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Hans-Georg Elias
Makromolekule Band 2: Physikalische Strukturen und ...
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Hans-Georg Elias
Makromolekule Band 2: Physikalische Strukturen und Eigenschaften
@WILEY-VCH
Hans-Georg Elias
Makromolekule Sechste, vollstandig uberarbeitete Auflage
Band 1: Chemische Struktur und Synthesen Band 2: Physikalische Strukturen und Eigenschaften Band 3: Rohstoffe, Industrielle Synthesen, Polymere Band 4: Anwendungen
Hans-Georg Elias
Makromolekule Band 2 Physikalische Strukturen und Eigenschaften Sechste, vollstandig iiberarbeitete Auflage
@WILEY-VCH Weinheim . New York . Chichester . Brisbane . Singapore .Toronto
Prof. Dr. Hans-Georg Elias Michigan Molecular Institute 1920 W. St. Andrews Rd. Midland. MI 48640 USA
Das vorliegende Werk wurde sorgfaltig erarbcitet. Dennoch ubernehmen Autor und Verlag fur die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlagen sowie fur eventucllc Druckfehler keine Haftung.
1.Auflage 1971 2.. uberarbeitete Auflage 1972 3., uberarbeitete und erweitcrtc Auflage 1975 4.. uberarbeitete und erweiterte Auflage 19x1 S.,iiberarbeitete und erweiterte Auflage: Band I : 1990 Band 2: 1092 6.. vollstandig uberarbeitete und erweitertc Auflage: Band 1: 1990 Band 2: 2001 Bande 3 und 4: in Vorbcreitung
Die Deutsche Bibliothck - ('IP-Einheitsaufnahmc Ein Titeldatensatz f u r diew Publikation is1 hei Der Deutschcn I3ihliothek crhdltlich
ISBN 3-527-2YY)hO-2
0WILEY-VCH Verlag GmbH. D-69469 Weinheim (Federal Kcpublic of Gernianv). 2001 Gedruckt auf saurefreiem Papier Alle Rechte. insbesondere die dcr Ubersetzung in andere Sprachcn. vorbehaltcn. Kein Tell di ohne schril'tliche Genehmigung des Verlagcs in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - rcproduzicrt oder in eine von M hinen. insbesondere von Datcnverarbeitungsmaschinen. verwcndbarc Sprache ubertragen oder uberset7t wcrdcn. Die Wiedergahe v o n Warenheieichnungen. Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch herechtigt nicht /u der Annahm jedermann frei henutrt wcrden durfen.Vielmchr kann es sich auch d a m um eingerragene Waren, stige gesetilich geschutzte Kennxichen hilndcln. wenn sie nicht eigens als solche merkiert bind. All rights reserved (including those of translation in other languages). N o part ol this hook may he reproduced i n any form - by photoprinting. microfilm. or any other means - nor transmitted or translated into machine language without written permisston from the publishers. Registered n;lnles.trademarks.etc. used in this hook.cven when not specifically marked as such. are not to be considered unprotected by law. Druck: Strauss Offsetdruck. D-hVSOY Morlenhach Bindung: Buchbinderei Ossw;ild&Co.. D-67433 Neustadt (Wein\tralJe) Printed in the Federal Republic o f Germany.
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr. sei nicht wahr ...
Johann Wolfgang yon Goethe Faust II. 1. Akt
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Vonvort
VII
Vorwort zu Band I1 der sechsten Auflage Im ersten Band des vierbadigen Werkes "Makromolekule" wurden die chemischen Strukturen und Synthesen von natiirlichen und synthetischen Makromolekiilen besprochen. Der vorliegende zweite Band behandelt die physikalischen Strukturen und Eigenschaften von solchen Makrornolekiilen sowie diejenigen der aus ihnen aufgebauten makromolekularen Substanzen. Wie ihre Vorgager der 1.-5. Auflage verfolgt auch die 6. Auflage die gleichen Ziele: nicht zu elementare Darstellung des Stoffes, praiise Definitionen der Grundlagen, detaillierte Ableitung wichtiger physikalischer Beziehungen, breiter Uberblick uber das Gesamtgebiet. integrierende Behandlung der Chemie, Physik, Biologie und Technologie makromolekularer Substanzen sowie eine ausgewogene Behandlung von Tatsachen- und Verstihdniswissen. Ein solcher Ansatz stosst beirn Betrachten chemischer Stxukturen und Eigenschaften (Band I) selten auf Problerne, da hier die spezifschen stofflichen Charakteristiken individueller Molekule im Vordergrund stehen, also lokale Gegebenheiten. Anders ist es bei physikalischen Strukturen und Eigenschaften, dem Thema dieses Bandes. Physikalische Ansatze gehen in der Regel von den globalen Eigenschaften von Molekiilen und MolekiilverbZnden aus; sie versuchen die universalen Gesetzmassigkeiten zu ergriinden. Die Tendenz zum Abstrahieren wird noch durch das Verwenden eleganter mathematischer Methoden versttirkt. Solche Methoden gehdren aber meist nicht zurn taglichen Handwerkszeug der rneisten Polymerwissenschaftler. Ihre detaillierte Behandlung wiirde zudern den Rahrnen dieses Buches sprengen. Anderemeits sind die Ergebnisse solcher theoretischen physikalischen Ansatze fiir das Verstandnis physikalischer Eigenschaften sehr wichtig. Die Gleichungen werden daher oft vereinfachend abgeleitet oder die GedankengZnge nur qualitativ geschildert; fiir detailliertere Begriindungen ist die SpeziaUiteratur zu konsultieren. Der erste Teil des Bandes I1 schildert die Struktur isolierter Molekiile und die zur Strukturaufklarungverwendeten Verfahren. Damit dieser Band separat von Band I lesbar ist, wird zunachst kurz die chernische Konstitution von Makromolekiilen repetiert (Kap. 2); zum Vertiefen ist Band I heranzuziehen. Um den Band I1 weitgehend unabhhgig von Band I zu machen. war es notwendig, in Kapitel 2 und auch in einigen anderen Kapiteln einige wenige Abschnitte und Abbildungen des Bandes I zu wiederholen, mit geringen Ausnahmen allerdings nicht verbatim. In den Kap. 3 und 4 werden dann die Mikro- und Makrokonformationen von Makrornolekulen beschrieben. Dieser Teil schliesst mit einem Kapitel 5 uber Streuverfahren ab, den wichtigsten Methoden zum Bestimmen der globalen Struktur von Makromolekiilen. Der zweite Teil befasst sich mit der physikalischen Struktur von Molekiilverb2nden in amorphen Zusthden, Schmelzen und konzentrierten Losungen (Kap. 6). im kristallinen Zustand (Kap. 7),in Mesophasen (Kap. S), sowie in und an Grenzflachen (Kap. 9). Im dritten Teil werden Makromolekule in Wsungen diskutiert, und zwar deren Therrnodynamik (Kap. lo), ihre Transporteigenschaften (Kap. 11) und. wegen ihrer grossen theoretischen und praktischen Bedeutung in einem besonderen Kapitel. die Viskositat verdiinnter Usungen (Kap. 12). Der vierte Teil ist den Eigenschaften von Schmelzen gewidrnet: zunachst den thermischen Eigenschaften einschl. den thermischen Urnwandlungen (Kap. 13). dann der Molekuldynamik (Kap. 14) und schliesslich der Schrnelzeviskositat (Kap. 15).
VIII
Vorwort
Der fiinfte und letzte Teil ist den mechanischen Eigenschaften von polymeren Festkorpem gewidmet: Elastizitat (Kap. 16), Viskoelastizitat (Kap. 17) und Bruchverhalten (Kap. 18). Die in Band I der 5 . Auflage enthaltenen Kapitel uber elektrische und optische Eigenschaften werden wegen ihrer grossen technischen Bedeutung nunmehr im Band IV der 6. Auflage behandelt. Der Band I1 der 6. Auflage schliesst dann mit einem Anhang (Kap. 19) ab, der SI-Grundeinheiten, Umrechnungsfaktoren usw. auflistet.
Aus dem Vorwort zur 1.4. Auflage D i e m Lehrbuch ist - wie so viele seiner Art - aus den Bediirhissen des Untemchts entstanden. Im obligatorischen Untemcht in den makromolekularen Wissenschaften fiir die Chemiker und Werkstoffkundler des 3.-7. Semesters (ETH Zurich) hatte ich seit vielen Jahren ein Lehrbuch vermisst, das von den Grundlagen der Chemie und Physik makromolekularer Substanzen bis zu den Anwendungen der Makromolekule in der Technik fiihrte. Dieses Lehrbuch sollte die Lucke zwischen den kulzen und daher oft zu sehr simplifizierenden Einfuhrungen und den hochspezialisierten Lehrbuchem und Monographien uber Teilgebiete der makromolekularen Wissenschaften schliessen und einen Uberblick uber das Gesamtgebiet vermitteln ... Bei den einzelnen Kapiteln wird eine angemessene Kennmis der anorganischen. organischen und physikalischen Chemie einschliesslich der dort verwendeten Methoden vorausgesetzt. Alle fiir die Wissenschaft der Makromolekiile wichtigen Uberlegungen und Ableitungen wurden jedoch - wenn immer moglich - von den Grundphuomenen und -iiberlegungen aus Schritt fiir Schritt vorgenommen. Ich hoffe daher. dass sich dieses Buch zum Selbststudium eignet. In einigen Fallen war ich gezwungen. strengere Ableitungen mit ihrem zwangsllufig grosseren mathematischen Aufwand zugunsten halbquantitativer, aber durchsichtigerer Ansatze zu vemachlasigen ... Ich habe also h l i c h wie Dr. Andreas Libavius den Lehrstoff in "miihevoller Arbeit, hauptsachlich aus den allerorten verstreuten Einzelangaben der besten alten und neueren Autoren, femer auch aus etlichen allgemeinen Lehrvorschnften zusammengetragen und anhand theoretischer Uberlegung und gr(issun6glicher praktischer Erfahrung nach sorgfaltiger Methode dargelegt und zu einem einheitlichen Gesamtwerk verarbeitet." *) Der Leser moge beurteilen, inwieweit dies fiir das vorliegende Lehrbuch gelungen ist. Hans-Georg Elias *) Operd e dispersis passi optimorum autorum, verterum recentium exemplis potissimum, tum etiam praeceptis quibusdam operoe collecta, adhibitsq; ratione expenentia, quanta potuit esse, methodo accuratd explicata & in integrum corpus redacta. Gmelin Institut fiir anorganische Chemie, Hrsg., Die Alchemie des Andreas Libavius (Ein Lehrbuch der Chemie aus dem Jahre 1597), VCH, Weinheim, 2. Nachdruck der 1. Auflage 1964.
IX
Verzeichnis der Abkilrzungen
Verzeichnis der Abkiirzungen IUPAC, Quantities, Units and Symbols in Physical Chemistry. Blackwell Scientific Publ., Oxford 1988 (Green Book) IUPAC, Gr(lssen, Einheiten und Symbole in der Physikalischen Chemie, VCH, Weinheim 1996 Abkurzungen fir Spruchhinweise: D: Deutsch E: Englisch (in amerikanischer Schreibweise) F: FranzUsisch G: Griechisch L: Lateinisch Bei chemischen Formeln wurden folgende Konventionen getroffen: R: Symbol f i r einen monovalenten Liganden, 2.B. CH3-. C6H5- (IUPAC) Z: Symbol f i r einen divalenten Rest, z.B. - C H 2 . -p-c6&Y: Symbol fiir einen Vivalenten Rest X: Symbol fir einen tetravalenten Rest Weitere Konventionen in diesem Buch: A, B: entweder Monomere, die zu Grundbausteinen -a- bzw. -b- fiihren, oder abspaltbare Reste funktioneller Gruppen (2.B. -OH von -COOH) L = AB: Symbol fUr ein Abgangsmolekul, z.B. H20 aus -OH + HOOCp-c6H4: in para-Stellung (1,4-) substituierter Benzolrest (para-Phenylen) (Formeln) pPh: in para-Stellung (1,4-) substituierter Benzolrest (para-Phenylen) (Text)
MATHEMATISCHE SYMBOLE (entsprechend den IUPAC-Empfehlungen) gleich ungleich identisch gleich ungefilhr gleich proportional (IUPAC: oder =) nmen sich an unendlich entspricht (IUPAC: g)
-
Differenz Differential panielles Differential Summe Integral Produkt
> 2
>> < I
> 1)
2.1.4.
Konstitutionell hoherdimensionale Makromolekiile
Lineare Makromolekule konnen als konstitutionell eindimensionale Gebilde aufgefasst werden, da die Liinge der gestreckten Kette weit grosser als der Kettendurchmesser ist. Entsprechend gibt es auch konstitutionell zwei- und dreidimensionale Makromolekule sowie dazwischen liegende Formen. Alle diese konstitutionell ein-, zwei- oder dreidimensionalen Formen sind in der Regel geometrisch dreidimensionale Gebilde. Als Grundstruktur kann man stets eine einzelne lineare Kene annehrnen. Durch chemische Verknupfungen mehrerer solcher Ketten bauen sich dann verzweigte und/oder konstitutionell hoherdimensionale Ketten auf (vgl. Abb. 2- 1 bis Abb. 2-3). Die zugrundeliegenden Ketten konnen wiederum offenkettig sein oder grosse Ringe bilden. Ihre aktuelle geometrische Form wird dabei durch ihre Konstitution sowie ihre Makrokontiguration (Kap. 2.2) und Makrokonformation (Kap. 3) bestimmt, die wiederurn durch die Sequenzen der Mikrokonfigurationen und -konfonnationen diktiert werden. Diese Sequenzen mdgen ungeordnet oder geordnet sein (2.B. in Helixstrukturen) und zu flexibleren oder steiferen Segmenten fuhren. Durch ein Verknupfen der Ketten entstehen dann noch kompliziertere Gebilde.
11
2. chemisehe stnckw
Polycatenan
Polyrotaxan
>:x:x:xx Spirokette
Sph8roidales Protein
Polymernilhe
Leiterpolymer
Doppelhelix
Doppelleiterkette
Kugelmolektll
Abb. 2-2 Einige Typn hiiherdimensionaler Makromolekiile (nicht massstilblich).
In Polycatenanen sind ringfbrmige Fadenmolekiile ohne intermolekulare chemische Bindungen miteinander verkettet (L: catena = Kette). Bei Polyrotaxanen sind durchlbcherte Perlen (2.B. Cyclodextrine) ebenfalls ohne intermolekulare chemische Bindungen auf Ketten aufgezogen (L: rotare = drehen). Polymerriihren besitzen eine Hohlachse; die Atome bzw. Atomgruppen ihrer W h d e sind chemisch aneinander gebunden. Spiroketten (in Abb. 2-2: Poly(pentaerythrit)) bauen sich aus zwei Einzelketten auf, die in periodischen Abstiinden ein gemeinsames Kettenatom besitzen. Bei Leiter- bzw. Doppelstrangpolymeren sind dagegen die beiden Ketten durch chemische Bindungen verbunden, hier beim cyclisierten 1.2-Poly(butadien). Bei Doppelhelices winden sich zwei helicale Ketten umeinander; bei Desoxyribonucleinsiuren werden sie 2.B. sowohl durch Wasserstoffbrtickenbindungen als auch durch x-x-Wechselwirkungen zusammengehalten. Doppelleiterketten kommen ausser bei dem in Abb. 2-2 gezeigten Apophyllit in vielen anderen Formen vor, z.B. bei Silikaten. Konstitutionell zwei- und dreidimensionale Polymermolekiile sind verhtiltnismissig selten. Regelmlssig aufgebaute Phyllopolymere bilden zweidimensionale Gitter, z.B. der Graphit der Abb. 2-3 (G: phyflon = Blatt). Solche Polymere mit Dicken von einer Atomlage nennt man auch Schichten-,Flachen- oder Parkettpolymere. Folienpolymere (E: sheet polymers) sind mehrere Atomlagen dick. Ein Beispiel ist der Glimmer. Tectopolymere (G: tekron = Zimmermann, L: rectum = Dach) bzw. Gitterpolymere (E: lattice polymers) liegen z.B. beim Diamanten, beim Quarz und beim schwarzen Phosphor vor. Gitterpolymere existieren ausschliesslich im festen Zustand. Im Gegensatz zu diesen chemisch regelmlssig dreidimensional vemetzten Polymeren sind die Ketten bei Elastomeren und Duroplasten statistisch vemetzt.
Phyllopolymer
Tectopolymer
Abb. 2-3 Einige zwei- und dreidimensional vernetzte Makromolekiile.
Statistisches Netzpolymer
2.2. Konfiguration
12
2.2.
Konfiguration
2 . 2 . 1 . Grundbegriffe Molekiile chemischer Verbindungen aus der gleichen ZaN gleicher, aber unterschiedlich angeordneter Atome sind Isomere (G: isos = gleich, meros = Teil). Konstitutionsisomere besitzen bei gleicher Summenfonnel verschiedene Aufeinanderfolgen der Atome im Molekiil. Beispiele sind Butan C H ~ C H Z C H ~ Cund H ~Isobutan CH3CH(CH3)2. Stereoisomere sind dagegen Molekule mit gleicher Aufeinanderfolge, aber unterschiedlicher raumlicher Anordnung der Atome, z.B. D-Alanin und L-Alanin (G: stereos = starr, fest, hart). Ein Molekiil ist entweder ein Konstitutionsisomer oder ein Stereoisomer. Stereoisomere werden nach ihren Symmetrieeigenschaften oder nach ihren Energiebameren eingeteilt. Nach den Symmetrieeigenschaften unterscheidet man Enantiomere und Diastereomere (Abb. 2-4). Zwei Stereoisomere sind immer enantiomer oder diastereomer zueinander, jedoch niemals beides zugleich. Enantiomere verhalten sich zueinander wie Bild und Spiegelbild. Sie gleichen sich wie die linke und die rechte Hand und sind daher immer chiral (G: cheir = Hand). Diastereomerie tritt bei Isomeren aus (mindestens zwei) stereogenen Zentren auf, wenn nur einige dieser Zentren enantiomere Gruppierungen darstellen, die anderen aber konfigurativ identisch sind (Abb. 24). Diastereomere Molekule weisen keine Spiegelbildisomerien auf. Sie konnen chiral sein wie Threose und Erythrose oder achiral wie cis- und truns-l,2-Dibromethen (vgl. Band I, Abb. 4-1). Diastereomere
M
Enantiomere
El
Diastereomm
M
E2
Abb. 2 4 Enantiomere und Diastereomere. Die Teilstrukturen sind entweder enantiomer zueiander (E) oder aber konfigurativ identisch (K). El, E2 = enantiomere Molekiile, M = meso-Verbindung. Stereoisomere werden weiterhin nach der Hohe der sic trennenden Energiebarrieren in Konfigurations- und Konformationsisomere eingeteilt. Als Konfiguration (E: configuration) wird in der Chemie eine raumliche Lagerung von Atomen oder Atomgruppen um ein Zentralatom oder eine Mehrfachbindung bezeichnct (L: corn = zusammen, f i g u ra = Form), die nur nach dem Uberwinden einer hohen Energiebamere in eine andere Konfiguration uberftihrbar ist. Kinetisch stabile Isomere sind z.B. die Konfigurationsisomeren des Poly(propy1en)s (E: configurational isomers) (Abb. 2-5, R = CH3) und, wenn man den Begriff der Konfigurationsisomene erweitert, die Torsionsisomeren (geometriwhen Isomeren) (E: torsional isomers) des 1,4-Poly(butadien)s (Abb. 2-5, rechts).
isotaktisc h
syndiotaktisch
-
cis-taktisch
Wans-taktiXh
Abb. 2-5 Beispiele fiir Konfigurationsisornere (links) und Torsionsstereoisomere(rechts). Bindungen: - in der Papierebene, iiber der Papierebcne, I I unter der Papierebene. 1 0
1'
13
2. chemische stnckhrr
I
II
X
X
X
m
N
V
Abb. 2-6 Darstellungen des dreidimensionalen Molekiils CzyxH auf dem zweidimensionalen Papier. I: Perspektivische Darstellung. Bei II-IV geben Keile Bindungen fiber der Papierebene, ausgezogene Linien solche in der Papierebene und gestrichelte Linien solche unter der Papierebene an. Die zweidimensionale Fischer-Projektion V entspricht der "rilumlichen" Darstellung I11 bzw. der pseudorilumlichen Darstellung IV. Der schwame punkt kennzeichnet das stemgene Atom.
Konforma tionsisomere (E: conformational isomers) weisen dagegen eine niedrige Energiebamere fiir den hergang von einer Konfomation in die andere auf (Kap. 3). Derartige Isomere wandeln sich daher schnell ineinander um. Da man bei den Konformationsisomeren wie bei den Konfigurationsisomeren die Humlichen Lagen der Atome bzw. Atomgruppen betrachtet, w i d die Statistik der Konformationen in der Physik wie vor 1940 allgemein ublich hlufig als "Konfigurationsstatistik" bezeichnet.
2.2.2.
Konfigurationsstatistik
Die Konfgurationsstatistik der Chemie beschreibt die statistische Aufeinanderfolge der Konfigurationen um die einzelnen Zentralatome bzw. Mehrfachbindungen. Anders als in der organischen Chemie ist man in der makromolekularen Chemie nicht an der sog. absoluten Konfiguration interessiert, sondem an den relativen Konfigurationen. Die absolute Konfiguration um das stereogene Zentrum ("asymmetrisches Zentralatom"; "chirales Atom") wird mit zwei Konventionen beschrieben. Beim D,L-System wird dem optisch rechtsdrehenden (+)-Glycerinaldehyd als Bezugssubstanz willkiirlich die D-Konfiguration zugeordnet. Das R,S-System kommt dagegen ohne BezugssubstanZen aus. Bei ihm erhalten die Substituenten (Liganden) Prioritlten, die sich nach der Stellung der Substituenten im Periodensystem richten. Iod erMt die hiichste Priorittit (E: seniority). ein einsames Elektmnenpaar die niedrigste (Band I, Kap. 4.1.6). Die "absoluten Konfigurationen" der organischen Chemie betrachten die Konfgurationen um jedes Stereoisomerie-Zentrum relativ zum Liganden mit der niedrigsten Priorittit. Die relativen Konfigurationen ergeben sich dagegen, wenn man eine Polymerkette von einem Ende her abschreitet. Die Substituenten CH3 und C2H5 der konstitutionellen Repetiereinheiten des Poly(2penten)s kefnnen 2.B. beide sterisch festgelegt sein. Altemativ kann nur ein Substituent sterisch definien sein oder sogar keiner, wie man aus den Fischer-Projektionen sieht (vgl. auch Abb. 2-6). Man unterscheidet entsprechend stereoreguliire und taktische Einheiten.
SteXeURgIW
und raktisch
stem@
und taktisch
taktisch, nicht stemreguW
weder taktisch noch steraregular
14
2.2. Konjiguration
Sterische Repetiereinheiten (E: stereorepeating units) sind konfigurative Repetiereinheiten, bei denen die Konfiguration um alle stereogenen Zentren festgelegt ist. Ein stereoregulares Polymeres ist entsprechend ein regullres Polymeres, dessen Molekiile aus nur einer einzigen Spezies von sterischen Repetiereinheiten bestehen. die immer gleich miteinander verkniipft sind. Bei einer taktischen Repetiereinheit sind dagegen nicht alle Konfigurationen urn stereogene Zentren festgelegt, jedoch mindestens eine von ihnen (s. die dritte der vorstehenden Fonneln). Bei einem taktischen Polymeren enthalten entsprechend alle Molekiile jeweils die gleichen Typen von taktischen Repetiereinheiten in gleicher Verkniipfung. Stereoregulilre Polymere sind immer taktisch, taktische aber nicht notwendigerweise auch stereoregulilr, da ja nicht alle Stereoisomeriezentren festgelegt sein miissen. sind z.B. die einfachsten sterischen RepeBeim Poly(propy1en) +CHpCH(CH3% tiereinheiten mit den entsprechenden einfachsten taktischen Repetiereinheiten identisch. Eine isotaktische Repetiereinheit (E: isotactic repeating unit) besteht aus einer einzigen konstitutionellen bzw. konfigurativen Repetiereinheit. Isotaktische Polymere (IT) enthalten folglich nur Molektile mit derartigen isotaktischen Einheiten (G: isos = gleich). Syndiotaktische Repetiereinheiten sind aus zwei enantiomeren konfgurativen Repetiereinheiten (= zwei Monomereinheiten) aufgebaut. Syndiotaktische Polymermolekiile (ST) entstehen durch Repetition dieser Einheiten (G: syn = zusammen, dios = zwei). Bei heterotaktischen Repetiereinheiten mussen sich dagegen jeweils vier Monomereinheiten in gleicher Abfolge wiederholen, um ein heterotaktisches Polymermolekiil (HT)zu bilden. Z M t man hier dagegen nur drei Monomereinheiten pro Repetiereinheit, d m wechseln sich zwei Typen von Repetiereinheiten miteinander ab. Taktische Poly(propy1en)e besitzen ein Stereoisomerie-Zentrm pro konfigurative Monomereinheit; sie sind monotaktisch. Stereoregulare Poly(2-penten)e (s. S. 13) weisen dagegen zwei definierte Stereoisomerie-Zentren pro konfigurative Monomereinheit auf; sie sind ditaktisch. Taktische Diaden bestehen aus jeweils zwei Monomereinheiten,taktische Triaden aus jeweils drei, usw. Jede Monomereinheit gehon daher zu 2 taktischen Diaden, 3 taktischen Triaden, 4 taktischen Tetraden, usw. Es gibt jeweils zwei Typen von Diaden (i und s), vier Typen von Triaden (ii. is, si, ss), usw. In der Literatur wird statt "iso" oft "meso" (m)verwendet und statt "syndio" dann "racerno" (r) (Band I, Kap. 4.3.3).
7%
7H3 7H3 7H3 7H3 7H3 7H3 4~-C-CH24-CH242H2-C-CH24-4H~-CH,CI I I I I I I H HI H H H H H , I y
--CH I
*-
3
7
7%
C-CH234H24-4H I I I H CH, H I I
7%
y
HI y C-CH244H2-C-CH2-C-CH 2-1 I I I CH3 H CH3 H I I I
7H3
K
I
H
3
2-i
HI C-
ST
CH3 I
H H 7% y I 7 I -C~-C-CH2~4H2-C4H2-C-CH2--C4~-C4H24-CH2--Cy
I H
I
3
y
I H
I
CH,
I CH3
II
I
H
3
y
I H
3
I CH,
HT
I
CH, I
15
2. chemischestncknu
Zwischen den verschiedenen Typen von J-Aden (J = di, tri, tetra usw.) bestehen allgemeingiiltige Beziehungen. da sich jede J-Ade von den Triaden an aus mehreren Diaden zusammensetzt. Isotaktische Diaden i sind beispielsweise in der isotaktischen Triade ii und den heterotaktischen Triaden is und si enthalten. Die Beziehungen zwischen den Stoffmengenanteilen der Diaden und Triaden lauten daher Xi = Xii + (1/2)(Xis + x,i) und x, = xss + (1/2)(XSi + xi,). Entsprechende Beziehungen lassen sich fiir die Beziehungen zwischen Diaden und Tetraden, Triaden und Tetraden usw. aufstellen. Sueng genommen gelten alle diese Beziehungen und die Folgenden nur f i r ringfdrmige bzw. unendlich lange Ketten, bei denen die Endeinheiten vemachllssigbar sind. Die Summe der Stoffinengenanteile ("Molenbriiche") aller Typen einer Sorte von JAden muss jeweils gleich 1 sein (xi + x, = 1; xii + xi, + xsi + x,, I 1 usw.). Die Stoffmengenanteile an isotaktischen Diaden, Triaden, Tetraden usw. sind bei isotaktischen Polymeren jeweils Eins (xi = xii = xi;; = ... = 1). Bei syndiotaktischen Polymeren gilt entsprechend x, = x,, = x,,, = ... = 1. Da heterotaktische Polymere aus jeweils gleichen Anteilen an iso- und syndiotaktischen Diaden bestehen, hat man hier xi = x, = lr;! sowie xii = xss = 0 und xis = x,i = 1/2. Ataktische Polymere besitzen definitionsgemass gleiche Mengen an allen mdglichen konfigurativen Einheiten mil ideal-statistischer Verteilung von Molekiil zu Molekiil: Xi = x, = 1/2. xii = xi, = x,i = x,, = 1/4, usw. Eine derartige Verteilung entspricht einer Bernoulli-Verteilung (Markow-Verteilung nullter Ordnung). "Ataktisch w i d in der Literatur allerdings meist nicht in diesem strengen Sinne, sondem meist als "nicht iiberwiegend taktisch" verwendet. Auch die isotaktischen Polymeren der Literatur sind meist nicht 100 % isotaktisch und ebenso nicht die syndiotaktischen. Derartige Polymeren lassen sich durch die mittleren Sequenzlkgen der isotaktischen bzw. syndiotaktischen Homosequenzen charakterisieren. Eine isotaktische Sequenz wird durch eine heterotaktische Triade ...si... begonnen und durch eine heterotaktische ...is... Triade beendet. Das Zahlenmittel des Polymerisationsgrades der isotaktischen Sequenzen ist daher durch = 2 Xi/(Xis + Xsi) gegeben = (1/ 2) + = 1/(xis +xsi). und das Zahlenmittel aller Sequenzen durch
xses,n
z~,~ [ z ~ zs,n] ,~
2.3.
Polymerisationsgrade und Molmassen
2.3.1.
Ubersicht
Makromolekulare Substanzen erhalten ihre charakteristischen und von niedermolekularen Substanzen abweichenden Eigenschaften von den hohen Molmassen ihrer Molekiile. Natiirlich vorkommende Proteine und Polysaccharide sowie die meisten synthetischen Polymeren weisen je nach Funktion bzw. Synthese und Verwendungszweck Molekulargewichte zwischen einigen Tausend und einigen Millionen auf, Desoxyribonucleinsluren manchmal jedoch erheblich hdhere (Tab. 2-4). Die (meist hypothetischen) gestreckten Lkgen (Konturlkgen) variieren entsprechend zwischen einigen Mikrometem beim konventionellen Poly(ethy1en) und mehreren Kilometem bei der Desoxyribonucleinsaure des Lungentisches. Die Molekiile sind aber sehr schlank, selbst wenn sich je zwei Ketten zu einer wurmartigen Doppelhelix umeinanderwinden.
16
2.3. Polymerisationsgrade und Molmassen
Tab. 2-4 Molekulargewichte M, Durchmesser d der Ketten und konventionelle Konturlhgen rant (= maximale Lhgen linearer Ketten) sowie aktuelle Gesralten einiger Makromolekiile. Makromolekiil
Desoxyribonucleinsiiuren Lungenfiih Mensch Hefe Bacterium subtilis Polyoma SV 40-Virus Amylopektin aus SWke Osterlilie Web Poly(ethy1en) ultrahochmolekular konventionell
Mr
rC0,Jnm
dlnm
Gestalt
69000000000000 34700000000 2000000000000 1000000000 9000000000 4600000 2000000000 1000000 3000000 1000
2,o 2,o 2.0 2-0 2,o
linear, Doppelhelix linear, Doppelhelix linear, Doppelhelix linear, Doppelhelix ringformig
250 000 000 2000000
venweigt 10 000
0,74 0,74
linear, Einzelkette linear, Einzelkeae
3000000 100 000
272 000 9 100
0,49 0,49
lineare Einzelkette verzweigte Kette
Die konstitutionelle Gr6sse der Makromolekule wird experimentell durch deren Molekulargewicht bzw. Molmasse charakterisiert, theoretisch jedoch durch den Polymensationsgrad. Molmassen sind in Polymerisationsgrade umrechenbar, wenn die konstitutionellen Repetiereinheiten sowie die Molmassen der Endgruppen bekannt sind. Nur wenige natiirlich vorkommende makromolekulare Substanzen sind molekulareinheitlich. Die meisten Polymeren weisen vielmehr eine Molekulargewichts- bzw. Molmassenverteilung auf, die ebenfalls experimentell ermittelt und in die entsprechende Verteilung der Polymerisationsgrade umgerechnet werden kann. Anstelle der Verteilungsfunktion bestimmt man oft nur bestimmte Mittelwerte oder Momente. Diese Mittelwerte bzw. Momente unterscheiden sich in der statistischen Wichtung der Anteile (z.B. nach der Zahl N,der Masse m usw.). Bei jeder Verteilung existieren unendlich viele Mittelwerte und Momente bzw. deren Kombinationen; nur wenige sind jedoch experimentell zugmglich oder praktisch bzw. theoretisch wichtig.
2.3.2.
Molekulmassen, Molekulargewichte und Molmassen
Die Atommasse ist die Masse ma eines Atoms, die Molekiilmasse (E: molecular mass) entsprechend die Masse mmol eines Molekuls. Ein Beispiel ist die Masse m,(12C) eines Atoms des Kohlenstoffisotops I2C, aus der sich die atomare Massenkonstante (E: atomic mass constant) zu m, = ma(l2C)/12 = 1,660 540 2.lCkZ7 kg berechnet. Die atomare Massenkonstante mu = 1 u ist definitionsgem%s gleich der vereinheitlichten Atommassen-Einheit u @: unified atomic mass unit); ublich ist auch das Symbol amu. In der Biochemie hat sich fiir die physikalische Einheit u = a m u der Name Dalton und das Symbol Da eingebiirgert. Die Con,&ence Gknhale des Poi& et Mesures erkennt jedoch weder "Dalton"ncch "Da" an. Ausserdem ist zu beachten, dass die atomare Massenkonstante und daher auch die Einheit u die physikalische Einheit einer Masse aufweist, w h n d das "Dalton" oft fdschlicherweise als dimensionslos angesehen wird. Bei der Massenspektroskopie bestimmt man das Verh3tnis mmol/q der Molekiilmasse mmo1 zur elektrischen Ladung q der Molekiile bzw. Molekulfragmente (Band I). Dieses VerhStnis ist eine reduzierte Molekiilmasse; es wird als reduzierte relative Molekiilmasse M,/q angegeben.
2. Chemische Strukncr
17
Die relative Molekiilmasse Mr = mmol/m, (E: relative molecular mass) ist als das Verhaltnis der Masse mmoleines Molekiils einer Substanz zur atomaren Massenkonstante definiert (IS0 31-8). Sie ist als reine ZaN "dimensionslos" (physikalische Einheit 1). Die einzige bekannte Methode zur direkten Ermittlung der relativen Molekiilmasse besteht in der chemischen Bestimmung des Anteils der Endgmppen, wozu die Konstitution der Molekiile bekannt sein muss (vgl. Band I). Physikalische Methoden wie die Membranosmomevie, die Lichtstreuung, usw., liefem nicht relative Molekiilmassen, sondem Molmassen M = m/n (E: molar masses) als Masse m pro Stoffmenge n der Subsfunz. In der makromolekularen Wissenschaft ist es iiblich, Molmassen in der Einheit glmol (und nicht kglmol) anzugeben, da dann Molmassen und relative Molekiilmassen nummerisch (aber nicht dimensionsmassig!) identisch werden. Uneinheitliche Polymere weisen verschiedene Mittelwerte der relativen Molekiilmassen bzw. Molmassen auf. Zahlenmittel mitteln iiber die Anzahl bzw. die Stoffmenge der einzelnen Spezies, Massenmittel iiber deren Massen usw. Das Zahlenmittel der Molmasse trggt das Symbol (E: number-average molar mass, das Zahlenmittel der relativen Molekiilmasse dagegen das Symbol %r,n (E: number-average molecular mass). Analog von dem Massenmittel der unterscheidet man das Massenmittel der Molmasse ( relativen Molekiilmasse (@r,w). Relative Molekiilmassen kdnnen auch Molekulargewichte genannt werden (E: molecular weight), weil es sich um relative Grdssen handelt. Das Gewicht G = mg (in Newton) ist als Produkt von Masse m und Beschleunigung g des freien Falls definiert. Bei relativen Gr6ssen kann daher "Gewicht" verwendet werden, wenn es widerspmchsfEi erfolgt. Man kann also von einem Gewichfsmittel des Molekulargewichfes sprechen oder von einem Mussemittel der relativen Molekiilmasse, aber nicht von einem Gewichfsmittel der relativen Molekiilmasse und nicht von einem Gwichtsmittel der Molmusse.
z,,
zw)
2.3.3.
Statistische Gewichte
Zahlen- und Massenmittel unterscheiden sich in den statistischen Gewichten gi, mit denen die Anteile an den einzelnen Komponenten belegt werden. Es gibt sehr viele verschiedene statistische Gewichte, die wichtigsten sind die zahlen-, massen-, z- und (z+l)statistischen Gewichte. Diese statistischen Gewichte sind uber die Molmassen miteinander verkniipft (s. unten). Chemische Reaktionen werden ublicherweise auf die Zahl Ni der reagierenden Molekule bzw. deren Stoffmengen ni (in mol) bezogen. Beide Grossen sind nach ni = NJNA uber die Avogadro-Konstante NA (in mol-l) miteinander verknupft. Altemativ werden manchmal die Stoffmengenkonzentrationen ("Molkonzentrationen", "Molaritaten") [i] = nJV verwendet, also die Stoffmenge ni der Komponente i pro Volumen V der Ldsung nach dem Mischen von i mit dem Ldsungsmittel (E: amount-ofsubstance concentration, amount concentration). Aus diesen Gleichungen folgt mit der Definition der Molmasse M i = NA(mmol)i, dass bei molekulareinheitlichen Spezies i die Masse mi und die Stoffmenge ni iiber die Molmasse Mi der Komponente i miteinander verknupft sind:
18
2.3. Polymerisationsgrade und Molmassen
Bei einem uneinheitlichen Polymeren ist die Molmasse durch den Quotienten der Summe aller Massen mi und der Summe aller Stoffmengen ni gegeben. Die Molmasse (E: number-average molar mass): wird zum Zahlenmittel der Molmasse H,,
Experimentell ermittelt man jedoch meist nicht die Stoffmenge ni. sondem die Masse mi = (mmo1)iNi aller Molekiile des Typs i. Diese Masse ergibt sich aus der Masse (mmo1)i eines einzelnen Molekules und der Zahl Ni aller Molekule dieses Typs. Analog zum ZaNenmittel der Molmasse der G1.(2-2) definiert man man das Massenmittel der Molmasse Zw (E: mass-average molar mass):
Ausser zahlen- und massenstatistischen Gewichten konnen noch niedrigere und hohere statistische Gewichte definiert werden, z.B. ein z-statistisches Gewicht, ein {z+l J-statistisches Gewicht und ein {n-1)-statistisches Gewicht. Zu den Wichtungen ni und mi treten dann die Wichtungen zi, { z+l ) i und (n-1 ) i: (2-4) (2-5) (2-6) (2-7) (2-8)
(n--l)-statistisches Gewicht: zahlenstatistisches Gewicht: massenstatistisches Gewicht: z-statistisches Gewicht: (z+l J -statistisches Gewicht:
niMi-’ n; mi ~niMi Zi = niM;* { z+lJi niMi3 (n-l)i ni
I G
m.M-2 t t - m.M-1 = I t “mi =miMi miMi2
{m-2)i = {m-l}i = {m)i = {m+lJi { m+2 J i
Das z-statistische Gewicht heisst so, weil es zuerst bei Zentrifugenversuchen ermittelt wurde. (z+l} und {n-1) wurden analog zu z und n benannt; f i r diese statistischen Gewichte gibt es keine speziellen Symbole. Die Reihe statistischer Gewichte kann im Prinzip zu noch niedrigeren statistischen Gewichten wie z.B. {n-2Ji oder zu noch Mheren wie (z+2Jiusw. enveitert werden. Experimentelle Methoden sind jedoch unbekannt. Die in den G1.(24)-(2-8) in geschweiften Klammem stehenden Ausdriicke reprasentieren nicht mathematische Operationen, bei denen eine Zahl zu einer physikalischen Gr(isse zu- oder abgezkhlt wird, sondem Symbole fiir physikalische Grtissen. Eine Zahl enthaltende Symbole sind ausser fiir {z+ 1 J i und { n-1 ) nicht gebrauchlich. Ublicherweise werden nur die links vom ersten Identitatszeichen stehenden Symbole benutzt. Die Ausdriicke der G1.(2-4)-(2-8) gelten nur fiir einheitliche Spezies. Nummerisch ist leicht zu zeigen, dass in diesen Beziehungen bei uneinheitfichen Spezies i (z.B. Fraktionen) immer dejenige Mittelwert fiir die Molmasse Mi eingesetzt werden muss, der dem zu multiplizierenden statistischen Gewicht entspricht. Diese Regel gilt generell f i r jedes statistische Gewicht und fir jede Eigenschaft. Die G1.(2-4)-(2-8) werden dann zu
2. Ckmische Struktw
19
Anstelle der Stoffmengen, Massen usw. kann man als statistische Gewichte auch deren Anteile verwenden, z.B. die Stoffmengenanteile ("Molenbriiche")X i , Massenanteile ("Gewichtsbriiche") Wit z-Anteile Zi usw. Mit den Definitionen und den G1.(24a) ff. resultiert f i r uneinheitliche Spezies i:
ii?,,,i, Rw,iund Hz,i sind dabei die ZaNen-, Massen- und z-Mittel der Fraktionen i und z, H, und gzdie entsprechenden Mittelwerte des gesamten Polymeren. Bei einheitlichen Fraktionen gilt Hn,i = ii?,,i = Uz,i= Hi. Die G1.(2-9)-(2-11) werden zu
Der Vergleich der G1.(2-9)-(2-11) fiir die statistischen Gewichtsanteile mit den G1.(25)-(2-7) f i r die statistischen Gewichte zeigt, dass bei Umrechnungen von statistischen Gewichtsanfeilen ineinander jeweils die Mittelwerte der Molmasse des gesamten Polymeren zu beriicksichtigen sind. Wie man auch der Analyse der Dimensionen enmimmt, gilt -~ S WOi = XiMilHn und nicht W i = XiMi sowie Zi = XiMTK M , M,) und nicht Zi = X i M? . Ausser diesen auf die zahl N (bzw. n oder x ) oder die Masse m (bzw. w ) der Molekiile oder Teilchen bezogenen statistischen Gewichten gibt es solche, die statistische Wichtungen uber die Abmessungen vomehmen, z.B uber Liingen und Volumina (Bd. IV).
2.3.4.
Einfache Mittelwerte der Molmassen
Die Molmasse M eines einheiflichen Polymeren setzt sich aus der Molmasse M,, des aus vielen Monomereinheiten (oder Repetiereinheiten, usw.) bestehenden Polymergeriistes und der Summe der Molmassen Mend aller Typenj von Endgruppen zusammen:
Im Folgenden wird angenommen, dass der Beitrag der Endgruppen zur Molmasse des Polymeren vemachlBssigbar ist. Diese Annahme trim nicht bei Oligomeren zu und auch nicht bei hochverzweigten Polymemolekiilen. Die nachstehenden Gleichungen sind fiir diese F2lle zu modifizieren. Bei uneinheitlichen Polymeren ist das M der G1.(2-12) ein Mittelwert. Im Folgenden wird weiter angenommen, dass derartige Polymere zwar molekularuneinheitlich sind, aber konstitutionell einheitlich. Alle Monomereinheiten bzw. Repetiereinheiten sollen also identisch sein. Die bei solchen molekularuneinheitlichen Polymeren gemessenen Molmassen sind damit stets Mittelwerte iiber die pro Molekiil unterschiedlichen Zahlen (Massen usw.) der Monomereinheiten, deren Molmassen wiederum definitionsgemiss alle identisch sind.
20
2.3. Polymerisationsgrade und Molmassen
Physikalische Methoden, die mit sich in thermodynamischen Gleichgewichten befindenden Systemen arbeiten (Membranosmometrie, statische Lichtstreuung, Sedimentationsgleichgewicht usw.), fiihren zu einfachen Mittelwerren der Molmassen ( H,,Gw, Gz usw.), weil sie auf einer Reihe von einfachen, miteinander verkniipften statistischen Gewichten basieren (G1.(2-4)-(2- 11a)). Im allgemeinen Fall ist jede Spezies i selber molekularuneinheitlich; ihre Molmasse ist daher selbst ein Mittelwen. Eine Substanz aus solchen molekularuneinheitlichen Spezies weist bei vernachiassigbaren Beitragen der Endgruppen daher das folgende Zahlenmittel der Molmasse auf (E: number-average molar mass):
Dabei sind Ni = Zahl der Molekiile der Spczies i, ni = N ~ / N A= Stoffmenge der Spezies, xi = Ni/& N i = ni/& ni = Stoffmengenanteil ("Molenbruch") und wi = m J Z i mi = Massenanteil ("Gewichtsbruch"). ES gilt weiterhin & N i = N , & ni = n, & X i = 1, Ci mi = m und C i w i ~ 1. Das Massenmittel der Molmasse einer Substanz mit molekularuneinheitlichen Spezies lautet nach der Definition bzw. mit G1.(2-6) und m = n g , bzw. En (xi niM,,i)/n:
Analog ergibt sich mit den G1.(2-10) und (2-1 1) fur das z-Mittel der Molmasse
Die G1.(2-13)-(2-15) reduzieren sich fiir Polymere rnit einheitlichen Spezies i zu
Bei Berechnungen werden oft die G1.(2-13a)-(2- 1Sa) anstelle der G1.(2-13)-(2-1S) verwendet, wcil man die Unterschiede nicht als signifikant ansicht. Tatsachlich konnen dadurch betrachtliche Fehler entstehen. Nimmt man hier z.B. = gw,i = pz,ian und M i = M,,i, dann wird zwar M, korrekt gefunden, Gwund Mz sind jedoch zu tief. Setzt man umgckehrt M i = Gw,i,so ist En z u hoch, korrekt und Mz zu tief. Ein nummerisches Beispiel findet sich in Band I, S. 84 (6. Auflage).
nn,i
nw
2. chemische struktur
21
2.3.5. Komplexere Mittelwerte der Molmassen Hydrodynamische Messungen liefern hydrodynamische GrOssen H (Diffusionskoeffizienten usw.), die nach einer Potenzfunktion von der Molmasse M abh2ngen:
Kh und h sind in der Regel empirische, molmassenunabh2ngige Konstanten, die mit der Konstitution und Konfiguration des Polymeren sowie dem LOsungsmittel und der Temperatur variieren. Derartige Gleichungen lassen sich fiir jeden geniigend klein gewmten Molmassenbereich schreiben. Sie gelten jedoch oft f i r erstaunlich breite Bereiche.
Einfache hydrodynamische Mittelwerte Bei uneinheitlichen Polymeren wird Stan H ein hydrodpamischer Mittelwert Hg gemessen, wobei g das statistische Gewicht ist (g = n, m,z usw. oder G = x. w ,2 usw.):
Das g-Mittel Hg der hydrodynamischen Eigenschaft ist nach pg= K h M t g analog zu G1.(2- 16) mit einem g-hydrodynamischen Mittel der Molmasse verknupft. Lost man nach Mh,g auf und setzt das Resultat in G1.(2-17) ein, so erh2lt man f i r das g-hydrodynamische Mittel der Molmasse ein Exponentenmittel:
Das hydrodynamische Mittel z h , g der Molmasse steIlt nach GL(2-18) die h-te Wurzel aus dem h-ten Moment der g-Verteilung der Molmassen dar. Fur h = 1 geht es in ein einfaches einmomentiges Mittel iiber, z.B. in ein Massenmittel fiir Gi = wi. Das aus einer hydrodynamischen GrOsse H mit einer Eichbeziehung H = KhMh berechnete hydrodynamische Molmassenmittel ist somit kein einfaches Mittel. Ein Beispiel ist das sog. Viskositatsmittel der Molmasse (Gl.(l2-12)). Zusammengesetzte hydrodynamische Mittelwerte Molmassen sind manchmal ohne Eichbeziehungen durch Kombination zweier hydrodynamischer Gassen erhatlich. Die Svedberg-Gleichung M S D = K s ~ S i D i - lerlaubt z.B., die Molmasse aus dem Sedimentationskoeffizienten Si und dem Diffusionskoeffizienten D i einer einheitlichen Substanz i zu berechnen. Die Molmasse erhnt man auch aus Si und der Grenzviskosititszahl [q]inach M s v = K ~ , S ? / ~ [ q ] i 'oder n aus Di und [q]i nach MD, = KDvDi-3[q]i-' (zur Ableitung dieser Gleichungen, s. Kap. 11.3.4). Entsprechend G1.(2-16) gilt f i r die Molmassenabhhgigkeiten von S, D und [a]:
22
2.3. Polymerisationsgradeund Molmassen
Fur die hydrodynamischen Molmassen gilt somit
Die linken und rechten Seiten dieser Gleichungen mussen jeweils die gleichen physikalischen Einheiten aufweisen. Bei molmassenunabhiingigen Exponenten a, und 6 und Konstanten K S D ,K s v und K D , gilt daher unabhungig von jeder Theorie uber die Form und Wechselwikung der Molekde die Exponentenregel (E: exponent rule): (2-22)
1 = 5-6
= (3/2)5+(1/2)a
(2-23)
o = 2-35
= -(I + 3 6 )
= -36-a
Wegen der Exponentenregel bei den molmassenunabhangigen Konstanten K , bzw . K,, mussen femer die Produkte der Konstanten in den rechts stehenden Ausdriicken der G1.(2-19)-(2-21) gleich 1 sein. Aus G1.(2-19) folgt nmlich M/(MS-&) = K S D K S / K D= 1 und analog auch K s ~ K ~ / =~ 1K(G1.(2-20)) ~ / ~ bzw. KbKi3K;' = 1 (G1.(2-21)). Die aus den G1.(2- 19)-(2-22) erh2tlichen hydrodynamischen Minelwerte der Molmasse sind Absolutwerre, da sie keine Annahmen uber Molekdgestalten, Reibungskoeffizienten, Wechselwirkungen zwischen Polymeren und LCisungsmitteln usw. erfordem. In G1.(2- 19) sind z.B. der Sedimentationskoeffizient S, der Diffusionskoeffizient D und die Konstante K S D = RT/(l - i2p1) direkte experimentelle Grijssen (R = molare Gaskonstante, T = thermodynamische Temperatur, C2 = partielles spezifisches Volumen des Polymeren, p1 = Dichte des Ltisungsmittels). Direkt messbare Grtjssen kommen auch in den Grossen Ksv = [(62/201") XNA][ql/(l - G2p113/2und KD, = [20/(64x ~ N A ~ ) I [ R Tvor, /~~I~ wobei 91 die dynamische Viskositat des Losungsmittels ist. Diese "absoluten" MittelweRe sind aber bei molekularuneinheitlichen Polymeren noch losungsmittelabh2ngig! Die Grossen Si und Di werden ntimlich mit (oft verschiedenen) statistischen Gewichten g bzw. g' gemessen, wiihrend [qji stets ein Massenmittel ist:
Fur die hydrodynamischen Molmassen ergibt sich somit mit der Exponentenregel aus den Gl.(2-19)-(2-21) nach dem Einsetzen der Potenzbeziehungen fiir Si, D i und [q]i
23
2. Chemische Struktur
2.3.6.
Mittelwerte der Polymerisationsgrade
Bei vemachlissigbaren Endgruppen ergeben sich die verschiedenen Mittelwerte der Polymerisationsgrade X analog zu den Gl.(2-13)-(2-14) zu
Als statistische Gewichte kann man auch die entsprechenden Anteife verwenden, also die Stoffmengenanteile ("Molenbriiche") xi, Massenanteile ("Gewichtsbriiche") Wi, z-Anteile Zi usw, Dabei ist jedoch zu beachten, dass Molmassen stets einschliesslich der Endgruppen gemessen werden, w2hrend sich Polymerisationsgrade nur auf die Monomereinheiten bzw. Repetiereinheiten beziehen. Aus den G1.(2-24)-(26) erhilt man mit den G1.(2-5a)-(2-7a) dann die in Tab. 2-5 zusammengestellten Ausdriicke. Tab. 2-5 Mittelwerte der Polymerisationsgrade. keine Endgruppen, uneinheitliche Spezies i
Mittelwert
nicht vernachhigbare Endgruppen. uneinheitliche Spezies i
2.3.7.
Mittelwerte anderer Eigenschaften
kine Endgruppen, einheitliche Spezies i
Die vorstehenden Ausdriicke fiir die Mittelwerte von Polymerisationsgraden und Molmassen diirfen nicht formal auf andere Eigenschaften Pi (Molekiildimensionen, Diffusionskoeffizienten usw.) ubertragen werden. Wegen der Beziehungen zwischen Stoffmengen und Massen bzw. deren Anteilen ergibt sich z.B. fiir das Massenmittel Fw der Eigenschaft P einer Substanz aus jeweils mofekufureinheiffichenSpezies i nmlich
24
2.3.8.
2.3. Polymerisationsgrade und Molmassen
Momente
Einige experimentelle Methoden liefem nicht einfache arithmetische Mittel, sondem kompliziertere Mittelwerte der Eigenschaften. Ein Beispiel sind die aus Sedimentationsund Diffusionskoeffizienten berechenbaren Molmassen (Kap. 2.3.6). Diese komplizierteren Mittelwerte werden zweckmissig als Kombinationen der Momente von Verteilungsfunktionen geschrieben (vgl. auch Tab. 11-2). In der Mechanik ist das erste Moment dl)einer Kraft als Vektor-Produkt von Kraft (z.B. g) und Abstand von der Achse (z.B. P) zur Angriffslinie der Kraft definiert. Das zweite Moment d2)ist entsprechend das Pmdukt von Kraft und Quadrat des Abstandes. Greifen mehrere Krifte an mehreren Absttinden an, so hat man zur Bestimmung der Momente die Summen dieser Pmdukte zu bilden. Momente kdnnen nicht nur fiir Beziehungen zwischen Kraft und Abstand, sondem generell f i r beliebige Grtjssen angegeben werden. Das q-te Moment vgh)der g-Verteilung der X-Werte in Bezug auf einen Referenzwert X o ist daher
Die Ordnung q des Momentes kann beliebige Werte annehmen: positive oder negative, ganzzahlige oder gebrochene, rationale oder irrationale. Ein Moment besitzt daher in der Regel eine andere physikalische Einheit als die Eigenschaft bzw. deren Mittelwert. Die statistischen Gewichtsanteile G k6nnen wie sonst auch Stoffmengenanteile, Massenanteile, Z-Anteile usw. sein und die Eigenschaften P z.B. Polymensationsgrade X , Molmassen M , Diffusionskoeffizienten D usw. Der Referenzwert Po ist prinzipiell beliebig w8hlbar. Da es aber keine negativen Polymerisationsgrade, Molmassen usw. gibt, bezieht man zweckmiissigerweise die Momente au€ einen Referenzwert 0 und gibt den so definierten Momenten das Symbol p:
Das Zahlenmittel des Polymerisationsgrades ist z.B. das uber die StofTmengen(antei1e) gewichtete arithmetische Mittel (G1.(2-24)). Es ist gleichzeitig das erste Moment der Stoffmengenverteilung der Polymerisationsgrade in Bezug auf den Ursprung:
Das zweite Moment der Stoffmengenverteilung der Polymerisationsgrade lautet dann
Das Massenmittel des Polymerisationsgrades kann daher als Verhiilmis des zweiten und des ersten Momentes der Stoffmengenverteilung der Polymerisationsgrade geschrieben werden, bei mlekuiareinheittichen Fraktionen i mit Mi = MuXi also als
25
2. chemisehe Stnckhcr
2.3.9.
Molekulare Uneinheitlichkeit
Nach den G1.(2-24)-(2-26) muss fur die verschiedenen einfachen Mittelwerte der Polymerisationsgrade und analog auch fiir die entsprechenden Mittelwerte der Molmassen immer die Ungleichung 92-33) gelten:
Die Breite einer Polymerisationsgrad- bzw. Molmassenverteilung kann somit durch das Verhztnis zweier (arithmetischer) Mittelwerte charakterisiert werden. Vie1 verwendet wird das Verhntnis Fw/ynvon Massen- zu Zahlenmittel des Polymerisationsgrades bzw. = der Molmassen. Dieses Verhatnis wird das entsprechende Verhntnis Qw,., gelegentlich Polymolekularitatsindex genannt (E: polydispersity index). Im Deutschen - 1 als molekulare Uneinheitlichkeit. Molekulardefiniert man auch Uw,n = ( - einheitliche Polymere weisen entsprechend Uw,n = 0 und M J M n = 1 auf. Je breiter die - Molmassenverteilungen, umso grosser sind M J M , und Uw,n. Qw,n und Uw,n sind allerdings nicht sehr empfindlich auf die Breite enger Verteilungen. Zweckmiissiger ist hier die Zahlen-Standardabweichung on,definiert als
nw/@,, aW/an)
(2-34)
- -
On 2 (X,
X , - Fn2)lfloder auch als
On
--
= ( MwMn - R n 2 ) l l 2
Die Standardabweichung ist bei Gauss-Verteilungen ein absolutes Mass fiir die Verteilungsbreite map. 2.4.2), nicht aber bei anderen Verteilungstypen. Es folgt
Bei konstanter Standardabweichung - und nach G1.(2-35) folglich variabler molekularer Uneinheitlichkeit Uw,n - sind die Breiten von Gauss-Verteilungen unabhagig vom Polymerisationsgrad gleich gross (vgl. auch Abb. 3-1 in Band I, 6. Aufl.). Bei konstanter molekularer Uneinheitlichkeit variiert dagegen die Standardabweichung mit der Grlisse des Polymerisationsgrades: die Verteilungskurven von Gauss-Verteilungen werden mit zunehmendem Polymerisationsgrad immer breiter. Umgekehrt laisst sich fiir SchulzZimm-Verteilungen zeigen, dass zwar Uw,nund Qw,n Masszahlen f i r die absolute Verteilungsbreite sind. nicht aber a,. Bei anderen Verteilungsfunktionen als Gauss- und Schulz-Zimm-Verteilungen sind weder die Standardabweichung noch die molekulare Uneinheitlichkeit Masszahlen zum Kennzeichnen absofurer Verteilungsbreiten.
2.3.10.
Konstitutionelle Uneinheittichkeit
Bei Bipolymeren kann sich jedes Polymermolekiil von einem anderen sowohl in der relativen Zusammensetzung an den Grundbaustein-Typen a und b als auch in deren absoluten Zahlen Na und N b pro Bipolymermolekiil unterscheiden. Jedes Bipolymermolekiil mit der Molmasse M besteht aus einem a-Anteil mit der zoralen Molmasse M a und einem b-Anteil mit der t o t a h Molmasse M b . Bei Diblockpolymeren sind dies die Molmassen der beiden Bllicke, bei statistischen Bipolymeren die kumulativen Molmassen jeder einzelnen Bausteinsorte.
26
2.3. Polymerisationsgrade und Molmassen
Bipolymere bestehen aus N i Bipolymermolekulen der jeweiligen Molmasse M i . Die Zahlenmittel der Molmassen der a- und b-Anteile im Bipolymeren sind folglich
Das Zahlenmittel Hn der Molmasse des gesamten Copolymeren ist daher gleich der Summe der Molmassen der a- und b-Anteile:
Aus der Additiviat der Zahlenmittel der Molmassen der a- und b-Anteile kann nicht der Polymerisationsgrad der aSequenzen berechnet werden. Das Zahlenmittel des Polymerisationsgrades von a-Homosequenzen ("Blocken") im Bipolymeren ist als (2-38)
Xn,a-block
Ci Na- block.iXa-b1ock.i x i Na-block.i
definiert. Der Z2hler dieses Ausdrucks ist nichts anderes als die totale Zahl N a = X i Naj aller a-Bausteine im Bipolymeren. Der Nenner ergibt sich aus der Uberlegung. dass in einer unendlich langen Kette jede a-Homosequenz mit einer -b-a- Bindung beginnt und mit einer -a-b- Bindung endet. Die Zahl der a-Blocke muss also gleich der HWte der Zahl N&+b/a = Ni&l aller (ab+ b/a)-Bindungen sein: (2-39)
x i Na-block,i =
Nlalbl
Diese Beziehung gilt exakt fiir ringformige Molekule und in guter Niiherung f i r lineare Makromolekule hohen Polymerisationsgrades. Die Zahl Nl*l lisst sich durch den Stoffmengenanteil xl*l dieser Bindungen an allen Kettenbindungen ausdriicken oder altemativ dadurch, dass die Zahl der Bindungen in einem linearen Molekul immer um 1 kleiner als der Polymerisationsgrad der Bipolymer-Molekule ist und dass die Zahl aller Bindungen durch die Zahl der vorhandenen Bipolymer-Molekiile gegeben ist:
Die Zahl aller a-Bausteine betrggt Na = maNA/Ma und die Zahl aller Bipolymer-Molekiile Ncop= (ma + mb)NA/En. Die Zahlenmittel des Polymerisationsgrades und der Molm a s s sind durch
miteinander verknupft. Das Einsetzen aller dieser Ausdriicke in G1.(2-36) gibt (2-42)
- 1 Xa-block.n
--{
- Xla/bl 2
1
M~ waMn
,bMa} waMb
27
2. chemischestnckncr
Die Zahlenmittel der Polymerisationsgrade ("Liingen") der Blticke (Sequenzen) berechnen sich somit aus den Massenanteilen wa und Wb und den Molmassen M a und M b der Bausteine a und b, dem Stoffmengenanteil xl*l an beiden Kreuzbindungen (a/b + b/a) und dem Zahlenmittel Hnder Molmasse des Bipolymeren. Diese Zahlenmittel k6nnen also nur berechnet werden, wenn eine analytische Methode zum Bestimmen des Anteils der Kreuzbindungen a/b und b/a besteht, 2.B. die Kemresonanzspektroskopie. Hgufig wird auch eine Sequenzzahl oder Blockzahl Rn (E: run number) verwendet. Sie gibt die totale Zahl aller B16cke bzw. Homosequenzen pro 100 Grundbausteine an, wobei 2 Mittelwerte zu beriicksichtigen sind: (2-43)
- =&
2.100
-
Xa-bIwk.n + Xb-block,n
nq
Das Massenmittel der Molmasse des Bipolymeren setzt sich nicht additiv aus den entsprechenden Massenmitteln der a- und b-Anteile zusammen. Das Massenmittel der Molmasse einer Mischung von a-Homopolymeren und b-Homopolymeren ist durch
gegeben. Das Massenmittel der Molmasse der a-Anteile pro Bipolymer-Molekiil ist dagegen definiert als
xi
xi
N;M& # Na,iM?,i gilt, muss noch ein Kreuztenn eingefiihrt werden, Da aber der die a/b- bzw. b/a-Verknupfungen beriicksichtigt:
G1.(2-46) ist leider nutzlos, da der Kreuzterm @a/bl,w nicht direkt experimentell zugaglich ist. Mit einer lageren Rechnung lbst sich jedoch zeigen, dass immer die folgende Ungleichung (2-47) gelten muss:
Bei einer Mischung aus zwei Homopolymeren wird in G1.(2-46) gleich null. Das Massenmittel der Polymeren dieser Mischung setzt sich additiv aus den gewichteten Massenmitteln der Molmassen der a- und b-Anteile zusammen (linke Summe der Ungleichung (2-47)). Bei einem Bipolymeren mit konstitutionell gleichartigen Ketten. also ohne Variation der Zusammensetzung von Molekiil zu Molekul. wird dagegen das Massenmittel gleich dem rechten Quotienten der G1.(2-47).
28
2.3.11.
2.3. Palymerisatiansgrade und Malmassen
Bestimmung von Molmassen
Experimentelle Methoden zur Bestimmung von Molekulargewichten, reduzierten Molekiilgewichten und Molmassen werden in Absolut-, Aquivalent- und Relativmethoden eingeteilt. Diese Methoden liefem verschiedene Mittelwerte; sie sind oft nur in bestimmten Molmassenbereichen anwendbar (Tab. 2-6). Bei Absolutmefhoden werden Molmassen oder reduzierte Molekulmassen aus den Messgrossen ohne weitere AMahmen uber die chemische und/oder physikalische Struktur der Polymeren berechnet. Die nummerischen Werte der Molmassen sind bei einfachen Mittelwerten unabhiingig von den Versuchsbedingungen (z.B. Membranosmometrie, Lichtstreuung). nicht jedoch bei komplexen Mitteln (2.B. Sedimentation + Diffusion) (Kap. 2.3.5 und 11.3.4). Bei manchen dieser Methoden wird auch aus Zweckmassigkeitsgriinden geeicht, obwohl das bei Kennmis aller relevanten Apparatedaten nicht notwendig ware (Dampfdruckosmometrie, Lichtstreuung). Aquivalenfmefhoden benotigen dagegen eine Kennmis der chemischen Struktur der Polymeren. Das einzige bekannte Beispiel ist die Endgruppenbestimmung (Band I). Refafivmefhodensprechen sowohl auf die chemische und die physikalische Struktur des Gelosten als auch auf dessen Wechselwirkung mit dem Ldsungsmittel an; sie mussen stets geeicht werden. Beispiele: Viskosimetrie, Grdssenausschlusschmmatographie. Die Auswahl einer Methode richtet sich primar nach der gewiinschten Information und sekundar nach dem Arbeitsbereich, der verfiigbaren Substanzmenge, dem Zeitbedarf und der evtl. erforderlichen Probenvorbereitung. Die meisten Methoden erfordem Messungen in verdiinnten Lbsungen. In der Regel werden Messungen bei verschiedenen Konzentrationen vorgenommen. Aus diesen Messwerten wird mit Hilfe einer "idealen", nur fiir unendliche VerduMungen geltenden, theoretischen Beziehung eine scheinbare Molmasse berechnet (E: apparent molar mass). Die wahre Molmasse erh8t man d a m durch Extrapolation der scheinbaren Molmassen auf die Konzentration null. Tab. 2-6 Mittelwertstypen und ungefare Arbeitsbereiche experimenteller Methoden zum Bestimmen von Molekulqgewichten und Molmassen. A = Absolutmethode, R = Relativmethode (Eichung erforderlich), E = Aquivalentmethode (Konstitution muss bekannt sein), n = Zahlenmittel, v = ViskositLitsmittel, w = Massenmittel, z = z-Mittel. 6 Mit bestimmten Annahmen, * Obergrenze ca.106 &no]. Methode Lichtstreuung, statische Viskosimetrie verdiinnter Lijsungen Rontgen- cder Neutronenkleinwinkelsfreuung Kombinierte Sedimentation und Diffusion Grijssenausschlusschmatographie Viskosimetrie von Schmelzen Feldflussfraktionierung Membranosmometrie * Ebullioskopie, Kryoskopie Endgruppenbestimmung (Titration) Dampfdruckosmomebie Massenspektroskopie Sedimentationsgleichgewicht Lichtstreuung, dynamische
Typ A
RP A A
R R
R A
A E A A A
R
Mittel
Bereich in g/mol > >
>
100
m
500 1000 1000 > 1000 > 1000 > 5000 < 20000 < 40000 < 50000 < 200000 < 1000000 < 10000000 > >
Sektion 5.2 12 5.4, 5.5 11
14.4.3 15 11.4 10.3.2 10.3.3 BandI 10.3.4
BandI 11.3.5 11.1.2
29
2. chemische Struktur
2.4.
Verteilungsfunktionen
2. 4 . 1 . Darstellung von Verteilungsfunktionen Verteilungsfunktionen von Eigenschaften sind normierte mathematische Funktionen, welche die Anteile der variablen Eigenschaftswerte angeben. Sie sind diskontinuierlich oder kontinuierlich (Abb. 2-7). Sowohl diskontinuierliche als auch kontinuierliche Verteilungen ktlnnen jeweils differenziell oder integral sein. Ausserdem sind stets die statistischen Gewichte anzugeben. Kontinuitit. Alle Verteilungen von Molmassen und Polymerisationsgraden sind von Haus aus diskret (E: discrete) bzw. diskontinuierlich (E: discontinuous), da der Polymerisationsgrad eines Molekuls nur eine game, positive Zahl sein kann. Derartige Verteilungen sind Stufenverteilungen (Abb. 2-7, links). Sie sind entweder differenziell (Abb. 2-7, links oben) oder integral (Abb. 2-7, links unten).
1
-Xi
Abb. 2-7 Darstellung von Zahlen-Verteilungen (via Molenbriiche x ) der Polyrnerisationsgrade X . Links oben: Diskontinuierlichediffemzielle Verteilung xi =fTxi). Links unten: Diskontinuierliche integrale Verteilung &xi =flXi). Rechts oben: Kontinuierlichedifferenzielle Verteilung x =fo. Rechts unten: Kontinuierliche integrale Verteilung $ x u =Ax). &I die Stelle der Stoffrnengenanteilex k6nnen auch andere statistischeGewichte Ireten, z.B. w oder 2. Ahnliche Verteilungskurven ergeben sich fiir andere Eigenschaften, z.B. Molmassen M,Sedirnentationskoeffizienten S oder Viskositiiten q.
Summierung. Differenzielle (E: differential) Verteilungen beschreiben die Population von Spezies mit einer bestimmten Eigenschaft (Abb. 2-7, oben), z.B. den Anteil von Molekulen mit dem Polymerisationgrad Xi = 1050 in einem Polymeren mit 1 5 Xi I5000. Die Eigenschaft Xi kann auch ein Eigenschaftsbereich sein, z.B. lo00 IXi I 1100. Integrafe (E: integral) bzw. kumulative (E: cumulative) Verteilungsfunktionen summieren die Population bis zu einem bestimmten Eigenschaftswert. Die differenzielle diskontinuierliche Verteilung der Stoffmengenanteile ("Molenbriiche") w i d im Deutschen auch als Hiufigkeitsverteilung bezeichnet. Im Englischen kann sich jedoch der entsprechende Ausdruck "frequency distribution" auch auf andere Anteile beziehen. z.B. auf Massenanteile.
30
2.4. Verteilungsfunktionen
Obwohl Polymerisationsgradverteilungenprinzipiell stets differenziell sind, konnen sie doch als integrale Verteilungen dargestellt werden. Polymerisationsgrade unterscheiden sich n2mlich stets nur um den Wen 1. Dieser Unterschied ist aber gegenuber dem bis in die Hunderttausende gehenden Gesamtbereich zu vemachlassigen. Das Gleiche gilt fiir die Molmassen der Polymermolekule. die sich ja auch nur um die Molmasse einer Monomereinheit unterscheiden konnen. Diskontinuierliche differenzielle Verteilungen werden z.B. von der Fraktionierung uneinheitlicher Polymerer nach der Konstitution oder der Molmasse geliefert. Beim Umrechnen der differenziellen Verteilung in eine integrale ist zu beriicksichtigen, dass jede Fraktion wieder eine bestimmte Verteilung aufweist. Der fiir diese Fraktion gemessene Polymerisationsgrad ist darum ein Mittelwert. In erster Niiherung weist nun die eine Hafte der Fraktion eine Zusammensetzung untehalb des Polymerisationsgrades auf und die andere Hafte eine Zusammensetzung oberhalb. Fur die Fraktion 1 der Tab. 2-8 ist daher zur Berechnung der integralen Zusammensetzung nicht der Anteil wl = 0,0532 zu nehmen, sondem nur der halbe Anteil w1/2 = 0,0266. Der integrale Anteil der Fraktion 2 berechnet sich aus der ganzen Fraktion 1 und der halben Fraktion 2 zu wl + (w2/2) = 0,0532 + (0,0740/2) = 0,0902USW. Durch Auftragen von & wi gegen X i erh2lt man die diskontinuierliche integrale Verteilung. Das Verbinden der Punkte liefert die entsprechende kontinuierliche integrale Verteilung. Diese Verteilung kann anschliessend graphisch zur kontinuierlichen differenziellen Verteilung differenziert werden. Wegen der Uneinheitlichkeit der Fraktionen kann man dagegen nicht direkt von der diskontinuierlichen differenziellen Verteilung zur kontinuierlichen differenziellen ubergehen. Statistische Gewichte. Reaktionsmechanismen fiihren zu Verteilungen der Zahlen, Stoffmengen oder Stoffmengenanteile als Funktion der Polymerisationsgrade (E: number-distribution functions) Die meisten physikalischen Methoden liefem jedoch Massenverteilungen der Molmussen (E: mass-distribution functions), und zwar entweder fiir die Masse m oder den Massenanteil (Gewichtsbruch) w. Die Massenverteilung kann mit Mi = mJni in die Zahlenverteilung umgerechnet werden. Zahlen- und Massenverteilungen differieren erheblich (Abb. 2-9). Je nach Abhwgigkeit der statistischen Gewichte g von den Eigenschaften X unterscheidet man verschiedene Typen von Verteilungsfunktionen. Die wichtigsten Typen werden meist mit dem Namen ihrer Entdecker bezeichnet. Die nBchsten Sektionen beschreiben einige mathematische Konsequenzen dieser Verteilungsfunktionen. Ihre Zuordnung zu Gleichgewichten und Reaktionsmechanismen usw. erfolgte in Band I. Tab. 2-7 Umrechnung von diskontinuierlichendifferenziellenPolymerisationsgradverteilungenin diskontinuiediche integrale. Fraktion i 1 2 3 4 usw.
Polymerisationsgrad
Massenanteil
Xi
Wi
15
0,0532
31
0,0740 0,0622
50 76 usw.
0,0864
usw.
Kumulativer Anteil ci wi
0,0266 0,0902 0,1583
0,2326 usw.
31
2. Chemische Struktur
2.4.2.
Gauss-Verteilung
Die Gauss-Verteilung (E: Gaussian distribution) ist die bekannteste Verteilungsfunktion. Sie gibt das Fehlergesetz flir zufaige Fehler bei voneinander unabh2ngigen Experimentalwerten wieder. Wegen ihres hlufigen Vorkommens wird die Gauss-Verteilung in der Mathematik auch Normalverteilung genannt (E: normal distribution). Im deutschsprachigen Raum wird abweichend davon manchmal auch die sog. Schulz-Flory-Verteilung (s. unten) als "Normalverteilung" bezeichnet (Kap. 2.4.5). Gauss-Verteilungen lassen sowohl positive als auch negative Variable zu. Ihre Anwendung auf Eigenschaften wie z.B. Polymerisationsgrade ist daher eigentlich nicht korrekt, da es keine negativen Polymerisationsgrade gibt. Gauss-Verteilungen k6nnen jedoch auch bei diesen Eigenschaften ohne merklichen Fehler verwendet werden, wenn die Lage des Maximums in den differenziellen Verteilungen sowie die Verteilungsbreite den Beiwag negativer Werte vemacNlssigbar klein machen. Bei der Gauss-Verteilung lautet die differentielle Zahlenverteilung der Eigenschaft X
Die Verteilungsfunktion x ( X ) der Stoffmengenanteile ist dabei von plus unendlich bis minus unendlich normalisiert. Beim Medianswert Xmedian besitzen 50 % der Population grUssere Eigenschaftswerte und 50 % kleinere. Da die Gauss-Verteilung der Stoffmengenanteile symmetrisch um den Median ist (vgl. Abb. 2-9), gibt der Median hier (und nur hier) gleichzeitig das Zahlenmittel Fn der Eigenschaft X an.
a, aw
t 6
0
2000
3000
-x
4000
5000
-
Abb. 2-8 AusgezogeneKurve: Kontinuierliche differenzielleGauss'sche Zahlenverteilung x =AX) der Polymerisationsgrade eines Polymeren mit Fn=3000 und X,-= 3170, d.h. mit einer Zahlen-Standardabweichung von on= 714 (Gl. (2-51)).Das Zahlenmittel X, des Polymerisationsgrades ist mit dem Median der Verteilung (linke senlaechte geshichelteLinie) identisch. Geshichelte Kurve: Die gleiche Gauss'sche Zahlenverteilung ist als Massenverteilung w =BX)aufgerragen. Die symmetrische-Verteilung wird nunmehr unsymmetrisch. Umgekehrt wirg eine Gausssche Massenverteilung mit X , = 3170 beim Auftragen von w =AX) symmetrisch um X,, nicht aber beim Aufmgen von x =AX).
32
2.4. Verteilungsfunktionen
Die Zahlen-Standardabweichung on (E: number-standard deviation) beschreibt die Breite der Verteilung und damit auch die Abweichung vom Mittelwert. Sie dient hhfig zur Charakterisierung der Breite beliebiger Verteilungsfunktionen, nicht nur dejenigen von Gauss-Verteilungen. Die Zahlen-Standardabweichungergibt sich aus den Zahlen- und Massenmitteln wie folgt. Der Eigenschaftswert Xi weicht um den mittleren Fehler des Einzelwertes Sn vom Zahlenmittelwert F,, ab. Bei Ni Messwerten mit den Eigenschaftswerten Xi gilt
Aufldsen und Surnmieren fiihrt mit
S:
= o i zu
Teilen durch Xj niXi. Einsetzen der Ausdriicke fir die Zahlen- und Massenmittel der Polymerisationsgrade und Aufltisen nach ongibt
Die men-Standardabweichung o, ist ein absolutes Mass fur die Breite einer GaussZahlenverteilung. Ein Wert von f 1 on entspricht namlich immer einem Stoffmengenanteil von 68,26 %, ein Wert von F,, f 2 oneinem Anteil von 95,44 % und ein Wert von Fnf 3 on einem von 99.73 %. Beim Beispiel der Abb. 2-8 bewgt die Zahlen-StanI 3714 liegen folglich 68,26 % aller dardabweichung o, = 714. Im Bereich 2286 5 Molekule. Fur andere Verteilungen als Zahlen-Gaussverteilungen ist die Zahlen-Standardabweichung jedoch nur ein relatives Mass. Die differenzielle Gauss-Verteilung der Stoffmengenanteile wird unsymmetrisch, wenn man als statistisches Gewicht den Massenanteil w = xX/X,, anstelle des Stoffmengenanteils x w Wt (vgl. Abb. 2-8). Anstelle von G1.(2-48) erh2lt man dam
xn
xn
(2-52)
w=
- (X - Fn)
X (2 .)1/2
anFn
Diese Gleichung gibt eine Gauss-Verteilung der Stoffmengenanteile wieder, die durch eine Verteilung der Massenanteile ausgedriickt wird; es ist nicht die Gauss-Verteilung der Massenanteile! Die echte Gauss-Verteilung der Massenanteile bezieht sich auf das Massenmittel Fw der Polymerisationsgrade und die Standardabweichung ow: (2-53)
X
w= (2
(2-54)
ow
ow = (FZFw - Fi)112 = Fw[(Fw / Yn) - 1f’2
33
2. Chemische Strukhu
Tab.2 3 Massenanteile w- an Polymeren im Molmassenbereich xw- owund w+ im Molmassenbereich X , + owbei Gauss-MassenvemilungenG. logarithmischen Normalmassenve$?ilygenLN und Schulz-Zimm-MassenverteilungenSZ mit verschiedenen MolmassenverWtnissen Xw/X,, [2].
xw/x* 1,1
1,s 24 5,O
Gauss-Verteilung Ww+ 0,3413 0,3413 0,3413 0,3413
0,3413 0,3413 0,3413 0,3413
LogarithmischeNormalverteilung Schulz-Zimm-Verteilung Ww+ Ww+ 0,290 0,427 0.57 1 0,251 0,662 0,232 w - + w + > l!
0.386 0,441 0,477 0,553
0,304 0,274 0,260 0,242
Diese Gauss-Massenverteilungist bei Wahl der Massenanteile als statistisches Gewicht symmetrisch um den Median, der hier durch das Massenmittel des Polymerisationsgrades gegeben ist. Zu beiden Seiten von Fw liegt daher je eine Hafte des Massenanteils, welcher der Massen-Standardabweichungow entspricht, also je w+ = w- = 0,3413. Andere als Gauss-Verteilungen sind jedoch unsymmetrisch um ihren Median. Die Massenanteile w- im Bereich - ow sind daher von denen fiir den Bereich Fw + ow verschieden (Tab. 2-8). Anders als bei Gauss-Verteilungen variieren femer die w-- und Das gleiche Ph&omen tritt auch bei w+-Werte mit dem Molmassenverhumis xw/Fn. Zahlenverteilungen auf, wenn als Parameter der Stoffmengenanteil gew2hlt wird.
zw
xw
2.4.3.
Logarithmische Normalverteilung
Differenzielle logarithmische Normalverteilungen (LN-Verteilungen; E: logarithmic normal distributions) der Stoffmengenanteile weisen die gleiche mathematische Form wie die entsprechenden Gauss-Verteilungen auf. Als Variable trin jedoch der natiirliche Logarithmus der Eigenschaft und nicht die Eigenschaft selbst auf:
Die Kurve ist nunmehr um In Xmed symmetrisch; der Median x m e d ist aber nicht mit dem ZaNenmittel F,,des Polymerisationsgrades identisch (vgl. weiter unten). Die Funktion entspricht dem Fehlergesetz fiir das geometrische Mittel. Bei logarithmischen Normalverteilungen ist daher das Verhutnis der Polymerisationsgrade wichtig, bei GaussVerteilungen dagegen die Differenz. Differenzielle logarithmische Normalverteilungen lassen sich generalisieren, 2.B. fiir die Massenverteilung der Polymerisationsgrade (B = exp [(1/2)(ow*)2(A + 1121):
In der Polymerwissenschaft venvendet man die Lansing-Kraemer-Verteilung(A = 0 und B = exp [(1/2)(0~*)~1) und die Wesslau-Verteilung(A = 1 und B = 1).
34
2.4. Verteilungsfunktionen
0
1oOOO
20000
I
I
I
30 000
,
"
0
10 OOO
20 OOO
30 000
- xAbb. 2-9 Differenzielle kontinuierliche Verteilungen der Polymerisationsgrade X fiir die logarithmische Normalverteilung 0, Schulz-Flory-Verteilungund Tung-Verteilung der Stoffmengen, dargesgllt als Verteilungcn der Stoffrnengenanteile (oben) und Massenanteile (unten) fiir ein Polyrneres rnit X, = 20 000 und X, = 10 OOO. Die Poisson-Verteilung ist so eng, dass sie fiir eine probe rnit dem gleichen Zahlenmittel in dieser Darstellung nur als Smch wiedergegeben werden kann. Abb. 2-9 gibt eine logarithmische Normalverteilung der Stoffmengenanteile gemass G1.(2-56) wieder. Die logarithmische Verteilung ist demnach eine schiefe Veneilung, wenn als Abszisse der Polymerisationsgrad selbst und nicht sein natiirlicher Logarithmus gew2hlt wird. Das Bild a d e n sich nicht prinzipiell, wenn man f i r die logarithmische Normalverteilung der Stoffmengen nicht die Stoffmengenanteile, sondem die Massenanteile auftdgt. Auch hier ist das Maximum der Kurve weder mit dem Zahlenmittel noch mit dem Massenmittel der Eigenschaft identisch. Im Gegensatz zu den weiter unten besprochenen Schulz-Flory- und Tung-Verteilungen besitzt die differenzielle kontinuierliche Verteilung der Stoffmengenanteile bei LNVerteilungen ein Maximum. Dieses Maximum tritt jedoch im Gegensatz zur Gauss-Verteilung nicht beim Zahlenmittel der Eigenschaft auf (Abb. 2-9). Die Verteilungskurve ist femer weder um den Median noch um symmetrisch. Fur die Beziehung zwischen dem Medianswert Xmed und den Mittelwenen gilt
x,,
(2-57)
xg
xg = X m d exp [(2 A + C)(O,*)~/~]
Die G1.(2-57) fiihrt rnit C = 1 f i r g = n, C = 3 fiir g = w, und C = 5 fiir g = z zu
35
2. Chemische Struktur
Das Verh3ltnis zweier aufeinanderfolgender einfacher Mittelwerte der Polymensationsgrade bzw. der entsprechenden Molmassen ist bei logarithmischen Normalverteilungen konstant und unabhhgig von dem betreffenden Mittelwert. Analog erh3lt man fiir das Viskosit2tsmittel der Polymerisationsgrade mit dem Exponenten a der Beziehung [ q ]= &Ma (Kap. 12.3.1):
xv
(2-59)
2.4.4.
-
Xv = X,dexp
[I2 (A
+ a) + 1)(ow*)*/21
Poisson-Verteilung
Poisson-Verteilungen der Polymerisationsgrade treten auf, wenn eine konstante Zahl von Polymerketten gleichzeitig zu wachsen anf2ngt und die Monomeren sich an diese Ketten zufUig und unabhhgig von den vorhergehenden Schritten anlagem. Derartige Verteilungen werden angen2hert bei idealen lebenden Polymerisationen erhalten (Bd. I). Sie fiihren mit zunehmender Zahl der Schritte zu immer engeren Verteilungen. Bei Poisson-Verteilungen lauten die differentiellen Zahlen- und Massenverteilungen (2-60)
X=
(2-61)
W=
(Fn- 1lx-l exp (1 - Fn (X - l)!
x(Xn- 1f-l exp(1(X - l)! In
;
V=
-
xn-1
;
(x- I)! =r(x)
xn)- xvX-lexp(- v) (X - l)!( v + 1)
Bei Poisson-Verteilungen gilt femer f i r die Beziehung zwischen dem Massen- und dem Zahlenmittel des Polymerisationsgrades: (2-62)
xw/xn
(und damit auch das entsprechende MolDas Polymerisationsgradverh3ltnis massenverhaltnis) h b g t somit anders d s bei anderen Verteilungen bei der Poisson-Verteilung nur vom Zahlenmittel des Polymerisationsgrades und keinem anderen Parameter ab. Mit steigendem Polymerisationsgrad strebt dieses Verhtdtnis dem Wert 1 zu. PoissonVerteilungen sind daher sehr enge Verteilungen.
2.4.5.
Schulz-Zimm- und Schulz-Flory-Verteilung
Schulz-Zimm-Verteilungen von Polymerisationsgraden liegen Prozesse zugrunde, bei denen eine zeitlich konstante Zahl von aktiven Ketten solange wahllos Monomennolekule addiert. bis die individuellen Ketten desaktiviert werden. Im Gegensatz zur PoissonVerteilung miissen die ursprUnglich vorhandenen Keime nicht individuell erhalten bleiben. Sie miissen auch nicht alle zur gleichen Zeit eine Polymerkette starten. Die Breite solcher Verteilungen wird durch den Kopplungsgrad kontrolliert, der angibt, wieviel unabhwgig gewachsene Ketten zu einer toten Kette gekoppelt wurden. Er ist z.B. gleich 2, wenn zwei radikalische Ketten zu einer einzigen Kette kombinieren.
36
2.4. Verteilungsjiunkrionen
Die differenziellen Schulz-Zimm-Verteilungen (SZ-Verteilungen) lauten
wobei T(c+ 1) die Gamma-Funktion von ( 1 ist unbekannt.
62
3.5. Urnwandlungen von Konformationen
Thermodynamisch kontrollierte Keimbildungen sind mikroskopisch reversibel. Da fiir ...AAA ... P ...ABA ... die Gleichgewichtskonstante Ki = uK ist, muss die Gleichgewichtskonstante fiir ...BBB ... ...BAB ... den Wert Ki' = OK-' annehmen. In beiden Falen besitzt die umzuwandelnde Konformation je zwei gleiche Nachbam. Die endsthdigen Konformationen weisen jedoch nur je einen Nachbam auf. Die a-Werte der Keimbildung von den Kettenenden (Den&) her mussen daher von denen im Innem der Kette (qmer) verschieden sein und zudem noch vom Typ der Konformation abhhgen, d.h. gefunden. von A oder B. In vielen F a e n wurde jedoch a,,& = smer Die Gleichgewichtskonstannten K der Wachstumsprozesse werden als gleich gross angenommen. Sie unterscheiden sich jedoch von der Konstanten Ki der Keimbildung:
*
(3-11)
-K.=- [BAAA] #-=[BBAA] - [AAAA] [BAAA]
[BBBA] --zK [BBBB] [BBAA] [BBBA]
Es folgt fiir die Gleichgewichtskonzentration von ...BBBB ... (3-12)
[BBBB] = KiK3[AAAA] = aK4[AAAA]
Bei aK4 = 1 liegen ...AAAA ... und ...BBBB ... in gleichen Anteilen vor. Falls ausserdem K >> 1, so muss auch l/01f4>> 1 sein, also a cc 1. Die Zwischenstufen ...BAAA ..., ...BBAA... und ...BBBA ... kommen d a m in weit kleineren Konzentrationen als die Homosequenzen ...AAAA ...und ...BBBB ... vor. Fur a = le gilt z.B. [BBBB] = 10 [BBBA] = 100 [BBAA] = loo0 [BAAA]. Entweder wandelt sich somit die Helix praktisch volls t h d i g um oder aber gar nicht. Bei der thermodynamisch kontrollierten Umwandlung einer Sequenz von N Konformationen ist also generell ein Produkt uKN zu beriicksichtigen. Je nach dem Wen von N ergeben sich fiir den Bruchteil fs der gebildeten B-Zusthde verschiedene Ausdriicke. Bei kurzen Keffen ist die Kettenlhge gleich der Sequenzlhge der Homokonformationen. Bei einem Alles-oder-Nichts-Prozess gilt nun fiir die Umwandlung einer Mikrokonformation allNc< 1 (s. oben). Bei gleicher Wahrscheinlichkeit der Umwandlung pro Mikrokonformation muss die Umwandlung pro Kette aber auch mit steigendem N zunehmen. Man betrachtet somit das Produkt von allN und N. Fur NullN cc 1 ergibt sich der Bruchteil fs der gebildeten B-Zusthde zu
Bei hohen Polymerisationsgraden wird dagegen bei einer Kette aus helicalen und nichthelicalen Sequenzen die Sequenzlfinge der Homosequenzen unabhhgig vom Polymerisationsgrad. Der Umwandlungsgrad berechnet sich zu (3-14)
1
jB'?+
K-1 2[(K-1) + ~ o K ] ' / ~
Unabhhgig von u wird hier die Gleichgewichtskonstante am Mittelpunkt der Umwandlung (fs = 1/2) immer K = 1. Die Umwandlung ist jedoch umso s c h f e r , je kleiner a ist.
3. Mikrokonformatwnen
63
Fur die Umwandlung der Konformationen in Ketten mirflerer Keffenlange ergeben sich kompliziertere Ausdriicke als fiir sehr kleine oder sehr grosse. In diesem Bereich h2ngen dam die Umwandlungen deutlich von der Kettenliinge ab (Abb. 3-16). Die Grtisse u misst somit die von den Enden der Helixsequenzen ausgeiibten Effekte, da sich hier die Grundbausteine wegen der N&e der nichthelicalen Sequenzen in einer anderen Umgebung befinden als in der Mitte der Helix. Bei Proteinen und Poly(aaminos2ure)n ist u sehr klein (Tab. 3-6). Enden von Helixsequenzen werden bei diesen Polymeren also nicht bevorzugt. Falls also ein helicaler Zustand aus 4 Bausteinen durch eine nichthelicale Sequenz von einem helicalen Zustand aus 3 Bausteinen getrennt ist. versucht sich ein einziger helicaler Zustand aus 7 Bausteinen zu bilden. Die Gleichgewichtskonstante K beschreibt, ob helicale oder nichthelicale Zustbde bevorzugt sind. K-Werte gasser als 1 zeigen Helixbildner an, K-Werte viel kleiner als 1 dagegen Kntiuelbildner (Helixbrecher). Bei Proteinen sind die Aminosilurereste von Prolin, Serin, Glycin und Asparagin typische Helixbrecher. Die Reste von Lysin, Tyrosin, Asparaginshre, Threonin, Arginin, Cystein und Phenylalanin verhalten sich indifferent, w2hrend alle anderen wArninos2urereste typische Helixbildner sind (Band I). Tab. 3-6 Thermodynamische Parameter K und Q der Helix/KnBuel-Umwandlungvon Poly(a-aminoaure)n und Poly(nuc1eotid)en.
Ma
TPC
Glycin LSerin LAlanin LAlanin LAlanin
60
3.5.3.
Kinetik
60 0 60 80
K 0,63 0,74 0.96 1,Ol
0.99
160
1
8 80
Me L-Phenylalanin LLeucin
Adenin/Thymin (1: 1) Guanin/Cytosin (1: 1)
TPC
60
K 1.00 1.09
Ida 180 330
0.5
10
2.0
10
Die Kinetik der Konformationsumwandlungen ist mit Ausnahme der Helix-KnguelUmwandlungen von Poly(a-aminos2ure)n und Polynucleotiden noch wenig erforscht. Fur die Urnwandlungen dieser Polymeren wurden vefi2ltnismtisssig hohe Geschwindigkeitskonstanten von 106 s-l bis lo7 s-l gefunden. Die hohen Geschwindigkeitskonstanten bei Polypeptiden und Polynucleotiden sind sicher durch die hohe Kooperativittit der Ketten bedingt. Bei der Denaturiening von Proteinen, an der sich auch Helix-Kntiuel-Umwandlungen beteiligen, beobachtet man dagegen viel niedrigere Werte von s-1 bis 1 s-l. Diese niedrigeren Geschwindigkeitskonstanten mussen daher von konformativen Umwandlungen in nichthelicalen Bereichen stammen. Bei der Rotation um eine einzelne Kettenbindung bewegt sich offenbar ein grosser Teil des restlichen Molekiils mit (Abb. 3-18, I), was in viskosen Medien sehr schwierig sein diirfte. Bei einer gekoppelten Rotation urn zwei Bindungen wiirde man dagegen eine erhilhte Aktivierungsenergie gegenuber m i c h gebauten niedemolekularen Verbindungen erwarten (Abb. 3-18, 11).
64
Literatur zu Kap. 3
Abb. 3-18 Rotationsumwandlungen um eine Bindung (I bzw. ) urn zwei Bindungen (11). Das Problem wurde bei Diacetylpiperazin (I) als Modell fiir Piperazin-Polyrnere 01) studiert. Die Peptidbindung -N-CO- dieser Verbindungen ist eine partielle Doppelbindung. Die Rotation urn diese Bindung ist daher verhtdrnismassig langsam. Je nachdem, ob sich die benachbarten Gruppen in cis- oder in trans-Stellung zu der Peptidbindung befinden, wird man daher verschiedene Absorptionsbanden im Protonenresonanzspektrum finden. Aus der Ternperaturabh3ngigkeit der Bandenintensittit lisst sich die GibbsAktivierungsenergie AG* ennitteln.
Experimentell liessen sich jedoch die Gibbs-Aktivierungsenergien fiir die Modellverbindung I einerseits und die Polymeren I1 mit n = 2, 4 oder 8 Methylengruppen andererseits mit je AG* = 76 kJ/mol praktisch nicht unterscheiden. Die Aktivierungsenergie konnte z.B. im Polymennolekul gespeichert und fur die Rotation um eine andere Bindung verbraucht werden. Altemativ k6nnte eine entgegengesetzte Bewegung der Nachbam die durch die Rotation erzeugte Spannung ausgleichen.
Historische Notizen Zur Geschichte der polymeren Stereochemie und der Entdeckung von HelixstruktuEn, siehe Band I, Kap. 5. Historische Notizen. Eine ausgezeichnete Darstellung der Entdeckung der optischen Aktivitat und der Entwicklung der Theorien und der Terminologie findet sich in J.K.O’Loane, Optical Activity in Small Molecules, Nonenantiomorphous Crystals, and Nematic Liquid Crystals, Chem.Rev. 30 (1980) 41-61
Literatur zu Kap. 3 3.1 .a GRUNDLAGEN: DEFINITIONEN IUPAC Commission on Nomenclature of Organic Chemistry, 1974 Recommendations, Section E, Fundamental Stereochemistry, Pure Appl. Chem. 45 (1976) 11 International Union of Pure and Applied Chemistry, Macromolecular Division, Commission on Macromolecular Nomenclature, Compendium of Macromolecular Nomenclature, Blackwell Scientific, Oxford 1991
3. Mihrokonformatwnen
65
3.2. LOKALE KONFORMATIONEN, ALLGEMEINE STEREEHEMIE S.Mizushima, Structureof Molecules and Internal Rotation. Academic Press, New York 1956 E.L.Elie1. Stemchemistry of Carbon Compounds, McGraw-Hill, New York 1962 M.Hanack, Conformation Theory,Academic Press,New York 1965 W.Orville-Thomas, Hrsg., Internal Rotation in Molecules, Wiley, New York 1974 ELEliel, N.L.AUinger, SJ.Angyal. G.A.Morrison, Conformational Analysis. Am.Chem.Soc.. Washington (D.C.) 1981 3.3. S E Q U E " VON MIKROKONFORMATIONEN F.A.Bovey, Chain Seucture and Conformation of Macromolecules, Academic Press,New York 1982 3.4. OF'TISCHE AKTIVITAT C.Djerassi, Optical Rotary Dispersion, McGraw-Hill, New York 1960 BJirgenson, Optical Rotatory Dispersion of Proteins and Other Macromolecules, Springer. Berlin 1%9 P.Pino. F.Ciardelli. M.Zandomeneghi, Optical Activity in Stemregular Synthetic Polymers, Ann.Rev.Phys.Chem. 21 (1970) 561 P.CrabM, ORD and CD in Chemisay and Biochemistry, Academic Press, New York 1972 3.5. KONFORMATIONSUMWANDLUNGEN D.Poland, H.A.Scheraga, Theory of Helix-Coil Transitionsin Biopolymers - StatisticalMechanical Theory of Order-Disorder Transitions in Biological Macromolecules, Academic Press. New York 1970 C.Sadron, Hrsg.. Dynamic Aspects of Conformation Changes in Biological Macromolecules. Reidel, m h t (Niederlande) 1973 R.Cerf. Cooperative Conformational Kinetics of Synthetic and Biological Chain Molecules, Adv.Chem.F?iys. 33 (1975) 73 A.Teramoto, H.Fujita, Conformation-Dependent Properties of Synthetic Polypeptides in the HelixCoil Transition Region, Adv.Polym.Sci. 18 (1975) 65 A.Teramoto, HFujita. Statistical Thermodynamic Analysis of Helix-Coil Transitions in Polypeptides, J.Macromol.Sci.-Rev.Macromol.Chem. C 15 (1976) 165
Quellennachweise K.Matsuzaki, F.Kawazu, T.Kanai, Makmmol.Chem. 183 (1982) 185, Abb. 5 S.4-Mizushima, T.Shimanouchi, J.Am.Chem.Soc. 86 (1964) 3521, Abb. 2 und 4 H.Yamamoto, Khouye, T.Hayakawa, Polymer 18 (1977) 1288, entnommen aus Tab. 1 M.Goodman. IZktowsky. Y.Masuda, F.Boardman, Biopolymers 1(1963) 33. Tab. I [q M.Goodman, E.E.Schmidt, D.A.Yphantis. J.Am.Chem.Soc. 84 (1962) 1288, Tab. I [6l PRohrer, H.-G.El&, Makromol.Chem. 151 (1972) 281. Tab. 1 und 3 [A PSino, F.Ciardelli, G.Montagnoli, 0.Pieroni. J.Polym.Sci. B (Polymer Letters) 5 (1967) 307, Daten der Abb. 1 181 J.T.Yang, Tetrahedron 13 (1%1) 143. Abb. 5 [9] M.Matsuoka, T.Norisuye, A.Teramoto, HFujita, Biopolymers 12 (1973) 1515, aus der Abb. 7 entnommene Daten [l] [21 [3] [4]
66
4.
Makrokonformationen
4.1.
Ubersicht
4.1.1. Einleitung Die Gestalt isolierter Makromolektile lasst sich nur in verdunnten Llisungen studieren. Sie wird durch die molekulare Konformation bzw. Makrokonformation der Molekule bestimmt. Die Kontrolle uber diese Makrokonformation wird durch die Typen, Anteile und Sequenzen von Mikrokonformationen ausgeubt, die wiederum zum einen von der chemischen Struktur (Konstitution und Konfiguration) abhiingen und zum anderen von den Einflussen der Umgebung. Selbst bei der einfachsten polymeren Struktur, einer linearen Kette, ist es jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen, die Reihenfolge der Mikrokonformationen theoretisch zu berechnen oder gar experimentell zu bestimmen, ganz abgesehen davon, dass ein solches Vorhaben wegen der mikro-Brown'schen Bewegung nur f i r einen sehr kleinen Zeitabschnitt in der Grlissenordnung von Sekunden bzw. am absoluten Nullpunkt der thermodynamischen Temperatur giiltig ware. Experimentell kann man bei isolierten Makromolekulen zum einen in giinstigen Fdlen spektroskopisch die mittleren Anteile an den verschiedenen Mikrokonformationen ermitteln (nicht aber deren Sequenzlhgen) und zum anderen durch Streumethoden die mittleren Tragheitsradien bzw. durch hydrodynamische Methoden die mittleren Molekiilvolumina. Alle Methoden mitteln uber die zeitlichen Formiinderungen eines gegebenen Molekiils und, da man praktisch nicht einzelne Molekule studiert, sondem stets Substanzen, auch iiber die verschiedenen Formen aller im System vorhandenen Molekule. Eine zus2tzliche Komplikation tritt auf, wenn die untersuchten Molekule nicht molekulareinheitlich in Bezug auf den Polymerisationsgrad sind und eine weitere, wenn von Molekiil zu Molektil konstitutionelle und/oder konfigurative Unterschiede bestehen. Nun lassen sich bei isolierten Makromolekulen zwei grosse Gruppen unterscheiden. Die eine Gruppe umfasst mehr oder weniger kompakte Molekulformen wie z.B. die stabchenartigen Doppelketten der Desoxyribonucleinsauren oder die spharoidalen Molekulformen vieler Proteinmolekule (Abb. 2-2). Die Abmessungen dieser Molekule ergeben sich aus rein geometrischen Ansatzen (Kap. 4.2); ihr Verhalten in Usungen ist eine direkte Folge der Molekulgestalt. Anders ist es bei linearen Ketten und deren Abkommlingen wie Stemmolektilen, Dendrimeren. hyperverzweigten Polyrnermolekiilen usw. (Abb. 2-1). Hier gibt es eine sehr grosse Zahl an theoretischen Ansltzen fur die einfachste polymere Struktur der linearen regularen Kettenmolekule und sehr wenige allgemein anerkannte theoretische Uberlegungen zu den Beziehungen zwischen chemischer Struktur und molekularer Gestalt. Selbst bei einfachen linearen Ketten fihren die auf chemischen Suukturgrlissen (Zahl der Kettenatome. Bindungsliingen und -winkel, Substituentengrosse und -wechselwirkung usw.) beruhenden molekufaren Ansltze zu recht komplizierten mathematischen Formulierungen. Die Ansltze werden daher noch weiter vereinfacht, indem man sich auf einige wenige essentielle Suukturparameter wie z.B. den Polymerisationsgrad, die Bindungswinkel usw. beschrwt; die Molekiilgestalt wird sozusagen mit einem groben Raster erfasst (E: coarse graining) (Kap. 4.3). Derartige Ansatze liefem Funktionalitaten, klinnen aber naturgemiss nicht den Einfluss der chemischen Struktur vorhersagen.
67
4. Makokonformatwnen
Bei linearen Ketten wird z.B. f i r die Beziehung zwischen dem Tragheitsradius s und dem Polymerisationsgrad X eine allgemeine Funktion s = K,XV gefunden (Kap. 4.4.4). bei der mit weiteren Annahmen iiber die Makrokonfonnation der Exponent v berechenbar ist, nicht aber ohne Weiteres der Frontfaktor Ks.Diese systemspezifische Konstante reflektien die Steifheit einer Polymerkette, die aber nicht nur von der Konstitution kontrolliert wird, sondem auch von den Sequenzen der Mikrokonfonnationen.
4.1.2.
Konformation in Losungen
Polymere kCinnen im festen Zustand verschieden vorliegen (Kap. 3.3): kristallin rnit Makromolekiilen in intramolekular stabilisierten Tripel-. Doppel-, oder Einfachhelices, kristallin rnit Makromolekiilen in intermolekular stabilisierten Helices, kristallin rnit Makromolekiilen in Zickzack-Ketten, amorph rnit Makromolekiilen in Knauelformen. Beim AuflCisen fester Polymerer in Fliissigkeiten bleiben je nach Polymerstmktur und Wechselwirkung mit dem Usungsmittel Helixstmkturen vclllig, teilweise oder gar nicht erhalten. Im ersten Fall resultieren mehr oder weniger flexible Stabchen, in den beiden anderen FUen Knauelstmkturen. Im Kristall als Zickzack-Ketten vorliegende Polymermolekiile bilden jedoch in Losungen ebenso wie amorphe Polymere stets nur Kniuelmolekiile (Abb. 4-1). Doppelhelix
Helix
Zickzack-Kette
I
Makrokonformationen im kristallinen Zustand
1
1
Makrokonformationen im geltisten Zustand
I
II
m
Iv
Abb. 4-1 Typische Gestalten (Makmkonformationen)von linearen Polymermolekiilen in kristallinen Zustihien (oben) und in verdiinnten LRisungen (unten). Doppelhelix. Beispiel: Desoxyribonucleinsauren. Helix. Beispiele: it-Poly(propy1en)und Poly(ybenzy1-L-glutamat). Zickzack-Kern. Beispiel: Poly(ethy1en)in geseecktkeaigen Kristallen. I = Desoxyribonucleinsih-en in verdiinnten Salzl6sungen bei 25°C (sCLbchenartig bei niedrigen Molmassen, wurmllhnlich bei mittleren, h2uelartig bei hohen); 11 = Poly(ybenzy1-Lglutamat)in NJV-Dimethylformamidbei 25°C: (stilbchenartig bei niedrigem Molmassen, wmniihnlich bei minleren, knauelartig bei hohen); m = Poly(oxyethy1en)in Wasser bei 25"C, at-Poly(methylmethacrylat)in Acetonitril bei 4 4 O C Wuelartig mit statistkcher Verteilung der helicalen und nichthelicalen Segmente); IV = Poly(ethy1en) in Xylol bei 16O"C, Poly(ybenzy1-L-glutamat)in Dichloressigdure bei 25°C: (kniluelartig mit statistischer Verteilung der Mikmkonformationen).
68
4.1. Ubersicht
Helices in Losungen Inteme Stabilisierungen von Doppelhelices und intramolekulare Stabilisierungen von Einzelhelices setzen polare Makromolekule voraus. Deranige Helices uberleben in Losungen, wenn die Wechselwirkungen zwischen Makromolekulen und Ldsungsmittelmolekiilen nicht zu stark sind. Die Doppelhelices der Desoxyribonucleinsauren (DNA) sind z.B. durch interne Wasserstoffbriicken zwischen komplementaren Basen und x-x-Wechselwirkungen der aromatischen Reste von je zwei DNA-Molekulen stabilisiert (Band I); sie bleiben auch in verdunnten Salzldsungen intakt (Abb. 4- 1, I). Die durch intramolekulare Wasserstoffbriicken stabilisierten rechtsghgigen Helices des Poly(ybenzy1-L-g1utamat)s uberleben in 1,4-Dioxan (Abb. 4-1, II), nicht aber in Dichloressigsaure (Abb. 4-1, IV). In Ldsungen fZUt bei diesen Doppel- und Einzelhelices jedoch der in Kristallen vorhandene stabilisierende Einfluss der Packung weg. Die Amplituden der thermischen Schwingungen um die konformativen Ruhelagen werden grosser und die Helices etwas flexibler, so dass sie sich leichter kriimmen ktinnen. Diese Helices und m i c h steife, nichthelicale Ketten verhalten sich wurmahnlich (Kap. 4.3.9) und bei sehr hohen Molmassen sogar wie Kniuel (Abb. 4-1, IV und Abb. 4-22).
Partielle Helices in Liisung Bei apolaren stereoregularen Makromolekulen werden helicale Makrokonformationen durch sterische Effekte erzeugt und im kristdinen Zustand durch Packungseffekte stabilisiert. Beispiele sind die isotaktischen Poly( 1-o1efin)e. Solche Polymere ldsen sich nur in tiludichen apolaren Ldsungsmitteln ohne (oder mit nur schwachen) gruppenspezifischen Wechselwirkungen zwischen Polymer- und L6sungsmittelmolekulen. Da sich Polymer- und Ltisungsmittelmolekule sehr ahneln, ist die Situation mit derjenigen in einer Schmelze vergleichbar (Kap. 6). Wie don sind weder Solvatationen noch induzierte gauche-Effekte treibende Krafte. Konformations2nderungen mussen daher nicht enthalpisch, sondem weitgehend entropisch bedingt sein. Die L h g e der periodischen Konformationssequenzen hangt stark von der Konstitution und Konfiguration der Polymemolekule ab. Bei diesen dynamischen Gleichgewichten bleiben Konformationssequenzen nicht individuell erhalten. Linksgilngige Helices wandeln sich vielmehr rasch in rechtsghgige um und umgekehrt (Band I, Tab. 4-1).
I
in CCl,
jj7q-v
in C6H6
I
lo00
900
800
- v/cm-l +
Abb. 4-2 Ausschnitt aus dem Infrarotspektrum eines syndiotaktischen Poly(propy1en)s im kristallinen Zustand (67% kristallin) bei 37OC [l], in der Schmelze bei 17OOC sowie in 4 Ziger LOsung in Benzol C6H6bzw. Tetrachlorkohlenstoff CCl,bei jeweils 25°C [2]. Die "laistalline"Bande bei v = 868 cm-' misst die Konzenmtion an links- und rechtsgangigen Helices ['ITGG], [l].
69
4. Makrokonformatwnen
._._.___"
0
0 30
40
60
50
- TIOC
70
----*
Abb. 4-3 Temperaturabhibgigkeit des Verh%ltnissesder Absorptionen A bei 868 cm-l ("kristalline" Ban&) und 972 cm-l (Bezugsbande)bei einer ca.0.004 d m L Usung eines syndiotakischen Poly@ropy1en)s in Benzol(0) bzw. in Tetrachlorkohlenstoff (0) [3].
Ganz anders ist es jedoch bei assoziierenden Polymeren. Syndiotaktisches Poly(pr0pylen) ist nach Molmassenbestimmungen in Tetrachlorkohlenstoff molekular gelilst; in CCl4 wurden nach IR-Messungen auch keine helicalen Sequenzen gefunden (Abb. 4-2). Syndiotaktisches Poly(propy1en) assoziiert jedoch nach Molmassen-Besthmungen intermolekular in Benzol. Im flilssigen Benzol packen sich aber Benzolringe wie Geldrollen. Das geordnete Usungsmittel Benzol fUrdert offenbar die Bildung helicaler SequenZen, die durch laterale Assoziation stabilisiert werden. Die Intensitiit der helicalen ("kristallinen") IR-Bande nimmt mit steigender Temperatur ab, bis bei 57°C schliesslich alle Helixstiicke "aufgeschmolzen" sind (Abb. 4-3). Kune helicale Sequenzen scheinen auch beim Poly(oxyethy1en) in dessen wgssrigen L6sungen vonuliegen. Dieses Polymere kristallisiert in der Makrokonfonnation [TTG], als 72-Helix mit den Konformationswinkeln -12°/+120/+1200. Auch das at-Poly(methy1methacrylat) bildet in Acetonitril offenbar kune helicale Segmente aus (Abb. 4-1); im festen Zustand ist es amorph. Die Gestalt aller dieser Polymermolekiile ist in Lkung jedoch diejenige eines Knauels, da eine solche Gestalt bereits durch wenige flexible Segmente erzeugt wird, welche die starren Segmente voneinander trennen (Abb. 4-4).
Abb. 4 4 Nur wenige "falsche" Mikrokonformationengenugen. um aus sttibchenartigen Helices durch Schmelzen oder L&en Kniiuelmolekiilezu eneugen.
70
4.2. Kompakte Molekule
4.2.
Kompakte Molekiile
4.2.1. Einfuhrung Isolierte Makromolekiile und deren Assoziate konnen nicht nur als Knauel vorliegen, sondem auch als andere physikalische Stmkturen. Die aussere Gestalt dieser Stmkturen m e l t oft euklidischen K6rpem, z.B. Kugeln, Ellipsoiden oder Stlbchen. Euklidische Korper sind isotrop, wenn sie homogen mit Masse gefiillt sind. Sie konnen auch ihrer Verformung einen grossen Widerstand entgegensetzen, also "hart" sein. Kompakte euklidische Korper sind definitionsgemass isotrop und hart. Solche Kdrper weisen eine gleichmassige innere Dichte sowie definierte lussere Abmessungen auf. Kugel-, ellipsoid- oder stabchenahnliche Makromolekiile sind jedoch haufig nicht kompakt. Die inteme Segmentverteilung variiert vielmehr von kniuelrnichen Formen mit Dichteveneilungen bis zu dichten Packungen mit oder ohne innere Ordnungen. Die Oberfllche kann zudem flexibel und/oder rauh sein. Derartige Ktirper lassen sich nur angentihen durch experimentell ermittelte lussere Abmessungen charakterisieren, da sie sich beim Prapaneren f i r die Elektronenmikroskopie verformen konnen. Ihre mittleren Abmessungen sind jedoch stets direkt durch Streumethoden ermittelbar (Kap. 5 ) und indirekt durch hydrodynamische Methoden (Kap. 11 und 12). Beim Auswerten hydmdynamischer Messwerte muss man aber immer ein Modell fiir die Molekiilgestalt vorlegen. Streumethoden erfordem kein Modell. Sie liefem direkt den mittleren Tragheitsradius aller sich im System befindenden Molekiile, genauer: die Wurzel aus dem z-Mittel der
Quadrate der Tragheitsradien. Teilchen (Kugeln, Stabchen, Knauel usw.) bestehen aus i Einheiten (Atomen, Gruppen usw.) mit Massen mi. die sich jeweils in Abstbden Ri vom Schwerpunkt des Molekiils befinden. Das Massenmittel der Quadrate dieser Abstiinde Ri ist als mittleres Tragheitsquadrat definiert (E: mean-square radius of gyration):
Ein Beispiel ist eine lineare Kette aus mehreren Kettengliedem (Abb. 4-5). Definitionsgemiss werden Mittelwerte iiber raumliche Grossen durch ( ) angezeigt und nicht durch den sonst iiblichen Mittelwertsstnch iiber dem Symbol fiir die physikalische Grosse. TriXgheitsradien werden nicht als einfache Werte s bzw. Mittelwerte (s) gemessen, sondem immer als Mittelwerte ($2) iiber die Quadrate der Tragheitsradien. Zum Vereinfachen der Gleichungen wird jedoch oft (s2)ln= s gesetzt.
12
4
15
Abb. 4-5 Zweidimensionale Kette aus 16 konsekutiv miteinander verbundenen Kettengliedem, die sich jeweils im Abstand R ; vom Schwerpunkt S befinden, z.B. R3 fiir das Kettenglied 3 usw. Die Kette weist einen Fadenendenabstand r vom Endglied 1 zum Endglied 16auf.
71
4. Makrokonformatwnen
4.2.2.
Spharoide
Kugeln Bei Kugeln sind alle Punkte auf der Oberflilche gleich weit vom Zentrum entfemt. Das Innere der Kugeln kann jedoch verschieden mit Masse gefiillt sein. Man unterscheidet daher zwischen kompakten Vollkugeln (z.B. Latexteilchen). Hohlkugeln (z.B. das Protein Apofemtin) und aufgequollenen (solvatisierten) Kugeln rnit gleichmHssigeroder ungleichm&siger Dichteverteilung der Grundbausteine (einige Enzymmolektile). Vollkugeln und Hohlkugeln sind durch ihren Kugelmdius Rsph gekennzeichnet. Das Volumen beUHgt jeweils vsph = (43) A RSph3 und die Obefflilche Asph = 4 A RsphZ. Det Radius einer kompakten Kugel ist aus der Molmasse der in ihr enthaltenen Molekule oder Assoziate und deren partiellen spezifischen Volumina i;2 berechenbar:
Hohlkugeln mit unendlich diinner Kugelschale weisen gleich grosse geometrische Radien Rsph und Trigheitsradien s auf, da sich die gesamte Masse im Abstand Rsph vom Kugelzentrum befindet. Bei Vollkugeln ist jedoch die ZaN der Massenelemente, die sich in einem Abstand zwischen r und ( I + dr) vorn Kugelzentrum befinden. proportional der OberflBche ASph. Der TrBgheitsradius s von Vollkugeln ist daher nach
um den Faktor (3/5)1/2 kleiner als ihr geometrischer Radius RSph = R. Bei Hohlkugeln rnit endlich dicker Kugelschale besteht eine etwas kompliziertere Beziehung (Tab. 4- 1). Tab. 4-1 Tfigheitsquadrate $ und ausgeschlossene Volumina u kompakter K6rper (s.a. Kap. 5.2.4). Teilchen Kugeln mit totalem verdrangten Volumen V Hohlkugeln rnit Radien R, (aussen) und Ri (innen) Hohlkugeln rnit Ri = 0 und R, = R Kompakte Vollkugeln vom Radius R
z
U
(3/5)(Ras-Ri5)/(Ra3-Ri3) 8V 8V (3/5)R2 8V
R2
Kompakre EiIipsoi& mit den Halbachsen a, b und c, &r h h g e L,dern Radius R und &r Dicke d Ellipsoide rnit den Halbachsen a, b, c (1/5)(a2+ t? + 3) Gestreckte Rotationsellipsoide mit R c> d (1/5)[R2+ 2 (d/2l21 (3/2) R ( R / W Kompakte Stiibchen mit der Liinge L, dern Radius R , den Halbachsen a und b und dem Umfang U
Kreisf6rmigeZylinder (Orientiemngswinkelf) ElliptischeZylinder rnit den Halbachsen a und b
(L2/12)+ (R2/2)
(L2/12) + (a2+ b2)/4
8fll+(L/U)sin r ]
Kompakte Scheibchen mi&den Halbachxena und b und der vernachlassigbarenDicke d Kreisfirmige Scheibchen rnit den Radien R R 2/2 x (R/N
Elliptische Scheibchen
(a2 + b2)/4
72
4.2. Kompakte Molekule
300
t 3 00 Imogolit
t loo
30
.
031
Id
104
16
107
106
-M, / (g mol-1) + Abb. 4-6 Abhugigkeit der Massenmittel der Tragheitsradien vom Massenmittel der Molmasse bei kugelforrnigen Poly(a,&-1ysin)enin DMF bei Raumtemperatur [4],sWchenf6rrnigen Imogoliten in verdiinnten Salzl6sungen bei 30°C [5] und den knauelfonnigen hochmolekuluren Doppelhelices der Desoxyfibonucleinsiiuren(DNA)in Pufferlosungen bei 20°C [6,7]. Aus G1.(4-3) e r M t man mit dem Volumen V = 4 IC R3/3 kompakter Kugeln der Dichte p sowie der fiir alle kompakten Korper gtiltigen Beziehung V = m/p = M/(PNA) die Abhsjlgigkeit der Tdgheitsradien von der Molmasse M zu
Der Trllgheitsradius von kompakten Kugeln nimmt also mit der Kubikwurzel aus der Molmasse zu. Dieses Verhalten wurde z.B. annahemd bei hyperverzweigten Poly(a,E-L1ysin)en in N,N-Dimethylformamid gefunden (Abb. 4-6). Der Platzbedarf der Kugeln fiihrt dam, dass in einem System aus mehreren Kugeln das von einer Kugel eingenommene Volumen fiir alle anderen Kugeln ausgeschlossen ist. Die Zentren zweier gleich grosser Kugeln mit jeweils den Radien R und den Volumina V = 4 IC R3/3 konnen sich nur bis zu einem Abstand d = 2 R niihem (Abb. 4-7). Dieses extern ausgeschlossene Volumen (E: excluded volume) voller oder hohler Kugeln berechnet sich einfach zu u = 4nd3/3 = 32xR3/3 = 8 V .
I I
L
2
R +!
! t 2 d ”
‘
1
.
Abb. 4-7 Harte Kugeln mit Radien R, Durchmessem d = 2 R, Volumina V = (4 n/3)R3, Tr‘dgheitsra&en s = (3/5)‘” R und externen ausgeschlossenen Volumina u = 8 V.
73
4. Mokrokonformutwnen
Tab. 4-2 Beziehungen (9) = K S 2 f l v = K?M1+€ zwischen den Mitteln Uber die Triigheitsradien und Molmassen. Bei polymolekularen Substanzen erhut man aus den als z-Miitel gemessenen mittleren TriQheitsquadratendie in der letzten Spalte angegebenen Molmassenmi~lM g. Teilchen
V
E
Vollkugel, isotrop HWugel. unendlich diinne Schale Hohlkugel, endlich dicke Schale Rotationsellipsoid, kompakt Zylinder, kompakt, elliptisch Zylinder, kompakt, kreisformig, d = 0 Scheibe. kompakt. elliptisch, d = 0 m u e l , flexibel. ungestort Kniiel, flexibel. gestort
1/3
-1/3
ll2 1/3IVIl/2 1/35VSl/2 1/2Iv11
a g
(Xi ZiM?/3)3/2
0 -1/3.&50 -1/35EIO OIEI1
1 lt2 1/2 1/2 I v I 0,588
(~zaz+l)1/2
1
Gz
0 0
H Z
0 I E I 0,176
Ellipsoide Ellipsoide sind Sphimide mit den drei Halbachsen a. b und c. Das Volumen eines Ellipsoides betrigt Veu = (4 x: abc)/3. Der Radius einer dem Ellipsoid volumenmissig iiquivalenten Kugel ist folglich (Rsph)eq = (abc)'D. Bei Rotationsellipsoiden sind zwei Halbachsen gleich gross, und zwar kleiner als die drine bei gestreckten (zigarrenftimigen) Ellipsoiden mit a > b = c (E: prolate ellipsoids) und grUsser als die dritte bei abgeplatteten (1insenfUmigen) rnit a < b = c (E: oblate ellipsoids). Ein gestrecktes Ellipsoid weist somit die L a g e L = 2 a auf und zwei gleiche, kleinere Radien R = b = c, ein abgeplattetes dagegen die Dicke d = 2 a und zwei gleiche, grUssere Radien R = b = c. Rotationsellipsoide werden in der Regel durch ihr AchsenverhStnis A = alc charakterisiert. Beim AchsenvehiUtnis a/c = 1 gehen sowohl gestreckte als auch abgeplattete Ellipsoide in Kugeln uber. Gestreckte Ellipsoide werden f i r a/c + zu Stibchen, abgeplattete fiir alc + 0 zu ellipsoidalen Plittchen. Die Trigheitsradien und ausgeschlossenen Volumina harter (kompakter oder hohler) Rotationsellipsoide sind in Tab. 4- 1 zusammengestellt. Die Beziehungen zwischen Tr2gheitsquadraten und Molmassen befinden sich in Tab. 4-2.
-
4.2.3.
Stabchen
Ein Kreiszylinder mit der L3nge L und dem Radius R weist ein Volumen V = xR2L auf, ein quadratisches Sabchen der Seitenlhge a eines von V = a2L. Das Zentrum der Masse befindet sich in der Mitte des Stgbchens. Bei unendlich dunnen Stibchen ist die im Abstand x bis ( x + d x ) vom Zentrum anzutreffende Zahl der Massenelemente proportional dx, wobei x Werte zwischen 0 und L/2 annehmen kann. Bei endlich dicken zylindrischen Subchen ist noch der radiale Abstand y mit Werten zwischen 0 und R zu beriicksichtigen. Der Tr2gheitsradius s betdgt somit (4-5)
s2=
J J 0 0
2 sydy[x2 + y2]dx = -+L2 R2 12 2 zR2L12
74
4.2 Kompakte Molekule
Der Triigheitsradius llsst sich sornit z.B. aus den elektronenmikroskopisch ermittelten lusseren Abrnessungen von kornpakten Stabchen berechnen. Die Molmassenabhhgigkeit der Trlgheitsradien ergibt sich rnit V = M / ( ~ N A f) i r diinne zylindrische Stibchen (LIR > 25) rnit R = const zu ! \1/2
f v \
1
M
Eine solche Beziehung zwischen dem Tragheitsradius s und der Molmasse M wird rneist durch eine Exponentenformel wiedergegeben, bei Stabchen z.B. rnit v = 1:
Diese Beziehungen zwischen s und M sind in Tab. 4-2 f i r verschiedene Molekulformen verglichen. Bei rnolekularuneinheitlichen Polymeren sind noch je nach den Mittelwerten von (s2) und M sowie dern Typ und der Breite der Molrnassenverteilung noch verschiedene Polymolekularitltskorrekturen anzubringen (vgl. dazu Kap. 4.4.5). Der Triigheitsradius von steifen. diinnen Stabchen mit konstantern und vemachlassigbarern Durchmesser nirnrnt daher wegen v = 1 bzw. E = 1 direkt rnit der Molrnasse zu. Das Silikat Irnogolit verhat sich z.B. in dem betrachteten Molmassenbereich als Stabchen (Abb. 4-6). Die Doppelhelices der Desoxyribonucleinsauren erscheinen dagegen bei hohen Molmassen als Knluel, obwohl die Segmente lokd stabchenformig sind. Das extem ausgeschlossene Volumen von steifen Stabchen h b g t noch vorn gegenseitigen Orientierungswinkel y der longitudinalen Achsen ab ( y = 0, falls parallel). Fur steife Stfibchen mit gleicher L2nge L und gleichern Umfang U berechnet sich das ausgeschlossene Volurnen zu u = 8 V[l + ( L / U ) sin y] (Tab. 4-1) rnit U = 2 IC R (kreisformig rnit dern Radius R ) bzw. U = 4 a (quadratisch mit der Seitenlage a). Das ausgeschlossene Volumen, der Packungstyp und die Zahl der nachsten Nachbam kontrollieren die maximalen Packungsanteile (Tab. 4-3). Diese Anteile sind imrner kleiner als 1, ausgenommen bei dichtest gepackten Kuben mit parallelen Oberflachen. Tab. 4-3 Maximale Packungsdichte identischer euklidischer KOrper. z = Maximale Zahl nkhster Nachbam. * Bimodale Verteilung von jeweils gleichen Anteilen zweier Kugelsorten rnit a) dlld2 = 47 und b)dl/d2 = 100. Zum Vergleich: Gestorte KnBuel des Poly(styro1)s rnit der relativen Molmasse 1.106 g/rnol beginnen sich in guten Losungsmitteln bei @ cs* = 0,0036 zu iiberlappen. -5
Packungstyp
Hexagonal dichtest Kubisch Whenzentiert Kubisch raumzentriert Hexagonal parallel Kubisch einfach Statistisch parallel Statistisch dichtest, L/d = 1 Statistisch dichtest, Lld = 47 * Statistisch dichtest, Lld = 100 *
2
12 12 8 6 6
Maximale Packungsdichte Kuben Kugeln
bei
Sabchen (zylindrisch)
0,754 0,741 0,605 1
0,524
0,524
0,637 0,814 a) 0,868 b,
0,907 0,785 (parallel) 0,820 0,704 0,108 (3dimensional) 0,041 (3dimensional)
75
4. Makrokonformutionen
4.3.
Ungestorte Knauel linearer Ketten
Die einfachste chemische Struktur eines Makromolekuls ist diejenige einer langen Kette aus miteinander verkniipfien Kettengliedern. Wenn zwischen benachbarten Kettengliedern keine intramolekularen Kr"dfte wirken, werden sich die Kettenatome wegen der mehr oder minder freien Drehbarkeit um die Kettenbindungen statistisch im Raum verteilen. Bei anwesenden intramolekularen m f t e n entstehen geordnetere Gebilde. wie z.B. Helices. Das Makromolekiil nimmt d a m kompaktere Strukturen an, deren iiussere Gestalten von w u r m W c h e n Ketten bis hin zu Sabchen und Kugeln reichen.
4.3.1.
Konturlangen
Eine lineare Kette besteht im einfachsten Fall aus N, gleichen Kettengliedem. die durch N = N, - 1 Kettenbindungen mit den gleichen Bindungslbgen b verbunden sind. Die marhemarisch megliche maximale Kettenlinge ist folglich Lkete = Nb (Abb. 4-8). Diese Kettenliinge ist unabhingig von den Winkeln, die zwischen aufeinanderfolgenden Kettenatomen bestehen. Weil sich die mathematisch maximale Kettenlinge durch Abschreiten der Kettenkontur ergibt, wurde sie in der ateren Literatur korrekt Konturlunge genannt. Wir werden sie als historische Konturlange bezeichnen. urn Missverstindnisse mit der jetzt gebriiuchlichen konventionellen Konturlinge zu vermeiden.
I
I
a12
I 'MJ"1
I
Abb. 4-8 Historische Konturliinge Lkene und konventionelle Konturllfngerat einer Kette in all-transKonformation. Dies Kette besteht aus N , = 19 Kettenatomen und N = 18 Kettenbindungen der M g e b bzw. Neff = 9 effektiven Kettenbindungen mit der effektiven Bindungshge b,n (= kristallographische Bindungsliinge b,bei Vinylpolymeren). 01 = 180' - 7 = Komplementibinkel zum Bindungswinkel 7 (E: supplement of bond angle), 7 = Bindungswinkel (Valenzwinkel). Da die Bindungswinkel r (Valenzwinkel) zwischen je drei Kettenatomen in der Regel kleiner als 180' sind, muss n2mlich die physikalisch maximal megliche Kettenliinge kleiner als die historische Konturlinge Lkette sein. Die physikalisch maximale Kettenlinge w i d nach IUPAC ebenfalls als Konturlange (E: contour length) bezeichnet, obwohl sie sich nicht durch Abschreiten der Kettenkontur ergibt. Als physikalisch maximal mogliche Konturl2nge wird in der Regel die all-trans-Konformation angesehen, da die Kettenatome bei trans-Konfonnationen am weitesten auseinanderstehen (vgl. Kap. 3). Tatsachlich ist jedoch eine derartige Konturlinge nicht notwendigerweise auch die experimentell maximal megliche, da manche Ketten nicht all-trans-Ketten als energetisch niedrigste Makrokonformation aufweisen, sondern z.B. all-gauche-Konformationen (Kap. 3.2.3 und 3.3.3).
76
4.3. Ungestorte Knduel linearer Ketten
All-trans-Ketten besitzen die (konventionellen) Konturl'bngen
Die Konturlhge rContist daher gleichzeitig der physikafisch maximal m6gliche Fadenendenabstand (E: end-to-end distance) einer viillig gestreckten Kette. Die Projektion der Kettenbindungen auf den Ende-zu-Ende-Vektor der vollig gestreckten Kette ist die effektive Bindungslange beff.Diese L u g e bezieht sich bei Vinylpolymeren +CHyCHR+ gewohnlich auf die Monomereinheit -CH2-CHR-, d.h., auf zwei Kettenbindungen. Die effektive Bindungsl'bnge ist dann mit der kristallographischen L'bnge b,, einer Monomereinheit identisch (Kap. 7). Sie betragt bei Vinylpolymeren bcr = 0,2546 nm,da b = 0,154 nm und 7 = 1113' sind. Solche vollig gestreckten Ketten weisen periodische Mikrokonformationen auf. Sie werden im Idealfall nur bei v6llig gestrecktkettigen Kristallen gefunden (Kap. 7). In LCIsungen sind die Mikrokonformationen dagegen meist aperiodisch, da sich die Konformationsenergien der verschiedenen Mikrokonformationen nur wenig voneinander und von der thermischen Energie unterscheiden. Die unregelmissige Aufeinanderfolge der verschiedenen Mikrokonformationen fiihrt dann zu einer knauelartigen Makrokonformation (Abb. 4-1, 4 4 , 4-5, 4-9 und 4-10). Knauel werden aber nicht nur bei Ketten mit aperiodischen Mikrokonformationen gefunden, sondem auch bei solchen mit periodischen, sofem nur die Ketten sehr lang sind. Es ist auch irrelevant, ob es sich urn offenkettige oder ringftirmige Ketten handelt. Ein Beispiel sind die sehr langen Doppelhelices der ringftirmigen Desoxyribonucleinsiluren, welche Knhel bilden (Abb. 4-9). Mikrokonformationen sind ja nicht statische, sondem dynamische Strukturen, bei denen die Lage der Kettenatome urn das Minimum der Potentialenergie oszilliert (Kap. 3.2.2). Lugere Kettensegmente sind daher immer flexibel, was selbst bei lokal steifen Ketten zu knauelartigen Strukturen fuhrt (With wie bei nicht aufgerollten Gartenschlluchen). So erklan es sich, dass auch die recht steifen (aber sehr langen) Doppelhelices der Desoxyribonucleinsiuren eine knauelfiirmige Gestalt annehmen (Abb. 4-9).
Abb. 4-9 ElektronenmikroskopischeAufnahme von auf einer Unterlage gespreiteten Keaen der Desoxyribonucleinstiuren. Die Strukturen entsprechen der Projektion der dreidimensionalen muelgestalt auf eine FEiche. Mit freundlicher Genehmigung von Academic Press, London [8].
77
4. Makrokonformationen
Polymennolekule mit derartigen Makrokonformationen werden in der Polymerwissenschaft statistische Knauel (E: random coils) oder einfach Kniiuel genannt. In den Biowissenschaften hat "coil" im angelsachsischen Sprachbereich eine andere Bedeutung, nmlich "Helix". "Supercoils" sind Helices in der Makrokonformation statistischer K n b el und "coiled coils" Helices, denen eine andere Helixstruktur iiberlagert ist.
4.3.2.
Tragheitsradien
Knauel linearer Makromolekule werden durch ihren Fadenendenabstand r und ihren Trggheitsradius s charakterisiert. Der Fadenendenabstand (E: end-to-end distance) ist der raumliche Abstand der beiden Endgruppen einer linearen Kette (vgl. Abb. 4-5); er hat bei verzweigten Makromolekiilen keine physikalische Bedeutung. Ausser bei speziell markierten Endgruppen (z.B. fluoreszierenden) ist er auch nicht experimentell zughglich. Als zentrale theoretische Gr6sse kann er theoretisch mit verschiedenen Modellen berechnet werden (vgl. weiter unten), und zwar immer als Quadratwurzel aus dem Mittel iiber die Quadrate der Fadenendenabsmde, also als (r2)lI2. Fur jede beliebige Teilchenform kann man jedoch experimentell immer den Tragheitsradius (s2)ln bestimmen (E: radius of gyration; G: guros = Kreis). Bei steifen Teilchen mittelt er uber die Lage der Kettenglieder (Gl.(4-l)), bei nicht-steifen Teilchen wie statistischen Kn~uelnzusgtzlich noch iiber die rasch wechselnden Makrokonformationen. Der Tragheitsradius stellt daher ein rlumliches und zeitliches Mittel uber alle Makmkonformationen dar. Bei nicht-molekulareinheitlichenMolekiilen uitt dazu noch eine Mittelung iiber die verschiedenen Molmassen. Streumethoden messen 2.B. das mittle) ~ 5). re Tragheitsquadrat als z-Mittel ( s ~ (Kap. Abb. 4-9 ist eine Momentaufnahme, da jede Polymerkette zu jeder Zeit sehr verschiedene Makrokonformationen annehmen kann. Bei drei verschiedenen, energetisch gleichen Typen von Mikrokonformationen (2.B. T, G+, G-) kann z.B. eine Poly(methy1en)Kette mit einem Polymerisationsgrad X = 20 002 in p-2 = 320 OOo = 109452 verschiedene Makrokonformationen auftreten! Die Lebenszeit einer Makrokonformation ist jedoch kurz. Die Geschwindigkeitskonstante k der Umwandlung einer Mikrokonformation berechnet sich nach der Eyring-Gleichung zu (4-9)
k = ( h T / h )exp
(- AEsIRT)
wobei kg = 1.381-10-23J K-1 (Boltzmann-Konstante) und h = 6.626.10-34 J s (Planck= 10 kJ/mol werden bei T = Konstante). Bei einer Rotationsbamere von AEt = AE& 298,15 K innerhalb von t 5 g = O.OS/k = 1,4.10-16 s bereits 5 % der trans-Konformationen in gauche-Konformationen umgewandelt und vice versa. Jede Mikrokonformation, und damit auch die durch die Aufeinanderfolge der Mikrokonformationen hervorgerufene Makrokonformation einer Kette, existiert nur eine sehr kurze Zeit. Wegen des statistischen Charakters der Umwandlungen der Makrokonformationen wird zu einem gegebenen Zeitpunkt bereits bei einheitlichen Polymeren jedes Polymermolekiil eine andere Makrokonformation aufweisen (Abb. 4-10). Der gemessene Tragheitsradius ist daher ein zeitficher Mittelwert uber die Makrokonformationen aller im System vorhandenen Molekule.
78
4.3. Ungestb'rte Knduel hearer Ketten
Abb. 4-10 Links: Zweidimensionale momentane Makrokonformationen von 6 Ketten mit je N, = 31 Kettenatomen und somit N = 30 Kettenbindungen. Die Richtungen der einzelnen Bindungen wurden durch Wiirfeln erzeugt (siehe oben rechts), wobei aufeinanderfallende Bindungen fortgelassen wurden. Das zentrale Kettenatom Nr. 16 ist durch 0 marhea 0- - - -0 gibt den Abstand zwischen den Keaenenden 0 an, also den Fadenendenabstand r. Rechts: iiberlagerte, auf 0 zentrierte Kenen. Die Kreise entsprechen Durchmessem von 2 (s2)01/2 (innen) bzw. 2 (?)oln (aussen). Mit 6eundlicher Genehmigung des Springer-Verlages,Heidelberg [9]. Keine der momentanen Makrokonformationen hat eine einfache geometrische Gestalt: isolierte Kettenmolekule (z.B. in sehr verdiinnten Losungen) sind weder Stibchen noch Rotationsellipsoide oder gar Kugeln (Abb. 4-10). Die momentanen Gestalten eines Knauelmolekiils lassen sich auch nicht mit den bekannten Methoden expenmentell bestimmen. Sie konnen jedoch wie folgt theoretisch berechnet werden: Der Schwerpunkt des Molekiils wird in den Ursprung eines Cartesischen Koordinatensystems gelegt. Das Molekul wird daM in diesem Koordinatensystem so orientiert, dass die Haupt-Tragheitsachsen mit den Koordinatenachsen identisch sind. Der Vektorradius Ri jedes Massenpunktes (vgl. Abb. 4-12) kann nun in die drei onhogonalen Komponenten ( R i ) l , (Ri)2 und (Ri)3 zerlegt werden. Dabei muss gelten
In gleicher Weise kann auch der Tragheitsradius in drei Komponenten zerlegt werden:
Bei aquivalenten, isotropen Kugeln sind alle drei Komponenten gleich gross. Lineare Knauel besitzen nach theoretischen Berechnungen jedoch drei ungleiche Komponenten. Die Haupt-Komponenten verhalten sich hier nach Monte-Carlo-Rechnungen bei relativ kurzen Folgen von sich nicht iiberlappenden Schritten etwa wie 1 1,8:2,7:1, bei unendlich hohen Polymerisationsgraden dagegen wie 12,07:2,72:1. Die momentane Gestalt eines Kn2uelmolekuls ist daher weder die einer Kugel noch die eines Rotationsellipsoides, sondem mehr diejenige einer Niere. Ringfomige und verzweigte Polymerketten besitzen symmeuischere Gestalten; bei ringformigen Poly(dimethylsi1oxan)en unendlich hoher Molmasse gilt z.B. fir die Komponenten der mittleren Tragheitsquadrate 5,9:2,6:1.
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4 . Makrobnformatwnen
Die Uberlagerung der verschiedenen Makrokonformationen einheitlicher Makromolekule entspricht im dreidimensionalen Fall einer Molekulgestalt, die im zeitlichen Mittel mehr einer Kugel &nelt (Abb. 4-10). Derartige Kniuel kBnnen somit als aquivalente Kugeln aufgefasst werden. Ein betrlchtlicher Anteil an Kettenatomen dieser lquivalenten Kugeln befindet sich jedoch ausserhalb der durch die mittleren Triigheitsradien so = ( ~ ~ bzw. ) mittleren ~ ~ nFadenendenabsmde ro = ( r 2 ) l n definierten Kugelschalen.
4.3.3.
Knaueltypen
Je nach der Reichweite der Wechselwirkungen zwischen den Kettensegmenten unterscheidet man zwei Typen von Knaueln: ungestiirte und gestBrte. Im einfachsten Fall bestehen zwischen zwei benachbarten Kettenatomen sowie Atomen und Atomgmppen kurzer Kettensegmente nur kurzreichende Wechselwirkungen (E: short-range interactions) (Abb. 4-11). Als Segment wird dabei ein kurzes Stiick einer Kette bezeichnet; die Ltinge d i e m Stiickes bleibt unspezifiziert. Die hier herrschenden Krtifte wirken nicht nur intramolekular, sondern auch intrasegmental. Langreichende Wechselwirkungen (E: long-range interactions) erfolgen dagegen zwischen riumlich nahen Segmenten, die entlang der Kette durch viele andere Segmente voneinander getrennt sind. Sie sind bei isolierten Molekiilen ebenfalls intramolekular, bei Molekulen in konzentrierteren LBsungen wegen der griisseren N3he der benachbarten Molekule aber auch intermolekular. Anders als kurzreichende Wechselwirkungen sind sie jedoch immer intersegmental. "Langreichend" und "kumeichend" beziehen sich daher nicht auf die riumliche Reichweite der Kr2fte per se, sondern auf die Anzahl der Segmente zwischen den beiden wechselwirkenden Segmenten enrlang der Kette. Die langreichenden Wechselwirkungen ktlnnen z.B. abstossend sein: durch die Raumerfiillung der Kettensegmente hinsichtlich ihrer Atomvolumina, durch Abstossung zweier gleichsinniger Dipole usw. Bei langreichenden Wechselwirkungen ist d a m der Platz eines Segmentes f i r alle anderen Segmente ausgeschlossen: das Kniuel weist ein intern ausgeschlossenes Volumen auf. In konzentrierten Uisungen uitt wie bei harten Kiirpern zusitzlich noch ein extern ausgeschlossenes Volumen auf (Abb. 4-7). Das intern ausgeschlossene Volumen weitet das Kniuel auf: es wird gestort (E: perturbed). Wenn sich bei langreichenden Wechselwirkungen abstossende und anziehende Krafte die Waage halten, gibt es kein ausgeschlossenes Volumen und das Knluel ist dam ungest6rt (E: unperturbed).
+
,f= N b2 -1-cosa N ( (l-cosa)2)
2 N
C O S~ -(cos~)
Valenzwinkel-Kette mit behinderter Drehbarkeit Die Drehbarkeit um Kettenbindungen ist jedoch bei Polymerkenen im Allgemeinen nicht frei. sondern behindert. Die Kettenatome halten sich bevonugt in diskreten Mikrokonformationen auf, z.B. in T, G+ und G- (Kap. 3). Eine solche Kette wird Valenzwinkel-Kette mit behinderter Drehbarkeit genannt (E: chain with restricted rotation). Im einfachsten Fall sind die Potentialschwellen jeder Bindung unabhhgig von allen anderen. Die kleinste Einheit einer solchen Kette besteht somit aus 3 Kettenbindungen bzw. 4 Kettenatomen (Tab. 4-4). Die Fadenendenabsthde solcher Ketten erh2lt man mit einer Matrizenrechnung. bei der wiederum jede Bindung als Vektor geschrieben wird. Bei sehr langen Ketten mit symmetrischen Rotationspotentialen erh2lt man (4-21)
(r2)= Nb2 + 2 ( N - 1) (b1b2) + 2 (N - 2) (b1b3) + 2 (N - 3) (blb4) + ...
G1.(4-2 1) m e l t der allgemeinen Gleichung (4-16) fiir Ketten mit freier Drehbarkeit. Weil aber ausser den beiden Bindungen noch die Konformation zu beriicksichtigen ist, sind die mittleren Werte (bib,) hier noch durch das Produkt bT(tji)b dreier vektorieller Gr6ssen gegeben. Fiir Valenzwinkel-Ketten mit behinderter Drehbarkeit (Index or) und unendlich hoher Molmasse ergibt die Durchrechnung (4-22)
(r2),,,= N b
J(
2 i-cos?
+ cos
(1
i+(cose) 1- (COS 8 ) )
=N ( b ) 2
wobei (cos 8) das Mittel iiber die Cosinus-Werte aller Konformationswinkel 8 ist. Das aus G1.(4-22) mit bekannten Werten von (r2),,, N , b und 7 berechnete 8 hat somit keine direkte physikalische Bedeutung. Der Konformationsterm kann wieder in das Quadrat der Bindungslhge b einbezogen werden, so dass b" eine effektive Bindungslhge ist. Die Gleichungen (4-21) und (4-22) wurden mit stcchastischen Methoden abgeleitet. Sie divergieren fiir die Grenzbedingungen T = 180" und 0 = 0" und kSnnen daher nicht fiir die konventionellen Konturhgen (0 = 0" bei all-ms-Konformationen)verwendet werden.
86
4.3. UngestBrte Knauel linearer Ketten
RIS-Modell Das RIS-Modell (E: rotational isomeric state model) beriicksichtigt. dass die einzelnen Mikrokonformationen nicht unabhhgig voneinander sind. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer bestimmten Mikrokonformation wird vielmehr von der Art der vorhergehenden Mikrokonformationen beeinflusst. Ein Beispiel ist der Pentan-Effekt. bei dem einer G+-Mikrokonformation keine G--Mikrokonformation folgen kann und vice versa (Abb. 3-3). Beim einfachsten IRS-Model1 werden die Knaueldimensionen durch ein Paar von Mikrokonformationen kontrolliert, also von 4 Kettenbindungen bzw. 5 Kettenatomen (Tab. 4-4). G1.(4-22) ist dazu formal durch einen neuen Parameter QpaU zu e r g m e n , der die Effekte beschreibt, die durch die konformativen Diaden zusatzlich zu den von den einzelnen Mikrokonformationen via (cos 0) eneugten Effekten hervorgerufen werden. Nun ist aber in G1.(4-22) der Mittelwert (cos e) nur eine anpassungsfZhige Grosse, aber keine unabhtingig messbare. Man zieht daher zweckmassig die beiden Konformationsterme Q p a x und ( 1 + (cos O))l( 1 - (cos e)) zu einer neuen Grosse zusarnmen, welche alle die von der Konformationsstatistik heniihrenden Abweichungen von der Statistik von Ketten mit freier Drehbarkeit global beschreibt. Diese Grosse wird als Quadrat a2 angesetzt, damit a der effektiven Bindungsltinge b' in G1.(4-19) vergleichbar wird. Es ergeben sich fiir N -+ die ungestorten Dimensionen (E: unperturbed dimensions) als Mittel iiber die Quadrate der Fadenendenabstande einer ungestorten Kette (d.h. ungestort durch das ausgeschlossene Volumen):
Beim RIS-Modell entspricht die Berechnung von Qpaa mathematisch derjenigen einer Ising-Kette, dem eindimensionalen Ising-Modell (Lenz-Ising-Modell). Eine king-Kette besteht aus einer Anordnung von "Teilchen", die miteinander wechselwirken; bei Polymerketten sind dies die Kettenbindungen. Jedes "Teilchen" kann sich in einer bestimmten Anzahl von Zustgnden aufhalten, die Kettenbindungen von Polymeren also in den verschiedenen Mikrokonformationen. Die totale Energie der Ising-Kette ist die Summe der Wechselwirkungsenergien der benachbarten Teilchen. Sie ist bei Polymerketten folglich die Summe aller Konformationsenergien. Wenn die Konformationsenergie einer Bindung unabhtingig von denjenigen der anderen ist und alle diese Energien gleich gross sind, dann ist die totale Energie gleich dem Produkt aus der Anzahl N' = N - 2 der nicht-endstshdigen Bindungen und der mittleren Energie einer Bindung. Bei N,f verschiedenen Typen von Mikrokonformationen (N,f = 3 bei T, G+ und G-) sind folglich (N,f>N-2 Konformationen zu beriicksichtigen. Da sich aber zwei benachbarte Bindungen gegenseitig beeinflussen, muss man die Energie E ( a ) = E( 180'-8) einer Bindung durch die paarweisen Energien ausdriicken:
wobei a' und a die Konformationen um die Bindungen i-1 bzw. i sind.
87
4. Makrobt$ormatwnen
Diese Energien enmimmt man fiir die verschiedenen Bindungspaare 'IT, TG+, G+G+ usw. den konformativen Konturdiagrammen, die entweder experimentell erhalten werden oder mit den Kraftfeldern der Molekiilmechanik berechenbar sind (Kap. 4.8.3). Aus den Energien werden dann die statistischen Gewichte Ua'a,i ermittelt, mit denen die einzelnen Bindungen zu belegen sind. Bei hohen Temperaturen sind nun hochenergetische Konformationen wahrscheinlicher als bei tieferen Temperaturen (Abb. 3-6). Die statistischen Gewichte werden folglich temperaturabh2ngig sein. Sie werden am einfachsten als Produkt aus einem Boltzmann-Term und einem vorexponentiellem Faktor A beschrieben:
Der vorexponentielle Faktor (entropische Faktor) beschreibt die Gestalt der Energiesenke. Bei Poly(ethy1en) ist die Senke symmetrisch, und man erh2lt bei allen drei Mikrokonformationen T (0"). G+ (+120°) und G- (-120") einen vorexponentiellen Faktor von A = 1. Bei anderen Ketten ist jedoch oft A # 1. Die statistischen Gewichte werden dam als Matrix Ui fiir die verschiedenen Bindungspaare geschrieben. Beim Poly(ethy1en) mit den drei Mikrokonformationen T, G+ und G- gibt es folglich 32 Paare. Solche (normalisierten) Matrices fiir Poly(ethy1en) sind in Abb. 4-16 fiir die paarweisen Energien und in Abb. 4-17 fiir die statistischen Gewichte bei 413 K gezeigt. O"(T)
+120°(G+) -120"(G-) 2.09 2.09 10,46
::I]
10,46
(P (T)
+120" (G+) -120" (G-)
Abb. 4-16 Energien E d (in ~ kJ/mol) fiir die Konformerenpaaredes Poly(ethy1en)s.Horizontal: Bindung i;vertikal: Bindung i - 1.
Beim Poly(ethy1en) ist nur eine Sorte von konformativen Sequenzen vorhanden. Beim Poly(dimethylsi1oxan) +O-Si(CH3)2+ muss man dagegen zwei Typen beriicksichtigen: -0-Si(CH3)2-0- und -Si(CH3)2-O-Si(CH3)2. Poly(viny1idenfluorid) enthiilt ausser Kopf-Schwanz-Verkniipfungenauch erhebliche Anteile an Kopf-Kopf- bzw. Schwanz-Schwanz-Verknilpfungen(Band I, Kap. 2). Hier gibt es folglich sechs Typen: -CH2CF2CH2-, -CF2CH2CF2-, -CH2CH2CF2-. -CF2CH2CH2-, -CF2CF2CH2- und -CH2CF2CFr. Da man Vektoren betrachtet, sind die statistischen Gewichte vieler gleicher Bindungspaare nicht identisch, z.B. bei -CH2CH2CFr und -CF2CH2CHr. Oo(T) +120°(G+) -120"(G-) 0.54
0.54
0.051 0,54
@ (TI +120° (G+) -120" (G-)
Abb. 4-17 Statistische Gewichte uaeaj fiir die Konformerenpaare des Poly(ethy1en)s bei 413 K. Horizontal: Bindung i , vertikal: Bindung i - 1.
88
4.3. Ungestorte Kniiuel linearer Ketten
Das statistische Gewicht einer bestimmten Kettenkonformation ist dann einfach gleich dem hodukt der statistischen Gewichte des betreffenden Typs. Fur Poly(ethy1en) bei der Schmelztemperaturzeigt sich z.B. das ijbergewicht der trans-Konfonnationen T und der starke Pentan-Effekt (Abb. 3-3):
Anschliessend muss noch uber alle moglichen Kettenkonformationen summiert werden. Man erh2lt die konformative Verteilungsfunktion (E: configurational partition function) Zconf:
Diese Verteilungsfunktion ist der Normalisierungsfaktor fur den Ausdruck fiir das Mittel uber die Quadrate der Fadenendenabsttinde (4-27)
(r2)o= Z-lGlG2 ... GN
wobei jede einzelne Matrix Gi des Matrixproduktes GIG2 ... GN aus Gliedern ua*aF(a) usw. besteht, die wiederum Matrizen Fi enthalten, z.B.
Die ersten Matrizen G1 und F1 und die letzten Matrizen GN und FN nehmen dabei jeweils spezielle Formen an (s. Spezialliteratur). Die mit der RIS-Methode berechneten Fadenendenabstade stimmen hlufig nicht gut mit den experimentellen uberein. Die Fadenendenabstade des Poly(methy1en)s lassen sich z.B. rnit der RIS-Methode nur wiedergeben, wenn der Kettenwinkel C-C-C als 112" = 1115" gewtihlt wird. obwohl dieser Winkel beim kristallinen Poly(methy1en) qC-c-c betragt und als exakter Diederwinkel TC-C-C= 109"28'. Ausserdem mussen die Konformationswinkel als h+= +127,5" und &-- = -127,5" angesetzt werden und nicht als die idealen Werte von OG+ = +120" und 0 ~ =- -120". Dafiir konnen verschiedene Griinde verantwortlich sein. Die Energiedifferenzen zwischen den verschiedenen Mikrokonformationen miissen auf mindestens f 0,4 kJ/mol bekannt sein. Die Energiediagramme werden zwar fiir das Vakuum angesetzt und sollten d a m die wahren ungest8rten Dimensionen geben. Experimentell sind aber noch Einflusse des LCIsungsrnittels (in LClsung) bzw. anderer Ketten (in Schmelzen und Kristallen) vorhanden (zum Unterschied zwischen ungestorten Dimensionen und Theta-Zustkden vgl. Kap. 10.4.2). Schliesslich gelten Energieminimierungen nur fiir eine Temperatur von 0 K. obwohl die Dimensionen fiir hohere Temperaturen gefragt sind.
89
4. Makroko~ormatwnen
4.3.5.
Flexibilitat von Ketten
Die Flexibilittit einer Kette wird durch die Ubergiinge zwischen den Mikrokonformationen bestimmt. Em Konformer ist statisch flexibel. wenn die molare Konformationsenergie AEQ zwischen zwei verschiedenen Konformationen i und j (2.B. T P G)niedriger als RT = 2,49 kJ/mol ist. In diesem Fall sind viele konformative Minima zughglich. Konformere sind dynamisch flexibel, wenn die Rotationsbamere A E Q S den Wen von R T nicht wesentlich tibersteigt, da dann nacheinander schnell viele Mikrokonformationen eingenommen werden ktinnen. Kettensteifheiten werden durch viele Parameter charakterisiert: sterische Faktoren (Behinderungsparameter), charakteristische Verh2ltnisse. Persistenzliingen und Kuhn-Liingen.
Sterischer Faktor (Behinderungsparameter) Der sterische Faktor o ist als das Verhgtnis des Fadenendenabstandes (r2)01'2einer ungestiirten Kette (G1.(4-23)) zum Fadenendenabstand (r2)of1/2 einer Ketk mit freier Drehbarkeit (Gl.(4-19)) definiert, im Grenzfall N + = als (4-29)
,2
+ cos TI-' (1 + cos e)(i - cos el-' -- (1 + cos e) (1 - cos e) Nb2 (1 - cos T)( 1+ cos
- (r2>o - Nb2 (1 - cos (r2)of
Der sterische Faktor ist unabhagig vom Polymerisationsgrad und lediglich durch den mittleren Konformationswinkel 8 gegeben.
Tab.4-6 Behinderungsparameter 0, charakteristischeVerhiiltnisse Cmund Persistenzliingen b.Bei Kohlenstoff-Keenwurde ein Bindungswinkel von T = 112' angenommen. Polymere
Msungsmittel
Poly(butadien), 1.44s Poly(butadien), 1,4-2rum Poly(ethy1en) Poly(is0butylen) Poly(styr0l). at
Desalinm verschi*ne 1-Chlomphthidin
T/"C
55 50 140 BenzOl 24 l-chlordecan 8,s e Cyclohexan 35 e l-ChlorQdecan 58.6 e Poly(methylmethacrylat), at Butylchlorid 40,8 9 Butanon 25 Poly(butylmethacry1at).at Butanon 25 Poly(decylmethacrylat),at Butanon 25 Poly(docmylmethacrylat),at Butanon 25 Cellulose CadOXe$l@ 25 Dimethylacetamid + 5 % LiCl 25 Amylose Nitromethan 23 Poly(hexylis0cyanat) Hem 25 Poly(1,4-benzamid) Dimethylacetamid + 3 % LiCl 30 Desoxyribonucleinsihre 0.2 mom NaCl in Wasser 20 Schizophyllan wasser 25 Poly(acrylstlure),at Dioxan 30 Poly(natriumacrylat), at 1 3 mol/L NaBr in Wasser 15
Q
1.63 1,23 1,77 1,73 2.2 1.87 1,89 1.9 2,4 3.3 2,o
Cm 4,9 5.8 6.87 6.6 10.4 10.7 9.9 8,40 7.9 7.9 12.7 23.9
Lp,lnm
0,61 0,59 0,88 o,90 0.84 0,72 0,69 0,69 1,05 1,91
50.8
11
7.5 12.5
42 50 63 200 0,65 1,04
2,75
1,85 2.38
90
4.3. Ungestorte Kniiuel linearer Ketten
Der sterische Faktor ist ein Mass f i r die Rotationsbehindemng und heisst daher auch Behinderungsparameter (E: steric factor, hindrance parameter, conformational factor). Kohlenstoffketten in der cis-Konformation ( 7 = 180") weisen a = 0 auf, in der gaucheKonformation a = 0,58 ( 7 = 120"; alle G+ oder G-), in der anti-Konformation o = 1,73 ( 7 = 60"; alle A+ oder A-) und in der trans-Konformation a = ( 7 = 0"). Bei flexiblen Kohlenstoffketten variieren die o-Werte zwischen 1,7 und 3,3 (Tab. 4-6). Bei etwa gleichen Wechselwirkungen Polymer-Lbsungsmittel nimmt der Behinderungsparameter rnit steigender Grbsse der Substituenten zu, wie man bei Poly(propy1en) vs. Poly(styro1) sieht bzw. bei den Poly(methacry1at)en +CH2C(CH3)(COOR& rnit verschiedenen Substituenten R. Bei Methyl CH3 als Substituent R wird z.B. o = 1,9 gefunden, bei Docosyl C22H45 dagegen 3,3. Wurde der Behinderungsfaktor ausschliesslich von konformativen Effekten um eine Bindung herriihren, so entsprache dies einem Erniedrigen des mittleren Konformationswinkels von 5 5 3 " auf 33.7" bzw. einer Zunahme der trans-Konformationen auf Kosten der gauche-Konformationen. Da der Behinderungsparameter den mittleren Konformationswinkel widerspiegelt, sind nur a-Werte von Ketten rnit gleichen Kettenatomen vergleichbar. Man darf z.B. nicht schliessen, dass Cellulose ( a = 2,O) etwa gleich steif wie Poly(styro1) ist ( a = 1.9).
-
Charakteristisches Verhaltnis Behinderungsparameter sind jedoch keine guten Masszahlen f i r die Flexibiliaten von Ketten. Um sie zu erhalten, muss namlich der Fadenendenabstand (r2)of1/2einer frei drehbaren Kette aus der Zahl der Kettenbindungen N , den (meist kristallographisch ermittelten) Bindungslagen b und den Bindungswinkeln 7 berechnet werden. Die Bindungslhgen kbnnen als konstant angesetzt werden, da sie wegen der hohen Bindungsenergien von ca. 40 kJ/mol bis ca. 400 kJ/mol unabhugig vom Stoffzustand sind. Die Bindungswinkel von Ketten im kristallinen Zustand sind jedoch nicht notwendigerweise rnit denjenigen von gelosten Polymerketten identisch. Nach spektroskopischen Messungen und Bestimmungen der Verbrennungswirme von Ringen erfordert eine Deformation des C-C-C-Bindungswinkels um 5,6" nllmlich nur ca. 2 kJ/mol und eine um 10" nur ca. 7 kJ/mol. Diese Werte liegen damit im gleichen Bereich wie die Konformationsenergien (Kap. 3.2); sie sind keine konstanten Stoffparameter. Da sowohl die Behinderungsparameter als auch die Bindungswinkel in verschiedenen Stoffzusthden unterschiedliche Werte annehmen koMen, ist es zweckmSsig, sie zu einer neuen Grosse zu vereinigen, dem charakteristischen Verhaltnis. Dieses Verhamis ist ebenso wie der Behinderungsparameter ein Mass f i r die Flexibilitat der Kette. Das charakteristische Verh3ltnis (E: characteristic ratio) ist als das Verhamis der ungestorten Dimension (r2)o zur Dimension (r2)oo der gleichen Segment-Kette definiert, wodurch der beim Behinderungsparameter noch vorhandene Einfluss der Valenzwinkel der Kette eliminien wird. Aus G1.(4-23) erhtilt man rnit G1.(4-17): (4-30)
1-COST =--(r2)o (r2), C N P O2 (1 + COS 7 ) N b 2 - (r2)oo
Das charakteristische Verhamis CN nimmt mit steigender Zahl N der Kettenbindungen zu, um dann bei Wenen iiber N = 50-100 einen praktisch vom Polymerisationsgrad
91
4. Makrokonfonnationen it-Poly(methylmethacry1at)
st-Poly(methylmethacry1at)
" Poly(methy1en) (RIS-Modell)
j l4
Poly(methy1en) (Kette mit behinderter Drehbarkeit)
Poly(methy1en) (Kette mit freier Drehbarkeit)
2
Poly(methy1en) (Segmentkette)
U '
0
50
100 +
-N
150
200
Abb. 4-18 Berechnete charakteristische Verhdtnisse C, als Funktion der Zahl N der Kettenbindungen. Die Bindungswinkel C-C-C wurden jeweils als 112O angenommen. Bei behinderter Drehbarkeit wurde eine Konformationsenergie von EG - ET = 2,W kJ/mol angesetzt und beim RIS-Modell des Poly(ethy1en)s eine von 8.30 kJ/mol [lo]. Die charakteristischen Verhiiltnisse des isotaktischen und syndiotaktischen Poly(methylmethacrylat)es wurden ebenfalls rnit dem RIS-Modell berechnet [lll.
unabhhgigen Wert C , zu erreichen (Abb. 4-18; vgl. auch den Anhang A-4.2). Bei speziellen Kettenkonfonnationen wie den Helices des syndiotaktischen Poly(methy1methacry1at)s durchlauft CN rnit steigendem N zunichst ein schwaches Maximum.
Kuhn-Langen Die Fadenendenabstade ungest6rter Knluel nehmen mit lhgeren Bindungen b, weiteren Bindungswinkeln r und gasseren Behinderungsparametem zu (G1.(4-23)). Diese drei Parameter wirken, als ob lhgere Segmente der L h g e LK in kleinerer Zahl NK vorhanden w2ren. Bei diesem Kuhn'schen Ersatz-Knauel (iiquivalentem Knauel; E: Kuhn's equivalent coil, ersatz coil, Kuhnian coil) erhdt man daher die Fadenendenabsmde ungest6rter Kniiuel in Analogie zu (r2)m = Nb2 der Segment-Kette (G1.(4-14)) aus (4-3 1)
(r2)o= NKLK~
Das Produkt NKLK muss gleich der konventionellen Konturlhge rcont = Neffbeff sein (vgl. Abb. 4-8). Die Kuhn-Lange (E: Kuhnian length) kann somit aus LK = (r2)o/rcont berechnet werden; sie ist direkt rnit der Persistenzlbge verkniipft (vgl. niichste Sektion). Je kleiner die Kuhn-Liinge, umso thennodynamisch flexibler ist die Kette. Ketten rnit sehr grossen Kuhn-Lhgen nehmen ausser f i r NK + nicht mehr die Makrokonformation eines flexiblen Kniiuels an. Sie werden vielmehr wunni3lmlich (Kap. 4.3.9). 00
Ein Poly(ethy1en)-Molekiilmit N = 2000 C-C-Bindungen der Bindungslbge 0.154 nm besitzt als Segment-Kette ein Mittel iiber die Quadrate der Fadenendenabswde von (r2),,,, = Nb2 = 47,432 nm2. Bei einem charakmistischem VerMtnis von C, = 6,87 ergeben sich nach G1.(4-30) die ungesUimn Dimensionen zu ($)o = 6,8747,432 nm2 = 325,858 nm2. Der Bindungswinkel von T = 11 1.5" fiihrt bei Nen = lo00 effektiven Bindungen der Bindungslihge bdf= 0,2546 nm zu einer konventionellen Konturlhge von r,, = 245.6 nm = NKLK,woraus man LK = (r2),,/NKLK= 325,858 nm2/ZA5,6 nm = 1,327 nm und NK = NKLK/LK= 245,6 nm/1,327 nm = 185 erhat.
92
4.3. Ungesrorre Kniiuel linearer Ketten
Persistenzlange Bei Valenzwinkelketten sind die Valenzwinkel zwischen den Kettengliedem festgelegt, wodurch die Kette eine gewisse Nachwirkung (Persistenz) erhat (Kap. 3.1 und 4.3.9). Die Persistenz ist naturgemass bei Ketten mit grossen Substituenten hdher als bei solchen mit kleinen, was zu grosseren Behinderungsparametem und charakteristischen VerhQtnissen fiihrt flab. 4-6). Sie wird besonders gross, wenn sich die Valenzwinkel dem Wert T = 180" niihem, da die Kette bei 2 = 180" ein steifes Stabchen darstellt. Die Persistenzliinge L,, muss also mit dem charakteristischen Verhatnis C, verbunden sein, das ja ebenfalls ein Mass fur die Steifheit bzw. Flexibilitat von Ketten darstellt. Das charakteristische VerhQtnis wiederum ist nach G1.(4-30) aus dem Mittel uber die Quadrate der ungestonen Fadenendenabsthde erhQtlich. und damit auch aus der Zahl N der Kettenbindungen der L h g e b. Reale ungestdrte KnBuel besitzen wegen der Persistem der Ketten gr6ssere Dimensionen als Segmentketten (G1.(4-17)): (4-32)
(r2)o> (r2)oo= Nb2
Die Persistenz (L: persistere = stillstehen) wird durch die Persistenzlhge Gscharakterisiert, die als die mittlere Summe aller Projektionen aller Bindungen j 2 i auf die Bindung i in einer unendlich langen Kette definiert ist. Die Aufweitung der Kntiuel gegenuber der Segmentkette kann man daher im Grenzfall unendlich langer Ketten (N + -; CN + C,) durch (4-33)
(r2), = Nb(2 Lps - b) = 2 NbL,, - nb2
erfassen. G1.(4-33) reduzien sich zum Ausdruck fiir die Segmentkette, wenn Persistenzl h g e und Bindungslage identisch sind. Mit der Definition der charakteristischen L h g e (G1.(4-30)) ergibt sich daher
Zum Umrechnen von Persistenzlbgen in charakteristische VerhQtnisse mussen also die Bindungslhgen b bekannt sein. Sie betragen 2.B. b = 0,154 nm fiir Kohlenstoffketten und b = 0,425 nm fiir Glucoseketten. Kohlenstoffketten besitzen niedrige Persistenzlhgen im Bereich 0,6 I &Jnm I 1,9, was nur wenigen Monomereinheiten entspricht. Weit griissere Persistenzlhgen beobachtet man bei den Doppelhelices der Desoxyribonucleinsauren, den helicalen Ketten des Polysaccharids Schizophyllan und speziell beim Tabakmosaikvirus (Tab. 4-6 und 4-8).
4.3.6.
Tragheitsradien
Der Fadenendenabstand ist theoretisch wichtig und fiir lineare Ketten rnit verschiedenen Methoden berechenbar (Kap. 4.3.4). Bei nichtlinearen Ketten ist er aber physikalisch sinnlos: ringf6rmige Makromolekule haben uberhaupt keine Enden und verzweigte mehr als zwei. Der Fadenendenabstand ist ausserdem nur in sehr speziellen F a e n experimentell zughglich, 2.B. bei Molekiilen mit fluoreszierenden Endgruppen.
93
4. Makrokonformatwnen
Direkt messbar ist jedoch der Triigheitsradius (E: radius of gyration). Bei den meisten experimentellen Methoden wird er jedoch nicht als solcher, sondem als Mittel iiber alle Quadrate der Trigheitsradien S i erhalten und diese wiederum als zweites Moment der Massenverteilung (Gl.(4-1) und Gl.(A 4-9)). Zwischen Fadenendenabsunden und Trigheitsradien besteht nun nach Gl.(A 4-1 6) bei allen ungestdrten Kniueln aus unendlich langen Ketten (Segment-Ketten, Valenzwinkelketten mit freier oder behinderter Drehbarkeit. verschiedene RIS-Ketten) die gleiche Beziehung, nmlich (4-35)
(r2)y = 6 ( s ~ ) ~
fiir y = 00, of, or oder o
Das Mittel iiber die Quadrate des Fadenendenabstandes ist weiterhin bei allen Phantomketten der Anzahl N der Bindungen und einer effektiven Bindungslhge proportional. Die Molmasse M = NkMk des Polymeren ergibt sich aus dem Produkt der Anzahl der Kettenglieder Nk = N + 1 = N bzw. Kettenbindungen N und der mittleren Molmasse Mk der Kettenglieder. Aus G1.(4-35) erhat man mit G1.(4-23) somit
wobei die Konstante Ks,o wegen b, Mk, T und d stoffspezifisch und temperaturabhtingig ist. aber nicht von der Molmasse M des Polymeren beeinflusst wird. Fur eine polymerhomologe Reihe ist (s2)JM folglich eine Stofkonstante. Diese GrUsse ist experimentell durch Messungen in sog. Theta-Losungsmitteln erhatlich. In solchen Ltisungsmitteln kompensieren sich bei einer bestimmten Temperatur (Theta-Temperatur e) alle Wechselwirkungen zwischen Polymersegmenten untereinander bzw. zwischen Polymer- und LBsungsmittelmolekiilenin einer solchen Weise. dass sich das Polymere wie eine Phantom-Kette verMt. Theta-Ltisungsmittel sind thermodynamisch schlechte Usungsmittel (Kap. 10.4.2). In thermodynamisch guten Ltisungsmitteln kann dagegen die endliche Dicke der Ketten nicht vemachlissigt werden. Zwei Kettensegmente ktinnen dann anders als bei Phantom-Ketten nicht mehr den gleichen Platz einnehmen. Die Kniuel werden aufgeweitet und sind nicht mehr ungesttirt. Die bei ungesttirten Kniueln geforderte Abhhgigkeit so -MID der Trigheitsradien von der Wurzel aus der Molmasse wird haufig iiber erstaunlich grosse Bereiche der Molmassen gefunden. Ein Beispiel ist atPoly(styro1) im Theta-Ltisungsmittel Cyclohexan bei 34,5OC bei Molmassen von 5000 IM/(g mol-1) I 4 000 OOO (Abb. 4-19). Im thermodynamisch guten Ldsungsmittel Toluol bei 15OC sind die Kniuel wegen des ausgeschlossenen Volumens aufgeweitet. Der Molmassenexponent ist hier griisser als 1/2, nmlich v = 059 (Kap. 4.4). Unterhalb = 5000 glmol fallen die Trigheitsradien stark ab. Die Ketten sind dann so kurz, dass sie nicht mehr die ideale Knauelstatistik annehmen ktinnen. Sie verhalten sich dann mehr wie helicale, wurmidmliche Ketten (Kap. 4.3.9). Da kurze Ketten keine ausgeschlossenen Volumina produzieren, werden die Trigheitsradien von Oligomeren in guten und schlechten Usungsmitteln praktisch gleich gross. Im vtillig gestreckten Zustand sind ringformige Makromolekiile nur halb so lang wie lineare gleicher Molmasse. Im Mittel sollte das auch fiir alle anderen Makmkonformati-
mw
94
4.3. Ungestorte Knduel h e a r e r Ketten ToluoL 15'C
6.
Cyclohr:xm, 34,5OC
I
1 I0.1- * 102
103
104
16
106
107
- M, /(g mol-'1 + Abb. 4-19 Massenmiuel der Triigheitsndien als Funktion des Massenmittels der Molmasse bei praktisch molekulareinheitlichen ataktischen Poly(styro1)en in verschiedenen Usungsmitteln [ 12,131. Die Quadrate der Triigheitsadien ringformiger Poly(styro1)esind n u halb so gross wie die von linearen. onen zutreffen, so dass (s2)o,rhg = Ks,0(M/2)1/2bei ( ~ ~ ) ~ , l=i ,K,,&1/2. , Im ungestorten Zustand sollte darum der Tragheitsradius ringftimiger Molekiile urn den Faktor ( 1/2)li2 = 0,707 kleiner als dejenige he a re r gleicher Molmasse sein. Das theoretisch geforderte = 2,O wird z.B. bei Poly(dirnethylsi1oxan)en experimentell Verhumis ((sz)o,~i(s2)o,ring~ mit 1,9 f 0.2 besttitigt. Die Ringbildung legt aber auch der Population und Sequenz der Mikrokonfonnationen Restriktionen auf. Der Theta-Zustand tritt entsprechend schon bei niedrigeren Temperaturen auf, 2.B. bei Poly(styro1)en hoher Molmasse in Cyclohexan bei 8 = 28,5"C (ringfomig) anstelle von 8 = 343°C (linear). Die im ungestorten Zustand dominierenden kurzreichenden Krafte hangen von der lokalen Kettenstruktur und damit von Taktizitatsunterschieden ab. Iso- und syndiotaktische Polymere gleicher Konstitution weisen entsprechend irn gleichen Liisungsmittel verschiedene Theta-Temperaturen auf; bei gleicher Molmasse sind die ungestorten Tragheitsradien um ca. 20 % verschieden. In guten Liisungsmitteln dominieren dagegen die langreichenden Kr2fte: die Taktizitat beeinflusst weder 8 noch (s2)/M.
4.3.7.
Knaueldichte
Der Tr2gheitsradius (s2)l/2 ungestorter Knluel ist nach Tab. 4-7 weit kleiner als die konventionelle KonturEnge, aber erheblich grosser als der berechnete Tragheitsradius oder Radius einer kompakten Kugel. Knauel mussen daher recht lockere Gebilde sein. Es fragt sich dam, wie die Kettensegmente in einern solchen Knluel verteilt sind. Die Antwort ergibt sich aus der ijberlegung, dass die Anordnung der Kenensegmente in einem ungestorten Knauel der Segmentverschiebung durch die Brown'sche Bewegung entspricht. Die Verteilung der Verschiebungsquadrate solcher Bewegungen ist aber wohlbekannt; sie entspricht einer Gauss-Verteilung (Abb. 2-8). Die Kettensegmente verteilen sich also nicht gleichmassig im Knauelvolumen. Viele Segmente halten sich vielmehr im Zentrum auf; die Peripherie ist weit weniger dicht (Abb. 4-10).
4. Makrokonformatwnen
95
Tab. 4-7 Lilngen L. Fadenendenabstllnde r, Tagheitsradien s und Radien R von verschiedenen Makrokonformationen eines Poly(methy1en)s H(CH2)zwH. Bindungshge bcc = 0,154 nm, effektive Bindungslmge b d = 0,254 nm. Bindungswinkel.r=112O,(cos 0) = 0,5 (entsprechend 0 = 60”).partielles spezifmhes Volumen J = 1 mug. a) Mit G1.(4-35); b, Berechnungen mit dem RIS-Modell. Abmessung
Konturhge. historisch Konturhge. konventionell all-trans Segment-Keue Segment-Keae Valenzwinkel-Kern. h i e Drehbarkeit Valenzwinkel-Kette.behinderre Drehbarkeit Ungestiirte Keae, Trilgheitnadius b, Kompakte Kugel, TrtIgheitsradius Kompakte Kugel. Radius
L r r S S
s S S
R
Gleichung 0derTabelle
Symbol Abmessungen in nm berechnet experimentell
L , = Nb GL(4-8) G1.(4-17) G1.(4-17) a) G1.(4-19) a) G1.(4-22) a) G1.(4-23) a) Tab. 4-1 G1.(4-2)
Lcm,
r,,
(6)m1n ( ~ 3 ($),g’n ($),,ln ($)-ln skugel
Rkugel
3oI30 2553 21.8 ~ 8.9’ ~ 13.2 17,7 21,6 3,74 4,82
23.3
Die Verteilung der Zahlenkonzentration C = Nseg/V der Kettensegmente wird daher nach P.J.Debye durch eine Gauss-Funktion C = A exp(- B2R2) approximiert, wobei R der Abstand der Segmente vom Schwerpunkt ist und A und B Modellkonstanten. Es wird weiter angenommen. dass die Knlluel im zeitlichen MitteI kugelsymmetnsch sind. Das Volumen einer sehr diinnen Kugelschale der Dicke dR betrllgt 4 zR2dR; in diesem Volumen halten sich dN = C(4 aR2dR) Segmente auf. Die Zahl Nseg aller Segmente in der Kugel erhtilt man durch Integration iiber alle Kugelschalen von R = 0 bis R = 00:
In einem Abstandsquadrat R2 liegen dN = 4 nR2CdR Segmente. Das Mittel iiber alle Abstandsquadrate ist das Mittel iiber die Quadrate der Trilgheitsradien. Die Integration und das anschliessende Einsetzen von C = A exp(- B2R2) liefert
(4-38)
(s2), = J; R2& I‘ jOm& = j r 4 R R4CdR I
64 x R2CdR = 3 7t3I2AI (2 NsegB5)
Durch Kombinieren der G1.(4-37) und (4-38) ermittelt man die Modellkonstanten zu
Die ZaN Nseg der Segmente ist gleich dern Polymerisationsgrad X,wenn die Segmente die Monomereinheiten sind. Die Abh2ngigkeit der Zahlenkonzentration C der Monomereinheiten vom Abstand R zum Schwerpunkt ergibt sich somit zu (4-39)
C = A exp(- B2/R2) = X 1342 1c (s2),)I3l2exp[- 3 R2/(2 ( s ~ ) ~ ) ]
Die Konzentration C der Monomereinheiten ist demnach bei R = 0 am Gr&sten, also am Schwerpunkt (Abb. 4-20). Sie f2lIt mit zunehmendem Abstand R und mit steigendem Molekulargewicht M, (Einblendung in Abb. 4-20).
4.3. Ungestorte Kniiuel linearer Ketten
96
Cyclohexan
e= 34.5oc
Cyclohexan e= 345°C
=-
50 105
107
106
Toluol
0
20
10
30
40
50
-R/nm Abb. 4-20 Zahlenkonzentration C der Monomereinheiten als Funktion des Abstandes R vom Schwerpunkt (R = 0). Berechnungen fiir ein einzelnes Poly(a-methylstyro1)-Molekulmit der relahven Molmasse M, = 1 190 OOO im Theta-UsungsmittelCyclohexan und im guten Ltlsungsmittel Toluol. S = Position des Tagheitsradius ((s2),ln= 32.4 nrn in Cyclohexan, (s2)'n= 48.0 nrn in Toluol). Einblendung: Zahlenkonzentrationen C, der Monomereinheiten an den Schwerpunkten der Kniluel von Poly(a-methylstyro1)enverschiedener relativer Molmasse in Cyclohexan bei 8 = 343°C. Die Konzentration C, am Schwerpunkt ist bei ungestorten Knaueln (in Theta-Liisungsrnitteln) grosser als bei gestbrten Kniueln (in guten Lbsungsrnitteln). Die Konzentration C ist jedoch bei grossen Absthden vom Schwerpunkt bei ungest6rten Knaueln niedriger als bei gestbrten (Abb. 4-20). Gute Wsungsmittel emiedrigen die Knaueldichte irn Innem und vergr(issem das vorn Knauel total eingenornmene Volumen. Da die Tagheitsradien bei ungestorten Knaueln nach G1.(4-38) rnit der Wurzel aus dem Polymerisationsgrad ansteigen, nirnmt nach G1.(4-36) fur R2/s2 = const die Konzentration an Grundbausteinen mit steigendem Polymerisationsgrad ab. Die Konzentration am Schwerpunkt ist nach Co 1/X1n der Quadratwurzel aus dern Polymensationsgrad reziprok proportional (Abb. 4-20). In m u e l n herrschen sehr niedrige Konzentrationen an Grundbausteinen. Ein Baustein nimmt z.B. bei den Monomereinheiten des Poly(a-methylstyro1)sein molares Volumen van der Waals-Volumen) von V,,,,, = 74 rnL/mol ein, also ein Volurnen von Vu,,,/N~= 1.23.10-21 mL. Am Schwerpunkt eines als ungesttlrtes KnBuel vorliegenden Makromolekiils mit der Molmasse M = 1 190 OOO ghnol besgt der VoIurnenbruch der Monomereinheiten sornit &g = (1,23-10-22 1nL)-(97,7-10*~ mL-I) = 0,012. Nur 1,2 % des Kniiuelvolumens wird von Polymersegmenten eingenommen, die restlichen 98,8 8 jedoch von Ldsungsmittelmolekilen. In der Schmelze liegen ebenfalls ungesttlrte Kniiuel vor (Kap. 6). die aber hier von Segmenten anderer Polymemolekiile durchdrungen sind. Die Gauss-Funktion ist im Grenzfall sehr langer Segment-Ketten mit nicht zu grosser Ausdehnung ( r 6
+ 0,03516 L )
;L 5 6
Bei den Oligomeren helicaler wurmartiger Ketten dorniniert der Einfluss der helicalen Segmente. Sie vehalten sich entsprechend anders als diinne flexible Ketten (Abb. 4-24). Sehr lange wurmartige und sehr lange helicale wurrnartige Ketten benehmen sich dagegen wie statistische Knauel (A(r2)/CJ. + 1). Die Funktion lg as2= f lg Z) ist fiir die uberpriiften Polymeren eine universelle Kurve (Abb. 4-25). 0,6 -
T
0,4-
I
-3
-2
0
-1
- IgT
1
+
Abb. 4-25 Quadrat des Aufweitungsfaktors als Funktion des Parameters des ausgeschlossenen Volumens fiir PIB in Heptan bei 25°C (0).at-PS in Toluol bei 15°C (0).at-PMMA (A) und it-PMMA (A) in Aceton bei 25°C. und PDMS in Toluol bei 25°C (@). Ausgezogene Kurve: YSS-Theorie. Mit freundlicher Genehmigung der American Chemical Society, Washington [ 191.
4.4. GestBrte K ~ i u e linearer l Ketten
106
4.4.4.
Einfluss der Molmasse
Statt die Abhwgigkeit der Trigheitsradien von der Molmasse uber die Abhwgigkeit der Aufweitungsfaktoren (und damit von z) theoretisch zu berechnen, kann man auch semi-empirisch vorgehen. Wegen a, =Az) und z = A M ) muss nmlich a, = f ( M ) gelten. Aus (s2) = a,2(s2)ound ( s ~ =) K,,02M ~ erhiilt man (s2) = a,2Ks,02M. Setzt man 2 2v a,2 = K,M an und schreibt K S 2 = K , 2KS,,2, so ergibt sich fiir die Molmassenabhbgigkeit der Trigheitsradien gest6rter Kniuel im Grenzfall M + (4-62)
(s2) = Ks2MZv
oder
s = {s2)ln= K a V
;
M = M,J
Der Exponent v lisst sich abschatzen, wenn angenommen wird. dass auf jedes Segment das gleiche mittlere Kraftfeld wirkt (E: mean-field theory). Der Name dieser Theorie ist aber nicht ganz korrekt, da bei der Mittelung iiber alle energetischen Beitrage keine explizite Annahme iiber das mittlere Kraftfeld gemacht wird. Nach diesem Ansatz herrschen beim Kraftfeld zwei gegeneinander wirkende Effekte. Die Absfossungskruffe zwischen den Segmenten weiten die KnBuel auf. Eine grossere Aufweitung bedeutet aber eine geringere Zahl moglicher Mikrokonformationen. Ihr entgegen wirkt eine elastische Ruckstellkrufr. welche die Zahl der Mikrokonformationen zu vergrossem sucht. Die Gibbs-Energie setzt sich daher nach AG = AGrep + AGel aus zwei Teilbetr2gen zusammen. Der Beitrag AGrep der Abstossung besteht aus vier Teilen: Die Abstossung ist umso gasser, je gasser die mittlere SegmentkonzentrationCK = NK/Vwduelder Kuhn-Segmente im Kniuel ist. Das Knauel wird dabei als lquivalente Kugel mit einem Volumen V h l u e l = (4 x s3)/3 angesehen, deren wirksamer Radius durch den Tragheitsradius s gegeben ist (der aktuelle Radius einer kompakten Kugel ist grosser als deren Trigheitsradius (Tab. 4-1)). Die Abstossung nimmt mit der ZaN NK der Kuhn-Segmente zu. Sie steigt weitethin mit der themischen Energie ~ B an. T Femer ist noch die Wechselwirkung Polymer-Losungsmittel mit den Wechselwirkungen Polymer-Polymer und L6sungsmittel-L6sungsmittel zu vergleichen. Dieser Beitrag muss die physikalische Einheit eines effektiven Volumens Veff = K e f f L auf~~ weisen, damit die physikalische Einheit des gesamten Beitrages AGrep gleich der physikalischen Einheit des Ruckstell-Terms wird.
Der Beitrag AGrep ist durch das Produkt dieser 4 Teilbeitrage gegeben. Er berechnet sich folglich ZU AGrep= CKNKkBTVeff= (3 Keff/4~ ) ~ ~ T N K ~ L K ~ S - ~ . Die elastische Ruckstellkraft AG,l wird als die Gibbs-Energie der Gummielastizitat angesetzt. Fur ein Knauel aus einer Kette (d.h. einer Netzwerkkette ( N , = 1)) der Funktionalitlt f = 2 (2 Endgruppen)), welches sich gleichmissig in alle drei Raumrichtungen ausdehnt (Ax = A,, = Az = a,),erhnt man nach G1.(16-44) fiir a, >> 1 (grosse Ausdehnungen) die Riickstellkraft als AGel= (k~T/2)(3%2 - 3). Einsetzen von &.2 = s2/so2 und So2 = rO2/6= N K L K ~fiihrt / ~ zu AG,1= (k~T/2)(18NK-~L.K-~s* - 3) = 9 ~ B T N K - ~ L K - ~ s ~ . Die totale Gibbs-Energie betr'dgt daher
107
4. Makrokonformationen
Das Minimum der Energie wird durch Nullsetzen der ersten Ableitung hinsichtlich des Triigheitsradius erhalten:
Aufltisen nach s, Einfiihren von N K = MIMK und Zusammenfiihren aller einzelnen Konstanten in eine Konstante Ksliefert
Der Trtigheitsradius von gesttirten Knaueln in thermodynamisch guten Ltisungsmitteln nimmt also nach der Mean-field-Theorie mit der 0.6. Potenz der Molmasse zu. Der Exponent v = 315 wid oft Flory-Exponent genannt. Er charakterisiert eine fraktale Dimension (Kap. 4.7.1). Der gleiche Wert von v = 3/5 berechnet sich aus der Statistik des Influges ohne iiberkreuzungen, bei der ein Teilchen nicht den Weg iiberkreuzen darf, den es schon einmal gegangen ist (Kap. 4.3.4). Verbesserte mathematische Modelle fiihren zu einem etwas von 3/5 = 0,60abweichenden Wert. Die Renormalisierungs-Methodeliefert z.B. v = 0,588.Diese Methode ist ein mathematisches Verfahren zur Berechnung der Eigenschaften, die duwh Verduppeln, Vervierfachen. Vemchtfachen usw. von z.B. Segmentkingen erhalten werden. Diese Verdopplungen usw. beeinflussen das ausgeschlossene Volumen. Nach einigen solchen Schritten werden jedoch die Effekte konstant. Nach dieser Methode kann der Exponent v nur zwei Werte annehmen, entweder 0,500(Theta-L&ungsmitteI) oder 0,588(gute La sungsmiael). beide fiir gegen unendlich strebende Molmassen. Experimentell wird z.B. fiir Poly(styro1) mit M > 10 000 glmol in Toluol bei 15OC ein Exponent v = 0,590 erhalten (Abb. 4-19), was ausgezeichnet mit der Vorhersage des Renormalisierungs-Verfahrensvon 0,588 ubereinstimmt. Bei anderen Polymeren in guten Usungsmitteln werden jedoch oft Werte von 0,500 < v c 0,588 beobachtet, was fiir die ublichen Molmassen von 104 c M < 106 meist auf einen ungeniigend grossen Molmas-
senbereich zuriickzufiihren ist (vgl. auch Abb. 4-19). Uber einen geniigend grossen Molmassenbereich ausgefiihrte Messungen scheinen fiir M + = immer v = 0,59 f 0,Ol zu liefem (Tab. 4-9). und zwar sowohl fiir flexible als auch fiir semiflexible Ketten, z.B. fiir die Doppelhelices der Desoxyribonucleinsiiure. Da in guten Usungsmitteln langreichende Krtifte dominieren, wird die Knauelaufweitung praktisch nicht durch lokale Effekte beeinflusst. also auch nicht durch unterschiedliche Taktiziti4ten und die daraus folgenden Mikrokonfonnationen. Tab. 4-9 Exponenten v. CD = Quadrat des Korrelationskoeffuienten (= coefficient of determination). x, = Molenbruch der syndiotaktischen Diaden. * Dito fiir Poly(D,L-&methyl-/%propiolacton). Polymer
lCr3M/(g mol-l)
Poly(styr0l) Poly(a-methylstyrol) Poly(a-methylstyrol) Poly(methylmethacrylat) Poly(styro1) Poly(a-methylstyrol) Poly@-~hydroxybutymt)* Desoxyribonucleinsiim
5,4 -3900 342 -7500 768 -7500 5,s -2830 5,4 -3900 204 -7500 86.5 - 9100 200 -6Ooo
x,
0,59 0.40 0,40 0,79 0.59 0,40
Liisungsmittel
TPC
v
CD
Cyclohexan e 34.5 0,501 1,Ooo Cyclohexan 8 34,s 0,499 0,999 nm-~ecalin e 9.5 0,492 0,998 ~ ~ t o ~ ~ i ter i 44 l
Toluol Toluol it+at Trifluorethanol Wasser (Puffer)
15 25 25 20
0,501 0,590 0,577 0,603 0.58
1,Ooo
1,OOO 0,997 0.999
Ref.
108
4.4. Gest6rte Kniircel linearer Ketten t
12
s
9
M
. E E.
3
N^ 3 v
6 3
n " 0
500
1000
1500
2000
- [Xi,,,/(g rno1-1)11/2 + Abb. 4-26 Aufuagungen gernLs G1.(4-66) fiir lineare ataktische Poly(styro1)e im guten USsungsmittel Toluol und im Theta-Lilsungsmitkl Cyclohexan (Daten der Abb. 4-19). Das it-Poly(D-B-hydroxybutyrat)und die konstitutionell gleichen, aber ataktischen bzw. Stereobl6cke enthaltenden Polymeren des racemischen D,L-B-Methyl-j?-propiolactons besitzen in guten Usungsmitteln den gleichen Exponenten v (Tab. 4-9). Im ungestorten Zustand dominieren dagegen die kumeichenden Kr'dfte. Die durch das ausgeschlossene Volumen bewirkte Knauelaufweitung wird durch den mit steigender Molmasse zunehmenden z-Parameter beschrieben. Bei niedrigen Molmassen n2hem sich die Knauelmolekule andererseits trotz des guten Losungsmittels ihren ungesttirten Dimensionen an, weil es wegen der geringen ZaN der Segmente praktisch kein ausgeschlossenes Volumen mehr gibt (vgl. auch Abb. 4-19). Im Prinzip sollten sich daher die ungestorten Dimensionen aus den gesttirten durch geeignete Extrapolationen ermitteln lassen. Aus as3= 1 + 2 z ergibt sich z.B. mit dem Ausdruck fiir z (G1.(4-54)) und as2(s2)o= (s2) die auf der Stockmayer-Fixman-Theorie beruhende Baumann-Stockmayer-Fixman-Gleichung:
Die Extrapolation der in guten Losungsmitteln erhaltenen reduzierten Triigheitsradien zu den reduzierten Tr'dgheitsradien im ungestorten Zustand ist aber wegen der vereinfachenden theoretischen Annahmen nur uber einen begrenzten Molmassenbereich moglich und zudem recht unsicher (Abb. 4-26). Das Gleiche gilt f i r die von der Kurata-Stockmayer-Theorie abgeleiteten BaumannKurata-Stockmayer-Gleichung:
Die G1.(4-66) und (4-67) mussen ebenso wie G1.(4-62) noch f i r den Einfluss der Polymolekularitat komgien werden (Kap. 4.4.5).
4. Makrokonfonnofionen
4.4.5.
109
Einfluss der Polymolekularitlt
Theorien gelten f i r molekulareinheitliche Polymere. Experimente werden aber meist an molekularuneinheitlichen Polymeren vorgenommen. Da Triigheitsradien in der Regel als z-Mittel erhalten werden (G1.(5-39)) und Molmassen als m e n - oder Massenmittel, sind die Werte von K,' bzw. K," in den Funktionen (s2), = K,' %? bzw. (s2), = KS" folglich noch von der Polymolekularit2t beeinflusst. Statt uw oder finist vielmehr ein vorerst noch unbekanntes korrespondierendes Mittel fimm zu venvenden. In G1.(4-65) wid dazu der Exponent gleich v = (1 + E)Egesetzt. Die Gleichung lautet dann fiir das z-Mittel des Triigheitsquadrates (s2), = Ks2fi&. Umfonnen und Einsetzen der Definition des z-Mittels (sz), = X i wi M,@)i/(& wi Mi) liefert:
22
Nur bei ungestiirten Kniiueln (E = 0) ist die dem z-Mittel iiber die Quadrate der Triigheitsradien korrespondierende Molmasse ein z-Mittel. Bei anderen Teilchengestalten (E # 0) handelt es sich dagegen um ein komplexeres Mittel, das auf dem (2+e)ten Moment der Molmassenvemilung beruht. Das dem Massenmittel der Molmasse korrespondierende Mittel iiber die Quadrate der Tragheitsradien wird analog zu G1.(4-68) abgeleitet. Es ergibt sich zu
In ungestlirten Zustaden (E = 0). nicht aber in allen anderen (E f 0), ist folglich das zum Massenmittel der Molmasse korrespondierende Mittel iiber die Quadrate des Triigheitsradius ebenfalls ein Massenmittel. Das korrespondierende Mittel ist somit nicht das experimentell erhatliche z-Mittel. Fur Kniiuel mit ausgeschlossenem Volumen (E > 0) liefert dagegen weder die Verknupfung des z-Mittels der Triigheitsquadrate mit dem z-Mittel der Molmasse noch die Kombination des Massenmittels der Tragheitsquadrate rnit dem Massenmittel der Molmassen die korrekte Beziehung zwischen (sz), und M,. wobei der Index g die jeweilige korrespondierende Wichtung anzeigt (g = n, w,z usw.). Man muss vielmehr Korrekturfaktoren einfiihren. wobei es nicht geniigt, nur eine der beiden Einflussgrhen fiir den Einfluss der Polymolekularitiit zu komgieren. Fiir den weitaus hsufigsten Fall der Verkniipfung der z-Mittel der Tragheitsradien-Quadrate mit dem Massenmittel der Molmasse gilt z.B.
Fur andere Mittelwerte ergeben sich andere Korrekturfaktoren qg,g'. Die Korrekturfaktoren qz,w berechnen sich z.B. fiir Schulz-Zimm-Verteilungen (SZ) der Molmasse mit dem Kopplungsgrad 6 = fi,,ARw- ii?,) (vgl. G1.(2-64)) sowie fiir logarithmische Nonnalverteilungen (LN) zu
110
4.4. Gestorte Kniiuel linearer Ketten
Der Korrekturfaktor qz,w betragt z.B. ftir gestorte Kniuel bildende Polymere - - mit Schulz-Zimm-Verteilungenund recht engen Molmassenverhutnksen von M,/M,, = 1,I bereits ca. 12 % (Tab. 4-10), eine Korrektur, die haufig vemachlibsigt wird.
awbei Polymeren mit verschieden breiten Schulz-Zimm-Verteilungen (SZ; s = 2) bzw. logarithmischen Normalverteilungen (LN). LOsungsmittelgiite bzw. Kettensteifheiten sind durch den Exponenten a der Viskosit2ts-Molekulargewichts-Beziehung (G1.( 12-11)) charakterisiert, der mit den Exponenten v (G1.(4-62)) und E durch a = 3 v -1 = (1/2) + (3/2) E verkniipft ist. Die q,,-Werte wurden fiir harte Kugeln (a= 0), ungesarte undurchspiilte Knluel (a = ln). gestarte undurchspiilte Knluel (a= 0,764), durchspiilte Kniluel (a= 1) und steife Stiibchen (a= 2) berechnet.
Tab.4-10 Kmekturfaktorenqqw fiir die Beziehung zwischen (G),und
Hw lan a+ v -+ E-+
1.1
1.2 1;4 1.7 2.0 5,O
4.4.6.
PolymolekularitiitsfaktorenqZ,,,bei
--------.___SZVemilWgen fiir ___________ 0 0,500 0,764 0,333 0,500 0,588 0,176 -0,333 0 1,050 1,091 1,117 1.091 1,167 1,216 1;155 1,286 1,373 1,218 1,412 1,423 1,264 1,500 1,664 1,410 1,800 2,082
1,000 2,000 0,667 1,ooO 0,333 1,ooO 1,144 1,266 1,464 1,680 1,838 2,393
1,289 1,556 2,020 2,574 3,000 4,680
___________ LN-Vemilungen fiir __________-
0 0,500 0,764 1,000 2,000 0,333 0,500 0,588 0,667 1,OOO 0,176 0,333 1,000 -0,333 0
1,054 1,107 1,206 1,343 1,470 2,445
1,130 1,263 1,538 1,972 2,428 5,ooO 7.84
1.110 1,200 1,400 1,700 2,000
1,160 1,331 1.328 1,728 1,688 2,744 2,283 4,913 2,940 8,OO 1223 125
Temperaturabhangigkeit der Tragheitsradien
Bei der Theta-Temperatur 8 ungestort vorliegende Knluel werden in endothermen Ldsungen mit steigender Temperatur zu gestorten Knaueln. Zum einen nehmen die Kontakte zwischen Polymersegmenten und Losungsmittelmolekulen zu. Durch diese Solvatation versteifen sich die Segmente: die Knauel expandieren. Bei helicalen wurmartigen Knaueln ldsen sich zudem die (relativ kurzen) helicalen Segmente auf (Abb. 4-3), wodurch wegen des Uberganges von gauche- zu trans-Konformationen gestrecktere Kettenstucke entstehen. Zum anderen werden die Rotationsschwellen mit steigender Temperatur immer leichter uberwunden. Der relative Anteil hoherenergetischer Mikrokonformationen nimmt zu, z.B. gauche auf Kosten von trans (Abb. 4-2). Wegen dieses Zusammenspiels von enthalpischen und entropischen Faktoren sollten ) von der die Tragheitsradien (s2)*i2 bzw. die Aufweitungsfaktoren a, = ( ( S ~ ) / ( S ~ ) ~ 1/2 Theta-Temperatur aus mit steigender Temperatur zunachst steiler und d a m schwacher ansteigen. Die Zunahme sollte wegen der grosseren Zahl an Mikrokonformationen bei hoheren Molmassen grosser sein als bei niedrigen. Diese qualitativen Annahmen werden alle experimentell bestatigt (Abb. 4-27). Bei Temperaturen unterhalb der Theta-Temperatur sinken die Aufweitungsfaktoren hochmolekularer Polymerer steil unter a, = 1 ab und streben d a m anscheinend einem Endwert zu.
111
4. Mokrokonfonnationen
29 OOO -
c
4-
10
20
0 -'.. ' ' * 0.90 0,95
30 7
7
'
.
I I
!
1
50
40
...
'
-TI8
1,05
* * .
Temperaturin'C "
7
. . . .
1,10
"
1,15
--*
Abb. 4-27 Aufweitungsfaktorenals Funktion der relativen Temperatur fiir Poly(styro1)e in Cyclohexan. M,l(g mol-l) von 26.106 [23], 22-106 [24] und 29.103 [251. Der Pfeil gibt den Wert fiir eine wahrhaftig kompakte Kugel an. Die Messungen miissen bei exmm niedrigen Konzenaationen ausgefiihrt we&, damit die Polymeren bei Temperaturen von T c 8 = 308.6 K nicht aggregieren.
Fur die Temperaturabhilngigkeit der Triigheitsradien sagen sowohl Mean-field-Theorien als auch Skalierungs-Theorien bei Temperaturen nahe der Theta-Temperatur Proportionalititen von
zur reduzierten Temperatur (T - e)/evoraus. G1.(4-72) und G1.(4-73) wurden experimentell bestitigt. G1.(4-74) nimmt an, dass bei geniigend tiefen Temperaturen unterhalb der Theta-Temperatur die Kniuel zu kompakten Kugeln kollabiert sind (E: globule). Der tiefste, bei einem il?, von 26.106 g/mol gemessene Triigheitsradius betrigt nun ( s * ) , ~ / ~ = 40 nm. Da bei Kugeln ausserdem (s2), = (3/5) Rz,sph2 ist (Tab. 4-2). erhat man f i r die angenommene kompakte Kugel einen Radius von Rz,sph = 31 nm. Der Radius einer wahrlich kompakten, isotropen Kugel mit ij2 = 0,952 mL/g sollte aber nach Rsph = [(3 ij2M)/(4 XNA)]'D (G1.(4-2)) nur Rsph = 21,4 nm betragen. Es ist nicht klar. ob der Befund R,,sph f Rsph darauf zuriickzufiihren ist. dass keine kompakten Kugeln, sondem solvatisierte Teilchen vorliegen oder dass lediglich nicht fiir die Polymolekularitiit korrigiert wurde (Tab. 4-10).
4.5.
Ringformige Makromolekiile
Ringfirmige Molekiile besitzen kleinere Tragheitsradien als lineare gleicher Konstitution, Konfguration und Molmasse. da ein vdllig gestreckter Ring nur halb so lang wie das entsprechende lineare Molekul sein kann. In den Ansitzen (s2),in1i2= KsMV und
112
4.6. Verzweigte Makromolekule
(s2)cyc11/2 = K,(M/2)" ist nun die Konstante K s bei linearen und ringfiirmigen Makromolekiilen gleich, da sie nur die gleich grossen L a g e n LK und die Molmassen M K der Kuhn-Segmente enthat sowie den ebenfalls gleich grossen Wechselwirkungsparameter K , f f fiir die Wechselwirkungen Polymer-Polymer, Polymer-Usungsmittel und L6sungsmittel-llisungsmittel. Im ungestiirten Zustand (v = 1/2) ist folglich eine relative Kontraktion cyclischer Makromolekule von qcycl = (s2),,,ycl/(s2)o,~in = (1/2)*'2 = 0,707 zu erwarten (Abb. 4-19). Eine exaktere mathematische Ableitung sagt 2/3 voraus. In guten L6sungsmitteln (v = 0.584) sollte dagegen qc = (1/2)0.584 = 0,667 gelten.
4.6.
Verzweigte Makromolekiile
4.6.1. Einleitung Verzweigte Makromolekule besitzen kleinere Abmessungen als lineare gleicher Konstitution, Konfguration und Molmasse, wie man unmittelbar aus dem Vergleich linearer Ketten mit vielarmigen Stemmolekiilen sieht. Diese relative Kontraktion wird durch einen Verzweigungsindex g, = (s2)t,J(s2)a, charakterisiert. der das Verhtilmis des Mittel uber die Quadrate der Tragheitsradien verzweigter Ketten zu dem von ansonst gleichen Ketten unter gleichen L6sungsbedingungen (verschiedene Theta-Temperaturen!) angibt. Verzweigungsparameter g, (E: shrinking factors) werden bei gleicher Molmasse von drei Faktoren kontrolliert: (A) der Molekularchitektur, (B) dem ausgeschlossenen Volumen und (C)evtl. intramolekularen hydrodynamischen Wechselwirkungen. Die Molekiilarchitektur wird von sechs Einflussgriissen beeinflusst: (I) die Funktionalitat der Verzweigungspunkte, (11) die Zahl der Verzweigungspunkte pro Molekiil, (111) die Symmetrie der Verteilung der Verzweigungspunkte um den zentralen Kern, (IV) die Anwesenheit von Folgeverzweigungen, (V) der Abstand zwischen den Verzweigungspunkten und (VI) die L b g e der Untereinheiten. Als Untereinheit wird das Kettenstiick zwischen zwei Verzweigungspunkten bzw. einem Verzweigungspunkt und einer Endgruppe bezeichnet. In der Literatur finden sich oft Hinweise auf "statistisch verzweigte Molekiile". ohne dass immer klar ist, ob sich "statistische Verzweigung" auf Verteilungen von (II), (III), (IV), (VI) oder auch auf solche der Molmassen der Molekiile bezieht. Es gibt vier Klassen von verzweigten Molekiilen: zentral oder dezentral verzweigte und solche ohne oder mit Folgeverzweigungen (Abb. 4-28). Dabei konnen jeweils die Untereinheiten gleich lang (e) oder ungleich lang (u) sein (1.Buchstabe) oder die Anne gleich lang (e) oder ungleich lang (u) (2.Buchstabe):
9
Stem-Molekiile sind zentral verzweigt ohne Folgeverzweigungen. Es gibt nur zwei Typen: solche rnit gleich langen (ee) oder ungleich langen Armen (uu). Dendrimere sind zentral folgeverzweigt, und zwar entweder mit gleichen (ee) oder ungleichen (uu) Untereinheiten, u.U. auch mit variabler Funktionalitat f der Verzweigungspunkte von Generation zu Generation. Kamm-Molekule sind dezentral verzweigt ohne Folgeverzweigungen. Bei ihnen sind vier Klassen von Verzweigungen moglich (ee,ue, eu, uu). Dezentral folgeverzweigte Molekule heissen hypervenweigt (ee-Typ) oder statistisch verzweigt (uu-Typ) (Abb. 4-28).
113
4. Makrokonformationen
TYP
f
Nbr
Steme
3
1
statistiwh venweigt
3
5
62
w
ue.
eu
uu
Abb. 4-28 Schematische Darstellung von Stem-, Dendrimer- und Kamm-Molekiilen sowie (unten links) hypervenweigten und (unten rechts) statistisch venweigten Molekiilen rnit Nbr Verzweigungspunkten ( 0 )der gleichen FunktionaliUt f = 3 und gleichen (e) bzw. ungleichen (u) Polymerisations-
graden der Untereinheiten der Hauptkette (1.Buchstabe)bzw. der Anne (2.Buchstabe). Eine Untereinheit reicht von Verzweigungspunkt zu Verzweigungspunkt (0-0) bzw. vom Venweigungspunkt zur Endgruppe (-3. Die theoretische Behandlung der Verzweigungsparameter geht von topologischen Modellen aus. nicht von chemischen Prozessen. Bei den theoretisch einfachsten F a e n wird angenommen. dass alle Molekiile die gleiche Molmasse besitzen. das intramolekular ausgeschlossene Volumen gleich null ist und alle intramolekularen hydrodynamischen Wechselwirkungen abwesend sind. Die Verzweigungspunkte sollen verschwindend klein sein und sich in ihrer Konstitution nicht von den Segmenten der Untereinheiten unterscheiden. Der Verzweigungsindex wird dann nur noch von der Molekularchitektur beeinflusst. Die Trilgheitsradien werden mit Hilfe der Influg-Statistik berechnet.
4.6.2.
Sternmolekiile
Bei Stern-Molekiilen rnit dem Polymerisationsgrad X = Nar,,,Xm (d.h. vemachlissigbaren Verzweigungspunkten) ist der Verzweigungsparameter nur durch die Anzahl f der Anne gegeben, und zwar bei Theta-Ltisem durch gleichlange Arme
Gauss-Statistik der A n n h g e n
Mit zunehmender Zahl f der Arme pro Molekul wird der Verzweigungsparameter kleiner. das Stem-Molekiil also kompakter. Bei sehr vielen. gleich langen Amen (also hoher Funktionalitlt j) wird sowohl bei Theta-Llisungsmitteln als auch in guten LOsungsmitteln (gs,o)ee+ 3& Vielarmige Stemmolekule mit einer Gauss-Verteilung der A m l a g e n sollen dagegen einen Verzweigungsparameter (gs,o)uu4 6!f aufweisen. Die Verzweigungsparameter unendlich grosser Stern-Molekiile mit einheitlichen bzw. statistisch verteilten Armlagen sind nach diesen theoretischen Berechnungen ungleich gross. In jedem Fall h h g t der Verzweigungsindex nicht von der (mittleren) LWge der Anne ab.
114
4.6. Verzweigte Makromolekule
Experimentelle Daten und topologische Modelle sind nicht einfach aufeinander abzustimmen, so dass molekulare Interpretationen schwierig sind. Das 12-armige Stemmolekiil Si(CH2CH2Si[(CH2CH=CHCH2)2_3(CH2CHCaH5)~]3}4weist z.B. im guten L6sungsmittel Toluol unabhugig von der Molmasse den von der Theorie geforderten Wert g, = 3/f= 1/4 auf (Abb. 4-26). Das 3-armige Analogon liefert dagegen einen vie1 zu tiefen &-Wen. Im Theta-LCisungsmittel Cyclohexan werden immer zu hohe g,,,-Werte beobachtet. Da hier die g,,,-Werte durch ein Maximum laufen und sich erst bei sehr grossen Molmassen dem theoretischen Wert anniihem, mussen zwei Effekte gegeneinander wirken. Die Segmente kurzer Anne k6nnen sich unbehinden von ihren Nachbam frei im Raum anordnen; sie weisen genau wie die Segmente bear er Ketten die von der Theorie gefordene statistische rgumliche Verteilung auf. Die Abnahme der Kngueldimensionen ist nur durch die Funktionalitiit des Stemmolekiils bedingt. Niedrige Molmassen fuhren daher praktisch zu den theoretisch geforderten g,,,-Wenen. Die Segmentverteilung langer Arme wird jedoch in der Ni%he des Kems durch benachbarte Ketten behindert. Die verknauelten Arme strecken sich etwas und g , , nimmt zu. Bei sehr langen Armen ist der Einfluss der Nachbarketten vemachlbsigbar, diese Arme nehmen praktisch die gleiche Segmentverteilung wie lineare Ketten gleicher L2nge an. g, wird wieder kleiner und strebt bei M .+ dem theoretischen Wert zu. Dieser Einfluss der Armltinge ist in guten LCjsungsmitteln weniger ausgepragt als in schlechten, da gest6rte Knluel in der N2he des Schwerpunktes geringere Knlueldichten aufweisen als ungestCirte (Abb. 4-20). Das f i r Theta-Bedingungen beobachtete Maximum der Funktion g, = A M )befindet sich f i r das 12-armige Polymere bei Mw= 150 000 g/mol (X,,, = 120). Beim 3-armigen Polymeren konkumeren weniger Arme um die Plitze als beim 12-armigen und das Maximum liegt nun beim niedrigeren Wen von M7, = 25 000 g/mol (X, = 80).
-
0.8
OJ 104
Id 106 - M, / (g mol-1) +
107
.
Abb. 4-29 Verzweigungsparameterg , als Funktion des Massenmittels der Molmasse bei eng verteilten sternftirmigen Poly(styro1)en m i t f = 3 bzw.f= 12 h e n (s. Text) im guten Ldsungsmittel Toluol(0, G) bzw. im Theta-Ldsungsmittel Cyclohexan (0,e),jeweils bei 35OC.- - - Theorie fiir gute (G) bzw. schlechte Liisungsmittel (e); empirische AbhIngigkeit. Daten von [26].
-
115
4. Makrokonformationen
0.31 102
. Id
. 104
- M / ( g mol-1)
,
1 6
, 106
--*
Abb. 4-30 Molmassenabhagigkeit der Trilgheitsradien von Dendrimeren, gemessen durch RUntgenkleinwinkelstreuung (SAXS; 0,O)oder Neutronenkleinwinkelstxeuung ( S A N S , .,a) und ausgewertet nach Guinier. Zur bessren h r s i c h t wurden die Trilgheitsradien der PLY mit 1/2 multipliziert. Gestrichelte Linie: berechnet aus den Dichten fiir kompakte Kugeln der PAMAM bei 25°C. 0,. PAMAM Polyamidoamine in Methanol bei 25OC durch SAXS [27] und S A N S [281; 0 PLY: Poly(a, &-D-lysin)ein Nfl-Dimethylformamid durch SAXS [291; Poly(propy1enimin)emit NH2-Endgruppenin D20bei durch S A N S [30]. PPI:
4.6.3.
Dendrimermolekule
Dendrimermolekule verschiedener Generationen sind konstitutionell W i c h (Kap. 2; vgl. auch Band I). Daraus folgt jedoch nicht, dass auch die !iusseren Gestalten, Dimensionen und inneren Strukturen von Dendrimeren verschiedener Generationen M i c h sind. Die Projektionen der Konstitution von Dendrimermolekulen auf eine Ebene legen z.B. eine Kugelfonn nahe (vgl. Abb. 2-1). Nun sind aber die Keme der Dendrimermolekiile im Allgemeinen nicht kugelsymmetrisch. Beispiele sind der Ethylendiamin-Kern >CH2CH2c der Polyamidoamin-Dendrimeren und die Diaminobutan-Keme >(CH2)4< der Poly(propy1enimin)-Dendrimeren. Selbst ein Ammoniak-Kern ist nicht kugelsymmetrisch. da die vier "Anne" aus drei Bindungen zu anderen Atomen und einem Elektronenpaar bestehen. Die nicht-kugelsymmetrische Struktur der Keme drZngt zumindest den nahe dem Kern gelegenen Segmenten der Dendrons eine Persistenz auf, die sich erst bei hoher Generationenzahl verlieren sollte. Es ist auch ungeklirt, ob sich alle Endgruppen an der Peripherie befinden oder sich einige in das Innere zuriickfalten und ob die raumliche Verteilung der Endgruppen dendrimertypisch oder konstitutionsspezifisch ist. Offen ist femer die Frage, ob und wann das Innere der Dendrimermolekule kompakt oder relativ offen ist und femer, wie die Segmente innerhalb der Dendrimermolekule verteilt sind. Die experimentell erhaltenen Streukurven lassen sich oft nicht mit den theoretischen berechneten zur Deckung bringen; die experimentellen Trigheitsradien hingen dahcr noch von der Auswertemethode ab (Guinier, Zimm usw., vgl. Kap. 5 ) . Dazu kommt, dass z.B. die Lichtsrreuung auf die Verteilung der Massenelemente, die Rtintgenkleinwinkelstreuung aber auf dicjenige der Elektronen anspricht.
116
4.6. Verzweigte Makromolekule
Wegen der vielen mdglichen Effekte ist es fraglich, ob der Trigheitsradius von Dendrimermolektilen m i c h wie bei Stemmolekiilen nur durch die Funktionalit2tfder Verzweigungspunkte sowie der Funktionalitat k des Kerns kontrolliert wid. Modelliert man 2.B. ein Dendrimennolekiil als ein Molekiil aus Nu "Bl6cken" mit jeweils dem Fadenendenabstand r2, so ergibt sich
(4-76)
(S
2
)=r
+
2 f[2(f- l)'+kf - 1 (f- 1)2+2k(l-4f
+f 2 - 2 F - k f 2 k ) ]
(f-2)(f-1)'+k(f-2)2 Expenmentell findet man fiir die bislang mit Kleinwinkelneutronenstreuung (SANS) bzw. Rbntgenkleinwinkelstreuung (SAXS) untersuchten Reihen der Poly(a.&-D-1ysin)-, Polyamidoamin- und Poly(propy1enimin)-Dendrimeren
/*-
-FH\ CH24H2-XH24H2-NH0 -CH2-CH2-NH+2Hz-CH2-N
0 4H24H2-CH2-N
($)1'2 = 0,0530M0.359 CD = 0,994
lo =Alg M ) ist gekrummt
dass die Tragheitsradien s grosser als diejenigen kompakter Kugeln sind (Abb. 4-30). Der Exponent v der Beziehung (s2)lI2= K s W ist auch nicht 1/3 wie bei isotropen (kompakten oder solvatisierten) Kugeln, sondem etwas grosser bei den Poly(1ysin)en bzw. merklich kleiner bei den Polyamidoaminen. Die Dendrimennolekule mussen also solvatisiert, nicht-sphiroidal und/oder nicht-isotmp sein. Die thermodynamische Gute der Lbsungsmittel ist nicht bekannt. Bei den Poly(propy1enirnin)en ist (s2)ln=AM) sogar gekriimmt, was durch die recht niedrigen Molmassen bedingt sein k6Mte.
4.6.4.
Hyperverzweigte Molekiile
Hyperverzweigte Makromolekule besitzen meist sehr breite Molmassenverteilungen unbekannten Typs. Bei derartigen Makromolekulen sind demgemass grosse Polymolekularititskorrekturen f i r die Beziehung zwischen den z-Mitteln der Tragheitsquadrate und den Massenmineln der Molmassen zu erwarten (vgl. dazu Kap. 4.4.5). Experimentelle Daten sind offenbar nicht bekannt.
4.6.5.
Kamm-Molekiile
Regelmassig aufgebaute Kamm-Molekiile weisen gleich gmsse Untereinheiten auf. Ihr Verzweigungsparameter gs,oist nur durch die Funktionalitat f und die Zahl N b der Verzweigungspunkte gegeben, nicht aber durch die Liinge der Anne:
117
4. MaRrokonformationen
-
Einheitliche Kamm-Molekiile mit nur einem Verzweigungspunkt sind rnit den entsprechenden einheitlichen Stem-Molekillen identisch. Bei Nbr + wird somit (gs,o)ee zu I/(f-- I), bei f + dagegen zu 0. Bei Kamm-Molekiilen mit Amen gleicher Ltinge, die entlang der Kette nach einer Gauss-Funktion statistisch angeordnet sind, htingt der Verzweigungsparameter nicht von der Funktionalitlt f der Verzweigungspunkte ab, sondem ausser von der Zahl N k der Venweigungspunkte noch vom Verhiilmis q = Xarm/Xrll&grat der Polymerisationsgrade der Anne und des Riickgrates:
-
Bei Kamm-Molekiilen mit nur Nbr = 2 Verzweigungspunkten lluft der Verzweigungsindex bei q = Xum/Xrfickgrat = 1/2 durch ein Minimum. Er strebt sowohl bei sehr kleinen q-Werten ("lineare" Kette des Riickgrats) als auch bei sehr grossen (die zwei langen h e bilden ein praktisch "lineares" Molekiil) dem Wert 1 zu (Abb. 4-31). Mit zunehmender Zahl der Verzweigungsstellen pro Molekiil wird das Minimum der g-Werte immer flacher. bis es schliesslich ganz verschwindet. Im Grenzfall einer sehr grossen ZaN von Vertweigungspunkten pro Molekiil wird dann (gs,o)ue + 3/Nb. Bei sehr kleinen q-Wemn (praktisch lineare Ketten) streben die g-Werte dem Wert 1 zu. Bei q + werden sie wegen (gS,& -) (3 Nbr - 2 ) / N k 2 unabhtingig von q. Der Verzweigungsparameter g htingt daM nur noch von der Anzahl der Verzweigungspunkte ab. Er ist dann mit dem Wen f i r stemf6rmige Polymere identisch. da das Riickgrat zu einem zentralen Verzweigungspunkt schrumpft und die Zahl N b der Verzweigungspunkte gleich der Zahl der Anne wird. Fiir die beiden anderen Typen von Kamm-Molekulen (eu und uu) scheint der (gs,o)-Wert noch nicht berechnet worden zu sein.
-
0,o1
0.1
- 'am
'
1 'riickgrat
-
10
100
Abb. 4-31 Verzweigungsindices (gg& von Kamm-Molekiilen mit gleich grossen Polymensationsgraden des Riickgrates als Funktion des VerhBltnisses q = Xa,-&dckgnt des Polymerisationsgrades X a m der h e zum PolymerisationsgradXriifkgnt des Riickgrates bei unterschiedlicher zahl Nbr der Verzweigungspunktepro Molekiil.
118
4.7. Skalieiung
4.7.
Skalierung
4 . 7 . 1 . Einfiihrung Die klassischen Theorien der Gestalt und Dimensionen der dreidimensionalen Gebilde aus "unendlich dunnen" Ketten (d.h., solchen, bei denen sich alle Wechselwirkungen gegenseitig aufheben) bauen auf der ;ihnlichkeit der Statistik der Veneilung der Kettensegmente mit der Statistik der thermischen Zufallsbewegungen (Irrfluges) von Teilchen im dreidimensionalen Raum auf. Die Zahl der Schritte entspricht der Segmentzahl bzw. dem Polymerisationsgrad und die Schrittliinge der Segment- bzw. Bindungslhge. Die zweidimensionale Kette nimmt die Form eines dreidimensionalen statistischen Knauels an. Die gewiinschte Beziehung zwischen dem Ende-zu-Ende-Vektor des Influges bzw. dem Fadenendenabstand (r2),, der ungestort gekniuelten Polymerkette einerseits und der Zahl der Schritte bzw. dem Polymerisationsgrad (oder der Molmasse) des Makromolekiils andererseits ergibt sich dam aus den Schrittlhgen bzw. Bindungsliingen, also aus lokalen Grtissen. Die Segmentverteilung bei endlich dicken Ketten entspricht einem Irrflug mit kreuzungsfreien Schritten. Die "effektive Dicke" solcher Ketten geht ausser bei der helicalen wurmWichen Kette nicht direkt in die Rechnungen ein. Sie bestimmt sich vielmehr indirekt aus der mittleren Wechselwirkungsenergie AE zwischen einem Segmentpaar. Der Beitrag der Segment-Segment-Wechselwirkungenzur Gesamtenergie der Ltisung wird als c2A&angesetzt. wobei c die Segmentkonzentration ist. Durch die Segment-Segment-Wechselwirkungen wird das Knauel aufgeweitet. Der Exponent in der Beziehung ( r 2 ) M2" geht dadurch von 2 v = 1 bei ungestorten Kngueln zu 2 v = 6/5 bei gesttirten Knaueln uber. Dieser Wechsel von ganzzahligen zu gebrochenen Exponenten zeigt die Gegenwart von langreichenden Korrelationen innerhalb des Makromolekiils an. Statt wie bei den klassischen Theorien auf die lokalen Gegebenheiten der Ketten abzustellen, kann man Objekte wie z.B. Knauel und andere makromolekulare Gestalten auch global betrachten, z.B. hinsichtlich der Ahnlichkeiten ihrer ausseren Formen. Derartige Selbsthlichkeiten manifestieren sich in Potenzbeziehungen zwischen verschiedenen Eigenschaften, die dafiir sorgen, dass sich die Eigenschaften beim Vergrtjssem oder Verkleinem der Objekte massstiiblich andem. Der Prozess wird neudeutsch Skalierung genannt; das Wort lehnt sich an das entsprechende englische Fachwort an (E: scaling).
-
4.7.2.
Fraktale
Die Charakteristiken eines euklidischen Korpers sind unabhhgig von seiner Ktirpergrijsse; ein euklidischer Ktirper ist daher selbstahnlich (E: self-similar). Eine isotrope Kugel mit der Dichte p und dem Radius R besitzt z.B. eine Masse m = pV = (4 7cp/3)R3. Ein verdoppelter Radius verachtfacht die Masse zu rn = (4 np/3)(2R ) 3 = 8 (4 np/3) R 3 . Die Masse ist aber immer noch der 3.Potenz des Radius proportional. Dieser Exponent 3 in m R 3 reprasentiert die skalierende geometrische Dimension d = 3 der Kugel hinsichtlich der Masse. Eine glatte Oberflache der Kugel skaliert entsprechend mit dem Quadrat des Radius (A R2); es gilt d m d = 2.
-
-
119
4. Makrokonformationen
-
Die Masse m (und also auch die Molmasse M) derartiger KCirper ist daher nach m Ld bzw. M Ld der Potenz d einer charakteristischen L b g e L (Radius R usw.) proportional, wobei die rlumliche Dimension d eine ganze positive Zahl ist. Bei isompen Kugeln gilt z.B. d = 3, bei ebenen Quadraten d = 2 und bei geraden Linien d = 1. Bei reguliren Objekten sind die Dimensionalitlten ganze M e n . Bei irregullren Objekten sind sie dagegen Briiche. Irregullre Objekte werden daher (geometrische) Fraktale genannt (L:fructus, von frungere = brechen; E: fractals). Makroskopische Beispiele von Fraktalen sind Gebirgszuge, Schneeflocken, und mlandemde Fliisse. Auch bei Polymeren gibt es fraktale Objekte. z.B. gestorte Knluel. vemetzte Polymere oder Dendrimere. Der Trlgheitsradius s = (s2)lnvon Knlueln ist z.B. nach der Beziehung s MV der v-ten Potenz der Molmasse propo_rtional (G1.(4-65)). Die Skalierung dieses fraktalen Objektes fiihn also zu M sllv = sdm, wobei l/v = z,, in Analogie zur geometrischen Dimension d in M Ld der geometrischen Objekte fraktale Dimension oder Hausdorff-Dimension genm-t wird. Fraktale Objekte, welche m Ldm (bzw. M Ldm)befolgen, heissen Massenfraktale. Sie besitzen eine inhomogene Dichteverteilung, weisen aber eine glatte Obeffllche auf. Oberflichenftaktale A Lda sind dagegen durch eine einheitliche Dichte und eine raue Oberfliche gekennzeichnet. Ausserdem gibt es auch Zeitfraktale. z.B. bei Diffusionsprozessen, bei denen die aufeinander folgenden Schritte von der jeweiligen Vorgeschichte abhlngen, was zu zeitabhbgigen Diffusionskoeffzienten fiihrt (wichtig bei Photoleitf2higkeiten). Ob ein fraktales Objekt ein Massenfraktal oder ein Oberfllchenfraktal ist, kann mit Hilfe der Abhwgigkeit der Streuintensitlten I (Qa)pvom Streuwinkel 6 entschieden werden. In I (Q# ist der Streufaktor durch Qa = q sin(6D) = (4 z/A)sin(6/2) gegeben (G1.(5-33)) und der Exponent durch die Porod-Neigung P = - 2d + &. Beispiele sind die Sol-Gel-Prozesse, bei denen anorganische Monomere in chemisch vemetzte Gele umgewandelt werden (vgl. Band I), z.B. Siliciumderivate Si(OR)4 in Gllser (amorph), keramische Massen (polykristallin) oder Glaskeramiken (Kristallite in einer amorphen Matrix). Nach ijberschreiten des Gelpunktes werden alle weiteren Vemetzungsreaktionen durch die Struktur der bereits geformten Teilchen beeinflusst. Die resultierenden Gele sind entweder Massenfraktale (hier gewCihnlich "Polymere" genannt) oder Oberflichenfraktale (hier meist als "Kolloide" bezeichnet). Ihre Struktur beeinflusst die Eigenschaften der nach dem Trocknen und BreMen erhaltbaren Festk6rper. Wegen der einheitlichen Dichte ist bei "Kolloiden" das Massenfraktal gleich der euklidischen Dimension; es gilt also Zm = d = 3. Die OberflPchenfraktale & variieren dagegen zwischen 2 (glatte Obeffllche) und 3 (sehr rauhe Oberfllche). Die Porod-Neigung beuirgt also 4IP I-3. Bei den "Polymeren" wird dagegen das Massenfraktal &, = lh. durch die Form der Polymerteilchen bestimmt, d.h. durch den Exponenten v in der Beziehung s = KJUv zwischen TrHgheitsradius s und Molmasse M. Ein aus der Usung ausfallendes lineares Polymeres befindet sich in einem thermodynamisch schlechten LCisungsmittel und muss daher wenigstens v = 1/2 aufweisen. Der wahre Wert dieses Exponenten muss bei "Polymeren" aber kleiner sein, da sich (a) Polymemolekiile mit M < 00 beim Ausf2llen bereits unterhalb der Theta-Temperatur befnden und (b) diese Molekule am Gelpunkt ja nicht linear sind. sondern verzweigt. Die Verzweigung fiihrt aber zu einem Verzweigungsindex g, < 1 (vgl. Kap. 4.6.1) und damit zu v < ID.
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120
4.7. Skalierung
Beim Durchlaufen des Gelpunktes wird das "Polymere" also zu einer dichteren Struktur kollabieren und kugelwicher werden. Da der Exponent v bei Kugeln den Wert 1/3 aufweist. muss das Massenfraktal also 2 I I 3 betragen. Wegen der glatten Oberflache der "Polymeren" ist das Oberflachenfraktal dagegen durch die euklidische Dimensionalitat d = 3 gegeben (& = d = 3). Die Porod-Neigung betlJdgt bei "Polymeren" folglich -3 IP I-1. Die sllurekatalysierte Zweistufen-Reaktion von Si(OR), mit wenig Wasser fiihrt z.B. zu "Polymered'. Die basenkatalysierte Polykondensation des gleichen Monomeren mit der vierfachen molaren Konzentration an Wasser (w@]/[Si(OR),J] = 4) erzeugt dagegen "Kolloide".
z,,,
4.7.2.
Selbstiihnlichkeit
Euklidische Kdrper und Fraktale sind selbstwich. Beim Vergrdssern oder Verkleinem weisen also sowohl die Objekte als auch ihre Ausschnitte die gleichen Charakteristiken auf. Ein Ausschnitt aus einer geknauelten Polymerkette besitzt beispielsweise die gleichen Knauelcharakteristiken wie das gesamte Knauel (Abb. 4-32). Die SelbstWichkeit reafer Ketten gilt jedoch nur fiir einen bestimmten Bereich: die untere Grenze ist durch die Persistenzlbge der Ketten gegeben und die obere durch deren Konturlbge. In diesem Bereich wird eine reale Kette durch die mathematische Konstruktion der Brown'schen Kette beschrieben. Auch bei der Brown'schen Kette gibt es Grenzwene, die aber wie folgt entfemt werden k6nnen. Die Kette wird als Segmentkette modelliert, z.B. als Kuhn-Kette der Konturlbge rcOnt= N K L K aus N K Segmenten der Segmentlage LK (Gl.(4-31)). Das Mittel uber die Quadrate der Fadenendenabstwde dieser Kette ist kon~ const. Im Grenzfall verschwindend kleiner Segmentlbgen, also stant: (r2)o = N K L K = LK + 0, strebt die Konturlbge folglich gegen unendlich: (4-79)
limLK+O rcont= NKLK = (r2)dLK +
-
Die fraktalen Eigenschaften dieser Kette erstrecken sich somit bis zu verschwindend kleinen Lbgen. Umgekehrt ist eine Brown'sche Kette im Grenzfall (r2), + m unendlich gross. Eine Brown'sche Kette ist daher uber alle Lhgenskalen selbstw ich. Die Anwendbarkeit der Brown'schen Kette und anderer Modelle auf reale Strukturen h b g t dagegen von der Lbgenskala ab.
n
Abb. 4-32 Selbsthlichkeit statistischer Knauel. Der Ausschnitt I1 aus einern Knluel I ist dem GesamWue1 I hinsichtlich der Knluelcharakteristiken im Mittel selbsahnlich. Die Selbstllhnlichkeit verliert sich jedoch, wenn diesem Ausschnitt I1 ein weiterer Ausschniu 111 von der GrUsse der Kuhnm g e LK enmornmen wird.
121
4. Makrokonformationen
Die G1.(4-65) wurde z.B. unter der Annahme abgeleitet, dass das Volumen eines statistischen Knauels durch dasjenige einer iquivalenten Kugel wiedergegeben werden kann. Der Radius dieser SLquivalenten Kugel wurde dem TrSLgheitsradius s des Kniuels gleichgesetzt. Der Trilgheitsradius ist nach s Mv der v-ten Potenz der Molmasse propoctional. in M srfi= sdm ein Da s eine charakteristische L a g e ist, stellt der Exponent l/v = Massenfraktal dar. Bei ungesarten Knaueln gilt z.B. v = 1/2 und die Hausdorff-Dimen= 2. Eine Brown'sche Kette hat somit in einem gewissen Sinne die sion ist folglich Charakteristik einer Fliche und nicht diejenige einer rektifizierbaren Kurve. Nun sind aber die Selbst2hnlichkeiten von Kniueln und isotropen Kugeln nicht identisch. Es ist daher die Frage, wie die Hausdorff-Dimension z,,, und die geometrische Dimension d zusammenhhgen. Nach der Mean-field-Theorie setzt sich die reduzierte totale Gibbs-Energie A G I h T aus zwei Teilbetragen zusammen, AG,,dkBT und A G e d b T (G1.(4-63)). Der elastische Term A G e d b T wird als Feder modelliert. Er lautet A G e d h T = (l/so2)(s2/N), wobei l/so2 die Federkonstante ist. Der Wechselwirkungsterm AGredkBT wird wie folgt angesetzt. Die Zahlenkonzentration der N Monomereinheiten pro Kette ist f i r den d-dimensionalen Raum durch N/sd gegeben. Die Zahl der Paar-Wechselwirkungen ist folglich proportional (N/&)2. Die Wechselwirkungsenergieist dann u(N/s~)~, wobei u das ausgeschlossene Volumen ist. Der gesamte Wechselwirkungsterm fiir den Raum sd wird damit zu ~ ~ u ( N /=s uN2/sd. ~ ) ~ Damit wird AGlkgT = s2/Nso2 + uN2/sd. Minimieren durch Differenzieren von AG nach s und Gleichsetzen des Ergebnisses mit Da die Null liefert (2/NsO2)s= du@s4-'. Auflasen resultiert in N = (d~s,~)-'/~s(~+~)~. Zahl N der Monomereinhgiten pro Kette direkt proportional der Molmasse ist. erhtUt man aus N M und M sdm die Hausdorff-Dimension als g,,, = (d + 2)/3. Fur den dreidimensionalen Fall wird die fraktale Dimension angeniihert zu J, = 1.67. fiir den zweidimensionalen zu 4/3 (exakt) und fiir den eindimensionalen zu 1 (exakt) (s.a. S. 82). Im vierdimensionalen Fall wird wieder der Wert g,, = 2 = l/v fur ideale KnLel erhalten. Diese Hausdorff-Dimension ist folglich eine obere kritische Dimension, oberhalb derer die ausgeschlossenen Volumina irrelevant werden. Bei der Floryschen Mean-field-Themiewerden Korrelationenzwischen den W t e n vemachl%sig~ die Wechselwirkungsenergiewird dadurch zu hcch. Die elastischeEnergie wird ebenfalls zu hoch angesetzt, weil auf das ungestlkte We1anstatt auf den Fadendenabstandgesarter Kniiuel bezogen wird hide Effekte heben sich in enter Ntherung auf und die Mean-field-Theorieliefert daher angen2hert das richtige Ergebnis. Die fraktalen Dimensionen betragen somit 1 fiir gerade Linien, 1-2 fiir gekriimmte Linien, 2 fiir planare Flichen, 2-3 fiir raue Oberflichen und 3 fiir harte Kugeln oder Kuben. Gestorte Kniuel verhalten sich im dreidimensionalen Fall mit z,, = 1.67 wie gekriimmte Linien, wiihrend f i r Gele ein Wert von ca. 2 5 berichtet wird. Dendrimer- und Enzymmolekule scheinen dagegen Oberflachenfraktale zu sein. Die Massenverteilung im Innem dieser Molekule kann in erster Niihenmg ah isotrop aufgefasst werden, warend die Oberflache wegen der hordnung der verschiedenen Gruppen "rau" ist. Fur verschiedene Enzyme ergaben sich die Oberflachenfraktale zu g, = 2,4. Die Verzweigungseinheit - C H ~ C H ~ N H C O C H ~ C Hfiihrt ~ N Cbei Polyamidamin-Dendrimeren nach Kalottenmodellen sowie gewissen theoretischen AMahmen und einigen spektroskopischen Daten zu einer portken intemen Struktur und dadurch zu einer rauen Oberfliche mit einer fraktalen Dimension von & = 2.42. Polyether-Dendrimere mit der Venweigungseinheit -CH20CH2Cf sind dagegen vie1 dichter gepackt. Ihre fraktale Di= 1,96. mension betragt nur
-
a,,
-
-
am
-
122
4.8. Atomistische und molekulare Modellierung
4.8.
Atomistische und molekulare Modellierung
4.8.1.
Einfuhrung
Physikalische SUukturen von Molekiilen und MolekiilveWnden sowie deren statische und dynamische Eigenschaften konnen prinzipiell rechnerisch durch Molekiilmodellierungen (E: molecular modeling) bzw. atomistische Modellierungen (E: atomistic modeling) simuliert werden. Solche Modellierungen spielen bekanntlich eine grosse Rolle in der niedermolekularen Chemie, z.B. bei Berechnungen von Spektren. dreidimensionalen Molekulstrukturen und chemischen Reaktivitzten, insbesondere beim Entwickeln neuer pharmazeutischer Wirkstoffe. In der makromolekularen Wissenschaft benutzt man die gleichen Methoden und dazu noch einige andere, die auf dem Kettencharakter linearer Polymerer basieren. Bei Polymeren treten bei Simulierungen jedoch zus2tzliche Probleme auf, die durch die Grosse der Molekiile und die daraus resultierenden zeitlichen Effekte bedingt sind. Die Eigenschaften niedermolekularer Flussigkeiten konnen z.B. durch Volumenelemente simulien werden, die l d - 1 0 6 Atome enthalten. Ein Volumenelement aus derartig vielen Atomen simulien bereits die Eigenschaften der Flussigkeit, da so viele Wechselwirkungen zwischen den Atomen vorhanden sind, dass der Einfluss der randsthdigen Atome des Volumenelementes vemachlBssigt werden kann. Bei Atomradien von ca. 0,1 nm ist das als Kubus gedachte Volumenelement also ( 1 - l d ) nm3 gross. Seine Seitenlhgen betragen entsprechend (1-10) nrn. Die charakteristische L h g e (Atomradius bzw. Bindungsabstand) ist also klein gegenuber den Abmessungen des zum Simulieren genugenden Volumenelementes. Bei hochmolekularen Verbindungen sind dagegen nicht nur die charakteristischen Lilngen grosser, es gibt auch viele verschiedene charakteristische Lhgen. Die Bindungslilngen sind zwar gleich gross wie bei niedermolekularen Verbindungen (ca. 0,l nm), die Persistenzl2ngen linearer Ketten betragen aber (1-200) nrn (Tab. 4-8) und die Tdgheitsradien sogar (10-1000) nm. Damit eine Polyrnerschmelze simuliert werden kann, muss also ein viel gr6sseres Volumenelement aus entsprechend sehr viel mehr Atomen gewiihlt werden als bei niedermolekularen Verbindungen. Derartige atomistische Rechnungen ubersteigen aber die Leistungsfihigkeit der heutigen Supercomputer. Dazu kommt ein zweites Problem. Bei einatomigen Flussigkeiten klingen Fluktuationen nach ca. Sekunden (= 1 fs) ab, wenn sich die Flussigkeiten weit entfemt von Phasenuberghgen befinden. Vibrationen von Bindungslzngen bzw. Bindungswinkeln erfordem aber bereits i t i 3 Sekunden und Konformationsumwandlungen ca. Sekunden. Fur Schmelzen aus Molekiilen mit ca. 500 Kettenatomen werden z.B. Relaxationszeiten von 10-5 Sekunden erwartet, also 10 Zehnerpotenzen grtissere Zeiten als die Fluktuationszeiten einatomiger Flussigkeiten. Die Simulierung von Schmelzen erfordert aus diesem Grunde selbst mit sehr 1eistungsfBhigenSupercomputem sehr lange Rechenzeiten. Die Berechnung einer einzigen Makrokonformation eines einzelnen Poly(rnethy1en)-Molekuls aus 1000 CH2-Einheiten benotigte beispielsweise auf einem Silicon Graphics 260 GTX-Supercomputer einen vollen Tag. Man beschrmt daher Simulierungen von Polymerschmelzen auf kurze Ketten (was das Studium des Einflusses der Verhakung ausschliesst) oder verwendet sog. grobrastrige Modelle (E: coarse-graining), z.B. Feder-Perle-Modelle (Abb. 4-34).
123
4. Makrokonformationen
4.8.2.
Methoden
Gruppeninkrement-Methoden Gruppeninkrement-Methoden gehoren nicht zu den atomistischen bzw. molekularen Modelliemngen, seien aber der Vollsthdigkeit halber erwmt. Man ordnet hier den verschiedenen chemischen Gruppen eines Molekiils empirisch jeweils bestimmte Eigenschaftsinkremente zu. Die Inkremente basieren auf experimentell ermittelten Eigenschaften von Modellsubstanzen bzw. Makromolekiilen mit gleichartigen Gruppen. Den Berechnungen werden anderweitig abgeleitete physikalische Beziehungen zugrunde gelegt. Die Eigenschaft des betrachteten Molekiils soll sich dann aus den entsprechend gewichteten Anteilen der einzelnen Typen von Gruppen additiv zusammensetzen. Gruppeninkrement-Methoden sind bei niedermolekularen Molekiilen schon lange bekannt. Die Berechnung der Molmasse eines Molekiils aus den Molmassen seiner Atome ist wohl das einfachste und ateste Beispiel (Dalton 1801). Eine andere alte Methode ist die Berechnung der molaren dielektrischen Polarisation nach Mosotti (1850) bzw. Clausius (1879). Derartige Berechnungen eignen sich recht gut fiir niedexmolekulare Substanzen, da man dort isolierte Molekiile oder auch fluide Molekiilverbhde in jeweils identischen Gleichgewichtszusten vergleichen kann. Fur feste Polymere ergeben sich jedoch mufig nur mehr oder minder grobe Schatzwerte, da die Eigenschaften von festen Polymeren nicht nur von der chemischen Struktur bestimmt werden, sondern auch von der Makrokonformation, die wiederum von der Verarbeitung gepngt wird. Trotz aU dieser Schwkhen sind jedoch Gruppeninkrement-Methoden wichtige technologische Hilfsmittel, die es erlauben, viele physikalische Eigenschaften abzuschitzen.
Gi ttermethoden Gittermethoden basieren auf sehr weitgehenden Abstraktionen realer Ketten wie der mit einer kreuzungsfreien WandeVergleich einer realen Poly(ethy1en)-Kette +CH* rung auf einem Gitter zeigt (Tab. 4-1 1). Gittermodelle sind zwar physikalisch unrealistisch, geben aber tmtzdem die exakten mathematischen Funktionen fiir kritische Phaomene wieder. Ein solches kritisches PhZnomen ist z.B. die Abhagigkeit der Tragheitsquadrate von der Molmasse im Grenzfall unendlich langer Ketten. In guten Msungsmitteln nimmt der Exponent v in (s2) = K a Z v unabhhgig von der Kettenstruktur den universellen Wert 0,588 an, w m n d die Konstante K s nicht universell ist und noch von der chemischen Struktur des Polymeren, dem Losungsmittel und der Temperatur kontrollien wird. Der Exponent v wird von Gittermodellen exakt modelliert. Tab. 4-11 Vergleich von Poly(ethy1en)-Ketten mit kreuzungskeien Wanderungen auf Gittern.
Eigenschaft
Poly(ethy 1en)-Kette
Wanderung auf einem Gitter
Vorkommen Kettenglieder Valenzwinkel Potentialschwelle Lanpichde Wechselwirkungen
kontinuierlicher Raum CH2-Gruppen 109.47O bei C-C-C (ideal) konformationsabhZingig Resultierendeaus anziehenden und abstossenden M e n
diskretes Gitter
Gitterpunkte 2.B. 90"und 180" (kubisches Gitter) unabhiingig von der Konformation nur abstossende Wte
124
4.8. Atomistische und molekulare Modellierung
Gittermodelle kdnnen z.B. benutzt werden, um die Konformationsentropie von linearen Polymeren in Ldsungen zu berechnen (Kap. 10). Sie sind aber nicht nur fiir Gleichgewichtseigenschaften brauchbar, sondem auch fiir dynamische Prozesse, z.B. Selbstdiffusionen. Bei diesen Berechnungen geht man im Allgemeinen nicht von exakten Abzmungen aller m6glichen kreuzungsfreien Schritte aus. Man verwendet vielmehr Monte Carlo-Methoden. Bei exakten Abzahlungen (E: exact enumerations) fertigt man zunachst eine Liste aller mdglichen kreuzungsfreien Schrittfolgen und der dazugehorigen Eigenschaften (z.B. Fadenendenabsmde) fiir jede gew2hlte Zahl N an Schritten an. Wegen der schnell mit zunehmendem N ansteigenden Zahl der Moglichkeiten (vgl. Kap. 4.3.4) wird N im Allgemeinen auf Werte von 15 I N I 35 beschr2nkt. Mit geeigneten mathematischen Verfahren werden dam die Eigenschaften auf N + extrapoliert. Wegen dieser langen Extrapolation sind die erhaltenen Werte mit grossen Unsicherheiten behaftet. Bei Monte Carlo-Verfahren (MC) geht man umgekehrt von sehr langen kreuzungsfreien Schrittfolgen von lo2 IN Ilo5 aus. Da die Anzahl N sehr gross ist, kann man nicht fiir alle N alle mdglichen Schrittfolgen exakt abzuzwen (bei N = 39 gibt es bereits ca. 1,131-1017mdgliche Makrokonformationen (Kap. 4.3.4)). Fur ein bestimmtes N wird vielmehr nach dem Zufallsprinzip eine bestimmte Zahl von Makrokonformationen und dazugehorigen Eigenschaften erzeugt, die dann ebenfalls auf N + 00 extrapoliert werden. Durch das Zufallsprinzip werden zwar "experimentelle" Fehler hervorgerufen, die Extrapolation auf unendlich lange Ketten ist aber weniger unsicher als bei exakten Abzmungen, da man von lo2 I N I 1 6 Stan von 15 IN I35 ausgeht. Ausgehend von einer gewiinschten Verteilung der Wahrscheinlichkeiten wird durch statische MC-Methoden eine Reihenfolge von statistisch unabhagigen Proben erzeugt. Dynamische MC-Methoden liefem dagegen mit Hilfe von stochastischen Prozessen (meist Markow-Prozessen) eine Reihe von miteinander korrelierten Proben. Deren Gleichgewichtsverteilung ist dann die gewunschte Wahrscheinlichkeitsverteilung.In beiden F a e n konnen sehr viele mathematische Verfahren verwendet werden. Mit Monte Carlo-Verfahren lassen sich z.B. Platzwechselprozesse simulieren, wie sie z.B. bei Selbstdiffusionen in Schmelzen oder beim glasigen Erstarren von Schmelzen auftreten. Einige solcher Prozesse sind in Abb. 4-33 wiedergegeben. Bei allen solchen Bewegungen muss selbstverst2ndlich gepriift werden, ob die neue Position immer noch die Bedingung der kreuzungsfreien Wanderung erfiillt.
-
1 .---
1
-1
90" 180" Rotation des Endes Eine Perle
1
r:: -.
1 .-
-I.:
T
-.
1
1
'--u
&!.
180'
Sprung
,sprung
90"
Kurbelwelle Zwei Perlen
Abb. 4-33 Alle Bewegungen einer Perle (einer Monomereinheit usw.) und einige lokale Bewegungen von zwei Perlen auf einem hyperkubischen Gitter. ... Ausgangsebene.
4. Makrokor3fomtionen
125
Abb. 4-34 Gitterfreie Modelle fiir die Simulierung der dynamischen Eigenschaften von Polymerketten. (ISegmentkette ) rnit Bindungsotation, (II)Perlenkette, (III) elastische Hantel, (IV)PerleFederModell und (V) Perle-Fder-Modellmit (einigen) hydrodynamischemWechselwirkungen. Gitterfkeie Methoden Beim Modell der Segment-Kette rnit Bindungsrotation (E: freely jointed chain) besteht die Kette lediglich aus N unendlich diinnen Bindungen der L u g e b (Abb. 4-34, I). Man lkst dann nach dem Monte Carlo-Verfahren ausgesuchte Kettenglieder um beliebige Winkel um eine imaginitre Achse mtieren, z.B. das Glied i um die Achse ---- zwischen den benachbarten Gliedern i+l und i-1 zur neuen Position i*. Zwischen den Ketten bestehen im einfachsten Fall keine Wechselwirkungen. Man kann aber auch Wechselwirkungspotentiale einfiihren. Verhakungen k6Men simuliert werden, indem man einige Ketten sich iiberkreuzen liisst. Bei vielen Modellen approximiert man Polymerketten durch eine Folge von Perlen, die durch masselose Bindungen miteinander verbunden sind. Die Perlen symbolisieren 2.B. Kettenglieder wie die CH2-Gruppen des Poly(methy1en)s; die Glieder sind dann durch Valenzbindungen verkniipft. Alternativ kdnnen sie auch effektive Einheiten wie z.B. die CHzCH2-Gruppen des Poly(ethy1en)s darstellen, die dann durch effektive Bindungen verbunden sind. Das Modell der Perlenkette (E: pearl necklace model) nimmt als harte Kugeln rnit dem Durchmesser d gedachte Perlen an, die durch Bindungen der L u g e b verbunden sind (Abb. 4-34, 11). Bei diesem Modell wird das ausgeschlossene Volumen durch das Verhatnis dlb simuliert. Einige dynamische Eigenschaften von Polymeren lassen sich durch das strukturmassig sehr simplifizierende Modell der elastischen Hantel (E: elastic dumbbell) simulieren (Abb. 4-34.111). Die Masse der Kette ist hier in lediglich zwei Perlen vereinigt, die durch eine masselose Feder rnit einer variierbaren Federkonstante verbunden sind. Realistischer ist das Perle-Feder-Modell (E: bead-spring-Modell), das die Polymerkette durch viele durch Federn verbundene Perlen wiedergibt (Abb. 4-34, IV und V). Zwischen den Perlen bestehen entweder keine hydrodynamischen Wechselwirkungen (Rouse-Modell) oder doch (Kirkwood-Riseman-Modell). Das Modell wird sowohl fiir Monte Carlo-Rechnungen als auch fiir Sirnulierungen mit der Brown'schen Dynamik und der Molekiildynamik verwendet. Bei der Brown'schen Dynamik (E: Brownian dynamics) berechnet man fiir FederPerle-Modelle die zeitliche hderung der Wahrscheinlichkeitsdichte 0 des Polymeren aus der Summe aller Potentialenergien, die sich wiederum aus einem Lennard-Jones-Potential und einem harmonischen Potential der Feder zusammensetzen. Die Proportionalitiitskonstante ist der Diffusionskoeffizient,der wiederum durch die thermische Molekiilbewegung gegeben ist. Die Brown'sche Dynamik sirnulien also die r2umliche Verteilung der Kettensegmente durch den Irrflug der Brown'schen Bewegung eines Teilchens. Bei der Molekularmechanik (E: molecular mechanics) berechnet man mit Hilfe eines Kraftfeldes (Kap. 4.8.3). wie sich Bindungslbgen, Valenzwinkel und Torsionen bei me-
126
4.8. Atomistische und molekulare Modellierung
chanischen Beanspruchungen 2ndern. Diese Potentialfunktionen sind wegen der Vielzahl mllglicher Makrokonformationen sehr komplex. Aus diesem Gmnde, und weil bei diesem Verfahxen keine Potentialschwellen uberschritten werden, erh2lt man in der Regel nur lokale Energieminima und nicht globale. Die resultierende Potentialenergie des Molekiils bzw. Systems wird dann in die Gleichungen der klassischen Mechanik (Dehnung als Funktion der Spannung usw.) eingeschleust. Die Variablen des Kraftfeldes (Bindungswinkel usw.) werden bei Energieminimierungen (E: energy minimizations) mit geeigneten mathematischen Verfahren systematisch in Richtung der Makrokonformationen mit den niedrigsten Potentialenergien variiert. Der Rechenaufwand nimmt dabei mit dem Quadrat der Anzahl der Atome zu. Um ihn zu vemngem, vereinfacht man die benutzten Kraftfelder, fiihrt periodische Randbedingungen ein und/oder beriicksichtigt Krafte nur bis zu einer bestimmten L a g e ("cutoff'). Die aus solchen Energieminimierungen resultierende Suuktur entspricht Makrokonformationen bei einer Temperatur von 0 K. Die Molekiildynamik (Molekulardynamik; E: molecular dynamics) beriicksichtigt, dass Molekule nicht starr sind. Sie geht von den klassischen Newton'schen Gleichungen fiir die Bewegung eines Systems aus N Atomen aus, die gemgss dem gewwten Kraftfeld miteinander wechselwirken. Die in den Newton'schen Gleichungen auftretenden Differentialquotienten nach der Zeit und dem On werden dazu durch genugend kleine Differenzenquotienten ersetzt. Dem modellierten System wird kinetische Energie zugefiihrt, so dass es sich nunmehr auf einer htiheren Temperatur befindet, wodurch Potentialschwellen uberwunden werden kbMen. Der neue Zustand wird dann als Funktion des alten berechnet, typischerweise fiir Zeitintervalle von Femtosekunden ( s), was bereits Rechenzeiten in der Griissenordnung von Stunden und Tagen erforden. Die Dynamik der Konformations- und Eigenschafts2nderungen wird dann uber einen Gesamtbereich von Picosekunden (10-12 s) bis Nanosekunden (10-9 s) verfolgt, was Rechenzeiten von Wochen und Monaten entspricht.
4.8.3.
Atomistische Kraftfelder
Viele Modellierungen erfordem die Kenntnis der Potentialenergie. Diese Energie wird aus Kraftfeldem berechnet. Einige Kraftfelder stiitzen sich nur auf einfache valenzabhmgige Energien Evsl und Energien Enon zwischen nichtgebundenen Atomen. Andere Kraftfelder ziehen auch noch gekoppelte valenzabhagige Energien Evd,c zu. Die verschiedenen Kraftfelder unterscheiden sich ferner in den diese Energien beschreibenden mathematischen Funktionen sowie in den Parametem dieser Funktionen. Manche AnsHtze sind auf Einzelmolekule ("Gaszustand") beschrankt, andere kdMen auch Molekulverb2nde (Kristalle, ungeordnete Zustande) analysieren. Einige der im Handel befindlichen Computerprogramme erlauben die Wahl verschiedener Kraftfelder. Die einfache valenzabhhgige Energie E v d setzt sich aus vier verschiedenen Typen von Energien zusammen, wobei jeder Typ die Summe der Beitdge aller Atome darstellt (s. unten). Die vier verschiedenen Typen reprasentieren die erforderlichen Energien Ebd zum Dehnen von Valenzbindungen (ie 2 beteiligte Atome), E , zum Aufweiten der Valenzwinkel (ie 3 beteiligte Atome). Ee zum Deformieren der Torsionswinkel (ie 4 beteiligte Atome) und Em von Inversionen (ie vier beteiligte Atome) (Abb. 4-35).
127
4. Makrokonformationen
Abb. 4-35 Einfache vale-gige Energien fiir das Dehnen von Valenzbindungen ( E d . Aufweiten von Bindungswinkeln Torsionen urn Valenzbindungen (Eo) und Inversionen (die Energie Em kt notwendig, urn die Bindungen AI-AZ, A1-A3 und A1-& in einer Ebene zu halten, d.h. A1 kann iik oder u n m der Ebene Az-A3-& liegen).
(m.
Die Energien Enonzwischen nichtgebundenen Atomen stammen von drei Typen: van der Wads-Wechselwirkungen Evdw, elektrostatischen Effekten E, und Wasserstoffbriicken E H . Jede dieser Wechselwirkungen kann intra- oder intermolekular sein und zudem zwischen zwei oder mehr nichtgebundenen Atomen auftreten (Abb. 4-36).
intermolekular
\
intramolekular
Abb. 4-36 Intra- und intermolekulare Wechselwirkungen zwischen nichtgebundenen Atomen 0.Jede dieser Wechselwirkungen kann von van der Waals-Wechselwirkungen, elektrostatischen Effekten oder Wasserstoffbriickenbindungen stammen (schematisch).
Gekoppelte valenzabhihgige Energien treten auf, wenn zwei oder mehr einfache valenzabhhgige Energien kombiniert werden (Abb. 4-37):
Iv
V
VI
w
Abb. 4-37 Gekoppelte valenzabh2ngigeEnergien: zwei Bindungsdehnungen(IBindungsdehnung ), und Valenzwinkeldeformation 0,zwei Winkeldeformationen @I), Kopplung von Bindungsdehnung und Torsion an benachbarten Bindungen (IV) oder der gleichen Bindung (V), Kopplung von Torsion und Valminkeldefomarion an einer Bindung (vr) oder an zwei Bindungen (W).
Die gesamte Potentialenergie ergibt sich somit zu
128
4.8. Atomistische und molekulare Modellierung
Die Ansltze fiir die einzelnen Energien seien anhand des einfachen DREIDINGKraftfeldes besprochen. da hier im Gegensatz zu anderen Kraftfeldem (AMBER, CHARMM. CVFF usw.) Atome des gleichen Typs identisch behandelt werden, also unabhllngig von ihrem Vorkommen in Ketten, Ringen und Substituenten. Bei jedem Atom sind jedoch die Bindungsabsmde. van der Wads-Radien usw. entsprechend den Elektronenkonftguration verschieden, so dass 2.B. beim Kohlenstoff zwischen s$ (tetraedrisch). s$ in Resonanzsystemen, sp2 (trigonal) und sp1 (linear) unterschieden werden muss. Die Energie EM zum Dehnen einer Valenzbindung von der Lllnge bo auf die L h g e b wird bei DREIDING und AMBER als die Energie eines einfachen harmonischen Oszillators angesetzt; anschliessend wird uber alle Valenzbindungen summiert: ; Kb = Kraftkonstante
~ -b ~ ) ~ Andere Kraftfelder addieren noch h6here Glieder, 2.B. KW(b - b ~ + )Kb+@(b bei CFF91. Da die L h g e b beliebige Werte annehmen kann, fiihren alle derartigen Anslltze zu unendlich hohen Energien &. Tatslchlich trennen sich jedoch alle Bindungen bei einer bestimmten Trennungsenergie, was oft durch einen "cut-off' beriicksichtigt wird. Beim DREIDING-Kraftfeld kann anstelle von G1.(4-81) auch eine Morse-Funktion Ebd = Eb{ exp[-(b,h - bo)] - 112 verwendet werden, welche anharmonische Glieder nahe dem Gleichgewichtswen bo sowie die TRMungSenergie Eb einschliesst. Die Energie ET zum Aufweifen eines Vulennvinkels von 80 im Gleichgewicht auf 8 wird 2.B. bei AMBER analog zu G1.(5-2) als harmonische Form angesetzt (mit dem Valenzwinkel 7 anstelle der Bindungslhge b), bei CFF91 entsprechend mit zusatzlichen h6heren Gliedem. Da diese Formen bei 7 + 180" jedoch nicht die Neigung null liefem, benutzt DREIDING statt dessen eine harmonische Cosinus-Form: (4-82)
Ex = & (1/2) K,(COSr - cos
70)~
; KT = Kraftkonstante
Die Energie Ee zur Deformation des Torsionswinkelsvon 80 auf 8 wird uber (4-83)
Ee = & (1/2) AEs{ 1 - cos [Nsym(8- 64312)
; AES = Rotationsbamere
berechnet, wobei Nsym = Kraftfeldsymmetrie (2, 3 oder 6). CFF91 verwendet Stan dessen die Summe von drei Gliedem AE${ 1 - cos (i8- 80.i)) rnit i = 1, 2 und 3. Inversionen werden bei DREIDING wie bei spektroskopischen Betrachtungen mit ; K, = Kraftkonstante
beschrieben, wobei w = Winkel zwischen der Bindung Al-A2 und der Ebene Al-AyA4. Bei bioorganischen Molekfilen werden Inversionen dagegen oft als unechte Torsionen (E: improper torsions) aufgefasst. In CHARMM ist w dann der (unechte) Torsionswinkel von A I - A in ~ Bezug auf A3-A4, wobei der Winkel zwischen den Ebenen A I - A z - A ~und A2-AyA4 der Diedewinkel der unechten Bindung A2-A3 ist. Beirn AMBER-Kraftfeld ) ~{ 1 - cos [i(I9 - &)I] ersetzt, wobei I9 der Winkel zwischen den wird (w - ~ 0 durch Ebenen A1-A2-A4 und A1-AyA4 ist und i = 2 (planar) bzw. i = 3 (tetraedrisch).
129
4. Makrobnformationen
Van der Waals-Wechselwirkungen zwischen nicht gebundenen Atomen mit dem Abstand L werden mit dem Lennard-Jones-12,bPotentialwiedergegeben:
A und B sind dabei Konstanten. Altemativ kann auch ein Exponent(-6)-Potential exp(- CL)- BLd verwendet werden. Elekfrostarische Wechselwirkungen zwischen Atomen rnit den elektnschen Ladungen qA und 4s im Abstand LA-B werden mit
EvdW = &dw A
berechnet, wobei er = relative Permittivitiit des Mediums (& = 1 fiir einzelne Molekiile ("Vakuum"!)) und Kq = Umrechnungsfaktor f i r die in verschiedenen physikalischen Einheiten gemessenen physikalischen Grtissen q und L. Die Energie einer Wasserstoffbriicke der L u g e L und dem Winkel ODHA zwischen Donor D. Wasserstoffatom H und Akzeptor A ergibt sich aus (4-87)
EH= & &[(C/L12) - (C'/L1')1 Ws4 &HA
wobei C und C' Konstanten sind. Dreiding verwendet im Gegensatz zu vielen anderen Kraftfeldern keine gekoppelten valenzabhsingigen Energien. Die Kopplung zwischen Bindungsdehnung und Valenzwinkelaufweitung (Abb. 4-37, 11) kann 2.B. iiber Ebe = Cbr Kh(b - bo)(r- q)berechnet werden. Mit der Zahl der Kopplungsterme steigt die Zahl der Anpassungsmtiglichkeiten und damit aber auch der Rechenaufwand. Die bei den verschiedenen Kraftfeldem verwendeten Molektildaten weichen z.T. untereinander und von den "mittleren" Wenen der Literatur ab (Tab. 4-12). sowie auch von den experimentellen Daten. Vergleiche der Ergebnisse von mit verschiedenen Kraftfeldem arbeitenden Computerprogrammen wurden offenbar nicht veroffentlicht.
Tab.4-12 CovalenmdienR,, van der Waals-Radien RvdW (= 1/2 der van dex Waals-Bindung)und Ionenradien Ri, als "mittlereWerte" [31] und beim DREIDING-Kraftfeld[32]. 1 A = 0.1 nm. Atom
RcdA Mittel Dreiding 0,37 0,77 0.75 0,73 0,71 1,18 1,02
0,330 0,770 0,700 0,670 0,702 0,660 0,611 0,937 1.040
RvdWIA Mittel Dreiding 1,32 1,67
1,598 1,949
1,50 1.55 230 1,80
1,83 1 1.702 1,736 2.135 2,015
R,IA
Mittel
0.13 (Ns') 12 6 (@) 1,19 (F1-) 1,70 (Si4-) 0,42 (Sib) 1.70 (S2-)
130
A-4.
A-4.1. Valenzwinkel-Kette mit freier Drehbarkeit
Anhang
A - 4.1. Valenzwinkel-Kette mit freier Drehbarkeit Zur Berechnung der Mittel iiber die Quadrate der Fadenendenabstiinde von Valenzwinkel-Ketten mit freier Drehbarkeit geht man von der Reihe der G1.(4-18) aus (4-18)
+ 2 (N - 2)bz cos2 a + + 2 ( N - 3)b2 c0s3 a + ... + 2 (N - i)b2 cosi a + ... +
(r2)of= Nb2 + 2 ( N - l)b2 cos a
2 b2 cosN-' a
oder nach dem Vereinfachen der Schreibweise mit cos a = x (4-1 8a)
(r2)of= Nb2 + 2 ( N - l)b2x
+ 2 (N - 2)b2x2 + 2 (N - 3)b2x3 + ... + 2 (N - i)b2xi + ... +
2 b2xN-l
Die zweiten, dritten ... Glieder dieser Reihe werden in einer Summe zusammengefasst. deren beide Terme mit N bzw. i wiederum in je eine Einzelsumme zerlegt werden: N-1
(A 4-1)
(r2),f = Nb2
+ 2 b2 c ( N - i ) x i =
Nb2 + 2 b2N
i=l
N
c x'
i=l
.
N
- 2 b2
c ix'
i=l
Die zweitletzte Summe der Gl.(A 4-1) ist wegen 1 I i I N eine endliche Sene. Sie lass1 sich aber wegen (A 4-2)
cN xi= c x' = x
i=l
x
i=O
in zwei neue Summen iiberfiihren, die beide wegen x = (cos a) < 1 in die gleiche unendliche geometrische Reihe 1 + x + x2 + ... = 1/(1 - x ) umgewandelt werden konnen. Die letzte Summe der Gl.(A 4-1) kann man W i c h als
c ix'. = x c ixi-' N
( A 4-3)
i=l
N-1
i=l
c ( N +i)xi-' oD
ixi-' - x N
=x i=l
i=l
schreiben. woraus man wiedenun eine unendliche Reihe 1 + 2 x + 3x2 + ... = 1/(1 - x ) ~ erhitlt. Die beiden Summenausdriicke der Gl.(A 4-1) werden also zu
i=l
i=l
Einsetzen der Gl.(A 4 4 ) in Gl.(A 4-1) liefert ( A 4-5)
(
(r2)of=Nb2 + 2 N b 2 x ( l - x N ) - 2 b2x b X N 2 ) + 2 b 2 x ( "N) 1-x (1 - x ) 1-x
4. Makrokonformationen
131
Der Komplement2rwinkel a ist kleiner als 90";also wird cos a kleiner als 1 sein. Fur sehr gmsse N svebt folglich xN = (cos a p dem Wert 0 zu. In Gl.(A 4-5) wird der erste Klammerausdruck zu 1/(1 - x), der zweite zu 1/(1 - x ) ~und der dritte zu 0. Aus der Gl.(A 4-5) erhtilt man dann (A 4-6)
(r2),f= Nb2
und mit x = cos a = cos (180O - T) sowie 1 + cos a = 1 - cos T (A 4-7)
(r2),f
=Nb
mit der rechts stehenden Niiherung fiir N + =. Fiir andere als geslttigte Kohlenstoffketten ergeben sich wegen der unterschiedlichen Bindungslhgen und -winkel bei Heteroatomen, Doppelbindungen usw. in der Kette kompliziertere Ausdriicke.
-
A 4.2. Beziehung zwischen Fadenendenabstand und Triigheitsradius bei Phantom-Ketten Segment-Ketten, Valenzwinkel-Ketten mit freier oder behinderter Drehbarkeit sowie die auf RIS-Modellen beruhenden Ketten sind smtlich Phantom-Ketten, da sie ungestUrte und damit unendlich dunne Ketten darstellen. Bei allen linearen Phantom-Ketten sind Fadenendenabstand und Tt"dgheitsradiusin gleicher Weise miteinander verkniipft. Die Massen der Kettenatome seien in N Massepunkten konzentriert und durch Bindungen der L h g e b miteinander verbunden. R1 sei der Vektor vom Schwerpunkt S zum ersten Massenpunkt, Ri der entsprechende Vektor zum i-ten Massenpunkt und ri der Vektor zwischen diesen beiden Massenpunkten (s. Abb. 4-12). Fiir jeden Massenpunkt gilt Ri = R 1 + ri. Fiir alle Massepunkte 1 I i 5 N erhnt man & Ri = N R 1 + & ri = 0 und daher auch (A 4-8)
R 1 = - (l/Nc) & ri
Das Mittel iiber die Quadrate der Trggheitsradien ist das zweite Moment der Massenverteilung aller Radien R , also bei einer Segmentkette: (s2),, = ( X i miRiZ)/Xi mi. Die Massen mi sind jeweils identisch, die Zahl der Kettenglieder ist daher N = ( X i mi)/mi. Man kann die Mittelung ausserdem erst iiber alle Summen und d m iiber die Produkte ausfihren oder erst iiber die Produkte und dann uber die Summen. Man erhnt
132
A-4.2. Beziehung zwischen Fadenendenabstand und Triigheitsradius bei Phantom-Ketten
Auf der rechten Seite dieser Gleichung wird R1 durch die jeweils fiir i und j angesetzte Gl.(A 4-8) ausgedriickt: (A 4-1 1)
(s2),, = ( l / @ ) ( Z i Z j fir,) + (l/N)
X i ri2 - (2/N2) ZiZj
rirj
= (I/N) Zi ri2 - (I/@) ZiZj rir, D ~ Skalarprodukt s wird nach der Cosinus-Regel rirj = rirj.COS w = [ri2 + rj2 - rij21/2 geltist. Da die Indices i und j definitionsgemass die gleiche Bedeutung haben. ist die Summierung iiber die Quadrate der Abstainde identisch. Einsetzen dieser Beziehung in die Gl.(A 4-11) fiihrt zu (A 4-12)
(s2)oo = [1/(2 Nc2)] X i X j (rij2)
wobei der Mittelwen ( 1 ~ 2 )der Fadenendenabstand einer Kette von lj-il Elementen der L a g e b ist, d.h. (rh2) = lj-il.b2. Die Grosse b2 wird nach G1.(4-17) durch b2 = (r2)oo/N ausgedriickt. Man erh2lt somit aus Gl.(A 4-12) (A 4-13)
( s ~ =) [~142 ~ N2)] ZiZj Ij-il(r2)&N
Das Summenprodukt der absoluten Differenz lj-il kann fiir jede Summe einzeln gelost werden. Die Summierungen uber alle j-Werte (GI.(A 4-14)) und uber alle i-Quadrate (Gl.(A 4-14a)) ergeben j= N
(A 4-14)
I
Clj-il = C l i - j l + j-1
j-1
N
Clj-il j=i+l
= i2- (1/2)i(i+l)
+ (1/2)(N-i)(N+i+l) - i(N-i)
= i2- iN + (1/2)@
+ (1/2)N-i
(A 4-14a) Zi i2 = l2 + 22 + ... @ = N(N + 1)(2 N + 1)/6. Daraus folgt fiir N >> 1 der Ausdruck
Einsetzen von Gl.(A 4-15) in Gl.(A 4-13) liefert die Beziehung
GI.(A 4-16) wurde fiir eine Segmentkettemit bz = ($).,JN abgeleitet. Berechnungen fiir die komplizierteren Fale der Valenzwinkelketten mit freier oder b e s c h r i i r Drehbarkeit oder fiir die mit dem RIS-Modell erhaltenen ungestllrten Knluel liefern jedoch die gleichen Ergebnisse, da dann lediglich die Bindungshge b durch die effektiven Bindungskingen b' oder b" ersetzt wird. Solange statistische Knauel mit N --f w im ungesmrten Zustand vorliegen, sind die Mittel uber die Quadrate der Tdgheitsd e n immer urn den Faktor 6 kleiner als die mittleren Abstandsquadrate. Ausser ($), = (9),,J6 gilt also auch ($)m = (9)0,./6,( ~ * ) ~(rz),d6 f = und (&, = (9)J6.
133
4. Makrokonfonnationen
A-4.3.
Verteilung der Fadenendenabstande
Bei einem Ensemble von Phantomketten gleicher Liinge sind die Fadenendenabsmde
zu jeder Zeit statistisch verteilt. Diese Verteilung wird analog zu dejenigen der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilungvon Molekiilen in einem idealen Gas abgeleitet. p(rx) sei die Verteilungsfunktion der x-Komponente des Fadenendenabstandes r. Da der Raum isotrop ist, muss gelten p(rx)= p(- rx) und folglich auch p(rx)=f(rx2). Die drei Verteilungsfunktionen fiir die drei mtiglichen Raumrichtungen mussen bei einer kleinen Zahl N von Bindungen voneinander abhiingen. Bei N = 1 muss z.B. gelten rx2 + ry2 + rz2 = b2. wobei b der Bindungsabstand ist. Die drei Komponenten werden jedoch umso weniger voneinander abhagen. je gasser die Zahl der Bindungen ist. Wird N sehr gross und ist gleichzeitig r2 vie1 kleiner als das Quadrat der L a g e des ausgestreckten Molekiils. dann ktinnen die Komponenten als unabhagig voneinander betrachtet werden. Die totale Wahrscheinlichkeit ist d a m einfach das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten, oder p(rx)p(ry)p(rz)=f(rx2xry2xrz2). Diese Wahrscheinlichkeit kann jedoch nicht von der Raumrichtung abhingen. Sie muss eine Funktion der Quadrate der Fadenendenabstiindesein, also r2 = rx2 + ry2 + rz2. Es muss also gelten (A 4-17)
f(rx2Mry2)f(rz2)= F(r2) =f(rx2 + ry2 + rz2)
Die Bedingung (A 4-17) kann nur durch eine einzige mathematische Funktion befriedigt werden. nmlich durch (A 4-18)
p ( r x )= f ( r x 2 )= exp (- drx2)
Das Minus-Zeichen kommt dabei von der Bedingung, dass p ( r x ) gleich null werden muss, wenn rx gegen unendlich strebt. Die Konstante d kann wie folgt ermittelt werden. Die Verteilungsfunktion muss nonnalisiert werden, d.h. es gilt (A 4-19)
p(rx)drx=
I--+-
exp (- dr:)(x / d)1/2= 1
Das zweite Moment der Verteilungsfunktion muss ausserdem das Mittel uber die Quadrate der Komponenten von r geben, d.h. (rx2)= (r2)/3 = Nb2/3:
Dividieren von Gl.(A 4-19) durch Gl.(A 4-20) und Einserzen in Gl.(A 4-18) fiihrt zur Gauss-Verteilung der Fadenendenabsthde im eindimensionalen Fall:
134
Kraffeld-Bibliographie
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4. Makrokonfonnationen
135
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138
5.
Streumethoden
5.1.
Ubersicht
Staubteilchen glitzem in Sonnenstrahlen, weil das an den Staubteilchen gestreute Licht seitlich abgestrahlt w i d Die Intensitat dieses Tyndall-Effektes wird durch die TeilchengrOsse bestimmt. Solche Streuungen werden aber nicht nur von Staubpartikeln erzeugt, sondem auch von Molekulen. Sueumethoden sind daher die wichtigsten Methoden fiir die direkte Bestimmung der Griisse und Form von Makromolekulen. Die einfallenden elektromagnetischen Wellen verschieben bei Teilchen (Molekulen und Partikeln) Elektronen und dazugehorige Atomkeme in entgegengesetzte Richtungen. Die so entstehenden Dipole folgen dem schwingenden elektrischen Feld mit gleicher Frequenz und senden dabei elektromagnetische Strahlung aus, die Streustrahlung. Je mehr Dipole pro Teilchen (bzw. deren Masse oder Molmasse) erzeugt werden, umso griisser ist die Streuintensitlt. Die Intensitat des gestreuten Lichtes ist bei grtisseren Teilchen winkelabhagig, da sie von der Verteilung der Dipole in den Teilchen bestimmt wird, also von den Abmessungen und Gestalten der Teilchen. Die Theorie der Streuung elektromagnetischer Wellen gilt fiir alle Wellenlagen (Abb. 5-1). Fur Polymere sind dabei die Gebiete des sichtbaren Lichtes (Wellenlagen zwischen 300 nm und 700 nm), Neutronenstrahlen (0,l nm - 1 nm), Rontgenstrahlen (0,02 nm - 2 nm) und Elektronenstrahlen (ca. 0,Ol nm) am wichtigsten. Die statische Lichtstreuung (E: static light scattering) misst die Differenz der Polarisierbarkeiten von Makromolekulen und LOsungsmitteln, die Rontgenkleinwinkelstreuung(E: small angle X-ray scattering, SAXS) die Differenz der Elektronendichte von Molekulen, und die Neutronenkleinwinkelstreuung (E: small angle neutron scattering, SANS) die Differenz der kohgrenten Neutronenstreulangen von Monomereinheiten und Losungsmittelmolekulen. Statische Streulichtphotometer sind relativ preiswert und daher in vielen Laboratorien anzutreffen. Rontgenkleinwinkelmessungen sind dagegen sehr vie1 aufwendiger. Neutronenquellen sind so ausserordentlich teuer, dass SANS-Messungen weltweit nur in wenigen, hochspezialisierten Instituten ausgefiihrt werden konnen. Bei Streuverfahren unterscheidet man je nach dem Verhiiltnis der Teilchenabmessungen L zur Sonde (der Wellenlage A der Strahlung) zwei Bereiche:
Rayleigh-Bereich: Teilchen weit kleiner als die Wellenlwge (L < 0,05 A); Debye-Bereich: Teilchengrosse im Bereich 0,05 < L/A I 1/2. Der Mie-Bereich beginnt bei etwa UA > I n . Da Makromolekiile in der Regel griisser als 1 nm sind, bewegt man sich bei Neutronen- und Rantgenkleinwinkelmessungen praktisch immer im Debye-Bereich. Bei Streulichtmessungen befindet man sich dagegen oft noch im Rayleigh-Bereich.
ELF
Radio
Mikrowelle
IR S UV
Rontgen, y'
139
5. Strewnethoden
5.2.
Statische Lichtstreuung: Rayleigh-Bereich
5.2.1. Grundlagen Eintretendes Primirlicht der Intensitit I , = P,/A (= Energiefluss pro Fliche) wird beim Durchgang durch ein streuendes Medium nach dem Beer'schen Gesetz (5-1)
I = I , - Is = 1,exp (-.rL)
um die Intensitiit I , des Streulichtes vermindert. L ist der im Medium zuriickgelegte Weg und 7 der Absorptionskoeffizient der Streustrahlung. Die Gesamtintensitiit lo = I + I , bleibt konstant. Die Lichtstreuung ist somit eine konservative Absorption und nicht eine konsumptive wie die Lichtabsorption farbiger Usungen. Die Streulichtintensitiit Is betrigt bei reinen Flussigkeiten und verdunnten Usungen von Makmmolekiilen nur ca. 1/10 OOO bis 1/50 OOO der Primirintensitiit lo.Sie wird daher direkt gemessen und nicht wie bei der Turbidometrie (Nephelometrie) d s Differenz I, - I der ein- und austretenden Intensiaten. Der theoretisch einfachste Fall liegt bei verdiinnten Gasen vor. Die Teilchen (Atome, Molekiile) des Gases sind weit kleiner als die WellenlZnge &, des eingestrahlten Lichtes. Die Zahlenkonzentration N/V der Teilchen ist gering. Jedes Gasteilchen streut daher unabhilngig von den anderen Teilchen; Wechselwirkungen der Molekiile untereinander treten nicht auf. Es gibt auch keine Wechselwirkungen mit der Umgebung der Teilchen, da das "L6sungsmittel" bei verdiinnten Gasen das Vakuum ist. Bei Streuexperimenten wird ein monochromatischer Primlrstrahl der Intensitat 1, in einem Medium gestreut. Die in einem kleinen Volumen V im Abstand L von der Prim&quelle unter dem Winkel 6 beobachtete Streuintensitlt betrlgt Id. Gemessen wird das Rayleigh-VerhBltnisRfi' ( E Rayleigh ratio), das kein Verhiiltnis ist, sondem eine reduzierte Streuintensitgt mit der physikalischen Einheit einer reziproken Lilnge:
In verdunnten Gasen als Medium stammt die Streuung lediglich von der Polarisierbarkeit a der Gasteilchen (a weist die physikalische Einheit eines Volumens auf). Das elektrische Wechselfeld des eingestrdten Lichtes erzeugt in den bestrahlten Teilchen Dipole, die in Phase schwingen, und zwar umso stiirker. je grosser die Polarisierbarkeit ist. Polarisierbarkeiten sind der elektrischen Feldst5rke proportional. Intensitaten sind ferner nach dem Poynting-Theorem dem Quadrat der elektrischen Feldsurke E proportional. Also sind Streuintensitlten proportional dem Quadrat der Polarisation. Elektrische Feldstiirken sind aber auch reziprok proportional dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Lichtgeschwindigkeiten c^ sind zudem mit der WellenlZnge A uber die Winkelfrequenz o = 2 x t / A verkniipft. Wegen des Poynting-Theorems ist daher die StreuintensiCtt nach 1, E2 t4 auch einem Faktor 16 &A4 proportional. Das beobachtbare Rayleigh-Verhaltnis R,' ist ferner eine Funktion der Polarisation des einfallenden Lichtes. Bei unpolarisiertem (natiirlichem) Licht uberlagern sich linear horizontal und linear vertikal polarisiertes Licht, jedes mit gleicher Intensitat.
- -
140
5.2. Statische Lichtsrreuung: Rayleigh-Bereich
Abb. 5-2 Streudiagrammekleiner, isotroper Teilchen bei (links) vertikal und (rechts) horizontal polarisiertem Einfallslicht. Obere Reihe: Polarisiertes Licht (Wellenlinie) erzeugt einen schwingenden Dipol (starker Pfeil). Untere Reihe: Polardiagramme der Streulichtintensitn.
F U t nun vertikal polarisiertes Licht in x-Richtung auf das Teilchen, so wird ein in zRichtung schwingender Dipol induziert (Abb. 5-2). Die Feldstarke des gestreuten Lichtes ist senkrecht zur Dipolachse am grossten. In Richtung der Dipolachse ist sie dagegen gleich null. Die Feldsarke ist somit proportional zu sin OV,wobei & der Winkel zwischen der Dipolachse und der Beobachtungsrichtung ist. Die Intensitit des vertikal polarisierten Streulichtes ist folglich in der xy-Ebene unabh&gig vom Beobachtungswinkel. Bei horizontal polarisiertem Einfallslicht schwingt dagegen der Dipol in der y-Richtung. Senkrecht zur Dipolachse wird wiederum die gr6sste Intensitat beobachtet. In der y-Richtung ist die Intensitat gleich null. Die Feldstarke ist proportional zu sin &, wobei 4 der Winkel zwischen der Dipolachse und der Beobachtungsrichtung ist. Die Streuintensitgten sind den Quadraten der Feldstarken proportional, also sind die Quadrate der Sinus-Funktionen zu beriicksichtigen. Das Einfallslicht setzt sich je zur Hdfte aus den vertikal und den horizontal polarisierten Komponenten zusammen. Die Winkelfunktion betragt folglich (sin2& + sin2&)/2 = (1 + cos2t9)/2. Da bei horizontal polarisiertem Licht das Rayleigh-Verhatnis bei 19 = 90" gleich null wird, nimmt man fiir Streulichtmessungen nur unpolarisiertes oder venikal polarisiertes Licht. Das Rayleigh-Verhgtnis eines Systems mit einer Zahlenkonzentration C = N/V von N kleinen Teilchen im Volumen V ergibt sich demgemlss nach der elektromagnetischen Theorie (fiir eine exakte Ableitung vgl. Lehrbucher der Physik) bei unpolarisiertem (naturlichem) Licht mit der Wellenlange I im Medium zu
(5-3)
R,' = -
sin2 f i V ) C=- 16 ;:a2 (1
+ c;s2
19) N
V
5. Strewethoden
141
Es ist zweckmksig, das Winkelglied 1 + cos2 6 in das Rayleigh-VehiilUtnis mit einzubeziehen. Das Rayleigh-VerhZltnis Rfi = Rd'/(l + a s 2 8)h a g t dann bei kteinen Teilchen nicht mehr vom Streuwinkel 6 ab. G1.(5-3) wird in diesem Fall zu
Bei Gasen erhU man das Rayleigh-Verhiiltnis direkt aus der Streuintensitiit des Lichtes, bei Losungen dagegen aus der Differenz der Streuintensiaten von Losung und Losungsmittel. In G1.(5-4) kann dabei die Wellenlage A des Streulichtes im Medium nach A = AJn durch die eingestrahlte Wellenlhge &, ausgedriickt werden, wobei der Brechungsindex n des Mediums bei verdiinnten Losungen durch den Brechungsindex n l des Usungsmittels approximierbar ist. Als nicht direkt messbare Grlisse verbleibt die Polarisieharkeit a der Teilchen. Sie ist jedoch nach Clausius-Mosotti aus der relativen Permittivitllt E, berechenbar:
Bei Gasen ist die relative Pemittivitat er = 4~(friiher: DielektrizittItskonstante)diejenige des Teilchens im Vakuum. Die relative Pemittivitit des Vakuums ist somit E+,O = 1. Bei verdunnten Liisungen betrachtet man entsprechend die relativen Permittivitgten E, der Losung und er,l des Lbsungsmittels. Die relative Permittivitgt einer verdiinnten Ulsung ist jedoch nur geringfiigig grosser als diejenige des Ulsungsmittels. so dass man E,+ 2 ~ 1 .= 1 3 Er.1 setzen kann. G1.(5-5) wird also zu
Nach Maxwell lkst sich weiter die relative Permittiviat durch das Quadrat des entsprechenden Brechungsindex ersetzen. Es gilt also Er.1 = n12 und 4- e r . ~= n2- n12. Die Brechungsindices n verdiinnter Losungen sind femer konzentrationsabhiingig, was durch n = nl + (dn/dc)c ausgedriickt werden kann. Die Steigungskonstante dnldc ist das Brechungsindexinkrement. Quadrieren liefert n2 = n12 + 2 nl(dn/dc)c + (dn/dc)2c2. Das quadratische Glied (dn/dc)2c2 ist aber im Vergleich zu den anderen Gliedem sehr klein und damit vemachlgssigbar. Fiir die Polarisierbarkeit ergibt sich somit
G1.W) wird nach dem Einsetzen von G1.(5-7) und der Beziehung N/V = cNA/M, zu
142
5.2. Statische Lichtstreuung: Rayleigh-Bereich
Die optische Konstante Kfienthiilt ausser N A und nummerischen Konstanten nur die experimentellen Grossen nl, dnldc und A., Das Brechungsindexinkrement dnldc ist bei konstitutionell gleich aufgebauten Polymermolekiilen hoher Molmasse unabhagig vom Polymerisationsgrad. da dann die Beitrage der Endgruppen vemachlassigbar sind. Die optische Konstante Kfider G1.(5-8) ist in diesem Fall eine Systemkonstante, die nur noch von der Polymerkonstitution, dem Losungsmittel und der Temperatur abhwgt. Das Rayleigh-Verhiiltnis R s ist ebenfalls direkt messbar. Falls das Streulicht depolarisien ist, muss der gemessene RsWert jedoch noch mit dem Cabannes-Faktor
multipliziert werden. Dieser Faktor berechnet sich aus den horizontalen (Index h) und vertikalen (Index v) Streuintensitaten der Lijsung (Lsg) und des Usungsmittels (LM). Aus K 6 dem Rayleigh-Verhiiltnis R8, und der Massekonzentration c ist also die verbleibende, unbekannte Molmasse M des Gelosten absolut und ohne Modellannahmen iiber die Gestalt der Teilchen berechenbar. G1.(5-8) basien jedoch auf dem Verhalten eines Gases im Grenzfall verschwindend kleiner Drucke, also unendlicher Verdiinnung. Die M-Werte aus Messungen an Losungen bestimmter Konzentrationen c sind dagegen nur scheinbare (E: apparent) Molmassen Mapp.die noch auf die Konzentration Null extrapoliert werden miissen. um die wahre Molmasse M zu liefem (Kap. 5.2.3). Bei Teilchen mit grosseren Abmessungen als ca. 0,05 &, hagen die aus G1.(5-8) berechneten Molmassen noch vom Streuwinkel 6 ab. Sie miissen folglich noch auf den Streuwinkel 6 + 0 extrapoliert werden (Kap. 5.3). Aus der Winkelabhangigkeit lassen sich wertvolle Informationen iiber die Griisse der Teilchen entnehmen. Konventionelle Lichtstreuungsgerlte arbeiten mit inkoharentem Primirlicht, dessen Wellenlhge durch Farbfilter eingestellt wird, meist bei 435,8 nm oder 546,l nm. Wegen der Inkohaenz lassen sich nur Winkel im Bereich 375' I 6 I 142,5O vermessen. Modeme Streulichtphotometer benutzen Laser als Lichtquelle, z.B. den He-Ne-Laser mit A, = 632,8 nm. Da Laserstrahlen koharent sind, kann man hier Rdbei so kleinen Winkeln messen, dass Rfipraktisch gleich dem Rayleigh-Verhiiltnis Ro beim Streuwinkel 6 = 0 wird (Abb. 5-2) (LALLS = low-angle laser light scattering). Derartige Messungen bei 6 + 0 erlauben jedoch keine Aussagen iiber die Abmessungen der streuenden Teilchen. Umgekehrt ist Ro aber im Gegensatz zu R ~ a u c hunempfindlich auf Staubteilchen, die ja erheblich grosser als Makromolekiile sind und daher bei Streuwinkeln von 6 > 0 stark das Streuverhalten beeinflussen. auch bei kleinen Staubkonzentrationen. Da sich die Streuintensitaten von Polymeren additiv aus den Streuintensitaten ihrer i Molekiile zusammensetzen, erhdt man aus G1.(5-8) fur 6 = 0 und c + 0 den Ausdruck
Aus G1.(5-8) ergibt sich daher das Massenmittel der Molmasse zu
5. Strewnethoden
5.2.2.
143
Copolymere
Bei statistischen Copolymeren, Pfropfcopolymeren und anderen konstitutionell uneinheitlichen Polymeren sind die Brechungsindexinkremente von Molekiil zu Molekiil verschieden. Als Variable ktinnen die Brechungsindexinkremente aber nicht mehr Teil der optischen Konstanten K sein. Sie mussen mit den anderen Variablen Ci und Mi vereinigt werden. An die Stelle von K tritt also eine neue optische Konstante K :
Die Brechungsindexinkremente (dn/dc)i und die Konzentrationen Ci der verschiedenen Komponenten i sind aber nicht einzeln messbar. Erhalten wird vielmehr nur das mittlere Brechungsindexinkrement (dn / dc), und die Konzentration c des gesamten Copolymeren. G1.(5-12) wird damit zu (5-13)
Ro = K(dn/dc)cp2cMw,,,app
= scheinbares Molmassenmittel aus den experimentellen Werten von Ro, mit ii?w,.p K', c und (dn/dc)cp (fiir c + O!). Gleichsetzen der Ausdriicke fiir Ro in den G1.(5-12) und (5-13) und Einfiihren von Wi = CJC sowie (dn/dc)i t Yi und (dnl dC)cp Ycp liefert fiir das scheinbare Massenmittel des Copolymeren:
Die Abweichung des Brechungsindexinkrementes (dn/dc)i = Yi der i-ten Molekiilsorte vom mittleren Brechungsindexinkrement (dn/ dc), P Ycp des Copolymeren hiingt einerseits von der Differenz A W q i I wqcp - W q i zwischen dem mittleren Anteil wqcp der aBausteine im Copolymeren und den Massenanteilen W a i der a-Bausteine im Copolymermolekul i ab und andererseits vom Unterschied (dnldc), - (dn/dc)b = AYa,b der Brechungsindexinkremente der beiden Bausteine a und b des Copolymeren:
Aus den G1.(5-14) und (5-16) erhiilt man dann
In dieser Gleichung ist die erste Summe der rechten Seite das Massenmittel der Molmasse. Die zweite Summe stellt des erste Moment der z-Verteilung der Eigenschaft AWa dar und die dritte Summe das entsprechende zweite Moment, wie man aus den Erweiterungen mit zi = miMi sieht (vgl. Kap. 2.3.3):
5.2. Statisc he Lic htstreuung :Ray leigh-Bereich
144
(5-19)
z i w i M i A ~ &=(
(I
X i miMiAwa.i X i miMi )= ~L~'lr?~ Ci miMi Ci mi
GL(5-17) lasst sich folglich mit AY = AYa,,/Y, schreiben als
Die scheinbaren Molmassen des Copolymeren h a g e n somit vom BrechungsindexParameter AY = (Y, - Y b ) / Y q ab (Abb. 5-3). Man fiihrt daher Streulichtmessungen in Ltisungsmitteln mit stark verschiedenen Brechungsindices nl und daher unterschiedlichen Werten von Yq = (dddc), bzw. 'i"w,.p,aEe aus. Das wahre Massenmittel der Molmasse des Copolymeren ist der Wert von Mw,cp,app bei (Ya - Yb)/ycp = 0. Bei konstitutiv einheitlichen Copolymeren, wie man sie z.B. durch azeotrope Copolymensation erhat, werden wegen Aw,,~= 0 auch die ersten und zweiten Momente der Zusammensetzungsverteilung gleich null. In jedem Losungsmittel wird dam stets das wahre Massenmittel der Molmasse gemessen.
mw,,
0
-- OJ -1
-
I I I I I
0
+1
- Vsty - ya")1 y,
--
-
azeotropes Copolyrneres
.
+2
Abb. 5-3 Scheinbare Massenmittel der Molmassen (bei c + 0) eines statistischen (technischen) und eines azeotropen Copolymeren aus Styrol und Acrylnitril als Funktion des Brechungsindexparameters V s t y - yan )Pep [I].
5.2.3.
Konzentrationsabhangigkeit
Bislang wurden statistisch verteilte kleine, isotrope Molekule betrachtet, die sich unabh hg i g voneinander bewegen. Bei sehr verdunnten Losungen sind nun die durch die Brown'sche Bewegung erzeugten zeitlichen und tirtlichen Schwankungen der Ltisungsmitteldichte und Polymerkonzentration in erster Naherung unabhangig voneinander. Die Streulichtintensiat des GelBsten ergibt sich in diesem Falle einfach aus der Differenz der Stmlichtintensitiiten der LBsung und des reinen L6sungsmittels.
5. Streumethoden
145
Bei htiher konzentrierten LUsungen uifft dies nicht mehr zu. Hier weicht vielmehr die momentane Polarisierbarkeit a eines Volumenelementes um einen Betrag A a von der mittleren Polarisierbarkeit (a)der Usung ab. In G1.(5-4) wird daher das Quadrat der Polarisierbarkeit zu a2 = ( ( a )+ Aa)2 = ( a ) 2 + 2 ( a ) A a + (Aa)2. Die mittlere Polarisierbarkeit ( a ) ist nun fiir alle Volumenelemente gleich gross; sie triigt nichts zu dem von der Schwankung stammenden Betrag der Polarisierbarkeit bei. Die mittlere Schwankung Act urn die mittlere Polarisierbarkeit ist ebenfalls gleich null. Nur (Aa)2 steuert etwas zur Schwankung bei. Diese Gr6sse ist aber eigentlich ein Mittelwert (Aa)2. Die Berechung von (Aa)2 ist sehr aufwendig (s. Spezialliteratur). Das wesentliche Resultat dieser Rechnungen ist jedoch, dass G1.(5-10) um das Mittel ( ( A c ) ~ der ) Quadrate der Konzentrationsschwankungen Ac enveitert werden muss. Diese Schwankungen sind der Konzentration proportional. G1.(5-10) muss daher noch mit c2 normalisiert werden, urn die korrekten physikalischen Einheiten zu erhalten. Beirn Streuwinkel 19 = 0 wird femer (1 + cos2 19)/2 = 1. Statt RO = K c Z T ~e m a t man
Die Thermodynamik fiihrt die Konzentrationsschwankungen auf eine Anderung der Konzentrationsabh2ngigkeit der Gibbs-Energie G bzw. auf die Konzentrationsabhbgigkeit des chemischen Potentials p1 des Ltisungsmittels zuriick
pl,,, ist das partielle molare Volumen des Lasungsmittels 1. Die Konzentrationsabhbgigkeit des chemischen Potentials l a s t sich bei nichtussoziierenden Polymeren durch
ausdriicken (Kap. 10.4). Die Koeffizienten dieser Reihenentwicklung sind die Virialkoeffizienten (E: virial coefficients). Der erste Virialkoeffizient A1 ist mit der reziproken Molmasse identisch, bei molekularuneinheitlichen Polymeren also mit dem reziproken Massenmittel der Molmasse. Der zweite Virialkoeffizient A2 ist ein Mass fiir die thermodynamische Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen, der dritte Virialkoeffizient A3 ein solches fiir Wechselwirkungen zwischen drei Ktirpem. Einsetzen der G1.(5-22) und (5-23) in G1.(5-21) liefert mit kg = R / N A die Konzentrationsabhmgigkeit von KdRo. d.h. beim Streuwinkel 6 = 0: (5-24)
KClRo = (l/Ew) + 2 A ~ +c 3 A3c2 + ...
Bei Streulichtmessungen an polymolekularen Polymeren erhat man zwar das Massenmittel Hwder Molmasse (Kap. 5.2.1), aber einen wesentlich komplizierteren Ausdruck fiir den zweiten Virialkoeffizienten:
Dieser Mittelwert unterscheidet sich von denen aus kolligativen Methoden (Kap. 10-4).
146
5.2.4.
5.2. Statische Lichtstreuung: Rayleigh-Bereich
Mischliiser
Lichtstreuungsmessungen werden manchmal in Mischlosem ausgefuhrt, und zwar weil entweder einkomponentige LUsungsmittel nicht zugaglich sind oder weil man die bevorzugte Wechselwirkung einer der beiden Mischloserkomponenten mit dem Polymeren studieren mdchte. Ein solcher Mischloser kann aus zwei Liisungsmitteln bestehen, einem Ldsungsmittel und einem FUungsmittel oder sogar aus einem Gemisch aus zwei F2llungsmitteln, das dann als Mischldser wirkt (Kap. 10.1.3). Durch Mischloser wird ein thermodynamisches und ein optisches Problem erzeugt. Zum einen treten zu den Fluktuationen der Polymerkonzentrationen (Kap. 5.2.3) noch Fluktuationen der Zusammensetzung des Mischlosers. Zum anderen wechselwirken Molekiile der Mischldserkomponente 1 oft bevorzugter mit dem Polymeren 2 d s Molekiile der Mischldserkomponente 3. Diese Vorzugssolvatation wird in der Literatur haufig als Vorzugsadsorprion bezeichnet (E: preferential adsorption), obwohl es sich nicht wie bei einer echten Adsorption wn ein Geschehnis an einer Phasengrenzfliche handelt. Da die Fluktuationen der drei Komponenten gekoppelt sind, ist das Brechungsindexinkrement dnldc nicht mehr unabhagig von der Polymerkonzentration wie im Fall einer zweikomponentigen Mischung aus dem Polymer 2 und dem Liisungsmittel 1. Die Beitrtige der beiden Komponenten 1 und 3 des Mischlosers kdnnen jedoch von demjenigen des Polymeren 2 getrennt werden, wenn man jeweils bei konstantem chemischen Potential Ap des Mischlosers arbeitet. Zu diesem Zweck w i d die Ldsung des Polymeren im Mischloser gegen den Mischldser dialysiert. Im Dialysegleichgewicht sind die drei chemischen Potentiale Ap1, Ap2 und Ap3 gleich gross. Bei konstantem chemischen Potential des Mischlosers nimmt der Brechungsindex des Mischlosers den Wert np und das Brechungsindexinkrement der LUsung den Wert (dnldc)p an. In G1.(5-24) ist dann f i r die Konzentration c die jeweilige Polymerkonzentration c,, im Dialysegleichgewicht und nicht die urspriingliche Konzentration c im Mischloser einzusetzen:
Ro ist bei kleinen Molekiilen unabhwgig vom Beobachtungswinkel. Die Extrapolation auf die Konzentration cp -+ 0 des Polymeren liefert dann bei molekularuneinheitlichen Homopolymeren das wahre Massenmittel der Molmasse. Das A ~ , L sder G1.(5-26) ist jedoch nicht identisch mit dem AZ,LS der G1.(5-24). Arbeitet man dagegen nicht bei konstantem chemischen Potential, sondem venvendet den jeweils gleichen Volumenbruch 91 = 1 - 93 der Komponente 1 des Mischlosers, so wird aus dem Ordinatenabschnitt der Funktion Kc/Ro = f ( c ) nicht das reziproke Massender Molmasse erhalten, sondem ein scheinbares Massenmittel Ma, = mittel Hw Aus der Steigung bei jeweils 6 + 0 erh2lt man gleichfalls nicht den 2.Virialkoeffizienten A Z , ~sondem , einen scheinbaren Virialkoeffizienten A~,Ls/@:
147
5. Strewnethoden
Der die Abweichung von den wahren Werten hervonufende Faktor @ ist durch die Anderung dn/d#l des Brechungsindex n der LBsung mit dem Volumenbruch #1 der Komponente 1 im MischlBser und die Anderung (dn/dc)# des Brechungsindex n der LBsung mit der Polymerkonzentration c bei konstantem Volumenbruch #1 (aus schreibtechnischen Griinden als Index # statt als #I) des MischlBsers gegeben, sowie durch den Koeffizienten N der Vorzugssolvatation ("selektiver Adsorptionskoeffizient"):
Bei isorefraktiven Komponenten 1 und 3 des MischlBsers bdert sich der Brechungsindex nicht mit der Zusammensetzung des MischlBsers. In G1.(5-28) wird dn/d@l gleich Null und Y somit gleich 1. In MischlBsem aus isorefraktiven Komponenten erhat man also das wahre Massenmittel der Molmasse und den wahren zweiten Virialkoeffizienten. Bei nicht-isorefraktiven Komponenten 1 und 3 lisst sich der noch vom Volumenaus Messungen in einheitlibruch 91 abhbgige Koeffizient N ennitteln, wenn man gw chen Usungsmitteln kennt und die GrBssen dn/d@l und (dn/dc)# refraktometrisch bestimmt. Altemativ kann man die G1.(5-26) und G1.(5-27) kombinieren und N fiir c,, = c aus der Abhbgigkeit von (dn/dc)p = f(dn/d@1)berechnen: (5-29)
(dn/dc)p =(dn/dc)# +N(dn/d@l)
Der Koeffizient X der Vomgssolvatation beschreibt nach G1.(5-29) die Differenz des sich in der Niihe der Polymerkette aufhaltenden Volumens Vl,,, der Kornponente 1 zum mittleren Volumen V1 der Komponente 1 pro Masse mu der Monomereinheiten. N Werte k6nnen sowohl positiv als auch negativ sein (Tab. 5-1). Bei positiven Werten halten sich die Molekiile der Sorte 1 bevorzugt in der N2he der Polymerkette auf.
Tab.5-1 Scheinbare Molmassen fl Hw, Brechungsfaktor R,Koeffizient N und Parameter 9der Vorzugssolvatation (GL(5-30)) nach Streulichtmessungenan Poly(stp1) (PS) [2.3] und Poly(2-hydroxyethylmethacrylat) (PHEM)[3,4] in MischlBsem aus den Komponenten K1 und K3 mit dem VolumenbmCh Q i l = 1 - h. Vl,&nL m&) = 88,90 (Benzol) bzw. 74,79 (Propanol); M,/(g mol-*) = 104.15 (PS) bzw. 130,14 (PHEM).
PS
Benzol
Cyclohexan
1.00 0,75 0,50
0,35 PHEM
Propanol
Wasser
0,25 1 ,00 0,95
0,80 0,60 0,40 0,20
413 OOO 446 OOO 478 OOO 477 OOO 449 OOO 225 OOO 210 OOO 170 OOO 185 OOO 260 OOO 280 OOO
1 0,680 0,552 0,498 0,439 1 0,358 0,303 0,385 0,439 0,480
0 0,058 0,137 0,150 0,097 0 - 0,095 - 0,432 - 0,242 0,171 0,240
0 0,07 0.16 0.18 0,ll 0 - 0,17 - 0,75 - 0,42 0,30 0.42
5.2. Statische Lichtstreuung: Rayleigh-Bereich
148
I
m
I 0
0.2
0,4
0,6
0.8
I
- 4 Abb. 5-4 Vorzugssolvation 9 als Funktion des Volumenbruches der Kornponente 3 eines Mischlosers bei Poly(styro1) (PS)und Poly(2-hydroxyethylmethacrylat)(PHEM)(Daten der Tab. 5-1). 0 Experimentelle Daten, 0 extrapolierte Werte. Nimmt man an, dass die Dichten p1 der 1-Komponente in der N2he der Kette und weit entfemt davon jeweils gleich sind, so kann man die Volumina nach Vi = mJp1 durch die Massen mi ausdriicken. Die Massen m sind nach Mi = miNA/Ni mit den Molmassen Mi und Molekiilzahlen Ni verkniipft. Das Molvolumen Vl,,,, = Vl/nl = Ml/pl sollte ersetzt werden: femer wegen der Dichtehderung durch das partielle Molvolumen
Die Grtisse 3 = (Nl,, - N1)/Nu beschreibt die Vorzugssolvatation als Exzess Nl,"- N1 der Zahl der 1-Molekule pro Zahl Nu der Monomereinheiten relativ zum Durchschnitt. Bei Poly(styro1) im guten Losungsmittel Benzol (K1) lauft die Vorzugssolvatation bei Zusatz des sehr schlechten LBsungsmittels Cyclohexan (K3; T c e) durch ein Maximum (Abb. 5-4). Der Kurvenverlauf ist nach weiteren Messungen (nicht gezeigt) praktisch unabhagig von der Molmasse des Polymeren. Im Maximum befindet sich in der Nihe der Kette nach G1.(5-30) pro 1/0,25 = 4 Monomereinheiten ein Benzolmolekiil mehr als es dem Durchschnitt entspricht. Weder bei $1 = 1 noch bei $q = 1 gibt es eine Vorzugssolvatation (3= 0). Bei Ldsungen von Poly(2-hydroxyethylmethacrylat) in Propanol (K1) durchlaufen die N-Werte von 3 = 0 bei $1 = 1 (93 = 0) mit steigendem Anteil des F2Uungsmittels Wasser (K3) dagegen zunachst ein Minimum bei negativen Werten, um erst d a m mit $1 anzusteigen. Bei kleinen Konzentrationen werden also nicht die Molekiile des Lbsungsmittels Propanol bevorzugt angelagert, sondem vielmehr Wassermolekiile. offenbar an die Hydroxylgruppen der Seitenketten. Es ist unklar, ob die 3-Werte wie in Abb. 5-4 gezeigt bei $q = l - $1 = l dem Wert l zustreben, don bei einem Wen von 3 =1/2 einlaufen oder sogar nach Durchlaufen eines Maximums wieder bei 3 = 0 einmiinden.. Theoretische Studien zum Einfluss der Temperatur auf die Vorzugssolvatation scheinen nicht bekannt zu sein. Experimentell wurde sowohl eine Konstanz als auch eine Abnahme von 3 mit der Temperatur gefunden, jeweils bei $1 = const.
149
5. Stremethoden
5.3.
Statische Lichtstreuung: Debye-Bereich
5.3.1. Grundlagen Alle vorstehenden Ableitungen bezogen sich auf Molekiile, deren Abmessungen klein gegen die Wellenlhge &, des einfallenden Lichtes sind. Bei grtisseren Abmessungen als ca. 0,05 & muss das Molekiil durch mehrere Streuzentren reprzsentiert werden. Die von diesen Zentren unter dem jeweils gleichen Winkel gestreuten Wellen weisen einen Gangunterschied A auf (Abb. 5 - 9 , der vom Cosinus des Streuwinkels 19 abhhgt: (5-31)
A=&=&-&=i&l-cos
t3)
Die von den verschiedenen Streuzentren ausgehenden Wellen stammen alle von der gleichen Lichtquelle. Sie ktinnen daher interferieren. Die auftretende Interferenz ist durch den Gangunterschied A bedingt, der nach G1.(5-31) wiederum durch den Streuwinkel kontrolliert wird. Das Verhilltnis z der Streuintensitzten bei zwei verschiedenen Beobachtungswinkeln ist somit ein Mass fiir die auftretenden Interferenzen (Abb. 5-5). Es wird als Dissymmetrie bezeichnet und experimentell meist bei den Winkeln 45" und 135" gemessen; in diesem Falle gilt z = R&135.
-= C grosses Teilchen
kleines Teilchen
270°
O0
roses Teilchen
Abb. 5-5 Links: Phasenverschiebung bei der Lichtstreuung an zwei Streuzentren A und B eines grossen Teilchens. Rechts: Berechnete Streudiagramme bei unpolarisiertem Einfallslicht. Beim kleinen Teilchen wurde ein Durchmesser von weniger als ca 0,OS & angenommen, beim grossen Teilchen eine monodisperse Kugel mit einem Durchmesser der halben Wellenlage & des Einfallslichtes.
GrUssere Teilchen besitzen mehr Streuzentren bzw. grtissere Absthde zwischen den Streuzentren als kleinere. Die gr6sseren Gangunterschiede erzeugen stzrkere InterferenZen und damit grtissere Dissymmetrien. Die Dissymmetrie ist somit ein Mass fiir die GrCTsse der Teilchen. Sie wird jedoch ausser von der Molmasse noch von der Form der Teilchen kontrolliert. Jede Teilchenform kann durch eine charakteristische L h g e charakterisiert werden. Eine solche L b g e ist 2.B. der Durchmesser d = L einer Kugel bzw. eines Scheibchens, die L h g e L eines St2bchens oder der Fadenendenabstand (r2)lI2 = L eines statistischen Knguels. Einer bestimmten Dissymmetrie entsprechen je nach Teilchenform verschiedene charakteristische L h g e n (Abb. 5-6). Aus der Dissymmetrie l a s t sich die charakteristische L h g e somit nur dann entnehmen, wenn die Teilchenfonn anderweitig bekannt ist.
150
5.3. Statische Lichtstreuung: Debye-Bereich
7.
I
Kugeln
Scheibchen
N
1 3
1
Abb. 5-6 Dissymmetrie z = R45/R135 als Funktion der reduzierten Dimension niL& = LIA verschiedener molekulareinheitlicher Teilchen. L = Hauptabmessung, d.h. die Liinge bei Stiibchen, der Durchmesser von Kugeln und Scheibchen bzw. die Quadratwurzel aus dem Mittel uber die Quadrate der Fadenendenabstllnde bei Knheln. nl = Brechungsindex des Liisungsmittels, & , = Wellenliinge des eingestrahlten Lichtes, A = Wellenliinge im Medium.
5.3.2.
Streufunktion
Ohne Annahmen iiber die Form der Teilchen kommt man aus, wenn das RayleighVerWltnis eines grossen Teilchens nicht nur bei zwei Winkeln gemessen wird. sondem bei sehr vielen. Der Einfluss der Interferenz wird so durch eine fiir unendliche Verdiinnung geltende (Einzelteilchen!) Streufunktion erfasst (E: particle scattering factor):
\-
--,
P(n\ = , I ,
*
experimcntck Sircuintensitat beim Winkel t9 _-Rq Streuintensiut beim gleichen Winkel ohne Interferenz &
Diese Streufunktion ist keine Funktion des Streuwinkels selbst (und aus diesem G m de nicht als P ( 0 ) geschrieben), sondem eine des Streuvektors q (und darum als P ( 4 ) wiedergegeben). Der absolute Weft von q betragt
Die fiir 0 + 0 geltende G1.(5-24) wird mit G1.(5-32) und einem analogen Streufaktor P'(4) fiir den Beitrag der intennolekularen Wechselwirkungen zu
Die bei verschiedenen Winkeln und Konzentrationen gemessenen reziproken scheinbaren Molmassen l/Mam =_ Kc/Rq miissen dahcr noch auf den Winkel 0 und die Konzentration 0 exti-apoliert werden, um das wahre Massenmittel der Molmasse zu erhalten. Dazu muss man die Streufunktion kennen.
151
5. Streumethoden
Zum Berechnen der Streufunktion P ( q ) nimmt man ein grosses Teilchen mit einer Anzahl N von Smuzenmn in einem einheitlichen elektrischen Feld an. Je zwei Smuzenmn befinden sich im Abstand rc. Die einfallende elektromagnetische Strahlung eneugt in jedem Streuzentrum einen schwingenden Dipol, der Streustrahlung aussendet. Die an den Punkten i und j im Raum henschenden elektrischen Felder der Streustrahlung sind jeweils durch Wellenvektoren k charakterisiert. Zwischen je zwei solcher Vektoren besteht ein Vektor q = ki - kj, dessen Modul die Winkelvariable q der G1.(5-33)) ist. Das Aufsummieren der von allen N Streuzentren stammenden Intensiaten fiihrt zu der Streufunktion eines starren. raumlich festgelegten Teilchens. Bei isotropen Ltisungen kann ein solches Teilchen aber alle mtiglichen Lagen einnehmen. Die mittlere Streufunktion eines solchen statistisch orientierten starren Teilchens beliebiger Gestalt ist dam durch die 1915 erstmals fiir die Rtintgenstreuung abgeleitete Debye-Gleichung gegeben:
Bei Makromolekiilen mit flexiblen Ketten andem sich ausserdem stiindig die Abstiinde rij. Der Ausdruck der G1.(5-35) muss in diesem Fall noch zeitlich gemittelt werden. P ( q ) ist dann die iiber alle Makrokonformationen gemittelte Streufunktion. Die Doppelsumme der G1.(5-35) kann fiir qrij 3
+...
; l-x=(l+x)-l
; -=1+--1
P(q)
q2(s2)
3
...
Die Zimm-Gleichung erlaubt. aus der anfunglichen Funktion 1/P(q) das Mittel iiber die Tragheitsquadrate beliebig geformter Teilchen zu ermitteln. Wegen der Beschr2nkung auf ( ~ 0 sagt ~ ) sie jedoch nichts iiber die Form der Teilchen aus, die sich in den htiheren Gliedern 2 wird 6 < 1. Die Funktion l/P,(q) =f(42sg2) ist nicht mehr linear, da nunmehr l/Pg(q) - - surker als proportional zu q2sg2 zunimmt. Die Kurve biegt sich nach oben. Fur Mw/M,, c 2 ist es gerade umgekehrt. Der Einfluss der Polymolekularitat macht sich erst bei Werten von q > 1 bernerkbar, wie man aus einer Auftragung von q112P(q)als Funktion von q112sieht (Abb. 5-9). Das experimentell durch Messungen der Licht-, Rontgenkleinwinkel- und Neutronenkleinwinkelstreuung erhaltene Trigheitsquadrat (s2)app= (s2) + sa2 enthat noch den Beitrag sa2 des Kettenquerschnittes. Dieser Beitrag kann bei hohen Molmassen vemachlgssigt werden, f a l t aber naturgemiss bei Oligomeren ins Gewicht. Bei einem Poly(styrol) mit Hw= 578 gmol reduzierte sich z.B. der experimentelle TCigheitsradius von (s2)l12= 0,475 nm nach der Korrektur fiir die Kettendicke auf (s2)ln= 0.339 nm. Bei Knlueln im gestorten Zustand muss femer noch fiir das ausgeschlossene Volumen korrigiert werden. Im Allgemeinen nimmt man dazu die gleichen Ausdriicke fiir P ( q ) wie fiir ungestorte Knsuel an. Der Tragheitsradius wird dann nach (s2) = as2(s2)o lediglich um den Expansionskoeffizienten a, erhoht. Streng genommen muss man aber noch den nicht-Gauss'schen Charakter der gestorten Knauel beriicksichtigen.
Wurmartige Ketten Die Streufunktion fiir wurmartige bzw. steife Ketten mit der Konturlage Lkette und (Kap. 4.3.9) wurde wie bei flexiblen Knaueln ebenfalls fiir Ketder Persistenzliinge ten ohne ausgeschlossenes Volumen berechnet. Sie lautet
bS
(5-56)
157
5. Strewnethoden
L,,, 1L,,
,
steifes Surbchen
81
0
I4 2
0 2
0
6
4
-P
8
10
-
Abb. 5-10 Abhiingigkeit das Produktes q2s2P(q)von qs bei Knauelmolekiilenmit verschiedenen VerMtnissen L,-,,,,J$s von konventionellen Konturhgen Lmt zu Persistenzltingenb [7a]. Da die zugrunde gelegte Kratky-Porod-Kette definitionsgembs langreichendeWechselwirkun en ausschliesst (Kap. 4.3.9), entsprechen die Tr2gheitsradien denen im ungestcIrtenZustand, also ( )a1n.Der Wert von LmJLp = 0 entspricht demjenigen eines steifen SCibchens, der von LconJL = einem v8llig flexiblen -el. Ein Wext von qs = 10 entspricht bei nl = 1.5 einem Wert von ($n = 0.75 &.
-
3
In dieser Gleichung ist u ein modifizienes Quadrat des Smufaktors q: (5-57)
u=
LketteLps
3
2
4 =
(p;)
k e t t e L p , 4~
2
3
Die Konturlange ist nach Lketfe = NKLK durch die ZaN N K und die Liinge LK der = L K / ~ist halb so gross Kuhn-Elemente gegeben (Kap. 4.3.5). Die Persistenzliinge hS wie die Kuhn-Lage (Kap. 4.3.9). Das Trlgheitsquadrat (s2) der wurmartigen Kette lSIsst sich nach G1.(4-51) durch die Persistenzl2nge und die ZaN N K der Kuhn-Elemente ausdriicken, so dass P(q) und qs berechnet werden kbnnen. Das Verhalten wurmartiger Ketten lasst sich am Besten in einem Kratky-Diagramm veranschaulichen. In einem deranigen Diagramm tr3gt man q2s2P(q) als Funktion von qs auf (Abb. 5-10). Wie man bereits qualitativ vermutet, liegen die Streufunktionen von wurmartigen Ketten zwischen denen von flexiblen Knaueln und steifen Stabchen. Bei grossen Persistenzlagen bsim Vergleich zur Konturlhge Lcont werden solche Ketten zu steifen S t a h e n (LconJhs + 0), bei kleinen Verhdmissen Lc,nJbS dagegen zu flexiblen Knlueln (L,,JLp, + -). Bei Werten von q s c 2 kann nicht zwischen St2bchen und Knaueln unterschieden werden (entspricht s = 95 nm bei 6 = 90°, & = 632.8 nm und nl = 1,5). Die q2s2P(q)Wene von molekulareinheitlichen Knlueln niihem sich nach G1.(5-50) fiir qs -+ dem Wen 2. Far Stgbchen streben sie dagegen asymptotisch einer Geraden mit der Neigung ~ / ( 2 - 3 I nzu, ) wie aus G1.(5-48) und s2 = L2/12 hervorgeht.
-
158
5.3. Statische Lichtsrreuung: Debye-Bereich
Sternmolekiile Die Streufunktion wurde fiir stemartige Polymermolekiile berechnet, deren f gleich lange Arme aus einem gemeinsamen, unendlich diinnen Zentrum spriessen. Jeder Arm soll ein ungestortes Knauel mit einer Gauss-Statistik der raumlichen Segmentverteilung bilden. Ausgeschlossene Volumina sollen daher abwesend sein. Das Resultat ist
(5-58)
P(q)=&[q2s2 q s
- f + f e x p [ - F ] + y (
[
1-exp --
Anders als bei linearen Kniluelmolekiilen (f = 2) laufen bei sternftirmig verzweigten Molekiilen (fl3) die q2s2P(q)-Werte als Funktion von qs durch Maxima (Abb. 5-11). Das Maximum ist jedoch bei f = 3 nur sehr schwach ausgepdgt. Mit steigender Zahl f der Arme wird das Maximum immer stirker und die Kurvenform n2hert sich f i r f + immer mehr dejenigen fiir Kugeln an. Bei Kugeln wird nach Durchschreiten des Maximums ein Minimum bei sehr niedrigen Werten von q2s2P(q) durchschritten. Solche Minima sind auch bei Stemmolekiilen vorhanden, allerdings entweder bei qs > 10 fiirf > 3 (nicht gezeigt) oder aber sehr flach (f = 3). Die Maxima bei stemfonnigen Molekiilen werden also nicht durch die Verzweigungen per se erzeugt, sondem durch die dadurch hervorgerufene Ann2herung an die Kugelgestalt. Das der Gl.(5-58) zu Grunde liegende Modell gibt die Tragheitsradien von Stemmolekiilen mit sehr langen, ungestorten Armen recht gut wieder (Abb. 4-29). Im Allbei konstanter Zahl gemeinen laufen jedoch die Verzweigungsindices g, = (s2)t,,/(s2)u, der Arme mit steigender A r m k g e durch Maxima. Im Bereich mittlerer Armlagen werden also verhiltnismassig zu hohe Tragheitsradien gefunden, und zwar, weil die Segmentverteilung jedes Arms in der Niihe des kleinen (!) Kems durch die Segmente der anderen Anne behindert wird. Das Maximum ist umso hoher, je mehr Arme vorhanden sind. Bei kuaen Amen wirkt sich diese Behinderung nur wenig aus. Die Arme sind aber zu kurz, um eine Gauss-Statistik anzunehmen. Die Tfigheitsradien sind zwar niednger als im Maximum, aber immer noch grlisser als von G1.(5-58) gefordert. 2 ungestorte Kniluel
4
I
10
0.5
100
0 0
2
4 qs
6
+
8
10
Abb. 5-1 1 Kratky-Diagramme fiir stemfhnig verzweigte, molekulareinheitliche Makromolekiile rnit f = 3,4, 10 oder 100 Armen, sowie lineare Molekiile (f= 2). jeweils im ungest6rten Zustand. Zum Vergleich kompakte Kugeln (gezeigc nur das erste Maximum, s. Abb. 5-15 und 5-16).
159
5. Streumethoden
Kammmolekiile Ein Kammmolekiil besteht aus einer Hauptkette mit dem Polymerisationsgrad X, an der sich total 2 If IX Seitenketten befinden (f = 1 entspricht einem Stemmolekiil). Die Seitenketten sind im allgemeinen Fall in unregelmiissigen AbstStnden zueinander angeordnet. Sie besitzen jeweils den Polymerisationsgrad Ni, der von Seitenkette zu Seitenkette variieren kann. Das Kammmolekiil weist also den Gesamtpolymerisationsgrad Xmt = X +flvi auf. Der Stoffmengenanteil an Monomereinheiten in der Kette (bezogen auf alle Monomereinheiten) ist folglich x = X/Xbt. Streufunktionen wurden f i r den allgemeinen Fall (Typ 111). den Fall rnit gleich langen Seitenzweigen Ni (Typ 11) und den Fall mit gleich langen Seitenzweigen und regelmilssigen Abstltnden zwischen den Verkniipfungen der Seitenzweige mit der Kette abgeleitet (Typ I). Kammmolekiile vom Typ I11 entstehen 2.B. beim radikalischen Pfropfen von Monomeren auf bereits existierende Polymerketten. Die Streufunktionen aller drei Typen sind recht kompliziert und experimentell nicht einfach uberpriifbar, so dass hier nur der Typ I bespmchen wird. Zum Ableiten der Streufunktion des Typs I werden sehr lange Hauptketten und sehr lange Seitenketten angenommen. Die rhmliche Segmentverteilung soll der Gauss-Statistik folgen; ausgeschlossene Volumina sollen also wiederum nicht vorhanden sein. Fur den Typ I ergibt sich dann mit Q = q2s2, x = X/Xtot und der Zahlf der Seitenketten (5-59)
2 P ( q ) = 7 ( Q - 1+ exp (- xQ) + A Y + BY')
Q
Ein Spezialfall des Typs I sind die Polymeren von Makromonomeren. 2.B. diejenigen des Poly(methylmethacry1at)esdes PolymerisationsgradesX mit Seitenketten aus N Styroleinheiten:
4-l
PMMA-C-PS
YHZ CH+24OO(CH2)2-(CH-CH2)hrCH,CH(CH(CH&
LC-IX
I
'SH5
Jede Monomereinheit weist hier eine Verzweigungsstelle auf. Zwischen je zwei Verzweigungsstellen befinden sich in diesem Spezialfall 0 Monomereinheiten und die Zahlf der Venweigungspunkte pro Molekiil ist gleich dem Polymerisationsgrad X der Kette. Der Stoffmengenanteil x der Monomereinheiten in der Kette berechnet sich fiir diesen Spezialfall zu x = X/Xtot = X/(X + XN) = 1/(1 + N). PMMA-c-PS mit N = 28 und einer entsprechenden Molmasse von M U = 3082 g/mol der Monomereinheit wurden im Bereich 6 IX I 2600 untersucht (Abb. 5-12). Da Streulichunessungen die Tragheitsradien nur fiir M, > %lo5lieferten, wurde statt dessen der viskosimetrische Parameter @s3/M) = [q] verwendet (GI.( 12-27)).
160
5.4. R6ntgenkleinwinkelstreuung
h
-L l o o : cl
E
W
2 rr,
30 -
h
%
\
8
W
I
lo
i
31
- -
8 -.... h.= 5.'......
. '..''...
'
Man sieht mittelbar, dass die ublichen Annahmen der Theorie fiir die Poly(makromonomer)en nicht zutreffen. Die Seitenketten sind zu kun. und auch entlang der Kette zu eng gedrhgt. um Kniuel mit einer Gauss-Statistik auszubilden. Zumindest die sich nahe bei der Hauptkette befindenden Monomereinheiten der dicht aufeinander folgenden Seitenketten versteifen die Hauptkette. Diese "dicke" Hauptkette muss sich also bei gr6sseren Polymerisationsgraden X wie eine steife, wurmartige Kette verhalten, wobei wegen des nicht zu vemachlassigenden Durchmessers d der mit den Seitenzweigen bestiickten Kette noch die ausgeschlosssenen Volumina zu beriicksichtigen sind. Steife Ketten mit ausgeschlossenen Volumina verhalten sich aber bei sehr grossen Polymerisationsgraden wie flexible Kniuel mit ausgeschlossenen Volumina, fiir die in der Beziehung [q]= KvMa ein Exponent von a = 0,764 erwartet wird (Kap. 12.3.7). Experimentell wurde ein Wert von a = 0,75 gefunden (Abb. 5-12). Bei sehr kleinen Polymerisationsgraden X ist die Hauptkette kurzer als die Seitenketten und man wird eine mehr kugelf6rmige Gestalt der Polymermolekiile erwarten. Fur Kugeln wird aber in [ q ]= KvMu ein Exponent von a = 0 vorhergesagt, was in der Tat f i r Polymerisationsgrade von X c 58 gefunden wird.
5.4.
RontgenkIeinwinkelstreuung
5.4.1. Grundlagen Tragheitsradien geldster Polymennolekiile sind mit der statischen Lichtstreuung im Bereich 0.05 I (s2),lD/A 5 0 , s bestimmbar, d.h. bei blauem Einfallslicht (A, = 436 nm) im Bereich 22 I ( ~ ~ ) ~ ~ I/ ~220 / nund m bei He-Ne-Laserlicht (A, = 6328 nm) im Bereich 32 I (~~),'/~/nm I 320. In diesen Bereichen liegen die Tragheitsradien vieler Makromolekule. Bei derartigen Tragheitsradien, Streuwinkeln, Wellenl3ngen und Brechungsindices befindet man sich aber auch meist im Guinier-Bereich, so dass man zwar die Trtigheitsradien ermitteln kann. nicht aber die Gestalt der Molekule.
161
5. Strewnethoden
Kleinere Triigheitsradien bis herunter zu ca. 1 nm k6Men wegen der vie1 kleineren Wellenlagen von Rtintgenstrahlen mit der Rtintgenkleinwinkelstreuung erfasst werden. W2hrend aber bei Lichtstreuungsmessungen (400 nm - 700 nm) die WellenlWgen g a s ser als die Tr2gheitsradien sind, ist es bei Rtintgenkleinwinkelmessungen gerade umgekehrt: &, = 0,154 nm bei der Cu-&-Strahlung zum Messen von (s2),lI2 2 1 nm. Die iiber 10oO mal kleineren Wellenlagen gestatten, mit der Rtintgenkleinwinkelstreuung feinere Details der Polymerstruktur als bei der Lichtstreuung zu erfassen. Da die Theorie der Streuung der elektromagnetischen Strahlung fiir alle Wellenlagen gilt, bleiben sowohl die Beziehungen fiir die WinkelabhWgigkeiten der Streufunktionen als auch diejenigen zwischen der Streufunktion und der Molmasse bzw. dem TrBgheitsradius erhalten. In den G1.(5-11) und (5-34) Udert sich lediglich die optische Konstante K& weil die Rtintgenkleinwinkelstreuung (E: small angle X-ray scattering; SAXS) auf Elektronendichten anspricht und nicht wie die Lichtstreuung auf Polarisierbarkeiten (und damit auf Brechungsindices). Die optische Konstante wid hier zu
rnit Ape = (NJM) - 9 C , l = Exzess-Elektronendichte des Polymeren. e = Ladung eines Elektrons, m e = Masse eines Elektrons, Ne = Zahl der Elektronen pro Polymennolekiil der Molmasse M und dem partiellen spezifischen Volumen V2, Ce,l = Zahlenkonzentration der Elektronen im Usungsmittel und E = Lichtgeschwindigkeit im Medium. Um bei SAXS den gleichen Effekt wie bei der Lichtstreuung LS zu erhalten. muss die Gasse (1/3)[(4 zn1)/&,]2 [sin2(6 /2)] (s2) bei SAXS und LS gleich gross sein. Was man bei LS bei Lo = 436 nm und 6 = 90' in einem Usungsmittel rnit dem Brechungsindex n l = 1.45 (i.e., A = 436 nm/1.45 = 300 nm) beobachtet, muss man somit bei der Rtintgenkleinwinkelstreuung mit A = 0.1 nm bei einem Winkel von 6 = 0,027' messen! Bei diesen kleinen Winkeln ist die Streufunktion durch die Guinier-Gleichung (5-61)
=
P ( q ) exp( -
$1
;
q = (4 z/A) sin (t9/2)
approximierbar. Auftragen von In P ( q ) gegen q2 sollte also in diesem Bereich unabhibgig von der Teilchengestalteine Gerade rnit der Steigung - s2/3 liefem. Der Guinier-Bereich kann jedoch nicht immer bei genugend kleinen q-Werten erreicht werden. Verzweigte Polymere weisen z.B. relativ hohe Dichten und kleine Dimensionen auf. Bei SANS- und SAXS-Messungen ist daher bei solchen Polymeren die Guinier-Funktion der G1.(5-61) nicht bei geniigend kleinen q-Werten messbar (Abb. 5-12. links) und man muss andere Auswerteverfahren venvenden. z.B. das Zimm-Verfahren l/P(q) =f(q2)(Abb. 5-13, rechts). Benutzt man jedoch einen grtisseren q-Bereich. so lasst sich die Streufunktion wegen experimenteller Unsicherheiten. Polymolekularitgten, anwesender ausgeschlossener Volumina und/oder nichtidealer Feinstrukturen (s. unten) oft nicht sicher den bekannten theoretischen Streukurven fiir ideale Strukturen anpassen. z.B. dejenigen der G1.(541) fiir kompakte. isotrope Kugeln. Dazu kommt, dass einige Auswerte-Methoden mathematische N2herungen sind, z.B. die Zimm-G1.(5-38) fiir ungesarte Knguel mit einer Gauss-Verteilung der Segmente. Die so berechneten Trggheitsradien sind dann verschieden (Tab. 5-2).
: 0.2 * 0 0
1
2
3
4
5
0
1
2
3
4
5
- q2 1 nm-2 + Abb. 5-13 RtintgenintensiWnI (links) bzw. deren Kehnverte (rechts), jeweils in willkiirlichen Einheiten, als Funktion des Quadrates des Streuvektors q fiir 1 % methanolische Losungen der 4. Generation eines Polyamidoamid-Dendrimeren(PAMAM; 0 ) und der 5. Generation eines hyperverzweigten Polyols (HY5-POL, 0)[l la]. Auftragungen nach Guinier (links) bzw. Zimm (rechts). Bei etwa gleichen Molmassen (Tab. 5-2) liessen sich z.B. die Streuintensitlten eines Dendrimeren gut durch eine Guinier-Kurve wiedergeben, nicht aber diejenigen eines hyperverzweigten Polyols (Abb. 5-13, links). Umgekehrt lieferte das Polyol eine ZimmKurve, nicht aber das Dendnmere. Bei PoIyrneren, die einheitlich in Bezug auf Molmassen, Gestalten und Elektronenverteilungen sind, sollte das Guinier-Diagramm bei q + 0 eine Gerade liefern. Das Dendrimere muss daher ein solches einheitliches Polymeres sein. Da seine Streukurve zudem mit der fiir isotrope Kugeln berechneten konsistent ist, muss es sich um praktisch kugelftjrmige Molekiile handeln (siehe auch Abb. 5-17). Umgekehrt kann die Ubereinstimmung der Daten fiir Kugeln und aus der Anfangssteigung bei der Guinier-Auftragung nicht als Indiz fiir einheitliche Kugeln genommen werden, da die Streukurve bei sehr kleinen q-Werten stark gekriimmt ist. Ein solches Verhalten vereinbart sich besser mit einer Verteilung der Molmasse. Gestalten und Elektronendichten, wie man es auch intuitiv fiir hyperverzweigte Polyrnere erwarten wiirde. Generell lasst sich sagen, dass die Rontgenkleinwinkelstreuung gegeniiber der Lichtstreuung wegen des grossen experimentellen Aufwandes keine Vorteile beim Bestimmen der Molmassen liefert. Sie ist jedoch eine unentbehrliche Methode zum Ermitteln der Feinstruktur von Polymeren. Tab. 5-2 Tragheitsradien s/nm von Poly(butadien)en (SN-PB) rnit N = 32 bzw. 128 Amen [lo], Amidoamin-Dendrimeren (PAMAM) rnit 3 bzw. 10 Generationen [ l l ] und einem hyperverzweigten Polyol (HY5-POL) [ l l ] bei Auswertungen der S A N S - [lo] und SAXS-Messungen [ l l ] ohne Modellannahme nach Guinier, Zimm oder Kratky und mit Modellannahmen fiir isotrope Kugeln. Lichtstreuung (letzte Spalte): Auswertung nach Zimm. (a) Mit Ullman-Korrektur. Polymer
SlD-PB
S32-PB PAMAMG-10 PAMAM G-4 HY5-POL
Molekular- Methode gewicht
715000 256000 934000 7 230 14600
Aus S A N S oder S A X S Isotrope Guinier Kratky Kugel
SANS SANS
-
SAXS SAXS SAXS
5,74 2,25 2.36
8.6 8,7 6,OO 2,41 2,53
10,9 9,8
Zimm
Zimm (a)
11.1 11,4 9.49 4,ll 4,36
103 10,l
-
Aus LS Zimm
10,O
163
5. Stremethoden
5.4.2.
Streufunktionen
Knauel Die Rtintgenkleinwinkelstreuungvenvendet sehr kleine Wellenlbgen A. Die Smuvektoren q = (4 d A ) sin ( N 2 ) werden dadurch sehr gross. Die fiir ungesttirte KniIuel abgeleitete Debye-G1.(5-50) P(q) = (2/q4s4)[exp(- q2s2) - (1 - q2s2)] strebt im Fall q + asymptotisch einem Grenzwert limq+- P(q) = 2/[q2s2{ 1 - (l/q2s2)]] zu. Im Kratky-Diagramm q2s2P(q)=fTq) erscheint entsprechend eine Asymptote mit dem Wert 0
wie es die Abb. 5-10 und 5-14 zeigen (jeweils unterste Kurven). Der aus dieser Asymptote ermittelte Wert von s* sollte bei einheitlichen Polymeren rnit dem aus einem Guinier- oder Zimm-Diagramm erhaltenen iibereinstimmen (fiir molekularuneinheitliche Polymere siehe G1.(5-54)). Modellrechnungen zeigten. dass diese Asymptote bei wurmartigen Ketten ohne ausgeschlossene Volumina erreicht wird, wenn das Verhtilmis der konventionellen Konturlbge zur Persistenzliinge ca. 20 betriIgt (Abb. 5-14). Die Debye-G1.(5-50) erfasst die Gesamtgestalt statistischer KnHuel. Je kleiner aber die Wellenliinge wird, umso stiIdcer spricht der Streuvektor auf lokale Strukturen an,bei statistischen KniIueln also auf Segmente und, im Falle statistischer KniIuel, somit auf die Persistenzlbge. Diese Streuung wird nicht von der Debye-Gleichung erfasst.
0 0
1
2
- 4Lps
3
4
5
4
k
Abb. 5-14 Kratky-Diagramm fiir wurmartige Ketten rnit verschiedenen Verhslltnissen r-J von konventionellen Konturliingen rmt zu Persistenzhgen L, [%I. Aufgetragen ist $ b 2 P ( q ) = qL,) anstelle des sonst iiblichen $.?P(q) =Aqs).G = Guinier-Bereich, D = Debye-Bereich mit Zwischenbereich und asymptotischem Bereich, S = Bereich stiibchenartiger Segmente. Berechnungen rnit G1.(420) fiir eine Valenzwinkelkette mit freier Drehbarkeit und dem Valenzwinkelt9 = 180" - a und cos a = 0,9.Der Pfeil bei qh,= 2 zeigt den iibergang von der Asymptote der Debye-Gleichung fiir statistische1zur Geraden fiir die stikhenartigen Segmenten der Knguel an.
164
5.4.
Rontgenkleinwinkelstreuung
Stibchen mit genugend grossen Langen zeichnen sich nach G1.(5-48) durch eine Funktion q2P(q) = (Icq/L) - (2/L*) = (sc/L)q aus, wobei die L2nge L in diesem Fall die Kuhn-Lhge LK ist. Bei Kniueln ist andererseits irn Kratky-Diagramm q2P(q) =A4) die q 2 P ( q ) = 2/s2 gegeben (G1.(5-62)). Asymptote der Debye-Gleichung durch limq,, Diese Asymptote und die Stibchengerade schneiden sich bei 4 = q*. Im Schnittpunkt = 2/s2. Daraus erhZlt man mit der nach G1.(4-5) fiir Stabchen mit LK >> R gilt (x/L&* giiltigen Beziehung s2 = L ~ ~ / 1den 2 Ausdmck LK = 24/(nq*) fiir die Kuhn-Luge bzw. mit LK = 2 L,, die Persistenzlage L,, = 12/(rcq*). Diese Beziehung ist allerdings nur vorsichtig zu verwenden. Einerseits miissen die charakteristischen L a g e n LK bzw. Lps gross genug sein, damit sie die Streufunktion fiir Stabchen befolgen. Andererseits ist die Kuhn-Lhge nach Kap. 4.3.9 nur bei flexiblen Knaueln doppelt so gross wie die Persistenzlage, die sich ja bei steifen Stibchen der Sabchenl2nge ann2hert. Reale Polymerketten befolgen aber nicht immer die vereinfachenden rheoretischen AMahmen. Die Streufunktion eines isotaktischen Poly(rnethylmethacry1at)es liefen zwar bei grossen Streuwinkeln eine Gerade, die aber weder durch den Ursprung liuft noch sich der theoretischen Grenzgeraden annihert (Abb. 5-15). Die Streufunktion des syndiotaktischen Polymeren zeigt ein komplizierteres Verhalten mit Maxima und Minima bei gr(isseren Streuwinkeln, wie man es allgemein bei Teilchengestaltenmit dicht beieinander liegenden Streuelementen findet (Kugeln, verzweigte Polymere, Helices usw.). Wegen dieses Streuverhaltens l W t sich die Streufunktion bei vielen Polymergestalten oft nur ungenau erfassen. Bei Werten von q s = 1 wird 2.B. der Trigheitsradius durch die Guinier-Funktion P ( q ) = exp (- q2s2/3)unterbewertet und durch die Zimm-Funktion P ( q ) = 1 - (q2s2/3) iiberbewertet. Bei einem dreiarmigen Stem-Poly(butadien) mit der Molmasse 280 OOO g h o l erhielt man 2.B. mit der Rontgenkleinwinkelstreuung einen Trigheitsradius von 11,4 nm (Zimm) bzw. 8,7 nm (Guinier), mit der statischen Lichtstreuung (Zimm) dagegen einen von 10,O nm (vgl. dazu auch Tab. 5-2).
- 21J + 1" 20 3" 4" 5" 6" 7" 8" Y lo" 11"
U'
/
d 0
5
10
15
20
25
30
:
I
- AL. sin 229 + Abb. 5-15 Kratky-Diagramm fiir ein isotaktisches und ein syndiotaktisches Poly(methylrnethacry1at) im guten LOsungsmittel Benzoi 191. AL. = Abstand Praparat-Registrierebene(179 mm), 26 = Streuwinkel, I = IntensiW. Die Ordinate ist proportional &q), die Abszisse proportional q.
165
5. Stremethoden
PAMAM 1
J .... 0
I '
'
.I.
1
1
....
1
.
'
.
. .
'
2
- q / nm-1 +
.
'
. . .. ' 3
Abb. 5-16 RbntgenintensiUten einer 1 Gew.-%methanolischen UJsung eines Polyamidoamin-Dendrimeren der neunten Generation [llb]. 0 Experimentelle Werte; Linien: Anpassungen bei kleinen qWerten fiir Kugeln (s = 4,92 nm), nach Guinier (s = 5,13 nm) und nach Zimm (s = 7.49 nm). Der Smfaktor ist hier abweichend von der sonstigen Konvention als q = (4 n/A) sin 19 defmiert.
Vermeigte Polymere Experimentell erhaltene Streufunktionen k6nnen verh2ltnismiissig einfach durch theoretische Modelle wiedergegeben werden, wenn die Verteilung der Streuelemente homogen ist (z.B. kompakte, isotrope Kugeln) oder einfachen mathematischen Funktionen folgt (z.B. ungestorte Kniiuel mit einer Gauss-Verteilung der Segmente). Die Streukurven sind schwieriger anzupassen und damit zu interpretieren, wenn diese Bedingungen nicht erfiillt und/oder die Polymeren uneinheitlich sind. Bereits bei den verhUmismiissig einfach aufgebauten, stemf6rmig venweigten, molekulareinheitlichen Polymeren liefern verschiedene Auswertemethoden unterschiedliche Triigheitsradien (Tab. 5-2). Dam kommt, dass viele der in der Literatur berichteten Streufunktionen nur Nilherungen f i r kleine q-Werte sind, was die Bestimmung von Molmassen und oft auch Triigheitsradien durch Lichtstreuungsmessungenerlaubt, nicht aber die Ermittlung feinerer Einzelheiten der Struktur durch R6ntgenkleinwinkelmessungen. Bei qlnrn-' = 10-3-10-2 erfasst man n a l i c h nur die Gesamtgestalt. bei q/nm-I = 10-1 bereits Segmente und bei q/nm-l = 1 schon Substituenten. Noch schwieriger wird es bei Polymerstrukturen, bei denen die Verteilung der Streuelemente a priori unbekannt ist. Ein Beispiel sind die Dendrimeren mit ihren regelmzssigen Folgeverzweigungen (Kap. 2.1.3 und Band I). Hier passt sich die Guinier-Funktion P ( q ) = exp(- q2s2/3) (GL(5-61)) nur uber einen sehr engen Bereich kleiner q-Werte der experimentellen Streukurve an (Abb. 5-16). Die Zimm-Funktion l/P(q) = 1 + (q2s2)/3 (G1.(5-38)) ist iiber einen noch kleineren Bereich giiltig und liefert zudem einen weit grllsseren Trsgheitsradius als die Guinier-Gleichung. Die Streufunktion f i r homogene Kugeln fiihrt zu einem M i c h e n Triigheitsradius wie die Guinier-Gleichung und zeigt zudem wie das Experiment die Anwesenheit von Maxima in log I =Aq)an.
166
5.5. Neutronenkleinwinkelstreuung
0
0.5
1
- I#q/nrn-'
1,s
2
+
Abb. 5-17 Experiment (0)und Modellkurven fiir ein PAMAM-Dendrimer der Generation 10 [l lc]. -Kugel, - - - Hohlkugel. ..... Kugel mit von der ObeflEhe an linear abnehmender Dichte, 4- Gauss-Segrnentverteilung, -0Gauss-Segmentverteilungin der Schale einer Hohlkugel. Aufschlussreicher ist es, wenn die experimentellen und theoretischen Streukurven als 8 1 =Aq) aufgetragen werden, wobei I die Rfhtgenintensittit ist (Abb. 5-17). Die experi-
mentelle Streufunktion zeigt bei dem untersuchten Dendrimeren vier Maxima, der Hirhe rnit zunehmendem q abnimmt. Da bei einer Gauss-Verteilung der Streuelemente nur ein Maximum auftritt, kann diese physikalische Struktur ebenso wie diejenige einer GaussVerteilung rnit einem kleinen Loch in der Mitte ausgeschlossen werden (nur zwei Maxima stan vier). Bei Hohlkugeln und isotropen Kugeln sind zwar vier Maxima zu erwarten, die Maxima sind jedoch zu hoch. Im Gegensatz zu isotropen Kugeln nehmen die experimentellen Maxima rnit zunehmenden q ab. Dieses Phiinomen zeigen jedoch die theoretischen Kurven fiir Kugeln mit dem Radius R, deren Elektronendichte pe im Innem konstant ist, nach aussen zu jedoch von pe = const bei 0,75 R auf pe = 0 bei 1 R linear abfalt ("raue Kugeln").
5.5.
Neutronenkleinwinkelstreuung
Die Neutronenkleinwinkelstreuung (E: small angle neutron scattering, SANS) misst die Streuung von Neutronen an Atomkemen. Nun weisen Atomkeme Durchmesser von ca. l e 5 nm bis nm auf, Neutronen aber Wellenlbgen zwischen 0,2 nm und 2 nm. Die Wellenluge der Strahlung ist somit wie bei der Lichtstreuung und anders als bei der R6ntgenkleinwinkelstreuung grilsser als die Abmessung des Streuelementes. Die Wellenlugen der Neutronen sind aber mit den Bindungslugen vergleichbar, was zu einer Interferenz der Streuwellen von verschiedenen Atomen des gleichen Molekiils fiihrt. Die Streuintensitat Zndert sich demgemass mit dem Streuwinkel, woraus sich der Tr2gheitsradius selbst bei so kleinen Molekiilen wie Methan ermitteln lasst. Die Neutronenstreuung stammt praktisch nur von den Atomkemen. Weil die Atomkeme ca. eine Million mal kleiner als Neutronen sind, wirken sie als Punktstrahler. Die von den Kemen ausgesandten Wellen werden durch ihre koharenten Streuliingen b cha-
167
5. Strewnethoden
rakterisiert, welche die Wurzel aus der Wahrscheinlichkeit sind. dass ein einfallendes Neutron innerhalb eines Winkels von einem Steradiant pro Einheitsfluss der Neutronen gestreut wird. Der Neutronenfluss ist dabei als die Zahl der Neutronen definiert, die pro Zeit durch die FIlche durchtreten. Durch Aufsummieren der kohirenten Streuliingen b der einzelnen Atomsorten eines Molekiils bzw. Grundbausteins erhiilt man die kohlrenten Neutronenstreuliingen a (bzw. kohirenten Streuamplituden). Bei LUsungen misst die Neutronenkleinwinkelstreuung die Differenz der Streuliingen a, der Grundbausteine und u1 des LCTsungsmittels. Der Kontrastparameter Ksms (die "optische Konstante" der G1.(5-11)) ergibt sich zu (5-63)
KSANS= NA[u, - al( fiu,m/f~,m)I~/Mu~
Dabei sind N A = Avogadro-Konstante, fi,,, = partielles Molvolumen des Grundbausteins (i = u) bzw. des LCTsungsmittels (i = 1) und M, = Molmasse der Grundbausteine. Mit Ausnahme des Wasserstoff-Isotops 'H sind die kohirenten Streuliingen b aller in der organischen Chemie gebduchlichen Isotopen positiv:
1H
1012b/cm =
2H 12C 1 4 ~ 1 6 0 1 9 ~ 28si 31p 3 2 s 3 5 ~ 1 -0,374 0,667 0,665 0,937 0,580 0,565 0,411 0.51 0,280 1,166
Wegen der stark unterschiedlichen Streulhgen von IH und 2H (Deuterium) werden SANS-Messungen in der Regel an "protonierten" Polymeren in deuterierten Lijsungsmitteln oder vice versa ausgefiihrt. Deranige Messungen sind besonders instruktiv bei "LCTsungen" kleiner Mengen deuterierter Polymerer in protonierten Polymeren des gleichen Polymerisationsgrades, da auf diese Weise die Abmessungen der Polymeren in der Schmelze oder im amorphen Zustand ermittelt werden ktlnnen (Kap. 6). Eine selektive Deuterierung erlaubt zudem, die Beitrlge einzelner Gruppen zu "sehen", z.B. bei deuterierten Kettengliedem den Einfluss der Substituenten, wenn diese entweder deuteriert sind oder nicht (Abb. 5-18).
168
Literatur zu Kap. 5
Historische Notizen J.W.S.Rayleigh, philos.Mag. XLI (1871) 107; Nachdruck in: Scientific Papers by Lord Rayleigh (John William Strutt) Band 1, S. 87-99 (Paper 8). Dover, New York 1964 Ableitung der Streugleichung fiir kleine Teilchen. G.Mie, Ann.Phys. 2514 (1908) 3 7 7 4 5 Ableitung der Smufunktion fiir massive, sehr grosse Teilchen. P.Debye, Ann.Phys. 46 (1915) 809;PhysZ. 31 (1930) 348 Ableitung der Debye-Gleichung (5-35) A.Guinier, C.R.Acad.Sci. [Paris] 204 (1937) 1115; Thbes, SCrie A, Paris, Nr. 1854 (1939) Ableitung der GuinierGleichung (5-61) B.HZimm, J.Chem.Phys. 16 (1948) 1093, 1099 Zimm-Diagramm
Literatur zu Kap. 5 5.1 UBERSICHT O.Glatter, Modem Methods of Data Analysis in Small Angle Scattering and Light Scattering, Kluwer Academic, Dordrecht 1995
5.2 und 5.3 STATISCHE LICHTSTREUUNG M.Kerker, The Scattering of Light and Other Electromagnetic Radiation, Academic Press, New York 1%9 M.B.Huglin, Hrsg.. Light Scattering fromPolymer Solutions, Academic Press, London 1972 B.Chu, Laser Light Scattering, Academic Press, New York 1974 W.Burchard, Static and Dynamic Light Scattering from Branched Polymers and Biopolymers, Adv.Polym.Sci. 48 (1983) 1 P.Kratochvil. Classical Light Scattering from Polymer Solutions,Elsevier, Amsterdam 1987 W.Brown, Hrsg., Light Scattering,Clarendon Press, Oxford 1996 R.Borsali, Scattering Properties of Multicomponent Polymer Solutions: Polyelectrolytes, Homopolymer Mixtures and Diblockcopolymers, Macromo1.Chem.Phys. 197 (1996) 3947 5.4. R~NTGENJSLEINWINKELSTREUUNG A.Guinier, GIournet, Small Angle Sccattering of X-Rays, Wiley, New York 1955 H.Brumberger, Hrsg., Small Angle X-Ray Scattering,Gordon and Breach, New York 1967 O.Glatter, O.Kratky, Hrsg.. Small Angle X-Ray Scattering,Academic Press, Oxford 1996 R.-J.Roe, Methods of X-ray and Neutron Scattering in Polymer Science, Oxford University Press, Oxford 1999 5.5. NEUTRONENKLEINWDKELSTREUUNG R.Ullman, Small Angle Neutron Scattering of Polymers, Ann.Rev.Mater.Sci. 10 (1980) 261 M.Bee, QuasielasticNeuwon Scattering, Hilger, Bristoll988 P.Lindner, T.Zemb. Hrsg., Neutron, X-Ray and Light Scattering, Elsevier Science, Amsterdam 1991 J.S.Higgins, H.C.Benoit. Polymers and Neutron Scattering, Clarendon Press, Oxford 1994 R.-J.Roe, Methods of X-ray and Neutron Scattering in Polymer Science, Oxford University Press, oxford m
5. Sneumethoden
169
Quellennachweise [l] H.Benoit, Ber.Bunsenges. 70 (1966)286,Abb. 4 [2] C.Strazielle, H.Benoit, J.chim.phys. 58 (1961)678;rZHwund Wentnommen aus [3] [3] C.Strazielle, in M.B.Huglin, Hrsg., Light Scattering from Polymer Solutions, Academic Press, London 1972,S. 654 [4] Z.Tuzar, P.Kratochvi1, Col1.Czech.Chem.Commun. 32 (1967)3358;Werte von flaw und % entnommen aus 131 [q Y.Miyaki. Y.Einaga, H.Fujita, Macromolecules 11 (1978) 1180. Daten der Abb. 6 [q S.Akita, Y.Einaga, Y.Miyaki, H.Fujita, Macromolecules 9 (1976)774. Abb. 7 [T A.Peterlin. J.Polym.Sci. 47 (1960)403. (a) Abb. 1. (b) Abb. 5 [S] M.Wintermante1. M.Schmidt, Y.Tsukahara, K.Kajiwara. S.Kohjiya, Macromol. Rapid Commun. 15 (1994)279. Abb. 3 [9] R.Kirste. W.Wunderlich, Makromol.Chem. 73 (1964)240,Abb. 1; W.Wunderlich. R.G.Kirste, Ber.Bunsenges.Phys.Chem. 68 (1964)646,Abb. 3 [lo] L.Willner, OJucknischke. DRichter. J.Roovers, L.-LZhou, P.M.Toporowski, LJ.Fetters, J.S.Huang, M.YLin. N.Hadjichristidis, Macromolecules 27 (1994)3821 1111 T.J.Rosa. B.J.Bauer, E.J.Amis, D.A.Tomalia, R.Scherrenberg. J.Polym.Sci. B polym.Phys.) 35 (1997)2913,(a) Abb. 3. (b) Abb. 1 1 [12] M.Rawiso, R.Duplessix, C.picot, Macromolecules 20 (1987)630.enmommen aus Abb. 8a
170
6.
Ungeordnete kondensierte Systeme
6.1.
Amorphe Polymere
6.1.1. Struktur Kristalline Polymere gehen an ihren Schmelztemperaturen und fliissigkristalline Polymere an ihren Klartemperaturen in Polymerschmelzen uber. Solche Schmelzen weisen anders als diejenigen niedemolekularer Substanzen grosse Viskosititen auf (Kap. 15). Schmelzen hochmolekularer Kettenmolekiile m e l n z.B. knapp oberhalb der Schmelztemperatur phsjlomenologisch mehr Gummis als Fliissigkeiten. Z2he. gummiartige Massen erh2lt man auch beim Enviirmen von nichtkristallinen. glasartigen Polymeren auf Temperaturen oberhalb der sogenannten Glastemperaturen. Diese Massen werden oft ebenfalls Schmelzen genannt, obwohl sie nicht durch ein Schmelzen von kristallinen Materialien entstehen (ein thennodynamischer Prozess), sondem durch ein Enveichen nichtkristalliner Stoffe (ein kinetischer Vorgang) (Kap. 13). Beim Abkiihlen der Schmelzen nichtkristallisierender Polymerer und oft auch beim sehr raschen Abkuhlen der Schmelzen kristallisierender Polymerer unter die jeweiligen Glastemperaturen entstehen Stoffe ohne erkennbare rtintgenographische Femordnung, sog. amorphe Polymere (G: a- = ohne; morphe = Gestalt). Diese Materialien sind "Festktirper", weil sie unter ihrer eigenen Last nicht ihre Gestalt Zndem. Beispiel sind Trinkbecher und andere Gegenstsjlde aus Poly(styro1). Das rasche Abkuhlen einer Polymerschmelze unler die Glastemperatur fnert die physikalischen Strukturen der Molekule in der Schmelze ein. Polymere im Glaszustand weisen darum die gleichen ungestorten Dimensionen wie im geschmolzenen Zustand auf (Abb. 6-1, Tab. 6-1). Langreichende Ordnungen miissen daher abwesend sein. Interessantenveise sind jedoch auch bei kristallisierenden Polymeren die reduzierten Tdgheitsradien in der Schmelze und im KristaLl gleich gross (vgl. dam Kap. 7.2.1).
-2
I I I
3
2
fin
0,02
Kristalliner Zustand +14 Schmelze 'I
0
50
100
150
I
I
Glaszustand
+-I
I
--b
Schmelze
200
171
6. Ungeordnete kondensierte System
Tab.6-1 Reduzierte Triigheitsradien in Theta-Usungsmitteln bei c + 0 (meist iiber Streulicht-Messungen) und in der Schmelze, im Glas und im Kristall d w h Neumnenkleinwinkelstreuung an kleinen Konzenmtionen an deuterierten Polymeren in den entsprechenden pmtonierten Verbindungen etwa gleicher Molmasse. RIS: Berechnet mit dem RIS-Modell (S. 85); nc = nicht kristallisierend
Poly(ethy1en) Poly@ropylen),it Poly@mpylen),at Poly(1-buten), at Poly(is0butylen) Poly(styml), at Poly(methylmethacrylat), at Poly(methylmethacrylat),st
0,0473 0.0340 0,0333 0,0281 0,030 0,0275 0,030 0,028 Poly(methylmethacrylat), it 0,024 Poly(oxyethy1en) Poly(dimethylsi1oxan) 0,025
0,045 0,0482 0,036 0,0340 0,0336 0,027, 0,0305 0,031 nc 0,0280 0,0278 w 0,031 nc 0,030 0.029 0,052 0,042 nc 0,027
-12 -11 -42 -25f15 -20*10 -9f9 -14f10 O+ 1
0 1 4
-12 +16
+20
Die reduzierten Tragheitsradien in der Schmelze sind wiederum mit denen in ThetaLBsungen identisch. Es muss sich also um ungestdrte Dimensionen handeln. Erstaunlichenveise findet man auch fur kristallisierende Polymennolekiile oft (oder sogar immer?) die gleichen Dimensionen wie in der Schmelze und in Theta-Ldsungen (Kap. 7). Weitreichende Ordnungen oder Orientierungskorrelationen scheinen bei amorphen Polymeren abwesend zu sein. Auf deren Anwesenheit wurde zunichst auf Grund der Dichten der Polymeren und anhand elektronenmikroskopischer Beobachtungen geschlossen. Berechnungen mit Hilfes eines Spaghetti-Modells sagten z.B. fiir amorphe Polymere Dichten von maximal 65 % der kristallinen Dichte voraus. Experimentell werden jedoch f i r amorphe Polymere weit hdhere Werte von (85-95) % der Kristalldichte beobachtet (Tab. 6-2). Aus der Differenz zwischen berechneten und beobachteten Werten wurde geschlossen, dass bei amorphen Polymeren gewisse Ordnungserscheinungen vorhanden sein mussen. Derartige Berechnungen basieren jedoch auf recht groben geomeuischen Modellen. Nach Computersimulationen kdnnen niimlich bis zu 88 % der Platze primitiver kubischer Gitter besetzt werden. ohne dass ideale oder gest6rte Kettenbiindel auftreten. Bundel von Kinken und Jogs (Kap. 7.5.3) werden z.B. beim Miander-Modell als thermodynamisch stabile Einheiten angenommen. Messungen der Breitlinienkemresonanz ergaben aber, dass die Linienbreite der Signale ca. 50 mal kleiner ist als vom Miander-Modell vorhergesagt wird. Das Modell kann daher nicht physikalisch bedeutsam sein. Im amorphen Zustand werden bei Polymeren elektronenmikroskopisch gelegentlich kugelfdrmige Gebilde beobachtet. Die Durchmesser dieser "Noduln" variieren zwischen (2-4) nm beim Poly(styro1) und ca. 8 nm beim Poly(ethy1enterephthalat).In den meisten FUen stammen diese Noduln wohl von experimentellen Fehlem wie z.B. mangelnden Fokussierungen der Elektronenmikroskope, Artefakten bei der elektronenmikroskopischen Paparation, Oberflacheneffekten beim Bruch usw. Sie treten z.B. nicht bei sehr raschem Abschrecken der Proben auf -165OC auf.
172
6.1.2.
6.1. Amorphe Polymere
Dichte
Eine abwesende Fernordnung schliesst jedoch nicht anwesende Nahordnungen aus. Eine Parallelisierung von Kettensegmenten ist durchaus wahrscheinlich, da sie wegen der Persistenz der Ketten bereits bei Alkanen rtjntgenographisch gefunden wird. Bei abwesenden Fernordnungen packen sich die Ketten weniger gut. Die Dichten Pam amorpher Polymerer sind daher kleiner als die Dichten pcr der kristallinen (Tab. 6-2). Eine Ausnahme ist das Poly(4-methyl-l-penten),bei dem die Dichte im amorphen Zustand grtjsser als im kristallinen ist. Die Verhaltnisse Pam/Pcr der Dichten im amorphen und kristallinen Zustand unterscheiden sich bei Polymeren jedoch nicht sehr von denen der niedermolekularen Ltisungsmittel. Also werden auch die Nahordnungen von Polymerketten und Ltisungsmittelmolekiilen nicht allzusehr verschieden sein. Bei amorphen Polymeren existien noch eine zusatzliche, temperaturabhugige Anisotmpie-Fluktuation. Das Ausmass dieser lokalen Orientierung der Segmente ist With gross wie bei einfachen organischen Ltjsungsmitteln, aber weit niedriger als bei den isotropen Phasen nematischer Flussigkristalle (Kap. 8). Die Orientierungen erstrecken sich 2.B. beim Poly(styro1) nach NMR-Messungen uber nicht mehr als ca. 0,5 nm. Beim Abkuhlen der Schrnelze unter die Glastemperatur TG steigt die Viskositlt stark an, und zwar von ca. (102-106) Pa s bei T > TG auf ca. 1012 Pa s bei T = TG. Die Mobilit l t der Polymersegmente wird stark eingeschrW3, wodurch der Bewegungsspielraum der Segmente einfrien. Die Ketten konnen sich nicht so eng packen wie sie geme mtjchten, da sie nicht unendlich diinn sind und ausserdem eine gewisse Persistenz aufweisen. Das spezifische Volumen yam des amorphen Polymeren wird daher grtjsser als das spezifische Volumen V L des entsprechenden flussigen Polymeren bei der gleichen Temperatur sein (Abb. 6-3). Das amorphe Polymere weist "Leerstellen" auf, worunter man sich Bezirke mit etwa atomaren Durchmessern vorzustellen hat. Es besitzt somit ein sogenanntes freies Volumen (E: free volume). Tab. 6-2 Dichten pcr(knstallin) bzw. pm (amorph bzw. fliissig) von Polymeren und Usungsmitteln irn kristallinen Zustand bei der Temperatur Tcrsowie im amorphen Zustand (Polymere) bzw. als Usungsmittel bei der Temperatur Tam [3]. * Nach dem Umrechnen mit Hilfe der kubischen thermi%hen Ausdehnungskceffiienten auf die jeweiligen Schmelztemperaturen TM.
Polymer(Modifikation)
polY(hYlen) (0 Poly(iobuty1en) Poly(isopren), cis-1.4 (p) Poly(styro1). itPoly(oxyethy1en) Poly(ethy1enlerephthalat) Poly(bispheno1A-carbonat) Poly(dimethylsi1oxan) Poly(4-methyl-l-pentn),it Benzol cyclohem Tetrachlorkohlenstoff
Kristalls@uktur
rhombisch rhombisch rhombisch trigonal monoklin triklin monoklin monoklin tetragonal rhombisch kubisch hexagonal
"C
Pcr -Pam
Tcr -
"C
25
25
25 18
25 18
-90
-90
20 20 20
-3 -8 -44
g
144 44 64 240 66 264 230 238 5.5
6,5 - 23
0,887 0,915 0,906 1,04
1,124 1,337 1,196 0.98 0,838 0,879 0,779 1,594
0,999 0,937 1.OOO 1,12 1,235 1,498 1,315 1,07 0,828 1,022 0,837 1,788
Per
0,888 0,977 0,906 0,929 0.910 0,893 0,910 0,916 1,012 0.88 * 0,95 * 0.95 *
173
6. Ungeordnete kondensierte System
Tab. 6-3 Anteile der verschiedenenfreien Volumina von amorphen Polymeren bei der Glastemperatur, berechnet mit den kristallinen Dichten bei O"C, nicht 0 K. Polymere Poly(styro1) Poly(vinylacetat) Poly(methylmethacrylat) Poly(butylmethacry1at) Poly(isobuty1en)
her
4XP
4VLF
huk
0,375 0,348 0,335 0,335 0,320
0.127 0,14 0,13 0,13 0,125
0.025 0.028 0,026 0,026 0,026
0.0035 0.0023 0,0015 0,0010 0,0017
Der Volumenanteil dieses so erzeugten freien Volumens berechnet sich aus den spezifischen Volumina des Glases (VG) und der Schmelze (VL)zu
Er nimmt unabhagig von der Konstitution der Polymeren einen Wert von ca. 0,025 an (Tab. 6-3). Das gleiche freie Volumen tritt in der WLF-Gleichung fiir die dynamische Glastemperatur auf (Kap. 13.5.5). Ausser dem WLF-freien Volumen werden noch eine ganze Reihe anderer freier Volu= (VG - v,dW)/VG des sog. Leervolumens mina definiert und diskutiert. Der Anteil 4eer bezieht das bei der Temperatur T gemessene spezifische Volumen v, auf das spezifische Volumen v,dW. das sich aus den van der Wads-Radien berechnet. Das Leervolumen ist jedoch nicht vtillig fiir thermische Bewegungen verfiigbar. da die Monomereinheiten nicht alle freien Pl2tze einnehmen ktinnen. Das fiir die thermische Ausdehnung verfiigbare Volumen &xp = (vG,0- V , , , ~ ) / V ~ , Oist aus den spezifischen Volumina VG,O der glasartigen und vCr,oder kristallinen Polymeren bei 0 K erhaltbar. Schliesslich l a s t sich noch aus Messungen der Schallgeschwindigkeit ein Anteil &q des Fluktuationsvolumens bestimmen, das die Bewegung des Schwerpunktes eines Molekas als ResuItat der thermischen Bewegung beschreibt.
0,842
0
0.2
0,4
-WPMM.4
-
0,6
0.820
08
1
Abb. 6-2 Abmgigkeit des spezifischen Volumens v von Lbsungen eines Poly(methylmethacry1at)s in Methylmethacrylat vom Massenanteil w p m des Polymeren bei 25°C [4].
174
6.2.
6.2. Polymerschmelzen
Polymerschmelzen
6 . 2 . 1 . Mikrokonformationen Die Mikrokonformation kfeiner MoZekiife wird im Gaszustand ausschliesslich, im kristallinen Zustand praktisch ausschliesslich von intramolekularen Kraften bestimmt. Beim Ubergang Kristall-Schmelze &den sich die Packung der Molekiile, nicht jedoch die intramolekulare Wechselwirkung. Butan besitzt im Gaszustand eine Konformationsenergie von AETG = 3,35 kJ/(mol Bindung) und als Fliissigkeit die praktisch gleiche Konformationsenergie AETG von 3,22 kJ/(mol Bindung). Poiymerketten mit periodischen Sequenzen von Mikrokonfonnationen wie z.%. [TI,, [TG+],, ['ITG+]n, [G+], usw. liegen als Zickzack-Kette oder Helix mit der iusseren Form eines Stgbchens vor. Die strenge Stabchenform wird jedoch nur bewahrt, wenn sie im Kristallverband durch eine enge Packung stabilisiert ist. Mit steigender Temperatur beginnen in Kristallen Vibrationen (und manchmal auch Rotationen) von Segmenten um ihre Ruhelagen. Schliesslich schmilzt der Kristall (Kap. 13). In der Schmelze sind die Molekiilketten nicht mehr gezwungen, als ganzes Molekiil oder innerhalb eines langen Segmentes (wie sie bei Kettenfaltungen vorliegen, Kap. 7) eine regulare periodische Sequenz von Mikrokonformationen einzunehmen, da nunrnehr die thermische Energie gross genug ist, um Rotationsbanieren zu iiberwinden. An einigen Stellen des Stabchens entstehen "falsche" Mikrokonformationen, wodurch an diesen Stellen die Stlbchenform gebrochen wird (Abb. 4-4). Die Kette nirnmt die Makrokonformation eines statistischen Knauels an. Beim Schmelzen entsteht ein enthalpisch ungiinstigerer Zustand, der jedoch durch einen Entropiegewinn uberkompensiert wird. Jedes Makromolekiil kaM nunmehr sehr viele Makrokonformere bilden, die jedes und untereinander in dynamischen Gleichgewichten sind. In der Schmelze iiberleben daher nur relativ kurze regulire Sequenzen in sehr kleinen Konzentrationen, z.B. kune Helixstucke oder all-trans-Sequenzen. Die Makrokonformation eines Knauels kann somit durchaus aus Zokal helicalen Segmenten bestehen. Diese konformativ regularen Sequenzen sind zwar nicht mehr IR-spektroskopisch beobachtbar, k6Men sich jedoch manchmal anderweitig experimentell zu erkennen geben. Beim syndiotaktischen Poly(propy1en) im stabilsten kristallinen Zustand zeigt z.B. das IR-Spektrum eine ausgepragte "kristalline" Bande bei 868 cm-', die nach theoretischen Berechnungen praktisch ausschliesslich durch helicale [lTGG],-Konformationen bedingt ist. Diese Bande verschwindet beim Schmelzen (Abb. 4-2). Die geordneten Helixkonformationen gehen somit in ungeordnetere Konformationssequenzen iiber. Die Bande ist jedoch in einigen Msungsmitteln vorhanden. Die lokalen helicalen Konformationen werden hier offenbar durch intermolekulare Assoziationen stabilisiert (Kap. 10). Rtintgenuntersuchungen lassen entsprechend in Schmelzen kristalliner und amorpher polymerer Festklirper keine Femordnung erkennen. Auch Nahordnungen sind praktisch nicht vorhanden. Bei Schmelzen von Poly(ethy1en)en treten nach Messungen der Rontgen- und Neutronenkleinwinkelstreuungen z.B. keine langen Sequenzen von trans-Konformationen auf. Zwischen den Kettensegmenten bestehen nur schwache Orientierungskorrelationen von ca. 0,4 nm, die somit nicht vie1 grosser als die kristallographischen Bindungslugen von 0,254 nm sind.
6.2. Ungeordnete kondensierte Systeme
6.2.2.
175
Makrokonformationen
In Polymerschmelzen liegen die Ketten linearer Polymermolekiile nicht separat nebeneinander vor. Die Knluel durchdringen sich vielmehr gegenseitig, wie sich aus den Konzentrationen bzw. Dichten abscMtzen llsst. Die Massekonzentration cmoleines Molekiils berechnet sich aus seiner Masse. der Molmasse, dem Molekulvolumen und dem Tdgheitsradius ungestorter Knauel zu
rnit der Molekiilmasse mmo; = M/NA, der Molmasse M = NUMU,dem Molekiilvolumen Vmol = (4/3) IC so3 einer Quivalenten Kugel und dem Tragheitsradius so = NU1nbeffungest6rte.r Knluel. Die Massekonzentration eines Poly(styro1)-Molekuls aus Nu = 104 Monomereinheiten der Molmasse Mu = 104.15 dmol und der kristallographischen L h g e beff = 0,254 nm betrlgt z.B. nur cmo1= p = 0,025 g/mL. Diese Dichte ist weit geringer als die Dichte der Schmelze (p = 0,962 UmL bei 217 "C) und des glasartigen Festkorpers (p = 1,049 g/mL bei 25OC). Die "fehlende" Masse pro Molekiilvolumen muss daher aus der Masse von Segmenten anderer Molekiile bestehen, die sich gleichzeitig im Knauelvolumen des betrachteten Poly(styro1)-Molekuls aufhalten. Zum gleichen Schluss kommt eine andere Uberlegung. Isolierte knauelformige Makromolekfile weisen eine Gauss-Verteilung der Segmentdichte auf (Kap. 4.3.7). Die Segmentdichte nimmt mit zunehmender Kettenluge ab, und zwar auch am Massezentrum. Die makroskopische Dichte von Polymerschmelzen andert sich jedoch nicht rnit der Molmasse, von Endgruppen-Effekten bei niedrigen Molmassen abgesehen. Daraus folgt, dass sich knlluelfonnige Makromolekiile in Schmelzen mit steigender Molmasse immer sarker uberlappen bzw. durchdringen mussen. Das Molekiilvolumen eines gegebenen Kettenmolekiils W ist jedoch wegen der Anwesenheit von Segmenten anderer Kettenmolekiile mit gleicher chemischer Struktur kleiner als es in einem thermodynamisch guten Losungsmittel ware. Die betrachtete Kette W mtichte sich also ausdehnen. Das mochten jedoch auch alle anderen Ketten und so wird die Kette W zusammengedriickt. Da alle Ketten die gleiche Konstitution und Konfiguration aufweisen, sind die zwischen ihnen wirkenden Krifte gleich gross. Wegen der Gleichheit der Kr5fte halten sich folglich Ausdehnung und Kompression die Waage und die Kette W nimmt ihre ungestorten Dimensionen an. Die auf die Molmasse bezogenen Quadrate der Tragheitsradien von Knlueln sind entsprechend in Theta-Losungen und in der Schmelze praktisch gleich gross (Tab. 6-1). Schmelzen und Theta-Ltisungen unterscheiden sich jedoch in der Temperaturabhbgigkeit der Trigheitsradien von ungestorten Knaueln (Tab. 6-1). Der Ternperaturkoeffizient d In (s2)JdT ist bei Poly(1-o1efin)en in Theta-Usungen negativ, in Schmelzen aber positiv. Dafiir sind wahrscheinlich zwei Effekte verantwortlich. Einmal treten bei einigen Ltisungsmitteln sogenannte spezifische Wechselwirkungen auf, d.h. starke Solvatationen bzw. Polymer-Usungsmittel-Komplexc(vgl. Kap. 10.1.4). Zum anderen werden Dimensionen in Theta-Usungsmitteh fur unendlich kleine Konzentrationen bestimmt, in Schmelzen aber fiir sehr grosse.
176
6.3. Massig konzentrierte Losungen
Bei vemachlassigbar kleinen Polymerkonzentrationen verschwinden in Theta-Losungsmitteln nun zwar die Wechselwirkungen zwischen 2 KSrpem (2.Virialkoeffizient A2 -+ 0), diejenigen zwischen 3 Korpem bleiben jedoch erhalten (Anwesenheit eines 3.Virialkoeffizienten A3). Ungestorte Dimensionen sind daher nicht notwendigerweise in allen Theta-Wsungsmitteln gleich gross.
6.3.
Massig konzentrierte Losungen
6.3.1. Konzentrationsbereiche Polymermolekule liegen in hochverdiinnten Losungen isoliert voneinander vor. Mit zunehmender Massekonzentration c der Polymeren ist jedoch immer weniger freier Raum zwischen den Makromolekiilen vorhanden. Bei kompakten Makromolekiilen w i d schliesslich die maximale Packungsdichte erreicht (Tab. 4-3). Auch bei Knaueln aus linearen Makromolekiilen wird schliesslich eine Art "maximaler Packung" erhalten, und zwar dann, wenn sich die KnPuel"oberfl&hen" bei einer kritischen Konzentration zu beriihren beginnen. Da Knauel jedoch sehr lockere Gebilde sind, fangen sie an, sich bei dieser Konzentration zu uberlappen. Die kritische Konzentration ist also eine Uberlappungskonzentration c* (E: overlap concentration). Bei c 2 c* hat das gleiche Volumen aber vie1 mehr Segmente aufzunehmen. Knauel in Theta-Uisungen weisen nun aber bereits ihre ungesttirten Dimensionen auf, die zumindest f i r M -+ nicht mehr weiter zusammengepresst werden ktinnen. Die ungestorten Dimensionen bleiben hier somit konstant. Anders ist es bei Knaueln mit gestorten Dimensionen, also in guten Ltisungsmitteln. Diese Knauel werden mit steigender Konzentration komprimiert, bis sie schliesslich bei einer zweiten kritischen Konzentration c** ihre ungestorten Dimensionen erreichen. Man kann daher funf verschiedene Konzentrationsbereiche unterscheiden:
-
c=o 0 5 c Ic* c* Ic Ic* c** Ic Ip
c=p
*
unendlich verdunnte Losungen verdunnte Ldsungen massig konzentrierte Llisungen konzentrierte Losungen Schmelzen
(E: infinitely dilute solutions) (E: dilute solutions) (E: semi-dilute solutions) (E: concentrated solutions) (E: polymer melts)
Die jeweiligen Ubergange c* und c** sind dabei nicht scharf, da Knauel keine festen Oberflichen besitzen. Die Frage ist dann, welche Knauelabmessung diese Ubergbge am besten beschreibt. Wenn die Kniuel als aquivalente Kugeln mit einem kontrollierenden Tragheitsradius s angenommen werden, da m ist die Uberlappungskonzentration gleich cs* = mmol/Vmol= (3 M)l(4 IC s3N,4), wobei mm,i = M/NA die Masse des Molekiils ist und Vmol das Volumen. Einfiihren von s = K,MV (G1.(4-65)) liefert
6. Ungeordnete kondensierte System
177
Ein Poly(styro1) der Molmasse 1.106 g/mol besitzt bei 25°C im guten Llisungsmittel Kohlenstoffdisulfid (v = 3/5; K, = 1.2-10-9 cm (mol/g)3/5) eine Uberlappungskonzentration von c* = 3,6-1W3 @mL, im Theta-Ltisungsmittel Cyclohexan bei 34.5”C (v = ID; K,,o = 3.10-9 cm (moVg)1”) dagegen eine von c* = 14,7.1t3 g/mL. UberlappungskonzentrationenkUnnen auch fiir andere Kniueldimensionen berechnet werden, z.B. fiir hydrodynamische Radien. Um vergleichbare Werte zu erhalten, mussen die hydrodynamischen Radien in Tragheitsradien umgerechnet werden. Es zeigt sich, dass der ungesturte Tdgheitsradius um den Faktor So/RD,e = 1,28 mal gr(lSSer als der Stokes-Radius RD,e aus Diffusionsmessungen ist und der Stokes-Radius um den Faktor RD,e/Rv,e = 1,07 gdsser als der Einstein-Radius Rv,e = [(3 M[q]e)/(lO X N A ) I ~ / ~ einer iquivalenten Kugel aus Viskosititsmessungen (Tab. 12-6). Die Uberlappungskonzentration cs* ist daher praktisch gleich der reziproken Grenzviskosit2tszahl, die ja ein Mass fiir das von der Einheitsmasse des Molekiils eingenommene Volumen darstellt:
Die Uberlappung kann statt auf Massekonzentrationen c, auch auf Zahlenkonzentrationen C, bezogen werden. Die Uberlappungskonzentration C,* ist als diejenige Konzentration definiert, bei der sich in einem Wiirfel mit der Seitenluge von einem Trigheitsradius s gerade ein Molekill mit dem Polymerisationsgrad X befindet. Die Trigheitsradien sind nach s = Ks,xXVmit dem Polymerisationsgrad verkniipft (G1.(4-62)). In guten Llisungsmitteln gilt angeniihert v = 3/5 (G1.(4-65)) (exakt: v = 0,588) und somit
6.3.2.
Temperaturabhangigkeit der Knaueldimensionen
Anderungen in der Temperatur fiihren zu Anderungen in der Population der Mikrokonformationen und damit auch zu Anderungen der Dimensionen. Die Trigheitsradien besitzen entsprechend einen Temperaturkoeffizienten (Tab. 6-1). Dieser Effekt ist jedoch vemachllssigbar gegeniiber der temperaturbedingten Anderung der Wechselwirkungen Segment-Segment, Segment-LUsungsmittel und LUsungsmittel-Lbsungsmittel. Eine Temperaturerhohung erzeugt so bei endothemen Usungen ein ausgeschlossenes Volumen, bei exothermen LUsungen entsprechend bei Temperaturemiedrigungen. Die h d e r u n g des ausgeschlossenen Volumens usegpro Segment mit der Temperatur T in der N ~ der e Theta-Temperatur 8 wird dabei allgemein durch die G1.(6-6) beschrieben:
UngestUrte Kniuel sollten in endothermen LUsungen bei T > 8 folglich in gestilrte iibergehen. Die’Tragheitsradien sollten entsprechend ansteigen. Tatsachlich werden jedoch manchmal in verdiinnten endothermen Usungen bei steigenden Temperaturen abnehmende Tdgheitsradien beobachtet (Abb. 6-3). Dieser Effekt kann darauf zuriickge-
178
6.3. Miissig konzentrierte L6sungen
19
0,018 g/mL
1.8
-
1,7
0,018 g/mL
Abb. 6 3 Logarithmus des Massenmittels der Quadrate der Tdgheitsradien als Funktion der reduzierten Abstandes (T - 8)/8der Temperatur T von der Theta:Temperatur 8 nach SANS-Messungen an einem deutero-Poly(styro1) d 8 - B (H.,, = 75 700 g/mol, M, = 49 OOO g/mol) [5a und 5bl. Verdiinnte Lcisung: 0,018 g/mL ds-PS in Cyclohexan. m i g konzentrierte Losung: 0,025 g/mL ds-PS in einer Usung von insgesamt 0.19 g/mL Poly(styrol) (ds-PS + hs-PS) in Cyclohexan. 0,020 g/mL ds-PS in einer LOsung von insgesamt 0.47 g/mL PolyKonzentrierte Llisung: (styrol) (da-PS + hs-PS) in Cyclohexan. fiihrt werden, dass in GL(6-5) der Einfluss des 2,Vinalkoeffizienten A2 unberiicksichtigt blieb, einer thermodynamischen Gr6sse (Kap. 10.4), welche die Wechselwirkungen zwischen zwei Segmenten beschreibt. Die Tragheitsradien sind entsprechend
zu komgieren. Bei verdunnten Liisungen nehmen entsprechend die so auf ( S ~ ) ~ + O umgerechneten Tr2gheitsradien mit steigender Temperatur zu. Bei mussig konzentrierten Ldsungen (z.B. c = 0,19 g/mL in Abb. 6-3) findet man bei Temperaturen, die genugend hoch uber der Theta-Temperatur sind, einen W i c h e n Anstieg der Tragheitsradien mit der (T - e)/e,allerdings mit einem anderen Exponenten (Abb. 6-3). Bei einer Konzentration von c = 0.19 g/mL ist man bereits weit oberhalb der kritischen ijberlappungskonzentration f i r ein Poly(styro1) dieser Molmasse, so dass zusatzlich noch Kontakte zwischen drei Polymersegmenten zu beriicksichtigen sind, d.h. dritte Virialkoeffizienten. Die Skaliemngstheone sagt voraus, dass dieser Anstieg mit der 0,25. Potenz des Temperaturinkrementes (T - e)/eerfolgt, und dass das Tragheitsquadrat dem Polymensationsgrad X (exakt: der Zahl der Segmente) und der 0,25. Potenz der reziproken Polymerkonzentration c proportional ist:
179
6. Ungeordnetekondensierte System
Eine solche Gesetzmksigkeit kann jedoch. wenn iiberhaupt, nur f i r einen sehr engen Temperaturbereich gelten. Bei Polymeren findet man n h l i c h f i r ein gegebenes Liisungsmittel in der Regel zwei Theta-Temperaturen, z.B. bei Poly(styro1) in r-Butylacetat bei BUCST = 10°C (endotherme Losung) und f i 3 ~ c s=~ 109.3"C (exotherme Losung) (siehe dazu Abb. 10-21). Bei beiden Temperaturen weist das Polymere den gleichen mit ~ zunehmender Temperatur Trilgheitsradius auf. Da der Trigheitsradius von t 3 ~ c s ansteigt (Abb. 6-3). muss er folglich bei weiterer Temperatursteigerung durch ein Maximum bei einer Temperatur Tath laufen, bei der sich eine verdiinnte Ltisung wie eine athermische verhat (Abb. 10-21). Bei noch hiiheren Konzentrationen werden die Knluelsegmente zunehmend gleichmksiger verteilt; die Annahmen der Skalierungstheorie werden dadurch ungiiltig. Oberhalb der zweiten kritischen Konzentration c** nehmen schliesslich die Knauel in konzentrierten Usungen ihre ungestorten Dimensionen an. Diese Konzentration wird nach c** = c * [ ( ~ ~ ) o / ( sdurch ~ ) ~ Jdie Uberlappungskonzentration c* und das Verhatnis der Trigheitsquadrate in guten Liisungsmitteln bei unendlicher Verdiinnung zu denen im Theta-Zustand gegeben. Die Skaliemngstheorie erwartet hier eine Temperaturunabhingigkeit der ungestiirten Dimensionen. Tatsichlich wird aber eine Abhbgigkeit beobachtet (Abb. 6-3). die mit einer Funktion (s2) = f l ( T - e)ln] beschreibbar ist.
6.3.3.
Verschlaufungen
Bei Konzentrationen c > c* beginnen sich hochmolekulare flexible Kniuel in einer solchen Weise gegenseitig zu durchdringen, dass sich physikalische Vemetzungsstellen bzw. -bereiche zwischen Segmenten verschiedener Polymermolekiile ausbilden. Diese physikalischen Vemetzungen machen sich besonders bei der Diffusion in Schmelzen (Kap. 14.2.3), bei Schmelzeviskositaten (Kap. 15.3.4) sowie bei mechanischen Beanspruchungen (Kap. 17.5.5) bemerkbar. Sie werden gewtihnlich als Verhakungen oder Verschlaufungen zusammengefasst (E: entanglements), aber nicht weiter spezifiziert. Tatslchlich gibt es jedoch mindestens drei Typen von solchen physikalischen Vemetzungen (Abb. 6-4). Bei Koh2sionskontakten binden sich Segmente verschiedener Ketten iiber mehrere, nebeneinander liegende physikalische Bindungen in einer Art nematischen Suuktur (Kap. 8.2.2) bzw. einer Art Fransenmizelle (Kap. 7.2.1) aneinander. Verhakungen und Verschlaufungen sind dagegen rein topologischer Struktur. Sie erfordem keine physikalischen Bindungen, sondem kommen rein mechanisch zustande.
.m Koh&ionskontakt
Verhakung
Verschlaufung
Abb. 64 Physikalische Vemetzungen. Sie werden bei Zugbeanspruchungen in Richtung +wuksam, nicht aber in Richtung - - +. In der Regel wird nicht zwischen Verhakungen und Verschlaufungen bzw.anderen Verschlingungen (Verhaspelungen, Verwirmngen usw.)unterschieden.
180
6.3.4.
6.3. Massig konrentrierte Liisungen
Blobs
In einem Knauel befinden sich nun zwischen zwei benachbarten Verhakungen Molekiilsektionen, die so gross sind, dass sie noch alle Knauelchamkteristiken aufweisen. Diese Sektionen sind sozusagen "Knauelchen irn Knauel". welche die Forderung nach Selbstwichkeit erfiillen (Kap. 4.7.3). Eine Polymerkette aus Xu Monomereinheiten der Molmasse M u kann entsprechend als Perlenkette aus Knauelchen (E: blobs = Kliimp chen) der Molmasse Mbl bzw. des Polyrnerisationsgrades x b l = &/Mu aufgefasst werden (M= X&, = Nbflbl). Der Durchmesser dbl der Blobs ist der Abstand Lc zwischen zwei Verhakungsstellen (Abb. 6-5). Nachstehend wird die iiberlappungskonzentration des Polymeren (Index 2) zweckmksig als Volumenbruch #* ausgedriickt und nicht als Massekonzentration c*. Wegen c2* = m2*/V = V2*p2/v = h*p2 und M = MJ h s t sich G1.(64) als h*= [(3 M ( 4 R N,&-1][Xr3] = K,'Xs3 schreiben. Die? Beziehung fiir das gesamte Knihel muss (mit einer anderen Proportionalitiitskonstanten K,) bei der Uberlappungskonzentrationauch fiir die Blobs gelten, so dass h*= KJt,l(~,l>-~. In der Nahe der kritischen Volurnenbriiche h* fiir die Uberlappung rnussen die Blob-Durchrnesser dbl den Tragheitsradien Sbl der Blobs direkt proportional sein, d.h. dbi = Qbl(sb1). wobei Qbl ein Proportionalitatsfaktor ist. Bei diesen Volurnenbriichen sind die Verhakungsdichten ziemlich niedrig und die Blobs daher recht gross. Innerhalb der Blobs mussen f i r Monomereinheiten in guten Lbsungsrnitteln ausgeschlossene Volumina vorhanden sein, genau so wie fiir das gesamte Knauel. Die Tragheitsradien der Blobs miissen also die gleiche Beziehung Sbl = K b ~ ' M b l ~befolgen /~ wie sie bei gest6rten Knlueln gilt, nmlich s = KsM23/5. Zweckmassig wird der Polyrnerisationsgrad x b l = Stan der Molmasse M 2 venvendet, SO dass s b l = KblXb13/5 (mit K b l = MU^"). Nun werden aber die Blobs in guten Lbsungsrnitteln bei 92 > &* rnit steigender Konzentration h > h* irnrner rnehr zusamrnengedriickt. Der Faktor Qbl in dbl = Qbl(sb1) kann also nicht konzentrationsunabhhgig sein. Er kann aber auch nicht direkr proportional der Konzentration sein, da die Kornpression mit steigender Konzentration immer schwieriger wird. Der Faktor wird daher als Qbl = (Mh*)Yangesetzt, wobei y eine negative Zahl ist. Man erhdt sornit dbl = (&/h*)Y(Sbl), Der Exponent y wird wie folgt ermittelt. Einfiihren von h*= K ~ X b l / ( S b l ) ~und s = Kblxb13/5 in dbl = (h/@2*)y(sbl) liefen dbl = [K,-YKb13Y+'](~)YXb1(3'5)+(4y/5). Da der Blob-Durchmesser definitionsgemlss polyrnerisationsgradunabh&gig ist (dbl Xblo), wird der Exponent des Polymerisationsgrades zu (3/5) + (4y/5) = 0 und sornit y = -3/4.
-
Abb. 6-5 Links: Verhakungen grosser Kettenmolekiile (schematisch). Die Kontaktpunkte 1 und 1' kennzeichnen die Verhakung der Segmente zweier verschiedener Keuen. Die Kontaktpunkte 2.3 und 4 sind gleichermassen mit 2', 3' bzw. 4' verhakt (nicht gezeigt). Rechts: Molekiilsektionen zwischen zwei Verhakungen verhalten sich wie zwei quasi-unabhiingige Knauelchen (gestrichelte Krcise).
181
6. Vngeordnete kondensierte System
Weil h und xbl dimensionslos sind und dbl eine Liinge ist. muss auch [ K ~ - Y K ~ ~ ~ Y + ~ I eine Liinge sein; es wird gleich b gesetzt. Mit steigendem Volumenbruch h des Polymeren nimmt also der Durchmesser der Blobs nach dbl= b&-3/4 schnell ab. Wegen der in den Blobs vorhandenen ausgeschlossenen Volumina muss die Polymerisationsgradabhhgigkeitder Blob-Durchmesser der gleichen GesetzmZLssigkeit folgen wie diejenige der gesamten Kniuel, also dbl = bxb13/5. Einfiihren von dbl = bhd3l4 liefert dam x b l = &-5/4. In der Schmelze wird 92 = 1. Es gilt dann x b l = 1 und dbl = b. In der Schmelze wird der Polymerisationsgrad der Blobs folglich gleich 1, d.h.. der Durchmesser der Blobs entspricht einer (effektiven!) Monomerlhge b. Ein Knauel besteht nur aus wenigen Blobs; die Blobs selbst erzeugen somit kein ausgeschlossenes Volumen. Die Perlenkette aus den Blobs stellt folglich eine Kuhn'sche Ersatzkette dar, bei der der Blob-Durchmesser dbl die Kuhn-Lhge LK veruitt und die Zahl Nbl= Xkett$Xbl der Blobs die Zahl N K der Kuhn-Elemente. Der Blob-Durchmesser dbl ist somit eine Abschirmlange L,1, welche das ausgeschlossene Volumen innerhalb der Blobs abschimt (E: screening length). Fur die naturliche Tendenz, andere Segmente auszuschliessen, besteht somit fiir Lcl c dbl eine Korrelation. nicht aber f i r Lcl > dbi. Die L h g e Lcl wird daher auch Korrelationslange genannt (E: correlation length). ~ = (1/6) Nbidbi2 Eine solche Kuhn'sche Kette weist Tragheitsradien von ( s ~ =) (r20)/6 auf. Die zahl Nbl der Blobs ist durch x = NblXbl gegekn. Einfiihren von Xbl= 42-514 und dbl = b&-3/4 sowie X = M/M,liefert dann (6-9)
(s2)dM = (1/6) (b2/Mu)h-l/4 oder
(r2)o = Xb2h-114
Wie vorhergesagt. nimmt das reduziene Tragheitsquadrat mit zunehmender Konzentration bis auf den Wen (1/6) b2/Mu = (s2)dM der ungesttirten Knauel ab (Abb. 6-6). Die Steigung der Funktion lg ( ( S ~ ) ~ E/ rHPoly(styro1) ~) im guten Ldsungsmittel Toluol betragt
1
Abb. 6-6 1g (s2/hf)als Funktion von lg
fiir Mischungen von Poly(styro1) und dPoly(styro1) mit
jeaw= 114 OOO g/mol in d~-Toluol(O,O:zwei Serien in mehrmonatigem Abstand) [6] bzw. mit M, = 75 500 g/mol im Theta-Usungsmittel dl2-Cyclohexan (fB)[5bl nach Messungen der Neumnenkleinwinkelstreuung bei Raumtemperatur.
182
6.3.5.
6.3. Massig konzentrierte Losungen
Tragheitsradien von Sternmolekiilen
Bei Stemmolekulen in massig konzentrierten Ltisungen kdnnen die Arme als Blobs aus linearen Ketten modellien werden. Das Sternmolektil besteht dann aus einem kleinen Kern, der von Blobs umgeben ist. Bei Volumenbriichen >> h* sind die Keme vernachlasigbar und man kann dann die gleiche Funktionalitat wie bei G1.(6-8) fiir lineare Ketten envarten, bei guten Ldsungsmitteln (v = 3/5) also s Xm1n(9r/&*)-1/8. Die Tragheitsradien eines 18-armigen Sternmolekuls waren nach Messungen der Kleinwinkelneutronenstreuung bei niedrigen Konzentrationen praktisch unabhwgig von der Konzentration (Abb. 6-7). Oberhalb einer kritischen Konzentration von h = 0,09 sanken dann die Tragheitsradien wie theoretisch gefordert ab, und zwar mit einer etwas grdsseren Steigung von -0,133 statt 4,125. Bei einem 64-armigen Sternmolekiil waren die Trtigheitsradien bei niedrigen Konzentrationen ebenfalls konstant. Bei hdheren Konzentrationen stiegen sie jedoch leicht an, was vermutlich durch ein Strecken der Arme infolge der burstenartigen Struktur bedingt ist (Kap. 9.5.2). Experimentelle Daten sind jedoch schwierig zu interpretieren, und zwar nicht nur wegen Unzulwglichkeiten der Theorie oder experimentellen Fehlem, sondem auch wegen des Problems, Streudaten korrekt auszuwerten. Wegen der relativ hohen Dichten und kleinen Dimensionen von verzweigten Polymeren erhalt man bei SANS- und SAXSMessungen nicht die Streufunktion P f i bei genugend kleinen Winkeln (Kap. 5.4). Diese Kenntnis ist aber erforderlich, um den Tragheitsradius zu ermitteln. Die Streufunktion wird daher mit verschiedenen Modellen angen2hert. Aus Lichtstreuungsmessungen an einem 32-armigen Poly(butadien) erhielt man so nach Zimm einen Tragheitsradius s von 10,O nm. Neutronenkleinwinkehessungen gaben nach Zimm dagegen 11,4 nm. die sich erst mit der sog. Ullman-Korrektur zu 10,l nm reduzierten. Die Auswertung nach Kratky fiihrte zu einem W i c h e n Wert von 9,8 nm, w&rend die Berechnung nach Guinier einen vie1 zu tiefen Wert von 8,7 nm lieferte.
-
0.0 1 -&?
-
1
Abb. 6-7 Logarithmus des Triigheitsradius s (aus SANS-Messungen) als Funktion des Logarithmus des Volumenbruches 4 der Polymeren bei einem 18-armigen Poly(isopren)-Stern mit einem Kern [ CH2Si[CHzCHzSi> A 4 2 bzw. bei A w >> Bn die beiden endsttindigen BlUcke in kugelfUrmigen Domiinen vor (Abb. 8- 19). Diese kugelf6rmigen Domiinen stellen physikulische Vemetzungsbereiche dar. Sind die Vemetzungsbereiche "hart" (TG,A> T ) und ist die kontinuierliche Matrix "weich (TG,B< T), dann verhtilt sich das Dreiblockpolymere wie ein Elastomer. Bei Temperaturen T > TG,Aoberhalb der Glastemperatur der A-Domaen erweichen jedoch die Domihen. Das Dreiblock-Polymere ist ein thermoplastisches Elastomer, das wie ein thermoplastischer Kunststoff reversibel verformbar ist. Bei Volumenanteilen von 0,35 < t $ 1, also eine Mehrschichtenadsorption. Die Theorie sagt fiir alle Adsorptionsisolhermen log fa =fOog 6 )einen starken anfhglichen (linearen) Anstieg voraus. Experimentell wird jedoch oft ein gradueller Anstieg gefunden, was durch die molekulare Uneinheitlichkeit der Polymeren bedingt ist. Der lineare Anstieg im Henry-Bereich wird oberhalb eines kritischen Volumenbruches &it durch eine flachere Gerade abgelbst (Abb. 9-13), die bei linearer Aufuagung von fa =A&,) wegen des kleineren Konzentrationsintervalls als Pseudoplateau erscheint. Die kritischen Volumenbriiche sind sehr niedrig; beim Beispiel der Abb. 9-13 betragen sie bereits bei X =1 nur & = 10-3. Sie nehmen exponentiell mit dem Polymerisationsgrad ab und erniedrigen sich bei X = 50 entsprechend auf weniger als 6 = 10-lo. Solch niedrige Konzentrationen lassen sich nicht durch VerduMen der Liisungen erreichen. Es tritt daher keine merkliche Desorption auf, was wiedemm bei molekulareinheitlichen Polymeren nicht als irreversible Adsorption gedeutet werden darf. t
10
t
.X =
loo0
X = 50
lo-' .
1
e
'
10-2
10-3.
I
. lo"
lo-5.
X=l
X = 10
1o-7L 10-10
.
. 10-8
10-6
-
10-4
@P
I 1 10-2
1
Abb. 9- 13 Berechnete Oberflkhenbedeckungenf a bei der Adsorption von Polymeren verschiedenen Polymerisationsgrades X = Vpolper/VLiisungSmittel aus Losungen (x, = 1/2) rnit unterschiedlichen T Der kritische Volumenbriichen 6 des Polymeren bei einer Gibbs-Energie von AGseg = 1 ~ B [lo]. Volumenbruch ist nur fiir X = 1 gezeigt.
285
9. Polymere in und an Grenzfllichen
Adsorptionsisothermen sind daher entweder scharf (molekulareinheitliche Polymere) oder gerundet (molekularuneinheitlichePolymere). Desorptionsisothermen sind dagegen immer scharf, weil alle Komponenten nur d a m desorbieren, wenn sich ihre LOsungskonzentrationen weit unterhalb der Erkennungsgrenze befinden. Bei htlheren Polymerisationsgraden ist die Oberflichenbedeckung schon bei sehr kleinen Polymerkonzentrationen vollst2ndig (bei X = 50 wirdf, = 1 schon bei & = 10-4 erreicht!). Bei hUheren Konzentrationen treten hier Mehrfachadsorptionen auf, die sich bei einem Polymerisationsgrad von X = loo0 sogar iiber den ganzen berechneten BeI& S 1 erstrecken. Im Plateaubereich betragen die pro Fliiche adsorreich von bierten Massen einige mg/m2, in Abb. 9-12 z.B. m/A .- 5 mg/m2. Solche Fliichenkonzentrationen entsprechen 2-5 iquivalenten Monoschichten. Adsorptionen von Polymeren aus thermodynamisch schlechten LOsungsmitteln sind durch geringe Wechselwirkungen zwischen den Polymersegmenten gekennzeichnet, d.h. die Wechselwirkungen Polymer/Adsorbens werden Rlativ stiirker. Die Adsorption nimmt daher mit steigender thermodynamischer Giite des LUsungsmittels fiir das Polymere ab. Poly(styro1) adsorbiert aus dem guten Wsungsmittel 1,4-Dioxan 2.B. uberhaupt nicht mehr auf Chrom. Je polarer das Polymere und das Adsorbens, umso mehr Kontakte werden jedoch mit der Oberfliche ausgebildet und umso flacher und kompakter ist die adsohierte Polymerschicht. Die adsorbierte Schicht von Poly(oxyethy1en) auf Chrom ist z.B. nur ca. 2 nm stark und so dicht gepackt, dass der Brechungsindex der adsorbierten Schicht mit dem des kristallinen Polymeren identisch ist.
9.5.
Biirsten
Wenn viele lineare Polymerketten oder deren Segmente jeweils an einem Ende an ei-
nem anderen, gemeinsamen Segment, Molekiil oder Substrat chemisch oder physikalisch befestigt sind (Abb. 9-14), spricht man von gefesselten Ketten (E: tethered chains). Bei sehr hohen Kowntrationen der Fesselungspunkte redet man von Biirsten (E: brushes).
Adsorbierte oder gepfropfte Polymere
Poly(macromonomere)
Vielarmige Sternpolymere
Langsegmentige Dendrimere
Diblockplymere Triblockpolymere als Phasenvermittler in Larnellen
Polymermitellen
Triblockpolymere in Kugeldominen
Abb. 9-14 Einige gefesselte Ketten. Diblockpolymere konnen ausser als Phasenvennittler bzw. Vertrtiglichkeitsmacher (E: compatibilizer) zwischen zwei festen Phasen (gezeigt) auch als Emulgatoren zwischen zwei fliissigen Phasen wirken (Mikroemulsionen, Vesikel; nicht gezeigt). Die Langkettigkeit bei den Dendrimeren bezieht sich auf die Abstitnde zwischen den Verzweigungspunkten.
286
9.5.1.
9.5. Birsten
Abstossungskrafte
Bei Bursten nehmen Kettenmolekiile im Gleichgewicht nicht die Makrokonformationen statistischer Knluel an. Um elektrostatische Wechselwirkungen zu vexmindem, strecken sie sich vielmehr spontan von der Ankerstelle weg (Abb. 9-14). Dieses Strecken erfordert nicht das Anlegen mechanischer Spannungen oder elektrischer Felder. Die zwischen benachbarten Ketten herrschenden Abstossungskr2fte wurden wie folgt adsorbiert auf Glimmer, wonachgewiesen. Poly(2-vinylpyridin)~0-block-Poly(styrol)~~ bei der PV2P-Block wegen der stark adsorbierenden 2-Vinylpyridin-Reste eine abgeflachte Makrokonfonnation einnimmt. Der PS-Block wird in guten Usungsmitteln nicht adsorbien und ragt in die Usung. Zwei Glimmerpllttchen wurden dann gegeneinander gepresst und die zwischen den PS-Blkken herrschenden Wfte gemessen. Die Kr2fte treten bei vie1 grosseren Abst2nden als bei freien Ketten auf (Abb. 9-15). Die Poly(stym1)-Bliicke in den Bursten streckten sich bis zum Faktor 10 relativ zum freien Zustand. 53 T 4 .
-
p
Toluol T=32"C
t
20:
Cy clohexan
e=38°C 0,8
j
h
1
15
0,6
10
0,4
5
0
-0
50
loo -0
50
- dlnm
100 0
50
100
--*
Kap. 9-15 Lineare Krtifte F/L(= Energien pro Fltiche) zwischen den Poly(styro1)-Blkken von auf Glimmer adsorbiertern Poly(2-vinylpyridin)~-block-Poly(styrol)~ als Funktion des Abstandes d der Glimmerplsttchen. Fiir die Poly(styro1)-Blkke ist Toluol(32"C) ein gutes LOsungsmittel und Cyclohexan nahezu ein Theta-User (38°C) oder ein schlechtes L(isungsrnittel(21"C) [ll].
9.5.2.
Blob-Theorie
In Schmelzen sind dicht adsorbierte (oder gepfropfte) Ketten stark ineinander verknauelt. Die Verkniuelung erhiiht die intersegmentalen Kontakte und damit auch die Wechselwirkungsenergie AGht. In guten Usungsmitteln versuchen die Knluel aber, sich zu strecken, was jedoch wegen der Fesselung der Ketten an die Oberflache und der engen Nachbarschadt der anderen Ketten nur senkrecht zur Oberflache miiglich ist. Das Strecken erhoht die Schichtdicke d der adsorbierten Schicht. Gleichzeitig wird die Segmentkonzentration in der Schicht emiedrigt. Die Gibbs-Energie AGint wird dadurch kleiner, der elastische Beitrag AGel aber grosser.
9. Polymere in und an Grenzfachen
287
Abb. 9-16 Aufeiner ebenen Oberfkiche ubex die Kettenendenim Abstand CI adsorbierte oder aufgepfropfte Ketten. Die Ketten strecken sich bis zu einer SchichtdickeL. GemW dem Skalierungsansatz sind sie als Blobs mit dem Durchmesser a modelliert (vgl. auch Kap. 6.3.4) 1121. Mit freundlicher Genehmigung des SpringerVerlages, Berlin.
Zum Berechnen der gesamten Gibbs-Energie pro Kette, AG = AGht + AGel, nimmt
man Ketten aus je X "kubischen" Monomereinheiten der (effektiven!) L b g e b an; die konventionelle Konturlbge betragt also rmnt = X b . AUe Ketten besitzen die gleiche gestreckte L b g e L; sie sind auf einer ebenen Obefflache im Abstand a voneinander befestigt (Abb. 9-16). Im Schichtvolumen a2L halten sich also Xb3 Monomereinheiten auf. Die Einheiten seien gleichmlssig verteilt; der Volumenbruch & = Xb3/a2L der Monomereinheiten in der Schicht sei also an jeder Stelle gleich gross. Die Beitrage von AGht und AGel sind auf zwei verschiedene Weisen berechenbar. Bei der einen N2herung setzt man an, dass AGht der thermischen Energie kBT, dem Polymerisationsgrad X der Kette, dem Volumenbruch 92 der Monomereinheiten in der Schicht sowie einem Parameter kexcl proportional ist, der den Einfluss des ausgeschlossenen Volumens in guten LOsungsmitteln beschreibt. Dieser Parameter wird als kexcl = 1 - 2 x angesetzt, wobei x der Flory-Huggins-Wechselwirkungsparameterist (vgl. Kap. 10.2.2). Zum besseren Vergleich mit dem zweiten Ansatz wird 1 - 2x = 1 gesetzt. Der elastische Beitrag wird als dejenige einer entropischen "Feder" angesehen und 2 einer Federkonstanten bT/(r2)ogeschrieben. Es muss also ein somit als ( ~ T / ( r 2 ) o ) L mil Betrag von bT aufgebracht werden, um den Fadenendenabstand (r2)01n= (Xb2)'i2 zu verdoppeln. Die reduzierte Gibbs-Energie ergibt sich somit zu
-
wobei angibt, dass beim Ansatz Proportionalititskonstanten in der GrOssenordnung von "1" unberiicksichtigt blieben (Beispiel: die Monomereinheiten nehmen sicher nicht einen Kubus ein; a3 ist aber eine gute N2herung fiir den Rauminhalt. Ein Zylinder mit dem Durchmesser a und der Hohe a hat z.B. einen Rauminhalt von ~ ( a / 2 )=~ u7ta3/4; sein Rauminhalt betragt ca. 78,54 % des Kubus, also praktisch 100 %). Beim zweiten Ansatz setzt man 1 - 2x = 1 und nimmt die gestreckte Kette mil dem Polymerisationsgrad X als eine Reihe von linear iibereinander gestapelten Blobs an (vgl. Abb. 9-16). Die Wechselwirkungsenergie pro Kette wird nach AGint = N b l h T als Produkt aus der Zahl Nbl der Blobs pro Kette und der thermischen Energie k g T angesetzt. Die Zahl der Blobs pro Kette erhat man nach N b l = X/Xbl aus den Polymerisationsgegeben ist graden X der Kette und xbl der Blobs, wobei der letztere durch x b l = h-5/4 (Kap. 9.3.4). Da der Polymerisationsgrad X der Kette und der Volumenbruch h durch 9 = Xb3/u2L verknupft sind, ergibt sich die reduzierte Wechselwirkungsenergie zu
288
9.5. Bursten
Innerhalb der Blobs ist in guten Losungsmitteln ein ausgeschlossenes Volumen vorhanden, obwohl die gesarnte Kette in massig konzentrierten Losungen ein Gauss-Verhalten aufweist. Der elastische Beitrag AG,l/kBT betrigt daher L2/(r2)Stan L2/(r2),. Das Mittel iiber die Quadrate der Fadenendenabsthde wird nach ar2= (r2)/(r2), durch den Expansionsfaktor a, des ausgeschlossenen Volumens vergrossert. Es ergibt sich nach G1.(6-9) mit X = M/M,zu (r2)= X ~ I ~ @ - -Damit ' / ~ . wird AG,l/bT = ( 1 5 ~ / X b ~ ) @ - ' / ~ . Dieses Model1 I1 liefert somit fiir die reduzierte Gibbs-Energie den Ausdruck (9- 10)
(aG/k~T)n= (a2L/b3)Qr9I4+ (L2/Xb2)g1/4
(gute Losungsmittel)
Jedes Glied der rechten Seite der G1.(9-10) ist also wegen der gleichsinnigen Korrelationseffekte bei den Segment-Segment-Wechselwirkungen und bei der Kettenelastizitat im Vergleich zu G1.(9-8) noch mit $114 multipliziert. Die G1.(9-10) und G1.(9-8) liefem jeweils die gleichen Ausdriicke fur die Schichtdicke L, wenn man die Gibbs-Energie minimiert. Einsetzen von Qr = Xb3/u2L, Differenzieren von AG nach L und Setzen von dAG/dL = 0 resultiert in (9-1 1)
L = Xb(b/a)2/3
Die gestreckte Kette erreicht ihre konventionelle Konturlhge rcOnt= Xb nur dann, wenn der Abstand a der Kontaktpunkte gleich der effektiven Monomerlhge b wird. Im Allgemeinen ist aber a > b und die Kette streckt sich nur bis zu der durch G1.(9-11) gegebenen L a g e L. Diese L h g e ist jedoch in den meisten Fallen wegen der Proportionalitiit L X immer noch grosser als der in guten Msungsmitteln wegen r X3I5 maximal erreichbare Fadenendenabstand r eines Knauels. In Theta-Liisungsmitteln verschwinden die binlren Kontakte zwischen Monomereinheiten, nicht aber die 3-Korper-Wechselwirkungen(Kap. 8.3.2 und Kap. 10.4.2). Statt h2Uitt nun Qr3 auf. Fur die reduzierte Gibbs-Energie ergibt sich analog zu G1.(9-8) ) Grosse vemachlassigt wird): (wenn wie dort bei AG;, eine dem (1 - 2 ~ entsprechende
-
(9-12)
-
AG/bT
- (a2L/b3)Qr3+ L2/(Xb2)
Nach dem Minimieren (Ersetzen von &, Bilden von dAG/dL, Nullsetzen) ergibt sich (9- 13)
L =Xb(b/~)
(Theta-Losungsmittel)
In Theta-Losungsmitteln sind die Ketten also urn den Faktor (b/a)-'Dkurzer als in guten Llisungsmitteln (Gl.(9-1l)), aber immer noch gestreckt. Die Verhiiltnisse werden komplizierter, wenn sich die Kontaktpunkte der Ketten nicht auf einer ebenen Oberflache befinden, sondern auf einer gekriimmten. Beispiele sind vielarmige Stempolymere oder Polymermizellen (Abb. 9- 14). Bei vielarmigen Stempolymeren erstrecken sich z.B. vom Kem aus viele Arme. Die gestreckten Ketten eines solchen Stempolymeren befinden sich dann nicht mehr in "quadratischen" Zylindem. Das Sternmolekul kann vielmehr als Kegel modelliert werden, der sich vom Kern (Kontaktpunkt) auf einer gekriimmten Oberflache bis zu den freien Enden stiindig vergrossert.
289
9. Polymre in und an Grenzjldchen
9.5.3.
Rheologie
Das rheologische Verhalten von Oberfllchenschichten ist messbar, wenn 2.B. eine gekriimrnte OberflZLche rnit darauf adsorbierten (oder gepfropften) Polymerketten normal und sinusf6rmig gegen eine OberflZLche rnit den gleichen Kettentypen rnit der Geschwindigkeit dL1dt bewegt wird. Die Polymerschichten befinden sich jeweils in einer Flussigkeit rnit der Viskosiut q. Aus den gequollenen Polymerschichten wird beim Belasten L6sungsmittel ausgequetscht und beim Entlasten eingesogen, und zwar solange. bis die angelegte Last jeweils gleich der Anderung des osmotischen Druckes ist. Die Zunahme (Abnahme) stammt von der sterischen Abstossung. die durch die Zunahme (Abnahme) der Segmentkonzentration im Raum zwischen den Oberfllchen bewirkt wird. Fur die Geometrie G der verwendeten Messapparatur ergibt sich aus der gemessenen hydrodynamischen Kraft Fh. den bekannten Radien R der beiden Oberfliichen. deren Abstand L und der Viskosit2t q der Flussigkeit die Beziehung
Die G-Werte nehmen rnit zunehmendem Abstand L erst langsam zu, um dann bei Werten von uber 200 nm steil anzusteigen (Abb. 9-17). Bei L > 250 nm ist die Steigung genau gleich gross wie bei Messungen ohne adsorbiertes Polymeres. G-Werte bei L > 250 nm lassen sich linear auf G = 0 zuriickextrapolieren. Sie liefem dann statt L einen Wert von L - 2 Lh. wobei Lh = 110 nm die hydrodynamische Dicke der Schicht ist. Die Steigung ist gleich dem Kehrwert der ViskositZLt ql des reinen L6sungsmittels. was wohl bedeutet, dass die Eindringtiefe des fliessenden Toluols gering ist. Bei Abstiinden L < 2 Lh durchdringen sich offenbar die beiden Polymerschichten. Anders ist es dagegen. wenn die beiden Polymerschichten horizontal gegeneinander geschert werden. In diesem Fall penetrieren die beiden Schichten einander nicht.
I
0 0
100
200
- Llnm +
300
Abb. 9-17 G als Funktion des AbstandesL zwischen zwei OberRichen, die jeweils rnit biirstenartigen Poly(styro1)-Schichten (PS-Zw) in Toluol bedeckt sind. Die gepunktete Linie entspricht Messungen ohne adsorbiertesPolymeres [13]. Mit tkundlicher Genehmigung der American Chemical Society, Washington, DC.
290
Literamr zu Kap. 9
Historische Notizen A.Pockels. Surface tension, Nature 43 (1891) 437. Fiir eine historische Wiirdigung siehe Wo.Ostwald, Kolloid-Z. 48 (1932) 1. Entwicklung des Pockels’schen Troges (in der heutigen Literatur gewohnlich als Langmuir-Trog bezeichnet
Literatur zu Kap. 9 9.1. OBERFLACHEN (allgemeine hersichten)
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9. Polymere in und M Grenzfliichen
29 1
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Quellennachweise [l] XZhao, W.Zhao. J.Sokolov. M.H.Rafdovich, S.A.Schwan, B.J.Wilkens, R.A.LJones, EJ.Kramer, Macromolecules 24 (1991) 5991. Abb. 6 [2] M.Gorelova. V.Levin. A.Pertsin. Macromol.Symp. 44 (1991) 317, Daten der Abb. 1 [3] AZosel. Colloid Polym. Sci. 271 (1993) 680,Abb. 9 [4] J.T.Koberstein. MRS Bulletin 21 (1996) 16. entnommen aus Abb. 3
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292
10.
Thermodynamik von Polymerlosungen
10.1, Phanomenologische Thermodynamik 10.1.1. Gestalt und Losungseigenschaften Die Eigenschaften von Polymeren in Losung weichen charakteristisch von denen niedermolekularer Substanzen ab. Kleine Molekule unterscheiden sich in ihrer Grosse nicht sehr von den sie umgebenden Uisungsmittelmolekiilen. Die Grosse und Gestalt geloster kleiner Molekiile wird auch nicht sehr von der Wechselwirkung mit dem Llisungsmittel beeinflusst. Die Wechselwirkungen selbst sind ziemlich lokalisiert. Die Struktur der Losungen a d e n sich femer nicht allzusehr mit der Konzentration des Gellisten, wenn man einmal von der Mizellbildung amphiphiler Substanzen absieht. Makromolekiile verhalten sich dagegen in den verschiedenen Konzentrationsbereichen je nach Makrokonformation anders. Stabchenformige Makromolekiile sind anisotrop. Sehr verdunnte Uisungen sind jedoch isotrop, weil die Molekule gleichmassig verteilt sind und der Abstand zwischen den Molekiilen damit gross ist. Wegen der Anisotropie eines Molekiils ist aber ein verhiilmismassig grosser Anteil des Llisungsvolumens fiir andere Stabchen ausgeschlossen. Schon bei massig konzentrierten Losungen werden daher viele Molekiile lediglich aufgrund der Formanisotropie und ohne spezifische intermolekulare Wechselwirkungen in lateral geordnete Schwhne gezwungen. Es entstehen lyompe Mesophasen (Kap. 8). Auch spharoidale Makromolekiile liegen in sehr verdiimten Lbsungen isoliert vor. In den meisten Fiillen sind aber solche Molekule nicht kompakte Kugeln (Kap. 4.2). Bei Enzymen und Dendrimeren ist z.B. die Stoffkonzentration innerhalb der Molekule sehr hoch, ausserhalb dagegen gleich null. Das sich im Innem dieser Molekule in Spalten und Hohlen befindende Losungmittel kaM als solvatisierendes Lijsungsmittel betrachtet werden; die Solvatation l i s t sich wegen des geringen intersegmentalen Abstandes der Molekiilsegmente aus den ausseren Abmessungen und der Masse der Molekiile berechnen. Falls spezifische intermolekulare Wechselwirkungen abwesend sind, wird bei hbherkonzentrierten Llisungen lediglich der Molekiilabstand geringer. Bei geladenen Molekulen kommt es jedoch zu einer Gitterbildung (Kap. 10.8.1). Sind spezifische Wechselwirkungen vorhanden, so assoziieren die Enzym-Molekiile schon in verdunnten Losungen zu grosseren Einheiten (Quartirsttkturen). Bei hoheren Konzentrationen treten dann Gitterstrukturen auf. Wieder anders ist die Situation bei knaueljormigen Makromolekulen. In sehr verdiinnten Llisungen liegen auch hier die Molekiile isoliert vor; sie konnen als "isotrop" von Molekiilsegmenten und Losungsmittelmolekulen gefiillte "Kugeln" approximiert werden (Kap. 4). Falls keine spezifischen intermolekularen Wechselwirkungen vorhanden sind, anden sich die Situation bei etwas weniger verdunnten Losungen nicht. Da aber der Raumbedarf der einzelnen Makromolekiile sehr gross ist, beginnt sich bereits bei mbsig konzentrienen Losungen der Raumbedarf aller geltisten Makromolekiile dem Totalvolumen der L6sung zu niihem. Bei einer bestimmten Ubergangskonzentration c* fangen die einzelnen Molekiilknauel sich zu iiberlappen an (Kap. 6.3.1) und bei noch hdheren Konzentrationen bei geniigend hohen Molmassen auch zu verhaken, bis die konzentrierte Usung schliesslich als physikalisches Netzwerk erscheint.
10. Thermodynamik von PolymerlSsungen
293
Bei spezifischen Wechselwirkungen zwischen Molekiilteilen kn2uelftirmiger Makromolekiile sind sehr verschiedene Ltisungsstrukturen mtiglich. Endgruppen kliMen z.B. intermolekular assoziieren. Diese Assoziation nimmt mit steigender Konzentration und fallender Molmasse zu. Falls flexible Makromolekiile aus miteinander nicht vertraglichen Blticken aus verschiedenen Monomereinheiten bestehen, ktinnen in VerduMten Ltisungen kugelftirmige Mizellen entstehen, die bei missigkonzentrierten Ltisungen aus Raumgriinden in stibchenartige Mizellen und bei sehr konzentrierten Liisungen u.U. in Lamellenstrukturen iibergehen. In Masse bilden sich je nach Raumbedarf der Blticke verschiedene Mesophasen aus (Kap. 8). Bei wiederum anderen Makromolekiilen assoziieren sich Segmente lateral. Derartige intermolekulare Assoziationen fiihren bei genugend hohen Konzentrationen zu physikalischen Netzwerken; die Usung verhgt sich wie ein hochgequollenes Gel (Kap. 10.9).
10.1.2. Thermodynamische Einteilung von Liisungen Die Uslichkeit einer Substanz in einem Usungsmittel wird durch die Wechselwirkungen Geltistes-Lbsungsmittel relativ zu den Wechselwirkungen Geltistes-Gelbstes und Ltisungsmittel-Ltisungsmittel(enthalpischer Effekt) und durch die Zahl und Anordnungsmtiglichkeiten der Molekiile bzw. Molekiilsegmente in der Usung relativ zu den reinen Substanzen bestimmt (entropischer Effekt) Die resultierenden Anderungen der Enthalpie und der Entropie werden durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (10- 1)
AG = AH - A(TS) = AU
+ A(pV) - A(TS) = AA + A@V)
beschrieben, wobei G = Gibbs-Energie, H = Enthalpie, U = innere Energie, A = Helmholtz-Energie, S = Entropie. p = Druck, V = Volumen und T = thermodynamische Temperatur sind und die A die hderungen dieser Grtissen beim Mischen von Geltistem und Ltisungsmittel angeben. Bei isobaren Prozessen in kondensierten Systemen gilt hiufig AG = AA, da Volumenhderungen oft (aber nicht immer) vemachlgssigbar sind. Geltistes und Usungsmittel liegen in Ltisung in verschiedenen Stoffmengen nj vor. Die hderung der Gibbs-Energie mit der Stoffmenge der Komponenten i ist die partielle molare Gibbs-Energie 6i,mbzw. das chemische Potential pi dieser Komponenten:
Fur das Differential der molaren Gibbs-Energie der Komponente i gilt (vgl. Lehrbucher der chemischen Thermodynamik)
$,
= partielle molare Entropie und ui = Aktivitat, wobei vi,m = partielles Molvolumen, jeweils fiir die Komponente i. Das vollstindige Differential der molaren Gibbs-Energie G, lautet
294
10.1. Phiinomenologische Thermodynamik
Die linke und die rechte Seite dieser Gleichung mussen nach G1.(10-2) identisch sein. Daraus folgt die Gibbs-Duhem-Beziehung
Fur einen isotherm-isobaren Prozess erhdt man aus G1.(10-3) mit dp = 0 und dT = 0 nach der Integration und dem Ubergang zu chemischen Potentialen
Die Integrationskonstante P;,~ist das auf die reine Substanz bezogene chemische POtential @: chemical potential). Die molare Aktivitat a; wird haufig noch in den Stoffmengenanteil Xi und den molaren Aktivitatskoeffizienten 3~ aufgeteilt. Den vom Stoffmengenanteil heniihrenden Beitrag zum chemischen Potential bezeichnet man als ideales Glied, den vom Aktivitatskoeffizienten stammenden als Exzess-Glied:
Die Ldsungen lassen sich je nach dem Anteil und dem Vorzeichen des idealen Gliedes und des Exzess-Terms in vier Typen einteilen: Ideale Losung: Die Mischungsenthalpie ist gleich Null. Der gesamte Beitrag zur Gibbs-Mischungsenergie stammt lediglich von der idealen Mischungsentropie, die bei Mischungen von gleich grossen kugelformigen Molekulen nur durch die Zahl der Anordnungsmoglichkeiten der Molekule gegeben ist (vgl. Kap. 10.2.2).
.
Athermische Losung: Die Mischungsenthalpie ist ebenfalls gleich null. Die Mischungsentropie setzt sich aus der idealen Mischungsentropie und einer Exzess-Mischungsentropie zusammen. Regulare Losung: Die Mischungsentropie ist ideal, die Mischungsenthalpie ist jedoch nicht gleich null. Irregulare Losung: Die Mischungsenthalpie ist ungleich Null. Die Mischungsentropie enthat eine Exzess-Mischungsentropie.
Ein wichtiger Spezialfall bei Polymer-Ldsungen ist die Theta-Losung oder pseudoideale Losung. Bei deranigen LCisungen kompensieren sich bei einer bestimmten Temperatur (der Theta-Temperatur) gerade die Mischungsenthalpie und der Beitrag TASexc der Exzess-Mischungsentropie, so dass eine verdunnte Losung als ideale L6sung erscheinr. Im Gegensatz zu einer echten idealen Ldsung ist jedoch die Mischungsenthalpie nicht gleich null und die Mischungsentmpie nicht gleich der idealen Mischungsentmpie. Die relativen Anteile der Mischungsentropie und der Exzess-Entropie a d e m sich bei pseudo-idealen Losungen mit der Temperatur, so dass eine pseudo-ideale Losung nur bei einer bestimmten Temperatur, der Theta-Temperatur, als “ideal” erscheint. Eine echte ideale Ldsung verhalt sich dagegen bei allen Temperaturen ideal. Die Theta-Temperatur von Polymer-Losungen entspricht somit der Boyle-Temperatur realer Gase.
295
10. Thennodym'k der Polymerl8sungen
10.1.3.
Loslichkeitsparameter
Die L6sbarkeit bzw. Mischbarkeit eines Polymeren in einem niedermolekularen LUsungsmittel kann bisher nicht aus molekularen D a m vofierberechnet werden. Das Konzept des Uslichkeitsparameters erlaubt jedoch oft abzuschitzen, welches Polymere sich in welchem Usungsmittel l b t . L6sungsmittel verbleiben als Fliissigkeiten und werden nicht zu Gasen, weil zwischen den L(lsungsmittelmolekii1en KohisionskrZfte wirken (Wasserstoffbriicken, Dipol-Dipol1 binirem Wechselwirkungen, Dispersionskrifte). Die Kohisionsenergie betrigt ~ 1 pro Kontakt und z q 1 / 2 pro Einzelmolekiil, da jedes Lhungsmittelmolekiil von z anderen umgeben ist. Die Kohgsionsenergie V1,mol pro Volumeneinheit ist die Kohiisionsenergiedichte r1 (E: cohesion energy density):
wobei V I , =~ NAVl,mol das Molvolumen des Usungsmittels ist. Die Quadratwurzel aus der Kohkionsenergiedichte ist der Loslichkeitsparameter 61 (E: solubility parameter). Tab. 10-1 Iislichkeitsparameter61,6d, 4 und 4 von Usungsmitteln bei 300 K in der vie1 verwen&ten traditionellenEinheit 1Hildebrand = 1 ( c a l / ~ m ~=) 2,046 ~ n (J/cm3)ln. ad
4
4
7,48 8,21 8,65
7,48 8,21 8,65
0 0 0
0,10
8.75 8,72 7,7 9,14
WasSer
9,33 9,73 10,8 1132 14,60 17,65 23,43
1,42 8,s 7.6
1,65 3-1 23 2,35 6.1 5.9 8,O
Lewis-Basen Diethylether Ethylacetat Benzol Methy lethy lketon Temhydrofmn Aceton 1P-Dioxan pyridin Dimethylacetamid Hexamethylphosphorhiamid Acetonitril NJ-Dimeth ylformamid Dimethy lsulfoxid Formamid
7,72 8,90 9,19 9.29 9.49 9,82 10,02 10,61 11,12 11,35 11,95 12,14 13.04 17,9
7,09 7,72 8,99 7,82 8,22 7,58 9,29 9,29 8-2 9,O 7,50 8.5 9,O 8,4
1,42 2.59 0 4.40 3,05 5.08 0,88 4,30 5-6 42 83 6,7 8-0 12,8
L(lsungsmitte1 Apolare Ltisungsm'rrel Hem cyclohexan T~hlorkohlenmff
61
0 0
Lewis-Sduren
Chloroform Dichlormethan t-Butanol m-fiesol Methanol Glycerin
23 3,O 7,1 6.6 11,0
14,3 20,9 2,49 3.52 0,98 2,49
35
3.42 3,62 2,88 5 ,o
55 3,O
55 5 ,O 9,3
296
10.1. Phiinomenologische Thermodynamik
I
Abb. 10-1 Llislichkeitsparameter von Alkanen, l-Chloralkanen und l-Hydroxyalkanen als Funktion des VeMtnisses der Molvolumina von Endgruppen und Grundbausteinen [l]. Liislichkeitsparameter von Liisungsmitteln Die Trennungsenergie pro Mol Molekiil (also pro halbem Mol an binaren Kontakten) . Trennungsenergie entspricht einer mobetngt somit E l , , , = V I , ~=SN ~ z e~1 1 / 2 Diese laren Verdampfungsenergie. Die Loslichkeitsparameter 61 der Losungsmittel werden demgemlss aus der Differenz zwischen der experimentellen molaren Verdampfungsenthalpie und der gegen den Aussendruck zu leistenden Arbeit ermittelt. Die Mslichkeitsparameter 61/(cal cm3)lI2 variieren zwischen 7.48 (Heptan) und 23,43 (Wasser) (Tab. 10-1). also Werten von &/(J cm3)lD zwischen 15.30 (Heptan) und 47.94 (Wasser). Die Parameter werden oft als "dreidimensionale" Parameter nach 612 = 8d2 + $2 + h2 in die Beitrage der Dispersionskrafte (&), Dipolkrlfte (4)und Wasserstoffbriickenbindungen (&) aufgespalten. Die Beitrlge der Dispersionskrae sind praktisch unabhhgig von der chemischen Natur der Usungsmittel (Tab. 10-1). Das Aufspalten der polaren Krafte in und & ist jedoch fragwiirdig, da sowohl 4 als auch & von Wechselwirkungen zwischen Lewis-Basen und Lewis-Sauren stammen. Loslichkeitsparameter von Polymeren Makromolekiile sind wegen der grossen Kohasionsenergie pro Molekiil nicht unzersetzt verdampfbar. Man setzt ihre Uslichkeitsparameter daher haufig gleich denen niedermolekularer Modellverbindungen. Besser ist die Extrapolation der Loslichkeitsparameter von Polymerhomologen auf verschwindend kleine Molvolumina Vm,end der Endgruppen bzw. unendlich hohe Molvolumina Vm+ der Grundbausteine (Abb. 10-1). Altemativ kann man Loslichkeitsparameter auch iiber die Grenzviskositatszahlen [ q ] linearer Polymerer bzw. die Volumenanteile & vemetzter Polymerer in verschiedenen Msungsmitteln ennitteln. Je griisser die Wechselwirkung Polymeres-Losungsmittel, umso st2rker quellen die Polymerknauel auf und umso htiher ist die Grenzviskositiitszahl und der Quellungsgrad, bzw. umso niedriger ist der Volumenbruch $2 des Polymeren im Gel. Die Wslichkeitsparameter der Losungsmittel fiir die maximalen Grenzviskositatszahlen und die minimalen Volumenbriiche des Polymeren im Gel entsprechen daher den L6slichkeitsparametem der Polymeren (Abb. 10-2).
297
10. Thennodynamik der Polymerl6sungen b
- 0,45
.0,35a
I . 0.25
Abb. 10-2 GrenzviskositWahh [p] eines gel8sten. unvemetzten Naturkautschuks und VolumenbrUche eines gequollenen, vemetzten Naturkautschuksals Funktion der Uslichkeitsparame€er 61 von Aliphaten (0),Estern (0)und Ketonen (halbgefiillt) [2].
Das Quellungsverfahren und die ViskositSLtsmethode liefem recht eindeutige Werte fiir die Ltislichkeitsparmeter der Polymeren. wenn man sich auf strukturell W i c h e Llisungsmittel beschWt. Die Daten der Abb. 10-2 gelten z.B. fiir aliphatische Kohlenwasserstoffe und langkettige Ester und Ketone. Cycloaliphatische Kohlenwasserstoffe und sehr kurzkettige Ester weichen deutlich von den gezeigten Kurvenziigen ab. Solche Diagramme liefem fiir apolare Polymere wie Naturkautschuk recht gute LUslichkeitsparameter. Schon bei mBssig polaren Polymeren findet man jedoch je nach Losungsmittelklasse unterschiedliche Maxima von [ q ] ,z.B. bei vemetztem Poly(styro1-codivinylbenzol) bei Sl/(cal cm-3)1/2 = 9 3 (Ammaten), 8,4 (Ester) und 7,3 (Ether).
Mischungsenthalpie Das Mischen von Polymer 2 und LSsungsmittel 1 wird als quasi-chemische Reaktion zwischen einem Paar 1-1 der Ltisungsmittelmolekie (Polymerisationsgrad X1 = 1) und einem Paar 2-2 der Monomereinheiten des Polymeren behandelt, bei der zwei Paare 1-2 entstehen. Die Austauschenergie (E: interchange energy) pro Paar betrilgt somit
Die Wechselwirkungsenergie q 2 zwischen einem LUsungsmittelmolekiil und einem Polymerbaustein ist nach quantenmechanischen Berechnungen fur Dispersionskrdffe zwischen zwei kugelftirmigen Molekiilen gleich dem geometrischen Mittel aus den Homo-Wechselwirkungsenergien:~ 1 =2 (el 1 ~ 2 ) ' / ~Nach . G1.(10-8) gilt fiir das LUsungsmittel ~ 1 =1 [2 V l , m / ( N ~ ~ ) ] 6=1 ~K1612 und analog ~ 2 =2 K 2 h 2 fiir das Polymere. Wenn LUsungsmittel und Polymeres jeweils das gleiche Molvolumen (Vl,, = V2.m) aufweisen und femer auch die gleiche Zahl z der Nachbam, wird K 1 = K2 = K. Das Einsetzen in G1.(10-9) liefen dann
298
10.1 Phiinomenologische Thermodynamik
Die Differenz GI- & der L&slichkeitsparameter wird bei gleichen Wechselwirkungen 1-1 und 2-2 gleich Null, ebenso die Mischungsenthalpie AHmix - A&. Die GibbsMischungsenergie bleibt jedoch negativ, da beim Mischen die Entropie des Systems zunimmt. Je weniger M i c h die Wechselwirkungen 1-1 und 2-2 sind, desto positiver wird die Mischungsenthalpie, bis sie schliesslich nicht mehr durch den positiven Entropietem -TASmix kompensierbar ist. Die Gibbs-Mischungsenergie A G d x = Alf,,,iX - TASmix wird d a m positiv. Jenseits einer Differenz IS1 - &I kann das Polymere 2 folglich nicht mehr rnit dem Ltrsungsmittel 1 gemischt werden. Dieser Bereich IS1 - &I ist ziemlich eng fiir apolare Polymere in apolaren Losungsmitteln, aber recht breit fiir polare Polymere in polaren Solventien (Tab. 10-2).
-
Tab. 10-2 Experimentelle LMichkeitsbereiche. 1 (caI/cm3)ln = 2.046 (J/cm3)'n. Polymer
Poly(dimethylsi1oxan) Poly(isobuty1en) Poly(styro1). at Poly(methylmethacrylt),at Poly(vinylacetat),at Cellulosetrinitrat Poly(acrylnitril), at
7s
10.8
8,3 f 0.8 7,9 f 0,6 9.3 f 1,3 10.8 f 1.2 10.8 k 1,9 11,9 0,8
12,5
-
8,O
9,1 9,1 9,4
+_
8,9f 0,7 9.0 f 0,9 9.0 0.9 10,9 f 2,4 11,6 k 3,l 11.2 f 3,4 13,l f 1.4 +_
Die Abweichungen erkltiren sich wie folgt. (1) Die Bedingung AGmix I 0 ist notwendig, aber nicht ausreichend. (2) AHmix < 0 trifft nie zu. (3) Die Theorie beriicksichtigt nur DispersionsWfte. aber nicht polare Wechselwirkungen. (4) Es wird nur das Mischen zweier fliissiger Komponenten betrachtet, nicht aber das Auj7osen eines festen Polymeren. Im letzteren Fall ist bei kristallinen Polymeren noch die Schmelzenthalpie einzubeziehen und bei amorphen Polymeren noch eine Einfrierenergie. Unverzweigtes hochkristallines Poly(ethy1en) (& = 8,O)ldst sich beispielsweise in Decan (61 = 7,8) erst nahe ca. 135°C der Schmelztemperatur des Polymeren. Die Kristallinit2t der Polymeren ist auch fiir den Effekt verantwortlich, dass ein Polymeres sich zunachst lost und spater bei der gleichen Temperatur langsam wieder ausfdt. In diesem Fall ist das urspriingliche Polymere oft niedrigkristallin und daher gut loslich. Wegen der grossen Verdiinnung ist aber das Gleichgewicht kristallines Polymeres-Losungsmittel leicht erreichbar (S. 319). Das ausgefallene Polymere weist dann eine hohere Kristallinit2t als das urspriingliche auf und lost sich nicht mehr. Bessere Vorhersagen als rnit 61 erhalt man mit den dreidimensionalen Ldslichkeitsparametem. Erwartungsgemass variieren die von den Dispersionskraften stammenden Anteile 6d nur sehr wenig (Tab. 10-1).Man konstruiert daher Loslichkeitsdiagramme durch Auftragen von & gegen S, und vermerkt darin die dazugehbrigen Gd-Werte. Dann zeichnet man (z.B. farbig) alle Punkte ein, die fur das Polymere Losungsmittel darstellen. Schliesslich konstruiert man rnit den Gd-Werten "Hdhenlinien" fiir alle Loser. Im Allgemeinen nimmt die Ltislichkeit bei sonst gleichem S, und & rnit steigendem & zu. Liegt daher eine Fliissigkeit rnit ihrem Gd-Wert innerhalb der Hohenlinie rnit dem gleichen nummerischen Wert, so wird es ein Losungsmittel fiir das Polymere sein.
299
10. Themdynamik von Polymerlcisungen
Tab. 10-3 Wslichkeit von Polymeren rnit S, in MischlOsern mit und $. Die GWerte sind in den traditionellen Einheiten 1 Hildebrand = 1 (cal/cm3)ln= 2,046 (J/cm )In angegeben.
2
Polymer Name Poly (chlompren)
PolY(Styrol)
Poly(vinylch1orid) Cellulosenimt Poly(methylmethacrylat) Poly(acrylnitril)
42 8.2 9,3 9s 10,6 11.1 12,s
Uslich in Mischungen aus dem NichtliiserI & NichtlOser II
SII
Diethylether Cyclohexan
9.1 9.8
ACetOn
Diethylether Methanol
Nitromethan
7.4 8.2 9.8 7,4 14.5 12.6
Ethylacetat Aceton
Schwefekohlenstoff 10,O Ethanol WasSer WasSer
12,7 23,4 23,4
Manche Polymere 1Osen sich in Mischungen von Solventien, speziell aus einem Nichtltiser I rnit 61 c s;? und einem NichtlBser I1 mit 61 > & (Tab. 10-3). Eine Mischung aus zwei Usungsrnitteln kann dagegen ein Nichtltiser sein. Poly(acrylnitri1) (& = 12.8) lost sich sowohl in Dimethylformamid (61 = 12.1) als auch in MalonsBuredinitril (61 = 15,l). nicht aber in deren Mischung. Celhloseacetat (s;? = 9.56) l6st sich sowohl in Anilin (61 = 11.0) als auch in Eisessig (61 = 10,4), aber nicht in deren Mischung.
10.1.4. Molekulare Betrachtungen Das Verhalten von Polymeren in Ltisungsmittelmischungen zeigt, dass globale Betrachtungen wie 2.B. mit Wslichkeitsparametem oder der statistischen Thermodynamik (Kap. 10.2) vie1 zu gmb fiir die subtilen Unterschiede in den Wechselwirkungen von Geltistem und Wsungsmittel untereinander und mit sich selbst sind. Zu betrachten sind vielmehr die Selbstassoziationen von Polymer- undoder Ltisungsmittelmolekiilen sowie die Solvatation der Polymermolekiile in biniiren Systemen und die Vorzugssolvatation der Polymermolekiile durch ein Usungsmittel in Ltisungsmittelgemischen.
Selbstassoziationvon Losungsmittelmolekiilen Einige merkwiirdige Uslichkeitseffekte stammen von der Selbstassoziation von Ltisungsmittelmolekiilen. Hochmolekulares Poly(styro1) (& = 9,l) bildet z.B. zwar in Butanon (61 = 9,3) und Dimethylformamid (61 = 12,l) verdiinnte Ltisungen, nicht aber in Aceton (61 = 9,8). Im Gaszustand dimerisieren nmlich Acetonmolekule durch DipolDipol-Wechselwirkungen zwischen den Ketogruppen. Auch im flussigen Aceton wird daher ein Teil der Acetonmolekiile dimerisiert oder andenveitig assoziiert sein. Die Keto-Gruppen sind somit durch die Methylgruppen abgeschirmt und k6nnen nicht mehr die Phenyl-Gruppen des Poly(styro1)s solvatisieren. Eine Zugabe von Cyclohexan (61 = 8,2) verdiinnt das Aceton und setzt somit die Assoziationstendenz der Acetonmolekiile herab. Dabei werden mehr Ketogruppen fur die Solvatation des Poly(styro1)s freigesetzt. Bei hochkonzentrierten Poly(styro1)-Losungen ist das Poly(styro1) der Verdunner. Man kann daher zwar 40-prozentige Losungen von Poly(styro1) in Aceton herstellen, aber nicht 1-prozentige. Butanon ist dagegen durch die zusBtzliche CH2Gruppe “intern verdiinnt”. Es dimerisiert weit weniger (wenn uberhaupt) und ist daher fiir alle Konzentrationsbereiche ein Wsungsmittel fiir Poly(styro1).
300
10.1. PMnomenologische Thermodynamik
Solvatation "Solvatation" ist ein etwas nebulbser Term, der alle Wechselwirkungen des Gelbsten mit dem Usungsmittel einschliesst, und zwar von hderungen der physikalischen Struktur des Usungsmittels in der N2he der gelosten Molekiile bis zu den eigentlichen Polymer-Lbsungsmi ttel-Verbindungen. Polymer-Lbsungsmittel-Verbindungensind auch als Polymer-Losungsmittel-Komplexe, Intercalate oder Kristallsolvate bekannt. Poly(oxyethy1en) bildet solche Verbindungen mit p-Dihalogenbenzolen, nicht aber mit den entsprechenden Ortho- oder MetaPoly(oxyethy1en)-Molekule in Losungsmitteln die MakroIsomeren. Obwohl n-lich konfonnationen statistischer Kniuel einnehmen, liegen zumindest in einigen Wsungsmitteln einige Segmente in Helixkonformationen vor (vgl. Abb. 4-1-111). In diese Helices passen die p-Dihalogenbenzol-Molekule nahezu perfekt hinein, nicht aber ihre Ortho- und Meta-Isomeren. Poly(oxyethy1en) weist in wissrigen Ltisungen nach Raman- und Infrarot-Messungen, Bestimmungen der Grenzviskosititszahlen [q ] sowie Berechnungen mit der Molekuldynamik eine 112-Helix auf und nicht die in Kristallen vorliegende 72-Helix. Die grbssere 112-Helix enthat ca. 2,9 Wassermolekule pro Oxyethylen-Einheit. Diese gebundenen Wassermolekiile stabilisieren vermutlich die Helixstruktur. Die Wassermolekiile sind relativ fest gebunden; das Wasser in der Solvathiille weist darum eine andere physikalische Struktur als das freie Wasser auf. Ein anderes Beispiel ist das durch spharoidale Enzymmolekule gebundene Wasser, das sich nach NMR-Messungen deutlich von dem nichtgebundenen Wasser unterscheidet. Dieses Wasser ist so fest gebunden, dass man aus dem in Losung eingenommenen hydrodynamischem Volumen des Enzymmolekuls die Menge des durch Hydratation gebundenen Wassers ermitteln kann (vgl. Kap. 12.3.4). Solvatationen geben sich auch bei Messungen der Schdgeschwindigkeit zu erkennen. Die Schallgeschwindigkeit nimmt linear mit steigender Polymerkonzentration ab, was hauptsichlich auf die Wechselwirkung zwischen dem Polymer und dem Losungsmittel zuriickgefiihrt wird. Nach diesen Untersuchungen betragt 2.B. die mittlere Zahl der Lbsungsmittelmolekiile in der Solvathiille pro Grundbaustein (nicht die pro Grundbaustein gebundene Zahl der Molekiile!) bei Poly(oxyethy1en) in Wasser 1.74, in Toluol 0,20 und in Cyclohexan 0,12. Fur Poly(butadien) lauten die M e n 0,lO (Ethylbenzol), 0,21 (Cyclohexan) und 0.51 (Hexan). Vorzugssolvatation Bei MischlCIsem aus zwei Ltisungsmitteln wird sich die eine Sorte der Liisungsmittelmolekiile bevorzugter in der N2he der Polymersegmente aufhalten als die andere. Diese Vorzugssolvatation lisst sich durch einen Parameter A beschreiben, der das im Uberschuss gebundene Volumen des bevorzugt adsorbierten Ltisungsmittels pro Masse Polymeres angibt. also die Vorzugssolvatation (E: preferential solvation). Experimentell gibt sich die Vonugssolvatation bei Dialyse- und Streulicht-Messungen zu erkennen (Kap. 5.2.4). Bei der Lichtstreuung von Polymeren in Mischlbsern wird der Brechungsindex in der N&e einer Polymerkette durch die Vorzugssolvatation gebdert. Bei der konventionellen Auswertung erhat man nur eine scheinbare Molmasse Mapp. Die wahre Molmasse M ergibt sich mit dem Brechungsindexinkrement dnldc des Polymeren bei konstanter Zusammensetzung des Mischlbsers und der h d e r u n g dn/d41
301
10. Thermodynamikvon Polymerlosungen
des Brechungsindex n mit dem Volumenbxuch #I der vorzugsweise solvatisierenden Komponenten 1 des Mischltisers:
Die Zusammensetzung eines Ltisungsmittelgemischesin der N&e der Polymerkette muss von der Dichte der Verteilung der Kettensegmente abh2ngen. Mit dieser Voraussetzung fmdet man semi-empirisch fiir die Abhiingigkeit der Vomgssolvatation r von der Molmasse M des Polymeren die Beziehungen (10-12)
r=I',+KM-'12 bzw.
rM1f2=K+rmM1f2
r, = Vorzugssolvatation bei unendlich hoher Molmasse, X = Polymerisationsgrad, s = Tragheitsradius. b = Bindungslibge. T = Bindungswinkel, Q = Behinderungsparameter, Mu = Molmasse der Monomereinheit, A = systemspezifische Konstante. Die Konstante K ist dem Expansionsfaktor ar3 umgekehrt proportional. Thermodynamisch gute Losungsmittel fiihren zu starken Knauelaufweitungen und damit zu kleineren K-Werten (Abb. 10-3). Je thennodynamisch besser das Ltisungsmittel, umso grtisser ist der 2.Virialkoeffizient A2 (Kap. 10.4). Eine andere Miiglichkeit der Bestimmung der wahren Molmasse durch Lichtstreuung in Mischliisem (oder Salzliisungen) ergibt sich durch Dialyse der Ltisungen gegen den Mischliiser und Messungen an den dialysierten Usungen, so dass bei konstantem chemischen Potential gearbeitet wird.
h
5
L 300 0 E
I
0
0
200
400
600
800
-M I D / (g rnoP1)lR +
lo00
Abb. 10-3 Vorzugssolvatation des Poly(styro1)s [3]. : 21 A2 c 0 Temhlodcohlenstoff +Methanol (79 = VV) (77.8 : 22.2 = V V ) A2 = 0 Benml+Methanol A2 > 0: Benml+Methanol (90 : 10 =VV)
302
10.1.5.
10.1. Phiinomenologische Thermodynamik
Losegeschwindigkeit
Beim Llisen fester (kristalliner oder amorpher) Polymerer tritt zuerst eine "Induktionsperiode" auf. Erst dann nimmt die Konzentration des Polymeren in der flussigen Phase linear mit der Zeit zu (Abb. 104). Diese Induktionsperiode entsteht wie folgt. Das zu lasende Polymere liegt in der Regel "fest" vor, d.h. unterhalb der Glastemperatur bei amorphen Polymeren und unterhalb der Schmelztemperatur bei kristallinen. Beim Liisen eines Polymeren muss daher das Usungsmittel in das feste Polymere eindringen. Da bei amorphen Polymeren die Segmente eines Polymermolekuls von Segmenten anderer Pol ymermolekule umgeben sind, muss das Ltisungsmittel diese anderen Segmente ersetzen. Obwohl die Polymemolekie selbst z.B. vor und nach dem Ldsen in einem Theta-Llisungsmiml die gleichen ungestiirten Dimensionen aufweisen, nimmt daher das Volumen der obersten Polymerschicht zu: die oberste Schicht quillt auf. Erst wenn alle fremden Polymersegmente durch Losungsmittelmolekie ersetzt sind, gehen die Polymermolekiile der obersten Polymerschicht in Usung.
l8
d
1
0
5
69,VC
10
15
20
- tlmin + Abb. 10-4 Zunahrne der Brechungsindices der Losungen als Mass fiir die Polymerkonzentration him AuflOsen eines Poly(styro1)s unter Riihren in Toluol bei verschiedenen Temperaturen [4]. Die Schniapunkte der Geraden mit der Abszisse sind die Induktionszeiten.
Beim Ltisen fester Polymerer beobachtet man folglich eine Quasi-Induktionsperiode (Abb. 10-4), w2hrend derer eine gequollene Oberflachenschicht gebildet wird. Diese Schicht bildet eine Sperre fiir Ltisungsmittelmolekule, die weiter in das "trockene" Polymere eindringen wollen. Bei starkem Ruhren werden andererseits aufgequollene Polymerknluel in die Ltisung uberfiihrt. Es bildet sich ein stationarer Zustand mit konstanter Aufliisegeschwindigkeit des Polymeren bzw. Eindringgeschwindigkeit des Ltisungsmittels aus. Die lineare Eindringgeschwindigkeit U l d t des Losungsmittels beim AuflSsen des Polymeren in einem reinen Liisungsmittel ist proportional dem mittleren gemeinsamen Diffusionskoeffizienten D von Ltisungsmittel und Polymeren und reziprok proportional der Dicke d der gequollenen Oberflachenschicht:
303
10. T h e m o d y m i k der Polymerlosungen
Die Induktionszeit to ist dabei nach den Diffusionsgesetzen durch to = 4 4 6 D ) gegeben (Gl.(l4-13)). Bei einem Poly(styro1) von M = 32 OOO g/mol wurde z.B. beim Ltisen in Toluol bei 25OC eine lineare Ltisegeschwindigkeit von dL,/dt = 6,4.1&5 cm/s und mit einer Induktionszeit von 7 min eine Dicke der Quellschicht von d = 0,16 cm gefunden. Die Quellschicht ist also weit gr(lsser als der Molekuldurchmesser der Polymermolekiile, mtiglicherweise. weil sich die PolymerknlIuel gegenseitig verhaken. Der oben beschriebene Aufltisungsprozess ist idealisiert. Manche Polymere weisen Spalten auf, entweder vom Herstellen der Priifktirper oder aber durch beim Aufquellen entstehende Spannungsrisse. Die Materie um diese Spalten ist in einem Spannungszustand eingefroren. Beim Eindringen von LUsungsmittel in die Spalten w i d Spannungsenergie freigesetzt und es liisen sich dann ganze Blticke von Polymeren auf einmal ab.
10.2.
Statistische Thermodynamik
10.2.1. Einfiihrung Die Thermodynamik befasst sich mit den in makroskopischen Systemen hemchenden Beziehungen zwischen der Warme und den anderen Energieformen, jeweils bezogen auf die Massen bzw. die Volumina. Die chemische Thermodynamik bezieht die Aussagen der Thermodynamik auf Molekiile und speziell auf Reaktion9n zwischen Molekulen. Die Gestalt der Molekule geht dabei in diese Beziehungen nicht ein. Sie spielt bei niedermolekularen chemischen Verbindungen auch keine grosse Rolle. Die Mischungsentropie zweier niedemolekularer Verbindungen kann z.B. im Prinzip wie diejenige von weissen und roten Kugeln behandelt werden. Makromolekule ktinnen dagegen in einer Vielzahl von Molekulformen vorkommen. Die Molekiilgestalt beeinflusst dabei nicht nur die verschiedenen Parameter, sondem auch die thermodynamischen Beziehungen selbst. Ein einfaches Beispiel sind die ijbergangskonzentrationen (Tab. 10-4). Tab. 10-4 ijberlappungskonzenttionenc* (verdiinnt # mLsig konzenhiert) und c** (mksig konzentriert P konzentriert) fiir verschiedene Molekiilfonnen. d = Durchmesser,L = LAnge, L, = Persistenzlhge, M = Molmasse, s = T~gheitsradius,[ q ] = Grenzviskositiitszahl (vgl. auch Kap. 6.3).
Molekiilfonn
C*
C**
Statistische m u e l
Wum2hnliche Ketten
Subchen
0,243 M N ~
~
L
~
304
10.2.2.
10.2. Statistische Thermodynamik
Gittertheorie
Die Mischbarkeit zweier Molekulsorten, z.B. eines Polymeren mit einem Ltisungsmittel, wird durch die Gibbs-Mischungsenergie Gmix = Hmix- TSmix kontmlliert. Die einzelnen Beitrage zu den Mischungsenthalpien Hmix und Mischungsentropien Smixkonnen dabei mit der statistischen Thermodynamik berechnet werden, 2.B. fiir die Phasentrennung von Ldsungen von Stibchen (Kap. 8.3.2). Bei Gittertheorien wird die Ltisung als ein dreidimensionales Gitter aus total N, = NIX1 + N2X2 Gitterplatzen aufgefasst (Abb. 10-5). Jeder Gitterplatz ist entweder von einem (niedermolekularem) LBsungsmittelmoIekul oder von einem Polymersegment besetzt. z.B. von einer Monomereinheit. In der Losung sind N2 Polymermolekule des Polymerisationsgrades X2 > 1 und N1 L(isungsmittelmo1ekie des Polymerisationsgrades X I vorhanden; X1 wird meist gleich 1 gesetzt. Die Theorie ist auch auf Polymerblends aus einem Polymeren mit dem Polymerisationsgrad X2 > 1 und einem anderen Polymeren mit X1 > 1 anwendbar. Die Anzahl N12 der Kontakte zwischen Polymer- und Ldsungsmittelmolekien wird bei der Flory-Huggins-Theorie aus der Zahl N, aller Gitterplatze (E: lattice sites), der Zahl z der nachsten Nachbam einer betrachteten Einheit und der Wahrscheinlichkeit berechnet, dass benachbarte Gitterplitze entweder von Ltisungsmittelmolekien 1 oder von Monomereinheiten 2 besetzt sind. Diese Wahrscheinlichkeiten sind mit den Volumenbriichen 01 der Losungsmittelmolekie und Qr der Monomereinheiten identisch. Auf jeden Grundbaustein und jedes Losungsmittelmolekul sol1 das gleiche mittlere Kraftfeld einwirken. Die Flory-Huggins-Theorie wird daher als Mean-field-Theorie bezeichnet. obwohl kein Kraftfeld explizit berechnet wird. Man entnimmt der Abb. 10-5, dass die AMahme eines mittleren Kraftfeldes nur bei konzentrierten Polymerlosungen einigermassen gut erfiillt sein kann, da nur dann die Grundbausteine praktisch homogen in der Usung verteilt sind. Die Theorie beschreibt daher recht gut das Verhalten von Polymer-Polymer-Mischungen, nicht aber dasjenige von Polymerlosungen in der N3he der kritischen Punkte. Die Flory-Huggins-Theorie ist dagegen bei verdunnten Polymerlosungen recht unzul2nglich, da sich hier einzelne Polymerknauel mit "hoher" Segmentkonzentration in einem Meer von Ldsungsmittel befinden.
1:
-. T m X E 4-
ololo
0
-e
0
0
0
0
0
0
7-4
0 0 0 . 0 . 0
0
0 . 0 0 . 0 0
I
0
I
0
I
0
I
0
I
0
I
lol lo lo lo
o e o o e o o 0
0
m
ololo
0 0 . 0
0
o o o o + o o
. 0 . 0 0 . 0
e . 0
0
* r o o ~~o o
~
0
Abb. 10-5 Anordnung von gelosten ( 0 )niedermolekularen Molekiilen (links) oder Monomereinheiten eines Polymeren rnit Xz = 13 (rechts) in niedermolekularen Losungsmittel (0)auf einem zwei-
dimensionalen Gitter. In beiden FiUlen gilt
= 0,322.
10. Thermodynamik von Polymerliisungen
305
Mischungsenthalpie Das Mischen von Usungsmittelmolekiilen und Polymersegmenten wird wie bei der Berechnung der LBslichkeitsparameter als quasichemische Reaktion mit einer Austauschenergie A& = ~ 1 -2 ( 1 / 2 ) ( ~ 1 1+ q 2 ) aufgefasst (Gl.(lO-9)). Diese "Reaktion" sol1 ohne VolumenXnderung erfolgen. Die Mischungsenthalpie ist dann durch das Produkt der Austauschenergie und der Zahl N12 der Paare 1-2 gegeben. Die Zahl N12 ist wiederum durch die totale Zahl N g der Gitterplztze, die Zahl z der nkhsten Nachbam eines Paares 1-2 und die Wahrscheinlichkeit bestimmt, dass der niichste Gitterplatz von einem Usungsmittelmolekiil besetzt ist. Diese Wahrscheinlichkeit wird durch die entsprechenden Volumenbriiche 91 und QL ausgedriickt. Fur die Mischungsenthalpie erhgt man also
Das Produkt aus Austauschenergie und der Zahl z der Nachbam wird durch die thermische Energie bT dividiert. Die resultierende Grtisse x ist der Flory-Huggins-Wechselwirkungsparameter (E: Flory-Huggins interaction parameter):
Bei der urspriinglichen Definition von P.J.Flory wurde die rechte Seite dieser Gleichung noch mit dem Polymerisationsgrad X I der L(fsungsmittelmolekii1emultipliziert. Bei rein enthalpischen Systemen ergibt sich sich die Mischungsenthalpie AHmix aus den G1.(10-15) und (10-16) als eine Gleichung vom van Laar-Typ. Die molare Mischungsenthalpie erhnt man entsprechend mit ng = N g / N A und R = ~ N alsA
Wechselwirkungsparameter Der dimensionslose Flory-Huggins-Wechselwirkungsparameter x beschreibt die thermodynamische Giite des Usungsmittels fiir ein gegebenes Polymeres. Er l a s t sich experimentell mit verschiedenen Methoden ermitteln: bei kleinen &-Werten aus der Konzentrationsabhhgigkeit scheinbarer Molmassen bei Lichtstreuungs- oder Sedimentationsgleichgewichtsmessungen, im Bereich 0 IQL I0.3 aus Messungen des osmotischen Druckes oder der kntischen Ldsungstemperatur, im Bereich 0,3 I 9 2 5 0,9 durch Bei Dampfsorption, und im Grenzfall QL + 1 durch Gas-Fliissigkeits-Chromatographie. vemetzten Polymeren l a s t sich x auch aus dem Quellungsgleichgewicht bestimmen. Der Parameter xist bei apolaren oder schwach polaren Polymeren in apolaren oder schwach polaren Losungsmitteln nur sehr wenig konzentrationsabhgig (Abb. 10-6). Diese AbhXngigkeit lgsst sich bei T = const. empirisch durch x = xo + KQr + K'QL2 beschreiben, wobei K und K' anpassungsfXhige Konstanten fiir ein gegebenes Polymer-LBsungsmittel-System sind. Diese Funktion erfasst sowohl negative x-Werte als auch Maxima in den % =f(QL)-Kurven. Das Maximum beim Poly(viny1methoxyacetal) wird z.B. durch hydrophobe Effekte hervorgerufen, w2hihrend die negativen X-Werte beim Cellulosenitrat vom Aufveten lyotroper Fliissigkristalle stammen.
306
10.2. Siaiistische Thermodymmik t
t
lo - 1.0
0
02
0,4
0.6
0.8
1
- @ 2 -
Abb. 10-6 Flory-Huggins-Parameterx als Funktion der Volurnenbriiche 49 von Poly(vinylmethoxyacetal) in Wasser bei 25°C (PVMA); Poly(dirnethylsi1oxan) in Benzol bei 2OoC (PDMS); cis-1.4Poly(iS0pren) in Benzol bei 20°C PIP);CeUulosenitrat (DS = 2,6) in Aceton bei 20°C (CN). Experimentell wird somit nur bei wenigen Polymer-Ulsungsmittel-Systemendie von der Theorie postulierte Unabhlingigkeit von x vom Volumenbruch @2 gefunden. Nun nimmt aber die Theorie implizit an, dass sich das Losungsvolumen beim "Reagieren" von 1-1 mit 2-2 nicht iindert. Weil der Wechselwirkungsparameter der Temperatur umgekehrt proportional ist und nach dem 2.Hauptsat.z der Thermodynamik AGIT = AH/T - AS gilt, wird femer der Flory-Huggins-Wechselwirkungsparameterals eine rein enthalpische GriSsse aufgefasst. Eine solche "Reaktion" wird aber auch Schwingungen und Rotationen von Ldsungsmittelmolekien und Polymersegmenten iindem, so dass die Mischungsenthalpie AH,jx eigentlich eine h e r e Mischungsenergie A U i Xist. Der Flory-HugginsParameter sollte somit ausser einem enthalpischen noch einen entropischen Anteil enthalten. Entsprechend beobachtet man x a + b/T und damit eine zusatzliche Entropiegrtisse a beim enthalpischen Ansatz x = b/T. Da sich die Entropie bei Polymersegmenten besonders ausgeprigt iindert, erhat man die oben beschriebene Konzentrationsabhingigkeit der Wechselwirkungsparameter. Die Werte von xo sind meist positiv, weil die Wechselwirkungen 1-1, 2-2 und 1-2 in der Regel von van der Waals-Wechselwirkungen stammen, die wiederum durch das Produkt der elektronischen Polarisierbarkeiten gegeben sind. x wird durch die thermodynamische Gute des Ldsungsmittels fiir das Polymere kontrolliert. Fur unendlich hohe Molmassen sagt der Flory-Ansatz fiir die nicht-kombinatorische Entropie einen kritischen Wert von x = 1/2 f i r Systeme nahe der PhasentreMung voraus (vgl. G1.(10-33)). Ein solcher Wert wird fiir unendlich kleine Konzentrationen von Polymeren in thermodynamisch schlechten LBsungsmitteln erreicht, z.B. von Poly(dimethylsi1oxan) in Benzol bei 20°C (Abb. 10-6) sowie von Poly(styro1) in Cyclohexan bei 34°C. Bei thermodynamisch guten Ldsungsmitteln findet man entsprechend 1/2 c x c 0. Den Grenzwert xo erreicht man fiir LBsungsmittelmolekule, die den Monomereinheiten chemisch W i c h sind. Die Gibbs-Mischungsenergie wird d a m nur durch die kombinatorische Entropie bestimmt. Die Ltisung ist athermisch (kein Effekt des LCisungsmittels).
-
10. ThennodyMmik von Polymerliisungen
307
Mischungsentropie Die molare Mischungsentropie ASmix,,, = &,ix,m/ng ist durch die Mischungsentropie Asmix pro Mol n, = Ng/NA der Gitterplltze gegeben, wobei N, = Zahl der Gitteplltze. Die Mischungsentropie d s m i x = Scomb(N1Jv2) - Scomb,o setzt sich aus der Kombinationsentropie Scomb(N1Jv2) und der Desorientierungsentropie Scomb,o zusammen. Die Kombinationsentropie (E: combinatorial entropy) entsteht. weil Usungsmittelmolekiile und Polymersegmente in sehr verschiedener Weise zueinander angeordnet werden k6Men (vgl. Abb. 10-5). Da diese Entropie die verschiedenen "physikalischen Konfigurationen" (i.e., Makrokonfonnationen; s. Kap. 5.1) eines Makromolekiils beschreibt, wird sie in der Polymephysik auch Konfigurationsentropie genannt. Bei idealen LUsungen wird fiir die paarweisen Wechselwirkungen zwischen den UIsungsteilnehmem angenommen, dass beim Ersatz 2.B. eines Usungsmittelmolekiils 1 durch einen Polymerbaustein 2 keine Energie gewonnen oder verloren wird: die Mischungsenthalpie einer idealen Ltssung ist gleich null. Da definitionsgemlss die Wechselwirkungen 1-1, 1-2 und 2-2 gleich gross sind, tragen alle von der Umgebung der L.6sungsteilnehmer abhhgigen Entropieanteile nichts zur Entropiehderung beim Mischen bei. Translationsentropien und innere Rotations- und Vibrationsentropien hdern sich dam beim Mischen nicht. Die Usungsteilnehmer kUMen aber auf sehr viele Arten relativ zueinander angeordnet werden, wie man am einfachsten beim Mischen von N1 weissen Kugeln mit N2 roten sieht. Die Kombinationsentropie von PolymerlUsungen (XI = 1; X2 >> 1) wird von der Flory-Huggins-Gittertheorie via Scomb(N1. N2) = kg ln a aus der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit R f i r das Auftreten der vi verschiedenen Anordnungen der i-ten Kette berechnet. Die erste Monomereinheit kann auf dem Gitter jeden beliebigen Platz besetzen. die zweite jedoch nur solche Plltze, die dem ersten Platz benachbart sind. Die Platzwahl der dritten Monomereinheit ist auf die verbleibenden z-1 Plltze beschrhkt. Die erste Polymerkette mit insgesamt X2 Monomereinheiten hat daher vl = Ngz(z-l)%-2 Mtiglichkeiten. Dieser Ansatz vemachlgssigt aber, dass f i r die dritte Einheit (und alle weiteren) weniger als z-1 Platze vorhanden sind, da ein Gitterplatz bereits von einer vorher platzierten Einheit besetzt sein kann. Wenn das Gitter mit i-1 Polymerketten aufgefillt wird, bleiben Nf = N, - (i - 1)X2 Gitterplltze frei. Die Wahrscheinlichkeit, einen freien Platz zu finden, ist n2hemgsweise 2 Nf/Ng. Die i. Polymerkette kann folglich in vi = Nf(Nf/Ng)X2-1z(z-1>Xrverschiedenen Weisen angeordnet weden. Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit Ri ist proportional ni vi, dem Produkt aller vi-Werte f i r die total N2 gleich langen Ketten. Da aber viele dieser Ketten gleiche Makrokonformationen einnehmen kUMen und man nur unterscheidbare Anordnungen beriicksichtigen darf, muss man noch Hi vi durch N2! teilen, die Fakulttit von N2. M e Kette l a s t sich femer entweder mit dem Kopf oder dem Schwanz zuerst auf das Gitter platzieren. Je nach der Symmetriezahl o z2hlt man daher $v2 zu viele Kombinationen (0 = 1 f i r unterscheidbare Ketten, o = 2 f i r ununterscheidbare). Daraus folgt (10-18)
a = (dVgNz!)Hj vi,
(fir 1 I i I N2)
Einfiihren von Vi = Nf(Nf/Ng)Xz-1z(z-l)%-2 (s. oben) und Nf = N, - (i-1)Xz sowie der Stirlingschen N3herung x! = (x/e)X fir x >> 1 liefert
308 Ng! (10-19)
R=
N1!( N2X2)!
[
N;;)
N2(X2-1)
10.2. Statistische Thermodymmik
[
X~Z(Z-~)~~-~]” 0
exp ( X 2 - 1)
G1.(10-20) fiihrt mit der Stirlingschen Nilherung In N j = N i (In N i ) - N i und den Definitionen der Volumenbriiche +1 = NIX1/Ng bzw. & = N2XZ/Ng der Gitterkomponenten zu
Diese Gleichung enth<noch die Desorientierungsentropie Scomb,o = b N 2 In Gel = + welche die Entropie von Knauelmolekulen relativ zu deqenigen dieser Molekiile in einem perfekten Kristall beschreibt. Diese Desorientierungsentropie muss noch von der Kombinationsentropie Scomb(N1 .N2) abgezogen werden. um die Mischungsentropie ASm;x des amorphen Polymeren zu erhalten, also
Scomb(N1 ,O) S w m b ( o f l 2 ) ,
Die Desorientierungsentropie ist bei Mischungen zweier Polymerer 1 und 2 eine komplexe Gr(isse, da hier beide Polymeren jeweils viele verschiedene Makrokonformationen einnehmen konnen. Bei PolymerlSsungen hat man dagegen nur die Makrokonformationen der N 2 Polymermolekule zu beriicksichtigen. Die Losungsmittelmolekie fiillen lediglich die von den Polymermolekulen ubrig gelassenen leeren Gitterplltze. Es gilt folglich N1 = 1 und Scomb,o = Scomb(0f12) = k ~ N 2 Gel. Aus der Mischungsentropie des amorphen Polymeren (G1.( 10-22)) ergibt sich mit ~ die Mischungsden Beziehungen N1 = + l N g / X 1 , N 2 = h N g / X 2 , N g = n S N A und N A = R entropie pro Mol Gitterplatz
Gibbs-Mischungsenergie Fur die molare Gibbs-Mischungsenergie AGmix,m = AHmix,m - TASmix,m erh< man aus dem 2.Hauptsatz und den G1.(10-17) und G1.(10-23) die Beziehung
Die molare Gibbs-Mischungsenergie ist bei gleich grossen Komponenten ( X i = X 2 ) um Qr = 1/2 symmetrisch in Bezug auf die Volumenanteile &, wie man aus Abb. 10-7 fiir X 1 = X 2 und x = 0,5 bzw. x = 1,8 sieht. Bei ungleich grossen Komponenten X 2 f X i wird die Funktion AGmix,m=f(&) unsymmetrisch. LSsungen von Polymeren in niedermolekularen Usungsmitteln unterscheiden sich somit thermodynamisch von Losungen niedemolekularer Substanzen, weil Polymer- und LSsungsmittelmolekule unterschiedlich gross sind.
3 09
10. Thennodynamik von Polymerl6sungen
t o I
- 0.4
- 0.6 4 0
. 02
0,4
-h
0.6
1 0.8
1
Abb. 10-7 Reduzierte molare Gibbs-MischungsenergieAG,h,JRT als Funktion des Volumenbruches des Polymeren fiir verschiedene PolymerisationsgradeX2 und Wechselwirkungsparameterx in Usungsmitteln mit X I =1. Bexechnungen mit G1.(10-25).
Chemische Potentiale Die erste Ableitung der Gibbs-Mischungsenergie nach der Stoffmenge nl des LUsungsmittels ist als chemisches Potential A p l des Wsungsmittels definiert und die entsprechende Ableitung nach der Stoffmenge n2 der Polymermol6kule als chemisches Potential Ap2 des Polymeren. Vor dem Differenzieren wird von Volumenbriichen auf ~ / N ~auf den Stoffinengen und rnit 41 = nlNAX1/Ng. 41 = 1 - h und & = ~ ~ N A X jeweils gleichen Typ der Komponenten umgerechnet. Das chemische Potential A h pro Mol Repetiereinheit des Polymeren ergibt sich dann aus 4 2 durch Division mit (Vl,nJvu,m)X2.Fur die drei chemischen Potentiale erhtllt man folglich aus G1.( 10-24) rnit dem Polymerisationsgrad X1 des Wsungsmittels RT =[JAG-
/ &ti]/ RT = x& +In (1 - Qr)+ (1 - XT1)&
(10-25)
&I/
(10-26)
Ap2 / RT = [d&-
(10-27)
&u/RT=(Vu,m /V1,,)[~(1-&)~ +(X2-1)(1-@2 )Xsl+XslIn
/ d n z ] / RT = xX2(1 - Qr)2+(X2 - 1)(1-
h )+hQr &I
Chemische Potentiale sind daher aus der Konzentrationsabhlngigkeit der molaren Gibbs-Mischungsenergie bestimmbar. Nach den G1.(10-4) und (10-5) gilt fiir das vollstbdige Differential dAG,,,ix = Apldnl + Ap2dn2. Die Integration fiihrt rnit den Definitionen der Volumenbriiche tp1 = 1 - & und der Stoffmengen zu
Die Funktion AGmix(NA/Ng) =f(&) liefert fiir & + 0 das chemische Potential Apl des Wsungsmittels und fiir & + 1 das chemische Potential AM^ des Polymeren.
310
10.2. Statistische Thermodymmik
Zusammenfassung Die Flory-Huggins-Theorie trifft fir Losungsmittel sehr gut zu, wie Abb. 10-8 f i r die Sorption von Ldsungsmitteln in Polymeren bei T > Tc zeigt. Das reduzierte chemische Potential AplIRT des Usungsmittels wurde dabei experimentell aus den Partialdrucken des Ldsungsmittels iiber der Ldsung bzw. dessen reinem Zustand, seinem Molvolumen und der Kompressibilitiit der Gasphase ennittelt. Die Wechselwirkungsparameterx waren unabhllngig von Konzentration und Temperatur. 1
c
5 0.6 U I
8
0,4
0
0
0,2
0,6
0,4
-
$1
0,8
1
Abb. 10-8 Sorptionsparameter AplIRT als Funktion des Volumenbruches $1 = p1/pl,,, des Ltisungsmittels, wobei p1 der Partialdruck des Ldsungsmittels im Uisungsmittel-Polymer-Systemund pi,,, derjenige iiber &m reinen LOsungsmittel ist. Die ausgezogenen Kurven wurden mit Wechselwirkungsparametern von x = 0,35 fiir Poly(styro1) (TG = 100°C) in Ethylbenzol bei 130°C und 178OC berechnet (obere Kurve) und von x = - 0,44fiir Poly(viny1acetat) (TG = 30°C) in Chloroform bei 45°C [5].
Anders ist es fiir das Verhalten der Polymeren. Die skizzierte einfache Flory-Huggins-Theorie beschreibt hier das Verhalten der Losungen von Knauelmolekiilen qualitativ korrekt (vgl. unten). Entgegen der Theorie findet man jedoch konzentrationsabhllngige Wechselwirkungsparameter, weil z.B. spezifische Polymer-Usungsmittel- Wechselwirkungen (Solvatationen) und Polymer-Polymer-Assoziationenvernachlissigt werden. Die Theorie versagt allgemein bei VerdiiMten Ldsungen, weil die AMahme einer gleichmissigen Veneilung der Polymersegmente unzutreffend ist (vgl. Abb. 10-5); die Anzahl Nfder freien Gitterplitze ist nicht durch Nf= N , - (i - l)X2 gegeben. Die Theorie beriicksichtigt auch nicht, dass wegen der Flexibilitat der Kettenmolekiile intramolekulare Kontakte mtiglich sind; dadurch wird die Zahl der externen Kontakte reduziert. Wegen dieser Kontakte wiren WONdie (nicht messbaren) Oberflachenbriiche den Volumenbriichen vorzuziehen. Die Theorie vernachlassigt ferner, dass die lokalen Konzentrationen fluktuieren. Sie nimmt ausserdem Additivitat der Volumina an und ignorien somit den Einfluss der freien Volumina; anstelle $11 + h = 1 musste $I1 + + k e i e s Volume" = 1 treten. Derartige nicht-kombinatorische Effekte sind als Effekte der Packung, des freien Volumens oder der Zustandsgleichung (E: equation-of-state) bekannt. Die sog. Equation-of-stateTheorien beriicksichtigen, dass die reinen Komponenten und deren Mischungen komprimierbar sind. Sie fiihren dazu reduzierte (dimensionslose) Volumina =V , / V k usw. ein, wobei V k usw. ein charakteristischer Parameter fiir jedes Polymere ist.
v,,,
311
10. Thennodynamik von Polymerliisungen
10.2.3.
Phasentrennung
Liisungen amorpher Polymerer Bei den Beispielen der Abb. 10-7 bleibt die reduzierte Gibbs-Mischungsenergie bei einem Wechselwirkungsparametervon x = 1/2 fiir alle Polymerisationsgrade negativ. Die Funktionen AGmix,, =Ah)zeigen nur je ein Minimum. Nur bei X2 = 1 sind jedoch die Kurven um Qr = 1/2 symmetrisch. Je grirsser der Polymerisationsgrad, umso mehr verschiebt sich das Minimum zu grirsseren Qr-Werten. Bei einem Wechselwirkungsparameter von = 1.8 ist bei X2 = 1 wiederum nur ein Minimum vorhanden. Schon bei einem Polymerisationsgrad von X2 = 2 treten jedoch zwei flache Minima auf. An die Minima dieser AG,;,, =f(&)-Kurve kann also eine Tangente gelegt werden. Zwei derartige Minima sind auch bei der Kurve f i r X2 = 100 vorhanden, und zwar mit negativen AG,ix,,-Werten in den Bereichen 0,728 IQr I1 und 0 S & 5 10-35 (in der Abbildung nicht sichtbar). Bei einem mehrphasigen System muss nun das chemische Potential einer Komponente in jeder Phase gleich gross sein. Ein binires System mit zwei Komponenten 1 und 2 in den beiden Phasen ' und " muss daher den Bedingungen p1' = p1" und p2' = p2" gehorchen und folglich auch Ap1' = p1' - p1.0 = p1" - p1.0 = Ap1" und analog fiir die Phase ". Die chemischen Potentiale sind aber nur dann identisch, wenn zwei Punkte der Funktion AG,h,m =AQL)eine gemeinsame Tangente besitzen (vgl. G1.(10-24)). In Abb. 10-9 (unten) sind fiir vier Temperaturen berechnete AGmix,m =Ah)-Kurven wiedergegeben. Die Kurven fiir die drei Temperaturen 260 K. 300 K und 350 K weisen je zwei Minima auf. Die Temperaturen bei den Kontaktpunkten der Tangenten an allen Kurven fiigen sich in einem T =AQr)-Diagramm zur Binodalen zusammen (E: binodal; L: bi = zwei, nodus = Knopf, Knoten) (Abb. 10-9, oben). Oberhalb der Binodalen befindet sich der stabile einphasige Bereich. darunter der nichtstabile zweiphasige.
J
-42-
I
Abb, 10-9 Unten: Molare Gibbs-Mischungsenergieals Funktion des Volumenbruches des Geltrsten (XM, = 2) in einem Msungsmittel (XI= 1) bei vier verschiedenen Temperaturen. Berechnungen mit G1.(10-24) und x = 03 + [(450 K)/f. 0 Kontaktpunkte der Tangenten, 0 berechnet mit Gk(1531). O h :B i d e . Spinodale und stabiie (S). metastabile (M)und instabile (IBereiche. )
312
10.2. Statistische Thermodynamik
Da chemische Potentiale stark vom Polymerisationsgrad beeinflusst werden. ist eine Binodale bei breit verteilten Polymeren schwierig zu berechnen. Einfacher berechenbar ist die Spinodale (E: spinodal), die durch die beiden Wendepunkte (E: inflection points) der Funktion AGmix,m = A h ) gegeben ist, also durch a2(AGmix,m)laQr2 = aApl/ah = 0. Aus G1.(10-25) erMt man somit f i r die Spinodale
Die Spinodale teilt den nichtstabilen Bereich unterhalb der durch die Binodale gegebenen Kurve Tmh =A&) in zwei metastabile Bereiche M zwischen der Binodale und der Spinodale und einen instabilen Bereich I zwischen den beiden Asten der Spinodale. Im instabilen Bereich entmischt sich eine L6sung spontan in zwei kontinuierliche Phasen. die somit untereinander ein interpenetrierendes Netzwerk bilden. Die Phasentrennung im metastabilen Bereich ist dagegen kinetisch kontrolliert. Nach einer Nukleierung wird hier die Minoritatsphase in der Majoritatsphase dispergiert. Die hochste Temperatur auf der Spinodalen bzw. Binodalen zeigt den kritischen Punkt an, in Abb. 10-9 bei t&crit = 0,414. Beim kritischen Punkt wird die zweite Ableitung der Funktion Ap1 =f(&) gleich Null.Maximum, Minimum und Wendepunkt fallen d a m zusammen. Aus G1.(10-30) erhat man
AuflOsen der G1.(10-30) und (10-31) nach x und Gleichsetzen des Resultates zeigt, dass der kritische Volumenbruch des Polymeren mit zunehmendem Polymerisationsgrad kleiner wird:
Der kritische Wechselwirkungsparameter resultiert aus den G1.( 10-32) und (10-31):
Konzentrationsunabhagige Wechselwirkungsparameter h h g e n also nur vom Polymerisationsgrad ab. Bei unendlich hohen Polymerisationsgraden erreichen sie xo = 1/2. Bei konzentrationsabhbgigen Wechselwirkungsparametem wird aber lim xx,+,- f 1D.
Quasibinare Systeme Alle bisherigen Betrachtungen bezogen sich auf echte binlre Systeme. “Binir” sind Systeme aus zwei molekulareinheitlichen Komponenten. Polymolekulare Substanzen bilden dagegen mit einem einheitlichen Ltisungsmittel nur quasibintire Systeme. Quasibinare Systeme verhalten sich bei Phasentrennungen anders als binae. was man am einfachsten anhand der sog. Trubungskurven sieht. Triibungen von PolymerlOsungen zeigen das “Ausfaen von Polymeren” (exakt: Bilden von zwei Phasen) nach Temperaturhderungen oder Zugabe von FUungsmitteln an. Sie entsprechen einem Spezialfall der Phasentrennung, nmlich demjenigen Phasengleichgewicht, bei dem die Menge der einen Phase gegen null strebt.
313
10. Thennodynamik von Polymerltisungen 28 i
Koexistenzkurve
I .
0
-
. . . . . . . . . . . . . . . . . .? 0.05
0,lO
-w2
0,15
. .
0.20
Abb. 10-10 Triibungstempem-me T gnes molekularuneinheitlichenPoly(stym1)s rnit der Molmasse M,= 210 OOO g/mol und M,: M,: M, = 2,4:1.65:1 in AbhMgigkeit vom Massenbruch w2 des Polymeren in Cyclohexan bei 28°C (0)sowie die Koexistenzkwe einer sechsprozentigen AusgangsIOsung bei verschiedenen Temperaturen (0),d.h. die Massenbriiche des Polymeren in den beiden koexistimden phasen [6]. Beide Kurven sind Spinodale.
Bei biniren Systemen ist die Triibungskurve mit der Koexistenzkurve identisch. Der kritische Punkt im Maximum der Triibungskurve (Abb. 10-10) m t don mit dem Maximum der Koexistenzkurve zusammen, d.h. dejenigen Temperatur, bei der die Massenbriiche des Polymeren in den beiden koexistierenden Phasen gleich gross sind. Bei quas i b i n h n Systemen werden dagegen bei Triibungs- und Koexistenzkurven je nach Molmassenverteilung verschiedene Anteile des Polymeren erfasst. Der kritische Volumenbruch &;?.crit(bzw. ~ 2 , c r i 3und die kritische Temperatur Tcrit befinden sich nicht mehr im Maximum der Triibungskurve (Abb. 10-10). Bei einem quasibiniren System rnit SF-Verteilung gilt fiir den kritischen Volumenbruch statt G1.( 10-32) und f i r den kritischen Wechselwirkungsparameter statt G1.( 10-33)
(10-33a)
Xcrit
= (1/2)[1 + j3z1/2~w-1][1+ Fz-1/2]
Die Differenzen h ; ? , m a x- Qr,crit bzw. ~ 2 , m a x- ~ 2 , c r i toder Tmax - Tcrit ktinnen als Mass f i r die Molekularuneinheitlichkeit dienen.
Fall- und Liisetkaktionierung Die Abhwgigkeit der kritischen Volumina bzw. der Binodalen vom Polymerisationsgrad wird bei der Fillfraktionierung von nicht kristallisierbaren Polymeren nach der Molmasse ausgenutzt (E: precipitation fractionation). Beim Emiedrigen der Temperatur einer endothermen quasibiniren Losung scheiden sich zuerst die Polymennolekule mit den htkhsten Molmassen ab. Die "Fllllung" dieser Polymeren ist eine Phasentrennung in eine an Polymeren hochkonzentrierte Gelphase (die "F2llung") und eine hochverdiinnte Solphase (die iiberstehende Lclsung). Sie heisst auch Koazervation (E: coacervation).
314
10.2. Statistische Thermodynamik
Die Wirksamkeit einer solchen Fraktionierung durch Temperaturemiedrigen Itisst sich abschtitzen, wenn in G1.(10-24) der Ausdruck (#X2) In & durch Zi (&/Xi) In t$i ersetzt wird. Differenzieren der so modifizierten GI.( 10-24) liefert dann das chemische Potential der i-ten Polymerkomponenten (& = Ci @i):
Fur das Volumenverh3lmis der i-ten Komponente in den beiden Phasen ' und sich mit cc;' = pj" die sehr einfache Beziehung (10-35)
"
ergibt
&"/&' = exp (qXi)
Der Polymerisationsgrad Xi ist ein noch vom Verteilungstyp abhagiger komplizierter Mittelwert. Der Parameter q berechnet sich aus dem Wechselwirkungsparameter x sowie aus den Volumenbriichen & und Polymerisationsgraden in den beiden Phasen ' und ". Wegen der vielen Approximationen bei der Ableitung wird jedoch q in der Regel als empirische, anpassungsfiihige Konstante aufgefasst. q weist meist niedrige Werte auf. Das Poly(styro1) der Abb. 10-10 besitzt z.B. F,, = ii?,/M, = 210 000/108 = 1944 und eine logarithmischen Normalverteilung LNV. Mit = fur LNV erhat = 5,36 bei 26°C man aus GL(10-32) &,crit = 0,022. Aus dem Phasenverhamis berechnet sich dann ein Wert q = 7,510". Die Wirksamkeit einer Flllfraktionierung kann wie folgt abgeschgtzt werden. Im Gleichgewicht besitzen die beiden Phasen die Volumina V und V'. Der Anteil an Polymeren mit dem Polymerisationsgrad Xi in der Phase " betragt nach GL(10-35)
r,.,
zw/rz1/2 r,,1/* &"/&I
Bei einer wirksamen Fraktionierung muss also der Anteil der Komponenten i in der ausgefallenen (konzentrierten) Phase moglichst gering sein, was nur bei sehr kleinen Phasenverhamissen V"/V' der Fall ist. Fraktionierungen sollten also aus moglichst verdiinnter Losung vorgenommen werden. Man senkt dazu die Temperatur bei einer niedrigkonzentrierten UIsung eines Polymeren in einem thermodynamisch schlechten LOsungsmittel ab, bis PhaSentreMung (Triibung der Losung) auftritt und sich eine kleine Menge einer Gelphase abscheidet. Durch sukzessive Temperaturerniedrigung werden dann weitere Fraktionen isoliert. Das Polymere kann somit in Fraktionen verschiedener Molmasse aufgeteilt werden. Die Fraktionen mussen dabei jedoch nicht notwendigerweise vie1 engere Molmassenverteilungen als die Ausgangsubstanz aufweisen; die Verteilung kann sogar breiter sein. Die FUungstemperaturen liegen aber meist in experimentell ungunstigen Bereichen. Fufraktionierungen werden daher in der Regel durch Zugabe eines FNungsmittels bei konstanter Temperatur vorgenommen. Man beginnt vorteilhaft mit einer ca. 1-proz. Losung in einem schlechten Losungsmittel und setzt dann einen schwachen Nichtloser als FtiUungsmittel zu. Um gute Fraktionierungen zu erreichen, wird nach der FNung wieder bis zum Wsen erwtirmt und unter gutem Ruhren emeut abgekiihlt. Weitere Fraktionen werden durch sukzessive Zugabe von F2llungsmittel gewonnen.
3 15
10. Thermodynamik von Polymerl6sungen
Aus den Massenanteilen und den Molmassen der einzelnen Fraktionen wird dann die Verteilung der Molmassen analog zu dem in Band I beschriebenen Verfahren f i r die Verteilung der chemischen Zusammensetzungen berechnet. Bei konstitutionell uneinheitlichen Polymeren erfolgen F2llungsfraktionierungen sowohl nach der Molmasse als auch nach der Konstitution, da die Loslichkeit von beiden Parametern abhhgt. Stan durch FWung kann man auch durch Auflosung fraktionieren. Bei der Liisefraktionierung wird das zu trennende Polymere in diinner Schicht auf einen inerten TrZLger gebracht und dann eluien. Als inerte TrZLger eignen sich z.B. Quarzsand oder Metallfolien. Die Folien werden z.B. in die LCIsung des Polymeren eingetaucht und dann getrocknet. Der diinne OberflZLchenfilm wird anschliessend bei konstanter Temperatur mit Lbsungsmittel-Faungsmittel-Gemischensteigenden Gehaltes an Ltisungsmittel eluiert. Die niedemolekularen Fraktionen treten daher zuerst auf, warend bei der Falungsfraktionierung zuerst die hochmolekularen Anteile erscheinen. Eine elegante Variante des Verfahrens ist als Baker-Williams-Methode bekannt. Bei diesem Verfahren ist die Kolonne noch mit einem Temperiermantel umgeben, durch den ein Temperaturgradient aufrechterhalten wird. Der Trenneffekt wird durch die simultanen Konzentrations- und Temperaturgradienten gesteigert.
Triibungstitration Die Zugabe eines Nichtlosers erzeugt in einer verdiinnten Polymerlosung bei einem bestimmten Volumenbruch qkj des Nichtlosers eine erste Triibung. Experimentell wurde < < lo-* eine praktisch lineare gefunden, dass diese Konzentrationen im Bereich Funktion des Logarithmus der Polymerkonzentration & bei den Triibungspunkten befolgen (Abb. 10-11). Theoretische Berechnungen zeigten dann. dass diese Abhhgigkeit Qr> des Wechselwirkungsparameters entspricht. einer Abhhgigkeit x Die Extrapolation von h auf h + 1 liefert die Zusammensetzung h.8 = 1 - &,8 einer Theta-Mischung a m FUungsmittel 3 und LCIsungsmittel 2. In m i c h e r Weise kann man die Theta-Temperaturvon reinen Usungsmitteln aus Tt,=f(ln h) ermitteln.
=m
'
13 300
0.35
52
.
293
0.20 b 10-5
w
10-3
- 42
10-2
10-1
I
1
+
Abb. 10-11 Triibungstitration von benzolischen Usungen von Poly(styro1)en verschiedener Molmasse M, mit Methanol bei 25°C [7].
316
10.2. Statistische Thermodynamik
Tab. 10-5 Fraktionierung eines Vinylacetat-Vinylchlorid-Copolymerenmit einer mittleren Zusammensetzung von 55 mol-% Vinylchloridbausteinen, geordnet nach dem Molenbruch xvc der Vinylchlorideinheiten in den Fraktionen mit der Mass mi bzw. den Massenanteilen w; und wi* [8]. Fraktion xvc 2 1 5 3 4 6 15 11
0.363 0,364 0,412 0,414 0.510
0.577 0,587 0,595
mjmg
1@wj
102&w;*
Fraktion
xyc
41,O 56,O 78,s 4 35 61,s 64.5 26,s 38,O
5,32 7.27 10.19 5,65 7,98 8,37 3,44 4,93
2,660 8,955 17,683 25,600 32,4 14 40,591 46,495 50,681
13 7 9 8 10 14 12
0,595 0,625 0,636 0,638 0,642 0,665 0,676
mjmg 38.0 72.5 51,O 63,s 32.0 56.0 48,O
1@wi 1@&wi*
4,93 9.41 6,62 8,24 4,15 7,27 6,23
55,613 62,874 70.798 78,228 84,425 90,136 96,885
~~
Total
770,s 100.00
100,00
Fallfraktionierung chemisch uneinheitlicher Polymerer Durch konventionelle Copolymerisationen und Copolykondensationen erzeugte Polymere sind gewiihnlich uneinheitlich, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Molmasse ds auch der Zusammensetzung an Monomereinheiten. Ihre Loslichkeit wird somit sowohl durch die Konstitution als auch durch die Molmasse bestimmt. Die Zusammensetzungsverteilung ist durch fraktionierte F a u n g e n und chromatographische Verfahren ermittelbar. Die Gleichgewichtssedimentation in Dichtegradienten ist nur f i r synthetische Polymere mit extrem hohen Molmassen brauchbar. Universell anwendbar ist dagegen die fraktionierte Fallung. Hier werden nacheinander Fraktionen mit verschiedener mittlerer Zusammensetzung gewonnen. Jede Fraktion weist wiederum eine Verteilung auf. Der effektive Anteil w2* der niedrigsten Fraktion 2 betragt d a m nur die H2lfte von w2. Bei der nachstniedrigsten Fraktion bekommt man wl* = w2 + (1/2) w1 usw. Fraktionsnummem und Zusammensetzungen der Fraktionen gehen dabei nicht konform (Tab. 10-5). weil die Liislichkeit bei derartigen Fraktionierungen nicht nur von der konstitutiven Zusammensetzung abhhgt, sondem auch von der Molmasse. Bei geeignet gewmten Losungs- und F2llungsmitteln kann man deshalb die Fraktionierung entweder iiberwiegend nach den Molmassen oder nach den Zusammensetzungen ablaufen lassen. Ungeeignete L8sungsmittel-F&llungsmittel-Paarekiinnen andererseits einheitliche Polymere vortauschen.
Polymerblends Die Gittertheorie der Polymer-Uisungsmittel-Systemeist auch auf Gemische von zwei amorphen Polymeren (Polymerblends) anwendbar. Das Polymere 1 (mit X I >> 1) verringert jedoch die Zahl der moglichen Anordnungen des Polymeren 2 (mit X 2 >> 1). Die molare Mischungsentropie ALSmix,m kann dadurch anders als bei Polymer-Losungsmittel-Systemen niemals positiv werden. Der resultierende Entropieterm -TASmix,m = RT[Xl-'$q In $1 + X 2 - l $ 2 In $21 ist nur geringfugig negativ. Er kann nicht mehr den Enthalpieterm AHmix,m = RT[z$1&] kompensieren, wenn der Wechselwirkungsparameter positiv ist. Die Gibbs-Mischungsenergie wird positiv: das System entmischt sich.
10. Thermodynamik von Polymerliisungen
3 17
Zwei Polymere sind in der Tat meist unmischbar, weil die Wechselwirkungsparameter positiv sind. Es gibt jedoch Ausnahmen, d.h. Systeme rnit negativen Wechselwirkungsparametern. Solche Parameter werden durch starke Anziehungen zwischen den Komponenten des Systems erzeugt. "Nicht mischbar" bedeutet in der Literatur meist nicht "unmischbar liber den gesamten Konznmtionsbereich", sondem nur "nicht mischbar iiber die praktisch wichtigen Bereiche" (vgl. auch Abb. 10-9 fUr Mischbarkeiten bei sehr niedrigen und sehr hohen Konzentrationen). Der thermodynamische Begriff der Mischbarkeit darf auch nicht rnit dem pmomenologischen Begriff der "Vertriiglichkeit"verwechselt werden. Wegen der hohen Viskosiut k6nnen sich z.B. zwei an sich unmischbare Polymere wiihrend der Beobachtungszeit nicht entmischen; das System ist dann vertraglich und erscheint als mischbar. Die Klassifnierung vertriiglich-unvertriglich kann auch von der experimentellen Methode abhagen. Unvertriigliche Polymergemische geben sich in vielen Fdlen rein optisch durch ein opakes Aussehen zu erkennen, was durch genugend grosse Phasen rnit hinreichend grossen Unterschieden in den Brechungsindices hervorgerufen wird. Bei optisch klaren ("vertriiglichen") Proben kOnnen jedoch oft noch sehr kleine Phasen vorhanden sein, die elektronenmikroskopisch sichtbar sind. Bei geniigend grossen phasen treten auch zwei Glastemperaturen auf, die sich bei unvertr2glichen Polymeren nicht rnit der Zusammensetzung des Systems udern. Unvertrigliche Polymere stellen Dispersionen des einen Polymeren im anderen dar. Da alle Dispersionen thermodynamisch instabil sind. versucht man derartige unvertrggliche Polymergemische durch Zusatz von Diblock-Polymeren als Phasenvermittler (Vertriglichkeitsmacher; E: compatibilizer) zu stabilisieren. Bei diesen Blockpolymeren ist der eine Block mit dem Polymeren der einen Phase und der andere Block rnit dem Polymeren der anderen Phase vertriiglich. Dazu mussen die beiden Blticke nicht wie beim Zusatz von Poly(A)-block-Poly(B) zu einer Mischung von Poly(A) rnit Poly(B) rnit den Polymeren des Polymergemisches chemisch identisch sein. Vielmehr kann f i r Poly(A) + Poly(B) auch Poly(A)-block-Poly(C) als Stabilisator dienen, wenn die C-Blticke rnit dem B-Polymeren vertr'dglich sind oder Mischkristalle bilden ktinnen. Umgekehrt muss selbst bei chemischer Gleichheit nicht unbedingt Mischbarkeit auftreten. Pfropft man z.B. Methylmethacrylat MMA auf Glaskugeln, so ist das entstehende Pfropfmaterial rnit reinem Poly(methylmethacry1at) unvertriglich. Die aufgepfropften MMA-Segmente sind nimlich auf der Oberfliche der Glaskugeln sehr dicht gepackt und kbnnen als Polymerbursten folglich weit weniger Konformationen als ungepfropfte einnehmen (Kap. 9.5). Eine Venriglichkeit lgsst sich jedoch bei genugend niedrigen Pfropfdichten und kleinen Pfropflhgen enielen. Fur Mischungen eines Polymeren 2 mit einem Polymeren 3 in einem gemeinsamen Lbsungsmittel 1 gilt sinngemiss das Gleiche. Theoretische Berechnungen der Spinodalen zeigten, dass die Unvertriglichkeit bei hohen Polymerkonzentrationen hauptsichlich vom Wechselwirkungsparameter ~ 2 abhhgt. 3 Bei niedrigen Konzentrationen ist dagegen die Differenz zwischen den Wechselwirkungsparametern 223 und xZl(bzw. ~ 3 1 ) wichtig. Falls ~ 2 und 3 ~ 2 wesentlich 1 verschieden sind, wird man starke Lbsungsmitteleinflusse auf die Mischbarkeit zweier Polymerer in verdunnten Usungen beobachten. Poly(styro1) ist z.B. rnit Poly(vinylmethy1ether) in Toluol, Benzol oder Perchlorethylen mischbar, nicht aber in Chloroform oder Methylenchlorid. Bei hohen Polymerkonzentrationen ist dagegen die Nicht-Mischbarkeit in einem Losungsmittel normalerweise von einer Nicht-Mischbarkeit in allen anderen Losungsmitteln begleitet. Umgekehrt kann man spekulieren, dass hochkonzentrierte Polymerltisungen mit stark negativen Wechselwirkungsparameter auf eine Mischbarkeit des betreffenden Polymeren mit anderen Polymeren in diesem Ltisungsmittel deuten. Cellulosenitrat in Aceton mit einem stark negativem x (Abb. 10-6) ist in der Tat rnit vielen Polymeren mischbar.
10.2. Statistische Thermodynamik
318 I
11
m
V
IV
t h
I - & +
- & +
- & +
- & +
- & +
- T +
- T - +
- T +
- T +
- T
-b
Abb. 10-12 Oben: Typen von idealisierten (Xi= X, x #Ah)) Phasendiagrammen T = A d fiir Polymerl6sungen oder Polymerblends mit einphasigen (1) und zweiphasigen (2) Bereichen sowie oberen (0)und unteren 0 kritischen Usungstemperaturen. Typ I11 ist als geschlossene Mischungsliicke bekannt. Typ V ak Sanduhr-Diagramm@: hour glass diagram). Reale Systeme sind wegen XI#X2 und x asymmetrisch. Unten: Temperaturabhiingigkeitder Wechselwirkungsparameter.Beispiele: PolymerlZisungen Polymerblends I Poly(styro1) + Cyclohexan pOly(butadien)(deuteriert + nichrdeuteriertf II Poly(elhy1en) + Hexan (bei 5 bar) Poly(styro1)+ Poly(vinylmethy1ether) JII Poly(oxyehy1en)+ Wasser Poly(methy1methacrylat)+ Polycarbonat A IV Poly(styro1)(niedrige Molmasse) + Aceton V Poly(styro1) (hohe Molmasse) + Aceton Kritische Mischungstemperaturen Bei Ltisungen und Blends nichtkristallisierbarer Polymerer beobachtet man je nach der Temperaturabhkgigkeit der Wechselwirkungsparameter verschiedene Typen von Phasendiagrammen (Abb. 10-12). Systeme mit positivem KT in x = x- + ( K T sind ~ endotherm. Die Wechselwirkungsparameter nehmen hier mit steigender Temperatur ab. Unterhalb der Binodalen bilden sich zwei flussige Phasen (Abb. 10-12, I). Das Maximum 0 der Binodalen ist die obere kritische Losungstemperatur @: upper critical solution temperature. UCST). Exotherme Systeme entmischen sich bei Zunahme der Temperatur. Das hier auftretende Minimum U der Binodalen ist die untere kritische Losungstemperatur (E: lower critical solution temperature, LCST). LCSTs entsprechen entropisch induzierten Phasentrennungen, UCSTs enthalpisch erzeugten. LCST und UCST beziehen sich nicht auf die absolute Lage der kritischen Temperatur. Eine LCST kann daher auch niedriger als eine UCST sein (Abb. 10-12, IV). Die Wechselwirkungsparameter x nehmen bei UCST mit steigender Temperatur ab, bei LCST dagegen zu. Falls sowohl UCST als auch LCST auftreten, ergibt sich entsprechend ein Minimum in der Funktion x =AT) (Abb. 10-12, IV). Ein Maximum in der Funktion x =AT) liefert entsprechend eine geschlossene Mischungsliicke (E: closed miscibility loop) (Abb. 10-13, 111). Ein Polymer kann deshalb je nach LBsungsmittel das eine oder das andere Phasendiagramm aufweisen. Poly(oxyethy1en) zeigt 2.B. in Wasser eine geschlossene Mischungsliicke (Abb. 10-13, 111), in t-Butylacetat dagegen ein Sanduhr-Diagramm (Abb. 10-13. IV). Die meisten Systeme amorphes Polymer + Ldsungsmittel bzw. amorphes Polymer 1 + amorphes Polymer 2 zeigen nur eine UCST (Abb. 10-12, I), vermutlich, weil der Temperaturbereich zu klein ist. Poly(styro1) in Cyclohexan ist eines der wenigen Systeme, bei denen unter Normaldruck sowohl UCST als auch LCST auftreten (Abb. 10-13).
319
10. Thennodynamik von Polymerlosungen
::! 220
1210
0
0,l
0,2
-w2 +
0
0,l -49-
0,2
0,3 0
-0.3 w2
-
0.6
Abb. 10-13 EntmischungstemperaturenT als Funktion des Volumenbruches. Links: Poly(styro1)e in Cyclohexan [9]: Mitte: Poly(styro1)e in Aceton [lo]; rechts: Poly(oxyethy1en)ein Wasser [ll. 121.
Unter Druck zeigen jedoch einige UCST-Systeme eine zusatzliche LCST oberhalb der normalen Siedetemperatur des Usungsmittels. Beim Mischen des dichten Polymeren mit dem hochexpandierten L6sungsmittel kontrahiert sich das System und die Mischungsentropie wird negativ. Die Usungsmittelqualit weist zwischen UCST und LCST ein Maximum auE x =AT)lluft durch ein Minimum. Acetonische Ltisungen von Poly(styro1) zeigen ein Stundenglas-Verhalten, bei dem anders als bei den L6sungen in Cyclohexan die UCST und LCST mitfullender Molmasse immer weiter zusammenriicken. Dieses Verhalten wird gew6hnlich durch (unerklarte) "spezifische" Wechselwirkungen erkllrt. Tatslchlich ist jedoch Aceton ein assoziiertes Usungsmittel, das Mhermolekulare Poly(styro1)e nicht 16st (Kap. 10.1.4). Der Fall UCST > LCST wird bei wasserl6slichen Polymeren beobachtet, z.B. bei Poly(vinylalkohol), Poly(vinylmethy1keton). Methylcellulose und Poly(L-prolin). Die beim Erhitzen massig konzentrierter Usungen von PEOX auf T > LCST auftretenden Enrmischungen stammen von der mit steigender Temperatur zunehmenden Desolvatation der 1 12-Helix. Innerhalb des Entmischungsgebietes weisen die Polymennolekule daher nicht notwendigerweise die gleichen Makrokonfonnationen auf wie ausserhalb. Die Molekiile des Poly(N-isopropylacry1amid)s liegen z.B. in Wasser oberhalb der LCST als hydrophobe Knauel vor. unterhalb der LCST aber als lange, hydratisierte Helices.
Kristalline Polymere Die Phasentrennung von Llisungen amorpher Polymerer fiihrt zu zwei fliissigen Phasen. Die hochkonzentrierte Gelphase enthat Polymennolekiile mit hoher Molmasse, die niedrigkonzentrierte Solphase dagegen solche mit niednger Molmasse. Amorphe Polymere lassen sich somit aus ihren Llisungen nach der Molmasse fraktionieren. Bei kristallinen Polymeren scheidet sich jedoch bei der Phasentrennung ein zweiphasiges Gemisch aus der L6sung und dem kristallinen Polymeren ab. Da aber die Schmelzenthalpie von kristallinen Polymeren schon bei recht niedrigen Polymerisationsgraden in der Regel unabhhgig von der Molmasse wird, lassen sich kristallisierbare Polymere aus ihren L6sungen praktisch nicht nach der Molmasse fraktionieren. Weil die Schmelzenthalpie von der chemischen Struktur abhingt, gelingt eine Fraktioniening nach der Konstitution (z.B. Verzweigung) bzw. der Konfiguration (Taktizitit).
320
10.2. Statistische Thermodynamik
180
1
140
L
b, \
h
I
loo
0
0,5
- WI
10 4
0,5
- WI
- 10
0,5
1
- @I1
Abb. 10-14 Phasendiagramme fiir zwei Poly(ethy1en)e I und I1 in verschiedenen Usungsmitteln. Links: Gutes Msungsmittel Xylol (TM:47OC (m), -25°C (o), 13OC @)) [13]. Mitte: Schlechtes Usungsmittel Amylacetat (TM= -70,8"C) [13]. Rechts: KristallisierendesLdsungsmittel Hexamethylbenzol(TM= 165OC) [14]. Emiedrigt man z.B. die Temperatur einer 12OOC heissen Ltisung L eines Poly(ethy1en)s I im guten Ltlsungsmittel Xylol, so tritt eine Phasentrennung bei umso tieferen Temperaturen ein, je niedriger die Polymerkonzentration ist (Abb. 10-14, links); man beobachtet eine Gefrierpunktsemiedrigung des Poly(ethy1en)s. Unterhalb dieser Linie liegt ein heterogenes 2-Phasengebiet aus einer verdiinnteren Liisung L' (Solphase) und dem kristallisierten Poly(ethy1en) PE gleicher Molmasse. Beim gleichen Polymeren I im themodynamisch schlechten Losungsmittel Amylacetat beobachtet man ebenfalls Phasentrennungen (Abb. 10-14, Mitte). Es gibt hier aber zwei solche Bereiche. Bei hohen PE-Konzentrationen WQ IWPE I 1 tritt wieder ein zweiphasiges Gebiet aus einer Losung L' und dem kristallinem PE auf. Bei niedrigen Konzentrationen 0 IWPE IW Q besteht das heterogene Gebiet jedoch aus zwei flussigen Phasen, der niedrigkonzentrierten Solphase L" und der hochkonzentrierten Gelphase G. Bei Temperaturen unterhalb des Punktes Q liegt ebenfds ein zweiphasiger Festk6rper vor. Wieder anders ist es bei kristallisierenden Polymeren in Ltlsungsmitteln, die im fraglichen Temperaturbereich kristallisieren. Die Losung eines ultrahochmolekularen Poly(ethy1en)s I1 im thermodynamisch schlechten Ltisungsmittel Hexamethylbenzol (HMB) zerftillt wie die Lcisung des Poly(ethy1en)s I beidseits des Punktes $Q in je ein zweiphasiges Gebiet (Abb. 10-14. rechts). Beide Gebiete bestehen aber unterhalb der sog. Liquidus-Kurve jeweils aus einer Polymerlosung L'" bzw. L' und einer kristallisierten Substanz, entweder aus HMB bei 0 I& I 0 , 7 3 = $Q oder aus PE bei I$Q = 0,73 I h I1. Die beiden Liquidus-Kurven treffen sich bei h = 0,73 im eutektischen Punkt (G: phosis = Erscheinung; eurektos = schon (d.h. leicht) schmelzbar). Das Eutektikum verhtilt sich wie eine einphasige chemische Substanz, ist aber tatsachlich ein Gemenge. Unterhalb der bei ca. 122OC liegenden waagerechten Linie tritt nach den Autoren ein "Festkorper A" auf. Der Festkorper I musste eigentlich links von WQ aus HMB-Kristallen und dem Eutektikum bestehen, rechts von WQ aus PE-Kristallen und dem Eutektikum. Unterhalb 110,6"C tritt in Hexamethylbenzol eine Phasenumwandlung fest-fest auf.
32 1
10. Thermodynamik von Polymerl6sungen
130 1
40 0
0.1
- - 0k.H23
03
0,4
Abb. 10-15 Schmelz- und Elutionstemperaturen(mit 1,2,4-Trichlorbenzol)eines LLDPE (aus Ethen und 1-Buten)als Funktion des Molenbruchsder C-Atome in CH3 bezogen auf alle C-Atome [lq. Gemilss dem Gibbsschen Phasengesetz (E: Gibbs phase rule) P + F = K + 2 ist der fir die zwei Komponenten (K = 2) eines bin&en Systems bei TQ und $Q (bzw. WQ) existierende eutektische Punkt ein Quadrupelpunkt. Hier befinden sich nmlich Usung. kristallisierte Komponente I, kristallisierte Komponente I1 und (bei kleinem Druck) der gesittigte Dampf der Usung miteinander im Gleichgewicht, also 4 Phasen (P = 4). Der eutektische Punkt ist folglich nonvariant; es gibt keinen Freiheitsgrad (F = 0). Beim System PE + HMB tritt aber erschwerend hinzu, dass es kein binires System ist. sondern nur ein quusibinures, da selbst v6llig lineares Poly(ethy1en) in der Regel aus vielen Molekiilsorten besteht. Dazu kommt, dass beide Poly(ethy1en)e verzweigt sind, das Poly(ethy1en) I1 nur sehr wenig. das Polymere I aber sehr vie1 (vgl. die Schmelztemperaturen). Die durch die Unterschiede im Verzweigungsgrad hervorgerufenen Variationen in den Schmelztemperaturender Poly(ethy1en)e werden zum Bestimmen des Ausmasses an Kurzkettenverzweigungen durch Liisefraktionierung ausgenutzt (E: temperature rising elution fractionation, TREF) (Band I). Aus Usungen eines Poly(ethy1en)s LLDPE kristallisieren z.B. beim Abkuhlen auf Glaskugeln zuerst die perfektesten Kristalle aus, d.h. solche aus den am wenigsten verzweigten Polymennolekiilen. Aus dem niedergeschlagenen Polymeren werden dann durch einen Ldsungsmittelstrom bei kontinuierlich erhdhten Temperaturen die hkhstverzweigten und spater die weniger verzweigten Fraktionen eluiert (Abb. 10-15). Der Verzweigungsgrad wird infrarotspektroskopisch bestimmt.
10.3.
Osmotischer Druck
10.3.1. Grundlagen Das Differential der Gibbs-Energie ist nach der chemischen Thermodynamik durch die Anderung der partiellen molaren Gibbs-Energie Gi,m mit dem Druck p . der Temperatur T und dem Stoffmengenanteil xi gegeben:
322
10.3. Osmotischer Druck
Bei der Osmometrie wird die Aktivitgt u1 des Liisungsmittels in der Ldsung durch Anlegen eines Druckunterschiedes dp auf die Aktivitiit des reinen Usungsmittels gebracht. Dieser Druckunterschied ist bei einem isothennen Prozess (dT = 0) im Gleichgewicht - (dei,m= 0) gleich dem osmotischen Druckunterschied dl7. G1.( 10-37) wird damit zu V ~ , , J 7 = - R T I n U l = - A ~ 1 . Die Aktivit2ten a1 idealer Losungen sind iiber den gesamten Konzentrationsbereich mit den Stofhengenanteilen x1 = 1 - x2 identisch. Fur verdiinnte ideale Liisungen (nl> n2; ml > m2; V1 > V2) kann man femer In a1 = In (1 - x2) durch -x2 ausdriicken. Damit wird ?1,.mJ7= RTx2. Die Stoffmengenkonzentration x2 ist nach c2 = m2/(V1 + V 2 ) = m f l l = n 2 M f l 1 = n2M2/(nl = x2M2/171,m ersetzbar. Es resultiert das van't Hoffsche Gesetz, nach dem bei unendlicher Verdiinnung (c2 + 0) der reduzierte osmotische Druck l7/c2 umgekehrt proportional der Molmasse M2 des Geldsten ist:
v~,~)
(10-38)
lim,,,
If RT -=c2 M2
G1.(10-38) gilt fiir jede Komponente i eines polymolekularen Polymeren; also wird l7i = RT(cJMi). Der osmotische Druck J7 einer verdiinnten Liisung eines polymolekularen Polymeren ist gleich der Summe der osmotischen Drucke l7i aller Komponenten. ] mit c2 Einsetzen von l7 = X i l7i = RT(cJMj) in GL(10-38) liefert M2 = CJ[Zi( c J M ~ ) und
nn,
= & C i and C i = niMJv auch M2 = X i niMi/(& ni) = Die Molmasse M2 ist daher bei polymolekularen GelOsten das Zuhlenmittel der Molmasse. Das van't Hoffsche Gesetz gilt nur fiir unendliche Verdiinnungen. Die bei endlichen Konzentrationen gemessenen und mit dem van't Hoffschen Gesetz berechneten Molmasder Molmassen. Sie miissen M2 sind entsprechend nur scheinbare Zahlenmittel'i"n,app sen noch auf die Konzentration c2 + 0 extrapoliert werden (Kap. 10.4.1).
a,,
10.3.2.
Membranosmometrie
Semipermeable Membranen Die Membranosmometrie ist die wichtigste experimentelle Absolutmethode zur direkten Bestimmung des Zahlenmittels der Molmasse. Bei ihr wird der Druckunterschied zwischen einer Ltisung und dem reinen Liisungsmittel gemessen. die durch eine nur ftir das LOsungsmittel durchlassige Membran getrennt sind. Als derartige semipermeable Membranen werden f i r organische Usungsmittel meist Folien aus regenenerter Cellulose verwendet. Diese Folien sind unter verschiedenen Namen im Handel (Cellophan@600, Gelcellophan@, Ultracellafilter@usw.). Fur wiissrige Ldsungen eignen sich Membranen aus Celluloseacetat (z.B. Ultrafeinflter@) oder Cellulosenitrat (Kollodium). Fur aggressive Usungsmittel wurden Membranen aus porilsem Glas benutzt. Die einfachsten Membranosmometer arbeiten rein statisch. Losungsmittel und Losung befinden sich zu Beginn des Experimentes nicht im osmotischen Gleichgewicht. Das Ltisungsmittel strdmt daher solange aus der Losungsmittelkarnmer in die Lilsungskammer (oder umgekehrt), bis sich ein Gleichgewichtsdruck l7 einstellt. Die dazu erforderliche Zeit ist umso ltinger, je gasser das zu verschiebende Fliissigkeitsvolumen ist. Sie kann u.U. Tage und Wochen betragen.
323
10. ThermodyMnrik von Polymericisungen
Automatisch arbeitende Membran-Osmometer vemngem diesen Zeitbedarf durch einen messtechnischen Trick. Strtimt 2.B. Msungsmittel in die Ltisungskammer ein, so w i d der Anstieg der Druckdifferenz sofort iiber einen Servomechanismus durch eine h d e r u n g der Fullhtihe kompensiert. Bei diesen Osmometern treten nur sehr kleine Flussigkeitsmengendurch die Membran. Der Gleichgewichtszustand kann so schon nach ca. (10-30) min emicht werden. Der messbare osmotische Druck ist nach G1.(10-38) umso niedriger. je gr6sser die Molmasse des Geltisten ist. Osmotische Messungen werden daher mit steigender Molmasse des Polymeren immer ungenauer. Die obere Messgrenze der Methode liegt bei relativen Molmassen von ca. (1-2) Millionen. Die untere Messgrenze ist in der Regel durch die mangelnde Semipermeabilitat der Membranen gegeben.
Nichtsemipermeable Membranen Knliuelf6rmige Makromolekule weisen nur geringe Kettenquerschnitte auf. Sie k6nnen sich daher verhiiltnismiksig einfach durch Membranen schlllngeln, und zwar umso eher, je niedriger die Molmasse ist. Im osmotischen Gleichgewicht verteilen sich die permeierbaren Anteile bei statischen Messungen in einem Donnan-Gleichgewicht entsprechend ihren Aktiviuten auf beide Seiten der Membran. Der osmotische Gleichgewichtsdruck entspricht dam nicht dem wahren osmotischen Druck des Ausgangspolymeren (und auch nicht dem osmotischen Druck des nichtpermeierenden Anteils!). Die teilweise oder vollstllndige Permeation des Geltisten ist hiufig daran erkennbar, dass bei Messungen von "unten her" (Anfangsdruck kleiner als der theoretische osmotische Druck) der messbare Druck Ap durch ein Maximum l2ufl und dann wieder a b m t . Der Effekt kommt durch das Gegeneinanderwirken von Eindringen des L6sungsmittels in die Msungszelle und Permeation des Geltisten in die Ltisungsmittelzelle zustande. Da bei sehr kleinen Versuchszeiten noch praktisch kein Geltistes permeiert haben kann, wird oft angenommen, dass durch die bei automatischen Osmometem mtiglichen kurzen Messzeiten auch bei permeierenden Substanzen der theoretische osmotische Druck beim Volumenfluss null erhalten wird. Diese Annahme ist irrig: Der totale Volumenfluss Jv = LpAp + L p ~von n der Ltisungsmittelzelle zur Ltisungszelle wid sowohl durch eine hydrostatische Druckdifferenz Ap zwischen Usungsmittel und L6sung als auch durch einen osmotischen Druck n bewirkt, wobei die Proportiona~ sog. phfnomenologischen Koeffizienten oder Onsagerlitlskonstanten Lp und L p die Koeffizienten sind. Bei der dynamischen Osmomeuie ermittelt man die Druckdifferenz beim Volumenfluss Jv = 0. d.h. (10-39)
Ap (bei Jv = 0) = - ( L p ~ / L p )=nsn
;s = - LPDILP
Das negative Verhiillnis der phllnomenologischen Koeffizienten ist der StavermanKoeffizient s,Reflektionskoeffizientoder Selektivititskoeffizient. Bei semipermeablen Membranen gilt -Lp = + L p und ~ damit s = 1, bei nicht-semi~ damit s < 1. Im Grenzfall einer v6llig permeablen Membranen aber lLpl > L p und nicht-semipermeablen Membran wird der Staverman-Koeffizient gleich null. Bei der dynamischen Osmometne an nicht-semipermeablen Membranen wird somit beim Volumenfluss null niemals der theoretische osmotische Druck erhalten, sondem ein um den Faktor s niedrigerer Wert. und zwar auch bei der Versuchszeit null (Abb. 10-16).
324
10.3. Osmotischer Druck
Viskosiat der
0102
Id
- M,/
104 (g mo1-1) +
4.104
Abb. 10-16 Molmassenabhihgigkeit der Staverman-Koeffiiientenbei sehr eng verteilten Polymeren. Messungen an ( 0 )Uvulose, Rohrzucker und Poly(ethylenglyco1)en (PEOX)in N,N-Dimethylformamid bei 25°C mit Glasmembranen [16] und (A) Poly(styro1)en in Toluol bei 30°C mit Cellophanmembranen [18]. Die Werte von PEOX (0) und Poly(a-methylstyrol) (0)wurden jeweils in verschiedenen U)sungsmitteln gemessen und dann auf unendliche L(lsungsmittelviskositi4tenextrapoliert [17]. W h d der Versuchszeit war der Rohnucker noch nicht permeiert. Nach dem Versuch hemchte nhlich in der L6sungszelle immer noch die Ausgangskonzentration und in der L6sungsmittelzelle war die Rohnuckerkonzenmtion gleich null.
Der Staverman-Koeffizient kann bislang nicht theoretisch berechnet werden. Er h2ngt ausser von der Molmasse bzw. der Molmassenverteilung des Gelosten noch vom Lbsungsmittel, der Temperatur und der Membran ab (Abb. 10-16). Er ist jedoch unabhbgig von der Art des Polymeren. Unterhalb einer "kritischen" Molmasse wird der Staverman-Koeffizient kleiner als 1. In diesem Bereich nimmt sein Kehrwert linear mit der reziproken Viskositat des Lbsungsmittels zu. Bei osmotischen Messungen an nicht-semipermeablen Membranen verwendet man daher zweckmassig viskose Ltisungsmittel (vgl. auch Abb. 10-16), im Gegensatz zu der Erwartung. dass niederviskose Lbsungsmittel eine schnellere Druckeinstellung ohne merkliche Permeation des Gelosten ermbglichen. Um das Zahlenmittel der Molmasse einer partiell permeierenden Probe zu ermitteln, wird die Usung zuerst an der gleichen Membran dialysiert, die fiir die Membranosmornetrie verwendet wird. Der nichtdialysierte Anteil wird anschliessend membranosmometrisch. der dialysierte z.B. dampfdruckosmometrisch untersucht. Die Molmasse der Probe berechnet sich aus den Massenanteilen und Molmassen der beiden Fraktionen.
10.3.3.
Ebullioskopie und Kryoskopie
Geldste Substanzen erhohen die Siedetemperatur des Losungsmittels (messbar durch Ebullioskopie; L: ebullire = herausspmdeln; G: skopein = betrachten) und emiedrigen dessen Gefriertemperatur (rnessbar durch Kryoskopie; G: kryos = kalt). Ebullioskopie (E: ebullioscopy) und Kryoskopie (E: cryoscopy) basieren wie die Membranosmometrie auf der Thermodynamik der Losungen. Sie fiihren folglich als kolligative Methoden zu W i c h e n Beziehungen wie die Membranosmometrie. In der Biomedizin werden aus diesem Grunde ebullioskopische und kryoskopische Messungen als osmotische Messungen bezeichnet, obwohl kein osmotischer Druck ermittelt wird.
10. Thermodynomik der Polymerlosungen
325
Im thermodynamischen Gleichgewicht gilt dAG = AVdp - ASdT = 0 und fiir einen isotherm-isobaren Prozess bei der Siedetemperatur Tbp des Usungsmittels ausserdem auch As = A&s/rb,. DmUS fOlgt A&, = Tb+V(dp/dT). Das Volumen Vges einer bestimmten Gasmenge ist bei der Siedetemperatur gross gegeniiber dem Volumen V1iq der gleichen Fliissigkeit; damit gilt AV = V,, - Vliq = Vgas. Fur das reine Usungsmittel kann man das ideale Gasgesetz pV,, = RTbp,o ansetzen. Ftir die molaren Gr6ssen gilt also fi&p,m = Tbp(dp/d7)(RTbp,dp). Mit dem Raoultschen Gesetz Aplp = x2 = n2/(nl + n2) = n2Inl = rn2Mllm1M2 = mpUlIplV1M2 = C Z M ~ I P ~ M Z und nach dem Ubergang von Differenzialen zu Differenzen erh2lt man fiir c2 0
(vgl. G1.( 10-38)). Um eine mdglichst hohe Siedepunktserhdhung zu erreichen. muss die ebullioskopische Konstante Kbp klein sein. Die Usungsmittel sollen also hohe Siedetemperaturen Tbp.1,grosse Molmassen MI, niedrige Fliissigkeitsdichten pi undloder niedrige molare Verdampfungsenthalpien w b p , l , m aufweisen. Die reduzierte Gr6sse ATb& ist der scheinbaren Molmasse des Geldsten reziprok proportional. Wie bei der Membran-Osmometrie sind daher auch bei der Ebullioskopie die Molmassen M2 Zahlenmittel. Wie G1.(10-38) gilt auch G1.(1040) nur fiir unendliche Verdiinnungen. Bei der Kryoskopie lautet die Gleichung W i c h . Die kryoskopische Konstante K M enthat hier die molare Schmelzenthalpie A H M , ~des Ldsungsmittels; die Temperatur ~ Usungsmittels. T ~ Pwird , ~ zur Schmelztemperatur T M , des Die Messeffekte sind aber bei der Ebullioskopie und der Kryoskopie viel kleiner als bei der Membran-Osmometrie. Bei 0,Ol g/mL Polymer mit M = 1 6 g/rnol in einer thermodynamisch idealen LBsung misst man z.B bei T = 100°C einen osmotischen Druck von ca. 3,2 cm Wasserstiule, w h n d der Siedepunkt der ublichen Ldsungsmittel nur um ca. le5K erhtjht wird. Die obere Messgrenze liegt daher bei der Ebullioskopie und der Kryoskopie nur bei einer Molmasse von ca. 20 000 g/mol. In niedermolekularen Fliissigkristallen als Ldsungsmittel lassen sich jedoch manchmal noch Molekulargewichte von Polymeren von bis zu ca. einer Million kryoskopisch bestimmen, da Fliissigkristalle viel niedrigere Schmelzenthalpien als die iiblichen Ldsungsmittel aufweisen. Ebullioskopie und Kryoskopie sind verhHtnism2ssig zeitaufwendig und oft mit vielen Fehlerm6glichkeiten behaftet, 2.B. Schaumbildung beim Sieden, Siedeverzdgerungen. Unterkiihlungen usw. Die Methode der Wahl fiir niedrige Molmassen ist daher z.Zt. die Dampfdruckosmometrie.
10.3.4.
Dampfdruckosmometrie
Dampfdruckosmotische (thermoelektrische, vaporometrische) Messungen beruhen auf dem folgenden Prinzip. Bei einem Gedankenexperiment befinde sich ein Tropfen einer Usung eines nichtfluchtigen Geldsten in einern fluchtigen Usungsmittel auf einem Temperatufihler, 2.B. einem Thermistor. Der umgebende. unendlich grosse Raum sei mit Ldsungsmitteldampf gestittigt. Zu BegiM der Messung weisen Tropfen und
326
10.4. Virialkoefizienten
Dampf die gleichen Temperaturen auf. Da der Dampfdruck der Ldsung gennger als dejenige des Usungsmittels ist, kondensiert Idsungsmitteldampf auf den Usungstropfen auf. Die Temperatur des Tropfens steigt durch die freigesetzte Kondensationswirme solange an, bis die Temperaturdifferenz A T h zwischen Usungstropfen und Usungsmitteldampf die Differenz der Dampfdrucke wieder aufhebt und die chemischen Potentiale des Ldsungsmittels in beiden Phasen gleich gross sind. In diesem Fall gilt wie bei ebullioskopischen Messungen die G1.(10-40), also KATh = RTc/M rnit K = pbH;,nJ(TMi). Das Verfahren wiirde also 2hnlich wie die Ebullioskopie oder die Kryoskopie eine strenge thermodynamische Grundlage besitzen. wenn Ldsungsmitteldampf und Ldsungstropfen voneinander thermisch isoliert werden kdnnten. Tropfen und Dampf stehen jedoch miteinander im thermischen Kontakt, so dass sich die Temperaturdifferenz mit der Zeit durch Konvektion, Strahlung und Leitung auszugleichen versucht. Dadurch kondensiert aber wieder neuer Ldsungsmitteldampf auf den Ltisungstropfen und zwar solange. bis sich ein stationirer Zustand mit einer bestimmten Temperaturdifferenz AT einstellt. Die obige Gleichung ist daher fiir c2 -+0 durch
zu ersetzen. Da kE nur schwierig theoretisch berechenbar ist, wird KlkE in der Regel durch Eichmessungen mit Substanzen bekannter Molmasse ermittelt. Derartige Kalibrierungen fiihren jedoch bei vielen kommerziell erhatlichen Dampfdruckosmometem zu unterschiedlichen Werten f i r die Molmasse M2 der unbekannten Substanz. weil z.B. die Tropfen der verschiedenen Losungen ungleich gross sind, Warmeverluste durch die Geometrie der Kammem und die Befestigung der Thermistoren auftreten usw. Wie bei allen kolligativen Methoden miissen die mit G1.( 10-41) erhaltenen scheinbaren Molmassen noch auf die Konzentration null extrapoliert werden (s. unten). Die Dampfdruckosmometrie ist eine recht schnelle Methode, die mit guten handelsublichen Geriten Zahlenmittel der Molmassen bis zu ca. 50 OOO g/mol zu ermitteln erlaubt.
10.4.
Virialkoeffizienten
10.4.1. Grundlagen Das van7 Hoffsche Gesetz gilt nur fiir unendliche Verdiinnungen. Selbst ideale Losungen weisen aber eine (sehr schwache, s.u.) Konzentrationsabhtingigkeit der reduzierten osmotischen Drucke n / c 2 auf. da die ideale Mischungsentropie bei idealen Usungen nicht gleich null ist. Nur in sog. Theta-Lthungsmitteln (s. unten) sind die reduzierten osmotischen Drucke l7lc2 bei niedrigen Konzentrationen konzentrationsunabh2ngig. Bei allen nichtionischen L6sungen lasst sich gemass der statistischen Mechanik der natiirliche Logarithmus der Aktivitgt a1 des Usungsmittels stets in eine Reihe nach ganzen positiven Exponenten der Stoffmengenanteile x2 des Gelosten entwickeln: (10-42)
- ln
= x;! + Bxz2 + C X + ~... ~
327
10. ThennodyMmik von Polymerllimngen
Fiihrt man in diese Gleichung f ~ durch x2 = f1;.mc2f M 2 , so erMt man
, ~ nRTln = -ul ein
und ersetzt den Molenbruch
wobei A l , A2, A3 ... die ersten, zweiten. dritten ... Virialkoeffizienten sind (E: virial coefficients). Bei G1.(10-43) wird auch oft das Glied RT in die Virialkoeffizienten einbezogen, so dass nfc2 = RTfM2 + Az'c2 + A3'cz2 + ..., wobei A2' = RTA2 und A3' = RTA3. Das Wort "Virial" stammt von dem im 19. Jahrhundert vie1 verwendeten Virialtheorem, bei dem das Mittel von mvZf2 dem Mittel von (Xx + Yy + Z Z ) gleichgesetzt ~ wurde; m = Mas% der Teilchen, v = Geschwindigkeit, x , y s = Koordinaten der Teilchen und X,YZ = Komponenten der KrHte, die auf das Teilchen einwuken. Der Ausdruck der rechten Seite wurde Virial genannt (L.: vis = Kraft). Das Viriallilsst sich in eine Reihe entwickeln, deren Koeffiienten daher die Viriallroeffizientenwaren. Die Funktion n f c 2 =flcz) liefert als Ordmatenabschnitt den ersten Virialkoeffizienten
(Abb. 10-17). Aus dem Koeffizientenvergleich der G1.(10-38) und (10-43) erhSUt man A1 = 1fM2. wobei M2 bei polymolekularen Polymeren das Zahlenmittel der Molmasse ist (s. oben). Bei Konzentrationen c2 > 0 stellt das mit dem van't Hoffschen Gesetz berechnete M2 = R T c d n somit ein scheinbures Zahlenmittel der Molmasse dar.
Bei nichtassoziierenden, nichtionischen Polymeren ist die Anfangsneigung der Funktion n f c 2 =fTc2) gleich A2 (vgl. aber Kap. 10.5.2 und 10.5.3). Den dritten Virialkoeffizienten erh2lt man durch eine Ausgleichsrechnung oder aber graphisch durch Auftragen von [ ( n f ~ 2 )-i ( l 7 / ~ 2 ) j ] / ( ~-2Ci ~ J als ) Funktion von ~ 2 +i C ~ J Diese . Beziehung ergibt sich durch Ansetzen der G1.(10-38) fiir jeweils zwei Konzentrationen i und j und anschliessende Subtraktion. A2 und A3 (bzw. A2' und A3') sind komplizierte Mittelwerte. Bei kolligativen Methoden (Osmometrie, Ebullioskopie usw.) ergibt sich z.B. (A2)op = ZiZj w,w,A+ bei Lichtstreuungsmessungen dagegen ( A ~ ) L=s Z& wiMiw,M,A~,/(&wiMi2).
f4
0
0,Ol
- c2
-
0,02
0,03
Abb. 10-17 Konzenmtionsabhangigkeit der reduzierten osmotischen Drucke eines Poly(methylmethacrylat)s bei 20°C [19]. m-Xylol ist bei dieser Temperatur ein Theta-Lkungsmittel (A2 = 0), wiihrend Chloroform in diesern Konzentrationsbereich bereits einen dritten Virialkoeffflienten zeigt.
328
10.4.2.
10.4. Virialkoeffizienten
Gittertheorie
Der zweite Virialkoeffizient wird durch die Wechselwirkungen zwischen zwei Ktirpern bestimmt, der dritte Virialkoeffizient von denjenigen zwischen drei Kdrpern usw. Die Virialkoeffizienten hugen demzufolge sowohl von der Form und Grtisse der Molekule als auch von der Wechselwirkung mit dem Usungsmittel ab. Bei zwei gleich grossen harten Kugeln mit jeweils dem Volumen Vmol pro Molekiil in idealen Ldsungen berechnet sich der 2.Virialkoeffizient z.B. zu A 2 = 4 N~V2,mol/M2~* wie sich aus G1.(10-43) fiir das ausgeschlossene Volumen u = 8 Vmol einer Kugel ergibt (Kap. 4.2.2). Bei unter dem Orientierungswinkel y angeordneten steifen Stubchen gilt A2 = 2 L2d sin y. Der 3.Virialkoeffizient ist dem Ausdruck L3&[ln (L/d)I3 proportional. Die einfache Gittertheorie berechnet die zweiten und dritten Virialkoeffizienten von Kniiueln wie folgt. Das chemische Potential des Liisungsmittels pro Mol Liisungsmittel(S. 322) und andererseits nach (31410-26) molekiile betr3gt einerseits Ap1 = auch Apl = RT[x&J2+ In (1-&J) + (l-X2-')&]. Gleichsetzen der beiden Ausdriicke und Reihenentwicklung des logarithmischen Gliedes nach In (1-92) = - h - &J2- $ 1 2 ~ ... fiihrt zu -pl,mIZ=- RT[X2-Ih + ((1/2) - x]4$ + (1/3)&3 + ...I. Das EinfCihren von X2 = MZ/Mu und &J = VZ/(V1+ V2) = V2/v1 = v2c2 liefert
-c1,,,l7
Das Produkt M,vz ist wegen v2 = Vdm2 = VJmu = v, und M u= mJn, gleich dem Molvolumen Vu,m = V,/n, der Segmente. Bei kleinen Konzentrationen wird das partielle Molvolumen des Ltisungsmittels gleich seinem Molvolumen ( vl,m= V1,m). Da ein Gitterplatz entweder von einem Ltisungsmittelmolekiil oder von einem Polymersegment besetzt werden kann, wird Vu,m = V1.m und damit auch MUvd~1,, = 1. Die Theorie berechnet somit den ersten Virialkoeffizienten korrekt als A 1 = 1/M2. Sie liefert f i r den / v f~i r ~den ~ dritten zweiten Virialkoeffizienten den Ausdruck A2 = [(1/2) - ~ ] v 2 ~ und Virialkoeffizienten die Beziehung A3 = vz3/(3 f,;,,). Bei einem Flory-Huggins-Wechselwirkungsparameterx = 1/2 wird der zweite Virialkoeffizient gleich Null. Das Polymere befindet sich dann im Theta-Zustand (E: theta state). Dieser Zustand tritt bei einer bestimmten Theta-Temperatur 8 auf; bei dieser Temperatur wird das Ltisungsmittel zu einem Theta-Losungsmittel (E: theta solvent). Die Thetatemperatur der Ltisungen entspncht somit der Boyle-Temperatur realer Gase. Bei der Theta-Temperatur nehmen unendlich diinne Ketten in einem lokal und global homogenen Kontinuum von Ldsungsmittelmolekiilen ihre ungestorten Dimensionen an. Diese Bedingungen treffen jedoch nicht immer zu. Der Theta-Zustand liefert dann nicht ungesttirte Dimensionen, weil Theta-Zusthde auf globale Wechselwirkungen ansprechen, ungestorte Dimensionen aber auf lokale. Die F2higkeit eines Usungsmittels, bei einem Polymennolekiil ungestorte Dimensionen zu elzeugen. wird somit durch die Konstitution und Konfiguration des Polymeren sowie durch die Temperatur kontrolliert, da diese Faktoren die langreichenden Wechselwirkungen zwischen Polymersegmenten und zwischen den Segmenten und den Lissungsmittelmolekulen beeinflussen. Bei Selbstassoziationen sowie bei Mischlosem kann dagegen das Ldsungsmittel oft nicht als homogenes Kontinuum betrachtet werden.
3 29
10. Thennodynamik von Polymerl6sungen
Tab. 1 0 6 Theta-Temperaturen 8 (bei A2 = 0 oder aus Phasengleichgewichten) und Temperaturen . 'T bei denen nach Messungen der Molmassembhihgigkeitder Triigheitsadien s,der Difti~~i~n~koeffizhten D und der G&skosi~tszahh [q]die ungestUmn Dimensionen erreicht werden. Polymer
Usungsmittel
sy.c
TZC aus Messungen von D hl
(9) Poly(styro1). linear Poly(styro1). ringfannig Poly(octadecylmethacrylat) Poly(dimethyki1oxan)
Cyclohexan Cyclohexan Butylacetat Ethylacetat
34,s 28.5 10.5 18
34.5
=40
34.5 25
34s 40.0 13 4.8
Wenn z.B. lange Seitenketten konstitutionell von der Hauptkette verschieden sind, wird die (globale) Makrokonformation des gesamten KnBuelmolekiils nicht s e l b s t h lich mit den lokalen Konformationen sein (Tab. 10-6). Die Theta-Temperatur 8 ist dann nicht mit derjenigen Temperatur Tu identisch, bei der die ungestCirten Dimensionen auftreten, wenn also das Quadrat der Trggheitsradien direkt proportional der Molmasse ist (G1.(4-36)). Die ungestUrten Dimensionen werden in diesem Fall je nach der MessgrUsse bei verschiedenen Temperaturen Tu erreicht. Unterschiede zwischen 8 und T,,sind aus dem gleichen Grund besonders bei polaren MischlCisem zu erwarten. Der Einfluss der Stmktur des LUsungsmittels auf die Theta-Temperaturen von Polymeren ist nur wenig erforscht. Die Theta-Temperatur von Poly(ethy1en) steigt z.B. mit zunehmender Kettengliedemhl von Alkanen als Usungsmittel, wilhrend diejenige von Poly(dimethylsi1oxan) sinkt (Tab. 10-7). In Alkoholen als LUsungsmittel nimmt die Theta-Temperatur von Poly(ethy1en) mit zunehmender GrUsse der Alkoholmolekule ab. warend diejenige von Poly(cyclohexylmethacry1at) durch ein Minimum l2uft. Diese Abhbgigkeiten werden zum einen von den Lagen der oberen und unteren kritischen Usungstemperaturen bestimmt und zum anderen von den Lllslichkeitsparametem 6. Im letzteren Fall h a g e n die Theta-Temperaturen 8 praktisch linear von den Lllslichkeitsparametem 6ab (Abb. 10-18). Tab. 10-7 Theta-Temperaturen in OC von Poly(ethy1en) (PE),Poly(styro1) (PS), Poly(cyclohexy1methacrylat) WMA) und Poly(dimethylsi1oxan)(PDMS) als Funktion der Zahl N dex Kettenatorne der Usungsmittelmolekiile, A =Alkane H(CH2)iH (N=O ; AL =Alltohole H(CH2)oH ( N = i + 1) CA =Cycloallrane c-(CHz)i (N=i> ; AA =Aurylacetate HCH$(O)O(CH2)iH ( N = i + 3 ) N
PE A
PE AL
PS CA
PS CA
20 34 17 12 16 16
154 213
PS
PS
PCMA
AA
AA
AL
43
114 139 178
4 5 6 7
8
85 133 174 210
9 10
180
11 12
153 138
4 -80
PDMS A
40 23
9 18 20 23
-173 -173 -143 -113
330
10.4. Virialkoeffizienten
-273.15 -200
-100
100
0
200
E. 12 \
m -
I
11 lo 9
8
1
74 -273,15 -200
** -100
- 81°C
0
PMMA
100
200
-+
Abb. 10-18 Beziehungen zwischen den Uslichkeitsparametern 61 der Usungsmittel und Theta-Temperaturen 8 beim Poly(dimethy1siloxan) (PDMS) und beim Poly(methylmethacryht) (PMMA). Das Poly(methylmethacry1at) weist obere ( 0 )und untere (0)kritische Mischungstemperaturen auf, die letzteren bei den Usungsmitteln Dichlorethan, Aceton. Acetonitril und Pmpanol. Die Extrapolation der SWerte auf die Temperatur 8 = 0 K liefert den Lcislichkeitsparameterdes Polymeren. Theta-Temperaturen werden ausser von der Struktur des Losungsmittels und der Konstitution und Molmasse des Polymeren noch von der Molekularchitektur des letzteren beeinflusst. Sternartig verzweigte Polymere besitzen immer niedrigere Theta-Temperaturen (UCST) als ihre unverzweigten Analoga (Abb. 10-19). Die Differenz ist urnso grClsser, je kurzer die Anne der Stem-Polymeren sind und je mehr Anne das Molekul aufweist. Der Effekt wird durch die gr6ssere Segmentdichte im Innem der Stem-Molekule im Vergleich zu den unverzweigten Molekiden erklart. Es ist unklar. wie A2 durch Konfigurationsunterschiede beeinflusst wird. Ataktische und isotaktische Poly( 1-penten)e weisen jeweils die gleiche Theta-Temperatur 8 auf, wiihrend sich 8 bei at- und st-Poly(a-methylstyrol) in Cyclohexan etwas unterscheidet.
n
104
-
16 M,/ (g mol-I)
106
Abb. 10-19 Theta-Temperaturen von linearen (- - -) und sternartig verzweigten Pol(styro1)en in Cyclohexan [20-221. Die Zahl der Anne sind 2 (linear), 4,6-7 und 9-15. Die Linien sind empirisch.
331
10. Thermodynamik von PolymerlCsungen
10.4.3.
Einfluss des ausgeschlossenen Volumens
Positive zweite Virialkoeffizienten treten in thermodynamisch guten LCfsungsmitteln auf, also in solchen, in denen die Knguel aufgeweitet sind. Die Aufweitung wird durch den Platzbedarf der Segmente und die Wechselwirkungen zwischen Segmenten bzw. zwischen Segmenten und Lllsungsmittelmolekiilen kontrolliert. Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit $2 der Anordnungen schliesst somit auch den enthalpischen Anteil ein; man braucht bei der Gibbs-Energie lediglich den Entmpieterm zu berechnen. Das erste Molekiil verfiigt iiber ein Volumen V. das zweite jedoch nur iiber (V-u), das dritte iiber (V-2u) usw. und das i-te Molekiil somit iiber (V-iu). Das Produkt aller dieser Anodnungsmuglichkeiten ist der Wahrscheinlichkeit a proportional. Daraus folgt
i=O
Auflllsen des Logarithmus fiihrt zu einer Summe anstelle des Produktes N, -1
(10-46)
AG = - k~$[N2 h v +
h (1-(iU lv))]-I-COtUf' i=O
Bei verdiinnten LCfsungen gilt iu/V ... I
Der Vergleich der Koeffizienten in den G1.(10-48) und (10-49) liefert A2 = a2/(M2c2*). Nach G1.(6-3) ist die kritische herlappungskonzentration durch c,* = K,*M1-3V gegeben. Der 2.Virialkoeffizient sollte daher nach
der (3v - 2)ten Potenz der Molmasse proportional sein. Aus dem Wert z = 4 2 8 der Abb. 10-20 berechnet sich so ein v-Wen von 0,573, was gut mit dem theoretischen Wert von v = 0.588 und dem Monte-Carlo-Wert von v = 0.584 (z = - 0,248) ubereinstimmt. Die A2-Werte der Polymermischungen weichen von der Geraden fiir die "molekulareinheitlichen" Polymeren ab, weil die Beziehung A2 = K2M2z nicht fiir-den-Einfluss der Molmassenverteilung konigiert wurde. Bei SF-Verteilungen mit 1,l IMJM, I2,O sind z.B. die A2-Werte bei z = - 0,35 zwischen 4,7 % und 6,7 % zu erhohen. Bei Mischungen zweier Polymerer kijnnen die A2-Werte jenach -Mischungsverh2ltnis z.B. durch ein Maximum laufen oder auch mit steigendem MJM, abnehmen.
10. Thennodynamik von Polyrnerli5sungen
333
10.4.5. Einfluss der Temperatur Nach der Gittertheorie sind der 2.Virialkoeffizient A2 und der Wechselwirkungsparameter x iiber A2 = [(1/2) - ~ ] v 2 ~ / ? 1 , , verkniipft (G1.(10-45)). Die Griisse 1/2 stammt dabei von dem entropischen Beitrag In (1 - h)+ (1 - X2-1)h. Nun ist aber auch im Wechselwirkungsparameter ein entropischer Beitrag versteckt s a p . 10.2.2). Dieser Parameter kann daher als Summe der enthalpischen (Index H) und entropischen (Index s) Beitriige geschrieben werden, also als = XH + xs. Man kann dann die beiden entropischen BeiWge zu einem neuen Entropiebeitrag w = (112) - xs vereinigen. Wenn der verbleibende enthalpische Beitrag XH eine Enthalpie reprgsentiert (also eine Energie), dann muss auch y die physikalische Einheit einer Energie aufweisen. Wenn y aber eine Energie ist, kann es keine Entmpie sein; nur w/T besitzt die physikalische Einheit einer Entropie. Da die Gibbs-Energie AG nach AG = AH - @AS = 0 bei der Theta= e(y/r) Temperatur 8 gleich Null wird, muss auch XH - e(w/T) = 0 gelten. Es folgt und daher auch
Die Abhwgigkeit des Wechselwirkungsparametersvon der Temperatur sollte daher nach dieser Theorie nur durch den Entropie-Parameter y bedingt sein. Bei der Theta-Temperatur gilt e/r = 1 und x sollte den Wert 1/L annehmen (vgl. aber Abb. 10-6). Aus der Temperaturabhiingigkeit von x llsst sich die Theta-Temperatur ermitteln. Die Methode ist jedoch ziemlich aufwendig. Ein einfacheres Verfahren ergibt sich aus der Tatsache, dass bei bindren Systemen das Maximum der Triibungskurve bei UCST (bzw. das Minimum bei LCST) mit der kritischen Entmischungstemperaturidentisch ist (Kap. 10.2.3). Aus den G1.(10-34) und (10-51) e N t man mit x: = xcfitund T = Tcfit die kritische Entmischungstemperatur als Funktion des Polymerisationsgrades: (Ni[herungfiirhohesX2)
Das Verfahren ist auch bei quasi-binlren Systemen brauchbar, obwohl hier das Maxi-
mum der Triibungskurve nicht mit der kritischen Entmischungstemperatuutidentisch ist. Aus dem Ausdruck fiir den Wechselwirkungsparameter (G1.(10-5 1)) ergibt sich mit A2 = [(1/L) - x]v22/vl,m fiir die Temperaturabhiingigkeit des zweiten Virialkoeffizienten
Die 2.Virialkoeffizienten sollten daher bei T > €3 leicht konkav mit der Temperatur zunehmen. Nun existieren aber fiir jedes System Polymer-Ulsungsmittel zwei ungesttirte Zust2nde und entsprechend zwei Theta-Temperaturen. Bei zwei Theta-Temperaturen muss aber A2 =fir)durch ein Maximum laufen (Abb. 10-21). Das Maximum der Kurve liegt bei der Temperatur, bei der sich die Ulsung athermisch verhat. Die Funktion ist bei hohen Molmassen symmetrisch um die A2-Achse.
10.4. Virialkoeffizienten
334
e
..
h
0
50
100
150
0
-T / " C
50
100
150
4
Abb. 10-21 Zweite Virialkoeffizienten und Triigheitsradien (bei c -+ 0) von Poly(styro1)en mit verschiedenen Molmassen in t-Butylacetat als Funktion der Temperatur [24].
10.4.6.
Osmotischer Druck massig konzentrierter Losungen
Der osmotische Druck von Polymeren nimmt in thermodynamisch guten Losungsmitteln stark mit der Konzentration zu (Abb. 10-17). Bei genugend hohen Konzentrationen ist jedoch das erste Glied in der Gleichung f i r die Konzentrationsabh2ngigkeit der reduzierten osmotischen Drucke gegenuber dem zweiten vemachliissigbar. Setzt man ausserdem den Ausdruck der G1.( 10-44) f i r den 2.Virialkoeffizienten ein
so sagt die Gittertheorie voraus, dass bei hdheren Konzentrationen der reduzierte osmotische Druck l7/c (a) unabhtingig von der Molmasse und (b) proportional der Konzentration c sein soll. Die erste Vorhersage wird experimentell bestatigt, nicht jedoch die zweite. da lg (L!M/(cRT) stiirker als direkt mit lg c/cv* ansteigt (Abb. 10-22). Dieser starker als proportionale Anstieg kommt durch das Wechselspiel zwischen zwei Einflussen zustande. Bei Konzentrationen oberhalb der ijberlappungskonzentration c* beginnen sich die Polymerknluel zu uberlappen (Kap. 6.3). Die osmotische kritische Uberlappungskonzentration ergibt sich aus Dimensionsbetrachtungen sehr einfach zu c,* = 1/(A2M2). Meist wird jedoch die viskosimetrische kritische Uberlappungskonzentration cv* = l/[q] verwendet (G1.(6-4)). In thermodynamisch guten Ldsungsmitteln werden die Knauel durch die Uberlappung zunehmend sarker komprimiert. Die ausgeschlossenen Volumina weiten dagegen die Kniuel auf, da auf einem bereits besetzten Gitterplatz kein anderes Polymersegment platziert werden kann. Die gewiinschten Funktionen l7/c =Ac) bzw. LliUi(cRT) =Ac/c*) erhU man d a m wie folgt. Der reduzierte osmotische Druck ist bei hBheren Konzentrationen durch L!Mi(cRT) = 1 + A2M2c -- AzMc approximierbar. Der zweite Virialkoeffizient ist nach G1.(10-47) dem ausgeschlossenen Volumen u proportional. Daraus folgt
335
10. Thermodynamik von Polymerliisungen
KnSuel sind knapp unterhalb der kritischen ijberlappungskonzentration noch isoliert voneinander. sie kUMm wie gquivalente Kugeln mit dem Volumen V = u/8 behandelt werden (Kap. 4.2.2). Als Radius der Squivalenten Kugel wird der Trggheitsradius s der KnSuel angesetzt. Fur das ausgeschlossene Volumen gilt also u = 8 V = (32 xl3) s3. Der Tragheitsradius ist wieder der v-ten Potenz der Molmasse proportional, also s = K2M2" (G1.(4-65)). Fur den reduziexten osmotischen Druck kann man daher nM$(cRT) = (16 d3)N A K ~ ~ schreiben. M ~ ~ - In~ guten ~ LUsungsmitteln wird nach der Mean-fieldTheorie v = 3/5. Fur die kritische ijberlappungskonzentrationehiilt man daher (10-56)
c*=(
3 Ml7 ] . r =1 K , M 4 " 16ncRTNAK: M
Der dimensionslose Parameter (Mn)/(cRT) kann als Funktion des Ausmasses c/c* der Uberlappung geschrieben werden, wobei zu beachten ist, dass er knapp oberhalb und knapp unterhalb der kritischen Konzentration c* praktisch den gleichen nummerischen Wert aufweisen muss. Das Verhatnis c/c* muss dazu mit 1/(3 v - 1) skaliert werden: (10-57)
(Mn)/(cRT) =&c/c*) = const (c/c*)1/(3V-1) = const (c/c*)"
Lm ungestorten Zustand gilt v = 1/2 und der Skalierungsexponent m sollte den Wert 2 annehmen, wie es auch experimentell gefunden wird (Abb. 10-22). Fur gute LUsungsmittel wird m = 1,1325 statt m = 1.25 (Gittertheorie; v = 3/5) bzw. 1,309 (Renormalisierung; v = 0,588) gefunden. Die generalisierte Theorie liefert f i r den d-dimensionalen Fall entsprechend (Mn)/(cRT) = const (c/c*)l@v-l). Uber den Wert der Konstanten c o w sagt das Skalierungsverfahren nichts aus. L S
0.01
OJ
10
1
- c/c,*
PAMS
4
Abb. 1@22 Abhhgigkeit der reduzierten osmotischen Drucke (Mn)/(cRT) von der reduzierten Konzentration c/c,* (aus ViskosiUtsdaten, d.h. c* = cv*) fiir Poly(styr0l)e (PS)im Theta-Usungsmittel Cyclohexan bei 34°C [ZS](Daten um den Faktor 10 nach oben verschoben) und fiir Poly(a-methylstyr01)e (PAhfS) im guten Ltlsungsmittel Toluol bei 25°C [Xi]. Die osmotischen iiberlappungskonzentrationen betragen jeweils c,* = 0.8 c,,*.
336
10.5.
10.5. Assoziation und Selbstassoziation
Assoziation und Selbstassoziation
10.5.1. G r u n d l a g e n Manche Makromolekiile treten in Liisung unter geeigneten Bedingungen zu gr6sseren Molekiilverbhden zusammen. Diese Bildung physikulischer Molekiile wird nachfolgend als Multimerisation von der Polymerisation als Bildung chemischer Molekule unterschieden; sie wird jedoch in den Biowissenschaften oft ebenfalls als Polymerisation bezeichnet. Die reversible Multimerisation zu liislichen Molekiilverbhden wird nachstehend Assoziation genannt. die irreversible zu unltislichen Produkten dagegen Aggregation. In der Literatur werden jedoch oft beide Begriffe als Synomyme verwendet. Die Assoziation von Molekiilen rnit ihresgleichen ist auch als Selbstassoziation bekannt. diejenige von konstitutiv oder konfigurativ verschiedenen Molekulen als Komplexbildung. Stereokomplexe sind 2.B. Assoziate oder Aggregate aus sterisch unterschiedlichen Polymeren gleicher Konstitution. In manchen F a e n verlauft die Aggregatbildung unvollsthdig und es entsteht ein durch Ldsungsmittel gequollenes physikalisches Netzwerk. Derartige Netzwerke werden wie gequollene chemisch vemetzte Polymere als Gele bezeichnet (Kap. 10.7). (Se1bst)assoziationen sind entweder molekiilbezogen oder segmentbezogen. Bei molekiilbezogenen Assoziationen ist die Zahl der assoziogenen Gruppen pro Molekiil unabhhgig von der Molekiilgrtisse. Ein Beispiel ist die uber die endst2ndigen HydroxylOH Logruppen verlaufende Assoziation von H O ( C H ~ C H ~ O ) X - ~ C H ~ C Hin~apolaren sungsmineln. Die Zahl der assoziogenen Gruppen (der beiden Hydroxylgruppen) pro Poly(oxyethy1en)molekiil hdert sich hier nicht mit der Molekiilgrosse X; die Gleichgewichtskonstanten der Assoziation sind auf die Stoffmengen zu beziehen. Bei segmentbezogenen Assoziationen sind fiir die Assoziation Segmente aus mehreren Grundbausteinen verantwortlich. Ein Beispiel sind syndiotaktische Sequenzen geniigender Lange in einem "ataktischen" Poly(propy1en). Die Zahl der assoziogenen Segmente nimmt hier bei sonst gleicher Konstitution und Konfiguration mit der Molmasse zu. Die Gleichgewichtskonstanten der Assoziation sind in diesem Fall auf die Massekonzentrationen zu beziehen und nicht auf die Stoffmengenkonzentrationen. Molekiil- und segmentbezogene Assoziationen ktinnen offen sein, d.h. keine Obergrenze fiir die Zahl der in einem physikalischen Molekiil versammelten Unimeren besitZen. Bei geschlossenen Assoziationen ist dagegen der Assoziationsgrad eine fixe Zahl.
10.5.2.
Offene Selbstassoziation
Bei offenen Assoziationen (E: open associations) liegen definitionsgemass ausser chemischen Molekiilen mit der Molmasse MI auch physikalische Molekiile rnit allen miiglichen Molmassen Mn.M m ... M N . M N + ~... aus zwei oder mehr chemischen Molekiilen vor. Die Assoziation ist "offen"; es gibt keine Obergrenze f i r die Molmasse der Assoziate rnit MN (N 2 2). Die offene Assoziation ist somit das physikalische Analogon zur chemischen Polyaddition. Den Monomeren der Polyaddition entsprechen die Unimeren der offenen Assoziation. Unimere kiinnen wie Monomere molekularein-
337
10. Thermodynamik der Polymerbsungen
f
P 6000
0
1518
594
v .
0
0,05
0,lO
0.15
- c/(gmL-')
-+
0,20
Abb. 1@23 Konzentrationsabh&gigkeitder nomierten reziproken scheinbaren Zahlenmittel dex Molmass von Poly(oxyethy1en)en HO(CH2CH20),H verschiedener Molmasse in Benzol bei 25°C [27]. Die Anfangsneigungen der K w e n geben bei den niedrigen Molmassen nick den therrnodynamischen zweiten Virialkoeffiiienten an, sondern enthalten noch die Assoziationskonstante(s. unten).
Zwischen den Unimeren und Multimeren bestehen bei der offenen Assoziation konsekutive Gleichgewichte. Die mittlere Molmasse der Assoziate nimmt rnit steigender Konzentration stiindig zu. Die uber alle Spezies von den Unimeren rnit MI bis zu den Assoziaten rnit M n ...M N.... gemessene scheinbare Molmasse M , muss daher ebenfalls ansteigen. Die normierte reziproke Molmasse gn,~ / g,,app nimmt folglich rnit steigender Konzentration ab. sofem der Virialterm vemachllssigbar ist (niedrige Molmassen der Unimeren in Abb. 10-23). Falls Assoziationsterm und Virialterm vergleichbar werden, Muft die normierte reziproke Molmasse durch ein Minimum, warend bei uberwiegendem Virialterm die normierte reziproke Molmasse wie bei nicht-assoziierenden Substanzen mit der Konzentration ansteigt. Ein solches Verhalten ist bei Poly(oxyethy1en)en HO(CH2CH20),,H in Benzol zu erwarten, da hier der Anteil der assoziierenden OH-Endgmppen rnit steigender Molmasse immer geringer wird. Die Konzentrationsabhiingigkeit der normierten reziproken Molmassen ist dabei nicht so zu deuten. dass die Gleichgewichtskonstante der Assoziation rnit zunehmender Molmasse kleiner wird. Beim Beispiel der Abb. 10-23 ist sie z.B. konstant, wie aus der folgenden quantitativen Betrachtung hervorgeht. Die totale Stoffmengenkonzentrationaller Spezies ist [MI = [MI] + [MIXI+ [Mml+ ... Die Stoffmengenkonzentrationen [Mi] der Spezies werden durch die molekiilbezogenen (Index n) Gleichgewichtskonstanten der offenen (Index 0 ) Assoziation kontrolliert. Fur die Trimerisation gilt z.B. " K ~ I =, ~[Mm]/([Mn][M1]) = [Mm]/(nKn,o[M~]3). Die Gleichgewichtskonstanten sind oft unabhhgig vom Assoziationsgrad N:"KO = "KU,~= "KIII,~= ... = "KN,~= ... Fur die totale Stoffmengenkonzentration [MI an allen Teilchen erhat man in diesem Fall rnit der Bedingung "K0[M1] = [MII]/[MI] < 1 (vgl. Band I, Kap. 7.2.2 fiir die analoge Beweisfiihrung bei Polyadditions-Gleichgewichten) fiir die Beziehung zwischen den Stoffmengenkonzentrationen [MI und [MI] (10-58)
[MI = [MI]( 1 + ("K0[M1])
+ ("Ko[M~])2+ ...} =
MI](^
- "K,[MI])-~
338
10.5. Assoziation und Selbstassoziation
Wenn keine weiteren Wechselwirkungen vorhanden sind (A2 = 0, A3 = 0), die Spezies sich also sozusagen in einem Quasithetazustand befinden, dann ist die bei c messbare zahlenmittlere Molmasse der Spezies gleich ( Die bei der Konzentration c vorliegende Stoffmengenkonzentration an allen Teilchen ist folglich [MI = c/( M n ) a n . e G1.(10-58) geht somit tiber in (10-59)
[MI]-' = "KO +
Fur die Mmsekonzentrun'on c ergibt sich in analoger Weise mit [Mi] = ci/En,i und dem geschlossenen Ausdruck fiir die Reihe 1 + 2x + 3 x2+ ... = 1/(1- x ) wegen ~ x 0,Ol Pas) gefunden, dass der Reibungskoeffizient der makroskopischen Viskositilt q, nicht mehr direkt proportional ist, sondem proportional qlm.Altemativ kann man ql als die von den Teilchen erfahrene Mikroviskositiltauffassen. Die Stokes-Gleichung gilt nach experimentellen Untersuchungen fiir Kugelgeschwindigkeiten a/&, die kleiner als q1/(2R q ~ sind. ) Diese Bedingung ist fiir Polymere immer erfullt.
Ellipsoide Ellipsoide, St2bchen und andere nicht-kugelformige Teilchen setzen ihrer Bewegung Widersthde entgegen, die noch von der Orientierung ihrer Lhgsachse abhingen. Ein Stibchen. dessen Lhgsachse parallel zur Str6mungsrichtung ist, wird z.B. einen vie1 geringeren Striimungswiderstand erfahren als eines. dessen Langsachse rechtwinklig zur StrCimungsrichtung ist. Das Stiibchen versucht sich daher in Fliessrichtung auszurichten. Bei sehr kleinen Fliessgeschwindigkeiten sind jedoch auch die auf das Stiibchen wirkenden Kr2fte sehr klein. Die Brown’sche Warmebewegung sorgt dann f i r eine statistische Verteilung der Richtung der Lhgsachsen.
11. Transport in Ldsungen
369
Abb. 11-3 Perrin-FaktorenP der Translation und der Rotation von gestreckten (a > b = c) und abgeplatteten (a < b = c) Rotationsellipsoiden als Funktion des Verhamisses alc der Semiachsen.
Die Reibungskoeffizientender Translation von Ellipsoiden werden dabei nicht direkt angegeben, sondem als Vielfaches der Reibungskoeffizienten b = c und abgeplattete Ellipsoide (E: oblate ellipsoids) mit a c b = c bei fest haftenden Fliissigkeiten zu
Penin-Faktoren sind stets griisser als 1. Ellipsoide weisen folglich stets gitissere Reibungskoeffizienten { ~ , ~ l P dann wird G1.(11-20) zu {D = 6 1 % q 1 N ~ l n L ~ (dn18). 3 Ungestorte Kniuel weisen aber ein Mittel iiber die Fadenendenabstiinde von (r2)01/2 = N K ' I ~ L Kauf (Gl.(4-31)). Mit (r2),'n = 6ll2 (s2)01/2 (G1.(4-35)) erh2lt man dann fiir undurchspiilte Knauel
( s ~ ) der ~ ~ effektive / ~ hydrowobei Rh,D I (3 ~ ' / ~ / 8(S2)01/2 ) = 0,6647 ( ~ 2 ) ~ ' / (213) ~ dynamische Radius der dem Kniuel aquivalenten Kugel ist. Bei grossen Molmassen sollten sich also ungestgrte Kniuel wie feste kugelarmige Teilchen verhalten. Kniuel mit Gauss-Verteilungen der Kettensegmente besitzen nun an der Peripherie eine geringere Segmentkonzentration als in der N2he des Schwerpunktes (Abb. 4-18). Das L(lsungsmitte1 fliesst daher recht ungehindert durch den iusseren Rand des Kniuels. Sein Fluss wird aber im Innem der iquivalenten Kugel gehemmt. Das Lgsungsmittel wird also in der N2he des Knauelzentrums mit dem Zentrum transportiert. Da der hydrodynamische Radius bei Polymerisationsgraden X -+ nur ca. 2/3 des Tr'dgheitsradius betrigt und der Trigheitsradius bereits recht tief im Innern des Kniuels liegt (Abb. 4-10), ist die Undurchspulbarkeit auf eine Kemzone im Innern des Kniuels b e s c h e t . Die Zone der Durchspiilbarkeit wird mit sinkendem Polymerisationsgrad 2 beschrieben werden kaM. Die Funktion immer gr(isser, was durch ( ~ 2 ) ~ 1 /=f(X).Rh,d fo variiert dabei von AX) = 0 bei X = 1 zuf(X) = (1/0,6647)= 1,505 bei X + 0. Diese Variation mit dem Polymerisationsgrad zeigt, dass der Effekt der Undurchspiilbarkeit rein hydmdynamisch bedingt ist und nicht thermodynamisch.
11.1.4.
Diffusionskoeffizienten
Aus der Einstein-Sutherland-G1.(11-10) erhalt man durch Einsetzen der Ausdriicke f i r die Reibungskoeffizienten die Gleichungen fiir die Molmassenabhbgigkeit der Diffusionskoeffizienten der verschiedenen Molekiilformen. Der Diffusionskoeffizient ist dabei der Molmasse direkt (Kugeln, Kniuel) oder angen2hert (Subchen) proportional: (1 1-22)
Do = K f 1 6
Der Exponent 6 hiingt bei Kugeln nur von der Teilchenform ab und bei Kniueln zusitzlich noch von der hydrodynamischen Wechselwirkung, warend die Proportionaliatskonstante KD auch noch von anderen Grtlssen beeinflusst wird. Bei polymolekularen Polymeren ist noch fiir den Einfluss der Polymolekularitit zu konigieren (s. oben).
Kugeln Bei harten Kugeln kombiniert man die Gl.(ll-10) und (11-11) mit {D = {D,sph und Setzt dann Rdsph = (3 Vsph/4n)lDSOwie vsph = mspdpsph und msph = MINA: (1 1-23)
Do =
(4 I 3 y 3 1/3T 7 k ~ N [y ~
k)
M-'l3 = 0,08550 k N1l3 B A
(
zT]
M-'I3
1 I .I. Translarionsdiffiion
314
Tab. 11-1 Molmassen M , partielle spezifische Volumina 3, elektronenmikroskopisch bestimmte M g e n L = 2 a und Durchmesser d = 2 b = 2 c (* falls aus M und 3 berechnet) sowie mslatorische DiffusionskoeffizientenDo von sphwiden Proteinen und dem Bushy stunt-Virus (Tomate) in verdiinnten SalzlOsungen bei 20°C. Zum Vergleich: Daten fiir ungestOrte Poly(methylrnethacry1at)e in Butylchlorid bei 8 = 35BC (hnahme: L = d = 2 Rh,p = (2/1,505) (&'R).
Polymer
Ribonuclease Lysozym (Hiihnereiweiss) Albumin (Rinderserum) Hhoglobin (Mensch) Katalase Apofemtin H&mocyanin(Helixpomatia) Bushy stunt-Virus (Tomate) Poly(methylmethacrykit)
M
V
L
d
- 1o7oO
g mol-1
rnL g-l
nm
nm
cm2s-1
0,728 0,688 0,734 0,749 0,73 0.747 0,738 0,739 0.82 0,82 0.82
3,18* 3,12* 7s 6,s 12,2 32.0 31,O
3,18* 3,12* 3.8 5,50 6,4 12,2 32,O 31,O
36,3 81,l
36,3 81,l
13 863 14 211 66 296 67 209 247 600 467 200 8 994 OOO 10 665 OOO 197 OOO 1 220 OOO 6 740 OOO
88
11.9 10,4 5,94 63 4.1 3,61 1M 1,15 7.18 4.09 1,15
Die Daten einiger spharoidaler Proteine sind in Tab. 11-1 mit denen der knauelartigen Poly(methylmethacry1at)e (PMMA) verglichen. Bei etwa gleichen Molmassen und partiellen spezifischen Volumina sind die PMMAs erheblich griSsser als die Proteine, also vie1 lockerer gebaut. Trotzdem sind die Diffusionskoeffizienten (und damit die Reibungskoeffizienten) nicht sehr verschieden, was eine starke Immobilisierung der Liisungsmittelmolekule im Kniuel anzeigt. Poly(styro1)e weisen tiefere Diffusionskoeffizienten und damit hdhere Reibungskoeffizienten als PMMA auf (Abb. 11-5).
I
103
lo2 lo
7
Proteine + TMV
in Wasser
Poly(styr0l)
10-2 102
Poly(styr0l) in Toluol
16
104 16 106 -M / (g mol-') +
10-1 107
Abb. 11-5 Molmassenabhangigkeit der gemeinsamen Diffusionskoeffizienten Dovon nahezu kugelfOrmigen Proteinen (Achsenverhatnis kleiner als 1,13) und dem Tabakmosaikvirus (TMV) in verdiinnten SalzlOsungen bei 20°C [9] sowie den Knaueln der Poly(styro1e) im Theta-LOsungsmittel Cyclohexan bei 8 = 34,5"C (ungesttirt) [lo] bzw. in Toluol bei 15°C (gestort) [ll]. Steigungen: theoretische Werte fiir Kugeln (- In), ungesarte Knauel (- 1/2) und gesttirte Knauel (- 0,588) an.
375
11. Transport in L6sungen
Bei kompakten Kugeln und anderen Spharoiden sollte der Diffusionskoeffizient nach GI.( 11-23) reziprok proportional der Kubikwurzel aus der Molmasse sein (Abb. 11-5). Die durch GL(11-23) vorgegebenen nummerischen Werte fiir S und KD werden bei den spharoiden Proteinen experimentell weitgehend besttitigt. mz r1mit einem KorrelationskoeftizienDie Ausgleichsrechnung liefert DO= 3,07-10-10M~~48 ten von 0,994. Theoretisch sollw man bei T = 293,15 K und einer miuleren Dichte von p = 1/3 = 1,367 &m3 der Polymeren sowie einer Viskositiit ql = 1,0087 Pa s des Wassers eine Konstante KD = 3,22.10-1° mz (kg mol-l)'B s-* und einen Exponenten 6 = - 1/3 fmden (s. a. Abb. 12-8). G1.(11-23) kann jedoch fiir sphgroide Proteine nicht exakt gelten. da diese Molekule meist nicht kugelig sind, sondem ellipsoidal und auch keine harten Kugeln darstellen. sondern noch hydratisiert sind. Die uber Gl.(ll-23) aus den d-Werten der Tab. 11-1 berechneten Diffusionskoeffizienten sind z.B. beim Apofemtin um 22 % htiher als die direkt gemessenen, weil fiir den hydmdynamischen Radius RD,sph der Wert von d/2 einer harten Kugel mit p = l / C angesetzt wurde. Wegen RD,sph M1I3 betragt der Fehler in der Molmasse M jedoch nur (22)1/3 % = 2,8 %.
-
Stabchen Der Diffusionskoeffizient von Stgbchen berechnet sich aus den G1.( 11-11) und dem Kirkwood-Riseman-Resultatder G1.( 11-15) zu (11-24)
Do=
kBT
.-Inn
3 x tlldstab
A
Bei St2bchen konstanten Durchmessers ist das AchsenverhUtnis A direkt proportional der Molmasse M. Der Diffusionskoeffizient von steifen Stabchen muss daher ann3hemd nach Do ( A m A)-1 ( M mm-1 eine Funktion der Molmasse sein, die jedoch wegen des Einflusses von In M nur langsam der Funktion Do M-' = M6 zustrebt. Der Exponent S variiert daher mit der Molmasse. Im Bereich lo2 < A < Id gilt z.B. S = -0,809 und im Bereich 108 < A < 109 immer noch erst S = -0,96 statt S = -1.
-
-
-
Knauel Mit (s2)01/2 = Ks,,M1/2 ergibt sich aus den G1.(11-11) und (1 1-21) fiir die Molmassenabhfigigkeit der Diffusionskoeffizienten ungesttirter Kniuel (Abb. 11-5)
wie es auch experimentell gefunden wird (Abb. 11-5). Die ca. 7 % Differenz zwischen den experimentellen und den theoretischen Werten ktinnte vom Einfluss der Polymolekularittit stammen, da fiir Do, M und (r2)o jeweils die Massenmittel verwendet wurden, welche nicht die korrekten korrespondierenden Mittel sind (vgl. Kap. 3.4.4). Die Exponenten S der Molmassenabhiingigkeit der Diffusionskoeffizienten lauten somit -113 fiir harte Kugeln. -1/2 fiir ungesttirte Knhel und -1 fiir steife Stlbchen (im Grenzfall M + =). Diese Werte lassen schliessen, dass 4 = l/&, der Kehnvert der fraktalen Dimension Jrnist (Kap. 4.7), n2mlich &,= 3 fiir harte Kugeln, 2 fiir ungesttirte Knauel und 1 fiir Stgbchen.
376
11.1.5.
1 I .I. Translationsdifffusion
Konzentrationsabhangigkeit
Die Konzentrationsabhhgigkeit der DiffusionskoeffizientenD lasst sich bei verdiinnten Ldsungen durch eine lineare Funktion der Polymerkonzentration c beschreiben: (1 1-26)
D = Do(1 + ~
+
D C ...)
;
k~ = 2 A2M - ks - 2 52.0 - kl
Nach der hier nicht wiedergegebenen Ableitung des Ausdrucks f i r k~ stammt der thermodynamische Beitrag 2 A2M von der hderung des chemischen Potentials bzw. des osmotischen Druckes mit der Konzentration (G1.(10-43)). 52.0 erhtdt man aus der Konzentrationsabh2ngigkeit 9, = 52,0(1 + k2c + ..,) des spezifischen Volumens 4 des Polymeren und k l aus der entsprechenden Abhagigkeit 5, = C1,o(l + klc + ...) des spezifischen Volumens 9, des Ldsungsmittels. Der hydrodynamische Beitrag k, wird von der Konzentrationsabhangigkeit 6 = (o(1 + k,c + ...) = {0(1 - k,c)-' der Reibungskoeffizienten 6 geliefert. Da ks, F2.0 und WONauch k1 positiv sind, erhdt man bei Theta-Ltisungen (A2 = 0) ein negatives k~ und damit bei der Funktion D =Ac2) eine negative Anfangssteigung (Abb. 11-6). Erst bei thermodynamisch genugend guten Lasungsmitteln uberkommt der thermodynamische Beitrag 2 A2M den Reibungsbeitrag k,, w8hrend die von den Dichten stammenden Glieder C2,0 und (wahrscheinlich auch) k l mehr die Rolle von Korrekturgrtksen zu spielen scheinen. Bei einem Poly(methylmethacrylat) der Molmasse M = 200 OOO g/mol wurden im Theta-Ussungsmittel Butylchlorid bei 3 5 6 C Werte von A2 = 0, k, = 22 mL./g und i30 = 0,82 m u g gefunden. Daraus erhat man nach G1.(11-26) kD = -24 mug, was in Anbetracht des unbekannten (und wahrscheinIich positiven) kl recht gut mit dem direkt gemessenen Wen von k~ = -30 mL/g iibereinstimmt. Im guten LBsungsmittel Aceton bei 20°C betrug der gemessene Wert k~ = 18 mug, was sich hervorragend mit dem aus A2 = 2,25.1@ mol mL g 2 ,k, = 72 mL/g und i Q = 0,798 m u g berechneten Wert k~ = 16,4 m u g deckt 25
t 2o h
,-?
E 9
40°C
15 30°C 20T
1
5 P
-
...-
*.
4
40°C 28°C
0
0
0,1
02
0,3
0,4
- c/(gmL-') + Abb. 11-6 DiffusionskoeffizientenD eines PoIy(styr0l)s (H,,= 180 000 g/mol) als Funktion der Konzentration c bei verschiedenen Temperaturen im guten Lijsungsmittel Ethylbenzol(0) und im schlechten LBsungsmittel Cyclohexan (0)[3]. Bei der Theta-Temperatur (e= 343°C in Cyclohexan) ist die Anfangsneigung nicht gleich Null, sondern negativ.
377
11. Transport in L6sungen
11.1.6.
Massig konzentrierte Losungen
Kniuel beginnen sich mit zunehmender Konzentration zu iiberlappen (Kap. 6.3). Die Uberlappung st6rt nicht die lokale Bewegung der in niedrigen Konzentrationen vorliegenden Segmente, WONaber diejenige der Massenschwerpunkte. Bei der herlappungskonzentration c* iindert sich daher die Konzentrationsabhagigkeit der Diffusionskoeffizienten (Abb. 11-7). Der Ubergang ist erwartungsgembs nicht scharf und wegen der begrenzten linearen Bereiche von D =f(c) fiir c c C* (verdiinnte Usungen) bzw. c > c* (missig konzentrierte Usungen) oft nur schwierig zu enitteln (vgl. Abb. 11-7 mit der Abb. 11-6). Die kritische Uberlappungskonzentration c* sinkt mit steigender Molmasse. Oberhalb der kritischen ijberlappungskonzentrationsollte man daher den Diffusionskoeffizienten Dseg der Segmente und nicht der Molekiile messen. Er l%st sich durch Extrapolation des linearen Bereiches von D =f(c) oberhalb von c* auf c + 0 enitteln. Dseg,O ist grtisser als der Diffusionskoeffizient 02 der Translation isolierter Molekiile. Die Reibungskoeffizienten eseg,obzw. die Radien der Segmente sind entsprechend niedriger, wobei jedoch fraglich ist, ob man hier bei der Stokes-G1.(11-11) die makroskopische Viskositiit 171 des Usungsmittels verwenden darf. Bei der noch htiheren Konzentration c* * beginnen sich Schlaufen htihermolekularer Ketten ineinander zu verhaken (Abb. 6-4). Die Verhakungen Setzen dem Diffusionfluss einen Widerstand entgegen. Mgssig konzentrierte Llisungen kOnnen daher als tempoare Netzwerke angesehen werden, deren Maschenweite durch den mittleren Abstand zwischen zwei benachbarten Kontaktstellen bestimmt wird. Dieser Abstand ist eine Abschirmlsnge oder Korrelationslange, weil die intermolekular wirkenden Effekte des ausgeschlossenen Volumens nunmehr durch die vie1 wirksameren Effekte der Kontakte abgeschimt werden. Die Molekulteile zwischen zwei Kontaktstellen verhalten sich als Blobs, deren Durchmesser dbl gleich der Abschirmliinge ist (Kap. 6.3.4).
t8 h
7- 4 N
E
1_ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -
U, = 390 000 g/mol
0
0.05
0,lO
0,15
0,20
0,25
z 4
C*
0
0,005
*
0,o 10
- w2
-
kw=3000000gfmol
0,015
0,020
Abb. 11-7 Konzentrationsabhhgigkeitder Diffusionskoeffizienten von zwei Poly(styro1)en in Tetrahydrofuran bei 30°C 141. c* = kritische hrlappungskonzentration, c** = kritische Verhakungskonzentration.
I I .I. Translationsdifusion
378
Verhakungen treten nur oberhalb einer genugend grossen Molekulltinge auf. Oberhalb dieser kritischen Molmasse ist jedoch bei genugend grossen Konzentrationen der Abstand der Verhakungspunkte unabhtingig von der Molmasse. Nun sind aber Ketten in thermodynamisch guten Msungsmitteln wegen der grossen ausgeschlossenen Volumina stark aufgeweitet. Sie beginnen sich schon bei niedrigen Konzentrationen c* am Rande zu uberlappen, aber erst bei hdheren Konzentrationen c** zu verhaken (c** > c*) (E: entanglement). Kenen im ungestorten Zustand sind dagegen stark eingeknauelt. Ihre Uberlappungskonzentration ist hoch, w3hrend die Kontakrkonzentration wegen des abwesenden ausgeschlossenen Volumens niedrig ist. Hier gilt also c** = c*. Entsprechend verschieden ist auch die Konzentrationsabhtingigkeit der Abschirmltingen. Die Skalierungstheorie sagt eine Abhtingigkeit der Abschirmltinge Lcl = dbl von der -b-ten Potenz der Konzentration c voraus, wobei b durch den Flory-Exponenten v fiir die Molmassenabhtingigkeit der Tr'dgheitsradien und die Dimensionalitat d gegeben ist:
Fur d = 3 ergibt sich unter Theta-Bedingungen mit v = 1/2, dass die Abschirmltinge reziprok proportional der Konzentration c ist. Da die Abschirmltinge gleichzeitig der Radius eines Blobs ist, erhtilt man uber die Stokes-Gleichung {blob = 6 x qlLcl den Reibungskoeffizienten eines Blobs und mit der Einstein-Gleichung &lob = kBT/{blob weiterhin, dass der Diffusionskoeffizient eines Blobs in Theta-Ltisungsmitteln ebenfalls rezic-l. Bei thermodynamisch guten prok proportional der Konzentration ist, d.h. &lob Losungsmitteln gilt andererseits v = 0,588 (vgl. Kap. 4.4.4). Der Diffusionskoeffizient konzentrierterer LCisungen sollte hier folglich c-0*77proportional sein. Diese Diffusionskoeffizienten mitteln wie diejenigen aus dem Massetransport uber die gekoppelten Bewegungen der Segmente und Massezentren. Theoretische Betrachtungen beziehen sich dagegen meist nur auf die Diffusionskoeffizienten des Zenuums des Widerstandes gegen die Bewegung. Diffusionskoeffizienten aus der quasi-elastischen Lichtstreuung sind z.B. aus diesem Grunde etwas niedriger als die theoretischen Werte fiir die Diffusion undurchspulter Knauel in Theta-Losungsmitteln nach der Kirkwood-RisemanTheorie. Die Diffusion von Polymermolekulen in Ltisungen und Schmelzen ist wissenschaftlich. technisch und biologisch ausserordentlich wichtig. Diffusionsprozesse kontrollieren 2.B. die Kopplung von Polymerketten in Polyreaktionen. Sie bestimmen auch die Eigenklebrigkeit von Kautschuken und oft die physikalischen Strukturen und Eigenschaften von Blockpolymeren. In Schmelzen amorpher Polymerer frieren Bewegungen langerer Segmente bei der Glastemperatur ein (Kap. 13.5). Ganz kurze Segmente von einigen Kettengliedem k6nnen jedoch auch noch unterhalb der Glastemperatur begrenzte Bewegungen ausfuhren. In Kombination mit dem in solchen Polymeren stets vorhandenem freien Volumen erlauben diese Bewegungen die Diffusion niedermolekularer Substanzen durch amorphe Polymere. Beispiele sind die Permeation von Sauerstoff durch Folien in verpackte Lebensmittel, die Migration von Farbstoffen und Weichmachem in Kunststoffen, die Entfernung toxischer oder karzinogener Restmonomerer aus Polymeren, die Herstellung von Schaumstoffen durch Blasprozesse oder die durch Losungsmittel geforderte Bildung von Pseudobriichen (Crazes) in Kunststoffen.
-
379
11. Transport in Liimngen
11.1.7. Strukturierter Fluss Der "normale" Transport von Materie durch Diffusion ist nicht die einzige Transport-
art von Makromolekiilen. Bestimmte Polymere kliMen n3mlich in Ggw. einer konzentrierten LLisung eines zweiten Polymeren mit sehr hohen Geschwindigkeiten "diffundieren", manchmal bis zu 104 mal schneller als bei der normalen Diffusion (Abb. 11-8). Fiigt man 2.B. eine Ltlsung einer kleinen Menge einer geeignet radioaktiv oder mit Chromophoren markierten Substanz zu einer konzentrierten LLisung eines zweiten Polymeren. so bilden sich beim Uberschichten der beiden Llisungen in einem Rlihrchen "Finger" und in einer Petrischale "Ringe" aus. Die Finger und Ringe verschwinden nach einiger Zeit und machen einer homogenen Losung Platz; es handelt sich also nicht um eine PhaSentRMUng. Die pro Fliche transportierte Menge ist der Zeit selbst und nicht wie bei der normalen Diffusion der Wurzel aus der Zeit proportional. Das Phhomen ist auch nicht eine Tr6pfchen-Sedimentation wie sie z.B. beim Uberschichten einer weniger dichten Llisung einer Substanz mit einer dichteren LUsung einer zweiten Substanz auftritt. Der Transport erfolgt n a l i c h mit der gleichen Geschwindigkeit, wem LLisung 1 auf Losung 2 oder wenn Llisung 2 auf Liisung 1 geschichtet wid. Dieser strukturierte Fluss wird durch ein komplexes Wechselspiel vieler Faktoren erzeugt. Die anfiinglich vorhandene. normale Diffusion fiihrt zu Instabilititen an den Grenzflichen der beiden Llisungen. Auf die resultierende Dichte-Inversion wirkt die Schwerkraft. wodurch zunichst "Finger" entstehen, die sich dann durch normale Diffusion wieder aufllisen. Derartige Transportvorgllnge kliMten sehr wichtig bei biologischen Systemen sein, da ja in Geweben und Zellen stets hochkonzentrierte LUsungen vorliegen (Band I, Kap. 14.1).
'nI-Rinderserumalburnin
10
102
id
104
-M / (g mol-')
16
106
107
+
Abb. 11-8 Verhatnis der Diffusionskoeffizienten D,verschiedener in Spuren anwesender Substanzen in einem strukturierten Fliess-System zum DiffusionskoeffuientenDOder Spurensubstanzen in Wasser als Funktion der Molmasse M der Spurensubstanzen 151. Das slrukturierte Fliess-System bestand aus einem Konzentrationsgradienten von c = 51W3g/mL Poly(viny1pyrrolidon)mit M, = 360 OOO in einer Usung von 0.135 g/mL Dextran mit M,= 10 OOO. A SWchenmolekiile,0 statistische Knauel. 0 Kugelmolekiile, 0 niedennolekulare Verbindungen. Die Steigungen der eingezeichneten Geraden betragen 1,O bzw. 0,8.
380
11.2. Rotationsdiffusion
Mit dem "stmkturierten Fluss" ist die ionotrope Ausfallung vetwandt. Anders als beim strukturierten Fluss sind h e r jedoch die beiden Komponenten des Gelosten nicht unvertraglich. Beim Eindiffundieren von z.B. Kupferionen in eine Usung von Polyelektrolyten werden zunlchst ebenfalls Finger gebildet. Die anschliessende Diffusion der Kupferionen aus den Fingem und senkrecht zur L2ngsachse der Finger fiihrt dann zum AusfUlen der Polyelektrolyte in sehr regelmassig angeordneten Rohren, falls durch Temperaturinstabilitlten, Schiitteln usw. heworgerufene Konvektionen vermieden werden.
11.2.
Rotationsdiffusion
11.2.1. Einleitung In einer sehr verdiinnten Losung anisotroper Teilchen, z.B. Stabchen, liegen die Lugsachsen der Teilchen im Ruhestand unter allen moglichen Winkeln zum fiumlichen Koordinatensystem verteilt. Diese Winkelverteilung der Lagsachsen wird durch ein von aussen angelegtes Feld gestbrt. Die L2ngsachsen orientieren sich mehr oder weniger stark je nach Art des Feldes und seiner Wechselwirkung mit den Teilchen parallel oder senkrecht zur Richtung des Feldes. Eine solche Orientierung kann durch eine Stromung (Maxwell-Effekt), ein elektrisches Feld (Kerr-Effekt) oder ein magnetisches Feld (Cotton-Mouton-Effekt)elzwungen werden. Nach Abschalten des Feldes stellen sich die Teilchen durch Rotationsdiffusion wieder in ihre Gleichgewichtslage ein. Der Rotationsdiffusionskoeffizient Dr hwgt wie bei der Einstein-Sutherland-G1.(11-11) von einem Reibungskoeffzienten & ab: (11-28)
D,=kgT/&
11.2.2.
S t r o m u n g s d o p p el b r ec h u n g
Teilchenorientierungen sind rein mechanisch durch erzwungene Stromungen erreichbar. Solche Str6mungen lassen sich mit linearen Geschwindigkeitsgradienten erzeugen, wenn man die zu untersuchende Fliissigkeit in einem engen Spalt zwischen zwei konzentrische Zylinder bringt (Abb. 11-9). Der eine der beiden Zylinder dreht sich (Rotor), der andere ruht (Stator). Durch die partielle Orientierung der anisotropen Molekiile sind die Brechungsindices rechtwinklig und parallel zur Stromungsrichtung verschieden. Die Differenz An = nl- nil dieser beiden Brechungsindices ist die optische Doppelbrechung (E: optical birefringence).. Beim Betrachten der rotierenden Losung unter gekreuzten Nicolschen Prismen (E: Nicol prisms, Nicols) beobachtet man ein dunkles Kreuz auf einem hellen Untergrund. Der Effekt kommt wie folgt zustande. Tritt planpolarisiertes Licht durch eine isotrope Lbsung, so erfolgt vollige Auslbschung. Lbsungen mit partiell orientierten anisotmpen Teilchen verursachen unter den gleichen Bedingungen eine Ausloschung nur an den Stellen, an denen die optische Achse der anisotropen Teilchen parallel zur Polarisationsebene des Polarisators oder des Analysators ist.
381
11. Transport in Liisungen
A Abb. 11-9 Schematische Darstellung der StrOmungsdoppelbrechungst2bchenfUrmiger Teilchen zwischen dem Rotor R und dem Stator S. 19 = Extinktionswinkel; A-A bzw. P-P: Polarisationsebenen des
Analysators bzw.des Polarisators. Damit gibt es vier Positionen fiir eine Ausltischung. In Abb. 11-9 liegen 2.B. alle eingezeichneten Teilchen unter einem Winkel 6 zur Tangenten an eine Kreisbewegung. Nur an den vier Stellen des Kreuzes sind sie aber auch parallel zu den Polarisationsebenen P-P bzw. A-A, wie es fiir das Teilchen im oberen rechten Quadranten gezeigt ist. Experimentell findet man, dass das Kreuz bei kleinen Gradienten bei Winkeln von 4 5 O , bei sehr grossen Gradienten bei Winkeln von 0" zu den beiden Schwingungsebenen liegt. Der kleinere der Winkel zwischen den Schwingungsebenen und dem schwarzen Kreuz wird als Extinktionswinkel 6 bezeichnet. Er variiert folglich von 45' bei kleinen zu ' 0 bei gmssen Strtimungsgradienten. Der Extinktionswinkel ist daher ein Mass fiir die Ausrichtung der Teilchen im Strtimungsfeld, die Stirke der Doppelbrechung ein Mass fiir die Intensiat der Onentierung. Der Ausrichtung der Molekiile wirkt die Rotationsdiffusion entgegen. Sie ist umso schneller. je kleiner die Molekiile sind. Fiir ein bestimmtes AchsenvehUmis der Molekiile besteht daher eine untere Grenze von ca. 20 nm fiir die noch erfassbare Linge. Noch kiirzere Molekiile erfordern so hohe Strtimungsgradienten 7, dass die Stromung turbulent wird und die Voraussetzungen fiir die Messung und Auswertung nicht mehr gegeben sind. Lange steife Molekiile bentitigen umgekehrt nur sehr kleine Gradienten fiir eine Orientierung. So beobachtet man beim stabchenformigen Tabakmoisaikvirus schon bei Geschwindigkeitsgradienten von 5 s-1 einen starken Effekt. Auch kugel- und knhelftirmige Teilchen ktinnen eine Strtimungsdoppelbrechung zeigen, da sie abwechselnd auf Zug und Druck beansprucht werden. Weiche sphlmidale Teilchen werden dadurch zu lhglicheren Teilchen deformiert. Der Effekt ist bei Scherstrtimungen aber klein. Bei den flexiblen Kniueln des Poly(stym1)s beobachtet man 2.B. selbst bei 7 = 104 s-l nur eine geringe Strtimungsdoppelbrechung. Weit starkere Effekte erhiilt man bei Dehnstrtimungen (Kap. 15.5). Da jedoch Knauelmolekiile bei hohen Dehngeschwindigkeiten zemssen werden, ist die Methode auf Dehngeschwindigkeiten von t I lo5 s-l beschrbkt, was wiederum die messbaren Molmassen auf Werte von iiber 2.106 dmol einengt. In diesem Bereich kann man jedoch aus Messungen der Strtimungsdoppelbrechung auch Molmassenverteilungen bestimmen.
382
11.2.3.
11.2. Rotationsdiffusion
Reibungskoeffizienten der Rotation
Kugeln und Ellipsoide Die Reibungskoeffizienten der Rotation (E: rotary frictional coefficients) und der Translation sind verschieden. Bei rotierenden Teilchen wirkt stets ein Drehmoment 7.Im stationlren Zustand rotieren die Teilchen mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit 0. Der Reibungskoeffizient der Rotation ist daher 6, = T/W. Fur Kugeln mit fest haftender Flussigkeit ergibt sich der Reibungskoeffizient der Rotation zu t, = 6 qlV = 8 x q1Rsph3,warend der Reibungskoeffizient der Diffusion nach Stokes dagegen {D = 6 x qlRsph betragt. Bei abrutschenden Flussigkeiten wird jedoch der Reibungskoeffizient der Rotation zu tr = 0, da die rotierende Kugel in diesem Fall nicht die umgebende Flussigkeit stbrt. Bei Ellipsoiden sind die Reibungskoefizienten der Rotation kompliziertere Funktionen der lusseren Abmessungen. Es existieren jeweils zwei Reibungskoeffizienten,t,,, fiir die Rotation um die grosse Halbachse u und tr,,fiir die Rotation um die kleine Halbachse c. Bei Rotutionsellipsoiden gilt f i r die relativen Reibungskoeffizienten Fa und F,
wobei p = c/a und q = 2 P - ~ B / P Bei . den gestreckten Ellipsoiden ist der Gestaltfaktor P durch Gl.(ll-l2) gegeben, bei den abgeplatteten durch GL(l1-13). Bei gestreckten Rotationsellipsoiden ist die Rotation um die lange Achse leichter als die von Kugeln. Fur unendlich lange gestreckte Ellipsoide strebt Fa dem Wen 2/3 zu (Abb. 11-3). Die Rotation um die Nebenachsen ist dagegen erschwert. F , steigt daher mit wachsendem Achsenverhatnis u/c stark an (Wirkung eines Magnetriihrers!). Abgeplattete Rotationsellipsoide weisen bei kleinem Verhatnis a/c etwa gleich grosse Reibungskoeffizienten fiir die Rotation um die kleine und die beiden grossen Achsen auf (Abb. 11-3). Fur sehr kleine u/c-Werte strebt F, dem Grenzwert (4/3) xp zu. Der Reibungskoeffizient F, lauft bei u/c-Werten knapp unter 1 jedoch durch ein schwaches Minimum. Hier sind die Reibungskoeffizienten der abgeplatteten Ellipsoide um die I3ngeren Halbachsen c bzw. b etwas niedriger als die von Kugeln.
Starre Stabchen Die Gestaltfaktoren (Penin-Faktoren) P von gestreckten Ellipsoiden steigen bei Achsenverh2lmissen u/c > 10 praktisch linear mit a/c an (Abb. 11-3). Stabchenfbrmige Molekiile besitzen daher sehr grosse Rotationsdiffusionskoeffizienten.Fur die stibchenfbrmigen Teilchen des Tabakmosaikvirus von 280 nm L a g e wurde z.B. bei 23°C ein Rotationsdiffusionskoeffizient von D, = 550 s-l gefunden. Die Halbzeit zur Ruckkehr in die Ruhelage betegt also 1112 = l/Dr = 0,018 s. Aus GL(11-28) berechnet sich dann der Reibungskoeffizient zu tr= hT/Dr = 7,4.10-24 kg m2 s-l. Rotationsdiffusionskoeffizienten sprechen daher vie1 empfindlicher auf die Form und Asymmetrie von Teilchen an als die Translationsdiffusionskoeffizienten. Sie sind ideal fiir die Bestimmung z.B. hydrodynamischer Volumina. Leider sind sie jedoch oft schwierig oder gar nicht zu messen und werden daher kaum verwendet.
383
11. Transport in b-mngen
11.3.
Sedimentation
Die Sedimentation misst wie die Diffusion den Transport ganzer Molekiile. Sie erfolgt unter dem Einfluss eines SLusseren Feldes, ntimlich des Schwerefeldes. und wird darum auch als "dynamische" Methode von der "statischen" der Diffusion unterschieden. Die kinetische Energie sedimentierender Makromolekiile ist jedoch kleiner als 1C1 ~ B T . Experimentell werden entsprechend die Reibungskoeffzienten 6s der Sedimentation und SD der Diffusion als gleich gross gefunden. Zumindest in Bezug auf die Reibungskoeffizienten ist daher die Klassifikation dynamischhtatisch ungerechtfertigt.
11.3.1.
Grundlagen
Sedimentationsexperimente an Molekiilen werden in speziellen Ultrazentrifugen mit Titanrotoren vorgenommen. die Geschwindigkeiten bis zu 150 000 Umdrehungen pro Minute und Beschleunigungen bis zum 900 OOOfachen der Erdschwere erreichen. Um die Konvektion zu verhindem, befinden sich die zu untersuchenden LMsungen in einem sektorf6rmigen Raum in einer zylinderf6rmigen Zelle. Die Zelle ist oben und unten mit je einem Quamcheibchen verschlossen. Durch diese Scheibchen w i d die hderung der Lichtabsorption, des Brechungsindexgradienten oder der Interferenz als Funktion des Abstandes vom Rotationszentrum gemessen und die Konzentrationen bzw. Konzentrationsgradienten bestimmt. Z u Beginn des Experimentes ist die Zelle homogen mit einer L6sung aus Teilchen (Partikeln, Molekiilen) mit der Dichte pz in einem LSsungsmittel der Dichte p1 gefiillt. Die gel6sten Teilchen sedimentieren beim Anlegen eines Zentrifugalfeldes in Richtung des Feldes, wenn p2 > p1. Sie flotieren in Richtung des Rotationszentrumsbei pz < p1. Bei der Sedimentation erscheint am Meniskus nach einiger Zeit eine Schicht reinen L6sungsmittels. Am Boden lagem sich Polymermolekiile ab (Abb. 11-10). m
b
m
b
b
m
I
I
I
I
Abb. 11-10 Polymerkonzentrationen c und Konzentrationsgradientendc/& als Funktion des Abstandes r vom Rotationszentrum bei der Sedimentation in sektorf6migen Zellen zu den Zeiten t = 0 (links), tl (Mitte) und 12 (rechts). m = Meniskus der L(lsung, b = Boden der Zelle.
304
11.3. Sedimenation
Die molekulare Sedimentationsgeschwindigkeit vs ist dem Zentrifugalfeld d r proportional, wobei w die Winkelgeschwindigkeit ist und r der Abstand des sedimentierenden Teilchens vom Rotationszenuum. Der Proportionalitltskoeffizient ist der Sedimentationskoeffizient S. Er gibt die Sedimentationsgeschwindigkeit im Einheitsfeld an: (1 1-31)
vs = dr/dt = S d r
;
S = (dr/dt)/dr
Der Sedimentationskoeffizient von S = l.10-13 s = 1 S heisst Svedberg-Einheit S. Die zeitliche Konzentrationsiinderung ergibt sich aus dem Fluss J s = cvs. der als Produkt der Konzentration c des Gelosten und der molekularen Wanderungsgeschwindigkeit vs definiert ist. Die Menge des Gelosten, die von einem Volumenelement A im Abstand rA vom Rotationszentrum in ein anderes Volumenelement B im Abstand rg fliesst, muss gleich der zeitlichen h d e r u n g der restlichen Menge sein: (1 1-32)
( d ) A -( d ) B =
a(
rcdr) / dr
Dividiert man beide Seiten durch A r = rg - rA, so ergibt sich f i r den Grenzfall Ar
-+ 0
Der Sedimentation wirkt die durch die Brown'sche Bewegung hervorgerufene Ruckdiffusion der Teilchen entgegen. Diese Ruckdiffusion verhinden, dass sich eine scharfe Grenzschicht zwischen Losung und Usungsmittel ausbildet (Abb. 11-10). Der durch die Ruckdiffusion bewirkte Fluss JD ist im einfachsten Fall durch das erste Ficksche Gesetz gegeben (G1.(11-4)). Fur den totalen Fluss J = J s + JD ist noch der Fluss J D der Sedimentation zu beriicksichtigen. Die Kombination dieser Gleichungen fiihrt zur Lamm'schen Differentialgleichung der Ultrazentrifugation: (11-34)
11.3.2.
(ac/at), =
- a[sw2r2c- rD(ac / ar)]
rar
Sedimentationsgeschwindigkeit
Auf ein in einem Zentrifugalfeld d r wandemdes Molekul mit der hydrodynamisch wirksamen Masse mH und dem hydrodynamisch wirksamen Volumen VH wirkt eine Zentnfugalkraft m H d r . Ihr entgegen wirkt die durch das Losungsmittel mit der Dichte p1 erzeugte Auftriebskraft Vhpl d r . Bei dieser Wanderung mit der Geschwindigkeit drldt wird ein Widerstand (s(dr/dt) erzeugt, wobei 5s der Reibungskoeffizient des Molekiils ist. Im stationlren Zustand gilt
Die hydrodynamisch wirksame Masse mh = mp + mL setzt sich aus der Masse mp des "trockenen" Makromolekuls mit der Molmasse M = m p N A und der Masse mL des mit die-
11. Transport in Losungen
385
sem Makromolekiil transportienen ("solvatisierenden") Usungsmittels zusammen. Mit der Definition des Solvatationsgrades r h = m d m p ergibt sich somit mh = M(l + rh)/NA. Das hydrodynamisch wirksame Volumen v h = Vp + VL wird analog aus den spezifischen Volumina vp = V p h p des trockenen Makromolekiils und VL = VdmL des solvatisierenden LBsungsmittels zu v h = M(vp + rhvL)/NA berechnet. Das spezifische Volumen VL unterscheidet sich wegen der Wechselwirkung solvatisierendes LBsungsmittel-Makromolekiil vom spezifischen Volumen v 1 des reinen LUsungsmittels. Es enthat ferner die Abweichungen von der Additivitgt der Volumina beim Mischen von Polymer und Usungsmittel. VL ist jedoch wie folgt berechenbar. Das totale Volumen V setzt sich aus den Volumina Vp der trockenen Makromolekiile, dem Volumen VL der durch Solvatation gebundenen LBsungsmittelmolekule und dem Volumen V1- VL aller freien LBsungsmittelmolekiile zusammen. Nach dem Einfiihren der entsprechenden spezifischen Volumina vi I VJmi e d At man (1 1-36)
V = mpvp + mLvL + (ml - mL)vl= mpvp + r n l v l + rhmp(v~ - vi)
wobei m l die Masse aller Liisungsmittelmolekule ist und V1 deren Volumen. In sehr verdiinnten Ltisungen sind weit mehr LCisungsmittelmolekie vorhanden als zur Solvatation erforderlich sind. Der Solvatationsgrad r h = m d m p wird daher unabhiingig von der Polymerkonzentration. Das partielle spezifische Volumen i5 des Polymeren ergibt sich durch Differenzieren der G1.( 11-36) nach der Masse der Makromolekule:
) ~ Losung Es ist aus der Konzentrationsabhhgigkeit der Dichte p = p1+ (1 - 3 2 ~ 1 der emittelbar. Das spezifische Volumen v1 I l/pl des reinen Usungsmittels ist definitionsgemW gleich dem Kehrwert seiner Dichte p1. Einsetzen der Ausdriicke fiir i;2 und vl in den Ausdruck fiir v h liefert die Beziehung
Aus den Gl.(ll-38), (11-31) und (11-35) sowie dem Ausdruck f i r m H berechnet sich die Molmasse M des Polymeren aus dessen Reibungs- und Sedimentationskoeffizienten:
In dieser Gleichung treten die hydrodynamischen Massen und Volumina nicht mehr explizit auf. Sie sind aber implizit im Reibungskoeffizienten 5s enthalten, der von der Teilchenfonn und -dichte kontrollien wird. Die in G1.(11-39) auftretende Dichte p1 muss bei sehr verdiinnten LCisungen (weit unterhalb der Uberlappungskonzentration von Kngueln) diejenige des reinen Usungsmittels und nicht diejenige der LUsung sein: Nur das Usungsmittel wirkt auf die sedimentierenden Polymennolekiile. wenn es diesen entgegen zuriickfliesst. In G1.(11-39) beziehen sich der Sedimentationskoeffizient S und der Reibungskoeffizient 4s jeweils auf die gleiche Polymerkonzentration c. Falls c # 0, ist die in dieser Gleichung auftretende Gr6sse M eine scheinbare Molmasse Map, (Kap. 11.3.4).
386
11.3. Sedimentation
I 1.3.3. Konzentrationsabhangigkeit Die Sedimentationskoeffizienten S hhge n nur bei extrem hohen Molmassen noch von der Rotorgeschwindigkeit U ab, z.B. bei sehr hochmolekularen Desoxyribonucleinshren. Auf diese sehr langen Makromolekule wirken an den Enden und in der Mitte ungleiche Reibungskrme, da die Molekulmine hydrodynamisch stiirker abgeschimt ist. Die Molekiilenden schleppen hinter der Molekulmitte her. Die hydrodynamische Abschirmung nimmt mit steigender Rotorgeschwindigkeit ab und der Sedimentationskoeffizient ebenfalls. Im Allgemeinen gilt jedoch S #flu). Sedimentationskoeffizienten werden aber bei endlichen Konzentrationen gemessen. Sie miissen daher wie die Reibungskoeffizienten auf unendliche Verdiinnungen extrapolien werden, damit aus G1.(11-39) die wahre Molmasse M erhalten werden kann. Nach dieser Gleichung ist bei M = const der reziproke Sedimentationskoeffizient proportional dem Reibungskoeffizienten 5s. Die Reibungskoeffizienten sind aber nach der StokesG1.(11-11) proportional den Viskositaten q und diese wiederum proportional der Konzentration. Es gilt also 1/S 5s q c und man kann schreiben
- - -
(1 1-40)
S-' = So-'(l + ksc + ...)
Die Steigungskonstante ks wird wie diejenige der Diffusion im Theta-Zustand nicht gleich null. Sie h a g t vielmehr noch von der Molmasse ab, z.B. nach ks = 0,052 M112 f i r die S-Werte der Poly(styro1)e in Cyclohexan bei 8 = 35,4"C. Die durch G1.( 11-40) beschreibbare, anfdnglich nur schwache Konzentrationsabhlngigkeit der Sedimentationskoeffizientengeht bei hliheren Konzentrationen in eine sehr stake uber. die im Gegensatz zu derjenigen bei tiefen Konzentrationen nicht mehr von der Molmasse a bhhgt (Abb. 11-11). Der Ubergang von dem einen in den anderen Konzentrationsbereich ist bei hohen Molmassen recht scharf. Er wird mit der kritischen Verhakungskonzentration der Knauel identifiziert. Die verhakten Knluel sedimentieren nicht mehr als isolierte Molekiile, sondem als Ganzes. Sie bilden eine Art Netzwerk und das Llisungsmittel fliesst nunmehr durch die Knauel anstatt um sie herum.
1v3
10-2
10-1
- c /(g mL-1) + Abb. 11-11 Konzentrationsabh~gigkeitder Sedirnentationskoeffizientender ungesttirten Kniiuel von Poly(styro1)en (PS)verschiedener Molmasse (in g/mol) in Cyclohexan bei 8 = 35,4OC [6] und eines stikhenartigen Poly(ybenzy1-L-g1utamat)es(PBLG) in NJV-Dimethylformamidbei T = 25OC [7].
387
11. Transport in Liisungen
Dieser Ldsungsmittelfluss kann durch eine Art Darcy-Gesetz (Kap. 14.4.1) fiir den
Fluss durch por(lse Medien beschrieben werden:
Der Permeabilitiitskoeffizient il steigt rnit der Masse mblob = cL,l3 an und iSt daher dem Quadrat der Abschirmlhge (Korrelationslange) Lcl proportional. Da diese nach G1.( 11-27) rnit c-vf(vd-l) skaliert, sollte der Permeabiliatskoeffizient in Theta-Usungen (v = 1D) mit c - ~und in guten Msungsmitteln (v = 0,588) mit c-1-54 variieren. Der Sedimentationskoeffizient ist ferner direkt proportional dem Permeabiliatskoeffizienten:
-
Bei undurchspiilten Kniiueln in Theta-Ldsungsrnitteln sollte bei d = 3 somit S c-l gelten, wie es auch experimentell beobachtet wird (Abb. 11-11). In thermodynamisch guten Ldsungsmitteln ist dagegen eine Proportionalitat S c-0.539 zu erwarten. Im Allgemeinen werden jedoch Exponenten von -0,7 erhalten. Zwei Konzentrationsbereiche werden jedoch nicht nur bei Knluelmolekiilen, sondern auch bei Poly(ybenzy1-L-g1utamat)en im helicogenen Ldsungsmittel N.N-Dimethylformamid gefunden (Abb. 11-11). Diese Molekule sind recht steif, wie aus dem Exponenten av = 1,82 ihrer Viskositat-Molmasse-Beziehunghervorgeht. Sie kdnnen sich also nur schlecht verknaueln. Der Ubergang von dem einen in das andere Regime erfolgt hier bei c = 1.6.10-3 g/mL, weit unterhalb des nach G1.(8-8) fiir Stabchen rnit dem Achsenverhatnis A = 141.5 zu erwartenden Volumenbruches &* = 0.055 fiir die Bildung einer Mesophase. Mdglich wSre eine Orientierung der Stiibchenmolekiile unter dem Einfluss des Zentrifugalfeldes. Ein solcher Effekt ist jedoch in der Regel klein. Man sieht auch keine hderung der Funktion log S =Alg c) im Bereich der kritischen Konzentration fiir die Bildung von Mesophasen. Ein iihnlicher Effekt wird auch bei kugelfdrmigen Molekiilen gefunden. Einige Forscher zweifeln deshalb das game Konzept der Verhakung von Makromolekulen in miissig konzentrierten Ldsungen auch bei flexiblen Kniiuelmolekulen an, zumindest bei langsamen (statischen) Verfahren. Zum Erfassen der Konzentrationsabhiingigkeit von Diffusions- und Sedimentationskoeffizienten wurden gestreckte Exponentialfunktionen vorgeschlagen, z.B. f i r die Sedirnentationskoeffizienten
-
(1 1-43)
11.3.4.
S = So exp(- KcP)
;K,p = Konstanten
Molmassen
Sedimentationskoeffizienten sind nach G1.( 11-39) mit der Molmasse uber den Reibungskoeffizienten verkniipft. der nach der Stokes-Gleichung von der Form und Gr6sse der Molekule und damit ebenfalls von der Molmasse abhhgt. Wie bei den Diffusionskoeffizienten (G1.( 11-22)) wird daher der Sedimentationskoeffizient (bei unendlicher Verdiinnung) in einer Exponentialfunktion von der Molmasse abhhgen:
388 (1 1-44)
11.3. Sedimentation
SO = KsMs
Aus dieser Eichbeziehung berechnete Molmassen stellen daher bei polymolekularen Polymeren Exponentenmittel dar (Kap. 2.3.5). Molmassen sind jedoch auch ohne Eichung aus Sedimentationskoeffizienten berechenbar, wenn der Reibungskoeffizient durch eine direkt messbare Gr6sse ersetzt wird. Nun sind die Reibungskoeffizienten der Sedimentation und der Diffusion innerhalb der Messfehler gleich gross, nach theoretischen Untersuchungen sogar innerhalb l0-l0 %. Mit 5s = 5~ erhdt man daher aus den GL(11-10) und (11-39) die Svedberg-Gleichung, die nur noch die direkt messbaren Grossen S, D, *v2, p1 und T enthat: (11-45)
M=
SRT D(l- C2p1)
Die M-Werte sind fiir Konzentrationen c f 0 scheinbare Molmassen Mapp. Mil S = So und D = Do erhtilt man ohne weitere AMahmen die absolute Molmasse M. Da So und Do Mittelwerte sind, stellt M bei molekularuneinheitlichen Polymeren ein gemischtes Mittel dar (Kap. 2.3.5), das je nach den Mittelwerten und der Molekiilfom bzw. der uisungsminelgiite (beide ausgedriickt durch a in der Beziehung [ q ]= K,Ma) unterschiedliche Werte annimmt (Tab. 11-2). Der Reibungskoeffizient tSist in G1.( 11-39) auch anders durch 4~ ersetzbar, da dieser nach G1.(11-11) den Stokes-Radius Rsph = RD einer hydrodynamisch iquivalenten Kugel enthat. Eine solche Kugel wird auch durch ihren Einstein-Radius R, beschrieben; dieser is1 nach Kap. 12 aus der Grenzviskosittitszahl berechenbar. Es ergibt sich die
Mandelkern-Flory-Scheraga-Gleichung:
Tab. 11-2 Theoretische Momente und Mittelwerte hydrodynamischer Mittel der Molmassen [S]. Theoretische Werte
Messung
Exponent a
Sediimentationsgleichgewicht
beliebig
f"+En fn+Dw
2 beliebig
rw+DW
2 1/2 -1
sw+Ez fw
+[Vl
beliebig
2 1I2
Moment
Mittelwert
11. Transport in LLisungen
3 89
Aus historischen Griinden schreibt man fiir den in Gl.(ll-46) in eckigen Klammem stehenden Faktor den in geschweiften Klammem stehenden und setzt femer
Bei kompakten Kugeln sind Stokes- und Einstein-Radius identisch. Man erhiilt in diesem Fall f i r den Faktor (62 x NA/20112) = 1.523.1025 mol-1. Fur die Flory-MandelkemInvanante ergibt sich j? = “d(5.64 z2)l1D = 2,112-106mol-ln. Bei anderen Teilchen als kompakten Kugeln sind Stokes- und Einstein-Radius nicht notwendigerweise gleich gross. Fur porose Kugeln lautet der P W e n 2,084-106mol-ln, fiir undurchspulre Knuuel 2,344-106 mol-ln (vgl. Tab. 12-6). Der j?-Wert h a g t bei Ellipsoiden noch vom Achsenverhiiltnis A der grossen zur kleinen Achse ab. Bei abgeplurrefen Rorationsellipsoiden variiert 10-6BJmol-1fl nur wenig; es steigt von 2,115 bei A = 2 auf 2.15 bei A = 300 an. Bei gesrreckten Rotationsellipsoiden lauten die entsprechenden Werte 2,13 bei A = 2 und 1,81-A0.126flir 3 5 A 5300. Gemische yon wenigen Molekiilsorren verschiedener Gr(lsse oder Masse kann man bei nicht zu grosser Ruckdiffusion durch Ultrazentrifugation in die einzelnen Komponenten auftrennen. Aus den Flichenanteilen der zwei, drei usw. mehr oder weniger scharf voneinander getrennten Gradientenkurven sind die Massenanteile berechenbar. Die Methode wird relativ hiiufig in der Proteinchemie eingesetzt, um auf die An- oder Abwesenheit von Paucimolekularitit zu priifen. Bei polymolekularen Subsranzen kann aus der Verbreiterung der Gradientenkurven mit der Zeit die Verteilung der Sedimentationskoeffizienten und damit auch die Molmassenverteilung bestimmt werden. Aus den bei verschiedenen Zeiten erhaltenen Gradientenkurven werden die Sedimentationskoeffizientenbei verschiedenen Masseanteilen ennittelt. Die so erhaltenen Sedimentationskoeffizienten werden noch auf die Zeit unendlich extrapoliert, um fiir die Verbreitemng durch die Diffusion zu komgieren. Die resultierende Funktion Wi =f(Si) wird dann in die Molmassenverteilung Wi =f(Mi) umgerechnet. Derartige Messungen werden am besten in sog. Theta-Ltisungsmitteln ausgefiihrt, da sonst zuviel fiir die thennodynamische Nichtidealitiit zu komgieren ist.
11.3.5.
Sedimentationsgleichgewicht
Bei geniigend niedrigen Zentrifugalfeldem wird die Sedimentationsgeschwindigkeit gleich der Diffusionsgeschwindigkeit und es stellt sich ein Sedimentationsgleichgewicht ein. Im Gleichgewicht a d e n sich die Konzentration an jeder Stelle der Ultrazentrifugenzelle nicht mehr mit der Z i t . Es gilt (ac/&), = 0 und GI.( 11-34) geht iiber in (1 1-47)
S/D = (ac/&)/(drc)
Ersetzen von s/D durch den entsprechenden Ausdmck der Svedberg-G1.(11-45) fiihrt zu der Bestimmungsgleichung des Sedimentationsgleichgewichtes:
390
11.3. Sedimentation
Experimentell wird am einfachsten mit kleinen FiillhUhen der Ultrazentrifugenzellen gearbeitel. Bei kleinen Fullhehen A r is1 der Konzentrationsgewinn oberhalb der Zellmitte r gleich dem Verlust unterhalb r. Man braucht daher nur den Konzentrationsgradienten dcldr bei der mittleren Fiilh6he r zu messen, verliert jedoch alle Information uber eventuelle Molmassenverteilungen, die noch in der Funktion dcldr =Ar) steckt. Die in G1.( 11-48) auftretende Molmasse muss ein Massenmittel sein. LCist man n2mlich nach dcldr auf und summiert uber die Variablen, so sieht man, dass der mittlere Konzentrationsgradient uber die Molekiile aller Molmassen der Summe der Produkte aus Konzentration und Molmasse proportional ist:
Die gleiche Summe uitt bei der Definition des Massenmittels auf (Gl.(2-14)). Die Gl.(ll-48) und (11-49) gelten nur f i r unendliche Verdunnungen. Bei c f 0 liefem sie scheinbare Massenmittel der Molmassen, die wie ublich durch Auftragen von l/Mw,aw gegen c auf die Konzentration c + 0 extrapoliert werden.
11.3.6.
Sedimentationsgleichgewicht im Dichtegradienten
Spezielle Verhiilmisse treten bei Sedimentationsgleichgewichtenin Dichtegradienten auf. Solche Dichtegradienten entstehen, wenn das Wsungsmittel keine reine Substanz ist, sondem eine Mischung aus zwei Substanzen stark verschiedener Dichte. z.B. Clsiumchlorid in Wasser oder eine Mischung von Benzol und Tetrabromkohlenstoff. Die beiden Komponenten des Llisungsmittels sedimentieren unterschiedlich stark und es bildet sich daher ein Dichtegradient des Llisungsmittels aus. Im Sedimentationsgleichgewicht wird dann der Konzentrationsgradient des Polymeren vom Dichtegradienten des Losungsmittels iiberlagert. Am Boden der Ultrazentrifugenzelle herrscht die Dichte pb. am Meniskus die Dichte pm. Wenn die Dichte p 2 des Polymeren gerade zwischen diesen beiden Dichten liegt. dann werden die Makromolekiile vom Meniskus der Zelle in Richtung Boden sedimentieren und vom Boden in Richtung Meniskus flotieren (Abb. 11-12). Im Gleichgewicht befinden sich die Makromolekule an einer Stelle des Dichtegradienten, die gerade der Dichte des Polymeren in Wsung entspricht. Diese Dichte ist jedoch nicht die "trockene" Dichte des Polymeren, da ja das Experiment in einem Mischlliser ausgefiihrt wird, dessen eine Komponente das Polymere besser solvatisiert als die andere.
"WWW I
W M
Abb. 11-12 Zeitabhhgigkeit der Konzentration c und des Konzentrationsgradientendcldr beim Einstellen eines Sedimentationsgleichgewichtesin einem Dichtegmdienten (schematisch).
1I . Transport in L(isungen
391
Solvatisiert nur die Komponente 1, so wird die solvatisierte Masse zu mh = mp + mL und der Parameter der Vorzugssolvatation zu r h = mdmp (S.384). Rechnet man femer Bei mit mi = M i / N A (i = h, L, P) auf die Molmassen um, so ergibt sich Mh = Mp(1 + rh). der Position rmaxdes Maximums befinden sich also die Makromolekiile mit der solvatisierten Molmasse Mh. Bei bekanntem Parameter r h ist aus dieser solvatisierten Molmasse die "trockene" Molmasse M berechenbar. Dieser Parameter ergibt sich aus den partiellen spezifischen Volumina ii2 des Polymeren und iil des L(lsungsmitte1. wobei p* die Dichte des LUsungsmittel(gemisches) beim Maximum der Funktion c =fir) ist:
Das partielle spezifische Volumen iiz des Polymeren erh2lt man in guter N2herung aus ) ~ Polymerltisungen im Mischliiser. der Dichte p = p1 + (1 - 9 2 ~ 1 verdiinnter Sedimentationsgleichgewichtsmessungenin Dichtegradienten werden 2.B. ausgefiihrt. um Unterschiede in den Dichten verschiedener Makromolekiile zu bestimmen. Sie wurden z.B. bei Replikationsstudien an 15N-markierten Desoxyribonucleinsluren verwendet. Sie eignen sich prinzipiell auch zur Unterscheidung von echten Copolymeren und Polymergemischen. Bei derartigen Versuchen stort jedoch meist die erhebliche Ruckdiffusion und die breite Molmassenverteilung. Beide Effekte verbreitem die Gradientenkurven betrkhtlich. so dass sich die Kurven von Substanzen mit verschiedenen Dichten stark iiberlappen. Das Verfahren wird daher bei synthetischen Makromolekulen nur sehr selten angewendet und zwar nur, wenn die Polymeren sehr hochmolekular sind.
11.4.
Kraftfeld-Flussfraktionierung
Bei der Kraftfeld-Flussfraktionierung (Feldflussfraktionierung) legt man senkrecht zur SWirnungsrichtungeiner Liisung ein Kraftfeld an. Die Liisung befindet sich dabei in einem engen Kanal. Das Kraftfeld kann 2.B. ein Temperaturdifferenz, ein durch Zentrifugation hervorgerufener Unterschied im Schwerefeld. eine elektrische Potentialdifferenz oder ein durch ein Lbungsmittel erzeugter Querfluss usw. sein. Diese Methoden erzeugen Gradienten, durch welche die Molekule entsprechend ihren betreffenden Eigenschaften aufgetrennt werden. Im Deutschen scheint es noch keine allgemein anerkannte iibersetzung des amerikanischen Begriffes "field-flow fractionation" (FFF) zu geben. "Field is! die Kurzform von "force field; "KraftfeldFlussfraktionierung" ist daher eine direkte vollsmdige hrsetzung und Feldflussfraktionierung eine Kurzform. FUr das amerikanische "flow FFF" (FFF mit einem durch ein zweites Usungsmittel erzeugtes Wtfeld) wurde z.B. "Qwrflussfraktionierung"vorgeschlagen. Die FFF m e l t einerseits der Chromatographie, da sich wie bei dieser durch einen Fluss Materie zwischen zwei Regionen verteilt, nWich einer verh2lmismassig stationhn Zone nahe der Wand und einer relativ mobilen Zone in der Mine des Kanals. Anders als bei den chromatographischen Verfahren erfolgt die Verteilung jedoch nicht zwischen zwei Pfiasen. Trotz der vielen methodischen Varianten und vielfiiltigen Einsatzmiiglichkeiten (Lbsungsmittel, Temperatur, Polymertypen, andere Teilchen) hat sich die FFF bislang nicht durchgesetzt. Sie wird in diesem Buch daher nur kurz e r w m t .
392
11.5.
115 . Elektrophorese
Elektrophorese
Eine Elektrophorese ist das Wandem elektrisch geladener Teilchen mit der Masse m und der Ladung q unter der Wirkung eines einheitlichen elektrischen Feldes rnit der elektrischen Feldsurke E (G: electron = Bemstein; G: pherein = tragen, hervorbringen). Solche elektrisch geladenen Teilchen sind z.B. biologische Zellen. Assoziationskolloide, Polyelektrolyte oder niedermolekulare Substanzen. An sich elektrisch neutrale Teilchen k6nnen durch geeignete Komplexbildung elektrophoretisch beweglich gemacht werden. Bei der freien Elektrophorese (Tiselius-Elektrophorese) wandem die Teilchen in einem Usungsmittel, meist in einer wksrigen SalzlOsung. Bei der Tragerelektrophorese bewegen sie sich dagegen in einem gequollenen inerten Triiger, z.B. in Papier, Surkegel, Agarose. vemetztem Poly(acry1amid) usw. Die elektrophoretische Wanderung wird von der Kraft qE erzwungen. Ihr entgegen wirkt die Reibungskraft {(dL/dt), wobei q = Ladung, 5 = Reibungskoeffizient, dL./dt = Wanderungsgeschwindigkeit und E = Feldstarke. Die Resultierende der beiden KrZfte ist nach dem zweiten Newton'schen Gesetz durch m(d2L/dt2) gegeben. Es gilt (1 1-51)
m(d2L/dt2) = qE - s(dL/dt)
Der Quotient 5/m von Reibungskoeffizient 4 zur Masse m betragt bei Molekulen s reduziert sich Gl.(ll-52) daher zu (1012-1014)s-l. Fur grdssere Zeiten als ca. (1 1-53)
u d t qE/5
Die elektrophoretische Beweglichkeit p wird als Wanderungsgeschwindigkeit unter der Wirkung eines elektrischen Feldes von lV/cm definiert. Nach dem Einsetzen der Einstein-Sutherland-Gleichung(1 1-10) erh3lt man (11-54)
D=bT@/q) ;
p = (dL/dt)/E
In der Wissenschaft wird die Elektrophorese zum Analysieren und TreMen von Teilchen mit unterschiedlicher elektrophoretischer Beweglichkeit eingesetzt. Da die so ermittelten scheinbaren Anteile einer Komponenten ausser von der Konzentration c noch von der Ionenst2rke r abhagen, werden sie auf c/T .+ 0 extrapolien. In der Technik nutzt man die Elektrophorese bei der Elektrotauchlackierung (elektrophoretischen Lackierung) aus. Der zu lackierende Metallgegenstand wird als Anode geschaltet, an der sich nach Anlegen eines elektrischen Feldes 2.B. negativ geladene Latexteilchen als Film abscheiden. Die anschliessende Elektroosmose treibt Wasser aus, wodurch der FestkOrpergehalt der Polymerschicht his auf ca. 95 % erhdht wird. Eine anschliessende Elektrolyse entfemt restliches Wasser und geldste Ionen. Die Elektrotauchlackierg gestattet, schwer zugtingliche Ecken und Kanten gleichmksig zu beschichten. Da sie mit Wasser arbeitet, fallen kostspielige Anlagen zum Ruckgewinnen von Ldsungsmitteldampfen fort. Sie wird daher zunehmend zum Lackieren von Autokarosserien verwendet.
I I . Transport in Llisungen
393
Historische Notizen Ableitung und Behandlung der Gleichungen von Navier (1827)und Stokes (1845)siehe z.B. L.Prandtl. O.G.Tietjens, Fundamentals of Hydro- and Aeromechanics, MacGraw-Hill. New York 1934 Fkder-PerleModelle J.G.Kirkwood. J.Riseman, J.Chem.Phys. 16 (1948)565 Theorie des Transportes von KMueln mit einer Gauss-Verteilung der Segmente. P.E.Rouse, JChemPhys. 21 (1953) 1272 Perle-Feder-Modell ohne hydrodynamische Wahselwhkungen. B.HZimm, J.Chem.Phys. 24 (1956)269 Perle-Feder-Modell mit hydrcdynamischenWechselwirkungen.
Literatur zu Kap. 11 11a. ALLGEMEINE mERSICIITEN (Polymere in Ldsung) XYamakawa, Modern Theory of Polymer Solutions, Harper and Row, New York 1971 H.Morawetz. Macromolecules in Solution, Interscience, New York. 2.Auflage 1975 W.CSorsman, Hrsg., Polymers in Solution. Theoretical Considerations and Newer Methods of Characterization. Plenum, New York 1987 H.Fujita, Polymer Solutions, Elsevier, Amsterdam 1990 ll.b. ALLGEMEINE mERSICHTEN (Polymerdynamik) P.G.de Gennes, Scaling Concepts in Polymer Physics, Cornell University Press, Ithaca, NY 1979 R.B.Bird, R.C.Armstrong, O.Hassager, Dynamics of Polymeric Liquids, Bd. 1; R.B.Bird, C.F.Curtiss, R.C.Armstrong, O.Hassager, ditto, Bd. 2, Wiley. New York. 2. Aufl. 1987 M.Doi, S.F.Edwards, The Theory of Polymer Dynamics, Oxford University hess,Oxford 1987 K F F r e d . Renormalization Group Theory of Macromolecules. Wiley, New York 1987 11.1. TRANSLATIONSDIFFUSION J.Crank. G.S.Park,Hrsg.. Diffusion in Polymers, Academic Press, London 1968 J.S.Vrenta, J.L.Duda. Molecular Diffusion in Polymer Solution, AIChE J. 25 (1979)1 B.Nystrllm, J.Roots, Scaling Concepts in the Interpretation of Diffusion and Sedimentation Phenomena in Semidilute Polymer and Polyelectrolyte Solutions, Progr.Polym.Sci. 8 (1982)333 B.D.Freeman, Mutual Diffusion in Polymeric Systems, in S.L.Aggarwal. S.Russo, Hrsg., Comprehensive Polymer Science, First Supplement, Pergamon Press, Oxford 1992,p. 167 11.1.2. DYNAMISCHE LICHTSTREUUNG RJ.Beme, R.Pecora, Dynamic Light Scattering, Wiley, New York 1976 W-Burchard. New Aspects of Polymer Characterization by Dynamic Light Scattering. Chimia 39 ( 1 985) 10 K.S.Schmitz, An Introduction to Dynamic Light Scattering by Macromolecules, Academic Press, San Diego 1990 W.Brown. Hrsg., Dynamic Light Scattering, Clarendon, Oxford 1993 W.Brown, Light Scattering, Oxford University Press, New York 1996 11.1.7. STRUKTURERTER FLUSS W.D.Comper, BN.Preston, Rapid Polymer Transport in Concentrated Solutions, Adv.Polym.Sci.
55 (1984) 105
394
Quellennachweise zu Kap. I1
11.2. ROTATIONSDIFFUSION VN.Tsvetkov, Flow Birefringence, in B.Ke, Hrsg.. Newer Methods of Polymer Characterization, Interscience, New York 1964 HJaneschitz-Kriegl, Flow Birefringence of Elasto-Viscous Polymer Systems, Fortschr.Hochpolym.Forschg.-Adv.Polym.Sci.6 (1969) 170 V.N.Tsvetkov, L.N.Andreeva, Flow and Electric Birefringence in Rigid-Chain Polymer Solutions, Adv.Polym.Sci. 39 (1981) 95 11.3. SEDIMENTATION T.Svedberg, K.O.Pedersen. Die Ultrazentrifuge, Steinkopff, Dresden 1940; The Ultracentrifuge, Clarendon Press, Oxford 1940 H.K.Schachman, Ultracentrifugation in Biochemistry. Academic Press. New York 1959 RLBaldwin. K.E.van Holde, &dimentation of High Polymers, Fo&hr.Hochpolym.-Forschg. 1 (1960) 451 J.W.Will&s, Hrsg., Ultracentrifugal Analysis in Theory and Experiment, Academic Press, New York 1963 H.Fujita, Foundations of Ultracentrifugal Analysis, Wiley, New York 1975 R.Hinton, M.Dokata, Density Gradient Centrifugation, North Holland, Amsterdam 1976 C.A.F’rice, Centrifugation in a Density Gradient, Academic Press,New York 1982 BNystrOm, J.Roots, Scaling Concepts in the Interpretation of Diffusion and Sedimentation Phenomena in Semidilute Polymer and Polyelectrolyte Solutions, Progr.Polym.Sci. 8 (1982) 333 S.E.Harding, AJ.Rowe, J.C.Horton, Analytical Ultracentrifugation in Biochemistry and Polymer Science, The Royal Society of Chemistry, Cambridge 1992 T.M.Schuster, T.M.Laue, Hrsg., Modern Analytical Ultracentrifugation, Birmuser, Basel 1994 G.Ralston, Introduction to Analytical Ultracentrifugation, Beckman Instruments, Fullerton, CA, 1993 11.4. KRAFTFELD-FLUSSFRAKTIONIERUNG J.C.Giddings, Field Flow Fractionation, Analytical Chem. 53 (1981) 1170 A J.Janca, Field-Flow Fractionation, Dekker, New York 1987 M.E.Schimpf, Advances in Field-flow Fractionation for Polymer Analysis, Trends in Polym. Res. 4 (1996) 114 M.E.Schimpf, Thermal Field-Flow Fractionation, Polym. News 24 (1999) 78 11.5. ELEKTROPHORESE t).Gaal, G.A.Medgyesi, L.Vereczkey. Electrophoresis in the Separation of Biological
Macromolecules, Wiley, New York 1980 A.T.Andrews, Electrophoresis, Clarendon Press, Oxford 1986
Quellennachweise W.Burchard, Chimia 39 (1985) 10, Abb. 4b W.Burchard, J.Bauer, P.Lang, Macromol.Symp. 61 (1992) 25, Abb. 2 G.Rehage, O.Emst, Kolloid-Z.Z.Polym. 197 (1964) 64, Abb. 1 und 2 T.L.Yu, H.Reihanian, J.G.Southwick, A.M.Jamieson, J.Polym.Sci.-Polym.Phys.Ed. 18 (1980) 178, Abb. 4 und 5 [I W.D.Comper, B.N.Preston, Adv. Polym.Sci. 55 (1984) 105 P.Vidakovicz. C.Allain, FRondelez, Macromolecules 15 (1982) 1571, Abb. 4 L-O.SundelUf, B.NystrUm, J.Polym.Sci.-Polym.Lett.Ed.15 (1977) 377, Tab. IV [8] H.-G.Elias, R.Bareiss, J.G.Watterson, Adv.Polym.Sci. 11 (1973) 11 1 [9] J.T.Edsal1. in H.Neurath, K.Bailey, Hrsg., The Proteins, Academic Publ., New York 1953. Band I, Teil B, Tab.VIII [lo] T.Yamada, T.Toshi&, H.Yamakawa, Macromolecules 25 (1992) 377, Tab. I und I1 1111 T.Arai, F.Abe, T.Yoshizaki, Y.Einaga, H.Yamakawa, Macromolecules 28 (1995) 3609, Tab. 1 und 2 [l] [2] [3] [4]
[a [n
395
12. Viskositiit verdunnter Losungen Die Viskositiit verdiinnter Liisungen von Makromolekiilen steigt unter sonst gleichen Bedingungen haufig mit der Molmasse des Polymeren an. Durch Viskosimetrie llsst sich daher die Molmasse bestimmen. Da die Messungen schnell und apparativ einfach auszufiihren sind. stellen sie die beliebteste Methode zur Charakterisierungder Molmasse von Polymeren dar. Die theoretische Auswertung ist jedoch nicht ganz so einfach.
12.1.
Grundbegriffe
12.1.1. Definitionen Die Viskosimetrie charakterisiert das Fliessen von Fliissigkeiten durch deren Viskositlt. Von den drei miiglichen Viskositlten - Scherviskositlt, Dehnviskositlt und Volumenviskositiit (Kap. 14) - wird bei verdunnten Liisungen in der Regel nur die Scherviskositat (E: shear viscosity) gemessen und diese wiederum als dynamische Viskositlt q und nicht als kinematische q/p. Es ist die dynamische Schewiskositat, wenn man von der Viskositat schlechthin spricht &: viscum = Mistel, Vogelleim (viscos = z&h, klebrig)). Die dynamische Viskositlt q eines Materials ist im einfachsten Fall nach dem Newton'schen Gesetz q = cr21/9 durch das Verhatnis von Scherspannung 021 zu Schergeschwindigkeit f = av/ay gegeben, also der hderung der Fliessgeschwindigkeit v der Materie mit dem Abstand y senkrecht zur Fliessrichtung (Abb. 15.4). Fliissigkeiten, deren Viskosiaten weder von der Schergeschwindigkeitnoch von der Zeit abhtingen, werden Newton'sche Fliissigkeiten genannt (E: Newtonian liquids). Die Viskositat verdunnter Ltisungen Wdert sich in der Regel nicht mit der &it (weder Thixotropie noch Rheopexie. Kap. 15.4), wohl aber manchmal mit der Schergeschwindigkeit. Dieser Einfluss ist unerwunscht, wenn man an molekularen Griissen wie der Molmasse, den Molekuldimensionen oder dem Reibungskoeffizienten interessiert ist. Um ihn auszuschalten, muss die Viskositlt auf die SchergeschwindigkeitNull extrapoliert werden (Kap. 12.1.2). Im Allgemeinen ist man bei verdunnten Lasungen nicht an der Viskositit per se interessiert, sondem am Viskositatsverhaltnis (der relativen Viskositat) qrel= q/q1 der Viskositiit q der Liisung zur Viskositat q1 des Usungsmittels (E: relative viscosity, viscosity ratio). IUPAC empfiehlt jetzt das Symbol qr anstelle von qrel. Die spezifische Viskositat (E: specific viscosity) qsp = ( q - q l ) / q l = ( q / q l )- 1 soll nach IUPAC jetzt relatives Viskositatsinkrement qi heissen (E: relative viscosity increment), da qsp keine auf die Masse bezogene Griisse ist und folglich keine spezifische (Kap. 19). Das vorgeschlagene Symbol qi ist jedoch leicht mit dem Symbol qi zu verwechseln, dem Symbol fiir die Viskositit der Komponente oder Substanz i. Der Quotient von spezifischer Viskositlt qsp und Massekonzenuation c des Gelosten ist die reduzierte Viskositat bzw. Viskositatszahl qrd iqS& (IUPAC: E: reduced viscosity, viscosity number), welche zwar eine reduzierte GrOsse ist, aber keine Viskositiits"zahl". Die logarithmische Viskositatszahl qh = (ln qrel)/C (E: logarithmic viscosity number) wird auch inharente ViskositAt qinh genannt (E: inherent viscosity).
396
12.1. Grundbegriffe
Die auf die Konzentration c -) 0 extrapolierte Viskositatszahl bzw. logarithmische Viskositztszahl heisst Grenzviskositatszahl (E: limiting viscosity number (IUPAC)). Sie wurde friiher teilweise Staudinger-Index genannt und wird in der englischsprachigen Literatur durchweg als "intrinsic viscosity" bezeichnet, obwohl es dimensionsmissig keine Viskosit2t ist. Sie wird gelegentlich auch hydrodynamischer Virialkoeffizient genannt. Viskositatszahlen und Grenzviskositztszahlen werden im deutschsprachigen Raum jetzt in mL/g = cm3/g angegeben und von Ingenieuren nach DIN auch in m3/kg. Alte Arbeiten verwenden 1000 mL/g. In den USA findet man noch sehr haufig 100 mL/g.
12.1.2.
Experimentelle Methoden
Viskositaten verdiinnter Losungen werden meist mit Kapillarviskosimetem bestimmt, bei Studien der Schereffekte auch mit Rotationsviskosimetem (Abb. 12-1)- Kapillarviskosimeter erzeugen Schergeschwindigkeiten von ca. 7 / s 1 = 1- 1 6 . Rotationsviskosimeter solche von le2-104 und Kegel-Platte-Viskosimeter (nur fiir Schmelzen) solche von lo2. Kapillarviskosimeter vom Typ Ostwald, Cannon-Fenske oder Ubbelohde weisen Schergeschwindigkeiten von ca. lo3 s-* auf (Band I). Bei Kapillarviskosimetem wird die Durchlaufzeit eines bestimmten Fliissigkeitsvolumens als Mass fiir die Viskositat ermittelt. Die Viskositat ist dem Produkt aus Durchlaufzeit und Dichte proportional. Die Durchlaufzeiten sind je nach Viskosimetertyp noch fiir verschiedene Effekte zu komgieren (Band I, S. 90). In jedem Fall soll die Messzeit nie unter 100 s betragen. da sonst die prozentualen Fehler zu gross werden. Relative Viskositaten sollten auch nicht Werte von ca. 1,2 unterschreiten. Unterhalb qrel < 1.2 treten oft apparatebedingte Anomalien auf, von denen meist angenommen wird, dass sie von der Adsorption von Makromolekiilen an Kapillarwsjlde stammen.
p 4
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:.. 1 beschrieben werden (Abb. 12-5). Da die GrenzviskositlItszahl [ q ] nach G1.(12-11) auch durch [q] = KvMa ausdriickbar ist, erhat man
-
Das reduzierte Viskositltsinkrement qsp I (q/ql) - 1 ist bei hohen Konzentrationen praktisch gleich der relativen ViskositlIt q/ql, da hier q/ql >> 1. Lijsungen solcher Konzentration besitzen schon die Konsistenz von Schmelzen. In Schmelzen von Knlluelmolekulen ist aber die Ruheviskositat q bei hohen Molmassen der 3,4. Potenz der Molmasse proportional (Kap. 15.3.4). Der Exponent aq wird somit zu 3,4. Da in Schmelzen ungesmrte Knluel vorliegen (Kap. 6) und bei ungest8rten Knlueln der Exponent a der Grenzviskositltszahl-Molmasse-Beziehungden Wert 1/2 annimmt (Kap. 12.3.6), sollte also die Viskositiit q. und damit auch q/ql bzw. qsp = (q/ql)- 1, bei Polymeren in ThetaUsungen bei genugend hohen c[q]-Wenen mit c6.8 ansteigen. Bei undurchspiilten Knlueln in guten L8sungsmitteln wird andererseits der Flory-Exponent zu v = 0,588 und der Exponent a zu 0,764. Die Viskositlt q sollte d a m rnit 8*45 ansteigen (Abb. 12-5). Diese Beziehungen gelten universell. Die Messwene f i r alle Polymeren in guten L8sungsmitteln. also Poly(styro1)-Toluol, cis-1,4-Poly(isopren)Toluol und Hyaluronat-Wasser, fallen jeweils auf die gleiche Kurve. Die Ruhe-Viskositlten geltister st2bchenfUnniger Makromolekule sollen nach theoretischen Berechnungen rnit @BM8 variieren. Expenmentelle Daten scheinen jedoch nicht voxzuliegen.
402
12.2. Konrenrrationsabhdngigkeit
4
04
10-6
10-4 - PI/ (mol L-~) +
10-5
i t 3
10-2
Abb. 12-6 Reduzierte Viskositiiten g i f= 600 s-l als Funktion der Stoffmengenkonzentration C2 eines Natriumpoly(styrolsulfonat)es (M, = 16 OOO g/mol) in wBssrigen Usungen rnit verschiedenen StoffmengenkonzentrationenCJ(pmol/L) an NaCl. Ausgezogene Linien: berechnet mit G1.( 12-8) [51. Mit freundlicher Genehmigung des American Institute of Physics, Melville, NY.
12.2.2.
Polyelektrolyte
Die Viskositfitszahlen (reduzierten Viskosititen) q r d = qsJc von Polyelektmlyten nehmen mit steigender Polymerkonzentration stark zu, laufen d a m durch ein Maximum und sinken wieder ab (Abb. 12-6). Das Maximum ist am ausgepragtesten. wenn Fremdsalze abwesend sind. Bei sehr hohen Konzentrationen an zugesetzten niedermolekularen Fremdsalzen verhalten sich verdiinnte Polyelektrolytldsungen dagegen wie solche von polymeren Nichtelektrolyten. Bei hohen Polymerkonzentrationen werden die ViskosiUtszahlen unabhbgig von der Fremdsalzkonzentration. Dieses Verhalten tritt nicht nur bei Polyelektrolyten wie Natriumpoly(styrolsu1fonat) +CH2CH(C6H&03Na)-f, oder Poly(acry1saure) +CH2CH(COOH)+ auf, sondem auch bei Polyampholyten, wie z.B. solchen mit den Monomereinheiten -CH2CHS03e- und -CH2CH(CONH3)e-. Dieses Verhalten wird wie folgt erklirt. Bei hohen Polymerkonzentrationen in Ldsungen ohne Fremdsalz und bei niedrigen Polymerkonzentrationen in Losungen rnit hoher Fremdsalzkonzentration sind die Polyelektrolytmolekiile nur wenig dissoziiert. Die Konzentration an Gegenionen ist dann im Innem der Molekiilknauel grosser als ausserhalb. Durch den so erzeugten osmotischen Effekt dringt mehr Wasser in die Kniuel ein, wodurch diese aufgeweitet werden. Je niedriger die Polymerkonzentration, umso mehr Gruppen werden dissoziieren. Die an das Polymermolekiil gebundenen, gleichsinnig geladenen ionischen Gruppen, z.B. -COOe bei der Poly(acrylsaure), stossen sich gegenseitig ab, wodurch die Kette weiter versteift wird. Da umso mehr Gmppen dissoziiert sind, je niedriger die Polymerkonzentration ist, werden die Molekulabmessungen und damit auch das relative Viskositatsinkrement qsp mit abnehmender Polymerkonzentration steil zunehmen. Dieses Verhalten wird durch die empirische Fuoss-Gleichung erfasst: (12-7)
l/%d= AFS + K F S C ' ~
Fuoss-Gleichung
12. Viskositiit verdiinnter Uisungen
403
Entgegen der historischen Annahme stellt AFS in G1.( 12-7) nicht die reziproke Grenzviskosit2tszahl ldq] dar. Das relative Viskosiatsinkrement lBuft mit weiter abnehmender Polymerkonzentration durch ein Maximum, weil nunmehr immer weniger Makromolekiile vorhanden sind. Durch Zusatz von Fremdsalzen wird die Ionensarke ausserhalb des KnBuels relativ zum Innem erhUht und die Dicke der Ionenwolke verringert. Beide Effekte verkleinem den Knheldurchmesser und damit auch die Viskosit2tszahlen relativ zum Fall ohne zugesetztes Fremdsalz. Das Mit- und Gegeneinanderwirken aller dieser Effekte ist nicht einfach zu erfassen und es gibt daher viele verschiedene theoretische AnsBtze. Die eine Gruppe von Theorien geht wegen den zwischen ionisierten Kettengmppen wirkenden Abstossungseffekten von steifen Ketten aus. Die andere Gruppe von Theorien basiert auf flexiblen Ketten und den Einfliissen der elekmstatischen Wechselwirkungen. Die in Abb. 12-6 wiedergegebenen theoretischen Kurvenziige beruhen z.B. auf der Gleichung
in der Kt= const. 5 = Reibungskoeffizient des Polyions, LB = e2/(4 X&r&BT) = BjermmL2nge. e = Elementarladung,6 = relative PennittivitBt (Dielektrizit2tskonstante)der L6sung, k~ = Boltzmann-Konstante, T = thermodynamische Temperatur. = Permittiviat des Vaku~ms. zp = Valenz des Polyions, = 4 dB(zg2Cg + Xi Z i Ci) = reziproke Debye-AbschirmlZnge (E: inverse Debye screening length), C, = Zahlenkonzentration der Gegenionen. zi = Valenz der i-ten Sorte der Fremdionen. zg = Valenz der Gegenionen, und Ci = Zahlenkonzentration der Fremdionen. Bei Skalierungen verzichtet man dagegen auf detaillierte Annahmen. Bei der Anderung der relativen ViskositWnkremente qsp mit der Stoffmengenkonzentration [PI des Polymeren lassen sich z.B. drei Bereiche unterscheiden (Abb. 12-7).
>
l0Oo0
1 .
nicht verhakt
0,Ol J 10-5
i e
-
10-3
10-2
10-1
1
[PI / (mol L-l) +
Abb. 12-7 Relative Viskosit;?tsinkrementeqsp= ( q - ql)/ql als Funktion der Stoffmengenkonzentrationen [PI eines zu 92 % sulfonierten Natriumpoly(styro1sulfonat)s(M,= 1 200 OOO) im thennodpamisch schlechten Llfsungsmittel Wasser bei 25°C ohne Salzzusatz (0) bzw. den folgenden ZuQaen von NaCI: lW5 mom (O), 10-4 mom (a), lW3 moI& (@) und lW2 moI& (0)[6al. Ausgezogene Linien: Vohersagen der Skalierungstheorie fiir Newton'sche Wsungen.
404
12.2, KonzentrationsabhcZngigkzit
Tab. 12-1 Vorhersagen der Skalierungtheorie fiir die Viskosits;t q semikonzentrierter LOsungen von Polyelektrolyten im nichtdissoziierten (neutralen) Zustand bzw. im dissoziierten Zustand mit niedrigen und hohen Zusltzen an Fremdsalz [6b]. C = Zahlenkonzentration des Polymeren, C, = Massekonzentration des Fremdsalzes, X = Polymerisationsgrad,L = A b s c h h g e (Korrelationshge). ZuStand
Abschirmhge
Viskositilt bei Knluelmolekiilen nicht verhakt vahakt
Allgemeine Funktionen Spezielle Funktionen fiir Polyelektrolyte Nicht dissoziiert (neutral) Dissoziiert, hohe Salzkonzentration Dissoziiert, niedrige ~awron~entration
-
7
L .- ~ - 3 1 4 L ~-3I4Csl/4 L c-~Q
-
- c-'XL-3
-
'I C-3X3L-9
q - ~1514x3 - ~5I4XCs-314 - Cl5/4X3C,-9/4 q - c=x q - c3nx3 'I C514X
Skalierungstheorien nehmen fiir semikonzenvierte Usungen an, dass sich dissoziierte Polyelektrolytmolekiile in thermodynamisch schlechten L6sungsmitteh wie eine Serie von aneinandergereihten elektrostatischen Blobs verhalten (Kap. 6.3.4). Da innerhalb der Blobs die schlechten Wechselwirkungen mit dem Usungsmittel dominieren, wird fiir jeden Blob die Makrokonformation einer kollabierten Kugel begtinstigt. In diesem Bereich sollte laut Tab. 12-1 die Viskositat mit der Wurzel aus der Zahlenkonzentration C des Polymeren zunehmen, was in der Tat fiir den Bereich 1 e 2 I [P]/(mol L-l) I10-1 gefunden wird (C = [PINA). Nach der Theorie sollte sich dieser Bereich jedoch bis hinab zu [PI = 3.10-4 mol L-l erstrecken. Die im Bereich 4.10-4 I [P]/(mol L-1) I 10-1 beobachteten Abweichungen von q C112 sind fiir Newton'sche Scherviskositiiten bislang unerklart. Es wurde jedoch gefunden. dass nicht-Newto'nsche Scherviskositaten auf die theoretische Gerade fallen (in Abb. 12-7 nicht gezeigt). Da viele Literaturdaten (unerkannterweise) nicht-Newtonsche Viskositilten sind, macht dieser Befund begreiflich, w a r m die Fuoss-G1. (12-7) so hlufig experimentell "bestatigt" wird. Allein aus diesem Grund kann die Gleichung l/qred =Acln) fiir c -b 0 nicht die Grenzviskositatszahl [q] liefem. Uber grossere Liingen als die Blobdurchmesser sind jedoch die starken Abstossungskrafte zwischen den gleichsinnig geladenen ionischen Gruppen der Polymerketten zu beriicksichtigen, was die Kette versteift. Die L ~ g dieser e "stabchenartigen" Struktur soll sich bis zur Korrelationsliinge (Abschirmliinge) Lcl erstrecken, die somit der Persistenzproportional sein soll. Jenseits der Korrelationsliinge ist die Kette flexibel, weil l h g e hS sie in semikonzentrierten LUsungen von den umgebenden Ketten abgeschirmt wird. Die Korrelationsliinge Lcl berechnet sich fiir schlechte L6sungsmittel aus dem Verh2ltnis rconJr der konventionellen Konturl2nge zum aktuellen Fadenendenabstand r der Kette in verdtinnten, salzfreien LUsungen, der Zahlenkonzentration C des Polymeren, und der effektiven Bindungslhge b,ff (S. 7 3 , sowie der effektiven Zahl NA der Monomereinheiten zwischen zwei Ladungstragem und der Bjenum-Lkge LB zu
-
Aus NA = 4 und beH = 0,254 nm fiir Natrium(po1ystyrolsuIfonat)sowie einer Bjerrum-bge von LB = 0,7 nm in Wasser erh8;lt man r-Jr = 3,23. Bei einer Stoffmengenkonzentrationdes Polymeren von PI = C/NA = 0,l mom wird die Korrelationsl~gesomit zu L,1= 0,46 nm. Sie ist also nur etwa doppelt so gross wie die effektive Bindungshge bd einer Monomereinheit.
405
12. Viskositcit verdilnnter Liisungen
Oberhalb einer kritischen Konzentration ([PI = 0,l mol/L in Abb. 12-7) beginnen sich die Polymerknauel zu verhaken. In diesem Bereich bestatigt das Experiment die theoretische Steigung von 3/2. Bei noch htiheren Konzentrationen ([PI > 0,7 mom) beginnen systematische Abweichungen. Bei sehr verdiinnten Usungen wird andererseits die f i r nicht verhakte Polymermolekiile in semikonzentrierten Usungen mit hoher Fremdsalzkonzentration vorhergesagte Proportionalitgt qsp C5I4 gefunden. Die Verwendung von qsp= (q - qi)/qi statt q selbst eliminiert zwar den Einfluss des Usungsmittels. Auch ist in solchen Usungen die umgebende Salzkonzentration grtisser als die Konzentration der Gegenionen. Es ist aber unklar, w a r m in diesen verdiinnren Usungen die Beziehungen fiir semikonzentrierte gelten sollen.
-
12.3.
Grenzviskositatszahlen
12.3.1. Mittelwerte Die Extrapolation der Viskosititszahlen auf die Konzentration bzw. spezifische Viskosiat null gem& den Gl.(l2-2)-(12-5) liefert die Grenzviskositatszahl [ q ] .Fiir diesen Grenzfall c 4 0 ergibt sich aus G1.(12-3) der Ausdruck qsp = [ q l c . Aus Experimenten geht hervor, dass die relativen ViskositBtsinkremente qsp von Homologen nichtelektrolytischer Polymerer im Newton'schen Bereich additiv sind: qsp = Zi.qfsp,i = X i [qlici (Philippoff). Einsetzen dieses Ausdrucks in [ q ] = lim,+o qsp/c zeigt mit den Beziehungen c = X i C i und W i CJC. dass die Grenzviskositiitszahlein Massenmittel darstellt:
Grenzviskositltszahlen weisen die physikalische Einheit eines spezifischen Volumens auf, z.B. mug. Sie geben also an, welches Volumen pro Masse der Teilchen eingenommen wird. Da sich die Volumina von Polymermolekiilen in homologen Reihen systematisch mit der Molmasse M ilndem, lHsst sich die Beziehung zwischen [ q ] und M empirisch durch eine Exponentenbeziehung wiedergeben: (12-11)
[ q ]= K v M a
;
Kv = consr. ; - 1 5 a 5 +2 (Theorie. s.unten)
G1.(12-10) ist als Kuhn-Mark-Houwink-Sakurada-Gleichung(KMHS-Gleichung), Mark-Houwink-Sakurada-Gleichung, Mark-Houwink-Gleichung oder StaudingerGleichung bekannt (Staudinger verwendete jedoch nur a = 1!). In G1.( 12-11) stellt die Molmasse M bei molekularuneinheitlichen Polymeren (bzw. generell bei polydispersen Teilchen) ein Exponentenmittel dar. Lost man G1.(12-11) nach der Molmasse auf, fiihrt dann [ q ]= Ei ~ i [ q ]und i schliesslich [q]i= Kv(Mi)a fiir jede Komponente i ein, so erh2lt man das Viskositatsmittel der Molmasse ii?, (E: viscosity-average molar mass):
406
12.3. Grenzviskositatszahlen
In Gl.(l2-11) sind Kv und a bei polymerhomologen Reihen Konstanten fiir ein gegebenes Losungsmittel bei konstanter Ternperatur. Sie werden durch Eichungen rnit Polymeren ermittelt. deren Typ und Breite der Molmassenverteilung bekannt ist. Umgekehrt sind die iiber G1.(12-11) berechneten Molmassen molekularuneinheitlicher Polymerer nur dann Viskositiitsmittel, wenn die Eichgleichung rnit molekulareinheitlichen Polymefen aufgestellt wurde oder rnit Polymeren mit bekanntem Viskosititsmittel der Molmasse. In allen anderen F2llen fihrt die Kalibriemng der Gl.(l2-11) zu undefinierten Mittelwerten der Molmasse. Beim Aufstellen der Eich-G1.(12-11) mit anderen Mittelwerten Hg (g = n, w usw.) als Mv muss noch mit einern Faktor q M H S fiir die Polymolekularitat komgiert werden:
Die Korrekturfaktoren lauten rnit
=
an/( aw - an) bei der
Schulz-Zimm-Verteilung
logarithmischen Normalverteilung
Diese Korrekturfaktoren koMen betrachtlich sein (Tab. 12-2). Tab. 12-2 Korrekturfaktoren qws fur rnolekularuneinheitliche Polymere rnit Schulz-Zirnrn-Verteilungen (SZ) oder logarithmischen Normalverteilungen (LN).
Ewlan
Polymolekularit&sfaktorenqWs bei Verwendung von ag = und ___________ LN-Vemfiungmfiir SZ-Veailungen fiir ___________ 0,500 0,764 1,000 2,000 0 0,500 0,764 1,000
2,000 1,100 1,300 1,500 2,000 3,000 5,000
___________
____.--__--
a -+
1,l 1,3 1,s 2,O 3,O 5.0
0 1,000 1,000 1,000 1,000 1,000 1,000
0,989 0,971 0,959 0,940 0,921 0,907
1,000 1,000 1,000 1,000
0,988 0,968 0,951 0,917 0,872 0,818
0,991 0,977 0,964 0,939 0,906 0,865
1,000 1,000 1,000 1,000 1,000 1,000
1,000 1,000 1,000 1,000 1,000 1,000
1,036 1,103 1,164 1,297 1,510 1,829
1,066 1,193 1,314 1,595 2,097 2,958
1,100 1,331 1,300 2,197 1,500 3,375 2,000 8,000 3,000 27,000 5.00 125,000
0,992 0,980 0,971 0,958 0,946 0,912
1,000 1,000 1,000 1,000 1,000 1,000
1,091 1,231 1,333 1,250 1,667 1,800
1,000
1,157 1,196 1,324 1,627 2,071 3,201
1,100 1,320 1,300 2,080 1,500 3,000 2,000 6,000 3,000 15,000 5,000 45,000
1,000
___.
a+
1.1 1.3 1.5 2,o 3,O 5.0
0 1,000 1,000 1,000 1,000 1.000 1,000
1,037 1,108 1,175 1,329 1,596 2,028
407
12. Viskositdt verdiinnter Losungen
12.3.2.
Hydrodynamisehe Volumina
Theoretisch wurde gezeigt, dass die Viskositiit q verdiinnter Dispersionen kleiner harter Kugeln mit dem Radius Rsph in einem Usungsmittel 1 als Funktion des Volumenbruches I#Q der Kugeln durch eine Potenzreihe wiedergegeben werden kann:
K1 wurde fiir unsolvatisierte. steife, grosse (Rsph >> RLM), nichtaggregierende. ungeladene Kugeln in einem Kontinuum aus einem inkompressiblen Losungsmittel LM ohne Wechselwirkung zwischen den Kugeln (K2 = 0 usw.), ohne Schlupf zwischen den Kugeln und dem Wsungsmittel sowie ohne Wandeffekte zu 5/2 berechnet (Einstein), K2 fiir Wechselwirkungen zwischen Kugeln zu 6 2 (Batchelor). Beide Werte wurden durch (keineswegs triviale!) Messungen an Dispersionen von Glas- und Guttapercha-Kiigelchen fiir Reynolds-Zahlen R e = plvRspl,/ql %lo7g/rnol bedingt. Die Steigungen s = 2/3,6 = - 1/3 und a = 0 befolgen die Beziehung a = 2 - 3 = - (1 + 3 6) (G1.(2-23)).
mit @sph,R 6,306.1G4 mOl-' und @sph,s = 13,57*1024mOl-'. Bei homogenen, starren Vollkugeln lasst sich das hydrodynamische Volumen durch V, = m/p = M/@NA) ersetzen. GL(12-16) wird dann zu
Die Grenzviskositatszahlen solcher Kugeln sind nur durch deren Dichte gegeben. Sie sind unabhhgig von der Molmasse, wie Abb. 12-8 fiir kugelformige Aggregate des Glycogens im Bereich 2-107 I M/(g mol-') Ilo9 und Abb.(12-13) fiir hyperverzweigte Poly(a,E-1ysin)e im Bereich Id I M/(g mol-') S 2-105zeigt.
12.3.4.
Ellipsoide
Die Grenzviskositatszahl ist nach [q]= (5 NA/~)(V,/M) dem Verhaltnis V,/M von viskosimeuischem Volumen V, zu Molmasse M der Teilchen bzw. Molekiile proportional (G1.( 12-14)). Der Proportionalititsfaktor betragt bei kompakten Kugeln (5/2) NA. Bei anders geformten Teilchen kann man folglich [ q ]= YNA(V,/M) schreiben. Bei Rotationsellipsoiden sind die Proportionalitltsfaktoren(Simha-Faktoren) Y noch eine Funktion des Achsenverhiililtnisses A der langen Halbachse zur kurzen. Sie sind ausserdem fiir zigarren- und linsenformige Ellipsoide verschieden (Tab. 12-3).
12. Viskositcit v e r h n t e r LZisungen
409
Tab. 12-3 Simha-FaktorenY von kompakten gestreckten (pr(o1ate)) und abgeplatteten (oqlate)) Rotationsellipsoiden als Funktion des Verhtiltnisses A von langer zu kuner Halbachse. A = u/c = L/(2 R ) bei gestreckten (zigarrenfhnigen)und A = c/u = 2 R/d bei abgeplatteten finsenf6rmigen) Ellipsoiden. A
2.500 2,908 2,685
1
2 3 4 5
6 8 10 15 20
2.500 2,854 3,430 4,059 4,708
4,663
5,806
7,098 10,103 13,634 24,65 38,53
5.367 6.700 8,043 11,42 14.80
Fur A > 20 nehmen die Simha-Faktoren Y die asymptotischen Beziehungen (12-19) und (12-20) an. Die Logarithmen der Simha-Faktoren wachsen entsprechend fiir grosse Achsenverhiiltnisse praktisch linear mit den Logarithmen der AchsenverhZlmisse. =
A2
A2
5 [In (2 A ) - (1/ 2)]
15 [In (2 A ) - (3 / 2)]
(12-19)
Y'
(12-20)
Y*b=-.-
+-14 15
16 A 15 tg-' A
Da Y nur eine Funktion des AchsenverhZlmises A und keiner anderen physikalischen Grilsse ist, kann man die Molmasse bei geometrisch Umlichen Ellipsoiden nicht aus der Grenzviskositltszahl [ q ] ermitteln. Aus [ q ]= YWA(V~,/M)folgt mit p = m/V, unmittelbar, dass fiir Ellipsoide [q] = Y/p gilt. Ahnlich geformte Ellipsoide gleicher Dichte weisen somit wie Kugeln unabhagig von ihrer Grilsse die gleiche Grenzviskositltszahl auf. Wenn das hydrodynamische Volumen Vh bekannt ist, z.B. aus Diffusionsmessungen, und v h = V, gilt kann man umgekehrt aus der Grenzviskositltszahl das Achsenverhiilmis bestimmen. Dime Achsenverhiillltnisse stellen bei solvarisierten Sphtiroiden Maximalwerte dar. In der Tat werden sie bei diesen beiden Teilchentypen immer grosser als die direkt elektronenmikroskopisch ermittelten gefunden (Tab. 12-4). Tab. 124 AchsenvwMtnisse A aus ausseren Abmessungen (ElektronenmikroskopieEM) oder hydrodynamischen Messungen ([q] und Diffusion (D)), Simha-Faktoren Y und Hydratationszahlen rh aus [q].D. calorimetrischen Messungen (C) und Kernresonanmesungen (NMR).
Kuge@rmige Molekrile €&nocyanin 1 TBS-virus 1
3,4 3,4
2s 2,s
2.3 3.1 3.7 4,O
2,6 29 2.55 2.58
1,34
0,64
0,79 0.27
Cestreckte Ellipsoide
Lysozym
Albumin Woglobin Katalase
1.5 2.0 1.2 13
0.34
052 0,65
0.76
0,28 0,31 0.20 0.20
0,30 0,40 0.32
0,34 0.40 0,42
410
12.3. Grenzviskositatszahlen
Der Solvatationsparameter r h lasst sich einerseits aus [ q ] = YNA(Vh/M) und der G1.( 11-37) ermitteln (GI.(12-20)) sowie andererseits aus dem Diffusionskoeffizienten Do mit den Gl.(ll-37), (11-11) und (11-10) und Vh=4rrRh3/3:
Die so ermittelten Solvatationsparameter stimmen recht gut mit den aus kalorimetrischen und NMR-Messungen gewonnenen uberein (Tab. 12-4). Bei NMR-Messungen werden konzentrierte Lljsungen der Polymeren eingefroren und der Anteil der noch beweglichen Wassermolekiile gemessen. Bei kalorischen Messungen wird dieser Anteil aus der Differenz der berechneten und experimentell bestimmten Warmetonung beim Einfrieren erhalten. Bei beiden Methoden wird angenommen, dass diese Anteile die von den Makromolekiilen gebundenen Usungsmittelmengen reprasentieren. Alle vier Methoden geben vor allem bei Makromolekulen nicht zu hoher Molmasse recht befriedigend ubereinstimmende Werte.
12.3.5.
Stabchen
Nach der Kirkwood-Riseman-Theorie (S. 373) kann man Stabchen als lineare Aneinanderreihung sich gegenseitig beriihrender Kugeln mit je dem hydrodynamischen Volumen v h auffassen. Die Kugeln stellen die Reibungseinheiten dar. Der Abstand der Reibungseinheiten ist dann gleich dem Durchmesser d der Kugeln. Da Nsph solcher Kugeln rnit je der Molmasse Msph = M/Nsph vorhanden sind, betrlgt die Gesamtlange des Stabchens L = Nsphd = 2 NsphRsph und dessen Achsenverh2ltnis A = L/d = L/(2 Rsph). Fur die Grenzviskositatszahl [ q ] ergibt sich rnit L2d/Msph = L3/M und K = a = 0 (KirkwoodRiseman) bzw. K = (2 ln 2) - (7/3) und a = 3 (Doi-Edwards) zu:
Bei einem grossem Verh'dltnis A wird der Ausdruck (4 A2)/(15 In A) rnit dem SimhaFaktor Ypr = 4 A2/(15 In (2 A)) fiir gestreckte Ellipsoide identisch, da in diesem Fall die Summanden l/2, 3/2 und 14/15 in GL(12-19) vemachlassigt werden koMen. G1.(12-23) wird dann zu [q]= YprN~(VIJMsph). Bei Stabchen mit d = const ist die Molmasse M proportional der Ltinge L und damit auch dem Achsenverhatnis A = L/d. Der Exponent a der KMHS-Beziehung [ q ]= KvMa ergibt sich also zu a = d ln[q]/(d ln A). Mit G1.(12-23) erhat man fir den Exponenten (12-24)
a=dln(A2/lnA)/(dlnA)=2-(lnA)-]
a wird somit zu 1,78 (fiir A = lo2), 1,89 (A = 1@), 1,93 (A = lo6) bzw. 2,OO (A -+ -).
41 1
12. Viskositdt verdiinnter LGsungen
Imogolit
- . 103
+
.
~~
10s
l@ 106 107 -M / ( g mol-1) +
10s
Abb. 12-9 Grenzviskositlenvon Desoxyribonucleinduren DNA in wWgen Salzlasungen bei 20°C [S]. Polyfiexylisocyanaten) (PHIC) in Hexan bei 25°C [9] und Imogolit in verdiinnter Essigdure (+ 0,02Gew.-% NaN3; pH = 3) bei 30°C [lo] als Funktion der Molmasse. Ausgezogene Linie bei KR: Kirkwood-Riseman-Theefiir DNA-St2bchen(Mu= 3460 glmol, d = 2 nm). Makromolekule sind selten so lang und so steif, dass sie uber einen grosseren Molmassenbereich ds Stgbchen erscheinen. Einzig das Imogolit, ein rohrenartiges Aluminiumsilikat der Zusammensetzung SiO2.Al203.2 H20,verhut sich anntihemd stabchenartig (experimentelles a = 1,85; s.a. Kap. 4.2.3). Die Molekiile der Desoxyribonucleins W r e (Persistenzliinge 63 nm; Tab. 4-6) und des Poly(hexy1isocyanat)s(Persistenzliinge 42 nm) sind selbst in mittleren Molmassenbereichen nicht steif genug. um die [rjl-M-Beziehung f i r St2bchen zu befolgen. Bei hohen Molmassen nehmen sie die Makmkonformation gestBrter Knguel rnit a = 0,764 an (Kap. 12.3.7, s.a. Abb. 4-22). Desoxyribonucleinduren bestehen aus zwei umeinander gewundenen Nucleinsheketten (Band I, Abb. 14-6). Die Doppelhelix rnit einem Durchmesser von ca.2 nm weist in regelmWigen Abstbden grosse und kleine Furchen rnit einer GesamtperiodiziW vcm 3,4 nm auf. Pro Periodiziutsind pro Einzelstrang je 10 Nucleotide rnit durchschnittlichen Molmassen von M = 294 gl(mo1 Einheit) vorhanden. In einer "Kugel" von d = 2 nm befinden sich somit 2-2.10/3,40 = 11,765 Nuclmtide. Die Molmasse der hydmlynamischen Einheit betritgt somit M ~ p h= 11,765-294glmol = 3459 -01. Die rnit GL(12-23) fiir die verschiedenen m g e n L bzw. Molmassen M = N s f i M s e berechneten Logarithmen der GzenzviskositiUdilennehmen bei AchsenverhtiltnissenA > 20 praktmh linear rnit den Logarithmen der Molmassen zu (Abb. 12-9). Fiir den Bereich 1@< A < 104 bet@@ die Steigung ca. 1.86. Die experimentell ermittelten Werte fiir DNA schmiegen sich bei A = 100 an die rnit der Kirkwd-Riseman-Te berechnete Kurve an, weichen jedoch bei Mheren Molmassen deutlich davon ab und gehen schliesslich in eine andere Gerade mit a = 0,764 uber, d.h. die "Subchen" der DNA nehmen bei hohen Molmassen die Gestalt g e s w r Knluel an,behalten aber die Helixstruktur bei.
12.3.6.
Ungestorte Knauel
Die Beziehung zwischen Grenzviskosit2tszahlen und Molmassen wird empirisch durch die KMHS-Gleichung [q ] = K, Ef beschrieben. K, und a sind dabei Konstanten. die sowohl von der Konstitution, Konfiguration und Molmassenverteilung des Polymeren beeinflusst werden als auch vom LBsungsmittel und der Temperatur.
12.3. Grenzviskositatszahlen
412
G 8
T
Poly(propy1en)
l6
h
2
102
E
3
- 10
\
F’
v
I 1 102
16
104
16
106
107
- M / (g mol-l) --+ Abb. 12-10 Beziehungen zwischen Grenzviskosiltszahlen und Molmassen fiir (oben) isotaktische (A,A), syndiotaktische (0)und ataktische ( 0 , O ) Poly(propy1en)e (PP) im guten (G) Losungsmittel Decalin bei 135°C ( A p . 0 ) und im Theta-Losungsmittel (e)Diphenyl bei 129°C ( 0 )bzw. 125°C (A) [ll-141 sowie (unten) ataktische Poly(styrol)e (x, = 0.59) im guten Usungsmittel Toluol bei 15°C (0)bzw. im Theta-UsungsmittelCyclohexan bei 345°C (0)[15].
a-Werte Die Theorien (s. unten) sagen fiir undurchspiifte Knauel im ungestorten Zustand wegen v = 1/2 einen Exponenten von a = (1 + v)/3 = 1/2 und im gestorten Zustand einen von a = 4/5 (v = 3/5, Mean-field-Theorie) bzw. a = 0,764 (v = 0,588, Renormalisierungstheone) voraus. Fur durchspiilte Knauel soll a = 1 gelten. Experimentell wird in Theta-Lbsungsmitteln bei flexiblen, genugend hochmolekularen Polymeren (X grosser als ca. 100) in der Tat a = 1/2 gefunden und in thermodynamisch guten Lbsungsmitteln a = 0.77 (Abb. 12-10). Bei kleineren Molmassen werden die [ql-M-Kurven fiir gute und schlechte Lbsungsmittel praktisch identisch. Bei sehr kleinen Molmassen gibt es je nach Losungsmittelgiite wieder Unterschiede; hier konnen u.U. sogar negative Grenzviskositatszahlen auftreten. Die experimentellen a-Werte weichen von den theoretischen bei niedrigeren Molmassen aus drei Griinden ab. (1) Die Konstitution der Endgruppen unterscheidet sich von derjenigen der Monomereinheiten; dieser Einfluss verstlrkt sich mit abnehmender Molmasse. (2) Die Ketten sind nicht mehr s e l b s t w i c h , weil sie nicht mehr die idealen Knauelstrukturen ausbilden kbnnen. (3) Eine Selbstthlichkeit kann auch nicht mehr auftreten, weil die Makrokonformation kurzer Ketten von Sequenzen gewisser Mikrokonformationen dominiert wird. Der letztere Effekt liegt vor, wenn lagere taktische Sequenzen zu helicalen Abschnitten fiihren. Da die helicalen Abschnitte bei solchen wurmahnlichen Ketten durch kniuelf6rmige Stiicke verbunden sind. ist die Makrokonformation diejenige eines Knauels. Exponenten 0,5 Ia I0,764 treten bei flexiblen Ketten nur auf, wenn der Molmassenbereich zu klein gewihlt wurde (oder wenn das Losungsmittel weder gut noch schlecht ist? Experimente uber breite M-Bereiche fehlen). Da Exponenten a > 0,764 niemals beobachtet wurden. sind Knauel aus flexiblen Ketten folglich stets undurchspult. Solche Exponenten von 0,764 I a I2 finden sich aber bei semiflexiblen Ketten bzw. stabchenartigen Makromolekiilen in begrenzten Molmassenbereichen (Abb. 12-9).
413
12. Viskositdt verdiinnter Usungen
/
h
Benzol
2
O'l6I
aE
os121 I
I
-
-m
-,.
-
loo0 - (M, / (g mol-l))ln
Butanol 0
1500
500
+
Abb. 12-11 Ermittlung des Kv,e-Wertenach der Stockmayer-Fixmann-Burchard-Mehdebei Poly(cyc1ohexylmethacryht)enin Benzol und Cyclohexan bei 25°C und in Butanol bei 23OC [la].
K,-Werte Da Grenzviskositltszahlen bei niedrigen (aber nicht zu niedrigen) Molmassen fur gute und schlechte Usungsmittel praktisch identisch werden (Abb. 12-10), sollte man die Kv,e-Werte in Theta-LUsungsmitteln im Prinzip durch eine geeignete Extrapolation der Kv-Wexte in guten LUsungsmitteln auf M + 0 erhalten k6nnen. Die meist semiempirischen Extrapolationsfonneln lassen sich in G1.( 12-25) zusammenfassen (Tab, 12-5): (12-25)
[ tll"
-= K,C, Mb
Md + KJ -
[Ille
Abb. 12-11 zeigt eine Extrapolation nach Stockmayer-Fixman-Burchard. Die gekriimmten Kurven sind hier vermeidbar, wenn man nach Berry [q11/2/M1/4=flMl[ql) verwendet (nicht gezeigt). Da aber je nach System Polymer-LUsungsmittel-Temperatur und iiberstrichenem Molmassenbereich in den GrenzviskositBtszahl-Molmasse-Beziehungen unterschiedlich starke Krtimmungen erfasst werden, sind fiir Linearisierungen der Funktion [ q ]=AM) in anderen F a e n andere Auftragungen vorteilhafter. Tab. 12-5 SemiempirischeGleichungen fiir die Ermittlung von Kv,e aus der Molmasse M und den Grenzviskositiitszahlen [17] in guten Ulsungsmitteln. a, b, c. d, e = siehe G1.(12-25). Autoren St~ckmap-Fm-B~W Inagaki-S~~uki-K~ata Kllrata-Stockmayer-Roig Flory-Fox-Schaefgen
J
a
b
C
d
e
SFB ISK KSR
1 415 2/3 213
lr;! 215
ll2
0 0
112
114 1/3
1 415 2/3 2/3 1/2 1
Beay
FFS Be
Bdrdanecky (Wurmamge Ketten)
Bo
2/3
1/3 1/3
1/3
2/3 1 1
If2
1/3 1 1 0
414
12.3. Grenzviskositatszahlen
Hydrodynamische Radien Wie bei harten Kugeln, so lasst sich auch bei Knauelmolekiilen aus der Grenzviskositltszahl ein hydrodynamischer Radius Rh berechnen. der den Radius einer viskosimetrisch lquivalenten Kugel darstellt (Einstein-Radius Rv). Dieser hydrodynamische Radius ist nicht mit dem hydrodynamischen Radius aus Diffusionsmessungen identisch (Stokes-Radius RD) (s.a. Tab. 12-6). Sowohl der Einstein-Radius als auch der Stokes-Radius sind With wie bei Kugeln (Gl.(l2-17)) nach Rh = Qhs mit dem Trigheitsradius s verknupft. Der Umrechnungsfaktor wird dabei von der Segmentverteilung innerhalb der Knauel kontrolliert, die wiederum bei schlechten und guten Lijsungsmitteln verschieden ist (Abb. 4-20). Nach der Mean-field-Theorie wird diese Differenz durch von langwirkenden Wechselwirkungen stammenden Storungen der Makrokonformation hervorgerufen. Die Stdrungen sollen im Ruhezustand und bei Strdmungen jeweils gleich gross sein. Nach dieser Theorie kann der Exponent a nur zwischen 0,50und 0,80 variieren (exakt: 0,764). Durchspiilungstheorien nehmen andererseits an, dass Knauel in guten und schlechten Usungsmitteln unterschiedlich durchspult werden. Knauel sind in guten Ldsungsmitteln wegen der starkeren Wechselwirkung der Polymersegmente mit den Lijsungsmittelmolekiilen starker aufgeweitet. Also sollten sie besser durchspult sein als in schlechten Ldsungsmitteln. Nach diesen Theorien soll a zwischen 050 und 1,OO variieren. Um die Effekte zu berechnen, modellieren Durchspulungstheorien die Knauel als eine Ansammlung von Perlen, die durch masselose Fedem miteinander verbunden sind (Feder-Perle-Modell, S. 370). Zwischen den Perlen sollen nach der Rouse-Theorie keine hydrodynamischen Wechselwirkungen bestehen. Das Ldsungsmittel fliesst daher ungehindert durch die Knluel. Die dabei erzeugte Reibung wird durch den Reibungskoeffizienten &g pro Segment beschrieben. Die Viskositat q = SsegFv ist dann das Produkt N~~~, aus dem Reibungskoeffizienten und dem globalen Faktor F , = ( P N A / ~ ) ( ( S ~ ) J M )der den Einfluss der Makrokonformation beschreibt (Kap. 15.3.2). Die Dichte p = mkn/Vkn des Knluels ist bei verdiinnten Ldsungen gleich der Massekonzentration c = m2/V des Polymeren. Viskositlten kdnnen femer als q = q l ( q / q l ) = q1[(q- q1)/q1] = q l q S pgeschrieben werden. Da in verdunnten Ldsungen q / p = qlqsp/c -- q l [ q ] gilt, erh2lt man f i r durchspulte Knauel ohne ausgeschlossenes Volumen die Beziehung
Fur durchspulte, ungestdrte Knauel sagt die Rouse-Theone a = 1 voraus. Die Kirkwood-Riseman-Theorie (KR-Theone) nimmt ebenfalls ungestorte Knauel an. Die Perlen sollen aber miteinander hydrodynamisch wechselwirken (Abb. 11-4), so dass der Reibungsfaktor mit dem Ausmass dieser Wechselwirkung vaniert. Durchspulte Knluel weisen offensichtlich keine solche Wechselwirkung auf. Sehr starke Wechselwirkungen erzeugen andererseits undurchspulte Knluel. Das Resultat ist
415
12. Visbsitdt verdrinnter Ldsungen
Die Kirkwood-Riseman-Funktion Q-flQ) wird durch die Reibungskoeffizienten der Segmente kontrolliert. Ihre Werte variieren von sehr kleinen Werten fiir durchspulte Knhel bis Q-flQ) = 1,259 f i r undurchspulte (Auer-Gardner-Revision der KR-Funktion). Bei undurchspiilten Kngueln erh2lt man % = 4,22.1@4 mol-l. Dieser Ausdruck ist mit demjenigen der Mean-field-Theorie identisch. Fur ungesttirte Knhel schreibt diese Theorie die G1.(12-27) als [q]e= % ( ( S ~ ) , ~ E / Mmit ) der Konstanten @e= l h l V ~ ( Q ~ , e ) ~Der / 3 . hier auftretende Faktor Qv,e = Rv,e/so zum Umrechnen des ungestorten Triigheitsradius so in den ungesttirten Radius Rv,e einer viskosimetrisch aquivalenten Kugel sollte universal gelten. da die chemische Struktur nicht die Segmentverteilung in ungesttirten Knaueln beeinflusst (G1.(4-39)). Bei hochmolekularen, ungestiirten KnZueln ist das Verhatnis (s2)JM femer vom L6sungsmittel und von der Molmasse des Polymeren unabhagig (Kap. 4.3.6). Alle Konstanten lassen sich in einer systemabhiingigen Konstante Kv,e vereinigen. Die G1.( 12-27) wird somit zu
@esollte demnach fiir hochmolekulare ungesttirte Knauel eine universelle Konstante sein, die Flory-Konstante. Sie besitzt nach der Kirkwood-Riseman-Theorie einen Wert yon 4,22.10z4 mol-1 (s. oben). Aus diesem Wen ergibt sich fiir ungestorte Knauel Qv,e E Rv,ds0 = 0,874, w2hrend fiir harte Vollkugeln Q,,h = Rsph/S = (5/3)ln = 1,291 gilt.
finden sich in der Literatur verschiedene Werte. teils ohne physikalische Einheiten, teils, Fiir weil andere physikalische Einheiten als hier verwendet wurden und teils, weil auf den Fadenenden&stand anstelle des Trilgheitsradiusbezo en wurde. Bei Bezu auf den Fadenendenabstand erMt man %,r= 2,87.1pmol-l, da %,r= [q]M/$)., =[~lM/(6~” (s2),$”).
Im Grenzfall hoher Molmassen sind die Flory-Konstanten ungesttirter Kniuel in der Tat unabhiingig von der Molmasse (Abb. 12-12). Sie sind aber niedriger als der von der Kirkwood-Riseman-Theonevorhergesagte Wert von 4 j =~ 4,22-1e4 mol-l.
3
102
1 6
104
1 6
-M,/ (g mol-1)
106
107
+
Abb. 12-12Molmassenabhilngigkeit derG-Werte von Poly(styro1) (PS)im Theta-Uisungsmittel Cyclohexan (C) bei 345°C [17]und im guten L(lsungsmitte1Toluol 0 bei 15°C “1, Poly(hexy1isocyanat) (PHIC)in Hexan bei 25°C [191und Schizophyllan (Sch) in 0,Ol m o m NaOH bei 25°C [20].
416
12.3. Grenzviskositatszahlen
Die von Zimm revidierte KR-Theorie fiihrt bei Bezug auf den Tragheitsradius zu einem tieferen Wert von 1024@/m01-1 = 3.69 statt 4,22 (bei Bezug auf den Fadenendenabstand: 0.251 statt 0.287). Der Wert von 3,69.1G4 mol-1 entspricht f i r einige Polymere einem "mittleren" experimentellen Wert:
e = 3 4 5 " ~10-%e/m01-1 = 3 9 4 f 0,06 Cyclohexan Poly(styro1) Amylose (synthetische) Dimethylsulfoxid 8 = 25°C 10-24@e/m01-1 = 3 3 9 f OSO Poly(isobuty1en) i-Amylvalerat e = 25°C lO-24@e/m0l-~= 3 3 8 f 0,12 Poly(methylmethacry1at) Acetonitxi1 e = uoc 10-%&1101-1 = 3.33 0,11 e =3 4 3 " ~10-24@e/11101-1 = 2,99 f 0,13 Poly(a-methylstyrol) Cyclohexan
*
Verschiedene Theta-Ldsungsmittel konnen aber bei etwa gleicher Theta-Temperatur je nach der Grdsse der spezifischen Polymer-Lbsungsmittel-Wechselwirkungenzu unterWerten schiedlichen ungestorten Dimensionen und damit auch zu verschiedenen @efiihren (vgl. dazu Tab. 10-6). Anders als Poly(styrol), Poly(a-methylstyrol) usw. bilden Poly(hexy1isocyanat) und das Polysaccharid Schizophyllan wunnartige Ketten und nicht flexible Knluel. Bei derartigen Polymeren zeigen die berechneten Oe-Werte ein recht bizarres, noch nicht erklgrtes Verhalten (Abb. 12-12).
Tab. 12-6 Beziehungen zwischen den Tragheitsradien so= K s , N 1 R ,Stokes-RadienR D =~u ( 6 z) mit b,e= K D , & ' ~ und Einstein-Radien Rv,e = (6 [t~]&f/20x N A ) ' ~mit [q]e= KV,&ln ungest6rter Knauel bei Poly(a-methylstyrol) (PAMS), Poly(styro1) (PS) und Poly(methylmethacry1at) (PMMA) in Theta-Usungsmitteln. PMMA Experimeller modifizierte Physikalische Physikalische PAMS PS KirkwoodEinheit Cyclohexan Cyclohexan Butylchlond Mittel8 = 343°C 8 = 343°C 8 = 35,4"C wert Riseman-Theone
GrW
Ks, KD.0
KV.0
nm nm mL/g
SdRD.0
1
scJRv.0 RD.dRv.0
1 1
12.3.7.
0,0290 0,385 0,073 1,42 1,28 1,11
0,0290 0,432 0,090 1,27 1,20 1,05
0,02 19 0,365 0,053 1.13 1,08 0,95
1.27 f 0,14 1,19 k 0,lO 1,04 k 0,08
1.28 1,20 1,07
Gestorte Knauel
Die ZaNenkonzentration an Segmenten im Zentrum sowohl ungestdrter als auch gestarter Kn2uel nimmt mit steigender Molmasse rasch ab. Eine Durchspiilung (falls vorhanden) sollte ebenso rasch zunehmen. Die Exponenten a sollten entsprechend von a = 1/2 bei kleinen Molmassen zu a = 1 bei hohen ansteigen. Man findet jedoch nur Werte bis a = 0.76 (Abb. 12-10). Da flexible Ketten sich in Theta-Ldsungen wie ungestorte Knauel verhalten, wird allgemein angenommen, dass man auch in guten Ldsungsmitteln Durchspulungen vemachlassigen kann. Werte von a > 1/2 sollten entsprechend praktisch nur durch den Einfluss der ausgeschlossenen Volumina zustande kommen.
417
12. Viskositcit veraknter Usungen
Die Mean-field-Theone geht von G1.(12-27) in der allgemeinen Schreibweise fiir gesttirte Kniiuel (s statt so) aus und fiihrt dann die Beziehung (s2)lI2 = K J P ein: (12-29)
[ q ]= @(s2)3/2/M = 4Ks3M3v-1 = KvMa
;
a=3v - 1
Der obere Wen von v = 0,588 fiihrt bei gesttirten Kniueln aus flexiblen Ketten zu einem oberen Wert von a = 0,764. Die Theone sagt auch voraus. dass @ keine Konstante ist, sondem vielmehr mit steigender Molmasse laufend a b m t (Abb. 12-12). Triigheitsradien gest6rter Kniuel sind gegeniiber ungesttirten um einen Expansions~ ) l n Die Expansionsfaktoren der viskosimetrischen Radien faktor a, = ( ( ~ ~ ) / ( s 2 )gr6sser. sollten analog einen Ausdruck a, = ([q]/[q]e)1/3 befolgen. G1.(12-29) wird dann zu:
Triigheitsradien s und Viskosititen q erfassen in guten L6sungsmitteln verschiedene Radien (a,f a,). Nach theoretischen Berechnungen soll av3= a,q mit q = 2,43 fir iiquivalente Kugeln und q = 2,18 fUr 2quivalente Ellipsoide gelten. D a m s ergeben sich Werte von @$mol-l = 3,76 f 0,17 (Quivalente Kugeln) bzw. 4,21 f 0.26 (Iquivalente Ellipsoide) fiir Poly(styro1) im guten Llisungsmittel Toluol bei 15OC. Da man fiir das Theta-Ltisungsmittel Cyclohexan den innerhalb der Fehlergrenzen identischen Wert 3.94 f 0.06 findet, kann man mit dieser Methode nicht zwischen iquivalenten Kugeln und iiquivalenten Elliposiden unterscheiden (vgl. Tab. A 12 fiir @-Werte).
12.3.8.
Verzweigte Polymermolekiile
Bei verzweigenden Polyreaktionen bleibt der Verzweigungstyp erhalten, warend das Ausmass der Verzweigung meist systematisch mit der Molmasse zunimmt. Solche Molekule sind aber nicht selbstwich, was bedeutet. dass bei ihnen K, und a nicht uber den gesamten Molmassenbereich konstant sind. Verzweigte Makromolekiile werden gewlihnlich durch einen viskosimetrischen Verzweigungsparameter g, = [ qlb,4[q11h charakterisiert. Er ist mit dem entsprechenden Parameter g , = ( s 2 ) ~ / ( s 2 >der l ~Trigheitsradien (Kap. 4.6) und der jeweils fiir verzweigte und lineare Polymere angesetzten Gleichung [ql = @ e ( ( ~ ~ ) , ~ n / M )uber a,~
verknupft. g 2 t misst dabei den Einfluss der Molekularchitektur auf die durch die Verzweigung bewirkte Schrumpfung des Molekulkniuels, %,$hin,e die intramolekularen hydrodynamischen Wechselwirkungen und (av,b/av,1in)3 den Einfluss des ausgeschlossenen Volumens. Altemativ kann man auch einen Verzweigungsparameter hv = Rv,bJRv,lin uber die Einstein-Radien R, definieren. Mit [q] = 10 IC N*RV3/(3M) (G1.(12-17)) erhat man (12-32)
gv = h,3
(h3-Regel)
12.3. Grenzviskositcitszahlen
418
- .
102
lb
104
- M,
16 /(B mol-1)
106
107
+
Abb. 12-13 [q] =AM,) bei unterschiedlich verzweigten Polymeren (Konstitution siehe S. 421). B = Statktisch venweigte Poly(ethy1en)e niedriger Dichte in T e W n bei 120°C [XI. D = Dendrimere mit 3.5-Dioxybenzyliden-Einheiten in Tetrahydrofuran bei 30°C [22]. H = Hypervenweigte Polymere der 3,5-Diacetoxybe~~ure in Tetrahydrofuran bei 25°C [23]. K = Kammpolymere aus Poly(methylmethacry1at)-hmm-Poly(styro1) in Toluol bei 25OC [%I. L = Lineare Poly(ethy1en)ehoher Dichte in Tetralin bei 120°C [21]. S = Hypwverzweigte Poly(a,&-lysin)e in N&-Dimethylformamid bei 25OC; p = 1,18 g/mL 1251.
Statistisch verzweigte Polymere Bei Kettenpolyrnerisationen mit Ketteniibertragungen zum Polymeren sowie bei den meisten Polykondensationen und Polyadditionen von multifunktionellen Monomeren entstehen statistisch verzweigte Polymere, deren Verzweigungstyp und -grad von den Reaktionsbedingungen abh2ngt. Durch Insertionspolymerisationen erzeugte hohexmolekulare lineare Poly(ethy1en)e PE-HD (E: linear high-density poly(ethylene)s, HDPE) befolgen 2.B. in guten Liisungsmitteln die KMHS-Gleichung mit a = 0,74 (Abb. 12-13), wie man es fiir gestorte Knluel aus linearen Makromolekulen envartet. Durch radikalische Polymerisation entstandene Poly(ethy1en)e niedriger Dichte PE-LD (E: lowdensity poly(ethylene)s, LDPE) weisen dagegen im lg [ q ]=fog M)-Diagramm eine gekriimmte Kurve auf. da der Anteil der gebildeten Kurz- und Langkettenverzweigungen systematisch mit steigender Molmasse zunimmt. Diese Polymeren sind nicht s e l b s W i c h . Sie verhalten sich bei niedrigen Molmassen wie gestorte Knauel (a = 0,74), bei htiheren Molmassen dagegen wie hochsolvatisierte Kugeln (a= 0; [q]- = 210 mL/g). Im ungesttirten Zustand sind die Ausdehnungskoeffizienten a, gleich 1. Bei abwesenden intramolekularen hydrodynamischen Wechselwirkungen wird auch h,e/@;n,e gleich 1 und G1.(12-30) wird zu gv,e = gS3.g (Thurmond-Zimm-Theorie). Bei anwesen# 1. Die Beziehung zwischen den intramolekularen Wechselwirkungen ist @t,r,e/Q;n,e den beiden Verzweigungsparametem lasst sich dann fiir undurchspiilte lineare Polymermolekiile ganz allgemein als g,,e = gte schreiben. Die gleiche Beziehung wird von der Zimm-Kilb-Theorie fiir Stemmolekule mit gleich langen Amen geliefert. Diese auf dem Rouse-Modell aufbauende Theorie liefert w = 112 fiir undurchspiilte und o = 1 f i r durchspulte Sternmolekule.
419
12. Visbsitdt verdiinnter Ltisungen
0
0,2
-
0,4 0.6 g,,
0,8
1
Abb. 12-14 gv,eals Funktion von gS,, fiir ( 0 )statistisch verzweigte Poly(dodecylmethacry1at)e im Theta-UsungsmittelPentanol und fiir (0 ) statistisch verzweigte Copolymere aus Styrol und Terrachlordivinylbenzolin verschiedenen Theta-Bungsmitteln.Daten s. Abb. 12-15. Kurata-Fukatsu-Thrie fiir statistische Venweigungen gleicher h g e ; -- ThurmondZimm-Theorie crz)fiir statistisch verzweigte Polymere; - - - Themien fiir Stemmolekulemit jef Armen nach Smckmayer-Fixman (SF)und Zimm-Kilb (ZK)(d = durchspiilt, u = undurchspiilt).
-
Die AbhZngigkeit statistisch verzweigter Polymennolekule des Verzweigungsparameters gte von der Zahl Nbr der Verzweigungspunkte pro Molekiil l a s t sich durch die halbempirische Bohdanecky-Gleichung I/& = A + BNb,1/2 ausdriicken. Nbr ist mit M = Mbb + N h M h durch die Molmassen M des gesamten Molekiils. Mbb des Riickgrats und M b der mittleren Zweige ausdriickbar, was mit & = gg,e zu G1.(12-33) fiihrt (nllchste Seite). Abb. 12-15 zeigt eine Auftragung nach dieser Gleichung fiir selbstverzweigende (PE-LD. PDMA) und ein iiber ein Verzweigemonomer verzweigtes Copolymer. 8
I -a_---
0
lo00
2000
__-. .____-----_.-PS-TCDVB
- MIi2 / (g mol-I)ln +
3000
Abb. 12-15 Bohdanecky-Auftragung fiir die Abhiingigkeit von [q]h,$[q]bra von der Molmasse M statistisch verzweigter Polymerer. PE-LD= Poly(ethy1en) niedriger Dichte, PDMA = Poly(dodecy1methanylat), PS-TCDVB = Poly(styrol-co-te~etracNordivinylbenzoat) [26]. Der Ordinatenabschnitt sollte theoretisch 1 betragen. Die Funktion muss daher bei kleinen M-Werten gekriimmt sein.
420
12.3. Grenzviskositatszahlen
Die Bohdanecky-Gleichung lautet
Die Geraden der Abb. 12-15 lassen sich mit A = 0,81 und B = 0,238 beschreiben, d.h. mit w = 0.8. Die mittlere Molmasse Mb/(g mol-I) der Zweige berechnet sich daraus zu 7140 (PE-LD), 250 OOO (PS-TCDVB) und 1 030 OOO (PDMA). Der letztere Wert stimmt gut mit dem aus Trigheitsradien ermittelten Wert von 1 140 000 uberein. Die G1.(12-33) scheint immer zu gelten, wenn die Molmasse des Molekuls vie1 gasser als die Molmasse des Ruckgrats ist.
Sternpolymere Stemplymere besitzen einerseits wie Dendrimere ein Zentrum, von dem f Arme ausgehen. Anders als bei Dendrimeren sind die Arme jedoch linear. Die Arme konnen sich femer bei genugender Ltinge und bei ausreichendem Abstand vom Zentrum einkniueln. Die Beziehung [q]= A M )ist daher nicht ohne Weiteres vorhersagbar. Die Stockmayer-Fixman-Theorie beriicksichtigt. dass der Fluss des Ldsungsmittels durch Stemmolekiile anders als bei den entsprechenden unverzweigten Molekulen ist. Die Reibungskoeffizienten von Sternmolekulen unterscheiden sich daher von denen, die nur fiir rein geomeuische Effekte berechnet werden. Die fiir eine Translationsdiffusion berechneten Verzweigungsparameter fiir Stemmolekiile mit f gleichen Armen sollen gemiss der h3-Regel auch fiir Viskositatsmessungen gelten:
Der mit der Stockmayer-Fixman-Theorie berechnete Kurvenverlauf ist in Abb. 12-14 fiir verschiedene Zahlen f der Anne wiedergegeben. Experimentelle gV,e-Werte sind grtisser als von der SF-Theorie vorhergesagt, aber kleiner als die mit der Zimm-KilbTheorie berechneten (in Abb. 12-14 nicht eingezeichnet). Experimentell findet man aber bei genugend hohen Molmassen lineare Beziehungen zwischen lg [q] und log M (Abb. 12-16). Die Exponenten a der [q]=AM)-Beziehungen stemformiger Poly(butadien)e unterscheiden sich dabei fur gute Ldsungsmittel nur unwesentlich von denjenigen linearer Poly(butadien)e: 0,697 cf= 2), 0,715 (f= 64)und 0,734 (f= 128). Dieses Verhalten, das an dasjenige von gestorten Kniueln linearer Polymermolekule gemahnt, wurde mit einem Blob-Mode11 erklirt, bei dem die Blobs vom Kern der Stemmolekiile bis zum iusseren Rand des Molekuls immer grosser werden.
Hyperverzweigte Polymere Die einfachsten hyperverzweigten Polymeren entstehen aus A2B-Monomeren, bei denen nur A-Gruppen mit B-Gruppen reagieren kdMen, nicht aber A mit A oder B mit B (Band I). Vemetzungen sind daher nicht mbglich, WONaber starke Folgeverzweigungen, deren Typ und Verteilung von der Monomerstruktur und dem Mechanismus der Polyreaktion abhhgen. Gleichzeitig entstehen auch mehr oder minder breite Molmassenverteilungen. Da Typ und Breite der Verteilungen im Allgemeinen nicht bekannt sind, kann
42 1
12. Viskositat verdiinnter Losungen linear
lineax
\ c (
E
I
64-Stem 128-Stem
100
128-Stem
30
Abb. 12-16 Grenzviskositsltszahl=AMolmasse)bei linearen 1,4-Poly(butadien)enund bei Stempolymeren mit 64 und 128 Poly(butadien)-Armenim guten Losungsmittel Cyclohexan bei 25OC (-) bzw. im Theta-Usungsmittel1.4-Dioxan bei 26,S°C (- - - -) [27]. Das Zentrum besteht bei den 64und 128-armigenSternen aus Vinylcarbsilan-Denderen der Generationen 3 und 4. a = 1/2 (ThetaLtisungsmittel)bzw.0,70 (linear), 0,715 (64-Stem), 0,734 (128-Stem).
man die den Grenzviskositltszahlen entsprechenden korrespondierenden Molmassenmittel nicht berechnen. Die Beziehungen zwischen Grenzviskositatszahlen und z.B. Massenmitteln der Molmasse sind daher in der Regel systematisch veflscht. Aus allen diesen Griinden lassen sich bisher bei hypervetzweigten Polymeren keine dgemeingiiltigen Aussagen uber deren [q]-M-Beziehungen machen. Die Grenzviskositatszahlen von hyperverzweigten Poly( a,&-1ysin)enbetragen z.B. unabh2ngig von der Molmasse [ q ] = 2,s mL/g (Abb. 12-13), warend sich mit der Dichte p = 1,18 g/mL des Polymeren und [ q ]= 5/(2 p) bei Kugeln (a = 0) ein [ q ] = 2,12 mL/g berechnet. Diese Polymeren sind also noch leicht solvatisiert. Die hyperverzweigten Polymeren der 3,5-Diacetoxybenzoes~ureweisen dagegen bei 25°C in Tetrahydrofuran einen Exponenten a = 1/2 auf (Abb. 12-13). Da diese Polymeren nicht linear sind und daher auch keine klassischen ungestorten Knauel rnit einer Gauss-Verteilung der Segmente bilden konnen, muss der Exponent durch eine andere Dichteverteilung bedingt sein. Welche, ist zur Zeit noch unklar. --C-CH-(CHd4-NHII I 0 NH-
sc-lysin-Einheit
-C II 0
4'-Go-CH,
0-
3,5-Dioxybenzoyl
\
/
0-
3,5-Dioxybenzyliden
Dendrimere Dendrimere sind Polymere mit regelmassigen Folgeverzweigungen und in der Regel recht kurzen Segmenten zwischen zwei aufeinander folgenden Verzweigungsstellen (Kap. 4.6.3). Sie sind keine Vollkugeln, da ihre Tragheitsradien nach (s2>ll2= KsMa rnit a zwischen ca. 0,25 und 0,35 zunehmen. Ihre Streufunktionen deuten an, dass sie sich wie Kugeln rnit einer von innen nach aussen abnehmenden Dichte verhalten (S. 165). Fur derartige Molekule fehlt ein anerkanntes hydrodynamisches Modell.
422
12.3. Grenzviskositatszahlen
Bei Dendrimeren scheinen die Grenzviskositatszahlen rnit zunehmender Molmasse stets (?) durch ein Maximum zu gehen (Abb. 12-13). Dieser Befund wird wie folgt erkllrt. Grenzviskosit2tszahlen sind nach [q] Vh/M dem Verhiiltnis von hydrodynamischem Volumen v h und Molmasse M proportional (Gl. 12-17)). Die Molmassen nehmen dagegen nach M NG3 rnit der dritten Potenz der Generationema NG zu. Die VerhdtniSSe (VH/M)/NG~betragen 2,67 (NG = 2), 3,86 (3), 4,27 (4), 4,03 (5), 3,43 (6),2,Ol (81, 0.98 (10) und 0,103 (15). Die Grenzviskosit5tszahlen von Dendrimeren sollten daher rnit steigender Molmasse durch ein Maximum laufen.
-
-
Kammpolymere Hochmolekulare Kammpolymere mit einem Poly(methylmethacry1at)-Riickgrat und Poly(styro1)-Seitenketten weisen im guten Losungsmittel Toluol ein a = 0,764 auf. Sie verhalten sich in diesem Molmassenbereich wie gestorte Knluel (Abb. 12-13). Bei niedngen Molmassen benehmen sie sich dagegen wie solvatisierte Kugeln (a =. 1/2). Der Ubergang von Kugeln zu Knaueln erfolgt, wenn der Polymerisationsgrad der Hauptkette ungef3hr doppelt so gross wie derjenige der Seitenketten ist (Xhaupt = 58; Xseite = 28). Er ist recht scharf. Ein W i c h e s Bild zeigt sich bei Kammpolymeren mit einem ubenviegend isotaktischen PMMA-Riickgrat und it- bzw. st-PMMA-Seitenketten (Abb. 12-17, links) und W i c h bei einem st-PMMA-Ruckgrat und st- oder it-PMMA-Seitenketten (Abb. 12-17, rechts). Auch hier gibt es wie beim Poly(methylmethacry1at)-kamm-Poly(styro1)ein Plateau bei Molmassen von ca. 104 dmol und danach einen steilen Anstieg. Bei Molmassen unter ca. 104 dmol fallen die [q]-Werte weiter ab. Zusatzlich sind starke Einflusse der Talctizitit vorhanden, vermutlich wegen der entlang der Kette sehr eng aufeinander folgenden Seitenketten. isotaktische Hauptkette
syndiotaktische Hauptkette
.
14 12 O
.
10 9
8
5
3
10
30
100
3
10
- 10-3 M / ( g 11101-3)
30 +
100
Abb. 12-17 Beziehungen zwischen Grenzviskositt4tszahlen und Molmassen bei Poly(methy1methacry1at)-kamm-Poly(styro1)enmit Seitenketten unterschiedlicher Taktizitat [28]. - - - H [171 =AM) fiir isotaktische (links)bzw. syndiotaktische (rechts) Homopolymere des Methylmethacrylats. Links: it-PMMA-Hauptketten(4= 0,80); PS-Seitenketten rnit x, = 0,94 oder 4 = 096. Rechts: st-PMMA-Hauptketten (xs= 0,86k 0,02); PS-Seitenketten rnit x, = 0,94 oder xj = 0,96.
423
12. Viskositat verdunnter Liisungen
12.3.9.
Scheibchen
Homologe Reihen von kompakten scheibchenartigen Makromolekulen sind nicht bekannt. Die Theone sagt fiir sie in [q]= KvMa einen a-Wert von -1 voraus.
12.3.10.
Polyelektrolyte
Bei Polyelektrolyten setzt der nicht-Newton'sche Bereich schon bei um mehrere Dekaden genngeren Schergeschwindigkeiten als bei neutralen Polymeren ein, vor aLlem bei niedrigen Fremdsalzkonzentrationen. Viele der in der Literatur berichteten - meist mit Kapillarviskosimetem bei f > 500 s-l erhaltenen - Viskosititszahlen qred sind daher durch Schereffekte verfidscht. Es sind diese noch scherabh2ngigen qred-Werte, die durch die Fuoss-Gleichung linearisiert werden (Kap. 12.2.2). Bei Newton'schem Verhalten werden die Beziehungen zwischen qsp bzw. qred und der Polymerkonzentration noch stark durch die Fremdsalzkonzentration und den uberstrichenen Konzentrationsbereich beeinflusst (Abb. 12-6 und 12-7). Die dann mit den ublichen Funktionen f i r qred =f(c) erhaltenen Grenzviskositatszahlen reflektieren diese Einflusse, was sich wiederum in den Funktionen [q]= A M ) widerspiegelt. Anders als bei Nichtelektrolyten geben daher die Exponenten a nur Interpolationswerte fiir bestimmte Konzentrationsbereiche der Polyelektrolyte und der zugesetzten Fremdsalze sowie der Molmassenbereiche an und nicht universelle Werte. Die a-Werte nehmen dabei mit fallender Fremdsalzkonzentration zu (Tab. 12-7). Tab. 12-7 Konstanten K, und a der KMHS-Beziehung fiir Polyelektrolyte mit relativen Molmassen zwischen 1 6 und 3-106in wksrigen NaC1-Usungen der Konzentration [NaCl]bei 25°C. Polymer
maClJ/(molL-l)
Namumhyaluronat
0,Ol 0,06 03 0,Ol 0,l 0,s
Poly (N-methyl-2-vin y lp yridmiumchlorid)
ci
0,916 0,830 0,785 0,86 0.77 0,63
lo3 K,/(mL g') Autor
12,l 20,9 25,3 0,0786 0,0840 0,268
[291 [291 [291 1301 [301 [301
A 12. Anhang: Flory-Konstanten Teilchenform Kugel, kompakt, unsolvatisiert Ellipsoid, kompakt, zigarrenformig Ellipsoid, kornpakt, zigarrenformig Ellipsoid, kompakt, linsenformig Ellipsoid, kompakt, linsenformig Knauel, ungestort Knauel, gestilrt
A
1 2 3-300 2 3-300
10-24
Q/moI-1
1337 7,336 7,199 3,69 2,31
1 0 6 p/rnol-ln 9,802 9,874 8,867.A'. 24 9,831 9,828.A0*w2M7 9,806 13,04
''
424
Historische Notizen zu Kap. 12
Historische Notizen Konzentrationsabhangigkeit S.F.Anhenius, Z.physik.Chem 1(1887) 285 Logarithmischer Ausdruck In qrel = Kc fiir die Konzentrationsabhllngigkeit der ViskosiClt von Elekwlyten. Diese Gleichung wurde spater von mehreren Forschergruppen auch fiir kolloidale Nichtelekmlyte verwendeL H.G.Bungenberg de Jong, H,R.Kruyt, J.Lens, Kolloid-Beih. 37 (1933) 395 H.Staudinger, W.Heuer, Z.physik.Chem. A 171 (1934) 129 Ersatz der Arrhenius-G1. durch G1.(12-2) mit k = kM[qJ. A.F.Martin, 103rd Am.Chem.Soc.Meeting (Memphis), Div. of Cellulose Chem., C 1,23 (1942) 4 Ersatz von k durch L34[q].kM ist fiir Polymerhomologe eine Konstante. M.L.Huggins, J.Arn.Chem.Soc. 64 (1942) 2716 Einfiihren der Huggins-G1.(12-3). Mittelwerte WPhilippoff, Ber.Dtsch.Chem.Ges. 70 (1937) 827 Die Grenzviskositiitszahlen molekularuneinheither Polymerer sind Massenmittel der GrenzviskosicusZahlen der Kompenten. E.O.Kraemer, W.D.Lansing, J.Phys.Chem. 39 (1935) 153 Die Molmasse in [q]= KvM ist ein Massenmittel. P.J.Flory, J.Am.Chem.Soc. 65 (1943) 372 Die Molmasse in der KMHS-Beziehung [q]= &Ma ist ein ViskosiBtsmittel. Theorien fiir [ q ] = KvMa Empirische Kuhn-Mark-Houwink-Sakurada-Gleichung [q]= K,,Ma: siehe Band I, S. 100. Fiir a wurden bei Kniluelmolekiilen histonsch die folgenden Werte vorgeschlagen: 1 (Staudinger und Heuer, 1930), 2/3 (Haller 1931, theoretisch), 0,84 (Kuhn 1934, theoretisch), zwischen 0,s und 1 (Mark 1938, Sakurada 1940. Houwink 1941; alle empirisch). J.G.Kirkwood, J.Riseman, J.Chem.Phys. 16 (1948) 565 [q]=AM)fiir frei durchspiilte und undurchspiilte Knauel. PJ.Flory, T.G.Fox, J.Am.Chem.Soc. 73 (1951) 1904 [qI= @tc> M J . Entsprechend der Repzutionstheorie (Gl.(l4-5)) sollte dann der Diffusionskoeffzient der Testkette nur vom Quadrat der Molmasse der Testkette abwgen. nicht aber von der Molmasse der Matrix (Abb. 14-7). 3. Wenn Testkette und Matrix jedoch vergleichbare Molmassen aufweisen, sind die “Wtlnde” des Tubus nicht mehr starr. Der Testkette benachbarte Matrixketten entfemen sich vielmehr von den Punkten, von denen sie auf die Testkette einwirken. Die Hemmungen fallen weg und der Tubus wird emeuert. Es wird angenommen, dass die Diffusionen durch Tubuserneuerung und durch Reptation unabh2ngig voneinander erfolgen:
Der Diffusionskoeffizient Der der Tubuserneuerung wird von der Molmasse M m der Matrix, der Molmasse M e zwischen den Verhakungsstellen und der Zahl z dejenigen Kettensegmente mit der Ltlnge einer primitiven Kette kontrolliert, welche die diffundierende Kette hemmen. Die theoretische Berechung ergab
wobei Krep durch GL(14-5) gegeben ist und qz = (48/25)(12/1t~)~-~z gesetzt wurde. Aus den G1.(14-8) und (14-5) erh2lt man dann fiir den beobachteten Diffusionskoeffizienten Dt der Testkette die Beziehung
Da qz und Me Konstanten sind, kann man fiir den allgemeinen Fall schreiben (14-10)
Dt = KMmxM$‘
Die von der Theorie fiir die verschiedenen Molmassenbereiche geforderten Exponenten x und y stimmen gut mit dem Experiment uberein (Tab. 14-1).
Tab. 14-1 Exponenten x und y der Abhugigkeit der D&fusionskoeffuientenD,markierter Poly(styr01)e. von ihren Molmassen M 1bzw. den Molmassen M, der aus nichtmarkierten Poly(styr0l)enbestehenden Matrix bei konstanten Anteilen des freien Volumens von 0,042 [ 101. Bereich
Exponent x von M, Thmrie Experiment
Stokes-Einstein
-1
- l,o
TUbUS-ErneuerUng
-3 0
0
Reptation
* 0.1
- 2,8 k 0,3
Exponent y von M, Theorie Experiment - 0,500 -1
-2
- 0.57 f 0.05 - 1,oo - 2,o
Stemformig verzweigte Makromolekiile diffundieren in Matrizen aus linearen Polymeren sonst gleicher Konstitution schneller als lineare Polymere gleicher Molmassen (Abb. 14-8). Man nimmt an, dass die Selbstdiffusion bei genugend hohen Molmassen dann nicht nur durch Tubusemeuerung zustande kommt, sondem auch durch eine Art
478
14.3. Transport kleiner Molekiile durch Polymermatrizen
"L
I
10-18
J 1 6
104
1 6
106
- M, / (g rnol-1) ----+
107
--
Abb. 14-8 Diffusionskoeffzienten D,von sternartigen Poly(styro1)en rnitf= 4 (0)bzw.f= 8 (0) Armen [l11 von der Molrnasse M,,, linearer Poly(styro1)e als Matrixrnolekiile, verglichen rnit den Selbstdiffusionskoeffmientenlinearer Poly(styro1)e (f= 2) rnit gleichen Molmassen (- - - : Daten der Abb. 14-6).Matrizen aus Mikrogelen (0)und intermolekularen Netzwerken (H) verhalten sich wie Makrornolekiile unendlich hoher Molmasse. Einziehen der Anne. Beide Prozesse sollen unabh2ngig voneinander erfolgen. Der Beitrag des Armeinzugs ruft wahrscheinlich die beobachtete Abhtingigkeit der Diffusionskoeffizienten von der -2.5. Potenz der Molmasse der Matrix anstelle der von G1.(14-8) geforderten -3. Potenz hervor (vgl. auch Abb. 14-7).
14.3.
Transport kleiner Molekiile durch Polymermatrizen
14.3.1. Ubersicht Polymere sind im Gegensatz zu Metallen fiir Gase und viele niedermolekulare Flussigkeiten durchlissig. Der Transport von Verbindungen in Polymere hinein und durch Polymere hindurch ist manchmal erwiinscht wie beim Firben von Fasem und Geweben oder beim kontrollierten Verabreichen von Pharmaka durch die Haut. In vielen F a e n ist ein solches Ein- oder Durchdringen jedoch unerwunscht, z.B. bei der Migration von Weichmachem in Polymeren oder beim Austritt von Kohlendioxid aus kohlensiurehaltigen Getrtinken in Kunststoffflaschen. Eine Permeation kann nach zwei verschiedenen Mechanismen erfolgen, durch eine Diffusion bzw. einen Fluss in Poren oder durch einen Transport von in Polymeren molekular geltisten Substanzen. Bei Membranen (= diinnen, fliichigen Gebilden) unterscheidet man entsprechend Poren- und Uslichkeitsmembranen. Als Poren werden dabei im Polymeren vorhandene Kan2le definiert, deren Durchmesser vielfach grtisser als der Durchmesser der permeierenden Molekule ist. Beim Transport durch reine Porenmembranen sind daher Wechselwirkungen der transportierten Substanz mit dem Membranmaterial vemachlhsigbar. Bei Uslichkeitsmembranen treten umgekehrt Wechselwirkungen der permeierenden Substanz mit dem Membranmaterial auf.
479
14. Transport in Polymeren
Tab. 14-2 Permeationskoeffuienten P von Stickstoff in Poly(ethy1en) bzw.Pergamentpapier,ein rnit S c h w e f e k behandeltes Cellulosepapier.
0°C
30°C
Pa-') bei T = 50°C
25 1120
210
740
940
930
10'4 P/(cm2
pOly(e.thylen) Pergameatpapiex
70°C
2200 840
Beide Transportarten sind oft iiber die Temperatur- oder Druckabhibgigkeit der Permeationskoeffizienten P unterscheidbar. die sowohl von der Diffusion als auch der U s lichkeit abhbgen (vgl. weiter unten). Bei nicht weichmachenden Gasen wird die Permeation nicht vom Druck beeinflusst; ein Druckeffekt zeigt Poren oder Haarrisse an. Stickstoff ist in Poly(ethy1en) ltislich; es diffundiert via Platzwechselprozesse rnit den Polymersegmenten. Diese Diffusion nimmt mit steigender Temperatur zu und der Permeationskoeffizient wird entsprechend grijsser (Tab. 14-2). Pergamentpapier weist dagegen echte Poren rnit Durchmessem im Nanometer- bis Mikrometer-Bereich auf. Da der Diffusionskoeffizient der Gase deren Viskositait reziprok proportional ist und die Viskositait der Gase rnit steigender Temperatur gasser wird, nehmen Diffusions- und Permeationskoeffizienten entsprechend ab. Das Gegeneinanderspiel der beiden Diffusionsarten nutzt man bei Laminaten aus zwei verschiedenen Filmen aus. Sauerstoff diffundiert z.B. durch Poly(ethy1en)-Folien nach einem Ltislichkeitsmechanismus,durch Aluminium-Folien dagegen durch bei der Produktion entstandene Poren. Sauerstoff tritt z.B. durch 0,025 mm dicke Aluminium-Folien rnit Poren von 1 pm Durchmesser bei Druckunterschieden von lo5 Pa (= 1 bar) rnit Geschwindigkeiten von 5.1e5 cm3/s durch. Nach dem Laminieren der Al-Folien rnit 0,025 mm starken Poly(ethy1en)-Folien gleicher Dicke sinkt die Geschwindigkeitjedoch auf 5.10-13 cm3/s ab.
14.3.2.
Permeationskoeffizienten
Die durchtretende Substanz wird nachstehend Permeant genannt, die durchquerte Materie Matrix. Permeanten k6nnen Gase, reine Fliissigkeiten (einschl. Weichmacher) oder in Flussigkeiten geltiste Substanzen sein (Farbstoffe, Pharmaka usw.). Die Matrix kann eine Membran, eine Folie oder einen dickwandigen Ktirper darstellen. Befindet sich ein Permeant zu beiden Seiten einer Matrix in unterschiedlichen Konzentrationen. so wird er solange durch die Matrix permeieren. bis die Konzentrationsdifferenz ausgeglichen ist. Beispiele sind Gase rnit dem Druck p gegen Vakua oder Ltlsungen rnit der Konzentration c gegen reine Ltisungsmittel oder Luft. H a t man dagegen eine konstante aiussere Konzentrationsdifferenz A c aufrecht, z.B. bei Gasen durch einen Druckunterschied Ap zu beiden Seiten der Matrix, so wird sich entsprechend ein Konzentrationsunterschied Aw des Permeanten in der Membran einstelen. Im einfachsten Falle der permanenten Gase gilt das Henry'sche Gesetz: (14-11)
AW =SAP
14.3. Transport kleiner Molekule durch Polymertnatrizen
480
Der Verteilungskoeffizient S des Permeanten wird Loslichkeitskoeffizient genannt (E: solubility coefficient). Misst man z.B. Ap als Druck und Aw als Massenbruch, dann besitzt S die physikalische Einheit eines reziproken Druckes. Bei Fliissigkeiten wird dagegen Ap als Konzentrationsdifferenz Ac gemessen. Die Grlissen Aw und Ac werden hier oft in gleichen Einheiten angegeben und S ist dann je nach Messgriisse ein Volumenbruch. Massenbruch usw., d.h. es besitzt die physikalische Einheit 1. Nach dem Anlegen eines Druckes bzw. einer Konzentrationsdifferenz dauert es eine bestimmte Z i t t l , bis der Permeant auf der anderen Seite der Matrix wieder austritt (Abb. 14-9). Nach G l . ( l l 4 ) erh2lt man fiir die nach der Zeit t durch die Flache A mit dem Fluss Jd permeierte Masse m den Ausdruck (14-12)
m =J&(t-tl)
Wie eine lbgere theoretische Rechnung zeigt, ist die Einstellzeit tl durch die Dicke t m der Matrix und den Diffusionskoeffizienten D des Permeanten gegeben:
Aus der Einstellzeit tl ist somit der Diffusionskoeffizient des Permeanten in der Matrix berechenbar. Nach einer Zeit t = 3 tl wird ein station2rer Zustand erreicht. Bei konzentrationsunabhiingigen Diffusionskoeffizienten kann man dann in Gl.(ll-4) dr durch die Membrandicke L, ersetzen und dc durch die Abnahme Aw der Massenanteile. Der Fluss durch das Polymere wird zu Jd = DAw/L, und man emtilt mit G1.(4-11)
wobei das Produkt aus Diffusionskoeffizient D und Loslichkeitskoeffizient S der Permeationskoeffizient P ist. Mit den G1.(14-12) und (14-13) ergibt sich weiter (14-15)
m=-(PAAp t -
r,
$)
Der Permeationskoeffizient weist die physikalische Einheit eines Diffusionskoeffizienten (Linge*/Zeit) auf, wenn der Loslichkeitskoeffizient als Anteil Aw angegeben wird. Misst man den LCislichkeitskoeffizienten als reziproken Druck (vgl. oben), dann besitzt der Permeationskoeffizient die Einheit L%nge2 Z i t 1 Druck-l. In der Literam werden ca. 30 verschiedene Einheiten fiir P venvendet. Die entstehende Konfusion ist auf die Verwendung "praktischer", aber in der Regel miteinander unvemiiglicher, Einheiten zuriickzufiihren. In den USA wird z.B. haufig die "barrier unit" BU = ccmil/(100 inz.atmday)venvendet (cc = cm3, mil = lP32011, in = Zoll). Bei Gasen misst man m oft in cm3,L , in mm, A in mz, Ap in atm und f i n 24 h. Die so berechneten P-Werte weisen dann nach G1.(14-15) eine physikalische Einheit von (cm3 mm)/(m2 24 h am) auf. Die Anhbfung nichtkonformer Einheiten wird damit begriindet. dass man dann sofort ablesen ktinne, wie sich die Permeation mit den verschiedenen EinflussgrCish/am wiedergegesen andert. Eine solche Einheit wird dann verwimnderweise als z.B. cm3~m/mz/24 ben oder auch a l s cm3/24 h/mz/mm/atm. Man argumentiert ferner, dass beim Zuriickkiirzen der Einheit von P auf Lhge2/Zeit die "physikalische Bedeutung" verloren ginge. Das ist jedoch immer so, wenn eine physikalische Grtisse aus anderen physikalischen Grijssen ermittelt wird (vgl. G1.(11-25)).
14. Transport in Polymeren
48 1
Abb. 14-9 Zeitabhgigkeit &r Permeation verschiedener Gase durch eine Styrolcopolyrner-Foliebei 25°C [12]. Die hderung Am der Masse der Gase ist in willkiirlichen Einheiten angegeben. f gibt die extrapolierte Anlaufzeit tl fiir H2 bzw. C@ an (bei N2 nicht bestimmbar). Die durchgetretene Menge m nimmt somit nach einer Anlaufperiode linear mit der Zeit t zu. falls der Diffusionskoeffizient konzentrationsunabhtingig ist (Abb. 14-9). Bei konzentrationsabh3ngigen Diffusionskoeffizienten verlguft die Permeationskurve konvex zur Zeitachse. Aus der Steigung (PAAp)/L, der Am =fTf)-Kurve l&st sich bei konstanter Druckdifferenz A p der Permeationskoeffizient P berechnen. Aus der extrapolierten Anlaufzeit tl = (PAL,Ap)/(6 D) ergibt sich dam der Diffusionskoeffizient D und aus P = 1)s der Liislichkeitskoeffizient S (Gl.(l4-14)).
14.3.3.
Permeation von Gasen
Die Permeationskoeffizientenvon Gasen in Polymeren variieren in sehr weiten GrenZen (Tab. 14-3). Beispielsweise ist der Permeationskoeffizient von Sauerstoff in Poly(dimethylsiloxan) ca. 10 Millionen mal hiiher als in Poly(acrylnitri1). Diese Unterschiede sind technisch sehr bedeutsam. Die Verpackung von kohlenslurehaltigen Fliissigkeiten verlangt z.B. geringe Kohlendioxid- und geringe Sauerstoff-Durchlassigkeiten.die ersteren, damit der Sprudeleffekt nicht verloren geht, die zweiten. damit nicht Sauerstoff der Aussenluft in die Flasche eindringt und das Aroma zerstiin. Membranen fiir kunstliche Lungen erfordem umgekehrt hohe Sauerstoff-Permeabiliaten. Verpackungen fiir frisches Obst und frisches Gemiise sollen hohe Permeabiliaten fiir Sauerstoff, Kohlendioxid und aus dem Gemiise bzw. Obst freigesetztem Ethylen aufweisen. Polymere oberhalb ihrer Glastemperaturen besitzen im Allgemeinen hiihere Permeationskoeffizienten als solche unterhalb, wie die drei Elastomeren Siliconkautschuk (= vernetztes Poly(dimethylsi1oxan)). Naturkautschuk (= vernetztes cis-1,4-Poly(isopren)) und Butylkautschuk (= vernetztes Copolymer von Isobuten mit etwas Isopren) zeigen. Butylkautschuk weist besonders niedrige Permeabilitltskoeffizienten f i r Sauerstoff und Stickstoff auf und wird daher f i r luftdichte SchlBuche in Reifen verwendet. Thermoplaste haben in der Regel niedrigere Permeationskoeffizienten ds Elastomere, weil sie sich unterhalb der Glastemperatur befinden und don die Bewegung griisserer Segmente eingefroren ist. Spemge Grundbausteine. Orientierungen der Polymerketten, kristalline Bereiche und Fullstoffe vergriissern den Weg, den ein Gasmolekul durch die
14.3. Transport kleiner Molekule durch Polyrnermatrizen
482
Tab. 14-3 Richtwerte fiir Permeationskoeffuienten P* von Gasen und P von Wasserdampf in Polymeren bei 30°C. Die Litemunverte fiir das gleiche System schwanken oft in weiten Gremn, da in der Regel nicht die Einfliisse der KriStalliniUU, Orientierung und Wasserabsorption beriicksichtigt wurden. P* = l-lO-l4cm2 s-l Pa-' entspricht bei Normaldruck P = l.W9 cm2 s-', da dannp = 1.16 Pa. Poly mere
1014 P*/(cm2 s-1 Pa-')
co2
02 Siliconkautschuk Naturkautschuk Butylkautschuk Poly(styrol), normal biaxial orientiert Poly(ethylen), hohe Dichte Poly(vinylch1orid) Poly(vinylalkoho1) Poly(ethylenterephthalat), normal biaxial orientiert Poly(vinylidenchlorid) Cellulose Poly(acry1nitril)
25000 2000 100 200 0 10 1 9 4 0.2
85000 loo00 500 1000 100 50 1 0,Ol 20 1
0,05
Geforderte Hiichstwerte fiir Flaschen, Cola
1 0,05
Bier
HZO 40 03 0.1 1
0,s 0.02 0-1
60 02
0.02
02 0,02 10 0,02
0.5 0,s
0.14 0,14
0,15 0,1
0,03 0,002
109 P/(cm2 s-1)
Matrix zuriicklegen muss. Diese "Umwegfaktoren" setzen die Permeationskoeffizienten herab. Partiell kristalline Polymere wie Poly(acrylnitril), Poly(vinylalkoho1) und Poly(vinylidenchlorid) (mit etwas Acrylnitril oder Methylmethacrylat als Comonomeren) sowie hochverstreckte Kunststoffe wie Poly(ethy1enterephthalat) werden daher d s Barriere-Kunststoffe f i r Verpackungsfilme bzw. Flaschen verwendet. Beim Verstrecken von Thermoplasten zu Verpackungsfilmen diirfen jedoch keine Poren entstehen. Der Permeationskoeffizient wird sowohl durch den Difisionskoeffizienten als auch den LBslichkeitskoeffizienten bestimmt. Der Diffusionskoeffizient ist in der Regel umso kleiner. je griisser der Durchmesser der permeierenden Gasmolekule ist (Tab. 14-4). Ein kristalliner Anteil Xcr der Matrix reduziert in der Regel die Diffusionskoeffizienten der entsprechenden amorphen Polymeren zu D = Dam(1 - xcr). Der Liislichkeitskoeffizient wird ausser von der Kristallinit2t und dem freien Volumen der Polymeren auch noch von deren Wechselwirkung zwischen Polymeren und Gasen kontrolliert. Tab. 14-4 Diffusions-, Uslichkeits- und Permeationskoeffizienten von Gasen mit der Molmasse M und dem Molekiildurchmesser d in vemetztem cis-l,4-Poly(isopren) bei 25°C.
GaS
H2 0 2
N2
CO2
M
d
lo7 D
g moP
nm
l2-7
2 32 28 44
0,234 0,292 0,315 0,323
85 21 15 11
lo5 s (cm3/ cm3) Pa-'
0,040 0,070 0,035 0.90
1014P cm2 s-l Pa-' 340 150 51 loo0
483
14. Transport in Polymeren
Die Temperaturabhagigkeit der Diffusionskoeffizienten wird durch die Aktivierungsenergie ED*der Diffusion geregelt (14- 16)
D = D , exp(- E ~ t l R r )
wobei D, der Diffusionskoeffizient bei unendlich hoher Temperatur ist. Die Temperaturabhagigkeit der Ltislichkeitskoeffizientenwird entsprechend durch die Usungsenthalpie AH bestimmt: (14-17)
S=S,exp(-AHIRT)
Mit steigender Temperatur sinkt der Lbslichkeitskoeffizient meist ab. wiihrend der Diffusionskoeffizient ansteigt. Der Permeabilitiitskoeffizient als Produkt beider Grtissen kann daher mit steigender Temperatur sowohl zu- als auch abnehmen. Bei der Glastemperatur tritt dabei erwartungsgemks eine Anderung der Temperaturabhiingigkeit der Permeabilitiitskoeffizienten auf.
14.3.4.
Permeation von Flussigkeiten
Die Permeation von Fliissigkeiten in Polymeren ist technisch und medizinisch sehr wichtig. Die Witterungsbesttindigkeit von Polymeren mit hydrolysierbaren Bindungen und die dielektrischen Eigenschaften von Kunststoffen werden durch permeierendes Wasser aus der Luftfeuchtigkeit stark beeintrichtigt. Additive kbnnen aus Vexpackungskunststoffen heraus und umgekehrt Lebensmittelbestandteile in den Kunststoff hinein migrieren. Das Fiirben von Fasem wird durch "Triiger" (= Fliissigkeiten) stark beschleunigt. Bei der transdermalen Verabreichung von Pharmaka sollen die Wirkstoffe kontrolliert durch die Haut permeieren. Die Permeation von Flussigkeiten aus dem Polymeren heraus ist ausserdem ein analytisches Problem bei der Tmkung von Polymeren. Dampft man Lbsungen von Polymeren ein, so wird hiufig ein betriichtlicher Teil der Ltisungsmittel selbst oberhalb ihrer Siedepunkte nicht aus dem Polymeren entfemt (Band I). Diese Inklusion von Lbsungsmittel kann z.B. bei Tetrachlorkohlenstoff in Poly(styro1) bis zu 20 % betragen. Sie tritt auf, weil die Permeation durch Polymere untehalb der Glastemperatur sehr langsam ist. Die Mrlusion vermeidet man am Besten durch Gefriertrocknen der Polymerlbsungen. Bei der Permeation von Fliissigkeiten in Polymere hinein (ohne Aufltisung der Polymeren), kann die Zeitabhagigkeit der permeierenden Masse mt im allgemeinen durch (14-17)
mJm,=KAP
beschrieben werden. wobei m, die bei unendlich langer Zeit durchgetretene Masse. K eine Systemkonstante,A die Durchtrittsfliche und f die Zeit sind. Die Exponenten n werden von der dimensionslosen Diffusions-Debora-Zahl De bestimmt (E: Deborah number), dem Vehtiltnis der Relaxationszeit rrlx der Polymerketten zur charakteristischen Zeit t~ = L2/(2D1) des Penetranten (nach der Prophetin Debora im Buch der Richter 5.5: "Die Berge ergossen sich vor dem H e m ...'I).
484
14.4. Transport von Polymeren durch Porenmembranen
Wenn niimlich eine Fliissigkeit in ein festes Polymer eindringt, versuchen die Polymermolekiile eine neue, der Konzentration des Penetranten angemessene Makrokonformation einzunehmen. Das neue Gleichgewicht stellt sich aber nicht sofort ein. Wenn die Relaxationszeit der Segmente viel kleiner als die charakteristische Zeit des Penetranten ist (De < O,l), also die Relaxationsgeschwindigkeit der Segmente viel grosser als diejenige des Penetranten, dam erzeugt die Bewegung des Penetranten "augenblickliche" Konformationsiinderungen der Ketten. Sowohl der Penetrant als auch das Polymer verhalten sich wie viskose Fliissigkeiten. In diesem sog. Fall I (E: case I) nimmt der Exponent n den Wert 1/2 an und es wird KA = 4 D / z . Das System lasst sich durch die Fick'schen Gleichungen beschreiben. Im sog. Fall II ist die Debra-Zahl griisser als 10. Die Beweglichkeit des Permeanten ist hier viel grosser als die Relaxationsgeschwindigkeitder Polymersegmente. WZhrend der Permeation 2ndert sich nicht die Makrokonformation des Polymeren. Das Polymere verhat sich daher fiir die permeierenden Molekule wie ein elastischer Korper. Dieses Permeationsverhalten ist durch eine scharfe Grenzflache zwischen der mit konstanter Geschwindigkeit vorriickenden gequollenen Zone und dem inneren glasigen Kern gekeMzeichnet. Die durchtretende Masse ist direkt proportional der Zeit t, d.h. n = 1. Im Bereich 0,l < DB < 10 liegt das Gebiet der sog. anomalen Diffusion bzw. viskoelastischen Difjfusion vor. Die relativen Bewegungen der Permeantenmolekiile und die Konformationsumwandlungen der Polymersegmente erfolgen praktisch gleichzeitig und der Exponent n liegt nunmehr zwischen 1/2 und 1.
14.4.
Transport von Polymeren durch Porenmembranen
14.4.1. Porenmembranen Porenmembranen werden nach ihrer Porengrosse oft in die drei Klassen der mikroporosen, makroporosen und faserigen (fibrosen) eingeteilt. Der Transport durch derartige Membranen wird jedoch ausser durch die Porengrosse noch durch die chemische Struktur der Membranen, die Gestalt und die Grossenverteilung der Poren, den Ladungszustand der Membranen und viele andere Parameter bestimmt. Mikroporose Membranen weisen Poren von ca. 3 nm auf. Sie werden auch als dichte Membranen bezeichnet. Der Transport erfolgt nicht iiber Poren, sondem vielmehr durch Zwischenraume zwischen Polymerketten ahnlich wie bei Loslichkeitsmembranen. Mikroportise Membranen werden durch Polymerisation, Giessen oder Verstrecken von Filmen oder Blasverstrecken hergestellt. Sie finden fiir Dialysen, Elektrodialysen, Piezodialysen und Pervaporationen Anwendung. Makroporose Membranen sind echte Porenmembranen mit Poren von ca. 5 nm bis 1 pm Durchmesser. Solche Makroporen sind im Gegensatz zu Mikroporen untereinander verbunden, wozu das Zwischenraumvolumen 40 % uberschreiten muss. Makroporose Membranen werden durch Phasentrennung von Polymerlosungen in Losungs-Flllungsmittel-Mischungen beim Eindampfen oder durch Mikrodomanen-Bildung yon Blockcopolymeren hergestellt. Makroporose Membranen entstehen auch aus PolyelektrolytKomplexen, aus ionotropen Gelen oder durch Beschuss mit energiereichen Strahlen.
485
14. Transport in Polymeren
Fibrose Membranen besitzen Porenweiten von mehr als 2 pm. Sie bestehen aus einem "Filz" regellos gelagerter Fasern, z.B. bei Papieren, Vliesen usw. Fur Porenmembranen werden die verschiedensten Materialien verwendet, z.B. Cellulose, Celluloseacetat, Poly(vinylalkohol), Polycarbonat, Polysulfone, Poly(ethylen)e, Poly(acrylnitri1)usw., aber auch porUses Glas und zusammengesinterte Metallpulver. Der Transport kompakter Spezies durch Porenmembranen erfolgt oft durch reine Siebwirkung. wenn der Speziesdurchmesser grOsser als der Porendurchmesser ist. Beispiele sind die Filtrationen von Bakterien an fibasen Membranen und von globuliren Proteinen an makroporUsen. Diese Siebwirkung tritt auch bei niedermolekularen Ionen an mikroporUsen Membranen auf. Wassermolekule treten bei amorphen Polymermembranen einzeln durch. Kationen sind dagegen hydratisiert und k6nnen die Zwischenriume zwischen den Polymerketten nicht mehr passieren. Allen Porenmembranen ist gemeinsam. dass im Gegensatz zu L6slichkeitsmembranen der Fluss durch solche Membranen ausser durch die ViskositBt q noch durch den Druckgradienten dp/dL kontrolliert wird. Die im porilsen Medium herrschende Geschwindigkeit v ist durch das Darcy-Gesetz gegeben, in dem P,ff die effektive Permeabilitit ist:
14.4.2. Diffusion durch Poren Bei sehr kleinen hydrodynamischen Knguelradien Rh verglichen zu den Porenradien R , ist die Diffusion in Poren genau so ungehindert wie in unendlich VerduMten L6sungen. Das Verhtilmis der Diffusionskoeffizienten in den Poren zu denen in freien Ltlsungen ist bei sehr kleinem VerhWnis RtJR, daher praktisch gleich "$Do = 1 (Abb. 1410). Wenn sich jedoch der hydrodynamische Radius der permeierenden Substanz dem Porenradius a n n ~ e r tmuss , der Diffusionskoeffizient D, aus zwei Griinden abnehmen. 1 :
T s"
\
a"
10-1 :
A &-*-
-312
12
1_1
10-3
10-2
-R h / R ,
10-1
1
Abb. 14-10 VerMtnis der Diffusionskoeffizienten D, von Amylacetat-Losungen von linearen (0) und 8- (0).12- (e)und 18-armigen ( 0 )Poly(is0pren)en in zylindrischen Poren (43 zu den DiffusionskoeffizientenDOin unendlich verdiinnter LMsung als Funktion des hydrodynamischen Radien Rh zu den PorenradienR, [133].
486
14.4, Transport von Polymeren durch Porenmembranen
Einmal kann ein knluelformiges Makromolekiil in engen Poren nicht seine Gleichgewichts-Makrokonformation einnehmen. Dadurch wird die Polymerkonzentration in der N3he der Porenwiinde emiedrigt (Adsorptionen an die Polymerwand sollen abwesend sein). Diese polymerarme Wandschicht erstreckt sich iiber einen konstanten Anteil des Porendurchmessers, wenn die Porengrosse den Polymerabmessungen vergleichbar wird. Da die Gleichgewichtskonzentration cp des Polymeren in den Poren kleiner als die Polymerkonzentration co ausserhalb der Poren ist, wird die treibende Kraft fiir die Diffusion um den Verteilungskoeffizienten K = cdco vemngert. Ausserdem wird der hydrodynamische Fluss der Polymermolekiile durch die Porenwiinde gehemmt. Der Reibungskoeffizient tp des Polymeren in den Poren ist folglich kleiner als der Reibungskoeffizient 50 des Polymeren in der freien Lxlsung. Da Reibungskoeffizienten nach Gl.(l l-11) proportional den Radien sind und nach G1.( 11-10) umgekehrt proportional den Difisionskoeffizienten, ergibt sich
Der Abfall von D P o beginnt bei linearen Poly(isopren)en bei R d R p = 0,1, bei stemartigen verzweigten jedoch schon bei Rh/Rp = 0.05 (Abb. 14-11). Offenbar k6nnen sich die Ketten der linearen Poly(isoprene) wie eine Schlange durch das Porensystem winden, nicht aber die Tentakel der sternformigen. Der Exponent betriigt jedoch in beiden FUen q = - 3/2, was bislang nicht theoretisch erklarbar ist. Das Verh2ltnis D d D o der Stemmolekiile ist dabei unabhhgig von der Zahl der Arme, da die Molekiile sehr kompakt sind und praktisch die gleiche Packungsdichte aufweisen. Bei noch grosseren VerhQtnissen Rh/Rp < 1 wird das VerfiQtnis DdDo stemformiger Poly(isopren)e unabhiingig von Rh/Rp. und zwar bei umso tieferen D,,/Do-Werten, je grosser die Zahl der Arme pro Molekiil ist. Auch dieses Verhalten ist unerkl2rt. Fur den experimentell schwer zughglichen Bereich R H / R >~ 1 wurden dagegen theoretisch Exponenten von q = -2/3 fiir gute und von q = -1 fiir Theta-LtSsungsmittel abgeleitet. In den bislang beschriebenen FUen stellt die Membran eine Bamere fiir den Permeanten dar, die dessen Transport durch die Membran verzogert oder vollig verhindert. Derartige Bamere-Membranen konnen "fest" (d.h. unterhalb der Glastemperatur) oder "fliissig" (d.h. fliissigkristallin oberhalb der Umwandlungstemperatur LC-Glas-Mesophase) sein. Das bekannteste Beispiel fiir fliissige Membranen sind Lipidmembranen. Der Transport eines Permeanten durch fliissige Membranen kann jedoch auch durch geeignete Trager beschleunigt werden. Bei biologischen Membranen sind die meisten Triger einfache Proteine und die Permeanten Ionen, 0 2 , Aminosiuren, Saccharide usw. Kaliumionen werden z.B. durch Valinomycin = Cyclo[(D-val)(L-lac)(L-val)(D-hyiv)]3 transportiert (val = Valin, lac = Milchsaure, hyiv = a-Hydroxyvaleriansaure). Gelostes Valinomycin weist eine zentrale Hohle von (0,6-0,7) nm Durchmesser auf, in der das etwa gleich grosse Kaliumion durch die sechs Carbonylsauerstoffe der Valinreste komplexiert wird. Der Komplex diffundiert durch die Lipidmembran, wird auf der anderen Membranseite entladen und kehrt d am in die Zelle zuriick. Der Transport durch biologische Membranen kann ausser mit Trlgern auch durch KanQe erfolgen. In Lipidmembranen werden solche KanQe durch eingelagertes Gramicidin A gebildet, einem linearen Peptid der Konstitution OCH(Lval)gl y(L-ah)( Dleu)(Lah)(Dval)(L-trp)(Dleu)(L-ap)(D-leu)(Ltrp)NHCH~CH~OH
487
14. Transport in Polymeren
14.4.3.
Grossenausschlusschromatographie
Makromolekille lassen sich beim Fluss ihrer L6sungen durch por(ise TrBger (2.B. Glaskugeln) oder Gele (Poly(stp1). Dextran, Poly(acry1amid). jeweils vemetzt) nach ihrer Molekiilgasse trennen. Das Verfahren ist als Griissenausschlusschromatographie (E: size exclusion chromatography, SEC), Gelpermeationschromatographie (GX)oder Gelfiltration bekannt. Es ist z.Zt. die wichtigste Methode zum Charakterisieren der Molmassen bzw. Molmassenverteilungen. Die Methode wurde bereits in Band I ausfiihrlich beschrieben und wird daher hier nur skizziert. Zum Trennen werden verdunnte Polymerl6sungen auf eine Kolonne mit einem Trlger gegeben. Die Poren des Trigers betragen meist zwischen 5 nm und 500 nm. Anschliessend wird mit einem Ltisungsmittelstrom eluiert. Die Konzentration der Makromolekule im austretenden Eluat wird 2.B. uber die Brechungsindices oder die Ultraviolettabsorption gemessen, die Molekulgr6sse iiber die Lichtstreuung oder die Viskosiat. Der Trennmechanismus ist nicht genau bekannt. Ein Trennen durch Fliessen scheint nicht prim& zu sein und ein Trennen durch Diffusion wire vie1 zu langsam. Der dominierende Effekt scheint die nach der Grtisse gestaffelte Exklusion der Polymennolekule in den Poren des Tr2gers zu sein. Die gassten Molekiile erfordem entsprechend die geringsten Elutionsvolumina. Sie erscheinen also zuerst (Abb. 14-12). Es werden immer Kurven und keine scharfen Signale erhalten, da selbst molekulareinheitliche Polymere verschieden lange in den Poren verweilen. Bei molekularuneinheitlichen Polymeren uberlagert sich noch der Einfluss der Polymolekularitgt. Das Maximum der Elutionskurve wird als Retentionsvolumen Vr bezeichnet. Es ist innerhalb eines bestimmten, von den Porengrtissen abhugigen. Bereiches der Molekiilgr6sse proportional, bei polymerhomologen Reihen also der Molmasse. Es ist nicht v6llig klar, welchem Mittelwert diese Molmasse entspricht (Band I).
. -t
+
Abb. 14-11 Trennung verschieden grosser Molekiile (0.0)nach verschiedenen Zeiten an por6sen TI%gem und resultierendes SEC-Diagrammfiir die Abhiingigkeit der Brechungsin&xunterschiede von Wsung und Usungsmittel als Funktion der a i t (schematisch). Die Zahlen geben die Fraktionsnummern an, die dem durchgeflossenen Volumen (Elutionsvolumen)proportional sind. Schreiberdiagramme sind seitenverkehrt: bei ihnen werden die zuerst erscheinenden niedrigeren Fraktionen (kleine Molmassen) rechts ausgedruckt und nicht links wie in diesem Bild.
488
14.4. Transport yon Polymeren durch Porenmembranen
3,
Iv
--+v
Abb. 14-12 Retentionsvolumina als Funktion des Logarithmus von [ q ]aw fiir verschiedene Systeme. V,, = fiir den Flus total verfugbares Volumen; Vi = Ausschlussvolumen. I Lineare Poly(styro1)e in Toluol an poriisem Glas [141. II Lineare (0) und kammartige (0)Poly(styrol)e, Poly(vinylch1orid)e (0)und leiterartige Polybhenylsi1oxan)e (B) in Tetrahydrofuran an vemetztem Poly(styro1) [15]. III Poly(styro1monosulfonat)e in verdunnten wksrigen Salzliisungen an por(lsem Glas [16]. N proteine und Saccharose in verdunnten wksrigen Salzliisungen an vernetztem Poly(styro1) [171. Unterhalb einer noch vom Triger abhhgigen Molmasse werden die Retentionsvolumina konstant. Diese Trennschwelle gibt offenbar das fiir den Fluss total verfiigbare Volumen Vo an. Bei sehr gmssen Molmassen werden die Retentionsvolumina ebenfalls konstant. Dieses Ausschlussvolumen Vi entspricht dem Zwischenraumvolumen zwischen den Trigerpartikeln. Die Differenz Vo - V; = Vp bestimmt das fiir den Fluss verfiigbare Porenvolumen Vp innerhalb der Tagerpartikeln. Molekule konnen nur im Bereich zwischen Vo und Vi nach ihrer Grosse getrennt werden. In diesem Bereich besteht zwischen dem Retentionsvolumen Vr und dem Logarithmus der Molmasse eine praktisch lineare Beziehung, die als Eichbeziehung fiir Polymere gleicher Konstitution und Konfiguration im gleichen L(isungsmitte1 bei gleicher Temperatur an der gleichen Trennsaule verwendet werden kann. Die Molmasse anderer Polymerer l b s t sich jedoch so nicht ermitteln, da die Molmasse nur innerhalb einer polymerhomologen Reihe ein (relatives) Mass fiir das Volumen der Polymermolekule ist. Lineare und karnmformig verzweigte Polymermolekule gleicher Molmasse weisen daher am gleichen Trager unterschiedliche Retentionsvolumina auf. Als Mass fiir die Molekiilvolumina lisst sich das Produkt [VIM aus Grenzviskositatszahl [ q ] und Molmasse M verwenden, das die physikalische Einheit eines Molvolumens aufweist. Im Trennbereich zwischen Vo und V; ist d a m das Retentionsvolumen Vr uber ca. 2-3 Dekaden von [TIM eine lineare Funktion von lg ( [ V I M ) (Abb. 14-12),und zwar unabhagig von der Konstitution und der Molekiilform (Abb. 14-12,11). Die Funktion Vr =Ah [VIM)ist als universelle Kalibrierung bekannt. Es scheint jedoch, dass das Einsetzen des Ausschlussbereiches nicht unabhhgig von der Molekiilform ist, was mit den Befunden der Abb. 14-10 iibereinstimmen wurde. Systematische Untersuchungen an definierten Porensystemen scheinen zu fehlen.
14. Transport in Polymeren
489
Historische Notizen Reptation H.Eyring, TRee, N.Hirai. Proc.Natl.Acad.Sci. (US) 44 (1958) 1213 (Slalom durch Hindemisse) P A . de Gennes. J.Chem.Phys. 52 (1971) 572 (Reptation) M.Doi. S.FEdwards, J.Chem.Soc.. Faraday Trans. [2] 74 (1978) 1789,1802,1818 ("Tube model"). Gr(lssenaussch1usschatographie
G.H.Lathe, C.RRuthven, BiochemJ. 62 (1956) 665 (Trennung von Proteinen an St&kekOrnern) J.Porath. PSlodin. Nature 183 (1959) 1657 (Gelfiltration von WasserlOslichen Polymeren) J.C.Moore, J.F'o1ym.Sci. A 2 (1964) 835 (Gelchromatographie in organischen Msungsmitteln)
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490
Quellennachweise zu Kap. 14
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Quellennachweise F.D.Blum, S.Pickup, K.R.Foster, J. Colloid Interface Sci. 113 (1986) 336, (a) Abb. la, (b) Abb. lb; Zahlenwerte: Privatmitteilung. 7. Februar 1987 %Pickup, F.D.Blum, W.T.Ford, M.Periyasamy, J.Am.Chem.Soc. 108 (1986) 987, Tab. I1 F.D.Blum, Privatmitteilung, 7. Februar 1987 D.S.Pearson, G.Ver Strate, E. von Meerwall, F.C.Schilling, Macromolecules 20 (1987) 1133 A.Tonelli, zitiert in [4] H.-G.Elias, An Introduction to Plastics, VCH, Weinheim 1993, Abb. 6-2 J.Klein, D.Fletcher, L.JFetters, Nature 304 (1983) 526, Abb. 1 C.R.Bartels, B.Crist, W.W.Graessley, Macromolecules 17 (1984) 2702, Tab. I11 C.R.Bartels, B.Crist, jr., LJ.Fetters, W.W.Graessley, Macromolecules 19 (1986) 785, Tab. 111 P.F.Green, E.J.Kramer, Macromolecules 19 (1986) 1108, Abb. 5 K.R.Shull, E.J.Kramer, G.Hadziioannou, Mhtonietti, H.Sillescu, Macromolecules 21 (1988) 2578, Daten der Abb. 1 P.Goeldi, H.-G.Elias, unvertjffentlicht M.P.Bohrer, L.J.Fetters, N.Grizzuti, D.S.Pearson, M.V.Timel1, Macromolecules 20 (1987) 1827, Tab. 1-III A.R.Cooper, E.M.Barral1, 11, J.Appl.Polym.Sci. 17 (1973) 1253, Tab. I11 Z.Grubisic, P.Rempp, H.Benoit, J.Polym.Sci.-Polym. Letters Ed. 5 (1967) 753, Tab. 1 A.L.Spatorico, G.L.Beyer, J.Appl.Polym.Sci. 19 (1975) 2933, Tab. I und IV P.Andrews, BiochemJ. 91 (1964) 222, Tab. 1 und 3
49 1
15.
Viskositat von Schmelzen
15.1 Typen von Deformationen Beim Defonnieren von Materie gibt es zwei GrenzfUle. Typische Fliissigkeiten wie z.B. Wasser fliessen unter ihrem eigenen Gewicht und verformen sich dabei irreversibel. Sie zeigen ein typisch viskoses Verhalten (L: viscum = Vogelleim (aus der Mistel)). Bei idealen viskosen Flussigkeiten (Newton'schen Fliissigkeiten) ist die Schubspannung pmportional der Deformationsgeschwindigkeit (Kap. 12), nicht aber der Deformation. Typische Festkorper wie z.B. Stahl widersetzen sich dagegen Deformationen. Falls die Deformationen Mein sind, kehren die deformierten Korper nach dem Entfernen der Last in ihre Ausgangszustbde zuriick. Sie verhalten sich elastisch (G: elustos, eluros = geschlagen). Bei solchen ideal-elastischen Stoffen (Hooke'sche Korper) ist die Zugspannung proportional der Deformation, nicht aber der Deformationsgeschwindigkeit. Ideal-viskoses und ideal-elastisches Verhalten sind zwei Grenzfue. Jeder Korper weist n h l i c h nach einem rheologischen Axiom sowohl viskose als auch elastische Verhaltensanteile auf. Dieses Phiinomen ist bei makromolekularen Stoffen besonders ausgeprlgt. Ein extremes Beispiel ist der sog. "silly putty" ("veniickter Kitt"), ein mit Fiillstoffen versehenes Silicon-Elastomer. Ein Klumpen dieses Materials fliesst langsam unter seinem eigenen Gewicht, zeigt also ein typisch viskoses Verhalten. Eine Kugel springt dagegen beim Auftreffen auf eine Platte wie ein Gummiball, typisch fiir Elastomere. Eine Platte bricht jedoch bei einer raschen Knickbewegung, ein sprodes Verhalten. Ein iihnliches, wenn auch nicht so ausgepragtes. Verhalten beobachtet man bei vielen anderen Polymeren. Geschmolzene Polymere fliessen zwar; die Schmelzen sind aber auch gleichzeitig etwas elastisch. Amorphe und teilkristalline Polymere verhalten sich bei sehr genngen Deformationen elastisch. sind aber bei grosseren irreversibel verformbar und fliessen, z.B. unter Druck. Polymere vereinigen also viskoses und elastisches Verhalten; sie sind viskoelastisch. Je nach Grtisse, Dauer und Geschwindigkeit der Deformation beobachtet man bei diesen Materialien ganz verschiedene Verhaltensweisen. Der Zusammenhang zwischen Kraft,Deformation und Z i t wird von der Rheologie erforscht (E: rheology), der Lehre vom Fliessen (G: rheos = Fluss; logos = Wort, Rede, Vemunft). Die Rheologie stellt Materialgleichungen auf, also rheologische Zustandsgleichungen (E: constitutive equations). Wegen des ausserordentlich komplexen Verhaltens beginnt man bei Polymeren mit idealen Materialgleichungen und fiihrt dann empirische Korrekturfaktoren ein. Krafte eneugen durch Scheren, Biegen, Komprimieren und Stauchen einfache Deformationen und durch Biegen. Verdrillen usw. kompliziertere (Abb. 15-1). Die Krafte werden zu Vergleichszwecken meist auf die angegriffenen Flachen A bezogen.
L----J
Scherung (E shearing)
Dehnung (E: elongation)
t
fft
Kompression Stauchung ( E pressurizing) ( E compression)
Biegung
( E bending)
Verdrillung (E: torsion)
Abb. 15-1 Einfache Deformationen von Korpern. An der Ausgangslage - - - greifen Krilfte + an.
492
15.1. Typen von Deformationen 2
022 I
0 12
1
Abb. 15-2 Definition der Spannungen an einem K6rper (manchmal auch pro x, y, z statt 1,2,3).
Krgfte F pro angegriffene Flache A heissen Spannungen u = F/A (E: stresses). Gewlihnlich werden nur zwei Typen von Spannungen beriicksichtigt, n h l i c h solche beim Dehnen und solche beim Scheren. Die Spannungen betragen folglich o = FI(H0W) beim Dehnen (Ziehen) und u = F/(LoW) beim Scheren (Abb. 15-3). Bei einem K6rper gibt es neun verschiedene einfache Spannungen (Abb. 15-2) Die rechtwinklig ("normal") an den FlBchen angreifenden Spannungen 011. 022 und a33 heissen Normalspannungen (E: normal stresses). Sie werden meist positiv f i r den Zug und negativ fiir die Kompression angesetzt. Die Summe cq1 + 022 + 033 der drei Normalspannungen ist gleich Null. Die sechs anderen Spannungen 012, 013, 023, 032, 031 und 021 greifen an FlBchen an, die nicht rechtwinklig zu den Flachen 1, 2 und 3 stehen. Ein Klirper mit den drei Flachen i = 1, 2 und 3 wird definitionsgemass durch eine Zugspannung (E: tensile stress) 011 nach 1-1 gedehnt und durch eine Schubspannung (Scherspannung) 021 = z nach 2-1 geschert (E: shear stress). Die Differenz 011 - 022 w i d als erste Normalspannungsdifferenz N1 bezeichnet (E:first normal stress function), die Differenz 022 - 033 als zweite Normalspannungsdifferenz N2. Das Verhatnis der ersten Normalspannungsdifferenz zur Schubspannung ist die (elastische) Scherdeformation 7 = (011 - 022)/021 (E:shear strain), in Abb. 15-3 also y = U I H . Das Verhatnis von Schubspannung 021 und elastischer Scherdeformation y wird Schermodul, Schubmodul und Gleitmodul G genannt (E: shear modulus):
rpw(T2M f~~*T
T
-
HO
-
I Lo
I
lLo+AL
I
- Dehnung -
Zugspannung 01 1 Verstreckungsverhsllmis 1 Dehnung E Zugmodul E Dehngeschwindigkeit t? Dehnviskosit2t Ve
-
I Lo I
-' : I
Lo
I-
- Scherung -
= F/(How) = F/&
Scherspannung
=AL/Lo = u1I/& = Wdf= v/L
Scherdeformation y = ALIHO = tan 8 Schermodul G = OZdY Schergeschwindigkeit 3 = d$df = W H Scherviskosimt t) =%it
= L/Lo
=0lf
a21 = r = Fl(J50w)
Abb. 15-3 Deformationen durch Krgfte F bei Korpem mit der Unge Lo,der Breite W und der Hohe Ho sowie den angegriffenen Flslchen HOW(Dehnung) bzw. LOW(Scherung). 0 = Scherwinkel.
493
15. Visbsitdt von Schmelzen
Die h d e r u n g der Scherdefomation ymit der &it t ist die Schergeschwindigkeit, die auch Geschwindigkeitsgefalle oder Geschwindigkeitsgradient f = dyfdt genannt wird (E: shear rate, velocity gradient) (fiir die Vielzahl von Namen siehe Tab. 15-1). Die dynamische (Scher)viskositiit q (absolute Viskositlit, Viskositlit) ist das Verhiililtnis von Schubspannung 7 = a21 und Schergeschwindigkeit 7. Sie misst die von der Fliissigkeit pro Flkhe und Geschwindigkeit zerstreute Energie: [Energie/(FlXcheGeschwindigkeit)] Der Kehrwert l/q der Viskositlit heisst Fluiditat (E: fluidity). Der Quotient von dynamischer Viskosit2t q und Dichte p ist die kinematische Viskositit v = q/p. Das Verhatnis der ersten Nomalspannungsdifferenz zum Quadrat der Schergeschwindigkeit wird als erster Normalspannungskoeffizientw1 bezeichnet:
Das Verhamis von elastischer Scherdefomation zu Schergeschwindigkeit. Viskositiit zu Schennodul bzw. Nomalspannungskoeffizient zu Viskositzt ist die elastische Scherzeit cs. Bei ++0 w i d es zur StrukturreIaxationszeittrlx:
Tab. 15-1 Bezeichnungen von Spannungen S. AbmessungsverMtnisen A, Deformationen D, MOduln M,Geschwindigkeim G und VislcosicLten V bei Dehnungen und Scherungen. * Fhhlich auch "Torsionsmodul" (siehe die Bedeutung von "Torsion" in Abb. 15-1!). ~
Dehnung
Scherung
Scherspannung, tensile stress, shear(ing) stress Schubspannung engineering stress. nominal stress A Verstreckungsvd2lmis strain ratio, draw ratio D Dehnung, shear strain, Scherdeformation elongation, Nenndehnung, tensile strain, elastic shear Cauchy-Dehnung deformation linear strain, engineering strain, Cauchy elongation M Zugmodul, Schermodul *, shear modulus, tensile modulus, ElastiziUtsmodul modulus of Young's modulus, Schubmodul, rigidity modulus of elasticity Gleitmodul, Steifheit G Dehngeschwindigkeit tensile strain rate Schergeschwindigkeit, shear rate, Geschwindigkeitsgradient, velocity gradient GeschwindigkeitsgeBlle V DehnviskosiUt, shear viscosity, extensional viscosity, Scherviskosit& Querviskositiit, elongational visc., dynamische Viskosiut, dynamic visc., Trouton-Viskositk4t Trouton viscosity, Viskosit2t viscosity tensile viscosity
494
15.2. Viskosimetrie
Ahnlich wie bei den Schemngen kann man auch bei Dehnungen die Spannungen, Deformationen, Moduln, Geschwindigkeiten und Viskositaten definieren (Abb. 15-2). Sie werden dann mit den Vorsatzen Zug- oder Dehn- versehen. Zug- bzw. Dehngrossen sind in Abb. 15-3 mit Schergrossen verglichen. Sowohl fiir Dehn- als auch fiir Schergr6ssen werden ausserordentlich viele verschiedene deutsche und englische Ausdriicke venvendet, die teils historisch bedingt sind, teils dem technischen Priifwesen entstammen und teils auf Empfehlungen der Standardisierungsgremien (ISO,DIN, ASTM, IUPAP usw.) beruhen (Tab. 15-1).
15.2.
Viskosimetrie
15.2.1. Typen von Viskositaten Die Rheologie war urspriinglich die Lehre des Fliessens von Flussigkeiten und Gasen. Der von ihr erfasste Bereich der Phaomene hat sich jedoch stiindig enveitert und umf a s t nunmehr auch die Zeitabhiingigkeit der Deformationen aller Materie, also auch diejenigen der Festktirper (Kap. 16-18). Ein Untergebiet der Rheologie ist die Viskosimetrie, welche das bei angelegten Spannungen auftretende Fliessverhalten von fluiden Phasen untersucht, also von Gasen, Flussigkeiten und Dispersionen, und dieses durch die Viskositat der Phasen charakterisiert. Je nach dem Typ der Spannung unterscheidet man drei verschiedene Viskositaten: =f(Scherspannung 021) Scherviskositiit 3: Schergeschwindigkeit j' Dehnviskositat qe: Dehngeschwindigkeit d = AZugspannung a1 1) Volumenviskositat: Deformationsgeschwindigkeit =f(hydrostatischer Druck) Scherviskositaten sind f i r das Verarbeiten von Polymeren durch Extrudieren und Spritzgiessen wichtig, Dehnviskositaten f i r das Erspinnen zu Faden und das Blasen zu Filmen. Uber Volumenviskosit2ten (E: bulk viscosities) ist nur wenig bekannt.
II
IrI
lv
J
t Abb. 15-4 Wirkung von Fliessvorghgen auf Knauelmolekiile.
Oben: Scherfluss. Der Schergradient (I) erzeugt Hauptspannungen (11), welche das Molekul in der Richtung der dominierenden Hauptspannung strecken (In).Die Gradientenkriifte zwingen das Molekiil zu rotieren (IV), wodurch es wider die Makrokonformation eines statistischen Knauels annimmt Unten: Dehnfluss. Der auf das Molekiil wirkende Zug verringert den Querschnitt des Molekiils (I). Die Hauptspannungen (11) zwingen das Molekiil, sich in die Richtung der dominierenden Hauptspannung auszudehnen (IJI). Beim weiteren Dehnen wird das Molekiil schliesslich voUig gesmeckt (IV).
495
15. Vishsitat van Schmelzen
15.2.2.
Viskosimeter
Viskositiiten werden nach dem Newton'schen Gesetz q = 021/ f aus dem Quotienten von Scherspannung 021 und Geschwindigkeitsgradient 9 berechnet. Bei Newton'schen Fliissigkeiten ist der Quotient unabhtingig von der Schergeschwindigkeit f . Die Viskositiit ist in diesem Fall die Newton'sche Viskositat 70 (E: Newtonian viscosity). Sie wird auch als stationare Viskositlit (E: stationary viscosity), Nullviskositat (E: zero-shear viscosity) oder Ruheviskosi tit (E: viscosity at rest) bezeichnet. Bei Newton'schen Flussigkeiten sind femer auch der Schubmodul G . die erste Normalspannungsdifferenz N1, die elastische Scherzeit r, und die erste Normalspannungsdifferenz w unabhtingig vom Ausmass der Deformation. Die entsprechend gekennzeichneten Grlissen 70, Go. N1.0, rs,o und yo sind Materialkonstanten. Newton'sche Viskosit2ten @(Pa s) uberspannen weite bei Wasser, 1 bei Glycerin, Bereiche, z.B. bei Raumtemperatur ca. 10-5 bei Lufi. 102-106 bei Polymerschmelzen, 109 bei Pech und 1021bei Silikatglasem. Praktisch alle Polymerschmelzen und -1dsungen zeigen bei genugend genngen Geschwindigkeitsgradienten Newton'sches Verhalten, also eine Unabhangigkeit der Scherviskositaten von den Geschwindigkeitsgradienten (Kap. 15.3). Bei hdheren Geschwindigkeitsgradienten f w t jedoch die konventionell berechnete Viskositat rnit steigenden Geschwindigkeitsgradienten meist ab (Kap. 15.4). Die rnit dem Newton'schen Gesetz berechneten Viskosititen, Schubmoduln usw. sind dann nur scheinbare (apparente) Grlissen. Die Viskositaten. Schubmoduln usw. einiger Polymerschmelzen, -1lisungen und -dispersionen sind zudem noch zeitabhtingig (Kap. 15.4.1). Scherspannungen und Geschwindigkeitsgradienten, und damit auch ViskositIten, miissen wegen des enonnen Viskositatsbereiches mit verschiedenen Typen von Viskosimetem gemessen werden: Bandviskosimeter eignen sich wegen der Dichtungsschwierigkeiten an den beiden Enden nur fiir extrem hohe Viskosititen. Bei ihnen lauft ein "unendlich langes" Band mit der Geschwindigkeit Vbmd durch die zu messende Flussigkeit, welche sich zwischen zwei "unendlich langen", parallelen Platten befindet. Der Abstand der Platten betngt 2 R. Nahe der Plattenoberflache ruht die Flussigkeit. In der Nahe des Bandes bewegt sie sich aber rnit der gleichen Geschwindigkeit Vbad wie das Band selbst. Die Geschwindigkeit v der Flussigkeit tinden sich daher linear rnit dem Abstand y zum Band von y = Ybmd bei R = 0 bis v = 0 bei R = R. Der Geschwindigkeitsgradient = dv/dR ist daher konstant. Rotationsviskosimeter. Bei Rotationsviskosimetern vom Couette-Typ bewegt sich ein Rotor in (seltener urn) einem Stator (Abb. 12-1; Abb. 3-1 1 in Band I). Bei genugend engen Spalten zwischen Rotor und Stator bleibt hier das Geschwindigkeitsgeflle wie beim Bandviskosimeter uber den gesamten Abstand konstant. Die ehaltenen Rohdaten mussen noch komgiert werden, 2.B. fiir die nicht unendliche Ltinge des zentralen Rotors, die Variation der Geschwindigkeitsgradienten mit dem Radius usw. Die ublichen Rotationsviskosimeter arbeiten rnit Geschwindigkeitsgefwen von (1e2-1@)s-l. Oszillationsviskosimeter. Bei diesen Viskosimetem wird ein Messkdrper in der zu messenden Flussigkeit um eine Mittellage bewegt. HZngt z.B. der Stator an einem Torsionsdraht, so ist der Drehwinkel des Drahtes ein Mass fiir das vom Rotor auf die Flussigkeit ausgeubte Drehmoment, aus dem dam die Viskositat berechnet wird. Bei genugend kleinen Bewegungen hdert die zugefiihrte Energie nicht die physikalische Struktur der Fliissigkeit und damit auch nicht diejenige der Polymeren selbst.
+
496
15.2. Viskosimenie
Kegel-Platte-Viskosimeter. Bei diesen fiir sehr hochviskose Substanzen geeigneten Viskosimetern dreht sich ein Kegel auf einer Platte (Abb. 12-1). Damit das Schergeftte einheitlich bleibt, wird der Winkel zwischen Kegel und Platte klein gehalten, meist zwischen 0.5" und 3". Die Geschwindigkeitsgefue betragen (10-3-102) s-1. Fur pigmentierte Systeme sind Platte-Plane-Viskosimeterzweckmiissig. Kapillarviskosimeter. Die bei Schmelzen und hochviskosen Losungen verwendeten Kapillarviskosimeter bestehen meist nur aus einem Kapillarrohr in einem Druckgefass. Die Kapillaren sind wegen der hohen treibenden Dmcke haufig aus Metall. Die Geschwindigkeitsgefidle reichen von ca. 1 s-l bis 1 6 s-l. Sie sind jedoch bei der laminaren Str6mung von Fliissigkeiten in einer Kapillaren nicht konstant (Abb. 12-1). Das Geschwindigkeitsprofil ist vielmehr parabolisch. An der Kapillarwand ist das GeschwindigkeitsgefZlleam grossten, in der Kapillarmitte dagegen gleich null. Die Scherspannung ergibt sich aus der ijberlegung, dass der beirn Druck p auf eine Kapillare der L b g e L und des Innenradius R wirkenden Kraft Ff= n RZ eine Reibungshaft F, = 2 n RLo21 entgegenwirkt. Im stationaren Zustand gilt Ff= Fr und folglich (15-5)
021
=pR/(2 L)
Die so berechnete Schubspannung 021 gilt fiir den Kapillarrand. Sie ist fiir Newtonsche und nicht-Newton'sche Fliissigkeiten gleich gross, weil p, R und L nur vom MessSystem und nicht von den zu messenden Eigenschaften der Fliissigkeit abhbgen. Zum Berechnen des Geschwindigkeitsgefslles ermittelt man zuerst aus den G1.( 15-2) und (15-5) die Geschwindigkeitshderung dv = {pR/(2 qL)}dR und daraus durch Integrieren mit der Randbedingung V R = 0 die Geschwindigkeit bei Absthden y IR von der Kapillarwand zu v = (R2 - y2)p/(4 x L). Das Fliissigkeitsvolumen in der Kapillare wird als System von konzentrischen Hohlzylindem angesetzt. Durch einen solchen Hohlzylinder mit den Radien y + (Y + dy) fliessen VJt = 2 n vydy Volumina/Zeit. Das totale Stromungsvolumen V / t in der Kapillare ergibt sich mit den Randbedingungen y = 0 und y = R nach der Integration iiber alle Volumenelemente (Hagen-Poiseuille'sches Gesetz):
Aus G1.(15-6) berechnet sich mit den GL(15-5) und (15-2) das maximale Geschwindigkeitsgefidle dvldy am Rand der Kapillare 0, = R) zu (15-7)
fmm=(g)
pR x~3t-29~
4V =---
mm
G1.( 15-7) gilt nur fiir Newton'sche Fliissigkeiten (vgl. Kap. 15.4.2 fiir nicht-Newtonsche). Hgufig wird nicht das maximale Geschwindigkeitsgefalle angegeben, sondem ein mittleres uber den gesamten Kapillardurchmesser: (15-8)
(?)=--pR
3qL
2.
-P=
IS. Viskositiit von Schmelzen
497
Technische Viskosimeter. In der Indusuie wird das Fliessverhalten von Schmelzen und konzentrierten LBsungen von Polymeren hlufig durch unter Standardbedingungen gemessene Kennzahlen charakterisiert. Die einfach aufgebauten technischen Viskosimeter erlauben schnelle Messungen. Da jedoch die Messbedingungen invariant sind. kann man weder Schubspannungen noch Geschwindigkeitsgradienten berechnen. Bei H6ppler-Viskosimetern misst man die &it. die eine rollende Kugel zum Dutchlaufen eines schrlg gestellten. mit der Ltisung gefiillten Rohres bentitigt. Bei CochiusRohren ist die Aufsteigzeit einer Luftblase ein Mass fiir die Viskositlt. Aus Ford-Bechern lluft die Fliissigkeit unter ihrem Eigendruck aus. Schmelzen von Thermoplasten werden meist durch den Schmelzindex charakterisiert (E: melt flow index, MFI), neuerdings Volumenfliessindex (E: melt volume index, MVI) und frtiher Graderwert oder Gradzahl genannt. Der Schmelzindex gibt an, wieviel Gramm Polymeres in 10 Minuten unter einer Standardlast aus einem Standard-PIastometer extrudiert werden (s.a. Band IV). Der Schmelzindex misst somit eine scheinbare, noch vom Geschwindigkeitsgradientenabhhgige, Fluidittit. Je htiher der Schmelzindex bei gleicher Konstitution, umso niedriger ist die Molmasse des Polymeren. Elastomere werden durch ihre Mooney-Werte (Mooney-Viskosittiten) charakterisiert. Das Polymere wird in einem standardisierten Kegel-Platte-Viskosimeterbei konstanter Umdrehungszahl und konstanter Temperatur deformiert und nach t Minuten die Ruckstellkraft abgelesen.
15.3.
Newton'sche Scherviskositaten
15.3.1. Lineare Polymere in Schmelzen Polymermolekiile gleicher Konstitution und Konfiguration. aber unterschiedlicher Molmasse, tragen in Schmelzen gemlss ihrem Massenanteil w zur dynamischen Newtonschen Scherviskosit2t qo bei. Es gilt also qo = & wiqi. Empirisch wird gefunden, dass derartige Schmelzeviskositlten uber eine Potenzformel mit der Molmasse M verbunden sind: (15-9)
qO=KnME
Der Exponent E nimmt f i r ein bestimmtes Polymeres bei kleineren Molmassen einen niedrigen Wert E~ an und oberhalb einer kritischen Molmasse abrupt einen hoheren Wert Eh (Abb. 14-4 und 15-5). Der hohere Wert betrlgt in der Regel Eh = 3,4. Fur den niedrigeren Exponenten sagt die Rouse-Theorie einen Wert von E,, = 1 voraus (Kap. 15.3.2). Die experimentellen Werte liegen zwischen 0.86 und 1.8, z.B. 1,8 in Abb. 144. Bei polymolekularen Polymeren ist das M der G1.( 15-9) ein Exponentenmittel. Mit der genau gleichen Ableitung wie fiir GL(12-12) llsst sich zeigen, dass das M ein Masbei E # 1. senmittel bei E = 1 ist und ein Viskosit2tsmittel H,, Fiir molekularuneinheitliche Polymere mit E # 1 muss daher in G1.(15-9) noch ein Korrekturfaktor q,, fiir die Polymolekularitgt eingefiihrt werden: (15-10)
q=K,,q,,E;
498
15.3. Newton’sche Scherviskosittiten
Die Korrekturfaktoren sind aus dem Exponenten E der G1.(15-10) sowie aus dem Kopplungsgrad = Hn4Hw- Hn) der Schulz-Zimm-Verteilungberechenbar. Verwender Molmasse, so lauten sie fiir det man fiir M das Massenmittel aw
Schulz-Zimm-Verteilungen SZ logarithmische Normalveneilungen LN
, =(a1~ W
)(E’-w
n
= 1,l betragen die Korrekturfaktoren bereits q,, = 1,843 (SZ) Bei E = 3,4 und ji?, /Hn = 2 sogar astronomische q,, = 22.82 (SZ) bzw. 1,475 (LN). bei E = 3,4 und Hw/Hn bzw. q,, = 16,91 (LN). Eine Durchsicht der Literaturdaten zeigt, dass zum Aufstellen der G1.(15-10) durchwegs die dynamische Viskositat und nicht die kinetische venvendet wurde, dass die Viskositllten nicht immer tatsirchlich gemessene Ruheviskositirten sind, und dass die Molmassen niemals f i r den Einfluss der Polymolekularitat komgiert wurden.
15.3.2. Rouse-Theorie Die eigenartige Molmassenabh2ngigkeit der Schmelzeviskositiiten wurde mit verschiedenen Theorien gedeutet. Eyring ubertrug 2.B. seine fiir niedermolekulare Hiissigkeiten entwickelte Theorie der Geschwindigkeitsprozesseauf Kettenmolektile, wobei schon beriicksichtigt wurde. dass Polymerketten in Schmelzen eine Art Slalom um die Segmente anderer Ketten laufen mussen. Diese Theorie sagte fur E,, = 4/3 = 1,333 voraus und fiir q, = 10/3 = 3,333, und zwar sowohl fiir lineare Ketten als auch fiir Stemmolekiile. Experimentell wurden bei l l linearen und stemartigen Polymeren Werte von En = l ,45 f 0.20 und q, = 3,36 f 0,21 gefunden. Die Theorie hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Die zeitlich friihere Rouse-Theorie nimmt an, dass jede hydrodynamische Eigenschaft P h eines Molekiils nach P h =fhFh durch das Produkt einer lokalen Grosse fh und einer globalen Grtisse F h beschrieben wird. Die lokale Gr6sse wird durch den Reibungskoeffizienten Sseg eines Segmentes kontrolliert, warend die globale Grosse durch die Makrokonformation des Molekuls gegeben ist (Tab. 15-1). Die Rouse-Theorie venvendet Tensoren, um zu den in Tab. 15-1 wiedergegebenen Resultaten zu gelangen. Praktisch die gleiche Funktion lasst sich durch eine einfachere ijberlegung aufzeigen: Die Ketten der Fadenmolekule kann man sich in Nseg Segmente mit je der Molmasse Mseg aufgeteilt denken. Jedes Segment besitzt einen Reibungskoeffizienten &g. Der Reibungskoeffizient des gesamten Molekiils betragt dann &,,ol = Nsegfseg. Der Reibungskoeffizient des Molekiils ist nach der Stokes-G1.(11-1 1) tmol= 6 x q&, mit dem effektiven viskosimetrischen Radius R, des Molekuls verknupft. Multiplizieren beider Seiten der Stokes-Gleichung mit R: sowie Einfuhren des Volumens Vmol = 4 K R,3/3, der Dichte p = mmo~/Vmolder Molekule (= Dichte der Schmelze) und der Molmasse M = mmolNA sowie {mol = Nsegesegliefert nach dem Umformen (15-1 1)
tlo = (4/3)(1/6) P-NA[R:/M]Ns,gts,g
499
15. Visbsitat von Schmelzen
Tab. 15-1 SelbstdiffusionskoeffizientenD und RuheviskosiWn 110 in den Rouse- und Reptationsbereichen von Schmelzen. SQ = q j p = Kinematische Visko.siti&p = Dichte der Schmelze. Selbstdiffusion Ruheviskositiit
DtlolP
Der viskosimetrische Radius R",Q des Molekuls ist dem ungestiirten Tragheitsradius (s2)01nnach (s2)&* = ~ R , . Qproportional. GL(15-11) wird somit zu
G1.(15-12) ist mit der exakten Gleichung der Rouse-Theorie identisch, wenn k2 = 413 gesetzt wird (Tab. 15-1). Das resultierende (s2)01/2/Rv,~= 1,16 stimmt gut mit dem experimentellen Wert von 1,19 f 0,lO uberein (Tab. 12-6). Nach der Rouse-Theone ist also die Ruheviskositat 40direkt der ZaN Nseg der Kettensegmente proportional und wegen NsegMseg = M damit auch der Molmasse M. Altemativ kann man auch die ZaN N , = NkNseg der Kettenglieder venvenden. da jedes Segment aus Nk Kettengliedern besteht.
15.3.3. Korrekturen fur das Rouse-Gebiet Experimentell beobachtet man jedoch nicht 70 = K,Z (G1.( 15-12)), sondem eine Funktion 70 = K,,TWEimit einem Exponenten ~i = E~ unterhalb eines kritischen Wertes und einem griisseren Wert &i = Eh > En bei > zw,crit (Abb. 15-5). Unterhalb des kritischen Wertes Tw,crit wurde der Exponent ~i gleich E, = 1 gesetzt. Neuere, umfangreichere Untersuchungen zeigten. dass bei solchen Auftragungen E,, # 1 gilt, und zwar auch dann, wenn anders als bei den iiblichen Auftragungen von lg 70 =Alg M ) die Dichten der Schmelzen gemas G1.( 15-11) einbezogen werden. Einer der Griinde fiir En # 1 bei Auftragungen gemass Abb. 15-5 liegt sicher darin, dass der Reibungskoefizient (seg der Segmente bei niedemolekularen Polymeren noch von der L2nge der Segmente abhhgt. Die Segmente mussen ja ihre Bewegungen koordiniert mit den Bewegungen der anderen Segmente des gleichen Molekiils gegen die Segmente aller anderen Molekule ausfiihren. Bei unverhakten Molekulen stellt aber das gesamte Molekul das Segment dar, da die Bewegungen des gesamten Molekuls die grtisste Relaxationszeit erfordem (Kap. 14.1).
z,ht
zw
500
15.3. Newton'sche Scherviskmitaten Poly(dimethylsi1oxan) Poly(isobuty1en)
15
1
1,4-&-Poly(butadien) Poly(methylmethacry1at)
l2
r" 2
+
Poly(viny1acetat)
9
Poly(styro1)
c,
1
6 3 n 1017
-
1018
z,=
1019 ~2
1020
[ 1 den Ausdruck lg (qlqo) = y lg (170 f/a21,crit) erh2lt. Abb. 15-11 zeigt eine entsprechende Auftragung fiir Poly(ethy1en)e bei 150°C. Die Werte f i r drei verschiedene Poly(ethy1en)e als auch fiir ein rnit Glasfasem gefiilltes Poly(styro1) fallen auf die gleiche Kurve, die einen Newton'schen Bereich f i r qoj' 0s sein kann. Gewtihnlich ist aber mit "Zugfestigkeit" diejenige beim Bruch gemeint.
Wahre Zugwerte Weder 011 noch E sind wahre Zugwerte. Beim Zugversuch vemngen sich ja die Querschnittsfltiche von A0 auf A , und zwar auch dann, wenn ein Teleskopeffekt abwesend ist. Bei volumen-invarianten Dehnungen bleibt aber das Gesamtvolumen V = A d o = A L konstant. Bei konstanter Kraft F betrxgt die wahre Zugspannung all'folglich
Das Volumen V bleibt jedoch nicht konstant, wenn durch das Verstrecken Hohlraume bzw. Lunker (E: voids) und/oder Crazes bzw. Pseudobriiche (E: crazes) entstehen und/oder Kristallisationen oder Segmentorientierungen erzeugt werden. Auch das Verstreckungsverhalmis E ist nur nominell. Wenn ein Korper kontinuierlich um den Beuag AL verlagert wird und man sich nach A L = AL1 + AL2 diese Verl2ngerung aus zwei Teilbeuagen AL1 und AL.2 zusammengesetzt denken kann, dann betrigt die Gesamtdehnung ~ 1 =2 (AL1+ AL2)/Lo. Dieser Ausdruck ist aber von demjenigen verschieden, der sich f i r zwei stufenweise aufeinanderfolgende Dehnungen ergibt, nmlich ~1 + = (AL1/Lo)+ (AL.2/(Lo+ AL.1)). Wegen ~ 1 f2 ~1 + ~2 kann E = (L - Lo)/Lo nicht die wahre Dehnung E' sein. Die wahre Dehnung (Hencky-Dehnung) ergibt sich vielmehr durch Aufsummieren infinitesimal kleiner Ltingenanderungen pro momentane LiXnge: (16-2)
E'
=
L'
Lo
(dL/ L ) = In (L'/h) = h (1+ E )
521
16. Elastizitat
Spannungsweichmachung Eine Spannungsweichmachung erfolgt durch Scheffliessen, Bildung von Pseudobriichen (Crazes) oder Auftreten von Scherbudem bzw. Schelzonen (Abb. 16-2). Beim Scherfliessen (E: shear flow) verschieben sich lediglich Kettensegmente gegeneinander. Das Volumen des Priiflings bleibt konstant. Falls das Scheffliessen nicht homogen im ganzen Priifling erfolgt, sondem nur lokalisiert (heterogen). treten Scherbhder unter Winkeln von (38-45)" zur Spannungsrichtung auf (E: shear bands). Die Segmente ordnen sich dann unter Winkeln zu den Scherb u d e m und der Spannungsrichtung an. Bei diinnen Filmen beobachtet man entsprechend Scherzonen (E: shear zones). Pseudobruche bzw. Crazes (E: crazes) sind bis zu 100 pm lang und bis zu 10 pm breit. Ihre Liingsachsen sind rechtwinklig zur Spannungsrichtung. Sie sind keine Risse und weisen daher auch keine echten Hohlaume auf. Im Innem der Crazes befinden sich vielmehr amorphe Mikrofibrillen von ca. (0,6-30) nm Durchmesser, die mit der restlichen Matrix verankert sind. Die Mikrofibrillen liegen in Spannungsrichtung und daher rechtwinklig zu den Lugsachsen der Crazes (Kap. 17.3.1). Da die Abmessungen der Crazes grosser als die halbe Wellenluge des Einfallslichtes sind (0,4 pm bis 1,l pm) und sich die Brechungsindices der Matrix, der Mikrofibrillen und der Luft unterscheiden, beobachtet man eine intensive Lichtstreuung und damit eine Weissftirbung des Priiflings. Dieser Weissbruch (E: stress whitening) wird entgegen seinem Naxnen nicht von einem Bruch des Priiflings begleitet. Beim weiteren Dehnen entstehen mehr und mehr Crazes. Die zunehmende ZahI der Mikrofibrillen erhoht den Widerstand gegen Deformationen. Die nominelle Zugspannung durchliiuft ein Minimum und nimmt dann durch die einsetzende Spannungsverhartung (E: stress hardening, strain hardening) wider zu (Abb. 16-1).
Scherzonen
Crazes
Scherbhder
Abb. 16-2 Mikrodeformationen in Polymeren. Die Pfeile geben die Richtungen der Spannungen an.
16.2.2.
Hooke'sches Gesetz
Das longitudinale Dehnen eines isotropen Stabes der L u g e Lo und Querschnittsflache A0 erfordert eine Krafi F. Die Lugenuderung AL = L -Lo ist bei sehr kleinen Belastungen sowohl der antkglichen L a g e Lo als auch der Kraft F proportional. Die L a genaderung ist femer reziprok proportional der anfaglichen Querschnittsfliiche Ao:
Das Einfiihren der Dehnung E = U / L o und der Zugspannung 01 1 = F/Ao fiihrt zum Hooke'schen Gesetz, welches ein Grenzgesetz fir verschwindend kleine Dehnungen ist: (1 6-4)
01 1 = EE= (~ / D ) E
522
16.2. Zugversuch
Die Proportionalitltskonstante const = D in G1.(16-3) ist die Zugnachgiebigkeit (E: tensile compliance). Ihr Kehrwert 1/D ist bei statischen Deformationen isorroper Korper der Zugmodul E, gewohnlich Elastizitatsmodul genannt (vgl. aber unten) (E: tensile modulus, Young's modulus, modulus of elasticity; L: modulus = kleines Mass, Diminutiv von modus = Mass). Im Grenzfall verschwindend kleiner Dehnungen ist die nominelle Zugspannung 6 1 1 der nominalen Dehnung E direkt proportional. Die Proportionalitatsgrenze (E: proportionality limit) ist jedoch nur schwierig zu ermitteln. Der Zugmodul wird daher oft als Sekante ermittelt. z.B. vom Ursprung des Koordinatensystems bis zur Dehngrenze (E: elasticity limit). Die Dehngrenze ist bei Kunststoffen als die nach dem Entfemen der Spannung verbleibende Dehnung von 0,Ol % definiert. Bei den CAMPUS@-Daten von Kunststoffen bezieht sich der Zugmodul auf die Sekante zu Dehnungen zwischen 0,OS % und 0,25 %, bei Elastomeren hlufig auf die Sekante zu 100 % oder 300 % Dehnung (100 %-Modill, 300 %-MOdul). Beim statischen tangentialen Scheren isotmper Korper sind entsprechend Scherspannung a 2 1 = z und elastische Scherverformung 'ye durch den Schermodul G (E: shear modulus) bzw. die reziproke SchernachgiebigkeitJ (E: shear compliance) verkniipft (s. Kap. 15.1). Die durch einen statischen allseitigen Druck p erzeugte Kompression AVWo isotroper Korper wird durch den Kompressionsmodul K (E: bulk modulus) bzw. die reziproke Kompressionsnachgiebigkeit B (E: bulk compliance) charakterisiert: Moduln
Nachgiebigkei ten
Zugmodul E =o~~JE Schermodul G = 021/~e Kompressionsmodul K = p/(- AVIV,)
Zugnachgiebigkeit Schemachgiebigkeit
D = 1JE J = 1/G Kompressionsnachgiebigkeit B = 1/K
Sowohl E als auch G und K charakterisieren die ElastizitAc in bestimmten Fglen konnen sie auch ineinander umgerechnet werden (Kap. 16.2.3). Da alle drei Grossen Elastizitiitsmoduln sind, ist es zweckmitsig,E nicht als "ElastizitAtsmodul",sondern als Zugmodul zu bezeichnen. Der Schermodul G wird oft auch "Torsionsmodul"genannt, was fiir die einfache Scherung etymologisch inkorrekt ist, da das lateinkche Wort torqcre nicht "scheren" bedeutet, sondern "verdrillen" (Abb. 15-1). Beim Verdrillen eines transversal isotropen K o p r s um die ausgezeichnete Lhgsachse ist allerdings der Modul rechtwinklig zur Ungsachse ein Schertorsionsmodul(Kap. 16.2.3). Kompressionsnachgiebigkeiten oder Kompressionsmoduln werden auch als KompressibilitAtenbezeichnet Die Symbole K undB sind in der Literatur oft vertauscht "Komplianz" anstelle von "Nachgiebigkeit" ist im Deutschen ungebriluchlich.
16.2.3.
Poisson-Zahl
Beim Deformieren kann ein Korper sein Volumen entweder beibehalten oder a d e m . Falls es sich tindert, kann es beim Komprimieren nur abnehmen und beim Dehnen nur zunehmen. Im letzteren Falle wird bei einem quadratischen Zylinder die urspriingliche L h g e Lo um AL vergrossert und die urspriinglichen Durchmesser do in den beiden Quenichtungen um je Ad vemngert. Das Volumen nimmt somit um einen Betrag AV zu: (16-5)
AV = (do - Ad)2(Lo + AL)- do2Lo = do2AL. - 2 A d d d o + [(Aa2Lo + do2AL - 2 doAdAL + (Ad)2AL]2
523
16. Elastizitiit
Die in eckigen Klammem stehenden htiheren Glieder werden vemachl2ssigt und man eAUt AV = d$AL - 2 Adddo. Einfiihren der Dehnung e = (L - Lo)/Lo und des Hookeschen Gesetzes E = q1/E liefert die relative Volumenihderung:
Die relative Querkontraktion p = (Ad/do)/(AL/Lo) ist die Poisson-Zahl (E: Poisson ratio, relative strain contraction). Wie aus der Ableitung hervorgeht. gilt sie nur fiir sehr kleine Deformationen. Sie ist also streng genommen keine Konstante. Bei einem allseitig unter Druck stehenden Ktirper wird die Spannung 011 negativ und dreimal so gross wie der Druck p. Einsetzen von 611 = - 3 p und des Kompressionsmoduls K = p/(-AV/Vo) in die G1.(16-6) fiihrt zu (16-7)
E = 3 K ( l - 2 ~ ) = 2 G ( l + p ) ; p=-- 3 K -E 6K
-
3K-2G 2(3K+G)
wenn alle Parameter konstant und unabhugig von der Deformation, den Volumenihderungen und der Spannungsrichtung sind. Die in GL(16-7) mil aufgenommene Beziehung zwischen dem Zugmodul E und dem Schermodul G ist etwas komplizierter abzuleiten (s. Lehrbiicher der Physik) und wird darum hier nicht wiedergegeben. Die Poisson-Zahl isorroper Kiirper kann nach G1.(16-7) nur zwischen 1D (wenn E = 0 oder G = 0) und -1 (wenn K = 0) variieren. Der obere Grenzwert von p = 1/2 wird bei volumenkonstanten Verformungen (AV = 0) mit Querkontraktion (d # 0) erreicht (Gl.(l6-6)). Beispiele sind Fliissigkeiten wie Wasser oder Quecksilber oder auch hochgequollene Gele (Tab. 16-1). Wenn keine Querkontraktion auftritt (Ad = 0) wird nach G1.(16-6) auch p = 0. Dieser Spezialfall tritt theoretisch bei allen idealen energie-elastischen Festktirpem auf. Beispiele sind Diamant, Graphit und Al203-Fasem. Stahl ist dagegen nicht als vtillig energieelastisch anzusprechen (Tab. 16-1). Polymere verhalten sich im isotropen Zustand in Bezug auf die Poisson-Zahl und die drei Moduln E. G und K eher wie viskose Fliissigkeiten 01 + 11'2) und weniger wie elastische Festktirper (p + 0). G1.( 16-7) gilt nicht fiir Messungen unter verschiedenen Beanspruchungszeiten, da dann viskoelastische Anteile merklich werden (Kap. 17). Sie gilt auch nicht fiir anisotrope Polymere, also z.B. nicht fiir semikristalline Thermoplaste, orientiene Priiflinge, Fasem oder faserverstgrkte Polymere. Die Poisson-Zahlen misotroper Ktirper sind in den drei Raumrichtungen verschieden. p betragt 2.B. beim kristallinen Polyb-phenylenterephthalat) 0.31 in [ 100]-Richtung, 0.20 in [OlOl-Richtung und 0.24 in [IlOI-Richtung. Anisotrope Ktirper ktinnen Poisson-Zahlen von mehr als 1/2 aufweisen. z.B. p = 1 bei einem orthogonal gewebten Tuch in 45O-Richtung zu Kette und Schuss und auch von weniger als - 1 (Tab. 16-1). Bei Polymeren ist im Allgemeinen der Kompressionsmodul K gr6sser als der Schermodul G (Tab. 16-1). Einer Kompression wird somit der grossere Widerstand entgegengesetzt und die Polymeren deformieren sich in erster N ~ e r u n ghauptsichlich durch Scheren. Bei Elastomeren, Thermoplasten und Duromeren ist also der Schermodul G der wichtigste Modul, gefolgt vom Kompressionsmodul. Der Zugmodul ist dagegen keine fundamentale Gr6sse.
524
16.2. Zugversuch
Tab.16-1 Dichten p. Poisson-Zahlen p, Zugmoduln E, Schermoduln G und Kompressionsmoduln K bei Raumtem ratur. Sofem nicht anders angegeben, sind alle Moduln experimentelle Werte. It In Fasemchtung; a6ricalciumsilicathydrat.
Material
plkcm”)
Theoretischer oberer Grenzwert (exakt) WW(4Oc) Naturgummi GelatineGel(80 % Wasser) Quecksilber Poly(ethylen), niedrige Dichte Polyamid 6,6 Poly(styro1) Aluminium Eis (-4°C) Granit Stahl (v2A) Glas @-Glas)
Beton Qllarz Poly(ethylen), Gittermodul (It) Poly(styro1)-Schaumstoff Kork Graphit (in Schichtrichtung) D h a n t , [110]-Richtung A1203-Fasem(11) K(kperohne Querkontraktion P y n Einkristall ~ IsotropeMaterialien (unterer Grenzwert) Poly(ethylen), UHMW, mikroporos Poly(tetrafluorethylen),mikroporos
P 1/2 = 0.50
1,OOO 0,92 1,Ol 13,59 0,92 1,14 1,05
2,702 0,917 7,86 2,54 2,61a) 2,65
1,oo
< 0,25 2,25 3,515 3.97
0,4999 0,50 0,50 0,49 0,44 0.38 0,34 0,33 0.30 0.28 0.23 = 0,lO 0,07
0,03 0,oo 0 0 0 0 - 0,14 -1 > - 1,2 >-12
G/GPa 0 0 0.00035
0 0,070 0.70 12 27 3,7 12 80 25
K/GPa
Do
2,04 2 25 3,3 5,1 5 ,O 75 10,0 25 170 37
47
39
500
333
loo0 El2
667 E/3
E/GPa 0 =O 0,001 0,002 =O 0,20 1.9 3,4 72 9.9 30 195 72 34 101 354
1000 1160 2000 0
Wie man n2mlich durch Einsetzen des Ausdrucks fiir p in E = 3 K(l - 2 p ) sieht. kann der Zugmodul durch die beiden anderen Moduln ausgedriickt werden: (16-8)
31E = 11G + 110 K )
In der Praxis wird jedoch hauptsachlich der Zugmodul gemessen, weil der Kompressionsmodul nur schwierig zugbglich ist. Der Zugmodul ist femer der wichtigste Modul fiir hochorientierte (d.h. wenig scher- und komprimierbare) Fasem. Der relative Einfluss der Kompressions- und Schemoduln auf die Verformbarkeit wird bei theoretischen Betrachtungen oft durch die Lame-Konstante A erfasst:
(16-9)
2= A=K--G 3
EG-2G2 - 9 K 2 - 3 K E - 3--p K --=2pG 3G-E 9K-E l + p 1-2p
PE (1+~)(1-2~)
Anders als bei isotropen Korpem sind bei anisotropen Korpem die drei Moduln E , G und K nicht gleichwertig. Bei isotropen Klirpem fiihrt n-lich die Dehnung in einer Raumrichtung zu gleichanigen Spannungen in den beiden anderen Richtungen. nicht jedoch bei anisotropen. Diese Spannungen werden durch eine Kompression undloder eine Scherung aufgeltist.
525
16. Elastizitat
16.2.4.
Prufmethoden
Moduln sind mit makroskopischen oder mikmskopischen Methoden messbar. Zu den makroskopischen Methoden z m e n der Zugversuch und der Biegeversuch. Mikroskopische Methoden bestimmen die sog. Gittermoduln, z.B. durch R6ntgenbeugung. RamanStreuung oder kohgrente inelastische Neutronenstreuung. Moduln ktinnen femer rnit verschiedenen Methoden theoretisch berechnet werden.
Zugmoduln Beim Zugversuch wird an einen Priifk6rper eine Spannung angelegt und die resultierende Lilngenilnderung gemessen. Die Anfangsneigung der Funktion d = AE)entspricht bei isotropen K6rpem dem Zugmodul E. Bei anisotmpen Ktirpem liefert sie den longitudinalen Zugmodul Ell, wenn die angelegte Spannung parallel zur Vorzugsachse des Materials ist, z.B. der Kettenachse von Polymermolekiilen. Um vergleichbare Daten zu bekommen, sind die Priiflinge und die Priifbedingungen genormt. Bei Kunststoffen werden z.B. nach IS0 rechteckige Priiflinge mit genormten Abmessungen verwendet, altemativ auch genormte hantelfiirmige. Die erhaltenen Werte sind in der Regel Werte des Priiflings und nicht des Materials. Zugmoduln hiingen z.B. bei isotropen Kunsrsroffeen nicht von der Gestalt des Priiflings ab, WONaber bei anisotmpen (Abb. 16-3). Das Einklemmen des Priiflings in die Halterungen der Zugmaschine erzeugt nihlich in der Nfie der Klammem zusgtzliche Spannungsverteilungen, die sich bei anisotropen K6rpem erst iiber weit griissere Distanzen ausgleichen als bei isotropen. Bei kleinem Kantenverhllltnis L/d erhlllt nur ein Bruchteil des Querschnitts die volle Last. Aus diesem Grunde ist es auch vorteilhafter, mit hantelf6rmigen Priiflingen statt mit rechteckigen zu arbeiten.
t
41
Poly(styro1)-
block-Poly(butadien)block-Poly (styro 1)
I 1 A
0
50
100
150
200
150
200
1
I30
0
50
100 -Lfd
+
Abb. 16-3 Prilfwerte anisotroper Polymerer als Funktion des Kantenverhaltnisses Lld von Stilben [l]. Oben: Schermodul G eines Poly(styrol)-block-Poly(butadien)-block-Poly(styrol)s mit hexagonal angemheten,zylindrischen Poly(styrol)-Dom2nenin einer kontinuiwlichenPoly@utadien)-Matrk. Unten: Zugmodul E eines bis zu einem Verstreckungsverhiilmis von 28 gezogenen Filmes aus einem semibistallinenPoly(ethy1en). Der Zugmodul wird erst bei L/d > 100 konstant Die fiir Zugversuche iiblichen rechteckigen Priiflinge weisen dagegen meist L/d < 8 auf. Mit freundlicherGenehmigung von Elsevier Science, Oxford.
526
16.2, Zugversuch
Der Elastizitiitsmodul eines stark onentierten Hochmodul-Poly(ethy1en)s nimmt z.B. erst nach Verhtiltnissen L/d > 100 den wahren Wert an (Abb. 16-3). Umgekehrt sinkt der Schermodul eines Dreiblock-Polymeren aus Styrol- und Butadien-Einheiten zunachst ab und wird dann erst konstant. Die wahren Moduln E lassen sich dabei oft durch Extrapolation der reziproken, bei kleinen Verfonnungen gemessenen Moduln E L auf eine unendliche L2nge erhalten, z.B. nach EL = (1/E)+ const (W). Fasern sind sehr lang verglichen zum Durchmesser. Bei ihnen spielt das Verhtiltnis L/d keine Rolle, wohl aber der Faserdurchmesser d . Je nach dem Spinnverfahren variiert n h l i c h sowoN der Faserdurchmesser innerhalb einer Faser als auch von Faser zu Faser. Dickere Fasern weisen gr6ssere Oberflachen auf, was zu stirkeren Oberfliichenfehlern (z.B. Porositaten) und bei bestimmten Verfahren auch zu einem Gradienten der chemischen Zusammensetzung vom Innern zur Oberflache fuhren kann. Die Moduln und Zugfestigkeiten nehmen daher mit abnehmendem Faserdurchmesser zu, und zwar besonders ausgepriigt bei anorganischen Hochmodul-Fasem (Abb. 16-4) und schwacher bei organischen Fasem.
6
\
Y
10
20
100
40
- d/pm
-B
n
0 11
0
20
40
60
- d/Hm +
80
100
Abb. 164 Abhwgigkeit der longitudinalen Zugmoduln Ellund der Reissfestigkeiten ag vom Durchmesser d von Si,NyC,-Fasem. Nach Daten von [2]. Zugversuche sind Kurzzeit-Tests. Die Priifwerte h a g e n teilweise noch von der Geschwindigkeit bzw. Zeit oder Frequenz ab. IS0 527 und CAMPUS@ schreiben z.B. die folgenden Geschwindigkeiten fiir Kunststoffe vor: 1 mm/min bei Zugmoduln, 5 mm/min bei Zugfestigkeiten (Reissfestigkeiten) und Bruchdehnungen und 50 mm/min fiir Streckgrenzen und Streckdehnungen (Punkt Y in Abb. 16-1). Da Zugmoduln E aus den Anfangssteigungen von 011 = F/Ao =A&)bzw. F =A&)berechnet werden, sind sie praktisch nicht geschwindigkeitsabhagig und somit wahre Materialkonstanten. Oberhalb der Proportionalitatsgrenze, bei der Spannung und Dehnung nicht mehr direkt proportional sind, kiinnen sich jedoch die Funktionen 011 =A&)bzw. F =f(&) sehr unterscheiden (Abb. 16-5). Je grijsser die Zuggeschwindigkeit E , umso weniger lasst sich das Polymere dehnen. Eine Verstreckung vor dem Zugversuch setzt die Dehnbarkeit noch weiter herab. Die Zuggeschwindigkeit hat demgemass nur einen geringen Einfluss auf den Zugmodul, einen massigen auf die Dehnbarkeit und einen starken auf die Bruchspannung.
527
16. Elmtizitdl OOO 80000 80000 8000 10 1 0.1 + i l ( % s s - ' ) 0 0 0 0 +u,/(Ntex-*) 0 0.02
8
,2
,
I
I
I
,
2
V .
10
0
20
30
40
-E l % +
50
60
70
Abb. 16-5 Einfluss der Zuggeschwindigkeit t auf die Abhagigkeit der Zugkraft F von Multifilamentgarnen aus Poly(ethy1enterephthalat) von der Dehnung E Messungen bei Raumtemperatur. Die Game wurden teilweise bei 220°C bei verschiedenen Vorspannungen oSthermofiiiert [3].
Biegemoduln Zugmoduln k6nnen im Prinzip auch durch Biegemessungen ermittelt werden. Bei Biegungen greift die Kraft z.B. einseitig an dem freien Ende eines einseitig angespannten K6rpers an (1-Punkt-Messungen) oder in der Mitte eines auf zwei Punkten aufgelegten Wflings (3-Punkt-Messungen). Bei 3-Punkt-Biegungen ist die Deformation komplizierter als bei Dehnungen oder Kornpressionen. da die konvexe Seite des Kdrpers oberhalb der sog. neutralen Achse gedehnt und die konkave Seite unterhalb dieser Achse zusammengedriickt wird (Abb. 166). Bei rechteckigen Priiflingen der Dicke d und Breite b treten an der oberen Seite entlang der Spannweite L maximale Spannungen und Dehnungen auf. Die maximale Spannung betragt Umax = (3 FL)/(2 bd2) und die maximale Dehnung emax = 6 &f/L2,wobei F die am Mittelpunkt angreifende Kraft ist und 6 die Durchbiegung. Der Biegemodul E f ergibt sich demnach zu E f = Uma/Emax = (Ft3)/(4bd3s). Der so berechnete Biegemodul Ef (E: flexural modulus) sollte mit dem Zugmodul E identisch sein, was meist fiir amorphe Polymere zutrifft (Abb. 16-7). Bei semikristallinen Polymeren ist jedoch oft Ef/E > 1 fiir E < 1 GPa, aber EflE < 1 fiir E > 1 GPa.
\
'.,
I
M '*,
I
IR
L '*,
,' I'
I '*,
,ah
'.'.'y#'
',
; ' ;
I
I I I
a'
#'
Abb. 16-6 Biegung rechteckiger K6rper mit der Breite. b und der Dicke d durch angreifende KPAfte + bei der 3-Punkt-Merhode. Das Biegemoment M verbiegt den Klirper um die neutrale Achse N zum Sektor eines Ringes mit dem Radius R, wenn die Spannweite L vie1 grlisser ds die Dicke d ist (ca.Lld >> 16). Die Verbiegung beMgt 6.
528
16.2. Zugversuch
Moduln aus Schallgeschwindigkeiten In einem Priifling ktlMen elektrodynamisch longitudinale Oszillationen erzeugt werden, wobei die Frequenzen so variierbar sind, dass stehende Wellen entstehen. Die Spannungswellen pflanzen sich rnit einer Schdlgeschwindigkeit Y fort, die sich aus der Wellenlhge I der stehenden Wellen. der eingestrahlten Frequenz v, der Liinge L des Priiflings und den ganzen Zahlen N = 1, 2, 3 ... zu v = I v = 2 Lv/N berechnet. Der Modul ergibt sich angen2hert zu E = p$. Fur exakte Auswertungen muss noch der Einfluss der geomeuischen Dimensionen auf die Geschwindigkeit beriicksichtigt werden.
Gittermoduln Zug- und Biegemoduln sind zwar Materialkonstanten, ktiMen jedoch nicht direkt mit Molekiilparametem korreliert werden. Bei amorphen Polymeren liegen z.B. die Kettenatome ungeordnet vor. Selbst bei semikristallinen Polymeren sind die Segmentachsen weitgehend statistisch im Raum verteilt. Die angreifende Kraft wird daher nicht gleichmZissig auf alle Kettenatome ubertragen, sondem nur auf einige wenige. Die makroskopisch durch Zugspannungs-Dehnungs-Messungenan konventionell verarbeiteten Polymeren ermittelten Zugmoduln sind weit niedriger als die theoretischen (Kap. 16.3.5); sie sind weder mit den Steifheitskonstanten noch mit den Nachgiebigkeitskonstanten direkt verknupft. Bei orientienen Polymeren werden hohere Zugmoduln als bei konventionell verarbeiteten Polymeren beobachtet frab. 16-1). Diese Moduln sind jedoch immer noch niedriger als die theoretisch berechneten (vgl. Poly(ethy1en) in den Tab. 16-1 und 16-5). Man kann jedoch die Elastizititsmoduln semikristalliner Polymerer auch "mikroskopisch ermitteln, z.B. durch RBntgenbeugung. Bei dieser Methode misst man die Anderungen A0 der Bragg-Winkel ausgewmter Reflexe (Atomabst2nde) beim Anlegen einer Kraft F pro Querschnittsfliche A0 der Probe. Die makroskopische Spannung 011 = F/Ao wird als gleich gross wie die mikroskopische Spannung an den Gitterpunkten angenommen. Der Zugmodul ergibt sich dem Hooke'schen Gesetz zu E = u11/&,wobei die Dehnung E = Ad/d = - cot e/A0 aus dem Bragg'schen Gesetz (GL(7-1)) 2d sin 8 = &-J berechnet wird. Mit dieser Methode sind die Zugmoduln Ell parallel und E l senkrecht zur Kettenachse ermittelbar (Tab. 16-5). Die so erhaltenen Moduln werden auch als Gittermoduln bezeichnet (E: lattice moduli). Bei dieser Methode ist kritisch, wie die angelegte Spannung ubertragen wird. Wenn die beobachteten Zugmoduln unabh2ngig von der thermischen und mechanischen Vorgeschichte der Proben sind, kaM man annehmen, dass sich die angelegte Spannung homogen uber die kristallinen und amorphen Bereiche verteilt. Bei einigen Polymeren wurde jedoch gefunden, dass sich die Moduln Ell stark rnit der Temperatur und dem Verstreckungsgrad Udem (Abb. 16-7). Sowohl bei sehr tiefen als auch bei sehr hohen Temperaturen sind die Moduln unabhmgig von der Temperatur und dem Kristallinititsgrad; hier muss die Spannungsverteilung in der Tat homogen sein. Bei tiefen Temperaturen werden die Gittermoduln Ell beim Poly(ethy1en) mit dem theoretischen Modul E33 in Kettenrichtung identisch. Der experimentelle Gittermodul des Poly(oxyethy1en)s ist aber selbst bei -160°C immer noch vie1 Weiner als der theoretische Modul. Altemativ kann man Gittermoduln auch mit der Raman-Spektroskopie oder der kohiirenfen inefastischen Neufronenstreuung ermitteln. Beide Methoden messen die Geschwindigkeit eines Photons in den kristallinen Bereichen. Bei Paraffinen beobachtet
529
16. Elastizitdl
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -120 -80 -40 0 A0 - TI0C +
-160
Abb. 16-7 Abhhgigkeit der Gittermoduln Ell von der VerstreckungstemperaturT bei verschiedenen Vmtreckungsgrarlen a als Mass fiir die Kristalliniw [4]. man z.B. fiir Paraffine H(CH2),H im Bereich niedriger Frequenzen des Raman-Spekt m s eine Reihe von Banden, deren Schwingungsfrequenzen v systematisch mit steigender L a g e L des Molekiils abnehmen. Im Grenzfall langer elastischer Sabchen wird v = (1/2L)(Ell/p)lM.Diese "Sabchen" sind jedoch bei semikristallinen Polymeren die endlich langen Stiimme in Faltenmizellen (Abb. 7-11). Man erhat somit in der Regel zu hohe Gittermoduln Ell, beim Poly(ethylen) z.B. Ell = 368 GPa. Wird fiir L die L a g e des Knstallitstammes von Faltenlamellen (Abb. 7-15) eingesetzt. so emiedrigt sich Ell auf ca. 285 GPa. Bei der sehr aukendigen kohdrenten inelastischen Neutronenstreuung ermittelt man die Beziehungen zwischen der Frequenz und der Dispersion des Phasenwinkels sowohl in Kettenrichtung als auch senkrecht dam. Mit der Beziehung E = pv2 erh2lt man aus den Photonengeschwindigkeiten v die Gittermoduln Eli und E l .
16.2.5.
Einteilung von Polymeren
Polymere vernalten sich beim Zugversuch sehr unterschiedlich. Die Zugspannungen von Elastomeren nehmen mit zunehmender Dehnung zunachst schwach und dann immer sarker zu, bis der Priifling schliesslich bei hohen Dehnungen reisst. Der Grund ist, dass bei den sich ja oberhalb der Glastemperatur befindenden Elastomeren zunachst Mikrokonformationen in Mikrokonformationen mit zunehmend htiherer Energie umgewandelt werden. Zum weiteren Dehnen der zwischen zwei Vemetzungspunkten fast v61lig gestreckten Netzketten muss dann die sehr hohe Bindungsenergie uberwunden werden, wobei die Netzketten reissen. Bei thermoplastischen Elastomeren bestehen die Vemetzungs"punkte" aus gr6sseren Dom2nen (Kap. 8.5), die sich unterhalb der Glastemperatur befinden. Beim Dehnen werden zwar ebenfalls die Mikrokonfonnationen der Netzketten zwischen den Domhen umgewandelt. Da aber die Domiinen anders als die Vemetzungspunkte von Elastomeren durch sehr viele Netzketten miteinander verbunden sind, steigt die Zugspannung mit zunehmender Dehnung zunachst etwas st2rker und dann nur nur schwach an (Abb. 16-8).
530
16.2. Zugversuch
PS-K
1 PS-D E
'0
0
50
100
150
- I@& +
10
20
200
HIPS 30
40
250
Abb. 16-8 Zugspannungs-Dehnungs-Verhalten von Polymeren bei Raumtemperatur. u = Unverstreckte Folie, str = Folie vor dem Zugversuch biaxial verstreckt. 0 Bruch, + weitere Dehnung. PC = Bisphenol A-Polycarbonat PE-HD = Poly(ethy1en)hoher Dichte PF = vemetztes Phenol-Fmaldehyd-Han PET = Poly(ethy1enterephthalat)-Folie POM = Poly(0xymethylen) PTFE = Poly(temfIuorethy1en) (Teflon) SBS = Poly(styrol)-6fock-Poly(butadien)-6~ock-Poly(s~ol) (thermoplastischesElastomeres) und beim Komprimieren (PS-K)im Einblendung: Verhalten von Poly(styro1) beim Dehnen (PS-D) Vergleich zu einem hochschlagziihen. kautschukverstilrktenPoly(styr01) HIPS. Bei vielen Thermoplasten liuft dagegen die Zugspannung mit steigender Dehnung zuerst durch ein Maximum, die StreCkSpaMUng (Abb. 16-8: POM, PC, PET-u. PE-HD). Sie fXUt dann ab und steigt anschliessend wieder an, bis sie bei einer Bruchdehnung die Zugfestigkeit ag erreicht. Einige andere Thermoplaste (z.B. unverstrecktes Poly(styrol)) und praktisch alle Dumplaste (z.B. PF) brechen mit einer Reissfestigkeit OR bei einer Reissdehnung Q, bevor die Zugspannung ein Maximum erreicht. Die Zugspannung vorversmckter Polymerer weist oft nach einem steilen Anstieg ein ausgedehntes Plateau auf, dass dann wieder in in einen steilen Ansteig ubergeht, z.B. bei PET-Folien. Das Zugspannungs-Dehnungs-Verhaltenwird auch durch die Art und Weise der Deformation beeinflusst. Poly(styro1) erscheint im Zugversuch als steifes, spr6des Material, da es unter diesen Bedingungen Crazes ausbildet. Beim Komprimieren werden dagegen keine MikrohoNraume erzeugt und Poly(styro1) verhilt sich nunmehr steif-duktil. Gem2ss ihrem Zugspannungs-Dehnungs-Verhalten bei der betrachteten Temperatur teilt man Polymere gewohnlich in vier bis sechs Klassen ein (Tab. 16-2). Tab. 16-2 Einteilung von Polymeren nach dem Zugspannungs-Dehnungs-Verhalten(s. Abb. 16-8). Kmekte Klasse
Konventionelle Klasse
(E: rigid-bride) steif-fest (E: rigid-strong) steif-duktil (E: rigidductile) weich-fest (E: soft-strong) weichduktil (E: softductile) weich-elastisch
hart-spriid (E: hard-brittle) hart-fat (E: hard-strong) hart-& (E: hard-tough) weich (E: soft-strong) weich-ziih (E: soft-tough) weich (E: soft-weak)
steif-spriid
E gross
oy -
gross gross gross gross klein klein klein klein klein -
EB
Beispiele
klein klein
PS, PF PMMA POM, PC PTFE PE-LD SBS
gross
klein gross gross
53 1
16. Elastizitdt
t k w
\
109 107
I Id Id 50
100
150
-T I T
200
250
300
-b
Abb. 16-9 Temperaturabhibgigkeit der Zugmoduln eines amorphen, ataktischen. linearen Poly(styml)s (at-PS), seines leicht vemetzten Pmdukts (at-PS-X). eines semikristallinen isotaktischen Poly(styr0l)s (it-=) und eines stark vemetzten Phenol-Formaldehyd-Hams(PF). GL = Glaszustand, LE = lederartiges Verhalten. ES = elastomeres Verhalten, EF = elastomeres Fliessen, VF = viskoses Fliessen. TG = Glastemperatur, TM = Schmelztemperatur.
- Die Steifgkeit wird durch den Elastizit2tsmodul bestimmt: steife Polymere (E: rigid polymers) besitzen einen hohen Elastizit2tsmodul. Die konventionelle Bezeichnung "hart" fiir diese Polymeren sollte wegen der Verwechslungsgefahr rnit der Oberflkhenh2rte vermieden werden. Polymere mit E > 700 MPa sind steif, mit 700 2 E MPa 2 70 halbsteif (E: semirigid), und mit E < 70 MPa weich (E: non-rigid, soft; ASTM). - Das Spannungs-Dehnungs-Verhalten zwischen der Streckgrenze .cy und der Bruchdehnung EB kontrolliert die Spr6digkeit ('Zihigkeit"). Polymere ohne Streckgrenze fliessen nicht. Sie absorbieren daher keine Energie und sind sprode (E: brittle), bei Kunststoffen definitionsgemtiss bei EB < 20 % (in den USA bei a c 10 %). Polymere rnit grosser Streckspannung q sind fest (E: strong) bei geringer Spannungsweichmachung und duktil (E: ductile) bei grosser. Duktile Polymere sollten nicht als ztih (E: tough) bezeichnet werden, da "ZWdas Vernalten gegen einen Schlag charakterisiert. Diese Einteilung gilt nur f i r Standardpriifbedingungen. Jedes Polymere kann sich n3mlich je nach Temperatur und Beanspruchungsgeschwindigkeitsprdde oder duktil, fest oder weich, und steif oder elastisch verhalten. Das allgemeine Erscheinungsbild wird nicht von der chemischen und physikalischen Struktur per se bestimmt, sondem von der relativen Beweglichkeit der Kettensegmente. Die Segmentbeweglichkeith2ngt aber von der Priiftemperatur, dem Deformationstyp und der Priifgeschwindigkeit ab. Poly(styro1) erscheint beim Zugversuch wegen der Craze-Bildung als steif-spr(ld. bei der allseitigen Kompression dagegen als steif-duktil (Abb. 16-9, Einblendung). Bei sehr schnellen Dehnungen, tiefen Temperaturen und grossen Zugspannungen sind alle Polymeren steif, bei sehr langsamen Dehnungen, hohen Temperaturen und kleinen Zugspannungen dagegen weich (Abb. 16-5). "Hoch und "tief' bezieht sich dabei nicht auf den Temperaturwert per se, sondem auf die Lage der Messtemperatur T relativ zur Glastemperatur TG (Abb. 16-9). Nur Vemetzungen liefem femer brauchbare Zugeigenschaften: chemische bei Elastomeren und Dumplasten, physikalische bei thermoplastischen Elastomeren durch Domaen sowie bei Thermoplasten durch Verhakung.
532
16.3. Energie-Elastizittit
Die Zugmoduln E amorpher Thermoplaste weisen Werte von ca. lo9 < E P a < l O l 0 auf. Unterhalb der Glastemperatur TG sind sie praktisch temperaturunabhagig. Bei der Glastemperatur sinken dann die Moduln in einem recht engen Temperaturbereich auf ca. 105-106Pa ab (Abb. 16-9). In diesem Bereich verhalten sich amorphe Polymere lederartig. Der folgende Bereich h a g t davon ab, ob die Ketten verhakt sind oder nicht. Bei Polymeren mit Molmassen oberhalb der kritischen Molmasse fir eine Verschlaufung schliesst sich ein Bereich ziemlich temperaturunabh2ngiger Moduln von (16- loa) Pa an, in dem sich die Polymeren wegen der physikalischen Vemetzung wie Elastomere verhalten. Dieser gummiartige Bereich ist bei hohen Molmassen breit, bei Molmassen unterhalb M e dagegen nicht vorhanden. In dem darauf folgenden Temperaturbereich sinken die Moduln langsam weiter ab; die Polymeren verhalten sich hier wie hochz2he (gummiartige) Flussigkeiten. Schliesslich werden Moduln von ca. lo3Pa erreicht und die Polymeren erscheinen nun als viskose Fliissigkeiten. Chemisch leichr vernerzre Polymere weisen ebenfalls eine Glastemperatur auf. Bei Temperaturen T < TG besitzen sie W i c h hohe Moduln wie Thermoplaste. Bei T > T c zeigen sie bei den typischen Anwendungstemperaturen aber ein elastomeres Verhalten. Da die verh3ltnismlssig langen Netzketten zwischen den Vemetzungsstellen sich zwar deformieren klinnen, aber nicht wegfliessen, besitzen die Moduln bei T > TG ein breites Plateau. Bei noch hliheren Temperaturen beginnen sich die Elastomeren chemisch zu zersetzen und der Elastizitltsmodul sinkt schnell ab. Chemisch stark vernetzre Polymere (Duroplaste) haben sehr hohe Moduln. unterhalb der Glastemperatur meist etwa eine Zehnerpotenz hdher als amorphe Thermoplaste. Da die Netzketten sehr kun. sind und sich nicht gut bewegen khnen, ist die Glastemperatur der meisten Duroplaste nur schwach ausgepragt. Oberhalb der Glastemperatur verhalten sich Duroplaste etwas lede-ich. Das gummi2hnliche Plateau wird jedoch nicht mehr recht ausgebildet, weil sie hoch vemetzt sind und sich bald chemisch zersetzen. Semikrisralline Polymere besitzen nur kleine amorphe Bereiche. Ihre Moduln fallen daher bei der Glastemperatur nicht so stark ab wie bei amorphen Polymeren. Kristalline Bereiche wirken als grosse physikalische Vemetzungsstellen, da sie die Beweglichkeit der Kettensegmente stark herabsetzen. Die Moduln semikristalliner Polymerer sind daher vie1 grlisser als diejenigen amorpher Polymerer gleicher Konstitution. Beim Ann2hem an die Schmelztemperatur TM beginnen einige Kristallbereiche zu schrnelzen. wodurch die Moduln mit steigender Temperatur T langsam abnehmen. Alle verbleibenden Kristallbereiche schmelzen bei TM,wobei die Moduln katastrophenartig absinken.
16.3. Energie-Elastizitat Eine Energie-Elastizitgt tritt rein nur bei kleinen, reversiblen Deformationen auf. Aus diesem Grunde werden nur gering deformierbare polymere Stoffe durch Zugmoduln E charakterisiert, z.B. hochkristalline Polymere oder auch stark orientierte Fasem. Fur die Steifigkeit stark deformierbarer Klirper ist dagegen der Schermodul G geeigneter. Zu solchen KBrpem z m e n Elastomere und wegen ihrer Viskoelastizitlt auch die meisten Thermoplaste. Die bei nicht-isotmpen Klirpem auftretenden komplizierten Beziehungen zwischen E und G klinnen durch die lineare Elastizititstheone ermittelt werden.
533
16. Elastizitdt
16.3.1.
Generalisierte Hooke-Gleichung
Bei anisotropen Korpern sind die Beziehungen zwischen Spannungen und Dehnungen komplizierter als die nur f i r isotrope K6rper geltende Hooke-G1.( 16-2) nahelegt. Jede der auf die Fllchen wirkenden Krtifte eneugt nmlich in jeder der drei Raumrichtungen eine Spannung, so dass bei drei Raumrichtungen insgesamt 9 Spannungen q j zu beriicksichtigen sind (i j = x.y.z oder 1.2.3). Der K6rper versucht dann, die Spannungen durch Verformungen (hderungen der Gestalt undoder Abmessungen) aufzul6sen. Bei Deformationen tindert sich die Energie pro Volumen des Systems von Uo zu U. was als Taylor-Sene nach den Deformationen eij und eu geschrieben werden kann:
Die Deformationenci, und a sind dabei Tensoren, die nicht mit den in den voranstehenden Kapiteln verwendeten IngenieurgItisen E identisch sind. In Biichem iikr theoretische Mechanik sind oft beide Symbole vertauscht.
Die Koeffizienten Bij und Cijkl geben dabei die erste und die zweite Ableitung der Energie pro Volumen nach der Deformation an:
Im Gleichgewicht gilt Uo = 0 und (&!I/&&j= 0. Bei kleinen Deformationen konnen ausserdem die Glieder mit huheren Potenzen von e (E: higher orders 0 of e) vernachlksigt werden [0(e3) = 01. Gl.(l6-11) wird daher zu
Die erste Ableitung von I/ nach der Deformation ei, liefert die Spannung qj:
k=ll=l
G1.(16-13) ist die generalisierte Hooke-Gleichung. Da sie die Spannungen q, und die Deformationen eij bzw. iiber die Steifheitskonstanten Cijkl mit der Energie U des Materials verknupft, verbindet sie Kontinuumstheorien mit molekularen Theorien. Die Energie U muss n&nlich von den intra- und intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den Atomen bzw. den Atomgruppen eines Polymeren abhhgen. Wenn diese Wechselwirkungen und ihre Zusammenh2nge bekannt sind, kann man die Deskriptoren Ciju berechnen und damit auch die Deformationen und Spannungen. Im dreidimensionalen Fall gibt es maximal 8 1 Steifheitskonstanten(s. unten). Wegen der Syrnmetrieregeln Cijkl= Cjkl, Cijkl = cij1k und Cijkl= Cklij wird aber ihre Zahl im allgemeinen Fall auf maximal 21 emiedrigt. Bei bestimmten Symmetrien reduziert sich diese Zahl noch weiter (s. unten).
534
16.3.2.
16.3. Energie-Elastizitat
Lineare Elastizitatstheorie
Bei anisotropen Kdrpem wird eine in x-Richtung angreifende Kraft F , nicht nur wie bei isotropen eine Dehnung in x-Richtung erzeugen, sondem auch zusatzliche Dehnungen in den y- und z-Richtungen. Umgekehrt wird eine Dehnung in einer Richtung zu Spannungen in allen drei Raumrichtungen fiihren (Abb. 16-10).
Abb. 16-10 Spannungskomponenten o,,.wenn die Kr2fte F,, F , und F, nicht se-ht auf den durch x und y. x und z und y und z gebildeten Flachen stehen.
Spannungen Bei kleinen Deformationen kann man sich die Gesamtdeformation als lineare Kombination der Deformationen in den einzelnen Richtungen denken. Die lineare Elastizitatstheorie nimmt nun an, dass jede Spannungskomponente linear mit jeder Dehnungskomponenten ei, ( i j = 1,2,3) verkniipft ist. Die Spannung in [xxl- bzw. Ill]-Richtung wird somit als 011 = a i i e i i + h i e 2 2 + c l l e 3 3 + 4 i e 1 2 +fire13 + g i i e 2 1 + h i e 2 3 + h i e 3 1 + h i e 3 2
angesetzt und ebenso die Spannungen in den anderen acht Richtungen (a12 .... 033) mit den jeweils neun Deskriptoren pro Richtung ((112 .... 112 bis (133 .... 133). Die 9 Komponenten der Spannung schreibt man iiblicherweise als Elemente einer Matrix, dem Spannungstensor q,: ,0
( 16- 14)
(Jxy
0x2
u1'. = [ayx am cyz] 02,
azy
072
oder
oi, =[
zl: a31
a12
aZz a33
Masse, Temperatur, Dichte usw. sind richtungsunabh~gigeGrossen. Sie sind also nur durch eine Zahl und ihre physikalische Einheit gekennzeichnet. Derartige Grossen werden Skalare genannt (E: scalar, L scdae = Leiter). Sie stellen Tensoren nullter Stufe dar (s. unten). Krute, Geschwindigkeiten usw. sind dagegen zusatzlich durch eine Richtung in einer Ebene charakterisiert. Sie sind als Vektoren (E: vector; von L: vehere = fiihren, beftirdem) Tensore erster Stufe (L:tensus = gestreckt), deren Symbole fett und kursiv geschrieben werden. In einem d-dimensionalen Raum weisen Vektoren d Komponenten auf. Mechanische Spannungen sind als KrtXte pro Einheitsflache definiert. Sie sind Quotienten von zwei Vektoren. GrOssen wie die Spannung oder die Dehnung, die jedem Vektor einen anderen Vektor zuordnen. heissen Tensoren zweiter Stufe (E: second-rank tensors). In einem dreidimensionalen Raum besitzen sie N2 = 32 = 9 Komponenten. Die weiter unten diskutierten Steifheitskonstanten Ciju sind Tensoren vierter Stufe mit 34 = 81 Komponenten im dreidimensionalen Raum.
535
16. Eiastizit6t
Der erste Index i der Komponenten oi, der Spannung gibt die Richtung der Normalen auf die von der Kraft angegriffenen Ebene an und der zweite Index j die Richtung der Spannung. Die Tensoren s,;sind daher Normalspannungen (E: normal stresses). Die drei Normalspannungen 011,022 und 033 sind voneinander unabhbgige Grtissen. Beim Scheren in Richtung 11 (bzw. xx) werden die beiden Flachen A13 (bzw. Axz) parallel zueinander verschoben. Die Spannung 012 (oder 712 oder nur T) wird darum Scherspannung (E: shear(ing) stress) genannt. Die Spannung 013 = 713 ist dann die Tangentialspannung fiir diese Scherung. Scher- und Tangentialspannungenlassen sich als Deviatorspannungen zusammenfassen (E: deviatoric stresses), da sie von der Dehnspannung (E: dilatational stress) abweichen (L: deviare, de = weg von. via = Strasse). Im Allgemeinen stehen die Krffte nicht senkrecht auf den dazugehiirigen Flachen, sondem unter Winkeln zu den Normalen. Die je drei Spannungen bei jeder schragliegenden Flache sind mit den jeweiligen Normalspannungen uber den Cosinus der Winkel verbunden, welche die Normalen der Flfchen rnit den Achsen bilden. Beim Rotieren des Koordinatensystems zeigt sich. dass die Tensoren q, (i f j) aus Symmetriegriinden jeweils gleich sein mussen. Es gibt also maximal 6 unabhbgige, normalisierte Projektio. = 732) und 6 unabhbgige relatinen der K r a e (all. 022. 033. 712 = 721, 713 = ~ 1 723 ve Deformationen ( e l l , e22, e33, e12 = e21. e l 3 = e31, e23 = e32).
Verformungen Bei isotropen Kiirpem beriicksichtigt man im einfachsten Fall nur zwei Arten von Dehnungen, die Dehnverformung rnit der Nenndehnung E = (L- Lo)/Lo (E: extensional strain) und die Scherverformung (E: shear strain) mit dem Tangens tan 8 des Verschiebungswinkels (Abb. 15-3). Im allgemeinen anisotropen Fall sind Dehnungen und Scherungen gleichzeitig vorhanden, und zwar in allen Richtungen. Ein Punkt P1 habe die anffnglichen kartesischen Koordinaten x , y und z und ein in unmittelbarer NWe dieses Punktes gelegener Punkt P2 die Anfangskoordinaten x + dx. y + dy und z + dz. Diese beiden Punkte sind also durch einen Vektor dr = (dx, dy. dz) getrennt. Nimmt nun der Punkt P1 durch Verschieben und/oder Drehen eine neue Lage PI' rnit den Koordinaten x + u, y + v und z + w an, dann wird der ihm benachbarte Punkt P2 ebenfalls seine Lage hdem, und zwar zu Punkt P2' mit den Koordinaten x + dx + u + du, y + dy + v + dv und z + dz + w + dw. Die Lagebderung ist also durch u + du, v + dv und z + dz gegeben. Wenn nun zwischen dem Vektor dr und den relativen Verschiebungen du, dv und dw lineare Beziehungen bestehen, hiihere Potenzen also vemachlfssigt werden klinnen, dann ergibt sich fiir die Anderung der Koordinaten bei 2.B. u (16- 15)
u + du = u + (au/ax)dx + (au/ay)dy
und analog fiir die Verschiebungen v
+ (au/az)dz
+ dv und w + dw.
Um die dumliche Deformation
zu beschreiben. werden also neun Differentialquotienten aulax, au/dy .... aw/az bentitigt. Da x und u zur gleichen Koordinatenrichtung geh(lren, muss au/ax die Dehnung (bzw. Kontraktion) ex, angeben. Das Gleiche gilt fiir y + v bzw. z + w: (16-16)
exx =
au ax
. *
eyy =
av . ar .
aw
ezz= aZ
536
16.3. Energie-Elastizitat
Bei einer dreidimensionalen Verformung muss man noch die Dehnungen exy,eyz und ezx kennen: (16-17)
exy = W d x ) + ( W d y ) ; eyz= (dw/dy) + (dv/dz) ; ezx= ( W m ) + (dw/dx)
Die Verformungen &i' (i # J ] der G1.(16-13) stellen Ingenieurgrthsen dar. Bei Tensoren sind sie als jeweils die Halfte der humme der beiden Beitrage definiert, also z.B. als exy = (1/2)[(av/ax) + (au/ay)]. Die Verformungen sind somit bei Tensoren und Ingenieurgrossen identisch, aber nicht gleich, da die Ingenieurflssen EV doppelt so gross wie die Tensorgrossen e;i sin& Der Deformationstensor lautet somit
16.3.3.
Steifheitskonstanten und Nachgiebigkeitskonstanten
Um die umst2ndlichen vierfachen Indizes bei den Deskriptoren zu eliminieren, werden Spannungstensoren und Deformationstensoren iiblicherweise zu 6-Komponentenvektoren reduziert. Fur die Spannungskomponenten wird das Symbol a beibehalten. Alle Komponenten ui, mit i = j werden zu a, (mit p = l , 2, 3). Die Komponenten a;, mit den Werten i # j = 1 , 2 , 3 werden jedoch zu op mit p = 4 , 5 , 6 : Tensoren
xx yy zz
YZ ZY
xz zx
XY
Yx
11 22 33 23 32 13 31 12 21
Matrix-Bezeichnung 1 2 3
4
5
6
Die Dehnungskomponenten ekl (kl = 1 1 , 22, 33) werden entsprechend zu e,. Bei den Scherkomponenten eu (mit kl = 23. 32, 13, 31, 12, 21) setzt man jedoch 2 ekl= q.d.h. man fiihrt die entsprechenden Ingenieurgrossen ein. Die Deskriptoren Cijkl werden als Cwgeschrieben; C2233 wird also beispielsweise zu C23 und C1113 zu C15. Die generalisierte Hooke-Gleichung lautet dann in Matrix-Schreibweise (16-20)
op= Cweq ; e, = Cpq-bq = Swaq
Dabei sind die apdie Elemente des Spannungstensors, Eq die Elemente des Deformationstenson, C , die Steifheitskonstanten (elastische Steifheiten, "elastische Moduln", Voigt-ElastizitZtskonstanten)und S, die Nachgiebigkeitskonstanten (Reuss-Elastizitahkonstanten). C , und S,, sind nicht die Komponenten eines Tensors, da sie wegen des
16. Elastizitrit
537
Uberganges zu Ingenieumotierungen nicht die Transformationsgesete fiir Tensoren befolgen. Als Komponenten einer Matrix sind daher C, und Sw-l nur in speziellen F a e n nummerisch gleich (vgl. auch Tab. 16-3). In der angels2tchsischenLiteratur wird C, als (elastic) stiffness tensor bezeichnet und S, als (elastic) compliance tensor. Die Symbole dieser GrUssen sind aus unerfindlichen Griinden mit den Anfangsbuchstaben vertauscht: C fiir stiffness und S fiir compliance! Da Spannungen und Defonnationen beim Vertauschen von p und q invariant bleiben, ,, und 21 Nachgiebigkeitskonstanten Spq.Die ergeben sich 21 Steifheitskonstanten C Zahl dieser Konstanten reduziert sich, wenn das Material bestimmte Symmetrien aufweist. Die je 21 unabhagigen Konstanten C, und ,S des allgemeinen Falles entsprechen einer triklinen Symmetrie flab. 7-1). Bei einer monoklinen Symmetrie gibt es jedoch nur je 13 unabhagige Konstanten, einer (ortho)rhombischen 9. einer tetragonalen 6 oder 7, einer hexagonalen 5. einer kubischen 3, und bei isotropen Kurpern nur 2.
Orthotrope K6rper KUrper mit orthotroper Symmetrie weisen gleiche Eigenschaften in drei senkrecht aufeinanderstehenden Ebenen auf. Bei Kristallen sind dies die kubischen. tetragonalen und (0rtho)rhombischen Kristallsysteme (Tab. 7- 1). Solche Symmetrien treten jedoch nicht nur bei kristallinen KUrpern auf. Auch mil Fasern verstlrkte Kunststoffe zeigen Orthotropie, wenn die Fasem in der [12]-Ebene dichter gepackt sind als in der [23]Ebene. Ein anderes Beispiel sind verstreckte Filme und Folien. Fur orthotrope Kurper ergibt sich nach der generalisierten Hooke-G1. (16-13) eine 6x6 symmetrische Matrix 0 = Cpqe.wobei bei den SchergrUssen wie ublich 0 durch T und e durch 7 ersett wurden:
Wegen der Symmetrien bei orthotropen KOpern sind nur neun unabh2ngige Steifheitskonstanten erforderlich. In der gleichen Weise erhnt man neun unabhbgige Nachgiebigkeitskonstanten Spq Mechanische Eigenschaften werden aber ublichenveise nicht mit den Steifheitskonstanten C oder den Nachgiebigkeitskonstanten S beschrieben. sondem mil den IngenieurgrUssen E, p und G.Sie sind wie folgt mit den Deskriptoren S, bzw. C , verkniipft. Beim Anlegen einer reinen Zugspannung 01 in 1-Richtung werden keine Zugspannungen in den beiden lateralen Richtungen 2 und 3 vorgegeben ( 0 2 = 03 = 0).Der KUrper antwortet jedoch nicht nur mil einer Dehnung &1 in 1-Richtung. sondern auch mit Vejiingungen &2 und ~3 in den beiden lateralen Richtungen. Da keine Scherspannungen angelegt werden (~23= ~ 1 = 3 712 = 0), erhXlt man auch keine Scherverformungen (n3 = 713 = 712 = 0).
538
16.3. Energie-Elastizitat
Die Nachgiebigkeitskonstanten ergeben sich aus dem Verhdtnis von Dehnungen zur angelegten Spannung. Da die Verformung in 1-Richtung durch die Zugspannung u1 bewirkt wird, erhdt man S11 = q / q . Bei einer reinen Dehnspannung in 1-Richtung gilt aber nach dem Hooke'schen Gesetz auch 01 = E l e l , woraus fiir die Nachgiebigkeitskonstante S11 = E l - 1 folgt. Die Verformungen in 2- und 3-Richtung werden ebenfalls nur durch die Zugspannung 01 bewirkt. Beim L2ngen in I-Richtung vejungt sich aber der Korper in den 2und 3-Richtungen. Die beiden anderen Nachgiebigkeitskonstanten ergeben sich also zu S22 = -&dulund S33 = - ~ 3 / ~ Wegen 1. der Querverformungen erhdt man aber auch die Poisson-Zahlen zu p12 = e2/q und p i 3 = ~ 3 / & 1Damit . wird S12 = - ~ d q = - p 1 2 ~ 1 / 6 1= -p12/E1 und folglich auch S13 = - p13/E1. In der gleichen Weise kann man eine reine Zugspannung in 2-Richtung vorgeben und dann die Dehnungen in den drei Raumrichtungen bestimmen. Anschliessend wird das Procedere fiir eine reine Zugspannung in 3-Richtung wiederholt. Das Ergebnis zeigt, dass sich die 9 Nachgiebigkeitskonstanten beim Zugversuch wegen S12 = S21, S i 3 = S3i und S23 = S32 und folglich p l 2 E 2 = p 2 1 E 1 , p13E3 = p31E3 und p 2 3 E3 = p 3 2 E3 2 zu sechs unabh2ngigen Deskriptoren reduzieren (Tab. 16-3). Da aber fiir orthotrope Ktirper total 9 Deskriptoren erforderlich sind, mussen die restlichen drei Ingenieurgriissen G 1 2 , G13 und G23 durch drei Scherexperimente 'sp = Gmyq ermittelt werden. Die Beziehungen zwischen Ingenieurgrossen und Nachgiebigkeitskonstanten S , sind einfacher als diejenigen zwischen Ingenieurgrtissen und Steifheitskonstanten C,. In der Mechanik werden daher bevorzugt Nachgiebigkeitskonstantenbestimmt. Umgekehrt lassen sich mit molekularen Andtzen (Potentialfunktionen usw.) vie1 einfacher Steifheitskonstanten berechnen.
Orientierte Korper Verschiedene Polymere und Polymersysteme weisen hohere Symmetrien als orthotrope KCSrper auf. In biaxial verstreckten Filmen und Folien sind z.B. Kettensegmente oder Kristallite in der [12]-Ebene orientiert. In verstreckten Fasem oder auch in Faserbundeln sind sie mit ihren L2ngsachsen in [3]-Richtung ausgerichtet sind (Abb. 16-11). Diese Kotper sind transversal isotrop. Echte isotrope Koxper weisen dagegen iiberhaupt keine Vormgsachsen auf. Tab. 16-3 Beziehungen zwischen den Ingenieurgrdssen E, p und G und den Nachgiebigkeitskonstten S, bzw. Steifheitskonstanten C , bei orthotropen Kdrpern. Schergrdssen Index
SPq
CP4
539
16. Elastizitat 3
3
3
0 Abb. 16-11 Biaxial orientierte (links),'uniaxial orientierte (Mitte) und isotrope K6rper (rechts). Bei biaxial onentierten K6rpem ist die Symmebieebene parallel zur Orientierungsebene. bei uniaxial onentierten K6qem dagegen rechtwinkligzur Orientierungsn'chncng. Falls die Querschnitte der Fasem in Faserbiindeln oder der Kettensegmente in semikristallinen Polymeren regelmBssig angeordnet sind (Abb. 16-12, links und Mitte), ben6tigt man zur Beschreibung 6 Deskriptoren. Bei statistischen Anordnungen sowie bei biaxial orientierten K6rpem mit statistischer Anordnung (Abb. 16-12, rechts) sind jedoch nur 5 Deskriptoren erforderlich.
Abb. 16-12 Schnitt durch die [12]-Ebene von Faser- cder Molekiilbiindeln. Links: hexagonal geordnet; Mae: quadratisch geordnet; rechts: ungeordnet. Wechselwirkungenzwischen den LAngsachsen der Fasem bzw. Molekiile sind durch Smche angedeutet.
Da bei statistischen Anordnungen nur 5 Deskriptoren erforderlich sind, mussen von den 9 Deskriptoren orthotmper K6rper weitere 4 wegfallen. Aus Abb. 16-11 sieht man, dass wegen der Symmetrieverhatnisse ,911 = S22. S44 = S55 und S13 = S23 = S32 gelten muss. Nach dem Ausmultiplizieren der Matrix fiir das entsprechende inverse generalisierte Hooke'sche Gesetz erhat man
Derartige K6rper besitzen fiinf ElastizitBtsmoduln: in [31-Richtung den longitudinaden transversalen Zugmodul ET, in len (11) Zugmodul EL. in [ll- bzw. [2]-Richtung (I) [ 121-Richtung den transversalen Schermodul G m , in [23]-Richtung den longitudinalen Schermodul GLT, und dazu den Kompressionsmodul K. Die Moduln bzw. Steifheits- und Nachgiebigkeitskonstanten lassen sich durch zwei Poisson-Zahlen ausdriicken. Die Poisson-Zahl ~ L =T - Q/EL misst die durch eine vorgegebene longitudinale Dehnung erzeugte transversale Dehnung ET. Die Poisson-Zahl /.LTL erfasst dagegen die durch eine Dehnung eT in der transversalen Richtung hervorgerufene longitudinale Dehnung E L Das Poisson-Verh!iltnis p n ergibt sich aus den nachstehenden Gleichungen zu p m = (1/2)(ET/Gm) - 1.
540
16.3. Energie-Elastizitat
Isotrope Korper Bei linear-elastischen isotropen Korpem existieren keine Vorzugsachsen. Das inverse generalisierte Hooke'sche Gesetz reduziert sich zu
Fur eine Dehnung in [l]-Richtung ergibt sich ~1 = S l l q und somit El = 1/S11. Da aber der Korper in allen Richtungen isotrop ist, wird E l = E2 = E3 = E: es gibt nur einen einzigen Zugmodul. Der KBrper weist auch nur einen einzigen Schermodul auf, n2mlich G12 = 1/[2 (S11 - S12)] mit G12 = G13 = G23 = G. Auch die sechs maglichen PoissonZahlen sind nunmehr alle gleich: p = pi2 = p21 = pi3 = p31 = p23 = p32. Da aber z.B. p1z = - q / & 2 = - S1dS22 usw. gilt, erhiilt man auch G = E/[2 (1 + p)]. Im Gegensatz zu anisotropen Korpern k6nnen somit bei isotropen KCirpem mit bekannter Poisson-Zahl Zug- und Schermoduln ineinander umgerechnet werden (G1.( 16-7)). Amorphe Polymere konnen meist als isotrope KGrper aufgefasst werden. Bei ihnen sind weder Zugspannungen 6 und Scherspannungen T gekoppelt noch Scherspannungen 7 und Zugdehnungen E. Eine angelegte Spannung 011 erzeugt in der [I]-Richtung eine Dehnung ~ 1 =1 ali/E. In den Richtungen [2] und [3] zieht sich der K6rper zusammen. 2 ~ 3 sind 3 negative Dehnungen. Sie werden durch die PoisDiese Kontraktionem ~ 2 und 1 isotropen Korper gemessen, die ja die laterale Querson-Zahl p = &22/&11= ~ 3 3 / ~ 1der kontraktion angibt (Kap. 16.2.3). Die Spannung 011 erzeugt daher die Querkontraktionen -&22 = p(all/E) und - ~ 3 3= p(a11). Fur die Defonnationen ergibt sich somit
Die Schemng xj ist mit der Scherspannung 7i, uber den Schermodul G verbunden, so dass man erhQt (mit ~ 1 =2n2, 612 = 712, usw.)
541
16. Elastizitiit
Beim allseitigen Komprimieren wird die relative Volumenilnderung zu -AV/Vo = 3 E = ~ 1 +1 €22 + 9 3 . Aus G1.(16-25) erhlllt man mit dem Druck p = 011 = 022 = 033, dem Zugmodul E = 1/S11 und der Poisson-Zahl p = S1dS11 die Dehnung E = q 1 = ~ 2 = 2 ej3 = (Sll + 2 S12)p. Der Kompressionsmodul K isotroper Karper wird somit zu
16.3.4.
Theoretische Moduln
Theoretische Moduln sind mit verschiedenen Methoden berechenbar. Bei der ValenzKrafifeld-Methode VFF (E: valence force-field) wird im einfachsten Fall eine isolierte Polymerkette in all-trans-Konformation angenommen, deren Lilngsachse in Zugrichtung liegt. Im Ausgangszustand besitzt eine solche aus N Kettenbindungen der Lilnge b bestehende Kette eine konventionelle Konturlilnge von rcont= Nb sin(.r/2) = N b cos fl = L o , wobei 7 = Bindungswinkel der Kettenatome und p = a12 = (180° - r)L? = Hlllfte des Komplementllrwinkels a zu 7 (vgl. auch Abb. 4-8). Die Kette soll gedehnt werden, aber nicht verbogen. Auf die QuerschnittsflikheA, der Kette mit der Liinge rcont = Nb cos /3 = Lo wirkt eine Kraft F, wodurch sowohl die Bindungslhge b um den Betrag Ab gedehnt als auch der Winkel /3 um den Betrag A S vergrossert wird. Die Kette verlagert sich um den Betrag (16-28)
AL. = A[Nb cos p] = N[Ab cos p- bAp sin p]
Die beiden Gdssen Ab und Ap werden wie folgt ermittelt: In der Bindungsrichtung wirkt eine Kraftkomponente F cos p. Die Bindung wird daher um einen Beuag Ab = (F ms p)/Kb gedehnt. wobei K b die Kraftkonstante der Bindung ist. Kb ist aus inframt- oder ramanspektroskopischen Messungen erhtiltlich. Die Aufweitung des Bindungswinkels 7 um den Beuag A7 ergibt sich aus der Kraftkonstanten K , und dem auf jeden Bindungswinkel wirkenden Drehmoment M zu A 7 = M/K,. Das Drehmoment ist gleich dem Moment der angreifenden Kraft auf die Senkrechte zu dem Winkel, d.h. M = (112) Fb sin p. Da ausserdem p = 90’ - (712). erhiilt man A/!3=- A d 2 = - (Fb sin 8)/(4 K J . Einsetzen der Ausdriicke f i r Ab und A p in die Gleichung f i r AL. und Einfiihren der einfachen Hooke-Gleichung Ell = (F/A,)(LJAL.) liefert mit Lo = Nb cos p die Gleichung (1 6-29)
r=
b sin (7/2) sin’
4
[
(7D)
Kb
+
b2 cos2 (7/2)
4KT
I”
Der longitudinale Zugmodul nimmt also bei 2hnlich aufgebauten Polymeren mit steigender Querschnittsflkhe A , der Polymerketten ab, was in der Tat f i r planar aufgebaute Kohlenstoff-. Kohlenstoff-Sauerstoff- und Kohlenstoff-Stickstoff-Ketten gefunden wird (Abb. 16-13).
542
16.3. Energie-Elastizitct
OJ
03
0,5
0-7
0,9
- A,lnm* --+ Abb. 16-13 Longitudinale Zugmoduln Ellals Funktion der QuerschnittsflkhenA, von Polymerketten in all-trans-Konformation (21) bzw. verschiedenen Helix-Konformationen (95, 83, 31,41). Die Zugmoduln sind entweder experimentell bestimmte Gittermoduln (s. unten) oder theoretisch berechnete Zugmoduln in Kettenrichtung,jeweils bei tiefen Temperaturen (< -180°C). G1.( 16-28) wurde unter der Annahme konstanter Torsionswinkel abgeleitet. Beim longitudinalen Verstrecken von helicalen Polymerketten werden aber Torsionswinkel umgewandelt, z.B. von gauche in trans. Fur diesen Fall liefert die VFF-Methode kompliziertere Gleichungen, die jedoch ebenfalls eine Abnahme der Moduln mit steigender Querschnittsfl&he der Ketten vorhersagen (Abb. 16-13). Andere Berechnungen der Moduln griinden sich auf die dynamische Gitter-Theorie (Born-Methode), welche die physikalischen Eigenschaften von Kristallen auf die thermischen Bewegungen der Gitteratome zuriickfiihrt. Bei dieser Theorie mussen die Potentialfunktionen (z.B. Lennard-Jones, Urey-Bradley, Buckingham usw.), Kraftkonstanten, Gitterabstwde usw. genau bekannt sein. Die dynamische Gitter-Theorie wurde bislang nur bei sehr wenigen Polymeren verwendet, da nicht irnmer aUe Griissen genau bekannt und die Berechnungen umstwdlich oder sogar unmoglich sind (PA 6). Die Theorie wurde z.B. fiir kristallines Poly(ethy1en) angewendet. Die Elementarzelle dieses Polymeren (Abb. 7-5) enthat 2 Grundbausteine -CH2-CH2- und somit 4 Kohlenstoffatome und 8 Wasserstoffatome. Zwischen allen 12 Atornen der Elementarzelle bestehen intra- oder intermolekulare Wechselwirkungen, so dass 3x 12 Gleichungen zu erwarten sind, die sich jedoch wegen der SymmetrieverhXImisse bei der Raumgmppe D2h der orthorhombischen Poly(ethy1en)-Kristalle zu den 6 Matrix-G1.(16-21) reduzieren. Wegen der Orthotropie hat man 9 Steifheitskonstanten und 9 Nachgiebigkeitskonstanten zu erwarten (Tab. 164). Die Steifheitskonstanten C33 = 11S33 fiir die Kettenachse werden erwartungsgemlss nicht sehr von der Wahl der Gitterkonstanten a und b (Spalten 2 und 3) sowie der Temperatur (Spalten 3 und 4) beeinflusst, WONaber von den unterschiedlichen Potentialfunktionen (Spalten 4-6). Da sich die Bindungslwgen C-C und Bindungswinkel C-C-C nicht sehr mit der Temperatur a d e m (S. 194). sind die Steifheitskonstanten C33 praktisch temperatumnabh2ngig (Spalten 3 und 4). Diese Werte stimrnen auch rnit den experimentell gefundenen von (250-320) GPa uberein (vgl. dazu Tab. 16-5) Die anderen Deskriptoren variieren dagegen sehr empfindlich mit der Wahl der Potentialfunktionen, Kraftkonstanten, Gitterabst2nde usw.
543
16. Elastizitrit
Tab.16-4 Steifheitskonstanten C von Poly(ethy1en) nach Berechnungen mit verschiedenen Methoden, Gitterkonstanten u und b uaoder Temperaturen. Die Richtung 33 entspricht der Kettenachse (Gitterkonstante c). Angenommene Gitterkonstanten (0 K) fiir Satz I a = 0,695 nm und 6 = 0,475 nm sowie f& Saa I11 a = 0,72 nm und b = 0,495 nm; experimentelleWerte fiir C36H74 [5]: a = 0,742 nm und b = 0.4% nm. Die nummerischen Kehrwerte der Nachgiebigkeitskonstanten S, sind zum Vergleich angegeben. VFF= Valenz-Kraftfeld. MM = Molekiilmechanik. In&x ij
ci.
-G"C Saa I [61
%E Sam III[61
7,33 2.26 3.14 10.0 6.34 257,3 3.3 1 1.13 334
9,27 3.68 3,63 1093 6,67 257,4 2.46 1,27 499
Pa
VFF
11 12 = 21 13 = 31 22 23 = 32 33
44 55 66
VFF
Cfga
CppPa
C&Pa
Sij-l/GPa-l
Satz 111[6] VFF
[7l MM
181 VFF
VFF
13,75 7,34 2,46 12.50 3,96 325,4 3,19 1,98 6,24
6.28 2.18 2,90 9.35 6.07 257.2 2.93 0.88
2,97
[91
9.44
- 16,08
- 22730
8.56
- 1053
324,l 3,19 1,98 6,24
Auch die Schersteifheitskonstanten C a , C55 und c66 stimmen recht gut mit den entsprechenden inversen Schemachgiebigkeitskonstanten uberein (Spalten 6 und 7). Anders als die C33- und S33-Werte sind sie aber ebenso wie die Werte C11. C12. c13, C22 und Cu und die korrespondierenden Nachgiebigkeitskonstanten sehr empfindlich auf die Wahl der Potentialfunktionen, Gitterkonstanten usw. Weitere theoretische Methoden beruhen auf Energieminimierungen. z.B. die Molekiilmechanik (MM-Methode). Durch Addieren aller interatomaren Wechselwirkungen wird die Potentialenergie des gesamten Molekuls berechnet. Durch Minimieren ergibt sich d a m die stabilste Lage (kleinste Potentialenergie). Anschliessend nimmt man eine etwas verstreckte Kette an und bestimmt emeut die Lage mit der kleinsten Potentialenergie. Nach einigen Hunderttausend solcher Energieminimierungen fiir eine genugend
b
300 K 400 K
\
b
I
loo
n.,
0
20
40
60
- & I %+
80
100
Abb. 16-14 Fiir eine zeitliche Spannungsiinderungvon 0,sMpa ps-1 = 0,sEPa s-l mit der Molekiilmechanik berechnete Spannungs-Dehnungs-Kurveneines Poly(ethy1en)saus lo00 Kohlenstoffatomen [lo]. Die Punkte sind Mittelwerte uber 5 unabhagigeRechnungen, die Linien empirisch.
544
16.3. Energie-Elastizitat
grosse Gitterzelle aus einigen Tausend Atomen erhdt man einen Grenzwert fiir die Potentialenergie d s Funktion der Dehnung und schliesslich auch SpaMUngS-DehnUngSKurven (Abb. 16-14). Die Ergebnisse einer solchen Rechnung sind in Tab. 16-4 rnit denen der Valenz-Kraftfeld-Methode (VFF-Methode) verglichen. Die mit Hilfe der VFF-Methode berechneten Zugmoduln Ell stimmen meist innerhalb von f 10 % rnit den iiber Rontgenbeugung. Ramanstreuung oder Neutronenstreuung experimentell ermittelten Werten uberein (Tab. 16-5). Die grBssten Moduln besitzen somit Polymere rnit kleinen Kettenquerschnitten. Helicale Polymermolekiile weisen bei gleichem Querschnitt kleinere Moduln als Polymerketten in all-trans-Konformation auf (Abb. 16-13); bildlich: Strecken eines Stabes vs. Strecken einer Spiralfeder. Die grBssten Moduln findet man bei etwas verdrillten Ketten (z.B. Poly(p-phenylenbenzbisoxazol; PBOZ) oder solchen rnit starken intramolekularen Wechselwirkungen (intramolekulare Wasserstoffbriicken beim it-Poly(vinylalkoho1) und bei der Cellulose I). Die Moduln E l rechtwinklig zur Kettenrichtung sind wegen der schwachen intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den Ketten viel niedriger als die durch starke covalente Bindungen hervorgerufenen Moduln Ell der gleichen Molekiile. Diese Moduln werden erwartungsgemtiss durch starke intennolekulare Wechselwirkungen heraufgesetzt (vgl. Poly(ethy1en) rnit Dispersionskfiften zwischen den Molekiilen rnit dem syndiotaktischen Poly(vinylalkoho1) mit starken intermolekularen Wasserstoffbriicken).
16.3.5.
Reale Elastizitatsmoduln
Zugmoduln von Kunststoffen und Fasem sind in der Regel nicht nur viel niedriger als die longitudinalen Gittermoduln der gleichen Polymeren, sondem meist auch niedriger als die transversalen Gittermoduln (Tab. 16-5). Dieses Verhalten deutet auf mangelnde Orientierungen der Kettensegmente (amorphe Polymere) bzw. Kristallbereiche (semikristalline Polymere) in allen Richtungen. Es zeigt jedoch nicht die vollige Abwesenheit von Orientierungen an, da Priiflinge oft durch Spritzgiessen hergestellt werden und die Kettensegmente somit etwas in Spritzrichtung orientiert sein konnen. Dazu kommen messtechnische Griinde. Zugspannungs-Dehnungs-Messungenwerden oft (a) an zu kurzen Priiflingen, (b) bei zu hohen Dehnungen und (c) bei zu langen Zeiten durchgefiihrt. Diese messtechnischen Effekte emiedrigen die Elastizit2tsmoduln, z.T. sogar erheblich. Zugmoduln werden dagegen bei sehr hohen Zuggeschwindigkeiten erh6ht (Abb. 16-5). Sie sind andererseits bei Polymerisationsgraden uber ca. 100 praktisch unabhmgig von der Molmasse und damit auch von Molmassenverteilungen. Mit steigender Temperatur fallen sie in der Regel ab (Abb. 16-7 und 16-9).
Mischungsregeln Konventionell verarbeitete amorphe Polyrnere konnen haufig makroskopisch und mikroskopisch als isotrope Korper angesehen werden. Semikristalline Polymere mtigen zwar makroskopisch isotrop sein, sind es jedoch sicher nicht mikroskopisch, da eine Kette durch viele Lamellen l2uft und Lamellen verschieden orientiert sind. Semikristalline Polymere kann man folglich als zweikomponentige KBrper betrachten. Die Elastizitatsmoduln solcher KBrper sollten sich nach den Mischungsregeln (E: mixing rules) aus den Anteilen und Moduln der amorphen und kristallinen Bereiche ergeben.
545
16. Elastizitat
Tab. 16-5 Berechnete Moduln (VFF-Methode) und durch ROntgenbeugung, Ramanstreuung oder inelastische Neutronenstreuung ( I N S ) experimentell ermittelte Giaermoduln in Kettenrichtung (Ell)und se&echt dazu (Ed im Vergleich zu Moduln E aus Zugspannungs-Dehnungs-Messungenkonventionell verarbeiteter Kunststoffe. Die VFF-Werte beziehen sich auf 0 K,die experimentellen Werte auf tiefe Ternperaturen (rneist 77 K) oda 25°C (*). Poly(ppheny1en-benzbisoxazol)ist die &Form und Polyb-phenylen-benzbisrhiazol)die trum-Form. a Ramie bei 65 % relativer Luftfeuchtigkeit. AJnm2
Polymere
Poly(ethy1en) Poly(vinylakoho1).
0,183 st0,216 itPolyamid 6, ?Mod. CI2-Helix) 0,192 a-Mod. (Zickzack) 0,186
Poly@ropylen), it ol-Helix) 0.343 0.183 Poly(oxymethlen), rhornbisch 0.216 Poly(oxyethy1en) Poly(pphenylenbenzbiazo1) 0.20 1 Poly(p-phenylenbenzbisthiazol) 0,206 0,328 Cellulose I
a a
& & 5 & E
GPa GPa GPa VFF ROntgen Raman
GPa
260
329
316 287 323 54 312 175* 41 220 9 460 405 168
285
250*
27 270 165* 40 220 10 477 399 140
GPa
GPa
GPa Zug
INS ROntgen INS I 3,8 I8,8*
< 1,6 c7
6
1.9 37 189
149
+ gafc = g, + (1 - gc)fc. Die totalen Volumenbriiche sind auf eC+ = 1 normiert. Beide Takayanagi-Modelle sind auf einen Bereich fc < eC< 1 beschrWt, WCM fc = const. > 0 ist. Das Serie-Parallel-Modell I fiihrt zu
ea
(16-31)
1 -=-
fc
ESP Ec
+
fa
gcEc +gaEa
547
16. Elastizitdt
fc
a f
Abb. 16-15 Reuss-, Voigt- und Takayanagi-Modelle fiir hetemgene Systeme, z.B. mit kristallinen Bereichen C und amorphen Bereichen A (oder Fasein F oder Fiillstoffe F in Matrizen M).
Das Modell I wird zum Reuss-Modell fiir gc = 0 (und daher ga = 1); dann gilt fa = $a und fc = b. Es konvertiert zum Voigt-Modell fiir fc = 0; dam gilt g, = = 1 - #a. Fur das Parallel-Sene-Modell I1 erhat man entsprechend
+,
Es wird zum Voigt-Modell fiir fc = 0 und zum Reuss-Modell fiir g, = 0. Experimentelle Daten fiir polykristalline Poly(ethy1en)e liegen zwischen den von dem Reuss- und dem Voigt-Modell vorhergesagten Werten (Abb. 16-16). Die Anpassung der theoretischen Kurven an die experimentellen Werte hiingt nicht nur von der Wahl von fc = const oder gc = const ab. sondem auch von den vorgegebenen Werten von E, und E a sowie den Zuordnungen der Bereiche. Das Modell I1 ( P S ) mit fc = 0,35 gibt z.B. die experimentellen Werte fiir lg E =A&) gut wieder, versagt aber bei E Der gleiche Wert fc = 0.35 liefert bei E =a$,)fiir das Model I (SP) sogar eine konvexe statt einer konkaven Kurve, so dass nicht nur ein anderer Wert von fc gew2hlt werden muss, sondern die f- und g-Werte auch vertauscht werden sollten.
=a$,).
Einfluss der Verarbeitung Der longitudinale Elastizitiitsmodul Ell kann bei flexiblen Polymeren durch geeignetes Verstrecken stark erh6ht werden. Beispiele sind das Extmdieren fester Polymerer, das Recken von Polymerschmelzen sowie die Ruhrkristallisation und das Gelspinnen von Polymerlfhungen. Der longitudinale Elastizitiitsmodul von Poly(oxymethy1en) (theoreti-
548
16.3. Energie-Elastizitat
10
6
f 4
a" 0
10-1 0
\
a"
\
4
4
I'
10-2
0 0
0,s
- 4, +
1
0
0.5
- 4,
-
I
10-3
1
Abb. 16-16 Moduln E (links) bnv. lg E (rechts) aus Messungen der Schallgeschwindigkeit ( 0 )in semilaistallinen Poly(ethy1en)en bei 25°C als Funktion des Kristalliniutsgrades 4, aus DichtemessunMogen [12]. ----- Reuss-Modell bzw. Voigt-Modell; - - - Takayanagi-Modelle SP (11) bzw. PS (I). dellannahmen: E , = 5400 MPa bei o, = 1 (Tab. 16-7), E , = 2,6 MPa bei 4, = 0 (entspricht etwa dem Plateau-Modul, Tab. 17-6),fc = 0.35.Die ausgezogenen Kurven fiir die beiden Takayanagi-Modelle dienen nur zur Illustration; sie sind nicht in Bezug auf qCoptimiert. scher Wert 220 GPa) z.B. von ca. 2 GPa bei konventioneller Verarbeitung auf ca. 24 GPa bei hydrostatischer Extrusion und auf ca. 60 GPa bei Zugdehnung unter Erwarmung durch Mikrowellen nach Art des Zonenschmelzens an. Der longitudinale Elastizitatsmodul von hochmolekularem Poly(ethy1en) hoher Dichte wurde von ca. 1 GPa beim Spritzgiessen auf 40 GPa beim Faserextrudieren mit anschliessendem Verstrecken, auf 130 GPa durch Extrusion von 5 %igen Gelen mit anschliessendem Entfemen des Losungsmittels und Verstrecken und auf 220 GPa nach mehrfacher Extrusion durch Kapillaren erhoht, also fast bis zum theoretischen Wert von ca. 260 GPa. W2hrend flexible Polymere nur durch aussere Felder zur Orientierung der Ketten bzw. Kettensegmente gezwungen werden koMen, orientieren sich semi-flexible fliissigkristalline Polymere wegen der Anisotropie der Kettensegmente spontan. Diese Orientierung kann durch Abkiihlen fixiert werden. Beim raschen Abkiihlen isotroper Schmelzen erh2lt man entsprechend isotrope Glaer, beim Abschrecken nematischer LC-Phasen nematische LC-Gliser usw. Polymere mit hohen longitudinalen Elastizitatsmoduln lassen sich sowohl von thermotropen als auch von lyotropen Polymeren herstellen (Tab. 16-8). Die Eigenschaften solcher Polymerer werden dabei nicht nur von deren Konstitution kontrolliert, sondern auch von den Verarbeitungsbedingungen. Dabei erhalt man u.U. zwar hohe Elastizititsmoduln und Zugfestigkeiten in longitudinaler Richtung. gleichzeitig aber sprCides Verhalten rechtwinklig dazu. Elastizititsmoduln htingen ausser von der Konstitution der Polymeren und deren Makrokonformation bzw. den Verarbeitungsbedingungen auch noch oft von der U m gebung ab. Wasser wirkt z.B. bei polaren Polymeren als Weichmacher; durch die erhohte Kettenbeweglichkeit wird der Elastizitatsmodul herabgesetzt. Die zeitabhtingige Diffusion des Wassers in die Polymeren fiihrt dann zu zeitabhtingigen E-Moduln. Ein Polyamid 6 besass z.B. im trockenen Zustand einen Elastizitatsmodul von 2,75 GPa. luftfeucht einen von 1,7 GPa und nach vier Monaten an der Luft einen von 0,86 GPa.
549
16. Elastizittit
Tab. 16-8 ElastiziCitsmoduln E beim Bruch von thermoaopen (IT)und lyompen (LT) polymeren LC-GlWrn longitudinal (El,) und transversal ( E d zur Zugrichtung im Vergleich zu den entsprechenden Moduln E, isotrOper G k r . EIJGPa
ESPa
EdGPa
'IT Poly(phydroxybenzoat-coethylentereph~)[= X7G'y
1,38
'IT pOl~(ph~dro~~benzoat-~0-2-h~dro~~d-naphth [= VecmTY
2.6
2,21 5.0 62
Polymere
54,l 10,6 LT 30 56 Poly(p-phenylenbenzbisthiazol)in Poly(2,5-benzimidazol) 120 LT Poly(ppheny1enterephthalamid) [= Kevlar 4gTM] 138 83 dim. Faser aus konzentriem SchwefeMure dim, gestreclaer Film aus konzentrierkr SchwefelSiure 89
16.4.
Entropie-Elastizitat
16.4.1.
Phlnomene
16,8 7 0.6
250
Energie-elastische und entropie-elastische Ktirper unterscheiden sich sehr in ihren Eigenschaften und den zugmndeliegenden Verformungsmechanismen. Bei den energieelastischen Metallen sind z.B. die Metallatome in dreidimensionalen kristallinen Gittem mit relativ kleinen interatomaren Absttinden angeordnet. Bei einer Verformung werden diese interatomaren Abst&de getinden, wozu grosse Kr2fte erforderlich sind. Die Elastizitiltsmoduln von Metallen sind daher sehr hoch. Schon bei relativ kleinen Deformationen. z.B. Dehnungen von ca. 0,l %. gleiten Gitterebenen voneinander ab. werden spiralftirmig versetzt usw. Die Deformation nimmt dann schneller zu als die Spannung. Sie wird ineversibel und der Ktirper wird "plastisch. Die Deformation von thermoplastischen Polymeren a d e n Torsions- und Bindungswinkel und evtl. auch Bindungsltingen. Wegen der erforderlichen grossen KrlIfte sind die Elastizit2tsmoduln ebenfalls hoch. Bei Verformungen von mehr als ca. (0.1-0.2) % gleiten Polymerketten voneinander ab und die Deformation wird durch diese Fliessprozesse ebenfalls ineversibel (Kap. 17). Bei Elastomeren beobachtet man dagegen hohe und reversible Dehnungen, oft von einigen hundert Prozent, bevor die Deformation ineversibel wid. Um deranige Elastizitilten aufzuweisen, miissen Polymere (a) schwach vernetzt sein und (b) aus flexiblen Netzketten bestehen. d.h. aus flexiblen Segmenten oberhalb der Glastemperatur. Die resultierenden Elastomeren oder Gummis weisen gleichzeitig die Charakteristika von Festktirpern, Fliissigkeiten und Gasen auf. Wie Festktirper besitzen sie eine Dimensionsstabilist: bei nicht zu hohen Verformungen verhalten sie sich wie Hooke'sche Ktirper und kehren nach einer Verformung in den Ausgangszustand zuriick. Andererseits besitzen sie 2hnliche Ausdehnungskoeffizienten und Elastizit2tsmoduln wie Fliissigkeiten. Wie bei komprimierten Gasen der Druck, so nimmt auch bei Elastomeren die Spannung mit steigender Temperatur zu, falls T > TG (Abb. 16-17).Unterhalb der Glastemperatur werden dagegen die Spannungen mit fallender Temperatur immer grtisser, da sich die KBrper nunmehr wie Duroplasre verhalten.
550
16.4. Entropie-Elastizitat
1J . . . . . . . . . . . . . . . . 200 250 300
-T / K +
-
1
350
Abb. 16-17 Zugspannung 035096 bei 350 9% Dehnung als Funktion der Ternperatur bei schwach vernetztern Nahirkautschuk [ 131.Zugspannungen sind wegen Q = F/Ao pmprtional der Kraft F.
Das g a s w i c h e Verhalten ist charakteristisch fiir entropie-elastische Korper. Ein einzelnes, an einem Ende an einer Unterlage befestigtes Knauelmolekiil wird beim Anlegen einer Last deformiert. Nach dem Entfemen der Last wird es aber in seine dem Gleichgewicht entsprechende Makrokonformation zuriickkehren (Kap. 16.4.2). Deformiert man Substanzen aus solchen Molekiilen mit flexiblen Segmenten, so ktjnnen jedoch die Segmente bzw. Molekiile bei genugend grossen Beanspruchungen voneinander abgleiten. D e r Korper wird somit imversibel verformt. Das Abgleiten wird aber unterbunden, wenn die Ketten untereinander vemetzt sind. Bei der Entlastung kehren die Segmente in diesem Fall in ihre Ausgangslagen zuriick. Diese "GummielastizitW kann auf verschiedene Weise beschrieben werden. In molekularer Sicht tindert die Verformung die Makmkonformation. Die resultierende Entropielnderung kann sowohl mit der phanomenologischen als auch der statistischen Thermodynamik beschrieben werden. Die Elastizit2t von Metallen und Thermoplasten ist dagegen energetisch bedingt. Es gibt jedoch auch chemisch leicht vemetzte Polymere mit srarren Segmenten, die uberwiegend energie-elastisch sind. Derartige energie-elastische Elastomere besitzen im Augenblick nur akademisches Interesse. Entropie-elastische und energie-elastische Korper unterscheiden sich charakteristisch in ihren makroskopischen Eigenschaften: energie-elastische Korper entropie-elastische Korper
Reversible Deformation ElastiziWsrnodul Ternpe-hng him Versmken Erhitzen von K6rpern unter konstanter Last Erhitzen nichtdeformierter K6rper
klein (ca. 0,l %) hoch Abkiihlung Ausdehnung Ausdehnung
gross (mehrere 100 %)
niedrig Env&mung Kontraktion Ausdehnung
Da sich nicht-deformierte Elastomere beim Erhitzen ausdehnen, deformierte sich aber kontrahieren, muss es eine bestimmte Dehnung geben, bei der sich beide Effekte kompensieren. Diese Dehnung betragt gewohnlich (5-10) %. Bei ihr ist der Ausdehnungskoeffizient gleich null.
55 1
16. Elastizitdt
P Spitze
Physisorption
covalente veranlcerung
J
I
Abb. 16-18 Bestimmung der Elastizitilt von Knilueln rnit der Kraftmikroskopie AFM. Die Molekiile sind covalent an z.B. Alkanthiole gebunden, deren hoch-geordnete, LristalMnliche Schichten mit einer ammar flachen. polykristallinen Goldunterlage covalent verbunden sind. Das Polymennolekiil wird von der (10-50) nm breiten Spitze eines Rasterkraftmikroskopes "gegriffen" und gedehnt. Die Spitze ist iiber eine weiche Blattfeder an eine piezoelekeische Messvomchtung gekoppelt, welche Auslenkungen der Feder von ca.0,l nm registriert.
16.4.2. Entropie-Elastizitlt einzelner Molekiile Das Dehnen einzelner Molekule llsst sich mit der Rasterkraftmikroskopie expenmentell untersuchen (Abb. 16-18), wobei die Kraft als Funktion der Ltingung registriert wird (Abb. 16-19>. Die "raue" Kumenform entsteht dabei durch die Antwort einzelner Bindungen auf die angelegte Kraft. Die verschiedenen Anstiege bzw. Plateaus der Kraft stammen von unterschiedlichen molekularen Prozessen, welche mit der Molekiildynamik simuliert werden k6nnen (Abb. 16-19). Experiment und Simulation liefem gut ubereinstimmende Formen der Kraft-Dehnungs-Kumen. Wilhrend aber die Umwandlung der Konformationen um -0-CH2-CHexperimentell bei einer Kraft von ca. 300 pN einsetzt, vitt sie bei der Simulation erst bei ca. 600 pN auf. Dieser Unterschied ist dadurch bedingt, dass bei der Simulation viel schneller "gezogen" wird (Zeitraum 1 ps) als beim Experiment (ca. 10l2 ps = 1 s). Weil die beim langsamen Experiment auftretenden thennischen Fluktuationen beim schnellen Simulieren wegfallen, erscheinen die Strukturen bei der Simulation als viel stabiler. Ihre Umwandlung ben6tigt folglich beim Simulieren viel mehr Kraft.
z,
. 4,
I-
200
0
Aufweitung von
Drehung um
200
- 400 0
100
200
300
- L/nm +
400
Abb. 16-19 Kraft F als Funktion der Lmgung L von einzelnen Dextranmolekiilen [141. Nach Simulationen rnit der Molekiildynamik erfolgen mit zunehmender Lilngung zuerst Rotationen (Umwandlungen der Mikrokonformationen)um die glycosidische Bindung XH-O-CHy, dann Aufweitungen der Valenzwinkel-O-CH2-CH-um die die Zuckemnge verbindenden @-Amme, gefolgt von Konformation&demngen um diese Winkel und schliesslich Elongationen der Zuckeninge.
552
16.4. Entropie-Elastizitat
Das Kraft-Dehnungs-Vehalten von Knauelmolekiilen lasst sich mit den iiblichen Kettenmodellen beschreiben. Die zum Wiedeherstellen der Gleichgewichts-Gestalt von Valenzwinkel-Ketten erforderliche Retraktionskraft Fkette ist bei Segment-Ketten (E: f m l y jointed chains) durch G1.(16-33) gegeben, wobei roo = Fadenendenabstand, rcont = NsegLseg = konventionelle Konturlage, Nseg = ZaN der Segmente der L h g e Lseg und f* = inverse Langevin-Funktion (S. 97):
Fur wurmtihnliche Ketten gilt rnit ro = Fadenendenabstand und
bs= Persistenzlihge
Beide Ausdrikke gelten auch, wenn die Valenzwinkel der Kettenatome auf 180" gestreckt werden. rcont ist dann durch die historische Konturlhge Lkette zu ersetzen. Das Auftragen von Fkette gegen die normierte L h g e L/r,ont liefert bei geeigneter Wahl der anpassungsmgen Griissen Nsegund Lseg universelle Kurven (Abb. 16-20). In beiden F a e n wurde etwa die gleiche Segmentluge von Lseg =: 0,30 nm erhalten, also ungef* die kristallographische Bindungslhge von b , = 0,254 nm.
\
- 0.2
g:- 0,3
I
- 0,4 Segmentkette
- 0.5
0
0.2
0,4
0.6
0,8
1 0
- Lfrcont
0,2
wurmartige Kette
0,4
0.6
0.8
1
Abb. 16-20 Retraktionskraf't vom Poly(me~acry1siiure) ( nw = 66 200 g/mol; 1 Thiol-Endgruppe) in Wasser als Funktion der reduzierten LAnge. Modellierungen als Segmentkette mit L,, = 0,33 nm und vielen Messungen fiir jede der 8 Ketten mit verschiedenen Briickensegmenten (61 INseg I 295) bzw. der gleichen Daten als wurmartige Kette mit Lseg= 0,28 nm (77 INseg I 372) [151. Mit fkundlicher Genehmigung der American Chemical Society, Washington, DC.
16.4.3.
Chemische Thermodynamik
Die Zustands2nderungen entropie-elastischer Ktirper lassen sich quantitativ durch die Grundgleichungen der phhomenologischen Thermodynamik beschreiben, welche den Druck p , das Volumen V und die Temperatur T rnit der Inneren Energie U. der Helmholtz-Energie A, und der Entropie S verknupfen (vgl. Lehrbucher der chemischen Thermodynamik). Bei Zugversuchen an entropie-elastischen Ktjrpem wird die Volumen2nderung W durch die Lingentinderung dL und der Druck p durch die Zugkraft F erSetzt (umgekehrtes Vorzeichen!):
16. Elastizitcit
55 3
Das Einsetzen der rechten G1.(16-36) in die rechte G1.(16-35) liefert
Thermodynamisch gilt allgemein (aSPV)T = ( a p / a n v und analog (2SPL)T = ( a F P n L . Einsetzen dieses Ausdrucks in G1.( 16-37) mhrt zur thermodynamischen Zustandsgleichung (E: thermodynamic equation of state) der entropie-elastischen Ktirper: (16-38)
F = (aAP7')L
Bei nicht zu stark gedehnten Elastomeren ist die Kraft F = Aoa der Temperatur proportional. Es gilt also F= consr T bzw. (8FPT)L = const und somit FIT = (aFPT)L. EinsetZen dieses Ausdruckes in G1.(16-35) fiihrt zu (aU/aL)T = 0: die Innere Energie U iindert sich bei einer isothermen Dehnung nicht. In diesem Verhalten unterscheiden sich entropie-elastische Ktirper grundegend von energieelastischen. Beim Erhitzen von der Temperatur TI auf Tn llndert sich die Liinge eines Kti~persvon LI auf Ln. Fiir die Anderung der Inneren Energie gilt aU = FdL + C,dT = 0, wobei C, die Wbnekapazitiit bei konstantem Druck ist. Nach der Integration vom Zustand I zum Zustand I1 erhtilt man F(Ln - LI) = - C,(Tn - TI).Da TIIgr(lsser als TI ist, muss LII< LI sein. Beim Erwirmen unter konstanter Last zieht sich also ein entropie-elastischerKtirper zusammen, wiihrend sich ein energieelastischer ausdehnt. Da die Last konstant ist, muss folglich die Spannung zunehmen; ein eingespanntes Gummiband wird beim ErwSLrmen strammer. Dieses Verhalten folgt auch unmittelbar aus dem totalen Differential der Liingenhderung:
ErwSLrmt man bei konstanter Lllnge, so wird dL = 0 und G1.(16-39) geht uber in
Die LWge L nimmt mit steigender Reckkraft F zu. (aL/aF)T ist daher positiv. Die hderung (aL/aT)F der L u g e mit der Temperatur ist dagegen negativ. da der lineare thermische Ausdehnungskoeffizient (l/L)(dL/dq wegen F(Ln - Li) = - C,(Tn - Ti) bei Temperaturen TII> T I negativ ist. Also muss (aF/dT)L positiv sein: beim Erwirmen eines enuopie-eiastischen Ktirpers nimmt die Reckkraft F und die Spannung 0 = F/A zu. Ein energie-elastischer K6rper (z. B. ein Metallband) erschlafft dagegen. Reale entropie-elastische Ktirper enthalten im Gegensatz zu idealen immer noch einen energie-elastischen Anteil. Die vom energie-elastischen Anteil herriihrende Kraft Fen ist f i r eine uniaxiale Deformation gegeben durch
554
16.4. Entropie-Elastizitat
.
\.
4
5
+
Kristallisation
-0.61
.
1
2
. 3
-A
-
Abb. 16-21 Energie-elastischer Anteil F J F des Naturkautschuks als Funktion des uniaxialen VerstreckungsverhWkses A = L/Lo [16]. Mit freundlicher Genehmigung der American Institute of Physics, Melville (NY). Der energie-elastische Anteil FerJF kann daher prinzipiell aus Kraft-Temperatur-Messungen bei konstantem Volumen erhalten werden. Da derartige Messungen experimentell schwierig sind, misst man meist bei konstanter L2nge und wertet dann mit fiir diesen Fall abgeleiteten, aber hier nicht wiedergegebenen, Gleichungen aus. Die so ermittelten energie-elastischen Anteile Fen/Fsind, wie theoretisch gefordert, iiber einen recht breiten Bereich praktisch unabhhgig vom Verstreckungsverhiiltnis 2, (Abb. 16-21). In diesem Bereich sind die Anteile auch unabhhgig von der Messmethode, den Vemetzungsbedingungen, dem Vemetzungsgrad, dem Deformationstyp (Dehnung, Verdrillung), der Natur des quellenden Ltisungsmittels und dem Quellungsgrad. Bei hoheren Verstreckungsverhidiltnissen fallen die F,,/F-Werte ab, weil der Naturkautschuk unter Spannung kristallisiert. Der steile Anstieg der F,,/F-Werte bei kleinen, abnehmenden Verstreckungsgraden ist vermutlich durch die hier merklich werdenden Beitrige intennolekularer Wechselwirkungen bedingt. Energie-elastische Anteile kljnnen positiv oder negativ sein (Tab. 16-9). Bei Polymeren mit einer trans-Konformation als energiearmster Konformation emiedrigt eine Umwandlung von gauche nach trans die Energie. Der energie-elastische Anteil ist dann negativ (Netzwerke der rechten Seite der Tab. 16-9). Bei den Netzwerken der linken Seite der Tab. 16-9 ist dagegen der energie-elastische Anteil positiv. Die molekulare Ursache fiir dieses Verhalten scheint nicht bekannt zu sein. Tab.16-9 Energie-elastische Anteile F, JF bei vemetzten Polymeren. * Siehe auch Abb. 16-21. Polymere Poly(vinylalkoho1) Poly(dimethylsi1oxan) Poly(isopren), cis-1,4 Poly(styrol), at Poly(butadien), cis-1.4 Poly(oxyethy1en)
Polymere 0.42 0.19
0,17 * 0.16 0,12 0.08
Poly(isobuty1en) Poly(is0pren). rruns-I ,4 Poly@utadien),rruns-1,4 Poly(ethy1en) Poly (ethylen-co-propylen) polY(ti=hY~furan)
- 0,06 - 0.09 - 0,25 - 0,42 - 0.43 - 0,47
555
16. Elastiziidt
Abb. 16-22 Einige Netzwerke rnit trifunktionalen (f= 3) Vernetzungsstellen. I: unterschiedlich lange Neaketten, verschieden g r m Maschen (E: mesh), lose Enden. II: unmschiedlich lange Nelzkeuen. gleich gmse Maschen (je 14 Bausteine), keine Enden. JIk perfew Netzwerk rnit gleich langen Nekketten aus je 15 Bausteinen, gleichen Maschenweiten sowie Abwesenheit von losen Enden (E: tangling ends, loose ends). Hier: N, = 6, N, = 4, f = 3. Iv: Netzwerk mit N, losen Enden. aber ohne Schleifen (Schleife (E: loop): beide Enden einer NWkern an der gleichen Verzweigungsstelle). Hier: N, = 4, f = 3, N, = 4, N, = 4. Ein perfektes Netzwerk besitzt N, = N, Netzketten (vgl. In), ein Netzwerk rnit Nelosen Enden (aber ohne Schleifen) dagegen N, = (~72)N, - (NJ2)Netzketten (vgl. IV).
m)
16.4.3.
Statistische Thermodynamik
Die vorstehend beschriebene chemische Thermodynamik erlaubt Vorhersagen uber Zustands2ndemngen. Sie sagt jedoch nichts uber den Einfluss der chemischen und physikalischen Stnrktur der Polymeren auf die Eigenschaften von Elastomeren aus. Dieser Einfluss kann rnit der statistischen Thermodynamik bemhnet werden. Lineare Kettenmolekule k6nnen in sehr verschiedenen Makrokonformationen auftreten (Kap. 4). Sie sindflexibef, wenn sie affe m6glichen Lagen schnelf einnehmen kSnnen. Damit sie jedoch beim Anlegen einer Spannung nicht wegfliessen, miissen die Ketten alle miteinander zu einem Netzwerk (E: network) verbunden sein (Abb. 16-22). Die von einer Vernetzungsstelle (Netzstelle; E: junction, cross-link) zur anderen reichenden Kettensegmente werden Netzketten (E: network chains) genannt. Vemetzungsstellen sind meist tri- oder tetrafunktional. Netzketten von Elastomeren bestehen gewdhnlich aus Hunderten von Kettengliedem bzw. Grundbausteinen. Bei einem perfekten Netzwerk besitzen alle Netzstellen die gleiche Funktionalit2t. alle Netzketten die gleiche Zahl an Grundbausteinen und alle Maschen die gleiche Gr6sse. Perfekte Netzwerke weisen femer weder lose Enden noch Schleifen, Knoten. Verschlaufungen und ausgeschlossene Volumina auf. Beim Dehnen solcher Netzwerke indert sich deren Gibbs-Energie. Die statistische Thermodynamik geht dazu von der Gibbs-Energie G'(r) = H - TS einer einzelnen Netzkette aus. Die Entropie dieser Netzkette ist nach S = k~ In W(r) durch die Verteilungsfunktion W ( r ) des die Enden einer Netzkette verbindenden Vektors r gegeben. Diese Funktion kaM durch eine Gauss-Verteilung der Kettenenden angenllhert werden, d.h. durch W(r)= [3/(2 IE (r2)0)]3/2exp [- 3 r2/(2 (r2)0)] (vgl. G1.(4-39) f i r die Trzgheitsradien, wenn die Netzkette ein einziges Segment rnit dem Polymerisationsgrad X = 1 darT W(r)liefert stellt). Einsetzen in G' = H - ~ B ln (16-42)
G'(r) = H - hT In [3/(2 = C'(T)
R
(r2),)]3/2 + k$[3
r2/(2 (r2),)1
+ b i n 3 r2/(2 (9>0>1
556
16.4. Entropie-Elastizitat
wobei das erste und das zweite Glied der rechten Seite in einer temperaturunabhhgigen Konstanten C'(Z') zusammengefasst wurden. Die Gibbs-Energie eines Netzwerkes aus N, Netzketten mit einem mittleren Fadenendenabstand r2 = (r2)aller Netzketten ist dann
Beim Versmcken eines Netiwerkes wird nun die makroskopische Deformation durch die Netzstellen auf die Netzketten iibemagen. Die Anderung der elastischen Gibbs-Energie des Netzwerkes setzt sich daher aus zwei Beitagen zusammen: (a) durch Konformationsmderungen innerhalb jeder Netzkette von G(r,) zu G ( r ) (Konformations-Term) und (b) durch rtiumliche Neuverteilung der Netzstellen im R a m (Dispersions-Term). Den Konformationsterm erhillt man aus G1.(16-43) minus dem entsprechenden Ausdruck f i r den anf8nglichen (isotropen) Zustand mit (r2) = (r2)o. Der Dispersionsterm ergibt sich 2hnlich wie bei idealen Gasen durch die Zunahme des VoIumens von V , auf V, d.h. durch AGdisp = - N x k ~ T In (VlV,). Bei einem perfekten Netzwerk aus N, Netzketten mit Netzstellen der Funktionaliat f ist femer die Zahl der Netzstellen gleich Nx = 2 NJf. Die h d e r u n g der elastischen Gibbs-Energie ist somit
16.4.5.
Modelle
Die durch die Deformation bewirkte Verschiebung der Mittel iiber die Quadrate der Fadenendenabsthde der Netzketten ist nicht direkt messbar. Sie kann aber bei bestimmten Modellen durch das makroskopisch messbare VerstreckungsverhUtnis A = L/L, ausgedriickt werden. GegenwHrtig werden drei Modelle diskutiert: einfach-affines Modell, afiines Modell, und Phantom-Netzwerk (Tab. 16-10), Dies in der Literatur geWuchlichen drei Namen sind total hefiihrend. Alle drei Modelle nehmen n&nlich Phantom-Netzwerke an, also Netzwerke mit unendlich diinnen Netzketten. die sich gegenseitig durchdringen k6nnen. Zwei oder mehr Netzstellen oder Segmente konnen somit den gleichen Platz einnehmen; es gibt kein ausgeschlossenes Volumen der Kettensegmente. Die Modelle unterscheiden sich in der Art der AffiniW und der An- oder Abwesenheit von Fluktuationen urn Netzstellen. Das einfach-affine Modell nimmt eine Phantomkette an, bei der die Verschiebung der Kettensegmente affin (d.h. linear) zur entsprechenden makmskopischen Deformation ist. Es sollte besser "segment-affines Phantomkenen-Modell" heissen (Symbol S). Tab. 16-10 iibersicht uber Modelle fiir die Gummi-Elashiat.
Symbol Gebr&AicherName
Ausgeschlossenes Volumen der Segmente
Affiiiat
Fluktuationen
S einfach-afiin N a f f i n F Phantom-Neawerk
nein nein nein
Segmente Netzstellen Netzstellen
keine keine Netzstellen
16. Elastizitiil
557
Das affine Modell (Symbol N) wird am hhfigsten verwendet. Bei ihm verschieben sich die Netzstellen der Phantomketten und damit auch die Kettenvektoren x, y und z in den drei Raumrichtungen i = x, y, z affin zum makroskopischen V e r s t r e c k u n g s v e t s 4 = L4Li.o. Der korrekte Name fiir dieses Modell w&e "netzstellen-affinesPhantomketten-Modell" (Symbol N; E: junction-affine). ~ und fiir alle drei RaumFur die x-Richtung gilt somit Ax2 = ( X ~ ) / ( X ~=) (x2)/[(r2)J3] richtungen
Das Volumen V geht mit dem Verstreckungsverhtiltnis Ai = LdLi.0 (i = x. y, z) und den Beziehungen Lx,o = $,o = Lz,o = Lo und Lo3 = Vo in die Beziehung V = LxLyL, = AxLx.oAyLy.oilzLz,o = Lo3(AxAyA,) = Vo(AXAyA,) iiber. Mit G1.(16-45) erhtilt man somit fiir G1.(16-44) (16-46)
AGel= Nc(kB7'/2) { [Ax2 + Ay2 + Az2 - 31 - [(4/n In ( A x A y U I I
Die Anderung der elastischen Gibbs-Energie beim Verstrecken eines Elastomeren wird somit nur durch die ZahI Nc der Netzketten. die Temperatur T, die Verstreckungsverhtilmisse Ai und die Funktionalit2t f der Netzstellen konmlliert, nicht aber von den Shukturen der Netzketten und Netzstellen. Die Netzstellen konnen chemisch oder physikalisch sein; es w i d nur gefordert. dass ihre Zahl konstant bleibt. Beim affinen Modell N wird angenommen. dass die Fluktuationen um die Netzstellen durch die benachbarten Netzketten unterdriickt werden. Diese Annahme ist bei ungequollenen. nicht-deformierten Netzwerken gut erfiillt, nicht jedoch bei in thermodynamisch guten Msungsmitteln hoch gequollenen Netzwerken. Das sog. Phantom-Netzwerk 18st dagegen eine "freie" Fluktuation der Netzstellen um deren mittlere Positionen zu (Symbol F). Schwankungen um diese Positionen sollen einer Gauss-Statistik folgen. Eine solche Fluktuation der Netzstellen muss aber bei den irnmer noch verhtiltnismlissig hohen Polymerkonzentrationen in den Gelen mit den Fluktuationen anderer Ketten gekoppelt sein. Das Modell F basiert somit auf gekoppelten Bewegungen der Netzstellen; es ist ein "netzstellen-affnes Phantornketten-Modell mit gekoppelten Fluktuationen der Netzstellen". Das Modell F liefert f i r die elastische Gauss-Energie eine thliche Beziehung wie G1.( 16-46). Da jedoch die mittleren Positionen der Netzstellen durch die makroskopische Deformation festgelegt sind, kann es bei dem Phantom-Modell keine Dispersion der Netzstellen geben. Der Dispersions-Term [(4/fi ln (AxA,,Az)] in G1.(16-46) wird somit gleich Null. Der Frontfaktor Nc(k~T/2)ist femer durch Nc(kBT/4) zu ersetzen. weil durch die Deformation des Netzwerkes nur eine Htilfte des Abstandsquadrates geadert werden kann, die die Fluktuationen reprBentierende andere Htilfte aber nicht. Alle drei Modelle sagen die gleiche Abhagigkeit 011 = const (A - A-2) der Zugspannung crl1 vom Dehnungsparameter (A - A-*) voraus (s. unten). Da der Frontfaktor const empirisch ermittelt werden muss. k6nnen somit Zugversuche nicht zwischen den drei Modellen unterscheiden. Diese Information wird jedoch von den theoretischen Beziehungen zwischen dem Aufweitungsfaktor a, der Triigheitsradien und dem rnakroskopischen DehnungsverhSmis A geliefert. Die Aufweitungsfaktoren sind durch inelastische
558
16.4. Entropie-Elostizitiit
Tab. 16-11 Longitudinale und transversale Aufweitungsfaktoren der Tr'dgheitsradien als Funktion des makroskopischen Dehnungsverhi4ltnisses bei den Modellen S, N und F fiir Phantom-Netzwerke. Modell
(411 =
(411=
Neutronenkleinwinkelstreuung an partiell deuterierten Netzwerken in den Richtungen parallel (11) und senkrecht (I)zur Zugrichtung relativ zum mittleren Tragheitsradius (s2)01ndes isotropen Korpers (Netzwerk vor dem Verstrecken) messbar. Die Aufweitungsfaktoren betragen somit (a,)e = ((S~)IC/(S~),>~/~ bzw. (a,)l= ((S~)~/(S*)~)~/~. Die longitudinalen Aufweitungsfaktoren (as)llsind nur beim Modell S dem makroskopischen DehnungsverhUtnis A direkt proportional (Tab. 16-1 1). Alle anderen Modelle W e n zu komplizierteren Ausdriicken. Beim Modell F werden die a,-Werte noch zusltzlich von der Funktionalitit f der Netzstellen beeinflusst. =An) bzw. ( a , ) l =f ( A ) sind bei Poly(dimethylsi1oxan)-NetzDie Funktionen (a,)!~ werken mehr oder weniger unabhangig davon, ob die Vemetzung im ungequollenen oder im gequollenen Zustand erfolgte (Abb. 16-23). Die transversalen Aufweitungskoeffizienten (a,)lfolgen recht gut dem F-Modell; es gibt praktisch keinen Einfluss der Molmasse der Netzketten. Anders ist es bei den longitudinalen Aufweitungskoeffzienten (a,)ll. Netzwerke mit kleinen Molmassen der Netzketten verhalten sich hier wie das N-Modell, warend solche mit mittleren Molmassen dem F-Modell zuneigen und solche mit noch hoheren Molmassen noch tiefer liegen und von keinem der Modelle erfasst werden.
-A
4
Abb. 16-23 Beziehungen zwischen dem Aufweitungsfaktor a, der Tdgheitsmdien parallel (It) bzw. senkrecht (I) zur Zugrichtung nach verschiedenen Modellen fiir Phantomketten (s. Text) [ 171. Ausgezogene Linien: Theorien (Funktionalitiittf=4 der Netzstellen fiir das P-Modell). Experimentelle We* fiir ungequollene Poly(dimethylsi1oxan)e mit Molmassen der Netzketten von 6OOO (A), 10 OOO (0) bzw. 25 000 glmol(0). Vernetzungen im ungequollenen Zustand (A,0 . 0 )bzw. bei gequollenen hoben mit den Volumenbriichen = 0,71 (Striche oben) oder = 0.60 (Striche unten).
559
16. Elastizitat
16.4.6.
Uniaxiale Dehnung
Das Standard-Modell ist gewiihnlich das netzstellen-affine Phantomketten-Model1 N, das dem Verhalten der Aufweitungskoeffizienten nach jedoch nur flir relativ kulze Netzketten gilt (Abb. 16-23). Dehnt man ein solches Netzwerk uniaxial in x-Richtung, aber nicht in den y- und z-Richtungen, so muss folglich Ax = A = L/Lo gelten und wegen der miiglichen Volumenlindemng von Vo auf V auch 2, = = [(V/VO)(~/A,)]~/~.G1416-46) wird damit zu AGel= (N&)kgT( [A2 + 2(V/Vo)A-l- 31 - (4/n In (V/Vo)}. Differenzieren dieser Gleichung nach der Llinge L = LoA liefert die Kraft F:
a = L/Li,v = L/[Lo(V/vo)ln] = A(V/Vo)-ln ist dabei das DehnungsverhQtnis beim im gedehnten Zustand vorliegenden Volumen V relativ zur Llinge des unverstreckten isotropen Kiirpers. Da die Zugspannung als 011 = F/Ao definiert ist, erhQt man nach dem Einfiihren des Volumens Vo = A d o , der Boltzmann-Konstanten kg = R/NA und der Stoffmengenkonzentration [M,] = NJ(NAVO) der Netzketten (16-48)
ull
= F/Ao = RT[M,](A - (V/Vo)k2) = RT[M,l(a - CZ-~)(V/VO)~/~
Andert sich bei der Deformation eines ungequollenen Netzwerkes das Volumen nicht,
so wird VlVo = 1 und G1.(16-48) zu (1 6-49)
~ 1 =1RT[M,](A
- 1-2) = Eapp(A- A-2)
Die Zugspannung 01 1 ist somit einem dimensionslosen Parameter (A - k2)proportional. Der Frontfaktor RT[Mc] entspricht einem Elastizitatsmodul E,, = q l ( A - k2)-l, wie der Vergleich mit dem Hooke'schen Gesetz E = 011(A - l)-l zeigt. In analoger Weise kann man auch fur einen Einfluss der Quellung auf das Spannungs-Dehnungs-Verhaltenungequollener Netzwerke komgieren. Der fiir das Dehnen ungequollener Netzwerke in G1.(16-48) auftretende Ausdruck V d V = Vo/(Vo + AV) entspricht bei Quellungen dem Volumenbruch h = V2/v des Polymeren, so dass G1.(16-48) dann zu 011 = RT[M,](A - A-2)hlD wird. In G1.(16-48) gibt die molare Konzentration [MJ an Netzketten die anfiinglich vorhandene Konzentration an chemischen Vemetzungsstellen an. Experimente liefem jedoch die aktuelle Konzentration an allen effektiven Netzstellen, chemischen und physikalischen. Nicht alle chemischen Vemetzungsstellen sind jedoch gleich effektiv, da die Dehnbarkeit durch die kurzesten Netzketten kontmlliert wird. Ein Teil der totalen Funktionalitiit der chemischen Vemetzungsstellen wird ausserdem durch die Bildung von losen Enden und Schleifen verschwendet. Umgekehrt fuhren physikalische Vemetzungsstellen immer zu griisseren effektiven Konzentrationen an Vemetzungsstellen. Der Einfluss von Verschlaufungen durfte jedoch bei chemischen Netzwerken genng sein. Falls Netzwerke beim Verstrecken kristallisieren, ist aber eine starke Zunahrne an effektiven Vemetzungsstellen zu erwarten.
560
16.4. Entropie-Elastizitat 5
t'
-3
-A Fig. 16-24 Zugspannung 01 1 eines vemetzten Naturkautschuks bei 25°C als Funktion des VerstreckungsverhHtnisses A = L/Lo [18]. 0 Dehnung (A > l), 0 Kornpression (2 c 1). Einblendung: Bestimmung von RT[MJ aus der anfbglichen Steigung von q l =Anmit Anpassen an die Kornpressionswerte. - - - - Berechnet mit dem so ermittelten Wert von RT[M,J = 0,364 und GL(16-48).
GI.( 16-48) beschreibt recht gut das Spannungs-Dehnungs-Verhaltenvon vemetztem Naturkautschuk bei der Kompression ( A c 1) und bei nicht zu hohen Verstreckungsverhiilmissen von 1 c I c 5 (Abb. 16-24). Bei noch grosseren Dehnungen ftingt Naturkautschuk an zu kristallisieren. Die kristallinen Bereiche wirken als physikalische Vemetzungsstellen und die Zugspannung steigt steil an. Aus dem Wen RT[M,] = 0,364 berechnet sich mit R = 8,314 J K-l mo1-l und T = 298 K die molare Konzentration an Netzketten zu [&I = 1,47.1@ mol/cm3. Die Dichte des Naturkautschuks ist p = 0,91 g/cm3. Sie wird nur wenig durch die Vulkanisation beeinflusst. Die mittlere Molrnasse der Netzketten zwischen Vernetzungsstellen bemgt sornit Mc= p/[&] = 6190 g/mol, der Polymerisationsgrad X, = MJM, = 6190/68,12 = 90,9 und die minlere Kenengliedenahl N, = 4.90.9 = 364. Wenn Netzketten die Gauss-Statistik befolgen, besitzen sie einen mialeren Fadenendenabstand von (r2)o*n. Da (r2)dM fiir Naturkautschuk zu 6,79-10-3nm2 mol g1 efunden wurde, ergibt sich sornit der mialere Fadenendenabstand zu (?),ln = [6,79-10-3-6190nm2]la = 6.48 nm. Netzketten sind bis zu einer (rnittleren) Konturhge rMlt = N,b sin($!) dehnbar (GL(4-8)). Die mittlere Lmge von Kettenbindungen bemgt bei einer cis-l,4-Poly(isopren)-Ketteb = 0,152 nm. Setzt man den Bindungswinkel der Einfachheit ha1be.r als 7 = 11 1,5", so erhdt man fiir die konventionelle Konturhge r,,,= 364-0,152sin (111,5/2) nrn = 457 nm. Ungestiirte KnSuel kilnnen maximal bis zu A,,,= = rmJ(rz),,ln gedehnt werden, im Beispiel also zu Lax = 45,7/6,48 = 7,05, was recht gut mit dem maximalen Verstrwkungsverhiiltnis in Abb. 16-24 iibereinstimmt Beim Modell F htingt die Zugspannung wegen der gekoppelten Fluktuationen ausser von [MJ zusatzlich noch von der Stoffrnengenkonzentration [M,] an Netzstellen ab. Fur Deformationen ohne Volumentinderung ergibt sich (16-50)
011
=RT([M,] - [Mx])(I - I-2)
SowoN das N-Modell als auch das F-Modell sagen somit fiir die Zugspannung bei volumeninvarianten Elastomeren eine Funktion cq 1 = const (I- I-2) voraus. Die Modelle unterscheiden sich nur im Frontfaktor consf, der beim N-Model1 RT[M,] betragt (G1.(16-48)) und beim F-Modell RT[M,I([M,I - [M,]) (GL(16-50)).
561
16. Elastizitat
16.4.7.
Biaxiale Dehnung
Bei einer gleich grossen Dehnung eines volumenkonstanten Elastomeren (Ax$& = 1) in den x- und y-Richtungen wird A, = A,, = ilund A, = l/A2. Das Einsetzen dieser Werte
in G1.(16-46) fiihrt zu AGel = ff,(kBT/2)[2 A2 + A* - 31. Differenzieren nach L = LoL liefen F = (dAGel/aL)T,v = (2 N J b ) ( k g T ) [ A - k 5 I . Einfiihren von u = F/Ao, Vo = Wo, = R/NA und [MJ = NJ(NAVO) ergibt (16-51)
u = 2 RT[M,l(A-
Die Spannung in jeder der beiden Richtungen ist also bei einer biaxialen Dehnung @isser als bei einer uniaxialen (vgl. G1.(1648)).
16.4.8.
Dehnung realer Netzwerke
Keines der beiden klassischen netzstellen-affinen Modelle N und F kann alle Spannungs-Dehnungs-Kurven wiedergeben, vor allem nicht diejenigen von durch Flussigkeiten gequollenen Netzwerken (Abb. 16-23). Einer der Griinde scheint zu sein. dass bei kleinen Deformationen die Fluktuation um die mittlere Lage von Nemtellen dutch Verschlaufungen von Netzketten innerhalb des Netzwerkes unterbunden wird. Die Funktion a=flA) folgt d a m dem N-Modell. Bei grossen Deformationen und kleinen Deformationsgeschwindigkeiten k6Mm sich die Netzketten durch Diffusion entschlaufen. Dadurch werden wieder Fluktuationen der Netzstellen mSglich und das Spannungs-Dehnungs-Verhalten ntihert sich demjenigen des F-Modells fiir gekoppelte netzstellen-affine Fluktuationen an. Der Frontfaktor des N-Modells enthat nun die molare Konzentration [M,] an Netzketten, wtihrend der Frontfaktor des F-Modells die Differenz [M,] - [M,] der molaren Konzentrationen der Netzketten und der Netzstellen aufweist (G1.( 16-50)). Der iibergang vom N-Model1 zum F-Modell bedeutet also eine Abnahme des scheinbaren Elastizitgtsmoduls E,, = 01 l/(A - A-2). Diese Abnahme wird hgufig mit der semi-empirischen Mooney-Rivlin-Gleichung beschrieben. Fur die elastische Gibbs-Energie wird hier eine Symmetrie-Bedingung mit den empirischen Konstanten C1'und Ci angesetzt: (16-52)
AGel = C1'[Ax2+
S2+ Az2 - 31 + CZ'[A,-~+ Ay-2 + &-2
- 31
Die elastische Energie kann als Funktion der Dehnungsinvarianten geschrieben werden, d.h. Funktionen von 11,A2 und A3, die unabhmgig von der Wahl der Achsen sind: (16-53)
AGel = C1'[f1 - 31 + Cz'[f2- 31 + O(f3 - 3)
...
Dabei ist fl = A: + A; + A: die erste Dehnungsinvariante, f 2 = + A;A: + A:A: die zweite Dehnungsinvariante und Cl', C2' = Konstanten. Die h6heren Ordnungen O(f3- 3) sind in enter Naerung vemachlissigbar. In G1.(16-53) setzt man dann wiederholt die fiir ein inkompressibles Material geltende Bedingung A,&& = 1 ein, z.B. A, = l/(Ay&).
562
16.4. Entropie-Elastizitat
Der Gummi SOU ferner inkompressibel und volumeninvariant sein (A,A,A, = 1) und in x-Richtung gedehnt werden (A, = A; A, = l/Ix1/2;I, = l/I,t/z). Die Anderung der ~ 2 A - 31. elastischen Gibbs-Energie wird damit zu AGel = Cl'[A2 + (2/4 - 31 + C Z ' [ A -+ Differenzieren nach L = LoA liefert die Reckkraft F :
Nach dem Ausmultiplizieren, dem Einsetzen von 011 = F/Ao = L@/Vo. C1 = C1'/Vo und C2 = C2'/V0, sowie dem Umfonnen erhtilt man die Mooney-Rivlin-Gleichung:
Das Auftragen von 01 1 / ( I - k2) gegen l/A fiir einen verschieden stark gequollenen Gummi liefen Geraden, die bei A-l + 0 in einen gemeinsamen Ordinatenabschnitt 2 C1 munden (Abb. 16-25). Der Wert von 2 C1 wird aus diesem Grunde oft mit den Frontfaktoren der Gleichungen der statistischen Thennodynamik identifiziert. d.h. mit RT[M,] (G1.(16-48)) bzw. RT([Mc] - [MJ) (G1.(16-50)). Die Steigungskonstante 2C2 nimmt mit dem Volumenbmch h des Polymeren zu. Sie ist bei konstanten Vemetzungsbedingungen unabhangig von der chemischen Struktur der Netzwerke (Einblendung in Abb. 16-25). 2C2 h a g t jedoch von den Vernetzungsbedingungen ab, z.B. von Quellmitteln, Kettenonentiemngen, Vernetzunggraden usw. Es scheint auf Verschlaufungen anzusprechen, da das Verhtilmis CdC1 = KIA,-* mit steigender Querschnittsflgche A, der Ketten f a t . Je grosser aber A,, umso niedriger ist bei gleicher Kettenflexibilitat die Verschlaufungstenden. Ausserdem wird bei Kompressionen C2 + 0; bei Kompressionen kdnnen sich aber Verschlaufungen nicht auswirken. 0.30
a"
E 0.25
0.15
0
0,4
- 1-1
0,6
03
1
Abb. 16-25 Reduzierte Spannung u11/(1 - t 2 eines ) vernetzten Naturkautschuks als Funktion des reziproken Dehnungsverhiiltnissesbei 45°C irn ungequollenen Zustand (h= 1) und bei verschiedenen Quellungsgraden l/h in Decan o a t e n von [19]). Einblendung: Steigungen 2 C2 als Funktion des Volumenbruches = 1 - h des L6sungsrnittels in vernetzten, gequollenen Naturkautschuken (H),Butadien-Styrol-Kautschuken(0) und Butadien-Acrylni~-Kutsch~en (W) [20].
563
16. Elartisit&
16.4.9.
Scheren von Netzwerken
KBrper werden beim Scheren in [211-Richtung (x-y-Richtung) deformiert, bleiben aber in [3]-Richtung (z-Richtung) konstant (A, = 1) (Abb. 15-2 und 15-3). Bei einer volumenkonstanten Scherung (&I =,& 1) dehnt sich der K6rper folglich in x-Richtung (A, = A) und verkiirzt sich in y-Richtung (A,, = l/A, = l/A). In GL(16-46) wird somit [(4/n In (A,AyA,)l = 0 und [Ax2 + Ay2 + AZ2 - 31 fiir das Dehnen geht in [A2 + - 21 = [A - A-112 fiir das Scheren iiber. Mit der Definition der Scherung 7 = Ax -Ay = A - A-1 erhiilt man 9 = [A - A-lI2 = [A2 - A-2 - 21. G1.(16-46) geht damit iiber in
Die Scherenergie Es erhU man durch Differenzieren von G1.( 16-56) nach der dimensiomlosen Scherdeformation 7’ [ A - A-ll:
Ein Scheren beansprucht das ganze Volumen Vo. Die Scherspannung betrigt daher Dieser Ausdruck entspricht demjenigen fiir die Zugspannung 011 = F/Ao, bei der eine Zugkrafi F auf eine Flgche A0 wirkt. Einsetzen der Scherenergie E , = b T N C 7und der molaren Netzkettenkonzentration ) Ausdruck 021 = EJVo fiir die Scherspannung zeigt nach dem [M,] = ~ ~ ( N A VinO den Vergleich mit G1.(15-1), dass RT[M,I den Schemodul darstellt: 021 = EJVo.
Die molare Netzkettenkonzentration “3 = p/M, berechnet sich bei perfekten Netzwerken (Abb. 16-12) aus dem Verhumis der Dichte p des ungequollenen oder gequollenen Elastomeren zur Molmasse M, der Netzketten. Netzwerke sind jedoch meist nicht perfekt und man muss folglich noch fiir lose Enden komgieren. Beim nachtriglichen Vemetzen primiirer linearer Ketten (2 Enden) mit der Molmasse Mo wird der Korrekturfaktor zu (Mo - 2 M,)/Mo und man e h a t fiir den Schermodul nunmehr
Bei Polykondensationen und Polyadditionen f-funktioneller Monomerer erfolgt die Vemetzung gleichzeitig mit der Polyreaktion zu lageren Ketten. Die Ableitung ergibt fiir diesen Fall (16-60)
G
=-(
MC
1-
f)
Der Schermodul steigt also linear mit der Temperatur an (Abb. 16-26). Er ist femer reziprok proportional der Molmasse M, der Netzketten.
564
16.4. Entropie-Elastizitat
Die abgeleiteten Gleichungen gelten fiir die netzstellen-affine Deformation von Phantom-Netzwerken (Modell N). Fur Netzwerke mit gekoppelten Fluktuationen der Netzstellen (Modell F) ist wieder die molare Netzkettenkonzentration [M,] durch [MJ - [M,] zu ersetzen. Falls femer tetrafunktionelle Netzstellen vorhanden sind (f= 4) und das Netzwerk perfekt ist (N, = 0). geht N, = (f/2)Nx - (PI&) (s. Abb. 16-22) uber in N, = 2 N,. Damit wird auch [M&! = [Md: der Schermodul eines perfekten Netzwerkes ist beim FModell gerade halb so gross wie beim N-Modell. 12 T 9
u 1 3
-
0
0
100
200
-T f K
300
400
500
--*
Abb. 16-26 Schennodul G bei einer Frequenz von v = 0,Ol Hz als Funktion der Temperatur T bei vernetzten Polymeren aus 1,4-Butandioldiglycidyleter,Np-Dimethylethylendimin und 1,4-Diaminobutan [21]. Die experimentellen Werte ( 0 )wurden oberhalb der Glastemperaturen (vemkale Pfeile) gemessen. Die angegebenen Molmassen M, der Netzketten wurden mit M, = pRT( 1 - (2/f))/G (G1.(16-60)),der Dichte p = 1,l g/cm3 und der Funktionalit;itf=3 berechnet. Der Schermodul G kann bei kleinen Scherdeformationen mit dem Zugmodul E verknupft werden. Der Frontfaktor RT[M,] des N-Modells erscheint n2mlich in G1.(16-48) als RT[M,] = q1/(1was experimentell fiir kleine Dehnungen bestatigt wird, d.h. fiir 1 + 1 bzw. E + 0 (vgl. Abb. 16-24). Mit der Definition 2 = E + 1 ergibt sich der Dehnfaktor zu 2 - 2-2 = 1 + E - (1 + ~ 1 - 2= 1 + E - (1 - 2 E) = 3 E. Fur verschwindend kleine Deformationen isotroper Korper erhalt man mit dem Hooke'schen Gesetz ~ 1 =1 EE somit (16-61)
RT[M,] = limA,o
[oll/(2 - k2)] = 011/(3
E)
= E/3
Der Vergleich von RT[Mc] = G (G1.(16-58)) mit RT[M,] = E/3 (G1.(16-61)) zeigt, dass der Zugmodul E dreimal so gross ist wie der Schennodul G, wie es auch G1.(16-7) fiir volumen-invariante Deformationen vorhersagt (Poisson-Zahl p = 1/2). Beim Scheren zu kleinen Scherdeformationen verhalten sich also Elastomere wie Hooke'sche K6rper. Beim Dehnen zeigen sie aber kein Hooke'sches Verhalten, da die Zugspannung nicht der Dehnung E = A - 1 proportional ist, sondem 2 - 2-2 (vgl. G1.(16-48)). Die Zugmoduln E sind der Stoffmengenkonzentration [M,] an Netzketten direkt proportional. Bei hochgequollenen Netzwerken sollten diese Konzentrationen umgekehrt proportional der 3. Potenz der Maschenweite L, des Netzwerkes sein, d.h. es sollte gelten [M,] l/Lc3. Nach der Skalierungstheorie htingt die Maschenweite nach L,- c - ~ / ( ~ ~ - ~ ) von der Segmentkonzentration c ab, wobei v der Flory-Exponent ist und d die Dimensionalit2t (G1.(11-27)). Fur in guten Liisungsmitteln aufgequollene Netzwerke gilt d = 3
-
565
16. Elastizit&
-
-
-
und v = 3/5,so dass also E [&I l/Lc3 c9I4.Experimentell w i d in der Tat ein "mittlerer" Wett von 9/4gefunden (Abb. 16-27).Tatsichlich streben die Messwerte bei niedrigen Konzentrationen jedoch einem Exponenten von 3 zu, bei hohen Konzentrationen aber einem von 1. Dieses Verhalten ist bislang unerklirt. 107
106
105 lO4
1
.
103 k
/ 0
PEQX-x .
*
I 1
0,l
- c/(gmL-*)
-1
0
, 0,Ol
__--____----
--+
Abb. 16-27 Durch uniaxiale Kompression erhaltene ElastizitlItsmoduln gequollener Polymemetzwerke als Funktion der Polymerkonzentration [22]. Die gepunkteten Linien geben die nach der Skalierungs-lheclrie bei niedrigen Polymerkmzentrationen zu erwartende Neigung von 9/4= 2 3 an. Oben: mit Divinylbenzol(0) oder Ethylendimethacrylat (0)vernwte Poly(styro1)e in Benzol. Unten: mit einem aliphatischen "Poly"is0cyanat vemetzte Poly(oxyethy1en)e mit Molmassen der Netzketten von 1800 (0)bzw. 5600 glmol(0) in Wasser.
Historische Notizen Mechanische Modelle A.Reuss. Z.Angew.Math.Mech. 9 (1929)49 W.Voigt, Lehrbuch der Kristallphysik, G.Teubner, Leipzig 1910 M.Takayanagi, Mem.Fac.Engng. Kyushu Univ. 23 (1963) 1,41;M.Takayanagi, S.Uemura, S.Minami, J.Polym.Sci. C 5 (1964) 113 Gummi-Elastizitat
Erste molekulare Innterpretationen K.H.Meyer. G. von Susich, E.Vako,Kolloid-Z. 59 (1932)208 E.Guth, H.Mark. Mh.Chem. 63 (1934)93;ZElektrochem. 43 (1937)683 W.Kuhn, Kolloid-2.76 (1936)258 (die friihere Arbeit in Kolloid-Z. 68 (1934)2 bezieht sich entgegen vielen Darstellungen nicht auf die Kautschuk-Elastizit&, sondem auf isolierte Fadenmolekiile).
566
Literatur
LU
Kap. I6
Affimes Modell N F.T.Wall. J.Chem.Phys. 11 (1943) 527; P.J.Flory, F.T.Wall, J.Chem.Phys. 19 (1951) 1435 Phantom-Netzwerk F H.M.James, E.Guth, J.Chem.Phys. 15 (1947) 651, 669; 21 (1953) 1039; E.Guth, J.Polym.Sci. C 12 (1966) 89 Mooney-Rivlin-Gleichung M.Mooney, J.Appl.Phys. 11 (1940) 582 Empirische Verwendung von GL(16-52) ohne den Summanden -3 des in eckigen Klammern stehenden zweiten Ausdrucks. R.S.Rivlin, Phil.Trans.Royal SOC. A 240 (1948) 459, A 241 (1948) 379; R.S.Rivlin, D.W.Saunders. Phil.Trans.Royal SOC. A 243 (1948) 251 Semi-empirische Ableitung der GI.( 1652).
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Quellennachweise zu Kap. 16
567
16.3. E N E R G I E - E L A S A T A.EZachariades und R.S.Porter. Hrsg.. The Strength und Stiffness of Polymers. Dekker, New York 1983 J.H.Weiner, Statistical Mechanics of Elasticity, Wiley, New York 1983 AEZachariades und R.SPorter, Hrsg.. High Modulus Polymers - Approaches to Design and Development, Dekker, New York 1987 G.Bartenev, Mechanical Strength and Failure of Polymers, Prentice-Hall, Englewood Cliffs, NJ 1993 16.4. ENTRomE-ELASlTBT'AT L.Bateman, Hrsg., The Chemistry and Physics of Rubber-Like Substances. McLaren, London 1963 LR.G.Treloar. The Physics of Rubber Elasticity. Clarendon Press, Oxford, 3.Aufl. 1975 G.Heinrich, E.Straube und G.Helmis, Rubber Elasticity of Polymer Networks: Theones. Adv.Polym.Sci. 85 (1988) 33 0.Kramer. Hrsg.. Biological and Synthetic Polymer Networks, Elsevier. New York 1988 J.E.Mark und B.Erman. Rubberlike Elasticity: A Molecular Primer, Wdey, New Yo& 1988 BErman. JE.Mark, S ~ c t u r e and s Properties of Rubberlike Networks. Oxford Univ. Press, Oxford 1997
Quellennachweise
141
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568
17.
Viskoelastizitat
17.1.
Einfiihrung
1 7.1.1. Ubersicht Bei Zugspannungs-Dehnungs-Kurvenvon Polymeren kann man allgemein mehrere Bereiche unterscheiden, n a l i c h den Elastizitltsbereich vom Ursprung bis zur Roportionaliatsgrenze (Punkt sp;Q), den Dehnbereich von der Proportionalitiitsgrenze bis zum Punkt (oy;cy), den Fliessbereich vom Punkt (oy;cy) bis zum Punkt (0s;Q) und den Bruchbereich beim Punkt (og;Q) (Abb. 16-1). Der Elastizitiitsbereich wird durch die Energie-Elastizitlt bei kleinen Dehnungen von Kunststoffen und die Entropie-Elastizitiit bei gr6sseren Dehnungen von Elastomeren bestimmt (Kap. 16). Der darauf folgende Dehnbereich schliesst mit der (oberen) Streckgrenze ab, an der sprode Polymere brechen, duktile Polymere aber ein Maximum der Zugspannung aufweisen (Kap. 17.2). Duktile Polymere besitzen jenseits der Streckgrenze einen Fliessbereich mit den Teilbereichen der Spannungsweichmachung und der Spannungsverhlrtung (Kap. 17.3). Der Fliessbereich zeichnet sich bei statischen (Kap. 17.4) und bei dynamischen Messungen (Kap. 17.5) durch eine ausgesprochene Viskoelastizit2t aus. Auch Hlrte, Reibung und Abrieb werden durch viskoelastische Effekte beeinflusst (Band IV). Den Bruchvorghgen unter verschiedenen Beanspruchungen ist ein eigenes Kapitel (Kap. 18) gewidmet.
17.1.2.
Definitionen
Nach dem Hooke'schen Gesetz (G1.(16-4)) ist die Zugspannung 01 1 bei uniaxialen Dehnungen direkt proportional der Dehnung E = ( L - L,)/L, = A - 1. Die Proportionalit2tsgrenze (E: proportionality limit) lie@ bei sehr kleinen Dehnungen von einigen Hundertstel Prozent (Abb. 17-1, I). Entropie-elastische Korper dehnen sich zwar oft Hunderte von Prozenten. Sie befolgen dam jedoch nicht mehr das Hooke'sche Gesetz, sondem z.B. eine Funktion 011 = f ( A - A-*) (G1.(16-49)). I
*( b
I 0
0
0 wahrer zugmodul
0
0.2%
-&
Elastizitiitsmodul Kunsrstoffe
0
100%
0
100%
+
100 %-Modul 100 % Sekantenmodul Gummis Gummis
Abb. 17-1 Vier Definitionen von Zugmoduln (nicht massstiiblich).
569
17. Viskoelustizitat
Der Zugmodul E ist als Tungente der Funktion 01 1 =fie) bei Dehnungen 0 IE IEP definiert (Abb. 17-1, I). Die Tangente ist schwierig zu ermitteln, da die Proportionalititsgrenze unbestimmt ist. Der Modul w i d daher in der Regel als Sekante angegeben, z.B. f i r Kunststoffe beim CAMPUS-System@als Sekante zu Dehnungen zwischen 0.05 % und 0,25 % (Abb. 17-1, 11). Dieser Modul wird in der Kunststoffindustrie oft technischer Elastizitiitsmodul genannt, in der Textilindusvie dagegen Anfangsmodul. Bei Elastomeren gibt man nicht diesen Modul an, sondem den aus der Tungenten an die Spannungs-Dehnungs-Kurvebei Dehnungen von E = 300 % (d.h.. LIL, = 4) berechneten 300%-ModulE3~bzw. den entsprechenden 100%-Modul (Abb. 17-1,111). Teilweise wird auch ein Sekantenmodul E3w venvendet. der sich aus der Neigung einer Geraden vom Ursprung bis zum Zugspannungswert bei E = 3 bzw. 1 = L/L, = 4 ergibt (Abb. 17-1, IV). Die Proportionalititsgrenze ist nicht die Elastizititsgrenze, da sich der Ktirper auch oberhalb der Roprtionalitatsgrenze noch elastisch veh2lt. Die wahre Elastizitiitsgrenze (E: elasticity limit) wird erreicht, wenn die ersten Anzeichen einer irreversiblen Deformation ("Plastizitat") merklich werden. Das Einsetzen der Plastizit2t ist jedoch schwierig zu erkennen. Als konventionelle ElastizitItsgrenze wird daher die Spannung a , l definiert, bei der der Priifling nach der Entlastung eine irreversible Lagenzunahme von 0,Ol % der Messlhge beibehat. Diese Spannung darf bei Bauteilen nicht uberschritten werden. "PlastiziW" bezeichnet in der Festigkeitslehre ein durch ein einsetzendes Fliessen bewirktes Abweichen vom Hooke'schen Gesetz, d.h. bei der Funktion Zugspannung =ADehnung). In der Rheologie bezieht sich "PlastiziW' auf das abrupte Einsetzen von Fliessvorgbgen oberhalb einer Fliessgrenze in der Funktion Scherspannung =flSchergeschwindigkeit) (Kap. 15.4). Bei Metallen kann man anhand der Zugspannungs-Dehnungs-Kurverecht gut zwischen einer elastischen (reversiblen) Deformation und einer plastischen (irreversiblen) Deformation unterscheiden. Die wahre Elastizitatsgrenze ist d a m eine definierte Streckgrenze. da sie die minimale Spannung (Streckspannung) angibt, oberhalb derer h i m Entlasten eine definierte, bleibende Verformung zuriickbleibt, z.B. 0,Ol %. Die Streckspannung (E: yield strength) wird bei Metallen gelegentlich als Schnittpunkt der beiden Tangenten an den Anfangs- und den Endbereich der Spannungs-Dehnungs-Kurvedefiniert (Abb. 17-2, Mitte). Im anschliessenden plastischen Bereich nimmt die Zugspannung nur noch langsam mit steigender Dehnung zu, bis die Probe schliesslich reisst.
-E
+
-E
+
-€
4
Abb. 17-2 Drei Definitionen der Streckspannung beim Nachgiebigkeitsverhalten (E: yielding), d.h. einem Abweichen vom Hooke'schen Gesetz. I: Dehnspannung versetzt urn 0,2 % Dehnung. I 1 Streckspannung als Schnittpunkt zweier Tangenten. 111: Smkspannung als Maximum der Kurve.
570
17.1. Einfghrung
Bei Polymeren sind die Verhiiltnisse komplizierter. Bei steif-spriiden Polymeren l a s t sich z.B. meist nicht gut eine Tangente an den Endbereich legen. Man bestimmt dann eine Dehnspannung, indem man bei einer Dehnung von E = 0.2 % (sozusagen eine abgesetzte Dehnung; E: off-set strain) eine Parallele zur anfaglichen Geraden 0 = E E zieht. Der Schnittpunkt dieser Parallelen mit der Kurve 0 =A&)gibt die Dehnspannung 00.2 an (friiher: technische Streckgrenze; E: off-set yield stress, proof stress) (Abb. 17-2, 11). 00.2 ist also nicht die Zugspannung bei einer Dehnung von 0,2 %! Steif-sprMe und steif-feste Polymere durchlaufen wie viele Metalle nur einen relativ kleinen plastischen Bereich. Die Spannungs-Dehnungs-Kurvesieht dann 2hnlich aus wie die linke oder die mittlere Zeichnung der Abb. 17-2. Das Ende der Kurven ist durch die Reissdehnung (E: elongation at break; fracture elongation) mit der Zugfestigkeit og (E: tensile strength) gegeben. Bei KUrpem ohne Streckgrenze (Elastomere, steife Polymere) spricht man hBufig von Reissfestigkeit oder Zerreissfestigkeit anstelle von Zugfestigkeit. Mit dem Wort “Zugfestigkeit” wurde friiher andererseits die grusste vom Priifling getragene Last bezeichnet, was entweder die obere Streckspannung (wie in Abb. 17-2, 111) oder die Bruchfestigkeit bedeuten kann (wie Abb. 16-1). Nach der durch Schefliessen oder Craze-Bildung verursachten Spannungsweichmachung (S. 521) und einem kalten Fluss tritt bei einigen Polymeren (Abb. 16-8: PC. PE, POM) noch vor dem Bruch eine SpannungsverhBrtung auf. Diese Spannungsverhirtung (E: stress hardening, strain hardening) wird durch eine Onentierung der Kettensegmente erzeugt, evtl. auch durch eine von der Spannung hervorgerufene Kristallisation. Der hiifling bricht schliesslich bei der Bruchdehnung qj mit der Zugfestigkeit og. Ingenieurwerte liefem die nominelle Zugspannung 011 = F/A, (E: engineering stress, nominal tensile stress) und die Nenndehnung E = ( L - L,)/Lo (E: nominal strain, Cauchy strain). Fur volumeninvariante Korper betrggt die wahre Spannung 011’ = al1(L/L0)= O I I ( E + 1) (E: true stress) und die wahre Dehnung E’ = In (1 + E ) (E: true strain, Hencky strain) (S. 520). Andere, gelegentlich verwendete Dehnungsmasse sind die KirchhoffDehnung EK = [(L/L,)2 - 1]/2 und die Murnaghan-Dehnung EM = [ 1 - (LJL)21/2.
Abb. 17-3 Zugspnungs-Dehnungs-Diagramme eines Naturkautschuks (oben) und ekes it-Poly@ropy1en)s (unten) bei Zimmertemperatur. Links: experimentelle Diagramme, rechts: wahre Zugspannungs-Dehnungs-Kurven [l]. In der Originalarbeit wurden fiir die Abbildung unten links keine nummerischen Wem angegeben.
571
17. Viskoelastizitiit
17.2.
Streckgrenze
17.2.1. Considere-Diagramm Das Dehnen eines duktilen Materials erfolgt zuntichst homogen. Bei jeder Dehnung E herrscht die nominelle Spannung o = FIA,. Beim Einsetzen eines Teleskopeffektes wird die Verformung jedoch inhomogen. Da die nominelle Spannung o bei volurneninvarianten Materialien mit der wahren Spannung d durch o = d/(L/L,) = d/1verknupft ist. iindert sich die Nennspannung mit dem Dehnungsverhiilmis folglich nach
Der Teleskopeffekt beginnt bei doid1 = 0. Nach G1.(17-1) wird an diesem Punkt somit dd/d1 = d/1= d/(e + 1) = omax. Bei einer Tangenten an die Kurve d = f i n ) bzw. d = f i ~+ 1). welche die Dehnungsachse beim Dehnungsverhatnis A = 0 schneidet, gibt an (Conalso der Beriihrungspunkt der Tangente mit d =fin) die Htichstspannung omax sidere-Diagramm;E: Considere construction). Dabei gibt es drei Fme: Vom Punkt 1= 0 ausgehend kann keine Tangente an die Funktion d =f(1) gezogen werden. Der Priifling dehnt sich einheitlich und bildet keinen Hals aus. Der Priifling d e b t sich einheitlich, bildet an der Streck11. dd/dA = d / A (ein Punkt): grenze einen Hals und zeigt Spannungsweichmachung. Dieses Verhalten tritt bei vielen Metallen und Thermoplasten auf. Polymere zeigen oft anschliessend eine SpannungsverhBrtung. 111. dd/d1= d/1(zwei punkte): Einheitliche Dehnung bis zur oberen Streckgrenze. kalter Fluss, untere Streckgrenze, Spannungsverh2rtung und (bei Metallen) eine zweite obere Streckgrenze.
I. d d d 1 > d11:
- 1 0 1 2 - 1 0 1 2 - 1 0 1 2
-&
+
-€
+
-&
+
Abb. 174 Drei Typen von Considkre-Diagrammen bei volumeninvariantenKCkpem. I: Weder Halsbildung noch kalter Fluss; 11: Halsbildung bei der oberen Streckgrenze Yo.dann Spannungsweichmachung; 111: Halsbildung, obere Streckgrenze, Spannungsweichmachung. untere Streckgrenze Y,, dann Spannungsverhilrtung. E = - 1 entspricht A = 0. Nur bei Metallen. nicht aber bei Polymeren, werden bei 111gelegentlich zwei Maxima in der Funktion d =As)beobachtet (nicht gezeigt).
572
17.2. Streckgrenze
Die so ermittelten Hdchstspannungen entsprechen den oberen Streckspannungen. Bei duktilen Materialien sind sie entsprechend den Consid2re-Diagrammen vollst2ndig durch die Abhtingigkeit der wahren Spannung von der Dehnung gegeben. Da die oberen Sueckspannungen das Versagen eines Materials unter Last anzeigen, wird oft geschlossen, dass das Versagen eines Materials nur von den Fliesseigenschaften abh2ngt und nicht von den Festigkeitseigenschaften(vorausgesetzt, dass die Probe nicht vorher bricht). Diese Annahme ist jedoch wahrscheinlich falsch (Kap. 17.2.2).
17.2.2.
Molekulare Ursachen fur Fliessgrenzen
Mit Ausnahme von sehr hochorientierten und sehr hochkristallinen Polymeren zeigen alle Polymeren einen Dehnbereich, d.h. ein Abweichen vom Hooke'schen Gesetz, der bei der Proportionalitltsgrenze beginnt und bei der Reissspannung (steife Polymere) bzw. der oberen Streckspannung (duktile Polymere) endet (Abb. 16-1). Reissspannung bzw. obere Streckspannung sind also dadurch charakterisiert, dass sich an diesen Punkten der Molekiilverband aufzulosen beginnt. Die Auflosung erfolgt, wenn ein kritischer Abstand zwischen den Segmenten (Polymere) bzw. Atomen (Metalle) iiberschritten wird. Die kritischen Abst2nde sind je nach Aufbau der Materie verschieden. Bei aus Atomen aufgebauten Kristallgittem muss zum Uisen offenbar ein bestimmter interatomarer Atomabstand uberschritten werden. In Kettennchtung gezogene Molekule reissen, wenn die intramolekularen covalenten Kettenbindungen so stark gedehnt werden, dass sie eine kritische L h g e iiberschreiten. In amorphen polymeren Substanzen losen sich die Ketten voneinander, wenn ein gewisser intermolekularer Abstand uberschritten wird. Die zwischen den Atomen bzw. Molekulen wirkenden Krafte pro Flache (= Spannungen o) variieren im Allgemeinen mit den Atomabstanden L wie in Abb. 17-5 gezeigt. Im Gleichgewicht ist die Spannung gleich null; die Atome befinden sich hier im Abstand Lo. Die Spannungs-Abstands-Kurve kann nach Frenkel durch eine SinusFunktion mit der We ll e nl ~ge;1 angenaert werden: (17-2)
o = a0 sin [2 x ( L - LO)/;l]= a0 sin [2 x (Lo.9/;11
wobei die Amplitude gleich der theoretischen Festigkeit a0 ist und ( L - Lo)/Loz E. Durch Differenzieren der G1.(17-2) erhilt man
(17-3)
(do/dL)LoE=O= o O ( ~ X / A ) [ C O S ( 2 &~E / A ) I ~ , ~ o= 2 x o o / 1
Bei kleinen Dehnungen gilt femer das Hooke'sche Gesetz o = E E = E[(L/L,) - 11. Die Anderung der Spannung mit dem Abstand ergibt sich demnach bei Hooke'schen Korpem zu do/dL = E/Lo. Gleichsetzen mit (da/dL)Lo,,o fuhrt mit U?= Lb - L zu
Die Frenkel'sche Berechnung bezog sich urspriinglich nach P = (bG)/(2xH) auf die theoretische Scherspannung 9 als Funktion des Schermoduls G von Atomkrktallen, wobei b = Repetierabstand in Schemchtung und H = Abstand der Scherebenen. Das VerhHtnis e/Gvariiert bei Kristallen zwischen 0.24 (Diamant) und 0,034 (Gold, Zink).
573
17. Viskoelastizitat
t
Abb. 17-5 Die Abhagigkeit der Spannung Q vom Abstand L zwischen Atomen ist durch eine SinusFunktion approximierbar [2]. Beim Abstand Lo ist die Spannung im Gleichgewicht gleich null. Die theoretische Festigkeit a0 ist durch das Maximum der Kurve gegeben. Die Atome ldsen sich voneinander, wenn der Abstand Lb - Lo = A J ~iiberschritten wird. Die theoretische Festigkeit a0 sollte demnach dem Zugmodul E direkt proportional sein. Die Proportionalitatskonstante K = (Lb - Lo)/(nL0) h h g t somit nur vom kritischen DehnungsverhBltnis L d L ab. Beim Bruch covalenter (intramolekularer) Kettenbindungen von C-C-Ketten durch Zug in Kettenrichtung wird die ProportionalitBtskonstante zu OO/Ell= K I I= 0,095 gefunden (Abb. 18-10), woraus sich L d L , = 1 + nKl1 .- 1.30 ergibt. Die theoretische Festigkeit in Kettenrichtung betrBgt somit 0,095 .- 1/10 des ElastizitBtsmoduls. Fur das TreMen intermolekularer Bindungen sollte man LdL, < 1.30 erwarten. da intermolekulare KrZfte kleiner als intramolekulare sind und sich die Molekiile entsprechend schon bei geringeren Abstandsverhamissen trennen. Molekiilketten werden bei der oberen Streckdehnung .qmit der oberen Streckspannung ay getrennt. Nach G1.(17-4) sollte oy direkt proportional dem ElastizitBtsmodul sein. Die Beziehung ay = KIEb mit b = 1 wird in der Tat bei Zugspannungs-DehnungsMessungen gefunden, und zwar bei Polymeren. deren Glastemperatur grosser als die Messtemperatur ist (Abb. 17-6). Zu dieser Gruppe I von Polymeren gehtiren alle amorphen Thermoplaste (ABS-Polymere, Bisphenol A-Polycarbonat usw.) sowie einige semikristalline Polymere (Polyamid 6, Polyamid 610 usw.) (Tabelle 17-1). Eine andere Gruppe I1 von Polymeren befolgt jedoch nicht oy = K I E . sondern die Beziehung ay = K J J E ' ~Z. u dieser Gruppe gehoren alle Thermoplaste, deren Glastemperaturen niedriger als die Messtemperatur sind. Diese Gruppe umfasst notwendigenveise nur semikristalline Polymere, da Polymere mil T > TG nur bei TM > T Festkdrper sind. Zu ihr gehtiren z.B. Poly(oxymethy1en) und Poly(propylen), aber auch die konditionierten (d.h. durch Luftfeuchtigkeit weichgemachten) Polyamide PA 6, 66 und 12. Das gleiche Polymere kann daher je nach Weichmachung und damit je nach seiner Glastemperatur entweder zur Gruppe I oder zur Gmppe I1 gehtiren (s.a. Kap. 18). Fur 8 untersuchte Polymere der Gruppe I wurde b = 1,0 f 0.11 gefunden. Aus den KI-Werten lBsst sich das Verhamis L d L , berechnen. Es ist umso gr(lsser. je starker die zwischenmolekularen KrBfte sind: 1.09 bei PA 610, 1.06 beim Poly(viny1chlorid) und 1.05 beim Poly(styro1). Damit ergeben sich fur cry Werte zwischen etwa E/30 und E/60. Diese Werte bestatigen den theoretischen Schatzwen 8 = E/30, der auf Grund der Griineisen-Beziehung zwischen Kompressionsmodul und Innerer Energie abgeleitet wurde.
17.2. Streckgrenze
574
Abb.17-6 Streckspannungen als Funktion der Zugmoduln bei T = 23°C. 0 Polymere mit T c TG: PA 66 = trockene Polyarnide 66 (TG = 50°C); PVC = Poly(viny1ch1orid)e (TG= 81°C); SB = thermoplastische Styrol-Butadien-Copolymere (TG= 86°C) 0 Polymere mit T > To: PE-HD = Poly(ethy1en)e hoher Dichte (TG = -80°C) einschl. SurlynIonomere; PA 12 = konditionierte (mit Luftfeuchtigkeit g&ttigte) Poly(1aurinlactam)e (TG 1: Crazes k6Men sehr kleinem v = Ve + v, wird sogar der Ausdruck (In 1)/(ln Lax) offenbar auch starker verstreckt werden als es der wahren Konturlbge der wurmartigen Kettenstiicke zwischen zwei Verhakungsstellen entspricht.
".
0
10
20
- it19 (v, + v,) / cm-3
30
40
+
Abb. 17-8 Verhiilmis der natiirlichen Logarithmen der wahren Dehnung A zur maximal m6glichen Dehnung Lax als Funktion der totalen Zahlenkonzentration v, + v, an Netzstellen bei (0)Poly(styrol) und verschiedenen andem Polymeren sowie bei (0)chemisch vemetzten Poly(styro1)enmit unterschiedlichen Vemetzungsgraden [S]. C = Bildung von Crazes; S = Bildung von Schemnen.
580
17.3. Fliessbereich
17.3.3. Anteile von Crazes und Scherbiindern Die verschiedenen Deformationsphiinomene sind teils mit dem blossen Auge (Einschnurungen, Triibungen) und teils mikroskopisch (Scherbhder, Crazes) identifizierbar. In den meisten Falen sind die einzelnen Phiinomene nicht exklusiv vorhanden. Ihre relativen Anteile sind durch Kriechexperimente quantitativ ermittelbar. Bei Kriechexperimenten werden bei konstanter axialer Spannung die relativen Liingsdehnungen ALIL,, Querkontraktionen AAIA, und Volumeniinderungen AVIV, als Funktion der Zeit ermittelt. Bei einer reinen Scherdeformation zu Verjiingungen und Scherbiindem iindert sich nicht das Volumen: eine Zunahme der Liinge von Lo auf L wird durch eine Abnahme des Querschnitts von A, auf A kompensiert (V, = L d o = LA = V) (Abb. 17-9). Bei einem reinen Crazing nimmt andererseits das Volumen von V , = L d , auf V = LA zu; gleichzeitig bleibt jedoch die Querschnittsflache A, = A konstant. Die relative Volumeniinderung ist hier somit nach (V - Vo)/Vo= (L - Lo)/Lo direkt gleich der relativen Lhgeniinderung.
0
50
100
- t/min
150
200
250
Abb. 17-9 Durch Kriechexperimente bei 30°C ermittelte Zeitabhiingigkeiten der Dimensionsiinderungen Idr/x,l (in absoluten Werten) bei kautschukmodifiziertem Poly@ropylen)IPP und kautschukmodifiziemm IPS [9a]. x kann L = h g e , A = Flkhe oder V = Volumen sin. Trigt man daher die bei verschiedenen Zeiten gemessenen relativen Volumeniinderungen AVIV, gegen die gleichzeitig ermittelten relativen Liingeniinderungen ALIL, auf, so sollte sich bei Deformationen durch Crazing eine Gerade mit der Steigung 1 ergeben, bei Deformationen durch Scherbandbildung und Verjungungen dagegen eine mit der Steigung 0 (Abb. 17-10). Schlagfestes, kautschukmodifiziertesPoly(styro1) IPS (E: impact poly(styrene)) weist z.B. eine Steigung von 0,96 auf, d.h. die Deformation erfolgt zu 96 % durch Crazing. Beim schlagfesten, kautschukmodifizierten isotaktischen Poly(propylen) IPP betragt die Steigung dagegen nur 12 % (nur 12 % Crazing). Wie zusatzliche Experimente zeigten, sind diese Deformationsanteile unabhiingig von der angelegten Spannung. Bei kautschukmodifizierten Poly(oxymethy1en)en IPOM wird dagegen noch ein Einfluss der Spannung beobachtet, was auf eine Wechselwirkung zwischen dem Auftreten von Scherbiindem und dem Entstehen von Crazes hinweist.
581
17. Viskoelastizitcit (11.8 MPa)
1
0905
B
I W M (31.1 MPa)
___-. I W M (28.7 MPa) 0.12 0 4 -
0
4 0
.
.
0,02
. . - - 0,OQ 0.06 - & I t " --*
.
0,os
0,lO
Abb. 17-10 Relative Volumen2ndenmg AVP0 als Funktion der relativen JAgenbderung &/Lo bei unter konsranter axialer Spannung stehenden burschulanodifizierten (schlagzihnodifizierten)Polymeren bei 30°C [Sb]. Die Geraden gehen meist nicht durch den Ursprung, was auf Anlaufeffekte hinweist. IPS = Poly(styrol), IPP = Poly(pmpylen), IPOM = Poly(oxymethy1en) (E: I = impact modified).
Das unterschiedliche Verhalten von IPP und IPS ist durch die Lage der Glastemperatur TG relativ zur Messtemperatur T = 30°C bedingt. Kautschukmodifiziertes it-Poly(propylen) besteht aus amorphen Kautschukdomhen mit TG < T in einer it-Poly(pmpy1en)Matrix, diese wiederum aus kristallinen Domhen (TM = 160°C) und amorphen Domanen (TG = -10°C). Da sich die Glastemperaturen der beiden amorphen Domanen somit unterhalb der Messtemperatur von 30°C befinden, kSnnen sich die Kettensegmente in diesen Domhen bewegen. Beim Anlegen einer Spannung fihrt die kooperative Bewegung der Segmente in den amorphen Bereichen der Matrix zu einem Scherfliessen. Beim kautschukmodifiziertem Poly(styro1) ist dies dagegen nicht mtiglich, da sich die Glastemperatur TG = 9OoC der amorphen Poly(styro1)-Matrix weit oberhalb der Messtemperatur von 30°C befindet. Lokale, interne Spannungen kSnnen sich hier nur durch Bilden von Crazes auflSsen.
17.3.4.
Grosse Dehnungen
Ein K6rper wird beim Zugversuch durch die angelegte Kraft F per aktuelle Flache F von Lo auf L = U , gelhgt. Dabei wird an dem Priifling eine Arbeit W geleistet, wodurch sich die Spannung d = F/A bei einem Zustand 1 zu
ergibt und entsprechend die Spannung 02' bei einem Zustand 2. a,' ist dabei die Spannung im Ausgangszustand. Die Deformation des von den verhakten KnBuelmolekulen gebildeten physikalischen Netzwerkes kann in erster N2henmg wie diejenige eines Elastomeren mit chemischen Netzstellen behandelt werden kann. Die Arbeit W wird dann gleich der elastischen Gibbs-Energie AGel, die wiederum aus G1.( 16-46) erhatlich ist. Bei einem inkompressiblen System gilt V = V , und daher AXA& = 1.
582
17.3. Fiiessbereich
Beim uniaxialen Dehnen wird ausserdem Ax = A und somit A, = AZ = l/A1n.Im Zustand 1 betr'dgt die elastische Gibbs-Energie somit
und M i c h fir den Zustand 2. Die Differenzierung der elastischen Gibbs-Energie nach der Deformation ergibt dAG,l,l/d;ll = NcA~TII1- AI-~]. Da fiir inkompressible Systeme nur Spannungsdifferenzen ermittelt werden ktinnen, erhtilt man aus G1.(17-6) f i r Systeme ohne getinderte innere Energie
wobei in Analogie zu GL(16-61) der Ausdruck N c h T als Modul E h identifiziert werden kann. Eh stellt einen Spannungsverfilrtungs-Modul dar. G1.( 17-8) wurde fiir entropische (irreversible) Deformationen abgeleitet. Bis zum Fliess- bzw. Streckpunkt herrschen aber enthalpische Deformationen vor. Einfiihren der wahren Streckspannung ay' iiberfiihrt GI.( 17-8) in die Argon-Haward-Gleichung:
Bei grossen Dehnungen wird in der Tat eine lineare Abhtingigkeit der wahren Spannung d von A2 - k' beobachtet (Abb. 17-11, rechts). Die Ordinatenabschnitte ay' sind aber gr6sser als die nach der Considtre-Regel zu erwartenden (Abb. 17-11, links). Die Werte von Eh fallen wie erwartet mit steigender Temperatur. Sie sind aber bei h6heren Temperaturen erheblich niedriger als die GNO-Werte von Poly(ethy1en)-SchmelZen. Der Spannungsverhartungsmodul betragt z.B. bei 90°C nur Eh = 0,28 MPa, wahrend bei 100°C fiir GNO = 2,3 MPa gefunden wurde (Tab. 17-6). 160
t 120
B
80
1
b
I 40 0
+ ............ 0
4
8
12
16
0
60
120
-$-A4
.
4
180 240 +
Abb. 17-11 Links: Wahre Zugspannung d als Funktion der Dehnung fiir ein Poly(ethy1en) hoher Dichte bei vier Temperaturen [ 101. Die gestrichelten Linien entsprechen der Considhe-Regel. Rechts: Auftragung der gleichen experimentellen Daten als d =An2- A-l) entsprechend der ArgonHaward-G1.(17-9)[ll]. Aus den Steigungen ergeben sich Eh/MPa-Werte von 2.50 (OOC), 0,95 (24°C). 0,42 (60°C) und 0,28 (9OOC).
583
17. Viskoelastizitat
17.3.5.
Nachgeben als FIiessprozess
Fliesspunkte werden bei Elastomeren und bei weich-duktilen Thermoplasten gefunden. Diese Materialien zeigen weder Halsbildung noch kalten Fluss (Abb. 17-4, I). Steife Thermoplaste brechen, bevor sie einen Fliesspunkt emichen. Andere Polymere zeigen wiederum Streckpunkte. d.h. Maxima bei der Abhtingigkeit der Nennspannung von der Dehnung (Abb. 17-4, I1 und HI). Streckpunkte werden von der Vorgeschichte des Polymeren beeinflusst (Abb. 17-12), wobei getemperte Polymere grlissere wahre Streckspannungen aufweisen als abgeschreckte. Die relative Erh6hung der Streckspannung scheint dabei zumindest in erster Niihemng unabhagig von der Temperatur zu sein. Bei noch weiterer Verstreckung werden jedoch die Kurven f i r die Abhtingigkeit der wahren Zugspannung von der wahren Dehnung unabhhgig von der Vorgeschichte der K6rper. Das Einsetzen des Nachgebens von Polymeren jenseits der Proportionalitatsgrenze wird durch die Zuggeschwindigkeit beeinflusst (Abb. 16-5). Fliess- und Streckpunkte miissen also hauptsachlich kinetisch bedingt sein, und zwar durch Fliessvorgilnge. Bei niedennolekularen Fliissigkeiten ist dazu das Fliessverhalten von Molekiilen zu betrachten. Bei Kettenmolekiilen ist die Fliesseinheit nicht das gesamte Molekiil, sondern ein Segment desselben. wobei die Natur des "Segmentes" offengelassen wird (z.B. eine Monomereinheit oder mehrere solcher Einheiten). In der Ruhe befinden sich die Fliesseinheiten auf Platzen in einem Gitter, das durch die anderen Fliesseinheiten der Polymermolekiile gebildet wird. Das Gitter kann z.B. kubisch mit der Kantenltinge L sein. Damit das Segment von einem Gitterplatz zum anderen im Sprungabstand L gelangen kaM, muss Arbeit aufgebracht werden, und zwar einmal, um den Widerstand der Nachbam zu uberwinden und zum anderen, um eine genugend grosse Liicke zu bilden. in die das Segment platziert werden kann. Die dazu erforderliche Energie wird von der thennischen Aktivierungsenergie AES bereitgestellt. Die Geschwindigkeit des Platzwechsels (Anzahl "Spriinge" pro Zeiteinheit) N = dN/dt = k exp[- A E S / ( h T ) ] ist durch die Eyringsche Platzwechseltheorie gegeben, wobei k eine Geschwindigkeitskonstante mit der Einheit einer Frequenz (reziproke Zeit) ist. 120 1 23 O C
50°C
0
0,l 02 In (LIL,) -----*
03
Abb. 17-12 Wahre Zugspannung als Funktion der wahren Dehnung bei einem bei Temperaturen von 23°C oder 50°C mit einer Dehngeschwindigkeit von dddt = - l t 3 d gedehnten Poly(rnethy1rnethacrylat). das zuvor entweder getempert (E: annealed) oder abgeschreckt (E: quenched) wurde [ 121.
584
17.3. Fliessbereich
Der Platzwechsel wird durch die Zugspannung u = F/A gefirrdert, die auf das Segment mit der Kraft F = A a = 15% einwirkt. Da sich der Aktivierungsberg in der Mitte des Sprungabstandes L befindet, w i d so eine Arbeit (Energie) von E, = F(L/2) = (l/2)aL3 geleistet. Die Aktivierungsenergie emiedrigt sich so von -&auf -(AE* - A&). Die Geschwindigkeit N+ = diV/ddt des Platzwechsels in Vorwlrtsrichtung erhirht sich entsprechend auf N+= k exp[- (AES - E , ) / ( h T ) ] . In Riickwlrtsrichtung werden die Spriinge um den gleichen Betrag gehemmt, so dass N+ = k exp[- (AES + E , ) / ( k ~ r ) ] Die . Nettogeschwindigkeit (in zuriickgelegter Liinge pro Zeiteinheit) ist somit (17-10)
L N = L ( N + - k + ) = L k e x p [-&I(hr)lQ Q = (exp [aL3/(2 k B r ) ] - exp [- 0L3/(2 kBr)l)
Die Geschwindigkeit N ist gleich der Dehngeschwindigkeit 2 = O / q e , wobei q e die Dehnviskosit2t ist. Also wird L N = aL/qe. Mit x = aL3/(2 k B T ) wird der Ausdruck in geschweiften Klammem zu (exp (+x) - exp (-x)) = 2 sinh x. G1.(17-10) wird daher zu
uL3/(2 A B T ) ist weit gr6sser als 1. Mit u = 40 MPa = 40.106 J m-3, k~ = 1,381-10-23J K-', sowie einer Temperatur T = 293 K und einer Segmentltinge von nur L = 1 nm erh2lt man bereits x = 494. Fiir x > 2.3 kann man aber sinh x = (1/2) exp (x) schreiben. Die Zugspannung a kann durch das Produkt qe2 aus Dehnviskosit2t q e und Dehnge-
schwindigkeit 1 ersetzt werden. Nach dem Logarithmieren und Umformen resultiert
Die Zugspannung a kann z.B. die Dehnspannung oy sein. Nach G1.(17-12) sollte oy bei T = const linear mit dem natiirlichen Logarithmus der Dehngeschwindigkeit 1 zunehmen, was auch experimentell gefunden wird (Abb, 17-13). Da die Steigungen bei Auftragungen von u/T=fan 2) bei jeder Temperatur gleich gross sind. muss 2 k g / L 3 und damit auch die Sprunghge L unabhtingig von der Temperatur sein.
,
]o m I - Igi
--*
Abb. 17-13 6y/T=f(i) bei einem Polycarbonat [13]. Bei 80°C ergibt sich 2 4 / L 3 = 4205Pa K-l. Die Sprunghge betr%t somit L = 1,87 nm, was etwa der L*ge yon zwei Monomereinheiten ent-
spricht. Der Fliessprozess besteht also aus einer kooperativen Bewegung gr6sserer Segmente.
17. Viskoelastizitcit
17.4.
585
Kriechen und Relaxation
1 7 . 4 . 1 . 2-Parameter-Modelle Bei der Diskussion des energie- und entropie-elastischen Verhaltens in Kap. 16 wurde angenommen, dass Korper nach dem Entfernen der Last unmittelbar und vollstiindig in die Ausgangszustiinde zuriickkehren (Elastizitat). Bei Polymeren dauert dies jedoch immer eine gewisse Zeit. Ausserdem werden einige Polymere durch Fliessvorgbge irreversibel verformt (ViskositBt). Newton'sche ViskositBt und Hooke'sche Elastizitat sind Idealme des mechanischen Verhaltens. Sie lassen sich durch mechanische Modelle beschreiben. Diese mechanischen Analogien kilnnen ebenso wie rein mathematische Gleichungen experimentelle Ergebnisse beschreiben. z.B. auftretende Spannungen als Funktion der Deformation, Zeit, Deformationsgeschwindigkeit oder Frequenz. In vielen FUen erlauben sie, bei einer Priifbedingung erhaltene Daten in solche f i r andere Bedingungen umzurechnen. Sie sagen jedoch nichts iiber die zugrundeliegenden molekularen Prozesse aus. Als Modell fir die Elasrizitut dient nach Hooke eine Sprungfeder F (Abb. 17-14). Die Sprungfeder F (E: spring), und also der Hooke'sche KBrper (E: Hookean body), dehnt sich entsprechend dem Hooke'schen Gesetz: beim Dehnen nach 611 = q = EEF (GL(l6-2)) und beim Scheren nach 021 E q = G p (G1.(15-2)). Nach dem Entfernen der Last nimmt der Hooke'sche K6rper sofort wieder seine Ausgangslage ein. Das mechanische Modell f i r die Viskosirut ist ein Kolben K mit einer viskosen Fliissigkeit, durch die ein perforierter Stempel gezogen wird (Diimpfungskolben; E: dash pot). Die Fliissigkeit soll das Newton'sche Gesetz befolgen. Eine derartige Newton'sche Fliissigkeit (E: Newtonian liquid) folgt den Newton'schen Gleichungen: beim Scheren t beim Dehnen q = v e t bzw. = (m/qe)t gilt a21 = ?K = q pK bzw. n< = ( ~ / q )und (Abb. 15-3). Newton'sche Fliissigkeiten kehren nach dem Entlasten anders als Hookesche K6rper nicht in den Ausgangszustand zuriick. K&per. bei denen gleichzeitig zeitunabhiingige elastische und zeitabhiingige viskose Eigenschaften zusammenwirken, werden viskoelastisch genannt (E: viscoelastic). Dieses Verhalten kann durch Kombinationen des Hooke'schen Verhaltens (Elastizitgt) und des Newton'schen Verhaltens (Viskositlt) modelliert werden. Die Reihenschaltung von Hooke'schem K6rper und Newton'scher Flussigkeit fiihrt zum Maxwell-Korper, die Parallelschaltung zum Voigt-Kelvin-Element (Abb. 17-14). Der Maxwell-K6rper ist ein Modell fiir Relaxationen, das Voigt-Kelvin-Element eines filr Retardationen. Beide Modelle beschreiben lineare Viskoelastizitaten, da bei ihnen Spannungen. Deformationen und Deformationsgeschwindigkeitenlinear zusammenhtingen. Durch weitere Kombinationen erhBlt man kompliziertere Elemente. Beispiele sind die vier mliglichen 3-Parameter-Modelle sowie das Burgers-Element, ein spezielles 4-Parameter-Element. das durch Reihenschaltung eines Maxwell-Korpers und eines Voigt-Kelvin-Elementes entsteht (Kap. 17.4.4). Bei einem Maxwell-Korper (E: Maxwell element) sind Feder und Kolben in Reihe geschaltet. Die totale Deformation setzt sich daher additiv aus den Deformationen der Wegen der Reihenschaltung stehen soFeder und des Kolbens zusammen ( E = EF + a). mit sowohl der Kolben d s auch die Feder unter der gleichen Spannung (a= q = %).
586
17.4. Kriechen und Relaxation
Hooke
A
Newton 4
Maxwell A
i
Voigt-Kelvin 4
Y
Abb. 17-14 Einfache Modelle fiir Spannungen und Deformationsgeschwindigkeiten. In diesen und den folgenden Endgleichungen fiir MaxwelLK6rper und Voigt-Kelvin-Elementewurden die Indices F (Feder) und K (Kolben) weggelassen, da nicht unterschieden werden kann, woher die Beitrtige zur Spannung bzw. Deformation kommen. Fur Zugspannungen op = u11 wurde zum Vereinfachen nur u geschrieben. Urn Venvechslungen der Zugspannung mit der Scherspannung zu vermeiden, wurde daher die Scherspannung = ql traditionell durch ranstelle des Symbols q1 gekennzeichnet Zugverhalten: u = Zugspannung, ir = do/dt = Zuggeschwindigkeit, E = Elastizit2tsmodu1, E = Dehnung, E = ddd?= Dehngeschwindigkeit, qe = DehnviskosiBt. Scherverhalten: q = Viskositllt, 7 = Scherspannung, Z = d.r/dt = Scherdeformationsgeschwindigkeit, G = Schermodul, y= Scherung, y= dydt = Schergeschwindigkeit Die Deformation ist jedoch wegen des ViskositPtseinflusses zeitabhhgig. Um sie zu erhalten, muss die Zugdeformation E = EF + Q zuerst nach der Zeit differenziert werden. In die resultierende Gleichung & = dddt = d&F/dt + d&K/dt= &, + &K Setzt man dann die entsprechenden Ausdriicke aus den rheologischen Zustandsgleichungen f i r das Dehnen und das Deheines Hooke’schen Kdrpers (CJF= EEF+ dq/dt = d(oF/E)/dt + L., = C?@) nen (nicht das Scheren!) einer Newton’schen Flussigkeit ein ((CJK/qe) = kK). Es resultiert d=(C?/E)+(a/qe) und nach dem Umformen auch a = q e & - ( q e / E ) C ?In . ganz gleicher Weise wird die rheologische Zustandsgleichung 7 = q j - ( q/ G ) i fur das Scheren eines Maxwell-Korpers abgeleitet (s. Abb. 17-14). Diese Gleichungen werden nicht fiir die Dehn- oder Schereinflusseindiziert Beim Zugversuch wird die DehnviskosiEit qe einfach als “ViskosiBt”q aufgefasst. Da die Verformung hauptsilchlich durch Scheren erfolgt (Kap. 16.2.3),wird der Zugmodul E durch den Schermodul G ausgedriickt. Die Dehngeschwindigkeit wird also als t = de / dt = G-’ (do / dt) + ( u/ q ) geschneben. Beim Voigt-Kelvin-Element sind Feder und Kolben parallel geschaltet. Ein makroskopisches Analogon ist die Radaufh2ngung (E: suspension) bei Autos, bei denen eine helikale Feder einen Stossdampfer (E: shock absorber) umgibt. Die Zugdeformationen sind daher bei der Feder und beim Kolben gleich gross ( E = Q = a)und die Zugspan+ q). Mit den Ausdriicken f i r q und q (Abb. 17-14) nungen daher additiv (CJ= ergibt sich daher fiir die Gesamtspannung CJ = E E + qeE (alternativ: CJ = GE+ q E ) und fiir die Dehngeschwindigkeit 2 = (o/qe) -( E / ~ , ) E (altemativ: d = (a/q) - ( G / ~ ) E In ). genau gleicher Weise werden die rheologischen Zustandsgleichungen f i r die Scherspannung ? und die Schergeschwindigkeit .L ermittelt (s. Abb. 17-14).
5 87
17. Viskoelastizitiif
Tab. 174 Zeitabhgigkeiten der Zugspannung u bzw. Dehnung E fiir Maxwell- und Voigt-KelvinK(hper bei konstanter Dehnung ( E = d).konstanter Spannung (u= u ,), konstanter Dehngeschwindig-
keit (Mat = consf. bzw. E = q t ) oder konstanter zeitlicher Spannungsilnderung (do/& = const. bzw. u = q C fiir E = ~0 bei t = 0). C ist eine von Fall zu Fall verschiedene Konsrante. 4) C = - a & wenn E = 0. Randbedingungen fiir t = 0 l ) C = GE,,;~)C = a& 3) E = 6; Maxwell-KOrper
= F, u =a, E =q t u =g t E
= tl[(WW- (MXddWl u = Gq, exp[- (G/q)tl
Voigt-Kelvin-Element 0
Q
= q#[G-l+ T'tl u = € 1 +~ C expk (C/q)rl E = q, + ( q / c ) t + [u1/(2 q)lt* &
1) 2)
3)
=GE+ q(Wdf)
o=Gq,
= (dG)( 1- exp[- (G/q)tl) u =qq+qGt E = - ( q q @ ) + (ol/G2)t + C exp[- (C/q)t] E
4)
Die Differentialgleichungen f i r den Maxwell-KUrper und das Voigt-Kelvin-Element enthalten jeweils drei Variable (T,yund r bzw. a,E und r) und jeweils zwei anpassungsfihige Gr(lssen (Gund q bzw. E und qe). Die Gleichungen kUnnen daher nicht allgemein gelUst werden, sondem nur fiir bestimmte F a l e (Tab. 17-4). Zur besseren ijbersicht werden dabei alle Gleichungen nur f i r den Zugversuch geschrieben. Das Ldsungsschema fiir die Gleichungen der Tab. 174 sei fiir den Maxwell-K6rpermit konstanter Spannung demonstriert. Die allgemeineGleichung wird zu Wdf = (dq) + G-'(dddt) umgeformt. Mit E = q, = const a t man dq = - C-'(dddt). Die Integration liefert u = C exp[- (G/q)rl. Die Integrationskonstante C muss daher die Einheit einer Spannung haben. Ihr Wen ergibt sich aus der Randbedingung, dass der K6rper bei konstanter Dehnung q,unter einer Spannung C = G& steht Also folgt u= Gq, exp[- (G/q)t]. Das Verhiilmis q/G hat die physikalische Einheit einer Bit; es ist die Relaxationszeit b.Aus u= GE, exp[- (r/tk)]folgt, dass die Spannung mit der Zeit exponentiell abnimmt. Mit diesen Gleichungen kann das Verhalten bei zwei Experimenten studiert werden, dem Kriech-Experiment (konstante Dehnung E = E,) und dem SpannungsrelaxationsExperiment (konstante Spannung a = u,). Diese beiden Experimente sowie die weiter unten beschriebenen dynamischen Priifungen (Kap. 17.5) sind wichtig. weil mit ihnen das Verhalten bei den beiden anderen Experimenten beschrieben werden kann, d.h. bei konstanter Dehngeschwindigkeit (E = q r ) und konstanter zeitlicher Spannungsiinderung (a= qr). Umgekehrt kann man aus Versuchen mit E = e l f bzw. a = alr nicht das Verhalten bei konstanter Dehnung ( E = b ) bzw. konstanter Spannung (a= a,) ermitteln.
17.4.2.
Spannungsrelaxation
Unter einer Relaxation (L: re = zuriick, luxare = 16sen. von lux = lose) wird in der Mechanik die Abnahme der Spannung bei konstanter Deformation verstanden. Wird nilmlich eine reale Flussigkeit durch eine Scherung deformiert. so entwickelt sich eine der Deformation entgegenwirkende Spannung. Die Spannung wird jedoch rasch wieder abnehmen, da die Molekiile bzw. Molekulsegmente schnell ausweichen k6nnen. Dieses Verhalten wird gut durch das Maxwell-Model1 beschrieben. Beim Dehnen eines Maxwell-KUrpers 13ngt sich die Feder sehr schnell bis zu einem Gleichgewichtswert. Hat man dann die Dehnung konstant, so wird sich der Kolben wegen der sich entspannenden Feder langsam durch die z ~ Flussigkeit e bewegen. Beim Entfemen der Spannung kontrahiert sich die Feder. Der Kolben bleibt aber im gedehnten Zustand. Dieses ModelI ist wegen G1.(16-51) auch fiir Scherungen anwendbar.
588
17.4. Kriechen und Relaxation
Stan zu dehnen kann man natiirlich auch komprimieren. Bei Versuchen zur Spannungsrelaxation @: stress relaxation) wird ein Ktirper zur Zeit t = 0 pllitzlich urn einen Betrag E, zusammengedriickt (Abb. 17-15. I), z.B. eine Kunststoffdichtung zwischen dem Flaschenhals und dem Verschluss. Diese Deformation wird im Zeitintervall zwischen t = 0 und t = r~ konstant gehalten ( E = E,), Auf diese Stauchung (negativer Zug) antwortet der KBrper mit einer Anderung der Spannung (E: response). Da die Deformationsgeschwindigkeit gleich null ist. wird die Differentialgleichung f i r die Kompression eines Marwell-Korpers nach den Beziehungen der Abb. 17-14 zu 6 = ( UiG) + (aiq)= 0. Die Integration liefert (vgl. Tab. 1 7 4 )
wobei trlx = q/G die Relaxationszeit ist (E: relaxation time). Der Klirper reagiert also auf die bei t = 0 vorgegebene Deformation E, (Stauchung) mit einem plotzlichen Anstieg der Spannung auf den Wert a = a,. Die Spannung sinkt anschliessend exponentiell ab. bis sie bei unendlich grosser Zeit wieder gleich null wird. Diese Relaxation erklm, warum Dichtungen aus Kunststoffen von Zeit zu Zeit nachgezogen werden miissen. Bei der Relaxationszeit trlx ist die Spannung Q auf den (I/e)ten Teil P 36,8 % des urspriinglichen Wertes abgefallen. Sie ist gleich dem Achsenabschnitt trlx = q/G auf der Zeitachse, wenn die Tangente zur Abklingkurve vom Wert bei a, auf den Wert bei a = 0 verlugert wird. Die Viskositat q ist dabei eine Dehnviskositat qe, nicht eine Scherviskosit& Der in GL(17-13) auftretende Modul E ist ein Relaxationsmodul, der wegen des verschiedenen Modells nicht mit dem Elastizitatsmodul der G1.( 16-2) identisch ist. Spannungsrelaxation Maxwell-K&per
Kriechen Maxwell-K6rper
flq-’, $[-)
)-I$
,
E
10
Kriechen Voigt-Kelvin-Element
0
0
0
0 4
0
tE
4
I
-t
+
tE
4
I
0
,
0-
t +
tE
*
)
0 -
t
tE
4
Abb. 17-15 Spannungsrelaxation bzw. Kriechen eines Maxwell-Korpers und eines Voigt-Kelvin-Elementes. Die Dehnung E (beim Relaxationsexperiment) bzw. die Spannung (T (beim Kriechversuch) wird bei der Zeit t = 0 vorgegeben und bei der Zeit tE entfemt. Beim Relaxationsversuch ist nur die Relaxation gezeigt, nicht die Erholung der Spannung nach dem Entfemen der Deformation zur Zeit tE. Das Verh2ltnis von Relaxationszeit trlx und Zeitskala t des Experimentes ist wie bei der Diffusion die Debora-Zahl De (S. 483). Diese Relaxations-Debora-Zahl ist jedoch nicht mit der Diffusions-Debora-Zahl identisch.
589
1 7. Visk-oelastizitdt
-
Die Debora-Zahl ist per Definition gleich 0 fiir Newton'sche Fliissigkeiten und gleich f i r Hooke'sche Kbrper. Sie besitzt Werte von u n g e f a fiir Wasser, 10-6 fiir Schmier(l1, 0,l-10 fiir Polymerschmelzen und 109-1011fiir GlBer. Bei der Glastemperatur bemgt sie De = 1. Bei Polymeren existiert nicht nur eine Relaxationszeit, sondem ein ganzes Relaxationszeiten-Spektrum. Perfekte Elastomere besitzen 2.B. gleiche Abstiinde zwischen den Netzstellen. Bei kurzen Beanspruchungszeiten gleichen sich Spannungen durch eine Rotation der Kettenglieder um Kettenbindungen innerhalb kurzer Relaxationszeiten von lW5 s aus. Bei grossen Beanspruchungszeiten verschieben sich auch Netzstellen gegeneinander. Dieser Prozess erfordext aber hohe Relaxationszeiten, die wiederum das viskose Fliessen bei kleinen Beanspruchungszeiten verhindem. Zwischen diesen beiden sehr verschiedenen Relaxationszeiten existiert ein Bereich, in dem der Relaxationsmodul praktisch konstant bleibt. Reale Elastomere weisen dagegen eine Verteilung der Netzstellenabstbde und folglich Verteilungen der beiden Relaxationsprozesse auf. Das Relaxationszeitenspektrum kann rnit einer Folge von parallel geschalteten Maxwell-Kbrpem modelliert werden. Das Relaxationsverhalten kann dagegen nicht rnit dem Voigt-Kelvin-Element beschrieben werden. Bei einer plbtzlichen Dehnung kann die Feder folgen. nicht jedoch der Kolben, da dieser einen unendlich grossen Widerstand iiberwinden muss. Dazu ist jedoch eine unendlich gmsse Spannung erforderiich, was unrealistisch ist.
17.4.3.
Kriech-Versuch
Unter Retardation wird eine Zunahme der Deformation rnit der Zeit bei konstanter Spannung verstanden. Retardationsprozesse geben sich durch ein Kriechen bzw. Nachfliessen des Materials zu erkennen. Da das Phtinomen erstmals bei sich bei Raumtemperaturen befindenden, scheinbar festen Materialien ohne Wmeeinwirkung beobachtet wurde, nennt man es auch kalter Fluss (E: cold flow). Beim Kriechversuch (E: creep experiment) wird der Kbrper zur Zeit t = 0 rnit einer Zugspannung a, belastet. Wegen der in Reihe geschalteten, sofort ansprechenden Zugfeder nimmt ein Marwell-Korper bei t = 0 sofort einen Wert ~0 = oJE an (Abb. 17-15). Wird anschliessend die Spannung a, konstant gehalten (E: uniform loading) und ist somit ir = da/dt = 0. so dehnt sich der Maxwell-Kbrper wegen des in Reihe geschalteten Stempels im Kolben rnit konstanter Geschwindigkeit a,/q aus; es erfolgt ein Kriechen oder Nachfliessen. Die Gesamtdeformation E zur Versuchszeit t ergibt sich beim Muxwell-Korper mit der Bedingung CT = a, = const. durch Integration der Differentialgleichung B = ( U / E ) + (a/q)(s. Gleichung in der Abb. 17-14) zu (17- 14)
1
Cdr = (d4dr)dt = E = (aJG)
+ (oJq)t = q,+ (aJq)r
Nach dem Entfemen der Last zur Zeit t = & zieht sich der KUrper um den elastischen Beitrag E, = aJG zusammen. bleibt aber permanent um einen Restbetrag EE = (a&)& verformt (E: permanent set). Der Maxwell-Kbrper verhtilt sich also bei Beginn des Experimentes ( t = 0) wie ein elastischer Festkbrper. warend des Experimentes jedoch wie eine viskose Fliissigkeit: er stellt eine viskoelastische Fliissigkeit dar (Tab. 174).
590
17. Kriechen und Relaxation
Bei Polymeren nimmt jedoch die Dehnung bei konstanter Spannung nicht linear rnit der Zeit zu; der Maxwell-K6rper ist hier unrealistisch. Der zeitliche Anstieg der Dehnung wird darum besser rnit dem Voigt-Kelvin-Element beschrieben (Abb. 17-15, 111). Nach den Gleichungen in Abb. 17-14 ergibt sich die rheologische Zustandsgleichung - (G/q)e. Die des Voigt-Kelvin-Elementes fur Zugbeanspruchungen zu k = (o/q) Usung dieser Differentialgleichung ist
Sofort nach dem Anlegen der Spannung, zur Zeit t = 0. ist die Deformation E nach dem Modell gleich null (Abb. 17-15), was bei Polymeren jedoch nicht zutrifft. Die Deformation nimmt dann jedoch wie bei Fliissigkeiten schnell mit der Zeit zu; spgter steigt sie langsamer rnit der Zeit an. Die Retardationszeit trd ist von gleicher Gr6ssenordnung wie die Relaxationszeit, aber nicht mit ihr identisch, da sie auf einem anderen Modell beruht. Die Retardationszeit gibt die Zeit an, bei der der retardierende Verformungsanteil bei konstanter Belastung einen Wert von (1 - l/e) = 0,632 der Endverformung EE bei der Zeit & erreicht hat. Das Voigt-Kelvin-Element verhtilt sich also wie ein viskoelastischer Festkorper: anfangs als Flussigkeit und w2hrend 0 I t I & als Festkorper. Entfemt man nach einer Zeit & die Spannung, so klingt die Deformation wieder nach E = (aJG)[l - exp (- &/trtd)][exp {- (t - tg)/trtd]] ab. Bei unendlich grosser Zeit wird der Anfangszustand rnit E = 0 erreicht. Bncht man das Experiment nicht zur Zeit & ab, sondem llsst es weiterlaufen, so erreicht die Deformation bei t + = den Wert &, = aJG. In genau gleicher Weise kann man die Scherdefonnation ermitteln. Aus der Differentialgleichung += ( d q )- (G/q)7 des Voigt-Kelvin-Elementes fiir Scherbeanspruchungen erhat man 7 = (q/G)[ 1 - exp (- f/frtd)]. Der Retardationsmodul G dieser Gleichung ist weder rnit dem Retardationsmodul der GL(17-15) noch mit dem Schermodul der G1.( 16-57) identisch, da das wahre viskoelastische Verhalten nur angen&hert durch das Voigt-Kelvin-Element und den Maxwell-Korper beschrieben wird.
17.4.4.
3- und 4-Parameter-Modelle
Realistischer sind Modelle rnit mehr als zwei Parametern. Die vier moglichen 3-Parameter-Modelle der Abb. 17-16 werden auch als lineare Standardfestkorper bezeichnet (E: standard linear solids). Das Burgers-Modell ist ein spezielles 4-Parameter-Modell.
i; 4
A
Gz- -11
3A'
+ 3B
+ 3B'
+4
AM. 17- 16 Die vier rnoglichen 3-Parameter-Modellesowie das Burgers-4-Parameter-Modell.
17. Viskoelastizitit
591
Die vier 3-Parameter-Modelle bilden zwei Gruppen. Die beiden A-Gruppen-Modelle sind durch einen Typ der Zustandsgleichung beschreibbar und die beiden B-GruppenModelle durch einen anderen: (17- 16) 3-A-1
( G ~ + G ~ )+ u
3-A-2
G ~ u+
do q x = C ; ~ G ~+E
de G1V-dt
do de 7~ = G ~ G ~+ E(GI+G2)qdt
3-B-1 3-B-2 Das Burgers-Mode11 ist ein Vier-Parameter-Modell, bei dem Maxwell-Korper und Voigt-Kelvin-Element in Reihe geschaltet sind. Die Zustandsgleichungen GM(d%/dt) = (dddt) (4qvK)
+ (GM/v&
fiir den Maxwell-Kbrper und
= (d&vK)/dt + (GVK/~VK)EVK fiir das Voigt-Kelvin-Element
werden beim Bergers-Model1 so kombiniert, dass und EVK eliminiert werden konnen. Fur die Zustandsgleichung resultiert eine lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung:
Diese Gleichung ist wie die einfacheren Zustandsgleichungen fiir den Maxwell-Korper, den Voigt-Kelvin-Korper und die 3-Parameter-Modelle nur fiir Spezialfae lbsbar. Bei Zugversuchen mit der angelegten Spannung o, setzt sich beim Burgers-Korper die Gesamtdeformation E = EH + + EVK additiv aus den Beitrggen des Hooke'schen Korpers H, der Newton'schen Fliissigkeit N und des Voigt-Kelvin-Elementes VK zusammen. Einsetzen von EH = o,/G und EN = (oJq)t (Abb. 17-14) sowie des Ausdrucks fiir EVK aus G1.(17-15) liefert fiir das Kriechen
Das zeitabhtingige VehUtnis ode = G(t) stellt dabei einen Kriechmodul dar. Fur die Erholung bekommt man
In Abb. 17-17 sind die Knechkumen des Burgers-Korpers mit denen des MaxwellElementes, des Voigt-Kelvin-Korper und des Hooke-Korpers verglichen.
592
17.4. Kriechen und Relaxation
Voigt-Kelvin ..- - -..- - -........... ................-. ..
__
0
50
100
-IIS +
150
200
Abb.17-17 Zeitabhllngigkeit der Kriechdehnung E bei konstanter Spannung uo = 100 MPa fiir Kdrper = 5.108 Pa s und t ) =~ 5.101° Pa s. Wenn der Kriechvermit GH = 500 MPa, G m = 100 m a , such nicht bei 11 = 100 s abgebrochen wird, wiirden sich der Maxwell-Kdpr (M), das Voigt-KelvinElement (VK) und der Burgers-Korper (B) entsprechend - - - - weiter dehnen. Bei einem Versuchsabbleibt aber dauemd um den Betrag bruch nach 11 = 100 s erholt sich der Burgers-Kdrper rasch (-), 6 & / w K gedehnt Der Hooke'sche Beitrag (H)ZUTDehnung des Burgers-Kdrpe.rs ist zeitunabmgig. Die Relaxationszeit bemgt t h = qa/GvK = 5 s. Die Nutting-Funktion wurde rnit p = 1 und n = 1/4 an ~1 bei tl angepasst. Kriechkurven werden wegen der drei unbekannten Verfomungsanteile Q (elastisch), (viskos) und EVK (viskoelastisch) meist nicht detailliert analysiert. Die zeitabhmgigen viskosen und viskoelastischen Anteile fasst man jedoch oft in einem neuen Parameter .Q zusammen, dessen Zeitabhgngigkeit durch das Findlay-Gesetz Q = beschrieben wird. Fur die Kriechkurve E =At) erhdt man so die Nutting-Gleichung: EN
1 0,Ol I W
0,004
0,001 10-2
1
102
- t / h -+
104
106
Abb. 17-18 Kriechkurven des Acetalcopolymeren Hosmform C 9021 bei 2OoCbei verschiedenen vorgegebenen Spannungen u entsprechend der Nutting-G1.(17-20) [14a]. Auftragung von lg E =Alg t). Der Exponent n nimmt leicht mit steigender Spannung uzu. Mit freundlicher Genehrnigung des Hanser-Verlages, Miinchen.
593
17. Viskoelastizitdt
Nach der Nutting-Gleichung soll der Logarithmus der Dehnung linear vom Logarithmus der Zeit abhiingen und der Frontfaktor Kaop von der vorgegebenen Spannung a,, was experimentell f i r positive n und besatigt wird (Abb. 17-18). Allerdings steigt n noch etwas mit zunehmender Spannung an. Die Nutting-Gleichung erlaubt hhfig, von Kurzzeitmessungen auf das Langzeitverhalten zu extrapolieren. besonders bei gr6sseren a,-Werten. Eine andere empirische NZherungsgleichung ist die hyperbolische Funktion E = Ktsinh (c/o,&
17.4.5.
Boltzmannsches Superpositionsprinzip
Bei Zugversuchen w i d der Priifling mit konstanter Geschwindigkeit E = E, gedehnt. Zu Beginn des Experimentes ist die Zugspannung gleich null (a, = 0). Durch Integration der Differentialgleichung r5 = d d d t = E do - (cE/qe) f i r die Zuggeschwindigkeit bei einem Maxwell-K6rper (Abb. 17-14) erhiilt man daher (mit q e und E statt den konventionellen q und G)
[
(17-21)
a=qeE0 1-exp
(;:E)3
-
Die Zugspannung a nimmt daher f i r qoEo = const. c mit steigender Dehnung E zungchst steil. d m schwacher zu und erreicht bei E + asymptotisch den Endwert a= qoio (Abb. 17-19, oben). Die beiden Grenzwerte dieses Verhaltens ergeben sich, wenn man Ed( qoi0) = x Setzt und den Exponentialausdruck exp (- x) in eine unendliche Reihe 1 - x + x2/2! - ... entwickelt. Bei unendlich grossen Dehngeschwindigkeiten (also bei qodo + erhut man das Hooke'sche Gesetz a = EE. 0
0)
100 MPa 50 MPa 10 MPa
.
0,03
0906
;120p!29;Km
0-09 ,
0.12
.
,
.
0,15
r\
.:
60 313 K 313 K
0 0
0,03
0906
- &----*
0,09
0.12
0,15
Abb. 17-19 Spannungs-Dehnungs-Verhaltenbei Zugversuchen. J Bruch. oben: Berechnet rnit dem Maxwell-Modell fiir E = 6OOO Mpa und die angegebenen 7.k -Werte. Unten: Exprimentell fiir ein Poly(methylmethaaylat)bei verschiedenenTemperaturen. bex Riifling kann bei 373 K = 100°C bis zu E = 2,84(284 %) gedehnt werden, ohne zu bmhen.
594
17.4. Kriechen und Relaxation
Die Anfangsneigung der Funktion c r = A ~ liefert ) somit den Modul. Bei verschwindend kleinen Dehngeschwindigkeiten (d.h. qoto + 0) wird andererseits cr = 0. Falls die Dehnviskositiit unabhhgig von der Dehngeschwindigkeit ist (Troutonsche Flussigkeit; qe = consr), sinkt somit der Modul mit fallender Dehngeschwindigkeit i0 (bzw. q0io) ab (Abb. 17-19, oben). Der Priifling verhat sich somit bei grossen Zuggeschwindigkeiten wie ein steifes Material (hohes E), bei kleinen dagegen wie ein Gummi (niedriges E). Die berechneten Funktionen cr =A&),und somit auch der Modul E, verhalten sich bei variablen Dehngeschwindigkeiten und konstanter Temperatur (Abb. 17-19, oben) hlich wie die bei konstanten Dehngeschwindigkeiten und variabler Temperatur gemessenen Funktionen c r = f ( ~ )(Abb. 17-19, unten). wenn man einmal den nur in einem bestimmten Temperaturbereich auftretenden Streckpunkt vemachlassigt. Die beiden Funktionen E =At)und E =f(Z') sind somit ineinander iiberfiihrbar, wenn sich der Relaxationsmechanismus nicht mit der Temperatur hdert. Das Gleiche gilt fiir die Schermoduln G bzw. die Zugnachgiebigkeiten D = 11E und die Schernachgiebigkeiten J = 1IG. Die Umrechnung E =At)P E =AT) erfolgt mit dem Boltzmannschen Superpositionsprinzip. Dieses Prinzip sagt, dass die durch eine zusitzliche Belastung verursachte Deformation (oder durch eine Entlastung bewirkte Erholung) unabhbgig von den vorhergehenden Belastungen (oder Entlastungen) ist. ~ to = 0 (Abb. 17-20, Nach dem Anlegen einer konstanten Scherspannung T ~zur, Zeit oben) steigt beim Voigt-Kelvin-Element die Schemng 7 an (Abb. 17-20, unten). Sie erreicht bei der Zeit r l einen Wert von n = roo,a/G1= T ~ , O , B J ~(Abb. 17-20). Entfemt man bei dieser Zeit t l die Scherspannung. so klingt 7 wieder ab. Bei einer Zeit r2 wird dann ein Wert 7 = n - A n erhalten. W2re der Priifling bei r l nicht entlastet worden, so wurde die Scherdeformation bei r2 einen Wert n besitzen. Der aktuelle Wert betragt bei t2 aber 7 = n - An. Die wiedergewonnene Deformation ist A n = n - 11 + A71 = 'yb + An. Sie ist folglich mit derjenigen identisch, die erhalten wiirde, wenn zur Zeit c1 eine zusatzliche Spannung T0.b angelegt worden ware. Die durch eine zusatzliche Belastung hervorgerufene Deformation ist daher unabhbgig von den vorhergehenden Belastungen. Ein Beispiel ist die Umrechnung der bei verschiedenen Temperaturen als Funktion der Zeit erhaltenen Schermoduln G(r) mit Hilfe des Verschiebungsfaktors q der WLFGleichung, wozu jedoch das Relaxationszeitenspektrum unabhgngig von der Temperatur
- Zeit
+
Abb. 17-20 Erlilutemg des Boltzrnannschen Superpositionsprinzipesbeim Kriechversuch (s. Text).
595
I 7. Vishvelastizitdt
10-3
10-1
10
id -tlh
10-10
10-5 1
+
id
Abb. 17-21 Links: Zeitabhhgigeit der durch Spannungselaxation gemessenen Schermoduln G(r) eines Poly(methylmethacry1at)s (M,= 3.6-106g/mol) bei 40 I TPC I 135 [15]. Rechts: Die gleichen Werte nunmehr fiir eine Referenztemperatur von To = 388 K rnit dem VerschiebungsfaktorUT der WLF-Gleichung verschoben (TG= 378 K).Einige Verschiebungen sind durch hnkte o gekennzeichnet. Bei sehr langen Beanspruchungszeiten fliesst das Material, bei sehr kunen erscheint es glasartig. Der Glaszustand wird aber selbst bei extrem kunen Zeiten noch nicht erreicht sein muss (Abb. 17-21). Die auf diese Weise resultierende Standard-Kurve der G-Werte h bis 1 6 h (40 ns bis 11,4 a). Diese Zeitspanne iiberspannt 16 Zeitdekaden von kann nicht rnit einem einzigen Messverfahren iiberstrichen werden. WONaber mit sich uberlappenden Techniken, z.B. mit dynamischen Methoden.
17.5.
Dynamische Beanspruchungen
Alle bisher besprochenen Verfahren werden in der Literatur als "statisch bezeichnet, obwohl sie weder statisch sind (wie 2.B. Kriechversuche) noch Gleichgewichtsmethoden. Unter "dynamischen" Methoden versteht man solche, bei denen der Priifling zeitlich periodisch beansprucht wid. Diese Methoden lassen sich in zwei Gruppen einteilen: solche rnit erzwungenen Schwingungen (z.B. Rheovibron@)und solche mit freien (Torsionspendel). Bei htiheren Frequenzbereichen werden diese mechanischen Methoden durch Kemresonanz-, Ultraschall- oder Dielektrikum-Messungen ergbzt. wodurch ein weiter Frequenz- und Temperaturbereich uberstrichen werden kann.
17.5.1.
Erzwungene Schwingungen
Bei ernvungenen Schwingungen (E: forced ascillations) wird der hiifling im einfachsten Fall stZndig sinusftirmig beansprucht. Beim weit verbreiteten Rheovibrona werden Zugspannungen vorgegeben. Die erhaltenen Biegemoduln sind daher Zugmoduln. Beim Torsionspendel (E: torsion pendulum) Kap. 17.5.2) wird dagegen der Priifling verdrillt. Wegen der auftretenden Scherdefonnationen sind die Moduln hier Schennoduln.
596
17.5. Dynamische Beanspruchungen
Beim uniaxialen Scheren mit konstanter Kreisfrequenz w = 2 n v 2ndert sich die Schubspannung ?(t) = ro sin wt mit der Zeit t (Abb. 17-22); ro ist die Amplitude (maximaler Wen der Spannung) und v die Frequenz. Die resultierende Scherung yist ebenfalls eine Sinus-Funktion der &it. Bei Hooke'schen Korpem folgt sie momentan der angelegten Spannung, so dass f i t ) = yo sin or, w&rend sie bei viskoelastischen K 6 p m der angelegten Schubspannung um einen Phasenwinkel 6 hinterher hinkt. Auch die Amplituden ro und 7, sind verschieden (Abb. 17-22). Im Vektordiagramm ist im Idealfall der Phasenwinkel 6 konstant und es gilt
(17-22)
fit) =
yo sin ( w t - 6)
Der Phasenwinkel 15 zwischen vorgegebener Schubspannung und nacheilender Scherung wird auch als Verlustwinkel bezeichnet (E: loss angle). Im elektrischen Fall tritt zwischen Strom und Spannung ebenfalls eine Phasenverschiebung auf, die sich aber mit dem Verlustwinkel zu 90"ergazt.
Abb. 17-22 Vorgegebene Scherspannung 7 und resultierende Ausser-Phase-Verformung y bei sinoidas der &it t. ler uniaxialer Scherung ~ a lFunktion T ~yo . = Amplituden, 6 = Phasenwinkel, o = Kreisfrequenz. Der Spannungsvektor kann als Summe zweier Komponenten aufgefasst werden. Die eine Komponente z' = ro cos 6 ist in Phase mit der Verformung, die andere Komponente mit f = r, sin 6jedoch nicht. Jeder Komponente kann ein Modul zugeordnet werden. Aus der In-Phase-Komponente z' und der Amplitude yo berechnet sich der reale Modul G', welcher die Steifheit und die Formfestigkeit des Priiflings misst:
Der reale Modul G' wird auch Scherspeichermodul genannt, weil er ein Mass fur die von elastischen Korpem wahrend der Deformation gespeicherte Energie ist (E: shear storage modulus, in-phase modulus, elastic modulus). G* = r0/yOwird als komplexer Modul bezeichnet (Kap. 17.5.3.). Der imaginare Modul G" (Scherverlustmodul; E: shear loss modulus, 90". out-ofphase modulus, viscous modulus) ist entsprechend definiert:
(17-24)
G " = r"/yO= (r,,/yo) sin 6 = G* sin 6
597
I 7. Viskaelastizitcit
Der Scherverlustmodul beschreibt die durch Dissipation in WSLrme verlorene nutzbare mechanische Energie. Er ist direkt der pro Zyklus freigesetzten WSLrme H = 1c G"702 proportional, wobei yo der Maximalwert der Scherverformung ist. Die Bezeichnungen "komplexmModul". "realmModul" und "imagh&x Modul" stammen von der Schreibweise dieser Moduln als komplexe Gr6ssen. nthlich als C*= C'+ iC", wobei i2 = -1. Die hagin&en Moduln G sind jedoch ttotz ihres Namens reale physikalische Gr(lssen,nihlich produkte aw realen Zahlen und mechanischen Spannungen. In gleicher Weise kann man Gleichungen f i r den Zugspeichermodul E' und den Zugverlustmodul E" ableiten. Diese Gassen ergeben sich daher zu E' = (a&o) cos 6 bzw. E" = (a&,) sin 6. Das Verhsiltnis von Verlustmodul zu Speichermodul wird mechanischer Verlustfaktor A genannt (E: loss tangent). Er ist gemgss den G1.(17-23) und (17-24) gleich dem Tangens des Verlustwinkels und fiir Zug- und Schermoduln etwa gleich gross: (17-25)
A=tanS=G"/G'=E"IE';
1 exakt: -=EE "'" G 1+[G/(3K)l[l+(G/G)21
1
Bei der allseitigen Kompression wird jedoch nicht geschert. Das Verharnis der imaginilren zu den realen Kompressionsmoduln ist daher nicht gleich dem Verhsilmis der entsprechenden Schermoduln. Es gilt vielmehr R ' I K < GYG. Anstatt die Spannung .r(f) vorzugeben und die resultierende Verformung )(r) zu verfolgen. kann man auch den Priifling defomieren und die Spannung messen. In diesem Fall hinkt die Spannung nicht der Deformation nach, sondem eilt ihr voraus. Man sieht das unmittelbar beim analogen elektrischen Experiment: ein Stroh kann erst fliessen, nachdem sich eine Spannung aufgebaut hat. Mit Hilfe dieser Gr6ssen wird eine Reihe rheologischer Parameter definiert. nwlich die dynamische stationtire Scherviskositat vo'. die ausser-Phase dynamische Scherviskositiit und die komplexe dynamische stationare Scherviskositiit qo*: (17-26)
qo'=lim,,o(G/~)
; q"=G/w
; ~o*=lim,,o(G*/~)
Der Elastizitiitskoeffizient A c ergibt sich aus dem Scherspeichermodul G' und der Kreisfrequenz w fiir den Grenzfall sehr niedriger Frequenzen. Der Quotient des Elastiziatskoeffizienten und des Quadrates der dynamischen Scherviskosiat ist die stationare Schernachgiebigkeit Jeo (Kap. 17.5.3): (17-27)
17.5.2.
& =lim,,,(G/w2)
; Jeo =Ac/(q;)2
Freie Schwingungen
Torsionspendel arbeiten mit freien Schwingungen. Der Priifling wird unten fest auf eine nichwerdrillbare Scheibe montiert und oben um einen Winkel 8 relativ zur Ruhelage verdrillt (Abb. 17-23). Nach dem Entfemen der Arretierung pendelt der Priifling uber seine Ruhelage hinaus in die andere Richtung. schwingt dann wieder zuriick und oszilliert mit abnehmender Amplitude weiter frei um seine Ruhelage. Die Oszillationsfre-
598
17.5. Dynamische Beanspruchungen
Abb. 17-23 Beim Torsionspendel (E: torsion pendulum) wird eine auf einer Unterlage S befestigte Polymerprobe P oben um einen Winkel 0 verdrillt. Das Polymere oszilliert dann frei mit einer Frequenz v um die Ruhelage (rechts). Der zeitliche Abstand t = llv = 2x10 der Perioden ist konstant; die Amplituden ...nehmen jedoch laufend ab. w = Kreisfrequenz.
quenz ist dabei unabh2ngig von den Amplituden. Sie kann jedoch nicht beliebig variiert werden, da sie von den Dgmpfungseigenschaften des Materials selbst abh2ngt. Das Torsionspendel liefen Schermoduln G = KgeoIG, die aus der Frequenz v = Ilt, dem TrlgEeitsmoment I (in Masse mal Flache) und einem Formfaktor Kgeo des Priiflings berechnet werden konnen. Bei Rundstaben mit der L u g e L und dem Radius R gilt z.B. Kgeo = 8 xL/R4, bei rechteckigen Stlben mit der L a g e L , der Weite W und der Dicke d dagegen Kgeo = 64 x2L/@Wd).p ist ein anderer Formfaktor, der mit dem L a i n gen/Weiten-Verhaltnis Wld ansteigt: 2,249 (Wld = l), 3,659 (Wld = 2), 4,493 (Wld = 4) und 5,232 ("Id = 40). Aus dem Verhtiltnis von zwei aufeinander folgenden Amplituden berechnet sich nach A = lg (8J&+1) das logarithmische Dekrement, das den per Zyklus verlorenen Anteil an gespeicherter Energie angibt. Es ist hier nicht gleich dem mechanischen Verlustfaktor, da es noch von der Geometrie des Priiflings bestimmt wird. Bei kleinen Dgmpfungen von zylindrischen Priiflingen gilt z.B. in guter N2herung tan 6 = Alx.
17.5.3.
Komplexe Moduln
Die Moduln G' bzw. G" werden "real" bzw. "imagink" genannt, weil die Beziehungen auch mit komplexen Variablen abgeleitet werden konnen. Bei sinusformigen Expenmenten tritt dann bei einer vorgebenen Verformung an die Stelle der Verformung E die komplexe Verformung E* = c0 exp [i(wf)] und an die Stelle der Spannung o die komplexe Spannung o* = oo exp [i(ot + s)] (s. oben fiir das Vorzeichen). Der Modul ist ebenfalls komplex; er wird zum komplexen Schermodul (E: complex shear modulus):
(17-28)
G* = &I&* = ( o o / ~exp ) (is)= (ao/~o)(cos6 + i sin s) = G'
+ iG"
Werte aus sinusformigen Experimenten konnen statt dessen auch als komplexe Schernachgiebigkeiten J* wiedergeben werden (E: complex shear compliance). Hier tritt die komplexe Scherung r+ = yoexp [ i ( w t - s)] an die Stelle der Scherung yund die komplexe Scherspannung .r* = roexp (iwt) an die Stelle der Scherspannung 7:
17. Viskaelastizittit
599
Obwohl der komplexe Schermodul G* und die komplexe Schernachgiebigkeit J* einander reziprok proportional sind, trifft dies fiir ihre Komponenten G' und G" bzw. S und J" nicht zu: (17-30)
G'=
G" =
S (S)2 + ( J y
-
1/S 1 + tan2 s
J"
l/P
+
(S l2 + (Jtt)2= (1 tan2 6)-1
;
S=
G - 1/G (G)2+(G")2 - l + t a n 2 6
;
J"=
G" 1/G (G )' + (GI*)' = 1+ (tan2 a)-'
Bei dynamischen Messungen ist somit im Gegensatz zu statischen der Speichemodul G' nicht gleich dem Kehrwert der SpeichemachgiebigkeitS und der Verlustmodul G" nicht gleich dem Kehrwert der Verlustnachgiebigkeit s'. Diese Beziehungen lassen sich auf die verschiedenen mechanischen Modelle anwenden. Die Zustandsgleichung des Maxwell-Kiirpers lautet dddt = (o/q)+ G-'(do/dt) (Tab. 17-4). Einfiihren der Relaxationszeit trlx = q/G liefert trlxG(dE/dt) = 0 + trlx(dU/dt). Einsetzen der Ausdriicke fiir E =E* und o = &, Beriicksichtigen von deu/dx = eu(du/dx) und Umformen fiihrt nach dem Einsetzen von G1.(17-28) fiir &/E* zu (17-31)
iwt,,G 1 + iot,
-- o,exp[i(wt+ a)] = -o* =G*=G+ e,exp(iot)
iG
E*
Aus dieser Gleichung erhat man a+/&* = (iutrlxG)/(l + iw t r l x ) . Erweitem des Z2hlers und des Nenners mit (1 - iw rrlx), Ausmultiplizieren und Einfiihren von i2 = - 1 gibt (17-32)
O*
-= E*
2 G o2trh + i Gotrh 2 1+w2t;, l + o2trh
Der erste Summand der G1.(17-32) kann nach G1.(17-30. rechts) rnit dem Scherspeichermodul G identifiziert werden und der zweite Summand mit iG":
Da femer tan S = G"/G', bekommt man fiir den Verlustfaktor A = tan 6 = I/(@ f d x ) . In gleicher Weise kann man die Ausdriicke fiir das Voigt-Kelvin-Element ableiten. Bei Polymeren findet man mit zunehmender Frequenz o bzw. zunehmendem Produkt m, dass der Scherspeichermodul von einem Wert zu einem anderen ansteigt und der Scherverlustmodul sowie der Verlustfaktor je durch Maxima laufen. Beim VoigtKelvin-Element ist jedoch der Scherspeichermodul G' unabhhgig von o?.Ausserdem steigen hier der Scherverlustmodul G' sowie der Verlustfaktor beide von null auf unendlich an (Abb. 17-24). Das Maxwell-Model1 zeigt komkt, dass der Scherspeichermodul rnit zunehmenden Werten von m ansteigt: je kiirzer die Zeit zwischen den Perioden, umso weniger kann der Ktirper relaxieren und umso steifer ist er. Auch das Maximum des Scherverlustmoduls wird korrekt vorhergesagt. Dagegen f2Ut der Verlustfaktor fuschli-
600
17.5. Dynamische Beanspruchungen
4)
150
1
0.01
/tan6
0,l
1
-m +
10
100
Abb. 17-24 Scherspeichermoduln G’, Scherverlustmoduln G”und Verlustfaktoren tan S als Funktion des Roduktes w7 aus Kreisfrequenz w und Relaxationszeit 7 bei einem K6rper rnit einem Schermodul G = 100 MPa. Ausgezogene Linien: Maxwell-KLlrper, gestrichelte Linien: Voigt-Kelvin-K6rper. cherweise kontinuierlich von einem endlichen Wert auf null ab. Das dynamisch-mechanische Verhalten von Polymeren kann somit weder mit dem Voigt-Kelvin-Korper noch mit dem Maxwell-Korper modelliert werden. Bessere Resultate werden von den linearen Standardfestkorpem geliefert, z.B. vom Korper 3-A-1 (Tab. 17-5). Bei sehr langen Zeiten (sehr niedrigen Frequenzen) kann der lineare Standardfestkorper 3-A-1 vollig relaxieren. Die Scherspeichemachgiebigkeit wird somit zu S = (1/G1) + (1/G2) = J , und die Scherverlustnachgiebigkeitzu J” = 0. Bei sehr grossen Frequenzen (sehr kleinen Zeiten) verbleibt der Kiirper dagegen im unrelaxierten Zustand. Folglich werden hier J’ = l/G1 = Ju und J” = 0 und damit (17-34)
S =Ju +
Jr - J U
1 + W2t,:,
Debye-Gleichungen
; J 1 1 -- ( J , -J,)Wtrlx 1+
&,:,
Die drei anderen linearen Standardfestkorper geben die gleichen Beziehungen. Sie gelten fiir Korper, deren Speichemachgiebigkeiten bei niedrigen Frequenzen gross sind (gummiartiges Verhalten) und bei hohen Frequenzen klein (Glaszustand) (Abb. 17-25).
‘
0 0,Ol
0,l
10
1
-m
100
+
Abb. 17-25 ScherspeichernachgiebigkeitS, Scherverlustnachgiebigkeit J” und Verlustfaktor tan Sbei einem anelastischen Standardfestkorper mit J , = 0.01 m a - ’ und J , = 0,005 ma-’. Anelastische Festk6rper befolgen die fiir zeitabhiingige Hooke-KOrper geltende Gleichung Jra+ trhJuci= E + trhC-.
601
17. Visbelastizitat
Beim linearen Standardfestk6rper ltiuft die Verlusmachgiebigkeit mit steigender Frequenz durch ein Maximum bei wfrlx = 1. Der Verlust ist also am grBssten, wenn die Kreisfrequenz gerade gleich der reziproken Relaxationszeit ist (Abb. 17-25). Der Verlustfaktor hat dagegen sein Maximum nicht bei m = 1, sondem bei etwas h6heren Werten, wie man durch Einsetzen der Werte von S und s' in tan 6 = S/S sieht. Experimente an niedermolekularen Verbindungen bestatigen die Modellvorstellun=flu) ' flacher als von der Theorie vorgen. Bei Kettenmolekillen ist jedoch die Kuwe .I hergesagt; die Maxima bei J" =Am) and tan &=Am)sind breiter. Der Grund ist, dass bei Polymeren anders als bei niedennolekularen Flussigkeiten nicht nur eine Relaxationszeit existiert, sondem ein games Relaxationszeitenspekmm. Tab. 17-5 Schermoduln und Schemachgiebigkeiten b e i i Maxwell-Kllrper, Voigt-Kelvin-Element und dem linearen Standardfestk(kper 3-A-1. Maxwell
Voigt-Kelvin
C'
G
G"
GWtd, = q
s
J 1 + w't&
Linearer Standardfestkthper 3-A-1
GIG,
GIG, tan 6 G, + G2 - tp tan s
s'
tans=
J"
-
s
G
- = Wt,l,
c
-G"- - ( J , - J , ) w t,:, C'
J,
+ Juwzt&
J(t)
17.5.4.
Dynamische Moduln fester Polymerer
Dynamisch-mechanische Messungen an Polymeren sind sehr aussagekraig. Mit ihnen k6nnen Moduln bei verschiedenen Frequenzen, Geschwindigkeiten oder Zeiten ermittelt werden. und nicht nur bei einer einzigen wie bei statischen Messungen. Da im tiiglichen Leben Beanspruchungen mit unterschiedlichen Frequenzen bzw. Geschwindigkeiten ablaufen, liefem derartige Messungen praxisnahe Priifwerte. Die bei dynamisch-mechanischen Messungen auftretenden Verformungen sind relativ klein. Fur die realen Moduln sollte also E = 3 G' gelten (G1.(16-61)), wie es auch etwa g e h d e n wird (Abb. 17-26). Sowohl der Zugspeichermodul als auch der Scherspeichermodul nehmen mit zunehmender Temperatur ab. Bei der Schmelztemperatur sinkt der Zugspeichermodul katastrophenartig, wahrend der Scherspeichermodul noch relativ
602
17.5. Dynamische Beanspruchungen
I
Y
I
Thl
I'
6
\
l ~ . . . . . . . . . . " . . . . . . " . . . . . . . . . . . . . . . -100 -50 0 50 100 150 200
-150
- TIOC
+
Abb. 17-26 Temperatwabhiingigkeit der Zugspeichermoduln E, der Scherspeichermoduln G' und der mechanischen Verlustfaktoren tan S bei einem Acetalcopolymeren (Copolymer von Trioxan mit kleinen Anteilen eines cyclischen Ethers) [14b]. Frequenzen zwischen 0,3 Hz und 15 Hz. TM= Schrnelztemperatur; a,b, y = Relaxationen (s. Taxt). hoch bleibt, weil sich die Schmelze wegen der Verschlaufungen der Molekiile wie ein physikalisches Netzwerk verhZlt (Kap. 17.4.4). Der Verlustfaktor als VerhZltnis von Verlustmodul zu Speichermodul steigt daher bei der Schmelztemperatur stark an. Ahnlich starke Effekte beobachtet man nicht nur bei thermischen Umwandlungen. sondem auch bei Relaxationen. Bei einem semikristallinen Acetalcopolymeren treten drei solcher Relaxationen auf (Abb. 17-26). Knapp unterhalb der Schmelztemperatur von ca. 160°C existiert bei Tg -. 12OOC ein breites Maximum des Verlustfaktors, das durch einsetzende Segmentbewegungen in den kristallinen Bereichen bedingt ist. Das Maximum bei ca. - 65OC ist durch die Relaxation von Kettensegmenten in den amorphen Bereichen bedingt; es stellt die dynamische Glastemperatur bei dieser Frequenz dar. Bei ca. 0°C ist ein weiteres, flaches Maximum sichtbar, das bei trockenen Proben fast vollstihdig verschwindet. Es muss also die dynamische Glastemperatur der durch Wasser weichgemachten amorphen Bereiche anzeigen. Relaxationen h a g e n stark von der Frequenz ab, wie man bei den Verlustfaktoren des amorphen Poly(cyclohexylmethacry1at)s (Abb. 13-28) und den Relaxationstemperaturen eines semikristallinen Poly(ethy1en)s sieht (Abb. 13-7). Beim Poly(cyc1ohexylmethacrylat) zeigt sich so die Boot-Sessel-Umwandlung des Cyclohexanrings (Kap. 13.6), beim Poly(ethy1en) der Schmelzprozess (Kap. 13.3.1).
17.5.5.
Scherspeichermoduln von Schmelzen
Die Scherspeichermoduln G' von Polymerschmelzen hoher Molmasse (und ebenso diejenigen von konzentrierten Usungen, Kap. 17.5.5) variieren rnit steigender Frequenz wie folgt (Abb. 17-27). Der Logarithmus von G' nimmt zunachst linear mit dem Logarithmus von w (bzw. UTU) zu (Endbereich E). Er erreicht d a m ein frequenzunabhihgiges Plateau P und steigt anschliessend bei hohen Frequenzen wieder linear mit dem Logarithmus der Frequenz an (Ubergangsbereich T). Bei niedrigen Molmassen beobachtet man nur den Ubergangsbereich.
603
17. Vkkoelastizitiit
1Id k Id
\
b
I 10' . 581 351 215 113
47
15 8.9
10-3M/(g mol-')
Abb. 17-27 Abhagigkeit der Scherspeichermoduln G'von Schmelzen von Poly(styro1)en mit engen Molmassenverteilungen von der normalisiertenFrequenz aTo[16].Der WLF-VerschiebungsfaktorUT wurde benutzt, um die bei verschiedenen Temperaturen und Kreisfrequenzen o gemessenen Daten auf die gleiche Ternperatur von 160OC umzurechnen (Kap. 13.5.5)). G$ = Plateaumodul. Mit freundlicher Genehmigung der American Chemical Society, Washington, DC.
Im Ubergangsbereich (E: transition zone) streben alle GI-Werte unabhugig von der Molmasse asymptotisch einer gemeinsamen Funktion G' = f ( a ~ w )zu. Da bei den hohen Frequenzen w = l/f die Zeiten zwischen den Perioden kurz sind, kiinnen hier nur kurze Kettenstiicke vollstilndig relaxieren. Dieser Bereich muss daher auf Bewegungen von Kettensegmenten ansprechen. Er ist entsprechend unabhhgig von der Molmasse. Der iibergangsbereich charakterisiert also das viskose Verhalten. ) mit der MolIm Endbereich (E: end zone) variiert die Funktion G' = A a ~ wjedoch masse, was durch G'= KM(OTW)Ywiedergegeben werden kann. SowoN K M als auch y werden von der Molmasse beeinflusst. Flir 7 findet man y = 3.28 - 1.35 lg M, was durch eine Molmassenabhhgigkeit des Verschiebungsfaktors a~ bedingt sein kiinnte. Die sehr stake Abhibgigkeit K M = 5-10-2oM5 stimmt mit der f i r Gele gefundenen iiberein. Die niedrigen Frequenzen entsprechen gmssen Zeiten: hier relaxieren ganze Ketten. Das Relaxationsspektrum muss im Endbereich durch langreichende Konformationshderungen bedingt sein; es zeigt die viskoelastischen Eigenschaften an. Die GI-Werte im Endbereich werden sehr von der Breite der Molmassen-Verteilung beeinflusst. Fiir die Schernachgiebigkeiten .Ie= 1/G' im stationlren - -Zustand - sagt die Reptationstheone eine Abhhgigkeit J e = C [ (a z + 2 a z + 3az+4)/( MwMzMz+l)l voraus. Diese Gleichung geht f i r logarithmische Normalverteilungen wegen der Beziehungen - zwischen den verschiedenen Mittelwerten - - in .Ie= C( Mz/Mw)9 uber. Bei Mischungsexperimenten wurde jedoch Je = C( M,/M,J3 gefunden. Da nun der Ubergangsbereich das viskose Verhalten charakterisiert und der Endbereich das viskoelastische, muss das zwischen Ubergangs- und Endbereich liegende Plateau folglich dem gummiartigen Verhalten entsprechen (vgl. Abb. 16-9). In diesem Bereich sind die Scherspeichermoduln G N O bei engen Molmassenverteilungen unbeeinflusst von Messfrequenz und Molmasse. Bei breiten Verteilungen ist das Plateau nicht gut ausgepragt oder sogar abwesend.
604
17.5. Dynamische Reanspruchungen
Das gummiartige Verhalten wird nun bei Elastomeren durch permanenre (chemische) Vemetzungsstellen erzeugt Es wird daher bei Schmelzen von remporaren (physikalischen) Vemetzungen stammen. Als solche temporire "Vemetzungen" wirken Verschlaufungen mit benachbarten Ketten, wodurch die laterale Diffusion der Testkette bei der Reptation durch das "Unterholz" der anderen Ketten verzogert wird (Kap. 14.2.3). Die Stoffmengenkonzentration[M,] = p&/Mc der Netzketten zwischen zwei Vemetzungsstellen wird entsprechend durch die Stoffmengenkonzentration [&I = Qp#p/Me der Segmente ersetzt, wobei p = Dichte der Fliissigkeit (Schmelze oder Lbsung), q+p = Volumenbruch des Polymeren (in Schmelzen: +p = l), M , = Molmasse der Netzketten, Me = Molmasse der Segmente zwischen zwei Verschlaufungen (Maschenweite des temporgren Netzwerkes). Der Faktor Q beschreibt den Unterschied zwischen dem dynamischen und dem statischen Verhalten. Nach der Reptationstheone stammt er von Fluktuationen der Tubuslgnge. was zu einer besseren Relaxation bei Deformationen von Schmelzen fiihrt. Er berechnet sich hier zu Q = 4/5, wird aber oft gleich 1 gesetzt. Die kritischen Molmassen Me fiir Verhakungen in Schmelzen sind somit
Die so berechneten kritischen Molmassen M e fiir Segmente zwischen Verhakungen sind um den Faktor M J M , = 2(5/4) = 2,5 tiefer als die M,-Werte aus der Molmassenabh2ngigkeit der Ruheviskositaten von Schmelzen (Tab. 17-6), weil Me und M, verschieden auf Verhakungen ansprechen.
Tab.17-6 Kritische Molmassen fiir Verhakungen aus der Molmassen-Abhagigkeit der Ruhe-Viskm siWn (M,) bzw. ms der Frequenz-Abhagigkeitder Schermcduln (Md[17,18].Das ataktische Poly@ropylen)ist ein hydriertes 1,4-Poly(2-methyl-l,3-pentadien), das Poly(vinylcyc1ohexan) ein hydriertes ataktisches Poly(styrol). Poly(isopren): trans : cis : 3,4= a0 : 75 : 5.
Polymere
Poly(ethy1en) Poly(0xyethylen) Poly@ropylen),atPoly(is0pren) Poly(is0butylen) Poly(methy lmethacrylat) Poly(a-methylstyrol), atPoly(styrol), at
140 140 25 140 25 140 25 140 25 140 100 25 270 190 140
Poly(dimethylsi1oxan) Poly(vinylcyclohexan), at-
140 25 140
0,788 0,996
2.30 1,20
941 2 280
0,791 0,852 0,830 0,900 0,849 0,918 1.13
0,47 0,48 0.42 0.35 0,32 0.32 0,31
4 623 3 518 5 429 5 097 7 288 5 686 10 013
1,04 (0,971
0.32 0.20
0,969 0,895 0,970 0,900
0,20
10 225 14 018 13 582 13 309 12 293 8 984 38 035
50,4 26.3 5 800 10,3
15 200
2,67
14.6 9,21 10,6 7,02 9.72 6,80
28 OOO
0.20 0,214 0,065
6,13 4.17
35 OOO 24 500
2,58
2,55
4.38 4.38 6,30 1/43
6 05
17. Viskoelastizitiit
Aus der kritischen Molmasse M e lBsst sich femer die ZaNenkomntration Ce der Verhakungen berechnen, also die Verhakungsdichte:
Die Verhakungsdichten liegen im Bereich (1-50).1019 cm-3. Aus den G1.(17-35) und (17-36) folgt, dass bei zwei Temperaturen 1 und 2 das VerhaUtnis der VerhakungsdichG N ~muss. )~T~ Das ] Vehamis der Scherspeiten gleich Ce,l/Ce,~= [ ( G N ~ ) ~ T ~ ] / [ ( sein chennoduln ist jedoch praktisch temperaturunabhhgig: es wurde fiir 15 Polymere zu G~O(413K ) / G ~ ~ ( 2 9K) 8 = 0.99 f 0.11 gefunden. Die Verhakungsdichten sind demzufolge nach Ce,1/Ce,2= TZ/T1 der Temperatur umgekehrt proportional. Eine Kette wird sich nun umso stiirker verhaken, je mehr sie sich einknBueln kann. Diese VehBuelungstendenz wird durch die reduzierte Kettendimension (s2)JMgemessen (Kap. 4). Die Beziehung zwischen M e bzw. G$‘ und (s2)JM ergibt sich wie folgt. Ein gekngueltes Kettenmolektil mit der Masse mmol und der Molmasse M = mmolNA nimmt in der Schmelze das Volumen VSph einer Bquivalenten Kugel ein. Wegen der gegenseitigen Durchdringung der KnBuelmolekule (Kap. 6) in der Schmelze befinden sich aber in dem gleichen Volumen noch N-1 andere Ketten. Die totale Masse aller N Ketten betrlgt m = Nmmol = NMINA. Da die Dichte der Schmelze gleich p = m/Vsph ist. ergibt sich fiir das Volumen folglich Vsph = NM/@”). In einer Schmelze ist aber auch das Volumen Vsph einer linearen Kette der 3. Potenz des ungest6rten Trigheitsradius so bzw. des Fadenendenabstandes ro proportional. d.h., Vsph = K(s2)03n= K(r2)03n/63n. Das mittlere Quadrat des Fadenendenabstandes ergibt sich femer fiir hohe Molmassen (CN+ C,) zu (r2)o= C,Nub2 aus der Zahl Nu = M/Mu der Segmente der Liinge b und der Molmasse MU per Segment. Das Volumen wird also zu vsph = K[(C&/(6 MJI3nb3. Einsetzen von VSph = NM/@”) und Aufltisen nach der Molmasse liefert M = [63 f l M u 3 ] / [ p 2 N ~ 2 K k . 3 b 6 ] .
0,Ol
02
03
0,s
0,7
1
- 1023p (.2>,M-’ / (mol nm-1) -+ Abb. 17-28 Logarithmus des Plateau-Moduls GNo als Funktion des Logarithmus von p(r2)JM fiir die Polymeren (von links nach rechts) PVCH, PDMS, PS, PMMA, PIB, at-PP, BR, PEOX. PPE, PET, PE und PC bei 413 K. ausgenommen PPE bei 493 K und PC bei 473 K (nach Daten von [19]). Die Grade h t sich durch lg (GNOMa) = 68.148 + 2,944 Ig [@(?)$l-’)/(mol nm-’)] mit einex Steigung 3 und einem Komlationskoeffiiienten von 0,966wiedergeben. Aus den Messdaten berechnet sich der Proportionalitiitsfaktor K = ilquivalenten Kugel zu K = 1.538. Bei einer harten Vollkugel wiirde dieser Wert K = 9,012 betragen.
606
17.5. Dynamische Beanspruckngen
Eine Kette kann sich nicht verhaken, wenn sie die einzige Kette im Volumen vsph ist. Es mussen also in vsph mindestens N = 2 Ketten mit je der Molmasse M = M e vorhanden sein. Damit wird aber M e = [63.22 M,3]/[p2N~2K2Cm3b61 und wegen (r2), = C d b b 2 und N b = M / M , auch M e = [4.63]/[(pN~K)2((r2)dM)3]. Da nach G1.(17-37) fiir Schmelzen G # = (4/5) pRT/Me gilt, erhut man (17-37)
GNO = (5.63)-' f l N ~ ~ R T [ p ( r ~ ) d M l ~
Der Plateau-Modul GNO ist experimentell in der Tat der dritten Potenz von p ( r 2 ) d M direkt proportional, und zwar unabhiingig von der chemischen Konstitution der Polymeren (Abb. 17-28). Wenn GNO,p und (r2)dM bei der gleichen Temperatur gemessen werden, scheint der Wert von K = Vs,&2)03/2 nur wenig temperamrabhiingig zu sein.
17.5.6.
Scherspeichermoduln von Losungen
Bei Ltisungen von Polymeren sinkt der Plateau-Modul GN" unabhiingig von der chemischen Natur der Liisungsmittel und der Molmasse von Polymeren konstanter Konstitution mit fallendem Volumenbruch & des Polymeren (Abb. 17-29): (17-38)
GNO
= (GNO),&~
Der Exponent b scheint genereller Namr zu sein. Er betr2gt b = 2,23 bei Poly(butadien)en und 2,09 bei Poly(styro1)en. Die wiedergewinnbare Schemachgiebigkeit Jeo im stationaren Zustand folgt einer 2hnlichen Abhagigkeit, allerdings mit negativem Exponenten a (Abb. 17-19). Nun be, und die Ruhe-Scherviskositat q, verschiedene Momente im Endschreiben G N o Jeo bereich des Relaxations-Spektrums Hl(rrlx):
Das Produkt GgJ,O ist daher ein Mass ftir die Breite des Spektrums im Endbereich:
607
17. Viskoelastizitit
0
9
$
3"
3
:q0--; 5. In allen FUen sind Hooke-Zahlen nur eine Funktion der Bruchdehnung, die wiederum von einer Vielzahl von Prozessen abhihgt: Scherprozesse, Onentierungen von Kettensegmenten, Bildung von Fibrillen und Lunkem in Crazes, Erzeugung von Nano- und Mikrobriichen usw. Die meisten dieser Prozesse sind lokal, d.h. sie spielen sich innerhalb der Maschen des durch die Verschlaufungen gebildeten physikalischen Netzwerkes der Polymerketten ab. Je weiaaschiger dieses Netzwerk ist, umso weitfiumiger werden die Prozesse sein. Hooke-Zahlen miissen also von der Maschenweite des physikalischen Netzwerkes abhhgen. Die Maschenweite ist durch die Zahlenkonzentration Ve = pNA/M, der Verschlaufungen gegeben, wobei p = Dichte und Me = Molmasse der Segmente zwischen Verschlaufungen. Die Abhhgigkeit der Hooke-Zahlen von der Verschlaufungskonzentration lbst sich durch die Funktion He = exp (- K v , ) wiedergeben (Abb. 18-9): je kleiner die Molmasse Me. umso niedriger ist die Hooke-Zahl und umso gr6sser ist Q (bei E = const und og = const) bzw. umso kleiner ist og (bei E = const. und Q = const.).
622
18.2. Zugfestigkeit
f -- .PS SAN
I
0
I
PP
PE
10-31
0
5
10
15
20
- 10-~9ce/ cm3
25
30
35
+
Abb. 18-9 Logarithmus der Hooke-Zahlen He als Funktion der Zahlenkonzentration v, an Verhakungen bei amorphen, leicht kristallinen und stark kristallinen Polymeren [6].
18.2.5.
Theoretische Zugfestigkeiten
Die theoretische Zugfestigkeit qIo von Polymerketten in Kettenrichtung kann uber die Theorie der Geschwindigkeitsprozesse abgeschltzt werden. Der entscheidende Schritt ist nach dieser Vorstellung der durch thermische Fluktuationen hervorgerufene Bruch einer covalenten Bindung. Die h d e r u n g der Zahl N der Briiche mit der Zeit t ist durch dN/dt = k exp [- &??,*/(kBT)] gegeben, wobei k eine Geschwindigkeitskonstante mit der physikalischen Einheit einer Frequenz (= reziproke Zeit) ist. Wegen k Vt,, und somit auch dN/dt l/t, kann man daher auch t = roexp [AEO*/(kJ3I?]schreiben. t ist die Lebenszeit der Kette. to = l/v, die Periode der thermischen Oszillationen der gebundenen Atome und v, die molekulare Oszillationsfrequenz (lo1* s-l