Georg Scrlreyögg / Peter Conrad (Hrsg.) Organisation und Strategie
Managementforschung Hrsg.: Georg Schreyögg, Peter Conrad und Jörg Sydow Mitbegründet von Wolfgang H. Staehle (t)
Die Bände 1 bis 9 sind im Verlag de Gruyter erschienen, ab Band 10 erscheinen die Bände im Gabler Verlag. Alle Bände sind über den Gabler Verlag erhältlich. Eine Aufstellung der bereits erschienenen Bände finden Sie am Ende dieses Bandes.
Georg Schreyögg Peter Conrad (Hrsg.)
Organisation und Strategie Managementforschung 20
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GABLER
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1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ulrike Lörcher I Katharina Harsdorf
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Zur "Managementforschung" Ziel der "Managementforschung" ist es, einen Überblick über den aktuellen Stand und Ergebnisse der Forschung zu Managementproblemen zu geben; zugleich soll sie ein Diskussionsforum für neue Trends und Strömungen sein. Die "Managementforschung" richtet sich an Forscher und Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie an wissenschaftlich interessierte Praktiker und Managementtrainer. Die "Managementforschung" ist am Institut für Management der Freien Universität Berlin entstanden und erscheint seit 1991 jährlich. Sie wird von Georg Schreyögg, Peter Conrad und Jörg Sydow herausgegeben (Gründungs-Mitherausgeber Wolfgang H. Staehle t). Der Schwerpunkt liegt auf innovativen Forschungsbeiträgen zu zentralen Gebieten des Managements. Neben anerkannten Fachvertretem haben auch qualifizierte Nachwuchswissenschaftler die Gelegenheit, zu aktuellen Fragen Stellung zu nehmen. Disziplinäre Offenheit ist Programm. Die Herausgeber werden bei der Akquisition, Begutachtung und Auswahl geeigneter Beiträge durch einen Beirat unterstützt. Dem Herausgeberbeirat gehören zurzeit an: aus dem Bereich der Betriebswirtschaftslehre
Prof Dr. Torsten J. Gerpott, Universität Duisburg-Essen Prof Dr. Oskar Grün, Wirtschaftsuniversität Wien Prof Dr. Dirk Holtbrügge, Universität Erlangen-Nürnberg Prof Dr. Helmut Kasper, Wirtschaftsuniversität Wien Prof Dr. Werner R. Müller, Universität Basel Prof Dr. Dieter Sadowski, Universität Trier Prof Dr. Bernd Schauenberg, Universität Freiburg Prof Dr. Frank Schirmer, Technische Universität Dresden Prof Dr. Martin K. Welge, Universität Dortmund aus dem Bereich der Arbeits- und Organisationssoziologie bzw. -psychologie und der Politologie Prof Prof Prof Prof Prof
Dr. Christoph Deutschmann, Universität Tübingen Dr. Ulrich Jürgens, Wissenschaftszentrum und Freie Universität Berlin Dr. Peter Kappelhoff, Bergische Universität Wuppertal Dr. Friedemann Nerdinger, Universität Rostock Dr. Helmut Willke, Universität Bielefeld
Die Manuskripte werden einem anonymen "doppelt blinden" Begutachtungsprozess unterzogen. Regelmäßig sind an der Begutachtung eines Beitrages Vertreter unterschiedlicher Disziplinen beteiligt. Auf der Grundlage der Gutachten wird über die Akzeptanz sowie über Art und Umfang der gewünschten Überarbeitung des Manuskriptes entschieden. Jeder Band der "Managementforschung" ist somit das Ergebnis einer engen Kooperation zwischen Autoren, Beiräten und Herausgebern.
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Vorwort Strategie folgt Struktur - mit dieser lapidaren These hat vor geraumer Zeit eine Gruppe von Managementforschern für großes Aufsehen gesorgt. Diese Feststellung war Befund und Programm zugleich; ihr wurde deshalb so große Aufmerksamkeit zuteil, weil man sich in der Managementlehre daran gewöhnt hatte, das Verhältnis Strategie und Struktur genau umgekehrt zu sehen und demzufolge auch der Praxis umgekehrte Reihenfolge zu empfehlen: "structure follows strategy". Die weitere Diskussion hat gezeigt, dass die Frage der Reihenfolge nur Vorläufer für einen tiefer liegenden Umwälzungsprozess in der Theorie der Unternehmenssteuerung war. Das zunächst Unfassbare war, dass dieser These nach die organisatorischen Strukturen und Prozesse eines Unternehmens einen bestimmenden Einfluss darauf nehmen, welche Unternehmens- oder Wettbewerbsstrategie eine Unternehmung verfolgt. Unfassbar war dies deshalb, weil diese These völlig quer lief zu den Prinzipien guter Unternehmensführung, wie sie seit langer Zeit in Geltung waren (und sind). Zugleich signalisierte sie eine Konfrontation zwischen präskriptiver Entscheidungs- und Strategietheorie (Struktur folgt Strategie) und empirischer Entscheidungsforschung (Strategie folgt Struktur) und damit auch eine Auseinandersetzung um das methodische Fundament der Strategieforschung. Die Strategie-folgt-Struktur-These stellt die Prinzipien des klassischen Managementmodells auf den Kopf; wird doch dort der Managementprozess seit alters her im Sinne eines Dreier-Schrittes konzipiert: Planung - Realisation - Kontrolle, wobei die Realisation im Wesentlichen als Organisation verstanden wird. Die Planung, oder wenn es um das Grundsatzgeschäft geht, eben die Strategie, legt fest, was angestrebt als auch wie und wann es erreicht werden soll. Nachdem von der Planung das verbindliche Zielgerüst für alle Steuerungshandlungen entworfen wird, fällt ihr auch das Primat unter den Managementfunktionen zu. Sie ist die Königsfunktion, die anderen Funktionen haben steuerungslogisch einen lediglich nachgeordneten Charakter. Der planerischen Willensbildung folgt die Realisation. Die Organisation soll so gestaltet werden, dass im arbeitsteiligen Handlungsgefüge die geordnete und effiziente Erfüllung der vorgegebenen Pläne gewährleistet ist. Es ist also die Aufgabe der Organisation, der Umsetzung des strategischen Plans zu dienen. Mit zwingender Logik gilt daher: Struktur folgt Strategie. Das gemeinte Verhältnis von Organisation und Planung ist somit klar; es baut auf der allgemeinen Theorie der rationalen Wahl auf: Das rationale Zentrum der Unternehmenssteuerung liegt in der Handlungsvorbereitung, die Handlungssphäre selbst wird nicht als eigenständiger Problembereich angesehen, sondern nur als abgeleitete Vollzugsaufgabe ohne eigenen Sinn. Eine eigenständige Problembearbeitung kann und darf der Organisation nicht zufallen - will man die Rationalität des vorgeordneten
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Vorwort
Planes nicht verfälschen. Es handelt sich also um ein Modell plandetenninierter Steuerung. Vor diesem Hintergrund wird sofort klar, weshalb der Befund "Strategie folgt Organisationsstruktur" für Furore sorgen musste. Er formuliert das Undenkbare, er wirbelt alles durcheinander; er macht das Rationale zum Vollziehenden und den Vollzug zum Rationalen; er macht aus der Ursache die Wirkung und aus der Wirkung die Ursache. Kurzum: die These stellte eine Provokation, die nach weiterer Reflexion verlangte. Diese fand in der Strategieprozessforschung ihren unübersehbaren Niederschlag. In der Strategieprozessforschung wird zwischenzeitlich ein breites Spektrum an organisatorischen Einflussfaktoren auf die Strategieformulierung diskutiert. Erwähnt seien hier nur die Befunde (a) zum Einfluss von Emotionen und kognitiver Muster auf Strategien, (b) zur Pfadabhängigkeit strategischer Führung oder (c) zur Emergenz von Kernkompetenzen. Beispielhaft seien die Kernkompetenzstudien herausgegriffen. Sie stellten in vielerlei Hinsicht ein Novum in der Strategiediskussion dar. Bezogen auf den hier interessierenden Sachverhalt unterstreichen sie einmal mehr die dominante Bedeutung des organisatorischen Kontextes für die Strategiebildung, und darüber hinaus wird die gesamte klassische Gestaltungsrationalität in Frage gestellt. Nicht raffinierte Strategen sind hier die eigentliche Quelle der erfolgreichen Unternehmensstrategie, sondern die evolutorische Entwicklung einer kollektiven Kompetenz, die in sich letztlich unverstanden bleibt. Hintergrund der Kompetenz ist eine systemische Fähigkeit, die sich in Interaktionen zwischen den Organisationsmitgliedern und -gruppen entwickelt und zur strategischen Ressource wird. In der Essenz bestimmt also die "Struktur" im Sinne einer geronnenen kollektiven Kompetenz die Strategie. Alle diese Studien machten überdeutlich, was man braucht, nämlich einen neuen Bezugsrahmen, der eine systematische Thematisierung des organisatorischen Einflussgeschehens auf den strategischen Prozess erlaubt. Die in diesem Band versammelten Beiträge spiegeln genau diese Debatte wider und geben einen Einblick, wie sich der Diskurs zwischenzeitlich entwickelt hat. Den Auftakt macht der Beitrag von Günther Ortmann, in dem die Grundsatzfragen der oben kurz wiedergegebenen Debatte diskutiert und in ihren theoretischen Wurzeln reflektiert werden. Der Autor stellt die Debatte schließlich in den Rahmen von planerischer Antizipation und organisatorischer Flexibilität. In dem zweiten Beitrag hebt Daniela Menzel ebenfalls auf die Strategieprozessforschung ab und betont vor allem das organisatorische Lernen als zentrales Element zum Verstehen strategischer Prozesse. Sie will das organisatorische Lernen aber weniger als Gegensatz, sondern als Komplement zur klassischen Planungsphilosophie
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Vorwort
begriffen wissen. Als Hintergrund für ihre Überlegungen wählt sie die Strukturationstheorie von Giddens. Der Beitrag von Theresa Michl, Isabell M. Welpe, Matthias SpÖTrle und Arnold Picot steht ebenfalls ganz in der Tradition der Strategieprozessforschung und beleuchtet den Einfluss affektiver Zustände auf die Strategiefindung. Der vorgeschlagene konzeptionelle Bezugsrahmen thematisiert sowohl direkte als auch indirekte Einflüsse affektiver Zustände. Die folgenden drei Beiträge sind empirischer Natur. In dem Beitrag von Dodo zu Knyphausen-Aujseß, Ingo Rauser und Lars Schweizer geht es um die Interaktion von Corporate Venture Capital (CVC)-Einheiten und "normalen" strategischen Geschäftseinheiten. Von Interesse ist insbesondere, in welchem Umfang es CVC-Einheiten gelingt, das Beziehungsgeflecht innerhalb eines Unternehmens zur Erfüllung ihrer strategischen Ziele zu nutzen. Dieser Frage wird in sechs Fallstudien nachgegangen. Der anschließende Beitrag von Georg Schreyägg und Leo Schmidt stellt die herkömmliche Auffassung von Technologie in Frage und zeigt, dass eine interaktive Technologiekonzeption nicht nur angemessener ist, sondern auch Raum für strategische Gestaltungsmöglichkeiten schafft. Ganz im Sinne der Strategieprozessforschung wird Technologie nicht mehr als nur externe Vorgabe, sondern auch als Ergebnis organisatorischer Einflüsse dargestellt. Die These wird anhand zweier Fallstudien belegt, die den kontinuierlichen organisatorischen Einfluss auf ein ERP (Enterprise Resource Planning)System, genauer das R/3 System von SAp, untersuchen. Ebenfalls eine empirische Studie steht im Zentrum des Beitrags von Hermann Frank, Wolfgang H. Güttel und Daniela Weismeier-Sammer. Sie zeigen anhand einer Fallstudie aus der Hotelbranche wie eine Familie zugleich Innovationsmotor und effizienzgetriebener Rationalisierer sein kann. Die scheinbar widersprüchlichen Rollen werden von den Autoren über das heute viel diskutierte Ambidexterity-Modell harmonisiert. Den Abschluss bildet ein Beitrag von Stephan Duschek zur Theorie der pfadabhängigkeit. Im Zentrum stehen Fragen des Managements von Pfadabhängigkeit und die Exploration der Möglichkeiten einer Pfadextension. Anhand von Beispielen aus dem Corporate Venture Capital-Bereich illustriert der Autor seine konzeptionellen Vorschläge zur Revision der Pfadtheorie. Im Rahmen des doppelt-blinden Begutachtungsverfahrens wurden die Gutachten für
die eingereichten Beiträge mit großer Sorgfalt und Engagement von den Mitgliedern des Herausgeberbeirats der "Managementforschung" erstellt. Darüber hinaus haben als externe Gutachter an diesem Band mitgewirkt:
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Vorwort
Dr. Carolin Decker, Freie Universität Berlin Prof Dr. Stephan Duschek, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg Prof Dr. Martina Eberl, Freie Universität Berlin Prof Dr. Peter Eberl, Universität Kassel Dr. Daniel Geiger, Universität Linz Prof Dr. Jochen Koch, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder Prof Dr. Johannes Lehner, Universität Linz Dr. EUre Schüßler, Freie Universität Berlin Prof Dr. Albrecht Söllner, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder Den Mitgliedern des Beirats und den externen Gutachtern sei an dieser Stelle für ihre Mitwirkung an der Erstellung dieses Bandes sehr herzlich gedankt. Ein besonderer Dank ist Irmgard Hoemke auszusprechen, die wiederum mit großer Umsicht und aller erforderlichen Nachhaltigkeit den gesamten Erstellungsprozess vom Eingang der Beiträge bis zur Erstellung der Druckvorlage souverän begleitet hat.
Berlin-Dahlem und Hamburg, im Juni 2010
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Georg Schreyögg und Peter Conrad
Inhaltsverzeichnis
Organisation, Strategie, Responsivität - Strategieformation als responsive Strukturation Günther Ortmann
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Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem LernenEine strukturationstheoretische Sicht auf die Strategie- und Lernfähigkeit von Organisationen in dynamischen Handlungsfeldern Daniela Menzel 47 Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess Theresa MichllIsabell M. WelpelMatthias SpörrlelArnold Picot.. Mobilizing Intra-Organizational Relationships - The Challenge of Corporate Venture Capital Dodo zu Knyphausen-Aufseßllngo RauserlLars Schweizer
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Open Windows: Shaping Information Technology as a Continuous Organizational Process Georg SchreyögglLeo Schmidt 151 Ambidexterity in Familienunternehmen - Die Top-Management-Familie als Innovationsinkubator Hermann Frank/Woljgang H. Güttel/Daniela Weismeier-Sammer
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Strategisches Pfadmanagement: "Beyond Path Dependence" Stephan Duschek
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Zu den Autoren und Herausgebern
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In Vorbereitung und bereits erschienen
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Günther Ortmann
Organisation, Strategie, Responsivität Strategieformation als responsive Strukturation* Kompetenzen; Organisation; Praxis; Responsivität; Ressourcen; Strategie; strategy as practice; Struktur; Turbulenz
Zusammenfassung Schon eine knappe Zusammenschau der "structure follows strategy"-Debatte und der Diskussion um Markt- versus Ressourcen-Orientierung erweist die erhebliche Relevanz der Organisation für die Strategieformation. Der vorliegende Beitrag macht, um dies noch weiterzutreiben, erstens einen Vorschlag zur Revision, der darauf hinausläuft, Strategien als temporäre, provisorische, zukunfts- und umweltbezogene Strukturen und Strategieformation als Strukturation sensu Giddens zu bestimmen. Das Strategische hat dann eine Struktur- und eine Handlungsdimension ("strategy as practice") und kann gar nicht anders als unter Einbeziehung der Organisation studiert werden. Die Dimension der Praxis zu betonen, verlangt nach einem anspruchsvollen Handlungs- und Praxisbegriff. Dem ist ein Exkurs gewidmet. Im Lichte der Neubestimmung von Strategien als Strukturen mit einer besonderen zeitlichen Charakteristik - Kurzlebigkeit bei langfristigem (Zukunfts- und Umwelt-) Bezug - treten Spannungen zu operativen, aber auf Dauer angelegten Strukturen, zum Beispiel Gratifikationsstrukturen, scharf hervor: die Spannung zwischen temporärer und dauerhafter Geltung und kurz- bzw. langfristiger Referenz von Regeln und Ressourcen{zuordnungen). Ferner legt eine solche Neubestimmung es nahe, das Verhältnis strategischer Planung zur Umweltdynamik und womöglich -turbulenz und die alte Entgegensetzung von Antizipation und Flexibilität in neuem Licht zu betrachten. Der Beitrag plädiert daher zweitens dafür, die Entgegensetzung von strategischer Planung/Antizipation einerseits und Flexibilität andererseits mit Hilfe eines Konzepts der Responsivität neu zu bedenken, das erst recht die Organisation - ihre Wahmehmungsund Antwortfähigkeiten - in den Fokus des strategischen Managements rückt, nicht zuletzt auch: seine Verantwortlichkeit.
Managementforschung 20 (2010), hrsg. von G. Schreyägg und P. Conrad Gabler Verlag. Wiesbaden, S. 1-46
G. Scrlreyögg, P. Conrad (Hrsg.), Organisation und Strategie, DOI 10.1007/978-3-8349-8982-6_1, © Gabler Verlag ISpringer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Günther Ortmann
Abstract This artic1e reviews the debates on "structure versus strategy" and "market-based view versus resource-based view" from which the organization has already emerged as an important factor of strategy formation. In order to develop this insight further, this artic1e suggests that the eoneept of strategy should be revised. Strategies should be treated as temporary, provisional struetures associated with (a) the future and (b) the environment. Strategy formation, then, ean be grasped as structuration in the sense that Anthony Giddens uses the term. Seen as structures, strategies present time-related peculiarities: they have a long-term referenee but are short-lived. This eauses frietion with respect to operative struetures, which are characterized by short-term referenee but long-term design: time-related friction between validity on the one hand and reference on the other. This, again, suggests that the problem of strategie planning in turbulent environments and the oldfashioned opposition between planning and flexibility should be reappraised. This opposition, it is argued, ean be overeome if strategie management theorists adopt a eoneept of responsiveness which foeuses even more on the organization - its pereeptive faculty, reaetions, and flexibility.
Inhaltsübersicht 1
Organisation und Strategie
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Regeln und Ressourcen: Restriktion und Ermöglichung der Strategieformation
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Strategie und Struktur revidiert; mit einem Exkurs zum Handlungs- und Praxisbegriff
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Strategien: Kurzlebige Strukturen mit langfristigem Bezug
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Turbulente UmweHen, Hyperwettbewerb und Responsivität
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Programmatischer Ausblick: Die responsive Organisation 6.1 Flexible response, strategische Überwachung, Empfänglichkeit 6.2 (Strategisches) Handeln als Antwortgesehehen 6.3 Responsivität und institutionelle Reflexivität 6.4 Responsivität - ein empirischer oder normativer Begriff?
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Organisation, Strategie, Responsivität
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Organisation und Strategie
Seit Langem schon wird es als gravierender Mangel der Strategieforschung empfunden, dass von Unternehmungsstrategien die Rede ist, ohne das Verhältnis von Strategie und (Organisations-)Struktur anders denn als bloßes Zweck-Mittel-Verhältnis in Rechnung zu stellen. Traditionell erschien die Organisation - ihre Struktur - als Instrument im Dienste der strategischen Zwecke. Der Prozess der Bestimmung der strategischen Ausrichtung schien losgelöst von der Organisationsstruktur, und die Herstellung der strategiegerechten Organisation galt als prinzipiell unproblematisch. Wer angesichts dieser Situation Problematisierungen anmahnt - dem ist seit 2003 eine eigene Zeitschrift gewidmet, Strategie Organizations 1 -, kann auf diese Problemfelder verweisen: 1. Dass die Implementation geplanter Strategien einschließlich strategiegereehter (Re-) Organisation nicht unproblematisch ist, pfeifen seit Langem die Spatzen von den Dächern. Darauf reagieren auf theoretischer Ebene Henry Mintzbergs Unterscheidung zwischen deliberate und emergent strategies, mit stärker empirischem und praxeologischem Interesse die Strategieprozessforschung (Pettigrew 1977; Johnson 1987; kritisch zu den zugrundeliegenden Unterscheidungen: zu Knyphausen-Aufseß 1995, S. 37 ff.), die Implementationsforschung und die umfangreiche Forschung zum geplanten organisatorischen Wandel. Wenn Alfred Chandlers "structure follows strategy" gilt, dann jedenfalls nicht ohne ganz erhebliche Komplikationen. Damit war die black box "Organisation" für die Strategieforschung geöffnet, aber nur einen Spalt weit.
Der Begriff von Strategie als Plan, der erst gefasst und dann (gar wie geplant) ausgeführt wird, kann auch nicht erfassen, dass Strategien zum Teil erst rückblickend als solche erscheinen. Diese Mängel des Strategiebegriffs veranlassten ja Mintzberg zu einer Neufassung, in der Strategien als "patterns in streams of actions" (Mintzberg/Waters 1985, S. 257) verstanden werden, die als "a mediating force between the organization and its environment" (Mintzberg 1983, S. 13) dienen. Die resultierenden Idealtypen - die ,deliberate' und die emergente Strategie - spannen ein Kontinuum auf, das an seinen Rändern dünn besetzt ist und in dem sich die unterschiedlichsten Strategietypen wiederfinden lassen (Mintzberg/Waters 1985, S. 258 ff.; Mintzberg 1994, S. 25 f.). Mit emergenter Strategie ist dabei nicht gemeint, dass das Management die Kontrolle über die Vorgänge verloren hätte, sondern dass es bereit und fähig ist, in Reaktion auf die Umwelt und die Vorgänge im Unternehmen zu lernen. Insofern ergänzen Mintzberg und Waters (1985, S. 271) das traditionelle Bild um eine Rückkopplungsschleife, die die strategischen Lernprozesse umfasst, und kommen zu dem Schluss, dass "strategy formation walks on two feet, one deliberate, the other emergent". Die Kunst des strategischen Managements liege dann darin, so zu führen, dass die strategischen Intentionen realisiert werden können, während gleichzeitig 3
Günther Ortmann
auch auf kontextuelle und situative Um- und Widerstände, besonders auch auf organisationsinterne, mikropolitische und strukturelle Widerstände, reagiert wird. 2. Implementation, organisatorischer Wandel, strategische Lernprozesse: schon darin also meldet sich die Organisation mit ihren eigenständigen Erfordernissen zu Wort. Es bedurfte von hier aus nur eines kleinen Schrittes, um zu sehen, dass Chandlers vielstrapaziertes Wort auch umgedreht werden kann und muss. Es muss eben auch heißen: "strategy follows structure", wie schon früh gegen Chandler eingewandt worden ist: Die Organisationsstruktur übt einen erheblichen Einfluss auf die Prozesse der Strategieformation und die Strategieinhalte aus. Empirische Studien über die Formierung von Strategien in Unternehmungen, aber auch mehr theoretisch angelegte Arbeiten, belegen das. 2 Begründet wurde es besonders mit dem starken Einfluss, den die Organisationsstruktur über die Kanalisierung von Kommunikation und Informationsweitergabe auf die Strategieformierung ausübt (Schreyögg 1984, S. 57 f., 128), aber auch mit den Auswirkungen der zur Organisationsstruktur gehörenden (mikropolitischen oder) Machtstrukturen (MacMillan 1978; Narayanan/Fahey 1982; Mazzolini 1984). Soweit rekursive Verhältnisse zwischen Strategie und Struktur nach der Seite der micro-politics of strategy formation und organisationaler Machtstrukturen analysiert werden, geht es weniger um organisationale Rationalität als vielmehr um die Durchsetzung von Partialinteressen. 3. Dieser Einfluss der Struktur auf die Strategie hat aber auch eine organisationale Vernunft - darin nämlich, dass es nicht einfach darum gehen kann, für eine irgendwie fixierte Strategie im Nachhinein die passende, strategiegerechte Organisation zu finden. Vielmehr bedarf es bei der Strategieformation von Anfang an des Blicks auf die Organisation, die organisationalen Ressourcen und die dadurch überhaupt eröffneten strategischen Möglichkeiten. Es bedarf organisationsgerechter Strategien.
Ein Aspekt dieser rekursiven Konstitutionsverhältnisse läuft auf den einfachen Gedanken hinaus, dass die Rücksicht auf die durch die Organisationsstruktur, besonders die organisationalen Kompetenzen und sonstigen Ressourcen gegebenen Möglichkeiten von Anfang an die Bestimmung der Strategie zu begleiten hat, wenn man nicht am eigenen Können vorbeizielen will. Die Strategie muss der Organisation gerecht werden. Dass man das eigens betonen musste, sagt einiges über den Horizont des Strategiediskurses bis in die siebziger Jahre aus. Es ist aber dann doch gesagt worden. In einem frühen, wenig zitierten Papier mit dem programmatischen Titel "Strategy and Organization" hat Jay Barney (1983) der Sache - "that organizations should also be an important consideration for firms choosing strategies" (ebd., S. 2) - sogleich eine wirtschaftstheoretische Zuspitzung gegeben: Nur solche Unternehmen, die ihre Strategien mit Rücksicht auf ihre organisatorischen Eigenschaften wählten und implementierten, könnten mit überdurchschnittlichen Erträgen rechnen - überdurchschnittlich in Begriffen der Mikroökonomik, also eine durchschnittliche Verzinsung des eingesetzten Kapitals plus Risikoprämie übersteigend (Hirshleifer 1980). ESO-Modelle mit der Ableitungslogik Environment 7 Strategy 7 Organization, etwa Marktanteil-Modelle
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Organisation, Strategie, Responsivität
a la Henderson (1979) oder Wettbewerbsstrategien a la Porter (1980), genügen dieser Anforderung nicht.
Damit haben wir zwei durchaus verschiedene Argumente für organisationsgerechte Strategien, ein eher defensives, nach innen gerichtetes, das auf den Fit zwischen Strategie und Struktur in ähnlicher Weise abstellt wie Chandler (wenn auch mit umgekehrter Blickrichtung): besorgt um Reibungsverluste bei mangelndem Fit; und ein offensives, nach außen gerichtetes, das bereits auf dauerhafte Wettbewerbsvorteile und Extra-Gewinne abzielt, die aus einzigartigen, nicht-imitierbaren Ressourcen generiert werden können. Barneys Argument bezieht in der Debatte um Ressourcen- versus Marktorientierung ersichtlich bereits jene Position, für die er dann prominent geworden ist: Nur aus wertvollen proprietären - organisationalen! - Eigenschaften von Unternehmen könnten Extragewinne generiert werden. Dieser Gedanke stellt die Weichen der Strategieforschung nun entschieden in Richtung Organisationsstruktur (zusammenschauend: zu Knyphausen-Aufseß 1995, S. 82 ff., 88 ff.). 4. Dies alles kann heute als weithin akzeptiert gelten. Schon diesseits kommunikativer Filterung und Kanalisierung, mikropolitischer Interessenverfolgung und einer um organisationsgerechte Strategien bemühten Intention aber üben bestehende Strukturen - mit Giddens (1984): Regel- und Ressourcen-Sets - einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf die Strategiebildung aus. Die Wahrnehmung strategisch relevanter Signale, die Fokussierung der Aufmerksamkeit, die Genese von Themen, die Definition von Problemen, die Zuordnung von Relevanzen und die Bestimmung von Zielen und sodann Mitteln und Wegen werden ermöglicht und restringiert durch die organisationalen Regeln, aber auch durch die verfügbaren Ressourcen (Abschnitt 2). 5. Das Verhältnis von Strategie und Struktur bedarf daher einer noch weiter reichenden begrifflichen Revision angesichts der Ergebnisse einer Reflexion, welche die Strategieformation selbst als Sonderfall der Strukturation auffasst - als zukunfts- und fremdreferentielle Selbsttransformation. Strategien sind dann Strukturen mit besonderen zeitlichen Eigenschaften: langfristiger Referenz/Relevanz bei kurzer Lebensdauer. Das wird erlauben, Spannungen scharf herauszuarbeiten, die aus den divergierenden Zeithorizonten einerseits auf Dauer angelegter, aber operativ wirksamer, andererseits temporärer, aber strategisch orientierter Regeln und Ressourcen(verteilungen) unweigerlich resultieren (Abschnitte 3 und 4). 6. Dann hat man es mit zwei Arten von Strukturen zu tun, die sich in ihrem Zeitbezug unterscheiden (kurzlebig und langfristig versus langlebig und kurzfristig operativ). Das legt es nahe, das Verhältnis von Strategie und Struktur noch einmal mit Blick auf die traditionsreiche Opposition "entweder Planung oder Flexibilität" zu durchdenken, zumal angesichts tatsächlich oder vermeintlich gesteigerter Umweltdynamik.
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Günther Ortmann
Eines ist es, strategische Vorsorge für künftig (hoffentlich) als wertvoll sich erweisende Kompetenzen zu treffen. Ein anderes ist es bekanntlich, mit dem unvermeidlichen Fehlgehen oder gar der Unmöglichkeit einschlägiger strategischer Weitsicht zu rechnen und strategische Vorsorge für Unerwartetes, Ungeplantes zu treffen - für Flexibilität und Responsivität, und zwar als organisatorische Fähigkeiten. Beides, die Antizipation möglicher Zukünfte und die strategische Vorsorge für das Nicht-Antizipierbare, wird erschwert durch die Koinzidenz eskalierender Kontingenz und forcierter Pfadabhängigkeit strategisch relevanter Entwicklungen innerhalb und außerhalb der Unternehmungen, wie sie für heute typisch sind (Ortmann 2009). Davon und von einer daher verstärkten Aufmerksamkeit für strategisches Management in turbulenten Umwelten und unter Bedingungen eines Hyperwettbewerbs geht ein besonders starker Druck aus, Organisation und Strategie zusammenzudenken. Denn unter solchen Umständen besteht strategischer Weitblick vor allem in der Entwicklung organisatorischer Fähigkeiten der Wahrnehmung und flexiblen Beantwortung turbulenter Entwicklungen und hyperkompetitiven Verhaltens (Abschnitt 5). 7. Dies alles setzt Fragen nach der daher geforderten, organisatorisch zu gewährleistenden Flexibilität und Responsivität mit verschärfter Dringlichkeit auf die Agenda. Auch das betrifft das Verhältnis von Organisation und Strategie, denn strategische Vorsorge besteht insoweit geradezu in organisationsstrukturellen Vorkehrungen, nämlich in der Einrichtung einer turbulenz- und überraschungsbereiten, responsiven Organisation. Dazu mehr in Abschnitt 6. Organisation, um es zusammenzufassen, ist weit davon entfernt, bloßes Vehikel der Strategie zu sein. Nicht ein monolithisches Entscheidungssubjekt namens Unternehmung, sondern komplexe organisationale Entscheidungsprozesse bringen Unternehmungsstrategien hervor - wenn überhaupt. Die Unternehmung bedient sich dabei der Organisation nicht wie eines Mittels, sondern muss, wenn strategische Antworten gefragt sind, eine Selbsttransformation - Reformation der eigenen, organisationalen Identität - zu Wege bringen. Dabei determiniert keineswegs ein Plan die neue Identität, sondern zunächst einmal restringiert und ermöglicht die alte Identität - die alten Regeln, Ressourcen und Praktiken der Selbst- und der Fremdreferenz - die Formulierung und sodann die Implementierung von Strategien, also, im günstigen Falle, die Ausbildung einer neuen Identität. Es bestehen sodann aber rekursive Konstitutionsverhältnisse. Traditionell gesprochen, hat eine gegebene Organisation Einfluss auf die Strategie, die aber ihrerseits Reorganisationen evoziert, Selbsttransformationen der Organisation. Wenn die Strategie in der Entwicklung organisationaler Ressourcen, Kompetenzen und Flexibilitäten besteht, fallen beide ohnehin zusammen. So oder so bedarf es der Integration von Organisations- und Strategieforschung.
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Organisation, Strategie, Responsivität
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Regeln und Ressourcen: Restriktion und Ermöglichung der Strategieformation
Man muss nicht gleich an rnikropolitische Partikularinteressen oder überhaupt an Intentionen, an intendierte Kanalisierung denken, um den Einfluss der Organisationsstruktur auf die Strategie einer Unternehmung zu begründen. Nicht wirken die mikropolitischen Interessen- und Machtverhältnisse als ein einziges oder erstes Sieb, das bis dahin ungefilterte strategische Alternativen passieren müssten. Sondern schon bevor solche Interessen und Intentionen ins Spiel kommen, fungieren die organisationalen Strukturen - Sets von Regeln und Ressourcen - als Filteranlagen, Restringierund Ermöglichungseinrichtungen für die organisationale Wahrnehmung, für die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf diese und nicht jene Gegenstände, für selektive Thematisierungen und Problematisierungen, für Relevanzzuschreibungen, Beurteilungskriterien, für die Konstruktion und die Eingrenzung genauer zu prüfender Optionen und schließlich für die strategischen Wahlen und ihre Realisation.
Das gilt zum einen für die organisatorischen Regeln - mit Giddens: verallgemeinerbare Verfahren der Praxis, Verfahren der Sinnkonstitution und der Legitimation. An anderer Stelle habe ich zu zeigen versucht, dass man, um der Normativität von Regeln Rechnung zu tragen, den Regelbegriff auf solche verallgemeinerbare Verfahren beschränken muss, die sozial auferlegt sind (Ortmann 2010a). Auch das spricht dafür, die Strategieformation als Strukturation3 - als Produktion von Regel- und Ressourcensets - zu bestimmen, denn der Witz von Strategien liegt ja nicht zuletzt darin, den Akteuren eine strategische Ausrichtung aufzuerlegen. Organisationale Wahmehmungsschemata, Deutungs-, Typisierungs-, Entscheidungs- und Handlungsweisen, Routinen, Konventionen, Üblichkeiten, zu einem beträchtlichen Teil formuliert in Zweck- und in Konditionalprogrammen, in geschriebenen und ungeschriebenen Normen, manchmal auch nur in Scripts in den Köpfen der Akteure: Solche auferlegten Verfahren sorgen für Selektivität im positiven wie im negativen Sinne. Sie schärfen den Blick und sie begründen und bestärken das Absehen-von. Was als strategisch relevant gilt und welche strategischen Optionen in Betracht kommen, wird durch das Regelwerk einer Unternehmung kanalisiert. "In einem dramatischen Wortgefecht im Pentagon", schreibt der ehemalige U5-Botschafter in Deutschland und bei den Vereinten Nationen, Richard Holbrooke, in der Süddeutschen Zeitung (Nr. 168 v. 21.7.2008, S. 31) über die Kuba-Krise, "sagte der Chef der Marine-Operationen zu Verteidigungsminister Robert McNamara, die Navy werde jede Auseinandersetzung mit den Soviets entsprechend ihrem seit langem erprobten Vorgehen führen und habe keine Anleitung durch Zivilisten nötig" (Hervorh. G.O.). Dieses lange erprobte Vorgehen ist ein Beispiel für Regeln sensu Giddens: verallgemeinerte Verfahren der Praxis. Das Beispiel zeigt seinen Einfluss auf die Strategiewahl- und die Tücken seiner Verallgemeinerung.
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Günther Ortmann
Als Filter wirken aber auch die organisationalen Ressourcen, und zwar in viererlei Hinsicht. Erstens und so trivial, dass es kaum in den Blick gerät, muss die strategische Selbsttransformation einer Unternehmung mit dem beginnen, was sie heute ist - mit ihren zur Zeit verfügbaren Ressourcen (und Regeln). Selbst "auf der grünen Wiese" können wir nur "in der Mitte anfangen", inmitten verfügbarer Ressourcen und besonders Kompetenzen. Zukunft braucht Herkunft (Odo Marquard 2003). Nie kann alles zugleich zur Disposition stehen. Das führt revolutionäre Posen ii La Hammer und Champy (1994, S. 47) - "ganz von vorne anfangen", "praktisch bei Null anfangen" - ad absurdum. Organisationale Trägheit, sunk costs und interne Lock Ins verschärfen das Problem. Die Geschichte der Organisation restringiert, was (heute und) in Zukunft möglich ist. Die Pfadabhängigkeit organisationalen Lernens, besonders betont im Zusammenhang der "absorptive capacity" sensu Cohen und Levinthal (1990), ist dafür ein aktuelles Beispiel: Was ein Unternehmen heute lernen kann, hängt von gestern erworbenen WlSsens- und Kompetenzbeständen ab. Zweitens aber und andererseits eröffnen die Ressourcen einer Unternehmung strategische Optionen, aber nur bestimmte Optionen und andere nicht. Diese Ermöglichungsfunktion bezieht sich nicht nur auf Ressourcen wie Ölfelder oder Kohlevorkommen, auch nicht nur auf Kompetenzen der Förderung, sondern auch auf solche Ressourcen und Kompetenzen, die die Wahrnehmungs-, Analyse-, Planungs- und Entscheidungsfähigkeit einer Unternehmung und auch ihre Fähigkeit betreffen, strategische Entscheidungen zu treffen. Drittens haben Ressourcen es an sich, dass wir die Welt im Lichte ihrer Möglichkeiten sehen, und das impliziert seinerseits Restriktionen und Ermöglichungen. Wer einen Hammer hat, dem ist die Welt voller Nägel. Wer über ein Außenministerium und ein diplomatisches Korps verfügt, dem ist die Welt voller Anlässe zur Diplomatie. Dem Militär ist die Welt voller Gelegenheiten zu Kampfeinsätzen - und nicht immer ist leicht zu entscheiden, ob diese Gelegenheiten nicht nach Art pyromanischer Feuerwehrleute künstlich erzeugt oder fingiert wurden. Auch das ist am Fall der Kuba-Krise und der strategischen Entscheidung John F. Kennedys demonstriert worden (Allison 1971; Crozier/ Friedberg 1979, S. 201 ff.). Man sieht: Nicht nur bedingt der verfügbare Ressourcenbestand, was möglich ist. Sondern er bedingt auch, wie die Welt wahrgenommen wird und was für möglich, relevant und sinnvoll gehalten wird. Und er restringiert (und erweitert) die Wahrnehmung und Interpretation nicht nur direkt durch Wahrnehmungs-, Analyse- und Interpretationstechniken und -instrumente, sondern eben auch auf dem bezeichneten indirekten Weg: Wir, und das gilt erst recht für Organisationen, können nicht anders, als die Welt im Lichte unseres Könnens wahrzunehmen - im Lichte der uns zu Gebote stehenden Ressourcen; im Lichte der Frage: "Wo und wie können wir unsere Mittel und unser Können zur Geltung bringen?" Man sieht, wie die organisationalen Ressourcen auch auf diesen Wegen eine Selektivität der wahrgenommenen strategischen Probleme, Themen und Optionen mit sich bringen. "Strategy follows structure", das gilt auch deshalb - vorausgesetzt, dass man mit Giddens die Ressourcen einer Unternehmung als Teil ihrer Struktur begreift. Die Ressourcen determinieren nicht, aber restringieren und ermöglichen die Weisen der
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Organisation, Strategie, Responsivität
Weltwahrnehmung, in Giddens' Terminologie: der Sinnkonstitution, und wie ich nun, viertens, hinzufügen möchte, auch die der Legitimation. Auch was als gerechtfertigt gilt
und was als illegitim, sehen wir und sehen Organisationen im Lichte ihrer Möglichkeiten, wie sie durch ihre Ressourcen gestiftet werden. Eine KWU (heute AREVA), der jedwede friedliche Nutzung der Kernenergie als illegitim gilt, ist schwer denkbar. Die Ausrüstung eines Unternehmens mit einem Chemielabor, einem Hochofen, einem Fließband scheint"wie von selbst" die (Selbstverständlichkeit und) Berechtigung zu stiften, sie einzusetzen und zu nutzen.
Diese legitirnationsstiftende Eigenschaft teilen die Ressourcen mit den organisatorischen Regeln. Das Enactment eines Verfahrens als standard operating procedure, man denke an Arbeitsverfahren, Verfahren der Arbeits- und Leistungsbewertung oder der Ausbeutung der Natur, bewirkt eine Legitimationsinfusion, die ebenfalls nicht zuletzt über Selbstverständlichkeit läuft. Wenn in einem Unternehmen eine bestimmte Renditeerwartung einmal als Regel etabliert ist, etwa im Rahmen eines Budgetierungsverfahrens, dann wird diese Rendite sehr bald als gerechtfertigt gelten, und diese Legitimation färbt dann auf zugehörige Strategien ab: Legitimation durch Verfahren (Luhmann 1969). Der resource-based view des strategischen Managements legt die Betonung auf den ermöglichenden Aspekt von Ressourcen. 4 Der competence-based view hat dies fortgesetzt und auf die Frage der Kompetenzen zugespitzt, unterwegs zu einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung (Freiling et aL 2008). Das bedeutet eine weitere Weichenstellung des Strategiediskurses in Richtung auf interne organisatorische Verhältnisse und Prozesse der Bestimmung, des Erwerbs, der Entwicklung, des Transfers und der Nutzung von WISsen und Kompetenzen, besonders Prozesse des organisationalen Lernens (ebd., S. 1152 ff.). Damit sind, mit Blick auf die Kompetenzen, drei Aufgaben des strategischen Managements benannt: die strategisch weitsichtige Bestimmung erfolgsträchtiger Kompetenzen, ihre rechtzeitige Beschaffung respektive Produktion und der strategische Ausbau der Lernfähigkeit, der "absorptive capacity" der Unternehmung (Cohen/Levinthal 1990). An keiner Stelle wird der innige Zusammenhang von Strategie und Organisation deutlicher. Die Strategie besteht geradezu in einer auf Wettbewerbsvorteile gerichteten Veränderung der Organisation selbst: ihrer Ressourcen, ihrer Kompetenzen und Stichwort "relational view" (Dyer/Singh 1998) - ihrer interorganisationalen Partnerschaften und Netzwerke (Duschek 1998, 2002).
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Günther Ortmann
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Strategie und Struktur revidiert; mit einem Exkurs zum Handlungs- und Praxisbegriff
Wie Harrison White (2002, S. 231) sagt: "Identities come from turbulence". Das gilt auch für Organisationen, zumal für Unternehmen. Neues strategisches Handeln impliziert die Re-Formation der eigenen Identität,5 Selbsttransforrnation, um für eine unbekannte, kontingente Zukunft gerüstet zu sein. Das führt zu einem Vorschlag, der nicht gleich auf Zustimmung stoßen wird: Strategien sind Sets von Regeln (= auferlegte Verfahren) und Ressourcen für umweltbezogenes zukunjtsrelevantes Handeln. Sets von Regeln und Ressourcen aber sind, mit Giddens (1984) gesprochen, Strukturen. Und es impliziert: Neue Turbulenz drängt zu neuer Identität. Wenn nun Chandler "structure follows strategy" sagt, meint er, näher besehen: "Die Organisationsstruktur folgt der Marktstrategie". Paradigmatisches Beispiel: Spartenorganisation folgt der Diversifikationsstrategie. Man könnte sagen: Die Strategie der Diversifikation folgt als Binnendifferenzierung auf Umweltdifferenzierung, und Divisionalisierung ist dann der auf die Diversifikation folgende Schritt der Binnendifferenzierung. Die Umweltdifferenzierungen, auf die Unternehmungen in den 1920er Jahren mit Diversifikation und sodann divisionaler Organisation geantwortet haben, bestanden übrigens nicht nur in Marktveränderungen, sondern vor allem auch in Anti-TrustRegelungen, die zuerst Strategien vertikaler, dann auch horizontaler Integration nahelegten. Aber auch Diversifikation ist Selbsttransformation, nämlich Transformation der eigenen Aufstellung mit Bezug auf die Umwelt (Märkte, Regulationsanforderungen) Selbsttransformation der eigenen Fremdrejerenz. Das sieht man gut an der Bestimmung von Hofer und Schendel (1978, S. 4): "the basic characteristics of the match an organization achieves with its environment is called its strategy" (im Orig. komplett kursiv, G.o.).
Gerade mit Blick auf Chandler muss man ferner formulierte von praktizierten Strategien unterscheiden. Eines ist es bekanntlich, Strategien zu formulieren, ein anderes, sie zu praktizieren, sie also tat-sächlich zur Richtschnur des Handelns zu machen. Diese Unterscheidung deckt sich nicht mit Mintzbergs Opposition ,intendiert/emergent'. Vielmehr sind beide Distinktionen von Interesse, wie man an dem Vierfelder-Schema der Abbildung 1 sehen kann.
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Organisation, Strategie, Responsivität
Abb.l:
Zwei Distinktionen: intendierte/emergente und formulierte/praktizierte Strategien formulierte Strategien! Formulierungen von Strategien
praktizierte Strategien (Mintzbergs ,,realized strategies)
formuliert wie intendiert
praktiziert wie intendiert ("deliberate'')
anders formuliert als intendiert
anders praktiziert als intendiert (und U.U. als formuliert) ("emergent")
(Strategiekonzepte)
intendiert
nicht-intendiert (emergent)
Die Abbildung 1 lässt sehen, dass es schon auf der Ebene der Formulierung/Kommunikation von Strategiekonzepten zu Abweichungen von den Intentionen der Autoren kommen kann, ein keineswegs unerheblicher Fall. Vieles von dem, was seit einem guten Jahrzehnt unter "strategy as practice" und "strategizing" firmiert, dreht sich ganz traditionell um die (Praxis der) Formulierung von Strategien (einschließlich zugehöriger Analyse-, Entscheidungs- und Kommunikationspraktiken) - um die Praxis strategischer Planung (ganz explizit bei Whittington/Cailluet 2008), kulminierend in der strategischen Wahl. Das Interesse gilt insoweit der Frage: Was tun Manager - welche Verfahren setzen sie ein, welchen Gebrauch machen sie von Instrumenten -, um Strategiekonzepte zu entwickeln? Sehr praktisch wird diese Praxis (noch) nicht (so auch Sandberg/Dall'Alba 2009, S. 1361 ff.). Das Schema in Abbildung 1 macht klar, dass dies zu kurz griffe, weil es vor der Frage tatsächlich praktizierter Strategien halt machte. Das nimmt sich umso sonderbarer aus, als der Ansatz mit dem Label "strategy as practice" mit guten Griinden als Praxistheorie auftritt - mit dem Credo: "Strategy is what (people in) organizations do." Zum Glück unterscheidet Whittington (2003, S. 121) mit Michel de Certeau (deutsch 1988) die Produktion von der "Konsumtion" dieser "Strategien", und Konsumtion impliziert für de Certeau immer schon die Produktion von Gebrauchsweisen. Diese de Certeau'sche Idee für die Strategieforschung fruchtbar zu machen, hat sich besonders mit Blick auf den Gebrauch strategisch wichtiger Kompetenzen bewährt (Ortmann 2003, S. 185 ff.) und wird inzwischen auf Strategien generell angewendet (Suominen/Mantere 2010). Dann steht der Gebrauch zur Diskussion, den die Ausführenden von einem Strategieentwurf machen. Das macht einerseits endgültig klar, dass Whittington (wie auch Suominen/Mantere) unter "Strategie", anders als ich hier, aber wie weithin üblich, formulierte Strategien, besser: Strategiekonzepte versteht und dann aber andererseits sieht: "strategies ... are precarious, indefinite products, whose interpretation is never secure." Das ließe sich schärfer formulieren, in Erinnerung an Wittgensteins Paradox des Regelfolgens. Nehmen wir einen Wegweiser, wie Wittgenstein, als Metapher für eine (formulierte) Regel, und,
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wie ich hier ergänze, auch für ein Strategiekonzept, dann stellt sich ja Wittgensteins einfache Frage: "Läßt er keinen Zweifel offen über den Weg, den ich zu gehen habe? Zeigt er, in welche Richtung ich gehen soll, wenn ich an ihm vorbei bin; ob der Straße nach, oder dem Feldweg, oder querfeldein?" (Wittgenstein 1984a, S. 288, § 85). Das eröffnet ein, um in dieser Metaphorik zu bleiben, weites Feld für Implementationsund Enactment- sowie Interpretations-, Umsetzungs-, Anwendungs-, Realisierungsprobleme, mithin auch für praktizierte Strategien als Gegenstand einer wohlverstandenen strategy-as-practice-Forschung. Man sieht dann ein altbekanntes Phänomen, die Differenz zwischen Plan und Realisierung, in dem schärferen Licht des Wittgenstein'schen Regelparadox. Dass auch die Strategieformulierung eine Praxis ist, das ist allerdings richtig und wird besonders gut im Lichte des Austin'schen "How to do things with words" sicht- und analysierbar (Austin 2002). Es ist eine Praxis nicht nur des Nachdenkens, Analysierens und Konzipierens, sondern auch des performativen Sprechens, des Gebrauchs von Planungstechniken und vor allem des Etablierens, des Festlegens Anderer, des Einschwörens und Verpflichtens, daher auch der "micropolitics of strategy formulation" (Narayanan/Fahey 1982), einschließlich Verhandlung, Koalitionsbildung und praktischer "resolution". Die Praktiken der Formulierung und die der organisatorischen Verankerung von Strategiekonzepten fasst Paula Jarzabkowski (2003, 2005) als "strategic practices" zusammen und liefert damit ein Beispiel für die Fruchtbarkeit des strategy-as-practice-Ansatzes, wenn Praktiken dabei nicht zu eng gefasst werden. Formale "strategic practices" sind in ihrer Studie: "direction setting", "resource allocation", "monitoring" und "control". Sie dienen dazu, für die Realisierung von Strategiekonzepten zu sorgen, gleichsam als Transmissionsriemen zwischen Formulierung und tagtäglichen Aktivitäten, und sie sind ein wichtiges Set strategisch relevanten Handelns, ganz wie die darin implizierten verallgemeinerbaren Verfahren und Ressourcenverteilungen ein wichtiges Set strategisch relevanter Regeln und Ressourcen sind, also: Strukturen sensu Giddens. Wir erhalten dann drei solcher Sets von Handlungen und zugehörigen Verfahren, nämlich (1.) die der Strategieformulierung, (2.) die darüber hinausgehenden, der strategischen Ausrichtung dienenden "strategic practices" sensu Jarzabkowski wie Ressourcenzuweisung oder Überwachung und (3.) all diejenigen Praktiken (in) der Organisation, die durch (1.) und (2.) strategisch ausgerichtet werden sollen - die Praktiken der eigentlichen Realisierung des strategischen Konzepts, in Jarzabkowskis Terminologie: die "strategic activities". Auf allen drei Ebenen geht es um Strategiebildung als Strukturation, als (Re-)Produktion resp. Veränderung organisationaler Strukturen (= Sets von Regeln und Ressourcen). In Abbildung 1 ist schon berücksichtigt, dass man "formulierte Strategien", wenn man der hier gewählten Begrifflichkeit treu bleiben will, genauer "Formulierungen von Strategien" nennen und damit den Strategiebegriff in aller Klarheit für praktizierte Strategien reservieren sollte (so, wie man, mit Giddens, formulierte von praktizierten Regeln unterscheiden und Erstere besser "Formulierungen von Regeln" nennen sollte). Eine Strategie zu verfolgen oder zu praktizieren, das heißt, zukunftsträchtige und
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Wettbewerbsvorteile verheißende Verfahren und Ressourcen zielstrebig einzusetzen. (Strategien der Marktdurchdringung oder aber -entwicklung ala Ansoff etwa beinhalten spezifische Investitionen in Verfahren und Ressourcen und deren Einsatz.) Hochglanz-Strategiepapiere und noch so elaborierte Entwürfe, trivial genug, sind noch keine Strategien, sondern eben - Papier, Formulierungen. Ob und wie man es mittels Formulierung und Kommunikation von Strategiekonzepten zu ihrer Praktizierung bringen kann (und welche Mittel - Macht, Geld, sonstige Anreize - dazu sonst noch einzusetzen sind), das ist ja eine der wichtigsten Fragen der Implementationsforschung (und auch der strategy-as-practice-Forschung). Die Rede von der Imp1ementation setzt eben schon voraus, dass mit "Strategie" Strategiekonzepte gemeint sind. Das pie in "Implementation" geht zurück auf das lateinische plenum, Fülle. Impleo heißt voll- oder anfüllen. Das verweist auf eine Leere, die der Füllung bedarf, nämlich die notwendige! - Leere von Strategiekonzepten, die ja allgemein formuliert sein müssen, das heißt: entleert von situativen und kontextuellen Umsetzungsumständen. Strategiekonzepte zu realisieren, das heißt zu handeln, obwohl die Wüste der Abstraktion, in welcher Wittgensteins Wegweiser steht, sich jäh in einen Dschungel verwandelt hat: in die Fülle unvorhergesehener Umstände. Diese Er-Füllung/Ergänzung des Konzepts in der Anwendung kann aus ihm nicht einfach abgeleitet werden. Sie ist vielmehr konstitutiv für seinen Gehalt und kann jederzeit in seine Ersetzung/Pervertierung umschlagen. Chandlers Diktum "structure follows strategy" nun meint, wohlgemerkt, nicht: Erst kommt die Strategieformulierung, dann deren organisatorische Umsetzung. "Strategy" heißt bei ihm immer schon praktizierte Strategie, im Beispiel: praktizierte Diversifikation, die als praktizierte sodann neue Anforderungen an die Organisationsstruktur mitsichbringt. In der Praxis der diversifizierten Unternehmung erweist sich eine funktionale Gliederung auf der obersten Führungsebene alsbald oder allmählich als dysfunktional und wird durch eine divisionale ersetzt. Wer Puddingpulver und auch Schiffe herstellt, wird an der Spitze kein Vorstandsressort ,Produktion' oder ,Vertrieb' haben wollen (sondern erst unterhalb der Leitung der Sparten ,Lebensmittel' und ,Schiffsbau'). Auch Diversifikation müssen wir in dieser Sicht also als eine Form der Binnendifferenzierung auffassen, und die Divisionalisierung als eine weitere - bei Chandler: sekundäre, abgeleitete - Form. Auch wenn man Chandlers Anordnung in eine originäre, primäre Form der Binnendifferenzierung ("strategy") und eine abgeleitete, sekundäre Form ("structure") nicht teilt und an deren Stelle mit Giddens Rekursivitäts- und mit Derrida Supplementaritätsverhältnisse setzt (Ortmann/Salzman 2002), bleiben beide, Divisionalisierung und Diversifikation, Änderungen der Struktur und Änderungen der Strategie, doch Formen der Binnendifferenzierung. Dann aber fragt sich: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Struktur und Strategie? Eine erste, wenn auch nicht ausreichende Antwort könnte lauten: Strategien bezeichnen strategisches Handeln. Harrison White (2002, S. 232) hat, um diesen Handlungsas-
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pekt gegenüber der Struktur hervorzuheben, von "agentive strategies" gesprochen. White sieht, insoweit ähnlich wie Giddens, rekursive Konstitutionsbeziehungen: "The challenge is accounting for this action in terms of agentive strategies that are shaped [by, G.O.] just as they shape the structural context" (Hervorh. G.O.). Das wäre die bekannte Rekursivität von Handlung und Struktur - mit der Struktur als Produkt und bedingendem Medium des Handelns (Abb. 2). Dagegen ist nichts einzuwenden. Zur Bestimmung des Verhältnisses von Strategie und Struktur aber ist es offenkundig nicht genug. Es fehlt noch die Zuspitzung auf strategisches - strategisch relevantes - Handeln. Die Frage ist also: Was heißt "strategisch relevant"?
Abb.2:
Rekursivität: Strategie als Medium und Resultat strategischen Handeins
Strategie (Set strategisch relevanter Verfahren und Ressourcen) Restriktion und Ermöglichung
(Re-)Produktion
strategisches Handeln (Management- und Ausflihrungshandeln) ("agentive strategies'')
Diese Frage wiederum lässt sich nicht nur auf das Handeln beziehen, sondern auch auf die Strukturen, mit Giddens: die Regeln und Ressourcen einer Unternehmung. Strategisch relevante Ressourcen, besonders: Kompetenzen stehen ja gerade im Mittelpunkt der neuen Ansätze zum strategischen Management. Auch unter den Regeln lassen sich solche mit und solche ohne (größere) strategische Relevanz unterscheiden. Man denke etwa an Regeln der Kundenorientierung. Ergebnis bis hier: Nicht Strategie versus Struktur ist der angemessene Gegensatz, sondern a) Handeln versus Struktur und b) strategisch versus nicht-strategisch (operativ), und die Distinktionen a) und b) stehen orthogonal zueinander. Es gibt strategisch relevantes und strategisch irrelevantes Handeln und strategisch relevante und strategisch irrelevante Strukturen. Das Strategische hat einen Handlungs- und einen Strukturaspekt. Dem kommt rn.E. zu Knyphausen-Aufseß (1995, S. 361 f.) sehr nahe, wenn er Strategien (als Handlungsorientierungen) und strategische Manöver (als Aktivitäten) unterscheidet. Als Struktur bezeichnet "Strategie" ein bestimmtes Set von Regeln (= Verfahren) und Ressourcen, einschließlich solcher Regeln, die zu erreichende Ziele definieren und operationalisieren. Strategisches Handeln mit seinen agentive strategies
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ist eine besondere Klasse oder Dimension des HandeIns. Es ist Handeln, sofern es strategische Relevanz entfaltet oder anders gesagt Handeln, sofern es strategisch relevanre Regeln und Ressourcen nutzt, reproduziert oder modifiziert. In diesem Konzept der Dualität und Rekursivität von Handeln und Struktur ist längst einbegriffen, was heure unrer dem Label "straregy as practice" auftritt ein Konzept, das ja, jedenfalls in Whittingtons Version, stark von Giddens inspiriert ist Die zugrunde liegenden Unrerscheidungen sind in Abbildung 3 schematisch geordnet
Abb.3:
Zwei Distinktionen: Handeln/Struktur und operativ/strategisch operativ
Handeln
strategisch
operatives Handeln (Management- und Ausfiihnmgshandeln)
strategisches Handeln (Management- und An8führungahand1n)
............ _------------------,----------------------------------
Struktur
operative Regeln und Ressourcen
,
strategisch relevante Regeln und RJ:ssourcen
Die senkrecht gestrichelte Linie soll notdürftig andeuten: Nicht nur ist die Unterscheidung ,operative/straregische Relevanz' in der Zeit variabel und abhängig von der Umwelt und von organisationaler Wahrnehmung und Praxis. Sondern zwischen heiden Relevanzen gibt es auch - ebenfalls variable - Schnittmengen. Auch zwischen Handeln und Struktur gibt es nur eine (waagerechre) gestricheire Linie. Das soll der Rekursivität von Handeln und Struktur und dem Umstand Rechnung tragen, dass Strukturen (Sets auferlegter Regeln und Ressourcen) erst im Handeln vollends als solche konstituiert werden und Geltung erlangen. Es folgt daher: Auch Strategien gibt es nur auf dem Wege über (strategisches, d.h. strategisch strukturiertes) Handeln.
Exkurs zum Handlungs- und Praxisbegriff Allerdings finde ich es schwierig auszumachen, was unrer dem Label "straregy as practice" Termini wie "Handeln", "Praktiken" und "Praxis" genau bedeuten sollen, vom Kunstwort "strategizing" ganz zu schweigen.6 "Praktiken" heißen bei Giddens die Handlungen, soweit sie strukturkonform sind. Am ehesten scheinen als "strategy practices" vorzuschweben: "repeared patrems of activity with regard to a specific aspect or issue of straregy" (Rasche 2008, S. 277). Das nun geht über Mintzberg nicht ernstlich hinaus. Von Ansätzen, die als Praxistheorien firmieren, wäre im Übrigen zumindest ein Handlungs- resp. Praxisbegriff zu erwarren, der den üblichen - im deutschsprachigen Raum besonders insistent von Luhmann vorgetragenen - Einwänden gewachsen ist. Ernste strategie- und orgamsationstheoretische Anstrengungen in 15
Günther Ortmann
dieser Richtung sehe ich bisher wenig, am ehesten noch in Beiträgen zum Special Issue der Organization Studies "Re-turn to Practice: Understanding Organization as it Happens" (vgl. die Einführung von Miettinen et al. 2009). Barbara Simpson (2009) bestimmt in diesem Heft, unter Rekurs auf die pragmatistische Philosophie, besonders zwei Eigenschaften von "practice" näher: "transactionality" und "temporality", also, grob gesprochen, deren Interaktivität und Prozessualität. Sandberg und Dall'Alba (2009) kreisen den Begriff mit den Mitteln einer phänomenologischen LebensweltPerspektive näher ein. Sie schlagen fünf Schlüsselkonzepte zur Charakterisierung von Praxis vor: unsere Verflochtenheit (entwinement) mit der Welt (resp. spezifischen "practice worlds") und den Dingen, unser "In-der-Welt-Sein", die Rolle des Körpers respektive Leibes,7 unser "Mitsein" mit anderen und unsere Ausrüstung (Heideggers "Zeug"; equipment). Beide Ansätze stellen eine erhebliche und dringend gebotene Bereicherung und Substantiierung des Praxisbegriffs dar. Ich selbst schlage, unter Rekurs auf die responsive Phänomenologie Waldenfels' und auf Ralph Staceys "gesture-response"-Modell organisationaler Interaktion, vor, alles Handeln als ein Antworten-auf zu bestimmen (s. unten, Abschnitt 6). Das ist anschlussfähig an die zitierten Bestimmungen von Simpson und Sandberg/Dall'Alba, besonders in puncto Interaktion, Körper und Leib,8 und es resultieren zumindest diese Facetten eines hinreichend komplex gebauten Handlungs- und sodann Praxisbegriffs: Soziales Handeln ist (1.) interaktives, in gesture-response-Zyklen und (2.) in der Zeit sich entfaltendes, (3.) auf Vergangenes zurück- und auf Zukünftiges vorgreifendes, einerseits (4.) habituelles, andererseits (5.) kreatives, nicht zuletzt (6.) körperbasiertes, zuletzt auf implizitem Wissen - besser: Können - gegründetes, (7.) auf materielle Ressourcen angewiesenes, (8.) von mehr oder auch minder reflexivem "monitoring" begleitetes und (9.) selektives, Sinn- und Relevanzstrukturen exekutierendes und (re-)produzierendes, (10.) von Emotionen getriebenes, Emotionen ausdrückendes und emotional erlebtes, (11.) mehr oder minder stark in Systemzusammenhänge eingebundenes Eingreifen in die Welt, das (12.) zur Identität individueller oder korporativer Akteure in einem Verhältnis wechselseitiger Konstitution steht. Dabei sind Handlungen selbstverständlich, das war immer einer der Haupteinwände Luhmanns (z.B. 1984, S. 228 f.), der damit aber offene Türen schon der Soziologie Max Webers, erst recht aber der Phänomenologie einrennt,9 konstitutiv von Prozessen der Zuschreibung oder Zurechnung (als Handeln, und als Handeln dieses Akteurs) abhängig. "Praxis" bezeichnet dann entweder einfach den Gegensatz zu Theorie oder, in unserem Zusammenhang, kulturabhängig konstituierte Bündel zusammengehöriger Handlungsweisen im Sinne eines so bestimmten Handlungsbegriffs, Bündel, die durch Handeln konstituiert werden und ihrerseits das jeweilige Handeln (rekursiv) konstituieren. 10 Und Strategieformation ist davon jener winzige Ausschnitt, der durch besonders hohe Zukunfts- und Fremdreferenz sowie durch die strategische Orientierung und Relevanz des Handelns resp. Handlungsbündels, der zu etablierenden Regeln und Ressourcen und der möglichen oder tatsächlichen Handlungsergebnisse charakterisiert ist.
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Organisation, Strategie, Responsivität
Der Begriff der Handlung sollte dabei nicht definitorisch mit Intentionen im Sinne beabsichtigter Handlungsergebnisse verbunden werden (Giddens 1984, S. 5 ff.), sondern nur mit einer schwachen Intentionalität in dem Sinne, dass man nicht einfach "tun", sonder nur "etwas tun" kann. Dass angesichts einer verständlichen Aufmerksamkeit für action, und gar für proaktives Handeln, die unabdingbar zugehörige Dimension der Passivität allzu oft aus dem Blick. gerät, sei hier nur am Rande vermerkt. Handeln ist immer auch Umgang mit der Resistenz der Dinge und der Menschen, mit Widerfahrnissen (Dilthey 1890/ 1961), mit der Widerständigkeit der Realität, pragmatisch: mit Erfolgen und Misserfolgen, die wir erleiden. Dafür stehen im Strategiediskurs die Konzepte "risks" und "threats". Auch der Erfolg aber, da er nicht durch Planung zu determinieren ist, stößt uns zu. Auch für diese"pathische" Dimension des Handels hat die Phänomenologie ein besonderes Sensorium (s. Waldenfels 2002; Busch/Därmann 2007). In der Strategieformation ist immer Aktion und Passion miteinander verschränkt.
* Nun bleibt immer noch, die oben gestellte Frage zu beantworten: Was heißt "strategisch relevant"? Not tut m.E. eine sechsfache Revision der klassischen Bestimmung Chandlers (1962, S. 13), die lautet: "Strategy can be defined as the determination of the basic long-term goals and objectives of an enterprise, and the adoption of courses of action and allocation." Es bedarf dieser Modifikationen: (1.) "determination of goals", "adoption of courses of action" und "allocation of resources" sind Sache der Praxis, nicht Sache der Formulierung von Konzepten (obwohl die Letztere eine - ihrerseits praktische - Rolle spielen mag). Chandler hatte dies beides noch nicht eigens unterschieden (so auch Hofer/SchendeI1978, S. 16). (2.) Strategische Relevanz ist ein Sonderfall jener Relevanz, deren Konstitution Alfred Schütz (1982), allerdings nur mit Blick auf individuelle, nicht auf korporative Akteure, in thematische Auslegungs- und Motivationsrelevanz aufgefächert und analysiert hat - mithilfe von Kategorien wie "Thema", "Horizont", "Problem", "aktuelles Interesse", "Erwartung" und "Erwartungsfrustration", "Aufmerksamkeit", ,,(Un-)Vertrautheit, "Zweifel", "sedimentierte Erfahrung" und "habituelles WISsen", in einer Studie über "Das Problem der Relevanz", deren enorme Fruchtbarkeit für organisations- und strategietheoretische Zwecke mir ganz unzweifelhaft ist. Die Organisations- und Strategieforschung, auch die strategyas-practice-Forschung, hat das Potenzial dieser Studie bei Weitem nicht ausgeschöpftauch darauf werde ich unten unter dem Stichwort "Responsivität", wenn auch nur andeutungsweise, eingehen. (3.) Strategien sind nicht nur - diachronisch - durch Zukunfts-, sondern auch - synchronisch - durch Fremdreferenz charakterisiert, durch den strategischen - und das heißt auch: den instrumentalisierenden - Bezug auf Andere und "die Umwelt". (4.) Die Determination von Zielen und die Adoption von "courses of action" lassen sich unter den Regelbegriff sensu Giddens subsumieren, mit Regeln als verallgemeinerbaren (auferlegten) Verfahren der Praxis. (5.) Zusammen mit der Alloka-
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tion von Ressourcen sind wir bei Giddens' Begriff der Strukturation angelangt. Strategieformation ist Strukturation, allerdings nur Strukturation mit Relevanz für eine offene Zukunft. Strategisch zu handeln heißt, strukturiert zu handeln - strukturiert (also restringiert und ermöglicht) durch strategische Verfahren und Ressourcen, und ausgerichtet auf strategische Ziele. (6.) Mintzbergs "patterns in streams of actions" sind das Resultat, Merkmal und Anzeichen dieser Strukturiertheit. Das bedeutet: Intentionen der Strategen sind (nicht nichts, aber) nur ein - weithin überschätzter - Faktor im Prozess der Strategiebildung. So wenig der Autor eines Textes dessen Rezeption, der Verfasser einer Regel deren Anwendung determinieren kann, so wenig kann der Autor eines Strategiekonzepts dessen Umsetzung determinieren. Die Rezeption/AnwendunglUmsetzung ist (mit)konstitutiv für die Bedeutung des Textes/der Regel/des Strategiekonzepts (Ortmann/Salzman 2002). Die Strategie ist emergentes Resultat von Konzept-Konzeptumsetzungs-Rekursionen. Diese Entthronung der Strategen und ihrer Intentionen impliziert: Die Rede vom strategischen Management bezieht sich auf einen - nämlich den dispositiven - Teil der Strategieformation (einschließlich der performativen Anteile der Strategieformulierung), der ohne den ausführenden Teil nicht auskommt. In der Kette ,strategische Entscheidungen-Strategieformulierung-Strategieumsetzung' kann es an jeder Stelle zu Rissen, Brüchen oder Transformationen kommen, die eine Rückführung auf Intentionen verbieten. Das (ausführende) Handeln der operativen Ebenen ist unter Umständen strategisch hoch relevant. Unternehmungsstrategien können als Medium und Resultat strategischen Handelns aufgefasst werden, als strategisch relevante, das heißt, zukunfts- und/oder fremdreferentielle Strukturen.
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Strategien: Kurzlebige Strukturen mit langfristigem Bezug
Mit diesen Strategien=Strukturen hat es eine besondere, merkwürdige zeitliche Bewandtnis. Obwohl sie (wegen ihrer Zukunftsbewandtnis zu Recht) mit langer Frist und Sicht assoziiert werden, sind sie in ihrer Geltung, ihrem enactment, kurzlebiger als die meisten anderen Regeln und Ressourcen: weil die Antizipationen der Zukunft sich dauernd ändern. Deshalb steht die Etablierung von Strategien immer unter dem Vorbehalt nur kurz- oder mittelfristiger Geltung: gerade wegen ihrer langfristigen Referenz. Strategien sind kurz- oder mittelfristig geltende Strukturen mit langfristigem Bezug. Es sind temporäre, im doppelten Wortsinn pro-visorische Strukturen. TImen schlägt die Uhr, wenn auch vielleicht im Jahrestakt. Strategisches Handeln hat daher nicht den Sinn, auf unbegrenzte Dauer gestellt zu werden. "Kurzfristig" soll dabei selbstverständlich nicht "flüchtig" oder "ephemer" heißen. Das würde den Begriff der Struktur zerstören. Eine gewisse Dauerhaftigkeit kommt auch Strategien notwendig zu, aber eben 18
Organisation, Strategie, Responsivität
eine deutlich geringere als den übrigen Regeln und Ressourcen. Strategien werden nicht selten schon nach einem Jahr gewechselt, und mehr als fünf Jahre haben sie selten Geltung. Trotz dieser absehbaren Endlichkeit aller Strategien ist ihr Sinn, eine (in diesem zeitlichen Rahmen) allgemeine Geltung für das Handeln der Akteure zu entfalten. Das entspricht insofern Giddens' Kriterium der Verallgemeinerbarkeit von Regeln - und, in einer anderen, nämlich Luhmannianischen Theoriesprache, von Erwartungen. Für Luhmann (1984, S. 139) sind die Strukturen sozialer Systeme "generalisierte Verhaltenserwartungen". Wenn man seine Bestimmung der Funktion solcher Strukturen liest - "Einschränkung der im System zugelassenen Relationen" (ebd., S. 384) -, dann sieht man auch daran, dass Strategien als Strukturen aufzufassen sind. Denn genau das ist der Sinn von Strategien: "dass nur durch einschränkende Strukturierung ein System ... ,innere Führung' gewinnt" (ebd.). "Struktur als Selektion eingeschränkter Möglichkeiten" (ebd.), das heißt, im Falle von Strategien eben, zum Beispiel: Wir folgen, wie über lange Jahre General Electric, einer Strategie des fast following und verzichten also auf eigene Innovationsanstrengungen und auf first mover advantages. Wir etablieren, anderes Beispiel, A, aber nicht B, C, D, oder E als unsere Domäne. Wir beschränken uns auf unsere Stärken und verzichten auf Vorzüge der Diversifikation (oder umgekehrt). Und Struktur heißt dann für Luhmann (ebd., S. 388) "nicht zuletzt, dass die Vorwegnahme von Enttäuschungsmöglichkeiten in die Struktur eingearbeitet sein muss." Das ist ein altes Motiv Luhmanns (1964, zit. n. der 4. Auf!. 1995, S. 56), dass "die Erwartung enttäuschungsfest zu stabilisieren" ist (Hervorh. i. Orig.). Auch das gilt für Strategien, an denen, bei aller Endlichkeit, bei aller Kurzlebigkeit, für eine Weile festgehalten werden muss. Man wird sie nicht schon bei der ersten - aber vielleicht bei der vierten, zehnten oder zwölften - Enttäuschung aufgeben. "Vor allem lässt sich das normative, kontrafaktische 11 Erwarten dadurch festigen, dass der Erwartende berechtigt wird, trotz Enttäuschung seine Erwartung weiterhin festzuhalten und öffentlich zu vertreten" (Luhmann 1984, S. 438). Im Lichte dieser Bestimmungen lässt sich die Endlichkeit von Strategien (=Strukturen) als geminderte, durch Misserfolge - genauer: durch ausbleibende Geschäjtserfolge - dann doch beschränkte Enttäuschungsfestigkeit erläutern. Zwar ließe sich einwenden, dies gelte für jedwedes organisationale Regelwerk, zumal in unseren Zeiten einander überstürzender Innovations- und Reorganisationswellen. Dieses Argument möchte ich jedoch umdrehen: Eben diese Reorganisationswellen zeugen nicht zuletzt davon, dass zunehmend die strategische Relevanz interner organisatorischer Verhältnisse gesehen und dass deswegen immer öfter reorganisiert wird von traditionellem Fordismus zu lean production, von vertikaler zu Prozessorganisation e tutti quanti. Die Strategien reißen die übrigen Strukturen sozusagen in den Strudel der Überbietungsbewegungen der Hypermoderne (Ortmann 2009). Es bleibt aber dabei, dass Strategien, verstanden als Strukturen, ihrem Sinn nach einen anderen Zeitindex tragen. Sie sind auf einen weiteren Zeithorizont bezogen, aber ihnen winkt nur ein kurzes Leben. Damit ist nun aber die Frage nach der Abgrenzung strategischer von operativer Referenz/Relevanz aufgeworfen. Das ist nicht nur, wie in der Erläuterung zu Abbildung 3
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Günther Ortmann
vermerkt, eine Sache in der Zeit wechselnder Umstände, wie man am Fall der inzwischen unbestreitbaren strategischen Relevanz der Autoelektronik im Automobilbau sehen kann, einschließlich zugehöriger ingenieurtechnischer Regeln (Verfahren) und Ressourcen (Kompetenzen). Eine noch tiefer gehende Komplikation liegt darin, dass strategische Relevanz einerseits - "subjektiv" - eine Angelegenheit der - falliblen! Bestimmung und des enactment durch die Unternehmung ist, andererseits - "objektiv" - entscheidend von Marktentwicklungen abhängt. Dies Letztere heißt: Es stellt sich strategische Relevanz erst nachträglich heraus, mit eben jener konstitutiven Nachträglichkeit, die mit Zukunftsunsicherheit und Marktunwägbarkeiten allemal impliziert ist. Vom Rathaus kommend, sind da alle klüger - Edzard Reuter mit Blick auf seine Vorgänger, Jürgen Schrempp mit Blick auf Reuter, Dieter Zetsche mit Blick auf Schrempp. Es ist dies kein Mangel an Trennschärfe der Begriffe, sondern ein unabstellbarer "Mangel" der Verhältnisse: des Bezugs auf eine offene Zukunft. Eine Theorie des strategischen Managements kann diesen "Mangel" nicht heilen und darf nicht vorgeben, es zu können, sondern muss ihn durch eine strikte Unterscheidung der empirisch zu ermittelnden, nicht allein an Intentionen und Konzepten festzumachenden - strategischen Ausrichtung einerseits und des strategischen Erfolgs andererseits herausarbeiten und in seinen Effekten analysierbar machen. Nur so auch können Tautologien vermieden werden, wie sie im Strategiediskurs notorisch sind: Strategisch sei, was sich ex post als strategisch herausstellt, oder: strategischer Erfolg werde durch Erfolgsfaktoren - zum Beispiel Kompetenzen - bewirkt, die aber dadurch identifiziert und definiert werden, dass sie Erfolg bewirken; diese Kritik ist oft formuliert worden (besonders deutlich von Moldaschl2006; s. ferner Ortmann 201Ob). Heißt das alles, dass wir die - auch im Alltag - etablierte Redeweise von Struktur versus Strategie aufgeben müssen oder sollten? Das scheint mir nicht nötig, solange wir die strukturierende Funktion von Strategien im Auge behalten. Wenn man Strategieformation als (strategische) Strukturation auffasst, führt man "nur" die Zukunftsund, wie hinzuzufügen war, die Fremdreferenz als besondere Merkmale dieser Art der Strukturation ins Feld. Fremdreferenz soll dabei wie üblich heißen: Umweltreferenz, Bezug auf Konkurrenten, Kunden, Partner, Märkte, Regulationsbehörden, Gesetzgeber/ Öffentlichkeit, Wissenschaft, Technik und, siehe Ölabhängigkeit, Natur. Auch Veränderungen in dieser Fremdreferenz einer Unternehmung bedeuten, wie gesehen, ihre Selbsttransformation - Veränderung ihrer Fremdreferenz, ihrer Praktiken im Verhältnis zur Umwelt. In diese Terminologie übersetzt, hieße Chandlers Diktum: Die gegenwarts- und selbstreferentielle Struktur(ation) folgt der zukunjts- und fremdreferentiellen Struktur(ation). Auch und erst recht an dieser Formulierung kann man sehen, dass man besser mit rekursiven und supplementären Verhältnissen zurechtkommt. Das kann man sich in einem ersten Anlauf so vorstellen wie in Abbildung 4. Das sieht zunächst so aus, als ob jedes strategische Handeln durch zwei ontologisch distinkte Klassen struktureller Bedingungen restringiert und ermöglicht wird (und auf sie zurückwirkt), solche, deren Sinn in der Zukunfts- und Fremdreferenz liegt, und solche, die ohne strategischen Bezug etabliert wurden. Die eigentliche Schwierigkeit 20
Organisation, Strategie, Responsivität
liegt nun aber darin, dass man es zu einem beträchtlichen Teil nicht mit zwei distinkten Sets von Verfahren und Ressourcen zu tun hat, strategischen und operativen, sondern mit zwei Funktionen ein und desselben Sets, eben strategischen und operativen Funktionen. Dieselben Verfahren und Ressourcen müssen insoweit beide Funktionen erfüllen, und damit sind sie oft überfordert.
Abb.4:
Strategie, Struktur, Handeln: Zweistufige Rekursivitäten
Struktur a la Chand1er (dauerhafte Organisationsstruktur, gegenwarts- und selbstreferentiell)
Strategie a Ja Chandler (temporäre Organisationsstruktur, zukunftsund fremdreferentiell)
strategisches Handeln
Um das Beispiel Schreyöggs (1987), betreffend Entgelt- und Anreizstrukturen und ihren unintendierten Einfluss auf die Strategiebildung, heranzuziehen und in diese Begriffe zu übersetzen: Gegenwarts- und selbstbezogene Gratifikationsstrukturen mögen zukunfts- und fremdbezogener Strukturation unterworfen und daher zukunfts-, markt- und kundenorientiert ausgerichtet werden. Dann braucht es andere Entgeltsysteme, um die Orientierung auf die Umwelt und auf eine unbekannte Zukunft zu stärken. Doch auch umgekehrt wird, wie Schreyögg gezeigt hat, ein Schuh daraus: Auf die Strategien werden die beteiligten Akteure nicht ohne Rücksicht auf Besitzstände Einfluss nehmen, die etablierte (Entgelt-)Strukturen - Regel-RessourcenSets - ihnen, und vielleicht seit Langem, verschafft haben. Entgeltsysteme wirken da wie verschlüsselte - meist ungewollte - Botschaften, die den Akteuren nahelegen, welche Strategien aus ihrer Sicht zu bevorzugen sind. Wir haben es bei Entgeltsystemen dann mit Verfahren, formuliert als Zweck- und Konditionalprogramme, zu tun, die eigentlich nur die alltägliche Praxis steuern sollen, die aber unintendierte Konse21
Günther Ortmann
quenzen für die Praxis des strategischen Entscheidens entfalten. "Strategy follows structure", das heißt dann lediglich: Die Strategie folgt insoweit diesen Zweck- und Konditionalprogrammen, und, da Strategien die zukunftsträchtigen unter den Strukturen sind: Auf Zukunft ausgelegte folgen den gegenwartsbornierten Strukturen. In dieser Formulierung werden auch die Spannungen gut sichtbar, die zwischen beiden bestehen, im Beispiel: zwischen den disparaten Funktionen von Gratifikationsstrukturen einerseits der operativen Leistungsmotivation, andererseits der Orientierung strategischer Wahlen resp. strategischen Handelns. Dass auch ein und dieselbe Ressource oft genug sowohl strategische als auch operative Funktionen hat (und, schlimmer noch, dass die strategische Relevanz im Zeitablauf schwanken kann), kann man sich am Beispiel der Autoelektronik leicht klarmachen. Man hat es mit Spannungen zwischen den Erfordernissen des Heute und des Übermorgen zu tun. Ob dabei kurz- oder langfristiges Denken, operativ oder strategisch ausgerichtetes Handeln, diese oder jene Koalition, ein Partialinteresse oder Funktionserfordernisse der Organisation die Oberhand gewinnt, das alles sind empirische Fragen. Ob Zukunftsentwürfe die Gegenwart bestimmen oder die Gegenwart die Zukunftsentwürfe, das ist, so allgemein, ersichtlich eine falsch gestellte Alternative. Zukunft braucht Herkunft, und man muss dafür nehmen, was gestern wurde und heute wird. Darin erblicke ich einen der wichtigsten Erträge der Bestimmung von Strategien als temporäre Strukturen, dass in ihrem Licht die Spannungen zu den operativen, aber auf Dauer angelegten Strukturen scharf hervortreten, nämlich •
die Spannung zwischen temporärer und dauerhafter Geltung von Regeln (= Verfahren) und Ressourcen,
•
die Spannung zwischen deren strategischer und operativer Referenz,
•
die Spannung zwischen dauerhafter Geltung bei kurzfristiger Referenz und umgekehrt, schließlich aber
•
die Verwicklungen und Friktionen, die daraus resultieren, dass Regeln und Ressourcen oft strategische und operative Funktionen zugleich zu erfüllen haben.
Entgeltsysteme etwa sollen üblicherweise (a) operativ wirken, aber lange gelten. Nun sieht man: Sie sollen außerdem (b) die gerade aktuelle Strategie unterstützen und (c) bei Strategiewechsel schnell änderbar/austauschbar sein, also gerade nur so lange gelten wie die aktuelle Strategie. Und sie sollen (d) möglichst auch noch (dauerhaft?!) geeignet sein, die richtigen verschlüsselten Botschaften für die Strategiewahl, also für die Wahl der nächsten Strategie auszusenden. Das sind vier verschiedene, oft konfligierende Zeithorizonte der Geltung (kurz/lang) und der Referenz (operativ/strategisch). Die Relevanz von Gratifikationsstrukturen für die Formulierung und Realisierung von Unternehmensstrategien ist daher leichter diagnostiziert als praktisch berücksichtigt und führt in schwierigste Fragen der Ausgestaltung von Anreizen, weil ihr strategischer und ihr operativer Sinn ebenso konfligieren können wie das Erfordernis tempo-
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Organisation, Strategie, Responsivität
rärer vs. längerfristiger Geltung, wie man auch am Fall shareholder-value-orientierter Anreizsysteme leicht sehen kann.
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Turbulente Umwelten, Hyperwettbewerb und Responsivität
Wenn man, wie ich es hier vorschlage, Strategien als Strukturen mit zeitlichen Besonderheiten - langfristiger Bezug, Kurzlebigkeit - auffasst, Strukturen, die zudem durch Fremd- oder Umweltreferenz gekennzeichnet sind, dann drängt sich die Frage auf: Was, wenn sich die Zeitverhältnisse - die Dynamik - in dieser Umwelt und die Antizipierbarkeit der Zukunft/der Umweltentwicklungen ändern? Dann muss sich, so steht zu erwarten, auch das Verhältnis strategisch relevanter zu bloß operativ relevanten Strukturen, von Strategie und Struktur a la Chandler, ändern. Tatsächlich besteht bekanntlich in (vermeintlich oder tatsächlich) turbulenten und gar hyperkompetitiven Umwelten Vorsorge vor allem darin, die Organisation dafür zu rüsten, ihr also Flexibilität und Agilität (und, siehe unten, Responsivität) zu verleihen. Dann haben wir es erst recht mit einem Zusammenfallen organisatorischer und strategischer Anstrengungen zu tun. Die Strategie besteht dann in der Entwicklung einer flexiblen, responsiven Organisation. Gefragt ist dann strategische, langfristige, also: weitsichtige Vorsorge für die Fähigkeit zu schneller, kurzfristiger Selbsttransformation. Das ist leicht dahingesagt, aber nahe an einer Paradoxie. Dabei muss man nicht der Verführung erliegen, Flexibilität und Planung als einander ausschließende Alternativen aufzufassen. In diese Gefahr gerät nicht, wer die performative Funktion der Planung im Auge behält, die weniger in der Prognose als vielmehr in der einheitsstiftenden Fiktion einer Zukunft liegt, in der notwendigen und notwendig fiktionsbasierten - durch Erfahrung mehr oder minder gut gestützten12 und insofern selbstverständlich nicht beliebigen - Vereinigung der Organisation auf ein Set an Envartbarkeiten, an denen sich ihr Handeln orientieren muss, und in der (vielleicht) resultierenden Orientierung und Mobilisierung der Organisationsmitglieder. Prognosen, so hat Niklas Luhmann (2000, S. 466) es ausgedrückt, sind "Memoiren, die das System daran erinnern, wie es die Zukunft gesehen hatte und wie es sich dadurch hatte motivieren lassen - Memoiren, die ständig neu gefasst werden müssen, um dem Rechnung zu tragen, was man im aktuellen Moment an Zukunft benötigt, um entscheiden zu können" (Hervorh. G.O.). Man sieht, dass Luhmann einen scharfen Blick für das hatte, was ich hier als Kurzlebigkeit von Strategien bezeichne. Dann kann man Flexibilität und Planung immer noch, innerhalb einer Zone der Substituierbarkeit, als funktionale Äquivalente betrachten. Man wird aber vor allem an ein Verhältnis der Komplementa-
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Günther Ortmann
rität und Supplementarität denken, der wechselseitigen Ergänzung, die nur in besonderen Fällen in eine Ersetzung umschlägt. Schon seitdem Ansoff et al (1976) die Abkehr von strategischer Planung und ihre Ergänzung/Ersetzung durch ein strategisches Management gefordert haben, dann aber verschärft, seit Mintzberg und Waters (1985) - ein wenig überzogen - die Unmöglichkeit des forecasting und auch deswegen die Figur der emergenten Strategie ins Spiel gebracht haben, steht die flexible Organisation und stehen einschlägige organisatorische Fähigkeiten und management capabilities auf der Tagesordnung des Strategiediskurses. Volatile, unvorhersagbare "high velocity environments" (Eisenhardt 1989) scheinen, wenn schon nicht das Ende, so doch eine Entthronung der strategischen Planung einzuläuten. Von hyperkompetitiven UmweHen - man denke an die Chip- und die Computerproduktion, an digitales Fernsehen, an die Telefonbranche, an Printmedien - spricht man13 bei beschleunigtem Wandel, etwa der Technologien 14 und/oder der Regulation, •
niedrigen Ein- und Austrittsbarrieren für Wettbewerber,
•
unklaren und volatilen Konsumentenbedürfnissen und Nachfragesituationen,
•
schneller Erosion eben noch vorteilhafter Kompetenzen,
•
Kannibalisierung von Produktideen,
•
Überspringen ("leapfrogging") existierender Standards,
•
Verschwimmen der Grenzen zwischen Konkurrenz, Substitution und Markteintritt und
•
beständigen Versuchen, einander auszumanovneren und Eintrittsbarrieren zu usurpieren (D'Aveni 1994; Brown/Eisenhardt 1997).
Karst und Segler (1996, S. 34) begründen ihre entschiedene Skepsis gegenüber strategischer Planung und auch strategischer Kompetenzentwicklung damit, "dass es in der jüngsten Vergangenheit Unternehmen kaum möglich war, wirklich abschirmbare Wettbewerbsvorteile zu erlangen. ... Erfolgreiche Strategien werden sofort kopiert, Marktnischen gehen verloren, und Innovationen finden legal oder illegal hemmungslose Nachahmer." In einer solchen Lage ist (nicht alles, aber) vieles, was zuvor als gegeben/gesichert/verlässlich gelten durfte, einem rapiden Wandel unterworfen, der eine strategische Planung beinahe als müßiges Unterfangen erscheinen lässt. Es wechseln die klassischen Objekte von Strategien, noch ehe sie strategisch angegangen werden können: die Kunden, ihre Präferenzen, die Branchen, die angestammten Geschäftsfelder - business migration -, die Zulieferer- und Wertschöpfungsketten, die Konkurrenten und deren Strategien, die Partnerschaften, Allianzen und Netzwerke,
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Organisation, Strategie, Responsivität
die strategisch wichtigen Technologien und Kompetenzen, die regulatorischen Bedingungen. Die Migration aus angestammten in neue Geschäftsfelder lässt sich als Prozess beständiger Dekonstruktion supplementärer Ressourcen-Ressourcennutzungs-Verhältnisse beschreiben. "Supplementär" soll dabei heißen: ergänzend/erfüllend/modifizierend/ ersetzend und doch konstitutiv. Vorhandene Ressourcen werden neuen, zunächst vielleicht überhaupt nicht intendierten Nutzungsweisen zugeführt, und das bewirkt eine Modifikation ihres Charakters als Ressourcen. Ressourcen evozieren neue Nutzungen, neue Nutzungen evozieren neue (Varianten von) Ressourcen. "Evozieren", nota bene, ist etwas anderes als "Bewirken". Es verweist auf eine Stimme - voice - und auf ein Antworten im Unterschied zu einem determinierten Reagieren. Heuskel (1999) und, ihm folgend, Khurana (2002) sehen eine sich beschleunigende, permanent gewordene Selbsttransformation von Geschäftsbereichen, Unternehmen, Wertschöpfungsketten und ganzen Branchen, man könnte ergänzen: organisationalen Feldern sensu DiMaggio/Powell (1983). Welche strategischen=organisatorischen Antworten auf eine solche Konstellation gegeben werden können, spezifizieren Bogner und Barr (2000) in dem Beitrag "Making Sense in Hypercompetitive Environments" mit diesen drei Vorschlägen: (1.) Entwicklung kognitiver Diversität zur Verbesserung der Umweltwahrnehmung, (2.) Implementation schneller Entscheidungsverfahren und (3.) Forderung produktiven Lernens und experimentellen Handeins. Das sind Facetten dessen, was ich unten unter dem Titel "Responsivität" zusammenfasse, und es macht die Organisation zum strategisch relevanten Faktor. Weitere Facetten werden dort, im 6. Abschnitt, zusammengestellt. Dort wird alles - und zumal strategisches - Handeln als Antwortgeschehen bestimmt, mit den zentralen Dimensionen: Wahmehmungs- und Reaktionsfähigkeit. (Lernen ist, so gesehen, ein Antworten auf erkannte Defizite und Fehler.) Bemerkenswert ist aber auch eine Einsicht Bogners und Barrs, die ihren Beitrag vom einzelwirtschaftlich bornierten Optimismus eines großen Teils der Managementliteratur abheben: Wenn Maßnahmen wie die von ihnen vorgeschlagenen als standard operating procedures institutionalisiert werden und zum allseits geteilten Rezeptwissen einer Branche gerinnen, perpetuiert und forciert das eben jene hyperturbulenten Bedingungen, auf die diese Maßnahmen - einzelwirtschaftlich durchaus rational - antworten. Responsivität, einschließlich "adaptive sensemaking", wird dann zum stabilisierenden/forcierenden Faktor des Hyperwettbewerbs. Denn es resultiert ein kognitiver Rahmen, der suggeriert, dass Erfolg auf Serien schnellen und antizipatorischen Handelns und auf der schnellen Adoption erfolgreicher Verhaltensweisen, Produkte und Verfahren - beruht. Das heißt, Öl ins Feuer des Hyperwettbewerbs zu gießen. Wir haben es dann mit einer pfadabhängigen, selbstverstärkenden Entwicklung eines solchen kognitiven Rahmens, resultierender standard operating procedures und hyperkompetitiver Verhältnisse zu tun.
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Günther Ortmann
Um der hier jederzeit drohenden Gefahr der Übertreibung entgegenzuwirken, sei nun noch ein Blick auf eine Branche geworfen, der zwar Turbulenz, nicht aber Hyperwettbewerb zu schaffen macht: die Ölindustrie. Der Blick auf diese Branche ist auch geeignet/ allzu schroffe Entgegensetzungen deliberater und emergenter Strategien - respektive entsprechender Ansätze der Strategieforschung (/strategy-as-rational-design '-//strategy-as-emergent-process '-Schule) - zu entdramatisieren. Er ist ferner geeignet, den Abgesang auf die strategische Planung zu mäßigen. Auch dies aber mündet in verschärfter Dringlichkeit, den organisatorischen Prozessen der Strategieformation Aufmerksamkeit zu widmen. Als ,Turbulenzen' gelten üblicherweise zunächst branchenübergreifende Entwicklungen wie makroökonomische Gleichgewichtsstörungen, schwankende Wechselkurse, die mikroelektronische Revolution und der Auftritt neuer Industrienationen. Für die Ölunternehmen kommen hinzu: politische Turbulenzen, Kriege, Strategiewechsel der OPEC, technologische Innovationen, dramatische Preisstürze wie 1986/ Veränderungen der Strategien der Wettbewerber, Erschöpfung oder auch Neuerschließung von Ölvorkommen, Klirnaschocks und manches andere. Konsequenz: Während der 1980er und 1990er Jahre haben alle Unternehmen der Branche ihre Planungsaktivitäten und ihre dafür zuständigen Stäbe stark reduziert (Grant 2003). Sie haben jedoch die strategische Planung nicht abgeschafft, sondern •
sie von der Unternehmensspitze auf die einzelnen Geschäftseinheiten (Sparten, Divisionen) und vom Stab auf die Linie verlagert;
•
die Planungshorizonte verkürzt;
•
von detaillierter Planung auf die Vorgabe der strategischen Richtung und bestimmter Performance-Ziele umgestellt;
•
die Funktion der strategischen Planung umdefiniert in die einer Art Kontextsteuerung - Steuerung des Kontextes und der Kommunikationskanäle und -foren für strategisches Entscheiden auf Spartenebene, einschließlich Koordination und Kontrolle;
•
die Rigidität formalisierter Planungssysteme zugunsten dezentralisierter, dialogischer/ weniger formeller Prozesse zurückgenommen, die Robert Grant (2003/ S. 513) unter dem Oxymoron "planned emergence" zusammengefasst hat.
Man sieht: Was eben noch den Eindruck einander ausschließender Alternativen machte/ entweder strategische Planung oder Vorkehrungen für Flexibilität und Responsivität, das nimmt hier die Gestalt einer ihrer Grenzen bewussten, daher responsivitätsbedachten Auslegung der strategischen Planung an, flankiert/ergänzt um Vorkehrungen für eine gesteigerte Flexibilität und Responsivität der Organisation. So oder so: Organisation avanciert zu einem mächtigen Faktor der Strategieformation und umgekehrt - je größer die Turbulenzen, desto mehr.
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Organisation, Strategie, Responsivität
6
Programmatischer Ausblick: Die responsive Organisation 15
6.1
Flexible response, strategische
Überwachung, Empfängl.ichkeit
Responsivität hieß in dem Diskurs um Flexibilität zunächst: permanente strategische Überwachung der Umwelt, u.a. mittels Frühwarnsystemen zur Erfassung schwacher Signale, also Verbesserung der Wahmehmungsfähigkeit, und strategie issue management, also Verbesserung der Reagibilität, etwa mit Hilfe von Task Forces. Personelle Vorkehrungen (Aus- und Weiterbildung, Selektion flexibler, kreativer Mitarbeiter) und flexiblere Organisationsstrukturen (flache Hierarchien, Teamstrukturen, kleine Einheiten, Anreize, die Intrapreneurship forcieren) gehen da noch erheblich weiter. Mit dem Diskurs um flexible response sieht man, nach Chandlers structure follows strategy und seiner Umkehrung, ein Drittes - in Chandlers Begriffen müsste es heißen: Eine flexible, responsive Struktur ergänzt eine Strategie, ist ihr Lückenfüller oder gar Komplement oder erübrigt und ersetzt sie sogar, tritt an die Stelle einer fehlenden oder fehlgehenden Strategie, auf diese Weise den Strategiemangel kompensierend. Im deutschsprachigen Raum sind es besonders Horst Steinmann, Georg Schreyögg und Werner Kirsch, deren Strategietheorien sich responsiv zur hier geforderten Responsivität verhalten. Schreyögg und Steinmann (1985) gelingt das vor allem mit Hilfe ihres Konzepts einer ungerichteten strategischen Überwachung, mittels derer Unternehmen eine Wahmehmungsfähigkeit gegenüber unvorhersehbaren, aber (womöglich) strategisch relevanten Diskontinuitäten und zugehörigen schwachen Signalen, gegenüber unerwarteten Gefahren und Gelegenheiten wahren könnten. Das, versteht sich, ist leichter gesagt als getan. Es ist umso schwieriger, als Überwachung, wie jede Beobachtung, jedes Sehen, eine Selektivität, eine Fokussierung, Kon-Zentration und daher Gerichtetheit impliziert,16 die aus ungerichteter Überwachung eine Paradoxie zu machen droht. Paradoxalität allerdings ist eine graduelle, keine Ja-Nein-Angelegenheit (Ortmann 2004), und wir können fragen, ob und wie individuelle und korporative Akteure die nahezu paradoxale Anforderung erfüllen können, ihre Aufmerksamkeit auf De-konzentration zu konzentrieren - Ungerichtetheit zur Richtschnur ihrer Überwachung zu machen. Ich glaube, dass dies schon für individuelle Akteure zu ihrer Klugheit gehört (Ortmann 2008b), dass es aber korporativen Akteuren - Organisationen - insoweit eher möglich ist, als sie die Aufgabe der Überwachung - mit Giddens: das reflexive monitoring arbeitsteilig erledigen können und "viele Augen mehr sehen als zwei". Wie kann man sich das praktisch vorstellen? Schreyögg und Kliesch-Eberl (2007, S. 930) nennen als hilfreiche organisatorische Maßnahmen: die Einladung an Außenseiter, eingefleischte 27
Günther Ortmann
Wahmehmungs-, Interpretations- und Handlungsweisen in Frage zu stellen; die Anwendung von Sechs-Augen-Prinzipien; die Ermutigung von advocati diaboli und authentischem Dissens (dazu und zu "dialectical inquiry" auch Schweiger et al. 1989); die Entwicklung eines unterstützenden Kontexts - einer Organisationskultur -, die Nein-Sager und Mavericks akzeptiert; eine forcierte Kunden- und WettbewerberOrientierung. Mit dem Hinweis auf Mavericks schließt sich ein Kreis, der nämlich zu communities of practice, die ja ebenfalls als Mavericks der Organisation bezeichnet werden. Sie sind ein Ort der Responsivität womöglich auch in strategischen Angelegenheiten. Man könnte noch mehr nennen: Elitenzirkulation (Nienhüser 2005) etwa, "cross-functional teams" (z.B. Lovelace et al. 2001) und überhaupt "team diversity" (Simons et al. 1999), sowie alle Formen eines kreativen, konstruktiven Umgangs mit Konflikten (s. zum Beispiel Tjosvold 1985; Simons et al. 1999). "Constructive Conflict" hat schon Mary Parker Follett (in: Metcalf/Urwick 1952, S. 30 ff.) dazu gesagt - und es mit Responsivität in Verbindung gebracht: " ... in our business we do watch response and anticipate response..." (ebd, S. 43 ff., hier S. 44; Hervorh. G.O.).17 Sie hat sogar eine Figur zirkulären Antwortens hinzugefügt ("circular response", ebd.), mit der sie ihrer Zeit weit voraus war und die gerade mit Blick auf strategisches, auf Andere bezogenes Handeln von größtem Interesse ist: "response is always to a relation. I respond, not only to you, but to the relation between you and me" (ebd., S. 45). Man setze an die Stelle von"you and me" Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Lieferanten und Kunden, ein Unternehmen und seine Wettbewerber oder, in abstrakterer Sicht, Strategiekonzepte und praktizierte Strategien oder Struktur und Strategie a la Chandler, die aufeinander "antworten", und man sieht: Nie genügt der Blick auf die einzelne Antwort des Anderen respektive auf je eine Hälfte der Beziehung. Stets ist der Blick auf das ganze Verhältnis und auf die ihm immanente Wechselseitigkeit gefragt. Axelrods (1997) Schatten der Zukunft und die Reziprozität des tit Jor tat sind von hier aus nicht weit. Zirkularität - Rekursivität - pflegt solche Verhältnisse zu dominieren, man darf sagen: jedwede Interaktion, und zumal strategisches Geben, Nehmen und Erwidern von Antworten. Kirsch (1992, S. 12, 137 ff., 165 ff.; Kirsch et al. 1998, S. 15 ff.) und zu KnyphausenAufseß (1995, S. 101 und passim) haben im Kontext strategischer Unternehmensführung Responsiveness als eine von drei Basisfähigkeiten von Unternehmen, neben Handlungs- und Lernfähigkeit, herausgestellt. Kirsch et al. (1998, S. 15) und zu Knyphausen-Aufseß (1995, S. 101) übersetzen Responsiveness mit Empfänglichkeit. Das legt den Akzent auf die - eher passive - Wahmehmungsfähigkeit, ferner auf die "absorptive capacity" (Cohen/LevinthalI990) oder "reciptivity" (Larsson et al. 1998) - mit Blick auf organisationales Lernen, aber auch, zum Beispiel, auf gegenseitiges Verständnis innerhalb strategischer Allianzen. "To be responsive" heißt aber auch "reagieren", "ansprechen", "eingehen auf", "entgegenkommen", und das betont eher den - aktiven - Anteil des Antwortens. 18 Responsivität, wie ich den Begriff verwende, meint beides und umfasst daher zumindest die sozialen, die Interaktions-Dimensionen der Handlungs- und Lernfähigkeit CI la Kirsch mit, daher auch die materiell-technisch-ökonomische Dimension von Responsivität. Nicht nur schlecht qualifiziertes Personal, sondern
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Organisation, Strategie, Responsivität
auch starre Computerprogramme oder hochspezifische Investitionen mit hohen Fixkostenbelastungen erschweren responsives Verhalten. "Eine Organisation ist ,responsive"', sagt Kirsch (1992, S. 137), "wenn ihre Handlungen die Bedürfnisse der von diesen Handlungen Betroffenen ,berücksichtigen"'. Diese den Anderen betreffende Bestimmung möchte ich mitnehmen, und sie lässt sich bestärken durch die responsive Phänomenologie und Ethik, die Bernhard Waldenfels (1994) in den letzten zwei Jahrzehnten unter kritischem Rekurs auf Husserls Affektionslehre und auf Levinas entwickelt hat - mit dem magnum opus: "Antwortregister". Darin geht es um einen AnSpruch des Anderen zunächst noch vor aller Moral, aber auch um den appellativen Charakter der Dinge, die an den Wahrnehmenden eine Art Aufforderung richten eine Aufforderung zur Wahrnehmung. Jener Anspruch des Anderen wird bei Waldenfels zu einem Vorläufer moralischer Ansprüche, resultierend einfach daraus, dass der Andere uns anspricht, berührt, angeht. Das führt über erhebliche Stufen zunehmender Komplexität zur Figur einer Verantwortung im Sinne eines Antwortens auf diesen Anspruch und zu einer Ethik ohne Prinzip, einer Ethik nicht-ethischer Herkunft, da sie eben mit dem Anderen beginnt.
6.2
(Strategisches) Handeln als Antwortgeschehen
Ich möchte aber eine noch umfassendere begriffliche Fassung vorschlagen, die in dem flexible response des Strategiediskurses bereits anklingt und die im alltäglichen wie auch im wissenschaftlichen Sprechen tief verankert ist: die einer Antwort auf Herausforderungen, und hier vor allem: auf strategische Herausforderungen. Das lässt sich bereits auf der Ebene eines Grundbegriffs der Sozial- und Organisationstheorie, des Begriffs des Hande1ns, anlegen. Alles Handeln, alle Inter-Aktion, lässt sich als ein Antworten auffassen, ein Antworten auf Andere und Anderes. Handeln fängt nicht bei sich selbst an, sondern ist immer schon eingebettet in Bezüge zu Anderen und Anderem. Wenn man im Auge behält, dass alles, was Schütz (1982) zur Konstitution von Relevanz beisteuert - Antworten auf Fragen wie "Was macht ein Problem zum Problem?", "Wie wird ein Thema zum Thema?", "Was fokussiert unseren Aufmerksamkeitsstrahl" etc. -, auf eine Interaktion der Akteure mit den Dingen und mit anderen Akteuren hinausläuft (so auch Srubar 1988, S. 207, 208 ff., 229 ff.), gemäß dem phänomenologischem Topos "our entwinement with others and things in our world" (Sandberg/ Dall'Alba 2009, S. 1349), wird man an der responsiven Bewandtnis des Konzepts strategischer Relevanz und strategischen Hande1ns nicht zweifeln. Es gibt dabei, wie erwähnt, eine große Ähnlichkeit zwischen der phänomenologischen und pragmatischen Sicht auch im Hinblick auf diese Fragen.
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Diese grundbegriffliche Bestimmung hat eine organisationstheoretische Entsprechung in Ralph Staceys auf Mead zurückgehendem Konzept der organisationalen Interaktion als "gesture-response patterns of competition and cooperation" (s. dazu auch Simpson 2009, S. 1334 ff.), mit den zwei Pointen: (1) "Every gesture is a response to some previous gesture, which is a response to an even earlier one, there by constructing history" (Stacey 2001, S. 79). (2) " ... the response is simultaneously called forth by the gesture of the other and selected or enacted by the responder ... or selected by the history, biological, individual and sodal of the responder" (ebd., S. 91). Wenn man dies auf strategische Entscheidungen, Strategieformulierungen und strategisches Handeln bezieht, gewinnt man sogleich eine prozessuale Perspektive, in der erstens gilt: "history matters". Zweitens danken Intentionen der Strategen zwar nicht ganz ab, verlieren aber ihre Königsrolle innerhalb der "complex processes in organizations". (Tatsächlich denkt Stacey an Selbstorganisation.) Drittens folgt: "power relations must always be a feature ... displayed by the way in which different ,voices' ... both enable and constrain each other" (ebd., S. 205). Staceys gesture-response-Modell übertragen auf Strategiejormulierungen lässt sich weiter ausarbeiten in der Terminologie der Sprechakttheorie Austins (zuerst 1962, deutsch 2002) und Searles (1997). Dass Strategieformulierungen ihrem Sinn und ihrer Funktion nach keine konstativen, sondern performative Sprechakte sind, heißt ja, sie sollen nicht sagen: So wird es morgen kommen, sondern: Hiermit erklären wir das Szenario S zur für unser Handeln heute maßgeblichen Zukunftserwartung - und daher die Ziele Zl-n und die Handlungsweisen HI-Hm zur gebotenen Antwort. Es geht insofern um eine "enacted future", um das Enactment derjenigen Zulcunftserwartung, die für das organisatorische Handeln maßgeblich sein soll, und um das Enactment - das In-Kraft-Setzen - dementsprechender Handlungsziele und -schritte. (Genauer sollte man sagen: Sie sind nicht so sehr konstative als vielmehr performative Sprechakte. Denn erstens bedarf es auch in Planungskommunikationen vieler konstativer Sprechakte, zweitens aber haben auch konstative Sprechakte eine - und sei es auch schwache - performative Dimension/Funktion.) Ich meine hier mit performativen Effekten solche, die übers bloße Verstehen hinausgehen. Wer ein Strategiekonzept versteht, ist zum Beispiel noch nicht davon überzeugt. Überzeugung ist ein möglicher performativer Effekt des Sprechens. Jemand auf eine Strategie einzuschwören, ist mehr, als sie ihm verständlich zu machen. Es lässt sich in Organisationen auch eine "Arbeitsteilung der Sprechakte" ausmachen: derart, dass die einen, etwa Stäbe, eher für konstative, die anderen eher für performative Sprechakte - und die performative "Umnutzung" konstativer - zuständig sind. Performative Sprechakte - also auch: Strategieformulierungen - sind nicht wahr oder falsch, sondern erfolgreich oder erfolglos. Das ist für eine Betriebswirtschaftslehre, die ex professione an Erfolg interessiert ist, von höchstem Interesse. Organisationsmitglie-
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der, aber auch Gläubiger, Kunden, Aktionäre, Investoren, vielleicht: die Öffentlichkeit sollen überzeugt, eingeschworen, beruhigt, beschwichtigt, verführt, womöglich manipuliert werden, im Dienste der Zwecke und der Legitimation der Organisation. Wer an den Bedingungen dieses Erfolges der Formulierung von Strategien interessiert ist, der sollte Integrations- und Mobilisierungserfolge und -misserfolge als Antworten auf performative Sprechakte auffassen: auf Strategieformulierungen, die ihrerseits Antworten (auf strategische Herausforderungen durch Kunden, Konkurrenten oder "die Umwelt") darstellen. Strategieformation insgesamt ist ein Antwortgeschehen - auf der Seite der Ausführenden und der Entscheidungsträger, der Adressaten und der Autoren von Strategiekonzepten. Dabei werden weniger die von Austin und Searle analysierten linguistischen, sondern psychologische, soziologische, ökonomische und besonders auch organisatorische, nicht zuletzt mikropolitische Erfolgsbedingungen performativer Sprechakte interessieren. Die oben erwähnten "strategic practices" sensu Jarzabkowski - "direction setting", "resource allocation", "monitoring" und "control" zählen dazu ebenso wie die von Narayanan und Fahey (1982) analysierten Bedingungen der "activation", "mobilization" und Koalitionsbildung. Das ist meines Erachtens ein besonders wichtiges Forschungsfeld des strategy-as-practice-Ansatzes. Responsivität auf beiden Seiten aber - der Sprechenden und der Hörenden!Antwortenden - zähle ich ebenfalls zu jenen Erfolgsbedingungen. Man kann dann zwei Formen responsiver Strukturation unterscheiden: (1.) die Form responsiver Antizipation zukünftiger Entwicklungen und entsprechender - temporärer - Strategiebildung und (2.) die Form dauerhafter struktureller Vorkehrungen für die achtsame Wahrnehmung und flexible Beantwortung gegenwärtiger Entwicklungen. Ersteres betrifft, traditionell gesprochen, die Strategie, Letzteres die - flexiblere oder inflexiblere - Struktur. Wenn man nun bedenkt, dass diese sich meinem Vorschlag nach vor allem in der Fristigkeit ihrer Referenz und in ihrer Kurz- oder Langlebigkeit unterscheiden, schrumpft der traditionelle Gegensatz - entweder Antizipation oder Flexibilität - zu gradualisierbaren Unterschieden zusammen. Und: Die Unterschiede schrumpfen womöglich erst recht in unseren Zeiten tatsächlich oder vermeintlich forcierter Dynamik und Turbulenz der Umwelt. (Genau genommen muss man - neben der responsiven Antizipation!Strategieformation selbst - noch eine Ebene der dauerhaften strukturellen Vorkehrungen für diese Antizipation!Strategieformation - etwa in Gestalt ausdifferenzierter Markt- und Wettbewerbsbeobachtung - unterscheiden. Das ist - in Modifikation der Abbildung 4 - der Fall dauerhaft institutionalisierter Fremdreferenz.) Schumpeters späte Reflexion auf die Möglichkeiten von Unternehmen, strategisch zu handeln, hatten ihn zu einer Unterscheidung geführt, die daran recht gut angeschlossen werden kann, der nämlich zwischen "creative response" und "adaptive response" (Schumpeter 1947). Responsivität als Denkfigur setzt an die Stelle deterministischer stimulus-responserespektive Situation-Struktur-Verhältnisse eine Wahrnehmungs- und Erwiderungsfä-
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higkeit, die durch Interpretation und Sprache vermittelt ist; die die Gebote sowohl der Sache - der Situation, des Kontextes, der Umwelt - als auch der Kommunikation und Kooperation als auch den "Anspruch des Anderen" betrifft; die mit der Vielstimmigkeit in, von und um Organisationen rechnet, mit den Stimmen der Mitglieder, der Kunden, der Lieferanten, stakeholders, Konkurrenten, Kooperationspartner in Netzwerken und Allianzen, der Öffentlichkeit. Waldenfels (1994, S. 14,457 ff.) bezieht sich unter anderem auf die Gestalttheorie und hier besonders auf den Mediziner Kurt Goldstein, der Krankheit allgemein als mangelnde Responsivität aufgefasst hat. Analog ließen sich Organisationspathologien als mangelnde organisationale Responsivität verstehen. Dass response nicht einfach eine direkt determinierte Reaktion des Körpers auf Stimuli darstelle, wie zumal die unglückliche Rückübersetzung ins Deutsche Reiz/Reaktion - nahelegt, ist ja selbst im Behaviorismus früh gesehen worden.
6.3
Responsivität und institutionelle Reflexivität
Für die Zwecke empirischer Konkretisierung und Operationalisierung verweise ich auf das durchaus verwandte Konzept institutioneller Reflexivität, das Manfred Moldaschl (2006) als Alternative zur "Fähigkeitsmystik" kompetenzbasierter Ansätze des strategischen Managements vorgeschlagen hat. Abbildung 5 bietet seine Übersicht über Funktionsweisen dieser - in Organisationen via Regeln (=Verfahren) eingebauten - Reflexivität. Moldaschl (ebd., S. 21 ff.) macht auch Angaben zur Operationalisierung, zum Beispiel anhand der Zahl der Kanäle für Rückkopplungen externer "Stimmen" in die Organisation, anhand der Reichweite des Monitoring u.a. Auch er bringt, unter Rekurs auf Kirsch, den Begriff der Responsiveness ins Spiel (ebd., S. 20), allerdings nur im Sinne einer Umweltoffenheit und -sensibilität, wo es mir auch um interne Responsivität innerhalb der Organisation zu tun ist (die bei Moldaschl als Selbstbeobachtung und Selbstkritik firmiert). So wie ich den Begriff der Responsivität verstanden wissen möchte, ergänzt er das Konzept institutioneller Reflexivität sodann vor allem darin, dass er •
die Ebenen korporativer und individueller Akteure berücksichtigt, was wichtig ist, weil beide einander rekursiv konstituieren,
•
auf der Ebene individueller Akteure mit Stacey die körperliche Dimension von gesture-response-Ketten einbezieht, also nicht so stark kognitivistisch ausgelegt ist, und
•
die Dimension von Moral- Fairness, Loyalität etc. - als Bedingung für Responsivität in Organisationen stark macht (s.u.).
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Abb.5:
Funktionsweisen institutioneller Reflexivität nach Moldaschi (2006, S. 19) Dimension
Exemplarische Verfahren
•
Schaffung von Funktionen/Abteilungen wie Organisationentwicklung, Inhouse Consulting, Social Affairs Einbindung des Controlling in das strategische Monitoring (z.B. via BSC) Benchmarking KVP, Frageheurismen (z.B. 5Why)
Systematischer Rückgriffauf Fremdbeobachtung
• • • • •
Einsatz externer Berater, Einrichtung von Beiräten Auswertung von Kundenreklamationen Kooperation mit Kritikern, Roundtables Wechselseitige Hospitationen Einsatz von Boundary Spanners
Kommunikativer Bezug auf Fremdreferenz
• •
Berichtspraktiken (Reporting, z.B. CSR) Reputationsstudien
Offene Evaluierung von Handlungsfolgen
• •
Maßnahmen-Evaluierung Kunden-, Mitarbeiterbefragung
Entwurfalternativer Gegenwarten und Zukünjte
• • •
Aufgaben-, Abteilungs-, Betriebswechsel Parallele Entwicklerteams Anwendung von Kreativitätstechniken
•
Think Tanks
Institutiona/isierung von Selbstbeobachtung und Selbstkritik •
Umso mehr ist das Konzept in Gefahr, der erfrischenden Kritik Moldaschls an der Proliferation von Fähigkeitsbegriffen und -metaphern zu verfallen. Dem kann nur, wie angedeutet, durch energische Operationalisierungsbemühungen und durch strikte Tautologievermeidung begegnet werden. Ein Beispiel dafür ist Lichtenthalers (2009) Ausdifferenzierung und empirische Substantiierung des Konzepts der "absorptive capacity" mit Hilfe der Unterscheidung von Markt- und technologischem Wissen einerseits und explorativem, exploitativem und transformativem Organisationslernen andererseits. Zu bewahren ist in jedem Fall die Intuition, dass sich individuelle wie korporative Akteure gegenüber den "Stimmen" und Ansprüchen der Anderen und der Umwelt mehr oder weniger offen und achtsam verhalten können - auch wenn das eine Mal das Mehr, ein anderes Mal das Weniger den Systemimperativen der Organisation förderlich ist.
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6.4
Responsivität - ein empirischer oder normativer Begriff?
Hüten muss man sich, wohlgemerkt, dieses Konzept normativ aufzufassen, gar im Sinne einer Empfehlung. Responsivität ist ein empirischer Begriff. Als solcher bedarf er gewiss der Präzisierung und Ausarbeitung, auch, um der Gefahr einer Leere zu steuern, die aus Überfrachtung resultiert. Insbesondere ist zu bedenken, dass die Gleichung "je responsiver, desto besser" keineswegs aufgeht, ja, nicht einmal eine Denkmöglichkeit darstellt, weil Responsivität als Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit etwas von der notwendigen Selektivität allen Wahrnehmens und Reagierens teilt. Drastischer gesagt: In Organisationen geht es nicht nur um Wahrnehmung, sondern auch, und in erheblichem Maße, um Nicht-Wahrnehmung, um Absehen-von; nicht nur um Kommunikation, sondern auch um deren Verhinderung oder Beendigung; nicht nur um Wissen und Erinnern, sondern auch um - notwendige - Ignoranz und um Vergessen und Verdrängen; nicht nur um Bedenken und Berücksichtigen, sondern auch um Bedenken- und Rücksichtslosigkeit; nicht nur um Empfänglichkeit, sondern auch um - arbeitsteilige - Unempfänglichkeit; nicht nur um respektvollen, sondern auch um strategisch-instrumentalisierenden Bezug auf den Anderen (Ortmann 201Oc). Eine positive normative Tönung könnte der Begriff erst vor dem Hintergrund des verbreiteten Eindrucks eines Mangels an Responsivität in verschiedenen Hinsichten erhalten, etwa in strategischer Hinsicht auf Wettbewerber, Kunden, Marktkonstellationen, technologische Neuerungen (oder auch: in gesellschaftspolitischer, ökologischer, arbeitspolitischer Hinsicht etc.). Das aber impliziert nicht nur, ausdifferenzierte (Hinsichten und Dimensionen von) Responsivitäten - Plural- ins Auge zu fassen, sondern auch, die Dinge in sachliche und in Interessenkontexte einzurücken. Selbst dort, wo das Konzept der Responsivität eine unweigerlich moralische Konnotation mitführt, in der Dimension der Empfänglichkeit für die Gaben - die Tipps, die Hilfestellungen, die Kooperationsbeiträge - der Anderen (inklusive zugehöriger Pflichten der Erwiderung) und für ihre Ansprüche, hat es nicht den präskriptiven Charakter eines Postulats oder einer Empfehlung, sondern die strikte Bedeutung einer tatsächlichen, unausweichlichen Bedingung der Möglichkeit der Kooperation und besonders des Wissensflusses in Organisationen (Göbel et al. 2007). Das wird besonders deutlich, wenn man sich an Hirschmans (1970) Analyse der Stimme in Exit, voice, and loyalty erinnert. Die Stimme in der Organisation zu erheben, und wir können jetzt ergänzen: sie zu hören und darauf zu antworten, das eben ist für Hirschman der Vorzug von Unternehmen gegenüber dem Markt, der idealtypisch nur die Sprache des Geldes und der Preise kennt. Loyalität - und übrigens Fairness bremst in dieser Sicht vorschnelle Abwanderung (exit), voice dient berechtigter Kritik, fördert Verbesserungen, Reorganisationen, Innovationen und strategische Umsicht, und das wird durch Loyalität gefördert und mag seinerseits Loyalität fördern - Loyalität, die also, darauf legt Hirschman den Akzent, nützlich ist, die man aber, wie ich 34
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hinzufüge, nicht kaufen kann. Gekaufte Loyalität ist keine Loyalität. Das verweist auf eine irreduzibel moralische Dimension, die Hirschman allerdings vernachlässigt. Dafür macht eine elaborierte Theorie der Loyalität ein Drittel seines Buches aus, ein Drittel, das im deutschen Titel - "Abwanderung und Widerspruch" - komplett unterschlagen und von der Rezeption weitgehend ignoriert wird. Mein Vorschlag an dieser Stelle ist, Loyalität ala Hirschman als wichtiges Element jenes "Ambiente" zu berücksichtigen, das in der von Freiling et aL (z.B. 2008) entwickelten "competence-based theory" des strategischen Managements und der Unternehmung die Rolle eines kommunikations-, kooperations- und kreativitätsförderlichen Mediums spielt. Loyalität und Ambiente als Bedingungen für Responsivität: Das wird dann zu einer Forschungsfrage für die Strategieforschung. Responsivität als organisationales Vermögen - nicht als normatives Postulat, sondern als empirische Kategorie - kann es auf fünf Ebenen geben: erstens auf der Ebene individu-
eller Akteure, deren Empfänglichkeit und Reagibilität mittels organisationaler Regeln, Ressourcen und Praktiken gesteigert oder auch gemindert werden können; zweitens auf der Ebene ihrer Interaktion/Kommunikation und deren systemischer Eigenschaften; drittens insofern organisationale Subsysteme wie Gruppen, Abteilungen, Fachbereiche und hierarchische Ebenen sich (a) gegenüber Einzelnen, (b) untereinander, (c) im Verhältnis zum Ganzen der Organisation und (d) gegenüber der Umwelt oder bestimmten Umweltsegmenten mehr oder minder responsiv verhalten können; viertens als Responsivität der Organisation gegenüber Einzelnen, Gruppen, Abteilungen etc., gegenüber anderen Organisationen und gegenüber lIder Umwelt" überhaupt (Märkten, Konkurrenten, Kunden, Zulieferern, Kooperations- und Netzwerkpartnern, Gesetzgebern, sozialen Bewegungen und so fort), fünftens als - womöglich gesteigerte Responsivität von Unternehmungs- respektive interorganisationalen Netzwerken gegenüber ihren kleinen, lose gekoppelten Einheiten. 19 Das via Organisation zu gewährleisten, nähert sich der Paradoxie der Organisation des Nicht-Grganisierbaren: Weil jede Achtsamkeit/Empfänglichkeit/Responsivität je einzigartigen Situationen gilt, deren Singularität jedem Regelwerk entgehen muss; weil (Organisations-)Zwecke de facto die Mittel heiligen und insofern moralischer Responsivität entgegenstehen; und weil "ungerichtete Überwachung", "aktives Warten", "gleichschwebende Aufmerksamkeit" und Grants "planned emergence" (wie auch Mintzbergs "emergent strategies" und die "geplante Evolution" sensu Kirsch, ferner "strategy as evolution with design" a la Augier und Teece 2008) eigentlich Oxymora sind - und als solche Zeichen der wachsenden Einsicht in die Paradoxienähe dessen, was hier gefordert ist. Es grenzt ans Unmögliche, und es ist doch nötig. Eine Organisation, die es gleichwohl versucht und dabei Glück und Begabung(en) entwickelt, erwirbt eine besondere Qualität. Um sie zu bezeichnen, schlage ich einen Namen vor: die responsive Organisation. 20
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Anmerkungen Ich danke drei anonymen Gutachtern und Werner Kirsch für ihre Ermutigungen und viele, viele sehr instruktive Hinweise, ferner Georg Schreyögg, der mir - sagen wir: hartnäckig noch mehr Klärungen abverlangt hat, etwa zum Handlungs- resp. Praxisbegriff. Die Schuld am Umfang dieses Beitrages tragen diese Fünf daher zu einem Teil mit. Vgl. das erste Editorial: Baum et al. (2003) und programmatische Beiträge etwa von Whittington (2003), Snow et al. (2005), Felin und Foss (2005). Im deutschsprachigen Raum früh die Relevanz von Organisationsstrukturen betonend: Schreyögg (1984) und, nun auch mit Blick auf den resource-based-view, zu Knyphausen-Aufseß (1995, bes. S. 88 ff.). 2 Vgl. etwa: Aharoni (1966), Bower (1970a; 1970b), Miles und Snow (1978), Gabele (1979), Hall und Saias (1980) und Gaitanides (1985); zusammenschauend: Schreyögg (1984). Chandler hat übrigens später (1990) selbst die zentrale Bedeutung von "organizational capabilities" hervorgehoben. 3 Zur strukturationstheoretischen Behandlung des Verhältnisses von Struktur und Strategie s. bereits den Sammelband von Ortmann und Sydow (2001). 4 Dabei erweist es sich als untunlich, die einseitige Fixierung auf Märkte, Marktchancen und -risiken durch eine entgegengesetzte Fixierung auf die internen Ressourcen einer Unternehmung zu ersetzen. Rekursive Konstitutionsverhältnisse verbieten ein solches Entweder-Oder. Auch einem resource-based view, um es nur an diesem Fall anzudeuten, muss es selbstverständlich insofern um den Markt gehen, als er auf wertvolle, wert-generierende Ressourcen abstellen muss, und das heißt selbstverständlich: auf Werte, die am Markt zu realisieren sind. 5 David Seidl hat dazu in "Organisational Identity and Self-Transformation" (2005) eine erhellende Analyse im Geiste der Systemtheorie Niklas Luhmanns vorgelegt; für meine Sicht und eine Warnung vor einem allzu radikalen Konstruktivismus in Sachen ,Identität' s. Ortmann (2008a, S. 231, Fußnote 180, und passim); vgl. ferner Rometsch (2008), Lerpold et al. (2007). 6 Vgl. z.B. das Einleitungskapitel in Johnson et al. (2007); ferner Whittington (2003, 2008); Präziseres bei Rasche (2009, S. 276 ff.), Rasche und Chia (2008). 7 Zum leiblich bewegten Antworten als Baustein einer Theorie organisationaler Praxis s. die vorzügliche Studie von Gärtner (2007). 8 Stacey ist wie Simpson dem Pragmatismus in der Form des symbolischen Interaktionismus sensu Mead verpflichtet - daher auch seine Aufmerksamkeit für "body and feelings" (siehe Stacey 2001, S. 82 f. und passim). Zwischen Pragmatismus und Phäonomenologie hat es früh einen fruchtbaren Austausch gegeben; siehe nur, mit Blick auf Alfred Schütz, Srubar (1988). Max Scheler hatte schon 1926 eine wesentliche Gemeinsamkeit herausgestellt - und eine phänomenologische und pragmatistische Einsicht rekapituliert, die heute von den strategy-aspractice-Ansätzen wiederentdeckt wird: "Der Pragmatismus sieht richtig, dass das primäre Verhältnis des Menschen - wie aller Organismen - zur Welt keineswegs ein theoretisches ist, sondern ein praktisches, dass daher alle ,natürliche' Weltansicht von praktischen Motiven gelenkt und getragen wird" (Scheler 1980, S. 239). Wenn wir dieses Rad nicht zum zweiten, dritten oder vierten Mal neu erfinden wollen, sollten wir im Zuge des sogenannten practice turn aus den Beständen schöpfen, die u.a. von den Bergson, James, Husserl, Scheler und Schütz bereitgestellt worden sind. Dazu zähle ich nicht zuletzt die Einsicht, dass die Relevanzstruktu-
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ren der Einstellung zur Welt pragmatisch, also durch Interaktion bestimmt sind (Schütz 1982). Man bedenke die Relevanz dieser Einsicht für das Konzept strategischer Relevanz. Zum Verhältnis von Phänomenologie und Pragmatismus, besonders auch von Husserl und Heidegger einerseits und James und Dewey anderserseits s. jetzt das Heft 32/2009 des Journal Phänomenologie, dort die Beiträge von Kertscher (2009a, b), Sehgal (2009) und Rölli (2009). 9 Die Phänomenologie Husserls und, darauf aufbauend, die verstehende Soziologie eines Alfred Schütz (1974) haben ja so scharf wie kaum eine andere Denkrichtung herausgearbeitet, dass wir in Wahrnehmung und Interpretation von Gegenständen und Ereignissen stets "etwas als etwas" nehmen müssen, also auch (in Abhängigkeit von einschlägigen Wahrnehmungen etwa körperlicher Anzeichen) eine Körperbewegung als Verhalten, ein Verhalten als Handeln, ein Handeln als Handeln mit diesem oder jenem Sinn, gegebenenfalls als soziales seinem Sinn nach auf Andere resp. anderes Handeln bezogenes - Handeln. Zum Problem "Handlung und Zuschreibung" s. die klärenden Beiträge von Greshoff (1998) und besonders Schulz-Schaeffer (2007, 2009). Dort auch mehr zur Antikritik zu Luhmanns Kritik der Handlungstheorie. Schulz-Schaeffer (2007, S. 89 ff., 124 ff.) moniert eine Unterbelichtung intersubjektiver Sinnzuschreibung durch die phänomenologische Soziologie. 10 Mit diesen Bestimmungen setzte ich mich ausdrücklich etwas von Auffassungen ab, die den
Handlungs- und Praxisbegriff - und daher Handlungs- und Praxistheorien - stärker von einander abheben. Deshalb zögere ich auch, einen practice turn (Schatzki et al. 2001) zu postulieren, eine Wende, wo ich eher eine (allerdings wichtige) Korrektur, Erweiterung und neue Akzentuierung sehe. Auf dieser Linie liegt auch Bongaerts (2007) Kritik an manchmal einhergehenden Auffassungen, Max Weber oder Alfred Schütz ganz hinter sich lassen zu können (oder bereits gelassen zu haben), wie sie etwa Reckwitz (2000, 2003) vertritt.
11 "Kontrafaktisch" bezieht sich auf die inhärente Normativität der Erwartungen. Die Norm der
Exzellenz etwa bleibt in Geltung, auch wenn man - hoffentlich: vorerst - zweitklassig bleibt. Strategien teilen etwas von solcher Normativität.
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Dass die Sache mit der Erfahrung vertrackter ist, als man auf den ersten Blick sieht, zeigt diese Frage: "Aber wie lehrt's uns die Erfahrung? Wir mögen es aus ihr entnehmen, aber die Erfahrung rät uns nicht, etwas aus ihr zu entnehmen. Ist sie der Grund, dass wir so urteilen (und nicht bloß die Ursache), so haben wir nicht wieder einen Grund dafür, dies als Grund anzusehen" (Wittgenstein 1984b, S. 146, § 130).
13 Etwa Tushman und Anderson (1986); Anderson und Tushman (1990); D' Aveni (1994); Brown, Eisenhardt (1997). Meyer et al. (1993) sprechen gar von "hyperturbulence". Zu alledem s. auch Luhmann (2000, S. 165 ff., 209 f., 218 ff., 355 f., 359, 404, 407 ff.). Neuerdings: Lichtenthaler (2009). 14 Exponentielles Wachstum ii la Moore's law und Gilder's law (Verdoppelung der Transistoren eines Mikrochips ungefähr alle zwei Jahre, jährliche Verdreifachung der Bandbreiten für die Datenübertragung) spielen dabei eine paradigmatische Rolle. Ob zutreffend oder nicht - sie sind branchenweit akzeptiert, und schon das sorgt für Beschleunigung. 15 Ich greife zum Teil auf Formulierungen und Überlegungen aus dem letzten Abschnitt von Ortmann (2009) zurück, die ich hier weiter ausbaue. 16 Zur Ökonomie des Sehens Ortmann (1984, S. 165 ff.). Ähnlich wie Schreyöggs und Steinmanns ungerichtete Überwachung: das Konzept eines aktiven Wartens (Sull 2005). Ferner, wenn auch in ganz anderem Zusammenhang, die "gleichschwebende Aufmerksamkeit", die Sigmund Freud (1975) dem Therapeuten im psychoanalytischen Setting anempfohlen hat; s. dazu auch Waldenfels (2004, S. 154 ff.).
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17 S. dazu Ortmann (2009, S. 32 f.). Man vgL es mit der Bestimmung strategischer Mobilisierung bei Harrison White (2002, S. 232): "Mobilizing requires attending as much to how other actors anticipate and report (or conceal) changes as to external exigencies." 18 So auch Lichtenthaler (2009, S. 824), der im Rahmen seiner Ausdifferenzierung des Konzepts der "absorptive capacity" formuliert: " ... firms often acquire external knowledge specifically to Tespond to turbulent environments ..." (Hervorh. G.O.). 19 Man hüte sich allerdings vor allzu simplen Gleichsetzungen von loser Kopplung mit gesteigerter Flexibilität und Responsivität. Weick (1976) hat darauf aufmerksam gemacht, dass kleine, lose gekoppelte Subsysteme besser in der Umweltwahrnehmung, aber schlechter in der internen Kommunikation der wahrgenommenen Umweltereignisse sind. Schon Glassman hat in seiner frühen Arbeit (1973) lose Kopplungen mit Flexibilität und Stabilität zusammengebracht (so auch Weick 1985, S. 163 ff.). Küpper und Felsch (2000, S. 107) machen darauf aufmerksam, dass bei loser Kopplung Handlungspotenziale unausgeschöpft bleiben und Abschottung und Verkrustung begiinstigt werden können. 20 Vgl. auch Willke (1994, S. 191 ff.), der allerdings Responsivität auf Empfänglichkeit beschränkt (und für deren oben angedeutete moralische Dimension wenig übrig hat).
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Prof. Dr. Günther Ortrnann Helrnut-Schrnidt-Universität Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre Holstenhofweg 85 D-22035 Harnburg
[email protected] 46
Daniela Menzel
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen Eine strukturationstheoretische Sicht auf die Strategie- und Lernfähigkeit von Organisationen in dynamischen Handlungsfeldern Lernfähigkeit; Organisationale Lernprozesse; Strategiefähigkeit; strategische Planungsprozesse; Strategieprozessforschung; Strukturationstheorie
Zusammenfassung Die Möglichkeiten und vor allem die Grenzen der klassischen strategischen Planung wurden inzwischen hinlänglich beschrieben und zugleich auf die steigende Bedeutung des Organisationalen Lernens für den Unternehmenserfolg bei hoher Veränderungsdynamik und Wettbewerbsintensität verwiesen. Es wird im Rahmen des vorliegenden Beitrags auszuführen sein, dass im Zuge der neueren Strategieprozessforschung von diesem Planungs-Lern-Gegensatz abzurücken ist und eine Sowohl-alsauch-Perspektive in Bezug auf Planungs- und Lernprozesse eingenommen werden sollte. Die fruchtbaren Wechselwirkungen zwischen strategischen Planungs- und organisationalen Lernprozessen lassen sich mit Hilfe der Strukturationstheorie theoretisch-konzeptionell untersetzen und in einem Modell abbilden: Dieses beschreibt, angeregt durch das Konzept der Dualität von Struktur und Handeln nach Giddens, Strategie- und Lernfähigkeit von Organisationen als Mittel und Ergebnis von Planungs- und Lernprozessen, woraus die Komplementaritätsannahme resultiert.
Managementforschung 20 (2010), hrsg. von G. Schreyägg und P. Conrad Gabler Verlag. Wiesbaden, S. 47-78
G. Scrlreyögg, P. Conrad (Hrsg.), Organisation und Strategie, DOI 10.1007/978-3-8349-8982-6_2, © Gabler Verlag ISpringer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Daniela Menzel
Abstract There have been long-standing discussions on the limitations of eonventional strategie planning and the increasing importance of organizationallearning for being eompetitive under environmental dynamism. This paper advoeates a turn in strategy process research through overeoming the planning-leaming dichotomy. Strategie planning should exist in tandem with autonomous, leaming-based activities. Giddens' theory of structuration is used to highlight this eomplementary relationship of planning and leaming and a corresponding model is developed. Based on the duality of structure and agency, this model views strategie eapability and organizationalleaming eapability both as medium and as outeome of planning and learning.
Inhaltsübersicht 1
Problemstellung: Zum Verhältnis von Planung und Lernen bei Dynamik
2
Status quo der Strategieprozessforschung und Differenzierung von Prozesstypen
3
Grundübedegungen zur Strategie- und Lemfähigkeit und Entwicklung eines strukturationstheoretischen Modells
4
Resümee: Zur Komplementarität von Planung und Lernen sowie Implikationen
48
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
1
Problemstellung: Zum Verhältnis von Planung und Lernen bei Dynamik
Planung und Lernen wurden im Rahmen der Strategieprozessforschung lange als konkurrierende Konzepte der Strategiegenerierung behandelt. Dies zeigt sich beispielsweise in der etablierten Differenzierung zwischen "intendierten" und "emergenten" Strategien (vgl Mintzberg 1978, S. 945; Whittington 1993, 5.4). Auch im Rahmen der Denkschulen-Klassifizierungen des Strategischen Managements steht die Gegenüberstellung der klassischen, präskriptiven Planungsschule und der post-klassischen, deskriptiven Lernschule besonders im Mittelpunkt (vgl. Mintzberg et al. 2002; French 2009a, S. 52). Wenngleich sich insbesondere in der Annahme einer rationalen Entscheidungsfindung das Strategie- und Prozess-Verständnis von Planungs- und LernParadigma1 unterscheidet (vgl Mellahi/Sminia 2009, 5.3; Sminia 2009, 5.98), lassen sich Planungs- und Lernprozesse in der Unternehmensrealität jedoch weniger klar voneinander abgrenzen: So wird einerseits die strategische Planung erhebliche Lernpotenziale beinhalten und andererseits können aus organisationalen Lernprozessen strategische Optionen resultieren. Zudem ist eine hohe Handlungsflexibilität, wie sie für zunehmend veränderungsintensive Kontexte als Erfolgsmuster angesehen wird (vgl. Schreyögg 1999, 5.393; BurmannlMeffert 2004), eng an Lernprozesse geknüpft. Auf diese Notwendigkeit einer permanenten strategischen Neuausrichtung verweisen beispielsweise die Konzepte des "hypercompetition"2 (vgl D'Aveni 1994, 1995; Ilinitch et al. 1996) oder der "high-velocity environments"3 (vgl. Eisenhardt/Bourgeois 1988; Eisenhardt 1989) und führen diese auf die Schnelligkeit, Mehrdeutigkeit und Aggressivität im Vergleich zum traditionellen Wettbewerb zurück (vgl Bogner/Barr 2000, 5.212; EisenhardtlMartin 2000, 5.1118; Wirtz et al. 2007, 5.305 f.). Im Rahmen des "dynamic capability approach" wird die besondere Relevanz des Lernens zur Entwicklung von dynamischen Fähigkeiten4 ebenfalls hervorgehoben (vgl. Zollo/Winter 2002; Swift/Hwang 2008; Ambrosini et al 2009, S. 511). Für Unternehmen in hochdynamischen Umwelten, so zeigen aktuelle Forschungsergebnisse (vgl Andersen 2004a, b; Andersen/Nielsen 2009), ist vielmehr gerade die Kombination von strategischer Planung und emergenter Strategieentstehung auf Grundlage organisationaler Lernprozesse erfolgversprechend. Die neuere strategische Prozessforschung resümiert folgerichtig, dass es aufgrund der Komplexität der Strategiegenerierung jenseits des Planungs-Lern-Gegensatzes verschiedene "strategy making modes" und pluralistische Erklärungsmuster gibt (vgl. Brews/Hunt 1999, 5.890; Andersen 2004a, b). Somit kann von parallel ablaufenden Strategieprozessen ausgegangen werden bzw. dominiert je nach Umwelt- oder Unternehmenssituation temporär ein bestimmter Prozessmodus (vgl. NicolaiNollmar 2007, 5.88). Neuere Arbeiten befürworten also deutlich stärker eine Sowohl-als-auchPerspektive im Sinne eines integrativen Prozessverständnisses (vgl Andersen 2004a, b;
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Daniela Menzel
Kranz 2007, S. 71; Andersen/Nielsen 2009). Mit dem Hinweis auf simultane oder sukzessive Strategieprozesse rücken unweigerlich auch die bislang eher vernachlässigten Verknüpfungen zwischen Planungs- und Lernprozessen stärker in den Fokus. Vor diesem Hintergrund soll im vorliegenden Beitrag das komplementäre Verhältnis von Planung und Lernen und damit die von Andersen (2000, S. 185) aufgeworfene Frage: "Are strategie planning and learning really incommensurate processes?", diskutiert werden. Die Beantwortung selbiger ist insofern nicht befriedigend, als dass der theoretische Rahmen zur konzeptionellen Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Planungs- und Lernprozessen bis dato unausgereift ist. Das Hauptziel des vorliegenden Beitrages besteht deshalb darin, mit der Strukturationstheorie von Giddens (1988) ein solch verbindendes Erklärungskonzept aufzuzeigen. Für eine Reihe von Fragestellungen des Strategischen Managements konnten die Grundannahmen der Strukturationstheorie bereits fruchtbar gemacht werden (vgl. Beiträge in Ortmann/ Sydow 2001a; Überblick von Pozzebon 2004). illre integrierende Funktion wird es nunmehr auch ermöglichen, die Verbindungslinien zwischen strategischer und organisationaler Dimension am Beispiel der Wechselwirkungen zwischen Planungs- und Lernprozessen bzw. der Strategie- und Lernfähigkeit von Organisationen zu systematisieren. Im Zuge dieser strukturationstheoretischen Perspektive lässt sich die vermutete Komplementarität von Planung und Lernen untermauern und in einem Modell abbilden. Im nachfolgenden zweiten Abschnitt werden zunächst wesentliche Entwicklungspfade der Strategieprozessforschung nachgezeichnet, wobei sich insbesondere aus den neueren Arbeiten ein komplementäres Verhältnis von Planung und Lernen ableiten lässt. Dieses soll unter Rückgriff auf die Strukturationstheorie von Giddens weiter konkretisiert werden, was in ein allgemeines Modell zur Beschreibung der Dualität von Strategie- bzw. Lemfähigkeit und Planungs- bzw. Lernprozessen mündet (Abschnitt 3). In einem Fazit gilt es, den Erkenntnisbeitrag zu unterstreichen, bevor einige Implikationen die Ausführungen abrunden (Abschnitt 4).
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Status quo der Strategieprozessforschung und Differenzierung von Prozesstypen
Die Entwicklung des Strategischen Managements als betriebswirtschaftliche Teildisziplin begann Ende der 1970er Jahre (vgl. Knyphausen-Aufseß 1995, S. 14 ff.). Heute existiert ein "Pluralismus im Strategischen Management" (Scherer 1995) oder, wie Moldaschi (2008, S. 21) es ausdrückt, "Zoo der Theorien". Dies verweist auf die Fülle an Perspektiven und Erklärungsmustern zur Existenzsicherung von Unternehmen und
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Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
deren nachhaltigem Erfolg. Ebenso zahlreich sind die Versuche, diese "Artenvielfalt" an Einzelkonzeptionen zu klassifizieren. Allgegenwärtig sind beispielsweise die Unterscheidung von Denkschulen der Strategieformierung (vgl Mintzberg 1990; French 2009a, b) oder die Gegenüberstellung von Strategieinhalts- und Strategieprozessforschung (vgl. Schendel1992a, b; Pettigrew 1992). Im Rahmen der strategischen Prozessforschung ist insbesondere die Kontroverse zwischen dem Planungs- und dem LernParadigma auffällig und manifestiert sich in deren unterschiedlichem Strategie- und Prozessverständnis. Zentrales Kennzeichen des Planungs-Paradigmas, welches der aus der "Design School" hervorgegangenen "Planning School" entspricht, ist ein absichtsvoller, formal-analytischer Prozess der Strategieentwicklung. Es wird von einer systematischen Abfolge der einzelnen Prozessschritte ,,(1) vision and mission, (2) objective setting, (3) external environmental scanning, (4) internal environmental scanning, (5) strategie alternatives (crafting strategy), (6) strategy selection, (7) implementation and (8) control" (French 2009a, S.54 f.) ausgegangen. Weiterhin wird der Langfristcharakter von Strategien betont. Kurzum: Die synoptische Planung und Umsetzung einer intendierten Strategie unterstellt eine rationale Entscheidung im Sinne von "Machbarkeit, Steuerbarkeit und Beherrschbarkeit" (Sydow/Ortmann 2001, S. 5). Mit steigender Veränderungsdynamik erscheinen diese Grundannahmen jedoch zunehmend illusorischer (vgl Schreyöggl Steinmann 1987; Schreyögg 1991), da eine sukzessive Abfolge der strategischen Teilprozesse zu zeitintensiv und realitätsfem ist. Im Zuge der Beschleunigung der Wettbewerbsbedingungen wird auch das Auftreten unerwarteter Ereignisse wahrscheinlicher, sodass die Planungsideologie an ihre Grenzen stößt, wenn es um die Sicherung von Handlungsflexibilität geht: "The world is supposed to hold still while the planning process proceeds. [...] This, in other words, is a dynarnic process, associated with change, and usually significant and discontinuous change at that - the very conditions most uncomfortable for planning" (Mintzberg 1994a, S. 16). "Strategy making does not happen just because a meeting is held with that label, indeed, quite the opposite; it is a process interwoven with all that it takes to manage an organization" (Mintzberg 1994b, S. 29).
Im Zuge dieser Kritik am Planungsansatz, welcher "Strategie als Plan" begreift, wurde die Perspektive "Strategie als Muster" (vgl. Mintzberg 1995, S. 29) eingeführt. Nur ein geringer Anteil der tatsächlich realisierten Strategie ("realized strategy") entspricht der vorab geplanten Strategie ("intended strategy"); in dem Fall spricht Mintzberg von einer beabsichtigten Strategie ("deliberate strategy") (vgl. Mintzberg 1978, S. 945). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Strategie überhaupt nicht ("unrealized strategy"), oder nicht in dem Maß wie intendiert, verwirklicht wird, sei entsprechend hoch. Dies hängt etwa mit Fehleinschätzungen, Implementierungsproblemen oder Situationsänderungen zusammen. Daher plädiert Mintzberg mit den konsistenten strategischen Handlungsmustern für ein neues Strategieverständnis, bezeichnet sie als "emergente Strate-
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Daniela Menzel
gien" (vgl Mintzberg 1978, S.945) und brachte damit die Entwicklung und Etablierung der Lemschule auf den Weg. Deutlich wird aber auch, dass "das inkrementale Paradigma sich durch die Kritik an dem synoptischen Paradigma legitimiert" (Jahns 2001, S. 596). Das Lern-Paradigma geht von einer auf Lernprozessen beruhenden Strategieentstehung (vgl Mintzberg 1978, S. 946, 1995, S. 33; Andersen 2000, S. 188) aus. Strategieprozesse finden stärker dezentral als "strategische Diskurse" (Schreyögg 1998, S. 41) statt und folgen einem trial-and-error-Prinzip (vgl. Watts et al. 1998, S.109; WyerIMason 1998, S.118). Während Planer also von einer intendierten, systematischen Abfolge einzelner Teilprozesse ausgehen, betonen Inkrementalisten "intensiver die tatsächlichen Gegebenheiten und Bedingungen menschlichen Problemlösungsverhaltens" (Welge/AI-Laham 2001, S.32). Aus organisationsinternen Interaktionen, also erfahrungsbasierten, intuitiven und kreativen Prozessen können strategische Handlungsmuster entstehen, die sich im Verlauf zu Strategien verdichten und als solche realisiert werden können.
Abb.l:
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adaptive mode
Mintzberg (1978)
intended strategy
emergent strategy
Burgelman (1983)
induced strategie behaviour
autonomous strategie behavior
Hart (1992)
entrepreneurial mode
command
symbolie
Whillington (1993) Barbuto (2002)
rational
transaetive
deliberate autocratic
transformational
rational
generative emergent
leaming
politieal
Andersen (2004b)
strategie plarming proeess
decentralized strategie emergence
Andersen/Nielsen (2009)
intended strategy mode
emergent strategy mode
Mit dieser "planning/leaming polarity" (Brews/Hunt 1999, S. 890) allerdings wird die Komplexität von Strategieprozessen auf zwei Extremformen reduziert. Inzwischen wird diese Dichotomie aus Planungs- und Lern-Paradigma aufgegeben, wie etwa die Typologien von Hart (1992) oder Barbuto (2002) erkennen lassen (vgl Abb. 1). Beide Konzepte sind charakterisiert durch ihre integrative Absicht und umfassen fünf Pro52
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
zesstypen entsprechend der Rolle des Top-Managements und der Organisationsmitglieder. Insgesamt spannt sich ein Kontinuum zwischen autokratisch und autonom initiierten Strategieprozessen auf (vgl Andersen 2004a, S. 1277). Die strategische Prozessforschung ist somit einerseits durch eine Typen-Ausdifjerenzierung gekennzeichnet. Andererseits trägt sie dem Umstand verstärkt Rechnung, dass in der Unternehmensrealität verschiedene Strategiegenerierungsmodi parallel auftreten bzw. einander abwechseln können. Als Vertreter der Lernschule hat Burgelman (1983, S. 68,1991, S. 258, 2002, S. 355) bereits mehrfach ein solches Gleichgewicht zwischen induziertem und autonomem Strategieverhalten angeregt, was wiederum auf die Gleichzeitigkeit bzw. Aufeinanderfolge unterschiedlicher Strategieentwicklungsprozesse verweist (vgl. Kranz 2007, S. 72). Diese Position nimmt auch die Konfigurationsschule des Strategischen Managements ein, welche eine integrativ-dynamische Sichtweise vertritt, indem sie die organisationsinternen wie -externen Rahmenbedingungen, also die Anwendungssituation der systematisierten Denkschulen mit berücksichtigt (vgl Mintzberg et al. 2002, S. 339 H.). Phasen relativer Stabilität und Phasen der Veränderung wechseln sich ab: Strategien als Ergebnis strategischer Planung führen hiernach zu stabilen Unternehmenszuständen, allerdings wird durch Transformationsprozesse auch notwendiger Wandel ermöglicht. Dazu liegen indes auch empirische Studien vor (vgl Tab. 1), deren gemeinsamer Tenor die Vorteilhaftigkeit von kombinierter strategischer Planung und emergenter Strategieentstehung in dynamischen Handlungskontexten ist. Eine wichtige Ergebnisfacette ist, dass sich die Entscheidungsdezentralisation im Sinne von strategischen Initiativen der unteren Hierarchieebenen positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt (vgl. Andersen 2004a, b), dies gilt insbesondere auch im Fall von Internationalisierungsaktivitäten (vgl. Andersen 2004b). Jüngst konnten Andersen und Nielsen (2009) diese Koexistenz von Planung und Emergenz erneut nachweisen. Es lassen sich folglich konzeptionelle und empirische Anhaltspunkte für ein komplementäres Verhältnis von Planung und Lernen identifizieren. Es wird dabei allerdings nicht ein "Ausspielen von ,deliberaten' gegen ,emergente' Strategien bzw. von Planung gegen Lernen" (Nicolai/Vollmar 2007, S. 88) beabsichtigt. Vielmehr kann die emergente Strategieentstehung durch autonomes Verhalten situativ die synoptischen bzw. induzierten Strategieprozesse sinnvoll ergänzen. Damit relativiert sich auch die Kritik der Lernschule am Planungs-Paradigma zum Zweck der eigenen Legitimation. Erst im Zuge dieser integrativen Sicht, die hinsichtlich Planung und Lernen deutlich von dem "Entweder-oder-Prinzip" abrückt, werden auch Verknüpfungen zwischen strategischen Planungs- und organisationalen Lernprozessen wahrnehmbar. Zur weiterführenden Beschreibung dieser Wechselwirkungen wird nachfolgend auf die Strukturationstheorie von Giddens (1988) als theoretische Klammer zurückgegriffen.
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Daniela Menzel
Tab. 1:
Ausgewählte Studien zur Koexistenz von Planung und Emergenz
Studie
Datengrundlage
Kernergebnisse
Andersen 2004a
N = 185; Fragebogen; Hersteller verschiedener Branchen, Korrelationsanalyse
"In summary, distributed decision authority seerns to be an effective strategy making mode in dynamic environments whi1e participation in decisions shows no economic effect. Strategie planning processes seem 10 be effective and more so in dynamic environments. When distributed decision authority and strategie planning processes are combined they seern to be even more effective" (S. 1287)
Andersen 2004b
N = 112; Fragebogen; Unternehmen unterschiedlich dynamischer Branchen, Regressionsana1yse
"decentralized strategie emergence driven by middle managers' autonornous initiatives in a decentralized strategie decision structure and a central strategie planning process, both seern to have significant performance effects in turbulent environments" (S. 267 f.)
Andersen/Nie1sen 2009
N = 185, Fragebogen, Hersteller verschiedener Branchen, StrukturgleichungsmodeH
"the results of our study confirm that intent and emergence co-exist as distinct strategy modes that influence effective adaption as weH as economic efficiencies" (S. 102)
3
Grundüberlegungen zur Strategie- und Lernfähigkeit und Entwicklung eines strukturationstheoretischen Modells
Trotz der im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigten zunehmenden Betonung der Komplementarität von Planungs- und Lernprozessen scheint die theoretische Untersetzung ihrer Verknüpfungen noch in den Kinderschuhen zu stecken. 50 lassen Autoren, die derartige Wechselwirkungen zwischen strategischer Planung und lernbasierter strategischer Emergenz empirisch belegen (z.B. Andersen 2004a, b; Andersen/Nielsen 2009), Erklärungen für diese Interdependenzen offen. Ein Rückgriff auf die von Giddens (1988) formulierte 5trukturationstheorie ermöglicht es, das komplementäre Verhältnis von strategischen Planungs- und organisationalen Lernprozessen weiter zu spezifizieren. Die Heranziehung der strukturationstheoretischen Perspektive für intra-
54
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
bis hin zu interorganisationalen Problemstellungen ist kein neuer Ansatz (vgl. Überblick in Ortmann et al. 2000, S. 342 f.; Schwarz 2008, S. 70 f.). Im Folgenden wird die Strukturationstheorie zugrunde gelegt, um mit Planungsprozessen und Lernprozessen zwei konkrete organisationale Anwendungsfelder konzeptionell zu verbinden und die Komplementaritätsannahme zu stützen. Giddens Kerngedanke besteht darin, dass sich Handlungen und Strukturen wechselseitig bedingen und reproduzieren, denn "the action perspective does not obtain priority over the structure perspective or vice versa" (Kaspersen 2000, S. 34). Er stellt mit dem Dualitätskonzept explizit einen Zusammenhang zwischen Struktur und Handlung her, womit er sich von der in den Sozialwissenschaften bestehenden StrukturHandlungs-Leitdifferenz (vgl. Pozzebon 2004, S.251) abgrenzt. Das Giddens'sche Handlungsverständnis umfasst sowohl individuelle Einzelhandlungen, als auch Interaktionen (vgl. Schönbauer 1994, S. 8). Dabei greifen Handelnde auf Kommunikations-, Macht- und Sanktionsmechanismen zurück (vgl. Weik 2003, S. 79). Der Strukturbegriff bezieht sich auf Regeln und Ressourcen (vgl. Giddens 1988, S.75; Cappallo 2008, S.I11), wobei sich die Dimensionen Bedeutungsregeln, Legitimationsregeln sowie allokative und autoritative Herrschaftsressourcen unterscheiden lassen (vgl. auch Duschek 2001, S. 68; Weik 2003, S. 82). Unter Regeln versteht Giddens situationsübergreifende, verallgemeinerbare Verfahrensweisen, welche als Interpretationsschemata Sinn konstituieren und das Verhalten sanktionieren helfen. Zur Regelanwendung sind Ressourcen einzusetzen, was autoritär die Beeinflussbarkeit von Akteuren bzw. allokativ die Kontrolle über materielle Ressourcen betrifft. Um Ansch1ussfähigkeit zur oben thematisierten Strategieprozessforschung herzustellen, sind zunächst zentrale begriffliche Konzepte strukturationstheoretisch zu interpretieren: Strategische Planungs- und organisationale Lernprozesse lassen sich der Handlungsdimension zuordnen. An diesen Prozessen sind jeweils unterschiedliche Organisationsmitglieder beteiligt bzw. werden sie von konkreten organisationalen Akteuren (z.B. Top-Management, untere Hierarchieebenen) initiiert. Planungs- oder Lernprozesse finden als Handlungsfolgen ihren Niederschlag in bestimmten Regeln und Ressourcen. Im Sinne von Handlungsbedingungen werden Letztere durch Planungs- und Lernprozesse verfestigt oder verändert. In Bezug auf die Strukturebene wird weiter zwischen Strategiefähigkeit und Lernfähigkeit unterschieden. In Anlehnung an Zimmer und Ortmann (2001, S.35), Ortmann und Sydow (2001b, S. 438) oder Müller (2008, S. 165) werden Strategien im Sinne von strategisch relevanten Regeln und Ressourcen als strukturelle Phänomene betrachtet. Nach strukturationstheoretischer Ausdeutung sind Strategien jedoch wie alle Strukturmomente ein rein virtuelles Phänomen, da sie nur als "memory traces" (Giddens 1984, S.25) und organisationale Praktiken existent sind. Formale, schriftlich dokumentierte Strategien sind demzufolge keine Regeln im engeren Sinne, sondern bereits Interpretationen von Regeln (vgl. Walgenbach 1999, S. 361; Müller 2008, S. 186). Sowohl intendierte Strategien als auch emergent entstandene strategische Entscheidungsmuster weisen organi-
55
Daniela Menzel
sationalen Handlungen eine Bedeutung zu und dienen somit der sozialen Orientierung. Zudem tangieren sie Fragen der aktuellen und kiinftigen Ressourcenverteilung. Für das Set an strategiebezogenen Regeln und Ressourcen wird als Sammelbegriff "Strategiefähigkeit"5 vorgeschlagen. Strategiefähigkeit lässt sich als intendiertes oder emergentes Ergebnis von organisationalen Handlungen begreifen. Diese Strategieausrichtung und Zielverfolgung entspricht der Bedeutungszuweisung durch die handelnden Akteure bzw. beinhaltet sie den kollektiven Wissensbestand hinsichtlich des gewiinschten strategischen Handeins (vgl. Müller 2008, S. 123). Damit erinnert der hier eingeführte Terminus "Strategiefähigkeit" unmittelbar an das Konstrukt der organisationalen Kompetenz (vgl. dazu Wagner et al. 2005, S. 95; Becker et al. 2006, S. 210; Schreyögg/Kliesch 2006, S. 456). Strategiefähigkeit kennzeichnet demnach eine Zustandsbeschreibung von Organisationen im Sinne eines strukturellen Potenzials zur Problembewältigung, wie beispielsweise die Begriffe "Innovationsfähigkeit" (vgl. Sammerl2006, S. 39 f.) oder "Lemfähigkeit" (dazu nachfolgend) auch. Seit Mitte der 1990er Jahre ist das Konstrukt "Lernfähigkeit" bereits im Forschungskontext des Organisationalen Lernens etabliert (vgl. Reinhardt 1995; Greschner 1996). Das englischsprachige Äquivalent dafür ist "organizational learning capability" (vgl. Wijnhoven 2001, S. 182; Jerez-Gomez et al. 2005, S.715). Bezüglich der Lernfähigkeit steht die Frage im Zentrum, "ob und inwieweit eine Unternehmung überhaupt strukturell in der Lage ist, zu lernen und zwischen Lern- und Nicht-Lern-Bedürfnissen zu unterscheiden" (Baitsch/Wetzel 2008, S. 80). Dies verweist aus strukturationstheoretischer Perspektive wiederum auf die Strukturebene und damit ein organisationsspezifisches Konglomerat aus Regeln und Ressourcen, die Lernprozesse ermöglichen (vgl. Alegre/Oliva 2008, S.315; Li et al 2008, S. 2532). Dabei gelten Fehlerfreundlichkeit, Experimentierfreude und Veränderungsbereitschaft, Erfahrungslernen und Reflexion, enge Kooperation und direkte Kommunikation, systematisches WISsensmanagement und Umweltsensibilität, Vorgesetztenunterstützung sowie Systemdenken als strukturelle Determinanten für die Lemfähigkeit einer Organisation (vgl. Menzel 2009, S.74 ff.). Auch die Lemfähigkeit als Strukturelement existiert quasi nur virtuell und zwar in den Wissensbeständen, Bewertungen und Erwartungshaltungen handelnder (lernender) Akteure, was auch an konstruktivistische Grundannahmen erinnert (vgl. Kaspersen 2000, S. 42; Fried 2003, S. 127). Lernfähigkeit ermöglicht bewusste Veränderungen des Verhaltens der Organisationsakteure und von (Planungs- und Lern-)Prozessen. Hinsichtlich der Strukturdimensionen, also Strategie- und Lernfähigkeit, ist noch auf deren Stabilität versus Veränderlichkeit hinzuweisen. Nach Giddens erzeugt die Nutzung bzw. Anwendung von Ressourcen und Regeln eine gewisse Dauerhaftigkeit, die gerade in veränderungsintensiven Kontexten als Orientierungsrahmen auch bedeutsam ist. Dies rückt den Fähigkeitsbegriff durchaus in die Nähe des Routinebegriffs (vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1112; Tiefel 2004a, S.29). Darüber hinaus ermöglicht das Handeln der Akteure im Sinne einer wiederholten Regelabweichung aber auch strukturelle Veränderungen (vgl Zimmer/Ortmann 2001, S. 42). Gemeint ist das Hinterfragen von Handlungsbedingungen, Handlungen oder Handlungsfolgen, also ein 56
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
Reflektieren, das Tiefel (2004b, S.112) als "bewusste[n] Zweifel" auffasst oder das Schreyögg und Kliesch-Eberl (2007, S.926) als "capability monitoring" beschreiben. Giddens (1988, S. 56) geht demnach von einer reflexiven Steuerbarkeit ("reflexive monitoring") des Handelns aus. Strategiefähigkeit und Lemfähigkeit erscheinen vor diesem Hintergrund grundsätzlich veränderlich, folglich müssten empirisch unternehmensspezifische Grade im Sinne von Abstufungen identifizierbar sein (vgl. Menzel 2009, S. 185).
Abb.2:
Grundmodell zur Strategie- und Lernfähig1ceit aus Perspektive der Strukturationstheorie
a
Strategische Planungsprozesse
Organisationale Lernprozesse
Handlungsebene Medium
Ergebnis Strukturebene
Lernfähigkeit
Strategiefähigkeit a
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Daniela Menzel
Die bisherigen Ausführungen lassen sich in einem Modell systematisieren (vgl. Abb. 2): Im Handeln oder Interaktionszusammenhang der Organisationsmitglieder (konkreter: Planungs- und Lernprozessen) erfolgt eine Bezugnahme auf Regeln und Ressourcen (konkreter: Strategie- und die Lemfähigkeit), wodurch diese kontinuierlich reproduziert werden (vgl. Döbler 2003, S. 12). Dieser Sachverhalt, dass Strukturen "sowohl Medium wie Ergebnis" (Giddens 1988, S. 77) von Handlungen sind, bildet die, als Dualität der Struktur bekannte, zentrale Denkfigur der Strukturationstheorie (vgl. auch Walgenbach 1999, S. 358; Holtbrügge 2000, S. 120). Individuelles Handeln und Interaktionen auf der Handlungsebene führen zur Strukturbildung und Strukturänderung (Struktur als Ergebnis), sodass Planungs- und Lernprozesse die Strategiebzw. die Lernfähigkeit einer Organisation beeinflussen. Darüber hinaus ermöglichen oder beschränken Strukturen die Handlungen der Organisationsmitglieder (Struktur als Medium). Planungs- und Lernprozesse werden von der Strategie- und Lernfähigkeit einer Organisation determiniert. Die Strukturationstheorie lässt sich als "viel diskutierte Integrationstheorie zwischen der Handlungs- und der strukturellen Ebene" (Tiberius 2003, S. 21) und als "Metatheorie" (Ortmann/Sydow 200lb) zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen Organisation und Strategie hinsichtlich der Handlungs- wie auch Strukturebene heranziehen. Mit der Dualität der Struktur lassen sich Verzahnungen zwischen Handlungsbedingungen und Handlungsfolgen, die auch unbeabsichtigt sein können, abbilden: Strategie- und Lernfähigkeit sind gleichermaßen Ergebnis und Medium des Handeins der Organisationsmitglieder. Als Folge von strategischen Planungs- und organisationalen Lernprozessen werden Strategie- und Lernfähigkeit damit zum Ausgang für künftige Planungs- und Lernprozesse. Die aus der oben aufgezeigten empirischen Parallelität und Komplementarität von Planung und Le=en resultierenden Verknüpfungen lassen sich strukturationstheoretisch jedoch noch weiter ausleuchten und präzisieren. Verbunden ist dies unweigerlich mit einem Komplexitätsanstieg, dem nachfolgend durch eine Auseinandersetzung mit den einzelnen rekursiven Beziehungen zwischen den Phänomenen Planungsprozessen, Strategiefähigkeit, Lernprozessen und Lemfähigkeit begegnet wird (vgl. Buchstabena bis d). a
Zur Verbindung zwischen strategischen Planungsprozessen und Strategiefähigkeit (vgl. Abb. 3) lässt sich auf die betriebswirtschaftliche Teildisziplin des Strategischen Managements zurückgreifen.
Das Strategische Management umfasst, so die herrschende Meinung, mit der Analyse, Formulierung, Auswahl und Umsetzung von Strategien verschiedene Teilprozesse. Es wird unter Bezugnahme auf das präskriptive Planungsmodell (vgl. Bresser 1998, S. 11) davon ausgegangen, dass die einzelnen Planungsschritte sukzessive durchlaufen werden (vgl. Welge/AI-Laham 2001, S. 19). Als Folge dieses geplanten strategischen Handelns lässt sich Strategie im Sinne einer expliziten Handlungsorientierung verstehen 58
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
(vgl. Müller 2008, S. 157). Entsprechend kann von Strategiefähigkeit dann ausgegangen werden, wenn als Ergebnis der Initiierung und Durchführung eines strategischen Planungsprozesses ein Strategieinhalt, das heißt eine Strategieausrichtung (wie z.B. eine bestimmte Wettbewerbsstrategie) als Orientierungsrahmen der Organisationsmitglieder resultiert (llrealized strategy"). Im Zuge des strategischen Handelns der Akteure kann sich die bestehende Strategie auch verändern, es kommt zu einer strategischen Neuausrichtung einhergehend mit der Bildung und Etablierung neuer Regeln und Ressourcen. Eine Strategie wird immer erst durch ihre Anwendung und Umsetzung konkretisiert und somit gegebenenfalls in reales Verhalten überführt (vgl. Ortmann/ Sydow 200lb, S. 440 f.; Müller 2008, S. 137). Somit wird Strategiefähigkeit als intendiertrealisierte Handlungsorientierung zur Voraussetzung (Medium) für strategisches Handeln generell bzw. künftige Planungsprozesse. Demzufolge legitimieren und sanktionieren bestimmte strategisch relevante Strukturen, also die als Strategiefähigkeit bezeichnete unternehmensspezifische Strategieausrichtung und Handlungspotenziale, das Agieren der Organisationsmitglieder.
Abb.3:
Planungsprozesse und Strategiefähig1ceit unter strukturationstheoretischem Blickwinkel
Strategische Plannngsprozesse Handlungsebene
Medium
Ergebnis Strukturebene Strategief~~t
(intendierte Stra tegie als Handlungsorientierung)
59
Daniela Menzel
b
Das Forschungsfeld des Organisationalen Lernens (vgl. Bapuji/Crossan 2004; Yeo 2005, S. 369) beschreibt den Zusammenhang zwischen organisationalen Lernprozessen und Lernfähigkeit (vgl. Abb. 4).
Abb.4:
Lernprozesse und Lernfcihigkeit unter strukturationstheoretischem Blickwinkel
Organisationale Lernprozesse
Handlungsebene Medium
Ergebnis Strukturebene Lernfllhigkeit (Reflexionsroutinen: wiez. B. Fehlerfreundlichkeit)
Als Lernprozesse auf Organisationsebene lassen sich in Anlehnung an Pawlowsky (1999, S. 120 H., 2001, S. 78 H.) die Teilprozesse Identifikation, Generierung, Diffusion, Integration, Modifikation und Transfers von Wissen unterscheiden. "Jede der idealtypischen, nicht notwendigerweise sequenziellen Phasen des organisationalen Lernprozesses beinhaltet wichtige Verhaltensweisen und organisationale Routinen im Umgang mit der Ressource Wissen" (Pawlowsky et al. 2005, 5.412).
Unter Lernfähigkeit ("organizational learning capability") können lernermöglichende oder aber lernhemmende strukturelle Aspekte subsumiert werden (vgl. BaitschlWetzel 2008, S. 80). Dabei gelten Fehlerfreundlichkeit, Experimentierfreude und Veränderungsbereitschaft, Erfahrungslernen und Reflexion, enge Kooperation und direkte Kommunikation, systematisches WlSsensmanagement und Umweltsensibilität, Vorgesetztenunterstützung sowie Systemdenken als konkrete Strukturdeterminanten für die
60
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
Lernfähigkeit einer Organisation (vgl. Menzel 2009, S.63 ff.). Organisationale Lernprozesse können die Anpassung, Veränderung und Entwicklung eines Unternehmens unterstützen (vgl. Tippins/Sohi 2003, S. 746; Beer et al. 2005, S. 447; Azmi 2008, S.58). Dies ist eine Sichtweise, welche etwa im "dynamic capability approach" einen zentralen Stellenwert einnimmt (vgl. Ambrosini et al. 2009, S. Sl1). Organisationale Lernprozesse können die Lernfähigkeit verbessern (Lernfähigkeit als Ergebnis), und zwar dann, wenn sie das Hinterfragen bisheriger kollektiver Lernaktivitäten zum Gegenstand bzw. Ziel haben. VlSser (2007, S. 665) zufolge ist hierzu der Aufbau von sogenannten "reflective routines"6 vonnöten. Dies erinnert auch an das Lemniveau des deuteroleaming (vgl. Argyris/Schön 1978, S. 26 ff.), welches kollektive Reflexionsprozesse und das Hinterfragen bestehender Lernaktivitäten bzw. vorhandener Lernbarrieren impliziert. Werden gar die Basisannahmen einer Organisation hinterfragt, so kann dies schließlich Struktur- und Verhaltensänderungen im Sinne eines "expansive learning" (vgl. Engeström 2001; Schulz 2008) bewirken. Je nach organisationaler Lernfähigkeit, also je nachdem, wie Lernen und Reflektieren durch die vorhandenen Strukturen unterstützt wird, finden mehr oder weniger ausgeprägte Lernprozesse statt (Lernfähigkeit als Medium). Entsprechend der der Strukturationstheorie inhärenten Auffassung, dass eine Organisation Strukturen hat (vgl. Walgenbach 1999, S. 363), ist davon auszugehen, dass jede Organisation ein Minimum an Lernfähigkeit besitzt. Dies deckt sich auch mit der Annahme einer unternehmensindividuellen Lemhistorie im Sinne von pfadabhängigkeit (vgl. LOpez et al. 2005, S. 230). Somit unterscheidet sich entsprechend des Lernkontextes und der Lernkultur interorganisational die Intensität und die Qualität der Lernprozesse, also letztlich auch ihre Lernfähigkeit (vgl. DiBella et al. 1996; Wimmer 2003; Azmi 2008). c
Eine weitere Wechselwirkung besteht zwischen der strategischen Planungs- und Handlungsebene und der organisationalen Lernfähigkeit (vgl. Abb. 5).
Strategische Planungsprozesse beinhalten ein Lernpotenzial, können also die Lernfähigkeit positiv beeinflussen (Lernfähigkeit als Ergebnis). Die Planung und strategisches Handeln der organisationalen Akteure generieren quasi als "Nebenprodukt" Erfahrungswissen und Handlungskompetenz, auf die in künftigen Planungsprozessen zurückgegriffen werden kann. Anzumerken ist, dass das Lernpotenzial der strategischen Planung aber begrenzt ist. Dies hängt mit dem im Wesentlichen auf das Top-Management bzw. einzelne Organisationsmitglieder beschränkten Teilnehmerkreis des Planungsprozesses zusammen, Burgelman (1983, 1991) beschreibt dies als "induced actions". Demzufolge bleiben kollektive Reflexionsprozesse tendenziell auf die Planungsverantwortlichen der höheren Hierarchieebenen bzw. den direkt an der Entwicklung und Implementierung von Strategien beteiligten Organisationsmitgliedern beschränkt. Diese Überlegung würde wiederum partizipative Strukturen und Prozesse rechtfertigen. Lernfähigkeit im Sinne von Reflexionsroutinen ermöglicht bzw. im negativen Fall behindert Strategiebildungs- und Strategieumsetzungsprozesse und deren kontinuierliche Verbesserung (Lernfähigkeit als Medium). In den Blick geraten hier also 61
Daniela Menzel
bewusste kollektive Reflexionsprozesse, welche die strategischen Planungsprozesse oder allgemein das strategische Handeln betreffen (vgl. Meyer/Heimerl-Wagner 2000). Zum Beispiel geht es darum, die Erfolgswirkung von Strategien zu evaluieren oder eventuelle Probleme im Rahmen der erfolgten Implementierung für Folge-Strategieprozesse aufzuarbeiten. Hierbei können Fehleinschätzungen oder Veränderungen des Untemehmensumfeldes, die ein Nicht-Umsetzen von geplanten Strategien bedingt haben könnten, eine Rolle spielen. Auch müssen Situationsänderungen im Vergleich zu dem ursprünglichen Ergebnis der Strategieanalyse wahrgenommen werden. Ausgehend von der unterstellten Veränderungsdynamik können jederzeit Ereignisse auftreten/ die einen Handlungsdruck auslösen oder gar existenzgefährdend sind. Lemfähigkeit wird dann zur Voraussetzung für die Antizipation von Ereignisfolgen und einen proaktiven Umgang mit diesen Krisen oder Störungen, beispielsweise durch Initiierung von Strategieanpassungsprozessen.
Abb.5:
Planungsprozesse und Lernfähigkeit unter strukturationstheoretischem Blickwinkel
Strategische Plannngsprozesse Handlungsebene Medium I
Ergebnis Strukturebene Lernfähigkeit (Reflexionsroutinen: wie z. B. Umweltsensibilitä t)
62
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
d
Schließlich gilt es, das Verhältnis von organisationalen Lernprozessen und Strategiefähigkeit zu betrachten (vgl. Abb. 6).
Strategiefähigkeit kann nicht nur das Resultat strategischer Planungsprozesse sein, denn auch Lernprozesse können die Strategieausrichtung maßgeblich beeinflussen (Strategiefähigkeit als Ergebnis). Dieser Gedankengang führt zu dem von Mintzberg geprägten emergenten Strategieverständnis: Konsistente Handlungsmuster, die sich gegebenenfalls erst im Verlauf zu Strategien verdichten und dabei "Brüche und Diskontinuitäten aufweisen" (Wilkens/Brussig 2003, S. 45) können, beruhen stark auf intuitiven Entscheidungen und dem Versuch-Irrtums-Prinzip. Kranz (2007, S. 74) nennt diesen Prozesstyp "autonomes Verhalten" (nach Burgelman 1983, 1991 auch "autonomous actions"). Diese bottom-up-Richtung der emergenten Strategieentstehung operationalisieren Andersen und Nielsen (2009) beispielsweise mit Entscheidungspartizipation und Handlungsautonomie. Diese unbewusst entstandenen, aber ex post beobachtbaren strategischen Verhaltensmuster können strukturationstheoretisch als unbeabsichtigte Handlungsfolge von Lernprozessen aufgefasst werden (vgl. Zimmer/Ortmann 2001, S. 29). Andernorts wird dieser Anwendungsfall des organisationalen Lernens auch als "strategisches Lernen" bezeichnet (vgl. Mintzberg/Waters 1985, S.271; Voronov 2008) und als "process of continuously crafting and reformulating strategies" (Voronov/Yorks 2005, S. 14) verstanden. Strategisches Lernen wird dabei als Bedingung für strategische Flexibilität angesehen, also die Anpassung oder Neugenerierung von Strategien aufgrund veränderter organisationsinterner wie -externer Rahmenbedingungen (vgl. Sanchez 1995; Burmann 2001, S. 183; Mcnamara et al. 2003, S. 262; D'Aveni 2007). Basierend auf dem Giddens'schen Verständnis von Strategien als Regeln entspricht dies ihrer zeitlich befristeten Geltung (vgl. Ortmann/Sydow 2001b, S. 438). Mit strategischer Flexibilität aufgrund von Lernprozessen können demnach Handlungsspielräume zur Bewältigung der Dynamik des Wettbewerbsumfeldes assoziiert werden. "Gerade in dem ,emergent' - und nicht in dem ,deliberate' Anteil, den der präskriptive Theoriezweig so betont - verbergen sich die Lernpotenziale" (NicolaiNollmar 2007, S. 88). Ein bestimmter Strategieinhalt wird demnach zum Auslöser oder aber zur Barriere für kollektive Lernprozesse (Strategiefähigkeit als Medium). So wird die Strategieausrichtung zum Wahrnehmungsfilter und Selektionsmaßstab für interne und externe Informationen und zum Gradmesser für die durch Umwelt- oder Organisationsveränderungen ausgelösten Lernprozesse. "Handlungsrelevanz kommt Strukturtatbeständen nämlich nur insoweit zu, als sie in den Wissensvorräten des Akteurs präsent sind" (Schönbauer 1994, S. 25), was die Verknüpfung mit Lernprozessen unterstreicht. Strategiemuster können - in Ergänzung zu den intendierten Strategien - einen wichtigen Orientierungsrahmen für das Handeln und Entscheiden organisationaler Akteure sowie für Lernprozesse im Speziellen darstellen.
63
Daniela Menzel
Abb.6:
Lernprozesse und Strategiefcihigkeit unter strukturationstheoretischem Blickwinkel
Organisationale Lernprozesse Handlungsebene Ergebnis
Strukturebene
Strategiefähigkeit
(emergente Strategie als reales Verhaltensmuster)
Damit konnte der Brückenschlag zwischen strategischer Planung und organisationalem Lernen vorgenommen werden: Zum einen können strategische Planungsprozesse durch den Aufbau von sogenannten Reflexionsroutinen eine Verbesserung der organisationalen Lernfähigkeit bewirken, welche wiederum von zentraler Bedeutung für künftige strategische Prozesse ist. Zum anderen können Lernprozesse im Rahmen der emergenten Strategieentstehung zur Strategiefähigkeit beitragen bzw. fördert oder hemmt die Strategiefähigkeit organisationaie Lernprozesse. Die strukturationstheoretische Deutung führt zu dem Kernergebnis, dass sich Handlungen (Planungs- bzw. Lernprozesse) und Strukturen (Strategie- bzw. Lernfähigkeit) wechselseitig voraussetzen, wobei beide Perspektiven, Strategiefähigkeit als intendierte Handlungsorientierung und als emergentes Verhaltensmuster, einbezogen wurden, zumal sie zwei Seiten derselben Medaille darstellen (vgl. Müller 2008, S. 164 ff.; Voronov 2008, S. 199). Konform mit den Kernaussagen der Strukturationstheorie lässt sich somit die aus dem rekursiven Verhältnis von Handlungs- und Strukturebene entstehende Prozesshajtigkeit abbilden: Planungs- und Lernprozesse einerseits und Strategie- und Lernfähigkeit andererseits setzen sich jeweils wechselseitig voraus, was insgesamt in ein prozessuales Verständnis mündet (vgl. Walgenbach 1999, S.358 ff.). Auch das rekursive Verhältnis von Struktur und Handlung ist dynamisch, also veränderbar:
64
Zur Komplementarität von strategischer Planung und organisationalem Lernen
"Erst wenn diese Handlung wiederholt und von vielen Personen vollzogen (oder geduldet) wird, besteht die Chance, daß [sie.] sich eine Struktur bildet. Umgekehrt geraten Strukturen dann ins Wanken, wenn die Handlungen, auf denen sie basieren, nicht mehr geduldet oder vollzogen werden" (Weik 2003, S. 80).
Dem präsentierten strukturationstheoretischem Modell zufolge sind der Aufbau und der Erhalt von Strategiefähigkeit bzw. von Lernfähigkeit abhängig von den zugrunde liegenden Planungs- und Lernprozessen. Sowohl die Generierung von Strategiefähigkeit, als auch von Lernfähigkeit kann somit als sozialer und dynamischer Prozess charakterisiert werden (vgl. Müller 2008, S. 190; Jarzabkowski 2008, S. 623).
4
Resümee: Zur Komplementarität von Planung und Lernen sowie Implikationen
Strategische Planungsprozesse und organisationale Lernprozesse lassen sich über die Strukturebene, also über Strategiefähigkeit und Lernfähigkeit miteinander verknüpfen. Der vorliegende Beitrag hat damit eine neue Sichtweise erarbeitet und ein strukturationstheoretisch inspiriertes Modell entwickelt, welche auch mit der jüngeren Strategieprozessforschung (vgl. Andersen 2004a, b; Andersen/Nielsen 2009) konform gehen. Demnach ermöglichen Planungsprozesse die strategische Handlungsorientierung organisationaler Akteure sowie die Koordination organisationaler Handlungen einerseits und können andererseits über die Etablierung von Reflexionsroutinen die Wahrnehmung von Veränderungsnotwendigkeiten und die Evaluation strategischer Anpassungsprozesse unterstützen. Lernprozesse wiederum führen durch kollektive Reflexion zu Struktur- und Verhaltensänderungen und können die Entstehung dezentralisierter, strategischer Handlungs- und Entscheidungsmuster befördern. Mit dem Dualitätskonzept wurde demnach auf die unternehmenspraktisch bedeutsame gleichzeitige Existenz von Planungs- und Lernprozessen abgestellt, da beide Gestaltungsfelder wesentliche Beiträge zum Aufbau, Erhalt und zur Verbesserung der Strategie- bzw. Lernfähigkeit von Organisationen leisten können. Planungs- und Lernprozesse stehen damit nicht konkurrierend nebeneinander, sondern in einem komplementären Verhältnis: Sie können sich situationsspezifisch ergänzen bzw. gar ersetzen. Diese Substitutionswirkung ist beispielsweise für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) interessant, wo selten strategische Planungsprozesse stattfinden (vgl. Deimel/Kraus 2007, S. 161), was auch als "Planungslücke" von KMU bezeichnet wird (vgl. Raabe/Schulz 2007, S. 17). Jedoch können für das KMU-Anwendungsfeld lern- und reflexionsfreundliche Rahmenbedingungen konstatiert werden (vgl. Wyer et al. 2000, S. 253; Zhang et al. 2006, S. 311). KMU können demnach durch eine entsprechende Rahmensteuerung
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diese potenziellen Lern- und Reflexionsvorteile zielorientiert zur Erhöhung ihrer Strategiefähigkeit nutzen. Verallgemeinert stellen bewusste Lernprozesse und kollektive Reflexionsroutinen unabhängig von der Unternehmensgröße eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen strategischen Planung dar. Daneben erweist sich die beschriebene Komplementarität "of variance-increasing autonomous initiatives and variancereducing planning activities" (Andersen/Nielsen 2009/ S. 95) gerade auch in veränderungsintensiven Kontexten als vorteilig. Für die künftige konzeptionelle Auseinandersetzung könnte sich hier die Einbettung in die dynamischen Strategieansätze anschließen: Hinsichtlich der aufgezeigten Betrachtung von Strategieprozessen als eine Kombination von Planung und Lernen ist zu diskutieren, inwieweit derartige Kombinationen als "dynamic capabilities" aufgefasst werden können. Letztere ermöglichen die Erneuerung der Ressourcenbasis, die Generierung von situationsspezifischem Wissen und bilden damit die Basis für organisationale Flexibilität, strategische Veränderung und mindestens temporäre Wettbewerbsvorteile (vgl Helfat et al. 2007/ S. 4; Ambrosini et al. 2009/ S. S13; Ambrosini/Bowman 2009/ S. 30). Mit der metatheoretischen Bezugnahme auf die Strukturationstheorie von Giddens wurden Zusammenhänge zwischen strategischer und organisationaler Dimension erkennbar, mit der die Grenzziehung zwischen Planung und Lernen aufweicht, wie auch die neuere strategische Prozessforschung unterstreicht. Es wird eine einseitige Fokussierung vermieden und Problemstellungen können somit stärker in Richtung des Zusammenspiels von Strukturen und Handlungen spezifiziert werden (vgl Cappallo 2008/ S. 112; Sminia 2009/ S. 111)/ was dann allerdings auch in empirischen Studien umgesetzt werden müsste: Um der Sowohl-als-auch-Perspektive und den Modellverknüpfungen gerecht zu werden, sind Planungs- und Lernprozesse sowie Strategie- und Lernfähigkeit zu berücksichtigen und entsprechend zu operationalisieren. Mit dem aufgezeigten Modell bzw. der strukturationstheoreüschen Perspektive generell (vgl. Pozzebon/pinsonneault 2005/ S. 1357 ff.) sind weitere empirische Herausforderungen verbunden: So wurden Strategiefähigkeit und Lernfähigkeit aus Giddens' scher Annäherung als virtuelle Phänomene, kollektive Verhaltensroutinen und Bedeutungszuweisungen der handelnden Akteure beschrieben. Erhebungsmethodisch folgt daraus, dass die genannten Strukturelemente nur aus einem subjektzentrierten Ansatz bzw. einer "Teilnehmerperspektive" (Scherer 1995/ S.273) heraus erschließbar sind. Wertvolle Anregungen, Strategien im Sinne von tagtäglichen Handlungen individueller Akteure (vgl Whittington 1996/ S. 734/2006/ S. 613) zu verstehen und zu analysieren/ bietet in diesem Zusammenhang sicher auch der "strategy-as-practice"-Forschungszweig7 (vgl zum Überblick Chia/MacKay 2007; Jarzabkowski/Spee 2009). Ebenfalls ungeeignet erscheinen Untersuchungsformen, die die skizzierte Prozesshaftigkeit nicht abbilden. Um die Handlungsdimensionen (strategische Planungs- und organisationale Lernprozesse) zu erfassen, bieten sich insbesondere Fallstudiendesigns, Prozessbeobachtungen und Aktionsforschungsansätze an. Zudem sind möglichst detaillierte Handlungsbeschreibungen der Akteure zu generieren, das heißt eine möglichst große Zahl an Organisationsmitgliedern ist zu befragen, sodass sich KMU
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als Untersuchungsfeld anbieten würden. Interviews könnten darauf abzielen, die gemeinsam geteilte Wirklichkeitsinterpretation der Mitarbeiter und Entscheidungsträger zu erfassen, denn seitens der Forschung geht es um eine "verstehende Rekonstruktion" (vgl. Walgenbach 1999, S. 365) der Handlungs- und Strukturphänomene. Dies betrifft schließlich auch eine Grenze der hier aufgezeigten Argumentation, deren empirische Untermauerung einer wesentlichen Implikation für die weitere Auseinandersetzung mit der Komplementarität von Planung und Lernen entspricht.
Anmerkungen Die Abgrenzung zwischen Planungs- und Lemschule wird auch als "planning versus leaming dichotomy" (Brews/Hunt 1999, S. 890), "synoptisches versus inkrementales Paradigma" (Jahns 2001, S. 596) oder "Mintzberg-Ansoff-Kontroverse" (Welge/Al-Laham 2001, S. 30) bezeichnet. Obwohl insgesamt zehn Denkschulen des Strategischen Managements unterschieden werden, greift die Lemschule im Vergleich zu den anderen deskriptiven Schulen die präskriptiven Schulen am deutlichsten an (vgl. Mintzberg et al. 2002, S. 205). 2
D' Aveni (1995, S. 47) unterscheidet zwischen vier Wettbewerbsniveaus: 1. low intensity com-
3
Der Ausdruck "high-ve1ocity environments" wird meist synonym zu "Hyperwettbewerb" gebraucht, wenngleich hinsichtlich der Branchenbetroffenheit Ersterer speziell auf Informations- und Kommunikationstechnologien abstellt (vgl. Wirtz/Mathieu 2005, S. 473; Wirtz et al. 2007, S. 296).
petition, 2. moderate competition, 3. high intensity competition (hypercompetition) und 4. extreme competition. Hypercompetitive Wettbewerbsbedingungen lassen sich insbesondere für High-Tech-Branchen und Branchen mit hoher Deregulierung vermuten (vgl. Meloche/Plank 2006, S. 2). Koruna (1999, S. 88 f.) oder Bruhn (1997, S. 344 ff.) systematisieren vier wesentliche Ursachen des Hyperwettbewerbs: 1. Globalisierung, Internationalisierung und Vernetztheit; 2. Deregulierung und Reprivatisierung; 3. technologisch-naturwissenschaftlicher Fortschritt und 4. Konvergenz und Divergenz von Branchen. Zwischen diesen bestehen Wechselwirkungen, sodass sie sich im Einfluss gegenseitig verstärken.
4
Zur Definition von "dynamic capabilities" vgl. insbes. Ambrosini/Bowman (2009), S. 32 ff.
5
Der Begriff "Strategiefähigkeit" ist im deutschsprachigen Raum bislang vornehmlich im Rahmen der Politikwissenschaften gebräuchlich (vgl. Nullmeier/Saretzki 2002; Tils 2005; Raschke/Tils 2007), wo er als Zielorientierung politischer Akteure und als Steuerung politischer Handlungen verstanden wird. Beides, Zielausrichtung und Handlungskoordination, lässt sich mit dem Giddens'schen Verständnis von Strukturen als Regeln und Ressourcen in Einklang bringen. Eine Übertragung des Konstrukts "Strategiefähigkeit" vom politischen in den Unternehmens-Kontext erscheint vertretbar, zumal in der anglo-amerikanischen Forschung zum Strategischen Management der Terminus "strategie capability" bereits Verwendung gefunden hat (vgl. Lenz 1980; Prahalad 1983; Bannister/Higgins 1991). Abgesehen davon wird Strategiefähigkeit im Rahmen dieses Beitrags auch als Konterpart für den bereits etablierten Begriff der Lemfähigkeit eingeführt.
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Derartige "Reflexionsroutinen" entstehen durch absichtsvolle Lernprozesse und ennöglichen ein kollektives Meta-Lernen: "Planned learning then refers to the creation and maintenance of organizational systems, routines, procedures, and structures through which organizational members are induced to meta-learn on a regular basis and in which the results of metaleaming are embedded for future use" (Visser 2007, S. 664).
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Die strategy-as-practiee-Forschung nimmt eine Praxisperspektive im Sinne eines "activitybased view" (Johnson et al. 2003) ein und fragt in Bezug auf strategisches Handeln "who does it, what they do, how they do it, what they use, and what implications this has for shaping strategy" (Jarzabkowski/Spee 2009, S. 69; vgl. auch Whittington 2002, S. 119). Damit wird - basierend auf den Grundannahmen von Giddens - der Mikro-Makro-Gegensatz bzw. die Handlungs-Struktur-Debatte ebenfalls umgangen und eine integrative Perspektive eingenommen (vgl. Chia/MacKay 2007, S. 217; Regner 2008, S. 577). In Anbetracht der wertvollen Hinweise und konstruktiven Verbesserungsvorschläge zur
urspriinglichen Manuskriptfassung gilt mein Dank an erster Stelle den drei anonymen Gutachtern sowie den Herausgebern dieses Bandes. Herrn Prof. Dr. Lang danke ich für die initiale Anregung, die Strukturationstheorie von Giddens für die Weiterentwicklung meiner Dissertationsinhalte heranzuziehen, sowie seine abschließende Einschätzung zum vorliegenden Beitrag. Bezüglich des Überarbeitungsbedarfs schätzte Prof. Dr. Conrad zusammenfassend ein: "Es ist sicher eine Anstrengung, die lohnt". Kurzum: Ich hoffe, dass sich der Aufwand in der Tat "gelohnt" hat.
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Dr. Daniela Menzel Technische Universität Chernnitz Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Lehrstuhl Organisation und Arbeitswissenschaften D-09107 Chernnitz daniela.menzel®wirtschaft.tu-chernnitz.de
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Theresa Michi/isabell M. Welpe/Matthias Spörrlel Arnold Picot
Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess Affekt; Emotionen; Stimmungen; Strategieprozess; strategische Entscheidungen; Upper Echelon Theorie
Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Einfluss von affektiven Zuständen auf strategische Unternehmensentscheidungen. Im Zentrum der Arbeit steht die Entwicklung eines konzeptionellen Modells, das aufzeigt, welchen Effekt die affektiven Zustände des Top Managements (welches Teil der Organisation ist) auf den strategischen Entscheidungsprozess und die Beziehung zwischen strategischen Gelegenheiten, ihrer Bewertung und Ausnutzung haben. Auf Grundlage der bestehenden Forschungsliteratur wird der Einfluss affektiver Zustände auf die Wahrnehmung einer strategischen Gelegenheit, ihre Evaluation und die daraus resultierenden Handlungstendenzen dargestellt. Das Modell zeigt, dass affektive Zustände sich zum einen direkt auf die Wahrnehmung, Evaluation und Verhaltenstendenzen auswirken und zum anderen indirekt die Zusammenhänge zwischen diesen Prozessschritten systematisch beeinflussen. Diese Einflüsse affektiver Zustände sind überwiegend auf die Informationsverarbeitung (in Form von Primings) und zum anderen auf den heuristischen Wert affektiver Zustände zurückzuführen. Die Arbeit schließt mit Implikationen und Ausblicken für die strategische und organisationstheoretische Forschung und Praxis.
Managementforschung 20 (2010), hrsg. von G. Schreyägg und P. Conrad Gabler Verlag. Wiesbaden, S. 79-112
G. Scrlreyögg, P. Conrad (Hrsg.), Organisation und Strategie, DOI 10.1007/978-3-8349-8982-6_3, © Gabler Verlag ISpringer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Theresa Michl/ Isabell M. Welpe/ Matthias Spörrle/Arnold Picot
Abstract This work addresses the influence of affective states on organizations' strategie decisions. The focus of this work is the development of a conceptual model which illustrates what effect the affective states of the top management (which is part of the organization) have on strategie decision-rnaking processes and the relationship between strategie opportunities, their evaluation and exploitation. On the basis of existing research literature the influence of affective states on the perception of a strategie opportunity, its evaluation and the resulting behavior intentions is demonstrated. The model shows that affective states, on one hand, influence perception, evaluation and behavior intentions directly and on the other hand systernatically influence the relationship between these procedural steps. These influences of affective states are predorninantly the cause of information processing (prirning) and of the heuristic value of affective states. The work closes with implications and outlooks for strategie and organizational research and practice.
Inhaltsübersicht 1
Zielsetzung und Forschungsfragen
2
Theoretische Grundlagen 2.1 Strategische Prozesse in Organisationen 2.2 Upper Echelon Theorie 2.3 Die Auswirkungen affektiver Zustände im strategischen Entscheidungsprozess 2.3.1 Begriffsdefinition und -abgrenzung 2.3.2 Affekte als Informationen 2.3.3 Stirnrnungsabhängiges Gedächtnis 2.3.4 Beeinflussung kognitiver Prozesse durch affektive Zustände
3
Entwicklung des konzeptionellen Modells zum Einfluss affektiver Zustände im Strategieprozess 3.1 Positive Affekte im Organisationskontext 3.2 Negative Affekte im Organisationskontext 3.3 Generierung von Propositonen
4
Implikationen und Ausblick für Forschung und Praxis 4.1 Implikationen und Ausblick für die strategische und organisationstheoretische Forschung 4.2 Implikationen und Ausblick für die strategische und organisationstheoretische Praxis
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Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
,,[. ..] it is unclear how psychological [. ..] forces injiuence firms when economic rationaiity does not dictate an obvious course of action. Integrating these factors would make a major contribution to understanding strategie action [...]" (ThomaslPruett 1993, S. 8)
1
Zielsetzung und Forschungsfragen
Die Forschungsfelder Strategie und Organisation sind traditionell eng miteinander verbunden. Während ursprünglich in der Forschung vor allem der Einfluss der gewählten Unternehmensstrategie auf die Organisation und ihre Struktur und Ausgestaltung ("structure follows strategy") untersucht und beschrieben wurde (Chandler 1962; Daniels et al. 1984; Egelhoff 1982), finden sich seit Rumelt (1974) auch vermehrt Veröffentlichungen, welche den Einfluss der Organisation auf die Strategie ("strategy follows structure") zum Untersuchungsgegenstand haben (z.B. Burgelman 1983; Dess et al. 1999; Faulkner 2002; Hall/Sais 1980). Die bisherige Forschung ist sich noch nicht über die direktionale Beziehung zwischen Organisation und Strategie einig und bei Betrachtung der Argumentationen erscheinen beide Positionen gültig (z.B. Burgelman 1983; Galbraith/Nathanson 1979; Hall/Sais 1980; Schewe 1998; Schreyögg 2008). Picot et al. (2008, S. 240) schlagen zur Lösung dieser scheinbar gegensätzlichen Forschungsansätze vor, dass kurzfristig die gegebene Organisationsstruktur die Handlungsmöglichkeiten der Mitglieder der Unternehmensfiihrung und somit auch die organisationalen Ziele beeinflusst, langfristig jedoch die Organisationsstruktur durch die Bewältigung strategischer Aufgaben durch die Entscheidungsträger der Organisation unter Wettbewerbsbedingungen bestimmt wird. Der Forschungsansatz "strategy follows structure" geht somit davon aus, dass die strategischen Entscheidungen in Unternehmen durch die Besonderheiten der Organisation sowie ihres Umfelds bestimmt werden (z.B. Barringer/Bluedorn 1999; Chakravarthy 1987; Child 1972; Rumelt 1974). Da sich Organisationen als soziale Systeme aus ihren individuellen Mitgliedern zusammensetzen (Picot et al. 2008), hat die bisherige Forschung danach gesucht, was diese Mitglieder beeinflusst und prägt, um das strategische Handeln in Organisationen besser verstehen oder sogar voraussagen zu können. Dabei wurden bereits Merkmale des Top Managements in der sogenannten Upper Echelon Theorie hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf strategische Prozesse untersucht (Canella et al. 2001; Carpenter et al 2004; Finkelstein/Hambrick 1996; Hambrick/Mason 1984). Gemäß der Upper Echelon Theorie sind die demographischen Variablen des Top Managements als Ein81
Theresa Michl/ Isabell M. Welpe/ Matthias Spörrle/Arnold Picot
flussfaktoren auf strategische Entscheidungen von besonderem Interesse (Acedo/ Florin 2006; Hambrick/Mason 1984). Daneben gibt es aber auch Studien, die sich im strategischen Entscheidungsprozess mit den Kognitionen von Top Managern (managerial cognitions) (z.B. Hodgkinson et al. 1999; Huff 1990; Schwenk 1984; Tikkanen et al. 2005) und deren kognitiven Landkarten (cognitive maps) befasst haben (z.B. Axelrod 1976; Stubbart 1989). Diese Forschungsarbeiten konnten zeigen, dass bestimmte Kognitionen wie beispielsweise das Wissen (Hambrick/Mason 1984), die individuellen und kollektiven Meinungen und Präferenzen (z.B. Markoczy 1997; Tegarden et al. 2009), die kognitive Repräsentation der Umwelt (Nadkarni/Barr 2008), kognitive Verzerrungen (z.B. Hodgkinson et al. 2002) sowie die kognitive Diversität unter Top Managern (z.B. Miller et al. 1998) das strategische Entscheidungsverhalten in Organisationen in erheblichem Maße systematisch beeinflussen (z.B. Carpenter et al. 2004; Chaganti/Sambharya 1987; Miller et al. 1998; Sambharya 1996; Schwenk 1995). Obwohl also bereits eine Gruppe psychologischer Individualmerkmale Einzug in die Upper Echelon Theorie gehalten hat, wurden weitere psychische Komponenten bislang noch nicht beachtet. Die vorliegende Arbeit möchte den Fokus auf eine weitere solche Komponente lenken, für die seit langer Zeit bekannt ist, dass sie kognitive Prozesse sowie Verhaltensintentionen in systematischer Weise beeinflusst und somit für strategische Unternehmensentscheidungen als unmittelbar relevant anzusehen ist, die aber gleichwohl in diesem Kontext bislang noch nicht systematisch betrachtet wurde: In der vorliegenden Arbeit werden wir uns mit den Auswirkungen von Emotionen und Stimmungen, generell Affekten, auf strategische Unternehmensentscheidungen befassen. Die bestehende Forschungsliteratur macht deutlich, dass Affekte vor allem in unsicheren, risikoreichen Situationen eine Rolle spielen (Forgas 1995, 2000; Forgas/George 2001), in Situationen, die nicht (hinreichend vertraglich) abgesichert werden können und volatil sind. Affekte können somit gerade in solchen unsicheren unvorhersehbaren Situationen, wie sie bei strategischen Entscheidungssituationen meist vorliegen, den Ausschlag für oder gegen eine Entscheidung geben. Denn typischerweise treffen Top Manager strategische Entscheidungen in einer tendenziell wenig vorhersehbaren, unsicheren und sich schnell verändernden Umwelt, in der sie sich nicht einfach nach bestimmten gut gelernten kognitiven Skripten richten können, sondern nach ihrem "Bauchgefühl" (d.h. ihrer Intuition) entscheiden müssen (Gigerenzer 2007).1 Dieser Beitrag adressiert zwei Forschungslücken: Erstens ist die Rolle affektiver Zustände der Unternehmensführung von der bisherigen Forschung unzureichend beachtet worden. Wie oben aufgezeigt, belegen mehrere Studien die Auswirkungen von demographischen Charakteristika und bestimmten Kognitionen von Top Managern auf strategische Entscheidungen. Eine reine Betrachtung der demographischen Charakteristika oder der Kognitionen von Top Managern reicht aber noch nicht aus, um die Zusammenhänge zwischen Merkmalen, strategischen Gelegenheiten und strategischen Entscheidungen zu erklären (Hambrick 2007; Stubbart 1989; Thomas/pruett
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Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
1993). Denn bislang konnten keine stabilen Zusammenhänge zwischen den Demografika, als Proxys für die eigentlich von Interesse stehenden psychologischen Variablen, und den strategischen Entscheidungen von Top Managern festgestellt werden. Diese Forschungslücke wurde von der kognitiven Strategieforschung schon vereinzelt aufgegriffen, der Einbezug von anderen psychologischen Faktoren wie beispielsweise affektiven Zuständen ist bislang aber nur vereinzelt Gegenstand strategischer Entscheidungsforschung gewesen (z.B. Daniels 1999; Fong 2006; Mittal/Ross 1998; Olson et al. 2007). Während die klassische Perspektive von Hambrick und Mason (1984) die des Top Management Teams (collective cognitions, z.B. West 2007) ist, betrachtet dieser Beitrag die individuelle Ebene, die bislang noch unzureichend untersucht wurde (z.B. Bertrand/Schoar 2003; Carpenter et al. 2004; JensenlZajac 2004). Zweitens versucht dieser Beitrag in Ergänzung der bisherigen Upper Echelon Forschung, welche die Einflussfaktoren auf strategische Entscheidungen als Zeitpunkt untersucht, das unzureichende Verständnis von Prozessen vor der strategischen Entscheidung genauer zu beleuchten (Canella et al. 2001). Diese Forschungslücke ist vor allem Teil der kognitiven und der Upper Echelon Perspektive in der Strategieforschung und es wird von einigen Forschern angemerkt (z.B. Hambrick 2007; Hutzschenreuther/Kleindienst 2006; Müller-Stewens/Lechner 2005), dass der strategische Entscheidungsfindungsprozess und dessen Einflussfaktoren bislang noch zu wenig Gegenstand der Strategieforschung waren. Die Zielsetzung dieses Beitrags ist daher, ein konzeptionelles Modell zu entwickeln, welches den Einfluss von individuellen Mfekten auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess darstellt. Dieser Beitrag ist somit auch eine Antwort auf den Forschungsaufruf von Canella et al. (2001) und Hambrick (2007), die fordern, die Black Box, die zwischen den Charakteristiken von Top Managern und den strategischen Ergebnissen durch den Einbezug von psychologischen Prozessen steht, zu öffnen. Der vorliegende Beitrag geht zunächst auf die bisherige Forschung zu Strategieprozessen, zur Upper Echelon Theorie und zu affektiven Zuständen im strategischen Entscheidungsprozess ein. Im Anschluss entwickeln wir ein konzeptionelles Modell, welches den Einfluss von Affekten auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess darstellt. Abschließend nennen wir Implikationen und Ausblicke für die Forschung und Praxis im Bereich Strategie und Organisation.
83
Theresa Michl/ Isabell M. Welpe/ Matthias Spörrle/Arnold Picot
2
Theoretische Grundlagen
2. 1
Strategische Prozesse 'in Organisationen
In Anlehnung an Hutzschenreuther und Kleindienst (2006) unterscheiden wir im stra-
tegischen Entscheidungsprozess die folgenden Komponenten: die Entscheidungsträger strategischer Entscheidungen, der strategische Entscheidungsgegenstand (z.B. eine strategische Gelegenheit) und die strategischen Handlungen bzw. Handlungsintenti0nen.
Die strategische Gelegenheit steht im Zentrum des strategischen Entscheidungsprozesses und daher auch im Zentrum unseres Modells. Allgemein versteht man unter einer strategischen Gelegenheit die Einführung neuer oder neuartiger Produkte auf den Markt und die neuartige Kombination von Ressourcen zur Erzielung einer höheren Wertschöpfung (Schumpeter 1934). Demell et al. (2003) bezeichnen eine strategische Gelegenheit aufbauend auf dieser Definition auch als Möglichkeit, einen Arbitragenutzen zu erzeugen. Der Strategieentscheidungsprozess besteht für diesen Beitrag aus dem Erkennen, dem Wahrnehmen, dem Bewerten und der Entscheidung mit Blick auf eine strategische Gelegenheit. Ob und wie eine strategische Gelegenheit erkannt wird, hängt neben den im Zentrum dieses Beitrags stehenden affektiven Zuständen auch von einer Reihe weiterer Faktoren ab, wie z.B. den verfügbaren strategischen Frühwaminstrumenten. Das Ziel von Frühwarnsystemen ist, die unternehmerische Weitsicht auf die Signale des Marktes zu schärfen und somit eine ganzheitliche Perspektive auf Möglichkeiten und Bedrohungen zu erlangen. Somit können mit Hilfe von Frühwarnsystemen strategische Gelegenheiten aufgrund der erlangten Informationen schneller und besser gefunden oder geschaffen werden (Choo 2009). Bei tendenziell zufälligem Auftreten oder Auffinden von strategischen Gelegenheiten ist der darauffolgende Entscheidungsfindungsprozess eher als eine Reaktion auf die vorliegende strategische Gelegenheit zu sehen, was auch unter dem Begriff des Inkrementalismus (z.B. Heinze 2007) bekannt ist. Daneben steht der strategische Entscheidungsfindungsprozess als strategisch geplanter Prozess (z.B. Mende 2007), bei dem strategische Gelegenheiten gezielt geschaffen werden. Beide Auffassungen werden in der Literatur vertreten und haben sich als empirisch fruchtbar erwiesen. Unser Modell basiert auf der ersten Auffassung: Ein zu bewertender strategischer Gegenstand existiert in seinen Merkmalen zeitlich bereits vor der Entscheidung, nach ihm zu suchen und vor seiner Bewertung. Nach Auffinden einer strategischen Gelegenheit wird die Bewertung anhand der Merkmale dieser strategischen Gelegenheit und die anschließende strategische Entscheidung, diese strategische Gelegenheit auszunutzen oder nicht, durch affektive Zustände beeinflusst.
84
Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
Im Gegensatz zum sogenannten Mülleimer-Modell (Cohen et al 1972), das davon ausgeht, dass es im Rahmen von Entscheidungsprozessen zu zufälligen Entscheidungen kommt, vertritt dieser Beitrag den Standpunkt, dass strategische Entscheidungsprozesse nur sehr selten in zufällige Entscheidungen resultieren. Auch wenn kein vollständiger Determinismus formuliert werden kann und soll, so ist dennoch davon auszugehen, dass es nach dem Durchlaufen dieses Modells nicht zu einer rein zufälligen Entscheidung kommt, sondern zu einer, die von Merkmalen der strategischen Gelegenheit bestimmt ist und von deren durch Mfekte beeinflussten individuellen Wahrnehmung und Bewertung. Strategische Entscheidungen werden grundsätzlich als komplex und von höchster Bedeutung für die Organisation angesehen. Sie können formell oder informell, Entscheidungen oder Gegenentscheidungen, bedeutende administrative Entscheidungen sowie wettbewerbsbezogene Entscheidungen sein. Weiter stehen strategische Entscheidungen grundsätzlich im Gegensatz zu operativen Entscheidungen, obwohl in Ausnahmefällen operative Entscheidungen auch strategisch sein können (Hambrick/ Mason 1984).
2.2
Upper Echelon Theorie
Seit Hambrick und Mason (1984) hat die Strategieforschung vermehrt Interesse an den Mitgliedern des Top Managements, dem Upper Echelon, und insbesondere dem Einfluss ihrer Entscheidungen auf die Unternehmensstrategie gezeigt. In der Upper Echelon Theorie wird versucht, strategische Entscheidungen einer Organisation durch demographische, später auch durch kognitive Merkmale des Top Managements zu erklären. In diesem Sinne repräsentiert das Top Management einen Teil der Organisation. Die bisherige Forschung im Bereich der Upper Echelons zeigt den Einfluss individueller demographischer und ausbildungsbezogener Merkmale auf Strategie und strategische Entscheidungen einer Organisation (z.B. Acedo/Florin 2006; Hambrick/Mason 1984; Schrader 1995). In der bisherigen Interpretation der Befunde wird dabei das demographische Profil von Managern als ein Proxy für komplexere psychologische Faktoren wie Wahrnehmungen oder Kognitionen verwendet (Acedo/Florin 2006; Markoczy 1997). Jedoch zeigen die Forschungsergebnisse, dass Top Manager mit ähnlichem demographischem Hintergrund unterschiedlich auf gleiche Stimuli reagieren, was den Vorhersagewert von Modellen, die auf diesen Variablen basieren, reduziert. Daher sind zunehmend die individuellen kognitiven Prozesse anstatt demographischer Variablen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt (Markoczy 1997). Eine Reihe von Forschern plädiert dementsprechend für einen stärkeren Einbezug von psychologischen Variablen, da durch ihre Berücksichtigung die Entwicklung von Entschei-
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dungstechniken zur Entscheidungsfindung und -optimierung des Top Managements erreicht werden kann (z.B. Eden/Ackermann 1998; van der Heijden 1996). Studien, welche ganz in diesem Sinne die Kognitionen von Managern (managerial cognitions) im strategischen Entscheidungsprozess (z.B. Hodgkinson et al 1999; Huff 1990; Schwenk 1984) oder kognitive Landkarten (cognitive maps) untersuchen (z.B. Axelrod 1976; Stubbart 1989), zeigen, dass Kognitionen das strategische Entscheidungsverhalten in Organisationen in erheblichem Maße beeinflussen (z.B. Carpenter et al 2004; Chaganti/Sambharya 1987; Miller et al 1998; Sambharya 1996; Schwenk 1995; Tikkanen et al. 2005). Hodgkinson et al (1999) merken jedoch an, dass, obwohl diese Studien mit dem Einbezug von strategischen Kognitionen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von strategischen Entscheidungsprozessen leisten, sie nicht in der Lage sind, umfassende Entscheidungsmodelle zu ermitteln. Trotz des wichtigen Erklärungs- und Vorhersagebeitrags von Kognitionen zum strategischen Entscheidungsfindungsprozess, können strategische Entscheidungsmodelle noch nicht vollständig abgebildet werden, da bislang entscheidende psychologische Variablen, die in enger Wechselwirkung zu den Kognitionen stehen, vernachlässigt wurden. Daher versucht dieser Beitrag auf Grundlage und in Ergänzung der kognitiven Perspektive der Upper Echelon Theorie nach Hambrick und Mason (1984), die Betrachtung individueller Mfekte, Emotionen und Stimmungen des Top Managements in den strategischen Entscheidungsfindungsprozess zu integrieren. Dies wird in Abbildung 1 dargestellt.
Abb.1:
Ergänzung der Upper Echelon Perspektive um Affekte, Emotionen und Stimmungen nach HambricklMJlson (1984). Originalabbildung (in schwarz) von Hambrickl Mason (1984). Eigene Ergänzung (grau unterlegt) durch die Autoren
i-----------~~;,:;~:;~~-~~~~------------i Die objektive Situation (extern und intern)
::T---------------------- 'I II
~O~~:-:~~E~~~~-------j
A1:eObachtbare
i Stimmungen i
Funktionsbcn:ich Arbcimorfahnmg
! Emotionen ! Ko
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86
StratepKhe EntKheldunl
i::::::::::::::::::::::::::::
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·tionem
gm
Ausbildung Sozio-Dcmogmfika Finanzielle Stellung Gruppeochmakteristika
Produktinnovation Diversifizieru.ng Akquisitionen R1Ickwllrtllintcgration Vorwiirtsintegration
KapitaIinvestition Administrative Komplexitlt
I I
ProtitabiliUlt Wachstum Überleben
Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
2.3
Die Ausw'irkungen affektiver Zustände im strategischen Entscheidungsprozess
In den meisten betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen wurden Emotionen bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Fisher/Ashkanasy 2000; Hochschild 1983; Kroeber-RieVWeinberg 2008) lange Zeit ignoriert. Emotionen im Zusammenhang mit organisatorischen und wirtschaftlichen Prozessen werden jedoch von einigen Forschern mit der Verarbeitung von Informationen und dem Treffen von Entscheidungen in Verbindung gebracht (z.B. Baron 2000; Foo et al. 2009; Goss 2007; Schindehutte et al. 2006). Studien der Psychologie sprechen den Emotionen schon seit längerem eine bedeutende Rolle bei menschlichem Handeln und Verhalten zu, wenngleich sie in der Strategieforschung bisher nur sehr vereinzelt untersucht wurden (z.B. Fong 2006).
2.3.1
Begriffsdefinition und -abgrenzung
Zunächst sollen hier die Intuition und die verschiedenen affektiven Zustände definiert werden. Die Intuition unterscheidet sich grundsätzlich von Mfekt und Emotion, da hier eine intuitive Entscheidung kognitiv eher unbewusst und als Heuristik (naiv gesprochen: als Faustregel) getroffen wird. Affekt ist hingegen als die momentane Stimmung und die augenblicklichen Gefühle eines Einzelnen definiert. Stimmung und Affekt beschreiben dabei eine gemäßigtere emotionale Erfahrung, die nicht notwendigerweise eine eindeutige Ursache (ie. Stimulus) hat und länger andauert. Gefühle sind das, häufig bewusste, subjektive Erleben von Emotionen. Emotionen sind meist auf ein Objekt gerichtet und zeitlich begrenzt (Meyer et al. 2001). Seit William James (1884) wurde die Antwort auf die Frage "Was ist eine Emotion?" vehement diskutiert, und obwohl es viele Antwortversuche auf diese Frage in der Literatur gibt, existiert bis dato keine unangefochtene Definition. Scherer (2005, S. 696) kritisiert, dass William James besser die Frage "Was ist ein Gefühl?" als "Was ist eine Emotion?" hätte stellen sollen und bezeichnet das Aufzählen der Definitionen des Begriffes Emotion als "hoffnungslos". Auch wenn aufgrund unterschiedlicher theoretischer Grundannahmen in den Definitionen einer Emotion unterschiedliche Akzentuierungen vorgenommen werden, können doch einige zentrale Komponenten übergreifend festgehalten werden (vgl. Försterling/Spörrle 2005; Meyer et al. 2001): Emotionen sind momentane psychische Zustände von Personen, die eine bestimmte Qualität (positiv, z.B. Freude, oder negativ, z.B. Traurigkeit), Intensität (z.B. starke oder schwache Angstzustände) und Länge (z.B. vorübergehende oder dauerhafte Ängstlichkeit) haben. Emotionen sind in der Regel objektbezogen (anders als Stimmungen) und gehen mit einem bestimmten Erleben (Gefühl), mit physiologischen Veränderungen (z.B. Pulsschlag, Schweißabsonderung)
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Theresa Michl/ Isabell M. Welpe/ Matthias Spörrle/Arnold Picot
und bestimmten Verhaltensimpulsen (z.B. aus Angst weglaufen, verärgert die Zähne zeigen) einher. Daneben benennen einzelne Emotionstheorien (z.B. Ekman 1972, 1992; Scherer 2005) eine Anzahl grundlegende Emotionen wie Freude, Liebe, Angst, Trauer, Zorn, Empörung und Verwunderung. Scherer (2005) verweist zum Beispiel auf Freude, Angst, Traurigkeit und Zorn als typische wesentliche Emotionen, die häufig erlebt werden. Da einige Arbeiten zeigen konnten, dass sich negative Emotionen, auch wenn diese in eine ähnliche Richtung gehen, in ihrer WIrkung unterscheiden (z.B. hat Ärger eine aktivierendere Wirkung als Trauer), fokussieren wir uns in unserem Modell auf die negativen Mfekte von Angst und Traurigkeit sowie auf den positiven Affekt von Freude.
2.3.2
Affekte als Informationen
Die Forschungsarbeiten, die sich mit dem IIAffeet-as-Inforrnation"-Ansatz beschäftigen, gehen davon aus, dass Menschen affektive Zustände als Informationsquelle im Rahmen von Entscheidungen nutzen. Diese affektiven Zustände können zum einen von dem Objekt selbst, auf das reagiert wird, herrühren, können aber auch aus gänzlich anderen Quellen stammen (Oore/Huntsinger 2009). Positive Emotionen wie z.B. Freude suggerieren laut dieses Ansatzes, dass genügend Informationen vorhanden sind, dass die Situation günstig ist und dass wenig kognitiver Aufwand gefordert ist. Negative Emotionen wie z.B. Angst führen dagegen eher dazu, dass die Situation als bedrohlich angesehen wird und einer genaueren Überprüfung, d.h. systematischer Verarbeitung, bedarf (z.B. Oore et al. 1993; Schwarz/Oore 2003).
2.3.3
Stimmungsabhängiges Gedächtnis
Bisherige Arbeiten zum stimmungsabhängigen Gedächtnis und den damit verbundenen kognitiven Prozessen zeigen, dass gewisse Informationen in bestimmten Gemütszuständen aufgenommen, gespeichert und abgerufen werden (Baron 2008; Blaney 1986; Bower 1981; Eich et al. 1994). Personen erinnern sich vorwiegend an Dinge, welche sie in einer bestimmten Gemütsverfassung gelernt haben, wenn sie sich wieder in einem ähnlich emotionalen Zustand befinden. Zum Beispiel werden sich Top Manager bei einer Übernahmeentscheidung eher an gescheiterte Ergebnisse erinnern, wenn sie sich in einer negativen Stimmung befinden als an erfolgreiche Übernahmen. Hinzu kommt, dass, wenn sich Personen in einer negativen (positiven) Gemütsverfassung an negativere (positivere) Situationen erinnern, dadurch der gegenwärtige negative (positive) emotionale Zustand verstärkt wird und sich die Personen umso schlechter (bes-
88
Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
ser) fühlen. Dies beeinflusst Entscheidungen dahingehend, dass lediglich stimmungsabhängige Informationen in das Gedächtnis gerufen werden, worauf die jeweilige Entscheidung dann basiert. Das Affect Infusion Model (AlM, Forgas 1995) nimmt an, dass die Stärke der Emotion die Urteilskraft einer Person beeinflusst, dass dies aber interessanterweise nicht konsistent und linear geschieht. Es zeigt, dass Emotionen die Wahrnehmung von beispielsweise Objekten, Erfahrungen, Leuten etc. beeinflussen, wobei Personen in positiven Emotionen dazu neigen, ihre Umwelt als positiver wahrzunehmen, und Personen in negativen Emotionen dazu neigen, ihre Umwelt eher negativ zu betrachten (z.B. Baron 2008; Forgas 1995, 2000). Zum Beispiel bewerten glückliche Personen ihre Situation als positiver (was nicht zwangsläufig so sein muss), wohingegen unglückliche Personen ihre Situation als negativer sehen.
2.3.4
Beeinflussung kognitiver Prozesse durch affektive Zustände
Kognitive Prozesse sind im Allgemeinen Vorgänge, in welchen Informationen erlangt, gespeichert, umgeformt und genutzt werden können (z.B. Mitchell et al. 2002). Grundsätzlich tendieren Personen in positiven Emotionen eher zu höherer Wachsamkeit, was dazu führt, ein breiteres Spektrum an Stimuli wahrzunehmen als Menschen in negativen Emotionen (z.B. Isen 2002; Schiffmann 2005). Daher sind Top Manager in positiven Emotionen eher in der Lage, strategische Gelegenheiten wahrzunehmen und als positiv zu bewerten als Top Manager in negativen Emotionen. Weiter wurde gezeigt, dass positiver Affekt die Kreativität steigern kann (z.B. Isen 1993) und dass Kreativität Signifikant mit der Erkennung von strategischen Gelegenheiten verbunden ist (z.B. Hills et al. 1999). Denn positiver Mfekt begünstigt sogenannte kreative Kognitionen, worunter Prozesse verstanden werden, welche bestehende kognitive Konzepte, Prototypen und Schemata so erweitern oder kombinieren, dass neue Ideen und Assoziationen entstehen, welche vorher nicht verfügbar waren (Ward 2004). Somit führen positive affektive Zustände über die kreative Kombination kognitiver Strukturen zu einer erhöhten Erkennung strategischer Gelegenheiten. Daneben konnte aber auch gezeigt werden, dass negativer Mfekt unter bestimmten Umständen, z.B. wenn kreative Ergebnisse klar mit der Erkennung strategischer Gelegenheiten und Belohnungen in Verbindung gesetzt werden, die Kreativität erhöht, da Personen in negativen affektiven Zuständen ein Anreiz gegeben wird, sich um kreative Ergebnisse zu bemühen (George/Zhou 2002). Obwohl Kreativität auch bei Personen in negativen affektiven Zuständen gefördert werden kann, ist diese tendenziell nicht so stark ausgeprägt wie bei Personen in positiven affektiven Zuständen (z.B. Baron 2008).
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Personen in positivem Affekt gelten aber auch durch die gesteigerte Kreativität und die dadurch höhere kognitive Flexibilität als leichter aus dem Konzept zu bringen (z.B. Dreisbach/Goschke 2004), was zeigt, dass Personen in positivem Affekt zwar kognitiv flexibler, aber dadurch auch leichter ablenkbar sind. Dies ist relevant für den strategischen Entscheidungsfindungsprozess, da Top Manager in positiven affektiven Zuständen zwar mit höherer Wahrscheinlichkeit strategische Gelegenheiten erkennen, im Prozess bis zur strategischen Entscheidung jedoch auch mit höherer Wahrscheinlichkeit von anderen Reizen abgelenkt werden und sich dadurch der Entscheidungsfindungsprozess, neben der veränderten Informationsverarbeitung von Personen in positiven affektiven Zuständen, verzögern wird. Wie bereits oben angedeutet, führt starker positiver Affekt vermehrt zu kognitiven Strategien, mit denen ein höheres Stressniveau bewältigt und ertragen werden kann (CarverlScheier 2001). Während Personen unter leichtem Stress konzentrierter und motivierter an ihre Aufgaben herangehen, können Personen unter starkem Stress nicht mehr fähig sein zu "denken" - ein sogenannter black out - und können nicht einmal mehr die einfachsten Zusammenhänge erklären. Personen in positiven affektiven Zuständen können jedoch zum einen starken Stress besser tolerieren und bewältigen als Personen in neutralen oder negativen affektiven Zuständen, da sie eher effektive Strategien adoptieren, beispielsweise indem Stress auslösende Entscheidungen nicht aufgeschoben oder vermieden, sondern sofort angegangen werden. Zum Zweiten können Personen in positiven affektiven Zuständen starken Stress besser tolerieren und bewältigen, da durch effektive Stressbewältigungsstrategien das Immunsystem und somit die Gesundheit unterstützt und gestärkt wird (Booth/Pennebaker 2000; Lyubomirsky et al. 2005). Gerade das Top Management, das täglich unter hohem Leistungsdruck steht, muss Stress effektiv tolerieren und bewältigen können, um die richtigen strategischen Entscheidungen treffen zu können. Wenn Personen starken positiven Affekt empfinden, werden die Kapazitäten systematisch zu denken und Informationen genau zu beurteilen, deutlich reduziert (Baron! Ensley 2006; Ruder/Bless 2003). In den frühen siebziger Jahren haben Tversky und Kahneman (1974) eine Ausrichtung der Forschung begründet, welche die Literatur über Entscheidungsfindung seither stark beeinflusst. Sie zeigen, dass Menschen kognitive Heuristiken benutzen, d.h. bestimmte Faustregeln, um "schnelle und einfache" Entscheidungen zu treffen, was die Komplexität einer Entscheidung subjektiv reduziert und mehr kognitive Kapazitäten für die Bewältigung anderer Aufgaben zur Verfügung lässt (Erez/Isen 2002). Die Heuristik im Allgemeinen ist sehr nützlich, kann jedoch zu systematischen und schwerwiegenden Fehlern führen wie z.B. kognitiven Verzerrungen. Denn neuartige Entscheidungen erfordern häufig bislang nicht angewandtes oder relevantes Wissen, das bei der Anwendung einer Heuristik nicht berücksichtigt wird (Isen 2000). Starker positiver und negativer Affekt verstärken die Tendenz, eine Heuristik in Anspruch zu nehmen, also eine "Abkürzung" im Gedankengang vorzunehmen, die sich
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Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
auf die Entscheidungen aus früheren Erfahrungen stützt, wobei eine Heuristik eher in positiven als in negativen affektiven Zuständen herangezogen wird (z.B. Baron 2008). Personen in positiven Gemütszuständen bedienen sich wahrscheinlicher Heuristiken als solche in negativen Gemütszuständen, da sie den positiven Zustand nicht durch die Anstrengung des systematischen Denkens gefährden wollen (z.B. Mackie/Worth 1989; Park/Banaji 2000). Andere Untersuchungen hingegen zeigen, dass Personen in positiven affektiven Zuständen mehr zu systematischem Denken neigen, wenn klare Anzeichen in einer bestimmten Situation die Anstrengung dieser kognitiven Aktivität verlangen (z.B. Lyubomirski et aL 2005). Im strategischen Entscheidungsfindungsprozess können Top Manager in positiven affektiven Zuständen daher eine Heuristik umgehen, wenn ihnen beispielsweise klar gemacht wird, dass sie die Verantwortung für diesen Prozess und die strategische Entscheidung tragen. Die Übertragung der Verantwortung des strategischen Entscheidungsfindungsprozesses und der daraus folgenden Entscheidung dienen als klares Zeichen für das Top Management, analytischer und genauer an die strategische Entscheidungsfindung heranzugehen und sich nicht auf eine Heuristik zu stützen.
3
Entwicklung des konzeptionellen Modells zum Einfluss affektiver Zustände im Strategieprozess
In den nachfolgenden Abschnitten wird auf Grundlage bestehender empirischer For-
schung ein konzeptionelles Modell zum Einfluss von affektiven Zuständen des Top Managements auf die Beziehung zwischen strategischer Gelegenheit und strategischer Entscheidung im strategischen Entscheidungsfindungsprozess entwickelt. Ausgangspunkt unseres Modells (vgl. Abb. 2) sind eine strategische Gelegenheit und ihre objektiven Merkmale wie z.B. Gewinn und Erfolgswahrscheinlichkeit. Objektive strategische Gelegenheiten werden subjektiv repräsentiert und wahrgenommen, d.h. dass nicht alle objektiv vorhandenen Merkmale einer Gelegenheit von den Personen in einer Situation auch wahrgenommen werden. Die Wahrnehmung bzw. die NichtWahrnehmung von Merkmalen ist jedoch ein entscheidender Schritt im Strategieprozess, da nur wahrgenommene Merkmale Handlungswirksamkeit entfalten können. Nach der subjektiven Wahrnehmung von Merkmalen erfolgt deren Evaluation und im Anschluss an diese die Entscheidung für oder gegen eine Handlung. Somit entsteht ein dreistufiges Modell, in welchem es, obwohl die zugrunde liegenden Prozesse sehr schnell stattfinden, konzeptionell hilfreich ist, zwischen diesen Prozessen zu unterscheiden und sie voneinander abzugrenzen.
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Konzeptionelles Modell zum Einfluss von Affekten aufdie Wahrnehmung, Evaluation und Exploitation strategischer Gelegenheiten
Abb.2:
- Affekte -Emotionen - Stimmungen
a strategische Gelegenheit
I
- Affekte - Emotionen - Stimmungen
~
Wahrnehmung der ~ , 1 ,. strategischen Gelegenheit
4
a
- Affekte -Emotionen - Stimmungen
~
It .... 2
Evaluation der strategischen Gelegenheit
i
a
It 3
5
~
, Exploitation der ,
strategischen Gelegenheit
l'
Abbildung 2 zeigt ein konzeptionelles Modell, das es ermöglicht, affektive Zustände im strategischen Entscheidungsfindungsprozess genauer zu untersuchen: Zum einen wirken affektive Zustände direkt auf die Wahrnehmung, Evaluation und Ausnutzungstendenz einer strategischen Gelegenheit (b); zum anderen wirken affektive Zustände auch systematisch auf die Zusammenhänge zwischen diesen drei einzelnen Prozessschritten (a). In der bisherigen Literatur sind verschiedene Charakteristika strategischer Gelegenheiten zu finden, welche die Evaluation einer strategischen Gelegenheit (Pfad 4) und die Entscheidung, diese auszunutzen (Pfad 5), beeinflussen. Bei der Evaluation einer Geschäftsidee legen sowohl Unternehmer als auch Manager ihr Augenmerk auf Kenngrößen wie den Break-Even, die mögliche Marktgröße, den möglichen Gewinn, eventuelle staatliche Förderung und das Verhältnis von Investitionen zum gesamten Anlagevermögen (Busenitz/Barney 1997). Bei der Exploitation einer strategischen Gelegenheit kann man behaupten, dass eher strategische Gelegenheiten mit großer Nachfrageerwartung, hohen Gewinnen für die Industrie, jungem Technologielebenszyklus, gemäßigtem Wettbewerb in der Branche, günstigen Krediten und hohen Marktzutrittsbarrieren für künftige Wettbewerber ausgenutzt werden (z.B. ShaneNenkataraman 2000). Zudem steigt die Wahrschein-
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Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
lichkeit, eine strategische Gelegenheit auszunutzen, wenn die Wertschöpfung dieser Gelegenheit die Kosten, die entstehen, um diesen Wert zu erzeugen, überwiegen, genug verfügbares Kapital vorhanden ist, starke soziale Verbindungen zu Produzenten existieren, nützliche Informationen/nützliches Wissen aus früherer Erfahrung gegeben, die Übertragbarkeit dieser Informationen/dieses Wissens möglich ist und unternehmerische Erfahrung existiert (Companys/McMullen 2007; Denrell et al. 2003; ShaneNenkataraman 2000). Andere Studien zeigen, dass eine geringere Wahrscheinlichkeit und Höhe von eventuellen finanziellen Verlusten genau wie ein geringer eingeschätztes Risiko ausschlaggebend für die Entscheidung sind, eine strategische Gelegenheit zu nutzen (McNamara/Bromiley 1997; Palich/Bagby 1995; Simon et al. 1999). Auf diese beiden Verbindungen wird im Folgenden nicht näher eingegangen, sie sind jedoch ein nicht zu vernachlässigender Aspekt in dem Modell. Es soll hier lediglich deutlich gemacht werden, dass bereits einige Charakteristika strategischer Gelegenheiten untersucht wurden, die die Evaluation strategischer Gelegenheit und die Ausnutzungsentscheidung begünstigen und verschlechtern können. Eine mögliche Akquisition könnte beispielsweise eine strategische Gelegenheit darstellen/ welche als Charakteristika z.B. die Höhe des potenziellen Gewinns, das Risiko des Misserfolgs oder die Akquisitionserfahrung der betroffenen Parteien aufweist. Diese Charakteristika werden die Evaluation dieser strategischen Gelegenheit und die darauf folgende Entscheidung, diese strategische Gelegenheit auszunutzen oder nicht, beeinflussen. In den folgenden beiden Abschnitten werden kurz die Kerneffekte positiver und negativer affektiver Zustände im Organisationskontext dargelegt, bevor dann anschließend konkrete Propositionen aus dem Modell generiert werden.
3.1
Positive Affekte im Organisationskontext
Es gibt zahlreiche Studien, die nützliche Effekte von positivem Mfekt für Entscheidungsverhalten aufzeigen, und obwohl postuliert wurde, dass zum Beispiel Leidenschaft/ Enthusiasmus und Zuneigung (allesamt verwandt mit Emotion, aber nicht gleichzusetzen mit diesen, da sie sich aus Korrelaten verschiedener Emotionen zusammensetzen) wichtige Impulse beim Treffen von strategischen Entscheidungen geben (Baum/Locke 2004; Cardon et al. 2005; Smilor 1997)/ wurden positive affektive Zustände bislang kaum in empirische Untersuchungen mit einbezogen. Einige Studien konnten bereits zeigen, dass positive Mfekte zu effizienteren Entscheidungen (z.B. Estrada et al 1997; Isen 2000)/ größerer Anteilnahme an Aufgaben (z.B. Lyubomirsky et al 2005)/ zu besserer Herangehensweise an Aufgaben (z.B. Baron 2000; Krause 2004) und zu einem höheren Bewältigungspotenzial von Stress führen (Carver/Schleier 2001). Einige Studien (z.B. Ardichvili et al. 2003; Baron 2004/ 2008; Forgas 2000) weisen
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aber auch auf einige negative Auswirkungen von positiven Affekten hin und zeigen, dass positive Emotionen, wie beispielsweise Freude, dazu verleiten können, nicht alle möglichen Entscheidungsoptionen und -konsequenzen in vollem Umfang mit einzubeziehen, was folglich in voreiligen und verfrühten Entscheidungen resultiert (z.B. Bless 2001). Es wurde auch gezeigt, dass positive Emotionen oft die Risikobereitschaft einer Person erhöhen, da man optimistischer ist und sich eher dazu in der Lage fühlt, mit eventuell auftretenden Problemen fertig zu werden (z.B. Busenitz/Barney 1997; Weiss 2002). Zudem gibt es Nachweise (z.B. Cacioppo et al. 1993), dass Emotionen ansteckend sind und, wenn sie positiv sind, ertragreich sein können, da man Investoren, Angestellte und Kunden leichter überzeugen kann. Alle diese positiven und negativen Auswirkungen des positiven Affekts sind relevant für den strategischen Entscheidungsfindungsprozess und zeigen anhand oben aufgeführter Beispiele, dass die Auswirkungen des positiven Affekts auf strategische Entscheidungen differenziert betrachtet werden müssen, um diese gezielt verstärken oder reduzieren zu können.
3.2
Negative Affekte im Organisationskontext
Negativer Affekt hat nicht exakt die entgegengesetzten Auswirkungen verglichen mit positivem Affekt, sondern die Auswirkungen negativen Affekts auf strategische Entscheidungen sind komplexer, da sie inkonsistenter wirken als bei positivem Affekt. Man hat grundsätzlich herausgefunden, dass negativer Affekt dazu führt, dass etwas vermieden oder umgangen wird (z.B. Krause 2004), sodass viele vorteilhafte strategische Gelegenheiten aufgrund negativer affektiver Zustände des Top Managements nicht ausgenützt werden. Zudem kann negativer Affekt einerseits Risikoaversion fördern, was dazu führt, dass nur noch Entscheidungen getroffen werden, wenn diese als absolut sicher gelten, um Risiken zu minimieren und negative Resultate zu vermeiden. Andererseits konnte aber auch gezeigt werden, dass negativer Affekt zu risikoreichen Entscheidungen führt, wenn keine schwerwiegenden Konsequenzen zu erwarten sind (Lyubomirski et al. 2005), was aber im vorliegenden Fall von strategischen Entscheidungen nicht zutrifft, da strategische Entscheidungen meist weit reichende und schwer reversible Konsequenzen haben. Negativer Affekt kann so wie positiver Affekt ansteckend sein (z.B. Baron 2008). Beispielsweise kann negativer Affekt auf die Stakeholder des Unternehmens (z.B. Investoren, Kunden, Angestellte) und deren soziale Netzwerke übertragen werden, was dazu führen kann, dass Top Manager in negativen affektiven Zuständen wenig oder keine Unterstützung erhalten. Wenig oder keine Unterstützung der Stakeholder und deren soziale Netzwerke wird dabei den strategischen Entscheidungsfindungsprozess und auch den Erfolg der daraus resultierenden strategischen Entscheidung negativ beeinflussen, da ein umfangreiches soziales Netzwerk als entscheidender Erfolgsfaktor für
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Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
die Realisierung strategischer Projekte angesehen wird (z.B. Birley 1985; de Koning 1999; Low/McMillan 1988; Ozgen/Baron 2007).
3.3
Generierung von Propositonen
In diesem Abschnitt sollen nun drei übergreifende und mehrere untergeordnete Pro-
positionen aus dem in Abbildung 2 vorgestellten konzeptionellen Modell abgeleitet werden. Die drei übergreifenden Propositionen beziehen sich jeweils auf die Zusammenhänge der einzelnen Prozessschritte. Die untergeordneten Propositionen 1a, 2a und 3a adressieren die Moderationswirkungen von affektiven Zuständen auf die Zusammenhänge der einzelnen Prozessschritte; die untergeordneten Propositionen 1b, 2b und 3b drücken die direkte Wirkung affektiver Zustände auf die Wahrnehmung, die Evaluation und die Exploitation einer strategischen Gelegenheit aus.
Propositionen 1: Zusammenhang zwischen objektiver und subjektiver strategischer Gelegenheit In Abkehr vom radikalen Konstruktivismus, soll hier davon ausgegangen werden, dass objektive Gegebenheiten, wie beispielsweise die objektiven Merkmale einer strategischen Gelegenheit, als subjektive Wahmehmungsgrundlage für diese dienen. Ob und wie objektive Merkmale strategischer Gelegenheiten wahrgenommen werden, hängt jedoch von den individuellen und subjektiven Repräsentationen der objektiven Gegebenheiten ab. Somit ergibt sich die erste Proposition zum Zusammenhang zwischen objektiven und subjektiven Merkmalen strategischer Gelegenheiten.
Proposition 1: Die objektiven Merkmale einer strategischen Gelegenheit (z.B. Profit und ErfolgswahrscheinlichkeiO beeinflussen die subjektive Wahrnehmung der strategischen Gelegenheit.
Propositionen 1a: Moderationswirkung von affektiven Zuständen zwischen objektiven und der subjektiven strategischen Gelegenheiten Dieser Zusammenhang zwischen den objektiven und subjektiven Merkmalen strategischer Gelegenheiten kann nun durch affektive Zustände beeinflusst werden. Affektive Zustände können dazu führen, dass objektive Gegebenheiten beispielsweise schneller oder langsamer wahrgenommen werden. Da Menschen in positiven Affekten bestrebt sind, diesen Zustand beizubehalten, neigen sie eher dazu, affektinkongruente
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(=negative) Situationsmerkmale auszublenden. Somit nehmen Menschen in positiven affektiven Zuständen eher positive Merkmale strategischer Gelegenheiten, aber nicht die negativen Merkmale wahr (Elfenbein 2007).
Proposition 1m: Negative affektive Zustände erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass affektkongruente (= negative) Merkmale der strategischen Gelegenheit wahrgenommen werden. Positive affektive Zustände erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass affektkongruente (=positive) Merkmale der strategischen Gelegenheit wahrgenommen werden. Zudem beeinflussen affektive Zustände den Zusammenhang zwischen objektiven und subjektiven Merkmalen strategischer Gelegenheiten dadurch, dass sich Menschen in negativen/positiven Stimmungen eher an negative/positive Ereignisse erinnern (Erinnerungskongruenz), welche dann mit dem vorliegenden Ereignis, den Merkmalen der strategischen Gelegenheit, abgeglichen werden. Aufgrund dieser "Preparedness", werden die entsprechenden objektiven Merkmale strategischer Gelegenheiten schneller bei Stimmungskongruenz als bei Stimmungsinkongruenz wahrgenommen.
Proposition 1a2: Negative Merkmale einer Situation werden in negativer Stimmung schneller wahrgenommen. Positive Merkmale einer Situation werden in positiver Stimmung schneller wahrgenommen.
Proposition Ib: Direkter Einfluss von affektiven Zuständen auf die Wahrnehmung strategischer Gelegenheiten Proposition Ib bezieht sich auf den direkten Einfluss affektiver Zustände auf die Wahrnehmung strategischer Gelegenheiten. Dabei wird angenommen, dass negative Stimmungen die Wahrscheinlichkeit einer breiten Informationssuche im Gegensatz zu positiven oder keinen Stimmungen reduzieren, da die objektiven Gegebenheiten durch die negative Stimmung als unsicher wahrgenommen werden (z.B. Bless 2001). Positive Stimmungen erweitern das Wahrnehmungsspektrum einer Person und somit können mehr externe Stimuli aufgenommen werden als in negativen Stimmungen, wo das Wahrnehmungsspektrum verkleinert wird (z.B. Baron 2008). Zudem wirkt positiver Mfekt als Aktivator für die Suche nach strategischen Gelegenheiten und verstärkt somit bewusst die Wahrnehmung von externen Ereignissen und Stimuli, wohingegen negativer Mfekt die Suche nach und Wahrnehmung von strategischen Gelegenheiten reduziert (Forgas 2000).
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Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
Proposition Ib: Eine positive Stimmungslage führt zu einer stärker kontextuellen und holistischen Wahrnehmung. Eine negative Stimmungslage führt zu einer weniger kontextuellen und holistischen Wahrnehmung. Propositionen 2: Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung und der Evaluation strategischer Gelegenheiten Als zweiter Prozessschritt befassen sich die Propositionen 2 zunächst mit dem Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung und der Evaluation der strategischen Gelegenheit. So wie die subjektive Wahrnehmung der objektiven Merkmale strategischer Gelegenheit auf individuellen Repräsentationen einer Person basiert, so beeinflusst auch die subjektive Wahrnehmung auf Basis individueller Repräsentationen die Evaluation der Merkmale strategischer Gelegenheiten. Damit ist es beispielsweise personenabhängig, ob die wahrgenommene Erfolgswahrscheinlichkeit einer strategischen Gelegenheit von 50% als hoch oder als niedrig bewertet wird
Proposition 2: Die subjektive Wahrnehmung strategischer Gelegenheiten (z.B. Profit und Erjolgswahrscheinlichkeit> beeinflusst die Evaluation strategischer Gelegenheiten.
Propositionen 2a: Moderationswirkung von affektiven Zuständen zwischen der Wahrnehmung und der Evaluation der strategischen Gelegenheiten Auch in dem Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung und der Evaluation strategischer Gelegenheiten spielen affektive Zustände eine Rolle. Negative Stimmungen führen zu einer stärkeren Gewichtung negativ wahrgenommener Merkmaler strategischer Gelegenheiten, da Menschen sich in negativen Stimmungen eher auf affektkongruente, negative Aspekte fokussieren.
Proposition 2m: Negative Stimmungen beeinflussen den Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Bewertung einer strategischen Gelegenheit und zwar derart, dass in negativer Stimmung negative Merkmale (z.B. niedriger Profit) stärker gewichtet werden und in positiver Stimmung positive Merkmale (z.B. hoher Profit) stärker gewichtet werden.
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Proposition 2a2: Negative Stimmungen führen zu einer elaborierteren Bewertung der subjektiv wahrgenommenen strategischen Gelegenheit. Positive Stimmungen führen zu einer weniger elaborierten Bewertung der subjektiv wahrgenommenen strategischen Gelegenheit.
Proposition 2b: Direkter Effekt von affektiven Zuständen auf die Evaluation strategischer Gelegenheiten Daneben postuliert Proposition 2b einen direkten Effekt affektiver Zustände auf die Evaluation strategischer Gelegenheit. Die Auswirkungen von Affekt auf Bewertungen und Urteile sind bereits mehrfach untersucht worden und haben gezeigt, dass Personen eher positive/negative Bewertungen abgeben, wenn sie in positiven/negativen Stimmungen sind (z.B. Forgas 1995, 2000).
Proposition 2b: Negative Stimmungen führen zu einer schlechteren Bewertung strategischer Gelegenheit. Positive Stimmungen führen zu einer besseren Bewertung der strategischen Gelegenheit.
Propositionen 3: Zusammenhang zwischen der Evaluation und der Exploitation strategischer Gelegenheiten Proposition 3 befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen der Evaluation und der Exploitation strategischer Gelegenheiten. Da die Evaluation strategischer Gelegenheit bislang als der direkte Vorläufer der Exploitation strategischer Gelegenheiten angesehen wurde, nehmen wir hier an, dass eine gute Bewertung einer strategischen Gelegenheit mit einer höheren Tendenz, diese strategische Gelegenheit auszunutzen, verbunden ist.
Proposition 3: Die Evaluation der strategischen Gelegenheit beeinflusst die Exploitation der strategischen Gelegenheit: Eine positive Bewertung führt zu einer erhöhten Ausnutzungstendenz.
Proposition 3a: Moderationswirkung von affektiven Zuständen zwischen der Evaluation und der Exploitation strategischer Gelegenheiten
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Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
Weiter wird eine Moderationswirkung affektiver Zustände in der Beziehung zwischen der Evaluation und der Exploitation strategischer Gelegenheiten angenommen. Obwohl eine gute Bewertung strategischer Gelegenheiten zu einer höheren Ausnutzungstendenz führt, indizieren aktuelle Ergebnisse (Michl et al. 2008), dass dieser Zusammenhang durch negative affektive Zustände reduziert wird. Also trotz guter Bewertung wird bei hohem negativem Affekt die Ausnutzungstendenz gering sein.
Proposition 3a: Negative affektive Zustände reduzieren den positiven Zusammenhang zwischen Evaluation und Exploitation. Positive affektive Zustände erhöhen den positiven Zusammenhang zwischen Evaluation und Exploitation.
Propositionen 3b: Direkter Effekt von affektiven Zuständen aufdie Exploitation strategischer Gelegenheiten Die folgenden beiden Propositionen 3bl und 3b2 stellen den direkten Effekt affektiver Zustände auf die Exploitation strategischer Gelegenheiten dar. Einerseits wird durch negative Affekte ein Vermeidungs- und Beibehaltungsaspekt ausgedrückt, andererseits durch positive Affekte ein Annäherungsaspekt (Brockner et al. 2004). Somit führen negative Affekte eher zu einer geringeren Verhaltenstendenz und positive Affekte eher zu einer höheren Verhaltenstendenz in Bezug auf die Exploitation strategischer Gelegenheiten (Elfenbein 2007):
Proposition 3bl: Negative affektive Zustände bedingen eine geringere Exploitationsneigung. Positive affektive Zustände bedingen eine höhere Exploitationsneigung. Proposition 3b2: Die von negativen affektiven Zuständen bereitgestellte Verhaltenstendenz zielt eher aufeine Beibehaltung der bestehenden Situation ab, wohingegen positive affektive Zustände eher eine Veränderung der Situation begünstigen. Zu Proposition 3b2 kann noch der differenzierende Hinweis gegeben werden, dass hier negative affektive Zustände zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Trauer bedeutet eher eine Lageorientierung, und für Wut und manche Formen der Angst ist eine Veränderungstendenz anzusehen.
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4
Impl.ikationen und Ausblick für Forschung und Praxis
4.1
Implikationen und Ausblick für die strategische und organisationstheoretische Forschung
Dieser Beitrag hat auf Grundlage der kognitiven Perspektive der Upper Echelon Theorie den Einbezug individueller affektiver Zustände des Top Managements in den strategischen Entscheidungsfindungsprozess dargestellt. Zukünftige Forschung sollte versuchen, die Propositionen empirisch zu untersuchen und auszudehnen. Wir argumentieren, dass affektive Zustände des Top Managements die einzelnen Schritte des strategischen Entscheidungsfindungsprozesses, also die Wahrnehmung, die Evaluation und die Ausnutzungsentscheidung, direkt beeinflussen. Daneben wirken die affektiven Zustände des Top Managements auch auf die Zusammenhänge der einzelnen Prozessschritte. Dieser Beitrag vertritt den Standpunkt, dass strategisches Entscheidungsverhalten ein interaktionales Resultat aus objektiven Gelegenheiten, deren subjektiven Beurteilung und der affektiven Zustände des Top Managements ist. Während dieser Beitrag seinen Fokus auf die Wirkung affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess und strategische Entscheidungen legt, sollten weitere Untersuchungen den wechselseitigen Einfluss von Affekten und Kognitionen im strategischen Entscheidungsfindungsprozess sowie auf strategische Gelegenheiten untersuchen. Während frühere Entrepreneurship- und Strategieforschung ihren Fokus stets auf die Untersuchung objektiver Situationsmerkmale von strategischen Gelegenheiten sowie auf die Persönlichkeit der Entscheider und deren Einfluss auf strategische Entscheidungen legte, fordert dieser Beitrag den Einfluss von situationsspezifischen und psychologischen Faktoren, nämlich von Affekten, gleichermaßen einzubeziehen. Der Standpunkt, dass "objektive" Gelegenheiten nicht direkt die Ausnutzung strategischer Gelegenheiten beeinflussen, sondern dass subjektive Bewertungsprozesse sowie Affekte zentral für diese Entscheidung sind, erweitert durch den Einbezug subjektivevaluativer und affektiver Faktoren die vorhandene Literatur über das "IndividualOpportunity-Nexus-Paradigma" (Shane 2003).
Als Erweiterung dazu sollte auch über einen "Team-Opportunity-Nexus" nachgedacht werden, also die wechselseitige Betrachtung kollektiver Kognitionen (West 2007) und Affekte (Bramesfeld/Gasper 2010) in der Beziehung zwischen strategischen Gelegenheiten und strategischen Entscheidungen. Denn häufig werden strategische Entscheidungen nicht alleine von Einze1personen, sondern in (abteilungs- und hierarchieüber-
100
Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
greifenden) Teams getroffen. Die Zusammensetzung von Top Management Teams und deren Einfluss auf strategische Ergebnisse ist bereits Gegenstand bestehender Strategieforschung (z.B. Miller et al. 1998; Naranjo-Gil et al. 2008; Patzelt et al. 2008), und für eine umfassende Betrachtung und bessere Voraussage von strategischen Entscheidungen als organisationales Resultat ist es genauso wichtig, nicht nur den individuellen Top Manager, sondern auch das Top Management Team zu betrachten (Canella et al. 2001). Zur Untersuchung dieser kausalen Zusammenhänge zwischen strategischen Gelegenheiten und strategischen Entscheidungen bieten sich Experimente an, die ausgehend von einer strategischen Gelegenheit die Kognitionen und Affekte der Entscheidungsträger in ihren Auswirkungen untersuchen (z.B. Michl et al. 2008). Ein alternatives Experimentaldesign sind auch sogenannte Szenariostudien (auch bekannt als Vignettenstudien), wo Teilnehmer auf hypothetische, experimentell manipulierte Szenarien antworten. Die Teilnehmer werden gebeten, sich in das vorgegebene Szenario so gut wie möglich hineinzuversetzen, und ausgehend von diesem Szenario werden den Teilnehmern dann Fragen zu ihren innerpsychischen Prozessen, wie beispielsweise ihren Kognitionen und Mfekten, gestellt. Das vorgegebene Szenario könnte in diesem Fall die strategische Gelegenheit darstellen, von welcher die Merkmale manipuliert werden. Damit löst man das Problem des sogenannten "retrospective bias" (Shepherd/ Zacharakis 1999), da die Antworten auf das Szenario zum realen Zeitpunkt und nicht rückwirkend gegeben werden. Auch Priem (1992) empfiehlt explizit die Anwendung von Szenariostudien in empirischen Studien zum Einfluss von Managerkognitionen, und experimentelle Szenariostudien haben sich tatsächlich bereits als geeignet für die Analyse strategischer Entscheidungen erwiesen (z.B. Hodgkinson et al. 1999, 2002). Chung et al. (2005) vertreten die Meinung, dass Szenariostudien und "Real life Events" als äquivalent angesehen werden können.
4.2
Implikationen und Ausblick für die strategische und organisationstheoretische Praxis
Nach Knight (1964) kann die unterschiedliche Wahrnehmung bzw. Bewertung der objektiven Erfolgswahrscheinlichkeit einer strategischen Gelegenheit dazu führen, dass diese ausgenutzt wird oder nicht. Um sich dafür zu entscheiden, eine unsichere Gelegenheit auszunutzen, muss der vom Entscheider angesetzte Erwartungswert der Ausnutzung einer Gelegenheit die Opportunitätskosten einer alternativen Zeitverwendung übersteigen und zusätzlich eine Prämie für die Übernahme von Risiko und Liquiditätseinbuße gewähren (z.B. Demell et al. 2003). Dabei wird die Höhe des Erwartungswertes vom objektiven Wert der Gelegenheit und von psychologischen sowie von nicht-psychologischen Faktoren des Entscheiders, wie dem Zugang zu Informati101
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onen, bestimmt (Shane 2003). Somit können die kontextuellen als auch die individuellen Faktoren, wie die unterschiedlichen positiven oder negativen Affekte, einen großen Erklärungsbeitrag dazu leisten, warum bestimmte Top Manager strategische Gelegenheiten erkennen und dann auch ausnützen, während andere Top Manager diese nicht erkennen oder realisieren, wobei Letzteres eine notwendige Bedingung für innovatives unternehmerisches Handeln ist. Daher spielen in Anbetracht von strategischem Handeln die Interpretationsschemata und Bewertungssysteme von Top Managern eine wichtige Rolle. Da Bewertungssysteme offen für den Einfluss von Ausbildung sind, kann dies eine viel versprechende Verbindung zur Motivation von unternehmerischem und innovativem Verhalten in Organisationen und betriebswirtschaftlicher Bildung sein. Doch wie bereits in der Upper Echelon Theorie gezeigt, kann der reine Einbezug von demographischen Variablen als Proxys für kognitive Variablen nicht zu einem besseren Verständnis strategischer Entscheidungen durch das Top Management führen. Vielmehr sollten die Curricula von Strategiekursen dahingehend erweitert werden, dass neben der reinen Wissens- und Informationsvermittlung auch die Kognitionen und Affekte sowie deren Regulierung zum Kursinhalt werden (Kuratko 2005). Für die Unternehmens- und Wirtschaftspolitik bedeutet dies, dass es nicht nur auf die Bereitstellung objektiv günstiger Bedingungen ankommt, sondern vor allem auch auf die kognitive und affektive Bewertung dieser Bedingungen, die beispielsweise durch Sozialisation, Training, Erfahrung, Kultur und Atmosphäre wesentlich mit beeinflusst werden. Auch für die Ausbildung von Analysten oder Bewertern von Projekten ist es von Bedeutung darauf hingewiesen zu werden, dass neben den objektiven Merkmalen auch die jeweilige subjektive Einschätzung und der aktuelle affektive Zustand einen wesentlichen Einfluss auf die Urteilsbildung haben. Das Beurteilen einer Situation entsteht oft aus verschiedenen Stimmungslagen heraus, die nicht notwendigerweise aus der vorliegenden Situation, sondern auch aus anderen Quellen herrühren können. Dagegen könnte das gezielte Verändern (Reattribuieren) affektiver Zustände wirken, das sowohl intraindividuell (innerhalb einer Person) über die Regulierung dieser affektiven Zustände als auch interpersonell (zwischen Personen), beispielsweise durch die Verknüpfung der strategischen Entscheidung mit Verantwortung oder das gezielte Vergeben von Entscheidungsregeln, erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund der Bedeutung von Affekten für die Entscheidungsfindung auf der obersten Ebene, dem Upper Echelon, können somit diverse Organisationsgestaltungen interpretiert werden, die als Mittel zur gezielten Regulierung affektiver Zustände eingesetzt werden können. Dabei lassen sich fachlich und zwischenmenschlich divers zusammengesetzte Gremien und Ausschüsse (inkl. Vorstand), Stäbe, Entscheidungsregeln, Regeln der Corporate Govemance, Geschäftsordnungen, Haftungsrege1n (auch) auffassen als Mittel, um die durch Affekteinfluss möglicherweise entstehenden unerwünschten Entscheidungsverzerrungen aufzufangen beziehungsweise auszuschließen.
102
Der Einfluss affektiver Zustände auf den strategischen Entscheidungsfindungsprozess
Anmerkungen Die Intuition unterscheidet sich grundsätzlich von Affekten, Emotionen und Stimmungen. was unter 2.3.1 noch genauer aufgegriffen wird.
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Theresa Michl/ Isabell M. Welpe/ Matthias Spörrle/Arnold Picot
Dipl.-Kffr. Theresa Mich1, MBR Ludwig-Maximilians-Universität Institut für Information, Organisation und Management Ludwigstr. 28, VG, 11 D-80539 München
[email protected] Prof. Dr. !sabell M. Welpe Technische Universität München Lehrstuhl für Strategie und Organisation Leopoldstr. 139 D-80804 München
[email protected] Prof. Dr. Matthias Spörrle Fachhochschule für angewandtes Management Am Bahnhof 2 D-85435 Erding matthias.spoerrle®myfham.de Prof. Dr. Dres h.c. Amold Picot Ludwig-Maximilians-Universität Institut für Information, Organisation und Management Ludwigstr. 28, VG, 11 D-80539 München picot®lmu.de
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Dada zu Knyphausen-Aufseß/lnga Rauserl Lars Schweizer
Mobi lizing Intra-Organizational Relationships The Challenge of Corporate Venture Capital Corporate Venture Capital; Intraorganisationale Beziehungen; Netzwerktheorie; Ressourcenmobilisierung; Soziales Kapital
Zusammenfassung "Corporate Venture Capital" (CVe) ist eine Strategie, die es etablierten Firmen ermöglicht, von attraktiven Investitionsgelegenheiten, die außerhalb des traditionellen Tätigkeitsfeldes des Unternehmens liegen, zu profitieren. Auf der Basis von Fallstudien dreier US-amerikanischer und dreier deutscher Unternehmen und theoretischen Überlegungen, die auf der Sozialkapital- bzw. der Netzwerktheorie aufbauen, wird untersucht, wie die CVC-Einheiten dieser Unternehmen die internen Beziehungen zu den verschiedenen Geschäftseinheiten mobilisieren und nutzen, um ihr Wertversprechen gegenüber den Portfoliofirmen zu realisieren. Wir zeigen, dass soziales Kapital in Organisationsstrukturen eingebunden sein muss und dass es letztlich das Wechselspiel zwischen sozialem Kapital und den Organisationsstrukturen ist, das den Wert von sozialem Kapital erst verständlich macht.
Managementforschung 20 (2010), hrsg. von G. Schreyögg und P. Conrad Gabler Verlag. Wiesbaden, S. 113-149
G. Scrlreyögg, P. Conrad (Hrsg.), Organisation und Strategie, DOI 10.1007/978-3-8349-8982-6_4, © Gabler Verlag ISpringer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Dada zu Knyphausen-Aufseßllnga RauserlLars Schweizer
Abstract Corporate venture capital (Cvq is a strategy which enables companies to benefit from attractive investment opportunities that lie outside their traditional business agenda. Based on case studies of three American and three German players in the field of CVC and using network and sodal capital theory as a background, we explore how CVC units use their internal relationships with other company units to deliver their value proposition vis-a-vis the portfolio firms. We show that sodal capital has to be embedded in organizational structures, and that the interplay between sodal capital and these structures is a critical aspect of understanding the value of sodal capital.
Table of Content 1
Introduction
2
Theoretical Background
3
Research Design
4
Case Findings 4.1 Context, Goals and Organizational Structure 4.2 Involvement of Business Units in the Investment Process: A Three Step Approach 4.3 Managing the Three Step Framework by Mobilizing Relationships through Supportive Mechanisms, Incentives and Culture during the Investment Process
5
Discussion
6
Conclusion and Implications for Theory
114
Mobilizing Intra-Organizational Relationships
1
Introduction
In the late 1990s, a number of new ideas entered the corporate strategy agenda. One of these was that firms could follow aventure capital approach in order to benefit from attractive investment opportunities (Winters/Murfin 1988; Block/MacMillan 1993; Chesbrough 2000; Mason/Rohner 2002). However, the basic characteristic which distinguishes corporate venture capital (CVe) from traditional venture capital activities is that CVC investments are usually made with strategic goals in mind (NVCA 2007), e.g. to open a "window on technology" or to develop new markets and capabilities (Dushnitsky 2006; Maula 2007; Ernst & Young 2008; Keil et al. 2008). In the other direction, CVC activities claim to add value to portfolio companies which cannot be added by independent venture capital firms, such as providing technological support or access to a widespread distribution network (Maula/Murray 2001; zu Knyphausen-Aufseß 2005). Indeed, Brody and Ehrlich (1998) as weH as Gompers and Lerner (2000) and Maula and Murray (2001) come to the conclusion that corporate venture capital is at least as successful as independent venture capital if there is access to the companies' resources, contacts, technology and innovative know-how. Therefore, the key success factor of corporate venture capital sterns from the nature of the relationships between the parent company and the CVC unit, or, in modem parlance, from the way the company mobilizes its intra-organizational network relationships and "sodal capital" (Tsai/Ghoshal 1998; Borgatti/Foster 2003; Brass et al. 2004; Kilduff et al. 2006; Weber/ Weber 2007). The focus of this paper is to explore how CVCS use their internal relationships to deliver their value proposition vis-a-vis the portfolio companies. We consider it puzzling that one of the very essentials of CVC - the mobilization of resources within the parent company - has not garnered interest in prior research, although it is far from clear why, e.g., corporate units which follow their own business agenda should collaborate with central units that are driven by different performance goals. Indeed, Ernst & Young (2008) rate "securing business sponsorship for investments" as the number 1 cha1lenge for CVC units. Chandler (1962) noted that the success of any strategy is determined by the way it is implemented. A CVC approach alone will not produce superior results; it is also necessary to find the appropriate internal organizational arrangements (HillI994). Therefore, our aim is to describe and understand the intraorganizational collaboration between the CVC unit, selected business units and topmanagement, and to develop an intra-firm collaboration framework that might be useful for descriptive and normative purposes. We put this into the perspective of network and sodal capital theory and show how our framework is related to this important theoretical line of thought. Gur main contribution is not only to provide a contextual-rich illustration of how sodal capital is mobilized in the daily course of business corporations and, thereby, to answer the call for more research on how corporations manage and organize their CVC activities (Maula 2007). We also show that
115
Dada zu Knyphausen-Aufseßllnga RauserlLars Schweizer
sodal capital must be embedded in organizational struetures, and that the interplay between sodal eapital and these struetures is a critieal aspect of understanding the value of sodal capital The paper is structured as foHows: In the next seetion we present the theoretical background and in the third seetion we outline our research methodology. In the fourth section we present findings from six ease studies we have eondueted both in the US and in Germany, and the fifth section provides a discussion that leads to our framework. In the last seetion we draw eonclusions and discuss implieations for the sodal eapital perspeetive, and we highlight limitations of our research as weH as the social eapital perspective for understanding CVc.
2
Theoretical Background
There are two important research streams in the literature on eorporate venture eapital 1 One describes and analyzes the performance outcomes of CVC programs as weH as the value-added which corporations provide to portfolio companies via their CVC programs (Kann 2000; Maula 2001; Maula/Murray 2001; Gompers/Lerner 2004; zu Knyphausen-Aufseß 2005; Dushnitsky/Lenox 2005a, b, 2006), sometimes in eomparison to independent venture eapital firms. The other research stream focuses on the relationship between the parent eorporations (often eonsidered as the principal) and the portfolio eompanies (often referred to as the agents) to exploit informational asymmetries to their advantage (Kann 2000; Gompers/Lerner 2004). In both cases the unit of analysis is the dyadie relation between the financing eorporation and the firm they have invested in. In our study, we shift our attention to the internal relationships and interactions between the CVC unit, the business units and top-management of the parent firm. The assumption is that established eorporations use their intra-organizational network as a souree of sodal eapital which is an important part of the value proposition (besides finandal capital) those firms ean provide to start-up firms and which may give them a eompetitive advantage over independent venture eapital firms (Maula/Murray 2001; Gompers/Lerner 2004). Hence, network theory and social capital theory - which are closely intereonneeted (Raider/Krackhardt 2002; Borgatti/Foster 2003; Ibarra et al 2005) - can be seen as suggesting starting points for our research endeavor. More specifically, our research is in line with Tsai's (2000) interest in investigating the creation of intra-organizational linkages for resouree exchange between newly formed units and the existing units in an organization. In our ease, the "newly formed units" are startup ventures in which a eompany invests in order to reap strategie and/or financial
116
Mobilizing Intra-Organizational Relationships
benefits, and we assume that the creation and exploitation of these linkages is mediated by the CVC unit and also by the top-management of the parent firm. Network theory and the social capital framework build on ideas introduced by sodal exchange theorists (Homans 1961; Blau 1964; Jacobs 1965; Putnam 1995) who emphasized the social relationships between actors engaging in transactions, and draw on Granovetter's (1985) work on the sodal embeddedness of economic action. Later, Coleman (1988) introduced and developed the sodal capital framework in modem sociology, and defined social capital as "a variety of different entities, which consists of some aspect of social structures, and facilitates certain actions of actors within the structure... socia! capital is productive, making possible the achievement of certain ends that in its absence would not be possible" (1988, p. 98).
To put it simply, while human capital represents "what you know", social capital can be characterized as "who you know" (see Adler/Kwon 2002, for a detailed discussion of definitions that can be found in the literature). Two main ideas have been provided regarding the beneficial effect of sodal capital (Nahapiet/Ghoshal 1998; Brass et al. 2004). First, social capital may enhance the efficiency of an exchange or decrease the exchange cost because less monitoring is needed in trusting relationships. Second, social capital may stimulate the learning and creation of new ideas through the enhanced level of cooperation between exchange partners. In a similar vein, Leana and Van Buren (1999) defined "organizational social capital" as a resource reflecting the character of social relations within the organization, and distinguished between two elements, these being assodability and trust (Larson 1992; Putnam 1993; Fukuyama 1995; Uzzi 1997). First, associability is defined as the willingness and ability of individuals in an organization to subordinate individual goals and associated actions to collective goals and actions. Second, trust consists of dyadie or generalized trust and fragile or resilient trust. 2 Overall, social capital has to be considered as a mediating factor that facilitates the availability of resources and knowledge transfer. Social capital is a multidimensional concept (Granovetter 1985; Nahapiet/Ghoshal 1998; Tsai/Ghoshal 1998; Yli-Renko et al. 2001; Lin 2001; Brass et al. 2004). Nahapiet and Ghoshal (1998) defined three interrelated dimensions of social capital: the structural, the relational, and the cognitive dimension. The structural dimension of sodal capital refers to the overall pattern of connections between individuals (Burt 1992) or social entities. This dimension reflects the existence of strong or weak sodal ties between those actors (Granovetter 1973; Scott 1991; Burt 1992), the centrality of one specific actor, the network configuration and appropriate organization in describing the pattern of linkages. The relational dimension of sodal capital describes personal relationships that develop among people or social entities through a history of exchanges (Granovetter 1992). This dimension focuses on the particular relations individuals have and the impact of these relations on their behavior. The main components of the relational dimension are trust (mentioned above), norms, obligations, and identifica117
Dada zu Knyphausen-Aufseßllnga RauserlLars Schweizer
tion (Burt 1992; Coleman 1988; Granovetter 1985). The cognitive dimension of sodal eapital refers to shared representations, interpretations, and systems of meaning among parties (Nahapiet/Ghoshal 1998; Ibarra et al. 2005). It is argued that each of these dimensions influenees resource exchange and development through various mechanisms, such as providing parties the means for combining and exchanging resourees, the antidpation of value through resouree combination and exchange, the motivation to eombine or exchange knowledge, or the eapability to eombine resources (Maurer/Ebers 2006). Sinee sodal eapital is a broad or, to use Hirsch and Levin's (1999) term, an "umbrella coneept", there remains a need for eoncrete descriptions of how sodal eapital is built and used within and across organizations. Corporate venture eapital provides a promising research opportunity here, beeause this eoncept is c10sely related to the exploitation of sodal eapital - the internal network of the parent firm being one of the major distinctions between eorporate and independent venture capital (see introduction). Moreover, CVC also offers a rich eontext to follow the yet largely unanswered ealls by Tichy (1981), Adler and Kwon (2002) and Gittell and Weiss (2004) to put more weight on the role of hierarchieal relations, ie. top-management's influence on ineentives, structures and cultural beliefs, and eontingendes such as the national context or the goals the eompanies take as a basis for their CVC programs. The use of sodal capital has, in other words, to be fadlitated by organizational structures, and it is the interplay between sodal eapital and these structures that is critieal to understanding the value of that sodal eapital.
3
Research Design
As the purpose of this study is to explore a eomplex reality with a need for an in-depth understanding, for loeal eontextualization, and for the points of view of the people under study, a qualitative research approach is ealled for (Yin 1984; Miles/Huberman 1994; Stake 1995; Lee 1999; Langley 1999). Although we have a general theoretical perspective (network and sodal eapital theory), we do not eonsider this study as theory testing; instead, we adopted a grounded theory building methodology (Glaser/ Strauss 1967; Dougherty 2002) to answer our research question how CVCs use their internal relationships to deliver their value proposition vis-a-vis the portfolio eompanies, and to elaborate existing theory on social eapital. The grounded theory approach is, as Suddaby (2006, p. 634) writes, "most suited to efforts to understand the process by which actors construct meaning out 0/ intersubjective experience". We argue that the mobilization of intra-organizational relationships is exaetly this - a sodal eonstruetion of what in the end is seen as an "investment opportunity" with a strategie value for a parent firm. 118
Mobilizing Intra-Organizational Relationships
Of course we are aware of the fact that our case study approach can only provide insights into the activities and structures of a small number of companies and, thus, raises the question of generalizability. However, we address a relevant research gap in the existing literature by carrying out an exploratory study which is an adequate research approach given the current research results in this field (Eisenhardt 1989). As we describe in the next paragraphs, we carried out our case study research in a rigorous way by following the recommended standards of qualitative, case-based research approach. The first step was to identify and select the type of CVC programs for a meaningful study of the phenomena of interest. In selecting potential companies, access to companies was decisive. Within a 2-country frame, consisting of German and American CVCs, we focused on companies with more established collaboration practices and concentrated on the "big" corporations doing CVC investments. This was based on two criteria: (1) by selecting CVCs that had a multinational parent company, as they proportionally represent the companies engaged in CVC investment with the highest volume, as weIl as the highest number of investments (see Asset Alternatives 2001 on a global scale and Mackewicz & Partner 2003, for Germany), and (2) by choosing CVCs that have been active for at least two years in corporate venture capital, as the "boom" and attractiveness of undertaking venture capital in the late 1990s brought many young, small and relatively inexperienced CVCS into the market. Further, as technology seems to provide the best foundation for sustainable CVC activities (zu Knyphausen-Aufseß 2005), we selected technology-based companies of different industries as well as with highly diversified businesses. The candidates for the interviews were selected to represent the diversity of industry groups found among corporate venture capital: telecom, computing, software, automotive, diversified engineering. Given the time and funding restraints, as weIl as the objective of developing contextually rich in-depth cases and to ensure a sufficient degree of external validity, we decided to limit the cases to six companies (Eisenhardt 1989,1991). The selected cases are: Siemens Venture Capital (SVe), T-Venture, DaimlerChrysler Venture (DCV), Intel Capital, GE Equity, and Motorola Ventures. A summary is provided in table 1. The majority of the interviewees were CVC investment managers, as they playa key role in the collaboration with the business units. Two separate interviews with CVC managers in each company were conducted, the first one with an unstructured and the second one with a semi-structured interview design. In order to get a complete picture of the relationship between the corporate venture capital manager and the business unit, we also conducted 5 interviews with persons working in a business unit. Due to time and geographicallimitations, this was not possible in every company.3 We did not conduct interviews with portfolio companies since our research focused on the collaboration between the relevant units within the parent firm. In total, 20 case study interviews were conducted (including three additional expert interviews). All inter-
119
Dada zu Knyphausen-Aufseßllnga RauserlLars Schweizer
views lasted between 90 minutes and three hours and were tape-recorded and transcribed.
Table 1: CVC compeny
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Sourcc: Authors, based on interviews and company information, Venturc Economics
The process of data collection (including archival document research) lasted from July 2000 to the end of 2001. Gur investigation explores the experiences from the inception of CVC activities to the date of data collection. Hence, our case studies represent a time window which is certainly very different to the current (2009) situation, with total CVC investment having dropped to no more than 10-20 % of what could be found in 2000. Indeed, two of our case study companies, GE Equity and DaimlerOrrysler, have totaHy withdrawn from their CVC business as areaction to the economic downturn following the millennium bubble, clearly reflecting the cyclical nature of the CVC business often observed in the literature (Gompers/Lerner 2004; Dushnitsky 2006; Maula 2007). However, this should not have any influence on the conclusions we draw from our empirical results. The European Venture Capital Association (EVCA 2007) reported recently that CVC activities are on the rise again, implying that our results may reach their audience "just in time".4
120
Mobilizing Intra-Organizational Relationships
The first step of the data analysis was the transcription of the fuHy taped interviews. Through cyclic reading and rereading, we structured each interview and coded it to facilitate within-case as weH as subsequent cross-case analysis (Strauss/Corbin 1990). In line with grounded theory research (Glaser/Strauss 1967; Miles/Huberman 1994), the analysis resulted in the identification of (1) knowing the network, (2) mobilizing the network, and (3) developing and leveraging the network as main categories for the mobilization of social capital along the corporate venture capital investment process. In addition, our analysis suggests that the investment process of corporate venture capital firms foHows the steps of (1) deal generation, (2) deal evaluation, (3) deal structuring, (4) investment decision, (5) portfolio support management and (6) exit. These results also formed the basis for the within- and cross-case analysis. The second step, the within case-analysis, utilized a matrix technique for comparative analysis across interviews within one case (Miles/Huberman 1994). The resulting matrices allowed visual identification of patterns in the investment process and the mobilization of social capital of each firm. The third analytical step was to develop a comprehensive case description of each case based on the identified patterns. The fourth step was comparative analysis of the cases, employing the same technique, this time with an aggregated matrix. This cross-case analysis was based on the above-mentioned categories and reached closure when additional iterations did not result in additional insights. As regards the involvement of business units in the investment process, our tables include examples from the data and serve as the basis for the case findings in the next seetion. The fifth step was the combination of the investment process of corparate venture capital firms and the identified three step approach of (1) knowing the network, (2) mobilizing the network, and (3) developing and leveraging the network in our developed framework. As described, these steps appear more ordedy and rational than they actuaHy were, as some overlap between steps occurred. This is in line with what Langley (1999) has recommended as adequate in qualitative and, more specifically, "grounded" research. We organized the presentation of our case analysis of this study by foHowing the above described investment-process of corporate venture capital firms that resulted from our analysis and which supports recent research findings (Reichardt 2005; Freese 2006; Weber 2007; Weber/Weber 2007). Besides that, we take a brief look at the effects of the national and economic context, goals, organizational structure, incentive systems and corporate culture on the investment process, as these components appeared to have important implications for the investment process and the formation of social capital: On the one hand, they constitute a hierarchy-dependent structure in which the mobilization of intra-organizational, non-hierarchical relationships is embedded; on the other hand, these components exemplify a number of formal mechanisms which frame the more informal mobilization of social capital (Adler/Kwon 2002; Brass et al. 2004).
121
Dada zu Knyphausen-Aufseßllnga RauserlLars Schweizer
4
Case Findings
We present findings from our ease studies aiming at identifying an overall pattern of charaeteristies that define the relationships between the CVC unit, the business units and top-management within the same eompany. However, we have to be aware that due to the different national and economic eontexts (US vs. Gerrnany), a number of eontext-specifie attributes ean oecur.
4.1
Context, Goals and Organizational Structure
The most obvious differenee between the US and the German CVCs was the duration of existenee of the programs. The eases seleeted for this study confirrned the supposition that the US eompanies were the more experienced CVC players. All Arneriean CVCs highlighted the duration of existence as an important mechanism for facilitating the collaboration with a business unit, sinee the business units gained their own experienee of the potential advantages of CVC activities, and of the eompetence of the investment managers. As one business unit interviewee sahi: "The more experience you
have in collaborating with those people, the more you can develop trust that they only approach you with projects that are interesting from the business unit's perspective. In the end, Ws trust that counts!" It is obvious that the objeetives pursued represent a critieal element when structuring a
CVC program. Five of our case study companies followed a eombination of financial and strategie goals. The exception was GE Equity whieh strongly focused on finaneial goals. Table 2 provides some evidenee that shows the differenees/similarities regarding the goals and mission statements of our ease study companies. In line with their objeetives, most ease study eompanies organized their CVC activities in a centralized unit. In a stylized manner, we can thus distinguish between three types of organizational form (see figure 1). The first two types we eall "centralized CVC activities", which we found at GE Equity and which seems to suit a financiallymotivated firm quite well , and "centralized CVC activities with integration of business units" that we found in firms which pursue the leverage of strategie assets, such as Intel and Motorola. In eontrast, Siemens was the only eompany in this study that eoordinated loeally authorized CVC activities with a eentrally embedded CVC unit which, however, also invested in its own projeets (see figure 2).5 Overall, the analyzed patterns support the (Chandlerian) assumption that the structure of a CVC prograrn follows its objectives since the enhancement of innovation requires the most active involvement of the business units whereas the maxirnization of financial returns is much less challenging.
122
Mobilizing Intra-Organizational Relationships
Table 2:
Goals and Mission Statements (Examples from the Data)
Siemens/Siemens Venture Capital
"Under the banner of 'Fostering Innovation Jor Eeonomie Suecess', Siemens Venture Capital has been set up as a globally aetive investment vehicle whieh provides 'smart money' to innovative businesses in order to create long-term eornpany value. " "If in doubt, we prioritize the financial goals. The reasons are quite simple: first, financial sueeess is easier to measure, and second, we do not invest strategieally without financial returns. "
DaimlerChryslerIDaimler Chrysler Ventures
"We invest in your ideas. DC supports companies and employees determined to translate their viswn into viable business solutions in the global market eeonomy. We invest in leading edge teehnolo$ies amfbusiness coneepts by providing financial resourees, expertIse and worldwide networks. "
Deutsche Telekom! T-Ventures
"In line with seeking a window on technology, T-Venture invests in the seed and early' stages ofgrowth and expansion ofa company. In addition to providing the jinancial impetus neeessary to Joster entrepreneurial talent, eoncepts, and developments, T-Venture willleverage the teehnieal, management and marketing skills of its investment managers and parent organization and Deutsche Telekom AG, to facilitate and accelerate the transition from start-up to fully fledged suecessful operations. " "In the beginning, our goal was to open a 'window on teehnology'. Later, we also foeused on a 'window on innovation', since we were eager to learn about new business models. Now both goals have the same weight. "
Intel/Intel Capital
'We invest with strategie intent, aiming to create and expand new markets for Intel's products. We want to stimulate growth in the internet, computing and eornmunieations to grow the total internet infrastrueture now and in thefuture. While J!nancial returns are not our primary goal, we are seekmg companies that ean sueeeed and have an impact on their market segment"
General Electrid GE Equity
"To be aglobai equity provider that creates value for its eustorners by leveraging the GE system. The objective is to combine investee performance with their request/need and our skills and knowledge. " "We are financially motivated, so there is no strategie angel here. Although we tend to do sorne strategie investments, the bottom line at the entfof the year is our evaluation based on financial returns, not on strategie.... We are more oriented like a dedicated Vc. "
MotorolaIMotorola Ventures
"The Motorola Ventures objective is to be the catalyst for Corporate, Labs, Business, and Regional aecelerated investments. By bemg the 'conneet point' ofnew technologies, new markets and new people, strategie value, profitable growth, and profitable revenue are obtained."
"The purpose 01. this is to grow shareholder value by driving aceelera-
tion jrom outside in. "
Source: Company Websites, Interviews
123
Dada zu Knyphausen-Au{seßllnga RauserlLars Schweizer
While in the case of the American CVCs the centralized units represent corporate divisions, all German CVCs were legally separated in the form of a limited liability company.6 This is associated with a certain independence and autonomy regarding legal rights and management duties. While Intel Capital, Motorola Ventures and GE Equity were organizationally tied direct1y to corporate top-management, the German subsidiaries were attached to functional divisions (DCV: M&A; SVC: Corporate Finance; TVenture: Production and Technology). However, we have no evidence that this legal difference has influenced the collaboration with the business units. With regard to the structural dimension of social capital (Nahapiet/Ghoshal 1998), our study suggests that the more a CVC unit is structurally positioned as a core activity of the corporation, the higher the willingness of the business units to collaborate is. In addition to that, the duration of existence of the CVC program (Tsai 2000) supports not only the development of trust among the players but also facilitates the access to parties for combining and exchanging intellectual capital so that social capital is created.
Figure 1:
The Structure of a CVC Program Follows its Strategy
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One
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department
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Subordination
Board
Board,CEO
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Irtegralion cf
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Full I'8sponsibil ity Ii:lr investment deciliii on, portfolio management and exit at corporate 1&...1
operations
SU pport in 0 parati ons
Centralized CVC actMties
Centralized CVC actMties Decentralized CVC actMties with inlegation d BUs with central coordnation
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Mobilizing Intra-Organizational Relationships
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Involvement of Business Units in the Investment Process: A Three Step Approach
Given the description of the national and economic context, goals and organizational features, which represent elements of a hierarchical structure in which the mobilization of sodal capital is embedded, the question arises how the collaboration between the CVC unit and business units and thus the mobilization of sodal capital worked along the phases of the investment process (see table 3 for exemplary evidence) and how it is organized. Our case studies led to the conclusion that the mobilization of network relationships between the CVC unit and the business units involves three stages CVC managers and business unit employees go through in sequence. Thus, we will present our findings using the identified three step approach of (1) knowing the network, (2) mobilizing the network, and (3) developing and leveraging the network, and link them to the different steps of the investment process bearing in mind that certain overlaps can occur.
125
How Business UnibJ fI:n lnooloed in the ImJefltmmt Proots3 (EmmpItsftom the LWV
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Dada zu Knyphausen-Aufseßllnga RauserlLars Schweizer
(1) Knowing the Network
Knowing the network is triggered by the CVC unit's quest to catch the attention of a business unit in order to get the deal generation process started. While this prerequisite is actively determined by personal networking contacts, it is influenced passively by a supportive infrastructure (e.g. databases, service-teams, competence centers), by the top-management commitment, by an open corporate culture, by the location of the CVC unit, and finally by the length of existence of a CVC program. The longer CVC activities have been going on within a corporation, the better these activities are already visible and known within the parent firm. As far as the deal generation is concerned, while all six companies showed more external than internal deals,7 all companies (with the exception of T-Venture) take it as a given that the internal deals represent a hetter basis for an efficient collaboration with the business units later in the investment process. The reasons for this are that contacts already existed, that a business unit knew the technology in detail, or simply that there was a certain pride in a business unit, since these deals were their "baby". As one informant at DC Venture said: "If a deal originated in a business unit, the business unit managers have their highest interest in these deals. In other words, they are in favour of the following proceeding of these investments, or even stronger, they are crazy about these deals." Moreover, it is important to have a continuous exchange between business units and CVC unit, because "it's a purpose of Intel Capital to keep the business units permanently inJormed" so that a mutual leaming can take place. Or as mentioned in the GE Case: "We are the point ofcontact between GE and GE Equity and learn from them."
(2) Mobilizing the Network Having caught the attention of a business unit, the next task is to capture their interest and their desire to collaborate. The business units' desire and interest induces the mobilization of the network possibilities. The main impetus for this mobilization is given by the CVC unit's strategie investment focus, the amount of exchanged knowledge and the offered incentives for a business unit and refers mainly to the steps of deal evaluation/first screening, due diligence and deal struduring of the investment process. In the context of deal evaluationIfirst screening, it is interesting to see that in the cases of Intel and Motorola the first involvement of a business unit was initiated at the outset of a project. The rationale for this is given in the following quotation from an interviewee at Motorola: "In order to understand the strategy and the needs of a business unit, we work closely together with them [. ..1, and this is just a matter of establishing a relationship with the business unit. " At Intel and Motorola, a positive sign is needed from a business unit in order to proceed with the investment process, be it - as with Intel - by having a business unit sponsor or a more informal business unit support as is the case with Motorola in order to focus on strategically relevant companies. At GE Equity - despite its official an128
Mobilizing Intra-Organizational Relationships
nouncements - it seemed that investments should not be too close to existing businesses in order to avoid conflicts of interest during the exit (the business units might be interested in a low-price acquisition while the CVC unit is interested in high valuations). As a result, the aetual involvement of the business units tended to be low in this phase of the investment process. These conclusions are in line with the findings of Siegel et al. (1988) who segregated the CVC community into two broad classes: "pilots" refer to CVC organizations with substantial independence and "copilots" refer to CVC organizations which are highly dependent on corporate management in their venture funding and decision-making authority. To a certain extent, this also applies for the German CVCs: they first wanted to verify the financial indicators as a pre-condition for any further evaluation of a company, and to check whether an interest of a business unit appears possible. That approach was based on adetermination to use business unit resources only where there was a legitimate interest for a CVC unit. Only after this kind of "homework" is done, the process of identifying potential partners begins, and this usually seems to be quite successful, due to pre-defined contact persons or contacts that have emerged in the past. To cite a Siemens investment manager: "By 'navigating' our way through the company, so Jar
we always Jound those we have been interested in. You ask all sarts oJ people, and you have colleagues with a lot oJ experience. Actually, it is a personal network that develops steadily. Now, due to our activities in the past, we already have a number of contacts to the business units. That grows with time and experience." This shows that personal relationships and
by that the relational dimension of sodal capital are important for the mobilization of the network. All six companies showed business unit involvement in accomplishing the due diligence. However, while in the case of OCY, Motorola Ventures and Intel Capital it was
seen as mandatory that the due diligence is performed by the business unit, at TVenture and GE Equity the business units only participated in the due diligence sporadically, Le. when the investment managers explicitly asked an operational unit to perform it. At Siemens, the involvement of business units in the due diligence tended to be the rule, although there have also been investment projects in which this was not the case, and this turned out to be a problem, at least from the business unit's perspective: B "As SVC does not need our 100% commitment in all cases, it could happen that they
invest and we wark together with the competitor. That's nonsense; that is not profitable for anybody" (business unit manager). Of course, independent of whether the business
unit's feedback on technical matters was mandatory to represent a deal before the corresponding investment committee, most companies would not have invested if there were any informal negative comments on the technology of a company. Even more important, the CVC units can rely on the technical know-how of the business units and, by that, mobilize and profit from the internal network because "the business unit knows and understands best the technologies oJ these companies" (interview quotation).
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The deal structuring eombines the negotiation of the amount of required eapital, the determination of the pre-money valuation, and the definition of key terms and eonditions of the investment. Sinee this activity is primarily driven by financial know-how, the main responsibility lay within the CVC unit, in some instanees supported by the legal and the treasury departments of the respective firms. This is another example of how the internal network ean be mobilized and provide helpful support upon request if required knowledge is missing within the CVC units. Motorola and Intel Capital explicitly distinguished between the equity agreement and the eommercial or business agreement and hold that for the latter the main responsibility was loeated differently: "The strategie part, meaning the technical due diligence and the business agreement, always resides in the business unit" (Intel investment manager).
(3) Developing and Leveraging the Network Developing and leveraging the network requires the collaborative action of the business unit and is especially irnportant for the investment deeision, the subsequent portfolio support management and the exit decision. The business unit's action is stimulated by the existenee of eollaboration agreements and by a eonerete involvement throughout the investment proeess. Interestingly, we found that the possibilities for influencing the network design process are fewer for a CVC unit towards the postinvestment phase, sinee more eollaboration takes plaee directly between the portfolio firm and the business units. Coneeming the investment decision, it might be interesting to note that three CVCs (Siemens, GE Equity and Intel Capital) followed a two-stage investment proeess, where two approvals by an investment eomrnittee were neeessary, whereas T-Venture, DairnlerChrysler Venture and Motorola only onee had to refer to a eentral investment committee in order to invest in a start-up company. Apart from that, striking differenees were revealed by looking at the eomposition of the investment committee that represents the last approval gate in the investment process. While in the Arneriean investment eomrnittees no eross-sectional perspeetive was maintained due to there only being eorporate top-management representatives on the approval board, the German CVCs tried to involve the business units either direetly in the investment eommittee (T-Venture) or at least indirectly via representatives of eorporate technology departments (e.g. DCV and svq. Interestingly, while the German CVCs made no effort to formalize the eollaboration due to eoncerns that this would hamper and delay a fast decision, all Arnerican strategie investors attempted to finalize a docurnent (e.g. "side letters", eornrnercial agreements) that defined the later support before the final investment decision: " ... preferably, we try to get the commitment of a business unit signed in a commercial agreement 'we are going to do this for this company'. TYPically speaking, we try to put together a commercial agreement and a strategie relationship before we make the investment. We want to get this certified as much as possible" (Motorola investment manager). To sum up, the German CVCs relied more on the existing social capital by inte-
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Mobilizing Intra-Organizational Relationships
grating the business unit's perspective in the inveshnent decision-making decision, and are, thus, able to develop and leverage the existing network more strongly. In the words of an interviewee from DCV: "The whole collaboration centers on networking. There are no formal contracts with the business units." The portfolio support management is very important as weIl. The analysis of the investment processes made it obvious that while the business units got involved on a realizing and decision-making level, the inveshnent managers themselves retreated as main actors in the post-inveshnent phase: "I as an investment manager just do the introduction to the business unit, and the business unit executes everything that is commercial. The ventures have to learn to dance with the business units and vice versa" (GE Equity inveshnent manager). However, the CVC units remained involved on an informative and consultant level These circumstances were directly reflected by the number of inveshnents that one inveshnent manager was responsible for. In the American cases, these numbers were higher than in the German cases (e.g. GE with five and Motorola with even seven inveshnents per manager, in contrast to DCV with three and T-Venture with four inveshnents). Another interesting feature of the post-inveshnent stage related to hierarchy levels of the contacted people within a business unit. Most inveshnent managers preferred and focused on people in the business units who hold higher positions in the corporate command chain. They seemed to be more appropriate to control the collaboration process and to provide the required resources. The only company in this study that violated this pattern was DCV; since their preferred "bottom up" process would be more effective for faster support. However, some companies had the advantage that they could rely on special corporate teams that supported the transformation of the value added during the post-inveshnent phase. In this sense, while the inveshnent manager of e.g. Intel Capital could refer to the Portfolio Management Team and GE Equity to the Value Added Service Team, nothing similar has been reported on the side of the German CVCs. The American CVCs aim at further developing and leveraging the internal network by assigning specific teams to provide support. Thus, they establish some kind of formalized support structure. In contrast to this, the German CVCs continue to be involved in a more informal way: "There is an intensive exchange of information, since 'know how is power'. But there is no formal process; rather every-thing happens on a deal-by-deal basis" (DC Venture). Concerning exit management, SVC and DCV did not have much experience with exits from their inveshnent at the time of our interviews. Both companies seemed to prefer IPOs in order to make as much profit as possible. At Siemens, there was a strong sense that profits have somehow to be shared with the business units in order to keep their motivation high and to be able to further develop and leverage the internal network. As one Siemens interviewee said: "What really would be essential for us [a business unit] in the long-term is that after the successful exit of a portfolio firm, we also get some profit from it. This would just be fair since we also contributed to the development of an investment. If not,
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we really see the danger ... that the topic 'CVC' and the interest will drop away." At Intel, however, the business units do not directly share any profits from those exits. Moreover, it was clear that an exit does not necessarily finish collaboration efforts with the then independent companies because these firms are an integral part of the developed and leveraged network. In a further step, e.g. at Motorola, the business units had a clear interest that the company's intellectual property can in no way diffuse to competitors but remains within the network. Therefore, in certain cases, it was contractually excluded that the majority stake of a portfolio company is acquired by such critical investors.
At T-Venture, trade sales were seen as a viable alternative which also allowed the business units to make a bid. However, a corporately motivated privilege against other bidders was not guaranteed for the business units. This was also true for GE Equity. However, since this company allowed the business units to co-invest in portfolio companies, in this case an alignment of exit strategies had to be found between the CVC units and the business units.
4.3
Managing the Three Step Framework by Mobiliz'ing Relationsh'ips through Supportive Mechanisms, Incentives and Culture during the Investment Process
What are the different mechanisms that tie the different steps of the framework and the people acting therein together? We have alluded already to some of these mechanisms in the previous section but we will now have a closer look on them. Overall, it emerged from our analysis that knowing the corporation and having personal networks were indispensable for an efficient intra-firm navigation of the CVC managers (see table 4). Therefore, most of the CVC units (with the exception of GE Equity) primarily hired as investment managers employees who worked previously in other business areas in the parent company because they know the network and are able to mobilize it and, by that, can make use of sodal capital.
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Mobilizing Intra-Organizational Relationships
Table4:
Relationships between CVC Unit and Business Units (Examples from the Data)
Siemens/Siemens Venture Capital
"The realization differs from case to case. It depends on the concrete situation: how weIl do the people work together? What is the current workload? How is the interest of a business unit?" "1 would characterize it as good, but with potential for improvement."
DaimlerChryslerlDaimler Chrysler Venture Deutsche Telekom! T-Venture
"That reaIly depends on the specific project." "The whole coIlaboration centers on networking. There are no formal contracts with the business units." "Basically, the collaboration with the business units is good. Therefore, from the point of view of the parent company in the direction of the portfolio companies, we really can deliver the value-added." "That is possible without any problems since the access and the coIlaboration of the business units is guaranteed, but also the commitment of the top management of Deutsche Telekom is established." "Basically, the coIlaboration is very positive, but it is important to support the business units if necessary regarding required resources."
IntellIntel Capital
"There is no competitive thinking at aIl between the business units and Intel Capital. It is clear in the minds of the business unit, that Intel Capital represents an important part of the prosperity, the innovation activity, and the innovation level of Intel. This makes a positive coIlaboration happen."
General Electrid GE Equity
"It works. There are two or three businesses within GE where the relation is a little bit difficult. With allother businesses, we work very weIl on a cooperative basis."
"The coIlaboration is characterized more by cooperative commitment than by competition."
Motorola/Motorola Ventures
"It all depends on the BU, but most of them work with us pretty openly. As we have been here for a while now they like to work together, because they understand that CVC is an additional tool to help them to get what they need on a commercial basis. We deal with it weIl."
"The relationship differs from BU to BU. But most of our BUs definitely like to work with us and work pretty openly with us."
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Different mechanisms to find the corresponding contact partners have been in use as weIL Apart from the meetings between the investment managers and the technological experts, some companies organize communication platforms within the corporation in order to bring together CVC managers, unit managers and representatives of portfolio companies and to stimulate and expand the communication regarding CVC activities, such as the Siemens Venture Capital Days, the T-Open or GE's quarterly business department meetings which have CVC managers as guest speakers. "[T}hat helps, because all the persons can see us and we can tell them what we are looking for. It's just to refresh in everybody's mind what GE Equity is doing" (GE Equity investment manager). These events make the CVC activities visible, help to further develop and leverage the network, build up trust among the players and contribute to the development of a common understanding and language. As such they support all three dimensions of sodal capitaL Moreover, the commitment from both sides provides the basis for collaboration: "The collaboration is characterized more by cooperative commitment" (GE Equitiy). When spedfically regarding the relational dimension of sodal capital, this work found, in line with sodal capital theory (e.g. Gulati 1995; Tsai 2000), a positive relationship between the aspects of trust - which is a function of the length of collaboration, the number of joint projects and the tenure of the CVC manager with the parent company - and motivation. The more a business unit ernployee has personal trust in a CVC manager, the easier it is for the CVC manager to get access to the surrounding business unit of this employee. Moreover, in cases of trust, the attempt of a CVC manager to explain the antidpated potential value of an investment to a business unit tends to be more fruitful. German CVCs made a greater corporate effort to streamline the finding and communication process. In this sense, it is worth mentioning the efforts of DVC to establish competence centers in which senior managers of the business units served as integrators between their operational teams and "expert cycles" that mobilized technical competendes across the company. In a similar manner, T-Venture's and Siemens' business units had "defined hubs" or "venture units" which served as "nodal points" in the communication chain whose responsibility was to accelerate the dedsion process by delegating tasks within those business units. These activities do not only help to define certain network ties, but they also support the mobilization of the network and by that contribute to the development of sodal capital. The investment processes analyzed above were also ernbedded in a context of formal incentive systems and more informal cultural norms supporting the relational and cognitive dimensions of sodal capitaL When speaking about the investment managers' incentives, it has to be mentioned that the common US pattern of no "carry of interest" payment did not hold for all the German cases. SVC and T-Venture (at least with its carried variations) were the outliers. Table 5 summarizes these findings by linking the objectives of the CVC activities with the compensation scheme and the rationale behind it. Interestingly, apart from strategie incentives, the business units did not directly
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profit from their engagement, except they were allowed to eo-invest, as it was the ease with GE Equity and Siemens indicating that strategie aspects are an important driver for mobilizing the network. The following statement from our interviews with DaimlerChrysler Venture is representative for all our ease study eompanies: "So far, the people did it because they liked to do it. 1f you once start to set financial incentives, you trigger a long-lasting spiral. 1f we cannot revert to our in-house knowledge fast and for free, we get into the same situation as a dedicated Vc. I think the situation would become very problematic if the main purpose of all people involved were to eam a lot of money by CVC engagements. In my opinion, a business unit is not able to think in shares, they only think in budgets. What could the incentive for a business unit be to gain an increase in their budget in as long as five years from today?"
TableS:
Compensation Schemes and their Rationale
O~eaNes c~n
,..---------, I
DIll........
CIwylller
Venture
11
• Base salary + Bonus based on • Enhancemert of corpa-ate Imovatlon performance
E:J . [§] T-Venture
• ~rha~ment
,nnovatlOn
Erhancement innovation
Venture c.pItal
E:J 1 _ ClIpItlll
EJ GE Equlty
@;] Motorola
V_res
a
a
Anandal return;
• l..eYerage a strategie assets
• Defeat in war of talerts carrles long-term risl