
p
1, 192
7,452
≤ 0,01
Die Ergebnisse zeigen einen Haupteffekt mit F(1, 192) = 7,452; p ≤ 0,01. Der Vergleich der Mittelwerte legt offen, dass aktive Kommunikation mit MTG = 4,44 (SD = 1,38) im Vergleich zur Kontrollgruppe mit MKG = 4,96 (SD = 1,08) sich positiv auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt (kleinere Werte deuten auf eine höhere Vertrauenswürdigkeit hin). Die in Hypothese H1.2a aufgestellte Vermutung Die Strategie aktiver Kommunikation hat in vermeidbaren Krisen einen positiven Effekt auf Organisationale Vertrauenswürdigkeit kann entsprechend angenommen werden (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Damit bestätigen die Ergebnisse die Forschungsarbeiten von Huang (2008) die aufzeigen, dass die sofortige und aktive Krisenkommunikation zu einer größeren Wirkung bei der Vertrauensbildung gegenüber Organisationen führt. Die Wahl der rhetorischen Botschaftsstrategie entfaltet die größte Wirkung, wenn sie gleichermaßen aktiv und konsistent präsentiert wird (vgl. ebd., S. 320). Auch die Beobachtungen von Benson (1988) können bestätigt werden, der die Kommunikationsstrategien der Tylenol-Krise48 untersucht. Er kommt zu 48
Tylenol ist ein Medikament der Firma Johnson & Johnson. 1986 wurde dem Unternehmen vorgeworfen, dass eine 23-jährige an der Einnahme von Tylenol gestorben ist. Das Unternehmen sah sich veranlasst, das Medikament zurück zu rufen und sah sich einer immensen (negativen) Mediendebatte ausgesetzt.
5.1 Situative Krisenkommunikation
241
dem Ergebnis, dass die aktive Kommunikation von Johnson & Johnson dem Unternehmen einen Handlungsspielraum für ihr Krisenmanagement eingeräumt hat. Johnson&Johnson konnte anfangs jedoch nicht über die Krisenursachen kommunizieren, so dass sie sich bei der Kommunikation auf ihr Krisenmanagement konzentriert haben. Er unterscheidet damit zwischen aktiver Kommunikation über den Kriseninhalt (was) und dem Umgang mit der Krise (wie). Für Johnson&Johnson hat sich gezeigt, dass bereits aktive Kommunikation über den Umgang mit der Krise – insbesondere wenn keine gesicherten Informationen über die Krise selbst vorliegen – zu einer positiven Wahrnehmung des Unternehmens geführt haben. In der vorliegenden Arbeit wurde aktive Kommunikation nicht wie bei Huang zeitgleich mit einer rhetorischen Botschaftsstrategie oder wie bei Benson zeitgleich mit dem Krisenmanagement untersucht. Die Strategie wurde operationalisiert über die grundsätzlich aktive Kommunikation gegenüber Medienvertretern und Behörden. Entsprechend wurde die Wirkung der Strategie aktiver Kommunikation allgemein auf organisationale Vertrauenswürdigkeit gezeigt. Stellt man die Erkenntnisse in den Zusammenhang der Studien von Huang und Benson, so bedeutet dies, dass aktive Kommunikation auch bereits allgemein eine positive Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit hat – unabhängig davon, ob sie mit einer rhetorischen Botschaftsstrategie (Huang) oder der Kommunikation über das Krisenmanagement (Benson) kombiniert wird. In Kapitel 2.4.1 wurde der hohe Mediendruck und die Auswirkungen langsamer und inkonsistenter Kommunikation auf die Reputationskonstitution diskutiert. Aktive Kommunikation wird nunmehr zum probaten Mittel, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren und gleichzeitig der von der Krise betroffenen Organisation Spielraum für weitere strategische Entscheidungen einzuräumen. Aktive Kommunikation muss dabei nicht erst dann einsetzen, wenn vollständige Informationen über die Krise vorliegen. Wie gezeigt kann auch aktive Kommunikation über das Krisenmanagement helfen, zu einer positiven Wahrnehmung beizutragen, denn „organizations have the ability to emphasize an interpretation where the organization is viewed most favorably“ (Ulmer & Sellnow, 2000, S. 143). Die Strategie aktiver Kommunikation hat allerdings auch ihre Grenzen. So weist Coombs (1999b) deutlich darauf hin, dass „the more detailed information stakeholders received, the more they felt the organization could have prevented the crisis“ (ebd., S. 138). Eine Wirkung lässt sich sinnvoll also nur dann erzielen, wenn relevante Stakeholder nicht mit Informationen überflutet werden. Für aktive Kommunikation hat dies zur Konsequenz, dass das Maß an Informationen zur Wahrnehmung der Organisation gleichsam entscheidend ist. Ob und wenn ja zu viel Information die Wahrnehmung als vertrauenswürdiger Akteur schmälert bedarf jedoch der weiteren Untersuchung. Das Ergebnis, dass sich aktive Krisenkommunikation insgesamt positiv auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt, reiht sich zunächst in die bereits verfassten Studien aus dem Forschungsfeld ein. Dieses Ergebnis lässt sich jedoch noch weiter verfeinern, indem auch die Wirkung auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit gezeigt wird. Diese Detailanalyse ergänzt die bisherigen Erkenntnisse damit sinnvoll und gibt erstmals detailliert Auskunft darüber, für welche Reputationsdimension aktive Krisenkommunikation als Kommunikationsstrategie in Frage kommt.
242
5.1.2.2
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit
Um differenzierte Wirkungen aktiver Krisenkommunikation auch auf unterschiedliche Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit zu zeigen, wurden mehrere univariate Varianzanalysen mit aktiver Krisenkommunikation als unabhängiger Variable und allgemein funktionaler, krisenbezogener funktionaler, sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variablen durchgeführt. Die Ergebnisse legen offen, dass sich aktive Krisenkommunikation nicht auf die Zuschreibung allgemein funktionaler Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Dafür entfaltet sie eine Wirkung auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit. Treatment- und Kontrollgruppe unterscheiden sich mit F(1, 192) = 6,894; p ≤ 0,01 hoch signifikant voneinander. Der Vergleich der Mittelwerte weist zudem darauf hin, dass von der Treatmentgruppe mit MTG = 3,74 (SD = 1,22) eine höhere krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben wird als von der Kontrollgruppe mit MKG = 4,22 (SD = 1,26). Für soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit können mit F(1, 190) = 2,252; p > 0,10 bzw. F(1, 191) = 0,039; p > 0,10 keine Haupteffekte nachgewiesen werden – wenngleich der Effekt für soziale Vertrauenswürdigkeit (p = 0,15) nur knapp verfehlt wird. Sowohl für soziale als auch für emotionale Vertrauenswürdigkeit weisen die Mittelwerte darauf hin, dass die Strategie aktiver Kommunikation sich grundsätzlich positiv auf die zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit auswirkt (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Aktive Kommunikation M SD
Kontrollgruppe M SD
df
F
p
1,34
1, 192
0,036
n.s.
4,22
1,26
1, 192
6,894
≤ 0,01
1,05
4,47
1,00
1, 190
2,343
n.s.
1,33
4,93
1,53
1, 191
0,039
n.s.
(Allgemeine) Funktionale Vertrauens- 3,36 würdigkeit
1,40
3,32
(Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 3,74 enswürdigkeit
1,22
Soziale Vertrauens4,20 würdigkeit Emotionale Vertrau4,83 enswürdigkeit
Diese Ergebnisse lassen zwei Schlussfolgerungen zu. Erstens ist aktive Krisenkommunikation nicht relevant zur Signalisierung dreidimensionaler Vertrauenswürdigkeit und trägt damit nicht zur Konstitution dreidimensionaler Reputation bei. Jedoch ist sie zweitens ein Beleg krisenbezogener Kompetenz. Denn die Strategie zeigt nicht nur eine positive Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit allgemein (vgl. Kapitel 5.1.2.1). Vielmehr lässt sich auch ein Unterschied zwischen Treatment- und Kontrollgruppe dezidiert in Bezug auf funktionale Vertrauenswürdigkeit nachweisen. Bei der Operationalisierung funktionaler Vertrauenswürdigkeit wurde zwischen allgemeiner und krisenbezogener Vertrauenswür-
5.1 Situative Krisenkommunikation
243
digkeit unterschieden. Während allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit sich auf die funktionale Wahrnehmung der Organisation allgemein bezieht, reflektiert krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit, ob der Organisation in der Lösung der Krise Kompetenz zugesprochen wird und bezieht sich damit explizit auf funktionale Vertrauenswürdigkeitsindikatoren, die in Krisensituationen relevant sind (vgl. Kapitel 4.1.3.2). Die empirische Analyse in der Treatmentgruppe aktiver Krisenkommunikation legt offen, dass sich die Wirkung der Strategie auf funktionale Vertrauenswürdigkeit differenzieren lässt: Aktive Krisenkommunikation ist keine Strategie, die sich auf allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Vielmehr spielt sie eine Rolle bei der Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit in Bezug auf die Lösung und das Management der akuten Krisensituation. Bereits Huang (2008) vermutet bei der Untersuchung aktiver Krisenkommunikation: „[C]omparatively, active response has less predictive power as shown in this study. A possible explanation that factors in could be that active response should be further explicated in terms of attentiveness and responsiveness [...] because they embrace the breadth and complexity of [...] [the] discourse that publics engage in“ (ebd., S. 319).
Eben dieser Zusammenhang kann mit der vorliegenden Untersuchung hergestellt werden: Aktive Krisenkommunikation trägt nicht pauschal dazu bei, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. De facto wirkt sie sich auf keine der Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit signifikant aus, die zu einer ganzheitlichen Reputationskonstitution notwendig sind. Aktive Krisenkommunikation trägt jedoch durchaus dazu bei, als vertrauenswürdige Organisation wahrgenommen zu werden in Bezug auf ihre Kompetenz, die Krise zu managen. Der Grund dafür liegt darin, dass aktive Kommunikation bereits einen wesentlichen Teil von Krisenkompetenz ausmacht: „Crisis managers are encouraged to respond quickly, be consistent, and be open. A quick response is active;“ (Coombs, 1999b, S. 126). Denn „there is solid evidence from communication research in other areas to support the benefits of quickness [...]“ (ebd., S. 127). Das Konstrukt krisenbezogener funktionaler Vertrauenswürdigkeit wurde operationalisiert über die Frage nach der Kompetenz, die Krise zu managen, dem nötigen Wissen, die Krise zu managen und der Einschätzung strategisch guter Entscheidungen, um die Krise zu managen (vgl. Kapitel 4.1.3.2). Aktive Krisenkommunikation kann offensichtlich helfen, ebendiesen Kompetenzbeleg zu erbringen. Die Untersuchung aktiver Krisenkommunikation in Bezug auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit erbringt damit zusammenfassend neue Erkenntnisse in Bezug auf den Wirkungszusammenhang zwischen der Strategie und der Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit. Das Ergebnis ist damit eine wichtige Ergänzung bisheriger Forschungsarbeiten zur Wirkung aktiver Krisenkommunikation. Die Ergebnisse widersprechen grundsätzlich zwar nicht den Studien von Huang (2008), Coombs (1999) oder Benson (1988), die aktive Krisenkommunikation als Treiber der Reputationskonstitution allgemein identifizieren. Jedoch spezifizieren sie deren Erkenntnis deutlich: Aktive Krisenkommunikation trägt in erster Linie dazu bei, Stakeholdererwartungen in Bezug auf das Krisenmanagement zu erfüllen und nicht wie bislang angenommen in Bezug auf alle drei Dimensionen funktionaler, sozialer oder emotionaler Vertrauenswürdigkeit.
244
5.1.2.3
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps
Neben den Haupteffekten wurden in einem zweiten Schritt auch die Interaktionseffekte der Strategie untersucht. Die Varianzanalyse aus Kapitel 5.1.2.1 weist auf eine signifikante Interaktion des Organisationstyps mit F(1, 192) = 8,430; p ≤ 0,01 hin. Um diese 2-WegeInteraktion statistisch zu prüfen wurde eine weitere ANOVA innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt mit organisationaler Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable und den Organisationstyp als festen Faktor. ProfitOrganisation (n = 50) M SD
Non-ProfitOrganisation (n = 45) M SD
Organisationale Vertrauens- 3,95 1,34 5,00 würdigkeit Treatmentgruppe aktive Kommunikation
1,20
df
F
p
1, 93
16,178
≤ 0,01
Das Ergebnis zeigt, dass sich Profit- und Non-Profit-Organisationen mit F(1, 93) = 16,178; p < 0,01 hoch signifikant voneinander unterscheiden. Die in Hypothese H1.2b formulierte Vermutung Die Wirkung aktiver Krisenkommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp kann somit bestätigt werden. Die Mittelwerte MProfit-Organisation = 3,95 (SD = 1,34) vs. MNon-Profit-Organisation = 5,00 (SD = 1,20) legen offen, dass die Strategie sich für Non-Profit-Organisationen schlechter auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt als für Profit-Organisationen (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Das Ergebnis soll im Folgenden anhand von zwei zentralen Argumenten interpretiert werden: erstens mit der hohen Emotionalität des Stimulus und zweitens mit einem inhaltlichen Bias, den es zur Zeit der Erhebung zu berücksichtigen gilt. In der Operationalisierung der Krisensituation für die Non-Profit-Organisation wurde eine Krise gewählt, bei der ein Kinderhilfswerk entweder aufgrund persönlicher Bereicherung durch das Management (soziale Krise) oder aufgrund von handwerklichen Fehlern des Managements (funktionale Krise) Kindern in Not nicht mehr helfen konnte. Wie bereits in Kapitel 5.1.1.3 argumentiert, ist das besondere der Non-Profit-Organisation, dass ihr funktionaler Auftrag zwar ist, Kindern zu helfen, dieser Auftrag aber zugleich durch die Operationalisierung als Kinderhilfswerk auch einen hohen sozialen Charakter aufweist. Dies gilt es, bei der Interpretation des Ergebnisses mit in Betracht zu ziehen. Es scheint, dass die soziale Verfehlung (hier, Kindern nicht mehr helfen zu können) zu stark ins Gewicht fällt, als dass die NPO durch aktive Kommunikation verlorengegangenes Vertrauen wiedererlangen kann. Um dieses Argument zu prüfen, wurden zusätzliche ANOVA zwischen Treatment- und Kontrollgruppe separat für die Profit- und die Non-Profit-Organisation durchgeführt mit organisationaler Vertrauenswürdigkeit als unabhängige Variable.
5.1 Situative Krisenkommunikation
Aktive Kommunikation M SD
245
Kontrollgruppe M SD
Profit-Organisation Organisationale Vertrauenswür- 3,95 1,34 4,91 1,25 digkeit Non-Profit-Organisation Organisationale Vertrauenswür- 5,00 1,20 5,01 0,91 digkeit Treatment- und Kontrollgruppe aktive Kommunikation
df
F
p
1, 95
13,218
≤ 0,01
1, 97
0,020
n.s.
Aus diesem Vergleich wird deutlich, dass sich aktive Kommunikation für die NPO grundsätzlich immer schlecht auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Denn der Mittelwert der Treatment- und der Kontrollgruppe ist fast exakt bei beiden M = 5,00. Aktive Kommunikation zeigt damit de facto keinerlei Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit. Dies gilt nicht für die Profit-Organisation: Der Gruppenunterschied ist mit F(1, 95) = 13,218; p ≤ 0,01 hoch signifikant. Aktive Kommunikation ist eine signifikante Verbesserung (MTG = 3,95 vs. MKG = 4,91). Einen weiteren Hinweis darauf liefert der Vergleich der Organisationstypen in Bezug auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit. Die Analyse legt offen, dass ein Interaktionseffekt des Organisationstyps bei der Zuschreibung sozialer Vertrauenswürdigkeit auftritt. ProfitOrganisation (n = 50) M SD Soziale Vertrauens4,02 0,99 würdigkeit Treatmentgruppe aktive Kommunikation
Non-ProfitOrganisation (n = 45) M SD 4,40
1,10
df
F
p
1, 92
3,097
≤ 0,10
Die ANOVA innerhalb der Treatmentgruppe zeigt einen signifikanten Gruppenunterschied mit F(1, 92) = 3,097; p ≤ 0,10. Ebenso wie für organisationale Vertrauenswürdigkeit zeigt der Mittelwertvergleich, dass sich der Stimulus für Profit-Organisationen (M = 4,02; SD = 0,99) besser auswirkt als für Non-Profit-Organisationen (M = 4,40; SD = 1,10). Für die anderen Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit lässt sich kein signifikanter Gruppenunterschied feststellen. Damit lässt sich als Zwischenfazit festhalten: Aktive Kommunikation unterscheidet sich signifikant zwischen den untersuchten Organisationstypen. Für die untersuchte ProfitOrganisation zeigt die Strategie eine signifikant besser Wirkung als für die Non-ProfitOrganisation. Erklärt wurde dies mit der hohen Emotionalität des Themas, Kindern zu helfen. Gestützt wird die Argumentation durch die Post-Hoc-Analyse zwischen Treatmentund Kontrollgruppe getrennt nach Organisationstyp. Hier konnte gezeigt werden, dass akti-
246
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
ve Kommunikation überhaupt keine Wirkung für die NPO erzielt. Die Emotionalität des Themas scheint also zu überwiegen, so dass aktive Kommunikation keinerlei Wirkung entfalten kann. Das zweite Argument, was an dieser Stelle diskutiert werden muss, ist der Kindesmissbrauch in sozialen Einrichtungen (Schulen, Kirchen, Bildungseinrichtungen) zur Zeit der empirischen Erhebung (November bis Dezember 2009). Neben dem Missbrauch der Schülerinnen und Schüler war auch die zurückhaltende und verschleiernde Kommunikation betroffener Bildungseinrichtungen Teil der Mediendebatte. In der vorliegenden Untersuchung war zwar keine der betroffenen Organisationstypen Teil der Operationalisierung. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Spill-Over-Effekte (vgl. Kapitel 2.1.3.3) bei den Versuchspersonen stattgefunden haben. Das würde bedeuten, dass aktive Kommunikation von der NPO in einem höheren Maße erwartet wird, als es normalerweise der Fall ist. Um dieses Argument zu überprüfen, wurde ein Mittelwertvergleich zwischen der Profit- und der Non-Profit-Organisation durchgeführt in Bezug auf das Item „Ich erwarte von deinem Unternehmen/einer Non-Profit-Organisation, dass sie aktiv Presse und Behörden informiert“ [E_02_03]. Innerhalb der Treatment- und Kontrollgruppe aktiver Kommunikation kann mit t(196) = 0,688; p > 0,10 kein signifikanter Gruppenunterschied festgestellt werden. Jedoch über alle Treatment- und Kontrollgruppen (und damit in Bezug auf Profit- und Non-Profit-Organisationen allgemein) unterscheiden sich die Gruppen mit t(701) = 1,986; p ≤ 0,05 signifikant voneinander. Die Mittelwerte belegen, dass bei der Non-ProfitOrganisation dieser Aussage mit M = 2,27 (SD = 1,29) stärker zugestimmt wird, als für die Profit-Organisation (M = 2,46; SD = 1,34). Damit ist das Ergebnis zumindest ein Indiz dafür, dass von einer NPO aktive Kommunikation stärker erwartet wird, als von einer Profit-Organisation. Um die Stärke dieses Spill-Over-Effekts jedoch zu testen, müsste das Item zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal erhoben werden. Da diese Daten nicht vorliegen, dient das Ergebnis zumindest als ergänzende Einschätzung des oben diskutierten Ergebnisses. 5.1.2.4
Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps
Die Überprüfung der Interaktionseffekte weist darauf hin, dass sich die Wirkung aktiver Krisenkommunikation nicht signifikant zwischen den zwei untersuchten Krisentypen unterscheidet. Um dies zu überprüfen wurde eine ANOVA innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt mit organisationaler Vertrauenswürdigkeit als abhängiger Variable und dem Krisentyp als festen Faktor. Die Varianzanalyse bestätigt, dass aktive Krisenkommunikation sich nicht zwischen funktional- und sozial-vermeidbaren Krisen unterscheidet, denn ein zufriedenstellendes Signifikanzniveau wird nicht erreicht. Funktionalvermeidbare Krise (n=47) M SD
Sozialvermeidbare Krise (n=48) M SD
Organisationale Vertrauens- 4,27 1,49 4,61 würdigkeit Treatmentgruppe aktive Kommunikation
1,25
df
F
p
1, 93
1,487
n.s.
5.1 Situative Krisenkommunikation
247
Die Hypothese H1.2c Die Wirkung aktiver Krisenkommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp muss entsprechend verworfen werden (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Während sich die Wirkung der Strategie aktiver Kommunikation zwischen den Organisationstypen unterscheidet (vgl. Kapitel 5.1.2.3) gilt dies nicht für den Krisentyp. Das bedeutet, dass die in Kapitel 5.1.2.1 und Kapitel 5.1.2.2 aufgezeigten Wirkungszusammenhänge sowohl in funktional- als auch in sozial-vermeidbaren Krisen die gleiche Gültigkeit besitzen. Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps bezieht an dieser Stelle jedoch noch nicht die gleichzeitige Abhängigkeit vom Organisationstyp mit ein. Die Analyse einer solchen 3-Wege-Interaktion ist demnach eine sinnvolle Ergänzung des gezeigten Ergebnisses und wird in Kapitel 5.1.2.5 ergänzend vorgestellt. 5.1.2.5
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps
Die empirische Analyse aus Kapitel 5.1.2.1 deutet an, dass zwischen der Strategie aktiver Kommunikation, dem Organisations- und dem Krisentyp auch eine 3-Wege-Interaktion besteht. Diese Interaktion lässt sich im Vergleich der Krisentypen und im Vergleich der Organisationstypen diskutieren. Der Vergleich der Krisentypen Um die 3-Wege-Interaktion zu testen, wurde eine ANOVA jeweils in der Treatmentgruppe der funktionalen und der sozialen Krise zwischen der Profit- und der Non-ProfitOrganisation durchgeführt. Mit dem Ergebnis der beiden ANOVAs lässt sich einerseits eine Aussage darüber treffen, ob die 3-Wege-Interaktion für jeden der zwei untersuchten Krisentypen signifikant ist. Andererseits lässt der Vergleich der zwei F-Werte darauf schließen, in welcher der Krisentypen der Effekt stärker ist. Zunächst weisen die Mittelwerte darauf hin, dass der Effekt aus der 2-WegeInteraktion (der Stimulus wirkt sich auf Profit-Organisationen besser aus als auf NonProfit-Organisationen) sowohl für den funktionalen Krisentyp (MProfit-Organisation = 3,51 < MNon-Profit-Organisation = 5,21) als auch für den sozialen Krisentyp (MProfit-Organisation = 4,42 < MNon-Profit-Organisation = 4,81) gilt. Profit Organisation M SD Funktional-vermeidbare Krise Organisationale Vertrauens- 3,51 1,15 würdigkeit
Non-Profit Organisation M SD 5,21
1,32
df
F
p
1, 45
22,349
≤ 0,01
248
(Fortsetzung) Sozial-vermeidbare Krise Organisationale Vertrauens- 4,42 1,40 4,81 würdigkeit Treatmentgruppe aktive Kommunikation
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
1,07
1, 46
1,210
n.s.
Das Ergebnis der Varianzanalyse der 3-Wege-Interaktion differenziert diese Aussage und legt offen, dass in der funktional-vermeidbaren Krise der Gruppenunterschied zwischen Profit- und Non-Profit-Organisation mit F(1, 45) = 22,349; p ≤ 0,01 in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit hoch signifikant ist. Die Mittelwerte belegen, dass der Stimulus sich für Profit-Organisationen (M = 3,51; SD = 1,148) besser auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt als für Non-Profit-Organisationen (M = 5,21; SD = 1,324). In der sozial-vermeidbaren Krise verfehlt der Effekt mit F(1, 46) = 1,210; p > 0,10 hingegen das nötige Signifikanzniveau. Das bedeutet, dass in funktional-vermeidbaren Krisen die Strategie aktiver Kommunikation für Profit-Organisationen eine bessere Wirkung erzielt, als für Non-Profit-Organisationen. Eine Aussage analog für sozial-vermeidbare Krisen lässt sich nicht nachweisen. Das Ergebnis muss vor dem Hintergrund der bereits untersuchten Wirkungszusammenhänge diskutiert werden. Es wurde gezeigt, dass aktive Krisenkommunikation sich in der Detailanalyse positiv vor allem auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt (vgl. Kapitel 5.1.2.2). Aus dieser Erkenntnis heraus wurde argumentiert, dass aktive Krisenkommunikation nicht in erster Linie dazu dient, Vertrauenswürdigkeit allgemein zu signalisieren, sondern um zu zeigen, dass man in der Lage ist, die Krise zu managen. Auffallend ist hier nun, dass die Strategie bei Non-Profit-Organisationen eine deutlich schlechtere Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit hat, als bei Profit-Organisationen. Erklärt werden kann dies – ähnlich wie in Kapitel 5.1.1.3 – mit dem doppelten Auftrag einer Non-Profit-Organisation: Ihr funktionaler Auftrag (hier als Kinderhilfswerk) ist gleichzeitig ein sozialer Auftrag (hier Kindern zu helfen) mit einer hohen Moral. In der funktionalen Krise wird also auch der soziale Auftrag in Frage gestellt. Entsprechend kann aktive Kommunikation zwar grundsätzlich helfen, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren (vgl. Kapitel 5.1.2.1) – jedoch in deutlich begrenztem Maße: Im direkten Vergleich zur Profit-Organisation wird nämlich deutlich, dass der soziale Auftrag scheinbar zu schwer wiegt, als dass aktive Kommunikation dazu beitragen kann, die verlorengegangene Vertrauenswürdigkeit der NPO wiederherzustellen. Darüber hinaus lässt sich das Ergebnis auch vor dem Hintergrund dessen interpretieren, was in Kapitel 3.4.4 dargestellt wurde: Non-Profit-Organisationen beschäftigen sich bislang kaum mit professionellem Krisenmanagement (vgl. Drucker, 2006). Von ihnen wird daher stärker als von Profit-Organisationen erwartet, dass sie ihren funktionalen Auftrag – im funktionalen wie im sozialen Sinne – erfüllen. In einer Krise wird sowohl ihr funktionaler wie auch ihr sozialer Auftrag nicht mehr erfüllt. Aktive Krisenkommunikation, so wurde gezeigt, hat ihre größte Wirkung jedoch auf (krisenbezogene) funktionale Vertrauenswürdigkeit und verfehlt damit seine Wirkung, auch eine soziale Verfehlung abzufedern.
5.1 Situative Krisenkommunikation
249
Der Vergleich der Organisationstypen Ebenso wie ein Vergleich der Krisentypen lässt sich eine 3-Wege-Interaktion auch im Hinblick auf die Organisationstypen interpretieren. So weisen die Mittelwerte zunächst darauf hin, dass der Stimulus aktiver Kommunikation für Profit-Organisationen in funktionalen Krisen (M = 3,51; SD = 1,15) mit Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit erfolgreicher ist als in sozialen Krisen (M = 4,42; SD = 1,40). Hingegen zeigt für Non-ProfitOrganisationen der Effekt in sozialen Krisen (M = 4,81; SD = 1,07) eine positivere Wirkung als in funktionalen Krisen (M = 5,21; SD = 1,32). Um dies zu prüfen wurde eine ANOVA in der Treatmentgruppe und jeweils nur der Profit- bzw. Non-Profit-Organisationen durchgeführt. Als abhängige Variable wurde organisationale Vertrauenswürdigkeit gewählt, als fester Faktor der Krisentyp. Funktionalvermeidbare Krise M SD Profit-Organisation Organisationale Vertrauens- 3,51 würdigkeit Soziale Vertrau3,69 enswürdigkeit Non-Profit-Organisation Organisationale Vertrauens- 5,21 würdigkeit
Sozialvermeidbare Krise M SD
df
F
p
1,15
4,42
1,40
1, 48
6,327
≤ 0,05
0,84
4,38
1,02
1, 48
6,802
≤ 0,05
1,32
4,81
1,07
1, 43
1,263
n.s.
1,08
1, 42
4,518
≤ 0,05
Soziale Vertrau4,77 1,00 4,09 enswürdigkeit Treatmentgruppe aktive Kommunikation
Das Ergebnis der ANOVA zeigt für die Profit-Organisation einen signifikanten Gruppenunterschied mit F(1, 48) = 6,327; p ≤ 0,05 zwischen den Krisentypen. Für die Non-ProfitOrganisationen wurde mit F(1, 43) = 1,263; p > 0,10 das notwendige Signifikanzniveau nicht erreicht. Das Ergebnis der Analyse belegt damit, dass sich die Strategie aktiver Kommunikation für Profit-Organisationen in funktionalen Krisen positiver auswirkt als in sozialen Krisen. Die Aussage lässt sich analog für Non-Profit-Organisationen nicht nachweisen. Das Ergebnis unterstreicht noch einmal die Aussage aus Kapitel 5.1.2.2: Aktive Krisenkommunikation ist eine Strategie, mit der Vertrauenswürdigkeit in Bezug auf das Krisenmanagement belegt werden kann. In funktionalen Krisen haben Profit-Organisationen es verfehlt, ihren funktionalen Auftrag zu erfüllen. In sozialen Krisen spielen hingegen moralisch-gesellschaftliche Aspekte viel stärker eine Rolle. Weiter oben wurde bereits für NonProfit-Organisationen gezeigt, dass sobald moralische Komponenten in der Krise eine Rolle
250
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
spielen, aktive Kommunikation als Strategie an Wert verliert. Ebendies scheint auch für Profit-Organisationen zu gelten, denn die Strategie aktiver Kommunikation entfaltet im direkten Vergleich in sozialen Krisen eine deutlich schlechtere Wirkung als in der funktionalen Krise. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt in einem nächsten Schritt auch die Analyse in Bezug auf die soziale Vertrauenswürdigkeit. Profit-Organisationen werden in der funktional-vermeidbaren Krise (M = 3,69; SD = 0,84) mit F(1, 48) = 6,802; p ≤ 0,05 positiver wahrgenommen, als in der sozial-vermeidbaren Krise (M = 4,38; SD = 1,02). Für NonProfit-Organisationen ist es hingegen genau umgekehrt: Sie werden in der sozialvermeidbaren Krise (M = 4,09; SD = 1,08) mit F(1, 42) = 4,518 p ≤ 0,05 positiver wahrgenommen als in der funktional-vermeidbaren Krise (M = 4,77; SD = 1,00). Dies gilt es, zu explizieren. Das Ergebnis ist zunächst unerwartet, denn aktive Krisenkommunikation hat bislang nur in Bezug auf organisationale und auf (krisenbezogene) funktionale Vertrauenswürdigkeit eine Wirkung gezeigt. Interessant ist dabei vor allem, dass sich aktive Krisenkommunikation für die Profit-Organisation in der funktionalen Krise und für die Non-ProfitOrganisation in der sozialen Krise besser auf soziale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Erklärt werden kann dies mit den Erkenntnissen aus Kapitel 5.1.2.2: Aktive Krisenkommunikation ist ein Treiber für krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit. ProfitOrganisationen folgen primär einem rein funktionalen Auftrag, Non-Profit-Organisationen gleichzeitig einem funktionalen und einem moralischen. D.h. soziale Vertrauenswürdigkeit spiegelt für die NPO zu einem gewissen Teil auch ihren Kernauftrag wider. Gerät sie in eine soziale Krise, kann dies als Vertrauensverlust in ihrem (eigentlich funktionalen) Kernauftrag gedeutet werden. Aktive Krisenkommunikation – als Strategie, die belegt, die Krise managen zu können – entfaltet entsprechend in der sozialen Krise für die NPO die bessere Wirkung. Für die Profit-Organisation ist eine soziale Krise hingegen eine Krise deutlich außerhalb ihres funktionalen Auftrags. Bereits weiter oben wurde gezeigt, dass aktive Krisenkommunikation dann keine positive Wirkung entfalten kann. 5.1.2.6
Qualifizierung
Auch die Strategie aktiver Kommunikation gilt es, abschließend zu qualifizieren. Hierfür wurde ein Gruppenvergleich zwischen Treatment- und Kontrollgruppe auf die zwei Qualifizierungs-Items durchgeführt (vgl. hierzu Kapitel 5.1.1.6). Die Ergebnisse zeigen, dass sich in funktionalen Krisen für Profit-Organisationen und in sozialen Krisen für Profit- und Non-Profit-Organisationen Treatment- und Kontrollgruppe signifikant voneinander unterscheiden. Die Mittelwerte weisen darauf hin, dass sich die Strategie aktiver Kommunikation positiv auswirkt auf die Einschätzung, ob es der Organisation darum geht, die Krise zu lösen (vgl. hierzu auch Kapitel 5.1.2.1 und 5.1.2.2). Lediglich für die Gruppe der NonProfit-Organisationen ist in funktionalen Krisen aktive Kommunikation kein Indiz dafür, dass eine Lösung der Krise herbeigeführt werden soll. Diese Aussage gilt es, dem zweiten Test-Item gegenüberzustellen.
5.1 Situative Krisenkommunikation
MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit2,31 Organisation Non-ProfitOrganisation
3,62
Sozial-vermeidbare Krise Profit3,25 Organisation
251
MKG
df
t
p
3,40
44
2,718
≤ 0,01
3,77
45
0,302
n.s.
4,29
50
2,485
≤ 0,05
Non-Profit3,33 4,03 52 1,805 ≤ 0,10 Organisation Test-Item [BAV_03_07]: „Der Organisation geht es darum, die Krise zu lösen.“ Der Gruppenvergleich belegt, dass sich in funktionalen Krisen sowohl bei den Profit- als auch bei den Non-Profit-Organisationen Treatment- und Kontrollgruppe signifikant voneinander unterscheiden. In sozialen Krisen gilt dies nur für die Gruppe der ProfitOrganisationen. Die Mittelwerte zeigen zudem, dass in allen drei Fällen aktive Krisenkommunikation wahrgenommen wird als eine Strategie, einen guten Eindruck zu hinterlassen. MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit2,65 Organisation Non-ProfitOrganisation
3,00
Sozial-vermeidbare Krise Profit2,71 Organisation
MKG
df
t
p
3,57
45
1,891
≤ 0,10
4,12
45
2,361
≤ 0,05
4,29
50
3,919
≤ 0,01
Non-Profit2,67 3,00 52 0,839 n.s. Organisation Test-Item [BAV_03_08]: „Der Organisation geht es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen.“ Aus den gezeigten Ergebnissen lassen sich damit zwei Aussagen ableiten. Erstens wird aktive Kommunikation als Lösungsintention wahrgenommen. Dies korrespondiert mit den Ergebnissen aus Kapitel 5.1.2.2, bei der sich die Treatment- und Kontrollgruppe in Bezug auf die krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit signifikant voneinander unterscheiden. Mit jenen Ergebnissen und denen aus der vorliegenden Qualifizierung kann damit
252
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
zusammenfassend die These formuliert werden, dass aktive Krisenkommunikation keine Strategie ist, Vertrauenswürdigkeit allgemein zu signalisieren. Vielmehr ist sie ein Kompetenzbeleg und damit eine wichtige Strategie, funktionale Vertrauenswürdigkeit und Lösungskompetenz zu zeigen. Zweitens wird aktive Kommunikation aber auch wahrgenommen als eine Strategie, die darauf abzielt, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dies gilt insbesondere für ProfitOrganisationen (bei Non-Profit-Organisationen gilt dies nur in funktionalen Krisen). Damit relativieren die Ergebnisse aus der vorliegenden empirischen Analyse bisherige Forschungsarbeiten zu aktiver Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 3.4.1.2). Zum einen, weil erstmals durch das differenzierte Aufzeigen der Wirkung aktive Krisenkommunikation klar einer einzelnen Wirkungsdimension zugewiesen werden kann (siehe oben). Zum anderen, weil die Strategie – anders als die Strategie der Übereinkunft – in drei der vier Szenarien als Strategie enttarnt wird, die in erster Linie dafür eingesetzt wird, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Diese zwei Schlussfolgerungen haben zwei Konsequenzen für das kommunikative Krisenmanagement: Aktive Kommunikation kann einerseits dazu eingesetzt werden, Krisenkompetenz zu belegen und damit die funktionale Vertrauenswürdigkeit in Bezug auf das Krisenmanagement zu stärken. Für den Erhalt von Reputation als Konstrukt mit einer funktionalen, sozialen und emotionalen Dimension ist sie, dies zeigen die Ergebnisse aus Kapitel 5.1.2.2 deutlich, nicht geeignet. Zum anderen bedeutet die Tatsache, dass die Strategie enttarnt wird vice versa gleichsam nicht, dass sie als Krisenkommunikationsstrategie grundsätzlich nicht in Frage kommt. Vielmehr zeigen die Ergebnisse, dass aktive Krisenkommunikation in erster Linie eine Interimsstrategie zu sein scheint. Sie kann dazu genutzt werden, kurzfristig Krisenkompetenz zu signalisieren, um diese dann durch rhetorische Botschaftsstrategien (wie z.B. durch die Strategie der Übereinkunft) zu ergänzen und so einen Beitrag zur Sinnkonstitution (vgl. Kapitel 3.3.2.3) zu leisten. 5.1.3
Zusammenfassung
Bis hierher wurde die Wirkung situativer Krisenkommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit untersucht. Für die empirische Analyse wurden aus dem Literaturstand die Strategie der Übereinkunft und aktive Kommunikation als zu untersuchende Strategien identifiziert. Teil der anschließenden Analyse war neben dem allgemeinen Wirkungszusammenhang auch das Testen des Stimulus in Bezug auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit. Darüber hinaus wurde untersucht, ob sich für den Organisationsoder den Krisentyp ein signifikanter Interaktionseffekt nachweisen lässt. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle noch einmal zusammenfassend dargestellt.
5.1 Situative Krisenkommunikation
253
Haupteffekt
Interaktionseffekt
n.s.
-
Organisationstyp (H1.1b)
-
n.s.
Krisentyp (H1.1c)
-
n.s.
Strategie der Übereinkunft Organisationale Vertrauenswürdigkeit (H1.1a)
Strategie aktiver Krisenkommunikation Organisationale Vertrau∗∗∗ enswürdigkeit (H1.2a)
-
Organisationstyp (H1.2b)
-
∗∗∗
Krisentyp (H1.2c)
-
n.s.
∗ p ≤ 0,10; ∗∗ p ≤ 0,05; ∗∗∗ p ≤ 0,01; n.s. nicht signifikant Für die Strategie der Übereinkunft hat sich gezeigt, dass sie weder eine Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit hat, noch dass der Organisations- oder Krisentyp einen Interaktionseffekt zeigen. Das Ergebnis widerspricht damit zunächst den Ergebnissen vor allem amerikanischer Studien, die einen direkten Wirkungszusammenhang nachweisen. Aus der Diskussion des Literaturstandes ließ sich systematisch entwickeln, dass Wirkungszusammenhänge nicht losgelöst von kulturabhängigen Faktoren aufgezeigt werden können und in der empirischen Forschung unbedingt Berücksichtigung finden sollten (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 6.1.1). Die Untersuchung aktiver Krisenkommunikation hat einen differenzierten Nachweis des Wirkungszusammenhangs zwischen der Strategie und zugeschriebener Vertrauenswürdigkeit hervorgebracht. So konnte erstens gezeigt werden, dass sich aktive Kommunikation nicht wie bislang vermutet allgemein auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Vielmehr ist sie eine Strategie, die dazu eingesetzt werden kann, Krisenkompetenz zu belegen. Eine Strategie, um pauschal Vertrauenswürdigkeit zu erhalten, ist sie hingegen ausdrücklich nicht. Zweitens zeigt der Organisationstyp einen signifikanten Interaktionseffekt. Die Strategie wirkt sich für die Non-Profit-Organisation signifikant schlechter aus, als für die Profit-Organisation. Daraus lässt sich einerseits ableiten, dass Wirkungsmechanismen von Krisenkommunikationsstrategien die für ein Unternehmen anwendbar sind nicht die gleiche Wirkung entfalten wie für eine NPO. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass NPO sich in Bezug auf die Wirkung von Kommunikationsstrategien mit einem zweifachen funktionalen Auftrag auseinandersetzen müssen. Ihr Auftrag hat neben einem funktionalen zugleich auch einen sozialen Charakter mit entsprechender Auswirkung auf die Wirkungszusammenhänge zwischen Kommunikationsstrategie und zugeschriebener Vertrauenswür-
254
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
digkeit. Für den Krisentyp konnte kein signifikanter Interaktionseffekt nachgewiesen werden. Neue Erkenntnisse hat abschließend auch die Qualifizierung der zwei Strategien gebracht, denn aktive Krisenkommunikation wird vor allem erkannt als eine Strategie, die dazu dient die Situation zu beschönigen. Dies gilt für die Profit-Organisation in der sozialen Krise ebenso wie für die untersuchte Strategie der Übereinkunft. Neben der inhaltlichen Interpretation hat die Ergänzung der Analyse um zwei qualifizierende Items vor allem gezeigt, dass diese eine sinnvolle Vervollständigung der empirischen Analyse sind. Sie ermöglichen es, die untersuchten Strategien noch einmal in den Gesamtzusammenhang der Krisensituation zu betten und ihren Wirkungsgrad – zumindest in Ansätzen – zu qualifizieren. Zusammenfassend hat die Analyse der situativen Krisenkommunikation nicht die vermutete Wirkung der untersuchten rhetorischen Botschaftsstrategie gezeigt. Dies bedeutet gleichsam nicht, dass rhetorische Botschaftsstrategien für die Krisenkommunikation irrelevant sind. Im Gegenteil hat die Untersuchung offengelegt, wie wichtig der Kulturkontext für die Wahrnehmung rhetorischer Botschaftsstrategien ist. Für das entwickelte integrative Modell der Krisenkommunikation gilt es fortan, weitere Botschaftsstrategien in die Wirkungsanalyse mit einzubeziehen. Für die Strategie aktiver Krisenkommunikation konnten hingegen differenzierte Wirkungsmechanismen gezeigt werden und auch ein Interaktionseffekt des Organisationstyps. Dies schmälert zwar nicht die Relevanz aktiver Kommunikation, zeigt ihr jedoch klare Grenzen in Bezug auf die vermutete Wirkung zugeschriebener Vertrauenswürdigkeit auf. Damit ist die Beschreibung der Ergebnisse situativer Krisenkommunikation abgeschlossen und es gilt, sich der zweiten Ebene des Modells integrativer Krisenkommunikation zu widmen. 5.2
Integrierte Krisenkommunikation
Die zweite Ebene des entwickelten Krisenkommunikationsmodells setzt sich mit integrierter Krisenkommunikation auseinander. Für die empirische Analyse wurden hierfür zwei Aspekte integrierter Kommunikation gewählt: kommunikative Integrität sowie der Beleg von Krisenkompetenz. Bei der Strategie kommunikativer Integrität wird die Wirkung inhaltlicher Übereinstimmung von Kommunikation und Handlung untersucht. Mangelnde Integrität, so die Vermutung, führt zum (partiellen) Vertrauensverlust. Dies gilt es, für vermeidbare Krisen zu untersuchen. Die zweite Strategie, der Beleg der Krisenkompetenz, soll als Detailanalyse organisationalen Handelns in Krisensituationen verstanden werden. Im Postulat integrierter Krisenkommunikation wird gefordert, dass Krisenkommunikation eine unterstützende Funktion für das Krisenmanagement einnimmt. Krisenkommunikation kann sich einerseits beziehen auf inhaltliche Aspekte (was ist passiert) und andererseits auf methodische Aspekte (wie wird gehandelt). Da die Organisationskommunikation in Krisen nicht losgelöst von organisationalem Handeln untersucht werden kann, wird der Beleg von Krisenkompetenz, und damit ein methodischer Aspekt des Krisenmanagements, in die Wirkungsanalyse mit einbezogen. Dies dient insbesondere dem vertiefenden Verständnis einer inhaltlichen Ausgestaltung kommunikativer Botschaften in Krisen. Der Literaturstand zeigt, dass sowohl kommunikative Integrität als auch der Beleg von Krisenkompetenz in untersuchten Krisenfällen selten vorkommt (vgl. Kapitel 3.4.2.2). Die
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
255
Pretests der vorliegenden Studie bestätigen dies: Bei der Validitätsprüfung der verwendeten Krisenszenarien durch den Schweizer Verband für Krisenkommunikation wurde eine positive Formulierung der Szenarien als unrealistisch bewertet. Aus diesem Grund wurden in den Hypothesen kommunikative Disintegrität sowie der mangelnde Beleg von Krisenkompetenz als Strategien formuliert. Während die Hypothesen H1.1/H1.2 und H3.1/H3.2 also eine positive Wirkung der Strategien unterstellen, vermuten die Hypothesen H2.1/H2.2 einen negativen Zusammenhang zwischen dem Stimulus und organisationaler Vertrauenswürdigkeit. Entsprechend weisen hohe Mittelwerte auf eine geringe Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit hin und niedrige Mittelwerte auf eine hohe Zuschreibung. 5.2.1 5.2.1.1
Kommunikative Disintegrität Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit
Kommunikative Disintegrität wurde operationalisiert über einen Stimulus, bei dem die zu untersuchenden Organisationen sich in Bezug auf Kommunikation und Management widersprochen haben. In der Operationalisierung wurde kommunikative Disintegrität eingeleitet mit der Zwischenüberschrift „Das Unternehmen/Das Kinderhilfswerk verstrickt sich in Widersprüche“. Bei der Profit-Organisation kommuniziert der Aluminiumhersteller, dass die fehlerhafte Maschineneinstellung (funktional-vermeidbare Krise) bzw. die Einstellungspraxis (sozial-vermeidbare Krise) sofort behoben wurde. Bei der Non-ProfitOrganisation kommuniziert das Kinderhilfswerk, alle laufenden Projekte (funktionalvermeidbare Krise) bzw. Werbeanzeigen (sozial-vermeidbare Krise) sofort gestoppt zu haben. In allen Fällen wird jedoch durch den Journalisten des Artikels offengelegt, dass die kommunizierten Fakten dem tatsächlichen Handeln nicht entsprechen. Um die Wirkung kommunikativer Disintegrität zu testen wurde eine ANOVA mit den dargestellten Stimuli als unabhängige Variable, organisationale Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable und Organisationstyp sowie Krisentyp als intervenierende Variable durchgeführt. Kommunikative Disintegrität (n = 109) M SD Organisationale Vertrauens- 5,28 würdigkeit
1,08
Kontrollgruppe (n = 105) M SD 4,96
1,08
df
F
p
1, 206
5,372
≤ 0,05
Die Ergebnisse zeigen einen Haupteffekt des Stimulus mit F(1, 206) = 5,372; p ≤ 0,05. Die Analyse der Mittelwerte zeigt, dass der Mittelwert in der Treatmentgruppe mit MTG = 5,28 (SD = 1,08) gegenüber der Kontrollgruppe mit MKG = 4,96 (SD = 1,08) deutlich höher ist. Demnach hat kommunikative Disintegrität eine negative Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit, so dass die Hypothese H2.1a kommunikative Disintegrität wirkt sich in vermeidbaren Krisen negativ auf organisationale Vertrauenswürdigkeit aus bestätigt werden kann (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4).
256
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Das Ergebnis steht im Einklang mit den Aussagen der Theorie öffentlichen Vertrauens nach Bentele (1994b). Wenngleich hier nur eine der Diskrepanzen überprüft wurde (Kommunikation vs. tatsächlichem Handeln), so wirkt sich diese jedoch deutlich negativ auf organisationale Vertrauenswürdigkeit aus. Die untersuchten Organisationen schaffen es nicht, ihr Krisenmanagement in ehrliche Kommunikationsbotschaften zu übersetzen. Ein Widerspruch, der von den Versuchspersonen erkannt wird: Die Kontrollgruppe, die keine Information über einen möglichen Widerspruch hatte, weist den zwei Organisationen eine höhere organisationale Vertrauenswürdigkeit zu als die Stimulusgruppe mit dem kommunikativen Widerspruch. Damit liefert das Ergebnis zumindest teilweise eine Antwort auf die Frage, welche Faktoren das Ausmaß des Verlustes an öffentlichem Vertrauen maßgeblich bestimmen (vgl. ebd., S. 149): In Krisensituationen wirkt sich kommunikative Disintegrität signifikant negativ auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit aus. Folgt man der Argumentation aus Kapitel 2.4, kann dies langfristig zum Reputationsverlust führen und den Aufbau von Vertrauen verhindern. Das Ergebnis erweitert zugleich auch die Erkenntnis von Simons (2002). Er hatte auf der Individualebene gezeigt, dass Manager in Bezug auf ihre Verhaltensintegrität durch Stakeholder bewertet werden. Ein Widerspruch zwischen den Worten und Taten führt so zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust. Ebendies zeigt die vorliegende Untersuchung nun auch für Organisationen als Ganzes. Wenngleich Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit hier konzeptionell getrennt werden (vgl. Kapitel 2.4) so trifft dennoch die Aussage zu, dass kommunikative Diskrepanz die Bildung von Vertrauen bereits grundsätzlich verhindert. In der Stimulusgruppe fällt die Zuschreibung bereits von organisationaler Vertrauenswürdigkeit signifikant schlechter aus als in der Kontrollgruppe. Folgt man der Argumentation in Kapitel 2.4, so trägt dies auch negativ zur Reputations- und Vertrauenskonstitution bei. Kommunikative Disintegrität kann das Entstehen von Vertrauen verhindern, da es sich negativ auf den Vertrauensprozess auswirkt. Ziel kommunikativer Integration in Krisen ist die gemeinsame Situationsdeutung und Handlungsinterpretation zwischen Organisation und Akteur „d.h. es sollen Mißverständnisse beseitigt und eine kognitive Übereinstimmung zwischen den Beteiligten hergestellt werden“ (Zerfaß, 2004, S. 134). Eine Pluralität der Deutungsmuster verhindert jedoch, dass Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben werden kann, die wiederum Voraussetzung zur Vertrauensbildung ist. Damit ist kommunikative Disintegrität eine zu vermeidende Bedingung für die anderen in dieser Arbeit diskutierten Kommunikationsstrategien. Denn wenn sie nicht vorausgesetzt werden kann ist es unerheblich, welche rhetorische Botschaftsstrategie z.B. gewählt wird, um Inhalte zu vermitteln. Denn jede Botschaft verliert ihre Wirkung zur Signalisierung von Vertrauenswürdigkeit, wenn sie im Pluralismus der Botschaften (hier zwischen Kommunikation und Management) nicht kohärent ist. Ähnliches ist zu vermuten auch auf den anderen in der Theorie öffentlichen Vertrauens diskutierten Diskrepanzen (z.B. zwischen Botschaften über die Zeit oder zwischen Botschaften verschiedener Akteure der gleichen Organisation). Die zentrale Rolle integrierter Krisenkommunikation wird deutlich, zieht man die Detailanalysen in Bezug auf die Wirkung von Vertrauenswürdigkeit im Folgenden hinzu.
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
5.2.1.2
257
Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit
Für weitere Detailanalysen wurden weitere ANOVAs mit funktionaler (allgemeine Kompetenz), funktionaler (Krisenkompetenz), sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit zwischen der Treatmentgruppe und der Kontrollgruppe durchgeführt. Kommunikative Disintegrität Kontrollgruppe M SD M SD
df
F
p
1,34
1, 205
0,006
n.s.
4,22
1,26
1, 206
12,627
≤ 0,01
1,05
4,47
1,00
1, 204
3,586
≤ 0,10
1,24
4,93
1,53
1, 204
5,891
≤ 0,05
(Allgemeine) Funktionale Vertrauens- 3,37 würdigkeit
1,22
3,32
(Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 4,74 enswürdigkeit
1,04
Soziale Vertrauens4,70 würdigkeit Emotionale Vertrau5,34 enswürdigkeit
Für funktionale Vertrauenswürdigkeit (allgemeine Kompetenz) ließ sich mit F(1, 205) = 0,006; p > 0,10 kein signifikanter Haupteffekt zeigen. Das Ergebnis zeigt, dass sich kommunikative Integrität also nicht auf allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Für funktionale Vertrauenswürdigkeit jedoch, die sich auf die Krisenkompetenz bezieht, ließ sich mit F(1, 206) = 12,627; p ≤ 0,01 ein hoch signifikanter Haupteffekt zeigen. Das bedeutet, dass kommunikative Disintegrität eine Wirkung auf die wahrgenommene krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit hat. Der Vergleich der Mittelwerte belegt, dass die Treatmentgruppe mit MTG = 4,74 (SD = 1,04) gegenüber der Kontrollgruppe mit MKG = 4,22 (SD = 1,26) die Organisationen für weniger vertrauenswürdig einschätzt. Der Stimulus kommunikativer Disintegrität wirkt sich also negativ auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit aus. Auch für soziale Vertrauenswürdigkeit konnte mit F(1, 204) = 3,586; p ≤ 0,10 ein signifikanter Haupteffekt gezeigt werden. Mit MTG = 4,70 (SD = 1,05) gegenüber der Kontrollgruppe mit MKG = 4,47 (SD = 1,00) weisen die Mittelwerte darauf hin, dass der Stimulus sich negativ auf die Zuschreibung sozialer Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Schließlich zeigt kommunikative Disintegrität auch eine signifikante Wirkung auf emotionale Vertrauenswürdigkeit (F(1, 204) = 5,891; p ≤ 0,05). Mit M TG = 5,34 (SD = 1,24) gegenüber der Kontrollgruppe mit MKG = 4,93 (SD = 1,53) wird belegt, dass der Stimulus sich negativ auf die Zuschreibung emotionaler Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Die Analyse kommunikativer Disintegrität zeigt damit deutlich, dass der Stimulus auf fast allen Ebenen von Vertrauenswürdigkeit eine negative Wirkung entfaltet (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Während sich beispielsweise für die Strategie aktiver Kommunikation (Kapitel 5.1.2) nur für funktionale Vertrauens-
258
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
würdigkeit ein positiver Effekt zeigen ließ, so ist die Wirkung kommunikativer Disintegrität deutlich mehrdimensional: Der Stimulus ist bedeutsam für die Zuschreibung (krisenbezogener) funktionaler, sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit. Für Organisationen nimmt die Übereinstimmung von Kommunikation und Handlung also eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Wahrnehmung als vertrauenswürdiger Akteur. Das Ergebnis bestätigt die Vermutungen aus der Theorie öffentlichen Vertrauens damit auch für Krisensituationen (vgl. Kapitel 2.3.2.2 und Kapitel 3.4.2.1). In der empirischen Analyse wurde eine Diskrepanz zwischen den verbalen Aussagen des Unternehmens bzw. des Kinderhilfswerks und der jeweiligen Handlung in der Krise operationalisiert. Bentele fragt in dem Zusammenhang: „Welche Faktoren bestimmen das Ausmaß und die Veränderung öffentlichen Vertrauens?“ (vgl. ebd., 1994, S. 149). Für das Ausmaß der Zuschreibung öffentlicher Vertrauenswürdigkeit unter Krisenbedingungen kann diese Frage damit klar beantwortet werden: Kommunikative Disintegrität wirkt sich auf nahezu alle Ebenen der Reputationskonstitution aus. Die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit ist signifikant geringer in der Treatmentgruppe in Bezug auf (krisenbezogene) funktionale, soziale und auch emotionale Vertrauenswürdigkeit. Für Krisenmanager hat diese Erkenntnis besondere Relevanz. Durch die Wirkung kommunikativer Disintegrität auf allen drei Ebenen von Vertrauenswürdigkeit ist davon auszugehen, dass auch Reputation auf allen drei Ebenen verloren geht. Ist also das Ziel, Reputation nachhaltig zu schützen indem Vertrauenswürdigkeit kurzfristig signalisiert wird, geht dies ausschließlich, wenn Handeln und Kommunikation übereinstimmen: „An organisation in a crisis must practise what it preaches. If communication does not reflect managerial behaviour, a huge amount of trustworthiness may be lost immediately. Generally speaking, if communications do not reflect an organisation’s actions, it becomes a reputational threat itself“ (Thießen, 2009, S. 229).
Die Ergebnisse sind damit ein Plädoyer für Integrität in der Krisenkommunikation. Die Gewichtigkeit kommunikativer Integrität kommt unter den Bedingungen der Mediengesellschaft dabei besonders zur Geltung. Denn die Erfahrung zeigt, dass Informationen über Ereignisse (hier die Krise) nicht unbedingt mit dem Ereignis selbst übereinstimmen müssen. Dennoch wird an die Teilnehmer der Mediengesellschaft ein hoher Objektivitätsanspruch gestellt. Dies gilt auch für die in der Krise mit der Öffentlichkeit kommunizierende Organisation selbst. Entscheidend ist demnach nicht nur, dass Informationen an die Öffentlichkeit gegeben werden, sondern auch, dass diese auch richtig und umfassend sind (vgl. Bentele, 1994a, S. 296 f.). Wird durch kommunikative Disintegrität dieser Objektivitätsanspruch nicht erreicht, verliert die Organisation unmittelbar deutlich an Vertrauenswürdigkeit. Die langfristigen Auswirkungen kommunikativer Disintegrität können anhand der empirischen Ergebnisse zwar nicht gezeigt werden, sollen an dieser Stelle aber aufgrund ihrer Relevanz für die Reputationskonstitution skizziert werden. Simons (2002) weist deutlich darauf hin, dass „[...] the perception of word-deed misalignment enhances readiness to perceive future word-deed misalignment“ (ebd., S. 28). Wer also einmal wahrgenommen wurde als eine Organisation, bei der in der Krise das was sie sagt nicht mit dem übereinstimmt wie sie handelt, wird es bei zukünftigen Krisen schwer haben, erneut als vertrauenswürdig wahrgenommen zu werden. Auch wenn dann aus den Fehlern gelernt wurde und Kommunikation und Handlung übereinstimmen. Kommunikative Integrität ist damit in Bezug auf die zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit eine Investition in die Zukunft.
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
5.2.1.3
259
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps
Die Analyse der Interaktionseffekte weist darauf hin, dass die Wirkung kommunikativer Disintegrität sich nicht in Abhängigkeit des Organisationstyps unterscheidet (F(1, 206) = 0,002; p > 0,10). Um dies zu überprüfen wurde zusätzlich eine ANOVA innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt mit organisationaler Vertrauenswürdigkeit als abhängiger Variable und dem Organisationstyp als festen Faktor. ProfitOrganisation (n = 52) M SD
Non-ProfitOrganisation (n = 57) M SD
Organisationale Vertrauens- 5,23 0,96 5,34 würdigkeit Treatmentgruppe kommunikative Disintegrität
1,17
df
F
p
1, 107
0,294
n.s.
Die Varianzanalyse zeigt wie vermutet keine signifikanten Gruppenunterschiede. Auch für weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit kann kein Gruppenunterschied zwischen der Profit- und der Non-Profit-Organisation gezeigt werden. Damit muss die Hypothese H2.1b Die Wirkung integrativer Kommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp zurückgewiesen werden (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Daraus lässt sich ableiten, dass kommunikative Disintegrität in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit für beide Organisationstypen die gleichen negativen Auswirkungen hat, wie in Kapitel 5.2.1.1 und 5.2.1.2 gezeigt. 5.2.1.4
Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps
Die Untersuchung der Interaktionseffekte weist darauf hin, dass sich die Wirkung des Stimulus auch nicht in Abhängigkeit des Krisentyps unterscheidet. Um dies zu testen wurde eine weitere ANOVA nur innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigen, dass mit F(1, 107) = 0,002; p > 0,10 der Gruppenunterschied nicht das nötige Signifikanzniveau erreicht. Funktionalvermeidbare Krise (n=51) M SD
Sozialvermeidbare Krise (n=58) M SD
Organisationale Vertrauens- 5,29 1,22 5,28 würdigkeit Treatmentgruppe kommunikative Disintegrität
1,03
df
F
p
1, 107
0,002
n.s.
Entsprechend kann die Hypothese H2.1c Die Wirkung integrativer Kommunikation auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp
260
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
nicht angenommen werden. Das Ergebnis kann analog zum Organisationstyp damit auch in Bezug auf den Krisentyp dahingehend interpretiert werden, dass kommunikative Disintegrität sowohl in funktional-vermeidbaren als auch in sozial-vermeidbaren Krisen eine gleich negative Wirkung entfaltet. 5.2.1.5
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps
Der Stimulus kommunikativer Disintegrität zeigt dennoch eine 3-Wege-Interaktion mit dem Organisations- und Krisentyp in Bezug auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit. Um diese zu zeigen wurde eine ANOVA zwischen den Krisentypen durchgeführt – jeweils in der Treatmentgruppe der Profit- und der Non-Profit-Organisation. Funktionalvermeidbare Krise M SD Profit-Organisation (Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 4,39 enswürdigkeit
0,99
Sozialvermeidbare Krise M SD
df
F
p
4,54
1,13
1, 50
0,258
n.s.
Non-Profit-Organisation (Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 5,30 1,00 4,72 enswürdigkeit Treatmentgruppe kommunikative Disintegrität
0,84
1, 55
5,660
≤ 0,05
Die Ergebnisse der Varianzanalysen legen offen, dass für die Profit-Organisation die Strategie keinen Unterschied zwischen den Krisentypen zeigt. Für Non-Profit-Organisationen lässt sich jedoch mit F(1, 55) = 5,660; p ≤ 0,05 ein signifikanter Gruppenunterschied zeigen: Kommunikative Disintegrität wirkt sich in funktionalen Krisen (M = 5,30; SD = 1,00) schlechter auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit aus als in sozialen Krisen (M = 4,72; SD = 0,84). Dieses Ergebnis lässt insgesamt zwei Aussagen zu. Zum einen fällt auf, dass sich ein Gruppenunterschied nur in Bezug auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit zeigen lässt. Kommunikative Disintegrität scheint damit zwar Vertrauenswürdigkeit insgesamt in Frage zu stellen (vgl. Kapitel 5.1.2.2), jedoch für die untersuchte NPO vor allem in Bezug auf ihre Krisenkompetenz. Dies kann als Beleg dafür angesehen werden, dass Integrität als ein Teil des Krisenmanagements wahrgenommen wird und damit korrekt auf der Organisationsebene im Modell integrativer Krisenkommunikation konzipiert wurde. Zum anderen wirkt sich die Strategie signifikant schlechter aus, wenn sich die NPO in einer funktionalen Krise befindet. Es lässt sich vermuten, dass für das untersuchte Kinderhilfswerk in der funktionalen Krise die Bewertung des Krisenmanagements für die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit eine stärkere Rolle zu spielen scheint, als in der sozialen Krise. Entsprechend wirkt sich eine kommunikative Disintegrität in ihr auch schlechter auf die krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit aus, als in der sozialen Krise. Für das
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
261
Krisenmanagement der NPO hat dies zur Konsequenz, dass es gilt, kommunikative Disintegrität zwar grundsätzlich, aber besonders in einer funktionalen Krise zu vermeiden. Um die Ergebnisse noch einmal unter dem Gesichtspunkt der Unterschiedlichkeit des Organisationstyps zu beleuchten wurde anschließend eine ANOVA zwischen den Krisentypen jeweils in der Treatmentgruppe der Profit- und Non-Profit-Organisation die Gruppenunterschiede des Krisentyps durchgeführt. Profit Organisation M SD Funktional-vermeidbare Krise (Krisenbezogene) Funktionale Ver- 4,39 0,99 trauenswürdigkeit
Non-Profit Organisation M SD 5,30
Sozial-vermeidbare Krise (Krisenbezogene) Funktionale Ver- 4,54 1,13 4,72 trauenswürdigkeit Treatmentgruppe kommunikative Disintegrität
df
F
p
1,00
1, 49
10,726
≤ 0,01
0,84
1, 56
0,499
n.s.
Die Varianzanalyse belegt, dass in funktionalen Krisen sich der Stimulus mit F(1, 49) = 10,726; p ≤ 0,01 hoch signifikant zwischen den untersuchten Organisationstypen unterscheidet. Die Mittelwerte deuten darauf hin, dass sich kommunikative Diskrepanz für NonProfit-Organisationen (M = 5,30; SD = 1,00) schlechter auswirkt als für ProfitOrganisationen (M = 4,39; SD = 0,99) in Bezug auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit. In sozialen Krisen kann kein signifikanter Gruppenunterschied zwischen den Organisationstypen nachgewiesen werden. Die Gegenüberstellung der Profit- und der Non-Profit-Organisation liefern an dieser Stelle keine neuen Erkenntnisse. Sie stützen jedoch die Aussagen der vorangegangenen Analyse (siehe oben), dass kommunikative Disintegrität für Non-Profit-Organisationen in der funktionalen Krise die schlechteste Wirkung auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit hat. 5.2.1.6
Qualifizierung
Um abschließend auch die Strategie kommunikativer Disintegrität zu qualifizieren, werden die Treatment- und Kontrollgruppe auf Gruppenunterschiede mit Hilfe von T-Tests in Bezug auf die zwei Qualifizierungs-Items Lösungsintention und Beschönigung getestet. Auffallend ist, dass sich nur die Treatment- und Kontrollgruppe der Non-ProfitOrganisation in der sozial-vermeidbaren Krise signifikant voneinander unterscheiden.
262
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit3,44 Organisation Non-ProfitOrganisation
3,32
Sozial-vermeidbare Krise Profit4,11 Organisation
MKG
df
t
p
3,40
43
0,085
n.s.
3,77
49
0,893
n.s.
4,29
53
0,426
n.s.
Non-Profit3,42 4,03 59 1,664 ≤ 0,10 Organisation Test-Item [BAV_03_07]: „Der Organisation geht es darum, die Krise zu lösen.“ Das bedeutet, dass der Aussage, „Der NPO geht es darum, die Krise zu lösen“, in der sozial-vermeidbaren Krise signifikant stärker zugestimmt wird (M = 3,42), als der Kontrollgruppe (M = 4,03). Mit anderen Worten trägt kommunikative Disintegrität bei der untersuchten NPO dazu bei, in der sozialen Krise Lösungskompetenz zu signalisieren. Interpretieren lässt sich das Ergebnis damit, dass für die NPO in der sozialen Krise – und damit in ihrem Kernkompetenzfeld – angerechnet wird, dass sie etwas dagegen unternimmt, die Krise in den Griff zu bekommen. In der Operationalisierung war dies, dass das Kinderhilfswerk laufende Gelder an regierungsnahe Auftragnehmer angeblich sofort gestoppt habe. Diese Aussage widersprach jedoch der des Internationalen Roten Kreuzes, welches nachweisen konnte, dass auch weiterhin Schmiergelder gezahlt wurden. Offensichtlich spielt es im vorliegenden Fall eine größere Rolle, dass die Zahlungen eingestellt werden, unabhängig davon wann genau dies sein wird bzw. dass von unterschiedlichen Stellen zwei sich widersprechende Aussagen vorliegen. Die Tatsache, dass der tatsächliche Lösungsansatz dem der widersprüchlichen Aussagen überwiegt lässt sich jedoch nur für die NPO in der sozialen Krise nachweisen – für keine der anderen Krisenszenarien ist dies analog dazu ebenso der Fall. Das zweite Qualifizierungs-Item überprüft, ob kommunikative Disintegrität dazu dient, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ein signifikanter Unterschied lässt sich hier nur für die Profit-Organisation ebenfalls in der sozial-vermeidbaren Krise nachweisen. MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit3,28 Organisation Non-ProfitOrganisation
4,16
MKG
df
t
p
3,57
44
0,536
n.s.
4,12
49
0,094
n.s.
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
(Fortsetzung) Sozial-vermeidbare Krise Profit3,37 Organisation
263
4,29
53
1,965
≤ 0,10
Non-Profit3,74 3,00 59 0,898 n.s. Organisation Test-Item [BAV_03_08]: „Der Organisation geht es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen.“ Der Vergleich der Mittelwerte weist darauf hin, dass in der sozialen Krise der Aussage, der Organisation geht es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen, bei der Stimulusgruppe stärker zugestimmt wird (M = 3,37) als in der Kontrollgruppe (M = 4,29). Mit anderen Worten trägt kommunikative Disintegrität hier dazu bei, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Das Ergebnis hat zunächst wenig Sinn, denn – so wurde gezeigt – widersprüchliche Aussagen wirken sich signifikant mehrdimensional negativ auf Vertrauenswürdigkeit aus und sollten daher auch nicht dazu beitragen, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Begründen lässt sich das Ergebnis daher ähnlich wie beim vorangegangenen Qualifizierungs-Item mit der Operationalisierung des Stimulus. Die Profit-Organisation hat nachdem bekannt wurde, dass sie keine Juden und Menschen dunkler Hautfarbe einstellt, diese Einstellungspraxis sofort gestoppt. Dies widersprach jedoch der Aussage der Jüdischen Gemeinde Zürich. Offensichtlich wird dem Unternehmen jedoch nicht abgenommen, dass das Einstellen der Vergabepraxis dazu dient, die Krise ehrlich zu lösen als vielmehr dazu, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Offen bleibt in der Operationalisierung, was tatsächlich der Wahrheit entspricht. Die Disintegrität trägt also dazu bei, dass die Handlung des Aluminiumherstellers als Beschönigung angesehen wird. Auffallend ist nun, dass der signifikante Gruppenunterschied nur in der sozial-vermeidbaren Krise gilt. Das bedeutet, dass es die Profit-Organisation in der sozialen Krise schwer hat, in ihrer Krisenpolitik als ehrlicher Akteur wahrgenommen zu werden. Konsequenzen, die sich für das Krisenmanagement ergeben, werden in Kapitel 6.2 ausführlich diskutiert. Fasst man die Ergebnisse aus der Qualifizierung zusammen so fällt auf, dass kommunikative Integrität insgesamt weder dazu beiträgt als Akteur wahrgenommen zu werden, dem es darum geht, die Krise zu lösen, noch als Akteur dem es darum geht, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ausgenommen ist die soziale Krise. Es konnte gezeigt werden, dass ein Stoppen der die Krise verursachende Tätigkeit stärker zur Einschätzung hoher Lösungskompetenz beiträgt als die Tatsache, dass sich die Aussagen widersprechen. Gleiches gilt umgekehrt für die Profit-Organisation ebenfalls in der sozialen Krise: Hier scheint die Aufhebung der die Krise verursachende Tätigkeit dazu zu führen, dass dies nicht als ehrlicher Akt wahrgenommen wird. Für kommunikative Disintegrität lässt sich insgesamt also ableiten, dass die Strategie in der sozialen Krise für die Profit-Organisation zu einer Signalisierung von Krisenkompetenz beigetragen hat, hingegen für die Profit-Organisation zur Signalisierung von Beschönigung.
264
5.2.2 5.2.2.1
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Mangelnder Beleg von Krisenkompetenz Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit
Die Aufgabe der Unternehmensführung in Krisen besteht darin, Strategien zur Lösung des Problems zu formulieren, diese zu realisieren und durchzusetzen (vgl. hierzu auch Kirchner, 2001, S. 132). Die Abstimmung divergierender Interessen und Aufgaben erfolgt dabei in erster Linie durch die Kommunikationsleistung der Organisation (vgl. Zerfaß, 2004, S. 320 ff.). Organisationen können zu Beginn einer Krise in der Regel nur wenig Auskunft darüber geben, wo genau der Schaden entstanden ist, welche Ursachen er hat oder mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist. Dem gegenüber steht der Druck der Betroffenen und Medien, binnen kürzester Zeit möglichst genaue und umfassende Informationen zum Krisenhergang zu erfahren (vgl. Kapitel 2.2.3.1). Ein probates Mittel, ein frühes Informationsvakuum zu füllen ist die Kommunikation über das Krisenmanagement und damit der Beleg einer vermeidlichen Krisenkompetenz. Solange noch keinerlei gesicherte Informationen über die Krise selbst vorliegen, können Organisationen mit der Beschreibung des Krisenmanagementprozesses besonders in der Anfangsphase aktive Kommunikation einerseits und Kompetenz, die Krise zu lösen andererseits, signalisieren. Für die empirische Analyse wurde der Stimulus so formuliert, dass die Probanden die Wirkung mangelnder Krisenkompetenz auf die Wahrnehmung als vertrauenswürdige Organisation bewerten mussten. Um dies zu testen wurde eine ANOVA mit dem Stimulus mangelnder Krisenkompetenz als unabhängige Variable, dem Organisations- und Krisentyp als intervenierende Variable und organisationale Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable durchgeführt. Mangelnde Krisenkompetenz (n = 90) M SD Organisationale Vertrauens- 5,11 würdigkeit
1,05
Kontrollgruppe (n = 105) M SD 4,96
1,08
df
F
p
1, 187
1,079
n.s.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein Mangel an Krisenkompetenz mit F(1, 187) = 1,079; p > 0,10 keine signifikante Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit zeigt (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Die Hypothese H2.2a Der fehlende Beleg von Krisenkompetenz hat in vermeidbaren Krisen eine negative Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit kann demnach nicht angenommen werden. Das Ergebnis widerspricht zunächst dem, was in der Diskussion des Literaturstandes gezeigt wurde. Sowohl McAllister (1995) als auch Covey (1990) und Frenkel & Orlitzky (2005) hatten gezeigt, dass der Beleg von Kompetenz ein wichtiger Treiber der Vertrauensbildung ist. Vice versa, so wurde in der Hypothese angenommen, muss sich ein mangelnder Beleg an Kompetenz negativ auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit auswirken. Auch wenn das Ergebnis nicht signifikant ist, so lässt sich zunächst aus der Verteilung der Mittelwerte ablesen, dass der Mittelwert der Stimulusgruppe höher ist als der der Kontrollgruppe. Mit anderen Worten hinterlässt ein Mangel an Krisenkompetenz durchaus einen
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
265
negativen Eindruck, wenngleich sich die Gruppen nicht signifikant voneinander unterscheiden. Dies ist zumindest ein Indiz dafür, dass Kompetenz bei der Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eine Rolle spielt. Die Frage nach dem Wirkungszusammenhang kann abschließend nur geklärt werden, wenn man die Detailanalysen hinzuzieht. Wie bereits bei den weiter oben untersuchten Kommunikationsstrategien wurde die Wirkung des Mangels an Krisenkompetenz differenziert nach den aufgezeigten Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit untersucht. Wenngleich sich die Strategie nicht auf organisationale Vertrauenswürdigkeit allgemein auswirkt bedeutet dies nicht, dass sie keine Wirkung auf eine der vier Dimensionen zeigt. Eben Differenzierung muss daher für eine abschließende Bewertung des Ergebnisses hinzugezogen werden. 5.2.2.2
Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit
In Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit konnte kein signifikanter Gruppenunterschied zwischen Treatment- und Kontrollgruppe gezeigt werden. Dieses Ergebnis soll im Folgenden ergänzt werden um die Untersuchung der funktionalen, sozialen und emotionalen Dimension von Vertrauenswürdigkeit. Für die empirische Analyse wurden eine Reihe von ANOVAs mit der jeweiligen Dimension von Vertrauenswürdigkeit als abhängiger Variable durchgeführt. Mangelnde Krisenkompetenz M SD
Kontrollgruppe M SD
df
F
p
1,34
1, 189
1,496
n.s.
4,22
1,26
1, 188
44,236
≤ 0,01
0,95
4,47
1,00
1, 187
1,989
n.s.
1,16
4,93
1,53
1, 187
2, 747
≤ 0,01
(Allgemeine) Funktionale Vertrauens- 3,47 würdigkeit
1,53
3,32
(Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 5,27 enswürdigkeit
1,03
Soziale Vertrauens4,67 würdigkeit Emotionale Vertrau5,24 enswürdigkeit
Die Ergebnisse zeigen, dass der Mangel an Krisenkompetenz sich zwar nicht auf allgemeine (F(1, 189) = 1,496; p > 0,10) aber auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt (F(1, 188) = 44,236; p ≤ 0,01). Die krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit in der Treatmentgruppe ist demnach signifikant geringer, als in der Kontrollgruppe. Das Ergebnis war zu erwarten, denn das Konstrukt fragt genau die Dimension von Vertrauenswürdigkeit ab, die im Stimulus variiert wurde. Während mangelnde Krisenkompetenz keinerlei Wirkung auf die zugeschriebene soziale Vertrauenswürdigkeit zeigt (F(1, 187) = 1,989; p > 0,10) so unterscheiden sich Treat-
266
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
ment- und Kontrollgruppe mit F(1, 187) = 2,747; p ≤ 0,01 jedoch bei der Zuschreibung emotionaler Vertrauenswürdigkeit signifikant voneinander. Mit einem Mittelwert von MTG = 5,24 (SD = 1,16) gegenüber der Kontrollgruppe (MKG = 4,93; SD = 1,53) wirkt sich ein mangelnder Beleg der Krisenkompetenz damit deutlich negativ auf emotionale Vertrauenswürdigkeit der Organisation aus. Dieses Ergebnis ist interessant, denn Krisenkompetenz – und damit eine stark funktionale Komponente von Krisenkommunikation – ruft einen Gruppenunterschied in Bezug auf die emotionalen Attribute von Vertrauenswürdigkeit hervor (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Dies gilt es, zu diskutieren. Das Konstrukt emotionaler Vertrauenswürdigkeit wurde über Items zur Fairness [BAV_04_01], dem sich leiten lassen von guten Werten [BAV_04_02] und die Begeisterungsfähigkeit für die Organisation in der Krise [BAV_04_05] operationalisiert. Für die Entwicklung der Hypothese wurde argumentiert, dass in Situationen schwieriger Entscheidungen (z.B. für das Verhalten in einer Krise) Stakeholder ihre Entscheidung von Expertenmeinungen abhängig machen. In der Studie von Barnett White (2005) wurde gezeigt, dass bei stark emotionalen Entscheidungen der wohlwollende Expertenratschlag hinzugezogen wird, um kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Je schwieriger die Entscheidung, desto stärker müssen Stakeholder mit den negativen Emotionen bei dieser Entscheidung umgehen (vgl. Bettman, Luce, & Payne, 1998). Das bedeutet, dass je höher die wahrgenommene Emotionalität, desto mehr wohlwollende Expertise ist notwendig, um eine Dissonanz zu vermeiden oder bestmöglich zu reduzieren (vgl. Barnett White, 2005, S. 147). Stellt man diese Erkenntnis in den Zusammenhang des vorliegenden Ergebnisses, so steht die Versuchsperson vor der Entscheidung, ob ihr die Organisation sympathisch ist oder nicht. Diese ist – wenngleich in geringem Maße – eine emotionale Entscheidung. Experteninformationen lassen sich nunmehr nur aus dem vorgelegten Stimulusmaterial ableiten. Als Experte kommt daher nur der Journalist des vorliegenden Artikels in Frage. Um eine Dissonanz zu vermeiden, müsste die Organisation in der Krise Belege für Fairness, gute Werte oder Begeisterungswürdigkeit liefern. Doch genau dies ist in der Treatmentgruppe nicht der Fall: Der Stimulus belegt im Gegenteil, dass die Organisation nicht in der Lage ist, mit der Krise umzugehen, so dass die vorliegende Dissonanz nicht aufgelöst werden kann. Auch wenn ein mangelnder Beleg von Krisenkompetenz vor allem ein funktionales Versagen ist (dies zeigt die Varianzanalyse in Bezug auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit deutlich), so konnte gezeigt werden, dass sie gleichsam auch Auswirkungen auf die Zuschreibung emotionaler Vertrauenswürdigkeit hat. Denn mangelnde Krisenkompetenz trägt dazu bei, dass Stakeholder in emotionalen Entscheidungsprozessen eine auftretende kognitive Dissonanz nicht vermeiden können. Das Ergebnis weist also darauf hin, dass mangelnde Krisenkompetenz der Organisation in der Krise nicht nur Vertrauenswürdigkeit als guter Krisenmanager abspricht, sondern auch in Bezug auf ihre wahrgenommene Sympathie. Somit ist das Ergebnis eine wichtige Weiterentwicklung der Erkenntnisse von McAllister (1995), Covey (1990) und Frenkel & Orlitzky (2005). Die Analysen bestätigen einerseits, dass Kompetenz bei der Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit eine Rolle spielt. Die Ergebnisse stehen damit im Einklang mit den bisherigen Forschungsarbeiten. Konkret konnte gezeigt werden, dass sich ein Mangel an Kompetenz negativ auf die Zuschreibung auswirkt. Andererseits gilt dies jedoch nicht pauschal für organisationale Vertrauenswürdigkeit allgemein, sondern für krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit und für
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
267
emotionale Vertrauenswürdigkeit. Die Ergebnisse differenzieren damit die bisherigen Erkenntnisse und lassen Rückschlüsse auf die Wirkungsdimension von Kompetenz zu. Es ist zu vermuten, dass sich Krisenkompetenz umgekehrt positiv auf krisenbezogene funktionale sowie emotionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Dies gilt es, in Folgeuntersuchungen zu bestätigen. 5.2.2.3
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps
Die ANOVA der Haupteffekte lässt vermuten, dass es einen Gruppenunterschied zwischen Profit- und Non-Profit-Organisationen gibt. Um dies zu prüfen, wurde eine ANOVA nur in der Treatmentgruppe durchgeführt mit organisationaler Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable und dem Organisationstyp als festen Faktor. ProfitOrganisation (n = 47) M SD
Non-ProfitOrganisation (n = 43) M SD
Organisationale Vertrauens- 5,32 1,00 4,88 1,07 würdigkeit Treatmentgruppe mangelnder Beleg von Krisenkompetenz
df
F
p
1, 88
4,007
≤ 0,05
Die Ergebnisse der Varianzanalyse bestätigen, dass sich der Stimulus zwischen Profit- und Non-Profit-Organisationen signifikant unterscheidet. Mit F(1, 88) = 4,007; p ≤ 0,05 wird ein zufriedenstellendes Signifikanzniveau erreicht. Die Mittelwerte weisen darauf hin, dass der Mangel an Krisenkompetenz sich für Profit-Organisationen (M = 5,21; SD = 1,00) schlechter auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt als für Non-ProfitOrganisationen (M = 4,88; SD = 1,07). Die Ergebnisse belegen damit, dass die Hypothese H2.2b Die Wirkung des mangelnden Belegs von Krisenkompetenz auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp angenommen werden kann. Wenn sich für die Profit-Organisation ein mangelnder Beleg von Krisenkompetenz signifikant schlechter auswirkt als auf die Non-Profit-Organisation, so kann davon ausgegangen werden, dass der Profit-Organisation in diesem Punkt höhere Erwartungen entgegengebracht werden. Hinweise darauf liefert zumindest ansatzweise die Analyse des TestItems „Ich erwarte von einem Unternehmen/einer Non-Profit-Organisation in der Krise, das es/sie ein gutes Krisenmanagement hat“ [E_02_01]. Vergleicht man die Aussage über alle Teilnehmer des Experiments, so verfehlt der T-Test mit t(703) = 1,482; p < 0,14 das 10%Signifikanzniveau knapp (MProfit = 1,87; SD = 0,95 vs. MNon-Profit = 1,98; SD = 1,15). Damit liefert das Ergebnis zumindest einen Hinweis darauf, dass an das Krisenmanagement der Profit-Organisation vermutlich eine höhere Erwartung gestellt wird als an das der NonProfit-Organisation. Ein weiteres Indiz für die geringen Erwartungen an die Non-Profit-Organisation findet sich in der Studie von Schwarz & Pforr (2010). In der Darstellung der Ursachen von Krisen deutscher Verbände ist die überwältigende Mehrheit eine negative Berichterstattung über verbandsinterne Konflikte. Gerüchte (ohne dies zu spezifizieren) werden mit 10% genannt,
268
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
persönliche Verfehlungen mit 4% und Veruntreuung – wie in der vorliegenden Studie operationalisiert – sogar nur mit 3% (Mehrfachnennung möglich). Dies zeigt, dass in der Mediendebatte vermeidbare Krisen von Verbänden scheinbar eine untergeordnete Rolle spielen. Ob dies auch für andere Formen von NPO gilt, lässt sich an dieser Stelle nicht verallgemeinern. Dem gegenüber weist das Institute for Crisis Management (2008) darauf hin, dass 2007 rund 52% der Krisenursachen für Unternehmen sich auf Managementfehler zurückführen ließen. Als vermeidbar lassen sich aus der Studie Kriminalität des Managements (19%) und Missmanagement (11%) – und damit immerhin noch 30% der Krisenursachen identifizieren. Die Gegenüberstellung der zwei Studien kann freilich nur als ein Indiz herangezogen werden, aber scheinbar sind vermeidbare Krisen von Profit-Organisationen in der Mediendebatte präsenter als die von Non-Profit-Organisationen. Das bedeutet, dass man aufgrund mangelnder Erfahrung entweder keine oder nur geringe Erwartungen an das Krisenmanagement von NPOs hat. Eine krisenbezogene funktionale Reputation konnte sich (in der Gruppe der NPO) also bislang nur bedingt bilden. Dies würde dafür sprechen, dass die Erwartungen an die Krisenkompetenz der Profit-Organisation höher sind und sich mangelnde Krisenkompetenz stärker negativ auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt, als bei der untersuchten NPO. Auch wenn die Konsequenzen für das Krisenmanagement in Kapitel 6.2 noch ausführlich diskutiert werden, soll abschließend noch einmal darauf hingewiesen werden, dass sich die Treatment- und Kontrollgruppe hoch signifikant in Bezug auf die Zuschreibung funktionaler und signifikant in Bezug auf die Zuschreibung emotionaler Vertrauenswürdigkeit unterscheiden. Der Gruppenunterschied zusätzlich zwischen der Profit- und der Non-ProfitOrganisation ist damit in erster Linie eine Unterscheidung auf einem niedrigen Niveau zugeschriebener Vertrauenswürdigkeit. Fehlende Krisenkompetenz kann durch für das Krisenmanagement der NPO also eher eine Chance sein, geringe Erwartungen leicht zu übertreffen. Ein Beleg für die Wirkungslosigkeit schlechten Krisenmanagements ist sie bei weitem jedoch nicht. 5.2.2.4
Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps
Für den Stimulus kann kein signifikanter Interaktionseffekt auf organisationale Vertrauenswürdigkeit gezeigt werden. Dies legt die Untersuchung der Interaktionseffekte offen. Um dies zu überprüfen, wurde eine weitere ANOVA nur innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt.
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
Funktionalvermeidbare Krise (n=42) M SD
269
Sozialvermeidbare Krise (n=48) M SD
Organisationale Vertrauens- 5,03 0,95 5,18 1,33 würdigkeit Treatmentgruppe mangelnder Beleg von Krisenkompetenz
df
F
p
1, 88
0,472
n.s.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Mangel an Krisenkompetenz sich nicht zwischen den untersuchten Krisentypen unterscheidet. Entsprechend muss die Hypothese H2.2c Die Wirkung des Belegs der Krisenkompetenz auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp verworfen werden. Differenzierte Wirkungen auf Vertrauenswürdigkeit Der Stimulus unterscheidet sich jedoch durchaus in Abhängigkeit des Krisentyps mit Bezug auf allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit. Dies kann gezeigt werden durch eine ANOVA in der Treatmentgruppe mit allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable und dem Krisentyp als festen Faktor. Funktionalvermeidbare Krise (n=42) M SD
Sozialvermeidbare Krise (n=48) M SD
(Allgemeine) Funktionale Ver- 4,32 1,25 2,73 1,36 trauenswürdigkeit Treatmentgruppe mangelnder Beleg von Krisenkompetenz
df
F
p
1, 89
33,166
≤ 0,01
Das Ergebnis legt offen, dass sich der Stimulus mit F(1, 89) = 33,166; p ≤ 0,01 hoch signifikant unterscheidet. In der funktionalen Krise wirkt sich der Stimulus mit M = 4,32 (SD = 1,25) deutlich schlechter aus als in der sozialen Krise (M = 2,73; SD = 1,36). Die funktional-vermeidbare Krise wurde eingeführt als eine Krise, die funktionale Reputationsattribute einer Organisation fundamental in Frage stellt. Bei der untersuchten Profit-Organisation konnte das Unternehmen im präsentierten Krisenszenario keine Produkte mehr herstellen, die Non-Profit-Organisation als Kinderhilfswerk Kindern nicht mehr helfen. Das Ergebnis der Analyse zeigt nun, dass in der funktional-vermeidbaren Krise die Zuschreibung allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeit signifikant schlechter ist, als in der sozial-vermeidbaren Krise. Das bedeutet, dass in der funktional-vermeidbaren Krise der mangelnde Beleg an Krisenkompetenz sich auf die Zuschreibung allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeitsattribute zu übertragen scheint. Dies wird damit begründet, dass in der funktionalen Krise ebendiese funktionalen Attribute fundamental in Frage gestellt werden. In einer sozial-vermeidbaren Krise werden hingegen vor allem die sozialen Attribute zugeschriebener Vertrauenswürdigkeit hinterfragt. Demnach ist es nachzuvollziehen, dass die Versuchspersonen in der funktionalen Krise aufgrund mangelnder Krisen-
270
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
kompetenz den untersuchten Organisationen auch allgemein die funktionale Vertrauenswürdigkeit stärker entziehen als in der sozialen Krise. Gestützt werden könnte diese Argumentation, wenn analog dazu sich die Wirkung der Strategie zwischen den zwei Krisentypen auch in Bezug auf die soziale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet und gleichzeitig die Mittelwerte auf ein umgekehrtes Verhältnis hinweisen. Um dies zu prüfen wurde eine ANOVA innerhalb der Treatmentgruppe mangelnder Krisenkompetenz durchgeführt mit sozialer Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable und dem Krisentyp als festen Faktor. Die Mittelwertanalyse weist tatsächlich darauf hin, dass sich mangelnde Krisenkompetenz in der sozialen Krise (M = 4,72; SD = 1,09) schlechter auf die soziale Vertrauenswürdigkeit auswirkt als in der funktionalen Krise (M = 4,61; SD = 0,76). Das bedeutet, dass die Unfähigkeit, die Krise zu managen, in der sozialen Krise die negative Zuschreibung sozialer Vertrauenswürdigkeit verstärkt. Der Gruppenunterschied ist mit F(1, 89) = 0,322; p > 0,10 jedoch nicht signifikant und kann daher für die Interpretation nur als Indiz hinzugezogen werden. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass sich mangelnde Krisenkompetenz bei der Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit zwischen der funktionalen und der sozialen Krise zunächst nicht unterscheidet. Bezug nehmend auf das Ergebnis aus Kapitel 5.2.2.2 bedeutet dies, dass die Strategie in jedem der zwei Krisentypen eine ähnlich negative Wirkung auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit entfaltet. Zieht man das Ergebnis aus der Detailanalyse jedoch hinzu, so zeigt diese, dass in der funktionalvermeidbaren Krise sich die Wirkung auch auf allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit überträgt. Die Implikationen für das Krisenmanagement werden ausführlich in Kapitel 6.2 diskutiert. 5.2.2.5
Qualifizierung
Der mangelnde Beleg von Krisenkompetenz wird abschließend durch zwei QualifizierungsItems zur Lösungsintention und Beschönigung noch einmal in Relation gesetzt. Ziel der Qualifizierung ist es, die Strategieoption Lösungskompetenz in den Gesamtzusammenhang der untersuchten Krisensituation zu betten und zu zeigen, wie sie wahrgenommen wird. Mit der Diskussion der zwei Items wird abschließend eine Aussage über die Qualität der Strategie möglich. Hierfür wurden mehrere T-Tests jeweils getrennt nach Organisations- und Krisentyp in Bezug auf die zwei Test-Items [BAV_03_07] und [BAV_03_08] durchgeführt. Verglichen wurde die Treatment- (TG) mit der Kontrollgruppe (KG). Das Ergebnis des Test-Items [BAV_03_07] zur Lösungsintention scheint nicht weiter verwunderlich: Für keine der untersuchten Gruppen gilt, dass ein mangelnder Beleg an Krisenkompetenz den Eindruck hinterlässt, der Organisation geht es um die Lösung der Krise. Keine der durchgeführten Varianzanalysen ist signifikant. Ein mangelnder Beleg der Krisenkompetenz bestätigt demnach, dass es der Organisation nicht darum geht, die Krise zu lösen.
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit4,00 Organisation Non-ProfitOrganisation
4,23
Sozial-vermeidbare Krise Profit4,07 Organisation
271
MKG
df
t
p
3,40
38
1,270
n.s.
3,77
46
0,932
n.s.
4,29
54
0,539
n.s.
Non-Profit4,14 4,03 49 0,262 n.s. Organisation Test-Item [BAV_03_07]: „Der Organisation geht es darum, die Krise zu lösen.“ Das Ergebnis des zweiten Test-Items [BAV_03_08] zur Beschönigung zeigt hingegen signifikante Ergebnisse. So wird der mangelnde Beleg an Krisenkompetenz für die ProfitOrganisation in der funktionalen Krise und für die Non-Profit-Organisation in der sozialen Krise ausdrücklich nicht als Beschönigung eingestuft. Für die Treatmentgruppe der ProfitOrganisation in der funktionalen Krise gilt, dass der „blinde Aktionismus“ (Wortlaut aus dem Stimulus) signifikant geringer als Beschönigung eingestuft wird (M = 4,90) als in der Kontrollgruppe (M = 3,57). Umgekehrt gilt für die Profit-Organisation in der sozialen Krise, dass ein mangelnder Beleg der Krisenkompetenz der vermeintlich gute Eindruck als schlechter eingestuft wird (M = 4,24) als in der Kontrollgruppe (M = 3,00). MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit4,90 Organisation Non-ProfitOrganisation
3,77
Sozial-vermeidbare Krise Profit3,93 Organisation
MKG
df
t
p
3,57
39
2,568
≤ 0,05
4,12
46
0,692
n.s.
4,29
54
0,763
n.s.
Non-Profit4,24 3,00 49 2,760 ≤ 0,01 Organisation Test-Item [BAV_03_08]: „Der Organisation geht es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen.“ Interessant ist an dieser Stelle, dass die Aberkennung des guten Eindrucks scheinbar nur für die Krisen gilt, in denen die untersuchte Organisation jeweils in ihrem Kernkompetenzfeld
272
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
betroffen ist (also der Aluminiumhersteller in der funktionalen Krise und das Kinderhilfswerk in der sozialen Krise). Ungekehrt deuten die Mittelwerte der NPO in der funktionalen Krise und der Profit-Organisation in der sozialen Krise an, dass ein chaotisches Krisenmanagement und -kommunikation den Eindruck hinterlässt, der Organisation geht es tatsächlich darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Das würde bedeuten: Egal was die Organisation unternimmt, die Krise zu lösen (und ist dies noch so chaotisch), es dient letztlich nur dazu, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dies allerdings nur in dem Fall, wenn eine Krise außerhalb des Kernkompetenzfeldes der untersuchten Organisation auftritt. Die Ergebnisse hierfür sind jedoch nicht signifikant und können daher lediglich als Indiz zur Interpretation hinzugezogen werden. Damit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass ein mangelnder Krisenkompetenzbeleg für die Profit-Organisation in der funktionalen und die Non-Profit-Organisation in der sozialen Krise dazu führt, dass der Aussage weniger zugestimmt wird, der Organisation gehe es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn mangelnde Krisenkompetenz trägt de facto zu keinem guten Eindruck der Organisation bei. Auffallend ist vielmehr die Konstellation des signifikanten Gruppenunterschiedes: Die Aussage trifft nur dann zu, wenn die Krise das eigene Kernkompetenzfeld betrifft. Liegt eine Krise außerhalb des Kernkompetenzfeldes vor, so weisen die Mittelwerte darauf hin, dass mangelnde Krisenkompetenz eingeschätzt wird, einen guten Eindruck hinterlassen zu wollen. Sinnvoll begründen lässt sich dies damit, dass jegliches Krisenmanagement (also unabhängig davon, ob es kompetent oder inkompetent ist) dann als Beschönigungsstrategie wahrgenommen wird. 5.2.3
Zusammenfassung
Auf der Ebene integrierter Krisenkommunikation wurden zwei Strategien untersucht: die Integrität von Krisenkommunikation und Krisenkompetenz. Aus dem Literaturstand einerseits und der Validitätsprüfung andererseits wurden beide Strategien revers operationalisiert, so dass in der empirischen Analyse kommunikative Disintegrität und der mangelnde Beleg von Krisenkompetenz jeweils auf ihre Wirkung auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit getestet wurden. Neben organisationaler Vertrauenswürdigkeit als Globalvariable wurde die Untersuchung des Wirkungszusammenhangs auch um Detailanalysen zur funktionalen, sozialen und emotionalen Vertrauenswürdigkeit ergänzt. Zudem wurde die in Kapitel 2.2.1.3.3 vorgeschlagene Matrix zur Klassifikation von Krisen überprüft, indem auch die Interaktionseffekte des Organisations- und des Krisentyps untersucht wurden. Die Ergebnisse sind im Folgenden noch einmal überblicksartig zusammengefasst.
5.2 Integrierte Krisenkommunikation
273
Haupteffekt
Interaktionseffekt
∗∗
-
Organisationstyp (H2.1b)
-
n.s.
Krisentyp (H2.1c)
-
n.s.
Kommunikative Disintegrität Organisationale Vertrauenswürdigkeit (H2.1a)
Mangelnder Beleg der Krisenkompetenz Organisationale Vertraun.s. enswürdigkeit (H2.2a)
-
Organisationstyp (H2.2b)
-
∗∗
Krisentyp (H2.2c)
-
n.s.
∗ p ≤ 0,10; ∗∗ p ≤ 0,05; ∗∗∗ p ≤ 0,01; n.s. nicht signifikant Für kommunikative Disintegrität ließ sich ein signifikanter Gruppenunterschied zwischen Treatment- und Kontrollgruppe in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit nachweisen. Die Detailanalysen weisen zudem darauf hin, dass, wenn sich Management und Kommunikation der untersuchten Organisationen unterscheiden, dies Auswirkungen auch auf die (krisenbezogene) funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit hat. Ein Interaktionseffekt des Organisations- oder Krisentyps ließ sich in Bezug auf diese Strategie jedoch nicht nachweisen. Eine 3-Wege-Interaktion konnte nur in Bezug auf (krisenbezogene) funktionale Vertrauenswürdigkeit gezeigt werden. Die Ergebnisse wurden jeweils vor dem Hintergrund des jeweiligen Literaturstandes diskutiert und zusätzlich noch einmal qualifiziert. Für kommunikative Disintegrität lässt sich zusammenfassend festhalten, dass sie durch ihre mehrdimensionale Wirkung schwerwiegende Folgen für die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit hat. Die Tatsache, dass weder der Krisen- noch der Organisationstyp einen Interaktionseffekt zeigen, wurde dahingehend interpretiert, dass kommunikative Disintegrität für die Profit- und für die Non-Profit-Organisation bzw. in der funktionalvermeidbaren wie in der sozial-vermeidbaren Krise den gleichen schweren Schaden anrichtet. Der mangelnde Beleg von Krisenkompetenz wirkt sich nicht signifikant auf organisationale Vertrauenswürdigkeit allgemein, sehr wohl jedoch auf (krisenbezogene) funktionale Vertrauenswürdigkeit aus. Aus der Detailanalyse geht besonders hervor, dass sich die Strategie ebenfalls negativ auf emotionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Begründet wurde das Ergebnis damit, dass Krisen Situationen emotionaler Entscheidungen sind und die Organisationen in der Krise nicht als Kompetenzträger in Frage kommen, diese hohe Emotionalität zu kompensieren. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass der Organisationstyp einen Interaktionseffekt hat in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit. Für die
274
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Profit-Organisation wirkt sich die Strategie signifikant schlechter aus, als für die NPO. Eine Begründung dafür liegt darin, dass von Unternehmen stärker als von Non-ProfitOrganisationen Krisenkompetenz erwartet wird. Ein Mangel an Krisenkompetenz stellt diese Erwartung gegenüber dem untersuchten Aluminiumhersteller also fundamentaler in Frage als gegenüber dem Kinderhilfswerk. Ein Interaktionseffekt des Krisentyps ließ sich nur in Bezug auf (allgemeine) funktionale Vertrauenswürdigkeit nachweisen. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Strategie in der funktionalen Krise deutlich schlechter auswirkt, als in der sozialen Krise. Auf der Ebene integrierter Krisenkommunikation zeigen die Ergebnisse, dass ein Mangel an Krisenkompetenz in erster Linie funktionale Vertrauenswürdigkeit in Frage stellt. Besonders auffallend ist, dass sich dies für die untersuchte ProfitOrganisation am stärksten auswirkt – die Konsequenzen für das Krisenmanagement von NPO sollen dazu noch in Kapitel 6.2 ausführlich diskutiert werden. Insgesamt konnten damit differenzierte Wirkungsmechanismen der zwei untersuchten kommunikativen Strategien auf Vertrauenswürdigkeit nachgewiesen werden: sowohl auf organisationale Vertrauenswürdigkeit allgemein als auch auf funktionale, soziale und auch auf emotionale Vertrauenswürdigkeit. Damit liegen differenzierte Ergebnisse vor, die bisherige Forschungserkenntnisse sinnvoll ergänzen. Die Einbettung in den jeweiligen Forschungszusammenhang wurde in den vorangegangenen Kapiteln vorgenommen. Der Interaktionseffekt des Organisationstyps bestätigt, dass sich die Wirkungszusammenhänge von Krisenkommunikationsstrategien auf Vertrauenswürdigkeit zwischen Profit- und NonProfit-Organisationen signifikant unterscheiden. Dies hat Konsequenzen für zukünftige Forschungen im Themenfeld der Krisenkommunikation, die in Kapitel 6.1.1 ausführlich diskutiert werden. Damit gilt es im Folgenden, sich der Ebene strategischer Krisenkommunikation zu widmen. 5.3
Strategische Kommunikation
Die dritte Ebene des entwickelten Krisenkommunikationsmodells setzt sich mit strategischer Krisenkommunikation auseinander und damit dem gesellschaftlichen Postulat der Krisenkommunikation. Für die empirische Analyse wurde hierfür die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auf zwei Stufen operationalisiert. Die erste ist die Übernahme unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung. Organisationen übernehmen unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung, wenn sie einen direkten inhaltlichen Bezug der Verantwortungsübernahme zu ihrer Organisation herstellen können. Es wird vermutet, dass sich die Übernahme unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung positiv auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Aus dem Literaturstand lässt sich zudem vermuten, dass insbesondere für die Zuschreibung sozialer Vertrauenswürdigkeit die Strategie eine entscheidende Rolle spielt. Die zweite Strategie ist die Übernahme mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung. Hier ist der Bezug zur Organisation nur noch bedingt darstellbar, da die Verantwortungsübernahme über den unmittelbaren Verantwortungsbereich hinausgeht. Auch hier ist die Vermutung, dass sich die Übernahme mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung positiv auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Auf der Ebene strategischer Krisenkommunikation wird damit – anders als auf den zwei anderen Ebenen – die gleiche Kommunikationsstrategie (Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung) untersucht. Der Unterschied liegt jeweils in der Ausprägung bzw. Umsetzung der Strategie (unmittelbar vs. mittelbar). Der Vorteil dieser Operationalisierung
5.3 Strategische Kommunikation
275
ist, dass beide Strategien direkt miteinander verglichen werden können. Daher ist es durch die empirische Analyse auch möglich, die Frage nach der besseren Strategie zu stellen. In Hypothese H3.3 wird entsprechend vermutet, dass die Übernahme mittelbarer Verantwortung einen positiveren Effekt auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit hat, als unmittelbare Verantwortung. Dies wurde abgeleitet aus den Hinweisen darauf, dass philanthropisches Engagement bei Unternehmen zu einer signifikant positiveren Wahrnehmung als gesellschaftspolitischer Akteur führte (vgl. hierzu Kapitel 3.4.3). Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse der Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung (Kapitel 5.3.1) und der Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung (Kapitel 5.3.2) vorgestellt. Anschließend können diese miteinander verglichen werden, um den Zusammenhang zwischen beiden Strategien herzustellen (Kapitel 5.3.3). 5.3.1 5.3.1.1
Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit
Die Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung leitet sich aus der Diskussion über gesellschaftliche Verantwortung von Unernehmen ab (Corporate Social Responsibility, CSR). Ausgehend von der Konzeptionierung von CSR durch Hiß (2005) wurde unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung als eine Strategie entwickelt, bei der die in die Krise geratene Organisation freiwillig gesellschaftliche Verantwortung übernimmt, die sich zeitlich und inhaltlich deutlich der Krisensituation zuordnen lässt (vgl. Kapitel 3.4.3.2). In der Operationalisierung haben der Aluminiumhersteller und das Kinderhilfswerk kommuniziert, dass sie sich ihrer Verantwortung voll bewusst sind. Als Konsequenz ihrer Verantwortung werden sie denen, die von der Krise betroffen sind, sofort und so gut es geht ihre Hilfe zukommen lassen. Beide Organisationen zeigen damit, dass sie ihre Verantwortung erkannt haben. Ihre Verantwortung bezieht sich klar auf die von der Krise Betroffenen (Mitarbeiter und Opfer). Gesellschaftliche Verantwortung, dies wurde bereits in Kapitel 3.4.3 gezeigt, bezieht sich in der Operationalisierung entsprechend nicht auf die Gesellschaft, sondern auf Werte gesellschaftlich-sozialen Zusammenlebens, die gleichsam gesellschaftlich akzeptiert und erwartet werden. Denn bereits Roach & Wherry (1972) hatten gezeigt, dass Stakeholder sehr konkrete Vorstellungen über die sozialen Erwartungen gegenüber Unternehmen haben und unterscheiden zwischen dem, was ein Unternehmen in Bezug auf seine soziale Verantwortung zu leisten hat (z.B. soziales Engagement) und was nicht (z.B. politische Einflussnahme). In der vorliegenden Studie wurde die Strategie als direkte Verantwortungsübernahme gegenüber Opfern und Betroffenen der Krise operationalisiert. Um die Wirkung unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung zu testen wurde eine ANOVA mit dem Stimulus als unabhängige Variable, organisationaler Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable und Organisations- bzw. Krisentyp als intervenierende Variabeln getestet.
276
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung (n = 97) M SD Organisationale Vertrauens- 4,60 würdigkeit
1,18
Kontrollgruppe (n = 105) M SD 4,96
1,08
df
F
p
1, 194
4,417
≤ 0,05
Die Varianzanalyse zeigt einen Haupteffekt unmittelbarer Verantwortung mit F(1, 194) = 4,417; p ≤ 0,05 auf organisationale Vertrauenswürdigkeit. Der Mittelwert der Treatmentgruppe ist mit MTG = 4,60 (SD = 1,179) gegenüber der Kontrollgruppe mit MKG = 4,96 (SD = 1,077) kleiner, was belegt, dass der Stimulus einen positiven Effekt auf die abhängige Variable hat (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Die Hypothese H3.1a die Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung hat in vermeidbaren Krisen eine positive Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit kann daher bestätigt werden. Das Ergebnis entspricht den Aussagen von Bews & Rossouw (2002). Sie waren davon ausgegangen, dass Ethik und Wohlwollen zentrale Treiber zur Bildung von Vertrauenswürdigkeit sind. Die vorliegende Studie zeigt, dass dies im Kontext von Krisensituationen und in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit der Fall ist: Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung hat bei den zwei Treatment-Organisationen eine positive Wirkung auf die abhängige Variable gezeigt. Damit bestätigen die Ergebnisse auch die Annahmen aus dem Modell der Vertrauenswürdigkeit von Caldwell & Clapham (2003). Sie hatten Wohlwollen als „the desire to do good“ (ebd., S. 353) eingeführt und zugleich darauf hingewiesen, dass auch bereits der Wille zu informieren zur sozialen Verantwortung einer Organisation gehört. Im Stimulus wurde dies dadurch umgesetzt, dass sich die beiden Organisationen explizit zu ihrer Verantwortung bekannten. Die positive Wirkung auf Vertrauenswürdigkeit zeigt, dass die Modellannahmen von Caldwell & Clapham auch unter krisenhaften Bedingungen Geltung besitzen. Mahon (2002) hatte darauf hingewiesen, dass „notions of corporate social responsibility“ (ebd., S. 5) zur Reputationskonstitution beitragen – ein Hinweis, der hier für organisationale Vertrauenswürdigkeit gezeigt werden konnte. Das Ergebnis schlägt damit die Brücke zwischen der Übernahme sozialer Verantwortung von Organisationen und Krisen. Soziale Verantwortung ist, so konnte gezeigt werden, somit kein Bekenntnis, welches seine Relevanz unter Krisenbedingungen verliert. Im Gegenteil: „[M]anagers need to be particularly cognizant about the hazards of being perceived as socially irresponsible“ (Sen & Bhattacharya, 2001, S. 238).
Denn die Übernahme unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung leistet einen wichtigen Beitrag zur Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit: „Demonstrating concern for victims and regret may be a key indicator that an organization has learned its crisis lesson“ (Coombs & Schmidt, 2000, S. 174). Die Strategie liefert damit eine Antwort auf die Frage von Hiß (2005, S. 100), wodurch ein positives Image geprägt ist, um Sozialreputation zu konstituieren. Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung hat den zwei untersuchten Organisationen ermöglicht, sich an gesellschaftlichen Vorgaben zu orientieren
5.3 Strategische Kommunikation
277
und sich daran anzupassen. Sie haben sich auf der gesellschaftlichen Ebene damit zunächst erfolgreich (kommunikativ) als vertrauenswürdig dargestellt und so das Postulat strategischer Krisenkommunikation erfüllt. Doch das Aufzeigen einer Wirkung unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit ist nur der erste Schritt zu einer differenzierten Diskussion der Ergebnisse. Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung in der Krise kann jedoch nicht unkritisch hingenommen werden. So hatten Vanhamme & Grobben (2008) gezeigt, dass CSR in Krisen vor allem dann erfolgreich ist, wenn sie über einen langen Zeitraum etabliert wurde. Dies gilt auch für die Übernahme unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung: Die Strategie wird keine über Jahre etablierte CSR-Strategie binnen kürzester Zeit kompensieren können. Insbesondere, wenn eine Organisation bislang nicht als gesellschaftlich verantwortlich handelnd aufgetreten ist, überwiegt die Skepsis der Stakeholder (vgl. ebd.). Demnach ist die Strategie auch kein „Freifahrtschein“ für vermeidbare Krisen. Vielmehr muss sie konsistent in die bisherige Kommunikationsstrategie der CSR-Aktivitäten integriert werden. Liegen solche Aktivitäten bislang nicht vor, bleibt die Motivation der Strategie den Stakeholdern zunächst unklar und muss daher Teil der Kommunikation werden (vgl. ebd.). Erst wenn die Motivation gesellschaftlicher Verantwortung langfristig durch bisherige CSR-Aktivitäten oder kurzfristig durch plausible Erklärung deutlich wird, trägt sie langfristig zur Reputationskonstitution bei. Auch die Hinweise von Sen & Bahattacharya (2001) müssen an dieser Stelle ergänzend zu dem gezeigten Ergebnis diskutiert werden. Sie hatten gezeigt, dass die Wirkung von gesellschaftlicher Verantwortung beispielsweise auf Kaufentscheidungsprozesse stark von individuellen Faktoren abhängt. Dies ist einerseits die Beziehung zum Unternehmen (z.B. durch vorherige Interaktionen) oder die Einstellung zu CSR-Aktivitäten generell. In der vorliegenden Studie wurde versucht, persönliche Moderatorvariablen weitestgehend zu vermeiden. Daher wurde auch bewusst keine Organisation als Stimulusmaterial verwendet, die bei den Versuchspersonen bekannt war. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass keinerlei Beziehung zu den Treatment-Organisationen vorhanden war. Folgt man der Argumentation von Sen & Bahattacharya, so macht diese Beziehung jedoch einen wichtigen Teil der Stakeholder-Handlungen aufgrund von CSR-Aktivitäten aus. Diese Beziehung vermag die Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung während einer Krisensituation jedoch sicher nicht zu übernehmen. Um die Wirkung daher auch detailliert auf die unterschiedlichen Ebenen von Vertrauenswürdigkeit zu diskutieren, werden diese in einem zweiten Schritt im Folgenden ergänzend dargestellt. 5.3.1.2
Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit
Um die Wirkung unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auch auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit zeigen zu können, wurden eine Reihe von Varianzanalysen durchgeführt mit der jeweiligen Dimension von Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass keine Haupteffekte zwischen unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung und funktionaler, sozialer oder emotionaler Vertrauenswürdigkeit bestehen.
278
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung Kontrollgruppe M SD M SD
df
F
p
1,34
1, 195
0,408
n.s.
4,22
1,26
1, 195
1,482
n.s.
1,03
4,47
1,00
1, 193
1,391
n.s.
1,38
4,93
1,53
1, 193
0,032
n.s.
(Allgemeine) Funktionale Vertrauens- 3,48 würdigkeit
1,33
3,32
(Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 4,05 enswürdigkeit
1,17
Soziale Vertrauens4,28 würdigkeit Emotionale Vertrau4,84 enswürdigkeit
Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung ist damit keine Kommunikationsstrategie, mit der eine differenzierte Wirkung in Bezug auf Vertrauenswürdigkeit erreicht werden kann (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Das Ergebnis ist vor allem für die Dimension sozialer Vertrauenswürdigkeit bemerkenswert, denn die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung zeigt auf der zu erwartenden sozialen Dimension keine signifikante Wirkung. Das bedeutet, dass durch die Übernahme unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung keine soziale Vertrauenswürdigkeit erreicht werden kann. Ein Ergebnis, dass in Kapitel 5.3.2.2 (die Wirkung mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung) noch einmal diskutiert wird. Wenngleich in keiner der Dimensionen ein signifikanter Unterschied zwischen der Treatment- und Kontrollgruppe gezeigt werden konnte, so liefert die Mittelwertanalyse wichtige Hinweise auf den untersuchten Wirkungszusammenhang. Es fällt auf, dass die Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung für krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit (MTG = 4,05; SD = 1,17 vs. MKG = 4,22; SD = 1,26), soziale Vertrauenswürdigkeit (MTG = 4,28; SD = 1,0317 vs. MKG = 4,47; SD = 1,00) und emotionale Vertrauenswürdigkeit (MTG = 4,84; SD = 1,3817 vs. MKG = 4,93; SD = 1,53) eine positive Wirkung gegenüber der Kontrollgruppe zeigt. Auffallend ist insbesondere, dass in der Dimension emotionaler Vertrauenswürdigkeit jedoch die größte Unschlüssigkeit in der Bewertung besteht: Einerseits sind die Gruppen mit F(1, 193) = 0,032 fast identisch und andererseits weist die Standardabweichung sowohl der Treatmentgruppe (SD = 1,38) als auch die der Kontrollgruppe (SD = 1,53) die größte Spanne innerhalb der untersuchten Strategie auf. Das bedeutet, dass unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung recht deutlich keine Strategie ist, durch die eine Organisation in der Krise als Sympathieträger dargestellt werden kann. Diese Erkenntnis ist vor allem für das Krisenmanagement von Relevanz (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 6.2). Demgegenüber steht der Mittelwertvergleich der Dimension allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeit. Der Gruppenunterschied ist mit F(1, 195) = 0,408 zwar nur sehr gering und nicht signifikant. Dennoch wirkt sich die Strategie offensichtlich negativ auf
5.3 Strategische Kommunikation
279
diese Dimension aus (MTG = 3,48; SD = 1,33 vs. MKG = 3,32; SD = 1,34). Damit trägt gesellschaftliche Verantwortung also dazu bei, dass die funktionale Vertrauenswürdigkeit in die untersuchten Organisationen durch unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung sinkt. Das Ergebnis spiegelt damit die Erkenntnisse von Sen & Bhattacharya (2001) wider, die Aktivitäten gesellschaftlicher Verantwortung auf Kundenreaktionen untersuchen. Sie finden Belege dafür, dass gesellschaftliche Verantwortung nur dann als positiv wahrgenommen wird, wenn sie der Unternehmensideologie entspricht und nicht von außen (z.B. als Verkaufsargument) diktiert wird (vgl. ebd., S. 238). In ihrer Analyse bezüglich der Kaufbereitschaft von Produkten weisen sie darauf hin, dass „[...] a company's CSR Corporate Social Responsibility actions in certain CSR domains (e.g., labor relations, employee working conditions) and for consumers with certain CSRrelated beliefs can also have a direct effect on the attractiveness of the company's products“ (ebd., S. 239).
Brown & Dacin (1997) untersuchen in ihrer Studie die Wirkung von CSR auf „corporate ability“ (CA) und fassen darunter Produkte, Leistungen und Services von Unternehmen zusammen und damit das, was in der vorliegenden Studie in der Dimension allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeit abgefragt wurde. Sen et. al nehmen darauf Bezug und halten fest, dass gesellschaftliche Verantwortung dann einen negativen Effekt auf wahrgenommene Corporate Ability eines Unternehmens hat, wenn sie eingeschätzt wird als eine Strategie, die nicht direkt zu einer besseren Corporate Ability beiträgt. In der vorliegenden Studie liegen in dem Setting der Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung ähnliche Bedingungen vor: unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung wurde über die Betroffenheit gegenüber den krisengeschädigten Mitarbeitern operationalisiert und allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit misst u.a. die Produktattraktivität bzw. die funktionalen Leistungen der beschriebenen Organisationen. Da gesellschaftliche Verantwortung hier keine genuine Organisationsleistung ist, sondern durch die Krisensituation ausgelöst wird, ist sie wie in der Studie von Sen et al. nicht ideologisch motiviert, sondern klar situationsbezogen. Aus dem Mittelwertvergleich lassen sich nun zumindest Indizien dafür finden, dass auch hier sich die situative Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auf allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit – und damit auf zentrale Attribute von Corporate Ability – negativ auswirkt. Diese Erkenntnisse sind vor allem für die weitere empirische Forschung von CSRAktivitäten unter Krisenbedingungen relevant. Es scheint, dass gesellschaftliche Verantwortung zwar insgesamt einen positiven Effekt auf krisenbezogene funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit hat. Dennoch wird die Motivation dieser CSR-Aktivitäten zur wichtigen Moderatorvariable in Bezug auf die Zuschreibung allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeit. Was Sen et al. für die Kaufbereitschaft zeigen, wird in der vorliegenden Studie für die Dimension allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeit zumindest anhand von Indizien des Mittelwertvergleichs bestätigt. Das Ergebnis liefert damit weitere Erkenntnisse für die Diskussion der Effektivität von CSR-Aktivitäten und deren Abhängigkeit wahrgenommener Integrität.
280
5.3.1.3
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps
Für die Strategie unmittelbarer Verantwortung wurde untersucht, ob sich ein Unterschied zwischen den untersuchten Organisationstypen feststellen lässt. Die Analyse der Interaktionseffekte lässt mit F(1, 194) = 0,265; p > 0,10 keinen signifikanten Interaktionseffekt vermuten. Um dies zu überprüfen, wurde ergänzend eine ANOVA nur innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt. ProfitOrganisation (n = 45) M SD
Non-ProfitOrganisation (n = 52) M SD
df Organisationale Vertrauens- 4,64 1,11 4,55 1,24 1, 95 würdigkeit Treatmentgruppe unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung
F
p
0,144
n.s.
Die Analyse bestätigt, dass die Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung sich nicht signifikant unterschiedlich bei Profit- und Non-Profit-Organisationen auswirkt. Die Hypothese H3.1b Die Wirkung unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp muss daher abgelehnt werden. Das Ergebnis weist darauf hin, dass die Wirkung der Strategie für beide Organisationstypen gleich ist. Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung wirkt sich weder positiver für die Profit- noch für die Non-Profit-Organisation aus – der Organisationstyp hat keinen Interaktionseffekt auf die Wirkung der Strategie (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). 5.3.1.4
Die Wirkung in Abhängigkeit des Krisentyps
Um eine Interaktion des Krisentyps zu überprüfen wurde eine univariate ANOVA innerhalb der Treatmentgruppe durchgeführt mit organisationaler Vertrauenswürdigkeit als abhängiger Variable und dem Krisentyp als festen Faktor. Funktionalvermeidbare Krise (n=50) M SD
Sozialvermeidbare Krise (n=47) M SD
df Organisationale Vertrauens- 4,35 1,17 4,86 1,14 1, 95 würdigkeit Treatmentgruppe unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung
F
p
4,639
≤ 0,05
Mit F(1, 95) = 4,639; p ≤ 0,05 wird ein akzeptables Signifikanzniveau der 2-WegeInteraktion erreicht. In funktional-vermeidbaren Krisen entfaltet die Strategie demnach eine signifikant unterschiedliche Wirkung als in sozial-vermeidbaren Krisen. Die Hypothese H3.1c Die Wirkung unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Krisentyp kann daher ange-
5.3 Strategische Kommunikation
281
nommen werden. Die Mittelwerte weisen darauf hin, dass die Strategie sich in funktionalen Krisen (M = 4,35; SD = 1,17) besser auf organisationale Vertrauenswürdigkeit auswirkt, als in sozialen Krisen (M = 4,86; SD = 1,14). Die funktionale Krise wurde operationalisiert als eine Situation, in der das Management des Aluminiumdosenherstellers bzw. des Kinderhilfswerks Fehlentscheidungen getroffen hat die dazu führten, dass der Auftrag der Organisation (die Herstellung von Dosen bzw. die Kinderhilfe) nicht mehr ausgeführt werden konnte. Eine Lösung der Krise kann damit in erster Linie durch Veränderungen in den fehlgeschlagenen Managementprozessen erreicht werden und nicht – so sollte vermutet werden – durch das Zeigen gesellschaftlicher Verantwortung. Aus der Argumentation des entwickelten Krisenkommunikationsmodells geht jedoch hervor, dass Vertrauenswürdigkeit nicht nur einem situativen und einem integriertem Postulat unterliegt, sondern gleichsam auch die Bedingungen des strategischen Postulats zu erfüllen hat, um Vertrauenswürdigkeit mehrdimensional zu signalisieren. Dieser Argumentation folgend wurde zugleich auch die Wirkung der Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung getestet. Die Anwendung der Strategie ergibt sich somit nicht aus einer inhaltlichen, sondern aus der modellbezogenen Argumentation. Inhaltlich ließe sich ihre Anwendung am ehesten für eine sozial-vermeidbare Krise begründen, da die Organisation dann eine Krise als gesellschaftspolitischer Akteur zu verantworten hat. Das Ergebnis zeigt nun, dass sich die Anwendung der Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung im Gruppenvergleich in der funktional-vermeidbaren Krise positiver auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit auswirkt als in der sozial-vermeidbaren Krise. Dies lässt sich damit begründen, dass die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung in einer funktionalen Krise von den Testpersonen scheinbar nicht erwartet wird. Diese Argumentation wird gestützt durch die Untersuchung des Items „Ich erwarte von einem Unternehmen/einer Non-Profit-Organisation in der Krise, dass sie sich um die Belange der Betroffenen kümmert“ [E_02_04]. Hier wird die Erwartung unmittelbarer Verantwortung (in dem Fall gegenüber den von der Krise betroffenen Mitarbeitern) überprüft. Vergleicht man die Gruppe der funktional-vermeidbaren mit der der sozialvermeidbaren Krise (jeweils innerhalb der Treatmentgruppe), so lässt sich mit t(95) = 1,952; p ≤ 0,05 ein signifikanter Unterschied feststellen. Die Mittelwerte belegen dabei, dass in einer funktionalen Krise die Erwartungen geringer sind (M = 2,02; SD = 1,24) als in einer sozialen Krise (M = 1,62; SD = 0,71). Wenn nun die Organisation analog zur Argumentation des Modells der Krisenkommunikation unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung übernimmt, so hat dies offensichtlich den größten Effekt in dem Typ Krise, in dem die Strategie am wenigsten erwartet wird. Dies trifft im vorliegenden Fall für die funktional-vermeidbare Krise zu. Aus dieser Erkenntnis lassen sich unterschiedliche Schlussfolgerungen für das Krisenmanagement ziehen (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 6.2): Zum einen trägt gesellschaftliche Verantwortung scheinbar dazu bei, dass eine Organisation in der Krise Vertrauenswürdigkeit signalisieren kann (vgl. Kapitel 5.3.1.1). Zum anderen wird diese Strategie in einer funktionalen Krise weniger erwartet. Wenn das Ziel des Krisenmanagements also ist, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren, so hat dies in der funktional-vermeidbaren Krise den größeren Effekt.
282
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
5.3.1.5
Qualifizierung
Auch für das Postulat strategischer Krisenkommunikation werden die gewählten Strategien noch einmal qualifiziert. Über zwei Test-Items zur Lösungsintention und Beschönigung soll damit abschließend geklärt werden, ob die Strategie von den Versuchspersonen eingeschätzt wird, die Krise zu lösen oder diese nur zu beschönigen. Dies ermöglicht, die Qualität der Strategie einzuschätzen und zu prüfen, ob sie als strategische Option zum Erhalt von Vertrauenswürdigkeit in Frage kommt. Um dies zu ermöglichen, wurden mehrere T-Tests zwischen der Treatment- und Kontrollgruppe in Bezug auf die zwei Test-Items durchgeführt – jeweils getrennt nach Krisen- und Organisationstyp. Das erste Test-Item überprüft, ob die Strategie als solche wahrgenommen wird, die Krise zu lösen. Dies ist sowohl für die untersuchte Profit- als auch die Non-ProfitOrganisation in der funktional-vermeidbaren Krise der Fall. Die Mittelwerte weisen darauf hin, dass die Stimulusgruppen (M = 2,41 bzw. M = 2,93) der Aussage stärker zustimmen, als die Kontrollgruppen (M = 3,40 bzw. M = 3,77). Das bedeutet, dass unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung in der funktional-vermeidbaren Krise wahrgenommen wird als Strategie die dazu beiträgt, die Krise letztlich zu lösen. MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit2,41 Organisation Non-ProfitOrganisation
2,93
Sozial-vermeidbare Krise Profit3,87 Organisation
MKG
df
t
p
3,40
40
2,137
≤ 0,05
3,77
52
1,878
≤ 0,10
4,29
49
0,936
n.s.
Non-Profit3,58 4,03 52 1,006 n.s. Organisation Test-Item [BAV_03_07]: „Der Organisation geht es darum, die Krise zu lösen.“ Das Ergebnis entspricht dem, was in Kapitel 5.3.1.4 gezeigt werden konnte: Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung wird in einer funktional-vermeidbaren Krise von den Versuchspersonen weniger erwartet als in der sozial-vermeidbaren und wirkt sich entsprechend positiv auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit aus. Dies gilt, so zeigt nun die Untersuchung des ersten Test-Items – offensichtlich auch für die Einschätzung der Lösungsintention. Denn in der sozial-vermeidbaren Krise konnte kein signifikanter Gruppenunterschied nachgewiesen werden, die Übernahme unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung zeigt demnach in der sozial-vermeidbaren Krise keinen Effekt in Bezug auf eine positive Einschätzung der Lösungsintention. Diese Aussage wird relativiert durch die ergänzende Darstellung des zweiten TestItems, was sich auf die Einschätzung der Strategie als Beschönigung bezieht. Hier liegen für beide Organisationstypen in beiden Krisentypen signifikante Gruppenunterschiede vor. Alle Mittelwerte weisen darauf hin, dass sich eine Übernahme unmittelbarer gesellschaftli-
5.3 Strategische Kommunikation
283
cher Verantwortung darauf auswirkt, dass die Strategie eingeschätzt wird, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Mit anderen Worten wird weder der Profit- noch der Non-ProfitOrganisation abgenommen, dass die gezeigte unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung aus rein altruistischen Motiven geschieht. MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit2,50 Organisation Non-ProfitOrganisation
3,29
Sozial-vermeidbare Krise Profit2,29 Organisation
MKG
df
t
p
3,57
41
2,014
≤ 0,50
4,12
51
1,909
≤ 0,10
4,29
50
5,323
≤ 0,01
Non-Profit2,25 3,00 52 1,830 ≤ 0,10 Organisation Test-Item [BAV_03_08]: „Der Organisation geht es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen.“ Dieses Ergebnis gilt es, in den Zusammenhang der zuvor gezeigten Erkenntnisse zu stellen. So wurde gezeigt, dass unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung zwar dazu beiträgt, organisationale Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren (vgl. Kapitel 5.3.1.1). Jedoch wirkt sich dies weder auf funktionale, soziale oder emotionale Vertrauenswürdigkeit aus (vgl. Kapitel 5.3.1.2). Ergänzend zu der weiter oben angeführten Argumentation kann an dieser Stelle nun hinzugefügt werden, dass die fehlende Auswirkung auf eine mehrdimensionale Vertrauenswürdigkeit scheinbar auch dadurch zustande kommt, dass die Strategie deutlich als Beschönigungsstrategie eingestuft wird. Im Vergleich dazu hatte beispielsweise auf der Ebene integrierter Krisenkommunikation kommunikative Disintegrität auf allen drei Dimensionen zugeschriebener Vertrauenswürdigkeit eine Wirkung gezeigt (vgl. Kapitel 5.2.1.2). Im Gegensatz zur hier untersuchten Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung wurde diese aber nur für die Profit-Organisation in der sozial-vermeidbaren Krise als Beschönigung evaluiert (vgl. Kapitel 5.2.1.6). Daraus lässt sich vermuten, dass eine Einschätzung als Beschönigungsstrategie es verhindert, dass sich die Strategie auf weiteren Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit eine Wirkung entfalten kann. Zusammenfassend wirkt sich die Strategie also am stärksten in funktionalvermeidbaren Krisen auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit aus und belegt damit zumindest teilweise die Notwendigkeit des Postulats strategischer Krisenkommunikation. Dies wird relativiert in der Erkenntnis, dass unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung als eine Strategie gesehen wird, die zwar sowohl dazu dient, die Krise zu lösen (funktional-vermeidbare Krise) aber auch, einen guten Eindruck zu hinterlassen (funktional-vermeidbare und sozial-vermeidbare Krise). Im Folgenden kann nun überprüft werden, ob dies auch für die Übernahme mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung gilt.
284
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Die Ergebnisse des nun folgenden Kapitels ermöglichen einen direkten Vergleich der bis hierher diskutierten Ergebnisse jeweils mit Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit, weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit und auch die Interaktionseffekte von Organisations- oder Krisentyp. An der vorliegenden Strategie wird noch einmal deutlich, welchen Stellenwert diese abschließende Qualifizierung der untersuchten Kommunikationsstrategie hat. Sie lässt nicht nur Rückschlüsse auf die Einschätzung der Strategie in Bezug auf die Lösungsintention bzw. das Hinterlassen eines guten Eindrucks zu (vgl. die Diskussion der Haupt- und Interaktionseffekte). Vielmehr gibt sie auch Hinweise darauf, warum die Strategie an anderer Stelle (hier bei der Untersuchung der Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit) keine Wirkung entfalten kann. Dies gilt es, bei zukünftigen empirischen Studien zur Wirkung von Kommunikationsstrategien zu berücksichtigen (vgl. Kapitel 6.1.1 sowie Kapitel 7.2). 5.3.2 5.3.2.1
Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung Die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit
Die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung ist eine Erweiterung der Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung. Sie wurde entwickelt als Strategie freiwilliger Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, bei dem der Verantwortungsbereich zeitlich und inhaltlich deutlich über die Krisensituation hinausgeht. Die Strategie wurde operationalisiert, indem die zwei Treatment-Organisationen ihr gesellschaftliches Engagement jeweils deutlich erweitern (z.B. durch eine Stiftung, die die Krisenursache dauerhaft verhindert oder ein Gütesiegel für Qualität) (vgl. zur genauen Beschreibung der Stimuli Kapitel 8). Für die empirische Analyse wurde eine ANOVA mit der Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung als unabhängige Variable und organisationaler Verantwortung als abhängiger Variabel durchgeführt. Als Interaktionsvariablen wurden Organisations- und Krisentyp gewählt. Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung M SD Organisationale Vertrauens- 4,44 würdigkeit
1,38
Kontrollgruppe M SD 4,96
1,08
df
F
p
1, 211
9,217
≤ 0,01
Die Varianzanalyse zeigt einen Haupteffekt des Stimulus. Treatment- und Kontrollgruppe unterscheiden sich mit F(1, 211) = 9,217; p ≤ 0,01. Der Mittelwert der Treatmentgruppe MTG = 4,44 (SD = 1,38) ist niedriger als der der Kontrollgruppe mit MKG = 4,96 (SD = 1,08). Dies deutet darauf hin, dass die Treatmentgruppe die untersuchten Organisationen als organisational vertrauenswürdiger einschätzt (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4). Die Hypothese H3.2a Organisationale Vertrauenswürdigkeit in vermeidbaren Krisen setzt voraus, dass Organisationen mittelbare gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren kann also bestätigt werden.
5.3 Strategische Kommunikation
285
Das Ergebnis war zu erwarten: Die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung ist eine Verstärkung der Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung. Bereits in Kapitel 5.3.1.1 wurde gezeigt, dass unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung sich positiv auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit auswirkt (F = 4,417). Die Treatment-Organisationen haben in den Experimenten den Verantwortungsbereich zeitlich und inhaltlich erweitert, so dass auch hier ein positiver Effekt auf organisationale Vertrauenswürdigkeit erwartbar war. Während jedoch bei der Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung keine Wirkung auf den differenzierten Ebenen von Vertrauenswürdigkeit nachgewiesen werden konnte, so gilt dies nicht für die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung. 5.3.2.2
Die Wirkung auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit
In einem zweiten Schritt wurden die Wirkung des Stimulus auch auf funktionale (allgemein und krisenbezogen), soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit analysiert. Hierfür wurden verschiedene ANOVAs mit der jeweiligen Dimension von Vertrauenswürdigkeit als abhängige Variable durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung einen deutlich positiven Effekt auf krisenbezogene funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit hat. Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung M SD
Kontrollgruppe M SD
df
F
p
1,34
1, 212
0,770
n.s.
4,22
1,26
1, 211
8,213
≤ 0,01
1,07
4,47
1,00
1, 210
15,424
≤ 0,01
1,41
4,93
1,53
1, 211
4,717
≤ 0,05
(Allgemeine) Funktionale Vertrauens- 3,47 würdigkeit
1,49
3,32
(Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 3,75 enswürdigkeit
1,09
Soziale Vertrauens3,93 würdigkeit Emotionale Vertrau4,53 enswürdigkeit
Funktionale Vertrauenswürdigkeit Während für allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit kein signifikanter Haupteffekt (F(1,212) = 0,770; p > 0,10) gezeigt werden kann, so gilt dies nicht für krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit. Hier unterscheiden sich Treatment- und Kontrollgruppe mit F(1, 211) = 8,213; p ≤ 0,01. Der Mittelwert der Treatmentgruppe MTG = 3,75 (SD = 1,09) ist niedriger als der der Kontrollgruppe MKG = 4,22 (SD = 1,26). Dies weist darauf hin, dass die Treatmentgruppe die untersuchten Organisationen als krisebezogen funktional vertrauenswürdiger einschätzt. Der Stimulus entfaltet demnach eine positive Wirkung auf
286
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
die untersuchte abhängige Variable, die mit F(1, 211) = 8,213; p ≤ 0,01 nicht nur hoch signifikant, sondern auch deutlich stark ist. Auch wenn unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung (vgl. Kapitel 5.3.1.2) ebenfalls einen positiven (wenngleich nicht signifikanten) Effekt auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit zeigen konnte, so fällt der Effekt bei der Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung deutlicher aus. Begründen lässt sich dies damit, dass die Strategie als Teil der Krisenlösung angesehen wird: Die Einrichtung einer Stiftung, die dazu beiträgt, dass eine ähnliche Krise zukünftig branchenweit nicht mehr auftritt, wird offensichtlich erkannt als nachhaltige Strategie, der Krise zu begegnen (vgl. hierzu auch Kapitel 5.3.2.6). Gestützt wird diese Argumentation dadurch, dass sie die Wirkung nur auf krisenbezogene und nicht auch auf allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit bezieht. Im Gegenteil: Ähnlich wie bereits bei unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung weisen die Mittelwerte darauf hin, dass auch mittelbare gesellschaftliche Verantwortung sich sogar negativ auf die Dimension allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeit auswirkt (vgl. hierzu Kapitel 5.3.1.2). Aus dieser Erkenntnis lassen sich bereits zwei Schlüsse ziehen. Erstens hat sich die Unterscheidung zwischen allgemeiner und krisenbezogener funktionaler Vertrauenswürdigkeit bewährt. In Bezug auf die zwei untersuchten Strategien auf der Ebene strategischer Krisenkommunikation konnte jeweils gezeigt werden, dass sich die Wirkung zwischen allgemeiner und krisenbezogener funktionaler Vertrauenswürdigkeit deutlich voneinander unterscheidet. Während der Effekt auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit positiv ist, gilt dies für allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit nicht. Hier waren die Ergebnisse zwar nicht signifikant, die Mittelwerte weisen jedoch auf den negativen Charakter der Strategie hin. Dies hat zweitens Konsequenzen für die empirische Forschung. Denn die Erkenntnis kann als Indiz dafür genommen werden, dass sowohl unmittelbare als auch mittelbare gesellschaftliche Verantwortung von weiteren Variablen beeinflusst werden. Um eine positive Wirkung auch auf allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit nachzuweisen gilt es, diese Moderatoren durch systematische, explorative Analysen zu identifizieren, ihre Wirkungszusammenhänge zu verstehen und sie anschließend für das Krisenmanagement fruchtbar zu machen. Soziale Vertrauenswürdigkeit Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung zeigt einen Haupteffekt auch für soziale Vertrauenswürdigkeit. Treatment- und Kontrollgruppe unterscheiden sich mit F(1, 210) = 15,424; p ≤ 0,01. Während der Mittelwert der Treatmentgruppe einen Wert von MTG = 3,93 (SD = 1,07) aufweist, ist der der Kontrollgruppe mit MKG = 4,74 (SD = 1,00) deutlich höher. Das bedeutet, dass die Treatmentgruppe die soziale Vertrauenswürdigkeit der untersuchten Organisationen als signifikant höher einschätzt. Das Ergebnis ist zunächst nicht weiter verwunderlich. Die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung sollte sich vor allem positiv auf die soziale Dimension von Vertrauenswürdigkeit auswirken. Interessant ist das Ergebnis jedoch im Vergleich mit dem Ergebnis aus Kapitel 5.3.1.2 (die Wirkung unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung), denn hier konnte kein signifikanter Gruppenunterschied festgestellt werden. Während für unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung sich Treatment- und Kontrollgruppe mit F(1, 193) = 1,391; p > 0,10 nicht unterscheiden, fällt der Unterschied bei mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung mit F(1, 210) = 15,424; p ≤ 0,01 umso deutlicher aus. Das bedeutet, dass gesellschaftliche Verantwortung auf der sozialen Dimension von Vertrauens-
5.3 Strategische Kommunikation
287
würdigkeit nur dann einen signifikanten Unterschied erwirkt, wenn das Engagement weit über das normale Maß an gesellschaftlicher Verantwortung hinausgeht. Dieser Effekt ist dafür aber auch sehr deutlich und erwirkt eine klare Zuschreibung sozialer Vertrauenswürdigkeit durch die Versuchspersonen. Emotionale Vertrauenswürdigkeit Schließlich zeigt die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auch einen positiven Haupteffekt auf emotionale Vertrauenswürdigkeit. Mit F(1, 211) = 4,717; p ≤ 0,05 unterscheiden sich die Treatment- und Kontrollgruppe signifikant voneinander. Der Mittelwertvergleich weist darauf hin, dass sich der Stimulus positiv auf emotionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt (MTG = 4,53; SD = 1,41 vs. MKG = 4,93; SD = 1,53). Das bedeutet, dass die Strategie mittelbarer Verantwortung dazu beigetragen hat, dass die untersuchten Organisationen als Sympathieträger wahrgenommen werden. Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung stellt damit eine Grundlage für gemeinsam geteilte gesellschaftliche Werte her. Lahno (2001) hatte gezeigt, dass um zu vertrauen, eine solche Wertegrundlage wesentliche Voraussetzung ist. Er führt diese als emotionales Element von Vertrauen ein. Die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung trägt demnach dazu bei, durch das Schaffen einer solchen gemeinsamen Wertegrundlage auch auf der emotionalen Dimension von Vertrauenswürdigkeit eine Wirkung erzielen zu können. Zwar wird ein „management of emotions“ wie Loomis (2008, S. 13) es vorschlägt durch die Strategie sicher nicht möglich, trägt aber dennoch dazu bei, das Postulat strategischer Krisenkommunikation zu erfüllen. An dieser Stelle gilt es abschließend, noch auf die hohen Werte der Standardabweichungen hinzuweisen: Sowohl SDTG = 1,41 als auch SDKG = 1,53 deuten auf eine Unsicherheit im Ankreuzverhalten der Versuchspersonen hin. Die Standardabweichungen der drei anderen untersuchten Dimensionen liegen teilweise deutlich darunter. Dies bestätigt, dass Reputation „is primarily an emotional concept that is difficult to rationalize and verbalize“ (Groenland, 2002, S. 309). Es scheint, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung zwar immer noch insgesamt eine signifikante Wirkung in Bezug auf emotionale Vertrauenswürdigkeit erzielt, eventuell aber weitere Kriterien bei der Beurteilung eine Rolle spielen (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 6.1). Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung entfaltet zusammenfassend damit eine signifikante Wirkung auf den Dimensionen krisenbezogener funktionaler, sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit. Wie bereits für die Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung wirkt sich auch mittelbare gesellschaftliche Verantwortung negativ auf allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit aus, wenngleich das Ergebnis nicht signifikant ist. Es liefert dennoch einen Hinweis darauf, dass zukünftig weitere Moderatorvariablen für die Wirkung von CSR-Strategien unter Krisenbedingungen in die Forschung einzubeziehen sind und gesellschaftliche Verantwortung nicht pauschal positive Wirkungen entfaltet. Durch die Wirkung dennoch auf drei der vier untersuchten Dimensionen wird deutlich, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung zu einer der zentralen Strategien auf der Ebene strategischer Krisenkommunikation zu zählen ist (für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse vgl. Kapitel 5.4) 0,10 kein zufriedenstellendes Signifikanzniveau erreicht wird. Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung entfaltet demnach keine unterschiedliche Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit bei den untersuchten Krisentypen. Für die Hypothese H3.2c Die Wirkung mittelbarer gesellschaftlicher
5.3 Strategische Kommunikation
289
Verantwortung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Organisationstyp bedeutet dies, dass sie zurückgewiesen werden muss. In einem zweiten Schritt wurde eine Detailanalyse der weiteren Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit durchgeführt. Daraus geht hervor, dass sich ein Gruppenunterschied zwischen den untersuchten Krisentypen in Bezug auf emotionale Vertrauenswürdigkeit nachweisen lässt. Funktionalvermeidbare Krise (n=54) M SD
Sozialvermeidbare Krise (n=61) M SD
df Emotionale Vertrau4,30 1,28 4,73 1,51 1, 113 enswürdigkeit Treatmentgruppe mittelbare gesellschaftliche Verantwortung
F
p
2,620
≤ 0,10
Die Wirkung des Stimulus unterscheidet sich mit F(1, 113) = 2,620; p ≤ 0,10 in den zwei untersuchten Krisentypen signifikant. Der Vergleich der Mittelwerte in der Treatmentgruppe legt dabei offen, dass in funktional-vermeidbaren Krisen die Organisation als emotional vertrauenswürdiger eingeschätzt wird als in sozial-vermeidbaren Krisen (Mfunktional-vermeidbar = 4,30; SD = 1,28 vs. Msozial-vermeidbar = 4,73; SD = 1,51). Die Daten aus der Varianzanalyse weisen also darauf hin, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung als strategische Option in der Krise in Bezug auf emotionale Vertrauenswürdigkeit dann einen positiveren Effekt hat, wenn sich die Organisation in einer funktional-vermeidbaren Krise befindet. Das Ergebnis ergänzt an dieser Stelle die Erkenntnis aus Kapitel 5.3.2.2, in dem bislang nur die allgemeine Wirksamkeit der Strategie nachgewiesen wurde. Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung hat für Organisationen also nicht nur allgemein eine positive Wirkung auf emotionale Vertrauenswürdigkeit, sondern diese entfaltet sich in einer funktional-vermeidbaren Krise besser als in einer sozial-vermeidbaren. Während die Erkenntnis für das Krisenmanagement nur bedingt von Relevanz ist (die Krisensituation kann schließlich nicht verändert werden, wenn man die bestmögliche Wirkung der Strategie erreichen will), so ist sie vor allem für den wissenschaftlichen Diskurs interessant. In der Diskussion des Forschungsstandes wurde erstens gezeigt, dass die Zuschreibung von Vertrauen unabhängig von rein objektiver Information ist. Dies war die zentrale Annahme dafür, dass das Vertrauenswürdigkeitskonstrukt mehrdimensional ist und unter anderem auch eine emotionale Komponente aufweist. Zweitens ist für die emotionale Zuschreibung von Vertrauen Voraussetzung, dass gleiche Wert- und Normvorstellungen zwischen Vertrauendem und Vertrautem geteilt werden (vgl. Lahno, 2001). Während Lahno diese Erkenntnis auf der Individualebene nachweisen kann, findet die vorliegende Untersuchung eine Bestätigung auch auf der Organisationsebene. Denn in dem Stimulus der sozial-vermeidbaren Krise kann davon ausgegangen werden, dass sowohl der Aluminiumhersteller als auch das Kinderhilfswerk allgemein gültigen Wert- und Normvorstellungen zunächst widersprechen: Eine gleiche Wert- und Normvorstellung zwischen Vertrauendem und Vertrauten liegt der geschilderten Krisensituation damit nicht vor. Durch die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung soll nun versucht werden zu signalisieren, dass trotz Krise ein gleiches Verständnis gesellschaftlicher Werte und Normen bei Organisation und Stakeholder
290
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
(hier den Versuchspersonen) vorliegt. Beide Organisationen übernehmen im Stimulus entsprechend gesellschaftliche Verantwortung, die über die vorliegende Krise hinaus gehen, diese sich nicht nur auf die Organisation selbst bezieht und dadurch explizit auch in Zukunft eine ähnliche Krise vermeiden soll. In Kapitel 5.3.2.2 wurde nachgewiesen, dass die Strategie in Bezug auf die Zuschreibung emotionaler Vertrauenswürdigkeit tatsächlich erfolgreich ist. Das bedeutet, dass es den Organisationen gelingt nachzuweisen, gleiche oder zumindest ähnliche moralische Normvorstellungen wie die Versuchspersonen zu haben. Die Voraussetzung für emotionale Vertrauenswürdigkeit wird damit erfüllt – der Unterschied zwischen Treatment- und Kontrollgruppe war signifikant. Interessant ist nun, dass dies zwar für beide Krisentypen zu gelten scheint, dies doch in der sozial-vermeidbaren Krise signifikant schlechter gelingt. Begründen lässt sich das Ergebnis dadurch, dass in der sozial-vermeidbaren Krise das Ausmaß der Diskrepanz zwischen der Moralvorstellung des Vertrauten (den zwei Organisationen) und dem Vertrauendem (der Versuchsperson) ungleich größer ist als in der funktional-vermeidbaren Krise: In der funktional-vermeidbaren Krise liegt mit den geschilderten Managementfehlern eine weitaus geringere moralischethische Diskrepanz vor als in der sozial-vermeidbaren Krise mit Rassismus und die persönliche Bereicherung des Managements. Die Wirkung mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung in Abhängigkeit des Krisentyps zeigt also, dass diese sich zwar nicht in Bezug auf allgemeine organisationale Vertrauenswürdigkeit zwischen einer funktionalen und einer sozialen Krise unterscheidet, jedoch durchaus in Bezug auf emotionale Vertrauenswürdigkeit. Damit belegt die Analyse auf organisationaler Ebene, dass gesellschaftliche Verantwortung als Strategie wirksam ist, emotionale Vertrauenswürdigkeit hervorzurufen. Dieser Effekt erzielt in der funktionalen Krisen eine größere Wirkung als in der sozialen Krise. 5.3.2.5
Die Wirkung in Abhängigkeit des Organisations- und Krisentyps
Um abschließend auch Gruppenunterschiede in einer möglichen 3-Wege-Interaktion zu prüfen wurden insgesamt vier Varianzanalysen in der Treatmentgruppe durchgeführt. Zwei überprüfen die Gruppenunterschiede zwischen Profit- und Non-Profit-Organisation jeweils in der funktionalen bzw. der sozialen Krise und zwei die Unterschiede zwischen den Krisentypen jeweils bei der Profit- und der Non-Profit-Organisation. Abhängige Variable war organisationale Vertrauenswürdigkeit. Die Mittelwerte der ANOVA weisen darauf hin, dass für eine Profit-Organisation die Strategie mittelbarer Verantwortung in funktionalen Krisen (M = 3,85; SD = 1,18) eine bessere Wirkung erzielt, als in sozialen Krisen (M = 4,77; SD = 1,37). Umgekehrt scheint für Non-Profit-Organisationen die Wirkung mittelbarer Verantwortung in sozialen Krisen (M = 4,46; SD = 1,47) besser als in funktionalen Krisen (M = 4,64; SD = 1,37). Um diese Aussage auf Signifikanz zu überprüfen werden in der Treatmentgruppe der ProfitOrganisationen und in der Treatmentgruppe der Non-Profit-Organisationen jeweils eine ANOVA mit dem Krisentyp als festen Faktor durchgeführt.
5.3 Strategische Kommunikation
291
Funktionalvermeidbare Krise M SD
Sozialvermeidbare Krise M SD
df
F
p
1, 58
7,736
≤ 0,01
Non-Profit-Organisation Organisationale Vertrauenswür- 4,64 1,37 4,46 1,47 1, 52 digkeit Treatmentgruppe mittelbare gesellschaftliche Verantwortung
0,238
n.s.
Profit-Organisation Organisationale Vertrauenswür- 3,85 digkeit
1,18
4,77
1,37
Das Ergebnis der Varianzanalyse der Profit-Organisation legt offen, dass sich die Krisentypen mit F(1, 58) = 7,736; p ≤ 0,01 in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit signifikant voneinander unterscheiden. Der Mittelwertvergleich weist darauf hin, dass der Stimulus mittelbare Verantwortung für Profit-Organisationen (M = 3,85; SD = 1,18) in funktionalen Krisen zu einem signifikant besseren Ergebnis hinsichtlich organisationaler Vertrauenswürdigkeit führt als in sozialen Krisen (M = 4,77; SD = 1,37). Für die Gruppe der Non-Profit-Organisationen lässt sich kein signifikanter Unterschied zeigen, so dass die eingangs aufgestellte Vermutung verworfen werden muss. Das Ergebnis ergänzt die Erkenntnis aus Kapitel 5.3.2.4. Hier wurde gezeigt, dass sich für die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung kein signifikanter Interaktionseffekt des Krisentyps nachweisen lässt. Dieser Aussage kann für die untersuchte NPO zugestimmt werden. Für die Profit-Organisation jedoch gilt, dass die Strategie in der funktional-vermeidbaren Krise eine signifikant bessere Wirkung entfaltet. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass in dem Stimulus der Profit-Organisation in der funktionalvermeidbaren Krise keinerlei gesellschaftliche Normen verletzt wurden (Produktionsausfall durch Managementfehler). Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, die zudem noch über ein normales, erwartbares Maß hinausgeht grenzt sich damit deutlich von Maßnahmen der Organisation ab, durch die die Krise gelöst werden soll: Während in einer sozialen Krise jene Normvorstellungen bereits verletzt wurden und gesellschaftliche Verantwortung als Strategie also Teil der Krisenlösung ist, gilt dies nicht für die funktionale Krise. Denn in der sozialen Krise wurden gesellschaftliche Normvorstellungen verletzt, mittelbare gesellschaftliche Verantwortung ist also Teil einer erwarteten Strategie, die Krise zu lösen. Durch den bereits diskutierten Doppelauftrag einer NPO liegt bei der Profit-Organisation zudem aus ihrem rein funktionalen Auftrag heraus auch keine indirekte gesellschaftliche Verpflichtung vor. Damit lässt sich erklären, dass freiwillige Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung in hohem Maße positiv wahrgenommen wird, da sie in doppelter Hinsicht nicht erwartet wird. Entsprechend führt sie in der funktionalen Krise zu einem signifikant besseren Ergebnis als in der sozialen Krise. Mit diesen Überlegungen lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung einerseits Haupteffekte auf Vertrauenswür-
292
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
digkeit zeigt und diese andererseits auch durch Interaktionseffekte beeinflusst werden. Für den Krisentyp ließ sich festhalten, dass die Strategie in der funktionalen Krise eine stärkere Wirkung entfaltet als in der sozialen Krise. Begründet wurde dies mit dem Ausmaß der Diskrepanz zwischen erwarteter gesellschaftlicher Verantwortung: Während in der funktionalen Krise mittelbare gesellschaftliche Verantwortung weniger erwartet wird (weil sie nicht Teil der Krise und damit nicht erwarteter Teil der Krisenlösung ist), trifft dies für die soziale Krise nicht zu. Hier wurden gesellschaftliche Normen verletzt, mittelbare gesellschaftliche Verantwortung ist daher auch erwartbarer Teil der Krisenlösungsstrategie gegenüber einer Organisation. Zwar entfaltet die Strategie eine Wirkung für beide Krisentypen, für die funktionale Krise jedoch eine signifikant bessere. Bestärkt wird dies durch die Ergebnisse aus der Untersuchung der 3-Wege-Interaktionen: Während, wie weiter oben bereits diskutiert, die Non-Profit-Organisation auch einen direkten gesellschaftlichen Auftrag verfolgt, trifft dies für die Profit-Organisation nicht zu. Die Notwendigkeit gesellschaftlicher Verantwortung begründet durch den organisationalen Auftrag liegt also nur bei der NPO vor. Entsprechend verstärkt sich der beschriebene Effekt bei einer ProfitOrganisation in der funktionalen Krise noch. Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung wird erst recht nicht von der Profit-Organisation erwartet, so dass sie in der funktionalen Krise die bessere Wirkung zeigt. Für die Non-Profit-Organisation lassen die Mittelwerte die umgekehrte Wirkung vermuten, jedoch sind die Ergebnisse nicht signifikant. Damit gilt es abschließend, die Strategie noch einmal zu qualifizieren, um ihre tatsächliche Wirkung in Relation zu den Ergebnissen zu setzen. 5.3.2.6
Qualifizierung
In den bisher diskutierten Ergebnissen konnte gezeigt werden, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung dazu beiträgt, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Dies gilt insbesondere für organisationale und emotionale Vertrauenswürdigkeit. Bislang wurde jedoch nicht diskutiert, wie die Strategie durch die Versuchspersonen eingeschätzt wird. Um dies zu testen, wurden in der Treatment- und Kontrollgruppe zwei Qualifizierungs-Items abgefragt, die die Strategien in Bezug auf ihre Zielsetzung zur Lösung der Krise sowie zur Beschönigung der Krisensituation bewerten. Um dies zu testen wurden Unterschiede zwischen der Treatment- und Kontrollgruppe jeweils getrennt nach Organisationstyp und Krisentyp untersucht (T-Testverfahren). Aus den Ergebnissen lässt sich zeigen, dass die Strategie mittelbarer Verantwortung für die Profit-Organisation in der funktionalen Krise und für die Non-Profit-Organisation in der funktionalen und sozialen Krise als eine Strategie eingeschätzt wird, die dazu dient, die Krise zu lösen. MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit2,86 Organisation Non-ProfitOrganisation
2,77
MKG
df
t
p
3,40
46
1,324
n.s.
3,77
50
2,316
≤ 0,05
5.3 Strategische Kommunikation
(Fortsetzung) Sozial-vermeidbare Krise Profit3,50 Organisation
293
4,29
58
1,877
≤ 0,10
Non-Profit3,11 4,03 56 2,142 ≤ 0,05 Organisation Test-Item [BAV_03_07]: „Der Organisation geht es darum, die Krise zu lösen.“ Für beide Organisationen in der sozial-vermeidbaren Krise ist dies eine Bestätigung dafür, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung als Teil der Krisenlösungsstrategie eingeschätzt wird (vgl. Kapitel 5.3.2.5). Zurückführen lässt sich das Ergebnis auf die Aussage im Stimulus, dass durch die mittelbare gesellschaftliche Verantwortung (in allen Szenarien die Einrichtung eines Fonds zur Vermeidung ähnlicher Krisen in Zukunft) die Krise nicht nur akut bekämpft wird, sondern eine nachhaltige Lösung vorgeschlagen wird. Im Vergleich zu den bisher diskutierten direkten Krisenkommunikationsstrategien (vgl. Kapitel 5.1.1.6, 5.1.2.6, 5.2.1.6, 5.2.2.5 und 5.3.1.5) wird also auch indirekte gesellschaftliche Verantwortung als Strategie eingeschätzt, die letztlich der Krisenlösung dient. Für das Krisenmanagement ist jedoch vor allem das zweite Qualifizierungs-Item von Relevanz. Für die Profit-Organisation kann gezeigt werden, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung deutlich als Strategie eingeschätzt wird, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Für die untersuchte NPO gilt dies nur in der funktionalen Krise. MTG Funktional-vermeidbare Krise Profit2,00 Organisation Non-ProfitOrganisation
2,81
Sozial-vermeidbare Krise Profit1,91 Organisation
MKG
df
t
p
3,57
47
3,711
≤ 0,01
4,12
50
2,986
≤ 0,01
4,29
58
6,490
≤ 0,01
Non-Profit2,54 3,00 56 1,183 n.s. Organisation Test-Item [BAV_03_08]: „Der Organisation geht es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen.“ Der Unterschied ist am größten für die Profit-Organisation in der sozial-vermeidbaren Krise. Damit legt die Qualifizierung offen, dass die weiter oben diskutierte Diskrepanz zwischen erwarteter Notwendigkeit gesellschaftlicher Verantwortung für die ProfitOrganisation in der funktionalen und sozialen Krise neben der (durchaus positiven) Wirkung auf emotionale Vertrauenswürdigkeit noch eine weitere Konsequenz hat: Dadurch,
294
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
dass die Übernahme mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung nicht erwartet wird, die Profit-Organisation diese aber dennoch zeigt, wird sie insgesamt als Beschönigungsstrategie wahrgenommen und damit unglaubwürdig. Somit kann auf der einen Seite zwar festgehalten werden, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung dazu führen kann, (emotionale) Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Dies bedeutet gleichsam jedoch nicht, dass sie auch als glaubwürdig eingeschätzt wird. An dieser Stelle lassen sich die Ergebnisse aus der Strategie unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung bereits sinnvoll ergänzen. So wurde gezeigt, dass unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung gleichsam deutlich als Beschönigungsstrategie enttarnt wurde. Dies hatte zur Konsequenz, dass sich die Strategie nicht mehrdimensional auf Vertrauenswürdigkeit entfalten konnte und damit in ihrer Wirkung stark eingeschränkt war. Fügt man die gleiche Erkenntnis aus der Untersuchung der Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung an dieser Stelle hinzu, so weist beides auf eine wichtige Erkenntnis hin: Auf der strategischen Ebene von Krisenkommunikation wirkt sich gesellschaftliche Verantwortung zwar insgesamt positiv auf (zumindest organisationale) Vertrauenswürdigkeit aus, jedoch leidet die Strategie offensichtlich an einem Glaubwürdigkeitsproblem. Welche Treiber für die Strategie notwendig sind, damit diese auch als glaubwürdig eingeschätzt wird, darüber lässt sich an dieser Stelle keine Aussage treffen. Dennoch gilt es festzuhalten, dass es insbesondere für Profit-Organisationen weiterer Forschung bedarf, um auf der Ebene strategischer Krisenkommunikation erfolgreiche Strategien zu identifizieren (vgl. Kapitel 7.2). Dies wird aus der Qualifizierung sowohl der Strategie unmittelbarer als auch der Strategie mittelbarer Verantwortung deutlich. 5.3.3 5.3.3.1
Der Zusammenhang zwischen unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung Der Zusammenhang in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit
Für die Dimensionen situativer (Kapitel 5.1) und organisationaler (Kapitel 5.2) Krisenkommunikation wurden jeweils unterschiedliche Strategien getestet: für das situative Postulat die Strategie der Übereinkunft und aktive Kommunikation sowie für das Postulat integrierter Krisenkommunikation kommunikative Disintegrität und Krisenkompetenz. Die untersuchten Strategien leiten sich damit zwar direkt aus den jeweiligen Postulaten ab, stehen aber untereinander in keinem direkten Zusammenhang und sind damit auch nicht direkt vergleichbar. Die Wahl verschiedener Strategien in den jeweiligen Postulaten lag darin begründet, möglichst unterschiedliche Aspekte der Dimension durch die empirische Analyse abzudecken. Darüber hinaus lässt sich für die Strategien Krisenkompetenz (organisationales Postulat) oder aktive Krisenkommunikation (situatives Postulat) eine Abstufung inhaltlich kaum sinnvoll begründen. Für die Operationalisierung des Postulats strategischer Krisenkommunikation gilt dies nicht. Hier wurden bewusst zwei Stufen derselben Strategie gesellschaftliche Verantwortung gewählt: mittelbare und unmittelbare. Diese Abstufung lässt sich einerseits inhaltlich ableiten (vgl. hierzu insb. Hiß, 2005) und ermöglicht andererseits das Aufzeigen differenzierter Wirkungsmechanismen durch den direkten Vergleich. Ebendieser Vergleich ist Gegenstand des nun folgenden Kapitels. Für den Vergleich der Wirkungsunterschiede unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung wurde eine ANOVA zwischen den zwei Stufen auf organisati-
5.3 Strategische Kommunikation
295
onale Vertrauenswürdigkeit durchgeführt. Die 7-stufige Likert-Skala reichte von 1 („stimme voll zu“) bis 7 („stimme überhaupt nicht zu“), so dass kleinere Mittelwerte eine größere Zustimmung zur zugeschriebenen Vertrauenswürdigkeit signalisieren. Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung (n = 97) M SD Organisationale Vertrauens- 4,60 würdigkeit
1,18
Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung (n = 114) M SD 4,44
1,38
df
F
p
1, 209
0,772
n.s.
Die Mittelwerte der Analyse deuten an, dass der Stimulus mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung (M = 4,44; SD = 1,38) tatsächlich einen positiveren Effekt auf organisationale Vertrauenswürdigkeit hat als unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung (M = 4,60; SD = 1,18). Dennoch zeigt die ANOVA mit F(1, 209) = 0,772; p > 0,10 keinen signifikanten Unterschied zwischen den zwei Treatmentgruppen. Die Hypothese H3.3 Organisationen, die in vermeidbaren Krisen mittelbare gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren werden als vertrauenswürdiger eingeschätzt als Organisationen, die nur mittelbare gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren muss also verworfen werden. Die Ergebnisse liefern damit eine Antwort auf die von Bradford & Garrett (1995) formulierte Annahme: „[...] when response expectations are met or exceeded, the reproach will be discounted and observing actors will attribute a more positive disposition [...]“ (ebd., S. 886). Zumindest in Bezug auf organisationale Vertrauenswürdigkeit muss die Vermutung von Bradford & Garrett zurückgewiesen werden. Denn aus den Ergebnissen lässt sich kein signifikanter Unterschied zwischen unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung zeigen, der die Aussage der Autoren rechtfertigt. Auch in den Detailanalysen getrennt nach Organisations- oder Krisentyp unterscheidet sich die Wirkung auf organisationale Vertrauenswürdigkeit zwischen den beiden untersuchten Strategien nicht. Der Vergleich der zwei Strategien lässt insgesamt zwei Schlussfolgerungen zu. Erstens, so konnte in der bisherigen Diskussion der Ergebnisse gezeigt werden, hat sowohl unmittelbare als auch mittelbare gesellschaftliche Verantwortung einen positiven Effekt auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit (vgl. Kapitel 5.3.1.1 und 5.3.2.1). Wenngleich in der Qualifikation der zwei Strategien die Wirksamkeit relativiert wurde, so kommen sie zumindest als strategische Option für die Wahl einer geeigneten Kommunikationsstrategie auf der gesellschaftlichen Ebene des Modells integrativer Krisenkommunikation in Frage. Dennoch liefert der Vergleich zweitens keine Erkenntnisse für einen differenzierten Einsatz der zwei Strategien in Krisensituationen. Es ist nicht möglich aus der vorliegenden Analyse abzuleiten, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung per se einen positiveren Effekt zeigt, um organisationale Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Das Zurückweisen der Hypothese H3.3 soll im Folgenden ergänzt werden um die Untersuchung differenzierter Wirkungsmechanismen auf weitere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit.
296
5.3.3.2
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Der Zusammenhang differenziert nach weiteren Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit
Für die Untersuchung des Unterschieds zwischen der Gruppe unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung wurde eine Reihe von ANOVAs auf die jeweilige Dimension von Vertrauenswürdigkeit durchgeführt. Die Ergebnisse legen offen, dass für (krisenbezogene) organisationale und soziale Vertrauenswürdigkeit ein Gruppenunterschied besteht. Sie ergänzen damit die Erkenntnis aus dem voran gegangenen Kapitel. Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung M SD (Allgemeine) Funktionale Vertrauens-3,48 würdigkeit
1,33
Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung M SD 3,47
1,49
df
F
1, 209
0,004
p n.s.
(Krisenbezogene) Funktionale Vertrau- 4,05 enswürdigkeit
1,17
3,75
1,09
1, 210
3,632
≤ 0,10
Soziale Vertrauens4,28 würdigkeit
1,03
3,93
1,07
1, 209
6,043
≤ 0,05
1, 210
2,547
n.s.
Emotionale Vertrau4,84 enswürdigkeit
1,38
4,53
1,41
Die Ergebnisse lassen zwei Schlussfolgerungen zu: Erstens bedienen beide Strategien die für die Wahrnehmung als gesellschaftlicher Akteur notwendigen Attribute sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit (vgl. Kapitel 5.2.1 und 5.3.1) und zweitens ist mittelbare gesellschaftliche Verantwortung auf diesen Dimensionen erfolgreicher als unmittelbare. Zum Ersten lassen sich die Ergebnisse der ANOVAs nach zwei Gruppen unterscheiden: einerseits nach der allgemeinen funktionalen Vertrauenswürdigkeit und andererseits der krisenbezogenen funktionalen, sozialen und emotionalen Vertrauenswürdigkeit. Auch wenn auf den ersten Blick ein signifikanter Gruppenunterschied nur in Bezug auf krisenbezogene funktionale und soziale Vertrauenswürdigkeit vorliegt, so wird ein zufriedenstellendes Signifikanzniveau in Bezug auf die emotionale Vertrauenswürdigkeit mit F(1, 210) = 2,547; p = 0,112 nur knapp verfehlt. Für allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit gilt hingegen, dass mit F(1, 209) = 0,004; p = 0,950 sich die Gruppe unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung faktisch nicht voneinander unterscheiden. Daher lassen sich die Ergebnisse in die zwei vorgeschlagenen Gruppen unterteilen. Die Offenlegung dieser zwei Gruppen verdeutlicht, dass sich die untersuchten Strategien auf der gesellschaftlichen Ebene in erster Linie in den Dimensionen unterscheiden, die für die Wahrnehmung als sozial-gesellschaftlicher Akteur notwendig sind: auf der Ebene sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit (nimmt man das nur knapp verfehlte Ergebnis hinzu). Der Gruppenunterschied auf der Ebene krisenbezogener funktionaler Vertrauenswürdigkeit lässt sich damit erklären, dass die Übernahme gesellschaftlicher Verantwor-
5.3 Strategische Kommunikation
297
tung als Teil der Krisenlösung gesehen wird. Dies lässt sich wiederum auf die Operationalisierung zurückführen, bei der die Unterstützung der durch die Krise betroffenen Opfer (unmittelbar) und die Einrichtung einer Stiftung zum Schutz vor weiteren Krisen in der Branche (mittelbare) als Stimulus vorgegeben waren. Beide Typen gesellschaftlicher Verantwortung beziehen sich also auch unmittelbar auf die krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit der untersuchten Organisationen. Mit diesen Überlegungen lässt sich ein Wirkungsunterschied vermuten, der für die strategische Ebene von Krisenkommunikation gilt: Wie bereits in Kapitel 5.3.2.2 angedeutet, spielt Krisenkommunikation auf der gesellschaftlichen Ebene insbesondere eine Rolle für krisenbezogene, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit. Die Gruppenunterschiede der ANOVAs auf genau diesen drei Ebenen bestätigen diese Vermutung. Strategische Krisenkommunikation erzielt umgekehrt keinerlei Wirkung auf der Ebene funktionaler Vertrauenswürdigkeit. Das bedeutet, dass die Differenzierung in einem Postulat strategischer Krisenkommunikation sinnvoll war: Krisenkommunikation auf der strategischen Ebene ist insbesondere relevant für die Wahrnehmung als gesellschaftspolitischer Akteur. Zum zweiten wird die Übernahme mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf diesen drei Ebenen, dies zeigen die Mittelwerte deutlich, nun positiver wahrgenommen als unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Hypothese H3.3 zumindest auf den Ebenen krisenbezogen funktional, sozial und emotional bestätigt werden kann. Das Ergebnis korrespondiert mit dem, was Coombs & Holladay (2001) in früheren Studien bereits andeuten: Vermeidbare Krisensituationen haben das Potenzial des größten Reputationsschadens für Organisationen: „[C]risis manager [...] need to use more accomodative response strategies than normally would be needed due to increased perceptions of crisis responsibility“ (ebd., S. 338). Ebendies zeigt die Untersuchung anhand der Ergebnisse für die Strategien unmittelbarer und mittelbarer Verantwortung: In vermeidbaren Krisen reicht es nicht aus, unmittelbare Verantwortung für die Betroffenen zu übernehmen. Mittelbare Verantwortung trägt in einem signifikant höherem Maße dazu bei, krisenbezogene funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Für funktionale Vertrauenswürdigkeit gilt hingegen: Weder mittelbare noch unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung erzielt eine Wirkung (vgl. Kapitel 5.3.1.2 und 5.3.2.2) und keine der beiden Strategien ist signifikant besser als die andere. Zusammenfassend ist der direkte Vergleich der zwei Strategien auf der strategischen Ebene von Krisenkommunikation damit eine sinnvolle Ergänzung der Einzelanalysen. Sie bestätigt einerseits, dass sich die untersuchten Strategien in ihrem Wirkungsraum auf krisenbezogen funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit einschränken lassen und sie geben Hinweise darauf, dass in ebendiesen Dimensionen mittelbare gesellschaftliche Verantwortung eine signifikant bessere Wirkung erzielt als unmittelbare. Dies hat zweifelsohne Konsequenzen einerseits für das integrative Modell der Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 6.1.4) sowie das praktische Krisenmanagement (vgl. Kapitel 6.2). Damit gilt es abschließend, die Erkenntnisse der strategischen Ebene noch einmal zusammenfassend darzustellen.
298
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
5.3.4
Zusammenfassung
Auf der Ebene strategischer Krisenkommunikation wurden die Strategien unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung auf ihre Wirkung auf mehrdimensionale Vertrauenswürdigkeit untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung nur bedingt als Strategie in Frage kommt, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Hingegen hat die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung einen signifikant positiven Effekt auf gleich mehrere Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit. Die Aussage, dass mittelbare gesellschaftliche Verantwortung sich besser auf Vertrauenswürdigkeit auswirkt, stimmt für die Dimension krisenbezogener funktionaler und sozialer Vertrauenswürdigkeit. Für emotionale Vertrauenswürdigkeit wird ein zufriedenstellendes Signifikanzniveau nur knapp verfehlt. Haupteffekt Strategie unmittelbarer Verantwortung Organisationale Vertrauenswürdigkeit ∗∗ (H3.1a)
Interaktionseffekt -
Organisationstyp (H3.1b)
-
n.s.
Krisentyp (H3.1c)
-
n.s.
Strategie mittelbarer Verantwortung Organisationale Vertrauenswürdigkeit ∗∗∗ (H3.2a)
-
Organisationstyp (H3.2b)
-
n.s.
Krisentyp (H3.2c)
-
n.s.
Zusammenhangshypothese H3.3
n.s.
∗ p ≤ 0,10; ∗∗ p ≤ 0,05; ∗∗∗ p ≤ 0,01; n.s. nicht signifikant Damit konnten auch auf der Ebene strategischer Krisenkommunikation differenzierte Wirkungsmechanismen der untersuchten Strategien nachgewiesen werden. Vor allem der direkte Vergleich der beiden Strategien liefert wichtige Erkenntnisse für die Wirksamkeit von
5.4 Resümee
299
Kommunikationsstrategien auf gesellschaftlicher Ebene und damit für das Erreichen der im Postulat strategischer Krisenkommunikation formulierten Voraussetzungen. In der Analyse der Interaktionseffekte ließ sich zwar kein signifikanter Gruppenunterschied zwischen den zwei untersuchten Organisationstypen zeigen. Dafür wirkt sich die Strategie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung in der funktionalen Krise signifikant positiver auf emotionale Vertrauenswürdigkeit aus als in der sozialen Krise. Im Vergleich zu den bisher untersuchten Strategien ist dies die einzige Strategie, bei der dieser Zusammenhang gezeigt werden konnte. Mit diesen Ergebnissen wird die empirische Analyse auf der strategischen Ebene des Modells integrativer Krisenkommunikation vervollständigt. Die Ergebnisse gilt es nun abschließend mit denen der situativen und integrierten Krisenkommunikationsstrategien zusammenzuführen. 5.4
Resümee
In Kapitel 5 wurden die Ergebnisse der empirischen Analyse umfassend vorgestellt, beschrieben und in den Forschungsdiskurs integriert. Die Darstellung der Ergebnisse hat sich dabei konsequent an den drei Ebenen des Modells integrativer Krisenkommunikation orientiert. Aus diesem Grund wurden die Ergebnisse jeweils zusammengefasst in der Dimension situativer, integrierter und strategischer Krisenkommunikation. Ausgangspunkt für die empirische Analyse waren die Forschungshypothesen, die in Kapitel 3 aus relevanten Forschungsergebnissen der Reputations- und Krisenforschung formuliert wurden. Untersucht wurde einerseits die Wirkung der Kommunikationsstrategien auf organisationale Vertrauenswürdigkeit allgemein und andererseits differenziert nach den drei analytischen Dimensionen funktionaler, sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit. In der Dimension funktionaler Vertrauenswürdigkeit wurde noch einmal unterschieden zwischen allgemeiner funktionaler und krisenbezogen funktionaler Vertrauenswürdigkeit. Neben den vermuteten Haupteffekten zwischen den Kommunikationsstrategien und den unterschiedlichen Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit wurde in den Forschungshypothesen ebenso unterstellt, dass sich die Wirkung in Abhängigkeit des Organisationstyps und des Krisentyps unterscheidet. Im Forschungsdesign wurde daher zwischen einer Profit- und einer Non-Profit-Organisation sowie zwischen einer funktional-vermeidbaren und einer sozial-vermeidbaren Krise unterschieden und deren Interaktionseffekte entsprechend in die empirische Analyse mit aufgenommen. Die empirische Analyse lehnt sich in ihrer Struktur durchgehend an die formulierten Forschungshypothesen an. So wurde für jede Strategie zunächst jeweils die Wirkung auf organisationale und anschließend auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit überprüft. In der Diskussion der Ergebnisse wurden die in Kapitel 3.4 eingeführten Studien wieder aufgegriffen und vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse der vorliegenden Untersuchung diskutiert. Anschließend wurde für jede der Strategien eine mögliche 2-Wege-Interaktion sowie eine mögliche gemeinsame 3-Wege-Interaktion von Organisations- und Krisentyp überprüft. Die Analyse der Wirkung der Kommunikationsstrategien wurde abschließend ergänzt durch eine Qualifizierung der Wahrnehmung der jeweiligen Strategie durch die Versuchspersonen. Es wurde diskutiert, ob sie als Strategie eingeschätzt wird die primär dazu dient, die Krise zu lösen oder dazu, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dies hilft, die zuvor diskutierten Ergebnisse noch einmal zu relativieren und deren Wirkung kritisch zu hinterfragen.
300
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Ziel der empirischen Analyse war damit zusammenfassend erstens, Wirkungszusammenhänge zwischen Krisenkommunikationsstrategien auf der situativen, integrierten und strategischen Ebene auf unterschiedliche Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit nachzuweisen. Zweitens sollte untersucht werden, ob sich die Wirkung zwischen Organisationsund Krisentypen unterscheidet. Und drittens sollten aufgezeigte Zusammenhänge nicht unreflektiert dargestellt, sondern durch eine bewusste Qualifizierung kritisch diskutiert werden. Die Ergebnisse der Untersuchung haben offengelegt, dass Kommunikationsstrategien unterschiedliche Wirkungen auf die verschiedenen Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit entfalten. Während die Strategie der Übereinkunft – ungleich der Ergebnisse amerikanischer Studien – beispielsweise keinerlei Wirkung auf Vertrauenswürdigkeit hat, so sind kommunikative Disintegrität oder mittelbare gesellschaftliche Verantwortung Strategien, mit denen gleich ein mehrdimensionaler Wirkungszusammenhang gezeigt werden kann. Die Wirkung aktiver Kommunikation lässt sich hingegen dezidiert auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit eingrenzen, während ein mangelnder Beleg an Krisenkompetenz durchaus auch Auswirkungen auf die wahrgenommene emotionale Vertrauenswürdigkeit hat. Im direkten Vergleich der Strategien mittelbarer und unmittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung konnte gezeigt werden, dass unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung in der Krise als wirksame Strategie kaum in Frage kommt während mittelbare gesellschaftliche Verantwortung zur Schlüsselstrategie wird, multidimensionale Vertrauenswürdigkeit zu vermitteln. Die Ergebnisse der Analyse sind in der folgenden Tabelle noch einmal zusammenfassend dargestellt.
Integrierte Krisenkommunikation Kommunikative ∗∗ Disintegrität Mangelnder Beleg der Krisenkompetenz
n.s.
Strategischer Krisenkommunikation Unmittelbare gesellschaftliche ∗∗ Verantwortung
Emotionale Vertrauenswürdigkeit
∗∗∗
Soziale Vertrauenswürdigkeit
Aktive Kommunikation
(Krisenb.) Funktionale Vertrauenswürdigkeit
Situative Krisenkommunikation Strategie n.s. der Übereinkunft
(Allg.) Funktionale Vertrauenswürdigkeit
301
Organisationale Vertrauenswürdigkeit
5.4 Resümee
n.s.
n.s.
n.s.
n.s.
n.s.
∗∗∗
n.s.
n.s.
n.s.
∗∗∗
∗
∗∗
n.s.
∗∗∗
n.s.
∗∗∗
n.s.
n.s.
n.s.
n.s.
Mittelbare gesellschaftliche n.s. ∗∗∗ ∗∗∗ ∗∗∗ ∗∗ Verantwortung Nicht nach Organisations- oder Krisentyp differenziert. ∗ p ≤ 0,10; ∗∗ p ≤ 0,05; ∗∗∗ p ≤ 0,01; n.s. nicht signifikant Das zweite erklärte Ziel der Untersuchung war die Überprüfung von Interaktionseffekten. Eine Differenzierung nach Organisations- oder Krisentyp war bislang nicht Teil der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, so dass die Hypothesen diesbezüglich offen formuliert wurden. Die vorliegende Untersuchung konnte nachweisen, dass es signifikante Unterschiede in der Wirkung der untersuchten Krisenkommunikationsstrategien gibt sowohl in Bezug auf den Organisations- als auch den Krisentyp: Mangelnde Krisenkompetenz hat eine signifikant unterschiedliche Wirkung zwischen Profit- und Non-Profit-Organisation sowie zwischen dem Setting der funktional- und sozial-vermeidbaren Krise. Auch aktive
302
5 Ergebnisse der empirischen Analyse
Situative Krisenkommunikation Strategie der Übereinkunft Aktive Kommunikation
ja OV (∗∗∗) SV (∗)
ja
Integrierte Krisenkommunikation Kommunikative Disintegrität Mangelnder Beleg der Krisenkompetenz Strategische Krisenkommunikation Unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung
Interaktionseffekt Organisations- und Krisentyp
Interaktionseffekt Krisentyp
Interaktionseffekt Organisationstyp
Krisenkommunikation wirkt sich unterschiedlich bei den untersuchten Organisationstypen aus bzw. mittelbare gesellschaftliche Verantwortung bei den untersuchten Krisentypen. Die folgende Tabelle stellt die Interaktionseffekte in einer Übersicht noch einmal zusammenfassend dar.
ja OV (∗∗)
AFV (∗∗∗)
nein
nein
Mittelbare gesellschaftliche ja EV (∗) Verantwortung OV = Organisationale Vertrauenswürdigkeit; AFV = Allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit; SV = Soziale Vertrauenswürdigkeit; EV = Emotionale Vertrauenswürdigkeit; ∗ p ≤ 0,10; ∗∗ p ≤ 0,05; ∗∗∗ p ≤ 0,01 Damit konnte durch die vorliegende Untersuchung erstmals nachgewiesen werden, dass die Wahl der Kommunikationsstrategie in Krisen nicht allein von der Attribution der Krisenschuld (vgl. die Studien von Coombs & Holladay), sondern insbesondere auch vom Organisations- oder Krisentyp beeinflusst wird. Die Ergebnisse bestätigen damit die in Kapitel
5.4 Resümee
303
2.2.1.3.3 vorgestellte Matrix zur Klassifikation von Krisensituationen. Mit der Darstellung der Ergebnisse und deren Einbettung in den aktuellen Forschungsdiskurs schließt ein wesentlicher Teil der Arbeit ab. Es gilt im Folgenden nun, die Konsequenzen für die theoretische Einbettung zu diskutieren, Hinweise für empirische Anschlussforschung zu geben und handlungspraktische Implikationen für die praktische Krisenkommunikation abzuleiten.
6
Implikationen
Kapitel 6 erbringt die Transferleistung der in Kapitel 5 vorgestellten Ergebnisse und zeigt auf, welche Implikationen sich aus den empirischen Ergebnissen ergeben (vgl. Kapitel 6.1). Der Schwerpunkt liegt dabei auf den forschungstheoretischen Implikationen, für die vier Themenfelder relevant sind. Mit dem integrierten Modell der Krisenkommunikation wurde ein analytischer Rahmen entwickelt, der Krisenkommunikation anhand einer situativen, integrativen und strategischen Dimension theoriegeleitet beschreibt. In der vorliegenden Untersuchung wurden für jede Dimension zwei Krisenkommunikationsstrategien empirisch getestet. Die Auswahl hat sich dabei am Forschungsstand zur Krisenkommunikations- und Reputationsforschung orientiert. Die Ergebnisse zeigen erstens, dass sich das Modell zumindest für den im Forschungsrahmen formulierten Geltungsbereich bewährt und Krisenkommunikation sich auf einer situativen, integrierten und strategischen Ebene entfaltet (vgl. Kapitel 6.1.1). Zweitens weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Wirkungsmechanismen von Krisenkommunikationsstrategien sich zwischen funktionalen und sozialen Krisen zum Teil signifikant unterscheiden. Die zuvor theoretisch entwickelte Matrix zur Klassifikation von Krisensituationen hat sich in der empirischen Analyse also bewährt und hat damit auch Konsequenzen für Forschungskonzepte zur Wirkungsmessung von Krisenkommunikationsstrategien (vgl. Kapitel 6.1.2). Die Untersuchung hat drittens für die Analyse von Kommunikationsstrategien die Notwendigkeit einer methodischen Erweiterung der Untersuchungsanlage gezeigt (vgl. Kapitel 6.1.3). Viertens wurde das Forschungskonzept strukturationstheoretisch entwickelt. Für eine theoretische Auseinandersetzung mit Krisenkommunikation und Reputationsmanagement gilt es daher, die Erkenntnisse aus der Untersuchung zu reflektieren und ihren Beitrag für die Theoriebildung im Themenfeld der Krisenkommunikation aufzuzeigen (vgl. Kapitel 6.1.4). Neben Implikationen für die wissenschaftliche Auseinandersetzung sollen aber auch Konsequenzen für das Krisenkommunikationsmanagement diskutiert werden (vgl. Kapitel 6.2). Denn die vorliegende Forschungsarbeit liefert ebenso Erkenntnisse, die insbesondere für die strategische Wahl von Kommunikationsstrategien zum Erhalt organisationaler Reputation relevant sind. Dadurch, dass alle untersuchten Strategien erstmals auch für NonProfit-Organisationen untersucht wurden, liefert die Arbeit hier einen wertvollen Beitrag für ein bislang kaum beachtetes Forschungs- und Anwendungsfeld. Denn die empirische Analyse zeigt, dass sich die Wirkungsmechanismen von Krisenkommunikationsstrategien zwischen Profit- und Non-Profit-Organisationen teilweise signifikant unterscheiden und daher nicht unreflektiert übertragen werden können. Die Konsequenzen für das Kommunikationsmanagement gilt es daher, differenziert zu diskutieren.
A. Thießen, Organisationskommunikation in Krisen, DOI 10.1007/978-3-531-93372-6_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
6.1 Forschungstheoretische Implikationen
6.1
Forschungstheoretische Implikationen
6.1.1
Implikationen für das integrative Modell der Krisenkommunikation
305
In der theoretischen Grundlegung wurde Krisenkommunikation in einem integrativen Modell entwickelt. Ziel war es, Krisenkommunikation als Konzept rhetorischer Strategien zu erweitern und ihren Bezug zur Organisations- und Systemebene herzustellen. Aus den Überlegungen der Strukturationstheorie wurden hierfür drei Postulate für Krisenkommunikation formuliert, die in ein integratives Gesamtmodell überführt wurden. Betrachtet man Krisenkommunikation nunmehr konzeptionell, so entfaltet es sich auf einer situativen Ebene (Signifikation durch rhetorische Botschaftsstrategien), Organisationsebene (Beziehungsaufbau nach außen durch Integrität nach innen) und einer Systemebene (Legitimation durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen). Zunächst hat sich das Modell für die Untersuchungsanlage der vorliegenden Arbeit bewährt. In der empirischen Analyse wurde Krisenkommunikation über Strategien jeweils auf der situativen, integrierten und strategischen Ebene entwickelt. Das Modell ist damit der konzeptionelle Gesamtrahmen, an der sich die empirische Umsetzung orientiert und auf dessen Grundlage sich die Erkenntnisse der Arbeit ableiten. Die untersuchten Krisenkommunikationsstrategien leiten sich zwar aus dem aktuellen Forschungsdiskurs ab, erhalten durch das Modell jedoch noch einmal eine sinnvolle Systematisierung, die den aktuellen Diskurs der Krisenkommunikationsforschung sinnvoll zusammenführt. Die empirische Analyse hat nunmehr gezeigt, dass Krisenkommunikation sich auf allen drei Ebenen auf die Zuschreibung organisationaler, funktionaler, sozialer und emotionaler Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Dies ist ein Beleg dafür, dass sich Krisenkommunikation systematisch als Kommunikation auf einer situativen, organisationalen und strategischen Ebene fassen lässt. Für das strategisch-konzeptionelle Krisenkommunikationsmanagement hat dies zur Konsequenz, dass Krisenkommunikation über die Formulierung rhetorischer Botschaftsstrategien deutlich hinausgeht. Denn für die Wahrnehmung als vertrauenswürdiger Akteur ist beispielsweise entscheidend, Kommunikation und Management integriert zu betrachten (vgl. Kapitel 5.2). Und auch auf der Systemebene spielt die Ausrichtung an gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine tragende Rolle in Bezug auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit (vgl. Kapitel 5.3). Dem kann durch rein rhetorische Botschaftsstrategien nicht begegnet werden. Diese Erkenntnis bietet damit auch für das Forschungsfeld der Krisenkommunikation eine Grundlage zur Konzeption komparativer Forschung einerseits und Hinweise auf neuerliche Studien andererseits. Während die Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien im Sinne rhetorischer Botschaftsstrategien bereits auf einen recht breiten Kenntnisstand zurückgreifen kann (vgl. Kapitel 3.4.1), so gilt dies nicht für Krisenkommunikation auf der Organisations- und Systemebene. Insbesondere die Rolle gesellschaftlicher Rahmenbedingungen kann theoretisch und empirisch-inhaltlich noch weiter ausgebaut werden. Denn grundsätzlich gilt: Damit Krisenkommunikation ganzheitlich zur Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit und damit langfristig zum Erhalt oder zur Konstitution von Reputation beitragen kann, müssen Kommunikationsmanager die Anwendung rein rhetorischer Strategien verlassen. Das vorgeschlagene Modell liefert hierfür eine theoretisch fundierte und zugleich praktisch relevante Grundlegung.
306
6.1.2
6 Implikationen
Implikationen für die Klassifikation von Krisensituationen
In der Literatur zur Krisenkommunikation gibt es eine Vielzahl von Modellen und Ideen zur Klassifikation von Krisensituationen. Entweder werden Krisen dabei entlang ihres Phasenverlaufs klassifiziert oder entlang inhaltlicher Kriterien (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 2.2.1.3). Keine der Klassifikationen orientiert sich jedoch an den Rahmenbedingungen des Reputationsmanagements. In der vorliegenden Arbeit wurden die Wirkungsmechanismen von Krisenkommunikationsstrategien auf die zentralen Dimensionen der Reputationskonstitution untersucht. Es wurde argumentiert, dass die Wahl einer geeigneten Strategie maßgeblich davon abhängt, in welcher Krise sich eine Organisation befindet. Aus diesem Grund und dem Mangel an einer geeigneten Klassifikation wurde eine Matrix vorgestellt, die Krisensituationen anhand von zwei Kriterien einordnet: Erstens der attribuierten Krisenschuld, um den Grad des Reputationsschadens zu klassifizieren (Opfer-, Unfall-, Vermeidbare Krise) und zweitens der primär geschädigten Reputationsdimension (funktionale, soziale, emotionale Organisationskrise), um den Typ des Reputationsschadens zu dimensionieren (vgl. Kapitel 2.2.1.3.3). In der empirischen Analyse wurden zwei der insgesamt neun Felder geprüft. Die vermeidbare Krise hat auf den Verlust von Reputation die größten Auswirkungen, so dass vermeidbare Krisen in die Operationalisierung des Stimulus gewählt wurden. Die Pretests haben ergeben, dass sich eine emotionale Krise nur schwer als Stimulus formulieren lässt, so dass eine funktionale und eine soziale Krise Teil der Untersuchung wurden. Die Arbeit differenziert damit erstmalig die Untersuchung von Wirkungszusammenhängen von Krisenkommunikationsstrategien entlang unterschiedlicher Dimensionen von Reputation bzw. Vertrauenswürdigkeit. Bislang wurde eine Wirkung nur auf Reputation allgemein nachgewiesen, bei dem das Reputationskonstrukt zudem oftmals nur mangelhaft hergeleitet wurde. Die empirische Analyse hat gezeigt, dass sich die Wirkung des Belegs von Krisenkompetenz (integrierte Krisenkommunikation) sowie mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung (strategische Krisenkommunikation) signifikant zwischen der funktionalen und der sozialen Krise unterscheidet. Mehrwegeinteraktionen konnten darüber hinaus für die Strategie der Übereinkunft und aktive Kommunikation (situative Krisenkommunikation), kommunikative Disintegrität (integrierte Krisenkommunikation) und mittelbare gesellschaftliche Verantwortung (strategische Krisenkommunikation) gezeigt werden. Für die neu eingeführte Matrix zur Klassifikation von Krisen hat dies drei zentrale Konsequenzen. Erstens wurde empirisch nachgewiesen, dass sich die Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien innerhalb des funktionalen Krisentyps teilweise signifikant zwischen funktionalen sozialen Organisationskrisen unterscheiden. Dies ist ein Beleg dafür, dass sich Krisen entlang ihres primären Schadens für eine der drei Reputationsdimensionen klassifizieren lassen. Damit ist die vorgestellte Matrix eine wichtige Ergänzung einerseits für die Systematisierung von Krisenkommunikationsstrategien innerhalb des Forschungsfeldes. Andererseits erbringt sie die erforderliche Komplexitätsreduktion, um auch für das praktische Krisenmanagement als anwendbares Instrument Krisen zu klassifizieren, in Frage zu kommen. Zweitens wurde der Interaktions- oder Mehrwegeeffekt nicht für alle Kommunikationsstrategien gezeigt. Das bedeutet, dass jene Strategien sowohl in der funktionalen als auch in der sozialen Krise eine ähnliche Wirkung in Bezug auf die Reputationsdimensionen entfalten. Diese Strategien sind für das Krisenkommunikationsmanagement damit nicht weniger relevant. Vielmehr lässt sich ihre Wirkung nur nicht weiter in Bezug auf den Kri-
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sentyp spezifizieren. Demnach gibt es Krisenkommunikationsstrategien, die für beide Krisentypen eine ähnliche Wirkung entfalten und Krisenkommunikationsstrategien, die sich zum gezielten Erhalt oder Aufbau von Vertrauenswürdigkeit und Reputation einsetzen lassen. Diese Erkenntnis ist eine wichtige Ergänzung sowohl der Forschung über Krisenkommunikation zur Reputationskonstitution als auch für das praktische Krisenmanagement (vgl. ausführlich hierzu Kapitel 6.2). Gleichsam gilt es jedoch, die Matrix um weitere Kommunikationsstrategien zu ergänzen. Einerseits durch weitere Krisenkommunikationsstrategien (in der vorliegenden Arbeit wurden je zwei situative, integrierte und strategische Strategien untersucht) und andererseits durch weitere Krisenbedingungen (emotionale Krise, Opfer- oder Unfallkrise). Die Matrix wurde damit theoriegeleitet entwickelt und durch die empirische Analyse in den untersuchten Feldern bestätigt. Um die volle Gültigkeit zu zeigen gilt es, die noch fehlenden Cluster ebenfalls empirisch zu untermauern. Drittens sind Krisen überkomplexe Situationen, so dass jede Matrix immer eine erhebliche Komplexitätsreduktion mit sich bringt. Die Pretests der Untersuchung haben die Herausforderung gezeigt, rein funktionale oder rein soziale Krisensituationen zu operationalisieren. Dies gilt zweifelsfrei auch für nicht-experimentelle Krisen. Krisen können zudem den Fokus des Reputationsrisikos in ihrem Verlauf ändern: sie können als funktionale Krise beginnen und als soziale Krise enden. Gleiches gilt für die Attribution der Krisenschuld: Diese kann zunächst minimal sein und sich dann immer weiter ausbauen. Die Kernaussage ist also: Krisen sind und bleiben überkomplexe Situationen, in denen Matrizen zwar eine Orientierung zur Systematisierung bieten, diese jedoch auch ihre deutlichen Grenzen haben. Für die entwickelte Klassifikation von Krisensituationen gilt daher, dass die Einstufung in ein Krisencluster nicht einmal zu Beginn der Krise zu erfolgen, sondern einem iterativen Bewertungsprozess zu unterliegen hat. Krisenkommunikationsstrategien können und müssen an die jeweilige Situation angepasst werden – insbesondere, wenn die Krise sich in ein neues Krisencluster entwickelt. Kritisch muss an dieser Stelle noch einmal auf die interne Validität der Krisenszenarien eingegangen werden. Die Varianzunterschiede lassen sich streng genommen auch darauf zurückführen, dass beispielsweise in einer sozialen Krise Rassismus bei der Einstellung von Personal (Stimulus Profit-Organisation) per se negativer bewertet wird als die persönliche Bereicherung des Managements (Stimulus Non-Profit-Organisation). Bei der Erarbeitung des Untersuchungsdesigns haben die Pretests gezeigt, dass die gewählten Krisenszenarien am deutlichsten von den Versuchspersonen erkannt wurden. Aus diesem Grund wurde Rassismus einerseits und persönliche Bereicherung andererseits gewählt. Um die Varianzunterschiede sozial-vermeidbarer Krisen zwischen Organisationstypen daher noch stärker validieren zu können, gilt es in Folgeuntersuchungen, die Szenarien inhaltlich näher zusammenzuführen. Dies erhöht die interne Validität noch weiter und ermöglicht noch deutlichere Aussagen über die unterschiedliche Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien bei verschiedenen Organisationstypen. Dennoch: Die entscheidende Neuerung der eingeführten Matrix ist die Verknüpfung der Wahl von Krisenkommunikationsstrategien mit der Wirkung auf differenzierte Reputationsdimensionen. Zukünftige Forschungsarbeiten lassen sich fortan in die vorgestellte Klassifikation einordnen und tragen so dazu bei, das Forschungsfeld der Krisenkommunikation zur Reputationskonstitution weiter zu differenzieren. Gleichsam bietet die
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6 Implikationen
vorgeschlagene Matrix auch dem praktischen Krisenkommunikationsmanagement eine komplexitätsreduzierende Systematisierung überkomplexer Krisensituationen. 6.1.3
Implikationen für die empirische Krisenkommunikationsforschung
Das experimentelle Forschungsdesign nimmt in der empirischen Forschung zur Wirkungsanalyse von Kommunikationsstrategien inzwischen einen hohen Stellenwert ein (vgl. Fediuk, et al., 2010). Die Genauigkeit aufzuzeigender Wirkungsmechanismen hängt dabei maßgeblich von der Qualität der empirischen Umsetzung ab. Aus diesem Grund ist es wichtig, Implikationen explizit für das empirische Forschungskonzept zu formulieren. Zum ersten hat sich das Experimentaldesign in der vorliegenden Studie bewährt. Die Operationalisierung der forschungstheoretischen Annahmen über einen Stimulus mit anschließender Abfrage der Wirkungsmechanismen bietet einerseits die notwendige Komplexitätsreduktion, um die Zusammenhänge zwischen Kommunikationsstrategie und Vertrauenswürdigkeit isoliert untersuchen zu können. Andererseits bietet sie aber auch den notwendigen Realismus, der Grundlage für das Formulieren praxisrelevanter Handlungsempfehlungen ist. Bereits weiter oben konnte gezeigt werden, dass die Auswahl der Versuchspersonen rein aus dem studentischen Umfeld unter den Gesichtspunkten externer Validität sicher nicht optimal ist. Dennoch kann wie in der vorliegenden Studie durch die bewusste Steuerung der Auswahl der Studienrichtung dieses Argument weitestgehend entkräftet werden. Die möglichst disperse Zusammenstellung der Studienrichtung war damit eine wichtige methodische Ergänzung, die auch anderen Experimentalstudien in der Krisenkommunikationsforschung zu einer höheren Qualität verhelfen würde. Zum zweiten hat sich die Anlage als komparative Studie bewährt. Explizites Ziel war es, Erkenntnisse nicht anhand von einzelnen Fallstudien zu gewinnen, sondern durch eine empirische Datenerhebung. Mit insgesamt 32 Experimentalgruppen und einer Fallzahl von n = 719 ließen sich entsprechend neue Erkenntnisse ableiten, die nicht nur für einzelne Krisensituationen Geltung besitzen, sondern für Krisenkommunikationsmanagement allgemein relevant sind. Empirisch-komparative Studien sind zugleich von zentraler Bedeutung, der wachsenden theoretischen Auseinandersetzung über Krisenkommunikation generalisierbare Erkenntnisse zu liefern und theoretische Überlegungen entweder zu ergänzen oder in Frage zu stellen. Dies war mit Fallstudien bislang kaum möglich. Zum dritten hat sich die Verfeinerung der empirisch-konzeptionellen Untersuchungsanlage bewährt. Bislang wurde davon ausgegangen, dass beispielsweise die Strategie der Übereinkunft zwar eine Wirkung z.B. auf Vertrauenswürdigkeit oder Reputation entfaltet, diese jedoch nicht als Botschaftsstrategie rationalisiert, d.h. erkannt wird. Diese Annahme kann nicht mehr unbestritten hingenommen werden, wie die Ergebnisse für ProfitOrganisationen in sozialen Krisen zeigen (vgl. Kapitel 5.1.1). Das Einbeziehen der Qualifizierungs-Items hilft also, die gezeigten Wirkungsmechanismen ergänzend ins rechte Licht zu rücken. Während in der vorliegenden Studie beide Items als separate Skalen abgefragt wurden, könnte dies zukünftig analog zur Einschätzung des Krisentyps in einer bipolaren Skala geschehen. Damit müssen sich die Versuchspersonen festlegen und eine noch klarere Aussage treffen, ob die verwendete Strategie der Krisenlösung oder der Beschönigung dient. Mit der Einschätzung der Qualität kann die Wirkung von Krisenkommunikationsstrategien noch einmal neuerlich diskutiert und verfeinert werden. Beides trägt zweifelsfrei zur Professionalisierung des Forschungsfeldes bei.
6.1 Forschungstheoretische Implikationen
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Damit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass sich erstens das Experimentaldesign zur Wirkungsuntersuchung von Krisenkommunikationsstrategien eignet – insbesondere wenn es zweitens als komparative Studie angelegt ist (und nicht als Fallstudienanalyse) und drittens die Schwierigkeiten und Erkenntnisse in Bezug auf die Untersuchungsanlage anderer Studien aufgreift und sinnvoll ergänzt. 6.1.4
Implikationen für die Strukturationstheorie
Das Forschungsmodell für die vorliegende Arbeit wurde aus den zentralen Annahmen der Strukturationstheorie entwickelt. Krisenkommunikation als Kommunikation ist die Bereitstellung interpretativer Schemata in Form von rhetorischen Botschaftsstrategien. Ziel dieser Botschaftsstrategien ist es, einen Deutungsrahmen der Krise für zentrale Anspruchsgruppen bereitzustellen. Krisenkommunikation als Macht sind allokative und autoritative Ressourcen, die eine Reputationskonstitution ermöglichen (Krisenstäbe, Finanzmittel, u.a.). Ziel ist es dabei, Umweltbeziehungen so zu gestalten, dass ein Erhalt oder die Konstitution von Reputation möglich wird. Krisenkommunikation als Sanktion schließlich sind Normen, die eine Entwicklung von Reputation und Vertrauenswürdigkeit bestmöglich beeinflussen. Hier geht es darum, durch Krisenkommunikation Legitimation zu erhalten – insbesondere durch die Orientierung an gesamtgesellschaftlichen Normvorstellungen. Die Nachdrücklichkeit, mit der Giddens davon ausgeht, dass Akteure in der Lage sind die Strukturbedingungen sozialer Systeme aktiv zu beeinflussen, wird durchaus kontrovers diskutiert. Während Giddens von der ontologischen Robustheit seiner Theorie überzeugt ist, werfen Kritiker ihr eine starke Subjektbezogenheit vor (vgl. hierzu Kapitel 3.2.4). Ein zentraler Vorwurf ist dabei: „[...] that structural rules seem less to generate action than simply to collaps into practice. It becomes hard to see how actors can get the critical distance from particular rules and resources in order to act strategically to change them“ (Whittington, 1992, S. 697).
Diese kritische Distanz wird zweifelsfrei zur transformativen Voraussetzung dafür, dass Organisationen durch Krisenkommunikation Systembedingungen aktiv beeinflussen können. Die Differenzierung zwischen der Capability und Knowledgeability (vgl. Kapitel 3.2.1) ist damit nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Organisationen haben grundsätzlich das Vermögen, ihre Kommunikation zu reflektieren (Capability) aber nur wenige sind auch in der Lage, dieses Regelwissen zur Veränderung von Strukturbedingungen einzusetzen (Knowledgeability). Auch Organisationen bewegen sich im Stratifikationsmodell entlang der drei aufgezeigten Ebenen: erstens handeln sie in Krisen oft unintendiert und erkennen die Möglichkeiten strategischer Krisenkommunikation nicht (dies belegen die zahlreichen Fallstudien im Bereich der Krisenkommunikation). Daher gilt es, diese Strukturen zweitens systematisch offenzulegen und sie zu erkennen, um drittens bewusst Einfluss auf die Strukturbedingungen zu nehmen. Die vorliegende Arbeit zeigt theoriegeleitet und empiriegestützt, dass die Einflussnahme auf die Strukturbedingungen durch mehrdimensionale Krisenkommunikation möglich ist. In der Operationalisierung wurde Krisenkommunikation als Kommunikation über die rhetorische Botschaftsstrategie der Übereinkunft sowie über aktive Krisenkommunikation operationalisiert. Krisenkommunikation als Macht wurde eingeführt über die Strategien kommunikativer Integrität und Krisenkompetenz wobei Krisenkommunikation als Sanktion
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6 Implikationen
über die Übernahme unmittelbarer und mittelbarer Verantwortung Teil der Untersuchung wurde. Damit setzt sich der empirische Teil der Arbeit in erster Linie mit der Interaktionsebene der Strukturationstheorie auseinander. Die Frage ist damit, welche Erkenntnisse sich für die Strukturebene ableiten lassen. Erkenntnisse zu Kommunikation und Signifikation Die empirische Analyse hat auf der Interaktionsebene gezeigt, dass die Strategie der Übereinkunft sich nicht auf die Bildung von Vertrauenswürdigkeit auswirkt und aktive Kommunikation vor allem auf organisationale und krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit. Eine eindeutige Schlussfolgerung für die Strukturebene lässt sich daher kaum treffen. Dennoch gilt zumindest für aktive Krisenkommunikation, dass die Versuchspersonen den untersuchten Organisationen Vertrauenswürdigkeit zugesprochen haben. Das bedeutet, dass sowohl die Profit- als auch die Non-Profit-Organisation durch Krisenkommunikation als Kommunikation in der Lage waren, die Strukturbedingungen der Beziehung zwischen Organisation und Stakeholder aktiv zu beeinflussen. Die Strategie hat die Zuschreibung organisationaler und funktionaler Vertrauenswürdigkeit signifikant erhöht. Für die Strukturebene kann daher gefolgert werden, dass zumindest aktive Kommunikation zur Signifikation im Sinne einer Interpretationsleistung von Vertrauenswürdigkeit stattgefunden hat. Aktive Kommunikation ist damit weit mehr als nur eine Übermittlung von Kommunikation als Information, sondern verändert die Strukturbedingungen des Vertrauensverhältnisses zwischen Organisation und Stakeholder: Sie ruft eine Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit auf der organisationalen und krisenbezogen funktionalen Dimension hervor. Das zugrundeliegende Signifikationssystem im Sinne des gemeinsamen kommunikativen Raumes ist das mediale Umfeld (hier die Informationsvermittlung und aufnahme in Form eines Online-Artikels). Die Versuchspersonen wiederum haben die zwei Organisationen über das interpretative Schema aktiver Krisenkommunikation wahrgenommen. Als Konsequenz daraus wird beiden Organisationen – eine grundsätzliche Vertrauensbereitschaft vorausgesetzt – Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben. Die Versuchspersonen schreiben den Organisationen damit reputationskonstituierende Attribute zu, die durch die Krisensituation in Frage gestellt wurden. Das bedeutet, dass die Strukturveränderung, die durch die Krise hervorgetreten ist, anhand einer kommunikativen Leistung der zwei geschilderten Organisationen derart beeinflusst wird, dass auf der Strukturebene eine Signifikation im Sinne einer Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit stattfindet. Diese wiederum kann die Voraussetzung dafür sein, weitere interpretative Schemata in den Prozess der Reputationskonstitution einfließen lassen zu können, so dass die Dualität von Struktur tatsächlich zum Tragen kommt49. Erkenntnisse zu Macht und Domination Krisenkommunikation als Macht liefert ebenfalls zwei zentrale Erkenntnisse: Empirisch konnte auf der Interaktionsebene gezeigt werden, dass kommunikative Disintegrität sich deutlich negativ auf fast alle für die Reputationskonstitution relevanten Dimensionen und der Mangel an Krisenkompetenz auf krisenbezogene funktionale und interessanterweise auf emotionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Sowohl kommunikative Integrität als auch 49
Dies gilt nicht für die rhetorische Botschaftsstrategie der Übereinkunft – um dies für rhetorische Botschaftsstrategien allgemein konstatieren zu können gilt es, weitere Strategien empirisch zu überprüfen und ihre Wirkung im Sinne strukturationstheoretischer Überlegungen zu interpretieren.
6.1 Forschungstheoretische Implikationen
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Krisenkompetenz sind autoritative Ressourcen für die untersuchten Organisationen. Sie sollen die Reputationskonstitution stimulieren, indem sie die Voraussetzungen zur Bildung öffentlicher Vertrauenswürdigkeit (Integrität) bzw. zur Lösung der Krisensituation (Kompetenz) bereitstellen. Wenn kommunikative Disintegrität sich negativ auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit auswirkt, so kann für Krisenkommunikation auf der Strukturebene als Domination an dieser Stelle der Umkehrschluss gefolgert werden: Vertrauenswürdigkeit als autoritative Ressource, die im Interaktionsprozess zwischen Organisation und Stakeholder zur Reputationskonstitution beiträgt, wird dann möglich, wenn Organisationen in der Lage sind Kommunikation und Management aufeinander abzustimmen. Die Wirkung von Krisenkommunikation als Macht verfällt, wenn von integrierter Kommunikation nicht mehr ausgegangen werden kann. Gleiches gilt für den Beleg der Krisenkompetenz: strukturelle Veränderungen der Interaktionsbeziehung im Sinne einer Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit wird dann möglich, wenn Organisationen Krisenkompetenz belegen können. Insbesondere für die Zuschreibung von Sympathiewerten auf der Ebene emotionaler Vertrauenswürdigkeit ist dies eine wichtige Erkenntnis. Erkenntnisse zur Sanktion und Legitimation Krisenkommunikation als Sanktion wurde operationalisiert über die Übernahme unmittelbarer und mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung und damit die aktive Unterwerfung des Krisenmanagements an die Normvorstellungen des gesellschaftlichen Umfelds. Während unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung das Agieren innerhalb des gesellschaftlich-moralischen Werterahmens ist, so spiegelt die Übernahme mittelbarer gesellschaftlicher Verantwortung die philanthropische Erweiterung dieses Sanktionsrahmens wieder. Auf der Interaktionsebene gilt es, durch diese Strategien Vertrauenswürdigkeit positiv zu beeinflussen. Die Arbeit zeigt empirisch, dass sowohl unmittelbare als auch mittelbare gesellschaftliche Verantwortung einen positiven Einfluss bedingen: Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung wirkt sich dabei signifikant positiver auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit aus als unmittelbare – sowohl in Bezug auf krisenbezogene funktionale als auch soziale Vertrauenswürdigkeit. Für die Strukturebene lässt sich daraus folgern, dass durch die Anwendung der beiden Strategien damit zumindest teilweise eine Legitimierung erreicht wird. Dies gilt insbesondere für mittelbare gesellschaftliche Verantwortung. Die Strategie, so konnte gezeigt werden, ruft eine Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit auf fast allen für die Reputationskonstitution relevanten Dimensionen hervor. Wenngleich sich die untersuchten Organisationen damit an den Strukturbedingungen des gesamtgesellschaftlichen Umfeldes orientieren, so bestätigen sie damit gleichsam Vertrauenswürdigkeit als unabhängige normative Regel und können dies zur Bildung von Vertrauenswürdigkeit für sich nutzen. Die Orientierung an gesamtgesellschaftlichen Normen widerspricht damit Skandalisierungsprozessen, indem einer negativen Moralisierung widersprochen wird. Dies ermöglicht, eigene Wertvorstellungen der Organisation in das gesellschaftliche Wertekanons neu einzuführen. Die Arbeit zeigt, dass der Transformationsprozess eines gesamtgesellschaftlichen Wertgefüges positiv zur Reputationskonstitution beiträgt.
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In der theoretischen Grundlegung der Arbeit wurde argumentiert, dass der öffentliche Skandal zum Deutungsrahmen für funktionale (funktional-vermeidbare Krise) und moralische (sozial-vermeidbare Krise) Verfehlungen wird. Die Arbeit argumentiert, dass Krisen in der modernen Mediengesellschaft damit zur zentralen Gefahr werden, Reputation aktiv zu verlieren. Denn in ihnen diffundieren funktionale bzw. moralische Funktionserwartungen gegenüber Organisationen und verfestigen sich oft binnen kürzester Zeit. Ziel organisationaler Krisenkommunikation ist es daher, Teil dieses Diffusionsprozesses zu werden, um ihn bestmöglich im eigenen Sinne gestalten zu können. Damit weisen Krisen ein hohes Maß an Sanktionspotenzial auf, dem es durch organisationale Interaktion zu begegnen gilt: Signifikation durch Kommunikation, Domination durch allokative und autoritative Ressourcen und Legitimation durch Sanktion. Aus diesem Grund wurde Krisenkommunikation auf ebendiesen drei Ebenen modelliert: Krisenkommunikation als situative Sinngebung, Krisenkommunikation als integrativen Teil des Managements und Krisenkommunikation als strategische Einbindung moralischer Grundvorstellungen. In der Arbeit wurde in Ausschnitten gezeigt, dass auf der Interaktionsebene die Einflussnahme auf die Strukturebene durchaus möglich ist. Signifikation, Domination und Legitimation wiederum werden zur neuerlichen Voraussetzung organisationalen Anschlusshandelns und tragen so zur Vertrauensbildung, dem Gestalten von Umweltbeziehungen und zur Legitimation organisationalen Handelns bei. Ziel organisationaler Krisenkommunikation auf den drei modellierten Ebenen ist es letztlich, die in der Krise veränderte Prozessstruktur wieder zum status quo zu führen oder einen neuerlichen Prozess zu etablieren. Dies ist durch situative, integrierte und strategische Krisenkommunikation möglich. Die Erkenntnisse für die Strukturationstheorie lassen sich damit abschließend in drei Punkten zusammenfassen. Die Theorie hat sich erstens als theoretische Grundlegung zur Postulierung von Krisenkommunikation auf drei Ebenen und zur Überführung in ein integratives Modell der Krisenkommunikation bewährt. Auch die Ableitung von Krisensituationen aus sozialtheoretischer Sicht wird möglich, ohne die bisherigen Argumentationslinien insbesondere aus der Wirtschaftswissenschaft zur Beschreibung von Krisensituationen maßgeblich außer Acht lassen zu müssen. Wenngleich die Theorie als ganze nicht zur Überprüfung stand, so ist sie zentrale Grundlage der theoretischen Auseinandersetzung mit Krisenkommunikation auf den drei aufgezeigten Ebenen. Die Modellierung aus strukturationstheoretischen Annahmen auf einer situativen, integrierten und strategischen Ebene konnte durch die empirische Analyse bestätigt werden und stützt damit die theoretischen Annahmen in den Grundlagenkapiteln. Zweitens zeigt die Arbeit, dass Krisenkommunikation als Kommunikation, Macht oder Sanktion eine Strukturveränderung durch Signifikation, Domination und Legitimation hervorruft. Wenngleich dies nicht für alle untersuchten Kommunikationsstrategien gilt, so konnte dennoch teilweise Krisenkommunikation als Dualität von Struktur und Handlung theoretisch modelliert und empirisch gezeigt werden. Teil der empirischen Auseinandersetzung war allerdings ausschließlich die Interaktionsebene (Krisenkommunikation als Kommunikation, Macht und Sanktion). Aus Sicht der Strukturationstheorie liegt der empirische Fokus demnach auf der Analyse des strategischen Akteursverhaltens und nicht auf der institutionellen Analyse. Der Transfer auf die Strukturebene wurde in diesem Kapitel daher theoretisch geleistet (Krisenkommunikation als Signifikation, Domination und Legitimation). Damit stellt sich an dieser Stelle die Frage, inwieweit individuell erhobene Daten zur Strukturbeschreibung überhaupt nutzbar gemacht werden können. Die Antwort darauf fin-
6.2 Implikationen für das Krisenkommunikationsmanagement
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det sich bei Giddens selbst. Er geht davon aus, dass Strukturen nicht ohne das Wissen gesellschaftlicher Akteure existieren (vgl. Giddens, 1984, S. 26). Jenes Wissen ist für die Strukturebene damit konstitutiv. Wenn in der sozialwissenschaftlichen Forschung also der Fokus auf der Analyse (handlungspraktischer) Wissensbestände liegt, sind Schlussfolgerungen sowohl auf den Prozess der Strukturierung wie auch die Struktur sozialer Systeme nicht nur möglich, sondern Bestandteil der strukturationstheoretischen Argumentation. Dies gilt umgekehrt genauso: Durch die institutionelle Analyse und damit die Untersuchung sozialer Gesamtheiten wird davon ausgegangen, dass diese eine Relevanz für individuelle Akteure haben. Demnach entwickelt der Forscher hier ein Vorverständnis für die Beschreibung strategischen Handelns (vgl. hierzu auch Cappallo, 2006, S. 28). Außerhalb einer strukturationstheoretischen Grundlegung ist diese Argumentation freilich problembehaftet. Denn Schlussfolgerungen auf der Strukturebene anhand empirischer Beobachtungen auf der Interaktionsebene zu treffen übersteig den wissenschaftlichen Gegenstandsbereich und ist damit streng genommen nicht haltbar. An dieser Stelle wird jedoch der strukturationstheoretischen Argumentationslinie gefolgt und argumentiert, dass die in der Arbeit empirisch erhobenen Daten Hinweise zur Strukturbeschreibung liefern, die wiederum Teil institutioneller Analysen (z.B. der Legitimitätsforschung in Krisen) dienen. Drittens schließlich werfen die Erkenntnisse der Arbeit insbesondere zur Legitimation weitere Fragen auf. Scheinbar ist die möglichst widerspruchsfreie Transformation gesellschaftlicher Normvorstellungen in die eigene Krisenkommunikation am erfolgreichsten, organisationale Vertrauenswürdigkeit zu erreichen. Di9s bietet Möglichkeit zur Anschlussdiskussion insbesondere aus der neoinstitutionalistischen Argumentation von Corporate Social Responsibility. Demnach ist CSR besonders dann erfolgreich, je näher sie sich am gesellschaftlichen Rahmen der Gesellschaft orientiert (vgl. hierzu auch Du, Bhattacharya, & Sen, 2010; Sjovall & Talk, 2004). Erkenntnisse aus diesem Forschungsfeld könnten besonders fruchtbar sein, die Legitimation von Organisationen in Krisensituationen theoretisch zu ergänzen. Mit dem Aufzeigen der Implikationen aus der konzeptionellen, empirischen und theoretischen Perspektive schließt die Diskussion forschungstheoretischer Implikationen. Sie werden im Folgenden ergänzt um Implikationen für das praktische Krisenkommunikationsmanagement. 6.2
Implikationen für das Krisenkommunikationsmanagement
Mit dem Aufzeigen praxisrelevanter Implikationen wird an dieser Stelle der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in das praktische Krisenkommunikationsmanagement geleistet. Dieser Transfer ist explizites Ziel der Arbeit (vgl. Kapitel 1), denn „[...] researchers need to do a better job to communicate [...] findings and ensure their scientific rigor and practical relevance in respect of establishing a stronger link between [...] research and practice“ (Sarsted, 2009, S. 501). Um dies zu erreichen, werden die wichtigsten Ergebnisse aus der empirischen Analyse noch einmal zusammenfassend dargestellt und anschließend deren Konsequenzen für das praktische Krisenkommunikationsmanagement aufgezeigt.
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6 Implikationen
Die Strategie der Übereinkunft (Entschuldigung, Beichte) wirkt sich nicht signifikant positiv auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit aus (Kapitel 5.1.1.1 und Kapitel 5.1.1.2). Anhand der diskutierten Forschungsliteratur wurde in der Arbeit davon ausgegangen, dass eine Entschuldigung oder öffentliche Beichte in der vermeidbaren Krise sich positiv auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Dies konnte weder für organisationale, funktionale, soziale oder emotionale Vertrauenswürdigkeit gezeigt werden noch für die funktional-vermeidbare oder sozial-vermeidbare Krise. Wenngleich die empirische Analyse darauf hinweist, dass sich die Strategie grundsätzlich positiv auswirkt, so war keines der Ergebnisse signifikant. Damit unterscheidet sich die Wirkung maßgeblich von bislang gezeigten Studien. Insbesondere in den Untersuchungen zur Situational Crisis Communication Theory hatte die Strategie der Übereinkunft eine positive Wirkung auf Reputation (wobei das Reputationskonstrukt hier nicht weiter differenziert entwickelt wurde). Das Ergebnis hat vor allem für das internationale Krisenmanagement erhebliche Konsequenzen. Bei der Diskussion der Ergebnisse wurde die Unterschiedlichkeit des Kulturraums der erwähnten Studien skizziert (vgl. Kapitel 5.1.1.1). Coombs (2008) zeigt deutlich auf, dass internationale Krisen in den kommenden Jahren stark zunehmen werden und das Krisenmanagement vor die Herausforderung stellen, konsistent und zeitnah zu kommunizieren. „We live in a world where corporate communication is international and involves sending messages between different countries“ (Coombs, 2008, S. 277). Krisen internationalisieren sich vor dem Hintergrund, dass Unternehmen wie Non-Profit-Organisationen multinational tätig sind. Gleichzeitig können für eine Organisation Auslöser von Krisen in einem Land relevant sein für Dependancen in einem ganz anderen Land. Zu seiner Analyse stellt sich mit der vorliegenden Arbeit nun auch die Erkenntnis, dass rhetorische Botschaftsstrategien nicht global angewendet werden können. Im Gegenteil: Ihre Wirkungsmechanismen entfalten sich in unterschiedlichen Kulturräumen different. Eine global anwendbare, einheitliche Krisenkommunikationsstrategie gibt es demnach nicht. Diese These gilt es, vor allem durch international komparative Studien und Erfahrungen aus internationalen Krisen zu stützen. Für NPO wirkt sich die Strategie der Übereinkunft teilweise negativ auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit aus (Kapitel 5.1.1.3) Non-Profit-Organisationen unterscheiden sich in ihrem funktionalen Auftrag erheblich von Profit-Organisationen, denn sie nehmen eine Doppelfunktion ein. Während ProfitOrganisationen einen klaren funktionalen Auftrag erfüllen (den sie zusätzlich durch freiwillige CSR-Maßnahmen ergänzen können), ist der funktionale Auftrag der in der vorliegenden Studie operationalisierten NPO gleichzeitig ein sozialer Auftrag. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Strategie der Übereinkunft sich für die NPO in einer sozialen Krise in Bezug auf die Wahrnehmung von Qualifikation und Wissen (Dimension funktionaler Vertrauenswürdigkeit) sowie gesellschaftliche Verantwortung und Ernsthaftigkeit (Dimension sozialer Vertrauenswürdigkeit) negativ auswirkt. Das bedeutet, dass die Wirkung der Strategie ihr Ziel nicht nur verfehlt, sondern sogar konterkariert. Für Krisenmanager hat dies zur Konsequenz, beide Dimensionen des Auftrags einer NPO in einer Krise zu managen: den funktionalen Auftrag und den gesellschaftlichen. Denn scheinbar sind die Ansprüche
6.2 Implikationen für das Krisenkommunikationsmanagement
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an die NPO in der sozialen Krise (und damit in ihrem Kernkompetenzfeld) zu hoch, als dass eine Übereinkunft sich positiv auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit auswirken könnte. Aktive Krisenkommunikation trägt nicht pauschal dazu bei, Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Sie hilft vielmehr konkret, die Kompetenz zur Lösung der Krise zu belegen (Kapitel 5.1.2). Die Wirkung aktiver Kommunikation in Krisen ist teilweise umstritten, da ihre Wirkung bislang unklar war. In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass sich aktive Kommunikation in Krisen in erster Linie auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit auswirkt. Das bedeutet, dass bereits durch aktive Kommunikation erfolgreich signalisiert werden kann, die Krise lösen zu können. Interessant ist vor allem die Erkenntnis, dass die Strategie auf keine der anderen Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit eine Wirkung zeigt. Das bedeutet, dass sie nicht dazu beiträgt, allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren (und damit zu belegen, dass man trotz Krise auch weiterhin in der Lage ist, seinem funktionalen Auftrag zu folgen). Auch kann durch aktive Kommunikation die Zuschreibung emotionaler Vertrauenswürdigkeit und damit eine wichtige Voraussetzung von Sympathie erreicht werden. Für das Krisenmanagement hat dies zur Konsequenz, dass aktive Kommunikation einerseits dazu beiträgt, Vertrauenswürdigkeit in die Organisation selbst zu signalisieren (vgl. Kapitel 5.1.2.1) und andererseits als Beleg wahrgenommen wird, die Krise kompetent lösen zu können (vgl. Kapitel 5.2.2.2). An das Krisenmanagement von Profit-Organisationen werden höhere Erwartungen gestellt, als an das von Non-Profit-Organisationen (Kapitel 5.2.2.3) Die Studie von Schwarz & Pforr (2010) zeigt auf, dass das Krisenmanagement von Verbänden in Deutschland bislang nur wenig professionell und strategisch behandelt wird. Die vorliegende Untersuchung legt offen, dass ein solcher Mangel an Krisenkompetenz sich vor allem im direkten Vergleich für die Profit-Organisation schlecht auswirkt. Denn wenn die Non-Profit-Organisation kein gutes Krisenmanagement hat wird dies zwar wahrgenommen, jedoch im Vergleich zur Profit-Organisation als nicht weiter ausschlaggebend interpretiert. Demnach haben Non-Profit-Organisationen (siehe die Studie von Schwarz & Pforr) offensichtlich Defizite im Krisenmanagement, werden diese öffentlich diskutiert haben sie jedoch nicht die negativen Auswirkungen wie beispielsweise für Unternehmen. Für die untersuchte Profit-Organisation hat sich der mangelnde Beleg von Krisenkompetenz hingegen signifikant schlechter ausgewirkt als für die untersuchte NPO. Für das Krisenmanagement lassen sich daraus zwei Konsequenzen ableiten. Erstens scheint das Krisenmanagement von NPO grundsätzlich nicht so professionell betrieben zu werden wie es bei vielen Profit-Organisationen der Fall ist. Die Arbeit zeigt, dass dies scheinbar auch nicht erwartet wird und daher in der Studie auch kaum Konsequenzen für die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit hatte. Diese Erkenntnis sollte zweitens jedoch nicht als Bestätigung eines status quo gesehen werden. Auch NPO müssen in Krisen Vertrauenswürdigkeit signalisieren, um ihren guten Ruf nicht zu verlieren. Steigen die Erwartungen an das Krisenmanagement von NPO, müssen auch sie ähnlich wie Profit-
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6 Implikationen
Organisationen professionell reagieren, um ihre Reputation zu erhalten. Der mangelnde Belegt von Krisenkompetenz wird sich dann auch bei ihnen signifikant negativ auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit auswirken. Kommunikative Disintegrität wirkt sich deutlich negativ auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit aus. Sie wird damit zur Schlüsselstrategie organisationaler Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 5.2.1.1 und Kapitel 2.4) Kommunikative Disintegrität zwischen dem Handeln in der Krise und dem was eine Organisation öffentlich kommuniziert wirkt sich deutlich negativ auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit aus. Dieses Ergebnis ist ein Plädoyer für integrierte Krisenkommunikation, in dem die Kommunikationsabteilungen von Organisationen in die Entscheidungsprozesse des Krisenmanagements mit eingebunden werden. Nur so ist es möglich, die Maßnahmen des Managements kohärent zu kommunizieren, um die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit zu maximieren und so zum Erhalt oder zur Konstitution von Reputation beizutragen (vgl. hierzu auch Zerfaß, 2004, S. 325). Eine erfolgreiche Integration von Krisenkommunikation und -management müsste durch Botschaften auf der Ebene der inhaltlichen Integration stattfinden, durch geeignete Prozesse auf der Ebene formaler Integration und durch Kontinuität i.S. einer Kohärenz mit bisherigen Kommunikationsaktivitäten auf der Ebene zeitlicher Integration (vgl. hierzu auch Bruhn, 2003). Mangelnder Beleg der Krisenkompetenz stellt nicht nur krisenbezogene Vertrauenswürdigkeit in Frage, sondern in funktional-vermeidbaren Krisen auch die allgemein funktionale Vertrauenswürdigkeit (Kapitel 5.2.2.4). Der mangelnde Beleg von Krisenkompetenz hat neben der negativen Wirkung auf krisenbezogene funktionale Vertrauenswürdigkeit noch eine weitere. Offensichtlich überträgt sich ein mangelnder Beleg der Krisenkompetenz auch auf die Vertrauenswürdigkeit des funktionalen Auftrags. Das bedeutet, dass die Organisation in der Krise nicht nur die Vertrauenswürdigkeit entzogen wird, die Krise lösen zu können sondern auch, überhaupt ihrem funktionalen Auftrag nachzukommen. Damit wirkt sich der Mangel an Krisenkompetenz gleich doppelt negativ auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit aus. In der Arbeit wurde argumentiert, dass Krisenkommunikation (hier in Form des Belegs von Krisenkompetenz) dazu beitragen soll, langfristig Reputation zu erhalten. Wenn jedoch ein mangelnder Beleg der Krisenkompetenz sich auch negativ auf die Zuschreibung allgemeiner funktionaler Vertrauenswürdigkeit auswirkt, so wird damit auch langfristig der funktionale Auftrag der Organisation in Frage gestellt. Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung trägt dazu bei, organisationale Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren (Kapitel 5.3.1.1, Kapitel 5.3.1.2, Kapitel 5.3.2.1 sowie Kapitel 5.3.2.2) Die Arbeit untersucht die Wirkung gesellschaftlicher Verantwortung auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit in Krisen. In der Untersuchung konnte gezeigt werden, dass sich die Wirkung der Strategien teilweise deutlich unterscheidet. So hat unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung (also die Verantwortung, die sich zeitlich und inhaltlich auf die
6.3 Resümee
317
Krise beziehen lässt) eine Wirkung auf die Zuschreibung organisationaler Vertrauenswürdigkeit. Sie wird dennoch als Strategie erkannt und insbesondere in Krisen von Stakeholdern stark skeptisch wahrgenommen. Mittelbare gesellschaftliche Verantwortung (also die Verantwortung, die deutlich zeitlich und inhaltlich über die Krise hinausgeht) hat Auswirkungen nicht nur für organisationale, sondern auch für (krisenbezogene) funktionale, soziale und sogar emotionale Vertrauenswürdigkeit. Damit signalisiert die Strategie deutlich mehrdimensionale Vertrauenswürdigkeit und wird so zu einer wichtigen Strategie bei der Reputationskonstitution in Krisen. Keine der untersuchten Strategien trägt dazu bei, allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren (Übersicht Kapitel 5.4). Vergleicht man die Ergebnisse der untersuchten Krisenkommunikationsstrategien so fällt auf, dass keine dazu beiträgt, allgemeine funktionale Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Diese Erkenntnis lässt zwei Schlussfolgerungen zu. Erstens stellen Krisen die funktionale Vertrauenswürdigkeit derart in Frage, dass diese rein durch kommunikative Strategien kurzfristig nicht erhalten werden kann. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn Krisen sind Situationen, in denen der zentrale Auftrag von Organisationen nicht mehr erreicht werden kann. Offensichtlich stößt Krisenkommunikation in Bezug auf diese Dimension von Vertrauenswürdigkeit auf seine Grenzen. Dies bedeutet zweitens aber auch, dass Krisenkommunikation vor allem dazu beitragen kann, die anderen Dimensionen von Vertrauenswürdigkeit zu schützen (krisenbezogen funktionale, soziale oder emotionale). Es wurde gezeigt, dass Reputation kein rein funktionales Konstrukt ist, sondern sich mehrdimensional entfaltet. Dies gilt auch für die Vertrauenswürdigkeit, die Organisationen entgegengebracht wird. Die empirische Analyse zeigt, dass Krisenkommunikation dazu beitragen kann, einen differenzierten Beitrag dazu leisten kann, Vertrauenswürdigkeit kurzfristig und Reputation langfristig zu schützen. Mit dem Aufzeigen dieser Implikationen konnten wesentliche Ergebnisse der Arbeit in Bezug auf die Botschaftsstrategien auch auf das praktische Krisenmanagement übertragen werden. Damit gilt es abschließend, die Implikationen noch einmal zusammenzufassen. 6.3
Resümee
Die Ergebnisse der Arbeit haben Implikationen sowohl für die theoretische Auseinandersetzung mit Krisenkommunikation als auch für die empirische Umsetzung von Wirkungsstudien, Experimentaldesigns sowie das praktische Krisenkommunikationsmanagement. Für die theoretische Grundlegung wurde die Strukturationstheorie gewählt, und deren zentralen Aussagen für die Modellierung von Krisenkommunikation fruchtbar gemacht. In der empirischen Untersuchung konnten die Aussagen des Modells auf der Interaktionsebene überprüft, die Implikationen auf der Strukturebene weiter oben aufgezeigt und diskutiert werden. Insgesamt hat sich die Systematisierung von Krisenkommunikation auf einer situativen, integrierten und einer strategischen Ebene bewährt. Sie bietet einen umfassenden Rahmen, Krisenkommunikation konzeptionell zu beschreiben, der insbesondere die rein rhetorische Ebene verlässt.
318
6 Implikationen
Für die empirische Umsetzung von Wirkungsstudien und insbesondere für die Entwicklung von Experimentaldesigns in der Krisenkommunikationsforschung liefert die Arbeit wichtige Hinweise für die qualitative Weiterentwicklung. Insbesondere die Ergänzung um Qualifizierungs-Items hat sich diesbezüglich als sinnvolle Ergänzung gezeigt. Die Ergebnisse haben abschließend nicht nur Konsequenzen für die forschungstheoretische Diskussion, sondern auch für das praktische Krisenkommunikationsmanagement. Sie helfen, zur Professionalisierung strategisch orientierter Krisenkommunikation beizutragen durch Erkenntnisse, die sich nicht an Fallstudien orientieren sondern empirisch-analytisch abgeleitet wurden. Mit dem Aufzeigen der Implikationen schließt die Diskussion und der Transfer der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit. Diese gilt es abschließend, noch einmal in den Zusammenhang der eingangs gestellten Forschungsfrage zu stellen, die Grenzen der Studie aufzuzeigen und den Blick noch einmal zu öffnen, in Richtung zukünftiger Forschungsperspektiven.
7
Schlussbetrachtung und Ausblick
7.1
Annahmen und Grenzen der Studie
Reputation ist unter den Rahmenbedingungen der Mediengesellschaft unbestritten ein Gut von erheblichem immateriellen Wert. Sie dient der Differenzierung nach außen, der Identifikation nach innen und sogar der gesellschaftlichen Legitimation. Auch wenn der Großteil wissenschaftlicher Forschung sich mit Reputation für Wirtschaftsunternehmen beschäftigt, so gilt dies gleichermaßen für Non-Profit- und sogar für politische Organisationen. Reputation wurde eingeführt als eine Projektion organisationalen Handelns ausgehend von einer Bewertung aus der Vergangenheit. Sie ist damit der Ruf der Vertrauenswürdigkeit, der einer Organisation vorauseilt und bildet sich zwischen Stakeholdern mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Attributen. Sie lässt sich mehrdimensional fassen als ein Zusammenspiel funktionaler, sozialer und emotionaler Merkmale (vgl. Kapitel 2.1). Krisen sind Situationen, in denen Organisationen dieser Projektionserwartung nicht mehr gerecht werden. Sie stellen damit die funktionalen, sozialen oder emotionalen Reputationsattribute fundamental in Frage und das zentrale Ziel von Organisationen ist es, kurzfristig Vertrauenswürdigkeit entlang jeder drei Dimensionen zu belegen, um langfristig den (oft über Jahre aufgebauten) Ruf nicht zu verlieren (vgl. Kapitel 2.2). Krisenkommunikation avanciert damit zum zentralen Instrument, jene Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit zu erwirken. Reputation bildet sich vor allem über mediale Austauschprozesse, so dass neben dem Krisenmanagement die Kommunikation zum wichtigsten Treiber der Reputationskonstitution wird (vgl. Kapitel 2.3 und 2.4). Entlang dieser zentralen Argumentationslinie wurde die Zielstellung der vorliegenden Arbeit formuliert. Sie sollte a)
einen Bezugsrahmen zur konzeptionellen Einordnung kommunikativer Strategien in Krisen in die Formen organisationsbezogener Reputation entwickeln,
b)
den Zusammenhang zwischen Krisenkommunikationsstrategien und dem Aufbau und Erhalt von Reputation in Krisen differenziert aufzeigen, um anschließend
c)
Gestaltungsmerkmale kommunikativer Strategien in Krisen zum langfristigen Erhalt oder sogar Aufbau organisationsbezogener Reputation in und nach Krisen zu formulieren.
(a) Der Bezugsrahmen zur konzeptionellen Einordnung kommunikativer Strategien in Krisen ist das integrative Modell der Krisenkommunikation (vgl. Kapitel 3.3.2). Es wurde aus zentralen Annahmen der Strukturationstheorie nach Giddens entwickelt und entwirft Krisenkommunikation auf einer situativen, integrierten und strategischen Ebene. Das Modell war gleichsam die Grundlage für die empirische Analyse, in der die zentralen Annahmen des Modells über eine Experimentalstudie systematisch überprüft wurden. (b) In der Analyse konnte der Zusammenhang zwischen insgesamt sechs Krisenkommunikationsstrategien auf funktionale, soziale und emotionale Vertrauenswürdigkeit aufgezeigt und die Ergebnis-
A. Thießen, Organisationskommunikation in Krisen, DOI 10.1007/978-3-531-93372-6_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
320
7 Schlussbetrachtung und Ausblick
se in die aktuelle Forschungsdebatte eingeordnet werden. Für ein differenziertes Aufzeigen der Wirkung wurden Interaktionseffekte sowohl in Bezug auf den Organisationstyp als auch auf den Krisentyp Teil der empirischen Analyse. (c) Die Gestaltungsmerkmale kommunikativer Strategien wurden unter zwei Gesichtspunkten diskutiert: Erstens konnten die auf der Interaktionsebene gewonnenen Erkenntnisse unter den Annahmen der Strukturationstheorie theoretisch reflektiert werden. Zweitens haben die Erkenntnisse aus der vorliegenden Arbeit aber auch konkrete Gestaltungsmöglichkeiten im praktischen Krisenkommunikationsmanagement, die ebenfalls Teil der abschließenden Diskussion der Ergebnisse waren. Die Forschungsfrage, welchen Einfluss kommunikative Strategien auf den Erhalt von Reputation in Krisen haben, wurde somit abschließend sehr differenziert beantwortet. Wenngleich die Arbeit nur einen Teilausschnitt aus der Vielfalt der Krisenkommunikationsstrategien untersucht, so hat sie dennoch einen wichtigen und notwendigen Schritt zur Systematisierung des Forschungsfeldes beigetragen. Als Merkmale zur Klassifikation von Krisen wird eine zweidimensionale Matrix aus der Attribution der Krisenschuld sowie der primären Gefahr für die Reputationsdimensionen vorgeschlagen. Dies ist gleichsam eine Antwort auf die zweite eingangs gestellte Frage. Eine Antwort darauf, wie kommunikative Strategien dazu beitragen, Reputation in Krisen zu erhalten oder sogar zu konstituieren liefert einerseits die Argumentation der theoretischen Grundlegung (vgl. Kapitel 2.4) sowie die Diskussion der Implikationen für das Krisenkommunikationsmanagement (vgl. Kapitel 6.2). Bevor damit der abschließende Blick nach vorne gewagt werden kann, gilt es, die Grenzen und den Wirkungsraum der Studie zu ergänzen. Mit dem Fokus der vorliegenden Studie wurde ein wichtiger wenngleich klar umrissener Ausschnitt aus den Forschungsfeldern zur Reputations- und Krisenkommunikationsforschung gezeigt. Mit der Eingrenzung durch die Forschungsfrage, den Literaturdiskurs, die Wahl der theoretischen Verortung sowie den empirischen Untersuchungsraum wurde die Studie inhaltlich, theoretisch und methodisch bewusst begrenzt. Mit dem Aufzeigen dieser Grenzen soll abschließend der Wirkungs- und Interpretationsraum der Ergebnisse aufgezeigt und im Sinne einer kritischen Reflektion relativiert werden. Die Studie folgt erstens einem Experimentaldesign mit Studenten als Versuchsteilnehmern. Eine Vielzahl empirischer Befunde über Wirkungsmechanismen von Krisenkommunikationsstrategien baut auf Experimenten bei Studierenden auf, wie in der Diskussion des Forschungsstandes gezeigt. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass Wirkungsannahmen in der Krisenforschung sich kaum anders methodisch greifen lassen (insbesondere unter Realbedingungen) und zum anderen Studenten als Versuchspersonen eine hohe interne Validität aufweisen. Doch eben darin liegt auch eine deutliche Grenze der Studie: Die Übertragbarkeit der getroffenen Aussagen auf die Gesamtbevölkerung und damit die externe Validität der Studie kann bei derart homogenen Gruppen kritisiert werden. Dennoch, so wurde in der Diskussion des Forschungsdesigns gezeigt, ist der Feldzugang zu Krisensituationen derart problembehaftet, dass nur der experimentelle Zugang eine Beantwortung der Forschungsfrage ermöglicht. Um eine gewisse externe Validität zu gewährleisten, wurden daher die Studienrichtungen der Versuchsteilnehmer so dispers wie möglich gewählt. Mit dieser methodischen Ergänzung (die bei Experimentalstudien nicht selbstverständlich ist) kann dieses Argument weitestgehend entkräftet werden.
7.2 Ausblick
321
Als experimenteller Stimulus wurde zweitens ein Onlineartikel der Neuen Zürcher Zeitung gewählt und manipuliert. Wirkungsexperimente publizistischer Inhalte gehen generell implizit davon aus, dass kognitive Verarbeitungsprozesse bei allen Versuchsteilnehmern gleich sind. Aus der psychologischen Perspektive stellt dies jedoch eine deutliche Vereinfachung dar. Kognitive Verarbeitungsprozesse sind grundsätzlich individuell und werden von unterschiedlichen, v.a. persönlichen Drittvariablen beeinflusst. Die gezeigten Wirkungsmechanismen kumulieren sich innerhalb der Versuchsgruppen also zu einer durchschnittlichen kognitiven Wahrnehmung bzw. Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit. Die Ergebnisse lassen sich dennoch sinnvoll interpretieren, da die kognitiven Verarbeitungsprozesse innerhalb der Experimentalgruppen genügend streuen. Eine Argumentation, auf die sich auch die gesamte Stakeholdertheorie stützt. Auch hier geht es nicht um das Ergebnis individueller Akteure, sondern um Zusammenhänge von (teilweise klar abgrenzbaren) Gruppen. Eine Aussage auf der Individualebene ist zur Beantwortung der Forschungsfrage zudem kaum sinnvoll – es wird bewusst nach einschränkend generalisierbaren Wirkungsmechanismen gesucht. Die Wirkungsannahmen von kommunikativen Strategien wurden drittens anhand von zwei intervenierenden Variablen differenziert: dem Organisations- und dem Krisentyp. Entsprechend wurden bei der Entwicklung des Experimentaldesigns die Stimuli jeweils für Profit- und Non-Profit-Organisationen sowie für sozial-vermeidbare und funktionalvermeidbare Krisen entwickelt. Während der Organisationstyp auch außerhalb einer experimentellen Versuchsanordnung leicht zu identifizieren ist, stellt die analytische Trennung des Krisentyps eine deutliche Komplexitätsreduktion dar: Krisen sind überkomplexe Situationen, die mitunter eine Gefahr sowohl für die funktionale als auch für die soziale Reputation darstellen. Denkbar ist auch, dass eine funktional-vermeidbare Krise sich im Verlauf zu einer sozial-vermeidbaren Krise entwickelt. Beides wurde in der vorliegenden Studie empirisch nicht abgebildet. Diese Einschränkung gilt es zu beachten, wenn die Ergebnisse insbesondere für das praktische Krisenkommunikationsmanagement interpretiert werden. Die Auswahl der Kommunikationsstrategien zur Überprüfung des integrativen Modells der Krisenkommunikation ist viertens inhaltlich stark eingeschränkt. Aus der Vielzahl an Krisenkommunikationsstrategien wurden ausschließlich die mit der höchsten Relevanz gewählt. Damit ist das Modell keinesfalls erschöpfend belegt und bedarf der Ergänzung um weitere Strategien, die sich auf der strategischen, integrierten und strategischen Ebene zuordnen lassen. Fünftens schließlich beschränkt sich die Präsentation der Kommunikationsstrategien auf das Medium Online. Krisen, die eine hohe Publizität haben werden jedoch sicher nicht nur in einem einzigen Medium rezipiert. Es ist davon auszugehen, dass zum einen weitere Onlinequellen hinzugezogen werden als auch weitere Medienformate. Insbesondere die Berichterstattung im Rundfunk erlaubt die Darstellung der Krise mit Bewegtbild- oder Tonmaterial. Die Ergebnisse beziehen sich damit hier nur auf ein einzelnes Medium, ein medienspezifischer Vergleich zu anderen Kanälen findet nicht statt. Zusammenfassend beziehen sich die Ergebnisse damit auf die Wirkung bewusst gewählter Kommunikationsstrategien über die Beschreibung einer rein funktionalen oder sozialen Krise, die online bei Studenten deutschsprachiger Universitäten rezipiert werden. Dennoch lassen sich die Erkenntnisse aufgrund der Untersuchungsanlage eingeschränkt
322
7 Schlussbetrachtung und Ausblick
generalisieren. Sie sind zudem valide, um die vorgeschlagene Matrix zur Krisenklassifikation sowie das entwickelte Modell zu stützen. 7.2
Ausblick
Die Erkenntnisse der Untersuchung ergänzen den bisherigen Diskurs im Forschungsfeld der Krisenkommunikations- und Reputationsforschung. Teilweise füllen sie Lücken, teilweise geben Sie Hinweise auf weiteren Forschungsbedarf, ganz sicher sind sie ein Plädoyer zur weiteren Systematisierung des Forschungsfeldes. Damit wird an dieser Stelle ein Ausblick auf zukünftige Forschungsschwerpunkte und -fragen gegeben. Denn die Arbeit steht nicht nur im Kontext bisheriger Erkenntnisse, sondern weist gleichsam auf mögliche Anschlussforschung hin. Die wichtigsten Stoßrichtungen sind im Folgenden zusammengefasst. Die Wirkung von Kommunikationsstrategien Für die Strategie aktiver Krisenkommunikation wurde gezeigt, dass sie sich in Bezug auf ihre Qualität zwischen funktionalen und sozialen Krisen unterscheidet. Nicht gezeigt werden konnte, wie sich diese Wirkung in Verbindung mit rhetorischen Botschaftsstrategien entfaltet. Zukünftige Forschung kann daher erstens untersuchen, ob sich aktive Krisenkommunikation in sozialen Krisen grundsätzlich positiv auswirkt oder dies noch einmal weiter differenziert werden kann je nach verwendeter Botschaftsstrategie. Zweitens liefern die Erkenntnisse zur Signalisierung von Krisenkompetenz den Hinweis darauf, dass die Strategie für funktionale Krisen von besonderer Bedeutung ist. Entsprechend ist zu prüfen, ob aktive Kommunikation von Krisenkompetenz sich insgesamt positiv auf die Vertrauenswürdigkeit von Organisationen in funktionalen Krisen auswirkt. Oft entsteht zu Beginn einer Krise für die Medienberichterstattung ein Informationsvakuum das es zu füllen gilt. Kann eine positive Wirkung beider Strategien – also aktiver Kommunikation von Krisenkompetenz – gezeigt werden, so hat dies Konsequenzen insbesondere für die Krisenkommunikation zu Beginn einer Krise: Organisationen, die aktiv kommunizieren, werden ebenso als vertrauenswürdig eingeschätzt wie die, die Krisenkompetenz belegen. Eine Kombination aus beiden Strategien lässt daher vermuten, eine mögliche Initiativstrategie zu sein. Ob dies gleichermaßen für funktionale und soziale Krisen gilt wäre ebenso zu zeigen wie den Einfluss weiterer rhetorischer Botschaftsstrategien. Aktive Kommunikation wurde zudem eingeführt als eine Form der Krisenkommunikation, die sich grundsätzlich positiv auf organisationale Reputation auswirkt. Die empirische Analyse stützt diese Vermutung, wenngleich in der Herleitung der Hypothese auf einen zentralen Konflikt in der Krisenkommunikation hingewiesen wurde: Die juristische Argumentationslinie, so wurde gezeigt, steht der kommunikationswissenschaftlichen diametral gegenüber. Dieser Konflikt wird relevant im Prozess der Auswahl von Kommunikationsstrategien. Die Literatur über Selektionsprozesse kommunikativer Strategien lässt diesen Konflikt jedoch bislang fast völlig außen vor bzw. diskutiert ihn nur am Rande (vgl. hierzu insb. Marcus & Goodman, 1991). Diesem Desiderat gilt es zu begegnen, denn der vermeidliche Widerspruch ist elementarer Bestandteil der Diskussion über die Wirkung aktiver Krisenkommunikation. Sie kann nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn sie als strategische Option für Organisationen überhaupt in Frage kommt. Die Strategie der Übereinkunft hat darüber hinaus verdeutlicht, dass Forschungsergebnisse sich international zum Teil deutlich unterscheiden. Die Forschung internationaler
7.2 Ausblick
323
Strategien in nationalen oder internationalen Krisen ist im bisherigen Forschungsdiskurs völlig unterrepräsentiert. „Multicultural public relations have virtually no theories“ (Falkheimer & Heide, 2006, S. 186). Erst eine kulturübergreifende Auseinandersetzung mit Krisenkommunikation kann helfen, einen gewichtigen Beitrag zur Theoriebildung zu leisten. Dies ist ein relevantes Forschungsfeld, insbesondere für multinationale Unternehmen oder Krisen mit multinationaler Medienrezeption. Die Systematisierung von Krisensituationen Die vorliegende Untersuchung wählt zur Differenzierung von Krisen eine funktional- und eine sozial-vermeidbare Krise. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wirkung der untersuchten Strategien sich je nach Krisentyp unterscheiden. Damit leistet die Untersuchung einen wichtigen Beitrag für die Klassifikation von Krisensituationen sowie die strategische Auswahl von Kommunikationsstrategien für den Erhalt von Reputation in Krisen. Wie jedoch gezeigt, hat Reputation auch eine emotional-affektive Dimension, die in der empirischen Analyse bislang nicht abgebildet wurde. Zukünftige Forschungen können die vorliegenden Ergebnisse durch die Untersuchung von Wirkungsmechanismen auf die emotional-affektive Dimension ergänzen. Coombs (1999c) weist darauf hin, dass Emotionen eine wichtige Rolle bei der Attribution der Krisenschuld spielen können. Daher ist es „[…] crucial for organizations to better understand the emotionally segmented publics in crises and tailor their crisis responses to facilitate publics’ effective crisis coping, which might have positive impact [on] crisis resolutions and reputation repair“ (Jin & Pang, 2010, S. 681).
Die Überprüfung der emotionalen Dimension der vorgeschlagenen Matrix stellt somit eine wichtige theoretische Ergänzung der vorgeschlagenen Systematik dar und sollte daher in zukünftige Forschungsarbeiten einfließen (vgl. z.B. zur "Emotionalisierung der Ökonomie" Neckel, 2007). Ein weiterer Forschungsbedarf ergibt sich aus dem Fokus der empirischen Studie. Während sie Ergebnisse für vermeidbare Krisen liefert, wurden Unfall- und Opferkrisen nicht weiter betrachtet. Für zukünftige Forschung ist daher vor allem die Frage nach der Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf Unfallkrisen interessant. Denn durch sie entsteht zumindest ein moderater Reputationsschaden und ist damit auch für das Krisenkommunikationsmanagement relevant. Der Verlust öffentlichen Vertrauens Die Untersuchung zeigt für die Wirkung kommunikativer Disintegrität, dass öffentliches Vertrauen eingebüßt wird. Dieses Ergebnis wurde bezogen auf den Verlust öffentlichen Institutionsvertrauen in die zwei untersuchten Organisationen. Bentele hält in der Theorie öffentlichen Vertrauens aber noch weitere Typen öffentlichen Vertrauens bereit, die für die Krisenkommunikation nicht minder interessant sind. So könnte überprüft werden, ob der wiederholte Vertrauensverlust von Organisationen desselben Umfelds bzw. Unternehmen derselben Branche dazu führt, öffentliches Systemvertrauen in einzelne Organisationen/Unternehmen zu mindern. Gleiches gilt für öffentliches Personenvertrauen: Nicht nur als Organisation sondern auch Einzelpersonen (z.B. der CEO) können in Krisen öffentliches Vertrauen einbüßen. Eine spannende Frage wäre, ob dies strategisch genutzt werden kann, indem Organisationen eine Schuldattribution von der Organisation als Ganze hin zu
324
7 Schlussbetrachtung und Ausblick
einzelnen Personen lenken. Während ein Schaden für einzelne Personen sicherlich hoch ist, könnte jedoch der Vertrauensverlust in eine Organisation vermieden werden. Gleiches gilt auch für die Untersuchung weiterer Ebenen kommunikativer Diskrepanz. In der vorliegenden Studie wurde die Diskrepanz zwischen Kommunikation und Handlung untersucht und damit nur eine Ebene der in der Theorie öffentlichen Vertrauens vorgestellten Diskrepanzen. Simons (2002) weist darauf hin, dass der Vertrauensverlust oft mehrdimensional ist. Folgeuntersuchungen können diesen Hinweis aufgreifen und überprüfen, welche der Ebenen einen höheren Einfluss auf den Vertrauensverlust haben. Die Erkenntnisse daraus kämen der Entwicklung von Kommunikationsstrategien deutlich zugute. Die strategische Dimension des Krisenkommunikationsmanagements In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass Krisenkommunikation eine Wirkung auf die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit hat, die eine zentrale Voraussetzung zur Reputationskonstitution ist. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag, Reputation in genau den Situationen zu schützen, in denen sie am stärksten angegriffen wird. Und dennoch: „Whereas 83 per cent of the respondents believed reputation to be a key factor in reaching their company’s strategic objectives, only 16 per cent have formalized quantification processes (metrics) to measure and monitor their company’s reputation“ (GaultierGaillard & Louisot, 2006, S. 434).
Dies ist eine deutlich geringe Zahl, wenn man bedenkt, dass die Risiken für organisationale Reputation in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben. Demnach leisten Forschungsarbeiten wie diese einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung und zur Debatte, eine strategische Dimension des Kommunikations- und Reputationsmanagements weiter in den Vordergrund zu rücken. Die gilt es, auch zukünftig konsequent durch systematische und komparative Forschung weiter auszubauen. Literatur der Fußnoten (weiß einfärben)
(Dubs, Euler, & Rüegg-Stürm, 2002)
(Freeman, 1984)
(Szyszka, 2003)
(Wood, 1991)
(Töpfer, 1999)
(Wieczorek & Naujoks, 2002)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Tabelle 2: Tabelle 3:
Abgrenzung ähnlicher Konstrukte durch zentrale Fragen ........................................................ 33 Überblick Reputationsansätze im Stakeholderkontext ............................................................. 47
Tabelle 4:
Bewertungskriterien der Unternehmensreputation des American (bzw. World’s) Most Admired Companies Index .................................................................... 51 Bewertungskriterien des Reputation Quotient .......................................................................... 52
Tabelle 5:
Funktionale, soziale und expressive Reputation ....................................................................... 55
Tabelle 6:
Zuordnung der Items vorgestellter Messansätze ...................................................................... 57
Tabelle 7:
Charakteristiken traditioneller und postmoderner .................................................................... 87
Tabelle 8:
Elemente des Kommunikationsmanagements in Krisen .......................................................... 89
Tabelle 9:
Prozessschritte des Reputationsmanagements ........................................................................ 107
Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13:
Elemente von Reputation und Vertrauen in der Gegenüberstellung ...................................... 114 Gegenüberstellung von Vertrauenswürdigkeit und Reputation .............................................. 116 Typologisierung von Organisationen ..................................................................................... 132 Zusammenfassung der Strategie-Cluster und der Krisenkommunikationsstrategien ........................................................................................... 165
Tabelle 14:
Zusammenfassung der Forschungsfragen und Hypothesen ................................................... 189
Tabelle 15:
Übersicht der Pretests ............................................................................................................. 198
Tabelle 16:
Übersicht der Krisenszenarien ................................................................................................ 202
Tabelle 17: Tabelle 18:
Übersicht der Krisenkommunikationsstrategien..................................................................... 202 Komponenten funktionaler Vertrauenswürdigkeit ................................................................. 204
Tabelle 19:
n in den Versuchs- und Kontrollgruppen ............................................................................... 207
Tabelle 20:
Übersicht der Experimente ..................................................................................................... 209
Tabelle 21:
Manipulationsüberprüfung: Vermeidbare Krise ..................................................................... 211
Tabelle 22:
Manipulationsüberprüfung: Krisentyp ................................................................................... 211
Tabelle 23:
Manipulationsüberprüfung: Kommunikationsstrategie erkannt ............................................. 212
Tabelle 24:
Manipulationsüberprüfung: Kommunikationsstrategie erkannt ............................................. 213
Tabelle 25:
Manipulationsüberprüfung: Realismus................................................................................... 214
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326 Tabelle 26:
Tabellenverzeichnis Manipulationsüberprüfung: Task Involvement ...................................................................... 214
Tabelle 27:
Übersicht der Reliabilitätstests ............................................................................................... 218
Tabelle 28:
Position der Länder USA und Schweiz auf dem Kontinuum der Kulturdimensionen der GLOBE-Studie ....................................................................................................................... 227
Tabelle 29:
Typische Verhaltensweisen in den Länder-Clustern der USA und der Schweiz...................................................................................................................... 229
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Modellvariablen der Situational Crisis Communication Theory .............................................. 17
Abbildung 2:
Abgrenzung von Corporate Reputation .................................................................................... 31
Abbildung 3:
Sichtweisen einer Organisation ................................................................................................ 33
Abbildung 4:
Zusammenhang zwischen Identität, Image und Reputation nach Fombrun ........................................................................................................................... 34
Abbildung 5:
Zusammenhang zwischen Identität, Image und Reputation nach Stahl ................................... 35
Abbildung 6:
Prozessoptionen der Krise als Latenzphase .............................................................................. 66
Abbildung 7:
Phasenverlaufsmodelle von Krisen im Überblick .................................................................... 70
Abbildung 8:
Krisentypen in Abhängigkeit von der Reputationsdimensionen .............................................. 74
Abbildung 9:
Kommunikative Reaktionen in Abhängigkeit des Krisentyps ................................................. 91
Abbildung 10:
Variablen des Modells situativer Krisenkommunikation ......................................................... 93
Abbildung 11:
Reputationsrisiko und -chance................................................................................................ 101
Abbildung 12:
Der Prozess der Vertrauensbildung ........................................................................................ 115
Abbildung 13:
Einflussfaktoren auf die Reputation ....................................................................................... 119
Abbildung 14:
Rekursivität von Struktur und Handlung im Zeitverlauf ........................................................ 125
Abbildung 15:
Das Stratifikationsmodell des Handelnden............................................................................. 126
Abbildung 16:
Bewusstseinsebenen und Handlungskontrolle ........................................................................ 128
Abbildung 17:
Die Dimensionen des Sozialen ............................................................................................... 130
Abbildung 18:
Krisenkommunikation in der Dualität von Struktur ............................................................... 152
Abbildung 19:
Grundlegung eines integrativen Modells zum Erhalt von Reputation durch Krisenkommunikation .................................................................................................. 159
Abbildung 20:
Stimulusmaterial der Kontrollgruppen ................................................................................... 200
A. Thießen, Organisationskommunikation in Krisen, DOI 10.1007/978-3-531-93372-6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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