Maik Philipp Lesen empeerisch
Maik Philipp
Lesen empeerisch Eine Längsschnittstudie zur Bedeutung von peer groups fü...
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Maik Philipp Lesen empeerisch
Maik Philipp
Lesen empeerisch Eine Längsschnittstudie zur Bedeutung von peer groups für Lesemotivation und -verhalten
III VSVERLAG
Bibliografische Information der DeutschenNational bibliot hek Oie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogratie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über c ht t o.z/dnb.d-nb.des abrutbar.
Zugl. : lüneburg teupnana unv. Diss., 2010
1 Auflage 2010
Alle Rechte vorbehalten CI VS verlag für sozrawssenscnanen I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: ooromee Koch / Tanja Köhler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Markevon Springer rectmeoen. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer scence-ausmess Media. www.vs-verlag.de DasWerk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlichgeschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässigund strafbar. Das gilt insbesondere für vervielfältigungen. Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Oie Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handetsnemen. Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: xünkettopka Medienentwicklung. Heldalberg Coverfoto. erbotho. wwwphotocase.com Druck und buchbindensehe Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedrucktauf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem capter snnteo in Germany ISBN 978-3 -531-17033 -6
Dank und Widmung
Diese Arbeit wäre so wie jede empirische Dissertation nicht ohne die Hilfe einer Vielzahl von Personen möglich gewesen. Ich danke Christine Garbe für die Anregungen in der frühen Phase der Studie und Maria von Salisch und Bettina Hurrelmann herzlich für die zahlreichen konstruktiven Anregungen in ihren Gutachten und insbesondere meiner Erstbetreuerin Maria von Salisch fur die Unterstützung bei der Entstehung dieser Studie. Bei der Datenerhebung und tlw. der -eingabe des zweiten Messzeitpunkts haben mich Arm Christin Eiweileit, Marit Knobloch, Myriam Mensing, Alexandra Schulz, Danielle Sievers, Jann-Derk Ysker, Tobias Witte und Timm Wohlert unterstützt; Marit Knobloch und Danielle Sievers haben außerdem in ihrer Bachelor-Arbeit die peer-Status-Maße ausgewertet. Gisela ScheelBockelmann von der Ratsbücherei Lüneburg hat mir dankenswerterweise beim Klassifizieren der Büchertitel aus dem ersten Messzeitpunkt geholfen. Meinem Kollegen Dr. Dietmar Gölitz danke ich für methodische Beratung und sein Engagement bei der Datenerhebung in Klasse 6. Dafür, dass ich die Studie in den Schulen durchführen konnte, hat Gabriele Schütte von der Landesschulbehörde Lüneburg mit einem schnellen Genehmigungsverfahren gesorgt. Heike Wahne von der Hauptschule Stadtmitte in Lüneburg hat mir sehr beim Pretest der Fragebögen geholfen und insgeheim für ein einschneidendes und intensives Erlebnis gesorgt. Den interessierten Schulleitungen, den kooperativen Lehrkräften, den Eltern und nicht zuletzt den vielen Kindern, die geduldig die Fragebögen ausgefüllt haben, danke ich ebenfalls sehr. Dem Symposion Deutschdidaktik möchte ich sehr herzlich fur die großzügige finanzielle Unterstützung für die Buchpublikation danken, ebenso Thomas Lindauer für seine Argusaugen bei dem letzten Korrekturgang. Menschen aus meinem näheren Umfeld haben mindestens genauso viel dazu beigetragen, dass ich diese Dissertation fertig gestellt habe. Katrin, Helge und Barbara haben die Arbeit in der ersten Fassung Korrektur gelesen und überdies - so wie Swantje und Torsten - die Aufs und Abs abgefedert. Ohne diese fabulous five gäbe es diese Arbeit nicht. Ich widme sie Devin, Lennart und Jannik, drei Hauptschuljungen, die mich beim Pretest unterstützt haben und von denen statistisch zwei der PISA-Risikogruppe angehören. Dass sich daran etwas ändert, war ein entscheidender Antrieb für das Entstehen der vorliegenden Studie.
Basel, im April 2010
Inhalt Einle ltung _•••_•••._•••_•.._.••._..._...._..._•.._.••._..._.•.•_•••_•••_••••_..•_•...•_•.._..•_.•.. 11 Peers - Alte rs- und Statusgleiche als Entwicklun gshelfer und Elnflussqu elie..._...._..._...._..._..._ _ _ _ _ _ _ _
_ _
_ 19
1.1 Peers - das Prinzip Ebenbürtigkeit
19
1.2 Eine System atisierung von pe er-K ontexten u nd -Beziehu ngen
20
1.3
Peers u n d ih re theoretisch po stuliert e Relevanz in d er E n twicklung von H eranwach senden 1.4 Empirische Langsschnitt-Befund e zum po sitiven Beitrag der peers in Kindheit und Jugend 1.4.1 Peers und internalisierende s Problem verhalt en 1.4.2 Peers und exterruilisierendes Probl em verhalten
JO
.
38
1.4.3 Peers und prosoziales Ve rhalten
40 41
1.4.4 Peers und schulisch er Erfolg
42
1.4.5 Stabilität von Freundschaft en und Beliebtheit als abhängige Variablen 1.5 2
34
Zusa mmen fassung
44 .
45
l esen -les emotIvatIon und -verhalten von Kindern und Jugendl ichen
49
2.1 D er th eoretische Zu samm enhang von Lesekompeten z, -verh alt en und -m otivation 2.2 Lesem otivation
50 57
2.3
2.2 .1 Th eo rie: E in Definitions - und System atisierungsversuch von Lesemo tivation (en) 2.2.2 E m pirie: Zu r Lesemo tivation von H eranwachsenden
57 64
2.2.3 Zus ammen fassung
68
Leseverhalten Nu tzu ngshäu figkeit u nd inhal tliche P räferenzen von Kindern und J ugen cßichen 2.3.1 Was ist Leseverhalten? Annäherungen an einen u neindeutigen Begri ff
68
2.3.2 Lesefrequ en z. Wie häu fig lesen Kinder und jugendlich e welch e Prin tm edien in der Freizeit? .
75
68
8
Inhalt
2.4
2.3.3 Lesestoffe: Welche Texte lesen Heranwachsende in der Freizeit?
81
2.3.4 Zusammenfassung: das Forschungsdesiderat Leseverhalten
85
Zusammenfassung und abgeleitete Fragestellungen der PEER-Studie
87
3 Peers und lesen - vermutete und empirische Zusammenhänge
89
3.1
Postulierte Einflüsse
89
3.2
Empirische Hinweise
92
3.3
3.2.1 Anschlusskommunikation mit peers
92
3.2.2 Lesebezogenes Selbstkonzept und peers
95
3.2.3 Lesemotivation und peers
96
3.2.4 Leseverhalten und peers
98
3.2.5 Lesekompetenz und peers
102
Zusammenfassung und abgeleitete Fragestellungen der PEER-Studie
104
4 Die PEER·Studie: Befragte und Durchführung •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••107 4.1
Stichprobenbeschreibung
107
4.2
Untersuchungsdesign und -instrumente
108
5 lesen individuell: Zur Entwicklung von lesemotivation und -verhalten
115
5.1
Lesen und Erwachsene
115
5.2
Lesemotivation und lesebezogenes Selbstkonzept
117
5.3
Freizeit-, Medien- und Leseverhalten
120
5.3.1 Treffen von Freundlrmen und Mediermutzung in der Freizeit
120
5.3.2 Tätigkeiten am Computer
121
5.3.3 Printmediermutzung
123
5.3.4 Das Verhältnis der einzelnen Freizeitaktivitäten untereinander: Konkurrenz oder Koexistenz?
126
5.3.5 Inhaltliche Vorlieben bei Printmedien
129
5.3.6 Zusammenfassung
141
5.4
Basales Leseverstehen und Lesegeschwindigkeit
143
5.5
Zusammenfassung der Ergebnisse und Implikationen für die Lesedidaktik
146
Inhalt
9
6 lesen empeerisch: der lesesozialisationskontext peer group
153
6.1
Entstehilllgszusammenhangund Geschlechterverhältnis der Cliquen
153
6.2
Leseorientierung in der Clique
155
6.3
Wahrgenommenes Interesse an Lese- und Computeraktivitäten in der Freizeit
161
6.4
Tipps und Ratschläge bei Printmedien und Computerspielen
163
6.5
Anschlusskommunikationen sowie Medientausch mit Freundinnen und Freunden
166
6.6
Die peer group als sich wandelnde Leseumwelt: Zusammenfassung
170
6.7
Zusammenhänge zwischen individuellen und peer-Merkmalen
171
6.7.1 Welche Korrelationen bestehen zwischen individuellen und peer group-Variablen?
171
6.8 6.9
6.7.2 Sagt die Cliquen-Leseorientierung die Lesemotivation voraus?
179
6.7.3 Bedingen peer-Variablen das Medienverhalten in der Freizeit?
186
6.7.4 Kann man mit peer-Variablen das basale Leseverstehen prognostizieren?
190
Gelten die peer-Effekte auf Lesemotivation und -verhalten für alle Befragten gleichermaßen?
192
Was bedingt die Ausprägung der vorhersagestarken peer-Variablen?
196
6.10 Zusammenfassung: Zur empirisch ermittelten Relevanz von peers in der Lesesoziahsation zu Beginn der Sekundarstufe
7 Fazit
197
201
7.1 Die Hauptbefunde der PEER-Studie im Überblick
202
7.2 Diskussion der Ergebnisse und die Frage nach den zugrunde liegenden peer-Einfluss-Mechanismen
205
7.3 Ausblick: Forschungsperspektiven
213
literaturverzeichn is
217
Anhang
239
Einleitung
Mangelnde Lesekompetenz als gesellschaftliches und individuelles Problem Bis zum Dezember 2001 galt Pisa in Deutschland vielen nur als italienischer Urlaubs ort, der vor allem wegen seines schiefen Turms beriihmt war. Seitdem aber die Ergebnisse der ersten PISA-Studie (Programme für In tern ation al Student A ssessment) mit dem Fokus auf dem Leseverstehen von 15-Jährigen hierzulande bekannt wurden und ein breites Medienecho hervorriefen, hat der Ausdruck ,Pisa' eine weitere Bedeutung erhalten. Er ist zum Schlagwort, zum Synonym geworden für die Probleme, für die Schieflage eines Bildungssystems. Was war seinerzeit passiert? Die OECD hatte für ihre Mitgliedsstaaten eine Studie in Auftrag gegeben, mit der auf der Grundlage des dezidiert pragmatischen und funktionalistischen iiteracy- Konzepts ermittelt werden sollte, inwiefern 15-jährige Schülerinnen und Schüler am E n d e der Pflichtschulzeit über Basiskompetenzen verfügen. Darunter versteht man bei PISA jene Fähigkeiten, "die in m odern en Gesellscha ften fü r eine b efriedigende Leb en sführung in p ersönli ch er und "Wirtschaftliche r Hi n sicht sow ie fü r ein e aktive T eilnahme am gese llscha ftliche n Leb en n o twen dig sind. Di e PI SA zu G runde liegen de Philosoph ie richtet sich also au f die Funktion alität der bis zum E n de der Pfli ch tschulzeit erwo rb en en Kompetenzen für die Leb ensb ewältigung im jungen E rw ach sen en alter un d de ren Anschlussfihigkeit für ko n tinuierliches We iterlernen in der Leb en sspa nne" (Baumert, Starrat & Dem m rich, 200 1, S. 16).
Zu den drei getesteten Basiskompetenzen zählten im Jahr 2000 die mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung sowie die im Vergleich am umfangreichsten ermittelte Lesekompetenz. Letztere werden von den PISA-Autorinnen und -Autoren "in Einklang mit de r Fo rschung zum T extv er steh en [ ] als ak tive Ause inandersetzung mit T exten aufgefasst. [ ] In de r p sych ologisch en Liter atur zum T extversteh en b esteht Einigkeit da rüber, dass de r Pro zess des T extv er stehens als Kons truktionsleistung des In dividuums zu v ers teh en ist Lesen ist keine p assive Rezeption dessen, was im jeweiligen T ext an Info rm ation enthalten ist, sondern aktive (Re-)Konstruk tion der T extb edeutung. Die im T ext enthaltenen Aussagen werden aktiv mit dem Vor-, Wel t- und Sprachwissen des Lesers ve rbunden. Die Auseinandersetzung m it dem T ext läss t sich als ein Akt de r Bedeu tungsgen erierung ve rst ehen, b ei dem das Vo r"Wissen de r Leser und die objektive T extvo rgab e interagieren " (Arte lt, Stanat, Schneider & Schiefeie, 200 1, S. 70f.).'
Irri tier end ist, dass b er eits einen Abs atz spä ter vo n " Bedeu tungsentnahme" die Rede ist (Artelt, Stanat, Schneide r & Schiefele, 200 1, S. 71), die eine gew isse Passivität impli zier t.
12
Einleitung
Die empirisch beobachtbaren Leistungen der deutschen Schülerirmen und Schüler waren es, welche für den ,PISA-Schock' sorgten. Ihre Leistungen lagen deutlich unter dem OECD-Durchschnitt, und sie streuten so breit wie in keinem anderen Land. Die Gruppe, deren Leseverstehen so gering war, dass es unter dem Schwellenwert lag, ab dem die niedrigste Kompetenzstufe definiert ist - jene Gruppe also, bei der der Übergang ins Berufsleben zum Problem werden dürfte -, umfasste ein Zehntel aller Getesteten. Die Hälfte von ihnen stammte aus Hauptschulen; im Ausland geboren zu sein oder im Ausland geborene Eltern zu haben und auch das
männliche Geschlecht gingen ebenfalls mit der Zugehörigkeit zur Risikogruppe einher. Ein weiteres Achtel erreichte nicht die als Mindeststandard gesetzte Lesekompetenz auf Stufe II (vgL Artelt et al., 2001, S. 103, 106, 108, 116-120) - d.h. mehr als jede/r Fünfte weist als Mitglied der ,Risikogruppe' so extreme Defizite im Leseverstehen auf, dass eine befriedigende Lebensführung und gesellschaftliche Partizipation schwerlich vorzustellen sind (vgl. Stanat & Schneider, 2004, S. 243). Die Lehrpersonen waren bei weniger als 15 Prozent aller dieser Jugendlichen in der Lage, sie als solche zu identifizieren (vgl. Artelt et al., 2005, S. 9). Kein ökonomischer Betrieb und damit auch keine Volkswirtschaft (zumal in einer Wissensgesellschaft) konnte sich auf Dauer leisten, was PISA dem deutschen Bildungssystem im Jahr 2000 attestierte: Ein knappes Viertel der ,Produktion' hat kaum Aussichten, marktgängig zu sein, und das fällt nur einem kleinen Teil der Angestellten auf. Seit dem Publikwerden dieser ernüchternden Befunde der alle drei Jahre durchgefuhrten PISA-Studien mit wechselnden Schwerpunkten hat in Deutschland eine rege Forschungsaktivität eingesetzt - zum einen was die Unterschiede in der Lesekompetenz bedingt, und zum anderen, wie man das Leseverstehen von Heranwachsenden verbessern kann. Diese Studien lassen sich begründen zum einen mit der mehr oder minder explizierten normativen Setzung, Lesekompetenz sei eine Schlüsselkompetenz (vgl. Groeben & Hurrelmann, 2004a), zum anderen auch mit den vielfaltigen Funktionen, die das (kompetente) Lesen von expositorischen und fiktionalen Texten auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene hat bzw. haben soll (vgl. Christmann, 2004; Klimmt & Vorderer, 2004; Rupp, Heyer & Bonholt, 2004). Werm Lesekompetenz für eine befriedigende Lebensführung notwendig ist und ein erheblicher Anteil der deutschen Jugendlichen nicht über das :Mindestmaß verfügt, so richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Wege zum Lesen und zur Lesekompetenz, kurzum: auf die Lesesozialisation. Diesem Forschungszweig, und hier der Rolle der Gleichaltrigen (peers) für die Verläufe der Lesesozialisation, fuhlt sich die vorliegende Arbeit verpflichtet.
Einleitung
'3
Lesesozialisation: Genese von Lesekompetenz, -motivation und -verhalten in formalen und informellen Umgebungen
Wie jemand zum kompetenten Leser oder zur Leserin wird, ist die zentrale Frage der Lesesoziahsationsforschung. Unter Lesesoziahsation lässt sich der "Prozess der Aneignung der Kompetenz zum Umgang mit Schriftlichkeit in Medienangeboten unterschiedlicher technischer Provenienz (Printmedien, audiovisuelle Medien, Computennedien) und unterschiedlicher Modalität (fiktional-ästhetische und pragmatische Texte)" verstehen (Hurrelmann, 1999, S. 111t). :Hierbei wird ergänzend aber nicht nur auf die Lesekompetenz im Sinne eines elaborierten Textverständnisses verschiedener Textsorten und -arten Wert gelegt, sondern auch auf die Abstimmilllg emotionaler, motivationaler und sozialer Prozesse vor dem, während des und nach dem Lesen (vgl. Hurrelmann 2002; Rosebrock, 2006). Der Forschungszweig zur Lesesoziahsation ist vergleichsweise jung und nicht eindeutig disziphnär zu verorten, entsprechend finden sich sowohl psychologische und soziologische als auch kommunikations- und literaturwissenschaftliche, pädagogische und didaktische Zugänge zum Thema (für einen Überblick auf den Forschungsstand (Stand 2003) im deutschsprachigen Raum vgl. Groeben & Hurrelmann, 2oo4b). Das Leseverhalten und die Motivationen des Lesens waren bislang dominante Forschungsgegenstände, erst seit PISA 2000 wird dem Aspekt der Lesekompetenz auch in der Lesesozialisatonsforschung verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt. Das hat zu einer Akzentverschiebung zur formalen Lesesozialisationsinstanz Schule geführt. .Klassische' Lesesozialisationsstudien zu Familie und peers, die zum Beispiel im DFG-Schwerpunktprogramm "Lesesozialisation in der Mediengesellschaft" vertreten waren, sind nach dem Auslaufen des Programms seltener geworden. Stattdessen gab es in den vergangenen Jahren einen Zuwachs an • Diagnose-Instrumenten (Auer, Gruber, Mayringer & Wimmer, 2005; Lenhard & Schneider, 2006; Mayringer & Wimmer, 2005; Schneider, Schlagmüller & Ennemoser, 2007; Souvignier, Trenk-Hinterberger, Adam-Schwebe & Gold, 200S), • H andreichungen für Lehrkräfte und Umemcbtsmaterialien (Bertschi-Kaufmann, Hagendorf, Kruse, Rank, Riss & Sommer, 2ooSa, 200Sb; Gold, 2007; Gold, Mokhlesgerami, Rühl, Souvignier & Schreblowski, 2006; Lange, 2007; Rosebrock & Nix, 200S; Schoenbach, Gaile & Janssen, 2007; Sigel & Feneberg, 2007) und • Interventionsstudien (Mokhlesgerami, 2004; Sporer, Brunstein & Arbeiter, 2007; Streblow, Holodynski & Schiefele, 2007; Schneider & Bettschi-Kaufmann, 2006; Trenk-:Hinterberger, Nix, Rieckmann, Rosebrock & Gold, 200S).
'4
Einleitung
An dieser nur kursorischen und sicher nicht vollständigen Auflistung der Bemühungert im deutschsprachigen Raum, das Lesen zu diagnostizieren und zu fördern (vgl. für einen Überblick Artelt et al., 2005; Lenhard & Schneider, 2009), wird deutlich, dass der Beginn der Sekundarstufe ins Visier genommen wurde. Das ist sehr zu begriißen und erscheint als die richtige Konsequenz aus den F orschungsergebnissen der large scale-Studien, die zeigen, dass in den weiterführenden Schulen die mangelnde Lesekompetenz besonders drastisch zutage tritt. Was mit diesem Fokus auf die Schule allerdings etwas aus den Blick geraten ist, das sind die nicht-schulischen Bereiche des Lemens und Lesens. Die Forschung zur sog. irformellen Bildung, also dem beiläufigen, impliziten, alltäglichen Lernen (vgl. Rauschenbach et al., 2004, S. 29), weist daraufhin, dass ein großer Anteil von Lernund Bildungsprozessen in außerschulischen Kontexten stattfindet, auf deren Unterstützurig die Schule bzw. die Schülerinnen und Schüler angewiesen sind (vgl. Dohmen, 2001; Rauschenbach, 2007; Sachverständigenkommission Zwölfter Kinderund Jugendbericht, 2005, S. 131-162). Diesen Aspekt hat Ulrich Saxer bereits Anfang der 1990er Jahre aufgenommen, als er die Notwendigkeit einer systematischen, konzertierten Leseförderung mit vielen Akteuren und informellen und formalen Instanzen proklamierte (vgl. Saxer, 1995, S. 358-372); seine Forderung ist nach wie vor aktuell (vgL Artelt el al., 2005, S. 70-80, 104f.). Die Lesesoziahsationsforschung hat vor allem die eminente Bedeutung der Familie herausgestellt; sie ist die am besten erforschte Sozialisationsinstanz (vgl. für einen Überblick im deutschsprachigen Raum Hurrelmann, 2004b und bedingt Wollscheid, 2008, S. 95-98; die internationale Forschung ist einbezogen bei McEIvany, 2008, S. 69-96). Der Rolle der Schule bzw. des Deutschunterrichts geht die Forschung ebenfalls nach; vor allem im Rahmen der großen Leseleistungsstudien (vgl. exemplarisch für IGLU 2006 Lankes & Carstensen, 2007, für PISA 2000 die vertiefenden Analysen in Baumert, Stanat & Watermann, 2006 und für DESI Klieme el al., 2008). Die Bedeutung der peers für die Lesesoziahsation ist bislang vorrangig hypothetisch modelliert worden (vgl. Rosebrock, 2004; Groeben & Schroeder, 2004, S. 330-334). Peers wird allgemein zugestanden, spätestens in der Jugend die wichtigste Lesesozialisationsinstanz zu sein und besonders bei der Lesemotivation und dem -verhalten wirkungsvoll zu sein (vgl. Graf, 2007, S. 83; Groeben & Schroeder, 2004, S. 340; Rosebrock, 2004). Forschungsergebnisse dazu existieren mit Ausnahme weniger Einzelfragen oder mitunter auch Skalen in Lesestudien kaum, wenngleich ihnen sogar attestiert wird, unter ungünstigen lesesoziahsatorischen Ausgangsbedingungen protektiv wirken zu können (vgl. Schneider, Häcki Buhofer, Bertschi-Kaufmann, Kassis & Kronig, 2009). Dieses lange Zeit vernachlässigte For-
Einleitung
'5
schungsfeld harrt seit geraumer Zeit einer Bearbeitung, und diese Studie will daher den Einfluss der peers auf die Lesesoziahsation in den Blick nehmen. Leseforschung jenseits der Schule - Notwendigkeit, Ziele und Aufbau der PEER-Studie zu Freizeitlesen, Lesemotivation und der Rolle der peers
Empirische Vergewissenmgen, wie sich die Lesesozialisation heutiger Jugendlicher - der ersten Generation, die mit dem Internet aufwachst - gestaltet und welche Rolle peers dabei spielen, stehen in Zeiten des Handlungsdrucks, den die ersten PISA-Befunde ausgelöst haben und der sich in den E n twicklu ngen von Diagnostik und Intervention manifestiert, noch aus. Dabei wirft der in vielen Studien zu beobachtende Rückgang an Lesemotivation im Jugendalter durchaus die Frage auf, welches Zusammenspiel von individuellen Merkmalen und sozialen Dynamiken in Familie, Schule und Freundeskreis dafür verantwortlich ist. Das ist für die Lesekompetenz von entscheidender Bedeutung, denn Lesemotivation gilt laut Linnakylä (2008, S. 21 ) als "bedeutsamer und mächtiger Prädiktor der Lesekompetenz" und kann als Wert an sich begriffen werden - und als etwas, das sich pädagogisch beeinflussen lässt. Dafür, dass die peers hierbei eine Rolle spielen, lieferten Jens Möller und Jan Retelsdorf (2007) bereits erste Hinweise. Sie ermittelten in ihrem LISASampie mit mehr als 1.000 wiederholt befragten Fünft- und Sechstklässlern den Zusammenhang von Leselust und dem Stellenwert des Lesens bei den Freundinnen und Freunden. In Klasse 5 schon ausgeprägt, erhöhte sich der Zusammenhang in Klasse 6 nochmals (von r = ,42 auf ,59). Unklar ist trotz dieses hohen Zusammenhangsmaßes, woher die größere Korrelation kommt: Sagen peer-Variablen die spätere Lesefreude voraus oder suchen sich leseaffine Kinder gern und viel lesende Freunde? Es ist das H aup tanlieg:n der PEER-Studie (Peer E ffects on E arly Adolescent Reading), den E irifluss von peer groups auf Lesemotivation und Lesezerbalten empirisch zu überprüfen. Daneben möchte sie in einer weiteren, eher deutschdidaktischen Fragestellung ermitteln, wie sich die Lesemotivation und das -verhalten sowie die Art, wie Kinder zu Beginn der Sekundarstufe die Leseaffmität ihres peer-Umfeldes beschreiben, bei den Geschlechtern und in verschiedenen Schulformen verändern. Bei der vorliegenden Längsschnittstudie handelt es um die Fortsetzung der bereits im Rahmen einer Magisterarbeit angelegten Studie (philipp, 2008). In letztgenannter wurden umfassend das Lese- und Medienverhalten von Kindern fünfter Klassen, deren Wahrnehmung ihres Leseumfeldes peer group und die korrelativen Zusammenhänge zwischen Leseorientierung der Clique und intrinsischer Lesemotivation dargestellt. In den Analysen des ersten Messzeitpunkts erwies sich die Leseorientierung im Freundeskreis als statistisch bedeutsam für die tätigkeits spezifische,
16
Einleitung
intrinsische und habituelle Lesemotivation. Was diese Analysen nicht leisten konnten, sind die Abbildung des Entwicklungsprozesses einerseits und die Klarurig einer zeitlich übergreifenden Zusammenhangs von peer-Variablen für das individuelle Lesen andererseits. Die Zusammenhänge zwischen peer-Variablen und dem Leseverhalten wurden in den Analysen des ersten Messzeitpunkts ebenfalls nicht ausgewertet. Insofern stellt die vorliegende Studie gleichermaßen eine Ergänzung und Vertiefung dar: :Hinsichtlich der Veränderungen im Leseverhalten und der Lesemotivation ergänzt sie die Perspektive des Verlaufs, und bezogen auf die Frage nach dem Einfluss einer zeitlich vorgelagerten peer-Variable auf eine temporal nachgeordnete Lesevariable ermöglicht sie tiefer gehenden Analysen. Zu diesem Zweck wurden im Winter 2006/2007 (Mitte Klasse 5) und im Sommer 2008 (Ende Klasse 6) jeweils ca. 500 Schülerinnen aus Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien befragt. Knapp 80 Prozent von ihnen nahmen sowohl an der ersten als auch an der zweiten Erhebung teil, sodass von rund 400 Kindern längsschnittliehe Daten zu Lesemotivation, -verhalten und zu ihren peers vorliegen. In Klasse 6 wurden außerdem die Lesegeschwindigkeit und das -verständnis erhoben. Mit diesen Daten sollen diese Fragestellungen beantwortet werden: 1. Wie entwickeln sich die Lesemotivation und -verhalten von Kindern von der
funften zur sechsten Iiert als Oberbegriff fiir das zweite Lebensjahrzehnt; der spezifischere Ausdruck Jugend' bezieht sich auf die Phase vom 11. bis zum vollendeten 17. Lebensjahr. D en Beginn der _\ doleszenz/Jugcnd markiert die .Vorpubertat' als "Periode zwischen reifer Kindheit und dem Aufrreren erster sekundärer Geschlechtsmerkmale" (O erter & Dreher, 1998, S. 3 12), ein ähnlicher Inrcrimszusrand ist die .Transcszcnz', die den Übergang von Kindheit in die frühe
Peers - Alters- und Statusgleiche als Entwic klungshelfer und Einflussquelle
3'
Adoleszenz über die Geschlechtsreifung bezeichnet und vom 11./12 . bis zum 14. Lebensjahr dauert, wobei geschlechtsspezifische Verzögenmgen ausgeblendet sind. G rob er strukturieren G eorg Breidenstein und Klaus Hurrelmann. Breidenstein beschränkt sich auf die Schul- und die Vorschulzeit. E r unterscheidet in Kindheit (Vorschulzeit und erste Grundschuljahre, d.h. Kinder bis 8/9 Jahre), Präadoleszenz (etwa 9- bis 13-Jährige) und die Adoleszen z (ab 13/14 Jähre). Die Präadoleszenz wird " allerdings erst ne uerdings als eigens tändige Entwicklungsstufe au fgefass t [ ] und en tsp ringt dem Eindruck, dass es Ph än omen e gerade im Bereich de r p eer-Kultur/ gibt, die nicht (m eh r) dem Ber eich der ,Kindheit' ents preche n und (noch) nich t der ,Jugend' oder ,A do les zenz' zuz u rechnen sind" (Breidens tein, 200 4, S. 929).8
Hurrelmann (2005) schließlich benennt für westliche Gesellschaften die drei Phasen Kindheit, Jugend und E rw ach sen en alter, und an seiner Unterteilung fällt auf, dass Jugend bei ihm eineinhalb Dekaden umfasst? - er misst der Jugend "eine eigenständige Bedeutung im menschlichen Lebenslauf" bei (Hurrelmann 2005, S. 41). Dies macht eine Abgren zung zu Kindheit und E rwach sen en alter nötig, und die nimmt Hurrelmann aus der entwicklungspsychologischen und soziologischen Pers pektive vor. Hier soll nur die Trennung von Kindheit und Jugend interessieren. Au s Sicht der E n twi cklungsp sych ologie gilt als Beginn der Jugend die Geschlechtsreifung, d.h. die bio- und psychosexuelle Entwicklung und die Pubertät (vgl. im Detail Oerter & Dreher, 1998, S. 330-346). Die umfangreichen körperlichen Verän derungen haben Au swirkungen auf die soziale und psychische E b en e, 7
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Die p eer -Kultur ist na ch Sclunid t-De nte r die "Kultu r, die sich Kinder gem einsam mit an der en Kin dern selbs t sch affen. Kinder ver such en aktiv, sich die G esch ehnisse in ihrer Umwelt zu er klären, Regelhaftigk eiten und Sinn zu erschließen . So entwickeln sich zune hmen d K ompet enzen im Um gang mit der Umwelt" (Sclunidt-D enter, 200 5, S. 81). G eorg Breiden stein resümiert mit Rekurs auf ein e ethnogr afisch e US-Studie für die Pr äad oleszenz: " Kin der lösen sich einer seits vom Einflu ss der Erwach senen (Elte rn und Lehrer), die p eers we rde n zur en tsch eidenden Instanz der Selbs tverortung und Positionierung zur Umwelt, andererseit s verfügen die Kin der n och nicht über die Räume und Möglichkeiten, die Jugendli che sp äter hab en . D ie p eer-Kultur de r Schulklasse ist (noch) relativalternativlos: H in zu kommt der Ch arakter der Unmittelbarkeit, des unabgefederten Au sagier ens von Macht und D ominanz" (Breidenstein, 2004, S. 929 f.). Natürlich sin d die Altersangab en lediglich Orientierungswerte, denn (ni cht nur) für H urr elmann ist ein e rein " altersmäßige Festlegung de r Jugendphase ni cht sinnvo ll" (Hurrelmann, 2005, S.40). Er unterteilt die Jugend in dr ei Ab schnitte: frühe Jugendpha se (12-17 Jahre), mittlere Ph ase (18-2 1) und spä te Phase (22-27). D en Beginn de r Ju gend setz t er abweichend von der Abbildun g er st auf zwö lf Jahre an, weil die me isten dieses Alters en tspre ch end w eit in ihrer Entwicklung de r Geschlechts reife seien, um von Kindheit zu sp reche n. D ie lange Da uer der Jugend hängt damit zus am m en, dass be stimmte Erwachs en en -Rollen (z.B. Berufs- und Familien rclle) erst relativ spä t üb ern ommen w erden (vgl. ebd., S. 37-41 ).
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Peers - Alters- und Statusgleiche als Entwicklungshelfer und Einflussquelle
cl.h. Heranwachsende müssen einen neuen angemessenen Umgang mit den inneren und äußeren Bedingungen, ergo neue Bewältigungsstrategien finden. Hier setzt das Konzept der E ntwick lungsaujgaben nach Havighurst an, also jener "psychisch und sozial vorgegebenen Erwartungen und Anfordenmgen [... ], die an Personen in einem bestimmten Lebensabschnitt gestellt werden" (Hurrelmann, 2005, S. 27). Die Formulierung impliziert das Moment des sozial Erwarteten: Jemand soll in einer bestimmten Lebensphase kulturell vorgegebene (und damit historisch wandelbare), einander tangierende und ineinander übergehende Lem- und Anpassungsleistungen vollbringen, um eine .normale' Entwicklung zu nehmen und ein zufrieden stellendes Leben in einer Gesellschaft leben zu können. Tabelle 2 zeigt das Set der Aufgaben für die mittlere Kindheit und die Jugend. Mittlere Kindheit (6-12 Jahre)
Jugendalter (12-18 Jahre)
• Aufbau einer positiven Einstellung zu sich als einem wachsenden Organismus
• Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung des Körpers
• Lernen, mit Altersgenossen zurecht zu kommen • Erlernen eines angemessenen männlichen oderweiblichen Rollenverhaltens
• Neue und reifere Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts aufbauen
• Erreichen persönlicher Unabhängigkeit
• Übernahme von männlicher/weiblicher Geschlechtsrolle
• Entwicklung von Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen und Institutionen
• Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und anderen Erwachsenen gewinnen
• Erlernen der körperlichen Geschicklichkeit, die für gewöhnliche Spiele notwendig ist
• Sozial verantwortliches Verhalten erstreben und erreichen
• Entwicklung grundlegender Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen
• Vorbereitung auf eine berufliche Karriere
• Entwicklung von Konzepten und Denkschemata, die für das Alltagsleben notwendig sind
• Werte und ein ethisches System erlangen, das als Leitfaden für Verhalten dientEntwicklung einer Ideologie
• Entwicklung von Gewissen, Moral und einer Werteskala
• Sich selbst kennen lernen und wissen, wie andere einen sehen, d.h. Klarheit über sich selbst gewinnen
Tabelle 2:
• Vorbereitung auf Ehe und Familienleben
Entwicklungsaufgaben in Kindheit und Jugendalter (Quelle: nach Oerter & Dreher, 2002,S. 270)
Entwicklungsaufgaben speisen sich aber nicht nur aus physischen Reifungsprozessen (auch wenn jene wegen ihrer genetischen Detenniniertheit eine universelle Basis bilden), sondern ebenfalls aus kulturellen und also historisch relativen Erwartungen, was ein Mensch in welchem Alter erreicht haben soll. Als dritte Quelle gelten "individuelle Ziele und Werte als Teil des Selbst, das im Laufe der Lebensspanne ausgebildet wird und zur treibenden Kraft für die aktive Gestaltung von Ent-
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wiekhing wird" (Oerter & Dreher, 1998, S. 327). Das bedeutet, dass mit zunehmendem Alter mit größerer Souveränität und abhängig von eigenen Präferenzen über das ,Abarbeiten' der Entwicklungsaufgaben entschieden werden kann. Die in Tabelle 3 dargestellten Einschätzungen, für wie wichtig männliche und weibliche Jugendliche bestimmte Entwicklungsaufgaben halten, zeigt unterschiedliche Wertigkeiten nach Geschlecht und Zeitpunkt der Befragung. Mitte der 1980er Jahre waren die Themen Beruf und Identität für beide Geschlechter deutlich wichtiger als zwölf Jahre später. Im Jahr 1997 standen die peer-Beziehungen im Vordergrund; Fragen der Identität, Werte, Zukunfts- und beruflicher Perspektiven ruckten in den Hintergnmd. Die Akzeptanz des eigenen Körpers ist zu bei den Zeitpunkten fur Mädchen wichtiger, ein eindeutig geschlechterkonfonnes Rollenverhalten fur Jungen. Entwicklungsaufgabe
Einen Freundeskreis aufbauen
Jungen
Mädchen
Jungen
Mädchen
1985
1985
1997
1997
9
9
86
79
'
'
Veränderungen des Körpers und Aussehen akzeptieren
78*
88*
50*
73*
Sich männliches bzw. weibliches Rollenverhalten aneignen
58*
42*
68*
32*
Engere Beziehungen zu Freund/ Freundin aufnehmen
74*
49*
76
81
Ablösung von den Eltern
55*
64*
68
60
Sich Gedanken über Ausbildung und Beruf machen
94
94
77
77
Vorstellungen über zukünftige Partnerschaft/Familie entwickeln
46
50
20
28
Klarheit über sich selbst gewinnen
94
94
70
60
Eigene Weltanschauung/eigenes Wertesystem entwickeln
78*
92*
68
55
Zukunftsperspektive entwickeln (Lebensplanung, erreichbare Ziele formulieren)
80
86
65
71
Tabe lle 3:
Bedeutsamkeitseinschätzungen der Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen im Vergleich von zwölf Jahren (Angaben in Prozent; * signifikante Geschlechterunterschiede; Quelle: Oerter & Dreher, 2002, S. 270f.)
Die Verschiebungen der Prioritäten, die sich in den Befunden aus Tabelle 3 widerspiegeln, zeigen, dass Entwicklungsaufgaben und die Prioritäten, die ihnen Heranwachsende beimessen, alles andere als invariant sind und deutlich von gesellschaftlichen ,Großwetterlagen' ebenso wie von individuellen Merkmalen abhängen dürften. Mit dieser dreifachen Verortung in den Sphären Anlage, Umwelt und Persön-
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Peers - Alters- und Statusgleiche als Entwicklungshelfer und Einflussquelle
lichkeit ist das Konzept kompatibel zur Soziahsationstheorie, und diese Denkfigur hat auch in die Lesesozialisationsforschung Einzug gefunden, indem von Garbe, Holle und von Salisch (2006) mit der Zielperspektive eines lesekompetenten Menschen literale und literarische Erwerbsaufgaben formuliert wurden. Ein anderer, reiferer Umgang mit den peers bildet sowohl eine eigenständige Entwicklungsaufgabe als auch die Möglichkeit, die Höhen, Tiefen und Anforderungen der Jugend gemeinsam zu meistem. Allgemein werden hierfür Freundschaften nicht als Risikofaktoren gehalten,lO vielmehr stellen Forschungsüberblicke (z.B. von Salisch, 2007) die Eminenz von Freundinnen und Freunden für eine gelingende Bewältigung und Entwicklung heraus: Freundschaften (zumal mit einer gewissen affektiven Qualität und Intimität) helfen bei schulischen Problemen und Übergängen, stehen in Verbindung zu den Noten, und sie haben Effekte auf Depression und den Selbstwert. Insbesondere die engen Freundinnen und Freunde gelten als "echte ,Entwicklungshelfer'" (Seiffge-Krenke, 2004, S. 122), die mitunter in jeder Lebensphase dabei helfen dürften, sie erfolgreich zu bewältigen (vgl. Hartup & Stevens, 1997). Für eine gelingende Entwicklung genügt es laut Hartup (1996) allerdings nicht, Freunde zu haben, vielmehr seien zusätzlich Merkmale der Beziehung und des Freundes entscheidend (vgl. dazu auch die Systematisienmg bei Rubin et al., 2006, S. 576-579). Zusätzlich sind mitunter soziometrische und Netzwerk-Daten besser geeignet, Entwicklungsverlaufe vorherzusagen als Merkmale und Vorhandensein von Freundschaften bzw. Freundinnen und Freunden. Freundschaften scheinen demnach zwar einen eigenen Beitrag für die Entwicklung zu leisten, zugleich tun sie das im Ensemble vielfaltiger peer-Beziehungen (vgl. Gifford-Smith & Brownell, 2003), die für die empirische Identifizierung der Folgen und einflussreichen peers eine echte Herausforderung darstellen (vgl. Kindermann, 2008). Methodisch betrachtet ist es also gar nicht so leicht, den allseits postulierten positiven Folgen der peers (z.B. bei Fend, 2000, S. 309 und Hurrelmann, 2002, S. 240) auf die Spur zu kommen. Was aus Studien dazu bekannt ist, inwiefern Heranwachsende von ihren peer-Beziehungen profitieren, wird im Folgenden beleuchtet.
1.4 Empirische Längsschnitt-Befunde zum positiven Beitrag der peers in Kindheit und Jugend Die Forschung zu Einflüssen von peers auf Einstellungen und Verhalten von Kindern und Jugendlichen hat im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum in der an10
Berndt und McCandless (2009, S. 577) berichten zum Beispiel in ih rem Fo rschungsüb erblick davon, dass die Qualität der Freun ds ch aften keinen H aup t- oder m oderieren den E ff ekt auf das externalisierende Verhalten habe, so fern dessen Ausgangswerte bei den Be fragten bzw. deren Freundinnen und Fr eunden kontrolliert wu rde.
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gelsächsischen Forschungslandschaft eine mehr als hundertjährige Tradition (vgl. Ladd, 2009) - insbesondere die Soziometrie, mittels derer sich per Fremdbericht der soziometrische Status (z.B. Beliebtheit oder Ablehnung) von Individuen in Bezug auf eine Gruppe ermitteln lassen (vgl. Cillessen, 2009, S. 84). Die Zahl der Studien geht im englischen Sprachraum buchstäblich in die Abertausende, entsprechend unübersichtlich gestalteten sich methodische und theoretische Zugängeund natürlich die Befunde. Daher sollen und können an dieser Stelle keine umfassenden Darstellungen erfolgen (vgl. dazu Oswald & Uhlendorff, 2008; Rubin et al., 2006; von Salisch, 2000, 2007 sowie die Beiträge in Rubin, Bukowski & Laursen, 2009). Stattdessen sollen einige Befunde aus Längsschnittstudien vorgestellt werden, die zeigen, dass es einen zeitlich kausalen Zusammenhang zwischen gelingenden Anpassungsleistungen und peer-Variablen gibt. Dabei frappiert mit Blick auf die ex- und intensive peer-Forschung zweierlei: • Was bei der Sichtung der Forschungsergebnisse auffallt, ist die starke Konzentration auf die E iriflüsse vonpeers (z.B. Aggression, Devianz, Drogenkonsum, frühe oder riskante sexuelle Aktivitäten, Verhaltensauffilligkeiten), was sich außerdem in negativ konnotierten Begrifflichkeiten wie ,peer pressure' (Konformitätsdruck) oder - in letzter Zeit in Anlehnung an die Epidemiologie - ,peer contagion' (\Xlandel durch peer-Ansteckung) niederschlägt. In ihrem Forschungsüberblick berichten entsprechend Prinstein, Rancourt, Guerry und Browne, (2009, S. 554) von nicht weniger als 30 Langsschnittuntersuchungen, die den Folgen von peer-Ablehnung auf externalisierendes, d.h. "oppositionellaufsässiges, hyperaktives, antisoziales (Lügen) oder aggressives und damit insgesamt störendes Verhalten" (von Salisch, 2000, S. 372) nachgehen. Hinzu kommen jene Studien, die das internalisierende Verhalten in Abhängigkeit von peerVariablen untersuchen, also eine dauerhafte Wendung nach innen, die mit Problemen wie Ängstlichkeit, Zwangsverhalten, Selbstwerteinbußen und Depression einhergeht (vgl. ebd., S. 275). Während man also über den Zusammenhang von peer-Ablehnung und sozial unerwünschtem Verhalten einiges weiß (vgl. etwa Dodge, Coie & Lynam, 2006, S. 753-756), so sind E ffekt e von peers fü r die Genese prosozialen Verhaltens am ehesten noch bei jüngeren Kindern bekannt, kaum jedoch bei älteren oder bei Jugendlichen (vgl. Eisenberg, Fabes & Spinrad, 2006, S. 679--681). Diese Akzentuienmg unwillkommener Folgen in der Forschung steht in scharfem Kontrast zu dem positiven Potenzial, das einst Theoretiker wie Jean Piaget, James Youniss, Erik H. Erikson und Stack Harry Sullivan den peers in der Entwicklung zugestanden haben (vgl. Brown, Bakken, Ameringer & Mahon, 2008, S. 18; von Salisch, 2000, S. 368f.).
Peers - Alters- und Statusgleiche als Entwicklungshelfer und Einflussquelle
• Daneben fällt auf, dass viele Studien zeigen können, dass peer-Variablen mit individuellen Merkmalen zusammenhängen oder diese längsschnittlich vorhergesagt werden können. Was aber fehlt, ist ein genaueres Verständnis der Proz esse des peer-Einflusses. Anders gesagt: Es ist zwar bekannt, dass es einen Einfluss in Form der Vorhersage späterer Merkmalsausprägungen gibt, viel zu oft bleibt aber die Frage unbeantwortet, wie und warum er konkret zustande kommt. Neben methodischen Herausforderungen (vgl. etwa Kindermann, 2008) sind damit theoretische Überlegungen angesprochen, dass zum Verständnis von Verhaltensund Einstellungsanderungen diverse Merkmale der Einflussquelle (z.B. peer group und Freundin) und Zielperson, deren Beziehung zueinander, dem zu klärenden Verhältnis von Selektions- und Sozialisationseffekten bzw. deren Interaktion und die Domänenspezifik des peer-Einflusses ebenso wie Entwicklungsdynamiken zu berücksichtigen seien (vgl. Hartup, 2005). Doch was ist empirisch gesichert? Eines der eindrucksvollsten Beispiele für die Langzeitfolgen von peer-Beziehungen ist die Längsschnittstudie von Catherine Bagwell und Kollegen, die sich auf Daten aus knapp 20 Jahren stützen kann. Ob jemand in der fünften bzw. sechsten Klasse einen reziprok bestätigten Freund oder eine beste Freundin hatte, sagte einen höheren Selbstwert im Alter von 23 Jahren voraus und hing ebenfalls mit geringerer Depressivität zusammen. Daneben war die Beliebtheit ein eigenständiger Prädiktor für eine allgemein bessere Anpassung einerseits und besserer schulischer und beruflicher Leistungen sowie ambitionierterer Zukunftspläne andererseits (vgl. Bagwell, Newcomb & Bukowski, 1998, S. 148f.). In einer weiteren Welle, in der die nun Zß-jahrigen befragt wurden, sagte das reine Vorhandensein einer Freundschaft in der Präadoleszenz weniger depressive Stimmungen voraus; zugleich war der positive Beitrag der Beliebtheit für Anpassungsleistungen und Zukunfts aspirationen immer noch vorhanden (vgl. Bagwell, Schmidt, Newcomb & Bukowski, 2001, S. 40-42). Studien mit einer solch langen Laufzeit bilden jedoch leider die Ausnahme, dasselbe gilt fur die Kontrolle der Ausgangswerte, was nötig ist, um echte Einflüsse zu ermitteln und in Studien mit langer Laufzeit nicht immer möglich sein dürfte, da für Kinder und Jugendliche, die sich bekanntlich stark weiterentwickeln, nicht ohne weiteres dieselben Instrumente verwendet werden können.
Peers - Alters- und Statusgleiche als Entwicklungshelfer und Einflussquelle
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Abhängige Variable
Unabhängige Variable, Studie sowie Effekt als Folge (F = zusätzlicher Beitrag über Stabilität der abhängigen Variable hinaus) bzw. Tendenz (T = Vorhersagewert ohne Beri.icksichtigung des Ursprungswerts der abhängigen Variable)
Depressivität
Vorhandensein reziproker Freundschaften (T: Bagwell et al., 1998; Bagwell et al., 2001); Anzahl von Freundschaften (T: Pedersen, vrtaro, Barker & Borge, 2007); Empfänglichkeit für peer-Elnffüsse (F: Allen, Porter & McFarland, 2006)
Einsamkeit
Beliebtheit, Anzahl der Freunde (T: Pedersen et al., 2007; Kingery & Erdley, 2007a); Freundschaftsqualität (T: Kingery & Erdley, zoo-a)
Selbstwert
Sozialverhalten in der Schulklasse (T: Morisan & Mast e n, 1991); Vorhandensein einer reziproken Freundschaft (F: Bagwell et al., 1998)
lrrtemali-
Sozialverhalten in der Schulklasse (T: Morisan & Masten, 1991; Henricsson & Rydell, 2006); Freundschaftsqualität, Anzahl der Freunde, Beliebtheit, Viktimisierung (T: Waldrip, Malcolm & Jensen-Campbell, 2008); soziometrische und selbsteingeschätzte Beliebtheit (F: McElhaney, Antonishak & Allen, 2008); unterstützende Freundschaften (F: Hirsch & DuBois, 1992)
sierendes Verhalten
Externalisierendes Verhalten
Sozialverhalten in der Schulklasse (T: Morisan & Mast e n, 1991), Freundschaftsqualität, Beliebtheit (T: Waldrip et al., 2008); stark peer-induziertes Selbstbewusstsein (F: DuBois, Burk-Braxton, Swenson, Teve ndale, Lockerd & Moran, 2002); Devianz der Freunde (F: Reitz, Dekovic, Meijer& Engels, 2006); Wertschätzung delinquenten Verhaltens bei peers, Beliebtheit (T: Allen, Porter, McFarland, McElhaney & Marsh, 2005); soziometrische und selbsteingeschätzte Beliebtheit (F: McElhaney et al., 2008)
Soziale Kompetenz/sozial kompetentes Verhalten
Beliebtheit (F: Wentzel, 2003); Freundschaftsqualität und -stabürtät (F: Gauze, Bukowski, Aquan-Assee & Sippola, 1996); prosoziales Verhalten der Freunde (F: Wentzel, Caldwell & McNamara, 200 4); Interaktionshäufigkeit mit Freunden (F: Barry & Wentzel, 2006); Schul noten der peer group (F: Chen, Chang, Liu & He
Schulisches Engagement
Beliebtheit (T: Bagwell et al., 1998; Kingery & Erdley, 2007b); Stabilität von Freundschaften (T: Aikins, Bierman & Parker, 2005); Engagement der peers in der Schulklasse (F: Kindermann, 2007); Ehrgeiz des Freundes nach guten Noten (F: Altermatt & Pomerantz, 2003), Noten der Freunde (F: Cook, Deng & Morgano, 2007)
Schulnoten
Beliebtheit (F: Kingery & Erdley, zoo-a), prosoziales Verhalten in der Schulklasse (T: Morisan & Masten, 1991); Noten der engen Freunde (F: Altermatt & Mounts & und
Freundschaftsstabilität
Depressivität (F: Chan & Poulin, 2008); extemalisierendes Verhalten, Vlktirnlsierung, Beliebtheit (F: Ellis& Zarbatany, 2007)
Beliebtheit
extemalisierendes Verhalten (T: Pedersen et al., 2007); Empfänglichkeit für peer-Elnüüsse (F: Allen et al., 2006)
Tabelle 4:
Längsschnittliche Effekte von peer-Variablen auf Individuen bzw. von individuellen Merkmalen auf peer-Variablen im Überblick
Peers - Alters- und Statusgleiche als Entwicklungshelfer und Einflussquelle
Im Folgenden werden per Längsschnitt ermittelte positive Folgen (Effekte mit Kontrolle der Ausgangswerte) präsentiert. Sie werden flankiert von Befunden, die auf eine positive Tendenz (Längsschnitt-Effekte ohne Kontrolle der Ausgangsvariable) hinweisen. Dabei werden sowohl Studien mit soziometrischen als auch mit Freundschaftsvariablen berücksichtigt, die zum einen peer-Effekte während der Jugend zum Gegenstand hatten oder zum anderen, die von der Kindheit in dieJugend hinein bzw. von der Jugend aus ins Erwachsenenalter beobachtet wurden. Die interessierenden Variablen sind in- und externalisierendes Verhalten sowie schulbezogenes Verhalten (Engagement im Unterricht, Schulübergang, Noten); der Fokus liegt auf der Zeit der frühen Jugend. Tabelle 4 gibt einen Überblick über die abhängigen und unabhängigen Variablen und ob es sich beim Effekt um eine statistische Tendenz oder Folge handelt. 1-4.1
Peers und internalisierendes Problemverhalten
Der positive Beitrag, den peers für die Entwicklung leisten, wird in der gegenwärtigen Forschungslandschaft häufig über eine ex-negativo-Argumentation dargestellt, indem bestimmte peer-Variablen das unerwünschte - in diesem Falle in- und externalisierendes - Verhalten verhindern. Daneben gibt es Hinweise, dass sie auch prosoziales Verhalten und ein schulkompatibles Verhalten fördern. In dieser Reihenfolge, nach innen und nach außen gerichtetes negatives sowie fürsorgliches Verhalten und gelingende Anpassung an schulische Erfordernisse, werden die Befunde präsentiert. Der schon oben erwähnten auf lange Sicht zu beobachtenden Tendenz, dass Präadoleszente mit wechselseitigen Freundschaften später weniger an Depressivität im Alter von 23 bzw. 28 Jahren zu leiden hatten (Bagwell et al., 1998, 2001), steht in gewisser Weise eine Folge von Empfänglichkeit für peer-Einflüsse und Depressivität gegenüber. In einer Studie, in der Jugendliche und ihre Freunde bei der gemeinsamen Losung einer Aufgabe mit einem moralischen Dilemma beobachtet wurden, ließen sich zwei Folgen beobachten: Wer sich als 13-Jähriger bei unterschiedlichen Auffassungen schnell der Meinung des Freunds anschloss und seine eigene aufgab, neigte bei Kontrolle der Ausgangswerte ein Jahr später dazu, stärker depressiv zu sein (vgl. Allen et al., 2006, S. 1667). Dieser Befund bezieht sich auf eine Eigenschaft des Individuums, und er ist um einen strukturellen Zusammenhang zu ergänzen. Denn Pedersen und Kollegen (2007, S. 1044) konnten zeigen, dass eine größere Anzahl von Freundschaften im Alter von zehn bis elfJahren zwei Jahre später mit weniger Symptomen der Depressionen einherging. Freunde können aber nicht nur vor Depressionen schützen, sondern auch vor dem Gefühl der E insamk eit, die besonders dann drohen dürfte, wenn man von einer
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Schulform in eine andere wechselt und das über Jahre existierende peer-Gefüge sich massiv verändert. Deshalb sind die Ergebnisse einer Studie mit amerikanischen Fünftklässlern von Interesse, die eineinhalb Jahre danach noch einmal untersucht wurden (Kingery & Erdley, 2007a). Hier bestand die Tendenz, dass eine Vielzahl von Freunden tendenziell vor Einsamkeit bewahrt. Die untersuchten Sechstklässler fühlten sich außerdem weniger allein, wenn die Freundschaften von Nähe und Unterstützung geprägt waren und sie von den Klassenkameraden gemocht wurden; ganz ähnliche Befunde stammen von Pedersen et al. (2007). Wie folgenreich auf lange Sicht Freunde sind, haben Bagwell et al. (1998) demonstriert: Noch 13 Jahre nach der ersten Befragung hatten jene jungen Erwachsenen einen höheren Se/bstwert als diejenigen, die als Fünft- bzw. Sechstklässler keine wechselseitig bestätigte Freundschaft hegten. Einen ähnlichen Effekt, aber hier als Tendenz fanden Morison und Masten (1991): Wer von seinen Klassenkameraden in der Grundschule als sozial verträgliche Person beschrieben wurde, hatte sieben Jahre später aus Sicht seiner oder ihrer Eltern im Alter von 14 bis 19 Jahren einen höheren allgemeinen Selbstwert. Bestimmte peer-Variablen gehen also langfristig mit einem Schutz vor Missstimmungen und einem gesteigerten Selbstwertgefühl einher, sie führen sogar dazu, dass internalisierendes Verhalten rückläufig ist. Zum Beispiel liefen die als umgänglich geltenden Grundschülerinnen und Schüler aus der Studie von Morison und Masten (1991) sieben Jahre später weniger Gefahr, internalisierendes Verhalten zu zeigen. Dass sich ein positiver Umgang mit den peers aus der Schulklasse ebenfalls bei Jüngeren auszahlt, illustriert die Studie von Henricsson und Rydell (2006). Wer sich in der dritten Klasse seinen Mitschülern gegenüber aus Sicht der Lehrer einladender und generöser verhielt, neigte drei Jahre später deutlich weniger zu in- und externalisierendem Verhalten. Außerdem waren Kinder, die in der Grundschule zwar einen Hang zu internalisierendem Verhalten aufwiesen, sich jedoch den Mitschülern freundlicher gegenüber benahmen, drei Jahre später besser in der Schule und bei ihren Klassenkameraden beliebter. Zugleich hatten sie den Hang zu Zweifeln und Sorgen wenigstens zum Teil hinter sich gelassen. Ein freundlicher Umgang mit anderen scheint demnach für eine bestimmte Gruppe von Kindern, nämlich die grüblerischen und von Selbstzweifeln geplagten, hilfreich zu sein. Für die schwierige Phase des Schulübergangs erwiesen sich bei amerikanischen Sechstklässlern unterstützende und von Intimität geprägte Freundschaften als hilfreich, denn sie schützten vor Symptomen wie Ängstlichkeit und Depressivität (vgl. Hirsch & DuBois, 1992, S. 341). Ein ähnlicher Effekt ließ sich in einer kurzen Längsschnittstudie über ein halbes Jahr mit Fünft- bis Achtklässlern ebenfalls beobachten (\X!aldrip et al., 2008), hier waren jedoch andere peer-Variablen be deut-
4°
Peers - Alters- und Statusgleiche als Entwicklungshelfer und Einflussquelle
sam: Eine hohe Akzeptanz und Freundschaftsqualität sowie eine höhere Anzahl von Freunden sagten geringere problematische Entwickhmgen voraus. Je weniger jemand von anderen ignoriert oder schikaniert wurde, desto geringer waren die internalisierenden Verhaltensweisen ausgeprägt. In der Interaktion der peer-Merkmale zeigte sich die exponierte Stellung der Freundschaftsqualität. Diejenigen Befragen, deren Akzeptanz und Anzahl der Freundschaften mittlere oder niedrige Werte aufwiesen, die aber qualitativ hohe Freundschaften pflegten, wiesen deutlich niedrigere Werte bei den Fehlanpassurigen auf. Auch in der Studie mit 13-Jährigen, die von McElhaney et al. (2008) zwei Mal befragt wurden, ließ sich dieser Effekt, dieses Mal aber als Folge beobachten: Je weniger soziometrisch beliebt jemand war und je weniger die Person sich selbst als fähig beschrieb, peer-Beziehungen aufzubauen, als desto zurückgezogener galt sie in der Klasse. 1-4.2
Peers und externalisierendes Problemverhalten
Die zum Ende des vorherigen Abschnitts beschriebenen Befundmuster gelten anscheinend ebenfalls für ein anderes normativ unerwünschtes, nämlich das externalisierende Verhalten. Hier lassen sich die geschilderten Befunde in den Studien mit leichten Modifikationen wieder finden: Bei Morison und Masten (1991) waren in der Wahrnehmung der Klassen sozial verträglichere Grundschulkinder sieben Jahre später weniger aggressiv; das umgekehrte Muster war bei jenen zu beobachten, die in der Kindheit durch störendes Verhalten auffielen. Im Sampie von Waldrip et al. (2008) legten diejenigen mehr enervierendes bis aggressives Verhalten an den Tag, deren Freundschaften weniger intim und unterstützend waren und die weniger beliebt waren. In den Regressionsanalysen von McElhaney et al. (2008) zeigte sich, dass jemand im Alter von 14 Jahren über den ein Jahr zuvor ermittelten Ausgangswert hinaus als aggressiver und feindseliger von den engen Freunden beschrieben wird, wenn er oder sie selbst meinte, nicht sehr fähig zu sein, Freundschaften zu schließen, oder sich nicht beliebt fühlte. Je weniger soziometrisch beliebt jemand in der Klasse war, desto stärker ausgeprägt war dieser Effekt. Daneben gab es bei Siebt- und Achtklässlem die beobachtbare Folge, dass selbst beliebte Jugendliche ein stärker ausgeprägtes abweichendes Verhalten in Form leichter Delinquenz an den Tag legen (ohne Bezahlen ins Kino gehen, Gegenstände im Wert von weniger als 5 $ stehlen; Allen et al., 2005). Bei Kontrolle des Ausgangsniveaus des geringfügig delinquenten Verhaltens zum ersten Messzeitpunkt (im Alter von 13 Jahren), Geschlecht sowie ethnischer Herkunft waren zwei Variablen vorhersagestark für ein stärker ausgeprägtes Verhalten zum zweiten Messzeitpunkt. Zum einen handelte es sich um einen hohen soziometrischen Status und zum anderen um das Ausmaß, in dem aus
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Sicht der Befragten die peers abweichendes Verhalten positiv schätzten. Bei denjenigen, deren peers normabweichendes Verhalten am Anfang der Studie zu begrüßen schienen, sind es gerade die beliebten Jugencllichen, die dieses Verhalten an den Tag legen. Beliebtheit sagte jedoch ebenfalls verringerte Maße an feindseligem Verhalten voraus. Die eben angedeuteten zwei Seiten der peers lassen sich in einer weiteren über zwei Jahre laufenden Studie mit 10- bis 15-Jährigen wieder finden. In ihr wurden die Jugencllichen gefragt, wie sie die Unterstützung von Erwachsenen und Gleichaltrigen wahrnehmen, und dies wurde in Bezug zum späteren Selbstwertgefühl und Verhalten gesetzt. Allgemein sagte ein unterstützendes Umfeld einen höheren Selbstwert und dieser weniger in- und externalisierendes Verhalten voraus. Interessanterweise gab es hierbei folgenden E ffek t: Beschrieben die Befragten den peerKontext als unterstützender als den mit Erwachsenen und speiste sich ihr Selbstwertgefühl infolgedessen eher in Bereichen, in denen die peers relevant sind (peerBeziehungen, Aussehen, Sport), waren sie delinquenter und aggressiver. Anscheinend spielt die Balance zwischen den Werten von peers und Erwachsenen eine entscheidende Rolle dafür, ob normativ unerwünschtes Verhalten stärker ausgeprägt auftritt. Daneben sind, so die Ergebnisse von Reitz et al. (2006) , auch die Verhaltensweisen von Freunden bedeutsam. Ihr illlangepasstes Verhalten sagte bei den Befragten über das im Alter von 13 Jahren gezeigte Problemverhalten (Aggression, Delinquenz, Ungehorsam, Schulprobleme) voraus. Hier schien eine Verstärkung vorzuliegen.
1-4.3 Peers und prosoziales Verhalten Etwas Ähnliches gilt für die Verhaltensweisen, die anders als die bisher vorgestellten, normativ erwünscht sind: scoial kompetentes V erhalten. 11 Dass Freunde fur prosoziales Verhalten bedeutsam sind, illustrieren die Ergebnisse gleich zweier Studien. In der ersten mit Sechstklässlern, die in Klasse 8 erneut untersucht wurden, wurden jene Jugencllichen als fürsorglicher beschrieben, deren Freunde sich zu Beginn der Studie durch eine höhere Hilfsbereitschaft auszeichneten als sie selbst. Sie profitierten gewissermaßen von ihren Freunden - und zwar über das zu Beginn der Studie gezeigte Verhalten und die soziale Motivation hinaus. Umgekehrt ließ sich eine Annähenmg an die Werte der Freunde feststellen: Waren jene weniger prosozial als die Befragten, so ließ deren Grad an helfendem Verhalten im Lauf der Zeit eben-
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D ie große Rub rik "soziale Kompetenz" umfasst eine Vielza hl von Fähigkeiten und Einsch ätzungen, was b ei diese m uneinheith ch verwendeten Begri ff fast schon in der N atur de r Sache liegt (vgL fü r Modellvergleich e Rose-Krasnor (1997) un d von Salisch (2002); ein Modell de r sozialen Ko m petenz fin det sich b ei Rcse-Krasnor und D enham (2009)).
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Peers - Alters- und Statusgleiche als Entwicklungshelfer und Einflussquelle
falls nach (vgl. Wentzel et al., 2004, S. 200f.). In derselben Studie war zudem eine Ablehnung durch die Klassenkameraden in Klasse 6 bei Kontrolle der Ausgangswerte ebenfalls ein Garant dafür, dass sich jemand weniger um die Belange der anderen und um Regeln in Klasse 8 kümmerte (vgl. Wentzel, 2003, S. 20). Bei älteren Jugendlichen ließ sich etwas Vergleichbares finden: Je fürsorglicher der Freund von anderen in Klasse 9 eingeschätzt wurde, desto stärker neigte die Zielperson per Selbstauskunft dazu, sich anderen gegenüber hilfsbereiter zu zeigen - allerdings nur dann, wenn beide Freunde häufig miteinander interagierten (vgl. Barry & Wentzel, 2006). Chen und Kollegen (2008) untersuchten bei chinesischen Dritt- und Sechstklässlern Sozialverhalten und -kom p eten z sowie schulische Leistungen in Abhängigkeit von Merkmalen ihrer Freundesgruppen im Abstand von zwei Jahren (also erneut in Klasse 5 bzw. 8). Je besser die durchschnittlichen schulischen Leistungen der Mitglieder in der peer group zum ersten Messzeitpunkt waren, als desto beliebtere und sozial umgänglichere und fähigere Personen wurden die Befragten zwei Jahre später beschrieben und desto weniger soziale Probleme (Ablehnung durch peers, aggressives bzw. externalisierendes Verhalten) zeigten sie. Dass Freunde in bestimmten schwierigen familialen Konstellationen ein Gewinn sein können, zeigte die Studie von Gauze et al. (1996). Denn die von ihnen untersuchten elfjährigen Kinder aus Familien, die eine geringere Anpassungsfähigkeit in Stresssituationen aufw-iesen, waren auf doppelte Weise in ihrer selbsteingeschätzten sozialen Kompetenz anfällig für Verändenmgen in Freundschaften. Verloren sie im Laufe des einjährigen Untersuchungszeitraums einen Freund, so sank ihre soziale Kompetenz relativ stark; umgekehrt erhöhte sich der Wert durch den Aufbau einer reziproken Freundschaft. Nahm die Freundschaftsqualität im Laufe des Jahres ab (weniger Intimität, Unterstützung, Sicherheit und Geselligkeit), ging dies ebenfalls mit geringerer Sozialkompetenz einher.
1.4.4 Peers und schulischer Erfolg In der schon erwähnten Studie von Morison und Masten (1991) zeichnet sich als eine Tendenz ab, dass die als fürsorglich eingeschätzten Kinder später in der Jugend einen höheren schulischen Erfolg (Noten, schulischer Selbstwert) hatten. Auch die von Kingery und Erdley (2007b) untersuchten Fünftklässler hatten eineinhalb Jahre später tendenziell umso bessere Schulnoten, je beliebter sie bei der ersten Befragung waren. Diese Tendenz ließ sich von den Autorinnen noch einmal an einem größeren Sampie replizieren, wobei die Akzeptanz hier selbst bei Kontrolle der Ausgangswerte bessere Noten voraussagte. Dies als Folge auch fur das prosoziale Verhalten nachzuweisen schlug bei den Sechstklässlern aus einer Studie,
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die nach zwei Jahren nochmals befragt wurden, zwar fehl, verweist aber möglicherweise auf einen Mediator-Effekt: Hier waren die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus Freunden und - nur bei den Mädchen - die Beliebtheit in Klasse 6 dazu geeignet, die Schulnoten vorherzusagen; dieser Effekt verschwand jedoch, sobald die erklärungs starken Schulnoten aus Klasse 6 und prosoziales Verhalten in Klasse 8 berücksichtigt wurden. Wie fürsorglich jemand in Klasse 8 war, ließ sich wiederum auf die Schulnoten zwei Jahre zuvor zurückführen, die zum ersten Messzeitpunkt eng mit Freundschaften und Beliebtheit zusammenhing. Die Autorinnen vermuten daher, dass prosoziales Verhalten die Klammer zwischen späterem schulischen Erfolg und dem früheren Erfolg bei peers ist (vgl. Wentzel & Caldwell, 1997, S. 12051207). Einem ebenfalls auf Gruppenebene zu lokalisierenden E in flu ss ging eine amerikanische Studie mit Sechstklässlern nach. Hier war das von Lehrern beobachtete Engagement im Unterricht von Interesse, welches im Abstand eines halben Jahres zweimal beurteilt wurde . Bei Kontrolle des Ausgangswertes, Geschlecht und dem Engagement der Eltern und Lehrkräfte in die Beziehungen zu den Kindern waren zwei peer-Variablen bedeutsam. Je größer die Gruppe der Freunde war, desto geringer fiel die Beteiligung am Unterrichtsgeschehen aus, dafür sagte jedoch der Durchschnittswert aller Freunde hinsichtlich des Engagements bei der ersten MesSilllg voraus, wie aktiv und gern sich ein Befragter ein halbes Jahr später im Unterricht beteiligte (vgL Kindermann, 2007, S. 1198). Für die von Ryan (2001) zweimal Befragten aus siebten Klassen ließ sich etwas Ähnliches feststellen: Je besser die durchschnittlichen Noten und die intrinsische schulische Motivation der Freundesgruppen waren, desto besser waren ein halbes Jahr später unter Berücksichtigung der eigenen Ausgangswerte schulische Leistungen und die Freude an schulischen Inhalten und Tätigkeiten. Nicht nur peer groups stehen in Zusammenhang mit Schulnoten, sondern auch Freundschaften. Bei den zweimalig im Abstand eines Jahres befragten Jugendlichen aus neunten bis elften Klassen ermittelten Mounts und Steinberg (1995), dass der von ilmen als erste Person genannte Freund bzw. die zuerst genannte Freundin offenbar eine wichtige Person ist. Welche Schulleistungen er bzw. sie bei der ersten Befragung aufwies, sagte bei Kontrolle von Geschlecht und den eigenen Ausgangswerten die Noten des Zieljugendlichen ein Jahr später voraus. Die Noten von Freunden waren ebenfalls in einer anderen amerikanischen Studie (Cook et al., 2007) wichtige Prädiktoren. Für die untersuchten Siebtklässler ließen sich Unterschiede in Mathematik-Tests und -Leistungen in der achten Klasse bei Kontrolle der Ausgangswerte darauf zurückführen, welche durchschnittlichen schulischen Leistungen die Freundinnen und Freunde erbrachten. Anders als bei Altermatt und
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Pomerantz (2003) sowie Mounts und Steinberg (1995) waren die Zensuren der Freunde nicht geeignet, die eigenen Noten vorherzusagen, dafür schwänzten Präadoleszente weniger die Schule, wenn sie schulisch leistungsstarke Freunde hatten (vg1. Cook el al., 2007, S. 343). Freundschaften helfen außerdem dabei, normative Entwicklungsübergange wie den Schulwechsel erfolgreich zu meistem. In der einjährigen Studie von Aikins et al. (2005) ließ sich Folgendes feststellen: Wer enge Freunde über den Wechsel von der sechsten zur siebten Klasse behielt, berichtete (wie auch die eigene Mutter) davon, sich in der Schule angepasster zu verhalten und dort weniger Probleme zu haben. Und noch eine positive Folge haben (stabile) Freundschaften: Denn wer in der Studie von Altermatt und Pomerantz (2003) mit Viert- bis Sechstklässlern einen ehrgeizigen Freund hatte, dem es wichtig war, bestimmte Noten zu erreichen, profitierte davon ein halbes Jahr später insofern, als bei Kontrolle des Ausgangswerts die eigene Ambition ebenfalls gestiegen war. Dasselbe war bei den Noten der Fall: Je höher die eines Freundes oder einer Freundin waren, desto besser waren die eigenen Zensuren unabhängig vom Ausgangsniveau.
1.4.5 Stabilität von Freundschaften und Beliebtheit als abhängige Variablen Die bisherigen Ausfuhnmgen gingen immer davon aus, dass individuelle Verhaltensvariablen von peer-Variablen beeinflusst werden. Es gibt aber auch Studien, die die Wirkungs relation anders modellieren, nämlich von individuellen Merkmalen auf die peers. So standen in der Studie von Chan und Poulin (2008), die über ein knappes halbes Jahr 12-Jährige im monatlichen Abstand untersuchten, Symptome der Depression bei Kontrolle der Ausgangswerte der Stabilität von Freundschaften eher im Weg. Aufkurze Sicht schützten stabile Freundschaften demnach nicht vor Verstimmungen. Vielmehr waren depressive Heranwachsende weniger in der Lage, dauerhaft Freundschaften zu erhalten. Daneben gibt es weitere Hinweise für Risikofaktoren, wie es die kurze Längsschnittstudie (über zwei Monate) mit Fünft- bis AchtklässlerIrmen zeigt, die Ellis und Zarbatany (2007) unternommen haben. Werm jemand als offen aggressiv galt (Kämpfe begann oder andere schikanierte) bzw. Opfer von derben Scherzen anderer wurde oder von ihnen absichtlich gemieden wurde (Viktimisienmg), hatte diese Person tendenziell seine urspriinglichen Freundinnen und Freunde verloren bzw. im Fall der viktimisierten Heranwachsenden Kinder eher Probleme, neue Freunde zu finden. Beliebtheit hingegen ging mit stabileren Freundschaften einher. Wer in der Studie von Allen et al. (2006) empEinglich für peer-Einflüsse war, war jedoch auch bei Kontrolle der Ausgangswerte später weniger beliebt. Anscheinend sind also für ein hohes Maß an Popularität Fühnmgsqualitäten gefragt.
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Friihes externalisierendes Verhalten (im Alter von sechs bis sieben Jahren) ist in der Tendenz hingegen weder dazu geeignet, zwei Jahre später für Beliebtheit zu sorgen, noch haben die Kinder dann mehr Freunde (zumal wenn sie von Lehrern und Müttern als ängstlich und zuriickhaltend beschrieben wurden). Ablehnung im Alter von sechs bis sieben Jahren sagte hingegen sogar noch die Beliebtheit vier Jahre später voraus (vgl. Pedersen et al., 2007).
1.5 Zusammenfassung Am Anfang dieses Kapitels wurden der peer-Begriff expliziert und die Mannigfaltigkeit der peer-Zusammenschlüsse nebst ihren Funktionen angerissen. Zugleich wurden Arbeitsdefinitionen der Begriffe ,Freundschaft' und .Clique' erarbeitet. Sie bilden analytische Kategorien, in der Lebenswelt von Heranwachsenden mit ihren zum Teil sehr fluiden Beziehungen (vgl. Altermatt & Pomerantz, 2003, S. 119; Cairns el al., 1995, S. 1336f.; Chan & Poulin, 2008, S. 11, 13; Kindermann, 2007, S. 1193f.) durchtränken sich die verschiedenen Beziehungsformen. Freunde können Mitglieder in der Clique sein, beste Freunde können zu reinen Cliquenmitgliedern oder Bekannten ,degradiert' werden. Dass Berndt und McCandless (2009, S. 65) vorschlagen, Freundschaften als ein Kontinuum mit den Dimensionen Mögen und Kennen zu begreifen, erscheint daher angemessen. Peers - und hier vor allem den Freunden - wird in der Entwicklungspsychologie zugestanden, einen wichtigen, möglicherweise sogar einzigartigen Entwicklungskontext zu bieten (vgl. Newcomb & Bagwell, 1995; Youniss, 1998). Weil sie sich in ihren Beziehungen infolge der symmetrischen Reziprozität auf Augenhöhe befinden und interagieren und weil Merkmale der positiven Freundschaftsbeziehungen Offenheit und Vertrauen fördern, bieten sie die Möglichkeit, einander zu unterstützen und die Höhen und Tiefen der Jugend zu überstehen und gemeinsam die Anfordenmgen zu bewältigen, die der Katalog der Entwicklungsaufgaben an Heranwachsende adressiert. Dabei ist die Gestaltung der peer-Beziehungen einerseits selbst eine Entwicklungsaufgabe eigener Dignität, andererseits dürfte sie in einem engen Konnex mit andern (z.B. der Ablösung von den Eltern) stehen.
Da den peers allgemein attestiert wird, entwicklungsrelevant zu sein, liegt es nahe, dies auch empirisch zu prüfen, was in der angelsächsischen Forschung deutlich ausgeprägter der Fall ist als hierzulande. Die peer-Forschung hat dabei ein merkliches Gewicht auf die negativen Folgen gelegt, insbesondere riskantes Verhalten in seinen vielfaltigen Erscheinungsformen ist ein stark bearbeitetes Forschungsfeld. Der dezidiert positive Blick auf peers ist seltener. Angesichts des umfassenden Schrifttums zu peer-Effekten konnte in diesem Kapitel nur ein Ausschnitt der erfahrungswissenschaftliehen Arbeiten präsentiert wer-
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den. Dabei gingen in die Vorstellung nur Längsschnitt-Studien ein, um so zu demonstrieren, dass ein zeitlich friiher ermitteltes Merkmal mit einem später gemessenen eine Verbindung aufweist. Nicht immer konnten sie einem strengen Kriterium genügen, das hier als Folge bezeichnet wurde und meinte, dass mit dem gleichen Instrument ermittelte Ausgangswerte der interessierenden Variable statistisch berücksichtigt wurden, um so eine Überschätzung des peer-Effekts zu verhindern. Entsprechend wurden weitere Longitudinal-Untersuchungen hinzugezogen, die Tendenzen (Effekte ohne Kontrolle der abhängigen Variablen) zeigen konnten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Studien sowohl in der Dauer ihres Untersuchungszeitraums (von zwei Monaten bis 18 Jahren) als auch in den peer-Variablen erheblich differieren: Mal waren es gruppenbezogene Maße wie der soziometrische Status, mal strukturelle Merkmale von Freundschaften (Stabilität, Grad der Intimität etc.), mal Eigenschaften der befreundeten Person. Einige Studien fokussierten auf reziprok erwiderte Freundschaften, andere verwendeten Fremdberichte über peer groups. All dies ist aus Gründen der Komplexitätsreduktion in der vorherigen Darstellung nicht ausführlich dargestellt worden, zeigt aber die Bandbreite der methodischen Zugänge, die einerseits gegenstandsangemessen erscheint, andererseits die Vergleichbarkeit der Studien erschwert. Zugleich sagen die Befunde, dass es einen Effekt gibt, wenig darüber aus, wie er zustande gekommen ist, d.h. welche Prozesse und Dynamiken dafur verantwortlich sind. Die Ergebnisse aus den referierten Studien weisen zum einen auf die positiven Folgen und Tendenzen von Popularität, engen Freundschaften und prosozialen oder auch schulisch ambitionierten Freunden fur eine gelingende Anpassung hin. Peers stehen in einem Verhältnis zum Wohlbefmden, indem sie Depressivität und Gefuhle der Einsamkeit abzupuffern scheinen und sozialer Ängstlichkeit Vorschub leisten. Hier scheinen vor allem Freundschaften protektiv zu sein, die von einem hohen Maß an Rückhalt und Vertrauen geprägt sind. Stabile Freundschaften mit sozial versierten Freunden helfen außerdem dabei, die eigene soziale Kompetenz zu verbessern. Hat man hingegen aggressive Freunde, ist die Gefahr groß, dieses Verhalten ebenfalls verstärkt zu zeigen. Leistungsbereite und -starke sowie sozial kompetente Freunde zu haben, ist in der Schule nützlich, denn dies geht mit besseren Schulnoten und weniger Problemen in der Schule einher. Freilich ist dieses Verhältnis von den peers auf die interessierende Variable auch umgekehrt denkbar und ebenfalls Gegenstand von Studien. So sehr Freundschaften vor Depressionen zu schützen scheinen, so sehr stehen diese stabilen Freundschaften im Weg. Wer sich peers zu ängstlich oder zu offensiv, nämlich externalisierend zeigt, findet weniger Anschluss und ist weniger beliebt.
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Welche Rolle peers in der Lesesozialisation spielen, ist bislang kaum untersucht worden. Allerdings wird für die Zeit nach dem Schriftspracherwerb, der Phase der ,selbstständigen Lektüre', die Bedeutung der peers und die lesebezogenen Interaktionen (Anschlusskommunikationen) mit peers prononciert (vgl. z.B. Becker, Elias, Hurrelmann, Odag & Wilberl, 2002, S. 199; Garbe el al., 2006, S. 138, 144). Das Besondere an der Lesesozialisation im Kontext der peers ist, dass sie Sozialisationsagentur und Sozialisanden zugleich sind. Dieses Grundverständnis eines wechselseitigen Einflusses ist in dem Konzept von Lesesozialisation als Ko-Konstruktion explizit enthalten (vgl. Groeben, 2004b), im Falle der peers als informeller Lesesozialisationeinstanz ist dieses Verständnis noch einmal wegen der symmetrischen Reziprozität als der Basis der peer-Beziehungen gewissermaßen radikalisiert. Hinzu kommt, dass die Heranwachsenden in ihrer Entwicklung als Leserinnen bzw. Leser vermutlich ähnlich weit sind, es hier also keinen ,Vorspnmg' wie in den Lesesozialisationsinstanzen mit Erwachsenen, namentlich der Familie und der Schule, gibt. Das richtet zwangsläufig den Blick auf das Lesen in Kindheit und Jugend, um erstens die Entwicklungsdynamik in der Lesesozialisation zu verstehen und zweitens damit zugleich jene Aspekte des Lesens herauszuarbeiten, auf die die peers vermutlich Einfluss nehmen. Das folgende Kapitel gibt deshalb zunächst Einblick in die Bereiche Lesekompetenz, -motivation und -verhalten, Kapitel 3 legt dar, für welche Aspekte peers relevant sind.
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Das Lesen von Heranwachsenden hat nach den großen Leseleistungsstudien des vergangenen Jahrzehnts verstärkte Aufmerksamkeit gefunden. Die Brisanz des Themas kam vor allem dadurch zustande, dass Studien wie PISA oder DESI einem großen Anteil deutscher Jugendlicher am Ende der Pflichtschulzeit attestierte, über ein für die Teilhabe an literalen Gesellschaften in der gegenwärtigen Verfasstheit notwendiges Maß an Lesefähigkeiten nicht zu verfügen (vgl. Artelt et al., 2001, S. 103-105; Drechsel & Artelt, 2007, S. 241; Ga.ilberger & Willenberg, 2008, S. 66; OECD, 2001, S. 322, 2004, S. 497, 2007, S. 225f; Schaffner, Schiefele, Drechsel & Artelt, 2004, S. 105). Insbesondere Jugendliche aus sozial schwachen Familien und mit :Migrationshintergrund, die zudem häufig in formal niedrigeren Schulformen anzutreffen sind, sind von einem defizitär zu nennenden Leseverständnis besonders stark betroffen, das basale Fertigkeiten nicht überschreitet (vgl. Baumert & Schümer, 2001; Rolff, Leucht & Rösner, 2008, S. 296; Stanat & Schneider, 2004). Das verweist auf die soziale Bedingtheit des Leseverstehens und damit darauf, Lesekompetenz" als normativ bestimmbares Ziel wie empirisch nachweisliche Ausprägung ge- bzw. misslingender Lesesozialisation zu verstehen (vgl. Hurrelmann, 2oo4c). Die Forschung zur Lesesozialisation fragt nach den Prozessen, "die auf individuell-biografischer Ebene zur Entwicklung der Fähigkeit, Motivation und Praxis führen, geschriebene Sprache im Medienangebot zu rezipieren" (Rosebrock, 2006, S. 443). Demnach wäre der Zielhorizont zwangsläufig ein lesendes Individuum, das zur Teilhabe an einer literalen Gesellschaft lesen und schreiben können muss und soll (vgl. Groeben, 2002b, S. 18; umfassend: Sting, 2003). Wenn der Weg zur Literalität und zum Lesen in den Blick geraten, bedarf es nach Auffassung von Hurrelmann (2002, S. 13) eines weiter gefassten Begriffs des Lesens in Form einer kulturellen Praxis: "Als M om ent re aler ku ltu reller P raxis umfasst das Lesen eben ni cht nur k ognitive P ro zesse. Z u seiner A ufnahme bedarf es der Mo tiv ation , T ex tv ersteh en wi rd von E m oti onen b egleitet, Re flexionen u n d B ew ertu n gen münden ein in Anschlussk ommunikation en , die allererst die Ve rbin-
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E s gibt ein e inzwischen kaum noch zu ü berschauende Vie lza hl vo n Publikation en über und D efinition en sowie Operaticnalisie rungen vo n L esek om p eten z. In dieser Arbeit soll als Mini m alk on sens da runter die " Disposition, die P ersonen bef:ilii.gt, b estimmte A rten v on text- und leseb ezogen en Anforde rungen er folgreich zu b ew ältigen " (Ar te1t et al., 2005, S. 11), ve rstanden werden.
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dung h erstellen zwisc hen dem Lesen un d der von PI SA p ostul iert en Teilhab e de r Leser an gese llschaftliche r Kom m unikation."
In diesem Verständnis stellen Emotionen, Motivationen und Anschlusskommunikationen neben den in den großen Leseleistungsstudien getesteten Fähigkeiten eigene und gleichwertige Teildimensionen der Lesekompetenz dar (vgl. Hurrelmann, 2007). Unter der Perspektive des Erwerbs von Lesekompetenz lässt sich diese Sicht etwas abwandeln, indem man die Anschlusskommunikation und die Lesemotivation als eine wichtige Bedingungen betrachtet (vgl. Möller & Schiefele, 2004; Groeben, 2002a, S. 172; Sutter, 2002, S. 95-97; Charlton & Sutter, 2007, S. 39). Holzschnittartig heße sich die postulierte Wirkkette so beschreiben: Die Anschlusskommunikation mit wichtigen sozialen Interaktionspartnern wie Eltern und peers wirkt sich positiv auf die Lesemotivation aus, welche zu einem intensivierten Leseverhalten führt, durch das die Lesekompetenz gesteigert werden kann. Dazu hegt ein elaboriertes Erwartungs-x-Wert-Modell vor, das in Kapitel 2.1 vorgestellt wird. Die nachfolgenden Kapitel 2.2 und 2.3 betrachten die für die PEER-Studie zentralen Variablen Lesemotivation und -verhalten. Nach theoretischen Überlegungen zu diesen alles andere als eindeutigen Konstrukten folgen jeweils neuere empirische Befunde, die analog zum quantitativen Vorgehen der PEER-Studie ebenfalls vornehmlich quantitativer Provenienz sind. In Kapitel 2.4 werden die Überlegungen und die Forschungsergebnisse zusammengefasst und die F ragestellurigen für die PEER-Studie abgeleitet. 2.1
Dertheoretische Zusammenhang von Lesekompetenz, -verhalten und -motivation
Da in Deutschland bei gleicher Lesemotivation die Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern in PISA 2000 verschwanden (vgl. Stanat & Kunter, 2001, S. 265), sind die Faktoren oder Determinanten der Lesemotivation von besonderem Interesse (vgl. dazu Schaffner, 2009). Ein komplexes rekursives Modell der Lesemotivation haben Möller und Schiefele (2004) auf der Grundlage der Arbeiten rund um Eccles et al. (1983) entwickelt; es handelt sich um ein (pISA-nahes) Erwartungs-x-Wert-Modell. Solche Modelle dienten ursprünglich der Vorhersage von Motivation und Verhalten in Leistungssituationen (vgl. Wigfield, Tonks & Klauda, 2009, S. 55f.), d.h. in diesem Falle: woraus eine hohe Lesekompetenz resultiert. Damit wäre das Modell für den informellen Sozialisationskontext peer group auf den ersten Blick wenig geeignet. Im Folgenden soll daher zunächst begründet werden, warum das Modell von Möller und Schiefele (2004) dennoch in dieser Studie verwendet wird. Im Anschluss daran wird es erläutert.
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Trotz der unübersehbaren Dominanz, die schulische Variablen in der bisherigen Forschung zu Erwartungs-x-Wert-Modelle hatten, bildet das Modell von Möller und Schiefele ein angemessenes theoretisches Gellist fur die PEER-Studie aus mindestens zwei Gründen: dem E rtrag für außerschulische Variablen und als Schlüsselmechanismus in einem soziologischen Modell der Lesesoziahsation als KoKonstruktion. Modeme E rw artungs-x-W ert-Theo rien fokussieren nach Wigfield, Tonks und Klauda (2009, S. 56--60) nicht nur die L eistu ngen in schulischen Kontexten, sondern auch auf die Persistenz bei und die Wahl von Aktivitäten allgemein. Da das ursprüngliche Modell von Eccles et al. (1983) der Frage nachging, wie sich Geschlechterunterschiede in Mathematik-Leistungen und der Wahl von Aktivitäten in diesem Bereich erklären lassen, hat es von vornherein eine schulische Konnotation erhalten (vgl. Wigfield, Eccles & Rodriguez, 1998). Das Erwartungs-x-WertModell von Eccles et al. (1983) ist entsprechend für diverse schulische Zusammenhänge überprüft worden (vgl. nur Durik, Vida & Eccles, 2006; Nagy, Trautwein, Baumert, Köller & Garrett, 2006; Liem, Lau & Nie, 2008; Trautwein & Lüdtke, 2007; Watt, 2006). Es wurde jedoch nicht nur weiterentwickelt (vgl. Wigfield & Eccles, 2000; E ccles & Wigfield, 2002; Wigfield et al., 2009) und von Möller und Schiefele (2004) für das Lesen adaptiert. Zusätzlich wurden bereits sehr früh bei nicht- und außerschulischen Verhaltensweisen wie die in der Freizeit mit Sport, Mathematik und Lesen zugebrachte Häufigkeit durch erwartungs- x werttheoretische Modelle erklärt (vgl. Eccles & Harold, 1991; Münz, 2008; Retelsdorf & Möller, 2008), aber auch für zahlreiche andere Variablen. Darunter fällt sehr Unterschiedliches, etwa Spielplatzaktivitäten von Grundschulkindern in den Ferien (Spencer-Cavaliere, Dunn & Watkinson, 2009), berufliche Aspirationen am Ende der Schulzeit (Tomasik, Hardy, Haase & Heckhausen, 2009), sportliche Aktivitäten in Bezug auf Geschlechterstereotype (Guillet, Sarrazin, Fontayne & Brustad, 2006), aber auch Problemverhalten (Eorders, Earleywine & Huey, 2004) und Vorurteile gegenüber Ethnien (Okeke, Howard, Kurtz-Costes & Rowley, 2009). Mit seiner Fokussienmg auf die kognitiven Verarbeitungsprozesse des Individuums in Abhängigkeit der sozialen Umwelt läuft das Modell nicht Gefahr, die Relevanz des Individuums in lesesoziahsatorischen Prozessen zu vernachlässigen. Insofern bietet es sich als Schlüsselmechanismus fur das dezidiert soziologische Rahmen-Modell der Lesesoziahsation als Ko-Konstruktion (vgl. Groeben, 2004b; Groeben & Schroeder, 2004) an. In besagtem Modell werden Soziahsationsprozesse als eine Interpretation einer gegebenen Situation auf einer höheren Ebene durch Personen oder soziale Gebilde auf einer hierarchieniedrigen Ebene verstanden (Logik der Situation). Den Personen oder den sozialen Gebilden stehen gnmdsätzlich mehrere Handlungsalternativen offen, von denen sie eine umsetzen (Logik der
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Selektion] und die wiederum Auswirkungen auf die nachsrhöhcre Ebene hat (Logik der .\ ggregarion). Da in der Lo gik de r Selektion nur H andlungsmägliehkcircn posrulierr, aber nicht expliziert werden, biet et sieh ein Envarrungs-x-\'('crt -.\Iodell nach .\ uffassung von Gcocbcn (1004 b, S. 151; Grocbcn & St:hrocdcr, 2(XJ.-l., S. 319, 322, 333; Groebcn & Ilurreimann, 200.J.a, S. 455) SOg:IT an. Es vereint in sich den Vorteil, die soziale Umwelt als .\ usgangspunkt zu nehmen und über komplexe \'\'ah m eh m ungs-, Int erp ret atio ns- und Atrriburionsmechanismen theoretisch die Ausp rägung individueller Lesernotivarionen, -verhaltensweisen und differen ziell entwickelter Lesekompetenz zu bestimmen. Ili erin liegt eine entscheidende Stärke gegenüber dem Modell von i\lcKenna (2001) zur En twicklung von Einstellungen zum Lesen oder dem Modell des "engaged readin g" von Guthrie und \X'igficld (2000), die zwar postulieren, dass motiviertes Lesen bzw. positiv getöntes Lesen sozial bedingt seien, aber über die lugrunde liegenden Pro zesse wenig Auskunft erte ilen. Doch wie sind die Zusanunenhänge rrn Modell von :\föHer und Schiefcle (2004) 7.U verstehen? In .\ bhildung 5 sind die vieWiltigen Variablen und ihr Zusarnrncnsp icl vereinfacht dargestellt. Soziale Umwelt
Subiektive Motivationale ü be-eeuVerarbeitung gungen
Kulturelles Milieu
Leseverha lten wi(ht iger Personen . Erfahrun· gen mil dem l esen Schulische LeistungsrückmeIdungen
Individ uel· les Inle res· Wahrneh· mung der sozialen Umwelt
se l ielorientierung
l;~~:-~-W Interpreta · t ion und Atlr ibulion von teseerfahrungen
bezogenes Selbst · konzep, Lesebe zogene Selbstwirksamkeil
l esebezogene Wert· und Erwartungskognitione n
Aktuelle bzw, habit uelle Lesemotivation
Aktuelles
Aktueller
b~.
Verstehen~
habituelles Leseverhalten
erfolgbzw. Lesekompeten z
Ausdauer
Informatio nen ermitteln
w." • Vergn ii· '00 • Wichl;g_
It semot i. valion intrinsisch • gegen . keit sta ndsbezogen • Nülzlichkeit • tät igkeitsbezo gen • Koste n exlrinsisch • sozialer ElWl
...... Naturbücher ~Krimi ......::.... Realistische Lit. -::- Problemliteratur .......Märchen
I
10-11 Jahre
I
11-12 Jahre
Mädchen .......Science Fiction
I
Abbildung 10: Geschlechtsspezifische Buchgenre-Präferenzen bei Jungen und Mädchen (N = 819, Min = 0, Max = 10; eigene Darstellung basierend auf Roe, 1998, S. 18f.)
Lesen - Lesemotivation und -verhalten von Kindern und Jugendlichen
Beide Geschlechter teilen das Faible für Abenteuerliteratur, das zu allen drei Messzeitpunkten das beliebteste Genre war. Naturbücher, die zu Beginn das zweitbeliebteste Genre bildeten, verloren ihre Anziehungskraft deutlich, während der Fall bei Krimis genau anders herum gelagert war. Sie avancierten unter jungen zum zweit- und unter Mädchen zum drittgefragten Lesestoff. jungen lasen zunehmend gern Science Fiction, zugleich konnten sie Bilderbüchern, Lyrik, Märchen, Problembüchern und realistischer Literatur recht wenig abgewinnen. Mädchen wiesen hingegen eine von Anfang an stärkere und stete Vorliebe für realistische Literatur auf. Märchen, Naturbücher, Lyrik sanken in der Beliebtheit, wohingegen Problemliteratur und Science Fiction zu attraktiveren Lesestoffe wurden. Die Muster der Genrepräferenzen bei Roe (1998) differenziert ein Befund aus der Studie von Richter und Plath (2005) aus. Die von ihnen untersuchten rund 1.200 Grundschulkinder zweiter bis vierter Klassen wurden nicht nur um die Angabe gebeten, wie gern sie bestimmte Genres von Büchern lesen, sondern auch um Beispielnennungen ihrer Lieblingsgeschichten. N ach diesen Angaben bestanden geschlechterspezifische Unterschiede bei den Einzeltiteln, die für die Genres angeführt wurden, sodass auf der Ebene der konkreten einzelnen Titel die Differenzen, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen jungen und Mädchen evident werden. Am beliebtesten waren Bücher und Geschichten, ,in denen Abenteuer erzählt werden': Zwei Drittel der Jungen und Mädchen gaben bei dieser Kategorie an, solche Bücher gern zu lesen. Auch Bücher, ,die über bestimmte Dinge informieren' (Sachtexte) interessierten Mädchen und jungen annähernd gleich (53 bzw. 59 Prozent), wohingegen Bücher, ,in denen Märchen, Sagen und Phantasiegeschichten erzählt werden', weit mehr von Mädchen als von jungen bevorzugt wurden (55 vs. 35 Prozent). Dies lag aber vor allem an der Präferenz der Mädchen für Märchen und Sagen, während phantastische Romane (wie H arry Polter) bei den vorgegebenen Kategorien eher der Abenteuerliteratur zugeordnet wurden. Die ,realistische Literatur' wurde dagegen von beiden Geschlechtern gleich wenig geschätzt: Nur je ein Viertel der Mädchen und der jungen nannten sie unter ihren Lieblingslektüren. Insgesamt konstatieren Plath und Richter, dass sich die Geschlechterdifferenzen im Grundschulalter weniger in Genreaussagen manifestieren als vielmehr in den Beispielen, die für einzelne Genres genannt werden: Beispielsweise führten die Jungen zum Thema ,Abenteuerliteratur' Ritter-, Piraten-, Räuber- oder Indianergeschichten an, während die Mädchen Hexengeschichten sowie Bücher von Astrid Lindgren oder Erich Kastner nannten (vgL Richter & Plath, 2005, S. 88). Die aktuellen Lesevorlieben deutscher Jugendlicher sind inzwischen ein echtes Desiderat. Als eine der aktuellsten Studien muss daher Gattermaiers (2003) im Jahr 1999 durchgeführte Befragung von Schülerinnen und Schüler achter Klassen gel-
Lesen - Lesemotivation und -verhalten von Kindern und Jugendlichen
ten. Er hat bei ihnen die zehn beliebtesten Genres ermittelt. In ihrer Reihenfolge der Nennungen handelt es sich um Horror- und Gruselgeschichten (56 Prozent), lustige Bücher (54 Prozent), Bücher über Probleme von Jugendlichen (52 Prozent), Abenteuerbücher (51 Prozent), Bücher über eigene Hobbys (48 Prozent), Liebesgeschichten sowie Krimis und Thriller Ge 46 Prozent), Science Fiction und Fantasy (41 Prozent), modeme Romane (33 Prozent) und zu guter Letzt Bücher über Sport und Sportarten (31 Prozent; vgl. Gattermaier, 2003, S. 323f.). Geschlechts- oder schulformspezifische Analysen hat Gattermaier leider nicht vorgenommen. Zeitschriftenvorl ieben
Unbefriedigender als bei den Büchern ist der Forschungsstand zu den inhaltlichen Vorlieben bei Periodika, und das speziell bei Kindern, deren ZeitschriftennutZilllg kaum Gegenstand von Studien ist (Ausnahmen bilden z.B. Heubuch, 2007, und Mädler & Plath, 2000). Die Lesesozialisationsforschung hat hierzulande das Thema überhaupt noch nicht systematisch aufgearbeitet, erforscht oder eventuell auch noch nicht als relevant (genug) wahrgenommen. Das ist insofern bedauerlich, als zu erwarten ist, dass peers speziell in diesem Bereich eine Rolle spielen (vgl. Barthelmes & Sander, 2001, S. 118; Rosebrock, 2004, S. 265) Zeitungen
Zeitschriften
Comics
66 60
53
59 54
35 '9
I_Jungen E1Mädche n
Abbildung 11:
I
Geschlechtsspezifische zertungs-, Zeitschriften- und Comic-Präferenzen bei österreichischen Schülerinnen und Schülern fünfter bis achter Klassen (Angaben in Prozent; eigene Darstellung basierend auf Böck, 2000, S. 67f.)
Lesen - Lesemotivation und -verhalten von Kindern und Jugendlichen
Wegen fehlender aktueller Daten, erscheinen die Befunde aus Böcks 1998/1999 durchgeführter Studie noch am besten geeignet, um wenigstens etwas über geschlechtsspezifische Periodika-Präferenzen bei Fünft- bis Achtklässlern sagen zu können (Abbildung 11). Die Jugendlichen sollten angeben, welche Titel sie am liebsten lesen, die sodann kategorisiert wurden. Die Ergebnisse weisen auf mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten hin: jungen schätzen mehr Regionalzeitungen, Sport-, Computer(spiel)- und Wochenzeitschriften sowie Disney- und Abenteuercomics. Mädchen wiederum lesen lieber Jugend- und Musikmagazine, Mädchenzeitschriften, Magazine über Natur und Tiere und Mädchencomics wie Wenc{y. Die Studie von Böck (2000) sagt wegen ihrer querschnittliehen Anlage wenig darüber aus, wie sich die geschlechtsspezifischen Vorlieben über die Zeit ausdifferenzieren. Hinsichtlich dieser Frage ist die dreijährige Studie von Bosacki und Kolleginnen (2009) instruktiv. Sie baten ab Klasse 6 im Jahresturnus Jugendliche, ihre Lieblingszeitschriften zu benennen. Dabei kristallisierten sich geschlechterspezifische Vorlieben heraus, die auf zwei Lesewelten hinweisen: jungen aus Klasse 6 nannten vor allem Sport- und daneben noch Computerspielzeitschriften, während Mädchen Jugend- und Musikzeitschriften als liebsten Lesestoff angaben. Ein Jahr später waren Jungen nur noch Sportmagazine zu entlocken, in Klasse 8 kamen wieder Computerspielmagazine dazu. Unter den Mädchen waren die Musik- und Teenager-Zeitschriften weiterhin ungebrochen beliebt. Was neben den thematischen Präferenzen auffiel, war der Umstand, dass von Mädchen allgemein mehr ihre Lieblingstitel aufschrieben, was unter ihren Altersgenossen auf einen deutlich kleineren Teil zutraf.
2.3-4 Zusammenfassung: das Forschungsdesiderat Leseverhalten Das Leseverhalten von Heranwachsenden ist derzeit am differenziertesten erforscht, allerdings ist seit dem Erscheinen der PISA-Studie eine nachlassende Forschungsaktivität zu beobachten. Die Befunde deuten hinsichtlich des Lese- und Medienverhaltens in Form der NutZilllg~quenzdaraufhin, dass die Häufigkeit des Buchlesens eine alters-, geschlechts-, schulform- und herkunfts spezifische Form der Mediennutzung ist. Die Personen, die nach den Studienergebnissen am meisten lesen, sind jung, weiblich, deutschsprachig und besuchen das Gymnasium. Ebenfalls altersabhängig wirkt die Nutzung von Zeitschriften und Zeitungen, die zum Teil bildungsabhängig erscheint: Ältere Jugendliche entdecken die Zeitschriften für sich, bei den Zeitungen sind es Heranwachsende aus formal höheren Schulen. In den vergangenen Jahren haben zusätzlich Handy und Internet-PC den Status von veritablen Jugendmedien eingenommen. Dabei scheint sich derzeit ein Teil der Leseaktivitäten von Periodika ins Internet zu verlagern. Bezüglich der Lesest~ ist
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die Forschungslage eingeschränkter, was auch mit dem aufwändigeren Auswertungsprozeduren zusammenhängen konnte, etwa wenn die genannten oder gelesenen Zeitschriften- und Buchtitel oder Intemetseiten klassifiziert werden sollen. Schulformspezifische Präferenzen sind wenig untersucht worden, dafür weisen die Befunde auf die hinlänglich bekannten Geschlechterunterschiede hin. Trotz dieser relativ eindeutigen Befundlage bestehen einige Einschränkungen der Ergebnisse: • Erstens ist zu attestieren, dass eine Vielzahl der Studien, die sich dezidiert den Lesestoffen widmeten, Ende der 1990er Jahre durchgeführt wurden, während die Daten zur Lesehäufigkeit kontinuierlicher gesammelt wurden - vermutlich auch, weil die Auswertung weniger aufwändig ist. • Zweitens ist der Fokus auf das Buch in der Forschung unübersehbar, was ambivalent zu bewerten ist. Zum einen bildet die Kinder- und Jugenclhteratur anscheinend nach wie vor ein unverzichtbares Medium der Enkulturation. Zum anderen zeigt sich in der Konzentration auf das bürgerliche Medium mit den Worten Steffen Volz' die für die deutschsprachige Leseforschung "ausgeprägte Mittelschichtorientierung" (V olz, 2005, S. 10).1 5 Das bedeutet, dass mit dieser mal mehr, mal minder reflektierten Auswahl des Gegenstands ein verzerrter Blick auf das Lesen die Folge sein kann. • Der Fokus auf das Buch (und die Mittelschicht) kann drittens - den Blick auf andere Lesemedien verstellen: Zeitungen und Zeitschriften, das Internet und den Computer. Diese z.T. populär- und jugendkulturelleren Medien bilden ebenso Untersuchungsgegenstande eigener Dignität und sind bislang hinsichtlich ihrer Relevanz für die Lesesozialisation nicht systematisch bearbeitet worden. >-
Das Lese- und Medienhandeln von Heranwachsenden zu beobachten, ist ein in der gegenwärtigen Leseforschung vernachlässigter Bereich. Er ist unter einer deutschund lesedidaktischen Perspektive besonders wichtig, wenn es darum geht, Kindern und Jugendliche Lesestoffe zu offerieren und an ihre Mediennutzungsgewohnheiten anzuknüpfen. Daher wird in der PEER-Studie das Leseverhalten über zwei Arten von Variablen erfasst: die Häufigkeit der Printmediennutzung und die Genrepräferenzen bei Büchern und Zeitschriften, die über offene Fragen erfasst werden, um so einen besseren Einblick in faktische Vorlieben zu erhalten.
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Vo lz führt aus: " Pe rsonengruppen mit niedriger fo rm aler Bildung, Per son engrupp en, dere n Mediennutzung h aup tsächli ch unterhaltu.ngsori entiert ist, un d G ruppen, de ren ges amtes Kommunikationsve rha lten als ,de fizitä r' oder .arm' bezeichnet wird, st ehen selten im Inter esse de r For schung" (ebd., S. 10).
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2.4 Zusammenfassung und abgeleitete Fragestellungen der PEER-Studie Das komplexe Erwartungs-x-Wert-Modell von Möller und Schiefele (2004), das in Kapitel 2.1 vorgestellt wurde, geht davon aus, dass die soziale Umwelt und ihre individuelle Interpretation die Lesemotivation in Abhängigkeit von erwartetem Ertrag und veranschlagten Kosten beeinflusst wird. Aus dieser Lesemotivation resultiert ein entsprechendes Leseverhalten, durch das das Leseverstehen positiv beeinflusst wird. Die theoretischen Systematisienmgs- und Definitionsversuche legen es zunächst nahe, Lesemotivation und -verhalten als äußerst komplexe, aus mehreren Komponenten bestehende Konstrukte zu begreifen. Neben dieser dem Gegenstandsbereich inhärenten Vielschichtigkeit lassen sich empirisch unterschiedliche Ausprägungen der Merkmale je nach soziodemografischen Variablen attestieren. Die Lesemotivation unterliegt einem Wandel, je älter die Heranwachsenden werden. Die intrinsische Lesemotivation lässt fur alle Kinder und Jugendlichen in etwa gleich stark nach. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch die schon früh zu beobachtenden Geschlechter- und Schulformunterschiede: Mädchen lesen durchgängig lieber aus freien Stücken als jungen, daneben lesen Heranwachsende aus formal höheren Schulen lieber als aus formal niedrigeren. Mit LISA und dem Berliner Leselängsschnitt existieren zwar zwei weitere Längsschnittstudien, die die Entwicklung der Lesemotivation ermittelt haben. Da beide aber nur entweder auf die Schulform oder aber das Geschlecht fokussierten, werden diese beiden Variablen in der PEER-Studie in ihrer Kombination betrachtet. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Lesemotivation finden sich beim Lesezerbalten wieder. Mag dieser Bereich mit seiner Fülle an sehr unterschiedlichen Studien unübersichtlich sein - die Spezifika von jungen und Mädchen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Studien. Mädchen (und Befragte aus formal höheren Schulen) lesen nicht nur mehr als Jungen und Heranwachsende in formal niedrigeren Schulen und betten Schrift stärker in ihren Medienalltag ein. Die Lesestoffe verändern sich anscheinend ebenfalls mit steigendem Alter: Bildschirmmedien und Periodika kommen hinzu, die Buchlesehäufigkeit (und auch die präferierten Genres) ändert sich. Allerdings ist bislang am ehesten die Modifikation im Buchleseverhalten aus den Studien zu erkennen, die sich in einem schärferen Geschlechter- und Schulformen-Kontrast einerseits und sich ausweitenden Genrevorlieben andererseits zeigt. Daher ist die Forschungslücke in punkto kindlicher und jugendlicher Periodika- und Bildschirmmediennutzung umso dringlicher zu bearbeiten. Deshalb wird die PEER-Studie die Zeitschriftenlektüre neben Buchvorlieben und der Frequenz von Freizeitlese- und Medienaktivitäten in den Blick neh-
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men. Sie tut dies wie bei der Lesemotivation in der Kombination von Geschlecht und Schulform. Am Rande widmet sich die PEER-Studie ebenfalls dem Leseverstehen. Den zu Beginn des zweiten Kapitels skizzierten Befunden der PISA- und DESI-Studien zufolge zeichnet sich die Risikogruppe dadurch aus, nur über basale Lesefahigkeiten zu verfügen. Deshalb soll diese basale Lesefertigkeit in Form der Lesegeschwindigkeit und eines einfachen Textverständnisses erfasst werden, um so etwas über die Größe der Risikogruppe zu Beginn der Sekundarstufe zu erfahren. Die Verändenmgen von Lesemotivation und -verhalten bilden eine der zwei Hauptfragestellungen der PEER-Studie, die - statt den Blick stets nur auf Schulformen oder die Geschlechter zu richten - konsequent der Verquickung beider Merkmale Aufmerksamkeit schenkt. Dadurch werden simplizifierende Reduktionismen vermieden, die auch aus lesedidaktischer Sicht kaum geeignet sein dürften, passende Fotdermaßnahmen oder Lesestoffe zu offerieren. Daneben ist es ein zweites Ziel der vorliegenden Studie, die zeitliche Abhängigkeit der Veränderungen in Lesefreude, -frequenz, -präferenzen sowie -verstehen von peer-Variablen festzustellen. Das folgende Kapitel 3 bereitet dies vor, indem es den theoretischen und empirischen Zusammenhängen von peers mit Lesemotivation und weiteren lesebezogenen Variablen nachgeht.
3 Peers und Lesen vermutete und empirische Zusammenhänge
Peers und Lesen wurden aus darstellerischen Gründen bislang isoliert betrachtet. In diesem Kapitel werden sie nun zusammengeführt. Dazu werden im Kapitel 3.1 zunächst zwei Bündel von postulierten, hypothetischen Einflüssen von peers auf Lesemotivation, -verhalten und -kompetenz einerseits und deren Abhängigkeit von Kontextfaktoren andererseits dargestellt. Danach behandelt Kapitel 3.2 die korrelativen Zusammenhänge, die bisher zwischen peers und dem Lesen ermittelt werden konnten. Auf dieser Grundlage werden im letzten Teil dieses Kapitels (Kap. 3.3) die Forschungsfragen für den empirischen Teil abgeleitet.
3.1
Postulierte Einflüsse
Welche E inflü sse und Wechselwirkungen zwischen den peers und dem individuellen Lesen bestehen, ist in Abbildung 12 visualisiert. Darin sind die peers und die Individuen eingebettet in einen Kontext. Lesesoziahsatorisch relevante Prozesse finden bekanntlich nicht im ,luftleeren Raum' statt, sondern sind von anderen Variablen abhängig. Dazu zählen gesellschaftliche Makro-Phänomene wie lesebezogene Bildungsnonnen, das Medien- und Bildungssystem, ddas Geschehen in Schule und Familie auf einer Meso-Ebene und nicht zuletzt Geschlecht und sozioökonomiseher Status und :Migrationshintergrund von Heranwachsenden. In dem Modell sind ferner die drei Bereiche des individuellen Lesens, auf die die peers mittelbar (Lesekompetenz) bzw. unmittelbar (Lesemotivation und -verhalten) E in flu ss nehmen, ebenso aufgenommen wie die Pfeile zurück vom Individuum hin zu den peers. Damit ist berücksichtigt, dass auch der bzw. die Einzelne die peer-Umgebung je nach eigenem Lesen das der peers beeinflusst und so bestimmte Dynamiken wie E ngels- und Teufelskreise innerhalb von peer-Beziehungen in Gang kommen können. Statt rein additiv die vorhandenen Hypothesen wiederzugeben, auf denen die Abbildung 12 basiert, erscheint es sinnvoller, die postulierten Einflüsse zu zwei Bündeln von Hypothesen zusammenzufassen. Das erste umfasst die Reichweite des Einflusses, das zweite die Kontextfaktoren und Moderatorverariablen des Einflusses und der Dynamiken.
Peers und l esen - vermut ete und emp irische Zusamm enhänge
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Bereiche und Reichweite des vermuteten peer -Einflusses (eigene Darstellung, bas ierend auf M ö lle r &. Schiefeie, 1004; Pieper &. Rosebrock, lO04, $. 6$f .; Ro sebrock, 2004 , 5. 2$2; Groe ben, l004b, $.147: Groeben &. Schroed er , 2004, $. 341)
Lang- und kurz f ristige Einflüsse der peers
Coroclia Roscbrock (200-+) unterscheidet In einen kurzfrisugcn. direkten Einfluss der peers auf die Lcscmorivarion und die Texte, die jemand liesr, und ctncri langfristigen, indirekten, der sieh auf die Lesekompete nz auswir kt . Bei beiden Arten des Einflu~~es spielt die VOf- und nachbe reitende An schlusskornmunikarion, in der Mcdicninhalrc verarbeitet und allh'Ceignet sowie mit persönlicher Bedeurung versehen werden (vgL Surrer, 2002, S. 82), vermutlich eine besondere Rolle für die Lesemotivation und die Lcscakri virären (vgl. Pieper & Ro scbrock, 2004, S. 65; Roscbrock, 2004, S. 252, 274).'1; '6 Tillmann ::;urter (200 2, ::;. 95) unT"'t~'i1t je nach Z",~,-
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Abbildung 22: Zeitschriftengenrepräferenzen anhand der Nennungen gelesener Zeitschriften in Klasse 5 und 6 nach Geschlecht, Schulform und Geschlecht x Schulform (Angaben in Prozent; Auswahl; Basis: Antworten derwiederholt Befragten; Ng esamt = 492 (KI. 5) bzw. 494 (KI. 6»
Ob sich auf individueller Basis Verschiebungen ergeben haben, lässt sich nur dann überprüfen, wenn man die Perspektive verändert und statt dem Gesamt der Antworten die Befragten selbst als Analyseeinheit betrachtet. Dies geschieht für die sechs am häufigsten angeführten Buchgenres in Abbildung 23 und Abbildung 24; Abbil-
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Lesen individuell: Zur Entwicklung von Lesemotivation und -verhalten
dung 25 SOWie Abbildung 26 beinhalten die Prozentwerte für sieben Kategorien 24 von Zeitschriften.
• Ph a n t as t ische Erz ä h lu ng D Realistis che Erz ä h lu ng
IZIKriminal geschichte
D Tiergeschic htel:lAbenteuerbu ch
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Abbildung 23: Buchgenre-Präferenzen nach Geschlecht und Schulform in Klasse 5 und 6 in Prozent (Mehrfachantworten; Prozentzahlen beziehen sich auf Befragte; Basis: nurwiederholt Befragte, NKl.5 = 359; NKI. 6 = 351)
Betrachtet man das gesamte Sarnple, wirken mit Ausnahme der Zunahme der Kinder, die Problernerzahlungen lesen, die Genrepräferenzen bei Büchern stabil. Beliebte Lesestoffe waren vor allem phantastischen Geschichten, die von zwei von fiinf Kindern angefuhrt wurden, es folgten realistische Geschichten und Abenteuer, die zwischen einem knappen und einem guten Viertel aller Befragten lasen. Die Anziehungskraft der Fantasy- und Gruselgeschichten blieb für das männliche Geschlecht ungebrochen, denn zwei von drei Jungen lasen sowohl in Klasse 5 als auch in Klasse 6 Bartimäus, Fear Street, Harry Potter etc., die immerhin (im Laufe der Studie jedoch etwas abnehmend) mehr als die Hälfte der Mädchen ebenso zu faszinieren schienen. Daneben hatten es jungen Krimis und zunehmend Abenteuergeschichten angetan, während Mädchen realistischen Geschichten den Vorzug gaben. Die Prozentwerte dieses Genres differierten um das Zwei- bis Dreifache, und zusammen mit den Tiergeschichten, die jedes fünfte bzw. sechste Mädchen goutierte, aber kaum ein junge, handelte es sich um die Buchtexte, die die Geschlechter am eindeutigsten trennten. Im Vergleich der Schulformen fallt ein Gefal-
24
Die Daten für säm tliche Genres sind im Anhang in Ta b elle 34 au f S. 245 (Bücher) und Tabelle 35 au f S. 246 (Zeitsch riften) en thalten.
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le auf: Phantastisches war an formal höheren Schulen ein häufigerer Lesestoff, zugleich erfreuten sich Krimis an Gymnasien konstanter Beliebtheit, die im Lauf der Studie an Haupt- und Realschule deutlich gewinnen konnten. ~ ~
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Abbildung 24: Buchgenre-Präferenzen nach Geschlecht x Schulform in Klasse 5 und 6 in Prozent (Mehrfachantworten; Prozentzahlen beziehen sich auf Befragte; Basis: nur wiederholt Befragte, NKI. 5 = 359; NKI. 6 = 351)
Viel auffälliger sind jedoch die Geschlechtsspezifika innerhalb der Schulformen (Abbildung 24). Sie zeigen, dass die Prozentwerte, die nur für Geschlecht oder Schulform ausgewiesen sind, eine Homogenität suggerieren, die nicht der Realität entspricht, denn trotz einiger Übereinstimmungen sind innerhalb der Geschlechter je nach besuchter Schulform unterschiedliche Vorlieben auszumachen. Jungen an Gymnasien lasen mehr phantastische Geschichten als die aus Haupt- und Realschulen, unter denen Kriminalgeschichten zum zweiten Messzeitpunkt mehr Anklang fanden. Markant ist auch, dass die Abenteuerbücher unter Hauptschuljungen als zweitbeliebtestes Genre und die realistischen Erzählungen ebenfalls sehr deutlich an Bedeutung verloren haben. Das war bei ihren Altersgenossen in Realschulen und am Gymnasium in der Drastik nicht zu beobachten bzw. bei den Abenteuerbüchern gegenläufig. Die Mädchen haben ebenfalls je nach Schulform eigene Vorlieben. Auffallig ist zunächst, dass phantastische Geschichten an Gymnasien von doppelt so vielen Mädchen wie an Hauptschulen gelesen wurden, was bedeutet, dass sich hierin Gymnasialschulkinder in ihren geschlechtsspezifischen
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Buchgenre-Präferenzen stärker ähneln als unterscheiden. Gymnasiastinnen scheinen zudem stabile Favoriten unter den Buchgenres zu haben, denn mit Ausnahme der Problemerzählungen bleiben die Prozentwerte recht konstant. Hauptschülerinnen haben, wie auch die Realschülerinnen, am häufigsten in der sechsten Klasse Büchertitel des Genres "realistische Geschichten" angefuhrt. Sie stiegen in der Gunst der Mädchen aus Hauptschulen um knapp das Dreifache, Problemerzahlungen nannten mit einem knappen Drittel fast acht Mal so viele Mädchen wie in Klasse 5, zugleich fielen die in der fünften Klasse am häufigsten angefuhrten Tiergeschichten in ihrer Popularität auf die Hälfte des Ausgangswerts. In dem Maße, in dem die Kinder bestimmte Bücher je nach Alter, Geschlecht und besuchter Schulform favorisierten, taten sie das auch bei den Periodika. Altersabhängige Interessenverlagenmgen zeigten sich laut Abbildung 25 zum Beispiel darin, dass die schon in Klasse 5 am häufigsten gelesenen Jugend- und Musikzeitschriften ihre Vorrangstellung ausbauen konnten (dasselbe gilt fur die Mädchenzeitschriften), während Disneycomics und Pferdezeitschriften in Klasse 6 zum Teil deutlich seltener angefuhrt wurden. Hinter diesen allgemeinen Tendenzen stecken markante Geschlechterunterschiede: Mit Ausnahme der Wissensmagazine wie Geolino wirken die Sorten von Periodika geradezu wie unter jungen und Mädchen aufgeteilt. Pferde-, Tier- und Mädchenzeitschriften sowie Mädchencomics kamen im Repertoire der jungen praktisch nicht vor. Umgekehrt gab es keine bis nur wenige Mädchen, die sich für Motorsport- und Sportmagazine, Zeitschriften über Computer und spezielle Hobbys, Disneycomics oder Mangas erwärmen konnten. Die größte Schnittmenge zwischen den Geschlechtern lag bei den Jugend- und Musikzeitschriften. Ein Viertel bis ein Drittel der jungen führte mindestens einen Titel an. Der Anteil der Mädchen, die sich den Pop-Magazinen widmen, ist zu beiden Messzeitpunkten mindestens doppelt so groß. Während die Mädchen die Jugendmagazine zu beiden Zeitpunkten am häufigsten lasen, hatten für jungen in Klasse 5 die Disneycomics und eineinhalb Jahre später die Sportmagazine die Spitzenposition inne. Betrachtet man die Schulfonnen, ist die schon in Klasse 5 sichtbare jugendkulturelle Präferenzen an Haupt- und Realschulen klar zu erkennen. Zwar verdoppelte sich im Lauf der Zeit nahezu der Anteil der Gymnasialkinder, die Bravo und vergleichbare Magazine lesen, doch er erreicht nicht das Ausgangsniveau der Kinder aus Haupt- und Realschulen. Dafür sind unter Gymnasiastinnen und Gymnasiasten Wissensmagazine wesentlich populärer als in Haupt- und Realschulen, und in Klasse 5 lasen dort auch am häufigsten Kinder Pferdezeitschriften. Auffillig im Schulfonnenvergleich ist noch, dass in Realschulen die Disneycomics am stärksten Leser eingebüßt haben.
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Abbildung 25: Zeitschriften genre-Präferenzen nach Geschlecht und Schulform in Klasse 5 und 6 in Prozent (Mehrfachantworten; Prozentzahlen beziehen sich auf Befragte; Basis: nurwiederholt Befragte, NKl.5 = 290; N KI.6 = 301)
Wie Abbildung 26 zeigt, hat der Rückgang bei den Comics damit zu tun, dass die Realschüler die Bildgeschichten um Donald Duck, Mickey Maus und anderen am unmittelbaren Anfang der Sekundarstufe sechs Mal so oft lasen, als es im Alter von zwölf Jahren der Fall war. Diese Comics waren unter den jungen am Gymnasium in Klasse 5 ebenfalls deutlich häufiger gelesene Periodika, an Hauptschulen behielten sie sogar die Attraktivität als häufigster Lesestoff und lagen dort deutlich vor den Jugendmagazinen, die von der ersten zur zweiten Befragung sogar weniger genannt wurden. Interessant ist, dass Jungen aus dem Gymnasium und Hauptschule in Klasse 6 nur halb so oft popkulturelle Magazine aufgefuhrt hatten wie ihre Altersgenossen aus der Realschule, in Klasse 5 hatte außerdem nur jeder sechste unter den jungen, die Magazine lesen, Titel aus der Sparte Musik aufgeschrieben. Dafür waren sie die einzige Gruppe der jungen, die gern Wissensmagazine las. Bemerkenswert erscheint ferner, dass jungen aus Realschulen und Gymnasien ein konstant hohes Interesse an Sporttiteln hatten, und Computerspiel-Zeitschriften in Klasse 6 vor allem von Hauptschuljungen gern gelesen zu werden schienen. Die drei Gruppen von jungen unterschieden sich demnach mehr in ihren inhaltlichen Vorlieben, als sie sich ähnelten. Bei den Mädchen ist der Fall anders gelagert, denn zwischen Haupt- und Realschuhnädchen bestanden große Parallelen. Ihnen ist eine starke Zuwendung zu Jugend- und Mädchenmagazinen zu attestieren, die sich im Laufe der Zeit noch stärker ausgeprägt hat. In Klasse 6 bilden beide Kategorien an-
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scheinend den einzig interessanten Lesestoff. Hier wirken die Gymnasiastinnen eher kindlich, gerade in Klasse 5, als Pferdezeitschriften das wichtigste Genre waren. Im Verlauf der Studien verdoppelte sich von Klasse 5 zu 6 der Anteil der Gymnasiastinnen, die Pop-Zeitschriften favorisierten und war damit wie bei allen Mädchen mindestens doppelt so groß wie bei den Jungen. Zugleich waren Wissensmagazine für die Mädchen an Gymnasien ein angesagter Lesestoff.
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Abbildung 26: Zeitschriften genre-Präferenzen nach Geschlecht x Schulform in Klasse 5 und 6 in Prozent (Mehrfachantworten; Prozentzahlen beziehen sich auf Befragte; Basis: nurwiederholt Befragte, NKl.5 = 290; N KI.6 = 301)
Zur Stabilität von Lesevorlieben Bislang wurden die allgemeinen Tendenzen bei den Vorlieben von Printmedien beschrieben. Dabei ging es zum einen um die Anteile, die einzelne an dem Gesamt aller Genres hatten, und zum anderen um die Anteile der Kinder, die Titel bestimmter Kategorien anführten. Mit diesen Daten lässt sich jedoch keine Aussage darüber treffen, ob die Kinder diesem Genre im Laufe der Zeit treu bleiben. Daher wurde für die fünf Buch- und Zeitschriftengenres, die das Gros der allgemeinen Vorlieben ausmachten, die Stabilität ermittelt. Geprüft wurde, ob die Kinder einen Buch- bzw. Magazintitel aus den populären Genres zum ersten resp. zweiten Messzeitpunkt angeführt hatten. Dadurch lassen sich vier Kategorien bilden:
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1. stabile Genreprqftrenz: Sowohl zum ersten als auch zum zweiten Messzeitpunkt wurden Titel desselben Genres genannt; 2. abnehmende Prqftrenz : Titel eines Genres wurden nur in der ersten Befragung, aber nicht bei mehr in der zweiten aufgeführt; 3. Prqftrenz : Anders als zuvor tauchte ein Genre nicht beim ersten, dafür jedoch beim zweiten Mal auf; 4. keine Prqftrenz: Weder in Klasse 5 noch in Klasse 6 wurde ein Titel eines Genres genannt. Gesamt Jungen Mädchen HS RS
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Abbildung 27: Stabilität der Genrepräferenzen bei Büchem von Klasse 5 zu Klasse 6 nach Geschlecht und Schulform (Antworten in Prozent; Auswahl; Basis: nurwiederholt Befragte, Ng esamt = 327)
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Lesen individuell: Zur Entwicklung von Lesemotivation und -verhalten
Wie es um die Stetigkeit der Buchvorlieben bestellt ist, zeigt Abbildung 27. Aus ihr geht klar hervor, dass nur ein Genre dauerhaft über die ersten beiden Jahre der Sekundarstufe die Kinder fesselte, nämlich phantastische Geschichten, die etwa die Hälfte aller Kinder lasen. Realistische und Kriminalgeschichten folgten mit schon deutlichem Abstand als Zeit überdauernde geschätzte Genres (14 bzw. 10 Prozent), und die Tier- und Abenteuer-Storys kormten nur eines von zwanzig K:inder (und hier Mädchen und Hauptschulkinder) zu beiden Messzeitpunkten an sich binden. Die Differenzen zwischen den Geschlechtern sind bei jedem Genre zu finden: Jungen lasen deutlich mehr phantastische und Kriminalgeschichten, Mädchen eher realistische und Tiergeschichten sowie - mit Blick auf die bisherigen Forschungsbefunde etwas überraschend - Abenteuergeschichten. Vergleicht man die Schulformen, so ist ein Ergebnis auffällig: Phantastische Geschichten waren in den Gymnasien am populärsten und am wenigsten in Hauptschulen. Dennoch handelte es sich bei diesem Genre offensichtlich um das, mit dem auch Hauptschulkinder am meisten in Berührung kommen. Dieses Ergebnis scheint viel versprechend für jene Leseförderung zu sein, die an den inhaltlichen Vorlieben von Heranwachsenden ansetzt und unterstützt Cornelia Rosebrocks Plädoyer für den Einsatz unterhaltsamer Kinder- und Jugendliteratur im Literaturunterricht (vgl. Rosebrock, 2005, S. 260f). Welche Zeitschriften die Kinder temporär oder stabil gelesen haben, zeigt Abbildung 28. Aus ihr wird deutlich, dass Jugend- und Musikzeitschriften sowohl zu Beginn als auch zum Ende der PEER-Studie beliebt waren und noch an Popularität gewinnen konnten. Freilich gilt das primär für Mädchen und die Kinder aus Hauptund Realschulen, während jungen und Gymnasialkinder am wenigsten mit ihnen in Berührung gekommen sind. Während Bravo & Co. also in der Gunst der Kinder stiegen, verloren die in Klasse 5 noch von einem Fünftel der Mädchen und jedem fünften Kind aus Gymnasien genannten Pferde zeitschriften deutlich an Boden. Kaum jemand las sie noch, was möglicherweise mit dem kindlichen Image und Thematik dieser Periodika zu tun haben konnte. Zuwächse erzielten die Mädchenzeitschriften, in der Tendenz ähneln die Befunde denen der Jugendmagazine, wenn auch auf geringerem Niveau. Comics erfreuten sich einer stabileren Beliebtheit von jungen und Hauptschulkindern. An den formal höheren Schulen fanden sie ebenso wie bei den Mädchen jedoch kaum Anklang. Die Geschlechter polarisierten die Sporttitel gleichfalls: Zwei von fünf jungen lasen sie erstmalig oder immer noch in Klasse 6, neun von zehn Mädchen nannten sie zu keinem der Messzeitpunkte. Knapp ein Viertel der Kinder aus Haupt- und Realschulen, aber nur ein Neuntel aus Hauptschulen las in Klasse 6 stabil Sportzeitschriften.
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Abbildung 28: Stabilität der Genrepräferenzen bei Zeitschriften von Klasse 5 zu Klasse 6 nach Geschlecht und Schulform (Antworten in Prozent; Auswahl; Basis: nurwiederholt Befragte, Ng esamt = 284)
5.3.6 Zusammenfassung Die markantesten Geschlechtsunterschiede in den medialen Freizeitbeschäftigungen lassen sich zu beiden Messzeitpunkten an drei Medien festmachen: Jungen spielten häufiger als Mädchen Computerspiele und lasen häufiger Comics. Umgekehrt war die Belletristiklektüre eindeutig eine weibliche Domäne. In allen anderen Nutzungsfrequenzen von Medien sind allenfalls schwache Effekte zu beobachten gewesen. Das gilt auch für den Vergleich von den Schulformen Haupt- und Realschule: Keine Effektstärke hat den Wert von d = ,21 überschritten - anders als bei
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den Geschlechtern lassen sich im Schulfonnenvergleich also weniger starke Differenzen ausmachen, die zudem praktisch kaum auffällig sind. Es schimmert aber eine Art Muster in der Mediennutzung durch, das auf einen infonnationsorientierten bzw. bildungsbürgerlichen Umgang hinweist. Denn die Kinder vom Gymnasium haben, anders als jene aus Haupt- und Realschulen, einen sich stärker ausprägenden Hang, den Computer für Tätigkeiten jenseits des Spielens und Surfens im Internet zu nutzen, sie lesen in Klasse 6 häufiger Zeitung und zu beiden Messzeitpunkten häufiger Belletristik. Hier sind die Effektstärken mit d = ,85 bis 1,14 enorm und zugleich die größten im Vergleich von Untergruppen des Samples. Man kann auch sagen: Die Belletristiklektüre polarisiert gewissermaßen so stark wie keine andere Tätigkeit zwischen den Geschlechtern und den Schulfonnen. Was die inhaltlichen Präferenzen betrifft, so sind die Unterschiede weniger ausgeprägt, wenn man den Blick auf die Anteile der N ermilllg von einzelnen Genres in Bezug auf sämtliche Genrenennungen betrachtet. Das Spektrum der Titel, die die Kinder nannten, ist breit, und es ließen sich hier eher tendenzielle Vorlieben ausmachen. jungen lasen eher spannungsgeladene (Abenteuer- und Kriminalromane) und phantastische Romane, Mädchen präferierten realistische und Tiergeschichten. Der Schulfonnenvergleich offenbart noch weniger eindeutige Unterschiede. Eine Ausnahme bildete dabei die Präferenz von phantastischen Geschichten, die sich an formal höheren Schulformen eher zeigte. Allzu pauschale Aussagen lassen sich mithin nicht treffen, offenbaren die Verquickung der Merkmale Geschlecht und Schulform doch spezifische Präferenzen. Etwas eindeutiger wirken die Vorlieben bei den Zeitschriften. N ermilllgen von Jugend- und Musik- sowie Mädchen- und allerdings nur in Klasse 5 - Pferdemagazinen stammten primär von den Mädchen. illre Klassenkameraden hatten ein Faible fu r Comics und Zeitschriften über Sport und Computer(spiele). In Haupt- und Realschulen ließ sich eine Zuwendung zur Jugendkultur feststellen, die sich in der häufigeren N ermilllg von Jugendzeitschriften manifestierte, Gymnasiastlnnen lasen sie seltener, zugleich sind sie nahezu die Einzigen, die Wissensmagazine nannten. Letzteres ließe sich dem stärker an Informationen orientierten Umgang zuordnen, der sich in der Nutzungsfrequenz der einzelnen Medien zeigt. Freilich sind das nur Indizien, denn die Häufigkeiten von Medienaktivitäten und Titelnennungen sagen nichts dariiber aus, mit welchen Motiven, wie lang genau und wie intensiv sich die Befragten den Medien zuwenden. Für die fünf am populärsten erscheinenden Buch- und Zeitschriftengenres wurde gesondert ermittelt, ob sie stabil von den Kindern gelesen wurden. Damit ließen sich differenziertere Aussagen zu Print-Praferenzen treffen. Die am stabilsten erwähnten Zeitschriften- und Büchergenres (phantastische Geschichten sowie Jugend- und Musikmagazine) sind zugleich jene mit den größten und markantesten
Lesen individuell: Zur Entwicklung von Lesemotivation und -verhalten
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Geschlechter- und Schulformendifferenzen. Fantasy ist unter Jungen und an Gymnasien ein Genre, das die Befragten zeitstabillesen. Nur ein Drittel in den beiden genarmten Gruppen hatte phantastische Literatur überhaupt nicht oder nur in Klasse 5 goutiert. Nahezu umgekehrt ist das Verhältnis bei den Jugendzeitschriften: Mehr als die Hälfte der jungen und fast jedes zweite Kind aus Gymnasien las sie weder in Klasse 5 noch in Klasse 6. Im Vergleich zählten zwischen zwei Drittel und vier Fünftel der Mädchen und Kinder aus Haupt- und Realschulen dauerhaft oder erstmalig in Klasse 6 jugendkulturelle Titel auf. Im Lauf der Zeit entdecken die Kinder Krimis und realistische, Abenteuer- und Kriminalgeschichten, die ohnehin von Anfang an weniger aufgefUhrten Tiergeschichten lasen sie immer weniger. Dasselbe galt für Pferde zeitschriften und, etwas abgeschwächt, für Comics aus dem Hause Disney. Sportzeitschriften lasen die Kinder bzw. genauer: die Jungen in Klasse 6 etwas mehr, und die Mädchen griffen zum Ende der Studie vermehrt zu den eigens für sie produzierten Titeln. Hervorzuheben ist schließlich noch zweierlei: Da die Genrepräferenzen mit offenen Fragen ermittelt wurden, können erstens die Begrenzungen anderer Studien tendenziell aufgehoben werden, da nicht schon fertige Antworten vorgegeben werden, welche Sorte von Text man gerne oder häufig liest. Zugleich führt aber der arbeitsökonomische Kompromiss, dass nur drei Buchtitel angegeben werden sollten, möglicherweise zu einer eingeschränkten Sicht auf das Spektrum von Buch-Genrepräferenzen. Das gilt umso mehr, als hier nur Befunde zu zehn von insgesamt dreißig Genres präsentiert werden kormten. Zweitens zeigen diese Ergebnisse eindrucksvoll, dass die Werte für das gesamte Sampie nur auf den ersten Blick Einsichten für die Stabilität und Veränderungen der Genrepräferenzen gewähren. Oftmals sind interessante Schulform- und Geschlechtsspezifika in Kontinuität und Wandel bei der Ausbildung von Vorlieben zu attestieren, die fur Lesefördermaßnahmen den entscheidenden kleinen, aber feinen Unterschied ausmachen. In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass die Kinder abseits des ,Mainstreams' mit vielen Genres gar nicht in Berührung zu kommen scheinen: Hier rangierten die Quoten bezogen auf die Buchgenres zwischen 38 und 97 Prozent, bei den Zeitschriften lagen sie zwischen 56 und 98 Prozent; diese Extreme entstehen primär durch die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen.
5.4 Basales Leseverstehen und Lesegeschwindigkeit In Klasse 5 wurde kein Lesetest durchgeführt. Stattdessen haben die Deutschlehrerinnen und -lehrer jedes Kind hinsichtlich seines Lesevermögens einer von fünf Kategorien (von sehr überdurchschnittlich bis sehr unterdurchschnittlich) zugeordnet. Da diese Einschatzurig sich auf das Lesevermögens eines Kindes im Ver-
lesen individuell : Zur Ent w icklung vo n Lesemotivarien und -verhalte n
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etne r Sch u l kla~~e be7.1cht, rst die Besonder heit de r Klum pens tich pro he n zu berü cksichtigen ("gI. Rost, 2007, S. 96f., S. lI . S. 172). Denn ob 1011\ Kind in eint"!" Haupt schulkl asse als überdurchschnittlicher Leser b ezeichnet wird, ist nicht direkt mit der gl1chctl A ussage Üh "'f -
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Lesen
Beste/r Freund/in * ' 9 26 17 25 21 28 25 29 23 27 32 44 ' 3 20 '3 24 23 27 39 41 18 21 17 20 20 23 23 28 21 23 25 39 '3 20 ' 3 17 21 22 36 38 Freunde Mutter 66 73 65 70 67 77 67 67 62 71 73 75 59 53 55 73 75 76 75 86 Vater 37 45 39 45 35 45 32 26 33 43 41 49 44 28 32 47 44 5' 18 24 Cesc hwister*
Lehrer Schulklasse Niemand
35 32 70
3° 39 58 32 29 54 68 71 73
35 38 39 48
23 26 22 25 25 26 27 27 '9 17 28 32 18 25 14 18 3° 31 38 30 25 16 28 32 56 43 55 42 57 43 68 59 49 47 49 36 63 55 52 44 55 35 75 66 46 52 43 37 16 16 '5 '5 16 17 17 22 16 16 27 20 '3 18 7 14 23 '5 21 28 26 20 3° 23 17 23 18 24 17 21 '3 32 21 27 8 9 16 38 28 27 10 '5 11 24 14 26 6 4
Computer
Beste/r Freund/in* 56 65 57 65 54 64 59 66 46 60 44 63 66 67 57 63 53 66 50 64 29 56 35 60 Freunde 42 66 44 67 40 66 33 64 40 61 32 58 42 67 46 67 42 67 21 60 3 53 22 5° Mutter Vater Cesc hwister*
Lehrer Schulklasse Niemand Tabelle 38:
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47 51 48 52 45 51 42 44 42 45 55 67 50 49 46 43 5° 61 32 36 38 47 60 72 57 64 56 62 58 65 47 58 52 54 63 67 45 5' 54 57 64 71 5° 68 48 5' 61 64
45 62 44 60 46 64 45 72 36 5' 5' 56 41 63 46 59 45 60 5° 87 23 42 56 53 9 7 9 7 9 7 9 5 10 12 5 4 8 5 11 14 6 2 11 4 8 9 4 5 3° 52 3 5' 28 53 26 53 3 5° 17 43 34 49 36 5° 26 53 14 60 23 49 9 35 ' ' 10 '3 9 14 11 '3 12 23 12 17 9 5 8 23 10 14 9 9 18 24 '5 20 8 2 Wahrge nom me nes Interesse an Freizeit-Lese- und Po-Aktivitäten in Klasse 5 und 6 in Prozent (Mehrfachantworten, Prozentzahlen be ziehen sich auf Befragte, Basis: nurwiederholt Befragte, * nur Befragte mit besten Freundinnen bzw. Freunden resp. Gesch wistern; Ngesa mt = 354 bzw. 363)
Anhang
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Bücher
Autonom
76 72 76 72 76 72 67 65 81 75 76 71 67 67 78 81 77 66 67 63 84 68 74 76
Beste/r Freund/in* 18 16 16 '5 Clique 11 10 10 9 Eltern Le hre r
18 3 12 28 ' 11 '3 14 '3 52 52 53 48 52 57 56 5' 5' 9 8 9 9 10 8 '3 12 8 21
12
23 '9 36 '5 6 18 14 14 20 56 25 44 35 22 10 '3 20 7 9 10 4 11 '5 22 25 '9 20 '5 45 36 52 56 3° 49 39 54 66 56 94 53 55 23 6 8 5 11 12 10 5 7 10 17 '3 6 8 9
48 23 43 1
Zeitschriften
Aut onom
72 80 71 80 72 79 69 67 77 76 70 77 67 73 75 8 4 70 80 72 56 81 65 70 74
Beste/r Freund/in * 20 Clique Eltern Lehrer
22 ' 9 20 '5 '3 47 32 47 2 1 1
'9 21 27 3 29 37 35 ' 18 17 22 22 18 16 28 3° 46 33 49 37 45 23 1 2 1 2 2
18 3 22 9 24 14 12 28 44 69 59 65 22 33 ' '3 24 11 9 16 16 11 25 39 38 16 45 ' 5 23 36 28 52 3° 45 21 47 39 44 50 44 25 28 20 1 1 2 4 2 3 1
Computerspiele
Autonom
46 52 44 52 48 53 5' 55 5' 5' 46 54 41 52 47 53 44 5' 67 63 56 48 48 56
Beste/r Freund/in* 43 5' 42 5° 44 5' 33 57 58 47 26 43 3° 55 57 47 35 5' 39 63 59 48 20 37 Clique 26 36 27 34 26 39 33 29 24 36 '5 35 33 21 3 32 '9 44 33 44 '3 43 12 28 ' Eltern 48 38 49 36 48 39 53 3 42 29 52 45 56 27 33 3° 60 48 50 38 56 28 46 44 ' 1 1 1 1 2 1 1 2 6 Lehrer 3 Tabelle 39:
Als wichtig erachtete Ansprechpartnerlnnen für Lesemedien und Computerspiele in Klasse 5 und 6 in Prozent (Mehrfachantworten, Prozentzahlen bezie he n sich auf Befragte, Basis: nur wiederholt Befragte mit Cliquenzugehörigkeit, * nur Befragte mit besten Freundinnen bzw. Freunden; Ngm mt = 354 bzw. 363)dinnen bzw. Freunden; Ngm mt = 354 bzw. 363)