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Kurzkommentar zum ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, Ehegesetz, Konsumentenschutzgesetz, IPR-Gesetz und Europäisches Vertragsstatutübereinkommen herausgegeben von
Helmut Koziol Peter Bydlinski Raimund Bollenberger mit Beiträgen von Peter Apathy Raimund Bollenberger Michael Bydlinski Peter Bydlinski Karl-Heinz Danzl Wilma Dehn Bernhard Eccher Irmgard Griss Gerhard Hopf Gert Iro
Ernst Karner Georg Kathrein Bernhard A. Koch Helmut Koziol Franz Stefan Meissel Gottfried Musger Matthias Neumayr Andreas Riedler Hansjörg Sailer Anton Spenling
Redaktionsassistenz: Susanne Haas 2., überarbeitete und erweiterte Auflage
2007 SpringerWienNewYork
Zitiervorschläge (Bsp): Karner in KBB § 1295 Rz 8 (für ABGB) Koch in KBB § 49 EheG Rz 4 Kathrein in KBB § 6 KSchG Rz 23
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2005 und 2007 Springer-Verlag/Wien Printed in Germany SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren, der Herausgeber oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. Textkonvertierung und Umbruch: Grafik Rödl, 2486 Pottendorf, Österreich Druck und Bindung: Strauss GmbH, 69509 Mörlenbach, Deutschland Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier – TCF SPIN: 12039463
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-211-71642-7 SpringerWienNewYork ISBN 978-3-211-23827-1 1. Aufl. SpringerWienNewYork
Autorenverzeichnis Dr. Peter Apathy, o. Univ.-Prof., Universität Linz (
[email protected]): §§ 531–796, 1045–1089 ABGB Dr. Raimund Bollenberger, Rechtsanwalt bei Doralt – Seist – Csoklich, Wien, a. Univ.-Prof., Universität Wien (
[email protected]): §§ 859–880, 901–916, 938–956 ABGB Dr. Michael Bydlinski, Hofrat des Obersten Gerichtshofs, Univ.-Doz. Universität Wien (
[email protected]): §§ 1165–1173 ABGB Dr. Peter Bydlinski, o. Univ.-Prof., Universität Graz (
[email protected]): §§ 1–14, 880a–900, 917–937, 1002–1034, 1342–1367 ABGB Dr. Karl-Heinz Danzl, Hofrat des Obersten Gerichtshofs, Hon.-Prof. Universität Innsbruck (
[email protected]): §§ 1316–1341 ABGB Dr. Wilma Dehn, Richterin des LG Wr. Neustadt, Referentin im Bundesministerium für Justiz (
[email protected]): §§ 1478–1502 ABGB Dr. Bernhard Eccher, o. Univ.-Prof., Universität Innsbruck (
[email protected]): §§ 285–446 ABGB Dr. Irmgard Griss, LL.M. (Harvard), Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Hon.-Prof. Universität Graz (
[email protected]): §§ 957–1001, 1438–1450 ABGB Dr. Gerhard Hopf, Sektionschef im Bundesministerium für Justiz, Hon.-Prof. Universität Graz (
[email protected]): §§ 137–284h ABGB Dr. Gert Iro, Univ.-Prof., Universität Wien (
[email protected]): §§ 1090–1121 ABGB Dr. Ernst Karner, ao. Univ.-Prof., Universität Wien (
[email protected]): §§ 1267–1315 ABGB Dr. Georg Kathrein, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Justiz, Hon.-Prof. Universität Wien (
[email protected]): §§ 1–32 KSchG Dr. Bernhard A. Koch, Univ.-Prof., LL.M. (Michigan), Universität Innsbruck (
[email protected]): §§ 15–100, 447–530, 1217–1266, 1368 –1374 ABGB, §§ 1–104 EheG V
Autorenverzeichnis
Dr. Dr.hc. Helmut Koziol, o. Univ.-Prof. i.R., Universität Wien, Hon.-Prof. Universität Graz, Direktor der Forschungsstelle für Europäisches Schadenersatzrecht der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des European Centre of Tort and Insurance Law (
[email protected]): §§ 1035–1044, 1174, 1411–1437 ABGB Dr. Franz Stefan Meissel, Univ.-Prof., Universität Wien (
[email protected]): §§ 1451–1477 ABGB Dr. Gottfried Musger, Hofrat des Obersten Gerichtshofs (
[email protected]): EVÜ Dr. Matthias Neumayr, Hofrat des Obersten Gerichtshofs, Hon.-Prof. Universität Linz (
[email protected]): §§ 1375–1410 ABGB, §§ 1–54 IPRG Dr. Andreas Riedler, Univ.-Prof., Universität Linz (
[email protected]): §§ 1175–1216 ABGB Dr. Hansjörg Sailer, Hofrat des Obersten Gerichtshofs, Hon.-Prof. Universität Linz (
[email protected]): §§ 797–858 ABGB Dr. Anton Spenling, Hofrat des Obersten Gerichtshofs (
[email protected]): §§ 1151–1164a ABGB
VI
Vorwort zur 2. Auflage Fast genau zwei Jahre nach der Erstauflage kann die Neubearbeitung wie geplant vorgelegt werden. Sie wurde nicht zuletzt deshalb nötig, weil der Gesetzgeber wiederum sehr aktiv war. Zu nennen sind vor allem das Handelsrechtsänderungsgesetz (HaRÄG BGBl I 2005/120), das uns zum 1.1.2007 nicht nur das UGB (statt des HGB) beschert, sondern auch einige Veränderungen des ABGB mit sich gebracht hat; ferner die Aufhebung mancher ABGB-Bestimmungen durch das DeregulierungsG (BGBl I 2006/113) sowie die Neuregelung des Sachwalterrechts (SWRÄG 2006 BGBl I 2006/92). Die letztgenannte Novelle tritt zwar erst zum 1.7.2007 in Kraft, wird hier aber bereits anstelle des „alten“ Rechts erläutert. Trotz der beibehaltenen Konzeption als knappes Erläuterungswerk haben sich Herausgeber und Verlag überdies zu einer maßvollen Erweiterung des behandelten Rechtsstoffs entschlossen. So enthält die vorliegende Bearbeitung eine Kommentierung des IPRG und einen Abdruck des EVÜ, dem einige Seiten Erläuterungen vorangestellt sind. Für die nächste Auflage ist eine echte Kommentierung des EVÜ (oder einer Nachfolgeregelung) geplant. Als Autoren konnten wir wiederum zwei Richter des OGH gewinnen: Matthias Neumayr (IPRG) war schon bisher dabei, Gottfried Musger (EVÜ) verstärkt das ansonsten unveränderte Bearbeiterteam. Mit dieser inhaltlichen Abrundung, für die wir uns aufgrund des umfassenden Anwendungsbereichs der beiden Regelungskomplexe entschieden haben, ist die Erweiterung allerdings abgeschlossen. Die Aufnahme echter Spezialgesetze – so etwa des MRG oder des WEG – würde den Rahmen eines handlichen Bandes bei Weitem sprengen. Am Konzept des „KBB“, der sich nunmehr hinsichtlich des verarbeiteten Materials auf dem Stand vom 1.1.2007 befindet und hinsichtlich des Normenbestands (SWRÄG 2006) sogar darüber hinausreicht, hat sich nichts geändert: Dem Benutzer, vor allem dem Praktiker, soll systematische, aktuelle und leicht auffindbare Erstinformation zum konkreten Problem verschafft werden. Für das pünktliche Erscheinen der zweiten Auflage haben wir wiederum ganz besonders unserer „Redaktionsassistentin“, Frau wiss. Mitarb. Mag. Susanne Haas (Graz), zu danken. Sie hat sich ein weiteres Mal nicht nur um alles gekümmert, was als „Formalien“ VII
Vorwort
bezeichnet wird, sondern auch in jeder Hinsicht und immer den Überblick behalten, zu einem guten Teil den Kontakt mit den Autoren gepflogen (und gepflegt) sowie immer wieder wertvolle inhaltliche Anregungen gegeben. Die Zusammenarbeit mit dem Verlag, diesmal vor allem mit Frau Mag. Sabine Warschitz, war wie gewohnt persönlich und kompetent, kurz: ausgesprochen angenehm. Um die Überarbeitung des Sachregisters hat sich Frau Dr. Nora Wallner verdient gemacht. Ihnen allen sowie den ungenannten Helfern im Hintergrund, nicht zuletzt aber unseren engagierten Autorinnen und Autoren, sei auch an dieser Stelle herzlicher Dank gesagt. Es macht Freude, mit diesem Team zu arbeiten! Graz/Wien, im März 2007
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Die Herausgeber
Aus dem Vorwort der 1. Auflage Das ABGB und einige wichtige Nebengesetze sind schon seit längerem durch mehrere Kommentare größeren Umfangs erschlossen; ebenso durch Sammlungen von Leitsätzen höchstgerichtlicher Entscheidungen. Ein Kurzkommentar, der vor allem dem Praktiker, aber auch dem fortgeschrittenen Studenten, systematische und aktuelle Erstinformation verschafft, fehlte in Österreich jedoch bisher. Herausgeber und Verlag sind der Meinung, dass es am Beginn des 21. Jahrhunderts hoch an der Zeit ist, diese Lücke zu schließen. Natürlich muss ein solches Werk – und damit auch sein Benutzer – mit manchen Unvollständigkeiten leben. So konnten neben dem ABGB nur Ehegesetz und Konsumentenschutzgesetz aufgenommen werden; andere wichtige Rechtsquellen kommen in der Kommentierung aber selbstverständlich ebenfalls zur Sprache. Das Konzept des Kurzkommentars ist rasch erklärt: Der Benutzer soll sowohl über die zentralen Grundsätze von Rechtsinstituten und Einzelbestimmungen als auch über die wichtigsten Detailfragen informiert werden. Im Vordergrund steht dabei die höchstgerichtliche Judikatur. Die Anführung der Geschäftszahl bei den seit 1990 ergangenen Entscheidungen dient der erleichterten elektronischen Recherche (weitere Benutzerhinweise finden sich auf S XIV f). Trotz der konzeptionell vorgegebenen Knappheit der Kommentierung sollte sich die überwiegende Zahl der in der Alltagspraxis auftretenden Rechtsfragen bereits mit dem vorliegenden Werk und der angeführten Judikatur lösen lassen. Ansonsten helfen andere, im Kommentar zitierte Publikationen. Bei der – oft schwierigen – Literaturauswahl wurde den Aspekten Aktualität, Greifbarkeit und weiterführender Problemaufbereitung besonderer Stellenwert eingeräumt. Die Selbstbeschränkung eines Kurzkommentars hat für den Benutzer weitere handfeste Vorteile: Das Buch passt in jede Aktentasche, es ist für jedermann erschwinglich und Neuauflagen können in relativ kurzen Abständen erfolgen, so dass das Werk aktuell bleibt. Das vor etwa vier Jahren zusammengestellte und seither nur geringfügig veränderte Autorenteam besteht neben Universitätslehrern aus Richtern (vor allem des Obersten Gerichtshofs), einem Rechtsanwalt und aus Spitzenbeamten des Justizministeriums.
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Inhaltsverzeichnis Benutzerhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV Abgekürzt zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Einleitung. Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt. §§ 1–14 (P. Bydlinski) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil. Von dem Personenrechte Erstes Hauptstück. Von den Rechten, welche sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen. §§ 15–43 (Koch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Zweites Hauptstück. Von dem Eherechte. §§ 44–136 (Koch) . . . 38 Drittes Hauptstück. Von den Rechten zwischen Eltern und Kindern. §§ 137–186a (Hopf ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Viertes Hauptstück. Von der Obsorge einer anderen Person. §§ 187–267 (Hopf ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Fünftes Hauptstück. Von der Sachwalterschaft, der sonstigen gesetzlichen Vertretung und der Vorsorgevollmacht. §§ 268–284h (Hopf ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Zweiter Teil. Von dem Sachenrechte Von Sachen und ihrer rechtlichen Einteilung. §§ 285–308 (Eccher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Erste Abteilung des Sachenrechtes. Von den dinglichen Rechten Erstes Hauptstück. Von dem Besitze. §§ 309–352 (Eccher) . . . . 285 Zweites Hauptstück. Von dem Eigentumsrechte. §§ 353–379 (Eccher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Drittes Hauptstück. Von der Erwerbung des Eigentumes durch Zueignung. §§ 380–403 (Eccher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Viertes Hauptstück. Von Erwerbung des Eigentumes durch Zuwachs. §§ 404–422 (Eccher). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 X
Inhaltsverzeichnis
Fünftes Hauptstück. Von Erwerbung des Eigentumes durch Übergabe. §§ 423–446 (Eccher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechstes Hauptstück. Von dem Pfandrechte. §§ 447–471 (Koch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siebentes Hauptstück. Von Dienstbarkeiten (Servituten). §§ 472–530 (Koch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achtes Hauptstück. Von dem Erbrechte. §§ 531–551 (Apathy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuntes Hauptstück. Von der Erklärung des letzten Willens überhaupt und den Testamenten insbesondere. §§ 552–603 (Apathy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zehntes Hauptstück. Von Nacherben [und Fideikommissen]. §§ 604–646 (Apathy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elftes Hauptstück. Von Vermächtnissen. §§ 647–694 (Apathy) Zwölftes Hauptstück. Von Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens. §§ 695–726 (Apathy) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreizehntes Hauptstück. Von der gesetzlichen Erbfolge. §§ 727–761 (Apathy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierzehntes Hauptstück. Von dem Pflichtteile und der Anrechnung in den Pflicht- oder Erbteil. §§ 762–796 (Apathy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfzehntes Hauptstück. Von Besitznehmung der Erbschaft. §§ 797–824 (Sailer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechzehntes Hauptstück. Von der Gemeinschaft des Eigentumes und anderer dinglichen Rechte. §§ 825–858 (Sailer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387 418 462 500 519 549 565 588 608 627 666 713
Zweite Abteilung. Von den persönlichen Sachenrechten Siebzehntes Hauptstück. Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt. §§ 859–937 (Bollenberger/ P. Bydlinski) . . . . . . . . Achtzehntes Hauptstück. Von Schenkungen. §§ 938–956 (Bollenberger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neunzehntes Hauptstück. Von dem Verwahrungsvertrage. §§ 957–970c (Griss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwanzigstes Hauptstück. Von dem Leihvertrage. §§ 971–982 (Griss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einundzwanzigstes Hauptstück. Von dem Darlehensvertrage. §§ 983–1001 (Griss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiundzwanzigstes Hauptstück. Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung. §§ 1002–1044 (P. Bydlinski / Koziol) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreiundzwanzigstes Hauptstück. Von dem Tauschvertrage. §§ 1045–1052 (Apathy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
772 1001 1020 1036 1045 1062 1138 XI
Inhaltsverzeichnis
Vierundzwanzigstes Hauptstück. Von dem Kaufvertrage. §§ 1053–1089 (Apathy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfundzwanzigstes Hauptstück. Von Bestand-, Erbpachtund Erbzinsverträgen. §§ 1090–1121 (Iro) . . . . . . . . . . . . . . . . Sechsundzwanzigstes Hauptstück. Von Verträgen über Dienstleistungen. §§ 1151–1174 (Spenling /M. Bydlinski / Koziol) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siebenundzwanzigstes Hauptstück. Von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter. §§ 1175–1216 (Riedler) . . . . . . . . Achtundzwanzigstes Hauptstück. Von den Ehepakten. §§ 1217–1266 (Koch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neunundzwanzigstes Hauptstück. Von den Glücksverträgen. §§ 1267–1292 (Karner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreißigstes Hauptstück. Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugtuung. §§ 1293–1341 (Karner/ Danzl) . . . . . . .
1147 1197 1250 1332 1378 1406 1422
Dritter Teil. Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte Erstes Hauptstück. Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten. §§ 1342–1374 (P. Bydlinski / Koch) . . . . . . . Zweites Hauptstück. Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten. §§ 1375–1410 (Neumayr) . . . . . . . . . . . . . . Drittes Hauptstück. Von Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten. §§ 1411–1450 (Koziol /Griss) . . . . . . . . . . . Viertes Hauptstück. Von der Verjährung und Ersitzung. §§ 1451–1502 (Meissel / Dehn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1558 1602 1662 1720
Ehegesetz (Koch) Erster Abschnitt. Recht der Eheschließung A. Ehefähigkeit. §§ 1–3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eheverbote. §§ 6–10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Eheschließung. §§ 15–17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nichtigkeit der Ehe. §§ 20–32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aufhebung der Ehe. §§ 33–42 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung. §§ 43–44 G. Wiederverheiratung nach Auflösung der Vorehe durch eine ausländische Entscheidung. § 45 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1786 1788 1790 1791 1798 1807 1808
Zweiter Abschnitt. Recht der Ehescheidung A. Allgemeine Vorschriften. § 46 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1809 B. Ehescheidungsgründe. §§ 49–55a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1810 XII
Inhaltsverzeichnis
C. Ausschluß des Scheidungsrechts. §§ 56–59 . . . . . . . . . . . . . . . 1823 D. Schuldausspruch. §§ 60–61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1827 E. Folgen der Scheidung. §§ 62–98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1831 Dritter Abschnitt. Sondervorschriften für das Land Österreich A. Standesbeamte (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ergänzungsvorschriften. §§ 102–107 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verfahrensvorschriften (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Übergangsbestimmungen. §§ 109–128 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1882 1882 1882 1882
Vierter Abschnitt. Schlußbestimmungen. §§ 129–130 . . . . . . . 1882
Konsumentenschutzgesetz (Kathrein) I. Hauptstück. Besondere Bestimmungen für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern Abschnitt I. Geltungsbereich. §§ 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1884 Abschnitt II. Allgemeine Regeln. §§ 3–14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1890 Abschnitt III. Besondere Vertragsarten. §§ 15–27i . . . . . . . . . . . 1950 II. Hauptstück. Verbandsklage. §§ 28–30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1992 III. Hauptstück. Ergänzende Bestimmungen. §§ 30a–42 . . . . 2000
IPR-Gesetz (Neumayr) Abschnitt 1. Allgemeine Bestimmungen. §§ 1–11 . . . . . . . . . . . . Abschnitt 2. Personenrecht. §§ 12–15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 3. Familienrecht. §§ 16–27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 4. Erbrecht. §§ 28–30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 5. Sachenrecht. §§ 31–33a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 6. Immaterialgüterrechte. § 34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 7. Schuldrecht. §§ 35–49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 8. Schlußbestimmungen. §§ 50–54 . . . . . . . . . . . . . . .
2023 2048 2052 2070 2076 2083 2086 2099
EVÜ (Musger) Vor Art 1 – Einführung in das EVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel I. Anwendungsbereich. Art 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel II. Einheitliche Bestimmungen. Art 3–22 . . . . . . . . . . . . . . Titel III. Schlußvorschriften. Art 23–33 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegungsprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2103 2108 2109 2117 2120
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2121 XIII
Benutzerhinweise Trotz der Konzeption als Kurzkommentar haben wir im Sinne besserer Lesbarkeit im Text weitestgehend auf Abkürzungen verzichtet; alle dennoch verwendeten Abkürzungen, die soweit möglich den AZR 5 (2001) folgen, sollten sich im entsprechenden Verzeichnis (S XXVII) finden. Normtexte ohne Zusatz stammen aus der Stammfassung des betreffenden Gesetzes; Hinweise wie „idF BGBl …“ verweisen auf die jeweils letzte Änderung der Norm. Wird bloß auf „BGBl …“ hingewiesen, handelt es sich um eine neu eingefügte Bestimmung. Vollzitate von Verordnungen und Richtlinien der EG sind über die im Text verwendeten Kurzzitate im Sachregister aufzufinden. Bei der Literaturauswahl wurde restriktiv vorgegangen. Vorrang wurde aktuellen Werken eingeräumt; ebenso solchen, die den entsprechenden Problemkreis besonders ausführlich behandeln und/oder auf weiterführende Publikationen verweisen. Vor allem häufig herangezogene Werke werden abgekürzt zitiert; siehe das Verzeichnis S XVI. Publikationen, die bereits in diesem Verzeichnis enthalten sind, werden auch in den Literaturübersichten vor den einzelnen Paragraphen grundsätzlich nur abgekürzt zitiert. Die Auflagenzahl wird nur bei Gefahr von Missverständnissen angegeben; insb weil manche Bände eines Gesamtwerks in unterschiedlichen Auflagen vorliegen oder (bewusst) aus einer Vorauflage zitiert wird. Ebenfalls aus Raumgründen werden für das Lehrbuch Koziol/Welser und die ABGB-KommentarZitate Kurzformen verwendet: K/W steht für Koziol/Welser, K für Klang, R für Rummel und S für Schwimann. Enthält ein Kommentarzitat bloß die Randzahl, ist damit die Kommentierung desselben Paragraphen gemeint. Bei der Auswahl der Gerichtsentscheidungen wurde ebenfalls vor allem auf Wichtigkeit und Aktualität geachtet. Bei mehrfachen Veröffentlichungen wird grundsätzlich nur eine ausführliche Fundstelle zitiert (bevorzugt SZ, dann JBl, EvBl usw); mit Besprechungen versehene Judikaturveröffentlichungen erhielten Vorrang. Sofern Entscheidungen nicht vom OGH stammen, ist das Gericht angeführt. Seit dem Jahre 1990 ergangene Entscheidungen werden zwecks leichterer Auffindbarkeit im RIS mit Geschäftszahl zitiert; aus Platzgründen aber bei jedem Paragraphen mit weniger als 15 Randzahlen nur XIV
Benutzerhinweise
im Erstzitat. Findet sich bloß eine Geschäftszahl, ist die Entscheidung bis zur Drucklegung unveröffentlicht geblieben. Bei mehrfachen gleichlautenden Aussagen in Entscheidungen („Entscheidungsreihen“) wird öfters die entsprechende RIS-Justiz-Nummer angegeben (zB RS0008985). Paragraphenzitate ohne weitere Angaben beziehen sich immer auf das kommentierte Gesetz. Die Suche nach konkreten Problemen wird durch ein detailliertes Inhaltsverzeichnis (S X), durch das Sachverzeichnis (S 2121) sowie durch die Angaben in der Kopfzeile erleichtert, die beim ABGB regelmäßig eine Kurzbezeichnung des betreffenden Hauptstücks enthalten.
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Abgekürzt zitierte Literatur Aichhorn, Lebenspartnerschaften Aichhorn, Das Recht der Lebenspartnerschaften (2003) Angst, EO Angst (Hrsg), Kommentar zur Exekutionsordnung (2000) Apathy, Verwendungsanspruch Apathy, Der Verwendungsanspruch (1988) Apathy, EKHG Apathy, Kommentar zum EKHG (1992) Apathy/Riedler, SR BT Apathy/Riedler, Schuldrecht. Besonderer Teil 2 (2002) Auckenthaler, Zahlung Auckenthaler, Irrtümliche Zahlung fremder Schulden (1980) Avancini, BVR I1, II Avancini in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht1 I (1987), II (1993) Bacher, Ausgleichsansprüche Bacher, Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Sicherern einer fremden Schuld (1994) Binder, SachenR M. Binder, Sachenrecht (2003) Böhler, Mängelrüge Böhler, Grundwertungen zur Mängelrüge (2000) Bollenberger, Irrtum Bollenberger, Irrtum über die Zahlungsunfähigkeit (1995) Bollenberger, Commodum Bollenberger, Das stellvertretende Commodum (1999) Buchegger, Insolvenzrecht I, III Bartsch/Pollak/Buchegger (Hrsg), Österreichisches Insolvenzrecht, I4 (2000), III4 (2002) Burgstaller/Deixler-Hübner, EO Burgstaller/Deixler-Hübner (Hrsg), Exekutionsordnung, Loseblatt (ab 1999) XVI
Abgekürzt zitierte Literatur
D
Burgstaller/Neumayr, IZVR Burgstaller/Neumayr (Hrsg), Internationales Zivilverfahrensrecht II, Loseblatt (ab 2001) F. Bydlinski, Schadensverursachung F. Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung (1964) F. Bydlinski, Privatautonomie F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes (1967) F. Bydlinski, Methodenlehre F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff 2 (1991) F. Bydlinski, System F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) P. Bydlinski, Gestaltungsrechte P. Bydlinski, Die Übertragung von Gestaltungsrechten (1986) P. Bydlinski, Bürgschaft P. Bydlinski, Die Bürgschaft im österreichischen und deutschen Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht (1991) P. Bydlinski, AT P. Bydlinski, Allgemeiner Teil 3 (2005) P. Bydlinski, Kreditbürgschaft P. Bydlinski, Die Kreditbürgschaft im Spiegel von aktueller Judikatur und Formularpraxis2 (2003) Bydlinski/Bydlinski, Formgebote P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand (2001) Danzl, EKHG Danzl, Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz7 (2002) Danzl ua, Schmerzengeld Danzl/Gutierréz-Lobos/Müller, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht8 (2003) Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung (1998) Deixler-Hübner, Scheidung Deixler-Hübner, Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft8 (2004) Dullinger, Aufrechnung Dullinger, Handbuch der Aufrechnung (1995) Dullinger, SR AT Dullinger, Schuldrecht. Allgemeiner Teil 2 (2002) XVII
D
Abgekürzt zitierte Literatur
Duursma-Kepplinger, EV Duursma-Kepplinger, Eigentumsvorbehalt und Mobilienleasing in der Insolvenz (2002) Eccher, Erbfolge Eccher, Antizipierte Erbfolge (1980) Eccher, ErbR Eccher, Erbrecht 2 (2002) Ehrenzweig, System I/1, I/2, II/1, II/2 Armin Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts2 , I/1: Allgemeiner Teil (1951), I/2: Das Sachenrecht (1957), II/1: Das Recht der Schuldverhältnisse (1928), II/2: Familien- und Erbrecht (1937) Eigner, Interzedentenschutz Eigner, Interzedentenschutz unter besonderer Berücksichtigung der Ehegattenhaftung (2004) Faber, Gewährleistungsrecht W. Faber, Handbuch zum neuen Gewährleistungsrecht (2001) Fasching, ZPR Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts2 (1990) Fasching, ZPO I–III, IV/12 bzw IV1 Fasching/Konecny (Hrsg), Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, I 2 (2000), II/12 (2002), II/22 (2003), III 2 (2004), IV/12 (2005) bzw IV1 (1971) Fenyves, Erbenhaftung Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis (1982) Ferrari/Hopf, Eherechtsreform Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000) Ferrari/Hopf, Reform Ferrari/Hopf (Hrsg), Reform des Kindschaftsrechts (2001) Fischer-Czermak, Mobilienleasing Fischer-Czermak, Mobilienleasing. Rechtsnatur, Gewährleistung und Gefahrtragung (1995) Frotz, Kreditsicherungsrecht G. Frotz, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts – GA für den 4. ÖJT I/3 (1970) Fucik ua, Verkehrsunfall VI Fucik/Hartl/Schlosser (Hrsg), Handbuch des Verkehrsunfalls VI: Zivilrecht (2005) XVIII
Abgekürzt zitierte Literatur
H
Grillberger, Gütergemeinschaft Grillberger, Eheliche Gütergemeinschaft (1982) Gschnitzer/Faistenberger, FamR Gschnitzer/Faistenberger, Österreichisches Familienrecht 2 (1979) Gschnitzer/Faistenberger, ErbR Gschnitzer/Faistenberger, Österreichisches Erbrecht 2 (1984) Gschnitzer ua, SachenR Gschnitzer/Faistenberger ua, Österreichisches Sachenrecht 2 (1985) Gschnitzer ua, SR AT Gschnitzer/Faistenberger ua, Österreichisches Schuldrecht Allgemeiner Teil 2 (1985) Gschnitzer ua, SR BT Gschnitzer/Faistenberger ua, Österreichisches Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz2 (1988) Gschnitzer ua, AT Gschnitzer/Faistenberger/Barta ua, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts2 (1992) Gusenleitner, Ersitzung Gusenleitner, Ersitzung als allgemeiner Rechtserwerbstatbestand (2004) Hämmerle/Wünsch, HR I–II4, III3 Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht I4 (1990), II4 (1993), III3 (1979) Harrer/Zitta, Familie Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992) Hausmann/Vonkilch, WohnR Hausmann/Vonkilch (Hrsg), Österreichisches Wohnrecht, Loseblatt (ab 2002) Heller/Berger/Stix, EO Heller/Berger/Stix, Kommentar zur Exekutionsordnung11 (1979) Hinteregger, FamR Hinteregger, Familienrecht 3 (2004) Holzhammer/Roth, GesR Holzhammer/Roth, Gesellschaftsrecht 2 (1997) Holzner, Ehevermögen Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und bei Tod (1998) Hopf/Kathrein, EheR Hopf/Kathrein, Eherecht² (2005) XIX
I
Abgekürzt zitierte Literatur
Iro, Besitzerwerb Iro, Besitzerwerb durch Gehilfen (1982) Iro, BVR I1, II Iro in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht1 I (1987), II (1993) Iro, SachenR Iro, Sachenrecht 2 (2002) Iro, BVR I 2 Iro in Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankvertragsrecht I² (2007) Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1982) Jabornegg, HGB Jabornegg (Hrsg), Kommentar zum HGB (1997 mit Ergänzungsheft 1999) Jabornegg/Strasser, AktG I/1, I/2, II, III, IV Jabornegg/Strasser (Hrsg), Kommentar zum Aktiengesetz4 I/1 (2006), I/2 (2003), II (2001), III (2002), IV (2006) Jensik, Miteigentum Jensik, Miteigentum – Wohnungseigentum (1962) Jud, Erbschaftskauf B. Jud, Der Erbschaftskauf (1998) Jud, Schadenersatz B. Jud, Schadenersatz bei mangelhafter Leistung (2003) Kandut, Gewährleistungsrecht Kandut, Das Gewährleistungsrecht beim Kauf (oJ) Karasek, ÖNORM Karasek, ÖNORM B 2110 (2003) Karner/Koziol, Ideeller Schaden Karner/Koziol, Der Ersatz ideellen Schadens im österreichischen Recht und seine Reform – GA für den 15. ÖJT II/1 (2003) Karollus, Schutzgesetzverletzung Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung (1992) Kastner/Doralt/Nowotny, GesR Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes5 (1990) XX
Abgekürzt zitierte Literatur
K
Kerschner, Irrtumsanfechtung Kerschner, Irrtumsanfechtung insbesondere beim unentgeltlichen Geschäft (1984) Kerschner, FamR Kerschner, Familienrecht 2 (2002) Kerschner, DHG Kerschner, Dienstnehmerhaftpflichtgesetz2 (2004) Kerschner/Bydlinski, Fälle und Lösungen Kerschner/P. Bydlinski, Fälle und Lösungen zum bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene 4 (2002) Bearbeiter/K I–VI Klang/Gschnitzer, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch 2 I/1 (1964), I/2 (1962), II (1950), III (1952), IV/1 (1968), IV/2 (1978), V (1954), VI (1951), Ergänzungsband (1977) Bearbeiter/K 3 Fenyves/Welser (Hrsg), 3. Auflage des von Dr. Heinrich Klang begründeten Kommentars zum ABGB: §§ 137–186a (2000) Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), 3. Auflage des von Dr. Heinrich Klang begründeten Kommentars zum ABGB: §§ 44–100 (2006), KSchG (2006) Kletecˇka, Gewährleistung Kletecˇka, Gewährleistung neu. Kommentar zum GewRÄG für Praxis und Ausbildung (2001) Kodek, Besitzstörung Kodek, Die Besitzstörung (2002) Konecny/Schubert, InsolvenzG Konecny/Schubert (Hrsg), Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, Loseblatt (ab 1997) Korinek/Krejci, MRG-HB Korinek/Krejci (Hrsg), Handbuch zum Mietrechtsgesetz (1985) Kosesnik-Wehrle ua, KSchG Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer/Langer, Konsumentenschutzgesetz 2 (2004) Koziol, Garantievertrag Koziol, Der Garantievertrag (1981) Koziol, HPR I3, II 2 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 (1997), II 2 (1984) XXI
K
Abgekürzt zitierte Literatur
Koziol, BVR I1, II Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht1 I (1987), II (1993) Koziol, BVR I 2 Koziol in Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankvertragsrecht I² (2007) K/W I, II Koziol/Welser, Bürgerliches Recht13 I (2006) und II (2007), bearbeitet von Kletecˇka (11. und 12. Auflage bearbeitet von Koziol unter Mitarbeit von Bollenberger) (Bd I) bzw von Welser (Bd II) auf Grundlage des von Koziol und Welser bis zur 10. Auflage gemeinsam verfassten Werkes Kralik, ErbR Kralik, Das Erbrecht (1983) Krejci, KSchG-HB Krejci (Hrsg), Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz (1981) Krejci, Reform Krejci, Reform des Gewährleistungsrechts (1994) Krejci, GesR I Krejci, Gesellschaftsrecht I (2005) Bearbeiter/RK UGB bzw ABGB Krejci (Hrsg), Kommentar zu den durch das HaRÄG 2005 eingeführten Neuerungen im Unternehmensgesetzbuch und im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (2007) Krejci ua, Provisionen Krejci/Ruppe/Schick, Unerlaubte Provisionen, Zuwendungen und Vorteile im Straf-, Privat- und Steuerrecht (1982) Kuderna, Entlassungsrecht Kuderna, Das Entlassungsrecht 2 (1994) Kurschel, Gewährleistung Kurschel, Die Gewährleistung beim Werkvertrag (1989) Larenz/Canaris, SchuldR II/213 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts: Besonderer Teil II/213 (1994) [deutsches Recht] Löschnigg, AR Löschnigg, Arbeitsrecht10 (2003) Lukas, Zession Lukas, Zession und Synallagma (2000) XXII
Abgekürzt zitierte Literatur
R
Maultaschl ua, Rechtslexikon Maultaschl/Schuppich/Stagel (Hrsg), Rechtslexikon – Handbuch des österreichischen Rechts für die Praxis, Loseblatt (ab 1956); zitiert mit dem jeweiligen Schlagwort Mayrhofer, SR AT Mayrhofer, Das Recht der Schuldverhältnisse. Allgemeine Lehren (1986) Meissel, Geschäftsführung Meissel, Geschäftsführung ohne Auftrag (1993) Möschl, Lebensgemeinschaft Möschl, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft 3 (2007) Bearbeiter/MKBGB5 bzw 4 Münchener Kommentar zum BGB in 11 Bänden und einem LoseblattErgänzungsband, erscheint seit 2006 in 5. Auflage [deutsches Recht] Ofner I, II Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungs-Protokolle des Österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, I (1888), II (1889) Ostheim, Rechtsfähigkeit Ostheim, Zur Rechtsfähigkeit von Verbänden im österreichischen bürgerlichen Recht (1967) Ostheim, Familienrechtsreform Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979) Posch, IPR Posch, Internationales Privatrecht 3 (2002) Ch. Rabl, Treuhänder Ch. Rabl, Der untreue Treuhänder (2002) Ch. Rabl, Gefahrtragung Ch. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf (2002) Th. Rabl, Bürgschaft Th. Rabl, Die Bürgschaft (2000) Rauch-Kallat/Pichler, Entwicklungen Rauch-Kallat/J. Pichler (Hrsg), Entwicklungen in den Rechten des Kindes im Hinblick auf das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1994) XXIII
R
Abgekürzt zitierte Literatur
Rechberger, AußStrG Rechberger (Hrsg), Außerstreitgesetz (2006) Rechberger, ZPO Rechberger (Hrsg), Kommentar zur ZPO3 (2006) Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht Rechberger/Kletecˇka (Hrsg), Bodenrecht in Österreich (2004) Rechberger/Simotta, ZPR Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts 6 (2003) Reckenzaun, Bestandgeberpfandrecht Reckenzaun, Das gesetzliche Bestandgeberpfandrecht (1989) Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft im österreichischen Recht (1998) Bearbeiter/R Rummel (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch I3 (2000 mit Ergänzungsband 2003), II/13 (2002), II/2b3 (2004), II/33 (2002), II/43 (2002), II/53 (2003), II/63 (2004); Teilband II/2a 3 (§§ 1293–1312) noch nicht erschienen Ruppe, Familienverträge Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge2 (1985) Samek, Pflichtteilsrecht Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht samt Anrechnungsrecht (2004) Schey, Obligationsverhältnisse Schey, Die Obligationsverhältnisse des österreichischen allgemeinen Privatrechts I/1, I/2, I/3: I/1: Einleitung – Das Darlehen (1890), I/2: Der Leihvertrag (1895), I/3: Der Bevollmächtigungsvertrag (1907) Schragel, AHG Schragel, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz3 (2003) Bearbeiter/S Schwimann (Hrsg), Praxiskommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch 3 I (2005), II (2005), III (2006), IV (2006), V (2006), VI (2006), VII (2005), VIII (1997), Ergänzungsband (2007) Schwimann, IPR Schwimann, Internationales Privatrecht und Europarecht 3 (2001) XXIV
Abgekürzt zitierte Literatur
W
Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 3 (2004) Schwind, EheR Schwind, Kommentar zum österreichischen Eherecht 2 (1980) Schwind, FamR Schwind, Das Familienrecht (1984) Spielbüchler, Schuldverhältnis Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis (1973) Spielbüchler/Grillberger, AR I Spielbüchler/Grillberger, Arbeitsrecht I4: Individualarbeitsrecht (1998) Spitzer, Pfandverwertung Spitzer, Die Pfandverwertung im Zivil- und Handelsrecht (2004) Staudinger, BGB13 bzw 14 Staudinger (Begr), Kommentar zum bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen13, erscheint seit 1993 in 13. Auflage, danach (weitergezählte) Bearbeitungen nach Bedarf [deutsches Recht] Bearbeiter/Straube, HGB I 3, II 2 Straube (Hrsg), Kommentar zum HGB, I 3 (2003), II 2 (2000) Umlauft, Anrechnung Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht (2001) Welser, Vertretung Welser, Vertretung ohne Vollmacht (1970) Welser, Rat Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten (1983) Welser, Schadenersatz Welser, Schadenersatz statt Gewährleistung (1994) Welser/Jud, Gewährleistung Welser/B. Jud, Die neue Gewährleistung (2001) Wilburg, Bereicherung Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht (1934) Wilburg, Elemente Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts (1941) XXV
W
Abgekürzt zitierte Literatur
Wilhelm, Vertretung Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht (1981) Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 21 (2004) Zankl, Vorausvermächtnis Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (1996) Zeiller I–IV Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, I (1811), II (1812), III (1812), IV (1813), Registerband (1813)
XXVI
Abkürzungsverzeichnis aA aaO ABB 2000 ABG ABGB AbgEO ABl abl Abs abw AcP AdÜ aE aF AG AGB AGBKr AHG AHGB AHR AKG AktG AKV AllgGAG ALR AlVG aM AMFG AMG
anderer Ansicht am angeführten Ort Allgemeine Bankbedingungen 2000 (von der Bundessektion Bank + Versicherung der Wirtschaftskammer Österreich hrsg Musterbedingungen) Allgemeines Berggesetz RGBl 1854/146 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch JGS 946 Abgabenexekutionsordnung BGBl 1949/104 Amtsblatt ablehnend Absatz abweichend Archiv für civilistische Praxis Haager Adoptionsübereinkommen BGBl 1978/581 am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen, Fassung 1979 Amtshaftungsgesetz BGBl 1949/20 Allgemeines Handelsgesetzbuch RGBl 1863/1 Autonome Honorar-Richtlinien Arbeiterkammergesetz 1992 BGBl 1991/626 Aktiengesetz 1965 BGBl 98 Alpenländischer Kreditorenverband für Kreditschutz und Betriebswirtschaft Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz BGBl 1930/2 Preußisches Allgemeines Landrecht Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 BGBl 609 (Wv) anderer Meinung Arbeitsmarktförderungsgesetz BGBl 1969/31 Arzneimittelgesetz BGBl 1983/185 XXVII
A
AnfO AngG Anh Anm AnwBl AO
Abkürzungsverzeichnis
Anfechtungsordnung RGBl 1914/337 Angestelltengesetz BGBl 1921/292 Anhang Anmerkung(en) Österreichisches Anwaltsblatt Ausgleichsordnung (Wv) BGBl II 1934/221 idF IRÄG 1982 BGBl 370 Art I ApKG Apothekerkammergesetz BGBl 1947/152 APSG Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 BGBl 683 ARÄG Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 BGBl I 2000/ 44 Arb Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen ArbVG Arbeitsverfassungsgesetz BGBl 1974/22 ARD ARD-Betriebsdienst arg argumento (folgt aus) ARGE Arbeitsgemeinschaft Art Artikel ÄrzteG Ärztegesetz 1998 BGBl I 1998/169 ASchG ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl 1994/ 450 ASFINAG Autobahnen- und Schnellstraßen-FinanzierungsAktiengesellschaft (s BGBl 1982/591) ASG Arbeits- und Sozialgericht ASGG Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz BGBl 1985/104 ASoK Arbeits- und Sozialrechtskartei ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz BGBl 1955/189 AtomHG Atomhaftungsgesetz 1999 BGBl I 1998/170 ATS Österreichischer Schilling AÜG Arbeitskräfteüberlassungsgesetz BGBl 1988/196 AusbV Ausbeutungsverordnung BGBl 1933/66 AusbVorbG Ausbildungsvorbehaltsgesetz BGBl 1996/378 Art II ausf ausführlich AuslBG Ausländerbeschäftigungsgesetz BGBl 1975/218 AußStr-BegleitG Außerstreit-Begleitgesetz BGBl I 2003/112 AußStrG 1854 Außerstreitgesetz RGBl 1854/208 AußStrG 2003 Außerstreitgesetz BGBl I 2003/111 AVB Allgemeine Versicherungs-Bedingungen AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 BGBl 51 (Wv) AVRAG Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz BGBl 1993/459 XXVIII
Abkürzungsverzeichnis
B
AZG AZR
Arbeitszeitgesetz BGBl 1969/461 Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache samt Abkürzungsverzeichnis, 5. Auflage 2001, hrsg von Friedl/Loebenstein BAG Berufsausbildungsgesetz BGBl 1969/142 BAO Bundesabgabenordnung BGBl 1961/194 BauKG Bauarbeitenkoordinationsgesetz BGBl I 1999/37 BauO Bauordnung BauRG Baurechtsgesetz RGBl 1912/86 BauRGNov 1990 Baurechtsgesetznovelle 1990 BGBl 258 BBG Bundesbahngesetz 1992 BGBl 825 bbl Baurechtliche Blätter Bd Band BDG Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 BGBl 333 Begr Begründer BEinstG Behinderteneinstellungsgesetz BGBl 1970/22 idF BGBl 1988/721 Bekl Beklagte(r) bekl beklagt(e) BergG Berggesetz 1975 BGBl 259 betr betreffend BewG Bewertungsgesetz 1955 BGBl 148 BG a) Bezirksgericht b) Bundesgesetz BGB (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BGBlG Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 BGBl 1996/660 BGH (deutscher) Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des (deutschen) Bundesgerichtshofs in Zivilsachen B-GlBG Bundes-Gleichbehandlungsgesetz BGBl 1993/100 bgld burgenländisch BinnSchiffG Binnenschifffahrtsgesetz dRGBl 1898, 868 BK Bundeskanzler B-KUVG Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz BGBl 1967/200 Blg Beilage(n) BlgHH Beilage(n) zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses BlgNR Beilage(n) zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates BM Bundesminister(ium) XXIX
B
BMaA BMF BMJ BMSG BMWA BörseG BPG BPGG 1. BRBG Bsp BStFG
BStG BSVG BT-Dr BTVG BUAG BV BVergG BVG B-VG BWG BZÖ bzw ca CC CIC cic CIEC CIM CIV
XXX
Abkürzungsverzeichnis
Bundesminister(ium) für auswärtige Angelegenheiten Bundesminister(ium) für Finanzen Bundesminister(ium) für Justiz Bundesminister(ium) für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Bundesminister(ium) für wirtschaftliche Angelegenheiten Börsegesetz 1989 BGBl 555 Betriebspensionsgesetz BGBl 1990/282 Bundespflegegeldgesetz BGBl 1993/110 Erstes Bundesrechtsbereinigungsgesetz BGBl I 1999/191 Beispiel(e) a) Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz BGBl 1975/ 11 b) Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 BGBl 201 Bundesstraßengesetz 1971 BGBl 286 Bauern-Sozialversicherungsgesetz BGBl 1978/559 Bundestags-Drucksache (deutsch) Bauträgervertragsgesetz BGBl I 1997/7 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz BGBl 1972/414 idF BGBl 1987/618 Besloten Vennootschap (eine der GmbH ähnliche Gesellschaftsform nach niederländischem Recht) Bundesvergabegesetz 2002 BGBl I 2002/99 Bundesverfassungsgesetz Bundes-Verfassungsgesetz BGBl 1930/1 (Wv) Bankwesengesetz BGBl 1993/532 Bündnis Zukunft Österreich beziehungsweise cirka (ungefähr) (italienischer) Codice civile codex iuris canonici culpa in contrahendo Commission Internationale de l’Etat Civil (Internationale Kommission für das Zivilstandswesen) Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr BGBl 1974/744 Internationales Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und Gepäckverkehr BGBl 1974/ 744
Abkürzungsverzeichnis
CMR COTIF D DDR dems dens DepG ders DevG DFB dh DHG dies DMSG DRdA dRdA DREvBl DRG 2006 dRGBl DSG dUrhG 1. DVEheG E EA ebd EBG ECG ecolex EDV EDVuR EEG EF EF-Z EFZG EG
E
Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr BGBl 1961/ 138 Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr BGBl 1985/225 Digesten Deutsche Demokratische Republik demselben denselben Depotgesetz BGBl 1969/424 derselbe Devisengesetz BGBl 1946/162 Druckfehlerberichtigung das heißt Dienstnehmerhaftpflichtgesetz BGBl 1965/80 dieselbe(n) Denkmalschutzgesetz BGBl 1923/533 idF BGBl I 1999/170 Das Recht der Arbeit (deutsches) Recht der Arbeit Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen als Beilage zum deutschen Recht (C) Deregulierungsgesetz 2006 BGBl I 2006/113 (deutsches) Reichsgesetzblatt Datenschutzgesetz 2000 BGBl I 1999/165 (deutsches) Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte dBGBl 1965 I 1273 Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz dRGBl 1938 I 923 Entscheidung(en) Einigungsamt ebenda Eisenbahnbeförderungsgesetz BGBl 1988/180 E-Commerce-Gesetz BGBl I 2001/152 Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Elektronische Datenverarbeitung EDV und Recht Eingetragene Erwerbsgesellschaft Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen Zeitschrift für Ehe- und Familienrecht Entgeltfortzahlungsgesetz BGBl 1974/399 a) EGV idF des Amsterdamer Vertrages b) Europäische Gemeinschaft XXXI
E
EGAHGB
Abkürzungsverzeichnis
Einführungsgesetz zum Allgemeinen Handelsgesetzbuch RGBl 1863/1 EGBGB Einführungsgesetz zum (deutschen) Bürgerlichen Gesetzbuch dRGBl 1896, 604 EGEO Einführungsgesetz zur Exekutionsordnung BGBl 1953/6 EGG Erwerbsgesellschaftengesetz BGBl 1990/257 EGJN Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm RGBl 1895/110 EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften EGZPO Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung RGBl 1895/112 EheG Ehegesetz dRGBl I 1938, 807 EheRÄG 1999 Eherechts-Änderungsgesetz 1999 BGBl I 1999/ 125 EheRwG Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe BGBl 1975/412 Einl Einleitung EisbEG Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (früher: Eisenbahnenteigungsgesetz) 1954 BGBl 71 EisbKrV Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 BGBl 2 EisenbahnEntG Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 BGBl 2 (nunmehr: EisbEG) EKEG Eigenkapitalersatz-Gesetz BGBl I 2003/92 EKHG Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz BGBl 1959/48 EKZ Einkaufszentrum, -zentren ElWOG Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz BGBl I 1998/143 EKMR Europäische Kommission für Menschenrechte endg endgültig EntmO Entmündigungsordnung RGBl 1916/207 EO Exekutionsordnung RGBl 1896/79 idF BGBl 1995/519 ErbRÄG Erbrechtsänderungsgesetz 1989 BGBl 656 ErbStG Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 BGBl 141 Erg Ergänzung ErgBd Ergänzungsband ErgLfg Ergänzungslieferung(en) Erk Erkenntnis XXXII
Abkürzungsverzeichnis
Erl Erl UGB EStG 1988 EU EuFrÜb EuGEI EuGH EuGRZ EuGVÜ
EuGVVO
EuInsVO EujurZ EURIBOR 1. Euro-JuBeG EUVerf EuZW EV eV EvBl 4. EVHGB EVÜ EWG EWIV EWIVG EWr EWR
E
a) Erläuterung(en) b) Erläuterungen zur Regierungsvorlage c) Erlass Erl 1058 BlgNR 22. GP Einkommenssteuergesetz 1988 BGBl 400 Europäische Union Europäisches Übereinkommen über die Berechnung von Fristen BGBl 1983/254 Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte Zeitschrift Europäisches Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen BGBl III 1998/209 Verordnung 44/2001/EG über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl 2001 L 12 S 1 Verordnung 1346/2000/EG über Insolvenzverfahren, ABl 2000 L 160 S 1 Eurojuris-Zeitung Euro Interbank Offered Rate 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz BGBl I 1998/125 Europäische Verfassung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht a) Eigentumsvorbehalt b) Einführungsverordnung c) einstweilige Verfügung eingetragener Verein Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen in Österreichische Juristen-Zeitung Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich dRGBl I 1938, 1999 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht BGBl III 1998/208 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung EWIV-Ausführungsgesetz BGBl 1995/521 Entscheidungen Wohnrecht Europäischer Wirtschaftsraum XXXIII
E
EWS f, ff FamRAnglV FamErbRÄG FamLAG FamRZ FamZ FBG FernFinG FG FinSG FinStrG FIS FLAG FlVfGG FMA FMABG FMAG FMedG FN FOG FrG FS FTFG F-VG G GA GAngG GBG GBlÖ GedS GEG GenG GenRevG
XXXIV
Abkürzungsverzeichnis
Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht und der, die folgende(n) Familienrechts-Angleichungsverordnung dRGBl I 1943, 80 Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004 BGBl I 2004/58 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 BGBl 376 (deutsche) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht Firmenbuchgesetz BGBl 1991/10 Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz BGBl I 2004/62 Festgabe Finanzsicherheiten-Gesetz BGBl I 2003/117 Finanzstrafgesetz BGBl 1958/129 Fédération Internationale de Ski (Internationaler Skiverband) Familienlastenausgleichsgesetz 1967 BGBl 376 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 BGBl 103 Finanzmarktaufsicht Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz BGBl I 2001/97 Finanzmarktaufsichtsgesetz BGBl I 2001/97 Fortpflanzungsmedizingesetz BGBl 1992/275 Fußnote Forschungsorganisationsgesetz BGBl 1981/341 Fremdengesetz 1997 BGBl I 1997/75 Festschrift Forschungs- und Technologieförderungsgesetz BGBl 1982/434 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 BGBl 45 idF BGBl 1996/201 Art 65 Gesetz Gutachten Gutsangestelltengesetz BGBl 1923/538 Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 BGBl 39 Gesetzblatt für das Land Österreich (1938–1940) Gedenkschrift Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962 BGBl 288 Genossenschaftsgesetz RGBl 1873/70 Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997 BGBl I 1997/127
Abkürzungsverzeichnis
Geo GeS GesRÄG 2005 GesBR GeSchG GesRZ GewO GewRÄG GGG GH GKoärG GlBG GlU GlUNF GmbH GmbHG GMG GoA GOG GoldKlG GP GrStG GSGG GSpG GSVG GTG GUG GWG GZ H hA HaRÄG
H
Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz BGBl 1951/264 Zeitschrift für Gesellschafts- und Steuerrecht Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005 BGBl I 2005/59 Gesellschaft bürgerlichen Rechts Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie BGBl 1996/759 Der Gesellschafter Gewerbeordnung 1994 BGBl 194 (Wv) Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2001/48 Gerichtsgebührengesetz BGBl 1984/501 Die Gerichtshalle Gerichtskommissärgesetz BGBl 1970/343 Gleichbehandlungsgesetz BGBl 1979/108 Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes, hrsg von Glaser und Unger Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes, Neue Folge Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung RGBl 1906/58 Gebrauchsmustergesetz BGBl 1994/211 Geschäftsführung ohne Auftrag Gerichtsorganisationsgesetz RGBl 1896/217 Goldklauselgesetz BGBl 1937/130 Gesetzgebungsperiode Grundsteuergesetz 1955 BGBl 149 Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 BGBl 198 Glückspielgesetz BGBl 1989/620 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz BGBl 1978/560 Gentechnikgesetz BGBl 1994/510 Grundbuchumstellungsgesetz BGBl 1980/550 Gaswirtschaftsgesetz BGBl I 2000/121 a) Geschäftszahl b) Österreichische Allgemeine Gerichtszeitung Heft herrschende Ansicht Handelsrechts-Änderungsgesetz XXXV
H
HbG HebG HeimAufG HfD HfKD HG HGB HHB hL hM Hrsg hrsg hRspr HS HVertrG HypBG idF idgF idR idS IEG ieS IESG IHR iHv ImmMV ImmoInvFG immolex ImmZ infas insb InvFG IPR IPRax
XXXVI
Abkürzungsverzeichnis
Hausbesorgergesetz BGBl 1970/16 Hebammengesetz 1963 BGBl 1964/3 Heimaufenthaltsgesetz BGBl I 2004/11 Hofdekret Hofkanzleidekret Handelsgericht Handelsgesetzbuch dRGBl 1897, 219 Herrenhausbericht zur dritten Teilnovelle (s bei Mat III. TN) herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben herrschende Rechtsprechung a) Handelsrechtliche Entscheidungen b) Halbsatz Handelsvertretergesetz BGBl 1993/88 Hypothekenbankgesetz dRGBl 1899, 375 in der Fassung in der geltenden Fassung in der Regel in dem, in diesem Sinne Insolvenzrechtseinführungsgesetz BGBl I 1997/ 114 Art III im engeren Sinn Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz BGBl 1977/324 Internationales Handelsrecht – Zeitschrift für das Recht des internationalen Warenkaufs und -vertriebs in Höhe von Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Standes- und Ausübungsregeln für Immobilienmakler BGBl 1996/297 Immobilien-Investmentfondsgesetz BGBl I 2003/80 Neues Miet- und Wohnrecht Österreichische Immobilien-Zeitung Informationen aus dem Arbeits- und Sozialrecht insbesondere Investmentfondsgesetz BGBl 1993/532 Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (deutsche Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
IPRE IPRG IRÄG 1982 iSd iSv IT iVm IVVG iwS IZVR JA JAB JABl JAP Jb JB JBl JGS JherJB JMV JMVBl JMZ JN JRP JUS JWG JZ K KAKuG KartG KartG 2005 KautSchG KBB KBGG KEG
K
Österreichische Entscheidungen zum internationalen Privatrecht- und Verfahrensrecht Bundesgesetz über das internationale Privatrecht BGBl 1978/304 Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 BGBl 370 im Sinne des, der im Sinne von Informationstechnik, -technologie in Verbindung mit Internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum BGBl 1993/89 im weiteren Sinn Internationales Zivilverfahrensrecht Justizausschuss Justizausschussbericht Amtsblatt der österreichischen Justizverwaltung Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung Jahrbuch Judikatenbuch des Obersten Gerichtshofes Juristische Blätter Justizgesetzsammlung, Gesetze und Verordnungen im Justizfach Jherings Jahrbücher für Dogmatik des bürgerlichen Rechts Justizministerialverordnung Verordnungsblatt des k.k. Justizministeriums Justizministerialzahl Jurisdiktionsnorm RGBl 1895/111 Journal für Rechtspolitik Jus-Extra, Beilage zur Wiener Zeitung Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 BGBl 161 (deutsche) Juristenzeitung a) Klang-Kommentar (s S XXI) b) Kundmachung Kranken- und Kuranstaltengesetz BGBl 1957/1 (früher: KAG) Kartellgesetz 1988 BGBl 600 Kartellgesetz 2005 BGBl I 2005/61 Kautionsschutzgesetz BGBl 1937/229 Koziol/Bydlinski/Bollenberger Kinderbetreuungsgeldgesetz BGBl I 2001/103 a) Kommandit-Erwerbsgesellschaft b) Kraftloserklärungsgesetz 1951 BGBl 86 XXXVII
K
KFG Kfl-Bef Bed
Abkürzungsverzeichnis
Kraftfahrgesetz 1967 BGBl 267 Allgemeine Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr BGBl II 2001/47 Kfz Kraftfahrzeug(e) KG a) Kommanditgesellschaft b) (ehemaliges) Kreisgericht KGG Karenzgeldgesetz BGBl I 1997/47 Art 1 KHVG Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 BGBl 651 KindG Bundesgesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechts BGBl 1977/403 KindRÄG 2001 Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz 2001 BGBl I 2000/135 KJBG Gesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 BGBl 599 (Wv) KlGG Kleingartengesetz BGBl 1959/6 KMG Kapitalmarktgesetz BGBl 1991/625 KO Konkursordnung RGBl 1914/337 idF IRÄG 1982 BGBl 370 Art II KOG Kartellobergericht KOM Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften KRES Konsumentenrecht – Entscheidungssammlung krit kritisch Krnt Kärnten, Kärntner krnt kärntnerisch KSchG Konsumentenschutzgesetz BGBl 1979/140 KSÜ Haager Kinderschutzübereinkommen KUG Karenzurlaubsgeldgesetz BGBl 1974/395 K/W Koziol/Welser (s S XXII) KWG Kreditwesengesetz 1979 BGBl 63 L Lehre LAG Landarbeitsgesetz 1984 BGBl 287 (Wv) LBG Liegenschaftsbewertungsgesetz BGBl 1992/150 leg cit legis citatae (der zitierten Vorschrift) LegÜ CIEC-Legitimationsübereinkommen BGBl 1976/ 102 LFG Luftfahrtgesetz BGBl 1957/253 LG a) Landesgericht b) Landesgesetz LGBl Landesgesetzblatt LGZ Landesgericht für Zivilrechtssachen LiegTeilG Liegenschaftsteilungsgesetz BGBl 1930/3 XXXVIII
Abkürzungsverzeichnis
lit Lit LKW LPG LS LSK LuftVG MarkSchG Mat Mat III. TN
mE MedG MEG MEntw Miet migraLex MinRoG Mj mj MMR MR MRA MRG MR-Int MRK MSA Mschr MuSchG MuttSchG mwN NÄG NahVersG NamRÄG NBG nF NJW
N
litera (Buchstabe) Literatur Lastkraftwagen Landpachtgesetz BGBl 1969/451 Leitsatz, -sätze Leitsatzkartei Luftverkehrsgesetz dRGBl I 1936, 653 Markenschutzgesetz 1970 BGBl 260 (Wv) Materialien Kaiserliche Verordnung vom 19. März 1916, RGBl 69, über die dritte Teilnovelle zum ABGB. Mit Materialien (1916; daraus: Herrenhausbericht, S 123 ff, zit auch: HHB; dieser auch veröffentlicht als 78 BlgHH, 21. Sess 1912) meines Erachtens Mediengesetz BGBl 1981/314 Maß- und Eichgesetz BGBl 1950/152 Ministerialentwurf Mietrechtliche Entscheidungen Zeitschrift für Fremden- und Minderheitenrecht Mineralrohstoffgesetz BGBl I 1999/38 Minderjährige(r) minderjährig MultiMedia und Recht Medien und Recht Medien und Recht, Archiv Mietrechtsgesetz BGBl 1981/520 Medien und Recht International Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210 Haager Minderjährigenschutzübereinkommen BGBl 1975/446 Monatsschrift Musterschutzgesetz 1990 BGBl 497 Mutterschutzgesetz 1979 BGBl 221 (Wv) mit weiteren Nachweisen Namensänderungsgesetz BGBl 1988/195 BG zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen BGBl 1977/392 Namensrechtsänderungsgesetz BGBl 1995/25 Nationalbankgesetz 1984 BGBl 50 (Wv) neue Fassung (deutsche) Neue Juristische Wochenschrift XXXIX
N
NN NO nö NotAktsG Nr NRsp NTG Nw NWG NZ NZ-K ÖA oÄ ÖAKR ÖAMTC-LSK ÖBA ÖBB OBDK ÖBl OEG OeNB OG OGH OGHG ÖGIZIN ÖGZ OHG ÖIAG-Gesetz
oJ ÖJT ÖJZ ÖJZ-MRK
XL
Abkürzungsverzeichnis
nomen nescio (unbekannter Autor) Notariatsordnung RGBl 1871/75 niederösterreichisch Notariatsaktsgesetz RGBl 1871/76 Nummer Neue Rechtsprechung des OGH in Österreichische Juristen-Zeitung Notariatstarifgesetz BGBl 1973/576 Nachweise Notwegegesetz RGBl 1896/140 Österreichische Notariats-Zeitung Kartei in Außerstreitsachen in Österreichische Notariats-Zeitung Der Österreichische Amtsvormund oder Ähnliche(s) Österreichisches Archiv für Kirchenrecht Leitsatzkartei des Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring Clubs Österreichisches Bankarchiv Österreichische Bundesbahnen Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Offene Erwerbsgesellschaft Oesterreichische Nationalbank Offene Gesellschaft Oberster Gerichtshof Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof BGBl 1968/328 Österreichische Gesellschaft für Information und Zusammenarbeit im Notariat Österreichische Gemeinde-Zeitung offene Handelsgesellschaft BG über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft BGBl I 2000/24 ohne Jahr Österreichischer Juristentag Österreichische Juristen-Zeitung MRK-Entscheidungen in Österreichische JuristenZeitung
Abkürzungsverzeichnis
OLG oö OPG OP-Listen OR ORF-G OrgHG öS ÖSGRUM ÖStA ÖStZ ÖStZB ÖZVV ÖZW pa PartG PaßG PatAnwG PatG PatVG PersFrSchG PfBrG PG PHG PKG Pkt PKW PO PostG PreisG PSG PStG PStV pVV QuHGZ R RabelsZ
R
Oberlandesgericht oberösterreichisch Offene Personengesellschaft offene Posten-Listen (Schweizer) Obligationenrecht ORF-Gesetz BGBl I 2001/83 Organhaftpflichtgesetz BGBl 1967/181 Österreichischer Schilling Österreichische Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Medienrecht Österreichisches Standesamt Österreichische Steuer-Zeitung Die finanzrechtlichen Erkenntnisse des VwGH und des VfGH, Blg zur Österreichischen Steuerzeitung Österreichisches Zentrales Vertretungsverzeichnis Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht pro anno, per annum Parteiengesetz BGBl 1975/404 idF BGBl I 1997/ 130 Art 13 Paßgesetz 1992 BGBl 839 Patentanwaltsgesetz BGBl 1967/214 Patentgesetz 1970 BGBl 259 (Wv) Patientenverfügungs-Gesetz BGBl I 2006/55 Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit BGBl 1988/684 Pfandbriefgesetz dRGBl I 1927, 492 Pensionsgesetz 1965 BGBl 340 Produkthaftungsgesetz BGBl 1988/99 Pensionskassengesetz BGBl 1990/281 Punkt Personenkraftwagen Postordnung BGBl 1957/110 Postgesetz 1997 BGBl I 1998/18 Preisgesetz 1992 BGBl 145 Privatstiftungsgesetz BGBl 1993/694 Personenstandsgesetz BGBl 1983/60 Personenstandsverordnung BGBl 1983/629 positive Vertragsverletzung Quartalshefte der Girozentrale Rummel-Kommentar (s S XXIV) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht XLI
R
RAO RAT RatG RDG RdM RdS RdU RdW RelKEG RFG RGBl RGZ RHPflG RichtWG RIS RIW RK
RL RL-BA
RohrlG RPA RPflG RpflG RPflA Rs Rsp Rspr RStG RV RZ Rz RZ-EÜ
XLII
Abkürzungsverzeichnis
Rechtsanwaltsordnung RGBl 1868/96 Bundesgesetz über den Rechtsanwaltstarif BGBl 1969/189 Ratengesetz BGBl 1961/279 Richterdienstgesetz BGBl 1961/305 Recht der Medizin Recht der Schule Recht der Umwelt Österreichisches Recht der Wirtschaft Gesetz über die religiöse Kindererziehung BGBl 1985/155 (Wv) Rechts- und Finanzierungspraxis der Gemeinden Reichsgesetzblatt Entscheidungen des (deutschen) Reichsgerichts in Zivilsachen Reichshaftpflichtgesetz dRGBl 1871, 207 Richtwertgesetz BGBl 1993/800 Art IX Rechtsinformationssystem des Bundes Recht der internationalen Wirtschaft Reformkommentar = Krejci (Hrsg), Kommentar zu den durch das HaRÄG 2005 eingeführten Neuerungen im Unternehmensgesetzbuch und im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (2007) Richtlinie der EU Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 14.12.1977 Rohrleitungsgesetz BGBl 1975/411 Recht und Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe Entscheidungssammlung Grundbuchssachen Rechtspflegergesetz BGBl 1985/560 Sammelmappe für Rechtspfleger-Besprechungen Rechtssache (bei Europäischen Gerichten) Rechtsprechung (Zeitschrift) Rechtsprechung Rückstellungsgesetz(e) Regierungsvorlage Österreichische Richterzeitung Randzahl Österreichische Richterzeitung Entscheidungsübersicht
Abkürzungsverzeichnis
S s sbg SchBeihG SchG SchiedsRÄG 2006 SchOG SchSpG SchUG schw SchZG SE SEG Sess SigG Slg SMG sog SpG SPG SpR SSt SSV-NF StadtErnG StAZ StbG StEG 1969 StEG 2005 StGB StGBl StGG Stmk
S
a) Satz b) Schwimann-Kommentar (s S XXIV) c) Seite siehe salzburgerisch Schülerbeihilfengesetz BGBl 1983/455 (Wv) Scheckgesetz 1955 BGBl 50 Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2006 BGBl I 2006/7 Schulorganisationsgesetz BGBl 1962/242 Schauspielergesetz BGBl 1922/441 Schulunterrichtsgesetz BGBl 1986/472 (Wv) schweizerisch Schutzzertifikatsgesetz 1996 BGBl I 1997/11 Societas Europaea (Europäische Gesellschaft) SE-Gesetz BGBl I 2004/67 Session Signaturgesetz BGBl I 1999/190 a) Sammlung b) Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des EuGEI Suchtmittelgesetz BGBl I 1997/112 so genannte, -er, -es Sparkassengesetz BGBl 1979/64 Sicherheitspolizeigesetz BGBl 1991/566 Spruchrepertorium des Obersten Gerichtshofes Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Strafsachen und Disziplinarangelegenheiten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Sozialrechtssachen Stadterneuerungsgesetz BGBl 1974/287 Das Standesamt (deutsch) Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 BGBl 311 (Wv) Strafrechtliches Entschädigungsgesetz BGBl 1969/ 270 Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 BGBl I 2005/25 Strafgesetzbuch BGBl 1974/60 Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger RGBl 1867/142 Steiermark XLIII
S
stmk StPO str StRÄG StrSchG stRspr StudFG StVO StVÜ sublit SV SVSlg SWRÄG 2006 SZ TabMG TÄG taxlex TEG TestÜ Tir Tir WWSGG TKG TN TNG TP TSchG TVG ua uÄ uam UbG ÜbG Übk UFG UG 2002 UGB XLIV
Abkürzungsverzeichnis
steiermärkisch Strafprozessordnung 1975 BGBl 631 (Wv) streitig Strafrechtsänderungsgesetz Strahlenschutzgesetz BGBl 1969/227 ständige Rechtsprechung Studienförderungsgesetz 1992 BGBl 305 Straßenverkehrsordnung 1960 BGBl 159 Haager Straßenverkehrsübereinkommen BGBl 1975/387 sublitera (Unterbuchstabe) Der Sachverständige Sozialversicherungsrechtliche Entscheidungen Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 BGBl I 2006/92 Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs-) sachen Tabakmonopolgesetz 1996 BGBl 1995/830 Tierärztegesetz BGBl 1975/16 Zeitschrift für Steuer und Beratung Todeserklärungsgesetz 1950 BGBl 1951/23 Haager Testamentsübereinkommen BGBl 1963/295 Tirol, Tiroler Tiroler Wald- und Weideservitutengesetz Telekommunikationsgesetz 2003 BGBl I 2003/70 Teilnovelle Teilzeitnutzungsgesetz BGBl I 1997/32 Tarifpost Tierschutzgesetz BGBl I 2004/118 Tierversuchsgesetz 1988 BGBl 1989/501 idF BGBl I 1999/169 a) und andere(s) b) unter anderem und Ähnliche(s) und andere(s) mehr Unterbringungsgesetz BGBl 1990/155 Übernahmegesetz BGBl I 1998/127 Übereinkommen Umweltförderungsgesetz BGBl 1993/185 Universitätsgesetz 2002 BGBl I 2002/120 Unternehmensgesetzbuch BGBl I 2005/120
Abkürzungsverzeichnis
UHG UNCITRAL UN-K unstr unzutr UrhG UrlG USchG USt UStG UStÜ usw uU uva UVG UVS UWG V va VAG VBG VBKG VbVG VEG VerG VerkOSG VermG VermV VersE VersR verst VersVG
V
Urkundenhinterlegungsgesetz BGBl 1974/326 United Nations Commission on International Trade Law (Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht) Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf BGBl 1988/96 unstreitig unzutreffend Urheberrechtsgesetz BGBl 1936/111 Urlaubsgesetz BGBl 1976/390 Unterhaltsschutzgesetz 1985 BGBl 452 (Wv) Umsatzsteuer Umsatzsteuergesetz 1972 BGBl 223 Haager Unterhaltsstatutsübereinkommen BGBl 1961/293 und so weiter unter Umständen und viele(s) andere Unterhaltsvorschußgesetz 1985 BGBl 451 (Wv) Unabhängiger Verwaltungssenat Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 BGBl 448 (Wv) Verordnung vor allem Versicherungsaufsichtsgesetz BGBl 1978/569 Vertragsbedienstetengesetz 1948 BGBl 86 Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz BGBl I 2006/148 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz BGBl I 2005/ 151 Verwaltungsentlastungsgesetz BGBl 1925/277 Vereinsgesetz 2002 BGBl I 2002/66 Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer – Verkehrsopferschutzgesetz BGBl 1977/322 Vermessungsgesetz BGBl 1968/306 Vermessungsverordnung 1994 BGBl 562 Versicherungsrechtliche Entscheidungssammlung (deutsches) Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung verstärkter Versicherungsvertragsgesetz 1958 BGBl 1959/2 XLV
V
VfGH VfSlg vgl vH VIBOR VJ VKG VKI Vlbg VO Vorbem VR VRInfo vs VslgG VSPAG VStG VVDStRL VwGH VwSlg WaffG WAG 3. WÄG WBFG wbl WEG 1975 WEG 2002 WG WGG WGN 1997 WHG WIPO WKG WM
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Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vergleiche vom Hundert Vienna Interbank Offered Rate Verkehrsjurist des ARBÖ Väter-Karenzgesetz BGBl 1989/651 Verein für Konsumenteninformation Vorarlberg, Vorarlberger Verordnung(en) der EG Vorbemerkungen Die Versicherungsrundschau Information zum Verbraucherrecht versus (gegen) Versammlungsgesetz 1953 BGBl 98 Vereinssachwalter- und Patientenanwaltsgesetz BGBl 1990/156 Verwaltungsstrafgesetz 1991 BGBl 52 (Wv) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtshof Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes Waffengesetz 1996 BGBl I 1997/12 Wertpapieraufsichtsgesetz BGBl 1996/753 3. Wohnrechtsänderungsgesetz BGBl 1993/800 Wasserbautenförderungsgesetz 1985 BGBl 148 (Wv) wirtschaftsrechtliche blätter, Zeitschrift für österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht Wohnungseigentumsgesetz 1975 BGBl 417 Wohnungseigentumsgesetz 2002 BGBl I 2002/70 Wechselgesetz 1955 BGBl 49 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz BGBl 1979/139 Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 BGBl I 1997/140 Wachbediensteten-Hilfeleistungsgesetz BGBl 1992/177 World Intellectual Property Organization Wirtschaftskammergesetz 1998 BGBl I 1998/103 (deutsche) Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapier-Mitteilungen
Abkürzungsverzeichnis
wobl Wr WrDiplKonv WRG WRInfo WRN 2006 WTBG WTBO WuchG Wv WWSGG WWU Z Zak ZAS zB ZBB ZBl ZER ZessRÄG ZEuP ZfRV ZfV ZfVB
ZGB ZIK ZinsRÄG ZIP zit ZivMediatG ZivRÄG ZNR
Z
Wohnrechtliche Blätter Wiener Wiener Diplomatenkonvention BGBl 1966/66 Wasserrechtsgesetz 1959 BGBl 215 idF WRGNovelle 1990 BGBl 252 WirtschaftsrechtsInfo Wohnrechtsnovelle 2006 BGBl I 2006/124 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz BGBl I 1999/58 Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung BGBl 1955/125 Wuchergesetz 1949 BGBl 271 (Wv) Wiederverlautbarung Wald- und Weideservituten-Grundsatzgesetz BGBl 1951/103 Wirtschafts- und Währungsunion Zahl, Ziffer Zivilrecht aktuell Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht zum Beispiel (deutsche) Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zentralblatt für die juristische Praxis Euro-Info, Blg zur Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zessionsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2005/51 Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Verwaltung Die administrativrechtlichen Entscheidungen des VwGH und die verwaltungsrechtlich relevanten Entscheidungen des VfGH in lückenloser Folge, Beilage zur Zeitschrift für Verwaltung (Schweizer) Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz Zinsenrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2002/118 (deutsche) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert Zivilrechts-Mediations-Gesetz BGBl I 2003/29 Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 BGBl I 2004/91 Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte XLVII
Z
ZÖR ZPMRK ZPO ZRInfo zT ZTKG zust ZustG zutr ZVB ZVglRWiss ZVN 1983 ZVR
XLVIII
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Zeitschrift für öffentliches Recht Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Zivilprozeßordnung RGBl 1895/113 ZivilrechtsInfo (ab 2006: Zak) zum Teil Ziviltechnikerkammergesetz 1993 BGBl 1994/157 zustimmend Zustellgesetz BGBl 1982/200 zutreffend Zeitschrift für Vergaberecht und Beschaffungspraxis (deutsche) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zivilverfahrens-Novelle 1983 BGBl 135 Zeitschrift für Verkehrsrecht
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch vom 1. Juni 1811, JGS 946*
Einleitung Von den bürgerlichen Gesetzen überhaupt Begriff des bürgerlichen Rechtes § 1. Der Inbegriff der Gesetze, wodurch die Privatrechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das bürgerliche Recht in demselben aus. Lit: F. Bydlinski, Privatrecht und umfassende Gewaltenteilung, 2. FS Wilburg (1975) 53; ders, Kriterien und Sinn der Unterscheidung von Privatrecht und öffentlichem Recht, AcP 194 (1994) 319; ders, Das Privatrecht im Rechtssystem einer „Privatrechtsgesellschaft“ (1994); ders, System 75 ff; Kerschner, Nachbarrecht im Spannungsfeld zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, JBl 1994, 781; Rill, Zur Abgrenzung des öffentlichen vom privaten Recht, ZÖR NF 11 (1961) 457; W. Schwarz, Öffentliches und privates Recht in der arbeitsrechtlichen Systembildung (1973).
Die §§ 1 ff sind zum Teil veraltet. Sie erklären sich insb daraus, dass 1 bei Inkrafttreten des ABGB noch keine Verfassungsgesetze existierten, der Gesetzgeber aber eine Kodifikation, also ein umfassendes Regelungswerk, schaffen wollte (näher, zT überkritisch, Graf in Fischer-Czermak/Hopf/Schauer, Das ABGB auf dem Weg in das 3. Jahrtausend, 2003, 1 ff). Soweit die Bestimmungen auch heute noch von Relevanz sind (wie insb die §§ 6 f), gelten sie weit über das ABGB hinaus (s § 6 Rz 1). § 1 enthält eine grobe Definition des bürgerlichen – besser: des priva- 2 ten – Rechts; und zwar in Abgrenzung vom öffentlichen. Das Privatrecht zeichnet sich durch eine rechtliche Gleichordnung der Beteilig* Vom Abdruck des Kaiserlichen Patents vom 1. Juni 1811, JGS 946 (sog Kundmachungspatent zum ABGB) wurde abgesehen. P. Bydlinski
1
Einleitung
§2
ten aus. Demgegenüber tritt im öffentlichen Recht ein Rechtsträger dem „Rechtsunterworfenen“ hoheitlich, also übergeordnet, entgegen. Die Unterscheidung hat vor allem für den Rechtsweg entscheidende Bedeutung: Entscheidungen über privatrechtliche Verhältnisse (§ 1 JN: „bürgerliche Rechtssachen“) haben die Gerichte zu fällen, während öffentliches Recht von Verwaltungsbehörden vollzogen wird. Zum Privatrecht werden ua gezählt: Schadenersatzansprüche (SZ 58/156; VfGH VfSlg 5519 und 10.045), Mietrechte (VfGH VfSlg 3236), die Verwaltung öffentlicher Gebäude (1 Ob 5/91 JBl 1991, 586) sowie die Tätigkeiten des gerichtlichen Sachverständigen (SZ 60/2), des Notars oder des Ziviltechnikers (1 Ob 587/90 JBl 1991, 249 Kerschner). Zum öffentlichen Recht zählt die Rspr etwa das Recht auf Erlangung eines Patents (VfGH VfSlg 5684), Verstöße gegen die StVO auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr (JBl 1984, 149), die Tätigkeit als Amtssachverständiger (1 Ob 44/89 SZ 63/166) oder die zwangsweise Anhaltung in einer Heil- und Pflegeanstalt (SZ 61/8; JBl 1989, 113). 3 Mit Einwohnern des Staates sind all jene gemeint, die sich – wenn
auch nur vorübergehend (F. Bydlinski/R Rz 5) – in Österreich aufhalten. Heute müssen auch die juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts (vgl § 290) hinzugezählt werden. Über Normen des internationalen Privatrechts (zB IPRG, EVÜ) kann das österreichische Privatrecht aber auch auf Personen Anwendung finden, die nicht (mehr) in Österreich leben. § 2. Sobald ein Gesetz gehörig kundgemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sei. Lit: Andexlinger, Rechtsunkenntnis im Arbeitsrecht, RdW 1986, 148; ders, Rechtskenntnis im EWR, ecolex 1992, 653; Kramer, Der Rechtsirrtum im ABGB im Lichte allgemeiner Rechtstheorie, ÖJZ 1969, 505; Mayer-Maly, Rechtskenntnis und Gesetzesflut (1969); ders, Rechtsirrtum und Rechtsunkenntnis als Probleme des Privatrechts, AcP 170 (1970) 133.
1 Während § 2 ursprünglich die unwiderlegliche Vermutung des Ver-
schuldens an der Unkenntnis einer Gesetzesvorschrift aufstellen wollte (krit dazu etwa Kramer, ÖJZ 1969, 510 ff; Schwind, ÖJZ 1951, 369), werden seit längerem nicht zuletzt unter dem Eindruck der Gesetzesflut zwei Fragen streng auseinander gehalten (s etwa VwGH ÖJZ 1973 A 38): 1. (Ab) Wann ist ein Gesetz verbindlich? 2. Wann ist Rechtsunkenntnis subjektiv vorwerfbar, weshalb insb Schadenersatzpflichten entstehen oder Ansprüche wegen Mitverschuldens (§ 1304) gekürzt werden können? 2
P. Bydlinski
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§3
Die Geltung eines Gesetzes ist allein von objektiven Kriterien abhän- 2 gig (zum Geltungsbeginn s § 3 ABGB sowie § 4 Abs 1 BGBlG). Seine Anwendung hängt daher auch nicht von der Kenntnis des Gesetzesinhalts durch die Normadressaten ab (JBl 1960, 604; VwGH ÖJZ 1973 A 38). Differenzierter wird heute hingegen die Verschuldensfrage entschie- 3 den, wobei bereits leichte Fahrlässigkeit schadet (6 Ob 155/01i EvBl 2002/145). § 2 beinhaltet danach keine Fiktion oder unwiderlegliche Vermutung. Vielmehr wird er einschränkend dahin verstanden, dass sich niemand allein mit Gesetzesunkenntnis entschuldigen kann (F. Bydlinski/R Rz 3). Entscheidend ist, ob Rechtskenntnis in concreto zumutbar war (ZVR 1973/194; SZ 50/132; JBl 1987, 730). Dabei sind vor allem zwei Aspekte von Bedeutung: zum einen, ob der betreffenden Person (ausreichende) Rechtskenntnis bei gehöriger Aufmerksamkeit möglich gewesen wäre (VwGH 92/17/0057 AnwBl 1992, 667 Arnold; 10 ObS 243/93 EvBl 1994/140; EvBl 2002/145 mwN); und zum anderen, ob es sich um Regeln handelt, um deren Kenntnis sich die Person aufgrund ihrer Aktivitäten hätte kümmern müssen (EvBl 1994/140; VwGH 93/08/0176 ecolex 1995, 200). Eine solche Rechtsinformationspflicht trifft etwa den ausländischen Kraftfahrer hinsichtlich der österreichischen StVO (ZVR 1973/194; VwGH 90/18/0184 ZfVB 1992/108). Besondere Bedeutung kommt der Verschuldensfrage bei unklarer 4 Rechtslage zu. Hier hat sich vor allem im Bereich der Anwalts- und der Amtshaftung die Position entwickelt, dass eine vertretbare Rechtsansicht keinen Verschuldensvorwurf rechtfertigt. Die Nichtbeachtung bereits vorhandener höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist allerdings regelmäßig vorwerfbar. Zur Anwaltshaftung etwa SZ 58/165; 9 Ob 508/94 AnwBl 1997, 952 Zankl; 4 Ob 506/95 JBl 1995, 530; F. Graf, Anwaltshaftung (1991); W. Völkl/E. Völkl, ÖJZ 1998, 856 und 2002, 1; zur Amtshaftung zB SZ 60/217; 1 Ob 14/92 SZ 65/63; 1 Ob 17/98a wobl 1999, 97 M. Mohr. Anfang der Wirksamkeit der Gesetze § 3. Die Wirksamkeit eines Gesetzes und die daraus entspringenden rechtlichen Folgen nehmen gleich nach der Kundmachung ihren Anfang; es wäre denn, daß in dem kundgemachten Gesetze selbst der Zeitpunkt seiner Wirksamkeit weiter hinaus bestimmt würde. Den Geltungsbeginn eines Gesetzes regelt nunmehr § 11 Abs 1 1 BGBlG 2004. Danach treten Verlautbarungen im BGBl mit verbindP. Bydlinski
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§5
lichem Inhalt mangels anderer Regelung mit Ablauf des Tages der Freigabe zur Abfrage im RIS in Kraft. Umfang des Gesetzes § 4. [aufgehoben, BGBl 1978/304] § 5. Gesetze wirken nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß. Lit: F. Bydlinski, Gegen die „Zeitzündertheorien“ bei der Rechtsprechungsänderung nach staatlichem und europäischem Recht, JBl 2001, 2; Grof/ Ramsauer, Rückwirkende Gesetzesänderung, ÖJZ 1987, 705; Koja, Die Rückwirkung von Gesetzen und die Bundesverfassung, JRP 1999, 40; Vonkilch, Darf die Rechtsprechung Gesetzen rückwirkende Kraft verleihen? ecolex 1996, 515; ders, Das Intertemporale Privatrecht (1999).
1 § 5 enthält die Zweifelsregel der Nichtrückwirkung eines Gesetzes
auf früher verwirklichte Sachverhalte (s nur 5 Ob 311/04b wobl 2006, 204 Call; 4 Ob 192/06y mwN). Rückwirkung kann zwar ausdrücklich angeordnet werden (s etwa 5 Ob 27/92 NZ 1992, 279 Hofmeister 282; 7 Ob 152/00d Miet 52.001; 4 Ob 235/00p JBl 2001, 315), doch könnte dies aus Vertrauensschutzerwägungen wegen Verletzung des Gleichheitssatzes (Art 7 B-VG) verfassungswidrig sein (s etwa VfGH G 225/88 AnwBl 1991, 493 Graff; VfGH G 309/91 VfSlg 13.020; VfGH G 441-449/97 ÖStZB 1998, 3 mwN; zu § 1396a vgl P. Bydlinski/Vollmaier, JBl 2006, 205, 214). Dauersachverhalte unterliegen ab der Änderung dem neuen Recht (4 Ob 172/04d JBl 2005, 173 mwN). Verfahrensrecht ist immer nach seinem aktuellen Stand anzuwenden (4 Ob 192/06y mwN). 2 Ein davon streng zu unterscheidendes Problem ist die „Rückwirkung
von Rechtsprechung“, insb von Rechtsprechungsänderungen. Hat sich jemand auf eine bestimmte Rechtslage eingestellt und ändert der OGH seine Meinung dazu (Bsp: Formpflichtigkeit der Garantie; s § 880a Rz 3), so ist diese „neue Rechtslage“ trotz möglicher Vertrauensenttäuschung auch auf vor dieser Entscheidung liegende Altfälle anwendbar (2 Ob 323/97g SZ 70/221; 1 Ob 212/97a SZ 70/245; 2 Ob 184/05f ecolex 2006, 562; F. Bydlinski, JBl 2001, 2; aA etwa Vonkilch, Intertemporales Privatrecht 311 ff, der Vertrauensschutzaspekte mit einbeziehen will und daher für eine einzelfallbezogene Abwägung plädiert). – Zum möglichen Rechtsquellencharakter von Gerichtsurteilen § 12 Rz 2.
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§6 Auslegung
§ 6. Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Lit: F. Bydlinski, Methodenlehre, insb 428 ff; Canaris, Das Rangverhältnis der „klassischen“ Auslegungskriterien, FS Medicus (1999) 25; ders, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, FS F. Bydlinski (2002) 47; ders, Die verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, FS Kramer (2004) 141; Jabloner, Die Gesetzesmaterialien als Mittel der historischen Auslegung, FS Schambeck (1994) 441; Handstanger, Verfassungskonforme oder berichtigende Auslegung? ÖJZ 1998, 169; ders, Vom „klaren Wortsinn“ des Gesetzes, ZfV 1998, 471; B. Jud, Die Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation, ÖJZ 2003, 521; Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts (2001); Kramer, Uniforme Interpretation von Einheitsprivatrecht – mit besonderer Berücksichtigung von Art 7 UNKR, JBl 1996, 137; Rüffler, Richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, ÖJZ 1997, 121.
Gesetzesnormen sind selten vollkommen eindeutig. Wie bei sonstigen 1 menschlichen Formulierungen muss daher immer wieder im Einzelnen gefragt werden, was gemeint ist. Den Sinngehalt einer Vorschrift ermittelt man durch Auslegung (Interpretation). Da es sich dabei um ein zeitloses Grundsatzproblem des Rechts handelt, hat bereits der ABGB-Gesetzgeber knappe Regeln dazu aufgestellt, die bis heute nichts an Gültigkeit eingebüßt haben. Sie finden auch im öffentlichen Recht Anwendung (s nur VwGH 98/06/0240 ZfVB 2002/1159; dort auch mwN zum Zusammenspiel der Auslegungsmethoden). Anerkanntermaßen nicht in Betracht kommt eine Auslegung, die der Norm jeden Anwendungsbereich nimmt (verst Senat SZ 44/25; SZ 60/6; 7 Ob 546/90 wobl 1990, 160 Call). Die Auslegung von Gesetzesbestimmungen (zur Vertragsauslegung s 2 insb die §§ 914 f; zu Grenzfällen vgl etwa 8 ObA 133/04y ecolex 2005, 855: Kollektivvertrag; 2 Ob 51/05x SZ 2005/57: Vereinsstatuten; weitere Nw § 914 Rz 4) stellt einen komplexen Vorgang dar, der mehrere, grundsätzlich gleichwertige Schritte erfordert (zur Rangfolge s insb F. Bydlinski/R Rz 25; dens, Methodenlehre 553 ff; verst Senat 1 Ob 107/98m SZ 71/183 = ecolex 1999, 13 Wilhelm); bei der anzustellenden Gesamtwürdigung entscheidet das Gewicht der bei jedem Schritt zu Tage geförderten Argumente (Miet 37.001; 3 Ob 256/05a; 4 Ob 115/05y EvBl 2005/192 [unter Bezugnahme auf das „bewegliche System“; dazu P. Bydlinski
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§6
Rz 9]; Posch/S Rz 25 f). In § 6 ausdrücklich zur Sprache kommen die folgenden Arten: • • •
Wortauslegung (grammatische Interpretation): „eigentümliche Bedeutung der Worte“, dazu Rz 3; Systematische Auslegung: „in ihrem Zusammenhange“; dazu Rz 4; Historisch-teleologische Auslegung: „klare Absicht des Gesetzgebers“; dazu Rz 5 f.
3 Aus praktischer Sicht steht die Wortauslegung am Beginn aller In-
terpretationsbemühungen. Da es sich um Rechtsbegriffe handelt, ist zuerst nach einer spezifisch juristischen Bedeutung zu suchen. Legaldefinitionen (vgl den Besitzbegriff des § 309) gehen daher einem Verständnis der nichtjuristischen Alltagssprache vor. Auch anerkannte Erläuterungswerke (JBl 1977, 162; VwGH ZfVB 2002/1159) oder die Fachsprache und die Erfahrungssätze, die im geregelten Bereich in Verwendung stehen (s 3 Ob 552/92 RZ 1994, 20 zur psychischen Krankheit), können Hilfestellung leisten. Regelmäßig ist auch ohne gesetzliche Definitionen ein Begriffskern auszumachen; also Sachverhalte, die jedenfalls unter den Wortsinn der Norm fallen (so die Kuh unter den Begriff „Vieh“ in § 933 Abs 2). Liegt der zu entscheidende Fall hingegen nur im Begriffshof, also im grammatischen Unschärfebereich der Norm, werden vor allem die übrigen Interpretationsschritte entscheiden, ob die Subsumption (Normanwendung) in Frage kommt (ausdehnende bzw einschränkende Auslegung). Sachlich verfehlte Ausnahmebestimmungen sind immer möglichst eng zu interpretieren (s § 7 Rz 3). Das weitest mögliche Wortverständnis markiert die Grenze der Auslegung; darüber hinaus kommt jedoch analoge Anwendung gemäß § 7 in Betracht. Entsprechendes gilt umgekehrt für Restriktionen innerhalb des Begriffshofs (teleologische Reduktion; § 7 Rz 5). 4 Bei der systematischen Auslegung werden für das Verständnis einer
Norm andere Gesetzesregeln fruchtbar gemacht. Sie dient insb der Vermeidung von Widersprüchen innerhalb eines Gesetzes bzw innerhalb der gesamten Rechtsordnung. Daher ist eine Norm im Zweifel in der verfassungskonformen Auslegungsvariante zu verstehen (SZ 62/6 und 117; 5 Ob 553/94 SZ 67/185; ausführlich Canaris, FS Kramer 141). Später in Kraft getretene Vorschriften sind bei der Auslegung nicht mitzubeachten (16 Ok 52/05 EvBl 2006/107). 5 Die historische (subjektiv-teleologische) Auslegung knüpft an den
feststellbaren – dh im Wesentlichen: den klar dokumentierten – Absichten des Gesetzgebers an. Überragende Bedeutung kommt dabei 6
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den Gesetzesmaterialien zu, heutzutage also insb den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (Erl) sowie den Berichten des Justizausschusses (JAB). Die objektiv-teleologische Auslegung spürt dem „natürlichen Sinn“ 6 eines Gesetzes nach (s § 7), der durchaus über die vom Gesetzgeber in den Vordergrund gestellten Zwecke hinausgehen kann. Diese Interpretationsmethode ist gerade bei alten Gesetzen wie dem ABGB wichtig, da sie bei gleichbleibendem Wortlaut das aktuell „richtige“ Verständnis der Norm zu ermitteln versucht, das sich durch Veränderungen der rechtlichen, aber auch der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gewandelt haben kann. Bsp: Bei Normierung des Schriftlichkeitsgebots für die Bürgschaft (§ 1346 Abs 2 iVm § 886) konnten die modernen Kommunikationstechniken noch nicht mitberücksichtigt werden. Da aber der Formzweck im Schutz des Bürgen vor Übereilung liegt, sollte heutzutage die Telefaxbürgschaft dem übersandten Originalbrief gleichgestellt und daher als formwirksam angesehen werden (P. Bydlinski, RdW 1996, 196 mwN gegen 1 Ob 515/95 ÖBA 1996, 73 Rummel = AnwBl 1996, 103 Arnold; zur methodisch anspruchsvollen Formfrage beim Schuldbeitritt s § 1347 Rz 4). Der teleologischen Auslegung kommt heutzutage anerkanntermaßen besonderes Gewicht zu (s verst Senat SZ 71/183 = ecolex 1999, 13 Wilhelm). Für die Feststellung der objektiven Gesetzeszwecke werden ausnahmsweise auch ausländische Rechtsordnungen fruchtbar gemacht. Bsp für diese rechtsvergleichende Methode: SZ 18/150; SZ 54/108. Nicht auf österreichische Vorschriften, sondern auf das europäische 7 Gemeinschaftsrecht (zentral EuGH 13.11.1990 Rs C-106/89, Marleasing, Slg 1990 I-4135), wird der heute prinzipiell unbestrittene Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung gestützt (s etwa 8 ObA 105/97t DRdA 1998, 106 Runggaldier = wbl 1997, 432 Grillberger; 8 ObA 91/97h DRdA 1998, 284 Wagnest = ZAS 1998, 143 Winkler; 7 Ob 246/99y SZ 72/170; 2 Ob 30/00a EvBl 2001/104). Ähnlich wie bei der verfassungskonformen Interpretation sind die Normen des österreichischen Rechts im Zweifel im Sinne jener verbindlichen Vorgaben zu verstehen, die der EU-Gesetzgeber seinen Mitgliedstaaten gemacht hat. Sehr häufig wird sich ein solches Auslegungsergebnis bereits durch historische Interpretation erzielen lassen, da entsprechende neue Vorschriften regelmäßig „ausdrücklich“ (in den Erl) in Umsetzung der Richtlinienvorgaben erlassen werden. Problematischer sind Fälle, in denen der staatliche Gesetzgeber untätig geblieben ist. Über Stellenwert und Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung im Einzelnen herrscht noch keine Einigkeit (für einen beP. Bydlinski
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sonders hohen Stellenwert dieser Auslegungs- bzw Rechtsfindungsmethode etwa Canaris, FS F. Bydlinski 47; krit B. Jud, ÖJZ 2003, 521; s ferner Rüffler, ÖJZ 1997, 121). Vor Ablauf der Umsetzungsfrist ist sie jedenfalls dann nicht zu beachten, wenn noch keine Umsetzungsgesetze erlassen wurden (vgl VwGH 97/07/0222 RdU 1998, 190 Raschauer; Rüffler, ÖJZ 1997, 125; anders 4 Ob 235/98g wbl 1999, 131, dazu wohl krit Posch/S Rz 38). Wurde bereits umgesetzt, werden die Richtlinienvorgaben regelmäßig im Rahmen der historischen Interpretation zu berücksichtigen sein. Unklarheiten über Reichweite und Inhalt einer Richtlinie können vom nationalen Gericht durch Vorlage an den EuGH geklärt werden, der eine Vorabentscheidung trifft (Art 234 EG; Details dazu und auch zur Bindungswirkung von Vorabentscheidungen etwa bei Stix-Hackl, AnwBl 1998, 558 und 621; Herzig, wbl 2003, 245; Thun-Hohenstein/Cede/Hafner, Europarecht4, 2003, 212 ff). 8 Besonderheiten sind auch bei der Auslegung von Normen des Inter-
nationalen Einheitsrechts zu beachten, denen schon aufgrund der angestrebten Rechtsvereinheitlichung überall der gleiche Inhalt beigelegt werden soll. Dies ordnet etwa Art 7 Abs 1 UN-K ausdrücklich an. Mangels entsprechender Regelung wird der Auslegungsgleichlauf öfters durch Heranziehung der Interpretationsgrundsätze der Wiener Vertragsrechtskonvention (BGBl 1980/40) zu erreichen versucht (vgl zum Warschauer Abkommen 2 Ob 294/99w SZ 72/181; Csoklich, RdW 1986, 170; Stefula, ZfRV 2000, 132 mwN), sofern nicht eine vertragsautonome Auslegung in Frage kommt (so zum EuGVÜ 4 Ob 199/01w EvBl 2002/35 mwN; s ferner Posch, IPR Rz 17/14; dens/S Rz 31). 9 Vor allem bei der Anwendung von Vorschriften mit mehreren, jeweils
abstufbaren Tatbestandsmerkmalen wird in Österreich nicht selten das sog bewegliche System fruchtbar gemacht (Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, 1950; F. Bydlinski/ Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und künftigen Recht, 1986). Ausgehend von einer „Basiswertung“, wonach das Vorliegen aller Merkmale in durchschnittlichem Ausmaß genügt, kann das Manko bei einem Merkmal durch überdurchschnittliches Vorhandensein eines anderen ausgeglichen werden (s insb 8 Ob 502/93 JBl 1994, 404 zum Wucher; vgl ferner etwa 7 Ob 179/03d JBl 2004, 245 zur gröblichen Benachteiligung iSd § 879 Abs 3; reiche Rspr-Beispiele bei Adamovic, JBl 2002, 681 und 693). – Zur hilfsweisen Heranziehung der ökonomischen Analyse des Rechts s etwa F. Bydlinski, Methodenlehre 331 f; Prisching, FS zur 200-Jahr-Feier der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz (1979) 995, jeweils mwN; umfassend insb Adams, Ökonomische Theorie des 8
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Rechts2 (2004); Schäfer/Ott, The economic analysis of civil law (2004). § 7. Läßt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem natürlichen Sinne eines Gesetzes entscheiden, so muß auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle, und auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden. Bleibt der Rechtsfall noch zweifelhaft; so muß solcher mit Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen entschieden werden. Lit: F. Bydlinski, Gesetzeslücke, § 7 ABGB und die „Reine Rechtslehre“, GedS Gschnitzer (1969) 101; ders, Methodenlehre 472 ff; ders, Thesen zur lex-lataGrenze der Rechtsfindung, JBl 1997, 617; Gampl, Die „natürlichen“ Rechtsgrundsätze in der Höchstgerichtsjudikatur der Republik Österreich, FS Plöchl (1977) 399; dies, Rechtsgrundsätze, GedS Holböck (1985) 627; Mayer-Maly, Die natürlichen Rechtsgrundsätze als Teil des geltenden österreichischen Rechts, GedS Marcic (1983) 853; Rüffler, Analogie: Zulässige Rechtsanwendung oder unzulässige Rechtsfortbildung? JRP 2002, 60; Schambeck, Die natürlichen Rechtsgrundsätze des § 7 ABGB, FS Verosta (1980) 479; Schilcher/ Koller/Funk (Hrsg), Regeln, Prinzipien und Elemente im System des Rechts (2000); Walter, Überlegungen zum Problem der Rechtslücke, GedS Ringhofer (1995) 197; s auch bei § 6.
Ausgehend von der Erkenntnis, dass auch Gesetze unvollkommen 1 und zuweilen unvollständig sind, stellt § 7 wichtige Vorschriften für die Behandlung von Sachverhalten auf, die von den einzelnen Normen nicht erfasst sind. Gesetzes- oder Rechtslücken sollen primär durch Analogie (Rz 2 f), subsidiär nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen (Rz 4) entschieden werden. Analogie setzt eine Lücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit der 2 rechtlichen Regelung voraus. Ob eine solche vorliegt, ist nicht selten eine Wertungsfrage, bei der teleologischen, aber auch historischen Überlegungen großes Gewicht zukommt. Wollte der Gesetzgeber den ungeregelten Fall bewusst anders als den geregelten entschieden wissen, ist ein Umkehrschluss zu ziehen (SZ 61/104; DRdA 1989, 104; VwGH 91/16/0041 ÖStZB 1993, 549; F. Bydlinski, Methodenlehre 476 f ua). Analogie ist trotz überzeugender Sachargumente für Gleichbehandlung jedenfalls dann unzulässig, wenn Gesetzeswortlaut und klare gesetzgeberische Absicht in die Gegenrichtung weisen (Lex-lataGrenze; s F. Bydlinski, Methodenlehre 541 f; 4 Ob 542/91 JBl 1992, 106). Bei taxativer Aufzählung ist zumindest größte Zurückhaltung geboten; zur Vermeidung massiver Wertungswidersprüche wird AnaP. Bydlinski
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logie aber immer wieder bejaht (DRdA 1987, 428 Cerny; 8 ObA 288/95 DRdA 1996, 498 Knöfler; 10 ObS 110/00z SSV-NF 14/55 ua). 3 Bei der Einzel- oder Gesetzesanalogie wird eine konkrete Einzel-
bestimmung zur Lückenfüllung herangezogen; so das bürgschaftsrechtliche Schriftformgebot des § 1346 Abs 2 für die Garantiehaftung (1 Ob 595/92 ÖBA 1993, 146 Apathy). Wie dieses Beispiel zeigt, sind nach heute zu Recht ganz überwiegender Ansicht auch Ausnahmebestimmungen analogiefähig, wenn deren ratio den ungeregelten Fall ebenfalls voll erfasst (SZ 41/3; SZ 47/113; wobl 1988, 48 Call ua); Ausnahme: die Sondervorschrift führt zu einer sachlich verfehlten Verschiedenbehandlung wertungsmäßig gleich liegender Fälle (F. Bydlinski, Methodenlehre 440 mwN). Bei der Gesamt- oder Rechtsanalogie wird aus mehreren Vorschriften der gesamten Rechtsordnung ein Regelungsgrundsatz gewonnen und auf den ungeregelten Fall angewendet; etwa das Prinzip der Auflösbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund (JBl 1982, 142; s § 859 Rz 7) oder der Rechtssatz, dass sich niemand durch eigenes arglistiges Verhalten rechtliche Vorteile verschaffen kann (SZ 47/104; 8 Ob 636/93 JBl 1995, 53 Apathy). 4 Aufgrund der vorhandenen Regelungsdichte spielt der subsidiäre
Rückgriff auf die natürlichen Rechtsgrundsätze, also auf die ungeschriebenen „Eckpfeiler“ der Rechtsordnung, denen allgemeinste Wertungsprinzipien zugrunde liegen, heute nur sehr selten eine Rolle. Bsp: Für die Totenfürsorge kommt es nicht auf die Erbenstellung, sondern auf das Angehörigenverhältnis und die größere Nähe zum Verstorbenen an (7 Ob 225/99k JBl 2000, 110); im Einzelfall steht gegen den Verjährungseinwand bei an sich unwirksamem Vorwegverzicht darauf die Replik der Arglist zu (9 ObA 186/95 DRdA 1996, 495 Marhold). 5 Das Gegenstück zur Analogie stellt bei zu weit geratenen gesetzlichen
Tatbeständen die teleologische Reduktion dar. Ihre Zulässigkeit – in den Grenzen der Analogie (s Rz 2) – ist trotz Nichterwähnung in § 7 heute einhellig anerkannt (vgl zB SZ 52/132; verst Senat 5 Ob 267/98w immolex 2000, 230 Iby = ÖZW 2001, 85 Riedler = wobl 2000, 169 Würth; K/W I 32 f mwN). Voraussetzung: Klar abgrenzbare Sachverhalte sind vom Zweck der Norm nicht erfasst (vgl 5 Ob 159/04z wobl 2005, 178 Call). Die Reduktion führt dazu, dass eine Norm sogar auf im Begriffskern (§ 6 Rz 3) liegende Sachverhalte keine Anwendung findet (zum Zurückweisungsrecht hinsichtlich Teilzahlungen gemäß § 1415 S 1, auch unter Hinweis auf Änderungen des Normumfeldes, 3 Ob 58/06k EvBl 2006/147). Nicht selten sprechen die selben Argumente, die die Reduktion rechtfertigen, für die anschließend vorzu10
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nehmende Füllung der dadurch entstandenen Lücke mittels Analogie: So wird etwa die Regelung des § 428 (Eigentumsverschaffung durch Besitzkonstitut) aus Umgehungsgründen nicht auf die Begründung von Sicherungseigentum angewandt, sondern die pfandrechtliche Vorschrift des § 452 analog herangezogen (näher § 451 Rz 3). In anderen Fällen füllt sich die Lücke von selbst: Wegen des bloß den Schenker betreffenden Übereilungsschutzes wird das Formgebot für Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe auf dessen Erklärung reduziert; die Beschenktenerklärung ist gemäß der Grundregel des § 883 in jeder Form wirksam (5 Ob 266/99z ecolex 2000, 354 krit Wilhelm = NZ 2001, 141 zust Hoyer 145; s § 943 Rz 1). § 8. Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muß auf alle noch zu entscheidende Rechtsfälle angewendet werden, dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, daß seine Erklärung bei Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstande haben, nicht bezogen werden solle. Lit: Droste-Lehnen, Die authentische Interpretation (1990); Herz, Zur authentischen Interpretation, JBl 1966, 344; M. Schmidt, Authentische Interpretation und Verfassung, ÖJZ 1987, 428; Vonkilch, Die UrlG-Novelle 1995 – doch keine authentische Interpretation? RdW 1998, 207.
§ 8 behandelt die authentische Auslegung, die dem Gesetzgeber 1 selbst vorbehalten bleibt (S 1): Ein jüngeres Gesetz (nicht bloß Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren; SZ 27/198; 7 Ob 546/90 wobl 1990, 160 Call) erklärt, wie eine ältere Norm zu verstehen ist; das geschieht uU auch bloß schlüssig (wobl 1990, 160 Call). Im Unterschied zur Auslegung nach § 6 wirkt diese Anordnung kraft der Autorität des Gesetzgebers (VfGH ZAS 1976, 104 Hellbling). Sie ist daher gerade dann von Bedeutung, wenn man mit Hilfe des § 6 zu einem anderen Inhalt der zu interpretierenden Norm gelangte. Aus praktischer Sicht bewirkt (und gestattet!) § 8 somit die Rückwirkung von Gesetzen (s etwa JBl 1988, 397 Müller; 5 Ob 130/99z Miet 52.495; 5 Ob 98/05f JBl 2006, 242 Diehsbacher = migraLex 2006, 32 Vonkilch; zum Rückwirkungsproblem schon § 5 Rz 1). Im Zweifel ist eine neue Norm als nicht rückwirkende Änderung zu verstehen (zur Diskussion um § 25 Abs 3 GSpG s einerseits 1 Ob 222/05m WRInfo 2006, 61, andererseits Vonkilch, ÖJZ 2006, 487). Die authentische Interpretation erfasst mangels anderer Anordnung 2 alle noch nicht rechtskräftig entschiedenen Streitfälle (§ 8 S 2); daP. Bydlinski
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her auch solche, die sich bereits im Rechtsmittelverfahren befinden (SVSlg 34.078). Dauer des Gesetzes § 9. Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben werden. Lit: Schima, Der Derogationsbegriff und seine Bedeutung für die verfassungsgerichtliche Normenkontrolle, ÖJZ 1961, 533 und 561; Thienel, Der zeitliche Geltungsbereich der Normen im Lichte der Legistik, FS Walter (1991) 709.
1 § 9 enthält eine knappe Derogationsregel. Gesetzliche Normen gel-
ten, sofern sie nicht bloß befristet erlassen wurden, auf Dauer. Sie treten durch ausdrückliche Aufhebung (formelle Derogation) oder durch inhaltliche Änderung (materielle Derogation; zu deren Voraussetzungen SZ 49/141; 5 Ob 132/94 NZ 1995, 282 Hoyer 286 = wobl 1995, 144 Call) außer Kraft. 2 Die materielle Derogation kann auch in einem anderen Gesetz erfol-
gen. Bsp: § 943 S 2, der für das Schenkungsversprechen Schriftform anordnet, steht materiell bereits seit über 130 Jahren (!) nicht mehr in Geltung, weil das aus dem Jahre 1871 stammende NotAktsG einen Notariatsakt verlangt. Sogar die Derogation durch einen anderen Gesetzgeber ist möglich (s VfGH VfSlg 4093: Landes- bzw Bundesgesetz). 3 Als Grundsatz gilt: Die jüngere Norm verdrängt alle mit ihr in
Widerspruch stehenden älteren (VfGH VfSlg 12.184); ob und inwieweit Widersprüche vorliegen, ist dabei durch Auslegung zu klären (SZ 57/29). Älteren Spezialvorschriften wird durch jüngere generelle allerdings nur dann materiell derogiert, wenn sich die Neuregelung als Kodifikation eines Rechtsbereichs darstellt, diesen also vollständig regeln will (SZ 52/186; SZ 57/29; 1 Ob 8/95 SZ 68/191 mwN; 1 Ob 61/97w SZ 70/242); eine Frage, die durch Auslegung des neuen Gesetzes zu klären ist. Andere Arten der Vorschriften, als: a) Gewohnheiten § 10. Auf Gewohnheiten kann nur in den Fällen, in welchen sich ein Gesetz darauf beruft, Rücksicht genommen werden. Lit: Gschnitzer, Gibt es noch Gewohnheitsrecht? Verhandlungen des 3. ÖJT 1967 II/6 (1969) 24; Hinteregger, Felsklettern und Grundeigentum, ZVR 2000,
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110; Muzak, Nochmals: Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle des B-VG, ÖJZ 1998, 539; Walter, Die Gewohnheit als rechtserzeugender Tatbestand, ÖJZ 1963, 225; Wieshaider/Gugging, Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle des österreichischen Bundesverfassungsrechts, ÖJZ 1997, 481.
§ 10 erfasst nur faktische Gewohnheiten (Usancen), nicht aber das 1 Gewohnheitsrecht. Sie werden qua gesetzlicher Bezugnahme verbindlich; etwa durch § 914 („Übung des redlichen Verkehrs“) oder § 346 UGB („im Geschäftsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche“). Zu beachten sind Usancen aber selbstverständlich auch dann, wenn sie kraft ausdrücklicher Vereinbarung in einen Vertrag einbezogen werden, was in den genannten Beispielen aber gerade nicht nötig ist. Neben dem Gesetzesrecht wird in Österreich ganz überwiegend auch 2 das Gewohnheitsrecht als (primäre) Rechtsquelle anerkannt (zB von F. Bydlinski/K IV/2, 167 f FN 212; Gschnitzer, Gewohnheitsrecht 24 ff; Wieshaider/Gugging, ÖJZ 1997, 481; aA etwa Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts9, 2000, Rz 105 mwN). Es ist durch langdauernde Übung eines bestimmten Verhaltens in der Überzeugung, dazu verpflichtet bzw berechtigt zu sein, charakterisiert (s nur K/W I 39 f); die notwendige Rechtsüberzeugung beruht heutzutage nicht selten auf einem entsprechenden Gerichtsgebrauch. Heutzutage gibt es allerdings kaum noch ungeregelte Bereiche. Auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage anerkannt ist etwa der dem Anerbenrecht entsprechende Grundsatz des Wohlbestehenkönnens bei der Hofübergabe unter Lebenden (SZ 26/64; SZ 50/166). Zu Recht nicht dem Gewohnheitsrecht zugezählt werden etwa die FIS-Regeln im Schisport (JBl 1983, 258; 1 Ob 520, 521/93 JBl 1994, 338) sowie die AGB der Banken (EvBl 1958/56). [b) Provinzialstatuten] § 11. [Nur jene Statuten einzelner Provinzen und Landesbezirke haben Gesetzeskraft, welche nach der Kundmachung dieses Gesetzbuches von dem Landesfürsten ausdrücklich bestätigt werden.] Die Norm ist gegenstandslos (zur Gesetzgebungskompetenz des 1 Bundes bzw der Länder s die Art 10 ff B-VG). c) Richterliche Aussprüche § 12. Die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen und die von Richter[stühle]n in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten P. Bydlinski
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Urteile haben nie die Kraft eines Gesetzes, sie können auf andere Fälle oder auf andere Personen nicht ausgedehnt werden. Lit: F. Bydlinski, Hauptpositionen zum Richterrecht, JZ 1985, 149; Fikentscher, Präjudizienbindung, ZfRV 1985, 163; Hoyer, Die Selbstbindung des österreichischen Obersten Gerichtshofes, ÖJZ 1974, 141; Jelinek, Die heutige rechtliche Bedeutung der Judikate, Sprüche, Gutachten und Plenarentscheidungen des Obersten Gerichtshofes, RZ 1976, 137; Mayer-Maly, Über die der Rechtswissenschaft und der richterlichen Rechtsfortbildung gezogenen Grenzen, JZ 1986, 557; Schäffer, Rechtsquellen und Rechtsanwendung – GA für den 5. ÖJT I/1 B (1973).
1 § 12 spiegelt den Grundsatz der Gewaltenteilung wider: Für die Le-
gislative ist der Gesetzgeber zuständig (Art 24, 95 B-VG). Die Gerichte sind bei ihrer Tätigkeit an die Gesetze gebunden (Art 18 Abs 1 B-VG; VfGH VfSlg 12.185 mwN). Auch deshalb wirken individuelle Gerichtsentscheidungen regelmäßig nur inter partes, ohne weiter gehende Bindungen für die Zukunft zu entfalten. Sie sind – jedenfalls vorrangig – Rechtserkenntnisquelle. Die praktische Bedeutung zumal höchstgerichtlicher Judikatur für gleich gelagerte Rechtsfragen in späteren Gerichtsverfahren kann allerdings nicht hoch genug eingeschätzt werden. Untergerichte werden solche Präjudizien in aller Regel berücksichtigen. 2 Aus den genannten Gründen ist die in der Rechtswissenschaft viel
diskutierte Frage, ob und unter welchen Umständen das „Richterrecht“ als Rechtsquelle anerkannt werden soll, von überwiegend theoretischer Bedeutung. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie der Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen ist die Meinung im Vordringen, der Richter sei dann an Vorentscheidungen ähnlich wie an Gesetze gebunden, wenn das Entscheidungsorgan keine objektivierbaren Argumente vorbringen kann, die für eine von der bisherigen Judikatur abweichende Lösung der Rechtsfrage sprechen (ausführlich etwa F. Bydlinski, Methodenlehre 501 ff mwN; speziell zur Berücksichtigung von Tabellen, etwa zum Schmerzengeld, über Richterrecht Stefula, JRP 2002, 153 f). Findet sich eine bessere, dh gesetzesnähere Lösung, ist der Richter hingegen sogar verpflichtet, von einer früheren, als unrichtig erkannten Rechtspraxis abzuweichen. Bsp: Analoge Anwendung der Bürgschaftsform auf den Garantievertrag (1 Ob 595/92 ÖBA 1993, 146 Apathy gegen 1 Ob 702/89 ÖBA 1990, 843 P. Bydlinski). Folgt man dem, kann das Richterrecht als subsidiäre Rechtsquelle bezeichnet und behandelt werden. Details sind allerdings auch bei den Befürwortern dieser Lehre strittig. Wenig problematisch ist etwa die Verbindlichkeit einer stän14
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digen Judikatur des OGH; weit heikler die Bindung an eine einzelne unveröffentlichte Entscheidung eines Gerichts erster Instanz, von der andere Richter nur zufälligerweise Kenntnis haben (s P. Bydlinski, AT Rz 1/24 mit FN 26; Posch/S Rz 6). Den hohen Stellenwert der Rechtssicherheit macht auch § 8 OGHG 3 deutlich (Posch/S Rz 12): Hat ein Fünfrichtersenat des OGH eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden und will er dabei von einer ständigen Rechtsprechung des OGH abweichen, so ist ein durch sechs Richter anderer Senate verstärkter Senat zu bilden. Gleiches gilt, wenn von der Entscheidung eines solcherart verstärkten Senats wieder abgegangen werden soll oder eine Rechtfrage grundsätzlicher Bedeutung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bisher uneinheitlich beantwortet wurde. So hat der OGH durch einen verstärkten Senat etwa seine Rspr zum Verhältnis von Gewährleistung und Schadenersatz (1 Ob 536/90 JBl 1990, 648 Reischauer) oder zum Ersatz von fiktiven Heilbehandlungskosten (2 Ob 82/97s SZ 70/220 = JAP 1998/1999, 147 Eigner) geändert. Allerdings erfolgen wichtige Änderungen gelegentlich auch durch einfache Senate (s etwa zum Zuspruch von Schmerzengeld 2 Ob 45/93 ZVR 1995/46; 6 Ob 2068/96b SZ 69/217 = ecolex 1996, 913 Wilhelm; 2 Ob 84/01v JBl 2001, 660 = ecolex 2001, 668 Helmich). d) Privilegien § 13. Die einzelnen Personen oder auch ganzen Körpern verliehenen Privilegien und Befreiungen sind, insofern hierüber die politischen Verordnungen keine besondere Bestimmung enthalten, gleich den übrigen Rechten zu beurteilen. § 13 ist heutzutage ohne Bedeutung.
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Haupteinteilung des bürgerlichen Rechtes § 14. Die in dem bürgerlichen Gesetzbuche enthaltenen Vorschriften haben das Personenrecht, das Sachenrecht und die denselben gemeinschaftlich zukommenden Bestimmungen zum Gegenstande. § 14 ist ohne normative Bedeutung. Er enthält bloß eine grobe In- 1 haltsübersicht, die das dem ABGB zugrunde liegende Institutionensystem widerspiegelt. Das dabei weit verstandene Sachenrecht (§§ 285– 1341!) enthält nicht zuletzt das gesamte Schuldrecht. Heutzutage herrscht der fünfgliedrige Aufbau nach dem Pandektensystem vor, P. Bydlinski
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den sich auch die systematischen Erläuterungswerke zu Eigen machen (Allgemeiner Teil, Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht und Erbrecht).
Erster Teil Von dem Personenrechte Erstes Hauptstück Von den Rechten, welche sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen Personenrechte § 15. Die Personenrechte beziehen sich teils auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse; teils gründen sie sich in dem Familienverhältnisse. 1 § 15 hat keinen eigenen normativen Gehalt (Aicher/R Rz 1).
I. Aus dem Charakter der Persönlichkeit. Angeborne Rechte § 16. Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sklaverei oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet. Lit: W. Berger, Auswirkungen der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das österreichische Zivilrecht, JBl 1985, 142; W. Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz (1982); F. Bydlinski, Der Gleichheitsgrundsatz im österreichischen Privatrecht – GA für den 1. ÖJT I/1 (1961); ders, Thesen zur Drittwirkung von Grundrechten im Privatrecht, in Rack (Hrsg), Grundrechtsreform (1985) 173; ders, Paradoxer Persönlichkeitsschutz post mortem? JBl 1999, 553; Canaris, Grundprobleme des privatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes, JBl 1991, 477; Edlbacher, Der Stand der Persönlichkeitsrechte in Österreich, ÖJZ 1983, 423; M.-Th. Frick, Persönlichkeitsrechte (1991); Griller, Drittwirkung und Fiskalgeltung von Grundrechten, ZfV 1983, 1 und 109; ders, Der Schutz der Grundrechte vor Verletzungen durch Private, JBl 1992, 205 und 289; Hinteregger, Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, ÖJZ 1999, 741; Kopp, Fiskalgeltung und Drittwirkung der Grund- und Freiheitsrechte im Bereich des Privatrechts, 2. FS Wilburg (1975) 141; Korn/J. Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991); H. Mayer,
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den sich auch die systematischen Erläuterungswerke zu Eigen machen (Allgemeiner Teil, Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht und Erbrecht).
Erster Teil Von dem Personenrechte Erstes Hauptstück Von den Rechten, welche sich auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse beziehen Personenrechte § 15. Die Personenrechte beziehen sich teils auf persönliche Eigenschaften und Verhältnisse; teils gründen sie sich in dem Familienverhältnisse. 1 § 15 hat keinen eigenen normativen Gehalt (Aicher/R Rz 1).
I. Aus dem Charakter der Persönlichkeit. Angeborne Rechte § 16. Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sklaverei oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet. Lit: W. Berger, Auswirkungen der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das österreichische Zivilrecht, JBl 1985, 142; W. Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz (1982); F. Bydlinski, Der Gleichheitsgrundsatz im österreichischen Privatrecht – GA für den 1. ÖJT I/1 (1961); ders, Thesen zur Drittwirkung von Grundrechten im Privatrecht, in Rack (Hrsg), Grundrechtsreform (1985) 173; ders, Paradoxer Persönlichkeitsschutz post mortem? JBl 1999, 553; Canaris, Grundprobleme des privatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes, JBl 1991, 477; Edlbacher, Der Stand der Persönlichkeitsrechte in Österreich, ÖJZ 1983, 423; M.-Th. Frick, Persönlichkeitsrechte (1991); Griller, Drittwirkung und Fiskalgeltung von Grundrechten, ZfV 1983, 1 und 109; ders, Der Schutz der Grundrechte vor Verletzungen durch Private, JBl 1992, 205 und 289; Hinteregger, Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, ÖJZ 1999, 741; Kopp, Fiskalgeltung und Drittwirkung der Grund- und Freiheitsrechte im Bereich des Privatrechts, 2. FS Wilburg (1975) 141; Korn/J. Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991); H. Mayer,
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Der „Rechtserzeugungszusammenhang“ und die sogenannte „Drittwirkung“ der Grundrechte, JBl 1990, 768; ders, Nochmals zur sogenannten „Drittwirkung“ der Grundrechte, JBl 1992, 768; ders (Hrsg), Persönlichkeitsschutz und Medienrecht (1999); G. Zeiler, Persönlichkeitsschutz (1998).
I. Rechtsfähigkeit Jeder Mensch (natürliche Person; im Unterschied zur juristischen Per- 1 son: s § 26) ist von vollendeter Geburt an (s §§ 22–23, dort auch zur beschränkten Rechtsfähigkeit vor Geburt) rechtsfähig, kann also Träger von Rechten und Pflichten sein, was aber nicht heißt, dass er damit uneingeschränkt jedes Recht haben kann (Wolff/K I/1, 127). Die Rechtsfähigkeit ist zu unterscheiden von der Handlungsfähigkeit, also der Fähigkeit, Rechte und Pflichten durch eigenes Verhalten zu begründen (zu dieser und den weiteren Qualifikationen s § 18). Jeder Rechtsfähige ist parteifähig (kann also Träger von prozessualen Rechten und Pflichten sein), aber nur der Handlungsfähige ist auch prozessfähig (kann also selbst Prozesshandlungen vornehmen oder dazu einen Vertreter bestellen; dazu zB Rechberger/Simotta, ZPR Rz 182). Die Rechtsfähigkeit endet mit dem Tod (nach hM Hirntod: P. Byd- 2 linski, AT Rz 2/10), der, falls möglich, durch einen ärztlichen Totenschein bestätigt und in das Sterbebuch eingetragen wird (§§ 27 f PStG). Das Außerstreitgericht kann einen anderen Beweis des Todes anerkennen (§ 21 TEG, 3 Ob 264/00w SZ 74/74). Ist auch das unmöglich, kann die Todeserklärung einer Person beantragt werden (zum Verfahren §§ 12 ff TEG), an deren Fortleben ernsthaft zu zweifeln ist (hohe Wahrscheinlichkeit, aber keine Gewissheit; 3 Ob 209/03m) und deren Aufenthalt längere Zeit ohne Lebenszeichen unbekannt, die somit verschollen ist (§ 1 TEG). Der dafür maßgebliche Zeitraum hängt von den konkreten Umständen ab; im Allgemeinen müssen seit dem Ende jenes Jahres, in dem der Verschollene nach letzten Informationen noch gelebt hat, mindestens zehn Jahre, bei einem mittlerweile 80-Jährigen mindestens fünf Jahre verstrichen sein (§ 3 TEG; s auch die Altersuntergrenze von § 3 Abs 2 TEG). Andere Fristen gelten bei sog Gefahrenverschollenheit (§§ 4–7 TEG: Krieg, See, Luft, besondere Lebensgefahr). Bei Zweifeln über den Todeszeitpunkt von mehreren Verstorbenen oder für tot Erklärten wird vermutet, dass sie gleichzeitig gestorben sind und sich somit nicht wechselseitig beerben konnten (Kommorientenpräsumtion, § 11 TEG). Eine Todeserklärung begründet nur eine (widerlegbare) Vermutung des Todes (§ 9 TEG), sie kann ebenso wie der Ausspruch über den Beweis des Todes aufgehoben oder (hinsichtlich des vermuteten Todeszeitpunktes) berichtigt werden (§§ 23 ff TEG). Koch
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Entscheidungen über den Beweis des Todes sowie Todeserklärungen sind in einem besonderen Buch für Todeserklärungen beim Standesamt Wien-Innere Stadt einzutragen (§ 29 PStG). II. Schutz der Persönlichkeit 3 Die heute wichtigste Funktion von § 16 liegt in der generellen Aner-
kennung der Persönlichkeit als Grundwert (zB 4 Ob 99/94 SZ 67/173). Als Generalklausel bedarf diese Bestimmung aber der Konkretisierung (Zeiller I 106); dies geschieht zum Teil durch ausdrückliche gesetzliche Ausgestaltung (Rz 7), zum Teil aber durch die Spruchpraxis der Gerichte in Analogie zu solchen Spezialnormen oder unter direkter Berufung auf § 16 (Rz 8). Schon deshalb ist ein Streit über die Anerkennung eines „allgemeinen Persönlichkeitsrechtes“ als solchem müßig (so auch Aicher/R Rz 12 ff), da es in einer derart weiten Sicht zu diffus wäre, um im Einzelfall Handhabe gegen Eingriffe zu bieten. Zudem kann die Achtung der Persönlichkeit nicht auf ein Individuum beschränkt sein; widerstreitende Rechte aller übrigen, gleichberechtigten Personen sind dabei genauso zu berücksichtigen. 4 Es bedarf also stets einer umfassenden Güter- und Interessensab-
wägung, sogar bei ausdrücklich anerkannten Persönlichkeitsrechten (zB 10 ObS 40/90 SZ 63/32: Interessen aller Sozialversicherten vs Recht auf körperliche Unversehrtheit eines Einzelnen: Zumutbarkeit einer Operation; SZ 61/193: Informationsinteresse der Öffentlichkeit und freie Meinungsäußerung vs Schutz der Ehre; s auch Koziol, HPR II 2 6). 5 Die Persönlichkeit kann, soweit nötig (zB Ehre und Privatsphäre),
über den Tod hinaus geschützt sein (postmortales Persönlichkeitsrecht; SZ 57/98; 1 Ob 341/99z SZ 73/87; 6 Ob 283/01p JBl 2003, 114; F. Bydlinski, JBl 1999, 553; Koziol, HPR II 2 16 ff). 6 Soweit sie auf Grund ihrer Natur überhaupt solche Persönlichkeits-
rechte haben können, werden auch juristische Personen entsprechend geschützt (K/W I 83; Ostheim, Rechtsfähigkeit 152 ff; zum Recht auf Ehre RS0008985, zB 1 Ob 41/91 SZ 64/182; 4 Ob 49/95 SZ 68/177). 7 Ausdrücklich anerkannt sind etwa Grundrechte wie jenes auf Leben
und körperliche Unversehrtheit (Art 2 MRK; §§ 1325 ff ABGB; §§ 75 ff StGB) oder auf Freiheit, und zwar nicht nur im Sinne einer Bewegungsfreiheit (Art 5 MRK; PersFrSchG; § 1329 ABGB; §§ 99 ff StGB; s Rz 11 zur Sklaverei), sondern auch im Sinne einer freien Willensbildung (zB § 874 ABGB; §§ 105 ff StGB; weitere Bereiche etwa Art 9 ff MRK; Art 10 ff StGG). Das ABGB selbst schützt das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung (§ 1328; §§ 201 ff StGB), das 18
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Namensrecht (§ 43; vgl auch Rz 8) und das Recht auf Ehre (§ 1330; §§ 111 ff StGB; § 6 MedG). Der Schutz der Privat- und Geheimsphäre (zur Definition Erl 173 BlgNR 22. GP 17 f) wurde mit § 1328a ausgebaut (s dort Rz 4; weiters Art 8 MRK, Art 10 f StGG und §§ 118 f StGB zum Brief- und Fernmeldegeheimnis; gesetzliche Verschwiegenheitspflichten zB § 54 ÄrzteG, § 9 Abs 2 RAO, § 37 Abs 1 NO, § 91 WTBG, § 46 BDG, § 58 RDG). Damit wird sowohl das Eindringen in den Privatbereich als auch die Verbreitung von Geheimnissen einer Person sanktioniert (zB SZ 51/146: Geheimhaltungspflicht des Betriebsrates; SZ 67/173: Telefonterror; 8 Ob 108/05y JBl 2006, 447: Videoüberwachung; 4 Ob 59/00f SZ 73/47: Werbesendung; P. Bydlinski, AT Rz 2/59 ff; Koziol, HPR II 2 14 ff). Gesetzlichen Schutz genießen weiters das Recht am eigenen Bild (§ 78 UrhG, § 7a MedG) sowie die Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 19 ff UrhG) und die Erfinderehre (§ 20 PatG). Das DSG schützt das Recht auf Datenschutz. In Ergänzung der ausdrücklich normierten Schutzbereiche werden 8 unter Hinweis auf § 16 nicht nur zusätzliche Rechtsbehelfe gewährt (insb Unterlassungsansprüche, Rz 9), sondern auch weitere Aspekte der Persönlichkeit und Menschenwürde geschützt. So wird etwa ein Recht am gesprochenen Wort bejaht und damit Schutz gegen unzutreffende Zitate (4 Ob 227/04t ecolex 2005, 380 Tonninger = MR 2005, 49 Korn) oder heimliche Tonaufnahmen gewährt (9 ObA 215/92 SZ 65/134; 6 Ob 190/01m SZ 74/168; Koziol, HPR II 2 13; vgl § 120 StGB). Auch die unbefugte Verwendung einer identifizierbaren Stimme, zB durch Imitation, wird in Analogie zum Bildnisschutz als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht geahndet (6 Ob 287/02b MR 2003, 92 Korn). Nicht nur der Name selbst wird gegen Bestreitung oder missbräuchliche Inanspruchnahme geschützt (s § 43), sondern auch die Namensanonymität, weshalb ein Name nicht in einem bestimmten Zusammenhang erwähnt werden darf, wenn der Namensträger dazu keinen sachlichen Anlass gegeben hat (Schutz gegen Namensnennung; RS0008998, zB SZ 59/182; MR 1988, 158 Korn; 7 Ob 329/97a EvBl 1998/92). Die Persönlichkeitsrechte sind absolut; im Rahmen ihres Schutz- 9 bereiches, der auch durch Abwägung widerstreitender Interessen abgesteckt werden muss (s bereits Rz 3, weiters RS0008990: kein überspannter Schutz zulasten von Interessen Dritter oder der Allgemeinheit), werden daher Eingriffe sanktioniert (zB SZ 56/124). Dies beschränkt sich nicht auf jene Rechtsfolgen, die in den ausdrücklich normierten Tatbeständen vorgesehen sind (vgl Rz 7; auch in analoger Anwendung: MR 2003, 92 Korn – Urteilsveröffentlichung); selbst ohne gesetzliche Anordnung werden (verschuldensunabhängige) UnKoch
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terlassungsansprüche bei Eingriffs- oder Wiederholungsgefahr, bei bereits erfolgtem Verstoß auch Beseitigungsansprüche gewährt (zB SZ 74/168). Verursachen rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe in Persönlichkeitsrechte Schäden, sind diese nach allgemeinen Regeln ersatzfähig (Koziol, HPR II 2 5 ff). Schließlich kann jemand, dessen Persönlichkeitsrecht ohne seine Zustimmung von einem anderen zu dessen Vorteil verwendet worden ist, einen Bereicherungsanspruch haben (P. Bydlinski, AT Rz 2/50). III. Drittwirkung der Grundrechte 10 Soweit dies nicht durch besondere einfachgesetzliche Normen ge-
schieht (s Rz 7), transponiert § 16 die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte in das Privatrecht (3 Ob 566/95 SZ 68/153; 8 ObA 288/01p ecolex 2002, 904 Mazal). Sie dienen damit nicht nur der Absicherung von fundamentalen Freiheiten und Rechten der Bürger gegenüber der Staatsmacht, sondern haben darüber hinaus auch Auswirkungen auf das Verhältnis der Bürger untereinander, indem die durch sie verkörperten Wertungen bei der Auslegung und Lückenfüllung privatrechtlicher Beziehungen zu berücksichtigen sind (K/W I 33 f; 8 Ob 108/05y JBl 2006, 447). Insb der Gleichheitsgrundsatz kann der Privatautonomie Grenzen setzen (7 Ob 193/04i EF 108.042: Bevorzugung Adeliger durch Erblasser; zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz F. Bydlinski, System 565 f), etwa wenn eine der Vertragsparteien eine monopolartige Stellung hat und damit einem Kontrahierungszwang unterliegt, sofern sie nicht sachliche Gründe dagegen einwenden kann (RS0016745; s ferner § 861 Rz 11). Dies gilt umso mehr für den privatrechtlich tätigen Staat (RS0038110; zB 6 Ob 563/92 SZ 65/166; 10 Ob 23/03k: Subventionsvergabe; zur sog Fiskalgeltung der Grundrechte K/W I 34). IV. Sklaverei und Leibeigenschaft 11 Die in S 2 betonte Abschaffung von Sklaverei und Leibeigenschaft
ist in Österreich nur noch von historischer Relevanz (s auch Art 4 MRK; Art 4, 7, 8 StGG). Rechtliche Vermutung derselben § 17. Was den angebornen natürlichen Rechten angemessen ist, dieses wird so lange als bestehend angenommen, als die gesetzmäßige Beschränkung dieser Rechte nicht bewiesen wird. 1 Wer ein als angeboren behauptetes Recht bestreitet, muss dessen
Nichtexistenz oder Beschränkung beweisen. Dass solche Rechte be20
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schränkt werden können, wird ebenso mit § 17 bekräftigt wie der Umstand, dass Verhaltensweisen innerhalb gesetzlicher Schranken zulässig sind, soweit sie nicht in Rechte Dritter eingreifen (Aicher/R Rz 1). Erwerbliche Rechte § 18. Jedermann ist unter den von den Gesetzen vorgeschriebenen Bedingungen fähig, Rechte zu erwerben. Jeder kann subjektive Rechte und Pflichten durch eigenes Verhalten 1 erwerben (Handlungsfähigkeit), sofern das Gesetz dafür keine Beschränkungen vorsieht, was etwa zum Schutz der Betreffenden bei mangelnder geistiger Reife, insb auf Grund ihres Alters oder eingeschränkter geistiger Fähigkeiten, vorgesehen ist. Elemente der Handlungsfähigkeit sind insb die Deliktsfähigkeit (also 2 die Fähigkeit, wegen eigenen Verhaltens schadenersatzpflichtig zu werden: § 153) und die Geschäftsfähigkeit (die Fähigkeit, Rechte und Pflichten durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln zu erwerben: §§ 151, 273 [ab 1.7.2007: § 280], § 865; zur Testierfähigkeit §§ 566 ff, zur Ehefähigkeit §§ 1–3, 102 EheG). Verfolgung der Rechte § 19. Jedem, der sich in seinem Rechte gekränkt zu sein erachtet, steht es frei, seine Beschwerde vor der durch die Gesetze bestimmten Behörde anzubringen. Wer sich aber mit Hintansetzung derselben der eigenmächtigen Hilfe bedient, oder, wer die Grenzen der Notwehr überschreitet, ist dafür verantwortlich. Lit: H. Fuchs, Grundfragen der Notwehr (1986); Lewisch, Altes und Neues zur Notwehr, JBl 1999, 772; Piskernigg, Die Selbsthilferegelung des ABGB (1999); E. Steininger, Der Putativnotwehrexzeß, ÖJZ 1986, 747; H. Steininger, Die Notwehr in der neueren Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 1980, 225; s auch bei § 1306a.
I. Selbsthilfe im weiteren Sinne Zum Schutz und zur Durchsetzung von Rechten muss grundsätzlich 1 behördliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Eigenmächtige Maßnahmen sind höchstens subsidiär und nur in engen Grenzen zulässig. Zu solcher Selbsthilfe im weiteren Sinne (zu Terminologie und Abgrenzung Piskernigg, Selbsthilferegelung 61 ff) zählen Selbsthilfe im engeren Sinne (Rz 9), Notwehr (Rz 2) und Nothilfe (Rz 8), NotKoch
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stand (§ 1306a), sowie weitere gesetzliche Ausnahmetatbestände (zB §§ 344, 471, 970c, 1101, 1321). II. Notwehr 2 Notwehr ist ein defensives Verhalten zur Abwehr eines schon ge-
genwärtigen oder zumindest unmittelbar drohenden Angriffes auf bestimmte Rechtsgüter, die in § 3 Abs 1 StGB taxativ (SZ 62/132) aufgezählt sind (Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Vermögen; nicht aber die Ehre: 13 Os 28/85; Reischauer/ R Rz 4, 6; krit Koziol, HPR I3 Rz 4/65 f; aM Piskernigg, Selbsthilferegelung 163 ff). 3 Der abzuwehrende Angriff muss zwar nicht schuldhaft (EvBl
1972/219), nach dem Wortlaut von § 3 StGB aber „rechtswidrig“ sein, was jedoch nicht nur Verhaltensunrecht erfasst, sondern jede abstrakt verbotswidrige Gefährdung eines geschützten Rechtsgutes (Koziol, HPR I3 Rz 4/67 f) unabhängig von der Kontrollierbarkeit des Verhaltens. Dass der Angegriffene selbst eine Ursache für das abzuwehrende Verhalten gesetzt hat, hindert nur dann seine Notwehrberechtigung, wenn er den Angriff ausschließlich um der Gelegenheit zur Abwehr willen herausgefordert hat (Notwehrprovokation; RS0088970; Koziol, HPR I3 Rz 4/72 ff; vgl SSt 60/28). Widerstand gegen ein erlaubtes Verhalten, insb auch gegen Amtshandlungen von berechtigten Beamten, ist nie Notwehr (vgl SSt 18/17; Koziol, HPR I3 Rz 4/76 f). 4 Die Einschränkung auf „gegenwärtige oder unmittelbar drohende“
Rechtsgutverletzungen impliziert, dass behördliche Hilfe zu spät käme; wäre diese noch rechtzeitig, scheidet Notwehr ebenso aus wie gegen bloße Vorbereitungshandlungen zu einem Angriff oder gegen ein schon abgeschlossenes Verhalten (Reischauer/R Rz 5). 5 Eine Abwehrhandlung ist aber nur dann rechtmäßig, wenn sie ihrer-
seits die Interessen des Angreifers geringstmöglich beeinträchtigt (JBl 1990, 104; vgl § 344: „angemessene Gewalt“, Piskernigg, Selbsthilferegelung 196 ff). Dazu ist eine umfassende, ex ante vorzunehmende Abwägung der auf beiden Seiten betroffenen Interessen nötig (vgl SSt 58/20; SSt 60/28). Zwar wird keine strenge Verhältnismäßigkeit zwischen dem angegriffenen und dem bei Gegenwehr verletzten Rechtsgut gefordert; allerdings darf die Verteidigung nicht außer jedem Verhältnis zur Gefahr sein, wenn etwa dem Angegriffenen nur ein geringer Nachteil („mit Bagatellcharakter“, vgl SSt 57/63) droht, dieser aber völlig überzogene Gegenmaßnahmen setzt (§ 3 Abs 1 S 2 StGB; Koziol, HPR I3 Rz 4/71). Im Übrigen bestimmt sich das Maß der noch zulässigen Abwehr nach Art und Intensität des Angriffs, 22
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Persönliche Verhältnisse
§ 19
nach der Gefährlichkeit des Angreifers und den gerade zur Verfügung stehenden Abwehrmitteln (RS0089259, zB SSt 57/63). Gegenüber bestimmten schutzwürdigen Personen (insb Kindern und Geisteskranken) kann aber eine vorrangige Pflicht zum Ausweichen bestehen (SSt 58/15: nicht gegenüber Betrunkenen). Unangemessene Gewalt bleibt zur Abwehr eines Angriffes rechtswid- 6 rig (Notwehrexzess) und verpflichtet bei Verschulden zu Schadenersatz (SZ 37/121; Koziol, HPR I3 Rz 4/70). Während aber ansonsten der Abwehrende das Vorliegen einer Notwehrlage und damit die Rechtfertigung seines Verhaltens beweisen muss, hat der von ihm dabei geschädigte Angreifer seinerseits die Überschreitung der angemessenen Notwehr zu beweisen (Reischauer/R Rz 21). Wer bloß glaubt, in einer Notwehrlage zu sein (Putativnotwehr), 7 haftet für in vermeintlicher Abwehr verursachte Schäden nicht, sofern ihm sein Irren nicht vorwerfbar war (SZ 10/244; EvBl 1972/219; Koziol, HPR I3 Rz 4/64; vgl § 8 StGB). III. Nothilfe Nothilfe, also die Abwehr eines Angriffes auf ein Rechtsgut eines 8 anderen, ist gemäß § 3 Abs 1 StGB nur ein Unterfall der Notwehr (s daher Rz 2). IV. Selbsthilfe im engeren Sinne Selbsthilfe ieS ist gesetzlich ausnahmsweise erlaubte Eigenmacht zur 9 Sicherung oder Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes (zu vorbeugenden Maßnahmen: 2 Ob 2264/96x SZ 69/214). Vorausgesetzt wird auch hier (vgl Rz 4 zur Notwehr), dass staatliches Einschreiten zu spät käme (RS0009027, zB 6 Ob 201/98x SZ 72/55: Demonstration), etwa bei Nichterreichbarkeit, zu langer Reaktionszeit oder Verweigerung von behördlichem Eingreifen (Posch/S Rz 6). Allerdings erfüllt auch überlange Verfahrensdauer nicht diese Voraussetzung, solange währenddessen keine schwerwiegenden Nachteile zu befürchten sind (3 Ob 548/91 SZ 64/97). Dass ohne Selbsthilfe ein unwiederbringlicher Schaden droht, wird allerdings nicht verlangt; es reichen ernsthafte Zweifel, dass ein rechtmäßiger Zustand auch ohne solche Eigenmacht hergestellt werden könnte (1 Ob 26/91 SZ 64/137). Im Gegensatz zur Notwehr setzt die Selbsthilfe keinen Angriff auf 10 bestimmte Rechtsgüter voraus (JBl 1988, 248). Soweit aber nicht notwehrfähige Güter betroffen sind, ist dies bei der auch hier gebotenen umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen (Koziol, HPR Koch
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Persönliche Verhältnisse
§ 20
I3 Rz 4/87; vgl SZ 62/131). Zumindest in diesem Fall müssen die zur Selbsthilfe gewählten Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des durchgesetzten Rechtes stehen (RS0009019; 4 Ob 66/05t ÖBl 2006, 15 Gamerith; s auch Legerer, ÖJZ 1998, 607). Zur Rettung notwehrfähiger Rechtsgüter (§ 3 Abs 1 StGB) gilt der für Notwehr maßgebliche Standard (Rz 5) auch bei Selbsthilfe. 11 Wer sich auf Selbsthilfe beruft, hat zu beweisen, dass er rechtmäßig
gehandelt hat (zB JBl 1988, 248). Bei unzulässiger Selbsthilfe ist Schadenersatz zu leisten, und zwar unabhängig von Verschulden (Reischauer/R Rz 20, ihm folgend Koziol, HPR I3 Rz 4/89; noch offen in JBl 1988, 248). 12 Eine ursprünglich rechtmäßige Selbsthilfemaßnahme kann später
rechtswidrig werden, wenn nicht unverzüglich geeignete gerichtliche Schritte eingeleitet werden (EvBl 1987/131; vgl SZ 51/56). § 20. [Auch solche Rechtsgeschäfte, die das Oberhaupt des Staates betreffen, aber auf dessen Privateigentum, oder auf die in dem bürgerlichen Rechte gegründeten Erwerbungsarten sich beziehen, sind von den Gerichtsbehörden nach den Gesetzen zu beurteilen.] 1 § 20 ist obsolet (Wolff/K I/1, 147; aM Aicher/R Rz 1, der eine einfach-
gesetzliche Rechtsweggarantie für die Privatwirtschaftsverwaltung annimmt). II. Personenrechte der Minderjährigen und der sonst in ihrer Handlungsfähigkeit Beeinträchtigten § 21. (1) Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen nicht vermögen, stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze. (2) Minderjährige sind Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; haben sie das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet, so sind sie unmündig. [idF BGBl I 135/2000] Lit: P. Bydlinski, Neues im Recht der Rechtsgeschäftsform, RdW 2001, 716; Ferrari/Hopf (Hrsg), Reform des Kindschaftsrechts (2001); s auch bei § 151.
1 Abgesehen von der Festlegung maßgeblicher Altersgrenzen in Abs 2
(Rz 2) enthält § 21 mit Abs 1 eine „Fürsorgevorschrift für schutzbedürftige Personen“ (SZ 61/231), die den hohen Rang des Schutzinteresses für nicht voll Handlungsfähige auch in anderen Belangen 24
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Persönliche Verhältnisse
§§ 22–23
unterstreicht (Aicher/R Rz 1). Dazu gehören insb Minderjährige (Abs 2) sowie Volljährige, die ihre Angelegenheiten überhaupt oder teilweise nicht selbst besorgen können, etwa auf Grund einer körperlichen (vgl § 1 lit e NotAktsG; P. Bydlinski, AT Rz 2/35; dens, RdW 2001, 718 ff) oder geistigen Behinderung, aber auch wegen einer vergleichbaren, bloß vorübergehenden Beeinträchtigung (dazu § 865 Rz 2). Seit dem KindRÄG 2001 definiert Abs 2 nur noch zwei Altersgren- 2 zen: Zum einen wurde die Volljährigkeit (auch Eigenberechtigung: vgl §§ 138b, 158 Abs 2, § 163d Abs 2, § 163e Abs 2, § 164 Abs 1 Z 1 lit b, §§ 179 ff; ab 1.7.2007 auch §§ 273, 284 f) von neunzehn auf achtzehn Jahre herabgesetzt, zum anderen blieb es beim Alter von vierzehn Jahren für das Erreichen der Mündigkeit. An beide Altersstufen wird an anderer Stelle angeknüpft: Mündige Minderjährige sind deliktsfähig (§ 153) und können unter bestimmten Voraussetzungen testieren (§ 569); außerdem erweitern §§ 151 Abs 2 und 152 ihre im Übrigen beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 865; s auch § 138b Abs 1 S 3 und § 146c Abs 1, §§ 147, 162a Abs 2, § 162c Abs 2). Die frühere Definition des „Kindes“ als Minderjähriger unter sieben 3 Jahre wurde zwar im Wortlaut des § 21 Abs 2 beseitigt; jene Normen, für die diese Grenze maßgeblich war (§§ 310, 865), haben sie allerdings schon bislang selbst ausdrücklich wiederholt und tun dies auch weiterhin. Weitere Altersstufen an anderen Stellen sind etwa fünf (§ 181a Abs 1 4 Z 1), zehn (§ 2 Abs 3, § 3 Abs 2 RelKEG), zwölf (§ 5 RelKEG), sechzehn (§ 1 Abs 2 EheG), achtundzwanzig (§ 180) und dreißig Jahre (§ 180). § 22. Selbst ungeborne Kinder haben von dem Zeitpunkte ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. Insoweit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu tun ist, werden sie als Geborne angesehen; ein totgebornes Kind aber wird in Rücksicht auf die ihm für den Lebensfall vorbehaltenen Rechte so betrachtet, als wäre es nie empfangen worden. § 23. Im zweifelhaften Falle, ob ein Kind lebendig oder tot geboren worden sei, wird das Erstere vermutet. Wer das Gegenteil behauptet, muß es beweisen. Lit: Bernat, Gedanken zum rechtlichen Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens, FS Maresch (1988) 33; ders, Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Kryokonservierung humaner Gameten und Embryonen, RZ 1989, 52; ders, Koch
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Persönliche Verhältnisse
§§ 22–23
Das Fortpflanzungsmedizingesetz, JAP 1992/1993, 38; F. Bydlinski, Der Schutz des Ungeborenen in zivilrechtlicher Sicht, in Pammer/Weiler (Hrsg), Volle Menschenrechte für das ungeborene Kind (1980); ders, Lebensschutz und rechtsethische Begründungen, JBl 1991, 477; Lewisch, Leben und sterben lassen, ÖJZ 1990, 133; Selb, Schädigung des Menschen vor Geburt, AcP 166 (1966) 76; J. Steiner, Rechtsfragen der „In-Vitro-Fertilisation“, JBl 1984, 175; ders, Ausgewählte Rechtsfragen der Insemination und Fertilisation, ÖJZ 1987, 513.
1 Bis zu seiner Geburt ist ein bereits Gezeugter (nasciturus) bedingt
und beschränkt rechtsfähig, und zwar bedingt durch die spätere Geburt sowie beschränkt, als es nur um seine Rechte geht (Rz 3). Diese Teilrechtsfähigkeit beginnt ab der Verschmelzung von Samen und Eizelle, so dass grundsätzlich bereits ein in vitro fertilisierter Embryo unter der genannten Einschränkung geschützt ist (Aicher/R § 22 Rz 2 f). Zum Kurator für die Leibesfrucht s § 269 Rz 2. 2 Kommt es zu einer Totgeburt (§ 8 Abs 1 Z 2 HebG: wenn nach dem
vollständigen Austritt aus dem Mutterleib weder die Atmung eingesetzt hat noch irgendein anderes Lebenszeichen erkennbar ist, die Leibesfrucht aber mehr als 500 Gramm wiegt) oder Fehlgeburt (§ 8 Abs 1 Z 3 HebG: wie bei der Totgeburt kein Lebenszeichen, aber Geburtsgewicht unter 500 Gramm) oder stirbt die Mutter samt Leibesfrucht, erlischt die beschränkte Rechtsfähigkeit rückwirkend auf den Zeugungszeitpunkt (RdM 1997, 121 Bernat). Ein Kind wurde jedoch im Zweifel lebend geboren (§ 23). 3 Der nasciturus zählt bereits zu den gesetzlichen Erben (vgl § 730
Abs 2) und kann auch Begünstigter einer letztwilligen Verfügung sein (2 Ob 346/00x EF 95.188). Soweit relevant, werden seine Persönlichkeitsrechte geschützt, insb das Recht auf körperliche Unversehrtheit (zum Recht auf Leben, insb zum Schutz des Art 2 MRK, Aicher/R § 22 Rz 12, unter Hinweis auf das Fristenlösungserkenntnis des VfGH VfSlg 7400); wird der Ungeborene durch ein Ereignis nach Zeugung geschädigt (aM, da zu weit gehend Selb, AcP 166, 76: bereits vor Zeugung; wohl auch Aicher/R § 22 Rz 3; offen Posch/S § 22 Rz 6) und deshalb mit Missbildungen, Krankheiten oder sonstigen Beeinträchtigungen geboren, hat er Anspruch auf Schadenersatz (SZ 52/136), ebenso, wenn ein für ihn Unterhaltspflichtiger getötet wird (SZ 39/42; 2 Ob 64/92 EF 69.125; vgl § 12 Abs 2 EKHG). III. Aus dem Verhältnisse der Abwesenheit §§ 24–25. [aufgehoben, dRGBl 1939 I 1186] 26
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§ 26
IV. Aus dem Verhältnisse einer moralischen Person § 26. Die Rechte der Mitglieder einer erlaubten Gesellschaft unter sich werden durch den Vertrag oder Zweck, und die besonderen für dieselben bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse gegen andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen. Unerlaubte Gesellschaften haben als solche keine Rechte, weder gegen die Mitglieder, noch gegen andere, und sie sind unfähig, Rechte zu erwerben. Unerlaubte Gesellschaften sind aber diejenigen, welche durch die politischen Gesetze insbesondere verboten werden, oder offenbar der Sicherheit, öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten widerstreiten. Lit: Bernatzik, Über den Begriff der juristischen Person (1996); F. Bydlinski, Die Verantwortung juristischer Personen in der Gesellschaft, in Götz/Seifert (Hrsg), Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft (2000) 21; Ertl, Die Deliktsfähigkeit der juristischen Person, RZ 1972, 111; Koja, Der Begriff der juristischen Person öffentlichen Rechts, ZfV 1984, 489; Marhold, Rechtspersönlichkeit und Unternehmensrecht, FS Schwarz (1991) 527; Ostheim, Organisation, Organschaft und Machthaberschaft im Deliktsrecht juristischer Personen, GedS Gschnitzer (1969) 317; ders, Gedanken zur deliktischen Haftung für Repräsentanten anläßlich der neueren Rechtsprechung des OGH, JBl 1978, 57; Pauger, Die juristische Person öffentlichen und die juristische Person privaten Rechts, ZfV 1986, 1; Potz/Kohlhofer (Hrsg), Die „Anerkennung“ von Religionsgemeinschaften (2002); Straube, Bedeutung der „Ultra-vires-Lehre“ im österreichischen Recht, ÖJZ 1978, 343. Übersicht I. II. III. IV.
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Arten juristischer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Rechts- und Handlungsfähigkeit der juristischen Person . . . . . . . . . 12 Haftung der juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
I. Einleitung Zwar spricht die Randschrift von § 26 nur von der „moralischen Per- 1 son“, also einer Personenmehrheit, aus heutiger Sicht ist diese Bestimmung aber (rudimentärer) Anknüpfungspunkt für alle juristischen Personen, also auch für Sachgesamtheiten (zum historischen Verständnis der moralischen Person Ostheim, Rechtsfähigkeit 41 ff, insb 60 ff zur Unterscheidung der beiden Begriffe). Sie alle haben jedenfalls Rechtspersönlichkeit und können daher wie eine natürliche Person selbständig Träger von Rechten und Pflichten sein. § 26 schließt davon „unerlaubte Gesellschaften“ aus, ohne aber im Übrigen selbst positiv zu bestimmen, wer solcherart rechtsfähig sein kann. Auch Beginn und Koch
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Persönliche Verhältnisse
§ 26
Ende der Rechtsfähigkeit ist nicht in § 26 geregelt, sondern jenen Normen zu entnehmen, welche die gesetzliche Grundlage der jeweiligen Personen- oder Sachverbindung bilden (Posch/S Rz 35, 39). Zu den charakteristischen Eigenschaften einer juristischen Person zählt typischerweise eine von Individualinteressen abgesonderte Einheit gemeinsamer Zielvorstellungen (vgl Ostheim, Rechtsfähigkeit 11 ff), der eigenständige Rechte und Pflichten zugeordnet werden. Bei Personenmehrheiten ist dazu eine besondere Organisation markant (Ostheim, Rechtsfähigkeit 33 ff), bei der Einzelne nach dem Mehrheitsprinzip für die Gesamtheit handeln, deren Bestand nicht von der dauernden Zugehörigkeit einzelner Mitglieder abhängt (vgl auch K/W I 67 f). II. Arten juristischer Personen 2 Bei den juristischen Personen wird zunächst unterschieden zwischen
Personenverbänden (Verbandspersonen, Körperschaften), also einem Zusammenschluss von physischen Personen zu einem gemeinsamen Zweck, und Sachgesamtheiten, das sind Vermögensmassen, die einem bestimmten Zweck gewidmet worden sind. 3 Unterschieden wird weiters zwischen juristischen Personen des Pri-
vatrechts und solchen des öffentlichen Rechts, wobei zumeist an den Entstehungsakt angeknüpft wird. Erstere werden demnach typischerweise durch privatautonome Willensbildung geschaffen, Letztere durch Gesetz oder Verwaltungsakt, beides aber keineswegs ausnahmslos (zu den Schwierigkeiten einer klaren Abgrenzung ausführlich Pauger, ZfV 1986, 1): Insb im Zuge der Privatisierung wurden etwa bislang staatliche Unternehmen durch einzelgesetzliche Anordnung in privatrechtliche Gesellschaftsformen gepresst (s nur das ÖIAG-G 1986, inzwischen abgelöst durch das ÖIAG-G 2000). 4 Privatrechtliche Körperschaften sind etwa die Vereine, also freiwilli-
ge und dauerhaft organisierte Zusammenschlüsse von mindestens zwei Personen zur Verfolgung eines bestimmten gemeinsamen ideellen Zwecks (§ 1 Abs 1 VerG). Während deren Rechtsfähigkeit unabhängig von der Anmeldung bereits mit Gründungsvereinbarung und Konstituierung anerkannt wurde (4 Ob 71/90 SZ 63/156; 6 Ob 188/01t SZ 74/183), ist jetzt in § 2 Abs 1 VerG ausdrücklich klargestellt, dass die Frist gemäß § 13 abzuwarten ist. Auch politische Parteien sind rechtsfähig (Art 1 § 1 Abs 4 PartG; ebenso der Klub der Landtagsabgeordneten: 6 Ob 270/01a EvBl 2002/70; auch Landesorganisationen: 4 Ob 91/92 MR 1993, 55; Vonkilch, JBl 2000, 77; ders, ecolex 2000, 412; nicht jedoch Gemeindeorganisationen: 2 Ob 2026/96x EvBl 1997/2; s aber Aicher/R Rz 7). 28
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§ 26
Auch Kapitalgesellschaften genießen Rechtspersönlichkeit (§ 1 5 AktG – nicht aber Haupt- oder Zweigniederlassungen einer AG; vgl SZ 40/113; § 61 GmbHG); ebenso Kapitalgesellschaften mit gesetzlichem Sonderstatut (zB § 11 Abs 1 ÖIAG-G 2000; § 1 Abs 1 BBG; § 1 Forschungsförderungs-StrukturreformG BGBl I 2004/73), weiters etwa Genossenschaften (§ 12 GenG), Sparkassen (§ 1 Abs 1 SpG) und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (§§ 26 ff VAG). Auf Verordnungen des Rates basieren europäische Gesellschafts- 6 formen mit Rechtspersönlichkeit wie die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (Art 1 Abs 2 VO 2137/85/EWG über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung [EWIV], ABl 1985 L 199 S 1; s auch das ergänzende EWIVG), die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea, Art 1 Abs 3 VO 2157/2001/EG über das Statut der Europäischen Gesellschaft [SE], ABl 2001 L 294 S 1; dazu auch das ergänzende SEG) und die Europäische Genossenschaft (Art 1 Abs 5 VO 1435/2003/EG über das Statut der Europäischen Genossenschaft [SCE], ABl 2003 L 207 S 1). Von den Personengesellschaften sind jedenfalls seit Inkrafttreten des 7 HaRÄG die offene Gesellschaft (OG, früher OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG) rechtsfähig (so ausdrücklich §§ 105 S 2 UGB). Obwohl ihr Vermögen auch weiterhin nur neben dem Privatvermögen persönlich haftender Gesellschafter für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaften einsteht (mangelnde alleinige „passive Vermögensfähigkeit“), sind sie daher nunmehr juristische Personen (zweifelnd Krejci/RK UGB § 105 Rz 12 ff, insb 24 ff). Keine Rechtspersönlichkeit wird hingegen weiterhin der GesBR zugesprochen (§ 1175 Rz 4; vgl aber die deutsche Rspr einer „nach außen bestehenden beschränkten Rechtssubjektivität“ und damit auch Parteifähigkeit der GesBR: BGH II ZR 331/00 BGHZ 146, 341). Auch ein Konzern (§ 15 AktG; § 115 GmbHG) ist selbst nicht rechtsfähig (SZ 56/101), sondern bloße Zusammenfassung rechtlich selbständiger Unternehmen. Juristische Personen öffentlichen Rechts sind alle Gebietskörper- 8 schaften (Bund, Länder, Gemeinden), nicht aber einzelne Ämter oder Behörden (Aicher/R Rz 4). Rechtspersönlichkeit kommt gesetzlichen Interessenvertretungen (zB § 3 AKG; § 3 WKG; § 22 Abs 2, § 35 Abs 1 RAO; § 124 Abs 3, § 128 Abs 4, § 140 Abs 1 NO; § 145 Abs 2 WTBG; § 30 Abs 1 PatAnwG; § 65 Abs 2, § 117 Abs 2 ÄrzteG; § 18 DentG; § 29 TÄG; § 1 Abs 2 ApKG; § 1 Abs 3 ZTKG) ebenso zu wie den Sozialversicherungsträgern (§ 32 Abs 1 ASVG, § 15 BSVG, § 10 Abs 1 B-KUVG, § 17 Abs 1 GSVG); weiters Agrargemeinschaften (zB Koch
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§ 26
SZ 56/140; 1 Ob 560/93 JBl 1994, 115), Jagd- und Fischereiverbände, Bringungsgenossenschaften (§ 70 Abs 4 ForstG) und -gemeinschaften (§ 12 Abs 1 GSGG), Wassergenossenschaften (§ 74 Abs 2 WRG) sowie Wasserverbände (§ 88 Abs 2 WRG). Universitäten sind seit dem 1.1.2004 (voll-)rechtsfähig (§ 4 UG 2002), nicht aber einzelne Schulen (NZ 1955, 107). 9 Ausländische Staaten (nicht aber deren Gesandtschaften: EvBl
1964/208) sind in Österreich rechtsfähig, soweit sie privatrechtlich agieren (s auch 4 Ob 2304/96v SZ 69/281; 1 Ob 2313/96w SZ 70/9: Vermögensnachfolge nach Auflösung der SFR Jugoslawien), ebenso andere anerkannten Völkerrechtssubjekte (zB 10 Ob 2428/96y SZ 70/25: Heiliger Stuhl; Art 105 UN-Charter sowie Art I Übk über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen, BGBl 126/1957; zur EU s Art 281 EG, künftig Art 6 EUVerf). 10 Kirchen und Religionsgemeinschaften sind rechtsfähig, sofern sie
gesetzlich (evangelische Kirche, griechisch-orientalische Kirche, islamische Glaubensgemeinschaft, israelitische Religionsgesellschaft, katholische Kirche) oder durch Verordnung (in Vollziehung des AnerkennungsG 1874: Altkatholische Kirche, armenisch-apostolische Kirche, buddhistische Religionsgemeinschaft, Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), koptisch-orthodoxe Kirche, Methodistenkirche, neuapostolische Kirche, syrisch-orthodoxe Kirche) anerkannt wurden. Auch ihre Einrichtungen und Anstalten können selbst rechtsfähig sein (SZ 25/222; SZ 37/3: Diözese; SZ 47/59: Pfarrpfründe, Pfarrkirche; 1 Ob 2337/96z SZ 70/85: Pfarrei; dazu Can 515 § 3 CIC 1983 iVm Art II Konkordat 1934, BGBl 1934 II/2; zu Orden und Klöstern Art X § 2 Konkordat 1934). Bereits vor Anerkennung können Religionsgemeinschaften nicht nur als Vereine (s Rz 4), sondern auch als staatlich anerkannte Bekenntnisgemeinschaften Rechtspersönlichkeit erlangen (Anmeldeprinzip mit Untersagungsmöglichkeit ähnlich dem Vereinsrecht: BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl I 1998/19; bislang Bahá’í Religionsgemeinschaft, Bund der Baptistengemeinden, Bund evangelikaler Gemeinden, Die Christengemeinschaft – Bewegung für religiöse Erneuerung, Freie Christengemeinde/Pfingstgemeinde, Hinduistische Religionsgesellschaft, Jehovas Zeugen, Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten, Mennonitische Freikirche, Pfingstkirche Gemeinde Gottes). 11 Stiftungen (durch Anordnung eines Stifters dauernd gewidmetes
Vermögen) und Fonds (durch Anordnung eines Fondsgründers nicht auf Dauer gewidmetes Vermögen), die nach dem BStFG oder den 30
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§ 26
entsprechenden Landesgesetzen (Bgld LGBl 1995/37; Krnt LGBl 1984/27; NÖ LGBl 4700; OÖ LGBl 1988/31; Sbg LGBl 1976/70; Stmk LGBl 1988/69; Tir LGBl 1977/34; Vlbg LGBl 2003/17; Wr LGBl 1988/14, jeweils idgF) errichtet wurden, also der Erfüllung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke dienen, weiters Privatstiftungen (§ 1 Abs 1 PSG) oder spezialgesetzlich eingerichtete Stiftungen und Fonds (zB § 1 Abs 1 ORF-G; § 2 Abs 1 FTFG; § 1 Abs 3 Versöhnungs-FondsG; Bsp nach Landesrecht: Vlbg SpitalsfondsG, LGBl 1997/20; Tir LandeskulturfondsG, LGBl 1951/18) genießen Rechtspersönlichkeit als verselbständigte Vermögensmassen (dazu auch § 646), ebenso selbständige Anstalten (zB § 1 Abs 1 FMABG: Finanzmarktaufsichtsbehörde; § 22 Abs 3 BundesstatistikG 2000: Statistik Österreich; §§ 2, 13 Bundesmuseen-G 2002: Bundesmuseen, Österreichische Nationalbibliothek; landesgesetzlich eingerichtete Anstalten zB § 2 Krnt Landeskrankenanstalten-BetriebsG, LGBl 1993/44; § 3 Wr MuseenG, LGBl 2001/95). Auch der ruhende Nachlass ist nach hM juristische Person (K/W I 70; aM Wolff/K I/1, 196), nicht aber Sammelvermögen (treuhändisches Sondervermögen des Sammlers: K/W I 82). III. Rechts- und Handlungsfähigkeit der juristischen Person Eine juristische Person kann die gleichen Rechte und Pflichten haben 12 wie eine natürliche Person (S 2), es sei denn, sie sind ihrer Natur nach nur für Letztere bestimmt (zu den Persönlichkeitsrechten § 16 Rz 3; ausgeschlossen sind etwa Familienrechte: Posch/S Rz 29). Juristische Personen können zB durch ihre Organe (Rz 14) rechtsgeschäftlich tätig werden, Besitz erwerben (vgl § 337), letztwillig bedacht werden, sich an anderen juristischen Personen beteiligen ua (Aicher/R Rz 17 ff). Selbst wenn ihre Statuten einen begrenzten Wirkungskreis vorsehen, haben sie grundsätzlich unbeschränkte Rechtsfähigkeit (aM die sog Ultra-vires-Lehre, die in Österreich überwiegend abgelehnt wird; K/W I 71; Straube, ÖJZ 1978, 343). Manchen Einheiten werden hingegen von vornherein kraft Gesetzes 13 nur einzelne Rechte und Pflichten zugewiesen (sog Teilrechtsfähigkeit; zB 1 Ob 2405/96z SZ 70/10; zum Begriff Ostheim, Rechtsfähigkeit 157 ff; vgl §§ 22 f Rz 1 zum nasciturus). Beispiele sind etwa das Patentamt (§ 58a PatG; dazu Enzinger, ÖBl 1998, 137) oder die Geologische Bundesanstalt (§ 18a FOG) sowie Bundesschulen (zB § 128c SchOG). Eine juristische Person kann nur durch natürliche Personen 14 handeln, entweder direkt durch ihre Organe oder durch von diesen Bevollmächtigte (vgl § 1023; 5 Ob 71/95 SZ 68/172). Sofern eine BeKoch
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§ 27
schränkung der Vertretungsmacht von Organen im Außenverhältnis überhaupt gesetzlich zulässig ist (dagegen etwa § 20 Abs 2 GmbHG; § 74 Abs 2 AktG; § 19 GenG; § 6 Abs 3 VerG; vgl auch § 123 Abs 2 S 2 UGB; zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts s § 867), wirkt sie Dritten gegenüber höchstens bei entsprechender Kundmachung, und wenn eine Anscheinsvollmacht zu verneinen ist (K/W I 73 f). 15 Auch das bloße Wissen oder Wissenmüssen der zuständigen Organe
oder Bevollmächtigten sowie dienstliche Kenntnisse sonstiger Hilfspersonen werden einer juristischen Person zugerechnet (RS0009172, zB SZ 52/167; 1 Ob 64/00v SZ 74/14; K/W I 75). IV. Haftung der juristischen Person 16 Zwar ist eine juristische Personen nicht deliktsfähig (JBl 1978, 543),
dennoch kann ihr auch deliktisches Verhalten ihrer Hilfspersonen zugerechnet werden. Zum einen gilt dies für Erfüllungs- und Besorgungsgehilfen nach allgemeinen Regeln (§§ 1313a, 1315; zB SZ 60/49); darüber hinaus aber auch generell für schädigendes Verhalten ihrer Repräsentanten (somit aller Personen in eigenverantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion, also nicht nur ihrer Organe: Ostheim, GedS Gschnitzer 317; ders, JBl 1978, 57; Koziol, HPR II 2 375 ff; aus der Judikatur RS0009113, zB SZ 51/80; 3 Ob 180/03x ecolex 2004, 524; s auch § 337 „Machthaber“). Juristische Personen können auch aus Gefährdungshaftung als Halter einer Gefahrenquelle ersatzpflichtig werden. § 27. Inwiefern Gemeinden in Rücksicht ihrer Rechte unter einer besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehen, ist in den politischen Gesetzen enthalten. 1 Durch den Verweis auf andere Gesetze warnt § 27 insb vor Einschrän-
kungen der Rechtspersönlichkeit öffentlich-rechtlicher Körperschaften (Posch/S Rz 1; s auch § 867). § 27 gilt in Vorarlberg nicht, soweit der selbständige Wirkungsbereich der Länder betroffen ist (§ 100 Abs 2 lit a Vlbg GemeindeG). V. Aus dem Verhältnisse eines Staatsbürgers § 28. Den vollen Genuß der bürgerlichen Rechte erwirbt man durch die Staatsbürgerschaft. [Die Staatsbürgerschaft in diesen [Erb]staaten ist Kindern eines österreichischen Staatsbürgers durch die Geburt eigen.] 32
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Persönliche Verhältnisse
§ 39
Diese Bestimmung ist bedeutungslos; S 2 wurde durch das StbG ma- 1 teriell derogiert. §§ 29–32. [aufgehoben, RGBl 1860/108 und BGBl 1925/285] Rechte der Fremden § 33. Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und Verbindlichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Staatsbürgers erfordert wird. Auch müssen die Fremden, um gleiches Recht mit den Eingebornen zu genießen, in zweifelhaften Fällen beweisen, daß der Staat, dem sie angehören, die hierländigen Staatsbürger in Rücksicht des Rechtes, wovon die Frage ist, ebenfalls wie die seinigen behandle. Fremde sind im bürgerlichen Recht den Inländern gleichgestellt; die 1 Voraussetzung formeller Gegenseitigkeit in S 2 ist praktisch bedeutungslos (Aicher/R Rz 2). §§ 34–37. [aufgehoben, BGBl 1978/304] § 38. Die Gesandten, die öffentlichen Geschäftsträger und die in ihren Diensten stehenden Personen genießen die in dem Völkerrechte und in den öffentlichen Verträgen gegründeten Befreiungen. § 38 verweist auf die Sonderstellung (insb Exterritorialität, Immuni- 1 täten und Privilegien) von Diplomaten und anderen Bediensteten von Völkerrechtssubjekten, die sich aus Völkergewohnheitsrecht, internationalen Abkommen (zB Art 21 ff WrDiplKonv; Art 28 ff Wiener Übk über konsularische Beziehungen, BGBl 1969/318) und innerstaatlichen Sonderregeln (zB BG über die Einräumung von Privilegien an internationale Organisationen, BGBl 1977/677; BG über die Einräumung von Privilegien an nichtstaatliche internationale Organisationen, BGBl 1992/174) ergeben kann. VI. Personenrechte aus dem Religionsverhältnisse § 39. Die Verschiedenheit der Religion hat auf die Privatrechte keinen Einfluß, außer insofern dieses bei einigen Gegenständen durch die Gesetze insbesondere angeordnet wird. Diese Bestimmung ist überholt, da die Glaubens- und Gewissensfrei- 1 heit mittlerweile mehrfach in Verfassungsrang verankert ist (zB Art 7 Koch
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Persönliche Verhältnisse
§§ 40–42
Abs 1 B-VG; Art 14 StGG; Art 9, 14 MRK). Der Gesetzesvorbehalt des HS 2 wäre zudem verfassungs-, da gleichheitswidrig (Stabentheiner/R Rz 2; zust Posch/S Rz 2; Unterscheidung zwischen gesetzlich anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften ist hingegen zulässig: zB VfGH B 1408/02 ZfVB 2004/1479; VfGH B 1768, 1769/02 ZfVB 2004/1151). VII. Aus dem Familienverhältnisse. Familie, Verwandtschaft und Schwägerschaft § 40. Unter Familie werden die Stammeltern mit allen ihren Nachkommen verstanden. Die Verbindung zwischen diesen Personen wird Verwandtschaft; die Verbindung aber, welche zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des andern Ehegatten entsteht, Schwägerschaft genannt. § 41. Die Grade der Verwandtschaft zwischen zwei Personen sind nach der Zahl der Zeugungen, mittels welcher in der geraden Linie eine derselben von der andern, und in der Seitenlinie beide von ihrem nächsten gemeinschaftlichen Stamme abhängen, zu bestimmen. In welcher Linie und in welchem Grade jemand mit dem einen Ehegatten verwandt ist, in eben der Linie und in eben dem Grade ist er mit dem andern Ehegatten verschwägert. § 42. Unter dem Namen Eltern werden in der Regel ohne Unterschied des Grades alle Verwandte in der aufsteigenden; und unter dem Namen Kinder alle Verwandte in der absteigenden Linie begriffen. 1 Die §§ 40–42 bieten einige familienrechtliche Definitionen. Der Be-
griff der Familie in § 40 knüpft an das traditionelle Verständnis der Großfamilie an und umfasst die Stammeltern und all ihre Nachkommen, die durch dieses Abstammungsverhältnis zueinander verwandt sind, und zwar Vorfahren und Nachkommen in gerader Linie, ansonsten in Seitenlinie (die aber letztlich auch auf gemeinsame Stammeltern zurückführen muss). Ehegatten sind miteinander nicht verwandt; der eine (nicht aber ein mit ihm Verwandter; EF 32.694) ist mit den Verwandten des anderen verschwägert, solange die Ehe aufrecht ist (5 Ob 170/02i EvBl 2003/31). 2 Der Verwandtschaftsgrad zweier Familienmitglieder wird nach der
Zahl der Zeugungen berechnet, die von beiden ausgehend zu den ersten gemeinsamen Stammeltern führen (pro Mehrling zählt eine Zeugung); Analoges gilt für den Grad der Schwägerschaft (SZ 62/131; wobei die Ehe selbst nicht gezählt, sondern erst vom Ehepartner aus34
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Persönliche Verhältnisse
§ 43
gegangen wird). Geschwister sind damit Seitenverwandte zweiten Grades, ein Ehemann ist mit seinen Schwiegereltern in gerader Linie im ersten Grad verschwägert (K/W I 443). Die Definition von Eltern und Kindern in § 42 ist von geringer Be- 3 deutung, da bereits das ABGB selbst diese Begriffe teilweise anders verwendet (vgl zB §§ 137 ff, insb 141: „Eltern“ iSv Vater und Mutter, „Kind“ iSv Sohn oder Tochter, also nur jeweils erster Grad). VIII. Schutz des Namens § 43. Wird jemandem das Recht zur Führung seines Namens bestritten oder wird er durch unbefugten Gebrauch seines Namens (Decknamens) beeinträchtigt, so kann er auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen. [idF III. TN] Lit: Edlbacher, Das Recht des Namens (1978); Grabenwarter/Holoubek/ Schwaighofer, Namensrecht und Art 8 MRK, ecolex 1994, 437; Mayer-Schönberger/Galla/Fallenböck (Hrsg), Das Recht der Domain Namen (2001); Raschauer, Namensrecht (1978); Zöchbauer, Zur Gestattung der Namensverwendung, MR 2001, 353.
Der Name einer Person ist wegen seiner Kennzeichnungs- und Un- 1 terscheidungsfunktion Bestandteil der Persönlichkeit und wird als solcher von § 16 im Allgemeinen (s dort Rz 8 zur Namensanonymität) und § 43 im Besonderen geschützt (Posch/S Rz 1 ff; dort Rz 5 zur deutschen Vorbildnorm § 12 BGB). Weitere Schutznormen neben § 43 sind etwa § 37 UGB und § 9 UWG. Eine natürliche Person kann sich sowohl gegen Bestreitung (Rz 5) 2 als auch gegen Anmaßung (Rz 6) ihres Vor- und Nachnamens wehren. Dieser Schutz beginnt beim Familiennamen mit Geburt (§§ 139, 165), beim Vornamen ab Namensgebung (vgl § 21 PStG), und endet mit dem Tod (ÖBl 1972, 18). Nach einer Namensänderung (s etwa §§ 93, 93a, 162a ff, 183 sowie das NÄG) ist nur mehr der neue Name geschützt (Ausnahme für den bisherigen Namen jenes Ehegatten, der nicht gemeinsamer Familienname iSd § 93 wurde: Posch/S Rz 10). Auch Hofnamen (RdW 1988, 424: Schloßalm) sowie Künstlernamen und Pseudonyme werden gemäß § 43 geschützt (ÖBl 1971, 152: Telefritz), ebenso Kryptonyme (Abkürzungen insb von Journalistennamen). Schutz genießen weiters die Namen, Firmen und Firmenbestandteile 3 sowie Abkürzungen (4 Ob 169/04p wbl 2005, 95: AKV), EtablisKoch
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Persönliche Verhältnisse
§ 43
sementbezeichnungen etc von juristischen Personen (zB Kapitalgesellschaften, Vereine: 1 Ob 117/99h; Parteien: SZ 50/152; Stiftungen, Fonds, juristische Personen des öffentlichen Rechts: 4 Ob 198/00x ÖBl 2001, 35 bundesheer.at), aber auch von Personenvereinigungen (OG, KG, GesBR), soweit der Name oder die Bezeichnung Verkehrsgeltung haben kann oder bereits hat (zB 4 Ob 8/95 ecolex 1995, 899) und solange der Namensträger existiert, es sei denn, die Namensführung wurde schon zuvor (etwa mangels Tätigkeit) auf Dauer aufgegeben (4 Ob 213/05k MR 2006, 14 Höhne/Dieplinger: BZÖ). 4 Auch Internet Domains können „Namen“ iSd § 43 sein, soweit ihnen
über die bloße Adressierung Kennzeichnungs- und Unterscheidungsfunktion zukommt (RS0113105). Die meisten E in der Praxis (s nur die Übersicht bei www.internet4jurists.at/domain/e_oest01.htm) betreffen allerdings Fälle, in denen bei der Bildung einer Domain ein fremder Name (mit-)verwendet und damit in das Recht auf diesen Namen eingegriffen wurde (zB 4 Ob 246/01g wbl 2002, 331 Thiele: Graz; s Rz 6 zur Namensanmaßung), ohne dass der Schutz der Domain als solche zu prüfen gewesen wäre (was aber aus den Entscheidungsgründen nicht immer klar hervorgeht, vgl 4 Ob 42/03k ÖBl 2004, 35 Fallenböck = ecolex 2003, 773 Schanda: rtl.at). Für DomainStreitigkeiten sind (freiwillige) Schlichtungsstellen vorgesehen (www. streitschlichtung.at für .at-Domains, im Übrigen www.icann. org/udrp/ und Stomper, Das Domain-Schlichtungsverfahren der WIPO, www.rechtsprobleme.at/doks/ICANN-Schlichtung1.pdf). 5 Die erste von § 43 geahndete Verletzungshandlung ist die Namens-
bestreitung, also die Leugnung des Rechts eines anderen zur Führung eines bestimmten Namens (etwa bei Ablehnung, dass ein anderer denselben Familiennamen führt: 4 Ob 246/01g wbl 2002, 331 Thiele). 6 In der Praxis weitaus häufiger sind hingegen Fälle einer Namens-
anmaßung. Dabei gebraucht jemand einen fremden Namen, um sich selbst, sein Unternehmen oder dessen Waren und Dienstleistungen zu kennzeichnen, oder wenn dazu mit dem fremden Namen ein Zusammenhang hergestellt werden soll (zB EvBl 1985/38; vgl auch 4 Ob 108/03s). Der Verletzte muss dabei selbst rechtmäßig den betroffenen Namen führen dürfen, der dem vom anderen angemaßten Namen zumindest so ähnlich ist, dass Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne besteht. Völlige Übereinstimmung ist daher nicht nötig, solange Dritte über die Identität des Verwenders getäuscht werden können oder Verwirrung über die Zuordnung der Person entstehen könnte (zB Anschein von Verwandtschaftsverhältnis, von ideellen oder wirt36
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Persönliche Verhältnisse
§ 43
schaftlichen Beziehungen; vgl ÖBl 1981, 128 Jugend & Volk; 4 Ob 108/03s Gralsbewegung; MR 2006, 14 Höhne/Dieplinger). Ausgeschlossen ist eine Verletzung des Namensrechtes nicht nur bei 7 Gestattung des Gebrauchs dieses Namens (zB 4 Ob 7/92 wbl 1992, 406; 4 Ob 311/00i SZ 74/5), sondern auch dann, wenn keine schutzwürdigen Interessen des Namensführers beeinträchtigt worden sind (RS0009446). Dazu ist eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen nötig, die ua davon bestimmt wird, ob es sich mehr um einen ausgefallenen oder berühmten Namen oder eher um einen Allerweltsnamen handelt, und ob die Verwechslungsgefahr regional oder branchenmäßig begrenzt ist (vgl 4 Ob 207/02y EvBl 2003/44 ams. at). Gleiche Namen, die beide aus eigenem Recht geführt werden, werden 8 grundsätzlich gleich geschützt, allerdings kann die Interessensabwägung ergeben, dass zumindest einer der beiden Namensträger Vorkehrungen treffen muss, um Verwechslungen künftig hintanzuhalten (RS0009440; zB 4 Ob 43/92 EvBl 1993/41: abgekürzter zweiter Vorname bei Namensidentität). Im Übrigen sind solche Konflikte vorrangig (aber nicht ausschließlich) nach dem Prioritätsprinzip zu lösen, also die Schutzwürdigkeit des früheren Namensträgers im Zweifel höher zu bewerten (Aicher/R Rz 13 f). Nicht von § 43 erfasst werden Probleme der Namensnennung, wobei 9 ein Name zwar zur Bezeichnung der berechtigten Person, aber in einem von dieser nicht veranlassten Zusammenhang (zB zur Werbung oÄ) verwendet wird (kein Eingriff in das Namensrecht, sondern in die Persönlichkeit: vgl § 16 Rz 7 f). Der in seinem Namensrecht Beeinträchtigte kann sich dagegen mit 10 Unterlassungsklage zur Wehr setzen, wobei Wiederholungsgefahr (oder zumindest Erstbegehungsgefahr) gegeben sein muss (ÖBl 1985, 14). Er hat aber auch einen Beseitigungsanspruch nach erfolgter Verletzung (zB Vernichtung von Briefpapier oder Visitkarten, Löschung einer Domain: 4 Ob 231/03d wbl 2004, 196; Aicher/R Rz 23; Posch/S Rz 35; aM nur Edlbacher, Recht des Namens 179). Wie § 43 selbst erwähnt, muss darüber hinaus für schuldhafte Namensverletzung Schadenersatz geleistet werden, und zwar nicht nur für Vermögensschäden, sondern auch für ideelle Schäden (F. Bydlinski, JBl 1965, 247 ff; Koziol, HPR I3 Rz 2/102). Sofern der Verletzer aus dem unbefugten Namensgebrauch Vorteile gezogen hat (etwa durch Nichtzahlung einer für die Verwendung des Namens angemessenen Lizenzgebühr), hat er diese Bereicherung zu ersetzen (Aicher/R Rz 22). Koch
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Ehe
§ 44
Zweites Hauptstück Von dem Eherechte Begriff der Ehe § 44. Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitig Beistand zu leisten. Lit zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft: F. Bydlinski, Lohn- und Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen, 1. FS Wilburg (1965) 45; Deixler-Hübner, Probleme der Leistungsabgeltung im Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 201; dies, Die nichteheliche Partnerschaft – Grenzen des geltenden Rechts und Regelungsaufgaben des Gesetzgebers, FS Weißmann (2003) 163; Engel, Rechtliche Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, JRP 1994, 160 und 202; Meissel/Preslmayr, Die Abgeltung von Leistungen in der Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta, Familie 515; Memmer, Eheähnliche Lebensgemeinschaften und Reproduktionsmedizin, JBl 1993, 297; Möschl, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft 3 (2007); Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – ein Überblick, NZ 1995, 49; Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“ (1994).
I. Begriff der Ehe 1 Die Eingangsnorm der im ABGB noch verbliebenen Eherechtsbe-
stimmungen ist höchstens als programmatische Grundsatzerklärung zu verstehen. S 2 ist im Lichte der neu gefassten §§ 89 ff zu sehen (zur Beistandspflicht insb § 90). Die Erklärung, Kinder zu zeugen, ist für die Eheschließung nach heutigem Verständnis nicht mehr notwendig (zutr Stabentheiner/R Rz 5, mit Hinweis auf Heirat auf dem Totenbett und unter Zeugungsunfähigen, vgl zB 3 Ob 204/99t JBl 2000, 530; s auch § 90 Rz 4) und schon gar nicht verbindlich (aM Kerschner, FamR Rz 2/9, 2/30). 2 Die einzige nur in § 44 ausdrücklich festgehaltene Voraussetzung
einer Ehe (s im Übrigen §§ 1 ff EheG) ist, dass die Ehepartner zumindest bei Heirat „verschiedenen Geschlechts“ sein müssen (sonst Nichtehe; vgl § 20 EheG Rz 1). Weder eine Geschlechtsumwandlung vor (VwGH 95/01/0061 VwSlg 14.748 A) noch nach Eheschließung vernichtet die Ehe (Hinteregger/K 3 Rz 5 f; aM Schwind, EheR 3: „nachträglich entstandene Nichtehe“; ähnlich abwegig Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2006, 111) und berechtigt den anderen Partner höchstens 38
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Ehe
§ 44
zu Aufhebung (§ 37 EheG) oder Scheidung (§ 49 EheG; Stabentheiner/R Rz 2). II. Nichteheliche Lebensgemeinschaft Leben zwei Menschen auf Dauer (längeres Zusammenleben beabsich- 3 tigt, tatsächliche Dauer nicht entscheidend: zB SZ 40/45; EF 57.268; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 11; Stabentheiner, NZ 1995, 51) in einer eheähnlichen Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft (Möschl, Lebensgemeinschaft Rz 19), ohne eine Ehe geschlossen oder einander zumindest versprochen zu haben (zum Verlöbnis §§ 45 f), spricht man von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die jederzeit lösbar und rechtlich unverbindlich ist (zB SZ 34/164). Gemeinsames Wohnen ist wie bei der Ehe (§ 90 Rz 2) nicht notwendig, aber ebenso typisch wie die übrigen genannten Kriterien (Aichhorn, Lebenspartnerschaften 11 ff). Im Zusammenspiel sind sie Zeichen einer andauernden inneren Verbundenheit der Partner (RS0047000; RS0047017; RS0047069; zB 7 Ob 676/90 RZ 1991, 143; JBl 2000, 530). Eine (wenn auch andauernde) sexuelle Beziehung alleine reicht aber nicht aus (RS0047023; 3 Ob 284/97d EF 84.648). Entgegen der hM (s nur Schwimann/Ferrari/S Rz 3) und stRspr (RS0047043) ist es jedenfalls bis zur (überfälligen) gesetzlichen Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nicht erforderlich, dass die Lebensgefährten verschiedenen Geschlechts sind, solange die vorgenannten übrigen Voraussetzungen erfüllt sind (s auch Möschl, Lebensgemeinschaft Rz 13, 20; Verschraegen, ZfRV 1983, 137 ff sowie EGMR 24.7.2003, 40.016/98 Karner gegen Österreich, ÖJZ 2004, 36, ad § 14 Abs 3 MRG) – es ist eben keine Ehe. Die aufrechte nichteheliche Lebensgemeinschaft wird vom Gesetz- 4 geber mittlerweile zumindest punktuell anerkannt. Gemäß § 14 Abs 3 MRG ist etwa ein Lebensgefährte in den Mietvertrag des anderen nach dessen Tod eintrittsberechtigt, sofern beide gemeinsam in die Wohnung eingezogen sind oder zumindest drei Jahre dort gewohnt haben (5 Ob 70/06i EvBl 2006/154: gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft); zur Eigentümerpartnerschaft §§ 2, 13 f WEG 2002 (dazu Erl 989 BlgNR 21. GP 28). Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist in einer „eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ ebenso zulässig (§ 2 FMedG; Möschl, Lebensgemeinschaft Rz 125); diese findet auch im Sozialrecht an manchen Stellen Berücksichtigung (zB § 123 Abs 7a ASVG; § 78 Abs 6a BSVG; § 56 Abs 6a B-KUVG; § 83 Abs 8 GSVG; § 20 AlVG; §§ 9a f, 35 Abs 2, § 38f FamLAG; §§ 8 Abs 3, 18, 42 Abs 7 KGG; §§ 17, 31 KUG; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 257 ff; Möschl, Lebensgemeinschaft Rz 136 ff). Lebensgefährten haben Anspruch auf Pflege- und Familienhospizfreistellung (zB § 16 UrlG; §§ 76, 78d Koch
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Ehe
§ 44
BDG; §§ 75c, 75e RDG; §§ 29f, 29k VBG), sie sind außerdem Angehörige iSd Anfechtungsrechts (§ 32 Abs 1 KO; § 4 Abs 1 AnfO; Möschl, Lebensgemeinschaft Rz 149), des Steuerrechts (§ 25 Abs 1 Z 5 BAO) und des Strafrechts (§ 72 Abs 2 StGB). Gemäß der Rspr zum Unterhaltsrecht geschiedener Ehegatten ruht deren Anspruch, wenn sie eine Lebensgemeinschaft eingehen (§ 75 EheG Rz 2). Die Lebensgefährten selbst haben untereinander aber keine wechselseitigen Pflichten oder Ansprüche, sofern sie solche nicht vertraglich begründen (s auch § 89 Rz 1). 5 Nach Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommen
zwar weder § 46 (Verlöbnisbruch) noch die eherechtlichen Scheidungsfolgen zur Anwendung, auch nicht analog (zur Vermögensaufteilung etwa § 81 EheG Rz 1), dennoch gibt es aus anderen Titeln mögliche Ausgleichs- und Rückforderungsansprüche, insb aus dem Vertrags- und Bereicherungsrecht (ausf zB Aichhorn, Lebenspartnerschaften 399 ff; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 201; Möschl, Lebensgemeinschaft Rz 74 ff). 6 So nimmt die Rspr in manchen Fällen, insb bei gemeinsamen Anstren-
gungen zur Wohnraumschaffung (zB 4 Ob 502/91 JBl 1991, 789; 6 Ob 135/99t EF 90.089 ff) oder bei Mitwirkung in einem Unternehmen (zB JBl 1988, 516 Kerschner; 2 Ob 608/92 SZ 66/62) eine dazu allenfalls stillschweigend eingegangene GesBR der Lebensgefährten an (Kissich/K 3 Rz 42; nicht aber für die Lebensgemeinschaft an sich: RS0021746); eine Aufteilung erfolgt dann gemäß §§ 1215, 841 ff (Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 205). 7 Arbeitsleistungen im Rahmen der gemeinsamen Lebensführung
werden zwar je nach Art und Umfang zumeist unentgeltlich erbracht worden sein (krit Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 210; Engel, JRP 1994, 212), soweit aber kein (ausdrücklicher oder konkludenter) vertraglicher Anspruch nachgewiesen wird (RS0021721), ist mit F. Bydlinski (1. FS Wilburg 45 ff) auch ohne Entgeltszusage davon auszugehen, dass ein Anspruch auf angemessenen Lohn zumindest in Analogie zu § 1152 besteht, wenn sich ein Lebensgefährte eine spätere Gegenleistung zumindest vorbehalten hat und der andere die Leistung in Kenntnis dieser Entgeltserwartung in Anspruch genommen hat (aus der Rspr RS0021784, zB JBl 1977, 656; krit Deixler-Hübner, Scheidung Rz 255). In diesem Falle kommt es auf eine etwaige Bereicherung des Leistungsempfängers nur dann an, wenn der andere den Fortbestand der Lebensgemeinschaft selbst vereitelt hat. Sein Anspruch ist dann mit dem verschafften Nutzen begrenzt (Rz 9), bei beidseitiger Beendigung haben hingegen beide das Leistungsrisiko gleichermaßen 40
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Ehe
§ 45
zu tragen (F. Bydlinski, 1. FS Wilburg 76 f; Stabentheiner, NZ 1995, 55 f; vgl SZ 46/62; 9 ObA 222/01i RdW 2002, 421 ua). Schenkungen während aufrechter Lebensgemeinschaft können al- 8 lenfalls wegen Motivirrtums nach § 901 angefochten oder nach allgemeinen Regeln (§§ 947 ff) widerrufen werden (Aichhorn, Lebenspartnerschaften 410 ff; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 204). Während Geld- oder Sachleistungen, die aufgrund ihrer Art und 9 Höhe zum sofortigen Gebrauch bestimmt sind (insb unterhaltsähnliche Aufwendungen zur Lebensführung), nicht kondiziert werden können, ist eine condictio causa data causa non secuta (§ 1435) für solche Leistungen (aber auch für Arbeitsleistungen, für die kein Anspruch in Analogie zu § 1152 zusteht, Rz 7) möglich, die im Vertrauen auf einen Fortbestand der Lebensgemeinschaft als längerfristige Investition getätigt wurden (6 Ob 60/99p EF 90.222; Kissich/K 3 Rz 34 ff). Die Höhe der Rückforderung ist dabei jedoch mit dem nach Ende der Lebensgemeinschaft fortbestehenden Nutzen des anderen begrenzt (Kondiktion des Restnutzens; dazu insb Rummel, JBl 1978, 449; RS0033921, zB JBl 1988, 253). Wenn die für Zwecke der Lebensgemeinschaft erbrachte Leistung materiell einem Dritten zugute gekommen ist und dies dem Leistenden bewusst war (8 Ob 129/03h JBl 2004, 382), ist sein Bereicherungsanspruch direkt gegen den Dritten zu richten (4 Ob 2021/96a SZ 69/89). und des Eheverlöbnisses § 45. Ein Eheverlöbnis oder ein vorläufiges Versprechen, sich zu ehelichen, unter was für Umständen oder Bedingungen es gegeben oder erhalten worden, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktrittes bedungen worden ist. Das Verlöbnis ist ein Vorvertrag zur Ehe (Schwind, EheR 5 ff), wie 1 diese aber familienrechtlicher Natur und unterliegt somit insoweit nicht den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln, insb nicht § 936 (K/W I 447). Es kommt zu Stande durch formloses (auch konkludentes: SZ 42/94; SZ 62/5; offenbar einschränkend Schwimann/Ferrari/S Rz 2) wechselseitiges (SZ 40/15) Versprechen zweier Personen verschiedenen Geschlechts (s § 44 Rz 2), sich künftig zu ehelichen. Konkrete Hochzeitsplanung ist nicht nötig (EvBl 1959/61), allerdings sind die Heiratswilligen spätestens mit Anmeldung der beabsichtigten Verehelichung beim Standesamt verlobt (vgl den Wortlaut von § 93; aM Stabentheiner/R § 93 Rz 2a). Koch
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Ehe
§ 46
2 Die Nichtigkeits- und Aufhebungsgründe des EheG gelten, soweit
sinnvoll übertragbar, analog (und in großzügiger Auslegung) auch für das Verlöbnis (für eine Berücksichtigung via §§ 878 f Deixler-Hübner, Scheidung Rz 237; Hinteregger/K 3 Rz 3; Schwimann/Ferrari/S Rz 3; für die Anwendung allgemeiner Regeln des ABGB bei beschränkter Geschäftsfähigkeit anstelle der Ehefähigkeitsregeln der §§ 1 ff EheG hingegen Stabentheiner/R Rz 1). Die Rechtsfolgen zB einer Anfechtung wegen Willensmängeln sind aber ausschließlich nach § 46 ABGB zu beurteilen (Schwind, EheR 9 f), was jedoch angesichts der jederzeitigen Rücktrittsmöglichkeit praktisch bedeutungslos ist (K/W I 448). 3 Zwar entfaltet das Verlöbnis gewisse Rechtswirkungen (zB §§ 46 und
1247 S 2; s auch Schwind, EheR 11); jedenfalls kann aus ihm aber keine Pflicht zur künftigen Eheschließung abgeleitet werden, auch nicht indirekt (daher keine Bestärkung durch Reugeld oder Konventionalstrafe möglich). Deixler-Hübner (Scheidung Rz 237) will die Verlobten zum selben Verhalten wie bei Ehe (analog § 90) und bei Verletzung solcher Pflichten zu Schadenersatz gemäß § 46 verpflichten; beides ist abzulehnen (s auch § 46 Rz 3). Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse § 46. Nur bleibt dem Teile, von dessen Seite keine gegründete Ursache zu dem Rücktritte entstanden ist, der Anspruch auf den Ersatz des wirklichen Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann. Lit: Koziol, Die schadenersatzrechtlichen Folgen des Rücktrittes vom Verlöbnis, JBl 1975, 61; Mair, Verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch nach Rücktritt vom Verlöbnis? ÖJZ 1994, 844; R. Oberhofer, Setzt der Schadenersatzanspruch wegen Rücktritts vom Verlöbnis Verschulden des Ersatzpflichtigen voraus? ÖJZ 1994, 433.
1 Abgesehen von nachfolgender Heirat endet ein Verlöbnis einver-
nehmlich oder durch (wiederum formlose) einseitige Willenserklärung eines Verlobten („Rücktritt“). Bei Minderjährigen bedarf es dazu nicht der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (hL, zB Schwind, EheR 13). 2 Der begründete Rücktritt vom Verlöbnis löst keine Schadenersatz-
pflichten aus, der andere Verlobte kann allenfalls eine Schenkung widerrufen (§ 1247 S 2) oder sonstige Leistungen zurückfordern, die er in Hinblick auf die erwartete Eheschließung getätigt hat (§ 1435 Rz 3). Zum Rücktritt berechtigen jedenfalls Willensmängel, die auch eine 42
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§ 46
Aufhebung des Verlöbnisses zuließen (vgl § 45 Rz 2); weiters jedes Fehlverhalten des anderen Verlobten, das diesen ersatzpflichtig machen würde (Rz 3). Darüber hinaus reichen alle sonstigen Gründe, die aus objektiver Sicht dazu geeignet sind, den Verlobten von einer künftigen Eheschließung abzuhalten. Dazu zählen insb auch solche Umstände, die bei bereits geschlossener Ehe zur Scheidung berechtigen würden (§§ 49 ff EheG), wobei ein großzügigerer Maßstab anzulegen ist (etwa bei Krankheiten: EvBl 1969/252). Wer vom Verlöbnis unbegründet zurücktritt, wird dem anderen er- 3 satzpflichtig, aber nur bei Verschulden (was wiederum Deliktsfähigkeit voraussetzt). Entgegen dieser hM (Koziol, JBl 1975, 61; ders, HPR II 2 209 ff; Hopf/Kathrein, EheR Anm 6; Schwimann/Ferrari/S Rz 5; Stabentheiner/R Rz 3; aM Kerschner, FamR Rz 2/4; R. Oberhofer, ÖJZ 1994, 437 ff; Schwind, EheR 13 ff) beharrt die Rspr aber (noch) obiter auf dem gegenteiligen Standpunkt, ohne allerdings je tatsächlich Schadenersatz ohne Verschulden zugesprochen zu haben (Schwimann/Ferrari/S Rz 5; vgl auch SZ 62/5). Schuldhaft ist zunächst vorwerfbares Fehlverhalten, das zur Verlobung selbst geführt hat (zB arglistige Täuschung, nicht erkennbare Scherzerklärung: SZ 39/191; 9 Ob 344/97x EF 83.032); weiters ein Verhalten während aufrechten Verlöbnisses, das zur Scheidung einer Ehe gemäß § 49 EheG berechtigen würde (zB Verlöbnisbruch, Gewalt, ehrloses oder unsittliches Verhalten gegenüber Dritten; nicht aber Missachtung ehelicher Pflichten, da diese durch ein Verlöbnis noch nicht begründet werden; so zutr Stefula, ÖJZ 2006, 618 f). Auch sonstige schuldhafte Vereitelungen der Heirat machen ersatzpflichtig; das Verlöbnis ist Vorvertrag zur Eheschließung (§ 45 Rz 1) und löst insofern Aufklärungs-, Schutzund Sorgfaltspflichten aus, die nicht zuletzt aufgrund des persönlichen Naheverhältnisses der Verlobten über die allgemeinen schuldrechtlichen Pflichten im Vorfeld eines Vertragsschlusses hinausgehen. Zu ersetzen ist bei schuldhaftem Rücktritt vom Verlöbnis der positive 4 Vermögensschaden iSd § 1293, und zwar nur der Vertrauensschaden (ausf Koziol, JBl 1975, 64 ff), also zB Aufwendungen im Vertrauen auf die künftige Eheschließung (zB Kosten der Hochzeitsvorbereitungen, frustrierte Aufwendungen für die künftige Ehewohnung uÄ; Hopf/Kathrein, EheR Anm 8). Ersatzfähig sind auch Einbußen durch Verzicht auf eine Verdienstmöglichkeit (SZ 10/105; EF 42.501), allerdings nur als „Überbrückungshilfe“ (zB EF 55.887). Generell kann ein daran anknüpfender Ausgleich nicht eine Unterhaltspflicht übersteigen, wie sie gemäß § 66 EheG zustünde (Verlust durch Nichtzustandekommen der Ehe kann nicht höher sein als Anspruch nach Koch
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gescheiterter Ehe; so zutr JBl 1952, 210 Weiss; aM die hL: Hopf/Kathrein, EheR Anm 9; Schwind, EheR 18). 5 Auch Dritte können unter den genannten Voraussetzungen eigene
Ansprüche auf Ersatz ihrer Aufwendungen in Erwartung der gescheiterten Hochzeit haben (dazu Koziol, HPR II 2 212; ders, JBl 1975, 67; aus der Rspr JBl 1961, 320 krit Gschnitzer). §§ 47–88. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] Persönliche Rechtswirkungen der Ehe § 89. Die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander sind, soweit in diesem Hauptstück nicht anderes bestimmt ist, gleich. [idF BGBl 1975/412] Lit: Migsch, Persönliche Ehewirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979) 17; Schwimann, Die nichtvermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Recht und dessen Problematik, ÖJZ 1976, 365; V. Steininger, Die persönlichen Ehewirkungen im neuen österreichischen Recht, FamRZ 1979, 774.
1 Die §§ 90–100 regeln die persönlichen Beziehungen der Ehegatten
zueinander während aufrechter Ehe (keine Anwendung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften: Hopf/Kathrein, EheR § 44 Anm 9), soweit sie darüber nicht im zulässigen Rahmen einvernehmlich anderweitig disponieren (s insb § 91; zum Ehegüterrecht §§ 1217 ff). Falls nicht besondere Gründe eine Ausnahme rechtfertigen, sind beide Partner dabei gleichberechtigt, was bei der Auslegung der nachfolgenden Bestimmungen, aber auch als Zweifelsregel bei der Interpretation vertraglicher Abweichungen davon (Hopf/Kathrein, EheR Anm 2), zu berücksichtigen ist. § 90. (1) Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. (2) Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht anderes vereinbart ist. [idF BGBl I 1999/125]
1 Der „Kern der persönlichen Ehewirkungen“ (Hopf/Kathrein, EheR
Anm 1) ist die umfassende eheliche Lebensgemeinschaft, die durch 44
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§ 90
beispielhafte (wenn auch markante) Einzelpflichten in diesem und den folgenden Paragraphen skizziert wird. Sie ist der „Inbegriff der häuslichen, geistigen, seelisch-körperlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Gemeinsamkeiten der Ehegatten“ (8 Ob 568/87 EF 54.637) und somit nicht nur ein äußerer Zustand, etwa eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, sondern setzt auch und vor allem eine innere Einstellung der Partner zueinander voraus, die sich allerdings primär durch äußere Anzeichen erschließen lässt (RS0047069; zB EF 51.555). All dies steckt aber lediglich einen sehr weitläufigen Rahmen (F. Bydlinski, System 363), innerhalb dessen die Ehegatten selbst Raum für ihre individuellen und gemeinsamen Interessen zu schaffen und zu gestalten haben. Dieser Rahmen ist nicht starr, sondern verändert sich durch neue Lebensumstände oder neue Interessen. Er muss auch keineswegs voll ausgenützt werden; die Ehegatten können von den Wunschvorgaben des Gesetzgebers durchaus abweichen, ohne sie jedoch als Ganzes abbedingen zu können (Hopf/Kathrein, EheR Anm 1; zB EvBl 1964/43). Bei ihrer privatautonomen Gestaltung des Ehelebens müssen sie außerdem die vom Gesetzgeber gesteckten Leitlinien beachten (zB Gleichberechtigung, Partnerschaft, gegenseitige Rücksichtnahme, Achtung der Individualinteressen, Wohl der Kinder, s auch § 91 Rz 1). Die wechselseitigen Rechte und Pflichten gelten ab Heirat bis zur Auflösung der Ehe (zB 9 ObA 50/03y SZ 2004/39); sollte die Lebensgemeinschaft schon zuvor beendet sein (zB vor einer Scheidung), sind allerdings die dadurch geänderten Umstände bei der Beurteilung der Pflichten mit zu berücksichtigen (vgl 4 Ob 223/02a JBl 2003, 371). Das in Abs 1 ausdrücklich genannte gemeinsame Wohnen ist dem- 2 nach keineswegs unabdingbare „Pflicht“, wie der Wortlaut irreführend glauben lassen könnte, sondern lediglich typischer Regelfall; das Gesetz selbst schränkt ihn in § 92 ein. Die Ehegatten können daher sehr wohl einvernehmlich getrennt wohnen (zB JBl 1989, 717; 3 Ob 2292/96x SZ 70/35; aM Kerschner, FamR Rz 2/36). Die ebenso hervorgehobene Treuepflicht wird nicht nur durch Ehe- 3 bruch verletzt (s § 49 EheG Rz 6); generell soll die Vertrauensbasis zwischen Ehegatten gewahrt bleiben. Dies ist aber selbst dann noch möglich, wenn sie sexuelle Freiheit vereinbart haben, auch wenn dies nicht verbindlich sein mag (zB 8 Ob 583/90 EF 63.342; vgl 5 Ob 117/99p SZ 73/28). Weder aus § 90 noch aus dem „Wesen“ der Ehe kann eine Pflicht (!) 4 zur Geschlechtsgemeinschaft abgeleitet werden (so aber die hM: K/W I 465; Schwimann/Ferrari/S Rz 6; Stabentheiner/R Rz 4). Dies widerspricht dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, das durch die Koch
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§ 90
Eheschließung keineswegs aufgegeben wird (wie hier Hinteregger, FamR 87; s auch § 49 EheG Rz 6). Fehlende Geschlechtsgemeinschaft ist daher höchstens ein Indiz für den Wegfall der ehelichen Lebensgemeinschaft, aber nicht mehr (vgl EF 29.653). 5 Die Pflicht zur anständigen Begegnung ist Ausdruck der von gegen-
seitigem Respekt geprägten geistigen Verbindung zwischen Ehegatten, wie sie dem Gesetzgeber als Ideal vorschwebt. Auch hier sind die individuellen Umstände zu beachten. Konflikte können nicht verboten, sollen aber unter gegenseitiger Rücksichtnahme ausgetragen werden (Hopf/Kathrein, EheR Anm 14). Aus dem wechselseitigen Vertrauensverhältnis entspringt auch die grundsätzliche Pflicht, einander über die eigene private und berufliche Tätigkeit aufzuklären (RS0009427; zB SZ 60/289; SZ 2004/39: kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse). 6 Beistand müssen die Ehepartner einander nach Möglichkeit nicht nur
materiell (zB §§ 94, 95, 97), sondern auch immateriell gewähren. Dazu gehört etwa die Pflege im Krankheitsfall (EF 46.158; vgl § 54 EheG Rz 1; Stefula, ÖJZ 2005, 611, 613 f). Die Beistandspflicht ist aber nicht auf die Eheleute selbst beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die gemeinsame Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 824). 7 Inwieweit eine Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten (Abs 2;
s auch § 98) zumutbar ist, hängt neben der familiären Situation (zB Haushaltsführung, Kindererziehung) von den persönlichen Voraussetzungen (zB Ausbildung, körperliche Konstitution etc) und Interessen (zB an eigener Berufstätigkeit, s § 91 Abs 2 und Stabentheiner/R Rz 11) des Mithilfepflichtigen ab (10 ObS 257/91 SZ 64/181). 8 Die aus der ehelichen Lebensgemeinschaft entspringenden rein per-
sönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten untereinander können während aufrechter Ehe nicht eingeklagt werden (vgl Erl 1653 BlgNR 20. GP 8; zB SZ 54/37; SZ 73/28; s aber § 92 Abs 3 und § 97); ihre Verletzung kann höchstens als Scheidungsgrund geltend gemacht werden (§ 49 EheG; Hopf/Kathrein, EheR Anm 18). Dies gilt aber nicht für vermögensrechtliche Ansprüche (zB §§ 94, 98); ebenso wenig für sonstige Ansprüche (zB SZ 61/133), etwa zum Schutz absoluter Rechte (zB Unterlassung von oder Ersatz für Körperverletzung oder Ehrenbeleidigung) oder aus einem sonstigen Rechtsverhältnis (zB aus einem Dienstvertrag; 8 Ob 255/99d SZ 73/45). 9 Die persönlichen Reche und Pflichten der Ehegatten untereinander
haben grundsätzlich keine Außenwirkung (Hopf/Kathrein, EheR 46
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§ 91
Anm 5); nur ausnahmsweise resultieren daraus Pflichten Dritter: So kann sich ein Ehegatte etwa gegen Störungen im Gebrauch der Ehewohnung nicht nur durch den anderen Ehegatten, sondern auch durch Dritte wehren (zB SZ 61/133; 6 Ob 54/99f wobl 2000, 193: Schwiegermutter; JBl 2003, 371), nicht aber gegen Störungen der Ehe im Allgemeinen (JBl 1973, 374). Wer mit einem Ehegatten eine ehebrecherische Beziehung unterhält, haftet solidarisch mit diesem für angemessene Detektivkosten, die der andere Ehegatte, soweit schutzwürdig, zur Nachforschung aufgewendet hat (stRspr; RS0022943, etwa 7 Ob 195/02f EF 100.719). Schließlich anerkennt die Rspr auch einen Ersatzanspruch des Ehegatten für die Kosten einer erfolgreichen Ehelichkeitsbestreitung sowie für den von ihm für das vermeintlich gemeinsame Kind geleisteten Unterhalt nicht nur gegen seine Gattin (SZ 57/53), sondern auch gegen den tatsächlichen Kindesvater (JBl 1970, 573; s auch Koziol, HPR II 2 19 f). § 91. (1) Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit, die Leistung des Beistandes und die Obsorge, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten. (2) Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein Ehegatte abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des Ehegatten, besonders sein Wunsch nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, als gewichtiger anzusehen sind. In diesen Fällen haben sich die Ehegatten um ein Einvernehmen über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen. [idF BGBl I 1999/125] Lit: Kerschner, Vereinbarungen der Ehegatten über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta, Familie 391.
Die Ehegatten sollen selbst ihre eheliche Lebensgemeinschaft (dazu 1 § 90) im Einvernehmen gestalten (Partnerschaftsprinzip); um dieses zu erzielen, müssen sich beide bemühen (4 Ob 534/91 SZ 64/121). Dabei haben sie allerdings nach der Vorstellung des Gesetzgebers seinen Zielvorgaben zu entsprechen. Dies ist zum einen der mit § 89 unterstrichene Grundsatz der Gleichberechtigung; § 91 betont weiters die wechselseitige Rücksichtnahme, die Ausgewogenheit der Beiträge beider Seiten zum Eheleben (Rz 2), sowie das Wohl nicht nur gemeinsamer, sondern auch im gemeinsamen Haushalt lebender KinKoch
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der; nicht zuletzt ihretwegen ist auch die Obsorge ausdrücklich als zu verteilende Aufgabe genannt. Ein solches Einvernehmen kann (formlos) ausdrücklich oder auch konkludent, etwa durch länger dauernde unwidersprochene Übung, hergestellt werden (3 Ob 2292/96x SZ 70/35). Allerdings handelt es sich dabei nach hM um eine bloß „faktische“ Einigung (RS0009470, zB SZ 60/34), die nicht gesondert gerichtlich geltend gemacht werden kann. Erst im Zuge eines allfälligen Scheidungsverfahrens (oder zuvor bei einem Unterhaltsstreit: § 94 Rz 4) kann ein ungerechtfertigter (s Rz 3) Verstoß gegen eine solche Vereinbarung berücksichtigt werden (zB 5 Ob 117/99p SZ 73/28). 2 Trotz Betonung der gleichteiligen Aufgabenverteilung zwischen den
Ehegatten (Gleichbeteiligungsgrundsatz) geht es nicht um eine exakte Halbierung der Beiträge in allen Bereichen, diese sollen vielmehr „bei gesamthafter Betrachtung zur Gänze ausgewogen“ sein (Erl 1653 BlgNR 20. GP 19). Jeder soll nach eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten bei den verschiedenen Aspekten der ehelichen Lebensgemeinschaft (Finanzierung des gemeinsamen Lebens durch Erwerbs- und sonstiges Einkommen, Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Freizeitgestaltung etc) mitwirken, so dass in Summe sowohl quantitativ (vor allem in Hinblick auf den Zeitaufwand) als auch qualitativ die mit der gemeinsamen Lebensführung verbundenen Lasten ausgewogen verteilt sind (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 824; vgl auch § 95). Davon können die Ehegatten aber bis zu einem gewissen Maße genauso in ihrer einvernehmlichen Planung abweichen; allerdings ist eine „hochgradig ungerechte“ Aufgabenverteilung jedenfalls unzulässig (Stabentheiner/R Rz 6a). 3 Abs 2 stellt klar, dass die Ehegatten grundsätzlich einseitig von einer
Vereinbarung iSv Abs 1 abgehen können. Zwar werden hierbei wichtige Interessen des anderen Ehegatten oder der gemeinsamen Kinder mit berücksichtigt, diese können die gewünschte Änderung aber nur dann verhindern, wenn in einer Gesamtabwägung nicht doch die besonderen Interessen des änderungswilligen Ehegatten überwiegen. Letzteres ist zB dann der Fall (wie Abs 2 exemplarisch hervorhebt), wenn dieser eine Erwerbstätigkeit aufnehmen will, was etwa auch dann gelten muss, wenn er das bisherige Beschäftigungsausmaß ausdehnen oder, im Gegenteil, den Beruf aufgeben möchte (Letzteres nur, wenn dadurch der Familie nicht das „wirtschaftliche Fundament entzogen“ wird: Erl 20). Sofern der Änderungswunsch also anzuerkennen ist, müssen sich die Ehegatten wiederum einvernehmlich auf die nunmehrige Gestaltung ihrer Lebensgemeinschaft einigen und dazu nötigenfalls die bisherigen Aufgaben umverteilen (zB die Haushaltsführung, wenn jetzt beide berufstätig sind). Konsens kann 48
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aber weder ursprünglich noch bei einer Änderung erzwungen werden (s Rz 1). § 92. (1) Verlangt ein Ehegatte aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen. (2) Ungeachtet des Abs. 1, kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. (3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann jeder der Ehegatten vor oder auch nach der Verlegung der Wohnung oder der gesonderten Wohnungnahme die Entscheidung des Gerichtes beantragen. Das Gericht hat im Verfahren außer Streitsachen festzustellen, ob das Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung oder die Weigerung mitzuziehen oder die gesonderte Wohnungnahme durch einen Ehegatten rechtmäßig war oder ist. Es hat bei der Entscheidung auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, Bedacht zu nehmen. [idF BGBl 1975/412] Lit: Giefing, Die familien- und exekutionsrechtlichen Aspekte des ehelichen Wohnens (1998); Schoibl, Der Auftrag zum Verlassen der Wohnung und die Bewilligung des abgesonderten Wohnsitzes, in Harrer/Zitta, Familie 439.
Zwar können die Ehegatten sowohl ursprünglich als auch jederzeit 1 während aufrechter Ehe getrenntes Wohnen vereinbaren (s § 90 Rz 2), sofern sie aber einen gemeinsamen Wohnsitz als Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung (vgl § 81 EheG Rz 5) begründet haben (und erst für diesen Fall: EF 47.414), regelt § 92, inwieweit eine dauernde Änderung (Rz 2) oder ein vorübergehendes Abgehen davon (Rz 3) rechtmäßig ist, was in einem allfälligen Unterhalts- oder Scheidungsprozess von Bedeutung sein kann. Will ein Ehegatte die gemeinsame Wohnung auf Dauer verlegen 2 (und sei es nur im selben Haus: JBl 1977, 155), so ist auf der Basis einer umfassenden Abwägung der Interessen nicht nur der beiden Ehegatten, sondern auch der betroffenen Kinder (Abs 3 S 3) zu prüfen, inwieweit dieses Begehren aus objektiver Sicht (JBl 1979, 86) gerechtfertigt ist (Abs 1). Zu berücksichtigen sind dabei nicht nur persönliche Gründe des Verlegungswilligen und des -gegners (zB berufliche oder gesundheitliche Gründe, zB SZ 57/133; psychische Beeinträchtigung Koch
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aber nur bei Gefahr gesundheitlicher Schädigung, zB 7 Ob 591/92 EF 67.655), sondern auch Argumente, die die ganze Familie betreffen (zB Wohnungsgröße, Schul- und Freizeitmöglichkeiten). Je nach Überwiegen der Gründe für oder gegen eine Wohnungsverlegung muss der Gegner mitziehen oder der Befürworter in der alten Wohnung verbleiben. In einer Pattsituation ist auch eine getrennte Wohnungsnahme rechtmäßig, da dann sowohl der Verlegungswillige ausziehen als auch der andere Ehegatte in der alten Wohnung verbleiben darf (SZ 57/133). All dies gilt entsprechend dann, wenn zwar beide Ehegatten über die Verlegung als solche, nicht aber über den neuen Zielort einig sind (Hopf/Kathrein, EheR Anm 4). 3 Aus wichtigem Grund kann ein Ehegatte auch ohne den anderen vor-
übergehend gesondert Wohnung nehmen (Abs 2), ohne dass dies unbedingt schon vorab befristet sein muss (Stabentheiner/R Rz 4). Auch hier sind die betroffenen Interessen abzuwägen (vgl Rz 2; JBl 1979, 86; SZ 50/78), wobei zusätzlich zu den auch gemäß Abs 1 zu berücksichtigenden Gründen (wo es ja um die Verlegung des gemeinsamen Wohnsitzes geht) auch die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens mit dem anderen Ehegatten (also Gründe gerade für eine getrennte Wohnungsnahme) zu prüfen ist. Letzteres ist nicht nur bei Androhung körperlicher Gewalt der Fall, wie es das Gesetz besonders hervorhebt, sondern auch bei sonstigen besonders schweren Eheverfehlungen (EF 50.156; vgl 1 Ob 90/98m SZ 71/118). 4 Im Gegensatz zu anderen persönlichen Aspekten der ehelichen Le-
bensgemeinschaft (s § 90 Rz 8) kann gemäß Abs 3 auf Antrag eines Ehegatten die Rechtmäßigkeit einer Änderung iSv Abs 1 oder 2 (für analoge Anwendung bei erster Begründung eines gemeinsamen Wohnsitzes K/W I 468) im Vor- oder Nachhinein (auch erst während eines Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens: Stabentheiner/R Rz 9, nur nicht danach: EF 55.895) durch den Außerstreitrichter verbindlich (SZ 51/168; 1 Ob 526/91 RZ 1993, 74) festgestellt werden, ohne dass dieser im Zuge dessen aber ein konkretes Verhalten anordnen könnte (etwa Rückkehr oder Unterlassung: zB JBl 1977, 154; JBl 1977, 155). Zu daneben möglichen einstweiligen Verfügungen zum Schutz vor Gewalt in der Familie s §§ 382b–382d EO (zur Abgrenzung der Voraussetzungen SZ 71/118; 6 Ob 77/99p SZ 72/101; Kissich/K 3 Rz 21 ff). § 93. (1) Die Ehegatten führen den gleichen Familiennamen. Dieser ist der Familienname eines der Ehegatten, den die Verlobten vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglau50
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bigter Urkunde als gemeinsamen Familiennamen bestimmt haben. Mangels einer solchen Bestimmung wird der Familienname des Mannes gemeinsamer Familienname. (2) Derjenige Verlobte, der nach Abs. 1 als Ehegatte den Familiennamen des anderen als gemeinsamen Familiennamen zu führen hat, kann dem Standesbeamten gegenüber vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, bei der Führung des gemeinsamen Familiennamens diesem seinen bisherigen Familiennamen unter Setzung eines Bindestrichs zwischen den beiden Namen voran- oder nachzustellen. Dieser Ehegatte ist zur Führung des Doppelnamens verpflichtet. Eine andere Person kann ihren Namen nur vom gemeinsamen Familiennamen ableiten. (3) Derjenige Verlobte, der nach Abs. 1 mangels einer Bestimmung den Familiennamen des anderen Ehegatten als gemeinsamen Familiennamen zu führen hätte, kann dem Standesbeamten gegenüber vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, seinen bisherigen Familiennamen weiterzuführen; auf Grund einer solchen Erklärung führt jeder Ehegatte seinen bisherigen Familiennamen weiter. In diesem Fall haben die Verlobten den Familiennamen der aus der Ehe stammenden Kinder zu bestimmen (§ 139 Abs. 2). [idF BGBl 1995/25] Lit: Ent, Der legistische Preis der Gleichberechtigung am Beispiel des Ehenamens, ÖA 2001, 289; Kurnik, Namensbestimmungserklärung nach § 93 ABGB bei Eheschließung im Ausland, ÖStA 1998, 11; Mottl, Ein Jahr neues Namensrecht, NZ 1996, 321; Teschner, Getrennte Namensführung als Fortschritt und als Oktroy, ÖStA 1999, 65; Zeyringer, Der Familienname – Unterscheidungsmittel oder mehr? ÖStA 1990, 82 und 1991, 1 und 9; ders, Das Namensrechtsänderungsgesetz, ÖStA 1995, 14; ders, Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem Namensrechtsänderungsgesetz, ÖStA 1995, 63.
In Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz (§ 89; dazu Hinter- 1 egger/K 3 Rz 11) haben die Ehegatten nach dem Willen des Gesetzgebers mangels anderweitiger Bestimmung den Nachnamen des Mannes als gemeinsamen Familiennamen zu führen (Abs 1 S 2). Sie können allerdings eine davon abweichende Regelung treffen: Zum einen können sie auch den bisherigen Nachnamen der Frau als gemeinsamen Familiennamen wählen (Abs 1), zum anderen ihre bisherigen Familiennamen jeweils beibehalten (Abs 3). Selbst dann müssen sie aber einen der beiden Namen als Familiennamen für gemeinsame Kinder bestimmen (Abs 3 S 2), widrigenfalls diese den Familiennamen des Mannes erhalten (§ 139 Abs 3). Koch
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2 Haben sie hingegen gemäß Abs 1 auch für sich selbst einen gemein-
samen Familiennamen bestimmt, kann derjenige Ehepartner, dessen Nachname nicht dazu erkoren wurde, seinen bisherigen Familiennamen dem nunmehrigen (nur!) mit Bindestrich entweder vor- oder nachstellen (Abs 2; zum späteren Verzicht darauf § 2 Abs 1 Z 7 NÄG). Nur er kann aber einen solchen Doppelnamen führen (und muss dies auch, aber nur gegenüber Behörden: VwGH 90/01/0073 VwSlg 13.305 A); dieser kann nicht zum gemeinsamen Familiennamen bestimmt werden (auch nicht durch nachträgliche Namensänderung des anderen Ehegatten: VwGH 96/01/0742 VwSlg 14.799 A). 3 Sowohl bei der Wahl des gemeinsamen Familiennamens (Rz 1) als
auch bei der Beifügung des bisherigen Namens (Rz 2) kommen nur Familiennamen in Frage, die ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Eheschließung führt (auch wenn dieser von einem früheren Ehegatten abgeleitet wurde, oder durch neuerliche Annahme iSd § 93a). Handelt es sich dabei um einen Doppelnamen iSv Abs 2 (Rz 2) aus einer früheren Ehe, kann dieser zwar gemäß Abs 3 weitergeführt oder gemäß Abs 2 dem neuen Familiennamen beigefügt, aber nur einer der beiden Teile als gemeinsamer Familienname gewählt werden (VwSlg 14.799 A). Zu den Konsequenzen einer Änderung des Nachnamens jenes Ehegatten, von dem der gemeinsame Familienname abgeleitet wurde, Stabentheiner/R Rz 5. 4 All diese privatautonomen Gestaltungen des Familiennamens (Rz 1
und 2) müssen die Ehegatten spätestens bis zur Eintragung der Eheschließung in das Ehebuch vornehmen (vgl § 24 Abs 2 Z 6 und 7 PStG; Hinteregger/K 3 Rz 4 mit überzeugender Begründung; aM Schwimann/Ferrari/S Rz 2: bereits bei Konsenserklärung; bei Versäumnis der Frist noch Namensänderung gemäß § 2 Abs 1 Z 7 NÄG möglich), und zwar in der Form einer öffentlichen Urkunde, die entweder der Standesbeamte selbst (§ 53 Abs 1 Z 3 und 4 PStG) oder ein Notar aufgenommen hat, oder durch eine öffentlich beglaubigte Privaturkunde. Diese einseitig unwiderrufliche Bestimmung ist (abgesehen von der Bezugnahme auf die spätere Eheschließung) bedingungs- und befristungsfeindlich; beschränkt Geschäftsfähige brauchen dazu keine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (Mottl, NZ 1996, 332). § 93a. Eine Person, deren Ehe aufgelöst ist, kann dem Standesbeamten gegenüber in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, einen früheren Familiennamen wieder anzunehmen. Ein Familienname, der von einem früheren Ehegatten aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleitet wird, darf 52
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§ 94
nur wieder angenommen werden, wenn aus dieser früheren Ehe Nachkommenschaft vorhanden ist. [BGBl 1995/25] Lit: S bei § 93.
Während die Ehegatten nach Nichtigerklärung ihrer Ehe rückwir- 1 kend wieder den bei deren Eingehung geführten Nachnamen zurückerhalten (s § 32 EheG Rz 1), ändert die Auflösung der Ehe durch Aufhebung, Scheidung oder Tod grundsätzlich nichts am Familiennamen der Ehegatten zu diesem Zeitpunkt (zu Aufhebung und Scheidung §§ 42, 62 EheG). Wenn sie diesen von ihrem bisherigen Ehegatten abgeleitet hatten (und sei es nur als Teil eines Doppelnamens gemäß § 93 Abs 2), können sie aber durch formgebundene Erklärung gegenüber dem Standesbeamten (dazu § 93 Rz 4) den ursprünglichen Geschlechtsnamen (§ 72b PStG) oder einen ihrer früheren Familiennamen wieder annehmen (nicht aber, wenn sie während aufrechter Ehe ihren vorherigen Namen gemäß § 93 Abs 3 beibehalten haben; zu dieser teleologischen Reduktion Mottl, NZ 1996, 324). War der frühere Familienname seinerseits von einem vorigen Ehegatten abgeleitet und wurde die Ehe mit diesem durch Scheidung oder Aufhebung beendet, kann dieser Name nur dann wieder aufgenommen werden, wenn aus dieser Ehe noch Nachkommen vorhanden sind (auch Wahlkinder: Hopf/Kathrein, EheR Anm 2; Schwimann/Ferrari/S Rz 1 FN 1; Stabentheiner/R Rz 2; aM Mottl, NZ 1996, 324 FN 41; Zeyringer, ÖStA 1995, 15). Aus mehreren solcherart zur Wahl stehenden früheren Namen kann frei gewählt werden; es muss nicht der jeweils letzte bestimmt werden. Entgegen Stabentheiner/R Rz 3 kann aber auch ein früherer Doppelname wieder angenommen werden, sofern dieser die genannten Voraussetzungen erfüllt (wie hier Schwimann/Ferrari/S Rz 3). § 94. (1) Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. (2) Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Koch
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Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag. (3) Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im vorhinein nicht verzichtet werden. [idF BGBl I 1999/125] Lit: Deixler-Hübner, Zur Anrechnung von Geld- und Naturalunterhalt, ecolex 2001, 110; Gamerith, Zum Unterhaltsanspruch von Ehegatten und volljährigen Kindern, ÖA 1988, 63; Harrer-Hörzinger, Zur Auskunftspflicht zwischen dem Unterhaltsschuldner und dem Unterhaltsberechtigten, in Harrer/ Zitta, Familie 29; Lackner, Das neue Unterhaltsrecht der Ehegatten in der Praxis, ÖJZ 1977, 197; Ch. Rabl, Die Zulässigkeit eines Unterhaltsverzichts während aufrechter Ehe, ÖJZ 2000, 591; Thöni, Geldunterhalt und Naturalunterhalt, in Harrer/Zitta, Familie 3; s auch bei § 66 EheG. Übersicht I. II. III. IV. V. VI. VII.
Allgemeines – Unterhaltsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Höhe des Unterhaltsanspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlust des Unterhaltsanspruches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltendmachung des Unterhaltsanspruches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art der Unterhaltsleistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Allgemeines – Unterhaltsbedarf 1 Die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft
(§ 91 Rz 2) umfasst auch die Planung der konkreten Lebensverhältnisse, also etwa gemeinsames Wohnen (§ 90 Rz 2, § 92), Haushaltsführung (vgl § 95), Berufstätigkeit (vgl § 91 Rz 3), Freizeitgestaltung, generell die Festlegung des angestrebten Lebensstandards in all seinen Ausprägungen. Die dafür notwendigen Aufwendungen sollen die Ehegatten gemäß der ehelichen Beistandspflicht (§ 90 Rz 6) gemeinsam tragen (Abs 1); im Sinne des Partnerschaftsprinzips (§ 91 Rz 1) soll dies grundsätzlich einvernehmlich geregelt werden (zB SZ 60/34). Sofern darüber aber keine Einigung erzielt werden kann, regelt § 94 subsidiär, wie ein zumindest materieller Ausgleich im gesetzlich angestrebten Sinne erreicht werden kann, und zwar durch bereits während aufrechter Ehe einklagbare (Rz 22) Unterhaltsansprüche, die 54
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unter bestimmten Voraussetzungen das Fehlen von ausreichenden eigenen Mitteln eines Ehegatten zur Deckung seiner Bedürfnisse durch Umverteilung von Einkünften des anderen kompensieren sollen. Der dabei anerkannte Bedarf des Unterhaltsberechtigten umfasst 2 nicht nur die Kernbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Wohnung und Ähnliches (zB 10 ObS 370/01m SSV-NF 16/41). In Frage kommen weiters Aufwendungen für die Freizeit- und Urlaubsgestaltung, für Aus- und Weiterbildung, Krankheitskosten (zB EF 35.243), aber auch notwendige Prozess- und Anwaltskosten, sogar im Verfahren gegen den Unterhaltspflichtigen selbst (stRspr; RS0011602; RS0013486: 2 Ob 603/93 EvBl 1994/148; 4 Ob 114/06b EF-Z 2006, 126 Gitschthaler). Auch soll jeder Ehegatte möglichst ein Taschengeld zur Verfügung haben, mit dem er gewisse individuelle Bedürfnisse abdecken kann, ohne seinen Partner um Direktzahlung oder Naturalleistung bitten zu müssen (6 Ob 2126/96g JBl 1997, 35; 6 Ob 285/98z SZ 71/215; Anspruch darauf durch Abs 3 nF gestärkt: 9 Ob 120/03t EF 107.280, s dazu Rz 23). Vom Taschengeld zu unterscheiden ist das Wirtschaftsgeld, mit dem Aufwendungen des gemeinsamen Haushalts und damit auch für den Unterhaltsleistenden und andere Familienangehörige getätigt werden sollen (SZ 71/215; Thöni in Harrer/Zitta, Familie 12 ff). Generell bestimmen sich die Bedürfnisse nach den konkreten Ver- 3 hältnissen der Ehegatten (zB 1 Ob 98/03y EvBl 2003/183); leben sie besonders sparsam, sind die Kosten dafür entsprechend geringer als bei aufwändigerem Lebensstil, bei dem allenfalls sogar die Kosten einer Haushaltshilfe oder anderer Angestellter (Kindermädchen, Gärtner etc) begehrt werden können (Gamerith, ÖA 1988, 64). Zu diesen Verhältnissen zählen aber auch allfällige eigene voreheliche Unterhaltspflichten des Anspruchstellers Dritten gegenüber, denen er sich durch Heirat nicht entziehen kann. Daher sind auch solche mitgebrachten Leistungspflichten von den neuen Ehegatten gemeinsam zu tragen, soweit der (seinerseits vom neuen Partner Unterhalt begehrende) Unterhaltsschuldner diese nicht aus eigenem Einkommen abdecken kann (str, wie hier Stabentheiner/R Rz 10; aM Schwimann/Ferrari/S Rz 1 und die frühere Rspr: RS0009498, zB JBl 1987, 715 A. Schmidt; nunmehr differenzierend im Sinne einer zulässigen Verwendung des Taschengeldes: JBl 1997, 35; SZ 71/215). II. Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruches Ein Unterhaltsanspruch kann zunächst aus einer formfreien (SZ 17/59 4 ua) Vereinbarung der Ehegatten abgeleitet werden, in der sie ausKoch
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drücklich oder konkludent (zB EvBl 1982/127) diesen Teil der ehelichen Lebensgemeinschaft regeln (zum Unterhaltsverzicht unten Rz 19). Eine solche Unterhaltsvereinbarung unterliegt allgemeinem Vertragsrecht und inkludiert stets eine Umstandsklausel (Hopf/Kathrein, EheR Anm 48–51), aufgrund derer bei wesentlicher Änderung der Umstände (zB höheres oder niedrigeres Einkommen des Verpflichteten, neue oder geänderte Bedürfnisse des Berechtigten) ein Abgehen von der bisherigen Regelung begehrt werden kann, sofern dies nicht ausgeschlossen wurde (zB ÖA 1984, 17; zur Berücksichtigung massiver Geldentwertung trotz Ausschluss SZ 54/159). 5 Einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gewährt zunächst Abs 2 S 1
jenem Ehegatten, der tatsächlich den gemeinsamen Haushalt führt (unabhängig von dessen Größe: zB EF 39.948), also hauptverantwortlich die Alltagsversorgung der Familie erledigt (zB 4 Ob 2019/96g SZ 69/129), was das Gesetz als ausreichenden eigenständigen Beitrag iSd Abs 1 deklariert. Dies gilt entsprechend auch für jenen Ehegatten, der ähnlich fokussiert im Betrieb des anderen mitgewirkt hat (vgl 7 Ob 618/95 SZ 68/236). Eigene Einkünfte reduzieren allenfalls den Anspruch (dazu Rz 6 ff), ausgeschlossen wird er hingegen durch zumindest gleichteilige Haushaltsführung des anderen (und damit nicht unterhaltspflichtigen) Ehegatten (Hopf/Kathrein, EheR Anm 21). Dem ursprünglich haushaltsführenden Ehegatten bleibt der Unterhaltsanspruch auch noch nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts erhalten (Abs 2 S 2), sofern nicht seine Geltendmachung rechtsmissbräuchlich wäre (dazu Rz 21). 6 Schließlich kann gemäß Abs 2 S 3 auch jener Ehegatte Unterhalt be-
anspruchen, der selbst keinen ausreichenden Beitrag zum gemeinsamen Lebenshaltungsaufwand iSd Abs 1 leisten kann (etwa aus physischen oder psychischen Gründen: Schwimann/Ferrari/S Rz 29). 7 Grundsätzlich scheidet ein Unterhaltsanspruch aus, soweit beide Ehe-
gatten ihre individuellen Bedürfnisse aus dazu je hinreichendem eigenen Einkommen bedecken können, nicht aber, wenn darüber hinaus zur Führung des gemeinsamen Haushaltes zusätzliche Kosten anfallen (EF 32.709). 8 Die von Teilen der Rspr dafür geforderte „wesentliche“ Differenz
zwischen den Einkünften der Ehegatten (RS0009723, zB SZ 50/108; 7 Ob 321/01h EF 99.181; dagegen etwa Lackner, ÖJZ 1978, 542) ist vom Gesetz aber ebenso wenig gedeckt wie der pauschale Entfall des Unterhaltsanspruches eines haushaltsführenden Ehegatten, der daneben voll berufstätig ist (so aber RS0009749, etwa SZ 50/128; dagegen 56
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die hL, zB Gamerith, ÖA 1988, 64 f; Schwind, EheR 63 ff; Stabentheiner/R Rz 14; differenzierend Hopf/Kathrein, EheR Anm 23). Die Aufwendungen für die gemeinsame Lebensführung sollen man- 9 gels gegenteiliger Vereinbarung gemäß Abs 1 von beiden Ehegatten prinzipiell im Verhältnis ihrer jeweiligen Einkünfte getragen werden (RS0009684, zB JBl 1979, 39), was allerdings nach billiger Beurteilung der Gesamtsituation und keineswegs linear zu berechnen ist (Hopf/Kathrein, EheR Anm 26). Die Minderung des Unterhaltsanspruches wegen eigenen Einkommens des Berechtigten fällt daher umso geringer aus, je mehr Umstände zu dessen Gunsten zu berücksichtigen sind (etwa Doppelbelastung durch Haushaltsführung, die ja schon gemäß Abs 2 als eigener Beitrag zu werten ist, weiters Kindeserziehung oÄ; zB 6 Ob 635/93 SZ 66/167). Soweit eine Erwerbstätigkeit nur aufgenommen wird, um die durch das Ausbleiben von Leistungen des anderen entstehende Finanzierungslücke zu decken, sind die Einkünfte daraus überhaupt nicht mindernd anzurechnen (vgl 4 Ob 2019/96g SZ 69/129). Eigeneinkünfte des Unterhalt beanspruchenden Ehegatten werden im 10 Übrigen nach den gleichen Kriterien bemessen wie jene eines potenziell Unterhaltspflichtigen (Rz 11 ff; s etwa 7 Ob 503/91 EF 64.917; zur entsprechenden Anrechnung von Sozialleistungen zB 1 Ob 570/95 SZ 68/157), einschließlich des auf beide Ehegatten gleichermaßen anzuwendenden Anspannungsgrundsatzes (Rz 17; vgl zB 7 Ob 321/01h EF 99.179; Haushaltsführung ist einzubeziehen). Der Unterhaltsberechtigte muss allerdings den Stamm seines Vermögens grundsätzlich nicht antasten (vgl Rz 16), sondern sich lediglich Erträgnisse daraus anrechnen lassen (6 Ob 645/91 EF 64.915). III. Bemessungsgrundlage Der Unterhaltsanspruch wird einerseits begrenzt durch die berück- 11 sichtigungswürdigen Bedürfnisse (Rz 2), andererseits durch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Dazu wiederum ist vorrangig sein tatsächliches Einkommen heranzuziehen (Rz 12 ff), unter bestimmten Voraussetzungen aber auch ein darüber hinausgehendes fiktives (Rz 17). Zur Bemessungsgrundlage zählen jedenfalls alle tatsächlich erzielten 12 Einkünfte des Unterhaltspflichtigen in natura oder Geld. Darunter fällt sein gesamtes Nettoeinkommen (allenfalls unter Korrektur der Bemessungsgrundlage: 1 Ob 535/92 JBl 1992, 702; 3 Ob 503/96 SZ 69/33; 3 Ob 56/95 SZ 69/203) samt Vermögenserträgnissen wie Zinsen oder Mieteinnahmen (zB 7 Ob 48/00k EF 93.865; 2 Ob 295/00x SZ Koch
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73/179; 1 Ob 14/04x); außer Betracht bleiben lediglich solche Zahlungen, die einen konkreten Mehraufwand abdecken sollen (RS0009552, zB 6 Ob 635/93 SZ 66/167; 1 Ob 570/95 SZ 68/157). Sachbezüge (RS0109238) sind hingegen ebenso zu veranschlagen wie Sonderzahlungen (zB 8 Ob 532/92 JBl 1992, 705; 4 Ob 1577/95 EF 76.708: Urlaubsentschädigung), Pensionsabgeltungen und gesetzliche oder freiwillige Abfertigungen (RS0106846; allenfalls auf mehrere Jahre aufgeteilt: 6 Ob 202/06h; zur konkreten Anrechnung RS0009667; zB 3 Ob 308/98k JBl 2001, 55). 13 Bei selbständig Erwerbstätigen ist nicht der steuerliche, sondern der
tatsächlich verbleibende Reingewinn anzusetzen; an dessen Stelle zählen die Privatentnahmen (also alle nicht betrieblichen Bar- und Naturalentnahmen, auch die private Nutzung etwa eines Unternehmensfahrzeuges), wenn sie den Reingewinn übersteigen (zB 6 Ob 119/98p ecolex 1999, 617 zu § 140; ebenso bei Bilanzverlust: RS0011596). 14 Weiters sind öffentlich-rechtliche Leistungen wie das Kinderbetreu-
ungsgeld einzurechnen (vgl 1 Ob 614/92 SZ 65/126), ein allfälliges Arbeitslosengeld, Notstandshilfe (5 Ob 505/91 RZ 1992, 263; 6 Ob 642/94 EF 73.815), die Wohnbeihilfe (vgl 1 Ob 65/05y EF 110.109) sowie Renten und Pensionen, nicht aber die Familienbeihilfe (da nicht zur freien Verfügung: 1 Ob 565/91 RZ 1992, 208) oder das Pflegegeld (da damit Sonderbedarf des pflegebedürftigen Unterhaltspflichtigen abzudecken ist: RS0013251; zB SZ 66/167). 15 Zumindest teilweise in Abzug bringen kann der Unterhaltspflichtige
allfällige Kreditrückzahlungen, soweit das damit Finanzierte auch dem Unterhaltsberechtigten zugute kommt (7 Ob 194/98z JBl 1999, 178 Thiele; allenfalls als Naturalunterhalt: 1 Ob 570/95 SZ 68/157). Ebenso mindernd zu berücksichtigen sind voreheliche Unterhaltspflichten (1 Ob 621/93 NZ 1994, 132). 16 Die Substanz seines Vermögens muss der Unterhaltspflichtige (dazu
Schwimann/Ferrari/S Rz 54) nur dann und soweit zumutbar heranziehen, wenn er seine eigene Lebensführung daraus finanziert (1 Ob 98/03y EvBl 2003/183; 1 Ob 14/04x) oder sein Einkommen ansonsten nicht den angemessenen Unterhalt decken würde (Hopf/Kathrein, EheR Anm 41). 17 Reicht das tatsächliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht
zur Abdeckung des angemessenen Unterhaltes aus, ist zudem zu prüfen, ob er nicht zumutbarerweise (4 Ob 181/98s) durch neue oder zusätzliche Erwerbstätigkeit ein höheres Einkommen erzielen könnte. Gemäß dem Anspannungsgrundsatz müssen sich nämlich beide Ehe58
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gatten im Rahmen ihrer Planung „nach ihren Kräften“ (Abs 1) gemeinsam um eine ausreichende finanzielle Basis ihres Ehelebens bemühen (2 Ob 5/99w EF 88.887; Hinteregger/K 3 Rz 57 ff). Wer schuldhaft (nicht unbedingt mit Schädigungsabsicht: Schwimann/Ferrari/S Rz 39) eine seinen Fähigkeiten (Ausbildung, körperliche und geistige Verfassung etc) und konkreten Möglichkeiten (insb am Arbeitsmarkt, aber auch angesichts von Haushaltsführung oder Kindeserziehung) entsprechende Erwerbschance ausschlägt, muss sich das dafür erzielbare fiktive Einkommen in Erhöhung seiner Bemessungsgrundlage anrechnen lassen. Arbeitslosigkeit alleine reicht dazu aber nicht aus, solange sie nicht gerade zur Vermeidung von Unterhaltspflichten herbeigeführt wurde und der Betreffende sich redlich um eine neue Arbeitsstelle bemüht (8 Ob 509/91 ÖA 1991, 142; 2 Ob 532/91 JBl 1992, 173 Hoyer). Wer als selbständiger Unternehmer keine Einkünfte bezieht, muss nur dann eine andere (allenfalls auch unselbständige) Erwerbstätigkeit aufnehmen, wenn eine Konsolidierung des Unternehmens in angemessener Frist nicht zu erwarten ist (9 Ob 201/99w). Die Anspannungsobliegenheit erstreckt sich auch auf die Veranlagung von Vermögen: So erhöht sich etwa die Einkommensbemessungsgrundlage eines Ehegatten um fiktive Renditen jenes Vermögens, das er in eine Privatstiftung eingebracht hat, dessen Erträgnisse widmungsgemäß nicht ihm zufließen (2 Ob 295/00x SZ 73/179). IV. Höhe des Unterhaltsanspruches Zwar ist bei der Unterhaltsbemessung stets auf die Umstände des 18 Einzelfalles einzugehen; dennoch haben sich in der Praxis bestimmte Richtsätze als Orientierungshilfe herausgebildet, die als Basiswerte den tatsächlichen, vom Unterhaltsbedarf des Berechtigten (Rz 2) und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (Rz 11 ff) abhängigen Verhältnissen angepasst werden können (RS0047419, zB 4 Ob 532/90 JBl 1991, 40; zuletzt etwa 7 Ob 170/06k). Demnach geht die Rechtsprechung davon aus, dass einem haushaltsführenden Ehegatten ohne eigenes Einkommen im Regelfall etwa ein Drittel der Bemessungsgrundlage (oben Rz 11 ff) zusteht (zB 8 Ob 635/90 SZ 64/135). Haben beide Ehegatten unterschiedlich hohe Einkünfte, wird für den Anspruch des weniger Verdienenden auch bei überdurchschnittlich hohem Einkommen des anderen (1 Ob 288/98d SZ 72/74) ein Ausgangswert von 40% des Familieneinkommens herangezogen, von dem die eigenen Einkünfte des Anspruchstellers abgezogen werden (zB 7 Ob 531/93 EF 70.619; 10 ObS 205/94 SZ 68/241), es sei denn, die erstgenannte Alternative (ein Drittel beim Alleinverdiener) führte zu einem niedrigeren Betrag, der in diesem Fall zu verwenden ist (8 Ob 595/93 EF 70.621). Zur Kritik an diesen (als zu niedrig empfundenen) Sätzen Koch
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Stabentheiner/R Rz 6 mwN (dagegen wiederum Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 125 f; SZ 72/74). Weitere Unterhaltsschulden des Verpflichteten werden durch prozentuelle Abstriche von den vorgenannten Sätzen berücksichtigt (bei ebenso unterhaltsberechtigten Kindern etwa je 4 Prozentpunkte: 4 Ob 506/92 ÖA 1992, 160) und nicht schon durch entsprechende Kürzung der Bemessungsgrundlage (Stabentheiner/R Rz 7). V. Verlust des Unterhaltsanspruches 19 Auf den Unterhaltsanspruch als solchen kann zwar im Vorhinein
nicht verzichtet werden (Abs 3), sehr wohl aber auf einzelne Teilleistungen daraus (SZ 50/128; EvBl 1982/127; JBl 1989, 717; s auch Ch. Rabl, ÖJZ 2000, 591). Ein Unterhaltsverzicht ist zwar auch konkludent möglich (SZ 54/83), muss sich aber zweifelsfrei aus den Umständen ergeben (zB RS0009562). Die bloße Nichtausübung des Rechtes alleine reicht dazu jedenfalls nicht aus (RS0009502, zB SZ 49/127; s aber 1 Ob 171/02g JBl 2004, 45 Kerschner). 20 Eine einzelne Tranche des geschuldeten Unterhalts verjährt in drei
Jahren nach Fälligkeit (§ 1480), die Verjährung ist aber während aufrechter Ehe gehemmt (§ 1495; 3 Ob 17/94 SZ 67/62). Das Unterhaltsrecht an sich kann überhaupt nicht verjähren (§ 1481 ABGB), endet aber mit Ehescheidung oder -auflösung (Stabentheiner/R Rz 23; allfällige Fortwirkung gemäß § 69 Abs 2 EheG). Soweit nicht verjährt (dazu § 1480 Rz 3), kann Unterhalt auch rückwirkend für die Vergangenheit eingefordert werden (verst Senat JBl 1988, 586 H. Pichler). 21 Nicht nur im ausdrücklich angesprochenen Fall des Abs 2 S 2 kann
der unterhaltspflichtige Ehegatte gegen das Unterhaltsbegehren des anderen einwenden (6 Ob 228/01z EvBl 2002/62), dass dieser Anspruch verwirkt sei und rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werde (RS0009766, zB 4 Ob 9/01d JBl 2001, 582; Gitschthaler, Unterhaltsrecht, 2001, Rz 587 ff), aber nur, wenn die Ehe nicht ohnedies bereits wegen seines eigenen Verhaltens zerrüttet war (6 Ob 2/05w EF 110.076). Berufen kann er sich dabei auf nicht zu lange zurückliegende (1 Ob 608/95 EF 76.688), besonders schwere schuldhafte (4 Ob 1519/96 EF 82.454; 4 Ob 92/97a EF 83.044) Eheverfehlungen des Anspruchstellers, die einen Unterhaltszuspruch auch im Lichte der Gesamtsituation (also eben auch des Verhaltens des Unterhaltspflichtigen: zB JBl 2004, 45 Kerschner; Hinteregger/K 3 Rz 72 ff: umfassende Interessenabwägung nach Vorbild von § 68a EheG) als grob unbillig erscheinen lassen (strenger Maßstab: zB 5 Ob 38/99w EF 88.831). Das Gesetz nennt dazu beispielhaft die grundlose Auflösung des gemeinsamen Haushaltes (zB SZ 52/6; 8 Ob 307/98z EF 88.837; weiters RS0005529; 60
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zB 1 Ob 171/02g JBl 2004, 45: Ehebruch; EF 55.920: schwere körperliche Misshandlung). Ein verwirkter Anspruch ist endgültig erloschen (1 Ob 303/00s EvBl 2001/109). VI. Geltendmachung des Unterhaltsanspruches Der Unterhaltsanspruch gemäß § 94 ist im streitigen Verfahren gel- 22 tend zu machen und geht sonstigen Ansprüchen (zB gegen Eltern) vor (vgl § 71 EheG; Stabentheiner/R Rz 10). Zwar gibt es keine generelle Offenlegungspflicht der Ehegatten, dennoch handeln sie zumindest pflichtwidrig, wenn sie dem anderen Partner eigenes Einkommen verschweigen (8 Ob 542/90 EF 66.491 f; 9 ObA 50/03 y RdW 2004, 551; zur Auskunftspflicht Harrer-Hörzinger in Harrer/Zitta, Familie 29, insb 47 ff). Der Anspruch kann erst bei Säumnis des Unterhaltspflichtigen eingeklagt werden (EvBl 1965/306). Mit einstweiliger Verfügung kann der Anspruch gesichert werden (einstweiliger Unterhalt gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO). Auch gerichtliche Unterhaltsregelungen unterliegen grundsätzlich der Umstandsklausel (Rz 4). Zu Unrecht geleistete Beiträge können, soweit sie nicht gutgläubig verbraucht wurden, zurückgefordert werden (RS0033609, zB 3 Ob 195/02a EvBl 2002/227; Gitschthaler, ÖJZ 1995, 652; dagegen 1 Ob 295/00i JBl 2001, 381). VII. Art der Unterhaltsleistung Während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft ist Unterhalt 23 grundsätzlich in natura zu leisten (zB 4 Ob 544/92 EF 70.031; zur Anrechnung von Wohnkosten 7 Ob 197/06f; zum Taschen- und Wirtschaftsgeld bereits oben Rz 2; ausführlich Thöni in Harrer/Zitta, Familie 3); danach (ebenso wie bei Verletzung der Unterhaltspflicht: 3 Ob 2101/96h EF 82.442) nur noch in Geld (Stabentheiner/R Rz 12; aM Thöni in Harrer/Zitta, Familie 19 ff). Abweichungen davon können vereinbart werden (6 Ob 700/90 EF 64.353; zur Anrechnung von Naturalleistungen Deixler-Hübner, ecolex 2001, 110; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 574 ff). Seit dem EheRÄG 1999 kann der Unterhaltsberechtigte aber auch sonst Geldleistung verlangen, soweit dies nicht unbillig ist (Abs 3; dazu Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 827 f; Hinteregger/K 3 Rz 24 ff; zweifelnd bei gemeinsamem Wohnen K/W I 473). Eine Geldrente ist jeweils am Monatsersten im Voraus fällig (§ 1418 ABGB). § 95. Die Ehegatten haben an der Führung des gemeinsamen Haushalts nach ihren persönlichen Verhältnissen, besonders unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Belastung, mitzuwirken. Ist Koch
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jedoch ein Ehegatte nicht erwerbstätig, so obliegt diesem die Haushaltsführung; der andere ist nach Maßgabe des § 91 zur Mithilfe verpflichtet. [idF BGBl I 1999/125]
1 Führen die Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt und haben sie
sich nicht anderweitig über dessen Führung geeinigt (§ 91, s dort insb Rz 2), sieht das Gesetz eine beiderseitige Mitwirkung nach den jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten vor; Letzteres insb im Lichte einer allfälligen Berufstätigkeit. Ist nur einer der beiden erwerbstätig, kommt dem anderen zwar der größere Teil der Aufgaben aus diesem Bereich zu, dennoch muss der Berufstätige in seiner Freizeit im Haushalt mithelfen, soweit ihm dies unter Berücksichtigung der sonstigen Lastenverteilung zumutbar ist (Erl 1653 BlgNR 20. GP 12). Allerdings sind auch die in § 95 genannten Pflichten nicht gesondert durchsetzbar (§ 90 Rz 8), ebenso wenig ein gesonderter Anspruch auf Wirtschaftsgeld neben Unterhalt (s § 94 Rz 2; Stabentheiner/R Rz 4). § 96. Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte hat, vertritt den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen. Dies gilt nicht, wenn der andere Ehegatte dem Dritten zu erkennen gegeben hat, daß er von seinem Ehegatten nicht vertreten sein wolle. Kann der Dritte aus den Umständen nicht erkennen, daß der handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt, dann haften beide Ehegatten zur ungeteilten Hand. [idF BGBl 1975/412] Lit: Rummel, Die Schlüsselgewalt nach neuem österreichischem Recht, JBl 1976, 136.
1 Führt nur ein Ehegatte den gemeinsamen (SZ 31/85; LGZ Wien 37 R
338/95 EF 76.723) Haushalt, ohne selbst nennenswerte Einkünfte zu haben (SZ 54/148; objektive Sicht geboten, nicht Lebensumstände der Ehepartner, aM Stabentheiner/R Rz 2), vertritt er kraft Gesetzes den anderen Ehegatten bei bestimmten Alltagsgeschäften mit Dritten (Schlüsselgewalt). Dabei muss es sich um Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens handeln, die für den gemeinsamen Haushalt bestimmt sind (zB Kauf von Lebensmitteln oder Wäsche, Werkverträge über kleinere Reparaturen uÄ; Kerschner, FamR Rz 2/55) und den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechen (Familieneinkommen lediglich Indiz dafür, vgl SZ 54/148, Leistungsfähigkeit nicht entscheidend: Schwimann/Ferrari/S Rz 4). 62
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Ausgeschlossen ist eine solche direkte Stellvertretung, wenn der an- 2 dere Ehegatte die Vertretung gegenüber dem Dritten zumindest konkludent abgelehnt hat (S 2), wenn der haushaltsführende Ehegatte selbst erklärt, nicht für seinen Ehepartner zu handeln oder wenn der Dritte (trotz ihm bei Zweifeln zumutbarer Erkundigungen: LGZ Wien 45 R 361/93 EF 70.627; Hopf/Kathrein, EheR Anm 6) nicht erkennen konnte, dass die objektiven Voraussetzungen eines Rechtsgeschäftes iSd § 96 gegeben waren, zB dass es sich um eine Anschaffung für den Haushalt von Ehegatten handelte. In diesen Fällen kommt es allerdings zu der merkwürdigen Konsequenz, dass beide Ehegatten solidarisch haften (S 3; zu Recht krit K/W I 476 f). § 96 verdrängt im Übrigen nicht das allgemeine Stellvertretungsrecht, das somit etwa bei ausdrücklicher Berufung auf eine erteilte Vollmacht greift (10 Ob 526/94 JBl 1995, 324). § 97. Ist ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt, so hat dieser einen Anspruch darauf, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird. [idF BGBl 1975/412] Lit: M. Binder, Der Wohnungsschutz des Ehegatten und des Kindes, in Harrer/Zitta, Familie 53; Schimetschek, Die besonderen Rechtsprobleme der „Ehewohnung“, ImmZ 1979, 35.
Ist nur einer der Ehegatten über jene Wohnung dinglich oder obliga- 1 torisch verfügungsberechtigt (aus Eigentum, Dienstbarkeit, Bestandrecht, Genossenschaftsrecht, Dienstvertrag, Bittleihe oÄ: 1 Ob 221/99b ÖBA 2000, 925; Hopf/Kathrein, EheR Anm 4), an der der andere ein dringendes Wohnbedürfnis hat, wird Letzterer (nicht auch seine Kinder: 4 Ob 541/95 wobl 1996, 201) gegen Willkürakte des Ersteren durch § 97 geschützt (SZ 50/105; SZ 54/145; SZ 60/97). Nicht nur das notwendigste (zB SZ 52/190), sondern das tatsächliche Bedürfnis an einer Wohnung im bisher benützten Umfang soll gewahrt bleiben (1 Ob 102/01h Miet 53.007, s aber 4 Ob 537/91 EF 28/8; M. Binder in Harrer/Zitta, Familie 58). Darunter fällt nicht nur eine bislang gemeinsam bewohnte, sondern auch eine andere, selbst nicht mehr oder gar nie benutzte Wohnung, sofern sie nur als Ehewohnung bestimmt war (RS0009525, zB SZ 53/48; 2 Ob 274/03p immolex 2004, Koch
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§ 97
118). Der darüber nicht verfügungsberechtigte Ehegatte muss auf sie angewiesen sein, weil er keine ausreichende und gleichwertige (den bisherigen Lebensverhältnissen entsprechende) Ersatzunterkunft kraft eigenen Rechts hat (SZ 50/81; EF 34.690; 9 Ob 286/01a EF 102.492; M. Binder in Harrer/Zitta, Familie 60 ff), was vermutet wird, so dass der andere Ehegatte das Gegenteil beweisen muss (SZ 54/37). Dieser obsiegt allerdings auch bei einvernehmlicher Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft (SZ 54/29; 5 Ob 117/99p SZ 73/28) sowie dann, wenn er zu den beanstandeten Veränderungen aus unvermeidbaren tatsächlichen (zB Zerstörung durch Naturgewalten) oder rechtlichen Gründen (Erlöschen seiner Wohnberechtigung zB durch Kündigung) gezwungen wurde (M. Binder in Harrer/Zitta, Familie 58 f). Wirtschaftliche Gründe entlasten nur nach Abwägung der beiderseitigen Interessen (Stabentheiner/R Rz 7). Im Übrigen erlischt der Anspruch nach § 97 durch Verzicht oder bei Auflösung der Ehe (zum Tod s § 758 Rz 5 f sowie JBl 1984, 552; SZ 60/246; zur Scheidung Hopf/Kathrein, EheR Anm 11; allerdings Fortwirken während des Aufteilungsverfahrens: RS0009537, zB SZ 58/126). 2 Der wohnungsbedürftige Ehegatte kann im streitigen Rechtsweg
(Hopf/Kathrein, EheR Anm 8) primär auf Unterlassung von Störungen klagen (zB faktische Behinderung, „Hinausekeln“, Aufgabe des Wohnrechts, Veräußerung an Dritte; SZ 50/105), ansonsten auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes (JBl 1982, 593; SZ 54/29) oder sonstiges aktives Tun zur Erhaltung der Wohnmöglichkeit (zB Fortzahlung der Miete oÄ; 1 Ob 368/98v JBl 1999, 728; 9 Ob 226/02d EvBl 2003/80; nicht aber der Kosten von Strom oder Gas, solange daraus kein Wohnungsverlust droht: 3 Ob 231/04y SZ 2004/150). Bei schuldhafter Pflichtverletzung schuldet der zuwiderhandelnde Ehegatte außerdem Schadenersatz (Schwimann/Ferrari/S Rz 9). Der Wohnungserhaltungsanspruch gemäß § 97 kann nach § 382e EO einstweilig gesichert werden (anspruchsgebunden: 3 Ob 21/01m SZ 74/51). 3 Ausnahmsweise kann aus § 97 auch gegen Dritte auf Unterlassung
(7 Ob 86/03b SZ 2003/62) und Schadenersatz (insb auf Naturalrestitution) wegen schuldhaften Eingriffs in den Wohnungserhaltungsanspruch nach den Grundsätzen der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte geklagt werden (RS0009553; RS0009660; RS0015114; zB SZ 60/281; 3 Ob 87/93 SZ 66/141; 5 Ob 88/01d Miet 53.008; s § 859 Rz 16), und zwar nicht nur bei arglistigem Zusammenwirken mit dem aus § 97 verpflichteten Ehegatten, sondern auch bei bloßem Wissen um den Anspruch des Berechtigten (zB 3 Ob 541/91 JBl 1992, 704; 4 Ob 16/04p EF 106.998). Dieser kann sein Benützungsrecht auch 64
Koch
Ehe
§ 98
einem Räumungsbegehren eines schlechtgläubigen Erwerbers entgegenhalten (RS0009661, zB SZ 56/26). § 98. Wirkt ein Ehegatte im Erwerb des anderen mit, so hat er Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Art und Dauer der Leistungen; die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, besonders auch die gewährten Unterhaltsleistungen, sind angemessen zu berücksichtigen. [idF BGBl 1978/280] Lit: Fenyves, Zur Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen nach § 98 ABGB, in Ostheim, Familienrechtsreform 141; Holzer, Zivilrechtliche Konsequenzen der Angehörigenmitarbeit, in Ruppe, Familienverträge 159; Neumayr, Zur Höhe des Abgeltungsanspruches nach § 98 ABGB, in Harrer/Zitta, Familie 479; ders, Sind die Regelungen über die Verjährung und das anzuwendende Verfahren beim Abgeltungsanspruch (§ 98 ABGB) sachgerecht? in Harrer/Zitta, Familie 499.
Wer seinen Ehegatten in dessen selbständigem (zB SZ 56/95) oder 1 unselbständigem Erwerb durch eigene Arbeitskraft, Kapital oder sonstige Mittel unmittelbar unterstützt (Hopf/Kathrein, EheR Anm 3; 3 Ob 292/04v Zak 2005, 34), hat zwar ohne anderweitige vertragliche Regelung (s § 100) keinen Entgeltsanspruch wie ein Dienstnehmer (6 Ob 643/95 EF 76.731), sehr wohl aber steht ihm eine der Art und Dauer seiner Unterstützung sowie den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechende angemessene Abgeltung zu (nicht bei Gütergemeinschaft: 4 Ob 281/00b SZ 73/172). Diese ist zwar grundsätzlich erfolgsabhängig, weshalb ihre Berechnung vom wirtschaftlichen Erfolg der gemeinsamen Anstrengung auszugehen hat, dennoch sollte der Anspruch auch ohne Nettogewinn nicht generell ausgeschlossen sein (so aber die Rspr, die ihn mit einem Gewinnbeteiligungsanspruch aus Gesellschaftsverhältnis vergleicht, RS0009590; RS0009585, zB SZ 56/95; Zak 2005, 34; zu Recht krit Neumayr in Harrer/Zitta, Familie 483 ff). Unterhaltsleistungen, insb in Geld, sind zwar zu berücksichtigen, aber nicht pauschal abzuziehen (EF 50.268). Auf den Anspruch kann jedenfalls im Nachhinein formlos verzichtet werden (Schwimann/Ferrari/S Rz 7); nach hM unter Hinweis auf § 91 auch im Vorhinein (Hopf/Kathrein, EheR Anm 7; aM Stabentheiner/R Rz 6: analoge Anwendung der für Unterhaltsverzicht geltenden Grundsätze, vgl § 94 Rz 19), dies allerdings nur mit Notariatsakt (Fenyves in Ostheim, Familienrechtsreform 157 f). Im Übrigen kann der Abgeltungsanspruch schon während aufrechter Ehe ab dem MonatsKoch
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Ehe
§ 99
ende nach erbrachter Leistung im außerstreitigen Verfahren geltend gemacht werden (s insb § 93 AußStrG; krit Neumayr in Harrer/Zitta, Familie 508 ff); sechs Jahre nach diesem Zeitpunkt ist er (unter der Einschränkung des § 1495 S 2) verjährt (§ 1486a). § 99. Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98) sind vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, soweit sie durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind. [idF BGBl 1978/280] Lit: S bei § 98.
1 Abgeltungsansprüche gemäß § 98 sind nur dann aktiv vererblich
(passive Vererblichkeit hingegen unbeschränkt: Fenyves in Ostheim, Familienrechtsreform 151 f), übertragbar oder verpfändbar, wenn sie während aufrechter Ehe durch Notariatsakt (Schwind, EheR 86 f), ansonsten durch formlosen Vertrag oder gerichtlichen Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind (zur Pfändbarkeit 9 ObA 109/99s ARD 5044/19/99). § 100. Der § 98 berührt nicht vertragliche Ansprüche eines Ehegatten an den anderen aus einem Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche schließen einen Anspruch nach § 98 aus; bei einem Dienstverhältnis bleibt dem Ehegatten jedoch der Anspruch nach § 98 gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt. [idF BGBl 1978/280] Lit: S bei § 98.
1 Abgeltungsansprüche gemäß § 98 sind subsidiär. Vertragliche An-
spruchsgrundlagen (zB Dienst- oder Werkvertrag, Gesellschaftsvertrag) gehen dieser Regelung vor (RS0009602, RS0009610; zB SZ 56/95; 9 ObA 169/93 DRdA 1994, 395 Kerschner; 4 Ob 281/00d SZ 73/172), allerdings ist im Zweifel eine bloß familienrechtliche Verpflichtung anzunehmen. Ist der aus § 98 entspringende Anspruch (zur Bemessung s dort) höher als ein aus einem Dienstvertrag zugesicherter, steht dem Ehegatten dieser Überschuss zu, gemäß S 2 nicht aber bei sonstigen Vertragstypen (S 2; zu Recht krit Schwimann/Ferrari/S Rz 3; Stabentheiner/R Rz 2; gegen eine analoge Anwendung von S 2 Kerschner, DRdA 1994, 398; offen Hopf/Kathrein, EheR Anm 3). Ge66
Koch
Eltern und Kinder
§ 137
setzliche Anspruchsgrundlagen sind von § 100 ohnedies nicht erfasst (Hopf/Kathrein, EheR Anm 1). §§ 101–106. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] § 107. [aufgehoben, BGBl 1975/412] §§ 108–109. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] § 110. [aufgehoben, BGBl 1975/412] § 111. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] §§ 112–114. [aufgehoben, dRGBl 1939 I 1186] §§ 115–116. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] §§ 117–118. [aufgehoben, BGBl 1975/412] §§ 119–120. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] § 121. [aufgehoben, BGBl 1975/412] § 122–136. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807]
Drittes Hauptstück Von den Rechten zwischen Eltern und Kindern Lit: Edlbacher, Die Neuordnung des Kindschaftsrechts in Österreich, StAZ 1978, 117; Ent, Das neue Kindschaftsrecht, besonders die Regeln über die Vermögensverwaltung und die gesetzliche Vertretung, NZ 1978, 177; Ferrari/ Hopf (Hrsg), Reform des Kindschaftsrechts (2001); Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979); Haidenthaller, Schwerpunkte der Kindschaftsrechts-Reform 2001, JBl 2001, 622; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979); H. Pichler, Das neue Kindschaftsrecht, ÖA 1978, 21; ders, Neues im Kindschaftsrecht, JBl 1989, 677; Schwimann, Das Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz – eine Melodie mit verpatzter Orchestrierung, NZ 1990, 218; Verschraegen, Die Kinderrechtekonvention (1996).
Allgemeine Rechte und Pflichten § 137. (1) Die Eltern haben für die Erziehung ihrer minderjährigen Kinder zu sorgen und überhaupt ihr Wohl zu fördern. (2) Eltern und Kinder haben einander beizustehen, die Kinder ihren Eltern Achtung entgegenzubringen. Koch/Hopf
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Eltern und Kinder
§ 137
setzliche Anspruchsgrundlagen sind von § 100 ohnedies nicht erfasst (Hopf/Kathrein, EheR Anm 1). §§ 101–106. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] § 107. [aufgehoben, BGBl 1975/412] §§ 108–109. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] § 110. [aufgehoben, BGBl 1975/412] § 111. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] §§ 112–114. [aufgehoben, dRGBl 1939 I 1186] §§ 115–116. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] §§ 117–118. [aufgehoben, BGBl 1975/412] §§ 119–120. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807] § 121. [aufgehoben, BGBl 1975/412] § 122–136. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 807]
Drittes Hauptstück Von den Rechten zwischen Eltern und Kindern Lit: Edlbacher, Die Neuordnung des Kindschaftsrechts in Österreich, StAZ 1978, 117; Ent, Das neue Kindschaftsrecht, besonders die Regeln über die Vermögensverwaltung und die gesetzliche Vertretung, NZ 1978, 177; Ferrari/ Hopf (Hrsg), Reform des Kindschaftsrechts (2001); Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979); Haidenthaller, Schwerpunkte der Kindschaftsrechts-Reform 2001, JBl 2001, 622; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979); H. Pichler, Das neue Kindschaftsrecht, ÖA 1978, 21; ders, Neues im Kindschaftsrecht, JBl 1989, 677; Schwimann, Das Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz – eine Melodie mit verpatzter Orchestrierung, NZ 1990, 218; Verschraegen, Die Kinderrechtekonvention (1996).
Allgemeine Rechte und Pflichten § 137. (1) Die Eltern haben für die Erziehung ihrer minderjährigen Kinder zu sorgen und überhaupt ihr Wohl zu fördern. (2) Eltern und Kinder haben einander beizustehen, die Kinder ihren Eltern Achtung entgegenzubringen. Koch/Hopf
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Eltern und Kinder
§ 137
(3) Die Rechte und Pflichten des Vaters und der Mutter sind, soweit in diesem Hauptstück nicht anderes bestimmt ist, gleich. [idF BGBl 1977/403] Lit: Stefula, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 609.
1 Die Förderung des Wohles des Kindes ist die oberste Maxime des
Kindschaftsrechts (F. Bydlinski, System 388); weitere leitende Prinzipien sind die wechselseitige Beistandspflicht von Eltern und Kindern sowie – mit Einschränkung (s Rz 4) – die Gleichbehandlung von Vater und Mutter. 2 Abs 1 bezieht sich auf das Verhältnis der Eltern zu ihren minderjäh-
rigen Kindern. Hervorgehoben ist die Erziehungspflicht der Eltern als das vorzügliche Mittel zur Förderung des Kindeswohls (JAB 587 BlgNR 14. GP 3). Die Eltern haben aber auch primär das Recht zur Erziehung (RZ 1979, 17). Zum Begriff der Erziehung in Abs 1 im Unterschied zu den §§ 144 und 146 s Posch in Ostheim, Familienrechtsreform 10 ff. 3 Die Pflicht zum gegenseitigen Beistand von Eltern und Kindern
sowie zur Achtung der Eltern gilt auch im Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern. Insb können die Eltern von ihren Kindern im Rahmen der Beistandspflicht unentgeltliche, ihrer Leistungsfähigkeit angemessene Dienste, wie etwa Pflege im Krankheitsfall, verlangen (1 Ob 46/01y JBl 2001, 649), und zwar von mehreren Kindern im gleichen Maß. Nach Holzer (in Ruppe, Familienverträge 169) umfasst die Beistandspflicht – in den Grenzen des Kinder- und Jugendbeschäftigungsschutzes – auch die Pflicht zur unentgeltlichen Mitwirkung im Erwerb der Eltern. Entsprechend der aus § 143 hervorleuchtenden Wertung (s § 143 Rz 3) geht jedoch die Beistandspflicht eines Kindes gegenüber seinen Eltern und Großeltern entsprechenden Pflichten gegenüber den eigenen Kindern nach (Stefula, ÖJZ 2005, 614; 2 Ob 79/05i EvBl 2006/36). Die Beistandspflicht ist nicht gerichtlich erzwingbar, Sanktionen für Verletzungen der Beistandspflicht gibt es im Unterhalts- (§ 143 Abs 1), im Erb- (§§ 540, 768 Z 2, § 769) und im Scheidungsrecht (§ 49 EheG). Zur Schadenersatzpflicht s V. Steininger, FamRZ 1979, 777 f; Stabentheiner/R § 90 Rz 12. Keine gesetzliche Beistandspflicht besteht zwischen Geschwistern (1 Ob 46/01y JBl 2001, 649; aM Mader in Harrer/Zitta, Familie 95 ff; Stefula, ÖJZ 2005, 616 ff; vgl auch § 284c und Erl 1420 BlgNR 22. GP 24). 4 Die Gleichstellung von Vater und Mutter im Kindschaftsrecht hat
ihre Grundlage im verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art 7 68
Hopf
Eltern und Kinder
§ 137b
B-VG, Art 2 StGG; F. Bydlinski, Der Gleichheitsgrundsatz im österreichischen Privatrecht – GA für den 1. ÖJT I/1, 1961, 82 ff). Der Vorbehalt „soweit in diesem Hauptstück nicht anderes bestimmt ist“ bezieht sich auf die unterschiedliche Behandlung von Vater und Mutter im Namens- (§ 139 Abs 3) und im Unehelichenrecht (§ 166); keine Ungleichbehandlung bedeuten hingen die Bestimmungen über die „unvollständige Familie“ (insb §§ 145, 148, 176 ff), da sie nicht zwischen Vater und Mutter unterscheiden (anders Erl 60 BlgNR 14. GP 18 f). § 137a. Dritte dürfen in die elterlichen Rechte nur insoweit eingreifen, als ihnen dies durch die Eltern selbst, unmittelbar auf Grund des Gesetzes oder durch eine behördliche Verfügung gestattet ist. [idF BGBl 1977/403] Lit: Graf, Zwei Fragen der Pflege und Erziehung von Kindern durch Dritte, in Harrer/Zitta, Familie 759.
Das grundsätzliche Verbot des Eingriffs Dritter in die elterlichen 1 Rechte ist Ausdruck des verfassungsrechtlich durch Art 8 MRK abgesicherten Prinzips der Familienautonomie. Solche Eingriffe lösen unter Umständen einen Unterlassungs- und – bei Verschulden – einen Schadenersatzanspruch aus (Verschraegen/S Rz 1). Strafrechtlichen Schutz gewährt § 195 StGB. Die Übertragung der Ausübung der elterlichen Rechte erfordert 2 nach § 144 das Einvernehmen der Eltern und ist eine wichtige Angelegenheit iSd § 176 Abs 2 und § 178 (Graf in Harrer/Zitta, Familie 765 ff). Die Übergabe in fremde Pflege ist eine Angelegenheit des § 154 Abs 2. Abstammung des Kindes von Vater und Mutter § 137b.
Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.
[idF BGBl 1992/275] Lit: Bernat, Die rechtliche Regelung von Fortpflanzungsmedizin und Embryonenforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz, ÖA 1993, 47; ders (Hrsg), Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik (2000); Memmer, Eheähnliche Lebensgemeinschaften und Reproduktionsmedizin, JBl 1993, 297; H. Pichler, Probleme der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, ÖA 1993, 53; Schwimann, Neues Fortpflanzungsmedizinrecht in Österreich, StAZ 1993, 169; V. Steininger, Juristisch elternlose Kinder? ÖJZ 1999, 707; s auch bei § 163. Hopf
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Eltern und Kinder
§ 138
1 Auch wenn ein Kind genetisch nicht von der Frau abstammt, die es
geboren hat, ist diese dennoch seine Mutter im Rechtssinn. Damit sind die statusrechtlichen Konsequenzen einer – nach § 3 Abs 1 und 3 FMedG in Österreich verbotenen – Eizellen- oder Embryonenspende oder „Leihmutterschaft“ klargestellt (7 Ob 212/97w SZ 70/155; Pfersmann, ÖJZ 2000, 82). 2 Zur – zu „mutterlosen“ Kindern führenden – „anonymen Geburt“
oder der Abgabe eines Neugeborenen in ein „Babynest“ („Babyklappe“) im Fall einer „schwerwiegenden Notsituation“ s Erl des BMJ 27.7.2001, JABl 2001/36 (Stormann/S Rz 4). Der EGMR ÖJZ-MRK 2005/1 erachtet eine solche Regelung als nicht grundsätzlich konventionswidrig (s hiezu jedoch krit Verschraegen, ÖJZ 2004, 1). 3 Zur Frage der Maßgeblichkeit der rechtlichen oder der biologischen
Abstammung für das Ehehindernis der Verwandtschaft s § 6 EheG Rz 2. § 138. (1) Vater des Kindes ist der Mann, 1. der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist oder als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist oder 2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder 3. dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. (2) Würden nach Abs 1 Z 1 mehrere Männer als Vater in Betracht kommen, so ist derjenige von ihnen Vater, der mit der Mutter zuletzt die Ehe geschlossen hat. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Ferrari, Das neue österreichische Abstammungsrecht, FS Schwab (2005) 1333; Fischer-Czermak, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2; Rosenmayr, Änderungen im Abstammungsrecht durch das FamErbRÄG 2004, NZ 2004, 360; Schwimann, Neuerliche Abstammungsreform mit Ablaufdatum, NZ 2005, 33; Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175; s auch bei § 163.
1 Abs 1 regelt – gleichsam überblicksartig –, wer Vater eines Kindes im
Rechtssinn ist. Abschließend ist die Regelung der Z 1 in Zusammenhalt mit Abs 2 (Vaterschaft kraft Geburt des Kindes); Z 2 (Anerkenntnis der Vaterschaft) und Z 3 (gerichtliche Feststellung der Vaterschaft) werden in den §§ 163 ff näher ausgeführt. Anerkenntnis und gerichtliche Feststellung der Vaterschaft kommen nicht nur beim unehelichen Kind, sondern nach § 138d auch beim ehelichen Kind in Betracht. § 138 enthält keine Aussage über den Status der Ehelichkeit 70
Hopf
Eltern und Kinder
§ 138a
oder Unehelichkeit eines Kindes; dieser ergibt sich aus den §§ 138c und 138d. Anders als vor dem FamErbRÄG 2004 ist in Z 1 die Abstammung 2 vom Ehemann der Mutter nicht in die Form einer „Vermutung“ gekleidet; der Ehemann der Mutter ist Vater im Rechtssinn (Erl 471 BlgNR 22. GP 6). Die Geburt während der Ehe oder innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemanns der Mutter begründet die Abstammung des Kindes von diesem. Unmaßgeblich ist, ob das Kind vor oder nach der Eheschließung, durch eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung oder auf natürlichem Weg gezeugt wurde. Abs 2 löst die Fälle, in denen die Regelung nach Abs 1 Z 1 zur Vater- 3 schaft von mehr als einem Mann führt. Die Bestimmung bezieht sich insb auf den Fall, in dem eine Frau nach dem Tod ihres Ehemanns eine weitere Ehe schließt und noch innerhalb der 300-Tage-Frist ein Kind zur Welt bringt. Sie ist aber auch anzuwenden, wenn ein Kind in einer Doppelehe der Mutter geboren wird (s die §§ 97 ff AußStrG über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe). Wird gemäß § 156 gerichtlich festgestellt, dass das Kind nicht vom letzten Ehemann der Mutter abstammt, so ist der vorangegangene Ehemann der Mutter Vater des Kindes (Erl 471 BlgNR 22. GP 12). § 138a. (1) Die nach diesem Gesetzbuch begründete Abstammung und deren Änderung sowie die Feststellung der Nichtabstammung wirken gegenüber jedermann. (2) Nach dem Tod der betroffenen Person können die Feststellung der Abstammung, deren Änderung oder die Feststellung der Nichtabstammung von den Rechtsnachfolgern oder gegen diese begehrt werden. [idF BGBl I 2004/58]
Nach Abs 1 bleibt das nach § 138 begründete Abstammungsverhält- 1 nis bestehen, solange es nicht auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg beseitigt wird. Dies kann durch eine Entscheidung nach §§ 156, 163b iVm § 163, durch ein „durchbrechendes“ Anerkenntnis nach § 163e Abs 2 (Erl 471 BlgNR 22. GP 13) oder – bei gerichtlich festgestellter Vaterschaft – durch einen Abänderungsantrag nach den §§ 72 ff AußStrG (Fischer-Czermak, JBl 2005, 10) geschehen. Damit ist eine selbständige Beurteilung der – durch Anerkenntnis oder gerichtliche Entscheidung begründete – Abstammung oder Nichtabstammung im Rahmen einer Vorfragenprüfung ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn überhaupt noch keine Feststellung der Vaterschaft erfolgt Hopf
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Eltern und Kinder
§ 138b
ist (JAB 887 BlgNR 17. GP 6; Stormann/S Rz 4; aM noch Stabentheiner/R § 163b Rz 3). 2 Seit dem FamErbRÄG 2004 können nicht nur bei unehelicher (§ 164d
idF BGBl 1989/162), sondern auch bei ehelicher Abstammung die Erben als Gesamtrechtsnachfolger (7 Ob 38/06y EF-Z 2006, 16) – wie auch der ruhende Nachlass (5 Ob 543/95 SZ 69/193; EF-Z 2006, 16) – sowohl des Vaters als auch des Kindes im Abstammungsverfahren als Antragsteller oder Antragsgegner auftreten. Bei einer Antragstellung nach § 156 müssen die Erben jedoch einen bereits gegen den Vater oder das Kind begonnenen Lauf der Zwei-Jahres-Frist des § 158 auch gegen sich gelten lassen (Erl 471 BlgNR 22. GP 13).Wenngleich vom Wortlaut des Abs 2 nicht ausdrücklich umfasst, kann der Rechtsnachfolger eines Mannes die Vaterschaft auch anerkennen (s § 164d idF vor FamErbRÄG 2004); den Gesetzesmaterialien (Erl aaO) ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass das FamErbRÄG 2004 in dieser Hinsicht etwas ändern wollte. Keine Rechtsnachfolge gibt es beim Widerspruch der Mutter gegen ein Anerkenntnis der Vaterschaft und bei der Bezeichnung des Mannes als Vater des Kindes durch die Mutter (s § 163d Abs 1 „am Leben“ und § 163e Abs 2 „selbst“). Zur Einschränkung der Vaterschaftsfeststellung post mortem s auch § 163 Abs 2 S 2. 3 Im Fall einer Mehrzahl von Erben sind die §§ 825 ff anzuwenden: im
Abstammungsverfahren sind stets alle Erben gemeinsam aktiv und passiv legitimiert (s § 828 Rz 6). § 138b. (1) Einsichts- und urteilsfähige Personen können, wenn sie nicht eigenberechtigt sind, in Angelegenheiten ihrer Abstammung und der Abstammung von ihnen rechtswirksam handeln, sofern ihr gesetzlicher Vertreter zustimmt. Handelt in einem solchen Fall der gesetzliche Vertreter, so bedarf er der Einwilligung der einsichts- und urteilsfähigen Person. Im Zweifel wird das Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen vermutet. (2) Der gesetzliche Vertreter hat sich vom Wohl des Vertretenen leiten zu lassen. Seine Vertretungshandlungen in Angelegenheiten der Abstammung bedürfen nicht der Genehmigung des Gerichtes. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Fischer-Czermak, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004, 302.
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Eltern und Kinder
§ 138b
Maßgebend für die Handlungsfähigkeit in Abstammungssachen – 1 gleich, ob es um die Feststellung der Abstammung nach § 138d, um die Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter nach § 156 oder um die Feststellung der Vaterschaft nach den §§ 163 ff geht – sind die Eigenberechtigung sowie die konkrete Einsichts- und Urteilsfähigkeit (nicht also die Geschäftsfähigkeit). Einsichts- und urteilsfähige Personen – das sind Personen, die die Tragweite der Feststellung der Abstammung oder Nichtabstammung erfassen und daraus Schlüsse für ihr Verhalten ziehen können – können in Abstammungssachen handeln; sind sie nicht eigenberechtigt, so bedürfen sie der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters, wie umgekehrt der gesetzliche Vertreter zu seinem Handeln der Einwilligung des einsichts- und urteilsfähigen Vertretenen bedarf. Zu den nicht Eigenberechtigten gehören Mj und Personen, denen ein Sachwalter – gleich, mit welchem Wirkungskreis (vgl § 3 EheG sowie Simotta, ÖJZ 1990, 669; Fischer-Czermak, JBl 2005, 3 f) – bestellt ist (Erl 471 BlgNR 22. GP 13). In Fragen der medizinischen Behandlung wird nach § 146c Abs 1 bei mündigen Mj das Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit vermutet; davon kann im Allgemeinen auch in Abstammungsangelegenheiten ausgegangen werden. Keine gesetzliche Vertretung kommt beim Vaterschaftsanerkenntnis 2 in Betracht (§ 163c: „persönliche Erklärung“), doch bedarf das Anerkenntnis eines nicht Eigenberechtigten nach der allgemeinen Regel des Abs 1 der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (Erl 471 BlgNR 22. GP 13). Nicht anzuwenden ist § 138b auf den Widerspruch der Mutter gegen ein Vaterschaftsanerkenntnis nach § 163d und auf die Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter nach § 163e Abs 2 (Abs 1: „in Angelegenheiten ihrer Abstammung und der Abstammung von ihnen“). Der gesetzliche Vertreter – gleich, ob es sich um Vater oder Mutter, 3 sonstigen Obsorgeträger oder Sachwalter handelt – bedarf für seine Vertretungshandlungen in Abstammungsangelegenheiten keiner gerichtlichen Genehmigung. Mit dem ausdrücklichen Auftrag, sich bei diesen Handlungen vom Wohl des Kindes leiten zu lassen, soll der gesetzliche Vertreter zur Beachtung bereits bestehender, für die Entwicklung des Kindes förderlichen familiärer Bindungen, etwa zu einem „Gilt-Vater“, iSd Schutzes des sozialen Familienverbandes angehalten werden (Erl 471 BlgNR 22. GP 16). Einem (drohenden) Verstoß gegen das Gebot kann mit einer Maßnahme nach § 176 begegnet werden.
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Eltern und Kinder
§§ 138c–138d Ehelichkeit
§ 138c. (1) Ehelich ist ein Kind, das während der Ehe der Mutter mit seinem Vater oder, wenn die Ehe durch den Tod des Ehemanns aufgelöst wurde, innerhalb von 300 Tagen danach geboren wird; sonst ist das Kind unehelich. (2) Wird die Ehe der Eltern für nichtig erklärt, so bleibt das Kind ehelich. [idF BGBl I 2004/58]
§ 138d. (1) Wird ein Kind innerhalb von 300 Tagen nach Scheidung oder Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren, so wird es ehelich, wenn der frühere Ehemann der Mutter die Vaterschaft anerkennt (§§ 163c und 163e) oder durch das Gericht als Vater festgestellt wird (§§ 163 und 163b). (2) Wird ein Kind nach Ablauf von 300 Tagen nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren, so hat das Gericht auf Antrag des Kindes oder des früheren Ehemanns der Mutter die Abstammung von diesem und die Ehelichkeit des Kindes festzustellen, wenn bewiesen ist, dass das Kind während der Ehe vom Ehemann der Mutter oder durch eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen des Ehemanns oder, sofern der Ehemann dem in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts zugestimmt hat, mit dem Samen eines Dritten gezeugt wurde. (3) Für Kinder, die nach den vorstehenden Absätzen die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangen, gelten der § 161 Abs 2 und 3 sowie die §§ 162a bis 162d entsprechend. Hinsichtlich der Obsorge gilt § 166 erster Satz entsprechend, doch können die Eltern dem Gericht eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge nach § 177 vorlegen; § 177a Abs 2 gilt entsprechend. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Mottl, Änderungen im Abstammungsrecht durch das KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 100; Neuhauser, Gedanken zum KindRÄG 2001, ÖA 2001, 180; s auch bei §§ 138, 163.
1 Die §§ 138c und 138d regeln den Status der Ehelichkeit bzw Unehe-
lichkeit eines Kindes. Seit dem FamErbRÄG 2004 knüpft dabei das Gesetz – im Gleichklang mit § 138 Abs 1 Z 1 – nicht mehr an eine Vermutung an: ein während der aufrechten Ehe von Vater und Mutter oder innerhalb von 300 Tagen nach deren Auflösung durch den Tod des Vaters geborenes Kind ist ehelich. Auf den Zeitpunkt der Zeugung des Kindes kommt es dabei ebenso wenig an wie darauf, ob diese auf 74
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§§ 138c–138d
natürliche Weise oder im Weg einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung erfolgt ist. Die uneheliche Abstammung definiert § 138c Abs 2 letzter HS 2 gleichsam als die statusrechtliche Kehrseite der ehelichen Abstammung: ein Kind, das nicht ehelich ist, ist unehelich. Kinder aus nichtigen Ehen sind – ungeachtet der grundsätzlichen ex-tunc-Wirkung der Nichtigerklärung (K/W I 458) – ehelich. Kinder, die nach gerichtlicher Auflösung der Ehe ihrer Eltern gebo- 3 ren werden, sind nach § 138c Abs 1 von Gesetzes wegen unehelich. Stammen solche Kinder jedoch tatsächlich vom (früheren) Ehemann der Mutter ab, so eröffnet § 138d ihnen die Möglichkeit, den Status der Ehelichkeit zu erlangen: Dies kann entweder durch ein Vaterschaftsanerkenntnis oder durch eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft erfolgen. Die Abstammung vom früheren Ehemann kann auch dann festgestellt werden, wenn das Kind, insb auf Grund einer neuen Eheschließung der Mutter, bereits einen Vater hat (s §§ 163b bzw 163e Abs 2). Für die eheliche Abstammung eines innerhalb von 300 Tagen nach 4 gerichtlicher Auflösung der Ehe geborenen Kindes vom früheren Ehemann der Mutter genügt das Anerkenntnis der Vaterschaft oder die – auf Antrag des Kindes oder des früheren Ehemanns erfolgende – gerichtliche Feststellung der Abstammung, ein Nachweis auch der Zeugung durch den früheren Ehemann während der Ehe (oder einer von diesem konsentierten medizinisch unterstützten Fortpflanzung) ist nicht erforderlich; daher kann auch ein Kind den Status der Ehelichkeit erlangen, das tatsächlich erst nach Auflösung der Ehe der Eltern gezeugt wurde (Erl 471 BlgNR 22. GP 17). Für Kinder, die nach Ablauf von 300 Tagen nach Scheidung, Aufhe- 5 bung oder Nichtigerklärung der Ehe oder nach dem Tod des Ehemanns der Mutter geboren werden, gilt das „Privileg“ nach Rz 4 nicht; diese Kinder gelten nur dann als eheliche Kinder des früheren Ehemanns der Mutter, wenn das Gericht die Abstammung von diesem und die Ehelichkeit festgestellt hat; es muss also erwiesen sein, dass das Kind während der Ehe vom früheren Ehemann der Mutter oder durch eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen des Ehemanns gezeugt wurde (der „Zeugung“ entspricht bei einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung die Implantation des Embryos; vgl § 155 idF vor BGBl I 2004/58 und Stabentheiner/R § 155 Rz 3). Ein Anerkenntnis der Vaterschaft vermag einem solchen Kind nicht den Status der Ehelichkeit zu verschaffen, es bedarf der gerichtlichen Feststellung der Abstammung und der Ehelichkeit. AntragsHopf
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befugt sind – im Einklang mit § 156 Abs 2 und § 163 Abs 1 – das Kind und der frühere Ehemann der Mutter. Steht bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes fest, so ist nach § 163b dennoch ein Antrag möglich. 6 Nach den Verweisungen des § 138d Abs 3 entsprechen die rechtlichen
Folgen eines Anerkenntnisses nach Abs 1 und einer Feststellung der Abstammung vom früheren Ehemann nach Abs 1 oder 2 denjenigen der Legitimation. Dies bedeutet ua, dass iSd § 161 Abs 3 die durch eine gerichtliche Entscheidung nach Abs 1 oder 2 begründete Abstammung nicht durch einen Antrag nach § 156, sondern entweder durch einen Abänderungsantrag nach den §§ 72 ff AußStrG, durch ein Verfahren nach § 163b oder durch ein Anerkenntnis nach § 163e Abs 2 beseitigt werden kann. Desgleichen muss die im Weg eines Anerkenntnisses nach Abs 1 begründete Abstammung entweder durch eine Unwirksamerklärung des Anerkenntnisses nach § 164, durch ein Verfahren nach § 163b oder durch ein Anerkenntnis nach § 163e Abs 2 aufgehoben werden (Erl 471 BlgNR 22. GP 18). Auch für die namensrechtliche Folgen einer nach § 138d begründeten ehelichen Abstammung gilt Gleiches wie bei der Legitimation. Mit der Obsorge des Kindes ist entsprechend § 166 S 1 die Mutter ex lege allein betraut, doch können die Eltern sowohl die Obsorge beider Teile – einschließlich des hauptsächlichen Aufenthalts des Kindes – als auch die Alleinobsorge des Vaters vereinbaren. Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichen Kindern Name § 139. (1) Haben die Eltern einen gemeinsamen Familiennamen, so erhält das Kind diesen. (2) Haben die Eltern keinen gemeinsamen Familiennamen, so erhält das Kind den Familiennamen, den die Eltern dem Standesbeamten gegenüber vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zum Familiennamen der aus der Ehe stammenden Kinder bestimmt haben. Hiezu können die Eltern nur den Familiennamen eines Elternteils bestimmen. (3) Mangels einer Bestimmung nach Abs 2 erhält das Kind den Familiennamen des Vaters. [idF BGBl 1995/25] Lit: Mottl, Ein Jahr neues Namensrecht, NZ 1996, 321; Zeyringer, Neuregelung des Ehe- und Kindesnamensrechts, ÖA 1995, 76; ders, Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem Namensrechtsänderungsgesetz, ÖStA 1995, 62.
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§ 139
Grundsätzlich „erhält“ – geregelt wird also der Namenserwerb – ein 1 eheliches Kind (zum Namen des unehelichen Kindes s § 165) den gemeinsamen Familiennamen seiner Eltern. Einen gemeinsamen Familiennamen haben Eltern auch dann, wenn ein Elternteil nach § 93 Abs 1 den Familiennamen des anderen führt und diesem Namen nach § 93 Abs 2 seinen bisherigen Familiennamen voran- oder nachstellt; das Kind erhält in diesem Fall den Teil des Doppelnamens, den auch der andere Elternteil führt. Wird das Kind nach Auflösung der Ehe geboren und hat ein Ehegatte mittlerweile, insb durch Wiederverehelichung, den Familiennamen geändert, so kommt es auf den gemeinsamen Familiennamen der Eltern im Zeitpunkt der Auflösung der Ehe an (H. Pichler/K 3 Rz 1). Mangels eines gemeinsamen Familiennamens erhält das Kind den 2 von den Eltern bei der Eheschließung gegenüber dem Standesbeamten als Familiennamen ihrer aus der Ehe stammenden Kinder bestimmten Namen. Die Eltern können dabei nur den Familiennamen eines von ihnen, nicht etwa einen aus den Familiennamen beider zusammengesetzten Namen, zum Familiennamen ihrer Kinder bestimmen. Der Familienname muss für alle Kinder derselbe sein. Die Eltern sind, wenn sie keinen gemeinsamen Familiennamen haben, zur Namensbestimmung verpflichtet (Stabentheiner/R Rz 2; aM Stormann/S Rz 3), doch kann die Erfüllung dieser Pflicht nicht erzwungen werden (JAB 49 BlgNR 19. GP 6). Die Bevorzugung des Vaternamens im Abs 3 ist unter dem Gesichts- 3 punkt des Gleichheitssatzes verfassungsrechtlich nicht unproblematisch (Stabentheiner/R § 93 Rz 1); nach VfGH VfSlg 15.031 liegt sie jedoch im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers. Mit der Neugestaltung des Ehe- und des Kindesnamensrechts durch 4 das NamRÄG wurde auch die verwaltungsbehördliche Änderung des Familiennamens im NÄG erheblich erleichtert. Dies gilt grundsätzlich für den Wechsel des Kindes vom Familiennamen des einen Elternteils zu demjenigen des anderen (§ 2 Abs 1 Z 8 NÄG), insb für den Wechsel eines mj Kindes zum Familiennamen der Person, der die Obsorge zukommt oder in dessen Pflege sich das Kind befindet (§ 2 Abs 1 Z 9 NÄG; Zeyringer, ÖA 1995, 79 f). Die Bewilligung einer solchen Namensänderung ist nach § 3 Abs 1 Z 8 NÄG nur zu versagen, wenn die Änderung dem Wohl des hievon betroffenen, nicht eigenberechtigten Kindes abträglich ist. Im Übrigen zählt die Änderung des Namens eines mj Kindes zu den wichtigen Angelegenheiten iS sowohl des § 176 Abs 2 wie auch des § 178, so dass unter den dort Hopf
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genannten Voraussetzungen das Gericht wegen der Namensänderung angerufen werden kann. S auch § 154 Rz 4. Unterhalt § 140. (1) Die Eltern haben zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. (2) Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. (3) Der Anspruch auf Unterhalt mindert sich insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. [idF BGBl 1977/403; Überschrift idF BGBl 1989/162]
I. II. III. IV.
Übersicht Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Unterhaltsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Unterhaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Vereinbarung, Verzicht, Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Lit: Brugger, Die Barunterhaltspflicht eines vermögens- und einkommenslosen Elternteils gegenüber Kindern aus einer früheren Ehe, ÖJZ 2001, 11; Deixler-Hübner, Zur Anrechnung von Geld- und Naturalunterhalt, ecolex, 2001, 110; Gamerith, Zum Unterhaltsanspruch von Ehegatten und volljährigen Kindern, ÖA 1988, 63; Gitschthaler, Zum Anspruch des Kindes auf Taschengeld, NZ 1992, 145; ders, Zur finanziellen Belastbarkeit eines Unterhaltspflichtigen, JBl 1995, 808; ders, Die Anspannungstheorie im Unterhaltsrecht – 20 Jahre später, ÖJZ 1996, 553; ders, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9; ders, Unterhaltsrecht (2001); Kodek, Zur Unterhaltsbemessung im Konkurs, Zak 2006, 146; Lackner, Die Unterhaltspflicht des nicht erwerbstätigen Ehegatten (Lebensgefährten) gegenüber vorehelichen, nicht familienzugehörigen Kindern, ÖA 1996, 175; Mitrovic, Der Privatkonkurs und seine Auswirkungen auf den Kindesunterhalt, ÖA 1995, 176; H. Pichler, Die unterhaltsrechtliche Stellung des Elternteils, der das Kind betreut, ÖA 1997, 109; Schwimann, Leistung von Kindesunterhalt aus eigenen Unterhaltseinnahmen der Eltern? NZ 1998, 289; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 3 (2004); Thöni, Geldunterhalt und Naturalunterhalt, in Harrer/Zitta, Familie 3.
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I. Allgemeines Abs 1 umschreibt die wesentlichen Kriterien des Kindesunterhalts: 1 zum einen die Bedürfnisse des Kindes und zum anderen die Lebensverhältnisse der Eltern in ihrer Doppelbedeutung als Maßstab der Bedürfnisse einerseits und – gemeinsam mit der Formel „nach ihren Kräften“ – als Kriterium der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen andererseits. „Nach ihren Kräften“ drückt auch aus, in welchem Verhältnis die Eltern zur Bedarfsdeckung beizutragen haben. Abs 2 regelt das Verhältnis der Beiträge der Eltern, wenn einer das Kind in seinem Haushalt betreut, Abs 3 die Minderung oder den Entfall des Unterhaltsanspruchs des Kindes wegen eigener Einkünfte oder des Eintritts der Selbsterhaltungsfähigkeit. § 140 gilt für alle Kinder, eheliche wie uneheliche (§ 166 S 2), mj wie volljährige. ISd Gleichheitssatzes wird auch nicht zwischen Vater und Mutter unterschieden (§ 137 Abs 3). Der Unterhalt dient der Deckung der gesamten Lebensbedürfnisse 2 (4 Ob 204/99z EvBl 2000/40); dazu gehören (vgl § 672) Nahrung, Kleidung, Wohnung (der anteilige Aufwand hiefür), medizinische Versorgung sowie der Aufwand für Betreuung, Erziehung und für die Befriedigung von Freizeitbedürfnissen, insb kultureller und sportlicher Art, einschließlich eines „Taschengeldes“ (4 Ob 57/98f ÖA 1999, 21; Gitschthaler, NZ 1992, 145). Nicht gehören hiezu etwa Beiträge zur Vermögensbildung, insb zu Sparzwecken (LGZ Wien 44 R 761/03t EF 103.251). Bei Beurteilung der Bedürfnisse des Kindes sind dessen individuelle, altersgemäße Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl § 178a), wobei freilich im Interesse des Wohles des Kindes dessen Wünschen nicht immer nachgegeben werden darf (s § 146 Abs 3). II. Unterhaltsbedarf Die zu deckenden Bedürfnisse müssen den Lebensverhältnissen der 3 Eltern, wie sie sich vor allem aus Beruf, Bildung, Einkommen und Vermögen ergeben, angemessen sein. Maßgebend sind die gemeinsamen Lebensverhältnisse beider Eltern, bei getrennt lebenden Eltern in erster Linie die des Geldunterhaltspflichtigen (Abs 2 aE). Die Eltern können zwar nicht – wie die Großeltern (§ 141 letzter S) – dem Unterhaltsanspruch die Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts entgegenhalten (beneficium competentiae), doch darf der Unterhaltspflichtige – auch im Interesse der Aufrechterhaltung seiner Leistungsfähigkeit – nicht in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet werden (6 Ob 563/90 SZ 63/88). Als Orientierungshilfe für die Belastungsgrenze des Unterhaltspflichtigen dient der Rspr das UnHopf
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terhaltsexistenzminimum nach § 291 EO, das in den Grenzen des § 292b EO noch unterschritten werden darf (5 Ob 48/04a ecolex 2004, 858; zutr krit Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 270). 4 Als faktisches Hilfsmittel zur Beurteilung der Bedürfnisse des Kindes
zieht die Rspr einen nach der Verbrauchsausgabenstatistik ermittelten und mit dem Verbraucherpreisindex valorisierten Regelbedarf heran, den jedes Kind einer bestimmten Altersstufe in Österreich – ohne Rücksicht auf die Lebensverhältnisse seiner Eltern – an Nahrung, Kleidung, Wohnung und zur Bestreitung der weiteren Bedürfnisse hat (verst Senat 1 Ob 560/92 SZ 65/114; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 259). Bei diesen – regelmäßig, etwa im ÖA, mitgeteilten – Beträgen handelt es sich um Orientierungs- und Kontrollgrößen, die im Allgemeinen als Mindestbedarf angesehen werden (8 Ob 615/90 ÖA 1991, 102; 4 Ob 237/97z JBl 1998, 60). Neuere Studien zeigen auch, dass der tatsächliche durchschnittliche Bedarf von Kindern höher liegt (Buchegger/Wüger, ÖA 2004, 284; Weitzenböck, ÖA 2004, 293). 5 Ausnahmsweise umfasst der Unterhaltsanspruch auch einen im Wohl
des Kindes begründeten Sonderbedarf. Bei diesem – durch Individualität und Außergewöhnlichkeit gekennzeichneten – Mehrbedarf (9 Ob 507/95 JBl 1995, 784 Gitschthaler) – handelt es sich insb um Aufwendungen für Gesundheit (Zahnregulierung), Ausbildung (Privatschule, auswärtiges Studium, Anschaffung eines Computers) oder eine im Interesse des Kindes gelegene außerhäusliche Betreuung (etwa auf Grund einer Behinderung oder Krankheit), die der Unterhaltspflichtige im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit, aber uU unter Überschreitung der Prozentsatzkomponente (s Rz 17) zu befriedigen hat (1 Ob 350/98x EF 89.458; 10 Ob 61/05a JBl 2006, 165; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 257 ff). 6 Der Unterhaltsbedarf umfasst auch die Ausbildung im Beruf (Eypel-
tauer, ÖA 1988, 96). Dazu gehört bei entsprechender Eignung und Neigung auch der Anspruch auf eine qualifizierte oder gehobene Berufsausbildung (Matura, Fachhochschule, Universität), solange sie vom Unterhaltsberechtigten ernsthaft und zielstrebig betrieben wird (3 Ob 7/97 JBl 1997, 650 Hoyer; 1 Ob 268/02x EvBl 2003/53), etwa die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b FLAG erfüllt sind (2 Ob 134/99s EF 89.527). Auf die berufliche und gesellschaftliche Stellung der Eltern kommt es dabei nicht an. Auch ein Studienwechsel, insb wenn er schon nach kürzerer Studiendauer erfolgt, ist dabei zu tolerieren (Stabentheiner/R Rz 12a). Für ein Zweitstudium oder die Aufnahme eines Studiums nach bereits eingetretener Selbsterhaltungsfähigkeit sind strenge Maßstäbe anzulegen; die angestrebte Ausbildung muss 80
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Eltern und Kinder
§ 140
ein besseres Fortkommen erwarten lassen und es müssen entsprechende Leistungsgarantien vorliegen (SZ 51/90); die Interessen des Kindes und des Unterhaltspflichtigen müssen abgewogen werden (2 Ob 97/97x ÖA 1999, 28). Der konkrete Bedarf kann sich durch eigene Einkünfte – das können 7 Natural- oder Geldempfänge sein – mindern (1 Ob 547/91 SZ 64/94). Die Einkünfte können aus Vermögenserträgnissen (6 Ob 591/95 SZ 68/157) – den Stamm des Vermögens braucht das Kind nur heranzuziehen, soweit seine Einkünfte und die Unterhaltsleistungen der Eltern nicht zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ausreichen – oder aus einem Arbeitsverdienst oder aus öffentlich-rechtlichen Leistungen der Sozialversicherung, wie etwa eine Waisenpension, stammen. Für manche öffentlich-rechtliche Leistungen schließt das Gesetz eine Berücksichtigung bei der Unterhaltspflicht jedoch ausdrücklich aus (Schülerbeihilfe: § 1 Abs 2 SchBeihG 1983; Studienbeihilfe: § 1 Abs 4 StudFG; Kinderbetreuungsgeld: § 42 KBGG; zur Familienbeihilfe s Rz 18). Zu den zu berücksichtigenden Einkünften gehört auch die Lehrlingsentschädigung, soweit sie nicht als Ausgabe für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht zu bleiben hat (10 Ob 537/94 JBl 1995, 372). Auch Ferialeinkommen ist, soweit es nicht bloß kurzfristig bezogen wird (1 Ob 177/02i JBl 2003, 444), zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen etwa Schmerzensgeld (samt der Erhaltung dessen inneren Wertes dienenden Zinserträgen: 8 Ob 1/05p ZVR 2005/111 Danzl). Was die Deckung der Bedürfnisse des Kindes durch Leistungen Drit- 8 ter anlangt, ist zu unterscheiden: Wird der Bedarf auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, insb von Sozialhilfe- oder Jugendwohlfahrtsträgern, befriedigt, so hat das Kind insoweit keinen Unterhaltsanspruch (kein Anspruch auf Doppelversorgung: 1 Ob 570/95 SZ 68/157). Bei Zuwendungen naher Angehöriger, etwa der Großeltern, geht die Rspr im Zweifel davon aus, dass sie in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erbracht werden und keinen Einfluss auf die Unterhaltspflicht haben (6 Ob 501/96 ÖA 1997, 63). Nur wenn ein Dritter dem Kind in der Absicht Unterhalt leistet, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten, wird dieser von der Unterhaltspflicht befreit; sonst erwirbt der Dritte einen Anspruch nach § 1042 (s dort Rz 2 f). Für öffentlich-rechtliche Leistungen sehen einschlägige Gesetze idR einen Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Leistungsträger im Weg der Legalzession vor (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 14). Zu berücksichtigen ist auch die Deckung des Unterhaltsbedarfs des Kindes im Rahmen einer von ihm eingegangenen Lebensgemeinschaft (4 Ob 305/97z SZ 70/225). Hopf
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§ 140 III. Unterhaltspflicht
9 Wird das Kind nicht im Haushalt eines Elternteils betreut, so sind
grundsätzlich beide Eltern – nach ihren Kräften anteilig – geldunterhaltspflichtig, wobei bei der Bemessung der Unterhaltspflicht eines jeden auf die Pflicht des anderen Bedacht zu nehmen ist. Für die Berechnung können nicht die auf die Geldunterhaltspflicht eines Elternteils zugeschnittenen Prozentsätze (s Rz 17) herangezogen werden, sondern es sind zunächst die für den eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge von der Bemessungsgrundlage abzuziehen und der Gesamtbedarf des Kindes sodann im Verhältnis der Restsummen aufzuteilen (4 Ob 388/97f SZ 71/9; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 26). 10 Abs 2 S 1 wertet die tatsächliche Betreuung des Kindes (Zubereitung
der Nahrung, Instandhaltung und Reinigung der Kleidung, Pflege im Krankheitsfall, aber auch die „geistig-seelische“ Erziehung: 10 Ob 502/96 JBl 1996, 651) im Haushalt eines Elternteils – unabhängig von der damit tatsächlich verbundenen Mühe und Zeit, und zwar auch bei einem volljährigen Kind (8 Ob 618/90 EF XXVII/8) – als vollwertigen Beitrag iSd Abs 1. Dies gilt auch dann, wenn das Kind nur während bestimmter Tageszeiten oder an bestimmten Tagen betreut wird oder sich während des Schuljahres in einem Internat und nur in den Ferien und an verlängerten Wochenenden beim betreuenden Elternteil befindet (1 Ob 571/95 SZ 68/136). Dieser hat freilich die Kosten einer solchen Übertragung der Betreuung auf Dritte selbst zu tragen, wenn dies nicht aus berücksichtigungswürdigen, in der Person des Kindes gelegenen Gründen geschieht (4 Ob 532/90 JBl 1991, 40). Im Übrigen ist der betreuende Elternteil nach Abs 2 S 2 nur subsidiär zur Leistung von Geldunterhalt verpflichtet. Diese subsidiäre Unterhaltspflicht kommt insb dann ins Spiel, wenn der betreuende Elternteil über ein beträchtlich höheres Einkommen als der andere Teil verfügt (s 1 Ob 16/02p JBl 2002, 516). 11 Der Unterhalt ist, insb bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft, grundsätzlich in natura zu leisten (1 Ob 541/92 EvBl 1992/108); die Verletzung der Unterhaltspflicht oder auch schon die Gefahr einer solchen Verletzung (7 Ob 2141/96w ÖA 1997, 60) sowie die Haushaltstrennung bringen jedoch einen Unterhaltsanspruch in Geld zum Entstehen (6 Ob 2362/96p ÖA 1998, 23). Letzteres gilt auch bei Auszug des Kindes aus dem elterlichen Haushalt, sofern ihm dies im Hinblick auf sein Alter und die Lebensumstände zuzubilligen ist (Rspr schwankend: ähnlich wie hier EF 42.638; LGZ Wien 47 R 181/91 EF 65.071; anders etwa LGZ Wien 44 R 923/92 EF 70.641; LGZ Wien 45 R 507/03x EF 103.294: Auszug des Kindes löst Geldunterhaltspflicht beider Elternteile aus). 82
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§ 140
Auch bei bestehender Geldunterhaltspflicht sind Naturalleistungen 12 unter bestimmten Voraussetzungen auf die Unterhaltspflicht anzurechnen. Dies gilt insb bei einer rückwirkenden Unterhaltsbemessung, und zwar unabhängig davon, ob der betreuende Elternteil diesen Naturalleistungen zugestimmt hat (5 Ob 534/91 EF 66.369; 2 Ob 128/04v EF 107.065). Bei der Festsetzung des künftigen Unterhalts sind Naturalzuwendungen anrechenbar, wenn diese auch in Zukunft zu erwarten sind und der betreuende Elternteil zustimmt (6 Ob 20/97 ÖA 1998, 128). Leistungen, die mehreren Personen zugute kommen, wie etwa die Kosten für Beschaffung, Erhaltung und Miete einer Wohnung (sofern nicht ein Kind als Mitbewohner sein Benützungsrecht vom – gleichfalls unterhaltsberechtigten – Elternteil ableitet: 2 Ob 220/04y EF 107.054) oder Aufwendungen, um die Wohnung im benützungsfähigen Zustand zu erhalten (2 Ob 264/04v EvBl 2005/108), sind im Zweifel nach Köpfen zu teilen. Naturalunterhalt, der dem Kind während der Ausübung des Besuchsrechts gewährt wird, kann zur Minderung der Geldunterhaltspflicht führen. Bei einer solchen Reduktion – sie kommt im Allgemeinen nur bei einer längeren Dauer des Besuchsaufenthalts in Betracht (Stabentheiner/R ErgBd § 148 Rz 11; 6 Ob 182/02m JBl 2003, 140) – ist von den ersparten Aufwendungen des betreuenden Elternteils (also des Elternteils, dem die Obsorge zukommt oder – bei Obsorge beider Elternteile – bei dem sich das Kind iSd § 177 hauptsächlich aufhält) auszugehen (2 Ob 293/03g ÖA 2004, 262); desgleichen vermindern Kosten der Besuchsrechtsausübung (etwa Reisekosten) grundsätzlich nicht die Bemessungsgrundlage (7 Ob 102/06k EF-Z 2006, 91). Die abweichende, sich auf die Änderung der Rechtslage durch das KindRÄG 2001 berufende Meinung von Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 46/2 (s auch Deixler-Hübner, ecolex 2001, 110), der für eine weitergehende Berücksichtigung der Aufwendungen im Rahmen der Besuchsrechtsausübung eintritt, berücksichtigt nicht, dass § 177 zwingend den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes bei einem Elternteil verlangt („Heim erster Ordnung“, „Eingliederungsmodell“ statt „Wandelmodell“; s Erl 296 BlgNR 21. GP 65 f; §§ 177, 177a Rz 2 f, 5); dieser Elternteil leistet durch die Betreuung des Kindes in seinem Haushalt seinen Unterhaltsbeitrag, für eine Minderung der Geldunterhaltspflicht des anderen Elternteils durch dessen Naturalleistungen kann nur die dadurch bewirkte Aufwandsminderung beim betreuenden Elternteil maßgebend sein. Bei einer intensiveren Betreuung des Kindes durch den geldunterhaltspflichtigen Elternteil im Rahmen dessen Besuchsrechts billigt die Rspr diesem eine pauschalierte Anrechnung der Ersparnis des anderen Elternteils auf den Unterhaltsanspruch des Kindes zu (10 Ob 11/04x EF-Z 2006, 22 Gitschthaler: 10% bei einem Besuchstag wöchentlich). Hopf
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13 Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wird im Wesent-
lichen durch dessen Einkommen bestimmt. Bemessungsgrundlage ist die Summe aller tatsächlich in Geld oder geldwerten Leistungen erzielten Einkünfte, über die der Unterhaltspflichtige verfügen kann (4 Ob 129/02b ÖA 2002, 257). Dazu gehören auch geldwerte Naturalleistungen (9 Ob 123/98y EF 86.428), nicht aber Einnahmen, die der Abdeckung effektiver Auslagen oder eines beruflichen Mehraufwandes dienen (2 Ob 216/98y EF 86.389). Bei unselbständig Erwerbstätigen ist grundsätzlich der Nettobezug, also das Bruttogehalt einschließlich Überstundenentlohnung und Sonderzahlungen, abzüglich Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge, maßgebend, und zwar bei schwankendem Einkommen das Durchschnittseinkommen über einen längeren Zeitraum, etwa zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Bei einem selbständig Erwerbstätigen sind der ihm verbleibende Reingewinn oder – wenn diese höher sind – die Privatentnahmen aus dem Betrieb (ÖA 2002, 257), beides vermindert um Steuern und sonstige öffentlichen Abgaben, und zwar abgestellt auf die letzten drei Wirtschaftsjahre, heranzuziehen (Stabentheiner/R Rz 5a). Inwieweit eine Schmälerung der Bemessungsgrundlage etwa durch Rücklagenbildung anzuerkennen ist, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, insb betriebswirtschaftlichen Erfordernissen, zu beurteilen (vgl 3 Ob 89/97b EvBl 1997/175). Auch Einmalzahlungen, wie Abfertigungen, Jubiläumszuwendungen, Belohnungen sind einzubeziehen, und zwar je nach Art und Höhe aufgeteilt auf einen entsprechenden Zeitraum (1 Ob 2292/96g EvBl 1997/103). Zur Unterhaltsbemessungsgrundlage gehören – vorbehaltlich einer anderen Zweckbestimmung – auch öffentlich-rechtliche Leistungen, wie das Arbeitslosengeld, die Ausgleichszulage, Sozialhilfeleistungen sowie das Kinderbetreuungsgeld nach BGBl I 2001/103 (7 Ob 167/02p JBl 2003, 107). Auch Unterhaltsleistungen, die der Unterhaltspflichtige selbst (etwa vom geschiedenen Ehegatten) empfängt, sind in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (1 Ob 337/99m EvBl 2000/114). Auch der Anspruch eines Ehegatten auf Geldunterhalt nach § 94 Abs 3 (s § 94 Rz 23) ist Bestandteil der Bemessungsgrundlage für seine Kindesunterhaltsverpflichtungen (7 Ob 164/06b EF-Z 2006, 127; vgl demgegenüber noch 6 Ob 2126/96 JBl 1997, 35). 14 Zum Einkommen zählen auch die Erträgnisse eines Vermögens des
Unterhaltspflichtigen. Der Vermögensstamm ist nur heranzuziehen, wenn der Unterhalt nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden kann und die Heranziehung dem Unterhaltspflichtigen – unter Anlegung des Maßstabes eines pflichtbewussten, mit dem Kind 84
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zusammenlebenden Elternteils (4 Ob 557/94 SZ 67/38) – zumutbar ist (SZ 54/2). Unzumutbarkeit liegt etwa vor, wenn das Vermögen der Deckung des dringenden Wohnbedarfs (9 Ob 60/98h EF 85.925) oder der Erhaltung der Erwerbsmöglichkeit des Unterhaltspflichtigen dient (7 Ob 581/93 EF 37.941). Die Eröffnung des Konkurses oder eines Schuldenregulierungs- 15 verfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen beeinflusst dessen Leistungsfähigkeit als Grundlage der Unterhaltsbemessung (1 Ob 191/01x SZ 74/138; 1 Ob 86/04k EvBl 2004/201 – in Abweichung von der früheren Rspr). Zu prüfen ist, welche Mittel dem Unterhaltspflichtigen weiter für seine Lebensführung tatsächlich zur Verfügung stehen, insb welche Mittel ihm als Gemeinschuldner vom Masseverwalter nach § 5 Abs 1 oder 2 KO überlassen werden und welche Erwerbstätigkeit ihm zumutbar ist (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 234; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 50 f). Bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage ist insb auch der Zahlungsplan in einem Schuldenregulierungsverfahren – durch Abzug der zurückzuzahlenden Schulden – zu berücksichtigen (EvBl 2004/201; 7 Ob 289/05h EF-Z 2006, 25 Gitschthaler). Zu der nach der Rspr bei eigenem Einkommen des im Konkurs befindlichen Unterhaltsschuldners anzuwendenden Differenzmethode (Differenz von Existenzminimum und Unterhaltsexistenzminimum als Unterhaltsbemessungsgrundlage) s 6 Ob 52/06z EF-Z 2006, 23 Gitschthaler. Aus der Formel „nach ihren Kräften“ in Abs 1 folgt, dass der Unter- 16 haltspflichtige alle seine persönlichen Fähigkeiten, insb seine Arbeitskraft, aber auch die Möglichkeit, aus seinem Vermögen Erträge zu erzielen, einzusetzen hat, um seine Unterhaltspflicht zu erfüllen. Verletzt er diese Obliegenheit vorsätzlich oder fahrlässig (7 Ob 205/03b EF 103.569), so wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er nach den konkreten Umständen bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (Anspannungsgrundsatz: H. Pichler, ÖA 1976, 53; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 553; 1 Ob 599/90 SZ 63/74); Maßstab ist das Verhalten eines „pflichtbewussten, rechtschaffenen Familienvaters“ (2 Ob 79/05i EvBl 2006/36). Dies gilt insb dann, wenn der Unterhaltspflichtige grundlos keinem Erwerb nachgeht, wenn er sich mit einem geringeren Einkommen begnügt, als ihm möglich wäre oder wenn er eine gut entlohnte Beschäftigung ohne triftigen Grund aufgibt (10 Ob 523/95 ÖA 1996, 121). Ein – auch verschuldeter – Arbeitsplatzverlust führt jedoch (abgesehen vom Fall der Schädigungsabsicht: LGZ Wien 43 R 58/95 EF 77.104) nur dann zu einer „Anspannung“, wenn sich der Unterhaltspflichtige nicht in ausreichender Art und Weise um die Erlangung einer zumutbaren Beschäftigung beHopf
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müht. Zum Anpassungsgrundsatz bei Konkurrenz von Bestandspflichten und Unterhaltspflichten s § 137 Rz 3. Der Unterhaltspflichtige muss sich strengste Einschränkungen bei der Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse gefallen lassen, um die Unterhaltsberechtigten an den zur Verfügung stehenden Ressourcen teilhaben zu lassen (1 Ob 242/02y JBl 2003, 461). Leistungsgrenze ist jener Betrag, der zur Erhaltung der Körperkräfte und der geistigen Persönlichkeit des Unterhaltspflichtigen notwendig ist (5 Ob 48/04a JBl 2004, 734). 17 Nach der von der Rspr der zweiten Instanz (Schüch, ÖA 1978, 44) mit
Billigung des OGH (9 Ob 507/95 JBl 1995, 784 Gitschthaler) entwickelten Prozentmethode ist der Unterhalt im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle und als Orientierungswert (6 Ob 207/98d ÖA 1999, 127) nach Hundertsätzen der Unterhaltsbemessungsgrundlage, gestaffelt nach dem Alter der Kinder und nach konkurrierenden Unterhaltspflichten, zu bemessen. Demnach beträgt die Unterhaltspflicht für ein Kind bis sechs Jahre 16%, von sechs bis zehn Jahren 18%, von zehn bis fünfzehn Jahren 20% und über fünfzehn Jahren 22% der Bemessungsgrundlage. Von den Prozentsätzen sind bei konkurrierenden Unterhaltspflichten für jedes Kind unter zehn Jahren ein Prozentpunkt und für jedes Kind über zehn Jahren zwei Prozentpunkte sowie für einen Ehegatten je nach dessen eigenem Einkommen null bis drei Prozentpunkte abzuziehen (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 248 ff). Nach den Umständen des Einzelfalls kann es zu Abweichungen von den prozentmäßigen Ergebnissen kommen. Insb ist bei einem überdurchschnittlichen Einkommen im Hinblick auf den Angemessenheitsgrundsatz und zur Vermeidung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung die Prozentkomponente nicht voll auszuschöpfen (6 Ob 57/03f ÖA 2004, 23). Die zweitinstanzliche Rspr nimmt als allgemeine Obergrenze für die Unterhaltsfestsetzung (anders 7 Ob 193/02m JBl 2003, 113) das Zwei- bis Zweieinhalbfache des für das Kind geltenden Regelbedarfssatzes (s Rz 4) an („Unterhaltsstopp“; „Luxusgrenze“; 1 Ob 233/01y JBl 2002, 304; krit Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 257); die jüngste höchstgerichtliche Rspr tendiert zu einer Festlegung im Einzelfall (2 Ob 5/03d ÖA 2003, 273). 18 Seit VfGH G 7/02 JBl 2003, 505 ist die Familienbeihilfe zusammen
mit dem Unterhaltsabsetzbetrag zur – verfassungsrechtlich gebotenen – steuerrechtlichen Entlastung des vom Kind getrennt lebenden Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsbemessung – auch ohne einen diesbezüglichen Antrag, sofern nur der Unterhaltspflichtige einem Unterhalts(erhöhungs)antrag entgegentritt (1 Ob 208/03z JBl 2004, 86
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306; abweichend Gitschthaler, JBl 2003, 14; 4 Ob 134/03i EvBl 2003/175; 6 Ob 91/03f EvBl 2004/10) zu berücksichtigen (3 Ob 141/02k SZ 2002/161 = ecolex 2003, 93 Wilhelm). Nach den Vorgaben des VfGH und der Rspr des OGH hat dies im Prinzip wie folgt zu geschehen: Steuerfrei gestellt wird die Hälfte des – nach zivilrechtlichen Grundsätzen, insb nach der Prozentmethode (s Rz 17) – ermittelten Unterhaltsbetrags. ISd üblichen steuerrechtlichen Fiktion wird angenommen, dass der Kindesunterhalt jeweils aus dem höchstbesteuerten Einkommensteil des Unterhaltspflichtigen gezahlt wird. Da das Einkommen typischerweise auch steuerfreie oder steuerlich begünstigte Komponenten enthält, wird der Grenzsteuersatz – unter Außerachtlassung der Umstände des Einzelfalls – pauschal um ein Fünftel abgesenkt. Dies ergibt für die Unterhaltsbemessung beim Grenzsteuersatz von 50% einen Kürzungsfaktor von 20% (50% vermindert um ein Fünftel, davon die Hälfte). In gleicher Weise wird der Kürzungsfaktor bei den übrigen Grenzsteuersätzen für den Fall errechnet, dass der Unterhaltsbetrag im Wesentlichen nicht in dem höchstbesteuerten Einkommensteil Deckung findet. Von dem so ermittelten Betrag ist dann noch der – gleichfalls der steuerlichen Entlastung dienende – Unterhaltsabsetzbetrag abzuziehen. Der so errechnete Betrag ergibt das Ausmaß der Anrechnung der Familienbeihilfe. Hat der Unterhaltspflichtige mehrere unterhaltsberechtigte Kinder, so ist – ausgehend vom Jahreseinkommen und dem gesamten Jahresunterhalt – mit Hilfe der Kürzungsfaktoren und unter Berücksichtigung der jährlichen Unterhaltsabsetzbeträge – der gekürzte Gesamtunterhalt zu ermitteln und sodann auf die Kinder nach dem Verhältnis ihrer Unterhaltsansprüche aufzuteilen (JBl 2003, 174; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 32 ff). Da der Unterhaltsabsetzbetrag bei niedrigem Einkommen die notwendige steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen bereits voll bewirkt, kommt die dargestellte Unterhaltskürzung durch Berücksichtigung der Familienbeihilfe praktisch nur bei mittleren und höheren Einkommen in Betracht. Nach der Rspr wird die Familienbeihilfe auch auf den Unterhalt angerechnet, wenn dieser durch den Unterhaltsstopp (s Rz 17) begrenzt ist (7 Ob 193/02m JBl 2003, 113; krit Gitschthaler, JBl 2003, 16; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 39). Die Festlegung einer Grenze, bis zu der die Familienbeihilfe – im Hinblick auf ihre Funktion auch als Betreuungshilfe – anzurechnen ist, lehnt die Rspr ab (4 Ob 52/02d EF 99.964; s hiezu den Vorschlag von Holzner, ÖJZ 2002, 450: bis zur Hälfte). Das SteuerreformG 2005, BGBl I 2004/57, hat an den für die steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen durch Anrechnung der Familienbeihilfe maßgeblichen Regelungselementen im Prinzip Hopf
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nichts geändert (das neue System der Durchschnittssteuersätze nach § 33 Abs 1 EStG 1988 lässt sich ohne weiteres im früheren System der Grenzsteuersätze – mit etwas veränderten Prozentsätzen – darstellen), so dass es keinen Anlass zu einer Änderung der Anrechnungsmethode bietet (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 43 f; LG St. Pölten 23 R 333/05a EF 110.612). 19 Gesetzlichen Unterhaltsansprüchen – gleich, ob sie in einer gericht-
lichen Entscheidung oder in einem Vergleich konkretisiert sind – wohnt stillschweigend die „Umstandsklausel“ inne (stRspr; 6 Ob 207/98d EF 86.646; Stabentheiner/R Rz 156). Der Anspruch kann daher im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu festgelegt werden. Diese können in einer Änderung des relevanten Sachverhalts, insb einer Änderung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (etwa auf Grund wesentlicher Einkommenserhöhung oder -minderung, des Hinzutretens oder Wegfalls von Unterhaltspflichten) oder in einer Änderung der Bedürfnisse des Kindes (etwa wegen höheren Alters oder eigener Einkünfte) oder in einer Änderung der Rechtslage (8 Ob 663/92 EF 68.459) einschließlich einer tief greifenden Änderung der Rspr (8 Ob 596/93 EF 71.469 = EF 71.470) bestehen. Die Neufestsetzung des Unterhalts kann auch rückwirkend – ab dem Zeitpunkt des Eintretens der Änderung, begrenzt durch die dreijährige Verjährungsfrist des § 1480 – geltend gemacht werden. Ist schon einem Vortitel ein falscher Sachverhalt zu Grunde gelegen, so kann die Neufestsetzung im Wege eines Abänderungsantrags (§§ 72 ff AußStrG) begehrt werden (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 77; vgl die Rspr vor dem neuen AußStrG 6 Ob 159/02d EF 104.058 f). Ist der Unterhalt in einem Vergleich festgesetzt worden, so ist bei der Neubemessung auf Grund geänderten Einkommens des Unterhaltspflichtigen die seinerzeitige Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe zu beachten (6 Ob 57/03f ÖA 2004, 23). Der Rückforderung überhöhter Unterhaltsbeiträge kann das Kind den Einwand des gutgläubigen Verbrauches entgegensetzen (3 Ob 2065/96i JBl 1996, 727); s auch § 1437 Rz 5. 20 Die Unterhaltspflicht endet – unabhängig vom Alter des Kindes
(SZ 44/39) – mit Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes. Diese liegt vor, wenn das Kind die zur Deckung seines Unterhalts – außerhalb des elterlichen Haushalts (1 Ob 560/92 SZ 65/114) – notwendigen Mittel selbst erwirbt oder auf Grund einer zumutbaren Beschäftigung hiezu im Stande ist (3 Ob 7/97v JBl 1997, 650 Hoyer). Maßgebend sind dabei die Lebensverhältnisse der Eltern und des Kindes. Als Orientierungshilfe dient der Rspr bei einfachen Lebensverhältnissen die Höhe der Mindestpension nach § 293 Abs 1 lit a 88
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Eltern und Kinder
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sublit bb und lit b ASVG (3 Ob 547/90 SZ 63/101; 7 Ob 78/05d EF 110.599; Stabentheiner/R Rz 12). Präsenz- und Zivildiener sind als solche – bei durchschnittlichen Lebensverhältnissen – selbsterhaltungsfähig (1 Ob 2307/96p SZ 70/8). Im Allgemeinen tritt die Selbsterhaltungsfähigkeit mit Abschluss der Berufsausbildung ein, doch muss dem Kind eine angemessene Zeit eingeräumt werden, um eine entsprechende zumutbare Erwerbstätigkeit zu finden (3 Ob 7/97v JBl 1997, 650 Hoyer). Zur Anwendbarkeit des Anspannungsgrundsatzes in diesem Zusammenhang s Stabentheiner/R Rz 12. Eine einmal eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit kann auch wieder verloren gehen, so dass – mangels Verschuldens des Kindes (SZ 70/8) – die Unterhaltspflicht der Eltern wieder auflebt. IV. Vereinbarung, Verzicht, Verfahren Der Kindesunterhalt kann auch durch eine Vereinbarung zwischen 21 Unterhaltspflichtigem und Kind festgelegt werden. Die mit dem mj Kind – durch seinen gesetzlichen Vertreter – geschlossene Vereinbarung bedarf – außer bei Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger (§ 214 Abs 2) – bei sonstiger Unwirksamkeit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (§ 154 Abs 3; 1 Ob 18/02p JBl 2002, 516). Schließen die Eltern im eigenen Namen eine solche Vereinbarung miteinander, so läuft dies auf eine – das Kind nicht bindende und daher zu ihrer Wirksamkeit keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfende – Verteilung der Unterhaltslast zwischen Vater und Mutter hinaus (hierher gehört etwa auch die Abrede der „Schad- und Klagloshaltung“ zugunsten des – an sich – Unterhaltspflichtigen, 1 Ob 501/94 JBl 1995, 46). Dies kann sittenwidrig und damit unwirksam sein, wenn die Unterhaltslast völlig einseitig einem Elternteil auferlegt wird (JBl 1995, 46). Auf den – im Persönlichkeitsrecht wurzelnden – Unterhaltsanspruch 22 des (auch volljährigen) Kindes kann für die Zukunft nicht wirksam dem Grunde nach verzichtet werden (K/W I 536; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 72), wohl aber – bei Mj mit gerichtlicher Genehmigung – auf einzelne Unterhaltsleistungen (4 Ob 231/99w EF 88.990), sofern ein solcher Verzicht nicht, wie insb beim notwendigen Unterhalt, sittenwidrig ist. Der Unterhaltsanspruch nach § 140 ist – gleich ob der Unterhaltsbe- 23 rechtigte minderjährig oder volljährig ist – ausschließlich im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen (§ 114 JN idF BGBl I 2003/112). S hiezu §§ 101–103 AußStrG. Zum einstweiligen Unterhalt s § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO.
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§ 141. Soweit die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhalts nicht imstande sind, schulden ihn die Großeltern nach den den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Bedürfnissen des Kindes. Im übrigen gilt der § 140 sinngemäß; der Unterhaltsanspruch eines Enkels mindert sich jedoch auch insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Großelternteil nur insoweit Unterhalt zu leisten, als er dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet. [idF BGBl 1977/403] Lit: Eypeltauer, Unterhaltspflicht der Großeltern gegenüber volljährigen Enkelkindern trotz Leistungsfähigkeit der Eltern? ÖJZ 1988, 641; Gitschthaler, Unterhaltsrecht 204 ff; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 112 ff.
1 Die Unterhaltspflicht der Großeltern ist subsidiär. Sie greift ein,
soweit die Eltern nach ihren Kräften zur Unterhaltsleistung nicht im Stande, sie also entweder verstorben oder wirtschaftlich trotz Anspannung ihrer Kräfte nicht leistungsfähig sind (2 Ob 135/97k ÖA 1998, 30), nicht aber schon bei bloßen Schwierigkeiten der Unterhaltsbemessung oder -hereinbringung (JAB 587 BlgNR 14. GP 5 f; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 112; 6 Ob 2206/96x ÖA 1997, 193); in diesem Fall gehen Unterhaltsvorschüsse nach dem UVG der Unterhaltspflicht der Großeltern vor. Bei Kindern ohne Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse kommt die Unterhaltspflicht der Großeltern schon bei Erfolglosigkeit oder Aussichtslosigkeit der Exekution gegen die (leistungsfähigen) Eltern zum Tragen (Eypeltauer, ÖJZ 1998, 645; abl H. Pichler/K 3 Rz 1; Stabentheiner/R Rz 1a). Weitere Voraussetzung des Unterhaltsanspruchs gegen die Großeltern ist, dass dem – über ein Vermögen verfügenden – Enkelkind die Heranziehung des Stammes seines Vermögens nicht zumutbar ist, also wenn dieses etwa seiner Bedürfnisbefriedigung oder einer späteren Daseinsvorsorge dienen soll (JAB aaO 6) oder die Verwertung des Vermögens gerade besonders ungünstig ist (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 114). 2 Die Höhe des Unterhaltsanspruchs richtet sich nach den Lebensver-
hältnissen der Eltern vor Eintritt ihrer Leistungsunfähigkeit, zu berücksichtigen sind aber auch die Lebensverhältnisse der Großeltern (4 Ob 388/97f SZ 71/9). Die sinngemäße Anwendung des § 140 bedeutet insb, dass die Großeltern den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten haben, dass also auch für sie der Anspannungsgrundsatz gilt (6 Ob 522/95 EF 77.960), dass zwischen den vier Großelternteilen keine Reihenfolge besteht und dass sich die Unterhaltspflicht nach den 90
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Verhältnissen ihrer Leistungsfähigkeit bemisst (1 Ob 2339/96v RZ 1997, 250). Entsprechend § 140 Abs 2 leistet auch derjenige Großelternteil, bei dem das Enkelkind in Pflege und Erziehung ist, dadurch seinen Beitrag (1 Ob 299/99y ÖA 2000, 76). Durch die Unterhaltspflicht der Großeltern darf deren eigener ange- 3 messener Unterhalt nicht gefährdet werden (beneficium competentiae; SZ 71/9). Unter Umständen, also insb wenn Einkommen und Vermögen der Eltern nicht ausreichen, müssen auch die Großeltern den Stamm ihres Vermögens angreifen (SZ 54/52). § 142. Die Schuld eines Elternteils, dem Kind den Unterhalt zu leisten, geht bis zum Wert der Verlassenschaft auf seine Erben über. In den Anspruch des Kindes ist alles einzurechnen, was das Kind nach dem Erblasser durch eine vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtanteil oder durch eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält. Reicht der Wert der Verlassenschaft nicht aus, um dem Kind den geschuldeten Unterhalt bis zum voraussichtlichen Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit zu sichern, so mindert sich der Anspruch des Kindes entsprechend. [idF BGBl 1977/403] Lit: Gitschthaler, Unterhaltsrecht 201 ff; Meyer, Der überschuldete Nachlass, NZ 1979, 89; Ostheim, Zur Unterhaltsschuld des Erben, NZ 1979, 49; H. Pichler, Probleme des Unterhalts, ÖA 1987, 91; Schauer, Rechtsprobleme bei der Anrechnung im Erbrecht, JBl 1980, 449; Zemen, Unterhaltsschuld des Erben und Pflichtteilsansprüche, JBl 1984, 337.
Die auf die Erben eines Elternteils übergegangene Unterhaltsschuld 1 gegenüber dem Kind ist eine Erbgangsschuld und keine Nachlassverbindlichkeit; sie entsteht als Schuld neu in der Person des Erben (Stabentheiner/R Rz 3; aM Kostner, NZ 1978, 171; Zdesar, NZ 1979, 23). Sie genießt den Vorrang gegenüber Vermächtnissen des Erblassers (außer solchen des gesetzlichen Unterhalts im Ausmaß des § 142), nicht aber gegenüber Pflichtteilsansprüchen (Zemen, JBl 1984, 343 ff), und bezieht sich nicht nur auf den Geld-, sondern auch auf den Naturalunterhalt (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 109). Maßgebend für die Höhe der Schuld, und zwar für die Angemessen- 2 heit des Bedarfs wie für die Leistungsfähigkeit des Elternteils, sind die Lebensverhältnisse, wie sie zuletzt vor dem Tod des unterhaltspflichtigen Elternteils bestanden haben (6 Ob 131/01k ecolex 2002, 659); die sich ändernden Bedürfnisse des Kindes sind aber zu berückHopf
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sichtigen (7 Ob 290/00y JBl 2001, 511; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 110). Haftungsobergrenze ist der Wert der Verlassenschaft (vgl § 796), gleich, ob der Erbe eine bedingte oder unbedingte Erbserklärung abgegeben hat, und zwar der Wert des reinen Nachlasses im Zeitpunkt der Einantwortung, dh der Wert der Nachlassaktiven abzüglich der Erblasserschulden und der Erbfallsschulden, ausgenommen die Pflichtteilsansprüche und die aus dem letzten Willen entspringenden Lasten (SZ 54/107; ecolex 2002, 659). Reicht der Nachlass nicht aus, um den Unterhalt des Kindes bis zur voraussichtlichen Selbsterhaltungsfähigkeit zu decken, so ist der Anspruch so zu kürzen, dass dem Kind eine ins Gewicht fallende Unterhaltsleistung möglichst lange gewährt werden kann (JAB 587 BlgNR 14. GP 7; JBl 2001, 511). Ist der Nachlass überschuldet, kommt es zu keinem Übergang der Unterhaltspflicht. 3 Mehrere unterhaltspflichtige Erben haften anteilig mit ihrer Erbquo-
te (JBl 2001, 511). Mehrere Unterhaltsberechtigte, deren Ansprüche im Wert der Verlassenschaft keine Deckung finden, sind verhältnismäßig zu berücksichtigen (SZ 54/107). 4 In den Unterhaltsanspruch sind erbrechtliche, vertragliche und auch
öffentlich-rechtliche Zuwendungen nach dem Erblasser einzurechnen, wie etwa der Pflichtteil, Leistungen auf Grund einer Lebensversicherung oder eine Waisenpension (JBl 2001, 511; Stabentheiner/R Rz 5). 5 Der Anspruch nach § 142 ist – im Hinblick auf seinen erbrechtlichen
Charakter – im streitigen Verfahren geltend zu machen (SZ 22/43; JBl 2001, 511). § 143. (1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. (2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten. (3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung sei92
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ner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet. [idF BGBl 1977/403] Lit: Gitschthaler, Unterhaltsrecht 286 ff; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 117 ff.
Im Hinblick auf das System der sozialen Sicherheit mit seinem hohen 1 Deckungsgrad gerade in der Altersversorgung kommt den Unterhaltsansprüchen der Vorfahren gegenüber den Nachkommen nur geringe praktische Bedeutung – idR nur als Anspruch auf ergänzenden Unterhalt – zu (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 117); sie kommen nur ausnahmsweise in Betracht (JAB 587 BlgNR 14. GP 7; 1 Ob 156/97s SZ 70/146; dazu Pfersmann, ÖJZ 2000, 82). Der Unterhaltsanspruch eines Vorfahren setzt mangelnde Selbster- 2 haltungsfähigkeit voraus, dh der Eltern- oder Großelternteil ist nicht in der Lage, die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu befriedigen (1 Ob 135/01m EvBl 2001/200), weil er nicht hinreichend erwerbsfähig ist, kein ausreichendes Einkommen bezieht (zur Ausgleichszulage s 3 Ob 157/05t Zak 2006, 13) und nicht über ein Vermögen verfügt, dessen Verwertung ihm zumutbar ist (s hiezu § 141 Rz 1). Der Unterhaltsanspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vorfahre den Mangel seiner Selbsterhaltungsfähigkeit selbst verschuldet hat (EvBl 1963/2). Kein Anspruch, und zwar auch kein teilweiser (Stabentheiner/R Rz 3), besteht, wenn der Vorfahre seinerzeit seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder Enkel gröblich vernachlässigt hat (vgl § 198 Abs 1 StGB). Die Unterhaltspflicht der Nachkommen ist subsidiär; sie geht der 3 eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten und von Vorfahren des Unterhaltsbedürftigen nach (vgl zur Subsidiarität der Beistandpflicht § 137 Rz 3). Zum Vorrang des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten gegenüber den Verwandten s § 71 EheG. Unter den Nachkommen geht die Pflicht der Kinder gegenüber jener der Enkel vor. Mehrere Nachkommen gleichen Ranges schulden den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften (SZ 70/146; EvBl 2001/200); leistet ein Kind mehr, so kann es den Mehrbetrag von den Geschwistern verlangen (GlUNF 2018). Der Unterhalt kann in Geld oder in natura, etwa durch häusliche 4 Pflege (§ 140 Abs 2), geleistet werden. Naturalunterhalt kann aber weder von den Eltern (Großeltern) verlangt noch von den Nachkommen diesen aufgedrängt werden (SZ 23/166; SZ 70/146). Das Ausmaß der Unterhaltspflicht richtet sich nach den Lebensverhältnissen soHopf
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wohl des verpflichteten Kindes wie auch des bedürftigen Eltern- bzw Großelternteils und ist nicht auf den notdürftigen Unterhalt beschränkt (SZ 70/146; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht 119: 22% des anrechenbaren Einkommens des Kindes). Der Anspruch mindert sich, soweit der Vorfahre partiell selbsterhaltungsfähig ist und soweit der Nachkomme bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessen Unterhalt gefährden würde (beneficium competentiae; vgl § 141 Rz 3). 5 Der Unterhaltsanspruch der Vorfahren gegenüber den Nachkommen
ist im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen (§ 114 JN). Obsorge § 144. Die Eltern haben das minderjährige Kind zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen. Bei Erfüllung dieser Pflichten und Ausübung dieser Rechte sollen die Eltern einvernehmlich vorgehen. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Fischer-Czermak, Zur Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, ÖJZ 2002, 293; Graf, Zwei Fragen der Pflege und Erziehung von Kindern durch Dritte, in Harrer/Zitta, Familie 759; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Mottl, Die Sorge der Eltern für ihre Kinder (1992); H. Pichler, Die Kinder der Zeugen Jehovas – Probleme der Obsorge und der Bluttransfusion, ÖA 1994, 171; Schwarzl, Obsorge, Kuratel und Sachwalterschaft nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 19; Schwimann, Das Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz – eine Melodie mit verpatzter Orchestrierung, NZ 1990, 218; Weitzenböck, Die Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem KindRÄG 2001, insbesondere in Angelegenheiten der medizinischen Behandlung, in Ferrari/Hopf, Reform 1.
1 Die Obsorge umfasst Pflege und Erziehung, Vermögensverwaltung
und gesetzliche Vertretung. Sie ist Pflicht und Recht der Eltern. Die gesetzliche Vertretung kann sich auf die Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung – als das „Außenverhältnis“ dieser Angelegenheiten, im Gegensatz zur tatsächlichen Wahrnehmung dieser Aufgaben als dem „Innenverhältnis“ – beziehen. Es gibt jedoch eine gesetzliche Vertretung auch außerhalb dieser Bereiche („bloße“ gesetzliche Vertretung), so etwa in den Angelegenheiten des § 154 Abs 2 94
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Eltern und Kinder
§ 145
oder sonst bei Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten des Kindes (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 535; Stabentheiner/R ErgBd Rz 1a). Im Allgemeinen fallen Außen- und Innenkompetenz des Obsorgeträgers zusammen, im Fall des § 145a sowie bei einer Maßnahme nach § 176 Abs 3 letzter HS kann es jedoch zu einer Spaltung von Innenund Außenverhältnis kommen. Die Pflicht der Eltern, einvernehmlich vorzugehen, ist Ausdruck des 2 Partnerschaftsgedankens. Das Wort „sollen“ bedeutet, dass zum einen die Eltern sich um das Einvernehmen zu bemühen haben, zum anderen, dass dabei nichts Unzumutbares verlangt wird (Ent in Ent/Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, 1976, 91). Das Einvernehmlichkeitsgebot bezieht sich grundsätzlich nur auf das Innenverhältnis der Eltern, gegenüber Dritten sind daher Vertretungshandlungen nach § 154 Abs 1 (nicht auch solche nach Abs 2 und 3) auch dann wirksam, wenn sich die Eltern uneinig sind oder ein Elternteil das Einvernehmen gar nicht gesucht hat (Verschraegen/S Rz 4). Erzielen die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen, so kann nach § 176 Abs 2 jeder Elternteil das Gericht anrufen (§ 176 Rz 1). Den sich aus § 144 ergebenden Rechten kommt absoluter Schutz zu 3 (3 Ob 505/96 SZ 70/163). Der aus ihrer Verletzung entstehende Ersatzanspruch umfasst Abwehr-, Beseitigungs- und Folgekosten („Abwicklungsinteresse“; s Welser, ÖJZ 1975, 8), nicht auch das Bestandinteresse (SZ 70/163). Daher sind einem Elternteil etwa die Kosten der – nach § 146b erfolgten – Rückholung des vom anderen Elternteil widerrechtlich ins Ausland verbrachten Kindes zu ersetzen. § 145. (1) Ist ein Elternteil, der mit der Obsorge für das Kind gemeinsam mit dem anderen Elternteil betraut war, gestorben, ist sein Aufenthalt seit mindestens sechs Monaten unbekannt, kann die Verbindung mit ihm nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten hergestellt werden oder ist ihm die Obsorge ganz oder teilweise entzogen, so ist der andere Elternteil insoweit allein mit der Obsorge betraut. Ist in dieser Weise der Elternteil, der mit der Obsorge allein betraut ist, betroffen, so hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes zu entscheiden, ob der andere Elternteil oder ob und welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) mit der Obsorge zu betrauen ist; Letzteres gilt auch, wenn beide Elternteile betroffen sind. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Großelternpaar (diesen Großelternteil). Hopf
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Eltern und Kinder
§ 145
(2) Auf Antrag des Elternteiles, auf den die Obsorge nach Abs 1 erster Satz übergegangen ist, hat das Gericht diesen Übergang festzustellen. (3) Geht die Obsorge auf den anderen Elternteil über oder überträgt das Gericht die Obsorge, so sind, sofern sich der Übergang oder die Übertragung der Obsorge darauf bezieht, das Vermögen sowie sämtliche die Person des Kindes betreffenden Urkunden und Nachweise zu übergeben. [idF BGBl I 2000/135] Lit: S bei § 144.
1 Ist von beiden mit der Obsorge betrauten Eltern ein Teil an der Aus-
übung der Obsorge tatsächlich – wegen Todes, unbekannten Aufenthalts oder unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten der Kontaktaufnahme, nicht etwa schon bei Auszug aus der ehelichen Wohnung – gehindert oder wird ihm die Obsorge entzogen (§ 176), so ist unmittelbar kraft Gesetzes der andere Elternteil allein mit der Obsorge betraut. Das bedeutet, dass im Innenverhältnis bei der Ausübung der Obsorge das Einvernehmenserfordernis (§ 144) und bei der Vertretung des Kindes nach außen das in bestimmten Angelegenheiten vorgesehene (§ 154 Abs 2 und 3) Erfordernis der Zustimmung des anderen Elternteils entfällt. Fällt die Behinderung des Elternteils weg, so tritt dieser kraft Gesetzes wieder in seine Rechte und Pflichten ein (LGZ Wien 43 R 714, 759-762/92 EF 68.619). Ist – nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe oder im Fall nicht bloß vorübergehender Trennung der Eltern – nur ein Elternteil mit der Obsorge betraut und tritt in dessen Person eine der angeführten Behinderungen ein, so kommen für die Übertragung der Obsorge der andere Elternteil, die Großeltern oder die Pflegeeltern in Betracht; diesfalls bedarf es einer – am Kindeswohl orientierten (2 Ob 527/93 JBl 1994, 328) – Entscheidung des Gerichtes. Gleiches gilt, wenn beide mit der Obsorge betrauten Eltern ausfallen. § 145 gilt auch für uneheliche Kinder. 2 Ist ein Elternteil allein vom Gericht mit der Obsorge betraut (§§ 177 ff),
so kommt bei dessen Ausfall dem anderen Elternteil, wenn bei ihm das Wohl des Kindes gewährleistet ist, der Vorrang gegenüber Großund Pflegeeltern zu (7 Ob 629/93 JBl 1994, 608; Verschraegen/S Rz 8). Dies gilt auch für den außerehelichen Vater (7 Ob 31/02p EF 100.189). Soweit die Groß- oder Pflegeeltern für die Obsorge heranzuziehen sind, kommt im Allgemeinen – wenn das Kindeswohl nichts anderes gebietet – einem Paar der Vorrang gegenüber einem Groß- bzw Pflegeelternteil zu (Verschraegen/S Rz 11; LGZ Wien 43 R 819/96a EF 96
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Eltern und Kinder
§ 145a
80.925). Hat das Gericht ein Großelternpaar mit der Obsorge betraut – Gleiches gilt für Pflegeeltern – und ist ein Teil iSd Abs 1 S 1 an der Ausübung der Obsorge verhindert –, so geht die Obsorge nach Abs 1 letzter S kraft Gesetzes allein auf den anderen Groß- bzw Pflegeelternteil über (Stabentheiner/R ErgBd Rz 3; aM H. Pichler/K 3 Rz 11; Verschraegen/S Rz 12). Als Pflegeelternteil iSd § 145 kommt nach §§ 186 f auch der Stiefvater oder die Stiefmutter in Betracht (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 537 f; insofern überholt 1 Ob 202/99h EF 89.657). Zu den Urkunden und Nachweisen, die dem neuen Obsorgeträger 3 gemäß S 3 zu übergeben sind, gehören in erster Linie personenstandsrechtliche Urkunden (Geburtsurkunde), der Staatsbürgerschaftsnachweis, der Reisepass, Nachweise über ärztliche Behandlungen und Krankheiten, der Impfpass und Schulzeugnisse (Erl 296 BlgNR 21. GP 52). § 145a. Solange ein Elternteil nicht voll geschäftsfähig ist, hat er nicht das Recht und die Pflicht, das Vermögen des Kindes zu verwalten und das Kind zu vertreten. [idF BGBl 1989/162] Lit: Simotta, Zweifelsfragen der „Eigenberechtigung“, ÖJZ 1990, 661 und 724.
Einem Elternteil kann die volle Geschäftsfähigkeit fehlen, weil er 1 minderjährig ist, ihm ein Sachwalter nach § 268 Abs 3 Z 1, 2 oder 3 (Simotta, ÖJZ 1990, 661 ff) bestellt wurde oder er „den Gebrauch der Vernunft nicht hat“ (§ 865), er also wegen einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung die Vermögensverwaltung oder die Vertretung des Kindes nicht ohne Gefahr eines Nachteils für dieses besorgen kann (Stabentheiner/R Rz 1). Der Ausschluss von der Vertretung bezieht sich nicht nur auf die 2 Vertretung in Angelegenheiten der Vermögensverwaltung, sondern auch auf jene der Pflege und Erziehung wie auch auf die Vertretung in anderen Angelegenheiten (§ 144 Rz 1). Der betreffende Elternteil ist demnach zur Gänze von der Vermögensverwaltung (im Innen- wie im Außenverhältnis) und generell von der Vertretung, nicht jedoch von der Pflege und Erziehung im Innenverhältnis, ausgeschlossen, und zwar unabhängig vom Aufgabenkreis des Sachwalters. Im Umfang des Ausschlusses wachsen die Obsorgeaufgaben entweder dem anderen Elternteil allein zu oder das Gericht hat zu entscheiden, ob mit diesen Aufgaben der andere, bisher nicht mit der Obsorge betraute Hopf
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Eltern und Kinder
§ 145b
Elternteil oder Groß- oder Pflegeeltern zu betrauen sind. Soweit eine solche Übertragung nicht in Betracht kommt, sind nach § 187 andere Personen mit der Obsorge in den genannten Teilbereichen zu betrauen (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 535). § 145b. Bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten nach diesem Hauptstück ist zur Wahrung des Kindeswohls alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Minderjährigen zu anderen Personen, denen nach diesem Hauptstück das Kind betreffende Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von deren Aufgaben erschwert. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Haidenthaller, Schwerpunkte der Kindschaftrechts-Reform 2001, JBl 2001, 622; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Schwarzl, Obsorge, Kuratel und Sachwalterschaft nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 19.
1 Das sog Wohlverhaltensgebot (vgl Erl 296 BlgNR 21. GP 34, 53)
richtet sich an jeden, der das Kind betreffende Rechte nach dem III. Hauptstück innehat. Es gilt also sowohl für den Obsorgeträger wie auch für den nicht mit der Obsorge betrauten Eltern- bzw Großeltern- oder Pflegeelternteil, schützt daher nicht nur das Verhältnis des Obsorgeträgers zum Kind bei der Wahrnehmung seiner Pflegeund Erziehungsaufgaben, sondern auch dasjenige des anderen Elternteils bei Ausübung seines Besuchsrechts oder bei Wahrnehmung seiner Informations- und Äußerungsrechte. Es gilt aber auch für Eltern, die beide mit der Obsorge betraut sind, im Verhältnis zueinander. 2 Als Verhaltensweisen, die demnach im Interesse des Kindeswohls zu
unterlassen sind, kommen Vereinnahmungen, Aufwiegelungen oder Aufhetzung des Kindes in Betracht; weiters auch ein unmittelbares Verhalten gegenüber dem anderen Elternteil, das sich mittelbar oder unmittelbar (auch) auf das Kind auswirkt, wie etwa herabwürdigende oder beleidigende Äußerungen (Stabentheiner/R ErgBd Rz 5; 9 Ob 201/02b EF 100.194). 3 Sanktionen für Verletzungen des Wohlverhaltensgebots sehen § 148
Abs 2 (Einschränkung oder Untersagung des Besuchsrechts; EF 100.194) und § 253 (Obsorgeentziehung) vor. Darüber hinaus kommen bei Gefährdung des Kindeswohls auch Verfügungen nach § 176 Abs 1 sowie ein – nach der EO (§ 80 AußStrG), allenfalls nach § 110 AußStrG durchzusetzender – Unterlassungsanspruch (Kerschner, FamR Rz 2/66; Schwarzl in Ferrari/Hopf, Reform 28; Stabentheiner/R ErgBd Rz 5) in Betracht. 98
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Eltern und Kinder
§ 146
§ 145c. Wird einem minderjährigen Kind ein Vermögen zugewendet und ein Elternteil von der Verwaltung ausgeschlossen, so ist der andere Elternteil mit der Verwaltung betraut. Sind beide Elternteile oder jener Elternteil, der mit der Obsorge allein betraut ist, ausgeschlossen, so hat das Gericht andere Personen mit der Verwaltung zu betrauen. [idF BGBl I 2000/135]
Die Bestimmung gilt sowohl, wenn ein Elternteil wie auch wenn ein 1 Dritter dem Kind Vermögen zuwendet. Aus welchem Grund ein Elternteil von der Verwaltung des Vermögens ausgeschlossen worden ist, ist unerheblich; der Ausschluss kann auch unbegründet erfolgt sein (Stabentheiner/R ErgBd Rz 6; LGZ Wien 45 R 741/01f EF 100.196; aM Verschraegen/S Rz 3). Sind beide Elternteile mit der Obsorge betraut, so bewirkt der Aus- 2 schluss eines von ihnen, dass ex lege die Verwaltung des zugewendeten Vermögens dem anderen allein zukommt; sonst, also wenn beide oder der allein mit der Obsorge betraute Elternteil ausgeschlossen sind, hat das Gericht nach Maßgabe des Kindeswohls zu entscheiden. Wünsche des Zuwendenden sind dabei nach § 188 Abs 1 S 2 zu berücksichtigen, wenn sie dem Kindeswohl entsprechen. § 146. (1) Die Pflege des minderjährigen Kindes umfaßt besonders die Wahrung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf. (2) Das Ausmaß der Pflege und Erziehung richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Eltern. (3) Die Eltern haben in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung auch auf den Willen des Kindes Bedacht zu nehmen, soweit dem nicht dessen Wohl oder ihre Lebensverhältnisse entgegenstehen. Der Wille des Kindes ist umso maßgeblicher, je mehr es den Grund und die Bedeutung einer Maßnahme einzusehen und seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen vermag. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Mottl, Die Sorge der Eltern für ihre Kinder (1992); H. Pichler, Religionsfreiheit – Elternrechte – Kinderrechte, ÖJZ 1997, 450; Posch, Zur Neuregelung der „rein persönlichen“ RechtsbezieHopf
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Eltern und Kinder
§ 146
hungen zwischen Eltern und Kindern nach dem BG 30.6.1977 BGBl 403, in Ostheim, Familienrechtsreform 9; Weitzenböck, Die Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem KindRÄG 2001, insbesondere in Angelegenheiten der medizinischen Behandlung, in Ferrari/Hopf, Reform 1.
1 Die – nicht immer leicht zu treffende – Unterscheidung zwischen
Pflege und Erziehung ist rechtlich nicht weiter von Bedeutung. Zur Pflege zählt etwa die medizinische Behandlung (s § 146c), zur Erziehung die Bestimmung des Aufenthalts des Kindes (§ 146b), also etwa auch die Entscheidung über eine Auslandsreise (LGZ Wien EF 48.451), sowie die Auswahl der Schule (RZ 1992, 209). Ausfluss des Erziehungsrechts ist auch das Recht, dem Kind den Vornamen zu geben (Edlbacher, Recht des Namens, 1978, 53 f). 2 Das Gesetz gibt keine konkreten Ziele oder Methoden der Erzie-
hung vor. In dieser Beziehung setzen Art 8 (Achtung des Privat- und Familienlebens) und Art 9 (Anspruch auf Gedanken-, Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit) sowie Art 2 1. ZPMRK (Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht entsprechend der religiösen und weltanschaulichen Überzeugung sicherzustellen) dem Gesetzgeber Schranken (1 Ob 623/95 SZ 69/20). So grenzen im Wesentlichen bloß § 146a hinsichtlich der Erziehungsmethoden und § 178a hinsichtlich des Inhalts der Erziehung die Befugnisse der Eltern ein. Einen Rahmen für Pflege und Erziehung bilden nach Abs 2 die Lebensverhältnisse der Eltern. Darunter sind sowohl die Leistungsfähigkeit der Eltern wie auch deren sonstigen Lebensumstände, etwa das Ausmaß ihrer beruflichen Inanspruchnahme, zu verstehen. Darüber hinaus darf die Erziehung wohl nicht im Widerspruch zu den Grundwerten unserer Gesellschaft und unserer Rechtsordnung stehen (vgl Verschraegen/S Rz 4). 3 Eine weitere Vorgabe für die Pflege- und Erziehungsaufgabe der El-
tern enthält Abs 3: die Berücksichtigung des Willens des Kindes nach Maßgabe dessen alters- und reifebedingter Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Die Bestimmung kann insb bei der Freizeitgestaltung wie auch bei der schulischen Ausbildung eine Rolle spielen (s hiezu Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 536 f). Das Gesetz spricht nicht von einer schlechthin bindenden Wirkung des Willens des Kindes, sondern von der Maßgeblichkeit des Willens; diese kann freilich – bei entsprechend hoher Einsichts- und Urteilsfähigkeit eines bereits mündigen Kindes – eine weitgehend bindende Wirkung bedeuten. Die Maßgeblichkeit des Kindeswillens findet aber jedenfalls – abgesehen von der Gefährdung des Kindeswohls – in den Lebensumständen der Eltern ihre Grenzen. 100
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Eltern und Kinder
§ 146a
Zur religiösen Erziehung eines Kindes im Verhältnis Eltern-Kind s 4 das RelKEG (zum Außenverhältnis s § 154 Abs 2): Die Eltern entscheiden über die religiöse Erziehung einvernehmlich, wenn ihnen Pflege und Erziehung zustehen (§ 1). Während aufrechter Ehe kann kein Elternteil ohne Zustimmung des anderen bestimmen, dass das Kind in einer anderen als dem zur Zeit der Eheschließung gemeinsamen Bekenntnis oder in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen wird. Wird die Zustimmung nicht erteilt, so kann das Pflegschaftsgericht angerufen werden (§ 2). Nach Vollendung des 12. Lebensjahrs kann das Kind nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden, nach Vollendung des 14. Lebensjahrs entscheidet das Kind selbständig (§ 5). Die Bestimmungen des Gesetzes sind auch auf die Erziehung eines Kindes in einer nicht bekenntnismäßigen Weltanschauung anzuwenden (§ 6). § 146a. Das minderjährige Kind hat die Anordnungen der Eltern zu befolgen. Die Eltern haben bei ihren Anordnungen und deren Durchsetzung auf Alter, Entwicklung und Persönlichkeit des Kindes Bedacht zu nehmen; die Anwendung von Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig. [idF BGBl 1989/162] Lit: Jesionek, Die rechtlichen Aspekte der Kindesmißhandlung, ÖA 1986, 35; Maleczky, Zur Strafbarkeit der „G’sundn Watschn“, ÖJZ 1993, 625; Mottl, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie, ÖJZ 1997, 542.
Die Folgepflicht des Kindes bezieht sich auf Anordnungen im Rah- 1 men der Obsorge (Verschraegen/S Rz 2). Dem nicht obsorgeberechtigten Elterteil steht im Allgemeinen eine solche Anordnungsbefugnis nicht zu, es sei denn, der Obsorgeträger hat ihn – vorübergehend – mit der Pflege und Erziehung betraut (Stabentheiner/R Rz 1). Dies wird regelmäßig für die Zeit der Ausübung des Besuchsrechts anzunehmen sein. Die Eltern haben sich bei ihren Anordnungen und deren Durchset- 2 zung am Wohl des Kindes als dem obersten Leitgedanken der Obsorgewahrnehmung (§ 137 Rz 1) zu orientieren, indem sie insb auf Alter, Entwicklung und Persönlichkeit des Kindes Bedacht nehmen. Bei der Durchsetzung von Anordnungen hat die positive Willensbeeinflussung durch Überzeugen, Überreden und Belohnungen den Vorrang gegenüber repressiven Maßnahmen, wie Entzug von Begünstigungen oder der sonstigen Ausübung eines Druckes (Verschraegen/S Rz 3). Hopf
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Eltern und Kinder
§ 146b
3 Mit dem letzten HS hat der Gesetzgeber das Prinzip der gewaltfreien
Erziehung (nicht der „antiautoritären“: Maleczky, ÖJZ 1993, 626) normiert. Die Bestimmung schließt nicht nur Körperverletzungen und die Zufügung körperlicher Schmerzen („g’sunde Watschn“), sondern auch jede sonstige, die Menschenwürde verletzende Handlung – unabhängig vom subjektiven Empfinden des Kindes – aus (1 Ob 573/92 JBl 1992, 639; 1 Ob 2078/96m EF 81.956; Verschraegen/S Rz 5). 4 Nicht unter das Gewaltverbot fallen nach dem Zweck der Bestim-
mung Maßnahmen, durch die insb Kleinkinder mit Zwang – ohne Verletzung ihrer körperlichen Integrität – etwa von einer Gefahrenquelle abgehalten oder entfernt werden. Desgleichen erfasst das Verbot nicht seelisches Leid, das mit einer dem Ziel angemessenen pädagogischen Maßnahme zwangsläufig einhergeht, also etwa der psychische Schmerz, der mit dem Verzicht auf eine mit Begeisterung ausgeübte Freizeittätigkeit zugunsten einer Prüfungsvorbereitung oder auf ein liebgewonnenes Haustier wegen mangelnder Betreuungsmöglichkeit verbunden ist (Stabentheiner/R Rz 3). § 146b. Soweit die Pflege und Erziehung es erfordern, hat der hierzu berechtigte Elternteil auch das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Hält sich das Kind woanders auf, so haben die Behörden und Organe der öffentlichen Aufsicht auf Ersuchen eines berechtigten Elternteils bei der Ermittlung des Aufenthalts, notfalls auch bei der Zurückholung des Kindes mitzuwirken. [idF BGBl 1977/403] Lit: Edlbacher, Die Abnahme eines Kindes mit Zwang, ÖA 1978, 125.
1 Das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Obsorgeträgers setzt nicht
Gefährdung des Kindeswohls, wohl aber die Notwendigkeit und Möglichkeit von Pflege- und Erziehungsmaßnahmen voraus (ÖA 1983, 101; LGZ Wien 44 R 513/01v EF 96.465). Die Eltern haben daher kein Recht, ein Kind zurückzuholen, das sich bereits vom Elternhaus gelöst hat und selbständig lebt. 2 Das Aufenthaltsbestimmungsrecht steht dem allein obsorgeberech-
tigten Elternteil auch gegen den anderen Elternteil zu (3 Ob 505/96 SZ 70/163), es hat absoluten Charakter (K/W I 441). Kommt die Obsorge nach Scheidung gemäß § 177 beiden Elternteilen zu, so steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht primär demjenigen zu, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhält (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 485). Aus dem Aufenthaltsbestimmungsrecht erfließt auch das Recht des 102
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Eltern und Kinder
§ 146c
Obsorgeträgers, über den Reisepass des Kindes zu verfügen (LGZ Wien 43 R 514/98a EF 86.849) und zu bestimmen, in wessen Reisedokument das Kind eingetragen werden soll (LGZ Wien 44 R 351/98p EF 86.848). Die Behörden und Organe der öffentlichen Aufsicht haben das – 3 entführte, entlaufene, verloren gegangene oder widerrechtlich zurückgehaltene – Kind primär auszuforschen; darüber hinaus schreiten sie – außer bei eindeutiger widerrechtlicher Verbringung des Kindes – nur auf Grund eines Beschlusses des Pflegschaftsgerichts ein (Verschraegen/S Rz 6; LGZ Wien 42 R 112/05i EF 110.761). Selbsthilfe ist nur zulässig, wenn richterliche Hilfe zu spät käme, etwa bei unmittelbarer Gefahr der Verbringung des Kindes ins Ausland (10 Ob 31/04p EF 107.708). § 146c. (1) Einwilligungen in medizinische Behandlungen kann das einsichts- und urteilsfähige Kind nur selbst erteilen; im Zweifel wird das Vorliegen dieser Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen vermutet. Mangelt es an der notwendigen Einsichts- und Urteilsfähigkeit, so ist die Zustimmung der Person erforderlich, die mit Pflege und Erziehung betraut ist. (2) Willigt ein einsichts- und urteilsfähiges minderjähriges Kind in eine Behandlung ein, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, so darf die Behandlung nur vorgenommen werden, wenn auch die Person zustimmt, die mit der Pflege und Erziehung betraut ist. (3) Die Einwilligung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes sowie die Zustimmung der Person, die mit Pflege und Erziehung betraut ist, sind nicht erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, dass der mit der Einholung der Einwilligung oder der Zustimmung verbundene Aufschub das Leben des Kindes gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit verbunden wäre. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Barth, Minderjährige Patienten im Konflikt mit ihren Eltern, ÖJZ 2002, 596; ders, Medizinische Behandlung von Minderjährigen und Personen unter Sachwalterschaft, RZ 2004, 182; Bernat, Die medizinische Behandlung Minderjähriger im österreichischen Recht, VersR 2002, 1467; Fischer-Czermak, Zur Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, ÖJZ 2002, 293; dies, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004, 302; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderHopf
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Eltern und Kinder
§ 146c
jähriger und besachwalteter Personen, ÖJZ 2004, 81 und 121; Haidenthaller, Die Einwilligung Minderjähriger in medizinische Behandlungen – Gedanken zum neuen § 146c ABGB, RdM 2001, 163; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Menardi, Zustimmungs- und Genehmigungspflichten bei der medizinischen Behandlung Minderjähriger, ÖA 1998, 3; Pircher, Das Verhältnis der Einwilligung zum Behandlungsvertrag, RdM 1999, 171; Resch, Die Fähigkeit zur Einwilligung – zivilrechtliche Fragen, in Kopetzki (Hrsg), Einwilligung und Einwilligungsfähigkeit (2002) 38; Weitzenböck, Die Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem KindRÄG 2001, insbesondere in Angelegenheiten der medizinischen Behandlung, in Ferrari/Hopf, Reform 1.
1 Die Bestimmung regelt den persönlichkeitsrechtlichen Aspekt der
medizinischen Behandlung. Das Wesentliche ist dabei die grundsätzliche Maßgeblichkeit der Einsichts- und Urteilsfähigkeit (und nicht etwa das Erreichen eines bestimmten Alters) für die Rechtswirksamkeit der Einwilligung in eine medizinische Behandlung. Davon zu unterscheiden ist der Abschluss des Behandlungsvertrags, für den es auf die allgemeinen Regeln der Geschäftsfähigkeit ankommt (zur „Handlungsfähigkeit in persönlichen Angelegenheiten“ im Unterschied zur Geschäftsfähigkeit s Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 531; Fischer-Czermak, ÖJZ 2002, 294 ff; dies, NZ 2004, 302 f; Gitschthaler, ÖJZ 2004, 81 f; vgl hiezu auch die Begriffe im § 154a). Für die medizinische Behandlung in Krankenanstalten enthält § 8 Abs 3 KAKuG eine an § 146c angepasste Regelung (s hiezu Erl 296 BlgNR 21. GP 111 f; Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 532; Stabentheiner/R ErgBd Rz 9). Vgl im Übrigen auch § 36 UbG, nach dem es auch bei der Behandlung in psychiatrischen Krankenanstalten auf die („natürliche“) Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten ankommt (s hiezu Kopetzki, Grundriß des Unterbringungsrechts, 1997, Rz 618 ff). 2 Der Begriff der medizinischen Behandlung orientiert sich am weiten
Behandlungsbegriff des § 110 StGB und umfasst nicht nur die eigentliche Heilbehandlung (einschließlich der Verabreichung von Medikamenten), sondern auch diagnostische, prophylaktische und schmerzlindernde Maßnahmen sowie kosmetische Operationen (Erl 296 BlgNR 21. GP 54). Auf andere Eingriffe in die körperliche Integrität, wie etwa „Piercen“ oder „Tätowieren“, kann § 146c analog angewandt werden (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 532; Stabentheiner/R ErgBd Rz 2). Nicht soll die Bestimmung nach den Erl aaO für den Schwangerschaftsabbruch gelten. Zuzustimmen ist dem Argument, dass es dabei weniger um die Gesundheit der werdenden Mutter als vielmehr um die Geburt eines Kindes geht. Nur wenn der Schwangerschaftsabbruch medizinisch indiziert ist, kommt § 146c voll zum Tragen 104
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§ 146c
(Stabentheiner/R ErgBd Rz 2; s auch Kerschner, FamR Rz 2/70a; Fischer-Czermak, ÖJZ 2002, 298; problematisch die Differenzierung zwischen Einwirkung auf den Körper der Frau oder auf den Fötus bei Stormann/S Rz 2). Die – primär vom Behandelnden zu beurteilende – Einsichts- und 3 Urteilsfähigkeit (s Erl 296 BlgNR 21. GP 29; Kopetzki, Unterbringungsrecht Rz 622 ff) umfasst zum einen ein kognitives (Fähigkeit des Mj, den Grund und die Bedeutung einer Behandlung einzusehen), zum anderen ein voluntatives Element (Fähigkeit, den Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen). Es kommt nach den konkreten Umständen des Einzelfalls darauf an, ob der mj Patient hinsichtlich der Diagnose, der therapeutischen Möglichkeiten und deren Alternativen sowie der Chancen und Risken der Behandlung den Wert der von der Entscheidung betroffenen Güter und Interessen erfassen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Eine wirksame Einwilligung setzt eine vorhergehende, dem Alter des Patienten gemäße ärztliche Aufklärung voraus (Bernat, VersR 2002, 1471 f). Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit wird bei mündigen Minderjäh- 4 rigen vermutet. Sie kann auch bereits vor Erreichen der Mündigkeit vorliegen, wie sie auch bei einem bereits Mündigen fehlen kann. Die rechtlichen Folgen eines Mangels der Einsichts- und Urteilsfähigkeit setzen keinen Ausspruch nach § 154b voraus, doch kann ein solcher von den Eltern beantragt oder vom Arzt angeregt werden. Ist ein Mj einsichts- und urteilsfähig, so kann eine Behandlung (abgesehen vom Fall des Abs 3) nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden; eine Substitution seines Willens kommt grundsätzlich nicht in Betracht (Stabentheiner/R ErgBd Rz 5; s auch Haidenthaller, RdM 2001, 170 ff; Barth, ÖJZ 2002, 598 f; Bernat, VersR 2002, 1473). Bei Fehlen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Mj bedarf seine 5 medizinische Behandlung der Zustimmung der mit der gesetzlichen Vertretung in Pflege- und Erziehungsangelegenheiten betrauten Person. Sind beide Elternteile gemäß § 144 Obsorgeträger, so genügt die Zustimmung eines von ihnen (§ 154 Abs 1); eine gerichtliche Genehmigung ist nicht erforderlich. Wird durch Verweigerung der Zustimmung das Wohl des Kindes gefährdet, so kann Abhilfe im Weg des § 176 geschaffen werden. Zur Zustimmung eines anderen Obsorgeträgers iSd § 187 zu einer medizinischen Behandlung s § 216 Abs 2. Handelt es sich um eine schwerwiegende medizinische Behandlung, 6 so muss der behandelnde Arzt, wenn das Kind einsichts- und urteilsfähig ist, nicht nur dessen Einwilligung, sondern auch die des Pflegeund Erziehungsberechtigten, und zwar nach § 176 Abs 4 des gesetzHopf
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§ 146d
lichen Vertreters in diesen Angelegenheiten, einholen (Erl 296 BlgNR 21. GP 55). Dies gilt für Behandlungen, die typischerweise entweder mit einer schweren Beeinträchtigung, wie einer schweren Körperverletzung iSd § 84 StGB, oder mit einer nachhaltigen, also dauernd wirksamen oder schwer zu beseitigenden, Beeinträchtigung der körperlichen oder – etwa durch Psychopharmaka – der psychischen Unversehrtheit verbunden sind. Operationen fallen im Allgemeinen unter Abs 2, Psychotherapie (hiezu Haidenthaller, RdM 2001, 164) in der Regel nicht (LGZ Wien 42 R 499/04z EF 110.762). Bis zur Zustimmung der mit der Pflege und Erziehung betrauten Person ist die Einwilligung des Kindes schwebend unwirksam, eine dennoch vorgenommene Behandlung rechtswidrig (Fischer-Czermak, ÖJZ 2002, 300; Gitschthaler, ÖJZ 2004, 125; aM Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 532, nach denen das Einwilligungserfordernis ein Rest der den Eltern auf dem Gebiet der Pflege und Erziehung – im Innenverhältnis – zukommenden Verantwortung ist, dies freilich in einem gewissen Widerspruch zu den Erl aaO, die die Zustimmung des Pflege- und Erziehungsberechtigten – unter Hinweis auf § 176 Abs 4 – als einen Akt der gesetzlichen Vertretung – und nicht bloß als eine Angelegenheit des Innenverhältnisses zwischen Mj und dem mit Pflege und Erziehung Betrauten – qualifizieren). Die Regelung kann wohl in dem Sinn verstanden werden, dass dem Mj in einer wichtigen Angelegenheit – trotz Einsichts- und Urteilsfähigkeit – die Unterstützung durch die Zuwendung seiner Eltern gesichert sein soll (vgl Stormann/S Rz 8). 7 Die Gefahr-in-Verzug-Regel des Abs 3 bezieht sich sowohl auf die
Einwilligung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes nach Abs 1 S 1 wie auch auf die Zustimmung der mit der Pflege und Erziehung betrauten Person nach Abs 1 S 2 und Abs 2. Die Bestimmung entspricht dem für medizinische Behandlungen in einer Krankenanstalt geltenden § 8 Abs 3 S 2 KAKuG. § 146d. Weder ein minderjähriges Kind noch die Eltern können in eine medizinische Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit des minderjährigen Kindes zum Ziel hat, einwilligen. [idF BGBl I 2000/135] Lit: S bei § 146c.
1 Erfasst sind nur solche medizinische Maßnahmen, die eine dauernde
Fortpflanzungsunfähigkeit zum Ziel haben (Sterilisation, Kastration), nicht hingegen jene Heilbehandlungen, bei deren Vornahme sie notwendige Begleiterscheinung ist, wie etwa die Entfernung der Gebärmutter oder der Hoden im Fall einer Krebserkrankung (Erl 296 106
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§ 148
BlgNR 21. GP 56); für solche Maßnahmen gilt hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses § 146c. Aus dem „zivilrechtlichen Verbot“ (Erl aaO) der Herbeiführung einer 2 dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit ergibt sich ein Unterlassungsanspruch bei drohendem Eingriff sowie ein Anspruch auf Schadenersatz bei Verbotsverletzung. Zur Strafbarkeit s § 90 Abs 2 StGB. § 147. Hat das mündige Kind seine Meinung über seine Ausbildung den Eltern erfolglos vorgetragen, so kann es das Gericht anrufen. Dieses hat nach sorgfältiger Abwägung der von den Eltern und dem Kind angeführten Gründe die zum Wohl des Kindes angemessenen Verfügungen zu treffen. [idF BGBl 1977/403] Lit: Eypeltauer, Kriterien der Bestimmung der dem Kind zustehenden Ausbildung, ÖA 1988, 91.
Die Ausbildung eines mj Kindes ist eine Angelegenheit seiner Erzie- 1 hung iSd § 146. Die Bestimmung richtet sich daher an die mit der Pflege und Erziehung betrauten Eltern oder sonstigen Obsorgeträger. Eine Frage der Berufswahl – und nicht etwa der Religionsausübung – ist der Eintritt in einen Orden (JBl 1964, 35). Hauptkriterium der gerichtlichen Entscheidung ist das – sich an den 2 Begabungen und Neigungen, dem Gesundheitszustand sowie den Chancen auf dem Arbeitsmarkt und dem zu erwartenden Erwerbseinkommen orientierende – Wohl des Kindes sowie – nach Maßgabe des § 146 Abs 3 – dessen Wille; daneben sind aber auch nach § 140 Abs 1 die Lebensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen (s § 140 Rz 3). Als angemessene Verfügung kommt insb – auf Antrag des verfah- 3 rensfähigen mündigen Mj (§ 104 Abs 1 AußStrG) – die Ersetzung einer verweigerten Zustimmung (§ 176 Abs 1) in Betracht. § 148. (1) Lebt ein Elternteil mit dem minderjährigen Kind nicht im gemeinsamen Haushalt, so haben das Kind und dieser Elternteil das Recht, miteinander persönlich zu verkehren. Die Ausübung dieses Rechtes sollen das Kind und die Eltern einvernehmlich regeln. Soweit ein solches Einvernehmen nicht erzielt wird, hat das Gericht auf Antrag des Kindes oder eines Elternteils die Ausübung dieses Rechtes unter Bedachtnahme auf die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes in einer dem Wohl des Kindes gemäßen Weise zu regeln. Hopf
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§ 148
(2) Das Gericht hat nötigenfalls, insbesondere wenn der berechtigte Elternteil seine Verpflichtung aus § 145b nicht erfüllt, die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr einzuschränken oder zu untersagen. (3) Zwischen Enkeln und ihren Großeltern gelten Abs. 1 und 2 sinngemäß. Die Ausübung des Rechtes der Großeltern ist jedoch auch so weit einzuschränken oder zu untersagen, als sonst das Familienleben der Eltern (eines Elternteils) oder deren Beziehung zu dem Kind gestört würde. (4) Wäre durch das Unterbleiben des persönlichen Verkehrs des minderjährigen Kindes mit einem hiezu bereiten Dritten sein Wohl gefährdet, so hat das Gericht auf Antrag des Kindes, eines Elternteils, des Jugendwohlfahrtsträgers oder von Amts wegen die zur Regelung des persönlichen Verkehrs nötigen Verfügungen zu treffen. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Deixler-Hübner, Die neuen familienrechtlichen Verfahrensbestimmungen, in Ferrari/Hopf, Reform 115; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Zum Besuchsrecht des geschiedenen Ehegatten, in Harrer/Zitta, Familie 621; dies, Die Rechtsstellung des Kindes bei Regelungen über das Besuchsrecht, in Harrer/ Zitta, Familie 743; Haidenthaller, Schwerpunkte der Kindschaftsrechts-Reform 2001, JBl 2001, 622; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Hopf, Die Rechtstellung des Elternteils, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 69; Mottl, Umfaßt das Besuchsrecht auch Telefonanrufe? ÖA 1994, 173; Wallisch, Der „andere Elternteil“ und das Besuchsrecht (KindRÄG 2001), ÖJZ 2002, 487.
1 Das Recht des Kindes und eines Elternteils, miteinander persönlich
zu verkehren („Besuchsrecht“), ist ein Grundrecht der Eltern-KindBeziehung, ein unter dem Schutz des Art 8 MRK stehendes Menschenrecht (Erl 60 BlgNR 14. GP 28; 8 Ob 42/02p ÖA 2002, 263; Stabentheiner/R ErgBd Rz 1). Sein Zweck ist, die Bindung zwischen Eltern und Kind aufrecht zu erhalten, eine gegenseitige Entfremdung zu verhindern und dem nicht betreuenden Elternteil die Möglichkeit zu geben, sich von der Erziehung und dem Gesundheitszustand des Kindes zu überzeugen (EvBl 1968/48; 5 Ob 243/02z EF 100.202 = EF 100.204). Die Normierung des Besuchsrechts primär als Recht des Kindes trägt den psychologischen und soziologischen Erkenntnissen Rechnung, wonach die Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte zwischen dem Kind und dem nicht in demselben Haushalt lebenden Elternteil für die weitere Entwicklung des Kindes von besonderer Bedeutung ist (Erl 296 BlgNR 21. GP 34; 9 Ob 201/02b EF 100.205; Stabentheiner/R ErgBd Rz 1 f). 108
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Das Besuchsrecht besteht im Verhältnis zwischen einem mj – ehe- 2 lichen wie unehelichen – Kind und dem Elternteil, mit dem es nicht im gemeinsamen Haushalt lebt oder – in der Diktion der §§ 177, 177a – bei dem es sich nicht hauptsächlich aufhält. Es kann also auch im Verhältnis zwischen einem Kind und einem Elternteil gelten, der mit der Obsorge – ganz oder zum Teil – betraut ist; maßgebend ist die faktische Trennung. Das Gesetz favorisiert die einvernehmliche Regelung des Besuchs- 3 rechts durch Kind und Eltern (s § 55a Abs 2 S 2 EheG sowie § 13 Abs 3 AußStrG). Ist eine solche, etwa auch mit Hilfe einer Mediation, zu erwarten, so kann das Gericht nach § 29 AußStrG mit dem Verfahren im Interesse der Erzielung des Einvernehmens für einen Zeitraum von höchstens 6 Monaten innehalten. Das Einvernehmen hat das Kind und beide Elternteile einzuschließen, wobei das Kind, wenn es über die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt (Stabentheiner/R ErgBd Rz 1c), grundsätzlich aber nach Erreichen der Mündigkeit (§ 104 AußStrG), selbständig handeln kann. Vollstreckbar – nach § 110 AußStrG – ist eine einvernehmliche Regelung erst, wenn sie gerichtlich genehmigt wurde (Erl 224 BlgNR 22. GP 77; Nademleinsky/S Rz 36; 2 Ob 568/92 RZ 1993, 282). Auf Antrag des Kindes oder eines Elternteils ist das Besuchsrecht 4 vom Gericht zu regeln. Dabei kommt dem mündigen Mj selbständige Verfahrensfähigkeit zu (§ 104 Abs 1 AußStrG). Der mit der Pflege und Erziehung betraute Elternteil kann wählen, ob er einen Antrag im Namen des Kindes (auch des mündigen Kindes: § 104 Abs 2 AußStrG) als dessen gesetzlicher Vertreter oder im eigenen Namen stellt (Erl 296 BlgNR 21. GP 57). Eine amtswegige Besuchsrechtsregelung sieht § 148 nicht vor, sie kommt wohl nur als Maßnahme nach § 176 in Betracht (weitergehend, nämlich „zur Wahrung des Kindeswohls“, Ferrari-Hofmann-Wellenhof in Harrer/Zitta, Familie 623 f, 630; Stabentheiner/R ErgBd Rz 1d). Das Kind soll vor der Entscheidung tunlichst gehört werden (§ 104 AußStrG). Oberstes Prinzip der Gestaltung des Besuchsrechts ist das Wohl des 5 Kindes (10 Ob 51/05f EF 110.774; Nademleinsky/S Rz 6). Bedacht zu nehmen ist auch auf die Bedürfnisse und die Wünsche des Kindes, womit zu dem nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilenden Kindeswohl auch subjektive Elemente hinzukommen. Demgegenüber treten Wünsche und Bedürfnisse der Eltern in den Hintergrund (Erl 296 BlgNR 21. GP 57). Das Ausmaß des Besuchsrechts ist nach den Umständen des Einzel- 6 falls unter Berücksichtigung seines Zweckes sowie der Persönlichkeit Hopf
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des Kindes, insb seines Alters und seiner Entwicklung, seiner Wünsche und Bedürfnisse, aber auch unter Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse der Eltern festzulegen (EF 53.883; LGZ Wien 45 R 940/96k EF 80.940). Wichtig ist dabei, dass Kind und Elternteil regelmäßig Zeit miteinander verbringen. Die Rspr hat hiefür gewisse Leitlinien entwickelt. Im Allgemeinen wird das Besuchsrecht 14-tägig oder zwei Mal im Monat gewährt (LG Salzburg 21 R 67/02b EF 100.226; LGZ Wien 45 R 75/05w EF 110.800). Die Dauer des Besuchsrechtskontakts hängt vor allem vom Alter des Kindes ab. Bei Kleinkindern werden häufigere, jedoch kürzere Kontakte bevorzugt; je älter das Kind ist, desto länger kann die jeweilige Besuchszeit sein. Sie reicht von einigen Stunden bei Kleinkindern (LGZ Wien 42 R 318/02d EF 100.229) bis zu ganzen Wochenenden mit Übernachtung bei Schulkindern (3 Ob 83/98x EF 86.904). Darüber hinaus wird bei Schulkindern im Allgemeinen ein Ferienbesuchsrecht im Ausmaß von zwei Wochen gewährt (6 Ob 196/00t EF 92.956). Dazu können weitere Besuchstage in den Weihnachts-, den Oster- oder den Semesterferien kommen (LGZ Wien 44 R 1008, 1009/94 EF 78.072). Die – durch das KindRÄG 2001 eingefügte – Bezugnahme auf die Bedürfnisse des Kindes soll iSd Erkenntnisse der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie tendenziell auf kürzere Besuchsintervalle und längere Besuchszeiten hinlenken (Erl 296 BlgNR 21. GP 57; Hopf in Ferrari/Hopf, Reform 79, insb FN 46). 7 Das Besuchsrecht kann aus schwerwiegenden, im Wohl des Kindes
liegenden Gründen eingeschränkt oder – vorübergehend, nicht auf immer (Erl 60 BlgNR 14. GP 28; Nademleinsky/S Rz 26; 6 Ob 171/05y EF 110.814) – untersagt werden (ÖA 2002, 263). Voraussetzung ist insb eine konkrete Gefährdung des körperlichen oder seelischen Wohles des Kindes (6 Ob 171/05y EF 110.810). Das Gesetz führt als Beispiel eines Grundes für die Einschränkung oder Untersagung des Besuchsrechts die Nichtbeachtung des Wohlverhaltensgebots nach § 145b durch den besuchenden Elternteil an. Dabei muss es sich um eine massive, unerträgliche (10 Ob 514/94 EF 78.047) Störung des Verhältnisses des Kindes zum Obsorgeträger handeln, bloße Irritationen, wie sie in Trennungskonflikten vielfach vorkommen, reichen nicht aus (Erl 296 BlgNR 21. GP 57; ÖA 2002, 263). Tendenziell legt die Rspr einen strengen Maßstab an und anerkennt nur ausnahmsweise einen Grund für die Einschränkung oder Untersagung des Besuchsrechts. 8 Grundsätzlich ist dem besuchenden Elternteil das Kind allein anzu-
vertrauen, nur bei ganz kleinen Kindern ist das Besuchsrecht in dessen gewohnter Umgebung (LGZ Wien 44 R 455/90 EF 62.732) oder 110
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Eltern und Kinder
§ 148
unter Beiziehung einer dem Kind gut vertrauten Person auszuüben (LGZ Wien 43 R 472/90 EF 62.733). In der Regel hat der besuchende Elternteil das Kind zu den festgesetzten Zeiten von zu Hause abzuholen und wieder zurückzubringen (2 Ob 236/01x EF 96.559) und auch die Kosten hiefür zu tragen (LGZ Wien EF 38.237; vgl § 140 Rz 12). Der andere Elternteil hat das Kind bereit zu halten und auf den Besuch erforderlichenfalls einfühlsam vorzubereiten (6 Ob 171/05y EF 110.780). Zur Überwindung von Schwierigkeiten bei der Ausübung des Besuchsrechts, insb zur Neu- oder Wiederanbahnung des Kontaktes zwischen dem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil, kann das Gericht nach § 111 AußStrG auf Antrag oder von Amts wegen auch die Beiziehung einer dritten, hiezu geeigneten und bereiten Person als „Besuchsbegleiter“ verfügen (s hiezu Deixler-Hübner in Ferrari/Hopf, Reform 127 ff; Hopf in Ferrari/Hopf, Reform 80 f). Nach § 110 AußStrG sind Besuchsrechtsregelungen nicht nach der 9 EO, sondern unter Anwendung angemessener Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG, also insb durch Verweise, Geldstrafen oder Beugehaft, zwangsweise durchzusetzen. Die Anwendung unmittelbaren Zwanges kommt – anders als bei der Durchsetzung von Obsorgeentscheidungen (§ 110 Abs 2 S 2 AußStrG) – nicht in Betracht (Erl 224 BlgNR 22. GP 77). Von einer zwangsweisen Durchsetzung ist abzusehen, wenn ein mün- 10 diger Mj oder der nicht betreuende Elternteil die Ausübung des Besuchsrechts ablehnt. Das Gericht hat in einem solchen Fall nach § 108 AußStrG das Kind bzw den Elternteil über die Rechtslage und über die grundsätzliche Bedeutung der Ausübung des Besuchsrechts für das Kindeswohl zu belehren und eine gütliche Einigung zu suchen. Gelingt dies nicht, so hat es einen Antrag auf Regelung des Besuchsrechts ohne weitere inhaltliche Prüfung abzuweisen. Desgleichen ist in einem solchen Fall von der Durchsetzung des Besuchsrechts Abstand zu nehmen (Erl 224 BlgNR 22. GP 76). Ergibt sich freilich, dass die ablehnende Haltung des Kindes auf eine nachhaltige Einflussnahme des betreuenden Elternteils zurückzuführen ist, so hat das Gericht diesem gegenüber allenfalls Maßnahmen nach § 176 zu treffen (Deixler-Hübner in Ferrari/Hopf, Reform 125 f). Das Unterbleiben von Besuchskontakten kann unmittelbar Konse- 11 quenzen für die Informations- und Äußerungsrechte des nicht betreuenden Elternteils nach § 178 haben. Unterbleibt – aus welchen Gründen immer (JAB 366 BlgNR 21. GP 2) – ein regelmäßiger Kontakt des Kindes zu dem an sich hiezu bereiten Elternteil, so erweitern sich ex lege dessen Informations- und Äußerungsrechte von wichtigen Hopf
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auch auf minderwichtige Angelegenheiten des Kindes, ausgenommen solche des täglichen Lebens (§ 178 Abs 1 S 2). Die Informations- und Äußerungsrechte entfallen hingegen ex lege gänzlich, wenn der nicht betreuende Elternteil grundlos das Besuchsrecht ablehnt (§ 178 Abs 3 S 2). Zu den erbrechtlichen Folgen der Verweigerung von persönlichen Kontakten nach § 148 s § 773a Abs 3. 12 Die Regeln über das Besuchsrecht zwischen Eltern und Kindern sind
im Prinzip auch auf das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkel anzuwenden. Dies gilt unabhängig von den Lebensverhältnissen der Eltern, also auch, wenn etwa Vater und Mutter zusammenleben oder das Enkelkind beim eigenen Kind der Großeltern lebt (Stabentheiner/R ErgBd Rz 5). Das Besuchsrecht zwischen Großeltern und Enkel ist allerdings insofern schwächer als das zwischen Eltern und Kindern, als seine Ausübung auch eingeschränkt oder untersagt werden kann, wenn durch sie das Familienleben der Eltern oder eines Elternteils oder dessen Beziehung zum Kind gestört würde. Der Umstand, dass Großeltern und der das Kind betreuende Elternteil sich nicht verstehen, reicht freilich nicht zur Versagung des Besuchsrechts; es müssen vielmehr schwere Differenzen und Spannungen bestehen, durch die die Entwicklung des Kindes gestört werden könnte (LGZ Wien EF 33.531; LGZ Wien 42 R 396/03a EF 104.269). 13 Das Gericht kann auch die persönlichen Kontakte des Kindes zu
einem – hiezu bereiten – Dritten regeln, wenn durch ein Unterbleiben dieses Kontaktes das Wohl des Kindes gefährdet wäre (7 Ob 91/05s EF 110.785). Im Prinzip handelt es sich dabei um eine Maßnahme iSd § 176, weshalb auch ein amtswegiges Vorgehen des Gerichtes vorgesehen ist (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 493; Erl 296 BlgNR 21. GP 57). Als Bezugspersonen des Kindes, zu denen demnach das Gericht den persönlichen Verkehr regeln kann, kommen etwa Geschwister, andere Verwandte des Kindes, ein früherer Stiefelternteil oder ehemalige Pflegeeltern (EF 110.785) in Betracht. Der Dritte selbst ist nicht antragsberechtigt, er kann ein Einschreiten des Gerichtes nur anregen und hat auch keine Parteistellung (Stabentheiner/R ErgBd Rz 5a; EF 110.785). § 149. (1) Die Eltern haben das Vermögen eines minderjährigen Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten. Sofern das Wohl des Kindes nicht anderes erfordert, haben sie es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren; Geld ist nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld anzulegen. 112
Hopf
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§§ 149–150
(2) Aus dem Vermögen sind jedenfalls die Kosten der Verwaltung einschließlich der für die Erhaltung des Vermögens und den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb nötigen Aufwendungen und die fälligen Zahlungen zu berichtigen; weiter auch die Kosten des Unterhalts, soweit das Kind nach den §§ 140 und 141 zur Heranziehung seines Vermögens verpflichtet ist oder die Bedürfnisse des Kindes nicht in anderer Weise gedeckt sind. [idF BGBl I 2000/135]
§ 150. (1) Die Eltern haben über das Vermögen des minderjährigen Kindes dem Gericht Rechnung zu legen; über die Erträgnisse jedoch nur, soweit sie nicht für den Unterhalt des Kindes verwendet worden sind. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen bestimmt. (2) Das Gericht kann die Eltern von der Rechnungslegung ganz oder zum Teil befreien, soweit keine Bedenken bestehen, daß sie das Vermögen des Kindes ordentlich verwalten werden. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Ent, Das neue Kindschaftsrecht, besonders die Regeln über die Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung, NZ 1978, 177; Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 35; Hopf/ Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Knoll, Einzelthemen zur Verwaltung des Vermögens Minderjähriger, RZ 2002, 74.
Die Eltern haben als Obsorgeträger das Vermögen ihres mj Kindes – 1 dazu gehören nicht nur der Stamm, sondern auch die Erträgnisse (LGZ Wien 43 R 296/96i EF 81.060) – einvernehmlich (§ 144) zu verwalten. Sie haben dabei mit der Sorgfalt „ordentlicher Eltern“ vorzugehen (objektiver Sorgfaltsmaßstab; vgl § 1297). Die Verpflichtung, das Vermögen in seinem Bestand zu erhalten sowie möglichst – dh, soweit dies wirtschaftlich vernünftig (1 Ob 607/91 JBl 1992, 568) und nach den Umständen tunlich ist – zu vermehren, steht unter dem Vorbehalt des Kindeswohls (Erl 296 BlgNR 21. GP 58; Fucik in Ferrari/Hopf, Reform 36 f; Stabentheiner/R ErgBd Rz 1a); unter diesem Gesichtspunkt kann also auch der Vermögensstamm angegriffen werden. Aus dem Vermögen ist – neben dem Aufwand für die Verwaltung, 2 insb für die Erhaltung und den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb – nach Maßgabe der §§ 140 und 141 sowie mangels anderer Ressourcen zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes dessen Unterhalt zu befriedigen. Dies gilt jedenfalls für die Erträgnisse des Vermögens (1 Ob 547/91 SZ 64/94), für den Stamm nur, soweit die Unterhaltsleistungen der Eltern nicht ausreichen (6 Ob 591/95 SZ 68/157) und – im VerhältHopf
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nis zur Unterhaltspflicht der Großeltern – dem Kind die Heranziehung des Vermögensstamms zumutbar ist (§ 141 S 2). Hinsichtlich der Veranlagung von Geld (einschließlich Buch- oder Giralgeld) gelten auch für Eltern (Groß- und Pflegeeltern) die Vorschriften über die „Anlegung von Mündelgeld“ (§§ 230 bis 230e). Ein Anspruch auf Entschädigung und Entgelt (§§ 266 f) steht den Eltern (Großeltern, Pflegeeltern) – im Gegensatz zu den „anderen“ mit der Obsorge betrauten Personen (§§ 187 ff) – nicht zu. 3 Die Vermögensverwaltung der Eltern (Großeltern, Pflegeeltern) un-
terliegt – im Vergleich zu jener anderer Obsorgeträger – nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Nach § 133 Abs 2 AußStrG hat sie das Gericht nur zu überwachen, wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder der Wert des Vermögens oder der Jahreseinkünfte € 10.000 wesentlich übersteigt, und nach § 135 Abs 1 AußStrG sind die Eltern gegenüber dem Gericht zur Rechnungslegung nur verpflichtet, soweit das Gericht dies aus besonderen Gründen verfügt. 4 Im Gegensatz zu § 135 Abs 1 AußStrG geht § 150 Abs 2 von einer
grundsätzlichen Rechnungslegungspflicht der Eltern aus, von der das Gericht Befreiung erteilen kann, soweit keine Bedenken gegen eine ordentliche Vermögensverwaltung bestehen. Dieser Widerspruch ist offenbar auf ein Redaktionsversehen im Zuge der Reform des Außerstreitverfahrens zurückzuführen; § 150 hätte – im Rahmen des FamErbRÄG 2004, das die notwendigen Änderungen des ABGB aus Anlass der Außerstreitverfahrens-Reform enthält – an den neuen § 135 AußStrG angepasst werden sollen (s Erl 224 BlgNR 22. GP 88). Nach der lex posterior-Regel derogiert § 135 AußStrG dem § 150 Abs 2. Eltern sind demnach zur Rechnungslegung gegenüber dem Gericht nur verpflichtet, soweit dies das Gericht aus besonderen Gründen verfügt. § 151. (1) Ein minderjähriges Kind kann ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. (2) Nach erreichter Mündigkeit kann es jedoch über Sachen, die ihm zur freien Verfügung überlassen worden sind, und über sein Einkommen aus eigenem Erwerb so weit verfügen und sich verpflichten, als dadurch nicht die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet wird. (3) Schließt ein minderjähriges Kind ein Rechtsgeschäft, das von Minderjährigen seines Alters üblicherweise geschlossen wird 114
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Eltern und Kinder
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und eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft, so wird dieses Rechtsgeschäft, auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, mit der Erfüllung der das Kind treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam. [idF BGBl 1989/162] Lit: Dullinger, Die gesetzliche Vertretung Minderjähriger bei Rechtsgeschäften, RZ 1986, 2002; dies, Die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, ÖJZ 1987, 33; Fischer-Czermak, Zur Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, ÖJZ 2002, 293; dies, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004, 302; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen, ÖJZ 2004, 81 und 121; Iro, Verfügungen über Girokonten nicht voll Geschäftsfähiger, ÖBA 1986, 503; Lukas, Die Geschäftsfähigkeit und die gesetzliche Vertretung Minderjähriger im österreichischen Privatrecht unter dem Blickwinkel der „UNKonvention über die Rechte des Kindes“, in Rauch-Kallat/J. Pichler, Entwicklungen 291; H. Pichler, Bemerkenswertes im neuen Recht der Geschäftsfähigkeit und der Ehemündigkeit, ÖA 1973, 50; ders, Die Verträge Minderjähriger, ÖA 1979, 3; Schwimann, Die Institution der Geschäftsfähigkeit (1965); Weitzenböck, Die Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem KindRÄG 2001, insbesondere in Angelegenheiten der medizinischen Behandlung, in Ferrari/ Hopf, Reform 1; Welser, Die Neuordnung der Geschäftsfähigkeit und ihre Problematik, VR 1973, 146.
Die §§ 151 und 152 über die Verfügungs- und Verpflichtungsbefug- 1 nis Mj sind im Interesse des Schutzes Mj tendenziell einschränkend auszulegen (vgl JBl 1954, 258; SZ 56/16; 8 ObA 68/04i SZ 2004/108). Abs 1 ist mit der Einschränkung des § 865 zu verstehen: Personen unter sieben Jahren sind geschäftsunfähig, können also – vorbehaltlich des Abs 3 – auch nicht mit Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich handeln (§ 865 Rz 3). Von Mj über sieben Jahre geschlossene Rechtsgeschäfte sind, solange nicht der gesetzliche Vertreter eingewilligt hat, schwebend unwirksam; auch eine stillschweigende Einwilligung (§ 863) ist möglich (§ 865 Rz 6); zur Unterscheidung von Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäften s K/W I 117 f. „Zur freien Verfügung“ ist eine Sache einem Mj überlassen, wenn sie 2 ihm nicht bloß zur Benützung, zum Eigengebrauch oder mit einer bestimmten Zweckwidmung, sondern in der Absicht übergeben wurde, ihn damit nach seinem Belieben schalten und walten zu lassen, sie also zu verschenken, zu tauschen, zu verkaufen oder – bei Geld – es auszugeben. Nach hM muss die Übertragung durch den Obsorgeträger oder mit dessen – zumindest stillschweigender – Zustimmung erfolgt sein (Stabentheiner/R Rz 5 mwN). Hopf
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§ 152
3 Unter Einkommen aus eigenem Erwerb sind alle Einkünfte zu ver-
stehen, die der Mj aus unselbständiger (insb iSd § 152) oder selbständiger (SZ 36/143) Erwerbstätigkeit erzielt; weiters Einkünfte, die nur mittelbar aus einer eigenen Erwerbstätigkeit des Mj herrühren, wenn die Erwerbstätigkeit unabdingbare Voraussetzung für die Erzielung der Einkünfte ist, wie etwa Karenzurlaubsgeld oder Arbeitslosengeld (VwGH ZAS 1983, 180 Bernat; VwGH ÖA 1990, 85). Die Verfügungs- und Verpflichtungsfähigkeit nach Abs 2 erstreckt sich auch auf die mit eigenen Einkommen erworbenen Sachen und Rechte (Welser, VR 1973, 158; zur Eröffnung eines Girokontos s Iro, ÖBA 1986, 504 f). Nicht erfasst sind etwa Kapitalerträgnisse, Mieteinkünfte, Schadenersatzansprüche, und zwar auch nicht solche wegen Verdienstentgangs oder verminderter Arbeitsfähigkeit (JBl 1954, 258). 4 Die Verfügungs- und Verpflichtungsfähigkeit des mündigen Mj nach
Abs 2 reicht so weit, als er nicht seinen Unterhalt gefährdet. Dabei darf nicht davon ausgegangen werden, dass ohnedies ein Unterhaltspflichtiger einspringen wird, denn auch Mj müssen grundsätzlich ihre eigenen Einkünfte zur Deckung ihrer Bedürfnisse heranziehen (s § 140 Rz 6; K/W I 57; LGZ Wien 37 R 31/96z EF 81.071). Ist der Mj ein Ratengeschäft eingegangen, so sind bei Beurteilung seiner Verpflichtungsfähigkeit auch die Dauer der Zahlungen sowie das parallel hiezu zu erwartende Einkommen des Mj zu berücksichtigen (EvBl 1978/202; RZ 1982, 219). 5 Abs 3 („Taschengeld-Paragraph“) gilt für mj Kinder schlechthin, also
auch für solche unter sieben Jahren, und zwar sowohl für die schuldrechtliche Verpflichtung wie auch für die sachenrechtliche Verfügung. Mit zunehmendem Alter wird der Kreis der von Abs 3 erfassten Geschäfte weiter. Dabei kommt es nicht auf die konkreten Lebensverhältnisse des Mj an, anzulegen ist vielmehr ein objektiver Maßstab; dies gilt sowohl für die Altersgemäßheit wie auch für die Geringfügigkeit des Geschäfts. Nicht anwendbar ist Abs 3 etwa auf den Ankauf eines Fernsehapparats (LGZ Wien EF 43.281), auf die Anmeldung zu einer Fahrschule (LGZ Wien EF 56.710) oder den Abschluss eines Vertrages über die Teilnahme an einem Fitnesslehrgang (LGZ Graz 2 R 329/96h EF 84.018), wohl aber uU auf den Beitritt zu einem Verein (VfGH VfSlg 7526; Stabentheiner/R Rz 12). Der Geschäftspartner hat zwar keinen Anspruch auf Erfüllung, doch wird das Rechtsgeschäft mit der Erfüllung wirksam. § 152. Soweit nicht anderes bestimmt ist, kann sich ein mündiges minderjähriges Kind selbständig durch Vertrag zu Dienstleistun116
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Eltern und Kinder
§ 153
gen verpflichten, ausgenommen zu Dienstleistungen auf Grund eines Lehr- oder sonstigen Ausbildungsvertrags. Der gesetzliche Vertreter des Kindes kann das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis aus wichtigen Gründen vorzeitig lösen. [idF BGBl 1989/162]
Mündige Mj schließen Dienstverträge (s § 1151; nicht etwa einen Ver- 1 trag, mit dem sich ein Mj zur Vermittlung von Versicherungen auf Provisionsbasis verpflichtet: 8 ObA 68/04i SZ 2004/108) grundsätzlich selbständig, also ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters. Solche Verträge kann der Mj auch selbständig auflösen (SZ 39/53; EvBl 1966/29). Gleiches gilt für alle sonstigen Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, die mit der Gestaltung des Dienstvertrages zusammenhängen, wie etwa ein vorzeitiger Austritt oder die Entgegennahme einer Entlassung (SZ 52/139; 9 ObA 53/03i SZ 2003/117). Ungeachtet der selbständigen Verpflichtungsfähigkeit mündiger Mj 2 kann der gesetzliche Vertreter das vom Mj mit Dienstvertrag begründete Rechtsverhältnis aus wichtigen, das Kindeswohl betreffenden Gründen (Nademleinsky/S Rz 5) vorzeitig lösen (s auch § 154 Abs 2), und zwar auch gegen den Willen des mündigen Mj (Schwind, FamR 69; Stabentheiner/R Rz 4); zum Innenverhältnis gesetzlicher Vertreter – Kind s jedoch § 146 Abs 3. Lehrverträge und Ausbildungsverträge (zur Unterscheidung s Sta- 3 bentheiner/R Rz 2; Gitschthaler, ÖJZ 2004, 86) kann der mündige Mj nicht selbständig schließen; für solche Verträge gilt § 151 Abs 1, doch sind dabei die Sondervorschriften des BAG zu beachten (so kann etwa die Erklärung, den Lehrling aus einem der in § 15 Abs 3 BAG genannten Gründen zu entlassen, wirksam nur gegenüber dem mj Lehrling selbst erklärt werden – SZ 2003/117). Weiters ist nach der Lehre (Dullinger, ÖJZ 1987, 34; Nademleinsky/S Rz 2; Stabentheiner/R Rz 2) insofern eine Einschränkung vorzunehmen, als Verträge, durch die sich ein Mj zu Arbeitsleistungen verpflichtet, nicht vom gesetzlichen Vertreter namens des mündigen Mj geschlossen werden können (keine fremdbestimmte Arbeitspflicht); rechtsgeschäftlich handeln kann diesfalls nur der Mj, der gesetzliche Vertreter ist auf die Einwilligung beschränkt. Zur Auflösung solcher Verträge s § 154 Abs 2. Ausbildungsverträge, mit denen sich der Mj nicht zu Dienstleistungen verpflichtet (etwa ein Sprachkurs), fallen nicht unter § 152, für sie ist § 151 maßgeblich (Nademleinsky/S Rz 2). § 153. Soweit einem minderjährigen Kind nicht bereits früher ein Verschulden zugerechnet werden kann (§ 1310), wird es mit der Hopf
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Erreichung der Mündigkeit nach den schadensersatzrechtlichen Bestimmungen verschuldensfähig. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Fischer-Czermak, Zur Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, ÖJZ 2002, 293; Gamerith, Der Minderjährige im Schadenersatzrecht, ÖA 1981, 20; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen, ÖJZ 2004, 81 und 121.
1 Ein Mj wird mit Erreichen der Mündigkeit voll deliktsfähig. Ob und
in welchem Ausmaß eine Ersatzpflicht besteht, wenn ein Unmündiger jemandem einen Schaden zufügt, ist nach §§ 1308–1310 zu beurteilen. 2 Zur Haftung Mj für culpa in contrahendo s § 865 Rz 9.
§ 154. (1) Jeder Elternteil ist für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten; seine Vertretungshandlung ist selbst dann rechtswirksam, wenn der andere Elternteil mit ihr nicht einverstanden ist. (2) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, den Eintritt in eine Kirche oder Religionsgesellschaft und den Austritt aus einer solchen, die Übergabe in fremde Pflege, den Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder den Verzicht auf eine solche, die vorzeitige Lösung eines Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstvertrags und die Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind betreffen, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken. (3) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils und der Genehmigung des Gerichtes, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu besonders die Veräußerung oder Belastung von Liegenschaften, die Gründung, der, auch erbrechtliche, Erwerb, die Umwandlung, Veräußerung oder Auflösung sowie die Änderung des Gegenstandes eines Unternehmens, der, auch erbrechtliche, Eintritt in eine oder die Umwandlung einer Gesellschaft oder Genossenschaft, der Verzicht auf ein Erbrecht, die unbedingte Annahme oder die Ausschlagung einer Erbschaft, die Annnahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung 118
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oder die Ablehnung eines Schenkungsanbots, die Anlegung von Geld mit Ausnahme der in den §§ 230a und 230b geregelten Arten sowie die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken. (4) Bedarf ein Rechtsgeschäft der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, der Zustimmung des anderen Elternteils oder der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts, so ist bei deren Fehlen das volljährig gewordene Kind nur dann daraus wirksam verpflichtet, wenn es schriftlich erklärt, diese Verpflichtungen als rechtswirksam anzuerkennen. Fordert der Gläubiger den volljährig Gewordenen auf, sich nach dem ersten Satz zu erklären, so hat er ihm dafür eine angemessene Frist zu setzen. [idF BGBl I 2000/153] Lit: Arturo, Privatstiftung minderjähriger Stifter ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung? RdW 1997, 442; P. Bydlinski, Neues im Recht der Rechtsgeschäftsform, RdW 2001, 716; Dullinger, Die gesetzliche Vertretung Minderjähriger bei Rechtsgeschäften, RZ 1986, 202; dies, Bankgeschäfte Minderjähriger, ÖBA 2005, 670 und 791; Ent, Das neue Kindschaftsrecht, besonders die Regeln über die Vermögensverwaltung und die gesetzliche Vertretung, NZ 1978, 177; Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem KindRÄG 2001. Vom Obervormund zur Missbrauchskontrolle, in Ferrari/Hopf, Reform 35; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen, ÖJZ 2004, 81 und 121; Medwed, Eintritts- und Übernahmerechte von Minderjährigen im Mietenrecht, ÖJZ 1992, 614; Schwimann, Pflegschaftsgerichtliche Genehmigung in Fällen mit Auslandsbeziehung, NZ 1978, 97; V. Steininger, Zum Mitspracherecht Pflegebefohlener, FS Kralik (1986) 535; Zankl, Der Erbverzicht zum Nachteil minderjähriger Nachkommen, NZ 1990, 5; Zemen, Zu den Wirkungen des Erbverzichtes auf die Nachkommen, JBl 1990, 500; ders, Teilnichtigkeit bei Kreditverträgen beschränkt Geschäftsfähiger, ÖBA 1991, 507; s auch bei § 151. Übersicht I. II. III. IV.
Einzelvertretung durch jeden Elternteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Vertretung in den Angelegenheiten nach Abs 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vertretung in Vermögensangelegenheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
I. Einzelvertretung durch jeden Elternteil Ungeachtet der Verpflichtung der Eltern nach § 144, in Obsorgeange- 1 legenheiten einvernehmlich vorzugehen, ist nach Abs 1 grundsätzlich Hopf
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– Ausnahmen in Abs 2 und 3 – jeder Elternteil für sich allein gesetzlicher Vertreter des Kindes. Dies gilt für eheliche wie für uneheliche Kinder (§§ 166, 167), insb auch im Fall einer „gemeinsamen Obsorge“ iSd § 177 nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe. Ein jeder Elternteil kann daher, solange ihm nicht die Obsorge entzogen oder allein auf den anderen Elternteil übertragen ist, selbständig für das Kind etwa einen Reisepass beantragen (LGZ Wien 47 R 364/93 EF 71.781; s hiezu § 8 PaßG) oder einen Lehrvertrag schließen (LGZ Wien EF 31.297). Die Vertretungshandlungen eines Elternteils sind grundsätzlich auch dann wirksam, wenn sie der andere nicht billigt (K/W I 544). Ein Dissens zwischen den Elternteilen ist im rechtsgeschäftlichen Verkehr nur dann relevant, wenn dem Dritten gleichzeitig widersprechende Erklärungen der Eltern zugehen; dann gilt keine Erklärung, das Rechtsgeschäft kommt nicht zu Stande (K/W I 544; Nademleinsky/S Rz 3). 2 § 154 bezieht sich auf das Außenverhältnis des vertretenen Mj, davon
zu unterscheiden ist das Verhältnis zwischen dem Mj und seinem gesetzlichen Vertreter. Das wird in der Rechtspraxis etwa evident bei einem Bausparvertrag, den ein gesetzlicher Vertreter im Namen des Mj schließt. Vertragspartner der Bausparkasse ist der Mj, ihm steht daher auch die Verfügungsbefugnis über das Bausparguthaben zu (Iro, ÖBA 1992, 274). Eine andere Frage ist, ob es sich bei den Einzahlungen des gesetzlichen Vertreters auf das Bausparkonto um rechtswirksame Zuwendungen (Schenkungen) handelt (4 Ob 562/91 SZ 64/145) oder sie aus einem anderen Grund, etwa als Zahlungen iSd § 1422, erfolgen, etwa wenn der Bausparvertrag nur der Vermögensbildung des gesetzlichen Vertreters unter Inanspruchnahme der hiefür vorgesehenen Steuerbegünstigung dient (5 Ob 45/04k SZ 2004/46); diese Frage betrifft das Innenverhältnis zwischen Mj und seinem gesetzlichen Vertreter, berührt aber nicht die Gläubigerstellung des Mj gegenüber der Bank. II. Vertretung in den Angelegenheiten nach Abs 2 3 In den in Abs 2 taxativ (JAB 587 BlgNR 14. GP 11) aufgezählten
Angelegenheiten erfordert die Vertretung eines Mj, wenn beide Eltern an sich vertretungsbefugt sind, insb also beiden die Obsorge zukommt, ein Handeln beider Teile: die Vertretungshandlung oder Einwilligung des einen bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des anderen. Die Zustimmung muss nicht gegenüber dem Vertragspartner oder dem sonstigen Adressaten der Vertretungshandlung erklärt werden, ist diesem aber auf Verlangen nachzuweisen (Stabentheiner/R ErgBd Rz 4). 120
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Abs 2 ist nicht anzuwenden, wenn nur ein Elternteil vertretungsbefugt ist, er also insb nach § 145 oder nach § 177 allein mit der Obsorge betraut ist. In diesem Fall schwächt sich das Zustimmungsrecht des anderen Elternteils zum Informations- und Äußerungsrecht nach § 178 ab. Eine andere mit der Obsorge betraute Person iSd § 187 – ausgenommen der Jugendwohlfahrtsträger (§ 214 Abs 1) – bedarf zu Vertretungshandlungen in den Angelegenheiten des Abs 2 – wie in allen wichtigen, die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten – der Genehmigung des Gerichtes (§ 216 Abs 1). Die Änderung des Familien- oder des Vornamens eines Kindes er- 4 folgt, sofern sie nicht auf Grund eines familienrechtlichen Tatbestandes eintritt (insb §§ 93, 139, 162a ff, 183), nach dem NÄG auf Antrag durch Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde (s § 139 Rz 4 sowie § 2 Abs 2 Z 8, 9 und § 3 Abs 1 Z 6 NÄG). Nach § 1 Abs 2 NÄG hat der gesetzliche Vertreter für einen beschränkt Geschäftsfähigen – wenn dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat, mit dessen Zustimmung – den Antrag zu stellen. Bei drohender Kindeswohlgefährdung kann das Pflegschaftsgericht die Antragstellung auf Änderung des Familiennamens nach § 176 untersagen. Grundsätzlich ist jedoch keine Gefährdung des Kindeswohls anzunehmen, wenn das Kind den Familiennamen jener Person erhält, der die Obsorge zukommt (6 Ob 246/98i SZ 72/13; Pfersmann, ÖJZ 2002, 662; Stabentheiner/R ErgBd Rz 5a). Im Allgemeinen bestehen daher unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls keine Bedenken, wenn die wiederverheiratete Mutter namens des Kindes beantragt, den Familiennamen ihres Kindes aus der Vorehe auf ihren durch die Eheschließung erworbenen Familiennamen zu ändern (s § 2 Abs 2 Z 8 und 9 NÄG). Es müssen besondere Gründe vorliegen, aus denen ausnahmsweise eine solche Namensänderung wegen Gefährdung des Kindeswohls nicht in Betracht kommt. Die religiöse Erziehung eines Kindes (wie auch die Erziehung in einer 5 nicht bekenntnismäßigen Weltanschauung) im Verhältnis zwischen Kind sowie Pflege- und Erziehungsverantwortlichen (im Innenverhältnis) ist im RelKEG geregelt (s hiezu § 146 Rz 4; LGZ Wien 43 R 547/90 EF 62.818; Nademleinsky/S Rz 8). Für das Außenverhältnis, also für die Erklärung des Eintritts in eine bzw des Austritts aus einer Kirche oder Religionsgesellschaft, ist § 154 Abs 2 maßgebend, dh bei aufrechter Obsorge beider Elternteile bedarf die Vertretungshandlung des einen der Zustimmung des anderen. Sonst entscheidet ein Elternteil allein. Andere Obsorgeträger iSd § 187, ausgenommen der Jugendwohlfahrtsträger (§ 214 Abs 1), bedürfen einer gerichtlichen Genehmigung (§ 216 Abs 1). Hopf
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6 Zur Übergabe in fremde Pflege s § 186, zum Erwerb einer Staatsan-
gehörigkeit und zum Verzicht auf eine solche s insb §§ 19, 28, 38 StbG, zur vorzeitigen Lösung eines Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstvertrags s 152, zur Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind durch einen Mj s §§ 138b und 163c Abs 3. III. Vertretung in Vermögensangelegenheiten 7 Für die Vertretung in Vermögensangelegenheiten ist nach Abs 3 maß-
gebend, ob eine Angelegenheit zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört oder darüber hinausgeht. Angelegenheiten des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs sind solche, die nach Art und Umfang in die laufende oder gewöhnliche Vermögensverwaltung fallen (Erl 60 BlgNR 14. GP 31; Lukas in Rauch-Kallat/J. Pichler, Entwicklungen 339) sowie nach dem mit ihnen verbundenen Risiko und der Dauer und dem Umfang der entstehenden Verpflichtungen den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Mj angemessen sind (Stabentheiner/R ErgBd Rz 13; Lukas in Rauch-Kallat/J. Pichler, Entwicklungen 339). Für solche Rechtsgeschäfte gilt das Vertretungsregime des Abs 1: jeder Elternteil ist allein vertretungsbefugt. Hiezu können etwa Ansprüche aus einem Lehrverhältnis, die nicht in einem Missverhältnis zum Einkommen des Mj stehen (SZ 54/146), die Verwaltung und Instandhaltung eines Zinshauses (EF 35.946), die Ausschlagung einer Erbschaft geringen Wertes (SZ 58/158), eine bedingte Erbserklärung (EvBl 1961/353) oder die Eröffnung eines Girokontos zur Zahlungsabwicklung (Iro, ÖBA 1986, 504) gehören. 8 Vertretungshandlungen und Einwilligungen in Vermögensangelegen-
heiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb iSd Rz 7 gehören, bedürfen der Zustimmung des anderen – vertretungsbefugten – Elternteils und der – ausdrücklichen (SZ 31/52) – Genehmigung des Gerichtes. Ist nur ein Elternteil vertretungsbefugt, so ist nur die gerichtliche Genehmigung erforderlich, dem anderen Teil steht das Informations- und Äußerungsrecht nach § 178 zu. Der gerichtlichen Genehmigung bedarf auch eine andere mit der Obsorge betraute Personen iSd § 187 (§ 229 Abs 2). Neben der Generalklausel führt Abs 3 eine Reihe von Angelegenheiten demonstrativ an, in denen die Zustimmung des anderen Elternteils und die gerichtliche Genehmigung erforderlich sind, allerdings auch nur unter der Voraussetzung, dass die Angelegenheit konkret nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, wofür freilich eine gewisse Vermutung spricht (Dullinger, RZ 1986, 204; Stabentheiner/R ErgBd Rz 14; LGZ Wien 43 R 663/90 EF 65.991). 9 Zu den Angelegenheiten des Abs 3 gehören nach der Rspr etwa auch
ein Unterhaltsverzicht (6 Ob 2362/96p ÖA 1998, 23), überhaupt Ver122
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einbarungen der Eltern über den Kindesunterhalt (stRspr, etwa 7 Ob 171/98t ÖA 1999, 183; aM hinsichtlich Unterhaltsvereinbarungen im Rahmen der nach der Rspr üblichen Prozentsätze H. Pichler/K 3 Rz 14; Fenyves in Ruppe, Familienverträge 852 f; Ferrari-HofmannWellenhof, JBl 1992, 410), die Übernahme eines Mietrechts gemäß § 12 MRG (5 Ob 57/02x wobl 2003, 323 Vonkilch), die Vermietung eines Einfamilienhauses (3 Ob 308/01t JBl 2003, 182), die Entscheidung über die Weiterführung eines Unternehmens (SZ 43/198), der Eintritt in eine Gesellschaft (6 Ob 25/95 JBl 1996, 461), die Zustimmung zu Generalversammlungsbeschlüssen einer GmbH, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören (GesRZ 1990, 93 Ostheim), eine einseitige Stiftungserklärung, und zwar auch dann, wenn der Stifter in der Erklärung nach § 9 PSG kein eigenes Vermögen widmet (6 Ob 332/98m GesRZ 1999, 126; 1 Ob 166/04z SZ 2004/124; aM Arturo, RdW 1997, 444), die Erteilung einer Vollmacht zur klagsweisen Geltendmachung nicht bloß geringfügiger Ansprüche (LGZ Wien 45 R 463, 760/95 EF 78.119), der Verzicht auf Schmerzensgeldansprüche oder die Zession von solchen (LGZ Wien 47 R 449/93 EF 71.783) und die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten (SZ 49/79). Das Gericht hat Vertretungshandlungen oder Einwilligungen zu ge- 10 nehmigen, wenn diese objektiv im Interesse des Minderjährigen liegen, somit seinem Wohl entsprechen. Dabei sind alle wirtschaftlichen Vorund Nachteile sowie die Risken des Rechtsgeschäfts, und zwar auch für die Zeit nach Erreichung der Volljährigkeit, abzuwägen (3 Ob 522/92 JBl 1993, 106). So entspricht etwa die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung nur dann dem Kindeswohl, wenn der Wert der geschenkten Sache die Belastungen eindeutig übersteigt (1 Ob 2410/96k EF 84.036). Grundsätzlich kann Rechtshandlungen, durch die das Vermögen des Mj vermehrt wird, ohne dass damit gleichzeitig die Gefahr von Belastungen verbunden ist, die Genehmigung aus Gründen des Kindeswohls nicht versagt werden (4 Ob 164/98s SZ 71/119). Kann hingegen eine Vermögensverminderung nicht ausgeschlossen werden, so entspricht das Rechtsgeschäft im Allgemeinen nicht dem Kindeswohl (9 Ob 272/99m EF 89.751 f). Eine Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung kann Bedenken hinsichtlich des Kindeswohls nur ausräumen, wenn die Erfüllung ausreichend sichergestellt ist (2 Ob 262/01w EF 104.295). Die Veräußerung einer Liegenschaft darf nur bei Vorliegen eines Notfalls oder bei einem offenbaren Vorteil des Mj genehmigt werden (7 Ob 78/01y immolex 2001, 306). Bei der Prüfung der Genehmigung einer Klage sind die Erfolgsaus- 11 sichten, das Risiko des angestrebten Prozesses zu beurteilen. MaßgeHopf
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bend ist, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter („bonus pater familias“) den Klageweg beschreiten würde (6 Ob 319/99a EF 93.030). Zu diesem Zweck muss sich der Außerstreitrichter über den für die Prozessführung bedeutsamen Sachverhalt einen Überblick verschaffen (4 Ob 548/95 EF 78.129) und eine grobe Vorprüfung der Erfolgsaussichten anstellen (8 Ob 130/05h EF 110.833), nicht hat er jedoch unter Vorwegnahme des Zivilprozesses zu untersuchen, ob der Anspruch zu Recht besteht (EF 93.030). 12 Gegenstand der Genehmigung kann ein schriftlich oder mündlich
(JBl 1965, 39) geschlossener Vertrag oder auch ein Vertragsentwurf, zu dem beide Teile bereits ihre Zustimmung erteilt haben, auch eine Punktation (LGZ Wien EF 11.621), überhaupt auch eine erst geplante Rechtshandlung (§ 132 AußStrG) sein. Die Protokollierung eines Vergleichs durch das Gericht ersetzt jedoch nicht schon die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung (Stabentheiner, RZ 1991, 250; 2 Ob 568/92 RZ 1993, 282). Das Gericht kann bei der Genehmigung des Vertrages nicht dessen Inhalt ändern (§ 132 AußStrG) und auch nicht das Fehlen sonstiger gesetzlicher Erfordernisse, das die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge hat, ersetzen (1 Ob 322/99f ecolex 2000, 578), sondern nur die fehlende volle Verpflichtungsfähigkeit des Mj oder der für ihn handelnden Personen ergänzen (EvBl 1972/244; 7 Ob 171/98t ÖA 1999, 183). Die Genehmigung sagt daher grundsätzlich auch nichts darüber aus, ob der Vertrag sonst gültig ist. Allerdings hat das Gericht einem von vornherein als nichtig oder anfechtbar erkennbaren Rechtsgeschäft – im Interesse des Mj – die Genehmigung zu versagen (ÖA 1999, 183). Zur Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener s im Übrigen § 132 AußStrG (Erl 224 BlgNR 22. GP 84 f). 13 Bis zur gerichtlichen Genehmigung ist das genehmigungsbedürftige
Rechtsgeschäft schwebend unwirksam mit Bindung beider Vertragsteile (7 Ob 78/01y immolex 2001, 306); erst die Versagung der Genehmigung macht den Vertrag ungültig (SZ 59/61). Dem Vertragspartner kommt im Genehmigungsverfahren keine Beteiligtenstellung zu (2 Ob 85/00i EF 96.588; Erl 224 BlgNR 22. GP 23, 84), er hat daher auch kein Rekursrecht wegen Verweigerung der Genehmigung. Unbenommen bleibt es ihm, bei der Vertragserrichtung seine Bindung an die von ihm abgegebene Erklärung durch eine angemessene Erklärungsfrist (§ 865 S 3) zu begrenzen (Erl aaO 85). 14 Soweit dem Jugendwohlfahrtsträger die Obsorge für einen Mj zu-
kommt, hat auch er grundsätzlich für Rechtshandlungen nach Abs 3 124
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§ 154a
die gerichtliche Genehmigung einzuholen. § 214 Abs 1 schränkt dies für die Anlegung des Vermögens des Mj auf die Mündelgeldanlegung nach § 230e ein. Weiters bedarf der Jugendwohlfahrtsträger nach § 214 Abs 2 für Unterhaltsvereinbarungen (vgl Rz 9) nicht der Genehmigung des Gerichtes. IV. Sonstiges Die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken 15 in den Angelegenheiten der Abs 2 und 3 (zB Anbote, Kündigungen, Wechselproteste, behördliche Schriftstücke) bedarf weder der Zustimmung des anderen Elternteils noch der gerichtlichen Genehmigung (Abs 2 und Abs 3 jeweils letzter S). Ist das Rechtsgeschäft eines Mj schwebend unwirksam, weil die Ein- 16 willigung des gesetzlichen Vertreters, die Zustimmung des anderen Elternteils nach Abs 2 oder die gerichtliche Genehmigung nach Abs 3 fehlt, so kann gemäß Abs 4 nach Erreichen der Volljährigkeit der volljährig Gewordene diesen Mangel durch nachträgliche Anerkennung seiner rechtsgeschäftlichen Verpflichtung heilen (K/W I 59; Stabentheiner/R ErgBd Rz 17c). Eine solche Erklärung bedarf der Schriftform. Zu ihrer Abgabe kann der Vertragspartner den volljährig Gewordenen unter Setzung einer angemessenen Frist auffordern. Zum rechtspolitischen Hintergrund dieser Regelung s Erl 296 BlgNR 21. GP 59 f (s hiezu auch P. Bydlinski, RdW 2001, 716). Ob die Genehmigung des Rechtsgeschäfts auch durch Zuwendung des Vorteils analog § 1016 Fall 2 erfolgen kann (so Kerschner, FamR Rz 2/71), muss im Hinblick auf die strikte Regelung des Abs 4, die eine schlüssige Genehmigung nicht zulässt, bezweifelt werden (Stabentheiner/R ErgBd Rz 17d). § 154a. (1) In zivilgerichtlichen Verfahren ist nur ein Elternteil allein zur Vertretung des Kindes berechtigt; solange sich die Eltern nicht auf den anderen Elternteil einigen oder das Gericht nach § 176 diesen oder einen Dritten als Vertreter bestimmt, ist Vertreter derjenige Elternteil, der die erste Verfahrenshandlung setzt. (2) Die nach § 154 erforderliche Zustimmung des anderen Elternteils und Genehmigung des Gerichtes gelten für das ganze Verfahren. [idF BGBl 1977/403]
In zivilgerichtlichen Verfahren (Zivilprozess, Außerstreit-, Exeku- 1 tions-, Insolvenz- und schiedsgerichtlichen Verfahren) kann ein Mj nur durch einen Elternteil vertreten werden; dies ist – mangels EiniHopf
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gung der Eltern oder mangels Bestimmung eines Vertreters durch das Gericht nach § 176 – derjenige Elternteil, der die erste Verfahrenshandlung setzt. Dies gilt auch für Verfahren in Angelegenheiten nach § 154 Abs 2 und 3, ausgenommen Verfügungen über den Verfahrensgegenstand, insb durch Anerkenntnis oder Vergleich (Nademleinsky/S Rz 4). Keine Anwendung findet § 154a in einem Verfahren des Mj gegen einen mit der Obsorge betrauten Elternteil (Stabentheiner/R ErgBd Rz 18; SZ 57/84). 2 Erste Verfahrenshandlungen idS sind die Einleitung des Verfahrens
durch Klagseinbringung oder Antragstellung, der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (OLG Wien 15 R 174/91EF 65.997), die Bestreitung des Klagebegehrens (7 Ob 55/99k EF 89.758), nicht aber die bloße Entgegennahme eines Zustellstücks (3 Ob 2040/96p RZ 1997, 220). Das durch das Zuvorkommen begründete Alleinvertretungsrecht gilt bis zur Rechtskraft der das Verfahren beendenden Entscheidung (6 Ob 541/93 SZ 66/63). § 154b. Soweit einem Kind infolge merkbar verzögerter Entwicklung, einer psychischen Krankheit oder einer geistigen Behinderung die für eine einzelne oder einen Kreis von Angelegenheiten erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit fehlt, hat das Gericht dies von Amts wegen oder auf Antrag einer Person, die ganz oder zum Teil mit der Obsorge betraut ist, auszusprechen. Dieser Ausspruch wirkt, sofern er nicht vom Gericht widerrufen oder befristet wurde, längstens bis zur Volljährigkeit des Kindes. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Fischer-Czermak, Zur Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz 2001, ÖJZ 2002, 293; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen, ÖJZ 2004, 81 und 121; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Schwarzl, Obsorge, Kuratel und Sachwalterschaft nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 19; Weitzenböck, Die Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem KindRÄG 2001, insbesondere in Angelegenheiten der medizinischen Behandlung, in Ferrari/Hopf, Reform 1.
1 Bei Mj tritt an die Stelle der Sachwalterschaft nach § 268 die Möglich-
keit eines Ausspruchs des Gerichtes, dass dem Betroffenen die für einzelne oder einen Kreis von Angelegenheiten erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit fehlt. Voraus126
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§ 154b
setzung ist – wie bei der Sachwalterschaft – eine psychische Krankheit oder eine geistige Behinderung (s hiezu § 268 Rz 2) oder – wie bei der Verlängerung der Minderjährigkeit nach früherem Recht – eine merkbar verzögerte Entwicklung des Kindes (s Stabentheiner/R §§ 173, 174 Rz 3), die ein Defizit der Handlungsfähigkeit bewirken. Anders als bei der Sachwalterschaft darf sich der Ausspruch des Gerichtes nicht auf alle Angelegenheiten des Mj beziehen. Der Ausspruch wirkt insofern konstitutiv, als er dem Mj in den An- 2 gelegenheiten, die vom Ausspruch umfasst sind, die volle Handlungsfähigkeit nimmt (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 534). Bezieht sich daher der Ausspruch auf die Einwilligung eines mündigen Mj in eine medizinische Behandlung, so ist damit die Vermutung des § 146c Abs 1 S 1 widerlegt (Stabentheiner/R ErgBd Rz 3). Dem Unterbleiben eines Ausspruchs kommt hingegen bloß deklarative Wirkung zu (Erl 296 BlgNR 21. GP 60). Zur Frage, ob der Ausspruch völlige Geschäftsunfähigkeit iSd § 865 3 S 1 oder beschränkte Geschäftsfähigkeit iSd § 865 S 2 zur Folge hat, enthalten weder Gesetz noch Materialien einen Hinweis. Im Hinblick auf die weitgehende Parallelität der Sachwalterschaft nach § 268, die § 154b im Kindschaftsrecht ersetzt, bietet sich an, für den rechtsgeschäftlichen Bereich § 280 Abs 1 analog heranzuziehen (Stabentheiner/R ErgBd Rz 4); dies bedeutet insb, dass in dem vom Ausspruch erfassten Bereich der §§ 151 Abs 2 und 152 der mündige Mj grundsätzlich beschränkt geschäftsfähig ist. Freilich kann der Ausspruch nach § 154b nicht eine (beschränkte) Geschäftsfähigkeit verleihen, wenn der Mj – weil ihm der „Gebrauch der Vernunft“ fehlt – iSd § 865 S 1 geschäftsunfähig ist. Das Verfahren wird – allenfalls auf Grund einer Anregung – von 4 Amts wegen oder auf Antrag eines zumindest zum Teil mit der Obsorge Betrauten eingeleitet. Besondere Verfahrensbestimmungen enthält das AußStrG nicht; die §§ 117 ff AußStrG sind nicht anzuwenden (vgl § 266 AußStrG aF). Neben dem Allgemeinen Teil sind auch die §§ 104 f AußStrG heranzuziehen (selbständige Verfahrensfähigkeit des mündigen Mj, Anhörungsrecht). Eine vorläufige Entscheidung kommt nur unter der Voraussetzung des § 44 AußStrG, insb nach der demnach vorzunehmenden Güterabwägung, in Betracht. Das Gericht kann den Ausspruch befristen, er wirkt längstens bis zur Volljährigkeit. Zum Übergang von einem Ausspruch nach § 154b zur Sachwalterschaft s § 117 Abs 2 AußStrG. § 155. [aufgehoben, BGBl I 2004/58] Hopf
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Eltern und Kinder
§§ 156–158
Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter § 156. (1) Stammt ein Kind, das während der Ehe der Mutter oder vor Ablauf von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemanns der Mutter geboren worden ist, nicht von diesem ab, so hat das Gericht dies auf Antrag festzustellen. (2) Der Antrag kann vom Kind gegen den Mann und von diesem gegen das Kind gestellt werden. [idF BGBl I 2004/58]
§ 157. Hat der Ehemann der Mutter einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts zugestimmt, so kann nicht die Feststellung begehrt werden, dass das mit dem Samen des Dritten gezeugte Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt. [idF BGBl I 2004/58]
§ 158. (1) Ein Antrag auf Feststellung, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt, kann binnen zwei Jahren ab Kenntnis der hiefür sprechenden Umstände gestellt werden. Diese Frist beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes, im Fall einer Änderung der Abstammung frühestens mit der Wirksamkeit der Änderung. Ein Antrag ist nicht zulässig, solange die Abstammung des Kindes von einem anderen Mann feststeht. (2) Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die antragsberechtigte Person nicht eigenberechtigt ist oder innerhalb des letzten Jahres der Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Antragstellung gehindert ist. (3) Später als 30 Jahre nach der Geburt des Kindes oder nach einer Änderung der Abstammung kann nur das Kind die Feststellung der Nichtabstammung begehren. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Ferrari, Das neue österreichische Abstammungsrecht, FS Schwab (2005) 1333; Fischer-Czermak, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2; Rosenmayr, Änderungen im Abstammungsrecht durch das FamErbRÄG 2004, NZ 2004, 360; Schwimann, Neuerliche Abstammungsrechtsreform mit Ablaufdatum, NZ 2005, 33; Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175; insb zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung s auch bei § 163.
1 Auf Grund des Erkenntnisses des VfGH vom 28.6.2003, G 78/00
VfSlg 16.928 = FamRZ 2003, 1915 Bernat, mit dem das auf die FamR128
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Eltern und Kinder
§§ 156–158
AnglV, dRGBl I 1943, 80, zurückgehende Ehelichkeitsbestreitungsrecht wegen Verstoßes gegen das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art 8 MRK aufgehoben wurde, hat das FamErbRÄG 2004 das Abstammungsrecht, insb auch die rechtliche Feststellung, dass ein Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt, mit Wirksamkeit vom 1.1.2005 grundlegend neu geregelt. Zugleich ist das neue AußStrG, BGBl I 2003/111, in Kraft getreten, das das Abstammungsverfahren generell – und somit auch die frühere Bestreitung der Ehelichkeit – in das außerstreitige Verfahren verweist (§§ 82–85 AußStrG). Zum Übergangsrecht s Art IV BGBl I 2004/58. Gegenstand des Verfahrens nach den §§ 156 ff ist die Feststellung 2 der Nichtabstammung vom Mann, der gemäß § 138 Abs 1 Z 1 und Abs 2 iVm § 138c Abs 1 als ehelicher Vater des Kindes gilt. Der Nachweis kann vorzugsweise durch eine DNA-Analyse (s § 163 Rz 3), aber auch durch ein blutserologisches oder ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten oder sonst einen Beweis, dass der Ehemann das Kind nicht gezeugt hat, erbracht werden. Der Nachweis des Mehrverkehrs (EF 51.244) oder der Nachweis, dass die Vaterschaft eines anderen Mannes wahrscheinlicher sei (vgl SZ 47/45), genügen nicht (s zum früheren Recht Stabentheiner/R Rz 1). Nicht ist Gegenstand des Verfahrens, ob die Feststellung der Nichtabstammung dem Wohl des Kindes dient (Erl 471 BlgNR 22. GP 19; vgl Bernat, FamRZ 2003, 1919); die Prüfung des Kindeswohls erfolgt – in dem vom Kind eingeleiteten Verfahren – gemäß § 138b Abs 2 schon im Vorfeld des Abstammungsverfahrens im Zuge der Entscheidung des gesetzlichen Vertreters des mj Antragstellers, ob er einen Antrag stellt bzw dem Antrag des einsichts- und urteilsfähigen Kindes zustimmt (Simotta, ÖA 2004, 185; aM Bernat/S § 156 Rz 4, nach dem das Gericht auch die Vereinbarkeit der Anfechtung mit dem Kindeswohl zu prüfen und im Gefährdungsfall den Antrag abzuweisen hat). Die dem Antrag stattgebende Entscheidung des Gerichts beseitigt die Vaterschaft mit Wirkung ex tunc. Antragsberechtigt sind das Kind (s hiezu § 138b) und der Ehemann 3 der Mutter sowie gemäß § 138a Abs 2 die Rechtsnachfolger beider. Die Mutter hat zwar kein Antragsrecht, doch kommt ihr nach § 82 Abs 2 AußStrG Parteistellung im Verfahren zu; dabei handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht der Mutter, dessen Ausübung ihre Einsichts- und Urteilsfähigkeit voraussetzt und das nicht von ihren Rechtsnachfolgern wahrgenommen werden kann (die Mutter muss „am Leben“ sein; Erl 224 BlgNR 22. GP 63). Kein Antragsrecht kommt auch dem Mann zu, der behauptet, der biologische Vater des Kindes zu sein; ihm steht nur die Möglichkeit eines AnerHopf
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§§ 156–158
kenntnisses nach § 163e Abs 2 offen, um seine Vaterschaft geltend zu machen. 4 Ist ein Kind im Weg einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung
durch heterologe Insemination (nach Bernat/S § 157 Rz 3 ist § 157 auch im Fall einer – nach § 3 Abs 2 FMedG verbotenen – heterologen In-vitro-Fertilisation anwendbar) gezeugt worden und hat dieser der Ehemann der Mutter nach § 8 Abs 1 FMedG in Form eines gerichtlichen Protokolls oder Notariatsakts zugestimmt, so kann er nach § 157 die Feststellung, dass das Kind nicht von ihm abstammt, nur mit der Begründung verlangen, dass das Kind nicht aus der konsentierten medizinisch unterstützten Fortpflanzung abstammt (s § 163 Abs 3; Stabentheiner/R Rz 17a). Zur heterologen Insemination in einer Lebensgemeinschaft s § 163 Abs 3, zum Ausschluss des Dritten von der Feststellung der Vaterschaft s § 163 Abs 4. Wird eine heterologe Insemination im Ausland durchgeführt und sieht das ausländische Recht für die Zustimmung des Ehemanns eine bestimmte Form vor, so genügt nach § 8 IPRG die Einhaltung dieser Form für die Rechtswirksamkeit der Zustimmung und damit auch für den Ausschluss eines Antrags auf Feststellung der Nichtabstammung (Fischer-Czermak, NZ 1999, 265 f; Bernat/S § 157 Rz 6; anders 7 Ob 527/98 JBl 1996, 717 Bernat). Zum Fall einer rechtsmissbräuchlichen Antragstellung eines Mannes, der der medizinisch unterstützten Fortpflanzung ohne Einhaltung der Formvorschriften des § 8 Abs 1 S 2 FMedG zugestimmt hat, s Bernat/S § 157 Rz 5 sowie 7 Ob 212/97w SZ 70/155. 5 Das FamErbRÄG 2004 hat die Frist für den Antrag auf Feststellung
der Nichtabstammung von einem auf zwei Jahre ausgedehnt. Es handelt sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (SZ 37/23; 1 Ob 501/90 RZ 1990, 202), die mit der Kenntnis der Umstände, die für die Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter sprechen, frühestens mit der Geburt des Kindes, beginnt. In dieser Beziehung können Rspr und Lehre zum früheren § 156 Abs 2 herangezogen werden (Erl 471 BlgNR 22. GP 20). Entscheidend ist demnach, wann dem Ehemann Umstände von so großer Beweiskraft bekannt wurden, dass er objektiv die Nichtabstammung des Kindes von ihm als höchstwahrscheinlich ansehen musste und erwarten konnte, seiner Beweispflicht im Verfahren nachkommen zu können (7 Ob 534/91 EvBl 1991/132; Stabentheiner/R Rz 3). Nicht erforderlich ist die feste Überzeugung (SZ 27/196), die absolute Gewissheit (EvBl 1978/164). Fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Lauf (Stabentheiner/R Rz 3), auf Rechtsunkenntnis hinsichtlich der Frist kann sich der Mann aber nicht berufen (EF 26.696). § 1497 ist nicht anzuwenden (1 Ob 2189/96k EF 81.095; vgl 6 Ob 6/04g EvBl 2004/143). 130
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Eltern und Kinder
§§ 156–158
§ 158 Abs 1 S 2 und 3 regelt den Fristbeginn und das Antragsrecht, 6 wenn die (eheliche) Vaterschaft eines Mannes durch die eheliche (§ 138 Abs 2) oder uneheliche (§ 163e Abs 2) Vaterschaft eines anderen Mannes „verdrängt“ ist. Solange die Vaterschaft des Mannes, der iSd § 138 Abs 2 zuletzt mit der Mutter verheiratet war, nicht beseitigt ist, läuft auch nicht die 2-Jahres-Frist des § 158 S 1 für eine Antragstellung der Rechtsnachfolger des früheren Ehemanns der Mutter (Erl 471 BlgNR 22. GP 20); vorher kann auch gar kein Antrag gestellt werden. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Mann im Wege eines Anerkenntnisses nach § 163e Abs 2 Vater eines ehelichen Kindes geworden ist und der Ehemann der Mutter einen Widerspruch nach § 163e Abs 3 unterlassen hat; der Ehemann kann erst nach rechtswirksamer Beseitigung des Anerkenntnisses – auf Grund einer Entscheidung nach § 164 – einen Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung stellen; erst ab diesem Zeitpunkt läuft die Frist bzw wird deren Lauf, wenn sie schon vor dem Anerkenntnis zu laufen begonnen hat, fortgesetzt (Erl aaO; Simotta, ÖA 2004, 186; Fischer-Czermak, JBl 2005, 8; vgl 1 Ob 31/02v JBl 2002, 515). Die 2-Jahres-Frist läuft auch nicht, solange der Antragsberechtigte 7 nicht eigenberechtigt ist, sei es, dass er minderjährig ist, sei es, dass ihm ein Sachwalter bestellt ist. Mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Antragstellers steht diesem die 2-Jahres-Frist zur Gänze zur Verfügung, auch wenn er schon vorher von den die Nichtabstammung begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Gleiches gilt für den Wegfall der Sachwalterschaft mit der Maßgabe, dass eine bereits vor Bestellung des Sachwalters begonnene Frist weiter läuft („der Lauf der Frist ist gehemmt“). Zur Fristenhemmung durch ein „unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis“ vgl § 146 Abs 1 ZPO. Nach Ablauf von 30 Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem die Vater- 8 schaft des Ehemanns der Mutter feststand (das ist idR die Geburt des Kindes, zu bedenken ist aber auch der Fall des § 138 Abs 2), kann nur noch das Kind, nicht auch der (frühere) Ehemann der Mutter einen Antrag nach § 156 stellen. § 159. [aufgehoben, BGBl I 2004/58] §§ 159a–159b. [aufgehoben, BGBl 1977/403] § 160. [aufgehoben, BGBl 1983/566]
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Eltern und Kinder
§ 161
Legitimation der unehelichen Kinder b) durch die nachfolgende Ehe § 161. (1) Ist die Vaterschaft zum Kind festgestellt und schließen Vater und Mutter des Kindes die Ehe, so wird das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung seiner Eltern ehelich. (2) Wird die Vaterschaft nach der Eheschließung festgestellt, so bleiben die vor der Feststellung für das Kind gesetzten Vertretungshandlungen unberührt. (3) Die Wirkungen der Legitimation treten nur auf Grund eines Anerkenntnisses nach § 163e Abs. 2 oder einer gerichtlichen Entscheidung außer Kraft, die in einem für die Beseitigung der Feststellung der Abstammung vorgesehenen Verfahren ergeht. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Schwimann, Die Bestreitung (Anfechtung) der Legitimation durch nachfolgende Ehe, JBl 1957, 392; ders, Neuerliche Abstammungsreform mit Ablaufdatum, NZ 2005, 33; Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175; V. Steininger, Probleme im Zusammenhang mit der Bestreitung einer Legitimation, die durch nachfolgende Ehe zustande kam, FS Fasching (1988) 511; ders, Juristische Konsequenzen der neuen österreichischen Legitimationsregelung, FS Maresch (1988) 45.
1 Durch die Legitimation wird ein uneheliches Kind ehelich (nicht als
Legitimation gelten die Fälle des § 138d). Die Legitimation durch die Eheschließung der Eltern des Kindes tritt ipso iure und unabhängig vom Willen des Vaters (SZ 35/49) oder des Kindes (SZ 24/4) ein. Voraussetzung ist, dass die Vaterschaft des Ehemanns der Mutter durch Anerkenntnis oder gerichtliche Entscheidung festgestellt wurde. Geschieht dies erst nach der Eheschließung, so wirkt die Legitimation auf den Zeitpunkt der Eheschließung zurück, doch bleiben nach Abs 2 die in der Zwischenzeit – durch die Mutter oder einen anderen Obsorgeträger – gesetzten Vertretungshandlungen unberührt. 2 Die Wirkungen der Legitimation können nur durch Beseitigung der
zu Grunde liegenden Vaterschaftsfeststellung außer Kraft gesetzt werden (Schwimann, JBl 1957, 392); es muss also ein Anerkenntnis nach § 164 für rechtlich unwirksam erklärt, die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft im Weg eines Verfahrens nach §§ 72 ff AußStrG abgeändert oder ein Anerkenntnis oder die gerichtliche Feststellungsentscheidung durch einen Beschluss nach § 163b oder ein Anerkenntnis nach § 163e Abs 2 „durchbrochen“ werden. Das Verfahren nach § 156 steht nicht für die Anfechtung der Legitimation zur Verfügung (hiezu krit Bernat/S § 156 Rz 5). 132
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Eltern und Kinder
§ 162
Wird die die Legitimation begründende Ehe für nichtig erklärt, so 3 bleibt das legitimierte Kind ehelich (§ 138 Abs 2). Zu den Konsequenzen einer „Nichtehe“ s Schwimann/S Rz 5 und Stabentheiner/R Rz 6. c) durch Begünstigung des [Landesfürsten] § 162. Die uneheliche Geburt kann einem Kinde an seiner bürgerlichen Achtung und an seinem Fortkommen keinen Abbruch tun. Zu diesem Ende bedarf es keiner besonderen Begünstigung des [Landesfürsten], wodurch das Kind als ein eheliches erklärt wird. Nur die Eltern können um solche ansuchen, wenn sie das Kind gleich einem ehelichen [der Standesvorzüge oder] des Rechtes an dem frei vererblichen Vermögen teilhaft machen wollen. In Rücksicht auf die übrigen Familienglieder hat diese Begünstigung keine Wirkung. Lit: Edlbacher, Die internationale Seite der Reskriptlegitimation nach österreichischem Recht, ZfRV 1969, 161; Hainzl, Wann wird die Ehelicherklärung durch Begünstigung des Bundespräsidenten wirksam? ÖStA 1961, 37; Malaniuk, Ehelicherklärung nach § 162 ABGB, JBl 1946, 307.
Die Befugnis, gnadenweise uneheliche Kinder zu ehelichen zu erklä- 1 ren, kommt gemäß Art 65 Abs 2 lit d B-VG dem Bundespräsidenten zu (s auch § 92 AußStrG). Voraussetzung für die Reskriptlegitimation ist ein Antrag eines El- 2 ternteils oder des Kindes. Ist das Kind mj, so bedarf der Antrag der Bewilligung des Pflegschaftsgerichts (§ 92 Abs 1 AußStrG; zur dogmatischen Problematik dieses Erfordernisses, wenn der Antragsteller nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, s Schwimann, NZ 2005, 42). Dieses hat sich bei seiner Entscheidung vom Wohl des Kindes leiten zu lassen. Anders als nach § 263 AußStrG aF ist nach § 92 AußStrG die Einwilligung des – volljährigen – Kindes nicht ausdrücklich Voraussetzung einer Antragstellung durch die Eltern, doch wird im Hinblick auf die unmittelbare Betroffenheit des Kindes grundsätzlich ohne eine solche Einwilligung die Legitimation nicht erfolgen können. In der Praxis kommt es zu einer Reskriptlegitimation hauptsächlich in Fällen, in denen eine Eheschließung der Eltern des Kindes nicht möglich oder nicht tunlich ist oder – bei Vorversterben der Eltern (eines Elternteils) – war (Haberl/S Rz 2). Von der Bewilligung des Pflegschaftsgerichts ist das gerichtliche Ver- 3 fahren (Erl 224 BlgNR 22. GP 70; anders das frühere Recht: Stabentheiner/R Rz 5) zur Erhebung der für die Legitimation durch den Bundespräsidenten maßgeblichen Umstände zu unterscheiden. Dieses Hopf
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Eltern und Kinder
§§ 162a–162d
obliegt entweder gleichfalls dem Pflegschaftsgericht oder, insb bei volljährigen Kindern, dem BG, bei dem der Vater des zu legitimierenden Kindes den allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat (§ 113 JN). Fehlt ein solcher Gerichtsstand im Inland, so ist das Legitimationsgesuch unmittelbar beim BMJ einzubringen. 4 Das Gericht hat nach § 92 Abs 2 AußStrG die Lebensverhältnisse des
Kindes und der Eltern, deren Beziehung zueinander sowie den Grund des Unterbleibens einer Eheschließung der Eltern zu erheben und sich zum Antrag zu äußern. Dieser wird sodann mit den Erhebungsergebnissen dem BMJ vorgelegt. Damit endet – vorbehaltlich eines Ersuchens des BMJ oder des Bundespräsidenten um ergänzende Erhebungen – das gerichtliche Verfahren. Es ist sodann Sache des BMJ, dem Bundespräsidenten die Ehelicherklärung vorzuschlagen. Gegen die Abstandnahme von einem Vorschlag oder gegen eine Untätigkeit des BMJ gibt es ebenso wenig eine Beschwerdemöglichkeit wie gegen die Verweigerung des Gnadenaktes durch den Bundespräsidenten. 5 Die Entschließung des Bundespräsidenten wird mit dem Tag ihrer
Unterfertigung wirksam. Die Verständigung der Parteien obliegt dem Gericht (§ 92 Abs 3 AußStrG). 6 Durch die Legitimation wird das Kind im Verhältnis zu seinem Vater
– nicht auch zu dessen Verwandten (§ 162 letzter S) – ehelich. Im Übrigen hängt die Wirkung der Legitimation vom Inhalt der Entschließung ab. So kann sie etwa auf die Namensfolge eingeschränkt sein (Stabentheiner/R Rz 9; nach Raschauer, Namensrecht, 1978, 65 kann die namensrechtliche Wirkung auch nicht ausgeschlossen werden). Eine solche Einschränkung ist freilich ebenso wie die Anordnung des letzten S des § 162, wonach die Legitimation keine Wirkung in Rücksicht auf die übrigen Familienmitglieder hat, im Hinblick auf die rechtliche Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder, insb im Unterhalts- und im Erbrecht, praktisch ohne Bedeutung (Stabentheiner/R Rz 9). Eine nachträgliche Beseitigung der Reskriptlegitimation ist nicht möglich (Haberl/S Rz 8), insb auch nicht durch ein Anerkenntnis nach § 163e Abs 2 (Schwimann/S § 163e Rz 6). § 162a. (1) Wird ein Kind legitimiert, so gilt § 139 entsprechend. (2) Wird ein bereits mündiges Kind legitimiert, so gilt der Abs. 1 nur, wenn das Kind der Namensänderung zustimmt. [idF BGBl 1995/25]
§ 162b. Wird ein Ehegatte legitimiert, so ändert sich der gemeinsame Familienname nur, wenn beide Ehegatten der Namensände134
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Eltern und Kinder
§§ 162a–162d
rung zustimmen. Sonst ändert sich, unter der Voraussetzung des § 162a Abs. 2, nur der Familienname des Legitimierten. [idF BGBl 1995/25]
§ 162c. (1) Führt ein Kind des Legitimierten einen von diesem allein abgeleiteten Familiennamen, so geht der vom Legitimierten erworbene Familienname auf das Kind über. (2) Ist das Kind des Legitimierten im Zeitpunkt der Legitimation bereits mündig, so gilt der Abs. 1 nur, wenn das Kind der Namensänderung zustimmt. (3) Im übrigen gelten für das Kind des Legitimierten die §§ 139, 162a und 162b entsprechend. [idF BGBl 1995/25]
§ 162d. (1) Eine Zustimmung nach den §§ 162a bis 162c ist dem Standesbeamten in öffentlicher oder öffentlich-beglaubigter Urkunde zu erklären; ihre namensrechtlichen Wirkungen treten ein, sobald sie dem Standesbeamten zukommt. (2) Eine Zustimmung ist unwirksam, wenn sie dem Standesbeamten später als drei Jahre nach der Verständigung des Zustimmungsberechtigten vom Eintritt der Legitimation durch den Standesbeamten zugekommen ist. [idF BGBl 1983/566] Lit: Mottl, Ein Jahr neues Namensrecht, NZ 1996, 321; Zeyringer, Das Namensrechts-Änderungsgesetz, ÖStA 1995, 14; ders, Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem Namensrechts-Änderungsgesetz, ÖStA 1995, 63; ders, Neuregelung des Ehe- und Kindesnamensrechts, ÖA 1995, 76.
Die in den §§ 162a–162d geregelten namensrechtlichen Folgen gelten 1 sowohl für die Legitimation durch nachfolgende Eheschließung (§ 161) wie auch für die Reskriptlegitimation (§ 162). Grundsätzlich bestimmt sich der Name des legitimierten Kindes nach § 139. Eine demnach sich ergebende Namensänderung tritt beim mündigen Kind aber nur mit dessen Zustimmung ein. Unerwünschten namensrechtlichen Folgen einer Legitimation kann uU mit einer verwaltungsbehördlichen Namensänderung nach § 2 Abs 1 NÄG begegnet werden (Stormann/S Rz 8). Wird eine verheiratete Person legitimiert, die mit ihrem Ehegatten 2 einen gemeinsamen Familiennamen führt, so bedarf dessen Änderung auch der Zustimmung des Ehegatten. Stimmt nur der Legitimierte der Namensänderung zu, so ändert sich nur dessen Name, die Ehegatten führen dann verschiedene Namen (Stabentheiner/R Rz 3). Hopf
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§ 163
3 Grundsätzlich schlägt eine Legitimation namensrechtlich auch auf ein
Kind des Legitimierten durch, wenn dieses seinen Familiennamen allein vom Legitimierten ableitet; wenn das Kind mündig ist, freilich nur mit seiner Zustimmung (§ 162c Abs 1 und 2). Führt das Kind einen gemeinsamen Familiennamen des Legitimierten und dessen Ehegatten und ändert sich dieser durch die Legitimation, so erhält auch das Kind – wenn es mündig ist, mit seiner Zustimmung – diesen geänderten Namen. Ändert sich aber nur der Familienname des Legitimierten, so folgt das Kind – das mündige Kind mit seiner Zustimmung – in seinem Familiennamen dem Vater (eine Namensbestimmung nach § 139 Abs 2 ist nachträglich nicht mehr möglich). 4 Um materiellrechtlich wirksam zu sein, muss die Zustimmung des
mündigen Kindes oder des Ehegatten der legitimierten Person innerhalb von 3 Jahren dem Standesbeamten in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zukommen (§ 162d). Die Frist beginnt mit der Verständigung des Zustimmungsberechtigten vom Eintritt der Legitimation. Feststellung der Vaterschaft § 163. (1) Als Vater hat das Gericht den Mann festzustellen, von dem das Kind abstammt. Der Antrag kann vom Kind gegen den Mann oder von diesem gegen das Kind gestellt werden. (2) Auf Antrag des Kindes kann der Mann als Vater festgestellt werden, welcher der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt beigewohnt hat oder mit dessen Samen an der Mutter in diesem Zeitraum eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist, es sei denn, er weist nach, dass das Kind nicht von ihm abstammt. Eine solche Feststellung ist nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Tod des Mannes nicht mehr möglich, es sei denn, das Kind weist nach, dass ihm der Beweis nach Abs. 1 aus Gründen auf Seiten des Mannes nicht gelingt. (3) Ist an der Mutter innerhalb der im Abs. 2 genannten Frist eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten durchgeführt worden, so ist als Vater der Mann festzustellen, der dieser medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts zugestimmt hat, es sei denn, er weist nach, dass das Kind nicht durch diese medizinisch unterstützte Fortpflanzung gezeugt worden ist. (4) Ein Dritter, dessen Samen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet wird, kann nicht als Vater des mit seinem Samen gezeugten Kindes festgestellt werden. Dritter ist, 136
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§ 163
wer seinen Samen einer für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen zugelassenen Krankenanstalt mit dem Willen überlässt, nicht selbst als Vater eines mit diesem Samen gezeugten Kindes festgestellt zu werden. [idF BGBl I 2004/58] Lit a) allgemein: Ferrari, Das neue österreichische Abstammungsrecht, FS Schwab (2005) 1333; Fischer-Czermak, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2; Kralik, Die Neuordnung der Rechtstellung des unehelichen Kindes, JBl 1971, 273; Mottl, Änderungen im Abstammungsrecht durch das KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 101; H. Pichler, Einige Probleme des neuen Unehelichenrechts, RZ 1972, 37; Rosenmayr, Änderungen im Abstammungsrecht durch das FamErbRÄG 2004, NZ 2004, 360; Schwimann, Neuerliche Abstammungsrechtsreform mit Ablaufdatum, NZ 2005, 33; Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175; b) zu medizinischen Fragen: Feenstra/Lenzinger/Maresch, DNA-Fingerprinting – Wirklich ein 100%ig sicherer Vaterschaftstest? RZ 1990, 66; Fischer/Pichl/Faé/Speiser, Die DNA-Analyse im Rahmen des Vaterschaftsgutachtens, ÖA 1994, 3; Fischer/Speiser, Die Entwicklung der Vaterschaftsdiagnostik von 1900 bis 2000, ÖA 2000, 104; Gunzer, DNA-Fingerprinting – Der 100%ig sichere Vaterschaftstest, RZ 1989, 241; Herbich, Ergebnisse von Blutgruppengutachten in Mehr-Mann-Fällen, ÖA 1990, 92; W. R. Mayr/Schwartz/Dauber/Glock/ Stadlbacher/D. Mayr, Vaterschaftsbegutachtung – DNA versus konventionelles System, RZ 2001, 169; c) zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung: Bernat, Das Fortpflanzungsmedizingesetz. Neue Aufgaben für das Notariat, NZ 1992, 244; ders, Die rechtliche Regelung von Fortpflanzungsmedizin und Embryonenforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz, ÖA 1993, 47; ders (Hrsg), Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik (2000); Eder-Rieder, Die rechtlichen Grundlagen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, JAP 1998/1999, 165; Fischer-Czermak, Das Erbrecht des Kindes nach artifizieller Insemination, NZ 1999, 262; Memmer, Rechtsfragen im Gefolge medizinisch assistierter Fortpflanzung post mortem vel divortium, JBl 1992, 361; ders, Eheähnliche Lebensgemeinschaft und Reproduktionsmedizin, JBl 1993, 297; H. Pichler, Probleme der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, ÖA 1993, 53; Schwimann, Neues Fortpflanzungsmedizinrecht in Österreich, StAZ 1993, 169.
Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ist durch das Fam- 1 ErbRÄG 2004 und das neue AußStrG mit Wirksamkeit ab 1.1.2005 grundlegend neu gestaltet worden. Frühere Literatur und Judikatur sind daher nur eingeschränkt verwendbar. Über die Abstammung wird nunmehr ausschließlich im außerstreitigen Verfahren entschieden (§§ 82–85 AußStrG). Den Kern der materiellrechtlichen Regelungen enthalten die §§ 163 und 163b. Hopf
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§ 163
2 Die Feststellung der Vaterschaft kann nicht nur das Kind, sondern
auch der Mann begehren, der behauptet, Vater zu sein. Sein Antrag setzt voraus, dass das Kind noch keinen Vater im Rechtssinn hat; andernfalls kann der biologische Vater die Abstammung des Kindes von ihm nur im Weg eines Anerkenntnisses nach § 163e Abs 2 geltend machen. Ein Mann wird im Allgemeinen das gerichtliche Abstammungsverfahren einem Anerkenntnis dann vorziehen, wenn er sich seiner Vaterschaft nicht sicher ist (Erl 471 BlgNR 22. GP 21). 3 Beweisthema ist der positive Vaterschaftsnachweis, dh grundsätz-
lich kann ein Mann nur dann als Vater eines Kindes festgestellt werden, wenn bewiesen ist, dass dieses von ihm abstammt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Kind durch Geschlechtsverkehr oder im Weg einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung gezeugt wurde. Die Gesetzesmaterialien zum FamErbRÄG 2004 gehen davon aus, dass heutzutage die Abstammung mit Hilfe moderner DNA-Untersuchungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann (Erl 471 BlgNR 22. GP 21). Tatsächlich lieferte die Entdeckung der DNA-Struktur durch Watson und Crick 1953 und in weiterer Folge die Entwicklung der Polymerase-Kettenreaktion durch Mullis 1983/1984, wodurch die DNA in Einzelstränge aufgeteilt und vervielfältigt werden kann, die Grundlage für neue Methoden der Abstammungsbegutachtung, die die Vaterschaftsfeststellung wesentlich verbessert hat (vgl etwa W. R. Mayr ua, RZ 2001, 159; Orgis, FamRZ 2002, 1157). 4 Nach Abs 2 kann der Antrag des Kindes wahlweise – nicht bloß
hilfsweise (insofern nicht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut Erl 471 BlgNR 22. GP 22; Fischer-Czermak, JBl 2005, 6) – auch allein darauf gestützt werden, dass der Mann der Mutter in der empfängnisrelevanten Zeit (innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt) beigewohnt hat oder mit seinem Samen in dieser Zeit an der Mutter eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung vorgenommen wurde. Beiwohnung bedeutet die Vereinigung der Geschlechtsteile auf eine solche Weise, die das Eindringen des Samens in die Scheide nicht zweifelsfrei ausschließt (SZ 46/119). Zur Fristberechnung im Fall der medizinisch unterstützten Fortpflanzung s Memmer, JBl 1992, 370; Stabentheiner/R Rz 1a. Ist die Beiwohnung erwiesen, so kann der Mann dem Antrag des Kindes nur mit dem Nachweis entgegentreten, dass das Kind nicht von ihm abstammt. Die Verwendung eines Kondoms oder die Unterbrechung des Geschlechtsverkehrs vor dem Samenerguss ist kein hinreichender Nachweis, desgleichen nicht der Beweis der höheren Wahrscheinlichkeit der Zeugung durch einen anderen Mann. Der Mann 138
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Eltern und Kinder
§ 163
muss den naturwissenschaftlichen Ausschlussbeweis erbringen (Erl aaO). Gleiches gilt für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung, deren Durchführung mit dem Samen des Mannes in der empfängnisrelevanten Zeit erwiesen ist. Der Mann kann in diesem Fall dem Vaterschaftsfeststellungsantrag auch nicht entgegenhalten, dass er nicht der Lebensgefährte der Mutter iSd § 2 Abs 1 FMedG ist oder dass er – vorbehaltlich des Abs 4 – der medizinisch unterstützten Fortpflanzung nicht gemäß § 8 FMedG zugestimmt hat (Stabentheiner/R Rz 1a). Das Kind kann seinen Antrag auf Vaterschaftsfeststellung nur bis 5 zum Ablauf von zwei Jahren nach dem Tod des in Anspruch genommenen Mannes auf den Nachweis der Beiwohnung stützen; danach nur noch dann, wenn dem Kind der positive Abstammungsbeweis aus Gründen nicht gelingt, die der Sphäre des Mannes zuzurechnen sind, also insb wenn zum Vaterschaftsbeweis erforderliches genetisches Material deshalb nicht greifbar ist, weil der Mann zu Lebzeiten „untergetaucht“ ist oder flüchtig war oder die Rechtsnachfolger genetisches Material verschwinden haben lassen (Erl 471 BlgNR 22. GP 22). Die Zwei-Jahres-Frist bezieht sich richtigerweise auf die Antragstellung und nicht – wie nach dem Gesetzeswortlaut – auf die Feststellung der Vaterschaft (Schwimann, Familienrecht 5, 2004, 59). Im Fall einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung durch hete- 6 rologe Insemination außerhalb einer Ehe (§ 1 Abs 2 Z 1, § 3 Abs 2 FMedG) ist Voraussetzung der Feststellung eines vom Samenspender verschiedenen Mannes als Vater, dass dieser der – innerhalb der empfängnisrelevanten Zeit durchgeführten – Insemination in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts zugestimmt hat (zur Form der Zustimmung im Ausland s §§ 156–158 Rz 4). Ob der qualifiziert Zustimmende tatsächlich der Lebensgefährte der Mutter ist, wie § 2 Abs 1 FMedG verlangt, ist für die Vaterschaftsfeststellung nicht entscheidend (V. Steininger, ÖJZ 1995, 126 ff; Bernat/S Rz 8; aM Schwimann, NZ 2005, 41 FN 56). Dem Nachweis der qualifizierten Zustimmung zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung können der Mann und – obwohl im Gesetzeswortlaut nicht genannt (Schwimann, Familienrecht 5 59) – auch das Kind entgegenhalten, dass das Kind nicht durch diese medizinisch unterstützte Fortpflanzung gezeugt worden ist. Hat der Lebensgefährte zwar der heterologen Insemination zugestimmt, jedoch nicht in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts, so kann er zwar nicht als Vater festgestellt werden, uU kann sich aus seiner Erklärung aber eine Verpflichtung ergeben, dem Kind Unterhalt zu leisten (7 Ob 212/97w SZ 70/155; Bernat/S Rz 12). Hopf
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§ 163a
7 Bei einer heterologen medizinisch unterstützten Fortpflanzung kann
der Samenspender grundsätzlich nicht als Vater des auf diesem Weg gezeugten Kindes festgestellt werden. Dies gilt im Anwendungsbereich des FMedG aber nur für den Mann, der seinen Samen gemäß § 11 FMedG einer nach § 5 Abs 2 FMedG zugelassenen Krankenanstalt zur Verfügung gestellt hat und dabei, insb durch seine Zustimmung iSd § 13 Abs 1 FMedG, auch zum Ausdruck gebracht hat, dass er selbst nicht als Vater des mit seinem Samen gezeugten Kindes festgestellt werden will. Die Regelung ist auch anzuwenden, wenn der Samen des Dritten für eine – nach dem FMedG nicht zulässige – heterologe In-vitro-Fertilisation verwendet wird. Der Ausschluss der Vaterschaft des Samenspenders gilt selbst dann, wenn das Kind dadurch juristisch vaterlos wird (Erl 216 BlgNR 18. GP 26); die Regelung ist freilich dann im Interesse von Kind und Samenspender teleologisch zu reduzieren, wenn der Samenspender bereit ist, ein Vaterschaftsanerkenntnis abzugeben (Stabentheiner/R ErgBd § 163 c Rz 4b; Bernat/S Rz 14).
163a. (1) Der gesetzliche Vertreter hat dafür zu sorgen, daß die Vaterschaft festgestellt wird, es sei denn, daß die Feststellung der Vaterschaft für das Wohl des Kindes nachteilig ist oder die Mutter von ihrem Recht, den Namen des Vaters nicht bekannt zu geben, Gebrauch macht. (2) Der Jugendwohlfahrtsträger hat die Mutter darauf aufmerksam zu machen, welche Folgen es hat, wenn die Vaterschaft nicht festgestellt wird. [idF BGBl 1989/162]
1 Die Bestimmung gilt für eheliche wie für uneheliche Kinder. Gesetz-
liche Vertreter können Mutter, Vater, Groß- oder Pflegeeltern und andere mit der Obsorge betraute Personen, insb der Jugendwohlfahrtsträger nach § 212, sein. Die Pflicht, für die Feststellung der Vaterschaft zu sorgen, entfällt, wenn dies dem Kind – unter Abwägung aller Umstände – zum Nachteil gereicht, etwa weil es einem blutschänderischen Verhältnis oder einer Vergewaltigung entstammt oder der Vater nicht in der Lage ist, seinen väterlichen Pflichten nachzukommen oder auch nur eine Beziehung zu dem Kind zu entwickeln, oder das Kind durch die Vaterschaftsfeststellung aus einem intakten Familienverband herausgerissen würde (Bernat/S Rz 3; Stabentheiner/R ErgBd Rz 2), oder die Mutter von ihrem Schweigerecht Gebrauch macht (s Rz 2). Zur Wahrnehmung des Kindeswohls im Abstammungsverfahren s auch § 138b Abs 2. 140
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Eltern und Kinder
§ 163b
Das Recht der Mutter, den Namen des Vaters nicht bekannt zu 2 geben, ist ein höchstpersönliches Recht, von dem sie nach ihrem Belieben Gebrauch machen, auf das sie nicht im Voraus verzichten und auf das sie sich auch bei ihrer Aussage als Partei im Vaterschaftsfeststellungsverfahren berufen kann (Stabentheiner/R Rz 3). Das Recht des gesetzlichen Vertreters, die Vaterschaftsfeststellung zu betreiben, wird dadurch – im Hinblick auf den Vorrang des Kindeswohls – nicht beschränkt (Bernat/S Rz 4; Stabentheiner/R Rz 3a; anders Erl 172 BlgNR 17. GP 15). § 163b. Das Kind kann die Feststellung seiner Abstammung auch beantragen, wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes bereits feststeht. In einem solchen Fall hat die Feststellung der Abstammung die vom Gericht auszusprechende Wirkung, dass das Kind nicht vom anderen Mann abstammt. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175; s auch bei § 163.
§ 163b räumt dem Kind – nicht auch dem Mann, der behauptet, Vater 1 zu sein (ihm steht nur ein Anerkenntnis nach § 163e Abs 2 zur Verfügung) – das Recht ein, die Feststellung der Vaterschaft zu beantragen, obgleich bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes – gleich, aus welchem der in § 138 Abs 1 angeführten Gründe (auch eine gerichtliche Feststellung steht dem Antrag grundsätzlich nicht entgegen; aM Simotta, ÖA 2004, 188) – feststeht. Damit wird dem Kind ein möglichst einfacher, direkter Weg auf Kenntnis seiner wahren Abstammung eröffnet („Vätertausch“). Dem Prinzip des Schutzes des sozialen Familienverbandes, gegen das sich der Antrag des mj Kindes richten könnte, wird durch die Pflicht des gesetzlichen Vertreters Rechnung getragen, sich bei der Mitwirkung an der Antragstellung vom Wohl des Kindes leiten zu lassen (§ 138b Abs 2, § 163a; Erl 471 BlgNR 22. GP 23 ff). Partei im Verfahren nach § 163b ist – neben dem Kind, dem Antrags- 2 gegner und der Mutter – auch der Mann, dessen Vaterschaft durch die positive Erledigung des Antrags verdrängt würde (§ 82 Abs 2 AußStrG). Das Kind kann seinen Antrag sowohl auf einen positiven Abstammungsbeweis als auch auf den Beweis der Beiwohnung innerhalb der empfängnisrelevanten Zeit (§ 163 Abs 2) stützen. Letzteres wird freilich dann nicht in Betracht kommen, wenn der „Gilt-Vater“ bereits auf Grund eines positiven Beweises nach § 163 Abs 1 festgestellt wurde. Schwimann/S Rz 2 ff tritt daher mit gutem Grund für Hopf
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§ 163c
eine teleologische Reduktion der Zulässigkeit eines Antrags nach § 163b auf jene Fälle ein, in denen die bestehende Vaterschaft nicht auf Grund eines DNA-Testes festgestellt ist. 3 Stellt das Gericht die Abstammung des Kindes vom Antragsgegner
fest, so hat es zugleich – mit deklarativer Wirkung – auszusprechen, dass das Kind – rückwirkend auf den Geburtszeitpunkt – nicht vom anderen Mann abstammt. Mit der Entscheidung des Gerichtes tritt auch der Beschluss oder das Anerkenntnis außer Kraft, auf dem die Vaterschaft des bisherigen Gilt-Vaters beruhte (zu dem sich in diesem Zusammenhang stellenden Rechtskraftproblem s Simotta, ÖA 2004, 188). Wird diese Entscheidung später im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nach §§ 72 ff AußStrG beseitigt, so fällt damit auch der Ausspruch über die Nichtabstammung vom früheren Mann dahin, so dass dieser wieder Vater des Kindes wird (Erl 471 BlgNR 22. GP 23). § 163c. (1) Die Vaterschaft wird durch persönliche Erklärung in inländischer öffentlicher oder öffentlich-beglaubigter Urkunde anerkannt. Das Anerkenntnis wirkt ab dem Zeitpunkt der Erklärung, sofern die Urkunde oder ihre öffentlich-beglaubigte Abschrift dem Standesbeamten zukommt. (2) Das Anerkenntnis soll eine genaue Bezeichnung des Anerkennenden, der Mutter und des Kindes, sofern es bereits geboren ist, enthalten. (3) Für Zustimmungen zum Anerkenntnis gelten die Abs. 1 und 2 entsprechend. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Ballon, Das Vaterschaftsanerkenntnis aus verfahrensrechtlicher Sicht, JBl 1974, 246; Fischer-Czermak, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2; Hintermüller, Die Anerkennung der Vaterschaft vor Beurkundung der Geburt, ÖStA 1990, 19; Kralik, Das Vaterschaftsanerkenntnis vor dem Notar, NZ 1971, 33; H. Pichler, Neues im Kindschaftsrecht, JBl 1989, 677; Preslmayr, Wirksamwerden des Vaterschaftsanerkenntnisses und neues Erbrecht, NZ 1990, 217; Schwimann, Zum Vaterschaftsanerkenntnis nach der neuen Rechtslage, ÖJZ 1973, 294; ders, Tatbestandsprobleme des Vaterschaftsanerkenntnisses, FS Demelius (1973) 469; ders, Probleme des fehlerhaften Vaterschaftsanerkenntnisses, JBl 1977, 225; ders, Neuerliche Abstammungsrechtsreform mit Ablaufdatum, NZ 2005, 33; Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175.
1 Die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind wird in der weit über-
wiegenden Zahl der Fälle durch Anerkenntnis festgestellt (zum An142
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§ 163c
erkenntnis der ehelichen Vaterschaft s § 138d). Das Feststehen der Vaterschaft hindert grundsätzlich nicht ein Anerkenntnis, doch setzt die Wirksamkeit eines solchen Anerkenntnisses entweder die Beseitigung dieser Vaterschaft (§ 163e Abs 1) oder eine besondere Qualifikation des Anerkenntnisses durch die Mitwirkung von Kind und Mutter (§ 163e Abs 2) voraus. Das Anerkenntnis muss persönlich erklärt werden, ein von einem 2 Bevollmächtigten abgegebenes Anerkenntnis ist unwirksam (4 Ob 501/96 SZ 69/2). Ist der Anerkennende nicht eigenberechtigt, aber einsichts- und urteilsfähig, so bedarf sein Anerkenntnis der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§ 138b Rz 2); sind Vater und Mutter gesetzliche Vertreter des Kindes, so bedarf es des Zusammenwirkens beider (§ 154 Abs 2). Ein von einem einsichts- und urteilsunfähigen Mann abgegebenes Anerkenntnis ist nach § 164 Abs 1 Z 1 lit b von Amts wegen für rechtsunwirksam zu erklären. Ein gesetzlicher Vertreter kann für einen Einsichts- und Urteilsunfähigen nicht anerkennen; dessen Vaterschaft kann nur im Weg eines gerichtlichen Verfahrens nach § 163 festgestellt werden. Ein Anerkenntnis kann auch von den Rechtsnachfolgern des biologischen Vaters erklärt werden; dies mag nach dem Wortlaut des § 138a Abs 2 zweifelhaft sein, entspricht aber der Rechtslage vor dem FamErbRÄG 2004 (Schwimann/S Rz 12; Stabentheiner/R ErgBd Rz 17), an der der Gesetzgeber des FamErbRÄG 2004 offenbar – mangels irgendeines Hinweises in den Materialien – nichts ändern wollte (§ 138a Rz 2). Für die öffentliche Beurkundung des Anerkenntnisses sowie allen- 3 falls erforderliche Zustimmungen (Abs 3; § 138b Abs 1) kommen das nach § 108 JN zuständige Gericht, jeder Standesbeamte (§ 53 Abs 1 Z 1 PStG), jeder Jugendwohlfahrtsträger (§ 41 Abs 1 JWG), jeder Notar (§ 1 Abs 1, §§ 2, 52 ff NO) und jede österreichische Vertretungsbehörde im Ausland (§ 53 Abs 2 iVm § 2 Abs 2 PStG) in Betracht. Zum Anerkenntnis durch Blinde sowie Taube, die nicht lesen, und Stumme, die nicht schreiben können, s § 1 Abs 1 lit e NotAktsG. Zur öffentlichen Beglaubigung eines – in einer Privaturkunde erklärten – Anerkenntnisses sind gleichfalls jeder Standesbeamte, jeder Jugendwohlfahrtsträger, jeder Notar und jede österreichische Vertretungsbehörde sowie – anders als für die Beurkundung – jedes Bezirksgericht berufen. Die das Anerkenntnis beurkundenden Stellen haben dieses an den zuständigen Standesbeamten zu übermitteln (§ 81 Abs 3 AußStrG, § 54 Abs 1 PStG, § 41 Abs 2 JWG), der Notar allerdings nur auf Antrag des Anerkennenden (4 Ob 501/96 SZ 69/2). Standesbeamte und österreichische Vertretungsbehörden im Ausland sind auch zur Übermittlung der von ihnen beglaubigten AnerkenntHopf
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§ 163c
nisse verpflichtet (§ 54 Abs 3 S 2 PStG); sonst hat der Anerkennende für die Übermittlung zu sorgen (§ 54 Abs 3 S 1 PStG; Schwimann/S Rz 12). Die Übermittlung hat gemäß § 54 Abs 2 Z 1 an jenen Standesbeamten zu erfolgen, in dessen Geburtenbuch die Geburt des Kindes eingetragen ist, hilfsweise an die Gemeinde Wien (§ 54 Abs 2 Z 6 PStG). 4 Die Sollvorschrift des Abs 2 sowie die Aufzählung der Inhaltsele-
mente der Niederschrift über das Anerkenntnis in § 81 Abs 2 AußStrG gehen über das inhaltliche Mindesterfordernis eines rechtswirksamen Anerkenntnisses hinaus; dieses besteht in der ausdrücklichen, persönlichen Erklärung der Anerkennung der Vaterschaft eines bestimmten Mannes zu einem bestimmten Kind (§ 164 Rz 2; Stabentheiner/R ErgBd Rz 4; zur Rechtsfigur eines wirkungslosen „Nicht-Anerkenntnisses“ in diesem Zusammenhang s § 164 Rz 2; Schwimann/S § 164 Rz 3 f; K/W I 527). Weitere Wirksamkeitsvoraussetzung (nach Schwimann/S Rz 2 auch Mindestvoraussetzung) ist das Einlangen des Anerkenntnisses (und allenfalls erforderlicher Zustimmungserklärungen) beim zuständigen Standesbeamten (1 Ob 544, 545/91 EF 66.015); wer die Urkunde dem Standesbeamten übermittelt (s Rz 3) und ob der Übermittlung ein Auftrag zu Grunde lag, ist für die Wirksamkeit unmaßgeblich (4 Ob 197/03d EvBl 2004/56). Die Rechtswirkungen des Anerkenntnisses treten dann mit dem Zeitpunkt der Erklärung ein (davon zu unterscheiden sind die materiellrechtlichen Wirkungen des Anerkenntnisses, wie insb die Unterhaltspflicht, die bis zur Geburt zurückreichen; Stabentheiner/R ErgBd Rz 12a). 5 Das Anerkenntnis ist bedingungs- und befristungsfeindlich (Sta-
bentheiner/R ErgBd Rz 4), doch ist es auch schon vor der Geburt – und damit unter der Bedingung der Lebendgeburt des Kindes – zulässig. Ein Widerruf – unter Einhaltung der für das Anerkenntnis geltenden Formvorschriften – ist bis zum Einlangen beim zuständigen Standesbeamten zulässig (Stabentheiner/R ErgBd Rz 18). Unter mehreren Anerkenntnissen entscheidet das Zuvorkommen beim zuständigen Standesbeamten; die später einlangenden Anerkenntnisse sind schwebend unwirksam (§ 163e Abs 1). 6 Die Zustimmung des Lebensgefährten der Mutter zu einer medi-
zinisch unterstützten Fortpflanzung in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts (§ 8 Abs 1 FMedG) ersetzt – gleich, ob es sich um eine homologe oder eine heterologe medizinisch unterstützte Fortpflanzung handelt – nicht die Anerkennung der Vaterschaft. 144
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§ 163d
§ 163d. (1) Das Kind oder die Mutter, sofern sie einsichts- und urteilsfähig sowie am Leben ist, können gegen das Anerkenntnis innerhalb von zwei Jahren ab Kenntnis von dessen Rechtswirksamkeit bei Gericht Widerspruch erheben. (2) Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die zum Widerspruch berechtigte Person nicht eigenberechtigt ist oder innerhalb des letzten Jahres der Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis am Widerspruch gehindert ist. [idF BGBl I 2004/58] Lit: S bei § 163c.
Der Widerspruch gegen ein Anerkenntnis ist bei dem nach § 108 JN 1 zuständigen Gericht schriftlich oder mündlich zu Protokoll zu erheben. Für die Niederschrift über die Erklärung gilt § 81 AußStrG. Widerspruchsberechtigt sind das Kind und die Mutter sowie – gemäß § 138a Abs 2 – nach dem Tod des Kindes dessen Rechtsnachfolger (Fischer-Czermak, JBl 2005, 3). Die Mutter kann den Widerspruch nur selbst erheben; ist sie einsichts- und urteilsunfähig (die Vermutung des § 138b Abs 1 S 3 über die Einsichts- und Urteilsfähigkeit Mündiger gilt analog: Fischer-Czermak, JBl 2005, 5) oder gestorben, so entfällt ihr Widerspruchsrecht (Erl 471 BlgNR 22. GP 25). Die beschränkt geschäftsfähige, aber einsichts- und urteilsfähige Mutter bedarf zum Widerspruch nicht der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Für den Widerspruch des nicht eigenberechtigten Kindes gilt § 138b. Ist das Kind nicht einsichts- und urteilsfähig, so übt das Widerspruchsrecht der gesetzliche Vertreter aus (JAB 887 BlgNR 17. GP 5); dieser bedarf hiezu nicht der Genehmigung des Gerichtes (§ 138b Abs 2 S 2). Die zweijährige Widerspruchsfrist beginnt mit Kenntnis von der 2 Rechtswirksamkeit des Anerkenntnisses, also mit der Kenntnis vom Einlangen des Anerkenntnisses beim zuständigen Standesbeamten. IdR wird der Fristenlauf durch die gemäß § 54 Abs 4 PStG der Personenstandsbehörde obliegende Verständigung des Widerspruchsberechtigten vom Anerkenntnis ausgelöst. Zufolge des materiellrechtlichen Charakters der Frist muss der Widerspruch vor Ablauf der zwei Jahre bei Gericht eingelangt sein (Stabentheiner/R Rz 1). Zur Hemmung der Frist s § 158 Abs 2 und Rz 7 hiezu. Der Widerspruch des Kindes oder der Mutter löst das Verfahren nach 3 § 164 Abs 1 Z 2 aus: Das Gericht hat das Anerkenntnis für rechtsunwirksam zu erklären, es sei denn es ist erwiesen, dass das Kind vom Anerkennenden abstammt oder – im Fall einer heterologen Insemination – mit seiner qualifizierten Zustimmung gezeugt wurde. Hopf
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§ 163e
§ 163e. (1) Steht zum Zeitpunkt der Anerkennung bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes fest, so wird das Anerkenntnis erst rechtswirksam, sobald mit allgemein verbindlicher Wirkung festgestellt ist, dass der andere Mann nicht der Vater des betreffenden Kindes ist. (2) Ein zu einem Zeitpunkt, zu dem die Abstammung des Kindes von einem anderen Mann feststand, abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis wird jedoch rechtswirksam, wenn in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde das Kind dem Anerkenntnis zustimmt. Ist das Kind nicht eigenberechtigt, so wird das Anerkenntnis überdies nur rechtswirksam, wenn die einsichts- und urteilsfähige Mutter selbst den Anerkennenden in der genannten Form als Vater bezeichnet. Das Anerkenntnis wirkt ab dem Zeitpunkt seiner Erklärung, sofern die über diese Erklärung sowie über die Zustimmung zum Anerkenntnis und, falls erforderlich, über die Bezeichnung des Anerkennenden als Vater errichteten Urkunden oder ihre öffentlich-beglaubigten Abschriften dem Standesbeamten zukommen. (3) Der Mann, der als Vater feststand, oder die Mutter, sofern sie einsichts- und urteilsfähig sowie am Leben ist und nicht nach Abs. 2 den Anerkennenden als Vater bezeichnet hat, kann gegen das Anerkenntnis bei Gericht Widerspruch erheben. § 163d gilt entsprechend. (4) Für die Zustimmung des minderjährigen Kindes ist der Jugendwohlfahrtsträger gesetzlicher Vertreter des Kindes. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Ferrari/Pfeiler, Die österreichische Reform des Kindschaftsrechts, FamRZ 2002, 1085; Fischer-Czermak, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Mottl, Änderungen im Abstammungsrecht durch das KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 100; Neuhauser, Gedanken zum KindRÄG 2001, ÖA 2001, 180; Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175.
1 Ein Anerkenntnis zu einem Kind, dessen Vater bereits – auf Grund
eines der Tatbestände des § 138 Abs 1 – feststeht, ist nicht schlechthin, sondern bloß schwebend unwirksam. Es erlangt seine allgemein verbindliche Rechtswirksamkeit iSd § 138a Abs 1 entweder durch Beseitigung der bestehenden Vaterschaft im Weg eines gerichtlichen Verfahrens nach den §§ 72 ff AußStrG oder nach den §§ 156 oder 164 – in diesen Fällen wird das Anerkenntnis eo ipso rechtswirksam – oder durch die besondere „Qualifikation“ des Anerkenntnisses nach Abs 2–4 (Stabentheiner/R ErgBd Rz 1). 146
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§ 163e
Ein Anerkenntnis trotz bestehender Vaterschaft wird ohne deren vor- 2 hergehende Beseitigung rechtswirksam, wenn das Kind dem Anerkenntnis zustimmt und – im Fall der mangelnden Eigenberechtigung des Kindes im Zeitpunkt dieser Zustimmung (Erl 471 BlgNR 22. GP 26) – die Mutter den Anerkennenden als Vater bezeichnet („vaterschaftsdurchbrechendes Anerkenntnis“; Erl 296 BlgNR 21. GP 62; Stabentheiner/R ErgBd Rz 2; K/W I 527). Die Erklärung der Mutter ist eine höchstpersönliche („selbst“) und setzt Einsichts- und Urteilsfähigkeit voraus (diese wird – analog zu § 138b Abs 1 S 3 – bei einer Mündigen vermutet: Fischer-Czermak, JBl 2005, 5); sie kann weder von einem gesetzlichen Vertreter (§ 138b Rz 2) noch von einem Rechtsnachfolger (§ 138a Rz 2) abgegeben werden. Ist die Mutter einsichts- und urteilsunfähig oder gestorben, so ist, solange das Kind nicht eigenberechtigt ist, ein qualifiziertes Anerkenntnis nach Abs 2 ausgeschlossen. Ist das Kind eigenberechtigt, so entfällt das Erfordernis der Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter; sie hat nach Abs 3 (nur noch) ein Widerspruchsrecht (in diesem Sinn ist die Wendung des Abs 3 „und nicht nach Abs 2 den Anerkennenden als Vater bezeichnet hat“ zu verstehen – Erl 471 BlgNR 22. GP 26). Das mj Kind wird bei seiner Zustimmungserklärung ex lege vom Jugendwohlfahrtsträger vertreten (Abs 4), der sich dabei nach § 138b Abs 2 vom Kindeswohl leiten zu lassen hat. Ist das mj Kind einsichtsund urteilsfähig, so ist § 138b Abs 1 anzuwenden. Die Erfordernisse der Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter des mj Kindes und der Zustimmung des – durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen – Kindes zum Anerkenntnis sollen den sozialen Familienverband gegen ein „Hineindrängen“ des biologischen Vaters schützen (Erl 471 BlgNR 22. GP 25). Zur Frage der Verfassungskonformität der Regelung s allerdings 1 Ob 236/05w EF-Z 2006, 48 St. Huber. Die Zustimmung des Kindes und die Bezeichnung des Anerken- 3 nenden als Vater durch die Mutter sind in öffentlich oder öffentlichbeglaubigter Urkunde zu erklären. Die – sich auf den Zeitpunkt der Erklärung beziehende – Wirksamkeit des qualifizierten Anerkenntnisses setzt voraus, dass die Urkunden oder ihre öffentlich beglaubigten Abschriften dem Standesbeamten zukommen. Der Standesbeamte hat nach § 54 Abs 4 PStG die nach Abs 3 widerspruchsberechtigten Personen – den Mann, dessen Vaterschaft durch das Anerkenntnis „durchbrochen“ wird, sowie im Fall der Eigenberechtigung des Kindes die Mutter – vom Einlangen des Anerkenntnisses zu verständigen. Die Genannten können dann innerhalb von zwei Jahren ab Verständigung (oder der allenfalls früheren Kenntnis vom rechtsHopf
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wirksamen Anerkenntnis) Widerspruch erheben (§ 163d). Das Widerspruchsrecht der Mutter ist – wie ihr Recht zur Bezeichnung des Anerkennenden als Vater – ein höchstpersönliches, es kann weder von einem gesetzlichen Vertreter noch von einem Rechtsnachfolger ausgeübt werden. 4 Der Widerspruch des früheren Vaters oder der Mutter führt nach § 164
Abs 1 Z 2 zur Unwirksamerklärung des Anerkenntnisses, sofern nicht der positive Nachweis der Vaterschaft des Anerkennenden iSd § 163 Abs 1 (im Fall einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten: der Nachweis der qualifizierten Zustimmung iSd § 163 Abs 3) erbracht wird. Mit der Rechtskraft der Unwirksamerklärung des Anerkenntnisses wird ipso iure die frühere, durch das Anerkenntnis „durchbrochene“ Vaterschaft rückwirkend wieder hergestellt (Erl 296 BlgNR 21. GP 62; Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 538). § 164. (1) Das Gericht hat das Anerkenntnis für rechtsunwirksam zu erklären 1. von Amts wegen, wenn a) das Anerkenntnis oder – im Fall des § 163e Abs. 2 – die Zustimmung des Kindes oder die Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter nicht den Formvorschriften entspricht oder b) es auf Seiten des Anerkennenden oder – im Fall des § 163e Abs. 2 – des Kindes oder der Mutter an der Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder – beim Anerkennenden oder beim Kind – an der gesetzlichen Vertretung gemangelt hat, es sei denn, der Mangel der gesetzlichen Vertretung ist nachträglich behoben worden oder der Anerkennende hat nach Erreichung der Eigenberechtigung das Anerkenntnis gebilligt; 2. aufgrund eines Widerspruchs, es sei denn, es ist erwiesen, dass das Kind vom Anerkennenden abstammt oder – wenn das Kind durch eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten gezeugt worden ist – dass der Anerkennende dem in Form eines gerichtlichen Protokolls oder Notariatsakts zugestimmt hat; 3. auf Antrag des Anerkennenden, wenn er beweist, a) dass sein Anerkenntnis durch List, ungerechte und gegründete Furcht oder Irrtum darüber veranlasst worden ist, dass das Kind von ihm abstammt oder dass an der Mutter eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit seinem Samen oder mit seiner Zustimmung mit dem Samen eines Dritten vorgenommen wurde oder 148
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§ 164
b) dass das Kind nicht von ihm abstammt und er erst nachträglich von solchen Umständen Kenntnis erlangt hat, die für die Nichtabstammung des Kindes sprechen. (2) Der Antrag nach Abs. 1 Z 3 kann längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Entdeckung der Täuschung, des Irrtums oder der genannten Umstände oder nach Wegfall der Zwangslage erhoben werden. Die Frist beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Simotta, Das neue Abstammungsrecht, ÖA 2004, 175; s auch bei § 163c.
Das Verfahren über die Rechtsunwirksamerklärung eines Vater- 1 schaftsanerkenntnisses ist ein außerstreitiges Verfahren (§§ 82 ff AußStrG). Es wird entweder von Amts wegen (Abs 1 Z 1), auf Grund eines Widerspruchs gegen ein Anerkenntnis (Abs 1 Z 2) oder auf Antrag des Anerkennenden (Abs 1 Z 3) eingeleitet. Von Amts wegen wird das Verfahren bei Formmängeln des Aner- 2 kenntnisses und damit im Zusammenhang stehender Erklärungen (Zustimmung des Kindes und Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter nach § 163e Abs 2, Zustimmung des – in Abs 1 Z 1 lit a nicht genannten (Schwimann/S Rz 5) – gesetzlichen Vertreters bzw des Kindes nach § 138b Abs 1) eingeleitet. Allerdings führt nicht jeder Verstoß gegen die Sollvorschriften des § 163c Abs 2 oder die Verfahrensvorschrift des § 81 Abs 2 AußStrG zur Rechtsunwirksamerklärung, sondern es muss sich um wesentliche Formmängel handeln. Als solche kommen insb das Fehlen einer persönlichen Erklärung des Anerkennenden sowie Mängel der Zuständigkeit des Gerichtes oder des Standesbeamten oder das Nichteinlangen der Urkunde über das Anerkenntnis beim Standesbeamten in beglaubigter Abschrift (Letzteres hat nach Schwimann/S Rz 8 ein Nichtanerkenntnis zur Folge und steht daher einer Unwirksamerklärung entgegen, s sogleich) in Betracht (Stabentheiner/R ErgBd Rz 5). Die Formmängel dürfen allerdings nicht so schwerwiegend sein, dass ein Nichtanerkenntnis vorliegt, also nicht die essentiellen Elemente des Anerkenntnisses betreffen (s § 163c Rz 4); ein solches Anerkenntnis bedarf keiner Rechtsunwirksamerklärung (Stabentheiner/R ErgBd Rz 1; Schwimann/S Rz 4). Weiters entscheidet das Gericht von Amts wegen über die Rechtsunwirksamerklärung bei fehlender Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Anerkennenden oder von Kind und Mutter bei ihren Erklärungen nach § 163e Abs 2 sowie beim Mangel der gesetzlichen Vertretung des Anerkennenden oder des Kindes im Fall seiner Zustimmung zum Anerkenntnis nach § 163e Abs 2. Heilung des VerHopf
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§ 164
tretungsmangels, insb durch Billigung des Anerkenntnisses nach Erlangung der Eigenberechtigung (auch konkludent: SZ 51/30), ist – ohne Fristbindung, jedoch vor der Unwirksamerklärung – möglich. 3 Dem Widerspruch gegen das Anerkenntnis durch das Kind (§ 163d
Abs 1), die Mutter (§ 163d Abs 1, § 163e Abs 3) oder den früheren Vater (§ 163e Abs 3) ist nicht Folge zu geben, wenn positiv die Abstammung des Kindes vom Anerkennenden oder dessen Zustimmung in Form eines Notariatsakts oder eines gerichtlichen Protokolls zu einer heterologen Insemination, durch die das Kind gezeugt wurde, erwiesen ist. Die Parteien des Verfahrens über den Widerspruch – Kind, Anerkennender, Mutter und (beim Anerkenntnis nach § 163e Abs 2) Gilt-Vater – können also einem Widerspruch durch den positiven Abstammungsbeweis entgegentreten (Erl 471 BlgNR 22. GP 27). Nach der zutr Auffassung von Schwimann, NZ 2005, 40 ist ein solcher Beweis im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz amtswegig zu führen. 4 Der Anerkennende selbst kann die Rechtsunwirksamerklärung sei-
nes Anerkenntnisses beantragen, wenn dieses auf Willensmängel, also durch Irrtum, List oder ungerechte und gegründete Furcht – von wem immer veranlasst –, beruht (Abs 1 Z 3 lit a). Der Irrtum muss sich auf die Abstammung des Kindes vom Anerkennenden oder – im Fall einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung – auf die Verwendung seines Samens oder – mit seiner Zustimmung – der Verwendung des Samens eines Dritten beziehen. Bsp aus der Rspr sind etwa die Bestimmung zum Anerkenntnis durch die listige Vorstellung der Mutter, den Anerkennenden zu heiraten (SZ 48/14), oder durch die Drohung der Mutter, der Ehefrau des Anerkennenden dessen „Seitensprung“ mitzuteilen (SZ 50/36). 5 Der Anerkennende kann den Antrag auf Rechtsunwirksamerklärung
seines Anerkenntnis schließlich auf Umstände stützen, die gegen seine Vaterschaft sprechen, ihm aber erst nach Abgabe des Anerkenntnisses bekannt geworden sind (Abs 1 Z 3 lit b). Wusste der Anerkennende von vornherein, dass er das Kind nicht gezeugt hat, so kommt eine Rechtsunwirksamerklärung nicht in Betracht (SZ 48/14; JBl 1982, 99). Dem Kind steht kein Antragsrecht wegen nachträglich hervorgekommener Umstände iSd Abs 1 Z 3 lit b zu, es ist auf das – nach § 163d befristete – Widerspruchsrecht beschränkt (zu den verfassungsrechtlichen Bedenken in diesem Zusammenhang s Fischer-Czermak, JBl 2005, 10). 6 Für den Antrag nach Abs 1 Z 3 setzt Abs 2 eine Frist von zwei Jahren.
Es handelt sich um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, die mit 150
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§ 166
Entdeckung der Täuschung, des Irrtums oder der gegen die Vaterschaft sprechenden Umstände durch den Anerkennenden oder mit Wegfall des Zwanges, frühestens mit Geburt des Kindes, beginnt. Bloße Zweifel hinsichtlich der Abstammung, die Kenntnis vom Mehrverkehr der Mutter oder bloß einzelne Verdachtsumstände lösen die Frist nicht aus. Die Umstände müssen vielmehr von so großer Beweiskraft sein, dass der Anerkennende die Abstammung des Kindes von ihm als höchst unwahrscheinlich ansehen kann (vgl 3 Ob 72/01m EF 96.608). Vgl im Übrigen § 158 Rz 5. Die Hemmungsbestimmung des § 158 Abs 2 gilt analog (Schwimann/S Rz 16). Nicht anzuwenden ist hingegen § 1497 (6 Ob 6/04g EvBl 2004/143). Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und unehelichen Kindern § 165. ter.
Das uneheliche Kind erhält den Familiennamen der Mut-
[idF BGBl 1995/25] Lit: S bei § 139.
Der Familienname des unehelichen Kindes bestimmt sich nach dem 1 Familiennamen der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes. Führt die Mutter zu diesem Zeitpunkt gemäß § 93 Abs 2 einen Doppelnamen, so erhält das Kind auf Grund des § 93 Abs 2 letzter S den gemeinsamen Familiennamen iSd Bestimmung (Zeyringer, ÖStA 1995, 64). Wird – im Wege eines gerichtlichen Verfahrens nach den §§ 156 oder 2 163b oder auf Grund eines Anerkenntnisses nach § 163e Abs 2 – festgestellt, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt, so erhält das Kind – auf Grund der Rückwirkung des gerichtlichen Beschlusses bzw des Anerkenntnisses auf den Zeitpunkt der Geburt – den Familiennamen der Mutter in diesem Zeitpunkt (Mottl, NZ 1996, 326; Stabentheiner/R Rz 2; aM – den aktuellen Familiennamen der Mutter – Stormann/S Rz 3; K/W I 549 f). Den Namen seines Vaters kann das uneheliche Kind nur im Weg 3 einer verwaltungsbehördlichen Namensänderung erwerben (§ 2 Abs 1 Z 8 und 9 NÄG). §§ 165a–165c. [aufgehoben, BGBl 1995/25] § 166. Mit der Obsorge für das uneheliche Kind ist die Mutter allein betraut. Im übrigen gelten, soweit nicht anderes bestimmt Hopf
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ist, die das eheliche Kind betreffenden Bestimmungen über den Unterhalt und die Obsorge auch für das uneheliche Kind. [idF BGBl I 2001/135] Lit: Ebert, „First Call for Children!“, JBl 1995, 369; Verschraegen, Das uneheliche Kind und seine Eltern – Stückwerk in Österreich oder Vorbild für das Ausland? in Coester/Zubke (Hrsg), Das nichteheliche Kind und seine Eltern – rechtliche und sozialwissenschaftliche Aspekte (1991) 57.
1 Mit Pflege und Erziehung, Vermögensverwaltung und gesetzlicher
Vertretung eines unehelichen Kindes ist grundsätzlich (Ausnahme §§ 145a, 211) ab dessen Geburt kraft Gesetzes die Mutter allein betraut. Sonst gelten für Obsorge und Unterhalt des unehelichen Kindes grundsätzlich dieselben Bestimmungen wie für das eheliche Kind. Daher hat etwa im Fall der Verhinderung der Mutter an der Obsorgeausübung nach § 145 das Gericht zu entscheiden, ob die Obsorge dem Vater oder einem Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) zu übertragen ist. Ist die Mutter nicht voll geschäftsfähig, kommen ihr nur die Pflege und Erziehung zu (§ 145a). Weiters gelten für das Eltern-Kind-Verhältnis insb auch die Bestimmungen über das Besuchsrecht (§ 148) sowie die Informations- und Äußerungsrechte des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils (§ 178). § 166a. [aufgehoben, BGBl 1977/403] § 167. (1) Leben die Eltern des Kindes in häuslicher Gemeinschaft, so können sie vereinbaren, dass in Hinkunft beide Elternteile mit der Obsorge betraut sind. Das Gericht hat die Vereinbarung zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht. Hebt ein Elternteil die häusliche Gemeinschaft nicht bloß vorübergehend auf, so sind die §§ 177 und 177a entsprechend anzuwenden. (2) Leben die Eltern nicht in häuslicher Gemeinschaft, so können sie vereinbaren, dass in Hinkunft auch der Vater ganz oder in bestimmten Angelegenheiten mit der Obsorge betraut ist, wenn sie dem Gericht eine Vereinbarung darüber vorlegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Soll sich das Kind hauptsächlich im Haushalt des Vaters aufhalten, so muss auch dieser immer mit der gesamten Obsorge betraut sein. Das Gericht hat die Vereinbarung zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht. § 177a Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. [idF BGBl I 2001/135]
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§ 167
Lit: Ferrari, Die Obsorge bei Trennung und Scheidung der Eltern nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 53; Gründler, Die gemeinsame Obsorge nach dem KindRÄG 2001, ÖJZ 2001, 701; Hopf, Die Rechtsstellung des Elternteils, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 69; Möschl, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft 3 (2007); Mottl, Das Kind: Rechtsobjekt oder nur Spielball familiärer Auseinandersetzungen? in Rauch-Kallat/J. Pichler, Entwicklungen 167; Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – Ein Überblick, NZ 1995, 49.
Die Betrauung beider Elternteile mit der Obsorge für ihr unehe- 1 liches Kind setzt in jedem Fall eine – keiner besonderen Form bedürfende – Vereinbarung der Eltern voraus, über die das Gericht nach § 109 AußStrG eine Niederschrift aufzunehmen hat. Die Vereinbarung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Gerichtes; darüber hat das Gericht – ohne weiteren Antrag (§ 109 S 2 AußStrG) – zu entscheiden. Voraussetzung der Genehmigung ist, dass die Einigung der Eltern dem Kindeswohl entspricht. Für das Genehmigungsverfahren gelten die §§ 104 ff AußStrG. Der Vater kann die gemeinsame Obsorge nicht gegen den Willen der Mutter erzwingen. Nicht zulässig ist die Betrauung der Mutter und ihres Lebensgefährten (ihrer Lebensgefährtin: 7 Ob 144/02f RZ 2002, 137) mit der gemeinsamen Obsorge (§ 186a Rz 1). Die Betrauung beider Elternteile mit der Obsorge können die Eltern 2 unabhängig davon vereinbaren, ob sie in häuslicher Gemeinschaft leben. Die häusliche Gemeinschaft ist nur insofern relevant, als bei deren Fehlen die Vereinbarung auch festzulegen hat, ob sich das Kind hauptsächlich beim Vater oder bei der Mutter aufhält. Unter diesem Gesichtspunkt bedeutet häusliche Gemeinschaft Wohngemeinschaft, eine Lebensgemeinschaft ist nicht erforderlich, insb nicht eine Wirtschaftsgemeinschaft (vgl Gründler, ÖJZ 2001, 713; aM Haberl/S Rz 4). Die Gemeinschaft muss nicht schon länger bestehen, doch muss das häusliche Zusammenleben nach dem Sinn der Regelung auf Dauer angelegt sein (Stabentheiner/R ErgBd Rz 3; vgl 1 Ob 316/99y EF 93.060). Die Vereinbarung der Eltern kann die Betrauung beider Teile mit der 3 vollen Obsorge oder auch nur die Betrauung eines Elternteils mit der vollen und des anderen mit einem Teil der Obsorge (etwa Vermögensverwaltung, Vertretung in bestimmten Angelegenheiten) zum Inhalt haben. Dies sieht Abs 2 für getrennt lebende Eltern ausdrücklich vor, ist aber auch bei deren häuslicher Gemeinschaft möglich (Erl 296 BlgNR 21. GP 62; Stabentheiner/R ErgBd Rz 4). Der ElternHopf
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teil, bei dem sich das Kind im Fall der Trennung der Eltern hauptsächlich aufhält, muss aber stets mit der vollen Obsorge betraut sein (Abs 2 S 2). 4 Sind – auf Grund einer gerichtlich genehmigten Vereinbarung – beide
Elternteile des unehelichen Kindes mit der Obsorge betraut, so gelten für sie grundsätzlich dieselben Regeln wie für die Eltern eines ehelichen Kindes, also insb die Pflicht zum einvernehmlichen Vorgehen (§ 144), die ipso-iure-Betrauung mit der Alleinobsorge in den Fällen des § 145 und die gemeinsame Vertretung in den Angelegenheiten des § 154 Abs 2 und 3. Weiters kommt, solange die häusliche Gemeinschaft der Eltern aufrecht ist, eine Entziehung oder Einschränkung der Obsorge durch das Gericht nur unter der Voraussetzung des § 176 (Gefährdung des Kindeswohls, mangelndes Einvernehmen in wichtigen Angelegenheiten) in Betracht; auf den bloßen Wegfall der Voraussetzungen der gerichtlichen Genehmigung der Vereinbarung – die Obsorge beider entspricht also nicht dem Kindeswohl, ohne dass dessen Gefährdung vorliegt – kann eine solche Maßnahme nicht gestützt werden. 5 Für die Fälle der nicht nur bloß vorübergehenden Aufhebung der
häuslichen Gemeinschaft der nach Abs 1 gemeinsam mit der Obsorge betrauten Eltern sowie des Antrags eines Elternteils auf Aufhebung der nach Abs 2 vereinbarten und genehmigten Obsorge beider Teile verweist § 167 auf das Regelungssystem der §§ 177 und 177a. Den Eltern steht daher auch in diesem Fall die Möglichkeit einvernehmlicher Obsorgeregelung iSd § 177 offen. Kommt es innerhalb angemessener Frist nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zu keiner solchen Vereinbarung oder entspricht sie nicht dem Wohl des Kindes, so hat das Gericht eine gütliche Einigung herbeizuführen und letztlich, wenn dies nicht gelingt, einem Elternteil allein – nach Maßgabe des Kindeswohls (§ 177a Rz 8) – die Obsorge zu übertragen (§ 177a Abs 1). Dabei sollte das Gericht – § 167 verweist auf § 177a, nicht auch auf § 177b – von Amts wegen vorgehen. Praktisch wird das Gericht – mangels entsprechender Kenntnis von der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft – nur auf Intervention eines Elternteils einschreiten (Hopf in Ferrari/Hopf, Reform 74 FN 23). Die Obsorge beider Eltern ohne häusliche Gemeinschaft – auf Grund einer gerichtlich genehmigten Vereinbarung entweder nach § 167 Abs 1 iVm § 177 oder nach § 167 Abs 2 – hat das Gericht auf Antrag eines Elternteils, wenn eine gütliche Einigung nicht gelingt, ohne weitere sonstige Prüfung durch Betrauung eines Elternteils allein aufzuheben (§ 177a Rz 7).
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Eltern und Kinder
§ 168
§ 168. (1) Der Vater ist verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten ihres Unterhaltes für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und, falls infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig werden, auch diese zu ersetzen. (2) Die Forderung ist mit Ablauf von drei Jahren nach der Entbindung verjährt. [idF I. TN; Bezeichnung als § 168 durch BGBl 1989/162; vorher: § 167] Lit: Beitner, Der Anspruch nach § 167 ABGB, JBl 1955, 106.
Die Bestimmung gewährt einen familienrechtlichen (nicht schaden- 1 ersatzrechtlichen: SZ 24/145) Anspruch auf Ersatz der Kosten der Entbindung (Honorar für Geburtshelfer und Hebamme) und damit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Auslagen (SZ 28/97: Nachbehandlung, Erholung) sowie des Unterhalts für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung. Auf Grund der sozialversicherungsund sozialhilferechtlichen Leistungen im Fall der Mutterschaft – solche Leistungen muss sich die Mutter, auch wenn sie diese nicht in Anspruch nimmt, anrechnen lassen (SZ 43/2; EF 35.978) – ist die Bestimmung heute ohne praktische Bedeutung. Ihr Ausnahmecharakter steht einer ausdehnenden Auslegung entgegen (SZ 28/97; Stabentheiner/R Rz 1). Der Anspruch umfasst daher nicht Unterhaltskosten während der Schwangerschaft (SZ 19/152), den Ersatz der Kosten von Untersuchungen und Behandlungen vor der Geburt (EF 15.469), der Säuglingspflege (EF 17.792) sowie der Anschaffung von Säuglingswäsche und Kinderwagen (SZ 28/97; JBl 1955, 622); ebenso nicht den Ersatz des entgangenen Arbeitsverdienstes (SZ 6/279). Der Anspruch auf Ersatz der Unterhaltskosten bestimmt sich nach 2 den Lebensverhältnissen der Mutter und der Leistungsfähigkeit des Vaters (JBl 1955, 622; EvBl 1963/224). Ob der Anspruch unabhängig davon ist, ob die Mutter in der Lage ist, ihren Unterhalt aus Eigenem zu bestreiten (so SZ 25/145; Stabentheiner/R Rz 3), muss im Hinblick auf das gewandelte Unterhaltsrecht (vgl § 94 Rz 1, § 140 Rz 7) bezweifelt werden. Der Anspruch ist im streitigen Verfahren geltend zu machen (LGZ 3 Wien EF 41.639; Haberl/S Rz 6). §§ 169–169a. [aufgehoben, BGBl 1977/403] § 170. [aufgehoben, BGBl 1989/162] §§ 170a–171. [aufgehoben, BGBl 1977/403] Hopf
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§ 172 Erlöschen der Obsorge
§ 172. (1) Die Obsorge für das Kind erlischt mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit. (2) Der gesetzliche Vertreter hat dem volljährig gewordenen Kind dessen Vermögen sowie sämtliche dessen Person betreffenden Urkunden und Nachweise zu übergeben. [idF BGBl I 2000/135]
1 Die Volljährigkeit tritt mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Eine
Verlängerung oder Verkürzung der Minderjährigkeit kennt das Gesetz nicht; auch die Eheschließung führt gemäß § 175 nicht zu einem vorzeitigen Eintritt der Volljährigkeit. Nicht erlöschen mit Eintritt der Volljährigkeit die wechselseitige Beistandspflicht (§ 137 Abs 2) und die Unterhaltspflichten (§§ 140 ff). 2 Zum Verfahren über die Übergabe des Vermögens an den volljährig
Gewordenen s § 138 AußStrG sowie Erl 296 BlgNR 21. GP 105 f. Zu den Urkunden und Nachweisen s § 145 Rz 3. §§ 173–174. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] § 175. Ein verheiratetes minderjähriges Kind steht hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse einem Volljährigen gleich, solange die Ehe dauert. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Edlbacher, Kann eine Ehefrau unter 18 Jahren selbständig den Unterhaltsanspruch geltend machen? ÖA 1984, 56; H. Pichler, Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau unter 18 Jahren, ÖA 1985, 68; Simotta, Die Prozeßfähigkeit in Ehesachen und sonstigen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, ÖJZ 1989, 321.
1 Die Regelung kann sich sowohl auf die Frau wie auch auf den Mann
beziehen (s § 1 Abs 2 EheG). Sie gilt nicht für die vermögensrechtliche Verfügungs- und Verpflichtungsfähigkeit des mj Ehegatten (Stabentheiner/R ErgBd Rz 2), insb kann der mj Ehegatte nicht selbständig seinen Anspruch auf Heiratsgut (SZ 49/156) oder seinen Unterhaltsanspruch (1 Ob 565/90 ÖA 1991, 143; Stabentheiner/R ErgBd Rz 2; aM Edlbacher, ÖA 1984, 56) geltend machen; hiezu bedarf er seines gesetzlichen Vertreters (Eltern, allenfalls Jugendwohlfahrtsträger). Entziehung oder Einschränkung der Obsorge § 176. (1) Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat das Gericht, von wem immer es 156
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Eltern und Kinder
§ 176
angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Besonders darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise, auch gesetzlich vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte, entziehen. Im Einzelfall kann das Gericht auch eine gesetzlich erforderliche Einwilligung oder Zustimmung ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. (2) Solche Verfügungen können von einem Elternteil, etwa wenn die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen erzielen, den sonstigen Verwandten in gerader aufsteigender Linie, den Pflegeeltern (einem Pflegeelternteil), dem Jugendwohlfahrtsträger und dem mündigen Minderjährigen, von diesem jedoch nur in Angelegenheiten seiner Pflege und Erziehung, beantragt werden. Andere Personen können solche Verfügungen anregen. (3) Die gänzliche oder teilweise Entziehung der Pflege und Erziehung oder der Verwaltung des Vermögens des Kindes schließt die Entziehung der gesetzlichen Vertretung in dem jeweiligen Bereich mit ein; die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen kann für sich allein entzogen werden, wenn die Eltern oder der betreffende Elternteil ihre übrigen Pflichten erfüllen. (4) Fordert das Gesetz die Einwilligung oder Zustimmung der mit Pflege und Erziehung betrauten Personen (Erziehungsberechtigten), so ist die Erklärung der mit der gesetzlichen Vertretung in diesem Bereich betrauten Person notwendig, aber auch hinreichend, sofern nicht Abweichendes bestimmt ist. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Barth, Minderjährige Patienten im Konflikt mit ihren Eltern, ÖJZ 2002, 596; Fahrenhorst, Der Schutz elterlicher Rechte bei einer Trennung von Eltern und Kind und die Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, FamRZ 1996, 454; Fucik, Das Spannungsfeld zwischen Kindeswohl und Elternrecht aus der Sicht des Pflegschaftsrichters, ÖA 1996, 43; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Köck, Vom Elternrecht zum Recht des nächsten Familienangehörigen – Folgerungen aus Art 8 MRK, ÖJZ 1995, 481; Laubichler, Problemeltern, Obsorgefähigkeit, Schwierigkeiten im Besuchsrecht, ÖA 2001, 142; Maleczky, Unvernünftige Verweigerung der Einwilligung in die Heilbehandlung, ÖJZ 1994, 481; H. Pichler, Die Kinder der Zeugen Jehovas – Probleme der Obsorgezuteilung und der Bluttransfusion, ÖA 1994, 681; ders, Religionsfreiheit – Elternrechte – Kinderrechte, ÖJZ 1997, 450; Schwarzl, Obsorge, Kuratel und Sachwalterschaft nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 19; Verschraegen, Das Kind „Helene“, 2. FS Schwind Hopf
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Eltern und Kinder
§ 176
(1993) 227; Weitzenböck, Die Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem KindRÄG 2001, insbesondere in Angelegenheiten der medizinischen Behandlung, in Ferrari/Hopf, Reform 1; Zankl, Eigenmächtige Heilbehandlung und Gefährdung des Kindeswohls, ÖJZ 1989, 299.
1 Abgesehen von den Bestimmungen über die Regelung der Obsorge im
Fall der Trennung der Eltern (§§ 167, 177–177b) ist § 176 die maßgebliche Grundlage für Eingriffe in das durch Art 8 MRK – unter Gesetzesvorbehalt (1 Ob 623/95 SZ 69/20) – geschützte Recht der Eltern auf Obsorge für ihre Kinder. Voraussetzung eines solchen Eingriffs ist die Gefährdung des Kindeswohls. Dem gleichgestellt ist das mangelnde Einvernehmen der Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes. Auf die konkrete Gefährdung des Kindeswohls kommt es in diesem Fall (entgegen dem Satzbau des Abs 2 S 1) nicht an; so schon die in dieser Beziehung keinen Zweifel offen lassende Fassung des § 176 vor dem KindRÄG 2001, in dessen Materialien sich kein Hinweis auf eine Absicht des Gesetzgebers zu einer Änderung der Rechtslage in dieser Beziehung findet (Stabentheiner/R ErgBd Rz 4). Fehlt es an einer Gefährdung, so schreitet das Gericht allerdings nur auf Antrag eines Elternteils ein (Stabentheiner/R ErgBd Rz 4). Im Übrigen ist die Bestimmung auf eine Gefährdung des Kindeswohls nicht nur durch die Eltern, sondern auch durch andere mit der Obsorge betraute Personen (Großeltern, Pflegeeltern oder andere Personen iSd § 187) anzuwenden (Weitzenböck/S Rz 5). 2 Eine „Gefährdung“ des Kindeswohls, also des geistigen, seelischen
und materiellen Wohlergehens des Kindes (1 Ob 2078/96m EF 81.156), liegt vor, wenn die Obsorgepflichten nicht erfüllt oder gröblich vernachlässigt oder sonst schutzwürdige Interessen des Kindes ernstlich und konkret gefährdet werden (SZ 53/142; SZ 69/20; 7 Ob 253/01h EF 100.304). Es genügt objektive Nichterfüllung oder Vernachlässigung, ein subjektives Schuldelement kann, muss aber nicht hinzutreten (SZ 51/112; Pfersmann, ÖJZ 1982, 57; 1 Ob 172/01b JBl 2002, 374). Bsp für ein das Kindeswohl gefährdendes Verhalten: nachhaltiger Verstoß gegen das Gewaltverbot des § 146a (1 Ob 573/92 JBl 1992, 639); Duldung der Gewaltausübung durch Dritte, etwa den Lebensgefährten (EF 81.156); wiederholte Beschimpfungen und Misshandlungen des Kindes (LGZ Wien 44 R 481, 482/94 EF 75.160); Unterlassung der notwendigen medizinischen Behandlung, auch wenn dies aus religiöser Überzeugung geschieht (2 Ob 593/92 EF 68.799); vollständige Unterbindung der für das Wohl des Mj günstigen Kontakte zum anderen Elternteil (LGZ Wien 47 R 1052/94 EF 75.130); Nicht-Bewältigung der Erziehungsaufgabe (5 Ob 513/95 EF 78.164); zur Kindeswohlgefährdung bei Wohnsitzverlegung ins Aus158
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§ 176
land s EF 81.156 und 10 Ob 25/00z EF 93.097 = EF 93.098 = EF 93.100 sowie Weitzenböck/S Rz 21. Keine Gefährdung des Kindeswohls hat hingegen die Rspr ua im Fall bloßer Unzukömmlichkeiten bei der Besuchsrechtsausübung (LGZ Wien 43 R 476/96k EF 81.155), bei der Mitgliedschaft des Obsorgeträgers bei Scientology (2 Ob 2192/96h SZ 69/179) oder bei den Zeugen Jehovas (LGZ Wien 44 R 611/94 EF 75.131; H. Pichler, ÖA 1994, 172) oder bei bloßen Schwierigkeiten des Obsorgeträgers in der Beziehung zum Kind (5 Ob 56/02z EF 100.334) angenommen. Als Maßnahmen des Gerichtes kommt eine Palette von Verfügungen 3 in Betracht, die im Gesetz beispielsweise angeführt sind und von der gänzlichen Entziehung der Obsorge über deren Entziehung in bestimmten Bereichen, etwa in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung, der Verwaltung des Vermögens des Kindes oder dessen Vertretung, bis hin zur Entziehung gesetzlich vorgesehener Einwilligungsund Zustimmungsrechte, etwa nach § 146c Abs 1 und 2, § 154 Abs 2 und § 180 Abs 1 ABGB sowie § 3 EheG (Stabentheiner/R ErgBd 8) reichen. Im Einzelfall kann das Gericht etwa einem Elternteil auch den Auftrag erteilen, der Verpflichtung nach § 145b („Wohlverhaltensgebot“) nachzukommen, um einer Gefährdung des Kindeswohls zu begegnen (Erl 296 BlgNR 21. GP 64) oder – bei Gefährdung des Wohles des Kindes durch dessen Verbringung ins Ausland – die Streichung der Eintragung des Kindes im Reisepass des Elternteils anordnen (EF 48.404; LGZ Wien 42 R 50/00i EF 93.117). Darüber hinaus kann das Gericht nach Abs 1 letzter S in einem konkreten Fall auch eine gesetzlich erforderliche Einwilligung oder Zustimmung des Obsorgeträgers ersetzen, wenn kein gerechtfertigter Grund für die Verweigerung vorliegt. Sofern diese Ersetzung nicht besonders geregelt ist (§ 181 Abs 3 ABGB, § 3 Abs 3 EheG), sie sich also allein auf § 176 stützt, ist die Gefährdung des Kindeswohls Voraussetzung. Das Gericht kann jedoch nicht ein Rechtsgeschäft für den Mj schließen und daher auch nicht die Erklärung iSd § 865 S 2, mit der ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft eines beschränkt geschäftsfähigen Mj wirksam wird, ersetzen (Stabentheiner/R ErgBd Rz 9; Weitzenböck/S Rz 42; aM noch Vorauflage und Schwimann/S2 Rz 16); in einem solchen Fall kommt – bei Kindeswohlgefährdung – nur die Übertragung der (Teil)Obsorge auf eine andere Person in Betracht, die das erforderliche Rechtsgeschäft schließt. Nicht ersetzt werden kann auch die – auf dem Selbstbestimmungsrecht beruhende – Einwilligung eines einsichts- und urteilsfähigen Kindes in eine medizinische Behandlung nach § 146c (Barth, ÖJZ 2002, 598; Stabentheiner/R Rz 9). Ganz allgemein gelten im Übrigen für die Maßnahmen Hopf
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des Gerichtes die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und – nach § 176b – der Erforderlichkeit. 4 Sofern das Gericht nicht anderes anordnet, bezieht sich die von ihm
verfügte Entziehung der Obsorge in einem Teilbereich sowohl auf das Innen- wie auch auf das Außenverhältnis. Die Entziehung der Pflege und Erziehung bedeutet also grundsätzlich auch den Entzug der Vertretungsbefugnisse in diesem Bereich, es sei denn, das Gericht differenziert in seiner Entscheidung (Erl 296 BlgNR 21. GP 51, 64 f). 5 Der praktisch bedeutsamste Fall der Entziehung der Obsorge nach
§ 176 ist deren gerichtliche Übertragung von einem auf den anderen Elternteil (Großelternteil) in Abänderung einer bestehenden – auf den §§ 177, 177a Abs 1, § 177b beruhenden – Regelung (nicht auch der Wechsel von der Obsorge beider Teile zur Alleinobsorge nach § 177a Abs 2, für den allein schon die mangelnde Einigung der Eltern genügt). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (SZ 69/20; 1 Ob 601/95 JBl 1996, 714; 4 Ob 17/03h EF 104.339) und das Gesamtverhalten des Obsorgeträgers zu beurteilen (4 Ob 186/01h EF 96.633). Zur Übertragung der Obsorge aus anderen wichtigen Gründen s § 177 Rz 9. Keine Gefährdung des Kindeswohls erfordert hingegen die Aufhebung der Obsorgeübertragung auf Pflegeeltern (§ 186a Rz 3) oder auf eine „andere Person“ iSd § 187 (§ 253 Rz 1), es genügt, wenn die Aufhebung (und Übertragung auf jemand anderen) dem Kindeswohl förderlich ist (Weitzenböck/S Rz 6). 6 Ein Verfahren über eine Maßnahme nach § 176 kann entweder von
Amts wegen (Abs 1: „von wem immer es angerufen wird“; Abs 2 letzter S: „andere Personen können solche Verfügungen anregen“) oder auf Antrag eingeleitet werden. Antragsbefugt sind nach der taxativen Aufzählung des Abs 2 (Erl 296 BlgNR 21. GP 64) jeder Elternteil, die sonstigen Verwandten in gerader aufsteigender Linie (Großeltern, Urgroßeltern), die Pflegeeltern, der Jugendwohlfahrtsträger sowie – allerdings nur in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung, nicht auch hinsichtlich der Vermögensverwaltung – der mündige Mj. Andere Personen können eine solche Maßnahme anregen, sind aber nicht Parteien des Verfahrens (§ 2 Abs 2 AußStrG); sie haben daher auch keinen Anspruch auf eine beschlussmäßige Erledigung ihrer Eingabe, mag diese auch als Antrag bezeichnet sein. 7 Für das Verfahren gelten die §§ 104 ff AußStrG. Demnach ist, soweit
es um die Pflege und Erziehung geht, das mj Kind grundsätzlich persönlich zu hören (§ 105) und ab vollendetem 14. Lebensjahr auch verfahrensfähig (§ 104). Der Wille des Kindes ist nach Maßgabe seiner 160
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Eltern und Kinder
§ 176b
Einsichts- und Urteilsfähigkeit (§ 146 Abs 3) zu berücksichtigen; je älter daher das Kind ist, umso maßgeblicher wird sein Wunsch, etwa nach einer Obsorgeänderung (JBl 1996, 714). Die Meinung eines bereits mündigen Mj ist im Allgemeinen bereits von entscheidender Bedeutung (1 Ob 172/01b JBl 2002, 374), wenn nicht schwer wiegende Gründe dagegen sprechen (5 Ob 229/98g EF 87.021). Vor Verfügungen über die Pflege und Erziehung ist – außer bei Gefahr im Verzug – der Jugendwohlfahrtsträger zu hören (§ 106). Auch vorläufige Maßnahmen (vgl § 107 Abs 2) können getroffen werden, wenn ein sofortiges Eingreifen zur Beseitigung einer konkreten und schweren Gefährdung des Kindes geboten ist (SZ 69/20; 4 Ob 146/03d EF 104.323), etwa bei Gefahr der Verbringung des Kindes ins Ausland (3 Ob 5/02k EF 100.301) oder bei sexuellem Missbrauch (LGZ Wien 43 R 87/93 EF 71.862). Doch darf dadurch der endgültigen Entscheidung nicht ohne zwingenden Grund vorgegriffen werden (2 Ob 505/94 EvBl 1994/123). Abs 4 stellt klar, dass die Pflege und Erziehung in der Regel auch die 8 gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen umfassen und daher zur Abgabe von Einwilligungen und Zustimmungen in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung stets derjenige Obsorgeträger berufen ist, der mit der gesetzlichen Vertretung in diesem Bereich betraut ist (Erl 296 BlgNR 21. GP 65). Die Einwilligung der Person, die die Pflege und Erziehung tatsächlich („Innenverhältnis“) ausübt, ist hingegen nur dort notwendig, wo das Gesetz dies ausdrücklich fordert, wie etwa nach § 5 Abs 2 UbG oder § 3 Abs 2 EheG. Sind mehrere Personen mit der gesetzlichen Vertretung in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung betraut, so genügt – dem Alleinvertretungsprinzip des § 154 Abs 1 entsprechend – die Zustimmung eines Erziehungsberechtigten (Erl 296 BlgNR 21. GP 65; Stabentheiner/R ErgBd Rz 15). § 176a. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] § 176b. Durch eine Verfügung nach § 176 darf das Gericht die Obsorge nur so weit beschränken, als dies zur Sicherung des Wohles des Kindes nötig ist. [idF BGBl I 2000/135]
Die Bestimmung ist Ausdruck des Grundsatzes der Familienautono- 1 mie (s Art 8 MRK). Eine Beschränkung der Obsorge kommt nur als ultima ratio in Betracht; das Gericht darf sie nur aus schwerwiegenden Gründen vornehmen, wenn also keine andere Möglichkeit besteht, Hopf
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Eltern und Kinder
§§ 177–177a
dem Wohl des Kindes gerecht zu werden (1 Ob 571/91 EvBl 1991/178). § 177. (1) Wird die Ehe der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt, so bleibt die Obsorge beider Eltern aufrecht. Sie können jedoch dem Gericht – auch in Abänderung einer bestehenden Regelung – eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge vorlegen, wobei die Betrauung eines Elternteils allein oder beider Eltern vereinbart werden kann. Im Fall der Obsorge beider Eltern kann diejenige eines Elternteils auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt sein. (2) In jedem Fall einer Obsorge beider Eltern haben sie dem Gericht eine Vereinbarung darüber vorzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Dieser Elternteil muss immer mit der gesamten Obsorge betraut sein. (3) Das Gericht hat die Vereinbarung der Eltern zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht. [idF BGBl I 2000/135]
§ 177a. (1) Kommt innerhalb angemessener Frist nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der Eltern eine Vereinbarung nach § 177 über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes oder über die Betrauung mit der Obsorge nicht zustande oder entspricht sie nicht dem Wohl des Kindes, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt eine gütliche Einigung herbeizuführen, zu entscheiden, welcher Elternteil künftig allein mit der Obsorge betraut ist. (2) Sind beide Eltern gemäß § 177 nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe mit der Obsorge betraut und beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt eine gütliche Einigung herbeizuführen, nach Maßgabe des Kindeswohles einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Ferrari, Die Obsorge bei Trennung und Scheidung der Eltern nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 53; Geimer, Obsorgeregelung nach Scheidung der Eltern – KindRÄG 2001, JAP 2002/2003, 72; Gründler, Die gemeinsame Obsorge nach dem KindRÄG 2001, ÖJZ 2001, 701; Haidenthaller, Schwerpunkte der Kindschaftsrechts-Reform 2001, JBl 2001, 622; Hopf/ Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485, 530.
1 Die Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der El-
tern eines ehelichen Kindes berührt nicht unmittelbar die Position der 162
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Eltern und Kinder
§§ 177–177a
Eltern als Obsorgeträger. Es tritt ein Schwebezustand ein (Ferrari in Ferrari/Hopf, Reform 54), während dem es den Eltern überlassen ist, einvernehmlich festzulegen, bei welchem von ihnen sich das Kind künftig hauptsächlich aufhalten soll oder, wenn sie nicht an der Obsorge beider festhalten wollen, wer künftig mit der Obsorge betraut werden soll. Wollen die Eltern die Obsorge wie bei aufrechter Ehe durch beide Teile fortsetzen, so ist eine diesbezügliche Vereinbarung – iS einer Bekräftigung ihres Willens – nicht unzulässig, aber auch nicht erforderlich; die Eltern müssen diesfalls nur einvernehmlich den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes festlegen. Dabei können die Eltern auch die Obsorge in der Weise regeln, dass einem Elternteil die volle, dem anderen nur eine beschränkte Obsorge (zB Vermögensverwaltung, Schule, medizinische Betreuung) zukommen soll oder dass bestimmte Angelegenheiten von der Obsorge eines Teiles ausgenommen sind. Die Eltern können aber auch vereinbaren, dass einem von ihnen allein die Obsorge zukommen soll. Eine Vereinbarung können die Eltern auch schließen, wenn im Hinblick auf die Trennung der Eltern (nicht auch bei einer Maßnahme nach § 176) bereits eine Obsorgeregelung – durch das Gericht oder eine gerichtlich genehmigte Vereinbarung – getroffen wurde, etwa bereits während aufrechter Ehe oder auch vor dem Inkrafttreten des KindRÄG 2001 (die damals nur zulässig Obsorge eines Elternteils können sie also durch eine Obsorge beider Teile ersetzen: 4 Ob 68/02g EvBl 2002/143; Ferrari in Ferrari/Hopf, Reform 56). Nicht zulässig – weder durch Vereinbarung noch durch Gerichtsbe- 2 schluss – ist eine Obsorgeregelung, wonach Vater und Mutter jeweils nur mit einem Teil der Obsorge betraut sind (Stabentheiner/R ErgBd Rz 3) oder die Obsorge zeitlich, etwa monatsweise, zwischen Vater und Mutter geteilt wird (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 589). Letzteres gilt auch für den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes (Stabentheiner/R ErgBd Rz 6). Desgleichen können die Eltern nicht den hauptsächlichen Aufenthalt bei beiden – getrennt lebenden – Elternteilen vereinbaren. Solche Vereinbarungen widersprechen dem Erfordernis der Festlegung eines „Heimes erster Ordnung“, einer „Hauptbezugsperson“, wie es von der Kinderpsychologie im Interesse der Kontinuität von Pflege und Erziehung des Kindes vertreten wird (Erl 296 BlgNR 21. GP 37, 66; Weitzenböck/S Rz 4). In jedem Fall einer beiderseitigen Obsorge – sei es durch Fortsetzung 3 der Obsorgeregelung, wie sie während aufrechter Ehe bestanden hat, sei es auf Grund einer Vereinbarung der Eltern, mit der entweder beide Teile mit der vollen oder ein Teil nur mit einem Teil der Obsorge betraut wird – müssen die Eltern dem Gericht (auch) eine VerHopf
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Eltern und Kinder
§§ 177–177a
einbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes bei einem von ihnen vorlegen. Der hauptsächliche Aufenthalt des Kindes ist der Haushalt jenes Elternteils, in dem das Kind betreut wird (vgl § 140 Abs 2), in dem sich sein Lebensmittelpunkt befindet (Hopf in Ferrari/Hopf, Reform 71 f). Hort- oder Internatsbesuch oder der zeitweise Aufenthalt des Kindes beim anderen Elternteil oder auch bei Dritten widersprechen der Festlegung des hauptsächlichen Aufenthalts bei einem Elternteil grundsätzlich nicht. Der Elternteil, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhält, muss stets mit der vollen Obsorge betraut sein; ausgenommen freilich die Fälle, in denen dem Domizilelternteil die Obsorge nach § 176 mit der Konsequenz des § 145 Abs 1 teilweise entzogen wird oder die Voraussetzungen des § 145a vorliegen (Weitzenböck/S Rz 11) – dem Schutz vor Kindeswohlgefährdung kommt der Vorrang gegenüber dem Prinzip der „Hauptbezugsperson“ zu. 4 Über eine Obsorgevereinbarung – gleich, ob sie die Eltern unmittel-
bar vor Gericht schließen oder dem Gericht in Schriftform „vorlegen“ – hat das Gericht eine Niederschrift aufzunehmen (§ 109 AußStrG). Gleiches gilt für die Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes. Das Gericht hat sodann ohne weiteren Antrag zu entscheiden, ob es die Vereinbarung über die Obsorge wie auch über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes (Gründler, ÖJZ 2001, 707 f; Stabentheiner/R ErgBd §§ 177–177b Rz 9) genehmigt. Kriterium für die Genehmigung ist allein das Kindeswohl. Zur Obsorgeregelung bei der einvernehmlichen Scheidung s § 55a EheG Rz 7. 5 Sind beide Elternteile mit der Obsorge betraut (zum – eher irrefüh-
renden – Begriff der „gemeinsamen Obsorge“ in diesem Zusammenhang s Weitzenböck/S Rz 1), so gilt für sie grundsätzlich das Prinzip einvernehmlichen Vorgehens nach § 144 sowie das Vertretungsregime der §§ 154, 154a mit dem Grundsatz der Einzelvertretungsbefugnis jedes Elternteils. Die räumliche Trennung der Eltern sowie die faktische Nähe eines Elternteils zum Kind führen freilich zu unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, die sich in der Wahrnehmung der alltäglichen Pflege- und Erziehungsaufgaben auswirken; das Erfordernis prompter Entscheidung wird oft dazu führen, dass das Einvernehmen mit dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil nicht hergestellt werden kann (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 490). Dem Domizilelternteil steht auch in erster Linie das Recht zu, den Aufenthalt des Kindes im Rahmen des § 146b zu bestimmen (Erl 296 BlgNR 21. GP 65; Weitzenböck/S Rz 5). Unterhaltsrechtlich folgt aus § 140, dass der Elternteil, bei dem sich das Kind hauptsächlich 164
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Eltern und Kinder
§§ 177–177a
aufhält, seine Unterhaltsleistung durch die Betreuung des Kindes in seinem Haushalt leistet und der andere Elternteil seinen Unterhaltsbeitrag in Geld zu erbringen hat. Dieser Elternteil kann nur insoweit von seiner Geldunterhaltspflicht entlastet werden, als sich der andere auf Grund häufiger oder längerer Aufenthalte des Kindes Betreuungsaufwand erspart (§ 140 Rz 12; Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 491; Erl aaO 65 f; aM Gitschthaler, Unterhaltsrecht 26 ff, der freilich vom „Wandelmodell“ und nicht – wie es dem KindRÄG 2001 zugrunde liegt – vom „Eingliederungsmodell“ der „gemeinsamen Obsorge“ ausgeht). Rechtsgrundlage für den persönlichen Verkehr des Elternteils, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, mit diesem ist § 148 (Hopf in Ferrari/Hopf, Reform 78). Regeln die mit der Obsorge betrauten Eltern innerhalb angemessener 6 – von den Umständen des Einzelfalls abhängiger (Stabentheiner/R ErgBd Rz 11: einige wenige Wochen) – Frist nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe nicht den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes oder sonst die Obsorge iSv Rz 1 einvernehmlich, so hat sich das Gericht um ein solches Einvernehmen – allenfalls auch durch Anbieten der Hilfe einer geeigneten Einrichtung, wie etwa eines Mediators, iVm der Innehaltung des Verfahrens (§ 29 AußStrG) – zu bemühen. Gleiches gilt, wenn die von den Eltern präsentierte Vereinbarung vom Gericht nicht genehmigt wird. Gelingt auch eine solche gütliche Einigung nicht, so hat das Gericht von Amts wegen (3 Ob 192/05i EF 110.883) oder auf Antrag einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen; nur eine solche Entscheidung kann das Gericht treffen (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 491). Das Gericht hat einen Elternteil mit der Alleinobsorge auch dann zu 7 betrauen, wenn ein Elternteil einen – keiner Begründung bedürfenden (Stabentheiner/R ErgBd Rz 12) – Antrag auf Aufhebung der beiderseitigen Obsorge nach § 177 stellt (von Amts wegen kann das Gericht nur nach § 176 einschreiten) und eine gütliche Regelung nicht gelingt (§ 177a Abs 2). Eine Fortsetzung der gemeinsamen Obsorge kann das Gericht nicht verfügen (Erl 296 BlgNR 21. GP 67; Ferrari in Ferrari/Hopf, Reform 65; 2 Ob 266/05i EF 110.880). Maßgebendes Kriterium für die Übertragung der Alleinobsorge auf 8 einen Elternteil ist das Wohl des Kindes; Interessen der Eltern haben zurückzutreten (1 Ob 210/05x EF 110.884). Es kommt darauf an, welcher Elternteil in einer Gesamtschau (7 Ob 253/01h EF 100.363) unter Gegenüberstellung der Persönlichkeit, der Eigenschaften und der Lebensumstände besser zur Wahrnehmung des Kindeswohls geeignet ist (9 Ob 20/05i EF 110.885). Zu berücksichtigen sind insb UnterbrinHopf
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§§ 177–177a
gungs- und Betreuungsmöglichkeiten, erzieherische Fähigkeiten sowie emotionale Bindungen zum Kind (7 Ob 216/01t EF 96.666). Dabei ist nicht nur von der aktuellen Situation auszugehen, sondern auch eine Zukunftsprognose anzustellen (9 Ob 8/02w EF 100.366). Wesentlich – wenn auch nicht allein entscheidend (8 Ob 32/03v ÖA 2004, 34) – ist auch die Erziehungskontinuität (9 Ob 20/05i EF 110.896); insb kurze Zeit nach Trennung der Eltern kommt dem Umstand, bei welchem Elternteil sich das Kind aufhält, geringere Bedeutung zu (Weitzenböck/S Rz 12). Es gibt zwar kein Vorrecht eines Elternteils auf die Obsorge, doch soll nach der Rspr ein Kleinkind möglichst bei der Mutter untergebracht werden (7 Ob 253/01h EF 100.356). Die Trennung von Geschwistern soll möglichst vermieden werden (1 Ob 50/02p EF 100.360). Für die Berücksichtigung des Willens des Kindes gilt § 146 Abs 3; er ist umso maßgeblicher, je mehr das Kind den Grund und die Bedeutung der Obsorgeregelung einzusehen und seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen vermag. Im Allgemeinen soll eine Obsorgeregelung möglichst nicht gegen den Willen des mündigen Kindes getroffen werden, es sei denn, dass schwerwiegende Gründe dagegen sprechen (7 Ob 632/91 EF 66.108). Keinen Einfluss auf die Obsorgeentscheidung haben grundsätzlich die Scheidungsursachen (SZ 53/142). 9 Ist die Obsorge einmal einem Elternteil allein – durch das Gericht
oder eine Vereinbarung der Eltern – übertragen, so ist eine Änderung dieser Regelung, abgesehen vom Fall einer einvernehmlichen Regelung (§ 177 Abs 1), – schon im Interesse der Erziehungskontinuität – nur bei Gefährdung des Kindeswohls oder bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe zulässig (Stabentheiner/R ErgBd Rz 16; SZ 53/142). Als besonders wichtiger Grund ist es etwa anzusehen, wenn durch den Obsorgewechsel eine wesentliche Verbesserung der Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten des Kindes zu erwarten ist (8 Ob 99/03x EF 104.385). 10 Für das Verfahren gelten die §§ 104–107 AußStrG. Das mündige
Kind ist verfahrensfähig. Es ist – grundsätzlich unabhängig vom Alter (außer bei Gefährdung des Kindeswohls oder im Hinblick auf die mangelnde Verständnisfähigkeit) – persönlich, allenfalls durch den Jugendwohlfahrtsträger oder in anderer geeigneter Weise, zu hören. Desgleichen ist der Jugendwohlfahrtsträger – außer bei Gefahr im Verzug – zu hören. Ein Abänderungsantrag findet nicht statt, desgleichen nicht ein Kostenersatz. Das Gericht kann die Obsorge im Interesse des Kindes auch vorläufig übertragen, wenn dies im Interesse des Kindes geboten ist, etwa wenn das Kind zwischen den Eltern ständig hin- und hergerissen wird. 166
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Eltern und Kinder
§ 178
§ 177b. Die vorstehenden Bestimmungen sind auch anzuwenden, wenn die Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes nicht bloß vorübergehend getrennt leben. Doch entscheidet das Gericht in einem solchen Fall über die Obsorge nur auf Antrag eines Elternteils. [idF BGBl I 2000/135] Lit: S bei §§ 177, 177a.
Die §§ 177, 177a sind auch bei aufrechter Ehe der Eltern anzuwenden, 1 wenn diese nicht bloß vorübergehend, also nicht von vornherein auf einen begrenzten Zeitraum (LGZ Wien 42 R 173/05k EF 110.902), getrennt leben. Dieser Tatbestand entspricht im Wesentlichen dem der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nach § 55 EheG (Stabentheiner/R ErgBd Rz 18); Voraussetzung ist eine vollständige Trennung der Lebensbereiche der Eltern, die eine gemeinsame Ausübung der Obsorge unmöglich macht (10 Ob 325/02w EF 100.368). Anders als nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der 2 Ehe der Eltern schreitet das Gericht bei (bloßer) Trennung nur auf Antrag ein. Von Amts wegen kann das Gericht nur bei Gefährdung des Kindeswohls tätig werden. Informations- und Äußerungsrechte § 178. (1) Soweit ein Elternteil nicht mit der Obsorge betraut ist, hat er, außer dem Recht auf persönlichen Verkehr, das Recht, von demjenigen, der mit der Obsorge betraut ist, von wichtigen Angelegenheiten, insbesondere von beabsichtigten Maßnahmen nach § 154 Abs. 2 und 3, rechtzeitig verständigt zu werden und sich hiezu in angemessener Frist zu äußern. Findet trotz Bereitschaft des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils ein persönlicher Verkehr mit dem Kind nicht regelmäßig statt, so stehen diese Rechte auch in minderwichtigen Angelegenheiten zu, sofern es sich dabei nicht bloß um Angelegenheiten des täglichen Lebens handelt. Die Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht. (2) Kommt der mit der Obsorge betraute Elternteil seinen Pflichten nach Abs. 1 beharrlich nicht nach, so hat das Gericht auf Antrag, sofern das Wohl des Kindes gefährdet scheint, auch von Amts wegen angemessene Verfügungen zu treffen. (3) Würde die Wahrnehmung der Rechte nach Abs. 1 das Wohl des Kindes ernstlich gefährden oder nimmt sie der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil in rechtsmissbräuchlicher oder für Hopf
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Eltern und Kinder
§ 178
den anderen in unzumutbarer Weise in Anspruch, so hat das Gericht diese Rechte auf Antrag einzuschränken oder ganz zu entziehen. Die Rechte nach Abs. 1 entfallen, wenn der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil grundlos das Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr ablehnt. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Fürst, Mindestrechte von nicht obsorgeberechtigten Elternteilen, ÖA 1998, 89; Haidenthaller, Schwerpunkte der Kindschaftsrechts-Reform 2001, JBl 2001, 622; Hopf, Die Rechtstellung des Elternteils, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 69; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Leeb/Prietl, Die Mindestrechte des nicht Obsorgeberechtigten, ÖJZ 1995, 613.
1 Soweit ein – ehelicher oder unehelicher (Erl 296 BlgNR 21. GP 28;
Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 494) – Elternteil nicht mit der Obsorge betraut ist, verbleiben ihm als Ausfluss des durch Art 8 MRK grundrechtlich gewährleisteten Schutzes der Eltern-Kind-Beziehung – neben dem Besuchsrecht nach § 148 – Informations- und Äußerungsrechte. Ist ein Elternteil, insb iSd § 177 Abs 1 letzter S, mit einem Teil der Obsorge betraut, so beziehen sich die Rechte nach § 178 auf die übrigen Obsorgeangelegenheiten. In den Angelegenheiten, in denen ein solcher Elternteil gemeinsam mit dem anderen mit der Obsorge betraut ist, ergibt sich der Anspruch auf Information und Mitsprache aus § 144; dieser Anspruch darf grundsätzlich nicht hinter den Informations- und Äußerungsrechten des § 178 zurückbleiben. Die Äußerungsrechte nach § 178 sind keine Zustimmungsrechte und wirken nicht gegenüber Dritten (EvBl 1978/170). Desgleichen gewähren die Informationsrechte keinen unmittelbaren, primären (3 Ob 303/02h ecolex 2004, 173) Anspruch gegen Dritte, wie etwa Arzt oder Schule (s jedoch Rz 6). 2 Wichtige Angelegenheiten sind etwa ein Schulwechsel, eine längere
Abwesenheit des Kindes vom Wohnort, Sprachferien im Ausland (Erl 296 BlgNR 21. GP 68) sowie nicht bloß geringfügige Erkrankungen oder Folgen eines Unfalls. Eine Orientierung bildet auch der Begriff der „wichtigen, die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten“ in § 216 Abs 1. Wichtig sind jedenfalls auch die in § 154 Abs 2 und 3 angeführten Maßnahmen, wie etwa eine Namensänderung (VwGH 2002/01/0377 VwSlg 15.904 A); allerdings können auch vermögensrechtliche Angelegenheiten, die zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, wichtig iSd § 178 sein (Erl aaO; LG Feldkirch 1 R 183/02y EF 100.369). 168
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Eltern und Kinder
§ 178
Zu den wichtigen Angelegenheiten zählt auch der Schulerfolg eines 3 Kindes. Der mit der Obsorge betraute Elternteil muss dem anderen Gelegenheit geben, sich einen informativen Überblick über den Fortgang der schulischen oder sonstigen Ausbildung zu verschaffen. Der Umfang dieser Informationen hängt auch von den persönlichen Kontakten zu dem Kind ab; fehlen solche, so reicht etwa die bloße Übermittlung der Zeugnisse nicht (3 Ob 303/02h ecolex 2004, 173). Zu informieren ist insb über signifikante Verschlechterungen oder Verbesserungen auch während des Schuljahres (Hopf in Ferrari/Hopf, Reform 83; LG Feldkirch 1 R 183/02y EF 100.370). Die Informations- und Äußerungsrechte stehen in einer Wechsel- 4 beziehung zum Besuchsrecht nach § 148. Hat der nicht mit der Obsorge Betraute – aus welchen Gründen immer (auf ein Vereiteln kommt es nicht an), nur nicht aus Verschulden des Informationsberechtigten (Haidenthaller, JBl 2001, 629) – keinen regelmäßigen Kontakt zum Kind, obgleich er hiezu bereit ist, so erweitert sich das Informationsund Äußerungsrecht auch auf minderwichtige Angelegenheiten, ausgenommen solche des täglichen Lebens, wie etwa die übliche Freizeitgestaltung eines Kindes (ecolex 2004, 173). Auf der anderen Seite entfällt das Informations- und Äußerungsrecht, wenn der nicht mit der Obsorge Betraute grundlos – ein rechtfertigender Grund sind etwa Krankheit oder große Entfernung – den Kontakt mit dem Kind ablehnt. Sowohl die Erweiterung wie auch der Entfall der Informations- und Äußerungsrechte treten in den angeführten Fällen ex lege ein (Hopf in Ferrari/Hopf, Reform 82, 85). Das Gericht hat die Informations- und Äußerungsrechte auf Antrag 5 (bei Gefährdung des Kindeswohles auch von Amts wegen) einzuschränken oder zu entziehen, wenn die Ausübung der Rechte das Kindeswohl ernstlich gefährden würde oder in rechtsmissbräuchlicher oder in einer für den anderen Elternteil unzumutbaren Weise erfolgt. Eine ernstliche Kindeswohlgefährdung kann etwa dann vorliegen, wenn der Informationsberechtigte die Mutter mit Vorschlägen bedrängt, die dem Kindeswohl abträglich sind (Weitzenböck/S Rz 10; ecolex 2004, 173). Missbrauch liegt vor, wenn der nicht mit der Obsorge Betraute die Informationen des Obsorgeträgers zum Anlass für verbale oder tätliche Attacken gegen diesen nimmt (JAB 887 BlgNR 17. GP 7) oder sie dazu benützt, um öffentlich gegen den anderen und dessen Eignung zur Obsorge zu polemisieren. Verletzt der Obsorgeträger seine Pflicht zur rechtzeitigen Verständi- 6 gung und zur Berücksichtigung der Äußerung des anderen Elternteils beharrlich, so hat das Gericht auf Antrag – im Fall der KindeswohlHopf
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§ 178a
gefährdung auch von Amts wegen – zur Durchsetzung angemessene Verfügungen zu treffen. Dabei hat es dem Obsorgeträger zunächst entsprechende Aufträge zu erteilen (ecolex 2004, 173). Diese Aufträge kann das Gericht gemäß § 110 AußStrG mit angemessenen Zwangsmitteln nach § 79 Abs 2 AußStrG durchsetzen. Das Gericht kann aber auch den nicht mit der Obsorge betrauten Elternteil ermächtigen, sich selbst – ohne Zustimmung des anderen – die ihm zustehenden Informationen der in Betracht kommenden Stelle (Schule, Arzt) zu beschaffen. Welcher Weg im Einzelfall angemessen ist, hat das Gericht unter Abwägung der Umstände, insb auch unter Beachtung des Prinzips des gelinderen Mittels, zu entscheiden. Berücksichtigung des Kindeswohls § 178a. Bei Beurteilung des Kindeswohls sind die Persönlichkeit des Kindes und seine Bedürfnisse, besonders seine Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten, sowie die Lebensverhältnisse der Eltern entsprechend zu berücksichtigen. [idF BGBl 1977/403] Lit: Bernat, Das Kindeswohl auf dem Prüfstand des Rechts, ÖA 1994, 43; Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff (1983); Firlei, Der Richter und das Kindeswohl, in Rauch-Kallat/J. Pichler, Entwicklungen 217; Fucik, Das Spannungsfeld zwischen Kindeswohl und Elternrecht aus der Sicht des Pflegschaftsrichters, ÖA 1996, 43; Mottl, Das Kind: Rechtsobjekt oder nur Spielball familiärer Auseinandersetzungen? in Rauch-Kallat/J. Pichler, Entwicklungen 167; Verschraegen, Das Kind „Helene“, 2. FS Schwind (1993) 227.
1 Die Berücksichtigung des Kindeswohls ist zentrales Leitziel des
Kindschaftsrechts (F. Bydlinski, System 388). Das Gesetz definiert den Begriff des Kindeswohls nicht. Nach Bernat, ÖA 1994, 45 ff handelt es sich um eine durch richterliche, am Wertungsrahmen des positiven Rechtes und an humanwissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Rechtschöpfung zu konkretisierende Generalklausel. Nach der Rspr hat der Begriff mehrere Dimensionen und umfasst das körperliche, geistige und seelische Wohlergehen des Kindes (1 Ob 2396/96a EF 84.218). § 178a führt Kriterien an, die bei Beurteilung des Kindeswohls zu berücksichtigen sind. Die Aufzählung kann schon im Hinblick auf die Vieldimensionalität des Kindeswohlbegriffs nicht erschöpfend sein (Schwimann/S Rz 2). § 178b. [aufgehoben, BGBl I 2000/135]
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Eltern und Kinder
§ 179
Dem Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern ähnliche Verbindungen: 1. Annahme an Kindesstatt § 179. (1) Eigenberechtigte Personen, die den ehelosen Stand nicht feierlich angelobt haben, können an Kindesstatt annehmen. Durch die Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet. (2) Die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person, sei es gleichzeitig, sei es, solange die Wahlkindschaft besteht, nacheinander, ist nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten rechtfertigen. (3) Personen, denen die Sorge für das Vermögen des anzunehmenden Wahlkindes durch behördliche Verfügung anvertraut ist, können dieses so lange nicht annehmen, als sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind. Sie müssen vorher Rechnung gelegt und die Bewahrung des anvertrauten Vermögens nachgewiesen haben. [idF BGBl 1960/58] Lit: Edlbacher, Kritische Studien zum Adoptionsrecht – Eine kurze Erwiderung auf einen gleichnamigen Aufsatz, ÖJZ 1964, 226; Ent, Eine Einführung in das neue österreichische Adoptionsrecht, ÖStA 1960, 45, 55, 60 und 67; Ostheim, Kennt das österreichische Adoptionsrecht eine „Kindesenteignung“? JBl 1966, 113 und 184; Schwimann, Das österreichische Adoptionsrecht nach seiner Reform, FamRZ 1973, 345; V. Steininger, Kritische Studien zum Adoptionsrecht, JBl 1963, 453, 511 und 555.
Eigenberechtigt sind Personen, denen die volle Geschäftsfähigkeit 1 zukommt; Personen, denen ein Sachwalter – gleich für welche Angelegenheiten – bestellt ist (Simotta, ÖJZ 1990, 727 ff; 7 Ob 328/01p SZ 2002/14), können daher ebenso wie Mj und Personen, „die den Gebrauch der Vernunft nicht haben“ (§ 865), denen also die für die – mit der Adoption verbundene – Übernahme der Obsorge erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt, nicht adoptieren. Der (verHopf
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§ 179
fassungsrechtlich bedenkliche: Stabentheiner/R Rz 2) Ausschluss von Personen, die den ehelosen Stand „feierlich“ angelobt haben, bezieht sich auf römisch-katholische Ordensgeistliche, die ein solches feierliches Gelübde abgelegt haben, nicht auch – mangels eines feierlichen Gelübdes – auf römisch-katholische Weltgeistliche (Schwimann/S Rz 3). Als Annehmende ausgeschlossen sind zur Vermeidung der Verschleierung von Unregelmäßigkeiten der Vermögensverwaltung (Erl 107 BlgNR 9. GP 14) behördlich bestellte Verwalter des Vermögens des Wahlkindes (Obsorgeträger, Sachwalter), solange sie diese Verwaltung führen, nicht Rechnung gelegt und nicht die Bewahrung des Vermögens nachgewiesen haben. 2 Die Adoption durch mehr als eine Person ist nur zulässig, wenn die
Annehmenden verheiratet sind. Umgekehrt können Ehegatten grundsätzlich nur gemeinsam adoptieren, ausgenommen die Fälle des Abs 2 S 3; unter die Gewaltklausel dieser Bestimmung („ähnliche und besonders gewichtige Gründe“) fallen Umstände, die schon objektiv die Nachbildung einer natürlichen Familie nicht erwarten lassen, wie etwa ein bereits eingeleitetes Scheidungsverfahren (3 Ob 141/04p EF 107.833). Nicht unter diese Ausnahmen fällt hingegen etwa die Ablehnung der vom anderen Ehegatten gewünschten Annahme eines Wahlkindes durch einen Ehegatten aus subjektiven Gründen (3 Ob 119/03a EF 104.416). Nicht entgegen steht der Adoption, dass der Annehmende schon leibliche Kinder hat. Desgleichen schließt die Adoption eines Kindes jene weiterer Kinder nicht aus. Die Annahme durch zwei Personen gleichen Geschlechtes – sowohl gleichzeitig als auch nacheinander – (LGZ Wien 44 R 302/01d EF 96.699) ist ebenso wie die Annahme durch die Lebensgefährtin der Mutter (9 Ob 62/06t EF-Z 2007, 26) ausgeschlossen (vgl auch § 186a Rz 1). Ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Annehmenden und Wahlkind hindert die Adoption grundsätzlich nicht. Unzulässig ist die Adoption nur, wenn die durch die Annahme an Kindes statt angestrebte Rechtstellung des Kindes ohnedies schon besteht (Schwimann/S Rz 8; 5 Ob 139/03g SZ 2003/68), wie insb bei der Annahme eines unehelichen Kindes durch seine Mutter. Im Hinblick auf die Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehelichen Kind in erbrechtlicher Hinsicht (ErbRÄG 1989) und in der Möglichkeit der Obsorge beider Elternteile (KindRÄG 2001) besteht aber nun auch kein Bedarf an der Adoption eines unehelichen Kindes durch seinen Vater, sofern die obsorgeberechtigte Mutter auf ihre familienrechtliche Position gegenüber dem Kind nicht iSd § 182 Abs 2 S 2 verzichtet (6 Ob 179/05z EvBl 2006/52; aM K/W I 552). Nicht ausgeschlossen ist hingegen die Adoption des Enkels (NZ 1965, 122) oder zwischen Geschwistern (SZ 2003/68). 172
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Eltern und Kinder
§ 179a Form; Eintritt der Wirksamkeit
§ 179a. (1) Die Annahme an Kindesstatt kommt durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteiles zustande. Sie wird im Fall ihrer Bewilligung mit dem Zeitpunkt der vertraglichen Willenseinigung wirksam. Stirbt der Annehmende nach diesem Zeitpunkt, so hindert dies die Bewilligung nicht. (2) Das nicht eigenberechtigte Wahlkind schließt den Vertrag durch seinen gesetzlichen Vertreter, dieser bedarf hiezu keiner gerichtlichen Genehmigung. Verweigert der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung, so hat das Gericht sie auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. [idF BGBl 1960/58]
Das Zustandekommen der Adoption erfordert den Abschluss eines 1 schriftlichen Vertrages (§ 886) zwischen Annehmendem und Wahlkind und die gerichtliche Bewilligung der Annahme an Kindes statt. Mit der gerichtlichen Bewilligung wird die Adoption im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wirksam. Der Vertrag ist also ex lege aufschiebend bedingt (Stabentheiner/R Rz 2). Als Statusvertrag ist er im Übrigen aber grundsätzlich bedingungs- und befristungsfeindlich. Er kann – auch wenn er noch nicht bewilligt ist – nicht einseitig widerrufen werden (7 Ob 510/94 EvBl 1994/158). Im Hinblick auf die Bedeutung des Zeitpunkts der vertraglichen Willenseinigung für die Wirksamkeit der Annahme muss aus dem Vertrag dieser Zeitpunkt erkennbar sein (LGZ Wien 44 R 653/05p EF 110.915; Schwimann/S Rz 3). Zulässig ist der Abschluss durch einen gewillkürten Vertreter; erfor- 2 derlich ist eine auf die konkrete Adoption lautende Spezialvollmacht (V. Steininger, JBl 1963, 516; 7 Ob 328/01p SZ 2002/14). Für ein mj Kind kann jeder Elternteil allein als gesetzlicher Vertreter den Vertrag schließen (§ 154 Abs 1; EF 35.950). Ein Sachwalter des Wahlkindes kann den Vertrag nur schließen, wenn sich sein Wirkungskreis (auch) darauf bezieht (Simotta, ÖJZ 1990, 728). Eine ohne gerechtfertigte Gründe verweigerte Einwilligung in die Adoption hat das Gericht auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, so etwa, wenn sich der betreffende Elternteil beharrlich höchst familienwidrig gegenüber dem Kind verhalten hat (8 Ob 525/92 JBl 1993, 453). Die Rechtfertigung der Verweigerung kann sich nicht nur aus der Person des Wahlvaters oder der Wahlmutter (SZ 42/183), sondern auch aus der Person des Einwilligungsberechtigten ergeben; so ist Hopf
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§ 180
etwa das Bekenntnis eines Elternteils zur menschlichen Verbundenheit mit dem Kind idR schutzwürdig (JBl 1993, 453). 3 Das Gericht kann die Bewilligung nur erteilen oder sie als Ganzes
verweigern; eine Änderung oder Ergänzung des Adoptionsvertrags steht ihm nicht zu (7 Ob 102/02d EF 100.382). Desgleichen kann das Gericht nicht den Adoptionsvertrag hinsichtlich eines Wahlelternteils bewilligen, hinsichtlich des anderen die Bewilligung verweigern (SZ 54/106). Die Aufnahme der Namensfolge in den Adoptionsvertrag hat, auch wenn die Regelung gegen zwingendes Recht verstößt, für die Bewilligung keine Bedeutung; die Beurteilung der namensrechtlichen Folgen ist Sache des Standesbeamten (Stabentheiner/R Rz 1; 2 Ob 134/02y ZfRV 2003, 20). Alter § 180. (1) Der Wahlvater muß das dreißigste, die Wahlmutter das achtundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben. Nehmen Ehegatten gemeinsam an oder ist das Wahlkind ein leibliches Kind des Ehegatten des Annehmenden, so ist eine Unterschreitung dieser Altersgrenze zulässig, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind bereits eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht. (2) Wahlvater und Wahlmutter müssen mindestens achtzehn Jahre älter als das Wahlkind sein; eine geringfügige Unterschreitung dieses Zeitraums ist unbeachtlich, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind bereits eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht. Ist das Wahlkind ein leibliches Kind des Ehegatten des Annehmenden oder mit dem Annehmenden verwandt, so genügt ein Alterunterschied von sechzehn Jahren. [idF BGBl 1977/403] Lit: Jordan, Heilung des Mangels des Altersunterschiedes nach § 180 Abs 2 ABGB, ÖA 1992, 43.
1 Maßgebend ist das Alter im Zeitpunkt der Bewilligung der Adop-
tion. Das Mindestalter nach Abs 1 kann bei Vorliegen der Voraussetzungen von S 2 bis zur absoluten Untergrenze – das ist der Eintritt der Volljährigkeit – sinken; die Unterschreitung kann also – bei besonders intensiver und gefestigter Beziehung – auch mehrere Jahre betragen (Schwimann/S Rz 1; 2 Ob 7/02x ÖA 2002, 192). 2 Die erforderliche Altersdifferenz nach Abs 1, und zwar auch die von
16 Jahren, darf nur geringfügig unterschritten werden (1 Ob 256/99m 174
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§ 180a
SZ 72/162; Pfersmann, ÖJZ 2002, 861). Dabei darf es sich jedenfalls nicht um Jahre handeln (Stabentheiner/R Rz 2; SZ 40/16). Bewilligung § 180a. (1) Die Annahme eines nicht eigenberechtigten Kindes ist zu bewilligen, wenn sie dessen Wohl dient und eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Ist das Wahlkind eigenberechtigt, so ist die Annahme nur zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben. (2) Die Bewilligung ist, außer bei Fehlen der Vorraussetzungen des Abs. 1, zu versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre; im übrigen sind wirtschaftliche Belange nicht zu beachten, außer der Annehmende handelt in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Schwimann, Neuerliche Abstammungsreform mit Ablaufdatum, NZ 2005, 33; ders, Wechselväter und andere Neuheiten, StAZ 2005, 28.
Durch die Adoption muss gewährleistet sein, dass dem mj Wahlkind 1 ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause verschafft sowie sein körperliches, geistiges und seelisches Wohl gefördert wird (SZ 59/184; 7 Ob 68/02d ZfRV 2002, 234). Die Absicht, eine Eltern-Kind-Beziehung zu einem mj Wahlkind herzustellen, reicht, wenn auch die Realisierungsmöglichkeit nach den Umständen gewährleistet ist (4 Ob 214/05g EF 110.920). Es muss eine merklich bessere Entwicklung des Kindes zu erwarten sein; bei bloß gleichbleibenden Entwicklungschancen ist die Adoption nicht zu bewilligen (EF 48.468). Dies gilt sinngemäß auch für ein Wahlkind, dem ein Sachwalter nach § 268 bestellt ist (Erl 471 BlgNR 22. GP 27; Simotta, ÖJZ 1990, 728 f; aM Schwimann/S Rz 1). Die Voraussetzungen für die Erwachsenenadoption wurden durch das 2 FamErbRÄG 2004 strenger gefasst (s in diesem Zusammenhang auch den neu gefassten § 26 Abs 1 IPRG): Es muss das Bestehen eines engen, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden Verhältnisses nachgewiesen werden. Als – eine Orientierung bietende – Bsp für eine solche enge Beziehung führt das Gesetz eine schon fünf Hopf
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§ 181
Jahre bestehende häusliche Gemeinschaft von Annehmendem und Wahlkind oder die Leistung des Beistandes iSd § 137 Abs 2 in einer vergleichbar engen Gemeinschaft an. Solche Beistandsleistungen können etwa die Pflege des kranken und betreuungsbedürftigen Annehmenden durch das Wahlkind oder eines behinderten Wahlkindes durch den Annehmenden während längerer Zeit oder die langjährige Mitwirkung des Wahlkindes im landwirtschaftlichen Betrieb des Annehmenden sein. In bloß regelmäßigen Kontakten, mögen sie auch durchaus dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechen, manifestiert sich idR noch nicht das geforderte „enge“ Verhältnis. Es muss eine über das Durchschnittsmaß hinausgehende ElternKind-Beziehung sein, in der die eine Seite auf die andere angewiesen ist (Erl 471 BlgNR 22. GP 28; 5 Ob 18/05s SZ 2005/39). Mit einem Eltern-Kind-Verhältnis nicht in Einklang zu bringen ist selbstverständlich eine geschlechtliche Beziehung zwischen dem Annehmenden und dem eigenberechtigten Wahlkind (7 Ob 288/03h SZ 2004/3). 3 Abs 2 schützt die Interessen der leiblichen Kinder des Annehmenden
(zu den Enkelkindern s Stabentheiner/R Rz 4). Abzuwägen sind die Interessen der leiblichen Kinder am Unterbleiben und die der Wahlkinder am Zustandekommen der Adoption (Schwimann, FamRZ 1973, 349; 2 Ob 536/94 EvBl 1995/34). Zu prüfen ist vor allem, ob Unterhalt und Erziehung der leiblichen Kinder durch die Adoption gefährdet werden, wobei eine bloße Schmälerung, wie sie bei einer Vergrößerung der Kinderanzahl idR unvermeidbar ist, noch keinen Versagungsgrund bildet (EvBl 1995/34). Wohl aber ist die Adoption etwa nicht zu bewilligen, wenn bereits vorher der Unterhaltsanspruch leiblicher Kinder unter dem Regelbedarf lag (EvBl 1995/34). Ansonsten sind wirtschaftliche Interessen der leiblichen Kinder, wie etwa Pflichtteilsansprüche, nur zu berücksichtigen, wenn der Annehmende ausschließlich oder überwiegend in Schädigungsabsicht handelt (SZ 56/175; 9 Ob 284/97y EF 84.236). Parteistellung kommt den leiblichen Kindern des Annehmenden gemäß § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG im Verfahren über die Adoptionsbewilligung insofern zu, als es um die Wahrung ihrer Interessen nach Abs 2 geht, nicht auch hinsichtlich der Bewilligungsvoraussetzungen nach Abs 1 (2 Ob 246/97h ÖA 1998, 69; Schwimann/S Rz 8). § 181. (1) Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn folgende Personen der Annahme zustimmen: 1. die Eltern des minderjährigen Wahlkindes; 2. der Ehegatte des Annehmenden; 3. der Ehegatte des Wahlkindes. 176
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§ 181
(2) Das Zustimmungsrecht einer im Abs. 1 genannten Person entfällt, wenn sie als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen hat; ferner, wenn sie zu einer verständigen Äußerung nicht nur vorübergehend unfähig oder ihr Aufenthalt seit mindestens sechs Monaten unbekannt ist. (3) Das Gericht hat die verweigerte Zustimmung auf Antrag eines Vertragsteiles zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. [idF BGBl 1989/162]
Die Zustimmung der in Abs 1 genannten Personen ist materiell- 1 rechtliche Voraussetzung der Bewilligung der Adoption (SZ 56/175; 7 Ob 7/03k EF 104.468). Sie kann durch einen – in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde – Bevollmächtigten (§ 86 Abs 2 AußStrG), nicht aber von einem Sachwalter erteilt werden (K/W I 553 f); ihr Entfall nach Abs 2 kommt nur nach strenger Prüfung der Voraussetzungen in Betracht (4 Ob 133/00p SZ 73/84). Der Kreis der Zustimmungsberechtigten bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Bewilligung der Adoption (RZ 1989, 86). Die (auch unehelichen) Eltern eines mj Wahlkindes sind auch dann zustimmungsberechtigt, wenn sie gemäß §§ 166, 167, 177, 177a nicht mit der Obsorge betraut sind, es sei denn, das Zustimmungsrecht ist ihnen nach § 176 entzogen (Stabentheiner/R Rz 2). Die Ersetzung der Zustimmung nach Abs 3 ist eine außerordentliche 2 Maßnahme, die nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht kommt (8 Ob 525/92 JBl 1993, 454; Stabentheiner/R Rz 5). Die Förderung des Wohles des Kindes durch die Adoption (JBl 1981, 208; 6 Ob 50/02z EF 100.413) oder eine bloß materielle Besserstellung (NZ 1972, 203) rechtfertigen noch nicht die Ersetzung der Zustimmung. Eine solche kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn das Interesse des Kindes an der Adoption jenes des leiblichen Elternteils am Kontakt zum Kind eindeutig überwiegt (Stabentheiner/R Rz 5) oder wenn die Weigerungsgründe sittlich nicht gerechtfertigt sind, so etwa, wenn sich der die Zustimmung verweigernde Elternteil beharrlich höchst familienwidrig verhalten (JBl 1981, 208) oder seine gesetzlichen Pflichten gegenüber dem Kind schuldhaft so gröblich vernachlässigt hat, dass dessen Entwicklung nachhaltig gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre (EvBl 1983/125). Hingegen ist die Verweigerung der Zustimmung idR dann gerechtfertigt, wenn sich der Elternteil zur menschlichen Verbundenheit mit dem Kind glaubhaft bekennt (SZ 59/184; JBl 1993, 453). Unzulässig ist eine Blankoadoption, etwa in Form einer gerichtlichen Entscheidung, dass die Zustimmung der unehelichen Mutter zu einem erst in Zukunft Hopf
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§ 181a
zu schließenden Annahmevertrag nicht erforderlich sei (SZ 23/111). Zur Inkognitoadoption s § 181a Rz 3. § 181a. (1) Ein Recht auf Anhörung haben: 1. das nicht eigenberechtigte Wahlkind ab dem vollendeten fünften Lebensjahr, außer es hat bereits seit diesem Zeitpunkt beim Annehmenden gelebt; 2. die Eltern des volljährigen Wahlkindes; 3. die Pflegeeltern oder der Leiter des Heimes, in dem sich das Wahlkind befindet; 4. der Jugendwohlfahrtsträger. (2) Das Anhörungsrecht eines im Abs. 1 genannten Berechtigten entfällt, wenn er als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen hat; ferner, wenn er nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten gehört werden könnte. [idF BGBl 1989/162]
1 Das Anhörungsrecht ist schwächer als das Zustimmungsrecht nach
§ 181; seine Verletzung begründet einen – mit Rekurs geltend zu machenden – Verfahrensmangel. Die Anhörungsberechtigten sind, sofern sie nicht ohnedies den Annahmevertrag geschlossen haben, Parteien des Verfahrens und damit rechtsmittelbefugt. Das Anhörungsrecht kann – anders als die Zustimmung nach § 181 – nicht ersetzt werden. Ein Anhörungsrecht (und Rekursrecht) kommt, obgleich in § 181a nicht genannt, auch den leiblichen Kindern der Annehmenden zu (s § 180a Rz 2 aE; 1 Ob 7/05v EF 110.942). 2 Nach § 90 Abs 1 AußStrG sind vor Bewilligung der Annahme eines
mj Kindes dieses selbst unter sinngemäßer Anwendung des § 105 AußStrG sowie der Jugendwohlfahrtsträger zu hören. Dabei handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Bestimmung, die unabhängig vom maßgeblichen Sachrecht anzuwenden ist und die – im Unterschied zu § 181a Abs 1 Z 1 und 4 – die Rolle des Kindes und des Jugendwohlfahrtsträgers als Beweismittel betrifft. 3 Nach § 88 AußStrG können die Vertragsteile des Adoptionsvertrages
beantragen, dass die Bewilligung der Adoption eines Mj davon abhängt, dass alle oder einzelne der Zustimmungs- und Anhörungsberechtigten, ausgenommen der Jugendwohlfahrtsträger, auf die Mitteilung des Namens und des Wohnortes des Annehmenden und auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses verzichten (Inkognitoadoption). Eine verweigerte Verzichtserklärung ist analog § 181 Abs 3 ersetzbar (8 Ob 525/92 JBl 1993, 453; Schwimann/S Rz 9). Dem Ver178
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§ 182
zichtenden sind auf sein Verlangen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Annehmenden allgemein zu beschreiben. Dem Wahlkind ist ab Ehemündigkeit Auskunft über seine leiblichen Eltern zu erteilen (§ 37 Abs 2 PStG). Wirkungen § 182. (1) Zwischen dem Annehmenden und dessen Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits entstehen mit diesem Zeitpunkt die gleichen Rechte, wie sie durch die eheliche Abstammung begründet werden. (2) Wird das Wahlkind durch Ehegatten als Wahleltern angenommen, so erlöschen mit den im § 182a bestimmten Ausnahmen die nicht bloß in der Verwandtschaft an sich (§ 40) bestehenden familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits mit diesem Zeitpunkt. Wird das Wahlkind nur durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen, so erlöschen diese Beziehungen lediglich hinsichtlich des leiblichen Vaters (der leiblichen Mutter) und dessen (deren) Verwandten; insoweit danach diese Beziehungen aufrecht bleiben würden, hat das Gericht, wenn der in Frage kommende Elternteil darin eingewilligt hat, das Erlöschen diesem Elternteil gegenüber auszusprechen; das Erlöschen wirkt vom Zeitpunkt der Abgabe der Einwilligungserklärung, frühestens jedoch vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme. [idF BGBl 1960/58]
Mit der Bewilligung der Adoption entsteht ipso iure zwischen den 1 Wahleltern (dem Wahlelternteil) und deren (dessen) Nachkommen (nicht auch den Verwandten in aufsteigender oder Seitenlinie; 2 Ob 556/93 EF 71.937) einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt der Adoptionsbewilligung vorhandenen und künftigen (Stabentheiner/R Rz 1) mj Nachkommen andererseits eine dem ehelichen Eltern-Kind-Verhältnis entsprechende familienrechtliche Beziehung. Zugleich erlöschen unmittelbar kraft Gesetzes (eines Ausspruchs des Gerichtes bedarf es nicht; vgl Rz 2) die Beziehungen nicht vermögensrechtlicher Art (nicht also die unterhaltsrechtlichen und erbrechtlichen Beziehungen – s hiezu §§ 182a, 182b) zwischen dem Wahlkind und seinen mj Nachkommen einerseits und den leiblichen Eltern (dem leiblichen Elternteil) und deren (dessen) Verwandten anHopf
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§ 182a
dererseits. Diese Wirkungen der Adoption können nicht abbedungen werden, auch nicht hinsichtlich einzelner Elemente des mit der Adoption begründeten Eltern-Kind-Verhältnisses („volle“ oder „starke“ Adoption; SZ 55/193). Den leiblichen Eltern (dem durch die Adoption „verdrängten“ leiblichen Elternteil) stehen auch kein Besuchsrecht nach § 148 (7 Ob 618/91 EvBl 1992/80) und keine Informations- und Äußerungsrechte nach § 178 zu (Schwimann/S Rz 2). Nicht beseitigt werden selbstverständlich die blutsmäßigen Bindungen des Wahlkindes zu den leiblichen Eltern (§§ 6, 25 EheG). 2 Im Fall der Annahme durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) blei-
ben die familienrechtlichen Beziehungen zur leiblichen Mutter (zum leiblichen Vater) aufrecht. Mit Einwilligung dieses leiblichen Elternteils hat das Gericht jedoch auch das Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen diesem gegenüber auszusprechen. Diese Einwilligung ist analog § 181 Abs 3 ersetzbar (V. Steininger, JBl 1963, 456; aM Edlbacher, ÖJZ 1964, 227). § 182a. (1) Die im Familienrecht begründeten Pflichten der leiblichen Eltern und deren Verwandten zur Leistung des Unterhaltes, des Heiratsgutes und der Ausstattung gegenüber dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen bleiben aufrecht. (2) Das gleiche gilt für die Unterhaltspflicht des Wahlkindes gegenüber den leiblichen Eltern, sofern diese ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem noch nicht vierzehn Jahre alten Kinde vor dessen Annahme an Kindesstatt nicht gröblich vernachlässigt haben. (3) Die nach den Abs. 1 und 2 aufrecht bleibenden Pflichten stehen jedoch den durch die Annahme begründeten gleichen Pflichten im Range nach. [idF BGBl 1977/403]
1 Die Verpflichtung der leiblichen Eltern gegenüber dem Wahlkind
und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption mj Nachkommen zu Unterhalt (§ 140), Heiratsgut (§ 1220) und Ausstattung (§ 1231) wird durch die Annahme an Kindes statt nur insofern berührt, als sie den entsprechenden Pflichten der Wahleltern (des Wahlvaters, der Wahlmutter) nachgehen; Entsprechendes gilt für die Unterhaltspflicht des Wahlkindes gegenüber seinen Eltern. Für den Kindesunterhalt bedeutet dies, dass die leiblichen Eltern erst dann herangezogen werden dürfen, wenn der Wahlvater (die Wahlmutter) außer Stande ist, den Unterhalt zu leisten, im Hinblick auf das UVG aber nicht schon dann, wenn der an sich erwerbsfähige Wahlelternteil 180
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§ 182b
seiner Unterhaltspflicht bloß tatsächlich nicht nachkommt, weil er etwa unbekannten Aufenthaltes ist oder die zwangsweise Einbringung des Unterhalts sonst auf Schwierigkeiten stößt (s § 141 Rz 1; 1 Ob 507/91 RZ 1991, 229). § 182b. (1) Die im Erbrecht begründeten Rechte zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits bleiben aufrecht. (2) Bei der gesetzlichen Erbfolge in das Vermögen des Wahlkindes in der zweiten Linie gehen die Wahleltern und deren Nachkommen einerseits den leiblichen Eltern und deren Nachkommen andererseits vor; ist das Wahlkind nur durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen worden und sind sowohl der Wahlvater (die Wahlmutter) oder dessen (deren) Nachkommen als auch die leibliche Mutter (der eheliche Vater) oder deren (dessen) Nachkommen vorhanden, so fällt der Nachlaß je zur Hälfte auf den Stamm des Wahlvaters (der Wahlmutter) und den der leiblichen Mutter (des ehelichen Vaters). [idF BGBl 1960/58] Lit: Ent, Die erbrechtlichen Folgen der Annahme an Kindesstatt, NZ 1960, 177; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Zum gesetzlichen Erbrecht der Verwandten seit dem Erbrechtsänderungsgesetz 1989, NZ 1991, 245; Kostner, Adoption und Erbrecht, NZ 1960, 81; Zemen, Das gesetzliche Erbrecht der leiblichen Aszendenz neben Wahleltern, JBl 1975, 337; ders, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform (1981).
Das Wahlkind und die im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der An- 1 nahme mj Nachkommen (Gleiches gilt für die erst später geborenen Nachkommen des Wahlkindes) haben ein gesetzliches Erbrecht nicht nur nach den Wahleltern (dem Wahlvater, der Wahlmutter) und deren Nachkommen (nicht auch nach den sonstigen Verwandten: EF 29.277), sondern auch weiterhin nach den leiblichen Eltern und deren Verwandten (das Wahlkind schließt also etwa in der gesetzlichen Erbfolge nach dem leiblichen Vater die leiblichen Großeltern aus: 4 Ob 1591/92 EF 68.907). In der gesetzlichen Erbfolge nach dem Wahlkind gehen die Wahl- 2 eltern (und deren Nachkommen) den leiblichen Eltern (und deren Nachkommen) vor. Bei einer Adoption durch nur einen Wahlelternteil kommt das gesetzliche Erbrecht nach dem Wahlkind – wenn dieses keine Nachkommen hat – je zur Hälfte diesem Wahlelternteil und dessen Nachkommen sowie dem anderen – nicht verdrängten – Hopf
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§ 183
leiblichen Elternteil und dessen Nachkommen zu, und zwar auch dann, wenn die familienrechtlichen Beziehungen zu diesem Elternteil gemäß § 182 Abs 2 vorletzter HS erloschen sind (Schwimann/S Rz 3). Dies gilt – ungeachtet der Anführung bloß des ehelichen Vaters in Abs 2 – auch für den unehelichen Vater (Ferrari-Hofmann-Wellenhof, NZ 1991, 247; K/W II 434). Zu den Fragen der gesetzlichen Erbfolge nach dem Wahlkind in der zweiten Linie bei Vorhandensein von Wahleltern und leiblichen Eltern s Zemen, JBl 1975, 346 ff. § 183. (1) Wird das Wahlkind nur von einer Person an Kindesstatt angenommen und erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen zum anderen Elternteil im Sinn des § 182 Abs. 2 zweiter Satz, so erhält das Wahlkind den Familiennamen des Annehmenden. Die §§ 162a Abs. 2 bis 162d gelten entsprechend. (2) Im übrigen gelten für die Ableitung des Familiennamens des Wahlkindes von den Wahleltern beziehungsweise von einem Wahlelternteil und demjenigen Elternteil, zu dem die familienrechtlichen Beziehungen aufrecht geblieben sind, die §§ 139 sowie 162a Abs. 2 bis 162d entsprechend. [idF BGBl 1995/25] Lit: S bei § 93.
1 Die namensrechtlichen Folgen der Adoption sind nicht Inhalt der
Adoptionsbewilligung, sie sind vom Standesbeamten im Rahmen der Führung der Personenstandsbücher und der Ausstellung der Personenstandsurkunden zu beurteilen (s § 179a Rz 3; Stabentheiner/R Rz 1 Erl d BMJ JABl 1995/25). Die Änderung des Familiennamens eines im Zeitpunkt des Abschlusses des Adoptionsvertrags mündigen Wahlkindes tritt nur mit dessen – gemäß § 162d gegenüber dem Standesbeamten in öffentlicher oder öffentlich-beglaubigter Urkunde zu erklärenden – Zustimmung ein. 2 Nehmen Ehegatten ein unverheiratetes Wahlkind an, so erhält dieses
den gemeinsamen Familiennamen der Wahleltern, mangels eines solchen den von den Wahleltern nach § 139 Abs 2 bestimmten Familiennamen, mangels einer solchen Bestimmung den Familiennamen des Wahlvaters zum Zeitpunkt des Abschlusses des Adoptionsvertrags. 3 Wird ein unverheiratetes Wahlkind von nur einem Wahlelternteil
angenommen und erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen zum anderen leiblichen Elternteil durch Verzicht gemäß § 182 Abs 2, so erhält das Wahlkind den Familiennamen des Annehmenden. Dabei genügt es, wenn die Einwilligung zum Erlöschen der familienrecht182
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§ 184
lichen Beziehungen spätestens bis zur gerichtlichen Bewilligung der Adoption erklärt wird (Stabentheiner/R Rz 2). Bleiben die familienrechtlichen Beziehungen zu dem nicht verdrängten leiblichen Elternteil aufrecht und ist dieser mit dem Wahlelternteil verheiratet, so erhält das Wahlkind den gemeinsamen Familiennamen der Ehegatten, mangels eines solchen den von diesen nach § 139 Abs 2 bestimmten. Fehlt eine solche Bestimmung oder sind der Wahlelternteil und der leibliche Elternteil nicht verheiratet, so erhält das Wahlkind nach § 139 Abs 3 entweder den Familiennamen des Adoptivvaters oder – bei Annahme durch eine Wahlmutter – es behält den von seinem leiblichen Vater abgeleiteten Familiennamen (Schwimann/S Rz 5; Mottl, NZ 1996, 330); leitet es seinen Familiennamen von der leiblichen Mutter ab, so erhält es den Familiennamen der Adoptivmutter (Stabentheiner/R Rz 3). Ist das Wahlkind im Zeitpunkt des Abschlusses des Adoptionsver- 4 trags verheiratet, so gilt § 162b: der gemeinsame Familienname ändert sich nur mit Zustimmung beider Ehegatten, stimmt nur das Adoptivkind zu, ändert sich nur sein Familienname; haben die Ehegatten keinen gemeinsamen Familiennamen, so ändert sich – unter der Voraussetzung der Zustimmung – nur der Familienname des Wahlkindes. Eine Namensänderung des Wahlkindes hat gemäß § 182 Abs 1 für 5 dessen volljährige Kinder keine Auswirkung. Auf ein mündiges Kind, das den Namen allein vom Wahlkind ableitet, wirkt die Namensänderung nur, wenn es zustimmt; der vom Wahlkind abgeleitete Familienname eines unmündigen Kindes ändert sich ipso iure. Leitet das Kind seinen Familiennamen auch vom Ehegatten des Wahlkindes ab und ändert sich durch die Adoption dieser Familienname der Ehegatten, so erhält auch das Kind den geänderten Familiennamen (das mündige Kind nur mit seiner Zustimmung). Ändert sich nur der Familienname eines Elternteils, so erhält oder behält das Kind den Familiennamen des Vaters zum Zeitpunkt des Abschlusses des Adoptionsvertrages (das mündige Kind nur mit seiner Zustimmung). § 183a. [aufgehoben, BGBl 1995/25] Widerruf und Aufhebung § 184. (1) Die gerichtliche Bewilligung ist vom Gericht mit rückwirkender Kraft zu widerrufen: 1. vom Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn beim Abschluß des Annahmevertrages der Annehmende nicht Hopf
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Eltern und Kinder
§ 184
eigenberechtigt gewesen ist, außer er hat nach der Erlangung seiner Eigenberechtigung zu erkennen gegeben, daß er die Wahlkindschaft fortsetzen wolle; 2. vom Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn ein nicht eigenberechtigtes Wahlkind selbst den Annahmevertrag geschlossen hat, außer es hat der gesetzliche Vertreter oder nach Erlangung der Eigenberechtigung das Wahlkind nachträglich zugestimmt oder das Gericht die verweigerte nachträgliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters im Sinne des § 179a Abs. 2 ersetzt; 3. vom Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn das Wahlkind durch mehr als eine Person angenommen worden ist, außer die Annehmenden sind im Zeitpunkt der Bewilligung miteinander verheiratet gewesen; 4. von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn der Annahmevertrag ausschließlich oder vorwiegend in der Absicht geschlossen worden ist, dem Wahlkind die Führung des Familiennamens des Wahlvaters oder der Wahlmutter zu ermöglichen oder den äußeren Schein einer Wahlkindschaft zur Verdeckung rechtswidriger geschlechtlicher Beziehungen zu schaffen; 5. auf Antrag eines Vertragsteiles, wenn der Annahmevertrag nicht schriftlich geschlossen worden ist und seit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbeschlusses nicht mehr als fünf Jahre verstrichen sind. (2) Hat einer der Vertragsteile den Widerrufsgrund (Abs. 1 Z. 1 bis 3 und 5) bei Abschließung des Annahmevertrages nicht gekannt, so gilt in seinem Verhältnis zum anderen Vertragsteil der Widerruf insoweit als Aufhebung (§ 184a), als er dies beansprucht. (3) Einem Dritten, der im Vertrauen auf die Gültigkeit der Annahme an Kindesstatt vor dem Widerruf Rechte erworben hat, kann nicht eingewendet werden, daß die Bewilligung widerrufen worden ist. Zum Nachteil eines der Vertragsteile, der den Widerrufsgrund bei Abschließung des Annahmevertrages nicht gekannt hat, kann ein Dritter nicht die Wirkungen des Widerrufes beanspruchen. [idF BGBl 1960/58]
1 Eine rechtswirksam zustande gekommene Adoption (nicht also eine
– wegen Fehlens eines Vertrages oder der gerichtlichen Bewilligung – „Nicht-Adoption“, Schwimann/S Rz 1) kann nur vom Gericht (nicht von den Vertragsparteien selbst; 7 Ob 510/94 EvBl 1994/158) aus den in den §§ 184 und 184a taxativ (§ 185a) aufgezählten Gründen durch Widerruf der gerichtlichen Bewilligung oder durch Aufhebung der Wahlkindschaft beseitigt werden. Insb kann ein Dritter, 184
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Eltern und Kinder
§§ 184a–185a
wie etwa das leibliche Kind des Annehmenden (2 Ob 2321/96d EF 84.241), nicht den Adoptionsvertrag anfechten oder sonst dessen Unwirksamkeit geltend machen (EvBl 1962/411; 4 Ob 104/04d EF 107.843; Stabentheiner/R Rz 1). Der Widerruf der gerichtlichen Bewilligung – sie entspricht der Ehe- 2 nichtigkeitsklage – wirkt ex tunc. Die Adoption gilt – vorbehaltlich der Abs 2 und 3 – als nicht zu Stande gekommen; Leistungen auf Grund der Wahlkindschaft (Unterhalt, Heiratsgut, Ausstattung, erbrechtliche Empfänge) können zurückverlangt werden (Schwimann/S Rz 2). Mangelnde Eigenberechtigung iSd Abs 1 Z 1 liegt vor, wenn der An- 3 nehmende mj ist, ihm ein Sachwalter – gleich mit welchem Wirkungskreis (Simotta, ÖJZ 1990, 729; 7 Ob 328/01p SZ 2002/14) – bestellt ist oder einer der Zustände des § 22 Abs 1 EheG vorliegt (Stabentheiner/R Rz 3). Mangelnde Eigenberechtigung iSd Abs 1 Z 2 ist hingegen bei einer Sachwalterbestellung nur dann gegeben, wenn der Wirkungskreis des Sachwalters sich (auch) auf den Abschluss des Adoptionsvertrags bezieht (Simotta, ÖJZ 1990, 729). Keinen Widerrufsgrund bilden die Verletzung der nach § 180 Abs 2 4 bei der Bewilligung zu berücksichtigenden Interessen eines leiblichen Kindes (2 Ob 2321/96d EF 84.242), die Auflösung der Ehe zwischen Wahlvater und Wahlmutter (EF 33.653) oder deren Nichtigerklärung (analog zu § 138c Abs 2; Stabentheiner/R Rz 3), enttäuschte Erwartungen des Annehmenden über seine Beziehungen zum Kind (LGZ Wien 47 R 194/93 EF 71.943) oder das Nichtentstehen eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses (EF XV/13). Die einen Widerrufsgrund nach Abs 1 Z 4 bildenden – iSd StGB (Sta- 5 bentheiner/R Rz 3) – rechtswidrigen geschlechtlichen Beziehungen müssen zwischen Annehmenden und Wahlkind bestanden haben; unbeachtlich sind daher ehebrecherische Beziehungen zwischen dem Sohn des Annehmenden und dem Wahlkind (LGZ Wien 45 R 643/95 EF 78.281). Der Gutglaubensschutz nach Abs 2 und 3 greift, wenn sich der Be- 6 rechtigte darauf beruft, auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen ein; das zum Widerruf zuständige Gericht hat hierüber weder rechtsgestaltend noch feststellend zu entscheiden (LGZ Wien 43 R 818/93 EF 75.209; Stabentheiner/R Rz 4). § 184a. (1) Die Wahlkindschaft ist vom Gericht aufzuheben: 1. wenn die Erklärung eines Vertragsteiles oder eines Zustimmungsberechtigten durch List oder ungerechte und gegründete Hopf
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Eltern und Kinder
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Furcht veranlaßt worden ist und der Betroffene die Aufhebung binnen Jahresfrist nach Entdeckung der Täuschung oder Wegfall der Zwangslage beantragt; 2. von Amts wegen, wenn die Aufrechterhaltung der Wahlkindschaft das Wohl des nicht eigenberechtigten Wahlkindes ernstlich gefährden würde; 3. auf Antrag des Wahlkindes, wenn die Aufhebung nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe der Wahleltern oder nach dem Tode des Wahlvaters (der Wahlmutter) dem Wohle des Wahlkindes dient und nicht einem gerechtfertigten Anliegen des (der) von der Aufhebung betroffenen, wenn auch bereits verstorbenen Wahlvaters (Wahlmutter) widerspricht; 4. wenn der Wahlvater (die Wahlmutter) und das eigenberechtigte Wahlkind die Aufhebung beantragen. (2) Besteht die Wahlkindschaft gegenüber einem Wahlvater und einer Wahlmutter, so darf die Aufhebung im Sinne des Abs. 1 nur beiden gegenüber bewilligt werden; die Aufhebung gegenüber einem von ihnen allein ist nur im Falle der Auflösung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe zulässig. [idF BGBl 1960/58]
§ 185. (1) Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses erlöschen die durch die Annahme zwischen dem Wahlvater (der Wahlmutter) und dessen (deren) Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen Nachkommen anderseits begründeten Rechtsbeziehungen. (2) Mit diesem Zeitpunkt leben die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen Nachkommen andererseits, soweit sie nach dem § 182 erloschen sind, wieder auf. (3) Mit dem im Abs. 1 genannten Zeitpunkt sind hinsichtlich des Wahlkindes und dessen minderjährigen Nachkommen die namensrechtlichen Wirkungen der Annahme so anzusehen, als wären sie nicht eingetreten. [idF BGBl 1960/58]
§ 185a. Ein Widerruf oder eine Aufhebung aus anderen als den in den §§ 184 und 184a angeführten Gründen ist unzulässig; ebenso eine vertragliche Einigung oder ein Rechtsstreit über die Anfechtung des Annahmevertrages. [idF BGBl 1960/58] Lit: Pfeifer, Die Aufhebung des Adoptionsvertrages nach Ableben eines Wahlelternteiles, NZ 1963, 2.
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Eltern und Kinder
§ 186
Die Aufhebung der Wahlkindschaft wirkt ex nunc ab Rechtskraft 1 des Aufhebungsbeschlusses (§ 185 Abs 1; LGZ Wien 43 R 873/90 EF 66.153 f); die namensrechtlichen Wirkungen hinsichtlich des Wahlkindes und seiner im Zeitpunkt der Aufhebung mj Nachkommen (nicht auch hinsichtlich der volljährigen) fallen hingegen ex tunc weg (§ 185 Abs 3); das Wahlkind erhält den Familiennamen, den es hätte, wenn die Adoption nicht dazwischen getreten wäre (LGZ Wien EF 66.154). Mit Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses leben die – durch die Adoption erloschenen – familienrechtlichen Beziehungen zu den leiblichen Eltern wieder auf. Die Aufhebungsgründe sind in § 184a taxativ aufgezählt (s § 185a). 2 Nur ein auf List (iSd § 870: LGZ Wien 43 R 695/96s EF 81.249) oder ungerechte und gegründete Furcht beruhender Willensmangel rechtfertigt nach Abs 1 Z 1 die Aufhebung, nicht auch ein bloßer Irrtum (LGZ Wien 45 R 463/01y EF 96.731). Keine Aufhebungsgründe iSd Z 2 und 3 bilden etwa der Wegfall des Motivs für die Adoption (LGZ Wien EF 96.731), eine Änderung des Verhaltens des Wahlkindes oder die – nicht zu einer ernstlichen Gefährdung des Kindeswohls führende (7 Ob 325/99s EF 93.219) – bloße Verschlechterung der Beziehungen des Wahlvaters zum Wahlkind (LGZ Wien 44 R 635/93 EF 71.944) oder enttäuschte Erwartungen über die Entwicklung des Wahlkindes (LGZ Wien EF 96.731). Dem Aufhebungsgrund nach Abs 1 Z 3 ist auch die Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe zwischen einem leiblichen Elternteil und einem Wahlelternteil zu unterstellen (6 Ob 571/93 SZ 66/100). Die Aufhebungsgründe sind entweder auf Antrag eines Vertragsteils 3 (Z 1), des Wahlkindes (Z 3) oder beider Vertragsteile (Z 4) oder von Amts wegen (Z 2; wobei das Antrags- und Rekursrecht der Beteiligten nicht ausgeschlossen ist: SZ 34/56) aufzugreifen. Der übereinstimmende Aufhebungsantrag von Wahlvater (Wahlmutter) und eigenberechtigtem Kind nach Z 4 bedarf keiner Begründung (Schwimann/S Rz 3), ist jedoch hinsichtlich seines Zustandekommens – wegen Willensmängel eines Teiles – im Aufhebungsverfahren überprüfbar (LGZ Wien 45 R 667/05d EF 110.947). Ist das Kind von Ehegatten angenommen worden, so müssen sowohl Wahlvater wie auch Wahlmutter mit dem Kind die Aufhebung beantragen, es sei denn, ihre Ehe ist geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt worden (§ 184a Abs 2). 2. Pflegeeltern § 186. Pflegeeltern sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Hopf
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§ 186
Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; H. Pichler, Neues im Kindschaftsrecht, JBl 1989, 677; Schwarzl, Obsorge, Kuratel und Sachwalterschaft nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 19.
1 Die Umschreibung des Begriffs „Pflegeeltern“ knüpft an zwei Merk-
male an: Die – tatsächliche – ganze oder teilweise Besorgung der Pflege und Erziehung sowie das Bestehen einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommenden persönlichen Beziehung oder die Absicht, eine solche herzustellen (vgl § 180a Abs 1 S 1). Beide Begriffselemente setzen eine weitgehende Eingliederung des Kindes in Haushalt und Lebensablauf der Pflegeeltern sowie zumindest die Absicht voraus, eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern vergleichbare emotionale Bindung aufzubauen (Erl 296 BlgNR 21. GP 69 f). Auf welcher Rechtsgrundlage das Pflegeverhältnis beruht, ist unmaßgeblich, es kommt allein auf das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale an (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 537 f). In der Regel wird dem Pflegeverhältnis eine Ermächtigung der Obsorgeträger nach § 137a zu Grunde liegen (K/W I 557). Das Pflegeverhältnis kann auch konkludent begründet werden (5 Ob 187/03s EvBl 2004/45). Bloß vorübergehende Betreuung des Kindes (Tagesmutter, Betreuung während urlaubsbedingter Abwesenheit der Obsorgeträger) oder Betreuung ohne Haushaltseingliederung (Internat, Heim) begründet kein Pflegeelternverhältnis. Wohl aber kann ein solches entstehen, wenn Verwandte ein Kind nach einem tödlichen Unfall der Eltern zur dauernden Betreuung bei sich aufnehmen (Erl aaO 69) oder wenn die „Stiefmutter“ des Kindes oder die Lebensgefährtin des Vaters während dessen berufsbedingter Abwesenheit das Kind betreut. Die Pflegeelterneigenschaft kann auch einer Einzelperson zukommen, Pflegeelternpaare müssen verheiratet oder in dauernder häuslicher Gemeinschaft leben (Schwimann/S Rz 3). Vom Pflegekindbegriff nach § 186 ist der – engere – Begriff nach §§ 14 ff JWG zu unterscheiden. 2 Das Pflegeverhältnis bedarf keiner gerichtlichen Bestätigung (K/W
I 557; Stabentheiner/R Rz 7); s jedoch das – für die Wirksamkeit des Pflegevertrags nicht relevante – Erfordernis der Bewilligung des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 16 JWG. Die Übergabe in fremde Pflege erfordert nach § 154 Abs 2 das Zusammenwirken beider mit der Ob188
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Eltern und Kinder
§ 186a
sorge betrauter Elternteile. Im Fall der Gefährdung des Kindeswohls kann ein Pflegeverhältnis durch gerichtliche Maßnahme nach § 176 auch gegen den Willen der Eltern (Großeltern) begründet werden. Die Pflegeelternschaft begründet Antrags- und Rekursrecht (Erl 172 3 BlgNR 17. GP 19; ZfRV 1991, 56 Hoyer; 7 Ob 58/02h ÖA 2002, 372; EvBl 2004/45) der Pflegeeltern in den die Person des Pflegekindes – nicht also auch die Vermögensangelegenheiten – betreffenden Verfahren. Die bloße Absicht, ein Kind in den Haushalt aufzunehmen, begründet jedoch noch keine Antragslegitimation (6 Ob 215/05v EF 110.948). § 186a. (1) Das Gericht hat einem Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) auf seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Pflegeelternpaar (diesen Pflegeelternteil). (2) Sind die Eltern oder Großeltern mit der Obsorge betraut und stimmen sie der Übertragung nicht zu, so darf diese nur verfügt werden, wenn ohne sie das Wohl des Kindes gefährdet wäre. (3) Die Übertragung ist aufzuheben, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Gleichzeitig hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes auszusprechen, auf wen die Obsorge übergeht. (4) Das Gericht hat vor seiner Entscheidung die Eltern, den gesetzlichen Vertreter, weitere Erziehungsberechtigte, den Jugendwohlfahrtsträger und jedenfalls das bereits zehnjährige Kind zu hören. § 181a Abs. 2 gilt sinngemäß. [idF BGBl I 2000/135]
Abgesehen vom Antragsrecht nach § 186 S 2 ist der Anspruch der 1 Pflegeeltern auf gänzliche oder teilweise Übertragung der Obsorge durch das Gericht die wichtigste Rechtsfolge des Pflegeelternverhältnisses. Neben einem nicht nur für kurze Zeit intendierten Pflegeverhältnis – diese zeitliche Komponente ist an sich bereits Element des Pflegeelternbegriffs (Erl 269 BlgNR 21. GP 70) – setzt die Übertragung voraus, dass sie dem Kindeswohl entspricht. Soll jedoch die Obsorge von den Eltern oder Großeltern ohne deren Willen auf Pflegeeltern übertragen werden, muss dies der Abwehr einer Gefährdung des Kindeswohls dienen (Abs 2). Da die Obsorge im Umfang der Übertragung den Eltern (Großeltern) entzogen wird (7 Ob 144/02f SZ 2002/123), kommt eine solche Maßnahme nur in Ausnahmefällen Hopf
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Obsorge einer anderen Person
§ 187
als letztes Mittel iSd § 176 in Betracht, um einer Gefährdung des Kindeswohls zu begegnen (2 Ob 295/97i EvBl 1998/37). Eine Obsorge sowohl eines Elternteils wie auch eines Pflegeelternteils (zB des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin der unehelichen Mutter: SZ 2002/123) – nach dem Modell der leiblichen Eltern – ist nicht zulässig (Stabentheiner/R Rz 1; SZ 2002/123). 2 Nach Übertragung der Obsorge auf die Pflegeeltern gelten für diese
die allgemeinen Obsorgevorschriften wie für Eltern eines ehelichen Kindes (insb §§ 144, 145, 154), im Fall der Übertragung auf eine Pflegeperson steht diese einer außerehelichen Mutter (§ 166) gleich (Schwimann/S Rz 7). Den leiblichen Eltern bleiben das Besuchsrecht nach § 148 sowie die Informations- und Äußerungsrechte nach § 178 (7 Ob 577/91 SZ 64/119); Großeltern kommt ein Besuchsrecht zu (§ 148 Abs 3). An der Unterhaltspflicht der leiblichen Eltern und der Großeltern ändert die Übertragung der Obsorge auf die Pflegeeltern nichts (LGZ Wien 44 R 243/95 EF 78.282). 3 Die Übertragung der Obsorge auf Pflegeeltern (einen Pflegeelternteil)
ist von Amts wegen oder auf Antrag (s hiezu Stabentheiner/R Rz 4) aufzuheben, wenn dies dem Kindeswohl entspricht; eine Gefährdung ist nicht erforderlich (Schwimann/S Rz 8). Als Grund für eine Aufhebung kommt daher schon in Betracht, dass die leiblichen Eltern sich wieder um das Kind kümmern wollen und können und die Voraussetzungen für das Kindeswohl bei den Pflegeeltern und den leiblichen Eltern annähernd gleich sind (7 Ob 657/90 SZ 63/165). Zugleich mit der Aufhebung hat das Gericht nach Maßgabe des Kindeswohls zu entscheiden, auf wen die Obsorge übergeht; das Gesetz enthält hiefür keine Vorgaben, in Betracht kommen Eltern, Großeltern, der Jugendwohlfahrtsträger oder eine andere geeignete Person iSd § 187. 4 Das Anhörungsrecht (kein Vetorecht: 2 Ob 92/02x EvBl 2004/9) nach
Abs 4 steht sowohl bei Übertragung der Obsorge wie auch bei deren Aufhebung zu. Für das Verfahren gelten die §§ 104 ff AußStrG.
Viertes Hauptstück Von der Obsorge einer anderen Person I. Von der Obsorge einer anderen Person § 187. Soweit nach dem dritten Hauptstück weder Eltern noch Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut sind oder betraut werden können und kein Fall des § 211 vorliegt, hat das 190
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Obsorge einer anderen Person
§ 187
als letztes Mittel iSd § 176 in Betracht, um einer Gefährdung des Kindeswohls zu begegnen (2 Ob 295/97i EvBl 1998/37). Eine Obsorge sowohl eines Elternteils wie auch eines Pflegeelternteils (zB des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin der unehelichen Mutter: SZ 2002/123) – nach dem Modell der leiblichen Eltern – ist nicht zulässig (Stabentheiner/R Rz 1; SZ 2002/123). 2 Nach Übertragung der Obsorge auf die Pflegeeltern gelten für diese
die allgemeinen Obsorgevorschriften wie für Eltern eines ehelichen Kindes (insb §§ 144, 145, 154), im Fall der Übertragung auf eine Pflegeperson steht diese einer außerehelichen Mutter (§ 166) gleich (Schwimann/S Rz 7). Den leiblichen Eltern bleiben das Besuchsrecht nach § 148 sowie die Informations- und Äußerungsrechte nach § 178 (7 Ob 577/91 SZ 64/119); Großeltern kommt ein Besuchsrecht zu (§ 148 Abs 3). An der Unterhaltspflicht der leiblichen Eltern und der Großeltern ändert die Übertragung der Obsorge auf die Pflegeeltern nichts (LGZ Wien 44 R 243/95 EF 78.282). 3 Die Übertragung der Obsorge auf Pflegeeltern (einen Pflegeelternteil)
ist von Amts wegen oder auf Antrag (s hiezu Stabentheiner/R Rz 4) aufzuheben, wenn dies dem Kindeswohl entspricht; eine Gefährdung ist nicht erforderlich (Schwimann/S Rz 8). Als Grund für eine Aufhebung kommt daher schon in Betracht, dass die leiblichen Eltern sich wieder um das Kind kümmern wollen und können und die Voraussetzungen für das Kindeswohl bei den Pflegeeltern und den leiblichen Eltern annähernd gleich sind (7 Ob 657/90 SZ 63/165). Zugleich mit der Aufhebung hat das Gericht nach Maßgabe des Kindeswohls zu entscheiden, auf wen die Obsorge übergeht; das Gesetz enthält hiefür keine Vorgaben, in Betracht kommen Eltern, Großeltern, der Jugendwohlfahrtsträger oder eine andere geeignete Person iSd § 187. 4 Das Anhörungsrecht (kein Vetorecht: 2 Ob 92/02x EvBl 2004/9) nach
Abs 4 steht sowohl bei Übertragung der Obsorge wie auch bei deren Aufhebung zu. Für das Verfahren gelten die §§ 104 ff AußStrG.
Viertes Hauptstück Von der Obsorge einer anderen Person I. Von der Obsorge einer anderen Person § 187. Soweit nach dem dritten Hauptstück weder Eltern noch Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut sind oder betraut werden können und kein Fall des § 211 vorliegt, hat das 190
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Obsorge einer anderen Person
§ 187
Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu betrauen. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Schwarzl, Obsorge, Kuratel und Sachwalterschaft nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 19.
Mit dem KindRÄG 2001 wurde der Begriff der Vormundschaft durch 1 den der „Obsorge einer anderen Person“ ersetzt und damit die Rechtsfürsorge für Minderjährige iS einer terminologischen und systematischen Bereinigung des Kindschaftsrechts (Erl 296 BlgNR 21. GP 40 f) ausschließlich dem Rechtsinstitut der Obsorge – im Unterschied zur Sachwalterschaft für volljährige Personen und den Sonderfällen der Kuratel – zugeordnet. Mit dem SWRÄG 2006 wurde – im Sinn einer weiteren rechtssystematischen Bereinigung – für die Bestimmungen über die Sachwalterschaft und die Kuratel ein neues 5. Hauptstück geschaffen. Nach der Person des Obsorgeträgers ist zwischen der Obsorge durch Eltern, Großeltern oder Pflegeeltern – für sie gilt das III. Hauptstück des Ersten Teiles des ABGB (s jedoch die Verweisung auf die §§ 230 ff in § 149 Abs 1) – sowie der Obsorge einer anderen Person zu unterscheiden; auf diese sind, soweit es nicht spezifisch um die Eltern-Kind-Beziehung, wie etwa beim Abstammungsrecht, dem Namensrecht, dem Unterhaltsrecht, dem Übergang der Obsorge von einem Elternteil auf den andern (§ 145), dem Besuchsrecht und der Obsorgeregelung nach Scheidung oder Trennung der Eltern geht, die Bestimmungen des III. Hauptstücks sowie die diese ergänzenden oder modifizierenden Bestimmungen des IV. Hauptstücks anzuwenden (Erl aaO 41). Primär sind nach dem III. Hauptstück zur Obsorge Eltern, Groß- 2 eltern und Pflegeeltern berufen. Sind diese an der Ausübung der Obsorge iSd § 145 (einschließlich der Fälle der §§ 145a, 145c und 176) verhindert oder hiefür nicht geeignet – auf die Bereitschaft kommt es nur bei den Pflegeeltern (s § 186a Abs 1: „auf seinen Antrag“), nicht auch bei den Eltern (s Stabentheiner/R § 144 Rz 1c) und im Hinblick auf das Prinzip der Blutsverwandtschaft (F. Bydlinski, System 382 ff) auch nicht bei den Großeltern (freilich wird bei ihnen die mangelnde Bereitschaft idR gegen die erforderliche Eignung sprechen) an – und liegt auch kein Fall der ex-lege-Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 211 vor, so hat das Gericht eine andere geeignete Person (zu deren Bereitschaft s § 188 Rz 2 und § 213 Rz 2) mit der Obsorge zu betrauen. Diese Betrauung kann sich je nach dem Maß der Verhinderung oder mangelnden Eignung des Vorberufenen auf die gesamte Obsorge oder auch nur einen Teil beziehen. Hopf
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Obsorge einer anderen Person
§ 188
§ 188. (1) Bei der Auswahl einer anderen Person für die Obsorge ist besonders auf das Wohl des Kindes Bedacht zu nehmen. Wünsche des Kindes und der Eltern, im Falle des § 145c des Zuwendenden, sind zu berücksichtigen, sofern sie dem Wohl des Kindes entsprechen. (2) Mit der Obsorge dürfen nicht betraut werden 1. nicht voll handlungsfähige Personen; 2. Personen, von denen, besonders auch wegen der durch eine strafgerichtliche Verurteilung zutage getretenen Veranlagung oder Eigenschaft, eine dem Wohl des minderjährigen Kindes förderliche Ausübung der Obsorge nicht zu erwarten ist. [idF BGBl I 2000/135]
1 Wesentliches Kriterium für die Auswahl des Obsorgeträgers ist das
Wohl des Kindes. Zu den Wünschen des Kindes s § 146 Abs 3 S 2, zu den Wünschen desjenigen, der dem Mj ein Vermögen zuwendet, s § 145c Rz 2. Im Übrigen s zur Rangfolge der berufenen Personen § 213. 2 Die Übertragung der Obsorge auf eine „andere Person“ setzt – abge-
sehen von den besonderen Regelungen für den Jugendwohlfahrtsträger (§§ 211, 212) und für eine „besonders geeignete Person“ (§ 189 Abs 2; § 213 Rz 2) – deren Bereitschaft zur Übernahme der Obsorge voraus (Schwarzl in Ferrari/Hopf, Reform 25; Stabentheiner/R ErgBd Rz 1; 7 Ob 81/02s JBl 2003, 306). 3 Die Aufzählung der Untauglichkeitsgründe in Abs 2 ist nicht ab-
schließend (s etwa die Unzumutbarkeit in § 189 Abs 2; vgl auch EF 15.516 zu den früheren §§ 191–194). Das Gericht hat diese Tatbestände von Amts wegen – durch Enthebung und Neubestellung – auch dann wahrzunehmen, wenn die Untauglichkeit iSd Abs 2 nachträglich eintritt (§ 253). § 189. (1) Derjenige, den das Gericht mit der Obsorge betrauen will, hat alle Umstände, die ihn dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht mitzuteilen. Unterlässt er diese Mitteilung schuldhaft, so haftet er für alle dem minderjährigen Kind daraus entstehenden Nachteile. (2) Eine besonders geeignete Person kann die Betrauung mit der Obsorge nur ablehnen, wenn ihr diese unzumutbar wäre. [idF BGBl I 2000/135]
1 Auch die fahrlässige Unterlassung der Mitteilung von Untauglich-
keitsumständen macht ersatzpflichtig (Stabentheiner/R ErgBd Rz 1). 192
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Obsorge einer anderen Person
§ 211
Zur „besonders geeigneten Person“ s § 213 Rz 2. Zu den Unzu- 2 mutbarkeitsgründen vgl die früheren – durch das KindRÄG 2001 aufgehobenen – §§ 193 ff (etwa Gefährdung des Familienlebens des Betreffenden, Rechtsstreit mit dem Kind, Alter, große Entfernung). Aus Abs 2 folgt, dass nur für besonders geeignete Personen die grundsätzliche Pflicht zur Übernahme einer Obsorge besteht, nicht auch für andere geeignete Personen iSd § 187 (7 Ob 81/02s JBl 2003, 306). Insofern ist die Übernahme der Obsorge eine normale Bürgerpflicht (Art 4 Z 3 lit d MRK; vgl 1 Ob 116/03w EvBl 2003/160). §§ 190–196. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] § 197. [aufgehoben, BGBl 1977/403] §§ 198–210. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] Aufgaben des Jugendwohlfahrtsträgers § 211. Wird ein minderjähriges Kind im Inland gefunden und sind dessen Eltern unbekannt, so ist kraft Gesetzes der Jugendwohlfahrtsträger mit der Obsorge betraut. Dies gilt für den Bereich der Vermögensverwaltung und der Vertretung auch, wenn ein Kind im Inland geboren wird und in diesem Bereich kein Elternteil mit der Obsorge betraut ist. [idF BGBl I 2000/135] Lit: H. Pichler, Neues im Kindschaftsrecht, JBl 1989, 677.
Die Bestimmung bezieht sich auf Findelkinder (S 1) sowie auf Kinder, 1 die schon bei der Geburt Vollwaise sind oder deren Eltern in diesem Zeitpunkt iSd § 145 Abs 1 verhindert oder nicht voll geschäftsfähig (§ 145a) sind (S 2); nicht erfasst ist ein später eintretender Mangel in der gesetzlichen Vertretung (Stabentheiner/R ErgBd Rz 1), der nach den §§ 145, 187 und 213 zu beheben ist. Sie ist nur auf österreichische Staatsangehörige sowie auf Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland anzuwenden (H. Pichler, JBl 1989, 618 f; 8 Ob 120/04m EF 107.893). Der Jugendwohlfahrtsträger wird ipso iure Obsorgeträger und bleibt 2 es, bis das Gericht eine andere Person mit der Obsorge betraut oder die Eltern mit Wegfall der Behinderung in die Obsorge kraft Gesetzes eintreten (§ 145 Rz 1; aM Stabentheiner/R Rz 3 allerdings zu einer diesbezüglich anderen Fassung des § 211 vor dem KindRÄG 2001). Der Jugendwohlfahrtsträger ist als Obsorgeträger nach den §§ 211 ff 3 im Bereich des Privatrechts tätig und unterliegt in dieser Funktion Hopf
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Obsorge einer anderen Person
§ 212
der Kontrolle durch das Pflegschaftsgericht (VfGH VfSlg 11.492). Demgegenüber ist er etwa in Ausübung seiner Pflicht zur Belehrung und Anbietung von Hilfe nach § 212 Abs 1 Träger von hoheitlichen Aufgaben; bei Pflichtverstößen greift diesfalls die Amtshaftung ein (Stabentheiner/R § 212 Rz 2). S hiezu jedoch § 215 Rz 2. § 212. (1) Der Jugendwohlfahrtsträger hat, soweit es nach den Umständen geboten scheint, den gesetzlichen Vertreter eines im Inland geborenen Kindes innerhalb angemessener Frist nach der Geburt über die elterlichen Rechte und Pflichten, besonders über den Unterhaltsanspruch des Kindes, gegebenenfalls auch über die Feststellung der Vaterschaft, in Kenntnis zu setzen und ihm für die Wahrnehmung der Rechte des Kindes seine Hilfe anzubieten. (2) Für die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes sowie gegebenenfalls in Abstammungsangelegenheiten ist der Jugendwohlfahrtsträger Vertreter des Kindes, wenn die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt. (3) Für andere Angelegenheiten ist der Jugendwohlfahrtsträger Vertreter des Kindes, wenn er sich zur Vertretung bereit erklärt und die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt. (4) Durch die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers wird die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt, jedoch gilt § 154a sinngemäß. Der Jugendwohlfahrtsträger und der sonstige gesetzliche Vertreter haben einander über ihre Vertretungshandlungen in Kenntnis zu setzen. (5) Die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers endet, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter seine Zustimmung schriftlich widerruft, der Jugendwohlfahrtsträger seine Erklärung nach Abs. 3 zurücknimmt oder das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger auf dessen Antrag als Vertreter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag. [idF BGBl I 2004/58]
1 Die – sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls richtende – In-
formationspflicht des Jugendwohlfahrtsträgers gilt für eheliche wie uneheliche, im Inland geborene Kinder gleich welcher Staatsangehörigkeit (s hiezu die Verständigungspflicht des Standesbeamten nach § 17 Abs 1 Z 2 PStV). Zur hoheitlichen Funktion des Jugendwohlfahrtsträgers in diesem Zusammenhang s § 211 Rz 3. 194
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Obsorge einer anderen Person
§ 212
Die Vertretung des Kindes durch den Jugendwohlfahrtsträger nach 2 Abs 2 tritt unmittelbar kraft Gesetzes mit Einlangen des schriftlichen Ersuchens oder der schriftlichen Zustimmung beim Jugendwohlfahrtsträger ein; einer gerichtlichen Bestellung bedarf es nicht (3 Ob 2040/96p RZ 1997, 69). Gleiches gilt für die Vertretung nach Abs 3, sofern sich der Jugendwohlfahrtsträger zu dieser – formfrei, allenfalls auch konkludent, etwa durch Tätigwerden für das Kind (7 Ob 2151/96s EF 81.253; Stabentheiner/R Rz 5) – bereit erklärt. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist die rechtsgeschäftliche Übertragung des Teiles der gesetzlichen Vertretung, der sich auf die Abstammungsangelegenheiten und die Unterhaltsdurchsetzung schlechthin, nicht etwa bloß gegen eine bestimmte Person, bezieht (7 Ob 614/90 RZ 1991, 174; Stabentheiner/R Rz 4a; Schwimann/Weitzenböck/S Rz 6; aM Schwimann, NZ 1990, 221 f: der Umfang der Vertretungsbefugnis hänge vom Inhalt der Zustimmungserklärung ab). Abs 2 und 3 sind im Geltungsbereich des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens, BGBl 1975/446, auch auf ausländische Mj anzuwenden, sofern nicht das Heimatrecht eine solche Übertragung der Vertretung ausdrücklich untersagt (7 Ob 635/90 ZfRV 1991, 310 Seidl-Hohenveldern; Stabentheiner/R Rz 1a). Im Umfang der nach Abs 2 und 3 übertragenen Vertretung besteht 3 nach Abs 4 konkurrierende Vertretungsbefugnis, auf die in zivilgerichtlichen Verfahren § 154a anzuwenden ist (Maßgeblichkeit der ersten Verfahrenshandlung, sofern nicht eine andere Einigung getroffen wird). Zur Vermeidung von Doppelvertretungshandlungen und damit einer Gefährdung des Kindeswohls, aber auch unnötiger Mehrarbeit haben einander Jugendwohlfahrtsträger und sonstiger gesetzlicher Vertreter über ihre Verfahrensschritte zu informieren (7 Ob 650/90 EvBl 1991/51). Widerruft der gesetzliche Vertreter die Zustimmung nach Abs 2 oder 4 3, so endet die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers ex lege mit Einlangen der schriftlichen Widerrufserklärung; eines Gerichtsbeschlusses bedarf es nicht (7 Ob 268/99h ÖA 2000, 72). Verfahrensrechtlich wird der Widerruf erst mit seiner Anzeige bei Gericht wirksam (5 Ob 530/95 RZ 1996, 144). Eines gerichtlichen Enthebungsbeschlusses bedarf es, wenn der Jugendwohlfahrtsträger von seiner Vertretungsbefugnis enthoben werden soll, weil er zur Durchsetzung des Anspruchs des Kindes nichts mehr beizutragen vermag; dies ist idR dann der Fall, wenn der Unterhaltsanspruch des Kindes erloschen ist (3 Ob 521/91 ZfRV 1992, 133 Hoyer). S hiezu auch die inhaltlich gleiche Regelung des § 9 Abs 3 S 2 UVG.
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Obsorge einer anderen Person
§ 213
§ 213. Ist eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen und lassen sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das Gericht die Obsorge dem Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen. Gleiches gilt, wenn einem Minderjährigen ein Kurator zu bestellen ist. [idF BGBl I 2004/85]
1 Mit der Obsorge iSd § 187 kann das Gericht auch den Jugendwohl-
fahrtsträger betrauen, soweit dieser nicht ohnedies kraft Gesetzes nach den §§ 211 oder 212 Abs 2 und 3 Obsorgeträger ist. Darüber hinaus wurde durch das FamErbRÄG 2004 im S 2 klargestellt, dass der Jugendwohlfahrtsträger auch zum Kollisionskurator eines Mj bestellt werden kann (Erl 471 BlgNR 22. GP 25; vgl hiezu zuletzt 7 Ob 7/04m EvBl 2004/156). In der Reihenfolge der mit der Obsorge zu betrauenden „anderen Personen“ gehen allerdings dem Jugendwohlfahrtsträger – nach Maßgabe des Kindeswohls (§ 188 Rz 1) – Verwandte, andere dem Kind nahe stehende Personen sowie sonst besonders geeignete Personen (s hiezu Rz 2) vor. Der Jugendwohlfahrtsträger muss – anders als nach § 212 Abs 3 – der Betrauung nicht zustimmen (LGZ Wien 47 R 2006/94 EF 75.220); er kann sich gegen die Betrauung nur mit dem Nachweis wehren, dass eine zur Obsorge geeignete andere Person vorhanden ist (LGZ Wien 45 R 594/03y EF 104.492). Umgekehrt steht dem Jugendwohlfahrtsträger auch kein subjektives Recht zu, betraut zu werden (EvBl 1986/81). 2 Unter den „besonders geeigneten“ Personen sind – neben Verwand-
ten und anderen nahestehenden Personen (arg „sonst besonders geeignete Personen“; Weitzenböck/S Rz 2) – Personen zu verstehen, die über besondere Fachkenntnisse für die Ausübung einer Obsorge verfügen (Erl 296 BlgNR 21. GP 71), wie etwa Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder oder Hausverwalter. Deren Bestellung kommt – unabhängig von der Reihenfolge in § 213 (Stabentheiner/R ErgBd § 188 Rz 1) – immer dann in Betracht, wenn eine Obsorge konkret solche besonderen Fachkenntnisse erfordert. Dabei ist unter dem Gesichtspunkt des Kindesinteresses abzuwägen, ob der Betrauung mit der Obsorge nicht eine vertragliche Verpflichtung eines entsprechenden Experten vorzuziehen ist. Besonders geeignete Personen können die Betrauung mit der Obsorge, abgesehen vom Fall der Unzumutbarkeit (§ 189 Abs 2), nicht ablehnen (Erl aaO 72). § 214. (1) Die §§ 216, 234, 265, 266 und 267 gelten für den Jugendwohlfahrtsträger nicht. Dieser ist vor der Anlegung des Vermö196
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Obsorge einer anderen Person
§ 215
gens eines Minderjährigen nur im Fall des § 230e verpflichtet, die Zustimmung des Gerichtes einzuholen. (2) Der Jugendwohlfahrtsträger bedarf zum Abschluß von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes. Vereinbarungen über die Leistung des Unterhalts eines Minderjährigen, die vor dem Jugendwohlfahrtsträger oder von ihm geschlossen und von ihm beurkundet werden, haben die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches. (3) Der Jugendwohlfahrtsträger hat Personen, die ein Kind pflegen und erziehen oder gesetzlich vertreten, über seine Vertretungstätigkeit bezüglich dieses Kindes Auskünfte zu erteilen, soweit das Wohl des Kindes hiedurch nicht gefährdet wird. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Knoll, Einzelthemen zur Verwaltung des Vermögens Minderjähriger, RZ 2002, 74.
Abs 1 bezieht sich auf jegliche Form der Obsorge durch den Jugend- 1 wohlfahrtsträger, gleich, ob sie auf §§ 211, 212 Abs 2 oder 3 oder 213 beruht; nicht hingegen auf seine Stellung nach § 9 Abs 2 UVG (6 Ob 594/93 SZ 66/115). Nicht befreit ist der Jugendwohlfahrtsträger von der Genehmigungs- 2 pflicht nach § 154 Abs 3 (zu dessen Geltung auch für die Obsorge einer anderen Person s § 187 Rz 1), sofern nicht – für die Mündelgeldveranlagung und für den Abschluss von Unterhaltsvereinbarungen – Abs 1 oder 2 zum Tragen kommt. Die Verwaltung des Vermögens des Mj im Rahmen der Obsorge durch 3 den Jugendwohlfahrtsträger hat das Gericht nur zu überwachen, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Kindeswohl erforderlich ist (§ 133 Abs 3 AußStrG; Erl 224 BlgNR 22. GP 86). Zur Rechnungslegung ist der Jugendwohlfahrtsträger gegenüber dem Gericht nur verpflichtet, wenn dieses es aus besonderen Gründen verfügt (§ 135 Abs 1 AußStrG); ungeachtet dessen ist der Jugendwohlfahrtsträger jedoch verpflichtet, Belege über die Verwaltung nennenswerten Vermögens zu sammeln und aufzubewahren sowie dem Gericht den Erwerb unbeweglichen Vermögens oder eine Überschreitung des Wertes des Vermögens von € 10.000 mitzuteilen (§ 135 Abs 3 AußStrG; Erl aaO 88). In dieser Beziehung stellt das neue AußStrG den Jugendwohlfahrtsträger den Eltern, Großeltern und Pflegeeltern gleich. § 215. (1) Der Jugendwohlfahrtsträger hat die zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge zu beantragen. Bei Gefahr im Hopf
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Obsorge einer anderen Person
§ 215
Verzug kann er die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig mit Wirksamkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst treffen; er hat diese Entscheidung unverzüglich, jedenfalls innerhalb von acht Tagen, zu beantragen. Im Umfang der getroffenen Maßnahmen ist der Jugendwohlfahrtsträger vorläufig mit der Obsorge betraut. (2) Eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO und deren Vollzug nach § 382d EO kann der Jugendwohlfahrtsträger als Vertreter des Minderjährigen beantragen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat; § 212 Abs. 4 gilt hiefür entsprechend. [idF BGBl I 2000/135] Lit: J. Fischer, Offene Fragen zu § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB, ÖA 1994, 89; Klein, Die Stellung des Jugendwohlfahrtsträgers aus der Sicht des § 215 Abs 1, 1. Satz ABGB, ÖA 1990, 10; Lachmann, Parteienrechte und die Rolle des Jugendwohlfahrtsträgers in Pflegschaftsverfahren, AnwBl 1999, 16; Mottl, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie, ÖJZ 1997, 45; Neuhauser, Der gesetzliche Schutz vor Gewalt in der Familie und dessen Auswirkungen auf die Jugendwohlfahrtsträger, ÖA 1997, 542.
1 Erlangt der Jugendwohlfahrtsträger Kenntnis von Umständen, die
zur Wahrung des Wohles eines Mj gerichtliche Maßnahmen im Bereich der Obsorge erforderlich machen, so ist er verpflichtet, die entsprechenden Anträge zu stellen. Im Hinblick auf § 176 Abs 2 kommt ihm dabei – seit dem KindRÄG 2001 (Erl 296 BlgNR 21. GP 64; vgl 2 Ob 596/90 SZ 63/149) – auch Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis im Verfahren zu. 2 In Angelegenheiten der Pflege und Erziehung – nicht auch im Bereich
der übrigen Obsorge (7 Ob 507/95 EF 78.299) – kann der Jugendwohlfahrtsträger bei Gefahr im Verzug die erforderlichen Maßnahmen selbst treffen. An der privatrechtlichen Stellung des Jugendwohlfahrtsträgers (VfGH VfSlg 11.492) und damit an seiner Unterstellung unter die Kontrolle des Pflegschaftsgerichts ändert sich dadurch nichts (aM 1 Ob 49/05w SZ 2005/92: eine Maßnahme iSd Abs 1 S 2 zur Abklärung eines Verdachts auf sexuellen Missbrauch ist eine hoheitliche Handlung des Jugendwohlfahrtsträgers; abl mit treffenden Argumenten Wienerroither, ÖA 2005, 111; Schwimann, ÖA 2006, 9; Weitzenböck, ÖA 2006, 9). Die Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers bleibt bis zur – unverzüglich zu beantragenden – Entscheidung des Gerichtes wirksam; in ihrem Umfang ist der Jugendwohlfahrtsträger kraft Gesetzes mit der Obsorge betraut, ohne dass dadurch (analog zu § 212 Abs 4) die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetz198
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Obsorge einer anderen Person
§ 215a
lichen Vertreters eingeschränkt wird. Langt der Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers nicht innerhalb von acht Tagen bei Gericht ein, so tritt die Maßnahme rechtlich außer Wirksamkeit, der vorherige Zustand ist wieder herzustellen (Weitzenböck/S Rz 2). Das Gericht darf nicht bloß die Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers genehmigen oder eine deckungsgleiche vorläufige Anordnung treffen, sondern hat endgültig über die Rechtmäßigkeit der Interimsmaßnahme zu entscheiden oder eine andere Maßnahme anzuordnen (1 Ob 60/05p EF 110.955). Einen Sonderfall des Einschreitens des Jugendwohlfahrtsträgers als 3 gesetzlicher Vertreter des Mj bildet die Antragstellung zum Schutz vor Gewalt in der Familie nach § 382b (Auftrag zum Verlassen der Wohnung und der unmittelbaren Umgebung, Rückkehrverbot, Verbot des Aufenthalts an bestimmten Orten, Auftrag zur Vermeidung des Zusammentreffens oder der Kontaktaufnahme) und nach § 382d EO (Vollzug der Verfügung nach § 282b), wenn der sonstige gesetzliche Vertreter nicht unverzüglich einen entsprechenden Antrag stellt. § 215a. Sofern nicht anderes angeordnet ist, fallen die Aufgaben dem Bundesland als Jugendwohlfahrtsträger zu, in dem das minderjährige Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland seinen Aufenthalt hat. Fehlt ein Aufenthalt im Inland, so ist, sofern das minderjährige Kind österreichischer Staatsbürger ist, für im Inland zu besorgende Aufgaben das Bundesland als Jugendwohlfahrtsträger zuständig, in dem der Minderjährige seinen letzten Aufenthalt gehabt hat, dann dasjenige, in dem ein Elternteil seinen Aufenthalt hat oder zuletzt gehabt hat. Wechselt das minderjährige Kind seinen Aufenthalt in ein anderes Bundesland, so kann der Jugendwohlfahrtsträger seine Aufgaben dem anderen mit dessen Zustimmung übertragen. Hievon ist das Gericht zu verständigen, wenn es mit den Angelegenheiten des minderjährigen Kindes bereits befasst war. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Knoll, Aus dem Rechtsalltag des Außerstreit- und Familienrichters, RZ 1992, 246 und 271.
Jugendwohlfahrtsträger ist das jeweils zuständige Bundesland, nicht 1 also etwa eine Bezirksverwaltungsbehörde oder ein Amt für Jugend und Familie. Die Regelung der Frage, wer organisatorisch die Aufgabe des Bundeslandes als Jugendwohlfahrtsträger zu besorgen hat, fällt ausschließlich in die Organisationshoheit des Landes. DesgleiHopf
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Obsorge einer anderen Person
§ 216
chen richtet sich die örtliche Zuständigkeit verschiedener Organisationseinheiten innerhalb eines Bundeslandes nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften (Erl 296 BlgNR 21. GP 73 f; LG Linz 14 R 379/01b EF 96.754). 2 Führt die Zuständigkeitsregel des S 2 zu keinem Ergebnis, weil ent-
weder die beiden Elternteile in verschiedenen Bundesländern ihren Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben oder weil weder die Eltern noch das Kind den gegenwärtigen oder früheren Aufenthalt im Inland haben, so wird zweckmäßigerweise an den Ort anzuknüpfen sein, wo der Jugendwohlfahrtsträger einzuschreiten hat (Knoll, RZ 1992, 248; Stabentheiner/R ErgBd Rz 1a). 3 Verlegt der Mj seinen Aufenthalt in ein anderes Bundesland, so kann
der bisherige Jugendwohlfahrtsträger seine Aufgaben mit Zustimmung des neuen Jugendwohlfahrtsträgers an diesen übertragen; mangels einer solchen Zustimmung entscheidet das Gericht im Rahmen seiner allgemeinen Aufsichtspflicht (nicht auf Grundlage des § 215a) und unter Berücksichtigung des Kindeswohls, insb auch der Grundsätze der Erziehungskontinuität sowie der Stetigkeit und Dauer der Obsorge (1 Ob 119/03m EF 104.496). Dies gilt für die Obsorge des Jugendwohlfahrtsträgers kraft Gesetzes nach den §§ 211 und 212 Abs 2 und 3 wie auch für die Obsorge kraft gerichtlicher Betrauung nach § 213 (Stabentheiner/R ErgBd Rz 4) und nicht nur für den Wechsel des schlichten, sondern auch des gewöhnlichen Aufenthalts (Knoll, RZ 1992, 249; EF 104.496). Überhaupt ist die Zuständigkeitsregelung für den Jugendwohlfahrtsträger keine zwingende; das Gericht kann nach Maßgabe des Kindeswohls auch ein anderes Bundesland bestellen (Weitzenböck/S Rz 1). Besondere Pflichten und Rechte anderer mit der Obsorge betrauter Personen a) in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung § 216. (1) Ist eine andere Person mit der Obsorge betraut, so hat sie, soweit nicht anderes bestimmt ist, in wichtigen, die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten, insbesondere in den Angelegenheiten des § 154 Abs. 2, die Genehmigung des Gerichtes einzuholen. Ohne Genehmigung getroffene Maßnahmen oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und unwirksam, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt. (2) Einer medizinischen Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen 200
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Obsorge einer anderen Person
§ 216
Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, kann die mit der Obsorge betraute Person nur zustimmen, wenn ein vom behandelnden Arzt unabhängiger Arzt in einem ärztlichen Zeugnis bestätigt, dass das Kind nicht über die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt und die Vornahme der Behandlung zur Wahrung seines Wohles erforderlich ist. Wenn ein solches Zeugnis nicht vorliegt oder das Kind zu erkennen gibt, dass es die Behandlung ablehnt, bedarf die Zustimmung der Genehmigung des Gerichts. Erteilt die mit der Obsorge betraute Person die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung nicht und wird dadurch das Wohl des Kindes gefährdet, so kann das Gericht die Zustimmung ersetzen oder die Obsorge an eine andere Person übertragen. [idF BGBl I 2006/92] Lit: S bei § 146c.
Für die Ausübung der Obsorge durch „andere“ Personen, also durch 1 Personen, die nicht Eltern, Großeltern oder Pflegeeltern sind, gelten neben dem III. Hauptstück – dieses ergänzend oder modifizierend – auch die besonderen Rechte und Pflichten des IV. Hauptstücks (§ 187 Rz 1). Insb bedürfen solche Obsorgeträger (mit Ausnahme des Jugendwohlfahrtsträgers: § 214 Abs 1) – im Gegensatz zu Eltern, Großoder Pflegeeltern – in wichtigen, die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten der gerichtlichen Genehmigung. Die Regelung bezieht sich auf Angelegenheiten der Pflege und Erziehung, und zwar sowohl auf die Zulässigkeit im Innen- wie auch auf die Wirksamkeit im Außenverhältnis (Vertretung), nicht aber auf Angelegenheiten der Vermögensverwaltung (für diese gilt § 154 Abs 3). In bestimmten Angelegenheiten entfällt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung, etwa nach § 138b Abs 2 S 2, § 179a Abs 2 ABGB und nach § 3 EheG, desgleichen allgemein bei Gefahr im Verzug. Ob eine Maßnahme wichtig ist, hängt vom Ausmaß des mit ihr ver- 2 bundenen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre des Mj, insb der Auswirkung auf das Kindeswohl, ab (Weitzenböck/S Rz 2; Stabentheiner/R ErgBd Rz 2). Einen Maßstab bilden dabei die Angelegenheiten des § 154 Abs 2. Wichtige Angelegenheiten sind etwa auch Entscheidungen über den Ausbildungsweg. Der durch das SWRÄG 2006 angefügte Abs 2 regelt in Ergänzung zu 3 § 146c die – persönlichkeitsrechtlichen – Voraussetzungen der medizinischen Behandlung eines Mj, mit dessen Obsorge eine andere Person betraut ist. Die Bestimmung bezieht sich nur auf die Behandlung eines einsichts- und urteilsunfähigen Kindes, für die Behandlung Hopf
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Obsorge einer anderen Person
§ 216
eines einsichts- und urteilsfähigen gilt § 146c Abs 1 S 1 und Abs 2 (daher kein Erfordernis eines ärztlichen Zeugnisses bei Zustimmung der mit der Pflege und der Erziehung betrauten Person zu einer schwerwiegenden Behandlung eines einsichts- und urteilsfähigen Kindes). Der wesentliche Unterschied zu § 146c besteht darin, dass ein „anderer“ Obsorgeträger (ausgenommen der Jugendwohlfahrtsträger – § 214) – anders als Eltern, Groß- oder Pflegeeltern – einer schwerwiegenden medizinischen Behandlung (§ 146c Rz 6) eines einsichts- und urteilsunfähigen Mj nur zustimmen kann, wenn ein vom behandelnden Arzt unabhängiger – also nicht in einem Loyalitätsverhältnis, insb in einem dienstlichen Über- oder Unterordnungsverhältnis oder einer sonstigen wirtschaftlichen oder persönlichen Abhängigkeit stehender – Arzt den Mangel der Einsichts- und Urteilsfähigkeit sowie die Erforderlichkeit der Behandlung im Interesse des Kindeswohls in einem ärztlichen Zeugnis (§ 55 ÄrzteG) bestätigt. Welcher Arzt zur Ausstellung eines solchen Zeugnisses befugt ist, ergibt sich aus dem Arztrecht (insb §§ 31 ff ÄrzteG). Die Bestätigung kann sich wohl nur auf den medizinischen Gesichtspunkt des Kindeswohls beziehen (weitergehend Erl 1420 BlgNR 22. GP 20). Liegt ein solches Zeugnis vor, so entfällt das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung der Zustimmung des Obsorgeträgers zur Behandlung, sofern das – einsichts- und urteilsunfähige – Kind diese nicht erkennbar ablehnt. Die Befassung des Gerichtes im Fall der Zustimmung des Obsorgeträgers ist also immer dann erforderlich, wenn kein ärztliches Zeugnis vorliegt oder – trotz Vorliegens eines solchen – das Kind die Behandlung nach seinem „natürlichen“ Willen ablehnt. Erteilt der Obsorgeträger – aus welchen Gründen immer – nicht eine erforderliche Zustimmung zur Behandlung und gefährdet er dadurch das Kindeswohl, so kann das Gericht, insb bei Dringlichkeit der Behandlung, die Zustimmung des Obsorgeträgers selbst ersetzen oder, etwa zur Prüfung von Alternativen, die Obsorge auf eine andere Person übertragen. Unberührt bleibt die Regelung der Notfallbehandlung nach § 146c Abs 3. § 217. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] §§ 218–221. [aufgehoben, BGBl 1977/403] §§ 222–224. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] §§ 225–227. [aufgehoben, BGBl I 1977/403] §§ 228. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] 202
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Obsorge einer anderen Person
§ 229
b) in Angelegenheiten der Vermögensverwaltung § 229. (1) Die mit der gesetzlichen Vertretung in Angelegenheiten der Vermögensverwaltung betraute Person hat bei Antritt der Obsorge nach gründlicher Erforschung des Vermögensstandes dem Gericht gegenüber das Vermögen im Einzelnen anzugeben und bei Beendigung der Obsorge Rechnung zu legen. Das Gericht hat die Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters zur Vermeidung einer Gefährdung des Wohls des minderjährigen Kindes zu überwachen und die dazu notwendigen Aufträge zu erteilen. Näheres wird in den Verfahrensgesetzen bestimmt. (2) Auf Vertretungshandlungen und Einwilligungen in Vermögensangelegenheiten ist § 154 Abs. 3 und 4 sinngemäß anzuwenden. [idF BGBl I 2006/92] Lit: Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem KindRÄG 2001. Vom Obervormund zur Missbrauchskontrolle, in Ferrari/Hopf, Reform 35; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Knoll, Einzelheiten zur Verwaltung des Vermögens Minderjähriger, RZ 2002, 74.
In Ergänzung zu § 149 enthält § 229 – weitere – materiellrechtliche 1 Vorschriften für die Verwaltung des Vermögens Mj durch andere mit der Obsorge betraute Personen. Der durch das SWRÄG 2006 angefügte Abs 2 dient der Klarstellung der – sich bereits aus dem ergänzenden Charakter der §§ 216 ff (s die Überschrift „Besondere Pflichten und Rechte …“ sowie Erl 296 BlgNR 21. GP 112) ergebenden – Geltung des § 154 Abs 3 und 4 auch für die Vermögenssorge durch „andere Personen“ (Erl 1420 BlgNR 22. GP 9). Die verfahrensrechtlichen Details zu § 229 finden sich in den §§ 133–139 AußStrG. Generelles Ziel der Neuregelung dieser Materie durch das KindRÄG 2001 und durch das am 1.1.2005 in Kraft getretene AußStrG ist die Reduktion der umfassenden gerichtlichen Rechtsfürsorgepflicht im Bereich der Vermögensverwaltung auf die Abwendung von Gefährdungsfällen (Erl 296 BlgNR 21. GP 38 f, 74 f; Erl 224 BlgNR 22. GP 85 f). Primär ist es Aufgabe des Obsorgeträgers, bei Übernahme der Ver- 2 mögensverwaltung das Vermögen des Mj zu erforschen. Nur soweit der Obsorgeträger hiefür die Unterstützung des Gerichtes benötigt (s hiezu § 133 Abs 4 AußStrG), wird dieses gemäß § 133 Abs 1 AußStrG tätig; auf diese Weise ist die etwas widersprüchliche Textierung des § 229 ABGB und des § 133 AußStrG in Einklang zu bringen (Erl 296 BlgNR 21. GP 74; Knoll, RZ 2002, 79). Voraussetzung des Einschreitens des Gerichtes ist nach § 133 Abs 1 AußStrG, dass, insb auf Hopf
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Obsorge einer anderen Person
§§ 230–230e
Grund von Hinweisen des gesetzlichen Vertreters, Anhaltspunkte für ein nennenswertes Vermögen (zu diesem Begriff s Erl 224 BlgNR 22. GP 86) bestehen. 3 Nach § 134 AußStrG hat der gesetzliche Vertreter dem Gericht zum
Ablauf des ersten vollen Jahres nach Übernahme der Vermögensverwaltung Rechnung zu legen; danach ist er nach Maßgabe der Aufträge des Gerichtes in angemessenen Zeitabständen von höchstens drei Jahren zur Rechnungslegung verpflichtet. Die Pflicht zur laufenden Rechnungslegung kann das Gericht einschränken, soweit dadurch kein Nachteil für den Mj zu besorgen ist (§ 135 Abs 2 AußStrG). Darüber hinaus kann das Gericht dem gesetzlichen Vertreter zur Abwehr einer Gefährdung des Kindeswohls (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 539; Stabentheiner/R ErgBd Rz 4) auch einen besonderen Auftrag zur Rechnungslegung erteilen (§ 234 Abs 4 AußStrG). Mit Beendigung der Vermögensverwaltung ist jedenfalls Rechnung zu legen. Anlegung von Mündelgeld § 230. (1) Soweit Geld eines Minderjährigen nicht, dem Gesetz entsprechend, für besondere Zwecke zu verwenden ist, ist es unverzüglich sicher und möglichst fruchtbringend durch Spareinlagen, den Erwerb von Wertpapieren (Forderungen), die Gewährung von Darlehen, den Erwerb von Liegenschaften oder in anderer Weise nach den folgenden Bestimmungen anzulegen. (2) Ist es wirtschaftlich zweckmäßig, so ist Mündelgeld auf mehrere dieser Arten anzulegen. [idF BGBl 1977/403]
§ 230a. Spareinlagen bei einer inländischen Kreditunternehmung, die zur Entgegennahme von Spareinlagen berechtigt ist, sind zur Anlegung von Mündelgeld geeignet, wenn sie auf den Namen des Mündels lauten, ausdrücklich die Bezeichnung „Mündelgeld“ tragen und entweder allgemein für die Verbindlichkeiten der Kreditunternehmung der Bund oder eines der Länder oder für die Verzinsung und Rückzahlung der Mündelgeldspareinlagen im besonderen ein von der Kreditunternehmung gebildeter, jederzeit mit der jeweiligen Höhe solcher Einlagen übereinstimmender unbelasteter Deckungsstock haftet. Dieser Deckungsstock hat ausschließlich in mündelsicheren Wertpapieren (§ 230b), in Hypothekarforderungen mit gesetzgemäßer Sicherheit (§ 230c), in Forderungen, für die der Bund oder eines der Länder haftet, oder in Bargeld zu bestehen. [idF BGBl 1993/532]
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Obsorge einer anderen Person
§§ 230–230e
§ 230b. Der Erwerb folgender Wertpapiere und Forderungen ist zur Anlegung von Mündelgeld geeignet: 1. Teilschuldverschreibungen von Anleihen, für deren Verzinsung und Rückzahlung der Bund oder eines der Länder haftet; 2. Forderungen, die in das Hauptbuch der Staatsschuld eingetragen sind; 3. Pfandbriefe und Kommunalschuldverschreibungen der nach den gesetzlichen Vorschriften zur Ausgabe solcher Wertpapiere zugelassenen inländischen Kreditunternehmungen; 4. von einer inländischen Kreditunternehmung ausgegebene Teilschuldverschreibungen, sofern die Kreditunternehmung verpflichtet ist, die Ansprüche aus diesen Teilschuldverschreibungen vorzugsweise zu befriedigen und als Sicherheit für diese Befriedigung Forderungen der Kreditunternehmung, für die der Bund haftet, Wertpapiere oder Forderungen gemäß den Z. 1 bis 3 und 5 oder Bargeld zu bestellen, und dies auf den Teilschuldverschreibungen ausdrücklich ersichtlich gemacht ist; 5. sonstige Wertpapiere, sofern sie durch besondere gesetzliche Vorschriften zur Anlegung von Mündelgeld geeignet erklärt worden sind. [idF BGBl 1993/532]
§ 230c. (1) Darlehen sind zur Anlegung von Mündelgeld geeignet, wenn zu ihrer Sicherstellung an einer inländischen Liegenschaft eine Hypothek bestellt wird und die Liegenschaft samt ihrem Zubehör während der Laufzeit des Darlehens ausreichend feuerversichert ist. Liegenschaften, deren Wert sich wegen eines darauf befindlichen Abbaubetriebs ständig und beträchtlich vermindert, sind nicht geeignet. (2) Es darf jedoch eine Liegenschaft nicht über die Hälfte des Verkehrswertes belastet werden. Bei Weingärten, Wäldern und anderen Liegenschaften, deren Ertrag auf ähnlichen dauernden Anpflanzungen beruht, ist die Belastungsgrenze ohne Berücksichtigung des Wertes der Kulturgattung vom Grundwert zu errechnen. Ebenso ist bei industriell oder gewerblich genutzten Liegenschaften vom bloßen Grundwert auszugehen, doch sind von diesem die Kosten der Freimachung der Liegenschaft von industriell oder gewerblich genutzten Baulichkeiten abzuziehen. Die Art (Widmung, Nutzung) der Liegenschaft und die maßgebende Belastungsgrenze sind durch einen allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen festzustellen. [idF BGBl I 2000/135]
§ 230d. (1) Der Erwerb inländischer Liegenschaften ist zur Anlegung von Mündelgeld geeignet, wenn sich ihr Wert nicht wegen Hopf
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§§ 230–230e
eines darauf befindlichen Abbaubetriebs ständig und beträchtlich vermindert oder sie nicht ausschließlich oder überwiegend industriellen oder gewerblichen Zwecken dienen. (2) Der Kaufpreis soll in der Regel den Verkehrswert nicht übersteigen. [idF BGBl I 2000/135]
§ 230e. (1) Die Anlegung von Mündelgeld in anderer Weise als nach den vorstehenden Bestimmungen hat das Gericht, im Fall des Erwerbes von Wertpapieren jedenfalls nach Anhörung eines Sachverständigen für das Börsen- oder Bankwesen, zu genehmigen, wenn sie nach den Verhältnissen des Einzelfalls den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspricht. (2) Unter diesen Voraussetzungen kommen für die Anlegung besonders in Betracht 1. Wertpapiere, die im § 230b nicht genannt sind, sofern dafür vorgesorgt ist, daß die Verwaltung der Wertpapiere einschließlich eines Verkaufes, falls er durch die Marktlage geboten sein sollte, sachkundig vorgenommen wird; 2. Liegenschaften, die nicht geeignet im Sinn des § 230d sind, sofern ihr Erwerb dem Mündel mit Beziehung auf die gegenwärtige oder künftige Berufsausübung oder sonst zum klaren Vorteil gereichen würde; der Kaufpreis darf auch hier den gemeinen Wert nicht übersteigen. [idF BGBl 1977/403] Lit: F. Bydlinski, Mündelsichere Veranlagung in „industrielle“ oder „gewerbliche“ Liegenschaften, JBl 2004, 677; Ent, Die Neuordnung der Anlegung von Mündelgeld, NZ 1976, 33; Fast, Mündelsicher im Wandel der Zeit, RZ 2003, 124; G. Frotz, Neuordnung des Rechts der Mündelsicherheit, JBl 1978, 29; Löbel, Der Bausparvertrag als Hort des Mündelgeldes? ecolex 2000, 712; Motter, Der Deckungsstock nach dem BG vom 30.6.1977, BGBl 403, ÖJZ 1979, 124; H. Pichler, Das neue Kindschaftsrecht, ÖA 1978, 21; ders, Neue Rechtsprobleme des Spargeschäfts mit Minderjährigen, ÖA 1983, 89; Wilhelm, Die Sphinx zur Mündelgeldveranlagung, ecolex 1999, 301.
1 Die Bestimmungen über die Anlegung von Mündelgeld gelten nicht
nur für die Vermögensverwaltung durch eine andere mit der Obsorge betraute Person iSd §§ 187 ff (einschließlich des Jugendwohlfahrtsträgers) sowie durch Kuratoren und Sachwalter (§ 275 Abs 3), sondern – kraft der Verweisung des § 149 Abs 1 – auch für die Obsorge durch Eltern, Großeltern oder Pflegeeltern. Darüber hinaus kommen diesen Bestimmungen auch nach anderen Rechtsvorschriften, in denen es um mündelsichere Veranlagungen durch bestimmte Rechtsträger geht, 206
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Bedeutung zu (s hiezu F. Bydlinski, JBl 2004, 677). Soweit diese Rechtsvorschriften auf zur Anlegung von Mündelgeld geeignete Veranlagungen schlechthin verweisen, sind damit mE die ex-lege-mündelsicheren Anlageformen der §§ 230a–230d gemeint, nicht auch die Veranlagungen nach § 230e, deren Eignung zur Anlegung von Mündelgeld vom Pflegschaftsgericht im Einzelfall nach den Kriterien des Kindeswohls und in einem Verfahren, das nur für die Belange Pflegebefohlener zur Verfügung steht, geprüft werden muss (aM F. Bydlinski, JBl 2004, 685). Mündelgeld ist primär sicher und in zweiter Linie (Erl 73 BlgNR 2 14. GP 9) möglichst ertragreich anzulegen; bei einem größeren Kapitalbetrag hat die Veranlagung zur Streuung des Risikos auf mehrere der in den §§ 230a ff genannten Arten zu erfolgen (§ 230 Abs 2). Ein weiterer Veranlagungsgesichtspunkt kann auch die Zugriffsmöglichkeit (Liquidität) im Fall eines dringenden Bedarfes des Kindes sein (LGZ Wien 45 R 223/96v EF 81.260). Grundsätzlich sind die in den §§ 230a–230e angeführten Veranlagungsformen gleichrangig (1 Ob 40/99k EvBl 1999/146). Die §§ 230 ff sind auch bei einem Wechsel der Anlageform anzuwenden (EvBl 1999/146). Art XVII KindRÄG 2001 enthält zwei Verordnungsermächti- 3 gungen, nach denen einerseits der BMF die Anlegung von Mündelgeld in anderen Spar- und Wertpapierformen als nach den §§ 230a und 230b und andererseits der BMJ in anderen Liegenschaften als nach den §§ 230c und 230d ohne gerichtliche Genehmigung für geeignet erklären können. Dabei sind die Veranlagungszwecke des § 230 und deren Konkretisierung in den §§ 230a ff zu beachten sowie die Erfordernisse des europäischen Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen. Die V sollen die erforderliche Flexibilität gewährleisten, um auf Marktentwicklungen bei für Mündelgeldanlegung hinreichend sicheren Produkten rasch reagieren zu können und auch eine gemeinschaftsrechtskonforme Handhabung der Mündelsicherheit in Österreich zu ermöglichen (Erl 296 BlgNR 21. GP 113 f). Solche V sind bisher allerdings nicht erlassen worden. Für die Frage, inwieweit die Anlegung von Mündelgeld der Geneh- 4 migung des Gerichtes bedarf, ist auch § 154 Abs 3 zu beachten (zur Geltung dieser Bestimmung auch für andere mit der Obsorge betraute Personen iSd § 187 s § 187 Rz 1, § 216 Rz 1; vgl auch F. Bydlinski, JBl 2004, 678). Danach bedarf die Anlegung von Geld nach den §§ 230a und 230b keiner gerichtlichen Genehmigung, und zwar auch nicht außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs, hingegen unterliegt die Veranlagung nach den §§ 230c, 230d und 230e der GenehmiHopf
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§§ 230–230e
gung des Gerichtes, wenn sie außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs fällt (Stabentheiner/R Rz 3; F. Bydlinski, JBl 2004, 678; aM Ent, NZ 1978, 186, der die Veranlagung nach § 230e stets für genehmigungspflichtig hält; s hiezu Rz 10). Besonderes gilt für den Jugendwohlfahrtsträger: Er bedarf der gerichtlichen Genehmigung nur im Fall der Anlegung – außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs – nach § 230e (nicht auch nach den §§ 230c und 230d). 5 In Spareinlagen kann Mündelgeld angelegt werden, wenn entweder
für die Verbindlichkeit des Kreditinstituts allgemein der Bund oder ein Land oder für die Verzinsung und Rückzahlung der Mündelgeldspareinlage im Besonderen ein Deckungsstock (s hiezu §§ 60–68 BWG sowie die MündelsicherheitsV des BMF, BGBl 1993/650 idF BGBl II 2003/219) haftet. Bausparverträge fallen nicht unter § 230a (Kopke, NZ 1986, 9 f; Stabentheiner/R Rz 4). 6 Zu den Pfandbriefen und Kommunalschuldverschreibungen nach
§ 230b s das HypBG sowie das PfBrG; s weiters § 5 Abs 6 InvFG sowie § 6 Abs 7 ImmoInvFG (hiezu Ehrlich, RdW 2004, 72). 7 Ein Darlehen ist zur Anlegung von Mündelgeld geeignet, wenn es
hypothekarisch auf einer ausreichend feuerversicherten (§ 88 VersVG) Liegenschaft, deren Wert sich nicht wegen eines darauf befindlichen Abbaubetriebs ständig und beträchtlich vermindert, sichergestellt ist. Dabei muss das Darlehen innerhalb einer Belastungsgrenze von der Hälfte des Verkehrswertes – bei Weingärten, Wäldern und anderen Liegenschaften mit dauernden Anpflanzungen ohne Berücksichtigung des Wertes der Kulturgattung und bei industriell oder gewerblich genutzten Liegenschaften (s hiezu Rz 8) unter Abzug der Freimachungskosten – Deckung finden (vgl § 151 Abs 1 EO); Art der Liegenschaft und Belastungsgrenze sind durch einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen festzustellen. 8 Mündelgeld darf auch durch den Erwerb von Liegenschaften ange-
legt werden, sofern diese weder ausschließlich oder überwiegend industriellen oder gewerblichen Zwecken dienen noch (zur fälschlichen Verwendung des Wortes „oder“ im Gesetzestext s zutreffend Stabentheiner/R ErgBd Rz 1) sich der Wert wegen eines Abbaubetriebs ständig und beträchtlich vermindert. Das Begriffspaar „industriell“ und „gewerblich“ ist nicht iSd GewO zu verstehen (F. Bydlinski, JBl 2004, 680 ff); maßgebend ist vielmehr, ob die Nutzung der Liegenschaft für eine unternehmerisch-betriebliche Tätigkeit wegen der Art dieser Tätigkeit – ähnlich wie beim ausdrücklich angeführten Abbaubetrieb – ein spezifisches Risiko für die Wertbeständigkeit der Liegenschaft, etwa auf Grund der konkreten Möglichkeit einer Kontaminierung der 208
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§§ 230–230e
Liegenschaft oder einer sonstigen Umweltbelastung, mit sich bringt. Der Kaufpreis darf idR („soll“) den Verkehrswert nicht übersteigen, es sei denn, der Erwerb liegt ausnahmsweise dennoch im Interesse des Kindes (Erl 296 BlgNR 21. GP 75). Zur Ermittlung des Wertes verweisen die Erl aaO auf das LBG. IdR wird – wie nach § 230c – das Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen einzuholen sein (Stabentheiner/R ErgBd Rz 3). Auch der Erwerb eines Miteigentumsanteils, insb von Wohnungseigentum, sowie eines Baurechts (s § 6 Abs 1 BauRG) kommt nach dieser Bestimmung für die Veranlagung in Betracht (F. Bydlinski, JBl 2004, 684). Die Generalklausel des § 230e ermöglicht die Anlegung von Mündel- 9 geld auch auf eine andere Art als in den §§ 230a–230d angeführt, wenn dies im Einzelfall den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspricht (EvBl 1999/146). Sofern es sich dabei um Wertpapiere, etwa – auch ausländische – Aktien und Investmentzertifikate, handelt, bedarf es hiefür der Beiziehung eines Sachverständigen für das Börse- oder Bankwesen und der Vorsorge, dass die Wertpapiere sachkundig, etwa durch eine Bank oder ein Vermögensverwaltungsunternehmen (Stabentheiner/R ErgBd Rz 10), verwaltet werden. Auch Bausparen fällt unter § 230e (LG Salzburg 55 R 216/00m EF 96.755; s Rz 5). Die Anlegung in einer Liegenschaft, auf die nicht die Voraussetzungen des § 230d zutreffen, hat das Gericht zu genehmigen, wenn dies im Einzelfall den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspricht und dem Kind, wie etwa der Erwerb einer Eigentumswohnung, klar zum Vorteil gereicht. Wie nach § 230d Abs 2 soll auch nach § 230e Abs 2 Z 2 der Kaufpreis den Verkehrswert – zu dessen Ermittlung ist ein Sachverständiger beizuziehen – idR nicht übersteigen (Stabentheiner/R ErgBd § 230d Rz 2). Nach hA (Stabentheiner/R Rz 3 mwN; F. Bydlinski, JBl 2004, 678; 10 aM Ent, NZ 1978, 186) bedarf die Mündelgeldanlegung nach § 230e – auf Grund der Wendung „unter dieser Voraussetzung“ in § 154 Abs 3 S 2 – nur dann der gerichtlichen Genehmigung, wenn sie nicht in den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb iSd § 154 Abs 3 fällt (s Rz 4). Die ausdrückliche Anführung des Erfordernisses der gerichtlichen Genehmigung in § 230e – im Unterschied zu den §§ 230c und 230d, deren Veranlagungsformen nach § 154 Abs 3 außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs gleichfalls der gerichtlichen Genehmigungen bedürfen – kann damit erklärt werden, dass es bei der Veranlagung nach § 230e nicht nur um die Prüfung geht, ob die in Aussicht genommene Veranlagung den konkreten Interessen des Kindes dient, Hopf
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§ 231
sondern ob sie überhaupt den allgemeinen Anforderungen der Mündelsicherheit nach § 230 entspricht. In diesem Sinn ist das Genehmigungsverfahren nach § 230e ein zweistufiges: es ist zuerst – und darauf bezieht sich das Genehmigungserfordernis nach § 230e – die grundsätzliche Mündelsicherheit der Veranlagung iSd § 230 und in einem zweiten Schritt – gemäß § 154 Abs 3 – die konkrete Eignung für die Veranlagung des Geldes des Mj zu prüfen. Das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung für die Anlegung nach § 230e gilt gemäß § 214 Abs 1 S 2 auch für den Jugendwohlfahrtsträger. § 231. Das übrige bewegliche Vermögen, das nicht zur Befriedigung der gegenwärtigen oder zukünftigen Bedürfnisse des minderjährigen Kindes benötigt wird oder zumindest nicht dazu geeignet scheint, ist bestmöglich zu verwerten. Einer gerichtlichen Genehmigung bedarf es nur, wenn der Verkehrswert der einzelnen Sache voraussichtlich 1 000 Euro oder die Summe der Werte der zur Verwertung bestimmten Sachen voraussichtlich 10 000 Euro übersteigt. [idF BGBl I 2001/98] Lit: Knoll, Einzelthemen zur Veranlagung des Vermögens Minderjähriger, RZ 2002, 74.
1 Bei der Prüfung, was zur Befriedigung der gegenwärtigen oder zu-
künftigen Bedürfnisse des Mj benötigt wird, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (Stabentheiner/R ErgBd Rz 1). Nach den Gesetzesmaterialien fallen etwa auch Gegenstände darunter, die – ähnlich wie nach der Fassung vor dem KindRÄG 2001 – der Erinnerung an Kindheit, Eltern und Herkunft des Pflegebefohlenen dienen. Dem Gesetzgeber ist es bei der Neufassung der Bestimmung um mehr Flexibilität gegangen (Erl 296 BlgNR 21. GP 75). 2 Für das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung ist gemäß § 229
Abs 2 auch § 154 Abs 3 zu beachten. Verwertungen im Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs bedürfen keiner Genehmigung (Weitzenböck/S Vor §§ 230–234 Rz 3). § 232. Ein unbewegliches Gut darf nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil des minderjährigen Kindes mit gerichtlicher Genehmigung veräußert werden. [idF BGBl I 2000/135]
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§ 234
Lit: Sabaditsch, Die Veräußerung unbeweglichen Mündelvermögens, ÖJZ 1949, 261.
Die Veräußerung – das ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Eigen- 1 tumsübertragung (Sabaditsch, ÖJZ 1949, 261) – einer Liegenschaft (eines Liegenschaftsanteils) bedarf nach § 154 Abs 3 (§ 229 Abs 2) der Genehmigung des Gerichtes, wenn es sich – was idR der Fall sein wird (§ 154 Rz 8) – um eine Maßnahme außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs des Mj handelt. Die Umschreibung der materiellen Voraussetzungen einer solchen Veräußerung gilt sowohl für die Obsorge anderer Personen iSd § 187 wie auch – per analogiam – für die Vermögensverwaltung von Eltern, Großeltern und Pflegeeltern (nach Weitzenböck/S Vor §§ 230 – 234 Rz 1 erstreckt sich die Verweisung des § 149 Abs 1 letzter HS auch auf § 232). Ein Notfall liegt etwa vor, wenn eine Insolvenz oder eine verlustbrin- 2 gende Exekution nur durch Veräußerung der Liegenschaft abgewendet oder der Unterhalt des Mj nur durch den Erlös aus einer solchen Veräußerung gedeckt werden kann oder die Erhaltung der Liegenschaft für den Mj unerschwinglich ist (Weitzenböck/S Rz 2). Ob ein offenbarer – auch ideeller – Vorteil vorliegt, ist nach einem strengen Maßstab zu beurteilen. Ein Kaufpreis von mehr als dem Doppelten des Verkehrswerts kann einen solchen offenbaren Vorteil begründen (7 Ob 78/01y NZ 2002, 276). § 233. [aufgehoben, BGBl 1977/403] § 234. Der gesetzliche Vertreter kann 10 000 Euro übersteigende Zahlungen an das minderjährige Kind nur entgegennehmen und darüber quittieren, wenn er dazu vom Gericht im Einzelfall oder allgemein ermächtigt wurde. Fehlt eine solche Ermächtigung, so wird der Schuldner durch Zahlung an den Vertreter von seiner Schuld nur befreit, wenn das Gezahlte noch im Vermögen des minderjährigen Kindes vorhanden ist oder für seine Zwecke verwendet wurde. [idF BGBl I 2001/98] Lit: Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem KindRÄG 2001. Vom Obervormund zur Missbrauchskontrolle, in Ferrari/Hopf, Reform 35; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530.
Die Bestimmung gilt nicht für den Jugendwohlfahrtsträger (§ 214 1 Abs 1) und auch nicht für Eltern, Großeltern und Pflegeeltern als Hopf
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§ 250
Obsorgeträger (Stabentheiner/R ErgBd Rz 4; aM Weitzenböck/S Vor §§ 230 – 234 Rz 1; LG St. Pölten 37 R 362/01p EF 96.758); die Verweisung des § 149 Abs 1 letzter HS bezieht sich nicht auf § 234 (so ausdrücklich JAB 587 BlgNR 14. GP 10). Eltern, Großeltern und Pflegeeltern bedürfen daher für die Entgegennahme und Quittierung von Zahlungen über € 10.000 nur bei Maßnahmen im Rahmen des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs der Genehmigung des Gerichtes. 2 Der – generellen oder auf den Einzelfall bezogenen – gerichtlichen
Ermächtigung bedarf es für alle Arten von Zahlungen, also nicht nur für die Entgegennahme von Kapital, sondern etwa auch für Leistungen an den Mj aus einem Girokontovertrag oder für Darlehensrückzahlungen (Erl 296 BlgNR 21. GP 75), allerdings stets nur für Zahlungen von mehr als € 10.000. Ob es sich dabei um eine Maßnahme außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs handelt, ist unmaßgeblich (Stabentheiner/R ErgBd Rz 1; s K/W I 564). 3 Zahlungen ohne die erforderliche gerichtliche Ermächtigung wir-
ken nur schuldbefreiend, wenn das Gezahlte noch vorhanden ist oder für Zwecke des Mj verwendet wurde (vgl § 1424 Rz 2). Der Zahlungspflichtige hat bei Fehlen der Ermächtigung die Möglichkeit der gerichtlichen Hinterlegung nach § 1425 (s § 234 idF vor KindRÄG 2001). § 235. [aufgehoben, BGBl 1977/403] §§ 236–238. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] §§ 239–243. [aufgehoben, BGBl 1977/403] § 244. [aufgehoben, BGBl 1989/162] § 245. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] § 246. [aufgehoben, BGBl 1973/108] § 247. [aufgehoben, BGBl 1977/403] § 248. [aufgehoben, BGBl 1973/108] § 249. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] Änderungen in der Obsorge § 250. Die Obsorge des Jugendwohlfahrtsträgers (§ 211) endet, sofern der Umstand, der die Eltern von der Ausübung der Obsorge 212
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Obsorge einer anderen Person
§ 253
ausgeschlossen hat, weggefallen ist; im ersten Fall des § 211 bedarf es hiezu jedoch der Übertragung der Obsorge an die Eltern durch das Gericht. [idF BGBl I 2000/135]
Die Bestimmung gilt nur für die Beendigung der ex-lege-Obsorge 1 des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 211; die Beendigung der Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 212 Abs 2 und 3 ist in Abs 5 dieser Bestimmung geregelt. In allen übrigen Fällen der Obsorge einer anderen Person nach § 187 bedarf eine Änderung der Obsorge – abgesehen vom Fall des Eintritts der Volljährigkeit (§ 172) – einer gerichtlichen Entscheidung (Erl 296 BlgNR 21. GP 76). Die Obsorge des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 211 endet ex lege 2 mit dem Wegfall des Umstandes, der die Eltern von der Ausübung der Obsorge ausgeschlossen hat, also insb durch Wiedererlangung der vollen Geschäftsfähigkeit oder durch Wegfall eines der Hindernisse des § 145 Abs 1. In § 211 Fall 1 (Findelkind) bedarf es allerdings, wenn die Eltern, die ihr Kind offenbar unmittelbar nach der Geburt verlassen haben, wieder auftreten, einer gerichtlichen Prüfung deren Eignung für die Obsorge und damit einer gerichtlichen Entscheidung über die Obsorgebetrauung (Erl aaO). § 251. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] § 252. [aufgehoben, BGBl 1973/108] § 253. Das Gericht hat die Obsorge an eine andere Person zu übertragen, wenn das Wohl des minderjährigen Kindes dies erfordert, insbesondere wenn die mit der Obsorge betraute Person ihre Verpflichtungen aus § 145b nicht erfüllt, einer der Umstände des § 188 Abs. 2 eintritt oder bekannt wird oder die Person, die bisher mit der Obsorge betraut war, stirbt. [idF BGBl I 2000/135]
Ein Wechsel in der Person des Obsorgeträgers nach § 187 durch 1 gerichtliche Betrauung einer anderen Person setzt voraus, dass das Kindeswohl eine solche Obsorgeübertragung erfordert. Eine Gefährdung des Kindeswohls ist nicht Voraussetzung, wird jedoch vielfach vorliegen. Demonstrativ werden drei Gründe für einen Wechsel idS angeführt: eine (nicht bloß vereinzelte) Verletzung des Wohlverhaltensgebots nach § 145b, das Vorliegen eines der Ausschlussgründe des § 188 Abs 2 sowie der Tod des bisherigen Obsorgeträgers. Hopf
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Obsorge einer anderen Person
§ 264
§§ 254–258. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] § 259. [aufgehoben, BGBl 1977/403] § 260. [aufgehoben, BGBl 1973/108] §§ 261–263. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] Haftung § 264. (1) Die nach § 187 mit der Obsorge betrauten Personen haften dem Kind gegenüber für jeden durch ihr Verschulden verursachten Schaden. (2) Soweit sich die mit der Obsorge betraute Person zu ihrer Ausübung rechtmäßig anderer Personen bedient, haftet sie nur insoweit, als sie schuldhaft eine untüchtige oder gefährliche Person ausgewählt, deren Tätigkeit nur unzureichend überwacht oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des minderjährigen Kindes gegen diese Personen schuldhaft unterlassen hat. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Beitner, Die Amtsvormundschaft nach dem JWG, JBl 1957, 33; Edlbacher, Amtsvormund und Haftung, ÖJZ 1955, 70; ders, Der Amtsvormund – Vormund nach bürgerlichem Recht und weisungsgebundener Beamter, ÖA 1974, 75; Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem KindRÄG 2001. Vom Obervormund zur Missbrauchskontrolle, in Ferrari/Hopf, Reform 35; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530.
1 Die iSd § 187 mit der Obsorge betraute Person haftet für den dem
Minderjährigen zugefügten Schaden nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen. Dabei wird im Allgemeinen vom Obsorgeträger zumindest die Sorgfalt „ordentlicher Eltern“ zu verlangen sein (s § 149 Rz 1); ist jedoch der mit der Obsorge, insb in einem Teilbereich, Betraute auf Grund seiner Fachkenntnisse bestellt worden, so hat er für den Sorgfaltsmaßstab nach § 1299 einzustehen (Fucik in Ferrari/Hopf, Reform 44). Eine Amtshaftung kommt nur in Betracht, wenn der Obsorgeträger in Erfüllung einer richterlichen Weisung handelt; nur insofern ist er als Organ gemäß § 1 Abs 2 AHG zu qualifizieren (vgl 1 Ob 197/01d SZ 74/179 = JBl 2002, 304 Rummel 335). 2 Abs 2 enthält eine Sonderregelung für die Haftung des Obsorgeträ-
gers für Personen, deren er sich bei der Ausübung der Obsorge – rechtmäßig (nicht also etwa, wenn der Obsorgeträger wegen seiner 214
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Obsorge einer anderen Person
§ 265
besonderen fachlichen Eignung bestellt wurde) – bedient: § 1313a ist nicht anzuwenden, der Obsorgeträger haftet nur für eigenes Verschulden bei der Auswahl und der Überwachung seiner Gehilfen sowie für das schuldhafte Unterlassen der Geltendmachung von Ansprüchen gegen diese (Kerschner, FamR Rz 6/4; K/W I 564; Stabentheiner/R ErgBd Rz 2). Anders als nach § 1315 ist beim Auswahlverschulden nicht Wissentlichkeit hinsichtlich der Gefährlichkeit des Gehilfen erforderlich. Vgl demgegenüber die Haftung des Sachwalters nach § 277. Im Übrigen ist Abs 2 wohl analog auf die Haftung von Obsorgeträgern nach dem 3. Hauptstück anwendbar (Weitzenböck/S Rz 6). Auch der Jugendwohlfahrtsträger als Obsorgeträger nach den §§ 211, 3 212 oder 213 haftet für die – nicht der Hoheitsverwaltung zuzuordnende – Besorgung der Obsorgeaufgaben nach bürgerlichem Recht und nicht nach AHG (Edlbacher, ÖJZ 1955, 74; 3 Ob 51/98s ZfRV 2000, 79). Hinsichtlich von Maßnahmen des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 215 Abs 1 S 2 s jedoch § 215 Rz 2. § 265. Der Richter kann die Ersatzpflicht nach § 264 insoweit mäßigen oder ganz erlassen, als sie die mit der Obsorge betraute Person unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Grades des Verschuldens oder eines besonderen Naheverhältnisses zwischen dem minderjährigen Kind und der mit der Obsorge betrauten Person, unbillig hart träfe. [idF BGBl I 2000/135]
Zum richterlichen Mäßigungsrecht vgl § 1336 ABGB sowie § 25d 1 KSchG und § 2 DHG. Als weitere Mäßigungsgründe kommen nach den Gesetzesmaterialien (s § 265 Abs 2 idF RV 296 BlgNR 21. GP) besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten bei der Erforschung des Vermögensstandes, insb wegen mangelhafter Rechnungslegung oder anderer Versäumnisse der Vorgänger in der Obsorge, sowie das Vorliegen einer gerichtlich bestätigten Schlussrechnung über die Vermögensverwaltung durch den Vorgänger in der Obsorge in Betracht. Kriterien für die Anwendung des Mäßigungsrechts können auch ein Vergleich der Vermögens- und sonstigen Lebensverhältnisse des Mj einerseits und des Obsorgeträgers andererseits, das Ausmaß von Rat und Hilfe, das dem Obsorgeträger von hiezu berufenen Stellen zuteil oder nicht zuteil wurde (Erl aaO 77) sowie das Vorliegen einer Haftpflichtversicherung des Obsorgeträgers sein (JAB 366 BlgNR 21. GP 3). Für den Jugendwohlfahrtsträger als Obsorgeträger gilt § 265 nicht 2 (§ 214 Abs 1); dies gilt per analogiam wohl auch für Personen, die Hopf
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Obsorge einer anderen Person
§§ 266–267
wegen ihrer besonderen fachlichen Eignung mit der Obsorge betraut wurden, also insb für Rechtsanwälte und Notare (Erl aaO 77). Entschädigung § 266. (1) Der nach § 187 mit der Obsorge betrauten Person gebührt unter Bedachtnahme auf Art und Umfang ihrer Tätigkeit und des damit gewöhnlich verbundenen Aufwands an Zeit und Mühe eine jährliche Entschädigung, soweit dadurch die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Kindes nicht gefährdet wird. (2) Sofern das Gericht nicht aus besonderen Gründen eine geringere Entschädigung für angemessen findet, beträgt sie fünf vom Hundert sämtlicher Einkünfte nach Abzug der hievon zu entrichtenden gesetzlichen Steuern und Abgaben. Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, sind nicht als Einkünfte zu berücksichtigen. Übersteigt der Wert des Vermögens des minderjährigen Kindes 10 000 Euro, so kann das Gericht überdies pro Jahr bis zu zwei vom Hundert des Mehrbetrags als Entschädigung gewähren, soweit sich die mit der Obsorge betraute Person um die Erhaltung des Vermögens oder dessen Verwendung zur Deckung von Bedürfnissen des Kindes besonders verdient gemacht hat. Betrifft die Obsorge nur einen Teilbereich der Obsorge oder dauert die Tätigkeit der mit der Obsorge betrauten Person nicht ein volles Jahr, so vermindert sich der Anspruch auf Entschädigung entsprechend. (3) Bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen der mit der Obsorge betrauten Person kann das Gericht die Entschädigung auch höher als nach Abs. 2 erster Satz bemessen, jedoch nicht höher als zehn vom Hundert der Einkünfte. [idF BGBl I 2001/98]
Entgelt und Aufwandsersatz § 267. (1) Nützt die mit der Obsorge betraute Person für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten übertragen werden müsste, ihre besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat sie hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit beim minderjährigen Kind die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden. (2) Zur zweckentsprechenden Ausübung der Obsorge notwendige Barauslagen, tatsächliche Aufwendungen und die Kosten der 216
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Obsorge einer anderen Person
§§ 266–267
Versicherung der Haftpflicht nach § 264 sind der mit der Obsorge betrauten Person vom minderjährigen Kind jedenfalls zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden. (3) Ansprüche nach den Abs. 1 und 2 bestehen insoweit nicht, als durch sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Kindes gefährdet wäre. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem KindRÄG 2001. Vom Obervormund zur Missbrauchskontrolle, in Ferrari/Hopf, Reform 35; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530.
Die §§ 266 f sind nicht auf Eltern, Großeltern und Pflegeeltern sowie 1 – gemäß § 214 Abs 1 – auf den Jugendwohlfahrtsträger anzuwenden. Für Sachwalter und Kuratoren gilt seit dem SWRÄG 2006 § 276. Für die vom Gericht nach pflichtgemäßen Ermessen festzusetzende 2 (1 Ob 298/00f JBl 2002, 308) Entschädigung sind Art und Umfang der Tätigkeit und der damit im Allgemeinen verbundene Aufwand an Zeit und Mühe (objektiver Maßstab) sowie der Erfolg der Tätigkeit (§ 266 Abs 3) maßgebend. Grundsätzlich beträgt die jährliche Entschädigung 5% sämtlicher Einkünfte des Mj nach Abzug der Steuern und Abgaben, jedoch unter Außerachtlassung von Beträgen, die, wie etwa Pflegegeld oder Familienbeihilfe (Erl 296 BlgNR 21. GP 78) oder Mietzinsbeihilfe (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 541 FN 187), der Deckung besonderer Aufwendungen dienen. Ist der Obsorgeträger zur Abführung von Umsatzsteuer verpflichtet, so kann er diese nicht auf den Mj überwälzen (LG Salzburg 21 R 550/05m EF-Z 2006, 27 Gitschthaler). Der Anspruch auf Entschädigung mindert sich, soweit durch ihn die 3 Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre (vgl § 151 Abs 2) oder das Gericht aus besonderen Gründen, etwa weil die Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters keinen nennenswerten Aufwand an Zeit und Mühe und auch sonst keine Schwierigkeiten bereitete, eine solche Minderung für angemessen erachtet. Umgekehrt kann das Gericht den Richtwert von 5% bis auf 10% der Einkünfte überschreiten, wenn die Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters besonders umfangreich und erfolgreich gewesen ist. Besitzt der Pflegebefohlene ein Vermögen, dessen Wert € 10.000 übersteigt, so kann das Gericht – allenfalls zusätzlich zur Vergütung aus den Einkünften – auch eine Entschädigung für die besonderen Verdienste des gesetzlichen Vertreters um die Erhaltung – und wohl auch um die VermehHopf
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Obsorge einer anderen Person
§§ 266–267
rung – des Vermögens sowie dessen Verwendung für die Bedürfnisse des Pflegebefohlenen gewähren. Die Entschädigung darf bis zu 2% des € 10.000 übersteigenden Vermögens betragen. 4 Hat der Obsorgeträger nach § 187 Leistungen erbracht, für die er
seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten genützt hat, und würde ein anderer gesetzlicher Vertreter hiefür einen entsprechend beruflich Qualifizierten heranziehen, so gebührt dem gesetzlichen Vertreter ein Anspruch auf angemessenes Entgelt (JBl 2002, 308). Im Wesentlichen geht es bei diesem Anspruch um die Vergütung der Leistungen von Rechtsanwälten (unabhängig von ihrer Anwaltspflicht), Notaren, Wirtschaftstreuhändern, Hausverwaltern und ähnlichen Gewerbetreibenden (Fucik in Ferrari/Hopf, Reform 47). Maßgebend für die Angemessenheit des Entgelts sind gesetzliche Tarife oder Honorarsätze in Richtlinien (Erl 296 BlgNR 21. GP 78). Der Anspruch besteht – abgesehen vom Fall der Gefährdung des Unterhalts des Pflegebefohlenen – bei Vertretung durch einen beruflichen Parteienvertreter (Rechtsanwalt, Notar) in einem gerichtlichen Verfahren nicht, soweit beim Pflegebefohlenen die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenshilfe gegeben gewesen sind (unabhängig davon, ob diese tatsächlich in Anspruch genommen wurde) oder die Kosten vom Gegner (tatsächlich) ersetzt wurden. 5 Zu den Barauslagen und tatsächlichen Aufwendungen, die dem Ob-
sorgeträger zu ersetzen sind, gehören nur tatsächlich für den Pflegebefohlenen gemachte Auslagen, nicht etwa bloß betriebswirtschaftlich ausgewiesene Aufwendungen, wie insb anteilige Personal- und Verwaltungskosten (Fucik in Ferrari/Hopf, Reform 46). Auch der Anspruch nach § 267 Abs 2 steht unter dem Vorbehalt, dass die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen nicht gefährdet werden darf. 6 Über Ansprüche des gesetzlichen Vertreters nach den §§ 266, 267 ent-
scheidet das Pflegschaftsgericht. Dies kann (muss aber nicht: die Rechnungslegung erfolgt nach § 134 AußStrG nicht unbedingt jährlich) zugleich mit der Entscheidung über die Bestätigung der Rechnung des gesetzlichen Vertreters nach § 137 Abs 2 AußStrG geschehen. Eines Kollisionskurators bedarf es nach § 271 Abs 2 im Allgemeinen nur, wenn es um eine Entschädigung nach § 266 Abs 3 geht (vgl 6 Ob 160/05f EF 110.989). Zu Vorschüssen auf Ansprüche nach §§ 266, 267 sowie zu gerichtlichen Verfügungen zur Befriedigung dieser Ansprüche s § 137 Abs 2 AußStrG.
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 268
Fünftes Hauptstück Von der Sachwalterschaft, der sonstigen gesetzlichen Vertretung und der Vorsorgevollmacht Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters oder Kurators a) für behinderte Personen; § 268. (1) Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist (behinderte Person), alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen. (2) Die Bestellung eines Sachwalters ist unzulässig, soweit Angelegenheiten der behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Ein Sachwalter darf auch dann nicht bestellt werden, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine Vorsorgevollmacht, oder eine verbindliche Patientenverfügung für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist. Ein Sachwalter darf nicht nur deshalb bestellt werden, um einen Dritten vor der Verfolgung eines, wenn auch bloß vermeintlichen, Anspruchs zu schützen. (3) Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten ist der Sachwalter zu betrauen 1. mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, etwa der Durchsetzung oder der Abwehr eines Anspruchs oder der Eingehung und der Abwicklung eines Rechtsgeschäfts, 2. mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, etwa der Verwaltung eines Teiles oder des gesamten Vermögens, oder, 3. soweit dies unvermeidlich ist, mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person. (4) Sofern dadurch nicht das Wohl der behinderten Person gefährdet wird, kann das Gericht auch bestimmen, dass die Verfügung oder Verpflichtung hinsichtlich bestimmter Sachen, des Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 268
Einkommens oder eines bestimmten Teiles davon vom Wirkungsbereich des Sachwalters ausgenommen ist. [idF BGBl I 2006/92; Abs 1-3 folgen § 273 aF, Abs 4 folgt § 273a Abs 1 S 2 aF] Lit: Barth, Das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 – Die Reform im Überblick, FamZ 2006, 138; Edlbacher, Ein paar allgemeine Anmerkungen zum Sachwalterschaftsgesetz, ÖJZ 1985, 161; Gamerith, Drei Jahre Sachwalterrecht, NZ 1988, 61; Gitschthaler, Einzelne Probleme des neuen Sachwalterrechts und der Versuch einer Lösung, ÖJZ 1985, 193; ders, Die Einleitung eines Sachwalterbestellungsverfahrens, RZ 1990, 248; ders, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen, ÖJZ 2004, 81 und 121; Kremzow, Österreichisches Sachwalterrecht (1984); Maurer/Tschugguel, Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis2 (1997); H. Pichler, Probleme, Erfreuliches und gesetzgeberische Fehlleistungen im neuen Sachwalterrecht, JBl 1984, 225; ders, Das neue Sachwalterrecht, ÖA 1985, 5; Schauer, Anmerkungen zum neuen Sachwalterrecht, NZ 1983, 49; ders, Rechtssystematische Bemerkungen zum Sachwalterrecht idF KindRÄG 2001, 275; ders, Schwerpunkte des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes (SWRÄG 2006), ÖJZ 2007, 173; Schwimann, Neuerungen im Obsorge-, Kuratel- und Sachwalterrecht, EF-Z 2006, 68; Simotta, Zweifelsfragen der Eigenberechtigung, ÖJZ 1990, 661 und 724; Steinbauer, Die Handlungsfähigkeit geistig Behinderter nach dem neuen Sachwalterrecht, ÖJZ 1985, 385; Zierl, Das Sachwalterrecht und seine Bedeutung für das Verwaltungsrecht, JBl 1985, 65; ders, Sachwalterschaft und Verwaltung (1986).
1 Das mit BGBl 1983/136 an Stelle des Entmündigungsrechts getretene
Sachwalterrecht ermöglicht es, volljährigen psychisch kranken oder geistig behinderten Menschen einen Sachwalter als gesetzlichen Vertreter zur Seite zu stellen, der nach Maßgabe der ihm vom Gericht übertragenen Aufgaben Vermögenssorge, Personensorge und Vertretung des Pflegebefohlenen wahrnimmt. Der Betroffene wird innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters beschränkt geschäftsfähig (§ 280 Rz 1). Die Deliktsfähigkeit richtet sich hingegen – unabhängig von einer Sachwalterbestellung – nach der tatsächlichen psychischen Verfassung (s jedoch § 1310). Zur Testierfähigkeit s §§ 566–568, zur Ehefähigkeit s § 3 EheG. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Sachwalterrechts enthalten die §§ 117–131 AußStrG. Mit dem SWRÄG 2006 (in Kraft mit 1.7.2007; zum Übergangsrecht s Art X BGBl I 2006/92) wurde das Sachwalterrecht weitreichend geändert und ergänzt: Abkoppelung vom Kindschaftsrecht und Einordnung – gemeinsam mit dem Kuratelrecht – in ein neues Fünftes Hauptstück, Stärkung des Subsidiaritätsprinzips sowie der Selbstbestimmung der behinderten Person, Neuregelung der Auswahl der Person des Sachwalters, nähere Regelung von Fragen der Personensorge, Schaffung 220
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 268
einer gesetzlichen Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger, Regelung der Vorsorgevollmacht. Die neue Gesetzessystematik hat zu Verschiebungen von Paragraphen, insb im Kuratelrecht, geführt, ohne dass deren Wortlaut geändert wurde. Die Begriffe „psychische Krankheit“ und „geistige Behinderung“ 2 – die Unterscheidung ist für das Sachwalterrecht unmaßgeblich – sind Rechtsbegriffe, für deren Auslegung das medizinische Begriffsverständnis Ausgangspunkt ist (Kopetzki, Grundriß des Unterbringungsrechts, 1997, 24 ff). Im rechtlichen Sinn umfassen die beiden Begriffe jede geistige Störung, die die gehörige Besorgung der eigenen Angelegenheiten hindert (8 Ob 503/93 EF 96.783). Sowohl für psychisch Kranke wie auch für geistig Behinderte verwendet das Gesetz den Begriff „behinderte Person“. Verschwendung (EF 96.785), Spielsucht (5 Ob 112/04p EF 107.953) und Alkoholmissbrauch (6 Ob 195/98i EvBl 1999/11) bilden nur dann einen Sachwalterbestellungsgrund, wenn sie Symptom einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung sind (Stabentheiner/R § 273 Rz 1). Nach 6 Ob 546/95 SZ 68/117 ist Magersucht (anorexia nervosa) eine psychische Krankheit. Weitere Voraussetzung der Sachwalterbestellung ist, dass die behin- 3 derte Person Angelegenheiten – im umfassenden Sinn verstanden – zu besorgen hat (4 Ob 2299/96h EF 96.786); darunter fallen Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, gerichtliche und sonstige behördliche Verfahren (7 Ob 598/91 EvBl 1992/12), insb auch Angelegenheiten der Personensorge (SZ 58/61; SZ 59/218; 4 Ob 575/94 wobl 1995, 173 Dirnbacher), wie die Sicherstellung der erforderlichen Pflege und Betreuung der behinderten Person und die Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten, zB die Zustimmung zu einer Operation (7 Ob 355/97z JBl 1998, 443 Bernat 464 = RdM 1998, 51 Kopetzki; Barth, ÖJZ 2000, 63 ff). Nicht gehören zu den Angelegenheiten die Wahrnehmung politischer Rechte (VfGH VfSlg 10.412) oder die Ausübung höchstpersönlicher Rechte, wie die Eheschließung, die Einwilligung in eine einvernehmliche Scheidung (1 Ob 518/96 SZ 69/75) oder die Erklärung des letzten Willens (§ 568). Die Sachwalterbestellung setzt weiters voraus, dass der behinderten Person ohne einen Sachwalter ein Nachteil, welcher Art auch immer, droht, also nicht nur ein Schaden am Vermögen, sondern auch am Leben oder an Gesundheit, Freizeit oder Ehre. Abs 2 S 1 und 2 normiert das Prinzip der Subsidiarität der Sachwal- 4 terschaft. Kein Sachwalter ist daher zu bestellen, soweit Angelegenheiten der behinderten Person von einem anderen gesetzlichen Vertreter wahrgenommen werden, insb einem Patientenanwalt nach § 14 UbG oder einem Bewohnervertreter nach § 8 Abs 2 HeimAufG. Ein Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 268
nächster Angehöriger als gesetzlicher Vertreter nach §§ 284b ff schließt eine Sachwalterbestellung in seinem Wirkungsbereich aus, solange er seine Vertretungsbefugnis gehörig wahrnimmt; ist ein Sachwalter bestellt, kommt in seinem Wirkungskreis eine Vertretung durch einen nächsten Angehörigen nicht (mehr) in Betracht. Zum gesetzlichen Vertreter nach § 25 Abs 2 BPGG s Erl 1420 BlgNR 22. GP 10. Die „andere Hilfe“ – das SWRÄG hat die demonstrative Aufzählung solcher Hilfen erweitert – kann in einer bloß faktischen Unterstützung bestehen, kann aber auch rechtlicher Natur sein, die dazu beiträgt, eine bestimmte Willensbildung der behinderten Person zu verwirklichen (SZ 58/61), etwa durch Genehmigung einer Geschäftsführung (EF 96.798). Dies setzt voraus, dass noch ein bestimmtes Maß von zumindest zeitweiser Einsichts- und Urteilsfähigkeit der behinderten Person vorhanden ist, das sie noch zu eigenem Handeln befähigt (EF 96.800). Insb entfällt aber eine Sachwalterbestellung, wenn die behinderte Person zu einem Zeitpunkt, da sie noch geschäftsfähig gewesen ist, für die Besorgung ihrer Angelegenheiten durch Erteilung einer Vollmacht selbst vorgesorgt hat (s hiezu Stabentheiner/R § 273 Rz 3 mwN; 9 Ob 103/06x Zak 2007, 16). Ein spezifisch für diesen Zweck zur Verfügung stehendes Instrument ist die Vorsorgevollmacht nach §§ 284f–284h. Eine Patientenverfügung steht einer Sachwalterbestellung im Umfang ihrer Reichweite grundsätzlich nur dann entgegen, wenn es sich um eine „verbindliche“ Patientenverfügung iSd §§ 4–7 PatVG handelt; ob auch eine bloß „beachtliche“ Patientenverfügung iSd §§ 8, 9 PatVG, wenn sie in Form und Inhalt einer verbindlichen ganz nahe kommt (s § 9 S 2 PatVG), eine Sachwalterbestellung entbehrlich macht, ist zweifelhaft (dafür Barth, FamZ 2006, 72; dagegen Bernat, EF-Z 2006, 76). 5 Abs 2 S 3 hat vor allem sog Querulanten im Auge; für diese kann ein
Sachwalter nur dann bestellt werden, wenn sie zufolge psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung sich selbst, etwa durch offenbar aussichtslose oder kostenaufwändige mutwillige Prozessführung, Nachteile zufügen (3 Ob 2291/96z SZ 69/205). Das Interesse eines Dritten vermag eine Sachwalterbestellung nicht zu begründen (Stabentheiner/R § 273 Rz 4). Dritte haben daher auch weder Antragsnoch Rekursrecht, sondern können eine Sachwalterbestellung bloß anregen (§ 117 AußStrG; Erl 224 BlgNR 22. GP 79; NZ 1986, 131). 6 Die drei Stufen der Sachwalterschaft nach Abs 3 sind primär nicht
Ausdruck der Schwere der psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung, sondern des Umfangs der Angelegenheiten, die die behinderte Person konkret nicht zu besorgen in der Lage ist (Stabentheiner/R § 273 Rz 5). Dabei ist auf die aktuell zu besorgenden, nicht auf 222
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 269
alle künftig denkbaren oder möglichen Angelegenheiten abzustellen (Gamerith, NZ 1988, 64; aM Ramharter, ÖJZ 1995, 858 f); auf ein solches Verständnis der Regelung durch den Gesetzgeber weist auch die Vereinfachung des Verfahrens zur Einschränkung oder Erweiterung der Sachwalterschaft nach § 128 AußStrG hin (s auch Erl 224 BlgNR 22. GP 83). Für die dritte Stufe der Sachwalterschaft – für alle Angelegenheiten – hat das SWRÄG durch die Einfügung „soweit dies unvermeidlich ist“ das Prinzip der Erforderlichkeit iSd ultima-ratioGedankens verstärkt (vgl Erl 1420 BlgNR 22. GP 10). Abs 4 stellt klar, dass das Gericht bei Umschreibung des Wirkungs- 7 kreises des Sachwalters bestimmte Angelegenheiten aus diesem – nach allgemeinen Merkmalen umschriebenen – Wirkungskreis der selbständigen Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis der behinderten Person vorbehalten kann. Diese Angelegenheiten, etwa die Verfügung über einen bestimmten Teil des Einkommens, scheiden aus dem Aufgabenbereich des Sachwalters aus, es besteht auch keine konkurrierende Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis (s zur früheren Rechtslage Vorauflage § 273a Rz 2). b) für Ungeborene; § 269. In Rücksicht auf Ungeborne wird ein Kurator entweder für die Nachkommenschaft überhaupt, oder für eine bereits vorhandene Leibesfrucht (§ 22) aufgestellt. Im ersten Falle hat der Kurator dafür zu sorgen, daß die Nachkommenschaft bei einem ihr bestimmten Nachlasse nicht verkürzt werde; im zweiten Falle aber, daß die Rechte des noch ungebornen Kindes erhalten werden. [idF BGBl I 2006/92; bisher § 274 aF] Lit: Bernat, Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Kryokonservierung humaner Gameten und Embryonen, RZ 1989, 54; Gamerith, Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Schwangerschaftsunterbrechung an einer Minderjährigen? ÖA 1975, 25; Selb, Schädigung des Menschen vor Geburt – ein Problem der Rechtsfähigkeit? AcP 166 (1966) 76; J. Steiner, Ausgewählte Rechtsfragen der Insemination und Fertilisation, ÖJZ 1987, 513.
Im ersten Fall – Kurator für die Nachkommenschaft überhaupt – 1 geht es um die Vertretung von Personen, die noch nicht gezeugt sind. Praktisch wird diese Regelung bei fideikommissarischer Substitution oder bei unmittelbarer Einsetzung eines noch nicht Gezeugten als Erben (Stabentheiner/R § 274 Rz 1; SZ 48/89; EvBl 1978/94; 1 Ob 2259/96d RdM 1997, 121 Bernat). Der – vom Verlassenschaftsgericht zu bestellende (§ 156 Abs 1 AußStrG; Erl 224 BlgNR 22. GP 102) – Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 270
Substitutions- oder Posteritätskurator hat dafür zu sorgen, dass die noch nicht gezeugten Erben hinsichtlich des für sie bestimmten Nachlasses nicht verkürzt werden (EvBl 1978/97). S im Übrigen §§ 611 f. 2 Der zweite Fall betrifft den Kurator für die Leibesfrucht, der die
Rechte des bereits gezeugten, aber noch ungeborenen Kindes zu sichern hat (s § 22). Als Leibesfrucht gilt auch der in vitro gezeugte Embryo (Aicher/R § 22 Rz 2a mwN; vgl RdM 1997, 121 Bernat: keine Kuratorbestellung für einen in vitro gezeugten Embryo, der nach Implantierung zu keiner Schwangerschaft führte). Der Kurator hat allerdings die – durch die Geburt des Kindes aufschiebend bedingten – Rechte nur zu sichern, nicht geltend zu machen (Stabentheiner/R § 274 Rz 3). Ebenso wie ein Kurator nicht zur Verhinderung eines – nicht strafrechtswidrigen – Schwangerschaftsabbruchs bestellt werden kann (vgl VfGH VfSlg 7.400), kann er auch nicht die Aufbewahrung eines in vitro gezeugten Embryos über die höchst zulässige Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren hinaus (§ 17 Abs 1 FMedG) erwirken (s hiezu auch Stabentheiner/R § 274 Rz 2). c) für Abwesende und für unbekannte Teilnehmer an einem Geschäft; § 270. Die Bestellung eines Kurators für Abwesende, oder für die dem Gerichte zur Zeit noch unbekannten Teilnehmer an einem Geschäfte findet dann statt, wenn sie keinen ordentlichen Vertreter zurückgelassen haben, ohne solchen aber ihre Rechte durch Verzug gefährdet, oder die Rechte eines andern in ihrem Gange gehemmt würden und nicht in anderer Weise, etwa durch die Bestellung eines Kurators in einem bestimmten gerichtlichen Verfahren durch das dort zur Entscheidung berufene Gericht, für die Wahrung dieser Rechte Sorge getragen werden kann. Ist der Aufenthaltsort eines Abwesenden bekannt, so muß ihn sein Kurator von der Lage seiner Angelegenheiten unterrichten, und diese Angelegenheiten, wenn keine andere Verfügung getroffen wird, wie jene eines Minderjährigen besorgen. [idF BGBl I 2006/92; bisher § 276 aF] Lit: Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht (1974); Rassi, Der prozessuale Abwesenheitskurator, RZ 1996, 215; ders, Die Bestellung des Abwesenheitskurators, NZ 1998, 321.
1 Im ersten Fall geht es um die Bestellung eines Kurators für eine na-
mentlich bestimmte, lebende (LGZ Wien 44 R 843/97i EF 84.275), an sich geschäftsfähige (SZ 24/149), abwesende und unvertretene natür224
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 270
liche oder juristische Person; abwesend in diesem Sinn ist eine Person, die sich – gleich, ob ihr Aufenthalt bekannt ist oder nicht – nicht dort aufhält, wo ihre Anwesenheit erforderlich ist (Schwind, FamR 210). Der zweite Fall betrifft die Bestellung eines Kurators für namentlich nicht bestimmte, aber existierende, noch lebende Personen, die Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse, wie etwa behördliche Verfahren, zu führen hätten, wären sie bekannt (4 Ob 227/97d SZ 70/175; Stabentheiner/R ErgBd § 276 Rz 3). In beiden Fällen müssen als Voraussetzung der Kuratorbestellung 2 entweder die Rechte des abwesenden oder des unbekannten Teilnehmers durch Verzug gefährdet oder die Rechte eines Dritten in ihrem Gang gehemmt sein (Gefährdung ist diesfalls nicht erforderlich). Die Rechte des Abwesenden sind insb gefährdet, wenn deren Verlust droht, sei es etwa durch Verjährung oder Präklusion (Weitzenböck/S § 276 Rz 7; aA Wentzel/Piegler/K I/2, 523), sei es durch spätere Unmöglichkeit der Einbringung einer Forderung (Stabentheiner/R ErgBd § 276 Rz 2). Hemmung der Rechte in ihrem Gang liegt vor, wenn für jemanden die Rechtsdurchsetzung zufolge der Abwesenheit des Gegners unmöglich ist (vgl 8 Ob 506/93 NZ 1994, 134). Der in seinen Rechten Gehemmte muss zumutbare – nicht umfangreiche – Erhebungen über den Aufenthalt der abwesenden Person anstellen (EvBl 1951/235; LGZ Wien 43 R 274/96d EF 81.272). Mit dem KindRÄG 2001 wurde eine Subsidiaritätsklausel in den 3 § 276 („und nicht in anderer Weise ... für die Wahrung dieser Rechte Sorge getragen werden kann“) eingefügt, durch die insb das Verhältnis des § 276 zu § 116 ZPO iS eines Vorrangs der zuletzt genannten Bestimmung festgelegt wurde: Ergibt sich in einem gerichtlichen Verfahren die Notwendigkeit der Vorsorge für jemanden unbekannten Aufenthalts, so hat grundsätzlich das betreffende Gericht – nach § 116 ZPO oder nach § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG – einen Kurator zu bestellen. Nur wenn von vornherein klar ist, dass wegen weiterer erforderlicher Handlungen für den Abwesenden außerhalb des Verfahrens die Voraussetzungen des § 276 vorliegen, ist nach dieser Bestimmung vorzugehen (Erl 296 BlgNR 21. GP 80). In diesem Sinn ist auch § 5 Abs 2 Z 2 lit b AußStrG, wonach das Gericht für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters „zu sorgen“ hat, zu verstehen; das Gericht hat dem für die Bestellung eines Abwesenheitskurators zuständigen Gericht Anzeige von der Notwendigkeit einer solchen Bestellung zu machen (Erl 224 BlgNR 22. GP 25). Zur Übernahme des Amtes eines Abwesenheitskurators sind Rechts- 4 anwälte und Notare grundsätzlich verpflichtet (§ 274 Abs 2; vgl Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§§ 271–272
NZ 1994, 134). Wurde ein Abwesenheitskurator zu Unrecht bestellt, so ist das mit ihm abgewickelte Verfahren nichtig (4 Ob 2351/96f ÖA 1997, 94). Wie ein Sachwalter oder eine „andere mit der Obsorge betraute Person“ iSd § 187 ist auch der Abwesenheitskurator kein Organ des Bundes iSd AHG, so dass seine Haftung für einen dem Kuranden zugefügten Schaden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen ist (SZ 38/11; s hiezu nun § 277). d) im Kollisionsfall; § 271. (1) Widerstreiten einander in einer bestimmten Angelegenheit die Interessen einer minderjährigen oder sonst nicht voll handlungsfähigen Person und jene ihres gesetzlichen Vertreters, so hat das Gericht der Person zur Besorgung dieser Angelegenheiten einen besonderen Kurator zu bestellen. (2) Der Bestellung eines Kurators bedarf es nicht, wenn eine Gefährdung der Interessen des minderjährigen Kindes oder der sonst nicht voll handlungsfähigen Person nicht zu besorgen ist und die Interessen des minderjährigen Kindes oder der sonst nicht voll handlungsfähigen Person vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden können. Dies gilt im Allgemeinen in Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des Kindes nach § 140 und § 148, auch wenn es durch den betreuenden Elternteil vertreten wird, sowie in Verfahren über Ansprüche nach § 266 Abs. 1 und 2 oder § 267. [idF BGBl I 2000/135]
§ 272. (1) Widerstreiten einander die Interessen zweier oder mehrerer minderjähriger oder sonst nicht voll handlungsfähiger Personen, die denselben gesetzlichen Vertreter haben, so darf dieser keine der genannten Personen vertreten. Das Gericht hat für jede von ihnen einen besonderen Kurator zu bestellen. (2) § 271 Abs. 2 gilt entsprechend. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Arturo, Kollisionskurator für Privatstiftung mit minderjährigen Stiftern? RdW 1998, 6; Dullinger, Die gesetzliche Vertretung Minderjähriger bei Rechtsgeschäften, RZ 1986, 202; Fenyves, Die zivilrechtliche Anerkennung von Vereinbarungen zwischen Angehörigen, in Ruppe, Familienverträge 59; W. Jud/Grünwald, Zivilrechtliche Probleme der Anerkennung von Personengesellschaftsverträgen zwischen Familienangehörigen, in Ruppe, Familienverträge 277; Klement, Vertretungsbedürftige und ihre Vertretung im Verlassenschaftsverfahren, NZ 1979, 109; Schwarzl, Obsorge, Kuratel und Sachwalterschaft nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform 19.
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§§ 271–272
Die §§ 271 und 272 wurden durch das KindRÄG 2001 zwar neu ge- 1 fasst, im Wesentlichen wurden damit aber bloß Klarstellungen iSd hM zu den Vorgängerbestimmungen getroffen, so dass die bisherige Lehre und Rspr im Ergebnis gültig bleiben (Erl 296 BlgNR 21. GP 79 f). Die Bestimmungen sind analog auch auf andere, nicht zwischen gesetzlichen Vertretern und ihren Pflegebefohlenen spielende Kollisionsfälle anzuwenden (Stabentheiner/R ErgBd Rz 10; K/W I 216; 4 Ob 174/99p EvBl 2000/2). Voraussetzung der – auch von Amts wegen vorzunehmenden (JBl 2 1969, 93; Stabentheiner/R ErgBd Rz 4) – Bestellung eines Kollisionskurators ist der Widerstreit der Interessen – also das Vorliegen einer materiellen, nicht bloß formellen Kollision (Erl 296 BlgNR 21. GP 79 f; so schon Rspr und Lehre vor dem KindRÄG 2001: SZ 53/136; EvBl 2000/2; Wentzel/Piegler/K I/2, 500) – einer nicht eigenberechtigten Person und ihres gesetzlichen Vertreters in einer bestimmten, vom Wirkungskreis des gesetzlichen Vertreters erfassten Angelegenheit (also nicht in einer Angelegenheit, in der dem Pflegebefohlenen volle Geschäftsfähigkeit zukommt: Dullinger, RZ 1986, 205). Es muss dabei nicht unbedingt um – unmittelbare – Interessen des gesetzlichen Vertreters gehen, der Kollisionsfall kann sich auch aus den Interessen eines Dritten ergeben, denen der gesetzliche Vertreter zuneigt (10 Ob 502/96 JBl 1996, 651). Die Kuratorbestellung setzt nach Abs 2 weiters voraus, dass auf 3 Grund des objektiven Interessenwiderstreits konkret eine Gefährdung der Interessen des Pflegebefohlenen zu besorgen ist (2 Ob 102/97g EF 84.268) und diese Interessen auch nicht ausreichend vom Gericht wahrgenommen werden können. Für die Verfahren zur Durchsetzung des Unterhalts nach § 140, zur Regelung des Besuchsrechts nach § 148 und zur Entscheidung über die Ansprüche nach § 266 Abs 1 und 2 (nicht auch Abs 3) und nach § 267 vermutet das Gesetz eine solche ausreichende Interessenwahrnehmung durch das Gericht. Gleiches gilt auch für Verfahren über Ansprüche nach § 276 (ausgenommen solche nach Abs 1 S 2 HS 2, die denen nach § 266 Abs 3 entsprechen), die vor dem SWRÄG – kraft der Verweisung des früheren § 282 Abs 1 – durch §§ 266, 267 erfasst waren (vgl 6 Ob 160/05f EF 110.989); die Unterlassung einer entsprechenden Ergänzung des § 271 Abs 2 ist offenbar ein Redaktionsversehen. Der Begriff „Angelegenheit“ (vgl § 273) ist umfassend, er schließt 4 ein- und mehrseitige Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen, das Führen eines Rechtsstreites und behördlicher Verfahren ein (vgl 7 Ob 626/93 EF 71.164; 2 Ob 102/97g EF 84.264); er ist letztlich so weit zu verstehen, wie eine Kollision im materiellen Sinn droht (EvBl 2000/2). Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 273
5 Auch die Bestellung eines Kurators nach § 272 setzt – wie jene nach
§ 271 – Kollision im materiellen Sinn voraus; die bloße Tatsache der Vertretung zweier oder mehrerer Pflegebefohlener durch einen Vertretungsbefugten reicht also nicht aus; es muss ein Interessenwiderstreit vorliegen, auf Grund dessen eine Gefährdung der Interessen zumindest eines Pflegebefohlenen zu besorgen ist (§ 272 Abs 2 iVm § 271 Abs 2). 6 Mangels der gebotenen Bestellung eines Kollisionskurators ist der im
Kollisionsfall geschlossene Vertrag ungültig (JBl 1971, 200; SZ 54/20), Verfahren sind mit dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO (1 Ob 571/95 SZ 68/146) bzw dem Abänderungsgrund des § 73 Abs 1 Z 2 AußStrG behaftet. Sanierung, insb durch nachträgliche Genehmigung der Verfahrensführung durch einen im Nachhinein bestellten Kurator oder durch schriftliche Anerkennung der Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft durch den volljährig Gewordenen gemäß § 154 Abs 4, ist möglich. Bestellung § 273. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters oder Kurators ist auf die Art der Angelegenheiten, die für die zu vertretende Person (den Pflegebefohlenen) zu besorgen sind, zu achten. (2) Mit der Sachwalterschaft oder Kuratel dürfen nicht betraut werden 1. nicht eigenberechtigte Personen; 2. Personen, von denen, besonders auch wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung, eine dem Wohl des Pflegebefohlenen förderliche Ausübung der Sachwalterschaft oder Kuratel nicht zu erwarten ist. [idF BGBl I 2006/92; Abs 1 folgt § 280 HS 1 aF]
1 Der dem Gericht mit der Festlegung der allgemeinen Kriterien für die
Auswahl eines Kurators oder Sachwalters eingeräumte weite Ermessensspielraum trägt der Verschiedenheit der Aufgaben eines Kurators und des Sachwalters Rechnung (Erl 742 BlgNR 15. GP 20; Ent/Hopf, Das Sachwalterrecht für Behinderte, 1983, 49). 2 Seit der Abkoppelung des Sachwalter- und Kuratelrechts vom Ob-
sorgerecht durch das SWRÄG besteht eine eigene Regelung der Untauglichkeit für das Amt eines Sachwalters und Kurators, die sich freilich an dem früher maßgeblichen § 188 Abs 2 (s Schauer, NZ 2001, 283) orientiert. Die – gegenüber § 188 Abs 2 geänderte – Fassung des Abs 2 Z 1 wirft die Frage nach dem Inhalt des Begriffs „eigenberech228
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 274
tigt“ auf. Nach Erl 1420 BlgNR 22. GP 12 handelt es sich bei nicht eigenberechtigten Personen „einerseits um nicht voll geschäftsfähige und andererseits um nicht voll einsichts- und urteilsfähige Personen“. Das steht im Widerspruch zu § 138b (s Rz 1 hiezu), der von „einsichtsund urteilsfähigen Personen, wenn sie nicht eigenberechtigt sind“ handelt (s hiezu auch Erl 471 BlgNR 22. GP 13), somit die Einsichtsund Urteilsfähigkeit von der Eigenberechtigung unterscheidet. Richtigerweise ist der Begriff „Eigenberechtigung“ als Statusbegriff zu verstehen und umfasst – wovon auch § 138b ausgeht – Personen, die volljährig sind und für die kein Sachwalter bestellt ist (Schwimann, EF-Z 2006, 69 FN 2 mwN). Personen, die mangels Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht zum Sachwalter oder Kurator bestellt werden dürfen, sind durch Abs 2 Z 2 erfasst. Insofern ist die Frage des Begriffsinhalts der Z 1 bloß von theoretischer Bedeutung. Da eine strafgerichtliche Verurteilung ein Indiz für die mangelnde 3 Eignung als Sachwalter oder Kurator sein kann, wird das Gericht bei Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Verurteilung eine Strafregisterauskunft einholen. § 274. (1) Derjenige, den das Gericht zum Sachwalter (Kurator) bestellen will, hat alle Umstände, die ihn dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht mitzuteilen. Unterlässt er diese Mitteilung schuldhaft, so haftet er für alle dem Pflegebefohlenen daraus entstehenden Nachteile. (2) Ein Rechtsanwalt oder Notar kann die Übernahme einer Sachwalterschaft (Kuratel) nur ablehnen, wenn ihm diese unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann. Dies wird bei mehr als fünf Sachwalterschaften (Kuratelen) vermutet. [idF BGBl I 2006/92]
Die Mitteilungspflicht nach Abs 1 entspricht § 189 Abs 1. Ihre 1 schuldhafte – auch bloß fahrlässige – Verletzung löst die Verpflichtung zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens aus. Im Zuge der Ausgliederung des Sachwalter- und Kuratelrechts aus 2 dem IV. Hauptstück wurde auch die Verpflichtung zur Übernahme des Amts eines Sachwalters oder Kurators gesondert geregelt (vgl § 189 Abs 2 Rz 2 sowie § 213 Rz 2). Sie ergibt sich aus Abs 2 sowie – nur hinsichtlich des Sachwalters – überdies aus § 279 Abs 3 und 5. Rechtsanwälte und Notare (nicht auch Anwärter bzw Kandidaten) sind grundsätzlich verpflichtet, eine Sachwalterschaft oder Kuratel zu übernehmen. Sie können nur bei Unzumutbarkeit die Übernahme des Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 275
Amtes ablehnen. Als Gründe kommen etwa ein feindseliges Verhältnis zum Pflegebefohlenen, eine große Entfernung zu dessen Aufenthaltsort oder besondere familiäre oder berufliche Belastungen in Betracht (Erl 1420 BlgNR 22. GP 13). Hat ein Rechtsanwalt oder Notar bereits fünf Sachwalterschaften oder Kuratelen, so wird die Unzumutbarkeit der Übernahme weiterer vermutet. Der gesetzlichen Vermutung kann etwa entgegengehalten werden, dass die bereits übertragenen Sachwalterschaften bloß – wenig aufwändige – Einzelangelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 1) betreffen. Zur Grundrechtskonformität der Regelung s § 189 Rz 2. Rechte und Pflichten § 275. (1) Die Sachwalterschaft (Kuratel) umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die dem Sachwalter (Kurator) übertragenen Angelegenheiten zu besorgen. Der Sachwalter (Kurator) hat dabei das Wohl des Pflegebefohlenen bestmöglich zu fördern. (2) In wichtigen, die Person des Pflegebefohlenen betreffenden Angelegenheiten hat der Sachwalter (Kurator) die Genehmigung des Gerichts einzuholen. Ohne Genehmigung getroffene Maßnahmen oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und unwirksam, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt. (3) In Vermögensangelegenheiten gelten die §§ 229 bis 234 sinngemäß. [idF BGBl I 2006/92]
1 Abs 1 S 1 stellt klar, dass zum Wirkungsbereich eines Sachwalters
(Kurators) alle Aufgaben und Befugnisse gehören, die zur Besorgung der übertragenen Angelegenheiten erforderlich sind, auch wenn sie nicht im Bestellungsbeschluss angeführt sind. Das bezieht sich insb auf die Vertretung des Pflegebefohlenen. Zu den vom Aufgabenbereich des Sachwalters ausgenommenen höchstpersönlichen Angelegenheiten s § 268 Rz 3. Die im S 2 verankerte Pflicht zur bestmöglichen Förderung des Wohles des Pflegebefohlenen ist Ausdruck eines allgemeinen, aus § 21 hervorleuchtenden Grundsatzes. 2 Zu Abs 2 s den im Wesentlichen wortgleichen § 216 Abs 1. Obgleich
– anders als § 216 – auf § 154 Abs 2 (wegen dessen zum Teil spezifisch kindschaftsrechtlichen Inhalts: Erl 1420 BlgNR 22. GP 14) nicht verwiesen wird, kann diese Regelung für die Auslegung des Begriffes „wichtige, die Person des Pflegebefohlenen betreffende Angelegenheiten“ herangezogen werden. Besonderes gilt hinsichtlich des Sachwalters für medizinische Behandlungen (§ 283), Sterilisation und Forschung (§ 284) sowie Wohnortbestimmung (§ 284a). 230
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 276
Mit der Verweisung in Abs 3 werden auch die in § 229 Abs 2 bezoge- 3 nen Regelungen des § 154 Abs 3 und 4 in das Sachwalter- und Kuratelrecht rezipiert. Für die Vermögensverwaltung durch den Sachwalter ist überdies § 281 Abs 3 zu beachten. Zum Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung eines Heimvertrags s § 27d Abs 6 KSchG. Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz § 276. (1) Dem Sachwalter (Kurator) gebührt unter Bedachtnahme auf Art und Umfang seiner Tätigkeit, insbesondere auch im Bereich der Personensorge, und des damit gewöhnlich verbundenen Aufwands an Zeit und Mühe eine jährliche Entschädigung. Diese beträgt fünf Prozent sämtlicher Einkünfte nach Abzug der hievon zu entrichtenden Steuern und Abgaben, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind; bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen des Sachwalters kann das Gericht die Entschädigung auch mit bis zu zehn Prozent dieser Einkünfte bemessen. Übersteigt der Wert des Vermögens des Pflegebefohlenen 10 000 Euro, so ist darüber hinaus pro Jahr zwei Prozent des Mehrbetrags an Entschädigung zu gewähren. Das Gericht hat die Entschädigung zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen für angemessen hält. (2) Nützt der Sachwalter (Kurator) für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat er hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit beim Pflegebefohlenen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden. (3) Die zur zweckentsprechenden Ausübung der Sachwalterschaft (Kuratel) notwendigen Barauslagen, die tatsächlichen Aufwendungen und die Kosten einer zur Deckung der Haftung nach § 277 abgeschlossenen Haftpflichtversicherung sind dem Sachwalter vom Pflegebefohlenen jedenfalls zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden. (4) Ansprüche nach den vorstehenden Absätzen bestehen insoweit nicht, als durch sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre. [idF BGBl I 2006/92; Vorläufer §§ 266, 267 aF] Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 277
1 Im Sinn der Abkoppelung des Sachwalter- und Kuratelrechts vom
Recht der Obsorge einer anderen Person nach den §§ 187 ff (Viertes Hauptstück) wurde mit dem SWRÄG auch eine eigene Regelung für den Anspruch des Sachwalters (Kurators) auf Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz geschaffen. Diese entspricht inhaltlich weitgehend den §§ 266, 267 (Erl 1420 BlgNR 22. GP 14 f). In Abs 1 S 2 HS 2 sowie in Abs 3 fehlt jeweils nach dem Wort „Sachwalter“ die Anführung „(Kurator)“. Dabei handelt es sich offenbar um Redaktionsversehen, wenngleich der Gesetzgeber im ersten Fall wohl in erster Linie die Entschädigung für den Sachwalter vor Augen hatte (s Weitzenböck/S ErgBd Rz 4 FN 9). 2 Die wesentliche Abweichung von der Regelung der Entschädigung zu
der des § 266 Abs 2 besteht in dem – von besonderen Verdiensten unabhängigen – Anspruch des Sachwalters (Kurators) auf jährlich 2% des den Betrag von € 10.000 übersteigenden Vermögens der behinderten Person. Aus der Formel des Abs 1 S 1 „unter Bedachtnahme auf Art und Umfang seiner Tätigkeit“ ist abzuleiten, dass der Anspruch einen Bezug des Wirkungskreises des Sachwalters (Kurators) zum Vermögen des Pflegebefohlenen voraussetzt. Im Übrigen wird dieser Anspruch nur durch die Kürzungsbestimmung des Abs 1 S 4 eingeschränkt (s die Kritik von Weitzenböck/S ErgBd Rz 3 f). Besondere Bedeutung kommt im Sachwalterrecht auch der Möglichkeit zu, die Entschädigung bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen des Sachwalters – in Betracht kommen hier vor allem auch Maßnahmen im Rahmen der Personensorge – auf bis zu 10% der Einkünfte der behinderten Person anzuheben (s hiezu Erl 1420 BlgNR 22. GP 14). 3 Die Grenze für die Zuerkennung von Entschädigung, Entgelt und
Aufwandsersatz zieht Abs 4: dem Pflegebefohlenen muss jener Betrag verbleiben, ohne den die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet wäre. Orientierungsgrößen hiefür sind der Richtsatz für die Ausgleichszulage nach ASVG und das Existenzminimum nach § 291a EO (LG Salzburg 21 R 275/05w EF 110.986). Haftung § 277. Der Sachwalter (Kurator) haftet dem Pflegebefohlenen für jeden durch sein Verschulden verursachten Schaden. Der Richter kann die Ersatzpflicht insoweit mäßigen oder ganz erlassen, als sie den Sachwalter (Kurator) unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Grades des Verschuldens oder eines besonderen 232
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 278
Naheverhältnisses zwischen dem Pflegebefohlenen und dem Sachwalter (Kurator), unbillig hart träfe. [idF BGBl I 2006/92; Vorläufer § 264 Abs 1, § 265 aF]
Die Bestimmung entspricht inhaltlich § 264 Abs 1 und § 265. Nicht 1 in das Sachwalter(Kuratel)recht übernommen wurde § 264 Abs 2 über die Haftung des Obsorgeträgers für Gehilfen. Auf die Haftung des Sachwalters (Kurators) für Gehilfen, deren er sich zur Erfüllung seiner Aufgabe gegenüber dem Pflegebefohlenen bedient, ist somit § 1313a anzuwenden. Änderung und Beendigung § 278. (1) Das Gericht hat die Sachwalterschaft (Kuratel) auf Antrag oder von Amts wegen einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter (Kurator) stirbt, nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amtes nicht zugemutet werden kann, einer der Umstände des § 273 Abs. 2 eintritt oder bekannt wird oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert. § 145 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. (2) Der Sachwalter (Kurator) ist auf Antrag oder von Amts wegen zu entheben, wenn die Voraussetzungen für seine Bestellung nach den §§ 268 bis 272 wegfallen; fallen diese Voraussetzungen nur für einen Teil der dem Sachwalter (Kurator) übertragenen Angelegenheiten weg, so ist sein Wirkungskreis einzuschränken. Sein Wirkungskreis ist zu erweitern, wenn dies erforderlich ist. Stirbt der Pflegebefohlene, so erlischt die Sachwalterschaft (Kuratel). § 172 Abs. 2 sind sinngemäß anzuwenden. (3) Das Gericht hat in angemessenen, fünf Jahre nicht überschreitenden Zeitabständen zu prüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Beendigung oder Änderung der Sachwalterschaft (Kuratel) erfordert. [idF BGBl I 2006/92; Abs 2 HS 1 folgt § 283 Abs 1 S 1 aF, Abs 3 folgt § 283 Abs 2 aF]
Abs 1 regelt die Voraussetzungen der Umbestellung eines Sachwal- 1 ters (Kurators). Ein anderer Sachwalter (Kurator) ist demnach zu bestellen, wenn der bisherige wegen Todes oder wegen Unzumutbarkeit der Ausübung des Amtes (s § 274 Abs 2) ausscheidet oder das Wohl des Pflegebefohlenen es erfordert; ausdrücklich angeführt wird dabei die mangelnde Eignung des Sachwalters (Kurators) und der Eintritt eines Umstandes des § 273 Abs 2 (Verlust der Eigenberechtigung; Hervorkommen einer entsprechenden strafgerichtlichen Verurteilung). Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 279
2 Zu entheben ist ein Sachwalter (Kurator), wenn die Voraussetzungen
der Bestellung wegfallen. Desgleichen kann es erforderlichenfalls bei entsprechender Änderung der Bestellungsvoraussetzungen zu einer Einschränkung oder Erweiterung der Sachwalterschaft (Kuratel) kommen. Dies hat das Gericht in angemessenen, längstens fünfjährigen Zeitabständen zu prüfen. Von selbst erlischt die Sachwalterschaft (Kuratel) im Fall des Todes des Pflegebefohlenen. Besondere Vorschriften für die Sachwalterschaft a) Auswahl des Sachwalters; § 279. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters ist besonders auf die Bedürfnisse der behinderten Person und darauf Bedacht zu nehmen, dass der Sachwalter nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung steht, in der sich die behinderte Person aufhält oder von der sie betreut wird. Wünsche der behinderten Person, insbesondere solche, die sie vor Verlust der Geschäftsfähigkeit und Einsichts- und Urteilsfähigkeit geäußert hat (Sachwalterverfügung), und Anregungen nahe stehender Personen sind zu berücksichtigen, sofern sie dem Wohl der behinderten Person entsprechen. (2) Einer behinderten Person ist eine geeignete, ihr nahe stehende Person zum Sachwalter zu bestellen. Wird eine behinderte Person volljährig, so ist ein bisher mit der Obsorge betrauter Elternteil zum Sachwalter zu bestellen, sofern dies dem Wohl der behinderten Person nicht widerspricht. (3) Ist eine geeignete, nahe stehende Person nicht verfügbar, so ist ein geeigneter Verein mit dessen Zustimmung zum Sachwalter zu bestellen. Kommt auch ein Verein nicht in Betracht, so ist nach Maßgabe des § 274 Abs. 2 ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder eine andere geeignete Person mit deren Zustimmung zu bestellen. (4) Ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) ist vor allem dann zum Sachwalter zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein geeigneter Verein vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Sachwalterschaft verbunden sind. (5) Eine Person darf nur so viele Sachwalterschaften übernehmen, wie sie unter Bedachtnahme auf die Pflichten eines Sachwalters, insbesondere jene zur persönlichen Kontaktnahme, ordnungsgemäß besorgen kann. Eine Person – ausgenommen ein geeigneter 234
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 279
Verein – darf insgesamt nicht mehr als fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bleiben dabei außer Betracht. [idF BGBl I 2006/92; Abs 1 HS 1 folgt § 280 HS 2 aF; Abs 2– 4 folgt § 281 aF] Lit: Barth, Der Rechtsanwalt als Sachwalter, ÖJZ 2005, 53; s auch bei § 268.
Maßgebend für die Auswahl des Sachwalters für eine behinderte 1 Person sind deren – unter dem Gesichtspunkt ihres Wohles zu beurteilenden – Bedürfnisse, die sich insb aus der Art der zu besorgenden Angelegenheiten ergeben (§ 273 Abs 1). Negatives Auswahlkriterium ist die Bedachtnahme auf die Abhängigkeit von oder eine andere enge Beziehung zu einer Einrichtung, in der sich die behinderte Person aufhält oder von der sie betreut wird. Damit streicht das Gesetz einen Spezialfall des Verdachts einer Interessenkollision hervor, die das Gericht zur Wahrung des Wohles der behinderten Person ganz allgemein zu prüfen hat (Schauer, ÖJZ 2007, 179). Zu berücksichtigen – also nicht bindend – sind Wünsche der behinderten Person. Ein besonderes Gewicht kommt dabei schriftlichen Äußerungen vor Verlust der Geschäfts- bzw Einsichts- und Urteilsfähigkeit in einer nach § 140h Abs 1 Z 1 NO registrierten Sachwalterverfügung zu. Schriftform und Registrierung sind zwar keine Kriterien für die Wirksamkeit einer solchen Äußerung der behinderten Person, sie können aber maßgeblich für deren Berücksichtigung sein (Erl 1420 BlgNR 22. GP 16). Die Abs 2–4 geben – vorbehaltlich der allgemeinen Auswahlkriterien 2 (Rz 1) – eine Reihung der zum Sachwalter berufenen Personen vor: In erster Linie ist eine nahestehende Person berufen, das ist bei volljährig werdenden behinderten Personen der bisher mit der Obsorge betraute Elternteil, dann – mangels Verfügbarkeit einer nahestehenden Person – ein Verein nach dem VSPAG (nicht also, wie früher, ein Mitarbeiter des Vereins; zum Übergangsrecht s Art X § 4 Abs 1 SWRÄG) und schließlich – mangels Zustimmung eines Vereins – ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder – mit Zustimmung – eine andere geeignete Person. Durchbrochen wird die Reihung, wenn mit der Sachwalterschaft besondere Anforderungen verbunden sind: Bedarf es vorwiegend Rechtskenntnisse, so ist primär ein Rechtsanwalt oder Notar oder ein entsprechender Berufsanwärter berufen, bei sonstigen besonderen Anforderungen, wie sie sich etwa aus der sozialen Situation oder aus der psychischen Verfassung der behinderten Person ergeben können (Erl 1420 BlgNR 22. GP 18: „schwierige Klienten“), ein Sachwalterverein. Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 280
3 Eine Verpflichtung zur Übernahme einer Sachwalterschaft besteht
nach § 274 Abs 2 für Rechtsanwälte und Notare. Rechtsanwaltsanwärter und Notariatskandidaten, für die § 274 Abs 2 nicht gilt, sowie Sachwaltervereine und andere geeignete Personen müssen ihrer Bestellung zustimmen. Inwieweit nahestehende Personen zur Übernahme einer Sachwalterschaft verpflichtet sind, ergibt sich nicht aus § 279. Eine Verpflichtung kann allenfalls aus der allgemeinen familiären Beistandspflicht (§ 90 Abs 1, § 137 Abs 2) abgeleitet werden (Erl 1420 BlgNR 22. GP 13). Dabei wird man dem nahen Angehörigen aber auch die Unzumutbarkeitsregel des § 274 Abs 2 zubilligen müssen. Freilich wird im Allgemeinen die mangelnde Bereitschaft zur Übernahme der Sachwalterschaft einer Bestellung schon unter dem Gesichtspunkt der Eignung entgegenstehen. 4 Abs 5 beschränkt die Anzahl der Sachwalterschaften, die einer Per-
son übertragen werden dürfen, und zwar im S 1 relativ unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Aufgabenbesorgung, im S 2 absolut durch Festlegung von 5 bzw 25 Sachwalterschaften. Ausgenommen von der zahlenmäßigen Beschränkung sind einerseits Sachwaltervereine und anderseits Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 1). Nach Art X § 4 Abs 2 SWRÄG sind diese zahlenmäßigen Vorgaben ab 1.7.2007 bei erstmaliger Bestellung zum Sachwalter anzuwenden. Soweit zu diesem Zeitpunkt die von einer Person übernommenen Sachwalterschaften bereits die Zahl von 5 bzw 25 übersteigen, sind sie tunlichst bis 1.7.2010, soweit sie nicht ohnedies beendet werden, durch Umbestellung zu reduzieren. Die Möglichkeiten hiefür hat das Gericht bis dahin (JAB 1511 BlgNR 22. GP 3; insofern überholt Erl 1420 BlgNR 22. GP 35) in angemessenen Zeitabständen zu prüfen. b) Geschäftsfähigkeit der behinderten Person; § 280. (1) Die behinderte Person kann innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. (2) Schließt die behinderte Person im Rahmen des Wirkungskreises des Sachwalters ein Rechtsgeschäft, das eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft, so wird dieses Rechtsgeschäft mit der Erfüllung der die behinderte Person treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam. [idF BGBl I 2006/92; Abs 1 bisher § 273a Abs 1 S 1 aF, Abs 2 folgt § 273a Abs 2 aF]
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Hopf
Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 281
Lit: S bei § 268.
Mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die (endgültige) Sach- 1 walterbestellung – die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters wird gemäß § 120 AußStrG sofort wirksam – wird die behinderte Person im Wirkungskreis des Sachwalters in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt. Auch wenn die behinderte Person, etwa in einem lucidum intervallum, tatsächlich einsichts- und urteilsfähig ist, bedarf sie zu rechtsgeschäftlichen Verfügungen und Verpflichtungen der Einwilligung des Sachwalters. Insofern ist die Sachwalterbestellung konstitutiv. Sie ist aber nicht in dem Sinn konstitutiv, dass sie eine – tatsächlich nicht vorhandene – (beschränkte) Geschäftsfähigkeit außerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters oder innerhalb dieses Wirkungskreises bei Fehlen des Gebrauchs der Vernunft iSd § 865 S 1 verschafft (Stabentheiner, AnwBl 1985, 290; Gamerith, NZ 1988, 65). Innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters steht die behinderte Person einem Unmündigen über sieben Jahren (§ 151 Abs 1) gleich (Erl 742 BlgNR 15. GP 18 f). Die Bestellung eines Sachwalters bezieht sich aber nicht auf das die behinderte Person betreffende Sachwalterverfahren, etwa wenn es um widerstreitende Anträge des Sachwalters und des Betroffenen (5 Ob 559/94 NZ 1996, 340) oder sonst um Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen iSd § 281 Abs 2 geht. Insb kann der Betroffene – wenn er nicht gänzlich des Gebrauchs der Vernunft iSd § 865 beraubt ist – im Sachwalterverfahren gefällte Entscheidungen mit von ihm verfassten und eingebrachten Rechtsmitteln selbständig bekämpfen und auch einen Rechtsanwalt zur Wahrung seiner Interessen bevollmächtigen (1 Ob 277/03x EF 104.563; 10 Ob 63/05z EF 111.000). Von der Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der behinderten Per- 2 son durch die Sachwalterbestellung gibt es zwei Ausnahmen: Die gerichtliche Einräumung der freien Verfügungs- und Verpflichtungsfähigkeit über bestimmte Sachen oder das Einkommen der behinderten Person (§ 268 Abs 4) sowie die ex-lege-Verpflichtungs- und Verfügungsfähigkeit der behinderten Person hinsichtlich sog Taschengeldgeschäfte des Abs 2 nach dem Vorbild des § 151 Abs 3 (s § 151 Rz 5); die nach dieser Bestimmung maßgebliche Altersgemäßheit der Rechtsgeschäfte spielt freilich bei behinderten Personen eine geringere Rolle. c) Berücksichtigung des Willens und der Bedürfnisse der behinderten Person; § 281. (1) Der Sachwalter hat danach zu trachten, dass die behinderte Person im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 281
Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann. (2) Die behinderte Person hat das Recht, von beabsichtigten, ihre Person oder ihr Vermögen betreffenden wichtigen Maßnahmen vom Sachwalter rechtzeitig verständigt zu werden und sich hiezu, wie auch zu anderen Maßnahmen, in angemessener Frist zu äußern; diese Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl der behinderten Person nicht weniger entspricht. (3) Ist der Sachwalter mit der Verwaltung des Vermögens oder des Einkommens der behinderten Person betraut, so hat er diese vorrangig zur Deckung der den persönlichen Lebensverhältnissen entsprechenden Bedürfnisse der behinderten Person zu verwenden. (4) Ist das Wohl der behinderten Person gefährdet, so hat das Gericht jederzeit, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung ihres Wohles nötigen Verfügungen zu treffen. [idF BGBl I 2006/92; Abs 2 folgt § 273a Abs 3 aF] Lit: S bei § 268.
1 Abs 1 ist Ausdruck der mit dem SWRÄG angestrebten Stärkung der
Selbstbestimmung behinderter Personen. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflicht des Sachwalters kann Grund für einen Wechsel in der Person des Sachwalters gemäß § 278 Abs 1 sein. 2 Abs 2 entspricht dem früheren § 273a Abs 3. Das Informations- und
Äußerungsrecht der behinderten Person ist jenem Mj nach § 178 nachgebildet. Im Unterschied zu dieser Bestimmung hat der Sachwalter die Äußerung der behinderten Person schon dann zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl der behinderten Person nicht weniger entspricht. Die Informationspflicht des Sachwalters hat dort ihre Grenzen, wo eine Verständigung mit der behinderten Person auf Grund der Art ihrer Behinderung oder ihrer psychischen Erkrankung nicht möglich ist. Dem Informations- und Äußerungsrecht kommt nur im Verhältnis zwischen behinderter Person und Sachwalter Bedeutung zu; seine Verletzung berührt die Gültigkeit von Rechtshandlungen des Sachwalters nicht. 3 Die Handlungsanleitung für den Sachwalter nach Abs 3 drückt den
Vorrang der Befriedigung aktueller, den persönlichen Lebensverhältnissen entsprechender Bedürfnisse vor einer Hortung und Vermehrung des Vermögens der behinderten Person aus. Insb bei älteren Menschen können nicht nur die Einkünfte, sondern auch das Vermögen zur Bedürfnisbefriedigung herangezogen werden (vgl 3 Ob 75/02d JBl 2003, 571; Schauer, NZ 2001, 282). 238
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 283
Abs 4 ist dem § 176 nachgebildet und soll sicherstellen, dass das Ge- 4 richt, auf welche Weise es auch immer von einer Gefährdung des Wohles der behinderten Person erfährt, die erforderlichen Maßnahmen treffen kann. Parteistellung kommt einem allfälligen „Informanten“ nicht zu (Weitzenböck/S ErgBd Rz 5). d) Personensorge; § 282. Der Sachwalter hat mit der behinderten Person in dem nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt zu halten und sich darum zu bemühen, dass der behinderten Person die gebotene ärztliche und soziale Betreuung gewährt wird. Sofern der Sachwalter nicht bloß zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bestellt ist, soll der Kontakt mindestens einmal im Monat stattfinden. [idF BGBl I 2006/92; Vorläufer § 282 Abs 2 aF] Lit: Schauer, Zur Bestellung eines Sachwalters ausschließlich für den Bereich der Personensorge, FamZ 2006, 19; s auch bei § 268.
Der Sachwalter ist unabhängig von seinem Wirkungskreis zu einem 1 bestimmten Mindestmaß an Personensorge verpflichtet: zum persönlichen Kontakt und zum Bemühen um die gebotene ärztliche und soziale Betreuung. Für den persönlichen Kontakt, der grundsätzlich am Wohnort der behinderten Person stattfinden soll (Erl 1420 BlgNR 22. GP 19), gibt das Gesetz als Richtschnur („soll“) mindestens einmal im Monat vor. Diese Intervalle können, etwa wenn der Sachwalter bloß mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten betraut ist, länger, uU, etwa in Krisensituationen, auch kürzer sein. Über seine persönlichen Kontakte mit der behinderten Person hat der Sachwalter gemäß § 130 AußStrG in angemessenen Abständen, mindestens jedoch jährlich, zu berichten. § 283. (1) In eine medizinische Behandlung kann eine behinderte Person, soweit sie einsichts- und urteilsfähig ist, nur selbst einwilligen. Sonst ist die Zustimmung des Sachwalters erforderlich, dessen Wirkungsbereich die Besorgung dieser Angelegenheit umfasst. (2) Einer medizinischen Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, kann der Sachwalter nur zustimmen, wenn ein vom behandelnden Arzt unabhängiger Arzt in einem ärztlichen Zeugnis bestätigt, dass die Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 283
behinderte Person nicht über die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt und die Vornahme der Behandlung zur Wahrung ihres Wohles erforderlich ist. Wenn ein solches Zeugnis nicht vorliegt oder die behinderte Person zu erkennen gibt, dass sie die Behandlung ablehnt, bedarf die Zustimmung der Genehmigung des Gerichts. Erteilt der Sachwalter die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung nicht und wird dadurch das Wohl der behinderten Person gefährdet, so kann das Gericht die Zustimmung des Sachwalters ersetzen oder die Sachwalterschaft einer anderen Person übertragen. (3) Die Einwilligung der einsichts- und urteilsfähigen behinderten Person, die Zustimmung des Sachwalters und die Entscheidung des Gerichts sind nicht erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, dass der mit der Einholung der Einwilligung, der Zustimmung oder der gerichtlichen Entscheidung verbundene Aufschub das Leben der behinderten Person gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit verbunden wäre. [idF BGBl I 2006/92] Lit: Barth, Checkliste: Medizinische Behandlung bei Personen unter Sachwalterschaft, RdM 2006, 100; s auch bei § 268.
1 Die Bestimmung über die medizinische Behandlung einer behinder-
ten Person folgt im Wesentlichen dem Regelungskonzept der §§ 146c und 216 über die medizinische Behandlung Mj. Dies gilt insb für die Terminologie, so dass hinsichtlich der Begriffe „medizinische Behandlung“, „Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ sowie „Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist“, auf § 146c Rz 2 f und 6 sowie hinsichtlich des „ärztlichen Zeugnisses eines vom behandelnden Arzt unabhängigen Arztes“ auf § 216 Rz 3 verwiesen werden kann. Auch in § 283 geht es um die persönlichkeitsrechtlichen Voraussetzungen der wirksamen Einwilligung in eine Behandlung, nicht auch um die Geschäftsfähigkeit zum Abschluss eines Behandlungsvertrags; diesbezüglich gilt § 154 Abs 3 (§ 275 Abs 3 iVm § 229 Abs 2). 2 Ist eine psychisch kranke oder geistig behinderte Person mit Bezie-
hung auf eine medizinische Behandlung – und sei sie auch schwerwiegend iSd Abs 2 – einsichts- und urteilsfähig, so kann sie – unabhängig vom Wirkungskreis eines allenfalls bestellten Sachwalters (Weitzenböck/S ErgBd Rz 1) – nur selbst in die Behandlung einwilligen. Fehlt diese Einsichts- und Urteilsfähigkeit, so ist, sieht man von 240
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 283
Gefahr im Verzug ab, die Zustimmung eines – allenfalls erst zu bestellenden – Sachwalters mit entsprechendem Wirkungskreis erforderlich. Darüber hinaus bedarf die medizinische Behandlung einer einsichts- und urteilsunfähigen psychisch kranken oder geistig behinderten Person unter bestimmten Voraussetzungen einer – über die Bestellung eines Sachwalters hinausgehenden – Mitwirkung des Gerichts (Rz 3 f). Wie beim Obsorgeträger nach § 216 genügt auch beim Sachwalter für 3 eine schwerwiegende Behandlung nicht dessen Zustimmung. Es muss entweder eine positive „second opinion“ eines vom behandelnden Arzt „unabhängigen Arztes“ vorliegen oder die Zustimmung des Sachwalters bedarf der Genehmigung des Gerichtes. Die „second opinion“ in Form eines ärztlichen Zeugnisses (§ 55 ÄrzteG) hat das Fehlen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit der behinderten Person und die Erforderlichkeit der Behandlung zur Wahrung deren Wohles zu bestätigen. Bei der Beurteilung des Wohles kann sich das ärztliche Zeugnis nur auf den medizinischen Aspekt beschränken, wozu auch eine Abwägung der objektiven Nachteile der Behandlung mit der mit ihr verbundenen Minderung des Leidensdrucks sowie die Beurteilung einer „compliance“ des Patienten gehören (Erl 1420 BlgNR 22. GP 20; zu weitgehend allerdings die Maßgeblichkeit des „gesamten“ Wohles). Dem Sachwalter ist wohl auch die Möglichkeit zuzubilligen, zugleich – ohne Einholung eines ärztlichen Zeugnisses – das Gericht zu befassen und dessen Genehmigung seiner Zustimmung einzuholen; er wird dies vor allem bei besonders schwierigen Behandlungsentscheidungen tun (Erl aaO; Weitzenböck/S ErgBd Rz 6 FN 15; zweifelnd Schauer, ÖJZ 2007, 182). Die Genehmigung der Zustimmung des Sachwalters ist – unabhängig vom Vorliegen eines ärztlichen Zeugnisses und (arg a maiori ad minus) unabhängig vom Gewicht der Behandlung (Schauer, ÖJZ 2007, 182) – immer erforderlich, wenn die einsichts- und urteilsunfähige Person zu erkennen gibt, dass sie die Behandlung ablehnt. Dabei wird sich das Gericht nur dann über die Haltung der behinderten Person hinwegsetzen, wenn das Unterbleiben der Behandlung mit gewichtigen Nachteilen für die Gesundheit der behinderten Person verbunden ist. Verweigert der Sachwalter die Mitwirkung an einer medizinischen 4 Behandlung der behinderten Person, sei es, dass er die Zustimmung nicht erteilt, sei es, dass er die erforderliche Genehmigung des Gerichtes nicht einholt, so kann das Gericht, „von wem immer es angerufen wird“ (§ 281 Abs 4), entweder eine andere Person zum Sachwalter bestellen oder – insb bei Dringlichkeit der Maßnahme oder wenn die Frage ohnedies entscheidungsreif ist – die Zustimmung des SachHopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 284
walters ersetzen (für den Ausnahmecharakter einer solchen Vorgangsweise s Weitzenböck/S ErgBd Rz 7). Die Bestellung eines anderen Sachwalters wird vor allem dann geboten sein, wenn nicht nur der Sachwalter seine Zustimmung verweigert, sondern auch ein ärztliches Zeugnis (noch) nicht vorliegt oder die behinderte Person überhaupt die Behandlung ablehnt (Schauer, ÖJZ 2007, 183). 5 Die Gefahr–im-Verzug-Regel des Abs 3 entspricht jener des § 146c
Abs 3. Für die Beurteilung, ob Gefahr im Verzug vorliegt, ist nach den Erl 1420 BlgNR 22. GP 21 davon auszugehen, dass die Bestellung eines (auch einstweiligen) Sachwalters oder das gerichtliche Genehmigungsverfahren – „auch bei vorrangiger Bearbeitung“ – mindestens zwei Wochen dauert. Mit Recht gehen die Gesetzesmaterialien auch davon aus, dass bei Vorliegen schwerer Schmerzen stets Gefahr im Verzug anzunehmen ist. § 284. Der Sachwalter kann einer medizinischen Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit der behinderten Person zum Ziel hat, nicht zustimmen, es sei denn, dass sonst wegen eines dauerhaften körperlichen Leidens eine ernste Gefahr für das Leben oder einer schweren Schädigung der Gesundheit der behinderten Person besteht. Ebenso kann der Sachwalter einer Forschung, die mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit der behinderten Person verbunden ist, nicht zustimmen, es sei denn, die Forschung kann für deren Gesundheit oder Wohlbefinden von unmittelbarem Nutzen sein. Die Zustimmung bedarf in jedem Fall einer gerichtlichen Genehmigung. [idF BGBl I 2006/92, bisher § 282 Abs 3 aF]
1 S 1 enthält ein „zivilrechtliches Verbot“ der Sterilisation behinderter
Personen. Während die Sterilisation Mj generell unzulässig ist (§ 146d), kann der Sachwalter einer solchen medizinischen Maßnahme bei einer behinderten Person, die insoweit einsichts- und urteilsunfähig ist, unter bestimmten, sehr engen Voraussetzungen mit Genehmigung des Gerichtes zustimmen. Es muss wegen eines dauerhaften körperlichen Leidens – nach Erl 296 BlgNR 21. GP 31 kommen bestimmte HerzKreislauf-Erkrankungen und schwere Stoffwechselstörungen in Betracht – eine ernste Gefahr für das Leben oder eine schwere Beeinträchtigung der Gesundheit der behinderten Person durch Schwangerschaft oder Geburt bestehen. Eine einsichts- und urteilsfähige behinderte Person kann in eine Sterilisation nur selbst einwilligen (Weitzenböck/S § 282 Rz 9). 242
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 284a
S 2 verbietet dem Sachwalter die Zustimmung zu fremdnütziger For- 2 schung an einer behinderten Person, wenn sie mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist. Der Sachwalter darf einer solchen Forschung – mit Genehmigung des Gerichtes – nur zustimmen, wenn sie (auch) für die Gesundheit und das Wohlbefinden der behinderten Person von unmittelbarem Nutzen ist. Nicht reicht es daher aus, dass die Ergebnisse der Forschung in Zukunft für die behinderte Person von Vorteil sein werden (vgl Weitzenböck/S ErgBd Rz 2). Unberührt von S 2 bleiben besondere Vorschriften, wie §§ 43, 43a ArzneimittelG und §§ 52, 52a MedizinprodukteG. § 284a. (1) Über ihren Wohnort entscheidet eine behinderte Person, soweit sie einsichts- und urteilsfähig ist, selbst. (2) Sonst hat der Sachwalter diese Aufgabe zu besorgen, soweit dies zur Wahrung des Wohles der behinderten Person erforderlich ist und sein Wirkungskreis die Besorgung dieser Angelegenheit umfasst. Soll der Wohnort der behinderten Person dauerhaft geändert werden, so bedarf dies der gerichtlichen Genehmigung. [BGBl I 2006/92]
Zur Personensorge gehört grundsätzlich auch die Bestimmung, wo 1 eine behinderte Person wohnt. Das Gesetz spricht vom „Wohnort“ im Unterschied zum Aufenthalt (s § 146b), weil dem Sachwalter – anders als Eltern für ihre Kinder – idR nicht auch die Entscheidung über den Aufenthalt an einem räumlich begrenzten Ort iS einer Zwangsbefugnis, die bei Mj mit der Verantwortung für Pflege und Erziehung begründet werden kann, zukommt. Daraus folgt auch, dass § 284a keine Grundlage für eine zwangsweise Verbringung oder Festhaltung der behinderten Person an einem bestimmten Ort ist, etwa um sie einer medizinischen Behandlung zuzuführen. Die Grundlage für eine solche Maßnahme kann sich nur aus anderen Rechtsvorschriften (UbG, HeimAufG, SPG) oder allgemeinen Rechtfertigungsgründen (Notwehr, Nothilfe, Notstand) ergeben (Erl 1420 BlgNR 22. GP 22). Behinderte Personen, die im Bezug auf die Wahl ihres Wohnorts ein- 2 sichts- und urteilsfähig sind, entscheiden über den Wohnort – unabhängig davon, ob für sie ein Sachwalter bestellt ist – selbst. Mangelt es der behinderten Person an der Einsichts- und Urteilsfähigkeit hinsichtlich der Wahl des Wohnorts, kommt die Disposition hierüber dem Sachwalter mit entsprechendem Wirkungskreis zu. Dieser hat Hopf
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§§ 284b–284c
sich hiebei vom Wohl der behinderten Person leiten zu lassen und gemäß § 281 Abs 1 den Willen und die Bedürfnisse der behinderten Person zu berücksichtigen. Von der Bestimmung des Wohnorts ist die dem Bereich der Geschäftsfähigkeit in Vermögensangelegenheiten zuzuordnende Frage zu unterscheiden, inwieweit eine behinderte Person für die im Zusammenhang mit der Wahl des Wohnorts erforderlichen Rechtsgeschäfte (etwa Mietvertrag) eines Sachwalters bedarf. 3 Im Fall einer dauerhaften Änderung des Wohnortes der behinderten
Person ist die Genehmigung des Pflegschaftsgerichts erforderlich, das die Entscheidung des Sachwalters unter den Gesichtspunkten des Wohles der behinderten Person sowie ihrer Bedürfnisse und Wünsche zu prüfen hat. Von einer dauerhaften Änderung des Wohnortes ist dann auszugehen, wenn ein Rechtsverhältnis, auf dem eine bestehende Wohnsituation der behinderten Person beruht, also insb ein Mietverhältnis, aufgelöst wird. Die Änderung des Wohnorts und die Auflösung des Wohnverhältnisses sind pflegschaftsgerichtlich gesonderte Vorgänge, über deren Genehmigung freilich zweckmäßigerweise idR unter einem entschieden wird. Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger § 284b. (1) Vermag eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens nicht selbst zu besorgen und hat sie dafür keinen Sachwalter und auch sonst keinen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter, so kann sie bei diesen Rechtsgeschäften, soweit sie ihren Lebensverhältnissen entsprechen, von einem nächsten Angehörigen vertreten werden. Gleiches gilt für Rechtsgeschäfte zur Deckung des Pflegebedarfs sowie die Geltendmachung von Ansprüchen, die aus Anlass von Alter, Krankheit, Behinderung oder Armut zustehen, insbesondere von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen, Ansprüchen auf Pflegegeld und Sozialhilfe sowie Gebührenbefreiungen und anderen Begünstigungen. (2) Der nächste Angehörige ist befugt, über laufende Einkünfte der vertretenen Person und pflegebezogene Leistungen an diese insoweit zu verfügen, als dies zur Besorgung der Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens und zur Deckung des Pflegebedarfs erforderlich ist. (3) Die Vertretungsbefugnis des nächsten Angehörigen umfasst auch die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung, sofern diese nicht gewöhnlich mit einer schweren oder nachhal244
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§§ 284b–284c
tigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist und der vertretenen Person die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt. [BGBl I 2006/92]
§ 284c. (1) Nächste Angehörige sind die Eltern, volljährige Kinder, der im gemeinsamen Haushalt mit der vertretenen Person lebende Ehegatte und der Lebensgefährte, wenn dieser mit der vertretenen Person seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt lebt. (2) Sind mehrere Angehörige vertretungsbefugt, so genügt die Erklärung einer Person. Liegen dem Erklärungsempfänger widerstreitende Erklärungen vor, so ist keine wirksam. Für die Vertretung in zivilgerichtlichen Verfahren gilt § 154a sinngemäß. [BGBl I 2006/92] Lit: Schauer, Vorsorgevollmacht und gesetzliche Angehörigenvertretung nach dem SWRÄG 2006, FamZ 2006, 148; ders, Schwerpunkte des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes (SWRÄG 2006), ÖJZ 2007, 217; Schwimann, Neuerungen im Obsorge-, Kuratel- und Sachwalterrecht, EF-Z 2006, 68.
Das mit dem SWRÄG geschaffene Rechtsinstitut der Vertretungs- 1 befugnis nächster Angehöriger soll nach den Gesetzesmaterialien dazu beitragen, dem inflationären Anstieg der Sachwalterschaften entgegenzuwirken (Erl 1420 BlgNR 22. GP 4). Die Materialien berufen sich in diesem Zusammenhang auf eine in der Lebenswirklichkeit oft anzutreffende Praxis der Unterstützung und Fürsorge im familiären Bereich, der mit den §§ 284b–284e eine gesetzliche Grundlage gegeben werden soll. Tatsächlich geht es bei der Regelung vor allem auch darum, einer im Alltag immer wieder anzutreffenden Kritik Rechnung zu tragen, der Staat menge sich mit der Sachwalterschaft in Probleme ein, die durchaus zur Zufriedenheit aller im Rahmen der Familie bewältigt werden können und de facto auch bewältigt werden. IdS hat das Rechtsinstitut vor allem auch eine Stärkung der sozialen Funktion der Familie zum Ziel. Sein Anwendungsbereich liegt zum einen insb bei geistig behinderten Menschen, für die die Eltern nach neuem Recht auch nach Eintritt der Volljährigkeit als Vertreter rechtlich handeln können, zum anderen bei betagten Menschen, denen auf Grund einer Demenzerkrankung die erforderliche Handlungsfähigkeit fehlt, für die jedoch der Partner oder die Kinder sorgen wollen. Ungeachtet dieser Erwägungen des Gesetzgebers gibt es jedoch auf Grund der Missbrauchsgefahr, die mit dem Rechtsinstitut verbunden ist, Kritik aus der Rechtswissenschaft an der Neuregelung (s etwa Schauer, ÖJZ 2007, 226). Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§§ 284b–284c
2 Die Voraussetzungen für die Vertretungsbefugnis auf Seiten des Ver-
tretenen entsprechen denen der Sachwalterbestellung: Unvermögen zur Besorgung von im § 284b angeführten Angelegenheiten auf Grund psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung. Im Verhältnis zu Sachwalterschaft und Vorsorgevollmacht (§§ 284f-284h) ist die Vertretungsbefugnis das schwächere Rechtsinstitut: Soweit für eine behinderte Person eine Sachwalterschaft oder eine Vorsorgevollmacht besteht, kommt eine Vertretung nach §§ 284b ff nicht in Betracht. Allerdings hat das Gericht bei Bestellung eines Sachwalters iSd Subsidiaritätsgrundsatzes zu prüfen, ob nicht ein nächster Angehöriger im Rahmen seiner gesetzlichen Vertretungsbefugnis ausreichend für die behinderte Person sorgt. 3 Vertretungsbefugt sind die Eltern, die volljährigen Kinder, der im
gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatte sowie der seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt lebende Lebensgefährte. In den Gesetzesmaterialien wird in diesem Zusammenhang auf die zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Ehegatten bestehende Beistandspflicht (§ 137 Abs 2 bzw § 90 Abs 1) und auf das aus Art 14 iVm Art 8 MRK erfließende Verbot, Lebensgefährten gegenüber Ehegatten zu diskriminieren, hingewiesen (Erl 1420 BlgNR 22. GP 24). Keine Vertretungsbefugnis besteht demnach im Verhältnis zwischen Geschwistern. Hinsichtlich des Erfordernisses der Haushaltsgemeinschaft kann auf § 14 Abs 3 MRG und den Meinungsstand hiezu verwiesen werden (s insb Prader, MRG2 , 2006, § 14 E 122 ff; Vonkilch, wobl 2001, 65). Insb kann die mietenrechtliche Regelung bei der Lösung der Frage dienlich sein, ob eine Vertretungsbefugnis im Verhältnis zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten auch dann noch besteht, wenn der Teil, der eines Vertreters bedarf, auf ungewisse Zeit in eine Pflegeeinrichtung aufgenommen wurde. Wie bei § 14 Abs 3 MRG wird auch bei § 284c Abs 1 vom Zweck der Regelung auszugehen sein und als maßgebend das durch die frühere Haushaltsgemeinschaft begründete und durch die Aufnahme in ein Pflegeheim im Allgemeinen nicht aufgelöste Vertrauensverhältnis zwischen den Ehegatten gewertet werden können. Solange eine Rückkehrmöglichkeit und eine Aufnahmebereitschaft bestehen, kann daher grundsätzlich eine Vertretungsbefugnis angenommen werden (vgl Vonkilch, wobl 2001, 70 f; Prader, MRG2 § 14 E 123 f). Entgegen den Erl aaO rechnen die drei Jahre beim Lebensgefährten nicht erst vom Verlust der Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Sind mehrere Personen vorhanden, die zum Kreis des § 284c Abs 1 zählen, so kommt die Vertretungsbefugnis grundsätzlich einem jeden zu (Einzelvertretungsbefugnis), eine Rangordnung der Berufung zur Vertretung gibt es nicht. Es gilt der Grundsatz 246
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§§ 284d–284e
„Wer handelt, vertritt“. Führt dies freilich dazu, dass einem Dritten widersprechende Erklärungen vorliegen, so ist keine wirksam (§ 284c Abs 2 S 2). Diese Regelung weicht von den allgemeinen Grundsätzen über die Unwirksamkeit widersprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen ab, wonach es auf die Widerruflichkeit der ersten Erklärung ankommt (Schauer, ÖJZ 2007, 227 f; Schwimann, EF-Z 2006, 71). Vor dem Hintergrund des in § 21 wurzelnden besonderen Schutzes des Vertretenen lässt sich iSd Gesetzeswortlauts auch vertreten, die erste Erklärung schon dann für unwirksam zu erklären, wenn sie der Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der zweiten Erklärung noch nicht zur Kenntnis genommen (vgl § 862 Rz 1) oder – weitergehend – auf ihrer Grundlage noch keine Dispositionen getroffen hat. Die Vertretungsbefugnis umfasst nach § 284b Abs 1 – je nach Ge- 4 schäfts- bzw Einsichts- und Urteilsfähigkeit der behinderten Person – Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens, die den Lebensverhältnissen des Vertretenen entsprechen (s hiezu § 96; also etwa die Anschaffung oder Reparatur von Haushaltsgegenständen, Kleidung, Heizmaterial), weiters Rechtsgeschäfte zur Deckung des Pflegebedarfs, die Geltendmachung von Ansprüchen aus Anlass von Alter, Krankheit, Behinderung oder Armut, die Geltendmachung von Gebührenbefreiungen und anderen Begünstigungen sowie – nach § 284b Abs 3 – die Zustimmung zu medizinischen Behandlungen, die gewöhnlich nicht mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden sind (s hiezu § 146c Abs 2; also im Allgemeinen keine Vertretung in der Zustimmung zu operativen Eingriffen). Sozial(versicherungs)rechtliche Bestimmungen, die die Vertretung eines Anspruchswerbers durch andere Personen vorsehen, werden durch §§ 284b ff nicht berührt; soweit in solchen Gesetzen (s etwa § 25 BPGG) auf den gesetzlichen Vertreter einer Person Bezug genommen wird, gehört hiezu auch der Vertreter nach §§ 284b ff (Erl 1420 BlgNR 22. GP 23). Die Vertretungsbefugnis schließt nach § 284b Abs 2 auch die Verfügung über laufende Einkünfte des Vertretenen und auf dessen Pflege sich beziehende Leistungen ein, soweit diese zur Erfüllung der mit der Geschäftsbesorgung verbundenen Pflichten erforderlich sind. Darunter fällt insb auch die Verfügung über ein Konto des Vertretenen (s hiezu § 284e Abs 2 S 3). § 284d. (1) Der nächste Angehörige hat die vertretene Person von der Wahrnehmung seiner Vertretungsbefugnis zu informieren. (2) Die Vertretungsbefugnis eines nächsten Angehörigen tritt nicht ein oder endet, soweit ihr die vertretene Person ungeachtet Hopf
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§§ 284d–284e
des Verlusts ihrer Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit widersprochen hat oder widerspricht. [BGBl I 2006/92]
§ 284e. (1) Bei Wahrnehmung seiner Vertretungsbefugnisse hat der nächste Angehörige das Wohl der vertretenen Person bestmöglich zu fördern und danach zu trachten, dass sie im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann. (2) Der nächste Angehörige hat seine Vertretungsbefugnis vor der Vornahme einer Vertretungshandlung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registrieren zu lassen. Ein Dritter darf auf die Vertretungsbefugnis eines nächsten Angehörigen vertrauen, wenn ihm dieser bei Vornahme einer Vertretungshandlung nach § 284b eine Bestätigung über die Registrierung der Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis vorlegt. Dies gilt für Geldbezüge von einem Konto der vertretenen Person, soweit sie den erhöhten allgemeinen Grundbetrag des Existenzminimums (§ 291a Abs. 2 Z 1 EO) monatlich nicht überschreiten. Das Vertrauen des Dritten ist nicht geschützt, wenn ihm die mangelnde Vertretungsbefugnis des nächsten Angehörigen bekannt oder fahrlässig unbekannt ist. [BGBl I 2006/92]
1 Die Vertretungsbefugnis nach §§ 284b ff tritt unmittelbar kraft Ge-
setzes ein. Im Interesse des Vertrauensschutzes im Rechtsverkehr verpflichtet § 284e Abs 2 den Vertreter, die Vertretungsbefugnis vor der (ersten) Vornahme einer Vertretungshandlung in das von der Österreichischen Notariatskammer geführte Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) durch einen Notar eintragen zu lassen. Zu den Einzelheiten der Eintragung in dieses Verzeichnis und dessen Führung s § 140h NO. Die Registrierung erfordert die Bescheinigung des Naheverhältnisses sowie die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses, wonach der Vertretene auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung die Angelegenheiten nach § 284b nicht selbst zu besorgen vermag. Der Notar hat namens der Österreichischen Notariatskammer – sie bedient sich des Notars als ihres Organs und haftet für diesen nach AHG – dem Vertreter eine Bestätigung über die Registrierung der Vertretungsbefugnis auszustellen. Einsicht in das Verzeichnis ist ua den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe sowie Entscheidungsträgern in Sozialrechtssachen wie auch dem Vertreter und dem Vertretenen selbst zu gewähren (§ 140h Abs 9 NO). 248
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§§ 284d–284e
Legt der Vertreter einem Dritten die Bestätigung der Österreichischen 2 Notariatskammer über die Registrierung der Vertretungsbefugnis im ÖZVV vor, so darf dieser auf die Vertretungsbefugnis vertrauen, sofern ihm der Mangel der Vertretungsbefugnis des betreffenden Angehörigen – schuldlos – unbekannt ist. Der Vertrauensschutz bezieht sich also darauf, dass der Vertreter ein nächster Angehöriger iSd § 284c Abs 1 ist und der Vertretene auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage ist, Angelegenheiten iSd § 284b zu besorgen. Nicht umfasst der Vertrauensschutz, dass das Rechtsgeschäft, das der Dritte mit dem Vertreter schließt, zu den den Lebensverhältnissen des Vertretenen entsprechenden Rechtsgeschäften des täglichen Lebens gehört oder der Deckung des Pflegebedarfs dient (Schauer, ÖJZ 2007, 229). Eine Ausnahme in dieser Hinsicht enthält § 284e Abs 2 insofern, als ein Kreditunternehmen grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die Vertretungsbefugnis monatliche Kontobehebungen bis zum erhöhten allgemeinen Grundbetrag des Existenzminimums nach § 291a Abs 2 Z 1 EO (seit 1.1.2007 € 847) umfasst. Den Eintritt der Vertretungsbefugnis kann der Betroffene verhin- 3 dern, in dem er ihr von vornherein widerspricht. Der Widerspruch kann sich auf bestimmte nächste Angehörige oder auch auf bestimmte der in § 284b genannten Angelegenheiten beschränken. Er bedarf keiner bestimmten Form und er kann auch nach Verlust der Geschäftsfähigkeit oder der Einsichts- und Urteilsfähigkeit erklärt werden. Wird der Widerspruch nach Eintritt der Vertretungsbefugnis erklärt, so beendet er diese (§ 284d Abs 2). Die Beachtlichkeit auch des Willens eines Geschäfts- bzw Einsichts- und Urteilsunfähigen (vgl § 281 Abs 1, 2, § 283 Abs 2 S 2, § 284g S 1, § 284h Abs 1 S 2) ist Ausdruck des Respekts vor dem Selbstbestimmungsrecht gerade auch der Personen, die gemäß § 21 unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen, und entspricht dem allgemeinen Gebot der Wahrung der Würde der Person. Besteht trotz dieses Widerspruchs ein Vertretungsbedarf, so kommt es zur Bestellung eines Sachwalters nach § 268. Auch der Widerspruch ist nach § 140h Abs 1 Z 2 NO im ÖZVV zu 4 registrieren. Zu diesem Zweck ist er in Schriftform (§ 886) einem Rechtsanwalt oder Notar vorzulegen. Die Registrierung ist zwar keine Voraussetzung der Wirksamkeit des Widerspruchs, sichert diesem aber die Beachtung im Rechtsverkehr, insb auch bei der Führung des ÖZVV. So hat ein Notar die Verzeichnung einer Vertretungsbefugnis abzulehnen, soweit bereits ein Widerspruch registriert ist. Gleiches gilt, wenn bereits eine Vorsorgevollmacht registriert ist oder die Bestellung eines Sachwalters der Vertretungsbefugnis entgegensteht (§ 140h Abs 5 S 2 und 3 NO). Hopf
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§ 284f
5 Nach § 284d Abs 1 hat der nächste Angehörige die vertretene Person
von der Wahrnehmung seiner Vertretungsbefugnis – sinnvollerweise wohl nur vor dem ersten Einschreiten (Schauer, ÖJZ 2007, 228) – zu verständigen. Damit hat der Vertretene nicht nur die Möglichkeit, der Vertretung zu widersprechen, er kann – bei Aufrechtbleiben des Vertretungsverhältnisses – dem Vertreter seine nach § 284e Abs 1 zu beachtenden Wünsche und Vorstellungen mitteilen. Im Übrigen beschränkt sich das Gesetz hinsichtlich des Innenverhältnisses auf die Verpflichtung des Vertreters, das Wohl des Vertretenen bestmöglich zu fördern und zu trachten, dass dieser im Rahmen seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten seine Lebensverhältnisse nach seinen Wünschen und Vorstellungen gestalten kann. Auch die Gesetzesmaterialien enthalten keine Ausführungen zum Verhältnis zwischen Vertretenem und nächsten Angehörigen (zur Kritik an diesem Regelungsdefizit s Schwimann, EF-Z 2006, 72; Schauer, ÖJZ 2007, 228). So sind im Gesetz insb die Fragen der Entgeltlichkeit der Vertretung, des Ersatzes des Aufwandes des Vertreters, der Fortsetzung begonnener Geschäfte nach Beendigung des Vertretungsverhältnisses und der Pflicht zur Rechnungslegung nicht gelöst. Eine gewisse Hilfe bei Lösung dieser Frage bieten die Gesetzesmaterialien insofern, als sie die Vertretungsbefugnis von Eltern, Kindern und Ehegatten aus der Beistandspflicht nach §§ 90 bzw 137 ableiten. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber von einer grundsätzlichen Unentgeltlichkeit der Vertretung ausgeht; dies gilt wohl auch für Lebensgefährten, die sich im Allgemeinen faktisch zur wechselseitigen Unterstützung verbinden. Hinsichtlich des Ersatzes des Aufwandes sowie eines Vorschusses zur Bestreitung von Barauslagen können die Regeln für den Auftrag (§ 1014) analog herangezogen werden (so auch Schauer, ÖJZ 2007, 229); desgleichen für die Frage der Fortsetzung begonnener Geschäfte (§ 1022) und der Rechnungslegung (§ 1012), die wohl praktisch nur bei Beendigung des Vertretungsverhältnisses, insb durch Bestellung eines Sachwalters, von Bedeutung ist. Die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1035 ff) eignet sich für eine analoge Anwendung schon ex definitione nicht: Bei ihr geht es um die Einmengung in die Geschäfte eines anderen, also um deren Besorgung ohne entsprechende Befugnis (s § 1035 Rz 1; vgl aber Schauer, ÖJZ 2007, 229). Vorsorgevollmacht § 284f. (1) Eine Vorsorgevollmacht ist eine Vollmacht, die nach ihrem Inhalt dann wirksam werden soll, wenn der Vollmachtgeber die zur Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder seine 250
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 284f
Äußerungsfähigkeit verliert. Die Angelegenheiten, zu deren Besorgung die Vollmacht erteilt wird, müssen bestimmt angeführt sein. Der Bevollmächtigte darf nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung stehen, in der sich der Vollmachtgeber aufhält oder von der dieser betreut wird. (2) Die Vorsorgevollmacht muss vom Vollmachtgeber eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden. Hat der Vollmachtgeber die Vollmacht zwar eigenhändig unterschrieben, nicht aber eigenhändig geschrieben, so muss er in Gegenwart dreier unbefangener, eigenberechtigter und sprachkundiger Zeugen bekräftigen, dass der Inhalt der von ihm unterschriebenen Vollmachtsurkunde seinem Willen entspricht. Die Einhaltung dieses Formerfordernisses ist von den Zeugen unmittelbar nach der Erklärung des Vollmachtgebers mit einem auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz auf der Urkunde zu bestätigen. Unterschreibt der Vollmachtgeber die Vollmachtsurkunde nicht, so muss ein Notar die Bekräftigung durch den Vollmachtgeber beurkunden. Die Vorsorgevollmacht kann immer auch als Notariatsakt aufgenommen werden. (3) Soll die Vorsorgevollmacht auch Einwilligungen in medizinische Behandlungen im Sinn des § 283 Abs. 2, Entscheidungen über dauerhafte Änderungen des Wohnorts sowie die Besorgung von Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, umfassen, so muss sie unter ausdrücklicher Bezeichnung dieser Angelegenheiten vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder bei Gericht errichtet werden. Dabei ist der Vollmachtgeber über die Rechtsfolgen einer solchen Vorsorgevollmacht sowie die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs zu belehren. Der Rechtsanwalt, der Notar oder das Gericht hat die Vornahme dieser Belehrung in der Vollmachtsurkunde unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift durch eigenhändige Unterschrift zu dokumentieren. [BGBl I 2006/92] Lit: B. Jud, Die Vorsorgevollmacht, AnwBl 2007, 11; Schauer, Vorsorgevollmacht und gesetzliche Angehörigenvertretung nach dem SWRÄG 2006, FamZ 2006, 148; ders, Schwerpunkte des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes (SWRÄG 2006), ÖJZ 2007, 217; Schwimann, Neuerungen im Obsorge-, Kuratel- und Sachwalterrecht, EF-Z 2006, 68; Wilhelm, Emanzipation durch Vorsorgevollmacht, ecolex 2006, 261.
Die Vorsorgevollmacht dient nach den Intentionen des SWRÄG der 1 Stärkung des Selbstbestimmungsrechts psychisch kranker oder Hopf
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Sachwalter, sonstiger Vertreter
§ 284f
geistig behinderter Menschen, indem sie die Möglichkeit eröffnet, für den Fall des Verlustes der Geschäftsfähigkeit oder der Einsichts- und Urteilsfähigkeit eine Person des Vertrauens als Vertreter zur Besorgung bestimmter Angelegenheiten zu bestellen. Eine solche Vorsorgevollmacht steht hinsichtlich der in ihr bezeichneten Angelegenheiten der Bestellung eines Sachwalters entgegen (§ 268 Abs 2 S 2) und geht insoweit auch der Vertretungsbefugnis eines nächsten Angehörigen vor (§ 284b Abs 1 S 1). Da sie auch für den Fall des Verlustes der bloßen Äußerungsfähigkeit – unabhängig von einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung – zur Verfügung steht, geht sie in ihrem Anwendungsbereich über die Voraussetzungen der Sachwalterbestellung hinaus. Die Vorsorgevollmacht ist ein Sonderfall der zivilrechtlichen Vollmacht, auf die die §§ 284f-284h und im Übrigen die allgemeinen Regeln des Vollmachtsrechts (§§ 1002 ff) anzuwenden sind (Schauer, ÖJZ 2007, 218). 2 Die Vorsorgevollmacht kann entweder nur für den Fall des Verlustes
der Geschäfts-, Einsichts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit – den Vorsorgefall – errichtet werden, sie kann aber nach dem Willen des Vollmachtgebers auch sogleich wirksam werden, muss jedoch diesfalls bereits alle Voraussetzungen einer Vorsorgevollmacht erfüllen, also ihre Wirksamkeit für den Vorsorgefall ausdrücklich bestimmen. Wesentlich ist, dass die Angelegenheiten, für die die Vollmacht erteilt wird, bestimmt angegeben sind, es muss sich also zumindest um eine Gattungsvollmacht handeln (§ 1008 Rz 3; B. Jud, AnwBl 2007, 13 f). Soweit § 1008 oder sonstige Vorschriften (§ 1008 Rz 1) zur Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts eine Spezialvollmacht verlangen, gilt dies auch für eine Vorsorgevollmacht. Zur Umschreibung des Umfangs der Vollmacht im Fall einer „qualifizierten“ Vorsorgevollmacht nach Abs 3 s Rz 5. 3 Der Bevollmächtigte muss im Hinblick auf das zwischen ihm und dem Vollmachtgeber regelmäßig bestehende Auftragsverhältnis eigenberechtigt sein (vgl § 273 Abs 2 Z 1; Schauer, ÖJZ 2007, 219 f) und er darf – wegen der Gefahr einer Interessenkollision – in keiner engen Beziehung zu einer Einrichtung stehen, in der sich der Vollmachtgeber aufhält oder von der er betreut wird (s § 279 Abs 1 S 1). Keinen Ausschlusstatbestand bildet der Aufenthalt oder die Betreuung des Vollmachtgebers in einem mit dem Bevollmächtigten gemeinsamen Haushalt. 4 Die Formvorschriften für die Vorsorgevollmacht (Abs 2) orientieren sich an den Bestimmungen über die Form letztwilliger Verfügungen. Die Vorsorgevollmacht kann demgemäß eigenhändig (S 1) oder fremdhändig unter Beiziehung dreier unbefangener, eigenberech252
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§ 284g
tigter und sprachkundiger Zeugen, die – abweichend von § 579 – zugleich gegenwärtig sein müssen (S 2 und 3), errichtet werden. Eine Vorsorgevollmacht, die der Vollmachtgeber, insb weil er hiezu nicht (mehr) in der Lage ist, nicht unterschreibt, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Beiziehung eines Notars, der die Erklärung des Vollmachtgebers, dass die Vollmacht seinem Willen entspricht, zu beurkunden hat. Im Übrigen steht auch die Form des Notariatsakts (§§ 52 ff NO) zur Verfügung (Abs 2 letzter S). Wie die letztwilligen Verfügungen ist auch die Vorsorgevollmacht ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft (B. Jud, AnwBl 2007, 13). Soll sich die Vorsorgevollmacht (auch) auf die Einwilligung in medi- 5 zinische Behandlungen, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden sind (§ 283 Abs 2), auf Entscheidungen über eine dauerhafte Wohnortsänderung (§ 284a Abs 2 S 2) oder die Besorgung von Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören (§ 154 Abs 3), beziehen, so müssen diese Angelegenheiten in der Vollmacht ausdrücklich bezeichnet und die Vollmachtsurkunde vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder bei Gericht errichtet werden (qualifizierte Vorsorgevollmacht). Dabei handelt es sich um eine eigenständige – analog zu Abs 2 – schriftliche Form mit eigenhändiger Unterschrift des Vollmachtgebers (Schauer, ÖJZ 2007, 221 f), für die wesentlich ist, dass Rechtsanwalt, Notar oder Gericht die Belehrung des Vollmachtgebers über die Rechtsfolgen der Vollmacht und die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs in der Vollmachtsurkunde zu „dokumentieren“ haben (vgl in diesem Zusammenhang die Formvorschriften des § 6 Abs 2 PatVG und des § 14 Abs 5 Z 1 WEG 2002). Hinsichtlich der anwaltlichen Mitwirkung ist § 10 Abs 4 RAO zu beachten. § 284g. Eine behinderte Person, die eine Vorsorgevollmacht erteilt hat, bedarf insoweit keines Sachwalters, es sei denn, dass der Bevollmächtigte nicht oder nicht im Sinn des Bevollmächtigungsvertrags tätig wird, durch seine Tätigkeit sonst ihr Wohl gefährdet oder die behinderte Person zu erkennen gibt, dass sie vom Bevollmächtigten nicht mehr vertreten sein will. Von der Bestellung eines Sachwalters kann auch dann abgesehen werden, wenn eine Vollmacht zwar nicht die Voraussetzungen des § 284f erfüllt, aber auf Grund der Umstände des Einzelfalles nicht zu befürchten ist, dass der Bevollmächtigte seine Aufgaben zum Nachteil der behinderten Person besorgen wird. [BGBl I 2006/92] Hopf
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1 Trotz Vorsorgevollmacht ist dem Vollmachtgeber für die in der Voll-
macht umschriebenen Angelegenheiten ein Sachwalter zu bestellen, wenn der Bevollmächtigte das Wohl des Vollmachtgebers, insb weil er nicht oder nicht iSd Bevollmächtigungsvertrags tätig wird, gefährdet. Gleiches gilt, wenn der – auch nicht geschäftsfähige – Vollmachtgeber zum Ausdruck bringt, dass er nicht mehr vom Bevollmächtigten vertreten sein will. Der Berücksichtigung des Willens des geschäftsunfähigen Vollmachtgebers liegt der Gedanke zu Grunde, eine vom Vollmachtgeber als zwanghaft empfundene und daher mit seiner Würde nicht vereinbare Fremdbestimmung zu vermeiden (JAB 1511 BlgNR 22. GP 2; s auch § 283 Abs 2 S 2, § 284d Abs 2 sowie § 10 Abs 2 PatVG; krit Schwimann, EF-Z 2006, 74). Mit einer Sachwalterbestellung verliert die Vorsorgevollmacht ihre besondere Qualifikation, sie wird auf eine „normale“ Vollmacht iSd §§ 1002 ff „herabgestuft“, das Vollmachtsverhältnis kann vom Sachwalter erforderlichenfalls aufgelöst werden (B. Jud, AnwBl 2007, 18). 2 Auch wenn dem Bevollmächtigungsverhältnis nur eine – vom Voll-
machtgeber noch im Zustand der Geschäftsfähigkeit erteilte – „normale“ Vollmacht, die nicht den inhaltlichen und formalen Voraussetzungen einer Vorsorgevollmacht entspricht, zu Grunde liegt, kann von einer Sachwalterbestellung abgesehen werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass der solcherart Bevollmächtigte ohne Beaufsichtigung im Rahmen einer Sachwalterschaft zum Nachteil der behinderten Person tätig ist (hiezu krit B. Jud, AnwBl 2007, 14). § 284h. (1) Der Bevollmächtigte hat bei Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten dem Willen des Vollmachtgebers, wie er in dem Bevollmächtigungsvertrag zum Ausdruck gebracht wird, zu entsprechen. Einem Willen des Vollmachtgebers, der nach Eintritt des Vorsorgefalls aus Äußerungen des Vollmachtgebers oder sonst aus den Umständen des Einzelfalls hervorgeht, hat der Bevollmächtigte Rechnung zu tragen, wenn er dem Wohl des Vollmachtgebers nicht weniger entspricht. Mangels eines feststellbaren Willens hat der Bevollmächtigte das Wohl des Vollmachtgebers bestmöglich zu fördern. (2) Ein Dritter darf auf den Eintritt des Vorsorgefalls vertrauen, wenn ihm der Bevollmächtigte bei Vornahme einer Vertretungshandlung eine Bestätigung über die Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis vorlegt. Das Vertrauen des Dritten ist nicht geschützt, wenn ihm bekannt oder fahrlässig unbekannt ist, dass der Vorsorgefall nicht eingetreten ist. 254
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§ 284h
(3) Der Bevollmächtigte kann die Vollmacht zur Einwilligung in eine medizinische Behandlung oder zur Entscheidung über Änderungen des Wohnorts nicht weitergeben. [BGBl I 2006/92]
Das Innenverhältnis zwischen Bevollmächtigtem und Vollmachtge- 1 ber beruht auf einem Auftrag des Vollmachtgebers, der vom Bevollmächtigten zugleich mit der Errichtung der Vollmacht oder zu einem späteren Zeitpunkt angenommen werden kann. Vielfach wird der Bevollmächtigte von der Vorsorgevollmacht allerdings erst nach Eintritt des Vorsorgefalls, also nach Verlust der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers, Kenntnis erlangen; diesfalls wird idR davon ausgegangen werden können, dass der Vollmachtgeber auf eine ausdrückliche Annahmeerklärung des Bevollmächtigten verzichtet hat und der Auftragsvertrag dadurch zu Stande kommt, dass dieser dem in der Bevollmächtigung enthaltenen Auftrag tatsächlich entspricht, also für den Vollmachtgeber tätig wird (§ 864 Rz 1 f; Schauer, ÖJZ 2007, 223). Auf das Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtig- 2 tem sind grundsätzlich die §§ 1002 ff ABGB anzuwenden (Erl 1420 BlgNR 22. GP 29; B. Jud, AnwBl 2007, 16). Abs 1 S 1 entspricht insofern der allgemeinen Verpflichtung des Bevollmächtigten, die Geschäfte des Machtgebers entsprechend dem Auftrag zu besorgen. Der allgemeinen Pflicht eines Bevollmächtigten, die Interessen des Machtgebers zu wahren (§ 1009 Rz 1 f), entspricht die Pflicht des Bevollmächtigten nach Abs 1 S 3, mangels feststellbaren Willens des Vollmachtgebers dessen Wohl bestmöglich zu fördern. Eine Sonderregel für die Vorsorgevollmacht stellt Abs 1 S 2 dar: Der Bevollmächtigte ist verpflichtet, dem Willen des Vollmachtgebers Rechnung zu tragen, den dieser erst nach Eintritt seiner Geschäfts- bzw Einsichts- und Urteilsunfähigkeit ausdrückt, sofern er dessen Wohl nicht weniger entspricht; im Zweifel kommt also dem solcherart geäußerten Willen des Vollmachtgebers der Vorrang zu. Auch darin kommt – wie in § 284g S 1 – der Respekt vor dem Selbstbestimmungsrecht der behinderten Person zum Ausdruck. Abs 2 dient dem Schutz des Vertrauens auf die Vorsorgevollmacht 3 und damit der Gewährleistung ihrer Sicherheit im Rechtsverkehr. Voraussetzung ist die Registrierung der Vollmacht durch einen Rechtsanwalt oder Notar bzw ihres Wirksamwerdens durch einen Notar im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) gemäß § 140h NO. Die Registrierung des Wirksamwerdens setzt die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses voraus, nach dem es dem Vollmachtgeber an der erforderlichen Geschäfts-, Einsichts- und Urteils- oder ÄußeHopf
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Sachen
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rungsfähigkeit mangelt. Über die Registrierung des Wirksamwerdens hat der Notar eine Bestätigung auszustellen. Die Registrierung ist nicht Voraussetzung der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht, die Vorlage der Bestätigung hierüber schützt jedoch einen Dritten in seinem Vertrauen auf den Eintritt des Vorsorgefalls und damit auf die Wirksamkeit des auf Grund der Vollmacht geschlossenen Geschäfts oder sonstiger Vertretungshandlungen des Bevollmächtigten. Dieser Vertrauensschutz ist nur ausgeschlossen, wenn dem Dritten bekannt oder fahrlässig unbekannt ist, dass der Vorsorgefall (noch) nicht eingetreten ist. Nur das Vertrauen in den Eintritt des Vorsorgefalls, nicht auch in die wirksame Errichtung der Vollmacht und in ihre Reichweite wird geschützt (Schauer, ÖJZ 2007, 224). Unberührt bleiben daher insb § 1016 über das Überschreiten der Grenzen der Vollmacht sowie § 1026 über den Schutz des Vertrauens in den Fortbestand der Vollmacht (zu Letzterem s Schauer, ÖJZ 2007, 225). 4 Abs 3 verbietet die Unterbevollmächtigung zur Einwilligung in eine
medizinische Behandlung oder zur Entscheidung über Änderungen des Wohnorts. Abgesehen von diesen – ein besonders Vertrauensverhältnis voraussetzenden – Vollmachtsagenden ist jedoch eine Unterbevollmächtigung bei einer Vorsorgevollmacht zulässig.
Zweiter Teil Von dem Sachenrechte Von Sachen und ihrer rechtlichen Einteilung Begriff von Sachen im rechtlichen Sinne § 285. Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt. Lit: P. Bydlinski, Der Sachbegriff im elektronischen Zeitalter: zeitlos oder anpassungsbedürftig? AcP 198 (1998) 288; Kopetzki, Der menschliche Leichnam im heute gültigen deutschen und österreichischen Recht, in Stefenelli (Hrsg), Körper ohne Leben (1998) 862; ders, Die Verwendung menschlicher Körpersubstanzen zu Forschungszwecken, FS Burgstaller (2004) 601; Krejci, Wem gehört die Nabelschnur? RdM 2001, 67; Peichl, Der Embryo in vitro – seine rechtliche Qualifikation und die Alternative der „Embryonenannahme“, ÖJZ 2003 581; dies, Der Embryo in vitro, ÖA 2003, 18 und 58; Plöchl (Hrsg), Ware Mensch (1996); P. Steiner, Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der
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Sachen
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rungsfähigkeit mangelt. Über die Registrierung des Wirksamwerdens hat der Notar eine Bestätigung auszustellen. Die Registrierung ist nicht Voraussetzung der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht, die Vorlage der Bestätigung hierüber schützt jedoch einen Dritten in seinem Vertrauen auf den Eintritt des Vorsorgefalls und damit auf die Wirksamkeit des auf Grund der Vollmacht geschlossenen Geschäfts oder sonstiger Vertretungshandlungen des Bevollmächtigten. Dieser Vertrauensschutz ist nur ausgeschlossen, wenn dem Dritten bekannt oder fahrlässig unbekannt ist, dass der Vorsorgefall (noch) nicht eingetreten ist. Nur das Vertrauen in den Eintritt des Vorsorgefalls, nicht auch in die wirksame Errichtung der Vollmacht und in ihre Reichweite wird geschützt (Schauer, ÖJZ 2007, 224). Unberührt bleiben daher insb § 1016 über das Überschreiten der Grenzen der Vollmacht sowie § 1026 über den Schutz des Vertrauens in den Fortbestand der Vollmacht (zu Letzterem s Schauer, ÖJZ 2007, 225). 4 Abs 3 verbietet die Unterbevollmächtigung zur Einwilligung in eine
medizinische Behandlung oder zur Entscheidung über Änderungen des Wohnorts. Abgesehen von diesen – ein besonders Vertrauensverhältnis voraussetzenden – Vollmachtsagenden ist jedoch eine Unterbevollmächtigung bei einer Vorsorgevollmacht zulässig.
Zweiter Teil Von dem Sachenrechte Von Sachen und ihrer rechtlichen Einteilung Begriff von Sachen im rechtlichen Sinne § 285. Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt. Lit: P. Bydlinski, Der Sachbegriff im elektronischen Zeitalter: zeitlos oder anpassungsbedürftig? AcP 198 (1998) 288; Kopetzki, Der menschliche Leichnam im heute gültigen deutschen und österreichischen Recht, in Stefenelli (Hrsg), Körper ohne Leben (1998) 862; ders, Die Verwendung menschlicher Körpersubstanzen zu Forschungszwecken, FS Burgstaller (2004) 601; Krejci, Wem gehört die Nabelschnur? RdM 2001, 67; Peichl, Der Embryo in vitro – seine rechtliche Qualifikation und die Alternative der „Embryonenannahme“, ÖJZ 2003 581; dies, Der Embryo in vitro, ÖA 2003, 18 und 58; Plöchl (Hrsg), Ware Mensch (1996); P. Steiner, Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der
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Forschung an Humansubstanzen, RdM 2002, 173; Thiele, Nochmals: Übertragungsanspruch bei Domainstreitigkeiten, RdW 2006, 79.
Der weite, nur durch die Kriterien der Personenverschiedenheit (Rz 2) 1 und der Eignung zum Gebrauch durch den Menschen (Rz 3) festgelegte Sachbegriff basiert auf der Vorstellung der Sache als jeglichem Vermögenswert. Die rechtliche Umschreibung des Sachbegriffs wird folglich – gemeinsam mit den verschiedenen Sacheinteilungen – dem privaten Vermögensrecht vorangestellt („Von dem Sachenrechte“, nach heutigem Verständnis Sachenrecht, Schuldrecht und auch Erbrecht; vgl den dazu korrespondierenden weiten Eigentumsbegriff in § 353; zur Terminologie des ABGB insb §§ 307, 308 sowie die Überschriften vor §§ 285, 309 und 859). § 285 steckt aber nur den äußersten Rahmen für das Vorliegen einer Sache im rechtlichen Sinn (Vermögensgut als Rechtsgut, Rechtsobjekt) ab und ist insofern nur eine programmatische Bestimmung, als im Einzelnen nach der Art des subjektiven Rechts (insb dingliches, obligatorisches oder Immaterialgüter-Recht) unterschieden werden muss, was Gegenstand (Objekt) eines Rechts sein kann (zB körperliche Sache als Gegenstand von dinglichen Rechten, § 307; vgl dazu den insoweit beschränkten Sachbegriff des § 90 BGB). Der Mensch selbst (§ 16), der lebende menschliche Körper und seine 2 Teile (zB Haare, Bart, Haut, Gliedmaßen, Organe) gehören zur Person und sind demnach keine Sachen. Dies gilt auch für künstliche Körperteile, sofern sie fest mit dem Körper verbunden sind (zB Goldplombe, Herzschrittmacher, uU Prothesen). Die Sachqualität des Embryos „in utero“, aber auch „in vitro“ wird zu Recht abgelehnt (vgl Peichl, ÖJZ 2003, 583 ff). Sachqualität haben hingegen lose mit dem Körper verbundene Hilfsmittel oder Körperersatzstücke (zB künstliches Gebiss, Zahnbrücke: SZ 56/54, Kontaktlinsen, uU Prothesen), alle abgetrennten Körperteile (vgl Krejci, RdM 2001, 68 ff; P. Steiner, RdM 2002, 175 f; Kopetzki, FS Burgstaller 609 f; s auch zu § 388 Rz 1) und der menschliche Leichnam, wobei allerdings aus Pietätsgründen die Verkehrsfähigkeit eingeschränkt ist (vgl § 356; überhaupt gegen die Sacheigenschaft des Leichnams 7 Ob 225/99k JBl 2000, 110; s auch § 531 Rz 8). Speziell für den Leichnam ist das den nächsten Angehörigen zustehende, mit Zeitablauf schwächer werdende Totenfürsorgerecht als fortgesetztes Persönlichkeitsrecht zu beachten (dazu und zur Nachlasszugehörigkeit bei § 531 Rz 8). – Das Recht zur Entnahme von Organen oder Organteilen eines Verstorbenen zum Zwecke der Transplantation bei Fehlen eines ausdrücklichen Widerspruchs („Widerspruchsystem“) regeln die §§ 62a ff, das Recht der Obduktion regelt § 25 KAKuG. Eccher
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Sachen
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3 Die Eignung eines Gegenstands zum Gebrauch durch den Menschen
setzt dessen Beherrschbarkeit in Abhängigkeit vom technischen Fortschritt voraus (vgl Bodenschätze, Meeresgrund, Himmelskörper). Weitere vom ABGB nicht ausdrücklich genannte (vgl aber zB Art 810 it CC) Voraussetzung ist die Knappheit eines Gutes und der daraus entstehende Interessenkonflikt. Dadurch erhält die Sache auch einen wirtschaftlichen Wert, ist iSd § 303 also schätzbar (idS ist Sache auch Wirtschaftsgut; s auch § 353 Rz 1). Fehlt es hingegen wegen ausreichendem Vorhandensein eines Gutes überhaupt am Bedürfnis der Güterzuordnung, liegt eine Sache im rechtlichen Sinn nicht vor (zB Luft, Meereswasser, natürliche Energien wie Sonnenwärme oder Wind). Die allen Menschen hieran unbegrenzt zustehende Gebrauchsmöglichkeit ist vom Aneignungsrecht freistehender (herrenloser) Sachen (§ 381) und vom Gemeingebrauch am öffentlichen Gut (§ 287) abzugrenzen (vermischend zB Klicka/S Rz 3; K/W I 243; richtig Klang/K III 44, der von „freien Gütern“ spricht). 4 Die beherrschbaren und nicht unbegrenzt vorhandenen (vgl Rz 3) na-
türlichen sowie alle künstlich erzeugten Energien sind, auch wenn sie nicht festkörperlich sind (zB Gas, Erdöl), Sachen (zB GlUNF 5181: Dampfkraft; SZ 7/410: Elektrizität; s aber § 292 Rz 1). Sachcharakter haben auch die Leistungen des Menschen als Gegenstand von Immaterialgüterrechten (vgl K/W I 242 f; s auch § 292 Rz 1). Auch die im Internet verwendete Domain gilt als – unkörperliche – Sache (vgl Thiele, RdW 2006, 80 bei FN 18 ff; s auch § 311 Rz 1). Künftige Sachen, auch wenn sie gegenwärtig nur Chancen oder Anwartschaftsrechte sind, sind insofern Sachen, als sie durch Gesetz oder Rechtsgeschäft als solche behandelt werden (vgl den Kauf einer „gehofften“ Sache nach § 1275 und den Hoffnungskauf nach § 1276), wobei jedoch dingliche Rechte das Entstehen einer (körperlichen) Sache voraussetzen (§ 307 Rz 1). 5 Zu den Sacheinteilungen §§ 286 ff; zur Unterscheidung von selbstän-
digen und unselbständigen Sachen (Bestandteilen) sowie Hauptund Nebensachen §§ 294 ff; zum Unternehmen § 302, zu Tieren § 285a.
§ 285a. Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen. [BGBl 1988/179]
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Lit: P. Bydlinski, Das Tier, (k)eine Sache? RdW 1988, 157; Gimpel-Hinteregger, Das Tier als Sache und Ersatz der Heilungskosten für ein verletztes Tier, ÖJZ 1989, 65; Harrer/Graf (Hrsg), Tierschutz und Recht (1994).
Dieser neueren Bestimmung wird von der hL mehr bewusstseinsbil- 1 dende (Spielbüchler/R Rz 1) und programmatische (Gschnitzer ua, AT 397) Funktion als praktischer normativer Gehalt beigemessen. Der besondere Schutz für Tiere ergibt sich nämlich erst aus den einschlägigen Bestimmungen zB des § 1332a, des § 222 StGB (Tierquälerei), der TierschutzG der einzelnen Bundesländer und des TVG (vgl Binder, SachenR Rz 2/2). Zu beachten ist auch die Unpfändbarkeit von Haustieren, die nicht zur Veräußerung bestimmt sind, zu denen eine gefühlsmäßige Bindung besteht (zB Hund, Katze) und deren Wert € 750 nicht übersteigt (§ 250 Abs 1 Z 4 EO). Die mangels Vorhandenseins besonderer Vorschriften vorgesehene 2 Anwendung der sachenrechtlichen Vorschriften bedeutet insb, dass Tiere in die Kategorie der Rechtsobjekte und nicht der Rechtssubjekte fallen, sowie dass sie zum Vermögen (Eigentum iwS des § 353) einer Person gehören. Anwendungsfälle sind auch die Möglichkeit des Entstehens einer Notwehr- (§ 19; vgl SZ 62/132) oder einer Notstandslage (§ 1306a) bei einem Angriff auf das eigene (iwS, dh auch dingliche Berechtigungen am Tier sind geschützt) Tier des Angegriffenen. Bei einem Angriff auf ein fremdes Tier (zu den – geringen – Schutzrechten Dritter bei Angriffen des Eigentümers gegenüber dem eigenen Tier vgl Binder, SachenR Rz 15/4, 5) kann eine Nothilfelage entstehen. Greift ein Tier an, besteht die Möglichkeit der Sachwehr (nicht rechtswidrig handelnde „Sache“; vgl K/W II 365; für schärfere Interessenabwägung iSd § 1306a bei „Tierwehr“ Binder, SachenR Rz 2/2). Trotz der formal neu geschaffenen Kategorie der Tiere neben den Personen und Sachen hat sich im Übrigen nicht die Ausdrucksweise „Sachen- und Tierrecht“ oÄ (vgl P. Bydlinski, RdW 1988, 157 ff) entwickelt. Einteilung der Sachen nach Verschiedenheit des Subjektes, dem sie gehören § 286. Die Sachen in dem Staatsgebiete sind entweder ein Staatsoder ein Privatgut. Das letztere gehört einzelnen oder moralischen Personen, kleinern Gesellschaften, oder ganzen Gemeinden. § 286 unterscheidet Sachen, die dem Staat gehören, von Sachen, die 1 einer Privatperson gehören, nicht etwa öffentliches und privates Eigentumsrecht (dazu § 290). Unter dem Staat werden entgegen dem Eccher
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Wortlaut aufgrund der heutigen Staatsverfassung alle Gebietskörperschaften, also neben dem Bund und den Ländern auch die (politischen) Gemeinden verstanden (eingehend Spielbüchler/R Rz 1 unter Hinweis auf die Parallelität der §§ 287, 288). Trotz des Wortlautes kann der Staat wie eine Privatperson auch Eigentümer von im Ausland gelegenen Sachen sein (zB Kunstsammlung, Botschaftsgebäude), wie auch umgekehrt fremde Staaten und Staatsbürger (einschließlich der Staatsoberhäupter; vgl auch § 289 Rz 1) Vermögen in Österreich haben können, wobei über das hinsichtlich der jeweiligen Sachen anzuwendende Recht das IPR und das Internationale Verfahrensrecht, hinsichtlich exterritorialer Personen auch das Völkerrecht entscheiden (vgl Spielbüchler/R Rz 2). 2 Privatpersonen sind natürliche oder juristische Personen. Die Unter-
scheidung der letzteren („moralischen“) Personen in „kleinere Gesellschaften“ und „ganze Gemeinden“ schließt alle Arten juristischer Personen (Körperschaften sowie Anstalten/Stiftungen/Fonds) ein (Spielbüchler/R Rz 3). Freistehende Sachen; öffentliches Gut und Staatsvermögen § 287. Sachen, welche allen Mitgliedern des Staates zur Zueignung überlassen sind, heißen freistehende Sachen. Jene, die ihnen nur zum Gebrauche verstattet werden, als: Landstraßen, Ströme, Flüsse, Seehäfen und Meeresufer, heißen ein allgemeines oder öffentliches Gut. Was zur Bedeckung der Staatsbedürfnisse bestimmt ist, als: das Münz- oder Post- und andere Regalien, Kammergüter, Berg- und Salzwerke, Steuern und Zölle, wird das Staatsvermögen genannt. Gemeindegut; Gemeindevermögen; § 288. Auf gleiche Weise machen die Sachen, welche nach der Landesverfassung zum Gebrauche eines jeden Mitgliedes einer Gemeinde dienen, das Gemeindegut; diejenigen aber, deren Einkünfte zur Bestreitung der Gemeindeauslagen bestimmt sind, das Gemeindevermögen aus. Lit: Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten (1996); Krzizek, Das öffentliche Wegerecht (1967); Melichar, Die öffentlichen Sachen und der Gemeingebrauch, JBl 1967, 179; Merli, Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch (1995).
1 Das öffentliche Gut erfasst allgemein jene Sachen, die im Eigentum
des Staates stehen und an denen Gemeingebrauch besteht (VwGH 260
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Sachen
§§ 287–288
2003/03/0163 VwSlg 16.244 A; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3, 1996, 698). Nach heute hA wird das Vermögen einer politischen Gemeinde trotz der autonomen Zuständigkeit der Gemeinden zur Vermögensverwaltung im eigenen Wirkungsbereich (Art 116 ff B-VG) wie das Vermögen des Staates, also des Bundes und der Länder, behandelt, so dass dem öffentlichen Gut und dem Vermögen des Staates das Gemeindegut und das Gemeindevermögen entsprechen (§§ 287 und 288). Darüber hinaus können auch sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts Träger von öffentlichem Gut sein (Spielbüchler/R Rz 3). An freistehenden (herrenlosen) Sachen, also Sachen, die bisher noch 2 keinen Eigentümer hatten (zB bergfreie Mineralien: s § 382 Rz 2, wilde Tiere und Fische: s § 383 Rz 1 ff) oder die aufgegeben (preisgegeben, derelinquiert) worden sind (§§ 386, 387), soll dem Staat eben wegen der Erwähnung in § 287 ein Obereigentum zukommen (Spielbüchler/R § 287 Rz 1), wohl in dem Sinn, dass der Staat jedermann ein Aneignungsrecht hieran garantiert (dazu §§ 381 ff). Eigentümer des öffentlichen Gutes (im Wesentlichen öffentliche 3 Wege und Gewässer, s Rz 8, 9) sind nach dem Gesagten (§ 286 Rz 1) der Bund, die Länder, die Gemeinden oder allenfalls eine sonstige öffentliche Körperschaft entsprechend den jeweils einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen. Im Grundbuch ist das öffentliche Gut im B-Blatt auf Antrag (beachte jedoch die seinerzeitige amtswegige Ersichtlichmachung in Salzburg, Tirol, Burgenland und Vorarlberg bei der Grundbuchsanlegung aufgrund von Sondergesetzen; dazu Dittrich/Angst/Auer, Grundbuchsrecht4, 1991, 448 FN 4) ersichtlich zu machen, also nicht einzuverleiben (§ 1 Abs 2, § 12 Abs 1 AllgGAG). Die Ersichtlichmachung ist allerdings nicht Voraussetzung für das Bestehen von Gemeingebrauch (VwGH 2003/05/0194 ZfVB 2006/357) und umgekehrt begründet die Ersichtlichmachung nur die Vermutung des Vorliegens von öffentlichem Gut (5 Ob 44/03m EvBl 2003/134), wenngleich für die Ersichtlichmachung ein urkundlicher Nachweis der Widmung verlangt wird (5 Ob 283/05m JBl 2006, 451). Bei privatrechtlichen Verfügungen (Rz 4) hat das handlungsbefugte Organ die entsprechenden öffentlichen Vorschriften einzuhalten (vgl auch § 867), insb ist der Gemeingebrauch durch einen – dem Grundbuchsgericht nachzuweisenden – Verwaltungsakt aufzuheben (SZ 32/64: bei Ersitzung nicht erforderlich). Gemeingebrauch. Am öffentlichen Gut (zum Gemeingebrauch an 4 Sachen im Privateigentum s Rz 5) steht jedermann (trotz des Wortlauts keine Einschränkung auf Staatsbürger) das Recht des Gebrauchs Eccher
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Sachen
§§ 287–288
und der Nutzung im Rahmen der Widmung und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen anderer daran Interessierter zu (zur Sondernutzung s Rz 7). Die Widmung erfolgt durch Gesetz oder Verwaltungsakt (vgl JBl 1961, 155: Freigabe einer Straße zum öffentlichen Verkehr), aber auch durch langandauernde Ausübung analog den Ersitzungsbestimmungen (beachte SZ 41/48: zusätzlich dringendes Verkehrsbedürfnis erforderlich; 5 Ob 505/93 SZ 66/166: Charakter einer Mautstraße bleibt erhalten und auch umgekehrt VwGH VwSlg 16.244 A: durch Bemautung wird Gemeingebrauch nicht aufgehoben). Dem Einzelnen steht ein subjektives Recht auf Teilnahme am Gemeingebrauch, uU sogar auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs zu (vgl 3 Ob 2125/96p SZ 69/101; Straßenböschung; Benützung als Zufahrt ist aber Sondernutzung, vgl Rz 7), nicht aber auf Setzung von baulichen und anderen Maßnahmen zur Durchsetzung des Gemeingebrauchs (SZ 53/16). 5 Auch an Sachen im Privateigentum (vgl „öffentliche Privatstraße“,
nicht identisch mit Straßen mit [faktischem] öffentlichen Verkehr nach § 1 StVO; weiter Rz 8, 9) kann Gemeingebrauch durch Widmung des Eigentümers oder Ersitzung entstehen, sofern der Gemeingebrauch gegenüber dem privaten Nutzungsgehalt nicht in den Hintergrund tritt (zB „kleiner Gemeingebrauch“ an privaten Gewässern nach § 8 Abs 2 WRG oder Öffnung eines privaten Waldes gemäß § 33 Abs 1 ForstG; so Spielbüchler/R Rz 4). Das Recht des Gemeingebrauchs gehört dann mE zum öffentlichen Gut. Der Gemeingebrauch endet durch Widerruf, soweit dies der die Einräumung darstellende Rechtstitel zulässt. Besteht ein einseitiges jederzeitiges Widerrufsrecht (zB „bis auf Widerruf gestatteter Durchgang“), kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt noch von Gemeingebrauch gesprochen wird (ablehnend Binder, SachenR Rz 2/17). 6 Über Bestand und Umfang sowie Durchsetzung des Gemeinge-
brauchs – wohl auch in den Fällen der Rz 2 – entscheidet die zuständige Verwaltungsbehörde (8 Ob 583/93 JBl 1995, 62). Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ist gegeben, wenn Eigentumsrechte oder sonstige private Rechte (Dienstbarkeiten, Besitz oder auch damit zusammenhängende Schadenersatzansprüche) geltend gemacht werden (zB SZ 39/85; SZ 69/101: Straßenböschung). 7 Geht die Nutzung des öffentlichen Gutes über die Widmung umfang-
mäßig, örtlich oder zeitlich hinaus, spricht man von Sondernutzung oder Sondergebrauch (zB Kaffeehaustische auf öffentlicher Straße; SZ 47/131: Bootshaus über einem See; SZ 52/62: Werbemaßnahmen 262
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Sachen
§§ 287–288
auf öffentlicher Straße). Ein Sondergebrauch entsteht durch behördliche Bewilligung oder privatrechtliche Einräumung (zum regelmäßigen Erfordernis des kumulativen Vorliegens beider Rechtstitel allerdings 6 Ob 191/05i RdW 2006, 145). Auch Besitz und demnach Ersitzung sind denkbar (zB EvBl 1965/1: Holzlagerplatz; beachte EvBl 1973/113: Ersitzung eines im Umfang des Gemeingebrauchs enthaltenen Rechts erfordert Erkennbarkeit als davon unabhängiger Rechtserwerb; EvBl 1965/364: Ersitzung des Eigentums mwN zur grundbücherlichen Eintragung des Ersitzungsbesitzers; 1 Ob 7/01p RZ 2002, 192: Aufhebung des Gemeingebrauchs ist nach Ersitzung und entsprechender Verbücherung nicht mehr erforderlich; vgl hiezu Klicka/S § 287 Rz 19). Zum öffentlichen Gut gehören die öffentlichen Gewässer gemäß § 2 8 WRG, das sind insb die im Anhang A des WRG aufgezählten – größeren – Ströme, Flüsse, Bäche und Seen, aber generell auch alle nicht ausdrücklich als Privatgewässer nach § 3 WRG bezeichneten Gewässer (beachte die Möglichkeit der Erklärung von Privatgewässern zu öffentlichen Gewässern in § 61 WRG) und auch die als „öffentliches Wassergut“ bezeichneten – wasserführenden oder verlassenen – Bette der dem Bund gehörigen öffentlichen Gewässer (§ 4 WRG; EvBl 1979/213). Dabei wird das Wasserbett durch den vollen Wasserstand vom Ufergrundstück abgegrenzt (SZ 53/38). Der Gemeingebrauch besteht in der gewöhnlich ohne besondere Vorkehrungen ausgeübten und den die gleiche Benützung durch andere nicht ausschließenden Gebrauch vielfältiger Art, zB Baden, Waschen, Tränken, Gewinnung von Pflanzen oder Schotter oder Benützung der Eisdecke (§ 8 WRG; zum Recht des Fischens s § 383 Rz 4). Die Privatgewässer oder privaten Wasserbette gehören, wenn nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen (§ 3 Abs 1 WRG), dem Grundeigentümer (§ 297), doch ist auch hier Gemeingebrauch denkbar (s auch Rz 5; zB SZ 53/38: Betreten eines Seebetts bei ausgetrocknetem See). Jede darüber hinausgehende Nutzung ist Sondernutzung und bedarf der Bewilligung der Wasserrechtsbehörde (§ 9 WRG; zB SZ 47/131: Badehaus über einem See). Öffentliche Straßen und Wege. Bundesstraßen sind Straßen, die in 9 das Bundesstraßenverzeichnis gemäß dem BStG (derzeit Bundesautobahnen und Bundesschnellstraßen; beachte die Übertragung eines Großteils der früheren Bundesstraßen in das Eigentum der Bundesländer durch Art 5 BundesübertragungsG), Landesstraßen, die in das entsprechende Landesstraßenverzeichnis gemäß den einzelnen Landesstraßengesetzen aufgenommen sind. Gemeindestraßen sind Straßen, die durch V der Gemeinden zu Gemeindestraßen erEccher
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Sachen
§§ 287–288
klärt wurden. Straßen- und Wegeinteressentschaften sowie auch Einzelpersonen können Träger öffentlicher Privatstraßen (s Rz 5) sein (vgl zB die Einteilung nach § 6 Tir StraßenG). Im Zweifel entscheidet die Straßenbaulast über die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rechtsträger (Spielbüchler/R § 287 Rz 3; SZ 52/96: im Zweifel Gemeinde als kleinste Gebietskörperschaft). Voraussetzung der Öffentlichkeit einer Straße oder eines Weges ist die Widmung zum Gemeingebrauch (Rz 4), das ist die Freigabe zum öffentlichen Verkehr, allenfalls auch nur für bestimmte Arten von Verkehr, unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften (insb der StVO) durch den jeweiligen Träger (vgl 1 Ob 268/01w SZ 2002/6: vor Widmung daher kein Gemeingebrauch an Privatstraße, die teilweise auf Gemeindegrund verläuft). Das Bestehen einer Mautstraße schließt Gemeingebrauch nicht aus (s Rz 4). Güterwege nach den Güter- und Seilwegegesetzen der Länder, die der Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke – auch ohne entsprechende Kennzeichnung – dienen, sind keine öffentlichen Straßen bzw Wege (SZ 56/155; Klicka/S § 287 Rz 8). Sondernutzungen sind grundsätzlich nur mit Bewilligung des Rechtsträgers erlaubt und dürfen den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigen (ZVR 1961/165). Parken gehört etwa noch zum Gemeingebrauch (SZ 52/62), nicht aber das Aufstellen von Werbeträgern (Klicka/S § 287 Rz 8). 10 Friedhöfe. Kommunale Friedhöfe stehen als Gemeindegut im Ge-
meingebrauch, wobei hinsichtlich des Benützungsrechts an den einzelnen Grabstätten, der Grabpflege und des Zutrittsrechts die Friedhofsordnungen – sei es als V oder Vertrag – maßgeblich sind. Sie dürfen jedenfalls nicht widmungsfremd benützt werden (SZ 5/136). Darüber hinaus gibt es konfessionelle Friedhöfe von Religionsgemeinschaften oder ihren Teilorganisationen (zB Pfarreien, Klöster), deren Benützung durch die Regelung der jeweiligen Religionsgemeinschaft intern festgelegt wird. Das an sich nur privatrechtlich zu beurteilende Eigentum an den Grabanlagen (insb am Grabstein) ist durch die jeweilige Friedhofsordnung und das Totenfürsorgerecht der nächsten Angehörigen (vgl SZ 27/51; 7 Ob 285/03t SZ 2003/176; s auch § 531 Rz 7 f) beschränkt (Spielbüchler/R § 288 Rz 4). 11 Das Staatsvermögen steht im Eigentum der Gebietskörperschaften,
also des Bundes, der Länder oder – als Gemeindevermögen (s § 286 Rz 1) – der Gemeinden. Es dient ohne Beschränkungen durch Gemeingebrauch und Sondernutzung entweder als sog Verwaltungsvermögen spezifischen Aufgaben des jeweiligen Trägers (Schulen, Krankenhäuser, Museen mit ihren Beständen, militärische Bauten und Anlagen usw) oder als sog Finanzvermögen bloß der Erzielung von 264
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Sachen
§ 290
Einkünften, zB privatrechtlich genutzte Liegenschaften, Aktien oder sonstige Finanzinstrumente (zu den Agrargemeinschaften s § 361 Rz 2; zur aktuellen Diskussion über die Rückführung des Vermögens der Agrargemeinschaften an die Gemeinden vgl Guggenberger, Merkblatt für die Gemeinden Tirols 2004/25). Das Staats- und Gemeindevermögen unterliegt grundsätzlich dem Privatrecht und ist insofern auch der Exekution unterworfen (beachte jedoch die Exekutionsbeschränkungen des § 15 EO gegenüber Gemeinden und gemeinnützigen Anstalten sowie des § 28 EO gegenüber Verkehrsunternehmen unter staatlicher Aufsicht; SZ 12/155). Nach Spielbüchler/R § 287 Rz 10 kann im Einzelfall die Zweckbindung des Verwaltungsvermögens durch die zuständige Behörde geltend gemacht werden. [Privatgut des Landesfürsten] § 289. [Auch dasjenige Vermögen des Landesfürsten, welches er nicht als Oberhaupt des Staates besitzt, wird als ein Privatgut betrachtet.] Die Bestimmung ist seit der Abschaffung der Monarchie – ebenso wie 1 § 20 – gegenstandslos, allenfalls enthält sie die (selbstverständliche) Aussage, dass das Vermögen staatlicher Funktionäre immer ihrem privaten Vermögen zuzurechnen ist (Spielbüchler/R Rz 1). In historischer Sicht ist zu beachten, dass durch das sog HabsburgerG (StGBl 1919/209 idgF) das seinerzeitige Vermögen des Hauses HabsburgLothringen und seiner Mitglieder als hofärarisches oder gebundenes Vermögen auf die Republik Österreich übertragen und auf Antrag nur das nachweislich freie persönliche Privateigentum den jeweiligen Berechtigten ausgefolgt wurde. Zum Vermögen ausländischer Staatsoberhäupter in Österreich s § 286 Rz 1. Allgemeine Vorschrift in Rücksicht dieser verschiedenen Arten der Güter § 290. Die in diesem Privatrechte enthaltenen Vorschriften über die Art, wie Sachen rechtmäßig erworben, erhalten und auf andere übertragen werden können, sind in der Regel auch von den Verwaltern der Staats- und Gemeindegüter, oder des Staats- und Gemeindevermögens zu beobachten. Die in Hinsicht auf die Verwaltung und den Gebrauch dieser Güter sich beziehenden Abweichungen und besondern Vorschriften sind in dem Staatsrechte und in den politischen Verordnungen enthalten. Eccher
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Sachen
§ 291
Lit: B. Binder, Der Staat als Träger von Privatrechten (1980); F. Bydlinski, Die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlicher Sicht, JBl 1968, 9; Kerschner, Bereicherung im öffentlichen Recht (1983); ders, „Naturale“ Bereicherungsansprüche im öffentlichen Recht? JBl 1986, 702.
1 Das ABGB verweist auf keine besondere öffentlich-rechtliche Eigen-
tumsordnung für das Eigentum am öffentlichen Gut/Gemeindegut (oder am öffentlichen Gut anderer Rechtsträger, zB auch von Kirchen und sonstigen Religionsgesellschaften) und für das Staatsvermögen/ Gemeindevermögen (s §§ 287–288 Rz 11), sondern erklärt grundsätzlich auch hiefür das allgemeine Privatrecht für maßgeblich. Der Verweis bloß auf die besonderen Vorschriften des öffentlichen Rechts (Staatsrecht und politische Verordnungen) soll den Ausnahmecharakter und auch dessen regelmäßige Anwendbarkeit bloß im Innenverhältnis (vgl die sog Zweistufentheorie: zB Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG als innere Bindung des verfügungsbefugten Rechtsträgers und äußere privatautonome Abschlussfreiheit) zum Ausdruck bringen (Spielbüchler/R Rz 1). 2 Aus der allgemeinen Privatrechtszuständigkeit wird etwa die An-
wendbarkeit des privaten Nachbarrechts (SZ 57/134: Fischteichanlage) oder des Bereicherungsrechts zwischen öffentlich-rechtlichen Eigentümern (vgl Kerschner, JBl 1986, 702 ff) oder auch zwischen einem öffentlichen und einem privaten Eigentümer abgeleitet. Andererseits gibt es auch schon im Privatrecht selbst Sondervorschriften (zB § 867 zur Gültigkeit von Verträgen der öffentlichen Hand; §§ 1472 und 1485 zur Ersitzung; zu Exekutionsbeschränkungen s §§ 287–288 Rz 11; zur Möglichkeit der Ersitzung öffentlichen Gutes s §§ 287–288 Rz 3). Einteilung der Sachen nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit § 291. Die Sachen werden nach dem Unterschiede ihrer Beschaffenheit eingeteilt: in körperliche und unkörperliche; in bewegliche und unbewegliche; in verbrauchbare und unverbrauchbare; in schätzbare und unschätzbare. 1 Zusätzlich zu den in § 291 übersichtsartig genannten und in den fol-
genden §§ behandelten Sacheinteilungen s noch §§ 294 ff und §§ 414 ff zu Sachverbindungen iwS, bei § 843 zur Teilbarkeit von Sachen, in § 301 Rz 2 auch zur Vertretbarkeit bzw Unvertretbarkeit und zur Unterscheidung in Spezies- und Genus-Sachen und bei § 356 zur Verkehrsfähigkeit von Sachen. 266
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Sachen
§ 292 Körperliche und unkörperliche Sachen;
§ 292. Körperliche Sachen sind diejenigen, welche in die Sinne fallen; sonst heißen sie unkörperliche; z. B. das Recht zu jagen, zu fischen und alle andere Rechte. Lit: F. Bydlinski, Energielieferung und Kaufrecht, FS Hämmerle (1972) 31; P. Bydlinski, Der Sachbegriff im elektronischen Zeitalter: zeitlos oder anpassungsbedürftig? AcP 198 (1998) 288; Staudegger, Rechtsfragen beim Erwerb von IT-Systemen, in Jahnel/Schramm/Staudegger (Hrsg), Informatikrecht 2 (2003) 79.
Das Kriterium der sinnlichen Wahrnehmbarkeit für das Vorliegen 1 einer körperlichen Sache ist als räumliche Abgrenzbarkeit in festem, flüssigem oder gasförmigen Zustand zu interpretieren (Spielbüchler/R § 291 Rz 2), weil nur dann Beherrschbarkeit und damit ein taugliches Objekt dinglicher „Herrschafts“-Rechte gegeben ist (§ 307). Daher müssen (derzeit noch) die – von ihrem Trägermedium losgelöst gedachten – Schallwellen, Strahlen uÄ sowie die Software (str; nach P. Bydlinski, AcP 198, 288 ff, insb 316 ist jedoch stets Verkörperung der Software mit einem Datenträger gegeben; krit gegen die Qualifizierung stets als körperliche Sache in 5 Ob 504/96 SZ 70/202 Staudegger in Jahnel/Schramm/Staudegger, Informatikrecht 82 f) und überhaupt Daten, Formeln, Codes, Informationen uÄ als unkörperliche Sachen gelten (zur Internet-Domain s § 285 Rz 4; § 311 Rz 1). Dies gilt entgegen der hA (vgl Nachweise bei Klicka/S Rz 2, aA etwa Gschnitzer ua, AT 398 f; im Ergebnis auch SZ 4/83 betreffend die Dampfkraft) auch für die zwar räumlich abgrenzbare (vgl Übergabe- und Übernahmestelle eines Stromnetzes), aber wegen der physischen Besonderheit der Zeitgleichheit von Erzeugung und Verbrauch doch nicht wirklich beherrschbare Elektrizität. Die menschliche Leistung ist jedenfalls unkörperlich (SZ 7/155; zur Sachqualität allgemein s § 285 Rz 4). Das Unternehmen, wenn es als Gesamtsache (s § 302) aus körperlichen und unkörperlichen Sachen besteht, ist daher selbst unkörperlich, wobei Sachenrechte ieS ohnehin nur an den einzelnen körperlichen Unternehmensteilen bestehen können (s § 302 Rz 2). Zur Frage der Beweglichkeit/Unbeweglichkeit s § 293 Rz 3. Auf die Körperlichkeit einer Sache kommt es abgesehen von der 2 Tauglichkeit als Objekt der Sachenrechte ieS und damit der Anwendbarkeit des gesamten Sachenrechts (Rz 1) auch im PHG (§ 1: Beschädigung einer vom Produkt verschiedenen körperlichen Sache) und im Exekutionsrecht an (vgl § 249 EO: Exekution auf körperliche Sachen), nicht hingegen – und insoweit über die VerbrauchsgüterkaufEccher
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Sachen
§ 293
RL (s § 922 Rz 7) hinausgehend – im neuen Gewährleistungsrecht der §§ 922 ff ABGB und §§ 8 ff KSchG (BGBl I 2001/48). bewegliche und unbewegliche § 293. Sachen, welche ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur andern versetzt werden können, sind beweglich; im entgegengesetzten Falle sind sie unbeweglich. Sachen, die an sich beweglich sind, werden im rechtlichen Sinne für unbeweglich gehalten, wenn sie vermöge des Gesetzes oder der Bestimmung des Eigentümers das Zugehör einer unbeweglichen Sache ausmachen. 1 Das Gesetz bestimmt die Beweglichkeit oder die Unbeweglichkeit
einer (körperlichen; zur entsprechenden Unterscheidung der Rechte § 298) Sache nach der technisch möglichen (nicht nach der tunlichen, dh wirtschaftlich vertretbaren; vgl anders § 427) Ortsveränderung ohne gänzlichen oder teilweisen Substanzverlust. Die vorgesehene Unbeweglichkeit des (an sich beweglichen) Zugehörs (zur überholten Terminologie s § 294 Rz 1) von unbeweglichen Sachen endet mit der Aufhebung der Verbindung, sei es rein faktisch (zB Einsturz eines Gebäudes) oder – bei Zubehör und selbständigen Bestandteilen (dazu § 294 Rz 2 ff) – durch den Willen des Eigentümers der Hauptsache, soweit gesetzlich zulässig. Die ebenfalls an sich beweglichen Schiffsmühlen und sonstigen Bauwerke auf Schiffen (zB Wohnschiffe) behandelt § 560 ZPO als unbeweglich. 2 Die Unterscheidung in bewegliche und unbewegliche Sachen beruht
auf unterschiedlichen Verkehrsbedürfnissen bei den beiden Sachkategorien; insb wurden, wenn auch zT heute nicht mehr nachvollziehbar, unbewegliche Güter für wertvoller als bewegliche gehalten, die auch eine geringere Umlaufgeschwindigkeit und -häufigkeit aufweisen. An unterschiedlichen Regelungen seien genannt: Erwerb und Verlust des Eigentums insb auch in Hinblick auf das Grundbuch (§§ 426 ff und §§ 431 ff sowie die Grundbuchsgesetze), gutgläubiger Eigentumserwerb (§§ 367, 371 und 456 gegenüber § 1500, §§ 63 ff GBG), Grundbuchsfähigkeit und damit erzielbare absolute Wirkung bestimmter an sich obligatorischer Rechte (§§ 364c, 1070, 1073, 1095 und 1120). Weiters finden sich jeweils unterschiedliche Regelungen bei der Anlegung und Veräußerung von Mündelgeld (§§ 230, 230d, 154 Abs 3, § 232), der Ausdehnung der Nacherbenschaft (§ 612), bei der Berücksichtigung von Vorempfängen und Schenkungen (§ 794; zur Gleichbehandlung in der Rspr vgl Eccher/S § 794 Rz 2), bei den Gewährleistungsfristen (§ 933), bei der Einlösungsfrist für das Vorkaufsrecht (§ 1075), bei der Probezeit beim Kauf auf Probe (§ 1082), 268
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Sachen
§ 294
bei den Kündigungsfristen für Bestandverträge (§ 1116; § 560 ZPO), bei der Zulässigkeit von Wiederkaufs- und Rückverkaufsrechten (§§ 1070, 1071), beim Trödelvertrag (§ 1088), beim Heiratsgut (§ 1228) und bei der Ersitzungszeit (§§ 1466, 1468, 1476); außerhalb des ABGB etwa in Art 4 Abs 3 EVÜ (Belegenheitsstaat eines Grundstücks als engste Verbindung). Mitunter wird ein und dieselbe Sache in Bezug auf die Anwendung 3 der Regeln für bewegliche oder unbewegliche Vorschriften unterschiedlich behandelt. Dies gilt va für schuldrechtliche (zum untauglichen Gegenstand des Unternehmens für Sachenrechte ieS § 302 Rz 2) Aspekte des Unternehmens als Gesamtsache: zB werden bei Fristberechnungen (§§ 933, 1075, 1082) oder bei der Zulässigkeit des Wiederkaufrechts (§ 1070) die Regelungen für unbewegliche Sachen herangezogen (SZ 28/144), im Übrigen gilt das Unternehmen als bewegliche Sache (zB K/W I 256). Gänzlich als unbeweglich ist das Unternehmen freilich dann anzusehen, wenn es Zubehör einer die Hauptsache bildenden Liegenschaft ist. Zugehör überhaupt; § 294. Unter Zugehör versteht man dasjenige, was mit einer Sache in fortdauernde Verbindung gesetzt wird. Dahin gehören nicht nur der Zuwachs einer Sache, solange er von derselben nicht abgesondert ist; sondern auch die Nebensachen, ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht werden kann, oder die das Gesetz, oder der Eigentümer zum fortdauernden Gebrauche der Hauptsache bestimmt hat. Lit: Frotz, Kreditsicherungsrecht, insb 55 ff; Holzner, Gutgläubiger Rechtserwerb an Nebensachen, JBl 1994, 511 und 587.
Übersicht und Begriffsbestimmungen. Die Regelung der Sachverbin- 1 dungen von Nebensachen zu einer Hauptsache (zur Gesamtsache als Verbindung mehrerer selbständiger Sachen s § 302) in § 294 einschließlich von Sonderaspekten zu landwirtschaftlichen und städtischen Grundstücken sowie von Maschinen in den §§ 295 ff ist insofern unvollständig, als nur auf Verbindungen beweglicher mit unbeweglichen Sachen Bezug genommen wird. Sie ist zT auch widersprüchlich (vgl § 294 gegenüber § 457) und terminologisch (s insb den Begriff von Zugehör bloß für Zuwachs und Zubehör) überholt (Klang/K II 12 f). Die heutige primäre Unterscheidung zwischen einfachen (zB Pflanzen, Tiere, Statue) und zusammengesetzten Sachen (dazu etwa Klicka/S Rz 1) ist allerdings wegen der rechtlichen Eigenschaft unselbständiger Eccher
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Sachen
§ 294
Bestandteile (Rz 9; zB auch Moleküle als solche denkbar) beliebig und daher irrelevant. Die weitere – rechtlich ebenfalls nicht relevante (Rz 7) – Unterscheidung der selbständigen Nebensachen in Zubehör und selbständige Bestandteile berücksichtigt lediglich den Umstand, ob zwischen Haupt- und Nebensachen neben der wirtschaftlichen Bezogenheit auch eine körperliche Verbindung besteht oder nicht (Rz 5). Die unselbständigen Nebensachen sind entweder unselbständige Bestandteile oder Zuwachs, womit im Wesentlichen die natürlichen Früchte gemeint sind (vgl § 330; die künstlichen Früchte, sog Zivilfrüchte, reifen bekanntlich kontinuierlich an). 2 Zubehör entsteht durch die Widmung (oder Aufrechterhalten einer
Widmung) einer (beweglichen oder unbeweglichen) Sache zum fortdauernden, also tatsächlich bestehenden (SZ 27/108: Unentbehrlichkeit ist aber nicht erforderlich) Gebrauch, dh wirtschaftlichen oder ideellen Nutzen einer (wiederum beweglichen oder unbeweglichen) Hauptsache. Damit ist auch ein gewisses räumliches Naheverhältnis zu schaffen (RZ 1957, 102: Büro ist im konkreten Fall zu weit entfernt). Der Gebrauch erfolgt durch den Eigentümer selbst oder auch – wie häufig – in dessen Unternehmen (SZ 39/174: Weberei). Die Widmung geschieht durch den Eigentümer der Hauptsache. Ob die Widmung nur bei Eigentümeridentität wirksam ist, bleibt str (zum Meinungsstand Klicka/S Rz 14; vgl SZ 37/165: vom Mieter/Pächter eingebrachte Sachen sind kein Liegenschaftszubehör, allenfalls aber Zubehör des Miet-/Pachtrechts; beachte aber SZ 60/152: exekutives Pfandrecht am Zubehör – Autotelefon – trotz Eigentümerverschiedenheit; s auch Rz 4 und § 297a Rz 1 sowie § 315 Rz 1 zum Besitzerwerb). Gegen das Erfordernis der Eigentümeridentität könnte der Vorrang wirtschaftlicher vor sachenrechtlichen Zusammenhängen sprechen. Wesentliche Rechtsfolgen der Zubehöreigenschaft gelten aber trotzdem nicht für – vom Eigentümer der Hauptsache aus gesehen – fremde Zubehörsachen. Erweitern würde sich aber der Anwendungsbereich des § 252 EO und auch Übereinstimmung mit den selbständigen Bestandteilen erreicht werden (insb Frotz, Kreditsicherungsrecht 56 ff; weiter Rz 5, 6). Besteht an einer Sache bereits ein dingliches Recht (zB Pfandrecht), bleibt dieses trotz Widmung als Zubehör bestehen (SZ 14/133) und ist bei Exekution in die Hauptsache vorrangig zu berücksichtigen (Spielbüchler/R Rz 8). 3 Bsp für Zubehör: EvBl 1955/209: Benzin im Fahrzeugtank, nicht aber
Öl im Haupttank für alle Hausparteien (Miet 33.011); ZBl 1935/379: Bilder im Sanatorium, nicht aber Wohnmöbel in einem Bauernhof (SZ 25/102); NZ 1938, 19: (Jung-)Vieh, nicht aber soweit für die konkrete Hofgröße überzählig (SZ 24/19); Betriebsprogramm eines Compu270
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Sachen
§ 294
ters, nicht aber sonstige Software, die allenfalls Zubehör des Unternehmens sein kann (Spielbüchler/R Rz 4). Die Zubehöreigenschaft endet mit Wegfall einer ihrer Vorausset- 4 zungen, demnach (erkennbare; vgl SZ 27/108) Aufhebung der Widmung, Beendigung der Eigentümeridentität (zB durch Veräußerung; zur Voraussetzung der Eigentümeridentität s Rz 2) ab Eigentumsübergang (also zumindest Besitzkonstitut: GlUNF 7747) oder faktische Beendigung der Nützlichkeit (zB GlUNF 6491: Austausch eines Motors; vgl aber SZ 37/115: bloß vorübergehende Entfernung etwa zum Zweck einer Reparatur schadet nicht). Bei Gebrauch des Zubehörs in einem Unternehmen (Rz 2) führt erst endgültige Stilllegung des Unternehmens zur Beendigung der Zubehöreigenschaft (SZ 41/44: Maschinen), nicht bloßer Stillstand, sofern die Widmung noch nicht aufgehoben ist (3 Ob 105/91 SZ 64/166). Selbständige Bestandteile. Eine Nebensache ist bzw wird selbstän- 5 diger Bestandteil, wenn – anders als beim Zubehör – eine körperliche Verbindung mit der Hauptsache besteht bzw hergestellt wird (Rz 1), die ohne Verletzung der Substanz wieder beseitigt werden kann (zB JBl 1967, 85). Eigentümeridentität ist nicht erforderlich (vgl zum Zubehör Rz 2). Die Abtrennbarkeit von der Hauptsache hängt nicht nur von den technisch-physikalischen Gegebenheiten ab, sondern auch von der Verkehrsauffassung und insb den jeweiligen Erwartungshaltungen an die Ausstattung einer Sache. Bedenklich erscheint daher die Einstufung eines Zentralheizungskessels (SZ 45/29) und einer Wohnungstüre (SZ 37/165) als selbständige und damit sonderrechtsfähige (Rz 7) Bestandteile. Weitere Bsp: EvBl 1958/159: zerlegbarer Backofen; ZVR 1960/45: Kfz-Batterie; EvBl 1965/123: Außenbordmotor; SZ 40/104: noch nicht eingesetzte Fensterflügel; 1 Ob 353/97m JBl 1999, 110: Heizkessel und Boiler. Zubehör und selbständige Bestandteile folgen im Zweifel dem recht- 6 lichen Schicksal der Hauptsache. Verfügungen und Verpflichtungen hinsichtlich der Hauptsache umfassen aber nach der mE richtigen Auffassung von Frotz, Kreditsicherungsrecht 59 ff fremde Nebensachen (zur Frage der Zubehöreigenschaft trotz Eigentümerverschiedenheit s Rz 2) nur, wenn sie ausdrücklich einbezogen werden (vgl §§ 1047, 1061). Verfügungen führen überdies nur zum Erwerb dinglicher Rechte, wenn Gutglaubenserwerb nach § 367 vorliegt (vgl Holzner, JBl 1994, 511 ff und 587 ff). Zubehör und selbständige Bestandteile sind aber sonderrechtsfähig, so dass über die Hauptsache auch ohne sie (auch nur mit Zubehör oder nur mit Bestandteilen: vgl SZ 40/104) verfügt werden kann. Bei Verpfändung (analog SicheEccher
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Sachen
§ 295
rungsübereignung) kommt es wegen des Faustpfandprinzips auf den Zeitpunkt des Entstehens des Pfandrechts an. Weiters ist zu beachten, dass (gesonderte) Fahrnisexekution auf Liegenschaftszubehör und sicherlich auch auf selbständige Bestandteile der Liegenschaft – zum Schutz von Unternehmen – nicht zulässig ist (§ 252 EO; ausgenommen nur die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nach § 471: vgl Klicka/S Rz 25; SZ 37/115: Zulässigkeit der Exekution in die zurückbehaltene Sache, hier: Traktor). Folgerichtig erstreckt sich die Exekution auf Liegenschaften auch auf deren selbständige Bestandteile und Zubehör (vgl SZ 57/192: Umfang des Zwangspfandrechtes), wobei grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschreibung und Schätzung maßgeblich ist (SZ 43/88; zur Exszindierungsklage des dritten Eigentümers an als Zubehör behandelten Sachen s § 37 EO, vgl Miet 35.854, und zum Gutglaubenserwerb des Erstehers durch Zuschlag SZ 52/13 sowie zum Verwendungsanspruch des vorigen [Vorbehalts-]Eigentümers gegenüber den Gläubigern SZ 57/192). 7 Unselbständige Bestandteile und Zuwachs. Ein Bestandteil ist un-
selbständig, wenn er nicht ohne Verletzung der Substanz der Sache abgesondert werden kann (vgl die spiegelbildliche Definition selbständiger Bestandteile in Rz 5). Unter Zuwachs sind im Wesentlichen die natürlichen Früchte erfasst (s Rz 1) und zählen bis zur Abtrennung bzw Absonderung hierher. Stehende Früchte sind als künftige Sachen möglicher Gegenstand von Verpflichtungsvereinbarungen, ein Recht auf die Früchte wäre allerdings schon ab Erreichen der Reife gegenwärtiger Vermögenswert. 8 Unselbständige Bestandteile einschließlich des Zuwachses sind son-
derrechtsunfähig und teilen zwingend das rechtliche Schicksal der Hauptsache. Vor der Verbindung entstandene Sonderrechte erlöschen (§§ 297 ff für Liegenschaften, §§ 414 ff für bewegliche Sachen; zB Vorbehaltseigentum, vgl SZ 57/192). insbesondere bei Grundstücken und Teichen; § 295. Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbare Dinge, welche die Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lange ein unbewegliches Vermögen, als sie nicht von Grund und Boden abgesondert worden sind. Selbst die Fische in einem Teiche, und das Wild in einem Walde werden erst dann ein bewegliches Gut, wenn der Teich gefischt, und das Wild gefangen oder erlegt worden ist. 1 § 295 (wie auch schon § 294) qualifiziert den hier angeführten natür-
lichen Zuwachs eines Grundstücks (vgl auch die weiteren Beispiele in 272
Eccher
Sachen
§ 297
§§ 405 und 420: Kräuter und Pilze bzw Samen ab Wurzelbildung) bis zur Absonderung als unselbständige und damit sonderrechtsunfähige (unbewegliche; vgl § 293) Bestandteile des Grundstücks (zum Recht auf Fruchtbezug und zum Erwerb der Früchte s § 405). Zu beachten sind die in Tirol noch bestehenden grundbuchsfähigen Sonderrechte an Bäumen gemäß Art III RGBl 1897/77. Nach richtiger und heute hA (zB K/W I 312) sind das Wild und die 2 Fische vor Erlegung bzw Fang herrenlose, der Aneignung unter Beachtung der Jagd- und Fischereibestimmungen zugängliche Sachen (§ 383). Die gleichzeitige, auf § 295 gestützte Qualifikation des Wildes und der Fische als Bestandteile oder Zubehör der Liegenschaft, auf der sie sich gerade befinden, und damit als unbewegliche Sache (§ 293), ist damit unvereinbar (vgl etwa den Gegensatz bei Klicka/S Rz 3 unter Berufung auf SZ 32/42 gegenüber § 383 Rz 1). § 295 kann daher nur den Umstand zum Ausdruck bringen, dass der Eigentümer aufgrund seiner Entscheidungsmacht über das Zutrittsrecht zum Grundstück oder Gewässer über die Aneignungsbefugnis entscheiden kann (weiter § 383 Rz 1). § 296. Auch das Getreide, das Holz, das Viehfutter und alle übrige, obgleich schon eingebrachte Erzeugnisse, so wie alles Vieh und alle zu einem liegenden Gute gehörige Werkzeuge und Gerätschaften werden insofern für unbewegliche Sachen gehalten, als sie zur Fortsetzung des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes erforderlich sind. § 296 nennt Beispiele für alle Gegenstände, die zum ordentlichen 1 Wirtschaftsbetrieb eines landwirtschaftlichen Gutes einschließlich des Viehs (s auch § 294 Rz 3 zu überzähligen Stücken) gehören und die auch als Gutsinventar oder „lebendes und totes Inventar“ bezeichnet werden. Dabei vermutet die Bestimmung die Widmung des Inventars als Zubehör (allgemein zur Widmung § 294 Rz 2), was analog für jedes zur ordentlichen Wirtschaftsführung erforderliche Betriebsinventar gilt (Spielbüchler/R Rz 1) und va für die Exekutionsbeschränkung des § 252 EO (dazu § 294 Rz 6) Bedeutung hat. und bei Gebäuden; § 297. Ebenso gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, dass sie stets darauf bleiben sollen, als: Häuser und andere Gebäude mit dem in senkrechter Linie darüber befindlichen Luftraume; ferEccher
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Sachen
§ 297
ner: nicht nur alles, was erd-, mauer-, niet- und nagelfest ist, als: Braupfannen, Branntweinkessel und eingezimmerte Schränke, sondern auch diejenigen Dinge, die zum anhaltenden Gebrauche eines Ganzen bestimmt sind: z. B. Brunneneimer, Seile, Ketten, Löschgeräte und dergleichen. Lit: Angst, Das dreidimensionale Grundstück, FS Kühne (1984) 181; P. Bydlinski/Stefula, Zur sachenrechtlichen Qualifikation von Leitungsnetzen, JBl 2003, 69; Hinteregger, Privatflugzeuge und Hindernisfreiheit, ZVR 2002, 236; Kletecˇ ka, Der Bauwerksbegriff im Superädifikatsrecht, immolex 2004, 264; Ramsebner, Eigentum am Grundwasser, RdU 2003, 44.
1 § 297 erklärt im Gefolge der allgemeinen Regel des § 294 die Gebäude
und alle sonstigen Bauwerke (also über „Häuser und andere Gebäude“ hinausgehend, arg „… alles, was …“, aber doch nicht schon jede bearbeitete Grundfläche wie ein mit dem Boden verbundener Tennisplatz, vgl 9 Ob 133/03d immolex 2004, 283) auf und unter der Erdoberfläche, aber auch die mit den Bauwerken in untergeordneter Verbindung stehenden Sachen als unbewegliche (§ 293) Nebensachen einer Liegenschaft. Gebäude und Bauwerke sind etwas „grundfest Errichtetes“ (so Spielbüchler/R Rz 2; vgl auch den Gesetzeswortlaut: „… erd-, mauer-, niet- und nagelfest …“). Die Rspr verlangt aber nur eine „feste Verbindung“ mit dem Boden, nicht eine „Verankerung“ (1 Ob 513/93 SZ 66/38) und stellt auch nicht mehr darauf ab, ob die Sache ohne Substanzverlust leicht wieder entfernt werden kann (7 Ob 31/06v wobl 2006, 359: Schirmbar; für dieses Kriterium noch zB SZ 12/97: Reklametafel; RZ 1961, 102: Baracke). Gebäude und sonstige Bauwerke iS des § 297 sind unselbständige Bestandteile des Grundes (zur Übersicht über die Nebensachen § 294 Rz 1), wobei sich jedoch (nur!) für diese die Frage nach ihrem allfälligen Superädifikatscharakter (Rz 2 f; im Übrigen bei § 435) oder eines gutgläubigen Eigentumserwerbs nach § 418 S 3 (6 Ob 162/02w wobl 2003, 118) stellen kann (s auch Kletecˇ ka, immolex 2004, 264 ff). 2 Gebäude und sonstige Bauwerke sind jedoch nur bei Vorliegen der
Absicht auf dauernde Belassung auf dem Grundstück unselbständige und daher sonderrechtsunfähige Liegenschaftsbestandteile (weiter Rz 3). Dieser, als zwingend bezeichnete (JBl 1985, 741) Grundsatz „superficies solo cedit“ wird allerdings bei unterirdischen Bauwerken insofern durchbrochen, als uU auch bei dauernder Belassungsabsicht Sonderrechtsfähigkeit (mit der Möglichkeit einer eigenen Grundbuchseinlage; Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz7, 1933, 751 ff) befürwortet wird, wenn nämlich das Bauwerk vom darüber liegenden Gebäude oder Bauwerk unabhängig ist (zB 274
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Sachen
§ 297a
SZ 53/109: Tiefgarage; SZ 66/38: Stollen; vgl Spielbüchler/R Rz 7 und zur zeitlichen Begrenzung der Möglichkeit der Neubegründung solchen „Kellereigentums“ nur mehr bis 31.12.2009 aufgrund des 1. BRBG Kletecˇ ka in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 44). Damit lässt sich auch die Nichtzugehörigkeit von Leitungsnetzen zum jeweiligen Grundstück, in dem sie verlegt sind, begründen (vgl P. Bydlinski/Stefula, JBl 2003, 69 ff: allenfalls Bestandteil der Hauptanlage, wobei mE aber gerade bei Stromnetzen aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung häufig eher das Netz als Hauptsache und die Stromerzeugungsanlage als Nebensache zu qualifizieren wäre; anders zT die bisherige Rspr: SZ 55/105: Hauskanal und SZ 42/35: Gasleitung als unselbständige Bestandteile des Grundstücks). Bei fehlender Belassungsabsicht liegen sog Überbauten (Superädifi- 3 kate) vor, die aber unter denselben Voraussetzungen auch wiederum unterhalb der Erdoberfläche denkbar sind (Näheres bei § 435). Bauwerke, die auf der Grundlage eines Baurechts auf fremden Grund und Boden errichtet werden, sind Zubehör des Baurechts und daher mit der Liegenschaft rechtlich nur indirekt verbunden (hiezu ebenfalls bei § 435). Das rechtliche Schicksal der für ein Bauwerk verwendeten fremden Materialien regeln die §§ 417–419. Ausdehnung des Grundeigentums nach oben und unten. Nach der 4 Konzeption des ABGB und anderer älterer Privatrechtsordnungen (vgl Gschnitzer ua, SachenR 63 f) erstreckt sich das Grundeigentum unbegrenzt in den darüber liegenden Luftraum und den darunter liegenden Erdboden. Heute (vgl zB ausdrücklich § 905 BGB; Art 840 it CC) wird das Kriterium der objektiven Einwirkungs- und Nutzungsmöglichkeit zur Abgrenzung verwendet (zB Spielbüchler/R Rz 4; vgl SZ 42/116: Eigentumsstörung durch Drehkran). Besondere Regeln gelten für Gewässer (§ 287–288 Rz 5, 8), Bodenschätze (dazu § 382 Rz 2) und den Schatzfund (§§ 398 ff) sowie das Überfliegen durch Luftfahrzeuge (§ 2 LFG; vgl dazu Hinteregger, ZVR 2002, 238 ff). Maschinen § 297a. Werden mit einer unbeweglichen Sache Maschinen in Verbindung gebracht, so gelten sie nicht als Zugehör, wenn mit Zustimmung des Eigentümers der Liegenschaft im öffentlichen Buch angemerkt wird, daß die Maschinen Eigentum eines anderen sind. Werden sie als Ersatz an Stelle solcher Maschinen angebracht, die als Zugehör anzusehen waren, so ist zu dieser Anmerkung auch die Zustimmung der früher eingetragenen bücherlich Berechtigten erforderlich. Die Anmerkung verliert mit Ablauf von fünf Jahren Eccher
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Sachen
§ 297a
nach der Eintragung ihre Wirkung; durch das Konkurs- oder Zwangsversteigerungsverfahren wird der Ablauf der Frist gehemmt. [III. TN] Lit: M. Binder, Plädoyer für die Wiederbelebung der Maschineneigentumsanmerkung nach § 297a ABGB, FS Ostheim (1990) 11.
1 Vor dem Hintergrund der unsicheren Rechtslage, die bei Verkauf von
Maschinen unter Eigentumsvorbehalt, die sodann mit Liegenschaften in Verbindung gebracht werden, entstanden ist (Klang/K II 29), sollte § 297a den Hypothekargläubigern (HHB 159 ff) Klarheit über das als zusätzlicher Haftungsfonds interessante Zubehör der Liegenschaft geben. Zu diesem Zweck wird jedenfalls Eigentümeridentität (§ 294 Rz 2) für das Entstehen der Eigenschaft der Maschinen als Zubehör oder selbständiger Bestandteil bei Unterlassen der vorgesehenen Anmerkung nicht gefordert (zB JBl 1981, 256 F. Bydlinski: Notstromaggregat). Das Gesetz verlangt nämlich als Voraussetzung für die fehlende Zubehöreigenschaft nur die Vornahme der Anmerkung. Schützenswert und daher bei Unterlassung der Anmerkung geschützt sind dritte bücherliche Berechtigte (insb Pfandgläubiger und Erwerber). Nicht geschützt sind sonstige Dritte (zB 3 Ob 174/01m JBl 2002, 376: betreibender Gläubiger, wenn er nicht Hypothekargläubiger ist) und der Liegenschaftseigentümer (Vorbehaltskäufer); die Maschine zählt nicht zu seinem Vermögen bei Zwangsvollstreckung oder Konkurs, selbst wenn sie bereits als Zubehör beschrieben und geschätzt wurde (SZ 40/138). Auch die Dritten werden aber nur bei Gutgläubigkeit geschützt. In Anbetracht der Tatsache, dass § 297a in der Praxis nicht weit verbreitet ist und viel häufiger das Fremdeigentum an der Maschine selbst – etwa durch Zettel uÄ – ersichtlich gemacht wird (vgl M. Binder, FS Ostheim 11 ff), wird man den Schutz des Dritten aber nicht nur bei dessen positiver, vom Maschineneigentümer zu beweisender Kenntnis vom Eigentumsvorbehalt, sondern auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis, so etwa bei erkennbarer Bezettelung (SZ 20/164; vgl auch SZ 28/249; JBl 1955, 574) versagen (so zB Klicka/S Rz 11 mwN; aA aber Spielbüchler/R Rz 4 unter Hinweis auf eine sich daraus ergebende, nicht opportune Nachforschungspflicht). 2 § 297a schützt aber bei Vornahme der Anmerkung auch den Vorbe-
haltsverkäufer und Maschineneigentümer, weil die Anmerkung nach § 297a den gutgläubigen Rechtserwerb über § 367 oder § 456 an den in Bezug auf den Liegenschaftseigentümer fremden beweglichen Sachen (§ 293) – da kein Zubehör – verhindert (so wohl Klicka/S Rz 1). 276
Eccher
Sachen
§ 298
Als Maschine gilt nach hA jedes Gerät mit beweglichen Teilen, das 3 selbsttätig menschliche oder tierische Arbeitskraft ersetzt (JBl 1967, 85; Klicka/S Rz 3; M. Binder, FS Ostheim 19 ff). Bsp: SZ 16/132: Motor; SZ 18/86 und JBl 1955, 574: Kühlanlage; HS I/103: Transformator; EvBl 1972/169: Kegelstellautomat. Keine Maschine: SZ 39/23 und JBl 1967, 85: Zentralheizungskessel (aA SZ 15/58); ZBl 1934/389 und 1 Ob 117/57: Backofen oder Herd. Die im Gutsbestandsblatt vorzunehmende, deklarativ wirkende An- 4 merkung erfolgt auf Antrag des Eigentümers der Liegenschaft (oder mit dessen Zustimmung des Maschineneigentümers) unter Vorlage einer grundbuchsfähigen Urkunde, die auch von einem allfälligen Zustimmungsberechtigten beglaubigt zu unterfertigen ist (so nunmehr Spielbüchler/R Rz 4). Die Maschine – nicht unbedingt der Eigentümer – ist genau zu bezeichnen (SZ 16/132). Die Wirkungen der Anmerkung (insb Rz 2) treten nur hinsichtlich der nachfolgenden bücherlichen Berechtigten ein (SZ 9/9). Die Anmerkung verliert abgesehen vom Ablauf der vorgesehenen Frist auch dadurch ihre Wirkung, dass der Maschineneigentümer sein (Vorbehalts-)Eigentum etwa durch vollständige Kaufpreiszahlung verliert und die Maschine nach allgemeinen Vorschriften Zubehör oder selbständiger Bestandteil wird (Gschnitzer ua, AT 437). Rechte sind insgemein als bewegliche Sachen anzusehen; § 298. Rechte werden den beweglichen Sachen beigezählt, wenn sie nicht mit dem Besitze einer unbeweglichen Sache verbunden, oder durch die Landesverfassung für eine unbewegliche Sache erklärt sind. Rechte sind dann ausnahmsweise unbeweglich, wenn sie dem Eigen- 1 tümer oder dem dinglich Berechtigten an einer Liegenschaft in dieser Eigenschaft zustehen (arg: „… mit dem Besitze einer unbeweglichen Sache verbunden …“), wie Grunddienstbarkeiten, Reallasten, Wohnungseigentum (§ 2 Abs 1 WEG 2002) oder das Jagdrecht (SZ 10/272). Persönliche dingliche Rechte, unregelmäßige Dienstbarkeiten und überhaupt alle Forderungsrechte (zB 9 Ob 88/04p ZfRV–LS 2005/33: Anspruch auf Restitution nach deutschem Recht), mögen sie sich auch auf Liegenschaften beziehen (zB landwirtschaftliches Pachtverhältnis) und sogar verbüchert sein (zB verbüchertes Bestandrecht § 1090, Wiederverkaufsrecht § 1070, Vorkaufsrecht § 1073 oder Belastungsund Veräußerungsverbot § 364c), sind nicht unbeweglich sondern beweglich (zu Sicherungsrechten § 298). Die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung wird bezweifelt und Einzelprüfung der Anwendbarkeit Eccher
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Sachen
§ 299
der für bewegliche und unbewegliche Sachen vorgesehene Bestimmungen (§ 293 Rz 2) empfohlen (Spielbüchler/R Rz 1; krit auch Gschnitzer ua, AT 403). Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (arg „… durch die Landesverfassung …“) sind das Baurecht (§ 6 BauRG; dazu § 435 Rz 4) und die Bergwerksberechtigung (§ 40 MinRoG) unbeweglich. auch die vorgemerkten Forderungen § 299. Schuldforderungen werden durch die Sicherstellung auf ein unbewegliches Gut nicht in ein unbewegliches Vermögen verwandelt. 1 Wie ausgeführt (§ 298) werden Rechte durch Verbücherung („vor-
gemerkte Forderungen“; Spielbüchler/R Rz 1) nicht automatisch zu unbeweglichen Sachen, daher auch nicht die durch eine Hypothek gesicherte Forderung und auch nicht die Hypothek selbst, die dem Gläubiger persönlich zusteht. § 300. [aufgehoben, BGBl 1978/304] Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen § 301. Sachen, welche ohne ihre Zerstörung oder Verzehrung den gewöhnlichen Nutzen nicht gewähren, heißen verbrauchbare; die von entgegengesetzter Beschaffenheit aber, unverbrauchbare Sachen. 1 Besteht der – nach objektiven Merkmalen zu beurteilende (arg „… ge-
wöhnlichen Nutzen …“) – bestimmungsgemäße Gebrauch einer Sache im Verbrauch (auch wesentliche Substanzverminderung, nicht aber normale Abnutzung) oder in der Veräußerung, spricht man von verbrauchbaren Sachen. Bsp: Nahrungsmittel, Energie (§ 285 Rz 4), Forderungen mit einmaliger Ausübungsmöglichkeit (zB Anspruch auf Geldzahlung, anders auf Gebrauch einer Mietsache; vgl Gschnitzer ua, AT 404), Geld. Alle anderen Sachen sind unverbrauchbar. Bsp: Kleidungsstücke, Einrichtungsgegenstände, Fahrzeuge und Liegenschaften. Zweifelsfälle sind nach der Verkehrsanschauung zu entscheiden (zB Schottergrube als unverbrauchbare Sache). Die Gebrauchsrechte (§ 510: Fruchtgenuss, Gebrauchsrecht; § 1090: Bestandrecht; § 971: Leihe) sind ihrem Wesen nach nur an unverbrauchbaren Sachen denkbar. Ist ihr Gegenstand verbrauchbar, liegen einerseits sog uneigentliche bzw unregelmäßige dingliche Gebrauchsrechte (vgl § 510) oder sonst Darlehensverträge (§ 983 s Rz 2 und § 959) vor. Die 278
Eccher
Sachen
§ 302
Parteien können verbrauchbare Sachen jedoch als unverbrauchbare und umgekehrt behandeln (zB Lebensmittel als Ausstellungsstücke; Baracke als Brennholz: Gschnitzer ua, AT 405). Die vom ABGB nicht ausdrücklich definierten vertretbaren Sachen 2 (Gattungssachen) werden im Rechtsverkehr üblicherweise nur nach Maß, Zahl und Gewicht bestimmt, weil es nicht wie bei den unvertretbaren Sachen (Speziessachen; nach der Diktion der Gefahrtragungsregeln der §§ 880, 1048, 1447: bestimmte Sachen) auf das nach individuellen Merkmalen bestimmbare Einzelstück ankommt. Dieses Begriffspaar liegt zB dem Darlehensbegriff in § 983 (entgegen dem Wortlaut) und dem § 371 zugrunde. Die Pflicht zur Leistung von vertretbaren Sachen ist idR Gattungsschuld, von unvertretbaren Sachen Speziesschuld (mit Auswirkungen insb auf die Gefahrtragungsregeln). Abweichender Parteiwille ist aber auch hier denkbar (zB Kauf des beim Händler stehenden PKW als Speziesschuld, Kauf eines „Picasso“ zwecks Wertanlage als Gattungsschuld). S näher § 906 Rz 5. Gesamtsache (universitas rerum) § 302. Ein Inbegriff von mehreren besondern Sachen, die als eine Sache angesehen, und mit einem gemeinschaftlichen Namen bezeichnet zu werden pflegen, macht eine Gesamtsache aus, und wird als ein Ganzes betrachtet. Lit: Hämmerle, Zur rechtlichen Struktur des Unternehmens, JBl 1966, 445.
Mehrere (dh zumindest mehr als eine) selbständige und gleichgeord- 1 nete (also nicht Haupt- und Nebensachen bildende) Sachen bilden eine Gesamtsache, wenn sie im Rechtsverkehr als Einheit angesehen und als solche bezeichnet werden. Die Vereinheitlichung folgt sachlichen, insb wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Bsp: JBl 1933, 522: Möbelgarnitur; JBl 1949, 359: Gemäldegalerie; JBl 1980, 435: Herde; 3 Ob 45/94 SZ 67/78: Warenlager; SZ 25/138: Werkstätteneinrichtung. Zusammengehörigkeit aufgrund rein örtlicher oder persönlicher Verhältnisse genügt nicht. Keine Gesamtsachen sind daher die zufällige Wohnungseinrichtung (JBl 1954, 514; anders 2 Ob 285/01b RdW 2002, 274: bei gleichem Stil und gegenseitiger Anpassung der einzelnen Stücke der Wohnungseinrichtung), eine private Bildersammlung, aber mE auch nicht das Vermögen einer Person (aA K/W I 255 mwN) und daher auch nicht der ruhende Nachlass (vgl Eccher, ErbR Rz 1/1). Das Unternehmen gilt nach hA als Gesamtsache (zB Hämmerle/ Wünsch, HR I4 146 f; aA Spielbüchler/R Rz 4: Gesamtsache im untechEccher
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Sachen
§ 303
nischen Sinn), bestehend aus körperlichen (zB Liegenschaften samt Bauwerken, Waren, Maschinen, Anlagen, Inventar) und unkörperlichen Sachen (zB Rechte, Verbindlichkeiten, „good will“, dh wertbildende Faktoren wie Kundenstruktur, Ruf usw). Die Gesamtsache Unternehmen selbst ist unkörperliche Sache (s § 292 Rz 1) und gilt abgesehen von Einzelaspekten (s § 293 Rz 3) als beweglich (vgl EvBl 1979/239). 2 Schuldrechtliche Verpflichtungen (zB durch Kaufvertrag, Schen-
kungsvertrag, Bestandvertrag oder Pfandvertrag), aber auch letztwillige Verfügungen (zB JBl 1961, 187: Vermächtnis eines Unternehmens) erstrecken sich im Zweifel auf alle Einzelstücke der Gesamtsache, ähnlich wie bei Zubehör und selbständigen Bestandteilen (dazu § 294 Rz 6). Dabei kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung das Surrogationsprinzip gelten (zB Rsp 1926, 166: Gasthauseinrichtung). Zur Erzielung sachenrechtlicher Wirkungen muss aber grundsätzlich auf die Einzelsache abgestellt werden (zB durch Übergabe, Verbücherung, Zession), lediglich die Übergabe der beweglichen Sachen einer Gesamtsache wird trotz Tunlichkeit der körperlichen Übergabe der einzelnen Sachen gemäß § 427 durch Zeichen erlaubt (SZ 25/138: Übergabe einer Werkstätteneinrichtung durch Übergabe der Schlüssel; vgl aber JBl 1980, 435: Sicherungsübereignung des Viehbestandes durch bloße Zeichen genügt nicht). Aus § 302 ergibt sich nach nunmehr hA keine besondere über § 1409 hinausgehende (va bei Fehlen rechtsgeschäftlicher Übertragung schlagend werdende) Haftung des Erwerbers eines Unternehmens (K/W I 256; Ertl/R § 1409 Rz 5 mwN der überholten Rspr und die dadurch ebenfalls überholte Haftung cum viribus bis zur Weiterveräußerung mit anschließender Haftung pro viribus, wie sie auch noch Klicka/S Rz 9 vertritt). Schätzbare und unschätzbare; § 303. Schätzbare Sachen sind diejenigen, deren Wert durch Vergleichung mit andern zum Verkehre bestimmt werden kann; darunter gehören auch Dienstleistungen, Hand- und Kopfarbeiten. Sachen hingegen, deren Wert durch keine Vergleichung mit andern im Verkehre befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen unschätzbare. 1 Schätzbar sind Sachen dann, wenn sie einen wirtschaftlichen Wert
haben und sich dieser Wert objektiv („durch Vergleichung“) ermitteln lässt. Die erstgenannte Eigenschaft ist bereits im weiten Sachbegriff des § 285 aufgrund der Voraussetzung der erforderlichen Güterzuordnung bei nicht unbegrenzt vorhandenen Gütern enthalten (§ 285 280
Eccher
Sachen
§ 305
Rz 3, in Rz 4 und § 292 Rz 1 auch zu menschlichen Leistungen; zu deren Schätzbarkeit auch Klang/K II 44). Objektiv wertlose (zB ZVR 1976/259: beschädigte Windschutzscheibe) und immaterielle Sachen oder Sachen mit Gebrauchswert nur für den Einzelnen (Spielbüchler/R Rz 1) sind daher bei Vermögensfeststellungen nicht zu berücksichtigen (zB zur Bestimmung von Haftungsgrenzen nach §§ 802, 1409 oder zur Pflichtteilsbemessung nach § 784) und sind auch kein geeigneter Pfandgegenstand (§ 448; vgl SZ 55/112: Typenschein hat keinen selbständigen Vermögenswert). Sie können allerdings durch Parteiabsicht einen Wert erlangen (zB Kauf fremder persönlicher Erinnerungsgegenstände zu Dokumentationszwecken) und ihre Verletzung kann auch schadenersatzrechtlichen Geldersatz auslösen (zum Ersatz des immateriellen Schadens bei primärer Verletzung eines Vermögenswertes Koziol, HPR I3 Rz 11/9 f). Maßstab der gerichtlichen Schätzung § 304. Der bestimmte Wert einer Sache heißt ihr Preis. Wenn eine Sache vom Gerichte zu schätzen ist, so muß die Schätzung nach einer bestimmten Summe Geldes geschehen. Anknüpfend an § 303 bezeichnet § 304 den durch die Schätzung be- 1 stimmten Wert einer Sache allgemein als Preis (ebenso in §§ 306, 417), doch wird an verschiedenen Stellen des Gesetzes weiterhin auch von Wert gesprochen (zB §§ 378, 662, 1331, 1332 und in der neueren Bestimmung des § 1332a). Der Ausdruck „Preis“ kommt andererseits auch iSv jeglichem Entgelt (zB §§ 333, 368, ebenso als Bestandzins gemäß §§ 1090, 1094; Spielbüchler/R Rz 1) oder – am ehesten dem heutigen Sprachgebrauch entsprechend – nur als in Geld ausgedrückter Tauschwert vor (so in §§ 1054 ff, 1275 ff). Ordentlicher und außerordentlicher Preis § 305. Wird eine Sache nach dem Nutzen geschätzt, den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, so fällt der ordentliche und gemeine Preis aus; nimmt man aber auf die besonderen Verhältnisse und auf die in zufälligen Eigenschaften der Sache gegründete besondere Vorliebe desjenigen, dem der Wert ersetzt werden muß, Rücksicht, so entsteht ein außerordentlicher Preis. Lit: Harrer, Aus aktuellem Anlaß (OGH JBl 1997, 524) – über Bewertungsmethoden, Rechtsfortbildung und Probleme der Schadensermittlung, JBl 1997, 674; Kerschner, Der Verkehrswert von Liegenschaften bei der EnteignungsentEccher
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Sachen
§ 305
schädigung, JBl 2005, 355; ders, Liegenschaftsentwertung durch Umweltbelastungen – Rechtliche Grundlagen, SV 2002, 185; Schiller, Immobilienbewertung, in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 347.
1 Der Wert einer Sache (Substanzwert; vgl Spielbüchler/R Rz 2), im
ABGB häufig „Preis“ genannt (dazu § 304 Rz 1), bestimmt sich nach ihrem Nutzen. Dieser wird zur Ermittlung des ordentlichen (gemeinen) Wertes objektiv-abstrakt (allgemeiner und gewöhnlicher Nutzen nach dem Zeitpunkt der Schätzung und der örtlichen Lage der Sache) und zur Ermittlung des außerordentlichen Wertes subjektivkonkret (unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse oder der besonderen Vorliebe eines bestimmten Interessenten) ermittelt. Im Zweifel ist auf den ordentlichen Wert abzustellen (§ 306; 3 Ob 507/91 JBl 1991, 659; Bsp: §§ 230c–230e, 391, 417 ff, 661, 934, 1055, 1323, 1332, 1374), und nur ausnahmsweise auf den außerordentlichen Wert (Bsp: §§ 335, 378, 417, 419, 935, 1015, 1331). 2 Der Nutzen kann unter verschiedenen Blickpunkten gesehen werden,
insb der Möglichkeit des Austausches, des Ertrags oder der Herstellungskosten, woraus sich die einzelnen Bewertungsarten ergeben (s Rz 3, 4). Nähere Vorschriften enthalten das LBG für die Bewertung von Liegenschaften für alle gerichtlichen Verfahren und Verwaltungsverfahren, die ÖNORM B 1802 für den Bereich der privaten Wertermittlung, das BewG für die steuerrechtliche Bewertung von Sachen einschließlich Rechten und das BodenschätzungsG für die steuerliche Bewertung landwirtschaftlich nutzbarer Bodenflächen (vgl Schiller in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 347 ff). 3 Der ordentliche Wert erscheint je nach Berechnungsmethode als Ver-
kehrswert (Austauschwert oder An- und Verkaufswert), als Ertragswert (kapitalisierter und verzinster Durchschnittsertrag), als Kostenwert (Summe der Herstellungskosten) oder als Mischwert mehrerer Berechnungsarten. Im LBG (§ 2 iVm §§ 3 ff) wird der Begriff „Verkehrswert“ jedoch synonym für ordentlicher Wert und somit als Oberbegriff für Vergleichswert (= Verkehrswert ieS, Ertragswert und Sachwert = Kostenwert) gebraucht. Der Markt- und Börsenpreis (zB § 1058, vgl SZ 54/95) ist ein dem durchschnittlichen verkehrsüblichen Preis für Waren bzw Wertpapiere entsprechender Verkehrswert (Klicka/S Rz 4). 4 Die Wahl der Berechnungsmethode ergibt sich aus dem Zweck der
zur Anwendung gelangenden Bestimmungen (zB SZ 49/118; vgl auch 7 Ob 513/96 JBl 1997, 524 zur Haftung des Schätzers; dazu Harrer, JBl 1997, 674 ff). So wird bei Liegenschaften idR der Verkehrswert (Vergleichswert, s Rz 3) herangezogen (RZ 1983, 49: Einfamilienhaus; 282
Eccher
Sachen
§ 307
SZ 37/162: Verlassenschaftsverfahren, Liegenschaftshälfte geringer als mathematische Hälfte des Gesamtwerts), bei Unternehmen (vgl SZ 53/172; Klicka/S Rz 8: zu einzelnen Bewertungskriterien) und Bauerngütern der Ertragswert (allenfalls neben dem Verkehrswert als Mischwert, zB bei tatsächlichem landwirtschaftlichen Grundverkehr). Beim Marktpreis kommt es auch auf die für den Interessenten entscheidende Handelsstufe an (Spielbüchler/R Rz 3; zB PKW-Listenpreise für An- und Verkauf). Der Ort der Schätzung bestimmt sich idR nach jenem der gewöhnlichen Nutzung der Sache (2 Ob 317/97z SZ 70/240: PKW). Der gemeine Wert (Schätzwert) einer beschädigten Sache, die nicht mehr durch Schaffung einer Ersatzlage in natura hergestellt werden kann, bestimmt sich iSd § 1332 nach dem Austausch-, gegebenenfalls nach dem Herstellungswert (1 Ob 54/03b JBl 2004, 657 = ecolex 2004, 855 M. Leitner: Kommode). Der außerordentliche Wert einer Sache berücksichtigt das subjektive 5 Vermögensinteresse eines bestimmten Interessenten, etwa wegen des Zusammenhangs der zu schätzenden Sache mit anderen Sachen (zB bei Gesamtsachen, Unternehmen, Zubehör), der besonderen Ertrags- oder Gewinnmöglichkeiten des Interessenten, seines besonderen Interesses (JBl 1972, 611: Sammelstück; SZ 39/206: Kauf durch Kunstfreund) oder seiner affektiven Nahebeziehung zur Sache (§§ 335, 1331: Wert der besonderen Vorliebe; zB Erinnerungsstück). Umweltbelastungen können sich wertmindernd auswirken (Kerschner, SV 2002, 185 ff). Welcher bei gerichtlichen Schätzungen zur Richtschnur zu nehmen § 306. In allen Fällen, wo nichts anderes entweder bedungen, oder von dem Gesetze verordnet wird, muß bei der Schätzung einer Sache der gemeine Preis zur Richtschnur genommen werden. Im Zweifel ist nach § 306 der ordentliche Wert (§ 305) heranzuziehen 1 (zB 2 Ob 189/01k ecolex 2004, 12 Reich-Rohrwig: GmbH-Anteil), doch können nicht nur ausdrückliche gesetzliche Anordnungen oder Vereinbarungen, sondern auch deren Sinn und Zweck ein Abweichen der Schätzung einer Sache nach ihrem ordentlichen Wert (§ 305) rechtfertigen (zB Berücksichtigung der subjektiven Verhältnisse des Enteigneten; dazu § 365 Rz 8). Begriffe vom dinglichen und persönlichen Sachenrechte § 307. Rechte, welche einer Person über eine Sache ohne Rücksicht auf gewisse Personen zustehen, werden dingliche Rechte genannt. Eccher
283
Sachen
§ 308
Rechte, welche zu einer Sache nur gegen gewisse Personen unmittelbar aus einem Gesetze, oder aus einer verbindlichen Handlung entstehen, heißen persönliche Sachenrechte. 1 Der terminologischen (§ 307) und gliederungstechnischen (vgl Über-
schriften vor §§ 285, 309, 859; ferner § 14) Unterscheidung des ABGB in dingliche und persönliche Sachenrechte entspricht heute die Unterscheidung in Sachenrecht und Schuldrecht als hauptsächliche Teilgebiete des Vermögensrechts (zum weiten Verständnis des Begriffs Sache als Vermögensbestandteil § 285 Rz 1). Die einzelnen Sachenrechte (§ 308) werden als dingliche (dh ein Herrschaftsrecht über eine Sache vermittelnde) und absolute (dh gegen jedermann wirksame) Rechte verstanden. Dabei wird auf gegenwärtige (s § 285 Rz 4) körperliche Sachen eingeschränkt, weil andernfalls die Anwendung der Bestimmungen der §§ 309–530 auch auf die Rechtsträgerschaft von Immaterialgütern oder Forderungen zu unpraktischen Ergebnissen und Doppelgleisigkeiten (s etwa die Rechtsübertragung durch Übergabe und Zession) führen würde (vgl schon Klang/K II 50 f). § 308. Dingliche Sachenrechte sind das Recht des Besitzes, des Eigentumes, des Pfandes, der Dienstbarkeit und des Erbrechtes. Lit: Vonkilch, „Verdinglichung“ von obligatorischen Rechten durch unentgeltliche Rechtsübertragung? NZ 2003, 321.
1 Die Aufzählung der einzelnen dinglichen Rechte ist taxativ gemeint.
Dieser sachenrechtliche Typenzwang hindert aber die privatautonome Gestaltung innerhalb des Typus (vgl den allgemeinen Dienstbarkeitsbegriff in § 472 oder die doch stark akzentuierte Unterteilung des Pfandrechts in jenes an beweglichen und unbeweglichen Sachen, Hypothek) nicht (vgl Spielbüchler/R Rz 1). Die Aufzählung des § 307 ist heute noch um die Reallastberechtigung (näher § 530 Rz 1 ff), die Bergwerksberechtigung (§§ 22 MinRoG), das Baurecht (§ 1 BauRG), das Wohnungseigentum (§ 2 Abs 1 WEG 2002) und das dingliche Teilzeitnutzungsrecht (§ 2 Abs 1 TNG) zu ergänzen. Die Einbeziehung des Besitzes als an sich nur tatsächlicher Zustand (§ 309) ist letztlich durch die mit dem Besitz verbundenen Rechte (insb Besitzschutz sowie Rechte auf Nutzungen und Aufwandersatz) gerechtfertigt. Das Erbrecht gilt nach hA richtigerweise zwar als absolut, nicht aber als dinglich (so übrigens auch § 532), va im Hinblick auf das eine unmittelbare Sachherrschaft des Erben ausschließende österreichische Abhandlungsverfahren (vgl Eccher, ErbR Rz 2/1). Diejenigen obligatorischen Rechte, die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung verbüchert werden können (§ 1095: Bestandrecht; 284
Eccher
Besitz
§ 309
§§ 1070, 1073: Wiederkaufs- und Vorkaufsrecht; § 364c: Veräußerungs- und Belastungsverbot; vgl auch § 9 GBG und § 133 EO), werden dadurch nur in bestimmten Aspekten den dinglichen Rechten gleichgestellt, behalten aber im Übrigen ihre schuldrechtliche Rechtsnatur (im Einzelnen Spielbüchler/R Rz 4).
Erste Abteilung des Sachenrechtes Von den dinglichen Rechten Erstes Hauptstück Von dem Besitze Inhaber. Besitzer § 309. Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu behalten, so ist er ihr Besitzer. Lit: Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb (1992); Iro, Besitzerwerb durch Gehilfen (1982); Kralik, Besitz und Besitzschutz heute – GA für den 2. ÖJT I/1 (1964).
Besitz (zur Rechtsnatur s auch § 308 Rz 1) erfordert zunächst Inne- 1 habung einer Sache iwS des § 285, also an körperlichen oder unkörperlichen Sachen (vgl § 292; zur daraus folgenden Unterscheidung in Sachbesitz und Rechtsbesitz § 311 Rz 1). Die in Frage kommenden Sachen müssen im Privatrechtsverkehr stehen; dies ist etwa bei der Ausübung von Sondernutzungsrechten am öffentlichen Gut (§§ 287– 288 Rz 7) noch der Fall (Spielbüchler/R Rz 4), nicht mehr bei Ausübung des Gemeingebrauches (s §§ 287–288 Rz 4). Innehabung bedeutet tatsächliche Verfügungsmacht („Macht oder Gewahrsame“, Corpus) am jeweiligen Gegenstand entsprechend der Verkehrsauffassung (zB Wohnungsinhalt, Schmuckstück im Safe, gestapeltes Holz im Wald, ungehinderte Ausübung einer Dienstbarkeit, dazu etwa LGZ Wien Miet 26.025: Abstellen eines PKW). Zur Innehabung muss nach ABGB (zur Anpassung des früheren, dem § 854 BGB entsprechenden, mit dem Inhaberbegriff des ABGB übereinstimmenden Besitzbegriff des HGB in Art 5 der 4. EVHGB an denjenigen des ABGB durch Art XXIX HaRÄG vgl Erl UGB 80) noch der Besitzwille treten (animus rem sibi habendi). Dieser ergibt sich in der Regel aus einem Verhalten, wie es ein Eigentümer (dann Sachbesitzer) oder Eccher
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Besitz
§ 309
§§ 1070, 1073: Wiederkaufs- und Vorkaufsrecht; § 364c: Veräußerungs- und Belastungsverbot; vgl auch § 9 GBG und § 133 EO), werden dadurch nur in bestimmten Aspekten den dinglichen Rechten gleichgestellt, behalten aber im Übrigen ihre schuldrechtliche Rechtsnatur (im Einzelnen Spielbüchler/R Rz 4).
Erste Abteilung des Sachenrechtes Von den dinglichen Rechten Erstes Hauptstück Von dem Besitze Inhaber. Besitzer § 309. Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu behalten, so ist er ihr Besitzer. Lit: Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb (1992); Iro, Besitzerwerb durch Gehilfen (1982); Kralik, Besitz und Besitzschutz heute – GA für den 2. ÖJT I/1 (1964).
Besitz (zur Rechtsnatur s auch § 308 Rz 1) erfordert zunächst Inne- 1 habung einer Sache iwS des § 285, also an körperlichen oder unkörperlichen Sachen (vgl § 292; zur daraus folgenden Unterscheidung in Sachbesitz und Rechtsbesitz § 311 Rz 1). Die in Frage kommenden Sachen müssen im Privatrechtsverkehr stehen; dies ist etwa bei der Ausübung von Sondernutzungsrechten am öffentlichen Gut (§§ 287– 288 Rz 7) noch der Fall (Spielbüchler/R Rz 4), nicht mehr bei Ausübung des Gemeingebrauches (s §§ 287–288 Rz 4). Innehabung bedeutet tatsächliche Verfügungsmacht („Macht oder Gewahrsame“, Corpus) am jeweiligen Gegenstand entsprechend der Verkehrsauffassung (zB Wohnungsinhalt, Schmuckstück im Safe, gestapeltes Holz im Wald, ungehinderte Ausübung einer Dienstbarkeit, dazu etwa LGZ Wien Miet 26.025: Abstellen eines PKW). Zur Innehabung muss nach ABGB (zur Anpassung des früheren, dem § 854 BGB entsprechenden, mit dem Inhaberbegriff des ABGB übereinstimmenden Besitzbegriff des HGB in Art 5 der 4. EVHGB an denjenigen des ABGB durch Art XXIX HaRÄG vgl Erl UGB 80) noch der Besitzwille treten (animus rem sibi habendi). Dieser ergibt sich in der Regel aus einem Verhalten, wie es ein Eigentümer (dann Sachbesitzer) oder Eccher
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Besitz
§ 310
ein sonstiger Berechtigter (dann Rechtsbesitzer) typischerweise setzt, ohne dass der Besitzer wirklich Eigentümer oder Berechtigter sein muss. Häufig ergibt sich der Besitzwille besonders deutlich aus den zur Innehabung führenden Umständen (Käufer oder Dieb einer Sache wird Sachbesitzer, Mieter oder Besetzer einer Wohnung Rechtsbesitzer, Verwahrer oder redlicher Finder sind bloße Inhaber). Solange ein Inhaber den fremden Besitzwillen anerkennt, kann er für den Dritten als Gehilfe (sog Besitzdiener, zB Familienangehöriger, Dienstnehmer) oder „Partner aus solchen Rechtsverhältnissen …, die eine Anerkennung der Oberherrschaft bedeuten“ (sog Besitzmittler, häufig Verwahrer oder Mieter; s SZ 57/99: Gegenstände einer Wohnung; 1 Ob 106/05b immolex 2006, 84: Bestandnehmer eines Seegrundstücks) den Besitz aufrechterhalten (weiter bei § 318). Erwerbung des Besitzes. Fähigkeit der Person zur Besitzerwerbung § 310. Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahre, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, können – außer in den Fällen des § 151 Abs. 3 – Besitz nur durch ihren gesetzlichen Vertreter erwerben. Im Übrigen ist die Fähigkeit zum selbständigen Besitzerwerb gegeben. [idF BGBl 1973/108] Lit: Iro, Besitzerwerb 26 ff; Welser, Die Neuordnung der Geschäftsfähigkeit, VR 1973, 146.
1 Voll und beschränkt geschäftsfähige Personen können durch eigenes
Handeln Besitz erwerben. Kinder unter sieben Jahren sowie die diesen gleichgestellten Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, gleichgültig ob sie unter umfassender Sachwalterschaft (§ 268 Abs 3 Z 3) stehen oder (noch) nicht (§ 865), bedürfen hingegen zum Besitzerwerb ihres jeweiligen gesetzlichen Vertreters. In jedem Fall gilt aber auch für den Besitzerwerb die Ausnahme des § 151 Abs 3 hinsichtlich alterstypischer geringfügiger Angelegenheiten des täglichen Lebens (1 Ob 67/02p EvBl 2002/178). Für die Aufrechterhaltung des Besitzes ist hingegen keine Geschäftsfähigkeit erforderlich (§ 352 S 2). Juristische Personen erwerben Besitz durch ihre Organe (vgl auch § 337). Gegenstände des Besitzes § 311. Alle körperliche und unkörperliche Sachen, welche ein Gegenstand des rechtlichen Verkehres sind, können in Besitz genommen werden. 286
Eccher
Besitz
§ 312
Lit: Apathy, Der possessorische Schutz gegenüber Eigenmächtigkeiten eines Miteigentümers, JBl 1977, 341.
Besitz setzt eine verkehrsfähige Sache (dazu §§ 355–356 Rz 1) voraus 1 (zum Besitz am öffentlichen Gut s §§ 287–288 Rz 7). Der an körperlichen Sachen mit Eigentümerwille (vgl § 309 Rz 1) ausgeübte Besitz ist Sachbesitz, ansonsten liegt Rechtsbesitz vor. Die „Innehabung“ des Rechts in Form der Rechtsausübung (§ 313) ist nach hA jedoch nur bei Dauerrechten denkbar (zB GlU 11.130: Pfandrecht als dingliches Dauerrecht; SZ 11/50: Miete als Dauerschuldverhältnis; SZ 56/111: Dienstbarkeit; redlicher Finder, str). Überdies muss die Rechtsausübung mit der Innehabung einer körperlichen Sache verbunden sein (zB K/W I 259; weitergehend Gschnitzer ua, SachenR 9; vgl LG Klagenfurt 3 R 378/01z AnwBl 2003, 222: Zuordnung einer Internet-Domain schafft keinen Rechtsbesitz, daher auch keine Besitzstörung denkbar). Rechtsbesitz scheidet aber auch aus, wenn die ausgeübte Rechtsstellung gar kein Recht beinhaltet (zB Ausübung einer Verwahrerstellung). Sowohl Sach- als auch Rechtsbesitz können in der Form des Allein-, 2 Teil- oder Mitbesitzes ausgeübt werden (vgl etwa Gschnitzer ua, SachenR 93): Im ersten Fall übt eine Person allein den Besitz an einer körperlichen Sache (zB Fahrzeug) oder einem Recht (zB Mietrecht) aus; im zweiten Fall nur an einem realen Teil einer körperlichen Sache (zB Stockwerk, wohl auch Superädifikat) und im dritten Fall an einem Teil des Rechts (zB Miteigentümerverhalten unter Einhaltung einer Benützungsregelung), wobei mehrere Personen gemeinsam den Besitz ausüben (so sind als Miteigentümer ohne Benützungsregelung auftretende Personen Mitsachbesitzer – nach überholter älterer Auffassung Mitrechtsbesitzer: Schey/Klang/K II 72 f; richtig Spielbüchler/R Rz 5; Apathy, JBl 1977, 345 ff; Mitrechtsbesitzer sind zB mehrere eine Dienstbarkeit nebeneinander ausübende Personen). Arten der Besitzerwerbung; § 312. Körperliche, bewegliche Sachen werden durch physische Ergreifung, Wegführung oder Verwahrung; unbewegliche aber durch Betretung, Verrainung, Einzäunung, Bezeichnung oder Bearbeitung in Besitz genommen. In den Besitz unkörperlicher Sachen oder Rechte kommt man durch den Gebrauch derselben im eigenen Namen. Die in § 312 in Betracht gezogenen Arten des Besitzerwerbs an kör- 1 perlichen beweglichen Sachen sind Beispiele für den Erwerb der Eccher
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Besitz
§ 313
tatsächlichen und ausschließlichen (zB SZ 25/76; SZ 39/77) Verfügungsmacht. Die angeführten Erwerbsarten sind sowohl für den originären (ursprünglichen) als auch für den derivativen (abgeleiteten) Besitzerwerb anwendbar (zur Terminologie § 314 Rz 1). Sie finden ihre Entsprechung im erforderlichen Modus des Eigentumserwerbs durch Aneignung (§ 381; vgl aber auch den Besitzerwerb bei Fund in § 389 iVm § 395; dazu etwa Spielbüchler/R § 388 Rz 1) und im Modus des derivativen Eigentumserwerbs durch Übergabe. Die Übergabeformen erwähnen neben der dem § 312 entsprechenden körperlichen Übergabe (§ 426) jene durch Zeichen (§ 427; vgl auch § 315) und durch Erklärung (§ 428; vgl auch § 319), die ebenfalls zum Besitzwechsel führen. 2 Der Besitzerwerb an Liegenschaften führt zwar als sog Naturalbesitz
wegen des grundbücherlichen Eintragungszwanges (s § 431 Rz 1 f) nicht gleichzeitig zum Eigentumserwerb, ist aber im Übrigen hinsichtlich seiner Arten und Wirkungen dem Besitz an beweglichen körperlichen Sachen gleich. Die in § 312 erwähnten Besitzerwerbsarten sollen die Herstellung eines unmittelbaren Herrschaftsverhältnisses, das den Besitz durch dritte Personen ausschließt, zum Ausdruck bringen (kein Besitzerwerb zB nach SZ 25/76: Einsammeln von Holz im Wald; LGZ Wien Miet 27.005: gelegentliches Aufsuchen einer Liegenschaft; SZ 44/190: Abmähen eines Weges; 1 Ob 512/96 SZ 69/187: Beweiden eines Wiesenweges). Auch für Liegenschaften ist Übergabe durch Zeichen (§ 315) und durch Erklärung (§ 319) vorgesehen. 3 Der Besitzerwerb an Rechten durch den Gebrauch im eigenen Na-
men (Ausübung mit Besitzwillen) wird in § 313 näher ausgeführt. insbesondere von einem bejahenden, verneinenden, oder einem Verbotsrechte § 313. Der Gebrauch eines Rechtes wird gemacht, wenn jemand von einem andern etwas als eine Schuldigkeit fordert, und dieser es ihm leistet; ferner, wenn jemand die einem andern gehörige Sache mit dessen Gestattung zu seinem Nutzen anwendet; endlich, wenn auf fremdes Verbot ein anderer das, was er sonst zu tun befugt wäre, unterlässt. 1 Beim Erwerb von Rechtsbesitz äußern sich Innehabung und Besitz-
wille (§ 309) in der Ausübung des betreffenden Rechts im eigenen Namen (§ 312; vgl zB 6 Ob 255/00v immolex 2001, 308: Recht auf Benutzung einer Mauer durch Bewuchs mit einer Pflanze), wenn die jeweiligen Adressaten die individuelle Rechtsausübung als solche er288
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Besitz
§ 315
kennen können (SZ 55/30; LGZ Wien 40 R 278/01f Miet 53.015: Ausübung eines Untermietrechts) und sich dieser nicht widersetzen (SZ 55/19: verneint bei Pflugwendeausübung). Zum Verlust von Rechtsbesitz s § 351. Bei bejahenden Rechten müssen also Leistungen gefordert (einmalige 2 Leistung genügt, wenn das beanspruchte Recht selbst ein Dauerrecht ist: Spielbüchler/R Rz 2) und erbracht werden (zB SZ 45/45: Strombezug von Pfarre mit regelmäßiger Zahlungsverweigerung). Bei verneinenden Rechten muss das jeweilige Verhalten erkennbar als Recht gesetzt und von der anderen Seite geduldet oder ihr an sich erlaubtes Handeln unterlassen werden (zB LGZ Wien Miet 26.025: Abstellen eines PKW; LGZ Wien Miet 28.018: Benützen eines Telefons; 7 Ob 574/91 JBl 1992, 180: äußere Voraussetzungen genügen). Prekaristische Gestattung führt nicht zu Rechtsbesitz gegen den Berechtigten, jedoch uU gegenüber Dritten (Spielbüchler/R Rz 3). Unmittelbare und mittelbare Erwerbungsart des Besitzes § 314. Den Besitz sowohl von Rechten, als von körperlichen Sachen erlangt man entweder unmittelbar, wenn man freistehender Rechte und Sachen; oder mittelbar, wenn man eines Rechtes, oder einer Sache, die einem andern gehört, habhaft wird. Unmittelbarer und mittelbarer Besitzerwerb (je nachdem die Sache 1 freistehend ist oder im fremden Besitz stand) deckt sich nur teilweise mit der auch im ABGB wichtigeren Unterscheidung in originären (ursprünglichen) und derivativen (abgeleiteten) Besitzerwerb. Danach bedeutet originär: unmittelbar und eigenmächtig mittelbar; derivativ: mittelbar in Abstimmung mit dem Vormann (vgl § 315). Genau dieses Begriffsverständnis scheint dem „unmittelbaren“ und „mittelbaren“ Eigentumserwerb in den §§ 381 ff und 404 ff einerseits und § 423 andererseits zugrunde zu liegen. Umfang der Erwerbung § 315. Durch die unmittelbare und durch die mittelbare eigenmächtige Besitzergreifung erhält man nur so viel in Besitz, als wirklich ergriffen, betreten, gebraucht, bezeichnet, oder in Verwahrung gebracht worden ist; bei der mittelbaren, wenn uns der Inhaber in seinem oder eines andern Namen ein Recht oder eine Sache überläßt, erhält man alles, was der vorige Inhaber gehabt und durch deutliche Zeichen übergeben hat, ohne daß es nötig ist, jeden Teil des Ganzen besonders zu übernehmen. Eccher
289
Besitz
§ 316
1 Der Umfang eines originären Besitzerwerbs (zur Terminologie be-
reits § 314) hängt von der tatsächlichen Besitzergreifung ab (zB SZ 45/39: tatsächliche Benützung einer Skiabfahrt), während bei derivativem Besitzerwerb auch auf das Verständnis von Übergeber und Übernehmer abzustellen ist (zB ZBl 1923/136: Bezeichnung des geschlägerten Holzes). Dabei gilt im Zweifel auch das Zubehör als von der Übergabe erfasst (vgl §§ 293, 1047, 1061; zB RZ 1964, 218: Besitzerwerb am herrschenden Grundstück erfasst Besitz der damit verbundenen dinglichen Rechte; hiezu auch § 294 Rz 6). Zu beachten sind auch behördliche Besitzeinräumungsarten, wie etwa Zuschlag (SZ 57/166: Schätzungsprotokoll ist maßgebend) oder Einantwortung (§§ 797 ff: Inventar bzw eidesstättiges Vermögensbekenntnis ist maßgebend; vgl Eccher, ErbR Rz 6/24). Rechtmäßiger; unrechtmäßiger Besitz § 316. Der Besitz einer Sache heißt rechtmäßig, wenn er auf einem gültigen Titel, das ist, auf einem zur Erwerbung tauglichen Rechtsgrunde beruht. Im entgegengesetzten Falle heißt er unrechtmäßig. 1 Besitz ist rechtmäßig, wenn im Ausmaß der Besitzausübung ein gül-
tiger – nicht bloß angenommener (Putativ-) – Titel (Rechtsgrund) für einen originären oder derivativen Rechtserwerb (vgl die Aufzählung in § 317) vorhanden ist, wobei im letzteren Fall nicht auf die Berechtigung des Vormannes, sondern nur auf das Vorhandensein des Rechtsgrundes selbst abzustellen ist (objektive Rechtfertigung; so Spielbüchler/R Rz 2). § 1462 zählt Titel auf, die nur zu rechtmäßigem Rechtsbesitz, nicht Sachbesitz führen (vgl EvBl 1987/134: Zeit der unentgeltlichen landwirtschaftlichen Nutzung zählt nicht für Ersitzungszeit). 2 Die Rechtmäßigkeit des Besitzes führt mit den weiteren Besitzquali-
fikationen der Redlichkeit (§§ 326 ff) und Echtheit (§ 345) zum rechtlichen Besitz. Dieser ist zugleich Ersitzungsbesitz, wobei aber gerade fehlende Rechtmäßigkeit Ersitzung nicht ausschließt, sondern bloß den Ablauf der längeren Fristen erfordert (§ 1477). Vgl zum Erfordernis des rechtlichen Besitzes auch §§ 372 ff (actio Publiciana). Haupttitel des rechtmäßigen Besitzes § 317. Der Titel liegt bei freistehenden Sachen in der angebornen Freiheit zu Handlungen, wodurch die Rechte anderer nicht verletzt werden; bei andern in dem Willen des vorigen Besitzers, oder in dem 290
Eccher
Besitz
§ 319
Ausspruche des Richters, oder endlich in dem Gesetze, wodurch jemandem das Recht zum Besitze erteilt wird. Die Rechtmäßigkeit eines (unmittelbar) originären Erwerbs (zur 1 Terminologie s § 314 Rz 1) des Besitzes ergibt sich aus der Befugnis der Aneignung herrenloser Sachen (§§ 287, 381). Der derivative Erwerb gründet sich auf Rechtsgeschäft (vgl §§ 424, 322; s auch die Beispiele des § 1461 für rechtmäßigen Sachbesitz zB durch Kauf, Tausch, Schenkung, Darlehen oder auch – gewillkürtes – Vermächtnis sowie des § 1462 für den rechtmäßigen Rechtsbesitz durch Ausübung des Pfand-, Fruchtgenuss- oder Leihrechtes: EvBl 1987/134; M. Bydlinski/R § 1462 Rz 1), Gesetz (zB die Fälle des mittelbar originären Rechtserwerbs, vgl § 314 Rz 1; aber auch die gesetzliche Erbfolge) oder Richterspruch (zB Zuschlag, Enteignung). Der Inhaber hat noch keinen Titel; § 318. Dem Inhaber, der eine Sache nicht in seinem, sondern im Namen eines andern innehat, kommt noch kein Rechtsgrund zur Besitznahme dieser Sache zu. Die hier angesprochenen Besitzdiener und Besitzmittler (s § 309 1 Rz 1) sind zur Sache Inhaber und können gleichzeitig Rechtsbesitzer (zB Mieter) sein. Durch einseitige, erkennbare Weigerung der Anerkennung des fremden Sachbesitzes (zB in Form der Einstellung der Mietzinszahlungen) werden sie selbst Sachbesitzer, jedoch unrechtmäßige, weil gemäß § 319 hiefür einseitig kein Rechtsgrund geschaffen werden kann (vgl etwa Gschnitzer ua, SachenR 10). und kann ihn nicht eigenmächtig erlangen § 319. Der Inhaber einer Sache ist nicht berechtigt, den Grund seiner Gewahrsame eigenmächtig zu verwechseln, und sich dadurch eines Titels anzumaßen; wohl aber kann derjenige, welcher bisher eine Sache in eigenem Namen rechtmäßig besaß, das Besitzrecht einem anderen überlassen und sie künftig in dessen Namen innehaben. HS 2 der Bestimmung (zu HS 1 bereits § 318) regelt explizit nur das 1 Besitzkonstitut (bisheriger Besitzer wird Inhaber). Die weiteren Fälle eines einvernehmlichen Erwerbs rechtmäßigen Besitzes durch Erklärung, nämlich die Übergabe kurzer Hand (Inhaber wird Besitzer) und die Besitzanweisung sind hier mitzudenken (Näheres bei § 428). Eccher
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Besitz
§ 320 Wirkung des bloßen Titels
§ 320. Durch einen gültigen Titel erhält man nur das Recht zum Besitze einer Sache, nicht den Besitz selbst. Wer nur das Recht zum Besitze hat, darf sich im Verweigerungsfalle nicht eigenmächtig in den Besitz setzen, er muß ihn von dem ordentlichen Richter mit Anführung seines Titels im Wege Rechtens fordern. 1 Der Titel (Rechtsgrund) verleiht nur das Recht (den Anspruch) auf
Sach- oder Rechtsbesitz und damit auch auf Innehabung der Sache (zB Mietvertrag berechtigt zum Erhalt der Mietsache). Eigenmächtige Herbeiführung der Innehabung ist außerhalb der Grenzen von Notwehr als „Besitzwehr“ (§ 19) und Selbsthilfe als „Besitzkehr“ (§ 344; dazu Gschnitzer ua, SachenR 25) verboten. Erforderung zum wirklichen Besitzrechte § 321. Wo sogenannte Landtafeln, [Stadt-] oder Grundbücher, oder andere dergleichen öffentliche Register eingeführt sind, wird der rechtmäßige Besitz eines dinglichen Rechtes auf unbewegliche Sachen nur durch die ordentliche Eintragung in diese öffentlichen Bücher erlangt. 1 Der Umstand, dass für jemanden ein dingliches Recht im Grundbuch
(Sondergrundbücher sind neben den Landtafeln das Bergbuch, Eisenbahnbuch, Wasserbuch sowie Naturdenkmalbücher, vgl Gschnitzer ua, SachenR 33 f; Stadtbücher existieren nicht mehr) eingetragen ist (§ 441), wird als „Buchbesitz“ (auch Tabularbesitz) dem tatsächlichen „Naturalbesitz“ gegenübergestellt. Nach Aufhebung der sog Tabularersitzung (§§ 1467, 1469 alt; vgl auch §§ 61 ff GBG) ist der Buchbesitz nur für den abgeleiteten Rechtserwerb bedeutsam, insofern er als Modus (§§ 425, 431) neben dem Rechtsgrund (dann „rechtmäßiger Buchbesitz“; vgl auch § 424) und dem Vorhandensein des Rechts beim Vormann (zum Schutz des Vertrauens auf den Grundbuchsstand § 431 Rz 8 f) zum Rechtserwerb führt. Der Eingetragene ist zwar iSd § 372 der bessere Besitzer gegenüber einem Nicht-Eingetragenen, jedoch schwächer gegenüber dem Naturalbesitzer, dem im Übrigen auch das Selbsthilferecht (§ 344), der gerichtliche Besitzschutz (§ 339) und insb die Möglichkeit der Ersitzung (§ 1500) zustehen (Spielbüchler/R Rz 1, 2). § 322. Ist eine bewegliche Sache nach und nach mehreren Personen übergeben worden; so gebühret das Besitzrecht derjenigen, welche sie in ihrer Macht hat. Ist aber die Sache unbeweglich, und 292
Eccher
Besitz
§ 324
sind öffentliche Bücher eingeführt, so steht das Besitzrecht ausschließlich demjenigen zu, welcher als Besitzer derselben eingeschrieben ist. Die Rechtmäßigkeit des Besitzes einer beweglichen Sache ergibt sich 1 bei derivativem Besitzerwerb (§ 314 Rz 1) meist daraus, dass der Vormann nur in Entsprechung eines vorhandenen Rechtsgrundes den Besitz überträgt (vgl auch die Beispiele des § 317; zum analog gelösten Eigentumskonflikt s § 430). Zur Rechtmäßigkeit des Buchbesitzes s schon § 321 Rz 1. Der Besitzer kann zur Angabe des Rechtsgrundes nicht aufgefordert werden § 323. Der Besitzer einer Sache hat die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich; er kann also zur Angabe desselben nicht aufgefordert werden. Die Vermutung der Rechtmäßigkeit des (auch aufgrund einer sieg- 1 reichen Besitzklage erlangten; Spielbüchler/R Rz 1) Besitzes findet ihre Entsprechung in den allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die die Beweislast für die Unrechtmäßigkeit des Besitzes dem nicht besitzenden Kläger nach § 372 oder nach den §§ 1460 ff hinsichtlich der verlangten Anwendung der langen Ersitzungszeit auferlegt (zur früheren verfahrensrechtlichen Möglichkeit der Beweiszuschiebung und damit größeren Relevanz der Bestimmung Spielbüchler/R Rz 1). Ein zusätzlicher Anwendungsbereich liegt darin, dass der Besitzer einer Sache bis zum Beweis des Gegenteils Schadenersatz- und Verwendungsansprüche wie ein Eigentümer erheben kann (Klicka/S §§ 323– 325 Rz 1; K/W I 273). § 324. Diese Aufforderung findet auch dann noch nicht statt, wenn jemand behauptet, dass der Besitz seines Gegners mit andern rechtlichen Vermutungen, z.B. mit der Freiheit des Eigentumes, sich nicht vereinbaren lasse. In solchen Fällen muß der behauptende Gegner vor dem ordentlichen Richter klagen, und sein vermeintliches stärkeres Recht dartun. Im Zweifel gebührt dem Besitzer der Vorzug. Der Sinn der Bestimmung wird darin gesehen, dass auch der Rechts- 1 besitzer im Zweifel rechtmäßig besitzt (vgl auch § 25 AllgGAG; Spielbüchler/R Rz 1) und auch insofern dem Sachbesitzer (vgl im Übrigen § 339 Rz 5) vorgeht (zB SZ 59/110: Dienstbarkeitsbesitzer geht vor klagendem Eigentümer). Eccher
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§ 325 Ausnahme
§ 325. Inwiefern der Besitzer einer Sache, deren Verkehr verboten; oder die entwendet zu sein scheint, den Titel seines Besitzes anzuzeigen verbunden sei, darüber entscheiden die Straf- und politischen Gesetze. 1 Der Verweis bezieht sich heute auf das sog Bedenklichkeitsverfahren
der §§ 375 ff StPO, wonach ein verdächtiger Besitzer bei sonstigem Ediktalverfahren und allenfalls anschließender Versteigerung die Rechtmäßigkeit seines Besitzes nachzuweisen hat (zB SZ 6/77; SZ 8/223). Zur Verkehrfähigkeit von Sachen s §§ 355, 356 Rz 1. Redlicher und unredlicher Besitzer § 326. Wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält, ist ein redlicher Besitzer. Ein unredlicher Besitzer ist derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen vermuten muß, dass die in seinem Besitze befindliche Sache einem andern zugehöre. Aus Irrtum in Tatsachen oder aus Unwissenheit der gesetzlichen Vorschriften kann man ein unrechtmäßiger (§ 316) und doch ein redlicher Besitzer sein. Lit: Apathy, Redlicher oder unredlicher Besitzer, NZ 1989, 137; Iro, Besitzerwerb 111 ff, 142 ff; B. A. Oberhofer, Sonderhaftpflicht für Besitzer? JBl 1996, 152; Spielbüchler, Schuldverhältnis 266 ff.
1 Redlicher (gutgläubiger) Besitzer ist, wer von der Rechtmäßigkeit
seines Besitzes (§§ 316 f) und dem Fehlen von entgegengesetzten Rechten irgendwelcher – nicht unbedingt individuell bekannter (JBl 1950, 186) – Dritter überzeugt ist und davon ausgeht, dass er selbst Eigentümer (praktische Ausnahme: gutgläubiger außerbücherlicher Erwerb, vgl etwa Iro, SachenR Rz 2/22) oder sonst Berechtigter ist (zB JBl 1978, 144 König: Ersitzungsbesitzer wird nicht am Besitz gehindert und von ihm auch kein Benützungsentgelt verlangt). Str ist, ob schon leichte Fahrlässigkeit (so die hA, zB JBl 1980, 589; SZ 58/75; 3 Ob 535/93 SZ 66/120; Klang/K II 223; Iro, Besitzerwerb 111 ff, 147 ff; Apathy, NZ 1989, 137) oder erst – mE richtig – grobe Fahrlässigkeit (zB EvBl 1974/181; Ehrenzweig, System I/2, 190; Gschnitzer ua, SachenR 11) die Redlichkeit ausschließt. Nach einer dritten Meinung schließt überhaupt nur positive Kenntnis der Unrechtmäßigkeit, allerdings auch die positive Kenntnis lediglich von Zweifeln über die Rechtslage (vgl JBl 1978, 144 König; SZ 57/44; 7 Ob 269/00k Miet 53.222), Redlichkeit nach § 326 aus. Dabei sollen für den redlichen Erwerb nach § 367 (nicht hingegen nach § 824) und auch für 294
Eccher
Besitz
§ 327
die Inanspruchnahme der kurzen Ersitzungszeit gesteigerte Erfordernisse, nämlich das Fehlen objektiver Verdächtigkeit hinzutreten (Spielbüchler, Schuldverhältnis 280 ff; ders/R Rz 2 ff und § 368 Rz 1 ff; vgl auch JBl 1990, 371 krit Rummel). Beim Besitzerwerb durch beschränkt Geschäftsfähige kommt es auf deren persönliche Einsichtsfähigkeit an (1 Ob 67/02p EvBl 2002/178). Redlichkeit wird vermutet (s § 328 S 2). Die ursprünglich vorhandene Redlichkeit des Besitzes kann bei späterer positiver Kenntnis der Rechtslage wieder verloren gehen (zB SZ 47/3; JBl 1978, 147 Sprung; s auch § 338). Umgekehrt könnte ein unredlicher Besitz durch einschlägige spätere oder später bekannt gewordene Umstände redlich werden (Spielbüchler/R Rz 6). Ein an sich unredlicher Besitzer kann gegenüber dem Eigentümer doch als redlich behandelt werden, wenn zB von beiden Gesetzesumgehung geplant war (vgl 8 Ob 1518/96 NZ 1997, 87: Grundverkehr). Die Redlichkeit bzw Unredlichkeit eines Besitzes hat Bedeutung 2 für die Auseinandersetzung zwischen Eigentümer und Besitzer (§§ 329 ff, 335 f, 417 ff) und zwischen dem dinglichen Vorkaufsberechtigten und dem Erwerber (§ 1079), für den Rechtserwerb vom Nichtberechtigten (§§ 367 f, 371, 456, 824; §§ 63 f GBG), für den Vorrang des besseren Besitzers gemäß §§ 372 ff sowie für die Rechtsfolgen des Findens (§§ 392 ff) und der zufälligen Verarbeitung oder Vereinigung nach §§ 415 f. Wie ein Mitbesitzer zum unredlichen oder unrechtmäßigen Besitzer werde § 327. Besitzt eine Person die Sache selbst, eine andere aber das Recht auf alle oder auf einige Nutzungen dieser Sache; so kann eine und dieselbe Person, wenn sie die Grenzen ihres Rechtes überschreitet, in verschiedenen Rücksichten ein redlicher und unredlicher, ein rechtmäßiger und unrechtmäßiger Besitzer sein. Die Bestimmung bezieht sich auf den mehrstufigen Besitz an einer 1 Sache (s auch § 311 Rz 2): Sach- und Rechtsbesitzer können nebeneinander rechtmäßig und redlich besitzen (zB Eigentümer/Mieter, auch noch aufgrund eines Räumungsvergleichs: SZ 37/15, oder im Zeitraum eines gerichtlichen Räumungsaufschubs: SZ 23/191). Überschreitet jedoch der Rechtsbesitzer sein Recht, wird er zusätzlich unrechtmäßiger sowie allenfalls bei Schlechtgläubigkeit (§ 326) auch unredlicher Rechtsbesitzer; sofern er auch einen Eigentümerwillen zum Ausdruck bringt, unrechtmäßiger oder/und unredlicher Sachbesitzer. Eccher
295
Besitz
§ 328 Entscheidung über die Redlichkeit des Besitzes
§ 328. Die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes muß im Falle eines Rechtsstreites durch richterlichen Ausspruch entschieden werden. Im Zweifel ist die Vermutung für die Redlichkeit des Besitzes. 1 S 1 ist heute verfahrensrechtlich selbstverständlich. Die Vermutung
der Redlichkeit in S 2 (zB SZ 44/87) gilt auch im Bereich der §§ 367, 372, 1463 (so Spielbüchler/R Rz 1) sowie des § 63 GBG. Gelingt daher dem Gegner des Besitzenden der Beweis von dessen Unredlichkeit, treten die Folgen des unredlichen, ansonsten des redlichen Besitzes ein (vgl § 326 Rz 2). Bsp: JBl 1978, 144 König; SZ 51/64; JBl 1983, 480 Pfersmann: Beweis der nicht die gesamte Ersitzungszeit hindurch bestehenden Redlichkeit gemäß §§ 1461, 1477; 8 Ob A 68/04i SZ 2002/08: gutgläubiger Verbrauch von Leistungen mit Unterhaltscharakter. Im Bereich des Anfechtungsrechts kann (redlicher) Besitz des Anfechtungsobjekts dessen Massezugehörigkeit indizieren und daher die Passivlegitimation des Masseverwalters für Anfechtungsansprüche begründen (vgl 1 Ob 290/029 SZ 2003/8). Fortdauer des Besitzes. Rechte des redlichen Besitzes: a) in Rücksicht der Substanz der Sache; § 329. Ein redlicher Besitzer kann schon allein aus dem Grunde des redlichen Besitzes die Sache, die er besitzt, ohne Verantwortung nach Belieben brauchen, verbrauchen, auch wohl vertilgen. Lit: Apathy, Verwendungsanspruch, insb 28 ff, 107 ff; ders, Redlicher und unredlicher Besitz, NZ 1989, 137; P. Huber, Wegfall der Bereicherung und Nutzen (1988); Kerschner, Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, JBl 2001, 756; Spielbüchler, Schuldverhältnis 286 ff.
1 § 329 scheint jede schadenersatzrechtliche und bereicherungsrecht-
liche Verantwortlichkeit des redlichen Besitzers auszuschließen, und zwar bei Sachbesitz für alle einem Eigentümer (daran denkt das Gesetz mit Gebrauch und Verbrauch einer körperlichen Sache), bei Rechtsbesitz (dazu auch Rz 2) alle dem entsprechenden Berechtigten zustehenden Handlungen, einschließlich der Erzielung von Früchten und Nutzen (§ 330). Die Rspr bestätigt jedenfalls das schadenersatzrechtliche Haftungsprivileg (zB SZ 6/48; SZ 25/70; JBl 1970, 371), schwankt aber beim Verwendungsanspruch gegenüber dem redlichen Besitzer (dagegen zB SZ 6/48; 9 Ob 710/91 SZ 64/111: Vermächtnisnehmer; dafür SZ 32/111). Im Haftungsausschluss liegt eine Unlogik 296
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Besitz
§ 330
dann, wenn man Redlichkeit trotz leichter oder sogar grober Fahrlässigkeit (§ 326 Rz 1) zulässt. Bezüglich eines Verwendungsanspruchs gegen den redlichen Besitzer ist auf den Zusammenhang zwischen den §§ 330 und 333 S 1 hinzuweisen (Spielbüchler/R Rz 1): Hat nämlich der redliche Besitzer die Sache entgeltlich erworben, erscheint nicht der redliche Besitzer, sondern dessen Vormann bereichert, bei unentgeltlichem Erwerb hingegen der redliche Besitzer selbst. (Aber selbst bei Unentgeltlichkeit erscheint der Scheinerbe nach § 824 privilegiert; vgl 3 Ob 523/95 JBl 1997, 241.) Der Verweis des § 1437, der für den zweipersonalen Bereicherungsausgleich zwischen Leistendem und Empfänger auch § 329 mitumfasst, soll dagegen nicht den vollständigen Bereicherungsausschluss, sondern lediglich die gegen den unredlichen Empfänger strengere Herausgabe- bzw Vergütungspflicht als gegenüber dem redlichen (im oben aufgezeigten Umfang) zum Ausdruck bringen (zB SZ 7/218; 9 Ob 712/91 JBl 1992, 247; 4 Ob 84/97z SZ 70/69; Apathy, Verwendungsanspruch 101 ff; krit zur „Pauschalverrechnungsthese“ bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge Kerschner, JBl 2001, 756 ff). Die Bestimmung gilt mE auch für Rechtsbesitzer insofern, als das 2 von ihnen ausgeübte vermeintliche Recht Einwirkungen auf die körperliche Sache, mit der die Rechtsausübung verbunden ist (§ 311 Rz 1), erlaubt, wie zB die Abnützung der Sache durch den vermeintlichen Fruchtnießer oder Pächter (idS wohl Spielbüchler/R Rz 3, mE aber mangels Rechtsbesitzes unzutreffend für den Verwahrer). b) der Nutzungen; § 330. Dem redlichen Besitzer gehören alle aus der Sache entspringende Früchte, sobald sie von der Sache abgesondert worden sind; ihm gehören auch alle andere schon eingehobene Nutzungen, insofern sie während des ruhigen Besitzes bereits fällig gewesen sind. Lit: Apathy, Das Recht des redlichen Besitzers an den Früchten, JBl 1978, 517.
Die Bestimmung weist dem redlichen Besitzer die Naturalfrüchte 1 ab Absonderung und die sog Zivilfrüchte (sonstige „Nutzungen“) insofern zu, als sie während des Besitzes fällig und eingehoben wurden. Bei Rechtsbesitzern bezieht sich die Zuweisung allerdings nur auf jene Früchte und Nutzungen, die dem ausgeübten Recht entsprechen (vgl etwa den Unterschied zwischen Fruchtgenuss- und Gebrauchsrecht: § 509 gegenüber § 504; vgl auch § 329 Rz 2). Zur bereicherungsrechtlichen Stellung des redlichen Besitzers s schon § 329 Rz 1. Eccher
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Besitz
§ 331 c) des Aufwandes
§ 331. Hat der redliche Besitzer an die Sache entweder zur fortwährenden Erhaltung der Substanz einen notwendigen, oder, zur Vermehrung noch fortdauernder Nutzungen einen nützlichen Aufwand gemacht; so gebührt ihm der Ersatz nach dem gegenwärtigen Werte, insofern er den wirklich gemachten Aufwand nicht übersteigt. 1 Der redliche Besitzer hat, soweit ihm nicht überhaupt der Ertrag ge-
mäß § 330 gebührt (9 Ob 291/01m EF 97.086 ua), gegenüber dem Eigentümer der Sache Anspruch auf Ersatz der notwendigen und wirklichen Aufwendungen (zB GlUNF 7627: Fütterungskosten des betreibenden Gläubigers gegenüber siegreichem Exszindierungskläger; zum daraus berechtigten Zurückbehaltungsrecht § 334), soweit er nicht überhaupt von seinem Wegnahmerecht Gebrauch machen will (s § 332 Rz 1). Der Ersatz ist objektiv zu berechnen (hM; zB 3 Ob 241/97f SZ 70/136; aM K/W I 347). Der Ersatzbetrag ist einerseits durch die erzielte Wertsteigerung (arg: notwendiger oder nützlicher Aufwand; Aufwand, der keine Früchte trägt, wird also nicht ersetzt), nach hA aber auch durch den wirklich getätigten Aufwand begrenzt (SZ 70/136; vgl auch 6 Ob 507/93 JBl 1994, 171: Der Ersatzanspruch des Sachbesitzers entfällt, weil das für die Finanzierung des Aufwands bestellte Pfandrecht nun den Eigentümer belastet, also gegenwärtig keine Bereichung vorliegt). Kann der redliche Besitzer seinen Aufwand von einem Dritten (zB einem Schadenersatzverpflichteten) ersetzt bekommen, entfällt sein Anspruch gegen den Eigentümer (Spielbüchler/R Rz 1). 2 Bei Rechtsbesitz sind besondere Aufwandersatzregelungen je nach
dem ausgeübten Recht einschränkend anzuwenden (zB §§ 508, 512) oder die Weiterverweisungsregelung auf §§ 331 ff (so § 981) oder §§ 1036 ff über die Geschäftsführung ohne Auftrag (so § 1097) zu beachten. § 332. Von dem Aufwande, welcher nur zum Vergnügen und zur Verschönerung gemacht worden ist, wird nur so viel ersetzt, als die Sache dem gemeinen Werte nach wirklich dadurch gewonnen hat; doch hat der vorige Besitzer die Wahl, alles für sich wegzunehmen, was davon ohne Schaden der Substanz weggenommen werden kann. 1 Luxusaufwendungen, nämlich Aufwendungen „zum Vergnügen und
zur Verschönerung“ ohne objektive Wertsteigerung (zB Bemalen 298
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Besitz
§ 335
eines PKW), werden nicht ersetzt. Das Wegnahmerecht ist durch § 1295 Abs 2 bei fehlendem eigenen Nutzen ausgeschlossen (Schey/ Klang/K II 98), gilt aber weitgehend auch bei unüblichen Aufwendungen (Gschnitzer ua, SachenR 139; s schon § 331 Rz 1). Anspruch auf den Ersatz des Preises § 333. Selbst der redliche Besitzer kann den Preis, welchen er seinem Vormanne für die ihm überlassene Sache gegeben hat, nicht fordern. Wer aber eine fremde Sache, die der Eigentümer sonst schwerlich wieder erlangt haben würde, redlicher Weise an sich gelöst, und dadurch dem Eigentümer einen erweislichen Nutzen verschafft hat, kann eine angemessene Vergütung fordern. Grundsätzlich steht dem redlichen Besitzer gegenüber dem Eigen- 1 tümer kein Anspruch auf Ersatz des für die Sache bezahlten Preises zu; er erscheint dafür aber auch nicht mit dem von der Sache bezogenen Nutzen bereichert (s schon § 329 Rz 1). Wer allerdings gerade durch den Erwerb, also insofern (SZ 6/116) redlich, die Sache dem Eigentümer „rettet“, hat Anspruch auf eine dem Bergelohn des § 403 vergleichbare angemessene Vergütung. Da die Rettung hier nicht besonders gefahrvoll erscheint, darf aber die Höhe des Finderlohns (§ 393) nicht überschritten werden (vgl § 403 Rz 1). § 334. Ob einem redlichen Inhaber das Recht zustehe, seiner Forderung wegen die Sache zurückzubehalten, wird in dem Hauptstücke vom Pfandrechte bestimmt. Die Bestimmung verweist bezüglich des Zurückbehaltungsrechts 1 des redlichen Inhabers (also nicht nur Sach- oder Rechtsbesitzers; vgl § 309) auf § 471 (zB 6 Ob 507/93 JBl 1994, 171). Es gelten allerdings auch die Einschränkungen des § 1440. Andererseits sind Forderungen auf Aufwandersatz und Schadenersatz auch außerhalb der in § 331 und § 333 S 2 geregelten Fälle (vgl zB § 392) gesichert, jedenfalls soweit sie sich gegen den die Herausgabe verlangenden Eigentümer selbst richten. Inwiefern die Sache wegen Ersatzforderungen gegenüber einem Dritten (zB Reparaturauftrag durch Nichteigentümer) dem Eigentümer vorenthalten werden kann, ist str (dazu § 471 Rz 6). Verbindlichkeit des unredlichen Besitzers § 335. Der unredliche Besitzer ist verbunden, nicht nur alle durch den Besitz einer fremden Sache erlangte Vorteile zurückzustellen; sondern auch diejenigen, welche der Verkürzte erlangt haben würEccher
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Besitz
§ 335
de, und allen durch seinen Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen. In dem Falle, daß der unredliche Besitzer durch eine in den Strafgesetzen verbotene Handlung zum Besitze gelangt ist, erstreckt sich der Ersatz bis zum Werte der besondern Vorliebe. Lit: Apathy, Verwendungsanspruch, insb 33 ff, 103 ff; F. Bydlinski, Zum Bereicherungsanspruch gegen den Unredlichen, JBl 1969, 252; Iro, Besitzerwerb 114 ff; B. A. Oberhofer, Sonderhaftpflicht für Besitzer? JBl 1996, 152; Reischauer, Doppelzession, Bereicherung und unechte (angewandte) Geschäftsführung ohne Auftrag, ÖJZ 1987, 257.
1 Die Bestimmung sieht eine bereicherungsrechtliche und schaden-
ersatzrechtliche Verantwortung des unredlichen Besitzers (vgl dagegen die Privilegierung des redlichen Besitzers in § 329) vor, wobei der Wortlaut zu Unsicherheiten des Verhältnisses zu den jeweils allgemeinen Vorschriften Anlass gibt. 2 Die angeordnete Ersatzpflicht für alle Schäden stimmt aber mit der-
jenigen des grob fahrlässigen Schädigers nach § 1324 (einschließlich der Berücksichtigung des Wertes der besonderen Vorliebe nach § 1331 bei strafgesetzlichem Verbot sowie Mutwillen und Schadenfreude) überein, wenn man – wie nach der hier vertretenen Ansicht (§ 329 Rz 1) – Unredlichkeit erst ab grober Fahrlässigkeit annimmt. Die Fälle leichter Fahrlässigkeit sind dann über allgemeines Schadenersatzrecht zu lösen (im Ergebnis auch Spielbüchler/R Rz 1). Die Annahme eines Sonderhaftpflichtrechtes (B. A. Oberhofer, JBl 1996, 152 ff; ablehnend Iro, Besitzerwerb 147) erscheint jedenfalls entbehrlich. Die Formulierung „… allen durch seinen Besitz entstandenen Schaden …“ soll im Rahmen der Kausalitätsprüfung Verzicht auf Adäquanz bedeuten, dies allerdings nur bei Schäden an der Sache selbst, nicht bei sonstigen Schäden (Spielbüchler/R Rz 2; im Ergebnis auch Iro, Besitzerwerb 114 ff). Bsp: 7 Ob 115/97 f immolex 1998, 41: verzögerte Räumung; JBl 1966, 312: Kosten eines Exszindierungsverfahrens gegen den unredlichen Zwangspfandgläubiger sind kausal; SZ 3/67: Kosten der Nachforschung nach gestohlener Sache stehen mit dem Besitz des unredlichen Käufers jedoch in keinem Zusammenhang. 3 Der Bereichungsanspruch des § 335 erfasst die vom unredlichen Be-
sitzer tatsächlich bezogenen oder vom Eigentümer erzielbaren Vorteile. Er soll aber nach hA nicht schlechthin alle durch den Besitz (kausal) erlangten Vorteile erfassen; vielmehr soll der Vorteil, sofern dies der Fall ist, auf mehrere hiezu Beitragende verteilt werden (vgl JBl 1969, 272: Olah-Fall – Unternehmensaufbau mit Krediten, die mit zu Unrecht hiezu verwendeten Sparbüchern gesichert wurden; 1 Ob 300
Eccher
Besitz
§ 336
65/97h SZ 70/48: „geschickter“ Erwerb von Liegenschaften mit veruntreutem Geld; 2 Ob 198/98a SZ 73/3: Werterhöhung von Geschäftsanteilen durch Kapitalerhöhungen nach dem Zeitpunkt der erfolgreichen Anfechtung; ebenso F. Bydlinski, JBl 1969, 252; Apathy, Verwendungsanspruch 100; aA Gschnitzer ua, SachenR 141). Der unredliche Rechtsbesitzer (nur so ist mE unredliche Sachinhabung vorstellbar, unklar Spielbüchler/R Rz 3 und 4) hat auch den mit der Sachinhabung verbundenen Vorteil zu vergüten, jedoch nur soweit sich dies aus dem Inhalt des ausgeübten Rechts ergibt (also zB der Mieter hinsichtlich eingehobener Untermietzinse, nicht für Benützungsentgelt für die Verwendung der Fassade zu Werbezwecken). Wer ein bestehendes Rechtsverhältnis, insb Schuldverhältnis, in Bezug auf eine Sache verletzt (zB Verzug mit Herausgabe), haftet nicht als unredlicher Inhaber, sondern wegen Verletzung dieses Rechtsverhältnisses nach allgemeinen Vorschriften (vgl Klicka/S Rz 6). § 336. Hat der unredliche Besitzer einen Aufwand auf die Sache gemacht, so ist dasjenige anzuwenden, was in Rücksicht des von einem Geschäftsführer ohne Auftrag gemachten Aufwandes in dem Hauptstücke von der Bevollmächtigung verordnet ist. Bezüglich des Aufwandersatzes des unredlichen Besitzers verweist 1 das Gesetz auf die §§ 1036 ff (Fall der „angewandten Geschäftsführung“). Wendet man harmonisierend den an sich vom Verweis ebenfalls erfassten § 1040 (unerlaubte Geschäftsführung) nur auf den wissentlich unredlichen Besitzer an, kann Aufwandersatz überhaupt nur einem (grob; dazu § 329 Rz 1) fahrlässig Unredlichen zustehen (so Gschnitzer ua, SachenR 142). Dabei kommt es bei nützlicher Geschäftsführung nach den §§ 1037 ff anders als nach § 331 auf den subjektiven Vorteil des Eigentümers an (JBl 1973, 204). Bei notwendiger Geschäftsführung nach § 1036 bleibt unklar, ob tatsächlich auch fruchtlos gebliebener Aufwand zu ersetzen ist oder ob durch analoge Anwendung des § 331 eine Besserstellung des unredlichen gegenüber dem redlichen Besitzer vermieden werden muss (im letzteren Sinn die hA, zB Ehrenzweig, System I/2, 295; F. Bydlinski/K IV/2, 525 FN 476; anders mit der zutreffenden Begründung, dass eben nur der redliche Besitzer Vorteile behalten darf und dazu auf eigene Rechnung Aufwendungen macht, Gschnitzer ua, SachenR 142). Luxusaufwendungen werden jedenfalls auch dem unredlichen Besitzer nicht ersetzt (arg § 1038). Der Aufwand muss jedenfalls „auf die Sache“ gemacht worden sein (vgl 3 Ob 30/04i JBl 2004, 731: kein Ersatz für normale Heizkosten). Der Anspruch verjährt in der allgemeinen 30-jährigen Verjährungsfrist (JBl 2004, 731). Eccher
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Besitz
§ 337
Beurteilung der Redlichkeit des Besitzes einer Gemeinde § 337. Der Besitz einer Gemeinde wird nach der Redlichkeit oder Unredlichkeit der im Namen der Mitglieder handelnden Machthaber beurteilt. Immer müssen jedoch die unredlichen sowohl den redlichen Mitgliedern, als dem Eigentümer den Schaden ersetzen. Lit: Iro, Besitzerwerb 153 ff, 190 ff; ders, Zurechnung von Gehilfen im Recht der Willensmängel, JBl 1982, 470 und 510; Ostheim, Organisation, Organschaft und Machthaberschaft im Deliktsrecht juristischer Personen, GedS Gschnitzer (1969) 317.
1 Die Redlichkeit des Besitzes von juristischen Personen („Gemein-
de“) hängt vom Verhalten der für Besitzerwerb und Besitzaufrechterhaltung (§§ 312 ff) zuständigen Organe („Machthaber“) ab (zB JBl 1978, 147 Sprung; 7 Ob 267/04x NZ 2005, 246: Pfarrgemeindemitglieder als „Machthaber“). Bei kollektiv zuständigen Organen führt nach hA (zB 2 Ob 570/95 SZ 68/206; Iro, Besitzerwerb 184) die Unredlichkeit eines einzigen Organwalters zu Unredlichkeit der juristischen Person. Zur analogen Fragestellung bei rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung § 1017 Rz 8. Zur Haftung für Machthaber s § 26 Rz 16. Inwiefern durch die Klage der Besitz unredlich werde § 338. Auch der redliche Besitzer, wenn er durch richterlichen Ausspruch zur Zurückstellung der Sache verurteilt wird, ist in Rücksicht des Ersatzes der Nutzungen und des Schadens, wie auch in Rücksicht des Aufwandes, von dem Zeitpunkte der ihm zugestellten Klage, gleich einem unredlichen Besitzer zu behandeln; doch haftet er für den Zufall, der die Sache bei dem Eigentümer nicht getroffen hätte, nur in dem Falle, dass er die Zurückgabe durch einen mutwilligen Rechtsstreit verzögert hat. 1 § 338 ist so zu verstehen, dass der redliche Besitzer ab Klagszustel-
lung mit der allfälligen Herausgabepflicht rechnen muss und daher bei Verurteilung rückwirkend hinsichtlich der Vorteile, Aufwendungen und verursachten Schäden wie (!) ein unredlicher Besitzer behandelt wird (JBl 1966, 312). Lediglich bei mutwilliger Prozessführung des beklagten Besitzers kann man von vorherigem Eintritt der Unredlichkeit sprechen (allgemein zur späteren Unredlichkeit § 326 Rz 1), was jedoch nur für die strengere Haftung für Zufall (casus mixtus) Bedeutung hat (vgl SZ 14/193). Wird die Herausgabe auf ein bestehendes Recht, insb ein Schuldverhältnis, gestützt, kommen die allgemeinen Schadenersatz- und Bereicherungsbestimmungen und 302
Eccher
Besitz
§ 339
nicht § 338 (ebenso wenig wie § 335) zur Anwendung (3 Ob 544/95 JBl 1996, 48: Mietvertrag; Klicka/S Rz 2). Ähnlich gehen bei Urheberrechtsverletzungen die §§ 86, 87 UrhG dem § 338 vor (SZ 46/11: Filmverleih). Rechtsmittel des Besitzers bei einer Störung seines Besitzes; § 339. Der Besitz mag von was immer für einer Beschaffenheit sein, so ist niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören. Der Gestörte hat das Recht, die Untersagung des Eingriffes, und den Ersatz des erweislichen Schadens gerichtlich zu fordern. Lit: Apathy, Der possessorische Schutz gegenüber Eigenmächtigkeiten eines Miteigentümers, JBl 1977, 341; M. Binder, Der Wohnungsschutz des Ehegatten und des Kindes, in Harrer/Zitta, Familie 53; F. Bydlinski, Der negatorische Schutz des Mieters gegen Dritte und das Rechtssystem, wobl 1993, 1; P. Bydlinski, Die Eigenmacht im Besitzstörungsrecht, RZ 1998, 97; ders, Zivilrechtliche Zulässigkeitsgrenzen bei der Verteilung von Werbematerial „an der Wohnungstür“, ÖJZ 1998, 641; Hoyer, Zum possessorischen Schutz des Rechtsbesitzers, wbl 1999, 341; Kiendl, Besitzstörungsklage gegen Paragleiter? ZVR 1993, 353; Kodek, Die Besitzstörung (2002); ders, Besitzstörung durch Kraftfahrzeuge, ZVR 2003, 4; Legerer, Zur Zulässigkeit des Abschleppens besitzstörend abgestellter Fahrzeuge von Privatgrundstücken, ÖJZ 1998, 607.
Der Besitz genießt unter bestimmten Voraussetzungen als solcher, 1 und zwar zum Zweck der Aufrechterhaltung des allgemeinen Rechtsfriedens (ausführlich dazu und zur historischen Entwicklung Kodek, Besitzstörung 18 ff, 43 ff) gerichtlichen Schutz (zur erlaubten Selbsthilfe § 344; s auch Rz 7). Dieser Schutz steht jedem Sach- und Rechtsbesitzer zu (zur Besitzentziehungsklage des unechten Besitzers und gegen diesen s § 346 Rz 1). Prekaristen, bloße Besucher und Gäste (vgl SZ 38/16: Betreten eines Hauses) und ganz allgemein Inhaber, soweit sie nicht gleichzeitig Rechtsbesitzer sind, aber auch bloße sog bücherliche Besitzer (Tabularbesitzer, dazu § 321 Rz 1), sind nicht erfasst. Der Besitz ist weiters nur schutzwürdig, wenn er „ruhig“ ist; also nicht, wenn abwechselnd Besitzhandlungen der Streitparteien erfolgen (LG Krems 2 R 191/02d Miet 54.016). Besitzstörung bedeutet Beeinträchtigung des bisherigen Besitzstan- 2 des zum Nachteil des Besitzers, indem also der Störer der bisherigen Herrschaft des Besitzers insb durch räumliches Übergreifen (zB abgelehnt in LGZ Graz Miet 34.018: Verbreitung üblen Geruchs; krit zu Recht Spielbüchler/R Rz 2) bis hin zur Entziehung der Sache einen eigenen Besitzwillen („unechter“ Besitzerwerb, vgl Kodek, BesitzstöEccher
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Besitz
§ 339
rung 181 ff) entgegensetzt (zB LGZ Wien Miet 29.021: bei sofortiger Fügung in die Anordnungen des Besitzers liegt keine Besitzstörung vor). Die Störung muss mit Elementen von Besitzerwerbung in Bezug auf den fremden Besitz verbunden sein (vgl zB zur Nicht-Störbarkeit der Internet-Domain § 311 Rz 1). Wird nämlich nur der Besitzer selbst beeinträchtigt, liegt Besitzstörung nicht vor (so Spielbüchler/R Rz 4; aA J. Pichler, RZ 1962, 123 ff; s auch KG Krems Miet 39.011: Beleidigungen und Drohungen gegen den Besitzer verhindern Benützung eines Weges, Besitzstörung liegt daher vor). Zu beachten ist auch, dass der störende Zustand („Zustandsstörung“) nur dann mit Besitzstörungsklage verfolgt werden kann, wenn er auf eine Eingriffshandlung zurückgeht, die dem Beklagten zuzurechnen ist (vgl Kodek, ZVR 2003, 5). Dem tatsächlichen Eingriff steht ein Verbot mit unmittelbarer Eingriffsdrohung (zB LGZ Wien Miet 25.013: Entfernung einer Tür) oder Eingriffsmöglichkeit (zB LGZ Wien Miet 36.012: Anfertigung eines Nachschlüssels) gleich; ebenso, wenn sich der andere Teil dem Verbot fügt (1 Ob 181/03d JBl 2004, 788). Unterlassung kann unter besonderen Umständen Besitzstörung sein (LGZ Wien 43 R 2106/93 EF 71.985: Unterlassung von Zahlungen, wenn dies zur Einstellung der Lieferung zB von Strom oder Gas führt). Nichtrückstellung einer Sache nach Vertragsende ist aber keine Besitzstörung (K/W I 274; analog bei Selbsthilfe, vgl § 344 Rz 2). Überlegenswert erscheint Besitzstörung durch unerwünscht zugesandte kommerzielle Werbung (Spam; vgl Bresich, ÖJZ 2006, 366). 3 Der durch den Eingriff entstehende Nachteil des Besitzers ist weit zu
interpretieren. Er kann uU auch schon „im bloßen Durchkreuzen subjektiven Beliebens“ (Spielbüchler/R Rz 3) liegen, andererseits wird – auch aus dem Gedanken der Schikane – kein Schutz für unerhebliche (Bagatell-)Störungen gewährt (vgl Gschnitzer ua, SachenR 23 f: „de minimis non curat praetor“). Bsp: Besitzstörung noch bejaht in LGZ Wien EF 38.466: Benützung des Ehebettes durch einen Dritten auch mit Zustimmung der Ehefrau; LGZ Wien 44 R 2046/92 EF 68.934: Packen der Kleider des Räumungsverpflichteten in einen Koffer; LGZ Graz 3 R 227/93 Miet 45.010: Verhinderung des Lichteinfalls durch Balkonverbreiterung; 4 Ob 320/97 f SZ 70/227: unerbetene Werbung über ein Faxgerät. Keine Besitzstörung wurde hingegen gesehen zB in LGZ Wien Miet 29.021: kurzfristiges Liegenlassen von Brettern; LGZ Wien Miet 30.021: Anbringung von Bildern im Stiegenhaus (krit Gschnitzer ua, SachenR 23); LGZ Graz 3 R 280/95 Miet 47.010: Führung eines Antennenkabels durch den Türstock; LGZ Wien 39 R 321/02y Miet 54.023: geringfügige Beeinträchtigung der Torsprechanlage. 304
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Besitz
§ 339
Besitzstörung setzt keine Störungsabsicht oder zumindest Stö- 4 rungsbewusstsein voraus und kann sogar in schuldloser irrtümlicher Unkenntnis des fremden Besitzes erfolgen. Eine bloß angenommene Gestattung (s Rz 6) ist daher problematisch (vgl P. Bydlinski, RZ 1998, 97; anders die Rspr, zB LGZ Wien Miet 27.018). Verlangt wird aber als Realakt natürliches Handlungsbewusstsein, das nur voll Handlungsunfähigen und Kindern bis zu sieben Jahren fehlt (vgl P. Bydlinski, RZ 1998, 99). Bei Mitbesitz liegt Besitzstörung vor, wenn einer der Mitbesitzer dem 5 bzw den anderen die Sache entzieht oder die bisherige Gebrauchsordnung stört, sich also wie ein Alleinbesitzer verhält (zB LGZ Wien Miet 28.027: Swimmingpool im gemeinsamen Garten stört Benützungsordnung; 7 Ob 234/03t NZ 2004, 177: Nachlass als gestörter Mitbesitzer; vgl dazu Binder, SachenR Rz 3/22). Bei mehrstufigem Besitz genießen sowohl der Sach- als auch der Rechtsbesitzer Besitzschutz gegenüber Dritten. Im Verhältnis untereinander geht jedoch der Rechtsbesitzer (also der Mieter gegenüber dem Eigentümer) vor. Der Sachbesitzer stört nämlich den Rechtsbesitz, wenn er durch die Ausübung von Eigentümerbefugnissen den Rechtsbesitz beeinträchtigt (zB LGZ Wien Miet 31.022: Verschließen des Haustores während des Tages; andererseits: LGZ Wien Miet 28.021: vorübergehende Störung durch Umbauten sind keine Störungen des fremden Rechtsbesitzes oder LGZ Wien 40 R 237/03d Miet 55.022: Anbringen eines Balkons stört Rechtsbesitz des Mieters nicht). Der Rechtsbesitzer hingegen stört den Sachbesitzer nur, wenn er sich außerhalb des von ihm ausgeübten Rechtes begibt (als Beispiel für zahllose Besitzstörungsfälle zwischen Vermieter und Mieter s LGZ Wien Miet 32.020: Streichen der Hausfassade). Besitz wird nur bei eigenmächtiger Besitzstörung geschützt, dh mo- 6 derner ausgedrückt, wenn Rechtswidrigkeit vorliegt (so P. Bydlinski, RZ 1998, 100). Die Gestattung durch den Besitzer selbst ist jederzeit widerruflich (LGZ Wien 38 R 111/02h Miet 54.020: konkludenter Widerruf), sie kann auch selbst konkludent erfolgen (Bsp: Miet 19.010: Aufstellen einer Bank gestattet kurzfristige Benützung durch Besucher; Miet 18.028: Übergabe zur Miete gestattet das Einschlagen von Bilderhaken; LGZ Wien Miet 34.022: Montage einer Etagenheizung durch den Untermieter; vgl aber LGZ Wien 43 R 2061/95 EF 78.333: allgemeine Ausdrücke wie „mach was du willst“ gestatten einem Ehegatten nicht den Austausch des Schlosses, s auch Spielbüchler/R Rz 5; 3 Ob 509/96 SZ 69/10 = ecolex 1996, 358 Wilhelm: Verteilung von Werbematerial im Haus; Gestattung bloß durch Minderheit der Mieter genügt nicht; nach P. Bydlinski, ÖJZ 1998, 645 liegt Störung in solchen Fällen aber erst nach Ablehnung durch die Besitzer vor). Eccher
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Besitz
§ 339
Eigenmacht (Rechtswidrigkeit) fehlt auch bei gesetzlich (zB § 384: Bienenfolge; § 422: Abschneiden des Überhanges; § 33 ForstG: Betreten des Waldes; nicht zB feuerpolizeiliche Gebote oder etwa der Informationsauftrag des ORF, SZ 49/45) und behördlich erlaubten Eingriffen (Bsp: LGZ Wien Miet 38.016: baubehördlicher Auftrag, so Spielbüchler/R Rz 6, dagegen aber Pichler, ÖJZ 1963, 511 ff; LGZ Wien Miet 30.020: EV zur Unterlassung des Betretens der Wohnung erlaubt Änderung des Schlosses; LGZ Wien Miet XXI/66: verlassenschaftsgerichtlich angeordnete Versiegelung der Wohnung auch auf Antrag eines Interessierten; vgl aber LGZ Wien Miet 25.025: „Rat“ eines Polizeibeamten ist keine Ermächtigung durch die Verwaltungsbehörde; generell krit zur automatischen Gleichsetzung öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Gestattung P. Bydlinski, RZ 1998, 98). Schikane des Hauseigentümers kann Besitzstörung durch den Mieter ausschließen (vgl LGZ Wien 38 R 96/01a, 137/01f Miet 53.021). 7 Als Störer gilt zunächst derjenige, der tatsächlich den fremden Besitz
beeinträchtigt, auch wenn er im fremden Interesse handelt (unmittelbarer Störer, zB Werkunternehmer, Dienstnehmer, Beauftragter, sonstiger Gehilfe). Ein Abschleppunternehmer, der für Hausverwaltungen und dergleichen störend abgestellte Fahrzeuge entfernt, ohne dass erlaubte Selbsthilfe vorliegt, ist der Besitzstörungsklage ausgesetzt (Angaben bei § 344 Rz 3). Störer kann aber auch derjenige sein, für den gehandelt wird (mittelbarer Störer). Dabei muss das Vertragsverhältnis nicht konkret auf die störende Handlung bezogen sein (zB LGZ Wien Miet 35.021: Installateur verlegt Rohre durch fremden Keller), es genügt eine generell mit dem unmittelbaren Störer vereinbarte Tätigkeit, in deren Rahmen die Besitzstörung erfolgt (zB Dienstvertrag mit dem Hausbesorger oder Auftragsverhältnis mit dem Hausverwalter). Das Handeln des unmittelbaren Störers kann demjenigen, in dessen Interesse die Störung erfolgt, aber nur bei Kenntnis, genereller oder konkreter Billigung und Unterbleiben von Maßnahmen zur Verhinderung der Störung zugerechnet werden (vgl P. Bydlinski, ÖJZ 1998, 641 ff). Für von einer Liegenschaft vor Veräußerung ausgehende Störungen bleibt der Veräußerer verantwortlich, der Einzelrechtsnachfolger haftet nur bei eigenem Störverhalten (SZ 61/188: Störung einer Quelle auf Privatgrundstück). Behördliches Verhalten kann nicht mit Besitzstörungsklagen bekämpft werden (zB LGZ Wien 42 R 495/94 JBl 1996, 46: Parken im Zuge einer kriminalpolizeilichen Beratung). Der Zulassungsbesitzer eines PKW ist mittelbarer Störer und muss vor Klagseinbringung nicht zur Angabe des Fahrers (= unmittelbaren Störers) aufgefordert werden (vgl Kodek, ZVR 2003, 23 f gegen LG Innsbruck 1 R 332/02h ZVR 2003/11). 306
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Besitz
§ 340
Anspruch und Durchsetzung (ausführlich Kodek, Besitzstörung 8 691 ff) erfolgen im Wege einer Besitzstörungsklage iwS, also die Besitzentziehungsklage (§ 346) einschließend (§§ 454 ff ZPO), die innerhalb der Frist von 30 Tagen ab Kenntnis oder zumutbarer Möglichkeit der Kenntnisnahme geltend zu machen ist (vgl LGZ Wien EF 60.862: Hinweisen von Kindern ist nachzugehen). Die Frist läuft von der Störung an, genauer von deren Beginn (§ 454 Abs 1 ZPO: materielle Frist, also mit Einrechnung des Postlaufs; vgl LG Krems 2 R 172/01h Miet 53.733: Telefax vom letzten Tag der Frist). Der Anspruch ist einerseits auf (konkret zu bezeichnende und bei Verurteilung dementsprechend vorzunehmende) Wiederherstellung des früheren Zustands, und zwar soweit als möglich (SZ 43/124; LG Eisenstadt R 103/94 Miet 46.008: Großbaumverpflanzung anstelle eines gefällten Baumes) gerichtet (zu dem damit weitgehend deckungsgleichen Beseitigungsanspruch vgl Kodek, Besitzstörung 435 ff; s auch § 364 Rz 14). Andererseits geht der Anspruch auf die Unterlassung weiterer gleicher oder gleichartiger (vgl 2 Ob 10/01m immolex 2001, 242) Störungen. Dieser Unterlassungsanspruch gründet sich auf eine vom Kläger nachzuweisende Wiederholungsgefahr, die jedoch großzügig angenommen wird (vgl SZ 38/16: Uneinsichtigkeit des Störers genügt; zur regelmäßig gegebenen Wiederholungsgefahr bei Besitzstörung durch Verparken vgl Kodek, ZVR 2003, 6). Ohne Wiederholungsgefahr würde das Rechtschutzbedürfnis (vgl § 228 ZPO) fehlen (zB LG Steyr 1 R 108/03f AnwBl 2003, 497: Abgabe einer außergerichtlichen Unterlassungserklärung). Die Verhinderung weiterer Störungen ist durch zweckdienliche Maßnahmen sicherzustellen (zB LGZ Wien Miet 27.759: neues Türschloss). Das beschleunigt abzuwickelnde Verfahren beschränkt sich auf die 9 Feststellung des vorigen Besitzstandes und die erfolgte Störung. Alle Erörterungen über das Recht zum Besitz und – trotz § 339 – über allfällige Schadenersatzansprüche haben zu unterbleiben (§ 457 ZPO) und könnten nur in einem späteren petitorischen Verfahren erfolgen (vgl LGZ Wien 39 R 354/01z Miet 54.017). Gegen neue gleiche oder gleichartige Störungen nach rechtskräftigem Endbeschluss ist nicht mit einer neuen Besitzschutzklage, sondern mit Exekutionshandlungen vorzugehen (immolex 2001, 242). besonders durch eine Bauführung; § 340. Wird der Besitzer einer unbeweglichen Sache oder eines dinglichen Rechtes durch Führung eines neuen Gebäudes, Wasserwerkes, oder anderen Werkes in seinen Rechten gefährdet, ohne Eccher
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Besitz
§ 340
dass sich der Bauführer nach Vorschrift der allgemeinen Gerichtsordnung gegen ihn geschützt hat; so ist der Gefährdete berechtigt, das Verbot einer solchen Neuerung vor Gericht zu fordern, und das Gericht ist verbunden, die Sache auf das schleunigste zu entscheiden. Lit: Kodek, Besitzstörung 639 ff; Reinl, Das Verhältnis der Bauverbotsklage zur Besitzstörungsklage, JBl 1970, 75; E. Wagner, Deregulierung im Baurecht und ziviler Rechtsschutz, bbl 1999, 131 und 171.
1 Schon bei Gefährdung, also nicht erst nach eingetretener Besitzstö-
rung (vgl § 339 Rz 2), durch die Errichtung oder Niederreißung (s § 342; zur Gefahr des Einsturzes § 343) eines Bauwerks (Hochoder Tiefbau) steht dem Sachbesitzer einer unbeweglichen Sache und auch dem eine unbewegliche Sache innehabenden Rechtsbesitzer (trotz des engeren Wortlautes auch dem Besitzer eines obligatorischen Rechts, zB Mietrechts, so zuletzt Binder, SachenR Rz 3/28; aA Spielbüchler/R Rz 5 unter Hinweis auf ältere Rspr; nicht geschützt ist jedenfalls der Tabularbesitzer: EvBl 1976/270; vgl § 321) das Recht auf Erlassung eines Bauverbots zu. Die Gefahr muss im Zeitraum zwischen Baubeginn (zB Aushebung der Baugrube) und Baufertigstellung von Baumaßnahmen ausgehen, die in Einwirkungen auf das Grundstück bestehen. Die Arbeiten an sich oder die Benützung des Bauwerkes lösen den Anspruch nicht aus. Wird der Anspruch auf Unterlassung aus dem Eigentum oder einem anderen dinglichen Recht abgeleitet, liegt jedoch kein Fall des § 340, sondern eine petitorische Klage bzw auch ein Antrag auf Erlassung einer EV nach §§ 381 ff EO vor (1 Ob 6/001 bbl 2000, 194). 2 Die Erwirkung des Bauverbots erfolgt in einem Besitzstörungsver-
fahren (§§ 456 ff ZPO). Es gilt insb die 30-Tage-Frist des § 454 ZPO, in diesem Fall beginnend mit Kenntnis der Gefahr. Wiederherstellung des vorherigen Zustandes kann nicht begehrt werden (zur Abwendung des Bauverbots durch Sicherstellung s § 341). Selbst das rechtskräftige Bauverbot ist insofern nur vorläufig, als es petitorisch bekämpft werden kann (§ 459 ZPO). 3 Das Verbotsrecht besteht nur, wenn ein behördliches Baubewilli-
gungsverfahren (nach den einschlägigen Bau-, Wasser- oder sonstigen Vorschriften, vgl Iro, SachenR Rz 2/66) entweder überhaupt nicht stattgefunden hat (zB EvBl 1976/270: Erdarbeiten zum Zweck der Errichtung von Reihenhäusern) oder der ordnungsgemäß geladene Verbotswerber seine privatrechtlichen, im Verwaltungsverfahren nicht einvernehmlich erledigten Einwendungen erhoben hat (Art XXXVII EGZPO). Der andernfalls durch Verschweigung ein308
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Besitz
§ 341
tretende Ausschluss des Verbotsrechtes betrifft nicht nur den Anspruch aus § 340 (und § 342) selbst, sondern auch alle sonstigen possessorischen (zB aus § 339) oder petitorischen (zB aus §§ 364 ff) Unterlassungsansprüche des Gegners des Bauführers (vgl Spielbüchler/R Rz 8). ME gilt dies jedoch nur soweit, wie sie auf Gefährdungen gestützt werden, die im Verwaltungsverfahren vorhersehbar waren (vgl Gschnitzer ua, SachenR 26 f). Nach hA soll der Ausschluss des privatrechtlichen Verbotes sogar dann gelten, wenn sich der Bauführer nicht an die Bauauflagen hält (vgl LGZ Wien Miet 31.027; differenzierend Kodek, Besitzstörung 699 f) oder sich die vom Verbotswerber behaupteten, von der Behörde jedoch nicht für gegeben erachteten Gefährdungen doch verwirklichen. Eine Bauverbotsklage ist aber dann nicht ausgeschlossen, wenn eine entsprechende Gefahr von einer bewilligungsfreien Baumaßnahme ausgeht (LG Eisenstadt 13 R 275/03v AnwBl 2004, 468: Biotop). § 341. Bis zur Entscheidung der Sache ist die Fortsetzung des Baues von dem Gerichte in der Regel nicht zu gestatten. Nur bei einer nahen, offenbaren Gefahr, oder, wenn der Bauführer eine angemessene Sicherheit leistet, dass er die Sache in den vorigen Stand setzen, und den Schaden vergüten wolle, der Verbotsleger dagegen in dem letztern Falle keine ähnliche Sicherstellung für die Folgen seines Verbots leistet, ist die einstweilige Fortsetzung des Baues zu bewilligen. Lit: S bei § 340.
Die Formulierung der Bestimmung (iVm § 394 EO) deutet darauf hin, 1 dass das (einstweilige) Bauverbot nach Klagserhebung unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften der §§ 456 ff ZPO zunächst zu erlassen (zur Ähnlichkeit mit einstweiligen Verfügungen der EO gemäß §§ 378 ff EO vgl Kodek, Besitzstörung 994 ff) ) und in der Folge über die materielle Berechtigung iSd §§ 340 und 342 (nahe offenbare Gefahr, angemessene Sicherheit) mit Urteil zu entscheiden ist (beachte den verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch gemäß § 394 EO bei Ablehnung des Anspruchs, dessen fehlender Rechtfertigung oder bei Versäumung der Klagefrist; vgl GlUNF 4398). Das Gericht hat jedoch im Laufe des Verfahrens die einstweilige Fortsetzung des Baues zu verfügen, wenn entweder ein unmittelbarer Schaden durch die Baueinstellung droht (zB der Bau dient selbst einer Gefahrenabwehr oder ist im unfertigen Zustand selbst gefährlich, vgl Spielbüchler/R Rz 2) oder wenn der Bauführer eine im Verhältnis zu den allfälligen Bauschäden angemessene Sicherheit anbietet. Im zweiten Fall Eccher
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Besitz
§ 342
kann die gefährdete Partei ihrerseits die einstweilige Baufortsetzung durch das Anbot einer angemessenen Sicherheit für die allfälligen Bauverhinderungsschäden abwenden. § 342. Was in den vorhergehenden Paragraphen in Rücksicht einer neuen Bauführung verordnet wird, ist auch auf die Niederreißung eines alten Gebäudes, oder anderen Werkes anzuwenden. 1 Die Gefährdung durch das Niederreißen eines Gebäudes (als Ver-
halten, vgl Spielbüchler/R Rz 1) wird wie jene durch Bauführung iSd § 340 geregelt. In § 343 (s Rz 1) geht es hingegen um die Gefährdung durch die einsturzgefährdete Sache selbst. und bei der Gefahr eines vorhandenen Baues § 343. Kann der Besitzer eines dinglichen Rechtes beweisen, daß ein bereits vorhandener fremder Bau oder eine fremde Sache dem Einsturze nahe sei, und ihm offenbarer Schaden drohe; so ist er befugt, gerichtlich auf Sicherstellung zu dringen, wenn anders die politische Behörde nicht bereits hinlänglich für die öffentliche Sicherheit gesorgt hat. Lit: Kodek, Besitzstörung 672 ff.
1 Geht die Gefährdung des Besitzes (wie bei §§ 340, 342, s § 340 Rz 1)
von der Einsturzgefahr (s § 342 Rz 1) eines Bauwerks oder einer sonstigen Sache (zB Masten, Gerüst, Kran, Erdreich, auch Bäume – so zB Binder, SachenR Rz 3/30) aus, kann Sicherstellung verlangt werden, also mangels gesetzlicher Anordnung nicht etwa Beseitigung des gefährlichen Zustandes oder Ergreifung entsprechender Maßnahmen (zur – petitorischen – vorbeugenden Unterlassungsklage § 364 Rz 12; vgl SZ 47/62). Passiv legitimiert ist der Eigentümer des Bauwerkes oder der sonst gefährdenden Sache, wohl auch dinglich Berechtigte (arg „… fremde Sache …“). Die Sicherstellung orientiert sich der Höhe nach an dem Schaden, für den der Gefährdende (Beklagte) allenfalls haftet. Der Anspruch besteht nicht, wenn die Verwaltungsbehörde subjektiv (so Spielbüchler/R Rz 2) ausreichende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergriffen hat (zB Absperrung). 2 Der Anspruch ist wie jener nach §§ 340 und 342 durch eine Art Be-
sitzstörungsklage durchzusetzen (§§ 454 ff; dazu 1 Ob 366/98z JBl 1999, 655; ausführlich Kodek, Besitzstörung 994 ff). Die Frist von 30 Tagen (dazu § 339 Rz 8) beginnt mit Kenntnisnahme der Gefährdung zu laufen. 310
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Besitz
§ 344 Rechtsmittel zur Erhaltung des Besitzstandes: a) bei dringender Gefahr;
§ 344. Zu den Rechten des Besitzes gehört auch das Recht, sich in seinem Besitze zu schützen, und in dem Falle, daß die richterliche Hilfe zu spät kommen würde, Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben (§ 19). Übrigens hat die politische Behörde für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, so wie das Strafgericht für die Bestrafung öffentlicher Gewalttätigkeiten zu sorgen. Lit: Kodek, Besitzstörung 516 ff; Jaksch-Ratajczak, Der Abschleppunternehmer als Besitzstörer, ZVR 2004, 353; Legerer, Zur Zulässigkeit des Abschleppens besitzstörend abgestellter Fahrzeuge von Privatgrundstücken, ÖJZ 1998, 607.
Die Bestimmung stellt durch den Verweis auf § 19 nicht nur die Not- 1 wehr- und damit auch Notstandsfähigkeit des Besitzes im Rahmen defensiver Selbsthilfe bei erfolgter oder drohender Besitzstörung ieS (zum Begriff § 339 Rz 2) klar („Besitzwehr“), sondern erlaubt – falls gerichtliche Hilfe zu spät kommen würde (zum gerichtlichen Besitzschutz § 339) – auch offensive Selbsthilfe („Besitzkehr“; ausführlich Kodek, Besitzstörung 516 ff; vgl 2 Ob 2264/96x SZ 69/214: Verfolgung eines fahrlässigen Schädigers). Der Besitz kann nämlich bei Besitzentziehung (im Übrigen § 345) unter Anwendung der im Hinblick auf gebotene Interessenabwägung angemessenen Gewalt wiedererlangt werden. Dies gilt jedoch nur in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Angriff („in continenti“), später wäre staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (LGZ Wien EF 58.661). Selbsthilfelegitimiert sind der unmittelbare oder mittelbare Sachbe- 2 sitzer und der (soweit mit Sachinhabung verbunden) Rechtsbesitzer (auch ein unechter Besitzer, vgl § 346), aber auch der als Besitzdiener/ Besitzmittler (hiezu § 314 Rz 1) fungierende Inhaber (Spielbüchler/R Rz 3). Untereinander steht in einem solchen Fall dem mittelbaren Besitzer das Selbsthilferecht zu, wenn der Besitzdiener/Besitzmittler in den vermittelten Besitz eingreift (zB Verwahrer übergibt Drittem in Verkaufsabsicht die in Verwahrung genommene Sache). Dies gilt nicht, wenn er die Sache dem Besitzer auf dessen Verlangen trotz Fälligkeit nicht zurückstellt (vgl 2 Ob 2176/96f SZ 69/201; auch keine Besitzstörung, s § 339 Rz 2). Bsp für Selbsthilferecht: SZ 5/206: Wegnahme eines Balles; LGZ 3 Wien Miet 26.013: Öffnung einer versperrten Türe; EvBl 1967/355: neuerliches Überkleben eines überklebten Wahlplakats; LGZ Wien EF XXI/13: kurzfristiges Sperren eines Telefonanschlusses oder UmEccher
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Besitz
§ 345
leiten auf Passivfunktion. Kein Selbsthilferecht wurde angenommen in SZ 6/405: Streuung von Gift zur Abwehr fremder Hühner (unangemessen); LGZ Wien Miet 41.001: Abschleppen eines Fahrzeugs ohne besondere Behinderung; vgl dazu Legerer, ÖJZ 1998, 607 ff; Jaksch-Ratajczak, ZVR 2004, 353 ff; LGZ Wien 45 R 2153/95 EF 78.346: Aussperren eines Ehegatten ohne konkrete Gefahr für Gesundheit oder Vermögen. b) gegen den unechten Besitzer; § 345. Wenn sich jemand in den Besitz eindringt, oder durch List oder Bitte heimlich einschleicht, und das, was man ihm aus Gefälligkeit, ohne sich einer fortdauernden Verbindlichkeit zu unterziehen gestattet, in ein fortwährendes Recht zu verwandeln sucht; so wird der an sich unrechtmäßige und unredliche Besitz noch überdies unecht; in entgegengesetzen Fällen wird der Besitz für echt angesehen. Lit: Kodek, Besitzstörung 311 ff.
1 Unechter (fehlerhafter) Besitz ist – unabhängig von Redlichkeit und
Rechtmäßigkeit (arg § 346; gegen begriffliche Unterscheidung Gschnitzer ua, SachenR 12 f) – Folge gewaltsamer (dh unter Überwindung eines auch bloß verbalen Widerstands), heimlicher (dh dem Besitzer verborgen bleibender) oder einer ein jederzeitiges Widerrufsrecht missachtenden Entziehung des Besitzes („vi, clam, precario“; ausführlich Kodek, Besitzstörung 311 ff). Diese nicht zu vermutende (SZ 59/50) Besitzqualifikation spielt abgesehen von § 346 noch für die §§ 372 und 374, 425, 1464 und teilweise auch für § 1440 eine Rolle. § 346. Gegen jeden unechten Besitzer kann sowohl die Zurücksetzung in die vorige Lage, als auch die Schadloshaltung eingeklagt werden. Beides muss das Gericht nach rechtlicher Verhandlung, selbst ohne Rücksicht auf ein stärkeres Recht, welches der Geklagte auf die Sache haben könnte, verordnen. Lit: Kodek, Besitzstörung 439 ff.
1 Der unechte Besitzer (§ 345) genießt zwar gegenüber Dritten Besitz-
schutz, im Verhältnis zum früheren Besitzer geht jedoch auch possessorisch dieser vor: Ihm steht die Besitzentziehungsklage nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 454 ff ZPO; zur verfahrensrechtlichen Bezeichnung als Besitzstörungsklage § 339 Rz 8) gegen den unechten Besitzer zu. Im Falle der eigenmächtigen und in einem gewissen zeit312
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Besitz
§ 348
lichen Zusammenhang stehenden (K/W I 275) Rückholung der Sache – wobei allerdings dem unechten Besitzer das Selbsthilferecht des § 344 verbleibt – stünde einer Besitzentziehungsklage des unechten Besitzers dem früheren Besitzer die Einrede des unechten Besitzes zu. c) beim Zweifel über die Echtheit des Besitzes; § 347. Zeigt es sich nicht gleich auf der Stelle, wer sich in einem echten Besitze befinde, und inwiefern der eine oder der andere Teil auf gerichtliche Unterstützung Anspruch habe; so wird die im Streite verfangene Sache so lange der Gewahrsame des Gerichtes oder eines Dritten anvertraut, bis der Streit über den Besitz verhandelt und entschieden worden ist. Der Sachfällige kann auch nach dieser Entscheidung die Klage aus einem vermeintlich stärkeren Rechte auf die Sache noch anhängig machen. Die in § 347 vorgesehene gerichtliche Verwahrung der Streitsache 1 während eines Besitzstörungsverfahrens wird nunmehr durch § 458 ZPO insofern ergänzt, als der Richter zur Abwendung der Gefahr einer Beschädigung der Sache oder des Eintritts eines sonstigen Schadens oder zur Verhinderung von Gewalttätigkeiten auch von den einstweiligen Vorkehrungen des § 382 EO Gebrauch machen kann. Abgesehen von der auch hier vorgesehenen gerichtlichen Verwahrung kommen dadurch zusätzlich noch je nach Opportunität die Verwahrung durch einen Streitteil und die Erlassung bestimmter Gebote und Verbote, jeweils mit allfälliger Sicherheitsleistung in Betracht (vgl Kodek, Besitzstörung 934 ff). Vor Einleitung eines Besitzstörungsverfahrens (SZ 13/217) sowie nach dessen rechtskräftigem Abschluss (EvBl 1970/182) kommen die Bestimmungen der EO unmittelbar zur Anwendung (Spielbüchler/R Rz 2). Die Ergreifung der genannten Maßnahmen schränkt die spätere Möglichkeit eines petitorischen Verfahrens nicht ein (arg § 347 S 2). Verwahrungsmittel des Inhabers gegen mehrere zusammentreffende Besitzwerber § 348. Wenn der bloße Inhaber von mehreren Besitzwerbern zugleich um die Übergabe der Sache angegangen wird, und sich einer darunter befindet, in dessen Namen die Sache aufbewahrt wurde; so wird sie vorzüglich diesem übergeben, und die Übergabe den übrigen bekannt gemacht. Kommt dieser Umstand keinem zustatten, so wird die Sache der Gewahrsame des Richters oder eines Eccher
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Besitz
§ 349
Dritten anvertraut. Der Richter hat die Rechtsgründe der Besitzwerber zu prüfen und darüber entscheiden. 1 Verlangen mehrere Personen vom Inhaber die Herausgabe der Sache
und will dieser nicht selbst Besitzschutz in Anspruch nehmen (zu seiner diesbezüglichen Legitimation auf gerichtlichen Besitzschutz § 339 Rz 1 und auf Selbsthilfe § 344 Rz 2), hat er in erster Linie demjenigen die Sache auszuhändigen, dessen Besitzdiener oder Besitzmittler (dazu § 318 Rz 1) er ist, und die übrigen hiervon zu verständigen. Andernfalls steht ihm die Möglichkeit der Hinterlegung bei Gericht (vgl auch §§ 890, 1425) oder bei einem Streitverwahrer (§ 968) zu. Der Streit findet dann gemäß dem letzten S der Bestimmung unter den Besitzwerbern statt (dazu und zu Abweichungen bei dinglichen Herausgabeansprüchen infolge der Auktorenbenennung nach §§ 375, 378 Spielbüchler/R Rz 3). Erlöschung des Besitzes: a) körperlicher Sachen; § 349. Der Besitz einer körperlichen Sache geht insgemein verloren, wenn dieselbe ohne Hoffnung, wieder gefunden zu werden, in Verlust gerät; wenn sie freiwillig verlassen wird; oder, in fremden Besitz kommt. 1 Erlöschen des Besitzes von körperlichen Sachen (Sachbesitz; zum
Erlöschen des Rechtsbesitzes § 351) durch deren Verlieren (1. Fall) tritt durch Gewahrsamsverlust ohne gleichzeitige Aufgabe des Besitzwillens ein (vgl §§ 388 ff; dort auch zum Finden). Aus dem Erfordernis des Fehlens der Hoffnung auf Wiederfinden lässt sich schließen, dass Gewahrsamsabschwächungen der verschiedensten Art noch nicht zum Besitzverlust führen müssen. Das gilt etwa für bloße Unauffindbarkeit im vorhandenen Gewahrsamsbereich („verlegte“ Sachen; vgl nun auch § 388 Abs 2: „vergessene Sachen“), für vorübergehende Unzugänglichkeit, für Lockerung des räumlichen Naheverhältnisses je nach Verkehrsauffassung (8 Ob 636/93 JBl 1995, 53: versperrtes Abstellen eines PKW neben der Werkstätte), für bloßes Nichtgebrauchen einer Sache besonders bei jahreszeitlichem Alternieren (Spielbüchler/R Rz 1, 2). – Besitzverlust durch Preisgabe (2. Fall) erfordert Aufgabe des Besitzwillens; auf den Verlust des Eigentums (§§ 386 f) kommt es hier nicht an (könnte zB wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit oder Verfügungsmacht fehlschlagen). Die Aufgabe des Besitzwillens muss jedoch endgültig sein (zB: LGZ Wien 42 R 363/94 EF 75.261: Verlassen der Ehewohnung unter Abgabe der Schlüssel; 314
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Besitz
§ 351
andererseits kein Besitzverlust LGZ Wien 44 R 2015/92 EF 68.940: vorübergehender Verzicht auf Betreten der Ehewohnung). – Fremdbesitz wird begründet und dadurch eigener Besitz verloren (3. Fall) entweder derivativ durch Übertragung oder originär durch Ergreifen der Sache (dazu bereits § 315). b) der in die öffentlichen Bücher eingetragenen Rechte; § 350. Der Besitz derjenigen Rechte und unbeweglichen Sachen, welche einen Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmachen, erlischt, wenn sie aus den landtäflichen, [Stadt-] oder Grundbüchern gelöscht; oder wenn sie auf den Namen eines anderen eingetragen werden. Der Buchbesitz (dazu § 321) erlischt durch Löschung der Einverlei- 1 bung (§§ 431 ff) aus den öffentlichen Büchern (Grundbuch, zu den Sondergrundbüchern § 321 Rz 1) oder durch Eintragung des Rechts für einen anderen (vgl auch § 387). c) anderer Rechte § 351. Bei andern Rechten hört der Besitz auf, wenn der Gegenteil das, was er sonst geleistet hat, nicht mehr leisten zu wollen erklärt; wenn er die Ausübung des Rechtes eines andern nicht mehr duldet; oder wenn er das Verbot, etwas zu unterlassen, nicht mehr achtet, der Besitzer aber in allen diesen Fällen es dabei bewenden läßt, und die Erhaltung des Besitzes nicht einklagt. Durch den bloßen Nichtgebrauch eines Rechtes geht der Besitz, außer den im Gesetze bestimmten Verjährungsfällen, nicht verloren. Rechtsbesitz kann freiwillig (also ohne äußere Behinderung der 1 Rechtsausübung) verloren gehen (zu dessen Erwerb § 313). Dabei kann die Aufgabe des Besitzwillens – zB bei Besitzübertragung – ausdrücklich kundgetan werden (vgl LGZ Wien Miet 27.007) oder sich aus einem gemäß § 863 ausreichend schlüssigen Verhalten ergeben (zB aus der Aufgabe des Gewahrsams an der Sache, mit deren Innehabung der Rechtsbesitz verbunden ist; vgl zB LGZ Wien Miet 29.015: Räumung einer Wohnung mit Aushändigung der Schlüssel; andererseits LGZ Wien EF 45.946: Auszug aus der Wohnung unter fallweisem Aufsuchen der Wohnung und Belassen einiger Einrichtungsgegenstände). Wie aus S 2 der Bestimmung hervorgeht, führt der bloße Nichtgebrauch erst mit Eintritt der Verjährung des ausgeübten Rechts zum Besitzverlust. Wird das Recht danach wieder oder weiter ausgeübt, kann neuerlicher Erwerb (§ 313) vorliegen (Spielbüchler/R Rz 7). Eccher
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Besitz
§ 352
2 Rechtsbesitz geht weiters verloren, wenn seine Ausübung unmöglich
wird, sei es aus rechtlichen (zB Vereinigung des dienenden mit dem herrschenden Grundstück) oder faktischen Gründen (LGZ Wien EvBl 1946/143: Zerstörung der Wohnung; SZ 48/74: Anbringung eines Badestegs verhindert Ausübung des Fischereirechtes; LGZ Wien 39 R 443/02i Miet 55.026: vollständige Abtragung der Kletterwände durch den Mieter der Sporthalle). 3 Widersetzt sich der Verpflichtete der Rechtsausübung, geht Besitz
verloren, wenn sich der Besitzer nicht – insb durch Selbsthilfemaßnahmen (§ 344) oder die fristgerechte Erhebung von Besitzstörungsklagen (§§ 339, 346) – zur Wehr setzt (LGZ Wien Miet 35.022). Bei bejahenden Rechten (vgl § 313) liegt etwa Widersetzung durch den Verpflichteten vor, wenn er die Leistungserbringung endgültig, uU sogar nur einmalig bei erkennbarer Ableugnung des Bestehens des Rechtes, verweigert (Spielbüchler/R Rz 2). Bei verneinenden Rechten genügt nicht die bloße Beendigung des ausgeübten Rechts (zB LG Eisenstadt Miet 38.010: Anbringen einer Tafel, mit der nunmehr die Benützung nur mehr auf jederzeitigen Widerruf gestattet wird; LGZ Wien 41 R 504/95 Miet 47.014: Kündigung oder Ablauf der Bestandzeit). Der bisherige Besitzer muss sich vielmehr einem Verbot des Verpflichteten tatsächlich fügen (zB LGZ Wien Miet 24.008: gilt auch für Verbot im Rahmen einer Besitzstörungsklage) oder der Verpflichtete hat die Rechtsausübung effektiv zu verhindern (vgl LGZ Wien EF 45.934: Absperren einer Wohnung). § 352. Solange noch Hoffnung vorhanden ist, eine verlorene Sache zu erhalten, kann man sich durch den bloßen Willen in ihrem Besitze erhalten. Die Abwesenheit des Besitzers oder die eintretende Unfähigkeit, einen Besitz zu erwerben, heben den bereits erworbenen Besitz nicht auf. 1 S 1 wiederholt hinsichtlich körperlicher Sachen, mit deren Inneha-
bung der Rechtsbesitz verbunden ist, die bereits in § 349 Fall 1 (s dort Rz 1) enthaltene Regel. Die Fähigkeit zum Besitzerwerb ist nach S 2 nur im Zeitpunkt des Besitzerwerbs gefordert (§ 310 Rz 1). Bloße Abwesenheit des Besitzers schadet nicht, solange nicht Besitzverlust nach den §§ 349 ff eintritt (zur Unterscheidung des tatsächlichen Besitzes an den Erbschaftssachen vom Besitz am Nachlass selbst vgl Eccher, ErbR Rz 1/3).
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Eigentumsrecht
§ 353
Zweites Hauptstück Von dem Eigentumsrechte Begriff des Eigentumes. Eigentum im objektiven Sinne; § 353. Alles, was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigentum. Lit: W. Berka, Die Grundrechte (1999) 399; Korinek, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Raumplanung (1977); Liver, Eigentumsbegriff und Eigentumsordnung, GedS Gschnitzer (1969) 247; Öhlinger, Eigentum und Gesetzgebung in Österreich, EuGRZ 1984, 557; Rechberger/Kletecˇ ka, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Eigentumsrechts, in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 17; Rill, Eigentum, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 1992, 177; G. Stoll, Wirtschaftliches Eigentum und Verfassungsordnung, JBl 1986, 273.
§ 353 versteht unter Eigentum den Gegenstand (daher im „objek- 1 tiven“ Sinn) des Eigentumsrechts iSd § 354, also des Eigentums im subjektiven Sinn. Das ist iSd weiten Sachbegriffs des § 285 (s dort Rz 1) jede einer Person zugehörige Sache, also das Aktivvermögen (zum Vermögen in diesem Sinn vgl auch §§ 944, 1409; ebenso das der Exekution unterworfene Vermögen des Schuldners; zur Erbschaft als Summe der Aktiven und Passiven § 531). Auch der verfassungsrechtliche Schutz des Art 5 StGG sowie des Art 1 1. ZPMRK (dazu W. Berka, Grundrechte Rz 705 ff; Rechberger/Kletecˇ ka in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 19 ff; zur Abgrenzung zwischen der Kompetenz des VfGH und des VwGH Spielbüchler/R Rz 4) bezieht sich auf das Vermögen schlechthin. Darunter fallen vermögenswerte Privatrechte und solche öffentlich-rechtliche Ansprüche, die auf eine Leistung gerichtet sind (so zB VfGH VfSlg 15.448; s auch § 365 Rz 1). Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz beinhaltet va die Bindung des einfachen Gesetzgebers an die Erhaltung des Wesenskerns des Eigentums (Institutsgarantie). Beim wirtschaftlichen Eigentum des § 24 BAO kommt es auf die mit der zivilrechtlichen nicht unbedingt übereinstimmende Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Person an; der Begriff des Wirtschaftsgutes stimmt aber im Übrigen mit jenem eines Vermögensgutes grundsätzlich überein (vgl § 285 Rz 3). Zum (subjektiven) Eigentumsrecht ieS an körperlichen Sachen § 354.
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Eigentumsrecht
§ 354 im subjektiven
§ 354. Als ein Recht betrachtet, ist Eigentum das Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden anderen davon auszuschließen. Lit: Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht (1975); Kletecˇ ka, Eigentum und Privatrecht, in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 17 ff; s auch bei § 353.
1 Das subjektive zivilrechtliche Eigentumsrecht (dazu etwa Kletecˇ ka
in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 26 ff; vgl auch § 353 Rz 1) ist nach einhelliger Ansicht nur an körperlichen (beweglichen oder unbeweglichen) Sachen denkbar (so zu verstehen auch § 355), worauf auch die §§ 353 ff selbst hindeuten (vgl etwa §§ 362, 364 Abs 2). Es ist das umfassendste von der Rechtsordnung anerkannte dingliche Herrschaftsrecht („Vollrecht“) über eine Sache. Das Eigentumsrecht äußert sich im Einzelnen in der faktischen Einwirkungsbefugnis (arg „… mit der Substanz und den Nutzungen … nach Willkür zu schalten …“; vgl auch § 362: „… vertilgen …“; sog positive Seite des Eigentumsrechts, dazu Binder, SachenR Rz 4/1; zur Ausdehnung des Grundeigentums § 297 Rz 4) und in der rechtlichen Verfügungsmacht (§ 362: Übertragung oder Dereliktion; translative Seite) und der damit korrespondierenden Ausschlussbefugnis (negative Seite). Dem letztgenannten Eigentumselement dienen insb die auf das Eigentumsrecht als solches gestützten Klagen auf Herausgabe (§§ 366 ff „rei vindicatio“; auf der selben Grundlage beruhen etwa auch § 841: Teilungsklage; § 384: Sachverfolgungsansprüche; §§ 61 ff GBG: Löschungsklage [in Bezug auf Eigentumseinverleibung]; § 70 GBG: Berichtigungsklage; § 37 EO: Exszindierungsklage; § 44 KO und § 21 AO: Aussonderungsansprüche), auf Unterlassung von Rechtsanmaßungen und Eingriffen in das Eigentumsrecht (§ 523: „actio negatoria“, näher § 523 Rz 7 ff) und auf Unterlassung von Immissionen (§ 364 Abs 2 und 3). Indirekt dienen dem Eigentumsschutz ferner die Klagen aus dem rechtlich vermuteten Eigentum (§§ 372 ff: „publizianische Klagen“) sowie die Sicherungsmittel des besitzenden Eigentümers (§ 344: Selbsthilferecht und §§ 339, 346: Besitzstörungsklagen). 2 Der Ausübung des Eigentumsrechts sind im berechtigten Interesse
anderer Personen, zB aufgrund der Einräumung dinglicher oder obligatorischer Rechte einschließlich von Gläubigerrechten oder der Stellung als Nachbarn (insb §§ 364 ff: Immissionsschutz; NWG; § 422: Überhangsrecht; s auch die §§ 340 ff: zB Pfändung, Baurechts- und Einsturzgefahrklagen aus dem Besitz) privatrechtliche und im Interesse der Allgemeinheit öffentlich-rechtliche Beschränkungen bis hin zur Enteignungsmöglichkeit (§ 365) gesetzt (vgl auch § 364 Rz 1 ff). 318
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Eigentumsrecht
§ 358
Objektive und subjektive Möglichkeit der Erwerbung des Eigentumes § 355. Alle Sachen sind insgemein Gegenstände des Eigentumsrechtes, und jedermann, den die Gesetze nicht ausdrücklich ausschließen, ist befugt, dasselbe durch sich selbst oder durch einen andern in seinem Namen zu erwerben. § 356. Wer also behauptet, daß der Person, die etwas erwerben will, in Rücksicht ihrer persönlichen Fähigkeit, oder in Rücksicht auf die Sache, die erworben werden soll, ein gesetzliches Hindernis entgegenstehe, dem liegt der Beweis ob. Grundsätzlich steht jedermann das Recht des Eigentumserwerbs an 1 Sachen aller Art zu (vgl Art 6 StGG: Recht auf freien Erwerb von und Verfügung über Liegenschaften). Das Gegenteil wäre also zu beweisen (§ 356). Persönliche Eigentumsbeschränkungen bestehen für Nicht-EU-Bürger nach den Landesgrundverkehrsgesetzen und für Sozialversicherungsträger (Klicka/S § 355 Rz 1), jedoch nicht mehr für Ordenspersonen, selbst wenn sie die feierlichen Armutsgelübde abgelegt haben (K BGBl 1976/50; dazu 10 ObS 137/93 SZ 66/105). Sachliche Beschränkungen (vgl § 356) können sich aufgrund gesetzlicher Einschränkungen der Verkehrsfähigkeit von Sachen (vgl auch § 325) ergeben, zB SMG: Suchtgifte; DMSG: Gegenstände bestimmter Sammlungen; HfKD JGS 1826/2234, allerdings aufgehoben durch 1. BRBG: Kreuzpartikel und Reliquien (jedoch zB nach 7 Ob 588/90 SZ 63/161 nur bei zugeschriebener Wundertätigkeit). § 357. [aufgehoben, BGBl I 2006/113] § 358. Alle Arten der Beschränkungen durch das Gesetz oder durch den Willen des Eigentümers heben die Vollständigkeit des Eigentumes nicht auf. [idF BGBl I 2006/113] Lit a) allgemein zu § 358: Hofmeister, Wiederkehr des familiengebundenen Liegenschaftseigentums? FS Kralik (1986) 377; b) insb zum Sicherungseigentum: Frotz, Kreditsicherungsrecht 104 ff; Hoyer, Sind Sicherungseigentum und Pfandrecht gleich zu behandeln? JBl 1984, 543; Mayrhofer, Erweiterter Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, ÖJZ 1969, 197.
Anerkannt ist heute, dass es Formen zeitlich begrenzten Eigentums 1 gibt, sei es durch auflösende Befristung oder Bedingung. Dies gilt insb auch für die Treuhand (s Rz 2 f) und das Sicherungseigentum (s Rz 4 ff). Zeitlich befristete Eigentumsverhältnisse kommen aber Eccher
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Eigentumsrecht
§ 358
auch bei der fideikommissarischen Substitution im Erbrecht (§§ 608 ff), bei den von der Praxis analog behandelten Besitznachfolgerechten unter Lebenden (SZ 51/65; dazu etwa Hofmeister, FS Kralik 377 ff; zuletzt Binder, SachenR 4/6; s § 938 Rz 7) und nach dem TNG (vgl § 2 Abs 1) vor. 2 Treuhandeigentum (zur Treuhand allgemein s § 1002 Rz 7) ist vom
Umfang her ungeteiltes Eigentum, doch steht die Eigentümerstellung im Außenverhältnis dem Treuhänder, im Innenverhältnis dem Treugeber zu. Der Treuhänder übt das Eigentumsrecht aufgrund des obligatorischen Rechtsverhältnisses mit dem Treugeber (häufig Auftrag) nach dessen Weisungen aus (SZ 44/166). Auch weisungswidrige Verfügungen sind jedoch wirksam (RZ 1978, 270), soweit nicht wegen Kenntnis des Dritten vom Treuhandmissbrauch Nichtigkeit nach § 879 vorliegt (zB 8 Ob 625/92 SZ 66/76 = ecolex 1993, 732 Wilhelm). 3 Je nach Gestaltung wird die Treuhand durch obligatorische Rückstel-
lungspflicht oder durch auflösende Befristung oder Bedingung mit dinglicher Wirkung (Beschränkung von Dauerbelastungen analog § 612; so Spielbüchler/R §§ 357 ff Rz 2) beendet. In jedem Fall sind nach Beendigung das Treugut bzw die allenfalls an dessen Stelle getretenen Gegenstände (Surrogate) sowie Zuwächse (vgl SZ 49/49) dem Treugeber zurückzustellen. 4 Sicherungseigentum beruht auf dem Titel einer (eigennützigen; vgl
§ 1002 Rz 7) Treuhandabrede, wonach der Schuldner oder für ihn ein Dritter zur Sicherung einer Forderung dem Gläubiger eine Sache in das Eigentum überträgt und diese nach Beendigung des Sicherungsbedürfnisses (vgl 5 Ob 179/03i NZ 2004, 310: Anbieten der vollständigen Begleichung der Darlehensschuld) – obligatorisch – zurückzuübertragen ist oder an den Sicherungsgeber mit dinglicher Wirkung zurückfällt (s Rz 3). Wegen der Ähnlichkeit mit dem Pfandrecht gelten nach einhelliger L und Rspr (zB K/W I 405; SZ 8/200; 8 Ob 678/90 NZ 1992, 14) hinsichtlich des Modus die strengen Publizitätsvorschriften der §§ 451 ff (s daher auch dort); die beim Pfandrecht verbotenen Abreden des § 1371 (zB sale-and-lease-back-Verabredungen, Vereinbarungen von Wiederkaufrechten usw) sind ebenfalls zu beachten. 5 Wie allgemein bei der Treuhand hat der Sicherungseigentümer das
volle Eigentumsrecht nach außen, von dem er aufgrund des Innenverhältnisses jedoch nur zur Sicherung seiner Forderung Gebrauch machen darf (s etwa Klicka/S Rz 22). Ihm steht bei Exekution auf die Sache das Exszindierungsrecht des § 37 EO zu (zB EvBl 1972/37, ein320
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Eigentumsrecht
§ 361
schränkend auf selbst innehabende Sicherungsgläubiger), im Übrigen bloß die Pfandvorrechtsklage (Spielbüchler/R §§ 357 ff Rz 3), im Fall der Insolvenz des Sicherungsgebers aber nur ein Absonderungsanspruch nach § 10 Abs 3 KO bzw AO (zur Gleichstellung mit wirklichen Absonderungsgläubigern Apathy in Buchegger, Insolvenzrecht I § 10 Rz 24; krit Duursma-Kepplinger, ZIK 2003, 43 ff). Umgekehrt kann der Sicherungsgeber wie jeder Treugeber das Sicherungsobjekt vor dem exekutiven Zugriff Dritter exszindieren oder im Falle der Insolvenz des Sicherungsnehmers aussondern (vgl § 1002 Rz 7). Das Sicherungseigentum kann nach allgemeinen Regeln, also unter 6 Einhaltung von Titel und Modus, weiter übertragen werden. Bei Abtretung der gesicherten Forderung (etwa im Falle einer Drittfinanzierung) geht nach nunmehr hA das Eigentum automatisch mit der gesicherten Forderung nach den §§ 1422, 1358 über (SZ 35/18; Klicka/S Rz 21; nunmehr auch Spielbüchler/R §§ 357 ff Rz 3; aA K/W I 406; Frotz, Kreditsicherungsrecht 117 ff). S näher § 1358 Rz 12 und § 1422 Rz 7. § 359–360. [aufgehoben, BGBl I 2006/113] Miteigentum § 361. Wenn eine noch ungeteilte Sache mehreren Personen zugleich gehört; so entsteht ein gemeinschaftliches Eigentum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigentümer für eine einzige Person angesehen; insoweit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Teile angewiesen sind, hat jeder Miteigentümer das vollständige Eigentum des ihm gehörigen Teiles. Lit: Kastner, Gesamthandeigentum am Vermögen der Handelsgesellschaften, JBl 1961, 337; Lang, Tiroler Agrarrecht II (1991) 145; s auch bei § 825.
Bei Miteigentum steht jedem Miteigentümer ein Teil (ideeller Anteil, 1 Bruchteil, Quote) des Eigentumsrechts an einer im Übrigen ungeteilten Sache zu. Die Miteigentümer können also nur gemeinsam die Eigentümerrechte (insb Benutzung und Verfügung) ausüben, beim einfachen (schlichten) Miteigentum aber selbständig über ihren Anteil verfügen (Näheres bei §§ 825 ff). Beim sog Gesamthandeigentum bedarf es auch dazu der Zustimmung aller Teilhaber. Dieses Gesamthandeigentum ist dem ABGB an sich fremd (vgl SZ 25/192), heute jedoch hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens der Personengesellschaften, und zwar der OG und KG (§§ 124, 135 UGB), nicht jedoch Eccher
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Eigentumsrecht
§ 362
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl § 1182 Rz 2), ferner der gemeinschaftlichen Urheber- und Patentrechte nach § 11 Abs 1 UrhG und § 27 Abs 1 PatG und des Wohnungseigentums einer Eigentümerpartnerschaft nach § 13 Abs 3 WEG 2002 anerkannt. 2 Agrargemeinschaften nach den Flurverfassungsgesetzen sind juris-
tische Personen des öffentlichen Rechts (zur Entwicklungsgeschichte insb aus materiellen Gemeinschaften – so noch SZ 48/62 – vgl etwa Gschnitzer ua, SachenR 74; Lang, FS Pernthaler, 2005, 201 ff), bei denen die Teilhaber besonderen Beschränkungen unterliegen. Insb können die mit dem Eigentum an bestimmten Liegenschaften (Stammsitzliegenschaften) verbundenen Anteilsrechte (§ 17 FlVfGG) nur mit Zustimmung der Agrarbehörde davon abgesondert, geteilt, belastet oder in eine Benützungsregelung einbezogen werden (§ 18 FlVfGG). – Auch außerhalb des landwirtschaftlichen Bereichs kommen solche Realgemeinschaften, bei denen die Miteigentumsrechte mit dem Eigentum an bestimmten Liegenschaften verbunden sind, vor (zB sog Marktkommunen; vgl EvBl 1956/65). Rechte des Eigentümers § 362. Kraft des Rechtes, frei über sein Eigentum zu verfügen, kann der vollständige Eigentümer in der Regel seine Sache nach Willkür benützen oder unbenützt lassen; er kann sie vertilgen, ganz oder zum Teile auf andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen. 1 S § 354 Rz 1.
Beschränkungen derselben § 363. Eben diese Rechte genießen auch unvollständige, sowohl Ober- als Nutzungseigentümer; nur darf der eine nichts vornehmen, was mit dem Rechte des andern im Widerspruche steht. 1 Die Teilung des Eigentumsrechts in ein Ober- (= Substanz-) und
Unter- (= Nutzungs-)Eigentum ist durch die Aufhebung der Untertänigkeitsverhältnisse im Jahr 1948, nämlich der Lehensgüter sowie der Erbpacht- und Erbzinsgüter und das Verbot der neuerlichen Belastung von Liegenschaften mit unbegrenzt vererblichen und nicht ablösbaren Rechten (§ 7 StGG) gegenstandslos geworden. Die §§ 357, 359 und 360 sowie auch die §§ 1122–1150 wurden daher (durch das DRG 2006) aufgehoben. Auch § 363 ist demnach gegenstandslos, eine formelle Aufhebung unterblieb jedoch ohne nähere Begründung (vgl Erl 1410 BlgNR 22. GP 13). 322
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Eigentumsrecht
§ 364
Die Rspr lässt daher zu Recht die Ausdehnung eines Fruchtgenusses 2 als Grunddienstbarkeit nur mehr mit zeitlicher Befristung analog § 612 zu (1 Ob 125/01s SZ 74/95; anders noch 5 Ob 130/92 JBl 1993, 580; vgl dazu Hofmeister, NZ 1993, 242). Im Übrigen hat die Begründung sonstiger dinglicher oder obligatorischer Nutzungsrechte auch schon ursprünglich nicht zu geteiltem Eigentum geführt und ist daher heute ohne weiteres zulässig (vgl § 358). § 364. (1) Überhaupt findet die Ausübung des Eigentumsrechtes nur insofern statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden. Im Besonderen haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen. (2) Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig. (3) Ebenso kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das Maß des Abs. 2 überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen. Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt. [idF BGBl I 2003/91] Lit: P. Bydlinski, Neuerungen im Nachbarrecht, JBl 2004, 86; Engel, Licht und Schatten, immolex 2004, 36; Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung (1994); Jabornegg, Bürgerliches Recht und Umweltschutz – GA für den 9. ÖJT I/4 (1985); Jabornegg/Strasser, Nachbarrechtliche Ansprüche als Instrument des Umweltschutzes (1978); Kathrein, Das neue Nachbarrecht, FS Michalek (2005) 175; Kerschner, Neues Nachbarrecht: Abwehr negativer Immissionen/Selbsthilferecht, RZ 2004, 9; Kissich/Pfurtscheller, Der Baum am Nachbargrund – wirksamer Rechtsschutz durch das Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004? ÖJZ 2004, 706; Kisslinger, Gefährdungshaftung im Nachbarrecht Eccher
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Eigentumsrecht
§ 364
(2006); Postl, Nachbarrechtliche Abwehransprüche gegen die Errichtung von Handymasten (2001); Raschauer, Umweltschutzrecht (1988); Rechberger/Kletecˇka, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Eigentumsrechts, in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 17; Rummel, Ersatzansprüche bei summierten Immissionen (1969); Rummel/Kerschner, Umwelthaftung im Privatrecht (1991); Schauer-Degelsegger, Nachbarrechtlicher Schutz vor Entzug von Licht und Luft, wobl 2004, 47; Tiefenthaler/Hanusch, Internationale Zuständigkeit für vorbeugende Immissionsabwehrklagen, ecolex 2004, 330. Übersicht I. Regelungsumfang allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Immissionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Direkte (unmittelbare) Immissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Indirekte Immissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausmaß der Beeinträchtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beseitigung und Schadenersatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Aktiv- und Passivlegitimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 4 4 5 6 9 13 13 14 15
I. Regelungsumfang allgemein 1 Abs 1 steckt die Grenzen des als Vollrecht konzipierten Eigentums-
rechts (vgl §§ 354, 362) ab. Diese ergeben sich einerseits aus der gebotenen Rücksicht auf die Rechte der Nachbarn (vgl die ausdrückliche Statuierung des nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebots in S 2; vgl Erl 173 BlgNR 22. GP 11; zu diesem neuen Kriterium Kathrein, FS Michalek 188 f; krit Spielbüchler, JBl 2006, 345 ff) und anderer Personen („Dritter“), die diesen gesetzlich oder vertraglich hinsichtlich der Sache selbst oder unabhängig davon zustehen. In dieser Hinsicht regeln die Abs 2 und 3 des § 364 ihrerseits die Rechte der Eigentümer benachbarter Grundstücke gegenüber sie beeinträchtigenden Immissionen als Nachbarrechte (dh Eigentumsfreiheitsansprüche nach § 523) und zunehmend auch als private Umwelthaftungsansprüche (vgl Gimpel-Hinteregger, Umwelthaftung, insb 14 ff). § 364a modifiziert diese Rechte für den Fall, dass die Immissionen von behördlich genehmigten Anlagen ausgehen; § 364b enthält eine Sonderregelung bei Beeinträchtigung des Nachbarn durch die Vertiefung des eigenen Grundstücks. Dazu treten ergänzend sondergesetzliche Bestimmungen etwa im WRG (§ 10 Abs 4, §§ 30 ff: Schutz des Grundwassers; s auch Rz 11), EisenbahnG (§ 19; vgl 6 Ob 168/06h: „lex specialis“) oder MinRoG (§ 109: Schutz von Boden, Pflanzen und 324
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Eigentumsrecht
§ 364
Tieren vor Bergwerksanlagen) und die nunmehr in Abs 3 ausdrücklich erwähnte Regelung über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen (zu Vorgeschichte, Ausgangslage und Zielen der Reform Kathrein, FS Michalek 175 ff). Weiters verweist Abs 1 global auf die sich aus dem öffentlichen Recht 2 im Interesse der Allgemeinheit ergebenden Eigentumsbeschränkungen, die in einer großen Vielzahl auf allen Rechtsgebieten bestehen (vgl etwa die Übersichten bei Dittrich/Tades, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch I 36 zu § 364; Rechberger/Kletecˇka in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 26 ff; Bsp: Nutzung der Privatgewässer unter dem Vorbehalt des Gemeinwohls, 1 Ob 141/04y SZ 2004/146; Wegefreiheit in der Natur; zu deren geschichtlicher Entwicklung Steppan in Hinteregger/Reissner, Trendsportarten und Wegefreiheit, 2005, 1 ff) und auch auf die sozialen Bindungen des Eigentums (vgl Erl 173 BlgNR 22. GP 11). Die nachbarrechtlichen Ansprüche des § 364 sind dispositiver Natur 3 (zB SZ 44/22), dh die betroffenen Nachbarn können abweichende Vereinbarungen, auch in Form von Servituten (zB SZ 43/117), treffen oder auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche auch im Vorhinein verzichten (zB 5 Ob 78/90 NZ 1991, 203). II. Immissionen A. Direkte (unmittelbare) Immissionen. Eine direkte, dh nur auf die 4 Eigentumssphäre des Nachbarn gerichtete Einwirkung (unmittelbare Zuleitung nach Abs 2 S 2 iS einer „Veranstaltung“ [offenbar gemeint: eines positiven Tuns] des Nachbarn, vgl 2 Ob 147/03m Miet 55.031) ist in jedem Fall, dh ohne die Einschränkungen der Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit (Rz 8 ff) und unabhängig von einer behördlichen Genehmigung (vgl § 364a Rz 4) unzulässig. Dem verletzten Eigentümer stehen sämtliche der hier vorgesehenen Ansprüche zu (Rz 13 ff). Bsp: Miet 29.042: Fließen von Beton über die Grenze; SZ 48/131: Blitzableiter; SZ 54/137: Zuleitung von Abwässern über ein Rohr; 1 Ob 42/01k ecolex 2001, 738: Geländekorrektur. Als derartige Immissionen gelten auch sog grobkörperliche Immissionen, zB wenn Bälle (8 Ob 635/92 SZ 65/145: Tennisbälle; 4 Ob 579/95 SZ 68/208: Fußball), Erdmassen (SZ 44/22), Schneelawinen (JBl 1967, 207), Baumstämme (5 Ob 3/99y JBl 1999, 520) uÄ auf das Nachbargrundstück gelangen. Das Herüberwachsen von Wurzeln und Ästen soll auch nach der Reform 2004 nicht als unmittelbare Zuleitung, weil ohne menschliches Zutun erfolgend (2 Ob 13/97v JBl 1997, 658; anders bei „beabsichtigtem“ Emporranken einer Kletterpflanze, 7 Ob 631/91 SZ 64/158), untersagt werden können und es soll bei den AbwehrmögEccher
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Eigentumsrecht
§ 364
lichkeiten durch die §§ 422 und 523 bleiben (Erl 173 BlgNR 22. GP 13; s auch § 421 Rz 1). 5 B. Indirekte Immissionen. Indirekte Immissionen sind solche, die
von einem Grundstück ausgehend (auch) auf das Nachbargrundstück übergreifen (auch mittelbare Immissionen oder Imponderabilien genannt). Die Aufzählung solcher Immissionen in Abs 2 dient der Illustration, ist also nicht abschließend (arg „… und ähnliche …“). Als ähnlich zu betrachten sind zB Licht und sonstige elektromagnetische Strahlen (SZ 48/131; 6 Ob 180/05x JBl 2006, 372; zu solchen Immissionen von Handymasten Postl, Abwehransprüche passim; s auch Rz 11), Feuchtigkeit (SZ 35/28), salzhaltige Einflüsse nach Salzstreuung (6 Ob 109/02a RdU 2002, 59 Wagner) und seit der Reform 2004 sicherlich auch mittelbare Einwirkungen durch Bäume und Pflanzen auf das Nachbargrundstück (Erl 173 BlgNR 22. GP 11; Kathrein, FS Michalek 181; zu derartigen unmittelbaren Einwirkungen Rz 4; im Übrigen Rz 12 und § 422 Rz 1). Für das „Übergreifen“ kommen aber nur natürliche Medien wie Luft, Wasser, Erdreich usw, nicht aber etwa Stromleitungen in Frage, weil dadurch der Kreis der potentiell Ersatzberechtigten zu weit ausgedehnt würde (vgl 1 Ob 117/05w RdU 2006, 45 Kisslinger). 6 C. Abgrenzungen. Keine Immission stellt nach bisheriger Rspr die
Verhinderung eines bisherigen Zustandes dar (sog negative Immissionen), also zB der Entzug von Licht und Luft (s aber nunmehr wenigstens Abs 3, dazu Rz 12), Sonne, Aussicht, Grundwasser (1 Ob 2170/96s SZ 69/220 = RdU 1997, 40 Holzner) oder von Wärme durch Wärmepumpen. Zuletzt hat jedoch der OGH solche Immissionen in Übereinstimmung mit Teilen der Lehre (zB Jabornegg/Strasser, Nachbarrechtliche Ansprüche 27 ff) vorsichtig anerkannt (SZ 57/179: Verlust des Deckungsschutzes durch – behördlich genehmigte, daher Fall des § 364a – Waldrodung; 3 Ob 191/99f JBl 2001, 99 Stefula = RdU 2000, 153 Kerschner: hoher lebender Zaun beeinträchtigt Gemüsegarten). 7 Auch die Beeinträchtigung der Gefühlssphäre und des ästhetischen
Empfindens (sog ideelle Immissionen) gelten nicht als Immissionen iSd § 364 (krit etwa Gschnitzer ua, SachenR 66). Bsp sind Störungen durch Errichtung eines Bordells oder eines Nacktbades (RGZ 76, 130) oder bestimmte als nicht ästhetisch empfundene Baumaßnahmen am Nachbargrundstück (GlUNF 3165: Zufahrtsstraße; SZ 40/116: 6-stöckiges Gebäude in Villengegend). 8 Überhaupt nicht vom Begriff einer direkten oder indirekten Immis-
sion ist die natürliche Beschaffenheit des Nachbargrundstücks erfasst (SZ 41/74: natürlicher Wasserablauf). Zu beachten ist hiebei auch das 326
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Verbot der Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse in § 39 WRG, während eben die natürlichen Abflussverhältnisse selbst keine nachbarrechtliche Haftung auslösen (s 1 Ob 279/02i EvBl 2003/127: Nachbarteich und Schwimmbad; ebenso wenig die vorübergehenden Folgen der Felderbestellung entsprechend den Grundsätzen landwirtschaftlicher Betriebsführung, 1 Ob 190/05f Zak 2006, 73: stärkerer Abfluss von Oberflächenwasser). Keine Immissionen sind weiters die Einwirkung von fremden Pflanzen (s aber nun Abs 3, Rz 12, s auch Rz 4), Naturkatastrophen (SZ 41/150: Lawine; 2 Ob 13/97v JBl 1997, 658: Steinschlag), hoheitliche Maßnahmen (SZ 61/88: militärische Luftraumüberwachung; krit Gimpel-Hinteregger, Umwelthaftung 303 ff) und auch das Eindringen größerer Tiere (Grenzfall wohl 4 Ob 2347/96z NZ 1998, 143: Bienen). III. Ausmaß der Beeinträchtigung Die für die Beurteilung einer übermäßigen (indirekten; vgl Rz 5) Im- 9 mission maßgeblichen Kriterien, nämlich Überschreitung des nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnlichen Ausmaßes und wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks, orientieren sich an objektivierten Zumutbarkeitsgrenzen und können beweglich gehandhabt werden: Je näher an der Ortsüblichkeit eine Beeinträchtigung liegt, umso wesentlicher muss sie sein (zutreffend Oberhammer/S Rz 11). Auch auf eine Veränderung der Ortsüblichkeit im Zeitablauf kann man sich umso weniger berufen, je intensiver die Abweichung von den bisherigen Verhältnissen ist (vgl 2 Ob 94/00p ecolex 2001, 601 Thaler: Heubelüfter, keine Anbindung an die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren; 5 Ob 65/03z SZ 2003/76: mehrjährige Hinnahme der Beeinträchtigung durch Tennisplatz verändert den Charakter der Umgebung noch nicht; dazu auch Binder, SachenR Rz 4/14). Die Ortsüblichkeit des Störungsausmaßes und der Benutzung der beeinträchtigten Liegenschaft orientiert sich an den tatsächlichen Verhältnissen der Umgebung (nicht gleichbedeutend mit politischer Gemeinde; vgl SZ 56/158). Flächenwidmungsplänen kommt nur eine gewisse Indizwirkung zu (vgl daher SZ 52/53: Flutlichtanlage). Die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist an einem Durch- 10 schnittsmenschen zu orientieren. Bsp: Nach der ausführlichen E 7 Ob 286/03i wobl 2004, 310 Vonkilch (dazu auch Illedits, wobl 2004, 300 ff) stellt Klavierspielen außerhalb der üblichen Ruhezeiten dann eine wesentliche Beeinträchtigung dar, wenn gewisse Zeitlimits – konkret vier Stunden täglich – überschritten werden. Jedenfalls als wesentlich wurde in EvBl 1975/236 das Betreiben einer Schießstätte oder in SZ 45/98 einer Kegelbahn angesehen. Eine einmalige BeeinträchtiEccher
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gung erfüllt den Tatbestand nicht (s aber 8 Ob 523/92 JBl 1992, 641 Rummel: Baulärm über 14 Monate). 11 Besondere Fälle von Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit. Immissi-
onsspitzen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten (zB Ausspritzen von Jauche, Viehtrieb) sind mE als ortsüblich zu dulden (str, ausführlich Binder, SachenR Rz 4/17). Beeinträchtigungen des Grundwassers (zB durch Deponien) sind aufgrund der Wertungen des WRG (§§ 10, 30 ff; s schon Rz 1) nur in sehr eingeschränktem Maße zu dulden (vgl 1 Ob 2170/96s SZ 69/220 = RdU 1997, 40 Holzner), ebenso die Beeinträchtigungen durch ionisierende Strahlen aufgrund der Schutzwirkung des AtomHG gegen Radionuklide nach §§ 9 ff (dazu Binder, SachenR Rz 4/17). Bei mittelbaren (positiven; vgl Rz 5, 6, 12) Immissionen durch fremde Bäume und Pflanzen soll die Reform 2004 nicht zu wesentlichen und einschneidenden Verschärfungen im nachbarschaftlichen Rechtsverhältnis führen (vgl die Bsp in den Erl 173 BlgNR 22. GP 13: Abfall von Laub und Nadeln ist – außer bei Verursachung übermäßig großen Beseitigungsaufwandes – ortsüblich, nicht aber das Herabtropfen von Baumharz auf das Nachbargrundstück). 12 Beim neuen Unterlassungsanspruch des Abs 3 (s auch Rz 1, 6, 15) in-
folge von negativen Immissionen bei Entzug von Licht und Luft durch Bäume und Pflanzen (nicht durch Bauten; dazu Kerschner, RFG 2003, 184) muss neben dem in Abs 2 genannten Ausmaß, aber anstelle des dort weiters genannten Kriteriums der wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung die Unzumutbarkeit der Benutzung des Grundstücks im Einzelfall geprüft werden (vgl die Bsp in den Erl 173 BlgNR 22. GP 12: fehlender Lichteinfall führt zu Versumpfung, Vermoosung oder sonstiger Unbrauchbarkeit größerer Teile des Grundstücks, zur Notwendigkeit der künstlichen Beleuchtung auch an helllichten Sommertagen oder zur völligen Unbrauchbarkeit einer Solaranlage). Krit zum neuen Kriterium der Unzumutbarkeit äußern sich zB Kissich/Pfurtscheller, ÖJZ 2004, 706; Spielbüchler, JBl 2006, 343 ff; Schauer-Degelsegger, wobl 2004, 48 ff. Durch die Bezugnahme auf bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Baum- und Pflanzenschutz soll das Verhältnis des neuen Unterlassungsanspruchs zu anderen Bestimmungen (zB Schutz eines unter Naturschutz stehenden Baumes) geregelt werden (Erl 173 BlgNR 22. GP 13; dazu am Beispiel Stmk und Graz Kissich/Pfurtscheller, ÖJZ 2004, 12 ff). IV. Ansprüche 13 A. Unterlassung. Der Berechtigte kann vom Verpflichteten (zu Ak-
tiv- und Passivlegitimation Rz 15 f) im Fall direkter oder übermäßiger 328
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indirekter Immissionen in erster Linie verschuldensunabhängig die Unterlassung der künftigen Beeinträchtigung verlangen (zur Bestimmtheit des Klagebegehrens 1 Ob 130/06h immolex 2007, 25). Der Anspruch setzt die Gefahr eines Ersteingriffs (SZ 48/45) oder Wiederholungsgefahr voraus. Die Gefahr ist zwar vom Gestörten zu beweisen, jedoch großzügig zu beurteilen (vgl SZ 35/28: ernstliche Besorgnis; 7 Ob 573/92 NZ 1996, 118: Besorgnis einer Rechtsverletzung; 7 Ob 636/94 JBl 1993, 188). Der Anspruch ist auf Unterlassung der konkret drohenden Immission und allenfalls auch von ähnlichen Eingriffen gerichtet, das Verbot kann aber nicht auf die generelle Unterlassung der betreffenden Immissionsart ausgedehnt werden (Spielbüchler/R Rz 19). Ebenso wenig kann der Gestörte die Einstellung des störenden Betriebs selbst oder die Ergreifung positiver Maßnahmen, zB Baumaßnahmen zur Hintanhaltung der Immission verlangen (vgl auch SZ 61/278; 4 Ob 2347/96t NZ 1998, 143: Bienen; 1 Ob 144/97a JBl 1998, 308: Komposthaufen). B. Beseitigung und Schadenersatz. Dem Interesse des Klägers nach 14 bereits erfolgtem Eingriff dient ein – wie der Unterlassungsanspruch – verschuldensunabhängiger Beseitigungsanspruch. Er ist vom verschuldensabhängigen (anders die frühere Rspr, zB SZ 45/7: Dachlawine) Schadenersatzanspruch abzugrenzen (vgl Rummel, JBl 1967, 120; Angaben bei Oberhammer/S Rz 22; überhaupt krit zB Gschnitzer ua, SachenR 145). Gegenüber dem schadenersatzrechtlichen Naturalherstellungsanspruch (§ 1323) kann mit dem Beseitigungsanspruch nur die Ausschaltung der Störungsquelle, nicht aber die vollständige Wiederherstellung des vorigen Zustands bzw der Ausgleich aller Nachteile in Geld verlangt werden. C. Aktiv- und Passivlegitimation. Die Anspruchsberechtigung wird 15 im Anschluss an die Lehre (einschränkend aber Spielbüchler/R Rz 4) von der heutigen Rspr weit gezogen und neben dem Grundeigentümer sowie anderen am Grundstück dinglich Berechtigten auch dem bloß obligatorisch Nutzungsberechtigten (zB Bestandnehmer) zugebilligt (SZ 62/204: Wohnungsmieter wird durch wiederholtes Klopfen gestört; 5 Ob 444/97y RdU 1998, 148: Wassereintritt in Mietwohnung). Zu beachten ist, dass ein Nachbar vor Einreichung einer Klage im Zusammenhang mit dem Entzug von Licht und Luft durch fremde Bäume und Pflanzen (Abs 3) zum Zweck der Erzielung einer gütlichen Einigung einen Schlichtungsversuch durch eine Schlichtungsstelle, einen gerichtlichen Vergleichsversuch nach § 433 Abs 1 ZPO zu beantragen oder – bei Einverständnis des gegnerischen Nachbarn – den Streit einem Mediator zu unterbreiten hat (dazu Glavac, immolex 2006, 177) und in jedem Fall sodann eine Frist von drei Monaten Eccher
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verstreichen lassen und dies nachweisen muss (Näheres Art III ZivRÄG). 16 Als Anspruchsgegner (Störer) gilt jeder, der ein Grundstück nutzt
(Grundeigentümer, dinglich und obligatorisch Berechtigte, faktische Nutzer), wobei nur str ist, ob dies für eigene Zwecke erfolgen muss (zB beauftragter Bauunternehmer, so etwa 6 Ob 608/95 RdU 1996, 201 Kerschner). Der Grundstücksnutzer muss allerdings die Störungsquelle beherrscht haben, haftet also nicht für unvermeidbare Drittstörung (vgl SZ 59/47: Unbekannte bringen Fäkalkanal zum Überlaufen). § 364a. Wird jedoch die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage auf dem nachbarlichen Grund in einer dieses Maß überschreitenden Weise verursacht, so ist der Grundbesitzer nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde. [III. TN] Lit: S bei § 364.
1 Eine Bergwerksanlage oder (sonstige) behördlich genehmigte An-
lage soll in ihrem Bestand nicht durch nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche gefährdet werden. Daher tritt bei Immissionen, die im Allgemeinen einen Unterlassungsanspruch auslösen würden, an dessen Stelle ein der Enteignungsentschädigung (§ 365 Rz 7 ff) verwandter, von Rechtswidrigkeit und Verschulden unabhängiger Entschädigungsanspruch als Ausgleich für die Pflicht zur Duldung der Beeinträchtigung (Eingriffshaftung wegen Sonderopfers; zB SZ 48/15). 2 Anlagen sind in erster Linie Gewerbe- und Industrieanlagen (Be-
triebsanlagen iSd § 74 GewO) iwS, und zwar auch öffentliche Straßen (zB 3 Ob 534/90 SZ 63/133; 6 Ob 608/05 RdU 1996, 200; s auch Rz 4), Eisenbahnanlagen, (zB SZ 54/158: Verschubbahnhof), Flugplätze, Wasserbenutzungsanlagen (vgl 1 Ob 19/90 JBl 1991, 247), Regulierungswasserbauten (zB SZ 53/11) und Abwasserkanäle (zB SZ 51/184). Auch einmalige Unternehmungen können „Anlagen“ sein, zB eine Sprengung (EvBl 1951/381: Brandruine; anders 7 Ob 601/92 JBl 1993, 387 für Lawinensprengung; zu Recht krit Spielbüchler/R Rz 4). Eine Genehmigung kann sich daher auch nur auf eine einmalige oder vorübergehende Tätigkeit beziehen. Die einhellige Meinung, wonach 330
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Baugenehmigungen (ähnlich wie bloße veranstaltungsrechtliche oder sicherheitsbehördliche Genehmigungen) überhaupt keine Genehmigungen iS dieser Bestimmung sind (zB JBl 1981, 534), ist mE insofern zu präzisieren, als die Baugenehmigung zwar die Errichtung des Bauwerks gestattet (vgl 10 Ob 46/04v bbl 2004, 246: Entschädigung für Baulärm nur bei Überschreiten der Ortsüblichkeit), nicht aber dieses selbst zur genehmigten Anlage machen kann. Eine behördliche Genehmigung ist jede von einer Verwaltungsbe- 3 hörde nach Durchführung eines Verfahrens getroffene Entscheidung, die in fairer Weise, insb unter Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl Art 6 MRK; dazu Oberhammer/S Rz 3; Binder, SachenR Rz 4/23) auf die Interessen der Nachbarn Bedacht nimmt (vgl JBl 1989, 646: Rodungsbewilligung nimmt auf Nachbarinteresse nicht Bezug, weshalb § 364a nicht Anwendung findet) und eine individuell bestimmte (6 Ob 239/98k JBl 1999, 524: Spritzmittel; Spielbüchler/R Rz 4) Tätigkeit bewilligt. Gehen die Immissionen von einer im Ausland genehmigten Anlage aus, ist darauf abzustellen, ob den genannten Verfahrensprinzipien entsprochen wurde (Oberhammer/S Rz 3). Die Behörde muss nicht alle künftigen Gefahren vorhergesehen haben; bei Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Nachbarn infolge von Fehlprognosen oder späteren wissenschaftlichen Erkenntnissen trifft den Unternehmer jedoch eine Sanierungspflicht im Gefolge von amtswegig oder auf Antrag der Nachbarn aufzuerlegenden Auflagen (§§ 79, 79a GewO). Soweit diesen nicht entsprochen wird, lebt der Unterlassungsanspruch wieder auf (vgl dazu Oberhammer/S Rz 3; Binder, SachenR Rz 4/23). Die beeinträchtigende Tätigkeit muss als solche (und nicht zB bloß ein Versuchsbetrieb) rechtskräftig (vgl EvBl 1983/82) genehmigt worden sein und darf nicht bloß als genehmigt gelten (zB wenn behördlich eine bloße Anzeige, etwa Bauanzeige, ausreicht; so Spielbüchler/R Rz 4). Bei Änderung der Verhältnisse nach Anlagengenehmigung steht dem Nachbarn die Möglichkeit eines Antrags auf die Erlassung nachträglicher Auflagen nach § 79a GewO offen; insofern besteht kein nachträglicher Unterlassungsanspruch (vgl 2 Ob 222/02i RdU 2003, 139; Kerschner in Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2004, 2004, 59 f). Auch eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren genehmigte Anlage soll keine solche iS des § 364a sein (OLG Wien 15 R 178/02k RDU-LSK 2003/46 Kerschner/Wagner; dazu Raschauer, RdU 2005, 100 ff). Die Beweislast für das Vorliegen einer Genehmigung trägt der Störer (zB SZ 48/45). § 364a erstreckt sich nur auf indirekte Immissionen (bei direkten 4 Immissionen bleibt der Unterlassungsanspruch jedenfalls erhalten; Eccher
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zB SZ 48/131: Blitzschutzanlage; 10 Ob 37/05x: Fußbälle; vgl § 364 Rz 4). Sie müssten weiters wegen ihres Ausmaßes im Anwendungsbereich des § 364 (vgl daher hiezu Rz 9 ff zu § 364, s auch Rz 5, 6, 7) einen Unterlassungsanspruch auslösen und für die genehmigte Anlage typisch sein (zB SZ 37/75). Die Duldungspflicht erstreckt sich nach der Ratio der Bestimmung nur so weit, wie die Genehmigung reicht (also nicht auf den Fall der Überschreitung der vorgesehenen Emissionsgrenzen; vgl auch SZ 63/133 und 6 Ob 109/02a SZ 2002/85 für „übermäßige“ oder vermeidbare Salzstreuung auf öffentlichen Straßen), aber auch auf die mit dem gewöhnlichen Betrieb vorhandene Gefährdung. Ernsthafte Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Menschen muss aber nicht geduldet werden (K/W I 288). 5 Anspruchsberechtigt ist wie bei § 364 der Eigentümer und der am
Nachbargrundstück dinglich oder obligatorisch Berechtigte (§ 364 Rz 15; vgl zusätzlich SZ 56/113; krit Spielbüchler/R Rz 8). Anspruchsgegner ist ebenfalls wie in § 364 jeder Störer sowie der wiederum dinglich oder obligatorisch berechtigte Grundstückseigentümer, sofern er die Störung beherrscht (vgl § 364 Rz 16; zusätzlich zB 1 Ob 135/97 RdU 1998, 197). Der verschuldensunabhängige Ausgleichsanspruch (Rz 1) ist wie ein Schadenersatzanspruch auf Ersatz des positiven Schadens und entgangenen Gewinns gerichtet (zB SZ 43/139; 10 Ob 113/98k ecolex 1999, 86: merkantiler Minderwert); bloß psychische Beeinträchtigungen werden allerdings nicht ersetzt (SZ 51/114: Hobelspäne durch Sägewerk; SZ 51/144). Der Anspruch verjährt ebenfalls wie ein Schadenersatzanspruch nach § 1489 in drei Jahren (zB 1 Ob 25/92 RZ 1994, 69). 6 In Analogie zu § 364a wird ein „nachbarrechtlicher Gefährdungs-
haftungsanspruch“ von der Rspr großzügig bejaht (zB SZ 14/210; krit etwa schon Wilburg, Elemente 90 FN 64; Gimpel-Hinteregger, Umwelthaftung 316 ff; Binder, SachenR Rz 4/23 mwN in FN 233; zuletzt auch Kisslinger, Gefährdungshaftung, insb 97 ff). Einschränkend ist Analogie aber nur dann zu bejahen, wenn eine behördliche Genehmigung die Immission zwar nicht deckt, ihre (mögliche) Bekämpfung durch einen Unterlassungsanspruch aber praktisch erschwert, weil sie den Anschein der Gesetzmäßigkeit und/oder der Gefahrlosigkeit der Tätigkeit hervorruft (vgl zB 1 Ob 37/92 JBl 1993, 653: Baggerung für Brückenanlage; 6 Ob 2323/96b JBl 1997, 521: Rauch aus einer Zentralheizungsanlage; 1 Ob 117/05w 2006, 25: Beschädigung eines Stromkabels). Soweit eine Bautätigkeit als solche durch die Baugenehmigung als genehmigt anzusehen ist (s Rz 2), ist § 364a weitgehend auf dabei entstehende Schäden direkt und nicht mehr analog anwendbar. 332
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Zahlreiche Sonderbestimmungen (zB § 24 Abs 5 BStG, § 26 WRG, 7 §§ 53, 56 und 176 ForstG, §§ 160 ff MinRoG, § 19 Abs 2 EisenbahnG, § 21 StarkstromwegeG) sehen funktionsähnliche Ersatzansprüche vor, deren Verhältnis zu § 364a aber zT unklar ist (vgl Koziol, HPR II 2 360 ff; Gimpel-Hinteregger, Umwelthaftung 258 ff, 309 ff). § 364b. Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden oder das Gebäude des Nachbars die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, daß der Besitzer des Grundstückes für eine genügende anderweitige Befestigung Vorsorge trifft. [III. TN] Lit: S bei § 364.
§ 364b stellt eine Sonderbestimmung für die (negative; vgl § 364 Rz 6) 1 Immission des Entzugs der erforderlichen Stütze (vgl K/W I 288) für ein Nachbargebäude dar, wobei Gefährdung des Bauwerks genügt und es auch auf Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit nicht mehr ankommt (zB 1 Ob 620/94 JBl 1995, 785). Die Bestimmung sieht wie § 364 einen entsprechenden Unterlassungsanspruch, zusätzlich auch einen Wiederherstellungsanspruch (zB SZ 41/74) und bei einer behördlich genehmigten Gefährdungs- oder Beeinträchtigungstätigkeit wie § 364a einen Ausgleichsanspruch vor. Dieser muss nicht auf einer Beeinträchtigung des Gebäudes beruhen, sondern kann sich auch auf sonstige Vermögenseinbußen gründen (3 Ob 70/03k SZ 2003/154). Die Aktiv- und Passivlegitimation ist wie im Allgemeinen nach den §§ 364 und 364a zu bestimmen (s § 364 Rz 15 f und § 364a Rz 5). Der Kläger kann – ebenfalls iSd § 364 (Rz 12) – keine „anderweitige Befestigung“ (zB Errichtung einer Stützmauer, vgl SZ 41/74) begehren; diese Möglichkeit stellt eine facultas alternativa des Beklagten dar (ZBl 1927/247). Unter Gebäude ist jede Anlage zu verstehen (zB ZBl 1927/247: Zaun). 2 Der Anspruch besteht auch dann, wenn das Gebäude nur wegen seiner bestehenden Baufälligkeit gefährdet bzw beeinträchtigt wurde (vgl SZ 51/46: Sanierungskosten werden aber nicht ersetzt; dazu Spielbüchler/R Rz 4). Vertiefung ist jede Tätigkeit am eigenen Grundstück, die zu einer Sen- 3 kung des Nachbargrundstücks führt. Bsp: SZ 24/312: Straßenbau; SZ 51/47: Aufführen eines eigenen Bauwerks; SZ 61/61: Veränderung der Strömungsverhältnisse im Boden zu Lasten des Unterliegers; 7 Ob 103/98t JBl 1999, 383: Gebäudeabbruch, durch den Nachbargebäude seine Stütze verliert, aA Spielbüchler/R Rz 2; 7 Ob 573/92 JBl 1993, 188: Abgraben eines Hanges; 1 Ob 2170/96s SZ 69/220 = RdU 1997, 40 Eccher
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Holzner: Entzug von Grundwasser. – Überlegenswert erscheint eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Tätigkeiten, die zu einer Erhöhung des Nachbargrundstücks führen (so Oberhammer/S Rz 2). § 364c. Ein vertragsmäßiges oder letztwilliges Veräußerungsoder Belastungsverbot hinsichtlich einer Sache oder eines dinglichen Rechtes verpflichtet nur den ersten Eigentümer, nicht aber seine Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es dann, wenn es zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern, Wahloder Pflegekindern oder deren Ehegatten begründet und im öffentlichen Buche eingetragen wurde. [III. TN] Lit: Angst, Rechtsfragen des rechtsgeschäftlichen Veräußerungs- und Belastungsverbots, GedS Hofmeister (1996) 1; Aschauer, Das rechtsgeschäftliche Veräußerungs- und Belastungsverbot bei Liegenschaften (1998); Hofmeister, Wiederkehr des familiengebundenen Liegenschaftseigentums? FS Kralik (1986) 377; Holzner, Ausschluß der Zivilteilung durch § 364c? JBl 2004, 477; Hoyer, Zur Rechtswirkung eines richterlichen Veräußerungs- und Belastungsverbots, ecolex 1996, 236; Jelinek, Die Tragweite nachrangiger Veräußerungsund Belastungsverbote (§ 364c ABGB) im Exekutions- und im Versicherungsrecht, FS Rechberger (2005) 227; P. Oberhammer, Grundprobleme des Belastungs- und Veräußerungsverbots nach § 364c ABGB, JAP 1998/1999, 30 und 79; Ziehensack, Materiell- und verfahrensrechtliche Aspekte des allgemeinen und ehegüterrechtlichen Teilungsanspruchs, wobl 1996, 230.
I. Begründung und Erlöschen 1 § 364c regelt das rechtsgeschäftliche Veräußerungs- und Belas-
tungsverbot, das vertraglich entweder direkt zwischen dem Verbotsberechtigten und Verbotsverpflichteten oder auch im Wege eines Vertrags zugunsten des (dritten) Verbotsberechtigten (§ 881; zB JBl 1967, 147; 1 Ob 195/03p SZ 2003/119) oder letztwillig begründet wird. Wegen des zu bejahenden Erfordernisses eines zumindest erkennbaren wirtschaftlichen Zwecks (Rechtsgrund; dazu ausführlich Oberhammer/S Rz 7) ist das Vorhandensein eines Begünstigten erforderlich; und zwar auch im Falle einer letztwilligen Begründung (im Zweifel die Erben bzw die vom Verpflichteten verschiedenen Erben). Das Veräußerungs- und Belastungsverbot kann für sich allein begründet werden oder zu einer anderen Regelung (insb einem entgeltlichen oder unentgeltlichen Veräußerungsvertrag) hinzutreten. – Richterliche Veräußerungs- und Belastungsverbote ergeben sich aus der EO, und zwar als EV zur Sicherung von Geldforderungen nach § 379 Abs 3 Z 5 334
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sowie von sonstigen Ansprüchen nach § 382 Z 6 (dazu Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 379 Rz 28 und § 382 Rz 16 ff; vgl 3 Ob 43/04a NZ 2006, 23: Voraussetzung ist Verbücherungsfähigkeit nach § 364c). – Gesetzliche Verbote mit den in den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften vorgesehenen besonderen Wirkungen finden sich vor allem in Wohnbauförderungsbestimmungen (zB § 49 WFG bzw die an dessen Stelle getretenen Landesgesetze oder § 5 Abs 5 BundesSonderwohnbauG). Umfang und Inhalt des Verbots nach § 364c (zB Veräußerungsverbot 2 und/oder Belastungsverbot, nur bestimmte oder alle Arten von Veräußerung und Belastung) hängen vom Willen der Parteien ab und sind erforderlichenfalls durch Auslegung des Zwecks einer Vereinbarung bzw Anordnung zu ermitteln (zB SZ 8/355: Verpflichtung der Käuferin, die Liegenschaft den Kindern der Verkäuferin zu überlassen, ist Veräußerungsverbot, aber nur dieses). In der Regel schließt aber ein Veräußerungsverbot ein Belastungsverbot in sich (zB EvBl 1963/225) und ist jede Art von Veräußerung/Belastung gemeint. – Gegenstand des Verbots kann nur eine körperliche Sache oder ein dingliches Recht sein (zB auch Miteigentumsanteil, Wohnungseigentum und auch Partnerwohnungseigentumsanteil, Baurecht, Hypothek). Das Verbot der Abtretung (auch sicherungshalber) einer Forderung (Zessionsverbot, § 1396a) ist somit nicht von § 364c erfasst (weiter Rz 4). Das Verbot selbst ist kein Vermögensrecht, kann daher auch nicht den Gegenstand einer Zwangsvollstreckung (zB SZ 17/156) oder eines Konkursverfahrens (zB NZ 1987, 104) bilden. Das Verbot bindet nur den ersten Verpflichteten und begünstigt 3 richtigerweise auch nur den ersten Berechtigten (Oberhammer/S Rz 9), ist somit weder einzeln noch im Erbweg (SZ 25/95: kein Beitritt des Ehegatten) übertragbar. Es erlischt somit – auch im Falle einer Verbücherung (dazu Rz 5 ff) – durch den Tod des Belasteten oder Berechtigten. Ein weiterer Erlöschungsgrund ist die (zB aufgrund einer Zustimmung, vgl 5 Ob 12/94 NZ 1994, 285) wirksame Veräußerung oder Belastung. II. Schuldrechtliche Wirkung Das Verbot wirkt jedenfalls zwischen dem Berechtigten und Ver- 4 pflichteten schuldrechtlich (Oberhammer/S Rz 3; zur dinglichen Wirkung Rz 5 f). Eine verbotswidrige Veräußerung ist bei bloß schuldrechtlicher Wirkung wirksam, macht jedoch den Verpflichteten und bei wissentlicher Verleitung zum Vertragsbruch auch den Dritten schadenersatzpflichtig, den Dritten uU nach § 1323 auch restitutionspflichtig (Oberhammer/S Rz 4; vgl auch § 440 Rz 3). EntspreEccher
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chendes gilt für verbotswidrige Belastungen, wobei nach jüngerer Rspr auch gegenüber dem – nach Verpfändung verpflichtend bleibenden – Belasteten ein Beseitigungsanspruch, sogar gestützt auf immaterielle Interessen (Familienbesitz), zugebilligt wurde (6 Ob 304/05g EvBl 2006/111). Bei Zustimmung des Begünstigten (zB JBl 1959, 279: Zustimmung ist keine Schenkung) sind die Verfügungen jedenfalls zulässig (vgl NZ 1989, 264: Verpflichteter hat nach verbotswidriger Verfügung Zustimmung des Begünstigten einzuholen). III. Dingliche Wirkungen 5 Das Verbot kann bei Liegenschaften durch Verbücherung verding-
licht werden und erlangt dadurch (absolute) Wirkung gegen Dritte. Die ursprünglich maßgebliche Zwecksetzung, nämlich die Erhaltung des Familienbesitzes (vgl 29 BlgHH 18. Sess 90; zur Gläubigerabwehr aE der Rz; zum Zweck gesetzlicher Verbote als Schranke gegen unlautere Gewinnmöglichkeit K/W I 290) erklärt die Einschränkung der Verbücherungsfähigkeit auf die (taxativ) genannten nahen Angehörigen als Berechtigte und Verpflichtete (vgl RZ 1967, 164). Unter Eltern und Kindern sind iSd § 42 alle Vorfahren und Nachkommen, darüber hinaus auch Stiefeltern und Stiefkinder zu verstehen (EvBl 1957/185). Keine Ausdehnung wird auf Geschwister (RZ 1969, 51), Tante (LGZ Wien EF 10.052) oder Onkel, allgemein gesetzliche Erben (RZ 1967, 164) oder juristische Personen (KG Leoben NZ 1989, 161 Hofmeister 165) zugelassen. Durch die Ehescheidung geht die dingliche Wirkung nach hA nicht verloren (SZ 30/71; vgl 10 Ob 510/94 JBl 1994, 818: dingliche Wirkung zugunsten der ehemaligen Schwiegermutter), kann aber nicht mehr neu begründet werden (5 Ob 128/91 SZ 64/180: auch nicht aus Anlass der Scheidung). Bei Fehlen des erforderlichen Nachweises der Angehörigeneigenschaft – durch öffentliche Urkunde (5 Ob 20/90 SZ 63/84; 5 Ob 235/01x wobl 2002, 310) – ist die Verbücherung unzulässig. Eine trotzdem erfolgte Verbücherung entfaltet keine dingliche Wirkung. – Nicht zu verkennen ist, dass das verbücherte Veräußerungs- und Belastungsverbot häufig auch zur Gläubigerabwehr verwendet wird (vgl Binder, SachenR Rz 4/3). Dabei ist uU eine Anfechtungsmöglichkeit nach der AnfO gegeben. Holzner (JBl 2003, 213 ff) tritt in diesem Zusammenhang bei drohender Veräußerung oder Belastung während des Anfechtungsstreits mit Zustimmung des Verbotsberechtigten zu Recht gegen die hRspr (zB SZ 53/6; 6 Ob 145/99p NZ 2001, 134) für bücherliche Anmerkung der Anfechtungsklage ein. 6 Das Verbot ist im Lastenblatt einzuverleiben und im Eigentumsblatt
ersichtlich zu machen (§ 11 Abs 2 AllgGAG; zur Urkundenhinter336
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legung bei nicht verbücherten Liegenschaften, zB Superädifikaten SZ 7/88) und kann auch auf einzelne Grundstücke der Einlage beschränkt bleiben (JBl 1989, 388). Das wirksam verbücherte Verbot bewirkt – sofern nicht eine urkund- 7 liche, wie eine Aufsandungserklärung nach § 32 Abs 1 lit b GBG zu behandelnde (Spielbüchler/R Rz 9) Zustimmung des Berechtigten vorliegt (SZ 57/63) oder dieser selbst eine Eintragung beantragt – eine allgemeine Grundbuchsperre für sämtliche rechtsgeschäftliche oder zwangsweise (Pfandrechtsbegründung oder Versteigerung; vgl NZ 1980, 156) begehrten, vom Verbot erfassten Eintragungen. Nur Zwangsverwaltung bzw die Verwertung der Erlöse für die Konkursmasse ist möglich (vgl Jelinek, FS Rechberger 229, 234). Unberührt bleiben alle vorrangig oder gleichrangig eingetragenen Rechte und Pflichten (zB SZ 43/102) einschließlich der Eintragungen aufgrund vorrangiger Ranganmerkungen (zB 3 Ob 290/96b NZ 1998, 274; 1 Ob 58/01p bbl 2002, 27) oder der Übertragung schon vorher bestehender Pfandrechte (Oberhammer/S Rz 16). Der Verbotsberechtigte kann allerdings vorrangig gesicherte Forderungen nach § 422 oder § 462 einlösen (so Jelinek, FS Rechberger 231 ff). Spätere Ranganmerkungen, nicht aber deren Ausnützung werden zugelassen (SZ 46/63). Vorrangig eingetragene Höchstbetragshypotheken zur Sicherung künftiger Forderungen sichern im Rahmen des Höchstbetrags diese auch dann, wenn sie nach Eintragung des Verbots entstehen (SZ 60/68). Zulässig sind auch Vormerkungen sowie Streitanmerkungen. Die Teilungsklage hinsichtlich einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft ist richtigerweise nur zulässig, wenn sie von einem unbelasteten Teilhaber angestrengt wird (3 Ob 178/03b JBl 2004, 520: dazu Holzner, JBl 2004, 477 ff; vgl auch die ausf E 1 Ob 231/00z SZ 74/73, wonach ein auf der ganzen Liegenschaft zugunsten derselben Berechtigten einverleibtes Veräußerungsverbot ein Teilungshindernis darstellt). – Gesetzlich angeordnete Eigentumsänderungen kann ein vertragliches Veräußerungsverbot selbstverständlich auch bei Verbücherung nicht hindern (vgl 5 Ob 85/00m SZ 73/192: Tiroler Grundverkehr). Dem verbücherten Veräußerungs- und Belastungsverbot entgegenste- 8 hende Eintragungen sind bei offenkundiger Unzulässigkeit von Amts wegen (Spielbüchler/R Rz 10) zu löschen und können im Übrigen vom Verpflichteten mit Rekurs oder im Wege der Löschungsklage (dazu Oberhammer/S Rz 8) bekämpft werden. IV. Abgrenzungen Das Veräußerungs- und Belastungsverbot begründet kein Anwart- 9 schaftsrecht des Begünstigten und ist daher insb von einem BesitzEccher
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Eigentumsrecht
§ 365
nachfolgerecht (nach hRspr, zB 5 Ob 84/95 JBl 1997, 165 Spielbüchler, gegen die hL, zB Hofmeister, FS Kralik 377 ff, verbücherungsfähig und der Nacherbfolge verwandt; s auch § 938 Rz 7), ferner von einem Aufgriffsrecht oder Wiederkaufsrecht abzugrenzen. Weiters sind die Wirkungen eines Veräußerungs- und Belastungsverbots nicht mit jenen eines Gesamthandeigentums und bei wechselseitigem Bestehen zwischen Ehegatten einer Gütergemeinschaft gleichzusetzen. Das Veräußerungs- und Belastungsverbot kann allerdings zu den genannten Rechtsinstituten hinzutreten und diese uU verstärken (vgl Oberhammer/S Rz 2). – Die Vinkulierung einer (Lebens-) Versicherung ist gesetzlich nicht geregelt und soll nach der Vereinbarung des Versicherungsnehmers mit seinem Versicherer eine Zahlungssperre zugunsten des (Vinkular-)Gläubigers bewirken. Die Verpfändung oder Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag bleibt über die Zahlungssperre hinaus zulässig (vgl 6 Ob 85/02x RdW 2003, 18) und ein allfällig über die Zahlungssperre hinaus vereinbartes Abtretungs- und Verpfändungsverbot wirkt nur relativ (7 Ob 304/99b SZ 73/19 unter Berufung auf Fenyves, ÖBA 1998, 341 ff, zB gegen Kömürcü-Spielbüchler, Die Vinkulierung von Versicherungen, 1992, 23 ff; vgl auch Fenyves, ÖBA 1991, 13 ff; GrasslPalten, RdW 1997, 386 ff). § 365. Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muss ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigentum einer Sache abtreten. Lit: Aicher, Grundfragen der Staatshaftung bei rechtmäßigen hoheitlichen Eigentumsbeeinträchtigungen (1978); ders, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Enteignung – GA für den 9. ÖJT I/1 (1985); Hauer, Zur unentgeltlichen Grundabtretungspflicht und des verfassungsrechtlich zulässigen Ausmaßes dieser Verpflichtung, bbl 2002, 235; Holzner, Die „Enteignung“ des Nichteigentümers (1992); Kathrein, Neues im Enteignungsrecht, ZVR 2006, 70; Kerschner, Der Verkehrswert von Liegenschaften bei Enteignungsentschädigung, JBl 2006, 385; Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts (1994); Kühne (Hrsg), Eisenbahnenteignungsgesetz, Eisenbahngesetz, Eisenbahn–Kreuzungsverordnung (1982); ders, Zu den jüngsten Enteignungsregelungen, ÖJZ 1989, 617; Meissel/Oberhammer, Historische Grundlagen des österreichischen Enteignungsrechts, ÖJZ 1996, 621; Pernthaler, Raumordnung und Verfassung II (1978); Rechberger/Kletecˇ ka, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Eigentumsrechts, in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 17 ff; Rummel, Vorwirkungen der Enteignung, JBl 1998, 20; Rummel/Schlager, Enteignungsentschädigung (1981); Wilhelm, Seveso II-Betriebe: Schutzzone und Entschädigung, ecolex 2002, 228.
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I. Begriff und Grundlagen Enteignung ist die formelle, dh durch ein darauf gerichtetes Verfahren 1 (dazu Rz 5 f) erfolgende Entziehung des Eigentumsrechts und dessen Übertragung (arg § 365: „… abtreten“) an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (insb Gebietskörperschaft), allenfalls auch an eine Privatperson gegen den Willen des Eigentümers (vgl Art 5 StGG S 1). Die Enteignung muss im öffentlichen Interesse liegen und für den angestrebten Zweck erforderlich sein (s Rz 3). Eigentum ist im weiten Sinn des § 353 jede privatrechtliche Vermögensposition, also zB auch beschränkte dingliche Rechte (vgl § 4 Abs 2 EisbEG), Immaterialgüterrechte, Jagd- und Fischereirechte sowie Forderungsrechte (zur Passivlegitimation im Enteignungsverfahren Rz 5). Die Ausdehnung auf öffentlich-rechtliche Positionen wird zunehmend erwogen, insb wenn es sich um „Eigentumssurrogate“ aufgrund vorausgehender Ansparleistungen des Empfängers (zB öffentliche Ruhegenüsse) oder Zuwendungen zum Zweck der Versorgung (zB Sozialleistungen) handelt (vgl Binder, SachenR Rz 6/43; Öhlinger, FS Klecatsky II 700 ff). Als Enteignung gilt auch der teilweise Entzug des Eigentums im obigen Sinn, wozu nicht nur der Entzug eines Teiles einer Sache (zB SZ 57/23), sondern auch die zwangsweise Einräumung von (beschränkten) Rechten, zB einer Servitut, zählt (Spielbüchler/R Rz 2). Eigentumsbeschränkungen, denen keine Vermögensverschiebungen 2 entsprechen, sondern Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums sind (sog materielle Enteignung), lösen wie die formelle Enteignung Entschädigungsansprüche aus, wenn ein Einzelner oder eine begrenzte Gruppe im Hinblick auf Intensität, Üblichkeit, Zumutbarkeit und Vorhersehbarkeit des Eingriffs in einer dem Gleichheitssatz widersprechenden Weise betroffen wird (Sonderopfertheorie; vgl SZ 51/23: Beeinträchtigung durch Munitionslager; s auch Pernthaler, Raumordnung II 304). Auch für Eigentumsbeschränkungen ist das Vorliegen eines öffentlichen Interesses und die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Rz 1, 3) erforderlich (Rechberger/Kletecˇka in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 22 f; VfGH VfSlg 9911; VfSlg 14.142). Die ursprüngliche alleinige normative Grundlage der Enteignung in 3 § 365 wurde durch Art 5 StGG und weiter durch Art 1 1. ZPMRK auf verfassungsrechtliche und internationale Stufe gehoben. Art 5 StGG enthält in S 1 die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie („Das Eigentum ist unverletzlich.“) und in S 2 den Gesetzesvorbehalt für die im Einzelnen festzulegenden Enteignungsanlässe (zB in den Bereichen Eisenbahn- und Straßenbau, Luftfahrt, Bergbau, Energiewirtschaft, Tourismus usw) und das dabei anzuwendende Verfahren für Eccher
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die Enteignung („Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt.“). Das öffentliche Interesse und die Entschädigungspflicht sind hier jedoch nicht wie in § 365 (bezüglich des öffentlichen Interesses s auch Art 1 1. ZPMRK) erwähnt. Das Erfordernis des öffentlichen Interesses gilt jedoch unbestritten als in § 5 StGG enthalten (vgl Öhlinger, FS Klecatsky II 706 ff; Spielbüchler/R Rz 4) und liegt konkret vor, wenn ein bestimmter Bedarf gegeben, das Enteignungsobjekt zur Bedarfsdeckung geeignet und erforderlich (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) sowie iSd Subsidiaritätsprinzips keine anderweitige Bedarfsdeckung möglich ist (vgl VfGH B 200/92, B 1879/92 JBl 1994, 398). Das Erfordernis der Entschädigungspflicht wird vom VfGH (zB VfSlg 2680; 9911) und vom OGH (zB JBl 1977, 37; 4 Ob 513/84 SZ 59/167) wohl grundsätzlich bejaht, aber kein allgemeines Recht auf volle Entschädigung oder überhaupt auf Entschädigung in allen Fällen anerkannt. Eine entschädigungslose Enteignung kann allerdings gleichheitswidrig sein (vgl VfGH VfSlg 6884; VfSlg 7234; VfSlg 10.841; 6 Ob 105/01m EvBl 2002/91: Umwidmung von Grünland in Bauland und umgekehrt infolge einer neuen Raumordnung). Gegenüber Ausländern ergibt sich die Entschädigungspflicht aus Art 1 1. ZPMRK (Spielbüchler/R Rz 9; vgl auch Rechberger/Kletecˇka in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 24; näher Rz 7 ff). II. Verfahren der Enteignung 4 Soweit die Enteignung nicht unmittelbar aufgrund eines Gesetzes
bewirkt wird (zB Verstaatlichungsgesetze), hat das jeweilige Enteignungsgesetz hiefür ein Verfahren vorzusehen (arg Art 5 StGG: „… in der Art …“). Dabei wird in zahlreichen Enteignungsregelungen auf das EisbEG verwiesen. Darüber hinaus kam das EisbEG aufgrund des Art 13 VEG (gültig bis 31.12.2006, BGBl I 2001/137) immer dann zur Anwendung, wenn Enteignungsregelungen fehlten. Das Gesetz kann insofern neben den besonderen Enteignungsregelungen des Bundes (zB im BStG, ForstG, WRG, MinRoG, StarkstromwegeG, HochleistungsstreckenG) und der Länder als „allgemeines Enteignungsgesetz“ angesehen werden (vgl etwa Kühne, Eisenbahnenteignungsgesetz V f). Das EisbEG stellt die novellierte Fassung des EisenbahnEntG 1954 dar und ist am 1.1.2005 in Kraft getreten (Art XIII AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112). Nach der nunmehrigen Verfahrensstruktur entscheidet die Verwaltungsbehörde, wie bereits nach jüngeren Enteignungsregelungen, sowohl über die Enteignung selbst als auch über die Entschädigung. Nach der Aufhebung des § 7 Abs 3 EisenbahnEntG über die Gewährung bloß pauschalierter Kosten (VfGH G 372-394/97 VfSlg 15.190) trägt weiterhin der Enteig340
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nungswerber die tatsächlichen Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung des Enteigneten im Verwaltungsverfahren (VwGH 90/06/0211 VwSlg 13.777 A; Kathrein, ZVR 2006, 71). Die Parteien (Rz 5) können die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Entschädigung sodann bei Gericht (Landesgericht im außerstreitigen Verfahren; gilt automatisch gemäß Art XXXII § 15 AußStr-BegleitG auch für alle bundesgesetzlichen sonstigen Enteignungsregelungen [sog „Regenschirmklausel“]; vgl Kathrein, ZVR 2006, 76) bekämpfen („sukzessive Kompetenz“). Die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit der Enteignungsentscheidung selbst wird dadurch nicht berührt (vgl Erl 225 BlgNR 22. GP 16, 18). Das Enteignungsverfahren findet zwischen dem Enteignungswerber 5 und dem zu Enteignenden als Parteien statt. In einem Verfahren gegen einen Eigentümer oder dinglich Berechtigten (vgl § 4 Abs 2 EisbEG) ist ein obligatorischer Berechtigter an sich nicht passiv legitimiert; er könnte dies aber sein, wenn sich die Enteignung nur gegen ihn richtet (s Rz 1 zum Enteignungsobjekt). Bei der Festsetzung der Entschädigung ist aber auf die Rechte nicht beteiligter obligatorisch Berechtigter Bedacht zu nehmen (§ 5 EisbEG), sie haben daher in einem allfälligen nachfolgenden gerichtlichen Entschädigungsverfahren (Rz 4) wieder Parteistellung (vgl Klicka/S Rz 9 f; SZ 55/56). Der rechtskräftige Enteignungsbescheid bildet den Rechtsgrund und – nach moderner Auffassung (vgl Spielbüchler/R Rz 5) – der tatsächliche, freiwillige oder zwangsweise (dazu SZ 57/23) Vollzug (= Besitzerwerb) und nicht die Hinterlegung der Entschädigungssumme (zB noch SZ 57/23) den Modus des Rechtserwerbs (§ 380). Obwohl dieser als originär betrachtet wird (zB SZ 53/51; 5 Ob 216/06k), können die Vorschriften über den Gutglaubenserwerb bzw über den gutgläubigen lastenfreien Erwerb (vgl SZ 53/51: Bestandrecht erlischt ohne Kündigungserfordernis; vgl auch SZ 57/213) analog angewendet werden (zu den Ersatzansprüchen gegen den Enteigneten vgl Spielbüchler/R Rz 6). Werden Liegenschaften oder bücherliche Rechte enteignet, ist die Enteignung auf Antrag der Behörde im Grundbuch anzumerken (vgl § 13 EisbEG). Die Eintragung des Begünstigten selbst wirkt nach einem außerbücherlichen Vollzug (s oben) nur mehr deklarativ, wird sie aber vor einem Vollzug erzwungen, konstitutiv (Spielbüchler/R Rz 5; GlU 14.326). Wird der mit der Enteignung verfolgte öffentliche Zweck nicht er- 6 reicht, sieht nunmehr § 37 EisbEG in Anlehnung an § 20a BStG einen innerhalb bestimmter Fristen geltend zu machenden Anspruch des Enteigneten auf Rückübereignung vor (vgl dazu Kathrein, ZVR 2006, 72 f). Dingliche oder obligatorische Rechte am EnteignungsEccher
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gegenstand erlöschen dadurch nicht, sie sind vom Rückübereignungswerber in Anrechnung auf den von ihm zu leistenden Rückersatz zu übernehmen (Erl 225 BlgNR 22. GP 22 f). Zu den Rechtsfolgen der nachträglichen Aufhebung eines Enteignungsgesetzes zB wegen Verfassungswidrigkeit vgl EvBl 1966/397. III. Bemessung der Entschädigung 7 Funktion der Entschädigung ist die Möglichkeit der Verschaffung
eines gleichwertigen Ersatzes (zB SZ 50/151). Grundsätzlich soll daher die Vermögenslage vor und nach der Enteignung gleich sein (Kerschner, JBl 2006, 958). Die Höhe der Entschädigung kann von den Parteien einverständlich festgelegt werden. Soweit sich die Vereinbarung im Rahmen durchschnittlicher, von einem Sachverständigen ermittelter Höhe bewegt und sofern allfällige dritte dingliche Berechtigte, deren Rechte durch die Enteignung beeinträchtigt werden, einbezogen werden (§ 22 EisbEG), sind sie von der Behörde zu protokollieren und haben die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs (§ 29 EisbEG). Eine gerichtliche oder behördliche Bemessung der Entschädigung (Rz 8) ist dann grundsätzlich nicht mehr zulässig (vgl 7 Ob 72/0i Miet 52.030). 8 Die behördliche oder gerichtliche Bemessung der Entschädigung
(s Rz 5) für den durch die Enteignung herbeigeführten Vermögensnachteil (vgl §§ 4 ff EisbEG) erfolgt ähnlich wie die Ermittlung der vollen Genugtuung im Schadenersatzrecht (§ 1323), obwohl es sich nicht um einen eigentlichen Schadenersatzanspruch handelt (zB SZ 53/51). Grundsätzlich ist für die Ermittlung des Verkehrswertes von Liegenschaften das LBG heranzuziehen (Kerschner, JBl 2006, 357 ff). Es kann darüber hinaus zwar auch auf die subjektiven Verhältnisse des Enteigneten Rücksicht genommen werden, doch bleiben der Wert der besonderen Vorliebe, eine Werterhöhung infolge der Enteignung selbst und Werterhöhungen, die im Hinblick auf die Enteignung vorgenommen wurden, außer Betracht (§ 7 EisbEG). Wertminderungen an den Restliegenschaften (§ 6 EisbEG) werden nach der Rspr nur bei unmittelbarer Folge durch die Enteignung berücksichtigt (RZ 1967, 74). Ein allfällig entgangener Gewinn ist zu ersetzen (vgl SZ 55/175: Tabaktrafik; 1 Ob 616/91 SZ 65/13; aA SZ 51/175). Der zu Enteignende kann im Verfahren Sicherstellung für die spätere Entschädigung nach § 10 Abs 3 und 4 EisbEG verlangen. 9 Einzelaspekte. Abzustellen ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des
Enteignungsbescheids in erster Instanz (zB SZ 51/175). Valorisierung wird nur bei erheblicher Inflation berücksichtigt (zB JBl 1983, 432; großzügiger EvBl 1976/255). Der zu ersetzende Wert einer Sache be342
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stimmt sich nach deren abstrakten Verwendungsmöglichkeiten (zB 1 Ob 30/94 SZ 68/41). Bauerwartungsland ist Baugrundstücken gleichzuhalten, wenn die entsprechende Flächenwidmung und damit eine Baubewilligung in nächster Zukunft wahrscheinlich sind (zB SZ 51/175). Zu berücksichtigen sind Wertminderungen, Beeinträchtigungen und notwendige Aufwendungen als unmittelbare Folge von Enteignungshandlungen (zB EvBl 1976/256: Betriebsstörung; SZ 55/56: Kosten des Mieters für Ersatzwohnung, vgl auch Rz 8; EvBl 1987/79: Kosten einer Betriebsverlegung; 2 Ob 595/89 SZ 63/48: Immissionen nach Tunnelbau). Bei der Durchschneidung eines zusammenhängenden Areals durch einen Verkehrsweg ist die Differenz zwischen dem Wert vor und nach der Enteignung maßgebend (zB SZ 55/163). IV. Abgrenzungen Nicht als Enteignung sind zB anzusehen (zum Folgenden Gschnit- 10 zer ua, SachenR 125) und daher nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften zu beurteilen: Maßnahmen der Grundentlastung und Servitutenablöse, Grundzusammenlegungen nach den Flurverfassungsgesetzen, Beschlagnahmungen und Konfiskationen in diversen strafrechtlichen Bestimmungen (zu ausländischen Konfiskationen vgl insb Klicka/S Rz 51 ff), polizeiliche Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren und militärische Aktionen sowie auch Vermögenssteuern. Klagen aus dem Eigentumsrechte: a) Eigentliche Eigentumsklage: wem und gegen wen sie gebühre? § 366. Mit dem Rechte des Eigentümers, jeden andern von dem Besitze seiner Sache auszuschließen, ist auch das Recht verbunden, seine ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber durch die Eigentumsklage gerichtlich zu fordern. Doch steht dieses Recht demjenigen nicht zu, welcher eine Sache zur Zeit, da er noch nicht Eigentümer war, in seinem eigenen Namen veräußert, in der Folge aber das Eigentum derselben erlangt hat. Lit: Schimetschek, Der titellose Wohnungsinhaber, ImmZ 1981, 211; Spielbüchler, Schuldverhältnis 194.
§ 366 regelt die Klage des Eigentümers auf Herausgabe (bei Liegen- 1 schaften: Räumung) seiner Sache („eigentliche“ Eigentumsklage, rei vindicatio). Dabei geht es nur um Sachen ieS, also körperliche Sachen (vgl 307 Rz 1), nicht etwa auch um Forderungen (daher keine Anwendung der §§ 366 ff auf die Frage, wem ein Sparbuch „gehört“: SZ 43/67). Der Kläger hat die Sache zu individualisieren und sein Eccher
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Eigentum zu beweisen (zur Aktivlegitimation § 369 Rz 1). Es handelt sich somit um eine sog petitorische Klage (zur publizianischen Klage des bloß besser Berechtigten § 372; zur possessorischen Herausgabeklage §§ 345 ff). Die Klage steht auch einem Miteigentümer zu, wobei bei Klage hinsichtlich der ganzen Sache (zB JBl 1985, 672) diese an die Gemeinschaft bzw einen gemeinsamen Verwalter herauszugeben ist (Spielbüchler/R Rz 6, auch zur Möglichkeit der Hinterlegung nach § 1425); ebenso einem Wohnungseigentümer. Auch eine Wohnungseigentümergemeinschaft kommt im Rahmen ihrer Verwaltungsbefugnisse (vgl 5 Ob 268/02a JBl 2003, 868) als Klägerin in Frage (5 Ob 18/06z wobl 2006, 222). 2 Der sachenrechtliche Herausgabeanspruch kann mit anderen An-
sprüchen auf Herausgabe (zB aus Vertrag, Bereicherung) konkurrieren oder von diesen auch wie ein entgegenstehendes Recht des Beklagten (Rz 2) beschränkt werden (s auch Rz 4). Solange das Eigentum besteht und nicht etwa durch Ersitzung erloschen ist, verjährt der sachenrechtliche Anspruch auf Herausgabe nicht (§ 1459; vgl zum Verhältnis der Verjährung dieses allgemeinen Herausgabeanspruchs zur Verjährung der Rückstellungsansprüche nach den RStG Wilhelm, ecolex 2003, 161 ff). Bei rechtlichem Interesse (zB ernstliche und hartnäckige Bestreitung des Eigentumsrechts des Klägers, insb verbunden mit berechtigtem Besitz des Beklagten, vgl EvBl 1969/411) ist eine reine Eigentumsfeststellungsklage zulässig (§ 228 ZPO). 3 Anwendungsfälle der Eigentumsklage sind die Grenzberichtigungs-
klage nach § 851 Abs 2, die Exszindierungsklage im Exekutionsverfahren (§ 37 EO) und die Aussonderungsklage im Konkursverfahren (§ 44 KO, § 21 AO). Die Erbschaftsklage (Klage auf Herausgabe der Erbschaft nach §§ 823 f) ist der Eigentumsklage nachgebildet (Gschnitzer ua, SachenR 134). Weiters ist das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen der Eigentumsklage Voraussetzung für die Interessenklage nach § 368 EO (vgl Klicka/S Rz 24). 4 Passiv legitimiert ist der Inhaber der Sache (weiter § 369 Rz 2). Be-
sondere Regeln gelten bei Täuschungsmanövern des Beklagten (ficti possessores) nach den §§ 376, 377, 378. Der Beklagte kann gegen den Herausgabeanspruch des Klägers dessen Eigentumsverlust, eine Zugum-Zug-Verknüpfung (vgl §§ 1052, 877, 471) oder ein eigenes, dem Eigentümer gegenüber wirksames Recht zur Innehabung einwenden. In Frage kommen dingliche (zB Fruchtgenuss, Pfandrecht) oder obligatorische Rechte (zB Bestandrecht, Leihe, Benützungsrecht des Vorbehaltskäufers), aber auch familienrechtliche Benützungsrechte (zB Wohnungsbenützung durch Ehegatten oder Kinder). Der Beklagte 344
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kann sich dabei auch auf das Recht desjenigen stützen, der ihm die Innehabung überlassen hat und dies auch tun durfte (zB erlaubte Untermiete; vgl SZ 57/183: Besucher). Nach Beendigung des Rechts auf Innehabung steht dem Eigentümer auch direkt gegen den Dritten ein Herausgabeanspruch zu (Spielbüchler, Schuldverhältnis 206 ff; anders die bisherige Rspr, zB RZ 1966, 51; vgl aber nun 3 Ob 5312/94 wobl 1996, 29). Die Bestimmung des S 2 bedeutet, dass eine unwirksame Verfügung 5 des Nichtberechtigten, also wenn auch § 367 nicht trägt, im Fall der nachträglichen Erlangung der Verfügungsmacht (insb Erwerb des Eigentums) geheilt und somit der Erwerber Eigentümer wird. Bsp: SZ 41/37: Erwerb einer unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sache; Eigentumserwerb mit Kaufpreiszahlung durch den Vorbehaltskäufer; SZ 28/118: Beerbung des Verfügenden durch den Berechtigten. Gutgläubiger Erwerb § 367. (1) Die Eigentumsklage gegen den rechtmäßigen und redlichen Besitzer einer beweglichen Sache ist abzuweisen, wenn er beweist, dass er die Sache gegen Entgelt in einer öffentlichen Versteigerung, von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens oder von jemandem erworben hat, dem sie der vorige Eigentümer anvertraut hatte. In diesen Fällen erwirbt der rechtmäßige und redliche Besitzer das Eigentum. Der Anspruch des vorigen Eigentümers auf Schadenersatz gegen seinen Vertrauensmann oder gegen andere Personen bleibt unberührt. (2) Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so erlischt dieses Recht mit dem Erwerb des Eigentums durch den rechtmäßigen und redlichen Besitzer, es sei denn, dass dieser in Ansehung dieses Rechts nicht redlich ist. [idF BGBl I 2005/120] Lit: Bollenberger, Veräußerung von Vorbehaltsgut, ÖJZ 1995, 641; ders, Gutglaubenserwerb nach Maßgabe der Zahlung, ÖJZ 1996, 851; Ertl, Gutgläubiger Erwerb von Softwarepiraten, MR 1997, 314; Frotz, Kreditsicherungsrecht, insb 38 ff; Holzner, Gutgläubiger Rechtserwerb an Nebensachen, JBl 1994, 511 und 587; ders, Umdenken beim Gutglaubenserwerb, ÖJZ 1997, 499; Iro, Besitzerwerb 107; ders, HaRÄG: Irrwege beim lastenfreien Erwerb kraft guten Glaubens, RdW 2006, 675; Karner, Rechtsscheinerwirkung des Besitzes und Scheinermächtigung, JBl 2004, 486; ders, Gutgläubiger Mobiliarerwerb (2006); Reidinger, Gutgläubiger Mobiliarerwerb in öffentlicher Versteigerung, JBl 1980, 579; Schauer, Handelsrechtsreform: Die Neuerungen im Vierten und Fünften Buch, ÖJZ 2006, 64. Eccher
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1 Geltung und Einordnung. Die §§ 367 und 368 wurden durch Art II
Z 1 HaRÄG mit Wirkung vom 1.1.2007 neu gefasst und traten an die Stelle der bisherigen §§ 367 f ABGB und §§ 366 f HGB. „Die Änderungen folgen in Inhalt und in der Systematik überwiegend dem geltenden § 367 ABGB, der aber mit Elementen der §§ 366 f HGB in der geltenden Fassung (des UGB) angereichert wird. Zudem soll durch die Hervorhebung von derzeit nicht ausdrücklich erwähnten Tatbestandsmerkmalen die Rechtslage übersichtlicher gestaltet werden“ (Erl UGB 66). Weiterhin stellt so die Vorschrift des § 367 über den Gutglaubenserwerb vom Nichtberechtigten einen Kompromiss zwischen den Interessen des Eigentümers (Rechtsinhabers), der sein Recht nicht aufgeben will, und einem Erwerber dar, dessen Erwerb aufgrund des Nichteigentums oder der fehlenden Verfügungsbefugnis seines Vormannes nach allgemeinen Regeln scheitern würde (rechtsvergleichend und rechtshistorisch zum Problemkreis zuletzt Karner, Mobiliarerwerb 11 ff, 72 ff; zum Grundsatz, dass niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat, § 442 Rz 1). § 367 folgt daher folgerichtig in Bezug auf Titel und Modus (s auch Rz 2) dem Muster des derivativen Rechtserwerbs und ersetzt das fehlende Eigentum bzw die fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers (s Rz 3) durch das redliche Vertrauen des Erwerbers hieran. Vorschriften über den Gutglaubenserwerb beinhalten auch die §§ 371, 456, 824, 1088 S 2 sowie §§ 63 ff GBG (dazu § 431 Rz 8). Zur analogen Anwendung des § 367 auf das Streckengeschäft s § 425 Rz 3. 2 Anwendungsbereich. Im Einzelnen muss es sich um bewegliche, körperliche Sachen handeln. Auf Forderungsrechte findet die Bestimmung keine Anwendung (vgl 4 Ob 241/01x Miet 53.042: Mietrecht; SZ 52/110; zum analogen gutgläubigen Erwerb von Werknutzungsberechtigungen an Raubkopien s Ertl, MR 1997, 314 ff), sofern diese nicht in einem Inhaberpapier oder zumindest in einem Legitimationspapier verkörpert sind (SZ 41/16); ebenso wenig auf Gesellschaftsanteile (vgl 3 Ob 186/94 EvBl 1996/94: GmbH-Anteil). Erfasst sind als Rechtstitel alle Arten von Veräußerungen im eigenen Namen. Miete reicht daher etwa nicht aus (vgl 4 Ob 57/03s RdW 2003, 700: gemietetes Werknutzungsrecht). Handelt der Veräußerer im fremden Namen, gilt Vollmachtsrecht einschließlich der Regeln über vollmachtsloses Handeln (vgl SZ 53/163). Letztere sind mit § 367 zu kombinieren, wenn der Vertretene selbst nicht berechtigt ist (weiter Rz 3). Der Erwerb muss immer entgeltlich sein, wobei es aber auf die Höhe des Entgelts nicht ankommt. Erfasst sind als Modus alle Arten der Übereignung (§§ 426 ff), so auch das Besitzkonstitut (str; so SZ 11/12; Spielbüchler/R Rz 3; K/W I 335; aA zB Frotz, Kreditsicherungsrecht 153 f; Gschnitzer ua, SachenR 113 f). 346
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Eigentumsrecht
§ 367
Redlichkeit (Guter Glaube). Die Gutgläubigkeit des Erwerbers be- 3 steht in der Überzeugung vom Eigentum oder – im Fall des Erwerbs von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens – zumindest von der Verfügungsbefugnis (dazu § 442 Rz 2) des Veräußerers (§ 368 Abs 1). Der gute Glaube soll nach den Ausführungen in den Materialien (Erl UGB 67) auch hinsichtlich der bisher im Handelsrecht geregelten Tatbestände entgegen § 368 Abs 1 HGB schon bei leichter Fahrlässigkeit verloren gehen und damit gewissermaßen die früher in § 368 Abs 4 HGB vorgesehene Ausnahme für gestohlene und sonst abhanden gekommene Sachen kompensieren. Für das ABGB führte nach hA schon bisher bloß leichte Fahrlässigkeit zum Ausschluss des guten Glaubens (vgl K/W I 262, 332; Iro, Besitzerwerb 111 ff, 147 ff; JBl 1980, 589: Versteigerung eines PC; vgl auch 3 Ob 61/05z Zak 2006, 33: Behauptung von Fremdeigentum; für grobe Fahrlässigkeit etwa Gschnitzer ua, SachenR 10 f, 112; s auch § 326 Rz 1). Zu Recht wird in den Materialien (Erl UGB 67) darauf hingewiesen, dass situationsadäquate und an die Person und den Kenntnisstand des Erwerbers anknüpfende Differenzierungen vorzunehmen sind (zB zwischen Unternehmer und Nicht-Unternehmer oder nach Art des Gegenstandes, zB Anlage- oder Umlaufvermögen beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt). Der gute Glaube muss vom Zeitpunkt des Abschlusses des Titelgeschäftes bis zum Besitzerwerb, nach einer einzelnen jüngeren Rechtsmeinung bis zur vollständigen Zahlung vorhanden sein (Bollenberger, ÖJZ 1995, 651 und ÖJZ 1996, 856; anders aber zB Holzner, ÖJZ 1997, 499 ff; 2 Ob 144/02v SZ 2002/101; vgl auch SZ 60/120: Eigentumserwerb des Vorbehaltskäufers, der vor letzter Zahlung vom fehlenden Eigentum des Vorbehaltsverkäufers erfährt). Beim Erwerb durch einen Stellvertreter müssen dieser und der Vertretene gutgläubig sein (Gschnitzer ua, SachenR 113). Zu typisierten Fällen der Unredlichkeit s § 368 Rz 1 f. Eine öffentliche (exekutive oder freiwillige) Versteigerung führt zum 4 Rechtserwerb, wenn sie vom zuständigen Organ unter vorheriger öffentlicher Ankündigung ordnungsgemäß durchgeführt wurde (SZ 22/121; zur Rückstellungspflicht bei rechtskräftiger Aufhebung des Versteigerungsverfahrens SZ 57/44; dazu Klicka/S Rz 10). – Der Erwerb von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens stellt nun (vgl Rz 1) nur mehr auf den Unternehmensbegriff des novellierten Handelsrechts in § 1 UGB ab, was mit dem gleichzeitigen Verzicht auf das Abstellen auf eine Gewerbeberechtigung als „Seriositätsindiz“ (Schauer, ÖJZ 2006, 76 f; vgl zur früheren Rechtslage EvBl 1959/316: befugter Veräußerer; andererseits ZVR 1969/292: Angestellter eines Gewerbetreibenden ist nicht selbst befugter Gewerbsmann; SZ 43/120: Unternehmer im LiquidationsstaEccher
347
Eigentumsrecht
§ 367
dium ist nicht mehr befugter Gewerbsmann) generell eine Erweiterung der Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs gegenüber der bisherigen Rechtslage bedeutet (vgl Erl UGB 67; krit in Bezug auf abhanden gekommene, insb gestohlene Sachen P. Bydlinski in Harrer/Mader, HGB-Reform in Österreich, 2005, 68). Dadurch werden der Schutz der Verkehrsinteressen und die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Marktes besonders akzentuiert (vgl Schauer/RK ABGB §§ 367, 368 Rz 7). Mit der Einschränkung auf den gewöhnlichen Betrieb werden betriebsuntypische und betriebsfremde Geschäfte vom Gutglaubenserwerb nach dieser Variante ausgenommen (vgl Erl UGB 67). Geschützt soll auch der Erwerb vom Scheinunternehmer (entsprechend bisher vom Scheinkaufmann) sein, wobei im Fall einer unrichtigen Eintragung im Firmenbuch trotz § 3 UGB diesbezüglich Gutgläubigkeit zu verlangen ist (Schauer/RK ABGB §§ 367, 368 Rz 14 ff mit der Begründung der ansonsten fehlenden Unternehmenszugehörigkeit). – Vertrauensmann ist, wem der Eigentümer die ausschließliche Gewahrsame (Mitgebrauch reicht nicht aus: SZ 39/189) aus welchem Rechtsgrund immer (zB 1 Ob 614/95 SZ 68/196: Vorbehaltskäufer; ebenso Leasingnehmer, Käufer auf Probe, Verwahrer usw) freiwillig überlassen hat oder wer die Sache dem Eigentümer betrügerisch herausgelockt hat (so die nunmehrige Rspr, vgl SZ 58/75; SZ 58/166; zur gegenteiligen früheren Ansicht vgl EvBl 1971/294). Es kann sich auch um eine Vertrauensmännerkette oder um die Vererbung der Rechtsstellung des Vertrauensmannes handeln (Spielbüchler/R Rz 9). 5 Rechtsfolgen. Bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 367 erwirbt der Erwerber originär Eigentum und ist nicht ungerechtfertigt bereichert (SZ 61/158). Bei irrtümlicher Rückstellung der Sache an den früheren Eigentümer (zB an den Bestohlenen bei Erwerb von einem befugten Gewerbsmann) kann daher nach § 1431 kondiziert werden. Der frühere Eigentümer kann sich mit seinen schadenersatzrechtlichen (oder auch bereicherungsrechtlichen) Ansprüchen nur an den Veräußerer (Vertrauensmann wie ausdrücklich gemäß Abs 1 S 3, aber auch Unternehmer, betreibender Gläubiger oder sonstiger Versteigerer) halten. Der nunmehr (vgl Rz 1) in Abs 2 ausdrücklich vorgesehene lastenfreie Erwerb bei Vorhandensein eines auch diesbezüglich guten Glaubens (vgl auch § 456 Abs 2) entspricht der bisherigen Rspr (vgl JB 232 = GlUNF 7448; SZ 43/120). Zurecht stellt aber Iro, RdW 2006, 675 ff klar, dass die Bestimmung auch anzuwenden ist, wenn der Eigentümer selbst der Veräußerer ist, und dass auch für den Abs 2 neben der Redlichkeit die zusätzlichen alternativen Voraussetzungen des Abs 1 gegeben sein müssen, wobei es beim Erwerb vom Vertrauensmann darauf ankommt, dass der Berechtigte (und nicht der Eigentümer) die Sache dem Veräußerer anvertraut hat. 348
Eccher
Eigentumsrecht
§ 369
§ 368. (1) Der Besitzer ist redlich, wenn er weder weiß noch vermuten muß, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Beim Erwerb von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens genügt der gute Glaube an die Befugnis des Veräußerers, über die Sache zu verfügen. (2) Beweist der Eigentümer, daß der Besitzer aus der Natur der Sache, aus ihrem auffallend geringen Preis, aus den ihm bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormanns, aus dessen Unternehmen oder aus anderen Umständen einen gegründeten Verdacht hätte schöpfen müssen, so hat der Besitzer die Sache dem Eigentümer zu überlassen. [idF BGBl I 2005/120] Lit: S bei § 367.
§ 368 definiert nunmehr in Abs 1 die Redlichkeit (den guten Glauben) 1 iSd § 367 (zur Reform dort Rz 1) und zählt in Abs 2 zusätzliche Fälle für das Versagen eines Gutglaubenserwerbs auf. Diese Bestimmung wird nämlich in der Weise gedeutet, dass als unredlich auch ein Erwerber anzusehen ist, der unabhängig von der subjektiven Vorwerfbarkeit seiner Unkenntnis (dazu § 367 Rz 3) unter den genannten objektiv verdächtigen Umständen erwirbt (typisierte Verdachtsmomente). Fehlende objektive Verdachtsmomente schließen also subjektive Vorwerfbarkeit im Einzelfall und umgekehrt nicht aus (vgl insb Spielbüchler, Schuldverhältnis 286 ff; Karner, Mobiliarerwerb 402 f; ebenso JBl 1980, 589; aA EvBl 1971/261). Bsp für Verdachtsmomente: SZ 2/14: Angebot von knappen Gütern 2 mit großem Preisnachlass und zu ungewöhnlicher Zeit; SZ 25/70: Angebot erheblicher Warenmengen durch Nichtkaufleute; EvBl 1971/294: zeitungsbekannte betrügerische Verhaltensweisen des Veräußerers. Bsp für fehlende Verdachtsmomente: JBl 1967, 367: Kauf von Bildern um einen deutlich niedrigeren als vom Auftraggeber erhofften Preis; SZ 60/13: Kauf eines fabriksneuen, im Vorbehaltseigentum des Lieferanten stehenden Fahrzeugs beim Händler ohne Einsicht in den Typenschein. Was dem Kläger zu beweisen obliege? § 369. Wer die Eigentumsklage übernimmt, muß den Beweis führen, daß der Geklagte die eingeklagte Sache in seiner Macht habe, und daß diese Sache sein Eigentum sei. Lit: Hoyer, Exszindierungsklage, Beweislast und Kostenersatzpflicht, FS Matscher (1993) 211; Klicka, Die Beweislastverteilung bei der ExszindierungsEccher
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Eigentumsrecht
§ 370
klage, JBl 1995, 573; Ortner, Wiedererlangung arisierter Kunst von Privaten, juridikum 2003, 34; s auch bei § 366.
1 Aktiv zur Klage nach § 366 ist legitimiert ist, wer sein Eigentum an
der (körperlichen; vgl § 366 Rz 1) Sache nachweist (einschränkend in Bezug auf Restitutionsansprüche Ortner, juridikum 2003, 34 ff; zum Nachweis bloß des besseren Rechts § 372; vgl aber auch den Sonderfall des Herausgabeanspruchs ohne Eigentumsnachweis gemäß § 376). Wegen des Erfordernisses des Eigentums des Vormanns bei den derivativen Eigentumserwerbsarten (s § 441 Rz 1; dies gilt auch für Verbücherung oder Einantwortung, unklar NZ 1990, 151) ist Nachweis durch originären oder jedenfalls auch hypothetisch originär erfolgten Eigentumserwerb vorzuziehen (zB Ersitzung, gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen oder Erwerb bücherlicher Rechte im Vertrauen auf das Grundbuch). 2 Der Eigentümer kann die Sache von demjenigen herausverlangen (Pas-
sivlegitimation), der entweder bei Klagszustellung (arg § 369: „… der Geklagte …“) oder gemäß § 406 ZPO spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz ihr Inhaber ist (zu den sog ficti possessores §§ 376, 377, 378). Dabei kommt jede Art von Innehabung in Frage: bloße Innehabung (zB als Verwahrer; vgl auch § 375), Innehabung als unmittelbarer Besitzer (zB Dieb) oder Innehabung als mittelbarer Besitzer (zB als Vermieter; vgl auch 6 Ob 211/98t wobl 1999, 213). Im Fall mehrerer Inhaber kann jeder einzelne zur Herausgabe verurteilt werden (zB JBl 1970, 528; zur Durchsetzung des Urteils JBl 1981, 256; krit Spielbüchler/R Rz 3). Aufgabe der Sache vor Klagszustellung führt allenfalls zu Schadenersatz- oder Bereichungsansprüchen (Spielbüchler/R Rz 3). Übergabe der Streitsache an einen anderen nach Klagszustellung beeinflusst gemäß § 234 ZPO das Verfahren grundsätzlich nicht mehr; nachträglicher Untergang der Sache (JBl 1979, 376) oder nachträgliche Herausgabe an die zuständige Behörde (SZ 5/206) führen jedoch zum Verlust des Herausgabeanspruchs. § 370. Wer eine bewegliche Sache gerichtlich zurückfordert, muß sie durch Merkmale beschreiben, wodurch sie von allen ähnlichen Sachen gleicher Gattung ausgezeichnet wird. Lit: F. Bydlinski, Probleme des Quantitätseigentums, JBl 1974, 32; s auch bei § 366.
1 Die (körperliche; vgl dazu § 366 Rz 1) Sache, an der der Kläger sein
Eigentum nachweist und diejenige, die der Beklagte innehat (§ 369), müssen ident sein (SZ 23/157). Daher hat der Kläger auch diesen Um350
Eccher
Eigentumsrecht
§ 371
stand nachzuweisen, wobei es bei unvertretbaren Sachen auf die sie bestimmenden individuellen Merkmale, bei vertretbaren Sachen (vgl auch § 371) auf ihre Gattungsmerkmale und zusätzlich auf das Eigentum des Klägers an den betreffenden Stücken ankommt, wobei die Art der darauf hindeutenden Umstände nicht erheblich ist (also nicht nur übliche Kennzeichen, vgl Spielbüchler/R Rz 2 krit zu SZ 52/154). Zum Quantitätseigentum vgl F. Bydlinski, JBl 1974, 32 ff; im Übrigen § 415 Rz 2. § 371. Sachen, die sich auf diese Art nicht unterscheiden lassen, wie bares Geld mit anderm baren Gelde vermengt, oder auf den Überbringer lautende Schuldbriefe, sind also in der Regel kein Gegenstand der Eigentumsklage; wenn nicht solche Umstände eintreten, aus denen der Kläger sein Eigentumsrecht beweisen kann, und aus denen der Geklagte wissen mußte, daß er die Sache sich zuzuwenden nicht berechtigt sei. Lit: Gamauf, Eigentumserwerb an Geld durch Vermengung im römischen Recht und in § 371 ABGB, JAP 1997/1998, 154 und 217; Holzner, Vermengung und Eigentum, JBl 1988, 564 und 632; s auch bei § 367.
Einordnung. § 371 will die Umlauffähigkeit von vertretbaren Sachen, 1 soweit sie sich nicht, wie in § 370 vorgesehen, individualisieren lassen, insb von Geld und Inhaberpapieren (überhaupt auf diese einschränkend K/W I 336), erhöhen. Dem schwer verständlichen Wortlaut des § 371 sind zwei unterschiedliche originäre Eigentumserwerbsarten zu entnehmen, nämlich entweder durch Vermengung (ohne Erfordernis des guten Glaubens; dazu Rz 2) oder kraft guten Glaubens (ohne Erfordernis einer Vermengung; dazu Rz 3). Dabei ist im ersten Fall der Zusammenhang mit § 415 und im zweiten Fall mit § 367 bzw auch § 824 herzustellen. Vermengung liegt vor, wenn vertretbare Sachen eines Eigentümers 2 mit anderen Sachen so zusammengebracht werden, dass dem Eigentümer der Beweis der Identität der Sache iSd § 370 oder eines bestimmten Anteils einer Menge (dazu sofort) nicht mehr gelingt (zB 1 Ob 177/03s JBl 2004, 506: Geld in Konkursmasse). Dadurch entsteht entweder Miteigentum bzw Quantitätseigentum (Mengeneigentum) am entstandenen Gemenge nach § 415 oder eben nach der vorliegenden Bestimmung Alleineigentum des Inhabers. Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Eigentums in Form von Quantitätseigentum ist, dass sich der quotenmäßige Anteil am Gemenge nachweisen lässt (so die jüngere wohl hM, vgl Holzner, JBl 1988, 635; 8 Ob 4/94 JBl 1995, 520; die frühere hM verlangte noch räumliche AbgegrenztEccher
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Eigentumsrecht
§ 372
heit des Gemenges vom sonstigen Vermögen des Erwerbers, so zB SZ 50/42). Der Ausgleich zugunsten des bisherigen Eigentums erfolgt bereicherungs- oder schadenersatzrechtlich zu Lasten des nunmehrigen Eigentums (vgl K/W I 321). Bsp für Miteigentum: SZ 8/122: Sammeldepot; SZ 14/27: Gerichtserlag auf Sparbuch. – Bsp für Alleineigentum: SZ 42/181: Warenlager. 3 Gutglaubenserwerb. Der Erwerber einer vertretbaren Sache wird
Eigentümer, wenn er an ihr iSd § 367 gutgläubig und mit dem Willen des veräußernden Nichteigentümers (Erwerbstitelerfordernis) den Besitz erlangt. Entgegen § 367 (s dort Rz 3) wird aber überwiegend Gutgläubigkeit erst ab grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen (vgl Karner, Gutgläubiger Mobiliarerwerb, 2006, 397 f mwN). Ebenso wenig wird das Vorliegen eines Sondertatbestandes (Erwerb vom Unternehmer, Vertrauensmann oder Versteigerung) und auch nicht entgeltlicher Erwerb verlangt (4 Ob 569/88 SZ 61/158 = ÖBA 1989, 428 krit Kerschner; zur analogen Anwendung auf Buchgeld JBl 1995, 520 Holzner; 6 Ob 2352/96t SZ 70/63). b) Eigentumsklage aus dem rechtlich vermuteten Eigentume des Klägers Gegen welchen Besitzer diese Vermutung eintrete? § 372. Wenn der Kläger mit dem Beweise des erworbenen Eigentumes einer ihm vorenthaltenen Sache zwar nicht ausreicht, aber den gültigen Titel, und die echte Art, wodurch er zu ihrem Besitze gelangt ist, dargetan hat; so wird er doch in Rücksicht eines jeden Besitzers, der keinen, oder nur einen schwächern Titel seines Besitzes anzugeben vermag, für den wahren Eigentümer gehalten. Lit: Apathy, Die publizianische Klage (1981).
1 Im direkten Anwendungsbereich gewährt § 372 dem rechtlichen
(§ 1466), also rechtmäßigen (arg § 372: „… gültigen Titel …“ und § 316), redlichen (aufgrund der Vermutung des § 328 Abs 2; vgl Gschnitzer ua, SachenR 147) und echten (arg § 372: „… echten Art …“ und § 345) Besitzer einen Herausgabeanspruch (arg § 372: „… vorenthaltenen Sache …“) gegenüber allen schwächeren Besitzern (dazu § 373) wie dem Eigentümer nach § 366. Dem Kläger wird also der Eigentumsbeweis erspart, muss allerdings den Besitz dartun (vgl 5 Ob 128/03i SZ 2003/80: keine Beweiserleichterung für Nazi-Opfer; s aber die Einschränkung in § 369 Rz 1). Er dringt dafür aber nicht gegen bessere Besitzer, insb den Eigentümer selbst, und auch nicht gegen gleich starke Besitzer (§ 374) durch (actio Publiciana). Insofern kann 352
Eccher
Eigentumsrecht
§ 372
bezüglich der konkreten Klagsziele (zB Räumung, Exszindierung, Aussonderung, Löschung usw) und die Zuordnung der Früchte bzw den Ersatz von Aufwendungen auf § 366 verwiesen werden. Analoger Anwendungsbereich. Nach einhelliger Ansicht können 2 auch die Klage des Eigentümers auf Störungsabwehr (§ 523 Fall 2, actio negatoria) und die Klagen sonstiger dinglich Berechtigter auf Behauptung ihres Rechts (zB § 523 Fall 1, actio confessoria; Pfandklage) oder auch dieser auf Störungsabwehr publizianisch, dh nur gestützt auf den besseren Besitz gegenüber schlechteren Besitzern oder bloßen Störern, geführt werden. Unsicherheit besteht hingegen darin, ob dem Kläger, der sich auf Eigentum oder ein dingliches Recht stützt, dieses aber nicht beweisen kann oder will, auch Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche wie einem Eigentümer oder dinglich Berechtigten zustehen (dafür Spielbüchler/R Rz 1; vgl SZ 51/164: Schadenersatz des außerbücherlichen Erwerbers, der sich allerdings nicht wirklich auf formelles Eigentum stützt; dazu auch Rz 3). Noch unsicherer ist die Anwendbarkeit des § 372 zugunsten von 3 Sachinhabern, die sich als Rechtsbesitzer ausdrücklich nur auf obligatorische Rechte stützen (zB Bestandnehmer) und auf diese Weise gegenüber Dritten, also bloß unter Ausnahme desjenigen, von dem sie ihr Recht herleiten (zB Bestandgeber), Schutz anstreben (vgl Spielbüchler/R Rz 1, der hier nur Herausgabe und Störungsabwehr, nicht aber Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche zulässt; krit aber ders/R Rz 5 aE zur Lösung der Doppelvermietungsfälle über § 372; aA wohl Klicka/S Rz 13, 14). Der OGH gewährt dem Bestandnehmer teils mit, teils ohne Bezugnahme auf § 372 Herausgabeansprüche (zB SZ 21/1, SZ 22/207 und SZ 50/10 für Mieter; JBl 1947, 202 für Pächter; ablehnend 5 Ob 63/89 wobl 1990, 46 für Unterbestandnehmer) und nunmehr auch Störungsabwehr gegen Dritte (SZ 62/204 verst Senat: Untermieter; 1 Ob 594/94z SZ 67/138: Lärm) einschließlich nachbarrechtlicher Ausgleichsansprüche nach § 364a (3 Ob 603/90 SZ 63/190) und sogar Schadenersatzansprüche (SZ 52/63: Vorbehaltskäufer; 1 Ob 19/90 JBl 1991, 247: Fischereirecht). Auch Bereicherungsansprüche werden dem obligatorisch berechtigten Sachinhaber gewährt und zuletzt in weitreichender Weise ebenfalls auf § 372 gestützt (1 Ob 82/05y JBl 2006, 790 mwN: Fischereirecht; ohne Bezug auf § 372 noch JBl 1990, 453: Verwendungsanspruch des Bestandnehmers gegen Dritten). Nach JBl 2006, 790 wird generell jeder rechtmäßige Erwerber von Sachen und Rechten auf Grund seines relativ besseren Rechts gegenüber dem in Anspruch Genommenen durch § 372 geschützt und löst der Eingriff in dessen Rechtssphäre Schadenersatz- und Verwendungsansprüche in der Weise aus, als ob er die von ihm behauptete Eccher
353
Eigentumsrecht
§ 373
Rechtsposition als Eigentümer, dinglich oder obligatorisch Berechtigter tatsächlich innehätte. 4 Weitere Bsp: JBl 1979, 425: Beseitigungsanspruch des früheren Pächters
einer Skiabfahrt gegenüber dem späteren, einen Skilift betreibenden Zweitpächter nur, wenn Liftanlage des Erstpächters gestört wird (dazu Klicka/S Rz 15); SZ 47/29: Klage des nicht verbücherten Servitutsberechtigten gegen den Rechtsnachfolger des Bestellers; SZ 52/63: Schadenersatzanspruch des Vorbehaltskäufers (ablehnend aber SZ 52/93 für Leasingnehmer, jedoch wieder bejahend im Wege der Drittschadensliquidation in 2 Ob 33/95 JBl 1996, 114 Lukas); 5 Ob 511/90 wobl 1992, 29: Abwehr von Eingriffen Dritter durch den Mitmieter; 5 Ob 2090/96f JBl 1997, 235 Spielbüchler: Klage des Naturalbesitzers einer Liegenschaft gegen den Tabularbesitzer auf Löschung (ablehnend Hofmeister, NZ 1987, 154); 5 Ob 44/99b Miet 51.027: Klage des noch nicht verbücherten Wohnungseigentumsbewerbers; vgl auch Apathy, JBl 1995, 54: Klage des zurückbehaltungsberechtigten Werkunternehmers gegen Singularsukzessor (§ 73 AußStrG) des Bestellers. § 373. Wenn also der Geklagte die Sache auf eine unredliche oder unrechtmäßige Weise besitzt; wenn er keinen oder nur einen verdächtigen Vormann anzugeben vermag; oder wenn er die Sache ohne Entgelt, der Kläger aber gegen Entgelt erhalten hat; so muß er dem Kläger weichen. 1 § 373 erläutert im Einzelnen, wann der nach § 372 Beklagte einen
schwächeren Besitz als der Kläger aufweist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn ihm zumindest eine der Qualifikationen des rechtlichen Besitzes iSd § 1466, also Redlichkeit, Rechtmäßigkeit oder (allerdings ohne ausdrückliche Erwähnung) Echtheit fehlt (vgl etwa 8 Ob 687/89 JBl 1991, 787: Annahme der bloß prekaristisch eingeräumten Jagdausübung des Klägers begründet Redlichkeit des Beklagten; krit Spielbüchler/R Rz 2). Trotz qualifiziertem Besitz (insb subjektiver Redlichkeit) unterliegt der Beklagte bei objektiv gegebenen Verdachtsmomenten (Angabe keines oder nur eines verdächtigen Vormannes, wie etwa Hehler) oder bei unentgeltlichem Erwerb, während der Kläger entgeltlich erworben hat (zB 8 Ob 715/89 SZ 63/221: im Doppelveräußerungsfall dringt der nichtverbücherte entgeltliche Ersterwerber gegen den unentgeltlich Zweiterwerbenden durch). § 374. Haben der Geklagte und der Kläger einen gleichen Titel ihres echten Besitzes, so gebührt dem Geklagten kraft des Besitzes der Vorzug. 354
Eccher
Eigentumsrecht
§ 376
§ 374 bezieht sich auf den Fall, dass der (frühere) rechtliche Besitzer 1 die Herausgabe von dem nunmehrigen rechtlichen, also rechtmäßigen, echten und – trotz fehlender ausdrücklicher Erwähnung – redlichen (vgl § 372 Rz 1) Besitzer verlangt, und gibt dem gegenwärtigen Besitzer den Vorzug (vgl SZ 22/13: Doppelvermietung). § 375. Wer eine Sache in fremdem Namen besitzt, kann sich gegen die Eigentumsklage dadurch schützen, daß er seinen Vormann namhaft macht, und sich darüber ausweist. § 375 regelt die materiellrechtliche Grundlage der verfahrensrecht- 1 lichen Streitverkündung (Auktorenbenennung) der §§ 22 ff ZPO (Spielbüchler/R Rz 1), wenn der (nach § 366 oder auch § 372: zB SZ 22/207) auf Herausgabe Beklagte nur Sachinhaber und Besitzmittler für einen anderen ist (vgl 1 Ob 216/97i SZ 71/6: das Besitzmittlungsverhältnis muss nicht konkretisiert sein). Wird die Klage gegen den bloßen Störer erhoben, kann dieser sinngemäß denjenigen benennen, für den er das störende Verhalten setzt (zB Miet 28.049). Der Beklagte kann zwischen Klagszustellung und erster Tagsatzung 2 mit Schriftsatz dem Besitzer der Sache den Streit verkünden, worauf dieser in den Rechtsstreit eintreten kann und diesfalls der Inhaber auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden ist (§ 23 ZPO) und ihm auch die Sache selbst (zurück-)geben kann. Tritt der Beklagte nicht ein, kann der Inhaber sich durch Befriedigung des Anspruchs von der Klage befreien (§ 24 ZPO). Unterlassung der Streitverkündung kann zu Schadenersatzansprüchen des Besitzers und zum Verlust von Gewährleistungsrechten gegen den Besitzer führen (§ 931; Gschnitzer ua, SachenR 137). Gesetzliche Folge: a) der Ableugnung des Besitzes; § 376. Wer den Besitz einer Sache vor Gericht leugnet und dessen überwiesen wird, muß dem Kläger deswegen allein schon den Besitz abtreten; doch behält er das Recht, in der Folge seine Eigentumsklage anzustellen. Bestreitet der nach § 366 oder auch § 372 auf Herausgabe Beklagte, 1 Besitzer zu sein, und wird das Gegenteil bewiesen, hat er (strafweise; vgl Gschnitzer ua, SachenR 136) die Sache dem Kläger herauszugeben. Dadurch gelangt er für ein allfälliges späteres petitorisches Verfahren in die ungünstigere Klägerrolle. Passiv legitimiert ist nicht nur der Eccher
355
Eigentumsrecht
§ 377
bloße Inhaber (dazu § 375), sondern auch jeder Besitzer, sei es, dass er Besitzwille und Sachinhabung oder nur den Besitzwillen abstreitet und fälschlicherweise behauptet, bloßer Besitzmittler zu sein (vgl SZ 33/131: Bild). b) des vorgegebenen Besitzes; § 377. Wer eine Sache, die er nicht besitzt, zu besitzen vorgibt, und den Kläger dadurch irreführt, haftet für allen daraus entstehenden Schaden. 1 Wer – entgegengesetzt zu § 376 – den Besitz einer Sache vorspiegelt
und den Kläger dadurch zur Prozessführung nach § 366 oder § 372 gegen ihn (statt gegen einen anderen) veranlasst, haftet ihm für die vergebliche Prozessführung und sonstige Schäden. Die Veranlassung muss mindestens mit bedingtem Vorsatz (Spielbüchler/R Rz 3) und kann durch positives Tun oder bei entsprechenden Aufklärungspflichten (Klicka/S Rz 1) auch durch Unterlassung erfolgen. c) des aufgegebenen Besitzes der streitigen Sache § 378. Wer eine Sache im Besitze hatte, und nach zugestellter Klage fahren ließ, muß sie dem Kläger, wenn dieser sich nicht an den wirklichen Inhaber halten will, auf seine Kosten zurückverschaffen, oder den außerordentlichen Wert derselben ersetzen. 1 Wird die Sache, deren Herausgabe nach § 366 oder § 372 verlangt
wird, nach Klagszustellung (Weggabe vorher schadet dem redlichen Besitzer nicht, der unredliche haftet nach § 335) aus der Hand gegeben (dh Besitzaufgabe; für den bloßen Inhaber gilt nämlich § 375), ergeben sich mehrere Möglichkeiten (vgl etwa Gschnitzer ua, SachenR 136): Der Kläger kann den nunmehrigen Inhaber klagen und vom ursprünglichen Beklagten die Mehrkosten verlangen. Er kann aber ebenso das Verfahren unverändert fortsetzen (§ 234 ZPO) und eine Verurteilung des Beklagten auf Herausgabe oder – im Fall des Untergangs der Sache zwingend (§ 1447) – auf Wertersatz erwirken (vgl SZ 26/288: Klage auf Einräumung einer bücherlichen Servitut an einer Liegenschaft, die nach Klagszustellung grundbücherlich übertragen wurde; dazu krit Gschnitzer ua, SachenR 136; 6 Ob 94/01v Miet 53.036). Das Urteil wirkt auch gegenüber dem nunmehrigen Besitzer, sofern dieser nicht gutgläubig (§ 367) Eigentum (vgl SZ 28/265) oder ein sonstiges dingliches Recht (zB Pfandrecht nach § 456) erworben hat. 356
Eccher
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 380
Was der Besitzer dem Eigentümer erstatte § 379. Was sowohl der redliche als unredliche Besitzer dem Eigentümer in Ansehung des entgangenen Nutzens, oder des erlittenen Schadens zu ersetzen habe, ist in dem vorigen Hauptstücke bestimmt worden. Die Bestimmung verweist hinsichtlich der Rechte des Eigentümers 1 gegenüber dem herausgabepflichtigen – redlichen oder unredlichen – Besitzer auf Ersatz von Schäden auf die §§ 329–338.
Drittes Hauptstück Von der Erwerbung des Eigentumes durch Zueignung Rechtliche Erfordernisse der Erwerbung § 380. Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigentum erlangt werden. Lit: F. Bydlinski, Die rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen der Eigentumsübertragung nach österreichischem Recht, FS Larenz (1973) 1027; Lurger, Die Zession im sachenrechtlichen Übertragungssystem des ABGB, FS Welser (2004) 639; Mayer-Maly, Kauf und Eigentumsübertragung im österreichischen Recht, ZNR 1990, 164; Meinhardt, Die Übertragung des Eigentums (1988); Spielbüchler, Die Übereignung durch mittelbare Leistung, JBl 1971; ders, Schuldverhältnis 101 ff.
Dem Eigentumserwerb nach österreichischem Recht liegt die ge- 1 meinrechtliche Lehre von Titel und Modus, also ein zweiaktiger Erwerbsvorgang zugrunde (s auch §§ 424, 425; vgl etwa dagegen das einaktige Traditionsprinzip des deutschen BGB §§ 873, 929 oder das ebenfalls einaktige Konsensprinzip des it CC Art 1376). Das Prinzip gilt auch für den Erwerb sonstiger dinglicher Rechte (vgl zB bei den Servituten §§ 480 f, beim Pfandrecht § 451). Beim Erwerb von Forderungsrechten durch Zession lässt sich die Zweiaktigkeit des Rechtserwerbs ebenfalls feststellen, Titel und Modus fallen jedoch regelmäßig zusammen (K/W II 119 f; Lurger, FS Welser 639 ua). Das Prinzip gilt einmal für die Fälle des ursprünglichen (originären; 2 zur Terminologie des ABGB § 314 Rz 1) Rechtserwerbs: Aneignung und Fund – im ABGB vor § 381 als Zueignung zusammengefasst – sowie Zuwachs nach §§ 404 ff, Ersitzung nach §§ 1453 ff und Erwerb Eccher
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Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 380
Was der Besitzer dem Eigentümer erstatte § 379. Was sowohl der redliche als unredliche Besitzer dem Eigentümer in Ansehung des entgangenen Nutzens, oder des erlittenen Schadens zu ersetzen habe, ist in dem vorigen Hauptstücke bestimmt worden. Die Bestimmung verweist hinsichtlich der Rechte des Eigentümers 1 gegenüber dem herausgabepflichtigen – redlichen oder unredlichen – Besitzer auf Ersatz von Schäden auf die §§ 329–338.
Drittes Hauptstück Von der Erwerbung des Eigentumes durch Zueignung Rechtliche Erfordernisse der Erwerbung § 380. Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigentum erlangt werden. Lit: F. Bydlinski, Die rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen der Eigentumsübertragung nach österreichischem Recht, FS Larenz (1973) 1027; Lurger, Die Zession im sachenrechtlichen Übertragungssystem des ABGB, FS Welser (2004) 639; Mayer-Maly, Kauf und Eigentumsübertragung im österreichischen Recht, ZNR 1990, 164; Meinhardt, Die Übertragung des Eigentums (1988); Spielbüchler, Die Übereignung durch mittelbare Leistung, JBl 1971; ders, Schuldverhältnis 101 ff.
Dem Eigentumserwerb nach österreichischem Recht liegt die ge- 1 meinrechtliche Lehre von Titel und Modus, also ein zweiaktiger Erwerbsvorgang zugrunde (s auch §§ 424, 425; vgl etwa dagegen das einaktige Traditionsprinzip des deutschen BGB §§ 873, 929 oder das ebenfalls einaktige Konsensprinzip des it CC Art 1376). Das Prinzip gilt auch für den Erwerb sonstiger dinglicher Rechte (vgl zB bei den Servituten §§ 480 f, beim Pfandrecht § 451). Beim Erwerb von Forderungsrechten durch Zession lässt sich die Zweiaktigkeit des Rechtserwerbs ebenfalls feststellen, Titel und Modus fallen jedoch regelmäßig zusammen (K/W II 119 f; Lurger, FS Welser 639 ua). Das Prinzip gilt einmal für die Fälle des ursprünglichen (originären; 2 zur Terminologie des ABGB § 314 Rz 1) Rechtserwerbs: Aneignung und Fund – im ABGB vor § 381 als Zueignung zusammengefasst – sowie Zuwachs nach §§ 404 ff, Ersitzung nach §§ 1453 ff und Erwerb Eccher
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Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 381
von Nichtberechtigten nach §§ 367, 371, 824 sowie §§ 61 GBG) sowie auch des abgeleiteten (derivativen) Erwerbs. Titel (Rechtsgrund, Causa) ist beim ursprünglichen Erwerb das Gesetz als solches (vgl § 381: „angeborene Freiheit“), beim abgeleiteten ein auf den Erwerb des betreffenden Rechts gerichteter Vertrag (Verpflichtungsgeschäft) oder ein einseitiges Rechtsgeschäft (zB Auslobung, Testament) oder wiederum das Gesetz (zB gesetzliche Erbfolge). Die Erwerbsart (Modus) ist jene gesetzlich vorgesehene Art und Weise, mit der sich der durch den Titel gerechtfertigte Erwerb tatsächlich vollzieht. Dabei ist neben einem äußeren Akt (zu den Übergabeformen bei beweglichen Sachen §§ 426 ff; bei unbeweglichen Sachen §§ 431 ff) der rechtsgeschäftliche Wille zum Eigentumserwerb oder sonstigen Rechtserwerb erforderlich, im Einzelnen die dingliche Einigung im Rahmen der Verfügung über bewegliche Sachen (dazu § 425 Rz 1), die Aufsandungserklärung beim Erwerb bücherlicher Rechte (dazu § 433 Rz 4; so Gschnitzer ua, SachenR 103) oder die Erbantrittserklärung vor dem Nachlasserwerb durch Einantwortung (vgl Eccher/S § 547 Rz 2). Titel und Art der unmittelbaren Erwerbung: Die Zueignung § 381. Bei freistehenden Sachen besteht der Titel in der angebornen Freiheit, sie in Besitz zu nehmen. Die Erwerbungsart ist die Zueignung, wodurch man sich einer freistehenden Sache bemächtigt, in der Absicht, sie als die seinige zu behandeln. Lit: Ertl, Aneignung preisgegebener Sachen, JBl 1974, 281 und 342.
1 Sachen, die in niemandes Eigentum stehen (freistehende, herrenlose
Sachen; vgl schon § 287 S 1), sei es, dass sie noch keinen Eigentümer hatten oder von diesem aufgegeben (preisgegeben) worden sind (§§ 386 f), können (= Titel, s § 380) durch einseitige Besitzergreifung (= Modus) erworben werden (Aneignung, Okkupation). Diese Okkupation ist Realakt, der die Fähigkeit zum selbständigen Besitzerwerb, dh nach § 310 S 2 die Vollendung des 7. Lebensjahres, voraussetzt (Gschnitzer ua, SachenR 79; aA K/W I 311: für Willensbetätigung und somit Geschäftsfähigkeit; vgl auch § 339 Rz 4). Erwerb bedeutet Eigentumserwerb, nicht bloß Gebrauchsrecht im Rahmen von Gemeingebrauch (§ 287 S 2; vgl 1 Ob 26/91 JBl 1992, 176). § 382. Freistehende Sachen können von allen Mitgliedern des Staates durch die Zueignung erworben werden, insofern diese Be358
Eccher
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 383
fugnis nicht durch politische Gesetze eingeschränkt ist, oder einigen Mitgliedern das Vorrecht der Zueignung zusteht. Lit: Randl, Die Neuordnung des Bergrechts durch das Mineralrohstoffgesetz (MinroG), JAP 1998/1999, 248; Schäffer, Das Berggesetz 1975, ZfV 1976, 3.
Trotz der Formulierung (Mitglieder des Staates) steht das Aneig- 1 nungsrecht nach hA (insb unter Berufung auf § 33) grundsätzlich neben den Staatsbürgern auch allen staatsfremden Personen zu. Einschränkungen bestehen hingegen insofern, als mitunter nur bestimmten Personen das Aneignungsrecht zusteht („ansprüchige“ Sachen, zB bei Jagd und Fischerei, dazu § 383) oder als die Aneignung eine behördliche Genehmigung voraussetzt. Dies gilt für die Gegenstände des Staatsmonopols (dazu § 385) und für die Erschließung und Gewinnung von Bodenschätzen (Rz 2). Hinsichtlich der Erschließung (Schürfung) und Gewinnung von Bo- 2 denschätzen unterscheidet das MinRoG (früher BergG) nach den jeweiligen Mineralien: Bergfreie Mineralien (§ 3; zB Metalle, Gips, Kohle, Magnesit) kann jedermann (s Rz 1) mit behördlicher Bewilligung schürfen (Schürfbewilligung, § 8) und gewinnen (Bergwerksberechtigung, § 22). Die bundeseigenen Mineralien (§ 4; zB Steinsalz, Erdöl, Erdgas, Uran) sind dem Bund vorbehalten, dieser kann jedoch seine Aneignungsrechte auch an privatrechtliche Unternehmen gemäß §§ 69 f MinRoG übertragen (zB Österreichische Salinen AG, OMV). Die verbleibenden grundeigenen Mineralien (§ 5; zB Sand, Edelsteine) stehen dem Grundeigentümer zu und können von diesem nach allgemeinen Vorschriften gewonnen werden. Ist nicht der Grundeigentümer selbst bergwerksberechtigt, ist seine Zustimmung erforderlich (§ 147 MinRoG), wobei bei Nichteinigung die Bergbehörde bzw endgültig das Gericht die Höhe der Entschädigung festsetzt (§§ 148 f MinRoG) und der Bergwerksberechtigte uU die entgeltliche Übernahme des Grundes verlangen kann (§ 149 Abs 5 MinRoG; dazu zB Gschnitzer ua, SachenR 82 f). 1. durch den Tierfang; § 383. Dieses gilt insbesondere von dem Tierfange. Wem das Recht zu jagen oder zu fischen gebühre; wie der übermäßige Anwachs des Wildes gehemmt, und der vom Wilde verursachte Schade ersetzt werde; wie der Honigraub, der durch fremde Bienen geschieht, zu verhindern sei; ist in den politischen Gesetzen festgesetzt. Wie Wilddiebe zu bestrafen seien, wird in den Strafgesetzen bestimmt. Eccher
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Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 383
Lit: Abart/Lang/Obholzer (Hrsg), Tiroler Jagdgesetz 3 (2000); Anderluh, Jagdrecht und Grundeigentum, ÖJZ 1984, 630; H. Binder, Jagdrecht (1992); Kohl, Zur Rechtsnatur des österreichischen Jagdrechts, JBl 1998, 755; Stelzer, Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch den Wiener Tierschutzverein, JBl 1989, 554.
1 Das im Grundsatz in § 383 vorgesehene Aneignungsrecht an wilden
Tieren, soweit sie sich in natürlicher Freiheit bewegen (Jagdrecht; zu den gezähmten, an sich jagdbaren und zu den zahmen Tieren § 384), ist im Einzelnen in den Landes-Jagdgesetzen geregelt und eingeschränkt. Danach handelt es sich um ansprüchige Sachen iSd § 382 und originären Eigentumserwerb des Jagdausübungsberechtigten. Nach der Rspr (EvBl 1962/518) verschafft sogar der Wilderer durch Abschuss diesem als Stellvertreter Eigentum (krit Gschnitzer ua, SachenR 81, wonach vorläufig weiterhin Herrenlosigkeit anzunehmen ist; vgl auch Binder, SachenR Rz 19/4, der Eingriff in das Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers vertritt). An das Eigentumsrecht ist das Jagdausübungsrecht (Rz 2) jedenfalls insofern geknüpft, als der Grundeigentümer über die Gewährung des Zutritts zum Grundstück die praktische Aneignungsmöglichkeit steuern kann; im Übrigen ist der Zusammenhang unklar (vgl SZ 56/20: Jagdrecht als Ausfluss des Eigentums; aber NZ 1981, 44: trotz § 477 Z 5 keine Einräumung des Jagdausübungsrechts durch Servitutseinräumung; für eine Lockerung des von der hA vertretenen engen Zusammenhangs mit dem Grundeigentum zuletzt Binder, SachenR Rz 6/4; zu historischen Aspekten Klang/K II 24; zur entsprechenden Frage beim Fischereirecht Rz 4; s auch § 295 Rz 2). 2 Das Jagdausübungsrecht steht in sog Eigenjagdgebieten (Gebieten
mit bestimmter Mindestgröße) dem Eigentümer selbst zu; ansonsten bilden die Eigentümer der Grundstücke des Jagdgebietes eine Jagd(ausübungs)genossenschaft. Übt diese das Jagdrecht nicht selbst aus, kann die Jagdgenossenschaft durch die politische Gemeinde vertreten sein (Gemeindejagd) oder das Jagdausübungsrecht wird von der Genossenschaft an Einzelpersonen oder Jagdgesellschaften verpachtet oder einem Jagdverwalter zur Besorgung übertragen. Vom Jagdausübungsrecht sind die zahlenmäßig oder zeitmäßig beschränkten Abschussrechte (insofern im Zweifel aber auch Aneignungsrechte) durch Jagdgäste (meist mit Jagdkarten) zu unterscheiden. 3 Der Ersatz von Jagdschäden (Schäden bei Ausübung der Jagd) und
von Wildschäden (Schäden durch die jagdbaren Tiere im Jagdgebiet) ist durch die Landes-Jagdgesetze näher geregelt (Koziol, HPR II 2 412 ff: verschuldensunabhängige Eingriffs- und Gefährdungshaf360
Eccher
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 384
tung) und ist primär vom Jagdausübungsberechtigten zu leisten (vgl Spielbüchler/R Rz 3). Das Fischereirecht ist grundsätzlich ein mit dem Eigentum an einem 4 Privatgewässer verbundenes Privatrecht (1 Ob 44/95 SZ 69/144; zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zB 1 Ob 15/90 JBl 1991, 189; zu entsprechenden Fragen beim Jagdrecht Rz 1), das auch von diesem getrennt als verbücherungsfähige Grunddienstbarkeit zugunsten des Eigentümers eines Nachbargrundstücks oder auch als unregelmäßige Dienstbarkeit zugunsten bestimmter Personen bestehen kann (vgl § 477 Z 5; SZ 46/82; 1 Ob 21, 22/93 SZ 66/177). Ersitzung ist möglich (SZ 47/88). Die Ausübung des Fischereirechts ist durch die LandesFischereigesetze näher geregelt, wobei ähnlich dem Jagdrecht ein größeres zusammenhängendes Gewässer ein Eigenrevier für den Eigentümer bildet. Ansonsten steht der aus mehreren Eigentümern zu bildenden Fischereigenossenschaft das Fischereiausübungsrecht zu. Dieses kann dann wiederum als solches verpachtet oder es können einzelne Fischereibefugnisse an Fischereikartenbesitzer gewährt werden (Spielbüchler/R Rz 4). Der Eingriff in ein fremdes Jagd- und Fischereirecht ist strafrechtlich 5 durch die §§ 137 ff StGB sanktioniert. § 384. Häusliche Bienenschwärme und andere zahme oder zahm gemachte Tiere sind kein Gegenstand des freien Tierfanges, vielmehr hat der Eigentümer das Recht, sie auf fremdem Grunde zu verfolgen; doch soll er dem Grundbesitzer den ihm etwa verursachten Schaden ersetzen. Im Falle, daß der Eigentümer des Mutterstockes den Schwarm durch zwei Tage nicht verfolgt hat; oder, daß ein zahm gemachtes Tier durch zweiundvierzig Tage von selbst ausgeblieben ist, kann sie auf gemeinem Grunde jedermann; auf dem seinigen der Grundeigentümer für sich nehmen, und behalten. Die Bestimmung grenzt von den wilden Tieren die zahmen Tiere 1 (= Haustiere) und die zahm gemachten (= an den Menschen gewöhnte), an sich aber wilden Tiere einschließlich der Bienenschwärme ab und schließt somit auch die Anwendung der Jagdregeln aus (§ 383; vgl SZ 57/130: Waldschweine; unklar Spielbüchler/R Rz 1, 2). Gezähmte Tiere sind erst dann wieder herrenlos und somit nach allgemeinen Regeln aneignungs- (= jagd-)fähig, wenn sie in ihre natürliche Freiheit zurückkehren und von selbst 42 Tage hindurch ausbleiben bzw wenn im Fall von Bienenschwärmen der Eigentümer des Mutterstocks den Schwarm während zweier Tage nicht verfolgt hat oder dieser trotz Eccher
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Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 385
Verfolgung 42 Tage lang ausgeblieben ist (zum Verfolgungsrecht auch Rz 2). Zahme Tiere werden herrenlos und nach allgemeinen Regeln aneignungsfähig, wenn sie ausgesetzt werden (Dereliktion; § 386). Für schlicht entlaufene zahme Tiere gelten die allgemeinen Fundregeln (vgl Binder, SachenR Rz 6/4; Stelzer, JBl 1989, 554; aA Spielbüchler/R Rz 2, wonach zahme Tiere durch Verwilderung herrenlos werden). 2 § 384 enthält auch das Recht des Eigentümers, zahme und zahm
gemachte Tiere auf fremdem Grund zu verfolgen und diese, soweit sie nicht wegen Herrenlosigkeit von Dritten angeeignet wurden (Rz 1), zurückzuholen. Dem Grundeigentümer ist der im Zuge der Verfolgung (für Schäden durch die Tiere selbst gelten die §§ 1320 f) entstandene Schaden verschuldensunabhängig zu ersetzen (vgl SZ 3/107: nur die Schäden am Grundstück; aA Spielbüchler/R Rz 3). Dieses Verfolgungsrecht einschließlich der Schadenersatzpflicht wird analog auch auf andere Sachen, die auf fremden Grund gelangt sind, angewendet (allgemeines Sachverfolgungsrecht als Ausdruck des Selbsthilferechts; vgl Gschnitzer ua, SachenR 62; SZ 22/48: Ziegel nach Bombenangriff; 8 Ob 635/92 SZ 65/145: Abholen von Tennisbällen kann schikanös sein). Außer im Falle von Gefahr im Verzug wird die vorherige Einholung der Zustimmung des Eigentümers verlangt. 2. durch das Finden freistehender Sachen § 385. Keine Privatperson ist berechtigt, die dem Staate durch die politischen Verordnungen vorbehaltenen Erzeugnisse sich zuzueignen. Lit: Mayer, Staatsmonopole (1976).
1 Der Bestimmung kommt ein geringer praktischer Anwendungsbe-
reich zu (so auch die hA; vgl etwa Gschnitzer ua, SachenR 80). Das nach Aufhebung des Salzmonopols (BGBl 1995/518) verbleibende Tabakmonopol des Bundes ist im TabMG neu geregelt. Danach sind Tabakerzeugnisse im Monopolgebiet (Republik) dem Bund vorbehalten (§ 1 Abs 1). § 386. Bewegliche Sachen, welche der Eigentümer nicht mehr als die seinigen behalten will, und daher verläßt, kann sich jedes Mitglied des Staates eigen machen. Im Zweifel ist nicht zu vermuten, daß jemand sein Eigentum aufgeben wolle; daher darf kein Finder eine gefundene Sache für verlassen ansehen und sich diese zueignen. [idF BGBl I 2002/104]
362
Eccher
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 387
Lit: Ertl, Aneignung preisgegebener Sachen, JBl 1974, 281 und 342; Kopetzki, Die Verwendung menschlicher Körpersubstanzen zu Forschungszwecken, FS Burgstaller (2004) 601; Krejci, Wem gehört die Nabelschnur? RdM 2001, 67; Ofner, Gewinnung und Verwertung menschlicher Körpersubstanzen aus operativen Eingriffen, in Kopetzki/Mayer (Hrsg), Biotechnologie und Recht (2002) 185.
Durch die dem Eigentümer grundsätzlich zustehende (§§ 349, 362) 1 Preisgabe (Aufgabe, Dereliktion) wird eine bewegliche oder unbewegliche Sache (dazu § 387) herrenlos und somit aneignungsfähig (s auch § 381). Sondervorschriften verhindern jedoch mitunter Herrenlosigkeit (so sehen Abfallbeseitigungs- und Müllabfuhrgesetze entschädigungslosen Eigentumserwerb der Gemeinden vor; s auch Preisgabeverbote, zB Ablagerungsverbote, die die Preisgabe nichtig machen, soweit die Verbotsnorm des § 879 dies erfordert; dazu Spielbüchler/R Rz 7). Von der Dereliktion abzugrenzen sind auch Fälle der konkludenten schenkungsweisen Übergabe (zB EvBl 1989/100: Altpapier wird Eigentum des Recyclingunternehmens). Auch abgetrennte, nicht völlig unbedeutende Körperteile und Körpersubstanzen des „schweigenden“ Patienten sind in der Regel nicht derelinquiert (vgl Kopetzki, FS Burgstaller 609 ff; Ofner in Kopetzki/Mayer, Biotechnologie 185 ff; Krejci, RdM 201, 70 ff). Die Preisgabe erfolgt durch Besitzaufgabe, die als Willensbetätigung 2 keine Kundgabe erfordert (s § 859 Rz 9). Sie muss gemäß S 2 (§ 388 S 1 aF; zur Neufassung der Fundbestimmungen durch die SPG-Novelle 2002 vgl § 388 Rz 1) aus den Umständen eindeutig erschließbar sein (vgl 1 Ob 513/93 SZ 66/38: Beweispflicht desjenigen, der sich auf Herrenlosigkeit beruft; EvBl 1971/13: beschädigtes, auf öffentlicher Verkehrsfläche abgestelltes Fahrzeug, noch dazu mit Kennzeichentafel und Autoradio, gilt nicht als preisgegeben; vgl weiters SZ 22/48: auch als preisgegeben anzusehender Bauschutt auf Nachbargrundstück nach Bombenangriff muss nicht zurückgeholt werden, krit Binder, SachenR Rz 17/18). Fehlt es an Herrenlosigkeit, führt auch Gutgläubigkeit nicht zum Eigentumserwerb (vgl Spielbüchler/R Rz 4). § 387. Inwiefern Grundstücke wegen gänzlicher Unterlassung ihres Anbaues, oder Gebäude wegen der unterlassenen Herstellung für verlassen anzusehen, oder einzuziehen seien, bestimmen die politischen Gesetze. Lit: Dengler, Dereliktion und Okkupation von Liegenschaften, NZ 1983, 182; Hoyer, Verbücherung der Dereliktion einer Liegenschaft, NZ 1999, 161; Pfeifer, Herrenloses Grundstück, ecolex 1996, 154. Eccher
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Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 388
1 Auch wenn die Preisgabe (dazu allgemein § 386) von Liegenschaften
praktisch selten ist (dazu Näheres bei Gschnitzer ua, SachenR 79), ist sie nicht grundsätzlich ausgeschlossen (aA GlUNF 151). Dasselbe gilt für Miteigentumsanteile (Spielbüchler/R Rz 4), nicht jedoch für Wohnungseigentum (5 Ob 197/02k JBl 2003, 240). Die Aufgabe dinglicher Rechte an Liegenschaften erfolgt durch Verzichtserklärung. Die Preisgabe erfordert nach nunmehriger Ansicht wegen des Eintragungsgrundsatzes bei verbücherten Liegenschaften (zu unverbücherten Liegenschaften § 434 und zu Bauwerken § 435) die Einverleibung des Erlöschens des Eigentums bzw der Herrenlosigkeit (vgl LGZ Graz 1 R 415/93 NZ 1994, 192 Hoyer; 5 Ob 126/98k NZ 1999, 165 und 253, dazu Hoyer, NZ 1999, 161 ff; krit Pfeifer, ecolex 1996, 154). 2 Die Preisgabe von Liegenschaften führt zur Herrenlosigkeit und da-
mit zur Aneignungsmöglichkeit (§§ 381 f). Privatrechtliche Belastungen (zB Servituten, Hypotheken; zur Aneignungsmöglichkeit durch den Hypothekargläubiger und zum Entstehen einer forderungsbekleideten Eigentümerhypothek vgl Spielbüchler/R Rz 3) bleiben aufrecht. Öffentlich-rechtlichen Pflichten kann sich der Eigentümer durch Preisgabe nicht entziehen, dh mE treffen sie ihn unabhängig von der Aufgabe des Eigentums. Mitunter sind besondere Enteignungsmöglichkeiten vorgesehen (zB „Einziehung“ von Liegenschaften bei Baufälligkeit; vgl § 10 StadterneuerungsG). Vorschriften über das Finden a) verlorener und vergessener Sachen § 388. (1) Verloren sind bewegliche, in niemandes Gewahrsame stehende Sachen, die ohne den Willen des Inhabers aus seiner Gewalt gekommen sind. (2) Vergessen sind bewegliche Sachen, die ohne den Willen des Inhabers an einem fremden, unter der Aufsicht eines anderen stehenden Ort zurückgelassen worden und dadurch in fremde Gewahrsame gekommen sind. [idF BGBl I 2002/104] Lit: N.N., Der im Supermarkt gefundene Tausender, RdW 1988, 3; Wilhelm, Der Fund in der Kirchenbank, ecolex 1991, 665; Wieser, Die Neuerungen im Fundrecht, JAP 2003/2004, 182.
1 Allgemeines. Durch die Bestimmungen über das Finden, insb den
Anspruch des redlichen Finders auf Finderlohn, soll ein Verlustträger möglichst wieder zu seiner Sache kommen. Sie wurden durch die 364
Eccher
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 389
SPG-Novelle 2002 (in Kraft seit 1.2.2003) formal und inhaltlich neu gestaltet (vgl Wieser, JAP 2003/2004, 182). Beim Finden (beweglicher) Sachen, die nicht herrenlos sind oder zumindest nicht als herrenlos angesehen werden können (zu deren möglicher Aneignung §§ 385 ff), ist danach zu unterscheiden, ob Gewahrsamsverlust (s Rz 2) vorliegt (verlorene und vergessene Sachen; §§ 388 ff), ob der Eigentümer keine Kenntnis (mehr) vom Ort der Sache hat (verborgene Sachen; § 397) oder ob es sich um einen verborgenen, wertvollen Gegenstand handelt (Schatz; §§ 398 ff). Die Sonderbestimmungen im EBG (§ 7) bleiben aufrecht. Zu beachten sind auch die besonderen Meldepflichten beim Fund von Waffen und Kriegsmaterial (§ 7 WaffG), radioaktiven Stoffen (§ 26 StrSchG – auch Verlust meldepflichtig) und denkmalgeschützter Gegenstände (§ 8 DMSG). Anwendungsbereich. Die Bestimmungen der §§ 388 ff sind anwend- 2 bar, wenn Gewahrsamsverlust des Verlustträgers (s § 389 Abs 2) vorliegt, wobei gleichgültig ist, ob sich die Sache daraufhin in niemandes (verlorene Sache) oder in fremdem Gewahrsam (vergessene Sache) befindet. Die vor der Reform (s Rz 1) zu „verlegten“ (= vergessenen) Sachen entwickelte L und Rspr ist allerdings wegen der Abstufung des Finderlohns in § 393 Abs 1 noch aktuell (vgl SZ 14/142: Lehrkasten in Hochschule; SZ 32/96: Geldtasche in Warenhaus trotz Räumungsverkaufs; RZ 1981, 255: Gasthaus). Die Erl 1138 BlgNR 21. GP 37 begründen diese Ausdehnung einerseits mit schwierigen Abgrenzungsfragen (s aber gerade oben) und andererseits mit dem durch einen Finderlohn gegebenen Anreiz, auch in diesen Fällen den Fundbestimmungen zu folgen. Unanwendbar sind die Fundbestimmungen jedoch bei anzunehmendem Weiterbestehen des eigenen Gewahrsams, was von den Umständen des Einzelfalles abhängt (vgl EvBl 1971/170: in Bahnhofshalle liegende Brieftasche ist nicht verloren, solange Chance auf Wiedererlangung besteht; anders SZ 9/13: vom Dieb vergrabene Sachen, auch wenn dieser Kenntnis des Lageortes hat). § 389. (1) Finder ist, wer eine verlorene oder vergessene Sache entdeckt und an sich nimmt. (2) Verlustträger sind der Eigentümer und andere zur Innehabung der verlorenen oder vergessenen Sache berechtigte Personen. [idF BGBl I 2002/104] Lit: S bei § 388.
Entsprechend der Definition des Finders (Abs 1) ist klargestellt, dass 1 nach dem Entdecken auch das Ansichnehmen der Sache erforderlich Eccher
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Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 390
ist. Die früher (zur Reform § 388 Rz 1) vorgesehene Ausnahme im Fall des Zuvorkommens eines anderen (§ 394 aF) geht nunmehr im weiteren Anwendungsbereich des § 396 auf. Ist das „Ansichnehmen“ allerdings nicht möglich oder tunlich (analog §§ 426, 427), wird weiterhin Anzeige bei der Behörde genügen (vgl JBl 1934, 452: PKW). 2 Aus der Definition des Verlustträgers ergibt sich zB, dass eine ge-
fundene Sache zwar einem Mieter, nicht aber einem Dieb wirksam zurückgestellt werden kann (vgl § 391 Z 1). Rückstellung an den Verwahrer sollte mE die Finderrechte auslösen, wenn der Eigentümer bzw sonstige Verlustträger dadurch die Sache zurückerhält. § 390. Der Finder hat den Fund unverzüglich der zuständigen Fundbehörde (§ 14 Abs. 5 SPG) unter Abgabe der gefundenen Sache anzuzeigen und über alle für die Ausforschung eines Verlustträgers maßgeblichen Umstände Auskunft zu geben. [idF BGBl I 2002/104]
1 Entgegen der früheren Rechtslage (zur Reform s § 388 Rz 1), wonach
grundsätzlich eine gefundene Sache nach Fundanzeige in der Verwahrung des Finders blieb und auch mit gewissen Ausnahmen bleiben musste (§§ 389, 390; Prinzip des „Verwahrerfundes“), ist nun neben der Anzeigepflicht auch eine grundsätzliche – nur durch die Fälle des § 391 durchbrochene – Abgabepflicht an die zuständige Behörde festgesetzt (vgl Erl 1138 BlgNR 21. GP 37). Der Finder kann sich diesen Pflichten nicht durch Wegwerfen der Sache entziehen (Iro, SachenR Rz 6/8). Gemäß § 14 Abs 5 iVm § 22 Abs 1a SPG ist der Bürgermeister Fundbehörde für alle verlorenen und vergessenen Sachen, die in seinem örtlichen Wirkungsbereich aufgefunden werden. § 391. Die Pflichten nach § 390 bestehen nicht, wenn 1. der Finder die gefundene Sache einem Verlustträger vor der Anzeigeerstattung ausfolgt oder 2. der gemeine Wert der gefundenen Sache 10 Euro nicht übersteigt, es sei denn erkennbar, dass die Wiedererlangung der Sache für einen Verlustträger von erheblicher Bedeutung ist. [idF BGBl I 2002/104]
1 Die frühere Rückstellungspflicht der Sache an den bekannten Verlust-
träger (§ 389 S 1 aF) wurde mit der Reform (vgl § 388 Rz 1) durch die Anzeige- und Abgabepflicht gegenüber der Behörde (§ 390) ersetzt, die aber bei (nicht mehr verpflichtender) Rückstellung der Sache an den Verlustträger entfällt (Z 1; dazu auch § 389 Rz 2, § 394 Rz 1). – 366
Eccher
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 393
Die Wertgrenze der Z 2 orientiert sich an derjenigen für die frühere Bekanntmachungspflicht in § 389 S 1 aF. Für die Ausnahme der erheblichen Bedeutung der Wiedererlangung in Z 2 nennen die Erl 1138 BlgNR 21. GP 38 bestimmte Umstände (besonderer Gebrauchswert, Gefahr des Missbrauchs, Kosten oder sonstige Schwierigkeiten der Wiederbeschaffung) und folgende konkrete Beispiele: öffentliche Urkunden, Urkunden über Rechtsgeschäfte, auf Namen lautende Wertpapiere, Legitimationspapiere, Manuskripte, Geschäftspapiere und Schlüssel. Zur Ermittlung des Finderlohns in diesen Fällen s § 393 Abs 2. § 392. Der Finder hat gegen den, dem der Fundgegenstand ausgefolgt wird, Anspruch auf Finderlohn und auf Ersatz des notwendig und zweckmäßig gemachten Aufwandes. [idF BGBl I 2002/104] Lit: S bei § 388.
Die zentralen Rechte des Finders bestehen in seinem Anspruch auf 1 Finderlohn und auf Ersatz des Aufwandes (in Anlehnung an die notwendige und nützliche Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 1036, 1037). Das früher (zur Reform vgl § 388 Rz 1) anerkannte Zurückbehaltungsrecht des Finders für Aufwand und Finderlohn (zB Gschnitzer ua, SachenR 86, 232) kann nach der neuen Rechtslage selbstverständlich nur mehr im Falle der unmittelbaren Ausfolgung der Sache an den Verlustträger (vgl § 391 Rz 1) zum Tragen kommen (dazu Wieser, JAP 2003/2004, 186 f allerdings nur für Aufwand; weitergehend Iro, SachenR Rz 6/9). Mehrere Mitfinder haben wohl auch nach neuer Rechtslage wie nach § 394 aF gleiche Rechte und Pflichten (§§ 888 ff; dazu Spielbüchler/R § 394 Rz 1). § 393. (1) Der Finderlohn beträgt bei verlorenen Sachen 10 vH, bei vergessenen Sachen 5 vH des gemeinen Wertes. Übersteigt der gemeine Wert 2 000 Euro, so beträgt der Finderlohn in Rücksicht des Übermaßes die Hälfte dieser Hundertersätze. (2) Bei unschätzbaren Sachen und solchen, deren Wiedererlangung für den Verlustträger von erheblicher Bedeutung ist, ist der Finderlohn nach billigem Ermessen festzulegen; hierbei ist auf die Grundsätze des Abs. 1, auf die dem Finder entstandene Mühe und auf den dem Verlustträger durch die Wiedererlangung der gefundenen Sache verschafften Vorteil Bedacht zu nehmen. [idF BGBl I 2002/104] Eccher
367
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 394
1 Die Reduktion des Finderlohns für den Fund vergessener Sachen (zur
Einbeziehung in den Anwendungsbereich § 388 Rz 2) auf die Hälfte erscheint im Hinblick auf einen realistischen Anreiz durchaus richtig (vgl auch § 394 Z 3); ebenso die ausdrückliche Ermessensregelung in Abs 2 für unschätzbare Sachen und Sachen iSd § 391 Z 2 (Erl 1138 BlgNR 21. GP 38; ähnlich vor der Reform, vgl § 388 Rz 1, zB Gschnitzer ua, SachenR 86; vgl aber EvBl 1976/136: Versuch der Berechnung des Wertes eines auf Namen lautenden Sparbuches für den Finder). § 394. Ein Anspruch auf Finderlohn besteht nicht, wenn 1. die Sache von einer Person im Rahmen ihrer privat- oder öffentlich-rechtlichen, die Rettung der Sache umfassenden Pflicht gefunden worden ist oder 2. der Finder die in den §§ 390 und 391 enthaltenen Anordnungen schuldhaft verletzt hat oder 3. die vergessene Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt worden wäre. [idF BGBl I 2002/104] Lit: S bei § 388.
1 Z 1: Als Personen, die öffentlich-rechtlich zur Rettung verlorener
Sachen verpflichtet sind, nennen die Erl 1138 BlgNR 21. GP 38 beispielhaft Sicherheitswacheorgane. Die Versagung des Finderlohns bei privatrechtlichen Rettungspflichten kennt bereits die Rspr vor der Reform, vgl § 388 Rz 1 (SZ 9/13: Hausgehilfin; vgl in Ansätzen ähnlich bereits § 401 aF). Nach der Ausnahme der Z 2 verliert der unredliche Finder, aber auch der redliche, die Findervorschriften schuldhaft nicht einhaltende Finder (zB vorwerfbare Rückstellung an den Dieb; dazu § 389 Rz 2) nicht bloß seinen Anspruch auf Finderlohn, sondern wird auch nach allgemeinen Vorschriften schadenersatzpflichtig (vgl Spielbüchler/R § 393 Rz 1 f: einschränkend jedoch für bloß verspätete Anzeige bzw Abgabe). Der Ausschluss des Finderlohns beim Fund vergessener Sachen (vgl schon § 388 Rz 2, § 393 Rz 1) unter den Umständen der Z 3 wird mit Rechtsmissbrauchsgefahr begründet (Erl 1138 BlgNR 21. GP 38). – Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Verlustträger als beweispflichtig für das jeweilige Vorliegen des Ausnahmetatbestandes anzusehen. § 395. Wird die Sache innerhalb eines Jahres von keinem Verlustträger angesprochen, so erwirbt der Finder das Eigentum an der in seiner Gewahrsame befindlichen Sache mit Ablauf der Frist, an der abgegebenen Sache mit ihrer Ausfolgung an ihn. Die Frist beginnt 368
Eccher
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 397
im Fall des § 391 Z 2 mit dem Zeitpunkt des Findens, sonst mit der Erstattung der Anzeige (§ 390). [idF BGBl I 2002/104]
Nach der Reform der Fundbestimmungen (§ 388 Rz 1) erwirbt der 1 redliche (arg: „... abgegebenen Sache ...“) Finder bereits nach einem Jahr Eigentum (die Erl 1138 BlgNR 21. GP 38 berufen sich für die Herabsetzung der bisherigen Frist von 3 Jahren, vgl § 392 aF, auf Erfahrungssätze). Die Frist beginnt – je nach dem, ob eine Anzeigeund Abgabepflicht besteht (vgl §§ 390 f) – mit dem Zeitpunkt des Findens oder der Anzeige. Der Eigentumserwerb erfolgt durch Verschweigung (§ 1451 Rz 6), tritt aber bei auszufolgenden Sachen erst mit Ausfolgung ein (vgl Wieser, JAP 2003/2004, 187; Iro, SachenR Rz 6/11). Zum Verfall des Anwartschaftsrechtes bei Nichtabholung nach 6 Wochen bzw 6 Monaten und zur dafür maßgeblichen Wertgrenze von € 20 s § 42 Abs 3 und 4 SPG. § 396. Wer eine verlorene oder vergessene Sache entdeckt, sie aber nicht an sich nehmen kann, hat Anspruch auf die Hälfte des im § 393 bestimmten Finderlohnes, wenn er die Entdeckung einer im § 390 bezeichneten Stelle anzeigt und der Verlustträger die Sache dadurch wiedererlangt, es sei denn, dass dieser die Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt hätte. § 394 Z 1 ist anzuwenden. [idF BGBl I 2002/104]
Die Zuerkennung des halben Finderlohnes gebührt dem bloßen Ent- 1 decker, der der Anzeigepflicht ordnungsgemäß wie ein Finder (vgl §§ 390 f) nachkommt. Im Ergebnis ist damit auch der in § 394 aF (zur Reform s § 388 Rz 1) geregelte Fall des Zuvorkommens eines anderen Entdeckers umfasst. Die Abstufung des Finderlohns je nach verlorenen oder vergessenen Sachen (§ 393 Abs 1) findet ebenso Anwendung wie die Ausnahmen des § 394 Z 3 (im Text wiederholt) und der Z 1. Einhaltung der Fundbestimmungen wird vorausgesetzt (§ 397 Z 2). b) verborgener Gegenstände § 397. (1) Werden vergrabene, eingemauerte oder sonst verborgene Sachen eines unbekannten Eigentümers entdeckt, so gilt sinngemäß das, was für die verlorenen Sachen bestimmt ist. (2) Der Finderlohn ist auch dann nicht zu entrichten, wenn die Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt worden wäre. [idF BGBl I 2002/104] Eccher
369
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 398 Lit: S bei § 388.
1 Aus den für verborgene Sachen in Abs 1 angeführten Bsp (vergrabene
oder eingemauerte Sachen) lässt sich schließen, dass es sich im Wesentlichen um absichtlich versteckte Sachen handelt. Nach Abs 2 entfällt der Finderlohn bei hypothetischer, vom Eigentümer zu beweisender gefahrloser Wiedererlangung, also vor allem, wenn dieser beweisen kann, das Versteck gekannt zu haben (vgl JBl 1958, 100). c) eines Schatzes § 398. Bestehen die entdeckten Sachen in Geld, Schmuck oder andern Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen Eigentümer nicht mehr erfahren kann, dann heißen sie ein Schatz. Die Entdeckung eines Schatzes ist von der Obrigkeit [der Landesstelle] anzuzeigen. Lit: M. Binder, Das rechtliche Fortleben des menschlichen Körpers nach dem Tode, JAP 1998/1999, 228; Eccher, Privatrechtliche Verhältnisse bei komplexen Funden, in Höpfel/Spindler (Hrsg), Der Mann im Eis I (1992) 36; Knoll, Schatzfund und Denkmalschutz, JBl 2005, 212; Mayer-Maly, Die Erblosigkeit der Schätze, FS Kralik (1986) 485.
1 Ein Schatz ist zum einen eine (bewegliche; zur Diskussion hinsichtlich
Mosaikböden vgl Knoll, JBl 2005, 213 ff) Sache, deren relativ hoher Wert („Kostbarkeit“) sich aus einem besonderen wirtschaftlichen (so die angeführten Bsp: Geld, Schmuck) oder sonstigen, zB prähistorischen (vgl den Gletscherfund „Ötzi“), archäologischen, künstlerischen, kulturellen oder denkmalschützerischen (s Rz 2) Interesse ergibt. Zum anderen muss die Sache eine bestimmt Zeit lang in einem Grundstück oder einer sonstigen unbeweglichen, uU aber auch selbst beweglichen Sache (vgl SZ 14/142: Lehrsaalkasten in Hochschule) verborgen geblieben sein. Das Ausmaß der erforderlichen Zeitspanne ist danach bestimmt, dass die Ermittlung des Eigentümers aussichtslos erscheint (im Zweifel aber Anzeige- und Abgabepflicht nach Fundregeln, §§ 390, 392; Bsp: In JBl 1958, 100 waren vor 40 Jahren vergrabene Münzen – wenn überhaupt – als verborgene Sachen und daher wie verlorene Sachen, nach GlUNF 6290 vor 200 bis 300 Jahren versteckte Münzen nach Schatzrecht zu behandeln). Ob es überhaupt je einen Eigentümer gegeben haben muss (zB bei einem prähistorischen Fund), ist str (großzügig Spielbüchler/R Rz 1; zweifelnd Gschnitzer ua, SachenR 88). Für Boden„schätze“ gelten jedoch besondere Regeln (§ 382 Rz 2). 2 Der dem DMSG zugrunde liegende Begriff des Denkmals über-
schneidet sich mit jenem des Schatzes im ABGB, so dass auf die Ver370
Eccher
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 400
knüpfung der beiden Regelungsmaterien Bedacht zu nehmen ist und insb die Rechtsausübung nach ABGB nur insoweit möglich ist, als die Einschränkungen des DMSG nicht entgegenstehen (ausf Knoll, JBl 2005, 212). Hinzuweisen ist va auf die Anzeigepflicht bei Zufallsfunden (§ 8 DMSG), das Erfordernis einer Grabungsbewilligung (§ 11) und die Aufsicht des Bundesdenkmalamtes (§§ 2 ff), sofern denkmalgeschützte Gegenstände vorliegen. § 399. Von einem Schatz erhalten der Finder und der Eigentümer des Grundes je die Hälfte. [idF BGBl I 2002/104] Lit: S bei §§ 388, 398.
Der Gesetzestext trägt der Rechtslage Rechnung, die sich durch die 1 schon lange zurückliegende Aufhebung des Schatzregals durch das – nunmehr zwar selbst durch das 1. BRBG aufgehobene – HfKD 1846/970 ergeben hat (Knoll, JBl 2005, 217; Mayer-Maly, JBl 2000, 535; so nunmehr auch K/W I 316). Zwischen dem Grundeigentümer (analog auch dem Eigentümer des sonstigen Fundortes, selbständigen Bauwerks oder der sonstigen beweglichen Sache (s Rz 1 zu § 398) und dem Finder entsteht Miteigentum zur Hälfte nach §§ 833 ff (zur allfälligen Übereignungspflicht von Bodendenkmalen nach §§ 8 ff DMSG vgl Binder, SachenR Rz 15/2), wobei für einen Fund an der Grundstückgrenze analog auch § 421 gilt (Spielbüchler/R Rz 1). Als Finder gilt der Entdecker des Schatzes oder auch nur des Behältnisses des Schatzes (vgl SZ 55/146: Tonkrug mit später entdeckten Silbermünzen). Eine Aneignungshandlung ist nicht erforderlich, jedoch „Bloßlegen“ der Sache, dh Beseitigung des Verborgenseins (vgl Knoll, JBl 2005, 216 mwN). Insofern kann ein Finder, der den Schatz wegen des Zuvorkommens eines anderen nicht an sich nimmt, als Mitfinder behandelt werden (vgl § 394 aF). § 400. Wer sich dabei einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht; wer ohne Wissen und Willen des Nutzungseigentümers den Schatz aufgesucht; oder den Fund verheimlicht hat; dessen Anteil soll dem Angeber; oder, wenn kein Angeber vorhanden ist, dem Staate zufallen. Der Schatzfinder soll kein Eigentum erwerben, wenn er unerlaubt 1 gehandelt hat. Im Einzelnen erwirbt er es gar nicht, wenn er die Schatzsuche gegen ein bestehendes Verbot (zB ohne Bewilligung des Bundesdenkmalamtes nach § 11 DMSG) oder ohne Zustimmung des Eccher
371
Eigentumserwerb (Zueignung)
§ 401
Eigentümers des Fundortes unternommen hat (vgl SZ 55/146: Schatzsuche gegen die ausdrückliche Anordnung des Eigentümers; Anspruch des Grundeigentümers auch auf die Hälfte des „Angebers“ = Anzeigers; so Binder, SachenR Rz 19/11), oder er verliert es wieder, wenn er den Fund verheimlicht. In allen Fällen erwirbt das Eigentum, wer einer allfälligen Anzeige- und Abgabepflicht nach den §§ 390 f nachgekommen ist, im Übrigen der Staat, genauer der Bund (Spielbüchler/R Rz 1). § 401. Finden Arbeitsleute zufälliger Weise einen Schatz, so gebührt ihnen als Findern ein (Dritt)teil davon. Sind sie aber von dem Eigentümer ausdrücklich zur Aufsuchung eines Schatzes gedungen worden, so müssen sie sich mit ihrem ordentlichen Lohne begnügen. Lit: Knoll, Schatzfund und Denkmalschutz, JBl 2005, 212.
1 Erfolgt der Schatzfund bei Ausführung eines darauf gerichteten, mit
dem Grundeigentümer abgeschlossenen Vertrags, also in diesem Sinn nicht zufällig, gelten die Schatzfundregeln nicht für den unmittelbaren Finder, sondern allenfalls für den Eigentümer. Das gilt nach Knoll (JBl 2005, 216) auch für den Fall des Schatzfundes durch Hilfskräfte eines Dritten mit Erlaubnis des Grundeigentümers. (Vgl zur Bewilligungspflicht für gezielte Suchaktivitäten § 11 DMSG, die übrigens auch für den Grundeigentümer selbst gilt). Analog zur nunmehr ausdrücklichen Regel des § 399 gebührt dem jeweils Berechtigten aber nicht bloß ein Drittel, sondern die Hälfte des Schatzes. 3. von der Beute § 402. Über das Recht der Beute und der von dem Feinde zurückerbeuteten Sachen sind die Vorschriften in den Kriegsgesetzen enthalten. Lit: Seidl-Hohenveldern, Besatzungsrecht und Eigentum in der ehemaligen DDR und in Ostösterreich, 2. FS Schwind (1993) 215; Weiß, Eigentumserwerb nach Völkerrecht, ÖJZ 1947, 249; Wentzel, Der Erwerb von Beutegut und requirierten Sachen, ÖJZ 1946, 257.
1 Mit „Kriegsgesetzen“ ist in erster Linie die Haager Landkriegsord-
nung (RGBl 1913/180) gemeint. Danach kann der Krieg führende Staat, auch als Besatzungsmacht, bewegliche, zu Kriegszwecken dienende Sachen des Feindstaates und eingeschränkt von Angehörigen des Feindstaates erwerben (Art 42 ff). Zu beachten ist auch das Plün372
Eccher
Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 404
derungsverbot (Art 47; vgl OLG Wien EvBl 1948/843). Die Bestimmungen des VergütungsG betreffen die Inanspruchnahme von Sachen durch eine Besatzungsmacht (§§ 13 ff). Von dem Rechte aus der Rettung einer fremden beweglichen Sache § 403. Wer eine fremde bewegliche Sache von dem unvermeidlichen Verluste oder Untergange rettet, ist berechtigt, von dem rückfordernden Eigentümer den Ersatz seines Aufwandes, und eine verhältnismäßige Belohnung von höchstens zehn von Hundert zu fordern. Die hier geregelte Bergung (= Rettung vor dem unvermeidlichen Ver- 1 lust oder Untergang; vgl auch den Sonderfall des § 333) einer beweglichen Sache (zur Unanwendbarkeit auf unbewegliche Sachen vgl SZ 27/259: Fabrikanlage; krit Gschnitzer ua, SachenR 87) führt neben dem Aufwandersatz nach § 1036 (Geschäftsführung im Notfall) zum Anspruch des redlichen (SZ 27/262: Möbelwagen) Retters auf den dem Finderlohn verwandten Bergelohn (Ehrlichkeitsprämie). Die konkrete Bemessung innerhalb der Höchstgrenze erfolgt nach der aufgewendeten Mühe. Die Grenzen des Finderlohns (§ 393) sollten jedoch nur bei besonders gefahrvoller Bergung überschritten werden (Spielbüchler/R Rz 3). Bsp: ZBl 1921/159: Verhinderung eines Diebstahls; SZ 6/408: Rettung von Textilwaren aus einem Fluss.
Viertes Hauptstück Von Erwerbung des Eigentumes durch Zuwachs Zuwachs § 404. Zuwachs heißt alles, was aus einer Sache entsteht, oder neu zu derselben kommt, ohne daß es dem Eigentümer von jemand andern übergeben worden ist. Der Zuwachs wird durch Natur, durch Kunst, oder durch beide zugleich bewirkt. Die Bestimmung gibt einen allgemeinen Überblick über die verschie- 1 denen Arten von Zuwachs, worauf die folgenden Bestimmungen den dabei eintretenden originären Eigentumserwerb (vgl § 380 Rz 2) in den einzelnen Fällen näher regeln. Zuwachs entsteht entweder „aus einer Sache“ (Erzeugnis) oder tritt als bereits vorhandene Sache mit einer anderen in Verbindung (Sachverbindung). Dies kann jeweils wieder ohne menschliches Zutun („durch Natur“ = natürlicher ZuEccher
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Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 404
derungsverbot (Art 47; vgl OLG Wien EvBl 1948/843). Die Bestimmungen des VergütungsG betreffen die Inanspruchnahme von Sachen durch eine Besatzungsmacht (§§ 13 ff). Von dem Rechte aus der Rettung einer fremden beweglichen Sache § 403. Wer eine fremde bewegliche Sache von dem unvermeidlichen Verluste oder Untergange rettet, ist berechtigt, von dem rückfordernden Eigentümer den Ersatz seines Aufwandes, und eine verhältnismäßige Belohnung von höchstens zehn von Hundert zu fordern. Die hier geregelte Bergung (= Rettung vor dem unvermeidlichen Ver- 1 lust oder Untergang; vgl auch den Sonderfall des § 333) einer beweglichen Sache (zur Unanwendbarkeit auf unbewegliche Sachen vgl SZ 27/259: Fabrikanlage; krit Gschnitzer ua, SachenR 87) führt neben dem Aufwandersatz nach § 1036 (Geschäftsführung im Notfall) zum Anspruch des redlichen (SZ 27/262: Möbelwagen) Retters auf den dem Finderlohn verwandten Bergelohn (Ehrlichkeitsprämie). Die konkrete Bemessung innerhalb der Höchstgrenze erfolgt nach der aufgewendeten Mühe. Die Grenzen des Finderlohns (§ 393) sollten jedoch nur bei besonders gefahrvoller Bergung überschritten werden (Spielbüchler/R Rz 3). Bsp: ZBl 1921/159: Verhinderung eines Diebstahls; SZ 6/408: Rettung von Textilwaren aus einem Fluss.
Viertes Hauptstück Von Erwerbung des Eigentumes durch Zuwachs Zuwachs § 404. Zuwachs heißt alles, was aus einer Sache entsteht, oder neu zu derselben kommt, ohne daß es dem Eigentümer von jemand andern übergeben worden ist. Der Zuwachs wird durch Natur, durch Kunst, oder durch beide zugleich bewirkt. Die Bestimmung gibt einen allgemeinen Überblick über die verschie- 1 denen Arten von Zuwachs, worauf die folgenden Bestimmungen den dabei eintretenden originären Eigentumserwerb (vgl § 380 Rz 2) in den einzelnen Fällen näher regeln. Zuwachs entsteht entweder „aus einer Sache“ (Erzeugnis) oder tritt als bereits vorhandene Sache mit einer anderen in Verbindung (Sachverbindung). Dies kann jeweils wieder ohne menschliches Zutun („durch Natur“ = natürlicher ZuEccher
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Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 405
wachs nach §§ 405 ff: Tierprodukte, Bodenprodukte ohne Bearbeitung, Landbildung bei Gewässern durch Ablagerung), mit menschlichem Zutun („durch Kunst“ = künstlicher Zuwachs nach §§ 414 ff: Verarbeitung – insb durch Bauführung, Vereinigung, Vermengung, Vermischung) oder in gemischter Weise erfolgen („durch beide zugleich“ = vermischter Zuwachs nach §§ 420 ff: Bodenprodukte aufgrund von Bodenbearbeitung). I. Natürlicher Zuwachs: a) an Naturprodukten; b) Werfen der Tiere; § 405. Die natürlichen Früchte eines Grundes, nämlich solche Nutzungen, die er, ohne bearbeitet zu werden, hervorbringt, als: Kräuter, Schwämme und dergleichen, wachsen dem Eigentümer des Grundes, so wie alle Nutzungen, welche aus einem Tiere entstehen, dem Eigentümer des Tieres zu. 1 Die natürlichen Erzeugnisse (vgl § 404), die bis zur Abtrennung (Ab-
sonderung) unselbständige Sachen der Muttersache sind (§ 295 Rz 1), fallen als neu entstandene selbständige Sachen im Zweifel dem Eigentümer der Muttersache zu. Dies gilt analog auch für künstlichen, vom Eigentümer selbst erzeugten oder herbeigeführten Zuwachs (Spielbüchler/R Rz 1; zum Zuwachs mit fremdem Beitrag § 420). Abweichend hievon erwirbt jedoch nicht der Eigentümer, sondern der redlich besitzende Nichteigentümer (§ 330), ferner der zum Fruchterwerb dinglich Berechtigte (zB Fruchtgenussberechtigter § 519) und auch ein obligatorischer Fruchtberechtigter unter der Voraussetzung der Sachinhabung (Spielbüchler/R Rz 3) das Eigentum an den Früchten allein durch Absonderung. Andere Fruchtberechtigte erwerben erst durch Aneignung. Besondere Regeln gelten für den Überhang (§ 422) sowie für Jagd und Fischerei (§ 383). Bezüglich des Sammelns von Pilzen, Beeren uÄ wird stillschweigende Gestattung des Eigentümers und uU auch Gewohnheitsrecht angenommen (Gschnitzer ua, SachenR 91 unter Hinweis auf § 33 iVm § 174 Abs 3 lit b 2 ForstG). § 406. Der Eigentümer eines Tieres, welches durch das Tier eines andern befruchtet wird, ist diesem keinen Lohn schuldig, wenn er nicht bedungen worden ist. 1 Für die Deckung von Tieren kann nur aufgrund einer dahingehenden
Vereinbarung, allenfalls unter Beachtung landesgesetzlich geregelter 374
Eccher
Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 408
Deckungsgebühren für Zuchttiere, ein Entgelt verlangt werden. Ausgleichsansprüche nach Art der §§ 417 ff sind durch § 406 ausgeschlossen (Spielbüchler/R Rz 1 f). c) Inseln; § 407. [Wenn in der Mitte eines Gewässers eine Insel entsteht, so sind die Eigentümer der nach der Länge derselben an beiden Ufern liegenden Grundstücke ausschließend befugt, die entstandene Insel in zwei gleichen Teilen sich zuzueignen, und nach Maß der Länge ihrer Grundstücke unter sich zu teilen. Entsteht die Insel auf der einen Hälfte des Gewässers, so hat der Eigentümer des näheren Uferlandes allein darauf Anspruch. Inseln auf schiffbaren Flüssen bleiben dem Staate vorbehalten.] Lit: Grabmayr/Rossmann (Hrsg), Das österreichische Wasserrecht (1978); Kerschner/Weiß, Wasserrechtsgesetz 1959 idF der WRG-Novelle 2003 (2003); Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz (1962); Oberleitner, Das österreichische Wasserrechtsgesetz 1959 idF der WRG-Novelle 2003 (2004); Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht (1993).
Zu beachten ist § 4 Abs 5 WRG: „Das Eigentum an Inseln, die in 1 einem Gewässerbett entstehen, das zum öffentlichen Wassergut gehört, ist dem Bund auch dann vorbehalten, wenn die Insel nicht in einem schiffbaren Fluss (§ 407 ABGB) entsteht“. Ob neben dieser Bestimmung des WRG der § 407 wenigstens noch auf Privatgewässer Anwendung findet, ist str (ablehnend SZ 32/115; Klicka/S Rz 2; wohl zu Recht dafür Krzizek, Wasserrechtsgesetz 36; Gschnitzer ua, SachenR 98; Spielbüchler/R Rz 1). Jedenfalls finden die §§ 407–411 auf Seen und Teiche keine Anwendung (1 Ob 14/93 SZ 66/59: Ossiacher See; Klang/K I/2, 131). Soweit Anwendbarkeit bejaht wird, können die einer neu entstandenen Insel nächstliegenden Eigentümer der Ufergrundstücke (bei Inseln in der Flussmitte beide Ufereigentümer bezüglich der ihnen zugewandten Hälfte) Eigentum durch Aneignung erwerben (beachte aber den anders gelagerten Fall des § 408). § 408. Werden bloß durch die Austrocknung des Gewässers, oder durch desselben Teilung in mehrere Arme, Inseln gebildet, oder Grundstücke überschwemmt; so bleiben die Rechte des vorigen Eigentumes unverletzt. Die Bestimmung gilt auch für das öffentliche Wassergut (= nach § 4 1 Abs 1 WRG wasserführende und verlassene Bette öffentlicher Gewässer sowie deren Hochwasserabflussgebiet) und wurde vom WRG Eccher
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Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 409
nicht geändert (SZ 32/115; Spielbüchler/R Rz 1) und besagt, dass Veränderungen des Wasserstandes (arg: „... Austrocknung des Gewässers ...“) oder des Gewässerlaufs (arg: „... Teilung in mehrere Arme ...“) keine Änderung der Eigentumsverhältnisse mit sich bringen (abzugrenzen sind die Fälle des § 407; zu Ausgleichsansprüchen § 409). Ersitzung des freigelegten Bettes ist nur denkbar, soweit nicht öffentliches Wassergut vorliegt (§ 4 Abs 6 WRG; vgl hiezu JBl 1983, 480: Wörtherseeufer). d) vom verlassenen Wasserbette; § 409. Wenn ein Gewässer sein Bett verläßt, so haben vor allem die Grundbesitzer, welche durch den neuen Lauf des Gewässers Schaden leiden, das Recht, aus dem verlassenen Bette oder dessen Werte entschädigt zu werden. 1 Die durch die geänderte Wasserführung geschädigten Eigentümer
des nunmehrigen Flussbettes können nach Wahl der Eigentümer des freigelegten Flussbettes (§ 906) mit Grundflächen von dort (arg: „... aus dem verlassenen Bett ...“) oder durch einen Wertausgleich in Geld (arg: „... dessen Wert ...“) entschädigt werden. Zur Entscheidung für diesen im ABGB enthaltenen Anspruch sind die Gerichte zuständig (vgl dagegen § 117 WRG hinsichtlich der Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde für Entschädigungsansprüche uÄ nach dem WRG). § 410. [Außer dem Falle einer solchen Entschädigung gehört das verlassene Bett, so wie von einer entstandenen Insel verordnet wird, den angrenzenden Uferbesitzern.] 1 Die Bestimmung, die sich ursprünglich im Gegensatz zu § 408 nur
auf öffentliche Gewässer bezog, ist durch die nunmehr vertretene Einbeziehung auch des öffentlichen Guts in § 408 (s dort Rz 1) gegenstandslos. Eine Grundgewinnung durch das Regulierungsunternehmen im Zuge von Flussregulierungen ist seit der Aufhebung des § 46 WRG (WRG-Novelle 1990) nur mehr für Sachverhalte vor dem 1.7.1990 möglich (dazu etwa Grabmayr/Rossmann, Das österreichische Wasserrecht, 1978, 277 f). e) vom Anspülen; § 411. Das Erdreich, welches ein Gewässer unmerklich an ein Ufer anspült, gehört dem Eigentümer des Ufers. 376
Eccher
Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 413
Die Bestimmung sieht Eigentumserwerb durch Ablagerung von Erd- 1 reich und Verbindung mit dem Grundstück („alluvio“ = natürlicher Zuwachs; vgl die Übersicht bei § 404 Rz 1), nicht wie bei § 409 durch Zurückweichen des Wassers, vor. Nach hA gilt § 411 nur für fließende Gewässer (1 Ob 14/93 SZ 66/59: Ossiacher See; anders wohl zu Recht Spielbüchler/R Rz 3). Die Grenzänderung ist dem Vermessungsamt zu melden (§ 44 Abs 1 VermG). f) vom abgerissenen Lande § 412. Wird aber ein merklicher Erdteil durch die Gewalt des Flusses an ein fremdes Ufer gelegt; so verliert der vorige Besitzer sein Eigentumsrecht darauf nur in dem Falle, wenn er es in einer Jahresfrist nicht ausübt. Lit: Ganner, Eigentumsverhältnisse bei großflächigen Bodenverschiebungen, ÖJZ 2001, 781; s auch bei § 407.
Im Fall der Antreibung eines größeren, also individualisierbaren Erd- 1 stückes („avulsio“) und dessen Besitzergreifung durch den Ufereigentümer (Spielbüchler/R Rz 1) tritt Eigentumserwerb erst durch Nichtausübung des Eigentumsrechts innerhalb eines Jahres ein (Verschweigung). Die Veränderung der Grenze ist dem Vermessungsamt zu melden (§ 44 Abs 1 VermG). Zur analogen Anwendbarkeit auf großflächige Bodenverschiebungen wie Hangrutschungen vgl Ganner, ÖJZ 2001, 781 (im Allgemeinen bereits Ehrenzweig, System I/2, 282; Spielbüchler/R Rz 2). § 413. Jeder Grundbesitzer ist befugt, sein Ufer gegen das Ausreißen des Flusses zu befestigen. Allein niemand darf solche Werke oder Pflanzungen anlegen, die den ordentlichen Lauf des Flusses verändern, oder die der Schifffahrt, den Mühlen, der Fischerei oder andern fremden Rechten nachteilig werden könnten. Überhaupt können ähnliche Anlagen nur mit Erlaubnis der politischen Behörde gemacht werden. Das Recht (nicht die Pflicht; vgl aber auch § 42 WRG, insb Abs 2 zur 1 Pflicht der Duldung bzw Vornahme von Schutzmaßnahmen gegen Kostenersatz durch die Ufereigentümer) der Uferbefestigung nach S 1 wurde durch das WRG (insb § 41 Abs 3) nicht aufgehoben, jedoch modifiziert und eingegrenzt (Beschränkung auf nicht zur Schiff- und Floßfahrt benutzte Strecken, ausgedehnt auf Tätigkeiten der Räumung des Flussbettes und -ufers). Auch nach dem WRG sind öffentliche Interessen einschließlich der Erhaltung des natürlichen FlussEccher
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Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 414
laufes sowie die Rechte Dritter zu achten. UU sind über Auftrag der Wasserrechtsbehörde die getätigten Maßnahmen zu ändern oder ist der frühere Zustand wiederherzustellen (SZ 53/11). Zu beachten sind weiters die Regelungen des WRG zur Hintanhaltung von Überschwemmungen (§ 47), von Wasserverheerungen (§ 48), zur Hilfeleistung in Notfällen (§ 49) und zur Instandhaltungspflicht der Wasserberechtigten (§ 50). II. Künstlicher Zuwachs durch Verarbeitung oder Vereinigung überhaupt; § 414. Wer fremde Sachen verarbeitet; wer sie mit den seinigen vereinigt, vermengt, oder vermischt, erhält dadurch noch keinen Anspruch auf das fremde Eigentum. Lit: Holzner, Vermengung und Eigentum, JBl 1988, 564 und 632; Spielbüchler, Verarbeitung und Eigentumsvorbehalt, JBl 1968, 589.
1 Allgemein zu den §§ 414 ff (künstlicher Zuwachs iSd § 404): § 414
enthält den Grundsatz, dass Verbindungen von oder Arbeiten an Sachen (im Einzelnen § 415 Rz 1) allein keine Eigentumserwerbstitel (vgl § 380) darstellen. Lediglich im Fall und infolge der nicht mehr möglichen oder tunlichen (SZ 52/154: Vermengung von geliefertem Holz mit solchem des späteren Gemeinschuldners; vgl auch § 843) Wiederherstellung des vorigen Zustandes kommt es, vorrangig, zu einer Umgestaltung (insb Miteigentum oder Quantitätseigentum; vgl § 415 Rz 3) oder sonst zu einer Änderung der Eigentumsverhältnisse. Im letzten Fall wird Eigentumsverlust mit gleichzeitigem Entstehen von Ausgleichsansprüchen ausgeglichen. Handelt es sich um Sachen desselben Eigentümers, können die neuen Eigentumsverhältnisse für die Rechte Dritter an diesen Sachen (zB Pfandrecht, Servituten) bedeutsam sein (Spielbüchler/R Rz 7). Das Vorhandensein von Regelungen, aus denen sich die Eigentumsverhältnisse ergeben (zB Werkvertrag; vgl SZ 49/138; SZ 52/154), oder sonstiger Eigentumserwerbstitel (zB Ersitzung) schließt daher die Anwendbarkeit der §§ 415 ff aus. Die erwähnten vertraglichen Regelungen müssen jedoch zulässig sein (3 Ob 119/93 RdW 1994, 344: Vereinbarung selbständigen Eigentums an unselbständigen Bestandteilen ist rechtlich unmöglich). 2 Die in § 415 im Einzelnen getroffenen Lösungen variieren je nach der
Art der Sache (§§ 415 f: körperliche Sachen; zur Analogie für unkörperliche Sachen vgl SZ 25/327: Verschmelzung von Unternehmen als Gesamtsachen; §§ 417 ff: Bauführung bei unbeweglichen Sachen) und der Art der Verbindung bzw Verarbeitung (dazu § 415 Rz 1) und stel378
Eccher
Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 415
len zudem auf Wissen und Willen, Redlichkeit bzw Verschulden der handelnden Personen ab. § 415. Können dergleichen verarbeitete Sachen in ihren vorigen Stand zurückgebracht; vereinigte, vermengte oder vermischte Sachen wieder abgesondert werden; so wird einem jeden Eigentümer das Seinige zurückgestellt, und demjenigen Schadloshaltung geleistet, dem sie gebührt. Ist die Zurücksetzung in den vorigen Stand, oder die Absonderung nicht möglich, so wird die Sache den Teilnehmern gemein; doch steht demjenigen, mit dessen Sache der andere durch Verschulden die Vereinigung vorgenommen hat, die Wahl frei, ob er den ganzen Gegenstand gegen Ersatz der Verbesserung behalten, oder ihn dem andern ebenfalls gegen Vergütung überlassen wolle. Der Schuld tragende Teilnehmer wird nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht behandelt. Kann aber keinem Teile ein Verschulden beigemessen werden, so bleibt dem, dessen Anteil mehr wert ist, die Auswahl vorbehalten. Lit: F. Bydlinski, Probleme des Quantitätseigentums, JBl 1974, 32; Gitschthaler, Eigentums- und andere Rechte an einer Urkunde, RZ 1984, 4; s auch bei § 414.
Verarbeitung (Spezifikation) ist die Umgestaltung einer oder meh- 1 rerer Sachen oder Sachteile in eine neue Sache, was dann der Fall ist, wenn sie eine neue Bezeichnung, Form, Zweckbestimmung oder Verwendungsmöglichkeit hat (EvBl 1968/174; zum umstrittenen Erfordernis der Werterhöhung Spielbüchler/R Rz 3). Bsp: SZ 25/327: Anwendbarkeit auf Verschmelzung von Unternehmen; SZ 49/138: Herstellen von Blusen aus Blusenstoff; 1 Ob 607/95 JBl 1996, 653 krit Karollus = ecolex 1996, 337 Wilhelm; vgl auch in derselben Sache 1 Ob 49/99h JBl 2000, 233: Gewinnung von Steinen bei Tunnelbau; vgl dazu auch Kerschner, JBl 1997, 331; dagegen keine Verarbeitung: 4 Ob 62/90 SZ 63/127: Kopieren einer Urkunde. – Vereinigung ist nach allgemeiner Auffassung (vgl Gschnitzer ua, SachenR 91) als Zusammenführen körperlicher Sachen im Allgemeinen (JBl 1969, 272) der Oberbegriff für die Vermengung (gleichartige feste Gegenstände, zB Getreide), Vermischung (flüssige und gasförmige Stoffe, zB Erdöl, Erdgas) und Verbindung (ungleichartige feste Körper, zB durch Verschweißen uÄ). Bei vorhandener Rückführbarkeit (§ 414 Rz 1) muss die Trennung 2 bzw Absonderung in der wirtschaftlich sinnvollsten Weise erfolgen. Die Kosten sind verhältnismäßig auf die betroffenen Eigentümer aufzuteilen, sofern nicht einer dem anderen schadenersatzpflichtig ist. Eccher
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Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 416
Auch Ansprüche gegen Dritte sind denkbar (Spielbüchler/R Rz 2). Bei Vermengung von Gattungssachen wird Absonderbarkeit stets bejaht und bei Feststellbarkeit der Anteile (dazu etwa K/W I 320 f) schon vor der allfälligen Rückführung anstelle von Miteigentum iSv Bruchteilseigentum an der ungeteilten Sache (s Rz 3) sog Quantitätseigentum angenommen (zur Mengen- bzw Quantitätsvindikation zB 8 Ob 4/94 ecolex 1994, 812 Wilhelm sowie auch 6 Ob 2352/96t SZ 70/63: abgrenzbare Wertanteile verschiedener Eigentümer auf einem Konto). 3 Bei fehlender Rückführbarkeit entsteht, sofern es sich nicht um blo-
ße Ausbesserungen handelt (§ 416), Miteigentum im Verhältnis des Wertes der vereinigten Sachen bzw des Verhältnisses von Arbeitswert und Sachwert bei Verarbeitung/Vereinigung, und zwar nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Verarbeitung/Vereinigung (SZ 49/138: Herstellen von Blusenstoff; JBl 1986, 234 Czermak: Gemüsekonserven). Tritt durch die Vereinigung eine Wertminderung ein, gilt diese Regelung nur, wenn sie ein Dritter vorgenommen hat, ansonsten trifft die Wertminderung allein den handelnden Sacheigentümer (Spielbüchler/R Rz 3). 4 Der an der Verarbeitung/Vereinigung schuldlose Teil (oder im Fall
überhaupt fehlenden oder gleich starken Verschuldens der Eigentümer des wertvolleren Teils) kann anstelle der Beibehaltung des Miteigentums oder der Auflösung der Gemeinschaft nach allgemeinen Regeln (§§ 825 ff) auch das besondere Wahlrecht des § 415 ausüben: Er kann dem anderen gegen Erhalt eines Wert- (= Bereicherungs-)ausgleichs (gemeiner Wert für den Anteil) die Sache allein überlassen oder umgekehrt gegen die Zahlung des Wertausgleichs die Sache in sein Alleineigentum übernehmen (krit im Fall „aufgedrängter Kunst“, zB durch Besprayen einer Wand, Dittrich, FS Krejci, 2004, 146 f). Der Verarbeiter bzw Vereiniger ist redlich und als solcher zu behandeln, wenn er aus wahrscheinlichen Gründen (vgl § 326) glaubte, dass die verarbeiteten oder vereinigten Sachen ihm gehörten oder dass ihm die vorgenommenen Maßnahmen gestattet waren (zB JBl 1976, 43). § 416. Werden fremde Materialien nur zur Ausbesserung einer Sache verwendet, so fällt die fremde Materie dem Eigentümer der Hauptsache zu, und dieser ist verbunden, nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Verfahrens, dem vorigen Eigentümer der verbrauchten Materialien den Wert derselben zu bezahlen. Lit: S bei §§ 414, 415.
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Eccher
Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 417
Der Begriff Ausbesserung wird nach hA insofern extensiv ausgelegt, 1 als eine solche immer dann vorliegt, wenn eine (deutlich geringerwertige) Nebensache mit einer beweglichen oder auch unbeweglichen (Spielbüchler/R Rz 2) Hauptsache vereinigt (vermengt/vermischt/ verbunden; s § 415 Rz 1) wird oder auch wenn bei Verarbeitung der Arbeitsanteil deutlich überwiegt oder in den Hintergrund tritt. In diesem Fall tritt Zuwachs ohne Entstehung von Miteigentum, jedoch mit Ausgleichspflichten ein (§ 415 Rz 3). Zum Vorbehalt abweichender sachenrechtlich wirksamer Vereinbarungen und besonderen Eigentumserwerbstiteln s § 414 Rz 1. Rückführbarkeit ist mE auch im Anwendungsbereich dieser Bestimmung zu beachten (aA Spielbüchler/R Rz 3). Die Nebensache wird unselbständiger und damit sonderrechtsunfähiger (vgl § 294 Rz 7, 8) Bestandteil der Hauptsache. Bsp: SZ 57/192; 2 Ob 210/97i JBl 1998, 300 Holzner; 10 Ob 18/05b immolex 2006, 124: analoge Anwendung auf Grenzüberbau, wenn in Anspruch genommene Fläche nur geringfügig ist; dazu auch Binder, SachenR Rz 19/18 ff: Kabelmaterial für Kabelfernsehanlage; 4 Ob 266/97i SZ 70/185: Anwendbarkeit der Bestimmung auch bei Eigentümeridentität; Ausgleichsansprüche müssen natürlich entfallen; vgl auch § 418 Rz 4. insbesondere bei einem Baue § 417. Wenn jemand auf eigenem Boden ein Gebäude aufführt, und fremde Materialien dazu verwendet hat, so bleibt das Gebäude zwar sein Eigentum; doch muß selbst ein redlicher Bauführer dem Beschädigten die Materialien, wenn er sie außer den im § 367 angeführten Verhältnissen an sich gebracht hat, nach dem gemeinen; ein unredlicher aber muß sie nach dem höchsten Preise, und überdies noch allen anderweitigen Schaden ersetzen. Lit: Holzner, Gutgläubiger Rechtserwerb an Nebensachen, JBl 1994, 511 und 587; Ostheim, Zum Eigentumserwerb durch Bauführung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (1968); s auch bei § 414.
Die §§ 417 ff regeln den Sonderfall der Verbindung (vgl zur Termi- 1 nologie § 415 Rz 1) von Baumaterialien mit einem Grundstück, die nicht dem Grundeigentümer gehören, wobei unterschieden wird, ob der Grundeigentümer (§ 417), der Eigentümer der Materialien (§ 418) oder ein Dritter (§ 419) Bauführer ist (auch Kombinationen sind denkbar, zB Bauführung nur durch einen Miteigentümer des Grundstücks). Entsprechend der Regel des § 297 fällt ein mit fremden Baumaterialien errichtetes Gebäude (= grundfestes und auf Dauer errichtetes Bauwerk wie ein Haus, aber auch zB ein Keller; vgl Miet 47.022: Eccher
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Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 418
Straßenanlage; 1 Ob 519/96 SZ 69/50: Straße), also alles, was nicht Superädifikat (s § 435; vgl 7 Ob 222/00y NZ 2002, 180: Holzsteg) ist, grundsätzlich dem Grundeigentümer zu (Ausnahme § 418 S 3). Dabei entsteht nicht wie bei § 415 Miteigentum, sondern sind lediglich Ausgleichs- (= Bereicherungs-)ansprüche vorgesehen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen ist wie bei allen Fällen des künstlichen Zuwachses das Fehlen von vertraglichen Sonderregelungen oder sonstigen Eigentumserwerbstiteln (s § 414 Rz 1) sowie mangelnde Rückführbarkeit (s § 415 Rz 2). 2 Der bauführende Grundeigentümer (Fall 1, s Rz 1) hat nach der
vorliegenden Bestimmung den Eigentumserwerb mit einer Geldzahlung auszugleichen. Bei Redlichkeit (vgl § 326; dazu zB SZ 69/50) ist der gemeine Wert, bei Unredlichkeit der zeitlich und örtlich höchste erzielbare Preis einschließlich des Wertes der besonderen Vorliebe zu zahlen (§§ 335, 1331; Spielbüchler/R Rz 3). Dazu treten bei Verschulden des Bauführers Schadenersatzansprüche. § 418. Hat im entgegengesetzten Falle jemand mit eigenen Materialien, ohne Wissen und Willen des Eigentümers auf fremdem Grunde gebaut, so fällt das Gebäude dem Grundeigentümer zu. Der redliche Bauführer kann den Ersatz der notwendigen und nützlichen Kosten fordern; der unredliche wird gleich einem Geschäftsführer ohne Auftrag behandelt. Hat der Eigentümer des Grundes die Bauführung gewußt, und sie nicht sogleich dem redlichen Bauführer untersagt, so kann er nur den gemeinen Wert für den Grund fordern. Lit: Hofmeister, Bauführung auf fremdem Grund, FS Sutter (1983) 225; Jabornegg, Der Grenzüberbau im österreichischen Recht, FS Eichler (1977) 287; Mader, Der Grenzüberbau in der neueren Judikatur, bbl 1998, 111; Twaroch, Grenzüberbauten und Grundstücksgrenzen, NZ 1996, 80; s auch bei §§ 414, 415.
1 Eigentumserwerb des Grundeigentümers. Grundsätzlich fällt ent-
sprechend dem Grundsatz des § 297 das mit Materialien des Bauführers auf fremdem Grund errichtete Gebäude (dazu § 417 Rz 1) dem Grundeigentümer zu (zur allgemeinen Übersicht § 417 Rz 1). Ohne Entstehung von Miteigentum schuldet der Grundeigentümer dem redlichen (dazu § 417 Rz 2) Bauführer die Kosten der Bauführung für Arbeit und Material (arg: „... notwendigen ...“), soweit das Grundstück einen objektiven Wertzuwachs (arg: „... nützlichen ...“) erfahren hat. Dagegen kann der unredliche Bauführer (dazu § 417 Rz 2) nur jene Kosten verlangen, aus denen subjektiv ein Vorteil des Grund382
Eccher
Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 418
eigentümers entstanden ist (angewandte Geschäftsführung: § 1037; in Betracht kommen daher auch der Beseitigungsanspruch in den Fällen des § 1038 – dazu etwa 1 Ob 519/96 SZ 69/50 – und die Sanktionen des § 1040 bei Bauführung gegen den erklärten Willen des Grundeigentümers; vgl Spielbüchler/R Rz 3). Eigentumserwerb des Bauführers. Ausnahmsweise erwirbt der Bau- 2 führer durch die Bauführung das Eigentum (genauer das „außerbücherliche“ Eigentum, s § 431 Rz 6, und den Anspruch auf Verbücherung; zum Schutz gutgläubiger Rechtsnachfolger des Buchberechtigten EvBl 1961/244) an der für das Gebäude oder sonstige Bauwerk (dazu § 297 Rz 2) und deren Benützung erforderlichen Grundfläche (zB EvBl 1961/244). Es handelt sich um einen Fall der Verschweigung (vgl etwa K/W I 324). Voraussetzung ist, dass der Grundeigentümer (im Fall von Miteigentümern alle Teilhaber: EvBl 1966/370) von der Bauführung oder der diesbezüglichen Absicht (SZ 12/88) weiß und diese (vorwerfbar: SZ 29/60) nicht verbietet und weiters die Redlichkeit des Bauführers, die wohl entsprechend § 326 (s aber dort Rz 1) und § 367 bereits durch leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen wird. Bei eindeutigem und unstrittigem Grenzverlauf geht so die Grenzüberschreitung regelmäßig zu Lasten der Redlichkeit (zB 9 Ob 32/02z bbl 2003, 34; vgl auch 6 Ob 23/00a NZ 2001,305: Kenntnis von grundverkehrbehördlichen Beschränkungen schließt Redlichkeit aus; zur Problematik von „Scheinprozessen“ in diesem Bereich vgl Jordan, ZfV 2001, 381 ff). Nach der Rspr muss sich der Bauführer bei Bauführungen in der Nähe der Grundstücksgrenze besonders sorgfältig verhalten (SZ 69/50), während nach der Lehre (zB Spielbüchler/R Rz 5) die Sorgfaltsanforderungen auch in diesen Fällen nicht überspannt werden dürfen und in etwa dem Maßstab redlichen Ersitzungsbesitzes gleichen. Die Bestimmung lässt sich auch auf die Bauführung durch einen Miteigentümer anwenden (Spielbüchler/R Rz 8; aA SZ 36/117). Die Änderung der Eigentumsgrenzen ist dem Vermessungsamt zu melden (§ 44 Abs 1 VermG). Sonstige Regelungen. Wie stets im Bereich der §§ 414 ff (vgl allge- 3 mein § 414 Rz 1) gehen auch im Fall des § 418 S 3 eigentumswirksame Regelungen (zu allenfalls bloß schuldrechtlich wirksamen vgl SZ 58/12) oder das Vorhandensein anderer Eigentumserwerbstitel bzw auch allfällige Ausschlüsse originären Eigentumserwerbs vor (vgl 3 Ob 2125/96p SZ 69/101: Ersitzungsverbot; zuletzt 4 Ob 299/00z bbl 2001, 79; 9 Ob 100/04b JBl 2005, 714). Vertragliche Regelungen können auch die Relevanz der einzelnen Elemente des originären Eigentumserwerbs des Bauführers abschwächen oder verstärken (zB JBl 1976, 43: Eigentumserwerb schon bei bloßem Stillschweigen des Eccher
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Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 419
Eigentümers oder nach SZ 50/141 bei bloßer Bauführung). Strittig ist, ob originärer Eigentumserwerb noch eintreten kann, wenn der Grundeigentümer dem Bauführer die Veräußerung zugesagt, aber später nicht zugehalten hat, wobei hier nicht die Bauführung, sondern die Vereitelung der Übereignung auslösendes Moment sein soll (so Ostheim, Zum Eigentumserwerb durch Bauführung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, 1968, 54 ff; aA wohl zu Recht Spielbüchler/R Rz 7). 4 Grenzüberbau. Erfolgt die Bauführung teils auf eigenem, teils auf
fremdem Grund (daher zu Recht krit Binder, SachenR Rz 19/25 zu SZ 49/31 bezüglich Bauwerk, das auf eigenes, nicht verpfändetes Grundstück hinüberragt), ist insb § 418 S 3 ebenfalls anwendbar (zB SZ 51/143; 3 Ob 516, 517/90 SZ 63/100). Liegen dessen Voraussetzungen (Verschweigung des Nachbareigentümers und Redlichkeit des Bauführeres; vgl zum Letzteren va auch Rz 2 hinsichtlich Bauführungen in der Nähe der Grundstücksgrenze) nicht vor, erwirbt der Nachbareigentümer den in sein Grundstück ragenden Gebäudeteil gemäß § 418 S 1 und 2 (Klicka/S Rz 21). Gegenläufig wirkt aber missbräuchliche Rechtsausübung des Nachbareigentümers (vgl bbl 2003, 34: Interessenabwägung) oder die analoge Anwendung des § 416 bei Geringfügigkeit (s dort Rz 1). § 419. Ist das Gebäude auf fremdem Grunde, und aus fremden Materialien entstanden, so wächst auch in diesem Falle das Eigentum desselben dem Grundeigentümer zu. Zwischen dem Grundeigentümer und dem Bauführer treten die nämlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie in dem vorstehenden Paragraphen, ein, und der Bauführer muß dem vorigen Eigentümer der Materialien, nach Beschaffenheit seiner redlichen oder unredlichen Absicht, den gemeinen oder den höchsten Wert ersetzen. Lit: Apathy, Verwendungsanspruch, insb 36 ff, 69 ff; s auch bei §§ 417, 418.
1 Baut der Bauführer mit fremden Materialien auf fremdem Grund,
wächst das Gebäude (vgl § 417 Rz 1) nach § 418 S 1 und 2 (S 3 findet keine Anwendung: Spielbüchler/R Rz 1) dem Eigentümer unter Entstehen der dort vorgesehenen Ausgleichsansprüche gegenüber dem Bauführer zu. Der Materialeigentümer seinerseits kann gegenüber dem Bauführer Ausgleich nach § 417 verlangen. Diskutiert wird auch unter Einbeziehung der Wertung des § 367 ein direkter Verwendungsanspruch des Materialeigentümers gegen den Grundeigentümer nach § 1041 (dafür zB K/W I 324; Apathy, Verwendungsanspruch 38; aA Klang/K II 292; ausführlich und differenzierend Klicka/S Rz 1 f, wo384
Eccher
Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 421
nach ein Direktanspruch gegen den Grundeigentümer, und damit auch eine vergrößerte Haftungsgrundlage, nur dann bestehen soll, wenn der Materialeigentümer die Sachen nicht freiwillig aus der Hand gegeben hat, zB bei Diebstahl, und weiters der Grundeigentümer diese nicht entgeltlich vom Bauführer erworben hat). III. Vermischter Zuwachs § 420. Was bisher wegen der mit fremden Materialien aufgeführten Gebäude bestimmt worden ist, gilt auch für die Fälle, wenn ein Feld mit fremdem Samen besät, oder mit fremden Pflanzen besetzt worden ist. Ein solcher Zuwachs gehört dem Eigentümer des Grundes, wenn anders die Pflanzen schon Wurzel geschlagen haben. Das ABGB wendet auf das Säen und Pflanzen auf fremdem Grund 1 oder mit fremden Samen und Pflanzen (oder beidem) wie bei Bauführung die §§ 417, 418 und 419 an, jedoch ohne den originären Eigentumserwerb am Grund nach § 418 S 3. Die nicht mehr mögliche Rückführung tritt bei Samen mit dem Aussäen, bei Pflanzen mit dem Wurzelschlagen (S 2) ein (zum Beseitigungsanspruch des Grundeigentümers nach Schadenersatzrecht vgl GlUNF 6659). Für das Ziehen von Pflanzen in – beweglichen – Blumentöpfen uÄ gelten allenfalls die §§ 414 ff (Spielbüchler/R Rz 3). Durch ein Rechtsverhältnis zwischen Grundeigentümer und Eigentümer des Saat-(Pflanzen-)gutes (zB Pachtverhältnis) können sich Änderungen ergeben (zB SZ 15/240: Pflanzen in gepachteter Baumschule bleiben selbständig; 2 Ob 2176/96f SZ 69/201: Pächter kann von ihm gesetzte Bäume und Sträucher jederzeit wieder entfernen; vgl allgemein Gschnitzer ua, SachenR 97 f). Zum (früheren) Baumeigentum in Tirol vgl Art III RGBl 1897/77; zum Fruchterwerb § 405 Rz 1. § 421. Das Eigentum eines Baumes wird nicht nach den Wurzeln, die sich in einem angrenzenden Grunde verbreiten, sondern nach dem Stamme bestimmt, der aus dem Grunde hervorragt. Steht der Stamm auf den Grenzen mehrerer Eigentümer, so ist ihnen der Baum gemein. Lit: P. Bydlinski, Neuerungen im Nachbarrecht, JBl 2004, 86.
Das Eigentum an einem Baum (zur Analogie auf Sträucher SZ 55/69; 1 differenzierend nach den einzelnen Trieben P. Bydlinski, JBl 2004, 97 FN 62 f) richtet sich nach der Stelle des Austritts des Stammes aus dem Boden. Eine Verpflichtung, Pflanzungen in einem gewissen Abstand Eccher
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Eigentumserwerb (Zuwachs)
§ 422
zur Grundstücksgrenze zu halten, besteht nicht (Erl 173 BlgNR 22. GP 14), was sich aber richtigerweise nicht mit § 421 begründen lässt (P. Bydlinski, JBl 2004, 96). Der Nachbar kann vom Baumeigentümer weder die Unterlassung des Ausbreitens der Äste und Wurzeln (SZ 55/69) noch deren Beseitigung verlangen (SZ 58/121; EvBl 1988/47; dies auch nicht als unmittelbare Immission gemäß § 364, s dort Rz 4; zu den Rechten der Nachbarn s nunmehr § 422). Der Grenzbaum, durch dessen Stamm die Grundstücksgrenze verläuft, steht im Miteigentum (vgl Gschnitzer ua, SachenR 69; zu Unrecht für real geteiltes Eigentum noch Klang/K II 294). § 422. (1) Jeder Eigentümer kann die in seinen Grund eindringenden Wurzeln eines fremden Baumes oder einer anderen fremden Pflanze aus seinem Boden entfernen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst benützen. Dabei hat er aber fachgerecht vorzugehen und die Pflanzen möglichst zu schonen. Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz bleiben unberührt. (2) Die für die Entfernung der Wurzeln oder das Abschneiden der Äste notwendigen Kosten hat der beeinträchtigte Grundeigentümer zu tragen. Sofern diesem aber durch Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder offenbar droht, hat der Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der notwendigen Kosten zu ersetzen. [idF BGBl I 2003/91] Lit: Kathrein, Mehr Licht, ecolex 2003, 894; s auch bei § 364.
1 Der Nachbar kann den Überhang bzw die in sein Grundstück wach-
senden Wurzeln als Eigentümer (die Erl 173 BlgNR 22. GP 14 sprechen vom Eigentumserwerb durch Aneignung) nutzen (Spielbüchler/R Rz 1) und eben auch entfernen (zur Frage der erforderlichen Beiziehung von Fachleuten Kathrein, FS Michalek 186), aber nicht auf das Nachbargrundstück zurückwerfen (LG Salzburg 21 R 228/02d EF 100.520). Dieses als Unterfall erlaubter Selbsthilfe qualifizierbare Überhangsrecht ist gemäß den durch das ZivRÄG neu eingefügten S 2 und 3 des Abs 1 (vgl auch § 364 Abs 3) im Interesse des Baumeigentümers (Schonung der Pflanze) und im öffentlichen Interesse eingeschränkt (zu den damit auch erfassten ökologischen Interessen Erl 173 BlgNR 22. GP 14; früher schon § 14 ForstG). Unklar bleibt, inwieweit das Selbsthilferecht des § 422 Exklusivität beansprucht und 386
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 424
etwa Ansprüche wegen Eigentumsstörungen nach § 523 (actio negatoria) oder wegen unmittelbarer Zuleitung (zu mittelbaren Immissionen § 364 Rz 5) nach § 364 Abs 2 ausschließt (für weitgehende Anspruchskonkurrenz und auch Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Rechtswidrigkeit Kissich/Pfurtscheller, ÖJZ 2004, 719; für Negatorienklage bei schief gewachsenen Stämmen Gschnitzer ua, SachenR 69, aA offenbar Spielbüchler/R Rz 3; zum Fruchterwerb vgl § 405 Rz 1). Als Bsp für eingetretene oder offenbar (krit zu diesem Kriterium 2 Rummel, JBl 2003, 956) drohende Schäden, die zur neu eingeführten Kostenbeitragspflicht des Baumeigentümers für die Beseitigung von Ästen oder Wurzeln führen können (Abs 2), nennen die Erl 173 BlgNR 22. GP 14 f: Zerstörung oder Verstopfung von Wasser- und Kanalleitungen, erhebliche Anhebung von Platten eines Weges, Schäden durch hereinragende Äste am Dach oder der Fassade eines Gebäudes oder an Fahrzeugen am Grundstück.
Fünftes Hauptstück Von Erwerbung des Eigentumes durch Übergabe Mittelbare Erwerbung § 423. Sachen, die schon einen Eigentümer haben, werden mittelbar erworben, indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigentümer auf einen andern übergehen. Abweichend vom Begriffverständnis in § 314 verwendet hier das Ge- 1 setz den Begriff „mittelbar“ für derivativ, so dass „unmittelbar“ originär bedeutet (s bereits § 314 Rz 1). Der Grundsatz, dass beim derivativen Erwerb niemand mehr Rechte übertragen kann als er selbst hat, kommt hier deutlich zum Ausdruck und entspricht § 442 S 3. Titel derselben § 424. Der Titel der mittelbaren Erwerbung liegt in einem Vertrage; in einer Verfügung auf den Todesfall; in dem richterlichen Ausspruche; oder, in der Anordnung des Gesetzes. Lit: Hackl, Dingliche oder obligatorische Wirkung der Vertragsaufhebung bei Irrtum, Rücktritt und Wandlung? ÖJZ 1977, 533; Spielbüchler, Schuldverhältnis 101 ff. Eccher
387
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 424
etwa Ansprüche wegen Eigentumsstörungen nach § 523 (actio negatoria) oder wegen unmittelbarer Zuleitung (zu mittelbaren Immissionen § 364 Rz 5) nach § 364 Abs 2 ausschließt (für weitgehende Anspruchskonkurrenz und auch Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Rechtswidrigkeit Kissich/Pfurtscheller, ÖJZ 2004, 719; für Negatorienklage bei schief gewachsenen Stämmen Gschnitzer ua, SachenR 69, aA offenbar Spielbüchler/R Rz 3; zum Fruchterwerb vgl § 405 Rz 1). Als Bsp für eingetretene oder offenbar (krit zu diesem Kriterium 2 Rummel, JBl 2003, 956) drohende Schäden, die zur neu eingeführten Kostenbeitragspflicht des Baumeigentümers für die Beseitigung von Ästen oder Wurzeln führen können (Abs 2), nennen die Erl 173 BlgNR 22. GP 14 f: Zerstörung oder Verstopfung von Wasser- und Kanalleitungen, erhebliche Anhebung von Platten eines Weges, Schäden durch hereinragende Äste am Dach oder der Fassade eines Gebäudes oder an Fahrzeugen am Grundstück.
Fünftes Hauptstück Von Erwerbung des Eigentumes durch Übergabe Mittelbare Erwerbung § 423. Sachen, die schon einen Eigentümer haben, werden mittelbar erworben, indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigentümer auf einen andern übergehen. Abweichend vom Begriffverständnis in § 314 verwendet hier das Ge- 1 setz den Begriff „mittelbar“ für derivativ, so dass „unmittelbar“ originär bedeutet (s bereits § 314 Rz 1). Der Grundsatz, dass beim derivativen Erwerb niemand mehr Rechte übertragen kann als er selbst hat, kommt hier deutlich zum Ausdruck und entspricht § 442 S 3. Titel derselben § 424. Der Titel der mittelbaren Erwerbung liegt in einem Vertrage; in einer Verfügung auf den Todesfall; in dem richterlichen Ausspruche; oder, in der Anordnung des Gesetzes. Lit: Hackl, Dingliche oder obligatorische Wirkung der Vertragsaufhebung bei Irrtum, Rücktritt und Wandlung? ÖJZ 1977, 533; Spielbüchler, Schuldverhältnis 101 ff. Eccher
387
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 425
1 § 424 (iVm § 425) bekräftigt den schon in § 380 enthaltenen Grund-
satz der kausalen Übereignung (s auch bei § 380: Erfordernis von Titulus und Modus) des österreichischen Rechts, der für den Erwerb aller dinglichen Rechte (zB 6 Ob 325/99h immolex 2001, 14: Umgehungsabsicht im Grundverkehr führt zu Titelnichtigkeit und verhindert Eigentumserwerb), aber auch für den Forderungserwerb durch Zession gilt (§ 1392 Rz 5). 2 Als möglicher Rechtstitel in Frage kommt in erster Linie ein (auf Eigen-
tumserwerb oder den sonstigen Rechtserwerb gerichtetes) Rechtsgeschäft (ausdrücklich genannt Vertrag, letztwillige Verfügung; dazu aber auch Auslobung; vgl auch § 1461). Vertragliche Rechtstitel können neben gesetzlich geregelten Vertragstypen (zB Kauf, Tausch, Schenkung, Gesellschaftsvertrag mit Sacheinlageverpflichtung) auch anerkannte atypische Verträge sein (zB Leasingvertrag hinsichtlich der Kaufoption; Abbauvertrag: SZ 47/27; Sicherungsübereignungsabrede: EvBl 1967/357; vgl auch § 10 Abs 3 KO bzw AO; Treuhandvertrag; 5 Ob 67/92 NZ 1993, 238: gesellschaftliche Auseinandersetzung; 5 Ob 143/92 NZ 1993, 178: Rückgängigmachung einer Übereignung). Ein Vertrag zugunsten Dritter (vgl 4 Ob 506/91 SZ 64/18) kann den Eigentumserwerb im Einlösungsverhältnis zwischen dem Versprechenden und dem Begünstigen rechtfertigen (zur Frage der Formpflicht bei Schenkung im Valutaverhältnis § 881 Rz 5). Weiters können Bedingungen und auch Befristungen die Verfügung über den Eigentumserwerb aufschieben (zB Eigentumsvorbehalt: § 1063 Rz 4; vgl auch § 425 Rz 1) oder auflösen (zB Sicherungsübereignung bei Wegfall des Sicherungszwecks; vgl § 358 Rz 3, 4). Weiters kommen richterliche (zB Zuschlag) oder verwaltungsbehördliche (zB Enteignung) Rechtsakte und unmittelbar das Gesetz selbst (zB gesetzliche Schuldverhältnisse) in Frage. 3 Fällt der Rechtstitel nachträglich weg, ist zu unterscheiden: Bei
dinglicher ex-tunc-Wirkung wegen sog Wurzelmängel (so nach hA zB bei Anfechtung wegen Willensmängeln, s § 871 Rz 20; zur Aufhebung wegen laesio enormis § 934 Rz 5) fallen das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte automatisch zurück, bei bloß obligatorischer extunc-Wirkung (zB bei Rücktritt, Wandlung) muss das Eigentum zurückübertragen werden (vgl § 918 Rz 5). Mittelbare Erwerbungsart § 425. Der bloße Titel gibt noch kein Eigentum. Das Eigentum und alle dingliche Rechte überhaupt können, außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen, nur durch die rechtliche Übergabe und Übernahme erworben werden. 388
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 425
Lit: F. Bydlinski, Die rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen der Eigentumsübertragung nach österreichischem Recht, FS Larenz (1973) 1027; Koziol, Streckengeschäft und Anweisung, JBl 1977, 617; Lurger, Die Zession im sachenrechtlichen Übertragungssystem des ABGB, FS Welser (2004) 639; Mayrhofer, Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft, FS Schnorr (1988) 613; A. Meinhart, Die Übertragung des Eigentums (1988); Spielbüchler, Übereignung durch mittelbare Leistung, JBl 1971, 589; s auch bei § 424.
Eigentum und dingliche Rechte werden derivativ – auf der Grundlage 1 eines gültigen Rechtstitels (insb §§ 380, 425) – durch Übergabe bzw Tradition („rechtliche Übergabe und Übernahme“) erworben (Erwerbungsart). Bei beweglichen körperlichen Sachen (zur Übertragung von Forderungen s bei § 1392) erfolgt die Übergabe durch Besitzübertragung in den Formen der §§ 426 ff. Zu beachten ist die Einschränkung beim Erwerb von Sicherungsrechten durch das Faustpfandprinzip nach §§ 451 f und beim Erwerb aufgrund von formlosen Schenkungen durch das Erfordernis der wirklichen Übergabe (s § 943 Rz 1, 5 ff). Die Übergabe galt nach früherer Lehre (auch) als dinglicher Vertrag (zB Klang/K II 306 ff; vgl aber wieder K/W I 325 ff), wird heute aber überwiegend als bloßer Realakt angesehen, der den Rechtsübergang im Zusammenhang mit der bereits im Grundgeschäft liegenden Einigung perfektioniert (vgl 7 Ob 39/94 SZ 67/213; Spielbüchler, JBl 1971, 592; dens, Schuldverhältnis 109 ff; F. Bydlinski/K IV/2, 110 ff, 370 ff; dens, FS Larenz 1027 ff; krit Welser, JBl 1975, 219 ff; s auch § 1063 Rz 2). Der aufschiebend bedingte Eigentumserwerb beim Eigentumsvorbehalt gründet sich entweder auf eine Abrede der Vertragspartner im Grundgeschäft (vgl 6 Ob 306/02x JBl 2003, 856: fehlende Vereinbarung wegen sich in diesem Punkt widersprechender AGB) oder auf eine einseitige Erklärung des Verkäufers gemäß § 1052 (daher unwirksam bei vereinbarter Vorausleistungspflicht des Lieferanten, JBl 2003, 856; vgl dazu auch Gschnitzer ua, SachenR 103 f). – Dingliche Rechte an verbücherten Liegenschaften werden durch die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch übergeben, die Aufsandungserklärung des Veräußerers (§ 433 ABGB, § 32 GBG) stellt mE dessen Teil der dinglichen Verfügung dar (Näheres §§ 431 ff; zur Aufsandungserklärung § 433 Rz 4). Besondere Fälle der Übergabe. Dingliche Rechte an nicht verbücher- 2 ten Liegenschaften werden durch Urkundenhinterlegung erworben (§ 434); dasselbe gilt für Superädifikate (§ 435; vgl dort auch zum Baurecht). Bei der Zwangsversteigerung erfolgt der Eigentumserwerb an beweglichen und unbeweglichen Sachen durch Zuschlag (§ 237 EO; vgl SZ 26/281), bei der Enteignung durch Besitzerwerb an der Entschädigungssumme (§ 380 Rz 4). Der Erwerb der Erbschaft vollzieht Eccher
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Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 426
sich nach ähnlichen Grundsätzen auf der Grundlage des subjektiven Erbrechts (Titel) durch Einantwortung (Modus) bzw erfolgreiche Erbschaftsklage (vgl Eccher, ErbR Rz 6/1 ff, dort auch zu Einantwortungssurrogaten). 3 Beim sog Streckengeschäft werden über dieselbe bewegliche Sache
(Ware) hintereinander mindestens zwei Erwerbsgeschäfte, idR Kaufverträge, abgeschlossen (zB Lieferant A mit Zwischenhändler B, Zwischenhändler B mit Zweitkäufer C). Die Sache soll aber der Einfachheit halber nur einmal, nämlich direkt von A dem C übergeben werden und C soll dadurch die mit B vereinbarte Rechtsposition (Eigentum, allenfalls auch Lieferung unter Eigentumsvorbehalt zugunsten von B) erhalten. Sind beide Titelgeschäfte gültig (Titelkette), kann der Rechtserwerb des C auf mehrere Konstruktionen gestützt werden (insb Abtretung der Forderung des B gegen A an C; Übernahme der Schuld des B gegenüber C durch A; Vertrag des A mit B zugunsten des C; Anweisung des B an A, dem C zu leisten; vgl K/W I 329 f; Aicher/R § 1061 Rz 14) und wird auch ohne einen solchen Vereinbarungsinhalt befürwortet (Spielbüchler/R Rz 5). Die Rspr betont, dass C immer dann und insofern Rechte erwirbt, als er bei Leistungsabwicklung „im Dreieck“ erhalten hätte (vgl 3 Ob 84/02b ÖBA 2004, 944 Holzner: Sauna). Ein Eigentumsvorbehalt zwischen A und B wirkt sich auf C aus, wenn dem C gegenüber deutlich erklärt wird, dass A mit einer Weiterveräußerung in das volle Eigentum des C durch B nicht einverstanden ist (vgl JBl 1984, 671; abschwächend ÖBA 2004, 944 Holzner). Wäre B wegen eines ungültigen Titels im Verhältnis zu A oder wegen fehlenden Eigentums des A nicht Eigentümer geworden, hängt der Eigentumserwerb von der analog anzuwendenden Bestimmung des § 367 ab (vgl Spielbüchler, Schuldverhältnis 147 ff). – Die dem Streckengeschäft vergleichbare Vorgangsweise im Bereich von Liegenschaftsrechten regelt § 22 GBG, wonach bei Weiterveräußerung vor Einverleibung mit Zustimmung der Zwischenmänner direkt der Letzterwerber im Grundbuch eingetragen werden kann (dazu SZ 26/147). Arten der Übergabe: 1. bei beweglichen Sachen: a) körperliche Übergabe; § 426. Bewegliche Sachen können in der Regel nur durch körperliche Übergabe von Hand zu Hand an einen andern übertragen werden. Lit: S bei §§ 425, 451.
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Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 427
Unter körperlicher Übergabe (Übergabe „von Hand zu Hand“) ver- 1 steht man die Verschaffung der tatsächlichen Gewahrsame zugunsten des Übernehmers, wobei es auf die Verkehrsauffassung ankommt (zum Verhältnis zur „wirklichen“ Übergabe in § 943 vgl 9 Ob 151/04b ÖBA 2006, 136 P. Bydlinski; s auch § 943 Rz 5). Danach ist die Möglichkeit der ausschließlichen Einwirkung entscheidend, nicht unbedingt das tatsächliche Berühren der Sache (SZ 37/48: Schenkung), und auch nicht die Ortsveränderung (JBl 1964, 265) oder das zeitliche Zusammenfallen von Übergabe und Übernahme (JBl 1975, 145 F. Bydlinski, dazu gleich unten). Die Gewahrsame als Innehabung verschafft dem Erwerber zugleich den Besitz an der Sache (vgl § 309), wobei auch hiezu Beauftragte des Übergebers oder auch des Übernehmers als Besitzdiener oder Besitzmittler tätig sein können (vgl Klicka/S Rz 8; JBl 1932, 60; ZVR 1964/277: Dem Beauftragten des Übernehmers wird das Kraftfahrzeug sofort zur Benützung überlassen). – Weitere Bsp: SZ 43/226: Beim Abstockungsvertrag genügt Absonderung des Nutzholzes; konsequenterweise müsste die Absonderung auch bei einem Abbauvertrag genügen (anders jedoch JBl 1975, 145 krit F. Bydlinski: OGH verlangt Aussortieren der Steine; dagegen ASG Wien 15 Cga 46/02x ARD 5406/12/2003: Legt der Arbeitgeber Geld auf ein Pult vor dem Arbeitnehmer, ist Gehalt nicht gezahlt, wenn ein anderer Arbeitnehmer das Geld vorher an sich nimmt). Leben Übergeber und Übernehmer im selben Haushalt, sind die 2 Anforderungen an die körperliche Übergabe herabgemildert, Einigung über den Besitzübergang allein kann ausreichen (SZ 41/37), was – abgesehen von der Begründung von Sicherungsrechten (vgl SZ 48/75: Ausschluss der Benützungsmöglichkeit des Übernehmers) – wegen der ebenfalls zulässigen Übergabe durch Erklärung (§ 428) keine Problematik darstellt (vgl SZ 31/161: Deutung als Übergabe kurzer Hand; s auch § 427 Rz 1). – Bei Übergabe an mehrere Erwerber ist diesen die gemeinsame Gewahrsame zu ermöglichen (EvBl 1966/233: gemeinsam erworbener Fernsehapparat wird in die Ehewohnung gebracht), wobei dies nach Spielbüchler/R Rz 6 gegen SZ 46/50 auch analog für die Übergabe leicht teilbarer Mengen bei Quantitätseigentum gelten soll. b) Übergabe durch Zeichen; § 427. Bei solchen beweglichen Sachen aber, welche ihrer Beschaffenheit nach keine Übergabe zulassen, wie bei Schuldforderungen, Frachtgütern, bei einem Warenlager oder einer anderen Gesamtsache, gestattet das Gesetz die Übergabe durch Zeichen; indem der Eccher
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Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 427
Eigentümer dem Übernehmer die Urkunden, wodurch das Eigentum dargetan wird, oder die Werkzeuge übergibt, durch die der Übernehmer in den Stand gesetzt wird, ausschließend den Besitz der Sache zu ergreifen; oder, indem man mit der Sache ein Merkmal verbindet, woraus jedermann deutlich erkennen kann, daß die Sache einem andern überlassen worden ist. Lit: Avancini, Das Sparbuch im österreichischen Recht (1973); ders, Die Sparurkunde aus zivil- und strafrechtlicher Sicht, ÖJZ 1986, 353; Frotz, Kreditsicherungsrecht, insb 228 ff; s auch bei §§ 425, 452.
1 Allgemein. Die Übergabe durch Zeichen, auch „symbolische“
Übergabe genannt, ersetzt (nur) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die körperliche Übergabe, ist also insofern subsidiär. Die Bedeutung der Abgrenzung der beiden Übergabsformen voneinander ist jedoch dadurch relativiert, dass in der symbolischen Übergabe auch eine Übergabe durch Erklärung steckt (so Spielbüchler/R Rz 1) und eine solche bei der schlichten Übereignung schon für sich allein neben den anderen Übergabeformen zulässig ist (§ 428). Praktisch bedeutsam sind die Frage der Zulässigkeit (Rz 2) und die gesetzlichen Voraussetzungen (Rz 3) der symbolischen Übergabe hingegen bei der Begründung von Sicherungsrechten (dazu § 451 Rz 3 ff und § 452 Rz 1 ff) und bei der wirklichen Übergabe formloser Schenkungen (dazu § 943 Rz 1, 5 ff), wo jedenfalls Besitzkonstitut nicht hinreicht. 2 Anwendungsbereich. Bei körperlichen beweglichen Sachen ist sym-
bolische Übergabe zulässig, wenn eine körperliche Übergabe aufgrund ihrer Beschaffenheit (zB Gewicht, Sperrigkeit, Gefährdung durch Transport uÄ) physisch unmöglich oder wenigstens wirtschaftlich „untunlich“ ist, dh nicht mit vernünftigen Aufwendungen zu bewerkstelligen wäre. Bsp für die Zulässigkeit: SZ 9/199: 500 kg schwere Statue; EvBl 1967/357: 900 kg schwere Maschine; JBl 1980, 435: Rinderbestand (OGH verlangt wohl zu Unrecht Pfandhalter); 3 Ob 2442/96f ÖBA 1998, 216 krit Spielbüchler: Warenlager als größere Gesamtsache; Bsp für Unzulässigkeit: SZ 44/157: Tankwagenanhänger; SZ 58/1: Kraftfahrzeug; JBl 1985, 541: kleineres Warenlager. – Frachtgüter, eingelagerte Güter usw kommen für eine symbolische Übergabe in Frage, wenn die körperliche Übergabe wegen der Entfernung oder der Unbestimmtheit des Lageortes nicht tunlich erscheint. – Gewöhnliche Forderungen werden nach hA durch Zession (§ 1392) und ohne weiteren Modus übertragen (zu Überlegungen für das Erfordernis eines gesonderten Übertragungsakts auch bei Vollzessionen vgl Lurger, FS Welser 651 ff). Unter § 427 fallen aber jedenfalls 392
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 428
verbriefte Forderungen. Bsp: Wechsel, Scheck, Sparbuch (zB SZ 7 Ob 610/95 SZ 69/119), Sparbrief (zB SZ 61/78), Lebensversicherungspolizze auf den Inhaber (SZ 42/72). Soweit zur Rechtsausübung in den genannten Fällen die Kenntnis eines Losungsworts erforderlich ist, tritt die Pflicht zu dessen Bekanntgabe neben die Pflicht zur Übergabe des Papiers (vgl SZ 54/51). Zu beachten ist, dass die Übergabe von (gewöhnlichen) Forderungen zur Sicherheit (Frachtforderungspfand, Sicherungszession) einer Übergabe durch Zeichen insofern bedarf, als die Abtretung erst dadurch wirksam wird (Verständigung, Buchvermerk; vgl § 452 Rz 7, § 1392 Rz 7). Zur schenkungsweisen Zession s § 943 Rz 7. Zeichen iwS. Urkunden als Mittel der symbolischen Übergabe sind 3 zunächst jene Wertpapiere, die eine Forderung verbriefen. Ausreichend sind auch die handelsrechtlichen Traditionspapiere wie zB Ladeschein, Lagerschein, Pfandschein, Konnossement oder Depotschein. Diese verkörpern zwar nicht den Anspruch auf die körperliche Sache, bescheinigen aber die Übergabe. Die Pflicht zur Aushändigung solcher Urkunden, die dem Zessionar einer gewöhnlichen Forderung die Ausübung seines Rechts ermöglichen oder erleichtern (zB Bestätigungen, Abtretungsurkunden uÄ) folgt mE nicht aus § 427, sondern aus der allgemeinen schuldrechtlichen Verschaffungspflicht des Zedenten (unklar Klicka/S Rz 9). – Unter den Begriff „Werkzeuge“ fallen va Schlüssel, die die ausschließliche Besitzergreifung an der Sache oder den Sachen in einem bestimmten Raum (zB ZBl 1936/464: Magazin; SZ 25/138: Werkstatt) ermöglichen. Meist liegt hier ohnehin körperliche Übergabe vor, eine Abgrenzung ist außerhalb der Übergabe zur Sicherheit jedoch nicht praktisch relevant (dazu bereits Rz 1). – Zeichen ieS (insb Tafeln, Zettel, Beschriftungen usw) müssen so deutlich und feststellbar sein, dass ein Interessent (zB Käufer) davon Kenntnis erlangen kann. Erkenntlichkeit für jedermann ist nicht erforderlich (zB EvBl 1970/109; ÖBA 1998, 216 Spielbüchler). c) durch Erklärung § 428. Durch Erklärung wird die Sache übergeben, wenn der Veräußerer auf eine erweisliche Art seinen Willen an den Tag legt, daß er die Sache künftig im Namen des Übernehmers innehabe; oder, daß der Übernehmer die Sache, welche er bisher ohne ein dingliches Recht inne hatte, künftig aus einem dinglichen Rechte besitzen solle. Lit: Czermak, Das Besitzkonstitut beim Sale-and-lease-back-Verfahren, ÖBA 1987, 232; Spielbüchler, Schuldverhältnis 101 ff; s auch bei §§ 426, 427. Eccher
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Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 428
1 Das ABGB lässt Übergabe und damit Verfügung (Erwerbungsart, vgl
§ 425 Rz 1) auch ohne gleichzeitige Verschaffung der Gewahrsame, durch bloße Erklärung, dh entsprechenden Willen im Grundgeschäft oder in einer späteren Ergänzung zu (vgl 1 Ob 670/90 JBl 1991, 805; dazu auch Rz 2). Ausdrücklich geregelt sind das Besitzkonstitut (Fall 1; s auch § 319 Fall 2; dieses ist jedoch unzureichend zur Begründung von Sicherungsrechten, dazu § 451 Rz 3, und als wirkliche Übergabe aufgrund formloser Schenkung, dazu § 943 Rz 5; weiter Rz 2) und die Übergabe kurzer Hand (Fall 2; Rz 3); nicht geregelt, aber allgemein anerkannt ist die sog Besitzanweisung (Rz 4). 2 Beim Besitzkonstitut (Besitzauftragung, constitutum possessorium)
wird vereinbarungsgemäß der bisherige Besitzer ab einem bestimmten Zeitpunkt oder bei Eintritt einer Bedingung zum bloßen Inhaber und Besitzdiener bzw Besitzmittler für den Erwerber (2 Ob 274/01k JBl 2002, 451: Tabernakelkasten). Es sollte auch an Sachen, an denen nur Quantitätseigentum (vgl § 415 Rz 2) besteht, zulässig sein (Binder, SachenR Rz 19/63 gegen SZ 46/50). Die Vereinbarung erfordert keinen besonderen Publizitätsakt (zB 6 Ob 644/94 NZ 1996, 233 gegen die ältere Rspr, zB SZ 8/142) und kann auch konkludent erfolgen („auf eine erweisliche Art“ bedeutet soviel wie „zweifelsfrei“ in § 863; zur Beweislast des Erwerbers vgl JBl 1982, 311: gebrauchtes Inventar; SZ 44/157: Tankwagenanhänger. Erklärung, über die vom Masseverwalter gekauften Sachen frei verfügen und sie jederzeit abholen zu können, reicht nicht aus). Meist liegt ein konkreter Detentionsgrund (zB Miete, Leihe, Verwahrung) vor, dies ist aber nicht Voraussetzung („abstraktes“ Konstitut; vgl auch Gschnitzer ua, SachenR 20 f). Verlangt wird nur das Bestehen einer Verwahrungspflicht (Klicka/S Rz 2; JBl 1991, 805: Überlassung an den Verkäufer zum kommissionellen Verkauf für den Erwerber). – Unter dem sog antizipierten (vorweggenommenen) Besitzkonstitut ist die Übertragung von Sachen zu verstehen, die erst später in die Gewahrsame des Übergebers gelangen werden (zB Kaufpreis aus der Weiterveräußerung der unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Sachen). Die Zulässigkeit ist str (dafür Spielbüchler/R Rz 6 mwN; Frotz, Kreditsicherung 192; K/W I 267 f; aA zB Gschnitzer ua, SachenR 21; nicht aussagekräftig SZ 49/138). – Zur grundsätzlichen Ungeeignetheit des Besitzkonstituts als „wirkliche“ Übergabe bei der Schenkung s § 943 Rz 5; zur umstr Eignung beim Gutglaubenserwerb s § 367 Rz 2. 3 Bei der Übergabe kurzer Hand (Besitzauflassung, traditio brevi
manu) ist der Erwerber aus irgendeinem Grund bereits Inhaber und wird durch eine ausdrückliche oder auch hier konkludent mögliche („auf eine erweisliche Art“, s Rz 2) Vereinbarung im Grundgeschäft 394
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 429
oder in einer Ergänzung hiezu unmittelbarer Sachbesitzer bzw Besitzer eines dinglichen Rechts (zB 4 Ob 536/92 JBl 1993, 183). Übergabe kurzer Hand ist auch bei gemeinsamer Gewahrsame von Übergeber und Übernehmer denkbar (SZ 31/161: Möbel von Lebensgefährten). Bei der Besitzanweisung erklärt der Übergeber, für den ein Dritter 4 die Sache entweder als bloßer Inhaber oder als Rechtsbesitzer innehat, dieser solle die Sache ab einem bestimmten Zeitpunkt bzw bei Eintritt einer Bedingung (s schon Rz 2) für den Übernehmer innehaben (zB EvBl 1982/137: Aktien im Depot einer Bank). Besitzanweisung ist trotz des Namens kein Fall einer Anweisung nach §§ 1400 ff und muss vom Dritten nicht angenommen werden (so wohl die nunmehrige Rspr, zB EvBl 1987/175, und Lehre: zB F. Bydlinski/K IV/2, 656 ff; Klicka/S Rz 10 ff mwN). – Selbst ohne Erklärung gegenüber dem Dritten wird wirksame Übergabe zugelassen, wenn der Dritte nur Inhaber (s oben) ist (vgl SZ 22/27: Bekanntgabe des Losungsworts zur Schenkung eines Bankdepots; dazu Klicka/S Rz 12). Folge in Rücksicht der übersendeten, § 429. In der Regel werden überschickte Sachen erst dann für übergeben gehalten, wenn sie der Übernehmer erhält; es wäre denn, daß dieser die Überschickungsart selbst bestimmt oder genehmigt hätte. Lit: Ch. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf (2002) 109 ff; Schauer, Handelsrechtsreform: Die Neuerungen im Vierten und Fünften Buch, ÖJZ 2006, 64; Schilcher, Die Preisgefahr beim Kauf, JBl 1964, 395; s auch bei §§ 424, 425.
§ 429 regelt den Eigentumsübergang, wenn eine Sache (Ware) vom 1 Veräußerer durch einen Dritten (nicht den Erfüllungsgehilfen; vgl Spielbüchler/R Rz 2), zB einen Transporteur, an den Erwerber zu versenden ist (Hauptanwendungsfall Versendungskauf: Vereinbarung der Versendung der Ware durch den Verkäufer an einen anderen Ort als den Erfüllungsort). Grundsätzlich (zum praktisch häufigen Ausnahmefall Rz 2) erfolgen der Eigentums- und (wegen der Verknüpfung in § 1051) regelmäßig auch der Gefahrenübergang zu dem Zeitpunkt, an dem zwischen dem Dritten und dem Erwerber eine körperliche (§ 426) oder allenfalls eine Übergabe durch Zeichen (§ 427; zB Überbringung eines Schlüssels) stattfindet bzw vollendet wird (Übergabe durch Erklärung nach § 428 scheidet naturgemäß aus). Davon abweichend ging nach Art 8 Nr 20 Abs 1 der 4. EVHGB die Gefahr beim handelsrechtlichen Versendungskauf stets (abweichend Eccher
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Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 430
Schilcher, JBl 1964, 409: nur bei grundlosem Abweichen vom Versendungsort) und nicht bloß in den in § 429 vorgesehenen Fällen mit der Übergabe vom Verkäufer auf den Dritten über (zB Aicher/R § 1048 Rz 10; Klicka/S Rz 3; K/W I 270; für Zusammenfallen von Eigentums- und Gefahrübergang mit beachtlichen Gründen bereits Spielbüchler/R Rz 4). Art 8 Nr 20 Abs 1 der 4. EVHGB wurde jedoch durch Art XXIX HaRÄG mit Wirkung vom 1.1.2007 aufgehoben, so dass nunmehr Eigentums- und Gefahrenübergang auch beim unternehmensbezogenen Kauf übereinstimmend geregelt sind (vgl Erl UGB 82; krit Ch. Rabl, ecolex 2004, 602 f; Schauer/UGB-K Art XXIX HaRÄG Rz 2 ff). – Verlangt der Unternehmer vom Verbraucher die Rücksendung einer mangelhaften Sache, trägt er gemäß § 8 Abs 2 KSchG stets die Gefahr der Versendung. – Das Verfolgungsrecht des § 45 KO und § 22 AO („right of stoppage“), wonach der Veräußerer (oder Einkaufskommissär) im Fall der Insolvenz des Erwerbers die noch nicht am Ablieferungsort angekommenen Waren zurückfordern kann, hat hingegen mit dem allenfalls schon erfolgten Eigentums- und Gefahrenübergang nichts zu tun (Spielbüchler/R Rz 7: Das Eigentum fällt in diesem Fall automatisch zurück). 2 Hat der Erwerber die Art der Versendung selbst bestimmt oder ge-
nehmigt, ist diese also vereinbart worden, oder wählt der Veräußerer eine übliche Versendungsart (HS 5345: Bahn oder Post; SZ 62/138: Luftfracht), geht das Eigentum schon mit der Übergabe an den Transporteur über. Dies stellt den praktisch häufigeren Fall dar (rechtspolitisch krit in Bezug auf den Verbrauchsgüterkauf Schauer, ÖJZ 2006, 78 f unter Hinweis auch auf § 474 Abs 2 BGB). Zur Frage der (im Zweifel nicht anzunehmenden) konkludenten Vereinbarung des Erfüllungsortes durch Übernahme der Kosten der Versendung an einen bestimmten Ort vgl nunmehr § 905 Abs 3. 3 § 429 (ebenso § 1051, nicht jedoch § 8 Abs 2 KSchG) ist dispositives
Recht. Die Parteien können also den Zeitpunkt des Eigentums- und Gefahrenübergangs frei bestimmen und auch voneinander abkoppeln (vgl den früheren Gefahrenübergang beim Eigentumsvorbehalt oder den früheren Eigentumsübergang beim Besitzkonstitut; vgl auch JBl 1960/126: Verkauf von markierten – Eigentumserwerb – Holzstämmen wagonverladen – Gefahrübergang). oder, an mehrere veräußerten Sachen § 430. Hat ein Eigentümer eben dieselbe bewegliche Sache an zwei verschiedene Personen, an eine mit, an die andere ohne Übergabe veräußert; so gebührt sie derjenigen, welcher sie zuerst über396
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 430
geben worden ist; doch hat der Eigentümer dem verletzten Teile zu haften. Lit: Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte (1967); ders, Probleme der Doppelveräußerung, JBl 1971, 617; Spielbüchler, Der Rückerwerb durch den Nichtberechtigten, ÖBA 2000, 361; s auch die bei §§ 431, 440 angegebene Lit hinsichtlich der Doppelveräußerung von Liegenschaften.
Entsprechend dem in Österreich geltenden Grundsatz von Titel und 1 Modus (vgl § 380, s dort Rz 1 und § 425) wird folgerichtig auch bei der Doppelveräußerung einer beweglichen Sache (zum entsprechenden Besitzkonflikt § 322, zur Doppelveräußerung von Liegenschaften §§ 431, 440) derjenige Eigentümer, dem die Sache zuerst übergeben wurde (wie Rspr zu Liegenschaften, zB SZ 56/140: zeitliche Reihenfolge der Erwerbstitel spielt keine Rolle). Dabei kommen alle in den §§ 426–429 geregelten Übergabsformen in Betracht (zum Besitzkonstitut, insb zum dann denkbaren gutgläubigen Erwerb durch den zweiten Übernehmer nach § 367 sowie zum ebenfalls noch denkbaren Wiedererwerb des ersten Übernehmers bei späterer körperlicher Übergabe an diesen vgl 6 Ob 108/98w SZ 72/72 und hiezu Spielbüchler, ÖBA 2000, 361 ff; Binder, SachenR Rz 19/34). Dieselbe Regel gilt auch für die Doppeleinräumung sonstiger dinglicher Rechte, wobei wegen der Möglichkeit des gleichzeitigen Bestehens mehrerer solcher Rechte an derselben Sache die Priorität der Übergabe über den Rang entscheidet (zB Mehrfachverpfändung mit publizitätstauglichen Übergabsformen). Analoge Anwendung ist bei der mehrfachen Begründung oder Abtretung von Forderungsrechten geboten, die mit der Innehabung an derselben Sache verbunden sind (vgl 8 Ob 640/92 RdW 1993, 274 und 4 Ob 350/98v: Doppelvermietung, Redlichkeit bei Unkenntnis des fremden Rechts). Im Übrigen kommt es nur mehr auf die Priorität der Rechtsbegründung bzw Rechtsabtretung (Zession) an, wobei bei Forderungsverpfändung und Sicherungszession auf die Priorität des Publizitätsaktes abzustellen ist (vgl § 464 Rz 2). Der Ersterwerber, dem die Sache nicht oder erst nach wirksamer 2 Übergabe an den Zweiterwerber (zB durch Besitzkonstitut) übergeben wurde, ist auf Schadenersatzansprüche gegen den Veräußerer und bei relevanter Beeinträchtigung seines Forderungsrechts auch gegen den Zweiterwerber beschränkt (zu den Voraussetzungen im Einzelnen und zur Möglichkeit der Naturalrestitution vgl die analoge Problematik bei der Doppelveräußerung von Liegenschaften, dazu § 440 Rz 3). Die Übergabe an den Zweiterwerber kann durch eine EV nicht verhindert werden (Klicka/S Rz 1; EvBl 1970/221). Eccher
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Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 431
2. Bei unbeweglichen Sachen und Bauwerken § 431. Zur Übertragung des Eigentums unbeweglicher Sachen muß das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Diese Eintragung nennt man Einverleibung (Intabulation). Lit a) zum Grundbuchsrecht allgemein: Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz7 (1933); Feil, Grundbuchsgesetz3 (1998); Kralik/ Rechberger (Hrsg), Aktuelle Probleme des Grundbuchsrechts I (1982) und II (1984); Rechberger/Bittner, Grundbuchsrecht (1999); b) zu § 431: Barfuß, Doppelveräußerung und Intabulationsprinzip, JBl 1962, 350; Holzner, Abweisung oder Teilstattgabe? Zur Abgrenzung von „aliud“ und „minus“ beim Grundbuchsgesuch, NZ 2004, 1; Karollus, Grundbücherlicher Vertrauensschutz bei unentgeltlichem Erwerb, JAP 1990/1991, 228; Koziol, Der OGH und das Intabulationsprinzip, JBl 1973, 54; Sprung, Intabulationsprinzip und § 44 KO, NZ 1984, 126; Twaroch, Grundstücksgrenzen und Kataster, NZ 1994, 54; Sprung/Köllensperger, Zur Intabulation des ersessenen Eigentums an verbücherten Grundstücken (§ 1498 ABGB), FS Rechberger (2005) 623.
I. Eintragungsgrundsatz 1 A. Materielle Seite. Die Eintragung (nach § 9 GBG „Einverleibung“)
des Eigentumsrechtes im Grundbuch (zur Urkundenhinterlegung § 434) stellt bei Liegenschaften (zu Bauwerken s § 435) die Erwerbungsart (§§ 321, 380, 425) dar, ist also – soweit keine Ausnahme vom Eintragungsgrundsatz besteht (dazu Rz 2) – konstitutiv für den Rechtserwerb (zur historischen Entwicklung des Eintragungsgrundsatzes Sprung/Köllensperger, FS Rechberger 639 ff; zur Geltung des Grundsatzes bei den sonstigen dinglichen Rechten § 445; zur Anwendung des Eintragungsgrundsatzes auf die Fälle der Doppelveräußerung s § 440; zur Eintragungsfähigkeit auflösend bedingter Rechte vgl 5 Ob 295/04z JBl 2005, 454: Vormerkung). Zeitlich kommt es dabei stets auf das Einlangen des Grundbuchsgesuchs bei Gericht an (§§ 29, 128 GBG; zB 4 Ob 2146/96 JBl 1997, 169). Gleichzeitig einlangende Gesuche sind – auch bei widersprüchlichem Inhalt (Gschnitzer ua, SachenR 45) – nebeneinander einzutragen (§ 29 Abs 2, § 103 Abs 2 GBG; vgl SZ 28/170). – Das ABGB regelt in den §§ 431–446 einige wesentliche Grundsätze des Grundbuchsrechts einschließlich des Grundbuchsverfahrensrechts, das im Übrigen organisch im GBG, AllgGAG und bezüglich der Umstellung auf elektronische Datenverarbeitung im GUG geregelt ist (vgl auch das LiegTeilG und das VermG). 2 Ausnahmsweise nur deklarativ ist die Eintragung („Durchbrechung
des Eintragungsgrundsatzes“), wenn das Eigentum schon außer398
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 431
bücherlich erworben worden ist. Dies ist der Fall aufgrund der Einantwortung (§§ 436, 797), aufgrund sonstiger Gesamtrechtsnachfolge (zB bei Verschmelzung von Gesellschaften), aufgrund des Übergangs des Anteils des verstorbenen Partners am gemeinsamen Wohnungseigentum gemäß § 14 WEG 2002, aufgrund des Zuschlags bei Zwangsversteigerung (§§ 156, 237 EO, zB 5 Ob 18/91 SZ 64/84; nicht aber bei freiwilliger Versteigerung, zB 5 Ob 1064/94 NZ 1994, 194 Hoyer 196), aufgrund einer Enteignung (vgl § 365), nach abgeschlossener Ersitzung (§ 1455; zB SZ 55/191), der redlichen Bauführung (§ 418 S 3; zB SZ 49/31) sowie aufgrund einzelner öffentlich-rechtlicher Sondervorschriften (zB agrarisches Zusammenlegungsverfahren, vgl SZ 43/138). B. Formelle Seite. Die Eintragung des Eigentumsrechts (vgl § 5 GBG) 3 erfolgt in seinem wesentlichen Inhalt im Hauptbuch des Grundbuchs (§ 2 GBG), und zwar im Eigentums- oder B-Blatt der entsprechenden Grundbuchseinlage (Grundbuchskörper). Die in die Urkundensammlung aufzunehmende Urkunde, die die Grundlage der Eintragung bildet, dient allenfalls der näheren Erläuterung (§ 5 GBG; vgl SZ 25/166: Zahlungsmodalitäten) oder der näheren Beschreibung eines Rechts (zB einer Dienstbarkeit). Die Urkunde kann aber die Eintragung nicht ersetzen (Spielbüchler/R Rz 6). Die Grundbuchsmappe dient der Veranschaulichung der Lage der Liegenschaft (§ 3 AllgGAG), besitzt aber keinen öffentlichen Glauben, zB in Bezug auf die Größe des Grundstücks (SZ 28/127) oder den Grenzverlauf. Dieser ergibt sich vielmehr – soweit der Grenzverlauf nicht im neu angelegten Grenzkataster verbindlich festgelegt ist (§ 8 VermG) – aus einem allfälligen Grenzerneuerungs- oder Grenzberichtungsverfahren (§§ 850–853a). Die Grundbuchseintragung bezieht sich grundsätzlich auf den in der 4 Regel aus mehreren Grundstücken bestehenden Grundbuchskörper, dessen Umfang nur durch Ab- und Zuschreibungen verändert werden kann (§ 3 GBG; auch dafür gilt der Eintragungsgrundsatz: 1 Ob 17/91 NZ 1992, 292; s auch das LiegTeilG). Dabei sind mangels Zustimmung des Berechtigten alle Belastungen, aber auch die Anmerkungen und Ersichtlichmachungen mitzuübertragen (Spielbüchler/R Rz 7). Auch bei räumlich beschränkt auszuübenden Rechten (zB 5 Ob 127/92 EvBl 1993/73: verbüchertes Bestandrecht; 5 Ob 63/93 SZ 66/150: Vorkaufsrecht an einzelnen Parzellen) erscheint grundbuchsrechtlich die gesamte Einlage belastet. Bei Grunddienstbarkeiten wird jedoch eine Begrenzung auf die tatsächlich betroffenen Liegenschaftsteile vertreten (1 Ob 516/96 SZ 69/135).
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5 Eintragungen im Grundbuch erfolgen nur demjenigen gegenüber, der
bei Gesuchstellung als Eigentümer oder Berechtigter eingetragen war (bücherlicher Vormann; § 21 GBG) und der ausdrücklich der Grundbuchsänderung zustimmen muss (Aufsandungserklärung, dazu § 433 ABGB, § 32 GBG). Bei mehrfacher hintereinander folgender Übertragung genügt nach § 22 GBG die Eintragung des letzten Erwerbers und der Nachweis der Zwischenerwerbe (dazu schon § 425 Rz 2). 6 C. Physische (außerbücherliche) Übergabe. Die physische Übergabe
einer Liegenschaft (Verschaffung des sog Naturalbesitzes, vgl schon § 312 S 1) ersetzt die grundbücherliche Eintragung nicht (strikte Betonung des Eintragungsgrundsatzes; dazu etwa Barfuß, JBl 1962, 350 ff; Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, 1967, 120 ff; SZ 48/104; gegenüber der früheren Lehre vom außerbücherlichen Eigentum, insb Klang/K II 357 ff; Gschnitzer, SachenR1 96; SZ 46/2). Daher steht dem noch nicht eingetragenen Erwerber nicht der Exszindierungsanspruch nach § 37 EO (RdW 1984, 10) und auch nicht der Aussonderungsanspruch nach § 48 KO bzw § 21 AO zu (vgl auch § 13 KO: Eintragung nach Konkurseröffnung nur zulässig, wenn sich der Rang nach einem vor der Konkurseröffnung liegenden Tag richtet). Außerbücherlich vom Erblasser bereits übergebene Liegenschaften gehören aber nicht mehr in den Nachlass, da der Erbe an den Kaufvertrag oder sonstigen Veräußerungsvertrag gebunden ist (JBl 1970, 39; vgl auch 8 Ob 10/99z JBl 2000, 31: Maßgeblichkeit des Naturalbesitzes). Umgekehrt fallen Liegenschaften, die dem Erblasser bereits außerbücherlich übergeben worden sind, bereits in seinen Nachlass (SZ 21/76; Eccher/S § 531 Rz 14). Weil nicht vom formellen Eigentum abhängig, kann aber der (natural-)besitzende Erwerber der Eigentumsklage des Verkäufers und (Noch-)Eigentümers sein vertragliches Recht entgegensetzen (K/W I 346). Weiters steht ihm gegen Dritte die Besitzstörungsklage (§ 339) und uU die actio Publiciana zu (§ 372; vgl SZ 58/177; Hinteregger/S Rz 12). Dem noch nicht eingetragenen Erwerber können auch schon einzelne Rechte aus dem Eigentum zustehen (1 Ob 317/01a Miet 54.228: Anspruch auf Rechnungslegung). Zur Doppelveräußerung s § 440. II. Rechtstitel 7 A. Titelmangel. Entsprechend dem Grundsatz von Titel und Modus
(dazu insb § 380 Rz 1) ist für den Eintritt der Wirkung der Eintragung grundsätzlich auch das Vorliegen eines gültigen Rechtstitels erforderlich (zum urkundlichen Nachweis § 433). Ein Titelmangel verhindert den Rechtsübergang (zB SZ 58/177). Eine materiell unrichtige Eintragung kann sohin von dem in seinem bücherlichen Recht Verletzten 400
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mit Löschungsklage bekämpft werden (zur diesbezüglichen Streitanmerkung §§ 61 ff GBG; s auch Rz 8). B. Vertrauensschutz. Eine materiell unrichtige Eintragung ermög- 8 licht gutgläubigen (dazu Rz 9) Dritten (dazu zählen nicht der unmittelbare Rechtsnachfolger, vgl § 62 GBG; ebenso wenig dessen Erbe oder Gesamtrechtsnachfolger, zB 7 Ob 581/94 NZ 1995, 111; geschützt sind auch nicht die Gläubiger, zB 5 Ob 17/94 SZ 67/13) einen Rechtserwerb auf der Grundlage des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (gerechtfertigt durch das formelle Legalitätsprinzip in § 94 GBG, dh das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Grundbuchsgerichts auf der Grundlage der Akten). Der Gutglaubensschutz gilt zugunsten des Erwerbers von einem Buchberechtigten uneingeschränkt gegenüber dem bisherigen nicht eingetragenen außerbücherlichen Erwerber (zu den einzelnen Fällen s Rz 2; zur Ersitzung auch § 1500). Gegenüber dem in seinen bücherlichen Rechten Verletzten erwirbt der Dritte allerdings nur nach Maßgabe der §§ 63 ff GBG, das heißt, dass er erst nach Ablauf der dort vorgesehenen Fristen für die Erhebung eines Rekurses gegen die Eintragung oder eine Löschungsklage und im (seltenen) Fall der nicht erfolgten Verständigung über die Eintragung überhaupt nach Ablauf einer Frist von drei Jahren gesichert ist. Ist der in seinem Recht Verletzte hingegen kein Buchberechtigter, sondern verlangt er nach Erwerb des außerbücherlichen Eigentums die Einverleibung (Fälle s Rz 2), steht ihm naturgemäß keine Rekurslegitimation und auch keine Löschungsklage im eigentlichen Sinn und somit auch nicht der Fristenschutz der §§ 63 ff GBG zu. Es handelt sich vielmehr um eine Berichtigungsklage nach § 136 GBG, die aber gemäß § 170 GBG ebenfalls zur Streitanmerkung berechtigt, womit die Gutgläubigkeit eines Dritterwerbers zerstört wird (zu Anmerkungen in sonstigen Fällen des außerbücherlichen Erwerbs Gschnitzer ua, SachenR 44). Die Gutgläubigkeit ist im Zeitpunkt der Gesuchsstellung zu prüfen 9 (zB 4 Ob 523/92 JBl 1993, 186; zur Ranganmerkung s Spielbüchler, JBl 1997, 138). Sie ist gegeben, wenn der Erwerber die Abweichung des Hauptbuches von der tatsächlichen Rechtslage (Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit) nicht kennt und auch fahrlässig nicht kennen muss (JBl 1993, 186: leichte Fahrlässigkeit genügt; s § 326 Rz 1 mwN). Bei offenkundigen Dienstbarkeiten ist tendenziell Verdacht zu schöpfen (7 Ob 560/94 NZ 1995, 108: Weg). Bei Verdacht kann uU auch Pflicht zur Einsicht in die Urkundensammlung (vgl SZ 49/46) oder in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen nach § 3 GUG bestehen (vgl 3 Ob 601/89 SZ 63/35). Vertrauensschutz ist nach nunmehr hA analog § 367 auf entgeltlichen Erwerb beschränkt (Karollus, JAP 1990/1991, Eccher
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228; K/W I 364; anders die frühere Ansicht und mit gewichtigen Argumenten Spielbüchler/R Rz 10). Exekutiver Erwerb wird nicht geschützt (SZ 67/13 mwN). Insbesondere bei Erwerbung a) durch Vertrag; § 432. Zu diesem Zwecke muß über das Erwerbungsgeschäft eine beglaubigte Urkunde in der zur Gültigkeit des Geschäftes vorgeschriebenen Form oder eine öffentliche Urkunde ausgefertigt werden. [idF III. TN] Lit: Dittrich/Angst/Auer (Hrsg), Grundbuchsrecht4 (1991); Enzmann, Auswirkungen des neuen § 31 (1) GBG auf Verträge zugunsten Dritter, NZ 1982, 6; Gampl, Veräußerungen und Belastungen von Kirchenvermögen in rechtsdogmatischer Sicht, JBl 1985, 705; Rechberger, Der neue § 31 Abs 1 GBG, NZ 1981, 49; K. Wagner, Das Geburtsdatum im Beglaubigungsvermerk, NZ 1988, 305.
1 Die Einverleibung des Eigentumsrechts wie überhaupt aller Einver-
leibungen und Vormerkungen (zu letzteren § 438) erfolgt grundsätzlich nur auf Antrag (Grundbuchsgesuch, §§ 33 ff GBG) und aufgrund einer in der vorgeschriebenen Form und im Original (§ 87 Abs 1 GBG, Ausnahmen in Abs 2) vorgelegten, unbedenklichen (§ 26 GBG) Urkunde. Eine solche verbücherungsfähige Urkunde hat einen gültigen Rechtsgrund für die Einverleibung des Rechts (Rechtsgeschäft oder sonstiger Erwerbstatbestand; vgl Spielbüchler/R Rz 1) zu enthalten. Die Form ergibt sich im Allgemeinen aus dem GBG (insb §§ 26 f, 31 ff, 35 ff) und aus allenfalls für das konkrete Rechtsgeschäft bestehenden Formvorschriften (zB Notariatsakt für Schenkungen ohne wirkliche Übergabe, dazu § 943 Rz 1, 5 ff). – Als öffentliche Urkunden kommen in Frage (§ 33 Abs 1 GBG): Behördliche oder notarielle Urkunden über Rechtsgeschäfte, exekutionsfähige Vergleiche (vgl SZ 45/74), vollstreckbare Zahlungsaufträge und Rückstandsausweise, Urkunden und andere gerichtliche Urkunden (dazu §§ 436 ff, speziell zu Vermächtnissen § 437). Privaturkunden (dazu auch Rz 2) sind insb schriftliche Verträge (§§ 883 ff; zur getrennten urkundlichen Vorlage von Antrag und Annahme und zu dem dann zusätzlich geforderten Nachweis der rechtzeitigen Annahme vgl KG Krems NZ 1961, 111; dazu Spielbüchler/R Rz 1). 2 Soll aufgrund von Privaturkunden eine Einverleibung (zur Vormer-
kung § 438) erfolgen, muss sie zusätzlich auch die in § 432 vorgese402
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henen Angaben, insb die Aufsandungserklärung (dazu § 433 Rz 4) enthalten. Ferner muss die Unterschrift aller Parteien (das sind jedenfalls die am Vertrag beteiligten Personen, die bücherliche Rechte erwerben oder abgeben; vgl dazu Hinteregger/S Rz 2; Hofmeister, NZ 1986, 138; für einen verfahrensrechtlichen Parteienbegriff Rechberger, NZ 1981, 53; s auch § 433 Rz 1) gerichtlich oder notariell beglaubigt sein, dh die Echtheit der Unterschrift muss bestätigt werden (zu Ausnahmen Rz 3). Bei natürlichen Personen hat der Beglaubigungsvermerk auch das Geburtsdatum (weiter § 433 Rz 1) zu enthalten. Die Beglaubigung ausländischer Urkunden regelt § 31 Abs 3 GBG: Danach sind die einschlägigen Staatsverträge maßgeblich (Übersichten finden sich in Dittrich/Angst/Auer, Grundbuchsrecht Anhang 5 sowie in Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen 2 , 1998). Beglaubigungen durch die zuständigen österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland und die ausländischen Vertretungsbehörden im Inland bedürfen jedenfalls keiner Überbeglaubigung (zu allfälliger Nachsicht in besonderen Fällen § 31 GBG Abs 4 und 5). In Tirol (RGBl 1897/77) und Vorarlberg (RGBl 1900/44) kann die Beglaubigung auch durch Legalisatoren, das sind vom Präsidenten des OLG Innsbruck bestellte Vertrauensleute in den Gemeinden, erfolgen. Modifikationen der Beglaubigungspflicht. Die gerichtliche oder no- 3 tarielle Beglaubigung entfällt bei Vorhandensein der genehmigenden Erklärung einer Behörde, die zur Wahrnehmung der Interessen derjenigen Person befugt ist, deren Rechte belastet, beschränkt, aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen werden (§ 31 Abs 2 GBG, zB 5 Ob 134/95 SZ 68/200: Genehmigung des Konkursgerichtes für Rechtsakte des Masseverwalters). – In geringfügigen Grundbuchsangelegenheiten (dh Wert bis € 600) ist Ersetzung durch zwei mitfertigende Personen als Zeugen möglich (§ 34 GBG). – Bei Abschreibung geringfügiger Trennstücke nach § 13 LiegTeilG (€ 1.300 und Flächenausmaß unter 1/100 der Gesamtfläche) genügt Beurkundung des Vermessungsamts. Wird die Urkunde durch Bevollmächtigte unterfertigt, muss auch die 4 Vollmacht selbst beglaubigt sein (Spielbüchler/R Rz 5) und überdies entweder auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft lauten (Spezialvollmacht, zB 5 Ob 120/92 NZ 1994, 42: Eigentumswohnung) oder darf andernfalls nicht länger als drei Jahre vor der Vorlage ausgestellt worden sein (§ 31 Abs 6 GBG). Die Zeichnungsberechtigung von Organen juristischer Personen ist durch Firmenbuchauszug oder Amtsbestätigung nachzuweisen, wenn Eintragungen gegen die juristische Person erfolgen sollen oder Bedenken bestehen (zB 5 Ob 106/92 NZ 1993, 133 Eccher
403
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Hofmeister 135). Zur Veräußerung von Kirchenvermögen ist eine Unbedenklichkeitsbestätigung des zuständigen Ordinariats erforderlich (vgl etwa Gampl, JBl 1985, 705). § 433. Die Urkunde muß die genaue Angabe der Personen, die das Eigentum übergeben und übernehmen; der Liegenschaft, die übergeben werden soll, mit ihren Bestandteilen; des Rechtsgrundes der Übergabe; ferner des Ortes und der Zeit des Vertragsschlusses enthalten; und es muß von dem Übergeber in dieser oder in einer besonderen Urkunde die ausdrückliche Erklärung abgegeben werden, daß er in die Einverleibung einwillige. [idF III.TN] Lit: Bittner, Gibt es einen eigenen Kaufvertrag für Grundbuchszwecke? NZ 2006, 16; Graus, Teilweise Stattgebung im Grundbuchsrecht, RdW 1987, 322; Hofmeister, Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der österreichischen Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert (1977); s auch bei § 432.
1 Die Vertragsparteien (dazu bereits § 432 Rz 2) sind nach § 27 Abs 2
GBG so zu bezeichnen, dass sie nicht mit anderen Personen verwechselt werden können. Anzugeben ist bei natürlichen Personen jedenfalls das Geburtsdatum, wohl immer auch der Vorname, soweit erforderlich weitere Vornamen, frühere Familiennamen, Anschrift, Beruf, usw. Hinzuweisen ist auf die Nachweispflicht in besonderen Fällen, zB auf das Verwandtschaftsverhältnis bei Eintragung des Veräußerungs- und Belastungsverbots in § 364c, den Sterbenachweis bei der Schenkung auf den Todesfall; s auch Spielbüchler/R Rz 2. 2 Genau anzugeben ist ferner die den Gegenstand der Einverleibung
bildende Liegenschaft (vgl auch § 32 Abs 2 lit a GBG; ein Recht als Einverleibungsgegenstand bildet etwa auch das Baurecht, dazu § 435 Rz 4). Ausnahmsweise genügt die Angabe der Einlagezahl ohne gesonderte Anführung der einzelnen Grundstücke, wenn an der Identität des Rechtsobjekts kein Zweifel besteht (NZ 1988, 111 Hofmeister 117; anders noch zB SZ 45/124; so auch weiterhin Spielbüchler/R Rz 3). Andernfalls sind weitere Angaben erforderlich (zB Miet 30.050: Anzahl und Lage der Räume einer Eigentumswohnung. Umgekehrt genügt die Angabe der Anteilsgröße ohne Hinweis auf das damit verbundene Wohnungseigentum, 5 Ob 115/92 NZ 1993, 180). Unrichtigkeiten in Bezug auf das Flächenausmaß, die Benennung oder das Zubehör schaden nicht, sofern sich daraus keine Zweifel an der Identität der Einverleibungsgrundlagen ergeben (5 Ob 198/02g NZ 2003, 317 Hoyer). 404
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Der aus der Urkunde hervorgehende Rechtsgrund (s schon § 432 3 Rz 1) muss für den Eigentumserwerb (bzw den Erwerb eines dinglichen Rechts; vgl § 445) geeignet sein, wobei im Falle von Verträgen neben den geregelten Vertragstypen (zB Kauf, Tausch, Schenkung usw) auch atypische Verträge in Frage kommen (dazu bereits § 424 Rz 2). Im Zuge der Prüfung des Vorliegens eines geeigneten Titels nach § 26 Abs 2 GBG müssen im Fall mehrerer Parteien auf einer Vertragsseite auch deren Vertragsanteile ziffernmäßig angegeben sein (5 Ob 63/02d EvBl 2002/149). Werden mehrere Liegenschaften oder Liegenschaftsanteile zugleich verkauft, muss nach der Rspr der Preis hinsichtlich jeder bzw jedem von ihnen bestimmbar sein (5 Ob 252/04a JBl 2005, 587 Holzner; krit Bittner, NZ 2006, 16 ff). Die von § 27 Abs 2 GBG verlangte Angabe von Tag, Monat und Jahr der „Ausfertigung der Urkunde“ bezieht sich bei zeitlich auseinanderfallenden Unterschriften auf die letzte. Die ebenfalls verlangte Angabe des Ortes kann sich auch aus der Firmenstampiglie ergeben (5 Ob 10/03m NZ 2004, 45; 5 Ob 11/03h NZ 2004, 123 Hoyer). Im Falle einer Einverleibung auf Grund von Privaturkunden muss in 4 dieser (5 Ob 65/90 SZ 63/230) oder auch gesondert (diesfalls jedoch mit besonderem Beglaubigungsvermerk, vgl Spielbüchler/R Rz 6) die Partei, deren Recht belastet, beschränkt, aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen wird, ausdrücklich in die Grundbuchsänderung einwilligen (Aufsandungserklärung, § 32 Abs 1 lit b und Abs 2 GBG; zu deren Qualifizierung als Teil des Verfügungsgeschäfts bereits § 380 Rz 2, § 425 Rz 1; zu deren Funktion als Mittel der Zugum-Zug-Leistung und zu diesbezüglichen Surrogaten wegen der heute regelmäßigen Aufnahme der Aufsandungserklärung in die Titelurkunde Gschnitzer ua, SachenR 52). Im Fall des Durchgangserwerbs nach § 22 GBG (s auch § 425 Rz 2) müssen jedoch sämtliche Vormänner eine Aufsandungserklärung abgeben (LGZ Graz NZ 1984, 203; Hofmeister, Liegenschaftserwerb 335). Besteht ein Anspruch auf bloße Berichtigung des Grundbuchs (vgl § 136 GBG), zB im Anschluss an eine vollendete Ersitzung, ist keine Aufsandungserklärung erforderlich und auch nicht geschuldet (vgl Sprung/Köllensperger, FS Rechberger, 2005, 651 ff). § 434. Zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften, die in keinem Grundbuch eingetragen sind, muß eine mit den Erfordernissen der §§ 432 und 433 versehene Urkunde bei Gericht hinterlegt werden. An die Stelle der Bewilligung der Einverleibung tritt die Erklärung der Einwilligung zur Hinterlegung der Urkunde. [idF III. TN] Eccher
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§ 434
Lit: Bittner, Grundbuch und Urkundenhinterlegung beim Superädifikat (Eintragungen beim Superädifikat), in Kletecˇka/Rechberger/Zitta (Hrsg), Bauten auf fremdem Grund 2 (2004) 157 Rz 98 ff; Feil, Bauwerke, nicht verbücherte Liegenschaften und Urkundenhinterlegung (1974); Hermann, Das neue Urkundenhinterlegungsgesetz, AnwBl 1975, 283; Lentner, Bauwerke und nicht verbücherte Liegenschaften, NZ 1974, 52.
1 Bei Liegenschaften, die in keinem Grundbuch, also auch in keinem
Sondergrundbuch (vgl dazu § 321 Rz 1) verzeichnet sind, und ebenso an selbständigen Bauwerken (dazu § 435) tritt an die Stelle der Grundbuchseintragung die Urkundenhinterlegung bzw -einreihung. Rechtsgrundlagen sind das UHG und die UrkundenhinterlegungsV (JABl 1974/18). 2 Das Verfahren ist in weiten Bereichen dem eigentlichen Grundbuchs-
verfahren angenähert, hält aber materiell und formell mit der Entwicklung des Grundbuchs nicht Schritt (vgl Bittner in Kletecˇka/Rechberger/Zitta, Bauten Rz 98). So entsprechen die „Hinterlegungen von Urkunden“ den Einverleibungen (§ 434: Eigentumsrecht, § 451: Pfandrecht, § 481: Dienstbarkeiten, ferner Reallasten, §§ 1070 und 1073: Wiederkaufs- und Vorkaufsrechte, § 364c Belastungs- und Veräußerungsverbot, jeweils iVm oder aufgrund des § 1 Abs 1 UHG). Die „Einreihungen von Urkunden“ entspricht den grundbücherlichen Anmerkungen und Ersichtlichmachungen hinsichtlich der sonst bekanntzumachenden, in § 1 Abs 2 UHG im Einzelnen aufgezählten Rechtstatsachen. Eine der Vormerkung entsprechende Vorgangsweise ist nicht vorgesehen (zB 5 Ob 24/91 NZ 1991, 254 Hofmeister). Die Urkundenhinterlegung bzw -einreihung erfolgt grundsätzlich auf Antrag (s jedoch Amtswegigkeit in §§ 14, 15, 16 UHG) an das auch hier zuständige Bezirksgericht (Außerstreitverfahren). Der für den Rang entscheidende Zeitpunkt des Einlangens eines Antrages ist in einem Tagebuch festzuhalten (§ 6 Abs 1 UHG; s auch das in Abs 2 vorgesehene Namensverzeichnis). Die Funktion der Aufsandungserklärung (dazu § 433 Rz 4) erfüllt die Erklärung der Einwilligung zur Hinterlegung (§ 9 Abs 3 UHG). Über das Begehren auf Hinterlegung oder Einreihung aufgrund der grundsätzlich in Grundbuchsform beizubringenden Urkunden wird nach Prüfung (§ 9 UHG) durch das Gericht positiv oder negativ abgesprochen. Die Entscheidung wird auf Karteikarten übertragen und die Urkunden selbst werden in eine dem Grundbuch verwandte Urkundensammlung abgelegt. Ein Schutz auf Vollständigkeit und Richtigkeit der Karteikarten besteht freilich nicht (§ 20 UHG).
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§ 435. Dasselbe gilt auch für die Übertragung des Eigentums an Bauwerken, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, daß sie nicht stets darauf bleiben sollen, sofern sie nicht Zugehör eines Baurechtes sind. [idF III. TN] Lit a) zu § 435: Angst, Die rechtliche Behandlung von Überbauten, ÖJZ 1972, 119; Bollenberger, Die zivilrechtliche Selbständigkeit von Superädifikaten, RdW 2001, 582; F. Bydlinski, Das Recht der Superädifikate (1982); Forster, Ausgewählte Fragen des österreichischen Superädifikatsrechtes (1997); Hofmeister, Bauführung auf fremdem Grund, FS Sutter (1982) 225; HinghoferSzalkay/Ortner, Bauen im Kleingarten, wobl 2005, 325 und 357; Holzner, Mehr Publizität für Superädifikate, JBl 2001, 304; ders, Zwei Fragen des Superädifikatsrechts, JBl 2005, 333; Hoyer, Ein Beitrag zum Recht der Superädifikate, FS Ostheim (1990) 95; Kletecˇ ka, Das Superädifikat, in Rechberger (Hrsg), Superädifikat und Baurecht (2006) 1; Kletecˇ ka/Rechberger/Zitta (Hrsg), Bauten auf fremdem Grund 2 (2004); Mader, Zivilrechtliche Fragen des Bauens auf fremdem Grund, in Rebhahn (Hrsg), Rechtsfragen des Bauens in Kärnten (1997) 111; Ostheim, Gedanken zum Recht der Superädifikate, FS Kralik (1986) 495; Rechberger, Das Superädifikat, immolex 2004, 260; b) speziell zur BauRGNov 1990: Csoklich, Baurecht an bestehenden Gebäuden, RdW 1991, 254; Dittrich, Zivilrechtliches Baurecht, JBl 1990, 575; Feil, Baurechtsgesetz (1990); Graff, Baurecht für jedermann, ecolex 1990, 273; Hofmeister, Die Baurechtsnovelle 1990, ecolex 1990, 534; ders, Die Baurechts-Novelle 1990, ÖGZ 1990, H 11, 8; Hoyer, Das neue Baurecht, wobl 1990, 85; Meinhart, Baurechtsgesetznovelle 1990, ImmZ 1990, 187.
I. Superädifikate Gebäude und sonstige Bauwerke sind grundsätzlich unselbständige 1 Bestandteile der Liegenschaft, auf der sie errichtet sind (näher § 297). Fehlt jedoch die Absicht, sie ständig dort zu belassen (dazu Rz 2), werden sie mit Bauführung regelmäßig zu als bewegliche Sachen zu behandelnden (Rz 3), sonderrechtsfähigen (SZ 31/57) Superädifikaten (Überbauten), an denen der Bauführer originär Eigentum erwirbt (vgl Rechberger/Oberhammer in Kletecˇka/Rechberger/Zitta, Bauten Rz 58 ff mwN; zu darauf folgenden derivativen Rechtsbegründungen Rz 3; zur Geltendmachung des Eigentums im Falle der Zwangsvollstreckung auf die Liegenschaft durch Widerspruch vgl 3 Ob 119/93 SZ 61/171). Zu beachten ist einerseits, dass dies für bloß reale Gebäudeteile (Stockwerke) nicht gilt (zB SZ 61/171; ideelles Miteigentum an Gebäuden ist aber denkbar: SZ 44/101). Andererseits können sich trotz Belassungsabsicht sonderrechtsfähige Sachen auf einer Liegenschaft befinden (zB begrifflich gar keine Bauwerke darstellende SaEccher
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chen, dazu § 297 Rz 1, oder bestimmte unterirdische Baulichkeiten, dazu § 297 Rz 2). Ob ein Superädifikat am eigenen Grundstück denkbar ist, bleibt str (dafür zB Ostheim, ÖJZ 1975, 202; ablehnend F. Bydlinski, Superädifikate 28 ff; für massive Bauten auch 5 Ob 36/00f NZ 2000, 382; vgl 8 Ob 651/84 JBl 1986, 724 Hoyer: Bei späterem Zusammenfallen des Liegenschaftseigentums und des Superädifikatseigentums bleibt ein eingeräumtes Pfandrecht aufrecht). Ideelles Miteigentum am Grundstück ist aber kein Hindernis (LGZ Wien NZ 1970, 87). Bei Beendigung oder Wegfall des Grundbenutzungsverhältnisses bleibt das Eigentum oder Miteigentum am Superädifikat bis zur Rückübertragung an den Grundeigentümer auf dessen Verlangen aufrecht (9 Ob 229/01v NZ 2003, 52). Im Falle von Urkundenhinterlegungen (dazu Rz 3) mit Zustimmung des Grundeigentümers ist, sofern noch nicht geschehen, das Vorhandensein des Bauwerks im Gutsbestandsblatt der Liegenschaft ersichtlich zu machen (§ 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Z 2 UHG). 2 Die fehlende Belassungsabsicht (Rz 1) ergibt sich entweder aus der
Bauart (zB EvBl 1956/148: Baracke; SZ 26/83: Holzhütte) oder – ohne Rücksicht auf die Bauart (vgl EvBl 1986/10) – aus der ausdrücklichen oder konkludenten (zB Zweck des Gebäudes oder auch Absicht der Grundabtretung an den Bauführer; vgl JBl 1982, 481 krit Hanel) Verabredung, das Grundstück nur zeitlich begrenzt für das Ausführen und Behalten des Bauwerks zu nutzen (vgl mwN NZ 2000, 382). Die Vereinbarung des Zufallens an den Grundeigentümer nach Ablauf dieser Zeit schadet der Qualifikation als Superädifikat nicht (SZ 44/101: Pacht; 1 Ob 513/93 SZ 66/38: Hoheitsakt). Bloße Parteienvereinbarung über die Begründung eines Superädifikats unabhängig von der fehlenden Belassungsabsicht genügt nach der Lehre (zB Ostheim, FS Kralik 504 ff; weitere Angaben bei Hinteregger/S Rz 5), nicht aber nach der Rspr (zB NZ 1986, 226). Eine spätere Vereinbarung der fehlenden Belassungsabsicht kann nicht mehr zum Entstehen eines Superädifikates führen (3 Ob 58/02d JBl 2003, 930). 3 Die Qualifizierung des Superädifikats als grundsätzlich bewegliche
Sache (Rz 1) führt zur Zulässigkeit eines Eigentumsvorbehalts, zur Anwendbarkeit des § 367 (für beides zB 3 Ob 516, 517/90 JBl 1991, 238); zu exekutionsrechtlichen Aspekten s § 829 Rz 4. Im Gewährleistungsrecht gelten Superädifikate als unbewegliche Sachen (zB 3 Ob 38/90 ÖBA 1991, 56 Gröll), ebenso in Bezug auf die Anwendbarkeit des Urkundenhinterlegungssystems nach dem UHG (dazu bereits bei § 434) als Modus für die derivative Begründung bücherlicher Rechte (zB SZ 58/23: Eigentumsübertragung; vgl K/W I 252; zur Verpfändung s § 451 Abs 2) und sonstiger Bekanntmachungen (vgl dazu, insb 408
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Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 435
auch zum Vorschlag einer freiwilligen Urkundeneinreihung nach § 1 Abs 1 Z 2 UHG zum Zweck erhöhter Publizität, Holzner, ÖBA 2001, 304 ff). Zu einer allgemeinen Übersicht vgl Kletecˇka in Rechberger, Superädifikat 6. – Die Rspr hält an der grundsätzlichen Anwendung der Kündigungsbeschränkungen des MRG auf die Miete von Grundstücken zur Errichtung von Wohn- und Geschäftsräumen trotz zT abl Meinungen (zB Kletecˇka, wobl 2001, 121; ders in Rechberger, Superädifikat 9 ff mwN) fest (vgl 6 Ob 88/05z JBl 2006, 35 mwN). II. Baurecht Ein selbständiges, sonderrechtsfähiges Bauwerk (sogar in Form des 4 Baurechtswohnungseigentums nach § 6a BauRG; dazu Call in Kletecˇka/Rechberger/Zitta, Bauten Rz 38 ff) kann sich durch ein Baurecht nach dem – durch Novellierung im Jahr 1990 (BGBl 258) wesentlich erweiterten – BauRG 1912 ergeben, und zwar als Zugehör des Baurechts (Kletecˇka in Kletecˇka/Rechberger/Zitta, Bauten Rz 25 ff; 3 Ob 284/99g JBl 2002, 311 Holzner). Das als unbewegliche Sache in einer eigenen Baurechtseinlage grundsätzlich wie eine Grundbuchseinlage zu behandelnde Baurecht belastet grundbuchmäßig die Liegenschaft, auf der das Gebäude besteht (dazu Bittner in Kletecˇka/ Rechberger/Zitta, Bauten Rz 88 ff). Es ist das dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu haben (§ 1 Abs 1 BauRG; zu einem Vergleich zwischen Baurecht und Superädifikat vgl Engelhart in Kletecˇka/Rechberger/Zitta, Bauten Rz 11 ff). Es kann auf nicht weniger als zehn und nicht mehr als 100 Jahre bestellt werden (§ 3 Abs 1 BauRG). Das Baurecht genießt durch das Verbot auflösender Bedingungen (§ 4 Abs 1 BauRG), die Beschränkung vertraglicher Auflösungs- und Kündigungsmöglichkeiten (vgl 5 Ob 50/93 NZ 1993, 287 Hofmeister 292; 5 Ob 152/03v RdW 2004, 212) und die Einschränkungen von Verzugsfolgen wegen Nichtzahlung des Bauzinses va auch im Interesse eingetragener Baurechtsgläubiger (§ 4 Abs 2 BauRG) hohen Bestandsschutz. Das Baurecht kann auch an bestehenden Gebäuden eines Grundeigentümers oder auch eines Superädifikatseigentümers bestellt werden (Csoklich, RdW 1991, 254; zum möglichen Nebeneinanderbestehen von Superädifikaten und Bauwerken auf der Basis von Baurechten 3 Ob 284/99g SZ 74/126). Wie beim Superädifikat ist aber Einräumung zu Gunsten des Grundeigentümers selbst nicht vorgesehen (vgl dazu auch 5 Ob 145/95 SZ 68/239: auch nicht gemeinsam mit weiteren Bauberechtigten), und auch nicht die Einräumung an realen Gebäudeteilen (§ 1 Abs 3 BauRG). Gewöhnlich wird ein einmalig oder wiederkehrend zu zahlender Bauzins als Gegenleistung (vgl Rechberger/Frauenberger in Kletecˇka/Rechberger/Zitta, Bauten Rz 47 ff) vereinbart (zur Eccher
409
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 436
Möglichkeit der Wertsicherung § 3 Abs 2 BauRG), die Zahlungspflicht kann als Belastung der Baurechtseinlage in Form einer Reallast verbüchert werden (dazu Hinteregger/S Rz 18 mwN; vgl 1 Ob 2133/96z NZ 1996, 347 krit Hoyer 350: ablehnend zur Anmerkung der Klage auf Zahlung des Bauzinses). Rechtspolitische Tendenzen gehen dahin, bei massiven Bauwerken nur mehr das Baurecht zu ermöglichen und Superädifikate auf „labile“ Bauwerke zu beschränken (vgl die Punktation für eine Reform der Bauten auf fremdem Grund in Rechberger, Superädifikat VII). b) durch Urteil und andere gerichtliche Urkunden; § 436. Wenn das Eigentum unbeweglicher Sachen oder eines Bauwerkes zufolge rechtskräftigen Urteils, gerichtlicher Teilung oder Einantwortung einer Erbschaft übertragen werden soll, ist ebenfalls die Einverleibung (§§ 431 bis 433) oder die Hinterlegung der Urkunde (§§ 434, 435) erforderlich. [idF III. TN] Lit: Holeschofsky, Erbe und bücherlicher Vormann, JBl 1979, 353; Karollus, Zur Rechtsstellung des Liegenschaftserstehers, JBl 1989, 23; Kienast, Die Aufgaben der Vermessungsämter bei den Sonderverfahren nach den §§ 13 und 14 und den §§ 15 bis 22 LTG, NZ 1996, 1; Twaroch, Die Herstellung der Katasterund Grundbuchsordnung nach Straßen- und Wasserbaumaßnahmen, NZ 1991, 121.
1 Grundlage, dh Rechtstitel (§§ 424, 432) für die Eintragung des
Eigentumsrechtes können neben rechtskräftigen (vor Rechtskraft kommt Vormerkung in Frage, Spielbüchler/R Rz 2), vollstreckbaren Urteilen auch gerichtliche Urteilsurrogate (insb gerichtliche Vergleiche, vgl § 33 Abs 1 lit b GBG) sowie diverse gerichtliche Beschlüsse (zB Verteilungsbeschluss im Exekutionsverfahren nach § 237 EO, Amtsbestätigung des Außerstreitgerichtes über die freiwillige Versteigerung nach § 278 Abs 2 AußStrG oder über den Zuwachs des Mindestanteils nach § 14 WEG 2002; zur Amtsbestätigung beim Vermächtnis s § 437) bilden (zu den sonstigen dinglichen Rechten § 445). Die genannten Rechtsakte müssen zur Einverleibung des Eigentums verurteilenden Inhalt haben (untauglich somit bloße Feststellungsurteile, denkbar aber Urteile auf Berichtigung des Grundbuchs nach § 136 GBG; vgl Sprung/Köllensperger, FS Rechberger, 2005, 651 ff) und diesbezügliche Exekutionsführung nach § 350 Abs 1 EO ermöglichen, ohne dass dadurch Eintragung im Wege eines Grundbuchsgesuchs ausgeschlossen sein muss (vgl SZ 25/255; s aber auch 3 Ob 101/95 NZ 1996, 85: Nach Ablehnung eines Grundbuchsantrags ist 410
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 436
die Exekutionsführung in derselben Sache ausgeschlossen). Aufsandungserklärung und Beglaubigung (vgl § 433) sind nicht erforderlich (vgl Hinteregger/S Rz 1). § 22 GBG gilt sinngemäß, allenfalls kann auch auf Vornahme von Handlungen (zB Vorlage eines Teilungsplans) zur Durchsetzung der Eintragung geklagt werden (§§ 353 f EO; zB SZ 43/115). Die gerichtliche Teilung ist insofern ein Sonderfall der Eintragung 2 auf Grund von Urteilen, als die Teilung bereits im Urteil (oder Urteilssurrogat, s Rz 1) selbst geschehen kann (EvBl 1960/352) und die entsprechende Eintragung dann nur mehr deklarativ wirkt. Lautet das Urteil hingegen auf Naturalteilung, liegt in der Entscheidung des Exekutionsgerichts wie in den unter Rz 1 genannten Fällen der Rechtstitel für die konstitutive Eigentumseinverleibung (Spielbüchler/R Rz 9). Der Erwerb von Liegenschaften (bzw selbständigen Bauwerken) im 3 Erbweg durch Einantwortung ist echter außerbücherlicher Erwerb (s § 432 Rz 2), die Grundbuchseintragung daher nur deklarativ (vgl Eccher/S § 819 Rz 15). Daher ist zB nach EvBl 1963/103 der eingeantwortete, aber noch nicht verbücherte Erbe im Teilungsprozess aktivund passivlegitimiert oder (nach Hoyer, JBl 1991, 446) zur Beantragung der Ranganmerkung nach § 53 GBG legitimiert. Auch können die Gläubiger des Erben nach einem Teil der Lehre bereits auf die geerbte Liegenschaft vor Verbücherung Exekution führen (zB Kralik, ErbR 23 FN 1; Spielbüchler/R Rz 4). Nach der Gegenmeinung (zB SZ 57/177; LG Klagenfurt EvBl 1994/77; Welser/R §§ 797, 798 Rz 5; Hinteregger/S Rz 5) kann nur der Anspruch des Erben auf Einverleibung gepfändet werden (vgl auch die Möglichkeit einer EV nach § 75 III. TN). – Die Eintragung erfolgt auf Antrag des oder der Erben bzw, bei deren Untätigkeit durch ein Jahr hindurch, des Gerichtskommissärs beim Verlassenschaftsgericht (§ 182 Abs 1 und 2 AußStrG). Grundlage bilden die in der Einantwortungsurkunde enthaltenen Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung einschließlich allfälliger Erbübereinkommen, zB in Bezug auf vorgenommene Erbteilungen (§ 174 Abs 2 Z 2 AußStrG; zB NZ 1981, 109; zur Erbteilung durch das Verlassenschaftsgericht s §§ 166, 170 AußStrG). Über den Text der Bestimmung hinausgehend kommen auch Ent- 4 scheidungen von Verwaltungsbehörden als Rechtstitel für Eintragungen des Eigentums in Frage, so zB Enteignungsbescheide, Erkenntnisse der Rückstellungskommissionen, Anmeldebögen des Vermessungsamtes, Zusammenlegungsbescheide der Agrarbehörden usw (ausführlich Spielbüchler/R Rz 5). Eccher
411
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 437
oder c) durch Vermächtnis § 437. Ebenso ist es, um das Eigentum eines vermachten unbeweglichen Gutes oder eines Bauwerkes zu erwerben, notwendig, daß die Sache dem Vermächtnisnehmer gemäß §§ 431 bis 435 übergeben werde. [idF III. TN] Lit: Stauffer, Bemerkungen zur Verbücherung von Amtsurkunden, NZ 1960, 50; Wolf, Über Probleme der Verbücherung des Abhandlungsergebnisses, NZ 1979, 6.
1 Das Eigentum an Liegenschaften (und an selbständigen Bauwerken)
aufgrund des grundsätzlich obligatorischen (Damnations-)Vermächtnisses oder auch eines Erbübereinkommens (allerdings nur soweit es sich nicht um neu begründete Rechte handelt, vgl 5 Ob 29/93 SZ 66/39) wird durch (konstitutive) Eintragung im Grundbuch bzw die Urkundenhinterlegung erworben (Erwerbungsart, § 425). Zu diesem Zweck kann der Vermächtnisnehmer – uU auch schon vor Einantwortung (JBl 1957, 18 Steinwenter) – die Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG (öffentliche Urkunde nach § 33 Abs 1 lit d GBG) beim Verlassenschaftsgericht beantragen. Alle Erben sind zustimmungsberechtigt. Dies gilt auch für die (bloß deklarative) Eintragung des Eigentums des verstorbenen Partners bei gemeinsamem Wohnungseigentum (§ 14 Abs 1 Z 5 WEG 2002). Bedingte Aufzeichnung in das öffentliche Buch; oder Vormerkung § 438. Wenn derjenige, welcher das Eigentum einer unbeweglichen Sache anspricht, darüber zwar eine glaubwürdige, aber nicht mit allen in den §§ 434 und 435* zur Einverleibung vorgeschriebenen Erfordernissen versehene Urkunde besitzt; so kann er doch, damit ihm niemand ein Vorrecht abgewinne, die bedingte Eintragung in das öffentliche Buch bewirken, welche Vormerkung (Pränotation) genannt wird. Dadurch erhält er ein bedingtes Eigentumsrecht, und er wird, sobald er zu Folge richterlichen Ausspruches die Vormerkung gerechtfertigt hat, von der Zeit des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches, für den wahren Eigentümer gehalten. Lit: Bittner, Das nunmehrige Recht der Vormerkung, NZ 1985, 201; ders, Neue Fragen der Vormerkung, NZ 1991, 26; Pichler, Abgabensicherstellung durch Pfandrechtsvormerkung, JBl 1963, 462. * Richtig: §§ 432 und 433 (Redaktionsversehen)
412
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 439
Die Vormerkung (s auch §§ 35 ff GBG) ist eine infolge Fehlens be- 1 stimmter Voraussetzungen bedingte, aber rangwahrende Einverleibung (dazu § 431), die durch nachträgliche Beibringung oder Eintreten der fehlenden Voraussetzung rückwirkend rechtswirksam wird (sog Rechtfertigung; zB SZ 28/170; auch bloß teilweise Rechtfertigung ist denkbar, vgl § 40 GBG). Sie kann gesondert als solche beantragt werden oder erscheint im Einverleibungsgesuch als „Minus“ enthalten (§ 85 Abs 3 GBG). Die Bewilligung der Zwangsversteigerung gegen einen vom vorgemerkten Eigentümer verschiedenen Verpflichteten wird durch die Vormerkung nicht gehindert (5 Ob 280/01i Miet 53.839). Bei Privaturkunden können fehlen: Die in den §§ 31 und 34 GBG genannten besonderen urkundlichen Voraussetzungen, zB Beglaubigung oder Mitfertigung, Geburtsdatum, genaue Angabe der Liegenschaft, Aufsandungserklärung, nunmehr auch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 160 Abs 1 BAO. Nicht fehlen dürfen: die allgemeinen urkundlichen Voraussetzungen der §§ 26 f GBG, zB Angabe des Rechtsgrundes, allfällige zur Gültigkeit des Rechtsgeschäftes erforderliche Genehmigungen (zB SZ 28/204: Grundverkehrsbehörde; SZ 30/46: Pflegschaftsgericht), Zustimmungserklärungen etwa des Vorkaufsberechtigten (SZ 24/95) oder des Verbotsberechtigen nach § 364c (aA Spielbüchler/R Rz 3). – Vormerkungen können ferner gemäß § 38 GBG bei noch nicht rechtskräftigen Urteilen über den unbedingten Zuspruch des Eigentumsrechts, als Exekution zur Sicherstellung oder zum Zweck der pfandweisen Sicherstellung von Ansprüchen des Bundes oder eines Landes (zB EvBl 1973/82: Einkommenssteuerrückstand) beantragt werden. § 439. [Die geschehene Vormerkung muß sowohl demjenigen, der sie bewirkt hat, als auch seinem Gegner durch Zustellung zu eigenen Handen bekannt gemacht werden.] Der Vormerkungswerber muß binnen vierzehn Tagen, vom Tage der erhaltenen Zustellung, die ordentliche Klage zum Erweise des Eigentumsrechts einreichen; widrigenfalls soll die bewirkte Vormerkung auf Ansuchen des Gegners gelöscht werden. Lit: S bei § 438.
Die §§ 118 ff GBG regeln nun in allgemeiner Weise die vom Antrag- 1 steller einzuhaltenden Verständigungspflichten und die Art und Weise der Zustellung von Beschlüssen. S 1 ist daher insoferne überholt. S 2 enthält die wesentliche Aussage über eine im Prozessweg zu er- 2 streitende Rechtfertigung, die nunmehr in §§ 42 ff GBG im Einzelnen geregelt ist (zB Möglichkeit der Fristverlängerung nach § 43 Abs 1 Eccher
413
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 440
GBG). Im Übrigen regelt das GBG die sonstigen Möglichkeiten der Rechtfertigung (§ 41 GBG, insb Erklärung des Vormerkungsgegners, Nachweis der Rechtskraft). Die Rechtfertigung ist anzumerken (§ 46 Abs 1; zur Rückwirkung bereits § 438 Rz 1). Bei Nichtrechtfertigung ist die Vormerkung zu löschen (§ 46 Abs 2, §§ 47 f GBG). Trotz Vormerkung können sowohl gegen den noch Eingetragenen als auch gegen den vorgemerkten Eigentümer weitere Eintragungen bewilligt werden, deren Bestand von der Rechtfertigung oder Nichtrechtfertigung der Vormerkung abhängt (§ 49 GBG). Vorschrift über die Kollision der Einverleibungen § 440. Hat der Eigentümer eben dieselbe unbewegliche Sache zwei verschiedenen Personen überlassen; so fällt sie derjenigen zu, welche früher die Einverleibung angesucht hat. Lit: Bollenberger, Konkurs des Liegenschaftsverkäufers und ungenützter Ablauf der Rangordnung, ecolex 2004, 258; Eccher, Die Rechtsstellung des Zweitkäufers einer Liegenschaft im österreichischen und italienischen Recht, FS Wagner (1987) 83; Hoyer, Gilt § 440 ABGB noch? JBl 1994, 645; ders, Doppelverkauf und kein Ende, JBl 1996, 539; ders, Grundbuchsrecht im angemerkten Rang und Frist für den Antrag auf Löschung von Zwischeneintragungen, NZ 1997, 233; Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte (1967); ders, Probleme der Doppelveräußerung, JBl 1971, 616; ders, Der OGH und das Intabulationsprinzip, JBl 1973, 54; Pletzer, Doppelveräußerung und Forderungseingriff (2000); Schilcher/Holzer, Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerungen von Liegenschaften, JBl 1974, 445 und 512.
1 Allgemein. § 440 regelt zwar konkret nur das Problem der Doppel-
veräußerung von Liegenschaften (dazu Rz 3), bringt aber auch im Allgemeinen das grundbücherliche Rangprinzip zum Ausdruck, wonach derjenige Vorrang genießt, dessen Grundbuchsgesuch (oder Gesuch auf Urkundenhinterlegung) zuerst bei Gericht einlangt (§ 29 Abs 1 GBG; gleichzeitig einlangende und so in der Tagebuchzahl zu kennzeichnende Ansuchen genießen den gleichen Rang, § 29 Abs 2 GBG; vgl auch § 431 Rz 1). Instrumente der Rangwahrung sind die Vormerkung (§§ 438 f), insb aber die Anmerkung der Rangordnung (dazu Rz 2) und spezielle Wohnungseigentumsinstrumente: die Anmerkung der Einräumung von Wohnungseigentum nach § 40 Abs 2 WEG 2002 und die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Einräumung von Wohnungseigentum nach § 42 WEG 2002. Wichtige Auswirkungen hat das Rangprinzip va im Grundpfandrecht. 414
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 441
Ranganmerkung. Durch die in den §§ 53 ff GBG geregelte Anmer- 2 kung der Rangordnung (entsprechend Anmerkung des Ansuchens um Eintragung des Baurechts nach § 13 Abs 1 BauRG) soll einem interessierten Erwerber der gegenwärtige Rang für die beabsichtigte Veräußerung und entsprechend einem interessierten Pfandgläubiger für die beabsichtigte Verpfändung gesichert werden. Dies geschieht prinzipiell dadurch, dass der angemerkte Rang demjenigen vorbehalten ist, der die (nur einfach ausgestellte und höchstens ein Jahr gültige) Ausfertigung über die Bewilligung der Ranganmerkung gleichzeitig mit dem Gesuch auf Einverleibung (oder allenfalls Vormerkung) vorlegt. Inzwischen erfolgte nachrangige Eintragungen sind dann zu löschen (zB 5 Ob 1034/92 NZ 1993, 43), sofern sie den Erwerber benachteiligen. Im Übrigen wirkt die Eintragung aber nicht auf den Zeitpunkt der Anmerkung zurück (zB SZ 48/63). Doppelveräußerung. Im Falle der Doppelveräußerung führen das 3 Eintragungsprinzip (§ 431) und das Rangprinzip (Rz 1) zum Eigentumserwerb desjenigen, der zuerst eingetragen wird. Vorherige außerbücherliche Übergabe an den Ersterwerber steht dem nicht entgegen (s dazu schon § 431 Rz 6), ist aber für den anerkannten schadenersatzrechtlichen Schutz des Ersterwerbers nicht unbedeutend: Ist dieser nämlich schon im Besitz der erworbenen Liegenschaft, so steht ihm ein schadenersatzrechtlicher Herausgabeanspruch (Naturalrestitution nach § 1323) und bei dessen Untunlichkeit ein Geldersatzanspruch bereits zu, wenn der Zweiterwerber dessen Forderungsrecht kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste (stRspr, zB 1 Ob 221/99b ecolex 2000, 643, im Wesentlichen nach Schilcher/ Holzer, JBl 1974, 454 f, 516). Vgl zum Problemkreis der Außenwirkung von Forderungsrechten allgemein, also auch zum Fall, dass das Recht des Ersterwerbers (noch) nicht durch den Besitz verstärkt ist, § 859 Rz 16 f. Folge der Erwerbung: a) in Rücksicht des Besitzes; § 441. Sobald die Urkunde über das Eigentumsrecht in das öffentliche Buch eingetragen ist, tritt der neue Eigentümer in den rechtmäßigen Besitz. Beim angesprochenen rechtmäßigen Besitz des im Grundbuch einge- 1 tragenen Erwerbers handelt es sich im Gegensatz zum Naturalbesitz um sog Tabularbesitz (dazu schon bei § 321). Eccher
415
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 442
b) der damit verbundenen Rechte; § 442. Wer das Eigentum einer Sache erwirbt, erlangt auch die damit verbundenen Rechte. Rechte, die auf die Person des Übergebers eingeschränkt sind, kann er nicht übergeben. Überhaupt kann niemand einem anderen mehr Recht abtreten, als er selbst hat. 1 Unter den in S 1 und S 2 genannten, mit dem Eigentum verbundenen
Rechten sind die sog Realrechte zu verstehen (zB Anteile an Agrargemeinschaften, Grunddienstbarkeiten beim herrschenden Grundstück, radizierte Gewerbeberechtigungen). Soweit sie höchstpersönlicher Natur sind, werden sie auch als Realrechte nicht mitübertragen. 2 Der in S 3 verankerte Grundsatz, dass niemand mehr (dingliche und
andere) Rechte übertragen („abtreten“) kann, als er selbst hat (s dazu auch § 423 Rz 1), bezieht sich eher als auf das rechtliche Können (arg: „kann“) auf die Befugnis, über solche Rechte zu verfügen, insb solche zu veräußern: Verfügungen im eigenen Namen sind wirksam, wenn die Rechte, über die verfügt wird, übertragbar sind und dem Verfügenden zustehen. Bei Verfügungen bzw Veräußerungen im fremden Namen sind zusätzlich noch die Stellvertretungsregeln zu beachten. Aber auch dann, wenn sich die Verfügungs- oder Veräußerungsbefugnis aus einer bloßen Ermächtigung (im Innenverhältnis) ergibt, ist die damit korrespondierende Verfügung im Außenverhältnis wirksam, wie va § 1087 zeigt (s dort Rz 1; vgl auch K/W I 292; F. Bydlinski, JBl 1967, 356 ff). Zum Vertrauen auf die Veräußerungsbefugnis und den Gutglaubenserwerb s § 367, insb Rz 3. c) Lasten § 443. Mit dem Eigentume unbeweglicher Sachen werden auch die darauf haftenden, in den öffentlichen Büchern angemerkten Lasten übernommen. Wer diese Bücher nicht einsieht, leidet in allen Fällen für seine Nachlässigkeit. Andere Forderungen und Ansprüche, die jemand an den vorigen Eigentümer hat, gehen nicht auf den neuen Erwerber über. Lit: Hoyer, Persönliche Haftung des Liegenschaftseigentümers für Reallasten? FS Wagner (1987) 195.
1 Privatrechtliche Lasten gehen grundsätzlich nur dann auf den Er-
werber über, wenn sie eingetragen waren (zB Hypothek, Dienstbarkeit, Reallasten; zur diesbezüglichen Obliegenheit der Einsichtnahme in das Grundbuch § 928 Rz 3). Im Falle echten außerbücherlichen Erwerbs (§ 431 Rz 2) erwirbt der gutgläubige Erwerber lastenfrei 416
Eccher
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 445
(§ 431 Rz 3). Umgekehrt muss der Erwerber bestimmte Rechte auch ohne Eintragung gegen sich geltend lassen (zB offenkundige Dienstbarkeiten, 1 Ob 13/94 JBl 1994, 748; näher § 481 Rz 4; Wege und Wasserleitungsservituten in Tirol, RGBl 1897/77; zum Rangproblem hiebei Spielbüchler/R Rz 3). Im Übrigen treffen den Erwerber nicht die obligatorischen Verpflichtungen des Veräußerers (allenfalls jedoch über § 1409). Die grundsätzlich gegebene Pflicht zur Übernahme öffentlich- 2 rechtlicher Lasten ergibt sich nicht aus dem Grundbuch (zur bloßen Ersichtlichmachung vgl § 7 Abs 2 AllgGAG), sondern aus den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Vorschriften (Hinteregger/S Rz 4; 3 Ob 105/04v bbl 2004, 247: öffentliche Reallasten). Bei Zwangsversteigerung regeln die §§ 150 und 227 EO die Verpflichtung zur Lastenübernahme. Der Eigentumserwerb nach Enteignung erfolgt grundsätzlich lastenfrei; dazu § 365 Rz 4. Erlöschung des Eigentumsrechtes § 444. Das Eigentum überhaupt kann durch den Willen des Eigentümers; durch das Gesetz, und durch richterlichen Ausspruch verloren gehen. Das Eigentum der unbeweglichen Sachen aber wird nur durch die Löschung aus den öffentlichen Büchern aufgehoben. Lit: Kerschner, Nachbarrechtliche Haftung bei Deponien, in Kerschner (Hrsg), Haftung bei Deponien (1996) 51.
Durch den Willen des Eigentümers geht Eigentum verloren bei de- 1 rivativem Erwerb durch einen anderen (§ 423) oder durch Dereliktion (dazu bereits §§ 386 f). Zur Frage, inwiefern sich der Eigentümer durch Preisgabe öffentlich-rechtlichen (zB Deponierungspflicht) oder privaten Verpflichtungen entziehen kann, vgl Kerschner in Kerschner, Deponien 59 ff. Durch Gesetz geht Eigentum etwa in den Fällen der §§ 367, 371, 414 ff, 824 ABGB oder §§ 61 ff GBG verloren; durch Richterspruch bei Zwangsversteigerung oder Teilung. Ferner sind zu erwähnen entsprechende verwaltungsbehördliche Entscheidungen (zB Enteignung oder landwirtschaftliches Zusammenlegungsverfahren). Ausdehnung dieser Vorschriften auf andere dinglichen Rechte § 445. Nach den in diesem Hauptstücke über die Erwerbungsund Erlöschungsart des Eigentumsrechts unbeweglicher Sachen gegebenen Vorschriften hat man sich auch bei den übrigen, auf Eccher
417
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 446
unbewegliche Sachen sich beziehenden, dinglichen Rechten zu verhalten. 1 Der in § 445 angesprochene Grundsatz findet sich ausdrücklich auch
in § 451 für das Pfandrecht, § 481 für die Grunddienstbarkeiten, § 530 für die Reallasten, § 5 Abs 3 WEG 2002 für das Wohnungseigentum und § 1 BauRG für das Baurecht, wobei die Urkundenhinterlegung als Erwerbungs- bzw Erlöschungsart für die beiden zuletzt genannten Rechte nicht vorgesehen ist (Zusammenstellung der bücherlichen Rechte bei Rechberger in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 68 ff). Form und Vorsichten der Einverleibungen § 446. Auf was Art und mit welchen Vorsichten überhaupt bei Einverleibung dinglicher Rechte vorzugehen sei, ist in den über die Einrichtung der Landtafeln und Grundbücher bestehenden besondern Anordnungen enthalten. 1 S dazu insb § 431 Rz 1.
Sechstes Hauptstück Von dem Pfandrechte Begriff von dem Pfandrechte und Pfande § 447. Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches dem Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn die Verbindlichkeit zur bestimmten Zeit nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu erlangen. Die Sache, worauf dem Gläubiger dieses Recht zusteht, heißt überhaupt ein Pfand. Lit a) allgemein zum Pfandrecht: Eicher, Ausgewählte Probleme des Mobiliarpfandrechtes (1999); Feil, Österreichisches Hypothekarrecht 2 (1999); Spitzer, Die Pfandverwertung im Zivil- und Handelsrecht (2004); b) speziell zu § 447: Hoyer, Sind Sicherungseigentum und Pfandrecht gleich zu behandeln? JBl 1984, 543; Zankl, Zur Rechtsnatur des Flaschenpfandes, JBl 1986, 493.
1 Mit einem Pfandrecht hat ein Gläubiger das dingliche (s bereits § 308;
§ 466 Rz 1), also gegenüber jedermann (sogar gegen den Eigentümer) wirkende Recht, sich bei Nichterfüllung einer zumindest bestimmbaren Forderung aus einer bestimmten Sache (Spezialität, § 448 Rz 4 und § 449 Rz 4) eines anderen (Recht an fremder Sache, § 448 Rz 3) zu befriedigen. Da es nur zur Sicherung der Forderung dient, hängt es von deren Bestand ab (Akzessorietät, § 449 Rz 1, § 469 Rz 1). Wird 418
Eccher/Koch
Eigentumserwerb (Übergabe)
§ 446
unbewegliche Sachen sich beziehenden, dinglichen Rechten zu verhalten. 1 Der in § 445 angesprochene Grundsatz findet sich ausdrücklich auch
in § 451 für das Pfandrecht, § 481 für die Grunddienstbarkeiten, § 530 für die Reallasten, § 5 Abs 3 WEG 2002 für das Wohnungseigentum und § 1 BauRG für das Baurecht, wobei die Urkundenhinterlegung als Erwerbungs- bzw Erlöschungsart für die beiden zuletzt genannten Rechte nicht vorgesehen ist (Zusammenstellung der bücherlichen Rechte bei Rechberger in Rechberger/Kletecˇka, Bodenrecht 68 ff). Form und Vorsichten der Einverleibungen § 446. Auf was Art und mit welchen Vorsichten überhaupt bei Einverleibung dinglicher Rechte vorzugehen sei, ist in den über die Einrichtung der Landtafeln und Grundbücher bestehenden besondern Anordnungen enthalten. 1 S dazu insb § 431 Rz 1.
Sechstes Hauptstück Von dem Pfandrechte Begriff von dem Pfandrechte und Pfande § 447. Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches dem Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn die Verbindlichkeit zur bestimmten Zeit nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu erlangen. Die Sache, worauf dem Gläubiger dieses Recht zusteht, heißt überhaupt ein Pfand. Lit a) allgemein zum Pfandrecht: Eicher, Ausgewählte Probleme des Mobiliarpfandrechtes (1999); Feil, Österreichisches Hypothekarrecht 2 (1999); Spitzer, Die Pfandverwertung im Zivil- und Handelsrecht (2004); b) speziell zu § 447: Hoyer, Sind Sicherungseigentum und Pfandrecht gleich zu behandeln? JBl 1984, 543; Zankl, Zur Rechtsnatur des Flaschenpfandes, JBl 1986, 493.
1 Mit einem Pfandrecht hat ein Gläubiger das dingliche (s bereits § 308;
§ 466 Rz 1), also gegenüber jedermann (sogar gegen den Eigentümer) wirkende Recht, sich bei Nichterfüllung einer zumindest bestimmbaren Forderung aus einer bestimmten Sache (Spezialität, § 448 Rz 4 und § 449 Rz 4) eines anderen (Recht an fremder Sache, § 448 Rz 3) zu befriedigen. Da es nur zur Sicherung der Forderung dient, hängt es von deren Bestand ab (Akzessorietät, § 449 Rz 1, § 469 Rz 1). Wird 418
Eccher/Koch
Pfandrecht
§ 447
sie nur teilweise getilgt, bleibt die ganze Pfandsache verhaftet, da diese in vollem Umfange die ganze Forderung besichert (ungeteilte Pfandhaftung, § 469 Rz 1; K/W I 374). Weitere Grundsätze des Pfandrechts sind dessen Publizität (§ 451 Rz 1) sowie das Prioritätsprinzip (§ 464 Rz 2). Das Pfandrecht ist insolvenzfest; der Pfandgläubiger hat ein Absonderungsrecht (§§ 11, 48 KO; §§ 11, 46 AO; vgl 7 Ob 567/90 SZ 63/55; zu den Grenzen Hofmann/R Rz 5). Der Pfandbesteller (Pfand- oder Realschuldner) muss zur Verpfän- 2 dung berechtigt sein (§ 442; s aber § 456; für gerichtliche Pfändung reicht Innehabung: § 253 Abs 1 EO, Eigentümer kann exszindieren: § 37 EO). Er ist aber nicht notwendigerweise auch Schuldner der zu besichernden Forderung (Haupt- oder Personalschuldner), dessen Zustimmung zu einer Drittpfandbestellung nicht erforderlich ist (7 Ob 642/94 ÖBA 1995, 538). Eine persönliche Haftung ist nach hM nicht notwendig; abgesehen von bestimmten Abgabengesetzen (Hofmann/R Rz 3) und vom Fall des § 1483 (Verjährung der besicherten Forderung, aber nicht des Faustpfandrechtes) können Pfandgläubiger und -schuldner solche reine Sachhaftung auch vereinbaren (Klang/K II 412 f; K/W I 372 f). Werden vertretbare Sachen zur Besicherung übergeben und mit Sa- 3 chen des Pfandgläubigers vermengt (§ 371), erwirbt dieser daran im Zweifel das Eigentumsrecht; dem Pfandschuldner verbleibt ein Herausgabeanspruch, der damit eigentlicher Pfandgegenstand ist (unregelmäßiges Pfand oder pignus irregulare; RS0011282, zB EvBl 1956/151; 2 Ob 2344/96m SZ 69/246; Hinteregger/S Rz 9; aM Gschnitzer ua, SachenR 195: Sicherungsübereignung). Praktisch wichtigstes Beispiel ist Geld, das aber auch als echtes oder regelmäßiges Pfand (pignus regulare) gegeben werden kann, solange es abgesondert ist oder die einzelnen Stücke zumindest individualisierbar bleiben (SZ 22/33). Wenn der Pfandgläubiger daraus Stücke entnehmen darf, sie aber jeweils sofort ersetzen muss, spricht man von Summenpfand. Da der Pfandbesteller daran Eigentümer bleibt, hat er im Konkurs des Pfandgläubigers einen Aussonderungsanspruch (K/W I 380). Dies gilt auch, wenn seine mit gleichartigen Pfandsachen anderer Eigentümer vermengt werden (Quantitätseigentum; dazu § 415 Rz 2 f), womit der Gläubiger ein Sammelpfand hat (SZ 22/33; Klang/K II 399). Eine Geldkaution kann in all diesen Varianten bestellt werden (zB 3 Ob 2021/96v SZ 69/35; Bedeutung va im Mietrecht; Besicherung erstreckt sich auf Zinsen: JBl 1987, 248; vgl zum Sparbuch SZ 61/146 und 6 Ob 244/00a ÖBA 2002, 488 Hirsch). Das sog Flaschenpfand ist hingegen kein Pfandrecht; vielmehr hat der 4 Käufer eine Rückverkaufsoption (§ 1071; Zankl, JBl 1986, 493). Zur Koch
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Pfandrecht
§ 448
Abgrenzung vom Sicherungseigentum Hinteregger/S Rz 8 und Hoyer, JBl 1984, 543; zum Zurückbehaltungsrecht s § 471. Arten des Pfandes § 448. Als Pfand kann jede Sache dienen, die im Verkehre steht. Ist sie beweglich, so wird sie Handpfand, oder ein Pfand in enger Bedeutung genannt; ist sie unbeweglich, so heißt sie eine Hypothek oder ein Grundpfand. Lit: Böhler, Die Verpfändung von Sparbüchern (1992); E. Bydlinski, Zur Sicherungsübereignung verpfändeter Sachen, ÖBA 1988, 788; Knoll, Pfändung, Verpfändung und Abtretung von Unterhaltsvorschüssen, RZ 1999, 234; Koziol, Zur Reichweite gesetzlicher Abtretungs- und Verpfändungsverbote, RdW 1986, 262; S. Lang, Patente, Patentanmeldungen und Erfindungen als Kreditsicherungsmittel, ecolex 1999, 475; P. Madl, Pfandrecht an Marken, ecolex 1991, 329; W. Schwartz, Pfandrechte an Mobilfunkkonzessionen? wbl 2000, 450; H. Torggler, Zur Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ÖBA 1998, 430.
1 Alle Sachen iSd §§ 285, 291 ff (10 Ob 531/94 SZ 67/195; trotz § 285a
auch Tiere, vgl aber § 250 Abs 1 Z 4 EO), also auch Rechte (Rz 9), können verpfändet werden, wenn sie verkehrsfähig sind. Sofern sie nicht aus öffentlichem Interesse dem Verkehr entzogen sind (zB Kultgegenstände iSd § 251 EO und § 28 AbgEO; vgl 7 Ob 588/90 SZ 63/121; weitere Verkehrsbeschränkungen zB im SMG und WaffG), wird auf ihre Verwertbarkeit abgestellt, wobei wiederum ihre generelle Befriedigungstauglichkeit im Vordergrund steht (auch nur durch Zwangsverwaltung oder -verpachtung; Hofmann/R Rz 8). An unverwertbaren Sachen (zB Diplome, Zeugnisse, Pässe, auch Typenschein: JBl 1984, 143 Jabornegg) kann stattdessen ein Zurückbehaltungsrecht eingeräumt werden (§ 471 Rz 4). Eine verpfändete bewegliche Sache wird Faustpfand oder Handpfand genannt; Pfandrechte an Liegenschaften sind Hypotheken (Grundpfänder). 2 Selbst wenn an einer Sache kein exekutives Pfandrecht begründet wer-
den kann (§§ 250–252 EO: Unpfändbarkeit; s auch Art VII, VIII, X und XI EGEO), ist dies durch Rechtsgeschäft grundsätzlich trotzdem möglich (Hinteregger/S Rz 20; s aber zu § 251 EO oben Rz 1). Gemäß §§ 290 ff EO ganz oder teilweise unpfändbare Forderungen hingegen können auch nicht verpfändet werden (§ 293 Abs 2 EO; s auch § 64 Abs 2 AbgEO). Weitere Verpfändungsverbote sind etwa § 42 Abs 2 MRG; § 156 Abs 1 VersVG; § 98 ASVG; § 38 B-KUVG; § 61 BSVG; § 65 GSVG; § 4 Abs 1 StEG; § 8 UmweltfondsG; § 3 Abs 2 UFG und 420
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§ 16 Abs 4 WBFG. Die Verpfändung kann außerdem gerichtlich (§ 379 Abs 3 Z 2, § 382 Abs 1 Z 6 EO; § 144a Abs 2 StPO), behördlich (zB §§ 3, 7 Abs 2 PfBrG) oder rechtsgeschäftlich verboten werden (§ 364c; s auch § 1396a). Schon aus Publizitätsgründen ist die Bestellung eines Pfandrechtes 3 an eigenen beweglichen Sachen abzulehnen (s aber zum Pfandrecht des Kommissionärs an Kommissionsgut in seinem Eigentum § 398 UGB; zum exekutiven Pfandrecht des Vorbehaltsverkäufers F. Bydlinski/K IV/2, 638 ff; Gschnitzer ua, SachenR 238). Der Eigentümer einer verbücherten Liegenschaft sollte diese hingegen sehr wohl mit einer eigenen Hypothek belasten können, kann er doch auch den Pfandrang blockieren (§§ 53 ff GBG; praktische Bedeutung daher wohl gering). Das ABGB anerkennt selbst die Eigentümerhypothek (§ 470 Rz 1 f). Die hM ist im Übrigen restriktiv und beharrt auf dem Grundsatz des Rechts an fremder Sache (K/W I 373 f; Hinteregger/ S § 447 Rz 2; s auch Iro, SachenR Rz 9/6; vgl JB 246; SZ 24/91); die Gegenmeinung schießt hingegen übers Ziel, wenn sie Pfandrechte auch an eigenen beweglichen Sachen offenbar uneingeschränkt zulassen will (Hofmann/R Rz 4; wohl auch Klang/K II 394 f). Nur individuell bestimmbare Einzelsachen können als Pfand dienen 4 (zB SZ 58/159; Spezialitätsgrundsatz; zu dessen zweiten, die besicherte Forderung betreffenden Aspekt § 449 Rz 4), nicht hingegen Gesamtsachen (§ 302) als solche, wie das gesamte Vermögen einer Person (ZBl 1932/2), ein Unternehmen (EvBl 1966/232) oder ein Warenlager (Frotz, Kreditsicherungsrecht 50 f). Stattdessen muss der Pfandnexus für jedes einzelne Stück daraus hergestellt werden (bei Bestandsveränderungen auch durch eine Vertrauensperson des Pfandgläubigers: 3 Ob 45/94 ÖBA 1994, 992); dies kann allenfalls durch symbolische Übergabe geschehen (dazu § 452). Bei Alleineigentum kann ein Pfandrecht nur an der ganzen Sache und 5 nicht an ideellen Teilen begründet werden (angesichts § 13 Abs 1 GBG unbestritten für Liegenschaften; gilt aber auch für bewegliche Sachen: Gschnitzer ua, SachenR 192; Hofmann/R Rz 5; K/W I 375; aM Frotz, Kreditsicherungsrecht 65; Klang/K II 397; offen Hinteregger/S Rz 4; Iro, SachenR Rz 9/11). Miteigentumsanteile können hingegen sehr wohl als solche (aber ebenso nur zur Gänze) belastet werden (§ 829). Reale Teile können nur nach Abtrennung vom Ganzen verpfändet wer- 6 den (zu Mengensachen vgl SZ 46/50: Quantitätseigentum an Getreide). Nach Abschreibung eines Liegenschaftsteiles ohne Zustimmung des Pfandgläubigers haften ursprüngliche und neue Einlage gemeinsam Koch
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§ 449
(Simultanhypothek: § 3 Abs 1 LiegTeilG; s auch § 13 LiegTeilG zur lastenfreien Abschreibung geringwertiger Trennstücke). 7 An selbständigen Bestandteilen oder Zubehör (vgl § 457) kann ein Pfandrecht auch ohne Absonderung von der Hauptsache begründet werden, solange die Publizität gewahrt bleibt (s §§ 451 f; mittlerweile hM: 3 Ob 174/01m SZ 74/201; K/W I 250, 376; Frotz, Kreditsicherungsrecht 54 ff; anders die frühere Rspr, zB JBl 1964, 207; zu Liegenschaftszubehör s aber § 252 EO). 8 An künftigen körperlichen Sachen kann vorab kein Pfandrecht eingeräumt werden, da der Modus erst nach Entstehung der Sache abgeschlossen werden kann (Titel und dingliche Einigung aber schon vorher möglich: K/W I 375 f). Künftige Forderungen (zB Gehaltsforderungen aus aufrechtem Dienstverhältnis; zu deren Pfändbarkeit §§ 290 ff EO) sind zwar verpfändbar, müssen dazu aber bei Pfandrechtseinräumung ausreichend individualisierbar (zumindest Gläubiger, Schuldner – nicht unbedingt namentlich – und Rechtsgrund: SZ 27/155; SZ 58/159; Frotz, Kreditsicherungsrecht 226) und nicht bloß erhofft sein (SZ 52/147; SZ 61/222; 7 Ob 75/98z RdW 1998, 730 Iro). 9 Neben Forderungen (s § 452 Rz 4 ff) sind auch weitere Rechte pfand-
tauglich, solange sie nicht höchstpersönlich oder anderweitig nicht verwertbar sind (zB Grunddienstbarkeiten, da nicht absonderbar; s § 485). Daher können zB Pfandrechte ihrerseits verpfändet werden (Afterpfand: §§ 454 f), ebenso Fruchtgenussrechte, Patentrechte (§ 34 PatG; S. Lang, ecolex 1999, 475), Markenrechte (§ 11 MarkSchG; dazu P. Madl, ecolex 1991, 329), Werknutzungsrechte (§ 27 Abs 1 UrhG; nicht aber das Urheberrecht selbst: § 23 Abs 3 UrhG), Gesellschaftsanteile (3 Ob 2270/96m SZ 70/115; H. Torggler, ÖBA 1998, 430; Stimmrechte verbleiben beim Verpfänder: Frotz, Kreditsicherungsrecht 239), Aktien (F. Graf, GesRZ 1978, 8); nicht aber Wiederkaufs-, Rückverkaufs-, Vorkaufsrechte oder das Gebrauchsrecht (Hinteregger/S Rz 9 ff); zu Internet Domains P. Burgstaller, ecolex 2001, 197; Oberkofler, MR 2001, 185; Thiele, ecolex 2001, 38; ders, ecolex 2001, 600). An Bestandrechten kann zwar kein bücherliches Pfandrecht begründet werden (5 Ob 47/94 NZ 1995, 92 Hoyer 95; aM Binder, SachenR Rz 11/29), sie sind im Übrigen aber verpfändbar, falls eine Verwertung (etwa durch Zwangsverwaltung) möglich ist (ausgeschlossen zB bei Untervermietverbot: EvBl 1966/232). Titel des Pfandrechtes § 449. Das Pfandrecht bezieht sich zwar immer auf eine gültige Forderung, aber nicht jede Forderung gibt einen Titel zur Erwer422
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§ 449
bung des Pfandrechtes. Dieser gründet sich auf das Gesetz; auf einen richterlichen Ausspruch; auf einen Vertrag; oder den letzten Willen des Eigentümers. Lit: Apathy, Kreditnehmer- und Kreditgeberwechsel bei der Höchstbetragshypothek, ÖBA 2000, 1031; Hoyer, Zwei Fragen der Höchstbetragshypothek, FS Demelius (1973) 349; ders, Gläubiger- und Schuldnerwechsel im Hypothekenrecht, JBl 1991, 710; Iro, Universalsukzession auf Kreditnehmerseite und Höchstbetragshypothek, ÖBA 1997, 345; ders, Höchstbetragshypothek auch für mehrere Grundverhältnisse? RdW 2000, 9; Kundi, Zession hypothekarisch gesicherter Forderungen (2003); Kurzbauer, Die Höchstbetragshypothek (1999). Übersicht I. II. III. IV. V.
Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Nebenforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Höchstbetragshypothek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Übertragung von Pfandrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
I. Akzessorietät Ein Pfandrecht kann grundsätzlich nur zur Besicherung einer bereits 1 entstandenen (oder zumindest künftig entstehenden: Rz 5) und auch fortbestehenden Forderung eingeräumt werden (Grundsatz der Akzessorietät), ohne dass es auf deren Rechtsgrund ankäme (SZ 53/42; zur forderungsentkleideten Eigentümerhypothek § 469 Rz 6; zum gutgläubigen Pfandrechtserwerb § 456; zu Höchstbetragshypotheken unten Rz 8 ff). Die Forderung muss gültig sein (SZ 58/159; vgl § 26 Abs 2 GBG); ist 2 sie absolut nichtig, wird sie vernichtet oder erfolgreich angefochten, entfällt auch ihre pfandrechtliche Besicherung (spätere Verbotsnorm gegen besichertes Rechtsgeschäft schadet nicht: 6 Ob 287/00z SZ 74/167). Gegen eine Hypothek kann in diesem Falle Löschungsklage gemäß § 61 GBG, im Exekutionsfalle Widerspruch gegen die Berücksichtigung bei der Meistbotverteilung (§ 213 EO) erhoben werden. Bloße Bestreitung der Forderung hindert die Pfandrechtsbestellung aber noch nicht (SZ 61/222). Die besicherte Forderung muss nicht klagbar sein; auch für verjährte 3 Forderungen kann uU ein Pfand gegeben werden (sofern Personaloder Pfandschuldner auf die Verjährungseinrede verzichtet haben: SZ 60/209; vgl Gamerith/R § 1351 Rz 2). Koch
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§ 449 II. Spezialität
4 Die zu besichernde Forderung muss im Zeitpunkt der Pfandverwer-
tung (SZ 58/159; K/W I 373) ausreichend bestimmt sein (Spezialität; zur Bestimmtheit der Pfandsache § 448 Rz 4 ff). Sie muss zumindest Geldwert haben (SZ 23/200). Für eine Hypothek muss sie jedoch in Geld (und zwar in Euro oder einer anderen Währung eines EU- oder EWR-Staates; Eintragungen auf sonstige Fremdwährungen sind unzulässig: Art I § 5 Abs 3 1. Euro-JuBeG; 5 Ob 87/99a SZ 72/64) ziffernmäßig bestimmt sein (§ 14 Abs 1 GBG; sog Verkehrs- oder Festbetragshypothek; zur Höchstbetragshypothek Rz 8 ff). 5 Die zu besichernde Forderung kann auch aufschiebend bedingt sein
oder erst künftig entstehen, sofern sie ausreichend individualisierbar ist (nach Gläubiger, Schuldner und Rechtsgrund: RS0011287, zB 7 Ob 75/98z RdW 1998, 730 Iro). Ein Darlehen muss daher noch nicht zugezählt sein, sofern die Darlehensforderung bei Pfandbestellung hinlänglich präzisiert ist (SZ 61/222; Hofmeister, NZ 1981, 117 bei und in FN 20; s aber EvBl 1961/55). III. Nebenforderungen 6 Ein Pfandrecht besichert nicht nur die eigentliche Forderung, sondern
darüber hinaus auch bestimmte Nebengebühren wie mit der Hypothek kausal zusammenhängende Prozess- und Exekutionskosten (§ 16 GBG; § 216 Abs 2, §§ 283 ff EO) sowie gesetzliche und vertragliche Zinsen und Zinseszinsen, soweit diese noch nicht verjährt sind. Bis zu dreijährige Zinsrückstände genießen gemäß § 17 GBG gleichen Rang (5 Ob 49/90 JBl 1991, 241). Der Zinssatz muss gemäß § 14 Abs 1 S 2 GBG eingetragen werden (beweglicher Zinsfuß zulässig, solange Höchstzinssatz eingetragen: 5 Ob 65/90 SZ 63/230). 7 Sonstigen Nebengebühren (zB die Kosten der Urkundenerrichtung
oder die einer anderen Exekution zur Betreibung derselben Forderung) kann der gleiche Rang wie der Hauptforderung mit einer sog Nebengebührensicherstellung (oder Nebengebührenkaution) verschafft werden, wenn diese inhaltlich bestimmt und mit festgelegter Höchstsumme eingetragen wird (Höchstbetragshypothek: 3 Ob 54/99h SZ 72/152). IV. Höchstbetragshypothek Stehen Schuldner und Gläubiger sowie Rechtsgrund, aber noch nicht 8 die Höhe einer Forderung fest, kann zu ihrer Besicherung eine Höchstbetragshypothek gemäß § 14 Abs 2 GBG eingetragen werden. Die dort genannten Rechtsgründe sind nicht taxativ aufgezählt (verst 424
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Senat 3 Ob 34/94 SZ 69/159). Damit kann in Abschwächung des Spezialitätsprinzips grundsätzlich jedes Schuldverhältnis hypothekarisch gesichert werden, ohne dass eine oder mehrere Einzelforderungen daraus individualisiert und ihrer Höhe nach im Vorhinein festgestellt werden müssen. Allerdings zieht der Höchstbetrag schon vorab eine Grenze, bis zu 9 der die gegenwärtigen oder künftigen Forderungen pfandrechtlich gesichert sind. Dazu müssen sie geldwert (s Rz 2) und bestimmt oder zumindest ausreichend bestimmbar sein (vgl etwa SZ 58/159), was bei künftigen Forderungen ein ihnen zugrunde liegendes bestehendes Rechtsverhältnis (zB Krediteröffnungsvertrag oder Rahmenvereinbarungen) verlangt (RS0060495, zB SZ 61/98; Apathy, ÖBA 2000, 1033 ff; Hoyer, 1. FS Strasser, 1983, 931; sogar zu verschiedenen Schuldnern: 3 Ob 285/05s EvBl 2006/108; Iro, RdW 2000, 9 ff; Holzner, ÖBA 2004, 954 ff). Besicherung ist letztlich aber nur für tatsächlich bestehende Forde- 10 rungen gegeben (zur Akzessorietät s im Übrigen Rz 1 ff), so dass der durch den Höchstbetrag vorgegebene Rahmen nicht notwendigerweise ausgenützt wird. Eine Höchstbetragshypothek erlischt nicht schon durch Begleichung 11 einer einzelnen Schuld, solange weitere Forderungen aus diesem Grundverhältnis gesichert sind; dieses ist als Ganzes abzuwickeln (3 Ob 92/90 SZ 64/38; 10 Ob 509/96 SZ 69/51; Hoyer, FS Demelius 354 ff). Daher kann auch ein bloßer Realschuldner seine Liegenschaft nicht entlasten, indem er den Höchstbetrag bezahlt, solange aus dem Grundverhältnis neue Forderungen entspringen können (zB revolvierender Kontokorrentkredit: 1 Ob 55/95 SZ 69/145). Im Gegensatz zu Festbetragshypotheken (Rz 3) sind Nebenforde- 12 rungen nicht über den Rahmen des Höchstbetrages hinaus besichert (SZ 44/4; 3 Ob 283/01s ecolex 2002, 660; aM Hoyer, FS Demelius 350 ff; Kurzbauer, Höchstbetragshypothek 39 ff; Ostheim, JBl 1960, 625), allerdings haben in diesen Grenzen alle (auch mehr als drei Jahre rückständige) Zinsen den gleichen Rang (SZ 47/73). Eine gesonderte Nebengebührensicherstellung (Rz 7) kann hingegen sehr wohl zusätzlich eingetragen werden (Hofmann/R § 451 Rz 11). V. Übertragung von Pfandrechten Auf Grund der Akzessorietät können Pfandrechte nicht isoliert, son- 13 dern nur zusammen mit der besicherten Forderung rechtsgeschäftlich übertragen werden (K/W I 387). Für den Erwerb durch den Zessionar ist aber ein Modus wie bei ursprünglicher PfandrechtseinräuKoch
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mung nötig (s §§ 451 ff; Besitzkonstitut hier jedoch zulässig: Hofmann/R Rz 8); bei Hypotheken also die Verbücherung (Ausnahme bei Übertragung des Pfandrechtes auf neue Forderung des bisherigen Gläubigers: Nachweis der Vereinbarung genügt im Verteilungsverfahren; 3 Ob 92/90 SZ 64/38). 14 Gesetzliche und exekutive Pfandrechte gehen hingegen eo ipso auf
den Zessionar über (K/W I 388). Auch bei Legalzessionen folgen Pfandrechte wie alle Sicherungsrechte automatisch der Forderung (§§ 1358, 1422), daher sieht die hM und Rspr in diesen Fällen vom Moduserfordernis ab (Hofmeister, FS Wagner 177 ff: nur bei § 1358), womit bei Hypotheken der Eintragungsgrundsatz insoweit durchbrochen wird (RS0011276; 5 Ob 43/94 SZ 67/90; 4 Ob 254/01h ÖBA 2002, 568 Koziol; zur Berichtigung Einverleibung gemäß § 136 GBG, nicht bloße Anmerkung des Gläubigerwechsels). Dies ist insb str bei Höchstbetragshypotheken (für Pfandrechtsübergang nur bei Reduktion auf die abgetretene Forderung NZ 1986, 289 krit Hofmeister 296; SZ 59/67; Frotz, Kreditsicherungsrecht 272; Reischauer, ÖJZ 1982, 292 ff; aM Wilhelm, wbl 1987, 295: anteiliger Übergang; zust Kundi, Zession 164 ff). Die Ungleichbehandlung von rechtsgeschäftlicher und Legalzession in dieser Frage ist jedenfalls unbefriedigend; angesichts des Gesetzeswortlautes ist der modusfreie Übergang aber schon bei Legalzession abzulehnen (zutr K/W I 388). Eine Ausdehnung dessen auf die übrigen Fälle der Pfandrechtsübertragung kommt nur de lege ferenda in Frage (bereits de lege lata bejahen automatischen Übergang allerdings F. Bydlinski/K IV/2, 645 ff; Frotz, Kreditsicherungsrecht 97 ff; Reischauer, ÖJZ 1982, 311 ff; ders, ÖJZ 1989, 236 f; Wilhelm, wbl 1987, 298). 15 Sofern sie nicht auf eine einzelne (Festbetrags-)Hypothek reduziert und das Grundverhältnis damit beendet wird (zB SZ 59/67; 3 Ob 2114/96w SZ 69/100), kann eine Höchstbetragshypothek nur gemeinsam mit dem gesicherten Rechtsverhältnis übergehen. Einer solchen Vertragsübernahme muss der jeweils andere Vertragspartner zustimmen (Hinteregger/S Rz 22). 16 Wird nur die Forderung, nicht aber das Pfandrecht übertragen, erlischt Letzteres, wenn es sich um eine bewegliche Sache handelt (K/W I 387). Das Problem stellt sich bei Liegenschaften nicht, weil die verbücherte Forderung nach hM ohnehin nur zusammen mit der Hypothek übertragen werden kann (SZ 16/118; 8 Ob 2042/96v ÖBA 1997, 67; Klang/K II 446; K/W I 387 f; aM F. Bydlinski/K IV/2, 651 ff; Kundi, Zession 40 ff, insb 76 f; Reischauer, ÖJZ 1989, 236 f). Eine Höchstbetragshypothek besteht unabhängig von der einzelnen Forderung (Rz 8). 426
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§ 450. Die Fälle, in welchen das Gesetz jemandem das Pfandrecht einräumt, sind am gehörigen Orte dieses Gesetzbuches und bei dem Verfahren in Konkursfällen angegeben. Inwiefern das Gericht ein Pfandrecht einräumen könne, bestimmt die Gerichtsordnung. Soll durch die Einwilligung des Schuldners oder eines Dritten, der seine Sache für ihn verhaftet, das Pfandrecht erworben werden, so dienen die Vorschriften von Verträgen und Vermächtnissen zur Richtschnur. Wie bei allen dinglichen Rechten muss auch das Pfandrecht grund- 1 sätzlich durch Titel und Modus (zu diesem §§ 451 ff) erworben werden. Als Titel kommt eine Gesetzesnorm in Frage (Rz 2), weiters eine richterliche Anordnung (Rz 3 ff) oder privatautonome Gestaltung (durch Vertrag, dazu §§ 1368 ff, oder letztwillige Verfügung). Bei den gesetzlichen Pfandrechten ist vorrangig zu unterscheiden 2 zwischen jenen Normen, die lediglich einen (mit Leistungsklage und Exekution durchsetzbaren) Anspruch auf Sicherstellung einräumen, der durch Pfandbestellung mit entsprechendem Modus (§ 1373) zu befriedigen ist (sog unechte gesetzliche Pfandrechte; dazu zählen etwa die §§ 341 ff, 458, 471 Abs 2, §§ 520, 688, 692, 811, 834 f, 890, 1245, 1260, 1364 f, 1428 ABGB sowie § 70 EheG), und jenen Bestimmungen, die unmittelbar Pfandrechte verleihen, ohne dass dazu ein Modus erforderlich wäre (echte gesetzliche Pfandrechte). Zu Letzteren zählen etwa die §§ 1101 und 1321 ABGB, weiters §§ 397 f, 404, 410 f, 421, 440 ff, 623, 674, 725, 751, 755 ff, 776 UGB; § 27 WEG; §§ 77, 89, 97, 103 ff BinnSchiffG; § 112 EBG; § 19 Abs 3 und § 19a RAO; § 10 GEG oder § 11 GrStG. Echte gesetzliche Pfandrechte können auch nach Konkurseröffnung entstehen (SZ 51/133); manche sind im Verteilungsverfahren bevorzugt (§ 216 Abs 1 Z 2, § 217 Abs 1 Z 1 EO). Richterliche Pfandrechte werden durch Pfändung begründet. Be- 3 wegliche körperliche Sachen werden dazu im Pfändungsprotokoll verzeichnet und beschrieben (§ 253 Abs 1 EO); dadurch erwirbt der Gläubiger ein Pfändungspfandrecht (§ 256 Abs 1 EO). Bleiben die Sachen in der Gewahrsame des Schuldners, ist die Pfändung an ihnen ersichtlich zu machen (aber nur Identifizierbarkeit der Pfandgegenstände wesentlich: 3 Ob 71/92 SZ 65/115), ansonsten werden sie in Verwahrung genommen (§ 253 Abs 1 S 3 EO; zur Fahrnisexekution im Übrigen §§ 249 ff EO; auch nicht darunter fallende Wertpapiere werden so gepfändet; vgl § 296 EO). Die Pfändung von Geldforderungen (Forderungsexekution: §§ 290 ff 4 EO; zu bücherlich bereits besicherten Forderungen insb § 320) sowie von obligatorischen und dinglichen Ansprüchen des Verpflichteten Koch
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Pfandrecht
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auf Herausgabe körperlicher Sachen (Anspruchsexekution: §§ 325 ff EO) erfolgt durch das sog Doppelverbot (§ 294 EO: Verfügungsverbot an den Verpflichteten und Zahlungsverbot an den Drittschuldner; mit Zustellung an diesen ist Pfändung bewirkt: § 294 Abs 3 EO). Zur Pfändung sonstiger Vermögensrechte (zB Gesellschaftsanteile, Immaterialgüterrechte etc) s §§ 330 ff EO. 5 Verbücherte Liegenschaften werden durch Einverleibung (§ 88 Abs 1
EO) einer Zwangshypothek gepfändet, sofern auf der Liegenschaft kein Veräußerungs- oder Belastungsverbot lastet (RS0002595; SZ 28/196; hindert auch Vormerkung: 3 Ob 185/98x SZ 71/170). Die zugrunde liegende Forderung ist dabei als vollstreckbar zu bezeichnen (§ 88 Abs 3 EO). War zu ihrer Besicherung bereits eine Vertragshypothek einverleibt, ist die Vollstreckbarkeit auf Antrag des betreibenden Gläubigers dort anzumerken (§ 89 Abs 1 EO). Der Gläubiger kann damit jederzeit (auch gegen spätere Erwerber) unmittelbar Zwangsverwaltung oder -versteigerung führen (§ 89 Abs 3 EO). Der Vertrauensschutz des Grundbuches gilt allerdings nicht für den Zwangshypothekar (JB 188; 3 Ob 32/95 HS 26.377; 1 Ob 244/97g), sehr wohl aber für den rechtsgeschäftlichen Erwerber einer Zwangshypothek (SZ 46/72). 6 Nicht verbücherte Liegenschaften werden durch pfandweise Be-
schreibung (§§ 90 ff EO) gepfändet. Dies gilt seit der EO-Novelle 2000 auch für Superädifikate (§ 134 EO). Erwerbungsart des Pfandrechtes: a) durch körperliche Übergabe; b) durch Einverleibung oder gerichtliche Urkundenhinterlegung; § 451. (1) Um das Pfandrecht wirklich zu erwerben, muß der mit einem Titel versehene Gläubiger die verpfändete Sache, wenn sie beweglich ist, in Verwahrung nehmen; und, wenn sie unbeweglich ist, seine Forderung auf die zur Erwerbung des Eigentumes liegender Güter vorgeschriebene Art einverleiben lassen. Der Titel allein gibt nur ein persönliches Recht zu der Sache, aber kein dingliches Recht auf die Sache. (2) Das Pfandrecht an bücherlich nicht eingetragenen Liegenschaften (§ 434) oder an Bauwerken (§ 435) wird durch die gerichtliche Hinterlegung einer beglaubigten Pfandbestellungsurkunde erworben. Die Urkunde muß die genaue Angabe des Pfandgegenstandes und der Forderung mit einer ziffernmäßig bestimmten Geldsumme, bei einer verzinslichen Forderung auch die Höhe der 428
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Zinsen; ferner die ausdrückliche Zustimmung des Verpfänders zu der gerichtlichen Hinterlegung enthalten. [idF III. TN] Lit: Bollenberger, Die zivilrechtliche Selbstständigkeit von Superädifikaten, RdW 2001, 582; P. Bydlinski, Durchbrechungen des Publizitätsprinzips im Mobiliarpfandrecht? ÖJZ 1986, 327; Graf, Überlegungen zum Schutz der nachrangigen Pfandgläubiger bei der Simultanhypothek, ÖBA 1989, 754; Hofmeister, Welche Unterschriften muß eine grundbuchsfähige Pfandbestellungsurkunde tragen? NZ 1981, 113; Hoyer, Die Simultanhypothek 2 (1977); ders, Der Rückgriff zwischen Bürgen und Pfandbestellern, JBl 1987, 764; ders, Ersatzhypotheken gemäß § 222 Abs 4 EO, NZ 1995, 25; ders, Eingriff des Simultanhypothekars in die Rückgriffslage der Nachberechtigten macht haftbar, ecolex 1996, 158. Übersicht I. II. III. IV. V.
Publizitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Modus bei beweglichen Pfandsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Modus bei verbücherten Liegenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Simultanhypothek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Modus bei nicht verbücherten unbeweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . 14
I. Publizitätsprinzip Neben einem gültigen Titel zum Erwerb eines Pfandrechtes (s § 450) 1 bedarf es dazu zumeist (Ausnahmen s § 450 Rz 2) auch noch einer besonderen Verfügung, um die sachenrechtliche Änderung offen erkennbar zu machen (Publizitätsprinzip). Die für rechtsgeschäftlichen Pfandrechtserwerb nötige Form schreiben die §§ 451 f vor (zum richterlichen Pfandrecht § 450 Rz 3 ff): Nach Pfandbestellungsvertrag oder Pfandversprechen (Titel) und dinglicher Einigung über den Pfandrechtserwerb (Pfandvertrag, § 1368) muss eine bewegliche Pfandsache grundsätzlich übergeben (s Rz 3 und § 452), bei einer verbücherten Liegenschaft das Pfandrecht einverleibt werden (Rz 5). Die Publizitätsvorschriften des Pfandrechtes können nicht durch 2 Wahl einer anderen Rechtsform umgangen werden, etwa durch Verkleidung als Reallast (SZ 43/13; 5 Ob 2168/96a SZ 69/194), als Sicherungsabtretung einer Buchforderung (RS0011392; zB SZ 46/24) oder als Sicherungsübereignung (RS0010394, zB SZ 27/18; SZ 60/29; 3 Ob 2403/96w SZ 70/118; auch als Sale-and-lease-back-Vertrag, soweit dieser in Wahrheit zur Absicherung einer Darlehensgewährung und damit zur Sicherungsübereignung dient: 8 Ob 220/02i RdW 2003, 630; ausführlich Czermak, ÖBA 1987, 232). Stattdessen kommen in diesen Fällen die (strengeren) Pfandrechtsregeln zur Anwendung. Koch
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§ 451 II. Modus bei beweglichen Pfandsachen
3 Körperliche bewegliche Pfandsachen müssen grundsätzlich aus der
Gewahrsame des Pfandschuldners genommen werden, damit die Pfandbestellung insb zum Schutz potenziell nachfolgender Kreditgeber ausreichend nach außen in Erscheinung tritt (Faustpfandprinzip; zur symbolischen Übergabe s § 452). Die Sache muss aber nicht unbedingt vom Pfandgläubiger selbst in Verwahrung genommen werden; dies kann für ihn auch ein Dritter (Pfandhalter) tun (zB SZ 28/6; 3 Ob 45/94 SZ 67/78). Hatte ein Dritter die Pfandsache bereits vorher inne, genügt Besitzanweisung (SZ 60/29). Schließlich ist eine Übergabe kurzer Hand (§ 428 HS 2; zB SZ 48/75) tauglicher Pfandbestellungsmodus, mangels Publizität nicht aber das Besitzkonstitut (§ 428 HS 1; SZ 9/195; SZ 46/50 uva; zum Untergang eines im Ausland solcherart gültig erworbenen Sicherungsrechts bei Verbringung nach Österreich SZ 56/188). Eine eigenmächtige Besitznahme der Pfandsache durch den Gläubiger ist zwar unzulässig (SZ 9/29), eine Rückforderung durch den zur Pfandüberlassung ohnedies Verpflichteten kann aber sittenwidrig sein (zB JBl 1988, 649; 3 Ob 182/94 SZ 67/220). 4 Einige bewegliche Sachen können nur durch Eintragung in ein sach-
spezifisches Register verpfändet werden (Registerpfand, dazu etwa Binder, SachenR Rz 11/26), zB §§ 24 ff G über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (dRGBl 1940 I S 1499 idgF; vgl weiters §§ 40 ff MinRoG). Eine Erweiterung dieses Modells auf andere (vor allem höherwertige) Sachen wird seit längerem zu Recht gefordert (zuletzt etwa Kühnelt, NZ 2002, 25; F. Mohr, NZ 2002, 12; Rechberger, NZ 2002, 2; s auch die aktuellen Arbeiten der Working Group VI der UNCITRAL). III. Modus bei verbücherten Liegenschaften 5 Pfandrechte an verbücherten Liegenschaften können nur durch Einverleibung ins Grundbuch begründet werden (zur Vormerkung § 453); dabei gelten dessen allgemeine Regeln (vgl §§ 431 ff, 445). Die Pfandbestellungsurkunde muss von Pfandgläubiger und Pfandschuldner (aber nicht notwendigerweise vom Personalschuldner) beglaubigt unterschrieben sein; die akzessorisch besicherte Forderung muss ausreichend individualisiert sein (zu den Erfordernissen im Übrigen Hofmeister, NZ 1981, 113). Zur Antragstellung ist neben Pfandgläubiger und -schuldner auch ein Bürge legitimiert (§ 79 GBG). Die Löschung einer Hypothek kann hingegen nur der Liegenschaftseigentümer begehren, weil er über den Rang verfügen könnte (s § 469). 430
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Wertsicherungsklauseln können nicht verbüchert werden (SZ 6 24/345; aM Rechberger, FS Wagner 300 ff). Sie können aber durch eine Höchstbetragshypothek gesichert werden (5 Ob 101/02t NZ 2003, 186 Hoyer 189). Zudem hindern sie im Übrigen die Verbücherung der Hypothek nicht, wenn sie nur in der Pfandbestellungsurkunde und nicht im Antrag selbst vermerkt sind, da sie zumindest obligatorisch wirken (Hofmann/R Rz 7). IV. Simultanhypothek Dienen mehrere Sachen der Besicherung einer einzigen Forderung, 7 von denen jede für das Ganze haftet und vom Gläubiger nach seiner Wahl zur Verwertung herangezogen werden kann, spricht man von einem Gesamtpfandrecht. Dessen wichtigste Variante ist die Simultanhypothek (§§ 15, 105 ff 8 GBG), bei der an mehreren Liegenschaften oder Anteilen daran für dieselbe ungeteilte Forderung ein Pfandrecht einverleibt wird (nicht notwendigerweise gleichzeitig: § 106 GBG; auch von verschiedenen Gerichten, die selbständig entscheiden: §§ 108 f). Dazu wird eine Einlage als „Haupteinlage“ (im Zweifel die im Verbücherungsantrag zuerst genannte: § 105 Abs 1 GBG), die übrigen als „Nebeneinlage“ bezeichnet (zum Fehlen dieser Anmerkungen § 107 GBG), wobei dort der Rang jeweils gesondert bestimmt wird (§ 110 GBG). Nach der Begründung einer Simultanhypothek sind Änderungen nur noch in der Haupteinlage einzutragen (§ 112 GBG; Ausnahme: Rangänderungen). Der Simultanhypothekar ist berechtigt, sich nach seinem Belieben 9 aus nur einer, aus mehreren oder aus allen simultan haftenden Einlagen zu befriedigen (§ 15 Abs 2 GBG; Höchstbetrag natürlich nur einmal: Feil/Marent/Preisl, Grundbuchsrecht, 2005, § 15 GBG Rz 4). Werden alle Liegenschaften oder Liegenschaftsanteile (§ 238 EO) ge- 10 meinsam verwertet, wird die besicherte Forderung aus den für ihren jeweiligen Rang verbleibenden (Rest-)Verteilungsmassen in deren Verhältnis zueinander beglichen (§ 222 Abs 2 EO). Der Simultanhypothekar kann dabei zwar auch einen anderen Verteilungsschlüssel zulasten etwa nur einer Liegenschaft wählen; in diesem Fall erhalten die dortigen Nachhypothekare aber eine Ersatzzuweisung aus den übrigen Verteilungsmassen, um die vom Gesetz angestrebte gleichmäßige Verteilung auf diesem Wege herzustellen (§ 222 Abs 3 EO). Werden nur eine oder einzelne der simultan haftenden Liegenschaften 11 verwertet, können die dortigen Nachhypothekare im Verteilungsverfahren eine Ersatzhypothek auf den nicht verwerteten Einlagen im Koch
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dort jeweils kraft Akzessorietät frei gewordenen Rang beantragen, sofern sie einen Ausfall erlitten haben; wenn sie also im Falle einer ihrem Innenverhältnis entsprechenden (Hinteregger/S Rz 23) oder ansonsten verhältnismäßigen Verwertung noch zum Zug gekommen wären (§ 222 Abs 4 EO; dazu Graf, ÖBA 1989, 574). Berechnungsgrundlage ist in diesen Fällen aber bei allen Liegenschaften an Stelle der Verteilungsmassen ihr jeweiliger Einheitswert (dagegen zu Recht Hoyer, Simultanhypothek 2 51; ders, NZ 1995, 25, da ohne Rücksicht auf Rangordnung). 12 Der Eigentümer einer bei isolierter Verwertung möglicherweise
überproportional in Anspruch genommenen Liegenschaft hat mangels anderweitiger Vereinbarung einen Rückgriffsanspruch gegen die Eigentümer der übrigen simultan haftenden Liegenschaften, und zwar, wenn diese auch persönlich haften, nach § 896, ansonsten in Analogie dazu, dann aber nicht nach Kopfteilen, sondern entsprechend § 222 EO (Rz 10 f; RS0003559, zB SZ 52/105; Hoyer, Simultanhypothek 2 31 ff). Da er in die Sicherungsrechte des Simultanhypothekars eintritt (§ 1358), ist sein Anspruch auch ipso iure (s § 449 Rz 14) durch die wegen Befriedigung des Gläubigers verhältnismäßig frei gewordenen übrigen Pfandrechte besichert. Diesen Rückgriffsanspruch können sich auch Nachhypothekare abtreten oder überweisen lassen, wenn sie den in Rz 11 erwähnten Antrag versäumt haben (SZ 52/105). 13 Der freien Wahlmöglichkeit des Simultanhypothekars gemäß § 15
Abs 2 GBG entsprechend (s Rz 9), kann er grundsätzlich auch einzelne simultan haftende Hypotheken aus der Pfandhaftung entlassen oder die Haftung eines Pfandschuldners auf eine Bürgschaft beschränken (SZ 59/185); all dies aber nur insoweit, als er damit nicht in bestehende Regressmöglichkeiten der übrigen persönlichen oder dinglichen Schuldner eingreift. Vereitelt er etwa durch Freilassung einer Liegenschaft den in Rz 12 erwähnten Rückgriffsanspruch des Eigentümers einer anderen simultan haftenden Liegenschaft, kann er diesem sowie allfälligen Nachberechtigten (Hoyer, ecolex 1996, 158) verschuldensunabhängig (anders zum vergleichbaren § 1360, dort Rz 4) ersatzpflichtig werden (Graf, ÖBA 1989, 754; Hoyer, JBl 1987, 773 f, arg §§ 894, 896, 1360, 1363; diesem nunmehr folgend 3 Ob 568/94 SZ 68/245). V. Modus bei nicht verbücherten unbeweglichen Sachen 14 Pfandrechte (auch Höchstbetragspfandrechte: Hofmann/R Rz 15) an
nicht verbücherten Liegenschaften sowie an Superädifikaten (SZ 58/89) werden durch Urkundenhinterlegung erworben (Abs 2; vgl 432
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§§ 434 f). Zur Pfändung § 450 Rz 6. Trotz allfälliger Vereinigung des Eigentums an Liegenschaft und Superädifikat bleibt das Pfandrecht an Letzterem dennoch aufrecht (JBl 1985, 288; Eicher, Ausgewählte Probleme des Mobiliarpfandrechtes, 1999, 71 ff). c) durch symbolische Übergabe; § 452. Bei Verpfändung derjenigen beweglichen Sachen, welche keine körperliche Übergabe von Hand zu Hand zulassen, muß man sich, wie bei der Übertragung des Eigentumes (§ 427), solcher Zeichen bedienen, woraus jedermann die Verpfändung leicht erfahren kann. Wer diese Vorsicht unterläßt, haftet für die nachteiligen Folgen. Lit: Böhler, Die Verpfändung von Sparbüchern (1992); P. Madl, Publike Verpfändung von GmbH-Anteilen, ecolex 1998, 306; Migsch, Faustpfandprinzip und Publizitätsprinzip, FS Welser (2004) 711; Sailer, Aktuelle Rechtsprobleme des Mobiliarpfandes, ÖBA 2001, 211; Spitzer, Sicherungszession und Drittschuldnerverständigung bei Wissenszurechnung, ÖBA 2005, 885; ders, Wirksamwerden der Sicherungszession bei Drittschuldnerverständigung, JBl 2005, 695.
Wäre eine physische Übergabe von körperlichen beweglichen Sa- 1 chen wegen deren objektiver Beschaffenheit unzweckmäßig (etwa nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, zB tonnenschwere Maschine: SZ 38/190; nicht aber Kraftfahrzeuge: SZ 48/75; 1 Ob 32/02s JBl 2002, 524; s im Übrigen § 427 Rz 2), genügt ausnahmsweise auch für die Verpfändung eine symbolische Übergabe. Dazu müssen an diesen Sachen selbst oder, insb bei einer Gesamt- 2 sache, an ihrem Behältnis oder der Einfriedung deutliche und für jedermann (SZ 9/199; 3 Ob 45/94 SZ 67/78) erkennbare Zeichen (etwa Pfandzettel, Hinweistafeln, Etiketten oÄ; internes Wissen nur in Gläubiger- und Schuldnersphäre genügt jedenfalls nicht: 4 Ob 100/04s ÖBA 2004, 867 Koziol) angebracht werden (vgl JBl 1980, 435). Soweit möglich, muss aber die Pfandsache dem Zugriff des Pfandschuldners entzogen werden (3 Ob 2442/96f EvBl 1997/121; 3 Ob 2403/96w SZ 70/118). Zur Wahrung der Rechte des Pfandgläubigers kann auch eine von ihm 3 bestellte Vertrauensperson den Fortbestand der Besicherung kontrollieren, etwa bei einer Gesamtsache (zB Warenlager), wenn deren einzelne Stücke ausgetauscht werden dürfen (nur diese sind aber verpfändbar, nicht die Gesamtsache als solche: vgl § 448 Rz 4; symbolische Übergabe generell nur zulässig, wenn körperliche Übergabe Koch
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aller Einzelstücke untunlich: JBl 1985, 541; SZ 67/78; 3 Ob 2442/96f ÖBA 1998, 216 Spielbüchler; Sailer, ÖBA 2001, 212 ff; weiter gehend Migsch, FS Welser, 711). 4 Eine symbolische Übergabe ist insb bei Verpfändung (oder Siche-
rungszession: Hinteregger/S Rz 10; s § 1392 Rz 7) von nicht verbücherten Rechten notwendig. 5 Soweit sie in Wertpapieren, Sparbüchern (Böhler, Verpfändung 5 ff;
Losungswort muss zur Verpfändung nicht mitgeteilt werden: SZ 61/78; aM Böhler, aaO 30 f) oÄ verbrieft sind, reicht deren Übergabe (Effektenbuch genügt nicht: 7 Ob 75/98z RdW 1998, 730 Iro). Sind sie bei einem Dritten verwahrt, genügt die Anweisung an diesen, die Wertpapiere auch für den Pfandnehmer innezuhaben (6 Ob 308/00p ÖBA 2001, 724) 6 Bei Buchforderungen kommt neben der Drittschuldnerverständi-
gung (SZ 48/2; SZ 51/121; 6 Ob 116/05k Zak 2007, 54; Spitzer, ÖBA 2005, 885; ders, JBl 2005, 696 in und bei FN 3) auch ein Buchvermerk in Frage, aus dem hervorgeht, wann und an wen verpfändet wurde (zB SZ 46/24; ÖBA 2004, 867). Bei EDV-Buchhaltung muss dieser Vermerk nicht nur bei den Kundenkonten, sondern auch in der Liste der offenen Posten (Debitoren-Posten) aufscheinen (RS0108639; Sailer, ÖBA 2001, 215 ff; Näheres bei der Sicherungszession: § 1392 Rz 7). 7 Bei nicht verkörperten Forderungen kommt nur die Verständigung
des Drittschuldners als Modus in Frage (JBl 1963, 93 F. Bydlinski; Hofmann/R Rz 4; unnötig bei Identität von Pfandgläubiger und Drittschuldner: Iro/Koziol, Allgemeine Bedingungen für Bankgeschäfte, 2001, Z 49 Rz 9), die Übergabe eines Schuldscheins oder ähnlicher bloßer Beweisurkunden reicht nicht (SZ 42/72: Polizze reicht nicht für Ansprüche aus Lebensversicherung). 8 Für die Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen ist ebenso sym-
bolische Übergabe geboten (3 Ob 2270/96m SZ 70/115), etwa Buchvermerk oder Verständigung der Gesellschaft (8 Ob 278/00s RdW 2001, 539; P. Madl, ecolex 1998, 306; Sailer, ÖBA 2001, 219 f). 9 S 2 von § 452 ist unbeachtlich („Versehen des Gesetzgebers“: Hof-
mann/R Rz 5; Klang/K II 436 f). d) durch die Vormerkung § 453. Findet die Einverleibung einer Forderung in die öffentlichen Bücher wegen Mangels gesetzmäßiger Förmlichkeit in der Urkunde nicht statt; so kann sich der Gläubiger vormerken (prä434
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notieren) lassen. Durch diese Vormerkung erhält er ein bedingtes Pfandrecht, welches, wenn die Forderung auf die oben §§ 438 und 439 angeführte Art gerechtfertigt worden ist, von dem Zeitpunkte des nach gesetzlicher Ordnung eingereichten Vormerkungsgesuches in ein unbedingtes übergeht. Erfüllt die Pfandbestellungsurkunde zwar die allgemeinen Erforder- 1 nisse der §§ 26 ff GBG, nicht aber jene der §§ 31 ff GBG (zB Beglaubigung oder genaue Angabe der verpfändeten Liegenschaft), kann der Pfandgläubiger die Hypothek einstweilen (unbefristet) vormerken lassen (§§ 35 ff GBG), wenn zumindest besicherte Forderung und Rechtsgrund der Hypothek bescheinigt sind (§ 36 GBG). Nach Rechtfertigung (§§ 40 ff GBG) wird das bis dahin bedingte Pfandrecht im vorgemerkten Rang ex tunc zu einem unbedingten. Zur Berücksichtigung im Verteilungsverfahren § 228 EO. Erwerbung eines Afterpfandes § 454. Der Pfandinhaber kann sein Pfand, insoweit er ein Recht darauf hat, einem Dritten wieder verpfänden, und insofern wird es zum Afterpfande, wenn zugleich letzterer sich dasselbe übergeben, oder die Afterverpfändung auf das Pfandrecht in die öffentlichen Bücher eintragen lässt. Lit: Apathy, Afterverpfändung und Verständigung des Schuldners, JBl 1979, 518.
Auch Pfandrechte selbst können ihrerseits ge- und verpfändet werden 1 (Afterpfand), grundsätzlich auch ohne Einwilligung des (ursprünglichen) Pfandbestellers (zur Haftung des Afterverpfänders für Zufall bei Fehlen solcher Zustimmung s § 460; zum allfälligen Gutglaubenserwerb des Afterpfandrechtes § 456). Eine Weiterverpfändung kann allerdings vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen sein (Hofmann/ R Rz 1). Ansonsten bedarf sie derselben Publizitätsakte wie die ursprüngliche Pfandrechtsbegründung (dazu §§ 451 f). Ein Faustpfand muss daher, sofern tunlich (vgl § 452), an den After- 2 pfandgläubiger oder eine andere vom Afterpfandschuldner verschiedene Person weitergegeben oder bei einem Dritten mit Anweisung zur Innehabung für den nunmehrigen Afterpfandgläubiger belassen werden. Eine Afterhypothek bedarf der bücherlichen Eintragung. Auch 3 Höchstbetragshypotheken können weiterverpfändet werden (dazu Hofmann/R Rz 2). Koch
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4 Afterpfandrechte sind nicht nur mit der durch sie besicherten Forde-
rung akzessorisch verknüpft (§ 449 Rz 1), sondern auch vom Bestand der ursprünglich zugrunde liegenden Forderung abhängig (s aber §§ 455 f), die sie jedoch nicht notwendigerweise mitumfassen (so zutr Apathy, JBl 1979, 521 ff; zust Hinteregger/S Rz 2; K/W I 383; aM Hofmann/R Rz 2; Klang/K II 448; Rechberger/Bittner, Grundbuchsrecht, 1999, Rz 118). Tun sie es doch, sind dazu die für die Forderungsverpfändung notwendigen Publizitätsakte zu setzen (Apathy, JBl 1979, 527 f). § 455. Wird der Eigentümer von der weiteren Verpfändung benachrichtigt; so kann er seine Schuld nur mit Willen dessen, der das Afterpfand hat, dem Gläubiger abführen, oder er muß sie gerichtlich hinterlegen, sonst bleibt das Pfand dem Inhaber des Afterpfandes verhaftet. 1 Solange der Eigentümer der Pfandsache und (bei Personenverschie-
denheit) der Personalschuldner nicht von der After(ver)pfändung verständigt sind (bei Einräumung einer Afterhypothek durch das Grundbuchsgericht: § 119 Z 3 GBG; bei Pfändung einer besicherten Forderung durch das Exekutionsgericht: § 320 Abs 4 EO), können sie die besicherte Forderung durch Zahlung an deren Gläubiger und damit sowohl Haupt- als auch Afterpfandrecht zum Erlöschen bringen. 2 Nach ihrer Verständigung hingegen können sie pfandbefreiend nur
noch mit Zustimmung des Afterpfandgläubigers leisten, bei deren Fehlen durch Gerichtserlag, der zur Vormerkung der Löschung einer Hypothek berechtigt (§ 39 GBG), was auch aus sonstigem Löschungsgrund (etwa Aufrechnung oder Verzicht) ohne Zustimmung des Afterhypothekars die einzige Eintragungsmöglichkeit ist (§ 51 GBG), solange die Afterhypothek Bestand hat (RdW 1988, 352). Währenddessen kann der Hauptpfandgläubiger aber Verfügungen vornehmen, die das Afterpfand nicht beeinträchtigen, zB seine Forderung abtreten, da das Afterpfandrecht dabei ohnehin bestehen bleibt (Klang/K II 455). Verpfändung einer fremden Sache § 456. (1) Wird eine bewegliche Sache von jemandem verpfändet, dem sie nicht gehört und der darüber auch nicht verfügen kann, so hat der Eigentümer zwar in der Regel das Recht, sie zurückzufordern. In solchen Fällen, in denen die Eigentumsklage gegen einen 436
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rechtmäßigen und redlichen Besitzer abzuweisen ist (§§ 367 und 368), ist er aber verpflichtet, den Pfandbesitzer schadlos zu halten oder das Pfand fahren zu lassen und sich mit dem Schadenersatzanspruch gegen den Verpfänder oder dritte Personen zu begnügen. (2) Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so geht das Pfandrecht des rechtmäßigen und redlichen Pfandbesitzers diesem Recht vor, es sei denn, dass der Pfandbesitzer in Ansehung dieses Rechtes nicht redlich ist (§ 368). [idF BGBl I 2005/120] Lit: Holzner, Gutgläubiger Rechtserwerb an Nebensachen, JBl 1994, 511 und 587; Iro, HaRÄG: Gutgläubiger Pfandrechtserwerb vom Unternehmer? RdW 2006, 739.
Während bei verbücherten Liegenschaften der Vertrauensgrundsatz 1 (§§ 443, 1500) greift, wobei Einsichtnahme in das vertrauenswürdige Grundbuch reicht (SZ 55/191; SZ 59/75), gilt für die Verpfändung (nicht aber für die Pfändung: 10 Ob 514/95 RdW 1996, 410) von beweglichen Sachen (einschließlich Superädifikaten: SZ 61/51; Hofmann/R Rz 2; nicht aber unverbrieften Forderungen: Hinteregger/S ErgBd Rz 2) der Gutglaubensschutz der §§ 367 f entsprechend. Allerdings kommt es auf eine Entgeltlichkeit nicht an (Klang/K II, 454 f), zudem passen die ersten beiden Fälle des § 367 nicht auf Verpfändung: Bei öffentlichen Versteigerungen werden keine Pfandrechte erworben (K/W I 384), und das Verpfänden von beweglichen Sachen ist wohl kein „gewöhnlicher Betrieb“ eines Unternehmens (Schauer/RK Rz 4; so bereits die bisher hM zum „befugten Gewerbsmanne“ der aF des § 367: K/W I 384; aM zur Neufassung Hinteregger/S ErgBd Rz 7). Trotz nach wie vor fehlender Verweisung ist für den gutgläubigen Pfandrechtserwerb an Geld und Inhaber- oder Orderpapieren § 371 weiterhin entsprechend anzuwenden (hM; Hinteregger/S ErgBd Rz 4). Fehlt also die Verpfändungsberechtigung einer Vertrauensperson des 2 Eigentümers (selbst wenn diesem die Sache von Ersterem betrügerisch herausgelockt wurde, vgl SZ 58/75), erwirbt der Pfandgläubiger bei gutem Glauben daran ein Pfandrecht (jedoch keine persönliche Forderung gegen den wahren Eigentümer). Dazu muss er ohne jedwede Fahrlässigkeit (§ 368; s auch § 367 Rz 3; Erl UGB 67) bei Pfandrechtserwerb überzeugt sein, kein fremdes Recht zu verletzen (SZ 58/166), was bei Gegenständen, die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden, ohne Überprüfung dessen ausscheidet (zB bei Kraftfahrzeugen: EvBl 1974/181; bei diesen Einsichtnahme in Typenschein Koch
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geboten: RS0015171, zB ZVR 1957/119). Ein gutgläubig erworbenes Pfandrecht geht einem früheren vertraglichen Pfandrecht im Rang vor (so nun ausdrücklich Abs 2; s aber bereits SZ 58/166). Objektiver Umfang des Pfandrechtes § 457. Das Pfandrecht erstreckt sich auf alle zu dem freien Eigentume des Verpfänders gehörigen Teile, auf Zuwachs und Zugehör des Pfandes, folglich auch auf die Früchte, insolange sie noch nicht abgesondert oder bezogen sind. Wenn also ein Schuldner einem Gläubiger sein Gut, und einem anderen später die Früchte desselben verpfändet, so ist die spätere Verpfändung nur in Rücksicht auf die schon abgesonderten und bezogenen Früchte wirksam. Lit: Angst, Das Unternehmen als Zubehör der Pfandliegenschaft, ÖBA 1998, 82; Braumann, Selbständige Bestandteile, Zubehör und Kredit(un)sicherheit, RdW 1987, 321; Holzner, Rechtsfragen der Mithaftung von Liegenschaftszubehör, JBl 1992, 753; ders, Gutgläubiger Rechtserwerb an Nebensachen, JBl 1994, 511 und 587.
1 Soweit vom Titel gedeckt, erstrecken sich Pfandrechte grundsätzlich
auf alle zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Pfandrechtes (3 Ob 79/91 SZ 64/109) mit der eigentlichen Pfandsache verbundenen unselbständigen und selbständigen Bestandteile sowie Zubehör (§ 294; zB SZ 57/126), Zuwachs (§§ 404 ff; SZ 58/89), auf mit der Sache verbundene Rechte (zB Dienstbarkeiten und Bezugsrechte) sowie auf noch nicht abgesonderte Naturalfrüchte. Zivilfrüchte sowie bei (Ver-)Pfändung von der Hauptsache schon abgesonderte Naturalfrüchte werden davon aber im Zweifel nicht erfasst (RZ 1990, 278; 8 Ob 198/99x SZ 72/178; Frotz, Kreditsicherungsrecht 84 ff). Maßgeblich für den Umfang des Pfandrechtes ist bei der Verpfändung primär der Parteiwille, insb für die Erweiterung auf nachträglich hinzutretende Nebensachen (SZ 64/109; Hofmann/R Rz 2). Dabei ist aber auch das Verbot des Nutzungspfandes zu berücksichtigen (§ 1372 S 1). 2 Solange selbständige Bestandteile und Zubehör nicht von der Haupt-
sache getrennt sind, gelten sie – unabhängig davon, ob deren Eigentümer auch Eigentümer dieser Nebensachen ist (M. Binder, FS Ostheim, 1990, 29; Frotz, Kreditsicherungsrecht 56 ff; K/W I 248; aM Eicher, Ausgewählte Probleme des Mobiliarpfandrechts, 1999, 83 f; Hinteregger/S Rz 11; Holzner, JBl 1994, 512 ff) – im Zweifel als mitverpfändet (K/W I 249 f, 376), obwohl an beidem auch ohne Absonderung ein gesondertes Pfandrecht begründet werden könnte (§ 448 Rz 7; nicht aber durch Pfändung bei Liegenschaftszubehör: § 252 EO). Nach 438
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Pfandrecht
§ 458
Trennung von der Hauptsache (und nicht bereits bei Aufhebung der Widmung als Zubehör: Braumann, RdW 1987, 321; Hofmann/R Rz 3) haben sie jedoch mangels anderweitiger Vereinbarung ein eigenes rechtliches Schicksal und sind damit nicht mehr vom bisherigen Pfandrecht erfasst (K/W I 376). Die Absonderung kann allerdings eine unzulässige Verschlechterung der Pfandsache sein, wenn sie nicht der ordentlichen Wirtschaftsführung entspricht (SZ 64/109; s § 458 Rz 1). Es kann aber auch ein Pfandrecht dergestalt bestellt werden, dass nicht 3 die Pfandsache als solche, sondern nur deren Früchte verwertet werden dürfen (Ertragshypothek, Revenuenhypothek oder Pfandrecht ad fructus; zu Liegenschaften vgl § 85 Abs 3 S 2 GBG; K/W I 376). S 2 ist im Übrigen bedeutungslos (Hinteregger/S Rz 13; Hofmann/R Rz 5). Veränderungen der Pfandsache haben möglicherweise als Pfandver- 4 schlechterung die in den §§ 458 und 460a genannten Konsequenzen. Ein gänzlicher Austausch der Pfandsache ist grundsätzlich nicht möglich; der an ihre Stelle tretende Gegenstand, Ersatzanspruch oder Erlös müsste selbst neuerlich verpfändet werden (Frotz, Kreditsicherungsrecht 88). Nur in bestimmten gesetzlich festgelegten Fällen geschieht dies ex lege (Pfandrechtswandlung: 3 Ob 111/92 EvBl 1993/50 Pfersmann; K/W I 403), zB nach § 460a Abs 2, § 466c Abs 4, § 466e Abs 2, § 22 Abs 4 NWG, §§ 22, 34 EisbEG oder § 100 VersVG.
Rechte und Verbindlichkeiten des Pfandgläubigers: a) bei Entdeckung eines unzureichenden Pfandes; § 458. Wenn der Wert eines Pfandes durch Verschulden des Pfandgebers, oder wegen eines erst offenbar gewordenen Mangels der Sache zur Bedeckung der Schuld nicht mehr zureichend gefunden wird; so ist der Gläubiger berechtigt, von dem Pfandgeber ein anderes angemessenes Pfand zu fordern. Lit: Graf, Pfandverschlechterung durch Vermietung? ÖBA 2002, 777; Hinteregger, Rechte des Pfandgläubigers bei Entwertung der Pfandliegenschaft durch Vermietung, ÖBA 2001, 451; Holzner, Praxisfragen dinglicher Kreditsicherheiten, ÖBA 2004, 944; Karollus, Zum Beseitigungsanspruch gegen pfandverschlechternde Einwirkungen, insbesondere durch Vermietung der Pfandliegenschaft, ÖBA 1991, 164; Reidinger, Inbestandgabe zur Erschwerung von Liegenschaftsexekutionen, wobl 1990, 122, wobl 1991, 217 und wobl 1994, 110. Koch
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Pfandrecht
§ 458
1 Wird der Wert der Pfandsache so vermindert, dass eine Deckung der
besicherten Forderung im Verwertungsfall nicht mehr zu erwarten ist, kann der Pfandgläubiger in zwei von § 458 ausdrücklich genannten Fällen ein Ersatzpfand vom Pfandschuldner verlangen: zum einen als Naturalrestitution für ein schuldhaftes Verhalten des Pfandschuldners selbst, das für die Wertminderung kausal war (insb Verstöße gegen die ordentliche Wirtschaftsführung, auch durch Unterlassung; zB willkürlicher Raubbau an einer Liegenschaft oder unbotmäßige Entfernung von Bestandteilen oder Zubehör: RS0011434, etwa SZ 57/126; SZ 59/206; 8 Ob 549/91 ÖBA 1992, 386; Hofmann/R Rz 2), zum anderen (aber nur bei entgeltlicher Verpfändung: Gschnitzer ua, SachenR 208; zur Entgeltlichkeit § 1369 Rz 2) als verschuldensunabhängige Gewährleistung für einen schon bei Pfandbestellung vorliegenden Sach- oder Rechtsmangel der Pfandsache, der erst nachträglich bekannt wurde. 2 Diese Ansprüche auf ein Ersatzpfand sind unabhängig von sonstigen
Sicherheiten des Pfandgläubigers. Seine Besicherung soll dadurch im ursprünglichen Umfang wiederhergestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner über eine passende andere Pfandsache verfügt (str; wie hier Binder, SachenR Rz 11/35; Hinteregger/S Rz 4, aM SZ 18/68; Hofmann/R Rz 5: kein Anspruch auf Neubeschaffung). 3 Bei bloß zufälliger Verschlechterung oder Untergang der Sache
(§ 467) liegt das Risiko hingegen beim Pfandgläubiger (zB Entwertung bei Geldpfand: SZ 5/234), mangels anderweitiger Vereinbarung kann er in diesen Fällen also kein Ersatzpfand verlangen, hat aber unabhängig davon allenfalls die Möglichkeit einer vorzeitigen Verwertung (§ 460a). 4 Wegen der dinglichen Natur des Pfandrechtes kann der Pfandgläubi-
ger von jedem Dritten die Herausgabe einer widerrechtlich entzogenen Pfandsache verlangen (Pfandklage; Klang/K II 512). Weiters kann er vorbeugend auf Erhaltung der Besicherung (Klang/K II 481; Reidinger, wobl 1990, 125) klagen. Dazu hat er einen verschuldensunabhängigen (SZ 59/206; Rummel, ÖBA 1987, 418; zust Hofmann/R Rz 6) Anspruch auf Unterlassung von Pfandverschlechterungen (Devastationsklage), bei bereits erfolgten Eingriffen auch auf Beseitigung von deren Folgen (Hinteregger/S Rz 6). Beide Ansprüche stehen nicht nur gegen den Pfandschuldner, sondern ebenso gegen Dritte zu, wobei die Rspr zwar nicht mehr für den Unterlassungsanspruch (zB ÖBA 1992, 386; 8 Ob 254/99g SZ 73/40), aber inkonsequenterweise weiterhin für den Beseitigungsanspruch Verschulden voraussetzt 440
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Pfandrecht
§ 459
(RS0113350, zB SZ 73/40; aM die hL: Rummel, ÖBA 1987, 418; Reidinger, wobl 1990, 130 f; gegen diese wiederum Hinteregger, ÖBA 2001, 448). Eine solche Pfandverschlechterung kann etwa die Vermietung des 5 Pfandobjektes durch den Pfandschuldner sein, insb wenn es bei Bestellung noch nicht vermietet war (vgl 9 Ob 103/03t ÖBA 2004, 488), wenn dies zu unüblichen Konditionen erfolgte (RS0113349) oder anderweitig ordentlicher Wirtschaftsführung widersprach (zum Sonderfall der Ehewohnung im Scheidungsvergleich 6 Ob 136/98p ÖBA 2001, 480; 1 Ob 286/00s SZ 74/70; dagegen Holzner, ÖBA 2004, 946 ff). Sofern deshalb die Verwertungsinteressen des Pfandgläubigers beeinträchtigt werden, kann er nicht nur vom Pfandbesteller verschuldensunabhängig Unterlassung und Beseitigung (also Aufhebung des Mietvertrages) verlangen, sondern grundsätzlich auch vom Bestandnehmer (SZ 73/40; aM – wie die bisherige Rspr – Hofmann/R Rz 6: nur bei Verschulden des Mieters; s auch Hinteregger, ÖBA 2001, 148: überhaupt kein negatorischer Anspruch, nur auf Naturalrestitution gerichteter Schadenersatzanspruch). Wegen der „dinglichen Dimension des Mietrechts“ (SZ 73/40) ist der Mieter aber bei gutem Glauben geschützt. Dieser wird zwar hinsichtlich des Bestandes eines Pfandrechtes mangels Einsichtnahme ins Grundbuch regelmäßig fehlen. Der Mieter kann aber trotzdem gutgläubig (und somit gegen einen dinglichen Anspruch des Pfandgläubigers gefeit) sein, wenn er darauf vertrauen durfte, dass das Pfandrecht durch seine Inbestandnahme nicht verschlechtert wird (Karollus, ÖBA 1991, 164, insb 175 f; s auch Reidinger, wobl 1990, 122, mit noch weitergehendem Gutglaubensschutz 130 f). Daneben kann der Pfandgläubiger unter den entsprechenden Voraussetzungen (Hinteregger/S Rz 6) allenfalls auch deliktisch gegen den Bestandnehmer vorgehen. b) vor dem Verfalle; § 459. Ohne Bewilligung des Pfandgebers darf der Gläubiger das Pfandstück nicht benützen; er muß es vielmehr genau bewahren, und, wenn es durch sein Verschulden in Verlust gerät, dafür haften. Geht es ohne sein Verschulden verloren, so verliert er deswegen seine Forderung nicht. Lit: Graf, Die Pflicht des Vermieters zur Veranlagung und Verzinsung der Barkaution, wobl 1990, 88; ders, Nutzung der Pfandsache durch den Pfandgläubiger? ÖBA 1990, 798.
Abgesehen von anderweitiger Vereinbarung (Grenze § 1372; s auch 1 Graf, ÖBA 1990, 798; zust Binder, SachenR Rz 11/45: NutzungsüberKoch
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Pfandrecht
§ 460
lassung aus anderem Rechtsgrund zulässig) darf der Pfandgläubiger die ihm übergebene Sache nicht benutzen; tut er es doch, haftet er auch für zufällige Schäden, sofern diese nicht ebenso beim Pfandschuldner eingetreten wären (vgl § 965; Hinteregger/S Rz 1). Das Faustpfand muss sorgfältig verwahrt (s auch § 1369) und nach Zeitablauf oder Schuldtilgung (§§ 468 f) samt Zuwachs unbeschadet retourniert werden (§ 961). Kosten müssen wie nach § 967 ersetzt werden; der Pfandgläubiger hat dafür auch ein eigenständiges Zurückbehaltungsrecht (Hofmann/R Rz 2). 2 Eine eigenmächtige Verwertung ist ihm außerhalb der Grenzen der
§§ 460a und 466a ff grundsätzlich verboten (vgl § 1371); eine ausdrückliche anderweitige Gestattung (vgl zB Z 56 ABB; zur Vorgängerbestimmung RdW 1987, 324 Iro) führt aber zu keiner Verwertungspflicht (8 Ob 118/03s ÖBA 2004, 640). Selbst bei verschuldetem Verlust oder Untergang der Sache bleibt seine Forderung natürlich bestehen (kein Umkehrschluss aus S 2); der Pfandbesteller kann aber dagegen seinen allfälligen Ersatzanspruch aufrechnen (JBl 1989, 171). § 460. Hat der Gläubiger das Pfand weiter verpfändet; so haftet er selbst für einen solchen Zufall, wodurch das Pfand bei ihm nicht zu Grunde gegangen oder verschlimmert worden wäre. 1 Die Afterverpfändung ist zwar grundsätzlich zulässig (§ 454 Rz 1);
der Pfandgläubiger haftet in diesem Falle aber auch für jene zufälligen Schäden, die bei ihm selbst nicht eingetreten wären (zu Recht krit Hinteregger/S Rz 1: „systemwidrig“; so schon Klang/K II 485: „unsystematisch“). § 460a. (1) Wenn eine bewegliche körperliche Sache einschließlich eines Inhaber- oder Orderpapiers als Pfand zu verderben oder erheblich und dauernd so an Wert zu verlieren droht, dass die Sicherheit des Pfandgläubigers gefährdet wird, kann dieser das Pfand bereits vor der Fälligkeit seiner Forderung gemäß den §§ 466a bis 466d außergerichtlich verwerten. Der Pfandgläubiger hat dem Pfandgeber tunlichst die Gelegenheit zur Leistung einer anderweitigen Sicherheit einzuräumen. (2) Der Erlös tritt an die Stelle des Pfandes. Auf Verlangen des Pfandgebers ist der Erlös zu hinterlegen. [BGBl I 2005/120]
1 Nach dem Vorbild der deutschen §§ 1219 f BGB und in Erweiterung
der von § 458 vorgesehenen Möglichkeiten, die Besicherung vor Fäl442
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Pfandrecht
§ 460a
ligkeit zu schützen (Erl UGB 67), hat der Pfandgläubiger mit dieser Norm die Möglichkeit, den aus der Qualität der Pfandsache(n) selbst resultierenden drohenden Sach- oder Wertverfall dadurch aufzufangen, dass er sie schon vorab außergerichtlich verwertet und den Erlös an ihrer Stelle als Pfand behält. Sofern der Pfandbesteller allerdings keine Hinterlegung dieses Erlöses verlangt (Abs 2), wird der verwertende Pfandgläubiger typischerweise durch Vermischung daran Eigentum erlangen, so dass in diesen Fällen nicht der Erlös selbst, sondern der Herausgabeanspruch an Stelle des ursprünglichen Pfandes treten wird (vgl § 447 Rz 3). Die Verwertungsmöglichkeiten der §§ 466a ff hat der Pfandgläubiger 2 vor Fälligkeit hinsichtlich beweglicher körperlicher Sachen (einschließlich Inhaber- oder Orderpapieren), und zwar einerseits bei deren drohendem Verderb (also einer wesentlichen, aber nicht unbedingt gänzlichen Substanzminderung), sowie andererseits bei einer befürchteten erheblichen und voraussichtlich nicht bloß vorübergehenden Wertminderung („geringfügige Schwankungen des Marktoder Börsenpreises“ reichen daher meist nicht: Erl UGB 67). Diese Veränderungen berechtigen jedoch nur dann zu einer vorzeitigen Verwertung, wenn dadurch das Besicherungsinteresse des Pfandgläubigers gefährdet ist, also etwa nicht, wenn der verbleibende Wert nach tatsächlich eingetretener Veränderung immer noch ausreichen würde, um die dann offenen besicherten Haupt- und Nebenforderungen des Pfandgläubigers (einschließlich der Verwertungskosten, vgl § 466c Abs 4) abzudecken. Wie nach Fälligkeit kann der Pfandgläubiger unter den genannten 3 Voraussetzungen die Pfandsache entweder öffentlich versteigern oder (bei Sachen mit Börsen- oder Marktpreis) freihändig verkaufen (vgl § 466b). Zuvor muss er dies dem Pfandbesteller und (sofern von ihm verschieden) dem Pfandeigentümer ankündigen und ihnen die Möglichkeit einräumen, die Pfandsache gegen eine andere Sicherheit auszutauschen (§§ 1373 f analog, sofern keine Beschränkung im Pfandbestellungsvertrag: Schauer/RK Rz 5). Sowohl die Androhung als solche als auch der Austausch müssen jeweils „tunlich“ sein, was hinsichtlich des ersten primär eine Zeitfrage sein, hinsichtlich des zweiten vor allem eine Beurteilung der Gleichwertigkeit der Verwertungschancen bei Fälligkeit der besicherten Forderung erfordern wird. Die in § 466b Abs 1 vorgesehene einmonatige Frist zwischen Androhung und Veräußerung wird bei der hier typischerweise gegebenen Dringlichkeit nicht eingehalten werden müssen (Schauer/RK Rz 4). Koch
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Pfandrecht
§ 461 c) nach dem Verfalle der Forderung
§ 461. Wird der Pfandgläubiger nach Verlauf der bestimmten Zeit nicht befriedigt; so ist er befugt, die Feilbietung des Pfandes gerichtlich zu verlangen. Das Gericht hat dabei nach Vorschrift der Gerichtsordnung zu verfahren. 1 Nach Fälligkeit seiner Forderung ohne vollständige Tilgung kann
jeder Pfandgläubiger, unabhängig von seinem Rang, Befriedigung aus dem Pfand verlangen, was nur modifiziert, nicht aber zur Gänze ausgeschlossen werden kann (§ 1371 aE). Dazu muss er mangels anderen Exekutionstitels grundsätzlich Klage (gegen den Personalschuldner mit Schuldklage, gegen einen von diesem verschiedenen Pfandschuldner mit Pfandrechtsklage: s § 466 Rz 2 f), sodann Exekution führen (dagegen Spitzer, Pfandverwertung 69 ff, insb 97 ff: Pfandverwertung durch Exekution auch ohne Titel und Pfändung). Bewegliche körperliche Sachen sowie Inhaber- und Orderpapiere können hingegen außergerichtlich selbst verwertet werden (§§ 466a ff; s auch § 77 Abs 3 NBG). Zur vertraglichen Abbedingung bereits § 459 Rz 2, weiters § 466a Rz 1, zum unregelmäßigen Pfand § 447 Rz 3. § 462. Vor der Feilbietung des Gutes ist jedem darauf eingetragenen Pfandgläubiger die Einlösung der Forderung, wegen welcher die Feilbietung angesucht worden, zu gestatten. Lit: Hoyer, Zwei Fragen der Höchstbetragshypothek, FS Demelius (1973) 349.
1 Unabhängig von seinem Rang kann jeder Pfandgläubiger bei von
einem anderen bereits betriebener oder durch Zahlungsaufforderung absehbarer Exekution in die Pfandsache (Hoyer, FS Demelius 361 ff; ihm folgend 4 Ob 163/98v EvBl 1998/203) dessen Forderung einlösen, also samt Nebenforderungen befriedigen, um die Verwertung zu einem ihm ungünstig erscheinenden Zeitpunkt abzuwenden (nicht nur bei Liegenschaften: K/W I 394; Erl UGB 69; aM – vor dem HaRÄG – Hofmann/R Rz 2). Dieses Einlösungsrecht (ius offerendi) hat auch ein sonstiger dinglich Berechtigter, der gemäß § 227 EO einen aus der Verteilungsmasse zu befriedigenden Entschädigungsanspruch hat, sowie ein aus einem absolut wirkenden Veräußerungs- und Belastungsverbot Berechtigter (SZ 62/2), nicht aber ein Bürge, Mitschuldner oder bloß obligatorisch Berechtigter (Hofmann/R Rz 3). Mit Einlösung geht die Forderung samt Besicherung auf den Einlösenden über (analog § 1358). 444
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Pfandrecht
§ 464
§ 463. Schuldner haben kein Recht, bei Versteigerung einer von ihnen verpfändeten Sache mitzubieten. Weder Personal- noch Pfandschuldner (K/W I 392; aM Ch. Huber, 1 ÖJZ 1986, 235 ff) dürfen selbst, durch oder als Vertreter (§ 180 Abs 1 und 3 EO) Gebote bei Versteigerung der Pfandsache abgeben. Tun sie es doch (insb durch einen Strohmann), werden sie schadenersatzpflichtig (SZ 48/37). § 464. Wird der Schuldbetrag aus dem Pfande nicht gelöst, so ersetzt der Schuldner das Fehlende; ihm fällt aber auch das zu, was über den Schuldbetrag gelöst wird. Deckt der Erlös aus der Verwertung einer Pfandsache die Summe 1 aller mit ihr besicherten Forderungen samt Nebengebühren (§ 449) nicht ab, werden die Pfandgläubiger in der Reihenfolge ihres Ranges (Rz 2 ff) befriedigt. Wer von ihnen dabei nicht zur Gänze oder überhaupt nicht zum Zuge kommt, muss sich an seinen jeweiligen Personalschuldner halten, der ihm den Fehlbetrag abdecken muss, nicht der Pfandschuldner. Dieser (und nicht der Personalschuldner: SZ 53/29) erhält hingegen im umgekehrten Fall den Überschuss, der nach Abdeckung aller auf dem Pfand lastenden Pfandrechte verbleibt (Hyperocha; vgl §§ 126, 217 Abs 2, § 283 Abs 4 EO). Der Rang eines vertraglichen Pfandrechtes bestimmt sich primär 2 nach dem Zeitpunkt seiner Entstehung (Prioritätsprinzip), also der Vollendung des Modus (§§ 451 f). Bei beweglichen Sachen ist demnach die (tatsächliche oder symbolische) Übergabe maßgeblich; sofern eine Verbücherung nötig ist, entscheidet die Uhrzeit des Einlangens des Einverleibungsgesuches (bei später gerechtfertigten Vormerkungen: des Vormerkungsgesuches, § 453) beim zuständigen Grundbuchsgericht (§ 29 Abs 1 GBG). Bei richterlichen Pfandrechten entscheidet der Zeitpunkt der Pfändung (§ 450 Rz 3; SZ 61/74), bei gesetzlichen die Erfüllung des Tatbestands (Hofmann/R Rz 6). Gleichzeitig begründete Pfandrechte sind demnach auch gleichrangig, sie werden auf diesem Rang entsprechend dem Verhältnis der besicherten Forderungen zueinander berücksichtigt (zu Hypotheken § 29 Abs 2, § 103 Abs 2 GBG, § 449 Abs 2 und 3 Geo; s auch SZ 53/115 zum Recht des Liegenschaftseigentümers, die Reihenfolge mehrerer gleichzeitig beantragter Hypotheken zu bestimmen). Unabhängig von ihrer zeitlichen Einräumung gehen einige Vorzugs- 3 pfandrechte den übrigen im Rang vor: Dazu gehören etwa neben manchen gesetzlichen Pfandrechten (§ 450 Rz 2 aE) gewisse öffentKoch
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Pfandrecht
§ 465
liche Abgaben (§ 124 Z 2, § 216 Abs 1 Z 2 EO, s auch § 286 Abs 3 EO) sowie Aufwendungen für die Zwangsverwaltung (§§ 120, 124 EO). 4 Buchberechtigte können den ihnen zustehenden Rang (auch nur einen
Teil davon: 5 Ob 252/00w SZ 73/165) untereinander tauschen, indem der Vorgereihte einwilligt, dem Nachgereihten den Vorrang zu gewähren (Vorrangseinräumung). Darüber hinaus bedarf es auch noch der Zustimmung des Liegenschaftseigentümers sowie eines allfälligen Afterhypothekars des (zunächst) vorrangigen Pfandrechtes (§ 30 Abs 1 GBG). Eine solche Rangabtretung ist ohne Einwilligung etwaiger Zwischenberechtigter nur im Umfang des vorrangigen Rechtes möglich (§ 30 Abs 3 GBG). Das zurückgetretene Recht rückt nach Wegfall des vorgereihten wieder in den ursprünglichen Platz zurück (SZ 57/109). 5 Ist eine Verpfändung erst geplant, kann der schon einverleibte oder
zumindest vorgemerkte (5 Ob 183/01z SZ 74/143) Liegenschaftseigentümer dafür einen Hypothekenrang durch Anmerkung der Rangordnung reservieren lassen (§§ 53 ff GBG). Dazu wird ein Rangordnungsbeschluss in einfacher Ausfertigung ausgestellt (§ 54 GBG); mit diesem ist binnen eines Jahres ab Bewilligung des Anmerkungsgesuches (nicht schon ab dessen Einreichung: § 55 GBG) die Einverleibung des geplanten Rechtes ausdrücklich im Range der Anmerkung zu beantragen (§ 56 GBG; bloße Beilage des Beschlusses genügt nicht: EvBl 1975/113). Solange die Frist gewahrt ist, kann damit aber auch die Vorrückung eines zwischenzeitlich schon einverleibten Pfandrechtes in den angemerkten Rang beantragt werden (SZ 56/108; Feil/ Marent/Preisl, Grundbuchsrecht, 2005, § 56 Rz 1). Zur weiteren Absicherung von Pfandrängen s § 469 (zum Rangvorbehalt dort Rz 8, zur bedingten Pfandrechtseintragung Rz 9). § 465. Inwiefern ein Pfandgläubiger sich an sein Pfand zu halten schuldig; oder, auf ein anderes Vermögen seines Schuldners zu greifen berechtigt sei, bestimmt die Gerichtsordnung. 1 Hat der Pfandgläubiger noch weitere Sicherheiten neben der Pfand-
sache (zB weitere Pfänder, Sicherungseigentum, Bürgen), kann er mit Ausnahme anderweitiger Vereinbarung oder reiner Sachhaftung (s § 447 Rz 2) frei wählen, ob und welche von ihnen er statt (oder neben) der persönlichen Haftung des Personalschuldners zur Befriedigung seiner von diesem noch nicht (zur Gänze) getilgten Forderung heranzieht (SZ 58/172; 10 Ob 58/05k SZ 2005/94; zu exekutionsrechtlichen Grenzen §§ 96, 263 EO). 446
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Pfandrecht
§ 466
Befriedigt ein reiner Pfandschuldner den Gläubiger, tritt Ersterer ge- 2 mäß § 1358 in die Rechte des Letzteren gegen den Personalschuldner ein und erwirbt damit auch allfällige weitere Sicherungsmittel; eine Hypothek kann solcherart zur echten Eigentümerhypothek werden (§ 1446). Der Rückgriff unter mehreren Sicherungsgebern (nicht nur Bürgen, wie im Wortlaut, sondern auch Pfandgeber, Garanten oÄ) erfolgt analog § 1359 (SZ 57/114; SZ 60/266; s § 1358 Rz 14). § 466. Hat der Schuldner während der Verpfändungszeit das Eigentum der verpfändeten Sache auf einen andern übertragen; so steht dem Gläubiger frei, erst sein persönliches Recht gegen den Schuldner, und dann seine volle Befriedigung an der verpfändeten Sache zu suchen. Das Pfandrecht haftet als beschränktes dingliches Recht an der 1 Pfandsache unabhängig vom Eigentum, daran ändert daher grundsätzlich auch ein Eigentümerwechsel nichts, es sei denn, der neue Eigentümer hat die Sache gutgläubig lastenfrei erworben (§§ 367, 371 ABGB, dazu E. Bydlinski, ÖBA 1988, 958). HS 2 von § 466 ist zumindest irreführend (Hofmann/R Rz 3), da der Gläubiger stets wählen kann, ob und in welcher Reihenfolge er Personalschuldner und/oder Sicherungsgeber zur Befriedigung in Anspruch nimmt (s § 465 Rz 1). Will er dazu auf das Pfand greifen, ist zu unterscheiden, ob es dem 2 Personalschuldner selbst gehört oder von einem reinen Pfandschuldner bestellt wurde (zur Klagsführung gegen bloße Inhaber der Pfandsache auf Einwilligung in die Pfändung Hofmann/R Rz 7). Im ersteren Falle wird der Gläubiger seine besicherte Forderung direkt mit Schuldklage geltend machen, bei deren Erfolg er auf das ganze Vermögen des Personalschuldners greifen kann, nicht nur auf die Pfandsache. Bei ausdrücklichem Vorbringen zur Pfandhaftung wird auch diese selbst mit der Schuldklage geltend gemacht (daher Klagsanmerkung im Grundbuch gemäß § 60 GBG zulässig: EvBl 1985/112; 1 Ob 397/97g NZ 1999, 113). Der Pfandschuldner als solcher ist mit Pfandrechtsklage (bei Liegen- 3 schaften: Hypothekarklage) auf Zahlung der Forderung bei sonstiger Exekution in die Pfandsache in Anspruch zu nehmen (Klang/K II 513 f; K/W I 392). Nach Eigentümerwechsel (Rz 1) muss gegen den neuen Pfandeigentümer grundsätzlich ein neuer Exekutionstitel erwirkt werden; dies kann bei Liegenschaften mit Streitanmerkung gemäß § 60 Abs 3 GBG vermieden werden (Hinteregger/S Rz 5). Durch den unterschiedlichen Streitgegenstand ist die Pfandrechtsklage ein Koch
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Pfandrecht
§ 466a
Aliud und kein Minus gegenüber der Schuldklage (keine wechselseitige Streitanhängigkeit: RS0011444, zB SZ 24/330; 2 Ob 276/03g SZ 2003/159; 1 Ob 64/04z). Der Pfandrechtskläger muss Rechtsgrund, Höhe und Fälligkeit der besicherten Forderung sowie Begründung des Pfandrechtes nachweisen, sofern dies bei Hypotheken nicht ohnehin aus dem Grundbuch ersichtlich ist. Mangels dessen muss etwa bei einer Höchstbetragshypothek auch das Entstehen der Forderung bewiesen werden (s § 449 Rz 10; RS0060520). Der beklagte Pfandschuldner kann seinerseits alle Einwendungen erheben, die auch dem Personalschuldner zustünden (RS0011308; zB Aufrechnung, SZ 51/67; s auch §§ 467 ff), mit Ausnahme von höchstpersönlichen (zB individueller Schulderlass: EvBl 1961/99). Unterliegt er, haftet er persönlich für die Prozess- und Exekutionskosten aus dieser Klage (Hinteregger/S Rz 9; Hofmann/R Rz 6; aM Klinner, ÖJZ 1979, 316). Zur Verjährung der Pfandrechtsklage § 1483 vgl Rz 1. d) außergerichtliche Pfandverwertung § 466a. (1) Der Pfandgläubiger kann sich aus einer beweglichen körperlichen Sache (§ 460a Abs. 1), die ihm verpfändet worden ist oder an der er ein gesetzliches Pfandrecht erworben hat, auch durch den Verkauf der Sache befriedigen. (2) Der Pfandgläubiger hat bei der Verwertung der Sache angemessen auf die Interessen des Pfandgebers Bedacht zu nehmen. (3) Der Pfandgläubiger und der Pfandgeber können abweichende Arten der außergerichtlichen Pfandverwertung vereinbaren. Besondere Vorschriften über die außergerichtliche Verwertung von Sicherheiten bleiben unberührt. [BGBl I 2005/120]
1 Die zuvor nur im Handelsrecht (Art 8 Nr 14 f der 4. EVHGB) gesetz-
lich vorgesehene Möglichkeit einer außergerichtlichen Pfandverwertung wurde mit den Regeln der §§ 466a ff in das allgemeine Zivilrecht übernommen, von denen durch Vereinbarung (auch hinsichtlich der verwertbaren Sachen oder des Prozederes, Erl UGB 68) abgewichen werden kann (Abs 3), bei Rechten Dritter am Pfand aber nur mit deren Zustimmung (§ 466c Abs 5). Damit hat jeder Pfandgläubiger (aber auch entsprechend der Sicherungseigentümer: Schauer/RK Rz 3) die Wahl, sich aus beweglichen körperlichen Sachen (einschließlich Inhaber- und Orderpapieren, wie der Verweis auf § 460a Abs 1 klarstellt) nicht nur mit Hilfe von Zwangsvollstreckung, sondern auch außergerichtlich zu befriedigen, was er bei mehreren Pfandsachen, zwischen denen er wie bisher frei wählen kann (§ 465 Rz 1; 448
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Pfandrecht
§ 466b
früher ausdrücklich Art 8 Nr 14 Abs 1 der 4. EVHGB), jeweils getrennt entscheiden kann. Dabei muss er die Interessen von Pfandbesteller und -eigentümer möglichst mitberücksichtigen, solange dies nicht seinem eigenen Verwertungsinteresse zuwiderläuft (etwa durch Schmälerung seiner Deckungsaussichten; zur „Prävalenz der Gläubigerinteressen“ Schauer/RK Rz 4). Befindet sich die Pfandsache bei einem nachrangigen Pfandgläubiger, 2 hat der Verwertungswillige wie bisher (Spitzer, Pfandverwertung 112) gegen diesen einen Herausgabeanspruch, sofern er darauf nicht verzichtet hat. Der mit Aufhebung des Art 8 Nr 14 der 4. EVHGB weggefallene Verweis auf § 1232 BGB war nur Ausfluss der (unveränderten) dinglichen Rechtsposition des vorrangigen Pfandgläubigers (vgl Damrau/MKBGB4 § 1232 Rz 3; aM Schauer/RK ABGB § 466b Rz 2; Spitzer, aaO). § 466b. (1) Der Pfandgläubiger hat dem Pfandgeber nach Eintritt der Fälligkeit der gesicherten Forderung den Verkauf der Sache anzudrohen, soweit dies nicht untunlich ist. Er hat dabei die Höhe der ausstehenden Forderung anzugeben. Der Verkauf darf erst einen Monat nach dessen Androhung oder, wenn diese untunlich war, nach Eintritt der Fälligkeit stattfinden. Besteht an der Sache ein anderes Pfandrecht, so hat der Gläubiger den Verkauf auch dem anderen Pfandgläubiger anzudrohen. Diesem ist die Einlösung der Forderung zu gestatten (§ 462). (2) Der Verkauf ist im Wege einer öffentlichen Versteigerung durch einen dazu befugten Unternehmer zu bewirken. (3) Zeit und Ort der Versteigerung sind unter allgemeiner Bezeichnung des Pfandes öffentlich bekannt zu machen. Der Pfandgeber und Dritte, denen Rechte am Pfand zustehen, sind hievon zu benachrichtigen. (4) Sachen mit einem Börsen- oder Marktpreis dürfen zu diesem Preis vom Pfandgläubiger auch aus freier Hand verkauft werden. Wertpapiere, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, sowie Sparurkunden dürfen nur aus freier Hand zu ihrem Preis oder Wert verkauft werden. [BGBl I 2005/120]
Der Pfandgläubiger muss seine Absicht einer außergerichtlichen Ver- 1 wertung der Pfandsache sowie die Höhe der zu diesem Zeitpunkt ausstehenden Forderung dem Pfandbesteller und allenfalls einem von diesem verschiedenen Pfandeigentümer (aM Hinteregger/S ErgBd Rz 3: nicht Letzterem, vgl aber zur undifferenzierenden Verwendung Koch
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Pfandrecht
§ 466b
des Begriffes „Pfandgeber“ etwa Erl UGB 68) mitteilen, damit diese eine Pfandverwertung noch abwenden können. Eine solche formlose Androhung der außergerichtlichen Pfandverwertung muss auch allen anderen (vor- oder nachrangigen) Pfandgläubigern zugehen, damit sie ihr Einlösungsrecht (§ 462) ausüben können (Erl UGB 69). Vor Fälligkeit seiner Forderung kann der Pfandgläubiger dieser Pflicht nicht Genüge tun; sie entfällt aber, wenn eine Androhung untunlich wäre (etwa wenn Identität oder Adresse aller genannten Empfänger unbekannt sind: Schauer/RK Rz 3). 2 Nach Zugang der Androhung (und bei deren Untunlichkeit ab Fäl-
ligkeit der Forderung) muss ein Monat verstreichen, bevor ein Verkauf der Pfandsache zulässig wird; bei einer sowohl für Pfandbesteller als auch Pfandgläubiger unternehmensbezogenen Verpfändung genügt eine Woche (§ 368 UGB; ebenso bei den dort in Abs 2 genannten gesetzlichen Pfandrechten). Bei drohendem Verderb oder Wertverlust der Pfandsache nach Fälligkeit muss aber durch einen Größenschluss zu § 460a unter den dort genannten Voraussetzungen wohl schon vor Ablauf der Monatsfrist eine Veräußerung zulässig sein (vgl auch Erl UGB 67 aE). 3 Wie der § 1235 Abs 1 BGB entsprechende (Erl UGB 69) Abs 2 klar-
stellt, muss die außergerichtliche Pfandverwertung primär im Wege einer öffentlichen Versteigerung durch einen dazu befugten Unternehmer (§ 158 GewO) erfolgen. Zeit und Ort der Versteigerung sind auf die dort übliche Art und Weise bekanntzumachen. Gesondert zu verständigen sind jene Personen, denen die Verwertung anzudrohen ist (Rz 1), sowie sonstige Einlösungsberechtigte (§ 462 Rz 1). Obwohl Abs 3 eine entsprechende Einschränkung nicht aus seinem Vorbild (§ 1237 BGB) übernommen hat, kann diese Verständigung wie dort wohl aus denselben Gründen unterbleiben, die auch die Androhung untunlich erscheinen lassen (Rz 1 aE). Bei der Versteigerung dürfen Personal- und Realschuldner nicht mitbieten (§ 463; Schauer/RK Rz 8). 4 Hat die Pfandsache einen Börsen- oder Marktpreis, kann sie der
Pfandgläubiger unter Einhaltung der in Abs 1 genannten Voraussetzungen (Rz 1 f) nach freier Wahl auch anstelle der Versteigerung mindestens zu diesem Preis (der Wortlaut von Abs 4 ist insoweit teleologisch zu interpretieren) freihändig verkaufen (entweder selbst oder durch einen Dritten: Schauer/RK Rz 11). Wertpapiere mit Börsenoder Marktpreis und Sparurkunden kann der Pfandgläubiger hingegen nur freihändig verkaufen (Abs 4 S 2). Inhaber- oder Orderpapiere können auch durch Einziehung verwertet werden (§ 466e). 450
Koch
Pfandrecht
§ 466c
§ 466c. (1) Das Pfand darf nur mit der Bestimmung verkauft werden, dass der Erwerber den Kaufpreis sofort zu entrichten hat. Wird die Sache dem Erwerber vor der Entrichtung des Preises übergeben, so gilt auch der Kaufpreis als dem Pfandgläubiger übergeben. (2) Der Pfandgläubiger hat den Pfandgeber vom Verkauf des Pfandes und von dessen Ergebnis unverzüglich zu verständigen. (3) Mit dem Verkauf erlöschen die Pfandrechte an der Sache selbst. Das Gleiche gilt für andere dingliche Rechte, sofern diese nicht allen Pfandrechten im Rang vorgehen. (4) Der Kaufpreis gebührt dem Pfandgläubiger nach Maßgabe seines Ranges im Ausmaß der gesicherten Forderung und der angemessenen Kosten einer zweckentsprechenden Verwertung. Im Übrigen tritt der Anspruch des Pfandgebers auf Herausgabe des Mehrbetrags an die Stelle des Pfandes. (5) Wenn der Pfandgläubiger und der Pfandgeber eine abweichende Art der Pfandverwertung vereinbaren und am Pfand einem Dritten ein Recht zusteht, das durch die Verwertung erlischt, so bedarf die Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Dritten. [BGBl I 2005/120] Lit: Spitzer, Enteignung des Pfandbestellers durch das UGB? RdW 2006, 678.
Sobald die Pfandsache dem Erwerber übergeben wurde, wird im Ver- 1 hältnis zum Pfandbesteller, der vom Verkauf und dessen Ergebnis unverzüglich zu verständigen ist (Abs 2), und zu anderen bis dahin an der Pfandsache Berechtigten unwiderleglich vermutet, dass der verwertende Pfandgläubiger zu diesem Zeitpunkt bereits den Kaufpreis erhalten hat. Damit können Ansprüche auf den nach Abzug seiner Forderungen verbleibenden Rest (s Rz 3) sofort gegen ihn gerichtet werden. Abgesehen von Fällen gutgläubigen lastenfreien Erwerbs (§ 367 2 Rz 2 ff) erlöschen im Interesse einer besseren Verwertbarkeit der Pfandsache (Erl UGB 69) mit deren Übergabe an den Käufer sämtliche (sowohl vor- als auch nachrangigen) sonstigen Pfandrechte an der Sache sowie andere dingliche Rechte, sofern sie nicht allen Pfandrechten im Rang vorgehen (Abs 3). Während vor dem HaRÄG Gewährleistungsansprüche des Erwerbers bei einer öffentlichen Versteigerung ausdrücklich ausgeschlossen waren (Art 8 Nr 14 Abs 2 der 4. EVHGB), stehen diese nunmehr mangels Übernahme der entsprechenden Regelung gegen den Pfandgläubiger offen (Hinteregger/S ErgBd § 466b Rz 2). Koch
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Pfandrecht
§ 466d
3 Sofern keine entsprechende Teilung bereits bei Zahlung erfolgt, fällt
der Verwertungserlös zur Gänze in das Eigentum des Pfandgläubigers (ausdrücklich gegen die deutsche Miteigentumslösung des § 1247 BGB die Erl UGB 69 f; krit Spitzer, RdW 2006, 678). Dieser kann daraus seine noch offenen Haupt- und Nebenforderungen sowie die zweckmäßigen Kosten der außergerichtlichen Verwertung (Abs 4) abdecken, sofern nicht andere Pfandrechte im Rang vorgehen. Auf deren Anteil sowie auf einen allenfalls verbleibenden Rest hat der bisherige Pfandeigentümer einen Herausgabeanspruch, an dem das Pfandrecht aller übrigen Pfandgläubiger sowie sonstige durch die Verwertung erloschenen dinglichen Rechte entsprechend dem Rangordnungsprinzip fortleben (zu den Konsequenzen einer Insolvenz des Pfandverwerters Spitzer, RdW 2006, 680 ff). § 466d. Wenn der Pfandgläubiger die Sache außergerichtlich als Pfand verwertet, genügt für die Redlichkeit des Erwerbers (§§ 367 und 368) der gute Glaube in die Befugnis des Pfandgläubigers, über die Sache zu verfügen. [BGBl I 2005/120]
1 § 466d erweitert die neugefassten Vorschriften zum gutgläubigen
Eigentumserwerb (insb § 368 Abs 1, s im Übrigen §§ 367 f) um den Fall, dass der Erwerber nicht auf das Eigentum des Veräußerers vertraut, sondern auf dessen Position als vermeintlich rechtmäßig außergerichtlich verwertender Pfandgläubiger (und damit auf dessen Verfügungsbefugnis). Ist dieser tatsächlich Pfandgläubiger (und als solcher Vertrauensmann des Pfandeigentümers) oder gutgläubiger Pfandrechtserwerber gemäß § 456 (Schauer/RK Rz 5), missachtet er aber die Vorschriften des §§ 466b, erlangt der gutgläubige Erwerber trotzdem Eigentum an der Pfandsache. § 466e. (1) Besteht das Pfandrecht an einem Inhaber- oder Orderpapier, so ist der Pfandgläubiger berechtigt, eine etwa erforderliche Kündigung vorzunehmen und die Forderung aus dem Wertpapier einzuziehen. (2) Ist die Forderung aus dem verpfändeten Papier bereits fällig, so kann der Pfandgläubiger diese auch dann einziehen, wenn die gesicherte Forderung noch nicht fällig ist. In diesem Fall erwirbt der Pfandgläubiger ein Pfandrecht an der erhaltenen Leistung. Besteht die Leistung in Geld, so hat der Pfandgläubiger den erhaltenen Betrag nach den Bestimmungen über die Anlegung von Mündelgeld zu veranlagen. [BGBl I 2005/120]
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Koch
Pfandrecht
§ 467
In Fortführung des aufgehobenen Art 8 Nr 15 Abs 1 S 2 der 1 4. EVHGB (und damit entsprechend § 1294 BGB) ist der Pfandgläubiger bei Inhaber- und Orderpapieren auch berechtigt, zur Verwertung eine Kündigung vorzunehmen und die Forderung aus dem Wertpapier einzuziehen. Grundsätzlich muss dazu seine Forderung fällig sein, er kann aber schon früher einziehen, wenn das Recht aus dem Papier fällig geworden ist, wodurch er ein Pfandrecht am Geleisteten erlangt. Handelt es sich dabei um Geld, muss er es mündelsicher veranlagen (§§ 230 ff). Erlöschung des Pfandrechtes § 467. Wenn die verpfändete Sache zerstört wird; wenn sich der Gläubiger seines Rechtes darauf gesetzmäßig begibt; oder, wenn er sie dem Schuldner ohne Vorbehalt zurückstellt; so erlischt zwar das Pfandrecht, aber die Schuldforderung besteht noch. Lit: P. Bydlinski, Durchbrechungen des Publizitätsprinzips im Mobiliarpfandrecht? ÖJZ 1986, 327; Markl/Niedermayr, Zur Rückgabe des Mobiliarpfands unter Vorbehalt, ÖJZ 1994, 185; Sailer, Aktuelle Rechtsprobleme des Mobiliarpfandes, ÖBA 2001, 211; Vranes, Nochmals zur Rückstellung der Pfandsache unter Vorbehalt, JBl 1996, 763.
Das Pfandrecht erlischt bei Zerstörung der Pfandsache (oder Aufhe- 1 bung des verpfändeten Rechtes). Bei bloß teilweiser Zerstörung bleibt das Pfandrecht am Rest bestehen (Grundsatz der ungeteilten Pfandhaftung); bei Wiederherstellung lebt das Pfandrecht wieder auf. Dem Untergang der Sache ist der Verlust ihrer Verkehrsfähigkeit gleichzusetzen (vgl § 448 Rz 1); ebenso eine solche Veränderung, die ihre Selbständigkeit beendet (etwa durch Verwendung zur Ausbesserung oder Bauführung, §§ 416 ff). Entsteht zB durch Verarbeitung Miteigentum, lebt das Pfandrecht hingegen im Miteigentumsanteil fort (Frotz, Kreditsicherungsrecht 88 ff; Klang/K II 516). Auch durch ausdrücklichen oder konkludenten Verzicht auf das 2 Pfandrecht (§ 1444; s auch § 666 S 2) erlischt dieses, wenn das Faustpfand zurückgegeben oder die Hypothek gelöscht ist. Ein Fall des stillschweigenden Verzichtes ist die vorbehaltlose freiwillige (SZ 58/166) Zurückstellung der Pfandsache an den Pfandschuldner (SZ 41/140). Dem ist die Entfernung der Zeichen bei symbolisch übergebenen Pfandsachen gleichzusetzen (SZ 57/100; 3 Ob 45/94 SZ 67/78; Hofmann/R Rz 4), wenn der Gläubiger oder dessen Vertrauensmann dies duldet. Das Pfandrecht geht aber selbst bei Eigenmacht des Pfandbestellers aus Publizitätsgründen unter (3 Ob Koch
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Pfandrecht
§ 468
2403/96w SZ 70/118; Eicher, Ausgewählte Probleme des Mobiliarpfandrechts, 1999, 159 ff; Iro, SachenR Rz 12/4 FN 6; Sailer, ÖBA 2001, 220 ff; aM bei „jeder erdenklichen“ Sorgfalt des Pfandgläubigers P. Bydlinski, ÖJZ 1986, 334 ff; noch weiter gehend K/W I 378: Pfandrecht bleibt bei Eigenmacht generell aufrecht). 3 Selbst bei vorübergehender, nur kurzfristiger Rückgabe der Sache an
ihren Eigentümer (oder Entfernung der Pfandzeichen) mit Vorbehalt geht das Pfandrecht unter; dem Pfandgläubiger verbleibt dabei lediglich ein obligatorischer Anspruch auf Neubestellung des Pfandrechts (so zutreffend die hM: P. Bydlinski, ÖJZ 1986, 328 ff; Eicher, Mobiliarpfandrecht 141 ff; Frotz, Kreditsicherungsrecht 36 f; Hofmann/R Rz 5; K/W I 379 f; noch weitergehend Klang/K II 517: nicht einmal Neubestellungsanspruch; aM Markl/Niedermayr, ÖJZ 1994, 194 ff; Vranes, JBl 1996, 771 ff: Fortbestand des Pfandrechtes bei § 452 entsprechender Publizität). Die Rspr akzeptierte zumindest früher in diesem Falle in Widerspruch zum Publizitätsprinzip (§§ 451 f) den Fortbestand des Pfandrechtes (SZ 25/89; auch noch ÖBA 1987, 117 krit P. Bydlinski; wie hier aber obiter SZ 58/166). 4 Die Gründe für das Erlöschen eines Pfandrechtes sind in den
§§ 467 ff nicht abschließend geregelt; weitere Fälle sind etwa gutgläubiger lastenfreier Erwerb der Pfandsache (s § 466 Rz 1); Verjährung (s § 468 Rz 2); lastenfreie Abschreibung bei Liegenschaftsteilung (§§ 4 ff LiegTeilG); Geringwertigkeit einer Hypothek (§ 131 Abs 2 lit c GBG). § 468. Das Pfandrecht erlischt ferner mit der Zeit, auf welche es eingeschränkt war, folglich auch mit dem zeitlichen Rechte des Pfandgebers auf die verpfändete Sache; wenn anders dieser Umstand dem Gläubiger bekannt war, oder aus den öffentlichen Büchern bekannt sein konnte. 1 Durch bloßen Zeitablauf erlischt das vertragliche Pfandrecht, wenn
es selbst nur auf bestimmte Zeit eingeräumt worden war (einverleibungsfähig: SZ 49/143), oder wenn die Verfügungsberechtigung des Pfandbestellers zeitlich befristet war (zum Gutglaubensschutz des Pfandnehmers Iro, SachenR Rz 12/6; Hofmann/R Rz 4). Weitere zeitliche Grenzen für Pfandrechte enthalten etwa die §§ 1101 Abs 2 (Bestandgeberpfandrecht), 1321 (Viehpfändung); § 440 Abs 3, § 623 Abs 2 UGB (Frachtführerpfandrecht); § 256 Abs 2 EO (exekutives Pfandrecht an beweglichen körperlichen Sachen). Das Pfandrecht erlischt ebenso bei Eintritt einer auflösenden Bedingung, die das Pfandrecht oder die Berechtigung des Pfandbestellers beschränkt. 454
Koch
Pfandrecht
§ 469
Auch Pfandrechte können verjähren. Dabei gelten die allgemeinen 2 Regeln und Fristen (§§ 1478 ff); Fristbeginn ist Fälligkeit der Forderung (Iro, SachenR Rz 12/20). Ausgenommen sind allerdings Faustpfandrechte, solange die Pfandsache im Gewahrsam des Gläubigers ist (§ 1483). Analog wird diese Norm auf Pfandrechte an Rechten angewendet, soweit die Rechtsstellung des Gläubigers vergleichbar ist (§ 1483 Rz 2; M. Bydlinski/R § 1483 Rz 2; krit K/W I 404). § 469. Durch Tilgung der Schuld hört das Pfandrecht auf. Der Pfandgeber ist aber die Schuld nur gegen dem zu tilgen verbunden, daß ihm das Pfand zugleich zurückgestellt werde. Zur Aufhebung einer Hypothek ist die Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekargut bleibt so lange verhaftet, bis die Schuld aus den öffentlichen Büchern gelöscht ist. Bis dahin kann der Eigentümer des Gutes auf Grund einer Quittung oder einer anderen, das Erlöschen der Pfandschuld dartuenden Urkunde das Pfandrecht auf eine neue Forderung übertragen, die den Betrag der eingetragenen Pfandforderung nicht übersteigt. [idF III. TN] Lit: E. Gruber, Die Verfügungsbefugnis über freie Pfandstellen in der Exekution, JBl 1980, 397 und 460; Hofmeister, Die österreichische „Eigentümerhypothek“ als rechtsdogmatisches und rechtspolitisches Problem, FS Hellbling (1981) 567; Holzner, Kein gutgläubiger Hypothekenerwerb ohne gesicherte Forderung? NZ 2000, 289 und 300; Koziol, Kreditsicherheiten und Anfechtung der Erfüllung, JBl 1983, 517; Reischauer, Zwei Fragen zur Löschungsquittung bzw Löschungserklärung, NZ 2001, 362; V. Steininger, Plädoyer für volle Akzessorietät der österreichischen Hypothek, NZ 1998, 385.
Erlischt die besicherte Forderung (aus welchem Grunde der §§ 1411 ff 1 immer: Hofmann/R Rz 2), entfällt auf Grund der Akzessorietät (§ 449 Rz 1) auch die Berechtigung des Pfandgläubigers, sich aus der Pfandsache zu befriedigen. Daher kann der Pfandschuldner die Rückgabe der Pfandsache (Rz 2) oder die Löschung der Hypothek (Rz 3) verlangen (§ 1369). Dies gilt jedoch nicht bei Einlösung der Forderung mit automatischem Pfandrechtsübergang (§§ 462, 1358, 1422; s § 449 Rz 14); ebenso wenig bei Schulderlass gegenüber dem Personalschuldner unter Vorbehalt des Pfandrechtes gegenüber dem Pfandschuldner (EvBl 1961/99; vgl § 447 Rz 2; krit Dullinger/R § 1444 Rz 9). Wird eine Zahlung nach Rückstellung der Pfandsache erfolgreich angefochten, hat der Gläubiger einen (lediglich schuldrechtlichen) Anspruch auf neuerliche Pfandbestellung (6 Ob 105/99f RdW 2000, 408; Koziol, JBl 1983, 517). Koch
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Pfandrecht
§ 469
2 Ein Faustpfand kann der Schuldner Zug um Zug gegen Tilgung der
Forderung zurückverlangen (S 2; SZ 61/146; Reischauer, NZ 2001, 362) und muss dazu zumindest die Befriedigung anbieten (5 Ob 179/03i NZ 2004, 310). Er muss die Sache aber beim Pfandgläubiger abholen (Hinteregger/S Rz 5) und ihm einen allfälligen Pfandschein (§ 1370) herausgeben. Zur Besicherung einer anderen als der getilgten Forderung muss ein neues Pfandrecht an der Sache bestellt werden, allenfalls durch Pfändung des Herausgabeanspruches (Hofmann/R Rz 3). 3 Zur Einverleibung der Löschung einer Hypothek muss der Gläubiger
dem Hypothekarschuldner nach Tilgung oder Pfandfreigabe eine den §§ 31 f GBG entsprechende Löschungsquittung ausstellen (§ 1360 S 3, § 1426; SZ 52/40; zur Kostentragung Reischauer, NZ 2001, 362), widrigenfalls er auf Löschung geklagt werden kann (im Unterschied zur Löschungsklage gemäß §§ 61 ff GBG, die auf anfängliche Ungültigkeit der Eintragung gestützt ist: SZ 40/141). Die Löschung kann wegen seines Verfügungsrechtes (Rz 6 f) nur der Liegenschaftseigentümer beantragen (zu Miteigentümern 5 Ob 236/98m EvBl 1999/53), nicht jedoch der Gläubiger (auch nicht bei Löschungsverpflichtung des Eigentümers: 5 Ob 120/97a SZ 70/75), der Personalschuldner oder ein nachfolgender Buchberechtigter (SZ 18/201; 2 Ob 615/90). 4 Bis zur Rückgabe oder Löschung (S 4) bleibt das Pfandrecht formell
bestehen; gutgläubiger Erwerb des Pfandrechtes oder eines Afterpfandrechtes daran ist daher weiterhin möglich (§ 456; bei Liegenschaften im Vertrauen auf das Grundbuch: K/W I 399). 5 Bei bloß teilweiser Tilgung der Forderung bleibt die ganze Pfand-
sache verhaftet (§ 447 Rz 1); der Pfandgläubiger ist (abgesehen von Schikanefällen) auch nicht verpflichtet, einen Teil davon (oder einzelne von mehreren Pfandgegenständen) herauszugeben (SZ 57/39; 6 Ob 113/02i RdW 2003, 626). Bei Hypotheken hat der Liegenschaftseigentümer jedoch Anspruch auf Teillöschungsquittung, wenn der Gläubiger eine Teilzahlung angenommen hat (3 Ob 542/93 RZ 1996, 203; 5 Ob 252/00w SZ 73/165). 6 Soweit ein Eigentümer zur Löschung einer vertraglich oder exekutiv
begründeten Hypothek berechtigt ist (SZ 28/17; nicht aber bei gesetzlichen Pfandrechten: Hofmann/R Rz 1, 5; Klang/K II 528), kann er in den Grenzen von § 469a über den ihr zugewiesenen Rang verfügen und insoweit ein Nachrücken der Nachhypothekare verhindern (sog forderungsentkleidete oder unechte Eigentümerhypothek; zur forderungsbekleideten s § 470 Rz 2). Dazu kann er den Pfandrang (auch die Ränge mehrerer unmittelbar aufeinander folgender frei gewordener Hypotheken: vgl § 58 Abs 2 GBG) auf eine oder mehrere neue 456
Koch
Pfandrecht
§ 469a
oder schon (schlechterrangig) besicherte Forderung(en) übertragen, deren Gesamthöhe den Umfang der bisherigen Hypothek (besicherte Haupt- und Nebenforderungen: § 448 Rz 6 f) nicht übersteigt. Ein allfälliger darüber hinausgehender Betrag kann nur im regulären Rang besichert werden. Zur Übertragung ist grundsätzlich Einverleibung unter Nachweis der Verfügungsbefugnis (zB mit Löschungsquittung) nötig, mangels Schutzwürdigkeit der Nachhypothekare aber nicht bei Gläubigeridentität (3 Ob 92/90 SZ 64/38; Hinteregger/S Rz 20). Bei einer Höchstbetragshypothek muss das gesamte Grundverhält- 7 nis beendet sein, bevor der Eigentümer über ihren Rang verfügen kann (§ 449 Rz 11); dafür kann er ihn im vollen (auch bislang nicht ausgenützten) Umfang neu belegen (5 Ob 26/90 SZ 63/59). Nach Tilgung einer durch eine Simultanhypothek besicherten Forderung kann das Verfügungsrecht auf den betroffenen Liegenschaften jeweils nur in einem § 222 EO entsprechenden Verhältnis ausgeübt werden (SZ 14/92; SZ 17/60; 3 Ob 11/95 SZ 69/285; Klang/K II 531; Hoyer, Die Simultanhypothek 2 , 1977, 68 ff; vgl § 451 Rz 10 f). Wird die Hypothek nicht sofort nach Tilgung der Forderung gelöscht, 8 könnte ein Dritter zumindest das Pfandrecht gutgläubig erwerben (Rz 4; ob dadurch auch die getilgte Forderung wieder auflebt, ist streitig, aber abzulehnen: Hofmann/R Rz 1; V. Steininger, NZ 1998, 385; aM K/W I 399). Dagegen kann sich der Liegenschaftseigentümer durch Anmerkung eines Rangvorbehaltes absichern (§ 58 GBG): Damit kann er sein Verfügungsrecht für sich (und jeden ihm zwischenzeitlich nachfolgenden Eigentümer: § 58 Abs 1 S 2 GBG) auf die Dauer von drei Jahren nach Bewilligung der Anmerkung (bei zwischenzeitlichem Exekutionsverfahren bis zur Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens: § 37 III. TN; Hofmann/R Rz 9) in einer für Dritte erkennbaren Weise vorbehalten; gleichzeitig muss aber bereits die Löschung des alten Pfandrechtes eingetragen werden. Insb für Umschuldungen (K/W I 401 f) bietet § 59 GBG dem Liegen- 9 schaftseigentümer zum Schutz seines neuen Gläubigers weiters die Möglichkeit, schon vorab ein neues Pfandrecht in Rang und Umfang einer bereits verbücherten Hypothek unter der Bedingung einzutragen, dass Letztere binnen eines Jahres nach Bewilligung gelöscht wird (bedingte Pfandrechtseintragung). § 469a. Bei Bestellung des Pfandrechtes kann auf dieses Verfügungsrecht nicht verzichtet werden. Ist jedoch im öffentlichen Buch ein der Hypothek im Rang nachfolgendes oder ihr gleichranKoch
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Pfandrecht
§ 470
giges, rechtsgeschäftlich bestelltes Recht eingetragen, so kann der Eigentümer über die Hypothek nur dann verfügen, wenn er sich das Verfügungsrecht gegenüber dem Buchberechtigten vertraglich vorbehalten hat und dieser Vorbehalt im öffentlichen Buch bei der Hypothek angemerkt ist. [BGBl I 1997/30] Lit: S bei § 469.
1 Während bis zum 31.12.1997 Liegenschaftseigentümer stets das Recht
hatten, ihr Verfügungsrecht über frei gewordene Pfandstellen auszuüben (§ 469 Rz 6 f), wurde durch die Grundbuchsnovelle 1997 diese dispositivrechtliche Lage ins Gegenteil verkehrt, da sich die Gläubiger zuvor in der Praxis nahezu immer Löschungsverpflichtungen für vorrangige Lasten anmerken ließen, die auch bedingte Pfandrechtseintragungen (§ 469 Rz 9) verhinderten (Hinteregger/S Rz 4, 6). Nunmehr ist der Eigentümer bei gleich- und nachrangigen Buchberechtigten zur Verfügung nur dann berechtigt, wenn er sich dies ausdrücklich durch Anmerkung vorbehalten hatte (krit Hoyer, NZ 2000, 161). Ein vor dem genannten Stichtag bestehendes Verfügungsrecht bleibt aber weiterhin aufrecht (Hofmann/R Rz 3a). 2 Ein Verzicht auf das Verfügungsrecht gegenüber dem Gläubiger der
betroffenen Hypothek bei deren Bestellung ist weiterhin unwirksam (S 1). § 470. Wird nach Tilgung der Schuld (§ 469) oder eingetretener Vereinigung (§ 1446), bevor das Pfandrecht bücherlich gelöscht oder die Liegenschaft oder das Pfandrecht übertragen worden ist, das Hypothekargut zwangsweise versteigert oder dessen Zwangsverwaltung bewilligt, so ist bei Verteilung des Erlöses auf dieses Pfandrecht keine Rücksicht zu nehmen. Nur insoweit die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung gegen einen Dritten noch fortbesteht oder dem Eigentümer der Ersatz für deren Tilgung gebührt (§ 1358), wird der darauf entfallende Teil dem Eigentümer zugewiesen. [idF III. TN] Lit: S bei § 469.
1 Solange der Liegenschaftseigentümer nach Tilgung der besicherten
Forderung noch nicht über die frei gewordene Pfandstelle verfügt hat, ohne die Hypothek zu löschen (forderungsentkleidete oder unechte Eigentümerhypothek, dazu bereits § 469 Rz 6), ist diese auf Grund ihres bloß formellen Charakters im Verteilungsverfahren nicht zu berücksichtigen. 458
Koch
Pfandrecht
§ 471
Sehr wohl zu berücksichtigen ist der Liegenschaftseigentümer in der 2 Exekution aber dann, wenn er zugleich Pfandschuldner als auch -gläubiger ist, was den Fortbestand der Forderung gegen den Personalschuldner voraussetzt (S 2). Dies ist etwa dann möglich, wenn der Liegenschaftseigentümer die Forderung getilgt hat und sie damit gemäß § 1358 samt Besicherung auf ihn über- und nicht untergegangen ist (sog forderungsbekleidete oder echte Eigentümerhypothek; auch bei sonstiger Zession oder Erbgang möglich: Hofmann/R § 469 Rz 11). Von dem Retentionsrechte § 471. (1) Wer zur Herausgabe einer Sache verpflichtet ist, kann sie zur Sicherung seiner fälligen Forderungen wegen des für die Sache gemachten Aufwandes oder des durch die Sache ihm verursachten Schadens mit der Wirkung zurückbehalten, daß er zur Herausgabe nur gegen die Zug um Zug zu bewirkende Gegenleistung verurteilt werden kann. (2) Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes kann durch Sicherheitsleistung abgewendet werden; Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen. [idF III. TN] Lit: Braumüller, Das Zurückbehaltungsrecht in Exekution und Insolvenz (1991); Iro, Neue Überlegungen des OGH zum Zurückbehaltungsrecht des Werkunternehmers? RdW 1991, 102; Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1982); Rummel, Gutgläubiger Erwerb von Retentionsrechten? JBl 1977, 521; Wilhelm, Gutgläubiger Erwerb eines Zurückbehaltungsrechtes, ecolex 1991, 145.
Ein Zurückbehaltungs- oder Retentionsrecht im engeren Sinne des 1 § 471 ist das Recht, die Herausgabe einer körperlichen Sache zur Sicherung einer fälligen Forderung zu verweigern (nicht aber zur Befriedigung: EvBl 1961/525; vgl dagegen § 371 UGB). Im weiteren Sinne ist darunter jedes Leistungsverweigerungsrecht bis zur Bewirkung einer Gegenleistung zu verstehen (Hofmann/R Rz 1); darunter fällt etwa die Einrede des nicht erfüllten Vertrages oder die Unsicherheitseinrede der §§ 1052, 1062. Zurückbehaltungsrechte können gesetzlich (abgesehen von § 471 zB 2 § 970c ABGB; §§ 369 ff, 751 UGB; § 19 HVertrG; § 5 GEG; § 17 BeschussG; § 9 DepG; § 57 MEG), richterlich (§ 379 Abs 3 Z 3, § 382 Z 3 EO) oder rechtsgeschäftlich begründet werden (ausdrückliche Grenze für Letztere etwa § 6 Abs 1 Z 7 KSchG). Koch
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Pfandrecht
§ 471
3 Ob Zurückbehaltungsrechte gutgläubig erworben werden können,
wird von der Lehre überwiegend verneint (Iro, RdW 1991, 102; Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 281 ff; K/W I 349; Rummel, JBl 1977, 521; aM Binder, SachenR Rz 12/7 f; Hofmann/R Rz 2a; für Zurückbehaltungsrecht, aber aus eigenem Verwendungsanspruch Apathy, Verwendungsanspruch 93 ff; Wilburg, JBl 1992, 551), von der Rspr hingegen bejaht (zB 7 Ob 615/90 JBl 1991, 241 krit Rummel), wenn auch nicht hinsichtlich vertraglicher Retentionsrechte (SZ 55/112). Bei (zu vermutender) konkludenter Zustimmung des Eigentümers zur Weitergabe der Sache an den später die Zurückbehaltung Beanspruchenden ist dieser dazu jedenfalls berechtigt (1 Ob 537/94 SZ 67/82). 4 Ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 471 kann nur an beweglichen
oder unbeweglichen (JBl 1951, 414) körperlichen Sachen begründet werden (aM Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 185 ff), die weder eigenmächtig noch listig entzogen, entlehnt, in Verwahrung (auch aus vertraglicher Nebenpflicht: zB SZ 55/112; Hinteregger/S Rz 10) oder in Bestand genommen wurden (§ 1440 S 2). Redlichkeit des Herausgabeberechtigten ist nicht nötig (SZ 16/62). An Rechten kann hingegen kein Retentionsrecht bestehen (SZ 32/137; SZ 42/162; Miet 40.203). Im Gegensatz zum Pfandrecht müssen die Sachen nicht verwertbar sein (§ 448 Rz 1), daher können auch Zeugnisse, Ausweispapiere oder Typenscheine zurückbehalten werden (SZ 59/84). 5 Während kaufmännische Retentionsrechte gemäß § 369 UGB auch
wegen nicht konnexer Forderungen begründet werden können (SZ 54/8), muss gemäß § 471 ein Zusammenhang zur besicherten Forderung bestehen (JBl 1984, 256; Hinteregger/S Rz 8). Abgesehen von Ersatz für Schädigung durch eine Sache kann ein für sie gemachter Aufwand dazu berechtigen, sie bis zu dessen Erstattung zurückzubehalten, wobei die Ansprüche auf Ersatz und Erstattung von § 471 nur vorausgesetzt werden und daher anderweitig im materiellen Recht begründet sein müssen (zB Gewährleistung, Schadenersatz oder GoA; 7 Ob 634/92 EvBl 1993/76). „Aufwand“ ist nach der Rspr nicht eng zu fassen; darunter fallen insb Maßnahmen zur Erlangung (zB 4 Ob 114/01w SZ 74/96), Erhaltung oder Verbesserung (zB 5 Ob 509/96 SZ 69/41) der Sache sowie zur Schadensabwehr (zB SZ 47/92; JBl 1984, 256). 6 Der Werkunternehmer kann seine Werklohnforderung (oder bloßen
Vorbereitungsaufwand wie Materialbeschaffung: SZ 34/103) trotz Verwahrungspflicht (vgl Rz 4; SZ 69/41) nicht nur gegen den unmittelbaren Besteller durch Zurückbehaltung der Sache absichern. Ist 460
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Pfandrecht
§ 471
Letzterer nicht Eigentümer der Sache, hat dieser aber zB einer Reparatur zumindest schlüssig zugestimmt (vgl Rz 3 aE), scheitert dessen dinglicher Herausgabeanspruch am Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers (JBl 1989, 584 Kömürcü-Spielbüchler; SZ 67/82). Das Zurückbehaltungsrecht hat teilweise dingliche Wirkungen, ohne 7 selbst ein dingliches Recht zu sein (vgl Binder, SachenR Rz 12/2; Gschnitzer ua, SachenR 235). So haben nachträgliche Verfügungen über die Sache keinen Einfluss auf seinen Bestand (sofern ein Erwerber das Recht kannte oder kennen musste; SZ 74/96); in Konkurs und Ausgleich des Eigentümers besteht ein Absonderungsrecht (§ 10 Abs 2 KO, § 10 Abs 2 AO; SZ 59/84). Im Gegensatz zum kaufmännischen Retentionsrecht (§ 371 UGB) kann sich der Zurückbehaltungsberechtigte aber nicht aus der Sache befriedigen, sondern lediglich die Herausgabe Zug um Zug gegen Befriedigung seiner Forderung verweigern. Ein Zurückbehaltungsrecht ist durch Einrede geltend zu machen 8 (SZ 31/6; SZ 42/85); es genügt aber, wenn sich aus dem Vorbringen des auf Herausgabe Geklagten ergibt, dass er dazu nur gegen Aufwandersatz bereit ist (6 Ob 296/99v). Durch angemessene Sicherheitsleistung (nicht aber durch Bürgenbestellung) kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes abgewendet werden (Abs 2). Verzichtet der Herausgabeberechtigte allerdings auf die Sache, wird der Zurückbehaltungsberechtigte Eigentümer (Abandon; K/W I 350). Durch Herausgabe zu gerichtlicher Verwahrung (SZ 54/101; SZ 55/50) 9 oder durch freiwillige (wenn auch nur vorübergehende) Rückgabe der Sache erlischt das Zurückbehaltungsrecht (SZ 36/4; nicht aber durch eigenmächtige Entziehung: 8 Ob 636/93 JBl 1995, 53 Apathy). Verspricht der Eigentümer bei Rückgabe allerdings, die Sache später wieder an den zunächst Zurückbehaltungsberechtigten zu retournieren, wird dadurch konkludent ein (neues) vertragliches Retentionsrecht eingeräumt (SZ 20/190; Hinteregger/S Rz 23). Solange der Zurückbehaltungsberechtigte die Sache innehat, kann sein Retentionsrecht (im Gegensatz zur besicherten Forderung) nicht verjähren (§ 1483 analog: SZ 69/41; aM Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 252 ff).
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461
Dienstbarkeiten
§ 472
Siebentes Hauptstück Von Dienstbarkeiten (Servituten) Begriff des Rechtes der Dienstbarkeit § 472. Durch das Recht der Dienstbarkeit wird ein Eigentümer verbunden, zum Vorteile eines anderen in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches, gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht. Lit: P. Bydlinski/Stefula, Zur sachenrechtlichen Qualifikation von Leitungsnetzen, JBl 2003, 69; Egglmeier, Notweg und Rechtsprechung, bbl 1998, 62; Ostheim, Superädifikate auf eigenem Grund, ÖJZ 1975, 202.
1 Dienstbarkeiten (Servituten) sind (im Vergleich zum Vollrecht des
Eigentümers) beschränkte dingliche, also absolut geschützte Rechte an fremden beweglichen oder unbeweglichen Sachen, deren Eigentümer dazu verpflichtet ist, eine bestimmte eigene Nutzung zu unterlassen, zu der er ansonsten befugt wäre (verneinende Servitut), oder eine bestimmte Nutzung durch den Berechtigten zu dulden, die er ansonsten untersagen könnte (bejahende Servitut; zB 1 Ob 516/96 SZ 69/135; vgl auch 5 Ob 78/90 NZ 1991, 203 Hofmeister 206). Die zu duldende Nutzung muss dabei nicht notwendigerweise wiederkehrend oder auf Dauer angelegt sein; man kann sich mit einer Servitut auch verpflichten, ein singuläres Verhalten des Berechtigten zu dulden (5 Ob 281/00k SZ 73/175: Abbruch von Gebäuden). Ein positives Tun des Eigentümers der belasteten Sache darf hingegen keine Hauptpflicht sein (sehr wohl aber als Nebenpflicht dem passiven Hauptzweck der Dienstbarkeit dienen: 2 Ob 2267/96p SZ 69/180; s im Übrigen § 482). 2 Eine Dienstbarkeit kann nur der Eigentümer der belasteten Sache
versprechen, bei Miteigentum die Gesamtheit aller Miteigentümer. Mangels Eigentums kann man eine Servitut unter der Bedingung des nachfolgenden Erwerbs einräumen, ansonsten können solche Duldungs- und Unterlassungspflichten in Hinblick auf eine fremde Sache nur obligatorisch übernommen werden (SZ 48/78). Allerdings kann sich der Eigentümer auch nur schuldrechtlich verpflichten, sofern keine Verdinglichung beabsichtigt ist (SZ 44/41; zur Auslegung der Vereinbarung 4 Ob 190/97p Miet 49.024); eine solche Absicht wird jedoch im Zweifel vermutet (Kiendl-Wendner/S Rz 1). 3 Servituten müssen grundsätzlich dem Vorteil eines anderen dienen (s
auch § 473), somit einer oder mehreren Personen, also etwa auch einer Gemeinde oder der Allgemeinheit (iSv an der Ausübung der Berechti462
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Dienstbarkeiten
§ 472
gung Interessierten). Eine räumliche (zB 7 Ob 271/99z; Klang/K II 552) oder sonstige Nahebeziehung der Berechtigten zur dienenden Sache ist nicht notwendig, sofern dies nicht die Natur der Servitut voraussetzt. Auch der Eigentümer der dienenden Sache selbst kann uU berechtigt sein. Eine Eigentümerservitut muss schon deshalb begründet werden können, damit im Veräußerungsfalle die darin reservierte Nutzungsmöglichkeit (im Liegenschaftsfalle, und nur dort ist dies wohl praktisch relevant, ranggerecht) erhalten bleibt (Klang/K II 550 f; Koban, FS ABGB II, 1911, 572 ff; zust Hofmann/R Rz 3; Hofmeister, NZ 1987, 23; Ostheim, ÖJZ 1975, 203 f bei und in FN 21; aM wohl K/W I 421; offen gelassen von 5 Ob 113/95 SZ 69/68; vgl 5 Ob 95/01h SZ 74/88: gleichzeitige Einräumung von Real- und Personalservitut mit gleichem Umfang). Anerkannt ist die Eigentümerdienstbarkeit jedenfalls bei Vereinigung von herrschender mit dienender Sache, die zum Ruhen der Servitut bis zu ihrer Löschung führt (s § 526). Da der eingeräumte Vorteil einen Bezug zur dienenden Sache haben 4 muss („in Rücksicht seiner Sache“), scheiden Unterlassungspflichten aus, die nicht mit der Nutzung der Sache iwS verbunden sind; etwa Beschränkungen von wirtschaftlichen Tätigkeiten, die keine besondere Liegenschaftsnutzung mit sich bringen (RS0011510, zB SZ 45/26: zulässiges Verbot einer mit Lärm-, Geruchs- oder Dunstentwicklung verbundenen Gewerbeausübung, da nicht die Gewerbeausübung an sich, sondern die damit verbundene Belästigung verhindert werden soll; wohl zu eng Hofmann/R Rz 5; aus der Rspr 1 Ob 501/92 RdW 1992, 270 unter nicht überzeugender Ablehnung von Gschnitzer ua, SachenR 159). Dienstbarkeiten können auch entgeltlich eingeräumt werden. So 5 kann der erste Berechtigte persönlich eine einmalige oder wiederkehrende Zahlung versprechen. Es kann aber auch eine nicht an seine Person geknüpfte Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers der herrschenden Sache übernommen werden, sei es in Form einer eigenständigen und vom Schicksal der Dienstbarkeit unabhängigen Reallast, sei es als Gegenleistung zur Dienstbarkeit, in welchem Fall sie gemeinsam mit ihr im Grundbuch einzutragen ist (RS0011527, zB 3 Ob 2219/96m). Abzugrenzen sind die hier geregelten privatrechtlichen Dienstbarkei- 6 ten von den Legalservituten, die unabhängig von einer Eintragung im Grundbuch sind (1 Ob 44/92 SZ 66/12) und dort höchstens ersichtlich gemacht werden (§ 7 Abs 2 AllgGAG). Dazu zählen etwa Wegerechte (§ 33 ForstG; 1 Ob 625/94 SZ 68/145), Bringungsrechte (§ 66 ForstG, s auch GSGG) oder Leitungsrechte. Koch
463
Dienstbarkeiten
§ 473
7 Eine wichtige Legalservitut ist das Notwegerecht, mit dem ein Lie-
genschaftseigentümer durch Beschluss des Außerstreitgerichtes (zum Verfahren §§ 9 ff NWG) zu dulden verpflichtet wird, dass auf seinem Grund gegen angemessene Entschädigung (§§ 5 f NWG) eine sonst nicht (ausreichend) mögliche Anbindung einer anderen Liegenschaft an das öffentliche Wegenetz geschaffen wird (§ 1 NWG). Dieser Notweg muss für die ordentliche Benützung der begünstigten Liegenschaft im Lichte ihrer Widmung objektiv (3 Ob 235/05p bbl 2006, 240) notwendig sein, ohne dass dies auf auffallende Sorglosigkeit von deren Eigentümer zurückzuführen wäre oder Vorkehrungen dort selbst Abhilfe verschaffen könnten; zudem müssen die Vorteile des Notweges die Nachteile auf den belasteten Liegenschaften mindestens aufwiegen (§ 2 NWG). Antragsberechtigt sind die Liegenschaftseigentümer sowie allfällige Bauberechtigte der begünstigten Liegenschaft (s im Übrigen Egglmeier, bbl 1998, 62). Einteilung der Dienstbarkeiten in Grunddienstbarkeiten und persönliche; § 473. Wird das Recht der Dienstbarkeit mit dem Besitze eines Grundstückes zu dessen vorteilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft, so entsteht eine Grunddienstbarkeit; außer dem ist die Dienstbarkeit persönlich. 1 Fördert die vom Eigentümer der dienenden Sache zu unterlassende
oder zu duldende Nutzung (s § 472 Rz 1) eine vorteilhaftere oder bequemere Benützung einer Liegenschaft (oder eines mit dieser verbundenen Unternehmens, Gewerbes oder einer Anlage: zB 1 Ob 542/93 SZ 66/53; auch eines Baurechtes: 5 Ob 142/94 SZ 68/147) im Eigentum des Berechtigten, ohne dass es dazu maßgeblich auf dessen persönliche Eigenschaften oder Bedürfnisse ankäme, so handelt es sich im Zweifel um eine Grunddienstbarkeit (auch Real- oder Prädialservitut; §§ 474–477, 487 ff). 2 An den anzustrebenden Vorteil oder die dem gleichzusetzende Be-
quemlichkeit werden keine strengen Maßstäbe angelegt (außer bei Ersitzung, für die ein zumindest erheblicher Vorteil verlangt wird: Hofmann/R Rz 2). Dieses Utilitätserfordernis wird nur negativ interpretiert, indem gänzliches Fehlen irgendeines Vorteiles schadet (RS0011589; zB 6 Ob 255/00v SZ 74/57: begrünte Grenzmauer in Innenhof; 5 Ob 87/91 NZ 1992, 276 Hofmeister: kein Vorteil aus Ausschluss der Begründung von Wohnungseigentum auf Nachbarliegenschaft). Bei Wegfall des geforderten Vorteils erlischt die Grunddienstbarkeit (RS0011582; zB EvBl 1980/22; 7 Ob 179/01a; s auch § 524 Rz 5). 464
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Dienstbarkeiten
§§ 475–476
Von den Grunddienstbarkeiten zu unterscheiden sind die sog persön- 3 lichen Dienstbarkeiten (Personalservituten; §§ 478, 504 ff), deren Vorteil einer bestimmten Person zukommen soll, wobei diese aber ebenso als Grunddienstbarkeiten konstruiert werden können, wie man umgekehrt typische Grunddienstbarkeiten als persönliche ausgestalten kann (unregelmäßige Dienstbarkeiten, s § 479 Rz 1). Die Rechte aus einer persönlichen Dienstbarkeit enden spätestens mit 4 dem Tod des Berechtigten, wenn nicht die Erstreckung des Rechtes auf die Erben ausdrücklich bedungen wurde (zum Erlöschen im Übrigen §§ 524 ff, insb § 529). Die Grunddienstbarkeiten stehen hingegen dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Gutes zu (zB EvBl 1980/173). in Feld- und Haus-Servituten § 474. Grunddienstbarkeiten setzen zwei Grundbesitzer voraus, deren einem als Verpflichteten das dienstbare, dem andern als Berechtigten das herrschende Gut gehört. Das herrschende Grundstück ist entweder zur Landwirtschaft oder zu einem anderen Gebrauche bestimmt; daher unterscheidet man auch die Feld- und Haus-Servituten. Felddienstbarkeiten (Rustikalservituten, § 477) sind im Unterschied 1 zu Hausdienstbarkeiten (Gebäude- oder Urbanalservituten; §§ 475 f) traditionell (aber nicht zwingend) auf landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften bezogen (SZ 56/60). Gewöhnliche Arten: a) der Haus-Servituten; § 475. (1) Die Haus-Servituten sind gewöhnlich: 1. das Recht, eine Last seines Gebäudes auf ein fremdes Gebäude zu setzen; 2. einen Balken oder Sparren in eine fremde Wand einzufügen; 3. ein Fenster in der fremden Wand zu öffnen; es sei des Lichtes oder der Aussicht wegen; 4. ein Dach oder einen Erker über des Nachbars Luftraum zu bauen; 5. den Rauch durch des Nachbars Schornstein zu führen; 6. die Dachtraufe auf fremden Grund zu leiten; 7. Flüssigkeiten auf des Nachbars Grund zu gießen oder durchzuführen. Koch
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Dienstbarkeiten
§§ 475–476
(2) Durch diese und ähnliche Haus-Servituten wird ein Hausbesitzer befugt, etwas auf dem Grunde seines Nachbars vorzunehmen, was dieser dulden muß. § 476. Durch andere Haus-Servituten wird der Besitzer des dienstbaren Grundes verpflichtet, etwas zu unterlassen, was ihm sonst zu tun frei stand. Dergleichen sind: 8. sein Haus nicht zu erhöhen; 9. es nicht niedriger zu machen; 10. dem herrschenden Gebäude Licht und Luft; 11. oder Aussicht nicht zu benehmen; 12. die Dachtraufe seines Hauses von dem Grunde des Nachbars, dem sie zur Bewässerung seines Gartens oder zur Füllung seiner Zisterne, oder auf eine andere Art nützlich sein kann, nicht abzuleiten. Lit: J. M. Rainer, Aussicht und Fensterrechte: Zu Problemen der Gebäudedienstbarkeiten, NZ 1990, 248.
1 In § 475 sind bejahende, in § 476 verneinende Hausdienstbarkeiten
(zum Unterschied § 472 Rz 1) beispielhaft (5 Ob 130/92 JBl 1993, 580) aufgelistet. 2 Darf gemäß § 476 Z 10 einem Gebäude auf der herrschenden Liegen-
schaft Licht und Luft nicht genommen werden, genügt es, wenn von dessen Parterre aus zumindest der Himmel gesehen werden kann, während die Aufrechterhaltung einer Aussicht gemäß § 476 Z 11 zur Freihaltung des horizontalen Ausblickes verpflichten kann (SZ 53/149), wobei es aber auf die konkrete Ausgestaltung ankommt (zB Aussicht auf ein bestimmtes Bauwerk oder völlig ungehinderter Blick über das belastete Grundstück hinweg, allenfalls nur aus bestimmten Räumen). Ohne derartige Ergänzung ist hingegen das Verbot des höher Bauens (§ 476 Z 8) genau darauf beschränkt, selbst wenn etwa durch Wachstum von Bäumen die Aussicht des herrschenden Grundstückes versperrt wird (SZ 26/183; SZ 53/149). Die in § 476 Z 10 und 11 genannten Rechte werden gemeinhin fälschlicherweise unter der Bezeichnung „Fensterrecht“ zusammengefasst, obwohl dieser Begriff vom Gesetz in § 488 für das in § 475 Abs 1 Z 3 gelistete Recht reserviert ist, ein Fenster in eine fremde Wand zu öffnen. 3 In der Praxis hat sich weiters die sog Cottage-Servitut herausge-
bildet, mit der die Bebauungsmöglichkeiten einer Liegenschaft im Interesse der Nachbarschaft beschränkt werden sollen (zB durch Nichterrichtung von Gewerbebauten im Wohngebiet, vgl § 472 Rz 4; weiters etwa SZ 36/66; SZ 45/26). 466
Koch
Dienstbarkeiten
§ 479 b) der Feld-Servituten
§ 477. Die vorzüglichen Feld-Servituten sind: 1. das Recht, einen Fußsteig, Viehtrieb oder Fahrweg auf fremdem Grund und Boden zu halten; 2. das Wasser zu schöpfen, das Vieh zu tränken, das Wasser ab- und herzuleiten; 3. das Vieh zu hüten und zu weiden; 4. Holz zu fällen, verdorrte Äste und Reiser zu sammeln, Eicheln zu lesen, Laub zu rechen; 5. zu jagen, zu fischen, Vögel zu fangen; 6. Steine zu brechen, Sand zu graben, Kalk zu brennen. Lit: Anderluh, Jagdrecht und Grundeigentum, ÖJZ 1984, 630.
Auch die Aufzählung der Feldservituten (zur Abgrenzung § 474) ist 1 bloß demonstrativ (EvBl 1980/173); sie werden in den §§ 492–503 näher geregelt. Abgesehen von Wegdienstbarkeiten (§ 1 Abs 1 Z 3 WWSGG) können 2 Wald- und Weidenutzungsrechte nicht ersessen werden (zB § 2 WWSGG; von den Landesgesetzen zB § 2 Tir WWSG). Dingliche Jagdrechte können entgegen Z 5 nur dem jeweiligen 3 Grundeigentümer zustehen (näher § 383 Rz 1 ff; zum Fischereirecht § 383 Rz 4). Arten der persönlichen Dienstbarkeiten § 478. Die persönlichen Servituten sind: der nötige Gebrauch einer Sache; die Fruchtnießung; und die Wohnung. Die Aufzählung der in den §§ 504 ff näher geregelten Personalservi- 1 tuten ist zwar erschöpfend (GlU 10.758), wird aber um unregelmäßige Servituten erweitert (§ 479 Rz 1). Das Wohnrecht ist entgegen der ausdrücklichen Nennung nur ein Unterfall entweder des Gebrauchsoder des Fruchtgenussrechtes (§ 521). Unregelmäßige und Schein-Servituten § 479. Es können aber auch Dienstbarkeiten, welche an sich Grunddienstbarkeiten sind, der Person allein; oder es können Begünstigungen, die ordentlicher Weise Servituten sind, nur bloß auf Widerrufen zugestanden werden. Die Abweichungen von der Natur einer Servitut werden jedoch nicht vermutet; wer sie behauptet, dem liegt der Beweis ob. Koch
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Dienstbarkeiten
§ 480
1 Grundservituten können ebenso als persönliche Servituten ausgestal-
tet werden und damit nur einer individuell bestimmten Person zugestanden werden (sogar in beiden Formen gleichzeitig: 5 Ob 95/01h SZ 74/88). Umgekehrt kann auch ein an sich zu den Personalservituten zählender Typus als Grunddienstbarkeit einverleibt werden (zB 5 Ob 130/92 NZ 1993, 237 Hofmeister 242: Fruchtgenuss; Klang/K II 558), Letzteres allerdings nur zeitlich begrenzt (1 Ob 125/01s SZ 74/95). In beiden Fällen handelt es sich um sog unregelmäßige (irreguläre) Servituten. Im Zweifel wird aber vermutet, dass eine Servitut ihrem gesetzlichen Typus entsprechend eingeräumt wurde (S 2). 2 Eine bloß auf Widerruf eingeräumte Berechtigung ist hingegen ledig-
lich eine „Scheinservitut“ und keine echte Dienstbarkeit (6 Ob 323/99i Miet 52.038; K/W I 423). Erwerbung des Rechtes der Dienstbarkeit. Titel zur Erwerbung § 480. Der Titel zu einer Servitut ist auf einem Vertrage; auf einer letzten Willenserklärung; auf einem bei der Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke erfolgten Rechtsspruche; oder endlich, auf Verjährung gegründet. Lit: Aicher, Die Dienstbarkeit der Schiabfahrt, JBl 1979, 412; Apathy, Die Ersitzung zu Gunsten und zu Lasten von Gemeinden, RFG 2006, 82; Battlogg, Rechtsdogmatische Schwachstellen offenkundiger Dienstbarkeiten, NZ 2003, 201; Hinteregger, Felsklettern und Grundeigentum, ZVR 2000, 110; Welser, Vertragsauslegung, Gutglaubenserwerb und Freiheitsersitzung bei der Wegeservitut, JBl 1983, 4.
1 Wie alle dinglichen Rechte werden auch Servituten durch Titel und
Modus erworben (zu Letzterem § 481). Titel kann insb ein (Servitutsbestellungs-)Vertrag sein, der auch konkludent geschlossen werden kann; etwa durch Schweigen zur Errichtung von Anlagen auf eigenem Grundstück (und umso mehr durch deren eigene Benutzung), soweit diese für dessen Eigentümer erkennbar (zumindest auch) zur Dienstbarkeitsausübung durch einen anderen bestimmt sind (JBl 1963, 377; 6 Ob 155/00p NZ 2001, 343). Eine stillschweigende Servitutseinräumung wird weiters dann angenommen, wenn eine von zwei ursprünglich demselben Eigentümer gehörenden Liegenschaften übereignet wird, von denen die eine zu diesem Zeitpunkt offenkundig der anderen gedient hat und auch weiter dienen soll (sogar ohne Verbücherung: RS0011618; 1 Ob 271/03i EvBl 2005/30; zur allfälligen Servitutseinräumung bei Teilung einer Liegenschaft s § 842). Eine unentgeltliche 468
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Dienstbarkeiten
§ 480
Servitutenbestellung ist nur dann notariatsaktspflichtig, wenn sie tatsächlich mit Schenkungsabsicht erfolgte (§ 1 Abs 1 lit d NotAktsG), nicht aber als Nebenpflicht eines im Übrigen entgeltlichen Vertrags (2 Ob 632/87: Kaufvertrag; Rechtsgrund muss aber bei Verbücherung aus Urkunde entnehmbar sein: 5 Ob 339/99k NZ 2001, 207 Hoyer 209). Eine Dienstbarkeit kann weiters durch letztwillige Verfügung, durch 2 richterliche Anordnung (zB § 842 ABGB; §§ 86 f, 89 EheG; zum NWG s § 472 Rz 7) oder durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde (1 Ob 607/95 JBl 1996, 653 Karollus) eingeräumt werden. Zur Ersitzung („Verjährung“) einer Servitut bedarf es während der 3 gesamten Ersitzungszeit (RS0011702; 2 Ob 159/04b Miet 56.213) qualifizierten Rechtsbesitzes (s §§ 1460 ff), der auch durch Besitzmittler ausgeübt werden kann (zB 1 Ob 542/93 SZ 66/53: Gäste bei Gaststättenparkplatz; Iro, Besitzerwerb 78 ff). Dazu genügt es, wenn der Ersitzungsgegner, in dessen Recht durch die Servitut eingegriffen wird, den Besitzwillen des Ersitzenden durch die tatsächliche Ausübung des zu erwerbenden Rechtes im beanspruchten Umfange erkennen konnte (RS0009762; 7 Ob 637/94 NZ 1996, 175 Hoyer; 2 Ob 2267/96p SZ 69/180; zum Erfordernis eines Nutzungszweckes Miet 56.213). Die Benutzung im Rahmen eines Gemeingebrauches reicht dazu aber nicht (5 Ob 106/97t NZ 1997, 54), was auch eine Ersitzung von Servituten an öffentlichem Gut verhindern kann (SZ 13/185; stattdessen also Inanspruchnahme eines vom Gemeingebrauch verschiedenen Nutzungsrechtes nötig: SZ 56/184; 5 Ob 70/04m SZ 2004/55). Zudem können gesetzliche Ersitzungsverbote entgegenstehen (zB 4 § 4 Abs 6 WRG; § 15 StarkstromwegeG; § 2 Abs 1 WWSGG sowie die jeweiligen Ländergesetze, etwa § 2 Abs 1 Tir WWSG; weiters § 2 Abs 4 Krnt StraßenG; vgl auch § 33 Abs 5 ForstG, Ersitzung von Wegerechten im Wald ist aber weiterhin möglich: 10 Ob 144/99w SZ 72/136). Auch eine Gemeinde kann zB Wege- oder Skiabfahrtsrechte ersitzen, 5 sofern sie für die Allgemeinheit notwendig sind, was aber (ähnlich wie die ansonsten verlangte Nützlichkeit: s § 473 Rz 2) nicht streng geprüft wird (aus der Judikatur insb SZ 59/50; gegen das Notwendigkeitserfordernis Iro, Besitzerwerb 99 f; dafür Binder, SachenR Rz 8/6; Kiendl-Wendner/S Rz 11). Die nicht unbedingt im Bewusstsein einer Rechtsausübung für die Gemeinde als Besitzmittler handelnden Gemeindeangehörigen oder Fremden müssen gutgläubig von der Rechtmäßigkeit ihrer Nutzung ausgegangen sein (RS0011542; SZ 50/53; 5 Ob 2246/96x SZ 69/215; 8 Ob 226/02x). Koch
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Dienstbarkeiten
§ 481 Erwerbungsart
§ 481. (1) Das dingliche Recht der Dienstbarkeit kann an Gegenständen, die in den öffentlichen Büchern eingetragen sind, nur durch die Eintragung in diese erworben werden. (2) An bücherlich nicht eingetragenen Liegenschaften (§ 434) oder an Bauwerken (§ 435) wird das dingliche Recht durch die gerichtliche Hinterlegung einer über die Einräumung der Dienstbarkeit errichteten beglaubigten Urkunde; auf andere Sachen aber durch die oben (§§ 426 bis 428) angegebenen Arten der Übergabe erworben. [idF III. TN] Lit: Schilcher, Offenkundige Servituten, Doppelveräußerung und Eintragungsgrundsatz, JBl 2005, 619; s auch bei § 480.
1 Neben einem gültigen Titel (s § 480) bedarf es zum eigentlichen
Rechtserwerb noch eines passenden Modus. 2 Im Falle von verbücherten Liegenschaften muss die Servitut im Las-
tenblatt des dienenden Grundstückes einverleibt oder allenfalls vorgemerkt werden, widrigenfalls eine ihr zugrunde liegende Vereinbarung, aus der der Besteller zur Einwilligung in die Verbücherung verpflichtet wird (7 Ob 542/91 JBl 1991, 642 Pfersmann), lediglich inter partes gilt (SZ 44/41). Darüber hinaus wird sie noch zusätzlich im Gutsbestandsblatt der herrschenden Liegenschaft ersichtlich gemacht; dies hat allerdings selbst keine konstitutive Bedeutung für die Dienstbarkeitsbestellung (SZ 44/110; 1 Ob 19/01b NZ 2002, 85). Zwar kann die Servitut im zugrunde liegenden Vertrag auf räumlich begrenzte Teilflächen der Liegenschaft beschränkt werden (vgl § 12 Abs 2 GBG; 1 Ob 516/96 SZ 69/135); im Grundbuch lastet sie dennoch auf der ganzen Einlage (zB 5 Ob 271/00i wobl 2001, 336). Die in die Urkundensammlung eingereihte Vertragsurkunde kann über die besondere Ausgestaltung der Dienstbarkeit bestimmen, gemäß § 5 GBG ist darauf zu verweisen. 3 „Als Felddienstbarkeiten sich darstellende Wege- und Wasserlei-
tungsservituten, insoferne sich dieselben auf Ersitzung gründen“, müssen in Tirol nicht verbüchert werden (Art 1 RGBl 1897/77; zB bei Bestreitung aber möglich: SZ 53/139; 6 Ob 1632/95). In Vorarlberg war die Eintragung von „als Felddienstbarkeiten sich darstellenden Wege-, Wasserleistungs- und Holzriesenservituten“ bis zum 30.3.1997 sogar unzulässig (Art I RGBl 1905/33; aufgehoben durch Art V Abs 1 BGBl I 1997/30; jedoch Weitergeltung für bis dahin erworbene Servituten). 470
Koch
Dienstbarkeiten
§ 482
Nach hM ist das Eintragungsprinzip generell bei offenkundigen 4 Dienstbarkeiten durchbrochen (str; Hofmann/R Rz 2; Welser, JBl 1983, 12 ff; aM Kiendl-Wendner/S Rz 10; K/W I 429; s auch Battlogg, NZ 2003, 201; Rubin, ecolex 1998, 545; zum Spezialfall der offenkundigen Eigentümerservitut Schilcher, JBl 2005, 619). Wer also einen gültigen Titel zur Eintragung einer Servitut hat oder diese ersessen hat, ist auch ohne Verbücherung gegen Dritte geschützt, wenn bestimmte Vorgänge (zB regelmäßiger Personenverkehr) oder Einrichtungen auf der betroffenen Liegenschaft (zB Fahrtrinnen, befestigte Wege, Kanaldeckel) objektiv vermuten lassen, dass diese mit einer Servitut belastet ist (auch bei Erweiterung einer Servitut: 1 Ob 587/95 SZ 68/194). Unter solchen Voraussetzungen muss man die diesbezügliche Vollständigkeit des Grundbuchs in Zweifel ziehen und dazu Nachforschungen anstellen (RS0011631; 1 Ob 277/00t SZ 74/33; 5 Ob 270/03x RdW 2004, 335). Positives Wissen von einem noch nicht verbücherten Dienstbarkeitsrecht schadet ebenso (zB SZ 28/30; 10 Ob 68/98t SZ 71/212; 2 Ob 125/04b Miet 56.037). Für Servituten an nicht verbücherten Liegenschaften muss entspre- 5 chend § 434 vorgegangen werden (Urkundenhinterlegung). Dienstbarkeiten an beweglichen Sachen werden durch Übergabe gemäß §§ 426 ff erworben, wobei Besitzkonstitut genügt. Fruchtgenuss an Rechten wird durch Drittschuldnerverständigung oder Übergabe der sie verbriefenden Urkunde bestellt (Klang/K II 560). Rechtsverhältnis bei den Dienstbarkeiten. Allgemeine Vorschriften über das Recht der Dienstbarkeit § 482. Alle Servituten kommen darin überein, daß der Besitzer der dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu tun; sondern nur einem andern die Ausübung eines Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen, was er als Eigentümer sonst zu tun berechtigt wäre. Aus der Natur der Servitut folgt der Grundsatz, dass der Eigentümer 1 einer dienstbaren Sache typischerweise nur passiv etwas dulden oder unterlassen, nicht jedoch aktiv etwas für den Dienstbarkeitsberechtigten tun muss (s § 472 Rz 1), soweit es über die bloße Ermöglichung der erstmaligen Nutzung durch diesen hinausgeht (etwa Übergabe von Schlüsseln oÄ, s aber zur Herstellung § 483). Schon der Wortlaut von § 482 lässt jedoch Ausnahmen von diesem 2 Grundsatz zu (RS0011573; RS0011670, zB SZ 41/74; SZ 50/61). Soweit der Eigentümer der dienstbaren Sache daher zusätzlich zu einer LeisKoch
471
Dienstbarkeiten
§ 483
tung verpflichtet wird (zB Erhaltung eines Weges, Schneeräumung, Reparaturen oÄ), handelt es sich dabei um reallastähnliche Pflichten, die der Servitut dienen und daher unselbständig sind (2 Ob 2267/96p SZ 69/180, dort aber mit falschem Ergebnis, s §§ 487 ff Rz 2). § 483. Daher muß auch der Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist, in der Regel von dem Berechtigten getragen werden. Wenn aber diese Sache auch von dem Verpflichteten benützt wird; so muß er verhältnismäßig zu dem Aufwande beitragen, und nur durch die Abtretung derselben an den Berechtigten kann er sich, auch ohne dessen Beistimmung, von dem Beitrage befreien. Lit: Pacher, Der Instandsetzungs- und Erhaltungsbeitrag im Dienstbarkeitsrecht, ÖJZ 1993, 300.
1 Aufwendungen zur (Erst- oder Wieder-)Herstellung sowie zur Er-
haltung der Nutzbarkeit der dienstbaren Sache hat mangels anderweitiger Vereinbarung grundsätzlich der Berechtigte zu tragen (s aber § 508 zum Gebrauchsrecht); der Eigentümer des Servitutsgegenstandes muss solche Arbeiten dulden (1 Ob 2419/96h). Bei mehreren Berechtigten, aber auch bei Mitverwendung durch den Eigentümer der dienstbaren Sache (SZ 57/202), haben alle Nutzer entsprechend dem (quantitativ und qualitativ zu bemessenden) Anteil ihrer Benützung den dazu nötigen Aufwand mitzutragen (zu Wegerechten auch § 494; SZ 59/77; 7 Ob 19/02y); dies aber nur, sofern keine andere Regelung getroffen wurde. § 484. Der Besitzer des herrschenden Gutes kann zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden. Lit: Schimetschek, Streitfragen bei Fahrwegservituten, ImmZ 1982, 55 und 84; Welser, Vertragsauslegung, Gutglaubenserwerb und Freiheitsersitzung bei der Wegeservitut, JBl 1983, 4.
1 Das Ausmaß einer Dienstbarkeit, also Art und Umfang der dem
Berechtigten zustehenden Nutzungen der dienenden Sache, richtet sich grundsätzlich nach ihrem Titel. 2 Handelt es sich dabei um einen Vertrag, ist er (unter Berücksichtigung
allfälliger – auch konkludenter – Änderungen: SZ 43/213) nach allgemeinen Regeln (§§ 914 f) unter Einbeziehung servitutenspezifischer 472
Koch
Dienstbarkeiten
§ 484
Besonderheiten auszulegen (Welser, JBl 1983, 4; 4 Ob 161/01g). Sofern der Parteiwille aus dem Wortsinn nicht ermittelt werden kann, sind daher insb Natur und Zweck der Servitut zur Zeit ihrer Einräumung zu berücksichtigen (RS0011720; zB SZ 53/149; SZ 56/60; zu Abweichungen bei Vertrauen auf den Grundbuchsstand 4 Ob 120/99x SZ 72/103). Bei einer ersessenen Servitut ist die Nutzung zu Beginn der Ersit- 3 zungszeit ausschlaggebend, sofern nicht in deren Verlauf der Verwendungszweck eingeschränkt wurde (RS0011664; RS0011702; zB 1 Ob 516/96 SZ 69/135; 3 Ob 212/00y). Zwar ist eine Grunddienstbarkeit im Zweifel von Beschaffenheit und 4 Bedarf des herrschenden Grundstückes (etwa in Hinblick auf seine Bewirtschaftung) bestimmt (1 Ob 29/97i; 10 Ob 95/98p); gleichzeitig müssen aber die Interessen des Eigentümers der dienenden Liegenschaft beachtet werden, der möglichst wenig von der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit belastet werden soll (RS0011733; zB 1 Ob 13/93 SZ 66/98). Schon deshalb ist eine Servitut nach dem Grundsatz der schonenden Ausübung, soweit möglich, einschränkend auszuüben (SZ 41/49; Binder, SachenR Rz 8/4). Zu unterscheiden ist dabei zwischen sog gemessenen Dienstbarkei- 5 ten, deren Art und Ausmaß bereits bei Begründung unzweifelhaft festgelegt worden ist, und den ungemessenen Servituten, die nicht gleichermaßen konkret (vor-)bestimmt wurden (zB 4 Ob 1620/95; 1 Ob 622/96). Erstere sind somit stärker von ihrem Titel definiert, dessen Zeitpunkt maßgeblich für die Bedarfsabgrenzung ist. Bei ungemessenen Servituten ist stattdessen auf die jeweiligen (aktuellen) Bedürfnisse des Berechtigten abzustellen (RS0097856, RS0016368; zB SZ 55/125; 1 Ob 113/01a Miet 53.056). Dabei bestimmen allerdings die ursprüngliche Bewirtschaftungsart und die damals vorhersehbare Nutzung weiterhin die Beurteilung, ob eine Servitut unzulässig erweitert worden ist oder nicht (SZ 60/160; 9 Ob 36/03i Miet 55.048). Eine (auch einseitige) Abänderung der Benützungsart, etwa zur 6 Anpassung an die fortschreitende technische Entwicklung, ist insofern möglich, als es sich um keine Erweiterung der Servitut handelt und weder die dienende Sache noch deren Eigentümer dadurch beeinträchtigt werden. § 484 verbietet somit nicht die Änderung an sich, sondern nur die Mehrbelastung (RS0097852; zB 1 Ob 262/97d SZ 70/201; Welser, JBl 1983, 7). Auf Grund eines Wegerechts zu einer landwirtschaftlichen Liegenschaft kann daher zB grundsätzlich mit einem Traktor gefahren werden, selbst wenn ursprünglich nur ein Pferdefuhrwerk vorgesehen war (RS0011725, zB SZ 25/304; s auch Koch
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Dienstbarkeiten
§ 485
SZ 69/135; nicht aber Traktor mit Anhänger, wenn nur Traktor erlaubt: 3 Ob 120/00v). Eine gestiegene Zahl von Skifahrern bedeutet nicht per se eine unzulässige Erweiterung einer Skiservitut (SZ 50/53; JBl 1979, 429; SZ 54/154; s auch 6 Ob 148/03p EvBl 2004/46: kein Skischulsammelplatz statt Skiabfahrt; zur Zulässigkeit von Pistenpräparierungsgeräten SZ 45/39; 7 Ob 521/94 SZ 67/80; Sprung/König, JBl 1979, 406). 7 Während eine Erweiterung der Servitut durch den Berechtigten gene-
rell unzulässig ist (zB 1 Ob 622/95 NZ 1997, 213), kommt eine Einschränkung durch den Verpflichteten ohne zumindest schlüssige Zustimmung des Berechtigten nur bei nachträglicher wesentlicher Änderung der Umstände in Frage, die klar für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Verpflichteten sprechen (RS0011740; 1 Ob 304/01i EvBl 2002/188). Dieser kann dann etwa auf einer mit einem Fahrtrecht belasteten Liegenschaft eine Einfriedung oder ein Tor errichten (RS0011744; zB SZ 56/46; 3 Ob 2338/96m NZ 1997, 165) oder den Weg verlegen (RS0011695; SZ 38/162; 3 Ob 101/01a Miet LIV/22; uU sogar auf ein anderes Grundstück: 7 Ob 337/97b JBl 1998, 365; aM Klang/K II 565), solange der Servitutszweck nicht beeinträchtigt wird. 8 Wird eine Servitut unzulässig erweitert, kann dagegen mit der Eigen-
tumsfreiheitsklage (§ 523) vorgegangen werden; der Weiterbestand der Dienstbarkeit selbst im zulässigen Umfang ist davon aber nicht betroffen (§ 524 Rz 8). § 485. Keine Servitut läßt sich eigenmächtig von der dienstbaren Sache absondern, noch auf eine andere Sache oder Person übertragen. Auch wird jede Servitut insofern für unteilbar gehalten, als das auf dem Grundstücke haftende Recht durch Vergrößerung, Verkleinerung oder Zerstückelung desselben, abgesehen von dem im § 847 bezeichneten Falle, weder verändert noch geteilt werden kann. [idF III. TN] Lit: P. Bydlinski/Stefula, Zur sachenrechtlichen Qualifikation von Leitungsnetzen, JBl 2003, 69; Klang, Die Einverleibung von Bestandrechten und Dienstbarkeiten auf ideellen Liegenschaftsanteilen, NZ 1949, 161.
1 Ohne Zustimmung des Verpflichteten kann weder die dienende noch
die herrschende Liegenschaft ausgetauscht oder eine andere Person aus der Grunddienstbarkeit berechtigt werden (zB 1 Ob 2099/96z); diese muss daher gemeinsam mit der herrschenden Liegenschaft 474
Koch
Dienstbarkeiten
§ 486
übertragen werden (1 Ob 277/00t SZ 74/33). Im Einvernehmen der Parteien ist eine solche Änderung hingegen sehr wohl möglich (zB SZ 56/11: Fischereirecht), einschließlich der Umwandlung einer Realin eine Personalservitut (SZ 43/55; 1 Ob 2003/96g). Während das Gebrauchsrecht seiner Natur nach an die Person des 2 Berechtigten und dessen individuelle Bedürfnisse gebunden und damit grundsätzlich unübertragbar ist (s auch § 507 Rz 2), kann das Fruchtgenussrecht sehr wohl auf einen anderen übertragen werden (3 Ob 268/03y SZ 2004/13; dazu im Übrigen § 509 Rz 6; zum Fortbestand einer Personalservitut bei Spaltung 5 Ob 88/05k wbl 2005, 585). Bei Teilung der herrschenden Liegenschaft besteht die Servitut im 3 Zweifel an den neuen Teilen fort (§ 844); es sei denn, sie nützt ausschließlich einer dieser nunmehrigen Teilflächen (§ 844 aE). Die Dienstbarkeit darf durch die Teilung jedoch ohne Zustimmung des Eigentümers der belasteten Liegenschaft nicht erweitert werden, was auch hier durch eine Interessensabwägung zu prüfen ist (RS0011660; RS0011815, zB SZ 56/60; RZ 1985, 89: Wasserbezugsrecht einer ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Fläche, Mehrbelastung durch nunmehrige Bauparzellen nicht vorhersehbar). Differenzen über die Servitutsausübung nach Teilung sind allenfalls im außerstreitigen Verfahren zu klären (§ 848a; SZ 44/110). Die Teilung der dienenden Liegenschaft ändert nichts am Fortbe- 4 stand einer Grunddienstbarkeit auf allen Teilflächen, sofern das Recht nicht ausschließlich in den räumlichen Grenzen eines dieser Teile ausgeübt werden kann (§ 847; § 3 Abs 2 LiegTeilG; SZ 59/50; zur ursprünglichen Einräumung eines räumlich begrenzten Rechtes bereits § 481 Rz 2). Eine Personaldienstbarkeit bleibt hingegen ohne Zustimmung des Berechtigten zur lastenfreien Abschreibung auch dann bestehen, wenn die Nutzung das fragliche Teilstück gar nicht betrifft (SZ 50/61; 7 Ob 350/97i SZ 71/48; vgl 5 Ob 114/91 NZ 1992, 155 Hofmeister 159). § 486. Ein Grundstück kann mehreren Personen zugleich dienstbar sein, wenn anders die älteren Rechte eines Dritten nicht darunter leiden. An einer Liegenschaft können auch mehrere parallele oder über- 1 lappende Servituten zugunsten verschiedener Berechtigter bestellt werden (zB SZ 59/77). Soweit sich die Nutzungen überschneiden, ist der Herstellungs- und Erhaltungsaufwand von allen Begünstigten entsprechend ihrem Anteil gemeinsam zu tragen (s § 483 Rz 1). Koch
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Dienstbarkeiten
§§ 487–491
2 Kollidieren diese Dienstbarkeiten, entspricht die Rangfolge der Be-
rechtigten der zeitlichen Reihenfolge der Servitutseinräumung; bei gleichzeitiger Bestellung ist in Analogie zu § 848a das Außerstreitgericht zur Klärung anzurufen (Klang/K II 568). Anwendung auf die Grunddienstbarkeiten; insbesondere auf das Recht, eine Last, einen Balken auf fremdem Gebäude zu haben, oder den Rauch durchzuführen § 487. Nach den hier aufgestellten Grundsätzen sind die Rechtsverhältnisse bei den besonderen Arten der Servituten zu bestimmen. Wer also die Last des benachbarten Gebäudes zu tragen; die Einfügung des fremden Balkens an seiner Wand; oder den Durchzug des fremden Rauches in seinem Schornsteine zu dulden hat; der muß verhältnismäßig zur Erhaltung der dazu bestimmten Mauer, Säule, Wand oder des Schornsteines beitragen. Es kann ihm aber nicht zugemutet werden, daß er das herrschende Gut unterstützen oder den Schornstein des Nachbars ausbessern lasse. Fensterrecht § 488. Das Fensterrecht gibt nur auf Licht und Luft Anspruch; die Aussicht muß besonders bewilligt werden. Wer kein Recht zur Aussicht hat, kann angehalten werden, das Fenster zu vergittern. Mit dem Fensterrechte ist die Schuldigkeit verbunden, die Öffnung zu verwahren; wer diese Verwahrung vernachlässigt, haftet für den daraus entstehenden Schaden. Recht der Dachtraufe § 489. Wer das Recht der Dachtraufe besitzt, kann das Regenwasser auf das fremde Dach frei oder durch Rinnen abfließen lassen; er kann auch sein Dach erhöhen; doch muß er solche Vorkehrungen treffen, daß dadurch die Dienstbarkeit nicht lästiger werde. Ebenso muß er häufig gefallenen Schnee zeitig hinwegräumen, wie auch die zum Abflusse bestimmten Rinnen unterhalten. Recht der Ableitung des Regenwassers § 490. Wer das Recht hat, das Regenwasser von dem benachbarten Dache auf seinen Grund zu leiten, hat die Obliegenheit, für Rinnen, Wasserkästen und andere dazu gehörige Anstalten die Auslagen allein zu bestreiten. 476
Koch
Dienstbarkeiten
§§ 492–495
§ 491. Erfordern die abzuführenden Flüssigkeiten Gräben und Kanäle; so muß sie der Eigentümer des herrschenden Grundes errichten; er muß sie auch ordentlich decken und reinigen, und dadurch die Last des dienstbaren Grundes erleichtern. Das bereits in § 475 Abs 1 Z 3 genannte Fensterrecht (und nur dieses, 1 nicht die in § 476 Z 10 und 11 genannten Dienstbarkeiten, deren Inhalt – die Wahrung von Licht und Aussicht – dem eigentlichen Fensterrecht nicht immanent ist: JBl 1962, 637; s im Übrigen §§ 475–476 Rz 2) wird in § 488 näher bestimmt. Zwar ist ein Fenster in der eigenen Wand auch ohne eine solche Dienstbarkeit zulässig; diese erlaubt es aber, das Fenster in den Luftraum des Nachbarn zu öffnen (NZ 1983, 41). Auch das Gegenteil (also kein Fenster dorthin zu öffnen) kann als Servitut vereinbart werden (5 Ob 155/63). Mit dem in § 489 geregelten Recht der Dachtraufe wird die Ableitung 2 von eigenem Regenwasser auf das Nachbargrundstück (etwa auf ein dort angrenzendes Dach) gestattet, während die §§ 490 f das Gegenteil betreffen, nämlich die Zuleitung von fremdem Regenwasser auf das eigene Grundstück (zur Regenwassersammlung in einem gemeinsamen Grenzgraben SZ 57/96). Keines von beidem erfasst jedoch den natürlichen Zu- und Abfluss von Regenwasser (Klang/K II 570). Die Zuleitung von Schnee (auch in Form von Dachlawinen) auf das Nachbargrundstück kann ebenso als Servitut gestattet werden (aM JBl 1967, 207; 2 Ob 2267/96p SZ 69/180; dort unter Betonung des „Naturereignisses“ – ohne Dach allerdings keine Lawine; ähnlich Hofmann/R § 472 Rz 5a). Recht des Fußsteiges, Viehtriebes und Fahrweges § 492. Das Recht des Fußsteiges begreift das Recht in sich, auf diesem Steige zu gehen, sich von Menschen tragen, oder andere Menschen zu sich kommen zu lassen. Mit dem Viehtriebe ist das Recht, einen Schiebkarren zu gebrauchen; und, mit dem Fahrwege das Recht, mit einem oder mehreren Zügen zu fahren, verbunden. § 493. Hingegen kann, ohne besondere Bewilligung, das Recht zu gehen, nicht auf das Recht, zu reiten, oder sich durch Tiere tragen zu lassen; weder das Recht des Viehtriebes auf das Recht, schwere Lasten über den dienstbaren Grund zu schleifen; noch das Recht zu fahren, auf das Recht, frei gelassenes Vieh darüber zu treiben, ausgedehnt werden. § 494. Zur Erhaltung des Weges, der Brücken und Stege tragen verhältnismäßig alle Personen oder Grundbesitzer, denen der GeKoch
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Dienstbarkeiten
§§ 492–495
brauch derselben zusteht, folglich auch der Besitzer des dienstbaren Grundes, so weit bei, als er davon Nutzen zieht. Raum hierzu § 495. Der Raum für diese drei Servituten muß dem nötigen Gebrauche und den Umständen des Ortes angemessen sein. Werden Wege und Steige durch Überschwemmung oder durch einen andern Zufall unbrauchbar; so muß, bis zu der Herstellung in den vorigen Stand, wenn nicht schon die politische Behörde eine Vorkehrung getroffen hat, ein neuer Raum angewiesen werden. Lit: Gebauer, Zum Recht des Fußsteiges (§ 492 ABGB), JBl 1955, 513; Hinteregger, Felsklettern und Grundeigentum, ZVR 2000, 110; Reindl, Die Wegefreiheit im Wald, ZVR 1977, 193; Schimetschek, Streitfragen bei Fahrwegservituten, ImmZ 1982, 55 und 84.
1 Die drei beispielhaft in § 492 aufgezählten Wegerechte sind unter-
schiedlich beschwerlich. Sie beinhalten im Zweifel die Erlaubnis, im erlaubten Maße Gäste zu sich kommen zu lassen. Die Berechtigten sind gleichzeitig dazu verpflichtet, entsprechend ihrer Nutzung zur Herstellung und Erhaltung des Weges beizutragen (so ausdrücklich § 494; allgemein aber bereits § 483: SZ 59/77), wobei ihnen die Wahl der Mittel dazu grundsätzlich freisteht (zB SZ 43/144; Nachweise zur Pistenpräparierung § 484 Rz 6 aE). Bei zufälliger vorübergehender Unbrauchbarkeit des Weges muss der Eigentümer der belasteten Liegenschaft möglichst einen Ersatzweg eröffnen (§ 495), bei endgültiger Unpassierbarkeit erlischt die Servitut gemäß § 525 (SZ 34/116). 2 Das Recht des Fußsteiges berechtigt nicht nur zum eigentlichen Ge-
hen; man darf dabei auch einen Kinderwagen (JBl 1955, 304) oder einen Einkaufstrolley mitschieben (ebenso ein Fahrrad, solange man es nicht fährt – insofern zu weit gehend Hofmann/R § 492 Rz 1 in Anlehnung an JBl 1955, 304). 3 Auf einem Fahrweg darf man ohne weitere Einschränkung im Titel
dieser Servitut mit jedem (auch motorbetriebenen) Fahrzeug fahren, soweit es dem im Lichte seiner Nutzung zu interpretierenden Utilitätserfordernis der herrschenden Liegenschaft entspricht (§ 473 Rz 2) und sich nicht aus den Umständen anderes ergibt. Das Gehrecht ist darin inkludiert. Recht, Wasser zu schöpfen § 496. Mit dem Rechte, fremdes Wasser zu schöpfen, wird auch der Zugang zu demselben gestattet. 478
Koch
Dienstbarkeiten
§§ 498–503 Recht der Wasserleitung
§ 497. Wer das Recht hat, Wasser von fremdem Grunde auf den seinigen, oder von seinem Grunde auf fremden zu leiten, ist auch berechtigt, die dazu nötigen Röhren, Rinnen und Schleusen auf eigene Kosten anzulegen. Das nicht zu überschreitende Maß dieser Anlagen wird durch das Bedürfnis des herrschenden Grundes festgesetzt. Das Wasserschöpfrecht (§ 496) beinhaltet ein Wegerecht auf das die- 1 nende Grundstück zur Wasserstelle (zB EvBl 1982/193), von wo aus Wasser bezogen werden darf, während beim Wasserleitungsrecht (§ 497) eine Zu- oder Ableitung (die auch errichtet und in der Folge gewartet werden darf) das dienende mit dem herrschenden Grundstück verbindet. Auch hier gilt, dass bei natürlichem Zu- oder Abfluss eine Servitut überflüssig ist und daher nicht ersessen werden kann (SZ 21/74; SZ 24/267; vgl §§ 487 ff Rz 2). Weiderecht § 498. Ist bei Erwerbung des Weiderechtes die Gattung und die Anzahl des Triebviehs; ferner die Zeit und das Maß des Genusses nicht bestimmt worden; so ist der ruhige dreißigjährige Besitz zu schützen. In zweifelhaften Fällen dienen folgende Vorschriften zur Richtschnur. Gesetzliche Bestimmung: a) über die Gattung des Triebviehes; § 499. Das Weiderecht erstreckt sich, insoweit die politischen und im Forstwesen gegebenen Verordnungen nicht entgegenstehen, auf jede Gattung von Zug-, Rind- und Schafvieh, aber nicht auf Schweine und Federvieh; ebensowenig in waldigen Gegenden auf Ziegen. Unreines, ungesundes und fremdes Vieh ist stets von der Weide ausgeschlossen. b) dessen Anzahl; § 500. Hat die Anzahl des Triebviehs während der letzten dreißig Jahre abgewechselt; so muß aus dem Triebe der drei ersten Jahre die Mittelzahl angenommen werden. Erhellt auch diese nicht, so ist teils auf den Umfang, teils auf die Beschaffenheit der Weide billige Rücksicht zu nehmen, und dem Berechtigten wenigstens nicht gestattet, daß er mehr Vieh auf der fremden Weide halte, als er mit Koch
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Dienstbarkeiten
§§ 498–503
dem auf dem herrschenden Grunde erzeugten Futter durchwintern kann. Säugevieh wird nicht zur bestimmten Anzahl gerechnet. c) Triftzeit; § 501. Die Triftzeit wird zwar überhaupt durch den in jeder Feldmarke eingeführten unangefochtenen Gebrauch bestimmt: allein in keinem Falle darf der vermöge politischer Bestimmungen geordnete Wirtschaftsbetrieb durch die Behütung verhindert, oder erschwert werden. d) Maß des Genusses § 502. Der Genuß des Weiderechtes erstreckt sich auf keine andere Benutzung. Der Berechtigte darf weder Gras mähen, noch in der Regel den Eigentümer des Grundstückes von der Mitweide ausschließen, am wenigsten aber die Substanz der Weide verletzen. Wenn ein Schade zu befürchten ist, muß er sein Vieh von einem Hirten hüten lassen. Anwendung dieser Bestimmungen auf andere Servituten § 503. Was bisher in Rücksicht auf das Weiderecht vorgeschrieben worden, ist verhältnismäßig auch auf die Rechte des Tierfanges, des Holzschlages, des Steinbrechens und die übrigen Servituten anzuwenden. Glaubt jemand diese Rechte auf das Miteigentum gründen zu können; so sind die darüber entstehenden Streitigkeiten nach den in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes enthaltenen Grundsätzen zu entscheiden. 1 Die das Weiderecht betreffenden Regeln sind im Wesentlichen über-
holt (Hofmann/R § 498 Rz 1, unter Verweis auf das WWSGG und ausführende Landesgesetze). Persönliche Dienstbarkeiten; insbesondere: 1. das Recht des Gebrauches; § 504. Die Ausübung persönlicher Servituten wird, wenn nichts anders verabredet worden ist, nach folgenden Grundsätzen bestimmt: Die Servitut des Gebrauches besteht darin, daß jemand befugt ist, eine fremde Sache, ohne Verletzung der Substanz, bloß zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Lit: Mayrhofer, Zur Rechtsnatur der „Dauerleihe“ an Museen und ähnliche Einrichtungen, NZ 1975, 86.
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Koch
Dienstbarkeiten
§ 507
Die persönliche Dienstbarkeit des Gebrauches berechtigt zur Nut- 1 zung einer fremden Sache ohne Verletzung ihrer Substanz. Im Gegensatz zum Fruchtgenussrecht (s § 509) ist der Gebrauch grundsätzlich auf den persönlichen Bedarf des Berechtigten beschränkt. Dies ist aber keineswegs zwingend, weshalb die Grenze zum Fruchtgenuss fließend ist (Klang/K II 579). Der praktisch wichtigste Fall ist jener des Wohnungsgebrauchsrechts (§ 521 Rz 3). Wie die anderen persönlichen Dienstbarkeiten kann auch das Ge- 2 brauchsrecht an beweglichen Sachen begründet werden (5 Ob 2250/96k NZ 1998, 154: Superädifikat; s auch Mayrhofer, NZ 1975, 88 ff). Zu verbrauchbaren Sachen s § 510. Bestimmung in Rücksicht der Nutzungen; § 505. Wer also das Gebrauchsrecht einer Sache hat, der darf, ohne Rücksicht auf sein übriges Vermögen, den seinem Stande, seinem Gewerbe, und seinem Hauswesen angemessenen Nutzen davon ziehen. § 506. Das Bedürfnis ist nach dem Zeitpunkte der Bewilligung des Gebrauches zu bestimmen. Nachfolgende Veränderungen in dem Stande oder Gewerbe des Berechtigten geben keinen Anspruch auf einen ausgedehnteren Gebrauch. Inwieweit der Berechtigte die Sache nutzen darf, ergibt sich primär 1 aus dem Titel der Dienstbarkeit. Wird das Ausmaß des Gebrauchsrechtes darin klar umschrieben, ist sein Umfang nach dem Zeitpunkt der Servitutseinräumung zu bestimmen, was aber lediglich im Zweifel gilt. Ohne entsprechende Einschränkung und damit den aktuellen Bedürfnissen des Berechtigten entsprechend, kann das Gebrauchsrecht auch seinem jeweiligen Bedarf dienen (vgl § 484 Rz 5). Bei mehreren Servitutsberechtigten ist durch Auslegung zu ermitteln, ob jeder für sich oder nur alle anteilig das Gebrauchsrecht ausüben können (Klang/K II 580). Wie allgemein im Servitutenrecht (s § 484) darf auch der Gebrauchs- 2 berechtigte den Umfang seiner Berechtigung nachträglich nicht willkürlich ausdehnen (zB SZ 59/165; s aber § 521 Rz 3 zu zulässigen Änderungen des Wohnungsgebrauches). der Substanz; § 507. Der Berechtigte darf die Substanz der ihm zum Gebrauche bewilligten Sache nicht verändern; er darf auch das Recht an keinen anderen übertragen. Koch
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Dienstbarkeiten
§ 508
1 Die Art der Nutzung richtet sich nach dem Titel; die Substanz der
Sache darf jedoch grundsätzlich nicht verändert werden, soweit dies über natürliche Abnützung hinausgeht (Klang/K II 580 f). 2 Sofern ein Gebrauchsrecht dem gesetzlichen Modellbild entsprechend
vom persönlichen Bedarf des Berechtigten bestimmt wird, kann es nicht auf einen anderen übertragen werden (daher auch weder Vermietung noch Verpachtung; Exekutionsführung nur mit Zustimmung des Eigentümers: JBl 1957, 267; 3 Ob 88/04v immolex 2005, 154). und der Lasten; § 508. Alle Benützungen, die sich ohne Störung des Gebrauchsberechtigten aus der Sache schöpfen lassen, kommen dem Eigentümer zustatten. Dieser ist aber verbunden, alle ordentlichen und außerordentlichen, auf der Sache haftenden Lasten zu tragen, und sie auf seine Kosten in gutem Stande zu erhalten. Nur wenn die Kosten denjenigen Nutzen übersteigen, der dem Eigentümer übrig bleibt, muß der Berechtigte den Überschuß tragen, oder vom Gebrauche abstehen. Lit: Ganner, Wiederaufbaupflicht bei Zerstörung des Gebäudes im Rahmen eines dinglichen Wohnungsrechts, wobl 2003, 1; Gusenleitner, Wiederaufbaupflicht im Rahmen eines dinglichen Wohnungsrechtes bei Zerstörung des Wohngebäudes? wobl 2004, 105.
1 Der Eigentümer kann seine Sache weiterhin selbst nutzen und dar-
über verfügen, soweit das von ihm eingeräumte Gebrauchsrecht dem nicht entgegensteht. 2 Im Gegensatz zu der für Servituten im Allgemeinen (§ 483) sowie der
für Fruchtnießung im Besonderen geltenden Regel (§ 512) muss beim Gebrauchsrecht der Eigentümer mangels anderweitiger Vereinbarung selbst die Erhaltungskosten der Sache tragen, allerdings nur insoweit, als er entsprechend Nutzen aus der Sache zieht. Einen allfälligen diesen Wert übersteigenden Erhaltungsaufwand muss der Gebrauchsberechtigte übernehmen. 3 Aus dieser Kostentragungspflicht des Eigentümers wird eine In-
standhaltungspflicht zur Erhaltung der eingeräumten Gebrauchsmöglichkeit abgeleitet (aber keine Erstherstellungspflicht: SZ 56/147; 8 Ob 528/91 NZ 1992, 61 Hofmeister), soweit dies nicht unwirtschaftlich wäre, was der Eigentümer zu beweisen hat (7 Ob 594/90 SZ 63/137; RS0011777; bis zur Grenze des wirtschaftlich Zumutbaren bei Wohnungsrecht zur Versorgung: EvBl 1968/88; Ganner, wobl 2003, 482
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Dienstbarkeiten
§ 509
1). Der „gute Zustand“ kann sich aber auch durch Usus ändern (vgl 4 Ob 186/00g SZ 73/125). Sofern der Berechtigte einen Aufwand tätigt, den der Eigentümer hätte tragen müssen, wird dies analog § 1097 berücksichtigt (SZ 62/9). 2. der Fruchtnießung § 509. Die Fruchtnießung ist das Recht, eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen. Lit: St. Frotz, Der Fruchtgenuß an Personengesellschaftsanteilen, GesRZ 1990, 34.
Die persönliche Dienstbarkeit des Fruchtgenusses (Fruchtnießung, 1 Nießbrauch, Ususfruktus) berechtigt zur Nutzung einer fremden Sache ohne Verletzung ihrer Substanz, im Gegensatz zum Gebrauchsrecht jedoch nicht beschränkt auf den persönlichen Bedarf des Berechtigten. Fruchtgenuss kann an allen unverbrauchbaren (s § 510) beweglichen 2 und unbeweglichen Sachen eingeräumt werden, einschließlich Gesellschaftsanteilen (St. Frotz, GesRZ 1990, 34; zur Stellung des Fruchtnießers bei Stimmrechtsübertragung an ihn 5 Ob 262/02v SZ 2004/23) oder anderer unkörperlicher Sachen. Die Nutzungsberechtigung kann nicht nur auf bestimmte reale (insb 3 räumliche) Teile einer Sache beschränkt sein, Fruchtgenuss kann auch an ideellen Anteilen einer Sache (an diesen aber nur zur Gänze) bestellt werden (RS0011833, insb 5 Ob 114/98w EvBl 1999/1; Klang/K II 583; Verhältnis zu den übrigen Miteigentümern im Ausmaß der Berechtigung des Fruchtnießers analog zur Eigentümergemeinschaft: RS0011819, zB SZ 25/233; Miet 37.036). Dies gilt aber nicht für Wohnungsfruchtgenuss (s § 521 Rz 2). Der Umfang der Fruchtnießung richtet sich nach dem Titel, ist also 4 bei vertraglicher Bestellung Vereinbarungssache. Die Stellung des Fruchtnießers kann jedoch definitionsgemäß sehr weit jener des Eigentümers angenähert werden (Klang/K II 582 f). Dieser bleibt aber Sachbesitzer und zu allen Nutzungen berechtigt, die den Fruchtnießer nicht in seiner Rechtsausübung beeinträchtigen. Der Eigentümer kann weiterhin über die Sache verfügen und daher die Sache veräußern oder belasten. Auch ein zusätzliches Fruchtgenussrecht ist denkbar, soweit es sich mit dem anderen nicht überschneidet (5 Ob 136/97d NZ 1998, 88; zu eng daher der Wortlaut von RS0016305). Bei Kollisionen von dinglichen Rechten (zB mit anderen Dienstbarkeiten Koch
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Dienstbarkeiten
§ 510
oder mit Pfandrechten) entscheidet im Übrigen das Prioritätsprinzip (Klang/K II 584). 5 Der Fruchtnießer ist mangels gegenteiliger Vereinbarung anstelle des
Eigentümers zu Vermietung und Verpachtung der dienstbaren Sache mit allen aus dieser Inbestandgabe entspringenden Rechten und Pflichten berechtigt (RS0011877, zB SZ 60/28). In bereits bestehende Bestandverträge tritt er ein (RS0011849, zB SZ 43/83); umgekehrt tut dies auch der Eigentümer nach Beendigung des Fruchtgenusses. 6 Während bislang zumindest eine Übertragung des Fruchtgenuss-
rechtes „der Ausübung nach“ anerkannt war (RS0011626; 7 Ob 66/01h JBl 2001, 585; Hofmann/R Rz 1), hat der OGH nunmehr diese nach wie vor zu enge Sicht fallen gelassen und bestätigt seither, dass es auch der Substanz nach übertragbar ist (3 Ob 268/03y SZ 2004/13; so schon Ehrenzweig, System I/2, 308). Dies hat allerdings im Ergebnis ohnehin schon bislang, lediglich durch vorsichtige Wortwahl verbrämt, gegolten. Da der ursprünglich Berechtigte aber nicht mehr übertragen kann, als er hatte, erlischt das Fruchtgenussrecht auch nach Weitergabe spätestens mit seinem Tod (RS0011619, zB 7 Ob 603/94 wobl 1996, 242). 7 Der Fruchtnießer kann Beeinträchtigungen seiner Berechtigung mit
der actio negatoria abwenden (s § 523; 7 Ob 627/90 SZ 63/164; aM Klang/K II 602). Inwiefern sie sich auf verbrauchbare Sachen erstrecken könne § 510. Verbrauchbare Sachen sind an sich selbst kein Gegenstand des Gebrauches oder der Fruchtnießung, sondern nur ihr Wert. Mit dem baren Gelde kann der Berechtigte nach Belieben verfügen. Wird aber ein bereits anliegendes Kapital zum Fruchtgenusse oder Gebrauche bewilligt, so kann der Berechtigte nur die Zinsen fordern. 1 Während Fruchtgenuss per definitionem nur unter Schonung der
Substanz der dienenden Sache ausgeübt werden darf, so dass verbrauchbare Sachen davon ausgeschlossen wären, ist uneigentlicher Fruchtgenuss an ihnen sehr wohl möglich: Der Berechtigte erwirbt dabei Eigentum und kann sie verbrauchen oder anderweitig darüber verfügen, muss aber zum Ende der Fruchtnießung gleichartige Sachen gleicher Menge oder zumindest ihren Wert an den Besteller des Fruchtgenusses zurückerstatten. Im Unterschied zum Darlehen ist hier die Zuwendung des Ertrages beabsichtigt (Hofmann/R Rz 1). 484
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Dienstbarkeiten
§ 512
Sofern ein Geldbetrag bereits verzinslich angelegt ist, kann daran 2 jedoch nur eigentlicher Fruchtgenuss begründet werden; die Berechtigung erstreckt sich dann auf die Zinsen, nicht aber auf eine Veränderung des Kapitals (S 3). Der Schuldner kann sich in diesem Falle nur durch Zahlung an den Gläubiger sowie an den Fruchtnießer gemeinsam befreien (Klang/K II 586; vgl auch § 455). Rechte und Verbindlichkeiten des Fruchtnießers § 511. Der Fruchtnießer hat ein Recht auf den vollen, sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen Ertrag; ihm gehört daher auch die mit Beobachtung der bestehenden Bergwerksordnung erhaltene reine Ausbeute von Bergwerksanteilen, und das forstmäßig geschlagene Holz. Auf einen Schatz, welcher in dem zur Fruchtnießung bestimmten Grunde gefunden wird, hat er keinen Anspruch. Soweit nichts anderes vereinbart ist, darf der Fruchtnießer die dienen- 1 de Sache nicht nur zum eigenen Bedarf verwenden, sondern hat auch Anspruch auf ihren vollen Ertrag (also auf noch nicht abgesonderte oder fällige Früchte: Klang/K II 589; zum Begriff des „forstmäßig geschlagenen Holzes“ etwa 1 Ob 302/97m SZ 71/30), soweit ein solcher durch ordentliche Wirtschaftsführung ohne Abänderung der vorgegebenen Bewirtschaftungsart erzielbar ist (§ 513 Rz 1). Insbesondere: a) in Rücksicht der auf der Sache haftenden Lasten; § 512. Als ein reiner Ertrag kann aber nur das angesehen werden, was nach Abzug aller nötigen Auslagen übrig bleibt. Der Fruchtnießer übernimmt also alle Lasten, welche zur Zeit der bewilligten Fruchtnießung mit der dienstbaren Sache verbunden waren, mithin auch die Zinsen der darauf eingetragenen Kapitalien. Auf ihn fallen alle ordentlichen und außerordentlichen, von der Sache zu leistenden Schuldigkeiten, insofern sie aus den während der Dauer der Fruchtnießung gezogenen Nutzungen bestritten werden können; er trägt auch die Kosten, ohne welche die Früchte nicht erzielt werden. Der Fruchtnießer kann nicht nur die Vorteile aus der Sachnutzung 1 (einschließlich der eigenen Verwendung: JBl 1989, 442) für sich beanspruchen, sondern muss mangels anderweitiger Vereinbarung ab dinglicher Dienstbarkeitsbestellung (nicht schon ab Vertragsschluss: Koch
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Dienstbarkeiten
§ 513
Klang/K II 589) auch die laufenden Kosten tragen. Dazu gehören neben Aufwendungen zur Fruchtziehung und sonstigen Lasten etwa die Zinsen einer auf der dienenden Sache schon zuvor sichergestellten Forderung (S 2, nicht aber deren Rückzahlung). Ohne Schuldübernahme besteht seine Haftung jedoch nur gegenüber dem Eigentümer (und nicht dem zinsberechtigten Gläubiger: 1 Ob 127/98b Miet 50.036). 2 Öffentlich-rechtliche Lasten muss der Fruchtnießer nur bis zur
Höhe des tatsächlich erzielten (oder redlich erzielbaren) Ertrages abdecken (Klang/K II 590). b) der Erhaltung der Sache; § 513. Der Fruchtnießer ist verbunden, die dienstbare Sache als ein guter Haushälter in dem Stande, in welchem er sie übernommen hat, zu erhalten, und aus dem Ertrage die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen. Wird dessen ungeachtet der Wert der dienstbaren Sache bloß durch den rechtmäßigen Genuß ohne Verschulden des Fruchtnießers verringert; so ist er dafür nicht verantwortlich. Lit: Pacher, Der Instandsetzungs- und Erhaltungsbeitrag im Dienstbarkeitsrecht, ÖJZ 1993, 300; Welser, Zur Erhaltungspflicht des Fruchtnießers nach § 513 ABGB und ihrer Sanktionierung, NZ 1982, 145.
1 Die Pflicht des Fruchtnießers zur Schonung und Erhaltung der
Substanz ist nicht nur passiv; vielmehr hat er aktiv dafür zu sorgen, dass die dienstbare Sache nicht verschlechtert wird, dies jedoch nur mangels anderweitiger Vereinbarung (zB JBl 1989, 442). So muss er zwar zur laufenden Instandhaltung Ausbesserungen und Reparaturen übernehmen. Zu einer grundlegenden Erneuerung oder gar Wiederherstellung der Sache ist er jedoch nicht verpflichtet (8 Ob 623/92), dazu allerdings samt Ersatzanspruch berechtigt, wenn der Eigentümer dies unterlässt (6 Ob 203/98s Miet 50.037). Änderungen darf er vornehmen, soweit die Bewirtschaftungsart erhalten bleibt (SZ 60/28; SZ 61/9; 1 Ob 302/97m SZ 71/30) und die Dienstbarkeit nicht erweitert wird (vgl § 484). 2 Erhaltungsarbeiten muss er jedoch nur insoweit durchführen, als sie
vom Reinertrag (§ 512) aus der Fruchtnießung gedeckt sind, aus Eigenem muss er darüber hinaus nichts zuschießen (zB SZ 57/155). 3 Teil der gebotenen ordentlichen Wirtschaftsführung des Fruchtnießers
ist auch eine ausreichende Versicherung der dienenden Sache, zumindest gegen Elementarschäden (Klang/K II 591 f; s § 107b VersVG). 486
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Dienstbarkeiten
§§ 514–516 c) der Bauführungen;
§ 514. Wenn der Eigentümer Bauführungen, die durch das Alter des Gebäudes, oder durch einen Zufall notwendig gemacht werden, auf Anzeige des Fruchtnießers auf seine Kosten besorgt; ist ihm der Fruchtnießer, nach Maß der dadurch verbesserten Fruchtnießung, die Zinsen des verwendeten Kapitals zu vergüten schuldig. § 515. Kann oder will der Eigentümer dazu sich nicht verstehen; so ist der Fruchtnießer berechtigt, entweder den Bau zu führen und nach geendigter Fruchtnießung, gleich einem redlichen Besitzer, den Ersatz zu fordern; oder, für die durch Unterbleibung des Baues vermißte Fruchtnießung, eine angemessene Vergütung zu verlangen. § 516. Bauführungen, welche nicht notwendig, obgleich sonst zur Vermehrung des Ertrages gedeihlich sind, ist der Fruchtnießer nicht verbunden, ohne vollständige Entschädigung, zu gestatten. Abgesehen von Reparaturen im Rahmen alltäglicher Instandhaltung 1 ist der Fruchtnießer nicht zu grundlegenderen Wiederherstellungsarbeiten verpflichtet (s bereits § 513 Rz 1). Dafür ist primär der Eigentümer zuständig und auch berechtigt. Sofern solche Arbeiten notwendig sind, muss ihm der Fruchtnießer diesen Umstand anzeigen. Wird dessen Nutzung durch tatsächlich vom Eigentümer durchgeführte Bautätigkeiten verbessert, hat Letzterer einen dem entsprechenden Vergütungsanspruch gegen Ersteren maximal in Höhe der laufenden Zinsen des für diese notwendige Bauführung eingesetzten Kapitals (§ 514 aE). Falls der Eigentümer hingegen eine notwendige Bauführung nicht 2 selbst veranlasst, kann auch der Fruchtnießer seinerseits die Arbeiten vornehmen lassen (§ 515; 6 Ob 203/98s Miet 50.037). Hat er seiner Anzeigepflicht gemäß § 514 Genüge getan, erhält er dafür nach Beendigung der Fruchtnießung Kostenersatz wie ein redlicher Besitzer (§ 331), ansonsten entsprechend den Regeln für GoA (§§ 1036 ff; Klang/K II 594). Auch der Fruchtnießer muss aber solche notwendigen Bauarbeiten nicht durchführen; bei völligem Unterbleiben kann er Entschädigung für die deshalb geringeren Nutzungsmöglichkeiten verlangen (§ 515 aE). Eine derartige Entschädigung steht ihm auch für die Dauer einer allfälligen Beeinträchtigung zu, wenn der Eigentümer ohne Notwendigkeit baut (§ 516; EvBl 1956/231).
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Dienstbarkeiten
§ 517 d) der Meliorationskosten
§ 517. Was der Fruchtnießer ohne Einwilligung des Eigentümers zur Vermehrung fortdauernder Nutzungen verwendet hat, kann er zurücknehmen; eine Vergütung der aus der Verbesserung noch bestehenden Nutzungen aber kann er nur fordern, insofern sie ein Geschäftsführer ohne Auftrag zu fordern berechtigt ist. 1 Soweit der Fruchtnießer im Rahmen des Zulässigen (§ 513 Rz 1) nütz-
liche Veränderungen an der dienenden Sache vornimmt und dazu keine Regelung im Einvernehmen mit dem Eigentümer trifft, hat er diese nach Beendigung der Fruchtnießung unter Schonung der Substanz wieder zurückzuführen, also zB etwaige Anlagen zu entfernen. Ist dies nicht möglich, kann er für seine Investitionen vom Eigentümer nur insoweit Ersatz verlangen, als ein klarer und überwiegender Vorteil verbleibt (Ehrenzweig, System I/2, 330). Beweismittel darüber § 518. Zur Erleichterung des Beweises der gegenseitigen Forderungen, sollen der Eigentümer und der Fruchtnießer eine beglaubte Beschreibung aller dienstbaren Sachen aufnehmen lassen. Ist sie unterlassen worden; so wird vermutet, daß der Fruchtnießer die Sache samt allen zur ordentlichen Benützung derselben erforderlichen Stücken in brauchbarem Zustande von mittlerer Beschaffenheit erhalten habe. 1 Zur späteren Beweiserleichterung empfiehlt es sich, vor Beginn der
Fruchtnießung ein Übergabeinventar zu erstellen. Für den Fall, dass dies nicht geschieht, stellt S 2 eine widerlegbare (Klang/K II 595) Vermutung über Zustand und Qualität der dienenden Sache bei Übergabe auf. Zuteilung der Nutzungen bei Erlöschung der Fruchtnießung § 519. Nach geendigter Fruchtnießung gehören die noch stehenden Früchte dem Eigentümer; doch muß er die auf deren Erzielung verwendeten Kosten dem Fruchtnießer oder dessen Erben, gleich einem redlichen Besitzer, ersetzen. Auf andere Nutzungen haben der Fruchtnießer oder dessen Erben den Anspruch nach Maß der Dauer der Fruchtnießung. 1 Nach Beendigung des Fruchtgenusses verbleiben die bis dahin ab-
gesonderten Früchte beim Fruchtnießer (oder dessen Erben), im Übrigen hat er die dienende Sache samt noch nicht abgesonderten 488
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Dienstbarkeiten
§ 521
Früchten an den Eigentümer zurückzustellen. Dieser muss aber den Aufwand für die Fruchtziehung bis zum Wert der absonderbaren Früchte ersetzen. Zivilfrüchte stehen dem Fruchtnießer (oder dessen Erben) entsprechend der Fruchtnießungsdauer zu; deren Fälligkeit ist dabei nicht maßgeblich (Klang/K II 596). Der Eigentümer tritt in die vom Fruchtnießer geschlossenen Bestand- 2 verträge ein (zur Zulässigkeit § 509 Rz 5); diese enden also nicht gemeinsam mit der Fruchtnießung, sondern nach allgemeinen Regeln. Inwiefern der Gebrauchsberechtigte oder der Fruchtnießer zur Sicherstellung verbunden sei § 520. In der Regel kann der Eigentümer von dem Gebrauchsberechtigten oder Fruchtnießer nur bei einer sich äußernden Gefahr die Sicherstellung der Substanz verlangen. Wird sie nicht geleistet; so soll die Sache entweder dem Eigentümer gegen eine billige Abfindung überlassen, oder nach Umständen in gerichtliche Verwaltung gegeben werden. Ist die Substanz der dienenden Sache aus objektiver Sicht gefährdet 1 (begründete Besorgnis eines künftigen schädigenden Verhaltens: SZ 38/146), kann der Eigentümer im Rechtsweg (EvBl 1987/97) Sicherstellung iSd §§ 1373 f verlangen (SZ 61/9, dort auch zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung). Dieser Anspruch ist aber nicht vollstreckbar (Klang/K II 597); wird keine Sicherheit geleistet, kann der Eigentümer nur gerichtliche Hinterlegung oder Herausgabe der Sache verlangen (Letzteres gegen Abfindung, dadurch Erlöschen der Dienstbarkeit). Daneben kann er aber auch schon während aufrechter Fruchtnießung 2 bei Gefahr unwiederbringlichen Schadens auf Unterlassung (SZ 39/220) und Wiederherstellung klagen (4 Ob 536/94 JBl 1994, 702). 3. Dienstbarkeit der Wohnung § 521. Die Servitut der Wohnung ist das Recht, die bewohnbaren Teile eines Hauses zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Sie ist also eine Servitut des Gebrauches von dem Wohngebäude. Werden aber jemandem alle bewohnbaren Teile des Hauses, mit Schonung der Substanz, ohne Einschränkung zu genießen überlassen; so ist es eine Fruchtnießung des Wohngebäudes. Hiernach sind die oben gegebenen Vorschriften auf das rechtliche Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Eigentümer anzuwenden. Koch
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Dienstbarkeiten
§ 521
Lit: Dreer, Zulässige Ausweitungen des Wohnungsrechtes, ÖJZ 1959, 421; Schimetschek, Die Dienstbarkeit der Wohnung, ImmZ 1981, 99.
1 Das Wohnungsrecht ist trotz der Formulierung von § 521 sowie eige-
ner Nennung in § 478 keine eigenständige Form einer Personalservitut, sondern lediglich eine Variante entweder des Gebrauchsrechtes (dazu Rz 3) oder des Fruchtgenussrechtes (Rz 4), je nachdem, ob die Wohnung nur für den persönlichen Bedarf des Berechtigten verwendet werden darf oder ob sie ohne solche Einschränkung genutzt und damit (insb durch entgeltliche Inbestandgabe) Dritten überlassen werden darf (RS0011818; RS0011826, zB SZ 60/86). Darüber entscheidet die Auslegung des Titels nach allgemeinen Regeln; im Zweifel wird Gebrauch angenommen (RS0011588; s aber 5 Ob 34/92 NZ 1993, 19 Hofmeister 22 f: keine Verbücherung bei Unklarheit), hingegen Fruchtgenuss, wenn mehrere Wohnungen oder ein ganzes Gebäude überlassen werden (RS0011588, zB SZ 57/155; 5 Ob 135/99k EvBl 1999/190). In beiden Fällen kann der Belastete reallastähnliche Nebenpflichten (vgl § 482 Rz 2) über das bloße Dulden der Wohnungsnutzung hinaus übernehmen (zB Strom- oder Wasserversorgung, Heizung oÄ: SZ 50/61). 2 Gegenstand des Wohnungsrechts sind in beiden Varianten bewohn-
bare Gebäudeteile samt Nebenräumen und zugehörigen Außenflächen (zB RZ 1977, 216: Garten, Wäscheaufhängung, Badesteg), nicht aber landwirtschaftlich genutzte Flächen (SZ 28/30). An ideellen Teilen einer Liegenschaft (mit Ausnahme von Wohnungseigentum) ist kein Wohnungsrecht möglich: Dieses kann nach der Rspr nur am ganzen Grundbuchskörper eingetragen werden, weil schlichtes Miteigentum kein Recht auf eine bestimmte Wohnung gebe (SZ 41/30; zum Wohnungsfruchtgenuss nunmehr 2 Ob 520/95 SZ 68/70; 5 Ob 167/99s NZ 2000, 315; dagegen früher noch NZ 1993, 19 Hofmeister 22 f). 3 Beim Wohnungsgebrauchsrecht (dazu im Übrigen §§ 504 ff) dürfen
die daraus Berechtigten das Objekt (Rz 2) auf Lebenszeit (§ 473 Rz 4) zum eigenen Bedarf verwenden (RS0011821, zB SZ 57/155; 4 Ob 186/00g SZ 73/125). Gebrauchsberechtigt sind neben dem Rechtsinhaber die vom Erwerbstitel mitumfassten Personen sowie Dritte, die der Rechtsinhaber auch ohne Genehmigung des Belasteten (nicht jedoch gegen ausdrückliches oder konkludentes Verbot) auf Dauer aufnehmen darf. Dazu gehören neben bestimmten Angehörigen (zB Miet 21.047: Ehegatte; 7 Ob 545/91 SZ 64/106: Lebensgefährte; Miet 33.045: Kinder) auch Pflege- oder Dienstpersonen (SZ 24/337; 4 Ob 75/01k JBl 2002, 106), aber jeweils nur, sofern dies zu keiner ungebührlichen Ausdehnung der Servitut führt (§ 484). Dies ist je490
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Dienstbarkeiten
§ 523
doch lediglich bei willkürlicher Aufnahme von Drittpersonen anzunehmen, somit im Zweifel nicht bei Bedarfsänderung etwa infolge Krankheit oder Vergrößerung der Familie (RS0011848; Klang/K II 580). Bei unzulässiger Aufnahme Dritter können diese nicht direkt auf Unterlassung geklagt werden, sondern nur der Wohnungsberechtigte (JBl 2002, 106 mit Andeutung einer möglichen Rspr-Wende; Hofmann/R Rz 4; aM Spielbüchler/R § 366 Rz 4). Vorübergehender Besuch ist ohne entsprechendes Verbot jedenfalls zulässig (SZ 9/31). Im Unterschied zum Wohnungsgebrauchsrecht darf der Wohnungs- 4 fruchtnießer mangels gegenteiliger Vereinbarung das Objekt vermieten, verpachten oder anderweitig Dritten zur Verwendung überlassen; auch sonst ist die Nutzung nicht auf den persönlichen Bedarf des Berechtigten beschränkt, solange die Substanz gewahrt bleibt (§ 484). Da das Wohnungsrecht nicht zwingend unentgeltlich ist (SZ 28/68), 5 indiziert eine Verpflichtung des Berechtigten zu fortlaufender Zinszahlung keineswegs automatisch ein Mietverhältnis (RS0011831, zB 7 Ob 617/90 Miet 42.078). Ob das Nutzungsrecht tatsächlich eine Dienstbarkeit und nicht Miete, Leihe, Prekarium, familienrechtliches Nutzungsrecht oÄ ist, entscheidet die Parteienabsicht (4 Ob 545/95 EF 78.360; 7 Ob 142/04i Miet 56.123), wobei insb die gewollte Verdinglichung der Berechtigung entscheidend sein kann, aber nicht muss: Wohnungsrechte können auch bloß obligatorisch eingeräumt werden (RS0011840, zB 1 Ob 67/99f NZ 2001, 172), sofern dies nicht lediglich der Umgehung des Mietrechts dient (Hofmann/R Rz 3). § 522. In jedem Falle behält der Eigentümer das Recht, über alle Teile des Hauses, die nicht zur eigentlichen Wohnung gehören, zu verfügen; auch darf ihm die nötige Aufsicht über sein Haus nicht erschwert werden. § 522 bekräftigt zunächst den Verbleib von Nutzungs- und Verfü- 1 gungsrechten beim Eigentümer, soweit sie nicht vom Wohnungsrecht erfasst sind (s bereits § 508). Ausdrücklich festgehalten ist weiters das Recht des belasteten Eigentümers, das Objekt zu Kontrollzwecken zu betreten, was im Wege einer Interessenabwägung konkretisiert werden muss (8 Ob 55/97i NZ 1998, 368). Klagerecht in Rücksicht der Servituten § 523. In Ansehung der Servituten findet ein doppeltes Klagerecht statt. Man kann gegen den Eigentümer das Recht der Servitut behaupten; oder der Eigentümer kann sich über die Anmaßung Koch
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Dienstbarkeiten
§ 523
einer Servitut beschweren. Im ersten Falle muß der Kläger die Erwerbung der Servitut oder wenigstens den Besitz derselben als eines dinglichen Rechtes, im zweiten Falle muß er die Anmaßung der Servitut in seiner Sache beweisen. Lit: P. Böhm, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage (1979); Jelinek, Das „Klagerecht“ auf Unterlassung, ÖBl 1974, 125; B. A. Koch, Unterlassungsansprüche aus mietvertraglichen Verboten (1999); Schuster-Bonnott, Die Gefahr des Zuwiderhandelns gegen Unterlassungsverpflichtungen (Wiederholungsgefahr), JBl 1974, 169; ders, Unterlassungsanspruch – Vorbeugende Unterlassungsklage – Wiederholungsgefahr, ÖBl 1981, 35; Stabentheiner, Zivilrechtliche Unterlassungsansprüche zur Abwehr gesundheitsgefährdender Umwelteinwirkungen, ÖJZ 1992, 78.
I. Allgemeines 1 Das hier für Servituten ausdrücklich festgeschriebene „doppelte Kla-
gerecht“ geht in beide Richtungen: Zum einen kann ein Servitutsberechtigter sein Nutzungsrecht schützen, indem er gegen dessen Störung oder Leugnung vorgeht (actio confessoria, Servitutenklage, Rz 3 ff), zum anderen kann sich ein Eigentümer gegen eine von einem anderen behauptete Servitut sowie gegen sonstige unberechtigte Eingriffe wehren (actio negatoria, Eigentumsfreiheitsklage, Rz 7 ff). 2 Ist zwischen zwei Parteien das Bestehen einer Dienstbarkeit streitig,
so schafft jeder der beiden Klagstypen Rechtskraft inter partes und schließt damit die jeweils andere Klage aus (4 Ob 527/93 Miet 45.692; 7 Ob 44/02z Miet 54.657). II. Servitutenklage (actio confessoria) 3 Das Klagebegehren der actio confessoria kann zunächst auf Feststel-
lung einer bestrittenen Dienstbarkeit gehen, wobei das Feststellungsinteresse kraft Gesetzes angenommen wird und daher nicht wie nach § 228 ZPO nachgewiesen werden muss (RS0011506; zur Feststellungsklage des Belasteten JBl 1976, 642 krit König). Damit kann ein Begehren auf Einverleibung der Dienstbarkeit verknüpft werden (SZ 24/267; 1 Ob 230/03k immolex 2004, 252). Weiters kann auf Beseitigung einer bereits erfolgten – selbst geringfügigen (1 Ob 15/94 Miet 46.032) – Beeinträchtigung der Servitut sowie auf Unterlassung künftiger Störungen geklagt werden (JBl 1984, 608; 7 Ob 2185/96s Miet 48.032; Voraussetzungen der Unterlassungsklage wie bei Negatorienklage: s Rz 10). 4 Die Klage stützt sich jedenfalls auf eine bestehende Dienstbarkeit,
die gestört oder bestritten wird. Der Kläger muss folglich den Erwerb 492
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Dienstbarkeiten
§ 523
dieser Servitut sowie bei Grunddienstbarkeiten sein Eigentum an der herrschenden Liegenschaft nachweisen (Fruchtgenuss reicht nicht: 6 Ob 140/05i ecolex 2005, 836 Th. Rabl). Faktisches Hindern wird für eine Störung nicht vorausgesetzt; es reicht jedes Verhalten, mit dem eine Servitut adäquat kausal beeinträchtigt werden kann (RS0012084; JBl 1984, 608). Die actio confessoria kann nur von allen Miteigentümern des herr- 5 schenden Grundstückes gemeinsam erhoben werden; auch auf Beklagtenseite sind die Miteigentümer des dienenden Grundstückes einheitliche Streitpartei (RS0012106; RS0101793; SZ 27/64; 5 Ob 2036/96i SZ 69/110). Die im Rechtsweg zu erhebende Servitutenklage (Hofmann/R Rz 1; 6 s § 81 JN) kann zwar nur gegen den Eigentümer der dienstbaren Sache gerichtet werden, soweit es um Feststellung des Rechts geht, im Übrigen aber auch gegen Dritte, die eine servitutsgemäße Nutzung hindern oder stören (RS0012115, RS0012094; zB SZ 39/21; 4 Ob 245/00h NZ 2001, 472). III. Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) Die Eigentumsfreiheitsklage kann nicht nur (wie hier ausdrücklich 7 vorgesehen) gegen die Anmaßung einer Servitut erhoben werden, sondern gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht (RS0012040: EvBl 1965/360; 8 Ob 51/03p), und ist insoweit lediglich Ausfluss des bereits in § 354 aE ausgedrückten Grundsatzes (B. A. Koch, Unterlassungsansprüche 34 f). Sie kann auf Feststellung des Nichtbestehens einer Nutzungsberechtigung, auf Wiederherstellung des früheren Zustandes und auf Unterlassung künftiger Störung gehen (zB 4 Ob 261/02i Miet 54.062). Der Kläger muss dazu lediglich sein Eigentum sowie einen zumindest 8 unmittelbar drohenden (Rz 10) Eingriff des Beklagten dartun (oder die diesem gebotene, aber unterlassene Verhinderung einer Störung: RS 0012109, zB SZ 11/174; 3 Ob 509/96 SZ 69/10), während der Beklagte rechtfertigende Gründe dafür, etwa ein allfälliges Nutzungsrecht, beweisen muss (RS0010164: 4 Ob 288/99b SZ 72/186). Die Eigentumsfreiheitsklage dringt bereits bei objektiver Rechtswid- 9 rigkeit der Störung durch; Verschulden ist nicht nötig (RS0012169; SZ 69/10). Geht die Klage auf Unterlassung, so setzt sie eine Störung des kläge- 10 rischen Eigentums voraus, die zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (zB 6 Ob 593/91 RdW 1993, 73) noch andauert Koch
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§ 523
oder wiederholt zu werden droht (RS0012064, zB 1 Ob 304/01i EvBl 2002/188). Statt solcher Wiederholungsgefahr reicht aber auch (Erst-) Begehungsgefahr, wenn zwar noch kein Eingriff stattgefunden hat, ein solcher aber unmittelbar droht und daraus unwiederbringlicher Schaden zu befürchten ist (RS0009357; zB SZ 33/130; 1 Ob 6/00i bbl 2000, 194). Bereits die Anmaßung einer (nicht vorhandenen) Berechtigung kann zu einer solchen (dann:) vorbeugenden Unterlassungsklage berechtigen, wenn eine faktische Störungshandlung zu erwarten ist, was uU sogar bei einer bloßen Behauptung der Fall sein kann, die ansonsten nur eine negative Feststellungsklage begründet (RS0112359, zB 3 Ob 295/98y Miet 51.041). Wiederholungs- und Begehungsgefahr fallen weg, sobald ein (erstmaliges oder neuerliches) Zuwiderhandeln vernünftigerweise nicht mehr zu befürchten ist, was insb bei ernstlicher Anerkenntniserklärung durch den Beklagten der Fall sein wird (RS0012087: zB 1 Ob 296/98f SZ 72/49), jedenfalls aber dieser zu beweisen hat. 11 Die Eigentumsfreiheitsklage ist im ordentlichen Rechtsweg zu ver-
folgen, selbst wenn die Einwendungen des Beklagten auf Gemeingebrauch (RS0009767, zB 1 Ob 56/03x SZ 2004/18) oder andere öffentlich-rechtliche Grundlagen (RS0012079, zB 1 Ob 63/02z Miet 54.061: Bringungsrecht) gestützt sind. 12 Aktiv klagslegitimiert ist neben dem Eigentümer auch der Frucht-
nießer (7 Ob 627/90 SZ 63/164; aM Klang/K II 602; nicht aber zur Feststellungsklage: s Rz 4) sowie in Analogie zu § 372 jeder sich auf ein besseres Recht stützende Besitzer (RS0109764; SZ 50/10: Mieter; 1 Ob 6/94). Ein Miteigentümer kann Eingriffe Dritter (RS0012114, zB SZ 60/122), auch die eines anderen Miteigentümers, alleine abwehren (RS0012112, RS0012137; SZ 56/102; 5 Ob 1049/93 wobl 1994, 26 Call; 6 Ob 108/03f bbl 2004, 124). Er kann aber lediglich auf Unterlassung oder Wiederherstellung klagen, während ein Feststellungsbegehren nur alle Miteigentümer gemeinsam erheben können, sofern es sich auch auf nicht beteiligte auswirken würde (Rz 5). 13 Passiv klagslegitimiert sind alle Miteigentümer gemeinsam (not-
wendige Streitgenossenschaft: RS0010425; RS0101793; RS0012106, zB SZ 27/101; Klage gegen alle Wohnungseigentümer, nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft: 6 Ob 255/00v SZ 74/57). Gegen einen einzelnen von ihnen kann jedoch mit schlichter Unterlassungsklage vorgegangen werden, solange nur dessen Störung und nicht ein allen Miteigentümern gemeinsam zustehendes vermeintliches Recht Gegenstand ist (4 Ob 572/95 Miet 47.581; 4 Ob 236/99f NZ 2001, 192). Nicht nur der eigentliche (unmittelbare) Störer selbst kann negato494
Koch
Dienstbarkeiten
§ 524
risch geklagt werden, sondern auch jeder, der die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit hatte, die Störung zu steuern und allenfalls zu verhindern (RS0103058, RS0106908, RS0011737, RS0012110; zB 1 Ob 625/94 SZ 68/145; SZ 72/49; 5 Ob 240/03k wobl 2004, 336 Call). Zu all dem vgl auch § 339 Rz 5, 7 (Besitzstörung). Erlöschung der Dienstbarkeiten. Im allgemeinen § 524. Die Servituten erlöschen im allgemeinen auf diejenigen Arten, wodurch nach dem dritten und vierten Hauptstücke des dritten Teiles Rechte und Verbindlichkeiten überhaupt aufgehoben werden. Lit: M. Binder, Der rechtliche Umgang mit „Ewigkeitsklauseln“ in dinglichen Bezugsverträgen, JBl 1999, 368; Mayrhofer, Abstehen vom Vertrag aus wichtigem Grund bei Dienstbarkeiten? JBl 1974, 593.
Neben den im Folgenden ausdrücklich geregelten Fällen (§§ 525 ff) 1 erlöschen Servituten insb durch Verzicht (Rz 2) und Verjährung (Rz 3) sowie bei vorzeitiger Auflösung aus wichtigem Grund (Rz 4). Daneben kommen noch weitere Erlöschungsgründe in Frage, die sich insb aus der Natur des dinglichen Rechts ergeben (Rz 5 ff). Der Servitutsberechtigte kann jederzeit auf die Dienstbarkeit ver- 2 zichten (§ 1444), bei synallagmatischer Entgeltspflicht (vgl § 472 Rz 5) allerdings nicht einseitig (3 Ob 2219/96m; zu weiteren allfälligen Zustimmungserfordernissen, etwa von Drittberechtigten, Klang/K II 606; 5 Ob 114/91 NZ 1992, 155 Hofmeister 159). Auf Verzicht kann auch dann geschlossen werden, wenn der Berechtigte sein Nutzungsrecht dem Eigentümer der dienenden Sache überlässt (7 Ob 513/85). Ein Verzicht auf eine Grunddienstbarkeit wird nicht erst durch Einverleibung der Löschung wirksam (EvBl 1963/162: es gilt der Vertrauensgrundsatz, § 1500). Durch Nichtausübung des Rechtes verjährt die Dienstbarkeit nach 3 30 (§§ 1479, 1484) oder 40 Jahren (§ 1485). Sie kann auch gänzlich oder zumindest teilweise erlöschen, wenn der Belastete sich der Ausübung widersetzt (§ 1488 Rz 1). Bloß vorübergehendes Ruhen der Rechtsausübung ändert hingegen am Bestand der Dienstbarkeit nichts (RS0011688; SZ 60/227). Aus wichtigem Grund kann die Servitut ausnahmsweise wie ein 4 Dauerschuldverhältnis aufgelöst werden, zB bei Nichtzahlung des Entgelts oder Untragbarkeit der Fortsetzung für den Belasteten (JBl 1974, 618; 4 Ob 532/91 JBl 1992, 187; 9 Ob 233/01g Miet 54.051; Mayrhofer, JBl 1974, 593; aM Gschnitzer ua, SachenR 171 f) Koch
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Dienstbarkeiten
§ 525
5 Aus dem Utilitätserfordernis (§ 473 Rz 2) folgt, dass eine Dienstbar-
keit auch dann erlischt, wenn sie ihren Sinn gänzlich verloren hat, weil sie auf Dauer nicht mehr ausgeübt werden kann oder dem Berechtigten keinerlei Nutzen mehr bringt (völlige Zwecklosigkeit), was allerdings jeglicher noch so geringe Restvorteil verhindert (RS0011699, RS0011574, zB 3 Ob 101/01a SZ 2002/111). 6 Bei Abtrennung einer Liegenschaft kann eine Servitut durch Ver-
schweigung des Berechtigten untergehen (§ 4 Abs 1 LiegTeilG). Wird eine Liegenschaft lastenfrei enteignet, hat der Berechtigte Anspruch auf entsprechende Entschädigung (SZ 56/14). 7 Nicht verbücherte Servituten erlöschen schließlich durch gutgläu-
bigen lastenfreien Erwerb der dienenden Liegenschaft (RS0012151; NZ 1984, 86; 7 Ob 95/03a; s aber § 481 Rz 4). 8 Kein Erlöschungsgrund ist es hingegen, wenn die Servitut entgegen
§ 484 nicht schonend ausgeübt oder erweitert wird (RS0011778). Besondere Anordnung bei deren Erlöschung: a) durch den Untergang des dienstbaren oder herrschenden Grundes; § 525. Der Untergang des dienstbaren oder des herrschenden Grundes stellt zwar die Dienstbarkeit ein; sobald aber der Grund oder das Gebäude wieder in den vorigen Stand gesetzt ist, erhält die Servitut wieder ihre vorige Kraft. Lit: S bei § 508.
1 Bei endgültigem Untergang der dienenden oder der herrschenden
Sache erlischt auch die Servitut (vgl § 1112, dessen Grundsätze hier anwendbar sind: 7 Ob 594/90 SZ 63/137; aM Gusenleitner, wobl 2004, 105) unabhängig vom Verschulden, das lediglich für allfällige Ersatzansprüche eine Rolle spielt. Bei Grundstücken ist eine solche dauernde Zerstörung höchstens bei Bergsturz oder Erdbeben denkbar (RS0012150), allerdings auch bei sonstigem Unmöglichwerden der Nutzung (zB mangels Früchten: Klang/K II 609). Einer tatsächlichen Zerstörung ist der rechtliche Untergang gleichzusetzen, etwa ein endgültiger Entzug der Benutzungsbewilligung durch die Baubehörde (SZ 63/137). 2 Selbst wenn ein ganzes Haus zerstört wird, liegt grundsätzlich nur
vorübergehende Unmöglichkeit der Servitutsausübung vor, da ein Wiederaufbau im Zweifel möglich ist (SZ 50/61; SZ 59/165). Bis zur Wiederherstellung der Sache, die keineswegs unverändert erfolgen 496
Koch
Dienstbarkeiten
§§ 527–528
muss, solange die Servitut danach wieder ausgeübt werden kann (SZ 50/61), ruht die Dienstbarkeit daher nur (6 Ob 77/01v Miet 53.066: Aufforstungsauftrag). b) durch Vereinigung; § 526. Wenn das Eigentum des dienstbaren und des herrschenden Grundes in einer Person vereinigt wird, hört die Dienstbarkeit von selbst auf. Wird aber in der Folge einer dieser vereinigten Gründe wieder veräußert, ohne daß inzwischen in den öffentlichen Büchern die Dienstbarkeit gelöscht worden; so ist der neue Besitzer des herrschenden Grundes befugt, die Servitut auszuüben. Bei Vereinigung des Eigentums an dienender und herrschender Sache 1 oder wenn der aus einer Personalservitut Berechtigte die dienende Sache erwirbt (s auch § 1445), erlischt die Dienstbarkeit. Im Liegenschaftsfalle geschieht dies aber erst, wenn die Servitut im Grundbuch gelöscht wird; bis dahin bleibt sie als Recht an eigener Sache bestehen (S 2; vgl § 1446). Dies gilt auch für eine nicht verbücherte, aber offenkundige Servitut (dazu § 481 Rz 4), die ebenfalls während der Eigentümeridentität ruht (Miet 38.033); nach hM aber nur, wenn sie bereits zuvor entstanden war (Hofmann/R Rz 1; Kiendl-Wendner/S Rz 2; s aber RS0011618, zB SZ 57/39, und § 472 Rz 3, § 480 Rz 1). c) durch Zeitverlauf § 527. Hat das bloß zeitliche Recht desjenigen, der die Servitut bestellt hat, oder die Zeit, auf welche sie beschränkt worden ist, dem Servitutsinhaber aus öffentlichen Büchern, oder auf eine andere Art bekannt sein können; so hört nach Verlauf dieser Zeit die Servitut von selbst auf. § 528. Eine Servitut, welche jemandem bis zur Zeit, da ein Dritter ein bestimmtes Alter erreicht, verliehen wird, erlischt erst zu der bestimmten Zeit, obschon der Dritte vor diesem Alter verstorben ist. Hat derjenige, der eine Dienstbarkeit eingeräumt hat, selbst nur ein 1 auflösend bedingtes oder befristetes Recht, so endet mit diesem zwangsläufig auch die davon nur abgeleitete Servitut nach dem Grundsatz des § 442. Ferner erlischt die Servitut, sofern diese nur auflösend bedingt oder befristet bestellt wurde, entsprechend der allgemeinen Regel des § 1449 durch Eintritt (oder Vereitelung des Eintritts) der Bedingung oder durch Zeitablauf. Eine solche Beschränkung des Rechts Koch
497
Dienstbarkeiten
§ 529
kann aber jenen nicht entgegengehalten werden, die davon weder wussten noch wissen mussten (§ 527), bei verbücherten Servituten also nur dann, wenn dort auch die Befristung ersichtlich gemacht wurde oder der Betreffende anderweitig Kenntnis erlangen konnte (NZ 1977, 44). 2 § 528 ist lediglich eine Auslegungsregel für eine spezielle Befristung
(Klang/K II 611). Erlöschung der persönlichen Servituten insbesondere § 529. Persönliche Servituten hören mit dem Tode auf. Werden sie ausdrücklich auf die Erben ausgedehnt; so sind im Zweifel nur die ersten gesetzlichen Erben darunter verstanden. Das einer Familie verliehene Recht aber geht auf alle Mitglieder derselben über. Die von einer Gemeinde oder einer andern moralischen Person erworbene persönliche Servitut dauert so lange, als die moralische Person besteht. 1 Im Zweifel erlöschen alle persönlichen, auch unregelmäßige
(RS0011587; 5 Ob 250/98w NZ 2000, 155 Hoyer 157), Servituten mit dem Tod des Berechtigten oder, falls es sich um eine juristische Person handelt, mit deren Erlöschen (JBl 1975, 424; nicht aber bei Spaltung zur Aufnahme: 5 Ob 88/05k wbl 2005, 585), ohne dass diese Endigung verbüchert werden müsste (Berichtigungsantrag aber möglich: § 136 GBG). 2 Stattdessen kann die Personalservitut bei entsprechender ausdrück-
licher (5 Ob 108/95 SZ 68/150) Vereinbarung auf die Erben des ursprünglich Berechtigten übergehen, und auch hier gilt nur mangels anderweitiger Regelung, dass lediglich die ersten gesetzlichen Erben begünstigt sind. Diese kommen aber selbst dann zum Zuge, wenn der Erblasser testamentarisch anderweitig verfügt hat (Klang/K II 612). Bei mehreren gleichzeitig Berechtigten, von denen einer stirbt, wächst dessen Recht im Zweifel den übrigen zu; lediglich das höchstpersönliche Gebrauchsrecht erlischt anteilsmäßig. Unanwendbarkeit auf beständige Renten § 530. Beständige jährliche Renten sind keine persönliche Servitut, und können also ihrer Natur nach auf alle Nachfolger übertragen werden. Lit: M. Binder, Der rechtliche Umgang mit Ewigkeitsklauseln in dinglichen Bezugsverträgen, JBl 1999, 368; Hoyer, Persönliche Haftung des Liegenschaftseigentümers für Reallasten? FS Wagner (1987) 195.
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Koch
Dienstbarkeiten
§ 530
Reallasten belasten ein Grundstück mit einer dinglichen Haftung des 1 jeweiligen Eigentümers für bestimmte, nur im Zweifel von den Liegenschaftserträgnissen abhängige (5 Ob 55/94 SZ 67/109; aM Hoyer, FS Wagner 200 f) positive Leistungen zugunsten einer natürlichen oder juristischen Person (Personalreallast) oder des jeweiligen Eigentümers einer Liegenschaft (Prädialreallast, zB 6 Ob 30/02h Miet LIV/12; zur Abgrenzung von Servituten s § 482). Der Eigentümer der belasteten Liegenschaft haftet daneben auch persönlich für Rückstände aus der Reallastverpflichtung, die während seines Eigentumsrechtes entstanden sind (NZ 1981, 35; Hofmann/R Rz 4; aM Hoyer, FS Wagner 198 ff). Reallasten können auch nur zu einer einzigen Leistung verpflichten 2 (SZ 7/371: Demolierung). Mehrere Teilleistungen, die weder gleich groß noch gleichartig sein müssen (SZ 45/45), verjähren in drei Jahren nach Fälligkeit (JBl 1986, 731 krit Hoyer), die Reallast an sich verjährt hingegen nach den für Servituten geltenden Grundsätzen (Miet LIV/12; s auch § 1480 Rz 4), die generell ohne vertragliche oder sonstige Sonderregelung auf Begründung, Übertragung, Endigung und Rechtsschutz von Reallasten entsprechend anzuwenden sind (Gschnitzer ua, SachenR 183). Wiederkehrende Leistungen (Renten, zB Leibrente, s §§ 1284 ff) kön- 3 nen nicht nur hypothekarisch besichert (8 Ob 585/85), sondern auch als Reallasten verbüchert werden. Im letzteren Falle haftet nur der jeweilige Eigentümer der belasteten Liegenschaft. Rentenreallasten können wertgesichert werden und sind übertragbar (Hofmann/R Rz 1). Das Ausgedinge ist eine typischer-, aber nicht notwendigerweise als 4 Bündel (JBl 1993, 457) übernommene Verpflichtung zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen, die der Versorgung des früheren Eigentümers der belasteten Liegenschaft oder naher Angehöriger dienen soll (5 Ob 543/94 EF 75.274; 10 ObS 2/93 SZ 66/60). Oft wird es mit einem Wohnungsrecht verbunden (SZ 50/61); dieses kann gesondert eingetragen werden (JBl 1993, 457; Hofmann/R Rz 5; aM KiendlWendner/S Rz 10: separate Verbücherung notwendig). Mangels Verknüpfung von Leistungspflicht und Liegenschaftserträgnissen kann das Ausgedinge auch neben einem Fruchtgenuss einverleibt werden (5 Ob 55/94 SZ 67/109; zum Fall unterbliebener Verbücherung EF 75.274). Da das Ausgedinge auf die Person des Begünstigen zugeschnitten und 5 üblicherweise auf dessen Lebenszeit oder Bedürftigkeit beschränkt Koch
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Erbrecht
§ 531
ist, kann es weder dem Rechte noch der Ausübung nach übertragen werden (RS0014983; 4 Ob 199/97m EF 84.292; zur Aufnahme Dritter s § 521 Rz 3). 6 Wird dem Berechtigten der Bezug der Ausgedingsleistungen in na-
tura billigerweise unzumutbar, ohne dass ihm dies selbst zuzurechnen wäre (6 Ob 157/03m EF 104.666), zB bei schlechter Behandlung durch den Verpflichteten, verspäteter oder mangelhafter Leistung (sog Unvergleichsfall), kann er stattdessen Geld verlangen (SZ 47/54; SZ 53/15; 5 Ob 29/02d EF 100.714); auch für die Vergangenheit (SZ 51/139; 7 Ob 643/95).
Achtes Hauptstück Von dem Erbrechte Verlassenschaft § 531. Der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, insofern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind, heißt desselben Verlassenschaft oder Nachlaß. Lit: F. Bydlinski, Paradoxer Geheimnisschutz post mortem? JBl 1999, 553; Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis (1982); Schumacher, Inventarisierung der Lebensversicherung? NZ 1997, 381; Thiele/Waß, Urheberrecht post mortem – Rechtsnachfolge bei Werkschöpfern, NZ 2002, 97; Zankl, Lebensversicherung und Nachlaß, NZ 1985, 81.
1 Die vererblichen vermögenswerten Rechte und Pflichten im Todes-
zeitpunkt bilden den Nachlass (6 Ob 191/02k NZ 2003, 50). Private Vermögensrechte und Schulden (§ 548) sind idR vererblich, und zwar auch solche aus Dauerschuldverhältnissen; zB Bestandrechte (§ 1116a; 8 Ob 504/92 EvBl 1992/113: Präsentationsrecht; 6 Ob 258/98d wobl 1999, 233: Abfindungsanspruch; vgl aber zu § 14 Abs 2 und 3 MRG § 784 Rz 1 und 7 Ob 273/98t SZ 71/189), idR Rechte des Dienstgebers (vgl aber SZ 50/103), offene Gehaltsforderungen. Die Vererblichkeit von Schmerzengeldansprüchen ist jetzt allgemein anerkannt (6 Ob 2068/96b SZ 69/217). Zur Belastung des Nachlasses mit Unterhaltspflichten s §§ 142, 796 ABGB, § 78 EheG; bereits fällige Unterhaltsansprüche (EF 43.555) sowie rückständige (insb zugesagte oder gerichtlich geltend gemachte) Ausstattungsansprüche sind aktiv und passiv vererblich (SZ 25/19; SZ 27/247). Zur Transmission s § 537; zur Vererbung von Pflichtteilsansprüchen s 2 Ob 60/99h NZ 1999, 378 und § 764 Rz 1. 500
Koch/Apathy
Erbrecht
§ 531
ist, kann es weder dem Rechte noch der Ausübung nach übertragen werden (RS0014983; 4 Ob 199/97m EF 84.292; zur Aufnahme Dritter s § 521 Rz 3). 6 Wird dem Berechtigten der Bezug der Ausgedingsleistungen in na-
tura billigerweise unzumutbar, ohne dass ihm dies selbst zuzurechnen wäre (6 Ob 157/03m EF 104.666), zB bei schlechter Behandlung durch den Verpflichteten, verspäteter oder mangelhafter Leistung (sog Unvergleichsfall), kann er stattdessen Geld verlangen (SZ 47/54; SZ 53/15; 5 Ob 29/02d EF 100.714); auch für die Vergangenheit (SZ 51/139; 7 Ob 643/95).
Achtes Hauptstück Von dem Erbrechte Verlassenschaft § 531. Der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, insofern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind, heißt desselben Verlassenschaft oder Nachlaß. Lit: F. Bydlinski, Paradoxer Geheimnisschutz post mortem? JBl 1999, 553; Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis (1982); Schumacher, Inventarisierung der Lebensversicherung? NZ 1997, 381; Thiele/Waß, Urheberrecht post mortem – Rechtsnachfolge bei Werkschöpfern, NZ 2002, 97; Zankl, Lebensversicherung und Nachlaß, NZ 1985, 81.
1 Die vererblichen vermögenswerten Rechte und Pflichten im Todes-
zeitpunkt bilden den Nachlass (6 Ob 191/02k NZ 2003, 50). Private Vermögensrechte und Schulden (§ 548) sind idR vererblich, und zwar auch solche aus Dauerschuldverhältnissen; zB Bestandrechte (§ 1116a; 8 Ob 504/92 EvBl 1992/113: Präsentationsrecht; 6 Ob 258/98d wobl 1999, 233: Abfindungsanspruch; vgl aber zu § 14 Abs 2 und 3 MRG § 784 Rz 1 und 7 Ob 273/98t SZ 71/189), idR Rechte des Dienstgebers (vgl aber SZ 50/103), offene Gehaltsforderungen. Die Vererblichkeit von Schmerzengeldansprüchen ist jetzt allgemein anerkannt (6 Ob 2068/96b SZ 69/217). Zur Belastung des Nachlasses mit Unterhaltspflichten s §§ 142, 796 ABGB, § 78 EheG; bereits fällige Unterhaltsansprüche (EF 43.555) sowie rückständige (insb zugesagte oder gerichtlich geltend gemachte) Ausstattungsansprüche sind aktiv und passiv vererblich (SZ 25/19; SZ 27/247). Zur Transmission s § 537; zur Vererbung von Pflichtteilsansprüchen s 2 Ob 60/99h NZ 1999, 378 und § 764 Rz 1. 500
Koch/Apathy
Erbrecht
§ 531
Der Nachlass ist als eigene unkörperliche Sache anzusehen (Kralik, 2 ErbR 8). Er wird wie eine Gesamtsache (vgl Eccher, ErbR Rz 1/1) auf Grund des Erbrechtstitels (§ 533 Rz 1) durch den einheitlichen Akt der Einantwortung erworben (3 Ob 320/02h SZ 2003/134; § 547 Rz 1). Unvererblich sind hingegen idR persönliche Familienrechte; zB die 3 Beziehungen zwischen Ehegatten sowie zwischen Eltern und Kindern, aber auch das Recht auf Unterhalt (EF 43.555) oder Ausstattung; vgl aber zur Vaterschaftsfeststellung § 163 Abs 2 (unten § 730 Rz 3). Persönlichkeitsrechte (unten Rz 8) fallen nicht in den Nachlass, können aber vielfach nach dem Tod von nahen Angehörigen geltend gemacht werden (6 Ob 283/01p JBl 2003, 114: Ehrenverletzung). Höchstpersönlich und damit unvererblich sind ferner: Veräußerungs- und Belastungsverbote (§ 364c), Wiederkaufs-, Rückverkaufs- und Vorkaufsrechte (§§ 1070 f, 1074), im Zweifel Personalservituten (§ 529; vgl aber zur Vererblichkeit des Fischereirechts SZ 36/82), Rechnungslegungspflicht des Masseverwalters (8 Ob 2014/96a SZ 69/123), Dotationspflicht der Eltern (§ 1220; SZ 25/106; SZ 41/38). Zu Auftrag und Vollmacht s § 1022; zum Werkvertrag s § 1171; zur GesBR s §§ 1206 f. Mit dem Tod des Dienstnehmers endet das Arbeitsverhältnis. Ein 4 Abfertigungsanspruch nach § 23 AngG (in halber Höhe) gebührt nur den gesetzlichen Erben, zu deren Erhaltung der Erblasser gesetzlich verpflichtet war; er gehört nicht zum Nachlass (SZ 25/231). Der (nicht verbrauchte) Anspruch auf Urlaub ist naturgemäß unvererblich (ZAS 1970, 58 Haslinger = ZAS 1970, 95 Koziol). Hingegen ist der Anspruch auf die (aliquote) Ersatzleistung für den nicht verbrauchten Urlaub vererblich (§ 10 Abs 5 UrlG; Cerny, Urlaubsrecht8 , 2002, § 10 Erl 17; vgl SZ 42/34). Ansprüche aus Lebens- und Unfallversicherungen infolge des Able- 5 bens des Erblassers stehen unmittelbar dem Begünstigten zu (§§ 166 f VersVG; 7 Ob 622/95 JBl 1997, 46 Eccher), auch wenn der gesetzliche Erbe begünstigt ist (NZ 1988, 331 Zankl). Die Versicherungsleistungen können aber beim Schenkungspflichtteil (§ 785) zu berücksichtigen sein (4 Ob 136/97x JBl 1997, 663; 6 Ob 181/02i EvBl 2003/135: schenkungsweise Abtretung mit Übergabe einer Inhaberpolizze). Zur Verlassenschaft gehören sie nur, wenn der Erblasser selbst begünstigt ist, etwa weil im Versicherungsvertrag kein Begünstigter genannt ist (7 Ob 19/94 SZ 67/88); ferner bei Verpfändung zugunsten eines Gläubigers des Erblassers (Schumacher, NZ 1997, 383; offen lassend 7 Ob 158/98f NZ 2000, 116). Versicherungsverhältnisse gehen auf Nachlass und Erben über, wenn die versicherte Gefahr übergeht (insb Sachversicherung). Apathy
501
Erbrecht
§ 531
Stirbt der Begünstigte aus einer Lebens- oder Unfallversicherung vor dem Versicherungsnehmer oder gleichzeitig mit ihm (7 Ob 254/99z NZ 2000, 218), so steht gemäß § 168 VersVG das Recht auf die Leistung dem Versicherungsnehmer zu. Der entsprechend § 166 Abs 2 VersVG widerruflich eingesetzte Begünstigte hat bis zum Eintritt des Versicherungsfalls nur ein unvererbliches Anwartschaftsrecht (SZ 49/41). 6 Eine offene Gesellschaft oder KG wird durch den Tod eines persön-
lich haftenden Gesellschafters aufgelöst, doch kann man im Gesellschaftsvertrag anderes vereinbaren (§ 131 Z 4 UGB). Ist im Gesellschaftsvertrag die Fortsetzung unter den Übrigen vorgesehen, so fällt der Anteil des Erblassers nicht in dessen Nachlass. Der ruhende Nachlass erwirbt vielmehr einen Abfindungsanspruch gegen die verbleibenden Gesellschafter gemäß § 137 UGB (vgl Jabornegg/Jabornegg, HGB § 138 Rz 17; Krejci, GesR I 342 ff); dessen vertragliche Regelung darf die Pflichtteilsansprüche nicht schmälern (10 Ob 34/97s HS 28.033). Problematisch ist es freilich, wenn 1 Ob 280/97a EvBl 1998/88 diese Anwachsung auch zugunsten eines Legatars annimmt, dem die bisherige Gesellschafterin den Gesellschaftsanteil letztwillig vermacht hat. Denn Legatare erwerben gemäß § 784 erst durch Übergabe (unten § 784 Rz 2). 7 Öffentliche Rechte und Pflichten sind häufig höchstpersönlich (zB
Wahlrecht, Recht zur Berufsausübung, Verpflichtung zur Leistung von rechtskräftig verhängten Strafen: § 14 Abs 2 VStG, § 173 FinStrG, § 411 StPO – entgegen § 548 S 2). Vererblichkeit ist aber gegeben, wenn öffentliche Rechte und Pflichten Vermögensbestandteil sind; zB bereits abgereifte Beamtenbezüge oder Ruhegenüsse, Steuerschulden (§ 19 BAO), sozialversicherungsrechtliche Geldleistungsansprüche (§ 107a ASVG; VwGH 97/08/0410 VwSlg 14.761 A: Pflegegeld) und Beitragsschulden (SZ 42/29). Gewerberechtliche Konzessionen sind unvererblich, doch können nach §§ 8, 41 ff GewO Witwe und Kinder des Erblassers und Erben, auf die mehr als die Hälfte des Gewerbebetriebes übergegangen ist, das Unternehmen gewerberechtlich fortführen. Daraus ergibt sich jedoch keine Haftung für Erblasserschulden, die sich nach §§ 801 f bestimmt (EvBl 1958/197). Benützungsrechte an einer Grabstätte sind kein Gegenstand der Verlassenschaftsabhandlung, gehen aber nach den Friedhofsordnungen von Todes wegen über. 8 Der Leichnam ist weder Person noch Sache (7 Ob 225/99k JBl 2000,
110), mithin kein Gegenstand des Verlassenschaftsverfahrens (SZ 45/133). Über die Beisetzung und sonstige Totenfürsorge kann der 502
Apathy
Erbrecht
§ 532
Erblasser wegen seines Persönlichkeitsrechtes im Rahmen der Vorschriften des öffentlichen Rechts und der guten Sitten entscheiden. Der Wille des Verstorbenen muss keineswegs schriftlich oder sonst in irgendeiner bestimmten Form erklärt worden sein; er kann auch aus den Umständen geschlossen oder hypothetisch ermittelt werden (SZ 45/133; JBl 2000, 110). Fehlt eine Anordnung, so ist der Wille der nahen Angehörigen, vor allem des überlebenden Ehegatten (SZ 27/179; SZ 45/133), ohne Rücksicht auf ihre Erbenstellung maßgebend (SZ 13/127). Gleiches gilt für das Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte (SZ 57/98; 1 Ob 341/99z SZ 73/87). Lebten die Ehegatten zuletzt getrennt oder in Streit, so kann die Beisetzung durch die vom Erblasser eingesetzte Erbin eher dem Willen des Verstorbenen entsprechen als durch die Ehegattin, selbst wenn diese an der Ehe festgehalten hat (SZ 45/133). Hat schon eine Bestattung stattgefunden, so ist einerseits zu berücksichtigen, dass es dem allgemeinen sittlichen Empfinden entspricht, die Ruhe der Toten möglichst ungestört zu lassen (SZ 13/127), andererseits ist dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen Rechnung zu tragen (JBl 2000, 110). Eine Umbettung kann daher nur aus ganz besonderen Gründen verlangt werden (SZ 45/133). Hat die Witwe der Beisetzung in der Familiengruft zugestimmt, so kann sie nicht allein die Enterdigung veranlassen, sondern bedarf der Zustimmung der übrigen über die Gruft verfügungsberechtigten Personen (SZ 27/179). Zur Obduktion bei Tod in einer öffentlichen Krankenanstalt s § 25 KAKuG. Zur Organentnahme und -transplantation s § 62a KAKuG. Erbrecht und Erbschaft § 532. Das ausschließende Recht, die ganze Verlassenschaft, oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben (z.B. die Hälfte, ein Dritteil) in Besitz zu nehmen, heißt Erbrecht. Es ist ein dingliches Recht, welches gegen einen jeden, der sich der Verlassenschaft anmaßen will, wirksam ist. Derjenige, dem das Erbrecht gebührt, wird Erbe, und die Verlassenschaft, in Beziehung auf den Erben, Erbschaft genannt. § 532 umschreibt grundlegende erbrechtliche Begriffe. Allerdings 1 versteht man heute das subjektive Erbrecht nicht als dingliches, wohl aber als ein absolutes Recht, den Nachlass oder eine Quote durch Einantwortung zu erwerben (3 Ob 320/02h SZ 2003/134; Eccher, ErbR Rz 2/1; K/W II 441). Es ist im Verlassenschaftsverfahren, danach mit der Erbschaftsklage durchsetzbar (Kletecˇka, NZ 2001, 23). Apathy
503
Erbrecht
§ 533
Vor der Einantwortung hat der Erbe weder ein Recht an den Nachlasssachen, die dem ruhenden Nachlass als juristische Person gehören (§ 547 Rz 1), noch darf er die Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen (§ 797). Entgegen 9 Ob 228/98i NZ 1999, 167) verjährt nicht nur die Erbschaftsklage, sondern auch das Erbrecht. Zur Veräußerung des Erbrechts s § 1278; zur Verpfändung s Jud, Erbschaftskauf 32 ff. 2 Der Erbe oder Miterbe ist – anders als ein Vermächtnisnehmer (§ 535)
– Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers bzw des ruhenden Nachlasses. Die Nachfolge tritt mit der Einantwortung ein (SZ 12/70; SZ 31/17; § 547 Rz 1). Titel zu dem Erbrechte § 533. Das Erbrecht gründet sich auf den nach gesetzlicher Vorschrift erklärten Willen des Erblassers; auf einen nach dem Gesetze zulässigen Erbvertrag (§ 602), oder auf das Gesetz. Lit: Apathy, Die Ersitzung „pro herede“ im österreichischen Recht, 1. FS Strasser (1983) 947.
1 Das subjektive Erbrecht (§ 532) erfordert einen Titel. Die drei Be-
rufungsgründe (Delationsgründe) des § 533 sind taxativ (6 Ob 66/01a JBl 2002, 242); daher wurde eine Erbserklärung „auf Grund des Tiroler HöfeG, als Anerbe“ vom Abhandlungsgericht zurückgewiesen (EvBl 1970/225). Zur Anerkennung formungültiger letztwilliger Verfügungen s § 601 Rz 2 und 4; zum Erbverzicht zugunsten Dritter s § 551 Rz 2. Wer keinen Titel hat, kann nicht in drei Jahren Erbschaftssachen ersitzen (Apathy, 1. FS Strasser 950). 2 Der stärkere Berufungsgrund schließt den schwächeren idR aus, insb
fällt dem Testamentserben die Erbschaft vor dem gesetzlichen Erben an, soweit nicht gemischte Erbfolge eintritt (§ 534 Rz 1). Stärkster Berufungsgrund ist der (einseitig unwiderrufliche) Erbvertrag, schwächster ist das Gesetz; dazwischen liegt das Testament. Dies ist auch für das Verfahren relevant: Ist ein formal unbedenkliches Testament vorhanden, so mussten die gesetzlichen Erben nicht verständigen werden (SZ 43/179 zu § 75 AußStrG aF); nunmehr muss ihnen der Gerichtskommissär zwar die Abschrift der Urkunde zustellen (§ 152 Abs 2 AußStrG), sie aber nicht zur Abgabe einer Erbantrittserklärung auffordern (§ 147 Abs 1 AußStrG). § 534. Die erwähnten drei Arten des Erbrechtes können auch nebeneinander bestehen, so daß einem Erben ein in Beziehung auf das 504
Apathy
Erbrecht
§ 535
Ganze bestimmter Teil aus dem letzten Willen, dem andern aus dem Vertrage, und einem dritten aus dem Gesetze gebührt. Lit: Bolla, Beiträge zur Lehre vom Zusammentreffen mehrerer Berufungsgründe im Erbrecht, ÖJZ 1947, 88; Wesener, Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit der Rezeption (1957).
Schon vor dem ABGB hat der österreichische Gesetzgeber mit dem 1 römischen Prinzip nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest (Inst. 2, 14, 5) gebrochen (Zeiller II 384 f; Wesener, Geschichte des Erbrechtes 31). Daher ist eine sog gemischte Erbfolge möglich und neben dem Berufungsgrund Erbvertrag infolge § 1253 zwingend geboten. Verfügt der Testator nicht über den ganzen Nachlass und kommt es nicht zur Anwachsung (§§ 560 ff), so werden die gesetzlichen Erben neben den Testamentserben berufen. Entgegen dem Wortlaut von § 534 sind nur die Berufungsgründe (Erbvertrag, Testament, Gesetz) verschiedene, das Erbrecht selbst bleibt immer das gleiche (Bolla, ÖJZ 1947, 89). Wäre der Testamentserbe auch gesetzlicher Erbe, so kann er die letzt- 2 willige Verfügung nicht vereiteln (§ 808). Er ist also für denselben Anteil nur durch einen Delationsgrund berufen (K/W II 454). Für verschiedene Anteile können demselben Erben verschiedene Titel zustehen; zB Erbvertrag und Testament oder Gesetz. Der Berufene kann dann für die verschiedenen Anteile unterschiedliche Erbantrittserklärungen abgeben (Eccher, ErbR Rz 2/3; K/W II 454). Unterschied zwischen Erbschaft und Vermächtnis § 535. Wird jemandem kein solcher Erbteil, der sich auf den ganzen Nachlaß bezieht; sondern nur eine einzelne Sache, eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung; eine Summe; oder ein Recht zugedacht; so heißt das Zugedachte, obschon dessen Wert den größten Teil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtnis (Legat), und derjenige, dem es hinterlassen worden, ist nicht als ein Erbe, sondern nur als ein Vermächtnisnehmer (Legatar) zu betrachten. Das ABGB übernahm die Unterscheidung des gemeinen Rechts zwi- 1 schen der Gesamtrechtsnachfolge als Erbe und der Einzelrechtsnachfolge als Legatar, doch blieb die Unterscheidung dem durchschnittlichen Erblasser fremd (Welser/R Rz 6). Vermächtnis ist eine Einzelzuwendung in einem Testament, Kodizill oder Erbvertrag zum Vorteil des Bedachten; zu gesetzlichen Vermächtnissen s § 758 (Voraus). Der Legatar hat „nur“ einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben (Damnationslegat); er haftet den Gläubigern des ErblasApathy
505
Erbrecht
§ 536
sers nicht. Ob jemand Erbe oder Legatar ist, bestimmt sich durch Auslegung der letztwilligen Verfügung (NZ 1984, 130) bzw der gesetzlichen Regelung. 2 Wenngleich der Wert des Legats den größten Teil der Verlassenschaft
ausmachen kann (§ 690), wird die Zuwendung mehr oder weniger des gesamten Vermögens vielfach als Erbeinsetzung interpretiert (SZ 44/38; 7 Ob 554/94 NZ 1994, 229; dazu auch § 553 Rz 3). Die Zuwendung einzelner Sachen, auch eines Unternehmens, ist aber im Zweifel ein Vermächtnis (JBl 1961, 187); ebenso die Zuwendung einer Geldsumme (GlU 1529), einer Liegenschaft (EvBl 1973/314), einer Sache, die dem Erblasser nicht gehört (NZ 1977, 121). 3 Vermacht der Erblasser ein ihm zustehendes Mietrecht, so geht das
Mietverhältnis nicht eo ipso auf den Legatar über. Eine Vertragsübernahme erfordert idR die Einwilligung des Vermieters (JBl 1984, 612; dazu Wilhelm, JBl 1984, 594), die auch vorweg erteilt sein kann (7 Ob 2048/96v wobl 1999, 19). Die Einwilligung des Vermieters ist entbehrlich, wenn der Legatar iSd § 14 MRG eintrittsberechtigt ist oder ihm das in den gemieteten Geschäftsräumen betriebene Unternehmen vermacht wird (SZ 61/240; § 12a MRG). Ansonsten besteht nach der Abtretung der Mietrechte an den Legatar (§ 664 Rz 1) ein sog gespaltenes Mietverhältnis; entspricht dies nicht dem Willen des Erblassers, so kann dies für eine Auslegung als Erbeinsetzung sprechen. 4 Nach § 161 AußStrG wird bei einander widersprechenden Erban-
trittserklärungen im Verlassenschaftsverfahren über das Erbrecht, nicht aber über Vermächtnisse entschieden. Schon bisher fand bei Vermächtnissen keine Verteilung der Parteirollen statt (SZ 45/81; 3 Ob 176/01f EF 100.558). Zeitpunkt des Erbanfalles § 536. Das Erbrecht tritt erst nach dem Tode des Erblassers ein. Stirbt ein vermeintlicher Erbe vor dem Erblasser; so hat er das noch nicht erlangte Erbrecht auch nicht auf seine Erben übertragen können. Lit: Eccher, Erbfolge 56 f; Fischer-Czermak, Das Erbrecht des Kindes nach artifizieller Insemination, NZ 1999, 262.
1 Vor dem Tod des Erblassers (Erbfall) hat der potentielle Erbe oder
Legatar nicht einmal ein Anwartschaftsrecht (Eccher, Erbfolge 57). 2 Erbe und Legatar müssen den Tod des Erblassers erleben, bei auf-
schiebend bedingter Einsetzung auch den Zeitpunkt des Bedingungs506
Apathy
Erbrecht
§ 537
eintritts (§ 703); zur Nacherbeneinsetzung s §§ 611 f; zur davon verschiedenen Rechtslage bei der Schenkung auf den Todesfall s § 785 Rz 2. Stirbt der Erbe zugleich mit dem Erblasser (vgl § 11 TEG; JBl 1986, 120), so beerbt er ihn nicht. Besteht eine zum Erben eingesetzte juristische Person zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, so ist der Anfall vereitelt (JBl 1949, 70). Ist der potentielle Erbe beim Tod des Erblassers gezeugt, aber noch nicht geboren, so hängt der Erbanfall von der Lebendgeburt ab (§ 22). Bis dahin ist mit der Verlassenschaftsabhandlung zuzuwarten (Eccher, ErbR Rz 2/8). Entsprechendes gilt für juristische Personen im Gründungsstadium. Zu Stiftungen s § 646. Die Erbeinsetzung eines noch nicht Gezeugten wird in eine fideikommissarische Substitution umgedeutet (3 Ob 539/94 NZ 1996, 245; 1 Ob 630/94 SZ 68/61; §§ 707–708 Rz 1). Bei (nach § 2 Abs 1 FMedG unzulässiger) künstlicher homologer In- 3 semination nach dem Tod des Samenspenders hängt das Erbrecht des lebend geborenen Kindes nach dem Samenspender von der Feststellung der Vaterschaft ab (Fischer-Czermak, NZ 1999, 263; weitergehend Eccher/S Rz 7, der die Existenz des nasciturus mit dem Zeitpunkt der Samenspende bejaht). Das Erbrecht gegenüber sonstigen Verwandten besteht nur bei Zeugung zu Lebzeiten des Erblassers (K/W II 455). § 537. Hat der Erbe den Erblasser überlebt; so geht das Erbrecht auch vor Übernahme der Erbschaft, wie andere frei vererbliche Rechte, auf seine Erben über; wenn es anders durch Entsagung, oder auf eine andere Art noch nicht erloschen war. Lit: Apathy, Heimfall und Transmission, JBl 1990, 399; Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft (1999); Swoboda, Transmission bei Heimfall hinfällig? JBl 1990, 298.
Erlebt der Erbe den Erbanfall und stirbt er vor der Einantwortung, 1 ohne dass sein Erbrecht inzwischen (zB durch Erbausschlagung) erloschen wäre, so geht das Erbrecht nach dem Vorverstorbenen auf den Erben des Erben (Transmissar) über; ebenso das Recht, ein Testament anzufechten (SZ 21/115). Dieser Vererbung des Erbrechts (Transmission; § 809: Übertragung des Erbrechts) gleichgelagerte Situationen gibt es bei Vermächtnissen und beim Pflichtteil (§ 531 Rz 1). Zur Transmission bei fideikommissarischer Substitution s § 608 Rz 3 und § 615 Rz 3. Ob der Transmittent (vererbende Erbe) noch keine Erbantrittserklä- 2 rung abgegeben hat (Transmission im engeren Sinn) oder nach der Apathy
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Erbrecht
§§ 538–539
positiven Erklärung gestorben ist (Transmission im weiteren Sinn), ist insb von Bedeutung, wenn der Erblasser einen Ersatzerben ernannt hat: Zufolge § 809 schließt ein Substitut die Transmission im engeren Sinne aus (SZ 42/93; Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 55 ff). Stirbt der Erbe erst nach Abgabe der Erbantrittserklärung, so ist nach § 615 Abs 1 die gemeine Substitution erloschen und es tritt Transmission ein. 3 Der Transmissar hat kein unmittelbares Erbrecht gegenüber dem ers-
ten Erblasser, sondern beerbt den Transmittenten (SZ 43/191). Daher muss der Transmittent gegenüber dem Erblasser, der Transmissar gegenüber dem Transmittenten erbfähig sein. Ob Erbunwürdigkeit des Transmissars gegenüber dem Erblasser eine Rolle spielt, ist nach dem Zweck der Erbunwürdigkeitsnorm zu beurteilen (Kralik, ErbR 59 f; Welser/R Rz 5). Vor Einantwortung des Transmittentennachlasses kann der Transmissar die Erbantrittserklärung zum Nachlass des Erblassers nur als Vertreter des ruhenden Nachlasses abgeben (EvBl 1967/321). 4 Stirbt der Transmittent erblos, so kommt es zu keiner Transmission
an den heimfallsberechtigten Staat, sondern die Erbschaft fällt dem nach dem Erblasser Nächstberufenen an (JB 138; EvBl 1985/164; aM Kralik, ErbR 60; Swoboda, JBl 1990, 302). Dafür spricht vor allem die Subsidiarität des Heimfallsrechts, ferner dass der Transmittent typischerweise an der Vererbung seines Erbrechts an seine Erben interessiert ist, nicht aber am Erwerb des Staates infolge des Heimfallsrechts (Apathy, JBl 1990, 400). Fähigkeit zu erben § 538. Wer ein Vermögen zu erwerben berechtigt ist, kann in der Regel auch erben. Hat jemand dem Rechte etwas zu erwerben überhaupt entsagt, oder auf eine bestimmte Erbschaft gültig Verzicht getan; so ist er dadurch des Erbrechtes überhaupt, oder des Rechtes auf eine bestimmte Erbschaft verlustig geworden. § 539. Inwiefern geistliche Gemeinden, oder deren Glieder erbfähig sind, bestimmen die politischen Vorschriften. Lit: Kletecˇ ka, Die Erbfähigkeit von Religiosen, NZ 1999, 283.
1 Erbfähigkeit ist ein Teilaspekt der Rechtsfähigkeit und kommt
grundsätzlich jeder natürlichen oder juristischen Person zu (Eccher/S Rz 1). Sie ist Voraussetzung für den Erbanfall, aber auch für Pflichtteilsansprüche und Vermächtniserwerb. Zum maßgeblichen Zeitpunkt s §§ 545, 703. 508
Apathy
Erbrecht
§ 540
Absolut erbunfähige Personen können niemanden beerben, doch sind 2 auch Ordenspersonen mit feierlichen Gelübden seit langem erbfähig (BGBl 1976/50; K/W II 456 f). Ebenso bestehen keine Beschränkungen der Erbfähigkeit kirchlicher juristischer Personen mehr (Weiß/K III 91). Relativ erbunfähige Personen sind entsprechend §§ 540 ff von der 3 Erbschaft nach bestimmten Erblassern ausgeschlossen. Zum Erbverzicht s § 551. Ursachen der Unfähigkeit § 540. Wer gegen den Erblasser eine gerichtlich strafbare Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, begangen oder seine aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern sich ergebenden Pflichten dem Erblasser gegenüber gröblich vernachlässigt hat, ist so lange des Erbrechts unwürdig, als sich nicht aus den Umständen entnehmen läßt, daß ihm der Erblasser vergeben habe. [idF BGBl 1989/656] Lit: B. Jud, § 540 ABGB – Erbunwürdigkeit und Tod des Erblassers, NZ 2006, 70; Steinwenter, Erbrechtliche Miszellen, JBl 1955, 157; Welser, Die Erbrechtsreform 1989, NZ 1990, 137.
Wer schuldhaft eine schwere Verfehlung gegen den Erblasser began- 1 gen hat, soll aus seinem Nachlass nichts erhalten. Die Erbunwürdigkeit schließt daher nicht bloß den Erbanfall und vom Vermächtnis (EvBl 1959/217; 8 Ob 1535/90 EF 66.216) aus, sondern auch vom Pflichtteilsrecht (EvBl 1957/20; SZ 57/147); sie bildet einen Enterbungsgrund (§ 770; JBl 1970, 205). Zum Anspruch auf notwendigen Unterhalt s § 795. Die Erbunwürdigkeit wirkt ipso iure; es bedarf also keines Aktes des Erblassers, doch beseitigt seine Verzeihung (Rz 4) die Erbunwürdigkeit. Über Erbunwürdigkeit war bisher im Streitverfahren zu entscheiden (SZ 37/85; 3 Ob 176/01f EF 100.801: Verjährung gemäß § 1478), nunmehr entscheidet das Abhandlungsgericht. Sie kann von jedem geltend gemacht werden, der am Wegfall des Unwürdigen ein rechtliches Interesse hat (3 Ob 176/01f EF 100.529: Nachlegatar). Beweispflichtig ist, wer Erbunwürdigkeit geltend macht (Erl 224 BlgNR 22. GP 105). Erbunwürdig ist, wer gegen den Erblasser zu dessen Lebzeiten 2 (JBl 1954, 174; aM B. Jud, NZ 2006, 74) eine gerichtlich strafbare Apathy
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Erbrecht
§ 541
Handlung gesetzt hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Es ist keine Verurteilung nötig; die Erbunwürdigkeit bleibt auch nach der Verjährung bestehen; es genügt ein Versuch der Straftat. Schuldloses Handeln macht jedoch nicht erbunwürdig: zB Tötung der Ehefrau, wenn der Täter an einer schizophrenen Psychose leidet (6 Ob 636/93 JBl 1994, 536; krit Eccher, ErbR Rz 2/14). Strafbare Handlungen gegen Angehörige des Erblassers begründen keine Erbunwürdigkeit (SZ 24/21), was jedoch vielfach kritisiert wird (Ehrenzweig, System II/2, 372; Steinwenter, JBl 1955, 159; vgl auch zum Schenkungswiderruf wegen Undanks § 948 Rz 1). 3 Die gröbliche Verletzung familienrechtlicher Pflichten zwischen
Eltern und Kindern nach §§ 140 ff gegenüber dem Erblasser macht seit 1991 (BGBl 1989/656) ebenfalls erbunwürdig. Der bisherige Enterbungsgrund (§ 769 aF) erwies sich als unzureichend, da er von testierunfähigen Kindern nicht wahrgenommen werden konnte. Die Handlung muss vorsätzlich erfolgen und eine gewichtige Pflichtverletzung darstellen (Welser, NZ 1990, 141; Eccher/S Rz 16 f; OLG Wien 12 R 1/99a EF 89.942). Die Regelung überschneidet sich mit dem Enterbungsgrund des § 768 Z 2, doch ist die Regelung des § 540 enger als jene des § 768 Z 2 zu sehen (vgl 7 Ob 505/95 NZ 1997, 243). So rechtfertigt eine grob fahrlässige Verletzung der Unterhaltspflicht zwar eine Enterbung (EF 4567; § 768 Rz 2), begründet aber keine Erbunwürdigkeit. 4 Die Verzeihung kann formlos, auch konkludent erfolgen, zB da-
durch, dass der Erblasser in Kenntnis des Erbunwürdigkeitsgrundes den Unwürdigen zum Erben einsetzt. Sie hebt die Erbunwürdigkeit unwiderruflich auf, kann aber bedingt erfolgen. Ob die erbrechtlichen Konsequenzen vom Verzeihenden gewollt sein müssen und ob er testierfähig sein muss, ist umstritten (mit Recht bejahend Kralik, ErbR 37 f; Eccher, ErbR Rz 2/18; aM Welser/R Rz 3: Willensmitteilung). § 541. Bei gesetzlicher Erbfolge sind die Nachkommen desjenigen, welcher sich des Erbrechtes unwürdig gemacht hat, an dessen Stelle zur Erbfolge berufen, wenngleich er den Erblasser überlebt hat. [idF III. TN] Lit: Ch. Rabl, Die Folgen der Enterbung für die gesetzliche Erbfolge, NZ 2003, 257; Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform (1981); ders, Das erbrechtliche Eintrittsrecht in der jüngeren Rechtsentwicklung, JBl 2004, 356.
510
Apathy
Erbrecht
§ 542
Die Nachkommen des nach §§ 540, 542 Erbunwürdigen sind an des- 1 sen Stelle zur Erbfolge berufen und erben kraft Eintrittsrechts, sofern sie auch selbst gesetzliche Erben des Verstorbenen hätten werden können (Eccher, ErbR Rz 3/9; K/W II 467: formelle Repräsentation). Daher beerben die aus erster Ehe stammenden Söhne des erbunwürdigen Gatten nicht dessen zweite Frau (NZ 1971, 26). § 541 gilt bei gesetzlicher Erbfolge; bei Enterbung gilt grundsätzlich 2 und im Zweifel § 780, so dass den Nachkommen nur der Pflichtteil zusteht (2 Ob 511/94 SZ 67/53: Enterbung der Tochter und deren Kinder). Setzt der Erblasser aber keinen Testamentserben ein oder erwirbt dieser nicht, so gebührt ihnen analog § 541 der Erbteil, sofern der Testator sie nicht von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen wollte (2 Ob 544/91 JBl 1992, 316: Enterbung eines Neffen; Zemen, Erbfolge 24 ff; anders noch SZ 43/193: Heimfall). § 542. Wer den Erblasser zur Erklärung des letzten Willens gezwungen, oder betrüglicher Weise verleitet, an der Erklärung, oder Abänderung des letzten Willens gehindert, oder einen von ihm bereits errichteten letzten Willen unterdrückt hat, ist von dem Erbrechte ausgeschlossen, und bleibt für allen einem Dritten dadurch zugefügten Schaden verantwortlich. Wer sich vorsätzlicher Verfehlungen gegen den Willen des Erblas- 1 sers schuldig macht, soll aus dem Nachlass nichts erhalten (1 Ob 175/99p EvBl 2000/12): Zwang zur Erklärung des letzten Willens (SZ 22/134); Verleitung durch Betrug; Hinderung an der Erklärung oder Abänderung des letzten Willens (JBl 1917, 201); (versuchte) Unterdrückung des Testaments (Kodizills, Erbvertrags), was abweichend von § 545 auch nach dem Erbanfall geschehen kann (EvBl 2000/12). Dann ist keine Verzeihung (§ 540 Rz 4; vgl SZ 11/42) mehr möglich (GlUNF 4407; Eccher, ErbR Rz 2/18; K/W II 458). Die Aufzählung des § 542 ist nicht taxativ; weitere Fälle: Unterschie- 2 bung oder Fälschung eines Testaments (JBl 1954, 174; SZ 57/147); jede vorsätzliche Handlung in der Absicht, den Willen des Erblassers zu vereiteln (NZ 1985, 13: Nichtaufklärung über Formerfordernisse eines Testaments; Kralik, ErbR 38: Verweigerung der Zeugenaussage gemäß § 586 aF (bzw § 597 Abs 2 nF) beim mündlichen Testament). Die Rspr verneint jedoch die Erbunwürdigkeit, wenn der Testamentsfälscher bloß den wahren Willen des Erblassers verwirklichen will (SZ 24/38; SZ 57/95; krit Kralik, ErbR 39), oder wenn er mit der Fälschung keinen Versuch der Irreführung macht (JBl 1954, 174). Apathy
511
Erbrecht
§ 543
3 Wer vorsätzlich gegen § 542 verstößt, hat überdies Dritten den zuge-
fügten Schaden zu ersetzen. Der Geschädigte muss beweisen, dass er ohne das Verhalten des Unwürdigen vom Erblasser gültig bedacht worden wäre, ebenso den Umfang der Zuwendungen (OLG Wien 17 R 278/94 EF 78.370). § 543. Personen, welche des Ehebruches, oder der Blutschande gerichtlich geständig, oder überwiesen sind, werden unter sich von dem Erbrechte aus einer Erklärung des letzten Willens ausgeschlossen. Lit: Schilcher, Erbrecht und bewegliches System, JBl 1977, 57; Welser, Die Sittenwidrigkeit des Testaments zugunsten des Ehebruchspartners, JBl 1973, 1.
1 Gerichtliche Feststellung von Ehebruch oder Blutschande (§ 211
StGB) begründet keine Erbunwürdigkeit, schließt also ein gesetzliches Erbrecht (Pflichtteilsrecht) nicht aus, sondern bewirkt Inkapazität (Eccher, ErbR Rz 2/19; K/W II 459). Nur bei freiwilligen Zuwendungen des Erblassers kommt die unsittliche Motivation, die allerdings beim (nicht mehr strafbaren) Ehebruch zunehmend bezweifelt wird, in Betracht, die das Gesetz unterbinden will. Unerheblich ist, ob die Ehe des Erblassers oder jene des Bedachten gebrochen wurde. Wegen der Bedenken gegen § 543 wird die Norm einschränkend ausgelegt (SZ 32/125), doch bleibt die Inkapazität bestehen, wenn das Testament nach der Scheidung der gebrochenen Ehe errichtet wurde (EvBl 1970/19; krit K/W II 461). Auch Vergebung des Ehebruchs durch den beleidigten Ehegatten lässt die Inkapazität bestehen (SZ 32/125). 2 Die gerichtliche Feststellung muss zu Lebzeiten des Erblassers erfol-
gen, weil dieser nicht nach seinem Tod durch Erörterungen seines Privatlebens verunglimpft werden soll (SZ 32/125; SZ 33/29). Sie hat sich darauf zu beziehen, dass der außereheliche Geschlechtsverkehr trotz Kenntnis der bestehenden Ehe erfolgt ist (SZ 42/144; EF 33.676); Feststellung in den Entscheidungsgründen genügt (SZ 33/29). Die Feststellung kann in einem Zivil- oder Strafverfahren, auch im Außerstreitverfahren, erfolgen (EvBl 1961/141; SZ 42/144). Feststellungsinteresse (§ 228 ZPO) ist grundsätzlich zu bejahen (SZ 47/36; aM K/W II 460); zu dessen Wegfall bei Geständnis des Ehebruchs s SZ 52/171. Unzureichend ist hingegen ein Vaterschaftsanerkenntnis vor dem Jugendamt (SZ 45/142) oder die Nennung des außerehelichen Vaters in einem (später zurückgezogenen) Antrag auf Unterhaltsfestsetzung (SZ 32/125). 512
Apathy
Erbrecht
§ 547
Steht einem Lebensgefährten wegen der dem Erblasser geleisteten 3 Dienste ein Entlohnungsanspruch zu, so ändert dies nichts an der Inkapazität wegen Ehebruchs (EvBl 1970/19). Wird zwischen den Ehebruchspartnern eine Ehe geschlossen und danach eine letztwillige Verfügung errichtet, so ist § 543 nicht anwendbar (SZ 28/136). § 544. Inwiefern Landeseingeborene, die ihr Vaterland oder die Kriegsdienste ohne ordentliche Erlaubnis verlassen haben, des Erbrechtes verlustig werden, bestimmen die politischen Verordnungen. Es bestehen zur Zeit keine derartigen Vorschriften.
1
Nach welchem Zeitpunkte die Fähigkeit zu beurteilen § 545. Die Erbfähigkeit kann nur nach dem Zeitpunkte des wirklichen Erbanfalles bestimmt werden. Dieser Zeitpunkt ist in der Regel der Tod des Erblassers (§ 703). § 546. Eine später erlangte Erbfähigkeit gibt kein Recht, andern das zu entziehen, was ihnen bereits rechtmäßig angefallen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erbfähigkeit ist idR der Tod des Erb- 1 lassers, doch kann auch nachher Erbunwürdigkeit eintreten (§ 542 Rz 1). Zur bedingten Erbeinsetzung s § 703. Wirkung der Annahme der Erbschaft § 547. Der Erbe stellt, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf dieselbe den Erblasser vor. Beide werden in Beziehung auf einen Dritten für eine Person gehalten. Vor der Annahme des Erben wird die Verlassenschaft so betrachtet, als wenn sie noch von dem Verstorbenen besessen würde. § 547 will Herrenlosigkeit des Nachlasses vermeiden (Weiß/K III 547) 1 und sicherstellen, dass man wisse, an wen man sich als Eigentümer eines Vermögens halten kann (Zeiller II 406). S 1 und 2 bringen die Gesamtrechtsnachfolge zum Ausdruck, doch bewirkt die Annahme der Erbschaft (Erbantrittserklärung) trotz des Wortlauts von S 1 noch nicht den Erwerb des Nachlasses durch den Erben. Dazu ist entsprechend § 797 Rechtskraft der Einantwortung nötig (4 Ob 2316/96h NZ 2000, 373; Erl 224 BlgNR 22. GP 91) oder eine erfolgreiche Erbschaftsklage (1 Ob 630/94 SZ 68/61; 3 Ob 320/02h SZ 2003/134). Bis dahin ist der ruhende Nachlass als juristische Person Rechtsträger (HS 14.593: Unternehmen) und Besitzer (GlUNF 4705). Er ist parteiApathy
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Erbrecht
§ 548
fähig, und nur er und nicht der Erbe ist aktiv (NZ 1970, 174: Kündigungsprozess; NZ 1972, 93: Darlehen) und passiv (JBl 1969, 666: Legat; JBl 1989, 172: Pflichtteil; 5 Ob 543/95 SZ 69/193: Vaterschaftsfeststellung) klagslegitimiert; zur Berichtigung verfehlter Parteibezeichnung s NZ 1986, 35; NZ 1991, 9; zur Beantragung der Anmerkung der Rangordnung auf einer Liegenschaft des Erblassers s NZ 1986, 41 Hofmeister 45. Nach der Einantwortung existiert der Nachlass nicht mehr, so dass ein nach Einantwortung an den Nachlass gerichteter und seinem Vertreter zugestellter Beschluss keine Rechtswirkungen zu entfalten vermag (VwGH ÖJZ 1983, 25). Die Bestellung eines Kurators für den nicht mehr bestehenden ruhenden Nachlass, um eine Nachlassforderung gegen den Erben einzutreiben, kommt nicht in Betracht (5 Ob 14/01x EF 96.876). 2 Zur Vertretung des ruhenden Nachlasses durch den erbserklärten
Erben s § 810; zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen Miterben s EvBl 1963/463; NZ 1991, 9. Mehrere erbserklärte Erben bilden keine Streitgenossenschaft, doch wirkt die von einem Erben erstattete Klagebeantwortung auch zugunsten der anderen (JBl 1989, 172). Die Aufsandungserklärung zur Erfüllung des vom Erblasser geschlossenen Kaufvertrags ist von allen Miterben zu unterfertigen (EvBl 1975/75). Tod des Gemeinschuldners bewirkt keine Unterbrechung des Konkursverfahrens (SZ 36/85). 3 Einzelfälle: Auch dem ruhenden Nachlass des verstorbenen Kunden
gegenüber kann sich das Kreditinstitut nicht auf das Bankgeheimnis berufen (NZ 1986, 35). Der Erbe hat das Recht auf Einsicht in die Akten des Sachwalterschaftsverfahrens betreffend den Erblasser (NZ 2000, 373). Zum Diebstahl an Nachlass-Sachen s SSt 21/96; Segelhuber, ÖJZ 1994, 480. § 548. Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt hätte, übernimmt sein Erbe. Die von dem Gesetze verhängten Geldstrafen, wozu der Verstorbene noch nicht verurteilt war, gehen nicht auf den Erben über. Lit: Probst, Die Vererblichkeit der Geldstrafe, ÖJZ 1977, 598.
1 S 1 entspricht den Grundsätzen der Gesamtrechtsnachfolge, macht
aber auch höchstpersönliche Verbindlichkeiten vererblich, wenn sie sich noch zu Lebzeiten des Erblassers vermögensrechtlich konkretisiert haben (Kralik, ErbR 13; 2 Ob 281/00p SZ 73/167). Bsp: bereits vor dem Tod fälliger Unterhaltsanspruch oder -beitrag (§ 68 EheG); rückständige (insb zugesagte oder gerichtlich geltend gemachte) Ausstattungsansprüche (SZ 27/247; oben § 531 Rz 1). 514
Apathy
Erbrecht
§ 549
§ 14 Abs 2 VStG, § 173 FinStrG, § 411 StPO sehen abweichend von 2 S 2 passive Unvererblichkeit vor (§ 531 Rz 4). Gleiches gilt für den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens (§ 389 Abs 3 StPO). Vor der Einantwortung haftet der ruhende Nachlass (§ 547 Rz 1).
3
§ 549. Zu den auf einer Erbschaft haftenden Lasten gehören auch die Kosten für das dem Gebrauche des Ortes, dem Stande und dem Vermögen des Verstorbenen angemessene Begräbnis. Lit: Mayrhofer, Überlassung des Nachlasses an Zahlungs Statt und kridamäßige Verteilung. Über den Begriff der „einfachen Bestattung“ und die Auswirkungen des Bestattungskostenzuschusses auf das Verteilungsergebnis, NZ 1992, 220.
Die angemessenen Begräbniskosten gehören zu den Erbfallsschulden 1 (Welser/R Rz 1; aM Eccher, ErbR Rz 8/2: Erblasserschulden). Sie umfassen alle Ausgaben, die nach der Sitte mit der Bestattung unmittelbar verbunden sind (6 Ob 297/98i ZVR 1999/126), insb Totenbeschau, Überführung, Sarg, Totengräberarbeit, Aufbahrung, Einsegnung, Trauergottesdienst, Begräbnis, Kränze, Feuerbestattung, Todesanzeigen und Beileiddanksagungen, Totenmahl, Begräbnisfotos (sofern ortsüblich: ZVR 1970/54; vgl 4 Ob 55/99p ecolex 1999, 766), Errichtung und erste Pflege des Grabes (SZ 28/253), Trauerkleidung, die keinen weiteren persönlichen Bedarf deckt. Anspruchsberechtigt ist, wer die Kosten getragen hat (Besteller; 2 ZVR 1975/48), oder das Bestattungsunternehmen. Der Anspruch richtet sich zunächst gegen den Nachlass, nach der 3 Einantwortung gegen den bzw die Erben (SZ 44/95). Subsidiär haften die Unterhaltspflichtigen (EvBl 1966/90), wobei die Eltern die Kosten zu gleichen Teilen zu tragen haben (4 Ob 204/99z NZ 2000, 87: auch wenn ein Elternteil Naturalunterhalt, der andere Geldunterhalt geleistet hatte). Wer zB nach § 1327 haftet, hat vorrangig für die Kosten aufzukommen (SZ 44/168; ZVR 1975/48; Apathy, EKHG § 12 Rz 4). Die Angemessenheit der Begräbniskosten bemisst sich vor allem nach 4 dem Vermögen des Erblassers (JBl 1965, 423: Gruft samt Gruftdenkmal; SZ 44/168); auch für die Trauerkleidung kommt es auf die Vermögensverhältnisse des Toten, nicht auf die der Trauernden an (ZVR 1999/126). Bei Unmündigen sind Stand und Vermögen der Eltern maßgebend (vgl EvBl 1969/199). Im Nachlasskonkurs sind die Kosten einer „einfachen Bestattung“ 5 Masseforderungen (§ 46 Abs 1 Z 7 KO; SZ 59/41: einfacher, ortsApathy
515
Erbrecht
§ 550
üblicher Grabstein). Diese einfache Bestattung entspricht unter den vorliegenden Umständen der angemessenen iSv § 549 (SZ 59/41; 6 Ob 309/98d EF 88.651; Eccher/S Rz 5; aM Welser/R Rz 1). Bei Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt (§ 154 AußStrG) ist § 46 KO sinngemäß anzuwenden, was schon der bisherigen Beurteilung entsprach (SZ 59/41; ecolex 1999, 766). § 550. Mehrere Erben werden in Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechtes für eine Person angesehen. Sie stehen in dieser Eigenschaft vor der gerichtlichen Übergabe (Einantwortung) der Erbschaft alle für einen und einer für alle. Inwiefern sie nach der erfolgten Übergabe zu haften haben, wird in dem Hauptstücke von der Besitznehmung der Erbschaft bestimmt. Lit: M. Gruber, Erbteilungsübereinkommen und Testament, FS Welser (2004) 239; Jud, Erbschaftskauf, insb 128 ff; Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft 112 f.
1 Miterben bilden unabhängig vom Berufungsgrund ex lege eine Ge-
meinschaft (communio incidens) iSd §§ 825 ff, die sich vor der Einantwortung auf das Erbrecht, danach (bis zur Teilung: 6 Ob 599/94 HS XXV/7) auf die einzelnen Nachlass-Sachen bezieht (7 Ob 525/90 SZ 63/30; 5 Ob 7/99m NZ 2000, 88). Die Anteile richten sich nach den Erbteilen (HS 25.370). Zur Nachlassverwaltung s § 810; zur Fortführung eines Einzelunternehmens durch mehrere Erben s 6 Ob 718/89 wbl 1990, 277. Teilbare Nachlassforderungen zerfallen mit der Einantwortung in selbständige Teilforderungen (5 Ob 112/98a Miet 50.381: Kondiktionsanspruch eines verstorbenen Mieters); unteilbare Nachlassforderungen werden hingegen zu Gesamthandforderungen (§§ 888 ff; HS XXV/7). 2 Trotz S 2 trifft die Erben vor der Einantwortung keine persönliche
Haftung (EvBl 1989/66; Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft 112 f); vielmehr haftet der ruhende Nachlass (§ 547 Rz 1), und zwar auch bei unbedingter Erbantrittserklärung (SZ 33/100). Zu dessen Vertretung s § 810, zur Haftung der Erben nach Einantwortung s §§ 801 f. 3 Die Erbteilung kann vor oder nach der Einantwortung durch ein
(gerichtlich oder außergerichtlich getroffenes) Übereinkommen aller Miterben (§ 181 AußStrG; unten Rz 4; Jud, Erbschaftskauf 128 ff) oder durch Teilungsklage erfolgen. Hingegen kann ein Miterbe den anderen nicht auf Herausgabe verheimlichter Nachlassgegenstände klagen (SZ 63/30). 516
Apathy
Erbrecht
§ 551
In einem Erbteilungsübereinkommen können Miterben ihre Rechts- 4 beziehungen, soweit nicht in Rechte dritter Personen eingegriffen wird, nach ihrem Gutdünken regeln (1 Ob 623/93 EvBl 1994/155). Sie sind dabei weder an Erbteilungsanordnungen des Erblassers noch an dessen Teilungsverbote gebunden. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Erben richten sich in einem solchen Fall nach der rechtsgeschäftlichen Auslegung des Erbteilungsübereinkommens, nicht nach dem Willen des Erblassers, auch wenn die Formulierung im Testament mit der im Erbteilungsübereinkommen übereinstimmt (NZ 1990, 257). Zur Anfechtung eines Erbteilungsübereinkommens wegen Irrtums s EvBl 1994/155. Zur Beurteilung als Rechtsgeschäft von Todes wegen s 4 Ob 105/98i EvBl 1998/155; Jud, Erbschaftskauf 132, 137 f. Verzicht auf das Erbrecht § 551. Wer über sein Erbrecht gültig verfügen kann, ist auch befugt, durch Vertrag mit dem Erblasser im voraus darauf Verzicht zu tun. Der Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsaktes oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll. Eine solche Verzichtleistung wirkt, wenn nichts anderes vereinbart ist, auch auf die Nachkommen. [idF III. TN] Lit: Eccher, Erbfolge 143 ff, 171 ff; Hofmann-Wellenhof, Erbverzicht und Ausschlagung der Erbschaft aus zivilrechtlicher Sicht, NZ 1984, 17; Jud, Erbschaftskauf, insb 96 ff; Koziol, Gläubigeranfechtung bei Unterlassung der Geltendmachung des Pflichtteils und bei Erbverzicht, JBl 1974, 402; Ch. Rabl, Die Stellvertretung beim Erbverzicht, NZ 2002, 105; Umlauft, Anrechnung 288 ff; Welser, Erbverzicht und Schenkung auf den Todesfall, NZ 1991, 84; Zankl, Der Erbverzicht zum Nachteil minderjähriger Nachkommen, NZ 1990, 5; ders, Vorausvermächtnis 155 ff; Zemen, Zu den Wirkungen des Erbverzichtes auf die Nachkommen, JBl 1990, 500; ders, Das erbrechtliche Eintrittsrecht in der jüngeren Rechtsentwicklung, JBl 2004, 356.
Der Verzicht auf das künftige Erbrecht, also auf die Anwartschaft 1 (VwGH VwSlg 6690 F), ebenso auf den Pflichtteil (EvBl 1972/269) oder ein Vermächtnis (LGZ Wien 43 R 188/00s EF 93.288; zB nach § 758), kann nur durch einen Vertrag zwischen dem potentiell Berechtigten und dem Erblasser in Form des Notariatsaktes oder des gerichtlichen Protokolls erfolgen. Der Verzichtende, aber auch der Erblasser kann sich vertreten lassen (SZ 18/51; Ch. Rabl, NZ 2002, 108; Eccher/S Rz 7). Man kann auf alle oder auf bestimmte Berufungsgründe verzichten (SZ 52/58: Erbvertrag; NZ 1987, 70; zum Verzicht Apathy
517
Erbrecht
§ 551
auf das Anerbenrecht s 6 Ob 260/97x SZ 70/211); am wichtigsten sind der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht, der im Zweifel auch einen Pflichtteilsverzicht einschließt (§ 767), und der bloße Pflichtteilsverzicht. Ein Erb- und Pflichtteilsverzicht erfasst idR auch das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 (7 Ob 2303/96v NZ 1997, 291 Zankl). Verzichtsverträge, die mit anderen Personen als dem Erblasser geschlossen werden, sind nichtig (§ 879 Abs 2 Z 3). Die einvernehmliche Aufhebung des Verzichts (JBl 1966, 616: einverständlicher Widerruf) bedarf keiner besonderen Form (SZ 22/199). Die Auslegung des Verzichts erfolgt nach §§ 914 f (EF 54.122), wobei es nicht nur auf die schriftliche Erklärung ankommt (7 Ob 631/90 JBl 1991, 726: mündlich vereinbarte Bedingung). Zur Erbausschlagung s § 805. 2 Der Erbverzicht bewirkt keine Erbunfähigkeit und schließt daher
den Erwerb als Legatar nicht aus (JBl 1966, 616; 6 Ob 273/02v NZ 2004, 23; vgl § 538). Vielmehr beseitigt er den Berufungsgrund, so dass die Erbschaft nicht dem Verzichtenden, sondern dem nächstberufenen Erben anfällt. Ein „Verzicht zugunsten eines Dritten“ verschafft diesem keinen neuen Berufungsgrund (§ 533 Rz 1). Der Dritte wird nur insofern begünstigt, als er auf Grund seines eigenen Berufungsgrundes etwas oder mehr erhält. Allerdings ist ein Verzicht unter der Bedingung möglich, dass eine bestimmte Person die Erbschaft erlangt (JBl 1991, 726). Dies ist im Zweifel anzunehmen, wenn der Vertrag keine Abfindung vorsieht und der Begünstigte darin genannt ist. 3 Erbverzicht gegen Abfindung bildet ein geeignetes Mittel für eine
vorweggenommene, einverständliche Erbfolgeregelung (Eccher, ErbR Rz 2/27; EF 54.122). Er eröffnet weite Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Umfangs (zB Beschränkung auf bestimmte Berufungsgründe oder Vermögensbestandteile wie etwa Unternehmen; SZ 46/117: Verzicht auf Teil des Pflichtteilsrechts). Ein Pflichtteilsverzicht hat insb den Zweck, dem Erblasser die Möglichkeit unbeschränkter letztwilliger Verfügung zu verschaffen, schließt aber nicht aus, dass er von der dadurch erlangten Freiheit keinen Gebrauch macht (EF 54.122; NZ 2004, 23). Daher schließt der Pflichtteilsverzicht im Zweifel keinen Erbverzicht ein (K/W II 464). Der Verzicht gegen Abfindung ist zwischen den Vertragspartnern ein entgeltlicher Glücksvertrag (Eccher, ErbR Rz 2/27; aM Kralik, ErbR 45; vgl 5 Ob 123/01a SZ 74/98); die Abfindung ist aber zugleich Vorempfang iSd §§ 788 f (Umlauft, Anrechnung 293 ff). Der Verzicht ohne Abfindung erfolgt unentgeltlich (NZ 1974, 155, aber die Anfechtung wegen Motivirrtums verneinend; dagegen mit Recht Welser, NZ 1991, 85; vgl auch Hirtzberger, RdW 2004, 450). 518
Apathy
Letzter Wille
§ 552
Ohne abweichende Vereinbarung wirkt der Verzicht entsprechend 4 dem Grundsatz der materiellen Repräsentation auch zu Lasten der Nachkommen des Verzichtenden, und zwar auch dann, wenn minderjährige Kinder betroffen sind (5 Ob 512/90 SZ 63/10). Es soll nicht der Stamm des Verzichtenden die Abfindung und die Erbschaft erhalten; bei Erbverzicht ohne Abfindung ist S 3 allerdings problematisch. Werden die Nachkommen von der Wirkung des Erbverzichts ausgenommen, so müssen sie sich eine Abfindung anrechnen lassen (Eccher, ErbR Rz 2/31). S 3 ist in den Fällen der Ausschlagung einer Erbschaft nicht analog anzuwenden (SZ 55/165; K/W II 571; vgl Eccher, ErbR Rz 2/36). Der Erbverzicht unterliegt nicht der Gläubigeranfechtung, weil 5 sonst in die Testierfreiheit eingegriffen würde (Koziol/Bollenberger in Buchegger, Insolvenzrecht I § 36 KO Rz 6). Der Pflichtteilsverzicht ist hingegen dann unanfechtbar, wenn der Erblasser den Pflichtteil insb nach § 773 hätte entziehen können (2 Ob 505/95 SZ 68/40).
Neuntes Hauptstück Von der Erklärung des letzten Willens überhaupt und den Testamenten insbesondere Erklärung des letzten Willens § 552. Die Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Teil desselben einer oder mehrern Personen widerruflich auf den Todesfall überläßt, heißt eine Erklärung des letzten Willens. Lit: Zankl, Culpa in testando bei Widerruf und Formungültigkeit letztwilliger Verfügungen, NZ 1995, 265.
Unbeschadet des Pflichtteilsrechts naher Angehöriger hat der Erb- 1 lasser das unverzichtbare höchstpersönliche Recht, durch seine Erklärung des letzten Willens (oder einen Erbvertrag) über seinen Nachlass zu verfügen (Testierfreiheit) und von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Dispositionen über sein Vermögen zu treffen. Die letztwillige Verfügung ist eine einseitige förmliche, aber nicht empfangsbedürftige Willenserklärung des Testators. Je nach ihrem Inhalt kann es sich um ein Testament oder Kodizill (§ 553), aber auch um eine letztwillige Stiftungserklärung (§§ 8, 39 PSG) handeln. Auch der Widerruf erfolgt durch eine letztwillige Verfügung (§ 717 Rz 1). Zur letztwilligen Verfügung über einen Anspruch aus einer LebensverApathy
519
Letzter Wille
§ 552
Ohne abweichende Vereinbarung wirkt der Verzicht entsprechend 4 dem Grundsatz der materiellen Repräsentation auch zu Lasten der Nachkommen des Verzichtenden, und zwar auch dann, wenn minderjährige Kinder betroffen sind (5 Ob 512/90 SZ 63/10). Es soll nicht der Stamm des Verzichtenden die Abfindung und die Erbschaft erhalten; bei Erbverzicht ohne Abfindung ist S 3 allerdings problematisch. Werden die Nachkommen von der Wirkung des Erbverzichts ausgenommen, so müssen sie sich eine Abfindung anrechnen lassen (Eccher, ErbR Rz 2/31). S 3 ist in den Fällen der Ausschlagung einer Erbschaft nicht analog anzuwenden (SZ 55/165; K/W II 571; vgl Eccher, ErbR Rz 2/36). Der Erbverzicht unterliegt nicht der Gläubigeranfechtung, weil 5 sonst in die Testierfreiheit eingegriffen würde (Koziol/Bollenberger in Buchegger, Insolvenzrecht I § 36 KO Rz 6). Der Pflichtteilsverzicht ist hingegen dann unanfechtbar, wenn der Erblasser den Pflichtteil insb nach § 773 hätte entziehen können (2 Ob 505/95 SZ 68/40).
Neuntes Hauptstück Von der Erklärung des letzten Willens überhaupt und den Testamenten insbesondere Erklärung des letzten Willens § 552. Die Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Teil desselben einer oder mehrern Personen widerruflich auf den Todesfall überläßt, heißt eine Erklärung des letzten Willens. Lit: Zankl, Culpa in testando bei Widerruf und Formungültigkeit letztwilliger Verfügungen, NZ 1995, 265.
Unbeschadet des Pflichtteilsrechts naher Angehöriger hat der Erb- 1 lasser das unverzichtbare höchstpersönliche Recht, durch seine Erklärung des letzten Willens (oder einen Erbvertrag) über seinen Nachlass zu verfügen (Testierfreiheit) und von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Dispositionen über sein Vermögen zu treffen. Die letztwillige Verfügung ist eine einseitige förmliche, aber nicht empfangsbedürftige Willenserklärung des Testators. Je nach ihrem Inhalt kann es sich um ein Testament oder Kodizill (§ 553), aber auch um eine letztwillige Stiftungserklärung (§§ 8, 39 PSG) handeln. Auch der Widerruf erfolgt durch eine letztwillige Verfügung (§ 717 Rz 1). Zur letztwilligen Verfügung über einen Anspruch aus einer LebensverApathy
519
Letzter Wille
§ 553
sicherung s SZ 57/73; 7 Ob 622/95 JBl 1997, 46 Eccher; ferner oben § 531 Rz 5. Die letztwillige Verfügung belässt dem Testator die Verfügungsfreiheit über sein Vermögen bis zu seinem Tod (Eccher, ErbR Rz 4/1). 2 Letztwillige Verfügungen sind auf Grund der Testierfreiheit jederzeit
frei widerruflich (10 Ob 66/99z SZ 72/179; s auch § 716), doch können den Testator Informationspflichten treffen (Zankl, NZ 1995, 266 ff; Eccher, ErbR Rz 4/63; Welser/R Vor § 713 Rz 2a). Ein Übergabsvertrag ist verbindlich und steht daher einer letztwilligen Verfügung nicht gleich (1 Ob 510/96 SZ 69/58); ebenso die unwiderrufliche Schenkung auf den Todesfall (§ 956 S 2; s auch § 785 Rz 2). Eine Zusage, jemanden zB für seine Dienstleistungen letztwillig zu bedenken, ist unverbindlich (SZ 49/136). 3 Zur Auslegung letztwilliger Verfügungen s § 565 Rz 4 ff.
Erfordernisse: I. Innere Form § 553. Wird in einer letzten Anordnung ein Erbe eingesetzt, so heißt sie Testament; enthält sie aber nur andere Verfügungen, so heißt sie Kodizill. 1 Die Unterscheidung zwischen Testament und Kodizill als Arten
letztwilliger Verfügungen ist insb beim Widerruf von praktischer Bedeutung (§§ 713 f; s auch § 535 Rz 4); ansonsten gelten in Hinblick auf Form und Auslegung die gleichen Regeln (6 Ob 23/00a NZ 2001, 305). 2 Ein Sonderfall des Kodizills ist das negative Testament, das keine
Erbeinsetzung, aber einen Ausschluss des (der) gesetzlichen Erben von der Erbfolge enthält (SZ 62/131: unwirksame Erbeinsetzung). Ob dieser Ausschluss auch dann wirksam sein soll, wenn die Erbeinsetzung unwirksam ist, ist eine Auslegungsfrage; droht der Nachlass erblos zu werden, so müssen nach SZ 33/29 beweiskräftige Umstände dafür vorliegen, dass der Erblasser die gesetzlichen Erben jedenfalls ausschließen wollte. Die Beschränkung auf den Pflichtteil schließt nur dann die Nachkommen des Enterbten vom gesetzlichen Erbrecht aus, wenn dies der Erblasser angeordnet hat (SZ 21/147; vgl auch SZ 13/239; §§ 733–734 Rz 2). 3 Ob eine letztwillige Verfügung als Testament oder als Kodizill zu
verstehen ist, ist eine Auslegungsfrage (NZ 1989, 266; 7 Ob 554/94 NZ 1994, 229; § 535 Rz 2); sie war im Erbrechtsstreit zu klären, wobei dem gesetzlichen Erben die Klägerrolle zukam (NZ 1990, 175; 9 Ob 520
Apathy
Letzter Wille
§ 555
60/00i EF 95.127); nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht (§ 161 AußStrG). Im Zweifel ist eine letztwillige Verfügung, die ihrem Inhalt nach die Auslegung als Testament zulässt, solange als solches zu behandeln, bis vom Bestreitenden erwiesen wird, dass der Testator keine Erbeinsetzung gewollt hat (NZ 1994, 229; 10 Ob 66/99z SZ 72/179). Die Bezeichnung einer letztwilligen Verfügung als Testament kann ein Indiz für die Einsetzung als Erbe sein, insb wenn der Testator rechtskundig beraten wurde; ebenso wenn dem Bedachten eine Liegenschaft „vererbt“ wird, die den größten Teil der Verlassenschaft ausmacht (SZ 72/179). Verfügt die Erblasserin in ihrer als Testament deklarierten letztwilligen Verfügung ausdrücklich über das gesamte Vermögen und beschränkt sie allfällige gesetzliche Erben auf ein geringfügiges Barlegat, so kann man dies als Erbeinsetzung derer beurteilen, denen der Nachlass hauptsächlich zugedacht ist, obwohl deren Erbeinsetzung nicht explizit anordnet ist (NZ 1990, 175). Zuteilung der Erbschaft: a) wenn nur ein Erbe; § 554. Hat der Erblasser einen einzigen Erben, ohne ihn auf einen Teil der Verlassenschaft zu beschränken, unbestimmt eingesetzt; so erhält er den ganzen Nachlaß. Ist aber dem einzigen Erben nur ein in Beziehung auf das Ganze bestimmter Erbteil ausgemessen worden; so fallen die übrigen Teile den gesetzlichen Erben zu. Für Zweifelsfälle enthalten die §§ 554 ff Auslegungsregeln für die 1 Erbeinsetzung. Voraussetzung ist, dass der Erblasser überhaupt eine Erbeinsetzung gewollt hat (Kralik, ErbR 173). Wer einen von §§ 554 ff abweichenden Willen des Erblassers behauptet, muss den Gegenbeweis führen. Bei unbestimmter Erbeinsetzung schließt S 1 die gesetzliche Erbfolge 2 aus. Bei bestimmter Erbeinsetzung erbt der Testamentserbe neben dem gesetzlichen Erben (§ 534). Ist der bestimmt eingesetzte Erbe auch gesetzlicher Erbe, so kann er auch als solcher erben, sofern der Erblasser keine Beschränkung anordnen wollte. b) wenn mehrere ohne Teilung; § 555. Sind ohne Vorschrift einer Teilung mehrere Erben eingesetzt worden, so teilen sie zu gleichen Teilen. Dieser an § 839 S 2 orientierten Auslegungsregel zufolge trifft den 1 Miterben, der einen größeren Anteil als die anderen beansprucht oder Apathy
521
Letzter Wille
§ 556
gar behauptet, Alleinerbe zu sein (SZ 27/142), im Erbrechtsstreit als Kläger die Beweislast. § 555 gilt auch für eine Nacherbeneinsetzung (EvBl 1988/117). c) wenn alle in bestimmten Teilen; § 556. Sind mehrere Erben und zwar alle in bestimmten Erbteilen, die aber das Ganze nicht erschöpfen, eingesetzt worden, so fallen die übrigen Teile den gesetzlichen Erben zu. Hat aber der Erblasser die Erben zum ganzen Nachlasse berufen; so haben die gesetzlichen Erben keinen Anspruch, obschon er in der Berechnung der Beträge, oder in der Aufzählung der Erbstücke etwas übergangen hätte. 1 Mehrere auf bestimmte Quoten oder gemeinsam auf eine Quote ein-
gesetzte Erben (Welser/R Rz 2) teilen entsprechend § 554 S 2 mit den gesetzlichen Erben, wenn der Erblasser nicht über den ganzen Nachlass verfügt hat. 2 Wollte hingegen der Erblasser über den ganzen Nachlass verfügen,
hat er sich aber zB verrechnet, so schließt S 2 die gesetzlichen Erben aus. Die Quoten der Testamentserben erhöhen sich proportional (Weiß/K III 238; aM Kralik, ErbR 174: Verteilung nach Köpfen). d) wenn einige mit Teilen, andere ohne Teile eingesetzt sind § 557. Wird unter mehrern eingesetzten Erben einigen ein bestimmter Teil (z.B. ein Dritteil, ein Sechsteil), andern aber nichts Bestimmtes ausgemessen; so erhalten diese den übrigen Nachlaß zu gleichen Teilen. § 558. Bleibt nichts übrig, so muß von sämtlichen bestimmten Teilen für den unbestimmt eingesetzten Erben verhältnismäßig so viel abgezogen werden, daß er einen gleichen Anteil mit demjenigen erhalte, der am geringsten bedacht worden ist. Sind die Teile der Erben gleich groß, so haben sie an den unbestimmt eingesetzten Erben so viel abzugeben, daß er einen gleichen Anteil mit ihnen empfange. In allen andern Fällen, wo ein Erblasser sich verrechnet hat, ist die Teilung auf eine Art vorzunehmen, wodurch der Wille des Erblassers nach den über das Ganze erklärten Verhältnissen auf das möglichste erfüllt wird. 1 Bei gemischter Erbeinsetzung (bestimmte und unbestimmte Einset-
zung) erhalten die unbestimmt Eingesetzten entsprechend § 555 den restlichen Nachlass zu gleichen Teilen (§ 557). 522
Apathy
Letzter Wille
§ 559
§ 558 betrifft Rechenfehler. Erschöpft die Einsetzung eines oder 2 mehrerer Erben den ganzen Nachlass, so werden die Anteile der bestimmt eingesetzten Personen gekürzt, damit der (die) unbestimmt Eingesetzte(n) den gleichen Anteil bzw den gleichen Anteil wie der am geringsten Bedachte erhält. Nach S 3 ist bei anderen Rechenfehlern die Teilung nach dem Erblasserwillen vorzunehmen. Welche Erben als eine Person betrachtet werden § 559. Treffen unter den eingesetzten Erben solche Personen zusammen, wovon einige bei der gesetzlichen Erbfolge gegen die übrigen als eine Person angesehen werden müssen (z.B. die Bruderskinder gegen den Bruder des Erblassers); so werden sie auch bei der Teilung aus dem Testamente nur als eine Person betrachtet. Ein Körper, eine Gemeinde, eine Versammlung (z.B. die Armen) werden immer nur für eine Person gerechnet. S 1 ändert die Auslegungsregeln der §§ 555, 557 bei Einsetzung meh- 1 rerer Erben zu unbestimmten Quoten, wenn die Bedachten gesetzliche Erben des Testators sind (GlU 741: Einsetzung der [nächsten] Verwandten). Entsprechend dem gesetzlichen Erbrecht teilen sie nicht nach Köpfen (§ 555), sondern nach Stämmen. Setzt zB der Erblasser die Kinder seines Bruders und seiner Schwester zu Erben ein, so erben die Kinder des Bruders und die Kinder der Schwester je die Hälfte, sofern die Auslegung nicht ergibt, dass der Testator alle in gleicher Weise bedenken wollte (GlUNF 2146; Kralik, ErbR 174; ebenso bei Einsetzung der „Erben“ GlU 2884). Werden von einem Stamm nicht alle Personen eingesetzt, so ist S 1 nach Ehrenzweig, System II/2, 420 nicht anwendbar, was jedoch nicht überzeugt (Kralik, ErbR 175). S 1 versagt, wenn es sich um Verwandte verschiedener Parentelen handelt (Kralik, ErbR 175: Bruder und Kinder des Erblassers), nicht aber wenn der Erblasser seine Gattin und seine Kinder zu unbestimmten Teilen einsetzt. Die Gattin erbt dann die Hälfte (Kralik, ErbR 175; aM Weiß/K III 234: gesetzliche Erbquote). S 2 betrifft juristische Personen und Personenmehrheiten, zB die 2 Gemeindearmen (SZ 23/285: Erbserklärung der Bezirksverwaltungsbehörde); die Krebsforschung (Ziehensack, RZ 1999, 263). Sie werden (im Verhältnis zu anderen Eingesetzten) als eine Person angesehen. Werden die nicht näher konkretisierten Bedachten von verschiedenen Einrichtungen repräsentiert, so teilen diese (Weiß/K III 244; Welser/R Rz 3). Apathy
523
Letzter Wille
§§ 560–562 Recht des Zuwachses
§ 560. Wenn alle Erben ohne Bestimmung der Teile, oder in dem allgemeinen Ausdrucke einer gleichen Teilung zur Erbschaft berufen werden, und es kann, oder will einer der Erben von seinem Erbrechte keinen Gebrauch machen; so wächst der erledigte Teil den übrigen eingesetzten Erben zu. § 561. Sind ein oder mehrere Erben mit, ein anderer oder mehrere ohne Bestimmung des Erbteiles eingesetzt; so wächst der erledigte Teil nur dem einzelnen, oder den mehrern noch übrigen, unbestimmt eingesetzten Erben zu. § 562. Einem bestimmt eingesetzten Erben gebührt in keinem Falle das Zuwachsrecht. Wenn also kein unbestimmt eingesetzter Erbe übrig ist; so fällt ein erledigter Erbteil nicht einem noch übrigen, für einen bestimmten Teil eingesetzten, sondern dem gesetzlichen Erben zu. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft (1999); Welser, Einsetzung auf bestimmte Teile und gesetzliches Erbrecht, NZ 1997, 345.
1 Die §§ 560 ff enthalten Auslegungsregeln für den Fall, dass ein ab-
weichender Wille des Erblassers nicht nachgewiesen werden kann (4 Ob 88/97p SZ 70/70). Ein solcher Nachweis hatte bislang im streitigen Verfahren zu erfolgen, sofern einander widersprechende Erbserklärungen abgegeben wurden (9 Ob 55/01f NZ 2001, 383); nunmehr entscheidet das Abhandlungsgericht (§ 161 AußStrG). 2 Werden Erben ohne Bestimmung der Teile oder zu gleichen Teilen
eingesetzt, und ist einer vorverstorben, erbunfähig, erbunwürdig, ist seine Einsetzung unwirksam (SZ 57/157), schlägt er aus oder hat er verzichtet (§ 551), so wächst sein Anteil den anderen zu (Anwachsung, Akkreszenz). Entsprechendes sieht § 689 für Mitlegatare vor. Die Anwachsung tritt ipso iure ein und erfordert keine neue Erbantrittserklärung (8 Ob 619/91 JBl 1992, 385). Der Anwachsungsberechtigte hat aber das Recht, den Zuwachs auszuschlagen (K/W II 526). 3 Ersatzerbschaft und Transmission gehen der Anwachsung vor
(EF 63.052: § 779 Abs 1; vgl JBl 1986, 120). Ist der Nacherbe hingegen für alle Vorerben berufen, so kann Anwachsung vorgehen (SZ 42/22; Weiß/K III 362; Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 76 f). 4 Keine Einsetzung zu gleichen Teilen iSd § 560, sondern eine solche zu
bestimmten Teilen liegt vor, wenn der Testator zB seine Geschwister zu je 1/3 Anteilen einsetzt (JBl 1992, 385). In diesem Fall fällt der vom Testamentserben nicht geerbte Anteil an die gesetzlichen Erben 524
Apathy
Letzter Wille
§ 564
(SZ 57/157; NZ 2001, 383), auch an solche, die im Testament auf bestimmte Quoten eingesetzt sind (SZ 70/70). Da dem Erblasser vielfach die Bedeutung seiner Wortwahl im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen nach § 560 und § 562 nicht bewusst ist, gilt es im Einzelfall zu ermitteln, ob der Erblasser den bestimmt zugewendeten Anteil wirklich als Höchstanteil gewollt hat (vgl SZ 70/70). Bei gemischter Einsetzung tritt Anwachsung nur zugunsten der unbestimmt Eingesetzten ein, auch wenn ein bestimmt Eingesetzter nicht erwirbt. § 563. Wer den erledigten Erbteil erhält, übernimmt auch die damit verknüpften Lasten, insofern sie nicht auf persönliche Handlungen des eingesetzten Erben eingeschränkt sind. Der Erbe, der die Anwachsung nicht ausschlägt (§§ 560–562 Rz 2), 1 muss die damit (anteilig) verbundenen Belastungen übernehmen: Legate, Auflagen, Substitution, Anrechnung von Vorempfängen. Zu Bedingungen s § 702. § 564. Der Erblasser muß den Erben selbst einsetzen; er kann dessen Ernennung nicht dem Ausspruche eines Dritten überlassen. Lit: Kletecˇ ka, Die materielle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen, JBl 1999, 277.
Geschäfte von Todes wegen sind höchstpersönliche Rechtsgeschäfte 1 (§ 552 Rz 1), die weder im Wege der Stellvertretung noch der Beauftragung zulassen, dass ein Dritter den Erben ernennt (Kralik, ErbR 91 ff). Überlässt der Testator einem Dritten, die Anteile mehrerer von ihm eingesetzter Erben zu bestimmen, so erben sie gemäß § 555 zu gleichen Teilen (GlU 12.366). Abgeschwächt ist der Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit im Vermächtnisrecht (§ 651; Kletecˇka, JBl 1999, 285). Der selbst unentschlossene Erblasser soll die Entscheidung nicht 2 Dritten überlassen, auch nicht dem Richter (GlU 13.067). Allerdings kann er auch künftige Personen bedenken (§ 612) oder solche, die erst im Zeitpunkt des Todes feststehen (EvBl 1980/59: wer den Erblasser vor dem Tod pflegt) oder sich um das Begräbnis kümmern (SZ 58/179). Auch die Benennung von Erben unter einer Bedingung, deren Eintritt vom Verhalten Dritter abhängt, ist wirksam, wenn die Dritten nicht willkürlich über die Erbseinsetzung entscheiden (K/W II 489). § 564 gilt auch für die Bestimmung des Nacherben; der Testator kann 3 sie nicht dem Vorerben überlassen (SZ 60/225; 1 Ob 90/01v EF 96.881). Apathy
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Letzter Wille
§ 565
Die Rspr deutete solche Anordnungen in Auflagen um, die dem Begünstigten kein Recht verschaffen (10 Ob 1517/93 NZ 1994, 115; Eccher/S § 608 Rz 3; krit K/W II 517), sieht aber zuletzt die Auflage als ungültig an (10 Ob 14/04p SZ 2005/79). Kletecˇka, JBl 1999, 288 ff, spricht sich für die Konversion in ein Nachlegat aus, wenn die Voraussetzung des § 651 erfüllt ist (begrenzter Personenkreis) und die Umdeutung am ehesten dem Erblasserwillen entspricht. Die Erklärung muß überlegt, bestimmt und frei sein § 565. Der Wille des Erblassers muß bestimmt, nicht durch bloße Bejahung eines ihm gemachten Vorschlages; er muß im Zustande der vollen Besonnenheit, mit Überlegung und Ernst, frei von Zwang, Betrug, und wesentlichem Irrtume erklärt werden. Lit: B. Jud, Testierabsicht, Form und Konversion, NZ 2001, 10; Schilcher, Erbrecht und bewegliches System, JBl 1977, 57; Stagl, Der Wortlaut als Grenze der Auslegung von Testamenten 2 (2005); Welser/Ch. Rabl, Der Fall Klimt (2005).
1 Bei jeder Art (Form) von letztwilliger Verfügung muss die Erklä-
rung vom Erblasser höchstpersönlich stammen (§ 564 Rz 1) und darf daher nicht bloß in der Bejahung eines fremden Vorschlags bestehen. Es muss also der Inhalt der Erklärung vom Testator ausgehen (EvBl 1963/374; SZ 39/20). Ob eine vom Erblasser herrührende Urkunde als letztwillige Verfügung anzusehen ist, muss von demjenigen nachgewiesen werden, der aus dieser Urkunde Rechte ableitet (10 Ob 66/99z SZ 72/179). 2 Letztwillige Verfügungen sind einseitige Rechtsgeschäfte (§ 552 Rz 1)
und erfordern daher einen Rechtsfolgewillen, den Testierwillen; diesen muss der Erblasser deutlich zum Ausdruck bringen (SZ 62/60). Der Gebrauch bestimmter Ausdrücke ist nicht erforderlich; auch die Formulierung als Bitte schließt eine letztwillige Verfügung nicht aus (10 Ob 2335/96x SZ 69/247). Der Testierwille braucht in der Erklärung selbst nicht zum Ausdruck zu kommen (2 Ob 308/01k NZ 2003, 308 B. Jud; B. Jud, NZ 2001, 17 mit Hinweis auf § 956 S 1). Es muss nur klar hervorkommen, dass über das Schicksal des Vermögens oder einzelner Vermögenswerte nach dem Tod des Erklärenden verfügt werden soll (SZ 72/179). Der Testierwille hat bei voller Besonnenheit, mit Überlegung und Ernst, frei von Willensmängeln erklärt zu werden (6 Ob 2125/96k SZ 69/122). Der Testator muss sich also bewusst sein, jetzt seinen letzten Willen zu erklären, was nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (SZ 24/31: provisorische letztwillige Ver526
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Letzter Wille
§ 565
fügung in einem Brief). Ob Testierabsicht vorliegt, ist keine Frage der rechtlichen Beurteilung, sondern im Revisionsverfahren unüberprüfbare Tatsachenfeststellung (SZ 58/187; vgl aber SZ 69/247). Zur Testierfähigkeit s §§ 566 ff. Der Testator muss eine Verfügung treffen, deren Inhalt bestimmbar 3 ist, was im Rechtsweg zu entscheiden war (SZ 51/138), nunmehr vom Abhandlungsgericht (§ 161 AußStrG). Dass der Wille des Erblassers bestimmt sein muss, bedeutet nicht, dass er die Person des Erben oder Legatars namentlich zu bezeichnen hat (§ 564 Rz 2). Auch insoweit genügt Bestimmbarkeit. Nur ganz unbestimmte oder in sich ganz widersprüchliche Anordnungen, die durch Auslegung nicht klärbar sind, sind ungültig. Die Einsetzung des jeweiligen Komplementärs bzw Majoritätsinhabers eines Unternehmens ist bestimmbar (EF 59.906). Die Ermittlung des Inhalts der letztwilligen Verfügung ist Aufgabe 4 der Auslegung, wobei zahlreiche Einzelfragen geregelt sind (vgl §§ 554 ff; 560 ff; 614; 616 f; 649; 656 ff; 721 ff). Insgesamt ist entsprechend § 655 von der gewöhnlichen Bedeutung der Worte auszugehen, wobei die Erklärung im Gesamtzusammenhang zu betrachten ist (1 Ob 506/92 JBl 1992, 587). Doch kommt es mehr noch als bei Verträgen (s § 914 Rz 1 und 5 f) auf den wahren erblasserischen Willen zur Zeit der Verfügung an (SZ 38/221; SZ 69/247), gibt es doch keinen in seinem Vertrauen zu schützenden Erklärungsempfänger (Willenstheorie; §§ 570–572 Rz 1). So hat der erwiesene persönliche Sprachgebrauch des Testators Vorrang vor der gewöhnlichen Wortbedeutung (§ 655; NZ 1984, 130; 3 Ob 154/01w NZ 2002, 206: „Vermögenseinlagen bei Personengesellschaften“; s auch §§ 570–572 Rz 3). Verändern sich die Umstände nach der Testamentserrichtung, so wird die Verfügung so ausgelegt, wie der Erblasser bei Kenntnis der Veränderung verfügt hätte (6 Ob 189/98g SZ 71/166: ergänzende hypothetische Auslegung; vgl aber Rz 5). Was der Testator gewollt hat, ist eine der Vergangenheit angehörige Tatsache, keine Rechtsfrage; hingegen ist die Auslegung einer dem Wortlaut nach feststehenden Urkunde eine Frage der rechtlichen Beurteilung, wenn sie allein auf Grund des Urkundeninhalts geschieht (JBl 1992, 587; SZ 69/247). Für die Auslegung sind neben der letztwilligen Verfügung selbst 5 sonstige mündliche und schriftliche Äußerungen des Erblassers, sowie andere Umstände zu berücksichtigen (5 Ob 531, 532/91 NZ 1992, 296; SZ 71/166). Allerdings muss im Hinblick auf die Formvorschriften und § 601 (SZ 47/18; B. Jud, NZ 2001, 14) die Auslegung im Apathy
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Letzter Wille
§ 566
Wortlaut der letztwilligen Verfügung zumindest einen Anhaltspunkt finden (Andeutungstheorie; Stagl, Auslegung 2 59 ff). Maßgebend ist insoweit nicht der Wille des Testators schlechthin, sondern nur sein gültig erklärter Wille (NZ 1992, 296). Zudem darf die Auslegung der völlig unzweideutigen Erklärung nicht zuwiderlaufen (SZ 25/203; 5 Ob 589/90 JBl 1991, 244: bei Erbeinsetzung einer Person kann im Wege der Auslegung nicht eine weitere Person Erbe sein, noch dazu wenn diese einen Erbverzicht erklärt hat). Allerdings wird das Erfordernis eines Anhaltspunktes im Wortlaut der Verfügung durch § 571 abgeschwächt, wonach bei falsa demonstratio das Gewollte gilt (§§ 570 ff Rz 3); s auch § 558. 6 Schließlich soll die Auslegung letztwilliger Verfügungen möglichst so
erfolgen, dass der vom Erblasser beabsichtigte Erfolg eintritt und das Testament wenigstens teilweise aufrecht bleibt (SZ 69/247: favor testamenti; vgl § 655; krit Schilcher, JBl 1977, 59 ff). Dem entsprechend wird die Andeutungstheorie in Österreich, anders als in Deutschland, weniger stringent gehandhabt und nicht zum Schutz der gesetzlichen Erben eingesetzt (Stagl, Auslegung 2 161 f). 7 Drohung berechtigt zur Anfechtung der letztwilligen Verfügung,
etwa wenn die Pflegerin der hilflosen Erblasserin in Aussicht stellt, nicht zu bleiben, wenn sie nicht letztwillig bedacht werde (SZ 22/134). Zu Irrtum und List s §§ 570 ff. Ursachen der Unfähigkeit zu testieren; 1. Mangel der Besonnenheit; § 566. Wird bewiesen, daß die Erklärung in einem die hiefür erforderliche Besonnenheit ausschließenden Zustand, wie dem einer psychischen Krankheit, einer geistigen Behinderung oder der Trunkenheit, geschehen sei, so ist sie ungültig. [idF BGBl I 1999/164] Lit: Welser, Gegenständlich beschränkte (partielle) Testierunfähigkeit, NZ 1987, 169.
1 Ein ohne die zur Errichtung oder Aufhebung letztwilliger Ver-
fügungen nötige Geschäftsfähigkeit (Testierfähigkeit) errichtetes Testament oder Kodizill ist nichtig, selbst wenn der Erblasser später testierfähig wird (§ 576). Da keine Stellvertretung möglich ist, werden aber bei der Beurteilung der Testierfähigkeit geringere Anforderungen an den geistigen Zustand gestellt als allgemein für die Geschäftsfähigkeit (3 Ob 562/95 SZ 68/161; Eccher, ErbR Rz 4/19). Die 528
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Letzter Wille
§ 567
Testierfähigkeit wird schon bei Vorliegen der geistigen Fähigkeiten von Vierzehnjährigen bejaht (9 Ob 710/91 SZ 64/111; 6 Ob 2125/96k SZ 69/122). Nur eine besonders erhebliche Abschwächung der geistigen Fähigkeiten, die eine Sinnesverwirrung herbeiführt, bewirkt Testierunfähigkeit (SZ 56/180; 6 Ob 244/99x SZ 72/197); sie liegt vor, wenn die normale Freiheit der Willensbildung aufgehoben ist (SZ 52/111; JBl 1987, 655). Man verlangt also nicht den Vollbesitz der geistigen Kräfte und die Erfassung der Tragweite der letztwilligen Anordnung in vollem Umfang, sondern nur, dass dem Erblasser der Testiervorgang (6 Ob 129/05x JBl 2006, 257) und der Inhalt der Verfügung bewusst sind (SZ 51/8). Über die Testier(un)fähigkeit war im streitigen Verfahren zu entscheiden (SZ 58/70), nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht (§ 161 AußStrG). Testierunfähigkeit ist innerhalb der Frist des § 1487 geltend zu machen (SZ 53/10; aM Kralik, ErbR 101). Die Beweislast trifft denjenigen, der Testierunfähigkeit behauptet (Erl 224 BlgNR 22. GP 105; SZ 51/8; 3 Ob 539/90 SZ 63/116). Ob Testierfähigkeit gegeben ist, ist eine Rechtsfrage, die auf Grund der Feststellungen über den Geisteszustand des Erblassers zu beantworten ist (SZ 46/34; SZ 56/180). Die Testierunfähigkeit kann auf einer ständigen (SZ 51/8: Zerebral- 2 sklerose; vgl aber SZ 52/173) oder vorübergehenden Störung der Willensbildung (Alkohol, Drogen) beruhen. Den in § 566 angeführten Zuständen steht eine durch hochgradigen Affekt oder paranoide Wahnvorstellungen herbeigeführte Verstandesverwirrung gleich (SZ 52/173; SZ 63/116). Partielle Testierunfähigkeit besteht bei geistigen Störungen, die sich 3 nur auf bestimmte Lebensgebiete auswirken (zB Eifersuchts-, Verfolgungswahn), und (nur) insofern die freie Willensbildung ausschließen (NZ 1989, 212 F. Graf; SZ 63/116). Verfügungen, die davon nicht betroffen sind, bleiben gültig. Vgl auch § 865 Rz 2. § 567. Wenn behauptet wird, daß der Erblasser, welcher den Gebrauch des Verstandes verloren hatte, zur Zeit der letzten Anordnung bei voller Besonnenheit gewesen sei; so muß die Behauptung durch Kunstverständige, oder durch obrigkeitliche Personen, die den Gemütszustand des Erblassers genau erforschten, oder durch andere zuverlässige Beweise außer Zweifel gesetzt werden. Letztwillige Verfügungen eines an sich Testierunfähigen, die er in 1 einem lichten Augenblick (lucidum intervallum) getroffen hat, sind Apathy
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§§ 568–569
gültig (SZ 58/70: volle Entmündigung; vgl aber § 568 Rz 4). Die Beweislast für das lucidum intervallum trifft den Testamentserben (JBl 1961, 322; SZ 51/8) oder Legatar, der sich darauf beruft. [2. Überschrift aufgehoben, BGBl 1983/136] § 568. Eine Person, für die ein Sachwalter nach § 273* bestellt ist, kann, sofern dies gerichtlich angeordnet ist, nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren; dies gilt nicht im Fall des § 597. Das Gericht muss sich durch eine angemessene Erforschung zu überzeugen suchen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe. Die Erklärung muss in ein Protokoll aufgenommen, und dasjenige, was sich aus der Erforschung ergeben hat, beigerückt werden. [idF BGBl I 2004/58]
3. unreifes Alter; § 569. Unmündige sind zu testieren unfähig. Mündige Minderjährige können, außer im Fall des § 597, nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren. § 568 zweiter und dritter Satz gelten entsprechend. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Schick/Gurmann, (Eigen-)Änderung einer Urkunde durch Vornahme einer nachträglichen Beirückung gem §§ 568 f ABGB, NZ 2005, 1; Steinbauer, Die Handlungsfähigkeit geistig Behinderter nach dem neuen Sachwalterrecht, ÖJZ 1985, 385; Tschugguel, Zum Anwendungsbereich des § 568 ABGB, NZ 1995, 81; Ziehensack, Zum Anwendungsbereich der §§ 568 f ABGB, NZ 1996, 25.
1 Uneingeschränkt testierfähig sind volljährige Personen mit ausrei-
chenden geistigen Fähigkeiten (§ 566 Rz 1). Unter dieser Voraussetzung sind auch Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist, seit dem 1.1.2005 grundsätzlich testierfähig (vgl Rz 3). Bereits in der Fassung von 1811 war die Testierfähigkeit 18-Jähriger normiert. 2 Unmündige sind jedenfalls testierunfähig; die individuelle Ein-
sichtsfähigkeit ist insoweit unerheblich. 3 Mündige Minderjährige sind beschränkt testierfähig (K/W II 481);
ebenso testierfähige (§ 566 Rz 1) Personen, denen ein (einstweiliger) * Redaktionsversehen (muss ab 1.7.2007 „§ 268“ lauten)
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Apathy
Letzter Wille
§§ 568–569
Sachwalter bestellt ist, wenn das Sachwalterschaftsgericht zu ihrem Schutz eine entsprechende Anordnung getroffen hat. Sie können zwar über ihr ganzes Vermögen testieren, allerdings – abgesehen vom Notfall (§ 597) – nur mündlich vor Gericht oder Notar (4 Ob 69/03f NZ 2003, 371). Dies soll sicherstellen, dass die das Testament aufnehmende Amtsperson eine allfällige Testierunfähigkeit und bestehende Willensmängel erkennt (Eccher, ErbR Rz 4/17). Streitigkeiten über die Testierfähigkeit sollen möglichst von vornherein eingeengt werden (2 Ob 218/00y EF 93.298). Die Anwesenheit des Sachwalters ist entbehrlich (6 Ob 2125/96k SZ 69/122). § 568 wird als Formvorschrift verstanden (9 Ob 710/91 SZ 64/111; 4 1 Ob 373/97b NZ 1999, 25; K/W II 483), beschränkt aber in Wahrheit die Testierfähigkeit behinderter Personen mit Sachwalter (SZ 58/113). Dies führte vor dem 1.7.1984 zu folgendem Widerspruch: Voll Entmündigte konnten im lucidum intervallum in beliebiger Form testieren (§ 567 Rz 1), beschränkt Entmündigte nur mündlich vor Gericht (§ 4 EntmO; NZ 1988, 103). Ab dem 1.7.1984 bestand Formpflicht für alle letztwilligen Verfügungen in lichten Augenblicken oder nach Wiederherstellung der Gesundheit, unabhängig vom Ausmaß der Betrauung des Sachwalters (§ 273 Abs 3 aF); ebenso bei einstweiliger Bestellung des Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG aF (2 Ob 589/90 EvBl 1991/34; 1 Ob 241/97s SZ 71/7; krit dazu Tschugguel, NZ 1995, 83 ff), nicht aber nach § 238 Abs 1 AußStrG aF (7 Ob 648/94 NZ 1995, 302). Seit 1.1.2005 muss die Beschränkung der Testierfähigkeit vom Sachwalterschaftsgericht angeordnet sein. Die Protokollierung muss die Erklärung enthalten, der Richter bzw 5 Notar habe sich davon überzeugt, dass der letzte Wille frei und mit Überlegung geschehen sei (3 Ob 525/94 NZ 1995, 132; SZ 69/122: Tonbandprotokoll). Dies galt für Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist, schon vor BGBl I 2000/135 auf Grund analoger Anwendung des § 569 aF (SZ 64/111; SZ 71/7), und zwar auch für den Widerruf (7 Ob 115/99h NZ 2000, 147). Es genügt ein allgemein gehaltener Vermerk über das Ergebnis der Erforschung der Willensfreiheit und Überlegtheit (EF 93.298), etwa die im aufgenommenen Testament enthaltene Erklärung, dass sich das Gericht (der Notar) in einem Gespräch mit dem Erblasser von dessen Handlungsfähigkeit überzeugt und dessen Testierfähigkeit festgestellt habe (2 Ob 218/00y RZ-EÜ 2000/57). Zweifel an der Testierfähigkeit sind im Protokoll anzumerken (Welser/R Rz 8). Zur Prüfung der Testierfähigkeit braucht ein Notar keine aufwändigen Untersuchungen anzustellen und insb kein Sachverständigengutachten einzuholen (6 Ob 129/05x JBl 2006, 257 zu § 569 aF). Apathy
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Letzter Wille
§§ 570–572 4. wesentlicher Irrtum;
§ 570. Ein wesentlicher Irrtum des Erblassers macht die Anordnung ungültig. Der Irrtum ist wesentlich, wenn der Erblasser die Person, welche er bedenken, oder den Gegenstand, welchen er vermachen wollte, verfehlt hat. § 571. Zeigt sich, daß die bedachte Person, oder die vermachte Sache nur unrichtig benannt, oder beschrieben worden, so ist die Verfügung gültig. § 572. Auch wenn der von dem Erblasser angegebene Beweggrund falsch befunden wird, bleibt die Verfügung gültig; es wäre denn erweislich, daß der Wille des Erblassers einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrunde beruht habe. Lit: Kerschner, Irrtumsanfechtung 137 ff; Stefula/Thunhart, Der Motivirrtum beim Rechtsgeschäft unter Lebenden – zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 572 ABGB, NZ 2002, 193; s auch bei § 565.
1 Einseitige letztwillige Verfügungen können entsprechend der Wil-
lenstheorie wegen eines kausalen Irrtums des Erblassers und List (§ 565) angefochten werden. Es bedarf dazu keiner weiteren Voraussetzungen (anders § 871 für Verträge; zur Anfechtung eines Erbvertrags s SZ 59/71); auch Rechtsirrtum berechtigt zur Anfechtung. §§ 777 f sind Spezialnormen. Zur Verjährung der Testamentsanfechtung s § 1487 (8 Ob 537/91 SZ 64/41). 2 Wesentlich ist der Irrtum über die zu bedenkende Person oder den
Inhalt der Zuwendung (Erklärungs- oder Geschäftsirrtum: § 570), aber auch ein Motivirrtum (§ 572; Rz 4), wenn der Testator die Anordnung bei Kenntnis nicht getroffen hätte (GlU 3940: Einsetzung der Geschwister in der Meinung, sie seien Noterben; 7 Ob 17/99x NZ 2001, 204: Enterbung des Bruders im Interesse der zur Alleinerbin eingesetzten Lebensgefährtin). Hätte er hingegen bei Kenntnis der von ihm bedachten Person weniger zugewandt (unwesentlicher Irrtum), so wird sein letzter Wille analog § 872 korrigiert und die Zuwendung entsprechend verringert. Hätte er mehr oder etwas anderes zugewandt, so lehnt die hL eine vom Wortlaut nicht gedeckte Anpassung ab (Eccher/S § 570 Rz 4; aM jedoch Kerschner, Irrtumsanfechtung 137 ff). 3 Der Irrtum des Erblassers ist jedoch folgenlos, wenn die Aufrecht-
erhaltung der Verfügung noch eher dem Willen des Erblassers entspricht als ihr Wegfall (K/W II 486). Ebenso macht eine Fehlbezeichnung (falsa demonstratio) den letzten Willen nicht anfechtbar (§ 571), 532
Apathy
Letzter Wille
§ 573
sondern es gilt das Gewollte, was eine gewisse Abschwächung der Formpflicht bedeutet (vgl § 601; Kerschner, Irrtumsanfechtung 141). Bsp: falscher Familienname (GlU 11.516), falsche Parzellennummer (SZ 31/140). Nach Zeiller bleibt ein Vermächtnis auch bei einem (nicht kausalen) Eigenschaftsirrtum des Erblassers gemäß § 571 aufrecht (II 445: die „goldene Dose“ ist nur vergoldet). Nach § 571 hat es der OGH auch beurteilt, wenn der Erblasser über „sein Haus“ verfügt, während er nur über die Hälfte testieren kann, weil die andere Hälfte auf Grund einer fideikommissarischen Substitution der von ihm als Hälfterbin eingesetzten Adoptivtochter zusteht (SZ 37/136). Das ist vertretbar, wenn es dem (hypothetischen) Erblasserwillen entspricht (Eccher/S § 571 Rz 2; aM Welser/R Rz 10: Motivirrtum). Beim Motivirrtum stellt die Rspr wegen der Formulierung „einzig 4 und allein“ in § 572 besonders strenge Anforderungen an den Nachweis des Kausalzusammenhangs (SZ 52/173: Nachweis der Ausschließlichkeit des Irrtums über den Beweggrund bzw kein weiteres wesentliches Motiv; Stefula/Thunhart, NZ 2002, 198; aM hL: kausaler Irrtum). Bsp: Anfechtbarkeit eines Testamentswiderrufs, wenn die Errichtung des neuen Testaments nicht mehr zustande kommt (JBl 1955, 359 Steinwenter). Allerdings können auch nicht genannte Motive berücksichtigt werden. 5. Ordensgelübde; § 573. Ordenspersonen sind in der Regel nicht befugt, zu testieren: allein, wenn der Orden eine besondere Begünstigung, daß seine Glieder testieren können, erlangt hat; wenn Ordenspersonen die Auflösung von den Gelübden erhalten haben; wenn sie durch Aufhebung ihres Ordens, Stiftes oder Klosters aus ihrem Stande getreten sind; oder, wenn sie in einem solchen Verhältnisse angestellt sind, daß sie vermöge der politischen Verordnungen nicht mehr als Angehörige des Ordens, Stiftes oder Klosters angesehen werden, sondern vollständiges Eigentum erwerben können; so ist es ihnen erlaubt, durch Erklärung des letzten Willens darüber zu verfügen. Katholische Ordenspersonen mit feierlichen Gelübden (SZ 2/50) sind 1 zufolge des Reskripts BGBl 1976/50 erbfähig (§ 538 Rz 2) und testierfähig, sodass § 573 keinen Anwendungsbereich hat. § 574. [aufgehoben, RGBl 1876/131] Apathy
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Letzter Wille
§ 575 Zeitpunkt der Gültigkeit der Anordnung
§ 575. Ein rechtsgültig erklärter letzter Wille kann durch später eintretende Hindernisse seine Gültigkeit nicht verlieren. 1 § 575 entspricht einem allgemeinen Grundsatz der Rechtsgeschäfts-
lehre (Unger, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts II5, 1892, 143 f); die teilweise andere Beurteilung nach römischem Recht (bei nachträglicher capitis deminutio: Gai. inst. 2, 145) und beim mündlichen Testament im Notfall (§ 597 Rz 5) erklärt die besondere Normierung. Vgl auch § 1248 S 2. Da letztwillige Verfügungen nicht zugehen, ist der Zeitpunkt der Errichtung maßgebend (LG Wien EvBl 1947/380). Zur Anfechtung wegen Übergehung des Noterben s § 778. § 576. Einen anfänglich ungültigen letzten Willen macht die später erfolgte Aufhebung des Hindernisses nicht gültig. Wird in diesem Falle keine neue Verfügung getroffen; so tritt das gesetzliche Erbrecht ein. 1 § 576 entspricht dem Grundsatz „quod initio vitiosum est, non potest
tractu temporis convalescere“ (D. 50, 17, 29) und verallgemeinert die regula Catoniana (Weiß/K III 294 f). Als neue Verfügung ist auch eine (formgültige) Bekräftigung des (zunächst ungültigen) letzten Willens anzusehen, sofern der Inhalt wiederholt wird (Ehrenzweig, System II/2, 412). II. Äußere Form der Erklärungen des letzten Willens; § 577. Man kann außergerichtlich oder gerichtlich, schriftlich oder mündlich; schriftlich aber mit, oder ohne Zeugen testieren. 1 Die (äußere) Form ist nicht nur beim Testament, sondern entspre-
chend der Rubrik auch beim Kodizill (10 Ob 2335/96x SZ 69/247) und beim Widerruf (§ 717) einzuhalten. Ein Verstoß gegen die Formvorschriften macht die letztwillige Verfügung grundsätzlich ungültig (§ 601), doch gibt es auch unverbindliche Regelungen (§ 578 Rz 3; § 580 Rz 2). IdR steht es dem Testator frei, welche Form er wählt (vgl aber §§ 568 f). Die Einteilungen des § 577 lassen sich noch ergänzen: Man unterscheidet auch zwischen privaten (ordentlichen und außerordentlichen) und öffentlichen (gerichtlichen, notariellen) Testamenten. 2 Die strengen, zwingenden Formvorschriften für letztwillige Ver-
fügungen verfolgen im Wesentlichen zwei Zwecke: Dem Testator soll 534
Apathy
Letzter Wille
§ 577
die Bedeutung seiner Erklärung bewusst gemacht werden (Warnfunktion), und es sollen Streitigkeiten nach seinem Tod möglichst vermieden werden (Beweisfunktion; SZ 56/79; 6 Ob 321/98v SZ 72/16). Die Einhaltung der Form, einschließlich Unterschrift(en) und Mitwirkung der Zeugen, soll den Beweis über den wahren Willen des Erblassers sicherstellen (SZ 72/16). Die Testamentsform gehört zum objektiven Tatbestand des letztwilligen Rechtsgeschäfts, muss also vom Testierwillen nicht erfasst sein (NZ 1987, 70). Ein in der beabsichtigten Form ungültiges Testament, das jedoch die 3 Voraussetzungen einer anderen Testamentsform erfüllt, ist gültig (SZ 26/244; SZ 56/180). Allerdings verliert die Konversion durch das FamErbRÄG erheblich an Bedeutung, da mündliche außergerichtliche Testamente nur mehr im Notfall errichtet werden können (§ 597). Bsp: Die Testamentszeugen haben zwar die fremdhändige Testamentsurkunde nicht unterzeichnet, können aber den bis zum 31.12.2004 auch mündlich geäußerten letzten Willen bezeugen (3 Ob 109/00a NZ 2001, 307). Verliest jedoch der Erblasser das formungültige schriftliche Testament vor nur zwei Zeugen, so entstand zufolge § 585 kein mündliches, auch wenn er den Aufsatz in Anwesenheit aller Zeugen einem weiteren Zeugen zum Durchlesen und Unterschreiben mit der Bemerkung übergibt, er mache jetzt sein Testament (1 Ob 2221/96s EF 81.297). Nach § 122 S 2 AußStrG aF war jede in der vorgeschriebenen Form 4 ausgestellte Erbserklärung vom Verlassenschaftsgericht anzunehmen. Trotzdem wurden Erbserklärungen zurückgewiesen, wenn von vornherein feststand, dass der behauptete Erbrechtstitel zu keiner Einantwortung führen kann (3 Ob 2191/96v SZ 69/161: divergierende Aussagen der Zeugen eines mündlichen Testaments; 3 Ob 227/04k SZ 2004/170). Das Verlassenschaftsgericht hatte daher zu prüfen, ob eine letztwillige Verfügung des Erblassers, auf die sich ein Erbansprecher beruft, überhaupt als Testament angesehen werden kann (9 Ob 65/00z EF 95.118). Dazu musste sie eine Erbeinsetzung enthalten und in einer vom Gesetz anerkannten Testamentsform errichtet sein. Ließ sich von Anfang an mit Bestimmtheit sagen, dass die als Berufungsgrund herangezogene letztwillige Erklärung nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form entspricht, war die Verlassenschaft ohne Rücksicht auf eine darauf gestützte Erbserklärung abzuhandeln (JBl 1961, 289: fehlende Unterschrift; 5 Ob 531, 532/91 NZ 1992, 296: unten § 582 Rz 1). War hingegen bloß die genaue Einhaltung der Formvorschriften strittig, so war dies nicht im Abhandlungsverfahren, sondern im Erbrechtsstreit zu entscheiden (SZ 46/85: unten § 581 Rz 3; 2 Ob 508/95 NZ 1996, 298: unten § 579 Rz 3). Damit war zwischen Apathy
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Letzter Wille
§ 578
solchen Formmängeln, die bereits auf Grund der Aktenlage im Verlassenschaftsverfahren berücksichtigt werden, und denjenigen zu unterscheiden, die im Rechtsweg geltend gemacht werden müssen (§ 601 Rz 2 f). Nach der Reform des Außerstreitverfahrens sind Erbantrittserklärungen nicht mehr durch förmliche Beschlussfassung anzunehmen (Erl 224 BlgNR 22. GP 103). Vielmehr ist die mangelnde Förmlichkeit bei der Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts gemäß § 161 AußStrG zu berücksichtigen und die Erbantrittserklärung, die sich auf ein formungültiges Testament bezieht, abzuweisen. Für eine Zurückweisung besteht daher kein besonderes Bedürfnis (Erl 224 BlgNR 22. GP 105). 1. der außergerichtlichen schriftlichen; § 578. Wer schriftlich, und ohne Zeugen testieren will, der muß das Testament oder Kodizill eigenhändig schreiben, und eigenhändig mit seinem Namen unterfertigen. Die Beisetzung des Tages, des Jahres, und des Ortes, wo der letzte Wille errichtet wird, ist zwar nicht notwendig, aber zur Vermeidung der Streitigkeiten rätlich. 1 Das eigenhändige (holographe) Testament ist die einfachste und am
leichtesten abänderbare Testamentsform, wobei die eigenhändige Niederschrift des gesamten Textes (vgl § 582) samt Unterschrift die Feststellung der Identität des Verfassers ermöglichen soll (7 Ob 185/05i EF 111.043). Zeugen sind entbehrlich, was freilich eine Unterdrückung erleichtert. Auch ein Stenogramm ist „eigenhändig“ geschrieben (SZ 15/91); ebenso die mit Blaupapier hergestellte Durchschrift (1 Ob 571/93 SZ 66/78); Blockbuchstaben genügen (10 Ob 2335/96x SZ 69/247); nicht hingegen ein vom Testator mit Schreibmaschine oder Computer erstellter Text; auf die gewählte Sprache kommt es nicht an (vgl SZ 59/175). Zeitliche Einheit des Testieraktes ist nicht nötig (SZ 41/23; SZ 51/85; vgl § 579 Rz 3). 2 Der Erblasser muss leserlich schreiben (Zak 2005, 74) und mit seinem
Namen unterfertigen, wobei auch die Initialen (4 Ob 237/04p SZ 2004/172), der Vorname oder eine andere Bezeichnung genügen, wenn keine Zweifel an der Identität entstehen: zB „Eure Mutter“ (EvBl 1955/102), „Euer Fredi“ (SZ 69/247); unzureichend sind Handzeichen (§ 580) oder Stempel (§ 886). Die Unterschrift muss den Text abschließen (SZ 51/85), doch genügt auch die Unterschrift auf dem Umschlag, wenn sie sonst ohne Bedeutung ist (4 Ob 29/04z NZ 2004, 345). Lose Blätter müssen zB durch Nummerierung räumlich oder inhaltlich (Satzverlauf) verbunden sein (5 Ob 1571/94 EF 75.297). 536
Apathy
Letzter Wille
§ 579
Nachstehende Zusätze sind durch neuerliche Unterschrift abzuschließen (EvBl 1964/160; SZ 41/23). Eigenhändige Ergänzungen eines fremdhändigen Testaments sind nur gültig, wenn sie für sich allein einen Sinn ergeben und der Form des § 578 entsprechen (SZ 47/18; kritisch K/W II 505). Die Beisetzung von Ort und Datum der Errichtung wird – insb im 3 Hinblick auf frühere Verfügungen (§§ 713 ff) – angeraten, ist aber kein Gültigkeitserfordernis. Die Beweislast im Erbrechtsstreit trifft denjenigen, der geltend macht, 4 das kundgemachte Testament sei nicht vom Erblasser geschrieben (SZ 59/175). § 579. Einen letzten Willen, welchen der Erblasser von einer anderen Person niederschreiben ließ, muß er eigenhändig unterfertigen. Er muß ferner vor drei fähigen Zeugen, wovon wenigstens zwei zugleich gegenwärtig sein müssen, ausdrücklich erklären, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte. Endlich müssen sich auch die Zeugen, entweder inwendig oder von außen, immer aber auf der Urkunde selbst, und nicht etwa auf einem Umschlag, mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz unterschreiben. Den Inhalt des Testaments hat der Zeuge zu wissen nicht nötig. [idF III. TN] Lit: Sperl, Die zweiaktigen Testamentsformen, JBl 1972, 545.
Der Text eines fremdhändigen (allographen) Testaments kann vom 1 Testator maschinell verfasst oder von einem Dritten, etwa einem Zeugen (SZ 43/74), geschriebenen sein. Er ist – wie ein holographes Testament (§ 578 Rz 2) – vom Erblasser eigenhändig zu unterschreiben (6 Ob 321/98v SZ 72/16), wobei Undeutlichkeit der Unterschrift und Unterstützung beim Schreiben unerheblich sind (SZ 24/130). Außerdem haben drei fähige Zeugen mitzuwirken, von denen min- 2 destens zwei gleichzeitig anwesend sein müssen (8 Ob 537/91 SZ 64/41). Der Erblasser muss vor ihnen ausdrücklich durch Worte oder allgemein angenommene Zeichen (SZ 39/20: Kopfnicken; JBl 1984, 36) erklären, dass der Aufsatz – und zwar die vorliegende Originalurkunde (Kralik, ErbR 134) – sein letzter Wille sei (Bekräftigung, nuncupatio). Die Zeugen brauchen den Inhalt der letztwilligen Verfügung nicht zu kennen, müssen aber den Aufsatz ohne Zweifel für den letzten Willen des Erblassers halten. Vernimmt einer der Zeugen die Erklärung des Testators nicht, so ist das Testament unwirksam Apathy
537
Letzter Wille
§ 580
(Welser/R Rz 5; SZ 26/244; 2 Ob 559/93 NZ 1995, 162; aM SZ 30/66; SZ 39/20). Sieht der Erblasser, ohne ein Wort zu sprechen oder ein Zeichen zu geben, der Unterfertigung des auf dem Tisch unmittelbar neben dem Bett liegenden, von ihm bereits vorher unterschriebenen Testaments durch die Zeugen zu, so fehlt es an der Bekräftigung (JBl 1984, 36). 3 Schließlich haben die Zeugen auf der Urkunde zu unterschreiben.
Um eine Verwechslung mit der Unterschrift des Testators zu vermeiden, ist der (nicht notwendig eigenhändige) Zusatz „als Zeuge“ (oder ähnlich) zur Gültigkeit des Testaments erforderlich (SZ 34/73; 2 Ob 508/95 NZ 1996, 298). Dem Zweck des Formgebots entsprechend hat die Unterschriftsleistung der Zeugen unmittelbar auf die Erklärung des Erblassers (Rz 2) zu folgen. Denn nur dies stellt sicher, dass sie den vom Erblasser gewollten Aufsatz und nicht etwa einen später unterschobenen unterschreiben (SZ 72/16). Nach hA erfordert daher die Gültigkeit des allographen Testaments die Einheit des Testierakts, die auch dann noch als gewahrt angesehen wird, wenn das Testament bis zur Unterschrift des nachträglich beigezogenen dritten Zeugen in der Zwischenzeit nicht verändert worden ist (EvBl 1973/314; Eccher, ErbR Rz 4/44; vgl K/W II 504). Unzureichend ist hingegen eine mehrere Monate nach dem Tod des Erblassers nachgeholte Unterschriftsleistung eines Zeugen (SZ 72/16). Ob der Erblasser vor oder nach den Zeugen unterschreibt, ist unerheblich (SZ 43/74). § 580. Ein Erblasser, welcher nicht schreiben kann, muß nebst Beobachtung der in dem vorigen Paragraphen vorgeschriebenen Förmlichkeiten, anstatt der Unterschrift sein Handzeichen, und zwar in Gegenwart aller drei Zeugen, eigenhändig beisetzen. Zur Erleichterung eines bleibenden Beweises, wer der Erblasser sei, ist es auch vorsichtig, daß einer der Zeugen den Namen des Erblassers als Namensunterfertiger beisetze. Lit: Stöckl, Das Handzeichen, NZ 1951, 120.
1 Kann der Testator nicht schreiben, so muss er sein Handzeichen (zB
drei Kreuze: SZ 2/139) unter die Urkunde des fremdhändigen Testaments in Gegenwart aller drei Zeugen setzen. § 580 betrifft Analphabeten und gebrechliche Menschen; wer das Handzeichen aus Bequemlichkeit wählt, testiert hingegen ungültig (SZ 2/139). 2 Die Beisetzung des Namens des Testators durch einen Zeugen
(SZ 60/241) wird aus Beweisgründen angeraten, ist aber kein Gültigkeitserfordernis. 538
Apathy
Letzter Wille
§ 582
§ 581. Wenn der Erblasser nicht lesen kann, so muß er den Aufsatz von einem Zeugen in Gegenwart der anderen zwei Zeugen, die den Inhalt eingesehen haben, sich vorlesen lassen, und bekräftigen, daß derselbe seinem Willen gemäß sei. Der Schreiber des letzten Willens kann in allen Fällen zugleich Zeuge sein, ist aber, wenn der Erblasser nicht lesen kann, von der Vorlesung des Aufsatzes ausgeschlossen. [idF III. TN]
Der wegen Blindheit, Sehschwäche (SZ 56/180) oder aus anderen 1 Gründen nicht lesefähige Testator (GlU 13.494: Fremdsprache; 2 Ob 507/90 EF 63.058) muss sich den Urkundentext von einem der drei Zeugen, der aber die Urkunde nicht geschrieben haben darf (Rz 3), in Gegenwart der beiden anderen vorlesen lassen und bekräftigen, dass sie seinem Willen entspricht. Die anderen beiden Zeugen müssen zudem den Inhalt der Urkunde 2 eingesehen haben, was in SZ 60/241 dahin interpretiert wurde, die Zeugen müssen das Testament nicht lesen und Wort für Wort kontrollieren; es genüge ein kurzer Blick auf den gesamten Text. Demgegenüber betont Zeiller II 360, die Zeugen müssen sich überzeugt haben, dass „die Urkunde genau und vollständig nur das enthalte, was dem Erblasser vorgelesen“ worden ist. Die Verlesung der Testamentsurkunde darf nicht durch deren Schrei- 3 ber erfolgen; der Testator muss in der Lage sein, den Vortrag zu hören (NZ 1980, 28). Ob dies der Fall war, war bisher im Erbrechtsstreit zu entscheiden (SZ 46/85). Diktiert ein Notariatskandidat der Schreibkraft ein Kodizill, so ist sie Schreiberin und die Verfügung gültig, wenn der als Zeuge fungierende Notariatskandidat das Geschriebene vorliest (SZ 60/241; vgl hingegen SZ 56/180: Notar als Testamentsverfasser). § 581 gilt nur für das fremdhändige, nicht für das eigenhändige Tes- 4 tament eines Blinden (SZ 53/72). § 582. Eine Verfügung des Erblassers durch Beziehung auf einen Zettel, oder auf einen Aufsatz, ist nur dann von Wirkung, wenn ein solcher Aufsatz mit allen zur Gültigkeit einer letzten Willenserklärung nötigen Erfordernissen versehen ist. Außerdem können dergleichen von dem Erblasser angezeigte schriftliche Bemerkungen nur zur Erläuterung seines Willens angewendet werden. Lit: Klingstedt, Das testamentum mysticum und dessen Formgebundenheit, NZ 1955, 177. Apathy
539
Letzter Wille
§ 583
1 Wird in einer formgerechten Verfügung auf ein anderes Schriftstück
verwiesen, so sind die darin enthaltenen selbständigen Anordnungen nur gültig, wenn das Schriftstück den Erfordernissen eines letzten Willens entspricht (testamentum mysticum). Ansonsten kann es nur zur Auslegung der gültigen Verfügung herangezogen werden (SZ 27/74). Ungültig ist daher das eigenhändige Testament des Ehemannes, der hinsichtlich der Erbeinsetzung auf das Testament seiner Frau verweist (5 Ob 531, 532/91 NZ 1992, 296). § 583. In der Regel gilt ein und derselbe Aufsatz nur für einen Erblasser. Die Ausnahme in Rücksicht der Ehegatten ist in dem Hauptstücke von den Ehepakten enthalten. 1 Nur Ehegatten können gemeinsam, dh in derselben Testaments-
urkunde, testieren (§ 1248). Hingegen ist das gemeinsame Testament zB von Mutter und Tochter nichtig; nicht einmal die von der Mutter eigenhändig geschriebene und unterschriebene Verfügung ist wirksam (SZ 55/143). Denn § 583 bezweckt die Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten und von unerwünschten Beeinflussungen eines Testators durch den anderen. § 584. Einem Erblasser, welcher die zu einem schriftlichen Testamente erforderlichen Förmlichkeiten nicht beobachten kann, oder will, steht frei, ein mündliches Testament zu errichten. [aufgehoben, BGBl I 2004/58]
2. der außergerichtlichen mündlichen; § 585. Wer mündlich testiert, muß vor drei fähigen Zeugen, welche zugleich gegenwärtig, und zu bestätigen fähig sind, daß in der Person des Erblassers kein Betrug oder Irrtum unterlaufen sei, ernstlich seinen letzten Willen erklären. Es ist zwar nicht notwendig, aber vorsichtig, daß die Zeugen entweder alle gemeinschaftlich, oder ein jeder für sich zur Erleichterung des Gedächtnisses, die Erklärung des Erblassers entweder selbst aufzeichnen, oder, sobald als möglich, aufzeichnen lassen. [aufgehoben, BGBl I 2004/58] § 586. Eine mündliche letzte Anordnung muß auf Verlangen eines jeden, dem daran gelegen ist, durch die übereinstimmende eidliche Aussage der drei Zeugen oder, wofern einer aus ihnen nicht eidlich vernommen werden
540
Apathy
Letzter Wille
§§ 587–590
kann, wenigstens der zwei übrigen bestätigt werden, widrigens diese Erklärung des letzten Willens unwirksam ist (§ 601). [aufgehoben, BGBl I 2004/58]
Bis zum 31.12.2004 entsprechend § 585 formgültig errichtete münd- 1 liche Privattestamente bleiben gültig, weshalb die Bestimmungen ausnahmsweise abgedruckt werden. S auch § 597 Rz 1. 2. der gerichtlichen § 587. Der Erblasser kann auch vor einem Gerichte schriftlich oder mündlich testieren. Die schriftliche Anordnung muß von dem Erblasser wenigstens eigenhändig unterschrieben sein, und dem Gerichte persönlich übergeben werden. Das Gericht hat den Erblasser auf den Umstand, daß seine eigenhändige Unterschrift beigerückt sein müsse, aufmerksam zu machen, dann den Aufsatz gerichtlich zu versiegeln, und auf dem Umschlage anzumerken, wessen letzter Wille darin enthalten sei. Über das Geschäft ist ein Protokoll aufzunehmen, und der Aufsatz gegen Ausstellung eines Empfangscheines gerichtlich zu hinterlegen. § 588. Will der Erblasser seinen Willen mündlich erklären; so ist die Erklärung in ein Protokoll aufzunehmen, und dasselbe ebenso, wie in dem vorhergehenden Paragraphen von dem schriftlichen Aufsatze gemeldet worden ist, versiegelt zu hinterlegen. § 589. Das Gericht, welches die schriftliche oder mündliche Erklärung des letzten Willens aufnimmt, muß wenigstens aus zwei eidlich verpflichteten Gerichtspersonen bestehen, deren einer in dem Orte, wo die Erklärung aufgenommen wird, das Richteramt zusteht. Die Zeugenschaft der zweiten Gerichtsperson, außer dem Richter, können auch zwei andere Zeugen vertreten. § 590. Im Notfall können sich die Gerichtspersonen zum Erblasser begeben, um seinen letzten Willen zu Protokoll zu nehmen. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Schauer, Was ist ein notarielles Testament? FS Welser (2004) 919; Sperl, Die zweiaktigen Testamentsformen, JBl 1972, 545.
Von den öffentlichen Testamenten sind die gerichtlichen in den 1 §§ 587 ff ABGB, die notariellen in den §§ 70 ff NO geregelt. Sie sind einerseits für die beschränkt Testierfähigen (§§ 568 f) von Bedeutung, andererseits dienen sie der besonderen Sicherung der Gültigkeit des Testaments, des Beweises des Testierakts und der Identität des Testators (Weiß/K III 329 f; Eccher, ErbR Rz 4/50). Apathy
541
Letzter Wille
§§ 587–590
2 Das unterschriebene schriftliche (eigen- oder fremdhändige) Testa-
ment übergibt der Testator persönlich dem Gericht oder Notar, wobei er erklärt, dass es sich um seinen letzten Willen handle. Auf das Unterschriftserfordernis ist der Testator hinzuweisen. Zur Formgültigkeit ist noch erforderlich, dass über die Entgegennahme sofort ein Protokoll aufgenommen wird, das die mitwirkenden Personen (Rz 4) zu unterfertigen haben (SZ 41/4: Beurkundungsakt); ein Hinweis auf die Zeugenstellung ist dabei entbehrlich. Der Testator erhält einen Empfangsschein; das Testament wird versiegelt verwahrt; es handelt sich dabei um keine öffentliche Urkunde. 3 Die mündliche Erklärung des letzten Willens wird protokolliert; das
unterfertigte Protokoll (Rz 2) wird versiegelt und als öffentliche Urkunde hinterlegt. Die Unterlassung der Versiegelung bewirkt nicht die Ungültigkeit des Testaments (GlU 6699). Eine Unterfertigung durch den Testator ist nicht erforderlich (EvBl 1968/89). An Stelle der notariellen Protokollierung ist auch ein Notariatsakt möglich (§ 67 NO). 4 Das gerichtliche schriftliche oder mündliche Testament erfordert die
Mitwirkung zumindest eines Richters. Zudem muss entweder eine zweite beeidete Gerichtsperson (Richter, Schriftführer) mitwirken oder zwei Zeugen. Zweifel an der Testierfähigkeit sind im Protokoll anzumerken (§§ 568–569 Rz 5). Das notarielle Testament erfordert die Mitwirkung von zwei Notaren oder eines Notars und zweier Zeugen (§ 70 NO); das Protokoll ist – anders als beim gerichtlichen Testament (EvBl 1968/89) – auch vom Testator zu unterschreiben (§§ 68, 73 NO). Zuständig sind die Bezirksgerichte (SZ 49/24), wobei der Richter außerhalb seines Sprengels bei Gefahr im Verzug tätig werden kann (§ 33 JN). 5 Im Notfall kann das schriftliche oder mündliche Testament in der
Wohnung des Testators bzw im Krankenhaus (SZ 49/24) errichtet und das Protokoll dort oder auch erst im Gerichtsgebäude verfasst werden (Eccher/S Rz 9). 6 Private schriftliche Testamente kann man bei einem Notar oder
Rechtsanwalt hinterlegen, nicht aber bei Gericht (RZ 1960, 101). Gerichte und Notare sind zur Meldung der bei ihnen hinterlegten letztwilligen Anordnungen an das von der Österreichischen Notariatskammer betriebene zentrale Testamentsregister verpflichtet; Rechtsanwälten steht die Meldung frei (§ 140c Abs 2 NO). Die Richtlinie der Österreichischen Notariatskammer vom 21.10.1999 für das Österreichische Zentrale Testamentsregister ist in NZ 1999, 414 und bei Wagner/Knechtel, Notariatsordnung5, 2000, 842 ff abgedruckt. 542
Apathy
Letzter Wille
§ 594
Unfähige Zeugen bei letzten Anordnungen § 591. Personen unter achtzehn Jahren, Personen, denen auf Grund einer Behinderung die Fähigkeit fehlt, entsprechend der jeweiligen Testamentsform den letzten Willen des Erblassers zu bezeugen, sowie diejenigen, welche die Sprache des Erblassers nicht verstehen, können bei letzten Anordnungen nicht Zeugen sein. [idF BGBl I 1999/164]
Die Zeugnisunfähigkeit kann sich aus gewissen persönlichen Eigen- 1 schaften oder aus der Beziehung zu Bedachten ergeben (§§ 594 ff). § 591 sieht ein Mindestalter für Zeugen von 18 Jahren vor (so auch § 57 Abs 1 NO) und schließt infolge einer Behinderung unfähige Personen (Rz 2; absolute Unfähigkeit) sowie solche, die die Sprache des Erblassers nicht verstehen, aus (Rz 3; SZ 52/148: relative Unfähigkeit). Eine Behinderung iSv § 591 liegt nicht nur bei Geisteskrankheit vor, 2 sondern auch dann, wenn jemand die Begebenheiten der Außenwelt nicht wahrzunehmen, in Erinnerung zu behalten oder wiederzugeben vermag (GlUNF 2581: Tatfrage). Blinde, Taube und Stumme sind so wie vor der Novelle BGBl I 1999/164 absolut zeugenunfähig (Welser/R §§ 591–596 Rz 2), weil sie die wesentlichen Vorgänge nicht mit allen Sinnesorganen wahrnehmen können (Kralik, ErbR 143). Die Fähigkeit, die Sprache des Erblassers zu verstehen, ist nicht nur 3 beim mündlichen Testament (im Notfall) relevant (§ 597 Rz 1), sondern auch dann, wenn der potentielle Zeuge die Bekräftigung (nuncupatio) des schriftlich erklärten letzten Willens nicht zu verstehen vermag (§ 579 Rz 2). Eine Ausnahme besteht für notarielle Testamente, wenn ein beeideter Dolmetsch beigezogen wird (§ 63 NO). § 592. [aufgehoben, I. TN] § 593. [aufgehoben, RGBl 1860/9] § 594. Ein Erbe oder Legatar ist in Rücksicht des ihm zugedachten Nachlasses kein fähiger Zeuge, und ebensowenig dessen Gatte, Eltern, Kinder, Geschwister, oder in eben dem Grade verschwägerte Personen und die besoldeten Hausgenossen. Die Verfügung muß, um gültig zu sein, von dem Erblasser eigenhändig geschrieben; oder durch drei von den gedachten Personen verschiedene Zeugen bestätigt werden. Relativ zeugnisunfähig sind wegen ihrer (unwiderlegbaren) Befan- 1 genheit der Testamentserbe und der vom Erblasser bedachte Legatar, Apathy
543
Letzter Wille
§ 595
aber auch der gesetzliche Erbe, wenn der Testator ein früheres Testament widerrufen will (SZ 51/60). Als bedacht gilt auch der Testamentsvollstrecker, wenn er eine Belohnung erhält. 2 Auch die in § 594 genannten, dem Erben oder Legatar nahestehenden
Personen sind ausgeschlossen; es kommt auf das Verhältnis des Zeugen zum Bedachten an. Als Eltern sind alle Vorfahren, als Kinder alle Nachfahren (auch uneheliche und adoptierte) zeugnisunfähig (§ 42); ebenso Halbgeschwister. Die Schwester des Erblassers ist keine fähige Zeugin für die letztwillige Zuwendung an die Ehegattin des Erblassers, weil die Bedachte mit der Zeugin im zweiten Grad verschwägert ist (SZ 62/131). Nach der Scheidung ist der Ehegatte des Bedachten nicht mehr zeugnisunfähig (8 Ob 620/92 NZ 1993, 82). Infolge der taxativen Aufzählung sind der Vormund und der Onkel des Bedachten fähige Zeugen; ebenso Organe einer juristischen Person, wenn sie im eigenen Namen als Zeugen beigezogen werden (SZ 52/148; 6 Ob 122/02p RZ 2002, 279; aM Welser/R §§ 591–596 Rz 4). Problematisch ist es, den Lebensgefährten oder Verlobten als zeugnisfähig anzusehen (vgl SZ 26/161; 7 Ob 64/03t SZ 2003/46). Zu den besoldeten Hausgenossen zählt zB eine Kellnerin, die im Haus des Bedachten ein eigenes Zimmer bewohnt und von ihm verköstigt wird (4 Ob 1587/95 EF 78.380). Ebenso eine vom Testator bezahlte, im Haushalt lebende Hausgehilfin, soweit die Gattin im Testament bedacht ist (SZ 42/101). Nicht im Haushalt lebende Arbeitnehmer sind hingegen fähige Zeugen. 3 Bei Befangenheit des Zeugen ist – anders als in den Fällen des § 591 –
nicht immer der gesamte letzte Wille unwirksam, sondern idR nur die von der Befangenheit betroffene Verfügung (SZ 62/131). Die Teilwirksamkeit der restlichen Verfügung hängt jedoch noch davon ab, ob sie dem hypothetischen Willen des Testators entspricht. Die Befangenheit eines Zeugen ist unschädlich, wenn genügend andere im Hinblick auf die betreffende Verfügung fähige Zeugen beigezogen werden (NZ-K 1986/127) oder diese Verfügung eigenhändig verfasst wird. 4 Ist die Unfähigkeit des Zeugen offenkundig, so wurde für die Erb-
rechtsklage dem Testamentserben die Klägerrolle zugeteilt (SZ 36/156). Vorzuziehen war jedoch, von vornherein die auf den eindeutig formungültigen letzten Willen gestützte Erbserklärung zurückzuweisen (§ 577 Rz 4; § 601 Rz 2; 6 Ob 66/01a JBl 2002, 242). Nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht gemäß § 161 AußStrG. § 595. Wenn der Erblasser demjenigen, welcher den letzten Willen schreibt, oder dessen Ehegatten, Kindern, Eltern, Geschwistern, 544
Apathy
Letzter Wille
§ 597
oder in eben dem Grade verschwägerten Personen einen Nachlaß bestimmt; so muß die Anordnung auf die im vorhergehenden Paragraphen erwähnte Art außer Zweifel gesetzt sein. Der Schreiber des fremdhändigen letzten Willens und dessen nahe 1 Angehörige (einschließlich der besoldeten Hausgenossen: § 594 Rz 2) können bedacht werden, wenn drei fähige Zeugen beigezogen werden (1 Ob 510/94 SZ 67/8). § 596. Was von der Unbefangenheit und Fähigkeit des Zeugen, die Person des Erblassers außer Zweifel zu setzen, verordnet wird, ist auch auf die gerichtlichen Personen, die einen letzten Willen aufnehmen, anzuwenden. Die Regelungen der Zeugnisfähigkeit gelten auch für die beim öffent- 1 lichen Testament mitwirkenden Gerichtspersonen (§§ 587–590 Rz 4) und Notare (§ 70 NO). Zudem sind die weitergehenden Beschränkungen nach § 20 JN bzw § 33 NO zu beachten (Kralik, ErbR 144 f). Von den begünstigten letzten Anordnungen § 597. (1) Droht unmittelbar die Gefahr, dass der Erblasser stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag, so kann er auch mündlich oder schriftlich (§ 579) unter Beiziehung zweier fähiger Zeugen testieren, die zugleich gegenwärtig sein müssen. Ein so erklärter letzter Wille verliert drei Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit. (2) Eine mündliche letzte Anordnung muss auf Verlangen eines jeden, dem daran gelegen ist, durch die übereinstimmenden Aussagen der zwei Zeugen bestätigt werden, widrigenfalls diese Erklärung des letzten Willens ungültig ist (§ 601). [idF BGBl I 2004/58] Lit: Spitzer, Neues zu letztwilligen Verfügungen, NZ 2006, 77.
Durch das FamErbRÄG wurde das außergerichtliche mündliche Tes- 1 tament gemäß §§ 585 ff wegen der Missbrauchsgefahr und zum Schutz der gesetzlichen Erben abgeschafft (Erl 471 BlgNR 22. GP 11). Seit dem 1.1.2005 kann man außergerichtlich nur mehr im Notfall (Rz 3) und dies mit bloß begrenzter zeitlicher Wirkung (Rz 4) mündlich, aber auch schriftlich unter Beiziehung von zwei gleichzeitig anwesenden, fähigen Zeugen testieren. Zwar muss die Erklärung an sich mündlich oder schriftlich erfolgen, doch können Stumme in ZeichenApathy
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Letzter Wille
§ 597
sprache testieren (Eccher/S Rz 6; vgl NZ 1931, 155), sofern diese den Zeugen verständlich ist (§ 591 Rz 1 und 3). Eine nach einem Schlaganfall durch Zeichen abgegebene Erklärung wurde hingegen als ungültig erachtet (zu § 585 EvBl 1969/37: Erblasser weist auf Befragen nach dem Bedachten auf eine anwesende Person; Kralik, ErbR 136). Gerade beim mündlichen Testament ist von großer Bedeutung, dass die Bejahung eines Vorschlages einer anderen Person nicht ausreicht (§ 565 Rz 1). 2 Die Zeugen müssen den Testator kennen und im Einverständnis mit
ihm im Bewusstsein ihrer Zeugeneigenschaft am Testierakt teilnehmen (vgl SZ 22/135; 3 Ob 30/02m JBl 2002, 518) und die Äußerung des Testators zur Kenntnis nehmen (1 Ob 2221/96s EF 81.297). Dies ist auch dann der Fall, wenn der Erblasser die Absicht äußert, später ein schriftliches Testament zu machen (4 Ob 2256/96k NZ 1997, 368). Sie müssen nicht eigens zur Testamentserrichtung herbeigerufen worden sein, können also auch zufällig anwesend sein (vgl NZ 1969, 126; NZ 1978, 13). Sie dürfen aber keine bloßen Zufallszeugen sein, sondern müssen das Bewusstsein haben, die Erklärung sei an sie gerichtet, damit sie nicht nur den Testierakt und die Identität des Erblassers, sondern auch den Inhalt seiner mündlichen Verfügung später bezeugen können (NZ 1997, 368; Eccher, ErbR Rz 4/47). 3 Zur Anwendung der Notform ist der Erblasser nicht bloß dann be-
rechtigt, wenn objektiv eine Gefahrensituation (unmittelbar drohender Tod oder Verlust der Testierfähigkeit) vorliegt und nicht in anderer Weise testiert werden kann, sondern – nach dem Vorbild der Art 506–508 ZGB und §§ 2250, 2252 BGB – bereits dann, wenn der durch objektive Umstände begründete Eindruck beim Erblasser besteht, dass eine Notsituation vorliegt (Erl 471 BlgNR 22. GP 29). Kann der Erblasser auf andere Weise gültig testieren, insb gemäß § 578, so kann er von der Notform keinen Gebrauch machen. 4 Ein Nottestament wirkt bloß drei Monate ab Beendigung der Not-
situation, wobei es für die Frage der Beendigung auf die subjektive Betrachtungsweise ankommt (Erl 471 BlgNR 22. GP 29). Wurde im Nottestament ein älteres Testament widerrufen, so ist nach drei Monaten auch der Widerruf hinfällig (Weiß/K III 705; aM Spitzer, NZ 2006, 81). 5 Die Errichtung und der Inhalt einer mündlichen letztwilligen Ver-
fügung kann ausschließlich durch die übereinstimmende Aussage der Testamentszeugen bewiesen werden (JBl 2002, 518). Abs 2 macht – ähnlich wie nach § 586 vor dem FamErbRÄG – die übereinstimmende Aussage von zwei Testamentszeugen zum Gültigkeitserfordernis. 546
Apathy
Letzter Wille
§ 601
Kann nur noch ein Zeuge vernommen werden, so ist das mündliche Testament – abweichend von § 575 – ungültig. Der Beweis durch die Testamentszeugen ist durch den Nachweis von Umständen, die den Richter an der Richtigkeit der beeideten Aussage zweifeln lassen, widerlegbar (NZ 1997, 368; Kralik, ErbR 138). Die mündliche Verfügung ist nur insoweit formgültig, als die Zeu- 6 genaussagen übereinstimmen (SZ 47/129; SZ 62/20: keine neuerliche Vernehmung; Eccher/S Rz 10, 12). Ein Mangel der Form ist aber nicht bei jeder Divergenz der Aussagen gegeben, sondern nur bei fehlender Übereinstimmung in wesentlichen Punkten (SZ 47/129: Enterbung des Bruders; 3 Ob 2191/96v SZ 69/161: Erbeinsetzung). Es kommt also auf die inhaltliche, nicht auf die wörtliche Übereinstimmung der Zeugenaussagen an (NZ 1978, 13). Bei teilweiser Übereinstimmung ist die Verfügung idR teilweise gültig. Ob eine (mündliche) letztwillige Verfügung als Kodizill oder als Testament zu verstehen ist, war bisher im Erbrechtsstreit zu entscheiden (NZ 1984, 178); nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht (§ 161 AußStrG). §§ 598–600. [aufgehoben, BGBl I 2004/58] Ungültigkeit der unförmlichen letzten Anordnungen § 601. Wenn der Erblasser eines der hier vorgeschriebenen, und nicht ausdrücklich der bloßen Vorsicht überlassenen Erfordernisse nicht beobachtet hat; so ist die letzte Willenserklärung ungültig. Lit: Jud, Erbschaftskauf 108 ff; Schilcher, Erbrecht und bewegliches System, JBl 1977, 57; Zankl, Culpa in testando bei Widerruf und Formungültigkeit letztwilliger Verfügungen, NZ 1995, 265.
Den Formvorschriften für letztwillige Verfügungen kommt Warn- 1 und Beweisfunktion zu (SZ 58/71; oben § 577 Rz 2); sie sollen Streitigkeiten über die Anordnungen des Testators verhindern (5 Ob 531, 532/91 NZ 1992, 296). Sie bilden grundsätzlich zwingendes Recht (zu Ausnahmen s § 578 Rz 3; § 580 Rz 2). Wird die vorgeschriebene Form nicht gewahrt, so ist die Erklärung des letzten Willens unwirksam (SZ 62/60), und zwar auch bei klar und eindeutig erweisbarem Willen des Erblassers (SZ 58/70; NZ 1992, 296). Zur Auslegung letztwilliger Verfügungen s § 565 Rz 4 f; zur Konversion s § 577 Rz 3. Im Verlassenschaftsverfahren wurde vor der Reform des Außer- 2 streitverfahrens eine Erbserklärung, die sich auf einen dem Inhalt und der äußeren Form nach vorschriftsmäßig errichteten letzten Willen (§ 123 Abs 1 AußStrG aF) stützt, angenommen. Dies führte zur Apathy
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Letzter Wille
§ 602
Einantwortung des Testamentserben, wenn niemand – insb unter Berufung auf einen nicht im Verlassenschaftsverfahren geltend zu machenden Formmangel (Rz 3) – eine widersprechende Erbserklärung abgab. Nach Ablauf der Frist des § 1487 war der Erbschaftserwerb unanfechtbar (8 Ob 537/91 JBl 1991, 656 M. Binder; aM Kralik, ErbR 129). Hingegen wurde die Erbserklärung, die sich auf eine nach der Aktenlage eindeutig formungültige Verfügung stützte, von Amts wegen zurückgewiesen (§ 577 Rz 4; Jud, Erbschaftskauf 111: absolute Nichtigkeit); insofern sollte auch eine Anerkennung (Rz 4) wirkungslos bleiben (offen lassend 6 Ob 66/01a JBl 2002, 242, wonach eine Sanierung des Testaments jedenfalls dessen Anerkennung durch alle in Betracht kommenden gesetzlichen Erben erfordere). 3 Im Erbrechtsstreit war ein Formmangel bis zum Schluss der münd-
lichen Verhandlung erster Instanz geltend zu machen (SZ 59/164). Er wurde also nicht von Amts wegen wahrgenommen (K/W II 492: relative Nichtigkeit). Die Beweislast traf denjenigen, der die Ungültigkeit des Testaments geltend macht (SZ 59/175); so jetzt auch Erl 224 BlgNR 22. GP 105. 4 Bei Anerkennung eines wegen Formmängeln ungültigen letzten Wil-
lens im Erbrechtsstreit erfolgte ohne weitere Prüfung ein Anerkenntnisurteil (SZ 59/164), auf dessen Grundlage dem bzw den formungültig eingesetzten Erben der Nachlass eingeantwortet wurde. Die Rechtsnatur dieses Anerkenntnisses ist umstritten. Nach Ehrenzweig, System II/2, 425 und der Rspr (SZ 7/297; SZ 59/164) wird der Formmangel geheilt; nach Kralik, ErbR 129 f kommt mit der Anerkennung der letztwilligen Verfügung durch alle Beteiligten der formungültig Eingesetzte zum Zuge; nach Welser/R Rz 5 entfaltet der Anerkennungsvertrag bloß schuldrechtliche Wirkungen zwischen den Beteiligten, wobei insb an eine Verpflichtung zu denken ist, die relative Nichtigkeit (Rz 3) nicht geltend zu machen (vgl Jud, Erbschaftskauf 113; dazu Apathy, JBl 2000, 472). Nunmehr hat der Gerichtskommissär gemäß § 160 AußStrG bei widersprechenden Erbantrittserklärungen darauf hinzuwirken, dass das Erbrecht zwischen den Parteien anerkannt wird. Das Erbrecht der Erben, deren Erbrecht anerkannt wurde, ist vom Gericht festzustellen (Erl 224 BlgNR 22. GP 104). Zur Rechtsnatur des Anerkenntnisses und seinen Wirkungen äußern sich die Gesetzesmaterialien nicht. Erbverträge sind nur unter Ehegatten gültig § 602. Erbverträge über die ganze Verlassenschaft, oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben, können nur 548
Apathy
Nacherben
§ 604
unter Ehegatten gültig geschlossen werden. Die Vorschriften hierüber sind in dem Hauptstücke von den Ehepakten enthalten. 1
§ 602 verweist auf die §§ 1249 ff. Von Schenkungen auf den Todesfall. Beziehung § 603. Inwiefern eine Schenkung auf den Todesfall als ein Vertrag, oder als ein letzter Wille zu betrachten sei, wird in dem Hauptstücke von den Schenkungen bestimmt.
§ 956 unterscheidet zwischen widerruflichen und unwiderruflichen 1 Schenkungen auf den Todesfall. Dazu auch § 785 Rz 2.
Zehntes Hauptstück Von Nacherben [und Fideikommissen] Gemeine Substitution § 604. Jeder Erblasser kann für den Fall, daß der eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht erlangt, einen; und wenn auch dieser sie nicht erlangt, einen zweiten, und im gleichen Falle einen dritten, oder auch noch mehrere Nacherben berufen. Diese Anordnung heißt eine gemeine Substitution. Der in der Reihe zunächst Berufene wird Erbe. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft (1999) 54 ff, 93 ff.
Das ABGB übernimmt vom gemeinen Recht die gemeine Substitution 1 (= Vulgarsubstitution; §§ 604 ff) und die fideikommissarische (§ 608). Wen der Erblasser zum Erben einsetzt, wenn der Ersteingesetzte die Erbschaft nicht erlangt (§ 605 Rz 1), der wird heute Ersatzerbe genannt, während § 604 den Ausdruck Nacherbe (iwS) verwendet. Nacherbe ieS ist der fideikommissarische Substitut. Die gemeine Substitution geht der Anwachsung vor (§§ 560–562 Rz 3) und verhindert die gesetzliche Erbfolge (SZ 44/12). Zur Substitution beim Legat s § 652. Familienfideikommisse wurden 1938 aufgehoben. Der Testator kann ohne Beschränkung (vgl § 612) einen oder mehre- 2 re Ersatzerben nach- oder nebeneinander bestimmen (vgl § 607). Er kann auch einem Nacherben einen Ersatzerben bestellen (EvBl 1989/90) und umgekehrt (SZ 54/48). Da Substitutionen nicht vermutet werden, muss der Testator die Anordnung der Substitution erkennbar treffen (SZ 25/85). Auch eine Formulierung als Bitte kann diesem Apathy
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Nacherben
§ 604
unter Ehegatten gültig geschlossen werden. Die Vorschriften hierüber sind in dem Hauptstücke von den Ehepakten enthalten. 1
§ 602 verweist auf die §§ 1249 ff. Von Schenkungen auf den Todesfall. Beziehung § 603. Inwiefern eine Schenkung auf den Todesfall als ein Vertrag, oder als ein letzter Wille zu betrachten sei, wird in dem Hauptstücke von den Schenkungen bestimmt.
§ 956 unterscheidet zwischen widerruflichen und unwiderruflichen 1 Schenkungen auf den Todesfall. Dazu auch § 785 Rz 2.
Zehntes Hauptstück Von Nacherben [und Fideikommissen] Gemeine Substitution § 604. Jeder Erblasser kann für den Fall, daß der eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht erlangt, einen; und wenn auch dieser sie nicht erlangt, einen zweiten, und im gleichen Falle einen dritten, oder auch noch mehrere Nacherben berufen. Diese Anordnung heißt eine gemeine Substitution. Der in der Reihe zunächst Berufene wird Erbe. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft (1999) 54 ff, 93 ff.
Das ABGB übernimmt vom gemeinen Recht die gemeine Substitution 1 (= Vulgarsubstitution; §§ 604 ff) und die fideikommissarische (§ 608). Wen der Erblasser zum Erben einsetzt, wenn der Ersteingesetzte die Erbschaft nicht erlangt (§ 605 Rz 1), der wird heute Ersatzerbe genannt, während § 604 den Ausdruck Nacherbe (iwS) verwendet. Nacherbe ieS ist der fideikommissarische Substitut. Die gemeine Substitution geht der Anwachsung vor (§§ 560–562 Rz 3) und verhindert die gesetzliche Erbfolge (SZ 44/12). Zur Substitution beim Legat s § 652. Familienfideikommisse wurden 1938 aufgehoben. Der Testator kann ohne Beschränkung (vgl § 612) einen oder mehre- 2 re Ersatzerben nach- oder nebeneinander bestimmen (vgl § 607). Er kann auch einem Nacherben einen Ersatzerben bestellen (EvBl 1989/90) und umgekehrt (SZ 54/48). Da Substitutionen nicht vermutet werden, muss der Testator die Anordnung der Substitution erkennbar treffen (SZ 25/85). Auch eine Formulierung als Bitte kann diesem Apathy
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Nacherben
§ 605
Erfordernis entsprechen (EvBl 1964/423). Die alternative Einsetzung von A oder B wird als Berufung des B zum Ersatzerben verstanden (Kralik, ErbR 179). 3 Der Ersatzerbe beerbt den Testator (EvBl 1989/90) und muss daher
ihm gegenüber erbfähig sein. Er muss dessen Tod erleben (§ 536 Rz 2). Schlägt der Ersteingesetzte aus oder stirbt er vor der Erbantrittserklärung, so kommt es auch dann zur Substitution, wenn der Ersatzerbe nach dem Tod des Testators, aber vor dem des Ersteingesetzten gestorben ist. Es erben dann die Transmissare des Ersatzerben (Eccher, ErbR Rz 4/102; Welser/R § 615 Rz 3; differenzierend Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 93 ff). Stirbt der Ersteingesetzte nach der Erbantrittserklärung, so erben seine Transmissare (§ 537 Rz 2). 4 Die Erbrechtsklage des gesetzlichen Erben musste nicht nur gegen
den ersteingesetzten Testamentserben, sondern auch gegen den Ersatzerben erhoben werden (SZ 44/12). § 605. Hat der Erblasser aus den bestimmten Fällen, daß der ernannte Erbe nicht Erbe sein kann, oder, daß er nicht Erbe sein will, nur einen ausgedrückt; so ist der andere Fall ausgeschlossen. 1 Der Erblasser kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der
Ersatzerbe berufen sein soll. § 605 enthält eine Auslegungsregel, die häufig nicht dem vorrangig zu beachtenden Erblasserwillen entspricht. Der Ersteingesetzte kann nicht Erbe sein, wenn er vorverstorben, erbunfähig oder -unwürdig ist; ferner wenn seine Einsetzung ungültig ist oder widerrufen wird. Hat er auf das Erbrecht verzichtet oder schlägt er die Erbschaft aus, so will er nicht Erbe sein. Rechte aus derselben § 606. Die dem Erben aufgelegten Lasten werden auch auf den an seine Stelle tretenden Nacherben ausgedehnt, wofern sie nicht durch den ausdrücklichen Willen, oder die Beschaffenheit der Umstände, auf die Person des Erben eingeschränkt sind. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 108 ff.
1 Soweit kein anderer Wille des Testators erwiesen ist, treffen den Er-
satzerben dieselben Lasten (Vermächtnisse, Auflagen, fideikommissarische Substitutionen, § 790) wie den Ersteingesetzten. Zu Bedingungen s § 702. 550
Apathy
Nacherben
§ 608
§ 607. Sind die Miterben allein wechselseitig zu Nacherben berufen worden; so wird angenommen, daß der Erblasser die in der Einsetzung ausgemessenen Teile auch auf die Substitution ausdehnen wollte. Wird aber in der Substitution, außer den Miterben, noch sonst jemand berufen, so fällt der erledigte Erbteil allen zu gleichen Teilen zu. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 81 ff.
Werden nur Miterben als Ersatzerben eingesetzt, so gelten im Zwei- 1 fel die Quoten der Erbeinsetzung auch für den erledigten Erbteil, für den der Substitutionsfall eintritt. Sind auch andere Personen zu Nacherben berufen, so erben mehrere Ersatzerben den erledigten Erbteil zu gleichen Teilen (§ 555). Der Miterbe kann den ihm infolge der Substitution anfallenden Anteil 2 ausschlagen und bloß den Erbteil auf Grund der Ersteinsetzung annehmen (Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 83). Fideikommissarische § 608. Der Erblasser kann seinen Erben verpflichten, daß er die angetretene Erbschaft nach seinem Tode, oder in andern bestimmten Fällen, einem zweiten ernannten Erben überlasse. Diese Anordnung wird eine fideikommissarische Substitution genannt. Die fideikommissarische Substitution begreift stillschweigend die gemeine in sich. Lit: Apathy, Fideikommissarische Substitution und Treuhand, GedS Hofmeister (1996) 15; Egglmeier, Zur Zulässigkeit auflösend bedingter Übereignung im österreichischen Recht, NZ 1997, 33; Fischer-Czermak, Veräußerungsverbot und Besitznachfolgerechte, GedS Hofmeister (1996) 169; Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 52 f, 116; Umlauft, Die Treuhandschaft aus zivilrechtlicher Sicht, in Apathy (Hrsg), Die Treuhandschaft (1995) 18.
Das ABGB hat den römischen Grundsatz „semel heres, semper heres“ 1 nicht mehr übernommen und die fideikommissarische Substitution des gemeinen Rechts zur wirklichen Nacherbfolge fortentwickelt (Apathy, GedS Hofmeister 22 ff). Der Nacherbe (ieS) übernimmt den Nachlass ganz oder teilweise (SZ 45/118; SZ 54/48) vom ersteingesetzten Vorerben zu dem vom Erblasser bestimmten Zeitpunkt (Substitutions-, Nacherbfall; Rz 3). Vorerbe kann auch ein Ersatzerbe sein (vgl SZ 54/48) oder der gesetzliche Erbe (EvBl 1951/465). Der Testator hat den Nacherben zu bestimmen (§ 564 Rz 3). Dass im Zeitpunkt der Testamentserrichtung offenkundig ist, dass es den vom Testator beApathy
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Nacherben
§ 608
stimmten Nacherben nicht geben wird, begründet keine Nichtigkeit des Testaments (SZ 29/79). Der Nacherbe muss im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht existieren (EvBl 1972/183). Als fideikommissarische Substitution ist es daher auch zu beurteilen, wenn der Testator eine bei seinem Tod noch nicht gezeugte Person zum Erben einsetzt (3 Ob 539/94 NZ 1996, 245; 1 Ob 630/94 SZ 68/61; § 707). Die Aufhebung des HfD JGS 1845/888 hat daran nichts geändert (Welser/R § 536 Rz 2). 2 Der Nacherbe beerbt den Testator, nicht den Vorerben (SZ 39/194;
SZ 45/118). Der Nachlass wird zunächst dem Vorerben eingeantwortet, wobei der Beschluss auch dem Nacherben bzw Substitutionskurator (§§ 611–612 Rz 4) zuzustellen ist (JBl 1985, 98). Tritt der Substitutionsfall ein, so verliert der Vorerbe seine Erbenstellung und der Substitutionsnachlass wird wieder ruhender Nachlass (3 Ob 193/98y EF 87.185). Das Abhandlungsverfahren nach dem Testator wird wieder aufgenommen (Substitutionsabhandlung; NZ 1990, 301), sofern die Einantwortung an den Vorerben mit Hinweis auf die Substitution (auf den Überrest) erfolgt war (SZ 39/194; § 178 Abs 2 Z 1 AußStrG). Bei unbeschränkter Einantwortung steht dem Nacherben nur die Erbschaftsklage zu. Von der Substitutionsabhandlung, die mit der Einantwortung an den Nacherben endet, zu unterscheiden ist die Verlassenschaftsabhandlung nach dem Vorerben, wenn dessen Tod den Substitutionsfall auslöst (SZ 60/7). 3 Ob der Substitutionsfall eingetreten ist oder nicht, war vor der Re-
form des Außerstreitverfahrens im Rechtsweg zu entscheiden (SZ 60/7); ebenso ob eine fideikommissarische Substitution (auf den Überrest) angeordnet wurde (EvBl 1988/117), zB ob eine letztwillige Erklärung als Anordnung einer Substitution oder als unverbindliche Bitte zu verstehen ist (EvBl 1980/60). Nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht gemäß § 161 AußStrG. 4 Ist der Nacherbe aufschiebend befristet berufen, zB beim Tod des
Vorerben, so fällt ihm die Erbschaft beim Tod des Erblassers an, und er vererbt sein Erbrecht an seine Transmissare, wenn er vor dem Substitutionsfall stirbt (§ 705; EvBl 1989/55; 2 Ob 212/00s EF 93.304 ff); ist er zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren, so fällt das Nacherbrecht mit der Geburt an (NZ 1991, 31). Ist er hingegen aufschiebend bedingt berufen, zB bei Kinderlosigkeit des Vorerben (JBl 1985, 98; SZ 60/7), so fällt ihm die Erbschaft erst bei Bedingungseintritt an; er muss diesen Zeitpunkt erleben und dabei erbfähig sein (§ 703), doch gibt der OGH einer davon abweichenden Auslegung der letztwilligen Anordnung den Vorzug (6 Ob 1/90 JBl 1990, 581 Eccher; § 615 Rz 3). 552
Apathy
Nacherben
§ 609
Pflichtteile dürfen durch die Anordnung der Substitution nicht be- 5 schränkt werden (§ 774; EF 40.995). Pflichtteilsansprüche sind gegen den Vorerben geltend zu machen (SZ 43/30; 3 Ob 98/02m NZ 2003, 336). Es entspricht dem typischen Erblasserwillen, dass die als Nacherbe 6 eingesetzte Person als Ersatzerbe sofort erben soll, wenn der Vorerbe vorverstorben ist (S 3). Hingegen ist ein Ersatzerbe, dem die Erbschaft nicht anfällt, weil der Ersteingesetzte die Erbschaft annimmt, nicht eo ipso Nacherbe. Nach dem Vorbild der fideikommissarischen Substitution werden 7 vertraglich begründete Nachfolgerechte anerkannt (NZ 1982, 138; 7 Ob 111/99w NZ 2001, 190: quasi-fideikommissarische Substitution; Eccher/S Rz 8; Welser/R Rz 5); zB in einem Erbteilungsübereinkommen (SZ 57/208) oder Schenkungsvertrag (SZ 26/79; SZ 51/65). In diesen Fällen wird für einen Liegenschaftserwerber das Eigentumsrecht einverleibt und zugleich kann die Beschränkung durch das Nachfolgerecht angemerkt werden (SZ 40/94; 5 Ob 84/95 JBl 1997, 165 Spielbüchler: § 20 lit a GBG). Zum Teil wird die bücherliche Eintragung nur in den Grenzen des § 364c für zulässig erachtet (Fischer-Czermak, GedS Hofmeister 176 f; aM Umlauft, Treuhandschaft 50), doch soll die in § 364c normierte Beschränkung absolut wirkender Veräußerungsverbote gerade nicht für die fideikommissarische Substitution und die von der Judikatur analog behandelten vertragsmäßigen Vereinbarungen gelten (Mat III. TN 164). Zur Aufhebung des einem Dritten eingeräumten Besitznachfolgerechts durch die Vertragspartner s 5 Ob 11/91 SZ 64/34; Kletecˇka, NZ 1999, 66 f. Auf Grund einer quasi-fideikommissarischen Substitution kann man nicht die Eintragung eines Nachfolgerechts zugunsten dessen beantragen, dem die Liegenschaft übergeben wird (5 Ob 326/00b NZ 2002, 56). Inwiefern die Eltern ihren Kindern substituieren dürfen § 609. Auch die Eltern können ihren Kindern, selbst in dem Falle, daß diese zu testieren unfähig sind, nur in Rücksicht des Vermögens, das sie ihnen hinterlassen, einen Erben oder Nacherben ernennen. § 609 schließt die Pupillarsubstition aus, die es dem pater familias 1 ermöglicht hat, seinem zum Erben eingesetzten Hauskind einen Substituten nicht nur für das ererbte Vermögen zu bestimmen, wenn dieses unmündig stirbt (Inst. Iust. 2, 16). Der Nacherbe nach dem Apathy
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Nacherben
§ 610
testierunfähigen Kind beerbt daher nur den Testator (§ 608 Rz 2), nicht auch das Kind. 2 Auch die fideikommissarische Substitution für den Fall, dass das Kind
testierunfähig stirbt, darf das Pflichtteilsrecht des Kindes nicht beschränken (§ 774; GlUNF 6321). Eine fideikommissarische Substitution auf den Überrest ist jedoch nach hA zulässig (GlUNF 3042; Weiß/K III 389 f; Eccher/S Rz 3; aM Welser/R Rz 2). Stillschweigende fideikommissarische Substitution § 610. Hat der Erblasser dem Erben verboten, über den Nachlaß zu testieren; so ist es eine fideikommissarische Substitution, und der Erbe muß den Nachlaß für seine gesetzlichen Erben aufbewahren. Das Verbot, die Sache zu veräußern, schließt das Recht, darüber zu testieren, nicht aus. Lit: Fischer-Czermak, Veräußerungsverbot und Besitznachfolgerechte, GedS Hofmeister (1996) 169; Graf, Letztwilliges Veräußerungsverbot und fideikommissarische Substitution, AnwBl 1996, 222; Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 143 ff.
1 Als eine fideikommissarische Substitution ist es auch anzusehen,
wenn der Testator dem Erben verboten hat, über den vererbten Nachlass zu testieren (EvBl 1973/293: konstruktive Nacherbfolge). Die gesetzlichen Erben des Bedachten sind dann Nacherben des Testators. § 610 deutet das dem Erben auferlegte, die Testierfreiheit unzulässig einschränkende Testierverbot in eine zulässige Substitution um (Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 144; vgl RZ 1967, 164; 6 Ob 665/94 NZ 1997, 151). In gleicher Weise wird ein Testiergebot in eine fideikommissarische Substitution (im Zweifel auf den Überrest) zugunsten der zu bedenkenden Personen umgedeutet (EvBl 1988/117). Ein Testierverbot hinsichtlich des nicht ererbten Vermögens ist unwirksam. 2 Nach S 2 hindert ein (letztwillig oder vertraglich begründetes) Ver-
äußerungsverbot den Beschwerten nicht an letztwilligen Verfügungen; es begründet also kein in eine fideikommissarische Substitution umgedeutetes Testierverbot. Auch eine Schenkung auf den Todesfall ist nach 5 Ob 1066/91 NZ 1992, 79 Hofmeister möglich, doch hängt dies insb bei der unwiderruflichen Schenkung auf den Todesfall vom Willen des Erblassers bzw der Parteien ab. Ob eine letztwillige Anordnung als Veräußerungsverbot oder als fideikommissarische Substitution zu deuten ist, ist eine Auslegungsfrage (RZ 1967, 164; Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 144 ff). 554
Apathy
Nacherben
§§ 611–612
Einschränkung der fideikommissarischen Substitution § 611. Die Reihe, in welcher die fideikommissarischen Erben aufeinander folgen sollen, wird, wenn sie alle Zeitgenossen des Erblassers sind, gar nicht beschränkt, sie kann sich auf den Dritten, Vierten und noch weiter ausdehnen. § 612. Sind es nicht Zeitgenossen, sondern solche Nacherben, die zur Zeit des errichteten Testamentes noch nicht geboren sind; so kann sich die fideikommissarische Substitution in Rücksicht auf Geldsummen, und andere bewegliche Sachen bis auf den zweiten Grad erstrecken. In Ansehung unbeweglicher Güter gilt sie nur auf den ersten Grad; doch wird bei Bestimmung der Grade nur derjenige Nacherbe gezählt, welcher zum Besitze der Erbschaft gelangt ist. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 176 ff, 247 ff.
Zu lange Bindung des erblasserischen Vermögens durch Nacherben- 1 einsetzungen gefährdet den freien Güterverkehr. § 612 beschränkt daher die Nacherbfolge. Der Testator kann zwar unbegrenzt viele Nacherben hintereinander einsetzen, wenn diese zur Zeit der Testamentserrichtung zumindest gezeugt sind (§ 611 iVm § 22; SZ 15/202; EvBl 1972/183; Weiß/K III 396). Will er jedoch andere als solche Zeitgenossen als Nacherben einsetzen, so ist dies zwar abweichend von § 545 möglich, doch beschränkt § 612 die fideikommissarische Substitution bei beweglichen Sachen auf zwei, bei unbeweglichen Sachen (einschließlich Unternehmen und Gesellschaftsanteilen) auf einen nichtzeitgenössischen Nacherben. Tritt in der Substitutionsmasse eine bewegliche Sache an die Stelle einer unbeweglichen, so ändert dies nichts an der Beschränkung auf einen nichtzeitgenössischen Nacherben (SZ 15/202). Zur analogen Anwendung von § 612 bei einem als Grunddienstbarkeit bestellten Fruchtgenussrecht s 1 Ob 125/01s SZ 74/95. Bei der Zählung der Grade nach § 612 S 1 wird der Vorerbe nicht 2 gezählt (EF 40.981); ebenso wenig Nacherben, die Zeitgenossen des Erblassers sind (SZ 38/65). Von den Nacherben, die keine Zeitgenossen des Erblassers sind, werden nur diejenigen gezählt, die die Erbschaft annehmen (Weiß/K III 398; aM Welser/R Rz 3: Einantwortung). Setzt der Testator Zeitgenossen und Personen, die keine Zeitgenossen sind, zu Nacherben ein, so erlischt die fideikommissarische Substitution, sobald bei beweglichen Sachen der zweite, bei unbeweglichen Sachen der erste nichtzeitgenössische Nacherbe annimmt (SZ 38/65). Apathy
555
Nacherben
§ 613
3 Eine testamentarisch begründete Stiftung ist keine Zeitgenossin
(SZ 15/202). Zu weit geht es im Hinblick auf § 26, auch bereits bestehende juristische Personen als Nichtzeitgenossen des Erblassers zu betrachten (K/W II 517; Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 178 ff; vgl aber Eccher, ErbR Rz 4/111 und FN 89). 4 Für noch nicht geborene Nacherben ist von Amts wegen ein Substi-
tutionskurator zu bestellen (§ 156 iVm § 5 Abs 2 Z 2 lit a AußStrG) und der Verlassenschaftsabhandlung beizuziehen (3 Ob 539/94 NZ 1996, 245: Nichtigkeit der Einantwortung; 6 Ob 275/03i JBl 2005, 43: Parteistellung); und zwar auch dann, wenn angesichts des Alters des Vorerben keine weitere Nachkommenschaft zu erwarten ist (SZ 29/10). Der Kurator vertritt nicht die Substitutionsmasse, der auch keine Rechtspersönlichkeit zukommt, sondern die Interessen der potentiellen Nacherben auch vor Eintritt des Nacherbfalls, solange es solche geben kann (EvBl 1970/375; EvBl 1978/97). Er ist nicht zur Verwaltung des Substitutionsvermögens berechtigt, sondern soll dessen Erhaltung überwachen (EvBl 1978/97). Ist der Vorerbe gesetzlicher Vertreter des Nacherben, so ist ein Kollisionskurator zu bestellen (§ 156 iVm § 5 Abs 2 Z 1 lit a AußStrG; SZ 29/10). Rechte des Erben bei einer fideikommissarischen Substitution § 613. Bis der Fall der fideikommissarischen Substitution eintritt, kommt dem eingesetzten Erben das eingeschränkte Eigentumsrecht, mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu. Lit: P. Bydlinski, Offene Fragen der Substitution auf den Überrest, NZ 1988, 241; Kletecˇ ka, Die Drittwirkung des Nacherbrechts, NZ 2001, 21; Schauer, Rechtsprobleme der erbrechtlichen Nachfolge bei Personenhandelsgesellschaften (1999); Welser, Befreite Vorerbschaft und „Löschungsklage“ des Nacherben, NZ 1993, 140; ders, Erbschaftskauf und fideikommissarische Substitution, NZ 2006, 65; s auch bei § 608.
1 Der Vorerbe wird mit der Einantwortung (§ 608 Rz 2) Rechtsnach-
folger des Erblassers, also Eigentümer oder sonst Berechtigter, doch muss er (möglicherweise) die Erbschaft später dem Nacherben herausgeben. Sein Recht am Nachlass ist daher befristet oder durch den Nacherbfall auflösend bedingt (5 Ob 97/94 SZ 67/193). Dem Nacherben steht zunächst ein Anwartschaftsrecht zu, das die Rechtsstellung des Vorerben nicht nur schuldrechtlich (so Kralik, ErbR 189 f), sondern mit absoluter Wirkung beschränkt (Rz 3 ff). 556
Apathy
Nacherben
§ 613
Der Nachlass ist von Amts wegen zu inventarisieren (§ 165 Abs 1 Z 4 AußStrG) und die Beschränkung des Eigentums des Vorerben durch das Substitutionsband in der Einantwortungsurkunde anzuführen (§ 178 Abs 2 Z 1 AußStrG; 3 Ob 512/93 SZ 66/34) und im Grund- sowie Firmenbuch einzutragen (§ 182 AußStrG). Zur bisherigen Sicherstellung bei beweglichem Vermögen s § 158 Abs 1 und 2 AußStrG aF (SZ 45/118; 2 Ob 252/01z EvBl 2002/67). Zur Substitutionsabhandlung s § 608 Rz 2. Die Rechte am Nachlass sind daher zwischen Vor- und Nacherben 2 funktionell geteilt (9 ObA 317/92 SZ 66/35; K/W II 519). Ihre Berechtigungen ergänzen einander, so dass beide zusammen die Rechte eines Vollerben und freien Eigentümers haben (JB 209; SZ 67/193). Daher kann der Vorerbe mit Zustimmung aller Nacherben (auch der Ersatzerben: 5 Ob 99/90 SZ 63/209; gegebenenfalls des Substitutionskurators: EF 43.436) über die Substitutionsmasse verfügen; gemeinsam können sie die Substitutionsbindung aufheben (7 Ob 539/91 EF 66.236; 2 Ob 121/01k NZ 2001, 446), und zwar auch gegen den Willen des Testators (JBl 1965, 518). Neben der Zustimmung der Nacherben bedarf es nicht auch noch einer Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts als Substitutionsbehörde (SZ 67/193: Verpfändung). § 613 legt die Stellung des Vorerben dahin fest, dass ihm nur ein ein- 3 geschränktes Eigentumsrecht zukommt: Er ist zwar Eigentümer, hat aber nur die Rechte und Pflichten eines Fruchtnießers. Diese Formulierung wählte man nach dem Vorbild von ALR I 12 § 466 auch zu dem Zweck, das gemeinrechtliche Veräußerungsverbot beizubehalten (Zeiller II 512; Apathy, GedS Hofmeister, 1996, 24 f). Demzufolge ist die unerlaubte Veräußerung bzw Abtretung von Fideikommissgut nichtig (SZ 46/28; SZ 66/34; zur Gültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts s SZ 38/58); ebenso die Belastung mit einem Pfandrecht (3 Ob 160/03f ZIK 2004, 180). Der Nacherbe kann zwar erst nach Eintritt des Substitutionsfalls vom Erwerber (Besitzer) vindizieren, doch kann er schon vorher die unzulässige Veräußerung durch Unterlassungsklage verhindern (SZ 47/62; Apathy, GedS Hofmeister 28). Gegen grundbücherliche Eintragungen, die im Widerspruch zur Substitution stehen, hat der Nacherbe die Löschungsklage und das Rekursrecht (NZ 1988, 234). Die fideikommissarische Substitution bewirkt ein Veräußerungs- und Belastungsverbot (SZ 67/193; 5 Ob 182/00a wobl 2001, 267), das nicht an die Voraussetzungen des § 364c ABGB gebunden ist (K/W II 519 f; Eccher, ErbR Rz 4/112: Grundbuchsperre). Daher kann der Vorerbe zwar eine Liegenschaft vermieten (Rz 5), die Eintragung eines Bestandrechts im Grundbuch ist jedoch ohne Zustimmung des Substitutionsberechtigten wegen der nach § 94 Apathy
557
Nacherben
§ 613
Abs 1 Z 2 GBG zu beachtenden eingeschränkten Befugnis des Vorerben ausgeschlossen (wobl 2001, 267). Die Belastung eines Miteigentumsanteils mit einer fideikommissarischen Substitution hindert zwar nicht die Teilung der Liegenschaft (SZ 51/65), doch kann der Vorerbe nicht die Teilungsklage erheben (SZ 39/204). 4 Veräußert der Vorerbe an jemanden, der die fideikommissarische Sub-
stitution weder kennt noch kennen muss, so kommt insb ein Erwerb nach § 367 in Betracht, wenn der Vorerbe befugter Gewerbsmann ist, oder beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung (Apathy, GedS Hofmeister 28 f). Weitergehend bejaht Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft (1999) 232 ff, auch den Erwerb vom Vertrauensmann, obwohl dem Vorerben das Substitutionsgut vom Nacherben nicht anvertraut wird (Apathy, GedS Hofmeister 29 f). 5 Der Vorerbe kann die Substanz der später herauszugebenden Substi-
tutionsmasse unbeschränkt nutzen, also den vollen Ertrag aus ihr lukrieren (SZ 61/9; Rz 6). Er muss die Substanz jedoch schonen (§ 509; SZ 63/209; SZ 67/193) und darf daher keine Veränderungen vornehmen, die das Wesen des Substitutionsgutes umgestalten (SZ 61/9). Verfügungen über die Substanz sind daher ohne Zustimmung der Nacherben grundsätzlich (vgl Rz 7) unzulässig, zB die Begründung von Wohnungseigentum (SZ 63/209). Eine Veräußerung oder Belastung unter Aufrechterhaltung der Substitutionsbindung (zB bei entsprechender bücherlicher Eintragung) lässt die Judikatur nicht zu (SZ 41/97; ebenso K/W II 520; aM Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 265). Jedenfalls bleiben Sachen, die mit Nachlassmitteln erworben werden, Substitutionsvermögen (dinglich wirkende Surrogation; SZ 41/136: Substitution auf den Überrest; Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 296 ff). Der Vorerbe hat das Substitutionsvermögen ordentlich zu verwalten und dem Nacherben zu erhalten; zur Löschungsklage gegen einen Hypothekargläubiger braucht er aber keine Zustimmung des Nacherben (EvBl 1957/81). Der Nacherbe hat gegenüber dem Vorerben den Sicherstellungsanspruch nach § 520, kann aber auch auf Unterlassung klagen (SZ 61/9). Im Rahmen seines Nutzungsrechts kann der Vorerbe (auch längerfristige) Bestandverträge abschließen (7 Ob 587, 588/92 Miet XLIV/40; wobl 2001, 267). Diese erlöschen nicht mit dem Nacherbfall, sondern der Nacherbe tritt in sie ein und kann sie nur unter den allgemeinen Voraussetzungen auflösen (4 Ob 556/90 wobl 1991, 73 Würth: § 2 Abs 1 MRG; 8 Ob 511/91 ImmZ 1993, 22). 6 Früchte aus der Substitutionsmasse (bis zum Nacherbfall: SZ 36/98)
gehören zum freien Vermögen des Vorerben (SZ 41/136). Dem Vor558
Apathy
Nacherben
§ 613
erben eines Waldgrundstücks steht daher zB das forstmäßig geschlagene Holz zu; er darf aber nicht zwecks Schottergewinnung roden (SZ 61/9). Aufwendungen, die einem Fruchtnießer obliegen (§ 513), hat der Vorerbe aus seinem freien Vermögen zu bestreiten; Aufwendungen, die den Eigentümer treffen (§§ 514 f), kann er auf Kosten der Substitutionsmasse vornehmen. Der Vorerbe kann über die Substitutionsmasse ohne Zustimmung des 7 Nacherben nur zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten (zB Pflichtteilsansprüche: EF 40.982; 3 Ob 98/02m NZ 2003, 336; Unterhalt der Witwe; EvBl 1990/20: Massekosen, Sachverständigengebühren, Gebühren des Gerichtskommissärs, Honoraranspruch des Testamentsvollstreckers, nicht jedoch Kosten der Vertretung des Erben im Verlassenschaftsverfahren) und zur Vermeidung von Schäden für das Substitutionsvermögen (zB Veräußerung verderblicher Sachen) verfügen (RZ 1961, 182). Dazu kann auch eine Nachlassliegenschaft verpfändet werden (EF 40.982). Auch zur Berichtigung der Erbschaftssteuer darf der Vorerbe die Substitutionsmasse heranziehen (8 Ob 548/91 NZ 1992, 233). Auf das Substitutionsgut kann wegen Nachlassschulden – nicht aber 8 wegen Verbindlichkeiten des Vorerben (JBl 1957, 618 Steinwenter) – Exekution geführt werden: Wird der Exekutionstitel gegen den Erblasser oder den ruhenden Nachlass erwirkt, so bedarf es keiner Zustimmung der Nacherben; wird hingegen der Exekutionstitel gegen den Vorerben erwirkt, so ist die Zustimmung der Nacherben nötig (SZ 46/28; SZ 49/103: Nachweis gemäß § 9 EO oder durch Urteil). Die nicht besonders geregelte fideikommissarische Substitution auf 9 den Überrest (befreite Vorerbschaft) ist zulässig (SZ 61/82) und im Zweifel anzunehmen (EvBl 1961/38; § 614). Der Nachlass ist auch in diesem Fall zu inventarisieren (SZ 24/227); die Verbücherung wird zwar als an sich sinnlos angesehen (Kralik, ErbR 197), aber dennoch durchgeführt (EvBl 1989/14; 6 Ob 520/94 NZ 1994, 255). Der Nacherbe erhält von der Erbschaft nur, was beim Tod des Vorerben noch übrig ist (SZ 47/62; SZ 61/82). Der Vorerbe kann somit über das Substitutionsgut unter Lebenden, jedoch nicht letztwillig (2 Ob 508/96 SZ 71/83) frei – also ohne substitutionsbehördliche Genehmigung oder Zustimmung der Nacherben bzw eines Substitutionskurators (SZ 41/15; SZ 61/82) – verfügen; daran hindert ihn auch die Verbücherung des Nacherbrechts auf den Überrest nicht (EvBl 1989/14). Er kann Nachlass-Stücke sogar verschenken (SZ 61/82), doch haftet er bei sittenwidriger Schädigung nach § 1295 Abs 2; auch kann der Nacherbe zur Verhinderung einer solchen Schädigung auf UnterlasApathy
559
Nacherben
§ 614
sung klagen (SZ 47/62; Welser, NZ 1993, 142). Ob eine Veräußerung rechtsmissbräuchlich erfolgt, ist weder vom Abhandlungsgericht noch vom Grundbuchsgericht zu prüfen (SZ 61/82). Nach SZ 25/85 soll auch bei einer Substitution auf den Überrest den Gläubigern des Vorerben der Zugriff auf das Substitutionsgut versagt sein, was jedoch mit Recht kritisiert wird (Welser/R Rz 11). Auslegung der Substitutionen § 614. Ist eine Substitution zweifelhaft ausgedrückt; so ist sie auf eine solche Art auszulegen, wodurch die Freiheit des Erben, über das Eigentum zu verfügen, am mindesten eingeschränkt wird. 1 § 614 normiert eine Auslegungsregel, doch kann der Substitut bewei-
sen, dass der Erblasser eine den Erben in weiterem Ausmaß beschränkende Verfügung treffen wollte (SZ 60/7). 2 Bsp: Im Zweifel ist eine gemeine und keine fideikommissarische Sub-
stitution anzunehmen (SZ 24/234; RZ 1963, 14); ebenso eine Substitution auf den Überrest (§ 613 Rz 9). § 614 wird auch herangezogen, wenn zweifelhaft ist, ob überhaupt Substitution angeordnet ist (SZ 25/85; EvBl 1964/423). Erlöschungsarten der gemeinen und fideikommissarischen Substitution § 615. (1) Die gemeine Substitution erlischt, sobald der eingesetzte Erbe die Erbschaft angetreten hat; die fideikommissarische, wenn keiner von den berufenen Nacherben mehr übrig ist; oder wenn der Fall, für den sie errichtet worden, aufhört. (2) Sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, geht das Recht des fideikommissarischen Erben auch dann auf dessen Erben über (§ 537), wenn er den Eintritt des Substitutionsfalles nicht erlebt. [idF III. TN] Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 117 ff, 332 ff.
1 Stirbt der Testamentserbe nach Abgabe der Erbantrittserklärung, so
erlischt nach Abs 1 die gemeine Substitution (SZ 50/19) und es tritt Transmission im weiteren Sinn an die Erben des Testamentserben ein (§ 537 Rz 2). 2 Die fideikommissarische Substitution erlischt, ohne dass es zum
Nacherbfall kommt (Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 332), wenn 560
Apathy
Nacherben
§ 616
kein Nacherbe mehr übrig ist oder der Nacherbfall nicht mehr eintreten kann (Abs 1). Der Nachlass verbleibt dem Vorerben bzw dessen Erben; ebenso bei einvernehmlicher Aufhebung des Substitutionsbandes zwischen Vor- und allen Nacherben (§ 613 Rz 2). Die Aufzählung der Auflösungsgründe in § 615 ist demonstrativ (SZ 40/21). Abs 2 wurde durch die III. TN angefügt, um zu erreichen, dass die 3 Anwartschaft des Nacherben im Zweifel vererblich ist, wenn der Tod des Vorerben den Substitutionsfall bildet (Mat III. TN 210 f; SZ 25/85; 1 Ob 185/01i NZ 2002, 330). Eine an keine weitere Voraussetzung geknüpfte Berufung nach dem Tod des Vorerben gilt daher – vorbehaltlich eines anderen Willens des Erblassers – als Terminisierung (§ 705; 2 Ob 212/00s EF 93.304) und nicht als Überlebensbedingung (§ 608 Rz 4). Dem § 703 wurde jedoch durch § 615 Abs 2 nicht derogiert (EvBl 1989/55). Selbst bei einer eindeutig als Bedingung formulierten Nacherbeneinsetzung, wie dem Versterben des Vorerben ohne eheliche Nachkommen, wendet der OGH in 6 Ob 1/90 JBl 1990, 581 Eccher nicht schematisch § 703 an, sondern gibt einer Auslegung nach dem hypothetischen Erblasserwillen den Vorzug, derzufolge der Nacherbe den Nacherbfall nicht erleben musste (Eccher, ErbR Rz 4/108). Hingegen ist die Auslegungsregel des Abs 2 nicht maßgebend, wenn der Testator die beim Ableben des Testamentserben vorhandenen ehelichen Nachkommen desselben zu Nacherben beruft (NZ 1991, 31: ausdrückliche Überlebensbedingung). Hinterlässt ein vor dem 1.7.1971 verstorbener Nacherbe ein uneheliches Kind, so kann dieses auch nicht die Anwartschaft aus der Nacherbschaft erben (NZ 2002, 330). § 616. Insbesondere verliert die einem Testierunfähigen gemachte fideikommissarische Substitution (§§ 608–609) ihre Kraft, wenn bewiesen wird, daß er zur Zeit seiner letzten Anordnung bei voller Besonnenheit war; oder, wenn ihm das Gericht wegen erlangten Verstandgebrauches die freie Verwaltung des Vermögens eingeräumt hat; und die Substitution lebt nicht wieder auf, ob er gleich wegen Rückfalls wieder unter einen Kurator gesetzt worden ist, und in der Zwischenzeit keine letzte Anordnung errichtet hat. [idF BGBl I 1999/164]
Erlangt der im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähige 1 Testamentserbe später die Testierfähigkeit, was er zu beweisen hat, so erlischt grundsätzlich die Einsetzung des Nacherben endgültig. Wird jedoch bewiesen, dass der Testator die Nacherbeneinsetzung Apathy
561
Nacherben
§ 617
nicht im Hinblick auf den Geisteszustand des Vorerben vorgenommen hat, insb weil er ihn nicht kannte (Ehrenzweig, System 2 II/2, 467), so bleibt sie aufrecht. Die Substitution erlischt nicht nur bei Errichtung eines gültigen Testaments (Eccher/S Rz 3: auch in einem lichten Augenblick) oder bei Aufhebung der Sachwalterbestellung wegen Wegfalls der psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung. Vielmehr genügt die Erlangung der Testierfähigkeit (Zeiller II 517), so dass die Substitution auch dann erlischt, wenn der Testamentserbe kein Testament errichtet (Welser/R Rz 5) oder nie ein Sachwalter bestellt wurde. Wird der Testamentserbe später wieder testierunfähig, so lebt die Substitution nicht wieder auf. § 617. Die von einem Erblasser seinem Kinde zur Zeit, da es noch keine Nachkommenschaft hatte, gemachte Substitution erlischt, wenn dasselbe erbfähige Nachkommen hinterlassen hat. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 122 ff.
1 § 617 trifft eine Auslegungsregel für den Fall, dass der Testator, der
sein Kind zum Erben einsetzt, nicht damit rechnet, dass es erbfähige Nachkommen hinterlassen werde, und daher insb einen Dritten zum Ersatz- oder Nacherben bestimmt (Zeiller II 518). Substitut kann aber auch ein Verwandter des eingesetzten Kindes sein (ZBl 1917, 58). Hinterlässt das Kind später erbfähige Nachkommen, so erlischt die Substitution, da nicht zu vermuten ist, dass der Erblasser die Nachkommen durch die Substitution benachteiligen wollte. Ob das Kind von seinen Nachkommen beerbt wird, ist unerheblich (Welser/R Rz 4). 2 Die Vermutung kann vom Substituten (bisher im Erbrechtsstreit)
durch den Nachweis widerlegt werden, der Erblasser wollte die Substitution auch für den Fall anordnen, dass der Vorerbe nachträgliche Nachkommenschaft bekommt (SZ 60/7). Soll nach dem Willen des Testators der Substitutionsfall eintreten, wenn das zum Vorerben eingesetzte Kind keine leiblichen Nachkommen hinterlässt, so bleibt die Substitution nach einer Adoption aufrecht (SZ 31/47; dazu Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 125). §§ 618–645. [aufgehoben, dRGBl 1938 I 825] Unterschied eines Fideikommisses von Stiftungen § 646. Von den Substitutionen und Fideikommissen unterscheiden sich die Stiftungen, wodurch die Einkünfte von Kapitalien, 562
Apathy
Nacherben
§ 646
Grundstücken oder Rechten zu gemeinnützigen Anstalten, als: für geistliche Pfründen, Schulen, Kranken- oder Armenhäuser; oder, zum Unterhalte gewisser Personen auf alle folgende Zeiten bestimmt werden. Die Vorschriften über Stiftungen sind in den politischen Verordnungen enthalten. Lit: Arnold, Privatstiftungsgesetz (2002); Beinhauer, Die Unternehmensstiftung, GesRZ 1981, 214; Böhler, Die Stiftung in Österreich (1996); Csoklich/ Müller/Gröhs/Helbich (Hrsg), Handbuch zum Privatstiftungsgesetz (1994); Doralt/Nowotny/Kalss (Hrsg), Privatstiftungsgesetz (1995); Hauser/Schwar, Die gemeinnützige Stiftung und der gemeinnützige Fonds, NZ 2001, 217; Schauer, Privatstiftung und Erbrecht, in Gassner/Göth/Gröhs/Lang (Hrsg), Privatstiftungen. Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis (2000) 15; Stammer, Handbuch des österreichischen Stiftungs- und Fondswesens (1983); Strasser, Gedanken zu einem aus Begünstigten zusammengesetzten Beirat einer Privatstiftung, JBl 2000, 487.
Der Erblasser, der sein Vermögen oder Vermögensteile Stiftungs- 1 zwecken widmen will, kann eine bereits bestehende Stiftung (als Vermögensmasse mit Rechtspersönlichkeit) bedenken. Er kann aber auch von Todes wegen mit letztwilliger Stiftungserklärung (§ 4 BStFG; § 8 PSG) eine Stiftung errichten und diese zur Erbin, Nacherbin (EvBl 1972/183) oder Legatarin einsetzen (10 Ob 2204/96g SZ 69/197 = ecolex 1997, 85 Wilhelm; vgl § 564 Rz 1). Schließlich kann er einem Erben oder Legatar iSd § 709 die Errichtung einer Stiftung auferlegen (JBl 1956, 469 Steinwenter; 1 Ob 2138/96k SZ 69/263; § 709 Rz 1). Ist der Stiftungszweck gemeinnützig (Förderung der Allgemeinheit 2 oder eines bestimmten Personenkreises auf geistigem, kulturellem, sittlichem, sportlichem oder materiellem Gebiet) oder mildtätig (Unterstützung hilfsbedürftiger Personen) und reicht das Stiftungsvermögen zur dauernden Erfüllung des Stiftungszwecks aus (7 Ob 554/94 NZ 1994, 229), so kann eine Stiftung nach dem BStFG errichtet werden, wenn die Stiftung nach ihrem Zweck über den Interessenbereich eines Bundeslandes hinausgehen soll (Art 10 Abs 1 Z 13 B-VG). Zur Entstehung der Stiftung und Erlangung der Rechtspersönlichkeit ist außer der Stiftungserklärung die behördliche Genehmigung der Errichtung erforderlich (§ 6 Abs 4 BStFG). Bis dahin besteht ein Schwebezustand (EvBl 1972/183; NZ 1994, 229). Über die Zulässigkeit der Errichtung einer Stiftung entscheidet als Stiftungsbehörde insb der Landeshauptmann (§ 39 BStFG); zur Parteistellung im Verfahren zur Konstituierung der Stiftung s VwGH ÖJZ 1973, 110/A 112. Die Stiftungsbehörde übt während des Bestehens der Stiftung die öffentlichrechtliche Aufsicht aus. Für Stiftungen, die nicht über den InteressenApathy
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Nacherben
§ 646
bereich eines Bundeslandes hinausgehen, bestehen auf der Grundlage von Art 15 Abs 1 B-VG Landesgesetze (SZ 69/263: Kärnten). 3 Bei Stiftungen von Todes wegen hat das Verlassenschaftsgericht die
Finanzprokuratur von der letztwilligen Anordnung zu verständigen (§ 6 Abs 1 BStFG). Dieser obliegen die Abgabe der Erbantrittserklärung oder die Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses zugunsten der letztwillig bedachten Stiftung sowie die Vertretung der Stiftung bis zur Bestellung des Stiftungskurators (SZ 40/24). Im Verfahren über die Zulässigkeit der Errichtung kommen der Finanzprokuratur, den Erben des Stifters und dem Testamentsvollstrecker Parteistellung zu, wenn die Stiftung von Todes wegen errichtet wird; hingegen hat der Testamentsvollstrecker keine Parteistellung, wenn der Erbe oder Legatar die Stiftung zu errichten hat (SZ 69/263). Ist die geplante Stiftung als Nacherbin eingesetzt, so wahrte die Finanzprokuratur die Interessen der künftigen Stiftung im Verlassenschaftsverfahren (EvBl 1972/183). Ihr Anwartschaftsrecht war gemäß § 158 Abs 1 AußStrG aF sicherzustellen (§ 613 Rz 1). 4 Durch das PSG wurde es möglich, auch zu sonstigen erlaubten (insb
zu eigennützigen) Zwecken – allerdings nicht zur Ausübung einer gewerbsmäßigen Tätigkeit oder Geschäftsführung einer Handelsgesellschaft – Stiftungen mit einem Vermögen von mindestens € 70.000 einzurichten. Solche Privatstiftungen unterliegen keiner staatlichen Aufsicht. Den Stiftungszweck und damit die Begünstigten (§ 5 PSG) bestimmt der Stifter; insb kann eine Privatstiftung auch zur Versorgung von Familienangehörigen errichtet werden. Die Privatstiftung von Todes wegen kann nur einen Stifter haben (§ 3 Abs 1 PSG). Die Stiftung entsteht mit der Eintragung im Firmenbuch (§ 7 Abs 1 PSG; 6 Ob 15/95 NZ 1996, 249). 5 Die Stiftungserklärung ist eine einseitige Willenserklärung mit dem
nach § 9 Abs 1 PSG notwendigen und nach § 9 Abs 2 PSG zulässigen Inhalt. Sie bedarf der Beurkundung durch Notariatsakt; als letztwillige Stiftungserklärung hat sie außerdem der Form einer letztwilligen Anordnung zu entsprechen (§ 39 Abs 1 PSG; § 67 Abs 2 NO; SZ 69/197 = ecolex 1997, 85 Wilhelm). Die Aufnahme eines notariellen Protokolls genügt nicht. Hat der Notar Zweifel an der Testierfähigkeit des Stifters, so hat er diese nicht bloß zu vermerken (§ 569 Rz 5), sondern er darf die Amtshandlung nicht vornehmen (§ 34 Abs 2 NO; Schauer in Csoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Privatstiftungsgesetz 109 ff). Die letztwillige Stiftungserklärung kann vom Erblasser jederzeit nach §§ 713 ff widerrufen werden; dazu ist kein Notariatsakt erforderlich (Schauer in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 8 Rz 11). 564
Apathy
Vermächtnis
§ 647
Wird zwar die Form letztwilliger Verfügungen eingehalten, aber kein Notariatsakt errichtet, so ist zu versuchen, dem erblasserischen Stiftungswillen im Wege der Konversion möglichst zu entsprechen, etwa durch Umdeutung in eine an den Erben gerichtete Auflage (SZ 69/197 = ecolex 1997, 85 Wilhelm).
Elftes Hauptstück Von Vermächtnissen Von wem, wie und wem legiert; § 647. Zur Gültigkeit eines Vermächtnisses (§ 535) ist notwendig, daß es von einem fähigen Erblasser, einer Person, die zu erben fähig ist, durch eine gültige letzte Willenserklärung hinterlassen werde. Lit: Apathy, Der Auftrag auf den Todesfall, JBl 1976, 393; Eccher, Antizipierte Erbfolge (1980); Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (1996).
Ein Vermächtnis (Legat) kann außer durch letztwillige Erklärung, 1 also Testament oder Kodizill (§ 553), auch durch Vermächtnisvertrag (§ 1249) oder Gesetz (§ 758; § 10 WEG 1975) begründet werden. Ferner ist die widerrufliche Schenkung auf den Todesfall als Vermächtnis zu beurteilen (§ 956; Apathy, JBl 1976, 394). Der Erblasser muss testierfähig sein und – außer beim gesetzlichen 2 Legat – das Vermächtnis formgültig anordnen (§ 553 Rz 1; 10 Ob 2335/96x SZ 69/247). Der Vermächtnisnehmer (Legatar), auch ein Ersatzlegatar, muss erbfähig sein und den Anfall des Vermächtnisses erleben (§§ 538 ff, § 684). Ein Erbverzicht schließt den Erwerb eines Vermächtnisses nicht aus (§ 551 Rz 2); eine Ausschlagung der Erbschaft bewirkt keinen Verzicht auf ein noch unbekanntes Vermächtnis (JBl 1954, 121). Eine formlose Übergabe auf den Todesfall begründet kein gültiges 3 Vermächtnis (SZ 56/79; 8 Ob 690/89 SZ 63/148). Daher kann der Erbe die übergebene Sache vindizieren und kondizieren, ohne dass sich der Übernehmer auf § 1432 berufen könnte (7 Ob 118/02g ecolex 2002, 809). Nur der ruhende Nachlass oder der Erbe könnten eine die Rückforderung ausschließende Erfüllungshandlung setzen (SZ 58/116). Der Vermächtnisnehmer erwirbt – ähnlich wie der Begünstigte beim 4 echten Vertrag zugunsten Dritter – sein Recht ohne Annahmeerklärung, kann es aber ausschlagen (7 Ob 576/90 JBl 1991, 112). Zu den Apathy
565
Vermächtnis
§ 647
Wird zwar die Form letztwilliger Verfügungen eingehalten, aber kein Notariatsakt errichtet, so ist zu versuchen, dem erblasserischen Stiftungswillen im Wege der Konversion möglichst zu entsprechen, etwa durch Umdeutung in eine an den Erben gerichtete Auflage (SZ 69/197 = ecolex 1997, 85 Wilhelm).
Elftes Hauptstück Von Vermächtnissen Von wem, wie und wem legiert; § 647. Zur Gültigkeit eines Vermächtnisses (§ 535) ist notwendig, daß es von einem fähigen Erblasser, einer Person, die zu erben fähig ist, durch eine gültige letzte Willenserklärung hinterlassen werde. Lit: Apathy, Der Auftrag auf den Todesfall, JBl 1976, 393; Eccher, Antizipierte Erbfolge (1980); Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (1996).
Ein Vermächtnis (Legat) kann außer durch letztwillige Erklärung, 1 also Testament oder Kodizill (§ 553), auch durch Vermächtnisvertrag (§ 1249) oder Gesetz (§ 758; § 10 WEG 1975) begründet werden. Ferner ist die widerrufliche Schenkung auf den Todesfall als Vermächtnis zu beurteilen (§ 956; Apathy, JBl 1976, 394). Der Erblasser muss testierfähig sein und – außer beim gesetzlichen 2 Legat – das Vermächtnis formgültig anordnen (§ 553 Rz 1; 10 Ob 2335/96x SZ 69/247). Der Vermächtnisnehmer (Legatar), auch ein Ersatzlegatar, muss erbfähig sein und den Anfall des Vermächtnisses erleben (§§ 538 ff, § 684). Ein Erbverzicht schließt den Erwerb eines Vermächtnisses nicht aus (§ 551 Rz 2); eine Ausschlagung der Erbschaft bewirkt keinen Verzicht auf ein noch unbekanntes Vermächtnis (JBl 1954, 121). Eine formlose Übergabe auf den Todesfall begründet kein gültiges 3 Vermächtnis (SZ 56/79; 8 Ob 690/89 SZ 63/148). Daher kann der Erbe die übergebene Sache vindizieren und kondizieren, ohne dass sich der Übernehmer auf § 1432 berufen könnte (7 Ob 118/02g ecolex 2002, 809). Nur der ruhende Nachlass oder der Erbe könnten eine die Rückforderung ausschließende Erfüllungshandlung setzen (SZ 58/116). Der Vermächtnisnehmer erwirbt – ähnlich wie der Begünstigte beim 4 echten Vertrag zugunsten Dritter – sein Recht ohne Annahmeerklärung, kann es aber ausschlagen (7 Ob 576/90 JBl 1991, 112). Zu den Apathy
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Vermächtnis
§ 648
Folgen der Ausschlagung s § 689. Eine teilweise Ausschlagung ist nur bei Teilbarkeit der vermachten Sache(n) möglich; bei Unteilbarkeit kommt es zur Ausschlagung des gesamten Vermächtnisses (2 Ob 588/95 NZ 1998, 146 B. Jud). Zum Eigentumserwerb auf Grund eines Damnationslegats (§ 535 Rz 1) ist die Übergabe durch den Vermächtnisschuldner (§ 649), bei Liegenschaften die Verbücherung nötig (5 Ob 250/01b NZ 2002, 316; § 684 Rz 2). § 648. Der Erblasser kann auch einem oder mehrern Miterben ein Vermächtnis vorausbestimmen, in Rücksicht desselben sind sie nur als Legatare zu betrachten. Lit: Apathy, Teilungsanordnung und Erbeinsetzung, JBl 2006, 137; Eigner, Einzelzuwendungen an die Erben, NZ 1980, 142; Welser, Berufung zu Erbquoten und Zuweisung einzelner Sachen, FS Rechberger (2005) 709.
1 Auch einem Mit- oder dem Alleinerben kann man etwas vermachen
(EF 40.985; 2 Ob 588/95 SZ 70/102). Er ist dann Erbe und Legatar und hat die Möglichkeit, das Vermächtnis zu beanspruchen, aber die Erbschaft auszuschlagen (Eccher, ErbR Rz 9/6; oder umgekehrt: SZ 70/102). Dass die vermachte Sache den wertvollsten Teil des Nachlasses ausmacht, ist unerheblich (6 Ob 189/98g SZ 71/166). 2 Ein echtes Vorausvermächtnis (Prälegat) gebührt ohne Anrechnung
auf den Erbteil (zB § 758). Der Prälegatar erhält daher mehr, als seiner Erbquote entspricht, während eine Teilungsanordnung dem Miterben nicht mehr verschafft, als seinem Erbteil entspricht (Apathy, JBl 2006, 139). Das Prälegat belastet mangels besonderer Anordnung des Testators alle Erben, auch den Prälegatar selbst, verhältnismäßig (JBl 1967, 371). Ist der Prälegatar nur Vorerbe, so besteht die Substitutionsbeschränkung nicht für die vermachte Sache (SZ 25/112), außer der Erblasser sieht dies besonders vor (6 Ob 587/94 EvBl 1995/47; § 652). Im Substitutionsfall verbleibt die vermachte Sache dem Prälegatar. Der Erbschaftsverkauf erfasst nicht das Prälegat (§ 1279). 3 Ein Hineinvermächtnis (unechtes Vorausvermächtnis) ist hingegen
auf den Erbteil anzurechnen. Auch in diesem Fall wird der Erbe zugleich Legatar (Kralik, ErbR 208; SZ 71/166), während nach hA nur eine Teilungsanordnung vorliege (Eccher/S Rz 2; Welser/R Rz 5). 4 Ob ein Prälegat oder Hineinvermächtnis vorliegt, ist eine Ausle-
gungsfrage (SZ 25/112). Im Zweifel ist in Hinblick auf § 649 ein echtes Vorausvermächtnis anzunehmen (Eccher, ErbR Rz 9/8; aM Welser/R Rz 5); anders § 671 für das Vermächtnis des Heiratsguts. 566
Apathy
Vermächtnis
§ 650
und wer mit der Entrichtung des Vermächtnisses beschwert werden könne § 649. Die Vermächtnisse fallen in der Regel allen Erben, selbst in dem Falle, daß die einem Miterben gehörige Sache vermacht worden ist, nach Maß ihres Erbteiles zur Last. Es hängt jedoch von dem Erblasser ab, ob er die Abführung des Legats einem Miterben, oder auch einem Legatar besonders auftragen wolle. Vermächtnisschuldner ist zunächst der ruhende Nachlass, gegen den 1 der Legatar – Fälligkeit vorausgesetzt (§ 685) – bis zur Einantwortung die Vermächtnisklage erheben kann (1 Ob 520/96 SZ 69/95; 6 Ob 189/98g SZ 71/166); dies gilt auch für das Vorausvermächtnis (JBl 1967, 131). Der Vermächtnisnehmer ist von der Einantwortung gemäß § 176 Abs 1 AußStrG zu verständigen (vgl Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren 3, 2000, Rz 72). Nach der Einantwortung sind idR die Erben (im Innenverhältnis an- 2 teilig) verpflichtet, doch kann der Testator anderes vorsehen; zur Haftung gegenüber dem Legatar s §§ 820 f. Er kann auch einen Legatar (zB Prälegatar: SZ 49/148) mit einem Sublegat beschweren (SZ 71/166: Unterbeteiligung; 6 Ob 244/99x SZ 72/197: Einräumung eines Wohnrechts in einem vom Legatar zu errichtenden Haus). Dieser Hauptlegatar wird durch Annahme des Legats (bzw Nichtausschlagung) Schuldner des Sublegats (§ 650 Rz 1). Ist der Sublegatar minderjährig, so ist die Erfüllung des Sublegats sicherzustellen (§ 176 Abs 2 AußStrG; SZ 47/87). Kein Sublegat liegt vor, wenn der Legatar die vermachte Sache zu einem späteren Zeitpunkt einem Nachlegatar überlassen soll (§ 652; 2 Ob 588/95 SZ 70/102). Ist eine nicht zum Nachlass gehörende Sache eines Erben oder Le- 3 gatars vermacht (§ 662), so ist der betreffende Erbe oder Legatar (SZ 70/102) Vermächtnisschuldner. Soll er nicht allein beschwert sein, so hat er einen anteiligen Regressanspruch (Eccher/S Rz 3). § 650. Ein Legatar kann sich von der vollständigen Erfüllung des ihm aufgetragenen weitern Vermächtnisses aus dem Grunde, daß es den Wert des ihm zugedachten Legats übersteige, nicht entschlagen. Nimmt er aber das Legat nicht an; so muß derjenige, dem es zufällt, den Auftrag übernehmen, oder das ihm zugefallene Vermächtnis dem darauf gewiesenen Vermächtnisnehmer überlassen. S 1 hindert den mit einem Sublegat beschwerten Legatar nicht, das 1 Legat auszuschlagen (§ 647 Rz 4). Schlägt er es aber nicht aus, so muss er es erfüllen, kann also nicht die ihm vermachte Sache dem Apathy
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§ 651
Untervermächtnisnehmer überlassen (Eccher, ErbR Rz 9/10; K/W II 536; aM EF 59.917). Dies gilt insb auch dann, wenn die Verpflichtung aus dem Sublegat den Wert des Hauptvermächtnisses übersteigt. Der Hauptlegatar haftet also weitergehend als ein bedingt erbserklärter Erbe (Welser/R Rz 3). Erfährt er erst nach dem Verlassenschaftsverfahren vom Sublegat, so kann er noch immer ausschlagen oder die Annahme des Hauptvermächtnisses wegen Irrtums anfechten (Kralik, ErbR 214). 2 Schlägt der Hauptvermächtnisnehmer das Legat aus und ist keine
Substitution angeordnet, so haften dem Sublegatar die Erben (§ 649 Rz 2). S 2 eröffnet aber den Erben, nicht auch einem Substituten, eine facultas alternativa: Sie können dem Sublegatar das Hauptvermächtnis überlassen. § 651. Ein Erblasser, welcher ein Legat einer gewissen Klasse von Personen, als: Verwandten, Dienstpersonen oder Armen zugedacht hat, kann die Verteilung, welchen aus diesen Personen, und, was jeder zukommen soll, dem Erben oder einem Dritten überlassen. Hat der Erblasser hierüber nichts bestimmt; so bleibt die Wahl dem Erben vorbehalten. Lit: S bei § 564.
1 Abweichend von § 564 kann der Erblasser ein Verteilungsvermächt-
nis anordnen und dem Erben (Kralik, ErbR 219: als Vermächtnisschuldner) oder einem Dritten die konkrete Auswahl aus dem Kreis der von ihm Bedachten überlassen. Ist das Verteilungsvermächtnis ein Untervermächtnis, so ist im Zweifel der Hauptvermächtnisnehmer auswahlberechtigt (Welser/R Rz 1). Unterbleibt die Entscheidung, so trifft sie das Gericht. 2 Ein nicht näher bestimmten Armen zugedachtes Vermächtnis ist von
der Bezirksverwaltungsbehörde zweckentsprechend zu verwenden (vgl SZ 23/285); ein zugunsten armer Kinder ausgesetztes Legat kann vom Träger der Jugendfürsorge beansprucht werden (SZ 56/187). Substitutionen bei Vermächtnissen § 652. Der Erblasser kann bei einem Vermächtnisse eine gemeine, oder fideikommissarische Substitution anordnen; dabei sind die in dem vorigen Hauptstücke gegebenen Vorschriften anzuwenden. Lit: Krejci, Der Klimt-Streit (2005); s auch bei § 608.
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Apathy
Vermächtnis
§ 653
§ 562 verweist für Ersatz- und Nachvermächtnisse auf die §§ 604 ff. 1 Daher schließt ein Nachlegat auch ein Ersatzlegat ein (2 Ob 588/95 SZ 70/102). Allerdings sind die aus der Natur des Vermächtnisses sich ergebenden Unterschiede gegenüber einem Ersatz- oder Nacherben zu berücksichtigen. Während der Nacherbe nach der Einantwortung (§ 608 Rz 2) Eigentümer des Substitutionsgutes ist und einen dinglichen Herausgabeanspruch gegen einen dritten Besitzer hat, hat der Nachlegatar bloß einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Vorlegatar (JBl 1990, 111; 6 Ob 2136/96b SZ 70/41); erst durch dessen Erfüllung erwirbt er Eigentum an der vermachten Sache (§ 684). Ordnet der Testator nur für bestimmte Vermögensteile eine Substitu- 2 tion zu Lasten des eingesetzten Erben an (uneigentliche Substitution), so gilt § 652 sinngemäß. Bsp: der Nachlegatar soll nach dem Tod des Erben eine Geldsumme (JBl 1990, 111), eine Eigentumswohnung (3 Ob 193/98y EF 87.185), Bilder erhalten (Krejci, Klimt-Streit 91). Der Erbe hat dann gegenüber einem Nachlegatar die Rechtsstellung, die sonst dem Vorlegatar zukommt (SZ 70/41). Bei Anordnung eines Nachvermächtnisses wird das Substitutionsgut 3 nicht immer inventarisiert (§ 613 Rz 1), wohl aber wenn Gegenstand des Vermächtnisses eine Gesamtsache ist (SZ 24/227: Geschäftsvermögen; EvBl 1967/234). Ob ein Nachvermächtnis angeordnet wurde oder nicht, ist im Rechtsweg zu klären (EvBl 1980/60). Die Substitutionsbeschränkung wird im Grundbuch eingetragen (SZ 70/41). Tritt der Substitutionsfall ein, so kommt es zu keiner Nachtragsabhandlung (NZ 1988, 137), sondern über das strittige Erlöschen einer fideikommissarischen Substitution ist im streitigen Verfahren zu entscheiden (6 Ob 587/94 EvBl 1995/47). Ist der Tod des Vorlegatars der Substitutionsfall, so ist die vermachte Sache in das Inventar aufzunehmen, wenn ein solches zu errichten ist (SZ 70/41). Gegenstände eines Vermächtnisses § 653. Alles, was im gemeinen Verkehre steht: Sachen, Rechte, Arbeiten und andere Handlungen, die einen Wert haben, können vermacht werden. Lit: Grabenwarter, Zur Rechtsnatur des Aufgriffsrechts, NZ 1988, 317; Hausleithner, Das Steuervermächtnis, ÖStZ 1978, 63.
Jede verkehrsfähige Sache kann Gegenstand eines Vermächtnisses 1 sein; zB Geschäftsanteil (SZ 59/219). Das Vermachte muss Inhalt einer gültigen Forderung sein können (Kralik, ErbR 215); die Leistung darf also weder unmöglich (§ 878) noch unerlaubt (§ 879) sein. Der VerApathy
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Vermächtnis
§ 654
mächtnisgegenstand muss zwar nicht fest bestimmt, aber doch (wie bei Verträgen: § 869) bestimmbar sein (EvBl 1974/260: Erlös beim bestmöglichen Verkauf einer Liegenschaft). So steht dem auf den Pflichtteil gesetzten Noterben im Zweifel ein Legatsanspruch in Höhe des Pflichtteils zu (Eccher, ErbR Rz 11/30; unten § 774 Rz 1). Zum Vermächtnis fremder Sachen s § 662. 2 Wird ein in gemieteten Räumen betriebenes Unternehmen vermacht,
so erwirbt der Legatar die Hauptmietrechte gemäß § 12a MRG (SZ 61/240). Zum Vermächtnis von Mietrechten s § 535 Rz 3. 3 Räumt der Erblasser dem Legatar das Recht ein, eine Sache zu einem
Übernahmepreis zu erwerben (legatum venditionis), so erhält der Legatar das Recht zum Abschluss eines Kaufvertrags (SZ 27/215). Ein solches gesetzlich nicht geregeltes Aufgriffsrecht kann auch durch Erbvertrag (1 Ob 619/92 JBl 1993, 658) oder einen anderen Vertrag begründet werden, wobei es keine für alle Fälle geltenden Regeln gibt (EvBl 1956/167). Es ist ein obligatorisches Recht, kann aber verbüchert werden (JBl 1948, 387). Auch wenn das Aufgriffsrecht den ganzen Nachlass umfasst, wird der Aufgriffsberechtigte nicht Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, sondern Einzelrechtsnachfolger des Verpflichteten, zB des Erben (EvBl 1956/167). Davon zu unterscheiden ist das einem Miterben vom Erblasser von Todes wegen eingeräumte Aufgriffsrecht, das als Teilungsanordnung wirkt (SZ 23/180; EF 1463). Ist der Übernahmepreis nicht ausdrücklich bestimmt, ist ein angemessener Preis zu zahlen (SZ 59/219). § 654. Werden Sachen vermacht, die zwar im gemeinen Verkehre stehen, die aber der Legatar zu besitzen für seine Person unfähig ist, so wird ihm der ordentliche Wert vergütet. 1 Gehört der Legatar zu einer Klasse von Personen, die nicht in der Lage
sind, die vermachte Sache zu erwerben, fehlt ihm also das subjektive commercium rei (Zeiller II 588; Weiß/K III 528), so handelt es sich um einen speziellen Fall rechtlicher Unmöglichkeit. Bsp: Vermächtnis einer Liegenschaft an Ausländer. Um dem Willen des Erblassers bestmöglich zu entsprechen, ist infolge Umdeutung Wertersatz zu leisten. Allgemeine Auslegungsregel bei Vermächtnissen § 655. Worte werden auch bei Vermächtnissen in ihrer gewöhnlichen Bedeutung genommen; es müßte denn bewiesen werden, daß der Erblasser mit gewissen Ausdrücken einen ihm eigenen beson570
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Vermächtnis
§ 656
dern Sinn zu verbinden gewohnt gewesen ist; oder, daß das Vermächtnis sonst ohne Wirkung wäre. Die Auslegung von Vermächtnissen folgt den allgemeinen Regeln für 1 die Auslegung letztwilliger Erklärungen (§ 565 Rz 4 ff). Der in § 655 aufgestellte Grundsatz, wonach die gewöhnliche Bedeutung eines Wortes maßgebend ist, außer es würde eine besondere Ausdrucksweise des Testators erwiesen, gilt nicht bloß für Legate, sondern generell für letztwillige Verfügungen (NZ 1984, 130). Gewöhnlicher Sprachgebrauch – Bsp: Giroguthaben sind weder 2 Sparguthaben noch Bargeld (JBl 1979, 650); Bargeld schließt Guthaben bei der Hausverwaltung und andere Geldforderungen nicht ein (NZ 1984, 130). Zur Bedeutung des Wortes „Familie“ s SZ 7/230; zur Natur eines „Bausparbriefes“ s JBl 1977, 600; zu „Spargeld“ s 8 Ob 546/89 EF 63.074. Besondere Vorschriften über das Vermächtnis: a) von Sachen einer gewissen Gattung; § 656. Hat der Erblasser eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung, aber ohne eine nähere Bestimmung, vermacht, und sind mehrere solche Sachen in der Verlassenschaft vorhanden; so steht dem Erben die Wahl zu. Er muß aber ein Stück wählen, wovon der Legatar Gebrauch machen kann. Wird dem Legatar überlassen, eine von den mehrern Sachen zu nehmen oder zu wählen; so kann er auch die beste wählen. Aufgrund der Vermutung, dass der Erblasser eine eigene Sache ver- 1 machen will, entsteht beim Gattungsvermächtnis eine beschränkte Gattungsschuld, wenn mehrere solche Sachen im Nachlass vorhanden sind (Zeiller II 594). Der Testator kann das Wahlrecht dem Legatar einräumen, der sich 2 dann alle Stücke zeigen lassen und frei wählen kann. Legt der Testator dies nicht fest, so steht die Auswahl dem Erben (Schuldner) zu. Er schuldet kein Stück mittlerer Art und Güte, sondern muss nur dem Erblasserwillen entsprechend ein für den Legatar brauchbares Stück wählen (SZ 38/221: lawinensicheres Grundstück). Wählt er nicht oder nicht gehörig, so kann der Legatar auf Leistung einer dem Willen des Testators entsprechenden Sache klagen, wobei das Wahlrecht des Erben bis zur (teilweisen) Erfüllung besteht (§ 12 EO; Weiß/K III 539). Von der einmal getroffenen Wahl kann man entsprechend § 906 nicht mehr abgehen (SZ 38/221). Entsprechendes gilt beim wahlweisen SpeApathy
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Vermächtnis
§ 657
ziesvermächtnis (VwGH NZ 1986, 155: Baugrund oder Waldgrundstück). § 657. Wenn der Erblasser eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung ausdrücklich nur aus seinem Eigentume vermacht hat, und es finden sich dergleichen gar nicht in der Verlassenschaft; so verliert das Vermächtnis seine Wirkung. Finden sie sich nicht in der verordneten Menge; so muß sich der Legatar mit den vorhandenen begnügen. 1 Sind nach dem deutlichen Willen des Testators nur eigene Sachen
vermacht (unechtes Gattungsvermächtnis), so entsteht eine beschränkte Gattungsschuld, wenn solche Sachen im Nachlass vorhanden sind. Gibt es sie nicht (in ausreichendem Maße), so ist das Vermächtnis (teilweise) unwirksam (SZ 25/203). Gleiches gilt bei einem Speziesvermächtnis, wenn eine eigene Sache vermacht sein soll, diese aber nicht (mehr) existiert (Welser/R §§ 660–661 Rz 3). § 658. Vermacht der Erblasser eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung nicht ausdrücklich aus seinem Eigentume, und es finden sich dergleichen nicht in der Verlassenschaft; so muß der Erbe sie dem Legatar in einer, dessen Stande und Bedürfnissen angemessenen Eigenschaft verschaffen. Das Legat einer Summe Geldes verbindet den Erben zur Zahlung derselben, ohne Rücksicht, ob bares Geld in der Verlassenschaft vorhanden sei oder nicht. Lit: Zankl, Letztwillige Wertsicherungen im österreichischen und deutschen Recht, NZ 1998, 193.
1 Beim echten Gattungsvermächtnis entsteht eine Gattungsschuld, so
dass der Erbe die nicht im Nachlass vorhandene Sache dem Legatar verschaffen muss. 2 Geldvermächtnisse sind idR Gattungsvermächtnisse, doch kann der
Erblasser auch einen Betrag aus dem Nachlass vermachen (SZ 25/203; SZ 53/135), zB öS 400.000 aus einem bestimmten Sparguthaben (9 Ob 266/98b EF 87.188). Beim Geldvermächtnis steht dem Legatar nur der Geldbetrag samt den Verzugszinsen ab Fälligkeit zu (SZ 53/135; 10 Ob 2335/96x SZ 69/247), doch kann der Testator eine Wertsicherung anordnen (NZ 1986, 85; 4 Ob 194/98b NZ 1999, 91; Zankl, NZ 1998, 195 f). § 659. Der Erblasser kann die Auswahl, welche Sache aus mehrern der Legatar haben soll, auch einem Dritten überlassen. Schlägt sie 572
Apathy
Vermächtnis
§ 661
dieser aus oder ist er vor getroffener Auswahl gestorben; so bestimmt die Gerichtsbehörde das Legat mit Rücksicht auf den Stand und das Bedürfnis des Legatars. Diese gerichtliche Bestimmung tritt auch in dem Falle ein, daß der Legatar vor der ihm überlassenen Auswahl verstorben ist. Auch wenn ein Dritter vom Testator mit der Auswahl betraut ist, 1 muss der auszuwählende Gegenstand für den Legatar brauchbar sein (§ 656 Rz 2). Wählt der Dritte nicht, so geht das Bestimmungsrecht auf das Gericht über. Überlässt der Erblasser dem Legatar die Auswahl (§ 656 S 3), so geht das Wahlrecht bei dessen Tod nicht auf dessen Erben über, sondern auf das Gericht. b) das Vermächtnis einer bestimmten Sache; § 660. Das Vermächtnis einer bestimmten Sache kann von dem Legatar, wenn es in einer oder in verschiedenen Anordnungen wiederholt wird, nicht zugleich in Natur, und dem Werte nach verlangt werden. Andere Vermächtnisse, ob sie gleich eine Sache der nämlichen Art oder den nämlichen Betrag enthalten, gebühren dem Legatar so oft, als sie wiederholt worden sind. Bei wiederholter Anordnung eines Speziesvermächtnisses entsteht 1 grundsätzlich nur eine Forderung. Hingegen ist bei wiederholter Anordnung eines Gattungsvermächtnisses mehrfach zu leisten, sofern kein anderer Wille des Testators nachweisbar ist. § 661. Das Vermächtnis ist ohne Wirkung, wenn das vermachte Stück zur Zeit der letzten Anordnung schon ein Eigentum des Legatars war. Hat er es später an sich gebracht; so wird ihm der ordentliche Wert bezahlt. Wenn er es aber von dem Erblasser selbst und zwar unentgeltlich erhalten hat, ist das Vermächtnis für aufgehoben zu halten. Lit: Apathy, Ausgewählte Fragen des Ersitzungsrechts, JBl 1999, 205; Eccher, Erbfolge 92 ff.
S 1 regelt in Übereinstimmung mit § 878 einen Fall anfänglicher recht- 1 licher Unmöglichkeit (Apathy, JBl 1999, 212). S 2 und 3 bilden eine Auslegungsregel auf der Grundlage der gemein- 2 rechtlichen Folgen des Zusammentreffens verschiedener Erwerbsgründe (Inst. Iust. 2,20,6; concursus causarum). Der Legatar soll das Vermächtnis einer bestimmten Sache nur einmal, allerdings unentgeltlich erhalten (Zeiller II 603; Eccher, Erbfolge 92 ff). Hat ihm der Apathy
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Vermächtnis
§ 662
Testator die Sache geschenkt und damit die Legatserfüllung vorweggenommen, so erlischt das Legat (7 Ob 641/90 JBl 1991, 724; Eccher/S §§ 660–662 Rz 3). Erwirbt der Legatar die ihm vermachte Sache nach der letztwilligen Verfügung entgeltlich (vom Erblasser oder einem Dritten), so wird das Speziesvermächtnis in ein Geldlegat umgewandelt. Dem Legatar gebührt der gemeine Wert, nicht der von ihm bezahlte Preis. Gleiches gilt, wenn jemand eine fremde Sache wirksam vermacht hat (§ 662), und deren Eigentümer dieselbe Sache dem Legatar schenkt oder vermacht (Weiß/K III 554; aM Welser/R §§ 660– 661 Rz 4). c) einer fremden Sache; § 662. Das Vermächtnis einer fremden Sache, die weder dem Erblasser, noch dem Erben oder Legatar, welcher sie einem Dritten leisten soll, gehört, ist wirkungslos. Gebührt den erwähnten Personen ein Anteil oder Anspruch an der Sache; so ist das Vermächtnis nur von diesem Anspruche oder Anteile zu verstehen. Ist die vermachte Sache verpfändet oder belastet; so übernimmt der Empfänger auch die darauf haftenden Lasten. Wenn aber der Erblasser ausdrücklich verordnet, daß eine bestimmte fremde Sache gekauft, und dem Legatar geleistet werden solle, der Eigentümer hingegen sie um den Schätzungspreis nicht veräußern will; so ist dem Legatar dieser Wert zu entrichten. Lit: Czermak, Die Haftung des Vindikationslegatars für Erblasserschulden (§ 10 WEG), NZ 1987, 137; Kletecˇ ka, Das Nachlegat der Sache des Erben, NZ 1999, 66; Ch. Rabl, Der Fall Klimt/Bloch-Bauer, NZ 2005, 257; Schragl, Hypotheken- und Schuldübernahme durch den Legatar? NZ 1952, 38; Welser, Das Legat einer fremden Sache, NZ 1994, 197; s auch bei § 661.
1 Der Testator kann nicht nur eine eigene Sache vermachen, sondern
auch eine solche des Legatsschuldners, also des Erben oder des mit einem Sublegat belasteten Legatars. Bsp: Testator vermacht ein Wohnrecht an einer Liegenschaft, die ihm und dem Erben je zur Hälfte gehört (EvBl 1980/198). Ob der Testator den Erben oder Legatar verpflichten kann, bei ihrem Tod eine Sache aus dem freien (nicht fideikommissarisch gebundenen) Vermögen einem Dritten zu hinterlassen, ist umstritten. Während Welser, NZ 1994, 202 f und Ch. Rabl, NZ 2005, 261 die Testierfreiheit des Beschwerten verletzt sehen, hat der OGH keine Bedenken (2 Ob 588/95 NZ 1998, 146 B. Jud; 4 Ob 194/98b NZ 1999, 91), was angesichts der Möglichkeit, die Erbschaft bzw das Legat auszuschlagen, überzeugt (Eccher/S § 650 Rz 3). 574
Apathy
Vermächtnis
§ 663
Sind die in S 1 Genannten nur anteilig berechtigt, steht ihnen nur ein beschränktes dingliches Recht oder ein Forderungsrecht (zB nach § 1061) zu, so sieht S 2 Teilgültigkeit vor. Der Legatar übernimmt nach S 3 die auf der vermachten Sache haf- 2 tenden Lasten, zB Steuerrückstände eines Grundstücks (GlU 14.588), Unternehmensschulden (NZ 1931, 73), Dienstbarkeiten, Hypotheken (vgl 1 Ob 150/02v ecolex 2002, 880 Wilhelm); nicht aber die Einkommensteuerschuld des Erblassers (EvBl 1967/217). Ohne besondere Grundlage wie § 1409 kommt es jedoch zu keinem Schuldbeitritt des Legatars (Eccher, Erbfolge 177), sondern der Erbe kann Zahlung an den Gläubiger verlangen. Hingegen ist das Speziesvermächtnis grundsätzlich unwirksam, 3 wenn es eine Sache betrifft, die den in Rz 1 Genannten nicht gehört, oder über die sie nicht verfügen können (2 Ob 508/96 SZ 71/83: fideikommissarische Substitution auf den Überrest). Trotzdem bildet das Vermächtnis der fremden Sache einen Titel für die eigentliche Ersitzung (§ 1461; Apathy, JBl 1999, 213). Zur späteren Veräußerung der vermachten Sache s §§ 724 f. Allerdings kann der Testator ein Verschaffungsvermächtnis anord- 4 nen, also den Erben oder Legatar verpflichten, eine Sache anzuschaffen und dem Bedachten zu leisten. Diese Anordnung muss zwar nicht ausdrücklich (§ 863), aber doch mit hinreichender Deutlichkeit erfolgen; dies trifft insb zu, wenn dem Testator die tatsächlichen Rechtsverhältnisse bekannt waren (5 Ob 425/97d NZ 1999, 149; Welser, NZ 1994, 201). Bsp: Der Legatar soll auf der ihm vermachten Liegenschaft ein Wohnhaus errichten und der Sublegatarin ein Wohnrecht einräumen (6 Ob 244/99x SZ 72/197). Infolge gesetzlicher Umdeutung in ein Geldlegat gebührt dem Lega- 5 tar der Schätzungspreis, wenn der Eigentümer nicht zum Schätzungspreis verkauft oder die Erfüllung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist (10 Ob 66/99z SZ 72/179). d) einer Forderung; § 663. Das Vermächtnis einer Forderung, die der Erblasser an den Legatar zu machen hat, verpflichtet den Erben, den Schuldschein zurückzustellen; oder, dem Legatar die Befreiung von der Schuld und den rückständigen Zinsen auszufertigen. Ist der Legatar Schuldner des Testators, so kann ihm dieser die Schuld 1 letztwillig erlassen (Befreiungsvermächtnis, legatum liberationis). Apathy
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Vermächtnis
§ 664
Da aber auch dieses Legat nur obligatorisch wirkt (§ 535 Rz 1), ist der Erbe verpflichtet, die Schuld zu erlassen (§ 1444) und dies zu quittieren oder den Schuldschein zurückzustellen. Ebenso wenn das Befreiungsvermächtnis eine Forderung des Erben gegenüber dem Legatar betrifft. S auch § 666. § 664. Vermacht der Erblasser jemandem eine Forderung, die er an einen Dritten zu stellen hat; so muß der Erbe die Forderung samt den rückständigen und weiter laufenden Zinsen dem Legatar überlassen. 1 Ein Forderungsvermächtnis (1 Ob 2138/96k SZ 69/263: legatum
nominis) verpflichtet den Erben (oder Legatar), die Forderung samt Zinsenanspruch dem Legatar (Sublegatar) abzutreten und Beweisurkunden herauszugeben (EvBl 1970/190: Schlägerungsrecht; JBl 1977, 600: Bausparbrief). Vor der Zession hat der Legatar keinen Anspruch gegen den Zessionsschuldner (EvBl 1970/190; 10 Ob 2335/96x SZ 69/247). Der Legatar kann also die Forderung gegen den Dritten nicht schon unter Berufung auf das ihm durch die letztwillige Verfügung zugedachte Recht geltend machen (7 Ob 313/97y EF 87.190). Zieht der Erbe die Forderung ein, so schuldet er dem Legatar den erlangten Betrag als stellvertretenden Vorteil (SZ 69/247); ebenso haftet er, wenn er die Forderung zediert (3 Ob 154/01w NZ 2002, 206). Zum Vermächtnis eines Bestandrechts s § 535 Rz 3. Zur Auslegung s § 668. 2 Hinsichtlich des Anspruchs auf Zinsen geht § 664 über § 686 hinaus
(vgl SZ 2/39: Vermächtnis von Wertpapieren ist Legat einzelner Sachen, kein Forderungsvermächtnis). § 665. Das Vermächtnis der Schuld, die der Erblasser dem Legatar zu entrichten hat, hat die Wirkung, daß der Erbe die von dem Erblasser bestimmt ausgedrückte, oder von dem Legatar ausgewiesene Schuld anerkennen, und sie, ohne Rücksicht auf die in der Schuldverschreibung enthaltenen Bedingungen oder Fristen, längstens in der zur Abführung der übrigen Legate bestimmten Zeitfrist berichtigen muß. Den gefährdeten Gläubigern des Erblassers aber kann dessen Anerkennung nicht zum Nachteile gereichen. 1 Ein Schuldvermächtnis (legatum debiti) kann der Erblasser seinem
Gläubiger hinterlassen, der dadurch ein zweites Forderungsrecht erhält, aber nur einmal die Leistung erhalten soll (Wahlschuld). Es muss 576
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Vermächtnis
§ 669
eine Begünstigung des Bedachten enthalten (SZ 45/13), zB frühere Fälligkeit, Verzicht auf Einreden oder Abzugsrechte (§ 669), Entfall einer Bedingung. Im Verlassenschaftskonkurs kann (nur) die ursprüngliche Forderung geltend gemacht werden (§ 58 Z 3 KO). § 666. Die Erlassung der Schuld ist nur von den gegenwärtigen, nicht auch von den erst nach dem errichteten Vermächtnisse entstandenen Schulden zu verstehen. Wird durch ein Vermächtnis das Pfandrecht, oder die Bürgschaft erlassen; so folgt daraus nicht, daß auch die Schuld erlassen worden sei. Werden die Zahlungsfristen verlängert; so müssen doch die Zinsen fort bezahlt werden. § 666 normiert Auslegungsregeln für das Befreiungsvermächtnis 1 (§ 663), doch kann der Erblasser auch den Erlass künftiger Forderungen vorsehen (GlU 1317: alle sich vorfindenden Schuldforderungen). Ein Erlass des Pfandrechts verpflichtet den Beschwerten zum Verzicht (§§ 467, 1444) und zur Rückgabe der Pfandsache bzw Einwilligung in die Löschung der Hypothek. § 667. Wenn der Erblasser einer Person eine Summe schuldig ist, und ihr eine gleiche Summe vermacht; so wird nicht vermutet, daß er die Schuld mit dem Vermächtnisse habe tilgen wollen. Der Erbe bezahlt in diesem Falle die Summe doppelt; einmal als Schuld, und dann als Vermächtnis. Die Auslegungsregel stimmt mit § 660 überein und sieht vor, dass ein 1 Gattungsvermächtnis im Zweifel kein Schuldvermächtnis (§ 665) ist. § 668. Unter dem Vermächtnisse aller ausstehenden Forderungen sind doch weder die Forderungen aus öffentlichen Kreditpapieren, noch auch die auf einem unbeweglichen Gute haftenden Kapitalien, oder die aus einem dinglichen Rechte entstehenden Forderungen begriffen. Die Auslegungsregel gründet sich auf den Sprachgebrauch, schließt 1 aber weitergehende Verfügungen des Testators nicht aus (Zeiller II 611). e) des Heiratsgutes; § 669. Das Heiratsgut kann vermacht werden, entweder um den Gatten von der Zurückzahlung desselben zu befreien; oder, um den Erben zu verpflichten, daß er der Gattin die als Heiratsgut einApathy
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Vermächtnis
§ 670
gebrachte Summe oder Sache ohne Beweis, und ohne Abzug der darauf verwendeten Kosten abführe. Hier gelten die für andere vermachte Forderungen gegebenen Vorschriften. 1 In Zusammenhang mit dem bereits bestellten Heiratsgut sind in ver-
schiedener Weise Legate möglich. Die Gattin (oder der nach § 1229 rückforderungsberechtigte Besteller des Heiratsguts) kann ein Befreiungsvermächtnis (§ 663) zugunsten des rückgabepflichtigen Mannes bzw dessen Erben anordnen. Der Mann kann seine zur Rückgabe verpflichteten Erben mit einem Schuldvermächtnis (§ 665) zugunsten seiner Gattin beschweren. Die rückforderungsberechtigte Gattin kann ein Forderungsvermächtnis (§ 664) verfügen. § 670. Vermacht der Erblasser einer dritten Person ein unbestimmtes Heiratsgut, so versteht man darunter, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Vermögen, ein solches Heiratsgut, das die Eltern dieser Person zu geben schuldig wären, wenn sie ein ihren Lebensverhältnissen entsprechendes durchschnittliches Vermögen hätten. [idF BGBl 1977/403]
1 § 670 trifft eine Auslegungsregel für den Fall, dass eine nicht zur
Dotierung verpflichtete Person ein Heiratsgut durch Legat zuwendet, ohne den Inhalt und Umfang näher zu bestimmen. § 671. Vermachen Eltern den Töchtern ein Heiratsgut; so wird dasselbe, wofern es nicht ausdrücklich als ein Vorausvermächtnis erklärt worden, in den gesetzlichen [oder letztwilligen] Erbteil eingerechnet. 1 Das Vermächtnis des Heiratsguts zugunsten einer zur Miterbin be-
rufenen Tochter ist im Zweifel ein Hineinvermächtnis (§ 648 Rz 3). Bei gesetzlicher Erbfolge wird damit eine zu Lebzeiten dotierte Tochter und die von Todes wegen dotierte gleich behandelt. Bei testamentarischer Erbfolge muss sich die zu Lebzeiten dotierte Tochter das Heiratsgut nur bei ausdrücklicher Anordnung anrechnen lassen (§ 790). Ohne diese Anordnung würde § 671 die von Todes wegen dotierte Tochter benachteiligen, weshalb die Worte „oder letztwilligen“ in § 671 zu streichen seien (Ehrenzweig, System II/2, 509 f; Welser/R §§ 790–793 Rz 7; aM Kralik, ErbR 232). Demgegenüber schlägt Weiß/K III 581 vor, die Auslegungsregel des § 671 nicht anzuwenden, wenn der Erblasser mit seinem Vermächtnis die Unterschiede in der Bedenkung seiner Töchter ausgleichen wollte. Dies hat den Vorteil, dass § 671 auch bei letztwilliger Erbeinsetzung anwendbar ist, wenn nicht alle Töchter dotiert werden. 578
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Vermächtnis
§ 674 f) des Unterhalts; der Erziehung; oder Kost;
§ 672. Das Vermächtnis des Unterhaltes begreift Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse, und zwar auf lebenslang, wie auch den nötigen Unterricht in sich. Alles dieses wird auch unter Erziehung verstanden. Die Erziehung endigt sich mit der Volljährigkeit. Unter Kost wird Speise und Trank auf lebenslang begriffen. § 673. Das Maß der im vorstehenden Paragraphen angeführten Vermächtnisse, wenn es weder aus dem ausdrücklichen, noch aus dem stillschweigenden, durch die bisherige Unterstützung erklärten, Willen des Erblassers erhellt, muß nach dem Stande bestimmt werden, welcher dem Legatar eigen ist, oder, wozu er durch die genossene Verpflegung vorbereitet worden ist. §§ 672 f normieren Auslegungsregeln insb für das Unterhaltsver- 1 mächtnis. Hingegen entspricht der Erziehungsbegriff des § 672 nicht dem heutigen Sprachgebrauch. Unterhalt gebührt grundsätzlich lebenslang. Begräbniskosten sind 2 daher nicht Teil des Unterhalts (EvBl 1966/90). Sind unversorgte Kinder Legatare, so wird ihnen Unterhalt bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit geschuldet (SZ 43/162; NZ 1978, 173). Begrenzt der Testator den Anspruch mit der Wiederverheiratung, so ist es eine Frage der Auslegung, ob die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft den Legatsanspruch beendet (NZ 1978, 173). Hat das Vermächtnis einer Rente Unterhaltscharakter, so ist eine 3 Aufwertung möglich (JBl 1953, 152). Nimmt der Legatar den nicht aufgewerteten Betrag entgegen, so verzichtet er damit nicht auf die Aufwertung (JBl 1952, 291). g) der Mobilien; des Hausrates; § 674. Unter Mobilien (Meublen) werden nur die zum anständigen Gebrauche der Wohnung; unter Hausrat oder Einrichtung zugleich die zur Führung der Haushaltung erforderlichen Gerätschaften verstanden. Die Werkzeuge zum Betriebe des Gewerbes sind, ohne eine deutlichere Erklärung, darunter nicht begriffen. Möbel sind die dem gewöhnlichen Gebrauch einer Wohnung dienen- 1 den Einrichtungsstücke, nicht aber ein Klavier, andere Musikinstrumente, Radiogerät (EvBl 1948/478). Hausrat umfasst zudem Geschirr, Matratzen, Bettdecken, -wäsche, 2 Radiogerät, nicht aber zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten Apathy
579
Vermächtnis
§§ 675–679
bestimmte Sachen (Kleidung, Schuhe, Toilettegegenstände), Bücher, Musikinstrumente, Fotoapparate, Kunst- und Luxusgegenstände, für die Landwirtschaft bestimmte Gegenstände (EvBl 1950/505; OLG Wien EvBl 1946/421; LG Wien EvBl 1946/424). Zum Vermächtnis der Wohnung samt Inventar s SZ 34/73. h) eines Behältnisses; § 675. Ist jemandem ein Behältnis vermacht worden, welches nicht für sich selbst besteht; sondern nur ein Teil eines Ganzen ist; so wird in der Regel vermutet, daß nur diejenigen Stücke zugedacht worden sind, welche sich bei dem Ableben des Erblassers darin vorfinden, und zu deren Aufbewahrung das Behältnis seiner Natur nach bestimmt, oder von dem Erblasser gewöhnlich verwendet worden ist. § 676. Ist hingegen das Behältnis beweglich, oder doch eine für sich bestehende Sache; so hat der Legatar nur auf das Behältnis, nicht auch auf die darin befindlichen Sachen Anspruch. § 677. Wird ein Schrank, ein Kasten oder eine Lade mit allen darin befindlichen Sachen vermacht; so rechnet man dazu auch Gold und Silber, Schmuck und bares Geld, selbst die vom Legatar dem Erblasser ausgestellten Schuldscheine. Andere Schuldscheine oder Urkunden, worauf sich Forderungen und Rechte des Erblassers gründen, werden nur dann dazu gerechnet, wenn sich außer denselben nichts in dem Behältnisse befindet. Zu einem Vermächtnisse flüssiger Sachen gehören auch die zu ihrer Verführung bestimmten Gefäße. i) der Juwelen, des Schmuckes und Putzes; § 678. Unter Juwelen werden in der Regel nur Edelsteine und gute Perlen; unter Schmuck auch die unechten Steine, und das aus Gold oder Silber verfertigte oder damit überzogene Geschmeide, welches zur Zierde der Person dient; und unter Putz dasjenige verstanden, was außer Schmuck, Geschmeide und Kleidungsstücken zur Verzierung der Person gebraucht wird. k) des Goldes oder Silbers; der Wäsche; Equipage; § 679. Das Vermächtnis des Goldes oder Silbers begreift das verarbeitete und unverarbeitete, doch nicht das gemünzte, noch auch dasjenige in sich, was nur ein Teil oder eine Verzierung eines andern Verlassenschaftsstückes, z.B. einer Uhr oder Dose, ausmacht. Die Wäsche wird nicht zur Kleidung, und Spitzen werden nicht zur 580
Apathy
Vermächtnis
§ 682
Wäsche, sondern zum Putze gerechnet. Unter Equipage werden die zur Bequemlichkeit des Erblassers bestimmten Zugpferde und Wagen samt dem dazu gehörigen Geschirre; nicht auch Reitpferde und Reitzeug verstanden. Die Auslegungsregeln der §§ 675–679 sind angesichts der Ände- 1 rungen in Sprache und Gesellschaft weitgehend bedeutungslos. l) der Barschaft; § 680. Zur Barschaft gehören auch jene öffentlichen Kreditpapiere, welche im ordentlichen Umlaufe die Stelle des baren Geldes vertreten. Bargeld ist das in- und ausländische Münz- und Papiergeld; nicht aber 1 Wechselforderungen, Girokonten und andere Geldforderungen (JBl 1979, 650; NZ 1984, 130). Ein Vermächtnis allen Geldes umfasst, wenn sonst keine Barschaft vorhanden ist, auch Sparguthaben (OLG Wien 12 R 194/93 EF 72.032). m) über die Benennung: Kinder; § 681. Unter dem Worte: Kinder, werden, wenn der Erblasser die Kinder eines andern bedenkt, nur die Söhne und Töchter; wenn er aber seine eigenen Kinder bedenkt, auch die an deren Stelle tretenden Nachkömmlinge begriffen, welche bei dem Ableben des Erblassers schon erzeugt waren. § 681 regelt die Auslegung, wenn der Testator den Ausdruck Kind(er) 1 verwendet, und gilt für alle letztwilligen Verfügungen. Auch die Kinder eines anderen müssen im Zweifel beim Ableben des Testators schon gezeugt sein (GlU 1498). Stiefkinder sind im Zweifel eigene Kinder (GlU 10.274). n) Verwandte; § 682. Ein ohne nähere Bestimmung für die Verwandten ausgesetztes Vermächtnis wird denjenigen, welche nach der gesetzlichen Erbfolge die nächsten sind, zugewendet, und die oben in dem § 559 über die Verteilung einer Erbschaft unter solchen Personen, welche für eine Person angesehen werden, aufgestellte Regel ist auch auf Vermächtnisse anzuwenden. § 681 regelt die Auslegung, wenn der Testator den Ausdruck Ver- 1 wandte verwendet, und gilt für alle letztwilligen Verfügungen. Es können auch der Ehegatte, die Kinder (einschließlich adoptierter) geApathy
581
Vermächtnis
§ 683
meint sein (Welser/R Rz 2; aM Eccher/S Rz 1), doch werden namentlich bedachte Verwandte nicht nochmals beteiligt. o) Dienstpersonen § 683. Hat der Erblasser seinen Dienstpersonen ein Vermächtnis hinterlassen, und sie bloß durch das Dienstverhältnis bezeichnet; so wird vermutet, daß es diejenigen erhalten sollen, welche zur Zeit seines Ablebens in dem Dienstverhältnisse stehen. Doch kann in diesem, sowie in den übrigen Fällen, die Vermutung durch entgegengesetzte stärkere Vermutungsgründe aufgehoben werden. 1 Dienstpersonen sind nicht nur Dienstboten, sondern auch höher Ge-
stellte, zB ein Verwalter (GlUNF 1225: vgl §§ 1027 ff). Namentlich Bedachte werden aber nicht nochmals beteiligt. Anfallstag bei den Vermächtnissen § 684. Der Legatar erwirbt in der Regel (§ 699) gleich nach dem Tode des Erblassers für sich und seine Nachfolger ein Recht auf das Vermächtnis. Das Eigentumsrecht auf die vermachte Sache aber kann nur nach den für die Erwerbung des Eigentumes in dem fünften Hauptstücke aufgestellten Vorschriften erlangt werden. Lit: Eccher, Erbfolge; Zankl, Antizipierte Vermächtniserfüllung, NZ 1999, 314.
1 §§ 684 f knüpfen an die gemeinrechtliche Unterscheidung zwischen
dies cedens (Anfallstag) und dies veniens (Zahlungstag) an, doch hängt der Erwerb des Legats nicht mehr vom Antritt des Testamentserben ab (§ 649 Rz 1). Der Legatar erwirbt ohne Annahmeerklärung mit dem Tod des Erblassers, bei aufschiebend bedingten Vermächtnissen mit Bedingungseintritt, ein vererbliches Forderungsrecht auf Vermächtniserfüllung, die aber erst bei Fälligkeit gebührt (§ 685). Zur Ausschlagung s § 647 Rz 4. 2 Das Damnationslegat ist Titel zB für den Eigentumserwerb, der ent-
sprechend § 437 erst durch Übergabe seitens des Nachlasses oder Erben oder insb aufgrund einer Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG durch Verbücherung eintritt (SZ 42/187; SZ 50/56: Prälegat; § 688 S 2). Bei minderjährigen oder pflegebefohlenen Legataren erfolgte die Verbücherung bisher von Amts wegen (EvBl 1972/351); nach der Reform des Außerstreitverfahrens ist ein Antrag nötig (§ 182 AußStrG). Bis zur Vornahme des Verfügungsgeschäfts gehört die vermachte Sache dem Nachlass, nach der Einantwortung dem Erben (EF 51.399; JBl 1990, 111). Auch ein dingliches Wohnrecht erfordert 582
Apathy
Vermächtnis
§ 686
die Verbücherung, ohne die es nicht gegenüber den Konkursgläubigern wirkt (7 Ob 6/99d JBl 2000, 375). Vermachte Forderungen sind abzutreten, ein legierter Geschäftsanteil zu übertragen (SZ 59/219). Zum Befreiungsvermächtnis s § 663 Rz 1. Der Legatar darf an der vermachten Sache nicht eigenmächtig Besitz 3 ergreifen (EF 51.399; 8 Ob 690/89 SZ 63/148; § 339). Übergab jedoch der Erblasser die formgültig vermachte Sache dem Legatar, so können Verlassenschaft oder Erbe nicht auf Herausgabe klagen (dolo facit, qui petit, quod statim redditurus est; SZ 63/148; K/W II 534; Zankl, NZ 1999, 320). Zahlungstag § 685. Das Vermächtnis einzelner Verlassenschaftsstücke und darauf sich beziehender Rechte, kleine Belohnungen des Dienstgesindes, und fromme Vermächtnisse können sogleich; andere aber erst nach einem Jahre, von dem Tode des Erblassers, gefordert werden. Der Erblasser kann die Fälligkeit von § 685 abweichend festgelegen 1 (4 Ob 194/98b NZ 1999, 91). Legate zur Abdeckung des Pflichtteils sind daher sofort fällig (Welser/R § 774 Rz 4; unten § 774 Rz 1). Der Anspruch verjährt grundsätzlich in 30 Jahren (NZ 1981, 30), für wiederkehrende Leistungen jedoch nach § 1480 in 3 Jahren. Grundsätzlich können Vermächtnisse erst ein Jahr nach dem Tod des 2 Erblassers gefordert werden (JBl 1967, 371). Bsp: Legate nach § 658 (10 Ob 2335/96x SZ 69/247: Geld), Verschaffungslegate. Hingegen sind einzelne Verlassenschaftsstücke und darauf sich be- 3 ziehende Rechte (zB Fruchtgenussrecht: SZ 37/32) ohne Mahnung sofort zu leisten (SZ 49/118; 7 Ob 619/90 EF 63.076; § 649 Rz 1). Dies gilt für alle im Nachlass vorhandenen Sachen (außer Geld), etwa ein Hausgrundstück (SZ 21/10) oder viele einzelne Sachen (NZ 1981, 30; 5 Ob 191/03d EvBl 2005/31: Vorausvermächtnis gemäß § 758), aber auch für Sachen des Beschwerten (§ 662). Auch kleine Belohnungen des Dienstgesindes und fromme Legate, einschließlich solcher zu gemeinnützigen Zwecken (Zeiller II 635: für Arme; vgl GlUNF 7575), sind bereits beim Anfall des Legats fällig. S ferner § 691. § 686. Bei dem Vermächtnisse eines einzelnen Verlassenschaftsstückes kommen dem Legatar auch die seit dem Tode des Erblassers laufenden Zinsen, entstandenen Nutzungen, und jeder andere Zuwachs zustatten. Er trägt hingegen auch alle auf dem Legate hafApathy
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Vermächtnis
§ 687
tende Lasten und selbst den Verlust, wenn es ohne Verschulden eines andern vermindert wird, oder gänzlich zu Grunde geht. Lit: Staufer, Probleme des Rechtsverhältnisses zwischen Erben und Vermächtnisnehmer, NZ 1962, 33.
1 Beim sofort fälligen Vermächtnis einzelner Verlassenschaftsstücke
(§ 685 Rz 3) geht die Gefahr mit dem Anfall auf den Legatar über; dementsprechend gebühren ihm auch die Nutzungen ab dem Tod des Erblassers, zB Mietzins, Zinsen der im Nachlass vorhandenen Wertpapiere (SZ 2/39), Dividenden vermachter Aktien (Staufer, NZ 1962, 35 ff). Auch sonst gehen Gefahr und Nutzen bei Fälligkeit über (10 Ob 2335/96x SZ 69/247; s auch § 658 Rz 2). Zu Abweichungen beim Forderungsvermächtnis s § 664 Rz 2; zur Lastentragung s auch § 662 Rz 2. 2 Die nachträgliche Unmöglichkeit der Erfüllung des Legats trifft den
Legatar selbst bei objektivem Verzug des Belasteten. Ist hingegen die Unmöglichkeit während verschuldeten Verzugs eingetreten, hat der Legatsschuldner Schadenersatz zu leisten (2 Ob 2226/96h SZ 69/213). § 687. Wird jemandem ein in wiederkehrenden Fristen, als: alle Jahre, Monate und dergleichen zu leistender Betrag vermacht; so erhält der Legatar ein Recht auf den ganzen Betrag dieser Frist, wenn er auch nur den Anfang der Frist erlebt hat. Doch kann der Betrag erst mit Ablauf der Frist gefordert werden. Die erste Frist fängt mit dem Sterbetage des Erblassers zu laufen an. 1 § 687 regelt Anfall und Fälligkeit beim Rentenvermächtnis, das sich
aus mehreren Einzellegaten zusammensetzt, da der Testator idR nur den Legatar, nicht auch dessen Erben begünstigen will (Zeiller II 639). Daher muss der Bedachte außer den Todestag jeden Fristbeginn erleben. Dann entsteht ein vererblicher Anspruch auf die jeweilige Rente. Bei Legaten mit Unterhaltscharakter tritt Fälligkeit mit Beginn der Frist ein. 2 Beim Ratenvermächtnis ist eine bestimmte Gesamtsumme vermacht,
die zB in Monatsraten zu zahlen ist. Der Anfallstag für das ganze Legat ist der Tod des Erblassers (OLG Linz 1 R 300/89 EvBl 1991/1). Die Verjährungsfrist bestimmt sich nicht nach § 1480, sondern beträgt 30 Jahre (Weiß/K III 618). Recht des Legatars zur Sicherstellung § 688. In allen Fällen, in welchen ein Gläubiger von einem Schuldner Sicherstellung zu fordern berechtigt ist; kann auch ein Legatar 584
Apathy
Vermächtnis
§ 690
die Sicherstellung seines Legates verlangen. Wie die Einverleibung eines Vermächtnisses, zur Begründung eines dinglichen Rechtes, geschehen müsse, ist oben § 437 vorgeschrieben worden. Zur Nachlass-Separation s § 812. Vor der Reform des Außerstreitver- 1 fahrens konnte der Legatar für fortlaufende Zahlungen und noch nicht fällige Legate Sicherstellung durch Hinterlegung bei einem Kreditinstitut oder einer anderen geeigneten Stelle verlangen, sofern der Erblasser die Sicherstellung nicht erlassen hat (§ 161 Abs 2 AußStrG aF; OLG Linz 1 R 300/89 EvBl 1991/1). Weitergehend geschützt wurden privilegierte Legatare nach §§ 83 f, 159 f AußStrG aF (SZ 47/125; 1 Ob 574/93 NZ 1994, 111). Nunmehr ist Pflegebefohlenen vor der Einantwortung Sicherheit zu leisten, insb durch Hinterlegung beim Gerichtskommissär (§ 176 Abs 2 AußStrG, § 56 ZPO). Erfolgt der Erlag nicht fristgerecht, so ist er mit Beschluss aufzutragen und kann durch Exekution erzwungen werden (Erl 224 BlgNR 22. GP 111). Zu S 2 s § 684 Rz 2.
2
Wem ein erledigtes Vermächtnis zufalle? § 689. Ein Vermächtnis, welches der Legatar nicht annehmen kann oder will, fällt auf den Nachberufenen (§ 652). Ist kein Nachberufener vorhanden, und ist das ganze Vermächtnis mehrern Personen ungeteilt oder ausdrücklich zu gleichen Teilen zugedacht; so wächst der Anteil, den einer von ihnen nicht erhält, den übrigen ebenso, wie den Miterben die Erbschaft, zu. Außer den gedachten zwei Fällen bleibt das erledigte Vermächtnis in der Erbschaftsmasse. Zum Vorrang der Substitution vor der Anwachsung s auch § 604 Rz 1. 1 Nachberufen ist auch der Nachlegatar (§ 608 S 3 iVm § 652). Zur Anwachsung s §§ 560 ff. Recht des Erben, wenn die Lasten die Masse erschöpfen; § 690. Wenn die ganze Erbschaft durch Vermächtnisse erschöpft ist; so hat der Erbe nichts weiter, als die Vergütung seiner zum Besten der Masse gemachten Auslagen und eine seinen Bemühungen angemessene Belohnung zu fordern. Will er den Nachlaß nicht selbst verwalten; so muß er um die Aufstellung eines Kurators anlangen. Nach der römischen lex Falcidia musste dem Erben zumindest ein 1 Viertel des Nachlasses verbleiben; davon geht § 690 ab und erweitert die Testierfreiheit. IdR wird aber der Erbe die Erbschaft ausschlagen, Apathy
585
Vermächtnis
§ 691
wenn die ganze Erbschaft durch Legate erschöpft ist; § 690 hat daher geringe Bedeutung. Gibt der Erbe eine unbedingte Erbantrittserklärung ab, so haftet er auch den Legataren unbeschränkt (§ 801). Gibt er eine bedingte Erbantrittserklärung ab, so kann er wahlweise den Nachlass selbst verwalten, wofür ihm (zu Lasten der Legatare: § 692 Rz 1) Kostenersatz und angemessene Vergütung gebühren, oder die Bestellung eines Kurators durch das Verlassenschaftsgericht beantragen (SZ 21/27). 2 Die §§ 690 ff gelten analog für den ruhenden Nachlass (EvBl 1983/158;
1 Ob 690/89 JBl 1990, 583) und den heimfallsberechtigten Fiskus (Welser/R Rz 1). § 691. Können nicht alle Legatare aus der Verlassenschaftsmasse befriedigt werden; so wird das Legat des Unterhaltes vor allen andern entrichtet, und dem Legatar gebührt der Unterhalt von dem Tage des Erbanfalles. 1 § 691 privilegiert Unterhaltslegate gegenüber allen anderen Ver-
mächtnissen, die zuerst gemäß § 692 gekürzt werden. Unterhaltslegate sind im Voraus zu bezahlen (§ 1418), doch hat abweichender Erblasserwille Vorrang. oder gar übersteigen § 692. Reicht die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden, anderer pflichtmäßigen Auslagen, und zur Berichtigung aller Vermächtnisse nicht zu; so leiden die Legatare einen verhältnismäßigen Abzug. Daher ist der Erbe, solange eine solche Gefahr obwaltet, die Vermächtnisse ohne Sicherstellung zu berichtigen nicht schuldig. 1 Legate sind zu kürzen, wenn der Nachlass zur Befriedigung aller
nicht ausreicht und der Erbe eine bedingte Erbantrittserklärung abgibt (6 Ob 279/98t EF 87.193). Vor den Legataren sind die Gläubiger des Erblassers zu befriedigen (EvBl 1983/158: auch Schulden an den Erben), sowie die Begräbniskosten, die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens, die Ansprüche des verwaltenden Erben oder Verlassenschaftskurators (§ 690 Rz 1) und die Pflichtteilsansprüche (auch die der gesetzlichen Erben: 1 Ob 690/89 JBl 1990, 583) zu bezahlen. Ist ein Legatar pflichtteilsberechtigt, so wird sein Legatsanspruch bis zur Höhe der Pflichtteilsdeckung unter die Pflichtteilsansprüche gereiht und nur soweit er darüber hinausgeht gekürzt (6 Ob 666/95 SZ 69/155). Von den nach dem gemeinen Wert – nicht dem steuerlichen Einheits586
Apathy
Vermächtnis
§ 693
wert (JBl 1990, 111) – bemessenen Nachlassaktiven sind die genannten Posten abzuziehen und dem gemeinen Wert der Vermächtnisse gegenüberzustellen. Soweit der Gesamtwert der Legate den Reinnachlass übersteigt, kann der Erbe (die Verlassenschaft) die Legate anteilig, nach § 691 oder entsprechend dem Erblasserwillen kürzen. Bei Untunlichkeit der realen Kürzung kann dem Legatar eine Zahlung an den Nachlass auferlegt werden (JBl 1967, 371). Von § 692 ist die Kürzung nach § 783 zu unterscheiden: § 783 Rz 2. Behauptet der (anzuhörende) Erbe ernstlich die Gefahr der Unzuläng- 2 lichkeit des Nachlasses (SZ 25/193; SZ 50/56; aM Welser/R Rz 9: Bescheinigung der Gefahr), so ist der Legatar, der die Erteilung der Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG (§ 684 Rz 2) begehrt, auf den Rechtsweg zu verweisen, wenn er nicht Sicherheit (SZ 50/56: entsprechend §§ 1373 ff oder einer Vereinbarung) leistet. Über die Kürzung ist im Rechtsweg zu entscheiden (7 Ob 512/90 3 SZ 63/39). Dabei hat der Erbe bzw die Verlassenschaft die Unzulänglichkeit des Nachlasses zu beweisen (JBl 1990, 583; 8 Ob 2024/96x SZ 69/71); Inventarisierung im Verlassenschaftsverfahren führt zu keiner Beweislastumkehr. Solange die Gefahr der Unzulänglichkeit des Nachlasses bescheinigt werden kann, besteht gegenüber dem Legatar eine Verzug und Verjährung hemmende aufschiebende Einrede, soweit der Legatsanspruch voraussichtlich von der Kürzung iSd § 692 betroffen ist (7 Ob 619/90 EF 63.081). Der Vermächtnisnehmer kann dann nur nach Sicherstellung klagen. § 693. Im Falle aber, daß die Legatare die Vermächtnisse bereits empfangen haben, wird der Abzug nach dem Werte, den das Vermächtnis zur Zeit des Empfanges hatte, und den daraus gezogenen Nutzungen bestimmt. Doch steht dem Legatar auch nach empfangenem Vermächtnisse noch immer frei, zur Vermeidung des Beitrages, das Vermächtnis, oder den oben erwähnten Wert und die bezogenen Nutzungen in die Masse zurückzustellen; in Rücksicht der Verbesserungen und Verschlimmerungen wird er als ein redlicher Besitzer behandelt. Wurde das Legat ohne Abzug oder ausreichende Sicherstellung er- 1 füllt, so steht dem irrtümlich zahlenden Schuldner eine Kondiktion zu (vgl §§ 1431 f). Der Anspruch ist auf verhältnismäßige Rückzahlung in Geld gerichtet. Maßgebend ist der Wert im Zeitpunkt des Empfanges (7 Ob 512/90 SZ 63/39: Zeitpunkt der möglichen Einverleibung; § 783 Rz 3); dazu kommen noch die anteiligen Nutzungen. Apathy
587
Vermächtnis
§ 694
2 Nach S 2 steht dem Legatar eine Ersetzungsbefugnis zu: Er kann die
vermachte Sache samt den bezogenen Nutzungen zurückstellen. Aufwandersatz gebührt ihm dann nach § 331. [Von den gesetzlichen Beiträgen zu öffentlichen Anstalten] § 694. [Die Beiträge, welche ein Erblasser nach den politischen Vorschriften zur Unterstützung der Armen-, Invaliden- und Krankenhäuser und des öffentlichen Unterrichtes in dem Testamente ausgesetzt hat, sind nicht als Vermächtnisse anzusehen; sie sind eine Staatsauflage, müssen selbst von den gesetzlichen Erben entrichtet, und können nicht nach den Grundsätzen des Privatrechts, sondern nur nach den politischen Verordnungen beurteilt werden.] 1 § 694 ist derzeit gegenstandslos.
Zwölftes Hauptstück Von Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens Recht des Erblassers zur Einschränkung oder Änderung seines letzten Willens § 695. Der Erblasser kann seine Anordnung auf eine Bedingung; auf einen Zeitpunkt; durch einen Auftrag; oder eine erklärte Absicht einschränken. Er kann auch sein Testament oder Kodizill abändern, oder es ganz aufheben. 1 Im Rahmen der Testierfreiheit kann der Erblasser seiner letztwilligen
Verfügung eine Bedingung (§§ 696 ff) oder eine Fristsetzung (§§ 704 ff) beifügen; er kann eine Auflage (§§ 709 ff) anordnen. Im Hinblick auf die Auslegung seiner Verfügung oder eventuelle Anfechtung kann er seine Absicht erklären (§ 572). Schließlich steht es ihm frei, seine letztwillige Verfügung zu ändern oder aufzuheben (§§ 713 ff). Arten der Einschränkung des letzten Willens: 1. Bedingung § 696. Eine Bedingung heißt eine Ereignung, wovon ein Recht abhängig gemacht wird. Die Bedingung ist bejahend oder ver588
Apathy
Vermächtnis
§ 694
2 Nach S 2 steht dem Legatar eine Ersetzungsbefugnis zu: Er kann die
vermachte Sache samt den bezogenen Nutzungen zurückstellen. Aufwandersatz gebührt ihm dann nach § 331. [Von den gesetzlichen Beiträgen zu öffentlichen Anstalten] § 694. [Die Beiträge, welche ein Erblasser nach den politischen Vorschriften zur Unterstützung der Armen-, Invaliden- und Krankenhäuser und des öffentlichen Unterrichtes in dem Testamente ausgesetzt hat, sind nicht als Vermächtnisse anzusehen; sie sind eine Staatsauflage, müssen selbst von den gesetzlichen Erben entrichtet, und können nicht nach den Grundsätzen des Privatrechts, sondern nur nach den politischen Verordnungen beurteilt werden.] 1 § 694 ist derzeit gegenstandslos.
Zwölftes Hauptstück Von Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens Recht des Erblassers zur Einschränkung oder Änderung seines letzten Willens § 695. Der Erblasser kann seine Anordnung auf eine Bedingung; auf einen Zeitpunkt; durch einen Auftrag; oder eine erklärte Absicht einschränken. Er kann auch sein Testament oder Kodizill abändern, oder es ganz aufheben. 1 Im Rahmen der Testierfreiheit kann der Erblasser seiner letztwilligen
Verfügung eine Bedingung (§§ 696 ff) oder eine Fristsetzung (§§ 704 ff) beifügen; er kann eine Auflage (§§ 709 ff) anordnen. Im Hinblick auf die Auslegung seiner Verfügung oder eventuelle Anfechtung kann er seine Absicht erklären (§ 572). Schließlich steht es ihm frei, seine letztwillige Verfügung zu ändern oder aufzuheben (§§ 713 ff). Arten der Einschränkung des letzten Willens: 1. Bedingung § 696. Eine Bedingung heißt eine Ereignung, wovon ein Recht abhängig gemacht wird. Die Bedingung ist bejahend oder ver588
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 696
neinend, je nachdem sie sich auf den Erfolg, oder Nichterfolg der Ereignung bezieht. Sie ist aufschiebend, wenn das zugedachte Recht erst nach ihrer Erfüllung zu seiner Kraft gelangt; sie ist auflösend, wenn das zugedachte Recht bei ihrem Eintritte verlorengeht. Lit: Karollus, Die testamentarische Nichtverehelichungsklausel – Gedanken zur dogmatischen Einordnung, zur Auslegung und zur rechtspolitischen Berechtigung des § 700 ABGB, NZ 1988, 293.
Eine Bedingung (condicio) ist ein zukünftiges ungewisses Ereignis 1 (§ 704), von dessen Eintritt der Testator Rechtsfolgen abhängig macht; auch diese Nebenbestimmung (Rubrik zu § 897) selbst wird Bedingung genannt. Sie ermöglicht es dem Erblasser, seine Verfügung solchen Umständen anzupassen, deren Eintritt noch unsicher oder zumindest unbekannt ist (Apathy/Riedler/S § 897 Rz 1). Er kann vom Bedingungseintritt abhängig machen, ob die von ihm benannte Person Erbe oder Legatar wird, aber auch, wer bedacht sein soll (SZ 58/179: jemand von der Verwandtschaft, der sich um mein Begräbnis und Grab kümmert; § 564 Rz 2). Ob eine Formulierung als Bedingung zu verstehen ist oder bloß den Anlass der letztwilligen Verfügung nennt, ist eine Auslegungsfrage (SZ 38/144: „Komme ich nicht mehr in die Heimat“; SZ 40/62: Bedingung oder Auflage). S 2 unterscheidet nach der Formulierung zwischen positiven und 2 negativen Bedingungen. Negative aufschiebende Potestativbedingungen sind vielfach als positive Resolutivbedingungen zu verstehen (§§ 707–708 Rz 3); etwa der Testator setzt jemanden unter der Bedingung zum Erben ein, dass er nicht mehr heiratet (§ 700 S 1; Karollus, NZ 1988, 293 FN 1). In der Wirkungsweise unterscheidet S 3 zwischen aufschiebenden 3 und auflösenden Bedingungen, je nachdem, ob die Rechtsfolgen erst bei Eintritt des Ereignisses entstehen oder ob sie sofort eintreten, aber bei Bedingungseintritt wegfallen sollen. Ob eine aufschiebende oder auflösende Bedingung vorliegt, ist Auslegungsfrage (vgl SZ 40/62: Erbeinsetzung des Bruders unter der Bedingung, dass er die Eigentumswohnung der Erblasserin deren Patenkindern ins Eigentum übertrage, sobald diese großjährig sind). Bisweilen wirkt eine Bedingung für den einen aufschiebend, für den anderen auflösend (zB Einsetzung eines Nacherben: § 608 Rz 2 f). Sowohl durch eine aufschiebende als auch durch eine auflösende Bedingung entsteht ein Schwebezustand. Hingegen weiß der Testator bei uneigentlichen Bedingungen bloß nicht, ob das Ereignis bereits eingetreten oder nicht eingetreten ist (Apathy/Riedler/S § 897 Rz 7). Apathy
589
§ 697
Einschränkung des letzten Willens
Vorschriften: a) über unverständliche; § 697. Ganz unverständliche Bedingungen sind für nicht beigesetzt zu achten. 1 Lässt sich der Inhalt einer Bedingung durch Auslegung nicht ermit-
teln, so ist nicht die ganze Verfügung unwirksam, sondern nur die Bedingung (favor testamenti). Bsp: Widersprüchlichkeit (Zeiller II 659), Unbestimmtheit. b) unmögliche oder unerlaubte; § 698. Die Anordnung, wodurch jemandem unter einer aufschiebenden unmöglichen Bedingung ein Recht erteilt wird, ist ungültig, obschon die Erfüllung der Bedingung erst in der Folge unmöglich, und die Unmöglichkeit dem Erblasser bekannt geworden wäre. Eine auflösende unmögliche Bedingung wird als nicht beigesetzt angesehen. Alles dieses gilt auch von den unerlaubten Bedingungen. Lit: S bei § 696.
1 In Abkehr vom gemeinen Recht ist zur besseren Berücksichtigung des
Erblasserwillens die letztwillige Verfügung (außer im Fall des § 700) ungültig, wenn die aufschiebende Bedingung unmöglich oder unerlaubt ist (Zeiller II 661 f; SZ 26/43). Hingegen gilt die auflösende unmögliche oder unerlaubte Bedingung weiterhin als nicht beigesetzt. Ungültig ist die betreffende Verfügung, nicht notwendig das ganze Testament (SZ 40/62; SZ 46/34). Die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Bedingung hatte vor der Reform des Außerstreitverfahrens im Rechtsweg zu erfolgen (RZ 1968, 139; EvBl 1973/293). Nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht gemäß § 161 AußStrG über das Erbrecht. 2 Die (objektiv) unmögliche Bedingung kann aus rechtlichen (vgl
SZ 40/62) oder tatsächlichen Gründen nach dem Stand im Beurteilungszeitpunkt nicht (mehr) eintreten (Kralik, ErbR 256). Es muss sich um ein dauerndes Hindernis handeln, doch genügt die theoretische Möglichkeit einer Änderung der Rechtslage nicht, um die rechtliche Unmöglichkeit einer Bedingung in Frage zu stellen. Die unmögliche Bedingung braucht nicht absurd zu sein (Welser/R Rz 1; aM SZ 46/34). Der Testator braucht die Unmöglichkeit nicht gekannt zu haben, doch ist zu berücksichtigen, wenn er bei Kenntnis der Unmöglichkeit die Anordnung unter Weglassung der Bedingung getroffen hätte (§ 570). 590
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 699
Die Bedingung gleichzeitigen Versterbens ist nicht unmöglich (RZ 1968, 139 mit Bezug auf § 11 TEG). Unerlaubt ist eine Bedingung, die in einem verbotenen oder sitten- 3 widrigen Verhalten des Bedachten besteht (Kralik, ErbR 257), aber auch eine unzulässige Einschränkung der Handlungsfreiheit des Bedachten (vgl § 700 Rz 1). Bsp: niemand anderen als eine bestimmte Person zu heiraten (GlUNF 2466); nur eine Person einer bestimmten Religionszugehörigkeit, Nationalität oder eines bestimmten Standes zu heiraten (SZ 8/251); der als Legatar bedachte Witwer sei nur mit Zustimmung des Erben berechtigt, eine Lebensgefährtin bei sich mitwohnen lassen (SZ 47/63; Karollus, NZ 1988, 302). Hingegen kann die Bedingung, die Erbin müsse binnen einem Jahr eine bestimmte Person heiraten, nach den Umständen des Einzelfalls durchaus zulässig sein (SZ 26/43; vgl auch JBl 1971, 41: kirchliche Eheschließung mit dem Testator). c) mögliche und erlaubte Bedingungen; § 699. Sind die Bedingungen möglich und erlaubt; so kann das davon abhängende Recht nur durch ihre genaue Erfüllung erworben werden; sie mögen vom Zufalle, von dem Willen des bedachten Erben, Legatars, oder eines Dritten abhängen. Lit: Knütel, Zur sogenannten Erfüllungs- und Nichterfüllungsfiktion bei der Bedingung, JBl 1976, 613.
Der aufschiebend bedingt Bedachte erwirbt erst, wenn die zulässige 1 Bedingung genau erfüllt ist. Die ältere Rspr beachtete strikt den Wortlaut von § 699 und ließ den Grund für die Bedingungsvereitelung unberücksichtigt: ZB erwirbt jemand auch dann nicht, wenn sein gesetzlicher Vertreter den Ausfall der Bedingung verursacht (JBl 1877, 303: Mutter als Vormund weist den 8-jährigen Neffen des Testators nicht in eine Erziehungsanstalt ein). Die jüngere Rspr berücksichtigt mit Recht den hypothetischen Willen des Testators, wenn dieser den Grund für die Nichterfüllung nicht bedacht hat (8 Ob 2017/96t NZ 1997, 190: Einsetzung der Lebensgefährtin, „wenn sie mich pflegt, da ich nicht im Spital sterben will“ – Spitalseinweisung war medizinisch indiziert und von der Bedachten nicht beeinflussbar). Die unzulässige Herbeiführung oder Vereitelung der Bedingung 2 wird besonders sanktioniert, da man aus eigener Rechtsverletzung keine Rechte soll ableiten können. Führt der bedingte Bedachte den Eintritt wider Treu und Glauben herbei, so gilt die Bedingung als nicht eingetreten. Hingegen wird ihr Eintritt fingiert, wenn er von Apathy
591
Einschränkung des letzten Willens
§ 700
dem vereitelt wird, zu dessen Nachteil er gereichen würde (SpR 234). In 1 Ob 689/90 JBl 1991, 382 folgt der OGH der Auffassung, es handle sich dabei um einen besonderen Fall ergänzender Auslegung (Knütel, JBl 1976, 616, 619; Rummel/R § 897 Rz 7; Apathy/Riedler/S § 897 Rz 19). d) Bedingung der Nichtverehelichung; § 700. Die Bedingung, daß der Erbe oder der Legatar sich, selbst nach erreichter Volljährigkeit, nicht verehelichen solle, ist als nicht beigesetzt anzusehen. Nur eine verwitwete Person muß, wenn sie ein oder mehrere Kinder hat, die Bedingung erfüllen. Die Bedingung, daß der Erbe oder Legatar eine bestimmte Person nicht heirate, kann gültig auferlegt werden. [idF BGBl 1973/108] Lit: S bei § 695.
1 Nicht beigesetzt gilt nach S 1 grundsätzlich die aufschiebende oder
auflösende Bedingung der Nichtverehelichung (nach Erreichung der Volljährigkeit), so dass die bedachte Person unbedingt erwirbt. Die (vom Testator beabsichtigte) gravierende Einschränkung der Eheschließungsfreiheit, also der Willensfreiheit des Bedachten in einem höchstpersönlichen Bereich, wird missbilligt (SZ 25/25 mit Bezug auf § 1459; Karollus, NZ 1988, 295 ff). § 700 ist lex specialis zu § 698 und entsprechend dem allgemeinen Sittenwidrigkeitsurteil (§ 879) zu interpretieren (Karollus, NZ 1988, 299). Die Auferlegung der Ehelosigkeit für eine angemessene Zeit ist außer für die Zeit bis zur Volljährigkeit zulässig, wenn sie einem begründeten Interesse des Testators entspricht und auch im Interesse des Erben (Legatars) sachlich gerechtfertigt ist (Karollus, NZ 1988, 303). § 700 gilt nur für letztwillige Verfügungen; für Geschäfte unter Lebenden sind die §§ 897, 898 maßgebend (SZ 25/25; SZ 26/169: Übergabsvertrag). 2 Gültig ist die Nichtverehelichungsklausel bei einer – nach dem Tes-
tator (Karollus, NZ 1988, 301; aM Welser/R Rz 6) – verwitweten Person, die schon mindestens ein Kind hat (SZ 24/227); für analoge Anwendung auf Geschiedene K/W II 490; aM Karollus, NZ 1988, 301. Stirbt das einzige beim Tod des Testators lebende Kind, so ist die auflösende Bedingung der Nichtverehelichung hinfällig (JB 52). Nach authentischer Interpretation durch das HfD JGS 1844/807 kann der Erblasser seine Frau oder eine dritte Person so bedenken, dass die Zuwendung mit dem Zeitpunkt der Verehelichung endet, wenn damit bloß eine zwischenzeitliche Versorgung und keine sit592
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 703
tenwidrige Bindung an die Ehelosigkeit bezweckt wird. Gleiches sollte entgegen SZ 47/63 für die Versorgung des Witwers gelten (LGZ Wien EF 59.923). Die Aufhebung des HfD durch das 1. BRBG hat die Rechtslage nicht verändert (K/W II 491). Die Bedingung, eine bestimmte Person nicht zu heiraten, ist (grund- 3 sätzlich) gültig. Zur Bedingung, eine bestimmte Person zu heiraten, s § 698 Rz 3. e) wenn die Bedingung bei dem Leben des Erblassers erfüllt worden § 701. Ist die in der letzten Willenserklärung vorgeschriebene Bedingung schon bei dem Leben des Erblassers eingetroffen; so muß die Erfüllung derselben nach dem Tode des Erblassers nur dann wiederholt werden, wenn die Bedingung in einer Handlung des Erben oder Legatars besteht, welche von ihm wiederholt werden kann. § 701 trifft eine Auslegungsregel: Nur wiederholbare Potestativbe- 1 dingungen sind zu wiederholen. Ob die Bedingung auch auf die Nachberufenen auszudehnen sei § 702. Eine dem Erben oder Legatar beigerückte Bedingung ist, ohne ausdrückliche Erklärung des Erblassers, auf den von dem Erblasser nachberufenen Erben oder Legatar nicht auszudehnen. Bedingungen werden ohne deutliche Erklärung des Erblassers anders 1 als Lasten (§§ 563, 606, 726) behandelt. Wirkung einer möglichen aufschiebenden Bedingung § 703. Zur Erwerbung eines unter einer aufschiebenden Bedingung zugedachten Nachlasses ist notwendig, daß die bedachte Person die Erfüllung der Bedingung überlebe, und bei dem Eintritte derselben erbfähig sei. Lit: Faistenberger, Zur Geltung des § 703 ABGB, FG Herdlitczka (1972) 77.
Der aufschiebend bedingt eingesetzte Erbe, Legatar, Nacherbe muss 1 – außer ein abweichender Wille des Testators wird nachgewiesen – nicht nur dessen Tod, sondern den Bedingungseintritt erleben und dabei erbfähig sein. Zum Tod des Vorerben als Terminisierung s § 615 Rz 3; zur Ausschlagung durch den ersteingesetzten Erben s § 604 Rz 3. Apathy
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§ 704
Einschränkung des letzten Willens
2. Zeitpunkt § 704. Ist es ungewiß, ob der Zeitpunkt, auf welchen der Erblasser das zugedachte Recht einschränkt, kommen oder nicht kommen werde; so wird diese Einschränkung als eine Bedingung angesehen. 1 Die Abgrenzung zwischen Befristung und Bedingung richtet sich
danach, ob das maßgebliche Ereignis selbst ungewiss ist (Bedingung) oder bloß der Zeitpunkt (dies incertus quando). Letztlich ist aber entscheidend, ob der Erblasser dem Bedachten jedenfalls etwas zuwenden will (GlU 2049: Legatar soll Geldsumme erhalten, sobald er das 25. Lebensjahr erreicht hat – Befristung; 7 Ob 553/95 RdW 1997, 68) oder ob dieser den Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses erleben müsse, damit er erwirbt (§ 703). § 705. Ist der Zeitpunkt von der Art, daß er kommen muß; so wird das zugedachte Recht, wie andere unbedingte Rechte, auch auf die Erben der bedachten Person übertragen, und nur die Übergabe bis zum gesetzten Termine verschoben. 1 Bei aufschiebender Befristung tritt der Anfall mit dem Tod des Erblas-
sers ein (§ 545); nur die Fälligkeit ist hinausgeschoben. Stirbt der befristet eingesetzte Erbe, Nacherbe oder Legatar zwischen dem Tod des Testators und der Fälligkeit, so geht das Recht auf seine Erben über. § 706. Wäre es offenbar, daß die in der letzten Anordnung ausgemessene Zeit nie kommen könne; so wird die Bestimmung dieser Zeit wie die Beisetzung einer unmöglichen Bedingung angesehen. Nur in dem Falle, daß der Erblasser wahrscheinlich bloß in der Berechnung der Zeit sich geirrt hat, wird der Zeitpunkt nach dem wahrscheinlichen Willen des Erblassers zu bestimmen sein. 1 Kann der Termin nie kommen, so handelt es sich um eine unmögliche
Bedingung (§ 698). Zur Anpassung bei unwesentlichem Irrtum (S 2) s §§ 570–572 Rz 2. Rechtsverhältnis bei einer Bedingung oder einem Zeitpunkte zwischen der bedachten und ihr nachfolgenden Person § 707. So lange das Recht des Erben oder des Legatars wegen einer noch nicht erfüllten Bedingung, oder wegen des noch nicht gekommenen Zeitpunktes verschoben bleibt; so lange finden im ersten Falle zwischen dem gesetzlichen und eingesetzten Erben; und im 594
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§§ 707–708
zweiten Falle zwischen dem Erben und Legatar, in Hinsicht auf den einstweiligen Besitz und Genuß des Nachlasses oder Legats, die nämlichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie bei einer fideikommissarischen Substitution, statt. § 708. Wer eine Erbschaft oder ein Vermächtnis unter einer verneinenden oder auflösenden Bedingung; oder, nur auf eine gewisse Zeit erhält, hat gegen den, welchem die Erbschaft, oder das Vermächtnis, beim Eintritte der Bedingung, oder des bestimmten Zeitpunktes zufällt, die nämlichen Rechte und Verbindlichkeiten, welche einem Erben oder Legatar gegen den fideikommissarischen Substituten zukommen (§ 613). Lit: Ch. Rabl, Der unbekannte Nacherbe, NZ 2003, 264.
Ist der Testamentserbe aufschiebend bedingt oder befristet berufen, 1 so erbt – mangels abweichender Anordnung des Erblassers – zunächst der gesetzliche Erbe, so dass der Testamentserbe als Nacherbe iSd §§ 608 ff behandelt wird (konstruktive Nacherbfolge; Kralik, ErbR 263). Gleiches gilt für den Fall, dass der Testator eine beim Erbfall ungezeugte Person zum Erben einsetzt (3 Ob 539/94 NZ 1996, 245; 1 Ob 630/94 SZ 68/61; §§ 611–612 Rz 1). Die Aufhebung des HfD JGS 1845/888 hat daran nichts geändert (Welser/R § 536 Rz 2). Bei einem aufschiebend bedingten oder befristeten Vermächtnis verbleibt die Sache zunächst dem Erben oder sonstigen Vermächtnisschuldner (zB Hauptvermächtnisnehmer). Der Erbe wird aber wie ein Vorvermächtnisnehmer in der Verfügungsbefugnis insb durch die Grundbuchseintragung beschränkt (SZ 27/215; vgl auch § 652 Rz 2 f; § 688 Rz 1). Zur Inventarisierung s EvBl 1980/60. Wird jemand unter auflösender Bedingung oder bis zu einem End- 2 termin zum Erben eingesetzt, so ist er Vorerbe und der nach ihm Berufene (§ 608) bzw mangels letztwilliger Anordnung der gesetzliche Erbe des Testators – im Zeitpunkt des Bedingungseintritts bzw Endtermins (Ch. Rabl, NZ 2003, 271 ff; § 2104 BGB) – der Nacherbe. Entsprechendes gilt, wenn dem Testamentserben auferlegt ist, im Fall des Verkaufs geerbter Liegenschaften einen Teil des Kaufpreises an die Enkeltochter der Erblasserin auszufolgen (9 Ob 103/99h NZ 2001, 228). Bei einem auflösend bedingten oder befristeten Vermächtnis ist die Sache dem Erben (Vermächtnisschuldner) oder dessen Rechtsnachfolger zurückzustellen (condictio causa finita). Eine verneinende aufschiebende Bedingung wird in eine positive 3 auflösende umgedeutet, wenn der Bedingungseintritt erst mit dem Tod des Bedachten feststeht (K/W II 500). Apathy
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§ 709
Einschränkung des letzten Willens
3. Auftrag § 709. Hat der Erblasser jemandem einen Nachlaß unter einem Auftrage zugewendet; so ist dieser Auftrag als eine auflösende Bedingung anzusehen, daß durch die Nichterfüllung des Auftrages der Nachlaß verwirkt werden solle (§ 696). Lit: Ch. Rabl, Die Nichterfüllung letztwilliger Auflagen, NZ 1998, 97.
1 Als Auftrag wird die Auflage (modus) bezeichnet. Der Testator kann
eingesetzte oder gesetzliche Erben sowie Legatare durch eine letztwillig verfügte Auflage damit belasten, etwas zu tun oder zu unterlassen; zB Grabpflege, Veräußerungsverbot (6 Ob 313/98t EF 89.968), Sorge für ein behindertes Kind des Testators (2 Ob 2209/96h NZ 1998, 109), Errichtung einer Stiftung (JBl 1956, 469 Steinwenter; 1 Ob 2138/96k SZ 69/263); s auch § 564 Rz 3. Ob eine vom Testator dem Erben oder Legatar auferlegte Verpflichtung als verbindliche Auflage (Rz 2) oder bloß als unverbindliche Bitte (§ 711) anzusehen ist, richtet sich nach dem Willen des Erblassers, der auch eine Auflage in Form einer Bitte oder eines Wunsches formulieren kann (SZ 60/225; NZ 1998, 109). Er braucht auch nicht die Folgen einer Nichtbefolgung anzuführen (EF 89.968), hat aber diesbezüglich Gestaltungsmöglichkeiten (Ch. Rabl, NZ 1998, 99). Eine Auflage kann man auch bei unentgeltlichen Zuwendungen unter Lebenden vereinbaren. 2 Zum Unterschied von einer Bedingung ist die Einhaltung der Auflage
durch Klage und Zwangsvollstreckung erzwingbar (NZ 1998, 109; Kralik, ErbR 265 ff; aM Ch. Rabl, NZ 1998, 99 ff). Aktivlegitimiert als Auflageberechtigter ist der Testamentsvollstrecker (SZ 40/62; SZ 69/263) oder der Erbe, wenn er nicht selbst durch die Auflage beschwert ist (SZ 60/225: Miterbe); dass dem Erben selbst die Erfüllung der Auflage zum Vorteil gereicht, schadet nicht (NZ 1998, 109). Liegt die Erfüllung der Auflage im öffentlichen Interesse, so ist die Finanzprokuratur aktivlegitimiert (JBl 1956, 469 Steinwenter; Kralik, ErbR 269). Zur Verbücherung s SZ 60/225 (§ 158 Abs 1 AußStrG aF); eine Sicherstellung der Erfüllung der Auflage (§ 161a AußStrG aF) ist nur mehr zugunsten Pflegebefohlener vorgesehen (§ 176 Abs 2 AußStrG). 3 Vom Legat unterscheidet sich die Auflage dadurch, dass niemand
einen durchsetzbaren Anspruch auf die Leistung hat (EvBl 1974/260; SZ 49/148). Wird jemand durch die Auflage begünstigt, so handelt es sich dennoch um eine Auflage und um kein Legat, wenn der Testator dem Begünstigten keine Durchsetzungsmöglichkeit einräumt (NZ 1998, 109). 596
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 711
Die Fälligkeit der Auflage richtet sich nach dem Willen des Erblassers 4 oder der Natur der Sache, doch muss der Beschwerte zuerst die Zuwendung erhalten (NZ 1998, 109). Erfüllt der Beschwerte die Auflage nicht, so wirkt dies als auflösende Bedingung (SZ 69/263), außer dies widerspricht der Absicht des Erblassers (s auch § 710 Rz 2; § 712 Rz 1). Nach NZ 1998, 109 soll eine rechtsgestaltende Entscheidung über die Verwirkung der Zuwendung nötig sein, doch wirkt auch die auflösende Bedingung ipso iure (Ch. Rabl, NZ 1998, 105 f). § 710. In dem Falle, daß der Auftrag nicht genau erfüllt werden kann, muß man demselben wenigstens nach Möglichkeit nahe zu kommen suchen. Kann auch dieses nicht geschehen; so behält doch der Belastete, wofern aus dem Willen des Erblassers nicht das Gegenteil erhellt, den zugedachten Nachlaß. Wer sich zur Erfüllung des Auftrages selbst unfähig gemacht hat, wird des ihm zugedachten Nachlasses verlustig. Lässt sich die Auflage zwar nicht genau, aber immerhin annähernd 1 erfüllen, zB Zahlung an die Verlassenschaft nach dem Tod des Auflagebegünstigten (GlU 13.943), so entspricht diese Erfüllung dem hypothetischen Willen des Testators und wird daher geschuldet (SZ 40/62). Auch sonst verwirkt der Beschwerte die Zuwendung nicht bei jeder 2 Nichterfüllung der Auflage. Vielmehr hängen die Rechtsfolgen einerseits von der letztwilligen Verfügung ab (§ 709 Rz 4), andererseits vom Verhalten des Beschwerten. Ist die Erfüllung der Auflage objektiv oder subjektiv unmöglich, so behält der Beschwerte im Zweifel die Zuwendung, wenn ihn kein Verschulden an der Nichterfüllung trifft (vgl 6 Ob 244/99x SZ 72/197). Hat hingegen die Zuwendung ausschließlich den Zweck, dem Beschwerten die Erfüllung der Auflage zu ermöglichen, so ist sie bei Unmöglichkeit der Auflagenerfüllung unwirksam (Ehrenzweig, System II/2, 453). Eine unerlaubte Auflage gilt als nicht beigesetzt (§ 698 S 2). S auch 3 § 712 Rz 1. § 711. Wenn der Erblasser die Absicht, wozu er den Nachlaß bestimmt, zwar ausgedrückt, aber nicht zur Pflicht gemacht hat, so kann die bedachte Person nicht angehalten werden, den Nachlaß zu dieser Absicht zu verwenden. Ob die Anordnung des Erblassers eine verbindliche Auflage bedeutet, 1 oder ob dem Beschwerten keine Pflicht auferlegt ist, ist eine Frage der Apathy
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§ 712
Einschränkung des letzten Willens
Auslegung, wobei es nicht allein auf den Wortlaut der Verfügung ankommt (§ 709 Rz 1). Handelt der nicht Verpflichtete entsprechend dem erblasserischen Wunsch, so erfüllt er eine Naturalobligation. § 712. Die Anordnung, wodurch der Erblasser seinem Erben eine unmögliche oder unerlaubte Handlung mit dem Beisatze aufträgt, daß er, wofern er den Auftrag nicht befolgte, einem Dritten ein Legat entrichten soll, ist ungültig. 1 Ein Strafvermächtnis zur Absicherung einer unmöglichen oder un-
erlaubten Auflage ist unwirksam (Kralik, ErbR 267), zur Absicherung einer zulässigen Auflage ist es wirksam. Rechtsfolge der schuldhaften Nichterfüllung der Auflage ist nicht die Verwirkung der Zuwendung (§ 709 Rz 4), sondern die Pflicht zur Legatserfüllung (Welser/R Rz 1). Von Aufhebung der Anordnungen, und zwar: 1. durch Errichtung einer neuen Anordnung; eines Testamentes; § 713. Ein früheres Testament wird durch ein späteres gültiges Testament nicht nur in Rücksicht der Erbseinsetzung, sondern auch in Rücksicht der übrigen Anordnungen aufgehoben; dafern der Erblasser in dem letztern nicht deutlich zu erkennen gibt, daß das frühere ganz oder zum Teil bestehen solle. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn in dem spätern Testamente der Erbe nur zu einem Teile der Erbschaft berufen wird. Der übrig bleibende Teil fällt nicht den in dem frühern Testamente eingesetzten, sondern den gesetzlichen Erben zu. Lit: Ch. Rabl, Altes Testament – neues Testament. Die Konkurrenz letztwilliger Verfügungen (2001).
1 Auch wenn der Testator, der ein neues Testament errichtet, den Wi-
derruf des alten Testaments nicht ausdrücklich erklärt, so bewirkt dies grundsätzlich – also wenn sich nicht nachweisen lässt, dass der Erblasser das frühere Testament nur ergänzen wollte (Rz 3) – einen Widerruf des ganzen alten Testaments. Dies gilt auch für den Fall, dass das neue Testament neben dem alten bestehen könnte, da man davon ausging, der Testator beabsichtige vermutlich über seine gesamte Verlassenschaft zu verfügen (Zeiller II 687 f; Ch. Rabl, Testament 6 f). Schlägt der im jüngeren Testament eingesetzte Erbe aus, so lebt das ältere Testament nicht wieder auf, sondern es werden – soweit 598
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 714
keine andere Berufung auf Grund des jüngeren Testaments erfolgt – die gesetzlichen Erben berufen. Das spätere, (äußerlich) formgerechte Testament bildet den stärkeren Erbrechtstitel (JBl 1978, 36). Durch die neuerliche Unterfertigung eines eigenhändigen Testaments lebt das durch die Errichtung eines späteren Testaments widerrufene wieder auf (1 Ob 286/97h EF 84.302). Ist das neue Testament hingegen (zur Gänze) ungültig, so besteht das 2 alte fort. Bestehen erhebliche Bedenken gegen die Echtheit des jüngeren Testaments, so haben Erben, die sich auf dieses stützen, den schwächeren Titel (SZ 23/285). Damit das alte Testament ganz oder teilweise neben dem neuen fort- 3 besteht, muss der Testator im neuen Testament die Aufrechterhaltung deutlich erkennbar anordnen (SZ 50/71; SZ 62/11; Ch. Rabl, Testament 23 ff; aM Welser/R Rz 2); zB als Nachtrag (Eccher/S Rz 1). Durch die vorbehaltlose Errichtung des neuen Testaments werden 4 nicht nur die bisherigen Erbeinsetzungen, sondern auch alle anderen Verfügungen des alten Testaments hinfällig. Hingegen soll ein Testament ein älteres Kodizill nicht immer aufheben, sondern nur, wenn die Auslegung des späteren Testaments den Willen des Testators zur Aufhebung des früheren Kodizills ergibt (SZ 40/23; 4 Ob 1501/93 NZ 1993, 265); zB wenn es sich um ein Kodizill handelt, das ein (nunmehr aufgehobenes) Testament ergänzt hat (Eccher/S Rz 2; Welser/R Rz 3). Bloßes Verschweigen des älteren Kodizills bei Errichtung eines Erbvertrags samt wechselseitigem Testament bewirke keinen Widerruf (SZ 40/23). Bedenkt man aber, dass § 713 auf dem Gedanken beruht, der Testator wolle im (neuen) Testament über den ganzen Nachlass verfügen (Rz 1), so ist es nur konsequent, dass die Aufrechterhaltung des älteren Kodizills vom Testator im jüngeren Testament angeordnet werden müsse (Ch. Rabl, Testament 46 f). Der OGH ist dem allerdings nicht gefolgt (6 Ob 18/06z EF-Z 2006, 58 Ch. Rabl). oder Kodizills; § 714. Durch ein späteres Kodizill, deren mehrere nebeneinander bestehen können, werden frühere Vermächtnisse oder Kodizille nur insofern aufgehoben, als sie mit demselben im Widerspruche stehen. Lit: S bei § 713. Apathy
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§ 715
Einschränkung des letzten Willens
1 Anders als ein späteres Testament (§ 713) hebt ein späteres Kodizill
ältere Kodizille nicht grundsätzlich auf. Sind die zu verschiedenen Zeiten getroffenen Verfügungen (Legate, Auflagen) miteinander vereinbar, so sind sie alle wirksam. Bsp: wiederholte Anordnung eines Gattungsvermächtnisses (§ 660 Rz 1). Nur soweit die verschiedenen Verfügungen einander widersprechen, zB dieselbe Sache verschiedenen Personen vermacht wird, hebt das jüngere Kodizill das ältere auf. Der Testator kann aber die Geltung beider Anordnungen vorsehen, wobei der Widerspruch insb analog §§ 555 ff aufzulösen ist (Ch. Rabl, Testament 43). § 714 ist auch anzuwenden, wenn auf ein älteres Testament ein jüngeres Kodizill folgt. Bsp: zu Lasten des Testamentserben wird im Kodizill eine Auflage angeordnet oder jemandem etwas vermacht. § 715. Kann man nicht entscheiden, welches Testament oder Kodizill das spätere sei; so gelten, insofern sie nebeneinander bestehen können, beide, und es kommen die im Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentums aufgestellten Vorschriften zur Anwendung. Lit: Ch. Rabl, Mehrere letztwillige Verfügungen unbekannter zeitlicher Reihenfolge, NZ 2001, 48; s auch bei § 713.
1 Ist die zeitliche Reihenfolge mehrerer letztwilliger Verfügungen
(Testament oder Kodizill) nicht feststellbar, so sind die §§ 713 und 714 unanwendbar (10 Ob 66/99z SZ 72/179; teilweise aM Ch. Rabl, NZ 2001, 56). Zur Feststellung der Reihenfolge kann man neben der Datierung auch andere Umstände (zB unterschiedliche Handschrift; Zeugenaussagen) heranziehen. § 715 ist auch dann anzuwenden, wenn zwar der Zeitpunkt einer letztwilligen Verfügung feststeht, die andere aber vorher oder nachher erfolgt sein kann (SZ 72/179); ebenso wenn verschiedene letztwillige Verfügungen das gleiche Datum aufweisen (LGZ Wien NZ 1962, 43). 2 Mehrere letztwillige Verfügungen, die nebeneinander bestehen kön-
nen, also miteinander nicht im Widerspruch stehen, gelten in vollem Umfang; zB A und B werden in verschiedenen Kodizillen verschiedene Sachen oder echte Gattungsvermächtnisse ausgesetzt. Darüber hinaus sind die Anordnungen nach hA auch dann (partiell) aufrecht zu erhalten, wenn sie sich zwar widersprechen, sich aber doch noch nach den Regeln der §§ 825 ff miteinander harmonisieren lassen. Wird etwa in einem Testament A, im anderen B zum Alleinerben eingesetzt, so werden beide Anordnungen gekürzt und A und B erben zu gleichen Teilen (SZ 72/179). Verfügt der Testator nicht über den ganzen Nachlass, so sind auch die Interessen der gesetzlichen Erben zu be600
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 717
rücksichtigen: Setzt er etwa in einem Testament A zu 2/3, im anderen B zu 2/3 zu Erben ein, so fällt 1/3 an die gesetzlichen Erben und A und B teilen den Rest (Kralik, ErbR 149; Ch. Rabl, NZ 2001, 54; aM Zeiller II 693). Kontradiktorische Anordnungen in den verschiedenen letztwilligen 3 Verfügungen, die sich nicht durch verhältnismäßige Kürzung harmonisieren lassen, sind unwirksam (Kralik, ErbR 149: Beisetzung in verschiedenen Gräbern). ungeachtet der früher erklärten Unabänderlichkeit § 716. Der in einem Testament oder Kodizill angehängte Beisatz: daß jede spätere Anordnung überhaupt, oder, wenn sie nicht mit einem bestimmten Merkmale bezeichnet ist, null und nichtig sein solle, ist als nicht beigesetzt anzusehen. [idF III. TN]
Ein derogatorischer Vorbehalt widerspricht der Testierfreiheit und 1 dem Grundsatz der jederzeitigen freien Widerruflichkeit letztwilliger Verfügungen (SZ 55/4). 2. durch Widerruf; § 717. Will der Erblasser seine Anordnung aufheben, ohne eine neue zu errichten; so muß er sie ausdrücklich entweder mündlich, oder schriftlich widerrufen, oder die Urkunde vertilgen. Der ausdrückliche oder stillschweigende Widerruf eines Testaments 1 oder Kodizills ist eine Erklärung des letzten Willens (SZ 55/4). Der ausdrückliche Widerruf (§ 719) muss daher in der Form einer letztwilligen Verfügung erfolgen (SZ 56/43; § 577 Rz 1; § 719); er kann auch bei der Errichtung eines neuen Testaments erklärt werden. Zu Informationspflichten des Testators hinsichtlich des Widerrufs s § 552 Rz 2. Zum stillschweigenden Widerruf s §§ 721 f. Bestreitet der Testamentserbe gegenüber dem gesetzlichen Erben die Echtheit des formgerechten Widerrufs, so trifft ihn die Beweislast (EvBl 1960/385). Der Testator kann seine letztwillige Verfügung in ganzem Umfang 2 (zB durch Vernichtung der Urkunde) oder zum Teil widerrufen. Der uneingeschränkte Widerruf eines Testaments, in dem Legate ausgesetzt sind, betrifft auch die Legate (NZ 1968, 92). Der Widerruf aller früheren letztwilligen Anordnungen erfasst nicht die Begünstigungsklausel eines Lebensversicherungsvertrages (JBl 1964, 39). Apathy
601
Einschränkung des letzten Willens
§ 718
§ 718. Der Widerruf kann nur in einem solchen Zustande gültig geschehen, worin man einen letzten Willen zu erklären fähig ist. [idF BGBl 1983/136]
1 Auch der stillschweigende Widerruf erfordert Testierfähigkeit
(§§ 566 ff), die beim Zerreißen des Testaments infolge einer Wahnvorstellung fehlt (NZ 1969, 188). Ist dem testierfähigen Erblasser ein Sachwalter bestellt und eine Anordnung iSd § 568 Abs 1 S 1 getroffen worden, so kann er einen Widerruf nur vor Gericht oder Notar erklären; zur Protokollierung s §§ 568–569 Rz 5 (7 Ob 115/99h NZ 2000, 147). a) einen ausdrücklichen; § 719. Ein mündlicher Widerruf einer gerichtlichen oder außergerichtlichen letzten Anordnung erfordert so viele und solche Zeugen, als zur Gültigkeit eines mündlichen Testamentes nötig sind; ein schriftlicher aber, eine von dem Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene, oder wenigstens von ihm und den zu einem schriftlichen Testamente erforderlichen Zeugen unterfertigte Erklärung. Lit: Kralik, Zur Zurückstellung und Kundmachung notarieller Testamente, FS Wagner (1987) 235; Ch. Rabl, Altes Testament – neues Testament. Die Konkurrenz letztwilliger Verfügungen (2001).
1 Der förmliche ausdrückliche Widerruf kann in jeder zulässigen Tes-
tamentsform (§§ 577 ff) erfolgen; es ist nicht nötig, dieselbe Form (contrarius actus) einzuhalten wie bei der Errichtung der zu widerrufenden Verfügung (SZ 56/43); dies gilt auch für notarielle Testamente (NZ 1977, 121; s ferner § 75 NO). Für den ausdrücklichen Widerruf gelten aber nicht weniger strenge Formvorschriften als für die Errichtung eines Testaments oder Kodizills (SZ 51/60; 9 Ob 1615/94 EF 78.385). Der mündliche Widerruf kann seit dem 1.1.2005 nur mehr unter den Voraussetzungen des § 597 im Notfall außergerichtlich erfolgen. 2 Fähiger Zeuge eines Widerrufs kann nicht sein, wer durch den Wi-
derruf als gesetzlicher Erbe berufen ist oder zu diesem in einem Naheverhältnis iSv § 594 steht (SZ 51/60). 3 Widerruft der Testator ausdrücklich eine letztwillige Verfügung, mit
der er eine ältere letztwillige Verfügung ausdrücklich widerrufen und Erbeinsetzungen festgelegt hat, so lebt die frühere Verfügung nicht wieder (analog § 723) auf (Kralik, ErbR 153; Ch. Rabl, Testament 93 f; aM Welser/R § 723 Rz 2; Eccher, ErbR Rz 4/73). Denn der Testator 602
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 721
könnte zugleich wirksam testieren und damit klarstellen, was sein letzter Wille sein soll (SZ 62/11; Eccher/S Rz 4 FN 4). Der Testator oder sein durch beglaubigte Einzelvollmacht ausgewie- 4 sener Stellvertreter kann das öffentliche schriftliche Testament zurücknehmen. Damit verliert es nur die Eigenschaft eines öffentlichen Testaments (§ 74 NO, der für gerichtliche Testamente analog anwendbar ist: Ch. Rabl, Testament 100). Erfüllt es die Voraussetzungen der §§ 578 ff und wird es vom Testator nicht vernichtet (§ 721), so gilt es als Privattestament weiter (Zeiller II 701; Kralik, FS Wagner 236 ff; Ch. Rabl, Testament 99 ff; differenzierend Welser/R Rz 6). Eine Zurücknahme mündlicher öffentlicher Testamente ist unzulässig (GlU 15.295). § 720. Eine Anordnung des Erblassers, wodurch er dem Erben oder Legatar unter angedrohter Entziehung eines Vorteiles verbietet, den letzten Willen zu bestreiten, soll für den Fall, daß nur die Echtheit oder der Sinn der Erklärung angefochten wird, nie von einer Wirkung sein. Lit: Welser, Die kassatorische Klausel, FS Demelius (1973) 491.
Die kassatorische Klausel ist eine im Rahmen der Testierfreiheit zu- 1 lässige auflösende Bedingung oder Auflage: Der Erbe oder Legatar, der durch Klage oder Einrede versucht, der letztwilligen Verfügung ihre Wirksamkeit zu nehmen, soll den erlangten Vorteil oder das gesetzliche Erbrecht verlieren. Der Testator kann auch eine aufschiebend bedingte Belastung für den genannten Fall festlegen. Die kassatorische Klausel ist jedoch unwirksam, wenn der Bedachte 2 geltend macht, die letztwillige Verfügung stamme nicht vom Erblasser oder sei in bestimmter Weise zu interpretieren. Denn hier will der Bedachte ja dem wahren Willen des Erblassers Rechnung tragen. Auch Formungültigkeit oder Mangel der Testierfähigkeit kann der Bedachte ohne Anspruchsverlust geltend machen (Welser, FS Demelius 503 ff; aM GlU 1347). b) stillschweigenden; § 721. Wer in seinem Testamente oder Kodizille die Unterschrift durchschneidet; sie durchstreicht; oder den ganzen Inhalt auslöscht, vertilgt es. Wenn von mehreren gleichlautenden Urkunden nur eine vertilgt worden; so kann man daraus auf keinen Widerruf schließen. Apathy
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§ 722
Einschränkung des letzten Willens
§ 722. Sind die gedachten Verletzungen der Urkunde nur zufällig geschehen; oder, ist die Urkunde in Verlust geraten; so verliert der letzte Wille seine Wirkung nicht; wenn anders der Zufall und der Inhalt der Urkunde erwiesen wird. [idF III. TN] Lit: Hofmann-Wellenhof, Zur Rechtswirksamkeit außergerichtlicher Testamente, ÖJZ 1982, 540 und 561; Kralik, Zur Zurückstellung und Kundmachung notarieller Testamente, FS Wagner (1987) 235.
1 Der Testator widerruft stillschweigend seine schriftliche (SZ 56/43;
2 Ob 130/99b SZ 72/87) letztwillige Verfügung durch die in § 721 genannten Handlungen, sofern er in der Absicht handelt, die letztwillige Verfügung aufzuheben. Die Aufzählung des § 721 ist nicht erschöpfend (SZ 55/4; SZ 56/43: Verbrennen der Urkunde; Kralik, ErbR 150: Durchstreichen der Zeugenunterschriften beim fremdhändigen Testament; nicht unterschriebener Vermerk „ungültig“); auch ein teilweiser Widerruf ist möglich (GlU 12.643: durchstrichene Stellen). Die Handlung kann auch von einem Dritten im Auftrag des Testators vorgenommen werden (4 Ob 17/06p JBl 2006, 647). Irrtümlicher Widerruf kann angefochten werden. Problematisch ist es, wenn nach SZ 72/87 unter Berufung auf Gschnitzer/Weiß/K III 725 auch ein mündliches Testament stillschweigend widerrufen werden kann, wenn es zugleich mit dem schriftlichen errichtet wurde. 2 Eine formgültig erklärte schriftliche letztwillige Verfügung ist auch
bei völligem Verlust der Urkunde oder zufälliger Beschädigung rechtswirksam, wenn ihr Inhalt bewiesen werden kann und die Urkunde ohne Wissen und Willen des Testators beschädigt oder vernichtet wurde (SZ 23/389; SZ 55/4: Beweislast des Testamentserben). Da nach § 722 der Zufall bewiesen werden muss, damit die Verfügung wirksam ist, gilt ein unauffindbares Testament im Zweifel als widerrufen (JBl 1988, 507). Nach OLG Wien 12 R 95/92 EF 68.973 genügt es nachzuweisen, dass alle Umstände des Einzelfalles dafür sprechen, dass der Erblasser zwischen der Errichtung des Testamentes und seinem Tod seine Meinung nicht änderte. Ist die Urkunde verstümmelt, so muss, wer sich auf sie beruft, beweisen, dass der erhalten gebliebene Urkundeninhalt den vollständigen letzten Willen in Ansehung der strittigen Anordnung darstellt, weil bei nur teilweiser Rekonstruktion die Gefahr besteht, dass die Absicht des Testators wesentlich verfälscht wird (SZ 55/136). Wurde auf Grund eines nicht vorliegenden Testaments die Erbantrittserklärung abgegeben, so war sie anzunehmen (EvBl 1958/18) und dem (angeblichen) Testamentserben die Klägerrolle für den Erb604
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 723
rechtsstreit zuzuweisen (SZ 72/87). Nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht gemäß § 161 AußStrG. Die Vernichtung nur einer von mehreren (formgerechten) Aus- 3 fertigungen der letztwilligen Verfügung, zB einer mit Blaupapier hergestellten Durchschrift eines eigenhändiges Testaments (1 Ob 571/93 SZ 66/78), bewirkt keinen Widerruf, außer der Widerrufswille kann auf andere Weise bewiesen werden (JBl 2006, 647). Die Vernichtung einer Abschrift ist bedeutungslos, weil sie keine selbständige letztwillige Erklärung darstellt. Das Durchstreichen der (entbehrlichen) Zeugenunterschriften beim eigenhändigen Testament bedeutet keinen Widerruf (Zeiller II 701). § 723. Hat ein Erblasser eine spätere Anordnung vernichtet, die frühere schriftliche Anordnung aber unversehrt gelassen; so kommt die frühere schriftliche wieder zur Kraft. Eine mündliche frühere Anordnung lebt dadurch nicht wieder auf. Lit: Ch. Rabl, Altes Testament – neues Testament. Die Konkurrenz letztwilliger Verfügungen (2001).
Der – keineswegs selbstverständlichen (Zeiller II 704; Ch. Rabl, Tes- 1 tament 91) – Auslegungsregel des S 1 liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Testator, der die durch die spätere Verfügung aufgehobene ältere schriftliche Verfügung aufbewahrt, unentschlossen sei und bei einer Vertilgung der zweiten Anordnung (§ 721) vermutlich die ältere bestehen lassen wolle. Schon S 2 zeigt, dass es keine generelle Beurteilung des Widerrufs des Widerrufs gibt. Dass nur schriftliche letztwillige Verfügungen wiederaufleben können, ist problematisch, wenn das ältere Testament ein mündliches öffentliches Testament ist. Voraussetzung ist zudem ein stillschweigender Widerruf der jünge- 2 ren letztwilligen Verfügung (4 Ob 17/06p JBl 2006, 647); bei einem ausdrücklichen Widerruf könnte der Testator ja seinen letzten Willen klarstellen (SZ 62/11; § 719 Rz 3). Ob die ältere letztwillige Verfügung durch Errichten der jüngeren (§ 713) oder durch ausdrücklichen Widerruf (§ 719) aufgehoben wurde, macht keinen Unterschied (2 Ob 290/97d JBl 1998, 507). Eine nach § 721 widerrufene ältere Verfügung kann nicht wieder aufleben, da nach S 1 vorausgesetzt wird, dass der Testator die frühere schriftliche Anordnung unversehrt gelassen hat. Lässt sich hingegen beweisen, dass die ältere Verfügung zufällig (§§ 721–722 Rz 2) zerstört wurde oder verloren gegangen ist, so ist § 723 anwendbar, wenn sich der Inhalt beweisen lässt (Ch. Rabl, Testament 98). Apathy
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Einschränkung des letzten Willens
§§ 724–725
oder c) vermuteten § 724. Ein Legat wird für widerrufen angesehen, wenn der Erblasser die vermachte Forderung eingetrieben und erhoben; wenn er die jemandem zugedachte Sache veräußert, und nicht wieder zurück erhalten; oder, wenn er sie auf eine solche Art in eine andere verwandelt hat, daß die Sache ihre vorige Gestalt und ihren vorigen Namen verliert. § 725. Wenn aber der Schuldner die Forderung aus eigenem Antriebe berichtigt hat; wenn die Veräußerung des Legats auf gerichtliche Anordnung geschehen; wenn die Sache ohne Einwilligung des Erblassers verwandelt worden ist; so besteht das Legat. Lit: M. Gruber, Zur Surrogation bei der Treuhand, NZ 2001, 297; Zankl, Vorausvermächtnis 270 f.
1 Treibt der Testator die vermachte Forderung ein oder veräußert er die
vermachte Sache (Speziesvermächtnis), so ist das Legat stillschweigend widerrufen, sofern nicht der Legatar (5 Ob 530/94 EF 75.315) beweisen kann, der Erblasser habe keinen Widerruf gewollt. Die Aufzählung des § 724 ist nicht erschöpfend, doch trifft in den nicht in § 724 genannten Fällen den Legatsschuldner die Beweislast für den Widerrufswillen des Erblassers (EvBl 1962/27: mündlicher Kaufvertrag über eine Liegenschaft, doch wird dieser nach hL bereits als Veräußerung iSv § 724 angesehen). Erlässt der Testator die vermachte Forderung oder verwendet er sie zur Aufrechnung, so widerruft er ein Legat (Kralik, ErbR 152, der auch bei Novation einen Widerruf annimmt, doch ist dies zweifelhaft); zediert er seine Forderung, so widerruft er das Legat des Schulderlasses (GlU 5277). Hingegen bleibt das Legat aufrecht, wenn der Erblasser die Sache dem Erben schenken wollte, die Schenkung aber unwirksam ist (3 Ob 526/92 ecolex 1992, 770). 2 Wie sich aus § 725 ergibt, gilt die Widerrufsvermutung des § 724 nur
bei willentlichen, aktiven Verhaltensweisen des Erblassers (vgl § 721), nicht aber bei der Veräußerung durch den Sachwalter (5 Ob 530/94 EF 75.314; 7 Ob 147/97m EF 84.314). In den Fällen des § 725 wird dem Legatar das Surrogat geschuldet. 3 Erlangt der Erblasser die veräußerte Sache zurück, so kommt es zum
Widerruf des Widerrufs (vgl § 723). 3. durch Entsagung der Erben § 726. Will oder kann weder ein Erbe, noch ein Nacherbe die Verlassenschaft annehmen; so fällt das Erbrecht auf die gesetzlichen 606
Apathy
Einschränkung des letzten Willens
§ 726
Erben. Diese sind aber verpflichtet, die übrigen Verfügungen des Erblassers zu befolgen. Entsagen auch sie der Erbschaft; so werden die Legatare verhältnismäßig als Erben betrachtet. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft (1999) 281 ff; Zankl, Vorausvermächtnis 146 ff.
Da das ABGB dem Prinzip nemo pro parte testatus pro parte intes- 1 tatus decedere potest nicht folgt (§ 534 Rz 1), sind die übrigen Anordnungen des Erblassers (Vermächtnisse, Auflagen) auch von den gesetzlichen Erben zu befolgen, die berufen werden, wenn kein Testaments(ersatz)erbe, Transmissar oder anwachsungsberechtigter Miterbe die Erbschaft erwirbt. Erwerben auch die gesetzlichen Erben nicht oder sind keine vorhan- 2 den (GlUNF 6331), so werden die vom Testator bedachten Legatare verhältnismäßig zu Erben berufen, was wohl dem vermuteten Erblasserwillen entspricht (7 Ob 641/90 JBl 1991, 724; 3 Ob 227/04k SZ 2004/170). Der Nachlass soll – bevor er an den Staat fällt (§ 760) – Personen zukommen, die in einem besonderen Naheverhältnis zum Testator stehen (2 Ob 508/96 SZ 71/83); dazu gehören Vor- und Nachlegatare (JBl 1988, 712; 7 Ob 579/91 EvBl 1992/13; Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 281 f), nicht aber auf Grund eines gesetzlichen Legats Berechtigte (Zankl, Vorausvermächtnis 146 f; aM Welser/R Rz 3, doch spricht dagegen, dass der Ehegatte ohnedies als gesetzlicher Erbe erwerben kann; wird ihm aber das gesetzliche Erbrecht vom Testator entzogen, so wäre es inkonsequent und wiederspräche der ratio des § 726, ihm das außerordentliche Erbrecht als Legatar zu gewähren). Auch wenn der Testator die gesetzlichen Erben enterbt hat, zB in einem negativen Testament, kommt das Erbrecht der Legatare zur Anwendung (SZ 47/129; JBl 1988, 712). Da das gesetzliche Erbrecht der Legatare an eine letztwillige Erklärung des Erblassers anknüpft, werden sie wie eingesetzte Erben behandelt (JBl 1988, 712: einander widersprechende Erbantrittserklärungen; SZ 2004/170). Legatare können sich auf den Legatsanspruch beschränken und Ein- 3 zelrechtsnachfolger werden (Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 283). Sie können aber auch eine Erbantrittserklärung abgeben und Gesamtrechtsnachfolger werden. In diesem Fall erwerben sie auch solche Nachlass-Sachen, über die der Testator nicht verfügt hat (JBl 1988, 712), haften aber den Erbschaftsgläubigern und müssen Vermächtnisse sowie Auflagen erfüllen, nicht aber Bedingungen (§ 702). Wird der Legatar zufolge § 726 Erbe oder Miterbe, so erwirbt er die vermachte Sache nach Vermächtnisrecht (§ 684 Rz 2), das darApathy
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Gesetzliche Erbfolge
§§ 727–728
über hinausgehende Nachlassvermögen als Erbe (Kletecˇka, Ersatzund Nacherbschaft 283). Gaben ein Legatar und ein Testamentserbe Erbserklärungen ab, so musste der Legatar die Klägerrolle im Erbrechtsstreit übernehmen (9 Ob 28/98b EF 88.721). Nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht gemäß § 161 AußStrG. Zu einander widersprechenden Erbserklärungen mehrerer nach § 726 berufener Legatare s JBl 1988, 712. Gegen die Annahme der Erbserklärung eines Legatars stand der Finanzprokuratur kein Rekursrecht im Hinblick auf das „Heimfallsrecht“ des Staates zu (8 Ob 238/00h NZ 2001, 299). 4 § 726 setzt ein wirksames Legat voraus, das nicht widerrufen wurde,
doch wird auch der Legatar berufen, der die vermachte Sache später vom Erblasser unentgeltlich erhalten hat (§ 661; JBl 1991, 724); ebenso wenn das Legat nach § 657 unwirksam ist (Kralik, ErbR 83). Mehrere Legatare erben im Verhältnis des gemeinen Wertes der einzelnen Vermächtnisse zum gemeinen Wert aller Vermächtnisse (JBl 1988, 712; 3 Ob 518, 519/91 NZ 1992, 131). Dabei ist das von einem Vorerben hinsichtlich des Substitutionsgutes angeordnete (wirkungslose) Legat mit dem Wert Null anzusetzen (SZ 71/83). 5 Der ratio des § 726 (Rz 2) widerspricht es, wenn nach EvBl 1961/292
Partialkaduzität eintritt, wenn Miterben zu einem bestimmten Teil einsetzt werden (§§ 554, 562) und einer von ihnen nicht erwirbt. Daher erben die verbliebenen Miterben nach hL analog § 726 (Kralik, ErbR 84; Eccher/S Rz 3; K/W II 540). Treffen zu einem bestimmten Teil eingesetzte Miterben und Legatare zusammen, so gehen nach Kralik die Miterben den Legataren vor, während nach Welser beide Personengruppen nach dem Verhältnis der zugewendeten Werte teilen. Da der Ausschluss des Anwachsungsrechts nach § 562 eine Auslegungsregel darstellt, sollte auf den hypothetischen Erblasserwillen abgestellt werden: Hätte der Erblasser bei Kenntnis das Anwachsungsrecht nicht (durch Einsetzung zu bestimmten Teilen) ausgeschlossen, so gehen die Miterben den Legataren vor.
Dreizehntes Hauptstück Von der gesetzlichen Erbfolge Fälle der gesetzlichen Erbfolge § 727. Wenn der Verstorbene keine gültige Erklärung des letzten Willens hinterlassen; wenn er in derselben nicht über sein ganzes Vermögen verfügt; wenn er die Personen, denen er kraft des Ge608
Apathy
Gesetzliche Erbfolge
§§ 727–728
über hinausgehende Nachlassvermögen als Erbe (Kletecˇka, Ersatzund Nacherbschaft 283). Gaben ein Legatar und ein Testamentserbe Erbserklärungen ab, so musste der Legatar die Klägerrolle im Erbrechtsstreit übernehmen (9 Ob 28/98b EF 88.721). Nunmehr entscheidet das Verlassenschaftsgericht gemäß § 161 AußStrG. Zu einander widersprechenden Erbserklärungen mehrerer nach § 726 berufener Legatare s JBl 1988, 712. Gegen die Annahme der Erbserklärung eines Legatars stand der Finanzprokuratur kein Rekursrecht im Hinblick auf das „Heimfallsrecht“ des Staates zu (8 Ob 238/00h NZ 2001, 299). 4 § 726 setzt ein wirksames Legat voraus, das nicht widerrufen wurde,
doch wird auch der Legatar berufen, der die vermachte Sache später vom Erblasser unentgeltlich erhalten hat (§ 661; JBl 1991, 724); ebenso wenn das Legat nach § 657 unwirksam ist (Kralik, ErbR 83). Mehrere Legatare erben im Verhältnis des gemeinen Wertes der einzelnen Vermächtnisse zum gemeinen Wert aller Vermächtnisse (JBl 1988, 712; 3 Ob 518, 519/91 NZ 1992, 131). Dabei ist das von einem Vorerben hinsichtlich des Substitutionsgutes angeordnete (wirkungslose) Legat mit dem Wert Null anzusetzen (SZ 71/83). 5 Der ratio des § 726 (Rz 2) widerspricht es, wenn nach EvBl 1961/292
Partialkaduzität eintritt, wenn Miterben zu einem bestimmten Teil einsetzt werden (§§ 554, 562) und einer von ihnen nicht erwirbt. Daher erben die verbliebenen Miterben nach hL analog § 726 (Kralik, ErbR 84; Eccher/S Rz 3; K/W II 540). Treffen zu einem bestimmten Teil eingesetzte Miterben und Legatare zusammen, so gehen nach Kralik die Miterben den Legataren vor, während nach Welser beide Personengruppen nach dem Verhältnis der zugewendeten Werte teilen. Da der Ausschluss des Anwachsungsrechts nach § 562 eine Auslegungsregel darstellt, sollte auf den hypothetischen Erblasserwillen abgestellt werden: Hätte der Erblasser bei Kenntnis das Anwachsungsrecht nicht (durch Einsetzung zu bestimmten Teilen) ausgeschlossen, so gehen die Miterben den Legataren vor.
Dreizehntes Hauptstück Von der gesetzlichen Erbfolge Fälle der gesetzlichen Erbfolge § 727. Wenn der Verstorbene keine gültige Erklärung des letzten Willens hinterlassen; wenn er in derselben nicht über sein ganzes Vermögen verfügt; wenn er die Personen, denen er kraft des Ge608
Apathy
Gesetzliche Erbfolge
§ 730
setzes einen Erbteil zu hinterlassen schuldig war, nicht gehörig bedacht hat; oder, wenn die eingesetzten Erben die Erbschaft nicht annehmen können oder wollen; so findet die gesetzliche Erbfolge ganz oder zum Teile statt. § 728. In Ermangelung einer gültigen Erklärung des letzten Willens fällt die ganze Verlassenschaft des Verstorbenen den gesetzlichen Erben zu. Ist aber eine gültige Erklärung des letzten Willens vorhanden; so kommt ihnen derjenige Erbteil zu, welcher in derselben niemandem zugedacht ist. Gesetzliche Erbfolge tritt für den ganzen Nachlass oder einen Teil 1 ein, soweit der Erblasser weder durch Erbvertrag noch durch gültiges Testament den Erben bestimmt hat, ferner wenn der Vertrags- bzw Testamentserbe verzichtet, ausschlägt oder wegen Erbunwürdigkeit oder Inkapazität nicht erben kann. Zur gemischten Erbfolge s § 534 Rz 1; zur Anwachsung s §§ 560–562 Rz 2. Vorschrift für den Fall des verkürzten Pflichtteiles § 729. Ist eine Person, welcher der Erblasser kraft der Gesetze einen Erbteil zu hinterlassen schuldig war, durch eine letzte Willenserklärung verkürzt worden; so kann sie sich auf die Vorschrift des Gesetzes berufen, und den nach Maßgabe des folgenden Hauptstückes ihr gebührenden Erbteil gerichtlich fordern. Bei Verkürzung des Pflichtteils (s auch § 727) gebührt dem Noterben 1 kein Erbteil, sondern ein obligatorischer Pflichtteilsanspruch bzw Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 764, 775). Gesetzliche Erben § 730. Gesetzliche Erben sind der Ehegatte und diejenigen Personen, die mit dem Erblasser in nächster Linie verwandt sind. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Fischer-Czermak, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbecht, JBl 2005, 2; Hofmeister, Parentel, Parentelordnung, in: Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte III (1984) 1502 ff; Tschugguel/Kleiß, Kinder ohne Erbrecht. Verfassungs- und zivilrechtliche Probleme des § 730 Abs 2, NZ 2001, 389.
Gesetzliche Erben sind der Ehegatte im Zeitpunkt des Todes des Erb- 1 lassers (§ 757) und die mit dem Erblasser in nächster Linie Verwandten. Dabei erbt nicht immer der gradnächste Verwandte, da die AnApathy
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Gesetzliche Erbfolge
§ 730
gehörigen nach dem – von Darjes entwickelten und Martini sowie Horten übernommenen (Hofmeister in Handwörterbuch III 1506 f) naturrechtlichen – Parentelsystem in vier Linien berufen werden (§ 731). Zu jeder Parentel (Linie) gehören die Stammeltern und deren Nachkommen. Mehrere Stammelternpaare, die mit dem Erblasser gleich nahe verwandt sind (zB alle Großeltern), gehören zur gleichen Parentel. Personen, die mit dem Erblasser die nächsten gemeinsamen Stammeltern bzw den nächsten gemeinsamen Stammelternteil haben, schließen alle aus, die mit dem Erblasser durch entferntere Stammeltern verwandt sind (SZ 58/149). Die Parentelen kommen also nacheinander zum Zug, so dass die Verwandten der zweiten bis vierten Linie nicht berufen werden, wenn jemand aus der ersten Parentel erbt; usw. Innerhalb der Parentelen entscheidet die Nähe der Verwandtschaft zum Erblasser. 2 Bei Erbfällen nach dem 1.1.1991 sind die unehelichen Verwandten den
ehelichen gleichgestellt (ErbRÄG 1989). Zum Erbrecht des Wahlkindes s §§ 182, 182b. 3 Die Feststellung der Verwandtschaft zwischen dem Erblasser und
dem (potentiellen) Erben (JAB 1158 BlgNR 17. GP 2) ist für das Verwandtenerbrecht von zentraler Bedeutung. Für den Gesetzgeber von 1989 war es nicht angebracht, die Feststellung der Abstammung mit erbrechtlicher Wirkung nach dem Tod zuzulassen, da nach den damals angewendeten naturwissenschaftlichen Methoden eine Abstammungsfeststellung nach dem Tod einer die Verwandtschaft vermittelnden Person in aller Regel nicht mehr möglich gewesen sei (JAB 1158 BlgNR 17. GP 2 f). Daher sah § 730 Abs 2 bis zum FamErbRÄG vor, die Abstammung müsse zu Lebzeiten des Erblassers und der die Verwandtschaft vermittelnden Personen feststehen oder zumindest gerichtlich geltend gemacht worden sein. Bei Ungeborenen genügte es, dass die Abstammung innerhalb eines Jahres nach der Geburt gerichtlich geltend gemacht wird. Analog dazu reichte auch bei Personen, die vor dem Ableben des Erblassers geboren waren, die gerichtliche Geltendmachung innerhalb eines Jahres nach der Geburt aus, da sonst ein kurz vor dem Tod seines unehelichen Vaters geborenes Kind faktisch keine Möglichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung hätte (5 Ob 553/94 SZ 67/185; 10 Ob 272/97s NZ 1998, 180). Die zeitliche Begrenzung der Feststellung der Verwandtschaft zum Erblasser stand in Widerspruch zu § 164d und führte zu erheblichen Problemen, wenn die Feststellung erst nach einer Ehelichkeitsbestreitung eines Dritten möglich war (Tschugguel/Kleiß, NZ 2001, 390, 393). Der VfGH hat die Vorläuferbestimmung (§ 754 Abs 2 S 3) für verfassungswidrig erklärt (G 73/90 JBl 1991, 712), so dass auch Bedenken hinsichtlich der Ver610
Apathy
Gesetzliche Erbfolge
§ 732
fassungsmäßigkeit von § 730 Abs 2 im Hinblick auf das Gleichheitsgebot bestanden (Eccher/S Rz 7; Tschugguel/Kleiß, NZ 2001, 392; Erl 471 BlgNR 22. GP 29). Die Bestimmung wurde daher mit Wirkung vom 1.1.2005 ersatzlos gestrichen. Zur zeitlichen Begrenzung der Feststellung der Vaterschaft s nunmehr § 163 Abs 2. Erfolgt die Feststellung der Verwandtschaft zum Erblasser erst nach der Einantwortung, so steht dem Erbberechtigten die Erbschaftsklage offen. I. Gesetzliches Erbrecht der Verwandten § 731. (1) Zur ersten Linie gehören diejenigen, welche sich unter dem Erblasser, als ihrem Stamme, vereinigen, nämlich: seine Kinder und ihre Nachkömmlinge. (2) Zur zweiten Linie gehören des Erblassers Vater und Mutter samt denjenigen, die sich mit ihm unter Vater und Mutter vereinigen, nämlich: seine Geschwister und ihre Nachkömmlinge. (3) Zur dritten Linie gehören die Großeltern samt den Geschwistern der Eltern und ihren Nachkömmlingen. (4) Von der vierten Linie sind nur des Erblassers erste Urgroßeltern zur Erbfolge berufen. [Überschrift idF BGBl 1989/656] Lit: Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform (1981).
Seit der I. TN werden nur mehr vier Linien statt ursprünglich sechs 1 berufen. Zum Parentelsystem s § 730 Rz 1. Innerhalb der ersten drei Linien werden nicht nur die Kinder ieS, 2 Eltern und Großeltern, sondern auch deren Nachkommen berufen. Allerdings erben diese nicht neben ihren Vorfahren, sondern entsprechend dem Repräsentationsprinzip (§ 733) an deren Stelle. 1. Linie: Die Kinder; § 732. Wenn der Erblasser Kinder des erstes Grades hat, so fällt ihnen die ganze Erbschaft zu; sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechtes; sie mögen bei Lebzeiten des Erblassers oder nach seinem Tode geboren sein. Mehrere Kinder teilen die Erbschaft nach ihrer Zahl in gleiche Teile. Enkel von noch lebenden Kindern, und Urenkel von noch lebenden Enkeln haben kein Recht zur Erbfolge. [idF BGBl 1989/656]
In der ersten Linie werden Söhne und Töchter einschließlich der 1 nascituri (§ 22) zu gleichen Teilen berufen. Nachkommen sind durch Apathy
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Gesetzliche Erbfolge
§§ 733–734
lebende Vorfahren grundsätzlich ausgeschlossen, doch gibt es Ausnahmen bei Erbunwürdigkeit (§ 541 Rz 1), Enterbung (§ 780), Ausschlagung (SZ 55/165) und auf Grund entsprechender Vereinbarung beim Erbverzicht (§ 551 Rz 4). 2 Die ganze Erbschaft fällt der ersten Linie nur dann zu, wenn kein
Ehegatte erbt (vgl § 757). § 733. Ist ein Kind des Erblassers vor ihm gestorben, und sind von demselben ein oder mehrere Enkel vorhanden; so fällt der Anteil, welcher dem verstorbenen Kinde gebührt hätte, diesem nachgelassenen Enkel ganz, oder den mehrern Enkeln zu gleichen Teilen zu. Ist von diesen Enkeln ebenfalls einer gestorben und hat Urenkel nachgelassen; so wird auf die nämliche Art der Anteil des verstorbenen Enkels unter die Urenkel gleich geteilt. Sind von einem Erblasser noch entferntere Nachkömmlinge vorhanden; so wird die Teilung verhältnismäßig nach der eben gegebenen Vorschrift vorgenommen. § 734. Auf diese Art wird eine Erbschaft nicht nur dann geteilt, wenn Enkel von verstorbenen Kindern mit noch lebenden Kindern, oder entferntere Nachkömmlinge mit nähern Nachkömmlingen des Erblassers zusammentreffen; sondern auch dann, wenn die Erbschaft bloß zwischen Enkeln von verschiedenen Kindern; oder zwischen Urenkeln von verschiedenen Enkeln zu teilen ist. Es können also die von jedem Kinde nachgelassenen Enkel, und die von jedem Enkel nachgelassenen Urenkel, ihrer seien viele oder wenige, nie mehr und nie weniger erhalten, als das verstorbene Kind oder der verstorbene Enkel erhalten hätten, wenn sie am Leben geblieben wären. Lit: S bei § 731.
1 §§ 733 f legen das uneingeschränkte Repräsentationsrecht (Eintritts-
recht) der Enkel, Urenkel usw nach ihren vorverstorbenen Vorfahren fest. Dadurch kommt es zur Teilung des Nachlasses nach Stämmen. Den Kopfteil eines vorverstorbenen Kindes (Enkels) erben die an seine Stelle tretenden Nachkommen zu gleichen Teilen. Dadurch erben alle Angehörigen eines Stammes zusammen gleich viel, während auf die einzelnen Angehörigen verschiedener Stämme unterschiedliche Quoten entfallen können. Wird ein Stamm von niemandem repräsentiert, so wächst dessen Anteil den übrigen Stämmen zu. 2 Im ABGB ist kein einheitliches Konzept der Frage verwirklicht, ob
formelle oder materielle Repräsentation eintritt (Eccher, ErbR 612
Apathy
Gesetzliche Erbfolge
§§ 735–737
Rz 3/9; K/W II 467). Bei formeller Repräsentation leitet der Repräsentant nur den Umfang seiner gesetzlichen Erbquote, nicht aber die materielle Berechtigung von seinem Vorfahren her, so dass er auch erbt, wenn der Vorfahre nicht erben konnte (zB § 541). Bei materieller Repräsentation leitet der Repräsentant sein Recht vom Vorfahren ab und kann daher nur erben, wenn auch der Vorfahre erbberechtigt gewesen wäre (zB § 551). Die Nachkommen eines auf den Pflichtteil gesetzten Kindes sind nur dann von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wenn der Erblasser dies anordnet (Weiß/K III 213, 888; K/W II10 305; vgl auch SZ 13/239: Enterbung der Geschwister erfasst auch deren Nachkommen; SZ 21/147: ob die Beschränkung der Mutter auf den Pflichtteil bedeutet, dass die Halbgeschwister nicht erbberechtigt sind, bestimmt sich nach dem Inhalt des Testaments bzw dem mutmaßlichen Willen des Testators). 2. Linie: Die Eltern und ihre Nachkömmlinge; § 735. Ist niemand vorhanden, der von dem Erblasser selbst abstammt; so fällt die Erbschaft auf diejenigen, die mit ihm durch die zweite Linie verwandt sind, nämlich: auf seine Eltern und ihre Nachkömmlinge. Leben noch beide Eltern; so gebührt ihnen die ganze Erbschaft zu gleichen Teilen. Ist eines dieser Eltern verstorben; so treten dessen nachgelassene Kinder oder Nachkömmlinge in sein Recht ein, und es wird die Hälfte, die dem Verstorbenen gebührt hätte, unter sie nach jenen Grundsätzen geteilt, welche in den §§ 732–734 wegen Teilung der Erbschaft zwischen Kindern und entfernteren Nachkömmlingen des Erblassers festgesetzt worden sind. § 736. Wenn beide Eltern des Erblassers verstorben sind, so wird jene Hälfte der Erbschaft, welche dem Vater zugefallen wäre, unter seine hinterlassenen Kinder und derselben Nachkömmlinge; die andere Hälfte aber, welche der Mutter gebührt hätte, unter ihre Kinder und derselben Nachkömmlinge nach den §§ 732–734 geteilt. Sind von diesen Eltern keine andern als von ihnen gemeinschaftlich erzeugte Kinder, oder derselben Nachkömmlinge vorhanden; so teilen sie die beiden Hälften unter sich gleich. Sind aber außer diesen noch Kinder vorhanden, die von dem Vater oder von der Mutter, oder von einem und der andern in einer andern Ehe erzeugt worden sind; so erhalten die von dem Vater und der Mutter gemeinschaftlich erzeugten Kinder oder ihre Nachkömmlinge sowohl an der väterlichen, als an der mütterlichen Hälfte ihren gebührenden, mit den einseitigen Geschwistern gleichen Anteil. Apathy
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Gesetzliche Erbfolge
§§ 738–740
§ 737. Wenn eines der verstorbenen Eltern des Erblassers weder Kinder noch Nachkömmlinge hinterlassen hat; so fällt die ganze Erbschaft dem andern noch lebenden Elternteile zu. Ist dieser Teil auch nicht mehr am Leben; so wird die ganze Erbschaft unter seinen Kindern und Nachkömmlingen nach den bereits angeführten Grundsätzen verteilt. Lit: Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Zum gesetzlichen Erbrecht der Verwandten seit dem Erbrechtsänderungsgesetz 1989, NZ 1991, 245; Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform (1981).
1 Erbt niemand aus der ersten Linie, so erben in der zweiten Linie die
Eltern zu gleichen Teilen; neben dem Ehegatten des Erblassers gebührt ihnen ein Drittel des Nachlasses (§ 757). 2 Ein nicht erbender Elternteil wird nach den Grundsätzen des Ein-
trittsrechts (§ 732 Rz 1; §§ 733–734 Rz 1 f) von seinen Nachkommen (nach Stämmen) repräsentiert, auch wenn diese nicht Kinder des überlebenden Gatten sind. Wird ein Elternteil von niemandem repräsentiert, so fällt dessen Anteil dem anderen Elternteil bzw dessen Nachkommen zu. Sind beide Eltern vorverstorben, so repräsentieren vollbürtige Geschwister beide Elternteile, halbbürtige Geschwister nur den mit dem Erblasser gemeinsamen Elternteil. Schlagen die Schwester und die Halbschwester des Erblassers die Erbschaft aus, so kann die Tochter der Halbschwester jedenfalls dann den ganzen Nachlass erwerben, wenn Nachkommen in der Erbsentschlagungserklärung nicht ausdrücklich einbezogen wurden; sie geht den Angehörigen der dritten Parentel vor (SZ 55/165; vgl auch § 551 Rz 4). 3. Linie: Die Großeltern und ihre Nachkommenschaft; § 738. Sind die Eltern des Erblassers ohne Nachkömmlinge verstorben; so kommt die Erbschaft auf die dritte Linie, nämlich: auf des Erblassers Großeltern und ihre Nachkommenschaft. Die Erbschaft wird dann in zwei gleiche Teile geteilt. Eine Hälfte gehört den Eltern des Vaters und ihren Nachkömmlingen; die andere den Eltern der Mutter und ihren Nachkömmlingen. § 739. Jede dieser Hälften wird unter den Großeltern der einen und der andern Seite, wenn sie beide noch leben, gleich geteilt. Ist eines der Großeltern; oder sind beide von der einen oder andern Seite gestorben; so wird die dieser Seite zugefallene Hälfte zwischen den Kindern und Nachkömmlingen dieser Großeltern nach jenen Grundsätzen geteilt, nach welchen in der zweiten Linie die ganze 614
Apathy
Gesetzliche Erbfolge
§ 741
Erbschaft zwischen den Kindern und Nachkömmlingen der Eltern des Erblassers geteilt werden muß (§§ 735–737). § 740. Sind von der väterlichen oder von der mütterlichen Seite beide Großeltern verstorben, und weder von dem Großvater, noch von der Großmutter dieser Seite Nachkömmlinge vorhanden; dann fällt den von der andern Seite noch lebenden Großeltern; oder, nach derselben Tode, ihren hinterlassenen Kindern und Nachkömmlingen die ganze Erbschaft zu. Erbt niemand aus der ersten oder zweiten Linie, so erben die Groß- 1 eltern des Erblassers väterlicherseits und mütterlicherseits zu gleichen Teilen. Jeder Großelternteil wird – sofern nicht der Ehegatte des Erblassers erbt (§ 757) – nach den Grundsätzen des Eintrittsrechts von seinen Nachkommen (nach Stämmen) repräsentiert. Wird er von niemandem repräsentiert, so fällt sein Anteil an den anderen Großelterteil derselben Seite. Erbt niemand von der väterlichen Seite, so fällt dieser Anteil an die mütterliche Seite und umgekehrt. 4. Linie: Die Urgroßeltern § 741. (1) Nach gänzlicher Erlöschung der dritten Linie sind die Urgroßeltern des Erblassers zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Auf die Großeltern des Vaters des Erblassers entfällt die eine Hälfte der Erbschaft, auf die Großeltern der Mutter die andere Hälfte. In jede Hälfte der Erbschaft teilen sich die beiden Großelternpaare zu gleichen Teilen. Ist ein Teil eines Großelternpaares nicht vorhanden, so fällt das auf diesen Teil entfallende Achtel der Erbschaft an den überlebenden Teil dieses Großelternpaares. Fehlt ein Großelternpaar, so ist zu seinem Viertel das andere Großelternpaar desselben Elternteiles des Erblassers berufen. (2) Fehlen die Großelternpaare des einen Elternteiles des Erblassers, so sind zu der auf sie entfallenden Nachlaßhälfte die Großelternpaare des anderen Elternteiles in demselben Ausmaß wie zu der ihnen unmittelbar zufallenden Nachlaßhälfte berufen. [idF I. TN]
Erbt niemand aus der ersten bis dritten Linie und auch nicht der 1 Ehegatte (§ 757), so erben die Urgroßeltern zu gleichen Teilen, nicht aber deren Nachkommen (Erbrechtsgrenze). Ist ein Urgroßelternteil vorverstorben, so fällt sein Achtel an seinen Ehegatten. Lebt ein Urgroßelternpaar nicht mehr, so gelangt dessen Viertel an das Urgroßelternpaar derselben Seite. §§ 742–749. [aufgehoben, I. TN] Apathy
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Gesetzliche Erbfolge
§ 750
§ 750. Wenn jemand mit dem Erblasser von mehr als einer Seite verwandt ist; so genießt er von jeder Seite dasjenige Erbrecht, welches ihm, als einem Verwandten von dieser Seite insbesondere betrachtet, gebührt (§ 736). 1 Mehrfache Verwandtschaft kann infolge des Eintrittsrechts dazu
führen, dass jemand den Erblasser als Repräsentant der mütterlichen und väterlichen Aszendenten beerbt; etwa wenn ein Neffe des Vaters und eine Nichte der Mutter des Erblassers heiraten und Nachkommenschaft haben. 2 Eine dem § 750 im Ergebnis vergleichbare Situation besteht, wenn
jemand als Ehegatte des Erblassers (§ 757) und als dessen Verwandter berufen wird. Ausschließung der entferntern Verwandten § 751. Auf diese vier Linien der Verwandtschaft wird das Recht der Erbfolge in Ansehung eines frei vererblichen Vermögens eingeschränkt. [idF BGBl 1989/656]
1 Das Erbrecht der fünften und sechsten Parentel wurde durch die
I. TN beseitigt. §§ 752–756. [aufgehoben, BGBl 1989/656] II. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten § 757. (1) Der Ehegatte des Erblassers ist neben Kindern des Erblassers und deren Nachkommen zu einem Drittel des Nachlasses, neben Eltern und Geschwistern des Erblassers oder neben Großeltern zu zwei Dritteln des Nachlasses gesetzlicher Erbe. Sind neben Großeltern Nachkommen verstorbener Großeltern vorhanden, so erhält überdies der Ehegatte von dem restlichen Drittel des Nachlasses den Teil, der den Nachkommen der verstorbenen Großeltern zufallen würde. Gleiches gilt für jene Erbteile, die den Nachkommen verstorbener Geschwister zufallen würden. In den übrigen Fällen erhält der Ehegatte den ganzen Nachlass. (2) In den Erbteil des Ehegatten ist alles einzurechnen, was dieser durch Ehepakt oder Erbvertrag aus dem Vermögen des Erblassers erhält. [BGBl I 2004/58]
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Gesetzliche Erbfolge
§ 757
Lit: Fischer-Czermak, Die erbrechtliche Anrechnung und ihre Unzulänglichkeiten, NZ 1998, 2; Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und Tod. Unvereinbarkeit zweier Auseinandersetzungsmodelle (1998); Spitzer, Verlust des Ehegattenerbrechts durch Eröffnung des Scheidungsverfahrens? JBl 2003, 837; Umlauft, Anrechnung 113 ff; Zankl, Die Stellung des Ehegatten nach dem Erbrechtsänderungsgesetz, in Harrer/Zitta, Familie 545; Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform (1981).
Das Ehegattenerbrecht wurde seit 1811 mehrfach geändert, um den 1 Anteil des überlebenden Ehegatten zu Lasten der Kinder und anderen Verwandten zunehmend zu vergrößern (Holzner, Ehevermögen 21 ff; Erl 471 BlgNR 22. GP 30). Umgekehrt führte die erbrechtliche Gleichstellung der unehelichen mit den ehelichen Kindern durch das ErbRÄG 1989 zu einer Reduktion des Anteils insb der Witwe (Zankl in Harrer/Zitta, Familie 546). Da sich das Erbrecht des Ehegatten nicht ins Parentelsystem einfügt, ist die Entscheidung über seinen Anteil insb neben Kindern rechtspolitisch sensibel. Der Ehegatte erhält neben den Verwandten einen fixen Anteil von einem oder zwei Drittel (Rz 3) und nicht nur einen variablen Kopfteil (§ 757 idF von 1811) und ist somit insb gegenüber den Kindern des Erblassers begünstigt, wenn der Erblasser mehr als zwei Kinder hinterlässt. Zur Diskrepanz zwischen den erbrechtlichen Ansprüchen des verwitweten Ehegatten und denjenigen bei Scheidung s Holzner, Ehevermögen 88 ff, 161 ff. Voraussetzung ist der Bestand der Ehe beim Tod des Erblassers. Insb 2 darf die Ehe nicht rechtskräftig geschieden sein (§ 1266 letzter S; s ferner § 759, § 1258). Stirbt ein Ehegatte vor Zustellung des Scheidungsbeschlusses, so kommt nach der Rspr dem anderen Ehegatten trotz Rechtsmittelverzichts (mangels Verzichts auf die Zustellung einer Beschlussausfertigung) noch das gesetzliche Erbrecht zu (1 Ob 411/97s EF 87.201; aM jedoch Spitzer, JBl 2003, 845: Analogie zu § 759 Abs 2). Der Anteil des Ehegatten variiert, je nachdem neben welcher Gruppe 3 von Verwandten, die auch tatsächlich von ihrem Erbrecht Gebrauch machen, er erbt. Neben Erben der ersten Parentel erbt der Ehegatte seit BGBl 1978/280 ein Drittel, neben den Eltern, den Geschwistern und den Großeltern des Erblassers zwei Drittel (SZ 18/58: Halbgeschwister; 7 Ob 17/99x NZ 2001, 204). Zu diesen zwei Dritteln des Nachlasses kommt gegebenenfalls noch hinzu, was die Nachkommen verstorbener Geschwister oder die Nachkommen verstorbener Großeltern kraft Repräsentationsrechts erben würden. Hinterlässt hingegen ein vorverstorbener Großelternteil keine Nachkommen, so wächst Apathy
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Gesetzliche Erbfolge
§ 758
sein Anteil dem anderen Großelternteil bzw Großelternpaar an. Erben weder Personen aus der ersten oder zweiten Linie noch Großeltern, so erhält der Gatte den ganzen Nachlass. 4 Der Ehegatte muss sich auf Verlangen eines jeden Miterben grund-
sätzlich in seinen gesetzlichen Erbteil einrechnen lassen, was er nach dem Tod des Erblassers aus dessen Vermögen auf Grund von Ehepakten (Gütergemeinschaft auf den Todesfall, Zuwendungen mit Versorgungscharakter wie zB Witwengehalt nach § 1242) oder aus einem Erbvertrag erhält (Abs 2), um eine vom Erblasser nicht beabsichtigte doppelte Versorgung zu vermeiden (Umlauft, Anrechnung 114). Der Erblasser kann die Anrechnung jedoch erlassen. Ob Vermächtnisse anzurechnen sind, ist Auslegungsfrage (§ 648 Rz 4: im Zweifel Vorausvermächtnis); das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ist nicht einzurechnen. 5 Sachen, die nicht aus dem Vermögen des Erblassers stammen, sind
nicht einzurechnen (Umlauft, Anrechnung 115: an die Frau zurückfallendes Heiratsgut). Daher ist bei einer Gütergemeinschaft auf den Todesfall die dem überlebenden Ehegatten zufallende Hälfte nur mit dem Wert einzurechnen, der vom Erblasser herrührt. 6 Für die Einrechnungsmethode ist zu unterscheiden, ob die einzu-
rechnenden Werte im Nachlass vorhanden sind oder nicht. Im ersten (und häufigeren) Fall wird der einzurechnende Wert nicht nochmals zum Nachlass hinzugeschlagen, sondern vom Wert des Erbteils des Ehegatten abgezogen. Fällt die Zuwendung hingegen direkt an den überlebenden Ehegatten, wie im Fall der Gütergemeinschaft auf den Todesfall, so ist der einzurechnende Wert dem Nachlass zuzuschlagen und derart die Erbquoten zu bestimmen (Fischer-Czermak, NZ 1998, 3; Umlauft, Anrechnung 121). § 758. Sofern der Ehegatte nicht rechtmäßig enterbt worden ist, gebühren ihm als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. [idF BGBl 1989/656] Lit: Eccher, Zum neuen Wohnrecht des überlebenden Ehegatten, wobl 1991, 1; Fischer-Czermak, Vereinbarungen nach § 14 Abs 4 und 5 WEG – rechtliche Beurteilung und Verhältnis zum Erwerb des halben Mindestanteils im Erbweg, FS Welser (2004) 189; Jaksch-Ratajczak, Miteigentumsgemeinschaft und
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Gesetzliche Erbfolge
§ 758
Wohnrecht nach § 758 ABGB, NZ 2001, 421; Kletecˇ ka, Die Eigentümerpartnerschaft nach dem WEG 2002, immolex 2002, 174; ders, Wohnungseigentumsgesetz 2002 (2002); Markl, Die Eigentümerpartnerschaft – §§ 13 bis 15 WEG 2002, wobl 2002, 129; Vonkilch, Mietzinsvorauszahlungen, Baukostenbeiträge und wohnrechtliche Sondererbfolge (§ 14 MRG), NZ 2000, 321; Watzl, Das Vorausvermächtnis des Wohnrechts, JBl 1992, 613; Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (1996); ders, Rechtsvergleichende Gedanken zu einer Reform der Anrechnung, NZ 1998, 35.
Dem Ehegatten gebühren neben dem gesetzlichen, vertraglichen oder 1 testamentarischen Erbteil auch als gesetzliches Vorausvermächtnis iSv § 648 die Weiterbenützung der Ehewohnung (Rz 4) und die beweglichen Haushaltsgegenstände (Rz 3). Dadurch sollen dem überlebenden Ehegatten die bisherigen Lebensverhältnisse erhalten und gesichert werden. Der Tod des Ehegatten soll nicht dazu führen, dass der hinterbliebene Ehegatte die ihm vertrauten Dinge des Alltags verliert, vielmehr soll er seine gewohnte Umgebung beibehalten können (6 Ob 184/99y SZ 72/174; 6 Ob 13/02h NZ 2002, 240). Der Voraus hat Unterhalts- und Pflichtteilscharakter und kann nur bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes entzogen werden; daher kann der Erblasser über die von § 758 erfassten Sachen zwar zu Lebzeiten, nicht aber von Todes wegen verfügen. Zur Anrechnung auf den Pflichtteil s § 789; zum Verhältnis zu anderen Pflichtteilsansprüchen s § 783. Ein Pflichtteilsverzicht erfasst auch den Voraus (7 Ob 2303/96v NZ 1997, 291 Zankl). Eine Anrechnung des gesetzlichen Vermächtnisses auf den Erbteil (Hineinvermächtnis) kann der Testator anordnen. Umstritten ist, ob es sich insb beim Wohnrechtslegat um ein Damna- 2 tionslegat (K/W II 472) oder um ein Vindikationslegat (Eccher, ErbR Rz 9/31) handelt, ob also der überlebende Ehegatte unmittelbar und ohne jeden besonderen Übertragungsakt das (obligatorische) Wohnrecht erhält (so Zankl, Vorausvermächtnis 150 ff auch für die Haushaltsgegenstände) oder ob er einen Anspruch auf Einräumung des Wohnrechts gegen den Vermächtnisschuldner hat. Nach Welser (NZ 1990, 142) müsse der Erbe dem allgemeinen Vermächtnisrecht entsprechend ein „taugliches Rechtsverhältnis begründen“. Hingegen spricht sich Eccher (wobl 1991, 3 f und ErbR Rz 9/31) im Hinblick auf die Kontinuität des Wohnens und § 10 WEG 1975 für ein Vindikationslegat aus, wofür man auch den Gesetzeswortlaut in Anspruch nehmen kann, wonach der überlebende Ehegatte das Recht hat, in der Ehewohnung weiter zu wohnen (Zankl, Vorausvermächtnis 152). Diese Formulierung kann man dahin verstehen, dass kein besonderer Begründungakt nötig ist. Allerdings findet man auch auf der Grundlage des dem Konzept des ABGB entsprechenden Damnationslegats Apathy
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Gesetzliche Erbfolge
§ 758
ohne besonderen Übertragungsakt das Auslangen, wenn man berücksichtigt, dass der Ehegatte ohnedies die Ehewohnung bewohnt und die beweglichen Haushaltsgegenstände benützt und der Benützungsbzw Erwerbstitel durch § 758 gegeben ist, so dass er nicht erst geschaffen werden muss (Zankl, Vorausvermächtnis 152). Eine Übergabe (durch den Erben) ist daher ebenso entbehrlich wie in den Fällen, in denen der Erblasser ein formgültiges Legat noch zu Lebzeiten erfüllt hat (§ 684 Rz 3). Auf dieser Grundlage ist es auch unerheblich, dass man in § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 mit der Anwachsung eine andere juristische Konstruktion gewählt hat als das Vindikationslegat nach § 10 WEG 1975 (unten Rz 8). Davon unabhängig geht der gesetzliche Voraus den Erblasserschulden im Rang jedenfalls nach, so dass nach (kridamäßiger) Versteigerung der hinterlassenen Liegenschaft der Ersteher (unabhängig von seiner Kenntnis) das Vorausvermächtnis des Wohnrechts nicht zu übernehmen hat (3 Ob 220/00z SZ 74/72). 3 Der Voraus umfasst die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweg-
lichen Sachen, soweit sie der überlebende Ehegatte zur Fortführung des Haushalts im bisherigen Rahmen braucht (JAB 1158 BlgNR 17. GP 5); zB Möbel, Geschirr, Bilder, Teppiche, Rundfunk- und Fernsehgerät – nicht aber Bargeld (Zankl, Vorausvermächtnis 261; einschränkend Kralik, ErbR 247: für die Wirtschaftsführung bestimmtes, abgesondertes Bargeld gehöre zum Voraus), Sachen des persönlichen oder beruflichen Bedarfs des Erblassers, primär als Wertanlage dienende Sachen. Maßgebend ist die tatsächliche Haushaltsführung zum Zeitpunkt des Erbfalls. Die letztwillige Zuwendung einzelner Einrichtungsgegenstände an einen Dritten wird durch § 758 nicht völlig ausgeschlossen. Sie ist zulässig, „wenn dadurch die Lebensverhältnisse des Ehegatten nicht berührt werden, insb weil ihm angemessener Ersatz geboten wird“ (JAB 1158 BlgNR 17. GP 6; Welser, NZ 1990, 142). 4 Das mit BGBl 1989/656 eingeführte Recht zur unentgeltlichen Weiter-
benützung der Ehewohnung hat subsidiären Charakter. Es kommt nicht zur Anwendung, wenn dem überlebenden Ehegatte das Wohnrecht ohnedies von vornherein, zB als Eigentümer oder Mieter, zukommt; ebenso wenig, wenn es ihm nach dem bisher berechtigten Erblasser als Alleinerbe (3 Ob 516/92 SZ 65/67; 5 Ob 2154/96t SZ 69/13), Legatar, auf den Todesfall Beschenkter, nach § 14 WEG 2002 (Rz 8), § 14 MRG (Rz 7) oder § 20 WGG zusteht. Daher spielt das Wohnungslegat vor allem dann eine Rolle, wenn der Erblasser Alleineigentümer, Miteigentümer (vgl Jaksch-Ratajczak, NZ 2001, 421 ff; aM SZ 70/122) oder alleiniger Wohnungseigentümer war (2 Ob 60/99h NZ 1999, 378; Eccher, wobl 1991, 2). Jedenfalls muss die Ehe620
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Gesetzliche Erbfolge
§ 758
wohnung oder zumindest das Recht auf ihre Benützung in den Nachlass fallen (NZ 1997, 291 Zankl; 6 Ob 132/97y SZ 70/122); dies ist nicht der Fall, wenn dem Erblasser ein lebenslängliches Wohnrecht zustand, das mit seinem Tod erloschen ist (6 Ob 580/95 NZ 1996, 243). § 758 bietet keine Grundlage für ein Verschaffungsvermächtnis. Ehewohnung (iSv § 81 Abs 2 EheG; JAB 1158 BlgNR 17. GP 4; 7 Ob 644/95 NZ 1996, 304 Zankl) ist jene Wohnung, in der die Ehegatten im gemeinsamen Haushalt gelebt haben; aber auch eine Wohnung, die sie als Lebensgefährten gemeinsam bewohnt haben, wenn sie noch vor dem Tod des Erblassers im Krankenhaus heiraten (7 Ob 295/03p SZ 2004/5). Der Umfang richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen beim Tod des Erblassers; zB Liegenschaft mit einem Haus und dazugehörigem Garten (7 Ob 561/93 SZ 66/102; NZ 2002, 240). Zwar können an sich auch mehrere Wohnungen Ehewohnungen sein (Eccher/S Rz 12), doch wären nach Welser/R Rz 7 und NZ 1996, 304 Zankl zu große Teile des Nachlasses zu Lasten der Erben und sonstigen Pflichtteilsberechtigten gebunden, würde der Voraus mehr als die Hauptwohnung umfassen. Jedenfalls ist ein Ferien- oder Wochenendhaus nicht als Ehewohnung anzusehen (NZ 1996, 304 Zankl). Das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, ist dem im Fami- 5 lienrecht begründeten Wohnrecht vergleichbar; dies erklärt, warum § 758 nicht auf ein dringendes Wohnbedürfnis des überlebenden Ehegatten abstellt (vgl Zankl, Vorausvermächtnis 194). Das bisher gegen den Ehegatten zustehende Benützungsrecht (§ 97) setzt sich als Anspruch gegen den Legatsschuldner fort (SZ 66/102; SZ 70/122). Es besteht, solange der überlebende Ehegatte die Wohnung persönlich beansprucht (JAB 1158 BlgNR 17. GP 4) und nicht verzichtet (Welser/R Rz 11); ob es bei Wiederverheiratung erlischt, ist umstritten (Eccher/S Rz 14). Vermächtnisschuldner ist der Erbe oder der Legatar, dem die Ehewohnung vermacht wird (vgl 1 Ob 2364/96w SZ 70/47: Sublegat), oder ein auf den Todesfall Beschenkter (SZ 66/102). Ein dingliches Wohnrecht braucht dem überlebenden Ehegatten von den Erben nicht eingeräumt zu werden (SZ 66/102; JBl 2001, 651). Der überlebende Ehegatte hat kein Recht zur Vermietung der ehemaligen Ehewohnung (1 Ob 216/98s NZ 1999, 170); er kann aber im Rahmen der normalen Beanspruchung der Wohnung Dritte aufnehmen (Zankl, Vorausvermächtnis 210). Ist der überlebende Ehegatte Miterbe, so kann der andere Miterbe das Wohnrecht nicht durch eine Benützungsregelung beschränken lassen (NZ 2002, 240). Der überlebende Ehegatte hat das Recht zur unentgeltlichen Benüt- 6 zung der Ehewohnung, wenn diese im Eigentum des Erblassers stand Apathy
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Gesetzliche Erbfolge
§ 758
(5 Ob 191/03d EvBl 2005/31: kein Benützungsentgelt). Zwischen ihm und dem Erben besteht ein gesetzliches Dauerschuldverhältnis, das aus wichtigem Grund beendet werden kann (JBl 2004, 380). Der überlebende Ehegatte hat zwar die mit dem Wohnrecht verbundenen Lasten insofern zu tragen, als ihn die Betriebskosten und die Erhaltung der Wohnung treffen, doch braucht er für die Tilgung von Hypotheken nicht einmal dann aufzukommen, wenn der Kredit zur Erhaltung der Wohnung aufgenommen wurde (JAB 1158 BlgNR 17. GP 5). Tritt der überlebende Ehegatte nach § 14 MRG in den Mietvertrag ein (Rz 7) oder benützt er die ihm vom Erben als Mietrechtsnachfolger überlassene Wohnung, so hat er den Mietzins zu tragen (Vonkilch, NZ 2000, 325). 7 War der Erblasser Mieter der Ehewohnung, so wird durch seinen Tod
der Bestandvertrag idR nicht aufgehoben (§ 1116a ABGB; § 14 Abs 1 MRG). Nach § 14 Abs 2 und 3 MRG besteht eine gesetzliche Sonderrechtsnachfolge in das Hauptmietverhältnis über eine Wohnung beim Tod des Hauptmieters unter Ausschluss anderer zur Erbfolge berufener Personen, sofern die Berechtigten nicht dem Vermieter binnen 14 Tagen bekannt geben, dass sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollen. Eintrittsberechtigt sind der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie und die Geschwister des bisherigen Mieters, sofern sie ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Beim Eintritt des Ehegatten, Lebensgefährten oder minderjähriger Kinder bleibt der Mietzins vorläufig gleich. Beim Eintritt anderer Angehöriger kann der Vermieter den Mietzins ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin erhöhen (§ 46 MRG). Mehrere Eintrittsberechtigte treten gemeinsam ein und haften solidarisch. Verzichtet der überlebende Ehegatte auf das Eintrittsrecht, so steht ihm auch kein Wohnrechtslegat nach § 758 zu (Eccher, wobl 1991, 3; Zankl, Vorausvermächtnis 196 ff). 8 Bestand gemeinsames Wohnungseigentum des Erblassers und des
überlebenden Ehegatten (Eigentümerpartners), so geht nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 idF WRN 2006 grundsätzlich der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum unmittelbar ins Eigentum des überlebenden Partners über. Ausgenommen sind die Fälle eines Verzichts des überlebenden Partners, einer Vereinbarung mit den Erben unter Zustimmung der Noterben, dass der Anteil jemand anderem zukommt (§ 14 Abs 1 Z 2 WEG), sowie einer Vereinbarung der Eigentümerpartner über das rechtliche Schicksal des Mindestanteils im Fall des Todes eines von ihnen (§ 14 Abs 5 WEG). Als rechtliche Konstruktion für den ex-lege-Erwerb hat man „ohne erbrechtliche Anknüpfung“ eine „spezifisch wohnungs622
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Gesetzliche Erbfolge
§ 758
eigentumsrechtliche Anwachsung sui generis“ gewählt (Erl 989 BlgNR 21. GP 48); bei Todesfällen ab dem 1.10.2006 tritt diese auch dann ein, wenn der überlebende Partner Alleinerbe ist; ferner kann man den Anteil an der Eigentumswohnung nicht mehr vermachen. Im Falle der Anwachsung gehört der Anteil des Erblassers nicht zur Verlassenschaft (5 Ob 158/92 SZ 65/158; Würth/R 2 § 10 WEG Rz 3); an dessen Stelle tritt – außer in den Fällen des § 14 Abs 3 WEG oder bei einem Erlass nach § 14 Abs 4 WEG – der vom überlebenden Partner an die Verlassenschaft zu bezahlende halbe Verkehrswert des Mindestanteils (§ 14 Abs 2 WEG: Übernahmspreis; vgl Würth/R § 14 WEG 2002 Rz 6). Gibt es andere Noterben oder ist der Nachlass überschuldet, so schuldet der überlebende Partner, wenn er Noterbe ist und die Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient, (höchstens) ein Viertel des Verkehrswerts des Mindestanteils (§ 14 Abs 3 WEG). Ein Streit über die Höhe der zu leistenden Zahlung ist im Rechtsweg auszutragen (5 Ob 99/93 SZ 66/165; Erl 1183 BlgNR 22. GP 18). Der Erwerb durch Anwachsung ist auflösend bedingt: Der überle- 9 bende Partner kann auf die Anwachsung verzichten oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten eine Vereinbarung schließen, auf Grund derer der gesamte Mindestanteil einer Person ungeteilt oder zwei natürlichen Personen je zur Hälfte zukommt (§ 14 Abs 1 Z 2 WEG). Solange dies in Schwebe ist, hat der überlebende Partner am Anteil des Verstorbenen die Rechte eines Verwalters (§ 837). Die Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 14 Abs 1 Z 5 WEG ist erst zulässig, wenn der Schwebezustand beendet und der Erwerb eingetreten ist (SZ 65/158). Verzichtet der überlebende Ehegatte auf die Anwachsung, so wird der Mindestanteil versteigert (§ 14 Abs 1 Z 3 WEG) und es besteht auch kein Wohnrechtslegat nach § 758, da die Wohnung nicht zum Nachlass gehört (Zankl, Vorausvermächtnis 199). Dient die gemeinsame Wohnung dem dringenden Wohnbedürfnis 10 des überlebenden Ehegatten (oder eines anderen pflichtteilsberechtigten Eigentümerpartners), so braucht – zum Nachteil der Erbschaftsgläubiger (Würth/R 2 § 10 WEG Rz 4) – keine Zahlung des halben Verkehrswerts an die Verlassenschaft zu erfolgen. Allerdings besteht gegenüber anderen Pflichtteilsberechtigten die Verpflichtung, ihnen den Betrag zu bezahlen, der deren Pflichtteilsansprüchen in Bezug auf den halben Verkehrswert entspräche (§ 14 Abs 3 WEG; zur Sicherstellung der Ansprüche minderjähriger Noterben s 5 Ob 29/93 SZ 66/39). Ein Streit darüber ist im Rechtsweg auszutragen (SZ 66/165). Hinterlässt der Verstorbene keine weiteren Noterben, so erApathy
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Gesetzliche Erbfolge
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wirbt der pflichtteilsberechtigte Partner den halben Mindestanteil von Gesetzes wegen unentgeltlich (Erl 989 BlgNR 21. GP 49; Würth/R § 14 WEG 2002 Rz 7). § 759. (1) Ein aus seinem Verschulden geschiedener Ehegatte hat kein gesetzliches Erbrecht und keinen Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis. (2) Das gesetzliche Erbrecht und der Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis ist dem überlebenden Ehegatten auch dann versagt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe gemäß dem Ehegesetz vom 6. Juli 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 807) zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte, sofern im Falle der Scheidung oder Aufhebung der Ehegatte als schuldig anzusehen wäre. [idF dRGBl 1938 I 923] Lit: Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und Tod. Unvereinbarkeit zweier Auseinandersetzungsmodelle (1998); Spitzer, Verlust des Ehegattenerbrechts durch Eröffnung des Scheidungsverfahrens? JBl 2003, 837.
1 Abs 1 betrifft nur die (frühere) Scheidung von Tisch und Bett. Der
schuldlos von Tisch und Bett Geschiedene, der sich nicht wieder verehelicht (SZ 21/53), behält auch nach Umwandlung in eine Scheidung iSd EheG das gesetzliche Erbrecht (§ 115 Abs 4 EheG); ist er jedoch nicht erbberechtigt (§§ 540 ff) oder schlägt er aus, so erbt der Ehegatte aus einer späteren Ehe (SZ 32/34). 2 Nach rechtkräftiger Scheidung iSd EheG besteht kein gesetzliches
Erbrecht (oben § 757 Rz 2). Hat der Erblasser vor seinem Tod die Scheidungs- oder Aufhebungsklage erhoben, so steht dem überlebenden Ehegatten weder ein gesetzliches Erbrecht, noch ein Recht auf das Vorausvermächtnis nach § 758 und auch kein Unterhaltsanspruch nach § 796 zu, wenn er im Fall der Scheidung (Aufhebung) als schuldig anzusehen wäre. Dabei handelt es sich um keinen Erbunwürdigkeitsgrund, sondern um die Konsequenz des in der Scheidungsklage bereits manifestierten Willens des danach verstorbenen Klägers, die Ehe aufzulösen (Holzner, Ehevermögen 168). Jüngst wird aus guten Gründen vertreten, dass dies auch bei Scheidung ohne Verschulden zu gelten habe (Spitzer, JBl 2003, 845 ff; aM Welser/R Rz 3 zum Mitverschuldensantrag); freilich müssten dann die Rechtsfolgen der §§ 81 ff EheG eintreten. Anders noch OLG Wien EvBl 1950/296 zur Scheidung nach § 51 EheG. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 2 war vor der Reform des Außerstreitrechts im streitigen Verfahren, nicht im Verlassen624
Apathy
Gesetzliche Erbfolge
§ 760
schaftsverfahren zu beurteilen. Auf die Fortsetzung des Scheidungsverfahrens, das nur mehr bezüglich der Kosten geführt werden kann (§ 460 Z 8 ZPO), kommt es jedoch nicht an (NZ 1987, 283; Holzner, Ehevermögen 15). Gaben der Witwer und die Eltern der Erblasserin, die die Scheidungsklage erhoben hat, einander widersprechende Erbserklärungen ab, so war den Eltern die Klägerrolle zuzuteilen (JBl 1965, 588). Nunmehr entscheidet das Abhandlungsgericht gemäß § 161 AußStrG. Die Wirkungen einer begründeten Scheidungsklage nach Abs 2 rei- 3 chen weiter als die Folgen einer rechtskräftigen Scheidung (wegen Verschuldens), da (nur) dem geschiedenen Ehepartner die Ansprüche nach §§ 81 ff EheG zustehen. Eine unsachliche Ungleichbehandlung lässt sich durch die analoge Anwendung der §§ 81 ff EheG vermeiden, wenn die sonstigen Erben nach Abs 2 vorgehen (Holzner, Ehevermögen 170 ff). Erblose Verlassenschaft § 760. Wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist oder wenn niemand die Erbschaft erwirbt, fällt die Verlassenschaft als ein erbloses Gut dem Staate anheim. [idF I. TN] Lit: Apathy, Heimfall und Transmission, JBl 1990, 399; Ferrari-HofmannWellenhof, Die Erbschaftsklage (1991); Ch. Rabl, Verwendungsanspruch des wahren Erben gegen den Fiskus – ist der Heimfall gegenüber dem wahren Erben gerechtfertigt? NZ 1997, 141; Windisch, Zur Durchsetzbarkeit des staatlichen Heimfallsrechtes gegen behauptete Erbrechte, FS Finanzprokuratur (1995) 309.
Auf Grund des „Heimfallsrechts“ (vgl §§ 799–800 Rz 2 aE) kann der 1 Staat, und zwar die Republik Österreich, den Nachlass erwerben, wenn oder soweit weder ein vertraglicher, testamentarischer oder gesetzlicher Erbe, Ersatzerbe, Transmissar, Anwachsungsberechtigter noch ein nach § 726 zum Erben berufener Legatar erbt. Zur Frage der Partialkaduzität bei Einsetzung auf bestimmte Quoten s § 726 Rz 5. Zum Ausschluss der Transmission an den heimfallsberechtigten Staat, wenn der Transmittent erblos stirbt s § 537 Rz 4. Zum Heimfall nach einem Ausländer, dem inländische Liegenschaften gehörten, s NZ 1987, 68. Das „Heimfallsrecht“ ist nach hA kein Erbrecht: Der Staat gibt keine 2 Erbantrittserklärung ab (SZ 43/193) und ihm wird der Nachlass auch nicht eingeantwortet, sondern gemäß § 184 Abs 1 AußStrG auf Grund Apathy
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Gesetzliche Erbfolge
§ 760
eines Antrags der Finanzprokuratur mit Beschluss des Abhandlungsgerichts übergeben (Erl 224 BlgNR 22. GP 116; 3 Ob 523/95 JBl 1997, 241 Auckenthaler). Es handelt sich um ein Aneignungsrecht spezifischer Art und privatrechtlicher Natur mit der Wirkung einer Gesamtrechtsnachfolge (Erl 224 BlgNR 22. GP 101; JBl 1997, 241 Auckenthaler; Windisch, FS Finanzprokuratur 311), das insb im Hinblick auf die Haftung für Erblasser- und Erbfallsschulden analog zum Erbrecht zu behandeln ist (Kralik, ErbR 85). Nur im äußersten Fall soll der Nachlass kaduk werden, um zu verhindern, dass der Nachlass herrenlos wird (EvBl 1985/164; vgl aber SZ 59/150) und es zu Eigenmächtigkeiten kommt; dazu passt, dass das ABGB die römische usucapio pro herede (durch einen Nichterben) nicht übernommen hat (Apathy, JBl 1990, 400). Dennoch kann der Staat den Heimfall auch ablehnen (SZ 27/201; SZ 59/150; aM Kralik, ErbR 86). 3 Ob eine Verlassenschaft erblos ist, hat allein das Abhandlungsgericht
nach Durchführung des Verfahrens nach §§ 157 f AußStrG zu beurteilen (SZ 46/130; 8 Ob 238/00h NZ 2001, 299). Der Finanzprokuratur ist es daher nach stRspr verwehrt, vorweg in das Abhandlungsverfahren einzugreifen und auf eine für die Republik Österreich günstige Beurteilung hinzuwirken (SZ 55/165; SZ 62/92; dazu kritisch Windisch, FS Finanzprokuratur 311 ff). Ebenso hatte eine vor Abschluss des Abhandlungsverfahrens erhobene Klage auf Feststellung der Ungültigkeit eines (mündlichen) Testaments mangels Feststellungsinteresses keinen Erfolg (SZ 62/92). Erklärt das Gericht den Nachlass für erblos, so hinderte dies vor der Reform des Außerstreitverfahrens einen Erbansprecher nicht, Feststellungsklage gegen die Republik zu erheben (2 Ob 171/00m NZ 2001, 227); nunmehr kann er gegen die Abweisung der Erbantrittserklärung Rekurs erheben. Der erblose Nachlass ist von Amts wegen zu inventarisieren (§ 165 Abs 1 Z 5 und § 184 Abs 2 AußStrG), so dass der Staat wie ein bedingt erbserklärter Erbe haftet. Der Staat kann sein Recht in Analogie zur Erbschaftsklage mit der Heimfälligkeitsklage verfolgen (SZ 37/30; zum Verjährungsbeginn: SZ 62/92). 4 Dem wahren Erben bleibt es unbenommen, nach der Übergabe des
Nachlasses an den Staat gegen diesen die Erbschaftsklage zu erheben und (noch nicht verjährte) Ansprüche geltend zu machen (JBl 1997, 241 Auckenthaler). Nach der Aufhebung des HfD JGS 1835/90 ist der Staat nicht eo ipso redlicher Besitzer, wird es aber in aller Regel sein. Denn selbst die Kenntnis, dass es Erben gibt, schließt die Redlichkeit nicht aus, da das „Heimfallsrecht“ nicht nur eingreift, wenn es keine Erben gibt, sondern (vorläufig) auch dann, wenn die Erben keine Erbantrittserklärung abgeben. Trotzdem geht es zu weit, dem Staat in 626
Apathy
Pflichtteil
§ 762
diesem Fall nicht nur Besitz, sondern auflösend bedingtes Eigentum zuzusprechen, um derart einen Anspruch auf Ersatz der vom Staat lukrierten Früchte (Zinsen) auszuschließen (so JBl 1997, 241 Auckenthaler). Vielmehr ist der Staat wie ein (redlicher) Scheinerbe zu behandeln (Ch. Rabl, NZ 1997, 142 f). Gutgläubige dritte Erwerber von Nachlass-Sachen erwerben analog § 824. Abweichungen von der allgemeinen Erbfolgeordnung § 761. Die Abweichungen von der in diesem Hauptstücke bestimmten gesetzlichen Erbfolge in Rücksicht auf Bauerngüter, und die Verlassenschaft geistlicher Personen sind in den politischen Gesetzen enthalten. Besondere Erbteilungsvorschriften bei Erbhöfen bzw geschlossenen 1 Höfen (Tirol) enthalten das AnerbenG, das Tir HöfeG und das Krnt ErbhöfeG. Diese Regelungen sind bei bäuerlichen Übergabsverträgen analog anwendbar, wobei man insb den Gesichtspunkt des Wohlbestehenkönnens (§ 11 Abs 1 AnerbenG, § 12 Abs 1 Krnt ErbhöfeG, § 21 Abs 1 Tir HöfeG) auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage berücksichtigt (JBl 1978, 153; SZ 50/166; F. Bydlinski/R § 10 Rz 3). Demzufolge wird für die Bemessung des Schenkungspflichtteils nicht der Verkehrswert, sondern in erster Linie der Ertragswert herangezogen, sofern die Hofübergabe an eine Person erfolgt, die zum Kreis der gesetzlichen Erben zählt (SZ 59/6; 5 Ob 537/95 SZ 68/201). S auch § 938 Rz 9. Infolge Aufhebung von HfD durch das 1. BRBG bestehen für das 2 gesetzliche Erbrecht nach Geistlichen keine Sonderregeln mehr.
Vierzehntes Hauptstück Von dem Pflichtteile und der Anrechnung in den Pflicht- oder Erbteil Welchen Personen als Noterben ein Pflichtteil gebühre § 762. Die Personen, die der Erblasser in der letzten Anordnung bedenken muß, sind seine Kinder, in Ermangelung solcher seine Eltern, und der Ehegatte. [idF BGBl 1978/280] Lit: Eccher, Antizipierte Erbfolge (1980); Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht (2004); Schauer, Ist das Pflichtteilsrecht noch zeitgemäß? NZ 2001, 70; Zemen, Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten, ÖJZ 1987, 231. Apathy
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Pflichtteil
§ 762
diesem Fall nicht nur Besitz, sondern auflösend bedingtes Eigentum zuzusprechen, um derart einen Anspruch auf Ersatz der vom Staat lukrierten Früchte (Zinsen) auszuschließen (so JBl 1997, 241 Auckenthaler). Vielmehr ist der Staat wie ein (redlicher) Scheinerbe zu behandeln (Ch. Rabl, NZ 1997, 142 f). Gutgläubige dritte Erwerber von Nachlass-Sachen erwerben analog § 824. Abweichungen von der allgemeinen Erbfolgeordnung § 761. Die Abweichungen von der in diesem Hauptstücke bestimmten gesetzlichen Erbfolge in Rücksicht auf Bauerngüter, und die Verlassenschaft geistlicher Personen sind in den politischen Gesetzen enthalten. Besondere Erbteilungsvorschriften bei Erbhöfen bzw geschlossenen 1 Höfen (Tirol) enthalten das AnerbenG, das Tir HöfeG und das Krnt ErbhöfeG. Diese Regelungen sind bei bäuerlichen Übergabsverträgen analog anwendbar, wobei man insb den Gesichtspunkt des Wohlbestehenkönnens (§ 11 Abs 1 AnerbenG, § 12 Abs 1 Krnt ErbhöfeG, § 21 Abs 1 Tir HöfeG) auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage berücksichtigt (JBl 1978, 153; SZ 50/166; F. Bydlinski/R § 10 Rz 3). Demzufolge wird für die Bemessung des Schenkungspflichtteils nicht der Verkehrswert, sondern in erster Linie der Ertragswert herangezogen, sofern die Hofübergabe an eine Person erfolgt, die zum Kreis der gesetzlichen Erben zählt (SZ 59/6; 5 Ob 537/95 SZ 68/201). S auch § 938 Rz 9. Infolge Aufhebung von HfD durch das 1. BRBG bestehen für das 2 gesetzliche Erbrecht nach Geistlichen keine Sonderregeln mehr.
Vierzehntes Hauptstück Von dem Pflichtteile und der Anrechnung in den Pflicht- oder Erbteil Welchen Personen als Noterben ein Pflichtteil gebühre § 762. Die Personen, die der Erblasser in der letzten Anordnung bedenken muß, sind seine Kinder, in Ermangelung solcher seine Eltern, und der Ehegatte. [idF BGBl 1978/280] Lit: Eccher, Antizipierte Erbfolge (1980); Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht (2004); Schauer, Ist das Pflichtteilsrecht noch zeitgemäß? NZ 2001, 70; Zemen, Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten, ÖJZ 1987, 231. Apathy
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Pflichtteil
§ 763
1 Das am Gedanken der Familienerbfolge orientierte Pflichtteilsrecht
beschränkt die Testierfreiheit im Interesse naher Angehöriger, die der Erblasser entsprechend §§ 765 f, 774 bedenken muss (materielles Noterbrecht). Pflichtteilsberechtigt (§ 764: Noterben) sind die Deszendenten, wenn keine vorhanden sind (SZ 13/114; § 767 Rz 1), die Eltern (Großeltern); ferner neben den einen wie den anderen der Ehegatte (7 Ob 17/99x NZ 2001, 204). 2 Vom Pflichtteilsrecht zu unterscheiden ist der obligatorische Pflicht-
teils(ergänzungs)anspruch (§ 764 Rz 1) derjenigen Noterben, die der Testator nicht oder unzureichend bedacht hat (EvBl 1967/235; § 775). An der Gültigkeit des Testaments ändert die unzureichende Bedenkung von Noterben nichts. § 763. Unter dem Namen Kinder werden nach der allgemeinen Regel (§ 42) auch Enkel und Urenkel; und unter dem Namen Eltern alle Großeltern begriffen. Es findet hier zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlechte; zwischen ehelicher und unehelicher Geburt kein Unterschied statt, sobald für diese Personen das Recht und die Ordnung der gesetzlichen Erbfolge eintreten würde. 1 Als Kinder sind alle Deszendenten pflichtteilsberechtigt, einschließ-
lich der Wahlkinder (EvBl 1974/113), nicht jedoch ein „Ziehsohn“ (3 Ob 96/00i SZ 73/189). Von den Aszendenten sind nur die Eltern bzw Großeltern Noterben, nicht aber Urgroßeltern sowie Seitenverwandte (K/W II 546). 2 Pflichtteilsansprüche stehen nur Personen zu, die im zu beurteilenden
Einzelfall konkret pflichtteilsberechtigt sind, die also ohne die letztwillige Verfügung gesetzliche Erben wären oder zwar gesetzliche Erben sind, deren Erbteil aber zB infolge umfangreicher Legate oder anzurechnender Schenkungen den Pflichtteil nicht deckt (Eccher/S § 762 Rz 1; Welser/R § 785 Rz 25; 7 Ob 547/92 SZ 65/73; 1 Ob 510/96 SZ 69/58; aM NZ 1981, 108). Daher sind Enkel nicht pflichtteilsberechtigt, solange der vermittelnde Vorfahre lebt (SZ 47/76); solange Geschwister des Erblassers leben, sind seine Großeltern nicht pflichtteilsberechtigt. Zu Pflichtteilsverzicht, Erbunfähigkeit und Enterbung s § 767 Rz 1 f. § 764. Der Erbteil, welchen diese Personen zu fordern berechtigt sind, heißt: Pflichtteil; sie selbst werden in dieser Rücksicht Noterben genannt. 628
Apathy
Pflichtteil
§ 764
Lit: Koziol, Gläubigeranfechtung bei Unterlassung der Geltendmachung des Pflichtteils und bei Erbverzicht, JBl 1974, 402; Zankl, Pflichtteilsdeckung und Pflichtteilsverjährung, NZ 2000, 36.
Der Erblasser kann dem Noterben einen Erbteil hinterlassen oder ihn 1 anders bedenken (§ 774; vgl SZ 21/102). Der Noterbe ist nicht eo ipso Erbe (Gesamtrechtsnachfolger), sondern hat – soweit er nicht bedacht wurde – einen obligatorischen Pflichtteils(ergänzungs)anspruch (SZ 46/117). Dieser ist auch nach der Aufhebung des HfD JGS 1844/781 durch das 1. BRBG auf Geldzahlung gerichtet (7 Ob 202/00g JBl 2001, 521). Der Anspruch richtet sich zunächst gegen den Nachlass (JBl 1989, 172; 4 Ob 522/91 JBl 1992, 460), nach der Einantwortung gegen die Erben (SZ 43/30: Vorerbe; 1 Ob 547/90 JBl 1991, 190); nicht aber gegen den Legatar (SZ 45/36) oder den auf den Todesfall Beschenkten (4 Ob 2029/96b SZ 69/108; aM 4 Ob 246/99a NZ 2000, 170 Zankl). Er entsteht mit dem Tod des Erblassers und ist sofort vererblich (SZ 57/11), abtretbar (EvBl 1955/127), aufrechenbar (EvBl 1967/235), verpfändbar (SZ 27/273) und (seit der Änderung von § 291 EO durch BGBl 1991/628) pfändbar. Der Noterbe kann nach dem Tod des Erblassers gegenüber dem Nachlass bzw Erben auf seinen Anspruch verzichten (EvBl 1955/127; 2 Ob 583/91 NZ 1992, 130), doch kann der Verzicht oder das Unterlassen der Geltendmachung wegen Gläubigerbenachteiligung anfechtbar sein (SZ 27/273); zum Verzicht gegenüber dem Erblasser s § 767 Rz 2. Pflichtteilsansprüche sind Erbfallsschulden (Eccher, ErbR Rz 8/4; 2 SZ 43/30: Erbgangsschuld), die nach den Erblasserschulden zu befriedigen sind, aber den Ansprüchen der Legatare vorgehen (§ 783; NZ 1960, 59). Zur Verjährung von Pflichtteilsansprüchen ausführlich § 1487 Rz 2. 3 Pflichtteilsansprüche können nicht im Verlassenschaftsverfahren geltend gemacht werden (SZ 45/36; 4 Ob 539/95 SZ 68/126), weshalb die Anmeldung im Verlassenschaftsverfahren die Verjährung nicht unterbricht (JBl 1991, 190). Sie sind vielmehr im Prozessweg geltend zu machen (SZ 54/122), ebenso die Reichweite eines Verzichts (SZ 46/117). Die Inventarisierung ist nicht Voraussetzung für die Erhebung der Pflichtteilsklage (JBl 1991, 190); ebenso wenig die Abgabe einer Erbserklärung (SZ 48/19), nunmehr einer Erbantrittserklärung. Der Noterbe ist gemäß § 176 Abs 1 AußStrG vor der Einantwortung 4 zu verständigen (ferner § 784 Rz 2). Erhebt ein eigenberechtigter Noterbe die Pflichtteilsklage, so ist das Verlassenschaftsverfahren nicht zu unterbrechen (SZ 58/77). Hingegen war gemäß § 162 AußStrG aF für minderjährige und pflegebefohlene Noterben von Amts wegen Apathy
629
Pflichtteil
§§ 765–766
vorzusorgen und mit der Einantwortung bis zum Pflichtteilsausweis, dh gegebenenfalls bis zur Erledigung der Pflichtteilsklage, zuzuwarten (SZ 41/13; 2 Ob 511/94 SZ 67/53). Nunmehr ist vor der Einantwortung Sicherheit insb durch Hinterlegung beim Gerichtskommissär zu leisten (§ 176 Abs 2 AußStrG, § 56 ZPO). 5 Soweit er nicht zum Erben eingesetzt wurde oder nach §§ 777 f erbt,
war vor der Reform des Außerstreitverfahrens eine Erbserklärung des Noterben, der bloß Gläubiger ist, zurückzuweisen (SZ 46/117). Nunmehr ist seine Erbantrittserklärung abzuweisen (§ 161 AußStrG). In welchem Betrage, § 765. Als Pflichtteil gebührt jedem Kind und dem Ehegatten die Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre. [idF BGBl 1978/280]
§ 766. In der aufsteigenden Linie gebührt jedem Noterben als Pflichtteil ein Dritteil dessen, was er nach der gesetzlichen Erbfolge erhalten haben würde. 1 Die Deszendenten und der Ehegatte können einen Pflichtteil in Höhe
der Hälfte, Aszendenten in Höhe eines Drittels dessen beanspruchen, was sie als gesetzliche Erben bekommen hätten. Daraus ergibt sich in Verbindung mit § 757, dass der Pflichtteil des Ehegatten neben Deszendenten ein Sechstel, neben Eltern, Geschwistern und Großeltern ein Drittel, neben Urgroßeltern die Hälfte des reinen Nachlasses beträgt. Hinterlässt der Erblasser seinen (nicht pflichtteilsberechtigten) Bruder, so beträgt der Ehegattenpflichtteil ein Drittel (7 Ob 17/99x NZ 2001, 204: irrtümliche Enterbung des Bruders erhöht den Ehegattenpflichtteil nicht). Der Pflichtteil aller Deszendenten beträgt die Hälfte, neben dem Ehegatten ein Drittel des reinen Nachlasses. Der Pflichtteil beider Eltern (aller Großeltern) beträgt zusammen ein Drittel, neben dem Ehegatten ein Neuntel. Ist ein Elternteil vorverstorben, so ist zu unterscheiden, ob er bei gesetzlicher Erbfolge von Nachkommen repräsentiert würde oder nicht. Gibt es solche Repräsentanten, zB Geschwister des Erblassers, so ändert sich am Pflichtteil des überlebenden Elternteils (ein Sechstel, neben dem Ehegatten ein Achtzehntel) nichts. Da Geschwister nicht pflichtteilsberechtigt sind, verbleibt den Erben der Anteil des vorverstorbenen Elternteils. Gibt es keine Repräsentanten, so wächst dieser Anteil dem überlebenden Elternteil an, so dass sich sein Pflichtteil auf ein Drittel bzw Neuntel 630
Apathy
Pflichtteil
§ 767
verdoppelt. Entsprechendes gilt beim Vorversterben von Großelternteilen. Die Ausschlagung des Erbrechts (§ 805) oder ein Verzicht auf den 2 Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erblassers sind ohne Einfluss auf die Höhe der Pflichtteile (SZ 58/18; 2 Ob 583/91 NZ 1992, 130). Schlagen alle Deszendenten aus, so sind die Vorfahren zwar erb-, aber nicht pflichtteilsberechtigt und der Anteil des Ehegatten (ein Sechstel) vergrößert sich nicht (Kralik, ErbR 288). Zu den Folgen eines Verzichts gegenüber dem Erblasser (§ 551), zu Erbunfähigkeit und Enterbung s § 767 Rz 1 f. und unter was für Beschränkungen § 767. (1) Wer auf das Erbrecht Verzicht geleistet hat; wer nach den in dem achten Hauptstücke enthaltenen Vorschriften von dem Erbrechte ausgeschlossen wird; oder von dem Erblasser rechtmäßig enterbt worden ist; hat auf einen Pflichtteil keinen Anspruch, und wird bei der Ausmessung desselben so betrachtet, als wenn er gar nicht vorhanden wäre. (2) Eine Pflichtteilsminderung nach § 773a erhöht den Pflichtteil der übrigen Noterben nicht. [idF BGBl 1989/656] Lit: Eccher, Erbfolge 171 ff; Umlauft, Anrechnung 288 ff; Zemen, Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten, ÖJZ 1987, 231.
Ist ein Noterbe erbunfähig, erbunwürdig (§§ 540 ff) oder rechtmäßig 1 enterbt (§§ 768 ff), so ist er nicht pflichtteilsberechtigt. Nach Abs 1 wird er als nicht vorhanden betrachtet. Dadurch können sich die Pflichtteile konkurrierender Noterben vergrößern (EF 48.521), außer die Nachkommen treten an die Stelle des Ausgeschlossenen (§ 541 Rz 2; § 551 Rz 4; § 780). So profitieren etwa die Kinder von der Enterbung des Ehegatten (NZ 1985, 148). Hingegen führt die Enterbung eines von mehreren Kindern allenfalls zur Vergrößerung der Pflichtteile anderer Kinder, nicht auch des Ehegatten. Ist das einzige Kind erbunwürdig oder enterbt, so ist umstritten, ob die Aszendenten pflichtteilsberechtigt sind oder nicht. Nach Zeiller II 776, dem der OGH in SZ 13/114 folgt, können die Eltern in diesem Fall keinen Pflichtteil beanspruchen, doch führt dies zu einer fragwürdigen Diskrepanz zwischen gesetzlicher Erbfolge und Pflichtteilsrecht, obwohl beide dem Gedanken der Familienerbfolge entsprechen. Hätte der Erblasser nicht testiert, so wären seine Eltern gesetzliche Erben; trotz abstrakter Pflichtteilsberechtigung sollen sie keinen Apathy
631
Pflichtteil
§ 768
Pflichtteil erhalten. Vorzuziehen ist daher die von Unger, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts VI4 (1894) 338, entwickelte gegenteilige Ansicht (Zemen, ÖJZ 1987, 234 f; Welser/R Rz 2 und §§ 762–764 Rz 5). 2 Auch der Noterbe, der einen Erb- und Pflichtteilsverzicht gegenüber
dem Erblasser nach § 551 abgegeben hat, ist ausgeschlossen (4 Ob 342/98t SZ 72/19; 6 Ob 273/02v NZ 2004, 23), und die Quoten der anderen Noterben können größer werden. Hingegen ändert der (formlose) Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch (gegenüber dem Schuldner) nichts an der Höhe der Pflichtteile der anderen Noterben (§§ 765–766 Rz 2); die Aufzählung der Ausschließungsgründe in § 767 ist taxativ (SZ 58/18; 2 Ob 583/91 NZ 1992, 130). Hat der Noterbe nur auf das Erbrecht, nicht aber auf den Pflichtteil verzichtet, so bleibt er pflichtteilsberechtigt. Hat er nur auf den Pflichtteil verzichtet, so vergrößern sich die Quoten der anderen Noterben nicht (Eccher, ErbR Rz 11/29 Beispiel 5; Welser/R Rz 3; aM Zemen, ÖJZ 1987, 235). Zur Anrechnung einer Abfindung für den Verzicht als Vorempfang s Umlauft, Anrechnung 298 ff. 3 Abs 2 wurde durch BGBl 1989/656 hinzugefügt. Anders als eine Ent-
erbung (Rz 1) vergrößert die Pflichtteilsminderung nach § 773a die Testierfreiheit. Erfordernisse einer rechtmäßigen Enterbung § 768. Ein Kind kann enterbt werden 1. [aufgehoben, RGBl 1868/49] 2. wenn es den Erblasser im Notstande hilflos gelassen hat; 3. wenn es wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist; 4. wenn es eine gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart beharrlich führt. [idF BGBl 1974/496]
1 Anders als die Entziehung des gesetzliches Erbrechts (Enterbung im
untechnischen Sinn) erfordert der (gänzliche oder teilweise) Entzug des Pflichtteils (Enterbung im technischen Sinn) einen Enterbungsgrund (7 Ob 17/99x NZ 2001, 204). Dieser muss im Zeitpunkt der Errichtung des letzten Willens, in dem die Enterbung erklärt oder der Noterbe bewusst übergangen wird (§ 776), vorliegen (6 Ob 204/97m SZ 70/229) und für die Enterbung kausal sein (SZ 38/194), auch wenn der „wirkliche“ Enterbungsgrund in der letztwilligen Verfügung 632
Apathy
Pflichtteil
§ 768
nicht genannt ist. Die Aufzählung der Enterbungsgründe in den §§ 768 ff ist taxativ, doch ist eine ausdehnende Auslegung zulässig (K/W II 560). Ohne Enterbungsgrund bewirkt die ausdrückliche Enterbung im Zweifel den Entzug des gesetzlichen Erbrechts (negatives Testament), so dass der Enterbte nur den Pflichtteil erhält (Eccher, ErbR Rz 11/6). Allerdings kann der Enterbte die Enterbung anfechten, wenn der Testator über den Enterbungsgrund irrte und ihn bei Kenntnis nicht enterbt hätte. Über das Vorliegen eines Enterbungsgrundes ist im streitigen Verfahren zu entscheiden (2 Ob 511/94 SZ 67/53; 4 Ob 539/95 SZ 68/126), wenn ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird (EF 22.494; 4 Ob 295/98f EF 87.203). Gibt nur der enterbte gesetzliche Erbe eine Erb(antritt)serklärung ab, so dass (vor der Reform des Außerstreitverfahrens) über die Enterbung nicht im Rechtsweg entschieden werden konnte, so muss er im Verlassenschaftsverfahren die entsprechenden Anträge und Bescheinigungen erbringen (SZ 43/193). Nachkommen, aber auch Ehegatte und Eltern (§ 769), können nach 2 Z 2 enterbt werden, wenn der Noterbe den Erblasser im Notstand hilflos gelassen hat. Notstand ist jeder Zustand der – nicht nur wirtschaftlichen – Bedrängnis, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit (§ 7: natürliche Rechtsgrundsätze) gerechterweise zur Erwartung berechtigt, der Noterbe werde dem Erblasser helfen (7 Ob 505/95 NZ 1997, 243; Weiß/K III 845). Hatte der Pflichtteilsberechtigte von der Hilfsbedürftigkeit des Erblassers schuldlos keine Kenntnis, so ist dieser zur Enterbung nicht berechtigt (NZ 1997, 243: kein Kontakt zwischen Vater und Tochter seit deren drittem Lebensjahr). Ebenso, wenn der Noterbe in einer Konfliktsituation anderen wichtigen Verpflichtungen nachgekommen ist (EvBl 1972/220). Bejahend: Tochter besucht die lebensbedrohlich erkrankte Mutter nicht im Krankenhaus (EF 40.988); Adoptivsohn verlässt ohne triftigen Grund Adoptiveltern und deren Landwirtschaft (EvBl 1965/198; EvBl 1969/176; vgl aber EvBl 1972/220); vorsätzliche oder grob fahrlässige Nichterfüllung der Unterhaltspflicht (EF 4567 mit weiteren Bsp). Verneinend: begründete Strafanzeige (EvBl 1965/285); Anzeige beim Finanzamt (SZ 40/122). Zur Abgrenzung von der Erbunwürdigkeit wegen gröblicher Vernachlässigung der aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern sich ergebenden Pflichten s § 540 Rz 3. Der Enterbungsgrund der Z 3 ist gegeben, wenn der Noterbe wegen 3 einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, Apathy
633
Pflichtteil
§ 769
sofern nicht der Erblasser den Täter zur Tat ermuntert, daran mitgewirkt oder sie gebilligt hat (Weiß/K III 846). 4 Der Enterbungsgrund der Z 4 erfordert, dass der Noterbe nach ob-
jektiver Beurteilung (EvBl 1968/377) gegen den Willen des Erblassers (NZ 1979, 194) beharrlich eine gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart führt. Bei der Beurteilung sind die Zeitanschauung zu berücksichtigen, somit die (veränderlichen) allgemeinen Wertvorstellungen der Gesellschaft, ferner die Anschauungen und der gesellschaftliche Lebenskreis des Erblassers, muss doch die Lebensart geeignet sein, das Ansehen der Familie in der Öffentlichkeit herabzusetzen (Kralik, ErbR 280). Schließlich kommt es darauf an, was im allgemeinen Sprachgebrauch sowie im Sprachgebrauch der österreichischen Gesetze unter Verstößen gegen die öffentliche Sittlichkeit verstanden wird (SZ 70/229). Der Enterbungsgrund liegt auch vor, wenn der Noterbe einen nach den herrschenden sittlichen Begriffen die öffentliche Sittlichkeit gröblich verletzenden, wenngleich nicht strafrechtlich verpönten Lebenswandel führt (NZ 1979, 194). Auch ist der Enterbungsgrund nicht auf Verstöße gegen die Sexualmoral beschränkt (SZ 70/229). Die unsittliche Lebensweise wird beharrlich fortgesetzt, wenn sie mit Wissen und Willen des Noterben länger andauert oder bei einer Vielzahl von Verstößen (SZ 38/194; SZ 70/229). Eine Änderung des Lebenswandels kurz vor oder nach Testamentserrichtung nimmt einer rechtmäßigen Enterbung nicht ihre Wirkung (1 Ob 95/97w NZ 1998, 309; SZ 70/229). Bsp: zahlreiche, wenngleich auch geringfügige Diebstähle (SZ 38/194); lange Freiheitsstrafen wegen verschiedener Eigentums- und Gewaltdelikte (NZ 1998, 309); durch mehrere Jahre fortgesetzte nicht unbedeutende Eigentumsdelikte (SZ 70/229); nicht hingegen (einmaliger) Familiendiebstahl (OLG Wien EF 8328). § 769. Aus den gleichen Gründen können auch der Ehegatte und die Eltern enterbt werden; der Ehegatte außerdem dann, wenn er seine Beistandspflicht gröblich vernachlässigt hat. [idF BGBl 1989/656]
1 Die Enterbungsgründe des § 768 Z 2–4 gelten auch für Ehegatten und
Vorfahren. Zur Änderung des § 769 in Zusammenhang mit der Neuregelung der Erbunwürdigkeit s § 540 Rz 3. 2 Eine gröbliche Verletzung der Beistandspflicht (§ 90; EF 51.403) er-
fordert eine gewichtige Pflichtverletzung, jedoch keinen Notstand des Erblassers iSv § 768 Z 2. Bsp: grundloses und für den Ehepartner 634
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Pflichtteil
§ 771
völlig überraschendes Verschwinden aus der ehelichen Wohnung und Weigerung, den Bitten zur Rückkehr nachzukommen (OLG Wien EF 51.404). Die Verletzung der Beistandspflicht muss jedoch nicht so weit gegangen sein, dass sie einen Ehescheidungsgrund nach § 49 EheG abgibt (10 Ob 2379/96t EF 81.331; Kralik, ErbR 283). § 770. Überhaupt kann einem Noterben auch solcher Handlungen wegen, die einen Erben nach den §§ 540–542 des Erbrechtes unwürdig machen, durch die letzte Willenserklärung der Pflichtteil entzogen werden. Dem erbunwürdigen Noterben steht auch ohne erblasserische Anord- 1 nung kein Pflichtteil zu (§ 540 Rz 1), während es in den Fällen der §§ 768 f einer letztwilligen Verfügung bedarf, damit der Noterbe den Pflichtteil verliert. Enterbt der Testator den Erbunwürdigen, so hat dies allerdings zur Folge, dass dem Noterben trotz Verzeihung (§ 540 Rz 4) kein Pflichtteilsrecht zusteht (EvBl 1957/20), solange der Testator die Enterbung nicht widerruft (6 Ob 204/97m SZ 70/229). § 771. Die Enterbungsursache muß immer, sie mag von dem Erblasser ausgedrückt sein oder nicht, von dem Erben erwiesen werden, und in den Worten, und dem Sinne des Gesetzes gegründet sein. Der Testator braucht weder den Grund für die Enterbung anzugeben, 1 noch diese ausdrücklich anzuordnen. Es genügt, wenn er den Noterben bewusst übergeht (1 Ob 95/97w NZ 1998, 309), was auch in der Weise geschehen kann, dass der Erblasser dem Noterben Legate aussetzt, die den Pflichtteilsanspruch nicht voll decken sollen und auch tatsächlich nicht voll decken. Ob der Testator eine solche Verkürzung wollte oder irrtümlich meinte, durch seine Zuwendung dem Pflichtteilsanspruch ohnedies Rechnung zu tragen, ist eine Auslegungsfrage (SZ 38/194). Zur irrtümlichen Übergehung s §§ 778 f. Vor der Einantwortung trifft die Verlassenschaft (SZ 48/19), danach 2 den (vertraglichen, testamentarischen oder gesetzlichen) Erben die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Noterbe mit Recht enterbt oder übergangen worden ist (EF 20.130; 4 Ob 539/95 SZ 68/126). Dies gilt auch nach einer Zession des Pflichtteilsanspruchs (EvBl 1955/127). Der Erbe muss auch die Kausalität des Enterbungsgrundes beweisen (SZ 38/194). Er kann daher keinen anderen Enterbungsgrund geltend machen, wenn der Testator den Noterben nur aus einem bestimmten Grund, insb wegen Verschwendung (§ 773) enterben wollte (EvBl 1958/218). Sonst ist ihm der Nachweis eines Apathy
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Pflichtteil
§ 772
anderen für die Enterbung kausalen Grundes als des vom Testator genannten unbenommen (SZ 40/122). Anerkennt der Noterbe im Verlassenschaftsverfahren seine Enterbung, so ist es dem Erben verwehrt, gegenüber den nach § 780 berechtigten Nachkommen des Noterben die Rechtmäßigkeit der Enterbung zu bestreiten (2 Ob 511/94 SZ 67/53). 3 Macht der enterbte Noterbe den Anspruch nach § 951 gegen den Be-
schenkten geltend, so trifft den Beschenkten die Beweislast für den Enterbungsgrund (2 Ob 581/94 SZ 67/217; Kralik, ErbR 285 FN 31). § 772. Die Enterbung wird nur durch einen ausdrücklichen in der gesetzlichen Form erklärten Widerruf aufgehoben. 1 Sowohl die ausdrückliche Enterbung als auch die Übergehung des
Noterben in Enterbungsabsicht können nur durch förmlichen Widerruf aufgehoben werden (1 Ob 95/97w NZ 1998, 309; 6 Ob 204/97m SZ 70/229). Dieser Widerruf kann allerdings nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend durch eine spätere letztwillige Verfügung erfolgen (10 Ob 2379/96t EF 81.332), zB durch nachfolgende Bedenkung (OLG Wien 15 R 53/99w EF 89.979: Legat; Welser/R Rz 3), nicht aber durch bloße Verzeihung oder Versöhnung (SZ 70/229; Eccher/S Rz 2; oben § 770 Rz 1). § 773. Wenn bei einem sehr verschuldeten oder verschwenderischen Noterben das wahrscheinliche Besorgnis obwaltet, daß der ihm gebührende Pflichtteil ganz, oder größten Teils seinen Kindern entgehen würde; so kann ihm der Pflichtteil von dem Erblasser, jedoch nur dergestalt entzogen werden, daß solcher den Kindern des Noterben zugewendet werde. 1 Die Enterbung in guter Absicht entspricht in besonderer Weise dem
Gedanken der Familienerbfolge und der Schutzbedürftigkeit des Verschwenders (EvBl 1958/218). Besteht bei einem sehr verschuldeten oder verschwenderischen Noterben die wahrscheinliche Gefahr, dass der Pflichtteil weitgehend seinen Kindern entgehen würde, so kann ihn der Testator dem Noterben entziehen und dessen Kindern zuwenden. Tut er dies unzureichend, so verbleibt dem Noterben (nicht dessen Kindern) ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (SZ 35/51). Die Besorgnis der Verschwendung ist nicht nach einer einzelnen Handlung, sondern auf Grund des Lebensstils des Noterben zu beurteilen (Eccher, ErbR Rz 11/11; Welser/R Rz 4). Die Voraussetzungen des § 773 müssen noch beim Erbfall gegeben sein. Die Enterbung in guter 636
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§ 773a
Ansicht kann nicht nur ein Kind des Testators betreffen, sondern auch den Ehegatten oder die Eltern, auch wenn deren Kinder gegenüber dem Testator nicht pflichtteilsberechtigt sind (Kralik, ErbR 282). Als Kinder des Noterben sind seine Deszendenten anzusehen, die 2 nach ihm – wäre er gleichzeitig mit dem Erblasser verstorben – in erster Linie erb- und pflichtteilsberechtigt wären (2 Ob 532/93 NZ 1995, 159). Die Kinder des Noterben müssen gleichmäßig bedacht werden; es darf keines von ihnen vor anderen Kindern des Noterben bevorzugt werden. Will der Testator (in Unkenntnis über das Pflichtteilsrecht unehelicher Kinder) nur das eheliche Kind des Noterben bedenken, so ist die gesamte Enterbung in guter Absicht unzulässig und unwirksam (NZ 1995, 159). Hat der Noterbe keine Kinder, so ist keine Enterbung in guter Absicht möglich (Kralik, ErbR 282). Die Regelung gilt unverändert seit 1811 und trägt dem inzwischen eingeführten Pflichtteilsrecht des Ehegatten (des Noterben) nicht Rechnung (Kralik, ErbR 281 f). Pflichtteilsminderung § 773a. (1) Standen der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis, wie es in der Familie zwischen solchen Verwandten gewöhnlich besteht, so kann der Erblasser den Pflichtteil auf die Hälfte mindern. (2) Die §§ 771 und 772 gelten sinngemäß für die Pflichtteilsminderung. (3) Das Recht auf Pflichtteilsminderung steht nicht zu, wenn der Erblasser die Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt hat. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Battlogg, Reformvorschläge und Auslegungsergebnisse im Hinblick auf die Pflichtteilsminderung nach § 773a ABGB, NZ 1998, 353; Haidenthaller, Schwerpunkte der Kindschaftsrechts-Reform 2001, JBl 2001, 622; Samek, Pflichtteilsrecht 21 ff; Spitzer, Änderungen im Erbrecht durch das KindRÄG 2001, NZ 2003, 353; Umlauft, Die Pflichtteilsminderung im Lichte des Repräsentationsrechts, JBl 1992, 557; Welser, Die Erbrechtsreform 1989, NZ 1990, 137; Zemen, Die Pflichtteilsminderung im Parentelensystem, JBl 1992, 220; ders, Das erbrechtliche Eintrittsrecht in der jüngeren Rechtsentwicklung, JBl 2004, 356.
Die mit Wirkung vom 1.1.1991 eingefügte Bestimmung ermöglicht es 1 dem Testator, den Pflichtteil von Aszendenten oder Deszendenten herabzusetzen. Sie ist vor allem im Verhältnis zwischen dem uneheApathy
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§ 773a
lichen Vater und dem Kind von Bedeutung, gilt aber auch für Wahlkinder (2 Ob 581/94 SZ 67/217). Stand der Testator mit dem Noterben (Elternteil oder Nachkommen) zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis, wie es in der Familie gewöhnlich zwischen diesen Personen besteht, so kann er nach Abs 1 den Pflichtteil auf die Hälfte mindern, ohne damit die Pflichtteile der anderen zu erhöhen (§ 767 Rz 3). Ist Testator ein Großelternteil, so kam es nach Abs 1 aF auf das Naheverhältnis zwischen dem vermittelnden Elternteil und dem Noterben an (Welser, NZ 1990, 140; aM Battlogg, NZ 1998, 355 f). Durch das FamErbRÄG wurde dies korrigiert. 2 Entscheidend für die auf Grund der Umstände des Einzelfalles zu
treffende Beurteilung, ob ein in einer Familie übliches Naheverhältnis vorliegt, ist eine geistig-emotionale Beziehung, die auch eine gewisse Zeit gedauert haben muss. Der Elternteil muss zumindest zeitweise am Wohlergehen und Werden des Kindes Anteil genommen haben (SZ 67/217; 1 Ob 2247/96i SZ 69/237); gemeinsames Wohnen ist nicht erforderlich (SZ 67/217). Nach SZ 69/237 scheidet eine Pflichtteilsminderung nicht erst aus, wenn sich der uneheliche Vater während eines gewissen Zeitraums intensiv um sein Kind bemühte und daher eine besonders enge geistig-emotionale Nahebeziehung aufzubauen verstand, sondern bereits dann, wenn er über seine Rolle als „Zahlvater“ hinaus die nach seinen Verhältnissen und den Lebensumständen des Kindes mögliche Anteilnahme an der Entwicklung und dem Wohlergehen seines Nachkommen erkennen hat lassen. Keine Minderung ist zB möglich, wenn das gemeinsame Familienleben über drei Jahre angedauert hat, auch wenn es schon im Kleinkindalter geendet hat (7 Ob 505/95 NZ 1997, 243); nach mehrjährigen regelmäßigen Besuchen im Abstand von zwei bis drei Monaten (1 Ob 155/04g JBl 2006, 171). 3 Zur Stärkung des Besuchsrechts des Kindes (§ 148) wurde Abs 3 an-
gefügt, so dass der besuchsunwillige Erblasser keine Pflichtteilsminderung anordnen kann. Gleiches gilt freilich für das Kind, das die Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr mit seinem Vater grundlos ablehnt (Haidenthaller, JBl 2001, 626). Dadurch wurde die bisherige Irrelevanz des Verschuldens des Erblassers (Welser, NZ 1990, 140; kritisch Battlogg, NZ 1998, 357) teilweise beseitigt. 4 Die Minderung des Nachlass- und Schenkungspflichtteils tritt nicht
ipso iure ein, sondern auf Grund einer letztwilligen Anordnung des Testators. Dementsprechend kann sie nur durch Widerruf (§ 772) aufgehoben werden. Regelt der Erblasser seine Vermögensverhältnisse nicht durch letztwillige Verfügung, sondern durch einen Übergabs638
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§ 774
vertrag, so steht dem unehelichen Kind der ungeminderte Pflichtteil zu (1 Ob 510/96 SZ 69/58). Im Schrifttum ist umstritten, ob die Anordnung der Pflichtteilsminderung ausdrücklich zu erfolgen habe (Zemen, JBl 1992, 228; Battlogg, NZ 1998, 354 f), oder ob auch eine stillschweigende Anordnung möglich ist (Umlauft, JBl 1992, 563; Welser, NZ 1990, 140; Eccher, ErbR Rz 11/24). Der OGH konnte dies in SZ 69/58 offen lassen; in 4 Ob 136/97x JBl 1997, 663 vertritt er, es genüge, wenn die Auslegung des letzten Willens (in dem das uneheliche Kind nicht erwähnt wird) klar ergibt, dass die Minderung des Pflichtteils gewollt ist. Liegt eine Minderungsanordnung vor, so trifft nach Abs 2 den Erben 5 bzw Beschenkten die Beweislast, dass die Voraussetzungen nach Abs 1 erfüllt sind (§ 771 Rz 2 f; SZ 67/217; JBl 1997, 663). Wie der Pflichtteil zu hinterlassen § 774. Der Pflichtteil kann in Gestalt eines Erbteiles oder Vermächtnisses, auch ohne ausdrückliche Benennung des Pflichtteiles hinterlassen werden. Er muß aber dem Noterben ganz frei bleiben. Jede denselben einschränkende Bedingung oder Belastung ist ungültig. Wird dem Noterben ein größerer Erbteil zugedacht; so kann sie nur auf den Teil, welcher den Pflichtteil übersteigt, bezogen werden. Lit: Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 189 ff; Samek, Pflichtteilsrecht 38 ff; Schauer, Unteilbare Pflichtteilsdeckung und unteilbare Belastungen, RdW 1987, 149; ders, Ist das Pflichtteilsrecht noch zeitgemäß? NZ 2001, 70; Welser, Die kassatorische Klausel, FS Demelius (1973) 491; ders, Hinterlassung des Pflichtteils als Vermächtnis und Abrechnungsgemeinschaft nach § 786 Satz 2 ABGB, NZ 1994, 269; Zankl, Pflichtteilsdeckung und Pflichtteilsverjährung, NZ 2000, 36.
Der Testator kann den Pflichtteil als (testamentarischen oder gesetz- 1 lichen) Erbteil oder Legat hinterlassen und dabei auch die vermachten Gegenstände grundsätzlich frei bestimmen; sie sind auf den Pflichtteil anzurechnen (§ 787). Der Noterbe kann daher nicht den Geldpflichtteil fordern, wenn ihm andere Sachen mit dem ihm gebührenden Nachlasswert (ohne Einschränkung oder mit einer reduzierbaren Einschränkung) vermacht werden (6 Ob 666/95 SZ 69/155; 6 Ob 189/98g SZ 71/166: Unterbeteiligung an einer Gesellschafterstellung; anders beurteilt 1 Ob 2364/96w NZ 1998, 60 Zankl die Ausschlagung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses). Aber auch der Testamentserbe kann die Erfüllung des Legats nicht verweigern und stattdessen Apathy
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Pflichtteil
§ 774
den Geldpflichtteil leisten (SZ 22/7). Nach Zankl, NZ 2000, 39, kann der zum Miterben eingesetzte Noterbe den Erbteil ausschlagen und den Geldpflichtteil verlangen, wenn das Verlassenschaftsverfahren im Zeitpunkt der Abgabe der Erb(antritt)serklärung bereits ein Jahr dauert oder sich abzeichnet, dass es länger als ein Jahr dauern wird. Zur Ausschlagung unter Vorbehalt des Pflichtteils s § 808. Setzt der Testator den Noterben auf den Pflichtteil, so vermacht er ihm im Zweifel die dem Geldpflichtteil entsprechende Summe (Eccher, ErbR Rz 11/30; SZ 45/36; SZ 54/23; vgl K/W II 549; 3 Ob 223/99m NZ 2001, 300). Dieses Legat ist nicht erst nach einem Jahr (§ 685; GlUNF 7205; Kralik, ErbR 315), sondern sofort fällig (Zeiller II 786; Welser/R Rz 3). Ob auch der Schenkungspflichtteil vermacht ist, ist eine Frage der Auslegung (für den konkreten Fall verneinend 6 Ob 273/02v NZ 2004, 23). 2 Der Pflichtteil muss dem Noterben ganz frei, also ungekürzt und
lastenfrei bleiben, so dass ihm der seinem Pflichtteil entsprechende Vermögenswert zukommt (Zankl, NZ 2000, 37). Daher darf zB eine vermachte Sache nicht infolge eines Veräußerungs- und Belastungsverbots für den Noterben unverwertbar sein (Schauer, RdW 1987, 151 f). Allerdings ist die sofortige Verwertbarkeit der Zuwendung nicht nötig (SZ 71/166; aM Kralik, ErbR 311). Eine vom Testator hinzugefügte Belastung (Bedingung, Termin, Auflage, Legat) ist daher ungültig, und zwar anfechtbar, doch kann sie der Noterbe freiwillig übernehmen (Kralik, ErbR 310). Die Annahme der belasteten Zuwendung durch den Noterben bedeutet noch keinen Verzicht auf die Anfechtung der unzulässigen Belastung. Beabsichtigte der Testator keine pflichtteilsabdeckende Zuwendung, so kann der Noterbe nicht die unzulässige Belastung anfechten, sondern nur den Geldpflichtteil beanspruchen (JBl 1988, 373; 7 Ob 71/00t EF 93.323). Der Pflichtteilsanspruch ist ferner dann auf Geld gerichtet, wenn eine Anfechtung nicht zur Verfügbarkeit führt, etwa wenn der Noterbe nur als Substitut eingesetzt ist (vgl EvBl 1957/347). Der Pflichtteil kann daher nicht mit einer fideikommissarischen Substitution belastet werden (§ 608 Rz 5). Die Anfechtung der fideikommissarischen Substitution ist gegen den Berechtigten und nicht gegen den Nachlass zu richten (JBl 1988, 373). Ebenso decken Rentenlegate oder die Zuwendung bloß des Fruchtgenussrechts den Pflichtteilsanspruch nicht (Zeiller II 786; B. Jud, ecolex 1998, 210; aM Schauer, NZ 2001, 80). 3 Wendet der Testator dem Noterben mehr als den Pflichtteil, allerdings
unter einer Belastung zu, so ist bei teilbarer Zuwendung die Belastung auf den überschießenden Teil zu beziehen (S 3), zB die zu Lasten 640
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§ 775
des Noterben angeordnete Nacherbschaft auf den die Pflichtteilsdeckung übersteigenden Teil zu reduzieren (Schauer, RdW 1987, 150). Bei unteilbarer Zuwendung ist eine teilbare Belastung, etwa ein Geldlegat, derart zu reduzieren, dass die Zuwendung in Höhe des Pflichtteils unbelastet bleibt. Lässt sich die Belastung nicht auf die Mehrzuwendung beschränken, so kann sie (unter Berücksichtigung des hypothetischen Erblasserwillens) eine teilweise Bedeckung des Pflichtteils darstellen, so dass dem Noterben neben der belasteten Zuwendung ein Pflichtteils(ergänzungs)anspruch in Geld zusteht (SZ 69/155: Fruchtgenussbelastung war höher zu bewerten als der vermachte Liegenschaftsanteil). Zulässig ist allerdings die Beschränkung des Pflichtteils entsprechend 4 der sozinischen Klausel: Der Testator wendet dem Noterben mehr zu, als der Pflichtteil ausmacht, unter der Bedingung, dass der Noterbe die Beschränkung auch für die Deckung akzeptiert. Nimmt der Noterbe die ganze Zuwendung an, so muss er sich auch die Beschränkung für den Pflichtteil gefallen lassen und hat keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch; andernfalls kann er je nach Formulierung der Klausel nur den Pflichtteil in Geld oder die Zuwendung in Höhe des Pflichtteils beanspruchen. Der Abgeltungsanspruch für die Mitarbeit am Erbhof gemäß § 11 5 Abs 3 Krnt HöfeG steht dem Noterben neben dem Pflichtteilsanspruch zu (6 Ob 288/02z SZ 2003/103). Rechtsmittel des Noterben: a) bei einer widerrechtlichen Enterbung oder Verkürzung in dem Pflichtteile; § 775. Ein Noterbe, welcher ohne die in den §§ 768–773 vorgeschriebenen Bedingungen enterbt worden, kann den ihm gebührenden vollen Pflichtteil; und, wenn er in dem reinen Betrage des Pflichtteils verkürzt worden ist, die Ergänzung desselben fordern. Lit: Wesener, Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit der Rezeption (1957).
Eine Verkürzung des Pflichtteils berechtigt seit dem Verschwinden 1 der querela inofficiosi testamenti im Naturrecht (Wesener, Erbrecht 185) nicht zur Testamentsanfechtung, sondern begründet nach dem Vorbild der actio ad supplendam legitimam einen Pflichtteils(ergänzungs)anspruch (§ 764 Rz 1 und 3 auch zur Verjährung und Geltendmachung im Prozessweg). Apathy
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Pflichtteil
§ 776 b) bei einer gänzlichen Übergehung
§ 776. Wenn aus mehrern Kindern, deren Dasein dem Erblasser bekannt war, eines ganz mit Stillschweigen übergangen wird; so kann es ebenfalls nur den Pflichtteil fordern. 1 Der Testator muss das pflichtteilsberechtigte Kind (iSv § 763) nicht
explizit enterben, sondern kann es auch bewusst übergehen, so dass ihm nur der Pflichtteil zusteht; weist der Erbe einen Enterbungsgrund nach, so entfällt auch der Pflichtteilsanspruch (§ 782; 1 Ob 255/99b SZ 73/5). Nach § 776 ist eine solche stillschweigende Enterbung zu vermuten, wenn dem Testator, der Erbeinsetzungen für den ganzen Nachlass anordnet, die Existenz des Kindes und das familienrechtliche Verhältnis zu ihm bekannt ist. Die Vermutung gilt auch dann, wenn es sich um das einzige Kind handelt (Welser/R §§ 776–777 Rz 4). § 777. Wenn aber aus den Umständen erwiesen werden kann, daß die Übergehung eines aus mehrern Kindern nur daher rühre, weil dem Erblasser das Dasein desselben unbekannt war, so ist der Übergangene nicht schuldig, sich mit dem Pflichtteile zu begnügen; sondern er kann den Erbteil, welcher für den am mindesten begünstigten Noterben ausfällt; wofern aber der einzige noch übrige Noterbe eingesetzt wird, oder alle übrige zu gleichen Teilen berufen sind, einen gleichen Erbteil verlangen. Lit: Kralik, Das testamentum ruptum und das Pflichtteilsrecht des unehelichen Kindes, JBl 1973, 541; Ch. Rabl, § 777 ABGB und die Anpassung einer letztwilligen Verfügung, NZ 1996, 49.
1 Anders als die bewusste Übergehung (§ 776) bewirkt die irrtümliche
Übergehung eines Kindes keine Enterbung, sondern es kommt aufgrund der besonderen Irrtumsregeln der §§ 777 f – mit Beweiserleichterungen für den Übergangenen (1 Ob 255/99b SZ 73/5) – zur Anpassung des letzten Willens (Rz 2). Voraussetzung ist ein Irrtum des Testators im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Bsp: er hält das Kind für verstorben; (heiratet nach der Testamentserrichtung und) bekommt weitere Kinder (SZ 58/141; SZ 73/5); adoptiert nach Testamentserrichtung (JBl 1975, 40 Kralik); kennt die familienrechtliche Beziehung nicht (SZ 45/130: Testator hält die auf Grund der Vermutung der ehelichen Geburt als seine Enkeltochter geltende Übergangene nicht für die Tochter seines Sohnes; 2 Ob 31/01z NZ 2002, 147: Erblasserin weiß nicht, dass ihr vorverstorbener Sohn auch ein uneheliches Kind hat); keinem Irrtum 642
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§ 778
unterliegt der Testator, der die Existenz des von ihm gezeugten Kindes kennt, wenn bloß die Vaterschaftsfeststellung nach seinem Tod erfolgt (SZ 56/64). Die Rechtsfolgen der irrtümlichen Übergehung beruhen auf der wi- 2 derleglichen Vermutung, dass der Erblasser sein irrtümlich übergangenes Kind seinen übrigen Kindern nicht nachsetzen wollte (SZ 73/5; Ch. Rabl, NZ 1996, 50). Kann der Erbe aber beweisen, dass der Testator auch bei Kenntnis das Kind übergangen hätte, so bleibt das Testament unverändert aufrecht und der übergangene Noterbe hat nur Anspruch auf den Pflichtteil. Dass der Testator durch viele Jahre eine letztwillige Verfügung zugunsten der nach der Testamentserrichtung geborenen Kinder unterlassen hat, widerlegt die Vermutung jedoch nicht (SZ 58/141). Zu unterscheiden ist, ob das einzige Kind (§ 778) oder eines von mehreren (§ 777) übergangen wird. Das übergangene Kind erhält als gesetzlicher Erbe oder Legatar neben anderen Kindern, die unterschiedlich bedacht sind, soviel wie der am mindesten (als Erbe oder Legatar) bedachte Noterbe (Ehrenzweig, System II/2, 416; weitergehend GlU 5389: der Erblasser setzte zwei Söhne zu Erben ein und die Tochter auf den Pflichtteil; der postumus erhielt den gleichen Erbteil wie seine Brüder, da der Erblasser männliche Nachkommen habe bevorzugen wollen). Gibt es nur ein bedachtes Kind oder sind alle zu gleichen Teilen berufen, so steht dem übergangenen Kind ein gleicher Erbteil bzw ein gleichwertiges Legat zu. Dadurch werden nicht nur die Erbteile der anderen Kinder, sondern alle letztwilligen Zuwendungen proportional gekürzt (Ch. Rabl, NZ 1996, 51 f). Der übergangene Noterbe hat gemäß § 1487 sein Recht innerhalb von 3 drei Jahren nach Testamentseröffnung geltend zu machen (SZ 45/130; SZ 73/5). Erfolgt dies, so kann der Erbe, der mit anderen Noterben ein Pflichtteilsübereinkommen geschlossen hat, von diesen seine Leistung teilweise kondizieren, wenn allen Beteiligten die Existenz eines weiteren Noterben unbekannt war (NZ 2002, 147). § 778. Hat der Erblasser einen einzigen Noterben, und er übergeht ihn aus oben gedachtem Irrtume mit Stillschweigen; oder erhält ein kinderloser Erblasser erst nach Erklärung seines letzten Willens einen Noterben, für den keine Vorsehung getroffen ist; so werden nur die zu öffentlichen Anstalten, zur Belohnung geleisteter Dienste, oder zu frommen Absichten bestimmten Vermächtnisse in einem, den vierten Teil der reinen Verlassenschaft nicht übersteigenden, Betrage verhältnismäßig entrichtet, alle übrigen Apathy
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§ 778
Anordnungen des letzten Willens aber gänzlich entkräftet. Sie erlangen jedoch, wenn der Noterbe vor dem Erblasser verstorben ist, wieder ihre Kraft. Lit: Schilcher, Erbrecht und bewegliches System, JBl 1977, 57; Welser, Das Legat einer fremden Sache, NZ 1994, 197; s auch bei § 777.
1 Eine weitgehende Entkräftung des Testaments, Kodizills (SZ 41/181)
oder Erbvertrags (§ 1254) ist die Folge der irrtümlichen Präterition des einzigen pflichtteilsberechtigtes Kindes oder aller Kinder. Ebenso wenn ein bei der Testamentserrichtung kinderloser Erblasser nach Erklärung seines letzten Willens durch Geburt oder Adoption ein Kind erhält, das er im letzten Willen nicht berücksichtigt hat (Agnationsfall nach dem römischen Grundsatz testamentum agnatione postumi rumpitur; Gai. Inst. 2, 131; Weiß/K III 880). 2 Die Berücksichtigung künftiger Kinder – mit der Wirkung, dass
§ 778 nicht anzuwenden ist – erfordert deren Erwähnung (SZ 41/22), kann aber auch in deren Enterbung (im untechnischen Sinn) bestehen. Bedenkt der Testator ein Pflegekind, das er später adoptiert, so ist § 778 anwendbar, außer er hat die Berücksichtigung im Testament bereits in Hinblick auf die künftige Noterbenstellung vorgenommen (SZ 40/74; SZ 46/44). 3 In beiden Fallgruppen des § 778 geht es um einen Irrtum des Erblas-
sers. Für den Agnationsfall wurde dies von Kralik, JBl 1973, 541, gegen die ältere Auffassung nachgewiesen, die die Bestimmung im Anschluss an das römische Recht iS eines formellen Noterbrechts des nachgeborenen Kindes verstand (Weiß/K III 883 f) und nach der es unerheblich war, ob der Erblasser ohne Irrtum genauso testiert hätte (JBl 1975, 40 Kralik). In SZ 46/44 und JBl 1975, 427 Eccher hat der OGH diesen Standpunkt aufgegeben. Heute ist es hA, dass die letztwillige Verfügung des Erblassers unverändert wirksam bleibt, wenn er bei Errichtung des letzten Willens die Geburt seines Kindes vorausgesehen hat (vgl SZ 41/22), oder wenn er bei Kenntnis der künftigen Entwicklung ebenso verfügt hätte, also wenn der Irrtum nicht kausal war (SZ 56/64; 5 Ob 581/90 SZ 63/210; K/W II 488; Eccher, ErbR Rz 4/30). Die Beweislast für die Widerlegung der Vermutung des § 778 trifft den Testamentserben (EvBl 1981/1). In den Fällen der Testamentserrichtung durch den außerehelichen Vater vor dem 1.7.1971 trifft hingegen die Beweislast das Kind, das nicht von Geburt an, sondern erst infolge der Gesetzesänderung (BGBl 1970/342) Noterbe wurde (SZ 63/210). 644
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Pflichtteil
§ 779
Der Irrtum des Erblassers über die Möglichkeit, dass ihm künftig 4 Kinder geboren werden, ist nur dann relevant, wenn diese Kinder im Zeitpunkt seines Todes noch leben, erbfähig sind und den ihnen zugedachten Erbteil annehmen (SZ 59/71). Der übergangene Noterbe kann, wenn ihn der Testator ohne Irrtum 5 nicht übergangen hätte, die letztwillige Verfügung anfechten (vgl § 777 Rz 3), so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt (hA; aM Kralik, JBl 1973, 548 f: der Übergangene erhält den gesetzlichen Erbteil). Auch die meisten Vermächtnisse sind hinfällig: Aufrecht bleiben nur Legate zugunsten öffentlicher Anstalten, zur Belohnung geleisteter Dienste (SZ 41/181: auch bei hoher Belohnung) und fromme Vermächtnisse, dh zu religiösen und wohltätigen Zwecken (SZ 56/187), in Höhe von maximal einem Viertel des reinen Nachlasses. § 779. (1) Wenn ein Kind vor dem Erblasser stirbt und Abstämmlinge hinterläßt; so treten diese mit Stillschweigen übergangenen Abstämmlinge in Ansehung des Erbrechtes an die Stelle des Kindes. (2) Die Nachkommen eines vorverstorbenen Noterben, dessen Pflichtteil gemindert worden ist, können nur den geminderten Pflichtteil fordern. [idF BGBl 1989/656] Lit: Czermak, Erlöschen der Substitution nach § 617 ABGB, NZ 1986, 1; Kletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft 21 ff; s auch bei § 773a.
Abs 1 regelt eine „stillschweigende“ Substitution: Stirbt ein vom Tes- 1 tator übergangenes (vgl §§ 776 ff) oder von ihm eingesetztes (Rz 2) Kind vorzeitig und hinterlässt es Nachkommen, so treten diese – entsprechend dem typischen Erblasserwillen (1 Ob 674/89 EF 63.102; Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 24) – an die Stelle des Kindes. Wurde das Kind bewusst übergangen, so erhalten seine Nachkommen nur den Pflichtteil. Ebenso wenn der Testator zwar das Kind irrtümlich, die Nachkommen jedoch bewusst überging. Hat er das Kind und dessen Nachkommen irrtümlich übergangen, so erben die Deszendenten nach §§ 777 f. Nach Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft 30, gilt § 779 nur für leibliche, zufolge § 182 Abs 1 nicht für adoptierte Abstämmlinge. Ist das zum Erben oder Legatar eingesetzte Kind vorverstorben, so 2 erhalten die Dezendenten als testamentarische Erben oder Legatare den Erbteil bzw das Legat des Bedachten (GlU 2075; EF 63.102). § 779 Abs 1 hat Vorrang gegenüber der Anwachsung nach § 560 (EF 63.052). Die Substitution tritt jedoch nicht ein, wenn sie dem konkreten ErbApathy
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Pflichtteil
§ 780
lasserwillen widerspricht (vgl SZ 22/194: letztwillig vermachtes höchstpersönliches Aufgriffsrecht), insb wenn der Testator eine Anordnung (Substitution) getroffen hat. Auf andere Testamentserben ist die Regelung nicht zu erstrecken (SZ 61/227: Bruder vorverstorben). 3 Abs 1 ist analog anzuwenden, wenn das übergangene oder eingesetz-
te Kind nach der Errichtung des letzten Willens erbunwürdig wird (Czermak, NZ 1986, 7 f). 4 Abs 2 wurde zusammen mit § 773a mit Wirkung vom 1.1.1991 einge-
fügt. Ist der Noterbe, dessen Pflichtteil gemindert wurde, vorverstorben, so können im Zweifel auch dessen Nachkommen bloß den herabgesetzten Pflichtteil fordern, doch kann die Auslegung anderes ergeben. Abs 2 ist auf die Pflichtteilminderung zu Lasten der Aszendenten analog anzuwenden (Umlauft, JBl 1992, 563; Eccher/S Rz 9; Welser/R Rz 7). § 780. Die Abstämmlinge eines enterbten Kindes sind bloß befugt, den Pflichtteil zu verlangen, dies aber auch, wenn der Enterbte den Erblasser überlebt hat. [idF III. TN] Lit: Umlauft, Die Pflichtteilsminderung im Lichte des Repräsentationsrechts, JBl 1992, 557; Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform (1981).
1 Während die Nachkommen des Erbunwürdigen bei gesetzlicher Erb-
folge gemäß § 541 an dessen Stelle zur Erbfolge berufen werden, steht den Nachkommen des rechtmäßig enterbten Kindes, wenn der Testamentserbe erwirbt (§ 541 Rz 2), nur der Pflichtteil zu (SZ 43/193; formelle Repräsentation). Anerkennt das enterbte Kind die Rechtmäßigkeit der Enterbung, so kann der Testamentserbe die Rechtmäßigkeit der Enterbung nicht bestreiten (2 Ob 511/94 SZ 67/53: Enterbung der Tochter und deren Kinder). § 781. Werden der Ehegatte oder die Eltern mit Stillschweigen übergangen, so können sie nur den Pflichtteil fordern. [idF BGBl 1978/280]
1 Die begünstigte Geltendmachung eines Irrtums bei der Übergehung
ist den Nachkommen des Erblassers vorbehalten (§ 777 Rz 1). Will sich der übergangene Ehegatte oder Aszendent nicht mit dem Pflichtteil begnügen, so muss er die Voraussetzungen zur Irrtumsanfechtung (§ 572) beweisen, insb dass der Testator ihn bei Kenntnis nicht übergangen und den Testamentserben nicht eingesetzt hätte. 646
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Pflichtteil
§ 783
§ 782. Wenn der Erbe beweisen kann, daß ein mit Stillschweigen übergangener Noterbe sich einer der in den §§ 768–770 angeführten Enterbungsursachen schuldig gemacht hat; so wird die Übergehung als eine stillschweigende rechtliche Enterbung angesehen. Der Erbe hat nicht nur den Enterbungsgrund, sondern auch dessen 1 Kausalität für die Übergehung oder Verkürzung des Noterben zu beweisen (SZ 38/194; EF 36.086; § 771 Rz 2). Wer zur Entrichtung des Erb- oder Pflichtteils beizutragen habe § 783. In allen Fällen, wo einem Noterben der gebührende Erboder Pflichtteil gar nicht oder nicht vollständig ausgemessen worden ist, müssen sowohl die eingesetzten Erben als auch die Legatare, nicht jedoch der Ehegatte mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, verhältnismäßig zur vollständigen Entrichtung beitragen. [idF BGBl 1989/656] Lit: Ch. Rabl, § 777 und die Anpassung einer letztwilligen Verfügung, NZ 1996, 49; Samek, Pflichtteilsrecht 73 ff; Umlauft, Anrechnung 161 ff; Zankl, Vorausvermächtnis 125 ff.
Kommt es zu einer Umgestaltung des letzten Willens (§§ 777 f) oder 1 ist der Pflichtteil des Noterben im letzten Willen nicht (ausreichend) berücksichtigt, so haben alle Erben und Legatare, aber auch Auflagenbegünstigte (Zemen, ÖJZ 1985, 69) die Belastung proportional zu tragen, also im Verhältnis der jeweiligen Beteiligung am Nachlass (2 Ob 593/93 NZ 1994, 234; 6 Ob 666/95 SZ 69/155). Ein Miterbe, dem auch Legate ausgesetzt sind, hat daher nicht nur im Verhältnis der Erbquote beizutragen (7 Ob 547/92 SZ 65/73). Nicht nur Testamentserben, sondern auch gesetzliche und vertragliche Erben werden gekürzt. Die Kürzung darf freilich nicht dazu führen, dass ein anderer Noterbe, insb wenn ihm nicht mehr als der Pflichtteil zugewendet worden ist, in seinem Pflichtteil verkürzt wird. Nach Ch. Rabl, NZ 1996, 52 f, steht dem Betreffenden ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Geld zu, was nur überzeugt, wenn dies dem hypothetischen Willen des Erblassers besser entspricht als die dem Pflichtteilsrecht entsprechende Kürzung der vom Erblasser bestimmten Erbteile. Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (§ 758) erfährt im Hinblick auf seinen Unterhalts- und Pflichtteilscharakter keine Kürzung (Welser/R Rz 6; aM Zankl, Vorausvermächtnis 127 ff). Eine abgeschlossene Regelung trifft § 14 WEG 2002 bei gemeinsamem Apathy
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§ 784
Wohnungseigentum (§ 758 Rz 8), so dass bei Anwachsung § 783 nicht eingreift. 2 Die Legatsreduktion nach § 783 ist von der nach § 692 zu unterschei-
den: Während die Reduktion nach § 692 mit der Haftung des Erben nach außen zusammenhängt, daher eine bedingte Erbantrittserklärung und einen zur Befriedigung aller unzureichenden Nachlass voraussetzt (§ 692 Rz 1), regelt § 783 die materielle Beitragspflicht der Vermächtnisnehmer, also die Frage, wann und in welchem Ausmaß die Legatare die Erben bei der Pflichtteilsdeckung zu entlasten haben (1 Ob 627/91 SZ 65/7; Zemen, ÖJZ 1985, 68 f). Diese Entlastung greift auch dann ein, wenn der Nachlass zur Befriedigung aller ausreicht oder der Erbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat. Wird der Pflichtteil des Erben durch Legate verkürzt, so erfahren die Legate auch dann eine Kürzung gemäß § 783, wenn der Erbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat (SZ 65/7). Zum Ausgleich in Geld, wenn eine reale Kürzung untunlich ist s § 692 Rz 1. 3 Hat der Legatar das Vermächtnis bereits erhalten, so ist der Wert des
Legats nach dem Zeitpunkt des Empfangs des Vermächtnisses zu bemessen; bei einer Liegenschaft ist aber nicht auf die Eintragung des Eigentumsrechts des Legatars abzustellen, auf die der Erbe keinen Einfluss nehmen kann, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem der Legatar nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens in die Lage gesetzt ist, die Einverleibung zu beantragen (7 Ob 512/90 SZ 63/39). 4 Der Noterbe hat idR nur einen Anspruch gegen Nachlass bzw den
Erben gemäß § 775, nicht aber gegen den beitragspflichtigen Legatar (§ 764 Rz 1). Der Nachlass bzw Erbe kann die Legate kürzen (1 Ob 652/92 NZ 1996, 88; § 692 Rz 1) bzw den Legatar gemäß § 693 in Anspruch nehmen, wenn er ein Legat ungekürzt geleistet hat (SZ 65/73). Diesen Kondiktionsanspruch (§ 693 Rz 1) kann der Noterbe pfänden und sich überweisen lassen (NZ 1994, 234). Ist der verkürzte Noterbe jedoch zugleich auch Erbe, kann er den Vermächtnisnehmer (SZ 65/73; 6 Ob 2035/96z EF 81.340) oder den auf den Todesfall Beschenkten (9 Ob 98/01d NZ 2002, 94; vgl § 785 Rz 2) in Anspruch nehmen. Art der Ausmessung und Berechnung des Pflichtteiles § 784. Um den Pflichtteil richtig ausmessen zu können, werden alle zur Verlassenschaft gehörigen beweglichen und unbeweglichen Sachen, alle Rechte und Forderungen, welche der Erblasser auf seine Nachfolger frei zu vererben befugt war, selbst alles, was ein Erbe oder Legatar in die Masse schuldig ist, genau beschrieben und 648
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§ 784
geschätzt. Den Noterben steht frei, der Schätzung beizuwohnen und ihre Erinnerungen dabei zu machen. Auf eine Feilbietung der Verlassenschaftsstücke zur Erhebung des wahren Wertes kann von ihnen nicht gedrungen werden. Schulden und andere Lasten, welche schon bei Lebzeiten des Erblassers auf dem Vermögen hafteten, werden von der Masse abgerechnet. [idF III. TN]
Bemessungsgrundlage für den Nachlasspflichtteil ist der reine Nach- 1 lass: Von den Nachlassaktiven sind die Erblasser- und Erbgangsschulden, insb Begräbnis- und Verfahrenskosten, nicht aber aus dem letzten Willen entspringende Lasten (§ 786), auf den Todesfall geschenkte Sachen (7 Ob 2373/96p SZ 70/107; 4 Ob 246/99a SZ 72/143) sowie das gesetzliche Vorausvermächtnis (§ 758; 6 Ob 184/99y JBl 2000, 377) abzuziehen (Eccher, ErbR Rz 8/8 und Rz 12/1; 7 Ob 273/98t SZ 71/189). Die Bewertung (Schätzung) der Aktiven, Passiven (SZ 49/136: Entlohnung für Dienstleistungen im Hinblick auf eine Erbeinsetzung; NZ 1990, 153: Dienstbarkeit) sowie der sofort fälligen letztwilligen Zuwendungen an den Noterben erfolgt nach dem gemeinen Wert (§ 305) am Todestag des Erblassers (SZ 37/32: Vermächtnis eines Fruchtgenussrechts; SZ 57/90), und zwar idR dem Verkehrswert (6 Ob 586/94 JBl 1995, 320; § 2 Abs 2 LBG: Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr erzielt werden kann). Beruht der Wert einer Sache nach der Verkehrsauffassung vor allem auf ihrem Ertrag, so ist der Pflichtteilsberechnung der Ertragswert zugrunde zu legen (EF 51.410: Unternehmen; 2 Ob 556/92 EF 68.984: Untervermietrecht), doch ist bei einer Landwirtschaft neben dem Ertragswert auch der Verkehrswert angemessen zu berücksichtigen (SZ 49/118). Bei einem Erbhof ist der Übernahmspreis maßgebend (§ 11 AnerbenG: SZ 55/150; 6 Ob 44/03v NZ 2004, 175; § 21 Tir HöfeG: 6 Ob 108/97v SZ 71/180; § 12 Krnt HöfeG 6 Ob 288/02z SZ 2003/103); gehört der Erwerber jedoch nicht zu den gesetzlichen Erben, so der Verkehrswert (5 Ob 537/95 SZ 68/201). Bei einer Kleinlandwirtschaft stellt SZ 53/167 auf das Mittel aus Ertragsund Verkehrswert ab. Zur Berücksichtigung von Änderungen bis zur wirklichen Zuteilung des Pflichtteils s § 786 Rz 2 ff. Zum Schenkungspflichtteil s § 785. Tritt der überlebende Ehegatte in das Mietverhältnis gemäß § 14 MRG ein, so gehört dieses nicht zum Nachlass, so dass eine Ablösezahlung für die Aufgabe der Mietrechte bei der Bemessung des Pflichtteils außer Betracht bleibt (SZ 71/189). Ebenfalls nicht zur Pflichtteilsbemessungsgrundlage gehört eine Sache, über die der Erblasser nicht zugunsten des Noterben verfügen konnte (6 Ob 665/94 NZ 1997, 151; dazu Kletecˇka, NZ 1997, 137). Zahlt ein Versicherer auf Apathy
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§ 785
Grund einer auf einen Begünstigten lautenden Lebensversicherung an den Gläubiger des Erblassers, zu dessen Gunsten eine Vinkulierung vereinbart ist, so mindert nach 7 Ob 158/98f NZ 2000, 116 die Versicherungsleistung die Nachlassschulden jedenfalls dann nicht, wenn die Noterben keine Verpfändung der Versicherungssumme zur Sicherung der Verpflichtung des Erblassers nachweisen können. 2 Im Verlassenschaftsverfahren kann der Noterbe – nach dessen Tod
der Verlassenschaftskurator (SZ 57/11) – die Errichtung des Inventars beantragen (§ 804), der Schätzung (Befundaufnahme) beiwohnen und Erinnerungen dazu machen (1 Ob 613/91 SZ 64/184). Diese Rechte stehen ihm auch bei Enterbung zu, solange nicht im Prozessweg die Rechtmäßigkeit der Enterbung geklärt ist (4 Ob 539/95 SZ 68/126). Die Wertermittlung im Verlassenschaftsverfahren ist aber für die endgültige Höhe des im streitigen Verfahren durchzusetzenden Pflichtteilsanspruchs nicht bindend (SZ 64/184). Der Noterbe kann sich allerdings mit einer Nachlassbewertung durch ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis zufrieden geben (EF 33.680). Der Noterbe ist insoweit Partei iSd § 2 AußStrG (SZ 68/126 zu § 9 AußStrG aF; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren 3, 2000, Rz 72) und muss von der Einleitung des Verfahrens und allen weiteren wesentlichen Vorkommnissen verständigt werden (7 Ob 177/01g NZ 2001, 446; § 176 Abs 1 AußStrG). Nichtverständigung eines bekannten Noterben begründet Nichtigkeit des Abhandlungsverfahrens (Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen 2 , 2000, Rz 135), und zwar auch bei Enterbung, da über den Enterbungsgrund erst im Verfahren zu entscheiden ist (vgl SZ 24/291). Ohne Beteiligung des Noterben vorgenommene Schätzungen sind daher neu durchzuführen (SZ 64/184). Zur eidlichen Einvernahme des Erben zum Umfang des Nachlasses s 2 Ob 536/93 SZ 67/171. Zur Antrags- und Rechtsmittellegitimation des Noterben in Bezug auf die schriftliche Abhandlungspflege s 6 Ob 161/99s NZ 2000, 219. § 785. (1) Auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten sind bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Der Gegenstand der Schenkung ist dem Nachlaß mit dem Wert hinzuzurechnen, der für die Anrechnung nach § 794 maßgebend ist. (2) Das Recht nach Abs. 1 steht einem Kind nur hinsichtlich solcher Schenkungen zu, die der Erblasser zu einer Zeit gemacht hat, zu der er ein pflichtteilsberechtigtes Kind gehabt hat, dem Ehegatten nur hinsichtlich solcher Schenkungen, die während seiner Ehe mit dem Erblasser gemacht worden sind. 650
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(3) In jedem Fall bleiben Schenkungen unberücksichtigt, die der Erblasser aus Einkünften ohne Schmälerung seines Stammvermögens, zu gemeinnützigen Zwecken, in Entsprechung einer sittlichen Pflicht oder aus Rücksichten des Anstandes gemacht hat. Gleiches gilt für Schenkungen, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht worden sind. [idF BGBl 1978/280] Lit: B. Jud, Privatstiftung und Pflichtteilsdeckung, FS Welser (2004) 369; Mader, Pflichtteilsverzicht und Schenkungsanrechnung – Rechtsmissbrauch oder Gesetzesumgehung? FS Welser (2004) 669; Ch. Rabl, Die Schenkung auf den Todesfall im Pflichtteilsrecht, NZ 2005, 129; Samek, Pflichtteilsrecht 168 ff; Umlauft, Anrechnung 148 ff; Zankl, Umgehung der Schenkungsanrechnung, NZ 2001, 111.
Vom Nachlasspflichtteil (§ 784 Rz 1) zu unterscheiden ist der Schen- 1 kungspflichtteil. Der Erblasser soll die Pflichtteilsansprüche nicht dadurch willkürlich schmälern, dass er insb in der letzten Zeit vor seinem Tod durch lebzeitige Schenkungen sein Vermögen vermindert (4 Ob 136/98y SZ 71/93). Zudem ist die Gleichstellung aller pflichtteilsberechtigten Kinder bezweckt (1 Ob 46/01y JBl 2001, 649). Daher können bestimmte Noterben (Rz 3) die Hinzurechnung bestimmter Schenkungen (Rz 2, 5 f) zum Nachlass (Rz 4) beantragen, nicht aber die Inventarisierung der zu Lebzeiten verschenkten und übergebenen Sachen (2 Ob 192/98v NZ 2000, 281). Schenkung iSd § 785 ist eine Handschenkung oder ein förmlicher 2 Schenkungsvertrag; ferner – Unentgeltlichkeit vorausgesetzt – ein Verzicht, eine Zuwendung an eine Privatstiftung (Umlauft, Anrechnung 177 ff), die Begünstigung aus einer Lebensversicherung (in Höhe der Versicherungssumme: 4 Ob 136/97x JBl 1997, 663); ebenso die Ausschlagung einer Erbschaft, wenn etwa der dadurch begünstigte Miterbe den durch die Ausschlagung erlangten Liegenschaftsanteil an ein Kind der ausschlagenden späteren Erblasserin weiterschenkt, um die Ansprüche anderer Kinder zu verkürzen (2 Ob 354/98t JBl 2001, 102; dazu Peer, JBl 2001, 127; Zankl, NZ 2001, 115 f). Auch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen über den Abfindungsanspruch des Nachlasses nach dem ausscheidenden Gesellschafter dürfen die Pflichtteilsansprüche nicht schmälern (10 Ob 34/97s HS 28.033; Umlauft, Anrechnung 172 f; vgl § 531 Rz 6). Gemischte Schenkungen sind mit dem Schenkungsanteil zu berücksichtigen. Eine gemischte Schenkung kann nicht immer angenommen werden, wenn die Leistung der einen Seite objektiv wertApathy
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voller ist als die der anderen, sondern erfordert die Vereinbarung, dass die hingegebene Sache teilweise geschenkt sein soll (Apathy/Riedler, SR BT Rz 2/4). Wegen der schutzwürdigen Interessen der Pflichtteilsberechtigten indiziert ein krasses Missverhältnisses zwischen der Leistung des späteren Erblassers und der Gegenleistung im Schenkungszeitpunkt das Vorliegen von Schenkungsabsicht (SZ 59/6; 3 Ob 66/97w Miet 50.101). Der Wert wiederkehrender Gegenleistungen ist dabei nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu ermitteln (SZ 53/167). Nach hA ist die auf den Todesfall geschenkte Sache im Nachlass vorhanden und nicht nach § 785 anzurechnen (4 Ob 2029/96b SZ 69/108; 7 Ob 2373/96p SZ 70/107; Umlauft, Anrechnung 162). Dies gilt zweifellos für die widerrufliche, nach Vermächtnisrecht zu beurteilende Schenkung auf den Todesfall (§ 956 S 1; Eccher/S Rz 6). Wurde hingegen ein Widerrufsverzicht wirksam vereinbart, so schuldet der Nachlass die Übereignung und diese Verpflichtung bildet ein Nachlasspassivum (1 Ob 586/92 SZ 65/113; SZ 69/108; Schubert/R § 956 Rz 3; aM Welser/R § 802 Rz 12). Daher muss die Schenkung gemäß § 785 angerechnet werden (Kralik, ErbR 300; Ch. Rabl, NZ 2005, 136 ff; aM hier § 956 Rz 4), um eine Beeinträchtigung der Interessen der Pflichtteilsberechtigten zu vermeiden. Gegen die Beurteilung als Vermächtnis spricht neben der Unwiderruflichkeit insb, dass der Beschenkte den Schenker nicht überleben muss. 3 Anrechnungsberechtigt sind Nachkommen und der Ehegatte, wenn
sie tatsächlich Noterben sind; nicht hingegen pflichtteilsberechtigte Aszendenten, ein Enkel, dessen pflichtteilsberechtigter Elternteil noch lebt (SZ 38/98; 3 Ob 47/97a NZ 1998, 57) oder eine auf den Todesfall Beschenkte (5 Ob 537/95 SZ 68/201). Ein Kind ist zudem nur anrechnungsberechtigt, wenn der Erblasser zur Zeit der Schenkung ein pflichtteilsberechtigtes Kind hatte; es kommt nicht darauf an, dass das die Anrechnung begehrende Kind damals schon lebte (oder gezeugt war). Dabei kann das uneheliche Kind die Schenkungsanrechnung auch dann geltend machen, wenn die Schenkung vor dem 1.1.1991 erfolgt ist (7 Ob 595/93 SZ 67/50). Ein Ehegatte ist nur anrechnungsberechtigt, wenn er bei der Schenkung mit dem Erblasser verheiratet war, nicht aber beim Abschluss der Schenkung an den Sohn in Notariatsaktform am Tag vor der Heirat (1 Ob 652/92 NZ 1996, 88). Dass der Noterbe zugleich gesetzlicher oder testamentarischer Erbe ist, hindert ihn nicht, Ansprüche nach § 785 zu erheben (6 Ob 206/02s SZ 2002/150). 4 Die Anrechnung erfolgt dadurch, dass der Wert der Schenkung
(§ 794) zum reinen Nachlass hinzugerechnet und auf dieser Grund652
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§ 785
lage der erhöhte Pflichtteil ermittelt wird (1 Ob 525/92 SZ 65/39). Der Mehrbetrag im Vergleich zum Nachlasspflichtteil heißt Schenkungspflichtteil (Pflichtteilserhöhung). Für dessen Ermittlung ist der Wert (im Zeitpunkt des Erbanfalls: § 784 Rz 1) maßgebend, den die Verlassenschaft hätte, wäre die pflichtteilswidrige Verfügung unterblieben (SZ 65/39; 6 Ob 108/97v SZ 71/180: Aufwertung des Wertes im Schenkungszeitpunkt auf den im Todeszeitpunkt des Erblassers). Wertsteigerungen, die auf den Beschenkten zurückzuführen sind, sind daher weder bei beweglichen noch bei unbeweglichen Sachen zu berücksichtigen (4 Ob 246/99a NZ 2000, 170 Zankl: ebenso bei Schenkung auf den Todesfall). Bei Übergabe einer Landwirtschaft unter Lebenden (vorweggenommene Erbfolge) gilt der auf bäuerlichem Gewohnheitsrecht beruhende Grundsatz des Wohlbestehens nicht nur bei Erbhöfen (6 Ob 237/97i EF 84.335), wenn der Übernehmer zu den gesetzlichen Erben gehört (SZ 68/201; oben § 784 Rz 1). Zum Verkauf als Bauland bestimmte Liegenschaften sowie Baugrundstücke, die nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, sind auch in Zusammenhang mit einem bäuerlichen Übergabsvertrag nicht mit dem Übernahmspreis, sondern mit dem Verkehrswert zu veranschlagen (SZ 59/6; 6 Ob 359/97f SZ 71/112). Schenkt ein Ehegatte dem anderen die im Wohnungseigentum stehende Ehewohnung, so ist deren Wert nicht um den fiktiven Wert des gesetzlichen Vorausvermächtnisses zu mindern (6 Ob 615/95 SZ 69/13; vgl § 784 Rz 1). Nicht anzurechnen sind nach Abs 3 Schenkungen, die der Erblasser 5 aus den Einkünften ohne Schmälerung seines Stammvermögens oder zu gemeinnützigen Zwecken gemacht hat. Ferner Schenkungen aus Rücksichten des Anstandes oder in Entsprechung einer sittlichen Pflicht, wenn also eine besondere, aus den konkreten Umständen des Falles erwachsene, in den Geboten der Sittlichkeit wurzelnde Verpflichtung des Schenkers bestand (7 Ob 304/97z SZ 70/231). Dass dem Beschenkten für seine Leistungen geradezu ein Lohn (zB als Pfleger) zustand, ist nicht erforderlich. Je nach den Umständen kann die Schenkung ganz oder teilweise als einer sittlichen Pflicht entsprechend gewertet werden (SZ 70/231). Entgegen 7 Ob 561/95 SZ 68/198 muss die Schenkung aus sittlicher Pflicht nicht aus den Einkünften ohne Schmälerung des Stammvermögens erfolgen. Bsp: Belohnung für Leistungen des Beschenkten, die weit über dessen Beistandspflicht hinausgehen (RZ 1983, 276; JBl 2001, 649: langjährige Betreuung und Pflege, um den Aufenthalt in einem Pflegeheim zu ersparen); Versorgung des überlebenden Ehegatten durch Lebensversicherung in vernünftiger Relation zu den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Beteiligten (JBl 1997, 663). Apathy
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Nicht anzurechnen sind schließlich Schenkungen, die er früher als zwei Jahre vor seinem Tod an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht (= Notariatsakt, Handschenkung) hat (vgl SZ 70/231: Schenkung an Enkel, dessen Vater Erbe ist). 6 Schenkungen an Noterben sind hingegen auch dann anrechenbar,
wenn sie länger als zwei Jahre zurückliegen. Ob der Beschenkte und dessen Gesamtrechtsnachfolger unbefristet mit einer Anrechnung rechnen müssen, hängt zum einen von seiner konkreten Noterbenstellung im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ab (6 Ob 185/04f SZ 2004/153). Mangels konkreter Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls ist nicht als Noterbe anrechnungspflichtig, wer auf den Pflichtteil verzichtet hat (7 Ob 600/90 JBl 1991, 312 Eccher); außer bei rechtsmissbräuchlichem Verzicht (4 Ob 519/95 SZ 68/47; 1 Ob 152/03i SZ 2004/155), wofür beweispflichtig ist, wer den Rechtsmissbrauch behauptet (1 Ob 371/97h EF 87.210). Zum anderen muss der Beschenkte schon bei der Schenkung abstrakt pflichtteilsberechtigt gewesen sein, also in einem Verhältnis zum Erblasser gestanden haben, auf Grund dessen er Noterbe werden konnte. Anrechnungspflichtig ist daher der vor dem BGBl 1978/280 beschenkte Ehegatte, wenn der Erbfall bei aufrechter Ehe danach eintritt (SZ 56/85); ebenso der vor dem 1.1.1991 beschenkte uneheliche Sohn, der infolge des ErbRÄG pflichtteilsberechtigt geworden ist (SZ 71/93). Anrechnungspflichtig ist der künftige Noterbe ferner, wenn die Schenkung im Hinblick auf die künftige Heirat, Adoption oder Legitimation gemacht wird (SZ 71/93). 7 Auch der erhöhte Pflichtteilsanspruch ist im Prozessweg gegen den
Nachlass bzw die Erben geltend zu machen (§ 764 Rz 3). Doch haftet der Erbe bei unbedingter Erbantrittserklärung auch für den Schenkungspflichtteil nur bis zur Höhe des Nachlasses (Kralik, ErbR 306; vgl EvBl 1965/399). Reicht der Nachlass nicht aus, den Schenkungspflichtteil zu decken, so kann der verkürzte Noterbe nach § 951 gegen den Beschenkten und dessen Gesamtrechtsnachfolger vorgehen (SZ 65/39; 6 Ob 263/03z SZ 2004/15). § 786. Der Pflichtteil wird ohne Rücksicht auf Vermächtnisse, und andere aus dem letzten Willen entspringenden Lasten berechnet. Bis zur wirklichen Zuteilung ist die Verlassenschaft, in Ansehung des Gewinnes und der Nachteile, als ein zwischen den Haupt- und Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut zu betrachten. Lit: Welser, Hinterlassung des Pflichtteils als Vermächtnis und Abrechnungsgemeinschaft nach § 786 Satz 2 ABGB, NZ 1994, 269; s auch bei § 785.
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Pflichtteil
§ 786
Zu S 1 siehe § 784 Rz 1.
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Nach S 2 sind Veränderungen nach dem Todestag des Erblassers 2 (§ 784 Rz 1) bis zur wirklichen Zuteilung des Pflichtteils (Rz 4) in der Weise zu berücksichtigen, dass Erben und Noterben gemeinschaftlich die Gefahr tragen und Gewinne lukrieren. Dabei werden nicht nur reale Veränderungen der Nachlass-Sachen, Früchte und anderer Ertrag berücksichtigt, sondern insb auch Wertveränderungen infolge Kursschwankungen (vgl JBl 1956, 403 Steinwenter), Aufhebung einer Preisregelung (SZ 22/24) oder Geldentwertung (SZ 57/90); ebenso ein vom Schätzwert abweichender Veräußerungserlös (NZ 1990, 153). Die Regelung ist von dem Gedanken getragen, auch der Noterbe sei Erbe (Welser, NZ 1994, 269). Soweit er das nicht ist (§ 764 Rz 1), entsteht zwischen ihm und dem Erben keine Gemeinschaft iSd §§ 825 ff, sondern bloß eine schuldrechtliche Beteiligung an der Entwicklung des Nachlasses (SZ 57/90). S 2 schließt die Haftung des Erben bei schuldhafter unvorteilhafter Nachlassverwaltung nicht aus (Eccher/S Rz 2; auf Dispositionen in Schädigungsabsicht einschränkend Welser/R Rz 6: § 1295 Abs 2). Die Regelung gilt für den auf Geldzahlung gerichteten Pflichtteils- 3 (ergänzungs)anspruch. Die Beteiligung des Noterben nach S 2 ersetzt zwar den Anspruch auf Zinsen aus der fälligen Pflichtteilsforderung (SZ 57/90), schließt aber nicht aus, die Wertsteigerung durch den Zuspruch der gesetzlichen Zinsen abzugelten (9 Ob 204/00s EF 93.336). Insb ist der Anspruch auf den Schenkungspflichtteil bei Verzug verzinslich (6 Ob 109/03b NZ 2004, 147). Hat der Erblasser hingegen dem Noterben eine Sache vermacht, so trägt der Legatar gemäß § 686 das Risiko ab Fälligkeit des Legatsanspruchs (§ 686 Rz 1 f). Er wird daher nur insoweit Gemeinschafter iSv § 786 S 2, als der Pflichtteilsanspruch durch das Legat nicht gedeckt ist (Welser, NZ 1994, 270; vgl 2 Ob 593/93 NZ 1994, 234). Auch für die Berechnung des Schenkungspflichtteils ist § 786 S 2 nicht anzuwenden (SZ 57/7; 6 Ob 109/03b NZ 2004, 147), und zwar auch dann nicht, wenn der Beschenkte Erbe ist (6 Ob 633/91 NZ 1993, 13; 4 Ob 303/98g ecolex 1999, 461 B. Jud). Zuteilung des Pflichtteils: Maßgeblicher Zeitpunkt für die endgültige 4 Höhe des Pflichtteils(ergänzungs)anspruchs ist letztlich der der ziffernmäßigen Feststellung des Pflichtteils durch Vereinbarung oder Entscheidung (SZ 57/90; 2 Ob 60/99h NZ 1999, 378: Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz). Damit ist der Anspruch auf Auszahlung einer Werterhöhung gegenüber jenem Pflichtteilsanspruch fällig, der sich nach dem Tod des Erblassers ergibt und der Apathy
655
Pflichtteil
§ 787
bisher mit der Testamentseröffnung fällig war (SZ 46/68; SZ 49/118). Der Noterbe hat das Recht auf Rechnungslegung entsprechend einem Teilhaber einer Gemeinschaft und damit Anspruch auf Angabe des Verlassenschaftsvermögens gemäß Art XLII EGZPO gegenüber der Verlassenschaft, nach Einantwortung gegenüber dem Erben (SZ 48/19; 6 Ob 206/02s SZ 2002/150). Besteht jedoch wegen entsprechend großer Vorempfänge keine Gemeinschaft zwischen dem Erben und dem Noterben, so besteht keine Rechnungslegungspflicht (EvBl 1962/469). Anrechnung zum Pflichtteile; § 787. (1) Alles, was die Noterben durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers wirklich aus der Verlassenschaft erhalten, wird bei Bestimmung ihres Pflichtteiles in Rechnung gebracht. (2) Wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen in Anschlag zu bringen sind, muß sich jeder Noterbe auf die dadurch bewirkte Erhöhung seines Pflichtteiles die nach § 785 zum Nachlasse hinzuzurechnenden Geschenke anrechnen lassen, die er selbst vom Erblasser erhalten hat. [idF III. TN] Lit: Samek, Pflichtteilsrecht 132 ff; s auch bei §§ 785, 786.
1 Die Anrechnung (Einrechnung) letztwilliger Zuwendungen nach
Abs 1 entspricht der Freiheit des Erblassers zu bestimmen, wie er den Pflichtteil hinterlässt (§ 774). Schlägt der Noterbe die letztwillige Zuwendung aus, so kann er nicht den Geldpflichtteil fordern (§ 774 Rz 1). Einzurechnen ist auch alles, was dem Noterben durch Erbvertrag oder von Gesetzes wegen, zB als gesetzlicher Erbe, zukommt. Ebenso die Anwachsung des Hälfteanteils an einer Eigentumswohnung, wenn der überlebende Ehegatte keinen Übernahmspreis zu zahlen hat (§ 758 Rz 8; JBl 1987, 374 Czermak). Ein zum Nacherben eingesetzter Pflichtteilsberechtigter, der sofort seinen Pflichtteil (in Geld) fordert, muss sich das ihm später aus der Nacherbschaft Zugekommene anrechnen lassen (10 Ob 215/02v EF 100.604; 3 Ob 98/02m NZ 2003, 336). Wer ihm den Geldpflichtteil gezahlt hat, kann nach § 1435 kondizieren. Bei der Berechnung des Pflichtteiles ist auch vom Noterben tatsächlich erhaltenes ausländisches Vermögen zu berücksichtigen (EvBl 1987/95: Vermögenszuwachs nach US-Recht; LGZ Wien EF 33.682). Die Anrechnung erfolgt dadurch, dass vom gesamten Nachlasspflichtteil die nach Abs 1 zu berücksichtigenden Zuwendungen entsprechend ihrem Wert (Rz 2) abgezogen werden. Verbleibt ein Rest656
Apathy
Pflichtteil
§§ 788–789
betrag, so steht dem Noterben ein entsprechender Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Zur Bewertung der anzurechnenden Zuwendungen s § 784 Rz 1. Hat 2 das dem Noterben zukommende Legat wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand, so hat die Bewertung durch Schätzung entsprechend der Lebenserwartung des Begünstigten im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu erfolgen (SZ 37/32 mit Bezug auf § 15 KO; 1 Ob 2364/96w SZ 70/47: Wohnrecht gemäß § 758). Ist der Noterbe im Zeitpunkt der Zuteilung des Pflichtteils (§ 786 Rz 4) bereits verstorben, so bedarf es keiner Schätzung, deren Unrichtigkeit zudem bereits erwiesen ist. Vielmehr ist für die Einrechnung in diesem Fall das Ausmaß der dem Noterben tatsächlich erbrachten Leistungen maßgebend (2 Ob 60/99h NZ 1999, 378). Ebenso ist bei der Zuteilung zu berücksichtigen, wenn der Noterbe schon länger gelebt hat als seiner Lebenserwartung im Zeitpunkt des Todes des Erblassers entspricht (Welser, NZ 1994, 272). Schenkungen muss sich der Noterbe (unter den Voraussetzungen des 3 § 785) nur auf die Pflichtteilserhöhung (Schenkungspflichtteil), nicht auf den Nachlasspflichtteil anrechnen lassen (7 Ob 2373/96p SZ 70/107; 6 Ob 181/02i EvBl 2003/135). Macht er nur den Nachlasspflichtteil, nicht aber auch den Schenkungspflichtteil geltend, so mindern ihm gemachte Schenkungen (unter Lebenden; vgl § 785 Rz 2) seinen Pflichtteils(ergänzungs)anspruch nicht (SZ 59/146; 7 Ob 547/92 SZ 65/73), was die angestrebte Gleichstellung der Noterben (§ 785 Rz 1) beeinträchtigt. § 788. Was der Erblasser bei Lebzeiten seiner Tochter oder Enkelin zum Heiratsgute; seinem Sohne oder Enkel zur Ausstattung, oder unmittelbar zum Antritte eines Amtes, oder was immer für eines Gewerbes gegeben; oder zur Bezahlung der Schulden eines volljährigen Kindes verwendet hat, wird in den Pflichtteil eingerechnet. [idF BGBl 1989/162]
§ 789. Überhaupt sind in den Pflichtteil die als Vorschuß darauf geleisteten Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden einzurechnen; in den Pflichtteil des Ehegatten außerdem alles, was er als gesetzliches Vorausvermächtnis (§ 758) erhält. [idF BGBl 1978/280] Lit: Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erbund Pflichtteilsrecht (2001); Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (1996). Apathy
657
Pflichtteil
§§ 788–789
1 Wie die Schenkungsanrechnung (§ 785), so bezweckt auch die An-
rechnung von Vorempfängen und Vorschüssen die Gleichstellung der Noterben. Sie fördert aber auch die Testierfreiheit des Erblassers und kommt dem Testamentserben zugute, weil sich der von ihm geschuldete Pflichtteil um die anzurechnenden Leistungen verringert. Anders als die Schenkungsanrechnung erfolgt die Anrechnung nach §§ 788 f nicht nur auf Antrag bestimmter Noterben, sondern sie kann von allen Noterben sowie vom Testamentserben geltend gemacht werden. Zudem bezieht sich die Anrechnung nach §§ 788 f auf den Nachlasspflichtteil (6 Ob 627/91 JBl 1992, 709), die Schenkungsanrechnung nur auf den Schenkungspflichtteil (§ 787 Rz 3), so dass zwischen Schenkungen und Vorempfängen zu unterscheiden ist (SZ 59/146; 3 Ob 47/97a NZ 1998, 57 mit Hinweis auf die Möglichkeit gemischter Geschäfte; Umlauft, Anrechnung 18 ff). Den Vorempfang zu beweisen hat, wer ihn geltend macht, insb der durch den Pflichtteil belastete Erbe (SZ 59/146; NZ 1998, 57). Hat der Erblasser (durch letztwillige Erklärung) die Anrechnung erlassen, so wirkt dies gegen den Testamentserben, schmälert aber nicht die Pflichtteilsansprüche anderer Noterben (Umlauft, Anrechnung 57 ff). 2 Als Vorempfang anzurechnen sind (unabhängig vom Geschlecht des
Empfängers) Ausstattungsleistungen, zB ein Heiratsgut (Aussteuer; EvBl 1960/301: Notariatsakt nicht erforderlich); auch wenn kein Anspruch des Noterben bestand (Kralik, ErbR 293; vgl hingegen NZ 1998, 57 zur Abgrenzung gegenüber der Schenkung), zB bei Eingehung einer Lebensgemeinschaft (Umlauft, Anrechnung 25 ff). Ferner Zuwendungen im Hinblick auf die Berufsausübung (Kralik, ErbR 294; SZ 39/198: Existenzgründung; nach hA entgegen RZ 1978, 61 auch bei Zuwendungen an Töchter und Enkelinnen); Bezahlung von Schulden volljähriger Deszendenten ohne Regressanspruch; Abfindung beim Erb- und Pflichtteilsverzicht (§ 551 Rz 3). Vereinbaren Erblasser und Empfänger den Erlass der Anrechnung, so ist die Zuwendung als Schenkung zu beurteilen (§ 785; Umlauft, Anrechnung 51). Es kommt auf den Zweck der Zuwendung im Zeitpunkt von deren Leistung an. Dass der Noterbe eine aus anderem Anlass gewährte Zuwendung tatsächlich für seinen Beruf (oder zur Bezahlung von Schulden) verwendet hat, begründet keine Anrechnungspflicht (JBl 1992, 709). Der Empfänger muss beim Erbfall Noterbe und im Zeitpunkt der Leistung des Erblassers abstrakt pflichtteilsberechtigt sein (SZ 59/78; aM Kralik, ErbR 296). Den Nachkommen werden jedoch die Vorempfänge der Vorfahren analog § 790 S 3 angerechnet (NZ 1988, 42 Findeis). Bei einer Bezahlung von Schulden nach dem Tod des Noterben erfolgt keine Leistung an einen potentiellen Noterben, so 658
Apathy
Pflichtteil
§ 790
dass sich dessen Kinder die Leistung nicht anrechnen lassen müssen (SZ 59/78). Vorschüsse sind freiwillige, lebzeitige Leistungen des Erblassers zum 3 mit dem Noterben vereinbarten Zweck, zur Verrechnung auf den Pflichtteil gegeben und genommen worden zu sein (SZ 59/146; Umlauft, Anrechnung 38: entgeltfremdes Rechtsgeschäft). Die Vereinbarung kann auch nachträglich getroffen werden; dadurch wird aus einer Schenkung (§ 791) eine anrechnungspflichtige Zuwendung (Umlauft, Anrechnung 47 f: analog § 551 notariatsaktpflichtige Novation). Ohne eine entsprechende Vereinbarung kann der Erblasser die Anrechnung nicht im Nachhinein verfügen (SZ 38/98; JBl 1992, 709). Die Anrechnung von Vorempfängen und Vorschüssen erfolgt derart, 4 dass man den Wert der anrechnungspflichtigen Posten (§ 794) dem reinen Nachlass hinzurechnet. Von der Summe werden die Pflichtteile errechnet und beim einzelnen Noterben dessen anrechnungspflichtiger Vorempfang vom ganzen Nachlasspflichtteil und nicht nur von der durch die Anrechnung bewirkten Erhöhung abgezogen (JB 114; 7 Ob 2373/96p SZ 70/107). Reicht der reine Nachlass nicht aus, die Ansprüche der Noterben zu decken, so tragen die Noterben diesen Nachteil nach JB 114 verhältnismäßig (Welser/R Rz 6), während nach Umlauft, Anrechnung 132 Vorempfänge analog § 951 anfechtbar sind. Über die in §§ 788 f genannten anrechnungspflichtigen Posten hinaus kann der Testator keine Anrechnungen auf den Pflichtteil anordnen (SZ 59/146; JBl 1992, 709). Unterhaltsleistungen des Erblassers sind auch dann nicht anrechenbar, wenn sie dem großjährigen Noterben erbracht werden. Die Entscheidung über die Anrechnung erfolgt nicht im Verlassenschaftsverfahren, sondern im Prozessweg (6 Ob 1624/95 EF 78.400). Im Gegensatz zu Vorempfängen und Vorschüssen ist das gesetzliche 5 Vorausvermächtnis (§ 758) nicht zum Nachlass hinzuzurechnen, da vermachte Sachen zum reinen Nachlass gehören (§ 784 Rz 1). Der überlebende Ehegatte muss sich den Voraus in seinen Pflichtteil einrechnen lassen (4 Ob 303/98g EF 87.218; 6 Ob 184/99y JBl 2000, 377). Zur Bemessung s auch § 787 Rz 2. oder zum Erbteile bei der gesetzlichen Erbfolge § 790. Die Anrechnung bei der Erbfolge der Kinder aus einem letzten Willen geschieht nur dann, wenn sie von dem Erblasser ausdrücklich verordnet wird. Dagegen muß auch bei der gesetzApathy
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Pflichtteil
§ 791
lichen Erbfolge ein Kind sich dasjenige, was es von dem Erblasser bei dessen Lebenszeit zu den oben (§ 788) erwähnten Zwecken empfangen hat, anrechnen lassen. Einem Enkel wird nicht nur das, was er unmittelbar selbst; sondern auch, was seine Eltern, in deren Stelle er tritt, auf solche Art empfangen haben, in den Erbteil eingerechnet. Lit: Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erbund Pflichtteilsrecht (2001).
1 Der Testator kann – auch bei gesetzlicher Erbfolge – die Anrechnung
auf den Erbteil im Rahmen der Testierfreiheit, also unter Wahrung der Pflichtteilsrechte, beliebig regeln, dh auch erlassen (§ 792). Bei testamentarischer Erbfolge kommt es nach S 1 nur dann zur Anrechnung, wenn sie der Erblasser deutlich anordnet (EvBl 1962/469; 3 Ob 257/04x ecolex 2005, 686), weil der Erblasser vermutlich den Ausgleich bei der Erbeinsetzung berücksichtigt hat (Kralik, ErbR 341 f). Die Anrechnungsanordnung kann auch andere Erben als die Deszendenten sowie Legatare betreffen. 2 Bei gesetzlicher Erfolge sind auch ohne erblasserische Anordnung
die in § 788 genannten Vorempfänge eines Kindes anzurechnen (S 2). Ferner sind Vorschüsse auf den Erbteil entsprechend der Anrechnungsvereinbarung anzurechnen (Umlauft, Anrechnung 34). Zu Schenkungen s § 791. Die Anrechnung soll eine vom Erblasser vermutlich nicht gewollte Ungleichbehandlung der Kinder bzw deren Nachkommen verhindern. Nach hA beschränkt sich die Anrechnung auf die Kinder und deren Nachkommen und findet nur statt, wenn sie ein Kind verlangt; sie wirkt aber dann zu Gunsten und zu Lasten aller Kinder (K/W II 528; aM Umlauft, Anrechnung 79 ff, 85, demzufolge der Ehegatte und die Nachkommen eine einheitliche Anrechnungsgemeinschaft bilden). 3 Die Nachkommen der Kinder müssen sich neben den Zuwendungen,
die sie selbst erhielten, auch die Zuwendungen an den Vorfahren, den sie repräsentieren, anrechnen lassen (S 3). Ob die Nachkommen ihren Vorfahren beerbt haben, ist unerheblich. Zur analogen Anwendung auf das Pflichtteilsrecht s §§ 788–789 Rz 2. § 791. Was Eltern außer den erwähnten Fällen einem Kinde zugewendet haben, wird, wenn die Eltern nicht ausdrücklich die Erstattung sich ausbedungen haben, für eine Schenkung gehalten, und nicht angerechnet. 660
Apathy
Pflichtteil
§ 793
Schenkungen und nicht in §§ 788 f genannte unentgeltliche Zuwen- 1 dungen des Erblassers an seine Kinder sind bei gesetzlicher Erbfolge nicht anzurechnen (EF 33.684); der Erblasser kann aber die Anrechnung letztwillig anordnen (§ 790 Rz 1; EF 33.685). Rückzahlungspflichtige Zuwendungen (zB Darlehen) begründen eine Nachlassforderung, nicht bloß eine Anrechnungsverpflichtung; § 793 kommt daher nicht zur Anwendung (Weiß/K III 945). § 792. Die Eltern können einem Kinde die Anrechnung auch bei der gesetzlichen Erbfolge ausdrücklich erlassen. Wenn aber die nötige Erziehung und Versorgung der übrigen Kinder weder aus ihrem eigenen, noch aus dem Vermögen der Eltern bestritten werden könnte; so muß das Kind dasjenige, was es zu den im § 788 erwähnten Zwecken in voraus empfangen hat, sich in dem Maße anrechnen lassen, als es zur Erziehung für die Geschwister notwendig ist. [idF BGBl 1977/403] Lit: S bei § 790.
Der Erlass der in §§ 788 f genannten Zuwendungen muss hinreichend 1 deutlich erfolgen. Dass der Vater (wahrheitswidrig) erklärt hat, das Heiratsgut sei aus dem Vermögen der Tochter bestellt, wurde nicht als ausdrücklicher Erlass beurteilt (GlUNF 6499). S 2 beschränkt die Zulässigkeit eines Anrechnungserlasses im Inter- 2 esse eines unterhaltsbedürftigen Kindes des Erblassers, ist aber im Hinblick auf die Vererblichkeit des Unterhaltsanspruchs (§ 142) weitgehend bedeutungslos. Denn der vererbliche Unterhaltsanspruch hat jedenfalls Vorrang vor dem durch Vermächtnis verfügten Anrechnungserlass (Umlauft, Anrechnung 59). § 793. Die Anrechnung des Empfangenen zum Erbteile geschieht dadurch, daß jedes Kind den nämlichen Betrag noch vor der Teilung erhält. Ist die Verlassenschaft dazu nicht hinreichend; so kann zwar das früher begünstigte Kind keinen Erbteil ansprechen, aber auch zu keiner Erstattung angehalten werden. Nach hA erfolgt die Anrechnung (entgegen dem Wortlaut von S 1) wie 1 beim Pflichtteil: Die anzurechnenden Posten werden zum Nachlass hinzugerechnet; davon die Werte der Erbteile ermittelt und von diesen anrechnungspflichtige Empfänge abgezogen (§§ 788–789 Rz 4; GlUNF 7612; K/W II 528 f; Eccher, ErbR Rz 7/28). Die – auch für die Haftung von Miterben bedeutsamen – Erbquoten ändern sich durch die Anrechnung nicht. Apathy
661
Pflichtteil
§ 794
2 S 2 beschränkt die Anrechnung zum Erbteil dahin, dass das anrech-
nungspflichtige Kind höchstens leer ausgeht (LG Wien EvBl 1950/358); eine Rückzahlungspflicht ist ausgeschlossen. § 794. Bei jeder Anrechnung wird, wenn das Empfangene nicht in barem Gelde; sondern in andern beweglichen oder unbeweglichen Sachen bestand, der Wert der letztern nach dem Zeitpunkte des Empfanges; der erstern dagegen nach dem Zeitpunkte des Erbanfalles bestimmt. Lit: S bei § 790.
1 Die Bewertung nach § 794 ist für die Anrechung von Schenkungen,
Vorempfängen und Vorschüssen auf den Pflicht- oder Erbteil anzuwenden. 2 Die Differenzierung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sa-
chen sowie die Leugnung des Inflationsproblems führen zu Ungerechtigkeiten, die man durch korrigierende Auslegung zu vermeiden sucht (SZ 59/7). Der dem Pflichtteilsrecht zu Grunde liegende Ausgleichsgedanke rechtfertigt entgegen dem Wortlaut des § 794 auch bei unbeweglichen Sachen eine Berücksichtigung der seit dem Empfang eingetretenen Wertveränderungen (7 Ob 188/01z EF 96.904), insb infolge der Geldentwertung und der gewöhnlichen Abnützung. Die (§ 794 berichtigende) Wertermittlung folgt dem Grundgedanken, den Anrechnungsberechtigten so zu stellen, als wäre die anzurechnende Schenkung Bestandteil des Nachlasses (NZ 1986, 277; § 785 Rz 4); Entsprechendes gilt für Vorempfänge und Vorschüsse. 3 Daher werden nach hA bewegliche und unbewegliche Sachen gleich
bewertet, und zwar zum Wert im Zeitpunkt des Erbanfalls (§ 784 Rz 1; 6 Ob 615/95 SZ 69/13; 3 Ob 47/97a NZ 1998, 57), aber nach dem Zustand der Sache zur Zeit des Empfangs (6 Ob 108/97v SZ 71/180: Aufwertung des Übergabepreises auf den Todeszeitpunkt). Damit bleiben dem Empfänger zurechenbare Wertsteigerungen unberücksichtigt (§ 785 Rz 4; NZ 1986, 277; SZ 71/180); ebenso ein dem Erblasser vom Beschenkten eingeräumtes lebenslanges Fruchtgenussrecht (SZ 57/7). Der Wertverlust durch die gewöhnliche Abnutzung bis zum Todestag des Erblassers mindert den anrechenbaren Wert nicht nur bei beweglichen Sachen (6 Ob 627/91 JBl 1992, 709), sondern auch bei Grundstücken (NZ 1986, 277). Barzahlungen werden nicht mit dem Nominalwert veranschlagt, sondern aufgewertet (SZ 10/261; JBl 1992, 709: Lebenshaltungskostenindex). Wird Bargeld zur Anschaffung einer bestimmten Sache 662
Apathy
Pflichtteil
§ 795
gegeben und tatsächlich auch verwendet, so ist der Wert der Sache maßgebend (Kralik, ErbR 300). Bei Unternehmen tritt die L für eine einheitliche Bewertung ein. In JBl 1975, 208 hat der OGH eine getrennte Bewertung beweglicher und unbeweglicher Teile eines geschenkten Unternehmens vorgenommen, da nach dem damaligen Stand der Rspr die Gleichbehandlung von beweglichen und unbeweglichen Sachen noch nicht voll entwickelt war. Entsprechend der heute hA ist der Wert der ganzen Zuwendung samt des Good will maßgebend (Welser/R Rz 7; Eccher/S Rz 2). Nicht anzurechnen sind die Früchte der zugewendeten Sache und 4 Nutzungen, die bis zum Erbanfall gezogen wurden (NZ 1986, 277). Das Risiko des Untergangs oder der Verschlechterung trägt entsprechend § 1311 der Empfänger. Anspruch des Noterben auf den notwendigen, § 795. Einem Noterben, der von seinem Pflichtteile selbst gesetzmäßig ausgeschlossen wird, muß doch immer der notwendige Unterhalt ausgemessen werden. Nur der erbunwürdige (§§ 540 ff) oder rechtmäßig enterbte (§§ 768 ff, 1 773), unterhaltsbedürftige Noterbe hat Anspruch auf den notwendigen Unterhalt, nicht hingegen der unrechtmäßig Enterbte. Anspruchsberechtigt sind nicht nur Kinder, sondern auch der Ehegatte (§ 796) und die Eltern. Der Anspruch kann vom Erblasser nicht entzogen werden. Nach einem Vergleich über den Pflichtteil besteht kein zusätzlicher Anspruch nach § 795 (SZ 12/92). Ebenso wenig nach der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs (SZ 35/48) oder Ausschlagung (§ 805). Gleiches wird für den Fall eines Verzichts (§ 551) vertreten (Eccher/S Rz 2; Welser/R Rz 2; vgl 8 Ob 568/91 NZ 1992, 2), doch ist ein Verzicht auf den notwendigen Kindesunterhalt unwirksam (EF 53.262; K/W I 536). Der notwendige Unterhalt umfasst das zur Deckung des dringenden 2 Lebensbedarfs Erforderliche (vgl Zankl/S § 73 EheG Rz 4), also das Existenzminimum (SZ 37/124). Er kann zwar den Betrag des Pflichtteils nicht überschreiten (SZ 12/92), ist aber – anders als der Anspruch nach § 796 – nicht mit dem Wert der Verlassenschaft begrenzt (Eccher/S Rz 3; Welser/R Rz 4). Zur Reduktion des lebzeitigen Unterhaltsanspruchs eines Kindes analog § 795 s JBl 1977, 594. Apathy
663
Pflichtteil
§ 796 und des Ehegatten auf den Unterhalt
§ 796. Der Ehegatte hat, außer in den Fällen der §§ 759 und 795, solange er sich nicht wiederverehelicht, an die Erben bis zum Wert der Verlassenschaft einen Anspruch auf Unterhalt nach den sinngemäß anzuwendenden Grundsätzen des § 94. In diesen Anspruch ist alles einzurechnen, was der Ehegatte nach dem Erblasser durch vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil, durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält; desgleichen eigenes Vermögen des Ehegatten oder Erträgnisse einer von ihm tatsächlich ausgeübten oder einer solchen Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann. [idF BGBl 1978/280] Lit: Holzner, Ehevermögen 140 ff; Samek, Pflichtteilsrecht 86 ff; Schauer, Rechtsprobleme bei der Einrechnung im Erbrecht, JBl 1980, 449; Zankl, Vorausvermächtnis, insb 138 ff; Zemen, Unterhaltsschuld des Erben und Pflichtteilsansprüche, JBl 1984, 337.
1 Solange sich der Ehegatte nicht wieder verehelicht, hat er gegen die
Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile einen Anspruch auf Unterhalt wie bei bestehender Ehe (§ 94). Dieser gesetzliche Unterhaltsanspruch ist nicht durch die hypothetische Entwicklung der Leistungsfähigkeit des verstorbenen Ehegatten begrenzt (SZ 41/1; NZ 1988, 107). Da der Anspruch mit dem Tod des Unterhalt leistenden Gatten entsteht, kommt es auf dessen Lebensdauer von vornherein nicht an. Der Anspruch ist auf Zahlung einer Geldrente gerichtet (SZ 54/145; SZ 60/246) und besteht nur bis zum Wert der Verlassenschaft (daher nicht gegenüber einem überschuldeten Nachlass: SZ 60/246). Die Erben haften auch bei unbedingter Erbantrittserklärung nur begrenzt bis zum Wert der Verlassenschaft (NZ 1986, 161). Der Anspruch ist im Rechtsweg durchzusetzen (SZ 25/265). Im Verlassenschaftsverfahren kann der nach § 796 anspruchsberechtigte Ehegatte Nachlass-Separation begehren (NZ 1986, 161; NZ 1988, 107). Zum Ausschluss des Unterhaltsanspruchs nach § 759 s § 759 Rz 2. Zum Tod des geschiedenen Unterhaltsschuldners s § 78 EheG. 2 Nach hA kann auf den Unterhaltsanspruch verzichtet werden (Eccher/S
Rz 4; Welser/R Rz 5), doch ist dies in Hinblick auf § 94 Abs 3 problematisch. Nach 8 Ob 568/91 NZ 1992, 272 bedeutet ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht und das Pflichtteilsrecht keinen Verzicht auf den Unterhaltsanspruch, so dass der Witwe Beteiligtenstellung im Verlassenschaftsverfahren zukommt. 664
Apathy
Pflichtteil
§ 796
Durch den Bezug auf § 94 soll sichergestellt werden, dass der Unter- 3 haltsanspruch den Lebensverhältnissen entspricht, in denen der Erblasser und der überlebende Ehegatte bisher gelebt haben (NZ 1988, 107). Bei Erbunwürdigkeit oder rechtmäßiger Enterbung kann der überlebende Ehegatte nur den notwendigen Unterhalt beanspruchen (§ 795). Der Anspruch ergänzt die Rechte nach §§ 757 f, 765 in der Weise, dass 4 dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten, soweit er nicht durch erbrechtliche Ansprüche oder andere Mittel versorgt ist, ein selbständiger Anspruch gegen den Nachlass bzw die Erben zusteht (Zemen, JBl 1984, 343: Erbgangsschuld; K/W II 473; Eccher, ErbR Rz 8/4: Erbfallsschuld). Letztlich ist der Nachlass als Sondervermögen zur Deckung der Versorgung des überlebenden Ehegatten heranzuziehen (NZ 1988, 107). In den Anspruch ist daher nach S 2 einzurechnen, was er nach dem Erblasser durch vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil, durch öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Leistung (SZ 55/54: Witwenpension) erhält; ebenso eigenes Vermögen oder Erträgnisse einer von ihm tatsächlich ausgeübten oder einer solchen Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann. Diese Einrechnungsbestimmung erfordert es, den Unterhaltsbetrag zu kapitalisieren, um gegenüber den in Kapitalbeträgen bestehenden Einrechnungsposten eine kommensurable Größe zu schaffen. Vom kapitalisierten Betrag sind dann die nach S 2 anzurechnenden Posten abzuziehen (NZ 1986, 161). Zur Nichteinrechnung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses s Zankl, Vorausvermächtnis 138 f. Die Einrechnungsbestimmung ist auf den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten gegen den Erben des Unterhaltsverpflichteten (§ 78 EheG) analog anwendbar (SZ 55/54). Der Unterhaltsanspruch geht im Rang den Forderungen der Gläubi- 5 ger des Erblassers nach (SZ 23/329; SZ 25/265), hat aber Vorrang vor Vermächtnissen (vgl § 691; Zemen, JBl 1984, 343). Unklar und umstritten ist aber das Verhältnis des Unterhaltsanspruchs zu Pflichtteilsansprüchen. Nach hL haben Pflichtteilsansprüche Vorrang (Zemen, JBl 1984, 343 ff; Neuhauser/S § 142 Rz 4; H. Pichler/K 3 § 142 Rz 4; K/W II 551; Eccher, ErbR Rz 1/15). Nach Zemen, JBl 1984, 344, sei den Interessen des unterhaltsbedürftigen Kindes oder Ehegatten ohnedies dadurch Rechnung getragen, dass nach Abzug der Pflichtteile zumindest der halbe reine Nachlass übrig bleibt, doch schlägt dies bei kleinen Nachlässen nicht wirklich durch. Auch die Einrechnungsbestimmung (Rz 4) ergibt kein zwingendes Argument für den Vorrang des Pflichtteils, soll sie Apathy
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Besitznehmung der Erbschaft
Vor § 797
doch die Subsidiarität des Unterhaltsanspruchs verwirklichen (Zankl, Vorausvermächtnis 141). Demgegenüber sind nach SZ 25/265 (zu § 796 aF unter Berufung auf Weiß/K III 957; ebenso SZ 54/107 zu § 142 unter Berufung auf Ostheim) die Unterhaltsansprüche vorrangig zu befriedigen (so generell 6 Ob 574/90 NZ 1991, 249; Kralik, ErbR 292; offen lassend 1 Ob 652/92 NZ 1996, 88; vgl auch Holzner, Ehevermögen 141). Diese Auffassung wird dadurch unterstützt, dass selbst der Erbunwürdige oder rechtmäßig Enterbte den notwendigen Unterhalt beanspruchen kann (§ 795), was einen Vorrang jedenfalls des notwendigen Unterhalts bedeutet (Zankl, Vorausvermächtnis 140 FN 247, der die Bedarfsabhängigkeit des Unterhaltsanspruchs im Vergleich zum bedarfsunabhängigen Pflichtteilsanspruch hervorkehrt; aM Welser/R § 795 Rz 8). Weiters rechtfertigt § 691 auch im Erbrecht eine Bevorzugung von Zuwendungen mit Unterhaltscharakter, was durchaus auch für gesetzliche Ansprüche zutrifft. Dies bestätigt etwa § 783, wonach der Ehegatte mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, dem ja auch Unterhaltscharakter beigemessen wird (§ 758 Rz 1; Eccher/S § 758 Rz 7), nicht zur Entrichtung der verkürzten Pflichtteile beizutragen hat (§ 783 Rz 1). Schließlich bildet der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten beim Tod des Unterhaltsschuldners eine Nachlassverbindlichkeit (§ 78 EheG; 8 Ob 532/92 JBl 1992, 705), obwohl der geschiedene Ehegatte nicht pflichtteilsberechtigt ist.
Fünfzehntes Hauptstück Von Besitznehmung der Erbschaft Bedingungen zur rechtlichen Besitznehmung einer Erbschaft Vor § 797 Lit zum neuen AußStrG 2003: Feil/Marent, Außerstreitgesetz (2004); Fucik/ Kloiber, Außerstreitgesetz (2005); Klicka/P. Oberhammer/Domej, Außerstreitverfahren4 (2006); Maurer/Schrott/Schütz, Außerstreitgesetz (2006); Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen 3 (2006); Rechberger (Hrsg), Außerstreitgesetz (2006).
1 Das den Erbschaftserwerb (§§ 797–822) und die Erbschaftsklage
(§§ 823 f) regelnde Hauptstück ist großteils noch in der Urfassung von 1811 in Kraft. Erst 2004 wurde – nach Änderungen der §§ 805 und 822 – § 798a eingefügt, § 810 geändert sowie durchgehend der Begriff „Erbserklärung“ durch den neuen Terminus „Erbantrittserklärung“ 666
Apathy/Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
Vor § 797
doch die Subsidiarität des Unterhaltsanspruchs verwirklichen (Zankl, Vorausvermächtnis 141). Demgegenüber sind nach SZ 25/265 (zu § 796 aF unter Berufung auf Weiß/K III 957; ebenso SZ 54/107 zu § 142 unter Berufung auf Ostheim) die Unterhaltsansprüche vorrangig zu befriedigen (so generell 6 Ob 574/90 NZ 1991, 249; Kralik, ErbR 292; offen lassend 1 Ob 652/92 NZ 1996, 88; vgl auch Holzner, Ehevermögen 141). Diese Auffassung wird dadurch unterstützt, dass selbst der Erbunwürdige oder rechtmäßig Enterbte den notwendigen Unterhalt beanspruchen kann (§ 795), was einen Vorrang jedenfalls des notwendigen Unterhalts bedeutet (Zankl, Vorausvermächtnis 140 FN 247, der die Bedarfsabhängigkeit des Unterhaltsanspruchs im Vergleich zum bedarfsunabhängigen Pflichtteilsanspruch hervorkehrt; aM Welser/R § 795 Rz 8). Weiters rechtfertigt § 691 auch im Erbrecht eine Bevorzugung von Zuwendungen mit Unterhaltscharakter, was durchaus auch für gesetzliche Ansprüche zutrifft. Dies bestätigt etwa § 783, wonach der Ehegatte mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, dem ja auch Unterhaltscharakter beigemessen wird (§ 758 Rz 1; Eccher/S § 758 Rz 7), nicht zur Entrichtung der verkürzten Pflichtteile beizutragen hat (§ 783 Rz 1). Schließlich bildet der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten beim Tod des Unterhaltsschuldners eine Nachlassverbindlichkeit (§ 78 EheG; 8 Ob 532/92 JBl 1992, 705), obwohl der geschiedene Ehegatte nicht pflichtteilsberechtigt ist.
Fünfzehntes Hauptstück Von Besitznehmung der Erbschaft Bedingungen zur rechtlichen Besitznehmung einer Erbschaft Vor § 797 Lit zum neuen AußStrG 2003: Feil/Marent, Außerstreitgesetz (2004); Fucik/ Kloiber, Außerstreitgesetz (2005); Klicka/P. Oberhammer/Domej, Außerstreitverfahren4 (2006); Maurer/Schrott/Schütz, Außerstreitgesetz (2006); Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen 3 (2006); Rechberger (Hrsg), Außerstreitgesetz (2006).
1 Das den Erbschaftserwerb (§§ 797–822) und die Erbschaftsklage
(§§ 823 f) regelnde Hauptstück ist großteils noch in der Urfassung von 1811 in Kraft. Erst 2004 wurde – nach Änderungen der §§ 805 und 822 – § 798a eingefügt, § 810 geändert sowie durchgehend der Begriff „Erbserklärung“ durch den neuen Terminus „Erbantrittserklärung“ 666
Apathy/Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
§ 797
ersetzt. Ausführende und ergänzende Regeln für das Verlassenschafts(Abhandlungs)verfahren enthält das seit 1.1.2005 geltende Außerstreitgesetz (§§ 143–185 AußStrG BGBl I 2003/111), worauf § 798 verweist. Das Verlassenschaftsverfahren ist zu einem großen, gegenüber der 2 alten Rechtslage noch ausgedehnten Teil den öffentlichen Notaren als Gerichtskommissären überantwortet (GKoärG). Es beginnt mit der Todesfallaufnahme (vor 2005: Todfallsaufnahme) durch den Gerichtskommissär (§§ 145 ff AußStrG: Vorverfahren) und endet mit Rechtskraft der gerichtlichen Einantwortung. Eingeleitet wird es von Amts wegen (jedoch nicht mehr, wenn nur bewegliches Vermögen im Ausland vorhanden ist: § 145 Abs 2 AußStrG). Nach der Todesfallaufnahme fordert der Gerichtskommissär (nicht mehr das Abhandlungsgericht) die als Erben in Frage kommenden Personen zur Erbantrittserklärung auf, womit das eigentliche Verlassenschaftsverfahren (Verlassenschaftsabhandlung; s § 797 Rz 13) beginnt. Letztwillige Anordnungen sind von ihm zu übernehmen (nicht mehr kundzumachen) und in (unbeglaubigter) Abschrift den Parteien und jenen zuzustellen, die nach der Aktenlage zur Erbfolge berufen sind (s auch § 797 Rz 5). Gibt der berufene Erbe eine Erbantrittserklärung ab, hat er sein Erbrecht nachzuweisen (§ 799: „Erbrechtsausweis“; s §§ 799– 800 Rz 7). Widersprechen Erbantrittserklärungen einander, entscheidet der Außerstreitrichter nicht länger bloß über die Parteirollen in einem nachfolgenden Zivilprozess zwischen den Prätendenten. Vielmehr hat er – als eine der wesentlichen Neuerungen der Außerstreitverfahrensreform – nach mündlicher Verhandlung selbst über das Erbrecht zu entscheiden (§§ 161 ff AußStrG; s §§ 799–800 Rz 8). Nach oder zugleich mit dieser Entscheidung, in unstr Fällen aber sogleich nach dem Erbrechtsausweis, folgt die Einantwortung des Nachlasses (§ 819 ABGB; §§ 177 ff AußStrG). § 797. Niemand darf eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen. Das Erbrecht muß vor Gericht verhandelt und von demselben die Einantwortung des Nachlasses, das ist, die Übergabe in den rechtlichen Besitz, bewirkt werden. Lit: Bajons, Der Erbschaftserwerb bei geringfügigen Nachlässen, JBl 1970, 169; dies, Die OGH-Judikatur zur internationalen Nachlassabwicklung im Lichte des neuen AußStrG und AußStr-BegleitG, NZ 2004, 289, 2005, 43 und 66; Bittner, Das neue Verlassenschaftsverfahren, ecolex 2004, 927; Fucik, Das neue Verlassenschaftsverfahren (2005); Goriany, Das neue Verlassenschaftsverfahren, NZ 2004, 353; Knoll, Einiges zum neuen Verlassenschaftsverfahren, Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 797
RZ 2005, 2; Köhler, Überlassung an Zahlungsstatt und kridamäßige Nachlaßverteilung – Änderung der Rechtslage ab 1.1.1983, NZ 1982, 181; Meyer, Der überschuldete Nachlaß, NZ 1979, 79; Nowalski, Die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über einen Nachlaß, NZ 1955, 134; Potyka, Die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit in Verlassenschaftssachen nach dem Außerstreit-Begleitgesetz unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zu Deutschland, RZ 2005, 6; Schumacher, Die Überlassung überschuldeter Verlassenschaften an Zahlungs statt, FS Rechberger (2005) 551. Übersicht I. II. III. IV. V. VI.
Allgemeines zum Verlassenschaftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Arten der Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Unterbleiben der Abhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Überlassung an Zahlungs statt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Nachlasskonkurs und -ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
I. Allgemeines zum Verlassenschaftsverfahren 1 S 1 konkretisiert nur das allgemeine Selbsthilfeverbot, S 2 definiert
das staatliche Verfahren der gerichtlichen Einantwortung (§ 819; näher dazu dort) als die gesetzliche Form des Erbschaftserwerbs, der Übergabe des Nachlasses in den rechtlichen Besitz des Erben. Wie dieses Verlassenschaftsverfahren durchzuführen ist, regeln seit 1.1. 2005 die §§ 143–185 AußStrG 2003 (s Vor § 797 Rz 1). 2 In welchen Fällen die inländische Gerichtsbarkeit vorliegt, bestim-
men die §§ 106, 107 JN, soweit nicht Staatsverträge bestehen (10 Ob 17/06g EvBl 2006/138). Für die Todesfallaufnahme und das Ausfolgungsverfahren nach § 150 AußStrG (jeweils samt Sicherungsmaßnahmen) ist sie ohne jede sonstige Voraussetzung gegeben (§ 107 JN), für das weitere Verfahren nur unter den Voraussetzungen des § 106 JN. Kriterien sind vor allem Lage und Beschaffenheit des Vermögens, Staatsbürgerschaft und letzter gewöhnlicher Aufenthalt des Verstorbenen. Das weitere Verfahren (Abhandlung) über im Ausland gelegenes bewegliches Vermögen von Inländern ist (anders als früher) nur auf Antrag einer Person einzuleiten, die ihre Erbenstellung bescheinigen kann. Ist die Behauptung unrichtig, so ist mangels sonstiger Fortsetzungsgründe das Verfahren einzustellen (§ 143 Abs 2 AußStrG). 3 Örtlich zuständig ist jenes Bezirksgericht (§ 104a JN), in dessen
Sprengel der Verstorbene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hatte, hilfsweise jenes, in dessen Bereich sich der größte Teil seines inländischen Vermögens befindet, letztlich das Bezirksgericht 668
Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
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Innere Stadt Wien (§ 105 JN). Das österreichische Verfahrensrecht wird gemäß § 28 Abs 2 IPRG auch bei Abhandlungen inländischer Gerichte nach Erblassern mit ausländischem Personalstatut angewendet. Nach § 143 Abs 2 AußStrG ist das Verlassenschaftsverfahren von 4 Amts wegen einzuleiten, sobald ein Todesfall (idR durch öffentliche Urkunde, vor allem Sterbeurkunde, die von den Standesämtern dem Gericht zu übermitteln ist – § 38 PStG, § 17 Abs 3 Z 6 PStV –, allenfalls Todeserklärung) unzweifelhaft bekannt wird. Praktisch wird die Einleitung des Verfahrens derart erfolgen, dass das Verlassenschaftsgericht dem (nach der Verteilungsordnung zuständigen) Notar als Gerichtskommissär den Akt zur Todesfallaufnahme übermittelt (bisher Auftrag zur Todfallsaufnahme nach §§ 1, 2 GKoärG aF); die (ausnahmslose) Verpflichtung und Berechtigung des Notars dazu ergibt sich aus § 145 Abs 1 AußStrG und § 2 Abs 1 GKoärG. Die Todesfallaufnahme ist in jedem Fall – jetzt auch beim Tod vermögensloser minderjähriger Kinder – vorzunehmen (Erl 224 BlgNR 22. GP 94). Zweck der Todesfallaufnahme ist nach § 145 Abs 1 AußStrG die Er- 5 mittlung aller Umstände, die für die Verlassenschaftsabhandlung sowie allfällige pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen erforderlich sind. Das sind nach dessen Abs 2 die (besonders auch die für die Beurteilung der Zuständigkeit) erforderlichen Daten des Verstorbenen (Z 1), sein Vermögen „samt Rechten und Verbindlichkeiten“ (Z 2), die Begräbniskosten (und wer sie vorstreckte, Z 3), Urkunden über letztwillige Anordnungen, Name und Anschrift der Zeugen mündlicher letztwilliger Anordnungen (Z 4), die genauen Personaldaten der gesetzlichen und der letztwillig eingesetzten Erben (Z 5) und schließlich die jener Personen, deren gesetzlicher Vertreter der Verstorbene war (Z 6). Der Wert des hinterlassenen Vermögens soll einfach und kostensparend ermittelt werden (näher dazu § 145 Abs 3 AußStrG). Der Gerichtskommissär hat von Amts wegen vorzugehen und ist in der Verfahrensgestaltung sehr frei (Erl 224 BlgNR 22. GP 95). Seine mit den Erhebungen verbundenen Rechte und Pflichten umschreibt § 146 AußStrG. Dem Notar obliegen nach § 147 AußStrG auch allenfalls erforderliche Sicherungsmaßnahmen für die Verlassenschaft (auf deren Kosten). Er kann die zum Begleichen der Begräbniskosten erforderlichen Beträge ausfolgen oder freigeben (§ 148 AußStrG). Die Freigabe zu diesem Zweck kann er ungeachtet vertraglicher Sperren von Konten und anderen Vermögenswerten (besonders bei Banken) ohne gerichtliche Genehmigung erklären (§ 149 AußStrG). Schließlich ist es eine wesentliche Aufgabe des Gerichtskommissärs, letztwillige Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
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Verfügungen und alle sonstigen mit Erbrecht und Pflichtteil zusammenhängenden Urkunden zu übernehmen. In einem „Übernahmeprotokoll“ hat er auch für die Echtheit und Gültigkeit der Urkunden erhebliche Umstände anzuführen. Eine beglaubigte Abschrift der Urkunden ist zum Verlassenschaftsakt zu nehmen; den Parteien und den nach der Aktenlage zur gesetzlichen Erbfolge Berufenen sind unbeglaubigte Abschriften zuzustellen (§ 152; für nach Verfahrensende gefundene Urkunden § 183 Abs 4 AußStrG). Anders als nach dem bisherigen Recht sind die zutreffend als überholt angesehene leere Formalität der Kundmachung und auch Berichte an das Gericht nicht mehr vorgesehen. II. Arten der Beendigung 6 Nicht zur Einantwortung kommt es a) mangels Einleitung eines Ver-
lassenschaftsverfahrens (praktisch also nur, wenn das nach den §§ 105–107 JN zuständige inländische Bezirksgericht von einem Todesfall keine Kenntnis erhält oder mangels [berechtigten] Antrags iSd § 143 Abs 2 AußStrG; s Rz 2); b) bei dessen Abbruch in Form des „Unterbleibens der Abhandlung“, wenn Nachlassaktiva nicht vorhanden sind oder den Wert von €4.000 nicht übersteigen; beide Fälle sind nun in § 153 Abs 1 AußStrG zusammengefasst (s Rz 7 f); c) bei Überlassung an Gläubiger an Zahlungs statt (§ 154 AußStrG; s Rz 9 f); d) im Fall des Nachlasskonkurses (§ 67 Abs 1, § 100 Abs 6 KO; s Rz 11) sowie e) im Fall eines Übergabebeschlusses bei Erblosigkeit des Nachlasses (früher „Heimfall“, s bei § 760 Rz 1; näher geregelt in § 184 AußStrG). Dringt der wahre Erbe mit der Erbschaftsklage durch, wird ihm die Erbschaft nicht eigens eingeantwortet (s §§ 823, 824 Rz 5). In den Fällen a) und b), uU auch im Fall c) besteht der ruhende Nachlass weiter (s Rz 8, 10). III. Unterbleiben der Abhandlung 7 Kommt durch die Todesfallaufnahme hervor, dass ein Verstorbener
kein Vermögen hinterlassen hat (früher Abtuung armutshalber) oder weder eine (inländische) Liegenschaft zum Nachlass gehört, noch dessen Aktiva € 4.000 übersteigen, entscheidet das Nachlassgericht, sofern nicht ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt wird, und zwar jetzt ohne Rücksicht auf die Qualität der Erben oder Noterben, dass keine Verlassenschaftsabhandlung stattfinde. Verständigungen über das Unterbleiben der Abhandlung sind nicht mehr erforderlich (§ 153 Abs 1 AußStrG). Der anfechtbare (EvBl 1963/435) Beschluss ist auch nach Abgabe einer Erbantrittserklärung möglich (JBl 1959, 459; 1 Ob 660/90 RZ 1991, 175). Das bloße Verbleiben der Einverleibung des Eigentumsrechts des Erblassers im Grundbuch ist 670
Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
§ 797
kein Vermögen, wenn die Liegenschaft bereits veräußert und übergeben wurde (ZBl 1935/470; EvBl 1975/75; 7 Ob 31/01m EF 98.945). Kommt nachträglich doch ein die Grenzen des § 153 Abs 1 AußStrG übersteigendes Vermögen zu Tage, ist die Abhandlung einzuleiten (s Rz 10 aE). Der ruhende Nachlass bleibt in jedem Fall bestehen und damit auch 8 rechts- und parteifähig (stRspr: NZ 1930, 141; NZ 1990, 277; ebenso zT die Lehre: Eccher/S § 798 Rz 3 mwN), der berufene Erbe kann nur an den einzelnen Nachlassgegenständen Besitz ergreifen und Eigentum durch Ersitzung erwerben (Ehrenzweig, System II/2, 610 f; Bajons, JBl 1970, 175; gegenteilig ua Welser/R §§ 797, 798 Rz 12 und 14 mwN: Erbschaftserwerb durch Besitzergreifung mit beschränkter Haftung wie bei bedingter Erbantrittserklärung samt Gläubigerkonvokation; Gschnitzer/Faistenberger, ErbR 61: Beschluss ersetzt Einantwortung). Dass es – ungeachtet einer Ermächtigung nach § 153 Abs 2 AußStrG – zu keiner Gesamtrechtsnachfolge kommt, halten auch die Erl 224 BlgNR 22. GP 100 fest. Demnach haftet der Erbe auch den Nachlassgläubigern nicht (SZ 8/156). IV. Überlassung an Zahlungs statt Statt der Einantwortung können die Aktiven eines überschuldeten 9 Nachlasses auf Antrag den Gläubigern vom Gericht an Zahlungs statt überlassen werden (§ 154 AußStrG: „Iure-crediti-Einantwortung“ bzw Einantwortung „nach Gläubigerrecht“). Dies ist nicht mehr möglich, sobald eine unbedingte Erbantrittserklärung (3 Ob 83/05k SZ 2005/152), ein Antrag des Staates auf Überlassung der Verlassenschaft als erblos (§ 760) vorliegt oder aber der Verlassenschaftskonkurs eröffnet wurde. Nach neuem Recht wird die Überlassung an Zahlungs statt erleichtert; der Nachlass muss nicht mehr unbedeutend sein. Erst ab einem voraussichtlichen Wert der Aktiven von über € 4.000 ist die Verständigung aller „aktenkundigen“ Gläubiger und der als Erben oder Noterben in Frage Kommenden vorgeschrieben, denen Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist (§ 155 Abs 1 AußStrG). Ab einem voraussichtlichen Wert der Aktiven von über € 20.000 sind außerdem die Verlassenschaftsgläubiger einzuberufen (§ 812). Im Nachlass vorhandene Liegenschaften hindern (anders als noch bis 2004: SZ 23/70; 4 Ob 501/95 SZ 68/8) die Iure-crediti-Einantwortung nicht mehr. Dem gemäß hat nach § 155 Abs 3 AußStrG der darüber zu fassende Beschluss neben der Bezeichnung der überlassenen Gegenstände und derjenigen Personen, denen sie überlassen werden, sowie der zu berichtigenden Forderungen allenfalls die zur bücherlichen Durchführung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten. Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 797
Die Verteilung des Vermögens richtet sich zunächst (wie schon bisher) nach den im Konkurs geltenden Regeln (§§ 46, 47 KO): als Erste kommen jene zum Zug, die im Konkurs Massegläubiger wären; danach Forderungen des Sachwalters des Verstorbenen für dessen letztes Lebensjahr und zuletzt quotenmäßig die übrigen Gläubiger. Krankheitskosten sind nicht mehr privilegiert (§ 154 Abs 2 AußStrG; Erl 224 BlgNR 22. GP 100). Neuerlich ist auf ergänzter Grundlage nach §§ 153 ff AußStrG zu entscheiden, wenn nachträglich Vermögen auftaucht (§ 183 Abs 3 AußStrG). Übersteigt es die maßgebenden Wertgrenzen, so ist (über das noch nicht Überlassene) abzuhandeln (SZ 15/65; RZ 1984, 72; nunmehr auch die Erl aaO 110). 10 Auch wenn nach dem gesetzlichen Konzept nach wie vor alle Aktiven
den Gläubigern überlassen werden sollen (SZ 56/123) und diesen wegen § 798a (dort Rz 1) die Übergabe der Sachen idR Eigentum verschaffen wird, kann ausnahmsweise (bei eingeschränkten Anträgen) wohl auch nach neuem Recht der ruhende Nachlass bestehen bleiben, wenn nicht das gesamte Vermögen verteilt wird (SZ 32/82; Schumacher, FS Rechberger 564; wohl nicht anders Eccher/S § 798 Rz 5 [der in FN 17 an dieser Stelle in KBB1 Apathy aA wähnt]). V. Nachlasskonkurs und -ausgleich 11 Bei überschuldetem oder zahlungsunfähigem Nachlass (§§ 66 f KO)
ist das Konkursverfahren einzuleiten (6 Ob 37/01m ZIK 2001, 169). Während dies früher bei nicht bloß „unbedeutenden“ Nachlässen zu geschehen hatte, fehlt nunmehr dieses Abgrenzungskriterium. Die Anwendungsbereiche von Konkurs und Überlassung überschneiden sich demnach, weshalb es auf das Zuvorkommen ankommen wird (für Konkursantragspflicht bis zur Übergabe der Aktiva Schumacher, FS Rechberger 559 f, 564 f). Die Erl des AußStrG (224 BlgNR 22. GP 100) zeigen eine deutliche Präferenz für die Überlassung gegenüber dem idR zu einer höheren Wertvernichtung führenden (so auch schon NZ 1935, 15) Konkurs. Konkursantragsberechtigt sind neben Erben und Verlassenschaftskurator, also der Schuldnerseite (§ 69 Abs 3 und 4 KO), auch die Gläubiger des Nachlasses (§ 70 KO: 6 Ob 34/01w RPflA 8759), nicht aber Legatare (§ 58 Z 3 KO). Bei fideikommissarischer Substitution trifft die Antragspflicht Vor- und Nacherben gemeinsam (Bolla, NZ 1950, 183). Statt den Erben oder dem Nachlasskurator verwaltet der Masseverwalter das konkursunterworfene Vermögen (JBl 1968, 522; 6 Ob 41/99v). Auch eine unbedingte Erbantrittserklärung schließt die Eröffnung des Verlassenschaftskonkurses nicht aus (Eccher/S § 798 Rz 10; aA Welser/R Rz 22), weil ja die Gesamtrechtsnachfolge erst mit Einantwortung eintritt. Die Erb672
Sailer
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§ 797
schaft kann auch nach Eröffnung des Konkurses angetreten werden (NZ 1964, 22; 7 Ob 2155/96d ZIK 1997, 228; gegenteilig JBl 1901, 27 krit Král, JBl 1901, 40; Brunner, NZ 1979, 98), und zwar mit Wirkung für das konkursfreie Vermögen bzw für den Fall der Einstellung des Konkursverfahrens oder des Verbleibens von Vermögen nach der Schlussverteilung. Soweit die Konkurseröffnung wirkt, wird nunmehr aber wohl das Verlassenschaftsverfahren unterbrochen (§ 25 Abs 1 Z 4 AußStrG iVm § 7 KO [analog]; s 8 Ob 527/93 [außerstreitige Unterhaltsfestsetzung für Vergangenheit]; 5 Ob 2228/96z wobl 1997, 276 Riel; vgl RS0105681 [§ 37 Abs 3 MRG]; gegenteilig noch SZ 62/79). Innehaltung kommt wegen ihrer Definition in § 29 AußStrG nicht mehr in Betracht (anders zum alten AußStrG JBl 1965, 626). Bei Überschuldung oder auch drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 1 12 Abs 1 AO) kann auch das Ausgleichsverfahren eröffnet werden. Ein Ausgleich setzt die Zustimmung aller Erben voraus, die den Erbantritt erklärt haben (§ 73 AO; 8 Ob 298/00g SZ 74/156); er wirkt zugunsten aller, selbst bei unbedingter Erbantrittserklärung. Sie haften nur für die Quote, insoweit aber mit ihrem ganzen Vermögen (jetzt hA, Eccher/S § 798 Rz 14 mwN). VI. Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung Ist das Verlassenschaftsverfahren im engeren Sinn (bzw „Verlassen- 13 schaftsabhandlung“ nach der Überschrift vor § 156 AußStrG; zu den Begriffen s Erl 224 BlgNR 22. GP 93) einzuleiten, weil keiner der in Rz 6 aufgezählten Fälle vorliegt, hat dies der Gerichtskommissär gemäß § 157 AußStrG dadurch zu bewirken, dass er die nach der Aktenlage als Erben in Frage kommenden Personen nachweislich auffordert (Näheres dazu s §§ 799–800 Rz 2) zu erklären, ob sie die Erbschaft antreten (Erbantrittserklärung, s ebendort Rz 3 und 5) oder ausschlagen (ebendort Rz 9) wollen. Zum weiteren Verfahren s bei §§ 799–800 Rz 4 ff. Sind keine Erben bekannt oder gibt es Anhaltspunkte dafür, dass 14 neben schon bekannten noch andere Erben oder Noterben existieren könnten, muss sie der Gerichtskommissär durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG) auffordern, ihre Ansprüche binnen sechs Monaten geltend zu machen. Darin sind sie darauf hinzuweisen, dass bei Fristversäumnis die Verlassenschaft ohne Rücksicht auf sie den bekannten Erben eingeantwortet oder für erblos erklärt werde (§ 158 AußStrG). Die Bekanntmachung ist gemäß § 24 AußStrG iVm § 117 Abs 1 ZPO (idF AußStr-BegleitG) auch in die gemäß § 89j GOG eingerichtete Ediktsdatei (www.edikte.justiz.gv.at) aufzunehmen. Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 798
§ 798. Wie weit das Gericht nach einem Todesfalle von Amts wegen vorzugehen habe, und welche Fristen und Vorsichtsmittel bei diesem Abhandlungsgeschäfte zu beobachten seien, bestimmen die besonderen, über das gerichtliche Verfahren bestehenden, Vorschriften. Hier wird festgesetzt, was dem Erben, oder demjenigen, der sonst einen Anspruch an die Verlassenschaft hat, zu tun obliege, um zu dem Besitze dessen, was ihm gebührt, zu gelangen. Lit: Köhler, Voraussetzungen zur Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung, NZ 1958, 162.
1 § 798 enthält lediglich einen (detaillierten) Verweis auf die Regeln
über das Abhandlungs(Verlassenschafts)verfahren in den Verfahrensgesetzen, also in erster Linie im AußStrG (BGBl I 2003/111), das mit Wirkung vom 1.1.2005 jenes aus 1854 ablöste. Zur Amtswegigkeit der Verfahrenseinleitung s Vor § 797 Rz 2. Fristen behandeln nunmehr die §§ 157 f, 163, 176, 182 und 184 AußStrG sowie §§ 3, 7 GKoärG. Sicherungsvorkehrungen (in § 798 noch: „Vorsichtsmittel“) neben den schon im ABGB enthaltenen, wie etwa Nachlass-Separation (§ 812), Gläubigereinberufung (§§ 813–815), sehen ua §§ 146 f, 152, 156 sowie, über das Inventar, 165 ff AußStrG vor. Die für Erbansprecher zum Erlangen der ihnen zustehenden Werte notwendigen Handlungen (und deren Form) regeln die §§ 157, 159, 170, 176 AußStrG, für Gläubiger gelten die §§ 153 f leg cit, aber auch die KO und AO. § 798a. Überlässt das Gericht eine überschuldete Verlassenschaft an Zahlungs statt, so bildet der Überlassungsbeschluss einen Titel zum Erwerb. [BGBl I 2004/58] Lit: Fischer-Czermak, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2; Schumacher, Die Überlassung überschuldeter Verlassenschaften an Zahlungs statt, FS Rechberger (2005) 551.
1 Die durch das FamErbRÄG geschaffene Bestimmung trat zusammen
mit dem AußStrG 2003 am 1.1.2005 in Kraft. Wie schon in den Erl zum AußStrG 2003 (224 BlgNR 22. GP 101) angekündigt erhebt sie entgegen der bisher hM, wonach bei Überlassung an Zahlungs statt der ruhende Nachlass weiter besteht (RZ 1984, 72; NZ 1986, 259; Ehrenzweig, System II/2, 523) und ein Rechtserwerb erst auf originäre Weise (durch Ersitzung) erfolgt, die Gegenmeinung (Bajons, JBl 1970, 169; Eccher/S2 Rz 4 ff) zum Gesetz (vgl K/W II 565 FN 7). Der Überlassungsbeschluss ist somit künftig für den Gläubiger Erwerbstitel; nach Rechtskraft macht er ihn iVm der Übergabe der Ak674
Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
§§ 799–800
tiven somit als Einzelrechtsnachfolger (Eccher/S § 798 Rz 5; FischerCzermak, JBl 2005, 12 f; Schumacher, FS Rechberger 564) zu deren Eigentümer, wenn es auch der Erblasser war (Erl 471 BlgNR 22. GP 31). S auch § 797 Rz 10. Ausweisung des Rechtstitels: Erbantrittserklärung § 799. Wer eine Erbschaft in Besitz nehmen will, muß den Rechtstitel, ob sie ihm aus einer letzten Anordnung; aus einem gültigen Erbvertrage; oder aus dem Gesetze zufalle, dem Gerichte ausweisen, und sich ausdrücklich erklären, daß er die Erbschaft annehme. [Überschrift idF BGBl I 2004/58]
§ 800. Die Antretung der Erbschaft oder die Erbantrittserklärung muß zugleich enthalten, ob sie unbedingt, oder mit Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventariums geschehe. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Brunner, Erberklärung und Erbverzicht, NZ 1979, 96; Eccher, Die Wirkungen der Erbsentschlagung auf die Nachkommen, NZ 1982, 20; HofmannWellenhof, Erbverzicht und Ausschlagung der Erbschaft aus zivilrechtlicher Sicht, FS Kralik (1986) 125; Jud, Erbschaftskauf, insb 80 f, 120; Metzler, Die Anerkennung des Erbrechts, ÖJZ 2006, 515; Zemen, Erbsentschlagung und Eintrittsrecht der Nachkommen, JBl 1983, 617; s auch bei § 797.
Anders als in anderen Rechtsordnungen setzt in Österreich der Über- 1 gang der Rechte des Erblassers auf den Erben nach § 799 einerseits dessen gegenüber einem staatlichen Organ (und zwar dem Gerichtskommissär, was sich insgesamt aus §§ 157 ff AußStrG ergibt) abzugebende ausdrückliche Willenserklärung voraus, die Erbschaft antreten zu wollen. Sie wird in ab 1.1.2005 anhängig gemachten Verfahren, wenn deren Einleitung nicht früher möglich gewesen wäre (BGBl I 2004/58 Art IV § 3 Abs 1 Z 3), als Erbantrittserklärung bezeichnet (bisher „Erbserklärung“). Andererseits ist der „Ausweis“ des Rechtstitels (Testament, Erbvertrag, Gesetz), auf den sich der Erbe zu diesem Zweck berufen will, erforderlich („Erbrechtsausweis“, s Rz 7). Bis zur Rechtskraft der Einantwortung kann der Erbansprecher diesen noch ändern (s § 806 Rz 3). § 800 schreibt zusätzlich vor, dass aus der Erbantrittserklärung hervorgehen muss, ob sie unbedingt oder bedingt (dh mit der Rechtswohltat des Inventars) geschieht. Ausführungsbestimmungen enthalten seit 1.1.2005 die §§ 157–159 AußStrG. Als (negative) Erbantrittserklärung wird die Ausschlagung der Erbschaft (auch Erbsentschlagung) bezeichnet (6 Ob 193/98w SZ 71/152). Zur Unwiderruflichkeit der Erklärungen s Rz 9 und bei § 806. Sailer
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2 Zur möglichst raschen Klärung der Rechtsnachfolge nach Verstor-
benen hat der Gerichtskommissär (in bis 31.12.2004 eingeleiteten Verfahren – zum Übergangsrecht s Rz 1 – noch das Gericht) die nach der Aktenlage als Erben in Frage kommenden Personen nachweislich zur Erklärung binnen angemessener, mindestens vierwöchiger Frist aufzufordern, ob sie die Erbschaft antreten oder ausschlagen wollen. Die Frist kann aus erheblichen Gründen um eine „Bedenkzeit“ von maximal einem Jahr verlängert werden. Die Verlängerungsfrist beginnt erst ab Gewährung zu laufen (§ 157 AußStrG; s die Erl 224 BlgNR 22. GP 102). Nicht durch einen Rechtsanwalt oder Notar Vertretene sind über die Präklusionswirkung der Säumnis zu belehren: Säumige werden bis zum Nachholen der Erklärung (längstens bis zur Bindung des Gerichts an den Einantwortungsbeschluss, und nicht mehr wie nach stRspr zum alten Recht bis zur Rechtskraft der Einantwortung) dem Verfahren nicht mehr beigezogen (§ 157 AußStrG), sie sind auf die Erbschaftsklage nach § 823 verwiesen (§ 164 AußStrG). Falls eine pflegebefohlene Person die Frist versäumt, ist von Amts wegen (wohl vom Gerichtskommissär) das zuständige Pflegschaftsgericht zu verständigen (Abs 3). Anstelle von Erbanwärtern unbekannten Aufenthalts ist Adressat der Aufforderung der bestellte Abwesenheitskurator (Erl aaO). Wird überhaupt keine Erbantrittserklärung abgegeben, muss – so noch nicht geschehen – ein Verlassenschaftskurator eingesetzt werden. Es kommt dann auf Antrag der Finanzprokuratur zum Verfahren zur Übergabe an die Republik Österreich (früher „Heimfallsverfahren“; näher geregelt in § 184 AußStrG). Als Erben kommen auch Transmissare (sobald ihnen eingeantwortet wurde: SZ 43/191) und – allerdings nicht als Vollerben – Vor- und Nacherben in Betracht (s dazu Weiß/K III 970 und Welser/R Rz 11). 3 Den notwendigen Inhalt der gemäß § 806 unwiderruflichen Erban-
trittserklärung legt nun § 159 AußStrG fest. Außer dem schon in den §§ 799, 800 Verlangten (s Rz 1: Annahmeerklärung; ob bedingt oder unbedingt; jedoch genügt „Berufung“ auf einen Erbrechtstitel, s Rz 7) müssen neben Vor- und Familienname auch Geburtsdatum und Anschrift angegeben werden, die Erklärung ist vom Erbansprecher oder seinem Vertreter eigenhändig zu unterschreiben (schon bisher stRspr: SZ 54/98 uva). Die Anforderungen an die Vollmacht blieben unverändert (Spezialvollmacht für unbedingte Erbantrittserklärung und Entschlagung: § 1008; Welser/R §§ 797, 798 Rz 6); die Berufung auf diese genügt bei Vertretung durch Rechtsanwälte und Notare nach § 6 Abs 4 AußStrG iVm § 30 Abs 2 ZPO (Erl 224 BlgNR 22. GP 103). In den Fällen des § 1008 brauchen gesetzliche Vertreter die Zustimmung 676
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des Pflegschaftsgerichts (§ 154 Abs 3; vgl dazu 2 Ob 665/87; NZ 1988, 307). Wenn möglich ist auch bereits die beanspruchte Erbquote zu nennen (Abs 2); dies ist also wie bisher (5 Ob 508/94 NZ 1994, 210; 7 Ob 164/01w NZ 2002, 148; Eccher/S2 § 799 Rz 1) nicht unbedingt erforderlich (Fucik, Das neue Verlassenschaftsverfahren, 2005, Rz 177); ihre nachträgliche Änderung ist jedenfalls dann zulässig, wenn sie auf Änderungen im Verlassenschaftsverfahren beruht (4 Ob 33/02k SZ 2002/20). Die Abgabe der Antrittserklärung zu gerichtlichem (oder notariellem) Protokoll ist nicht mehr vorgesehen (aA ohne Begründung Wruhs in Rechberger, AußStrG § 158 Rz 5; offenbar auch Feil/Marent, Außerstreitgesetz, 2004, § 159 Rz 1), eine trotzdem derart vorgenommene ist aber mit der notwendigen Unterschrift auf dem Protokoll ebenfalls wirksam. Beigefügte Bedingungen (außer Rechtsbedingungen) und Befristungen machen die Erklärung unwirksam (SZ 71/152 mwN). Zur „bedingten Erbantrittserklärung“ s § 802 Rz 1. Eine Annahme der Erbantrittserklärungen zu Gericht ist nicht mehr 4 vorgesehen (§ 169 S 2 AußStrG; dazu die Erl 224 BlgNR 22. GP 102). Die „Vorfilterfunktion“ einer solchen Entscheidung wurde überflüssig, weil nach § 161 AußStrG das Verlassenschaftsgericht im außerstreitigen Verfahren das Erbrecht der Berechtigten festzustellen und die übrigen Erbantrittserklärungen abzuweisen hat. Nach Auffassung der Redaktoren ist das neue Außerstreitverfahren auch zur Entscheidung über „streitige“ Tatsachen geeignet. Selbst bei widerstreitenden Erbantrittserklärungen bedarf es demnach keines Erbrechtsprozesses und folglich auch nicht der in der Vergangenheit oft schwierigen Verteilung der Parteirollen für ein solches Streitverfahren. Gelingt dem Gerichtskommissär die ihm aufgetragene einvernehmliche Lösung („Anerkennung“) zwischen den Parteien nicht, hat er den Akt dem Gericht zur Entscheidung vorzulegen (§ 160 AußStrG; zur Problematik, insb zum Spannungsverhältnis mit § 806 näher Metzler, ÖJZ 2006, 515 ff). Die Rechtsqualität der Erbantrittserklärung ist str. Während ihr die 5 hA überwiegend auch materiell-rechtliche Wirkungen zubilligt (Kralik, ErbR 323 mwN; ebenso zur Erbsentschlagung SZ 54/98 und die darin zit ältere L; 4 Ob 58/99d NZ 2000, 13 Zankl; Eccher/S § 799 Rz 3; widersprüchlich Feil/Marent, Außerstreitgesetz § 159 Rz 10) und die Anfechtbarkeit der Erb(antritt)serklärung wegen Arglist und Zwang nach § 870 bejaht, verweigerte bisher die Rspr (anders als bei der Erbsentschlagung, s Rz 9) die Irrtumsanfechtung (NZ 1970, 26). Zuletzt hat aber der OGH (4 Ob 80/00v SZ 73/69; folgend Zankl, NZ 2000, 14) mit überzeugender Begründung die Anwendbarkeit der Sailer
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auf einem vertrauenstheoretischen Konzept beruhenden §§ 869 ff auf Erbantrittserklärungen überhaupt verneint, weil auf prozessuale Erklärungen nach der Rspr die Grundsätze des Privatrechts (in SZ 73/69 irrtümlich: „Prozessrechts“) nicht anwendbar sind (ebenso nunmehr 1 Ob 280/04i; 3 Ob 83/05k SZ 2005/152; zust Fucik, Das neue Verlassenschaftsverfahren, 2005, Rz 179). Das neu geschaffene Abänderungsverfahren gegen rechtskräftige Beschlüsse (§§ 72 ff AußStrG) kann keine Abhilfe schaffen, denn einerseits gibt es die gerichtliche Annahme nicht mehr (Rz 4), andererseits ist es nach § 180 Abs 2 AußStrG ab Rechtskraft der Einantwortung und damit gegen diesen Beschluss überhaupt ausgeschlossen (Eccher, aaO FN 17; Fucik, aaO Rz 292). 6 In der Regel verschafft erst die Erbantrittserklärung den Erbanwär-
tern die Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren und damit auch Antrags- und Rechtsmittellegitimation (SZ 27/164; SZ 44/72; RS0106608). Allerdings kommt ein (früher durchaus häufiger: SZ 21/49 uva; RS0006405) Rekurs gegen die Annahme von Erbantrittserklärungen anderer Personen nicht mehr in Betracht (s Rz 4). In besonderen Konstellationen, etwa wenn str ist, ob überhaupt eine Abhandlung einzuleiten ist (SZ 56/195), oder bei Gerichtsfehlern, wenn schon Interesse am Erbantritt bekundet wurde (RZ 1976, 96), wird die Antrags- und Rechtsmittellegitimation schon vorher bejaht (8 Ob 6/06z Zak 2006, 275; RS0006544). Bei hinreichendem Erbrechtsausweis verschafft jetzt die Erbantrittserklärung von Gesetzes wegen das Recht auf Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft (§ 810; s dort). 7 Zum sog Erbrechtsausweis finden sich im Gesetz keine näheren Re-
geln, es wird (in § 799) lediglich vorgeschrieben, der Erbansprecher müsse dem Gericht den Rechtstitel, auf den er sich beruft (letztwillige Verfügung, Erbvertrag oder Gesetz), „ausweisen“. In § 159 Abs 1 Z 2 AußStrG ist dagegen nur von „Berufung“ auf einen Erbrechtstitel die Rede. § 799 verlangt aber bei richtigem Verständnis in jedem Fall den Beweis der Erbberechtigung (SZ 43/193; 9 Ob 55/01f NZ 2001, 383 [beide zu enterbten gesetzlichen Erben]; 3 Ob 34/03a NZ 2004, 284; zum Begriff „Ausweis“ s auch die Erl 224 BlgNR 22. GP 111). Das kann auch für das gesetzliche Erbrecht von Bedeutung sein (vgl 3 Ob 96/00i SZ 73/189 [einen Noterben betreffend]; Weiß/K III 969). Einander widersprechende Erklärungen führen (allenfalls nach Beweisaufnahme) zur gerichtlichen Entscheidung (s Rz 8). Nicht ausdrücklich geregelt ist der Fall, dass kein Erbrechtsstreit entsteht, weil nur eine einzige Person Anspruch auf die Verlassenschaft erhebt (bzw mehrere in miteinander vereinbarer Form). Da der rein verfahrens678
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rechtliche § 159 AußStrG den auch vom FamErbRÄG inhaltlich unberührten § 799 nicht änderte, und auch sonst das AußStrG (anders als dessen Vorgänger) den Fall nicht bedenkt, ist auf dessen allgemeine Regeln zurückzugreifen. Da gemäß § 31 leg cit das Gericht die materielle Wahrheit zu ermitteln hat (Feil/Marent, Außerstreitgesetz § 31 Rz 1), wird bei Zweifeln auch gegen den Willen des Antragstellers Beweis aufzunehmen sein. Dann ist aber auch die Abweisung des Antrags auf Einantwortung möglich. Sonst müsste, was dem Gesetz nicht unterstellt werden kann, uU einem durchschauten Urkundenfälscher oder sonst verbrecherisch Handelnden eingeantwortet werden (schon zum alten AußStrG wurde judiziert, dass mangels eines streitigen Verfahrens der Erbrechtsnachweis im Abhandlungsverfahren erbracht werden muss: SZ 43/193; NZ 2001, 383; NZ 2004, 284; offenbar gegenteilig, aber ohne Erörterung des Sonderfalls Eccher/S² § 799 Rz 2). Nach Rechtskraft dieses (entsprechend § 39 AußStrG auszufertigenden und zu begründenden) Beschlusses ist nach § 158 AußStrG zu verfahren (s § 797 Rz 14). Bei letztlich antragsgemäßem Einantwortungsbeschluss ist keine Begründung erforderlich (§ 178 Abs 6 iVm § 39 Abs 4 AußStrG). Das außerstreitige Verfahren bei widersprechenden Erbantrittser- 8 klärungen regeln die §§ 161–164 AußStrG 2003. Die Integration der Entscheidung darüber in das Verlassenschaftsverfahren ist eine der wesentlichsten Neuerungen in diesem Gesetz (Erl 224 BlgNR 22. GP 16). Durch den Wegfall der Entscheidung über die Parteirollen im Prozess ist nunmehr der Streit über die Erbberechtigung aller Beteiligten auf ein einziges Verfahren (mit insoweit unleugbar streitähnlichem Charakter) konzentriert, wodurch auch Mehrparteienverfahren leichter zu bewältigen sein sollten als nach den Regeln der ZPO. Nun kann (anders als im früheren Erbrechtsprozess) nicht nur über das „bessere“, sondern sogleich über das „beste“ Erbrecht entschieden werden (Erl aaO 104 f). Eine mündliche Verhandlung ist zwingend vorgeschrieben; bei einem voraussichtlichen Wert der Aktiven von mehr als € 4.000 besteht Rechtsanwaltspflicht (§ 162 AußStrG). Regeln über Ruhen des Verfahrens (sowie Unterbrechung und Innehalten) enthält § 163 AußStrG. Stellt nach Ablauf der Ruhensfrist ein Erbansprecher innerhalb der ihm vom Gericht zu bestimmenden Frist keine geeigneten Anträge, ist das Verlassenschaftsverfahren ohne Rücksicht auf ihn fortzusetzen. An sich verspätete, aber noch zu berücksichtigende Erbantrittserklärungen (s Rz 2) führen zu einem neuen Verfahren nach §§ 160 ff AußStrG, gegebenenfalls sogar zur Wirkungslosigkeit einer bereits ergangenen Entscheidung (§ 164 AußStrG). In jedem Fall hat das Gericht „im Rahmen des VorbrinSailer
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gens“ der Parteien und ihrer Beweisanbote das Erbrecht der Berechtigten festzustellen und die übrigen Erbantrittserklärungen abzuweisen (§ 161 Abs 1 AußStrG; zur objektiven Beweislast in bestimmten Konstellationen s die Erl aaO 104 f; Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen³, 2006, Rz 607). Diese vom Richter, nie vom Rechtspfleger (§ 18 Abs 2 Z 2 lit b RpflG), zu fällende Entscheidung kann in einem gesonderten Beschluss oder erst mit jenem über die Einantwortung ergehen (S 2 leg cit). 9 Will ein zum Erben Berufener die Erbschaft nicht annehmen, kann
er entweder untätig bleiben oder sie ausdrücklich ausschlagen. Diese, Erbsentschlagung oder negative Erbantrittserklärung genannte (s Rz 1), in § 805 ABGB und § 157 AußStrG geregelte, einseitige Parteierklärung unterliegt denselben Formerfordernissen (Rz 3) wie eine positive Erklärung (SZ 54/98). Sie ist ebenso nach § 806 unwiderruflich (s dort Rz 1). Schon bisher wurden Erbsentschlagungen nicht vom Gericht „angenommen“ (NZ 1978, 159; RS0013026; gegenteilig SZ 19/189; s aber zur Erbantrittserklärung Rz 4), weshalb die Unwiderruflichkeit schon mit (formloser) Kenntnis durch Gericht oder Gerichtskommissär (GlU 12.924; JBl 1961, 278) eintrat (1 Ob 374/59; NZ 1978, 159; RS0013014; neuere E verlangen aber zudem, dass die Entschlagung dem weiteren Verfahren „zu Grunde gelegt“ werde: 3 Ob 568/81; 10 ObS 37/94 SZ 67/175; SZ 71/152). Während die immer noch hA (SZ 22/30; NZ 2000, 13 Zankl; SZ 71/152 [dort offenbar irrig: „Erbserklärung“]; Eccher/S § 799 Rz 3; gegenteilig Kralik, ErbR 49; Zankl, NZ 2000, 14) über das zur Erb(antritt)serklärung Vertretene hinaus die Anfechtung wegen Willensmängeln (im streitigen Verfahren) bejaht, ist dies iSd der Entscheidung SZ 73/69 (s dazu Rz 5) abzulehnen. Bei wirksamer Ausschlagung der Erbschaft gilt diese als dem Ausschlagenden nicht angefallen, so dass anzunehmen ist, das Recht sei schon mit dem Tod des Erblassers den Nachberufenen angefallen (SZ 67/175; 1 Ob 25/06t ZIK 2006, 136; Eccher/S § 805 Rz 2). 10 Ob die Erbsentschlagung auch für Nachkommen wirkt, ist jedenfalls
Auslegungsfrage. Was im Zweifel gilt, ist str (verneinend SZ 55/165; nur referierend Welser/R Rz 35 mwN). Jedenfalls wirkt sie nur für dem Erben bekannte Berufungsgründe (JBl 1954, 121; Welser/R Rz 29). 11 Von der einseitigen Erbsentschlagung ohne Nennung einer dadurch
begünstigten Person zu unterscheiden ist die Erklärung, zugunsten eines anderen auf die Erbschaft zu verzichten. Je nachdem ob entgeltlich oder unentgeltlich liegt dann, sofern dem Begünstigten die Erbschaft (oder der betreffende Anteil) nicht ohnehin anstelle des sich 680
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Entschlagenden zugefallen wäre, entweder Erbschaftskauf oder -schenkung vor, daher ist § 1278 anzuwenden. Zur Gültigkeit bedarf es jeweils eines Notariatsakts oder eines gerichtlichen Protokolls (stRspr, SZ 14/2; SZ 23/46; JBl 1954, 174; SZ 71/152). Erforderlich ist außerdem die Annahme durch den Erwerber (EvBl 1968/3; SZ 71/152). Wirkung der unbedingten, § 801. Die unbedingte Erbantrittserklärung hat zur Folge, daß der Erbe allen Gläubigern des Erblassers für ihre Forderungen, und allen Legataren für ihre Vermächtnisse haften muß, wenngleich die Verlassenschaft nicht hinreicht. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis (1982); Zemen, Zur Kürzung der Vermächtnisse nach § 783 ABGB, ÖJZ 1985, 65.
Die „unbedingte“, also ohne Inanspruchnahme der mit der Inventur 1 des Nachlasses verbundenen Haftungsbeschränkung (§ 802 S 2) abgegebene Erbantrittserklärung (s §§ 799–800 Rz 1) bewirkt die persönliche unbeschränkte Haftung des (der) Erben mit seinem (ihrem) gesamten Vermögen für alle Nachlassverbindlichkeiten (3 Ob 83/05k SZ 2005/152), sowohl gegenüber Erblasser- als auch Erbgangsgläubigern (nach Eccher/S Rz 1 auch Erbfallsgläubigern). Die mögliche Begünstigung von Gläubigern eines überschuldeten Nachlasses ab Einantwortung wird wohl wegen der mangels Inventur nur schwer möglichen Feststellung seines Umfangs als Haftungsgrenze (s § 802 Rz 1 aE) in Kauf genommen. Während Erblasserschulden schon zu dessen Lebzeiten begründet wurden, entstehen die anderen infolge dessen Ablebens neu (etwa auf Leistung von Vermächtnis, Pflichtteil oder Unterhalt), wobei die Erbgangsschulden im Zusammenhang mit dem Verfahren stehen (zB Kosten der Abhandlungspflege und der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses: 2 Ob 103/98f SZ 71/73; 6 Ob 6/98w SZ 71/151). Die Haftung wird erst mit Einantwortung wirksam, vorher haftet der Nachlass (stRspr: SZ 33/100; SZ 52/170; SZ 2005/152; Eccher, ErbR Rz 8/5: pro viribus; Weiß/K III 975; s auch § 547 Rz 1). Maßgebend ist der Eintritt der formellen Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses (SZ 24/141; SZ 43/1; SZ 60/142 [Ablehnung der gegenteiligen, auf Zustellung abstellenden Rspr]; Eccher/S § 819 Rz 9 [entgegen diesem stehen die zit E im Einklang]; Welser/R §§ 797–800 Rz 5). Bei unbedingter Erbantrittserklärung hat der Erbe (statt einem „eides- 2 stättigen Vermögensbekenntnis“ nach dem früheren Recht) nach § 170 AußStrG eine „Vermögenserklärung“ abzugeben (zu den Gründen Sailer
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der Änderung s Erl 224 BlgNR 22. GP 109), die das Gericht der Abhandlung ohne inhaltliche Prüfung (NZ 1928, 60; SZ 42/55; 7 Ob 208/97g SZ 70/154) zu Grunde zu legen hat (s § 802 Rz 3). Sie tritt an die Stelle des Inventars (§ 170 S 3 AußStrG). Bei dieser Erklärung steht der Verfasser nach § 13 Abs 1 und § 16 Abs 2 AußStrG unter Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht. Er ist auf die strafrechtlichen Folgen (uU Qualifikation als „Prozessbetrug“, Erl aaO 109 f) einer wahrheitswidrigen Erklärung hinzuweisen (§ 170 S 2 AußStrG). Erforderlich ist nach wie vor die eigenhändige Unterschrift des Erben oder dessen mit besonderer Vollmacht ausgestatteten Bevollmächtigten. Auch Miterben müssen die Erklärung über den ganzen Nachlass abgeben (SZ 7/87). Die Wirkungen der Vermögenserklärung bleiben wie die des von ihr ersetzten Inventars (s § 802 Rz 2) allein auf das Verlassenschaftsverfahren beschränkt (SZ 47/12; EvBl 1974/226; 2 Ob 552/94 NZ 1996, 244; RS0007879). Unterschiedliche Erklärungen mehrerer Erben führen noch nicht zur Inventur, vielmehr kann das Gericht eine davon der Einantwortung zu Grunde legen (7 Ob 622/92 NZ 1994, 113; Welser/R Rz 2). 3 Bei Dauerschuldverhältnissen des Erblassers sind die schon zu des-
sen Lebzeiten entstandenen Forderungen, für die sich die Haftung des Erben nach der Erbantrittserklärung richtet, von den Neuschulden zu unterscheiden, die den Erben wie eigene treffen (Fenyves, Erbenhaftung 163 ff, 339 ff; V. Steininger, 2. FS Wilburg, 1975, 369 ff). 4 Zur Gesamthaftung mehrerer unbeschränkt haftender Erben s bei
§ 820. und der bedingten Erklärung § 802. Wird die Erbschaft mit Vorbehalt der rechtlichen Wohltat des Inventariums angetreten; so ist sogleich vom Gerichte das Inventarium auf Kosten der Masse aufzunehmen. Ein solcher Erbe wird den Gläubigern und Legataren nur so weit verbunden, als die Verlassenschaft für ihre, und auch seine eigenen, außer dem Erbrechte ihm zustehenden, Forderungen hinreicht. Lit: Dengler, Die Bedingtheit der Erbserklärung, NZ 1982, 147; NunnerKrautgasser, Unzulänglichkeit der Verlassenschaft: Haftungsbeschränkung? Zak 2006, 323; Ch. Rabl, Das Nachlaßinventar – Inhalt und Zweck, NZ 1999, 129; Schumacher, Inventarisierung der Lebensversicherung? NZ 1997, 381; Welser, Prozeßkosten und Erbenhaftung, JBl 1993, 573.
1 Die sog bedingte Erbantrittserklärung (Überschrift vor § 802; vor
2005 „Erbserklärung“; s §§ 799–800 Rz 1) wird nicht unter einer Be682
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dingung abgegeben, vielmehr erklärt der Erbe die Annahme der Erbschaft mit der Haftungsbeschränkung („Rechtswohltat des Inventars“; näher Rz 4) nach S 2. Nach Einantwortung haftet der Erbe nur bis zum Wert der ihm zugekommenen Verlassenschaft. Die Forderungen der Gläubiger bleiben aber voll aufrecht (6 Ob 574/90 NZ 1991, 249) und können somit wirksam erfüllt werden. Bis zur Einantwortung haftet der ruhende Nachlass an sich noch unbeschränkt (zutr 6 Ob 108/06k ZIK 2006, 211; Nunner-Krautgasser, Zak 2006, 325; anders noch JBl 1984, 317; allerdings, so Eccher, ErbR Rz 8/5, nur mit seinem Vermögen, also cum viribus). Die bedingte Erbantrittserklärung führt zur Errichtung eines In- 2 ventars, dh eines genauen und vollständigen Verzeichnisses des beweglichen und unbeweglichen Vermögens (der körperlichen Sachen und vererblichen Rechte), soweit es sich bei dessen Tod im Besitz des Erblassers befand (SZ 17/151), sowie von dessen Verbindlichkeiten samt einer auf diesen Zeitpunkt bezogenen Bewertung (§ 166 Abs 1 AußStrG; SZ 22/24; 7 Ob 71/01v EF 96.895). Da der Besitz aber nur ein Indiz für die Nachlasszugehörigkeit ist, soll allein für Zwecke des Verfahrens (nicht darüber hinaus: stRspr, NZ 1969, 42 = NZ 1969, 137; RS0006465; ebenso Erl 224 BlgNR 22. GP 109) im Streitfall vom Richter über die Aufnahme ins Inventar entschieden werden (so schon bisher SZ 26/225; 7 Ob 31/01m EF 98.945; 1 Ob 235/01t EF 103.007). Sachen im Besitz des Erblassers dürfen nur auf Grund unbedenklicher Urkunden ausgeschieden werden (§ 166 Abs 2 AußStrG). Strittige Eigentumsfragen gehören nach wie vor (SZ 47/12; JBl 1985, 741; 1 Ob 235/01t EF 103.009) auf den Rechtsweg (Erl aaO 107 f). Weiterhin wird am Ende idR das „reine Vermögen“ des Erblassers zu berechnen sein (vgl § 105 Abs 3 AußStrG 1854). Bewertungsregeln enthält neuerdings § 167 AußStrG (grundsätzlich Verkehrswert für bewegliche Sachen, dreifacher Einheitswert für Liegenschaften; auf Antrag oder im Interesse Pflegebefohlener sind sie aber wie schon nach dem früheren Verfahrensrecht nach dem LBG zu schätzen (6 Ob 151/99w JUS-Z 2873). Schulden sind nur anzuführen, wenn dies „ohne weitläufige Erhebungen und großen Zeitverlust“ möglich ist (Abs 3 leg cit). Die Inventur (meist „Inventarisierung“) ist nur bis zum Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens möglich (Welser/R Rz 9). Verfahrensbestimmungen enthalten die §§ 168 f AußStrG. Die Inven- 3 tur ist einem Beweissicherungsverfahren (§§ 384 ff ZPO) vergleichbar (1 Ob 690/89 JBl 1990, 583; RS0007726; Erl 224 BlgNR 22. GP 109). Auch wenn im neuen Verfahrensrecht eine ausdrückliche Anordnung unterblieb, wird weiterhin eine Inventarisierungstagsatzung anzusetzen sein, zu der (zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Sailer
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§ 15 AußStrG) alle Parteien des Verlassenschaftsverfahrens bei sonstiger Nichtigkeit zu laden sind (8 Ob 568/91 NZ 1992, 272; 7 Ob 8/97w EF 85.574; zur Schätzung s § 784 Rz 2). Die früher übliche Annahme des Inventars zu Gericht (vgl SZ 51/51) unterbleibt zur Vermeidung jeglicher Legitimationswirkung (Erl aaO). 4 Nach neuem Recht sind bei Anordnung der Inventur auch ohne An-
trag in jedem Fall die Verlassenschaftsgläubiger einzuberufen (§ 165 Abs 2 AußStrG), und zwar wegen der durch § 815 eingeschränkten Wirkung der bedingten Erbantrittserklärung (s dort Rz 1). 5 Die bedingte Erbantrittserklärung führt derart zur Beschränkung
der Haftung des Erben, dass er zwar persönlich und mit seinem gesamten Vermögen (GlU 7412) haftet, jedoch nur bis zum Wert der ihm zugekommenen Verlassenschaft (pro viribus, nicht nur cum viribus hereditatis: JBl 1970, 205). Maßgebend ist der Wert zur Zeit der Einantwortung (JBl 1903, 358; SZ 14/245; RS0047846). Die Forderungen selbst bleiben unberührt (NZ 1991, 249). Es handelt sich nicht um eine Exekutionsbeschränkung, sondern um eine materiell-rechtliche Haftungsminderung; demnach ist sie grundsätzlich im Titelverfahren geltend zu machen (JBl 1953, 542 uva; Nunner-Krautgasser, Zak 2006, 325; gegenteilig aber SZ 8/52 ua). Die Unzulänglichkeit des Nachlasses ist nicht von Amts wegen wahrzunehmen, vielmehr hat sie der Erbe zu beweisen (SZ 49/77; 2 Ob 150/05f ZVR 2006/108 Veith). Nur dann, wenn diese nicht vor Schluss der Verhandlung erster Instanz geltend gemacht werden konnte (§ 35 Abs 1 EO), steht die Oppositionsklage offen (JBl 1984, 317). Bei Unternehmensfortführung haften die Erben nach § 40 Abs 1 UGB jedenfalls für die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten (vgl zum HGB SZ 31/17; SZ 43/128). Zur Haftung des Nachlasses bei bedingten Erbantrittserklärungen s Rz 1. 6 Die Haftungsbeschränkung kommt allen Erben zugute (s aber § 804
Rz 1), entscheidend ist die Tatsache der Inventur (§ 807 Rz 1). Sie wirkt gegen alle Gläubiger, die auf die Verlassenschaft gewiesen sind, also Erben- und Erbfalls- (Eccher/S Rz 1), aber auch Erbgangsgläubiger (6 Ob 6/98w SZ 71/151 [Prozesskosten der Verlassenschaft] folgend Welser, JBl 1993, 573; 3 Ob 83/05k SZ 2005/152; aA Kralik, ErbR 353). Näheres zur Haftung mehrerer Erben s bei § 821. Berechtigung zur bedingten oder unbedingten Antretung oder Ausschlagung der Erbschaft § 803. Der Erblasser kann dem Erben den Vorbehalt dieser rechtlichen Wohltat nicht benehmen, noch die Errichtung eines Inven684
Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
§ 804
tariums verbieten. Selbst der in einem Erbvertrage zwischen Ehegatten darauf geschehene Verzicht ist von keiner Wirkung. Das Gesetz schützt den Erben eines überschuldeten Nachlasses auch 1 für den Fall, dass der Erblasser letztwillig die Errichtung eines Inventars durch ein Verbot der Antragstellung oder durch Auferlegen von Nachteilen für diesen Fall an der Antragstellung zu hindern versucht. Solche Verfügungen sind wirkungslos (SZ 2/91; Welser/R Rz 1). Eine Bedingung, nach der ein Erbe bei Inventarisierung die Erbschaft oder einen sonstigen Vorteil verliert, gilt als nicht beigesetzt (Welser, aaO). § 804. Die Errichtung des Inventariums kann auch von demjenigen verlangt werden, dem ein Pflichtteil gebührt. Außer den Erben (in Form der bedingten Erbantrittserklärung) kön- 1 nen auch Pflichtteilsberechtigte (§ 762) die Errichtung eines Inventars verlangen. Den dritten Fall einer Inventur auf Antrag, nämlich bestimmter Gläubiger, regelt § 812; außerdem ist sie in den Fällen des § 165 Abs 1 Z 2, 4, 5 AußStrG von Amts wegen vorzunehmen. Hat ein Berufener einmal eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben, ist es ihm verwehrt, eine Inventur zu verlangen und dadurch der unbeschränkten Haftung nach § 801 zu entgehen (7 Ob 208/97g NZ 1998, 179; 3 Ob 83/05k SZ 2005/152; s aber § 807 Rz 1 [Begünstigung durch von anderen veranlasstes Inventar]). Das Recht auf Inventarisierung ist nicht von einem Antrag auf 2 Nachlass-Separation abhängig (EF 17.880). Es steht auch volljährigen (SZ 54/122) Pflichtteilsberechtigten unbedingt zu, und zwar allein zu dem Zweck, ihren Anspruch berechnen zu können (SZ 47/12). Das Gericht hat nur ihre Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 762, nicht aber zu prüfen, ob der Pflichtteilsanspruch materiell berechtigt ist (NZ 1987, 128: Verjährung; 4 Ob 539/95 SZ 68/126: Enterbung; 6 Ob 8/02y NZ 2003, 151 Zankl; 9 Ob 126/03z: außergerichtlicher Vergleich). Wegen der auf das Verlassenschaftsverfahren beschränkten Wirkung des Inventars (s § 802 Rz 2) bindet es im Pflichtteilsprozess nicht (8 Ob 644/91 AnwBl 1993, 432 Graff; 6 Ob 73/03h). Ein auch schlüssig möglicher (RZ 1990, 96) Verzicht des Noterben 3 auf das Inventar lässt den Anspruch aus § 804 endgültig untergehen (RZ 1963, 137; 6 Ob 33/01y EF 96.907), selbst wenn nachträglich Vermögen hervorkommt (RPflA 6208). Ein solcher Verzicht umfasst nicht ohne weiteres auch den Pflichtteilsanspruch (NZ 1933, 280; Welser/R Rz 2; Eccher/S Rz 2), das Gegenteil gilt aber für den umgeSailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 805
kehrten Fall (EF 13.604). Die amtswegige Errichtung in den Fällen des § 165 Z 1–5 AußStrG wird von einem Verzicht selbstverständlich nicht berührt (6 Ob 33/01y). Das Recht auf Inventur bleibt trotz Einbringens einer Pflichtteilsklage aufrecht (EF 17.880; RZ 1989, 120). § 805. Wer seine Rechte selbst verwalten kann, dem steht frei, die Erbschaft unbedingt, oder mit Vorbehalt der obigen Rechtswohltat anzutreten oder auch auszuschlagen. [idF BGBl I 2000/135]
1 Die Wahl der im Verlassenschaftsverfahren abzugebenden Erklärung
und deren Abgabe (oder allenfalls Unterlassung) durch den Erklärenden selbst setzen volle Geschäfts- und Prozessfähigkeit voraus. Zur gesetzlichen Vertretung von Minderjährigen s § 154 Abs 3. Näher zur Erbantrittserklärung s §§ 799–800 Rz 1 ff; zur Erbsentschlagung §§ 799–800 Rz 9–11. § 806. Der Erbe kann seine gerichtliche Erbantrittserklärung nicht mehr widerrufen, noch auch die unbedingte abändern, und sich die Rechtswohltat des Inventariums vorbehalten. [idF BGBl I 2004/58]
1 Die seit 2005 (s §§ 799–800 Rz 1) so bezeichnete „gerichtliche“ Erb-
antrittserklärung, vor allem die unbedingte, bedeutet eine wichtige Zäsur im Abhandlungsverfahren. Sie kann nicht widerrufen werden. Das galt auch bisher schon vor ihrer Annahme zu Gericht (SZ 18/10; 9 Ob 244/02a EF 100.608; aM Kralik, ErbR 324), und zwar ab (auch formloser) Kenntnisnahme durch den Gerichtskommissär (SZ 54/98) oder das Gericht (abweichend JBl 1961, 278; NZ 1978, 159; 3 Ob 229/02a ua; Welser/R §§ 799, 800 Rz 19: nur wenn die Erklärung zur Grundlage des weiteren Verfahrens gemacht wird). Nach neuer Rechtslage gibt es keine formelle Annahme mehr (§§ 799–800 Rz 4), es kommt daher richtigerweise allein auf den Zugang bei Gericht oder – soweit es nicht nach § 3 GKoärG zur schriftlichen Abhandlungspflege kommt – beim Gerichtskommissär (aA Eccher/S Rz 2: nur auf gerichtliche Kenntnisnahme) an (§ 144 Abs 1 AußStrG). Dass das in § 160 AußStrG vorgesehene (auch wechselseitige) Anerkennen des Erbrechts anderer wie ein Widerruf wirkt, sahen dessen Redaktoren, nahmen dies aber, offenbar zwecks Verkürzung und Vereinfachung des Verfahrens, in Kauf (Erl 224 BlgNR 22. GP 103 f). Allerdings konnten im früher vorgesehenen Erbrechtsprozess ebenfalls Anerkenntnisse abgegeben und sogar Vergleiche geschlossen werden (zutr Metzler, ÖJZ 2006, 515). Mit einer unbedingten Erbantrittserklärung 686
Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
§ 807
verliert der Erbe endgültig die Rechtswohltat des Inventars. Die Umwandlung in eine bedingte Erbantrittserklärung ist (auch nach dem neuen AußStrG: Erl aaO 103) ausgeschlossen (3 Ob 83/05k SZ 2005/152); dies auch dann, wenn die Erklärung nunmehr auf einen anderen Titel gestützt wird (5 Ob 533/93 SZ 67/12). Die Unwiderruflichkeit gilt auch für die Erbsentschlagung (GlU 12.924; SZ 22/30; 3 Ob 229/02a). Auch nach dem neuen AußStrG 2003 ist es zulässig, eine bedingte 2 Erbantrittserklärung in eine unbedingte umzuwandeln (Erl 224 BlgNR 22. GP 103), und zwar bis zur Errichtung des Inventars (NZ 1979, 61; SZ 67/12; Ehrenzweig, System II/2, 497). Nach einhelliger Ansicht ist die Änderung des Erbrechtstitels bis zur 3 Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses (s dazu § 819 Rz 1) zulässig („Auswechslung“; GlU 118; GlUNF 1010; EvBl 1973/36; 3 Ob 227/04k SZ 2004/170; Eccher/S § 799 Rz 5; Welser/R §§ 799–800 Rz 10), also nunmehr (wegen der Beseitigung der Erbrechtsklage) jedenfalls auch noch im Erbrechtsstreit (§ 799–800 Rz 8). § 807. Wenn aus mehreren Miterben einige unbedingt; andere aber oder auch nur einer aus ihnen mit Vorbehalt der erwähnten Rechtswohltat sich zu Erben erklären; so ist ein Inventarium zu errichten, und die auf diesen Vorbehalt beschränkte Erbantrittserklärung der Verlassenschaftsabhandlung zum Grunde zu legen. In diesem, sowie in allen Fällen, in welchen ein Inventarium errichtet werden muß, genießt auch derjenige, welcher eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat, solange ihm die Erbschaft noch nicht übergeben worden, die rechtliche Wohltat des Inventariums. [idF BGBl I 2004/58]
Jedes (amtswegig oder auf Antrag eines Berechtigten) errichtete In- 1 ventar bewirkt die Haftungsbeschränkung für alle Miterben, auch derjenigen, die eine unbedingte Erbantrittserklärung (§ 802 Rz 1) abgaben (SZ 36/157; 5 Ob 533/93 SZ 67/12). Wandeln alle ihre bedingte Erklärung vor Errichtung des Inventars in eine unbedingte um (s § 806 Rz 2), kommt aber die Haftungsbeschränkung für keinen zum Tragen; neue bedingte Erbantrittserklärungen der ursprünglich unbedingt Annehmenden müssen an § 806 scheitern (SZ 67/12). Aus dem zumindest unklar formulierten S 2 (nach Gschnitzer/Fais- 2 tenberger, ErbR 78 und Welser/R Rz 2 ein Redaktionsversehen) folgt keineswegs eine wiederum unbeschränkte Haftung ab Einantwortung desjenigen, der eine unbedingte Erbantrittserklärung abgab; Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 808
vielmehr bedeutet er nur, dass danach eine Inventur nicht mehr möglich ist (einhellige Ansicht, Welser, aaO mwN). § 808. Wird jemand zum Erben eingesetzt, dem auch ohne letzte Willenserklärung das Erbrecht ganz oder zum Teile gebührt hätte; so ist er nicht befugt, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu berufen und dadurch die Erklärung des letzten Willens zu vereiteln. Er muß die Erbschaft entweder aus dem letzten Willen antreten, oder ihr ganz entsagen. Personen aber, denen ein Pflichtteil gebührt, können die Erbschaft mit Vorbehalt ihres Pflichtteiles ausschlagen. Lit: Mähr, Ausschlagung einer gesetzlichen Erbschaft mit Vorbehalt des Pflichtteiles? NZ 1978, 133; Rechberger, Die Ausschlagung der letztwilligen Zuwendung durch den Pflichtteilsberechtigten, JBl 1973, 292; Schwind, Zur Ausschlagung der Erbschaft mit Vorbehalt des Pflichtteils, FS Kastner (1972) 441; Zankl, Pflichtteilsdeckung und Pflichtteilsverjährung, NZ 2000, 36; Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform (1981).
1 Die Regel hindert den letztwillig (oder durch Erbvertrag) berufenen
Erben, der es auch nach dem Gesetz wäre, daran, vom Erblasser auferlegte Belastungen dadurch zu vermeiden, dass er sich allein auf sein gesetzliches Erbrecht beruft. § 808 ist unanwendbar, wenn es keine solchen Belastungen gibt (Kralik, ErbR 51). Wegen §§ 726, 563 (s § 726 Rz 1) bleibt § 808 nur für jene Anordnungen anwendbar, die nur der Erbe erfüllen kann oder nach dem letzten Willen persönlich erfüllen muss (Kralik, aaO; Welser/R Rz 1). Str ist (bei Berufung zu einem gleich hohen Anteil) die Wahlfreiheit zwischen früherem Erbvertrag und späterem Testament (s Eccher/S Rz 3; Welser, aaO). 2 Ausgeschlossen ist jedenfalls nach einem Gegenschluss aus dem letz-
ten Satz die nur teilweise Annahme einer aus einem einheitlichen Titel angefallenen Erbschaft (Weiß/K III 969; Welser/R §§ 799–800 Rz 8; gegenteilig Kralik, ErbR 50 ff; Zemen, Erbfolge 56 ff; wohl auch Eccher/S Rz 5), nicht dagegen bei einzelnen Erbteilen aus verschiedenen Titeln (EvBl 1958/113). Nicht berührt wird von § 808 das Recht, sich für einen den testamentarisch zugewendeten übersteigenden Anteil auf das Gesetz zu berufen (SZ 23/148; Welser/R Rz 9). Zulässig ist weiters, sich unter Bestreitung der Gültigkeit des letzten Willens auf sein gesetzliches Erbrecht zu berufen (SZ 17/168; SZ 23/148; RS0007936; Eccher/S Rz 2). 3 Nach wie vor umstritten ist die Auslegung des letzten Satzes des
§ 808. Die hA geht dahin, der Pflichtteilsberechtigte könne entgegen der allgemeinen Regel (Rz 2) nur den letztwillig zugewendeten Erbteil 688
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 810
im Ausmaß des Pflichtteils, also teilweise annehmen und die darüber hinaus gehende (unerwünschte und wegen § 774 Abs 1 allein belastete) Zuwendung ausschlagen (6 Ob 666/95 SZ 69/155; 6 Ob 189/98g SZ 71/166; Ausnahmen anerkennend 5 Ob 14/02y EF 100.574 f; schon Krasnopolski/Kafka, Lehrbuch des österreichischen Privatrechts V, 1914, 281; Kralik, ErbR 52 f; Zankl, NZ 2000, 37 ff), nicht aber einen Geldanspruch geltend machen. Sonst läge ein Widerspruch („Antinomie“) zu den §§ 774 und (besonders) 787 Abs 1 (s dort) vor. Die Gegenmeinung (Eccher, Erbfolge 66; Rechberger, JBl 1973, 292; Weiß/K III 1009; auch EvBl 1979/125, allerdings ohne Auseinandersetzung mit der Kontroverse) würde es dem Noterben entgegen dieser überzeugenden Erwägung stets erlauben, sich auf eine Geldforderung zurückzuziehen. Übertragung des Erbrechtes § 809. Stirbt der Erbe eher, als er die angefallene Erbschaft angetreten oder ausgeschlagen hat; so treten seine Erben, wenn der Erblasser diese nicht ausgeschlossen, oder nicht andere Nacherben bestimmt hat, in das Recht, die Erbschaft anzunehmen, oder auszuschlagen (§ 537). In dieser Bestimmung wird nur die Anordnung der Transmission im 1 engeren Sinn bei Tod des Erben vor Erbantrittserklärung oder Erbsentschlagung, die schon § 537 regelt, nochmals klargestellt. Näheres bei § 537. Vorkehrungen vor Einantwortung der Erbschaft: a) Verwaltung; § 810. (1) Der Erbe, der bei Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweist, hat das Recht, das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet. Trifft dies auf mehrere Personen zu, so üben sie dieses Recht gemeinsam aus, soweit sie nichts anderes vereinbaren. (2) Verwaltungs- und Vertretungshandlungen vor Abgabe von Erbantrittserklärungen zur gesamten Verlassenschaft sowie alle Veräußerungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen bedürfen der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts, wenn sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Handlung für die Verlassenschaft offenbar nachteilig wäre. Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 810
(3) Ist nach der Aktenlage die Errichtung eines Inventars zu erwarten, so dürfen Vermögensgegenstände, deren Veräußerung nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, erst veräußert werden, nachdem sie in ein Inventar (Teilinventar) aufgenommen worden sind. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Bittner, Der Vorweg-Rechtsmittelverzicht im neuen Verlassenschaftsverfahren, FS Rechberger (2005) 65; F. Bydlinski, Letztwillige Verwaltungsanordnungen, JBl 1981, 72; Fischer-Czermak, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2; Mondel, Die praktische Handhabung der Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses, NZ 2006, 225; Spitzer, Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses (§ 810 ABGB neu), NZ 2006, 33; Sprung/Fink, Letztwillig angeordnete Nachlaßverwaltung im österreichischen Recht, JBl 1996, 205; Zankl, Testamentsvollstreckung und Nachlaßverwaltung, NZ 1998, 71.
1 Auch im geänderten § 810 kommt die Erwartung zum Ausdruck, dass
idR jene Personen, die ihr Erbrecht nachweisen können, auch die wirklichen Erben sind. Demnach ist ihnen schon vor der Einantwortung Benützung, Verwaltung und Vertretung (so nunmehr die Überschrift vor § 171 AußStrG; enger weiterhin jene vor § 810; zur Anwendbarkeit der nF s §§ 799–800 Rz 1) der Erbschaft zuzubilligen. Voraussetzung ist die Abgabe einer Erbantrittserklärung (nicht mehr deren Annahme: s §§ 799–800 Rz 4) sowie das Erbringen des Erbrechtsausweises (s §§ 799–800 Rz 7). Seit 2005 enthalten die Ausführungsbestimmungen zu § 810, nämlich §§ 171 ff AußStrG, vorwiegend Formales (§ 171 leg cit aber auch den Wirksamkeitsbeginn einer einvernehmlichen Änderung iSd § 810 Abs 1 S 2). Da die Rechte nach § 810 inhaltlich nicht grundsätzlich geändert, aber „praktikabler“ gestaltet werden sollten (Erl 224 BlgNR 22. GP 110 und 471 BlgNR 22. GP 31), wird das von der Rspr in fast 200 Jahren Entwickelte im Wesentlichen Bestand haben. Immerhin stellen die Erl zum FamErbRÄG (aaO 31) klar, dass es inhaltlich um die (körperliche) Benützung der Nachlassgegenstände, die Geschäftsführung der Verlassenschaft nach innen und deren Vertretung nach außen (dazu 2 Ob 103/98f SZ 71/73) geht. 2 Die (erbantritts-)erklärten Erben haben ein subjektives Recht auf die
Benützung, Verwaltung und Vertretung (Abs 1) iSd bisherigen stRspr (DREvBl 1938/239; 3 Ob 34/03a NZ 2004, 284). Im Gegensatz zur wegen des früheren Wortlauts („… ist ihm die Besorgung und Benützung … zu überlassen“) vertretenen Annahme eines konstitutiven Beschlusses (OLG Wien 11 R 48/91 NZ 1992, 11; 6 Ob 8/01x NZ 2001, 690
Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
§ 810
382; gegenteilig wohl SZ 49/149) kommen ihnen diese Befugnisse ohne Gerichtsbeschluss ex lege zu (Erl 471 BlgNR 22. GP 31; Fischer-Czermak, JBl 2005, 13; Mondel, NZ 2006, 228; Spitzer, NZ 2006, 33 f). Für die Annahme einer durchaus zweckmäßigen Anzeigepflicht des/der Erben (so Spitzer, aaO 34 ff; aA Bittner in Rechberger, AußStrG § 171 Rz 4) fehlt eine gesetzliche Grundlage. Zum Nachweis der Vertretungsbefugnis dient eine vom Gerichtskommissär auf Antrag nach der Aktenlage auszustellende Amtsbestätigung (§ 172 AußStrG; ob diese gutgläubigen Erwerbern zu Eigentum verhelfen kann, bleibt offen). Die neue Regelung soll der Vereinfachung dienen und macht die auch von den Erl als bedenklich angesehene Konstruktion einer schlüssigen Überlassung (krit dazu zuletzt NZ 2001, 382) entbehrlich. Sie gilt aber dann nicht, wenn das Gericht etwas anderes anordnet, etwa wegen Uneinigkeit der Erbansprecher oder Unvereinbarkeit ihrer Quoten (§ 173 Abs 1 AußStrG; Erl aaO; schon nach bisheriger stRspr schlossen widerstreitende Erbantrittserklärungen die Überlassung der Rechte an einen Erbansprecher aus: SZ 23/120; 3 Ob 15/06m). Als „Missbrauchsvorsorge“ (Erl aaO 32) trägt § 173 Abs 2 AußStrG dem Gerichtskommissär auf, durch Änderung der Verhältnisse überholte Bestätigungen „abzufordern“. Die Verwendung dieses Begriffs aus § 419 ZPO soll klarstellen, dass zur Durchsetzung keine Exekutionsmaßnahmen getroffen werden können (Erl 224 BlgNR 22. GP 110). Unerwähnt blieb in den Erl zum FamErbRÄG die Frage, ob weiter 3 iSd der bisherigen Rspr (NZ 1933, 114; 6 Ob 536, 537/92 JBl 1993, 310; 10 Ob 507/95 SZ 70/40; gegenteilig ua Welser/R Rz 8; Zankl, NZ 1998, 71 f) die letztwillige Bestellung eines Nachlassverwalters die Erben von der Verwaltung ausschließen soll. § 810 Abs 1 schreibt jetzt die einheitliche Judikatur über die Gemein- 4 schaftlichkeit der Berechtigung mehrerer Miterben (SZ 23/300; RZ 1973, 15; s bereits § 550) und deren Recht fest, davon einvernehmlich abzugehen, etwa iS der Übertragung der Befugnisse auf einen allein (6 Ob 8/01x NZ 2001, 382). Schon bisher konnte die Überlassung an einen Miterben nur mit Zustimmung aller übrigen erfolgen (DREvBl 1938/239; 7 Ob 236/04p NZ 2005, 112); bis zu einem solchen Beschluss wurden alle gemeinsam als zur Vertretung des Nachlasses in einem Passivprozess berechtigt angesehen (SZ 26/230; 7 Ob 246/04h Miet 57.055). Eine vereinbarte Änderung der Vertretung ist anzuzeigen (§ 171 AußStrG). Während bisher bei Uneinigkeit grundsätzlich die §§ 833 ff sinngemäß angewendet wurden, soll nunmehr nach § 173 Abs 1 AußStrG die „klare und einfache, wenn auch recht strikte Regelung“ (Erl 224 BlgNR 22. GP 110) gelten, wonach – allerdings bloß „erforderlichenfalls“ – sofort (statt nach 6 Ob 590/93 NZ 1994, 86 als Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
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ultima ratio) ein Verlassenschaftskurator (§ 156 AußStrG) zu bestellen ist (statt wie früher ein Verwalter: GlUNF 5564; SZ 38/168; NZ 1974, 25). Ein Kurator ist (erforderlichenfalls) von Amts wegen oder auf Antrag auch bei Einleitung eines Verfahrens über das Erbrecht nach §§ 160 ff AußStrG einzusetzen; damit endet die Vertretungsbefugnis anderer Personen (§ 173 Abs 1 und 2 AußStrG). Nach § 156 Abs 2 AußStrG ist tunlichst eine vom Erblasser letztwillig dazu bestimmte Person zum Kurator zu bestellen. Weiterhin wird auf Antrag eines nach § 810 Abs 1 legitimierten Erben ein vorher bestellter Verlassenschaftskurator vom Gericht seines Amtes zu entheben sein (SZ 11/129; 10 Ob 534/94 NZ 1995, 278). Jedenfalls endet dieses Amt erst mit Enthebung, noch nicht mit Einantwortung (3 Ob 501/79; 4 Ob 231/02b SZ 2002/147; Eccher/S Rz 7; gegenteilig EvBl 1981/199). 5 In Abs 2 soll das materielle Recht der Verlassenschaftsvertretung
geändert und konkretisiert werden. Das geschieht durch die Anordnung, dass Verwaltungs- und Vertretungshandlungen vor Abgabe von Erbantrittserklärungen zur gesamten Verlassenschaft sowie Veräußerungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen nur dann der gerichtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie nicht zum „ordentlichen Wirtschaftsbetrieb“ gehören. Mit der Übernahme dieses Begriffs aus § 154 Abs 3 (s dort), dem minderjährige oder pflegebefohlene Erbanwärter ohnehin unterliegen, soll auch die dazu ergangene Rspr herangezogen werden können (Erl 471 BlgNR 22. GP 32). Schon zum alten Recht hatte der OGH judiziert, es könne der vertretungsberechtigte Erbe alle Maßnahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs ohne Befassung des Gerichts vornehmen (SZ 28/267; SZ 71/73), wobei die Abgrenzung allerdings iSd §§ 833 f vorzunehmen war (6 Ob 2104/96x NZ 1997, 331). 6 Die Erl (471 BlgNR 22. GP 32) heben die Berechtigung zur Veräuße-
rung von Gegenständen nach Einantwortung sowie die Möglichkeit der Nachlass-Separation (§ 812) hervor und führen aus, solche Veräußerungen könnten am Haftungsumfang („pro viribus“) ohnehin nichts ändern, wobei aber übersehen wird, dass es nach der Rspr auf den Wert bei Einantwortung ankommt (§ 802 Rz 5). Demnach sollen nur in zwei Fällen die Bedenken gegen von den „antrittserklärten“ Erben geplante Rechtsgeschäfte das Interesse an der Privatautonomie überwiegen: erstens das Vorliegen nur einzelner (sich eventuell nur auf geringe Bruchteile beziehende) Antrittserklärungen (Abs 2; zum Schutz der anderen Erben), und zweitens die Sicherung einer zu erwartenden Inventur (Abs 3: Schutz der Gläubiger). Als (nicht besonders strengen) Maßstab für die Versagung der Genehmigung einer Handlung legt Abs 2 deren offenbare Nachteiligkeit fest. Bis zur Er692
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§ 811
richtung eines (Teil-)Inventars dürfen Vermögensgegenstände, deren Veräußerung nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, überhaupt nicht veräußert werden, auch nicht mit der jedenfalls erforderlichen gerichtlichen Zustimmung. Abweichend vom zutr als kompliziert und wertungswidersprüchlich eingestuften Gesetzestext sollen Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung nie, solche der außerordentlichen dagegen stets der gerichtlichen Genehmigung bedürfen (Spitzer, NZ 2006, 35 ff; Mondel, NZ 2006, 230 ff). Jedenfalls unzutr ist die Annahme, der Erbe könne nach Meinung der Gesetzesverfasser (Erläut aaO 32) schon vor Einantwortung über Verkaufserlöse aus der Verlassenschaft frei verfügen (so aber Mondel, aaO 232); in Wahrheit beziehen sich die Erl nur auf die vermeintliche Unveränderlichkeit des Haftungsumfangs bei der pro-viribus-Haftung. Infolge Wegfalls des Überlassungsbeschlusses wird in Fortführung 7 der bisherigen Auslegung (SZ 40/70) mangels gegenteiliger Anordnung des Verlassenschaftsgerichts iSd Abs 1 ein etwaiger Testamentsvollstrecker von Verwaltungs- und Vertretungshandlungen von Anfang an ausgeschlossen sein. Er ist ja nicht ex lege Nachlassverwalter (GlU 15.108; § 816 Rz 3 mwN; zu diesem s Rz 3). Wie bisher steht bloßen Noterben kein Recht auf Benützung, Ver- 8 waltung und Vertretung der Verlassenschaft zu; ihnen sind auch Genehmigungsbeschlüsse nicht zuzustellen (SZ 18/81). Nach neuer Rechtslage wird die Bewilligung der Nachlass-Separa- 9 tion (§ 812) nicht mehr die (Überlassung der) Verwaltung (iSd Rz 1) ausschließen (anders noch GlU 15.538; SZ 23/361; SZ 51/138), allerdings, um ihren Zweck erfüllen zu können, die Verwaltungsbefugnis der Erben entsprechend einschränken. b) Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger; § 811. Für die Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger des Erblassers wird vom Gerichte nicht weiter gesorgt, als sie selbst verlangen. Die Gläubiger sind aber nicht schuldig, eine Erbantrittserklärung abzuwarten. Sie können ihre Ansprüche wider die Masse anbringen, und begehren: daß zur Vertretung derselben ein Kurator bestellt werde, gegen welchen sie ihre Forderungen ausführen können. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht (1974); Kropiunig, Das Verhältnis der §§ 813 ff ABGB zur Konkurseröffnungspflicht bei Überschuldung des Nachlasses, NZ 1993, 97. Sailer
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1 S 1 signalisiert den Gläubigern des Erblassers, dass sie ihre Rechte
selbst zu wahren haben, weil das Verlassenschaftsgericht weder für deren Befriedigung noch deren Sicherung zu sorgen hat, und zwar auch nicht auf deren Antrag, soweit dies nicht besondere Bestimmungen (wie etwa § 812) vorsehen. Außer den Fällen des Nachlasskonkurses und der Überlassung an Zahlungs statt (§ 797 Rz 9 ff) obliegt dies dem Vertreter der Verlassenschaft (JBl 1984, 553; 6 Ob 108/06k ZIK 2006, 211; Kropiunig, NZ 1993, 98 f). Das Abhandlungsgericht wirkt nur insoweit mit, als die damit verbundenen, vom Vertreter des ruhenden Nachlasses vorzunehmenden Rechtshandlungen allenfalls seiner Genehmigung bedürfen (JBl 1984, 553; Welser/R Rz 1). 2 Umgekehrt stellen S 2 und 3 klar, dass die Gläubiger des Verstorbenen
sofort, ohne Erbantrittserklärungen abwarten zu müssen, ihre Ansprüche gegen die Verlassenschaft („Masse“) durch Prozess- und Exekutionsführung geltend machen können (aber auch müssen: Eccher/S Rz 2). Auch die Vollstreckung in Liegenschaften, als deren Eigentümer noch der Erblasser eingetragen ist, ist möglich (EvBl 1966/154; EvBl 1974/286; sogar noch nach Einantwortung bis zu deren Verbücherung gegen den Nachlass: 3 Ob 202/00b SZ 74/30; 3 Ob 86/06b ecolex 2006, 996). 3 Allerdings hat das (Nachlass- oder auch das Prozess-)Gericht für den
noch unvertretenen Nachlass (Welser/R Rz 3) auf Antrag der Gläubiger einen Kurator (nur für einen bestimmten Prozess) zu bestellen, was wegen der gesetzlichen Vertretungsbefugnis der erklärten Erben (nach § 810 nF; s dort Rz 2) nur noch sehr selten vorkommen kann, etwa bis zur Abgabe von Erbantrittserklärungen (EvBl 1974/286) oder wenn trotz widersprechender Erbantrittserklärungen ein Verlassenschaftskurator für nicht notwendig gehalten wurde (§ 173 Abs 1 AußStrG; s § 810 Rz 4). c) Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben; § 812. Besorgt ein Erbschaftsgläubiger, ein Legatar, oder ein Noterbe, daß er durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben für seine Forderung Gefahr laufen könne; so kann er vor der Einantwortung verlangen, daß die Erbschaft von dem Vermögen des Erben abgesondert, vom Gerichte verwahrt, oder von einem Kurator verwaltet, sein Anspruch darauf vorgemerkt und berichtigt werde. In einem solchen Falle hat ihm aber der Erbe, obschon dieser sich unbedingt als Erbe erklärt hätte, aus eigenem Vermögen nicht mehr zu haften. 694
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Lit: Klement, Die Vertretungsbedürftigen und ihre Vertreter im Verlassenschaftsverfahren, NZ 1979, 108; Kropiunig, Ausgewählte Fragen der Nachlaßseparation (1993).
Als – historisch betrachtet – letzter Rest amtswegiger Fürsorge für 1 die Nachlassgläubiger (NZ 1927, 11; SZ 56/28; JBl 1984, 553; RS0013090; Ehrenzweig, System II/2, 532; abl zu dieser insgesamt Bittner in Rechberger, AußStrG § 175 Rz 1) ist die Nachlassabsonderung (oder -separation; auch noch separatio bonorum; zur Rechtsgeschichte s Kropiunig, Nachlaßseparation 7 ff) ein durchaus häufig angewendetes Sicherungsmittel gegen ihnen nachteilige Handlungen des Erben. Die Trennung des Nachlassvermögens von dem des Erben wird (auch im Einklang mit § 811) vom Verlassenschaftsgericht, nicht vom Gerichtskommissär (§ 175 S 1 AußStrG; s Erl 224 BlgNR 22. GP 111), nur auf Antrag angeordnet und ist insb auch deshalb oft zweckmäßig, weil sie über die Einantwortung hinaus (s Rz 6) zu schützen vermag. Wohl wegen des vergleichbaren Sicherungszwecks (vgl etwa Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 378 Rz 14; Neurauter, ebendort Art XXVII EGEO Rz 7 f) wurde sie mitunter als „materiell-rechtliche einstweilige Verfügung (EV)“ bezeichnet (SZ 24/194); in 4 Ob 342/98t SZ 72/19 ist von einem dem Provisorialverfahren ähnlichen Sicherungsverfahren die Rede. Ausführungsbestimmungen enthalten die §§ 165, 175 AußStrG. Zweck der Nachlass-Separation ist nicht nur die Abwehr von Ge- 2 fahren, die dem Gläubiger durch Vermengung der Nachlassaktiven mit solchen des Erben drohen, die sogar begrifflich ausgeschlossen sein kann (SZ 8/5; SZ 56/28); vielmehr soll die Trennung allen denkbaren Gefahren vorbeugen, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben ergeben (NZ 1927, 11; NZ 1977, 135; SZ 61/131; 6 Ob 250/05s EF 111.068; RS0013073). Daher ist sie auch zu bewilligen, wenn der Nachlass nur aus Liegenschaften besteht (1 Ob 77/57; RS0013093; RS0013076) oder überschuldet ist (JBl 1957, 71). Erfasst sind auch auf den Todesfall geschenkte Liegenschaften (1 Ob 586/92 SZ 65/113; ebenso Welser/R Rz 3, jedenfalls gegen beschenkten Alleinerben). Die Gefahr ist aber zu verneinen, wenn der mit den im Wesentlichen den Nachlass ausmachenden Liegenschaften Beschenkte nicht Erbe ist (EF 111.068). Die Nachlass-Separation soll der Gefahr vorbeugen, dass die Gläubiger ihren Haftungsfonds mit Erbengläubigern teilen müssen (SZ 56/28; 7 Ob 49/04p NZ 2005, 106). Antragsberechtigt sind Gläubiger des Nachlasses (Erblasser-, Erb- 3 falls- oder Erbgangsgläubiger), also auch Legatare und Noterben, nicht aber Miterben als solche (SZ 5/287; SZ 49/149). Noterben sind Sailer
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es selbst dann, wenn sie Erbantrittserklärungen abgaben, falls diesen widersprechende Erklärungen vorliegen (SZ 25/223; 7 Ob 164/01w NZ 2002, 148; E überholt, soweit der OGH auf die abgeschaffte Verweisung auf den Rechtsweg abstellte, s § 799–800 Rz 8). Kein Antragsrecht haben Gläubiger des Erben (Eccher/S Rz 2) und der Verlassenschaft, die nicht Erbfalls- oder Erbgangsforderungen geltend machen (JBl 1956, 471), sowie jene, die sich auf Eigentum an einzelnen Sachen (JBl 1957, 644 Steinwenter; RS0099273) oder sonstige dingliche Ansprüche berufen (Welser/R Rz 13). 4 Die im Gesetz nicht näher geregelten Voraussetzungen der Nach-
lassabsonderung wurden durch Richterrecht präzisiert. Ihre Bewilligung unterliegt keinen strengen Bedingungen (stRspr: EvBl 1976/137; JBl 1978, 152; RS0013070); gemäß dem Gesetzeswortlaut genügt nach stRspr subjektive Besorgnis (Befürchtungen für die Einbringlichkeit), allerdings müssen die Umstände angegeben werden, auf die sie sich gründet; Bescheinigung ist insoweit nicht nötig (GlUNF 7343; SZ 23/299; RS0013068; SZ 25/215). Während ein Teil der Rspr sogar abstrakte Gefährdungsmöglichkeit genügen ließ (RS0013069), verlangt der andere (etwa SZ 18/183; SZ 25/223; 4 Ob 374/97x) zutr nachvollziehbare Gründe; die abstrakte Möglichkeit von Verfügungen des Erben reicht demnach nicht aus (JBl 1978, 152; 6 Ob 250/05s EF 111.071; RS0013072). Bewilligt wurde die Absonderung ua bei dauerndem Aufenthalt des Erben im Ausland (EvBl 1958/144); bei vermögenslosem Erben, der die Notwendigkeit der Veräußerung einer Liegenschaft zur Bedeckung der Pflichtteile zugestand (SZ 65/113); bei faktischer Liquidierung der Verlassenschaft (NZ 1985, 148). Der Bestand der Forderung (auch eines Individualanspruchs: NZ 1986, 263; weitere Bsp s bei Eccher/S Rz 8) des Gläubigers muss zwar nicht bewiesen, wohl aber bescheinigt werden (GlUNF 2870; SZ 24/194; RS0013067; Klage allein reicht nicht: ZBl 1918/291; SZ 24/194). Die Absonderung muss zur (zusätzlichen) Sicherung des Gläubigers geeignet sein (SZ 61/131); sie ist daher zu verweigern, soweit hinreichende dingliche oder persönliche Sicherheiten vorliegen (5 Ob 339/98h). Noterben, deren Gläubigerstellung sich aus ihrer Zugehörigkeit zum Personenkreis der §§ 762 f ergibt, was aber entgegen 4 Ob 374/97x, SZ 72/19, NZ 2002, 148 ua im Zweifel auch zu bescheinigen wäre (vgl 3 Ob 96/00i SZ 73/189), können den Antrag trotz Enterbung stellen, weil gemäß § 771 die Erben die Bescheinigungslast für das Vorliegen von Enterbungsgründen tragen (SZ 23/321; 4 Ob 539/95 SZ 68/126). Dasselbe gilt für das Nichtbestehen der Gründe der Besorgnis (SZ 23/299). Dagegen muss ein die Wirksamkeit seines Pflichtteilsverzichts bestreitender Noterbe die Gründe dafür im außerstrei696
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tigen Verfahren glaubhaft machen (SZ 72/19; NZ 2002, 148; 4 Ob 374/97x, dort jedoch unrichtig: „beweisen“). Der Antrag kann ab dem Erbfall (also schon vor einer Erbantrittser- 5 klärung: SZ 27/164) bis zur Einantwortung gestellt werden (§ 812 S 1; SZ 23/361; 6 Ob 623/93 NZ 1994, 116); genauer ist je nach der Verfahrenssituation (Zustell- und/oder Rechtsmittelverzicht etc) zu differenzieren (NZ 1994, 116: zB bis zur Rechtskraft bei rechtsmittellegitimierten Beteiligten; Eccher/S Rz 9; Welser/R Rz 8). Mit Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses (§ 819) ist das Verlassenschaftsverfahren zu Ende, die Separation kann keinesfalls mehr bewilligt werden (1 Ob 507/94 NZ 1994, 236), nicht einmal, wenn nachträglich Vermögen hervorkommt (Ehrenzweig, System II/2, 533; Welser/R Rz 8; gegenteilig GlUNF 1021). Dem (erklärten) Erben ist (nicht wie nach älteren E und Eccher/S Rz 2 bloß zweckmäßigerweise, sondern wegen Art 6 MRK zwingend: 1 Ob 2086/96p RZ 1997, 91; 1 Ob 2222/96p EF 82.622; 2 Ob 20/02h; ähnlich Kropiunig, Nachlaßseparation 101 f) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, auch um ihm zur Abwendung der Maßnahme eine Sicherheitsleistung zu ermöglichen (EvBl 1958/580; s Rz 8). Vor Entscheidung über den Antrag und allenfalls Durchführung der Absonderung darf nicht eingeantwortet werden (EvBl 1961/513; RS0008314; NZ 1994, 236). Bei Untätigkeit des Separationsgläubigers kann der Erbe die Aufhebung der Absonderung erreichen (RZ 1993, 77; sogar für amtswegige Überprüfung 8 Ob 3/02b NZ 2002, 331). Da dem Gläubiger nur noch das abgesonderte Sondervermögen haftet (SZ 59/29), führt nachträglicher Wegfall der Besorgnis nicht zur Aufhebung der Absonderung, s Rz 6. Bei Zwecklosigkeit ist sie aber zu beenden (vgl SZ 23/105; 1 Ob 528/92 RZ 1993, 77). Die Bestimmungen der EO über die EV sind auch nicht sinngemäß anzuwenden (RZ 1993, 77; gegenteilig Eccher/S Rz 13; Kropiunig, aaO 120 ff). Die Absonderung richtet sich grundsätzlich gegen alle Miterben 6 (JBl 1989, 173), wirkt aber nur zugunsten der erfolgreichen Antragsteller (3 Ob 31/56; NZ 2002, 331). Gegenstand können nicht einzelne Bestandteile, sondern muss die gesamte Verlassenschaft sein (GlU 13.906; JBl 1957, 644 Steinwenter; EvBl 1959/33; RS0013079; NZ 1980, 101; RS0013086). Die Separation ist mit der Befriedigung der gesicherten Ansprüche zu befristen (SZ 56/123) und endet nicht mit der durch sie auch nicht gehinderten (SZ 38/205; RS0013094) Einantwortung (Miet 30.063; NZ 1985, 173; SZ 68/126). Durch die Bewilligung hört grundsätzlich (SZ 23/361; RS0008208; SZ 51/138; Eccher/S Rz 13) das ex lege bestehende Verwaltungsrecht des Erben nach § 810 (s dort) auf, nach zutr Ansicht aber nur, soweit die Befugnisse des Sailer
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Separationskurators reichen (s Rz 7). Die Nachlass-Separation schafft ein Sondervermögen, das (jedenfalls zunächst) nur zur Befriedigung der Antragsteller dient (JBl 1978, 152; NZ 1994, 116; NZ 2002, 331). Umfasst ist auch nachträglich hervorgekommenes Vermögen (NZ 1985, 173; Welser/R Rz 3 mwN; entgegen diesem bezieht sich Ehrenzweig, System II/2, 533 nur auf die Möglichkeit, in diesem Fall noch Absonderung zu begehren). Die Separationsmasse ist partei- und konkursfähig, auch noch nach Einantwortung (8 Ob 244/02v JBl 2003, 943 = ecolex 2003, 512 A. Hofmann; Kropiunig, Nachlaßseparation 165 ff). Nach Nachlassabsonderung haftet den Separationsgläubigern nur noch die abgesonderte (auch bei Bewilligung für mehrere stets einheitliche: SZ 56/28) Masse, der Erbe persönlich aber auch nach unbedingter Erbantrittserklärung nicht mehr (§ 812 S 2; „cum viribus“-Haftung). Trotz Eigentumserwerb auf Grund der Einantwortung kann der Erbe vor Aufhebung der Absonderung aus dem Nachlass nichts veräußern (NZ 1985, 173). Die Nachlassabsonderung kann wie die Bestellung eines Kurators nach § 812 im Grundbuch angemerkt werden (SZ 37/117; 9 Ob 112/03s NZ 2004, 178). Sie schafft zwar kein neues Pfand- oder Befriedigungsrecht (JBl 1936, 390; 3 Ob 107/92 SZ 66/4 mwN), aber ein Absonderungsrecht im Insolvenzverfahren (SZ 15/167). Str ist die Haftung der Sondermasse für andere als Absonderungsgläubiger (s dazu SZ 66/4; Eccher/S Rz 18; Welser/R Rz 23). 7 Nach § 812 ist, soweit erforderlich, zur Verwaltung des abgeson-
derten Nachlasses ein Kurator (Absonderungs- oder Separationskurator) zu bestellen. Nunmehr ist dies entbehrlich (§ 175 S 3 AußStrG), wenn es schon einen Verlassenschaftskurator gibt, dem ex lege sofort auch die Rechte und Pflichten des besonderen Kurators zukommen. Daher ist ihm auch der bewilligende Beschluss zuzustellen (Erl 224 BlgNR 22. GP 111). Neu ist auch die Möglichkeit, als „Art einstweiliger Anordnung“ (Erl aaO) den Erben schon vor Entscheidung über den Antrag die Benützung und Verwaltung zu entziehen und dafür einen Kurator zu bestellen (S 2 leg cit). Das kann nicht von Amts wegen geschehen, weil § 378a EO nur für amtswegig einzuleitende Verfahren gilt, also nicht im speziellen Sicherungsverfahren nach § 175 AußStrG (vgl dazu Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO bei § 378a). Der Separationskurator als gerichtlich bestellter Verwalter des Sondervermögens (Rz 6) ist verpflichtet, den Befriedigungsfonds der Gläubiger zu sichern (NZ 1985, 173). In der Frage der Vertretung der Verlassenschaft differenziert die Rspr nach den Umständen des Falles und dem Zweck der Bestellung des Kurators (RS0012295). Nur im Umfang seiner Aufgaben ist der Kurator zur Prozessführung berechtigt (NZ 1930, 138; 2 Ob 559/94 NZ 1995, 68). 698
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Außerhalb dieser bleibt die Benützung, Verwaltung und Vertretung nach § 810 (dazu dort) aufrecht (zutr sinngemäß zum alten Recht EvBl 1961/356; Klement, NZ 1979, 113; Welser/R Rz 21 mwN; nur für Vertretung Eccher/S Rz 19). Der Erbe kann durch eine angemessene Sicherheitsleistung die Nach- 8 lassabsonderung ganz abwenden (EvBl 1958/380; SZ 56/28; RS0013109; Weiß/K III 1024) oder nachträglich deren Aufhebung erreichen (NZ 1985, 173). Die Sicherheit, die er auch dem Nachlass entnehmen darf (NZ 1971, 80; 5 Ob 339/98h), hat er selbst anzubieten; das Gericht prüft dann, ob sie zur Beseitigung der Gefährdung ausreicht (SZ 56/123). Zur Art der Sicherheit s SZ 56/28; NZ 2002, 148 (Bankgarantie); RS0013106; s ferner §§ 1373 f. Die Bewilligung der Nachlassabsonderung führt nach § 165 Abs 1 Z 3 9 AußStrG notwendig zur Errichtung eines Inventars (zu diesem s § 802 Rz 2 ff). d) Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger § 813. Dem Erben oder dem aufgestellten Verlassenschaftskurator steht es frei, zur Erforschung des Schuldenstandes die Ausfertigung eines Ediktes, wodurch alle Gläubiger zur Anmeldung und Dartuung ihrer Forderungen auf eine den Umständen angemessene Zeit einberufen werden, nachzusuchen, und bis nach verstrichener Frist mit der Befriedigung der Gläubiger innezuhalten. Wirkung der Einberufung; § 814. Die Wirkung dieser gerichtlichen Einberufung ist, daß den Gläubigern, welche sich binnen der bestimmten Zeitfrist nicht gemeldet haben, an die Verlassenschaft, wenn sie durch die Bezahlung der angemeldeten Forderungen erschöpft worden ist, kein weiterer Anspruch zusteht, als insofern ihnen ein Pfandrecht gebührt. oder, der Unterlassung derselben § 815. Unterläßt der Erbe die ihm bewilligte Vorsicht der gerichtlichen Einberufung; oder befriedigt er sogleich einige der sich anmeldenden Gläubiger, ohne auf die Rechte der übrigen Rücksicht zu nehmen, und bleiben einige Gläubiger aus Unzulänglichkeit der Verlassenschaft unbezahlt; so haftet er ihnen, ungeachtet der bedingten Erbantrittserklärung, mit seinem ganzen Vermögen in dem Maße, als sie die Zahlung erhalten haben würden, wenn die Sailer
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Verlassenschaft nach der gesetzlichen Ordnung zur Befriedigung der Gläubiger verwendet worden wäre. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Grasser, Gläubigerkonvokation und Erbserklärung, NZ 1956, 49; Kralik, Gläubigerkonvokation über Erbserklärung, NZ 1956, 98; Kropiunig, Das Verhältnis der §§ 813 ff ABGB zur Konkurseröffnungspflicht bei Überschuldung des Nachlasses, NZ 1993, 97; Pfeifer, Der überschuldete Nachlaß, NZ 1957, 99.
1 Die idR nur auf Antrag, bei Abgabe einer bedingten Erbantrittser-
klärung aber stets auch von Amts wegen (§ 165 Abs 2 AußStrG) erfolgende gerichtliche Gläubigereinberufung (auch Nachlasskonvokation, Rechnungsruf) dient vor allem dem Erben, der eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat, zur Abklärung der Schulden des Erblassers und in der Folge der Sicherung seiner Haftungsbeschränkung. Gläubiger, die sich nicht in der bestimmten Frist melden, verlieren mangels dinglicher Sicherheiten (Pfand- oder Zurückbehaltungsrechte) ihre Ansprüche, falls die Verlassenschaft durch die Zahlung angemeldeter Forderungen erschöpft wird (§ 814; s aber Rz 6). Für den Erben kann nicht die Gläubigereinberufung oder ihr Ergebnis, wohl aber nach § 815 ihr Unterbleiben zu einer weiter gehenden Haftung führen, als sich aus § 802 allein ergäbe. 2 Den Antrag kann bis zur Einantwortung (GlU 8395) der Nachlass-
kurator stellen, der Erbe braucht das nach seiner bedingten Erbantrittserklärung seit 2005 (s Rz 1) nicht mehr zu tun. Jedenfalls muss das Inventar spätestens zugleich mit der Einberufung errichtet werden (hA, Ehrenzweig, System II/2, 528; Welser/R Rz 2; gegenteilig Weiß/K III 1027). Diese erfolgt wie auch die Bekanntmachung einer allenfalls vom Gerichtskommissär anberaumten Verhandlung (§ 174 Abs 2 AußStrG) mittels Edikts (§ 813). Zu dessen Veröffentlichung s § 797 Rz 14. 3 Mit dem Edikt (näher dazu § 797 Rz 14), in dem auf die in § 814 an-
geordneten Säumnisfolgen hinzuweisen ist, sind die Gläubiger aufzufordern, sich binnen der darin festgesetzten Frist zu melden. Das muss (trotz § 144 Abs 1 AußStrG) nicht beim Gerichtskommissär oder beim Nachlassgericht geschehen; es reicht auch die Adressierung an den Erben oder das Einbringen einer Klage noch vor Einberufung (Welser/R Rz 7). Nach § 813 kann der Vertreter des Nachlasses bis zum Fristablauf mit der Befriedigung der Gläubiger innehalten, was nach hA nur ermöglicht, gemäß § 42 Abs 1 Z 6 EO Aufschiebung von anhängigen Exekutionen zu erwirken (EvBl 1974/286; Eccher/S Rz 4; Welser/R Rz 3; entgegen Kralik, ErbR 356: materiell-rechtliche Stun700
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dung). Die Konvokation hindert Gläubiger nicht an der Prozess- oder Exekutionsführung gegen den Nachlass (GlU 957; GlUNF 1576; 6 Ob 108/06k ZIK 2006, 211; aA zur Exekution Ehrenzweig, System II/2, 528). Nach Ablauf der Frist sind die Forderungen an die Verlassenschaft 4 vom Abhandlungsgericht nicht (wie früher) in jedem Fall in einer Tagsatzung zu behandeln. Nach wie vor ist keine Entscheidung über strittige Forderungen vorgesehen (Erl 224 BlgNR 22. GP 111: keine „strittige Klärung“; NZ 1932, 119). Zur öffentlich bekannt zu machenden Tagsatzung hat der Gerichtskommissär die vermutlichen Erben, Noterben sowie allenfalls bestellte Verlassenschaftskuratoren und Testamentsvollstrecker zu laden. Der Notar soll sich in der Verhandlung um ein Einvernehmen über die Forderungen bemühen (§ 174 AußStrG), wohl auch mit den außer den Pflichtteilsberechtigten anwesenden Gläubigern. Wie dies geschieht, ist bewusst nicht geregelt (Erl aaO). Mangels Einigung bleibt Gläubigern nur der Prozessweg (NZ 1932, 119). Reichen die Aktiva nicht zur Befriedigung aller gerechtfertigten Forderungen hin (Überschuldung), sind sie gemäß § 815 nach den Regeln des Konkurses, also quotenmäßig zu erfüllen (GlUNF 1576; SZ 14/208; 6 Ob 574/90 NZ 1991, 249; Kropiunig, NZ 1993, 98 ff). Dem Erben (oder) Kurator steht daneben die Möglichkeit offen, ein Insolvenzverfahren zu beantragen; uU ist er dazu verpflichtet (s Kropiunig, aaO 99 f). Eigentum gibt ein Aussonderungsrecht, dinglich gesicherte Gläubi- 5 ger stehen Absonderungsberechtigten im Konkurs gleich; zwar beeinflusst deren Anmeldung die zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Masse; die Unterlassung der Anmeldung schadet aber den Berechtigten nicht (§ 814; Welser/R Rz 4). Auch Legats- und Pflichtteilsforderungen bedürfen keiner Anmeldung, weil die §§ 813–815 nur Erblasserschulden betreffen (Kralik, ErbR 357; gegenteilig zu Pflichtteilsforderungen Grasser, NZ 1956, 50; Weiß/K III 1030). Eine unterlassene Anmeldung schadet Gläubigern dann nicht, wenn 6 ihre Forderungen dem Erben oder dem Verlassenschaftskurator ohnehin bekannt sind (GlU 3404; GlUNF 920), nach hL auch nicht, wenn diese sie nur kennen müssen (Kralik, ErbR 357; Weiß/K III 1029; gegenteilig Welser/R Rz 4). Fahrlässigkeit ist zu verneinen, wenn der Erbe Anlass zu Zweifeln über den Bestand der Forderung hat (GlU 15.309; Ehrenzweig, System II/2, 529). Entgegen dem Wortlaut des § 814 führt eine unterlassene Anmeldung noch nicht zum Forderungsverlust, doch kann der bedingt erklärte Erbe die Unzulänglichkeit des Sailer
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Nachlasses (gemeint: dass er schon den dem Nachlasswert entsprechenden Betrag ausgezahlt hat und der Gläubiger auch bei konkursmäßiger Verteilung nicht zum Zug gekommen wäre) einwenden (SZ 49/77; Welser/R Rz 11). Bei verspäteter Anmeldung wird ein Gläubiger nur im Rahmen der noch vorhandenen Nachlassaktiva befriedigt, sie schadet ihm daher nicht, wenn sie noch vor Beginn der Auszahlung erfolgt (GlU 10.941; SZ 49/77; Ehrenzweig, aaO 529). Mehrere zu spät Anmeldende sind nach ihrer Priorität voll zu befriedigen, doch dürfen nicht Säumige nicht schlechter gestellt werden, als hätten die anderen nicht zu spät angemeldet (SZ 49/77; Welser/R Rz 10; Eccher/S Rz 7). Gemeint ist, dass Säumige bei Anmeldung erst nach Zahlung eines Teils der angemeldeten Forderungen den durch überproportionale Befriedigung Einzelner bewirkten Ausfall zu tragen haben (Kralik, ErbR 357 f mit Bsp in FN 11). 7 Nach § 815 haften die Erben ungeachtet ihrer bedingten Erbantritts-
erklärung mit ihrem gesamten Vermögen, wenn sie entweder die Einberufung überhaupt unterlassen oder sich meldende Gläubiger vorzeitig befriedigen. Die Haftung ist aber betragsmäßig auf das beschränkt, was die wegen Erschöpfung der Aktiven sonst leer ausgehenden Gläubiger nach der gesetzlichen Ordnung (Rz 3) erhalten hätten (JBl 1909, 45; SZ 14/208; RS0013019). e) Ausweisung über die Erfüllung des letzten Willens, entweder von dem Testamentsexekutor; § 816. Hat der Erblasser einen Vollzieher (Exekutor) seines letzten Willens ernannt; so hängt es von dessen Willkür ab, dieses Geschäft auf sich zu nehmen. Hat er es übernommen, so ist er schuldig, entweder als ein Machthaber die Anordnungen des Erblassers selbst zu vollziehen, oder den saumseligen Erben zur Vollziehung derselben zu betreiben. Lit: Sprung/Fink, Letztwillig angeordnete Nachlaßverwaltung im österreichischen Recht, JBl 1996, 205; Zankl, Vertretungs- und schadenersatzrechtliche Aspekte der Testamentsvollstreckung, JBl 1998, 293; s auch bei § 810.
1 Das Amt des Testamentsvollstreckers (nach dem veralteten Geset-
zestext: Testamentsvollzieher oder -exekutor; anders erst das ErbStG 1955 und das BStFG) ist im ABGB lediglich ganz knapp in § 816 (vgl dagegen §§ 2197–2228 BGB), seine Stellung im Nachlassverfahren nur in § 174 AußStrG geregelt. 2 § 816 stellt klar, dass der ausschließlich vom Erblasser (nicht vom
Gericht: SZ 27/258; SZ 43/58) letztwillig, also in Testament oder 702
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 816
Kodizill (§ 553; s SZ 43/58; 2 Ob 239/03s NZ 2004, 149), aber auch Erbvertrag (§§ 602, 1249 ff; s Welser/R Rz 1) bestellte Vollzieher des letzten Willens (anders als ein Sachwalter, vgl § 274 Rz 2) nicht verpflichtet ist, das Amt anzunehmen. Das Verlassenschaftsgericht muss die Wirksamkeit seiner Bestellung prüfen (ZBl 1918/118; NZ 2004, 149), ihn von dieser verständigen (so früher ausdrücklich § 80 AußStrG 1854) und seine Handlungen überwachen (10 Ob 2204/96g SZ 69/197). Übernimmt jemand das Amt des Testamentsvollstreckers, muss er 3 mangels näherer Anweisungen im letzten Willen entweder als Machthaber die Anordnungen des Erblassers selbst durchführen oder aber den säumigen Erben zu deren Einhaltung anhalten (EvBl 1990/20; 2 Ob 105/98z NZ 1999, 27; 6 Ob 196/01v NZ 2002, 334). Verwaltungsrechte am Nachlass stehen ihm ex lege nicht zu. Er kann aber solche durch den Erblasser im Einzelnen oder generell auferlegt bekommen (10 Ob 507/95 SZ 70/40 mwN; zum Entzug aus wichtigem Grund NZ 1999, 27). Außerdem kann er vom Gericht zum Nachlass- oder Erbenkurator bestellt werden (§ 156 AußStrG). Der Testamentsvollstrecker hat ein eingeschränktes Recht auf Betei- 4 ligung am Abhandlungsverfahren (SZ 43/58). Er ist zu der (ungeachtet des Fehlens einer § 95 AußStrG 1854 entsprechenden Norm) wohl weiterhin erforderlichen Verhandlung zur Errichtung des Inventars (EvBl 1990/20) und jedenfalls zur mündlichen Verhandlung im Fall der Gläubigereinberufung (§ 174 Abs 1 AußStrG) zu laden, sonst aber dem Verfahren nicht grundsätzlich beizuziehen. Hinsichtlich seiner Aufgaben steht ihm das Antrags- und Rechtsmittelrecht zu (SZ 14/246; 1 Ob 2138/96k SZ 69/263), so zB gegen dem Erblasserwillen zuwiderlaufende Verfügungen (SZ 14/246; SZ 69/263). Dagegen kann er weder den letzten Willen anfechten (GlU 8255) noch die Bewilligung der Nachlass-Separation (§ 812) bekämpfen; auf die Durchführung der Abhandlung an sich steht ihm kein Einfluss zu (EvBl 1957/73; wohl zust Welser/R Rz 8). Das Amt des Testamentsvollstreckers endet noch nicht mit dem Ab- 5 schluss des Verlassenschaftsverfahrens, hat er doch uU weiter die Vollziehung des letzten Willens zu überwachen (EvBl 1968/120; SZ 41/70). Aus wichtigen Gründen kann ihn aber das Nachlassgericht entheben (ZBl 1918/118; SZ 16/189; NZ 2004, 149; Sprung/Fink, JBl 1996, 215). Zu allfälligen, im Prozess durchzusetzenden Entgeltsansprüchen s SZ 27/258; EvBl 1990/20; NZ 2002, 334. Generell abgelehnt wird nunmehr für Österreich die Rechtsfigur 6 eines Abhandlungspflegers (SZ 16/189; anders noch SZ 13/112). Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 817
oder dem Erben § 817. Ist kein Vollzieher des letzten Willens ernannt; oder unterzieht sich der ernannte dem Geschäfte nicht; so liegt dem Erben unmittelbar ob, den Willen des Erblassers so viel möglich zu erfüllen, oder die Erfüllung sicher zu stellen, und sich gegen das Gericht darüber auszuweisen. In Ansehung bestimmter Legatare hat er bloß darzutun, daß er denselben von dem ihnen zugefallenen Vermächtnisse Nachricht gegeben habe (§ 688). 1 Ist kein Testamentsvollstrecker (§ 816) bestellt oder hat der Bestellte
das Amt ausgeschlagen, ist es allein Sache des (der) Erben, den bisher sog Testamentserfüllungsausweis zu erbringen, also dem Verlassenschaftsgericht die Erfüllung der sich aus § 176 AußStrG ergebenden Pflichten nachzuweisen (s Rubrik vor § 176 AußStrG; zur nur im Verfahrensrecht neuen Terminologie s Erl 224 BlgNR 22. GP 111). Ohne diesen somit in jedem Fall zu erbringenden Nachweis kann die Erbschaft nicht eingeantwortet werden (GlU 15.775; GlU 15.849; Welser/R Rz 1; Erl aaO). Nachzuweisen ist (gegebenenfalls) die Sicherung von fideikommissarischen Substitutionen, Legaten (s § 688) und Auflagen (s § 709 Rz 2), soweit sie Pflegebefohlene begünstigen; außerdem ist der Pflichtteilsnachweis zu erbringen (zusammenfassend nun § 176 Abs 1 AußStrG). Bei voll geschäftsfähigen Personen (außer den Erben selbst), denen erbrechtliche Ansprüche an die Verlassenschaft zustehen, genügt deren „nachweisliche Verständigung“ (§ 817 S 2 ABGB iVm § 176 Abs 1 AußStrG); dagegen müssen die Ansprüche von Pflegebefohlenen („privilegierte Vermächtnisse“) gemäß § 56 ZPO sichergestellt werden (Abs 2 leg cit), und zwar durchaus auch aus dem Verlassenschaftsvermögen (Abs 3 leg cit). Das gilt auch für Untervermächtnisse (SZ 47/87). Nach neuem Recht kann die Sicherheit außer beim Gericht auch beim Gerichtskommissär hinterlegt werden; versäumt der Erbe trotz Aufforderung die ihm gesetzte Frist, ist ihm der Erlag mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts aufzutragen (Abs 2 S 2 leg cit). Der Beschluss ist vollstreckbar (Erl aaO 111 f), mangels einer Sonderregelung aber nur in das Vermögen des Erben. 2 Von § 176 AußStrG müssen allgemeine Regeln unberührt bleiben (für
Legatare ausdrücklich § 688), nach denen Gläubiger sonst Sicherstellung (iwS) verlangen, also etwa die sich aus §§ 808 und 812 ergebenden Rechte und die Sicherung nach der EO geltend machen können. 3 Beseitigt wurde die Privilegierung gemeinnütziger und „frommer“
Vermächtnisse sowie solcher zugunsten Unbekannter (vgl Erl 224 BlgNR 22. GP 111). Für Letztere wird aber gemäß § 5 Abs 2 Z 2 lit b AußStrG ein Kurator zu bestellen sein. 704
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 819
§ 818. Was der Erbe, ehe er zum Besitze der Erbschaft gelangen kann, an Abgaben zu entrichten, und im Falle, daß sein Erblasser gegen das Staatsärarium in Verrechnung gestanden ist, hierwegen auszuweisen habe, darüber enthalten die politischen Verordnungen die besondere Vorschrift. Die Steuerpflicht des Erwerbs von Todes wegen regelt das ErbStG. 1 Die vom ABGB vorausgesetzte Abhängigkeit der Einantwortung von der Entrichtung der Erbschaftssteuer gibt es nicht mehr. Vielmehr hat das Verlassenschaftsgericht dem zuständigen Finanzamt, sofern eine Abhandlung stattfindet, den Todesfall, die eröffneten letztwilligen Anordnungen sowie die Erbteilungen bekannt zu geben (§ 24 Abs 1 ErbStG). Wann die Erbschaft einzuantworten § 819. Sobald über die eingebrachte Erbantrittserklärung der rechtmäßige Erbe vom Gerichte erkannt, und von demselben die Erfüllung der Verbindlichkeiten geleistet ist, wird ihm die Erbschaft eingeantwortet und die Abhandlung geschlossen. Übrigens hat der Erbe, um die Übertragung des Eigentumes unbeweglicher Sachen zu erwirken, die Vorschrift des § 436 zu befolgen. [idF BGBl I 2004/58] Lit: Bittner, Der Vorweg-Rechtsmittelverzicht im neuen Verlassenschaftsverfahren, FS Rechberger (2005) 65; Verweijen, Verlassenschaft „neu“ und Grundbuch, immolex 2005, 44; s auch bei § 797.
Der Beschluss, mit dem die Verlassenschaft dem (den) Erben überlas- 1 sen wird, heißt nunmehr Einantwortungsbeschluss (§ 178 AußStrG; bisher „Einantwortungsurkunde“); auf Antrag kann eine nur die wesentlichen Punkte (nach Abs 1) enthaltende Amtsbestätigung ausgestellt werden (Abs 7). Der Beschluss wird frühestens mit der Zustellung (§ 416 ZPO) wirksam (SZ 21/54; 6 Ob 105/03i), wenn Rechtsmittel zulässig sind, erst mit Rechtskraft (6 Ob 623/93 NZ 1994, 116); bei Zustellungsverzicht mit Abgabe des Beschlusses an die gerichtliche Geschäftsstelle (SZ 25/293; NZ 1994, 116). § 180 Abs 1 AußStrG erklärt nun ausdrücklich einen Rechtsmittelverzicht vor dem Beschluss für wirksam. Zuzustellen ist der Beschluss jedenfalls den Parteien, aber auch dem Pflegschaftsgericht, falls es pflegebefohlene Erben, Noterben oder Vermächtnisnehmer gibt; weiters auch anderen Personen, besonders Gläubigern, die ein rechtliches Interesse dartun können, auf deren Antrag (§ 178 Abs 5 AußStrG). Der neu eingeführte Abänderungsantrag (§§ 72 ff AußStrG) ist gegen die Einantwortung nicht zulässig (§ 180 Abs 2 AußStrG; s auch §§ 799–800 Rz 5). Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 819
2 Notwendige Bestandteile des Einantwortungsbeschlusses sind nach
§ 178 Abs 1 AußStrG (neben zwei in besonderen Fällen nach Abs 2 aufzunehmenden Angaben) die genaue Bezeichnung der Verlassenschaft (Z 1), die der Erben durch Vor- und Familiennamen, Geburtsdatum und Anschrift (Z 2), die Erbrechtstitel und Erbquoten (Z 3) sowie die Art der Erbantrittserklärung (bedingt oder unbedingt: Z 4). Gegebenenfalls ist auf ein Erbteilungsübereinkommen (§ 181 AußStrG) hinzuweisen (Z 3). Es kann uU auch erst mit dem Einantwortungsbeschluss der Erbrechtsstreit entschieden werden (s §§ 799–800 Rz 8). 3 Zugleich mit der Einantwortung sind die im Zusammenhang mit
Sperren, Sicherstellungen, Gebühren uÄ noch offenen Verfahrenshandlungen vorzunehmen (§ 181 Abs 3 AußStrG). Zum Schutz der Privatsphäre von Erblasser oder Parteien kann die gesonderte Ausfertigung (also ein selbständiger Beschluss) über solche Anordnungen verlangt werden. Die allfällige Begründung der Erbrechtsfeststellung ist nur in die für die ins Feststellungsverfahren einbezogenen Parteien bestimmten Ausfertigungen aufzunehmen, in andere nicht. 4 Das Gericht konnte dem Alleinerben nach dem früheren Verfahrens-
recht den Besitz bestimmter „Kapitalien und anderer beweglicher Sachen“ einräumen oder die Bewilligung zu deren Veräußerung erteilen („Teileinantwortung“). Der Begriff bezeichnet auch die (von der Praxis abgelehnte) stufenweise Einantwortung des Nachlasses an mehrere Erben (GlU 6429; Welser/R §§ 797–798 Rz 11). Auf die Teileinantwortung im erstgenannten Sinn bezieht sich § 822 (näher dazu § 822 Rz 1 f). 5 Die Einantwortung bewirkt die Universalsukzession (Gesamtrechts-
nachfolge) des Erben in die Rechtsstellung des Verstorbenen („Erblassers“), der ruhende Nachlass hört zu existieren auf, das gesamte Vermögen des Erblassers, Eigentum, Besitz, Forderungen und sonstige Rechte, geht, ohne dass es einer Benennung im Einzelnen bedürfte, auf den Erben eo ipso über, Grundbuchseintragungen haben bloß deklarative Bedeutung (Durchbrechung des Eintragungsprinzips JBl 1952, 16; RS0011263; Eccher/S Rz 13; Welser/R §§ 797–798 Rz 5), und zwar mit formeller Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses (SZ 60/142; RS0013001). Dessen ungeachtet lässt die Rspr bis zur Einverleibung seines Eigentumsrechts Liegenschaftsexekutionen gegen ihn am Prinzip des bücherlichen Vormanns nach den §§ 21, 94 GBG scheitern (SZ 57/177; 5 Ob 222/03p NZ 2005, 267 Hoyer; zum Meinungsstand s bei § 436 Rz 3). Logische Voraussetzung der Rechtsnachfolge ist, dass die Rechte dem Erblasser auch wirklich zustanden (Welser/R § 797, 798 Rz 6 mwN). § 14 MRG begründet eine (aller706
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 820
dings eingeschränkte: 5 Ob 216/01b SZ 74/166) Sonderrechtsnachfolge für Hauptmieter (Miet 36.368; RS0012202). Ob auch der Scheinerbe bis zur Abtretung (§ 823) Universalsukzessor wird, ist str (dafür Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Die Erbschaftsklage, 1991, 62 ff; Kralik, ErbR 336). Zur Haftung der Erben s bei §§ 801, 802 und 820. Über nachträglich aufgefundenes Vermögen sind unwissende Par- 6 teien vom Gerichtskommissär zu verständigen; der schon gefasste Einantwortungsbeschluss ist idR nicht zu ergänzen; allerdings ist vom Notar das Inventar bzw von den Erben die Vermögenserklärung (s § 802 Rz 2 f und § 801 Rz 2) zu ergänzen (§ 183 Abs 1, 3 AußStrG). Erbteilungsübereinkommen, also Vereinbarungen mehrerer Erben 7 (aber auch mit sonstigen Beteiligten) über die Erbteilung oder die Benützung von Verlassenschaftsgegenständen und dergleichen (s auch § 550 Rz 3 f), können mit der Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs auch beim Gerichtskommissär zu Protokoll gegeben werden (§ 181 AußStrG). Sie bilden als Rechtsgeschäfte unter Lebenden keinen Erbrechtstitel (EvBl 1974/226; RS0008275) und sind auch bei Minderjährigkeit von Erben nicht zwingend vorgesehen (Erl 224 BlgNR 22. GP 113). Eine vorher vereinbarte Erbteilung tritt nur unter der Bedingung der Einantwortung und nicht vor dieser in Kraft (SZ 55/101; 5 Ob 32/06a). Anders als bisher ist in keinem Fall mehr ein „Endausweis“ erforderlich (Erl aaO 111). Durch die Einantwortung erforderliche Grundbuchseintragungen 8 sind von den Berechtigten, mangels Antragstellung binnen angemessener Frist aber vom Gerichtskommissär beim Grundbuchsgericht zu beantragen. Erforderliche Bestätigungen (auch für das Firmenbuch) stellt Legataren und sonstigen Erwerbern wie bisher das Verlassenschaftsgericht aus (§ 182 AußStrG).
Haftung der gemeinschaftlichen Erben § 820. Mehrere Erben, welche eine gemeinschaftliche Erbschaft ohne die rechtliche Wohltat des Inventariums angetreten haben, haften allen Erbschaftsgläubigern und Legataren, selbst nach der Einantwortung, alle für einen und einer für alle. Unter sich aber sind sie nach Verhältnis ihrer Erbteile beizutragen schuldig. Geben bei Vorliegen mehrerer Antrittserklärungen sämtliche Erben 1 unbedingte Erbantrittserklärungen ab (wenn nicht, kommt es zur Inventur und damit Haftungsbeschränkung für alle: s § 807 Rz 1), haften sie ab Rechtskraft der Einantwortung (§ 801 Rz 1) den GläuSailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§ 821
bigern solidarisch (§ 891). Davor haftet, anders als S 1 andeutet, lediglich der ruhende Nachlass (§ 550 Rz 2). Die Solidarhaftung gilt sowohl gegenüber Legataren als auch Erblasser- und anderen Erbfallsgläubigern. Sie ist nach außen zwingend, kann also weder durch den Erblasser noch durch Vereinbarung der Erben abgeändert werden (GlU 4351; 2 Ob 2226/96h SZ 69/213; Weiß/K III 1056). Nur für Vermächtnisse kann der Erblasser anderes anordnen (§ 649 S 2). Zur uU weiter gehenden Haftung nach § 1409 s dort. 2 Gesamtschuld besteht aber nur nach außen; nach S 2 kann Rückgriff
gegen Miterben nur entsprechend den Erbquoten genommen werden. Diese Regelung ist im Gegensatz zu S 1 (s Rz 1) dispositives Recht (Welser/R §§ 820, 821 Rz 4). Bei Zahlungsunfähigkeit eines von ihnen haben die übrigen den Ausfall anteilig zu tragen (§ 896 S 2). 3 Die Anrechnung von Vorempfängen lässt sowohl die Haftung nach
außen (§ 793 Rz 1) als auch den Regress unverändert (Weiß/K III 1060; Welser/R §§ 820, 821 Rz 5). § 821. Haben die gemeinschaftlichen Erben von der rechtlichen Wohltat des Inventariums Gebrauch gemacht; so sind sie vor der Einantwortung den Erbschaftsgläubigern und Legataren nach dem § 550 zu haften verbunden. Nach der erfolgten Einantwortung haftet jeder Einzelne selbst für die, die Erbschaftsmasse nicht übersteigenden, Lasten nur nach Verhältnis seines Erbteiles. 1 Im Gegensatz zur Gesamthaftung auf Grund unbedingter Erban-
trittserklärung nach § 820 haften bei Errichtung eines Inventars die Erben grundsätzlich nur anteilig entsprechend ihren Erbquoten; vorausgesetzt, die Schuld ist teilbar. Dies hat der belangte Miterbe einzuwenden und zu beweisen (2 Ob 179/99h EF 90.021; 2 Ob 150/05f ZVR 2006/108 Veith). Fraglich ist aber die Berechnung des Anteils (s Rz 3). Vor dem maßgebenden Zeitpunkt der Rechtskraft der Einantwortung (s § 820 Rz 1) gilt jedenfalls § 550, auf den S 1 verweist (s dort). Ab Einantwortung gilt Folgendes: 2 Für unteilbare Schulden haften mehrere Erben auch nach Inventur
solidarisch (§ 890; hA: 7 Ob 423, 424/55; Eccher/S Rz 2; Welser/R §§ 820, 821 Rz 9). 3 Nach hA ist nach § 802 die Haftung der Miterben insgesamt durch
den Gesamtwert der Aktiven begrenzt (ZVR 2006/108 Veith mwN). Maßgebend ist deren Wert zur Zeit der Einantwortung (s § 802 Rz 5). Str ist der Umfang der persönlichen Haftung jedes Einzelnen iSd § 821. In Betracht kommen der vom Gesamtwert nach den Erbquoten 708
Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
§ 822
berechnete Betrag (GlU 2064; 7 Ob 290/00y SZ 73/191; Eccher, ErbR Rz 8/12; wohl auch SZ 34/136) oder das dem Einzelnen (etwa zufolge Erbteilung) aus der Erbschaft tatsächlich Zugekommene (GlUNF 2142; Welser/R §§ 820, 821 Rz 7; nicht eindeutig Gschnitzer/Faistenberger, ErbR 78; Weiß/K III 1056 und 1058). Außer dem Wortlaut spricht auch die Erwägung, dass der Haftungsumfang und damit das Prozessrisiko nicht durch Vereinbarung der Erben zu Lasten der Gläubiger veränderbar sein darf, für die erste Ansicht. Für Unterhaltsforderungen ergibt sich die beschränkte Haftung (bis 4 zur Höhe des Reinnachlasses) ungeachtet der Art der Erbantrittserklärung aus § 142 (SZ 73/191). Zur Anrechnung von Vorempfängen s § 820 Rz 3. Sicherheitsmittel der Gläubiger des Erben § 822. Vor der Einantwortung können Gläubiger des Erben nur auf die einzelnen Bestandteile des Nachlasses Exekution führen, über welche dem Erben vom Nachlaßgerichte die freie Verfügung überlassen worden ist. [idF III. TN]
III. TN § 74. Den Gläubigern des Erben, die unter Bescheinigung ihrer Forderung noch vor der Einantwortung dies begehrt haben, ist eine Abschrift des Beschlusses, mit dem das Nachlassgericht dem Erben die freie Verfügung über einzelne Nachlassbestandteile eingeräumt hat, und eine Abschrift der Einantwortungsurkunde zuzustellen. Diese Zustellung ist gleichzeitig mit der Zustellung der Beschlüsse an den Erben vorzunehmen. Lit: Holeschofsky, Erbe und bücherlicher Vormann, JBl 1979, 353.
§ 822 legt nach hL die exekutionsrechtlichen Folgen einer Teil- 1 einantwortung (dazu § 819 Rz 4) für Erbengläubiger fest. Von der Rspr wurde dem Gesetzeswortlaut folgend zT die Vollstreckung auch im Fall gerichtlicher Veräußerungsgenehmigung (iSd früheren § 145 Abs 2 AußStrG) bewilligt (GH 1930, 152). Obwohl das neue AußStrG die Überlassung einzelner Nachlassteile an einen Alleinerben nicht mehr vorsieht (s § 819 Rz 4; Bittner in Rechberger, AußStrG § 177 Rz 3; entgegen Eccher/S Rz 1 gibt § 822 keine ausreichende Grundlage), blieb die Ausführungsbestimmung des § 74 III. TN weiter in Kraft; dies offenbar in der Annahme, die im Anhang zum 1. BRBG nicht angeführten TN zum ABGB seien Ende 1999 außer Kraft getreten. § 3 Abs 1 S 1 leg cit stellt aber jeweils auf die „Erstfassung samt allen zugehörigen Novellen“ ab, weshalb sowohl die II. (so 7 Ob Sailer
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Besitznehmung der Erbschaft
§§ 823–824
104/00w SZ 73/89; 4 Ob 9/02f Miet 54.080) als auch die III. TN (3 Ob 83/04h JBl 2004, 800; Rummel, JBl 2001, 238) und damit auch deren § 74 weiter gelten. 2 Ein (schmaler) Anwendungsbereich verbleibt § 822 daher nur für die
Zeit zwischen Erteilung der Veräußerungsgenehmigung und Übereignung an den Erwerber, wenn die zit Rspr fortgeführt wird. Eine solche Genehmigung braucht der zur Verwaltung berechtigte Erbe aber nunmehr nur noch, soweit die Veräußerung nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört (§ 810 Rz 5). Ob für diese Fälle die Aufrechterhaltung der Norm zu rechtfertigen ist, darf bezweifelt werden. 3 Von wesentlich größerer praktischer Bedeutung ist die einstweilige
Verfügung (EV) nach § 379 Abs 5 EO. Dieser entspricht wörtlich § 75 III. TN, nur die im Rahmen der EO überflüssige zweimalige Gesetzesangabe („der Exekutionsordnung“) fiel weg. Da das 1. BRBG § 75 III. TN nicht aufgehoben hatte (Rz 1), wurde ihm materiell derogiert (Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 379 Rz 7; aA König, Einstweilige Verfügungen 2 , 2000, Rz 4/17). Somit ermöglicht ohne Anwendbarkeitslücke seit 1.10.2000 § 379 Abs 5 EO den Erbengläubigern, ihre Ansprüche unter den Voraussetzungen des § 379 Abs 2 EO schon vor der Einantwortung mittels EV auf das Erbgut zu sichern. Sie setzt zunächst voraus, dass der Erbe die Erbschaft mit Erbantrittserklärung angetreten hat (SZ 56/89; 4 Ob 288/98a SZ 71/184; Sailer, aaO Rz 8 mwN). Trotz der Einordnung dieser EV in § 379 EO (Überschrift: „I. Zur Sicherung von Geldforderungen“) ist die bisher hA, sie sei auch zur Sicherung von anderen Ansprüchen, nicht nur von Geldforderungen, zu erlassen (SZ 38/58; Eccher/S² Rz 9; Sailer, aaO Rz 7), aufrecht zu erhalten, verweist die Bestimmung doch weiterhin auch auf § 382 EO. Erbschaftsklagen § 823. Auch nach erhaltener Einantwortung kann der Besitznehmer von jenem, der ein besseres oder gleiches Erbrecht zu haben behauptet, auf Abtretung oder Teilung der Erbschaft belangt werden. Das Eigentum einzelner Erbschaftsstücke wird nicht mit der Erbschafts-, sondern der Eigentumsklage verfolgt. Wirkung derselben § 824. Wenn der Beklagte zur Abtretung der Verlassenschaft ganz oder zum Teile verhalten wird; so sind die Ansprüche auf die Zurückstellung der von dem Besitzer bezogenen Früchte; oder auf die 710
Sailer
Besitznehmung der Erbschaft
§§ 823–824
Vergütung der von demselben in dem Nachlasse verwendeten Kosten nach jenen Grundsätzen zu beurteilen, welche in Rücksicht auf den redlichen oder unredlichen Besitzer in dem Hauptstücke vom Besitze überhaupt festgesetzt sind. Ein dritter redlicher Besitzer ist für die in der Zwischenzeit erworbenen Erbstücke niemandem verantwortlich. Lit: Dolinar, Feststellung des Erbrechts und Erbschaftsklage in prozessualer Sicht, FS Kralik (1986) 125; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Die Erbschaftsklage (1991); Holzner, Wer ist „dritter redlicher Besitzer“ im Sinne des § 824 ABGB? NZ 1994, 121; Jud, Erbschaftskauf, insb 19 f, 64 f; Riedler, Zur personellen Reichweite des gutgläubigen Rechtserwerbs vom Scheinerben, NZ 1994, 1; Sperl, Probleme der Erbschaftsklage, JBl 1979, 630.
Die Einantwortung nach § 819 wird insoweit nicht materiell rechts- 1 kräftig, als das Gesetz ein eigenes Klagerecht gewährt (2 Ob 171/00m NZ 2001, 227; 6 Ob 51/05a; generell gegen materielle Rechtskraft noch 4 Ob 530/73; RZ 1974, 82), bewirkt also keine unabänderliche Zuweisung des Vermögens des Erblassers an den (die) darin angeführten Erben. Auch nach Rechtskraft (s Rz 3) kann sich der wahre Berechtigte gegenüber dem Scheinerben noch mit der Erbschaftsklage durchsetzen. Mit dieser begehrt er die gänzliche oder teilweise „Abtretung“ der Erbschaft (JBl 1956, 99 Steinwenter; 1 Ob 630/94 NZ 1996, 183 Kletecˇ ka; 2 Ob 552/94 NZ 1996, 244; s auch Rz 2). Analog § 823 kann auch der Staat sein Recht auf die in Wahrheit erblose Verlassenschaft mit der nach dem Wortlaut des § 760 so genannten „Heimfalls“- oder „Heimfälligkeitsklage“ geltend machen (SZ 37/30: [unzutr] Urteil auf Feststellung der Erblosigkeit; SZ 55/65; Welser/R Rz 26; aA Weiß/K III 1070). Über den Rechtscharakter der Erbschaftsklage besteht keine Einig- 2 keit (Leistungs- und Feststellungsklage: SZ 24/258; SZ 37/30; Steinwenter, JBl 1956, 99; Welser/R Rz 3; Leistungsklage allein: JBl 1956, 99; SZ 44/158; 1 Ob 506/94 SZ 67/127; Eccher/S § 823 Rz 3; Kralik, ErbR 331 f). Sie ist jedenfalls Universalklage (SZ 67/127; 3 Ob 320/02h SZ 2003/134 ua); der Kläger muss die beanspruchten Sachen nicht einzeln benennen (SZ 44/158; 10 Ob 66/99z SZ 72/179). Die auch zulässige Klage bloß auf Herausgabe bestimmter Sachen ermöglicht es dem Beklagten, die Belastung dieser Gegenstände mit Nachlasspassiven einzuwenden (JBl 1956, 99 Steinwenter; SZ 67/127; SZ 72/179; Welser, aaO Rz 7). Richtigerweise zielt auch die Universalklage auf Herausgabe der Erbschaft bzw einer Quote davon (GlUNF 4122; SZ 67/127; SZ 2003/134; 3 Ob 219/05k [unter Berufung auf angeblich schon stRspr]; Welser, aaO Rz 1 und 7), nicht in jedem Fall dagegen auf AbSailer
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§§ 823–824
gabe einer Willenserklärung (über die Abtretung der Erbschaft; so aber die bis in jüngste Zeit hM: SZ 44/158; 7 Ob 63/98k EF 87.263; Eccher, aaO; wohl auch Kralik, ErbR 332; Weiß/K III 1073; dem ist nur bei Anspruch auf eine bloße Quote zu folgen, weil in einem solchen Fall zusätzlich Teilung verlangt werden muss; s dazu § 830). Nach hA müsste der siegreiche Kläger mangels Herausgabe erst auf diese klagen. Bei unbeweglichen Sachen wird das allenfalls mit dem auf Herausgabe zu verbindende Begehren auf Einwilligung des schon im Grundbuch eingetragenen Beklagten in die Einverleibung des Eigentumsrechts und insoweit die besondere Bezeichnung der Liegenschaft(en) nicht zu vermeiden sein (s zB das Begehren zu SZ 72/179). Zahlung (einer Quote) kann ausnahmsweise im Fall der Surrogation (etwa bei Veräußerung von Nachlassgegenständen) verlangt werden sowie dann, wenn der Nachlass nur aus Geld besteht (3 Ob 219/05k mwN). 3 Erbschaftsklage kann nicht während des Verlassenschaftsverfah-
rens erhoben werden (SZ 21/115; 7 Ob 290/99v). Sie wird erst mit Rechtskraft der Einantwortung an den (die) vermeintlichen Erben zulässig (SZ 24/258; 8 Ob 654/88; NZ 1996, 183 Kletecˇ ka), außer es käme zu keiner Abhandlung (EvBl 1948/584: Abwicklung im Ausland). Nach rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens gibt es in diesem keinen weiteren Rechtsbehelf zur Durchsetzung des Erbrechts (SZ 5/10; JBl 1947, 21; auch nicht bei unterlassener Verständigung des wahren Erben: JBl 1951, 596; SZ 24/258). Rechtskraft setzt aber voraus, dass allen Personen, die ein Recht auf (nach Aktenlage auch mögliche) Beteiligung hatten, insb auch durch Zustellung des verfahrensbeendenden Beschlusses, die Möglichkeit vor Gericht zu verhandeln gegeben wurde (SZ 47/142; RS0007691; 8 Ob 612/93 NZ 1994, 279; 7 Ob 2398/96i). 4 Aktive Klagslegitimation hat, wer ein Erbrecht behauptet (§ 823); sie
fehlt daher allen, die das nicht tun (können), wie etwa Vermächtnisnehmern (JBl 1957, 558; SZ 44/38) oder Vertragspartnern des Erblassers (SZ 12/136: Vermieter). Passivlegitimation kommt jenen zu, denen der Nachlass eingeantwortet wurde, also va den Erben (und Erbschaftskäufern); sie geht auf deren Gesamtrechtsnachfolger über. „Besitznehmer“ iSd § 823 sind auch bereits erfolgreiche andere Erbschaftskläger sowie der Staat, dem die Erbschaft auf Grund eines Übergabsbeschlusses übergeben wurde (§ 760; s dort Rz 4). Ein Teilungsübereinkommen der Scheinerben berührt die Rechtsstellung des wahren Erben nicht (7 Ob 63/98k EF 87.265). 5 Ein mit der Erbschaftsklage siegreicher Kläger wird mit Rechtskraft
des Urteils Eigentümer der zum Nachlass gehörenden Sachen und 712
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 825
Gläubiger der darin enthaltenen Forderungen (NZ 1996, 244; SZ 2003/134); bei Liegenschaften ist die Einwilligung des bisherigen Buchbesitzers in die (deklarative: Eccher/S § 823 Rz 11) Einverleibung des siegreichen Erben nötig (Welser/R Rz 12). Er wird insofern rückwirkend Universalsukzessor (Gesamtrechtsnachfolger) des Erblassers, als er mit Klagserhebung iSd § 547 den Erblasser „vorstellt“ (JBl 1984, 431; 7 Ob 63/98k EF 87.262; SZ 2003/134; Eccher, aaO Rz 3; ohne diese Einschränkung JBl 1985, 672; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 207; Welser, aaO). Nach hA haftet der Erbschaftskläger so, als ob er eine bedingte Erb- 6 antrittserklärung abgegeben und die Gläubiger einberufen hätte (Eccher/S § 823 Rz 11; Welser/R Rz 20 je mwN; aA Kralik, ErbR 364 f). Die Klage ersetzt die Erbantrittserklärung (NZ 1996, 183 Kletecˇ ka; SZ 2003/134). Umstritten ist, ob durch die Klagsstattgebung die Haftung des beklagten Scheinerben eo ipso erlischt (dagegen Welser/R Rz 21 mwN). § 824 S 1 verweist zur Auseinandersetzung zwischen Sieger und Be- 7 siegtem im Erbschaftsprozess auf die Regeln für redliche und unredliche Besitzer (§§ 329 ff; s dort). Den gutgläubigen Erwerb vom Scheinerben schützt dagegen § 824 8 S 2. Er gilt nach hA nur für rechtsgeschäftliche Erwerbsvorgänge, und zwar unabhängig von der Entgeltlichkeit, nicht hingegen für exekutive oder kraft Gesetzes eintretende (SZ 54/48; Eccher/S § 824 Rz 4 ff mwN). Der nur dem Vertrauen in die Erbenstellung geltende Schutz wirkt nicht zugunsten des Vermächtnisnehmers des Scheinerben (SZ 54/48). Auch weitere Erwerber in lückenloser Titelkette, die auf die Erbenstellung eines Vormanns vertrauen, sind vom Schutz umfasst (Holzner, NZ 1994, 121 ff).
Sechzehntes Hauptstück Von der Gemeinschaft des Eigentumes und anderer dinglichen Rechte Ursprung einer Gemeinschaft § 825. So oft das Eigentum der nämlichen Sache, oder ein und dasselbe Recht mehreren Personen ungeteilt zukommt; besteht eine Gemeinschaft. Sie gründet sich auf eine zufällige Ereignung; auf ein Gesetz; auf eine letzte Willenserklärung; oder auf einen Vertrag. Sailer
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§ 825
Gläubiger der darin enthaltenen Forderungen (NZ 1996, 244; SZ 2003/134); bei Liegenschaften ist die Einwilligung des bisherigen Buchbesitzers in die (deklarative: Eccher/S § 823 Rz 11) Einverleibung des siegreichen Erben nötig (Welser/R Rz 12). Er wird insofern rückwirkend Universalsukzessor (Gesamtrechtsnachfolger) des Erblassers, als er mit Klagserhebung iSd § 547 den Erblasser „vorstellt“ (JBl 1984, 431; 7 Ob 63/98k EF 87.262; SZ 2003/134; Eccher, aaO Rz 3; ohne diese Einschränkung JBl 1985, 672; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 207; Welser, aaO). Nach hA haftet der Erbschaftskläger so, als ob er eine bedingte Erb- 6 antrittserklärung abgegeben und die Gläubiger einberufen hätte (Eccher/S § 823 Rz 11; Welser/R Rz 20 je mwN; aA Kralik, ErbR 364 f). Die Klage ersetzt die Erbantrittserklärung (NZ 1996, 183 Kletecˇ ka; SZ 2003/134). Umstritten ist, ob durch die Klagsstattgebung die Haftung des beklagten Scheinerben eo ipso erlischt (dagegen Welser/R Rz 21 mwN). § 824 S 1 verweist zur Auseinandersetzung zwischen Sieger und Be- 7 siegtem im Erbschaftsprozess auf die Regeln für redliche und unredliche Besitzer (§§ 329 ff; s dort). Den gutgläubigen Erwerb vom Scheinerben schützt dagegen § 824 8 S 2. Er gilt nach hA nur für rechtsgeschäftliche Erwerbsvorgänge, und zwar unabhängig von der Entgeltlichkeit, nicht hingegen für exekutive oder kraft Gesetzes eintretende (SZ 54/48; Eccher/S § 824 Rz 4 ff mwN). Der nur dem Vertrauen in die Erbenstellung geltende Schutz wirkt nicht zugunsten des Vermächtnisnehmers des Scheinerben (SZ 54/48). Auch weitere Erwerber in lückenloser Titelkette, die auf die Erbenstellung eines Vormanns vertrauen, sind vom Schutz umfasst (Holzner, NZ 1994, 121 ff).
Sechzehntes Hauptstück Von der Gemeinschaft des Eigentumes und anderer dinglichen Rechte Ursprung einer Gemeinschaft § 825. So oft das Eigentum der nämlichen Sache, oder ein und dasselbe Recht mehreren Personen ungeteilt zukommt; besteht eine Gemeinschaft. Sie gründet sich auf eine zufällige Ereignung; auf ein Gesetz; auf eine letzte Willenserklärung; oder auf einen Vertrag. Sailer
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§ 825
Lit: F. Bydlinski, Probleme des Quantitätseigentums, JBl 1974, 32; Gamerith, Sind die Rechtsgemeinschaften des Immaterialgüterrechts Gesamthandgemeinschaften? ÖBl 1996, 63; Jensik, Miteigentum – Wohnungseigentum (1962).
1 Gemeinschaften von Eigentümern oder anderen Mitinhabern ding-
licher Rechte entstehen entweder durch Zufall (zB Auseinanderfallen eines Staates), durch Gesetz (etwa unter gesetzlichen Miterben), durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (zB Übereignung einer Sache an mehr als eine Person) oder von Todes wegen (zB Einsetzung mehrerer Erben). Die überwiegend dispositiven Normen (§ 826 Rz 2) der §§ 825 ff behandeln die „schlichte“ Rechtsgemeinschaft, die von der Gesamthand und den besonders geregelten Gemeinschaften wie der GesBR (§§ 1175 ff) oder der Agrargemeinschaft nach den zum FlVfGG ergangenen Ausführungsgesetzen der Bundesländer (SZ 48/62) zu unterscheiden ist. Gesamthänderische Bindung, wie etwa bei den Personenhandelsgesellschaften (SZ 23/57) und eingetragenen Erwerbsgesellschaften, der ehelichen Gütergemeinschaft (str; Nw bei § 1234 Rz 4) und der Eigentümerpartnerschaft unter Wohnungseigentümern (§ 13 Abs 3 und 4 WEG 2002; zum WEG 1975 vgl SZ 51/4), beruht, weil das ABGB Gesamthandeigentum nicht kennt (Gamerith/R Rz 4), auf speziellen Normen oder wird aus solchen abgeleitet; sie schließt die freie Verfügung über Anteile aus. Auch wenn sie Gemeinschaften heißen, fallen in diversen Gesetzen geregelte juristische Personen wegen dieser Qualität nicht unter die §§ 825 ff (FlVfGG: Zusammenlegungs-; StadtErnG: Stadterneuerungs-; GSGG: Bringungsgemeinschaften). Zum so genannten Quantitätseigentum s SZ 46/50 und F. Bydlinski, JBl 1974, 32, zur Quantitätsvindikation SZ 10/356; SZ 50/42; 8 Ob 29/95 JBl 1996, 662. 2 Durch Richterspruch entstehen Rechtsgemeinschaften nur bei
rechtsgestaltenden Entscheidungen, etwa beim Zuschlag an mehrere gemeinsam auftretende Meistbieter in der Zwangsversteigerung (§§ 183, 237 EO). 3 Häufiger haben diese Wirkung Rechtsgeschäfte unter Lebenden,
etwa der Kauf einer Sache (samt Übereignung) durch mehrere Personen (JBl 1961, 323), der Abschluss eines Vertrags mit mehreren Bestandnehmern eines Objekts (SZ 23/371; SZ 26/207), die Einräumung eines obligatorischen Wohnungsrechts an mehrere Personen (SZ 51/149) oder die vertragliche Einräumung von Wohnungseigentum (§ 3 Abs 1 Z 1 WEG 2002). 4 Da auch zufällig entstandene Rechtsgemeinschaften in Wahrheit auf
dem Gesetz beruhen, ist die Unterscheidung der beiden in § 825 gesondert angeführten Fälle nicht erforderlich. Bsp für solche Gemein714
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schaften sind die zwischen den Teilhabern infolge Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (SZ 36/100; SZ 59/161), die communio incidens („Zufallsgemeinschaft“) der Gesellschafter betreffend inländisches Vermögen einer verstaatlichten ausländischen Kapitalgesellschaft (SZ 28/1) oder OHG (SZ 26/145), aber auch mehrerer Nachfolgestaaten eines durch Zerfall (dismembratio) untergegangenen Staates (4 Ob 2304/96v SZ 69/281), eine Landtagsfraktion für vom Land zugewiesene Gelder (8 Ob 692/89 SZ 63/96). Außerdem kommt Ersitzung von Mitbesitzern (SZ 39/77; 9 Ob 2020/96s NZ 1998, 85) und sonstiger gemeinsamer originärer Eigentumserwerb in Betracht (gemeinsamer Fund, Vermengung, Verarbeitung von Sachen, Sammelverwahrung; s auch Rz 8). Dazu gehören auch die Erfindergemeinschaft nach § 27 PatG (mit Verweis auf das bürgerliche Recht) und die Urhebergemeinschaft nach § 11 UrhG, die allerdings ähnlich einer Gesamthand ausgestaltet ist (Gamerith, ÖBl 1996, 63 ff; ebenso nunmehr Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 9 f; vgl SZ 31/23; 4 Ob 304/97b MR 1998, 72 M. Walter). Das Wesen der Rechtsgemeinschaft der §§ 825 ff besteht darin, dass 5 mehreren Personen Eigentum oder ein anderes dingliches Recht (Rubrik vor § 825; zur analogen Anwendung s Rz 7) ungeteilt zukommt (SZ 23/287; 4 Ob 137/04g Miet 56.062). Daher führt „real“ oder „materiell“ (richtigerweise aber bloß rechtlich) geteiltes Eigentum, wie etwa das längst nicht mehr neu begründbare Stockwerkseigentum (s § 843 Rz 4), nicht zu einer solchen Gemeinschaft (SZ 55/99); die §§ 833 ff sind aber für die Benützung der allen Eigentümern dienenden Hausteile maßgebend (EvBl 1982/176; 4 Ob 2229/96i SZ 69/228). Die Teilhaber untereinander trifft auf Grund gesetzlichen Schuldverhältnisses eine besondere Treuepflicht (EvBl 1976/224; 3 Ob 2032/96m SZ 70/114; 5 Ob 82/03z JBl 2004, 239 Rummel = immolex 2004, 150 Mader = wobl 2005, 247 Schauer; Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 14; Gamerith/R Rz 11; Gschnitzer ua, SR BT 334; gegenteilig – bis zur Grenze der Schikane – M. Bydlinski, JBl 1993, 59), allerdings bei zufällig entstandener Gemeinschaft wohl nur in engen Grenzen. Subsidiär anzuwenden sind die §§ 825 ff auch auf andere Gemein- 6 schaften, soweit weder vertragliche noch speziellere gesetzliche Regeln bestehen (SZ 27/312; SZ 63/96: Landtagsfraktion). Ein häufiger Fall ist die Wohnungseigentumsgemeinschaft, für die § 29 Abs 5 WEG 2002 auf die §§ 834 f ABGB verweist (zum früheren Recht vgl JBl 1973, 524 Rummel; Miet XL/26). Die §§ 825 ff wurden unter anderem auf das Verhältnis von Fruchtnießern zu den Eigentümern nicht mit der Dienstbarkeit belasteter Anteile, aber nicht zu denen der Sailer
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belasteten Anteile (SZ 25/233; 7 Ob 514/93 Miet 45.019) und auf die eheliche Gütergemeinschaft unter Lebenden (SZ 24/246; SZ 37/45; 10 Ob 508/95 SZ 68/226; s auch Rz 1) angewendet. Nichts anderes wird für das Widmungsvermögen zwischen Stiftern nach dem PSG vor Eintragung der Stiftung zu gelten haben (Egglmeier/Gruber/ Sprohar/S Rz 16; vgl auch 6 Ob 189/01i GesRZ 2002, 212: Annahme einer „Vorstiftung“). 7 Analoge Anwendung finden die Bestimmungen über die Gemein-
schaft des Eigentums auf die Mitinhaberschaft an obligatorischen Rechten, die über bloße Einzelansprüche hinausgehen, wie etwa zwischen Mitmietern (SZ 23/371; 1 Ob 530/91 SZ 64/93; 5 Ob 223/04m immolex 2005, 85; RS0013160), obligatorisch Wohnberechtigten (SZ 51/149; Miet XL/26; Miet 56.062) und Wohnungseigentumsbewerbern (JBl 1985, 492; 1 Ob 34/03m Miet 56.473). 8 Aus der Vielzahl der Fälle der Rechtsgemeinschaft können nur eini-
ge erwähnt werden. Als historischer Prototyp ist die Erbengemeinschaft (§ 550; 6 Ob 718/89 wbl 1990, 277; 5 Ob 7/99m NZ 2000, 88) anzusehen (zur Einordnung des Erbrechts unter die dinglichen Rechte s § 308 Rz 1), Hauptanwendungsfall ist jedoch das Miteigentum (§ 825 Fall 1), etwa im Fall der Verarbeitung oder Vereinigung von Sachen (§ 415; s dort), aber auch bei der Sammelverwahrung von Wertpapieren nach § 5 DepG. Anders als die §§ 14, 15 WEG 1975 verweist das neue WEG nicht mehr generell auf die §§ 825 ff (wohl aber § 29 Abs 5 WEG 2002 auf die §§ 834 f; s auch zum Verfahren § 52 Abs 1 Z 3 WEG 2002). Nach § 13 Abs 1 WEG 2002 gilt das 16. Hauptstück subsidiär auch für die allerdings in Wahrheit gesamthänderisch gebundene Eigentümerpartnerschaft (zweier Personen betreffend ein Wohnungseigentumsobjekt; s Rz 1). Weitere wichtige Anwendungsbereiche sind Mitbesitz (Miet XL/26; 1 Ob 259/03z wobl 2006, 35), Grunddienstbarkeiten, bei denen das herrschende Gut im Miteigentum steht (zu dessen Teilung s § 844 Rz 6), mehreren Personen zustehende persönliche Dienstbarkeiten, Bestandrechte mehrerer an einem Objekt (Rz 3). § 826. Nach Verschiedenheit der Quellen, aus denen eine Gemeinschaft entspringt, erhalten auch die Rechte und Pflichten der Teilhaber ihre nähere Bestimmung. Die besondern Vorschriften über eine durch Vertrag entstehende Gemeinschaft der Güter sind in dem siebenundzwanzigsten Hauptstücke enthalten. 1 Diese Bestimmung hat keinen Normcharakter, vielmehr verweist sie
hinsichtlich der Rechte und Pflichten von Teilhabern von Rechtsge716
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meinschaften allgemein auf die für besondere Gemeinschaften getroffenen spezifischen gesetzlichen Regelungen, etwa die §§ 1233 ff für die eheliche Gütergemeinschaft, und insb für die auf Vertrag gegründete Gemeinschaft auf das 27. Hauptstück betreffend die GesBR (§§ 1175–1216). Nach heutigem dogmatischen Verständnis ist diese Verweisung überholt, weil die GesBR zufolge der für sie notwendigen Struktur streng von der bloßen Rechtsgemeinschaft nach den §§ 825 ff zu unterscheiden ist. Allerdings verweist § 1215 (s dort Rz 1) für die Aufteilung des Gesellschaftsvermögens nach Auflösung der Gesellschaft auf die Teilungsregeln für schlichtes Miteigentum. Vereinbarungen gehen der gesetzlichen Regelung grundsätzlich vor 2 (SZ 59/200; Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 1). § 827. Wer einen Anteil an einer gemeinschaftlichen Sache anspricht, der muß sein Recht, wenn es von den übrigen Teilnehmern widersprochen wird, beweisen. Übereinstimmend mit der allgemeinen Grundregel der Beweislast, 1 wonach jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm zu behaupten und zu beweisen hat (SZ 48/92 mwN; RS0039939), weist § 827 die Beweispflicht demjenigen zu, der Rechte an einer gemeinschaftlichen Sache geltend macht. Er hat diese Rechte, werden sie bestritten, unabhängig von seiner prozessualen Stellung zu beweisen. Gemeinschaftliche Rechte der Teilhaber § 828. (1) Solange alle Teilhaber einverstanden sind, stellen sie nur eine Person vor, und haben das Recht, mit der gemeinschaftlichen Sache nach Belieben zu schalten. Sobald sie uneinig sind, kann kein Teilhaber in der gemeinschaftlichen Sache eine Veränderung vornehmen, wodurch über den Anteil des andern verfügt würde. (2) Eine gerichtliche oder vertraglich vereinbarte Benützungsregelung zwischen den Teilhabern einer unbeweglichen Sache wirkt auch für deren Rechtsnachfolger, wenn sie im Grundbuch angemerkt ist. [idF BGBl I 2002/71] Lit: Apathy, Der possessorische Schutz gegen Eigenmächtigkeiten eines Miteigentümers, JBl 1977, 341; R. Oberhofer, Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt auch für die Vergangenheit? wobl 2004, 209; Vonkilch, Zur (Un-)Rechtmäßigkeit übermäßigen Gebrauchs der gemeinsamen Sache durch den Miteigentümer, wobl 2006, 138. Sailer
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1 Ungeachtet der Formulierung von S 1 („nur eine Person“), die auf die
juristische (veraltet: „moralische“) Person hinzudeuten scheint, gibt es bei der Rechtsgemeinschaft keinen Träger eines Gesamtwillens, sie handelt nicht als solche (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 1). Sie ist nicht juristische Person (Klang/K III 1091; zur Miteigentumsgemeinschaft auch 5 Ob 268/03b Miet 56.911). Im Wohnungseigentumsrecht wurde dagegen mit 1.1.1994 die Eigentümergemeinschaft als juristische Person mit Rechtsfähigkeit in Teilbereichen (5 Ob 230/97b wobl 1998, 308 Call ua: „Quasirechtspersönlichkeit“) geschaffen (§ 13c WEG 1975, nunmehr § 2 Abs 5 iVm § 18 WEG 2002). Nach dem ABGB sind Verfügungen einzelner Teilhaber nur über ihren Anteil (§ 829, s dort) und solche über die gesamte gemeinschaftliche Sache („Substanz“) zu unterscheiden. Handelt es sich dabei nicht um bloße Verwaltung iSd §§ 833 ff (s dort), bedarf es nach Abs 1 S 2 für die beabsichtigten Rechtswirkungen der Einstimmigkeit. Ausdrückliche Zustimmung aller ist aber zufolge § 863 nicht erforderlich (Miet 17.041; SZ 39/88). Gegenstand der Regelung sind sowohl tatsächliche und rechtliche Veränderungen (Abs 1 S 1; zur abweichenden Bedeutung des Begriffs in § 834 s dort Rz 1) an der Substanz oder bloß am Gebrauch als auch eigentliche Verfügungen (Abs 1 S 2) eines Teilhabers, die in das Anteilsrecht zumindest eines weiteren eingreifen würden. Eigenmächtige Veränderungen sind rechtswidrig (stRspr: Miet 8532; Miet 21.059; EvBl 1980/44) und geben den anderen Abwehrrechte (Miet 32.041; 5 Ob 174/02b immolex 2003, 281). 2 Fehlt auch nur einem Miteigentümer die volle Handlungsfähigkeit,
ist die Verfügung ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und allenfalls des Pflegschaftsgerichts (§ 154 Abs 3) nichtig (SZ 6/303); vor allem bei bloßen Belastungen kommt aber Restgültigkeit der Verfügung der Geschäftsfähigen über ihre Anteile in Betracht (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 5). Nicht unter § 828 fallen bloße Verpflichtungsgeschäfte; sie folgen den Regeln über den Verkauf einer fremden Sache (s § 878 Rz 3, § 923 Rz 3, § 933 Rz 3) und sind daher regelmäßig wirksam (SZ 5/110; SZ 26/103). Bei Veränderungen iSd § 828 kann die fehlende Zustimmung eines Teilhabers nicht durch den Richter ersetzt werden, liegt doch keine bloße Verwaltungshandlung iSd §§ 834 f vor (immolex 2003, 281; 1 Ob 250/05d Zak 2006, 194; RS0117159). 3 Heilung der Nichtigkeit von Verfügungen mangels Einwilligung al-
ler bewirkt die nachträgliche, allenfalls auch schlüssige Zustimmung der restlichen Mitinhaber (SZ 28/118; Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 3 und 12). Auch der nachträgliche Erwerb von deren Anteilen, ja sogar die Beerbung des Verfügenden durch den anderen Miteigentü718
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mer soll diese Wirkung haben (SZ 28/118, von vererbter Garantieverpflichtung ausgehend). Nach allgemeinen Regeln, seit 1.1.2007 also allein nach § 367 ABGB, 4 ist der Gutglaubenserwerb von bloßen Mitberechtigten zu beurteilen; bei Liegenschaften setzt er Nichteintragung der nicht Zustimmenden im Grundbuch voraus, weil § 1500 (s dort) das Vertrauen auf den unrichtigen Buchstand schützt. Im Prozess ist die schlichte Rechtsgemeinschaft, die ja – anders als in 5 Teilbereichen die Eigentümergemeinschaft nach dem WEG 2002 (s Rz 1) – keine juristische Person ist, nicht parteifähig (VwGH 92/06/0175 wobl 1993, 235 Arnold mwN; Gamerith/R Rz 2). In Verfügungen über die ganze Sache betreffenden Prozessen sind stets 6 alle Teilhaber gemeinsam aktiv und passiv legitimiert, sie bilden eine notwendige Streitgenossenschaft (einheitliche Streitpartei) gemäß § 14 ZPO (Gamerith/R Rz 2). Nur alle zusammen sind passiv legitimiert, soweit es um Veränderungen der gemeinsamen Sache geht, die eine einheitliche Entscheidung bedingen (2 Ob 526/95 EvBl 1996/3; 5 Ob 216/98w NZ 2000, 141), so etwa bei Klagen auf Einräumung (SZ 27/64; Miet 31.650) oder Feststellung einer Grunddienstbarkeit (5 Ob 2036/96i SZ 69/110; 1 Ob 178/97a NZ 1998, 209), Unterlassung der Anmaßung einer solchen (SZ 27/101; JBl 1965, 89; SZ 56/60; anders bei schlichter Unterlassungsklage gegen Miteigentümer als Störer: 6 Ob 765/82; EvBl 1989/26; Spielbüchler/R § 354 Rz 8), auf Zuhaltung eines Bestandvertrags (Miet 19.114; JBl 1989, 526), auf Einräumung des zugesagten Wohnungseigentums (5 Ob 244/00v NZ 2002, 251 Hoyer 255 = wobl 2002, 275 abl Bittner); ebenso bei Aufkündigung oder Räumungsklage gegen Mitmieter (SZ 45/70; SZ 57/120; 4 Ob 336/98k Miet 51.284; RS0013160) sowie Aufkündigung gegen mehrere Mitvermieter (2 Ob 287/99s Miet 51.106). Sämtliche Teilhaber sind aktiv klagslegitimiert bei Ansprüchen auf Einräumung (EvBl 1974/275) oder Feststellung einer Dienstbarkeit (SZ 69/110; NZ 1998, 209) oder auf deren Löschung (NZ 2000, 141), Gewährleistung (SZ 54/27), zur Klage auf Zustimmung zur Erstellung eines Teilungsplans und zur Ab- und Zuschreibung (EvBl 1996/3), auf Feststellung gemeinsamer Ansprüche oder dinglicher Rechte (SZ 53/2; 2 Ob 595/91 NZ 1994, 15; SZ 69/110). Keine einheitliche (aktive) Streitpartei bilden Teilhaber, wenn unterschiedliche Entscheidungen akzeptabel scheinen (SZ 46/35; JBl 1980, 545; EvBl 1996/3). Das ist etwa der Fall bei Schadenersatzansprüchen gegen Dritte (auch nach dem AHG: 2 Ob 215/99b EF 90.819; 1 Ob 143/04t EF 108.720). Anders als bei den allen gemeinsam zustehenden Ansprüchen kann 7 ein einzelner Teilhaber Verfahren zur Wahrung des Gesamtrechts Sailer
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allein und ohne Zustimmung der übrigen (bzw eines bestellten Verwalters, es ginge denn um Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung, s § 837 Rz 5) sowie ohne richterliche Ermächtigung anstrengen (2 Ob 649/50; Miet 7786; EvBl 1974/275; SZ 48/62; 6 Ob 346/97v NZ 1999, 146; 1 Ob 5/01v wobl 2001, 293 Call). Im Fall der Niederlage treffen ihn dann aber auch die Folgen allein (SZ 60/122; NZ 1990, 18). Solcherart ist ein Teilhaber allein legitimiert für Eigentumsklagen auf die ganze Sache (SZ 39/189; Miet 30.042; SZ 48/4), Eigentumsfreiheitsklagen (SZ 15/48; SZ 60/122; s aber auch NZ 1994, 15), Räumungsklagen gegen titellose Benützer (Miet 32.042; SZ 54/163; 5 Ob 561/93 Miet 45.038), Servitutsklagen, nachbarrechtliche Abwehrklagen (2 Ob 55/99y NZ 2001, 164), Klagen auf Unterlassung kreditschädigender Behauptungen über das gemeinsame Unternehmen (4 Ob 120/94 ÖBl 1995, 219), aber auch Besitzstörungsklagen (1 Ob 80/97i NZ 1999, 171; Apathy, JBl 1977, 351 mwN). Einer allein darf aber nicht auf Veränderung oder auf Feststellung des gemeinsamen Rechts klagen (EvBl 1974/275; SZ 48/62; 1 Ob 2019/96k). Entgegen Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 25 muss in dieser Rspr nicht die Anerkennung einer (teilweisen) gesetzlichen Prozess-Standschaft gesehen werden (zutr Gamerith/R Rz 6), wird doch in Wahrheit auch nicht zum Teil Prozess über fremdes Recht geführt, weil es ungeteilt auch dem jeweiligen Kläger zusteht. Solche Ansprüche gehören auch nach In-Kraft-Treten des § 838a auf den streitigen Rechtsweg (s dort Rz 3). Bei teilbaren Ansprüchen kann jeder nur seinen Anteil geltend machen (SZ 41/82; JBl 1979, 88: Schadenersatz; SZ 24/142 ist wohl nicht einschlägig: Kaufpreis einer Liegenschaft). 8 Aus S 1 lässt sich ableiten, dass die einzelnen Teilhaber die gemein-
same Sache regelmäßig ohne Absprache mit den anderen benützen dürfen (stRspr; Miet 34.065; 9 Ob 85/00s Miet LII/21; 6 Ob 119/04z immolex 2004, 347; Apathy, JBl 1977, 343 ua). Unterschiede ergeben sich aus der Art der Gebrauchsmöglichkeit. Ist sie an sich unbeschränkt (Miet 28.050: Spazieren im Garten; SZ 58/10; 1 Ob 650/92 EvBl 1993/186), findet das Gebrauchsrecht eines Teilhabers seine Grenze nur im Veränderungsverbot des S 2 (s Rz 1). Bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit ist das Recht durch den (tatsächlichen) konkreten Gebrauch der anderen begrenzt (SZ 42/119; 4 Ob 269/99h SZ 72/150; 8 Ob 101/04t SZ 2004/159 uva, s RS0013211). Keiner darf sein Benützungsrecht eigenmächtig durchsetzen (EvBl 1961/523); näher zur Durchsetzung § 829 Rz 5. 9 Bei Uneinigkeit über die Benützung, wenn also keine Benüt-
zungsvereinbarung zustande kommt, bleibt den Teilhabern in erster Linie der Antrag auf richterliche Benützungsregelung im außerstrei720
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tigen Verfahren (§ 838a; s § 835 Rz 4 und 6 f; s aber auch §§ 839–840 Rz 1). Der mit dem Wohnungseigentumsbegleitgesetz 2002 neu eingeführte 10 Abs 2 ermöglicht es nunmehr entgegen der bisherigen Rspr (ZBl 1933, 467; 5 Ob 132/94 NZ 1995, 282 krit Hoyer 286) und einem Teil der Lehre (ua Barta/Call/Faistenberger, wobl 1989, 60 mwN), eine gerichtliche oder vertraglich vereinbarte Benützungsregelung für unbewegliche Sachen im Grundbuch anzumerken. Damit sollte einem wiederholt artikulierten Bedürfnis aus der Praxis Rechnung getragen werden (Erl 989 BlgNR 21. GP 31). In § 17 Abs 3 WEG 2002 ist dagegen die Ersichtlichmachung (nach § 15 WEG 1975 noch: Eintragung) von Benützungsregelungen zwischen Wohnungseigentümern vorgesehen. Nur im Fall der Anmerkung (Iro, SachenR Rz 5/11) bindet die Ver- 11 einbarung auch neu hinzukommende Miteigentümer ohne Rücksicht auf die Art der Rechtsnachfolge. Sonst bleibt es dabei, dass sie für Einzelrechtsnachfolger nicht ohne deren – allenfalls schlüssige – Zustimmung gilt (Miet 4817; Miet 32.075; SZ 54/163; 5 Ob 20/01d ecolex 2001, 85; RS0013614), was etwa bei Übernahme eines Anteils „mit allen Rechten und Pflichten“ angenommen wird (Miet 25.058; RS0013619; zu Unrecht krit Egglmeier/Gruber/Sprohar/S § 834 Rz 22; Gamerith/R § 834 Rz 4, jeweils ohne nähere Begründung; allenfalls könnte bei Verschweigen durch den Veräußerer veranlasster Irrtum vorliegen). Kenntnis allein ist zu wenig (Miet 32.073 f). Bindung der verbliebenen Teilhaber gegenüber dem neuen setzt ebenfalls (schlüssige) Zustimmung iS einer Vertragsübernahme voraus (SZ 54/163; 4 Ob 62/97i immolex 1997, 280; RS0013600; anders noch RZ 1964, 218). Gesamtrechtsnachfolger sind auch ohne Anmerkung im Grundbuch gebunden, sofern dies nicht die Benützungsvereinbarung selbst von vornherein ausschloss, etwa weil sie an die den Vertrag schließenden Personen höchstpersönlich geknüpft war (10 Ob 512/94 wobl 1994, 180 Call; 1 Ob 1649/95 wobl 1996, 257 Call). Rechte des Teilhabers auf seinen Anteil § 829. Jeder Teilhaber ist vollständiger Eigentümer seines Anteiles. Insofern er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, kann er denselben, oder die Nutzungen davon willkürlich und unabhängig verpfänden, vermachen, oder sonst veräußern (§ 361). Lit: S bei § 828, § 838a und §§ 839–840. Sailer
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1 S 1 verallgemeinert die schon in § 361 für das Miteigentum vorgenom-
mene Qualifikation des „Eigentums“ am einzelnen Anteil an der ungeteilten Sache als Vollrecht (7 Ob 547/93 EvBl 1993/182). Allerdings ist dieses gegenüber dem entsprechenden Recht an einer ganzen Sache insofern beschränkt, als es eben nicht an einem realen, sondern bloß an einem ideellen (Bruch-)Teil besteht und die Rechte der anderen Teilhaber („Mitgenossen“) nicht verletzen darf (S 2). 2 Aus S 2 folgt, dass einem Teilhaber grundsätzlich die Veräußerung
seines Anteils freisteht; außer er wäre durch ein vertragliches oder letztwilliges Verbot gebunden. Bei Belastungen schränkt ihn darüber hinaus die Rechtsnatur des bloß ideellen Anteils ein, weil er nur solche Rechte einräumen kann, die kein körperliches Substrat erfordern, etwa einen Fruchtgenuss oder Reallasten, die keine realen Benützungsrechte umfassen (SZ 10/70; NZ 1982, 188). Demnach ist ihm die Einräumung von Bestandrechten ebenso verwehrt (SZ 5/85; EvBl 1993/182) wie die von Gebrauchsrechte an der Sache vermittelnden Dienstbarkeiten (SZ 41/30: Wohnungsrecht; 2 Ob 520/95 SZ 68/70: Wohnungsgebrauchs- und -fruchtgenussrecht; s auch § 521 Rz 3 f). Solcherart zulässige Belastungen, wie zB Vorkaufsrechte, können sogar auf Bruchteile des Anteils beschränkt werden (5 Ob 111/91 NZ 1993, 19 zust Hofmeister 22; 5 Ob 2243/96f NZ 1997, 334 zust Hoyer 339). Das gilt nach § 13 GBG jedoch nicht für Hypotheken (Gamerith/R § 834 Rz 1 und 5). 3 Jeder Teilhaber hat auch das Recht auf anteilige Mitbenützung der gemeinsamen Sache (Miet 6931; EvBl 1961/253), wobei die persönlichen Bedürfnisse und deren Dringlichkeit im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen sind (Miet 15.020; Miet 20.055). Es gibt aber kein Recht auf ausschließliche Nutzung eines bestimmten realen Teils, solange keine Benützungsregelung (s § 834 Rz 8) erfolgt ist (JBl 1934, 38; 4 Ob 269/99h SZ 72/150). Dem entsprechend steht auch nach der Rspr kein Ersatzanspruch gegen den Mitinhaber zu, der die Sache in der Vergangenheit unverhältnismäßig genützt hat (s §§ 839–840 Rz 1) 4 Aus dem Verfügungsrecht des Teilhabers folgt auch die Berechtigung seiner Gläubiger auf Zwangsvollstreckung in dessen Anteil. Die Exekution auf einzelne Anteile von beweglichen körperlichen Sachen richtet sich nach den §§ 331 ff EO (SZ 12/28). Seit der EO-Novelle gelten die Regeln der Zwangsversteigerung von Liegenschaften nicht mehr allein für Liegenschaftsanteile (§ 238 Abs 1 EO; zur zwangsweisen Pfandrechtsbegründung s § 87 EO, zur Zwangsverwaltung § 97 Abs 1 EO), sondern auch für Superädifikate (§ 133 Abs 1 EO) und demnach auch für Anteile an diesen (§ 238 Abs 1 EO: 3 Ob 113/02t 722
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SZ 2003/10; Angst in Angst, EO § 134 Rz 7). Ausschließlich nach den §§ 87 ff EO sind Liegenschaftsanteile zu verwerten, nicht aber etwa durch Pfändung des Teilungsanspruchs nach § 830: SZ 39/159; 3 Ob 98/04i JBl 2005, 320 Holzner (Ablehnung von Hofmeister/Egglmeier/S² Rz 16); Gamerith/R Rz 3. Neben der Wahrung der Gesamtrechte (§ 828 Rz 7) stehen dem ein- 5 zelnen Teilhaber nach stRspr auch alle petitorischen und possessorischen Klagen sowohl gegen Dritte als auch gegen Mitberechtigte zur Verfügung (EvBl 1966/214; SZ 51/56; 1 Ob 2019/96k; Gamerith/R Rz 4; Klang/K III 1096), wobei zwischen Verletzung des anteiligen Sach- und des Rechtsbesitzes zu unterscheiden ist (Apathy, JBl 1977, 347 f). Er kann etwa auch ohne Benützungsregelung gegen die Verletzung der bisherigen Gebrauchsordnung vorgehen (Miet 28.050; SZ 72/150), anteilig Schadenersatzansprüche gegen Mieter verfolgen (SZ 41/82; EvBl 1974/122) oder gerichtlich die Neufestsetzung einer Enteignungsentschädigung verlangen (1 Ob 30/94 SZ 68/41). Die Abwehrrechte bestehen auch im Geltungsbereich des WEG (SZ 51/115; ebenso zum WEG 2002 Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR § 16 WEG Rz 4). § 830. Jeder Teilhaber ist befugt, auf Ablegung der Rechnung und auf Verteilung des Ertrages zu dringen. Er kann in der Regel auch die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen; doch nicht zur Unzeit, oder zum Nachteile der übrigen. Er muß sich daher einen, den Umständen angemessenen, nicht wohl vermeidlichen Aufschub gefallen lassen. Lit: Derbolav, Ist eine Reform der Bestimmungen des ABGB über die Gemeinschaft des Eigentums angezeigt? wobl 2003, 133; Jensik, Miteigentum – Wohnungseigentum (1962); Ziehensack, Die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft (1998). Übersicht I. II. III. IV. V.
Grundlegende Ansprüche aus der Gemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Recht auf Aufhebung der Gemeinschaft (Teilung) . . . . . . . . . . . . . . . 4 Teilungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
I. Grundlegende Ansprüche aus der Gemeinschaft Neben den Ansprüchen der Teilhaber einer Rechtsgemeinschaft auf 1 Rechnungslegung (s Rz 2) und Verteilung des Ertrags, wofür die Sailer
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§§ 839, 840 nähere Regelungen enthalten (s dort), legt § 830 das fundamentale Recht eines jeden fest, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen (Rz 4). II. Rechnungslegung 2 Rechnung ist eine detaillierte Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben in – entgegen SZ 49/74 – stets, nicht nur idR schriftlicher Form. Sie betrifft anders als ein Vermögensstatus notwendig einen bestimmten Zeitabschnitt (SZ 42/122; SZ 48/70). Nähere Bestimmungen fehlen im ABGB (im Gegensatz zum WEG, s unten). Nach der Rspr müssen auch Belege zur Einsicht vorgelegt werden. Die Rechnung hat die zur Prüfung nötigen Angaben zu enthalten (SZ 14/19; 5 Ob 1049/92 wobl 1992, 121 Call); Ausfolgen der Belege oder Gewährung von Einsicht in die Unterlagen allein reicht nicht aus (SZ 49/74). Die Abrechnungspflicht gegenüber allen Teilhabern (SZ 39/127) trifft den die Verwaltung Führenden ohne Unterschied, ob er selbst Teilhaber ist oder nicht (wobl 1992, 121: Schickschuld; 1 Ob 126/98f EvBl 1998/204). Der Anspruch entsteht erst am Ende jeder Rechnungsperiode (Klang/K III 1097) und verjährt nach 30 Jahren (EvBl 1962/414; 3 Ob 343/97f EF 87.422). Spezielle, durch gerichtliche Geldstrafen sanktionierte Abrechnungsregeln für Liegenschaften, an denen Wohnungseigentum besteht, enthält § 34 WEG 2002; nach dessen Abs 1 verjährt der Anspruch in drei Jahren ab Ende der Abrechnungsfrist. Zur Rechnungslegung des Verwalters s bei § 837. 3 Während bisher die Rechnungslegung bei der schlichten Rechtsge-
meinschaft generell im Prozess durchzusetzen war (SZ 2/97; NZ 1984, 9; vgl auch SZ 42/1), hat dies nunmehr nach § 838a wie auch nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 im außerstreitigen Verfahren zu geschehen; jedoch nur, soweit ein Teilhaber Verwalter ist. Dasselbe gilt auch für den Anspruch auf den Anteil am Ertrag, der wie bisher (JBl 1950, 435) vorherige Geltendmachung des Abrechnungsanspruchs nicht voraussetzen wird (s § 838a Rz 2, §§ 839–840 Rz 5). III. Recht auf Aufhebung der Gemeinschaft (Teilung) 4 Da jede Form von dauernden Gemeinschaften in sich den Keim von
Zwistigkeiten trägt, wovon außer der Vielzahl von höchstgerichtlichen Entscheidungen zu § 830 etwa auch das Phänomen der steigenden Scheidungsraten in den modernen Gesellschaften zeugt, wäre deren Unauflöslichkeit schwer erträglich (vgl nur Klang/K III 1097 unter Berufung auf Zeiller). Daher gewährt das Gesetz für die schlichte Rechtsgemeinschaft ein grundsätzliches Individualrecht ihrer Mitglieder auf Aufhebung der Gemeinschaft, ungeachtet des Wort724
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lauts der §§ 834, 835 dagegen nicht die Möglichkeit des Austritts oder Ausschlusses (s dazu § 843 Rz 7) aus ihr. Eine Beschränkung dieses Rechts durch eine nach § 828 Abs 2 verbücherte Benützungsvereinbarung (dafür Derbolav, wobl 2003, 133 f) wäre schon wegen der damit verbundenen weiteren „Versteinerung“ der Eigentumsverhältnisse trotz Krise problematisch. Allgemein wird der für das Rechtsinstitut charakteristische Aufhebungsanspruch als unbedingt bezeichnet (SZ 47/11; Miet 34.068; RS0013249; Klang, aaO; Jensik, Miteigentum 34). Das bedeutet, dass er grundsätzlich jederzeit und ohne Angabe von Gründen (stRspr: GlU 5093; Miet 39.045; 5 Ob 48/98i wobl 1999, 21 Pittl) geltend gemacht werden kann, mag auch § 830 selbst Einschränkungen (Rz 6 ff) enthalten. Die nunmehr bei bebauten Liegenschaften bestehende Möglichkeit, zumindest die Zivilteilung durch Schaffung von Wohnungseigentum zu verhindern (s § 843 Rz 1) und damit die Gemeinschaft in anderer Form zu perpetuieren (3 Ob 52/02x SZ 2002/90 uva), bedeutet eine wesentliche Einschränkung dieses Prinzips (zutr Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 53). Der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft (Teilungsanspruch) 5 ist nicht als dinglich anzusehen, sondern ein Gestaltungsanspruch schuldrechtlicher Natur (stRspr, basierend auf G. Frotz, ÖZW 1974, 30: JBl 1982, 209; SZ 57/45; RS0013246; dagegen nahm noch SZ 25/305 [mwN der älteren Rspr und Lehre] „keinen rein obligatorischen“ Anspruch an). Ungeachtet der Judikaturwende ist nach ganz hA die Anmerkung der Klage auf Teilung einer Liegenschaft im Grundbuch zulässig (SZ 25/305; SZ 39/106), wodurch das Urteil ohne weiteres Verfahren auch gegen jeden Einzelrechtsnachfolger der Prozessparteien durchgesetzt werden kann (5 Ob 45/94 NZ 1995, 31; 7 Ob 267/00s SZ 73/190). Sie bewirkt keine Beschränkung der dinglichen Rechte der Miteigentümer (SZ 39/106; SZ 41/168). IV. Teilungshindernisse Dem grundsätzlich unbedingten Aufhebungsanspruch setzt § 830 6 zwei voneinander unabhängige Schranken (SZ 39/51; SZ 57/45; Miet 42.033; Klang/K III 1098): Das Recht, jederzeit die Teilung zu verlangen, engt er dadurch ein, dass das Begehren nicht zur Unzeit gestellt werden darf, während die Entbehrlichkeit von Teilungsgründen dadurch relativiert wird, dass die Gegner einwenden können, ihr Interesse an der Fortsetzung der Gemeinschaft überwiege das Interesse des auf Aufhebung Dringenden (Nachteil der Übrigen). Nach stRspr konkretisieren die mitunter nicht scharf unterschiedenen Teilungshindernisse die innerhalb des Schuldverhältnisses nach Treu und Glauben geschuldete Rücksichtnahme (JBl 1982, 209; SZ 57/45; 8 Ob Sailer
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592/93 wobl 1994, 67; 6 Ob 59/01x Miet 53.075). Sie führt dazu, dass sich der Teilungswillige zwar einen angemessenen unvermeidlichen Aufschub gefallen lassen muss (§ 830 S 2), nicht aber so weit, dass er auf den Aufhebungsanspruch für unabsehbare Zeit verzichten müsste (RZ 1982, 267; SZ 57/45). Daher bilden allein vorübergehende Ausnahmezustände, die in absehbarer Zeit aufhören oder beseitigt werden können, einen Hinderungsgrund (stRspr: JBl 1927, 56; JBl 1952, 113; JBl 1984, 431; RS0013287; RS0013321). Dauernde oder nicht behebbare Nachteile, die notwendig mit der Aufhebung der Gemeinschaft verbunden sind, können nicht mit Erfolg eingewendet werden (SZ 25/191; RS0013336). Teilungsunwillige müssen, um Erfolg haben zu können, was in den wenigsten der im RIS-Justiz dokumentierten Prozessen gelang, konkrete Umstände vorbringen, die Teilungshindernisse begründen; nur in diesem Rahmen sind sie zu prüfen (Miet 34.068; JBl 1987, 382; 3 Ob 125/97x wobl 2002, 310; RS0013279). Unzulässig ist die Teilung auch bei Verzicht auf den Anspruch (§ 831, s dort) und bei einer durch einen Dritten allen Teilhabern auferlegten Fortsetzungsverpflichtung (§ 832, s dort). Außerdem kann nach Rspr und Lehre Verstoß gegen Treu und Glauben sowie Sittenwidrigkeit (§ 1295 Abs 2) zur Abweisung der Teilungsklage führen (SZ 57/45; 2 Ob 274/03p immolex 2004, 118 mwN; s auch RZ 1982, 267). 7 Unzeit ist ein objektiver, außerhalb der Beteiligten bestehender und
für alle Beteiligten in gleicher Weise wirkender, vorübergehender (s Rz 6) Umstand, der die Teilung zwar nicht verhindert, sie aber zur gegebenen Zeit für unzweckmäßig und für beide Teile schädigend macht (SZ 47/119; SZ 57/45; wobl 1989, 17 R. Oberhofer; wobl 2002, 310; Miet 53.075). Fallgruppen sind etwa außergewöhnliche wirtschaftliche Verhältnisse, beispielsweise allgemeiner Preisverfall oder hohe Inflation (SZ 4/142; SZ 31/79), was aber seit der Stabilisierung nach dem Zweiten Weltkrieg vom OGH stets verneint wurde (auch bei stärker fortschreitender Inflation: SZ 47/1; SZ 47/119 ua; der scheinbare Widerspruch der Argumentation der Rspr zur sonst verwendeten mit dem Dauercharakter [so Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 70] beruht wohl auch darauf, dass wegen der erwarteten Eindämmung des stärkeren Wertverfalls des Geldes nicht auf die Erzielung eines unzureichenden Erlöses bei der erst geraume Zeit später stattfindenden Versteigerung zu schließen war); auf Grund einer bestimmten Gesetzeslage (JBl 1952, 377; SZ 40/171); Anhängigkeit von die Sache betreffenden gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren, soweit nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos angestrengt (JBl 1984, 431; SZ 55/60; Miet 37.040); zu erwartende maßgebliche 726
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Änderung des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplans (ImmZ 1973, 302; Miet 34.074; 4 Ob 314/00f wobl 2003, 188); bestimmte Eigenschaften des Objekts wie Reparaturbedürftigkeit, wenn die Mittel für die Instandsetzung aufgebracht werden können und dadurch höhere Erlöse zu erwarten sind (SZ 26/72; EvBl 1960/351; SZ 41/185), aber auch zu erwartender werterhöhender Wegfall von Belastungen in absehbarer Zeit, etwa durch Ableben eines betagten Fruchtgenussberechtigten (8 Ob 580/90 mwN; 5 Ob 154/98b Miet 50.053); bei unklaren Miet- oder Benützungsverhältnissen (Miet 37.040). Vom OGH wurde Unzeit bejaht wegen der ungeklärten wirt- 8 schaftlichen Verhältnisse der Nachkriegszeit (SZ 23/41); bei kurz bevorstehenden Grundablöseverhandlungen wegen eines Straßenbaus (SZ 39/51); als die Möglichkeit einer Gesetzesänderung dahin absehbar war, dass künftig freie Mietzinsvereinbarungen zulässig sein würden (SZ 40/171); bei Belastung mit Fruchtgenuss für eine 78-Jährige mit diversen Krankheiten (8 Ob 580/90) oder mit Vorausvermächtnis der Wohnung der Witwe eines Erblassers im Teilungsstreit anderer Erben (6 Ob 233/04i SZ 2004/179). Keine Unzeit nahm das Höchstgericht an auf Grund der nicht mehr 9 nur „schleichenden“ Inflation (SZ 45/140; RS0013288); bei schlechtem Bauzustand, Reparaturbedürftigkeit des Hauses (Miet 34.075; 3 Ob 125/97x wobl 2002, 310), wenn nicht behauptet (und bewiesen) wird, die Mittel dafür könnten nicht aufgebracht werden (Miet 39.046); bei einem noch durch acht Jahre ausübbaren Wiederkaufsrecht (SZ 50/63); bei beabsichtigter Widmungsänderung, wenn der Flächenwidmungsplan erst kurz davor genehmigt wurde (6 Ob 712/87); bei Belastung des Anteils des Beklagten mit einer fideikommissarischen Substitution (SZ 51/65); bei einem wohnungsberechtigten Beklagten unter 55 Jahren (2 Ob 53/97a EvBl 1998/165). Unter Nachteil der Übrigen können dem Aufhebungsanspruch nach 10 nunmehr überwiegender Meinung (aA noch 7 Ob 49/75; SZ 54/38; Ehrenzweig, System II/1, 725; Klang/K III 1099) außer objektiven, im gemeinsamen Interesse aller liegenden, auch bloß einen Teilhaber subjektiv betreffende Umstände entgegen gehalten werden (SZ 14/196; wobl 1989, 17 R. Oberhofer; 2 Ob 53/97a EvBl 1998/165; Gschnitzer ua, SR BT 337; Iro, SachenR Rz 5/26; K/W I 268 ua). Entsprechende Behauptungen des Klägers führen, wenn er sie beweisen kann, zu einer gerichtlichen Interessenabwägung, die in beide Richtungen ausschlagen kann (SZ 14/196; SZ 54/38; 8 Ob 592/93 wobl 1994, 67); zugunsten des Beklagten allerdings nur bei Hindernissen von vorübergehender Dauer (s Rz 6). Dem gemäß kommt hohes Alter und/oder Sailer
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Krankheit eines Teilhabers als Hindernis außer in Extremfällen, wenn etwa dem Tode nahe Personen übersiedeln müssten, nicht in Betracht (Miet 33.061; RS0013323). 11 Zur Verneinung des Aufhebungsanspruchs führten in der Praxis des
OGH der lebensverkürzend wirkende Nachteil umziehen zu müssen für eine schwer kranke 60-Jährige (Miet 32.055; vergleichbar Miet 34.079); die Schwierigkeit eines hochbetagten, kranken Menschen, bei starker Inflation eine geeignete Geldanlage zu finden (SZ 45/140); bei besonderen Konstellationen drohende Obdachlosigkeit (RZ 1960, 182; Miet 31.057). 12 Keine Berücksichtigung findet die anfallende Steuer für Spekula-
tionsgewinne, weil die nunmehr lange Frist einen unzumutbaren, weil fünf Jahre übersteigenden Aufschub bewirken würde (5 Ob 88/93 JBl 1994, 335; 6 Ob 511/93); auch nicht das Fehlen der Mittel zum Erwerb der gesamten Liegenschaft (Miet 40.043). V. Verfahrensfragen 13 Die Aufhebung der Rechtsgemeinschaft erfolgt in einem dreistufigen
Verfahren (5 Ob 23/00v NZ 2001, 340 mwN; 9 Ob 48/04f Miet 56.066): Auf die Geltendmachung des Teilungsanspruchs mit Klage folgt die richterliche Rechtsgestaltung mit Urteil und zuletzt dessen Vollzug. Bis zu dessen Durchführung bleibt die Gemeinschaft bestehen, weshalb sogar noch im Vollzugsstadium eine Benützungsregelung begehrt werden kann (SZ 39/93; NZ 2001, 340). Zur Formulierung des Klagebegehrens sowie des Urteils s § 841 Rz 6 und § 843 Rz 7. 14 Am Verfahren müssen sämtliche Teilhaber auf der einen oder der
anderen Seite teilnehmen; die Parteien jeder Seite bilden eine notwendige Streitgenossenschaft iSd § 14 ZPO (SZ 51/65; RS0013245; Ziehensack, Aufhebung 234 f; vgl verst Senat 1 Ob 40/01s SZ 74/81 zur Ausschließung aus Personenhandelsgesellschaften). Die Klage kann daher nicht etwa hinsichtlich einzelner Parteien ab- oder zurückgewiesen werden (7 Ob 109/02h EF 101.732). Aktiv und passiv legitimiert sind bei Eigentumsgemeinschaften sämtliche Miteigentümer, unabhängig von ihrer Eintragung im Grundbuch, also etwa eingeantwortete Erben (Miet 38.040; 7 Ob 625/93: Erbschaftskäufer; 5 Ob 45/94 NZ 1995, 31; Klang/K III 1104), nicht aber rechtsgeschäftliche Erwerber, denen die Sache übergeben wurde (2 Ob 567/87; Miet 39.042). Gelingt dem (den) Beklagten der Beweis von (vorübergehende) Teilungshindernisse begründenden Umständen (s Rz 6 ff), führt dies regelmäßig zur Klageabweisung; im Einzelfall kann diesen Um728
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ständen aber auch durch Festsetzung einer entsprechend längeren Leistungsfrist Rechnung getragen werden (Miet 32.047; Egglmeier/ Gruber/Sprohar/S Rz 55). Zur Vollstreckung des die Teilung anordnenden Exekutionstitels 15 (Urteil, Vergleich, vollstreckbarer Notariatsakt) s bei § 841 Rz 7 (Realteilung) und § 843 Rz 8 (Zivilteilung) sowie hier Rz 5. Die Klageanmerkung ermöglicht Vollstreckung gegen jeden späteren Erwerber; ohne sie kann die Vollstreckung gegen diesen gemäß § 10 EO erreicht werden (Gamerith/R Rz 18). Nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz eintretende Teilungshindernisse können während des Exekutionsverfahrens mit Oppositionsklage nach § 35 EO geltend gemacht werden (ImmZ 1969, 87). Der Aufhebungsanspruch nach § 830 ist kein der Exekution nach den §§ 331 ff EO unterliegendes Vermögensrecht (SZ 39/159; 3 Ob 98/04i JBl 2005, 320 Holzner, mit Ablehnung gegenteiliger Lehrmeinungen). § 831. Hat sich ein Teilhaber zur Fortsetzung der Gemeinschaft verbunden, so kann er zwar vor Verlauf der Zeit nicht austreten; allein diese Verbindlichkeit wird, wie andere Verbindlichkeiten, aufgehoben, und erstreckt sich nicht auf die Erben, wenn diese nicht selbst dazu eingewilligt haben. Lit: S bei § 830.
Mag auch die jederzeit zu beanspruchende Teilung für die Rechtsge- 1 meinschaft nach den §§ 825 ff charakteristisch sein (s § 830 Rz 1 und 4), besteht doch die Möglichkeit, dass sich mehrere oder alle Teilhaber als Gegenstück zur Teilungsvereinbarung (§ 841 Rz 2) rechtsgeschäftlich zur Fortsetzung der Gemeinschaft verpflichten, dh auf die Geltendmachung des Teilungsanspruchs verzichten. Der Verzicht zwischen Ehegatten unterliegt nicht der Notariatsaktspflicht (Miet 32.059). Auch letztwillige Anordnung ist wirksam (Gamerith/R Rz 1; s § 832). Möglich ist befristete, aber auch unbefristete, dann aber nach § 830 HS 2 aus wichtigem Grund auflösbare (s Rz 2) Bindung, allenfalls auch Vereinbarung einer Befristung nach Art einer Kündigungsfrist. Die Verpflichtung gilt nicht für Erben und daher für jeden Teilhaber höchstens bis zu seinem Tod (7 Ob 588/90 SZ 63/161); HS 2 ist zwecks Verhinderung von zu langen Bindungen zwingend (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 2 f). Die Vereinbarung kann nicht bloß ausdrücklich, sondern – insb 2 durch einvernehmliche Widmung – auch stillschweigend geschlossen Sailer
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werden (EvBl 1979/126: lebenslange Wohnmöglichkeit; 1 Ob 1649/95 wobl 1996, 259 Call) und begründet ein Dauerschuldverhältnis, das vor Wegfall der Widmung nur aus wichtigem Grund vorzeitig aufgelöst werden kann (stRspr, EvBl 1979/126; Miet 32.061). In Frage kommen neben objektiven auch subjektive, also nur einzelne Teilhaber betreffende, Gründe (Miet 35.061; 1 Ob 521/96 SZ 69/169) wie zB beharrliche Verweigerung der Rechte aus dem Miteigentum (SZ 27/321; EvBl 1979/126). Kein schlüssiger Teilungsverzicht liegt in einer Benützungsvereinbarung, umso weniger in einer gerichtlichen Regelung (Miet XXXIX/33; wobl 1989, 17 R. Oberhofer) oder in der bloßen Gebrauchsüberlassung an einen Miteigentümer (Miet 36.048; SZ 63/161). Ein wechselseitiges Veräußerungs- und Belastungsverbot nach § 364c zwischen Hälfteeigentümern (vor allem miteinander verheirateten) wird als Verpflichtung zur Fortsetzung der Gemeinschaft angesehen, die bei Eintritt wichtiger Gründe für die Auflösung erlischt (SZ 36/161; SZ 52/162; 5 Ob 98/94 Miet XLVI/33). 3 Häufig kommt es zwischen Ehegatten zu stillschweigenden Fort-
setzungsvereinbarungen, etwa wenn eine in ihrem Miteigentum stehende Liegenschaft mit bestehendem oder erst geplantem Haus als Ehewohnung gewidmet wird (JBl 1972, 615; Miet 31.062; Miet 33.065; zu Recht krit zum Begriff des „familienrechtlich gebundenen Eigentums“ der Rspr Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 11). Dann kann auch (s Rz 2) nur aus wichtigem Grund Teilung verlangt werden (stRspr: EvBl 1965/301; JBl 1972, 615 uva; Gschnitzer ua, SR BT 339; Ziehensack, Die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft, 1998, 78). Die Bindung endet durch einverständliche Widmungsänderung, etwa durch Verlegung der Ehewohnung (Miet 28.055). Nach nunmehr seit dem EheRÄG stRspr beendet die Ehescheidung eine solche Widmung noch nicht (SZ 54/36; 6 Ob 558/95 EvBl 1996/14). 4 Strittig sind die Wirkungen des Teilungsverzichts. Nach hA hindert
er zwar die Durchsetzung des Teilungsanspruchs, nicht aber die Verfügung über den einzelnen Anteil (Klang/K III 1105 f mwN). Während in der älteren Lehre eine dingliche Wirkung der Vereinbarung vertreten wurde (ua Klang/K III 1089), folgt die jüngere zu Recht überwiegend der stRspr, die eine solche verneint (SZ 12/281; 5 Ob 2059/96x SZ 69/111; 5 Ob 79/06p immolex 2006, 222), es käme denn zu einer ausdrücklichen Überbindung (SZ 38/68) oder stillschweigenden Unterwerfung (SZ 69/111). Eine Verdinglichung durch Eintragung im Grundbuch ist auch für den Personenkreis des § 364c unzulässig (immolex 2006, 222; aA Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 6); ebenso die hL (ua Gamerith/R Rz 4a, 5 f), die darin zu Recht eine Umgehung der gesetzlichen Regel der mangelnden Bindung von 730
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 832
Erben (Rz 1) sieht. Ob mit der Verpflichtung zur Fortsetzung auch die zur Überbindung an den Anteilserwerber verbunden ist, muss durch Auslegung der Vereinbarung ermittelt werden (ähnlich Gamerith/R Rz 6a). § 832. Auch die Anordnung eines Dritten, wodurch eine Sache zur Gemeinschaft bestimmt wird, muß zwar von den ersten Teilhabern, nicht auch von ihren Erben befolgt werden. Eine Verbindlichkeit zu einer immerwährenden Gemeinschaft kann nicht bestehen. Lit: M. Gruber, Erbteilungsübereinkommen und Testament, FS Welser (2004) 239.
Die Fortsetzung der Gemeinschaft kann zwischen den Teilhabern 1 vereinbart (§ 831 Rz 1), jedoch auch mit denselben Wirkungen (§ 831 Rz 4) durch einen Dritten mit Verfügung, dh Rechtsgeschäft, unter Lebenden (dh Vertrag) oder von Todes wegen (letztwillige Verfügung) angeordnet werden (SZ 51/65; Miet 39.046; 3 Ob 2042/96g immolex 1997, 338). Dazu befugt ist aber für die gesamte Sache nur der bisherige Alleineigentümer gegenüber mehreren Erwerbern (SZ 51/65; Miet 39.046; wohl auch alle bisherigen Eigentümer zusammen: Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 2), nicht aber ein Miteigentümer, wenn er seinen Anteil mehreren zuwendet (Miet 36.047; Miet 39.046; immolex 1997, 338). In diesem Fall können jedenfalls die anderen Teilhaber nicht verpflichtet sein, sonst würde in deren Rechte eingegriffen (Miet 36.047; wohl auch Gschnitzer ua, SR BT 338). Eine solche letztwillige Anordnung deswegen als unerlaubte auflösende Bedingung und daher nach § 698 S 3 als nicht beigesetzt anzusehen (so 4 Ob 551/87; Gamerith/R Rz 1), geht aber zu weit, weil die allein schutzwürdigen übrigen Teilhaber wie dargelegt gar nicht beeinträchtigt sein können. Bei Übertragung eines Anteils auf einen Rechtsnachfolger bindet diesen eine übernommene oder letztwillig verfügte Fortsetzungspflicht nicht über diesen Anteil hinaus (Egglmeier/Gruber/Sprohar, aaO). § 832 S 1 beschränkt die Wirkung eines Teilungsverbots wie § 831 die 2 eines Teilungsverzichts unter Lebenden auf die ersten Teilhaber; deren Erben sind nicht gebunden (vgl immolex 1997, 338). Bindung soll aber (so M. Gruber, FS Welser 239 ff) auch insoweit nur bestehen, wenn das Verbot als letztwillige Auflage zu beurteilen ist. Wirksame Überbindung unter Lebenden auf die Zeit bis zum Tod des ersten Verpflichteten schließt das Gesetz nicht aus (ähnlich Klang/K III 1106 f). Damit und mit dem diese Beschränkung bloß erläuternden Sailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 833
S 2, wonach eine Verpflichtung zu immerwährender Gemeinschaft nicht bestehen könne, sollte ursprünglich der Umgehung der Voraussetzungen für das Errichten von Familienfideikommissen (§§ 618 ff, aufgehoben durch G GBlÖ 1938/254) vorgebeugt werden. Zur vorzeitigen Aufhebung des Verbots aus wichtigem Grund s § 831 Rz 2. Rechte der Teilhaber in der gemeinschaftlichen Sache: a) In Rücksicht des Hauptstammes; § 833. Der Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache kommt allen Teilhabern insgesamt zu. In Angelegenheiten, welche nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes betreffen, entscheidet die Mehrheit der Stimmen, welche nicht nach den Personen, sondern nach Verhältnis der Anteile der Teilnehmer gezählt werden. Lit: Apathy, Der possessorische Schutz gegen Eigenmächtigkeiten eines Miteigentümers, JBl 1977, 341; Call, Ordentliche und außerordentliche Verwaltung im Wohnungseigentum, wobl 2003, 201; Derbolav, Ist eine Reform der Bestimmungen des ABGB über die Gemeinschaft des Eigentums angezeigt? wobl 2003, 133; Hoyer, Aufkündigung von Bestandverhältnissen bei Miteigentum, wobl 1991, 152; R. Oberhofer, Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt auch für die Vergangenheit? wobl 2004, 209.
1 Unter den Rechten der Teilhaber in der gemeinsamen Sache sind vor
allem deren Besitz und Verwaltung (S 1) zu verstehen. Beides steht nach dem Gesetz allen Teilhabern insgesamt, also gemeinsam zu. Gemeinschaftsverwaltung ist daher der (dispositivrechtliche) Normalfall (4 Ob 562/87; 5 Ob 2102/96w RZ 1997, 142). 2 Daraus wird für den Besitz jedoch bloß anteiliger Sachbesitz sowohl
im Innen- als auch im Außenverhältnis abgeleitet (hL: Apathy, JBl 1977, 345 ff mwN), während mangels dazu vereinbarter Berechtigungen kein Rechtsbesitz besteht (Apathy, aaO 346 f). Dennoch kann jeder grundsätzlich die ganze Sache rechtmäßig gebrauchen (s § 828 Rz 8). Wenn auch nur ein Mitbesitzer einem Dritten einen Eingriff gestattet, kann diesem nach der Rspr nicht mehr Eigenmacht vorgeworfen werden (Miet 38.017; zu Recht ablehnend Apathy, aaO 352). 3 Außer petitorischem (s § 828 Rz 7) kann jeder einzelne Teilhaber auch
possessorischen Schutz gegen Eingriffe Dritter in Anspruch nehmen (LGZ Wien Miet 23.016; SZ 53/2; 1 Ob 80/97i NZ 1999, 171; Apathy, JBl 1977, 351 f). Innerhalb der Teilhaber wird zwar die Besitzentziehungsklage als statthaft angesehen, umstritten ist aber die von der 732
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 833
überwiegenden Lehre abgelehnte Besitzstörungsklage, die nach stRspr nur bei Verstoß gegen die bestehende Gebrauchsordnung zustehen soll (Miet 23.016; LGZ Wien Miet 34.022; LGZ Wien Miet 35.019; wohl ähnlich Apathy, aaO 341 ff, 349 ff mwN). Eine Definition der ordentlichen Verwaltung bietet das ABGB nicht. 4 In dessen Anwendungsbereich versteht man unter Verwaltung alle Maßnahmen zwecks Erhaltung der Sache, deren Verbesserung sowie der Gewinnung und Verwertung von Früchten bzw Erträgen (vgl § 28 Abs 1 Z 1 und 8 sowie § 29 Abs 1 WEG 2002). Maßnahmen der ordentliche Verwaltung sind nach allgemeiner Auffassung alle der Erhaltung und Verwaltung der gemeinsamen Sache dienenden Verfügungen, die sich im gewöhnlichen Lauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweisen, im Wesentlichen den Interessen der Miteigentümer dienen und keine besonderen Kosten verursachen (SZ 27/312; 1 Ob 11/93 JBl 1994, 471; RS0013573; Klang/K III 1110). Dazu zählen unter anderem ständig wiederkehrende Ausbesserungen und notwendige Instandsetzungsarbeiten (Miet 30.082; SZ 58/129; JBl 1994, 471), der Abschluss von Bestandverträgen mit Dritten zu ortsüblichen Bedingungen (SZ 59/203; 7 Ob 1604/93 wobl 1994, 209; 1 Ob 220/05t immolex 2006, 149; s dagegen die in § 834 Rz 6 zitierten Fälle), die Aufkündigung und Aufhebung solcher Verträge (5 Ob 458/97g wobl 1998, 147), Geltendmachung von gemeinsamen Ansprüchen (Miet 35.072; Miet 41.468) und Ausübung von Gestaltungsrechten aus Erhaltungsmaßnahmen (5 Ob 9/95 EvBl 1997/137), Empfangnahme einer gerichtlichen Aufkündigung (4 Ob 274/98z wobl 1999, 233 Hausmann; 2 Ob 287/99s Miet 51.106 gegen 10 Ob 2387/96v wobl 1998, 176 zust Call). § 28 WEG 2002 enthält einen nicht abschließenden Katalog von Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung der gemeinschaftlichen Liegenschaft (ua Bildung einer Rücklage, Erlassung einer Hausordnung, angemessene Versicherung der Liegenschaft). Nach § 833 S 2 gilt subsidiär zur Gemeinschaftsverwaltung nach S 1 5 für die ordentliche Verwaltung das Prinzip der Mehrheitsentscheidung nach dem Verhältnis der Anteile (ebenso § 28 Abs 1 WEG 2002). Für die Fassung des Beschlusses bestehen keine besonderen Regeln (vgl § 834 Rz 2), insb was deren Form – schriftlich, mündlich in einer Versammlung – betrifft (Miet 35.072). Der von einer Maßnahme direkt Betroffene kann nicht mitstimmen („nicht Richter in eigener Sache sein“: Miet 35.072: Erheben von Ansprüchen der Gemeinschaft gegen Teilhaber; 5 Ob 147/97x wobl 1998, 55 Hausmann; 5 Ob 230/99f wobl 2000, 117 Hausmann; Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 32; aA ohne nähere Begründung Gamerith/R Rz 10; s auch § 834 Rz 2). Sailer
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§ 834
6 Gegen einen Mehrheitsbeschluss im Rahmen der ordentlichen Verwal-
tung hat die allerdings vorher anzuhörende (vgl § 18 Abs 1 WEG 2002; SZ 18/11; 5 Ob 118/02t wobl 2004, 150 krit Vonkilch; Hoyer, wobl 1991, 157) Minderheit keinen Rechtsbehelf (SZ 9/39; EvBl 1952/411; Miet 34.105; für Änderung de lege ferenda Derbolav, wobl 2003, 134). Dagegen hat nach § 24 Abs 6 WEG 2002 jeder Wohnungseigentümer das Antragsrecht im außerstreitigen Verfahren. 7 Bei Stimmengleichheit (besonders bei Hälfteeigentümern) kann
auch in Angelegenheiten des § 833 der Richter angerufen werden (§ 835 S 2; Miet 8522; SZ 58/129; 7 Ob 5/04t Miet 56.076). § 834. Bei wichtigen Veränderungen aber, welche zur Erhaltung oder besseren Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, können die Überstimmten Sicherstellung für künftigen Schaden; oder, wenn diese verweigert wird, den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen. Lit: S bei § 833.
1 Wichtige Veränderungen sind alle Maßnahmen zur Erhaltung oder
besseren Benützung der Hauptsache, die nicht zur ordentlichen Verwaltung iSd § 833 S 2 gehören, das sind außergewöhnliche Geschäfte (Rz 6 ff), schwer wiegende faktische Eingriffe (Rz 10) und wesentliche Änderungen des wirtschaftlichen Zwecks (Rz 11). Es muss sich also um außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen handeln. Natürliche Zustandsveränderungen der Sache sind nicht gemeint (SZ 57/4). 2 Auch für wichtige Veränderungen gilt das Mehrheitsprinzip des
§ 833. Die in der Minderheit Gebliebenen können aber Sicherstellung fordern, aus der Gemeinschaft austreten oder nach § 835 (s dort) das Los, einen Schiedsmann oder das Gericht über die Durchführung entscheiden lassen. Bei Widerspruch auch nur eines Überstimmten kann der Mehrheitsbeschluss vorläufig nicht vollzogen werden (JBl 1975, 201; „ist sistiert“: SZ 51/5; SZ 59/203; Jensik, Miteigentum 27). Die oft zumindest verkürzend formulierende (Gamerith/R Rz 8) stRspr ist (entgegen Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 34) wohl so zu verstehen, dass mangels Einstimmigkeit die Mehrheit vor der Durchführung des Beschlusses die richterliche Genehmigung braucht, also ein Mehrheitsbeschluss eben noch nicht unbedingt bindet (Klang/K III 1113), solange der Außerstreitrichter die Maßnahme nicht gebilligt hat (SZ 59/203; 1 Ob 650/92 EvBl 1993/186; 1 Ob 36/00a wobl 2002, 240). Daneben steht die Sicherstellung für künftige Schäden durch die 734
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§ 834
Mehrheit oder bei deren Verweigerung der Austritt der Minderheit offen (s Rz 4). Ob auch der betroffene Teilhaber an der Abstimmung teilnehmen darf, ist str (bejahend Miet 34.092; 3 Ob 600/89 RZ 1992, 96; 8 Ob 648/90 wobl 1991, 159; verneinend Gamerith/R Rz 7; s § 833 Rz 5). Auf jeden Fall sind bei sonstiger Unwirksamkeit des Beschlusses alle Teilhaber beizuziehen bzw anzuhören (stRspr; SZ 6/93; 4 Ob 2024/96t AnwBl 1997, 651 Mayer = wobl 1998, 149 Call 161; 1 Ob 267/02z GesRZ 2003, 158; Hoyer, wobl 1991, 157; anders noch Miet 18.057; EvBl 1958/361). Auch schriftliche Abstimmung ist zulässig (ebenso § 24 WEG 2002). Wenn die Mehrheit Sicherstellung leistet (Gamerith/R Rz 8), aber auch, wenn die Minderheit das nicht in angemessener Frist verlangt, bedarf es keiner Gerichtsentscheidung und der Beschluss kann vollzogen werden (§ 834 iVm § 835; Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 36; Hoyer, wobl 1991, 157 f; anscheinend aA EvBl 1961/220; JBl 1970, 525; 1 Ob 11/93 JBl 1994, 471). Die zitierte Rspr tendiert offenbar zur generellen Unvollziehbarkeit der Maßnahme. Ein nicht ordnungsgemäß zustande gekommener Beschluss macht auch mit Dritten geschlossene Verträge sowie sonstige wichtige Veränderungen ungültig (EvBl 1967/110; Miet 22.050), wären doch sonst die Übergangenen auf bloßen Schadenersatz verwiesen (SZ 59/203, zust Pfersmann, ÖJZ 1989, 387; Miet XLI/21; Gamerith/R Rz 7; anders die ältere Rspr). Dem ist zuzustimmen, weil den kontrahierenden Teilhabern, wie schon in SZ 59/203 angedeutet, eben die Vertretungsmacht fehlt. Auch nach § 29 WEG 2002 entscheidet über Maßnahmen der außer- 3 ordentlichen Verwaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft die Mehrheit der Wohnungseigentümer. Allerdings ist die Aufhebung des Beschlusses vom Überstimmten gegen die Übrigen binnen dreier Monate ab Verständigung im speziellen außerstreitigen Verfahren nach § 52 WEG 2002 iVm § 37 MRG zu beantragen. Soweit keine abweichenden Regeln bestehen, gelten die §§ 834, 835 auch beim Wohnungseigentum (§ 29 Abs 5 WEG 2002). Die Überstimmten können binnen angemessener Überlegungsfrist ab 4 Bekanntgabe des Beschlusses (Hoyer, wobl 1991, 157) Sicherstellung für künftige Schäden verlangen (JBl 1994, 471). Verweigert man ihr diese, bleibt der Minderheit der Austritt, worunter, wie auch § 835 zeigt, Aufhebung der Gemeinschaft iSd § 830 zu verstehen ist (Iro, SachenR Rz 5/18; Jensik, Miteigentum 26; Klang/K III 1114 ua; aA Ehrenzweig, System I/2, 154). Dem Anspruch steht wohl der Einwand der Unzeit (s § 830 Rz 7 ff) entgegen, nicht aber der des Nachteils der Übrigen (§ 830 Rz 10 ff) oder einer Fortsetzungsverpflichtung nach Sailer
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§ 834
§ 831 (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 37). Will die Minderheit nicht „austreten“, kommt es regelmäßig zur gerichtlichen Entscheidung nach § 835 (s dort Rz 1). 5 Nicht unter wichtige Veränderung zu subsumieren sind Veräuße-
rungsgeschäfte (aA Klang/K III 1113); sie sind von § 828 Abs 1 erfasst. Unter § 834 fällt nur die Veräußerung von mit dem Ganzen verglichen unbedeutenden Teilen (SZ 24/42; Miet 48.047). 6 Zur Fallgruppe der außergewöhnlichen Geschäfte zählt die Rspr
unter anderem den Abschluss von Bestandverträgen mit Miteigentümern (Miet 8528/35; RS013609; 7 Ob 5/04t Miet 56.068; krit Hoyer, wobl 1991, 157, soweit bisherige Nutzung fortgesetzt wird) und deren Beendigung (Miet 34.092; RZ 1992, 96; Miet 56.068; dagegen zu Recht Hoyer, aaO 156 f). Dazu gehören die Vereinbarung eines von § 839 abweichenden Aufteilungsschlüssels (5 Ob 310/03d Miet 56.080), richtigerweise Bestandverträge mit Dritten zu ungewöhnlichen Bedingungen (Miet 24.050; Miet XLI/21; 1 Ob 242/98i wobl 1999, 350) sowie der Übergang von der Selbst- zur Fremdverwaltung und umgekehrt (anders die bisherige Rspr, s § 836 Rz 1). 7 Traditionell als wichtige Veränderung iSd § 834 behandelt werden
auch die in § 828 Abs 2 nunmehr auch „vertraglich vereinbarte Benützungsregelungen“ genannten Benützungsvereinbarungen ( Jensik, Miteigentum 24; K/W I 265 f; trotz Berufung auf Gamerith ebenso AnwBl 1997, 651 Mayer = wobl 1998, 149 Call 161), dennoch fallen sie richtigerweise wegen der damit verbundenen Verfügung über die Anteile aller unter § 828 Abs 1 S 2 (Gamerith/R Rz 3). Der neue § 828 Abs 2 ist somit systematisch am richtigen Platz. Nach einhelliger Ansicht können solche Vereinbarungen wie auch nachträgliche Änderungen (5 Ob 20/01d immolex 2002, 116) nur einstimmig beschlossen werden (stRspr: Miet 17.058; SZ 51/56; 5 Ob 156/02f wobl 2003, 185 Call = immolex 2003, 114 Iby). § 17 Abs 2 WEG 2002 ermöglicht eine vorläufige Benützungsregelung mit Zweidrittelmehrheit der Anteile für die Dauer des Verfahrens in der Hauptsache. Benützungsvereinbarungen können unter den Voraussetzungen des § 863 schlüssig zustande kommen, aber auch geändert werden, etwa durch jahrelange unwidersprochene Übung (Miet XXVII/9; wobl 1990, 95; RS13638). Nicht ausreichend für Zuweisung an den verbliebenen Ehegatten ist allerdings das bloße Verlassen der Ehewohnung durch den anderen (4 Ob 537/91 wobl 1993, 25). Zur Bindung neu hinzukommender Teilhaber an Benützungsvereinbarungen § 828 Rz 10; dort auch zur seit 2002 möglichen Anmerkung im Grundbuch. 736
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Benützungsvereinbarung ist die Zuweisung der gemeinschaftlichen 8 Sache oder körperlich begrenzter Teile davon an die Teilhaber zur ausschließlichen oder auch gemeinsamen Benützung auf Dauer oder längere Zeit, allenfalls mit Festsetzung eines Entgelts für überproportionale Benützung (SZ 54/163; wobl 1993, 25; Jensik, Miteigentum 18). Sie begründet Sondernutzungsrechte an bestimmten Teilen (5 Ob 3/95 Miet 47.040; 5 Ob 174/02b immolex 2003, 281) sowie ein Dauerschuldverhältnis (JBl 1980, 651; JBl 1982, 599; 10 Ob 1515/96 Miet 48.051). Voraussetzung einer solchen Zuweisung ist die Verfügbarkeit der Sache oder der betroffenen Teile. Diese fehlt bei Objekten, an denen Bestandrechte von Miteigentümern oder Dritten bestehen (SZ 33/26; Miet XLII/32; RS0013206). Wegen der einstimmig möglichen Abänderung (Rz 7) kann dagegen das Bestehen einer Benützungsvereinbarung kein Hindernis bilden (so aber anscheinend Egglmeier/Gruber/ Sprohar/S § 835 Rz 19); anders liegt die Sache bei der gerichtlichen Regelung (s § 835 Rz 6). Die Mitglieder einer Rechtsgemeinschaft können aber auch bloß fak- 9 tische Gebrauchsregelungen treffen oder Bestandverträge schließen. Ein Bestandverhältnis zum Miteigentümer kommt nur zustande, wenn die Parteien eindeutig zu erkennen gegeben haben, dass mehr als (besser wohl: „gerade nicht“; vgl die Kritik von Hoyer, wobl 1991, 153 f) Gebrauchsregelung gewollt ist (stRspr: SZ 54/163; Miet 37.054; 6 Ob 52/00s immolex 2000, 310). Benützungsvereinbarung ist anzunehmen, wenn der Wille auf Ordnung der Benützung auf Dauer oder bestimmte Zeit gerichtet ist (Rz 8); sonst besteht bloß eine faktische (prekaristische) Gebrauchsregelung (wobl 1993, 25; LGZ Wien Miet 34.093), die jederzeit widerruflich ist. Als wichtige Veränderungen sind auch schwer wiegende faktische 10 Eingriffe zu qualifizieren, wie etwa Baumaßnahmen, die über bloße Erhaltung hinausgehen. Aus der Rspr: SZ 6/297 (Aufstockung); JBl 1970, 525 (Errichtung einer Wasserleitung); SZ 51/5 (Fassadenverkleidung, Portalumgestaltung); 4 Ob 513/90 wobl 1991, 161 Call (Dachgaupeneinbau); 5 Ob 150/92 wobl 1993, 231 krit Call (Dachbodenausbau); 6 Ob 236/00z Miet 53.079 (Wiederherstellung der Originalfassade). Mit solchen Baumaßnahmen zusammenhängende (rechtsgeschäftliche) Erklärungen werden ebenso gesehen: Gestatten der Bauführung durch die Miteigentümer (Miet 33.465); Abschluss von Verträgen mit Bauhandwerkern (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 7); Antrag auf Baubewilligung (VwGH JBl 1955, 284); Antrag auf nachträgliche Baubewilligung (SZ 43/91). Schließlich fallen unter § 834 wesentliche Änderungen der wirt- 11 schaftlichen Zweckbestimmung (Hoyer, wobl 1991, 156; Klang/K III Sailer
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1113). Dazu gehören etwa die Änderung der Bewirtschaftungsart von Landwirtschaften, des Betriebsgegenstands von Gewerbebetrieben, Verpachtung statt Eigennutzung (Klang, aaO), der Umbau einer Werkstätte in eine Wohnung (LG Linz Miet 27.076), die Zusammenlegung oder Trennung von Wohneinheiten (LGZ Wien Miet 37.052), die Errichtung eines Kindergartens in einer Privatvilla (Miet 21.076). § 835. Wollen sie nicht austreten; oder geschähe der Austritt zur Unzeit; so soll das Los, ein Schiedsmann, oder, wofern sie sich darüber nicht einhellig vereinigen, der Richter entscheiden, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung stattfinden soll oder nicht. Diese Arten der Entscheidung treten auch bei gleichen Stimmen der Mitglieder ein. Lit: Fleischmann, Benützungsregelung bei Miteigentum an Liegenschaften, immolex 2002, 136; s auch bei § 833.
1 In der Praxis ist die im Gesetz mangels Austrittswillens der bei einer
wichtigen Veränderung nach § 834 Überstimmten (s § 834 Rz 4) erst in dritter Linie vorgesehene richterliche Entscheidung der Regelfall, weil die vorrangigen Schlichtungsarten durch Losentscheid oder Schiedsgutachten nur bei (schwer erzielbarer) Einstimmigkeit für ein solches Verfahren eingreifen. 2 Der so genannte Schiedsmann ist nicht Schiedsrichter iSd §§ 577 ff
ZPO, sondern bloß Schiedsgutachter (Gamerith/R Rz 2; s auch § 841 Rz 4). Str ist, ob diesem ein Gestaltungsrecht zusteht (dafür etwa Fasching, ZPR Rz 2168; dagegen P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 275 f mit zutr Hinweis auf fehlendes Interesse des Schiedsmanns). 3 Antragsberechtigt ist im gerichtlichen Außerstreitverfahren nach hA
jeder Teilhaber, egal ob er zur Mehr- oder zur Minderheit gehörte (5 Ob 150/92 wobl 1993, 231 Call; Gamerith/R Rz 2), damit der Schwebezustand (s § 834 Rz 2) möglichst bald endet. Voraussetzung ist aber stets ein positiver Mehrheitsbeschluss (EvBl 1957/234; RZ 1963, 15; ähnlich 5 Ob 2435/96s wobl 1997, 233 Call). Die Minderheit kann eine von ihr vorgeschlagene, aber von der Mehrheit abgelehnte Veränderung nie gerichtlich erzwingen (SZ 9/39; SZ 57/4; 5 Ob 54/99y wobl 2002, 49 Call). Das zur Antragslegitimation Gesagte gilt auch für die richterliche Benützungsregelung (stRspr: Miet 33.077; 8 Ob 1613/92 wobl 1992, 237 Call; 5 Ob 442/97d Miet 49.523). Zum WEG s § 834 Rz 3. 4 Eine gerichtliche Entscheidung kann über wichtige Veränderungen
iSd § 834 oder über die Benützungsregelung (Rz 6 f) ergehen, aber 738
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§ 835
auch Erklärungen von Teilhabern ersetzen (SZ 43/91; Miet 27.078). Der Richter kann Veränderungen mit oder ohne Einschränkungen bewilligen oder ablehnen (SZ 59/203; NZ 1990, 276; 4 Ob 513/90 wobl 1991, 161 Call). Sein Beschluss betrifft ausschließlich die Rechtsgenossen, nie das Verhältnis zu Dritten (SZ 19/21; Miet 28.057). Während die frühere, aus Wortlaut und Zweck des § 835 ableitbare überwiegende Rspr die nachträgliche Genehmigung bereits eigenmächtig vorgenommener Maßnahmen generell ablehnte (SZ 24/58; Miet 33.575; anders aber SZ 23/327), wird jetzt diese Möglichkeit in besonderen Fällen anerkannt; etwa wenn schon ein Exekutionstitel auf Beseitigung einer eigenmächtigen Veränderung ergangen ist (5 Ob 70/99a wobl 2001, 262 zust Call; 4 Ob 120/01b immolex 2002, 81 zust Iby; 5 Ob 174/02b immolex 2003, 281). Die Entscheidung ist eine rechtsgestaltende (SZ 33/26; 5 Ob 7/95 EF 5 XXXII/2; immolex 2003, 281), im Wesentlichen von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (5 Ob 69/91 wobl 1992, 158 Call; wobl 1993, 231 Call; immolex 2003, 281). Die Maßnahme ist zu bewilligen, wenn sie vom Standpunkt der gesamten Gemeinschaft vorteilhaft ist, was von den Umständen des Einzelfalls abhängt (SZ 51/5; wobl 1991, 161 Call; 1 Ob 250/05d Zak 2006, 194). Richterliche Benützungsregelung bedeutet die Zuweisung der gemein- 6 schaftlichen Sache oder von räumlich abgegrenzten Teilen zur Benützung an die Teilhaber auf mindestens längere Zeit sowie allenfalls die Festsetzung eines Benützungsentgelts. Die Entscheidung setzt voraus, dass die Liegenschaft bzw deren betroffene Teile verfügbar sind (SZ 33/26; 5 Ob 47/97s wobl 1998, 285 Call; 3 Ob 51/03a JBl 2003, 929). Das ist dann nicht der Fall, wenn sie wirksam vermietet sind (SZ 33/26); wenn sie Ehegatten als Ehewohnung dienen (SZ 37/7; Miet XXV/16; 5 Ob 117/99p SZ 73/28), diesfalls bis zur Beendigung des Aufteilungsverfahrens oder bis zum Ablauf der für die Antragstellung offenen Jahresfrist (6 Ob 558/95 EvBl 1996/14; JBl 2003, 929); wenn für diese schon eine bindende Benützungsvereinbarung (s § 834 Rz 8) besteht (Miet 25.058; Miet 39.056; 3 Ob 42/03b wobl 2003, 341 zust Call mwN). In diesem Fall kann aber bei Angabe entsprechender wichtiger Gründe nach jüngerer zutr Rspr im Antrag an das Außerstreitgericht eine außerordentliche Kündigung liegen, deren Berechtigung von diesem zu prüfen ist (SZ 53/24; 5 Ob 44/97z wobl 1997, 182 abl Call). Für die Ansicht von Egglmeier/Gruber/Sprohar/S (Rz 20), die frühere Regelung trete erst mit Rechtskraft der Entscheidung außer Kraft, fehlt eine gesetzliche Grundlage (Gamerith/R Rz 5). Möglich ist auch die bloße Festsetzung eines Benützungsentgelts, wenn über die Benützung selbst Einigkeit besteht (Miet XXV/21; SZ 58/170; wobl 2003, 341 zust Call). Sailer
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§ 836
7 Die wesentlichen Grundsätze für Benützungsregelungen sind fol-
gende: Den Teilhabern ist gemäß § 839 S 1 eine annähernd ihren Anteilen entsprechende Nutzung zu ermöglichen (Miet XXX/24; 5 Ob 5/92 wobl 1993, 20; 4 Ob 518/95), soweit auch ein persönlicher Bedarf nach ihren subjektiven Verhältnissen (wobl 1991, 161 Call; 6 Ob 341/97h Miet L/15) besteht. Ein größerer Nutzungsanteil ist durch ein Benützungsentgelt auszugleichen (SZ 12/39; Miet XXX/24), das nur für die Zukunft (dh ab Antragstellung: Miet 33.698; 1 Ob 2179/96i Miet 48.056; 4 Ob 2227/96w EvBl 1997/110) zu zahlen ist (SZ 12/39; Miet 24.067; RS0087211; vgl auch §§ 839–840 Rz 1). 8 Zur Entscheidung des Außerstreitrichters bei Stimmengleichheit (S 2)
auch in Fällen der ordentlichen Verwaltung s § 833 Rz 7. § 836. Ist ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sachen zu bestellen; so entscheidet über dessen Auswahl die Mehrheit der Stimmen, und in deren Abgang der Richter. 1 Vom nach § 833 im Zweifel geltenden Prinzip der Selbstverwaltung
durch alle Teilhaber (§ 833 Rz 1) können diese nach stRspr nur einstimmig abgehen und einen Verwalter der gemeinsamen Sache bestellen (§ 834 Rz 6; ebenso Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 1; für wichtige Veränderung iSd § 835 und daher Mehrheitsbeschluss Gamerith/R Rz 3; Gschnitzer ua, SR BT 328; Klang/K III 1117). Nach der Änderung der bei Uneinigkeit anzuwendenden Verfahrensart (s Rz 2) sollte nun die mit der Verweisung auf den streitigen Rechtsweg korrespondierende Rspr nicht mehr aufrecht zu erhalten sein. Dafür spricht auch das nach § 28 Abs 1 Z 5 WEG 2002 für das Wohnungseigentum geltende Mehrheitsprinzip (5 Ob 85/92 Miet 44.629). All dies gilt auch für die Rückkehr zur gemeinsamen Verwaltung (Gamerith/R Rz 6). 2 Nach der bisherigen Rspr war die Fremdverwaltung mangels Einig-
keit von der Mehrheit gegen die Minderheit mit Klage (also im streitigen Verfahren) durchzusetzen (SZ 2/57; Miet 34.105 f; Miet 40.057; schon bisher aA Gamerith/R Rz 3). Seit Inkrafttreten des § 838a (s dort) gehören aber nunmehr alle Angelegenheiten der §§ 833–838, und damit auch der Streit über die Bestellung eines (Fremd-)Verwalters, in das außerstreitige Verfahren (eindeutig die Erl 471 BlgNR 22. GP 33). 3 Zur manchmal (etwa bei uneinigen Hälfteeigentümern: 4 Ob 562/87)
unvermeidlichen gerichtlichen Verwalterbestellung kommt es, wenn die gemeinsame Verwaltung nicht oder nicht mehr möglich oder 740
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§ 836
tunlich und die Bestellung im Interesse aller Teilhaber gelegen ist (SZ 10/196; LGZ Wien Miet 26.055; Klang/K III 1117). Sie ist auch bei ehelicher Gütergemeinschaft zulässig (SZ 26/138; Gamerith/R Rz 4; Grillberger, Gütergemeinschaft 152 ff; nur für Auflösungsstadium Rummel, FS Demelius, 1973, 458 f), ja als ultima ratio sogar bei Eigentümerpartnerschaft (§ 13 WEG 2002) von Ehegatten (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 3), uneingeschränkt jetzt bei einer solchen Partnerschaft zwischen anderen Personen (Abs 1 leg cit). Das bisher Erläuterte ist im ABGB nicht ausdrücklich normiert. § 836 4 setzt nach richtiger Auffassung eine Grundsatzentscheidung auf Übergang zur Drittverwaltung nicht (zumindest nicht mehr) voraus (Rz 1). Er regelt aber jedenfalls die Auswahl des zu bestellenden Verwalters, ist aber auch auf dessen Auswechselung anzuwenden; beides geschieht entweder durch Mehrheitsbeschluss oder, kommt dieser, etwa bei Stimmengleichheit oder mangels Beteiligung von Miteigentümern (7 Ob 537/82) nicht zu Stande, durch Richterspruch. Die erste Variante entspricht § 833 (dort Rz 5), es geht also um ordentliche Verwaltung (EvBl 1952/411; JBl 1975, 201; Klang/K III 1111), auch wenn ein Miteigentümer bestellt (RZ 1968, 73) oder enthoben wird (Miet 34.105). Eine wichtige Veränderung kann aber vorliegen, wenn ein Verwalter zu einem besonderen Zweck bestellt (Miet 19.051; Miet 27.136) oder ein solcher Verwalter durch einen anderen ersetzt werden soll (Miet 33.083). Dasselbe gilt, wenn die Bestellung durch Vertrag aller Miteigentümer mit dem Verwalter erfolgte (JBl 1963, 375; SZ 43/37). Die gerichtliche Entscheidung ergeht im außerstreitigen Verfahren (jetzt gemäß § 838a; ebenso schon die bisher stRspr: Miet 34.105; Miet 40.057; zur Enthebung SZ 19/229; RS0013721). Nach wie vor (§ 838a Rz 3) ist aber eine Mehrheitsentscheidung auf Enthebung mit Klage gegen die Minderheit durchzusetzen (Miet 19.052 mwN; JBl 1975, 201), ebenso die auf Abberufung des durch Vertrag aller mit ihm bestellten Verwalters (SZ 13/65; SZ 19/178). Gegen einen Mehrheitsbeschluss steht der Minderheit kein Rechts- 5 behelf zu (§ 833 Rz 6); sie kann auch nicht die von der Mehrheit abgelehnte Absetzung eines Verwalters auf dem Rechtsweg erreichen (SZ 18/18; SZ 19/229; Miet 40.057; Jensik, Miteigentum 29). Das Auftragsverhältnis zum Verwalter endet idR durch Enthebung 6 (EvBl 1961/334), aber auch mit dessen Tod, es wäre denn, allenfalls auch konkludent, etwa im Hinblick auf ein bestehendes Unternehmen, das Gegenteil vereinbart. Das Ende des Auftrags- ist von dem des Vollmachtsverhältnisses zu unterscheiden (s bei §§ 1020 ff; Miet 26.054: Ende der Vollmacht mit Tod des Verwalters). Maßgebend Sailer
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§ 837
für die Möglichkeit der Beendigung dieser Rechtsbeziehungen im Außenverhältnis ist in erster Linie die vertragliche Gestaltung (SZ 13/65). § 837. Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes wird als ein Machthaber angesehen. Er ist einerseits verbunden, ordentliche Rechnung abzulegen; andererseits aber befugt, alle nützlich gemachte Auslagen in Abrechnung zu bringen. Dieses gilt auch in dem Falle, daß ein Teilgenosse ein gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen Teilnehmer verwaltet. Lit: Iro, Mietzinserhöhung nach § 12a MRG und Verwaltervollmacht, RdW 1985, 338; H. Rainer, Rechnungslegung durch den Verwalter, immolex 2003, 143; Schauer, Verwalterbestellung und konkurrierendes Verwaltungshandeln von Miteigentümern, wobl 1999, 384; Tschütscher, Neues zur Verwaltung im Wohnungseigentum, immolex 2006, 276.
1 Der Verwalter der gemeinschaftlichen Sache ist als Machthaber iSd
§§ 1002 ff Vertreter aller Miteigentümer (Miet 25.046; wobl 1989, 101 Eccher/Call; SZ 62/218; 10 Ob 379/98b Miet LI/18), also auch der bei seiner Bestellung in der Minderheit gebliebenen (Miet 25.071; 1 Ob 600/94 wobl 1996, 31, dazu Iro, RdW 1995, 338). Daher hat er auch im Interesse aller und nicht lediglich der Mehrheit zu handeln (Miet 25.071; Miet 41.036; Klang/K III 1118 f; ähnlich auch § 20 Abs 1 WEG 2002). Ob er Dritter oder selbst Teilhaber ist, macht keinen Unterschied (SZ 60/83; 5 Ob 1046/92 wobl 1993, 121 zust Call). Es ist unerheblich, ob er von den Teilhabern oder vom Gericht bestellt wurde (§ 836 Rz 6). Seine Bestellung wirkt auch für Einzelrechtsnachfolger der Teilhaber (SZ 34/63). Mangels abweichender Vereinbarung erstreckt sich sein Aufgabengebiet ausschließlich auf die ordentliche Verwaltung nach § 833 (JBl 1953, 297; 4 Ob 2024/96t AnwBl 1997, 651 Mayer = wobl 1998, 149 Call 161; Klang/K III 1119). Er ist daher weder zu wichtigen Veränderungen iSd § 834 (Miet 31.526; Miet 33.071) noch gar zu Verfügungen iSd § 828 befugt, also auch nicht zur Benützungsregelung (SZ 19/76; SZ 28/18). 2 Infolge S 1 hat der Verwalter alle Rechte und Pflichten eines Macht-
habers nach §§ 1002 ff (SZ 11/253; ImmZ 1968, 149 Meinhart; 6 Ob 12/91 SZ 64/134). Er hat die Geschäfte redlich und emsig zu führen (§ 1009; Miet 25.071), sich also um möglichst hohe Erträge zu bemühen (wobl 1996, 31; insofern zust Iro, RdW 1995, 338), und ordnungsgemäß Rechnung zu legen (SZ 42/1; SZ 49/74). Dazu ist er notfalls auf dem Rechtsweg zu verhalten, als Fremdverwalter im streitigen, als Teilhaber im außerstreitigen Verfahren (s § 830 Rz 3). Der Verwalter 742
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§ 837
hat nach § 1014 Anspruch auf Ersatz seines notwendigen und nützlichen Aufwands ohne Rücksicht auf den Erfolg (SZ 49/74; Klang/K III 1120). Die Teilhaber haben ihm auf Verlangen für seine Auslagen Vorschuss zu leisten (§ 1014 Rz 3). Die Ansprüche sind mittels Klage geltend zu machen (JBl 1961, 595; SZ 49/74; SZ 58/197). Entlohnung kann ein Verwalter dagegen dann beanspruchen, wenn das vereinbart wurde oder nach seinem Beruf, etwa dem eines gewerbsmäßigen Hausverwalters, als stillschweigend vereinbart gilt (näher § 1004 Rz 2). Der Verwalter hat die Weisungen (Aufträge) der Mehrheit der Teil- 3 haber zu befolgen (JBl 1936, 147; SZ 18/229; SZ 34/63); auch dann, wenn er vom Gericht bestellt wurde (SZ 62/218). Der mögliche Konflikt mit der Verpflichtung zur Wahrung der Interessen der Minderheit (Rz 1) ist zu deren Gunsten zu lösen; überhaupt sind rechtswidrige Weisungen nicht zu befolgen (Miet 29/29; 5 Ob 247/04s immolex 2005, 56 Prader = wobl 2005, 314 Call ua). Selbst ohne ausdrückliche Bevollmächtigung kommt dem Verwalter 4 gemeinschaftlicher Sachen gemäß § 1029 S 2 Vollmacht für alle durch die Verwaltung erforderlichen und gewöhnlich damit verbundenen Handlungen zu (2 Ob 287/99s Miet 51.106; s auch § 1029 Rz 2 ff mwN). Hauptfall ist die Vollmacht des Hausverwalters. S dazu im Einzelnen § 1029 Rz 3 f. Tritt er Dritten gegenüber eindeutig, wenn auch ohne Benennung der Teilhaber, als Verwalter bei für einen solchen typischen Geschäften auf, handelt er als deren direkter Stellvertreter (JBl 1976, 40; JBl 1989, 526; SZ 53/14; Miet LI/18). Nach wohl hA soll wirksame Bestellung eines Verwalters Miteigen- 5 tümer von selbständigen Verwaltungshandlungen ausschließen (SZ 42/68; 5 Ob 493/97d immolex 1999, 49; 5 Ob 321/99p wobl 2000, 89; Klang/K III 1120). Das ist (mit Schauer, wobl 1999, 389 ff) abzulehnen, weil der Verwalter weisungsunterworfen bleibt (Rz 3), kein Organ ist und zudem Vollmachtserteilung nicht die eigene Handlungsfähigkeit nehmen kann. Die Rspr, konkurrierende Verwaltungshandlungen der Mehrheit gegenüber Dritten, etwa der Abschluss von Mietverträgen, seien wirksam (SZ 57/60; 7 Ob 148/00s SZ 73/115), ist mit der zit zum Ausschluss solcher Akte nur vereinbar, wenn man diesen als bloß für das Innenverhältnis wirksames Verbot versteht (wohl ähnlich wobl 2000, 89; Gamerith/R Rz 7). Bei Verwaltungshandlungen eines nicht zum Verwalter bestellten 6 Minderheitseigentümers ist zu unterscheiden, ob er gegen den Widerspruch der anderen handelt oder nicht. Im zweiten Fall führt deren Kenntnis von der Tätigkeit nach hA zur Anwendung des S 3, wonach Sailer
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er im Bereich der ordentlichen Verwaltung als bevollmächtigt und damit wie nach Rz 2 berechtigt, also nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag anzusehen ist (8 Ob 37/88; 1 Ob 36/00a wobl 2002, 240; diese Rspr offenbar übersehend etwa SZ 57/167). Das soll auch dann gelten, wenn die Mitberechtigten zu einem Widerspruch konkret gar nicht in der Lage waren (Ehrenzweig, System I/2 155 FN 38 unter Hinweis auf die praktische Bedeutung für im Ersten Weltkrieg Abwesende; Gamerith/R Rz 13; 9 Ob 331/97k NZ 1998, 312 betraf allerdings nicht die Vollmacht). Ob allerdings S 3 tatsächlich über die Privilegierung des Teilhabers beim Auslagenersatz und seine Verpflichtung zur Rechnungslegung hinaus Geltung haben soll, scheint doch zweifelhaft; dies noch mehr für den Fall, dass etwa Ortsabwesende oder gar Verschollene nicht einmal den Anschein einer Vollmachtserteilung erweckten. Außerhalb der ordentlichen Verwaltung handelt der Mitinhaber (teilweise) als Geschäftsführer der anderen ohne Auftrag (Miet 15.034; SZ 49/74). 7 Besonderes gilt für den Verwalter nach § 19 WEG 2002 (jetzt wie
auch die übrigen in dieser Rz angeführten Paragraphen idF WRN 2006 BGBl I 2006/124), der auch die Eigentümergemeinschaft vertritt (§ 18 Abs 2 Z 1 WEG 2002). Insoweit ist er Organ, wirksame Parallelverwaltung durch die Mehrheit ist daher nicht möglich (Würth/ Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR § 18 WEG Rz 24). Sein Name und seine Anschrift können auf Antrag im Grundbuch ersichtlich gemacht werden. Seine Aufgaben und Befugnisse sind detailliert in § 20 WEG 2002 geregelt (s dazu 5 Ob 291/01g wobl 2002, 307 zust Call; 5 Ob 247/04s immolex 2005, 56 Prader; 5 Ob 146/06s wobl 2006, 340 Call). Nach § 23 leg cit kann ein vorläufiger Verwalter vom Außerstreitrichter bestellt werden; bei diesem ist auch die Rechnungslegung durchzusetzen (§ 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002). § 838. Wird die Verwaltung mehreren überlassen; so entscheidet auch unter ihnen die Mehrheit der Stimmen. 1 Sind mehrere Verwalter der gemeinsamen Sache bestellt, also nicht
im Fall des § 837 S 3, entscheidet nach der dispositiven Regel des § 838 bei Meinungsverschiedenheiten die Mehrheit. Sie wird stets nach Köpfen berechnet; auf die Beteiligung am Gemeinschaftsgut kommt es nicht an (Klang/K III 1121). Damit weicht die Regelung vom Einstimmigkeitsprinzip des § 1011 (s dort Rz 1 ff) ab. § 838a. Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmit744
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§ 838a
telbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten sind im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. [BGBl I 2004/58] Lit: Vonkilch, Zur (Un-)Rechtmäßigkeit übermäßigen Gebrauchs der gemeinsamen Sache durch den Miteigentümer, wobl 2006, 138.
§ 838a ist mit 1.1.2005 in Kraft getreten und nach Art 4 § 3 Abs 1 Z 4 1 FamErbRÄG auf Verfahren, die ab diesem Tag anhängig gemacht werden, anzuwenden. Erstmals ist darin ausdrücklich geregelt, dass über alle Miteigentümerkonflikte, die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängen, im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist. Damit soll die nach Auffassung der Gesetzesverfasser „relativ unklare und wenig differenzierte“, unnötige Rechtswegstreitigkeiten provozierende Rechtslage, die bisher allein aus der Rspr abzuleiten war, durch eine eindeutige Regelung verbessert werden (Erl 471 BlgNR 22. GP 33). Das neue Außerstreitverfahren sei auch für kontradiktorische Entscheidungen geeignet; einige der Rechtssachen passten besser in dieses, insb rechtsvorsorgende und -gestaltende Mehrparteienverfahren (Erl aaO). Gegenstand der Verweisung in das außerstreitige Verfahren sind 2 ausschließlich Streitigkeiten der Miteigentümer untereinander über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache, und zwar nach den Erl (471 BlgNR 22. GP 33) betreffend die damit unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten, darunter die richterlichen Aufgaben nach den §§ 833–838, die Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, die Rechnungslegung und Verteilung des Erlöses (§ 830 Abs 1), die Verteilung des Nutzens und Aufwandes (§ 839), Auseinandersetzungen über Bestellung, Wechsel und Enthebung des Verwalters (§ 836), Ansprüche der Teilhaber untereinander aus von ihnen beschlossenen Handlungen des Verwalters. Im Gegensatz zu früher ist unerheblich, ob der Auseinandersetzung eine Vereinbarung der Miteigentümer zu Grunde liegt. Nach stRspr gehörten nämlich bisher Streitigkeiten in diesem Fall in das streitige Verfahren (Miet 24.055; SZ 51/5; 6 Ob 63/98b Miet 50.065). Weiterhin auf den streitigen Rechtsweg gehören Ansprüche auf 3 Durchsetzung einer Mehrheitsentscheidung, auf Rechnungslegung durch einen nicht der Gemeinschaft angehörenden Verwalter sowie solche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis gegründet sind, sondern auch auf weitere Rechtsgrundlagen (also zum Beispiel die ausdrücklich erwähnten Besitzstörungs-, Schadenersatz- und Bereicherungs- sowie nachbarrechtlichen Unterlassungsklagen). Das gilt auch für Bereicherungs- und Räumungsansprüche gegen MiteigenSailer
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§§ 839–840
tümer wegen übermäßigen Gebrauchs (Vonkilch, wobl 2006, 145 f). Auch die Teilung der Gemeinschaft (§§ 841 ff) ist wie bisher im Zivilprozess durchzusetzen (Erl 471 BlgNR 22. GP 33). Wegen der Spezialität der Sonderregeln des § 52 Abs 1 WEG 2002 blieben diese unberührt (Erl aaO). b) der Nutzungen und Lasten; § 839. Die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten werden nach Verhältnis der Anteile ausgemessen. Im Zweifel wird jeder Anteil gleich groß angesehen; wer das Gegenteil behauptet, muß es beweisen. § 840. Ordentlicher Weise sind die erzielten Nutzungen in Natur zu teilen. Ist aber diese Verteilungsart nicht tunlich; so ist jeder berechtigt, auf die öffentliche Feilbietung zu dringen. Der gelöste Wert wird den Teilhabern verhältnismäßig entrichtet. Lit: R. Oberhofer, Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt auch für die Vergangenheit? wobl 2004, 209; s auch bei § 838a.
1 Die durch Vereinbarung abänderbare (Miet XXXVIII/54; SZ 58/158;
1 Ob 126/98f EvBl 1998/204; ebenso § 32 Abs 2 WEG 2002) Regel des § 839 S 1 weist die Nutzungen und Lasten des gemeinsamen Guts den Teilhabern im Verhältnis ihrer Anteile zu (Miet 34.109). Das gilt sinngemäß (§ 825 Rz 7) auch für Wohnungseigentumsbewerber (Miet 32.144; 5 Ob 35/93 wobl 1993, 184 Würth, mit Glosse von Medwed, wobl 1994, 24). So lange aber ein Teilhaber von der Nutzung ausgeschlossen wird, kann er auch nicht zur Lastentragung herangezogen werden (8 Ob 661/92 wobl 1993, 132 Call). Nicht anwendbar ist § 839 auf den bloßen Gebrauch durch Miteigentümer. Benützt ein Miteigentümer die Sache über seine Quote hinaus, braucht er nach überwiegender Rspr mangels anderer Abmachung für die Vergangenheit kein Entgelt zu entrichten (SZ 12/39; SZ 60/83; 5 Ob 4/05g wobl 2006, 92 Call = immolex 2005, 249 Prader; Gamerith/R Rz 2; gegenteilig JBl 1983, 486; Jensik, Miteigentum 19). Ab Widerspruch eines anderen Teilhabers ist jedoch die übermäßige Nutzung mangels Einigkeit iSd § 828 Abs 1 nicht mehr rechtmäßig (zutr Vonkilch, wobl 2006, 138 ff). Daher ist die Forderung anteiligen Benützungsentgelts jedenfalls ab Klagszustellung (s § 838a Rz 3) berechtigt (zu weit geht dagegen R. Oberhofer, wobl 2004, 217, der es ab der übermäßigen Nutzung zubilligt). 2 Nutzungen können Naturalfrüchte (wie Getreide, Obst, Gemüse)
oder Zivilfrüchte (Mietzins: Miet 16.046; Benützungsentgelt: Miet 746
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§ 841
34.109; Ablösen: Miet 18.082, nach 3 Ob 14/76 entgegen JBl 1962, 91, sogar verbotene) sein. Natürliche Früchte sind nach § 840 auch in natura zu teilen; falls das nicht tunlich ist, hat es außer bei Unwirtschaftlichkeit letztlich auf Verlangen zur öffentlichen Feilbietung zu kommen. Die Verteilung des Erlöses folgt wieder der Grundregel (Rz 1). Zu den mit Gemeinschaftssachen verbundenen Lasten zählen etwa bei 3 Gebäuden alle Arten von verbrauchsunabhängigen Aufwendungen (4 Ob 142/06w) wie Betriebskosten (Miet 34.111; 6 Ob 700/87), Verwaltungskosten (Klang/K III 1122), Hypothekarzinsen, Reparaturkosten, Versicherungsprämien und Steuern (Miet 22.067: Grundsteuer) sowie die Kosten der Errichtung einer gemeinsamen Zentralheizung (Miet 24.492). Auch der nicht zustimmende Miteigentümer hat die Kosten von Erhaltungsarbeiten anteilig zu tragen (EvBl 1964/292). Kein Problem wirft die Ermittlung des zu verteilenden Nettoertrags 4 (Miet 34.109) auf: Vom Bruttoerlös sind die bezahlten Kosten (Miet 18.083; Miet 34.109) sowie allenfalls eine Rücklage für kurz bevorstehende Ausgaben abzuziehen. Nicht mehr auf den streitigen Rechtsweg, sondern in das Außerstreit- 5 verfahren gehört nach § 838a (s dort Rz 2) der Anspruch auf den anteiligen Ertrag sowohl nach § 839 als auch nach § 840 (s auch § 830 Rz 3). Im Zweifel über die Größe der Anteile wird nach § 839 S 2 vermutet, 6 sie seien gleich groß; das Gegenteil kann bewiesen werden (vgl § 827). c) der Teilung § 841. Bei der nach aufgehobener Gemeinschaft vorzunehmenden Teilung der gemeinschaftlichen Sache gilt keine Mehrheit der Stimmen. Die Teilung muß zur Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen vorgenommen werden. Können sie nicht einig werden; so entscheidet das Los, oder ein Schiedsmann, oder, wenn sie sich über die Bestimmung der einen oder anderen dieser Entscheidungsarten nicht einhellig vereinigen, der Richter. Lit: Fasching, Urteilsmäßige Rechtsgestaltung im Zivilprozeß, JBl 1975, 505; Kletecˇ ka, Die Novellierung des WEG durch das 3. WÄG, wobl 1993, 217; R. Oberhofer, Die Aufhebung von Miteigentumsgemeinschaften an bebauten Grundstücken, wobl 1994, 58.
Die Zeitbestimmung in S 1 ist nicht so zu verstehen, dass vor der 1 Teilung eine gesonderte Einigung oder Entscheidung allein über die Sailer
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Aufhebung erfolgen müsste. Vielmehr geschieht die Aufhebung, sofern nicht Zivilteilung zu erfolgen hat, durch die Teilung (zutr G. Frotz, ÖZW 1974, 30). Nach der Vorstellung des Gesetzes soll die Teilung gemeinschaftlicher Sachen in erster Linie außergerichtlich durch vertragliche Einigung, Losentscheid oder nach Schiedsspruch (Rz 2–4) und nur im Streitfall auf dem Rechtsweg (Rz 5 f) erfolgen. Gemeint ist die von der Aufhebung der Gemeinschaft (§ 830) zu unterscheidende Bestimmung (und Herstellung) der den Teilhabern zukommenden Teilstücke und ihre Zuweisung an diese, also Real- oder Naturalteilung, aber auch das Ausscheiden Einzelner gegen Abfindung oder die nunmehr für unbewegliche Sachen in §§ 191 ff AußStrG 2003 geregelte freiwillige Feilbietung (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 4; aA Gamerith/R Rz 2: Art Teilungsvereinbarung). 2 Vorrang vor den anderen Teilungsarten hat die rechtsgeschäftliche
Regelung des Aufhebungsanspruchs durch synallagmatischen Vertrag (JBl 1975, 429; gegenteilig für Erbteilungsübereinkommen 2 Ob 2292/96i SZ 71/60) zwischen allen Miteigentümern, wie sich aus S 1 und 3 ergibt; S 2 wäre hiefür (entgegen Gamerith/R Rz 2) nicht erforderlich. Als Veräußerungsgeschäft (SZ 57/31) ist er Erwerbstitel für jedes der entstandenen realen Teilstücke. Alleineigentum entsteht erst mit Übergabe (NZ 1991, 251 Hofmeister 255). Willensmängel können nach allgemeinen Regeln geltend gemacht werden (§§ 870 ff, 1385; Gamerith/R Rz 3; zu Erbteilungsübereinkommen EvBl 1974/226 ua). Soweit die Einigung nicht als Vergleich anzusehen ist (vgl SZ 1/55), kann sie wegen Verkürzung über die Hälfte (§ 934) angefochten werden. Aus der erforderlichen „Zufriedenheit“ aller kann nicht nachträglich ein Anspruch auf objektiv gleichmäßige Behandlung abgeleitet werden (einhellige Lehre: Klang/K III 1124). Weil ein entgeltlicher Vertrag vorliegt (EvBl 1962/343), kann uU Gewährleistung verlangt werden (Klang/K III 1123 mwN), wobei Wandlung die gesamte Aufteilung und nicht bloß den Anteil des Anfechtenden betreffen muss. Teilungsübereinkommen sind selbstverständlich klagbar (OLG Wien Miet 32.060). 3 Erbteilungsvereinbarungen (§ 819 Rz 7) sind ebenfalls Verträge iSd
§ 841 (6 Ob 599/94 HS XXV/7; 7 Ob 63/98k EF 87.256; 5 Ob 38/06h). Str ist, ob die Übertragung des aus einer Teilungsvereinbarung entspringenden Anspruchs auf Eigentumsübertragung der Zustimmung sowohl aller bisherigen Teilhaber als auch des Übernehmers bedarf (Vertragsübernahme: Miet 29.074) oder Einigung zwischen Überträger und Übernehmer genügt (JBl 1975, 429; wohl zust Gamerith/R § 831 Rz 8, falls der neue Schuldner die volle Leistung anbietet). 748
Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 841
Als zweite Methode der Realteilung sieht § 841 die Verlosung vor, 4 welche die vorherige Bildung von Teilstücken voraussetzt. Sowohl letztere als auch die Einigung auf Losentscheid erfordern wiederum Einhelligkeit (arg S 1). Dasselbe gilt auch für die (als dritte Art geregelte) Übertragung der Teilung auf einen Schiedsmann (GlU 7895; oder ein Schiedskollegium: RZ 1955, 61). Dessen Gutachten ist kein Schiedsspruch und daher auch kein Exekutionstitel (RZ 1955, 61). Mangels Einigung, aber auch, wenn sie nur über die Aufhebung der 5 Gemeinschaft, nicht aber über die Form der Teilung erfolgt, muss die Teilungsklage eingebracht werden. Mit dieser Klage hat der Teilhaber neben der Aufhebung der Gemein- 6 schaft (§ 830) auch dezidiert (Zivil- oder Real-)Teilung, allenfalls die Schaffung von Wohnungseigentum, s § 843 Rz 1, zu verlangen (EvBl 1967/84; 4 Ob 505/75). Wegen der erforderlichen Durchsetzung durch Exekution handelt es sich um eine „unvollkommene“ Rechtsgestaltungsklage (Miet 24.047; 5 Ob 23/00v NZ 2001, 340; Fasching in Fasching, ZPO III § 226 Rz 30); für eine Feststellungsklage wird idR das rechtliche Interesse fehlen. Das Urteil darf dem gemäß nicht schlicht auf Teilung lauten, sondern muss eine deren nunmehr drei Arten festlegen (SZ 32/65; EvBl 1967/84). Einen Teilungsvorschlag, der das Gericht aber nicht bindet, kann der Kläger machen, muss das aber nicht (SZ 33/8; 9 Ob 48/04f Miet 56.066; RS0004270). Bei Unwahrscheinlichkeit realer Teilbarkeit ist aber doch eine konkrete Teilungsmöglichkeit darzulegen (Miet 36.056; 1 Ob 561/92 Miet XLIV/38). Unterbleibt ein Vorschlag, kann sich das Gericht auf die Verhandlung und Entscheidung über das Klagebegehren beschränken und die Durchführung der Naturalteilung einer Einigung oder dem Exekutionsverfahren überlassen (NZ 2001, 340; RS0113832). Die in § 351 EO geregelte Exekution eines Liegenschaften, Erb- 7 schaften oder sonstige Vermögensmassen betreffenden Realteilungstitels kann als iudicium duplex (s auch zur Zivilteilung § 843 Rz 8) sowohl vom Kläger als auch vom Beklagten des Titelverfahrens beantragt werden (6 Ob 572–577/84). Auch dieser Antrag muss noch keinen Teilungsvorschlag enthalten (3 Ob 52/02x SZ 2002/90). Vom Exekutionsgericht ist nach Erörterung mit den Parteien ein rechtsgestaltender Teilungsbeschluss zu fassen (SZ 2002/90; 3 Ob 259/03i EvBl 2004/183), der Erwerbstitel für das Alleineigentum ist und auch Verbücherungsanordnungen einschließlich erforderlicher Teilungspläne (bei Wohnungseigentumsbegründung nach Nutzwertfeststellung: EvBl 2004/183) zu enthalten hat. Zu Einzelheiten des Verfahrens s die Kommentierung des § 351 EO von Klicka in Angst, EO sowie von Sailer
749
Gemeinschaft des Eigentums
§ 842
Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO. Die Ansicht, Naturalteilung könne nur für die ganze gemeinsame Sache, nicht bloß für einen Teil in Vollzug gesetzt werden (SZ 26/268; ebenso Egglmeier/ Gruber/Sprohar/S Rz 16), ist nach der neuen stRspr zum Titelverfahren (s § 843 Rz 5) nur für den Fall aufrecht zu erhalten, dass eine wirtschaftliche Einheit zerstört würde. Naturalteilung unterliegt als Übertragung von Liegenschaftseigentum gegebenenfalls auch den Grundverkehrsgesetzen (SZ 57/31). Bis zur tatsächlichen Teilung bleibt die Rechtsgemeinschaft der Eigentümer aufrecht (Miet 24.047; Miet 27.097). 8 Zu den Kriterien der physischen Teilung s bei § 843 Rz 3 und 5 f. 9 Die Realteilung beweglicher Sachen geschieht durch Zuweisung ein-
zelner Sachen an die Teilhaber und allenfalls durch Anordnung von Ausgleichszahlungen (SZ 4/124; EvBl 1957/128; zur Teilung „unteilbarer“ Forderungen in Form von Und-Konten, Sparbüchern und Bausparguthaben s HS XXV/7). Die Vollstreckung richtet sich ebenfalls nach § 351 EO, weil es sich bei körperlich teilbaren beweglichen Sachen wohl stets um „Vermögensmassen“ im Sinne dieser Norm handelt. § 842. Ein Schiedsmann oder der Richter entscheidet auch, ob bei der Teilung liegender Gründe oder Gebäude ein Teilgenosse, zur Benützung seines Anteiles, einer Servitut bedürfe, und unter welcher Bedingung sie ihm zu verwilligen sei. 1 So wie die Vereinbarung der Teilung setzt auch die Bestellung eines
Schiedsmannes für diesen Zweck Einstimmigkeit aller Teilhaber voraus (§ 841 S 3; s dort Rz 4). Sowohl dieser als auch das mangels Einigung anzurufende Gericht (im Teilungsprozess oder erst im Exekutionsverfahren, s § 841 Rz 5 ff) können, wenn erforderlich, selbst ohne entsprechenden Antrag Titel für die Einverleibung von Dienstbarkeiten (§ 480) im Grundbuch auf den neu entstandenen bebauten oder unbebauten Liegenschaften schaffen. Zugleich sind die Bedingungen der Einräumung, allenfalls das vom Eigentümer des künftig herrschenden Guts zu entrichtende Entgelt, festzusetzen. § 843. Kann eine gemeinschaftliche Sache entweder gar nicht, oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Wertes geteilt werden; so ist sie, und zwar, wenn auch nur ein Teilgenosse es verlangt, vermittelst gerichtlicher Feilbietung zu verkaufen, und der Kaufschilling unter die Teilhaber zu verteilen. 750
Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 843
Lit: Derbolav, Zur Problematik der Klage auf „Teilung“ in Wohnungseigentum, wobl 2002, 160; ders, Nochmals zur Klage auf Teilung in Wohnungseigentum, wobl 2003, 4; s auch bei § 841.
Die so genannte Zivilteilung gemeinschaftlicher Sachen ist nur zu- 1 lässig, wenn die Naturalteilung entweder nicht möglich oder nicht tunlich ist (Vorrang der Realteilung: SZ 55/90). In der seit dem WEG 2002 nach dessen § 3 Abs 1 Z 3 auch vom Kläger durchsetzbaren (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR § 3 WEG Rz 4) Regelung durch Begründung von Wohnungseigentum sieht die stRspr, obwohl eine besondere Art des Miteigentums bestehen bleibt (vgl 3 Ob 52/02x SZ 2002/90), dem JAB 1268 BlgNR 18. GP 16 folgend eine „Sonderform der Naturalteilung“ (5 Ob 110, 111/95 wobl 1996, 259 Call; 1 Ob 521/96 SZ 69/169; 10 Ob 285/00k immolex 2001, 312 uva). Zu Recht billigt sie dieser nach § 843 Vorrang vor der Zivilteilung zu (Miet 31.063; SZ 69/169; immolex 2001, 312). Nach wie vor nicht geregelt ist deren Rang im Verhältnis zur möglichen Realteilung. Einen (von Kletecˇ ka, wobl 1993, 217, und Kletecˇ ka/Löcker, immolex 1998, 117 f vertretenen) Vorrang der „echten“ Realteilung lehnte der OGH, allerdings mit nicht näher begründeter Berufung auf den Willen des Gesetzgebers, ab (5 Ob 17/01p immolex 2001, 337 abl Kletecˇ ka = ecolex 2001, 740 krit Wilhelm). Auch gegen die „Sonderform“ (Begründung von Wohnungseigentum) kann der Gegner mit dem Beweis durchdringen, dass sie zu einer beträchtlichen Verminderung des Werts der gemeinsamen Sache führe und deshalb iSd § 843 (s Rz 2) untunlich sei (1 Ob 144/98b NZ 1999, 216; immolex 2001, 312). Naturalteilung ist nach stRspr dann möglich, wenn die Sache (meist 2 physisch, bei Forderungen aber auch im Rechtssinn: 6 Ob 599/94 HS XXV/7) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache (SZ 31/79; SZ 56/10; RS0013856) zu einer wesentlichen Wertminderung käme (SZ 28/120; RS0013852). Der Teilung dürfen auch keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (SZ 48/41; NZ 1999, 216). Einverständlich muss aber auch eine geradezu wertvernichtende Aufteilung möglich sein. Tunlichkeit liegt vor, wenn die Sache so zwischen den Teilhabern aufgeteilt werden kann, dass der Wert des Ganzen erhalten bleibt, und zwar ohne Notwendigkeit eines unverhältnismäßigen Wertausgleichs (stRspr: SZ 31/79; RS0013856; EvBl 1965/85; RS0013831). Aber auch unverhältnismäßige Kosten der Durchführung der Teilung machen sie unzulässig (Miet 35.064; RS0013865), es sei denn, der für reale Teilung Eintretende übernähme sie (SZ 55/90). Die Unmöglichkeit oder Untunlichkeit hat derjenige zu beweisen, der die Zivilteilung begehrt (SZ 25/162; EvBl 1989/111; 7 Ob 210/99d Miet 51.069). Sailer
751
Gemeinschaft des Eigentums
§ 843
3 Realteilung kann demnach nur erzwungen werden, wenn die ent-
stehenden Teile den Anteilen etwa gleichwertig und überdies, was gesondert zu prüfen ist (SZ 56/110), annähernd gleich beschaffen sind (SZ 31/79; 7 Ob 210/99d Miet 51.054; RS0013829; Gamerith/R Rz 2; aA Gschnitzer ua, SR BT 340). Ungleich sind bebaute und unbebaute Grundstücke (SZ 56/10; 7 Ob 23/03p immolex 2003, 250) oder solche verschiedener Widmungsart (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 4). Zulässig ist allein vertikale Teilung (kein Stockwerkseigentum! S Rz 4); jeder Teil muss selbständig ohne Inanspruchnahme eines anderen benützbar sein (NZ 1978, 110; 9 Ob 177/02y immolex 2003, 281). Mangelnde Gleichwertigkeit kann bei objektiv nach den Wertverhältnissen zu beurteilender Geringfügigkeit der Abweichung durch Geldzahlungen ausgeglichen werden (SZ 31/79; 5 Ob 14/97p NZ 1998, 371; RS0013856), weil sonst die nach dem Gesetz primäre Realteilung praktisch undurchführbar wäre (10 Ob 242/02i Miet 54.448). Bei der Schaffung von Wohnungseigentum (s Rz 1) werden höhere Ausgleichszahlungen in Kauf genommen (immolex 2001, 337 Kletecˇ ka = ecolex 2001, 740 Wilhelm; 5 Ob 222/02m NZ 2003, 212). 4 Rechtliche Hindernisse können sich aus diversen Spezialgesetzen
(besonders der Bundesländer) ergeben; so zB aus §§ 15, 15a ForstG, dem Tir HöfeG, dem FlVfGG (und den LandesausführungsG dazu), dem Grundverkehrsrecht, aus Regelungen des Bau- und Raumordnungsrechts (EvBl 1989/111) sowie aus Teilungsverboten in diversen Gesetzen für Agrargrundstücke. Das nach Anlage 1 des 1. BRBG weiter geltende Gesetz RGBl 1879/50 verbietet nicht nur generell die Neuschaffung real geteilten Eigentums an Gebäuden („Stockwerkseigentum“), sondern auch die weitere Zerstückelung schon existierender Teile (§ 2 Abs 2 leg cit) und die neuerliche Teilung nach Vereinigung (§ 3 leg cit). Vor allem aber schließt § 35 Abs 2 WEG 2002 jede Form der Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft vor Erlöschen des Wohnungseigentums aus. Möglich ist allein (als letztes Mittel) die Ausschließung eines Wohnungseigentümers aus wichtigem Grund durch Klage nach § 36 WEG 2002 und letztlich Versteigerung seines Anteils nach der EO. Auch der Mindestanteil kann lediglich zivil (§ 13 Abs 6, § 15 WEG 2002), nicht aber real geteilt werden (§ 12 Abs 1 WEG 2002). Untunlichkeit wird nach der Rspr auch angenommen, wenn die erforderliche behördliche Genehmigung äußerst unwahrscheinlich ist (SZ 57/31; EvBl 1989/111; 8 Ob 81/99s). 5 Bei der Naturalteilung müssen mindestens ebenso viele (körperliche)
Teile wie Miteigentümer gebildet werden (Miet 32.058; Miet 33.062; 8 Ob 551/88 EvBl 1990/93). 752
Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 843
Im Gegensatz zur älteren Rspr (etwa SZ 13/130; SZ 26/268) lässt die 6 überwiegende jüngere mit Recht die bloß teilweise Aufhebung der Gemeinschaft durch Realteilung dann zu, wenn dadurch keine wirtschaftliche Einheit zerstört wird (JBl 1970, 186; EvBl 1990/93; 5 Ob 89/99w immolex 2000, 113 mwN); auch die Verbindung beider Teilungsarten wird gebilligt (SZ 24/42; immolex 2000, 113). Unzulässig bleibt die teilweise Teilung in der Form, dass gemeinsame Quoten an mehrere Teilhaber (neu) zugewiesen werden (EvBl 1990/93; 9 Ob 200/00b Miet 52.059). Die Zivilteilung erfolgt nach § 843 anders als im Fall des § 415 (s dort) 7 und nach einigen Sondergesetzen (ua § 10 AnerbenG, § 20 Abs 2 Tir HöfeG: Übernahme durch einen, Abfindung der übrigen) ausschließlich durch gerichtliche Feilbietung; das Ausscheiden einzelner Teilhaber und die Übernahme von deren Anteilen durch Teilungsgegner (wofür R. Oberhofer, wobl 1994, 65, eintritt), ist de lege lata nicht erzwingbar (Klang/K III 1114 mwN; für die Möglichkeit der Ausschließung einzelner aus wichtigem Grund Fasching, JBl 1975, 509 f; Gamerith/R § 830 Rz 21). Zur Bewirkung der Zivilteilung bedarf es mangels Einigung einer Rechtsgestaltungsklage (s § 841 Rz 6), die ausdrücklich auf die Aufhebung der Gemeinschaft durch Versteigerung gerichtet sein, aber die Anteile einer im Grundbuch enthaltenen Liegenschaft nicht genau bezeichnen muss (SZ 37/18). Es können aber auch schon die Versteigerungsbedingungen im Titel enthalten sein (SZ 19/65; SZ 47/119; 3 Ob 56/92 SZ 65/99; Klang/K III 1132 f). Die auch nach einem Teilungsurteil mögliche (3 Ob 144/76; Gamerith/R Rz 11) Einigung aller Parteien über die gerichtliche Veräußerung erübrigt ein Exekutionsverfahren; die freiwillige Feilbietung von Liegenschaft(santeil)en, Superädifikaten und Baurechten erfolgt dann nach den §§ 191–198 AußStrG (§ 195 leg cit verweist auf die EO, insb deren §§ 177, 179 und 181). Das ist ein Fall des notwendigen Gerichtskommissariats nach § 2 iVm § 1 Abs 1 Z 2 lit a GKoärG. Weiter in Geltung steht Art 118 Abs 2 Z 11 B-VG über die freiwillige Feilbietung beweglicher Sachen durch Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich. Im Regelfall ist ein Exekutionstitel auf Zivilteilung einer Liegenschaft 8 nach § 352 EO zu vollstrecken. Den Antrag kann jede Partei stellen (SZ 16/217; JBl 1969, 616; EvBl 1969/146; vgl auch § 841 Rz 7); Zuvorkommen entscheidet (JBl 1969, 616; Miet 35.877; RS0004553 [T2]; aA Klang/K III 1105). Die Einstellung des Verfahrens nach § 39 Abs 1 Z 6 EO bedarf weiterhin der Zustimmung aller Parteien (§ 352 Z 5 EO; SZ 41/98; EvBl 1969/146). Anders als vor der EO-Novelle 2000, als die EO auf die freiwillige Feilbietung verwies, gelten für das ExekutionsSailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 844
verfahren nunmehr im Wesentlichen die Regeln über die Zwangsversteigerung von Liegenschaften mit den sich aus §§ 352–352c EO ergebenden Abweichungen (näher zum Verfahren Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO bei §§ 352 ff; Klicka in Angst, EO §§ 352– 352c). Auf bücherliche Lasten ist wie bisher (SZ 36/92; SZ 48/72) nicht Rücksicht zu nehmen, weil diese nach § 847 ABGB und § 352a Abs 2 EO ohnehin unberührt bleiben. Nur Vorkaufsberechtigte sind beizuziehen (§ 352 Z 3 EO). Wurden die Versteigerungsbedingungen nicht im Titel (dann bindend: SZ 40/148; ebenso zur neuen Rechtslage Höllwerth, aaO § 352a Rz 1) festgesetzt, gelten mangels Einigung auf besondere, zusätzlich vom Gericht zu genehmigende die gesetzlichen der §§ 147 ff EO. Anders als nach früherer stRspr (Miet 24.179; SZ 48/134; SZ 52/61: zivilrechtlicher Kauf) erwirbt der Ersteher nun originär durch (hoheitlichen) Zuschlag Eigentum (§ 352 iVm § 237 Abs 1 EO; 3 Ob 178/03b JBl 2004, 520 mwN; Höllwerth, aaO § 352 Rz 3). Es gelten besondere Kostenregeln (§ 352 Z 6 iVm § 351 Abs 3 EO). Kommt es zu keiner Einigung über die grundsätzlich entsprechend den Miteigentumsanteilen vorzunehmende (RZ 1980, 36; 3 Ob 196/03z SZ 2003/135; Höllwerth, aaO § 352c Rz 1; Iro, SachenR Rz 5/25) Verteilung des Meistbots, hat das Gericht darüber mit Urteil zu entscheiden (§ 352c; krit dazu Höllwerth, aaO § 352c Rz 2; vgl 3 Ob 63/06w). Ob angesichts der weitgehenden Angleichung des Verfahrens an das der Zwangsversteigerung auf die Zivilteilung beweglicher Sachen weiterhin die Regeln des § 352 EO (SZ 37/77; SZ 58/139) und nicht die der §§ 249 ff EO (so jetzt Höllwerth, aaO § 352 Rz 6) analog anzuwenden sind, scheint fraglich; jedenfalls wäre dies nur möglich, soweit es die bestehenden Unterschiede, etwa die mangelnde Verbücherung, zulassen. § 844. Servituten, Grenzzeichen und die zum gemeinschaftlichen Gebrauche nötigen Urkunden sind keiner Teilung fähig. Die Urkunden werden, wenn sonst nichts im Wege steht, bei dem ältesten Teilhaber niedergelegt. Die übrigen erhalten auf ihre Kosten beglaubigte Abschriften. Die Grunddienstbarkeiten bestehen mangels Vereinbarung zugunsten aller Teile fort; jedoch darf die Dienstbarkeit dadurch nicht erweitert oder für das dienstbare Gut beschwerlicher werden. Kommt die Ausübung der Dienstbarkeit nur einzelnen Teilen zugute, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile. [idF III. TN] Lit: Gitschthaler, Eigentums- und andere Rechte an einer Urkunde, RZ 1984, 4.
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Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 844
Abweichend von der grundsätzlichen Regel des § 830 wird durch 1 Abs 1 die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft für Dienstbarkeiten, Grenzzeichen (§ 845) und bestimmte Urkunden ausgeschlossen. Damit ist also nicht bloß die Unmöglichkeit der Realteilung iSd § 843 gemeint (s dort Rz 2; Klang/K III 1135). Sowohl persönliche als auch Grund-Dienstbarkeiten können einer 2 Mehrzahl von Berechtigten zustehen oder zugunsten oder zu Lasten von räumlich begrenzten Grundstücksteilen (§ 481 Rz 2), dagegen nicht von ideellen Grundstücksteilen begründet werden; auch dies ist aber für den Fruchtgenuss möglich (s § 509 Rz 3). Folglich gilt nach hA der grundsätzliche Ausschluss der Teilung (Rz 1) nicht für den Fruchtgenuss (SZ 5/230; Miet 22.042; s § 829 Rz 2; dagegen für einvernehmliche Änderung in einen Fruchtgenuss an ideellen Anteilen Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 6). Die physische Teilung einer mehreren Personen zustehenden Servitut nach §§ 841–843 ist dennoch unmöglich (Klang/K III 1135). Zu Grenzzeichen im gemeinsamen Eigentum s § 854 Rz 1 f, weiters 3 § 845 Rz 1. Unter den Urkunden iSd § 844 sind nur solche zu verstehen, die im 4 Miteigentum der Beteiligten stehen („Teilhaber“: 3 Ob 2032/96m SZ 70/114) und die zum gemeinschaftlichen Gebrauch erforderlich sind, wofür gemeinsames Interesse daran nicht hinreicht (Gitschthaler, RZ 1984, 7; aA Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 2). Anzuwenden ist die Regelung auf im gemeinschaftlichen Interesse errichtete bzw gegenseitige Rechtsverhältnisse beurkundende Schriftstücke (SZ 70/114), zB Verträge über Veränderung von dinglichen Rechten an Liegenschaften (SZ 70/114), Adelsdiplome und Familienurkunden (GlUNF 5662; SZ 39/3); nicht dagegen irgendwelche Privatbriefe, Tagebücher sowie das (unter § 304 ZPO fallende: JBl 1966, 260) Aktienbuch nach § 61 AktG (Gitschthaler, RZ 1984, 8; Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 2 [gegenteilig zum Aktienbuch]; Gamerith/R Rz 4). Solche Urkunden sind (mangels abweichender Vereinbarung) beim 5 ältesten Miteigentümer zu hinterlegen, soweit nichts entgegensteht (S 2; SZ 70/114: Gefährdung eines Teilhabers). Die Übrigen haben ein Recht auf Abschriften (bzw Fotokopien) auf eigene Kosten. Der Anspruch auf Ausfolgung gehört ebenso auf den ordentlichen Rechtsweg (Art 43 EGZPO; SZ 39/3; SZ 70/114) wie jener auf Vorlage zur Einsicht bzw Ausfolgung einer Kopie; bei Verwahrung durch einen Dritten ist dieser passiv legitimiert (SZ 19/325). Ein rechtliches Interesse ist anders als nach § 304 ZPO nicht nachzuweisen (GlUNF 959). Sailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 844
6 § 844 S 4 und 5 regeln die Folgen der Teilung des herrschenden Gutes,
dagegen die §§ 485, 847 jener des dienenden, für Grunddienstbarkeiten (3 Ob 459/52; SZ 44/110 [mit irrigem Zitat des § 847]). Sie bestehen, soweit nichts anderes vereinbart wird, nach S 4 selbst ohne bücherliche Mitübertragung weiter (stRspr, JBl 1961, 357; 6 Ob 320/02f SZ 2003/5), und zwar zugunsten der Eigentümer der Teilstücke (1 Ob 121/97v Miet 49.046). Allerdings verwandeln sie sich in mehrere Servituten mit eigenem Schicksal, daher finden die §§ 825 ff keine Anwendung (6 Ob 109, 144/72; 1 Ob 515/90 JBl 1991, 446 Hoyer, Pfersmann; SZ 2003/5). Schon aus § 484 folgt, dass die Dienstbarkeit auch durch Teilung des herrschenden Gutes für das belastete nicht erweitert oder beschwerlicher werden darf (SZ 44/110; s dazu auch § 485 Rz 3), außer die Erweiterung durch Teilung war schon bei Bestellung voraussehbar (7 Ob 642/76; RS0011660). 7 Unter Teilung ist die Abschreibung von Grundstücken oder Teilen
von solchen von einem Grundbuchskörper (§§ 3 ff LiegTeilG) zu verstehen, unabhängig davon, ob sie einem bestehenden Grundbuchskörper zugeschrieben werden oder eine neue Einlage eröffnet wird (JBl 1991, 446 Hoyer, Pfersmann). Im ersten Fall besteht die Dienstbarkeit nur zugunsten des zugeschriebenen Teilstücks weiter (SZ 25/202; JBl 1957, 591). Die Teilung ist beim dienenden Grundstück bloß ersichtlich zu machen (5 Ob 195/02s NZ 2003, 248 Hoyer 253). Zustimmung dessen Eigentümers ist nicht erforderlich (stRspr seit SZ 25/202; NZ 2003, 248; SZ 2003/5; gegenteilig GlUNF 774). Die räumliche Begrenzung muss aber sowohl im Lastenblatt des dienenden Grundstücks als auch in der Ersichtlichmachung beim neuerdings herrschenden Gut genau bezeichnet werden (JBl 1957, 591; EvBl 1966/212; 7 Ob 47/98g Miet 50.035). 8 Schon ursprünglich nur zugunsten bestimmter Teile des herr-
schenden Gutes bestehende Grunddienstbarkeiten erlöschen, wenn andere Teilstücke von diesem abgeschrieben werden (S 5). Mitübertragung kann aber nur unterbleiben, wenn sich die räumliche Beschränkung aus der Eintragung beim dienenden Gut (§ 12 Abs 2 GBG) oder aus dem ursprünglichen Vertrag (in der Urkundensammlung) zweifelsfrei ergibt (SZ 27/29); in diesen Fällen ist auch Löschung auf Antrag möglich (5 Ob 48/90). Sonst muss der Eigentümer des dienenden Gutes Zustimmung des Eigentümers des Trennstücks einholen, eine Regelung nach § 848a erwirken oder Löschungsklage erheben (5 Ob 48/90).
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Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 846
§ 845. Bei Teilungen der Grundstücke sind die gegenseitigen Grenzen durch entsprechende Grenzzeichen auf eine deutliche und unwandelbare Art zu bezeichnen. [idF BGBl 1968/306]
Seit der Neufassung durch das VermG enthält § 845 statt einer Auf- 1 zählung der möglichen Grenzzeichen (und anderer Regeln) nur noch die Vorschrift, die neue Grenze bei Grundteilungen deutlich und unwandelbar zu bezeichnen. Allgemein legt § 1 nF VermV wie seine Urfassung fest, dass Grenzen durch Grenzsteine (1 Ob 7/80; RS0013873), Rohre (je in bestimmter Mindestgröße), Kunststoffoder Metallmarken oder Grenzbolzen, im Fels auch durch eingemeißelte Zeichen, zu kennzeichnen sind. Das kann unterbleiben, wenn andere dauerhafte Zeichen wie Mauerecken, Bordsteinkanten, Zaunsäulen oder Zaunsteher vorhanden sind. Auf § 845 verweisen neben § 351 Abs 1 EO (Realteilungsexekution; 2 SZ 62/24: Vermarkung Teil des Exekutionsverfahrens) auch § 25 Abs 1 (Grenzfestlegung, s § 853a Rz 2) sowie § 35 Abs 2 Z 1 und § 40 Abs 2 VermG (Grenzwiederherstellung, s § 853a Rz 3), die jeweils eine (öffentlich-rechtliche) Kennzeichnungspflicht vorsehen. Kommen die Eigentümer dieser bei der Neuanlegung des Grenzkatasters nicht nach, hat die Vermessungsbehörde die Kennzeichnung von Amts wegen gegen Kostenersatz vorzunehmen. § 846. Über die gemachte Teilung sind Urkunden zu errichten. Ein Teilhaber einer unbeweglichen Sache erhält auch erst dadurch ein dingliches Recht auf seinen Anteil, daß die darüber errichtete Urkunde den öffentlichen Büchern einverleibt wird (§ 436). Nach allgemeiner Auffassung (Klang/K III 1137) enthält S 1 keine 1 Formvorschrift, vielmehr kann auch bei gemeinschaftlichen Liegenschaften die hier gemeinte Realteilung mündlich vereinbart werden ( Jensik, Miteigentum 42). S 1 bringt demnach nur wie auch die §§ 432 ff ABGB und § 26 GBG sowie für die Verbücherung der Teilung § 74 Abs 1 GBG das Urkundsprinzip des Grundbuchs zum Ausdruck. S 2 bekräftigt wie bereits § 436 für gerichtliche Entscheidungen die 2 Geltung des Eintragungsprinzips des § 431 (Näheres s dort) auch in den übrigen Fällen der Teilung von Liegenschaften nach § 841. Die Eigentumsänderung setzt einen Titel (§ 425) voraus. Der Eigentumserwerb kann durch Einverleibung des Eigentumsrechts auf nach Abschreibung neu geschaffenen Grundbuchskörpern oder durch Abund Zuschreibung nach §§ 3, 74 GBG und LiegTeilG erfolgen. Sailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 847
§ 847. Die bloße Teilung was immer für eines gemeinschaftlichen Gutes kann einem Dritten nicht zum Nachteile gereichen; alle ihm zustehenden Pfand-, Servituts- und anderen dinglichen Rechte werden nach wie vor der Teilung ausgeübt. Trifft jedoch die Ausübung einer Grunddienstbarkeit nur ein Teilstück, so erlischt das Recht hinsichtlich der übrigen Teile. [idF III. TN]
1 Die Bestimmung regelt so wie die folgenden unmittelbar nur die
rechtlichen Folgen der Teilung gemeinschaftlicher Sachen gegenüber Dritten; für die Teilung im Alleineigentum stehender Sachen ohne Eigentümerwechsel sind diese Regeln analog anwendbar (SZ 57/39; Klang/K III 1138 ua; für unmittelbare Geltung Egglmeier/ Gruber/Sprohar/S Rz 1). Dabei betrifft § 847 neben § 848a nur die dinglichen, § 848 die persönlichen Rechte und Schulden Dritter. 2 Gleich wie die Zivilteilung (s nunmehr ausdrücklich iSd bisherigen
Rspr § 352a Abs 2 EO) lässt auch die Naturalteilung gemeinschaftlicher Liegenschaften die dinglichen und sonstigen bücherlichen (§ 9 GBG) Rechte Dritter unberührt. Sie bestehen an den Teilen fort. Damit ist auch zu rechtfertigen, dass zur Abschreibung von Liegenschaftsteilen von einem Grundbuchskörper die Zustimmung der Buchberechtigten nicht erforderlich ist, sofern diese Rechte bei Schaffung der neuen Einlage dort eingetragen werden (§ 3 Abs 1 LiegTeilG: SZ 36/49; SZ 57/39). Das gilt für Hypotheken, Grunddienstbarkeiten (Rz 3), Personalservituten (Rz 4), Reallasten (Rz 5), aber auch Streitanmerkungen (Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz7, 1933, 560 f [LGZ Graz ZBl 1937/385 in den Kommentaren seit Klang 2 ist Fehlzitat]), Anmerkungen der Rangordnung der beabsichtigten Verpfändung (LGZ Wien NZ 1962, 25) sowie Veräußerungsund Belastungsverbote (Gamerith/R Rz 8a). § 3 Abs 1 LiegTeilG, wonach für Pfandgläubiger Simultanhypotheken an den Teilstücken einzutragen sind, steht zum Grundsatz des HS 1 von S 1 insofern in Widerspruch, als ihnen das Recht zusteht, sich aus nur einer Liegenschaft zu befriedigen und andere aus der Haftung zu entlassen (ÖBA 1988, 1031 Graf ), was uU einen Nachteil nachrangiger Hypothekare bewirken kann (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 3 treten deshalb für Teilpfandrechte ein). Eine rechtsmissbräuchlich verweigerte Zustimmung zur lastenfreien Abschreibung kann im Prozessweg erzwungen werden (SZ 57/39; 8 Ob 156/98v EF 87.156). 3 Besonderes gilt für Grunddienstbarkeiten, die sich nur auf räumlich
begrenzte Teile einer Liegenschaft beziehen. Wird nur ein nicht betroffener Teil abgeteilt, erlischt das Recht nach S 2 für diesen. Im 758
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 848
Grundbuchsverfahren kann aber die lastenfreie Abschreibung nur erwirkt werden, wenn sich die räumliche Beschränkung schon aus dem Grundbuch ergibt und durch Urkunden iSd § 74 Abs 1 GBG nachgewiesen ist, dass die Servitut das abzuschreibende Teilstück nicht betrifft (RPflG 653; SZ 59/50; 5 Ob 69/03p NZ 2004, 57 Hoyer 62). Sonst erfordert lastenfreie Abschreibung die Zustimmung des Berechtigten (JBl 1966, 260). Im Regelfall entsteht dagegen eine Mehrzahl von Dienstbarkeiten (s § 844 Rz 6). Für Personalservituten und ebenso für verbücherte Bestandrechte 4 (SZ 31/65) besteht keine Sonderregelung (Erl 376 BlgNR 3. GP 7; § 3 Abs 2 LiegTeilG kann nicht analog auf andere Rechte ausgedehnt werden); sie bleiben daher nach Realteilung ungeteilt und sind mitzuübertragen, selbst wenn sie auf dem abgetrennten Teilstück nicht ausgeübt werden können (EvBl 1967/275; JBl 1967, 627; 7 Ob 350/97i SZ 71/48; EF 87.156). Auf räumlich beschränkte Reallasten ist S 2 analog anzuwenden 5 (EvBl 1962/89; SZ 50/61; Klang/K III 1140; auf Nebenverpflichtungen zu einer Grunddienstbarkeit einschränkend Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 4), nicht aber auf Ausgedinge (LGZ Wien EvBl 1937/668; Gamerith/R Rz 7; Klang/K II 631 [idR]), bei denen ja jedenfalls insgesamt keine solche räumliche Begrenzung besteht. Sonderregeln für die Rechte Dritter bei Grundstückszusammenle- 6 gung sowie Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke enthält das FlVfGG. § 848. Auch persönliche Rechte, die einem Dritten gegen eine Gemeinschaft zustehen, haben ungeachtet des erfolgten Austrittes ihre vorige Kraft. Ebenso kann derjenige, welcher an eine Gemeinschaft schuldig ist, die Zahlung nicht an einzelne Teilnehmer entrichten. Solche Schulden müssen an die ganze Gemeinschaft oder an jenen, der sie ordentlich vorstellt, abgetragen werden. [idF III. TN] Lit: Perner, Gemeinschaftliche Forderungen (2004); ders, Zur Geltendmachung von aus dem Erwerbsvorgang zustehenden Forderungen von Miteigentümern, wobl 2004, 169; Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft im österreichischen Recht (1998).
Trotz Teilung (im Gesetz sinngleich: Austritt) bestehen die obligato- 1 rischen Rechte Dritter gegen die Gemeinschaft gegenüber allen Teilhabern fort (S 1). Dasselbe gilt gemäß § 1215 nach Auflösung einer GesBR (3 Ob 247/00w RdW 2001, 590 mwN; 3 Ob 29/04t RdW 2004, Sailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 848a
733). Über anteilige Haftung oder Solidarhaftung sagt § 848 nichts, die Auflösung der Gemeinschaft ändert den Charakter der Forderung nicht (3 Ob 521/86). 2 Auch die Forderungen von Eigentümergemeinschaften und ihnen
gleich zu haltender Gemeinschaften ändern sich durch Teilung grundsätzlich nicht. Es handelt sich nach hA (Apathy/S § 890 Rz 5; Gschnitzer/K IV/1, 291) jedenfalls bei aufrechter Gemeinschaft (str) um Gesamthandforderungen (iSd § 890 S 2: SZ 36/10; JBl 1986, 108 krit Selb; 3 Ob 26/98i JBl 2000, 511 Riedler uva; gegenteilig aber SZ 41/82; RS0013214; 5 Ob 142/03y RdW 2004, 148 Perner; Riedler, Gesamtund Teilgläubigerschaft 247 ff). Der Schuldner darf nach S 2 und 3 nur an die Gemeinschaft oder den, „der sie ordentlich vorstellt“, leisten (Gamerith/R Rz 5; aA Riedler, aaO 267). § 848 ist aber dispositiv; die Teilhaber können einen einzelnen zur Empfangnahme bevollmächtigen bzw kann einer die Forderung (intern) auf seinen Anteil übernehmen, wodurch er die Gemeinschaft „ordentlich vorstellt“ (1 Ob 1585, 1586/95; JBl 2000, 511). Anderenfalls kann ein einzelner Teilhaber die Leistung nur „gegen Sicherstellung“ an sich verlangen, die gegeben ist, wenn er die Zustimmung aller anderen nachweist oder Hinterlegung für alle begehrt (JBl 1980, 318; 8 Ob 527/90 ecolex 1991, 534). § 848 S 2 und 3 ist unanwendbar, wenn die Leistung wie bei Unterlassung, Räumung oder Abgabe einer Willenserklärung notwendig allen Gläubigern zugute kommt (4 Ob 568/94 NZ 1996, 180). 3 Für Forderungen der (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft gilt seit
Schaffung des § 13c WEG 1975 nunmehr nach § 2 Abs 5 iVm § 18 WEG 2002 Abweichendes, weil diese als juristische Person Einzelgläubigerin ist und somit § 848 S 2 und 3 auf ihre Forderungen keine Anwendung finden können (5 Ob 147/97x wobl 1998, 55 zust Hausmann [außer der Anspruch gründet sich auf individuellen Vertrag des Erwerbers]; 1 Ob 163/03g wobl 2004, 19 Call). § 848a. Gewährt eine Dienstbarkeit oder eine andere dingliche Last einen Anspruch auf Nutzungen, so kann bei Teilung des herrschenden Grundstückes jeder Berechtigte und bei Teilung des belasteten Grundstückes jeder Belastete eine gerichtliche Regelung der Ausübung begehren. Die Ausübung ist mit Rücksicht auf die Natur und Zweckbestimmung des Rechtes sowie auf das Größenverhältnis und die wirtschaftliche Besonderheit der einzelnen Liegenschaftsteile ohne Erschwerung der Last so zu regeln, wie es allen Interessen billigerweise entspricht. [III. TN]
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 849
Bei Teilung sowohl des herrschenden (§ 844) als auch des dienenden 1 Grundstücks (§ 847) kann die gerichtliche Regelung der Ausübung einer Dienstbarkeit oder eines sonstigen, Nutzung gewährenden dinglichen Rechts, insb einer Reallast, verlangt werden. Mangels einer generellen, etwa § 1024 BGB vergleichbaren Norm für andere Fälle ranggleicher Nutzungsrechte, aber auch Servituten, ist analoge Anwendung grundsätzlich zu befürworten (hL, Gamerith/R Rz 2; Gschnitzer ua, SachenR 160 f). Gemäß § 31 III. TN hat die Regelung im Außerstreitverfahren durch das Bezirksgericht zu erfolgen, in dessen Sprengel die Liegenschaft liegt. Antragsberechtigt sind nur die jeweils betroffenen Eigentümer, also die der geteilten Grundstücke (SZ 44/110: Teilung des herrschenden Guts). § 848a gilt somit nicht für Streitigkeiten zwischen Belastetem und Berechtigtem (6 Ob 66/02b EvBl 2002/179). Das in § 31 III. TN angeführte Einverständnis setzt auch jenes des 2 Eigentümers der nicht geteilten Liegenschaft voraus, dem Parteistellung zukommt (Klang/K III 1144 ua). Mangels Wahrung seiner Rechte im außerstreitigen Verfahren steht ihm je nachdem die actio negatoria oder confessoria zur Verfügung (SZ 44/110). Sonderregelungen für den Fall der Teilung enthalten für Wald- und 3 Weideservituten die §§ 4 und 5 WWSGG, für agrargemeinschaftliche Liegenschaften die §§ 26 und 28 FlVfGG sowie die Ausführungsgesetze der Bundesländer zu diesen. Während bei Grundstückszusammenlegungen Grunddienstbar- 4 keiten und Reallasten, nicht aber Ausgedinge, aus den im § 480 genannten Titeln grundsätzlich entschädigungslos erlöschen, kann der Weiterbestand oder die Begründung solcher Rechte, wenn notwendig, von der Behörde angeordnet werden (§ 6 Abs 1 FlVfGG). § 849. Was bisher von der Gemeinschaft überhaupt bestimmt worden ist, läßt sich auch auf die einer Familie, als einer Gemeinschaft, zustehenden Rechte und Sachen, z. B. Stiftungen, [Fideikommisse] u. dgl. anwenden. Die Norm ist heute gegenstandslos. Die früher in den §§ 618 ff gere- 1 gelten Fideikommisse wurden mit dem G dRGBl 1938 I 825 (K für Österreich GBlÖ 1938/254) abgeschafft (näher dazu Klang/K III 467 ff). Stiftungen nach dem BStFG wie auch nach dem PSG haben eigene Rechtspersönlichkeit und sind somit Alleineigentümer. Zur Regelung des Verhältnisses von mehreren Stiftern nach dem PSG untereinander vor Entstehen der juristischen Person s bei § 825 Rz 6. Sailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 850
Erneuerung und Berichtigung der Grenzen § 850. Wenn die Grenzzeichen zwischen zwei Grundstücken durch was immer für Umstände so verletzt worden sind, daß sie ganz unkenntlich werden könnten, oder wenn die Grenzen wirklich unkennbar oder streitig sind, so hat jeder der Nachbarn das Recht, die gerichtliche Erneuerung oder Berichtigung der Grenze zu verlangen. Zu diesem Behufe sind die Nachbarn zu einer Verhandlung im Verfahren außer Streitsachen mit dem Bedeuten zu laden, daß trotz Ausbleibens des Geladenen die Grenze festgesetzt und vermarkt werden wird. [idF II. TN] Lit: Jensik, „Grenzstreit“, in Maultaschl/Schuppich/Stagel (Hrsg), Rechtslexikon – Handbuch des österreichischen Rechts für die Praxis III (1971); Lachout, Nachbarrecht, ÖJZ 1953, 589; Spielbüchler, Grundbuch und Grenze, JBl 1990, 169; Twaroch, Grundstücksgrenzen und Kataster, NZ 1994, 54.
1 Nur für die noch zahlreichen nicht im Grenzkataster (s § 853a Rz 1)
enthaltenen Grundstücke sehen die §§ 850 ff ein gerichtliches Verfahren zur Erneuerung oder Berichtigung von Grundstücksgrenzen vor. 2 Materiellrechtliche Voraussetzung der Grenzerneuerung durch blo-
ße Neuvermarkung ist die auch bloß drohende Unkenntlichkeit des unstrittigen Grenzverlaufs. Dagegen dient die Grenzberichtigung zur Festsetzung und Vermarkung einer strittigen oder zumindest als unkenntlich zweifelhaften Grenze, dies unabhängig davon, ob die „richtige“ noch feststellbar ist („einfacher Grenzstreit“; gegenteilig Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 2). Kann die „richtige“ Grenze nicht ermittelt werden („Grenzverwirrung“: Klang/K III 1146, 1152; den Begriff weiter verstehend 1 Ob 512/96 SZ 69/187), muss sie neu festgesetzt werden. Bei der Grenzerneuerung kommt es zu keiner Rechtsgestaltung, im Fall präventiver Erneuerung nicht einmal zu einer feststellenden Entscheidung (vgl Jensik in Maultaschl ua, Rechtslexikon „Grenzstreit“ 3; Klang, aaO 1148). 3 Die §§ 850 f schließen außergerichtliche Erneuerung oder Berichti-
gung von Grenzen nicht aus (s § 853 Abs 1 S 2). Eine solche Einigung ist ein privatrechtlicher Vergleich (SZ 40/29) und demnach nur nach den §§ 1385 ff wegen Irrtums anfechtbar (GlUNF 5000; 1 Ob 193/98h SZ 71/95). Seine Vollstreckung setzt nach § 355 EO ein entsprechendes Urteil voraus (zutr SZ 40/29; Gamerith/R Rz 5; aA SZ 71/95; Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 5), sind doch nur gerichtliche Vergleiche Exekutionstitel nach § 1 Z 5 EO (vgl EvBl 1977/21). 762
Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 851
S 2 verweist die Grenzerneuerung und -berichtigung in das außer- 4 streitige Verfahren und regelt zugleich (der Sache nach in das AußStrG gehörend) die Folgen der Versäumung der an Ort und Stelle durchzuführenden mündlichen Verhandlung sowie die Verpflichtung, die Parteien in der Ladung darauf hinzuweisen. In diesem Fall ist nämlich die Grenzfestsetzung und -vermarkung trotzdem durchzuführen (vgl jetzt auch § 17 AußStrG 2003). Ruhen des Verfahrens tritt nur ein, wenn beide Seiten säumig sind oder nicht verhandeln, obwohl sie unter Hinweis auf diese Rechtsfolge geladen wurden (§ 28 Abs 2 AußStrG). Das Verfahren wird nur auf Antrag eingeleitet, der keine bestimm- 5 te Grenze angeben muss (Klang/K III 1147). Parteien sind alle Miteigentümer der benachbarten Grundstücke. Nähere Verfahrensregeln existieren seit der II. TN nicht mehr, jedenfalls ist aber die Grenze im Verhandlungsprotokoll genau zu beschreiben und in der Natur durch Anbringung geeigneter Grenzzeichen (s § 845 Rz 1) zu vermarken (§ 850 S 2; Rechtsgestaltung: 3 Ob 582/85). Wegen dieser Regelung kommt die Vollstreckung von Beschlüssen auf Grenzerneuerung und -berichtigung nach § 351 EO nicht in Betracht (SZ 25/313; SZ 53/97; Gamerith/R Rz 9; Klicka in Angst, EO § 351 Rz 2; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 351 Rz 3). Dennoch gibt es keinen Grund, die nach der Rspr (SZ 51/69; jüngst 3 Ob 259/03i EvBl 2004/183 mwN der Lehre; aA Gamerith, aaO) einschränkend auszulegende Rechtsmittelbeschränkung nach dessen Abs 2 für nicht anwendbar zu halten (Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 11). Nach § 4 Abs 2 II. TN ist die Anrufung des OGH jedenfalls unzulässig (1 Ob 986/53; RS0017298; 7 Ob 104/00w SZ 73/89). Wie nach der hA zum alten AußStrG können auch nach Beseitigung von § 2 Z 5 und § 12 Abs 2 AußStrG 1854 zur Sicherung des Anspruchs einstweilige Verfügungen nach der EO erlassen werden (jetzt nach §§ 378, 381 f EO: Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 378 Rz 4), allerdings nur auf Antrag (§ 378a EO e contrario; vgl Sailer, aaO § 378a Rz 2). Für die Anmerkung des Grenzstreits im Grundbuch fehlt eine gesetzliche Grundlage (vgl §§ 60, 61, 69 GBG). Zur Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren 6 s § 851 Rz 5. § 851. (1) Sind die Grenzen wirklich unkennbar geworden oder streitig, so werden sie nach dem letzten ruhigen Besitzstande festgesetzt. Läßt sich dieser nicht feststellen, so hat das Gericht die streitige Fläche nach billigem Ermessen zu verteilen. Sailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 851
(2) Jeder Partei bleibt es vorbehalten, ihr besseres Recht im Prozeßweg geltend zu machen. [idF BGBl 1958/268] Lit: S bei § 850.
1 Auf den Fall der Erneuerung (der Markierung) einer unstrittigen
Grenze (s § 851 Rz 1) bezieht sich § 851 entgegen seinem Wortlaut nicht (Iro, SachenR Rz 4/27 f; Jensik in Maultaschl ua, Rechtslexikon „Grenzstreit“ 1 f; Lachout, ÖJZ 1953, 592; wohl anders Klang/K 1148), weil es in diesem Fall keiner Grenzfestsetzung bedarf. 2 Ist aber nach den Antragsbehauptungen tatsächlich eine Grenzfest-
setzung erforderlich, was jedenfalls Strittigkeit des Grenzverlaufs voraussetzt, aber von der Erkennbarkeit der Grenzen in Wahrheit nicht abhängt (vgl Rz 1), so ist dafür zunächst der letzte ruhige Besitzstand maßgebend (Abs 1 S 1; s Rz 3); kann dieser nicht festgestellt werden, hat eine Festsetzung nach billigem richterlichen Ermessen zu erfolgen (Abs 1 S 2). Das Gesetz iVm den Materialien lässt keinen Raum für die Ermittlung der „richtigen“ Grenze im Außerstreitverfahren (ausführlich SZ 54/144 [in der Charakterisierung des außerstreitigen Verfahrens nunmehr überholt, vgl Erl 224 BlgNR 22. GP 6 f, 13]; Klang/K III 1151; krit im Fall des „einfachen Grenzstreits“ [§ 850 Rz 2] Gamerith/R Rz 2; aA Ehrenzweig, System I/2, 145; Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 3). Im Hinblick auf den klar in § 851 ausgedrückten Willen des historischen Gesetzgebers (s SZ 54/144) sind in diesem Verfahren die in § 852 genannten Behelfe nicht vorrangig zu berücksichtigen (so aber die zuletzt Genannten). Die Behelfe sind allerdings im Prozess nach Abs 2 und zum Teil für die Ermittlung des letzten ruhigen Besitzes von Bedeutung (§ 852). Die Bevorzugung des Besitzstandes und sogar des Ermessens selbst im Fall der Feststellbarkeit der richtigen Grenze mag unzweckmäßig oder wenigstens unökonomisch erscheinen, entspricht aber der Abgrenzung zum streitigen Verfahren (s Rz 5). 3 Letzter ruhiger Besitz ist nur der durch einige Zeit unangefochtene echte körperliche Besitz, Unrechtmäßigkeit und/oder Unredlichkeit schadet nicht (hA: NZ 1960, 153; Klang/K III 1149 ua). 4 Bei der Grenzfestsetzung nach billigem Ermessen kommen als Kri-
terien in Betracht: Urkunden über die Flächen der beteiligten Grundstücke, hier auch die Grundbuchsmappe, Zweckmäßigkeit, etwa iS einer Arrondierung ua (vgl Jensik in Maultaschl ua, Rechtslexikon „Grenzstreit“ 2; Klang/K III 1150). 5 Ob eine Rechtssache auf den streitigen Rechtsweg oder in das Außerstreitverfahren gehört, hängt allein vom Begehren und vom 764
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 851
geltend gemachten Rechtsgrund ab (EvBl 1955/291; EvBl 1967/23; Gamerith/R Rz 6). Den außerstreitigen Rechtsweg hat zu beschreiten, wer beantragt, die Grenze nach den Kriterien des § 851 Abs 1 festzusetzen, weil er deren richtigen Verlauf nicht behaupten und beweisen kann. Wer aber eine bestimmte Grenze behauptet und deren Verlauf festgestellt haben will, sei es wegen Ersitzung, vertraglicher Einigung oder aus sonstigen Gründen wie etwa Versetzen von Grenzeinrichtungen, hat zu klagen (stRspr seit SZ 54/144; RS0013882; teilweise aA Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 8: für Wahlmöglichkeit trotz Behauptung konkreten Verlaufs). Str ist, ob erst nach dem außerstreitigen Verfahren iSd Abs 2 geklagt werden kann. Ist dieses zur Bestimmung der „richtigen“ Grenze ungeeignet (s Rz 2), muss dem, der einen bestimmten Verlauf behauptet, jederzeit, also auch bei anhängigem Grenzberichtigungsverfahren, der Klageweg offen stehen (JBl 1930, 124; hL, Gamerith/R Rz 5 f; gegenteilig SZ 25/76; Lachout, ÖJZ 1953, 592 f). Aus demselben Grund bedarf die richtige Ansicht, dass in einem streitigen Verfahren auch die Vorfrage nach der richtigen Grenze zu klären ist (SZ 22/28; 6 Ob 12/98b EvBl 1998/110), seit SZ 54/144 keiner besonderen Hervorhebung. Die Wahl der verfehlten Verfahrensart führt seit der ZVN 1983 zur 6 Umdeutung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes und Weiterbehandlung im richtigen Verfahren, soweit dafür das angerufene Gericht sachlich und örtlich zuständig ist (§ 40a JN). Eine Überweisung ermöglicht das Gesetz nur an, nicht durch das Außerstreitgericht (5 Ob 330/98k wobl 2000, 94 Oberhammer; 3 Ob 281/00w SZ 74/76 je mwN; hL, vgl Simotta, FS Fasching, 1988, 469 f; unzutr Egglmeier/Gruber/ Sprohar/S Rz 8). § 851 Abs 2 stellt den bloß vorläufigen Charakter der Entscheidung 7 im außerstreitigen Verfahren klar. Jede damit unzufriedene Partei kann ihr „besseres Recht“ im Prozessweg durchzusetzen versuchen. Mit der Eigentumsklage besonderer Art muss die behauptete aktuelle Grenze oder eine für den Kläger gegenüber der festgesetzten günstigere bewiesen werden (1 Ob 512/96 SZ 69/187 mwN). Das Begehren ist auf (präzise) Feststellung der Grenze (SZ 54/144; 3 Ob 582/85; SZ 69/187) und Einwilligung in die Vermarkung zu richten. Die sechswöchige Frist des § 25 Abs 4 und 6 VermG (s § 853a Rz 2) gilt nur im Zuge der Anlegung des Grenzkatasters (missverständlich Egglmeier/Gruber/Sprohar/S Rz 6). Die Grundbuchsmappe („Papiergrenze“) ist unmaßgeblich (s § 852 Rz 2), die darin enthaltene Einzeichnung der Grenze führt auch nicht zu einer Beweislastumkehr (SZ 69/187; EvBl 1998/110).
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765
Gemeinschaft des Eigentums
§ 852
§ 852. Die wichtigsten Behelfe bei einer Grenzberichtigung sind: die Ausmessung und Beschreibung, oder auch die Abzeichnung des streitigen Grundes; dann, die sich darauf beziehenden öffentlichen Bücher und andere Urkunden; endlich, die Aussagen sachkundiger Zeugen, und das von Sachverständigen nach vorgenommenem Augenscheine gegebene Gutachten. Lit: Wegan, Die Bedeutung der Mappe im Grundbuchsverfahren und bei Grenzstreitigkeiten, ÖJZ 1953, 34.
1 Systemwidrig, da es um Verfahrensrecht geht, zählt § 852 demonstrativ
die „wichtigsten“ Beweismittel im Grenzberichtigungsverfahren auf. IdR wird dem Gutachten eines Geodäsie-Sachverständigen wesentliche Bedeutung zukommen; zwingend vorgeschrieben wird es entgegen Wegan, ÖJZ 1953, 40 nicht, kann doch der Bestimmung keine normative Bedeutung beigemessen werden (zutr Gamerith/R Rz 1). 2 Weil die Grundbuchsmappe (gemäß § 45 Abs 3 VermG ein Abdruck
der steuerlichen Zwecken dienenden Katastralmappe: SZ 28/127) lediglich „der Veranschaulichung der Lage der Liegenschaften“ dient (§ 3 AllgGAG; ebenso vor dessen Inkrafttreten: 6 Ob 230/98m), hat sie für die Grenze keine (volle) Beweiskraft (stRspr, SZ 51/64 uva; ebenso zur Katastralmappe SZ 38/32; SZ 62/59), ist aber doch ein im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigendes Beweismittel (JBl 1934, 189; EvBl 1965/64 uva; Wegan, ÖJZ 1953, 40). § 853. (1) Die Kosten des Verfahrens sind von den Nachbarn nach Maß ihrer Grenzlinien zu bestreiten. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn sich aus der Verhandlung ergibt, daß die Grenzerneuerung oder Grenzberichtigung nicht notwendig war, weil die Grenze nicht bestritten oder hinlänglich kenntlich gewesen ist, oder weil die anderen Beteiligten zur außergerichtlichen Vermarkung bereit waren. (2) Wenn das Verfahren durch Störung des ruhigen Besitzes veranlaßt wurde, kann das Gericht die Kosten ganz oder teilweise der Partei auferlegen, die den Streit veranlaßt hat. [idF BGBl I 2004/58]
1 Die rein verfahrensrechtliche Kostentragungsregel des S 1 „nach
Maß ihrer Grenzlinien“ entspricht, da es ja jeweils um die gemeinsame Grenze geht, dem die Erhaltungskosten aufteilenden § 856 (s dort Rz 1). Auch bei nur zwei beteiligten Grundstücken kommt es auf Antrag jedenfalls zu einem Kostenzuspruch, und zwar, außer in den in Rz 2 genannten Fällen, gemäß § 78 Abs 3 AußStrG 2003 der 766
Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 853a
Hälfte der vom Antragsteller zu entrichtenden Pauschalgebühr nach TP 12 lit b Z 3 GGG. Abweichendes gilt in zwei Fällen: a) Der Antragsteller wird kos- 2 tenersatzpflichtig, wenn er den Antrag grundlos gestellt hat, weil die Grenze gar nicht bestritten oder hinlänglich kenntlich war oder (§ 45 ZPO vergleichbar) die anderen Beteiligten zur außergerichtlichen Vermarkung bereit waren (Abs 1 S 2). Die Regel ist wohl analog auf vergleichbare Fälle erfolgloser Anträge anzuwenden ( Jensik in Maultaschl ua, Rechtslexikon „Grenzstreit“ 3); wegen nicht rechtzeitiger Bereitschaft zur außergerichtlichen Regelung wird der Gegner aber nicht ersatzpflichtig (KG St. Pölten NZ 1960, 78; Klang/K III 1154). b) Dem Störer können die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn er den Streit durch Besitzstörung iSd § 339 veranlasst hat (gebundenes Ermessen). Bisher wurden wegen Abs 1 S 3 aF die Kosten der Vertretung nur im 3 Fall des § 853 Abs 2 als ersatzfähig angesehen (Klang/K III 1154 ua; OGH-Rspr fehlt wegen der Rechtsmittelbeschränkung des inhaltlich dem früheren Recht entsprechenden § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG 2003). Vor dem Hintergrund der neuen generellen Kostenersatzregelung in § 78 Abs 2 AußStrG ist nach Auffassung des Gesetzgebers der Ausschluss des Ersatzes von Vertretungskosten nicht länger zu rechtfertigen. Demnach soll im Einklang mit der allgemeinen Norm des § 78 AußStrG 2003 (Erl 224 BlgNR 22. GP 60) auch im Grenzberichtigungsverfahren uneingeschränkt Ersatz für Kosten von Rechtsvertretern zustehen (Erl aaO 34). § 853a. Für Grenzen von Grundstücken, die im Grenzkataster enthalten sind, finden die Bestimmungen der §§ 850 bis 853 keine Anwendung. [BGBl 1968/306] Lit: Twaroch, Grundstücksgrenzen und Kataster, NZ 1994, 54.
Auf Grund des VermG löst der seit 1969 neu angelegte Grenzkataster 1 im Umfang seiner Verwirklichung den veralteten Grundsteuerkataster schrittweise ab (§ 15 VermG). Der wie der Vorgänger in Katastralgemeinden unterteilte Grenzkataster dient nach § 8 Z 1 VermG unter anderem zum verbindlichen Nachweis der Grundstücksgrenzen. Veränderungen der natürlichen Grenzen können künftig am maßgebenden Verlauf nach dem Kataster nichts ändern. Demnach ist bei den im Grenzkataster enthaltenen Grundstücken, was aus der Aufschrift im Grundstücksverzeichnis erkennbar ist, allein das Vertrauen auf die darin erfassten Grenzen geschützt (§ 49 leg cit; SZ 62/59; 6 Ob Sailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 854
268/04m SZ 2004/180). Außerdem ist die Ersitzung (bloß) von Teilen in den Grenzkataster aufgenommener Grundstücke ausgeschlossen (§ 50 leg cit). 2 Bei der Neuanlegung des Grenzkatasters hat das Vermessungsamt
mangels einvernehmlicher Grenzfestlegung iSd § 25 Abs 1 VermG dem Eigentümer, der den sich aus den Behelfen ergebenden Grenzverlauf bestreitet, eine sechswöchige Frist zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu setzen, sofern ein solches noch nicht behängt (vgl dazu 1 Ob 12/94 SZ 67/68). Die Frist beginnt mit Rechtskraft des Bescheides (1 Ob 6/92 SZ 65/1). Nach Abschluss eines Grenzberichtigungsverfahrens steht wiederum eine ebenso lange Frist zur Geltendmachung des besseren Rechts im Prozess offen. Wird diese versäumt, ist die rechtskräftige Entscheidung im außerstreitigen Verfahren für den Grenzkataster maßgebend (§§ 24 f, 28 VermG; vgl dazu SZ 62/59). 3 Für im Grenzkataster enthaltene Grundstücke hat gemäß § 853a
ABGB iVm § 40 VermG ausschließlich das Vermessungsamt, nicht mehr ein Gericht (2 Ob 547/77; SZ 53/97; NZ 1980, 173) binnen zwei Jahren ab Antragstellung die Wiederherstellung von streitigen Grenzen auf Grund der Unterlagen des Grenzkatasters vorzunehmen. Zur Amtshandlung sind die beteiligten Eigentümer zu laden; die wiederhergestellte Grenze ist vom Antragsteller entsprechend § 845 (s dort) zu kennzeichnen (§ 40 Abs 2 und 3 VermG). Bei solchen Grundstücken ist nicht nur das Grenzberichtigungsverfahren iSd §§ 850–853 (1 Ob 22/06a), sondern auch die auf Unrichtigkeit der Grenze gestützte Eigentumsklage unzulässig (NRsp 1988/33; Gamerith/R Rz 2: „eigentlicher Grenzstreit“; aA Angst, ÖJZ 1969, 340). Nur bei einem „uneigentlichen“ Grenzstreit, wenn also jemand Eigentum an einer strittigen Grundfläche auf Grund besonderen Titels beansprucht, ist der Rechtsweg weiter zulässig (Dittrich/Marhold, Das Vermessungsgesetz, 1969, 43 FN 2 ua). Vermutete Gemeinschaft § 854. Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privatbäche, Kanäle, Plätze und andere dergleichen Scheidewände, die sich zwischen benachbarten Grundstücken befinden, werden für ein gemeinschaftliches Eigentum angesehen; wenn nicht Wappen, Auf- oder Inschriften, oder andere Kennzeichen und Behelfe das Gegenteil beweisen. Lit: H. Böhm/Egglmeier-Schmolke, Der „Schwibbogen“ im Zivilrecht, bbl 2001, 1.
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Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 855
Scheidewände sind nach dem Gesetz nicht nur Mauern oder Zäune, 1 sondern alle anderen (nicht unbedingt nur: SZ 57/96) der Abgrenzung dienenden Einrichtungen im Grenzbereich zweier Grundstücke, daher auch solche, die Vertiefungen bilden. (Sie können aber nicht „zwischen“ diesen liegen, weil es kein „Niemandsland“ gibt.) Unter Plätzen sind die auch „Reichen“ oder ähnlich genannten (zB SZ 57/96) Zwischenräume zwischen Häusern zu verstehen, die zur Aufnahme von Abwässern, zur Benützung bei Ausbesserungen usw dienen (Ehrenzweig, System I/2, 147 FN 2). Bis zum Beweis des Gegenteils wird nach § 854 vermutet, dass solche 2 auf beiden Grundstücken befindliche Grenzeinrichtungen im gemeinschaftlichen Eigentum der Liegenschaftseigentümer stehen. § 857 knüpft die konträre Vermutung an die Lage auf nur einer Seite an (s dort). § 854 HS 2 nennt Indizien für Alleineigentum, insb darauf angebrachte Wappen und Beschriftungen. Nach ganz hA bedeutet die Regel ideelles Miteigentum iSd §§ 825 ff an den Scheidewänden als Zubehör des fortbestehenden Alleineigentums an den Grundstücken bis zur Grenze (4 Ob 540, 541/69; 5 Ob 141/72; Illedits/Illedits-Lohr, Nachbarrecht, 1999, Rz 597 ff; offen lassend SZ 46/21), was allerdings zu einer Ausnahme vom Grundsatz des § 294 nötigt (aA, für real geteiltes Eigentum, Ehrenzweig, System I/2, 148). Einverständliche ersatzlose Entfernung der Scheidewand beseitigt zwangsläufig auch das Miteigentum (SZ 46/21). § 854 begründet kein Recht zur Errichtung von Abgrenzungen unter Mitbenützung des Nachbargrundes (SZ 23/15). Die Gemeinschaftlichkeit von Scheidewänden kann im Grundbuch 3 ersichtlich gemacht werden (GlUNF 3965). Die Benützung der Scheidewand richtet sich nach den §§ 828, 833 ff, 4 soweit nicht § 855 eingreift. Handelt es sich bei ihr um gemeinschaftliches Zubehör beider Liegenschaften, kann sich ein Nachbar auch gegen ihre Beseitigung auf dem Grund des anderen wehren (s § 829 Rz 5). § 855. Jeder Mitgenosse kann eine gemeinschaftliche Mauer auf seiner Seite bis zur Hälfte in der Dicke benützen, auch Blindtüren und Wandschränke dort anbringen, wo auf der entgegengesetzten Seite noch keine angebracht sind. Doch darf das Gebäude durch einen Schornstein, Feuerherd oder andere Anlagen nicht in Gefahr gesetzt, und der Nachbar auf keine Art in dem Gebrauche seines Anteiles gehindert werden. Sailer
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Gemeinschaft des Eigentums
§ 856
1 Die Regel gilt schon nach ihrem Wortlaut nur für gemeinschaftliche
Mauern, also gemäß § 854 nur für solche, bei denen sich kein Alleineigentum nachweisen lässt (5 Ob 90/98s wobl 1999, 62 Call). Ohne Rücksicht auf die Grundgrenzen darf jeder Nachbar diese in Bereichen, die noch nicht der andere in derselben Weise nützt, bis zur Mitte der Wandstärke benützen, soweit die Benützung den anderen weder gefährdet noch in seinem Gebrauch hindert, gedacht ist vor allem an Hauswände (s S 2). Zuwiderhandeln gibt Unterlassungsund/oder Beseitigungsansprüche. Weil die rechtliche Konstruktion der für gemeinschaftliche Anlagen beim Wohnungseigentum gleicht, ist die Regel auch auf Wohnungseigentumsobjekte übertragbar (wobl 1999, 62 Call). § 856. Alle Miteigentümer tragen zur Erhaltung solcher gemeinschaftlichen Scheidewände verhältnismäßig bei. Wo sie doppelt vorhanden sind; oder das Eigentum geteilt ist, bestreitet jeder die Unterhaltungskosten für das, was ihm allein gehört. 1 S 1 legt mit § 839 übereinstimmend die Pflicht der Miteigentümer fest,
zur Erhaltung gemeinschaftlicher Scheidewände iSd § 854 (s dort) verhältnismäßig, dh nach der Grenzlänge (Klang/K III 1157), somit bei bloß zwei angrenzenden Grundstücken je zur Hälfte, beizutragen. In S 2 wird nur Selbstverständliches für den Fall realer Trennung von Abgrenzungseinrichtungen ausgesprochen. § 857. Ist die Stellung einer Scheidewand von der Art, daß die Ziegel, Latten oder Steine nur auf einer Seite vorlaufen oder abhängen; oder sind die Pfeiler, Säulen, Ständer, Bachställe auf einer Seite eingegraben; so ist im Zweifel auf dieser Seite das ungeteilte Eigentum der Scheidewand; wenn nicht aus einer beiderseitigen Belastung, Einfügung, aus anderen Kennzeichen, oder sonstigen Beweisen das Gegenteil erhellt. Auch derjenige wird für den ausschließenden Besitzer einer Mauer gehalten, welcher eine in der Richtung gleich fortlaufende Mauer von gleicher Höhe und Dicke unstreitig besitzt. 1 Als Gegenstück zur in § 854 (s dort) aufgestellten Miteigentumsver-
mutung stellt § 857 die Rechtsvermutung des Alleineigentums für jene Fälle auf, in denen der Verlauf oder die Gestaltung der Grenzeinrichtung auf solches hinweist. Auch diese Vermutung ist durch den Beweis gemeinsamer Benützung (5 Ob 141/72), etwa Belastung, Einfügung oder abweichender Kennzeichnung (s § 854 Rz 2) widerlegbar. Dann greift wieder § 854 ein. Die Regel, dass von einem Nachbarn 770
Sailer
Gemeinschaft des Eigentums
§ 858
auf seinem eigenen Grund errichtete Scheidewände in seinem alleinigen Eigentum stehen, lässt sich auch auf Wohnungseigentumsobjekte übertragen (5 Ob 90/98s wobl 1999, 62 Call: Trennwand von Dachbodenabteilen). Bag- oder Bachställe sind Zaunsteher (vgl den Sachverhalt in SZ 2 35/79). § 858. In der Regel ist der ausschließende Besitzer nicht schuldig, seine verfallene Mauer oder Planke neu aufzuführen; nur dann muß er sie in gutem Stande erhalten, wenn durch die Öffnung für den Grenznachbar Schaden zu befürchten stünde. Es ist aber jeder Eigentümer verbunden, auf der rechten Seite seines Haupteinganges für die nötige Einschließung seines Raumes, und für die Abteilung von dem fremden Raume zu sorgen. Aus § 858 ist abzuleiten, dass keine generelle Verpflichtung zur „Ein- 1 schließung“ (Einfriedung) von Liegenschaften und zur „Abteilung zum fremden Raum“ besteht. Anderes gilt bloß dann, wenn eine Einfriedung nötig (S 2) ist und auch nur für eine Seite. Dafür muss ein Bedürfnis am Schutz des Nachbargrundstücks rechts vom Haupteingang (s dazu Rz 2) bestehen (EvBl 1970/343; nach SZ 23/15 „Herkommen und wirtschaftliches Bedürfnis“). Das ist bei frei liegenden Äckern, Wiesen und Wäldern nicht anzunehmen (EvBl 1970/343; ebenso VfGH VfSlg 3016), außer bei abweichendem Ortsgebrauch (ebenso EvBl 1973/261). Demnach muss auch nicht Weidevieh zu dessen Schutz am Eindringen auf das Grundstück gehindert werden (ZBl 1928/260). Die rudimentäre Bestimmung über den Bereich, in dem die Einschlie- 2 ßungspflicht besteht, führt nicht in jedem Fall zu klaren Ergebnissen. Unbestritten ist, dass die rechte Seite aus der Sicht des Eintretenden (JBl 1963, 40; Klang/K III 1158) und mit Haupteingang entweder der Hauptzugang oder die Haupteinfahrt (EvBl 1970/343) gemeint ist. Die Pflicht erfasst wohl bei einem rechteckigen Grundstück nicht nur die seitliche Grenze, sondern, weil sonst eine Lücke, nicht nur des Gesetzes, vorläge, auch den rechten Teil der dem Eingang gegenüberliegenden (aA, nämlich insoweit für Pflicht zur Herstellung auf gemeinsame Kosten, Gamerith/R Rz 4). Führt dies zum Ergebnis, dass zwei Nachbarn wegen gegenüber liegender Hauptzugänge an derselben „rechten“ Grenze einschließungspflichtig sind, haben sie nach hL die Kosten gemeinsam zu tragen (Klang/K III 1159). Im Gesetz nicht gelöst ist auch der zum geschilderten gerade umgekehrte Fall des Aneinandergrenzens mit der jeweils „linken“ Seite und der des Fehlens Sailer
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 859
des Haupteingangs etwa bei unbebauten Grundstücken. Im ersten werden wie bei gemeinsamer rechter Seite beide Eigentümer gemeinsam verpflichtet sein, also bei einseitiger Errichtung Anspruch auf die Hälfte der Errichtungskosten haben. Im zweiten sollte, soweit sie gegeben ist, die Zugangsmöglichkeit von der Straße den Ausschlag geben. Bei einem Haupteingang vom öffentlichen Gut her besteht zu diesem keine Einfriedungspflicht nach S 2. Der Nachbargrund darf für die Einfriedung, deren Art dem Verpflichteten frei steht, nicht in Anspruch genommen werden (SZ 23/15). Zur Instandhaltung s Rz 3. 3 Im Einklang mit dem Grundsatz (Rz 1) sieht S 1 im Regelfall keine
Erhaltungspflicht für bereits bestehende Einfriedungen vor. Lediglich dann, wenn dem Grenznachbarn „durch die Öffnung“ ein Schaden (iSd §§ 1293 ff: EvBl 1967/85) droht oder sogar schon eingetreten ist, trifft ihren Eigentümer eine Instandhaltungspflicht (EvBl 1956/247; JBl 1963, 40; SZ 46/43), und zwar unabhängig davon, wer die Mauer (oÄ) errichtet hat (GlU 15.021). Allerdings folgt aus S 2, dass unter dessen Voraussetzungen eine schadhafte Einfriedung auch ohne drohenden Schaden repariert werden muss, weil es sonst an der nötigen Einschließung fehlt. 4 Aktiv zur Klage legitimiert sind auch einzelne Miteigentümer (JBl
1954, 283), passiv jedoch nur alle Eigentümer der Nachbarliegenschaft als notwendige Streitgenossen (SZ 37/22). Die Klage nach S 1 geht nur auf Erneuerung der Einfriedung, grundsätzlich aber nicht auf künftige Instandsetzung (SZ 46/43; krit Pfersmann, ÖJZ 1976, 645).
Zweite Abteilung Von den persönlichen Sachenrechten Siebzehntes Hauptstück Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt Grund der persönlichen Sachenrechte § 859. Die persönlichen Sachenrechte, vermöge welcher eine Person einer andern zu einer Leistung verbunden ist, gründen sich unmittelbar auf ein Gesetz; oder auf ein Rechtsgeschäft; oder auf eine erlittene Beschädigung. [idF III. TN]
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Sailer/Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 859
des Haupteingangs etwa bei unbebauten Grundstücken. Im ersten werden wie bei gemeinsamer rechter Seite beide Eigentümer gemeinsam verpflichtet sein, also bei einseitiger Errichtung Anspruch auf die Hälfte der Errichtungskosten haben. Im zweiten sollte, soweit sie gegeben ist, die Zugangsmöglichkeit von der Straße den Ausschlag geben. Bei einem Haupteingang vom öffentlichen Gut her besteht zu diesem keine Einfriedungspflicht nach S 2. Der Nachbargrund darf für die Einfriedung, deren Art dem Verpflichteten frei steht, nicht in Anspruch genommen werden (SZ 23/15). Zur Instandhaltung s Rz 3. 3 Im Einklang mit dem Grundsatz (Rz 1) sieht S 1 im Regelfall keine
Erhaltungspflicht für bereits bestehende Einfriedungen vor. Lediglich dann, wenn dem Grenznachbarn „durch die Öffnung“ ein Schaden (iSd §§ 1293 ff: EvBl 1967/85) droht oder sogar schon eingetreten ist, trifft ihren Eigentümer eine Instandhaltungspflicht (EvBl 1956/247; JBl 1963, 40; SZ 46/43), und zwar unabhängig davon, wer die Mauer (oÄ) errichtet hat (GlU 15.021). Allerdings folgt aus S 2, dass unter dessen Voraussetzungen eine schadhafte Einfriedung auch ohne drohenden Schaden repariert werden muss, weil es sonst an der nötigen Einschließung fehlt. 4 Aktiv zur Klage legitimiert sind auch einzelne Miteigentümer (JBl
1954, 283), passiv jedoch nur alle Eigentümer der Nachbarliegenschaft als notwendige Streitgenossen (SZ 37/22). Die Klage nach S 1 geht nur auf Erneuerung der Einfriedung, grundsätzlich aber nicht auf künftige Instandsetzung (SZ 46/43; krit Pfersmann, ÖJZ 1976, 645).
Zweite Abteilung Von den persönlichen Sachenrechten Siebzehntes Hauptstück Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt Grund der persönlichen Sachenrechte § 859. Die persönlichen Sachenrechte, vermöge welcher eine Person einer andern zu einer Leistung verbunden ist, gründen sich unmittelbar auf ein Gesetz; oder auf ein Rechtsgeschäft; oder auf eine erlittene Beschädigung. [idF III. TN]
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Sailer/Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 859
Lit: F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts (1967); ders, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 171 ff; P. Bydlinski, Die Übertragung von Gestaltungsrechten (1986); Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis (1982); Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1982); Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte (1967); ders, Delikt, Verletzung von Schuldverhältnissen und Zwischenbereich, JBl 1994, 209; Pletzer, Doppelveräußerung und Forderungseingriff (2000); Schilcher/Holzer, Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung von Liegenschaften, JBl 1974, 445 und 512; Schilcher, Offenkundige Servituten, Doppelveräußerung und Eintragungsgrundsatz, JBl 2005, 619; Wilburg, Zusammenspiel der Kräfte im Aufbau des Schuldrechts, AcP 163 (1963) 346. Übersicht I. II. III. IV.
Begriff, Entstehungsgründe und Inhalt von Schuldverhältnissen. . . 1 Rechtsgeschäfte und geschäftsähnliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . 8 Arten der Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Außenwirkung von Forderungsrechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
I. Begriff, Entstehungsgründe und Inhalt von Schuldverhältnissen Mit den „persönlichen Sachenrechten“ meint die (veraltete) Diktion 1 des ABGB die (relativen) Schuldrechte (Obligationen) und grenzt diese von den gegenüber jedermann wirkenden (absoluten) dinglichen Rechten ab (§ 307; das Erbrecht ist hingegen ein absolutes, aber kein dingliches Recht, s § 532 Rz 1). Das Schuldverhältnis (im engeren Sinn, vgl noch Rz 3) ist durch (mindestens) ein relatives Forderungsrecht eines Beteiligten – des Gläubigers – gegen einen anderen Beteiligen – den Schuldner – auf eine bestimmte Leistung (Tun oder Unterlassen, näher Rz 3) charakterisiert (F. Bydlinski, System 172). Während „Schuld“ das Leistensollen bedeutet, spricht der Begriff der persönlichen Haftung den Umstand an, dass zur Durchsetzung des Forderungsrechtes das gesamte Vermögen des Schuldners dem Zugriff des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung unterworfen ist (K/W II 9). Zur Naturalobligation s § 1432 Rz 1; zur reinen Sachhaftung s § 447 Rz 2. Die moderne Dogmatik kennt nur zwei Entstehungsgründe für 2 Schuldverhältnisse, nämlich einerseits das vor allem von der Privatautonomie getragene Rechtsgeschäft (Rz 8 und bei § 863) und andererseits das Gesetz. Die unmittelbar auf Gesetz beruhenden Obligationen sind mannigfaltig, zB Schadenersatz (insb §§ 1295 ff), BereiBollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 859
cherung (insb § 1041 und §§ 1431 ff) oder Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1035 ff). Ferner gibt es Schuldrechte sachenrechtlichen Ursprungs, zB die Verpflichtung des Eigentümers zum Aufwandersatz gegenüber dem Besitzer (§§ 331 f), mit familienrechtlicher Grundlage (Unterhalt) oder erbrechtlicher Natur (Legat, vgl § 535 Rz 1). 3 Unter Schuldverhältnis im engeren Sinn versteht man den einzelnen
Anspruch bzw die Forderung des Gläubigers und die korrespondierende Verpflichtung (Obligation) des Schuldners. Sie ist auf ein positives Tun (zB § 1051: Erbringung von Dienstleistungen) oder ein Unterlassen (§ 1096: Duldung des Gebrauchs der Bestandsache; § 7 AngG: Wettbewerbsverbot) gerichtet. Entstehungsgründe von Obligationen, insb Verträge, lösen idR nicht nur eine einzige solche Leistungspflicht aus, sondern einen „Organismus“ verschiedener Pflichten (s gleich unten), ferner von Gestaltungsrechten (Rz 6) und Obliegenheiten (Rz 5). Zusammen werden sie Schuldverhältnis im weiteren Sinn genannt. 4 In erster Linie besteht das Schuldverhältnis iwS aus der oder den
Hauptleistungspflichten, zB der Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Preises (§ 1062) und jener des Verkäufers zur faktischen Übergabe und Übereignung der Kaufsache (§ 1061). Wird, wie beim Kauf, eine Leistung um der Gegenleistung willen versprochen, sind diese durch das sog Synallagma verknüpft. Dies bedeutet, dass die Verpflichtung des einen Teils nur dann entsteht, wenn auch die Gegenverpflichtung wirksam begründet wird (genetisches Synallagma), und dass das Erlöschen einer Verpflichtung grundsätzlich auch zum Erlöschen der Gegenverpflichtung führt (funktionelles Synallagma). Solche Geschäfte werden synallagmatische oder gegenseitige Verträge genannt. Sie sind stets auch entgeltliche Verträge. Da sich das Kriterium der Entgeltlichkeit nicht auf die Pflichten, sondern auf die Leistungen bezieht, gibt es allerdings entgeltliche Verträge, die nicht gegenseitig sind, wie zB den Maklervertrag; s dazu und zu den sog entgeltfremden Geschäften § 917 Rz 1 ff; zur Unentgeltlichkeit der Schenkung und zur gemischten Schenkung s § 938 Rz 3 und 8. 5 Zum Schuldverhältnis iwS gehören ferner Nebenpflichten. Diese
werden unterteilt in „äquivalente Nebenpflichten“, die im Austauschverhältnis und daher unter den Sanktionen des § 918 stehen, und unselbständige Nebenpflichten, deren Verletzung nur Schadenersatzansprüche auslöst (näher § 918 Rz 5). Zur zweiten Gruppe zählen insb Vorbereitungs- und Abwicklungspflichten (zB Grundteilung beim Liegenschaftskauf; Instruktion des Käufers einer Maschine) sowie Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten (1 Ob 152/02p SZ 2003/49; 774
Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 859
6 Ob 77/05z ÖBA 2005, 633); diese können auch nach Vertragsbeendigung nachwirken (3 Ob 160/04g RdW 2005, 154; 2 Ob 193/04b JBl 2005, 256 Rummel). Eine wichtige Fallgruppe bilden ferner Schutzpflichten zugunsten Dritter (s näher § 1295 Rz 19). Von solchen Pflichten zu unterscheiden sind bloße Obliegenheiten. Das sind Verhaltensregeln, die vom Gegner nicht klagsweise durchgesetzt werden können und deren Verletzung keine Schadenersatzpflicht nach sich zieht, sondern andere Nachteile, zB Schadensteilung (§ 1304); Anspruchsverlust (§ 25c KSchG; Haas, JBl 2002, 538); Rücktritt des Gegners (§ 1170b). Schließlich beinhalten Schuldverhältnisse häufig noch Gestaltungs- 6 rechte, dh die Befugnis, einseitig eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen, zB durch Kündigung (Rz 7), Rücktritt (§ 918), Konvertierung eines Kredits in eine andere Währung (4 Ob 271/04p SZ 2005/31) oder die, gerichtlich geltend zu machende, Irrtumsanfechtung (§ 871 Rz 19). Ein Gestaltungsrecht kann auch Hauptinhalt eines Schuldverhältnisses sein, zB bei der Option (§ 861 Rz 10); Kreditabruf (§ 983 Rz 9). Nach dem Inhalt der Hauptleistungspflicht werden Zielschuldver- 7 hältnisse, die, wie etwa Kauf und Tausch, mit der Erfüllung (§ 1412) enden, von den Dauerschuldverhältnissen unterschieden. Bei letzteren entstehen die Forderungen immer wieder neu und ist daher die Erfüllung so lange fortzusetzen, als der Vertrag existiert, wie zB beim Genussrecht (10 Ob 34/05f wbl 2006, 278 F. Schuhmacher). Wird ein Dauerschuldverhältnis auf unbestimmte Zeit (unbefristet) eingegangen, kann es unter Einhaltung einer angemessenen Frist grundlos gekündigt werden, sofern sich nicht aus dem Vertragszweck Einschränkungen ergeben (7 Ob 59/03g SZ 2003/45: Syndikatsvertrag). Aus wichtigen Gründen können sowohl unbefristete als auch befristete Dauerschuldverhältnisse jederzeit durch außerordentliche Kündigung beendet werden (2 Ob 311/02b JBl 2003, 572). Vorausgesetzt ist hiefür, dass einem Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist, wobei ein strenger Maßstab angelegt wird (3 Ob 274/02v JBl 2003, 643; 3 Ob 42/03b wobl 2003, 341). Gründe, mit denen schon bei Vertragsabschluss gerechnet werden musste, oder Veränderungen, die von den Parteien offensichtlich in Kauf genommen wurden, können eine vorzeitige Auflösung nicht rechtfertigen; je eher solche Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhersehbar waren und je mehr sie in die Sphäre der nun auflösungswilligen Partei fallen, umso größer ist der Stellenwert der Stabilität der Vertragsbindung und umso höhere Anforderungen sind an die Gewichtigkeit behaupteter Auflösungsgründe zu stellen (6 Ob Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 859
59/00w SZ 73/180; JBl 2003, 643). Es besteht hier eine Nähe zu den Kriterien für den Wegfall der Geschäftsgrundlage, s § 901 Rz 10; ferner Fenyves, Der Einfluß geänderter Verhältnisse auf Langzeitverträge – GA für den 13. ÖJT II/1 (1997) 99 ff. Zum Ausschluss der Kündigung s wbl 2006, 278; Rücktritt vor Beginn der Abwicklung s § 918 Rz 16. II. Rechtsgeschäfte und geschäftsähnliche Handlungen 8 Das Rechtsgeschäft besteht aus Willenserklärungen, die auf die Her-
beiführung von Rechtsfolgen, freilich nicht notwendig aller von Gesetz oder Verkehrsübung an das Geschäft geknüpfter Folgen, gerichtet sind (F. Bydlinski, Privatautonomie 7 f; zur Ernstlichkeit s bei § 869 Rz 4). Die Prinzipien der Privatautonomie und des Vertrauensschutzes lassen die Rechtsfolgen (Pflichten) eintreten, wenn und weil sie tatsächlich gewollt sind oder doch der Gegner auf einen entsprechenden Willen vertrauen durfte; Näheres hiezu bei § 863. 9 Willensbetätigungen sind Rechtsgeschäfte ohne Kundgabezweck
(s K/W I 99): Die gewollte Rechtsfolge tritt durch Herstellung des entsprechenden Zustandes ein, ohne dass gegenüber dem Geschäftspartner ein Erklärungstatbestand gesetzt wird. Beispiele sind va die stille Annahme gemäß § 864 (P. Bydlinski, JBl 1983, 169) und Vorteilszuwendung nach § 1016. Willensbetätigungen setzen Geschäftsfähigkeit voraus (§ 865), nicht aber den Zugang einer Erklärung. 10 Geschäftsähnliche Handlungen: Im Gegensatz zur Willenserklä-
rung (Rz 8; § 863) ist die Wissenserklärung (Vorstellungsmitteilung) eine bloße Nachricht über Tatsachen und ändert daher die Rechtslage nicht (zB JBl 1986, 404: Bestätigung über Vertragsbeendigung; 6 Ob 105/99f ÖBA 2000, 1014: Entlassungserklärung gegenüber Interzedenten nach anfechtbarer Zahlung; § 1164a Rz 4: Dienstzettel); folglich ist bei Fehlvorstellungen des Erklärenden keine Anfechtung nach §§ 870 ff erforderlich, sondern ein einfacher Widerruf möglich (3 Ob 508/96 wobl 1998, 106). Die Regeln über die Stellvertretung (4 Ob 6/02i SZ 2002/145) und den Zugang (6 Ob 128/01v ÖBA 2002, 402) sind analog anzuwenden. Die Beurteilung des Erklärungsinhalts erfolgt auch insoweit nach dem Empfängerhorizont (8 ObA 34/05s JBl 2006, 331). Rechtsfolgen zieht eine Wissenserklärung, ohne dass ein entsprechender Wille vorausgesetzt ist, nur dann nach sich, wenn das Gesetz welche anordnet. Bsp: § 933 Abs 3 (Mängelanzeige perpetuiert Gewährleistungseinrede); § 1396 S 1 (nach Zessionsverständigung muss der Zessus an den Zessionar zahlen, s 7 Ob 83/03m ÖBA 2004, 137; Spitzer, JBl 2005, 695). Deutlich kommt der Unterschied zur Willenserklärung beim Anerkenntnis heraus: Während ein deklaratives 776
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 859
Anerkenntnis als Wissenserklärung (iSv: „meines Wissens besteht die Forderung“) lediglich die Verjährung unterbricht (§ 1497; 4 Ob 60/99y RdW 2000, 149) und einen widerlegbaren Beweis der Forderung bietet, begründet das konstitutive Anerkenntnis als eine Streit oder Zweifel bereinigende Willenserklärung (iSv: „unabhängig, ob die Forderung besteht, verpflichte ich mit hiemit“) eine neue Verpflichtung (1 Ob 27/01d SZ 74/80; 1 Ob 64/04z; 1 Ob 264/03k RdW 2005, 216: Zusage der Schadensbehebung). S näher § 1375 Rz 2 ff. Nur unter besonderen Voraussetzungen können Wissenserklärungen 11 wie Rechtsgeschäfte verpflichtend wirken, so die Anscheinsvollmacht (s Fellner, JBl 2003, 626; ferner bei § 1029) und nach nun hA das Anerkenntnis des Zessus gegenüber dem redlichen Zessionar nach § 1396 S 2 (4 Ob 6/02i SZ 2002/145; dazu Popp, ÖBA 2004, 111; s auch § 1396 Rz 6). Gemeinsam ist diesen Fällen, dass einem Dritten (Geschäftspartner; Zessionar) Mitteilungen über ein ihm schwer einsehbares Innenverhältnis (Bevollmächtigung; abgetretene Forderung) gemacht werden, was den Schutz des Vertrauens auf eine bloße Vorstellungsmitteilung rechtfertigt. Auch sonst kann einer (unrichtigen) Wissenserklärung, wenn sie dem Erklärenden zurechenbar ist und der andere im guten Glauben nachhaltig disponiert hat, „Erfüllungswirkung“ zukommen; Anwendungsfälle sind insb Erklärungen über Arbeitsbedingungen (8 ObA 197/98y SZ 72/86). Abgesehen davon zieht eine falsche Nachricht nur Haftung für den Vertrauensschaden nach sich (s bei §§ 874, 1300). Zu „Gewinnzusagen“ s aber § 5j KSchG. Auch die, im Gegensatz zu Rechtsgeschäften (Rz 8), auf einem bloß 12 tatsächlichen Willen beruhenden Willensmitteilungen lösen nur aufgrund besonderer gesetzlicher Tatbestände Rechtsfolgen aus, wie etwa die Mahnung das Fälligwerden der Forderung (§§ 904, 1334). Die Ausstellung der Rechnung (durch den Werkunternehmer) ist idR, sofern sie nicht als Verzicht auf weitere Ansprüche zu verstehen ist, keine Willenserklärung und braucht daher bei Fehlern nicht gemäß § 871 angefochten zu werden (1 Ob 144/04i JBl 2006, 103 M. Leitner). Das Zugangserfordernis des § 862a ist auf Willensmitteilungen analog anzuwenden (7 Ob 607/91 wobl 1993, 29; 8 Ob 47/03z ecolex 2003, 834). III. Arten der Rechtsgeschäfte Einseitige Rechtsgeschäfte bestehen aus nur einer Willenserklärung, 13 zB die Auslobung (§ 860), Kündigung (Rz 7) oder letztwillige Verfügungen (§ 552 Rz 1). Zweiseitige Rechtsgeschäfte, dh insb Verträge, setzen zwei oder mehrere übereinstimmende Willenserklärungen voraus (2 Ob 19/97a JBl 1999, 244: Prekarium). Ein Vertrag kann nur zwischen (mindestens) zwei verschiedenen Personen zustande komBollenberger
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§ 859
men (5 Ob 177/98k EvBl 1999/55: Identität von Versicherer und Hauseigentümer). Zu zweiseitig verpflichtenden und entgeltlichen Verträgen s Rz 4. 14 Nach dem ABGB sind Verfügungsgeschäfte, zB die Übereignung,
kausal, da sie einen objektiv gültigen Titel (Rechtsgrund, häufig ein Verpflichtungsgeschäft) voraussetzen, s bei § 424. Auch abstrakte Verpflichtungsgeschäfte, das sind solche, die den wirtschaftlichen Grund der Verpflichtung nicht nennen, sind dem österreichischen Recht grundsätzlich fremd, außer in dreipersonalen Verhältnissen, s § 937 Rz 3 f; zum abgeschwächt abstrakten Saldo beim Kontokorrent s § 355 UGB. 15 Da im Schuldrecht grundsätzlich Inhaltsfreiheit herrscht, können die
Parteien auch atypische, dh im Gesetz nicht geregelte Verträge schließen (Innominatverträge), zB einen Franchisevertrag (SZ 60/218); Blutplasmaspendevertrag (3 Ob 123/99f JBl 2000, 169); entgeltliche Überlassung auf jederzeitigen Widerruf (7 Ob 287/05i Miet LVII/25). Umso mehr sind gemischte Verträge möglich, die sich aus mehreren gesetzlichen Vertragstypen zusammensetzen. So enthält zB der Beherbergungsvertrag Elemente der Miete sowie des Dienst-, Werk- und Kaufvertrages (2 Ob 216/01f RdW 2002, 151; zum Heimvertrag s §§ 27b ff KSchG), der Mobilfunkvertrag Elemente des Dienst- und Bestandvertrages (6 Ob 69/05y JBl 2005, 735). Zu gemischten Schenkungen und Übergabsverträgen s § 938 Rz 8 f. Nach der Kombinationstheorie ist für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende gesetzliche Regelung heranzuziehen, dh die Vorschrift jenes Vertragstyps, dem die Pflicht entstammt (K/W II 13; 7 Ob 120/98t JBl 1999, 113; 2 Ob 99/97s RdW 2000, 22). Für manche Abgrenzungsfälle ordnet das Gesetz allerdings iSd Absorptionstheorie eine alleinige Zuordnung zu einem Vertragstyp nach dem Überwiegen an (§ 1055: Tausch – Kauf; § 1091: Miete – Pacht; zu Einkaufszentren zuletzt Karollus/Lukas, JBl 2006, 76; Iro/Riss, RdW 2006, 415). IV. Außenwirkung von Forderungsrechten 16 Obligatorische Rechte sind grundsätzlich nur inter partes, dh zwi-
schen Gläubiger und Schuldner (Rz 1) wirksam (4 Ob 119/03h SZ 2003/109: Konkurrenzverbot). In gewisser Weise ist das Forderungsrecht aber auch gegen Eingriffe Dritter geschützt. Absolute Wirkung entfaltet zunächst die Rechtszuständigkeit, so dass das Einziehen einer fremden Forderung zur Herausgabe der Bereicherung und bei Verschulden zur Leistung von Schadenersatz an den wahren Forderungsinhaber verpflichtet (4 Ob 66/01m SZ 74/121; 3 Ob 133/01g 778
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§ 860
ecolex 2002, 578 Wilhelm; 10 Ob 9/04b ÖBA 2004, 785 Koziol; s auch § 1041 Rz 5 und 9). In bestimmter, in Grenzbereichen allerdings noch strittiger Richtung genießt ferner das Recht des Gläubigers auf obligationsgemäße Willensrichtung des Schuldners Schutz gegen Dritte. Dieses Recht wird praktisch häufig durch Doppelverkauf (zum Eigentumserwerb s §§ 430, 440) oder Mehrfachzession (§ 1394 Rz 1) verletzt. Der Dritte (zB der Zweitkäufer) wird jedenfalls dann schadenersatzpflichtig, wenn er den Schuldner bewusst zum Vertragsbruch verleitet (6 Ob 62/02i RdW 2003, 313: Boykottaufruf, Vereinsbeiträge nicht zu bezahlen; Koziol, HPR I3 Rz 4/35 und 4/57). Das bloße Ausnützen eines fremden Vertragsbruchs begründet hingegen noch keine Haftung (offen lassend 1 Ob 503/95 JBl 1995, 526), wenn nicht besondere, die Rechtswidrigkeit begründende Umstände bestehen (6 Ob 174/00g ÖBA 2001, 910 Karollus = JBl 2002, 182 krit Dullinger/Riedler und Dullinger, ÖBA 2003, 601; 4 Ob 216/03y RdW 2004, 273). Nach einer, jedoch zu weit gehenden, Judikaturlinie soll der Dritte schon dann haften, wenn er in Kenntnis des fremden Forderungsrechtes die schlichte Leistungsbewirkung vereitelt (8 Ob 194/01i JBl 2002, 459; s auch 7 Ob 86/03b SZ 2003/62) S auch § 97 Rz 3. Bloßes Kennenmüssen der Forderung genügt für die Haftung des 17 Dritten grundsätzlich nicht. Anderes gilt nach der Rspr aber bei besitzverstärkten Forderungsrechten: Wenn dem Erstkäufer die Liegenschaft bereits übergeben wurde, besteht gegen den Zweitkäufer schon bei dessen Fahrlässigkeit ein schadenersatzrechtlicher Restitutionsanspruch (Schilcher/Holzer, JBl 1974, 454 f; 1 Ob 537, 1551/95 JBl 1996, 521 Hoyer; 1 Ob 221/99b ecolex 2000, 643; s auch Koziol, HPR I3 Rz 9/27), wobei der Offenkundigkeit positive Kenntnis gleichzuhalten ist (7 Ob 225/03v JBl 2005, 36: Vormerkung des Erstkäufers); s auch § 440 Rz 3. Diese Grundsätze gelten aber nicht für den Erwerb durch Zwangsversteigerung (3 Ob 70/00s JBl 2001, 583). Auslobung § 860. Die nicht an bestimmte Personen gerichtete Zusage einer Belohnung für eine Leistung oder einen Erfolg (Auslobung) wird durch die öffentliche Bekanntmachung verbindlich. Eine Auslobung, die eine Preisbewerbung zum Gegenstande hat, ist nur gültig, wenn in der Bekanntmachung eine Frist für die Bewerbung bestimmt ist. [idF III. TN] Lit: P. Steiner, Rechtsanspruch auf Auftragserteilung für den Gewinner eines Architektenwettbewerbes? RdW 1999, 513. Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 860
1 Die Auslobung ist ein Typus der Begründung eines (einseitig ver-
pflichtenden) Schuldverhältnisses (SZ 61/271); sie besteht in einer einseitigen, öffentlich bekannt gemachten Erklärung (HHB 126: Versprechenstheorie). Anspruch auf die Belohnung hat der (erste) Leistungserbringer daher auch dann, wenn er die Auslobung nicht kannte oder geschäftsunfähig ist. 2 Welche gesetzlichen Regeln auf das durch Auslobung begründete
Schuldverhältnis (analog) anwendbar sind, richtet sich nach Art der Leistung und Belohnung (SZ 61/271: Verjährung). Beinhaltet die Auslobung Wette oder Spiel, besteht Unklagbarkeit nach § 1271. Glücksspiel liegt nicht vor, wenn der Erfolg nicht vorwiegend vom Zufall abhängt (SZ 11/195: Preiskegeln). 3 Zusagen an bestimmte Personen sind keine Auslobung, sondern idR
ein Angebot (§ 861). Auslobung mit näherer Bestimmung des Adressatenkreises ist aber ebenso möglich (SZ 61/274: Pensionszusage an gegenwärtige und künftige Belegschaft eines Betriebes) wie öffentliches Vertragsanbot an nicht individuell bezeichnete Personen (SZ 45/102). Keine Auslobung, sondern Einladung zur Legung von Anboten ist die Ausschreibung von Aufträgen (SZ 61/90). Mangels Leistung oder Erfolg entspricht auch eine gemäß § 1 BGBl 1972/288 oder § 6 Abs 1 BGBl 1977/322 vorgenommene „Auslobung“ von Hilfeleistungen an Verbrechensopfer (dazu SZ 61/271) oder Verkehrsopfer nicht dem Tatbestand des § 860, sondern liegt eine bloße Rechtsfolgenverweisung vor (Rummel/R Rz 5). Zu „Gewinnzusagen“ s aber § 5j KSchG. 4 Die Bekanntmachung kann zB durch öffentlichen Anschlag (SZ
11/195), Kundmachung einer Betriebsvereinbarung (SZ 61/274) oder in Medien erfolgen. 5 Leistung und Erfolg müssen keinen wirtschaftlichen Wert aufweisen
(SZ 11/195). Bei der Bestimmung der Leistung und der Belohnung ist der Auslobende völlig frei; ihm ist der Einwand verwehrt, dass die Belohnung zu hoch sei (RZ 1960, 81). Soll auch der andere Teil eine Verpflichtung eingehen, liegt keine Auslobung, sondern ein Vertragsoffert vor (SZ 45/102, in concreto aber fraglich, da das Werknutzungsrecht ohnedies schon mit Einsendung des Drehbuches übertragen wurde). 6 Bei einer Preisbewerbung nach S 2 erwartet der Auslobende mehrere
Leistungen, wovon eine nach den vom Auslobenden festgesetzten Bedingungen ausgewählt wird. Damit sich der Auslobende nicht der Belohnungspflicht durch stetes Zuwarten auf bessere Leistungen ent780
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 860b
ziehen kann, ist hier Fristsetzung Gültigkeitserfordernis. Eine Teilung des Preises ist zulässig (SZ 32/57). Teilnehmer des Wettbewerbes können die Nichtigkeit der Preisvergabe (an eine nicht teilnahmeberechtigte Person) vom Gericht feststellen lassen mit der Folge, dass der Preis dem Nächstgereihten zufällt oder vom Preisgericht neu zu vergeben ist (SZ 45/130; zur Rückforderung des Preises vom zu Unrecht Erstgereihten s SZ 61/218). Die Juryentscheidung ist nach richtiger Ansicht allgemein bei grober Willkür in der Bewertung bekämpfbar (Rummel/R Rz 10; offen lassend 7 Ob 562/91 EvBl 1991/187). Die Teilnehmer können aber nicht im Klageweg eine andere Preisvergabe durchsetzen (6 Ob 621/91 RdW 1992, 236). Der Auslobende haftet für die Jury nicht nach § 1313a (EvBl 1991/187). § 860a. Bis zur Vollendung der Leistung kann die Auslobung in derselben Form, in welcher sie bekannt gemacht war, oder einer gleich wirksamen Form, oder durch besondere Mitteilung widerrufen werden, wenn anders darauf in der Bekanntmachung nicht ausdrücklich oder durch Bestimmung einer Frist verzichtet ist. Der Widerruf ist aber unwirksam gegenüber demjenigen, der die Leistung im Hinblick auf die Auslobung vollbracht hat, wenn er dartut, daß der Widerruf ihm zu dieser Zeit ohne sein Verschulden nicht bekannt geworden war. [III. TN]
Die Widerrufbarkeit der (unbefristeten) Auslobung bis zur Leis- 1 tungsbewirkung nach S 1 ist Folge der Versprechenstheorie (§ 860 Rz 1). Befristete Auslobungen sind nur grundsätzlich unwiderruflich; der Auslobende kann sich den Widerruf ausdrücklich vorbehalten (HHB 128). Gegenüber dem schuldlos unwissenden Leistungserbringer ist der 2 Widerruf gemäß S 2 unwirksam, dh er hat Anspruch auf die Belohnung, nicht nur auf einen Vertrauensschaden (HHB 129). § 860b. Ist die Leistung von mehreren Personen vollbracht worden, so gebührt, falls nicht aus der Auslobung ein anderer Wille hervorgeht, die Belohnung demjenigen, der die Leistung zuerst vollbracht hat, und bei gleichzeitiger Vollendung allen zu gleichen Teilen. [III. TN]
Die auf die Priorität abstellenden Verteilungsregeln des § 860b gelten 1 nicht für Preisbewerbungen nach § 860 S 2. Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 861
Abschließung des Vertrages § 861. Wer sich erklärt, daß er jemandem sein Recht übertragen, das heißt, daß er ihm etwas gestatten, etwas geben, daß er für ihn etwas tun, oder seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein Versprechen; nimmt aber der andere das Versprechen gültig an, so kommt durch den übereinstimmenden Willen beider Teile ein Vertrag zustande. So lange die Unterhandlungen dauern, und das Versprechen noch nicht gemacht, oder weder zum voraus, noch nachher angenommen ist, entsteht kein Vertrag. [Überschrift idF III. TN] Lit: F. Bydlinski, Privatautonomie; ders, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980) 1; Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung (1972); Ostheim, Zur Haftung für culpa in contrahendo bei grundloser Ablehnung des Vertragsabschlusses, JBl 1980, 522. Übersicht I. II. III. IV. V. VI.
Allgemeines zum Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Annahmeerklärung, Dissens und Haftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Kaufmännisches Bestätigungsschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Option. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Kontrahierungszwang und Neuverhandlungspflichten . . . . . . . . . . . 11
I. Allgemeines zum Vertragsabschluss 1 Während der Tatbestand der Willenserklärung mit dem Abstellen auf
den Willen und das Vertrauen der Vertragspartner in §§ 863, 871 geregelt ist („innerer Konsens“), enthalten §§ 861–862a Bestimmungen über das äußere Verfahren des Vertragsabschlusses durch Angebot (auch „Offerte“, „Antrag“, „Versprechen“, Rz 3) und Annahmeerklärung (Rz 6); § 864 sieht daneben eine „stille Annahme“ durch Willensbetätigung vor. Gesetzlich nicht geregelte, aber ebenso taugliche Varianten der Vertragsschließung sind das gemeinsame Unterschreiben einer Urkunde sowie die (eher akademische) Kreuzofferte, dh zeitgleiche, einander vollkommen deckende Anbote (näher Rummel/R Rz 6). Für Vertragsabschluss im Fernabsatz enthalten §§ 5a ff KSchG und das FernFinG, für E-Commerce §§ 9 ff ECG einige Sonderbestimmungen. 2 Für das Zustandekommen von Konsensualverträgen (zB Tausch und
Kauf §§ 1045, 1053 f, SZ 61/136; Bestandvertrag § 1094, 3 Ob 549/95 wobl 1997, 184; Dienst- und Werkvertrag § 1151; Kredit 4 Ob 507/95 ÖBA 1995, 808; 7 Ob 263/03g ÖBA 2005, 278 Bollenberger; s auch 782
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 861
§ 983 Rz 3 f) reicht die (erklärte) Willenseinigung aus (zum Zugangserfordernis s § 862a). Für Konsensualverträge können freilich Formerfordernisse bestehen, zB § 1 Abs 1 lit d NotAktsG iVm § 943 für Schenkungen; s auch bei §§ 883, 886. Bei Realverträgen ist zusätzlich Übergabe der Sache erforderlich; Willenseinigung allein begründet nur die beschränkte vorvertragliche Bindung (§ 936). Bsp sind Leihe (§ 971), Verwahrung (§ 957) und Darlehen (§ 983, zur Abgrenzung von den – praktisch häufigeren – Kredit- und Krediteröffnungsverträgen als Haupt-Konsensualkontrakte s Koziol, BVR II Rz 1/3 ff). II. Angebot Ein wirksames Anbot muss die essentialia negotii enthalten (Rz 4), 3 inhaltlich ausreichend bestimmt sein (s § 869 Rz 6), den endgültigen Bindungswillen des Offerenten zum Ausdruck bringen (Rz 5) und dem präsumtiven Vertragspartner (dem Oblaten) zugehen (s bei § 862a), daher auch diesem gegenüber abgegeben werden (SZ 41/149: Aussage vor Gericht soll trotz Anwesenheit des Oblaten nicht ausreichen). Nur eine solche Offerte ist annahmefähig und bindet während der Annahmefrist (s § 862). Den Oblaten braucht der Anbietende aber nicht festzulegen: Ein Offert kann sich auch an einen unbestimmten Personenkreis richten (SZ 45/102: Der Annehmende muss freilich später feststellbar sein). Ein Beispiel ist das Aufstellen eines Warenautomaten, bei der die Annahme gemäß § 864 erfolgt. Mindestinhalt des Offerts sind die „essentialia negotii“ (9 ObA 4 365/89 RdW 1990, 321), dh die nach dem Gesetz wesentlichen Punkte des intendierten Geschäftes: Beim Kauf müssen Ware und Preis bestimmt oder doch bestimmbar sein (§ 1054, zur Preisbestimmung durch einen Dritten oder eine Partei s bei § 1056), ebenso beim Bestandvertrag Sache und Zins (§ 1092); beim Werkvertrag kann das Entgelt hingegen wegen § 1152 offen bleiben. Erforderlich ist, dass der Vertrag durch ein bloßes „Ja“ des Oblaten perfekt werden kann (K/W I 121). Für Nebenpunkte greifen dann dispositives Recht und Verkehrssitte ein (SZ 62/9). Ferner muss das Offert den Bindungswillen des Offerenten zum Aus- 5 druck bringen, also dass er an den Vertrag gebunden sein will, wenn auch der Oblat zustimmt (JBl 1984, 487; zum Rechtsfolgewillen im Allgemeinen s § 869 Rz 4). Der Bindungswille kann eindeutig erklärt werden (zB „biete verbindlich an“); sonst ist er nach allgemeinen Auslegungsregeln zu prüfen (vgl SZ 41/28: Entschädigungsanbot des Haftpflichtversicherers; SZ 47/148: Abgrenzung zum Vorvertrag; 7 Ob 513/92 SZ 65/45: Wohnbauförderungszusage). Beim Realoffert (§ 864 Rz 4) ist er bezüglich der übersandten Sache gegeben. Als bloße Bollenberger
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Einladung zu Vertragsverhandlungen bzw zur Anbotstellung sind hingegen die Aufforderung zur Erstellung eines Kostenvoranschlages (SZ 30/63; zum Entgelt bei Verbrauchern s § 5 Abs 1 KSchG), ferner idR Erklärungen an einen größeren oder unbestimmten Personenkreis zu verstehen, insb Inserate, das Ausstellen von Waren im Schaufenster und Aussenden von Katalogen (JBl 1950, 436; K/W I 122; P. Bydlinski, AT Rz 6/8). III. Annahmeerklärung, Dissens und Haftung 6 Die Annahmeerklärung des Oblaten muss dem Offerenten in der An-
nahmefrist (§ 862) zugehen (§ 862a). Sie bewirkt den Vertragsabschluss, wenn sie den Bindungswillen auch des Oblaten zum Ausdruck bringt (SZ 43/188) und sich mit dem Anbot vollinhaltlich – auch in Nebenpunkten – deckt. Dies ist bei neutraler Annahme („einverstanden“) stets der Fall, bei ausführlicher Annahme uU erst durch Auslegung festzustellen. Die Einigung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen (§ 863). Beim Liegenschaftskauf steht ihr nicht entgegen, dass die Ausstellung einer grundbuchsfähigen Urkunde erst für später in Aussicht genommen wird (JBl 1974, 146; s näher § 1054 Rz 2). Kein Vertrag, sondern Fortgang der „Unterhandlungen“ (S 2) ist trotz Konsens über die essentialia negotii anzunehmen, wenn sich die Parteien noch die Einigung über bestimmte, wenngleich unwesentliche Punkte vorbehalten haben oder über einen solchen Punkt offener Dissens vorliegt (JBl 1981, 645; ZAS 1987, 92 Dullinger; 4 Ob 52/95 SZ 68/178; 3 Ob 265/98m JBl 1999, 602 Rummel); dies gilt auch bei Leistung eines Angeldes (SZ 61/136) und, wenn die Umstände gegen einen Abschlusswillen sprechen, bei Unterfertigung einer Vertragsurkunde (wobl 1997, 184). Die Parteien können den Vertrag aber unter Offenlassung einzelner Punkte eingehen, die dann nach Gesetz und ergänzender Auslegung zu bestimmen sind (Rummel/R Rz 5). 7 Bei Abweichungen der Annahme vom Anbot besteht Dissens (§ 869)
und gilt die „Annahme“ als neue Offerte (EvBl 1962/392: Annahme mit Schriftformvorbehalt; JBl 1982, 652; 6 Ob 73/01f RdW 2002, 149: „modifizierende Auftragsbestätigung“). Das Schweigen des Gegners hierauf ist idR nicht als Zustimmung zu werten (SZ 50/69; wohl aber die Erbringung der Leistung nach Erhalt der abweichenden Annahmeerklärung: 1 Ob 519/94 RdW 1995, 299). Der Oblat kann nur dann auf das zunächst „abgelehnte“ Offert zurückgreifen, wenn er sich mit ihm in vollem Umfang einverstanden erklärte und Änderungen bloß in Form eines Wunsches begehrte (SZ 49/142; JBl 1977, 315; 3 Ob 99/05p Zak 2006, 195). Versicherungsverträge kommen 784
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wegen § 5 Abs 3 VersVG auch dann zustande, wenn die Polizze von einem dem Versicherungsagenten zugegangenen Antrag des Versicherungsnehmers abweicht, ohne dass der Versicherer auf die Abweichung hingewiesen hat (7 Ob 270/98a SZ 72/60; 7 Ob 69/01z SZ 74/83; zu für den Versicherungsnehmer vorteilhaften Abweichungen s Koziol, JBl 1981, 574). Da im Allgemeinen Abschlussfreiheit herrscht, kann jeder Teil begon- 8 nene Vertragsverhandlungen sanktionslos abbrechen. Ausnahmsweise tritt aber eine Haftung für den Vertrauensschaden aus culpa in contrahendo ein, wenn ein Teil die Verhandlungen gerade zum Zweck der Schädigung führte (SZ 27/120; JBl 1981, 645), er den Partner zur Erbringung der im künftigen Vertrag vorgesehenen Leistungen aufforderte (10 Ob 10/05a JBl 2005, 716) oder er sonst beim Gegner das Vertrauen auf einen sicheren Vertragsabschluss weckte, dann den Abschluss ohne triftigen Grund verweigert oder das Abschlusshindernis vorhersehen konnte und der Gegner erkennbar Aufwendungen tätigte (4 Ob 571/95 RdW 1996, 306; s auch SZ 60/36: öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis). IV. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben Übermittelt eine Partei nach Vertragsabschluss ein kaufmännisches 9 Bestätigungsschreiben, das vom zuvor mündlich Vereinbarten abweicht, so ist das Schweigen des anderen Teils, soweit es nicht bloß um geringfügige Ergänzungen geht, nicht als Zustimmung zu einer Vertragsänderung zu werten (F. Bydlinski, FS Flume I, 1978, 335; 3 Ob 570/92 JBl 1993, 782; 8 Ob 507/93 HS 24.084). Diese Grundsätze gelten auch für das Schweigen nach Erhalt einer „modifizierenden Auftragsbestätigung“ (RdW 2002, 149; zum Lieferschein s 5 Ob 18/97a NZ 1998, 136). Zum Dienstzettel s 9 ObA 86/01i ecolex 2002, 198; § 1164a Rz 4. V. Option Eine Option ist das vertraglich begründete Gestaltungsrecht, ein 10 inhaltlich bereits festgelegtes Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung in Geltung zu setzen (1 Ob 318/99t SZ 73/86). Die Option, für die ein eigenständiges Entgelt bedungen werden kann, muss die essentialia negotii des künftigen Vertrages enthalten; nicht vereinbarte Nebenpunkte werden, wie auch sonst, durch das dispositive Recht ergänzt (6 Ob 2317/96w RdW 1997, 655). Der Optionsberechtigte verfügt über eine ähnliche Position wie der Oblat (1 Ob 61/97w SZ 70/242; 1 Ob 67/03i NZ 2004, 70): Nach Ausübung der Option kann, anders als beim Vorvertrag (§ 936), sogleich die Leistung (nicht Bollenberger
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etwa erst der Abschluss des Vertrages) beansprucht werden (4 Ob 159/01p SZ 74/152). Da Optionsverträge im ABGB nicht geregelt sind, werden manche Vorschriften über den Vorvertrag analog angewendet, insb die Umstandsklausel des § 936 (1 Ob 585/94 SZ 67/137; 2 Ob 17/97g SZ 70/28). VI. Kontrahierungszwang und Neuverhandlungspflichten 11 Kontrahierungszwang bedeutet, als Ausnahme vom Grundsatz der
Abschlussfreiheit, die Verpflichtung zur Eingehung von Verträgen zu üblichen, angemessenen Bedingungen (SZ 44/138; 5 Ob 505/93 SZ 66/166; zur Kostenaufteilung auf mehrere Abnehmer s SZ 59/49). Nach richtiger Ansicht hat der Berechtigte die Wahl zwischen einer Klage nur auf Abgabe der Vertragserklärung oder einer direkten Klage auf die Leistung, uU auch auf Schadenersatz (9 ObS 13/91 SZ 64/116). Abschlusszwang kann gesetzlich vorgesehen sein (s zB zur Nahversorgung §§ 4 f NahVersG, zur Stromversorgung §§ 15 ff ElWOG). Darüber hinaus bejaht die hM seit langem Abschlusszwang für alle monopolartigen Unternehmen, die Leistungen anbieten, deren ein Durchschnittsmensch normalerweise oder in Notfällen bedarf (SZ 44/138). Die jüngere Judikatur gibt die Einschränkung auf Normalbedarf auf: Einem Monopolisten wird es allgemein verwehrt, seine Übermacht unsachlich auszuüben (2 Ob 232/98a DRdA 1999, 117 Holzer); er darf auch die Erbringung von ihm öffentlich angebotener Leistungen an Einzelne nur aus sachlichen Gründen verweigern, wobei es nicht darauf ankommt, ob es um öffentliche Daseinsvorsorge geht (2 Ob 555/92 SZ 65/130: Fallschirmlandungen auf Flugplatz; 6 Ob 48/01d SZ 2002/15: Casino; 7 Ob 273/03b ecolex 2004, 271 Hauser: Sportverband; 7 Ob 287/05i Miet LVII/25 = ecolex 2006, 290 Wilhelm: Verkaufsständer auf öffentlicher Straße). Ohne monopolartige Stellung bzw bei Zumutbarkeit des Ausweichens auf andere Anbieter besteht hingegen kein Abschlusszwang (2 Ob 311/02b JBl 2003, 572: Kreditkartenunternehmen). Zur Begründung einer Pflicht zum Vertragsabschluss aus dem Rechtsmissbrauchsverbot s 5 Ob 82/03z JBl 2004, 239 Rummel. Für die öffentliche Hand kann sich eine Abschlusspflicht ferner aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben (F. Bydlinski, FS Klecatsky, 1980, 129; 6 Ob 563/92 SZ 65/166). Zur Subvention s 6 Ob 514/95 JBl 1995, 582; 10 Ob 23/03k; Rüffler, JBl 2005, 409; s auch 4 Ob 14/04v RdW 2004, 595: Wettbewerbsverstoß durch Gewährung von Sondervorteilen. 12 Zu Neuverhandlungsklauseln s Fenyves, Der Einfluß geänderter
Verhältnisse auf Langzeitverträge – GA für den 13. ÖJT II/1 (1997) 112 f und 122 ff; Schilcher, VR 1999, 40 ff. 786
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§ 862
§ 862. Das Versprechen (Antrag) muß innerhalb der vom Antragsteller bestimmten Frist angenommen werden. In Ermangelung einer solchen muß der einem Anwesenden oder mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachte Antrag sogleich, der sonst einem Abwesenden gemachte Antrag längstens bis zu dem Zeitpunkte angenommen werden, in welchem der Antragsteller unter der Voraussetzung, daß sein Antrag rechtzeitig angekommen sei, bei rechtzeitiger und ordnungsmäßiger Absendung der Antwort deren Eintreffen erwarten darf; widrigenfalls ist der Antrag erloschen. Vor Ablauf der Annahmefrist kann der Antrag nicht zurückgenommen werden. Er erlischt auch nicht, wenn ein Teil während der Annahmefrist stirbt oder handlungsunfähig wird, sofern nicht ein anderer Wille des Antragstellers aus den Umständen hervorgeht. [idF III. TN]
Ab ihrem Zugang (§ 862a) entfaltet die Offerte Bindungswirkung: 1 Gemäß S 3 kann der Offerent (abgesehen von Sonderregeln wie §§ 3, 30a KSchG, § 5 BTVG; § 8 FernFinG, dazu Iro, BVR I 2 Rz 1/378) das Anbot während der Annahmefrist nicht widerrufen; der Oblat erhält somit ein Gestaltungsrecht. Wie die Annahme (§ 862a Rz 2) ist aber auch das Angebot bis zur tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Oblaten widerrufbar, da bis dahin kein Vertrauenstatbestand entsteht (P. Bydlinski, AT Rz 6/12). Nach der Kenntnisnahme durch den Oblaten kommt für den Offerenten nur mehr Berufung auf geänderte Verhältnisse (analog § 936) und Irrtumsanfechtung in Betracht (JBl 1957, 620). Schuldhafte Leistungsvereitelung durch den Offerenten während der Bindung begründet, wenn Annahme erfolgt, Haftung auf das Erfüllungsinteresse (Rummel/R § 861 Rz 3). Das Angebot bleibt nach S 4 im Zweifel auch bei Tod oder Eintritt der 2 Geschäftsunfähigkeit eines Teiles aufrecht (wobei die Annahmefrist nicht verlängert wird: 1 Ob 529/90 JBl 1991, 113 Dullinger = RdW 1990, 441 Holeschofsky). Gleiches gilt bei Konkurs des Oblaten, während eine Offerte des späteren Gemeinschuldners mit Konkurseröffnung eo ipso erlischt (§ 26 Abs 2 und 3 KO). Zur Konkurseröffnung vor Zugang einer Erklärung s 9 ObA 292/97z ZIK 1998, 61. Die Annahmefrist und damit die Dauer der Bindung an das Offert 3 kann der Offerent gemäß S 1 grundsätzlich frei festlegen (SZ 50/69); Beschränkungen bestehen nach § 6 Abs 1 Z 1 KSchG und § 1a VersVG. Das Fristende kann datumsmäßig fixiert sein; sonst beginnt der Fristenlauf idR mit Zugang der Offerte, bei langen Fristen jedoch mit Datum des Offerts (Rummel/R Rz 3). Der Offerent kann die gesetzte Frist einseitig verlängern, nicht aber verkürzen (Rummel/R Rz 1). Bollenberger
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§ 862a
4 Mangels Fristsetzung durch den Offerenten gilt S 2: Ein Offert unter
Anwesenden wird mündlich in persönlichem oder telefonischem Kontakt mit dem Oblaten oder dessen Vertreter gestellt (SZ 47/138: Ausfolgung einer Urkunde durch Bevollmächtigten). Es muss sogleich, dh während der Unterredung, angenommen werden (SZ 47/148: Annahme am nächsten Tag ist verspätet). Ein Offert an einen Stellvertreter ist unter Anwesenden, an einen Boten unter Abwesenden gemacht (SZ 47/148). 5 Bei Offert unter Abwesenden, zB mittels Brief, Telefax, Fernschrei-
ber, läuft eine dreiteilige Frist: Transport zum Oblaten, angemessene Überlegungsfrist (die bei Abschluss unter Vertretern auch die Zeit der Benachrichtigung und Beratung des Mandanten umfasst: Miet 25.073) sowie Transport retour (EvBl 1962/392: Offerte aus Salzburg nach Wien binnen 5 Tagen); zB ist Annahme eines „Bestellscheins“ durch den Verkäufer nach mehr als zwei Wochen (EvBl 1961/335) oder Vergleichsannahme nach 30 Tagen unter Wiener Anwälten verspätet (8 Ob 1580/93 RdW 1993, 303). 6 Mit Ende der Annahmefrist erlischt das Angebot. Außer dem Fall des
§ 862a S 2 führt eine verspätet zugehende Annahme nicht zum Vertragsabschluss, sondern gilt nur als neues Offert; die Gründe für die Verspätung sind gleichgültig und es gilt Schweigen des Erstofferenten nicht als Zustimmung zum neuen Anbot (SZ 50/69). 7 Die Klausel Angebot „freibleibend“ oder „ohne obligo“ schränkt die
Bindung ein: Der Offerent behält sich zumindest den Widerruf bis zum Zugang der Annahme vor, idR sogar noch einen Rücktritt danach. Diesfalls muss er aber unverzüglich widersprechen, sonst ist analog § 862a S 2 Vertragsbindung zu bejahen (SZ 4/100; K/W I 125). § 862a. Als rechtzeitig gilt die Annahme, wenn die Erklärung innerhalb der Annahmefrist dem Antragsteller zugekommen ist. Trotz ihrer Verspätung kommt jedoch der Vertrag zustande, wenn der Antragsteller erkennen mußte, daß die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesendet wurde, und gleichwohl seinen Rücktritt dem andern nicht unverzüglich anzeigt. [III. TN] Lit: Borns, Übermittlungsrisiko beim Telefax, RdW 1995, 131; Tichy, Zugang elektronischer Willenserklärungen, Verbraucherschutz und E-CommerceGesetz, RdW 2001, 519; Vonkilch, Zum wirksamen Zugang von sicher signierten E-Mails, RdW 2001, 578; Zankl, Rechtsqualität und Zugang von Erklärungen im Internet, ecolex 2001, 344.
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ISd Empfangstheorie bestimmt S 1, dass eine (auch konkludente: 1 8 Ob 7/93 SZ 68/21) Annahmeerklärung nicht schon mit der Erklärung und gegebenenfalls ihrer Absendung, sondern erst im Zeitpunkt des Zugangs beim Offerenten wirksam wird; ohne Zugang kann der Vertrag nur nach § 864 zustande kommen. Der Zugang muss innerhalb der Annahmefrist erfolgen; bei formpflichtigem Vertrag kann uU formlose Verständigung ausreichen (SZ 49/23). Da § 862a nur die Rechtzeitigkeit der Annahme, nicht auch die auf 2 dem Vertrauen des Offerenten beruhende Bindung des Oblaten betrifft, ist ein Widerruf der Annahme nicht nur bis zum Zugang (SZ 27/110; 9 ObA 30/02 DRdA 1992, 451 Kerschner), sondern darüber hinaus bis zur tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Offerenten zulässig (Rummel/R Rz 7; s zum Anbot § 862 Rz 1). Das Zugangserfordernis gilt analog für alle empfangsbedürftigen 3 privaten Willenserklärungen (zB Kündigung: 9 ObA 292/97z ZIK 1998, 61; Überweisungsauftrag: 3 Ob 98/99d ÖBA 2000, 1102) sowie Vorstellungs- und Willensmitteilungen (SZ 57/52: Mahnung). Das Verlust- und Verspätungsrisiko trägt daher der Absender (anders Art 27 UN-K, dazu 1 Ob 273/97x JBl 1999, 252: Telefax). Vereinbarungen über Zugangsfiktionen oder besondere Zugangserfordernisse werden durch § 6 Abs 1 Z 3 und 4 KSchG Schranken gesetzt. Zugang tritt spätestens mit tatsächlicher Kenntnisnahme durch den 4 Empfänger ein, vorher mit Einlangen in seinem Machtbereich, so dass er sich unter normalen Umständen vom Inhalt der Erklärung Kenntnis verschaffen kann (7 Ob 607/91 wobl 1993, 29; 8 Ob 47/03z ecolex 2003, 834); systemgerecht bestimmt nun auch § 12 ECG, dass elektronische Erklärungen zugehen, sobald sie der Empfänger unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Der Zugang wird fingiert, wenn ihn der Empfänger absichtlich oder wider Treu und Glauben vereitelt (9 ObA 55/95 JBl 1996, 128 Dullinger; 9 ObA 106/97x ZAS 1998, 148 Tomandl; 6 Ob 231/05x RdW 2006, 151) oder wenn er gebotene Empfangsvorkehrungen unterlässt (9 ObA 78/97d DRdA 1998, 118 Geist; 9 ObA 124/97v RdW 1998, 294). Beinhaltet die Erklärung nicht nur Vorteile für den Empfänger, setzt Zugang dessen volle Geschäftsfähigkeit voraus (1 Ob 529/90 JBl 1991, 113 Dullinger = RdW 1990, 441 Holeschofsky; 8 ObA 223/95 DRdA 1996, 224 Dullinger; 9 ObA 284/99a EvBl 2000/96). Bsp: Mündliche Erklärungen an den Empfänger oder seinen Vertreter 5 gehen sofort zu (SZ 47/148), wenn der Empfänger in der Lage war, die Erklärung zu vernehmen (DRdA 1996, 224 Dullinger). Einfache Briefe gehen mit Einwurf in das Hausbrieffach zu (falls dies am Abend Bollenberger
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geschieht, jedoch erst am nächsten Morgen, vgl EvBl 1966/309); ein Einschreibbrief, der wegen Abwesenheit des Empfängers beim Postamt hinterlegt wird, mit Bereithaltung zur Abholung (K/W I 112; SZ 58/80); zur Übergabe an Hausgenossen oder Dienstnehmer des Empfängers s JBl 1984, 487; SZ 57/181; wobl 1993, 29. Zustellung entsprechend der PostO (zu deren Relevanz bis zum bislang nicht erfolgten Erlass einer V gemäß § 7 Abs 2 PostG 1997 siehe § 33 Abs 4 PostG 1997 und Stumvoll in Fasching, ZPO II/2 Anh § 87 ZPO ZustG Rz 3) an eine andere Person als den Empfänger bedeutet nicht stets auch Zugang nach materiellem Recht, sondern es muss die Erklärung auch hier in den Machtbereich des Empfängers gelangen (JBl 1996, 128 Dullinger: Abgabe an Mitarbeiter der Krankenanstalt, in welcher sich der Empfänger aufhält). Ein Telefax geht mit Empfang des Signals im Empfangsgerät zu; nur dessen Betriebsstörung (zB mangelnde Abspeicherung; Papierstau), nicht auch die des öffentlichen Telefonnetzes (nicht in Erwägung gezogen in JBl 1999, 252), ist Risiko des Empfängers (Borns, RdW 1995, 131). Zu SMS und Nachricht auf Mailbox s 8 ObA 92/03t JBl 2004, 397. Eine Kontogutschrift ist zugegangen, wenn sie in einem elektronischen Medium gespeichert wurde und vom Empfänger jederzeit abgerufen werden kann (so 2 Ob 95/02p JBl 2003, 180 = ecolex 2002, 741 Helmich), doch soll die Unwiderruflichkeit schon dann eintreten, wenn nach dem Willen der Bank die Daten der Überweisung zur vorbehaltlosen Bekanntgabe an den Empfänger zur Verfügung gestellt werden (so 2 Ob 20/03k SZ 2004/51). 6 Bei Einschaltung eines Boten ist nach dessen Stellung zu unterschei-
den, ob er zur Sphäre des Erklärenden oder des Empfängers gehört (Rummel/R Rz 4): Erklärung an Empfangsboten bewirkt Zugang an dessen Geschäftsherrn, der das Risiko unrichtiger Übermittlung trägt (6 Ob 600/94 ÖBA 1995, 51 Apathy). Setzt der Erklärende einen Boten ein (zB die Post), trägt er dieses Risiko (JBl 1984, 37; JBl 1986, 784 einschränkend bei absichtlicher Verfälschung Wilhelm; aM für den Empfangsboten Rummel/R § 871 Rz 5). S auch § 1002 Rz 6. 7 Die Beweislast für den Zugang trägt der Absender: Während bei ge-
wöhnlichem Brief die Absendung nicht prima facie auf den Zugang schließen lässt (JBl 1984, 487; unrichtige Adressierung spricht überhaupt gegen Zugang: 7 Ob 2167/96v EvBl 1997/64), ist beim Einschreibbrief Zugang zu vermuten, sofern die postrechtlichen Vorschriften eingehalten wurden (wbl 1990, 26: Fehler der Post hat auch hier der Absender zu vertreten; daher sollte die Vermutung mE nur dann eingreifen, wenn der Empfang bestätigt wurde; für Beweislast des Absenders Wukoschitz, ecolex 2005, 106). Beim Telefax beweist der „OK“-Vermerk im Sendebericht den Zugang nicht, solange tech790
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nisch die Möglichkeit besteht, dass die Datenübertragung dennoch wegen eines Fehlers im öffentlichen Netz missglückt ist (Borns, RdW 1995, 132); prima facie kann man aber doch auf den Zugang schließen (LG Feldkirch 3 R 138/06a Zak 2006, 276; vgl auch JBl 2004, 397: die Sendebestätigung könne für die Beweislast eine Rolle spielen). Verzögert sich die Beförderung der rechtzeitig abgesendeten An- 8 nahmeerklärung und ist dies dem Offerenten erkennbar, muss dieser nach S 2 ohne schuldhaftes Zögern den Rücktritt erklären, um die Vertragsbindung zu verhindern. Diese Erklärungslast des Offerenten rechtfertigt sich daraus, dass der Oblat bereits auf den Vertrag vertraut. § 863. (1) Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen. (2) In Bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen. [idF III. TN] Lit: F. Bydlinski, Privatautonomie; ders, System 147 ff.
I. Elemente des Rechtsgeschäfts Zum Begriff der Willenserklärung und zur Abgrenzung von ge- 1 schäftsähnlichen Handlungen s § 859 Rz 8 ff. Das Hauptprinzip der Rechtsgeschäfte, die Privatautonomie (Selbstbestimmung), lautet, dass Willenserklärungen deshalb Rechtsfolgen auslösen, weil sie gewollt sind. Da die Privatautonomie mit anderen Prinzipien ein bewegliches System (§ 6 Rz 9) bildet, braucht sie allerdings nicht immer voll verwirklicht zu sein, sondern gibt es rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, die dem Willen eines Teiles gar nicht oder doch nicht zur Gänze entsprechen (dazu und zum Folgenden F. Bydlinski, Privatautonomie 122 ff; ders, System 150 ff; K/W I 97 f). Insb wird das Fehlen des Willens häufig durch das Element des Vertrauensschutzes, allgemeiner der Verkehrssicherheit, aufgewogen: Obwohl einem Teil der Geschäftswille fehlt, liegt eine Willenserklärung vor, wenn der andere Teil in seinem Vertrauen auf eine solche schutzwürdig ist (s Rz 3 ff). Dies gilt auch für den Inhalt der Erklärung, der sich nämlich nicht nach dem Willen des Erklärenden sondern danach richtet, wie sie der redliche Empfänger verstehen durfte und auch tatsächlich Bollenberger
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verstanden hat (s Rz 3 und zur Auslegung von Verträgen bei § 914). Wenngleich der Vertrauensschutz solcherart Mängel der Privatautonomie aufwiegen kann, bedarf doch jedes Rechtsgeschäft eines Mindestmaßes an Selbstbestimmung: Ein Erklärungstatbestand wird nur dann zugerechnet, wenn er zumindest fahrlässig geschaffen oder das Risiko seines Entstehens erhöht wurde (Rz 5). Zur Abwägung zwischen dem wahren Willen und dem Vertrauensschutz bei der Irrtumsanfechtung s bei § 871. Weiters spielt für Verpflichtungsgeschäfte die Äquivalenz zwischen den beiderseitigen Leistungen eine Rolle: Je stärker dieses Wertverhältnis beeinträchtigt ist, desto fehlerfreier muss die Willensbildung sein und desto niedriger sind im Allgemeinen die Voraussetzungen für eine Vertragsanfechtung. In diesem Sinn stellen zB § 934 und § 879 Abs 2 Z 4 auf die (objektive) Äquivalenz ab. Die (subjektive) Äquivalenz ist bei der Anfechtung entgeltlicher Geschäfte ein Kriterium der Beurteilung, ob ein Irrtum über eine wertbildende Eigenschaft des Vertragsgegenstandes vorliegt (§ 871 Rz 7); zu beachten ist auch die Zulassung einer Redintegration bei grober Äquivalenzstörung (§ 871 Rz 16). Die weiterreichende Beachtlichkeit von Irrtümern bei unentgeltlichen Verträgen erklärt sich durch deren völlige Inäquivalenz (§ 901 Rz 4). II. Arten der Willenserklärung 2 Während bei der ausdrücklichen Erklärung das Äußerungsmittel
(Worte oder allgemein angenommene Zeichen) einen eigenen Erklärungssinn trägt und sich von den Begleitumständen deutlich abhebt, ergibt sich die Bedeutung einer konkludenten Erklärung erst aus den konkreten Umständen. Grundsätzlich sind beide Arten der Erklärung gleichwertig (8 ObA 282/95 DRdA 1996, 302 Kerschner); wenn das Gesetz eine „ausdrückliche“ Erklärung verlangt (zB §§ 891, 901, 1170a), wird dies nur als „deutlich“ oder „unzweifelhaft“ interpretiert (s § 891 Rz 1; § 928 Rz 2). Ein Unterschied zwischen ausdrücklicher und konkludenter Erklärung besteht allerdings bei einem für den Gegner erkennbaren Erklärungsirrtum: Während der Irrende die ausdrückliche Erklärung binnen 3 Jahren durch Anfechtung beseitigen muss (§§ 871, 1487), liegt gemäß § 863 eine konkludente Erklärung bei Zweifeln am entsprechenden Willen schon gar nicht vor, so dass sich eine Anfechtung erübrigt (F. Bydlinski, Privatautonomie 165 f); zu nicht ernst gemeinten Erklärungen s aber § 869 Rz 4. 3 Sowohl für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt
(3 Ob 508/96 wobl 1998, 106), als auch für die Bestimmung ihres Inhalts ist nicht der wahre Wille des Erklärenden, sondern entspre792
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chend der Vertrauenstheorie der Empfängerhorizont maßgeblich: Die Erklärung gilt so, wie sie ein redlicher Empfänger verstehen durfte (7 Ob 231/02z RdW 2003, 495). Es kommt also auf den objektiven Erklärungswert und nicht auf den Willen des Erklärenden oder das tatsächliche Verständnis des Empfängers an (6 Ob 179/03x ÖBA 2004, 399; 8 Ob 131/03b RdW 2004, 270); für die Annahme einer Willenserklärung ist somit nicht das wirkliche Vorliegen rechtsgeschäftlichen Willens entscheidend, sondern nur, ob der Erklärungsempfänger bei sorgfältiger Deutung einen solchen erschließen durfte und erschlossen hat (1 Ob 137/03h JBl 2004, 243); bei Verträgen kommt es dann zu einem sog normativen Konsens (§ 869 Rz 2). Da nicht bestehendes Vertrauen keines Schutzes bedarf und beidseits unbewusste (und daher nicht gewollte) Vertragsabschlüsse abzulehnen sind (richtig SZ 8/14: Übernahme von Dokumenten aus Gefälligkeit), ist vorausgesetzt, dass der Empfänger die Erklärung auch tatsächlich in diesem Sinn verstanden hat (F. Bydlinski, Privatautonomie 36 ff; Rummel, JBl 1997, 312). Der wahre Wille des Erklärenden verdrängt nach dem Grundsatz 4 falsa demonstratio non nocet den objektiven Erklärungswert, wenn der Erklärungsgegner diesen Willen positiv erkannt hat (EvBl 1962/510; 6 Ob 160/00y JBl 2001, 590; 7 Ob 122/02w ÖBA 2003, 532). Haben beide Teile einen gleichgerichteten Willen, wird dieser, unabhängig von der objektiven Erklärungsbedeutung, Inhalt des sog natürlichen Konsenses (s auch § 869 Rz 2; § 914 Rz 5). Liegt objektiv eine Willenserklärung vor und vertraut der Empfänger 5 auf sie, schadet grundsätzlich sogar fehlendes Erklärungsbewusstsein des Erklärenden nicht: die Erklärung ist grundsätzlich wirksam und kann nur mehr unter den Voraussetzungen des § 871 angefochten werden (bei einer bloß konkludenten Handlung fehlt allerdings, wenn der mangelnde Rechtsfolgenwille für den Gegner erkennbar ist, schon ein Erklärungstatbestand, s Rz 2). Die Gleichbehandlung mit dem Empfänger, der in seinem Vertrauen geschützt wird, wenn er sorgfältig war, gebietet es jedoch, dem Erklärenden den Erklärungstatbestand überhaupt nur dann zuzurechnen, wenn er ihn fahrlässig verursacht oder das Risiko seines Entstehens unnötigerweise erhöht hat (F. Bydlinski, Privatautonomie 156 ff; K/W I 110). III. Konkludente Willenserklärungen An schlüssige Willenserklärungen legt § 863 einen strengen Maßstab 6 an: für den Empfänger darf kein vernünftiger Grund für Zweifel an einem Rechtsfolgewillen des Erklärenden in bestimmter Richtung bestehen (F. Bydlinski, Privatautonomie 44 f; SZ 58/11; 1 Ob 564/95 Bollenberger
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SZ 68/105: Eigenschaftszusicherungen beim Kauf). Bsp aus der jüngeren Judikatur: Gesellschaftsvertrag unter Lebensgefährten und Ehegatten (5 Ob 226/05d RdW 2006, 151; 8 Ob 61/06p RdW 2006, 695); Beratungsvertrag mit Anlagevermittler (1 Ob 182/97i SZ 70/147; 3 Ob 13/04i ÖBA 2005, 55 Kletecˇ ka); Annahme eines Vergleichsanbots durch Scheckeinlösung (RdW 2004, 270; anders JBl 1982, 313 Iro); Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts durch unbeanstandeten Vermerk in Rechnungen und Lieferscheinen in längerer Geschäftsbeziehung (6 Ob 73/01f RdW 2002, 149; s aber 5 Ob 18/97a NZ 1998, 136); Einverständnis zur Zahlung mit Buchgeld durch Bekanntgabe eines Kontos (8 ObA 281/95 JBl 1997, 124); Bevollmächtigung zur Telefonbenützung durch Wohnungsüberlassung (1 Ob 244/02t SZ 2003/60); Vertragseintritt des Masseverwalters gemäß § 21 KO durch Mängelbehebungsvorschlag (7 Ob 227/00h RdW 2001, 672); Anerkenntnis der Hauptforderung durch Aufrechnungserklärung (8 Ob 216/02a JBl 2003, 310; 10 Ob 84/04g JBl 2005, 515); Entlassung (9 ObA 275/00g RdW 2001, 610); Auflösung des Probedienstverhältnisses durch Fernbleiben vom Arbeitsplatz (8 ObA 51/03p RdW 2004, 114); Rechtswahl (4 Ob 199/00v SZ 73/142). Zu schlüssigen Prozesshandlungen s 6 Ob 79/99g JBl 1999, 818; zu konkludenten Erklärungen von Hoheitsträgern s 8 ObA 214/98y SZ 72/114; 4 Ob 26/01d RdW 2001, 528. Bei Fehlen der Konkludenz kann auch die Unklarheitenregel des § 915 S 2 nicht herangezogen werden (Rummel/R § 915 Rz 6; 2 Ob 311/02b JBl 2003, 572). 7 Ein stillschweigender Verzicht ist, vor allem bei Unentgeltlichkeit
(s auch § 915), nur anzunehmen, wenn besondere Umstände auf einen ernsten Rechtsfolgewillen hinweisen (8 Ob 184/00t RdW 2001, 727: Eigentumsvorbehalt; 2 Ob 311/02b JBl 2003, 572: ordentliche Kündigung; ÖBA 2004, 399: Glattstellung eines Termingeschäftes; 1 Ob 206/05h ÖBA 2006, 376: Rückstellung einer Bankgarantie; s aber 1 Ob 171/02g JBl 2004, 45 krit Kerschner: Unterhaltsverzicht). Die bloße Nichtausübung durch längere Zeit führt nicht zum Rechtsverlust (4 Ob 119/03h SZ 2003/109). Die Rspr hält das Aufrechnungsrecht der Bank mit einer Kreditforderung gegen Giroguthaben außerhalb eines Konkurses für schlüssig abbedungen (1 Ob 2231/96m JBl 1997, 323; dies gilt aber nicht für Masseforderungen: 7 Ob 184/03i RdW 2004, 96); siehe nun jedoch die (in 4 Ob 179/02f SZ 2002/153 für wirksam anerkannte) Neuregelung in Z 59 Abs 2 ABB und dazu Iro/Koziol, Allgemeine Bedingungen für Bankgeschäfte (2001) Z 59 Rz 8 ff. 8 Da bloßes Schweigen andere Motive als das des Einverständnisses
haben kann (zB der Oblat nimmt sich für eine ablehnende Antwort 794
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nur nicht die Zeit), ist es, auch im kaufmännischen Verkehr, grundsätzlich nicht als Zustimmung zu werten (10 Ob 511/95 SZ 68/90). Eine andere Beurteilung kann aber geboten sein, wenn das Geschäft für den Schweigenden ausschließlich vorteilhaft ist (4 Ob 2330/96t ÖBA 1997, 482: Garantie), wenn nach Treu und Glauben, Verkehrssitte oder Gesetz eine Antwortpflicht besteht (SZ 55/168; 9 Ob 331/97k NZ 1998, 312; 5 Ob 337/98i Miet 51.071) oder wenn das Schweigen durch die bisherigen Gepflogenheiten der Parteien in diesem Sinn geprägt ist (SZ 68/90; 9 ObA 235/00z RdW 2001, 556). Ausnahmen vom erwähnten Grundsatz kann ferner der Gesetzgeber anordnen, zB § 5 VersVG. Eine Verletzung der Antwortpflicht nach § 1003 führt hingegen nur zur Haftung für den Vertrauensschaden. Die schärfere Regelung des § 362 aF HGB, wonach bei Nichtantwort durch einen Geschäftsbesorgungskaufmann der Vertrag zustandekam, wurde durch das UGB beseitigt (Näheres bei Schauer/RK UGB § 362 Rz 2). Gemäß Abs 2 sind für die Beurteilung des Erklärungswertes (wie für 9 die Interpretation nach § 914) auch Verkehrssitten maßgeblich (zu diesen § 914 Rz 3 und 7). So muss ein Kfz-Händler Kaufinteressenten über die fehlende Kaskoversicherung des Vorführwagens oder des während Reparatur überlassenen Ersatzwagens aufklären; andernfalls wird konkludent vereinbart, dass der Kunde für leicht fahrlässige, typische Beschädigungen des Fahrzeugs nicht haftet, 1 Ob 35/03h SZ 2003/30; 2 Ob 289/03v RdW 2005, 13, krit Rubin, ZVR 2006, 114. IV. Sonderfälle Mit der Privatautonomie nicht vereinbar und daher unwirksam ist die 10 einseitige Erklärungsfiktion, bei welcher ein Teil die rechtsgeschäftliche Bedeutung einer Handlung oder Unterlassung des anderen festlegen will (zB „werde eine Nichtbeantwortung meines Offerts als Annahme werten“), doch kann bei solchen Sachverhalten in weiterer Folge ein § 863 entsprechender Konkludenztatbestand entstehen (Iro, JBl 1982, 316; RdW 2004, 270: Scheckeinlösung als Vergleichsannahme). Zulässig ist hingegen die mit dem präsumtiv Erklärenden selbst vereinbarte Erklärungsfiktion. Bei Verbrauchergeschäften setzt § 6 Abs 1 Z 2 KSchG solchen Abreden Grenzen. Normierte Willenserklärungen sind gesetzlich typisierte Verhal- 11 tensweisen, denen ein bestimmter Erklärungswert beigelegt wird, zB die stillschweigende Erneuerung von Bestandverträgen nach § 1114. Hier müssen die Voraussetzungen eines Rechtsgeschäfts, zB Geschäftsfähigkeit, gegeben sein (3 Ob 308/01t JBl 2003, 182) und schließt Bollenberger
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ein Widerspruch den Erklärungswert aus (1 Ob 412/97p SZ 71/87). Bei sog fingierten Willenserklärungen geht es hingegen schlicht um Rechtsfolgen, die an einen gesetzlichen Tatbestand ohne Rücksicht auf den Willen geknüpft werden, zB § 377 UGB (s Rummel/R Rz 27). 12 § 863 gilt auch im Arbeitsrecht (RdW 2004, 114). Unter Berücksich-
tigung der abhängigen Stellung des Arbeitnehmers ist bei der Annahme von für ihn nachteiligen schlüssigen Erklärungen jedoch besondere Vorsicht geboten (8 Ob 307, 308/95 SZ 68/218). Bei der konkludenten Begründung von Arbeitsverhältnissen wird, sofern es nicht um Familienmitglieder geht, ein großzügiger Maßstab angelegt (9 ObA 25/01v RdW 2001, 754). Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltslose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit der Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung wird, wenn sie einen Verpflichtungswillen für die Zukunft eindeutig zum Ausdruck bringt, durch schlüssige Zustimmung des Arbeitnehmers zum Inhalt des Arbeitsvertrages (9 ObA 40/00y JBl 2001, 192; 9 ObA 176/02a ecolex 2003, 353 Majoros; 8 ObA 170/02m RdW 2004, 110 Kreil). 13 Die Lehre vom faktischen Vertrag bejaht in bestimmten Lebensbe-
reichen (Energieversorgung, öffentlicher Verkehr) Vertragsabschlüsse auch ohne darauf gerichtete (konkludente) Willenserklärungen durch bloße Inanspruchnahme von Leistungen und deren Gewährung; nach dem Satz „protestatio facto contraria non valet“ soll sogar eine ausdrückliche gegenteilige Erklärung das Rechtsgeschäft nicht hindern. Diese Auffassung wird von der hA in Österreich mit Recht abgelehnt, weil § 863 Willenserklärungen ohne Willen des Erklärenden und ohne Vertrauen des Empfängers nicht kennt (F. Bydlinski, Privatautonomie 94 ff). Soferne nicht ohnedies ein konkludenter Vertragsabschluss vorliegt (JBl 1953, 210; EvBl 1959/109: Beförderungsvertrag durch Einsteigen in die Straßenbahn; krit Stefula, ÖJZ 2002, 830 ff), können die einschlägigen Fälle, etwa die Benützung eines Parkplatzes unter Protest gegen eine Entgeltpflicht, mit Delikts- und Bereicherungsrecht befriedigend gelöst werden, insb da bei bewusster Inanspruchnahme fremder Güter eine Pflicht zur Leistung eines angemessenen Entgelts gemäß § 1041 ohne Rücksicht auf einen konkreten Nutzen besteht (s § 1041 Rz 16; ferner 9 ObA 61/94 ecolex 1994, 635: tatsächlicher Urlaubsverbrauch ohne Urlaubsvereinbarung; Stefula, ÖJZ 2002, 839). § 864. (1) Ist eine ausdrückliche Erklärung der Annahme nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten, 796
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so kommt der Vertrag zustande, wenn dem Antrag innerhalb der hierfür bestimmten oder den Umständen angemessenen Frist tatsächlich entsprochen worden ist. (2) Das Behalten, Verwenden oder Verbrauchen einer Sache, die dem Empfänger ohne seine Veranlassung übersandt worden ist, gilt nicht als Annahme eines Antrags. Der Empfänger ist nicht verpflichtet, die Sache zu verwahren oder zurückzuleiten, er darf sich ihrer auch entledigen. Muß ihm jedoch nach den Umständen auffallen, daß die Sache irrtümlich an ihn gelangt ist, so hat er in angemessener Frist dies dem Absender mitzuteilen oder die Sache an den Absender zurückzuleiten. [idF BGBl I 1997/6] Lit: P. Bydlinski, Zum Vertragsabschluß durch „stille Annahme“ (§ 864 ABGB), JBl 1983, 169; Saria, Rechtsfragen des neuen § 864 Abs 2 ABGB, RdW 1997, 647.
Neben dem Vertragsabschluss durch Zugang einer (ausdrücklichen 1 oder konkludenten) Willenserklärung beim Offerenten (§§ 862 f) sieht Abs 1 eine „stille Annahme“ mittels nicht empfangsbedürftiger Willensbetätigung vor (§ 859 Rz 9). Die Annahmehandlung braucht daher nicht gegenüber dem Offerenten gesetzt zu werden (zB Absendung, nicht erst Einlangen der Ware: JBl 1969, 337 F. Bydlinski). § 864 bezweckt die Vereinfachung und Beschleunigung des Vertragsabschlusses (8 Ob 7/93 SZ 68/21); zudem wird beim Versandhandel, wenn dem Anbot des Käufers keine Annahmeerklärung des Verkäufers folgt, sondern dieser bloß die Ware absendet, der den Abschluss voraussetzende Gefahrenübergang nach § 429 ermöglicht (P. Bydlinski, JBl 1983, 171). Objektiv setzt stille Annahme voraus, dass eine Annahmeerklärung 2 nach der Natur des Geschäftes (zB Kauf vom Automaten) oder nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist (JBl 1984, 487; gegenteilige Verkehrssitte besteht wegen der Mitteilungspflicht gemäß § 35 WTBO bei Wirtschaftstreuhändern, SZ 68/21) oder, nach heute hA, der Offerent darauf verzichtete (P. Bydlinski, JBl 1983, 187; Kerschner, DRdA 1996, 303). Ferner muss der Oblat dem Offert innerhalb der Annahmefrist in nach außen erkennbarer Weise (nicht aber gegenüber dem Offerenten) tatsächlich entsprechen. Häufig geht es um Erbringung der eigenen Leistung (Erfüllungshandlungen: JBl 1969, 337) oder Aneignungs- und Gebrauchshandlungen in Bezug auf die Gegenleistung, doch sind auch andere Fälle denkbar (SZ 54/181: Entnahme des Parkscheins aus Automaten; 4 Ob 73/97g ÖBA 1997, 730 Koziol: Scheckeinlösung durch Belastung des Kontos des Ausstellers). Bollenberger
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§ 864
Hat der Offerent eine Annahmeerklärung verlangt, kommt Abschluss nach § 864 nicht in Betracht (SZ 55/134). 3 Subjektives Element. Da es nicht um eine Erklärung an den Offe-
renten und den Schutz dessen Vertrauens geht (§ 863 Rz 1 und 3), setzt § 864 einen wirklichen Annahmewillen voraus (Iro, JBl 1982, 316; P. Bydlinski, JBl 1983, 173 ff; 8 Ob 131/03b RdW 2004, 270, wo der Vertragsabschluss richtig nach § 863 bejaht wird; s auch JBl 1986, 784 Wilhelm: der Wille muss den Bedingungen des Offerts entsprechen). Folgerichtig bleibt die (zunächst gewollte) Annahme widerrufbar, bis auf Seite des Offerenten ein schutzwürdiges Vertrauen entsteht oder die Aneignungshandlung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Danach wäre nur mehr eine Anfechtung unter den Voraussetzungen der §§ 870 ff möglich (im Einzelnen P. Bydlinski, JBl 1983, 176 ff). Bsp: Wenn nach Realoffert des Verkäufers (vgl Rz 4) der Käufer bei seiner Bank die Überweisung des Preises beauftragt, kommt der Vertrag schon hiedurch nach § 864 zustande; der Käufer kann jedoch (sofern er die Sache nicht etwa schon verbraucht hat) widerrufen, bis gegenüber dem Verkäufer durch Gutschrift auf dessen Konto ein Erklärungstatbestand eintritt. 4 Abs 2 soll in Entsprechung der RL 97/7/EG, ABl 1997 L 144 S 19 (Fernabsatz-RL) den verpönten Vertrieb durch Realoffert, dh die Zusendung der angebotenen Ware, möglichst unattraktiv machen (s auch die Strafbestimmung in § 32 Abs 1 Z 5 KSchG). Veranlassung der Übersendung bedeutet adäquate Verursachung, etwa durch schriftliche oder telefonische Bestellung, und soll auch bei Mehrlieferung noch gegeben sein (Erl 311 BlgNR 20. GP 12). Dass das Behalten etc der ohne Veranlassung übersandten Ware nicht als Annahme gelten soll, hat nur klarstellende Funktion (Erl aaO): Es kommt auf den tatsächlichen Willen des Oblaten an (Rz 3). Ist dieser auf Annahme gerichtet, kommt auch beim unerbetenen Realoffert der Vertrag schon nach Abs 1 zustande (P. Bydlinski, AT Rz 6/19). 5 Abs 2 S 2. Dass der Empfänger die Sache nicht verwahren oder zurücksenden muss, entspricht allgemeinen Regeln; nicht aber auch das Recht, sich der Sache zu entledigen, dh sie wegzuwerfen oder zu vernichten, da fremdes Eigentum sonst zu respektieren wäre. Die hA schließt sogar entgegen den Materialien (Erl 311 BlgNR 20. GP 14) Bereicherungsansprüche bei zweckentsprechender Verwendung der Sache aus (Saria, RdW 1997, 651; Apathy/Riedler/S Rz 9; Rummel/R Rz 12). Diese Lösung ist mE bei klarem subjektivem Vorteil des Empfängers zwar rechtlich problematisch, nimmt aber wohl nur das sonst ohnedies wegen des Beweisnotstands des Offerenten (der Empfänger wendet „Entledigung“ ein) faktisch eintretende Ergebnis vorweg. 798
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§ 864a
Abs 2 S 3. Bei erkennbar irrtümlicher Zusendung geht es nicht um 6 eine unerwünschte Vertriebsform. Hier wird dem Empfänger eine Benachrichtigungs- und Rücksendungspflicht auferlegt, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht. Ersatz der Rücksendungskosten richtet sich nach §§ 1035 ff. § 864a. Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, werden nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. [BGBl 1979/140] Lit: F. Bydlinski, Zur Einordnung der allgemeinen Geschäftsbedingungen im Vertragsrecht, FS Kastner (1972) 45; Fenyves, Das Verhältnis von Auslegung, Geltungskontrolle und Inhaltskontrolle von AVB als methodisches und praktisches Problem, FS F. Bydlinski (2002) 121; M. Gruber, Umfang der Bürgenhaftung: Erstreckungsklausel und Globalbürgschaft, ÖBA 2002, 885; Iro, Die AGB im Verkehr zwischen Banken, insbesondere mit ausländischen Banken, ÖBA 1996, 441; Mayrhofer, Überlegungen zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, JBl 1993, 94 und 174.
I. Zu AGB und deren Vereinbarung im Allgemeinen Unter AGB oder Vertragsformblättern versteht man von einem Ver- 1 tragspartner zwecks Rationalisierung massenhafter Vertragsabschlüsse und idR auch zur leichteren Durchsetzung von für ihn vorteilhaften Klauseln vorformulierte Vertragsbestimmungen (5 Ob 49/93 wobl 1993, 225; s auch 1 Ob 144/04i JBl 2006, 103 M. Leitner: Ausschreibungsunterlagen; dazu Rummel, JBl 2006, 268). Da der Gegner die AGB häufig nicht überblickt und er jedenfalls wegen seiner schwächeren Stellung eine Änderung der Bedingungen kaum durchsetzen könnte, ist seine Willensfreiheit verdünnt. Dem trägt das Gesetz in mehrfacher Hinsicht Rechnung. Zu prüfen ist zunächst, ob die AGB als Ganzes wirksam in den Vertrag einbezogen wurden (s die folgenden Rz). Wenn dies der Fall ist, sieht § 864a noch eine Geltungskontrolle für einzelne Klauseln vor (Rz 9). Zur Inhaltskontrolle s bei § 879 Abs 3 und § 6 KSchG. Zur Auslegung von AGB s § 915 Rz 4. Zum Schadenersatz wegen Vereinbarung gesetzwidriger Klauseln s 1 Ob 68/05i ÖBA 2006, 445 Rummel; 6 Ob 172/05w ÖBA 2006, 595; M. Leitner, ÖJZ 2005, 321. Bollenberger
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2 Soweit AGB nicht durch Gesetz oder Verordnung in Kraft gesetzt
werden (zB § 9 PostG 1997; §§ 2, 6 EBG und dazu Muzak, ZVR 1997, 219 und 364; krit Lehofer, ZVR 1997, 363), gelten sie nur bei Einbeziehung in den Vertrag durch Willenserklärung (zB 9 Ob 2169/96b JBl 1997, 387: Einlagerungsbedingungen; zum UN-Kaufrecht 7 Ob 275/03x SZ 2003/175), wobei aber Individualvereinbarungen über einzelne Vertragspunkte vorgehen (SZ 50/106; 1 Ob 150/01t SZ 74/114). Mangels einer ausdrücklichen Abrede setzt die Vereinbarung der AGB zumindest einen deutlichen Hinweis auf die AGB durch den Verwender (Verweis in Auftragsbestätigung auf umseitig abgedruckte Bedingungen: 7 Ob 2407/96p RdW 1997, 391; zweifelhaft jedoch bei bloßer Erwähnung auf Unterschriftsprobenblatt der Bank: SZ 60/75) und eine Unterwerfung durch den Kunden voraus (idR konkludent durch vorbehaltlosen Abschluss, vgl F. Bydlinski, FS Kastner 50 ff; P. Bydlinski, AT Rz 6/8; 2 Ob 338/97p RdW 1998, 406). An die schlüssige Vereinbarung ist ein strenger Maßstab anzulegen (1 Ob 278/98h RdW 2000, 142; 6 Ob 73/01f RdW 2002, 149); sind Verhandlungs- und Vertragssprache unterschiedlich, bedarf es eines schriftlichen Hinweises in der Verhandlungssprache, s 1 Ob 30/04z ÖBA 2004, 957 Iro; 10 Ob 17/04d ÖBA 2006, 53. Da andernfalls eine Zustimmung zu den AGB nicht unterstellt werden kann, ist auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB durch den Kunden erforderlich, nicht aber deren Aushändigung oder tatsächliche Kenntnis (1 Ob 1/00d SZ 73/158; 2 Ob 43/03t ecolex 2003, 670; 7 Ob 93/06m ÖBA 2006, 930; einschränkend jedoch Rummel/R Rz 2a; M. Leitner, RdW 2003, 126). Der Verwender darf den Kunden vom Lesen der AGB freilich nicht abhalten (vgl 1 Ob 604/94 RdW 1995, 259). Zur Übermittlung aller Vertragsbedingungen in Papierform oder auf Datenträger verpflichtet allerdings § 7 FernFinG (dazu Iro, BVR I 2 Rz 1/372); s auch § 5b Abs 2 Z 2 VersVG und dazu Grassl-Palten, RdW 2000, 72. Öffentlich-rechtliche Publikationspflichten für AGB sehen zB § 73 GewO und § 35 BWG vor. Zum E-Commerce s Rz 7. 3 Hinweise auf AGB nach Vertragsabschluss (zB auf Rechnungen oder
Lieferscheinen) sind unbeachtlich (JBl 1986, 248; 5 Ob 18/97a NZ 1998, 136; RdW 2000, 142; 2 Ob 86/03s ecolex 2003, 671), sofern nicht ausnahmsweise, zB wegen einer langjährigen Übung der Vertragspartner, Schweigen als Zustimmung gewertet werden kann (HS 10.572; 1 Ob 547/94 RZ 1995, 236; RdW 2002, 149). S auch § 863 Rz 8 und zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben § 861 Rz 9. 4 Die in Rz 2 f ausgeführten Grundsätze für die Einbeziehung von AGB
gelten nach neuerer Rspr auch für allgemeine Versicherungsbedingungen: Der OGH rückt von der früheren Auffassung ab, wonach 800
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der widerspruchslose Abschluss schon deshalb als Einverständnis zu den AVB zu werten sei, weil es allgemein bekannt sei, dass Versicherer nur auf Grundlage von AVB kontrahieren (7 Ob 31/03i RdW 2003, 503; s auch § 5b Abs 2 VersVG; zum Anbot des Versicherers gegenüber einem Makler s aber 7 Ob 315/03d RdW 2004, 538). Deshalb sollte auch die ähnlich großzügige Judikatur für andere Branchen wie Banken und Transport (Nachweise bei Rummel/R Rz 2a; s auch RdW 2002, 149) nicht mehr unbesehen fortgesetzt werden (richtig ÖBA 2004, 957 Iro). Abzulehnen ist die Meinung, der Inhalt von AGB könnte zur Gänze als Handelsbrauch kraft ergänzender Auslegung Vertragsinhalt werden (RdW 1989, 126 krit Iro; wohl auch 7 Ob 13/01i RdW 2001, 592, wenngleich in concreto wegen Bestehens eines Handelsbrauchs bloß in Österreich abgelehnt), doch können einzelne, mit einer Verkehrssitte übereinstimmende Klauseln relevant sein (s näher F. Bydlinski, FS Kastner 52 ff); zum Fall „selbstverständlicher“ Verwendung von AGB unter Kaufleuten s Iro, ÖBA 1996, 442. Ebenso werden ÖNORMEN, wenn nicht schon Gesetz oder V sie 5 für verbindlich erklären (§ 5 NormenG 1971), nur kraft Vereinbarung zum Vertragsinhalt (3 Ob 564/94 SZ 68/35; 6 Ob 566/95 ecolex 1995, 891; RdW 2000, 142). Zur Auslegung von ÖNORMEN s § 914 Rz 4. Eine nachträgliche Änderung der einmal vereinbarten AGB erfor- 6 dert, sofern gesetzlich nicht anderes vorgesehen ist (4 Ob 50/00g SZ 73/46 zu § 18 Abs 2 TKG; s nun § 25 TKG 2003), die Zustimmung des Vertragspartners. Bei Vorwegzustimmung muss klar sein, bei welchen Bestimmungen mit Änderungen zu rechnen ist (8 Ob 504/89 SZ 63/51; 1 Ob 289/99b RdW 2000, 722). Zu vereinbarten Zustimmungsfiktionen und Verständigungspflichten s 3 Ob 238/05d ÖBA 2006, 286 Iro (Sparbuchbedingungen). Beim elektronischen Geschäftsverkehr muss der Diensteanbieter die 7 AGB dem Nutzer so zur Verfügung stellen, dass dieser sie speichern und wiedergeben kann (§ 11 ECG). Dies gilt aber nicht, wenn eine Website nur der Werbung und nicht dem Vertragsabschluss dient (4 Ob 80/03y RdW 2003, 636; dazu Zankl, ecolex 2003, 669). Kreuzende AGB. Verweisen beide Parteien auf die eigenen AGB, die 8 (wie regelmäßig) einander widersprechen, besteht Dissens (§ 869). Führen die Parteien den Vertrag dann dennoch durch, lässt dies den Willen erkennen, dass der Dissens über Nebenbestimmungen das Zustandekommen des Vertrages in den übereinstimmenden Punkten nicht hindern soll; nur soweit die AGB beider Teile unterschiedliche Rechtsfolgen anordnen oder die AGB eines Teils Regeln enthalten, die Bollenberger
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vom dispositiven Recht abweichen, liegt Teilunwirksamkeit vor (Willvonseder, RdW 1986, 69; Iro, ÖBA 1996, 444 f; 6 Ob 306/02x JBl 2003, 856; 3 Ob 66/03g RdW 2004, 466, s aber auch RdW 2002, 149: Eigentumsvorbehalt). II. Geltungskontrolle einzelner Klauseln nach § 864a 9 Die Geltungskontrolle einzelner, ungewöhnlicher und nachteiliger
AGB-Klauseln gemäß § 864a geht der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 vor (ÖBA 2006, 930) und betrifft, anders als diese, auch Hauptpflichten (1 Ob 520/91 SZ 64/31; 7 Ob 278/01k ÖBA 2002, 725 Popp). Verstößt eine Klausel gegen § 864a und erfolgte kein besonderer Hinweis, gilt der Vertrag ohne sie (7 Ob 267/02v ÖBA 2003, 694 Kalss). Das findet seine Rechtfertigung darin, dass der Verwender der AGB nicht auf eine Zustimmung des Gegners zu der ungewöhnlichen, nachteiligen Bestimmung vertrauen darf (vgl zum Unterschreiben einer ungelesenen Urkunde § 871 Rz 6). Erscheint eine Klausel nach dem Verfahrensstand als bedenklich, wird § 864a amtswegig auch ohne darauf gerichtete Einwendung geprüft (2 Ob 50/02w ÖBA 2003, 215; s aber SZ 61/235). Eine aufsichtsbehördliche Genehmigung schließt die Anwendung des § 864a nicht aus (3 Ob 246/98t SZ 72/81, s auch VwGH 2004/03/0066 wbl 2005, 242). 10 Objektiv ungewöhnlich iSd § 864a sind Klauseln, mit denen der Part-
ner nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte, die also von seinen berechtigten Erwartungen deutlich abweichen (6 Ob 55/02k RdW 2003, 311; ÖBA 2006, 930). Hierbei fällt erstens grundsätzlich die Üblichkeit einer Klausel bei einem Geschäftstyp ins Gewicht (vgl SZ 64/31; 8 Ob 591/90 EvBl 1992/109; wobl 1993, 225), doch kommt es auf den redlichen Verkehr an, weshalb selbst eine weite Verbreitung der Klausel in einer bestimmten Branche die Anwendung des § 864a nicht hindert (ÖBA 2003, 215: Anerkenntnis des Hauptschuldners soll auch für den Bürgen gelten). Neben dem Inhalt der Klausel ist zweitens ihre Stellung im Vertragsgefüge entscheidend (4 Ob 179/02f SZ 2002/153 zu Z 59 ABB-Banken). Die Klausel muss Überrumpelungseffekt haben (ÖBA 2003, 694 Kalss; 8 Ob 31/05z SZ 2005/66). Eine Klausel ist „versteckt“, wenn sie nicht dort eingeordnet ist, wo ein durchschnittlich sorgfältiger Leser nach den Umständen mit ihr rechnen muss, und er sie nicht dort findet, wo er sie vermuten könnte (1 Ob 277/98m RdW 1999, 196; 4 Ob 56/03v JBl 2003, 640 Staudegger; ÖBA 2006, 930). Erfasst werden alle für den Kunden in irgendeiner Weise nachteiligen Klauseln; eine grobe Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 setzt § 864a nicht voraus (vgl SZ 2002/153 zu Z 50 Abs 1 S 2 ABB-Banken). 802
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Erfordernisse eines gültigen Vertrages: 1. Fähigkeiten der Personen § 865. Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahre, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, sind – außer in den Fällen des § 151 Abs. 3 – unfähig, ein Versprechen zu machen oder es anzunehmen. Andere Minderjährige oder Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist, können zwar ein bloß zu ihrem Vorteil gemachtes Versprechen annehmen; wenn sie aber eine damit verknüpfte Last übernehmen oder selbst etwas versprechen, hängt – außer in den Fällen des § 151 Abs. 3 und des § 280 Abs. 2 – die Gültigkeit des Vertrages nach den in dem dritten und vierten Hauptstück des ersten Teiles gegebenen Vorschriften in der Regel von der Einwilligung des Vertreters oder zugleich des Gerichtes ab. Bis diese Einwilligung erfolgt, kann der andere Teil nicht zurücktreten, aber eine angemessene Frist zur Erklärung verlangen. [idF BGBl I 2000/135] Lit: Dullinger, Die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, ÖJZ 1987, 33; dies, Bankgeschäfte Minderjähriger, ÖBA 2005, 670 und 791; Fischer-Czermak, Zur Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, ÖJZ 2002, 293; dies, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004, 302; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen, ÖJZ 2004, 81 und 121; Iro, Verfügungen über Girokonten nicht voll Geschäftsfähiger, ÖBA 1986, 503.
Geschäftsfähigkeit bedeutet, sich durch eigenes rechtsgeschäftliches 1 Handeln berechtigen und verpflichten zu können. Unbeschränkt geschäftsfähig sind geistig gesunde Personen über 18 Jahre. Sonst liegt Geschäftsunfähigkeit (S 1) oder beschränkte Geschäftsfähigkeit (S 2) vor; für letztere kennt das Gesetz verschiedene Abstufungen. Da der Schutz des Minderjährigen oder Besachwalteten dem Vertrauensschutz im Verkehr vorgeht, hilft dem Gegner ein guter Glaube an die Geschäftsfähigkeit nicht (8 Ob 25/93 ÖBA 1994, 566; 5 Ob 1531/93 RZ 1994, 167; zum GmbH-Geschäftsführer s aber 1 Ob 137/00d SZ 73/186; Werkusch, ecolex 2001, 913). Zur Testierfähigkeit s §§ 566 ff. Geschäftsunfähig sind Kinder unter 7 Jahren und Geisteskranke 2 sowie Personen, denen nur vorübergehend der Vernunftgebrauch fehlt (SZ 39/4; SZ 58/192; RZ 1994, 167). Bei krankhaften Geistesgebrechen muss – solange kein Sachwalter bestellt ist – von Fall zu Fall beurteilt werden, ob ausreichende Einsichtsfähigkeit für das konkrete Geschäft bestand; insoweit kommt eine bloß partielle Geschäfts(un)fähigkeit in Betracht (3 Ob 601/89 SZ 63/35; 8 ObA 223/95 DRdA 1996, 224 Bollenberger
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krit Dullinger; 5 Ob 278/02x ecolex 2003, 749; Fischer-Czermak, NZ 2004, 305). Bloße Intelligenzschwäche schadet der Geschäftsfähigkeit nicht (SZ 31/48; HS XVI/XVII/2). 3 Geschäftsunfähige können die Geschäfte des täglichen Lebens gemäß
§ 151 Abs 3 (§ 280 Abs 2) schließen. Abgesehen davon liegt – auch bei bloß vorteilhaften Geschäften – absolute Nichtigkeit vor, die von Amts wegen wahrzunehmen ist (EvBl 1973/86; vgl auch SZ 63/35). Weder der gesetzliche Vertreter noch der Geschäftsunfähige nach Erwerb der Geschäftsfähigkeit können das Geschäft genehmigen (DRdA 1996, 224 Dullinger; 9 ObA 284/99a EvBl 2000/96; zu Prozesshandlungen s aber 5 Ob 512/92 SZ 65/138). Auf geringfügige Schenkungen sollte allerdings § 151 Abs 3 analog angewendet werden (K/W I 55). Erfasst die Nichtigkeit nur einen Teil eines Vertrages oder einen von zwei zusammenhängenden Verträgen, gilt § 878 S 2 (3 Ob 562/95 SZ 68/161). 4 Beschränkt geschäftsfähig sind Minderjährige, also Personen zwi-
schen 7 und 18 Jahren (§ 21), und (idR, s aber Rz 2) besachwaltete Personen (§ 280). Sie können nach S 2 bloß vorteilhafte Versprechen annehmen (dazu Rz 5); die Ablehnung von Schenkungsanboten bedarf hingegen der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (Dullinger, ÖJZ 1987, 33 f). Mündige Minderjährige (über 14 Jahre) haben daneben Geschäftsfähigkeit im Rahmen des § 151 Abs 2 und § 152; in diesem Bereich ist der gesetzliche Vertreter nicht vertretungsberechtigt (9 ObA 53/03i SZ 2003/117). Bei Besachwalteten hängt der Umfang der (verbleibenden) Geschäftsfähigkeit vom Kreis der Aufgaben des Sachwalters ab (s näher bei §§ 268, 280). Zum Empfang von Willenserklärungen s 1 Ob 529/90 JBl 1991, 113 Dullinger = RdW 1990, 441 Holeschofsky; DRdA 1996, 224 Dullinger; EvBl 2000/96. 5 Für bloße Vorteilhaftigkeit iSd S 2 reicht wirtschaftliche Günstigkeit
(billiger Kauf) nicht aus (näher Dullinger, ÖJZ 1987, 35 ff). Vielmehr ist entscheidend, dass der Minderjährige lediglich Rechte erwirbt und weder privat- noch öffentlich-rechtliche Pflichten eingeht: Die Rückgabepflicht bei unverzinslichem Darlehen oder die Haftung des minderjährigen Stifters für die Gründungskosten (6 Ob 332/98m wbl 1999, 327) schließen daher den Tatbestand des S 2 ebenso aus wie die Übernahme von Hypotheken oder der Grunderwerbsteuer bei Liegenschaftsschenkung. Nach hA stehen auch bloß wirtschaftliche Lasten der Vorteilhaftigkeit entgegen (SZ 54/20: Kosten der Fütterung des geschenkten Pferdes). Aus § 154 Abs 3 ist abzuleiten, dass sich § 865 S 2 auf den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb beschränkt (Dullinger, ÖJZ 1987, 35). 804
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Beinhaltet der vom beschränkt Geschäftsfähigen geschlossene Ver- 6 trag für ihn nicht bloß Vorteile und ist auch sonst kein Geschäftsfähigkeitstatbestand verwirklicht (§§ 151 f), ist das Geschäft nicht absolut, sondern schwebend unwirksam und daher für den Gegner bindend (SZ 31/52). Der gesetzliche Vertreter kann das Geschäft durch ausdrückliche oder konkludente Erklärung gegenüber dem Schutzbefohlenen oder dem Gegner (4 Ob 525/94 SZ 67/86; 8 ObA 68/04i SZ 2004/108) genehmigen (§ 151 Abs 1; § 280 Abs 1), womit es zwischen den Vertragspartnern rückwirkend voll wirksam wird (zur Rückwirkung gegenüber Dritten s 5 Ob 57/02x SZ 2002/64); zusätzlich ist in bestimmten Fällen Genehmigung auch des anderen Elternteils und des Gerichts erforderlich (s § 154). Der Gegner kann für die Genehmigung eine angemessene Frist setzen, bei deren Ablauf er (ebenso wie bei vorheriger Versagung) an das Geschäft nicht mehr gebunden ist; ein Recht auf Erteilung der Genehmigung oder Parteistellung im gerichtlichen Genehmigungsverfahren kommen ihm nicht zu (SZ 31/156; 3 Ob 56/92 SZ 65/99). Zur Anfechtbarkeit und Sittenwidrigkeit der Genehmigung s Rummel/R Rz 10; zur Ersetzung der Genehmigung durch das Gericht s § 176 Rz 3. Zu medizinischen Behandlungen s §§ 146c f, zu Abstammungssachen § 138b. Wenn die Bindung des Gegners nicht bereits erloschen ist, kann der 7 (vormals) Minderjährige nach Erlangung der Geschäftsfähigkeit das Geschäft selbst genehmigen (1 Ob 31/98k ÖBA 1998, 722), allerdings seit dem KindRÄG 2001 nur durch schriftliche Erklärung (§ 154 Abs 4); ob Vorteilszuwendung reicht, ist str (s § 154 Rz 16). Da die Geschäftsunfähigkeit eine anspruchshindernde Tatsache ist, 8 liegt die Beweislast grundsätzlich beim geschäftsunfähigen Anspruchsgegner; ergibt sich jedoch dessen Minderjährigkeit bei Vertragsabschluss bereits aus der Klage, hat der Kläger das Vorliegen einer Ausnahme (§ 151 Abs 2 und 3, § 152, § 865 S 2) zu behaupten und zu beweisen (2 Ob 2390/96a JBl 1997, 450; s auch zum lucidum intervallum 1 Ob 238/99b; 6 Ob 280/01x EF 96.943). Bei Täuschung über die Geschäftsfähigkeit hafteten Minderjährige 9 nach früherem § 866 für den Vertrauensschaden erst ab 18 Jahren (dazu Koziol, HPR I3 Rz 5/10 ff). Aufgrund der Aufhebung dieser Schutzvorschrift durch das KindRÄG 2001 müsste nun gemäß § 153 schon ab 14 Jahren eine Haftung nach Grundsätzen der culpa in contrahendo (§ 1294 Rz 5) bestehen, doch ist nach dem Zweck der Normen über die Geschäftsunfähigkeit idR im vorvertraglichen Bereich ein Verschulden zu verneinen und Haftung nur nach § 1310 anzunehmen (K/W I 65; s auch Kerschner, FamR Rz 2/71a; Fischer-Czermak, ÖJZ 2002, 301 f; aM P. Bydlinski, AT Rz 2/39). Bollenberger
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§ 867 § 866. [aufgehoben, BGBl I 2000/135] 1 S dazu § 865 Rz 9.
§ 867. Was zur Gültigkeit eines Vertrages mit einer unter der besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinde (§ 27), oder ihren einzelnen Gliedern und Stellvertretern erfordert werde, ist aus der Verfassung derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen (§ 290). Lit: Eccher/Purtscheller, Zur Gültigkeit privatrechtlicher Verträge juristischer Personen des öffentlichen Rechts (§ 867 ABGB), JBl 1977, 561; Hartmann, Der Bund als Vertragspartner bei Dienstverträgen, RdW 2000, 96; Thunhart, Rechtsgeschäftliche Vertretungsregeln im Gemeinderecht (2000); ders, Eigenmächtige Vertragsabschlüsse des Bürgermeisters und die Notwendigkeit von Vertrauensschutz im Gemeinderecht, JBl 2001, 69; Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht (1981); ders, Die Vertretung von Gemeinden in der Sicht der Rechtsprechung, NZ 2001, 149.
1 Im rechtsgeschäftlichen Verkehr eines Hoheitsträgers gelten einer-
seits, so wie für jedes andere Rechtssubjekt, die Bestimmungen des Privatrechts (SZ 55/126: Gemeinde). Andererseits sind auch die besonderen Vorschriften des jeweiligen Organisationsrechts zu beachten. Der Verweis des § 867 auf die öffentlich-rechtlichen Vorschriften betrifft nicht nur Gemeinden, sondern alle juristischen Personen öffentlichen Rechts (Rummel/R Rz 1; zu Kirchen s Rz 7). Das öffentliche Organisationsrecht enthält allerdings häufig keine ausdrücklichen Aussagen darüber, ob Verletzungen seiner Anordnungen zur Vertragsunwirksamkeit führen. Daher stellen sich in diesem Bereich zahlreiche, zT strittige Auslegungsfragen. Im Folgenden können hiezu nur die wichtigsten Judikaturlinien angesprochen werden. 2 Jedenfalls nichtig ist das Rechtsgeschäft dann, wenn es überhaupt
nicht in den Aufgabenbereich der juristischen Person öffentlichen Rechts fällt (8 ObA 214/98y SZ 72/114) oder diese auf dem betreffenden Gebiet nicht privatrechtlich handeln darf (10 Ob 519/94 SZ 69/25; 2 Ob 511/95 RdW 1995, 216; 10 Ob 530/94 JBl 1997, 582); zur ultra-vires-Lehre s § 26 Rz 12. Sonst hat die Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften nach richtiger Ansicht nicht jedenfalls die Ungültigkeit des Vertrages zur Folge (SZ 72/114), doch ist der Vertrag zB bei Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigung einer Oberbehörde (schwebend) unwirksam (1 Ob 13/93 SZ 66/98). Der Vertragspartner muss die für die Willensbildung der juristischen Person geltenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen auch dann 806
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 867
gegen sich gelten lassen, wenn er sie nicht kannte (1 Ob 137/03h JBl 2004, 243). Die Abwägung des Interesses des gutgläubigen Vertragspartners an der Vertragsgültigkeit und der juristischen Person an der Einhaltung der Organisationsregeln spricht idR gegen einen Vertrauensschutz (SZ 72/114). Auch die in Organisationsvorschriften der juristischen Person öffent- 3 lichen Rechts enthaltenen Beschränkungen der Vertretungsmacht der zur Vertretung berufenen Organe sind im Außenverhältnis wirksam (JBl 2004, 243; von der Lehre wird diese Judikatur mit Recht kritisiert, s Thunhart, JBl 2001, 75 ff mwN). Eine solche Beschränkung ist zB das Erfordernis eines Gemeinderatsbeschlusses für Erklärungen des Bürgermeisters (3 Ob 509/95 JBl 1995, 522; 4 Ob 26/01d RdW 2001, 528; zu nicht kundgemachten Beschränkungen s aber Apathy/Riedler/S Rz 4). Der Vertrag kann jedoch, wenn den zuständigen Organen ein auf die Vertretungsmacht des Handelnden deutender äußerer Tatbestand zurechenbar ist, nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht wirksam zustande kommen (6 Ob 2328/96p ecolex 1997, 494 Wilhelm; RdW 2001, 528; 6 Ob 316/00i ecolex 2001, 530 Wilhelm; s auch § 1029 Rz 6 ff). Abgesehen davon kommen gegen den Hoheitsträger Ansprüche aus culpa in contrahendo auf den Vertrauensschaden in Betracht (JBl 1995, 522). Neben organschaftlichen Vertretern (2 Ob 235/05f EvBl 2006/38: 4 Bundesministeriums-Sektionsleiter) können auch sonstige Personen die juristische Person öffentlichen Rechts vertreten, die von den satzungsmäßig berufenen Organen dazu rechtsgeschäftlich bevollmächtigt wurden (JBl 2004, 243: Kulturberater des Landeshauptmanns). Hoheitsträger können auch konkludente Erklärungen abgeben, 5 wenn das zur Geschäftserklärung berufene Organ ein § 863 entsprechendes Verhalten setzt und der durch Gesetz oder andere bekannt gemachte Vorschriften festgelegte Umfang der Vertretungsmacht nicht überschritten wird (SZ 72/114; 9 ObA 332/99k RdW 2001, 45). Die Rechtsfolge der Verletzung gesetzlicher Formgebote ist den ein- 6 schlägigen Vorschriften entweder unmittelbar oder nach deren Zweck zu entnehmen (Nichtigkeit: SZ 61/241; Wirksamkeit: SZ 55/168; JBl 1989, 307). Die Verwendung einer bestimmten Fertigungsklausel ist idR nicht Gültigkeitsvoraussetzung, sondern nur im Innenverhältnis zu beachtende Ordnungsvorschrift (JBl 2004, 243). Unter die Gemeinden iSd § 867 fallen auch kirchliche juristische Per- 7 sonen; daher richten sich die Erfordernisse eines gültigen Vertrages Bollenberger
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§ 869
hier nach innerkirchlichem Recht (4 Ob 46/99i immolex 1999, 298 mwN). Insb ist bei der katholischen Kirche die in Art XIII § 2 Konkordat 1933/34 vorgesehene Zustimmung der Kirchenbehörden oder Ordensoberen zur Veräußerung oder Belastung von Kirchenvermögen Gültigkeitsvoraussetzung (4 Ob 6/02i SZ 2002/145: Werkvertrag und Anerkenntnis der Werklohnforderung im Namen einer Pfarre). Intabulationspflichtige Geschäfte erfordern eine Bestätigung des Ordinariats (SZ 53/85). § 868. [aufgehoben, RGBl 1867/131] 2. Wahre Einwilligung § 869. Die Einwilligung in einen Vertrag muß frei, ernstlich, bestimmt und verständlich erklärt werden. Ist die Erklärung unverständlich, ganz unbestimmt, oder erfolgt die Annahme unter andern Bestimmungen, als unter welchen das Versprechen geschehen ist; so entsteht kein Vertrag. Wer sich, um einen andern zu bevorteilen, undeutlicher Ausdrücke bedient, oder eine Scheinhandlung unternimmt, leistet Genugtuung. Lit: Rummel, Von durchschauten Irrtümern, falschen Bezeichnungen und aufzuklärenden Mißverständnissen, JBl 1988, 1; ders, Probleme des Dissenses beim Vertragsschluß, RZ 1996, 2; Welser, Konsens, Dissens und Erklärungsirrtum, JBl 1974, 79; Zemen, Zum Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ im Vertragsrecht, JBl 1986, 756.
1 Im Anschluss an §§ 861–862a, die das (äußere) Vertragsabschlussver-
fahren durch Angebot und Annahme regeln, präzisiert § 869 die Erfordernisse der vertraglichen Einigung und einseitiger Erklärungen (§ 876). Für Eheschließung und letztwillige Verfügungen gelten Sondervorschriften (zu allem Gschnitzer/K IV/1, 94 ff). 2 Einigung liegt jedenfalls dann vor, wenn beide Teile tatsächlich einen
übereinstimmenden Geschäftswillen haben (natürlicher Konsens). Fehlt es daran, decken sich jedoch die objektiven Bedeutungen der Erklärungen und hat ein Teil hierauf vertraut, besteht iSd der Vertrauenstheorie normativer Konsens (Zemen, JBl 1986, 756 ff). Jener Teil, dessen wahrer Wille vom objektiven Erklärungswert abwich, kann sich nur durch Anfechtung unter den Voraussetzungen der §§ 870 ff wieder von der Vertragsbindung befreien (7 Ob 270/98a SZ 72/60; zum Erklärungsirrtum § 871 Rz 5). Haben freilich beide Teile keinen Vertrag gewollt, kommt ein solcher nicht zustande (s § 863 Rz 3; ferner § 916). 808
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 869
Normativer oder natürlicher Konsens bewirken nur dann einen (endgültig) wirksamen Vertragsschluss, wenn die Erklärungen auch frei, ernstlich, bestimmt und verständlich sind. Dazu in den folgenden Rz. Die Einigung ist frei, wenn keine Willensmängel iSd §§ 870 ff beste- 3 hen. Solche Mängel hindern nicht das Zustandekommen des Vertrages, sondern können nur zur Anfechtbarkeit führen (s § 871 Rz 19). Ernstlich ist eine Erklärung, wenn sie aus Sicht des redlichen Erklä- 4 rungsempfängers auf die Herbeiführung von (notfalls mit Zwang durchsetzbaren) Rechtsfolgen gerichtet ist (4 Ob 507/95 ÖBA 1995, 808); freilich brauchen nicht alle vom Gesetz an das Geschäft geknüpften Folgen umfasst sein: „gemäßigte Rechtsfolgentheorie“ (F. Bydlinski, Privatautonomie 7; SZ 59/60). Der Rechtsfolgewille fehlt zB bei bloßen Gefälligkeitszusagen (EvBl 1977/68; zum widerrufbaren Prekarium s 2 Ob 19/97a JBl 1999, 244), Scherzerklärungen, Erklärungen auf einer Bühne oder bei übertriebenen Werbesprüchen (F. Bydlinski, Privatautonomie 166; § 9b KSchG Rz 2); nach älteren E auch bei für den Gegner erkennbarer, leichterer, die Geschäftsfähigkeit nicht ausschließender Alkoholisierung (SZ 39/4; krit Rummel/R Rz 4). Weiß der Erklärende, dass er objektiv eine Erklärung abgibt, die nicht 5 seinem Willen entspricht (Mentalreservation), wird der Gegner in seinem Vertrauen geschützt: Der Vertrag ist gültig (so dass Erfüllungs-, nicht etwa nur Schadenersatzansprüche nach S 3 bestehen), und zwar wegen des absichtlichen Handelns des Erklärenden sogar bei Fahrlässigkeit des Partners. Strittig ist die Bindung des Erklärenden lediglich in dem Fall, dass der Partner den geheimen Vorbehalt nicht nur erkennen konnte, sondern sogar positiv durchschaut: Aus dem Vertrauensprinzip folgte dann die Unwirksamkeit der Erklärung (so das Ergebnis der hA: SZ 56/11; Apathy/Riedler/S Rz 5). Ein Teil der Lehre begründet jedoch eine Bindung aus dem Grundsatz der Vertragstreue (F. Bydlinski, Privatautonomie 113; nur bei Arglist Rummel/R Rz 4). Eine Erklärung ist bestimmt, wenn sie die wesentlichen, vom Erklä- 6 renden angestrebten Rechtsfolgen und die gesetzlichen Mindestanforderungen des betreffenden Geschäftstyps (essentialia negotii) enthält (SZ 45/102; ZAS 1987, 92 Dullinger; 4 Ob 56/03v JBl 2003, 640 Staudegger). Es genügt (eindeutige) Bestimmbarkeit (SZ 8/14; 1 Ob 243/97k EvBl 1998/144; 7 Ob 146/03a JBl 2004, 248 Apathy; 2 Ob 270/03z SZ 2003/152). Fehlt es daran, besteht Dissens wegen Unvollständigkeit. Zu Wertsicherungsvereinbarungen s §§ 988–989 Rz 5. Bollenberger
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§ 870
7 Verständlich ist die Erklärung, wenn sie für den redlichen Empfän-
ger, auch unter Berücksichtigung seines Sonderwissens, einen sinnvollen Rechtsfolgewillen erkennen lässt (Rummel/R Rz 7). Kann die Mehrdeutigkeit einer Erklärung nicht durch Auslegung behoben werden und wird die Erklärung von den Parteien auch tatsächlich unterschiedlich verstanden (andernfalls liegt natürlicher Konsens vor), besteht Dissens (5 Ob 511, 512/96 RdW 1996, 521). Die Abgrenzung des § 869 vom Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG besteht darin, dass dieses nicht bloß auf objektive Verständlichkeit, sondern als „Feinraster“ auf Durchschaubarkeit für den Durchschnittsverbraucher abstellt, s Korinek, JBl 1999, 158 f; M. Leitner, RdW 2003, 125; vgl 4 Ob 88/05b ecolex 2006, 27 M. Leitner; 7 Ob 78/06f JBl 2007, 181. S auch § 915 Rz 4 und § 6 KSchG Rz 31 ff. 8 Dissens liegt ferner dann vor, wenn weder der Wille noch die Willens-
erklärungen der Kontrahenten übereinstimmen, also die Annahme nicht mit dem Offert korrespondiert, zB auch weil sie dessen gegenüber einem Gehilfen des Oblaten erklärten mündlichen Zusatz nicht umfasst (s aber zur drittfinanzierten Vermögensanlage 4 Ob 586/95 ÖBA 1996, 379 Apathy). Ist die fehlende Willensübereinstimmung beiden Parteien bewusst, handelt es sich um offenen, sonst versteckten Dissens (SZ 72/60). Bei Dissens über einen Hauptpunkt kommt kein Vertrag zustande (SZ 49/142: Wertsicherung beim Kauf). Im Fall eines versteckten Dissenses über einen Nebenpunkt tritt hingegen bei entsprechendem hypothetischen Parteiwillen Teilnichtigkeit analog § 878 S 2 ein; die Lücke ist durch dispositives Recht und ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (RdW 1996, 521). Zum offenen Dissens s § 861 Rz 6; zu kreuzenden AGB s § 864a Rz 8. 9 Für vorsätzliche Schädigung durch Scheinhandlung oder undeutliche
Ausdrücke ordnet S 3 als Fall der culpa in contrahendo (§ 1294 Rz 5) eine Schadenersatzpflicht an. Dies ist jedoch nur relevant, wenn Dissens vorliegt und der Erklärende daher nicht ohnedies vertraglich gebunden wird (zur Mentalreservation s Rz 5). Ob in Dissensfällen auch eine Haftung für Fahrlässigkeit besteht, ist strittig (JBl 1986, 177 Wilhelm; Rummel/R Rz 11). § 870. Wer von dem anderen Teile durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht [(§ 55)] zu einem Vertrage veranlaßt worden, ist ihn zu halten nicht verbunden. [idF III. TN] Lit: F. Bydlinski, Über listiges Schweigen beim Vertragsschluß, JBl 1980, 393; Migsch, Arglistige Täuschung beim Vertragsschluß, ÖJZ 1973, 617.
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§ 870
I. Listige Irreführung List ist rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung: Der Täuschende 1 kennt den Irrtum des Gegners und dessen Einfluss auf die Willensbildung, wobei Motivirrtum ausreicht (JBl 1990, 175; 1 Ob 617/95 ÖBA 1996, 382; 2 Ob 112/00k ÖBA 2002, 322 Iro); es genügt dolus eventualis, nicht aber grobe Fahrlässigkeit (3 Ob 563/95 JBl 1996, 174; 10 Ob 74/05p ÖBA 2006, 210). Schädigungsvorsatz (§ 146 StGB) oder ein Schadenseintritt beim Getäuschten sind nicht erforderlich (SZ 41/33; 3 Ob 577/92 ecolex 1993, 452: Teppichverkauf unter vorgeblichem Listenpreis). Tatbestandsmäßig sind nicht nur aktive Vorspiegelung falscher Tatsachen (ÖBA 2002, 322 Iro) und Verhinderung der Kenntnisnahme des wahren Sachverhalts (K/W I 166; JBl 1982, 86; 1 Ob 64/04z), sondern auch Unterlassungen, wenn ein Umstand bewusst verschwiegen und hiedurch eine Aufklärungspflicht verletzt wird (SZ 53/108; SZ 55/51; 7 Ob 625/91 JBl 1992, 450; 1 Ob 183/00v SZ 73/160). Ob eine „Pflicht zum Reden“ bestand, ist bei Fehlen ausdrücklicher Bestimmungen nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs zu beurteilen (zB 3 Ob 520/94, 3 Ob 559/95 SZ 68/152; JBl 1996, 174; F. Bydlinski, JBl 1980, 393). Kriterien hiefür sind insb Aufklärungsbedarf und Möglichkeit der Information (Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten beim Vertragsschluss, 1989). Bei Umsatzgeschäften hat zwar jeder Partner die Vorteilhaftigkeit selbst zu prüfen, doch bestehen Aufklärungspflichten über Eigenschaften des Kaufobjektes (SZ 73/160). Der durch List hervorgerufene Irrtum muss, ebenso wie einfacher 2 Irrtum (§ 871 Rz 3), für den Geschäftsabschluss kausal gewesen sein (JBl 1990, 175; 6 Ob 281/00t EvBl 2001/78: Abschluss durch Stellvertreter; ÖBA 2002, 322 Iro), dh dass er spätestens im Abschlusszeitpunkt vorlag (zum Gattungskauf s 9 Ob 247/02t SZ 2003/70, aber auch SZ 49/56; JBl 1984, 432 Reidinger) und ohne ihn das Geschäft nicht oder anders geschlossen worden wäre; hierbei kommt es primär auf den hypothetischen Parteiwillen, sekundär auf eine objektive Würdigung des Sachverhalts an (§ 871 Rz 18; ÖBA 2002, 322 Iro). Ohne weiteres berechtigt nur die Täuschung durch den Vertragspart- 3 ner oder dessen Vertragsgehilfen (§ 875 Rz 2) zur Anfechtung. Bei Täuschung durch Dritte gilt hingegen § 875. Beweispflichtig für das Vorliegen von List und deren Kausalität ist der Getäuschte (JBl 1996, 174; ÖBA 1996, 382). II. Drohung „Ungerechte und gegründete Furcht“ meint rechtswidrigen Zwang. Da 4 bei vis absoluta gar keine Erklärung vorliegt (K/W I 167), verbleiben für Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
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§ 870 Fälle der Drohung. Auch diese muss vom Vertragspartner oder seinem Vertragsgehilfen ausgehen (§ 875 Rz 2); für Drohung Dritter gilt § 875. Bei bloßem Ausnutzen einer allgemeinen Zwangslage ist hingegen § 879 einschlägig (JBl 1961, 417: Verfügungen der Besatzungsmacht). 5 Rechtswidrig ist die Drohung, wenn ein unerlaubtes Mittel eingesetzt
oder ein unerlaubter Zweck verfolgt wird (JBl 1966, 364); ferner wenn der Einsatz des (an sich erlaubten) Mittels zur Erreichung des (an sich erlaubten) Erfolges zu missbilligen ist (Mittel-Zweck-Relation), insb weil der Drohende keinen Anspruch auf diesen Erfolg hatte (9 ObA 74/90 wbl 1990, 241; 7 Ob 165/03w SZ 2003/90). Nicht rechtswidrig handelt hingegen, wer lediglich ein zur Erreichung des angestrebten Erfolges vorgesehenes Mittel, zB eine Klage (JBl 1968, 148), eine Strafanzeige (JBl 1968, 429; s aber 8 ObA 329/94 RdW 1995, 271) oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (EvBl 1984/48; zur unbegründeten Entlassung s aber 9 ObA 205/99h RdW 2000, 303) androht (Apathy/Riedler/S Rz 12). 6 Ob die durch Drohung herbeigeführte Furcht „gegründet“ ist, wird
entsprechend dem früheren § 55 nach „Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr“ und der „Leibes- und Gemütsbeschaffenheit“ des Bedrohten, also nach einem subjektiven Maßstab, beurteilt (JBl 1981, 30; 1 Ob 118/00k Miet 52.080). Das Übel kann in Verletzung jedweden materiellen oder ideellen Interesses bestehen (SZ 34/10: gesellschaftliches Ansehen und Seelenruhe) und auch einen dem Vertragspartner nahestehenden Dritten betreffen (EvBl 1969/320; vgl auch § 74 Abs 1 Z 5 StGB). III. Rechtsfolgen und Verzicht 7 Der Getäuschte oder Bedrohte hat ein Anfechtungsrecht, das jenem nach § 871 entspricht (s § 871 Rz 19 ff); auch Teilanfechtung kommt in Betracht (Rummel/R Rz 7). Analog § 872 steht dem Getäuschten bei unwesentlichem Irrtum ein Anpassungsrecht zu (SZ 53/108; 1 Ob 27/97w SZ 70/96); wegen besonderer Schutzunwürdigkeit darf der Betrüger dagegen nur aus wesentlichen Gründen einwenden, dass er den Vertrag anders nicht geschlossen hätte (SZ 59/126; 6 Ob 600/90 SZ 64/32; SZ 70/96). Umgekehrt hat der Getäuschte auch bei bloß unwesentlichem Irrtum in Fällen einer Vertrauenserschütterung ein Anfechtungsrecht (Iro, JBl 1974, 234 f). Die Aussage, dass bei List zwischen wesentlichem und unwesentlichem Irrtum nicht unterschieden werde (ÖBA 2002, 322 Iro), geht insofern zu weit. Zum Sonderfall des erkannten Erklärungsirrtums s § 871 Rz 15. 8 Die Anfechtung muss, wie jene nach § 871 (§ 871 Rz 19), durch Klage
oder Einrede geltend gemacht werden (SZ 52/22; JBl 1982, 36; SZ 812
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§ 871
58/43; 1 Ob 64/04z). Gemäß § 1487 verjährt die Anfechtung wegen List in 30 Jahren ab Vertragsabschluss (wbl 1987, 345), jene wegen Drohung in 3 Jahren ab Wegfall der Zwangslage (JBl 1958, 510 Gschnitzer; SZ 54/56). § 870 ist (auch für einen Unternehmer, für Verbraucher s § 6 Abs 1 9 Z 14 KSchG) im Vorhinein unverzichtbar (SZ 59/46 und 126). Zur Klaglosstellung s SZ 70/96. § 871. (1) War ein Teil über den Inhalt der von ihm abgegebenen oder dem anderen zugegangenen Erklärung in einem Irrtum befangen, der die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und erklärt wurde, so entsteht für ihn keine Verbindlichkeit, falls der Irrtum durch den anderen veranlaßt war, oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen mußte oder noch rechtzeitig aufgeklärt wurde. (2) Ein Irrtum eines Teiles über einen Umstand, über den ihn der andere nach geltenden Rechtsvorschriften aufzuklären gehabt hätte, gilt immer als Irrtum über den Inhalt des Vertrages und nicht bloß als solcher über den Bewegungsgrund oder den Endzweck (§ 901). [idF BGBl 1979/140] Lit: F. Bydlinski, Das österreichische Irrtumsrecht als Ergebnis und Gegenstand beweglichen Systemdenkens, FS H. Stoll (2001) 113; Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung (1972); Kerschner, Irrtumsanfechtung, insbesondere beim unentgeltlichen Geschäft (1984); Kietaibl, Arbeitsvertragliche Folgen bei Verkennung der Arbeitnehmereigenschaft durch die Vertragsparteien, JBl 2004, 626; Rummel, Anmerkungen zum gemeinsamen Irrtum und zur Geschäftsgrundlage, JBl 1981, 1; ders, Von durchschauten Irrtümern, falschen Bezeichnungen und aufzuklärenden Mißverständnissen, JBl 1988, 1; Schlemmer, Erkannter Irrtum und irrtümliche Erkenntnis, JBl 1986, 149; Stefula/Thunhart, Der Motivirrtum beim Rechtsgeschäft unter Lebenden – zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 572 ABGB, NZ 2002, 193; Thunhart, Die Beachtlichkeit des Irrtums als Interessenabwägung, ÖJZ 2000, 447. I. II. III. IV. V. VI.
Übersicht Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Irrtum, Kausalität und Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Erklärungsirrtum, Geschäftsirrtum ieS und Motivirrtum . . . . . . . . 5 Weitere Anfechtungsvoraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit des Irrtums . . . . . . . . . . . . . . . 18 Geltendmachung und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Bollenberger
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§ 871 I. Allgemeines
1 Das Vertrauensprinzip (§ 863 Rz 1) spielt auf zwei Stufen eine Rolle:
Erstens ist es gemäß §§ 863, 914 für die Frage relevant, ob überhaupt ein Rechtsgeschäft zustande kommt und welchen Inhalt es hat. Hat jemand eine Willenserklärung abgegeben, sie jedoch gar nicht oder doch nicht so gewollt, dann entscheidet zweitens wiederum die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Gegners darüber, ob die Erklärung endgültig bestehen bleibt oder anfechtbar ist. Hiefür sind mehrere Kriterien maßgeblich, die in einem beweglichen System (§ 6 Rz 9) zusammenspielen (F. Bydlinski, FS H. Stoll 113; K/W I 147 f): Der Vertrag ist gemäß § 871 anfechtbar, wenn der Gegner des Irrenden die Fehlvorstellung veranlasst hat, sie ihm erkennbar war oder wenn er noch keine Dispositionen im Vertrauen auf die Erklärung getroffen hat. Dies gilt allerdings bei entgeltlichen Verträgen nur für Irrtümer, die den Geschäftsinhalt selbst betreffen, also Erklärungs- und Geschäftsirrtümer (Rz 5 ff). Motivirrtümer, dh Fehlvorstellungen über Umstände, die außerhalb des Geschäftes liegen und daher allein zum Risikobereich des Irrenden gehören, sind hingegen nur dann beachtlich, wenn der Gegner wegen Arglist besonders schutzunwürdig ist (§ 870) oder wenn er keine Gegenleistung erbringt (§ 901 S 3 iVm § 572). Zur Frage, ob es bei der Anfechtung unentgeltlicher Verträge auf die Voraussetzungen des § 871 ankommt, s § 901 Rz 5. II. Irrtum, Kausalität und Verschulden 2 Irrtum ist sowohl die falsche (positive) als auch die mangelnde (nega-
tive) relevante Vorstellung von der Wirklichkeit. In beiden Fällen ist die Verfolgung der eigenen Interessen mangels zureichender Information erschwert oder verhindert (F. Bydlinski, ÖBA 1996, 501). Bei Vertragsabschluss durch Stellvertreter kommt es auf dessen Willensmangel an (6 Ob 281/00t EvBl 2001/78; 5 Ob 99/02y RdW 2003, 310). 3 Der Irrtum ist nur beachtlich, wenn er für den Vertrag kausal war,
also bei Kenntnis der wahren Umstände der Vertrag gar nicht oder anders geschlossen worden wäre. Der Willensmangel muss daher bei Abgabe der Erklärung vorliegen (SZ 47/148). Beweispflichtig für die Kausalität ist der Irrende, sofern nicht schon die Lebenserfahrung iS eines Beweises des ersten Anscheins für die Relevanz des Irrtums spricht (vgl SZ 53/108: Wohnungsgröße; zur Unterlassung gebotener Aufklärung s 3 Ob 13/04i ÖBA 2005, 55 Kletecˇ ka; 7 Ob 220/04k ÖBA 2006, 60 B. Steininger). Die Reichweite der Kausalität des Irrtums entscheidet über dessen Wesentlich- oder Unwesentlichkeit (Rz 18). 814
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Dass der Irrtum vom Irrenden verschuldet war, hindert die Anfech- 4 tung nicht (8 ObA 34/05s JBl 2006, 331), doch kommt eine Haftung des Irrenden aus culpa in contrahendo in Betracht (5 Ob 4/03d JBl 2003, 577; dazu Vonkilch, JBl 2004, 759; s auch Koziol, FS Schmidlin, 1998, 291). Bei überwiegendem Verschulden des Irrenden tendieren Teile der Rspr zur Verneinung der Anfechtungsmöglichkeit wegen Offenbar-Auffallen-Müssens des Irrtums (JBl 1988, 783; 6 Ob 2103/96z; offen lassend zuletzt 1 Ob 32/98g RdW 1999, 16). ME geht ein Ausschluss der Anfechtung jedoch zu weit, zumal eine Haftung des Irrenden auf den Vertrauensschaden zum Schutz des Gegners auch hier ausreicht. Zudem lässt das Gesetz die Anfechtung bei (schuldloser) Irrtumsveranlassung durch den Gegner oder rechtzeitiger Aufklärung eindeutig ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Irrenden zu, womit die erwähnte Judikatur jedoch nicht vereinbar ist. III. Erklärungsirrtum, Geschäftsirrtum ieS und Motivirrtum Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende meint, etwas ande- 5 res auszudrücken als er tatsächlich erklärt, er also schon über die (objektive) Bedeutung der Erklärung irrt (JBl 1988, 783; 3 Ob 564/94 SZ 68/35), indem er sich zB verspricht, verschreibt, ein Übermittlungsfehler eintritt oder ihm überhaupt das Erklärungsbewusstsein fehlt (F. Bydlinski, Privatautonomie 176 ff; ders, FS H. Stoll 118 ff; K/W I 149). Davon zu unterscheiden ist die unbeachtliche falsa demonstratio (bloße Fehlbezeichnung bei richtiger Vorstellung in der Sache) und der natürliche Konsens nach dem übereinstimmenden wahren Willen beider Teile (§ 863 Rz 4; § 869 Rz 2; § 914 Rz 5). Durch Unterfertigung einer Urkunde, ohne sie zu lesen, wird diese 6 Erklärungsinhalt (3 Ob 237/97t ÖBA 1998, 54; 10 Ob 17/04d ÖBA 2006, 53). Erklärungsirrtum liegt nur vor, wenn der Unterschreibende eine klare, abweichende Vorstellung vom Inhalt hatte (2 Ob 112/00k ÖBA 2002, 322 Iro), zB sie enthalte das mündlich Abgemachte. Nahm er hingegen den fremdbestimmten Inhalt bewusst in Kauf, bleibt ihm die Anfechtung mangels Irrtums verwehrt, sofern die Urkunde nicht ungewöhnliche Klauseln enthält (1 Ob 551/94 SZ 67/136; 1 Ob 64/04z). Wenn der Urkundeninhalt jedoch so außergewöhnlich ist, dass ein Einverständnis damit nicht angenommen werden kann (und wenn dem Gegner erkennbar ist, dass die Urkunde nicht gelesen wurde: K/W I 149 f), liegt schon gar keine Erklärung vor, die angefochten werden müsste (1 Ob 29/01y ÖBA 2002, 654; 1 Ob 30/04z ÖBA 2004, 957 Iro: fehlende Beherrschung der Vertragssprache; 9 ObA 81/04h wbl 2005, 88: Zahlungspflicht in Übernahmeschein; s auch § 864a und Bollenberger
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zu dessen analoger Anwendung auf andere vorformulierte Erklärungen Rummel/R § 864a Rz 10). 7 Andere Fehlvorstellungen über Umstände, die Inhalt des Vertrages
sind, nennt man Geschäftsirrtum im engeren Sinn. Tatsachen, die für beide Kontrahenten wegen der Zugehörigkeit zum Vertrag relevant sind, fallen in die Risikosphäre beider Teile, weshalb der Gegner hier, wie beim Erklärungsirrtum, die Anfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 871 hinnehmen muss (F. Bydlinski, FS H. Stoll 117 ff). Der nach § 871 nicht anfechtungstaugliche Motivirrtum bezieht sich hingegen auf Umstände außerhalb des Vertrages (SZ 47/148; JBl 1989, 446), die bei entgeltlichen Geschäften Risikobereich jedes Teils selbst sind (§ 901 S 2), so dass nur List die Anfechtung rechtfertigt (§ 870; zu Vereinbarungen über Motive s aber § 901 Rz 1 f). Auch beim praktisch häufigen Irrtum über Eigenschaften des Vertragsgegenstandes hängt die Zuordnung zum Geschäfts- oder Motivirrtum davon ab, ob die Eigenschaft Vertragsinhalt war. Zu bejahen ist dies jedenfalls für solche Eigenschaften, die wertbildend, also für die Bestimmung der Höhe der Gegenleistung relevant waren (K/W I 152; SZ 54/88; zum Irrtum über den gemeinen Wert s hingegen Rz 10). Im Folgenden werden nur einige weitere Bsp gebracht: 8 Geschäftsirrtum ist zB Irrtum über die Konsensmäßigkeit des ge-
kauften Rohbaus (SZ 54/71); die Originalität eines Kunstwerkes (7 Ob 136/02d SZ 2002/144); die Größe oder Lage der Wohnung oder Liegenschaft (SZ 47/148; SZ 53/108); Ertragsfähigkeit und Kundenstock des Unternehmens bei entsprechenden Zusagen (SZ 54/88: Verpachtung; 1 Ob 157/02y RdW 2003, 253: Veräußerung); die Betriebskosten beim Timesharing (7 Ob 120/98t JBl 1999, 113); den Zustand eines Fahrzeugs (2 Ob 642/90 ecolex 1991, 318 Wilhelm). Beim Gattungskauf ist ein Irrtum über Eigenschaften der später zu leistenden Sache nicht denkbar, außer bei Fehlvorstellung über die gesamte Gattung (9 Ob 247/02t SZ 2003/70). Irrtum des Bürgen über die Bonität des Hauptschuldners soll nach 5 Ob 4/03d JBl 2003, 577 ohne weiteres Geschäftsirrtum sein; richtiger auf Verletzung einer Warnpflicht (§ 871 Abs 2) abstellend dagegen 10 Ob 524/94 ÖBA 1995, 909. 9 Der Motivirrtum (§ 901 Rz 3) betrifft nicht nur Beweggründe, son-
dern auch Eigenschaften der Sache, die nicht Vertragsinhalt wurden, sowie sonstige außervertragliche Umstände (Apathy/Riedler/S Rz 10). Dazu gehören zB der Irrtum über den Wert (Rz 10) und idR jener über Zukünftiges (Rz 12); bei der Kreditfinanzierung einer Vermögensanlage der Irrtum des Kreditnehmers/Anlegers über das Beteiligungsgeschäft (4 Ob 586/95 JBl 1996, 385: der Irrtum über die Pflicht 816
Bollenberger
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zur Kreditrückzahlung bei Insolvenz der Beteiligungsgesellschaft ist jedoch Geschäftsirrtum, wenn eine Sicherung durch Immobilien zugesagt und die Beteiligung verpfändet wurde). Bloß das Motiv betreffen auch Fehlvorstellungen der Bank über das Deckungsverhältnis bei der Gutschrift einer Überweisung am Empfängerkonto (Bollenberger, ÖBA 2004, 476 f). Da die Bewertung des Vertragsgegenstandes bei Austauschgeschäf- 10 ten, außer dem Fall des § 934, zum alleinigen Risiko der Parteien gehört, ist Irrtum über den (gemeinen) Wert (also über die Werteinschätzung durch andere Marktteilnehmer) Motivirrtum und berechtigt daher nur bei List nach § 870 zur Anfechtung (6 Ob 618/92 SZ 66/25; 1 Ob 157/02y RdW 2003, 253). Soferne, wie regelmäßig, keine Aufklärungspflicht über den Marktwert besteht, kommt Täuschung nur durch aktives Tun in Betracht (vgl 1 Ob 339/98d RdW 1999, 779 und § 870 Rz 1); aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls kann Aufklärung über den Wert geboten sein (6 Ob 146/97g ecolex 1998, 197 Wilhelm). Vom Irrtum über den Wert sind Fehlvorstellungen über wertbildende Eigenschaften der Sache zu unterscheiden, die als Geschäftsirrtümer zu qualifizieren sind, s Rz 7. „Kalkulationsirrtum“ ist schlichter, jedenfalls § 871 unterfallender 11 Erklärungsirrtum, wenn sich ein Teil in seiner Erklärung verschreibt, verspricht, verrechnet oder deren Bedeutung missversteht (K/W I 152; 3 Ob 564/94 SZ 68/35: „Schieben der Rohtrasse“). Bei anderen Fehlkalkulationen sind die Anfechtungsvoraussetzungen umstritten. Der OGH bejahte zuletzt die Anwendbarkeit des § 871, wenn die fehlerhafte Kalkulation offen gelegt wurde und auf beiden Seiten für den Vertragsabschluss ausschlaggebend war (ausführlich auch zum Meinungsstand 3 Ob 2043/96d JBl 1998, 178 Rummel; ferner 1 Ob 32/98g RdW 1999, 16; 9 Ob 41/04a SZ 2004/160; F. Bydlinski, FS H. Stoll 137 ff). Irrtum über Zukünftiges ist idR nur Motivirrtum, denn das Risiko 12 zukünftiger Entwicklungen ist eher dem Irrenden aufzubürden (SZ 59/17; 9 Ob 247/02t SZ 2003/70). Fehlvorstellungen über Gegenwärtiges, die § 871 unterfallen, sind aber nicht nur Irrtümer über bei Vertragsabschluss gegenwärtige Tatsachen, sondern auch über aktuelle Erfahrungssätze (F. Bydlinski, ÖBA 1996, 502 f mit FN 22). Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage s § 901 Rz 6. Unter Abs 2 fallen zwar nur gesetzlich normierte Aufklärungs- 13 pflichten, doch bleiben die aus allgemeinen Grundsätzen abgeleiteten Aufklärungspflichten (§ 870 Rz 1) unberührt (SZ 55/51). Regelmäßig ist auch bei deren Verletzung Anfechtbarkeit gegeben (K/W I 151 f; Bollenberger
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10 Ob 524/94 ÖBA 1995, 909; 1 Ob 183/00v SZ 73/160), wenn der Irrtum kausal war (8 Ob 502/93 SZ 66/41). IV. Weitere Anfechtungsvoraussetzungen 14 Unter Veranlassung wird adäquate Verursachung verstanden (1 Ob
551/94 SZ 67/136); Verschulden des Gegners des Irrenden ist nicht vorausgesetzt (SZ 55/2). Ganz offensichtlich unrichtige Angaben, deren Überprüfung dem Irrenden leicht möglich gewesen wäre, sollen allerdings nicht ausreichen (wbl 1988, 341; 1 Ob 617/95 ÖBA 1996, 382; 5 Ob 4/03d JBl 2003, 577). In Betracht kommt auch Irrtumsveranlassung durch Unterlassen, insb der gebotenen, verkehrsüblichen Aufklärung (SZ 58/69; 9 ObA 31/95 RdW 1995, 478; 7 Ob 568/95 RdW 1996, 162; 4 Ob 83/06v Zak 2006, 373). 15 Offenbar-Auffallen-Müssen ist gegeben, wenn der Irrtum für den
Gegner bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar war oder er wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen (zB der Ausschreibende durch Vergleich verschiedener Anbote: 3 Ob 564/94 SZ 68/35), wobei leichte Fahrlässigkeit genügt (3 Ob 2043/96d JBl 1998, 178 Rummel); s auch Rz 4. Umso mehr besteht ein Anfechtungsrecht, wenn der Gegner den Irrtum sogar erkannt hat (vgl 8 ObA 34/05s JBl 2006, 331). Bei Erklärungsirrtümern ist, wenn der Gegner nicht nur erkannt hat, dass der Erklärende irrt (zB dass der in der Urkunde genannte Kaufpreis von 100 auf einem Tippfehler beruht), sondern auch, was dieser positiv tatsächlich will (Kaufpreis von 1.000), zu unterscheiden: Wenn ohnedies auch der Gegner dasselbe wollte (1.000), kommt nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ ein natürlicher Konsens entsprechend diesem Willen zustande (vgl § 863 Rz 4). War der Wille des Gegners hingegen auf die objektive Erklärungsbedeutung gerichtet (nur 100), wird er nach hA, wenn er eine neutrale Annahmeerklärung abgibt („einverstanden“), im Wege eines normativen Konsenses an den – von ihm erkannten – wahren Willen des Erklärenden (also wiederum Kauf um 1.000) gebunden (Schlemmer, JBl 1986, 153 f; Zemen, JBl 1986, 763 f; Rummel, JBl 1981, 3; Rummel/R § 870 Rz 5). 16 Rechtzeitige Aufklärung (res integra) liegt nur so lange vor, als der
Gegner noch nicht im Vertrauen auf die Erklärung rechtliche oder wirtschaftliche Dispositionen getroffen oder unterlassen hat (SZ 47/148; 2 Ob 196/03t ÖBA 2004, 474 Bollenberger). Redintegration bedeutet demgegenüber, dass der Irrende noch anfechten kann, wenn er dem Gegner – verschuldensunabhängig – den durch bereits erfolgte Dispositionen entstandenen Vertrauensschaden ersetzt (vgl § 122 BGB). Die Meinung, dass Redintegration stets zulässig sei (Ehrenzweig, System I/1, 234), hat sich nicht durchgesetzt (SZ 60/99). 818
Bollenberger
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Zutreffend befürwortet F. Bydlinski (Privatautonomie 180 ff; FS H. Stoll 134 ff; ebenso K/W I 157) die Redintegration in Fällen grober Äquivalenzstörung (für unentgeltliche Geschäfte s 1 Ob 551/94 SZ 67/136). Gemeinsamer (Geschäfts-)Irrtum wird von der Rspr als vierter (un- 17 geschriebener) Anfechtungsgrund anerkannt (zB SZ 53/108; SZ 56/96; 1 Ob 34/98a RdW 1998, 664; 1 Ob 23/04w ecolex 2004, 606; offen lassend aber SZ 60/288). Da jedoch die eigene Fehlvorstellung des Gegners nicht dessen Schutzunwürdigkeit begründet, lehnt dies die überwiegende Lehre ab und verweist auf die Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage (Rummel/R Rz 18; P. Bydlinski, AT Rz 8/20). Bei grober Äquivalenzstörung bietet die Redintegration (Rz 16) eine angemessene Lösung (F. Bydlinski, FS H. Stoll 133 ff; K/W I 158). Zur Geschäftsgrundlage s § 901 Rz 6. V. Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit des Irrtums Für die Wesentlichkeit des Irrtums kommt es, gegen den Wortlaut des 18 § 871, nicht gerade auf die „Hauptsache“, sondern, wie § 873 zu entnehmen ist, auf den Parteiwillen im Abschlusszeitpunkt (7 Ob 653/92 EvBl 1993/77) und damit eine Präzisierung der Kausalitätsfrage (Rz 3) an: Wesentlich ist der Irrtum, wenn der Erklärende ohne ihn das Geschäft gar nicht abgeschlossen hätte; unwesentlich, wenn der Vertrag mit anderem Inhalt (insb anderem Entgelt) eingegangen worden wäre (SZ 48/112; 1 Ob 617/95 ÖBA 1996, 382). Diese Prüfung erfolgt zunächst nach dem tatsächlichen, dann dem hypothetischen Willen der konkreten Parteien; erst wenn dieser nicht feststellbar ist anhand der Frage, was normale Parteien redlicherweise unternommen hätten (SZ 53/108; ÖBA 1996, 382; 9 Ob 247/02t SZ 2003/70; 4 Ob 83/06v Zak 2006, 373). Bei wesentlichem Irrtum besteht Anfechtungs-, bei unwesentlichem Anpassungsrecht, wobei der Irrende zwischen diesen Behelfen grundsätzlich keine Wahlmöglichkeit hat (Koziol, JBl 1967, 64; SZ 45/38; SZ 48/112); s näher bei § 872. VI. Geltendmachung und Rechtsfolgen Ein Irrtum hat, entgegen dem Gesetzeswortlaut („entsteht ... keine 19 Verbindlichkeit“), nicht ex lege die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge, sondern es bleibt dem Irrenden überlassen, den Vertrag anzufechten (SZ 54/7; 10 Ob 524/94 ÖBA 1995, 909). Wenn die Parteien den Vertrag nicht einvernehmlich aufheben (SZ 56/96), muss der Irrtum nach hM gerichtlich, durch Klage oder Einrede, geltend gemacht werden (1 Ob 64/04z; 3 Ob 7/95 JBl 1996, 578; 3 Ob 131/02i EvBl 2003/51: Anfechtung ist kein tauglicher Oppositionsklagegrund; krit Bollenberger
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Rummel/R Rz 19; B. A. Koch, ecolex 2000, 863). Die Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 870–872 trägt der Anfechtende; Sache des Gegners des Irrenden wäre es aber zu beweisen, dass dieser den Vertrag auch bei gehöriger Aufklärung abgeschlossen hätte (8 Ob 502/93 SZ 66/41). 20 Durch die erfolgreiche Anfechtung wird der Vertrag rückwirkend
aufgehoben (1 Ob 64/04z) und der Titel für die Eigentumsübertragung beseitigt, so dass der Veräußerer sein Eigentum nicht verloren hat (sog sachenrechtliche ex-tunc-Wirkung: JBl 1981, 425; HS XIV/ XV/28; 8 Ob 221/01k ÖBA 2003, 217; zur Aussonderung im Konkurs s HS XIV/XV/15; 7 Ob 131/01t); dies gilt nicht nur bei Vertragsaufhebung durch Urteil, sondern auch bei Gerichtsvergleich (1 Ob 353/97m JBl 1999, 110). Mit der angefochtenen Bürgschaftsverpflichtung entfällt auch die Zahlungspflicht aus dem Kredit, den der Gläubiger dem Bürgen zur Tilgung der Bürgschaftsschuld einräumte (5 Ob 4/03d JBl 2003, 577). Einschränkungen der Rückwirkung werden bei Dauerrechtsverhältnissen gemacht (s JBl 1990, 321; 6 Ob 81/99a Miet 51.079; K/W I 159). Zur fehlerhaften Gesellschaft s 4 Ob 233/00v SZ 73/163; zum Arbeitsvertrag s § 1151 Rz 22. 21 Irrtumsanfechtung konkurriert mit Gewährleistung (SZ 54/88 be-
treffend § 1096; SZ 49/56; 3 Ob 520/94, 3 Ob 559/95 SZ 68/152; 9 Ob 247/02t SZ 2003/70 zum Kauf); zur Anfechtung durch den Verkäufer im Fall erheblicher Preisminderung s Bollenberger, RdW 2002, 713. Ein Verzicht auf die Gewährleistung bedeutet nicht immer einen Ausschluss auch der Irrtumsanfechtung (SZ 41/33; s § 929 Rz 5). 22 Auf die Irrtumsanfechtung kann im Vorhinein (außer durch Ver-
braucher: § 6 Abs 2 Z 14 KSchG) verzichtet werden (SZ 41/33; 7 Ob 272/97v RdW 1998, 453; differenzierend Krejci/R § 879 Rz 85; 4 Ob 324/00a SZ 74/19; 1 Ob 144/04i JBl 2006, 103 M. Leitner: wenn der Irrtum nicht grob fahrlässig veranlasst wurde). Nachträglicher Verzicht kommt auch konkludent durch Gebrauch oder Veräußerung der Sache in Betracht (Rummel/R Rz 25; Apathy/Riedler/S Rz 34); zur Unterlassung der Mängelrüge unter Unternehmern s § 377 Abs 2 UGB. Der Gegner des Irrenden kann die Anfechtung durch Klaglosstellung abwehren, indem er das Rechtsgeschäft so gelten lässt, wie es der Irrende abzuschließen vermeinte, oder wenn die nachteilige Wirkung des Irrtums auf andere Weise beseitigt wird (SZ 61/53; 1 Ob 27/97w SZ 70/96); zum Eigenschaftsirrtum § 932 Rz 24. 23 Das Recht zur Anfechtung von Verträgen (und einseitiger Erklä-
rungen: 10 Ob 504/94 SZ 67/73) wegen Irrtums verjährt gemäß § 1487 in 3 Jahren ab Vertragsabschluss (3 Ob 563/95 JBl 1996, 174), auch 820
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wenn der Irrtum erst später aufgeklärt wurde (3 Ob 2199/96w SZ 71/94; 1 Ob 34/98a RdW 1998, 664). S auch § 1487 Rz 3. § 872. Betrifft aber der Irrtum weder die Hauptsache, noch eine wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern einen Nebenumstand; so bleibt der Vertrag, insofern beide Teile in den Hauptgegenstand gewilligt, und den Nebenumstand nicht als vorzügliche Absicht erklärt haben, noch immer gültig; allein dem Irregeführten ist von dem Urheber des Irrtumes die angemessene Vergütung zu leisten. Lit: Iro, Versuch eines harmonischen Verständnisses der Bestimmungen über Willensmängel bei Verkehrsgeschäften, JBl 1974, 225; Koziol, Zur Anwendbarkeit des § 872 bei wesentlichem Irrtum, JBl 1967, 64; Wilhelm, Von widersprüchlichen Werkverträgen, falschen Regeln der Technik, Behebung unbehebbarer Mängel und Sowiesokosten, FS Ostheim (1990) 225.
§ 872 wird heute im systematischen Zusammenhang mit §§ 871, 873 1 korrigierend interpretiert: Bei der Rechtsfolge bedeutet „angemessene Vergütung“ nicht Schadenersatz, sondern Anpassung des Vertragsinhaltes (3 Ob 564/94 SZ 68/35; näher Rz 3); daneben kommt Haftung für Vertrauensschaden aus culpa in contrahendo in Betracht (s § 874 und § 1294 Rz 5). Voraussetzung der Anpassung ist Unwesentlichkeit des Irrtums, die allerdings nicht notwendig vom „Nebenumstand“, sondern iSd § 873 vom Parteiwillen abhängt (Rz 2). Da auch das Anpassungsrecht einen Eingriff in die Vertrauenslage des Gegners bedeutet, muss weiters ein Geschäftsirrtum iwS (§ 871 Rz 5 ff) vorliegen (in Fällen des § 870 genügt freilich Motivirrtum) und eine der Alternativen des § 871 (zB Irrtumsveranlassung, Auffallenmüssen: 8 Ob 521/93 JBl 1994, 179; SZ 68/35) verwirklicht sein; nach zutreffender Ansicht reicht auch rechtzeitige Aufklärung (Iro, JBl 1974, 227 ff). Unrichtig ist die Rspr, wonach § 872 beim Behandlungsvertrag mangels Erfolgsverbindlichkeit des Arztes nicht auf das erwartete Behandlungsergebnis anwendbar sei (6 Ob 558/91 JBl 1992, 520 krit Apathy; ferner Apathy/Riedler/S Rz 4). Zur Unterscheidung von wesentlichem und unwesentlichem Irrtum 2 s zunächst § 871 Rz 18. Da auch die Privatautonomie des Gegners des Irrenden zu wahren ist und diesem kein ungewollter Vertrag aufgezwungen werden darf, setzt die Anpassung einen im Kontrahierungszeitpunkt übereinstimmenden (tatsächlichen oder hypothetischen) Willen voraus, den Vertrag mit anderem Inhalt zu schließen (SZ 53/108; SZ 54/88; 3 Ob 2043/96d JBl 1998, 178 Rummel). Der Gegner des Irrenden kann daher auf Vertragsaufhebung bestehen, wenn er zu den Bollenberger
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geänderten Bedingungen nicht abgeschlossen hätte, der Irrtum also für ihn wesentlich war (6 Ob 221/98p JBl 1999, 115; dazu Bollenberger, RdW 2002, 713). Umgekehrt kann der Irrende seinen wesentlichen Irrtum als unwesentlich behandeln und Anpassung begehren, wenn auf Seite des Gegners Unwesentlichkeit vorlag (Koziol, JBl 1967, 68; SZ 45/38; SZ 49/91). Lässt sich der Wille der konkreten Parteien nicht feststellen, ist zu beurteilen, wie normale Parteien redlicherweise gehandelt hätten (7 Ob 653/92 EvBl 1993/77; 9 Ob 247/02t SZ 2003/70; 4 Ob 83/06v Zak 2006, 373), wofür auch die „Lebenserfahrung“ maßgeblich sein kann (SZ 53/108; 1 Ob 32/98g RdW 1999, 16: Preisbemessung nach Grundstücksgröße). Insb Verwaltern fremden Vermögens ist ein rechtmäßiger, die Interessen des Vertretenen wahrender hypothetischer Wille zu unterstellen (9 ObA 303, 304/93 SZ 67/31). 3 Die Anpassung kann auch essentialia negotii betreffen und dient der
Wiederherstellung der subjektiven Äquivalenz (SZ 53/108). Wenn es um die Höhe der Gegenleistung geht, erfolgt sie idR nach der relativen Berechnungsmethode (SZ 54/88; 6 Ob 600/90 SZ 64/32; 1 Ob 27/97w SZ 70/96; JBl 1999, 115; s § 932 Rz 21: der vereinbarte Preis verhält sich zum herabgesetzten Preis wie der Wert der Sache ohne Mangel, dh hier mit den irrtümlich angenommenen Eigenschaften, zum Wert mit Mangel; bei § 872 ist diese Methode freilich nur dann richtig, wenn sie dem hypothetischen Parteiwillen bzw dem Willen vernünftiger Parteien entspricht); beim Werkvertrag kommt ferner Festsetzung eines angemessenen Entgelts für die vom Irrtum betroffenen (Mehr-) Leistungen in Betracht (SZ 68/35: bei Ausschreibungsverfahren aber nur bis zur Höhe des zweitbesten Anbots). Fehlen einem vertragskonform hergestellten Werk gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften, kann ein solcher „widersprüchlicher Werkvertrag“, wenn der Unternehmer seine Warnpflicht verletzt hat (§ 1168a), aus § 872 um zusätzliche, für die Mängelfreiheit erforderliche Leistungen des Unternehmers gegen Ersatz der „Sowieso-Kosten“ erweitert werden (Wilhelm, FS Ostheim 233 ff; 1 Ob 628/91 JBl 1992, 784; 1 Ob 550/93 JBl 1994, 174 M. Gruber = ecolex 1993, 518 Wilhelm; 8 Ob 97/00y SZ 73/109; für „vertragsanpassende Verbesserung“ ohne Geltendmachung des Irrtums Apathy/Riedler/S Rz 5; s auch § 1168a Rz 9). Dem Irrtum über zu erwartende Umsätze beim Unternehmenskauf ist durch Anpassung des Preises anhand der Differenz zwischen tatsächlicher und realistischer Umsatzprognose Rechnung zu tragen (1 Ob 157/02y RdW 2003, 253). 4 Wie die Anfechtung (§ 871 Rz 19) ist die Anpassung gerichtlich gel-
tend zu machen. Die Beweislast für die Unwesentlichkeit – auf beiden 822
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Seiten – trägt grundsätzliche der Irrende, wobei aber Lebenserfahrung und Beweisnotstand betreffend Absicht des Gegners zu beachten sind (SZ 53/108; s ferner SZ 48/112). Auch das Anpassungsrecht verjährt gemäß § 1487 in 3 Jahren ab Vertragsabschluss (SZ 39/56). § 873. Eben diese Grundsätze sind auch auf den Irrtum in der Person desjenigen, welchem ein Versprechen gemacht worden ist, anzuwenden; insofern ohne den Irrtum der Vertrag entweder gar nicht, oder doch nicht auf solche Art errichtet worden wäre. Als Irrtum in der Person gilt jedenfalls der Irrtum über das Vorhandensein einer erforderlichen verwaltungsrechtlichen Befugnis zur Erbringung der Leistung. [idF BGBl 1979/140] Lit: Bollenberger, Irrtum über die Zahlungsunfähigkeit (1995); Dellinger, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall (1991).
Auch Fehlvorstellungen über Identität (JBl 1990, 519) oder Eigen- 1 schaften der Person des Vertragspartners sind, wie S 1 HS 1 klarstellt, nur als Geschäftsirrtum und unter den weiteren Voraussetzungen des § 871 beachtlich (JBl 1965, 318; 3 Ob 237/97t ÖBA 1998, 54). Es muss sich entweder um Eigenschaften handeln, die einen unmittelbaren Einfluss auf die Leistung des Vertragspartners haben, oder um Eigenschaften, die zwar den Wert seiner Leistung und das Vertrauen auf die Erfüllung nicht berühren, aber für die Willensentschließung des Irrenden ursächlich waren und vom Irrenden zu wesentlichen Eigenschaften erhoben wurden (Miet 19.059: Vorstrafe eines Mieters; SZ 49/13: Eignung für Ausbildungskurs; 4 Ob 81/99m ARD 5050/19/99; s ferner Erl 744 BlgNR 14. GP 45). Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft der aufgenommenen Arbeitnehmerin berechtigt regelmäßig nicht zur Anfechtung, da andernfalls das Verbot der Kündigung gemäß § 10 MuttSchG vereitelt würde (näher Spielbüchler/Grillberger, AR I 142). Fehlende Zahlungsfähigkeit halten Rummel/R Rz 1 und 6 Ob 2 306/02x JBl 2003, 856 irrtumsrechtlich für das Risiko des Kreditierenden. Allerdings ist nicht einzusehen, weshalb der Kreditnehmer vertrauensschutzwürdig ist: differenzierende Lösung, auch zur Aussonderung im Konkurs aufgrund der dinglichen Wirkung der Anfechtung, bei Bollenberger, Irrtum 7 ff, 102 ff; zur Zeichnung nachrangigen Kapitals s aber 8 Ob 296/01i SZ 2002/51. Durch § 1052 S 2 wird die Irrtumsanfechtung mE nicht verdrängt (Bollenberger, Irrtum 47 ff; Apathy/Riedler/S Rz 2; anders Dellinger, Geschäftsführerhaftung 199 ff). Bollenberger
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§ 874
3 S 1 HS 2 beschreibt mit dem Abstellen auf den Parteiwillen das allge-
meine Kriterium für die Abgrenzung von wesentlichem und unwesentlichem Irrtum, nämlich die Kausalität des Irrtums und ihre Reichweite (F. Bydlinski, FS H. Stoll, 2001, 116), s § 871 Rz 18 und § 872 Rz 2. 4 Der Mangel der Gewerbeberechtigung des Leistenden bewirkt nach
hA nicht die Nichtigkeit des Vertrages (s § 879 Rz 4; krit Iro, RdW 1999, 453 mwN). Durch § 873 S 2 wird allerdings die Fehlvorstellung des Partners über das Vorhandensein der Berechtigung (zB gemäß GewO, VAG, BWG) schlechthin als Geschäftsirrtum qualifiziert; dies deckt sich nicht immer mit den wirklich vertragsrelevanten Eigenschaften des Leistenden – bei denen die Zuverlässigkeit im Vordergrund stehen wird – und ist insofern bedenkliche Fiktion (Peter Doralt/Koziol, Stellungnahme zum Ministerialentwurf des KSchG, 1979, 108 ff). Zur Anfechtung berechtigt freilich auch hier nur ein kausaler Irrtum (§ 871 Rz 3), woran es häufig fehlen wird (vgl Welser, JBl 1979, 452). Ferner muss eine der Voraussetzungen des § 871 erfüllt sein, wobei insb Unterlassung der Aufklärung über den Befugnismangel in Betracht kommt (Apathy/Riedler/S Rz 3; der Fall ÖBA 1998, 54 lag insofern atypisch). § 874. In jedem Falle muß derjenige, welcher einen Vertrag durch List oder ungerechte Furcht bewirkt hat, für die nachteiligen Folgen Genugtuung leisten. Lit: Dellinger, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall (1991); Ostheim, Zur Haftung für culpa in contrahendo bei grundloser Ablehnung des Vertragsabschlusses, JBl 1980, 522; Pletzer, Aufklärungspflichtverletzung und Vertragsaufhebung, JBl 2002, 545; Welser, Das Verschulden beim Vertragsschluß im österreichischen bürgerlichen Recht, ÖJZ 1973, 281.
1 Der Drohende und der listig Irreführende (s bei § 870) haften dem
Gegner auf Schadenersatz (zum Inhalt der Haftung Rz 4), ohne dass es darauf ankommt, ob sie selbst Vertragspartner oder außenstehender Dritter sind (zu den Unterschieden der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen s die folgenden Rz). Diese Ersatzpflicht besteht „in jedem Falle“, dh unabhängig davon, ob der Vertrag anfechtbar ist (vgl § 875) und, bejahendenfalls, ob er angefochten wird oder nicht (Gschnitzer/K IV/1, 149 f; 8 Ob 502/93 SZ 66/41). Bei Aufrechterhaltung des Vertrages hat die Schadensberechnung allerdings die relative Berechnungsmethode (§ 872 Rz 3) zu beachten (6 Ob 600/90 SZ 64/32; 1 Ob 27/97w SZ 70/96). 824
Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 874
List und Drohung sind vorsätzliche, nicht notwendig aber mit Schä- 2 digungsabsicht, gesetzte Handlungen. Über § 874 hinaus ist jedoch seit langem anerkannt, dass präsumtive Vertragspartner schon mit der Kontaktaufnahme zu rechtsgeschäftlichen Zwecken in ein vorvertragliches Schuldverhältnis treten, das von einem späteren Vertragsschluss unabhängig ist und Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten begründet (3 Ob 509/95 JBl 1995, 522). Die Verletzung dieser Pflichten macht als culpa in contrahendo (§ 1294 Rz 5) schon bei Fahrlässigkeit auch für bloße Vermögensschäden haftbar (JBl 1976, 205 F. Bydlinski; 4 Ob 127/97y SZ 70/108; 6 Ob 40/03f RdW 2004, 209). Somit haftet der Vertragspartner bereits für fahrlässige Irreführung, wobei er für Gehilfen nach § 1313a einzustehen hat (SZ 56/135; 1 Ob 183/00v SZ 73/160; 10 Ob 74/05p ÖBA 2006, 210). Auf der anderen Seite kommt auch eine Haftung des schuldhaft Irrenden, der den Vertrag anficht (§ 871 Rz 4), in Betracht (vgl 5 Ob 4/03d JBl 2003, 577; Koziol, FS Schmidlin, 1998, 291; Vonkilch, JBl 2004, 759; aM – Apathy/Riedler/S Rz 2). Für Mitverschulden gilt § 1304. Gegen den listigen Irreführer steht dem Betrogenen trotz eigener Fahrlässigkeit freilich voller Ersatz zu (SZ 37/76); dies entspricht allgemeinen Grundsätzen (Koziol, HPR I3 Rz 12/17). Zur Irreführung durch beschränkt Geschäftsfähige s § 865 Rz 9. Dritte Personen stehen grundsätzlich nicht im vorvertraglichen 3 Schuldverhältnis und haften nur bei Vorsatz (SZ 56/135; 6 Ob 521/94 HS XXV/2). Eigene Aufklärungspflichten eines Vertreters oder sonstigen Gehilfen einer Vertragspartei, deren Verletzung zur Haftung des Gehilfen schon bei (leichter) Fahrlässigkeit führt, bestehen jedoch dann, wenn der Dritte ein ausgeprägtes und unmittelbares eigenes Interesse am Vertragsabschluss hatte, das über den Entgeltanspruch gegenüber dem Vertretenen hinausgeht (4 Ob 2308/96g ecolex 1997, 82 Th. Rabl; 1 Ob 182/97i SZ 70/147; 4 Ob 252/00p ÖBA 2001, 819), oder er bei den Verhandlungen in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch nahm (1 Ob 525/94 wbl 1994, 378: Haftung des GmbH-Geschäftsführers; 5 Ob 506/96 JBl 1997, 37: Haftung aus Schadenersatz auch für die Rückabwicklung); ferner dann, wenn der Dritte keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden kann (8 Ob 622/90 SZ 64/104: Scheinvertreter). S auch § 1300 Rz 5 und § 1313a Rz 10. Nach § 874 ist, wie in Fällen der culpa in contrahendo (§ 1294 Rz 5), 4 nicht das Erfüllungsinteresse, sondern der Vertrauensschaden (negatives Vertragsinteresse) zu ersetzen, dh der Geschädigte ist so zu stellen, als hätte er nicht auf die Gültigkeit des Geschäftes oder dessen Erfüllung vertraut (s näher § 1293 Rz 11; SZ 66/41; SZ 73/160); auf das positive Interesse geht der Anspruch aber dann, wenn ohne PflichtBollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 875
verletzung der Vertrag zustande gekommen wäre (SZ 70/108). Die Haftung ist idR (insb aber nicht bei Verletzung absolut geschützter Güter) auf das hypothetische Erfüllungsinteresse begrenzt. Der Haftungsumfang richtet sich nach allgemeinen Regeln, so dass außer zwischen Unternehmern (§ 349 UGB) entgangener Gewinn (zB aus einem versäumten anderen Geschäft) nur bei grobem Verschulden ersatzfähig ist (zu allem Koziol, HPR I3 Rz 2/87 ff und 2/97 f). Im Wege der Naturalrestitution kann, in Konkurrenz zu §§ 870 ff, auch Aufhebung oder Anpassung des Vertrages begehrt werden (Pletzer, JBl 2002, 545). 5 Ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse gegen den Dritten kann
sich nur unter besonderen Umständen aus einer vertraglichen Garantie ergeben (SZ 57/37: Haftung des Vermittlers für die Abwicklung des Geschäftes; s auch § 878 Rz 9); aus Verschuldenshaftung gebührt das Erfüllungsinteresse hingegen nur dann, wenn bei gehöriger Aufklärung der Vertrag zustande gekommen wäre (SZ 70/108). 6 Die Verjährung des Ersatzanspruchs richtet sich, unabhängig von
jener eines Anfechtungsrechts (vgl § 1487), nach § 1489 (Gschnitzer/K IV/1, 151; SZ 59/126; ecolex 1990, 20). § 875. Ist einer der Vertragschließenden von einem Dritten durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage bewogen; oder zu einer irrtümlichen Erklärung veranlaßt worden; so ist der Vertrag gültig. Nur in dem Falle, daß der andere Teil an der Handlung des Dritten teilnahm oder von derselben offenbar wissen mußte, kommen die §§ 870 bis 874 zur Anwendung. [idF III. TN] Lit: Iro, Versuch eines harmonischen Verständnisses der Bestimmungen über Willensmängel bei Verkehrsgeschäften, JBl 1974, 225; ders, Zurechnung von Gehilfen im Recht der Willensmängel, JBl 1982, 470 und 510.
1 Entsprechend der Vertrauenstheorie, die auf die Schutzwürdigkeit des
Vertragspartners des Irrenden abstellt (§ 871 Rz 1), berührt ein von einem Dritten (zu Vertragsgehilfen s aber Rz 2) veranlasster Willensmangel den Vertrag grundsätzlich nicht. Ein Anfechtungs- oder Anpassungsrecht besteht nur, wenn der Vertragspartner selbst schutzunwürdig ist, er also an der Drohung oder Irreführung (vorsätzlich) teilnahm, diese kannte oder fahrlässig nicht kannte (§ 871 Rz 15) oder wenn rechtzeitige Aufklärung vorliegt (Iro, JBl 1974, 226 f). Entsprechend § 870 reicht bei bloßem Motivirrtum Kennenmüssen des Ver826
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 876
tragspartners für die Anfechtbarkeit nicht, sondern ist positive Kenntnis vorauszusetzen (Iro, JBl 1974, 235 f). Drohung oder Irreführung durch Gehilfen des Gegners wird diesem 2 direkt zugerechnet (JBl 1990, 175: Verhandlungsführer). Diese Personen sind keine „Dritten“, so dass die Anfechtbarkeit nicht von den Voraussetzungen des § 875, sondern von verschiedenen Kriterien der Zurechnung von Gehilfen abhängt (näher Iro, JBl 1982, 514 ff). Ein solcher Vertragsgehilfe ist nicht nur ein Stellvertreter, sondern jeder, der im Auftrag des Gegners handelt und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäftes mitgewirkt hat (2 Ob 112/00k ÖBA 2002, 322 Iro); die Erklärung des Gehilfen muss zu seinem Aufgabenbereich gehören (1 Ob 551/94 SZ 67/136; 1 Ob 64/04z), wobei ein entsprechender Anschein ausreichen kann (10 Ob 17/04d ÖBA 2006, 53). Der Geschäftsherr hat in diesen Fällen die Anfechtung hinzunehmen, auch wenn er von der Irreführung nichts wusste (5 Ob 41/03w ÖBA 2004, 149). Bsp: Ein Vermögensberater, der sowohl die Anlage als auch den Bankkredit vermittelt (4 Ob 586/95 JBl 1996, 385), oder ein Verkäufer, dessen sich die Bank bei der Anbahnung der Drittfinanzierung bedient (1 Ob 5/04y ÖBA 2005, 281), sind der Bank zuzurechnen; Zurechnung des gemeinsamen Anwalts beider (Scheidungsvergleichs-)Parteien wegen Veranlassung eines Irrtums eines Teiles (3 Ob 7/95 JBl 1996, 578); des Maklers oder Architekten beim Grundstücks- und Wohnungskauf (6 Ob 600/90 SZ 64/32; 1 Ob 32/98g RdW 1999, 16; 1 Ob 183/00v SZ 73/160). Irreführung des Interzedenten durch den Hauptschuldner wird dem Gläubiger zugerechnet, wenn es um Nachbesicherung von Altschulden geht (ÖBA 2002, 322 Iro; 2 Ob 288/03x JBl 2004, 522; 1 Ob 64/04z). Bei der Haftung auf Schadenersatz verantwortet der Dritte, sofern 3 er nicht ausnahmsweise selbst im vorvertraglichen Schuldverhältnis steht, nur Vorsatz (§ 874 Rz 3). Der Vertragspartner haftet hingegen aus culpa in contrahendo für den Vertrauensschaden schon bei Fahrlässigkeit; dabei wird ihm das Verschulden des Gehilfen nach § 1313a zugerechnet (§ 874 Rz 2). § 876. Die vorstehenden Bestimmungen (§§ 869 bis 875) finden entsprechende Anwendung auf sonstige Willenserklärungen, welche einer anderen Person gegenüber abzugeben sind. [idF III. TN] Lit: Holzer, Irrtumsanfechtung bei zeitwidriger Kündigung im Arbeitsverhältnis, JBl 1985, 82; Plasser, Beschlüsse von Personengesellschaften und Willensmängel, JBl 2004, 137. Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 877
1 Gemäß § 876 gelten die von Verträgen handelnden Regeln über Wil-
lensmängel insb auch für einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen: Auch diese stehen unter Vertrauensschutz und sind daher (anders als Wissenserklärungen, § 859 Rz 10, und letztwillige Verfügungen, § 552 Rz 2) nicht frei widerrufbar, sondern können nur – bei Vorliegen der Voraussetzungen – angefochten werden. Bsp: Vertragsofferte und Option (1 Ob 61/97w SZ 70/242); Verbesserungsbegehren des Gewährleistungsberechtigten (5 Ob 519/94 RdW 1994, 206); Wahl nach § 906, Lösungsanbot gemäß § 410 ZPO (10 Ob 504/94 SZ 67/73); Ausübung von Gestaltungsrechten, zB Wahlerklärung des Masseverwalters gemäß § 21 KO (SZ 61/170; 7 Ob 227/00h RdW 2001, 672); die (vorzeitige) Kündigung von Arbeitsverhältnissen (Holzer, JBl 1985, 82; 9 ObA 205/99h RdW 2000, 303; § 1159c Rz 5); eine Vollmacht kann nach Vertragsabschluss mit Wirkung gegenüber dem Geschäftspartner nur dann angefochten werden, wenn bei diesem die Voraussetzungen des § 871 vorliegen, er also vertrauensschutzunwürdig ist (Rummel/R § 871 Rz 1). S aber zur Innenvollmacht § 1020 Rz 5. 2 Ebenso gilt für einseitige Erklärungen § 1487, wonach die Anfechtung
wegen Irrtums und Drohung in 3 Jahren verjährt (SZ 70/242: Vertragsanbot). Vgl § 870 Rz 8 und § 871 Rz 23. 3 Eigene Probleme bereitet die Anfechtung von Verfügungsgeschäf-
ten, wie zB der Übereignung von Sachen (dazu Bollenberger, Irrtum 90 ff). § 877. Wer die Aufhebung eines Vertrages aus Mangel der Einwilligung verlangt, muß dagegen auch alles zurückstellen, was er aus einem solchen Vertrage zu seinem Vorteile erhalten hat. Lit: F. Bydlinski, Grundfragen der Unerlaubtheitskondiktion, entwickelt an einem exemplarischen Fall, FS Zöllner (1999) 1029; Kerschner, Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, JBl 2001, 756; Rummel, Kondiktion bei verbotenen und sittenwidrigen Rechtsgeschäften, ÖJZ 1978, 253. S auch bei §§ 1431– 1437.
1 Der Anspruch aus § 877 gehört zu den Leistungskondiktionen (Vor
§§ 1431–1437 Rz 1) und wird condictio sine causa genannt. Erfasst sind insb Fälle, in denen ein Vertrag aus Gründen der §§ 865–875 nicht zustande kommt oder angefochten wird, so zB die Rückforderung bei Geschäftsunfähigkeit oder Aufhebung analog § 871 wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage (3 Ob 345/99b RdW 2001, 14; 9 Ob 98/04h SZ 2005/168). Zur Rückstellung verpflichtet wird von § 877 einerseits 828
Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 877
derjenige, der die mangelnde Einigung geltend macht, zB der Irrende; mittelbar („dagegen“) wird aber andererseits auch der Kondiktionsanspruch dieses Vertragsteils angeordnet (Gschnitzer/K IV/1, 155 f). Die Rückabwicklung erfolgt Zug um Zug (Rz 3). Die jeweiligen Voraussetzungen der Kondiktion, die in § 877 nicht 2 geregelt werden, sind im Einzelnen strittig: In den Fällen der Anfechtung wegen Irrtums, List und Zwang (§§ 870 f) ist, entgegen § 1431, ein Irrtum auch beim Leistungsakt nicht erforderlich, da bis zur Anfechtung noch ein gültiger Vertrag besteht und dieser dann rückwirkend beseitigt wird; kondizieren kann daher auch, wer sein Anfechtungsrecht bei der Erfüllung bereits kannte (K/W II 276 f; Apathy/ Riedler/S Rz 3). Im Fall des Dissenses (§ 869) ist hingegen irrtümliche Leistung (§ 1431) oder Leistung in Erwartung der dann ausbleibenden Gegenleistung (§ 1435 analog) vorausgesetzt (Rummel/R Rz 1; Apathy/Riedler/S Rz 4). Bei verbotenen und sittenwidrigen Verträgen (§ 879) wendet die hA hingegen § 877 an und gestattet die Kondiktion ohne Rücksicht auf einen Irrtum des Leistenden (8 Ob 510/90 SZ 63/72; 2 Ob 322/00t SZ 74/11; 3 Ob 13/99d RdW 2001, 333 krit Heilegger; aM auch K/W II 277; für Einzelanalogie F. Bydlinski, FS Zöllner 1036 ff; s auch Vor §§ 1431–1437 Rz 2). Der Verbotszweck kann einer Rückforderung entgegenstehen, insb wenn er sich nur gegen eine rechtliche Verpflichtung, nicht aber auch gegen die freiwillige Vermögensverschiebung richtet (Rummel, ÖJZ 1978, 253; F. Bydlinski, FS Zöllner 1043 ff; s auch § 879 Rz 31). Die Rechtsfolgen der Rückabwicklung nach § 877 entsprechen jenen 3 der § 1431 und § 1437 (JBl 1988, 250 Karollus; 1 Ob 516/92 JBl 1992, 456; 1 Ob 57/04w SZ 2004/76; 8 ObA 68/04i EvBl 2005/39; zum Aufwandersatz s 1 Ob 687/90 JBl 1992, 594). Der Anspruch ist daher auf Rückstellung des Geleisteten oder, wenn dies unmöglich oder untunlich ist, auf ein angemessenes Entgelt gerichtet (§ 1431 Rz 6 f). Der Anspruchsumfang hängt von der Redlichkeit des Schuldners ab (s bei § 1437); zur Rückforderung durch und gegen Geschäftsunfähige s § 1433 und § 1424 Rz 2. Haben bei einem gegenseitigen Vertrag beide Teile geleistet, erfolgt die Rückabwicklung Zug um Zug (7 Ob 136/02d SZ 2002/144; 6 Ob 86/04x ecolex 2004, 943 Wilhelm; 3 Ob 7/05h JBl 2005, 523). Bei zufälligem Untergang einer Leistung wird der Rückgewährschuldner jedoch befreit und kann dennoch vom Gläubiger nach der herrschenden „Zwei-Kondiktionen-Theorie“ die erbrachte Gegenleistung zurückfordern (§ 1437 Rz 6). Zur Konkurrenz mit der Eigentumsklage wegen fehlenden Titels s § 1431 Rz 6, wegen ex-tuncWirkung der Anfechtung s § 871 Rz 20. Die Leistungskondiktion (des Lieferanten eines Heizungskessels) gegen den Vertragspartner (WohBollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 878
nungsmieter) schließt einen (auf der Fortwirkung des Eigentums beruhenden) Verwendungsanspruch gegen einen dritten Bereicherten (Hauseigentümer) nicht aus (1 Ob 353/97m JBl 1999, 110). Nachrangiges Kapital kann auch aus dem Titel der Irrtumsanfechtung nur nachrangig zurückgefordert werden (8 Ob 296/01i JBl 2003, 188). 4 Die Kondiktion nach § 877 verjährt grundsätzlich in 30 Jahren
(SZ 74/11), bei Anfechtung wegen Zwang und einfachem Irrtum jedoch gemäß § 1487 in 3 Jahren (§ 1487 Rz 3). S auch § 870 Rz 8, § 871 Rz 23 und § 879 Rz 31. 3. Möglichkeit und Erlaubtheit § 878. Was geradezu unmöglich ist, kann nicht Gegenstand eines gültigen Vertrages werden. Ist Mögliches und Unmögliches zugleich bedungen, so bleibt der Vertrag in ersterem Teile gültig, wenn anders aus dem Vertrag nicht hervorgeht, daß kein Punkt von dem anderen abgesondert werden könne. Wer bei Abschließung des Vertrages die Unmöglichkeit kannte oder kennen mußte, hat dem anderen Teile, falls von diesem nicht dasselbe gilt, den Schaden zu ersetzen, den er durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages erlitten hat. [idF III. TN] Lit: Lukas, Zur Haftung beim anfänglichen unbehebbaren Mangel, JBl 1992, 11; Rabel, Zur Lehre von der Unmöglichkeit der Leistung nach österreichischem Recht, FS ABGB II (1911) 821; Wilhelm, Ersatz des Erfüllungsinteresses wegen Verschuldens beim Vertragsschluß? wbl 1987, 173.
1 § 878 regelt die anfängliche, also schon bei Vertragsabschluss gege-
bene Unmöglichkeit (3 Ob 146/01v JBl 2002, 455). Unmöglichkeit setzt ein dauerhaftes Leistungshindernis voraus (1 Ob 164/01a SZ 74/160) und liegt nicht vor, wenn eine Verpflichtung der Parteien besteht, Maßnahmen zu ergreifen, um die Erfüllung noch zu bewerkstelligen (5 Ob 75/97h immolex 1998, 212). Zur nachträglichen Unmöglichkeit s bei §§ 920 und 1447; nachträgliche Leistungshindernisse sind zB auch die Nichtgenehmigung eines Pachtvertrages durch die Gewerbebehörde wegen durch den Pächter nach der Übergabe begangener Gesetzesverstöße (SZ 43/38) oder der Abteilung des verkauften Grundes durch die Baubehörde, wenn bei Vertragsabschluss kein Teilungsverbot bestand (6 Ob 503/94 NZ 1996, 336). Eine nach Grundverkehrsrecht erforderliche Genehmigung ist hingegen Rechtsbedingung (s § 897 Rz 3); wenn die Parteien aber schon gar keinen Antrag bei der Behörde stellen wollen, weil sie wissen, dass die Zu830
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 878
stimmung versagt würde, ist der Vertrag nach § 879 nichtig (1 Ob 562/91 SZ 64/56; 4 Ob 261/99g RdW 2000, 275). Eine Leistung ist objektiv unmöglich, wenn sie niemand erbringen 2 kann. Subjektive Unmöglichkeit (Unvermögen) liegt hingegen vor, wenn gerade der Verpflichtete nicht zu erfüllen vermag. „Geradezu unmöglich“ iSd § 878 wird heute im systematischen Zusammenhang mit § 923, der den Verkäufer einer nicht mehr vorhandenen Sache (objektive Unmöglichkeit) oder einer fremden Sache (Unvermögen) für gewährleistungspflichtig erklärt, restriktiv interpretiert: Da Gewährleistung an einen gültigen Vertrag anknüpft, liegt (nicht amtswegig wahrzunehmende: SZ 47/59) Nichtigkeit des Vertrages nur bei rechtlicher Unmöglichkeit oder faktischer Absurdität der Leistungszusage vor (heute hM, anders aber Lukas, JBl 1992, 15 ff und Apathy/Riedler/S Rz 5). In den übrigen Fällen kommt der Vertrag zustande; man spricht von „schlichter Unmöglichkeit“. Der Gegner kann allerdings die unmögliche Leistung nicht fordern, sondern hat ein Wandlungsrecht (letzteres ist str, s § 923 Rz 4); zu den weiteren Rechtsfolgen s Rz 6 ff. Rechtlich unmöglich sind Versprechen, deren Erfüllung die Rechts- 3 ordnung nicht bloß verbietet (§ 879), sondern schon der Art nach nicht kennt (vgl Rummel/R Rz 2 mwN), wie zB Verträge, die auf Übereignung eines realen Teiles eines Gebäudes (s zum „Stockwerkseigentum“ Klang/K III 1128; Bollenberger, RdW 2001, 582; § 1 Abs 3 BauRG) oder sonst eines unselbständigen Bestandteils ohne Abtrennung gerichtet sind (Verkauf eines stehenden Baumes); ferner der Auftrag zum Verkauf von Aktien an einer Börse, an der sie nicht zugelassen sind (4 Ob 142/03s ÖBA 2004, 226). Wegen § 8 WEG 1975 hielt 5 Ob 138/94 (JBl 1995, 788 krit Lukas) den Verkauf einer Eigentumswohnung an Unverheiratete für nichtig; s jetzt aber §§ 5, 13 WEG 2002. Wirksam ist der Verkauf einer fremden Sache (JBl 2002, 455; 6 Ob 39/03h SZ 2003/43), was schon aus § 367 folgt; zum wissentlichen Erwerb s aber bei § 929. Umso mehr muss der Verkauf einer mit einem Verbot gemäß § 364c belasteten Sache gültig sein (s § 1045 Rz 2 mwN; aM 5 Ob 1602/92 wbl 1993, 159: Sacheinlageversprechen). Verbotene Leistungen sind nach § 879 zu beurteilen. Faktische Absurdität erfasst Schulbeispiele wie etwa Wahrsagerei oder 4 „Gesundbeten“; ferner Fälle des dem Gläubiger bekannten Unvermögens (zB Klavierunterricht durch einen Unkundigen); hier wird oft auch mangelnde Ernstlichkeit vorliegen (§ 869 Rz 4). Wirksam sind Leistungsversprechen aber jedenfalls dann, wenn die Parteien auf die Erfüllbarkeit in der Zukunft hoffen (zu allem Gschnitzer/K IV/1, 162 ff). Bollenberger
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§ 878
5 Über die Teilwirksamkeit bei teilweiser ursprünglicher Unmög-
lichkeit entscheidet nach S 2 die Vertragsauslegung (s näher Illedits, Teilnichtigkeit im Privatrecht, 1991, 28 ff). Abzustellen ist auf den wirklichen oder den hypothetischen Parteiwillen, wobei von der Vertragsurkunde auszugehen ist, wenn keine Ergebnisse für einen vom Wortlaut abweichenden Willen vorliegen (3 Ob 562/95 SZ 68/161). Mangels dessen Feststellbarkeit kommt es darauf an, wie vernünftige Parteien nach Treu und Glauben und unter Beachtung der Verkehrssitte entschieden hätten (5 Ob 57/02x SZ 2002/64). Im Zweifel bleibt der Restvertrag gültig. Diese Regeln sind auf andere Fälle von Wurzelmängeln analog anzuwenden, zB Geschäftsunfähigkeit (SZ 2002/64), Mentalreservation (SZ 56/11), Dissens (5 Ob 511, 512/96 RdW 1996, 521) oder Formmangel (SZ 56/119; 4 Ob 255/99z SZ 72/149). Bei Gesetz- und Sittenwidrigkeit kommt es hingegen auf den Verbotszweck an, s § 879 Rz 29. 6 Nach S 3 haftet derjenige, der die Unmöglichkeit kannte oder kennen
musste, für den Vertrauensschaden (wbl 1993, 159). Es handelt sich um einen Unterfall der culpa in contrahendo (s § 874, § 1293 Rz 11 und § 1294 Rz 5; auch Lukas, JBl 1992, 23 ff), nämlich Verletzung der vorvertraglichen Pflicht zur Aufklärung über das Leistungshindernis. Zum Erfüllungsinteresse s Rz 8 ff. 7 Die Haftung entfällt, wenn für den Gegner „dasselbe gilt“, was
gleiches Verschulden erfordert (vgl SZ 50/132; 4 Ob 127/97y SZ 70/108; s auch SZ 51/55). Diese Kulpakompensation wird als sachwidrige Ausnahme des Prinzips der Schadensteilung gemäß § 1304 zu Recht kritisiert. Der Widerspruch lässt sich bereinigen, indem der Entfall der Ersatzpflicht damit erklärt wird, dass bei für den Gegner erkennbarer Unmöglichkeit schon keine Aufklärungspflicht besteht (Koziol, HPR I3 Rz 12/20; ders, FS Schmidlin, 1998, 294 ff). 8 Das Erfüllungsinteresse kann entgegen zahlreichen Entscheidungen
(zB wbl 1987, 189 krit Wilhelm; richtig aber 6 Ob 233/97a RdW 1998, 189) bei anfänglicher (Nichtigkeit begründender oder auch nur schlichter) Unmöglichkeit grundsätzlich nicht aus Verschuldenshaftung gefordert werden: Verletzung der Aufklärungspflicht ist für Nichterfüllungsschaden nicht kausal; ursächlich wäre zwar die Nichterbringung der unmöglichen Leistung, doch ist diese nicht rechtswidrig oder schuldhaft (F. Bydlinski/K IV/2, 126; K/W I 173). Das gilt auch bei Herbeiführung der Unmöglichkeit vor Vertragsschluss, weil noch keine Leistungspflicht vorliegt; soweit allerdings eine Schadenshaftung schon für die Vorbereitung der künftigen Erfüllung bejaht wird (s F. Bydlinski, JBl 1995, 477; Kletecˇ ka, JBl 1996, 187 f), muss dies 832
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auch für die schuldhafte Verursachung einer anfänglichen Unmöglichkeit gelten (vgl Reischauer/R § 920 Rz 18e). Haftung auf das Erfüllungsinteresse kann sich daher bei anfänglicher 9 Unmöglichkeit nach hM nur aus einer über die einfache Leistungszusage hinausgehenden rechtsgeschäftlichen Garantie ergeben (§ 880a Rz 7). Kriterium dafür ist ua, ob der Schuldner bei dem vorbehaltlosen Leistungsversprechen das Leistungsrisiko vor Augen hatte. Bei Zusicherung von Eigenschaften der Kaufsache ist eine Garantie nur anzunehmen, wenn der Verkäufer eindeutig eine über die gesetzliche Gewährleistungs- und Schadenersatzpflicht hinausgehende Haftung übernehmen wollte (1 Ob 41/03s SZ 2003/31: Echtheit von Bildern). Garantiehaftung nach diesen Grundsätzen wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Leistungshindernis dem Gläubiger nicht erkennbar war; dies ist zwar eine Abweichung vom Empfängerhorizontprinzip des § 863 (s dort Rz 3), doch erscheint der Gläubiger in der sicheren Erwartung der Leistung idR schutzwürdiger (s näher F. Bydlinski/K IV/2, 127 f; aM Wilhelm, wbl 1987, 174). Ins Gewicht fällt aber auch, ob der Schuldner das Leistungshindernis beeinflussen konnte (F. Bydlinski, aaO 128). Dieser Gesichtspunkt spricht zB gegen eine Garantiehaftung für die Lieferung einer nach dem Stand der Technik nicht herstellbaren Maschine (s auch die nächste Rz). Eine Mindermeinung leitet aus der Wirksamkeit des Vertrages bei 10 schlichter Unmöglichkeit generell eine gesetzliche Garantiehaftung für das Erfüllungsinteresse ab, von der sich der Schuldner aber durch den Beweis entlasten kann, dass er sein Leistungsversprechen sorgfältig abgegeben hat, also die Unmöglichkeit weder kannte noch kennen musste (Reischauer/R § 920 Rz 18a, allerdings in Rz 18b aE mit der weiteren wesentlichen Einschränkung, dass dem Gläubiger „an sich unerfüllbare Träume“, zB ein nicht herstellbarer Wirkungsgrad einer Maschine, auch über Schadenersatz nicht erfüllt werden sollen). Vgl auch Art 74, 79 UN-K. Aus Vertragsauslegung kommt ferner ein Anspruch auf Herausgabe 11 eines vom Schuldner erlangten stellvertretenden Vorteils (zB Versicherungsentschädigung; s auch § 1447 Rz 7) in Betracht (Bollenberger, Commodum 419 f). § 879. (1) Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Insbesondere sind folgende Verträge nichtig: 1. wenn etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen wird; Bollenberger
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1a. wenn etwas für die Vermittlung einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung bedungen wird; 2. wenn ein Rechtsfreund eine ihm anvertraute Streitsache ganz oder teilweise an sich löst oder sich einen bestimmten Teil des Betrages versprechen läßt, der der Partei zuerkannt wird; 3. wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, die man von einer dritten Person erhofft, noch bei Lebzeiten derselben veräußert wird; 4. wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren läßt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Mißverhältnisse steht. (3) Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt. [idF BGBl 1992/275] Lit: Apathy, Die neuen ABB auf dem Prüfstand, ÖBA 2003, 177; ders, Auswirkungen der Judikatur zu Verbraucherverträgen auf Bankgeschäfte mit Unternehmern, ÖBA 2004, 737; F. Bydlinski, Über das Verständnis der „guten Sitten“ im österreichischen Recht, FS Gernhuber (1993) 827; ders, Grundfragen der Unerlaubtheitskondiktion, entwickelt an einem exemplarischen Fall, FS Zöllner (1999) 1029; I. Faber, Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Versicherungsbedingungen (2003); Fenyves, Das Verhältnis von Auslegung, Geltungskontrolle und Inhaltskontrolle von AVB als methodisches und praktisches Problem, FS F. Bydlinski (2002) 121; Illedits, Teilnichtigkeit im Privatrecht (1991); Iro, Entgeltanspruch für Schwarzarbeit, RdW 1999, 453; Kiendl, Unfaire Klauseln in Verbraucherverträgen (1997); Kietaibl, Arbeitsvertragliche Rückabwicklung bei aufgedeckter Scheinselbständigkeit, wbl 2006, 207; Krejci, Zulässigkeitsgrenzen bauvertraglicher Risikoverschiebungen zu Lasten des Auftragnehmers, wbl 1999, 385; Rummel, Kondiktion bei verbotenen und sittenwidrigen Rechtsgeschäften, ÖJZ 1978, 253. I. II. III. IV.
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Übersicht Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Gesetzwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Die Fälle des Abs 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 A. Z 1–3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 B. Z 4 (Wucher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Bollenberger
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V. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 VI. Rechtsfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
I. Allgemeines § 879 erfasst als Zentralnorm der Inhaltskontrolle private Rechts- 1 geschäfte aller Art (2 Ob 322/00t SZ 74/11), zB auch einseitige Erklärungen (9 Ob 128/03v ÖBA 2004, 702 Iro: Aufrechnung), ferner Kollektivverträge (8 ObA 30/00w RdW 2001, 683), andere Gesamtverträge (4 Ob 291/00y SZ 74/4: Verwertungsgesellschaft; Ärztekammer) und Verträge zwischen Gebietskörperschaften (1 Ob 526/92 SZ 65/40). Die Voraussetzungen des § 879 sind im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu prüfen; nachträgliche Änderungen der Umstände können grundsätzlich keine Nichtigkeit begründen (RdW 2001, 683). IdR kommt es auf die im Abschlusszeitpunkt geltenden Normen an, doch kann auch eine erst später erlassene Verbotsnorm maßgeblich sein (vgl 6 Ob 661/95 EvBl 1997/20: Gemeinschaftsrecht; 4 Ob 172/04d SZ 2004/130). II. Gesetzwidrigkeit Gesetze im materiellen Sinn sind auch Rechtsverordnungen (9 ObA 2 80/00f SZ 73/65: RL-BA 1977). Ebenso können Verstöße gegen unmittelbar anwendbare EU-Richtlinien Nichtigkeit begründen (1 Ob 40/04w RdW 2004, 534 und 1 Ob 57/04w SZ 2004/76: Brennermaut). Ausländische Gesetze bewirken Nichtigkeit nur bei einem entsprechenden Inlandsbezug oder wenn sich aus ihnen Sittenwidrigkeit ergibt (SZ 19/40; ZAS 1985, 113 Hoyer; 8 ObA 320/94 RdW 1995, 395). Nicht jedes Rechtsgeschäft, das in irgendeiner Weise gegen die Rechts- 3 ordnung verstößt, ist deshalb nichtig. Diese Rechtsfolge muss vielmehr entweder ausdrücklich angeordnet oder vom Verbotszweck erfordert werden (9 Ob 83/01y SZ 74/77; 7 Ob 135/03h JBl 2004, 107 Thunhart). Ausdrücklich angeordnet ist die Nichtigkeit, neben den Fällen des § 879 Abs 2, in zahlreichen weiteren Gesetzen, zB für verbotene Kartellverträge (§ 1 Abs 3 KartG 2005; Art 81 Abs 2 EG). Nach dem Gesetzeszweck nichtig sind zB: gegen das Konnexitäts- 4 prinzip in § 2 F-VG verstoßende Vereinbarungen zwischen Gebietskörperschaften über die Tragung der Kosten von Hoheitsaufgaben (10 Ob 530/94 JBl 1997, 582); das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 52 AktG, § 82 GmbHG verletzende Zuwendungen an Gesellschafter (Böhler, ÖBA 2004, 433), wobei das Geschäft bei Kollusion oder grober Fahrlässigkeit eines Dritten auch diesem gegenüber Bollenberger
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unwirksam ist (Sicherheitenbestellung durch Gesellschaft für Gesellschafterkredit: 4 Ob 2078/96h JBl 1997, 108 Hügel; 3 Ob 287/02f RdW 2004, 155; 6 Ob 271/05d ÖBA 2006, 293 Karollus = JBl 2006, 388 Artmann; zu unzulässigen Ausschüttungen von Stiftungen Bollenberger/Csoklich, ÖBA 2001, 440 ff). Ferner Verträge, die gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (nun § 5 KartG 2005) verstoßen (4 Ob 187/02g RdW 2003, 76: Aufrechnungsverbot; zu Art 81, 82 EG s Weyer, ZEuP 1999, 424); die auf Überlassung ausländischer Arbeitskräfte ohne die nach AÜG und AuslBG erforderlichen Bewilligungen gerichtet sind (SZ 74/77); die gegen das AusbVorbG verstoßen (4 Ob 158/03v EvBl 2004/18 und 4 Ob 172/04d JBl 2005, 173: Heilpraktiker); mit denen das Fehlen einer gewerberechtlichen Befähigung durch ein vorgetäuschtes Dienstverhältnis mit einem Geschäftsführer umgangen wird (7 Ob 135/03h JBl 2004, 107 Thunhart); die gegen die Ziele des HfD JGS 1838/277 über nachteilige Vereinbarungen bei öffentlichen Versteigerungen verstoßen (10 Ob 523/94 SZ 70/109). Wirksam sind hingegen idR Geschäfte, wenn die verletzte Norm nicht den Vertragsinhalt, sondern nur Art, Ort und Zeit des Abschlusses betrifft, wie zB die Ladenschlussbestimmungen (K/W I 175). Auch das Fehlen der Gewerbeberechtigung des Leistenden bewirkt nicht die Vertragsungültigkeit (Erl 744 BlgNR 14. GP 45; Krejci/R Rz 168; 4 Ob 81/99m Miet 51.080; aM Iro, RdW 1999, 453; s auch § 100 BWG). Ein Verstoß gegen die Großveranlagungsbestimmungen (§ 27 BWG) führt nicht zur Nichtigkeit des Kredits (6 Ob 287/00z SZ 74/167). Die Erhebung der Verjährungseinrede durch einen Rechtsanwalt verstößt gegen kein gesetzliches Verbot (2 Ob 130/01h RdW 2002, 658). III. Sittenwidrigkeit 5 Sittenwidrig sind nach stRspr Verträge, wenn eine Interessenabwä-
gung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt oder wenn bei Interessenkollisionen ein grobes Missverhältnis zwischen den verletzten und den geförderten Interessen vorliegt (8 ObA 161/02p RdW 2003, 575). Der Tatbestand der Sittenwidrigkeit spricht das „Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft“ an (3 Ob 13/99d RdW 2001, 333: entgeltliche Vermittlung einer Honorarkonsulstelle) und ist damit ein restriktiv einzusetzendes Regulativ (6 Ob 187/99i: Entgelt für spirituelle Handlung). Er verweist einerseits auf das ungeschriebene Recht, einschließlich der natürlichen Rechtsgrundsätze (§ 7), und ruft den Rechtsanwender zur Ergänzung unvollständiger Gesetze, zu Analogie und teleologischer Reduktion auf (Gschnitzer/K IV/1, 182 f; 8 Ob 502/93 SZ 66/41). Ein bloßer vorsätzlicher Verstoß 836
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gegen Gesetze begründet noch keine Nichtigkeit (6 Ob 287/00z SZ 74/167). Zur Ausfüllung des § 879 können ferner die Grundrechte herangezogen werden (Kerschner, JBl 1999, 695 ff); ebenso Wertungen von Normen, die auf den Fall zeitlich nicht anwendbar sind (9 Ob 2065/96h EvBl 1998/104). Neben dem innerrechtlichen Ansatz sind andererseits auch die, durch geübte Verhaltensmaximen oder ein auf bestimmte Verhaltensweisen negativ reagierendes Wertbewusstsein, allgemein anerkannten Normen der Moral zu beachten (F. Bydlinski, FS Gernhuber 835 ff; K/W I 180; aM Krejci/R Rz 53; offen lassend 3 Ob 516/89 SZ 62/123). Zum Rechtsmissbrauch s bei § 1295. Im Folgenden sollen nur einige Beispiele insb aus der jüngeren Judikatur gebracht werden. Privat-, Familien- und Sexualbereich. Die Verpflichtung, sich für 6 medizinische Experimente oÄ zur Verfügung zu stellen, ist nicht verbindlich (Krejci/R Rz 72). Zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung s FMedG. Nichtig ist die Vereinbarung, wonach die Eltern der Braut ihre Zustimmung zur Verehelichung von der Zahlung eines Geldbetrags durch die Eltern des Bräutigams abhängig machen (4 Ob 199/00v SZ 73/142; 5 Ob 129/02k EF 100.660); ferner die rein entgeltverknüpfte Abbedingung der Feststellung der Vaterschaft zu Lasten des Kindes (2 Ob 322/00t SZ 74/11); zulässig ist die Verpflichtung eines Ehegatten, bei Aufnahme einer ehewidrigen Beziehung die Ehewohnung zu verlassen (5 Ob 117/99p SZ 73/28). Sittenwidrig sind Verträge über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt und die Beteiligung am Profit der Prostitution (SZ 62/123, krit Weitzenböck, JAP 1990/1991, 14), während Telefonsex-Verträge nicht generell unwirksam sind (1 Ob 244/02t SZ 2003/60; 2 Ob 23/03a MR 2003, 335 = ecolex 2003, 751 Wilhelm). Wegen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Freiheit sind Knebe- 7 lungsverträge nichtig, die einen Unternehmer einseitig an einen übermächtigen Partner binden (4 Ob 324/00a SZ 74/19; 6 Ob 17/02x ÖBA 2003, 612); zur Kundenschutzklausel im Transportgewerbe s aber 6 Ob 60/04y RdW 2004, 730. Auch die Verpflichtung eines Fußballers zur Zahlung einer Transfersumme beim Vereinswechsel kann unwirksam sein (8 ObA 268/97p DRdA 1999, 139 Mayr). Sittenwidrig sind Satzungsbestimmungen von Sportverbänden, mit denen Spielern aus unsachlichen Gründen die Aufnahme in die Nationalmannschaft verwehrt wird (2 Ob 232/98a DRdA 1999, 117 Holzer); ein Vertragshändlervertrag, wenn eine Lösung der Eingliederung in die Organisation des Herstellers nur unter unzumutbaren Bedingungen möglich ist (7 Ob 265/01y RdW 2002, 218). Bei der Prüfung langfristiger Vertragsbindungen ist das Auflösungsinteresse eines Teiles gegen Bollenberger
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das Bestandinteresse des anderen abzuwägen und neben der Vertragsdauer auch Inhalt und Zweck des Vertrages zu berücksichtigen (SZ 56/144; 4 Ob 147/93 wbl 1994, 136 Schuhmacher: Bierbezug; 1 Ob 176/98h immolex 1998, 341: Timesharing; 7 Ob 211/99a RdW 2000, 723: Kaffeebezug; 6 Ob 322/00x RdW 2001, 399: Tankstelle; F. Bydlinski, Zulässigkeit und Schranken „ewiger“ und extrem langdauernder Vertragsbindung, 1991; zum einseitigen Kündigungsverzicht SZ 74/19; 10 Ob 34/05f wbl 2006, 278 F. Schuhmacher: Genussrecht; zur Einräumung von Verlagsrechten für alle Auflagen und Neubearbeitungsklauseln s Koziol/I. Faber, JBl 2004, 549 ff). Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht (§ 1 UWG) bewirken allein noch nicht die Nichtigkeit von Verträgen (1 Ob 536, 537/93 SZ 66/81); zu Subventionsverträgen s Rüffler, JBl 2005, 417. Ein vertragliches Aufrechnungsverbot ist idR zulässig, aber etwa bei Erzwingung durch einen Marktbeherrscher sittenwidrig (4 Ob 187/02g RdW 2003, 76; 3 Ob 141/03m ÖBA 2004, 143; 16 Ok 18/04 wbl 2005, 290). 8 Nichtig kann eine Interzession, dh die Übernahme einer Haftung für
eine materiell fremde Verbindlichkeit (7 Ob 65/04s und 7 Ob 89/04w ÖBA 2005, 51 und 52 P. Bydlinski; zur Drittpfandbestellung s aber 8 Ob 81/03z ÖBA 2004, 784), durch vermögenslose Angehörige sein, wobei es auf das Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und Leistungsfähigkeit des Interzedenten, die verdünnte Entscheidungsfreiheit und die Kenntnis des Gläubigers von diesen Umständen ankommt, s aus der jüngeren Rspr zB 10 Ob 315/02z ÖBA 2003, 625; 8 Ob 100/03v ÖBA 2004, 635; P. Bydlinski, Kreditbürgschaft 47 ff; Thoß, ÖBA 2003, 793; I. Faber, ÖBA 2004, 527; Eigner, Interzedentenschutz 273 ff. S ferner §§ 25c, 25d KSchG. 9 Im Übrigen gibt es mannigfaltige nachteilige Vertragsgestaltungen,
die gegen § 879 verstoßen. So sind etwa Gefahrtragungsklauseln unwirksam, wenn sie ein unvorhersehbares oder doch unkalkulierbares Risiko ohne entsprechende Abgeltung auf den Gegner überwälzen (Krejci/R Rz 104 und 246 l; zum Baugrundrisiko s 7 Ob 2382/96m RdW 1998, 66; 3 Ob 146/99p; 5 Ob 113/04k; Thaler, ecolex 2001, 192); zum Gewährleistungsverzicht s § 929 Rz 3. Bei unbehebbarer Unbrauchbarkeit des Werks darf sich der Unternehmer nicht auf eine Vorleistungspflicht des Bestellers berufen (1 Ob 101/00k EvBl 2001/47). Sittenwidrig ist ein Abfindungsvergleich über Schadenersatzansprüche, soweit er auch nachträglich hervorkommende, subjektiv nicht vorhersehbare und in der Abfindungssumme nicht berücksichtigte Unfallfolgen außergewöhnlichen Umfangs umfasst (2 Ob 130/97z JBl 1998, 38 Kletecˇ ka; 2 Ob 7/04z RdW 2004, 469; 7 Ob 64/04v ÖBA 2005, 721). Verfallsklauseln (Präklusivfristen) verstoßen 838
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nur dann gegen die guten Sitten, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren, was bei 3 Monate überschreitenden Fristen idR verneint wird (8 ObA 252/99p JBl 2000, 397; 1 Ob 1/00d SZ 73/158; 9 ObA 86/01i ecolex 2002, 198); kürzere Fristen sind hingegen bedenklich (8 ObA 42/03i RdW 2004, 432; Zulässigkeit einer 2-Monatsfrist: 9 ObA 166/00b RdW 2001, 40). Verträge zu Lasten Dritter, die dem Dritten ohne dessen Zustim- 10 mung rechtsgeschäftliche Verpflichtungen auferlegen, sind dem Dritten gegenüber schon wegen des Prinzips der Privatautonomie unwirksam (3 Ob 566/95 SZ 68/154; 9 ObA 197/99g RdW 2000, 41). Durch eine sonstige Beeinträchtigung Dritter kann sich Sittenwidrigkeit ergeben: Nichtig ist die Abrede, Gründe und Inhalt der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geheim zu halten, um den Ehepartner des Arbeitnehmers in seinem gesetzlichen Unterhalt zu schmälern (9 ObA 50/03y SZ 2004/39). Unwirksam ist die Aufrechnung durch die Bank mit persönlichen Forderungen gegen den Treuhänder bei Anderkonten (7 Ob 211/05p RdW 2006, 433). Sittenwidrig sind Vereinbarungen, die das Risiko der Insolvenz eines Arbeitgebers auf den Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds überwälzen (8 ObS 269/00t RdW 2001, 426; 4 Ob 157/02w ZIK 2003, 107); ferner gewisse pfandverschlechternde Vermietungen (3 Ob 572/92 ÖBA 1993, 665; 7 Ob 153/04g JBl 2005, 175). Zur Schadenersatzhaftung wegen Vereinbarungen, die fremde Forderungsrechte beeinträchtigen, s § 859 Rz 16. Gläubigerschädigung begründet nur bei Hinzutreten weiterer Um- 11 stände Sittenwidrigkeit, s etwa 10 Ob 73/04i wbl 2005, 335; dazu Oberndorfer, RdW 2005, 476 (Abfindungsklauseln in Gesellschaftsvertrag); 1 Ob 170/00g RdW 2001, 277 (Konventionalstrafe bei Insolvenz). Bedenklich sind Klauseln, wonach ein Schuldner bei Konkurseröffnung Vermögenswerte verlieren soll (Bollenberger, ÖBA 2006, 879 mwN). Nach 8 Ob 558/91 (ÖBA 1992, 1113 krit Koziol) soll ein Gläubiger sittenwidrig handeln, wenn er sich des Befriedigungssubstrats des Schuldners eigennützig bemächtigt und dadurch die anderen Gläubiger leer laufen lässt. Eine bevorzugte, aber unanfechtbare Behandlung eines Gläubigers ist jedoch im Allgemeinen nicht sittenwidrig (6 Ob 17/02x ÖBA 2003, 612). Ein unter Vollmachtsmissbrauch geschlossenes Geschäft ist unwirk- 12 sam, wenn Vertreter und Dritter absichtlich zusammenwirken, um den Vertretenen zu schädigen (Kollusion), ferner wenn dem Dritten bekannt, für ihn offenkundig oder ihm aus grober Fahrlässigkeit unBollenberger
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bekannt ist, dass der Vertreter gegen Pflichten aus dem Innenverhältnis zum Vertretenen verstößt (5 Ob 164/99z ÖBA 2001, 242 Bollenberger; 6 Ob 287/00z SZ 74/167; P. Bydlinski, FS F. Bydlinski, 2002, 19 ff; Koziol, Zurechnung ungetreuer Bank-Mitarbeiter, 2004, 12 ff). S auch § 1016 Rz 8. Nichtigkeit liegt ferner bei Kenntnis des Dritterwerbers von einem Treuhandmissbrauch vor (5 Ob 297/05w EvBl 2006/146). 13 Nichtigkeit kann sich aus dem Schutz von Einrichtungen der Rechts-
ordnung ergeben. So darf zB der Rechtsweg nicht gänzlich ausgeschlossen werden (SZ 49/40); ist die vor einer (Verwaltungs-)Straftat vereinbarte Überwälzung der Vermögensstrafe auf einen Dritten unwirksam (6 Ob 281/02w bbl 2004, 34); für Verfahrenskosten gilt dies aber nur bei Vorsatz (3 Ob 2400/96d SZ 70/203). Auf zivilrechtliche Ansprüche aus künftigen strafbaren Handlungen kann nicht verzichtet werden (SZ 48/68). Nichtig ist die Abtretung von Honorarforderungen durch Freiberufler, soweit sie einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen (10 Ob 91/00f SZ 73/144: Rechtsanwalt; 8 Ob 36/05k SZ 2005/64: Wirtschaftstreuhänder); zum Bankgeheimnis s Apathy, ÖBA 2006, 33. IV. Die Fälle des Abs 2 14 A. Z 1–3. Das Verbot der Ehemäklerei gemäß Z 1 erfasst nicht die
bloße Adressenvermittlung oder Nachweisung einer Gelegenheit zur Kontaktaufnahme ohne Einflussnahme auf den Ehewillen (SZ 50/6: „Europäischer Partnerring“; zu laesio enormis und Wucher s SZ 50/144; zur Abbestellung gemäß § 1168 s SZ 54/173). Im Übrigen schließt die hL die Kondiktion des Entgelts nach beiderseitiger Erfüllung aus (Wilburg/K V 486; K/W I 176; s aber 5 Ob 129/02k EF 100.660). Zum Gewerberecht der Partnervermittler s V BGBl 1987/434. 15 Zu Begriff und Grenzen der Zulässigkeit einer medizinisch unter-
stützten Fortpflanzung s §§ 1 ff FMedG. Dessen § 21 sieht ein strafbewährtes Vermittlungsverbot für Zellen, Samen, Eizellen und sog Leihmütter vor (Erl 216 BlgNR 18. GP 26). Darüber hinaus belegt § 879 Z 1a noch Entgeltvereinbarungen für nach dem FMedG zulässige Vermittlungen mit Nichtigkeitssanktion, da die Kommerzialisierung verpönt ist (Krejci/R Rz 203b). 16 Das Verbot des Ansichlösens der Streitsache (zB Forderungsabtre-
tung, nicht jedoch Verpfändung: ZBl 1933/88; SZ 19/292; nicht Inkassozession: EvBl 1960/223; nicht Zession zahlungshalber: wbl 1989, 378) und des pactum de quota litis (Streitanteilsvereinbarung) gemäß 840
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Z 2 hat seinen Ursprung im Standesrecht der Rechtsanwälte (vgl § 16 Abs 1 RAO), gilt aber auch für Notare, Steuerberater, Buchprüfer und Wirtschaftsprüfer (7 Ob 8/06m); eine Ausdehnung auf Versicherungsberater und Schadenshelfer wird hingegen abgelehnt (4 Ob 81/99m Miet 51.080: analoge Anwendung jedoch auf denjenigen, der sich zum Schein als Anwalt oder Wirtschaftstreuhänder ausgibt). Die Regelung dient einerseits dem Ansehen des Anwaltsstandes (SZ 39/160) und soll andererseits den Klienten, der den Prozessausgang nicht abschätzen kann, vor einer Ausbeutung durch den Anwalt schützen; das Verbot greift daher nicht, wenn der Klient selbst Rechtsanwalt ist (10 Ob 91/00f SZ 73/144). Zulässig ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars (5 Ob 28/99z RdW 1999, 463; Kleiner, ecolex 2002, 116; nicht aber in Form eines Prozentsatzes des ersiegten Betrages: 7 Ob 8/06m Zak 2006, 256) sowie eines in einem Prozentsatz des gesamten Streitwerts festgelegten Pauschalhonorars (7 Ob 242/00i). Die Regelung darf aber nicht einer Streitanteilsvereinbarung gleichkommen, etwa indem zwischen dem Erfolgshonorar und dem für den Fall des Unterliegens vereinbarten Honorar ein krasses Missverhältnis besteht (OBDK Bkd 21/90 AnwBl 1991, 25 Strigl; Apathy/Riedler/S Rz 17). Wenn auch eine in Form der quota litis erfolgsorientierte Drittfinanzierung von Prozesskosten nicht grundsätzlich unzulässig erscheint, so kann eine Zusammenarbeit zwischen einem Rechtsanwalt und einem Prozessfinanzierer zumindest für den Anwalt, auch wenn er selbst aus der quota-litis-Regelung des Klienten mit dem Finanzierer direkt nicht begünstigt ist, zu einem indirekten Ausnützen dieser für einen Anwalt verpönten Regelung durch zusätzliche Prozessbeauftragungen kommen (OBDK 5 Bkd 1/02 AnwBl 2002, 653 Strigl). Zur Prozessfinanzierung s ferner Wagner, JBl 2001, 416; Kosch, ZIK 2000, 48; Klauser, ecolex 2002, 807; Knöbl, ecolex 2005, 436. Das Verbot der Veräußerung einer erhofften Erbschaft gemäß Z 3 17 soll einerseits der Spekulation auf den Tod eines Dritten (Erbschleicherei), andererseits der Ausbeutung des im Hinblick auf ein künftiges Erbrecht oft vorhandenen Leichtsinns entgegenwirken (5 Ob 146/02k RdW 2003, 14). Die Bestimmung erfasst jedes auf Übertragung oder Belastung gerichtete entgeltliche oder unentgeltliche Geschäft (EvBl 1966/50), auch die Veräußerung einzelner Gegenstände des künftigen Nachlasses (RdW 2003, 14). Nichtig ist zB ein Verzicht auf den Erb- oder Pflichtteil gegenüber einem dadurch begünstigten Verwandten, sofern es sich nicht bloß um eine Erbteilung handelt (7 Ob 531/90 NZ 1992, 70); zum Verzichtsvertrag mit dem Erblasser s § 551. Ein Vergleich zwischen Noterben und Beschenktem über den Bollenberger
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Anspruch aus § 951 ist schon vor dem Tod des Erblassers möglich (1 Ob 363/99k EF 93.461). 18 B. Z 4 (Wucher). Dem Wuchertatbestand unterliegt jedes Rechts-
geschäft, bei dem ein Austauschverhältnis besteht (3 Ob 503/93 SZ 67/123). Während laesio enormis (§ 934) nur an ein objektives Missverhältnis von 49:100 anknüpft, genügt für Wucher gemäß Abs 2 Z 4 (s auch § 1 WuchG) schon eine geringere Differenz der objektiven Werte der Hauptleistungen; das Missverhältnis muss aber nach der Rspr (krit Joeinig, ÖJZ 2003, 2 ff) doch „auffallend“, also grob und leicht erkennbar sein (7 Ob 556/91 ÖBA 1992, 384: Kreditzinsen; 2 Ob 540/92 JBl 1993, 581; 8 Ob 502/93 SZ 66/41: Provision). In Betracht kommt dies auch bei Glücksverträgen (1 Ob 515/94 SZ 67/99: Leibrente; zu § 934 s auch 3 Ob 8/98t JBl 1998, 508; 5 Ob 21/05g NZ 2006, 44) und Vergleichen (SZ 58/43; JBl 1993, 581; 6 Ob 281/00t EvBl 2001/78). Das Missverhältnis muss auf einem „Ausbeutungstatbestand“ beruhen (2 Ob 584/94 RdW 1995, 298), dh einerseits auf einem der in Z 4 beispielsweise aufgezählten subjektiven Umstände auf Seite des Verkürzten, die seine Selbstbestimmung beeinträchtigen und damit die Wahrung seiner Interessen behindern, wie einer Zwangslage, Gemütsaufregung, Unerfahrenheit oder etwa zu großer Vertrauensseligkeit (SZ 66/41; s noch Rz 20); iS eines beweglichen Systems (§ 6 Rz 9) genügt bei gravierenden Beeinträchtigungen der Willensbildung eine geringe Äquivalenzstörung und umgekehrt (P. Bydlinski, AT Rz 1/57). Andererseits muss der Wucherer die ungünstige Lage des Verkürzten „ausbeuten“, was zumindest fahrlässiges Ausnützen erfordert (SZ 67/123). Zur Herbeiführung dieser Lage braucht der Wucherer aber nichts beigetragen zu haben (SZ 44/71). 19 Maßgeblich für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen ist,
wie allgemein bei § 879 (Rz 1 und 23), der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (2 Ob 540/92 JBl 1993, 581; 3 Ob 503/93 SZ 67/123). Die Äquivalenzstörung kann auch dann festgestellt werden, wenn sich die Leistung des Wucherers nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anhand eines Durchschnittswertes schätzen lässt und der Minderwert nicht durch ein besonders hohes Risiko gerechtfertigt wird (3 Ob 2199/96w SZ 71/94: Tragung künftiger Prozesskosten). Bei Vertragsabschluss durch einen Masseverwalter im Konkurs kann nur dieser und nicht der Gemeinschuldner der Bewucherte sein (7 Ob 170/02d). Trotz Fehlens eines Merkmals des Wuchertatbestands des Abs 2 Z 4 kann ein Geschäft nach Abs 1 nichtig sein, wenn ein gleichwertiges Element der Sittenwidrigkeit hinzu kommt (SZ 58/43: wirtschaftliche Existenz bedrohender Scheidungsvergleich; 9 Ob 231/97d ÖBA 1998, 234; 3 Ob 221/04b JBl 2005, 661; 7 Ob 78/06f JBl 2007, 181: Zinsen). 842
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Die Aufzählung des Leichtsinns, der Zwangslage etc ist nicht taxativ 20 (Rz 18). Den Merkmalen ist gemeinsam, dass sie keinen der speziellen Willensmangeltatbestände der § 865, §§ 870 ff erfüllen und daher eben nur bei Hinzukommen einer Äquivalenzstörung nach § 879 Abs 2 Z 4 den Vertrag anfechtbar machen (Krejci/R Rz 214c und 216; Joeinig, ÖJZ 2003, 6 ff; SZ 43/194: Verstandesschwäche). Eine Zwangslage ist gegeben, wenn der Bewucherte nur die Wahl hat, den ungünstigen Vertrag einzugehen oder einen noch größeren Nachteil zu erleiden (3 Ob 2199/96w SZ 71/94); eine in einer Notlage gegen angemessenes Entgelt gewährte Hilfestellung ist aber nicht wucherisch (3 Ob 503/93 SZ 67/123). Unter Gemütsaufregung versteht man eine vorübergehende, etwa auch durch Alkoholgenuss verursachte, psychische Erregung, die das ruhige Sondieren der Lage verhindert (SZ 58/43). Unerfahrenheit wird durch Fehlen von Lebenserfahrung und allgemeinen Geschäftskenntnissen begründet, nicht schon durch den Mangel der nur für bestimmte Geschäfte erforderlichen Kenntnisse (SZ 71/94). Wucher macht ein Geschäft bloß relativ nichtig und gibt nur dem 21 Bewucherten eine Art Anfechtungsrecht (SZ 60/69; s auch Rz 28). Ein Vorausverzicht auf die Einrede des Wuchers ist unwirksam (SZ 41/33). Zur nachträglichen Heilung durch Anerkenntnis nach Wegfall der Zwangslage s 3 Ob 2199/96w SZ 71/94; krit Paul Doralt, JBl 1998, 806. V. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter (Abs 3) Wegen der beim Vertragsabschluss unter Verwendung von AGB für 22 den Partner typischerweise bestehenden „verdünnten Willensfreiheit“ (s § 864a Rz 1) erklärt Abs 3 Nebenbestimmungen in AGB oder Vertragsformblättern, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen betreffen (zur Abgrenzung 3 Ob 146/99p: Preisberechnung in allgemeiner Form; 4 Ob 112/04f SZ 2004/125: das Leistungsversprechen einschränkende Klauseln; 9 Ob 15/05d JBl 2007, 42; 10 Ob 125/05p ÖBA 2006, 916 Iro: Hauptpunkte betreffen die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der Leistungen; Fenyves, FS F. Bydlinski, 2002, 131 f; I. Faber, ÖJZ 2003, 789), schon dann für nichtig, wenn sie „gröblich benachteiligend“ sind; Analogie ist für einseitig vorformulierte, individuelle Vertragstexte geboten (1 Ob 144/04i JBl 2006, 103 M. Leitner: Ausschreibungsunterlagen; Rummel, JBl 2006, 268). Die Kontrolle der Äquivalenz der Hauptleistungen erfolgt hingegen nach § 879 Abs 2 Z 4 und § 934. Dass der benachteiligte Vertragspartner Kaufmann (Unternehmer) ist, steht der Anwendung des § 879 Bollenberger
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nicht entgegen (JBl 2006, 103 M. Leitner; 10 Ob 54/04w ÖBA 2006, 368 Vogel = ecolex 2006, 120 M. Leitner; ÖBA 2006, 916 Iro). 23 Auch für § 879 Abs 3 ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maß-
geblich. Die in einem beweglichen System (§ 6 Rz 9) vorzunehmende Beurteilung orientiert sich am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen Interessenausgleichs (SZ 61/235; 7 Ob 179/03d SZ 2003/91; s auch 1 Ob 144/04i JBl 2006, 103 M. Leitner: Abweichung von ÖNORM). So ist zB eine Stornogebühr in Höhe des tatsächlich erlittenen Schadens als Gegenleistung für die Einräumung eines (grundlosen) Rücktrittsrechts nicht gröblich benachteiligend, weil ein solcher Ersatzanspruch durchaus dem dispositiven Recht (§§ 918 ff, § 1168) entspricht (8 Ob 591/90 EvBl 1992/109). Vom dispositiven Recht abweichende Klauseln sind jedoch unwirksam, wenn sie unangemessen (7 Ob 267/02v ÖBA 2003, 694 Kalss) bzw sachlich nicht gerechtfertigt sind, wobei eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessenabwägung vorzunehmen (1 Ob 1/00d SZ 73/158; 4 Ob 179/02f SZ 2002/153: ABB-Banken) und die Natur des Rechtsgeschäftes zu berücksichtigen ist (8 Ob 31/05z SZ 2005/66: Bürgschaft). Gröbliche Benachteiligung ist ferner dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in auffallendem, sachlich nicht zu rechtfertigendem Missverhältnis zur vergleichbaren Position des anderen steht (4 Ob 50/00g SZ 73/46; 7 Ob 93/06m ÖBA 2006, 930). Eine aufsichtsbehördliche Genehmigung schließt die Inhaltskontrolle nach § 879 nicht aus (3 Ob 246/98t SZ 72/81; s auch zu § 25 Abs 6 TKG VwGH 2004/03/0066 wbl 2005, 242 und Graf, wbl 2005, 457). Im Folgenden werden einige Beispiele aus der jüngeren Judikatur dargestellt; s ferner § 6 KSchG. 24 Unzulässig ist zB: Freizeichnung von der Haftung – auch für bloß
leichte Fahrlässigkeit und außerhalb des § 6 Abs 1 Z 9 KSchG – für Personenschäden (1 Ob 400/97y SZ 71/58; 6 Ob 160/00y JBl 2001, 590); auch für andere Schäden kann eine Haftungsfreizeichnung für leichte Fahrlässigkeit, insb wenn es um die Verletzung von Hauptpflichten geht, unwirksam sein (s 4 Ob 179/02f SZ 2002/153 zu Z 9 Abs 1 S 1 ABB-Banken); auch Haftungsausschlüsse für grobe Fahrlässigkeit werden differenziert beurteilt (s näher Koziol, HPR I3 Rz 18/5 ff; Apathy/Riedler/S Rz 32); unwirksam ist ferner die Verkürzung der objektiven Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche gegen einen Lieferanten (4 Ob 279/04i SZ 2005/14) oder einen Abschlussprüfer (1 Ob 44/06m wbl 2006, 583) auf 3 Jahre; eine Verpflichtung des Schuldners zum Ersatz sämtlicher Inkassospesen (5 Ob 227/98p SZ 72/42; 8 Ob 17/00h JBl 2001, 236; 7 Ob 78/06f JBl 2007, 181) oder von Aufwendungen ohne Rücksicht auf ihre Notwendigkeit (4 Ob 844
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130/03a SZ 2003/115); die Belastung des Kreditnehmers mit sämtlichen, auch künftigen Kosten betreffend Kreditwürdigkeit, Sicherstellung und Abwicklung des Kredits (5 Ob 266/02g ÖBA 2003, 370 Iro); die Verpflichtung des Wohnungsmieters, einen Fernwärmeversorgungsvertrag bei sonstiger Weiterhaftung auf Nachmieter zu überbinden (8 Ob 130/03f JBl 2004, 781); eine verursachungs- und verschuldensunabhängige, anteilige Haftung mehrerer Auftragnehmer gegenüber dem Bauherrn (6 Ob 320/98x SZ 72/38; 6 Ob 98/00f JBl 2001, 459); die Belastung des Unternehmers mit einem unkalkulierbaren und unbegrenzten Baugrundrisiko (7 Ob 2382/96m RdW 1998, 66; 3 Ob 146/99p; 5 Ob 113/04k; Thaler, ecolex 2001, 192); der Ausschluss jeglicher Nachforderungen durch Legung der Schlussrechnung (1 Ob 144/04i JBl 2006, 103 M. Leitner); die Überwälzung des Lieferrisikos auf den Leasingnehmer beim Finanzierungsleasing, auch wenn der Leasinggeber dem Leasingnehmer die Käuferrechte abtritt (6 Ob 507/95 JBl 1996, 657); eine nur 3-monatige Kündigungsfrist in einem Kfz-Händlervertrag (9 Ob 2065/96h EvBl 1998/104); der Ausschluss der Kündigung aus wichtigem Grund, unter Umständen auch der ordentlichen Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen (10 Ob 34/05f wbl 2006, 278 F. Schuhmacher: Genussrecht); die Zuweisung des Risikos der Fälschung von Überweisungsaufträgen an den Bankkunden (so, auch mit Argumenten, die auf die Verbrauchereigenschaft des Kunden abstellen, SZ 2002/153 zu Z 3 Abs 1 S 1 ABB-Banken; krit Iro/Koziol, ÖBA 2003, 129; dazu auch Apathy, ÖBA 2003, 177); eine Klausel, wonach der Kontoinhaber alle Nachteile der Fälschung und des Missbrauchs der Bankomatkarte trägt, ist insoweit nichtig, als auch Fälle des technischen Missbrauchs erfasst sind, in denen – ohne Verschulden des Kunden – die Bankomatkarte kopiert und der Code in irgendeiner Weise ausgespäht wird (2 Ob 133/99v ÖBA 2001, 250 Koziol; zu Kreditkarten s Vogel, ÖBA 2001, 767; Körber, ÖBA 2004, 745; 10 Ob 54/04w ÖBA 2006, 368 Vogel = ecolex 2006, 120 M. Leitner; zum Fernabsatz § 31a KSchG). Ein Aufrechnungsverbot unter Unternehmern für konnexe Gegenforderungen kann bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (3 Ob 141/03m ÖBA 2004, 143) oder bei Feststehen der Gegenansprüche (7 Ob 215/05a ecolex 2006, 204) unwirksam sein (zu Verbrauchern s § 6 Abs 1 Z 8 KSchG). Zum Abtretungsverbot s § 1396a und P. Bydlinski/Vollmaier, JBl 2006, 205. Zu Bestandverträgen s JBl 2007, 181. Zulässig sind zB: Preis- bzw Kreditzinsanpassungsklauseln (10 Ob 25 125/05p ÖBA 2006, 916 Iro); sachlich gerechtfertigte Erweiterungen von Haftpflichten (6 Ob 55/02k RdW 2003, 311: Rennpferd); der Ausschluss der Kündigung bei börsegängigen Genussscheinen (7 Ob Bollenberger
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267/02v ÖBA 2003, 694 Kalss); der Ausschluss der Barablöse von Guthaben bei Ausscheiden aus einem Tauschmarkt (6 Ob 299/03v JBl 2004, 785: „Barter-Club“); die dem Factor eingeräumte Möglichkeit, vom Kunden angebotene Forderungsabtretungen ohne Begründung abzulehnen (6 Ob 17/02x RdW 2003, 262); die Erstreckung der Bürgenhaftung auf Kreditprolongationen (8 Ob 31/05z SZ 2005/66); die Verkürzung der subjektiven Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche gegen Wirtschaftstreuhänder und Abschlussprüfer auf 6 Monate (1 Ob 1/00d SZ 73/158; 1 Ob 44/06m wbl 2006, 583); ein „Barzahleraufschlag“ für Kunden, die keine Einzugsermächtigung erteilen (4 Ob 50/00g SZ 73/46, krit Th. Rabl, ecolex 2000, 490); die Überwälzung der Aufschließungskosten auf die Wohnungseigentumsbewerber (1 Ob 101/03i EvBl 2003/169). 26 Im Verbandsprozess (§§ 28 ff KSchG) ist die kundenfeindlichste Aus-
legung der Klausel zugrunde zu legen und hat eine geltungserhaltende Reduktion (Rz 30) zu unterbleiben (4 Ob 130/03a SZ 2003/115; 3 Ob 238/05d ÖBA 2006, 286 Iro; 7 Ob 78/06f JBl 2007, 181). Der Verwender der AGB soll diese nämlich selbst gesetzeskonform gestalten und diese Aufgabe nicht auf den Richter abwälzen (8 Ob 17/00h JBl 2001, 236; 4 Ob 288/02k ÖBA 2003, 371 Iro). S auch § 28 Rz 5 KSchG. VI. Rechtsfolgen 27 Es gibt verschiedene Arten der Nichtigkeit: Absolute Nichtigkeit, die
von Amts wegen wahrzunehmen ist, liegt vor, wenn gegen Gesetze verstoßen wird, die dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen (8 Ob 510/90 SZ 63/72: Täuschung der Konzessionsbehörde; 8 Ob 557/93 SZ 68/248: Verstoß gegen Verfassungsrecht; 4 Ob 199/00v SZ 73/142: Zahlung für Zustimmung zur Verlobung; 3 Ob 287/02f RdW 2004, 155: Verbotene Einlagenrückgewähr). Auf die Nichtigkeit kann sich auch der Teil berufen, der sie bei Vertragsabschluss kannte (9 Ob 83/01y SZ 74/77: Arbeits- und Dienstverschaffungsverträge in Verstoß gegen AuslBG; 7 Ob 135/03h JBl 2004, 107 Thunhart; 1 Ob 55/06d ecolex 2006, 1007: Scheinarbeitsverhältnis mit Geschäftsführer zur Umgehung des Gewerberechts; 10 Ob 91/00f SZ 73/144: Zession einer Honorarforderung). 28 In Fällen relativer Nichtigkeit kann hingegen nur der durch das Ge-
schäft in seinen rechtlichen Interessen Betroffene bzw der durch das Verbot Geschützte die Sittenwidrigkeit geltend machen, zB der Ersteher bei gläubigerschädigenden Bestandverträgen (3 Ob 572/92 ÖBA 1993, 665; zum Problem Bollenberger, ÖBA 2006, 891 f; der Bewucherte (3 Ob 2199/96w SZ 71/94; zum Anerkenntnis nach Wegfall 846
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der Zwangslage s Rz 21). Die Sittenwidrigkeit ist nur auf Einrede wahrzunehmen, wobei Tatsachen vorzubringen sind, die die Sittenwidrigkeit begründen (1 Ob 318/99t SZ 73/86; 8 ObS 273/00f RdW 2001, 747; 6 Ob 311/01f Miet 54.799 und 54.098). Der durch das Verbot Geschützte kann das Geschäft aber auch gelten lassen. Auch die Unwirksamkeit von Klauseln nach § 879 Abs 3 wird nur auf Einwendung, nicht von Amts wegen wahrgenommen (3 Ob 2004/96v SZ 69/127; 4 Ob 79/99t SZ 72/78), was jedoch für Verbraucherverträge wohl nicht aufrecht zu halten ist (s zuletzt EuGH 26.10.2006 Rs C-168/05, Mostaza Claro, NJW 2007, 135; aber auch § 6 KSchG Rz 5). Verstößt ein Vertrag nur teilweise gegen § 879, wird die Frage der 29 Teil- oder Gesamtnichtigkeit nicht nach dem hypothetischen Parteiwillen (§ 878 Rz 5), sondern nach dem Zweck der Verbotsnorm beurteilt (SZ 44/166: Kauf und Wiederkauf; SZ 47/8: Unterhaltsvergleich; 5 Ob 506/96 JBl 1997, 37: Pyramidenspiel; SZ 73/79: überfordernde Bürgschaft; Illedits, Teilnichtigkeit 37 ff), wobei der Restgültigkeit möglichst der Vorzug gegeben wird (8 Ob 15/01s SZ 74/67); zu verbotenen Arbeitsverträgen s § 29 AuslBG und dazu 9 Ob 83/01y SZ 74/77. Kein Vertragsteil kann sich darauf berufen, dass er den Vertrag nur mit unerlaubtem Inhalt oder gar nicht abgeschlossen hätte (3 Ob 77/02y JBl 2003, 854: Verstoß gegen § 1070). Zum Kreditwucher s § 7 Abs 2 WuchG; SZ 60/69. Zu Bankgeschäften ohne Konzession s § 100 BWG. Verstöße gegen § 879 Abs 3 oder § 6 KSchG bewirken Nichtigkeit 30 nur der betroffenen Klausel; der Restvertrag bleibt bestehen (1 Ob 144/04i JBl 2006, 103 M. Leitner). Wenn die in der nichtigen Klausel behandelte Ordnungsfrage einer Regelung bedarf, hat – ähnlich der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 914 Rz 9) – eine Ergänzung anhand des dispositiven Rechts und des hypothetischen Parteiwillens, mangels dessen Feststellbarkeit nach redlicher Verkehrsübung zu erfolgen (4 Ob 73/03v JBl 2004, 50 Rummel; 9 Ob 62/04i ÖBA 2005, 642 Graf; 4 Ob 10/06h ÖBA 2006, 922: Zinsanpassungsklausel). Auch bei bloß teilweiser Unzulässigkeit einer Vertragsklausel bleibt diese im Wege der geltungserhaltenden Reduktion mit ihrem zulässigen Inhalt aufrecht (JBl 1983, 534 F. Bydlinski; 3 Ob 2004/96v SZ 69/127; 1 Ob 44/06m wbl 2006, 583), wenn ein entsprechender hypothetischer Parteiwille erkennbar ist (7 Ob 179/03d SZ 2003/91; 4 Ob 279/04i SZ 2005/14). So bleibt auch ein zeitlich überlanger Vertrag während der zulässigen Dauer bestehen (SZ 56/144; 1 Ob 176/98h immolex 1998, 341; 6 Ob 322/00x RdW 2001, 399; zur Kondiktion s Rubin, ecolex 2001, 730). Bei Verbraucherverträgen soll allerdings eine geltungserhaltende Reduktion wegen § 6 Abs 3 KSchG überhaupt ausBollenberger
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§ 880
scheiden (Tschaler, ÖJZ 1998, 289 ff; Graf, ecolex 1999, 9 f; K/W I 184; M. Leitner, Das Transparenzgebot, 2005, 112 ff; SZ 2003/91; einschränkend Korinek, JBl 1999, 171), doch ist wohl eine differenzierende Lösung geboten (vgl auch Apathy/S § 6 KSchG Rz 86; Krejci/R Rz 256): Ist die Klausel als solche für den Verbraucher vorteilhaft (zB eine Garantie des Unternehmers, s F. Bydlinski, AcP 204, 376 f) und enthält sie unwirksame Einschränkungen, sollte sie aufrecht bleiben, weil sich § 6 Abs 3 KSchG sonst zu Lasten des Verbrauchers auswirkte; s auch § 915 Rz 4 und § 6 KSchG Rz 4 und 31; ferner § 9b Abs 4 KSchG. Zum Verbandsprozess s aber Rz 26. 31 Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von nach § 879
nichtigen Verträgen ist auf den Zweck der die Ungültigkeit begründenden Norm Bedacht zu nehmen (7 Ob 135/03h JBl 2004, 107 Thunhart); dieser Zweck kann die Rückforderung gebieten oder ihr entgegenstehen (9 Ob 83/01y SZ 74/77; 5 Ob 129/02k EF 100.660; eingehend Rummel, ÖJZ 1978, 253; F. Bydlinski, FS Zöllner 1043 ff); zu wucherischen Geschäften s § 7 Abs 1 WuchG. Einen Ausschluss der Rückforderung sieht § 1174 vor. Zahlungen aufgrund eines verbotenen Spiels sind kondizierbar (5 Ob 506/96 JBl 1997, 37; s auch § 1174 Rz 6). Die Rückforderung erbrachter Leistungen erfolgt nach hM gemäß § 877 (s näher § 877 Rz 2) und verjährt in 30 Jahren (2 Ob 322/00t SZ 74/11), soferne nicht Tatbestände der kurzen Verjährung (zB § 1480; § 27 Abs 3 MRG) analog anzuwenden sind (3 Ob 280/02a ÖBA 2004, 57 Koziol; 7 Ob 204/05h ÖBA 2006, 592: überhöhte Kreditzinsen). § 880. Wird der Gegenstand, worüber ein Vertrag geschlossen worden, vor dessen Übergabe dem Verkehre entzogen; so ist es eben so viel, als wenn man den Vertrag nicht geschlossen hätte. Lit: Ch. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf (2002).
1 Außerverkehrsetzung des Vertragsobjektes nach Vertragsschluss (zB
GlUNF 7189: Kinokonzession) ist ein Fall des zufälligen Unmöglichwerdens (nachträgliche Unerlaubtheit); daher stimmt die Rechtsfolge des § 880 mit §§ 1447, 1048 überein. Anwendungsfall ist auch die Versagung der baubehördlichen Bewilligung der Abschreibung des gekauften Grundstücks (6 Ob 503/94 RdW 1995, 177). 2 Bei vom Schuldner zu vertretender Erfüllungsvereitelung besteht
Ersatzpflicht nach § 920 (SZ 55/126). Zu beiderseitigem Verschulden s RdW 1995, 177; Ch. Rabl, JBl 1997, 489. Bei anfänglicher Unmöglichkeit greift hingegen § 878. 848
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§ 880a
§ 880a. Hat jemand einem andern eine Leistung eines Dritten versprochen, so gilt dies als Zusage seiner Verwendung bei dem Dritten; ist er aber für den Erfolg eingestanden, so haftet er für volle Genugtuung, wenn die Leistung des Dritten ausbleibt. [III. TN] Lit: W. Faber, Ungerechtfertigte Inanspruchnahme einer Bankgarantie, ÖBA 2003, 353; Graf, Übermäßige Inanspruchnahme der Garantie: Voraussetzungen der Rückforderung durch den Garanten, ecolex 1998, 15; B. Jud/ Spitzer, Die Bankgarantie im österreichischen Recht, in Graf v. Westphalen/ B. Jud (Hrsg), Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr3 (2005) 385; Koziol, Der Garantievertrag (1981); ders, BVR II Rz 3/1 ff; ders, Die Rückforderung bei unberechtigter Inanspruchnahme der Garantie, ÖBA 1999, 249; Oberhammer, Befristete und kündbare Bankgarantien als prozessuales Sicherungsmittel? ÖBA 1999, 26; Rummel, Mißbrauch der Inanspruchnahme einer Bankgarantie, ÖBA 1982, 207; ders, Auslegung von Bankgarantien, ÖBA 2000, 210.
Verpflichtungen können grundsätzlich nur in eigener Person oder 1 durch autorisierte Stellvertreter begründet werden. Verspricht jemand ansonsten die Leistung eines Dritten, so ist dies im Zweifel nicht als – rechtlich ohnehin unwirksamer (SZ 61/249) – Versuch, den Dritten zu verpflichten (Vertrag zu Lasten Dritter), aber auch nicht als Leistungsgarantie, sondern als eigene Verwendungs- bzw Bemühenszusage (HS 1) zu verstehen (SZ 26/303; HS 7241): Der Versprechende verpflichtet sich, alles ihm Zumutbare zu tun, um den Dritten zur Leistungserbringung zu bewegen. Bemüht er sich schuldhaft nicht ausreichend, so kann er dem Versprechensempfänger ersatzpflichtig werden; allerdings müsste dieser beweisen, dass die geschuldete Bemühung zum Erfolg geführt hätte (SZ 58/127). Ergibt Vertragsauslegung hingegen, dass der Versprechende ohne 2 Einschränkung für den Erfolgseintritt einstehen wollte (HS 2), liegt eine Leistungsgarantie (Erfolgszusage) vor: Wird der Erfolg nicht durch die primär in Aussicht genommene Leistung des Dritten herbeigeführt, hat der Versprechende (Garant) dem Versprechensempfänger verschuldensunabhängig das Erfüllungsinteresse zu gewähren (SZ 61/232; Koziol, Garantievertrag 44 f). Die Wirksamkeit einer solchen Leistungsgarantie ist – anders als etwa eine Bürgschaft – von der Existenz und Durchsetzbarkeit einer gegen den Dritten gerichteten Forderung unabhängig, die Garantie ist also nicht akzessorisch, sondern abstrakt (ÖBA 1987, 505 Koziol; 7 Ob 2044/96f ÖBA 1997, 636 Bollenberger; 1 Ob 208/99s ÖBA 2000, 418 Apathy = ecolex 2000, 33 Wilhelm; Koziol, Garantievertrag 31 ff; gegen die Einordnung der P. Bydlinski
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Bankgarantie als abstrakte Verpflichtung hingegen etwa ÖBA 1988, 615 Jabornegg; zu kausalen und abstrakten Verpflichtungen § 937 Rz 3 f). Gegen den Begünstigten selbst bestehende Gegenforderungen kann der Garant dem Garantieanspruch jedoch entgegenhalten (3 Ob 291/04x ÖBA 2005, 649 mwN). 3 Soweit die Leistung einer materiell fremden Schuld garantiert wird
(Sicherungsgarantie), erscheint die Haftungsübernahme zumindest gleich gefährlich wie die Verbürgung, weshalb nach heute ganz überwiegender Ansicht das Schriftformgebot des § 1346 Abs 2 analoge Anwendung findet (1 Ob 595/92 ÖBA 1993, 146 Apathy; 1 Ob 553/94 ÖBA 1995, 59 Schumacher); ebenso die Legalzessionsnorm des § 1358 (Koziol, Garantievertrag 74 f; 4 Ob 89/97k ÖBA 1997, 941; 3 Ob 108/03h ÖBA 2004, 640). Zur Abgrenzung der Garantie von Bürgschaft und Sicherungs-Schuldbeitritt s § 1344 Rz 2. 4 Besondere praktische Bedeutung hat diese gläubigergünstige Ver-
pflichtungsform in Gestalt der Bankgarantie (ausführlich dazu insb Koziol, BVR II Rz 3/1 ff). Diese meist auf erste Anforderung durch den Gläubiger zahlbare Verpflichtung hat das früher gebräuchliche Bardepot abgelöst, was Liquiditätsvorteile bringt. Bsp: Der Kunde behält vom Werklohn des Handwerkers nicht einen gewissen Prozentsatz für etwaige Mängel ein, der erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist nachgezahlt wird; vielmehr erhält der Handwerker gleich das volle Entgelt, wenn er dem Kunden eine entsprechend hohe Haftrücklassgarantie einer Bank übergibt. Bei Mängeln der Leistung kann der Kunde den Garantiebetrag ganz oder teilweise bei der Bank abrufen. Wegen der strengen Verpflichtung des Garanten, der regelmäßig bereits aufgrund der Behauptung des Begünstigten, der Garantiefall sei eingetreten, zahlen muss, ist die Garantie missbrauchsanfällig. Daher wird zum einen die „formelle Garantiestrenge“ bei der Inanspruchnahme sehr ernst genommen: Der Garantieabruf hat sich präzise an den dafür getroffenen Vereinbarungen zu orientieren, die allerdings nach dem Parteiwillen auszulegen sind (s SZ 62/75; 10 Ob 51/03b ÖBA 2004, 707 mwN; Rummel, ÖBA 1989, 159; zur Nachfristsetzung beim Garantieabruf 2 Ob 339/99p ÖBA 2001, 402 Rummel = ecolex 2000, 423 Thaler). Zum anderen steht dem Garanten der Einwand des Rechtsmissbrauchs zu, wenn die Garantie im Wissen um das Ausbleiben des Garantiefalls in Anspruch genommen wird; so zB, wenn der Dritte bereits geleistet hat oder dem Begünstigten aus anderen Gründen bewusst ist, dass ihm keine (weitere) Leistung zusteht (8 Ob 587/93 SZ 66/82; 5 Ob 540/93 SZ 66/140; zur fehlenden Fälligkeit s einerseits ÖBA 1990, 304 Konecny und andererseits 8 Ob 645/91 ÖBA 1992, 573 Koziol = ÖZW 1992, 92 Lindinger). Umstritten 850
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 881
ist allerdings, ob die Tatsache der Grundlosigkeit offenkundig (evident), also leicht („liquide“) beweisbar sein muss (dafür SZ 50/66; 5 Ob 547/93 ecolex 1994, 225; Konecny, ÖBA 1989, 853; dagegen wohl zu Recht Koziol, BVR II Rz 3/105 mwN). Bei erst nach Zahlung erkanntem Rechtsmissbrauch kann der Garant die Leistung vom Begünstigten kondizieren (s Vor §§ 1431–1437 Rz 9; zu den Konsequenzen einer Garantenleistung trotz Fehlens einer durchsetzbaren gesicherten Forderung s 9 Ob 97/04m ÖBA 2005, 899). Über den Wortlaut des § 880a hinaus kann jede sonstige „Erfolgshaf- 5 tung“ (für Steuervorteile: JBl 1986, 46 Reidinger; für Pfandrechtseintragung: JBl 1989, 37) und jede Haftung für einen Schaden (SZ 47/138; SZ 61/232; 2 Ob 525/89 EvBl 1990/7) mittels Garantievertrags übernommen werden. Ansprüche aus Garantien verjähren gemäß § 1489, sofern die Garan- 6 tie Schadenersatzfunktion hat (1 Ob 138/05h ÖBA 2007, 146 B. Koch 151; RS0017007), was eigentlich immer der Fall ist (vgl 5 Ob 7/06z ÖBA 2007, 148 B. Koch). Im von § 880a nicht erfassten zweipersonalen Verhältnis sind abs- 7 trakte Garantieverpflichtungen unwirksam (vgl § 937 Rz 3); anders, wenn die Erfüllung einer wirksam übernommenen Verpflichtung dergestalt versprochen wird, dass der Gläubiger – uU sogar verschuldensunabhängig – auch bei Unterbleiben der Leistung vermögensmäßig wie bei Erfüllung gestellt wird (näher § 878 Rz 9). Verkäufergarantien (Garantiezusagen, „unechte“ Garantien) beinhalten regelmäßig käufergünstige – und daher unbedenkliche – Modifikationen des gesetzlichen Gewährleistungsrechts (näher Reidinger, Rechtsprobleme der Garantieabrede, 1987; ders, FS Welser, 2004, 889; zur – ausnahmsweisen – Beurteilung von Eigenschaftszusicherungen als Garantiezusage 1 Ob 41/03s JBl 2003, 853). Verträge zugunsten Dritter § 881. (1) Hat sich jemand eine Leistung an einen Dritten versprechen lassen, so kann er fordern, daß an den Dritten geleistet werde. (2) Ob und in welchem Zeitpunkt auch der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, vom Versprechenden Erfüllung zu fordern, ist aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zwecke des Vertrages zu beurteilen. Im Zweifel erwirbt der Dritte dieses Recht, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteile gereichen soll. P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 881
(3) Das Recht auf die bei einer Gutsabtretung vom Übernehmer zugunsten eines Dritten versprochenen Leistungen gilt mangels anderer Vereinbarung dem Dritten als mit der Übergabe des Gutes erworben. [idF III. TN] Lit: Eccher, Erbfolge 130 ff; Enzmann, Auswirkungen des neuen § 31 Abs 1 GBG auf Verträge zugunsten Dritter, NZ 1982, 6; Große-Sender, Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung beim Vertrag zugunsten Dritter, ÖJZ 1999, 88; Mayrhofer, Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte, FS Schnorr (1988) 673; Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis (1973); Steiner, Zivilrechtliche Ansprüche des Versicherungsnehmers aus geschäftsplanmäßigen Erklärungen? ÖJZ 1986, 673; Tomandl, Probleme kollektivvertragsersetzender freier Betriebsvereinbarungen, ZAS 1995, 181; Zankl, Lebensversicherung und Nachlaß, NZ 1985, 81; ders, Vertrag und Treuhand zugunsten Dritter auf den Todesfall, NZ 1998, 225.
1 § 881 geht von einer im Zweipersonenverhältnis getroffenen Abrede
aus, in der sich ein Teil verpflichtet, die vereinbarte Leistung einem – meist vorweg bestimmten – Dritten zukommen zu lassen (Bestimmbarkeit genügt: SZ 48/22; 6 Ob 619/92 JBl 1993, 657). Daraus entsteht in jedem Fall der Anspruch des Versprechensempfängers auf Leistung an den Dritten (Abs 1). Entsteht daneben kein eigenständiger Anspruch des Dritten selbst gegen den Versprechenden, wird von einem unechten Vertrag zugunsten Dritter gesprochen. Derartige Vereinbarungen können ohne Zustimmung des Dritten jederzeit abgeändert oder beseitigt werden. 2 Resultiert aus der Vereinbarung (auch) ein unmittelbarer Anspruch
des Dritten, liegt ein echter Vertrag zugunsten Dritter vor. Die Berechtigung des Dritten kann sofort mit dem Vertragsschluss entstehen. Zuweilen erfolgt der Rechtserwerb aber auch zu einem späteren Zeitpunkt (s Abs 2 S 1). So ist beim (bäuerlichen) Gutsübergabevertrag im Zweifel davon auszugehen, dass der Übernehmer dem begünstigten Dritten erst ab Übernahme des Gutes (dazu SZ 50/166; NZ 1985, 15) unmittelbar zur Erbringung der vorgesehenen Leistungen verpflichtet ist (Abs 3). Der aus einer Lebensversicherung begünstigte Dritte erwirbt den Anspruch gegen die Versicherung gemäß § 166 Abs 2 VersVG mangels anderer Abrede erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls, also mit dem Tod der versicherten Person. Zu Treuhandvereinbarungen zugunsten Dritter s etwa 3 Ob 248/04y wobl 2005, 283 mwN. 3 Auslegungs- und Zweifelsregeln für die Abgrenzung der echten von
der unechten Drittbegünstigung enthält Abs 2. Abgesehen von ausdrücklichen Absprachen ist primär auf Vertragsnatur und Vertrags852
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 881
zweck abzustellen (S 1). Daher liegt etwa in der Vereinbarung, das Geschenk habe nach dem Tod des Beschenkten an einen konkreten Dritten zu fallen, eine echte Begünstigung (SZ 44/112; s auch 7 Ob 111/99w NZ 2001, 190; anders bei noch offenem Begünstigten 5 Ob 11/91 NZ 1991, 252 Hofmeister 256); ebenso bei der Versicherung für fremde Rechnung nach den §§ 74 ff VersVG (SZ 52/65; SZ 59/220) oder beim Schuldbeitritt qua Schuldnervertrag (JBl 1993, 657; 1 Ob 138/97v SZ 70/145). Dass die Leistung hauptsächlich dem Dritten Vorteile bringt, spricht im Zweifel für echte Drittbegünstigung (S 2). Bsp: Scheidungsvergleich mit Klauseln zugunsten der Kinder (SZ 51/82; 6 Ob 686/89 NZ 1991, 10); Anerkennung von Mietrechten Dritter beim Liegenschaftskauf (EvBl 1960/254; 10 Ob 34/00y Miet 52.185); Dienstverträge mit der Zusage einer Pension auch für den Witwer der Dienstnehmerin (9 ObA 219/90 SZ 63/227 = ecolex 1991, 268 Mazal = ZAS 1991, 201 Sladecek) bzw die bei Vertragsschluss bereits geschiedene Gattin des Dienstnehmers (9 ObA 318/90 JBl 1991, 471). Während die Frage, ob dem Dritten ein eigenes Forderungsrecht 4 gegen den Versprechenden zusteht, durch Auslegung des Deckungsverhältnisses (zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger) zu klären ist, muss der Rechtsgrund des begünstigten Dritten zum Behalten der Leistung im Valutaverhältnis (zwischen Drittem und Versprechensempfänger) gefunden werden. Ist dieses unwirksam, muss der Dritte die erhaltene Leistung an den Versprechensempfänger herausgeben (dazu Vor §§ 1431–1437 Rz 7). Das Deckungsverhältnis stellt somit eine bloß „unvollkommene“ causa für das Fordern (und wohl auch für den Eigentumserwerb: so SZ 51/82; NZ 2001, 190; allerdings jeweils mit überprüfungsbedürftigen Positionen zur Schenkungsform), nicht hingegen für das Behalten dar (vgl 5 Ob 589/90 JBl 1991, 244). Bei Unwirksamkeit oder Wegfall des Deckungsverhältnisses wird der Versprechende direkt beim Dritten kondizieren können (SZ 7/346; Apathy/Riedler, SR BT Rz 15/44). Besonders heikel sind jene – häufigen – Fälle, in denen im Valutaver- 5 hältnis eine unentgeltliche Zuwendung an den Dritten beabsichtigt ist; sei es lebzeitig oder auf den Todesfall. Zwingende Formgebote können durch Drittbegünstigungsabreden nicht umgangen werden (so zum Auftrag auf den Todesfall SZ 53/135), sofern deren Zwecke nicht auf andere Weise erfüllt werden. Da der Schenker (= Versprechensempfänger) vor Übereilung geschützt werden soll (§ 943 ABGB, § 1 Abs 1 lit d NotAktsG), bestehen nur dann von vornherein keine Formprobleme, wenn die drittbegünstigende Vereinbarung in Notariatsaktsform errichtet wurde. Für Schenkungen vertritt der OGH jedoch in ständiger Rspr Formfreiheit im Valutaverhältnis, sofern der P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 881
Vertrag zugunsten Dritter selbst nicht formgebunden ist (SZ 51/25; SZ 51/82; 2 Ob 104/97a RdW 2000, 83; NZ 2001, 190). Das ist wegen der Formzwecke bedenklich: Die formlose Begründung des Forderungsrechts durch echten Vertrag zugunsten des Dritten sollte auch in Verbindung mit der Leistungserbringung durch den Versprechenden nicht ausreichen (Rummel/R Rz 8 ua; anders Apathy/Riedler/S Rz 9), da darin keine Warnung des Schenkers liegt. Fraglich ist auch, ob der Formmangel durch eine Leistung des Versprechensempfängers im Deckungsverhältnis (Kaufpreis-, Werklohnzahlung oÄ) saniert werden kann (so Dullinger, SR AT Rz 6/13; Mayrhofer, SR AT 187; ähnlich Rummel/R Rz 8): Der Erfüllung dieser Leistungspflicht kann sich der Versprechensempfänger ja nicht mehr entziehen; für einen Übereilungsschutz (Warnung vor den Folgen einer Schenkung) ist es insoweit also schon zu spät. 6 Die Rücknahme bzw der Widerruf einer echten Drittbegünstigung
durch die Vertragspartner gegen den Willen des Dritten wird im Anschluss an den HHB (280) von vielen dann nicht mehr zugelassen, wenn der Dritte das Recht erworben hat (SZ 27/160; EvBl 1974/220; SZ 53/25). Das ist zumindest terminologisch unglücklich, da sich die Widerruflichkeitsfrage von vornherein nur bei bereits entstandenen Rechten stellt. Da sich die Vertragsparteien häufig nicht sofort gegenüber dem Dritten binden wollten, sollte man im Zweifel bereits die Anspruchsentstehung hinausschieben (s nur § 881 Abs 3 ABGB und § 166 Abs 2 VersVG); Entstehungszeitpunkt könnte im Einzelfall auch der Moment sein, in dem der Dritte von der Begünstigung in Kenntnis gesetzt wurde (Mayrhofer, SR AT 184 ua), da es vorher an schutzwürdigem Vertrauen fehlt. Zuweilen wird die Widerruflichkeit eines bereits entstandenen Drittanspruchs dann vertreten, wenn und solange der Dritte im Valutaverhältnis gegenüber dem Versprechensempfänger (noch) keinen Anspruch erworben hat (Spielbüchler, Schuldverhältnis 20 f; ihm folgend Apathy/Riedler/S Rz 9). Dem ist zu folgen, da beim Dritten nach Leistung durch den Versprechenden ohnehin kondiziert werden könnte (Rz 4). Allerdings hat der Versprechende häufig keinen Einblick in das Valutaverhältnis, so dass er uU nicht bereit sein wird, dem Wunsch des Versprechensempfängers nach Beseitigung der Drittbegünstigung nachzukommen. 7 Der Banküberweisung liegt kein (echter oder unechter) Vertrag zu-
gunsten des Empfängers (RS0017140), sondern eine Anweisung zugrunde. Näher dazu § 1400 Rz 1 ff. 8 Zum Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter s § 1295
Rz 19. 854
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 882
§ 882. (1) Weist der Dritte das aus dem Vertrag erworbene Recht zurück, so gilt das Recht als nicht erworben. (2) Einwendungen aus dem Vertrage stehen dem Versprechenden auch gegen den Dritten zu. [idF III. TN] Lit: Dullinger, Zur Aufrechnung beim Vertrag zugunsten Dritter, JBl 1988, 151; Wilhelm, Eine falsche Überweisung und ihre Folgen, ecolex 1995, 313.
Der Dritte erwirbt das Recht gegenüber dem Versprechenden bereits 1 aufgrund des Vertrages zwischen diesem und dem Versprechensempfänger (s nur 5 Ob 272/99g Miet 52.652); und zwar ohne Rücksicht auf das Valutaverhältnis, in dem etwa bei Schenkungsabsicht des Versprechensempfängers die Annahmeerklärung des Dritten fehlt (SZ 51/82; 2 Ob 104/97a RdW 2000, 83). Gegen seinen Willen aufdrängen muss sich der Dritte die Begünstigung aber nicht lassen. Daher kann er den Rechtserwerb mit rückwirkender Kraft (Apathy/Riedler/S Rz 5; Rummel/R Rz 1) durch Erklärung gegenüber dem Versprechenden (HHB 282) zurückweisen (Abs 2). Auch eine Erklärung gegenüber dem Versprechensempfänger soll ausreichen (Gschnitzer/K IV/1, 242; Rummel/R Rz 1). Vernichtet wird dadurch aber zunächst nur der Anspruch des Dritten gegen den Versprechenden. Ob der Versprechensempfänger nunmehr Leistung an sich selbst verlangen kann bzw ob der Dritte mit der Zurückweisung auch einen bereits bestehenden Anspruch gegenüber dem Versprechensempfänger beseitigt, ist im Einzelfall durch Auslegung des drittbegünstigenden Vertrages bzw der Zurückweisungserklärung zu entscheiden (Gschnitzer/K IV/1, 242). Abs 2 ist der Grundsatz zu entnehmen, dass der Versprechende nicht 2 schlechter stehen soll, als wenn ihm nur der Versprechensempfänger als Vertragspartner und Gläubiger gegenüberstünde. Daher können Einwendungen des Versprechenden aus dem Vertrag mit dem Versprechensempfänger auch gegenüber dem Dritten geltend gemacht werden. Somit ist ihm die Erhebung der Zug-um-Zug-Einrede ebenso möglich wie die Berufung auf eine Schiedsvereinbarung (4 Ob 533/95 SZ 68/112 = ecolex 1995, 712 Feyl). Auch mit ihm zustehenden Anfechtungsrechten (Irrtum, laesio enormis) kann sich der Versprechende verteidigen; fraglich ist bloß, ob er sie dem Dritten gegenüber ausüben (Dullinger, SR AT Rz 6/16; Rummel/R Rz 2; Lukas, Zession und Synallagma, 2000, 33 f, 169) oder sich – mE richtig – bloß dilatorisch auf ihr Bestehen berufen kann (Gschnitzer/K IV/1, 243; P. Bydlinski, RdW 2002, 269 f für die dem Vertrag zugunsten Dritter vergleichbare Situation bei der Zession). – Zu Aufrechnungsmöglichkeiten 1 Ob 520/96 SZ 69/95; Dullinger, JBl 1988, 151. P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 883
3 Ungeregelt ist demgegenüber, wem Nebenansprüche und Gestal-
tungsrechte gegenüber dem Versprechenden zustehen. Bei mangelhafter Leistung wird in Parallele zur Zession (vgl § 1394 Rz 3) regelmäßig der begünstigte Dritte die Gewährleistungsrechte sowie die Schadenersatzansprüche nach § 933a geltend machen können, da ihm die vertragsgemäße Leistung zukommen sollte (vgl Fischer-Czermak, JBl 1997, 275). Ein Anfechtungsrecht wird hingegen in der Regel vom Versprechensempfänger auszuüben sein (SZ 59/220; P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 123 f, 59 ff). Form der Verträge § 883. Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich; vor Gerichte oder außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden. Diese Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetze bestimmten Fällen, in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied. Lit: Aburumieh/Koller/Pöltner, Formvorschriften für Schiedsvereinbarungen, ÖJZ 2006, 439; W. Berger, Gesetzliche Formvorschriften für Rechtsgeschäfte nach österreichischem Recht, in Reitmann/Berger/Eccher/Zimmermann (Hrsg), Gutachten „175 Jahre ABGB“ (1986) 41; P. Bydlinski, Die Notariatsaktspflicht 1850 und heute, NZ 1990, 289; ders, Veräußerung und Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen. Zugleich ein Beitrag zur Notariatsaktspflicht (1991); P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand (2001); Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung (1998); Fenyves, Die zivilrechtliche Anerkennung von Vereinbarungen zwischen Angehörigen, in Ruppe, Familienverträge 59; Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen (1999); Rechberger (Hrsg), Formpflicht und Gestaltungsfreiheit (2002); Welser, Notariatsakt: Abschaffung, Ersatz durch Schriftform, „geteilte Form“ und „halbe Form“, FS Weißmann (2003) 989.
1 § 883 enthält den Grundsatz der Formfreiheit: Mangels gegenteiliger
Anordnung ist allein die Willenseinigung entscheidend, nicht hingegen die Form der abgegebenen Willenserklärungen. Sogar Geschäfte von großer Tragweite können regelmäßig formfrei geschlossen werden, auch wenn schriftliche Abfassung schon aus Beweisgründen ratsam ist; so der Kauf einer Liegenschaft (eine – qualifizierte – Urkunde wird bloß für die grundbücherliche Durchführung benötigt; s §§ 26 f, 31 ff GBG) oder eines Unternehmens, Darlehens- bzw Kreditverträge, Mietverträge (JBl 1959, 593), Versicherungsverträge (EvBl 1966/28; VR 1988, 200) und die meisten Gesellschaftsverträge (EvBl 1955/168; JBl 1961, 281; anders etwa § 4 Abs 3 GmbHG). 856
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 883
Gesetzliche Durchbrechungen der Formfreiheit sind nicht selten. 2 Die Gründe dafür sind vielfältig; der Normzweck muss aber für jede Vorschrift präzise geklärt werden (2 Ob 235/05f EvBl 2006/38), da er die Reichweite der betreffenden Sondernorm bestimmt (insb zur Teleologie der notariellen Form zuletzt ausf M. Gruber in Rechberger, Formpflicht 55 ff). Häufig soll ein Vertragsteil vor Übereilung geschützt werden: Vor Abgabe seiner Erklärung soll er sich die Konsequenzen des Rechtsgeschäfts klar vor Augen führen; uU hilft ihm dabei ein objektiver und fachkundiger Dritter (Notar, Gerichtsperson). Ein solcher Warnzweck liegt etwa dem Formgebot bei Bürgschaft (§ 1346 Abs 2) und Schenkung (§ 1 Abs 1 lit d NotAktsG; s auch Rz 6) zugrunde. Gleiches wird auch für Schiedsvereinbarungen vertreten (RS0017284; s nur 2 Ob 235/05f EvBl 2006/38; ebenso zu § 583 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006 Erl 1158 BlgNR 22. GP 9, wo allerdings gegen den klaren Gesetzeswortlaut von „unterschriebenen“ Vereinbarungen ausgegangen wird); tatsächlich lässt § 583 nF ZPO jedoch etwa auch E-Mails ausreichen und will ganz generell die Beweisbarkeit der Vereinbarung sicherstellen (näher dazu Aburumieh/ Koller/Pöltner, ÖJZ 2006, 439, 442 f). Nur ausnahmsweise geht es darum, dem Erklärungsempfänger die besondere Bedeutung der ihm zugegangenen Erklärung vor Augen zu führen (Signalfunktion); so etwa beim Ausschluss eines Gesellschafters mittels eingeschriebenen Briefs gemäß § 66 GmbHG (näher § 886 Rz 6). Zuweilen wird auch die Klarstellungsfunktion erwähnt (s etwa Koppensteiner, GmbHGesetz2 , 1999, § 76 Rz 16 mwN). Drittschutz (Gläubigerschutz) als Formzweck hat heutzutage angesichts des Anfechtungsrechts nur mehr geringe Bedeutung (s etwa § 1 Abs 1 lit b NotAktsG und dazu insb Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 97 ff). Zuweilen werden öffentliche Interessen betont; so bei der Diskussion um das Formgebot für die GmbH-Anteils-Übertragung (§ 76 Abs 2 GmbHG; s nur P. Bydlinski, Veräußerung 35 ff mwN). Beweis(sicherungs)zwecke sind nur selten tragender Grund für die Aufstellung eines Formgebots; die gegenteilige Sicht würde den Grundsatz des § 883 vernachlässigen. Anderes gilt für das Recht der letztwilligen Verfügungen (§§ 577 ff), da dort das wirklich Erklärte und Gewollte nach dem Tod des Erblassers typischerweise nur bei Vorliegen formgebundener Erklärungen mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann. Gesetzliche Formgebote können sich auch auf einseitige Rechtsgeschäfte beziehen (s zB § 3 Abs 4 KSchG, § 8 FMedG oder § 66 GmbHG). Das österreichische Recht kennt folgende qualifizierte Formen der 3 Abgabe von Willenserklärungen bzw des Abschlusses von Verträgen als Wirksamkeitserfordernis: P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 883 – – – –
Schriftform (s § 886) sichere elektronische Signatur (§ 4 SigG; dazu bei § 886 Rz 5) Notariatsakt (Rz 4) gerichtliches Protokoll (Rz 5).
Die Beiziehung von Zeugen ist eine Besonderheit des Erbrechts und wird daher dort behandelt (vgl § 579 Rz 2 und 3, §§ 591, 594); zur Vorgabe einer bestimmten Sprache s § 5 Abs 1 TNG oder § 33 Abs 2 BWG. 4 Einen Notariatsakt, dessen Zweck vor allem in der fachkundigen und
objektiven Belehrung der Parteien über die Rechtsfolgen des Geschäfts liegt (zu den dabei bestehenden Pflichten des Notars s §§ 52 f NO; dazu M. Gruber in Rechberger, Formpflicht 55, 66 ff), verlangt § 1 Abs 1 NotAktsG (zu dieser Norm zB Fenyves in Ruppe, Familienverträge 71 ff) insb für Ehepakte (lit a), für gewisse Verträge zwischen Ehegatten (lit b; dazu etwa P. Bydlinski in Harrer/Zitta, Familie 422 ff), für Bestätigungen über den Erhalt eines Heiratsgutes (lit c; krit dazu Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 41 f), für Schenkungen ohne wirkliche Übergabe (lit d; dazu Rz 6 sowie § 943 Rz 1) sowie für schriftliche Verträge, die Menschen mit bestimmten Behinderungen, insb Blinde, abschließen, sofern es nicht um Alltagsgeschäfte geht und eine Vertrauensperson beigezogen wird (lit e; dazu etwa P. Bydlinski, RdW 2001, 718 ff). Notariatsaktsgebote finden sich zB auch im GmbHG (§ 4 Abs 3, § 76 Abs 2). Mit dem im AktG verwendeten Begriff „notarielle Beurkundung“ ist häufig ein Notariatsakt gemeint (s Jabornegg in Jabornegg/Strasser, AktG I/1 § 16 Rz 11; Szep, aaO III § 222 Rz 3, jeweils mwN). Die Ersetzung des österreichischen Notariatsakts durch eine Auslandsform wird überwiegend und vor allem dann akzeptiert, wenn sie dem Notariatsakt funktionell gleichwertig ist (IPRax 1990, 252 Kralik = ZfRV 1989, 223 Schwind); eine solche Gleichwertigkeit ist mE jedoch kaum einmal gegeben (Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 55 ff mwN). Notariatsakte können auch unter Verwendung einer elektronischen Beurkundungssignatur errichtet werden (§ 13 Abs 1 NO). 5 Das gerichtliche Protokoll wird dem Notariatsakt insb in den §§ 551
und 1278 ABGB sowie in § 8 FMedG gleichgestellt. Fraglich ist, ob es einen Notariatsakt auch sonst ersetzen kann (dazu etwa JBl 1971, 263; 8 Ob 521/94 SZ 67/83; Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 42 ff mwN). 6 Auch Formgebote sind – unter strenger Beachtung des Formzwecks
– der teleologischen Reduktion sowie der Analogie zugänglich: So wird die an sich für den Schenkungsvertrag vorgesehene Notariatsaktspflicht nur auf die Erklärung des Schenkers bezogen, da bloß er 858
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 883
warnbedürftig ist (5 Ob 266/99z ecolex 2000, 354 krit Wilhelm = NZ 2001, 141 zust Hoyer 145 und die überwiegende Lehre; dagegen Welser, FS Weißmann 996 f mwN), oder die Bürgschaftsform auf die Garantieübernahme erstreckt (1 Ob 595/92 ÖBA 1993, 146 Apathy; 1 Ob 553/94 ÖBA 1995, 59 Schumacher). Die für ein konkretes Rechtsgeschäft angeordnete Form ist in aller 7 Regel Wirksamkeitsvoraussetzung (Bsp für Ausnahmen: Ratenbrief nach § 24 Abs 3 KSchG, Verbraucherkreditvertrag nach § 33 Abs 2 BWG). Ein unter Missachtung des Formgebots vorgenommenes Rechtsgeschäft ist daher unwirksam. Der Formmangel kann insb durch Erbringung der versprochenen Leistung geheilt werden (§ 1432 und dort Rz 2; ausführlich Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte). Ob er von Amts wegen wahrzunehmen (absolute Nichtigkeit) oder ob eine Berufung darauf notwendig ist (relative Nichtigkeit), kann nicht allgemein beantwortet werden (ausführlich dazu mit einer Tendenz zu bloß relativer Nichtigkeit Heiss, Formmängel 82 ff). So dürfte sich aus § 1 Abs 3 NotAktsG e contrario ergeben, dass das Fehlen eines vom NotAktsG geforderten Notariatsakts im Regelfall zu absoluter Nichtigkeit führt. Eine Präferenz zu von Amts wegen zu beachtender Unwirksamkeit findet sich auch in der Rspr (EvBl 1957/319; NZ 1980, 78; NZ 1984, 234, jeweils zu Verstößen gegen das NotAktsG; außerhalb des NotAktsG s SZ 60/40; anders aber für eine formmangelhafte letztwillige Verfügung SZ 59/164); zuletzt hat der OGH bei bloß unklarer Formulierung einer an sich formgerechten (schriftlichen) Bürgschaftserklärung die Berufung auf den Formmangel verlangt (1 Ob 213/03k ÖBA 2004, 481 krit P. Bydlinski). Gelegentlich wird „einseitig relative“ Nichtigkeit ausdrücklich angeordnet: Der Formmangel kann nur von jenem Vertragsteil geltend gemacht werden, dessen Schutz das Formgebot im Auge hat: so beim Bauträgervertrag (§ 3 Abs 2 BTVG), beim Heimvertrag (§ 27d Abs 5 S 3 KSchG) und bei bestimmten Rechtsgeschäften Behinderter, insb Blinder (§ 1 Abs 3 NotAktsG); ebenso bei Gebrauch einer falschen Vertragssprache – nicht hingegen bei fehlender Schriftform – § 4 Abs 1 S 2 TNG. Die Bevollmächtigung zum Abschluss formgebundener Rechtsge- 8 schäfte unterliegt häufig ebenfalls einem Formgebot, um die angestrebten Formzwecke zu erreichen. Entsprechende Formvorgaben sind zum Teil ausdrücklich angeordnet (s etwa § 69 Abs 1 und Abs 1a NO sowie § 4 Abs 3 S 2 GmbHG), zum Teil werden sie aus dem Formzweck abgeleitet, was etwa zur Notwendigkeit schriftlicher Bevollmächtigung zur Verbürgung führt (SZ 14/58; RdW 1987, 407; zum Mietvertrag 1 Ob 569/94 wobl 1994, 188 Dirnbacher); zu InhaltsgeP. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 884
boten für derartige Vollmachten s insb § 1008. Zur Formpflicht von Vorverträgen § 936 Rz 1. § 884. Haben die Parteien für einen Vertrag die Anwendung einer bestimmten Form vorbehalten, so wird vermutet, daß sie vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollen. [idF III. TN] Lit: H. Böhm, Das Abgehen von rechtsgeschäftlichen Formgeboten, AcP 179 (1979) 425; Fischer-Czermak, Mündliche Vereinbarungen beim Finanzierungsleasing, ecolex 1992, 312; Rummel, Probleme der gewillkürten Schriftform, JBl 1980, 236; s auch bei § 883.
1 § 884 enthält eine Auslegungs- bzw Vermutungsregel. Sie geht da-
von aus, dass die Parteien für das von ihnen beabsichtigte Rechtsgeschäft vorweg eine gesetzlich nicht gebotene Form vereinbart haben. Die Einhaltung der Form ist dann im Zweifel Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Formvorbehalt durch einen Vertragsteil genügt (SZ 27/192; 2 Ob 574/91 ecolex 1992, 555). Dass mit der Schriftform bloß deklaratorische, nämlich Beweis-Zwecke verfolgt werden sollten, muss beweisen, wer sich darauf beruft (s etwa JBl 1967, 84; JBl 1977, 206 F. Bydlinski). Allein in der Vereinbarung, eine schriftliche Vertragsurkunde zu errichten, liegt allerdings noch kein Vorbehalt iS des § 884 (10 Ob 140/05v mwN). 2 Die Norm ist deshalb von geringer praktischer Bedeutung, weil die
Parteien jederzeit vom Formvorbehalt abgehen können (7 Ob 99/06v mwN). Anders in Stellvertretungsfällen: Dann bedeutet der Formvorbehalt regelmäßig, dass der Bevollmächtigte keine Vollmacht zur Abgabe bloß mündlicher Erklärungen besitzt (s aber auch § 10 Abs 3 KSchG; dazu dort Rz 3). 3 Wird als Form ein eingeschriebener Brief vereinbart, um Beweissicher-
heit über den Zugang einer Erklärung mit bestimmtem Inhalt zu erlangen, so reicht ein normaler Brief jedenfalls dann aus, wenn der Empfang zugestanden wird (HS IV/11; 3 Ob 564/92 Miet 44.081) bzw wenn sein rechtzeitiger Zugang feststeht (9 Ob 319/99y ÖBA 2000, 703). § 885. Ist zwar noch nicht die förmliche Urkunde, aber doch ein Aufsatz über die Hauptpunkte errichtet und von den Parteien unterfertigt worden (Punktation), so gründet auch schon ein solcher Aufsatz diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind. [idF III. TN]
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P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 886
Haben die Parteien bereits ohne Vorbehalte eine Urkunde unterfer- 1 tigt, so ist schon nach § 914 im Regelfall von rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeit auszugehen. Eine Punktation iSd § 885 liegt dann vor, wenn eine künftige ausführlichere Regelung ins Auge gefasst war, die Parteien aber schon vorweg mit entsprechendem Bindungswillen das Wichtigste schriftlich fixieren wollten (1 Ob 2322/96v SZ 70/197; s auch 8 Ob 232/99x Miet 52.100 mwN), wozu jedenfalls die essentialia negotii gehören (ZAS 1976, 216 Rummel; SZ 50/163). Kommt in der Folge die beabsichtigte detailliertere Vereinbarung nicht zustande, bleibt es bei dem in der Punktation Vereinbarten; verbliebene Lücken werden durch dispositives Recht ergänzt. Ergibt sich hingegen aus der Urkunde selbst oder dem sonst geäußer- 2 ten Parteiwillen, dass bloß ein zukünftiger Vertragsschluss vereinbart wurde, so liegt ein Vorvertrag vor, der den Beschränkungen des § 936 unterliegt. Im Einzelnen kann die Zuordnung schwierig sein. Da aus einer Punktation klagbare Ansprüche entstehen, ist eine für 3 das entsprechende Geschäft über die Schriftform hinausgehende gesetzliche Formpflicht (insb Notariatsakt) auch bei der Punktation zu beachten (NZ 1928, 70 bzw NZ 1930, 64; NZ 1983, 184). § 886. Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, kommt durch die Unterschrift der Parteien oder, falls sie des Schreibens unkundig oder wegen Gebrechens unfähig sind, durch Beisetzung ihres gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens oder Beisetzung des Handzeichens vor zwei Zeugen, deren einer den Namen der Partei unterfertigt, zustande. Der schriftliche Abschluß des Vertrages wird durch gerichtliche oder notarielle Beurkundung ersetzt. Eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift auf mechanischem Wege ist nur da genügend, wo sie im Geschäftsverkehr üblich ist. [idF III. TN] Lit: Haas, Auslegung und (Bürgschafts-)Form: Die Andeutungstheorie im Wandel, ÖBA 2001, 875; s auch bei §§ 883, 1346.
Schriftlichkeit bedeutet gemäß der Legaldefinition des § 886 im Re- 1 gelfall eigenhändige Unterfertigung eines Textes mit dem Namenszug, also Unterschriftlichkeit. Die Unterschrift (zu deren Erfordernissen im Einzelnen SZ 41/95; 8 Ob 232/97v ÖBA 1998, 645) deckt grundsätzlich nur den davor stehenden Text (SZ 51/85; 5 Ob 18/97a NZ 1998, 136); uU auch einen der Unterschrift unmittelbar folgenden, sofern er sich nachweisbar bereits bei Unterfertigung auf der UrkunP. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 886
de befand (s etwa JBl 1975, 548). Eine blanko vorweg geleistete Unterschrift kann das Formgebot nicht erfüllen (Wilhelm, wbl 1989, 21 f gegen ÖBA 1989, 176 Iro; P. Bydlinski, Kreditbürgschaft 44 f ua). 2 Der konkrete Formzweck entscheidet über die Frage, welchen Inhalt
die unterfertigte Urkunde haben muss, damit das Formgebot erfüllt ist. So ist etwa für § 1346 Abs 2 (Schutz des Bürgen vor Übereilung) zu verlangen, dass die Person des Hauptschuldners sowie die gesicherte Forderung aus der Urkunde hervorgeht (1 Ob 582/90 JBl 1991, 193); ebenso bedürfen alle Abreden, die den Bürgen im Vergleich zum dispositiven Recht schlechter stellen, der Schriftlichkeit; nicht hingegen bürgenbegünstigende Nebenabreden (NZ 1988, 105). Formpflichtig ist nach der Rspr etwa die Vereinbarung eines den Schenker belastenden Veräußerungs- und Belastungsverbotes nach § 364c in einem Schenkungsvertrag auf den Todesfall (SZ 57/118, wo auch die Notariatsaktspflicht der für die Schenkung erteilten Vollmacht bejaht wurde; zu diesem Problem § 1005 Rz 2). Gleiches gilt für Änderungsvereinbarungen. Soweit der Formzweck reicht, genügt ein bloßer Verweis auf den Inhalt anderer Urkunden keinesfalls (SZ 45/55). Hingegen stellt das Formgebot keine Auslegungsgrenze dar. Vielmehr ist zunächst nach allgemeinen Regeln zu klären, was die Parteien (übereinstimmend) gewollt bzw erklärt haben. In einem zweiten Schritt ist dieses Auslegungsergebnis am Formgebot zu messen, wobei die vom Formzweck erfassten Abreden in der Urkunde zumindest angedeutet sein müssen (s Haas, ÖBA 2001, 875 und ihr folgend 1 Ob 213/03k ÖBA 2004, 481 P. Bydlinski; ferner etwa 1 Ob 163/00b ÖBA 2001, 477 P. Bydlinski). 3 Schreibunfähige Personen können die Unterschrift durch ein bloßes
Handzeichen ersetzen, sofern die in S 1 vorgesehenen zusätzlichen Sicherungskautelen erfüllt sind. Die strengeren Formen des Notariatsakts und des gerichtlichen Protokolls reichen immer aus (S 2). Bei Geschäftsüblichkeit (dazu 1 Ob 515/95 ÖBA 1996, 73 Rummel) genügt eine mechanische Unterschriftsnachbildung, insb durch Stempel (S 3). 4 Ob die Übersendung der (Tele-)Kopie eines eigenhändig unterfertig-
ten Originaldokuments (Telefax) ausreicht, ist umstritten und wohl auch nicht pauschal zu beantworten. Der OGH hält etwa die „TelefaxBürgschaft“ für formnichtig; anders die überwiegende Literatur, die den Übereilungsschutz als voll gewährleistet ansieht (Nachweise § 1346 Rz 9). Auch der rechtsgeschäftlich der Schriftform unterworfene Garantieabruf soll per Telefax unwirksam sein (1 Ob 620/95 ÖBA 1996, 474 Koziol = ecolex 1996, 447 Wilhelm), nicht hingegen 862
P. Bydlinski
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§ 886
die (fristwahrende) Anzeige eines Ersatzanspruchs für Aufwendungen, die nach § 10 Abs 4 MRG schriftlich zu erfolgen hat (5 Ob 207/02f ecolex 2003, 333 Wilhelm = immolex 2003, 68 Pfiel = wobl 2003, 262 Vonkilch). Zum Problemkreis auch Rummel, FS Ostheim (1990) 211; ders in Fischer, Aktuelle Rechtsprobleme der Telekommunikation (1999) 57; Wilhelm, ecolex 1990, 208. Gemäß § 4 Abs 1 SigG sind sicher signierte elektronische Erklä- 5 rungen grundsätzlich wie eigenhändig unterschriebene „Papiererklärungen“ (§ 886) zu behandeln. Allerdings war der Ausnahmekatalog des Abs 2 leg cit bisher so weit gefasst, dass nur wenig übrig blieb; so zB die Bürgschaftserklärung eines Unternehmers. Seit der zum 1.1.2007 in Kraft getretenen Neufassung des § 4 Abs 2 kann eine sicher signierte elektronische Erklärung die an sich für Geschäfte des Familien- und Erbrechts gebotene Form (Schriftlichkeit, Notariatsakt oder gerichtliches Protokoll) dann ersetzen, wenn sie zugleich die – mit dessen Berufssignatur versehene (dazu Erl 1169 BlgNR 22. GP 41; Blocher/Zisak, RdW 2006, 616) – Erklärung eines Notars oder Rechtsanwalts enthält, dass er den Erklärenden über die Rechtsfolgen der Signatur aufgeklärt hat (Z 1). Auch ein „elektronischer Notariatsakt“ ist nunmehr möglich (vgl Z 2 und 3; dazu schon § 883 Rz 4); zu Privatbürgschaften (Z 4) s § 1346 Rz 7. Elektronischen Notariatsakten kommt als öffentlichen Urkunden die gleiche Beweiskraft wie auf Papier verfassten zu (§ 292 nF ZPO), womit der Beweiswert elektronischer Urkunden generell den von Papierurkunden gleich steht (Erl 1169 BlgNR 22. GP 34). Zu § 4 aF SigG – überwiegend kritisch – etwa Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 27 ff; ferner Brenn, ecolex 1999, 243; ders, ÖJZ 1999, 587; W. Jud/Högler-Pracher, ecolex 1999, 610. Verlangt das Gesetz einen eingeschriebenen Brief, so liegt diesem 6 Gebot regelmäßig ein besonderer Formzweck, etwa Signalfunktion für den Empfänger (§ 883 Rz 2), zugrunde. Bloße Beweiszwecke sind nicht zu unterstellen, da die Beweislast für den Zugang ohnehin immer beim Erklärenden liegt (§ 862a Rz 7); s aber auch 4 Ob 188/97v JBl 1997, 781 Karollus = ecolex 1998, 135 Reich-Rohrwig zu §§ 40 f GmbHG, wonach ein normaler Brief bei nicht bestrittenem Zugang ausreichen soll. Zu § 66 GmbHG s § 883 Rz 2, zu weiteren Vorschriften des GmbHG P. Bydlinski, JBl 2002, 705 mwN (zum gewillkürten Einschreiben HS IV/11; 9 Ob 319/99y ÖBA 2000, 703; 2 Ob 196/01i ecolex 2002, 435). Ob gesetzliche Schriftlichkeitsgebote im Einzelfall auch ohne Unter- 7 fertigung einer Erklärung eingehalten sind (vgl die „Textform“ des § 126b BGB), ist wiederum nach dem konkreten Formzweck zu entP. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 888
scheiden. Bei Informationspflichten spricht vieles gegen die Notwendigkeit einer Unterschrift, da es darum geht, dem Empfänger bestimmte Angaben in dauerhafter Weise zur Verfügung zu stellen. Auch die Rücktrittserklärungen nach § 3 Abs 4 KSchG und nach § 6 Abs 3 TNG bedürfen wohl keiner Unterschrift (näher zu all dem Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 8 ff, zur Schriftlichkeit von Wissenserklärungen 12 ff); speziell zur Schriftform der Mangelanzeige nach Art 30, 32 CMR 6 Ob 512, 513/96 SZ 69/107. § 887. [aufgehoben, III. TN] Gemeinschaftliche Verbindlichkeit oder Berechtigung § 888. Wenn zwei oder mehrere Personen jemandem eben dasselbe Recht zu einer Sache versprechen, oder es von ihm annehmen; so wird sowohl die Forderung, als die Schuld nach den Grundsätzen der Gemeinschaft des Eigentumes geteilt. Lit: Rudolf, Schuldner- und Gläubigermehrheiten nach dem ABGB und dem slowenischen Obligationenrecht (1997); Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern (1984).
1 Die §§ 888 ff behandeln Konstellationen, in denen auf Schuldner-
bzw Gläubigerseite mehr als eine Person steht. § 888 greift die rechtsgeschäftliche Begründung einer Forderung heraus und verweist für die Behandlung solcher Mehrpersonenverhältnisse zunächst pauschal – also auch für die Schuldnermehrheit – auf die Grundsätze der Eigentumsgemeinschaft (§§ 825 ff), die die §§ 889 ff somit ergänzen (JBl 1977, 317; JBl 1980, 318). Mehrpersonale Schuldverhältnisse können wie zweipersonale auch aus anderen als rechtsgeschäftlichen Gründen entstehen (s § 859 Rz 2). 2 Nach hA (Mayrhofer, SR AT 86 ua; aA Apathy/Riedler/S Rz 1) bezie-
hen sich die §§ 888 ff nur auf Einzelforderungen und Einzelschulden, nicht aber auf das gesamte Schuldverhältnis. Tatsächlich enthalten die §§ 888 ff keine Vorschriften über die Ausübung von Gestaltungsrechten, etwa für die Kündigung zweier Mitmieter oder für den Rücktritt mehrerer Verkäufer. Diesbezüglich gilt wegen der Auswirkungen auf das gesamte Schuldverhältnis der Grundsatz, dass Gestaltungsrechte nur durch alle Gestaltungsberechtigten gemeinsam bzw gegenüber allen Gestaltungsgegnern ausgeübt werden können (SZ 50/113; SZ 57/120); anders sind die seltenen Fälle teilbarer Schuldverhältnisse zu behandeln (EvBl 1978/2). Besonderheiten gelten auch für Gesellschaftsverhältnisse; zur Erwerbsgesellschaft s die §§ 1175 ff. 864
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 889
Auf Schuldnerseite sind denkbar: Teilschuld (s § 889 Rz 1), Gesamt- 3 bzw Solidarschuld (§ 891 Rz 1 f) und Gesamthandschuld (§ 890 Rz 3). Auf Gläubigerseite kommen dementsprechend in Betracht: Teilforderung (§ 889 Rz 1), Gesamt- bzw Solidarforderung (§ 892 Rz 1) und Gesamthandforderung (§ 890 Rz 2). Die §§ 888 ff sind dispositiv (EvBl 1961/305; 3 Ob 610/90 ÖBA 1991, 4 458 Iro). § 889. Außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen haftet also aus mehrern Mitschuldnern einer teilbaren Sache jeder nur für seinen Anteil, und ebenso muß von mehrern Mitgenossen einer teilbaren Sache, jeder sich mit dem ihm gebührenden Teile begnügen. Lit: Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft im österreichischen Recht (1998); s auch bei § 888.
Bei Teilbarkeit der „Sache“, also der geschuldeten Leistung, entste- 1 hen mangels abweichender gesetzlicher Regelung oder Vereinbarung Teilansprüche bzw Teilschulden (bedenklich daher die § 891 Rz 1 aE zit Rspr). Diese Vorschrift hat vor allem für Geldschulden Bedeutung (SZ 44/13; SZ 48/36; 2 Ob 540/90 JBl 1991, 379 uva). Die Frage nach Teilbarkeit ist immer auf die einzelne Obligation zu beziehen, etwa auf den Kaufpreisanspruch ohne Rücksicht auf etwaige Teilbarkeit der Kaufsache (1 Ob 523/92 JBl 1992, 590 uva). Die synallagmatische Verknüpfung (§ 1052) der gesamten teilbaren Leistung mit der unteilbaren Gegenleistung bleibt allerdings voll aufrecht. Für sich gesehen ist jede Teilforderung rechtlich selbständig, daher etwa frei abtretbar. Über Teilbarkeit (Zerlegung ohne Wertverlust; HS XXV/7) oder Un- 2 teilbarkeit entscheidet primär § 843; im vertraglichen Bereich ist überdies der Parteiwille zu beachten (Welser, GesRZ 1978, 143; 1 Ob 695/82; EF 51.658; 8 Ob 157/00x). Unteilbarkeit liegt nach hA etwa auch dann vor, wenn mehrere Personen eine Liegenschaft kaufen, weshalb ein Erwerber allein vom Verkäufer nicht die Verschaffung eines Miteigentumsanteils verlangen können soll (SZ 46/101; JBl 1992, 590 mwN), obwohl ein „Mitkäufer“ in jedem Fall nur Miteigentum erlangen kann. Welchen Anteil an der teilbaren Schuld der einzelne Teilschuldner 3 bzw Teilgläubiger zu zahlen hat bzw verlangen kann, ergibt sich uU bereits aus dem zwischen allen Beteiligten Vereinbarten, nicht selten aber erst aus dem Innenverhältnis der Schuldner bzw Gläubiger untereinander (vgl die §§ 896 bzw 895). Dabei ist im Zweifel von gleichen Quoten auszugehen (3 Ob 299/99p EvBl 2001/201). Wer weniger zahP. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 890
len will, ist für die behauptete geringere Quote beweispflichtig; ebenso jener von mehreren Gläubigern, der mehr als seinen Kopfteil fordert, da die Schuldnerseite keinen Einblick in das Innenverhältnis hat (Apathy/Riedler/S § 895 Rz 1). Bei verbleibenden Unsicherheiten über die Höhe der Quote seiner Teilgläubiger kann der Schuldner mit den Folgen des § 1425 gerichtlich hinterlegen. Überzahlungen an einen Teilgläubiger im guten Glauben daran, dass dieser auch insoweit berechtigt sei, führen nur ausnahmsweise zur Schuldbefreiung (vgl F. Bydlinski/K IV/2, 613). 4 Solidarschuld trotz Teilbarkeit ist häufig angeordnet, nicht zuletzt
aus fiskalischen Interessen für Gebühren und Abgaben (vgl insb § 6 Abs 1 BAO). Bsp aus dem Privatrecht: § 1359 (Mitbürgen); § 1302 (Schädigermehrheit); § 10 PHG (Schädigermehrheit); § 128 UGB (OG-Gesellschafter); § 348 UGB (gemeinschaftlich begründete vertragliche Schuld von Unternehmern ist im Zweifel Gesamtschuld). S ferner etwa § 12 NTG. § 890. Betrifft es hingegen unteilbare Sachen; so kann ein Gläubiger, wenn er der einzige ist, solche von einem jeden Mitschuldner fordern. Wenn aber mehrere Gläubiger und nur ein Schuldner da sind; so ist dieser die Sache einem einzelnen Mitgläubiger, ohne Sicherstellung herauszugeben, nicht verpflichtet; er kann auf die Übereinkunft aller Mitgläubiger dringen, oder die gerichtliche Verwahrung der Sache verlangen. Lit: Oberhammer, Die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht – eine Gesamthandgesellschaft? JBl 1997, 624; Perner, Gemeinschaftliche Forderungen (2004); ders, § 890 Satz 2 – ein Fall der Gesamthandforderung? JBl 2004, 609; Riedler, Gesellschafterkompetenz bei Forderungen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 1203 S 2 ABGB), JBl 1999, 638; s auch bei §§ 888, 889.
1 Unteilbarkeit der von Mehreren geschuldeten Leistung (§ 889 Rz 2)
führt gemäß S 1 zur Gesamtschuld (nähere Definition in § 891). 2 Demgegenüber entsteht bei Unteilbarkeit und Gläubigermehrheit
nach S 2 eine Gesamthandforderung (gegen diesen Begriff Perner, Gemeinschaftliche Forderungen 140 f; ders, JBl 2004, 609): Das Forderungsrecht steht nur allen gemeinsam zu, weshalb an einen Einzelnen bloß bei Zustimmung aller Übrigen schuldbefreiend geleistet werden kann (SZ 45/113; NZ 1988, 22; 3 Ob 283/00i Miet 52.088; ebenso für die Aufrechnung 8 Ob 538/93); so etwa beim „Und-Konto“ (s ÖBA 1988, 160 Iro). Ein solches Einverständnis aller, nicht aber ein Vorgehen nach § 1373, ist mit „Sicherstellung“ gemeint. Will der 866
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 891
Schuldner ansonsten frei werden, muss er seine Leistung gerichtlich hinterlegen (s § 1425). Befreit wird er schließlich auch dann, wenn die Leistung tatsächlich allen zugute kommt (SZ 50/151; SZ 60/122). Führt die Erbringung der geschuldeten Leistung ihrer Art nach von vornherein zur Befriedigung aller Gläubiger (Räumung, Unterlassung, Wiederherstellung), so kann sie jeder Einzelne verlangen (EvBl 1961/19; NZ 1990, 18). Ebenso kann jeder Gläubiger Leistungserbringung an alle begehren (JBl 1980, 318; K/W II 141). Denkbar sind schließlich Nebenansprüche, die jedem Gläubiger für sich zustehen, wie das Recht auf Bucheinsicht (vgl GlU 14.061). Gesamthandforderungen können kraft Gesetzes auch bei Teilbarkeit 3 bestehen. Dazu gehören insb die Forderungen einer Gemeinschaft (§ 848 S 2 und 3; aA Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft 247 ff) und einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (SZ 45/113; SZ 50/151 ua; dazu auch Welser, GesRZ 1978, 141 und 1979, 15; aA Riedler, JBl 1999, 641 ff; ders, Gesamt- und Teilgläubigerschaft 252 ff); für Gesamthandgläubigerschaft mehrerer Vermieter 9 Ob 91/06g immolex 2007, 78. Keine spezielle Regelung hat die Gesamthandschuld erfahren. Eine 4 solche Verbindlichkeit muss von allen Schuldnern gemeinsam erfüllt werden, weshalb die Leistungserbringung auch bloß von allen gemeinsam verlangt werden kann. Fallgruppe 1 (manchmal auch als gemeinschaftliche Schuld bezeichnet): Die Leistung könnte von einem einzelnen Schuldner gar nicht erbracht werden. Bsp: Verschaffung von Rechten am gesamten Grundstück durch mehrere Miteigentümer (EvBl 1961/222; SZ 46/101; 1 Ob 166/05a); Konzert mehrerer Musiker (SZ 53/101 = ZAS 1983, 172 Selb); nicht hingegen eine mehrere Personen treffende Unterlassungspflicht. Fallgruppe 2: Die Leistung ist aus einem gesamthänderischen Sondervermögen zu erbringen, so aus dem einer OHG oder KG (vgl Koppensteiner/Straube, HGB I 3 § 124 Art 7 Nr 9–11 Rz 5). Fallgruppe 3: Erfüllung „durch die gesamte Hand“ wurde speziell vereinbart. Korrealität § 891. Versprechen mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur ungeteilten Hand dergestalt, daß sich einer für alle, und alle für einen ausdrücklich verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt dann von dem Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern das Ganze, oder nach von ihm gewählten Anteilen; oder ob er es von einem einzigen fordern wolle. Selbst nach erhobener Klage bleibt ihm, wenn er von derselben absteht, diese Wahl vorbehalten; und, wenn er von einem oder dem andern P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 891
Mitschuldner nur zum Teile befriedigt wird; so kann er das Rückständige von den übrigen fordern. Lit: Lukas, Von liquidierbaren Drittschäden, anzurechnenden Vorteilen und unechten Gesamtschulden, JBl 1996, 481 und 567; Oberhammer, Zum Anwendungsbereich der Solidarhaftung von „Handelsleuten“ gem § 1203 ABGB, RdW 1996, 572; Thiery, Die GesBR als Unternehmer (1989).
1 § 891 behandelt die durch entsprechende ausdrückliche rechtsge-
schäftliche Vereinbarung begründete Schuld mehrerer „zur ungeteilten Hand“, also die Solidarschuld (Gesamtschuld). Dem Gläubiger steht es frei, wen er in Anspruch nimmt (6 Ob 109/05f mwN); interne Abreden der Mitschuldner untereinander können die Rechtsposition des Gläubigers niemals schmälern (vgl etwa 1 Ob 82/05y JBl 2006, 790). Bei objektiver Teilbarkeit kann er von den einzelnen Mitschuldnern auch Teilbefriedigung fordern. Die Solidarschuld verschafft dem Gläubiger eine besonders starke und sichere Position, da er die Leistung jedenfalls erhält, so lange ein einziger der Schuldner leistungsfähig ist. „Ausdrücklich“ bedeutet hier wie auch an vielen anderen Stellen des ABGB „eindeutig“ bzw „deutlich“ (SZ 27/299; EvBl 1967/86 uva). Deshalb und wegen § 889 darf eine teilbare (Geld-) Schuld nicht unter Berufung auf Treu und Glauben oder auf die Verkehrssitte als Gesamtschuld behandelt werden (so aber etwa SZ 27/299; RdW 1989, 223; zu Recht zurückhaltend hingegen SZ 53/14; s dazu Kerschner/Jabornegg, HGB Art 8 Nr 1 Rz 17 mwN). Diese in der Lehre schon bisher überwiegend vertretene Position hat durch die Neufassung des § 348 UGB eine zusätzliche Stärkung erfahren (Schauer/RK UGB § 348 Rz 3). 2 Die in § 891 vorgesehenen Folgen greifen auch bei nicht auf Vertrag
beruhenden, etwa zufällig entstandenen „unechten“ Gesamtschulden ein (1 Ob 108/04w SZ 2005/91; 8 Ob 58/04v bbl 2005, 167, jeweils mwN ua). Um Gesamtschuld annehmen zu können, bedarf es einer Identität der geschuldeten Leistung („identisches Gläubigerinteresse“; vgl Lukas, JBl 1996, 572), während der Rechtsgrund der einzelnen Pflichten unterschiedlich sein kann (2 Ob 561/94 SZ 67/153). Gleichstufigkeit der Verpflichtungen wird allerdings zu verlangen sein (aA Lukas, JBl 1996, 572), weshalb sich etwa ein akzessorisch haftender Bürge (und Zahler) nur auf § 1358 stützen kann (zur Konkurrenzfrage § 896 Rz 4). 3 Der Gläubiger hat freie Disposition über sein Recht gegenüber jedem
einzelnen Gesamtschuldner (zu den Konsequenzen für die anderen Gesamtschuldner s § 894). Auch die gesonderte Abtretung des Anspruchs bloß gegen einzelne Gesamtschuldner kommt in Betracht 868
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 892
(JBl 1984, 378; Gamerith/R § 894 Rz 9 ua; Bedenken bei Mayrhofer, SR AT 102). § 892. Hat hingegen einer mehrern Personen eben dasselbe Ganze zugesagt, und sind diese ausdrücklich berechtigt worden, es zur ungeteilten Hand fordern zu können; so muß der Schuldner das Ganze demjenigen dieser Gläubiger entrichten, der ihn zuerst darum angeht. Lit: Iro, Gefahren des Oder-Kontos, RdW 1991, 166; Riedler, Zahlungssperre der Bank bei Pfändung der Forderung eines Oder-Konten-Inhabers? ÖBA 1998, 509.
§ 892 behandelt die durch entsprechende rechtsgeschäftliche Verein- 1 barung begründete Gesamtgläubigerschaft (Bsp: „Oder-Konto“; zu den Rechten des einzelnen Mitinhabers 9 Ob 104/03i ÖBA 2004, 706). Die in den §§ 892 ff vorgesehenen Rechtsfolgen greifen aber auch in den – seltenen – Fällen gesetzlich angeordneter Gesamtgläubigerschaft (so für § 7 WHG 1 Ob 558/94 SZ 67/129) ein. Jeder Gläubiger kann ohne Zustimmung der Übrigen die gesamte Leistung verlangen; der Schuldner wird durch Leistungserbringung an einen Gläubiger frei. Vor Einmahnung (Rz 2) kann der Schuldner wählen, welchem Gläubiger er leistet (SZ 32/73). HS 2 sieht vor, dass an jenen Gläubiger gezahlt werden muss, der den 2 Schuldner als erster „angeht“. Die hA lässt dafür außergerichtliche Mahnung genügen (s nur 9 Ob 26/98h ÖBA 1996, 716 Riedler; aA ausführlich Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft 73 ff, 122 ff). Auch die Pfändung des Anspruchs durch den Gläubiger eines Gesamtgläubigers soll verhindern, dass der Schuldner schuldbefreiend an einen anderen Gesamtgläubiger leistet, der ihn erst danach angeht (SZ 12/89; SZ 32/73; 3 Ob 49/02 ÖBA 2003, 957). Jeder Gesamtgläubiger kann über seine Forderung durch Abtretung 3 verfügen, wodurch der Zessionar Gesamtgläubiger wird (s Gamerith/R § 894 Rz 9; beachte § 1394). Er kann den Schuldner aber auch mittels einer Aufrechnungserklärung „angehen“ und so die Gesamtforderung zum Erlöschen bringen (zur Aufrechnung durch den Schuldner s § 893 Rz 3). Hingegen führt der Erlass (§ 1444) durch einen einzelnen Gesamt- 4 gläubiger – anders als die Entgegennahme des Geschuldeten – nach hA nur zum Wegfall von dessen Forderungsrecht (Einzelwirkung), da er nicht in fremde Befugnisse eingreifen kann (Apathy/Riedler/S § 894 Rz 1; Mayrhofer, SR AT 103, jeweils mwN). Zu weiteren KonP. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 893
sequenzen des Verzichts etwa Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft 166. § 893. Sobald ein Mitschuldner dem Gläubiger das Ganze entrichtet hat, darf dieser von den übrigen Mitschuldnern nichts mehr fordern; und sobald ein Mitgläubiger von dem Schuldner ganz befriedigt worden ist, haben die übrigen Mitgläubiger keinen Anspruch mehr. Lit: Dullinger, Aufrechnung, insb 51 ff; B. A. Koch, Die Gegenseitigkeit und deren Nachbildung durch Aufrechnungsvertrag, JBl 1989, 222.
1 § 893 formuliert eine logische Konsequenz von Gesamtschuld bzw
Gesamtgläubigerschaft: Hat der Gläubiger alles erhalten bzw der Schuldner alles geleistet, stehen dem Gläubiger bzw den Mitgläubigern keine Ansprüche mehr zu, was sich auch auf Mitschuldner bzw Mitgläubiger „befreiend“ auswirkt. Die Erfüllung entfaltet also Gesamtwirkung. Ansprüche des zahlenden Mitschuldners bzw jener Mitgläubiger, die nichts erhalten haben, sind nach dem jeweiligen Innenverhältnis zu klären und durchzusetzen (s §§ 895 f). 2 § 893 steht einer „anteiligen Erfüllung“ nicht entgegen. Entschei-
dend ist allein, dass der Gläubiger die vollständige Leistung von einem oder von mehreren Gesamtschuldnern erhalten hat (s § 891 S 2) bzw dass die gesamte Schuld durch Zahlung an einen oder an mehrere Gesamtgläubiger beglichen wurde. 3 Auch Erfüllungssurrogate führen zum Erlöschen der Gesamtschuld
(JBl 1983, 361; 1 Ob 626/92 SZ 65/156); insb die Aufrechnung, wofür allerdings nur Ansprüche in Frage kommen, die gerade der aufrechnende Gesamtschuldner – nicht ein anderer – gegen den Gläubiger besitzt (SZ 26/48; SZ 56/121). Nicht anders als die wechselseitige Erfüllung entfaltet die Aufrechnung durch den Schuldner auch dann Tilgungswirkung, wenn die Gegenforderung bloß gegenüber einem Gesamtgläubiger besteht und noch kein anderer Gläubiger iSd § 892 gefordert hat (Dullinger, Aufrechnung 51 f mwN). § 894. Ein Mitschuldner kann dadurch, daß er mit dem Gläubiger lästigere Bedingungen eingeht, den übrigen keinen Nachteil zuziehen, und die Nachsicht oder Befreiung, welche ein Mitschuldner für seine Person erhält, kommt den übrigen nicht zustatten. Lit: Hoyer, Eingriff des Simultanhypothekars in die Rückgriffslage der Nachberechtigten macht haftbar, ecolex 1996, 158; Koziol, „Rückstehungserklärungen“ von Ausgleichsgläubigern, RdW 1988, 342.
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§ 895
§ 894 regelt die Frage, welche Konsequenzen nachträgliche Vereinba- 1 rungen zwischen dem Gläubiger und einem einzelnen Gesamtschuldner haben, und statuiert den Grundsatz bloßer Einzelwirkung. Für schuldnernachteilige Vereinbarungen, etwa ein Anerkenntnis (ZVR 1968/84; ÖBA 1989, 1219), ist das selbstverständlich. Doch auch Begünstigungen (Stundung: RZ 1958, 43; Erlass: SZ 56/21; 3 Ob 62/90 ÖBA 1991, 210 P. Bydlinski) kommen nur dem konkreten Mitschuldner zugute; im Einzelfall könnte Auslegung jedoch auch eine – nicht zu vermutende – Drittbegünstigung und damit Gesamtwirkung ergeben (JBl 1970, 573; JBl 1976, 369; ZVR 1990/81). Eine gesetzliche Ausnahme zu Lasten eines Mitschuldners bei Hemmung und Unterbrechung der Verjährung enthält § 27 Abs 2 KHVG (vgl zur Vorläuferbestimmung ZVR 1986/111). Eine wesentliche Konsequenz der schlichten Einzelwirkung liegt 2 darin, dass sich die Begünstigung – vor allem die Entlassung – eines Mitschuldners im Regress nicht auswirkt (SZ 56/21): Dieser ist dem Rückgriff des zahlenden Mitschuldners ebenso ausgesetzt wie ohne Befreiung (§ 896 S 3). Gesetzliche Schuldänderungen folgen ebenfalls dem Einzelwir- 3 kungsprinzip. So ist insb der Eintritt des – objektiven und subjektiven – Verzugs (JBl 1990, 44; 4 Ob 567/94 JBl 1995, 467) oder der Verjährung (ÖBA 1989, 1219; 5 Ob 1088/92 wobl 1993, 121; 1 Ob 1015/95) für jeden Mitschuldner gesondert zu prüfen. Auch für das Verschulden eines Mitschuldners haben die anderen grundsätzlich nicht einzustehen (Perner, JBl 2005, 629, 631 ff). § 895. Wie weit aus mehrern Mitgläubigern, welchen eben dasselbe Ganze zur ungeteilten Hand zugesagt worden ist, derjenige, welcher die ganze Forderung für sich erhalten hat, den übrigen Gläubigern hafte, muß aus den besondern, zwischen den Mitgläubigern bestehenden, rechtlichen Verhältnissen bestimmt werden. Besteht kein solches Verhältnis; so ist einer dem andern keine Rechenschaft schuldig. Lit: S bei § 896.
§ 895 regelt den Ausgleich unter Gesamtgläubigern. Der Grundsatz 1 lautet, dass alle Gesamtgläubiger nach dem konkreten Innenverhältnis an der Leistung teilhaben sollen, weshalb ihnen ein entsprechender anteiliger Anspruch gegen den Mitgläubiger zusteht, der die Leistung tatsächlich erhalten hat (S 1). § 895 spricht zwar von der ganzen Forderung. Ein Ausgleichsanspruch kann jedoch bereits dann geltend P. Bydlinski
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gemacht werden, wenn der Gläubiger mehr erhalten hat, als ihm nach dem Innenverhältnis zusteht (vgl § 896 Rz 1). 2 Bleibt ein Teil der Schuld endgültig uneinbringlich, so ist auch die-
ser Ausfall von allen zu tragen (vgl § 896 S 2), so dass es zu einer quotengemäßen Verteilung des Erlangten kommt (Gschnitzer/K IV/1, 318 ua). 3 Im Gegensatz zur sachgerechten Regelung bei Gesamtschuld (§ 896
S 1; vgl auch etwa § 430 BGB) gewährt S 2 bei Fehlen eines besonderen Rechtsverhältnisses zwischen den Gesamtgläubigern keinerlei Ausgleich. Somit entscheidet der Zufall des Zuvorkommens („Angehens“; s § 892 Rz 2). Um willkürliche Ergebnisse zu vermeiden (unbefriedigend etwa SZ 32/73), sollte man bei Annahme von Gesamtgläubigerschaft zurückhaltend und bei Bejahung eines besonderen Verhältnisses großzügig sein (s 1 Ob 558/94 SZ 67/129). § 896. Ein Mitschuldner zur ungeteilten Hand, welcher die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, ist berechtigt, auch ohne geschehene Rechtsabtretung, von den übrigen den Ersatz, und zwar, wenn kein anderes besonderes Verhältnis unter ihnen besteht, zu gleichen Teilen zu fordern. War einer aus ihnen unfähig, sich zu verpflichten, oder ist er unvermögend, seiner Verpflichtung Genüge zu leisten; so muß ein solcher ausfallender Anteil ebenfalls von allen Mitverpflichteten übernommen werden. Die erhaltene Befreiung eines Mitverpflichteten kann den übrigen bei der Forderung des Ersatzes nicht nachteilig sein (§ 894). Lit: Bacher, Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Sicherern einer fremden Schuld (1994); P. Bydlinski/Coors, Gesamtregress, Freistellungsansprüche und Legalzession unter Mitschuldnern? ÖJZ 2007, 275; Hoyer, Die Simultanhypothek 2 (1977); ders, Der Rückgriff zwischen Bürgen und Pfandbestellern, JBl 1987, 764; Ch. Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 395, 467 und 531; Kerschner, Außenhaftung des Dienstnehmers und Regreß, FS Tomandl (1998) 187; Kletecˇ ka, Solidarhaftung und Haftungsprivileg, ÖJZ 1993, 785 und 833; Mader, Zum Rückgriffsanspruch nach § 1359 ABGB, JBl 1988, 287; Schoditsch, Schädigermehrheit und gesetzliches Haftungsprivileg, JBl 2004, 557.
1 § 896 regelt den Regress unter Gesamtschuldnern. Voraussetzung
dafür ist nach S 1 die Zahlung eines Mitschuldners auf die gesamtschuldnerische Verpflichtung hin (SZ 62/66); und zwar in einer Höhe, die über dem internen Anteil des Zahlenden liegt. Tilgung der ganzen Schuld ist entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht zu fordern (ZVR 872
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1963/16; 1 Ob 514/93 NZ 1994, 130; 1 Ob 271/98d ÖBA 1999, 827 Riedler). Das Feststehen der Gesamtschuld oder die Erwartung baldiger Inanspruchnahme reicht nicht aus (SZ 51/97; SZ 56/185). Wird die Gesamtschuld in Teilen fällig, kommt ein Rückgriff des Zahlers schon dann in Betracht, wenn ein gesondert fällig gewordener Teil bezahlt wurde (SZ 62/51). Woher sich der zahlende Gesamtschuldner die Mittel für die Befriedigung des Gläubigers verschafft hat, ist für den Regress nach § 896 irrelevant (1 Ob 268/05a JBl 2006, 530). Die Rechtslage vor Zahlung regelt § 896 nicht. Nach hA kann sich ein (anteiliger) Freistellungsanspruch eines Mitschuldners aus dem besonderen Innenverhältnis ergeben (Mayrhofer, SR AT 108 mwN; vgl auch SZ 57/197). ME gilt generell: Jeder Mitschuldner ist den übrigen gegenüber verpflichtet, im Ausmaß seiner internen Quote bereits an der Erfüllung mitzuwirken (näher P. Bydlinski/Coors, ÖJZ 2007, 278). Die Rückgriffsquote richtet sich nach dem internen Verhältnis der 2 Solidarschuldner; fehlt ein solches, soll im Ergebnis jeder Schuldner gleichmäßig, also kopfteilig belastet werden. Wer sich auf ein Sonderverhältnis beruft, trägt dafür die Beweislast (Mayrhofer, SR AT 107 mwN; 10 Ob 137/00w Miet 52.089). Existieren mehr als zwei Mitschuldner, stellt sich die Frage nach Teil- oder Solidarregress. Die hA befürwortet im Grundsatz Teilregress (SZ 27/35; Bacher, Ausgleichsansprüche 96 f mwN). Ausnahmen werden dann gemacht, wenn sich die Gesamtschuldner zu abgestuften Haftungseinheiten zusammenfassen lassen (s SZ 62/66; OLG Innsbruck 4 R 301/92 ZVR 1994/20). Allerdings sprechen auch für den Regelfall gute Argumente für Solidarrückgriff des Zahlenden gegenüber allen bisher unbehelligt gebliebenen Mitschuldnern (näher P. Bydlinski/Coors, ÖJZ 2007, 278 f mwN). Aufgrund des konkreten Innenverhältnisses ist voller Rückgriff (wbl 3 1988, 337; 5 Ob 64/94 Miet 46.056; 6 Ob 324/97h SZ 70/241; JBl 2006, 530), aber auch gänzlicher Ausschluss des Rückgriffs denkbar; so bei Haftung der Schadensversicherung neben dem Schädiger (vgl 7 Ob 130/99i SZ 72/104; 7 Ob 310/99k VR 2002, 204), bei der Haftung von Geschäftsherrn und Erfüllungsgehilfen (s § 2 Abs 3 DHG) oder beim Schuldbeitritt zu Sicherungszwecken (SZ 20/106; Mader, JBl 1988, 289; Koziol, RdW 1988, 344; zu den möglichen Arten des Schuldbeitritts s § 1347 Rz 5). – Zum Sonderproblem des Rückgriffs verschiedenartiger Sicherungsgeber § 1358 Rz 14. Die hA sieht in § 896 (bzw § 1302) eine eigenständige Anspruchs- 4 grundlage (8 Ob 27/94 SZ 68/29; 2 Ob 78/06v ZfRV 2006, 236 mwN P. Bydlinski
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uva), die sich materiell als Aufwandsersatzanspruch deuten lässt. Besteht zwischen den Gesamtschuldnern ein vertragliches oder ein besonderes gesetzliches Verhältnis, resultiert der Regressanspruch jedoch wohl daraus. Zumindest aber schlägt dieses Verhältnis auf den Anspruch nach § 896 durch (so etwa für die Verjährung; Rz 5). Daneben könnte der Regressberechtigte im Einzelfall einen vom Gläubiger qua Zession abgeleiteten Anspruch erworben haben; dann stehen ihm beide Ansprüche zur Wahl (SZ 57/29; NZ 1994, 130). Der OGH nahm zunächst ein freies Wahlrecht zwischen § 896 und § 1358 an (s auch SZ 60/55; ebenso etwa Apathy/Riedler/S Rz 6); zuletzt plädierte er jedoch (8 Ob 88/03d EvBl 2004/71 im Anschluss an Gamerith/R Rz 5; ebenso wohl JBl 2006, 530; offen lassend 1 Ob 262/04t mwN) für einen Vorrang des § 1358. Versteht man die Regel des § 896 gegen die hA als bloßen Anwendungsfall der Legalzession (Koziol, HPR I³ Rz 14/21; P. Bydlinski/Coors, ÖJZ 2007, 280 mwN), so kommt der Konkurrenzfrage keine nennenswerte Bedeutung zu. Ein vertraglicher Anspruch aus dem Innenverhältnis (etwa nach § 1014) bleibt aber in jedem Fall aufrecht. Hingegen geht § 896 dem § 1042 vor (ZVR 1985/7; vgl § 1042 Rz 3 aE). 5 Rückgriffsansprüche nach § 896 verjähren mangels besonderer An-
ordnung (wie zB in § 6 DHG) nach hA grundsätzlich gemäß § 1478 erst in 30 Jahren (SZ 60/55; 4 Ob 2017/96p SZ 69/78; ZfRV 2006, 236 mwN); anders natürlich, wenn man in § 896 die Anordnung einer (Teil-)Legalzession sieht (s Rz 4). Obwohl der Regressanspruch an sich kein Schadenersatzanspruch ist, wendet der OGH dennoch fallweise § 1489 an (s dort Rz 6). Das überzeugt jedenfalls dann, wenn die Mitschuld durch Schädigung eines Dritten entstanden ist und sich dieses Verhalten des einen Mitschuldners (Arbeitsnehmer, Erfüllungsgehilfe) zugleich als Vertragsverletzung gegenüber dem anderen (Arbeitgeber, Geschäftsherr) darstellt (ZAS 1969, 102 Edlbacher; SZ 51/97; SZ 69/78). Existiert ein besonderes Innenverhältnis, verdient dieses auch verjährungsrechtlichen Vorrang (SZ 51/97). Beginn der Verjährungsfrist ist in allen Fällen die Zahlung (SZ 42/172; SZ 58/122 ua), selbst wenn dem betreffenden Mitschuldner uU auch schon vorher wegen der Belastung mit einer Ersatzverpflichtung ein – zB schadenersatzrechtlich begründeter – Befreiungsanspruch gegen den anderen zusteht (zB Geschäftsherr gegen Erfüllungsgehilfen: 7 Ob 632/95 ZVR 1996/115; SZ 69/78). 6 Fällt ein Mitschuldner mangels Vermögens aus (S 2 Fall 2), werden
die Anteile der übrigen gemäß dem Innenverhältnis bzw nach den verbliebenen Köpfen aufgestockt (SZ 27/35; ÖBA 1999, 27 Riedler). Problematischer erscheint die Anordnung, wonach Gleiches auch bei 874
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Verpflichtungsunfähigkeit gilt (S 2 Fall 1). Erfasst ist damit jedenfalls der rechtsgeschäftliche Bereich, wobei sich allerdings zunächst die Vorfrage nach der Wirksamkeit des Geschäfts trotz Wegfalls eines Schuldners (bzw Vertragspartners) stellt. Bei Delikten gelangt § 896 S 2 zumindest zu analoger Anwendung (Schoditsch, JBl 2004, 564; für direkte Anwendung SZ 69/78; 7 Ob 306/99x ÖBA 2001, 86). Manchmal läge „an sich“ eine Gesamtschuld vor, jedoch ist einer der 7 „Gesamtschuldner“ von vornherein haftungsbefreit; so etwa kraft Gesetzes (§ 3 EKHG; § 67 Abs 2 VersVG; § 333 Abs 1 ASVG) oder aufgrund einer entsprechenden, bereits vorweg getroffenen Vereinbarung („Freizeichnung“) des Geschädigten mit einem späteren Mitschädiger („gestörte Gesamtschuld“). Ob der verbliebene Schuldner in solchen Fällen bereits dem Gläubiger Teilbefreiung einwenden kann, ob er nach Zahlung gegenüber dem „Befreiten“ rückgriffsberechtigt ist (so für § 67 Abs 2 VersVG 7 Ob 5/95 ecolex 1995, 632 Kletecˇ ka) oder ob er die gesamte Schuld allein tragen muss (so für § 333 Abs 1 ASVG SZ 44/48; 2 Ob 37/95 JBl 1996, 513 Resch), hängt vom konkreten Grund der Privilegierung ab (dazu ausführlich Schoditsch, JBl 2004, 566 ff mwN). Zur davon streng zu unterscheidenden nachträglichen Einzelbefreiung (S 3) § 894 Rz 2. Nebenbestimmungen bei Verträgen: 1. Bedingungen; § 897. In Ansehung der Bedingungen bei Verträgen gelten überhaupt die nämlichen Vorschriften, welche über die den Erklärungen des letzten Willens beigesetzten Bedingungen aufgestellt worden sind. Lit (zu §§ 897–900): Knütel, Zur sogenannten Erfüllungs- und Nichterfüllungsfiktion bei der Bedingung, JBl 1976, 613; Markl/R. Oberhofer, Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung aus zivilrechtlicher Sicht, wobl 1992, 169; Schrammel, Resolutivbedingungen im Arbeitsverhältnis, ZAS 1984, 221; J.W. Steiner, Grundverkehrsbehördliche Genehmigung und Bedingungslehre, JBl 1996, 413; s auch bei § 696.
§ 897 verweist für die rechtsgeschäftliche Bedingung bei Verträgen 1 unter Lebenden auf die §§ 696 ff; s dort § 696 Rz 1–3. Auch ein Angebot kann unter einer Bedingung stehen (1 Ob 689/90 2 JBl 1991, 382; 1 Ob 619/93 JBl 1994, 414). Einseitige Rechtsgeschäfte wie etwa Kündigung oder Entlassung sind als Gestaltungserklärungen jedenfalls dann bedingungsfeindlich, wenn der ErklärungsP. Bydlinski
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§ 898
empfänger in besonderer Weise an Klarheit der Rechtslage interessiert ist (Arb 9631); anders daher, wenn der Bedingungseintritt gerade in der Macht des Empfängers liegt (ZAS 1981, 100 Schrank = DRdA 1981, 299 Fenyves) oder aus sonstigen Gründen keine Unklarheit droht (Arb 5518). Keine Bedingung ieS liegt vor, wenn die Aufhebung eines Vertrages bloß für den Fall seines Bestandes erklärt wird, da dieser Umstand zwingende Voraussetzung für die Existenz des Gestaltungsrechts ist (vgl 6 Ob 589/91 wobl 1992, 143, wo mangels gegenläufiger schutzwürdiger Interessen des Gekündigten eine solche „Bedingung“ ausnahmsweise zugelassen wird). 3 Die §§ 897 ff erfassen nicht die sog Rechtsbedingung; eine Wirksam-
keitsvoraussetzung, die unabhängig vom Parteiwillen besteht, wie etwa die grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Liegenschaftskaufs (1 Ob 67/99f NZ 2001, 172; W. Steiner, JBl 1996, 413; zu Vorwirkungen solcherart bedingter Verträge etwa SZ 52/1; 8 Ob 595/92 SZ 66/133; 7 Ob 601/95 ÖBA 1996, 892; F. Bydlinski, FS Ostheim, 1990, 48 ff). 4 Aufschiebend bedingte Verträge verpflichten noch nicht zur Erbrin-
gung der Hauptleistung; ein solcher „Schwebezustand“ löst jedoch manche Vorwirkungen aus. So besteht bis zur Klarheit über den Bedingungseintritt oder -ausfall grundsätzlich kein Lösungsrecht (EvBl 1961/279; EvBl 1970/175; Miet 40.063). Die Parteien müssen sich schon vorweg bemühen, bei Bedingungseintritt erfüllungsbereit zu sein (SZ 51/155; JBl 1990, 242); überdies müssen sie alles Erlaubte und Zumutbare tun, um den Bedingungseintritt zu fördern (JBl 1966, 374; 4 Ob 185/00k Miet 52.861; 6 Ob 39/01f Miet 53.211). Bei treuwidriger Vereitelung bzw Herbeiführung des Bedingungseintritts durch einen Vertragsteil zum eigenen Vorteil wird der Eintritt bzw Nichteintritt fingiert (JBl 1914, 233; JBl 1973, 470 ua). Zur Vererblichkeit aufschiebend bedingter Rechte § 900 Rz 1. § 898. Verabredungen unter solchen Bedingungen, welche bei einem letzten Willen für nicht beigesetzt angesehen werden, sind ungültig. 1 § 898 bezieht sich auf die §§ 697 f. Problematisch ist dabei bloß die
auflösende unmögliche bzw unerlaubte Bedingung (zu diesen Begriffen § 698 Rz 2 f), die nach § 698 S 2 und 3 als nicht beigesetzt anzusehen ist, während § 898 die gesamte derart bedingte Vereinbarung für ungültig erklärt. Die hA gelangt qua Vertragsauslegung oder mit Hilfe teleologischer Reduktion des Verweises jedoch regelmäßig zur Gültigkeit „unmöglich bedingter“ Verträge, da solche Klauseln eher 876
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als Bekräftigung des Vereinbarten angesehen werden können (SZ 26/169 ua). Ob eine unerlaubte Bedingung den gesamten Vertrag oder bloß die Bedingung unwirksam macht, ist anhand des Normzwecks der verletzten Vorschrift zu entscheiden (SZ 59/201; 9 ObA 197/94 ZAS 1996, 23 Brodil; Apathy, FS Eichler, 1977, 1, 15 ff). § 899. Ist die in einem Vertrage vorgeschriebene Bedingung schon vor dem Vertrage eingetroffen; so muß sie nach dem Vertrage nur dann wiederholt werden, wenn sie in einer Handlung dessen, der das Recht erwerben soll, besteht, und von ihm wiederholt werden kann. § 899 entspricht § 701. Vertragsauslegung könnte aber etwa auch er- 1 geben, dass der Begünstigte die wiederholbare Handlung nicht nochmals vornehmen muss. § 900. Ein unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagtes Recht geht auch auf die Erben über. § 900 ist Ausfluss des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge: Die Ver- 1 tragsposition des Erblassers geht so wie sie war, dh als aufschiebend bedingte, auf den Erben über. Bei Vereinbarung einer Potestativbedingung, deren Eintritt vom Erblasserwillen abhängig war, ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob der Bedingungseintritt auch noch vom Erben herbeigeführt werden kann (zB Zahlung des Restkaufpreises beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt), was wohl nur bei Höchstpersönlichkeit (zB Entschuldigung für Fehlverhalten) abzulehnen ist. 2. Bewegungsgrund; § 901. Haben die Parteien den Bewegungsgrund oder den Endzweck ihrer Einwilligung ausdrücklich zur Bedingung gemacht; so wird der Bewegungsgrund oder Endzweck wie eine andere Bedingung angesehen. Außerdem haben dergleichen Äußerungen auf die Gültigkeit entgeltlicher Verträge keinen Einfluß. Bei den unentgeltlichen aber sind die bei den letzten Anordnungen gegebenen Vorschriften anzuwenden. Lit: F. Bydlinski, Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage im österreichischen Recht, ÖBA 1996, 499; Fenyves, Der Einfluß geänderter Verhältnisse auf Langzeitverträge – GA für den 13. ÖJT II/1 (1997); Fischer-Czermak, Wegfall der Geschäftsgrundlage beim Leasing, ecolex 2000, 97; Graf, Vertrag und Vernunft (1997); Kerschner, Irrtumsanfechtung, insbesondere beim unentgeltlichen Geschäft (1984); Rummel, Anmerkungen zum gemeinsamen Irrtum P. Bydlinski/Bollenberger
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und zur Geschäftsgrundlage, JBl 1981, 1; Schilcher, Geschäftsgrundlage und Anpassungsklauseln im Zivilrecht, VR 1999, 32; Stefula/Thunhart, Der Motivirrtum beim Rechtsgeschäft unter Lebenden – zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 572 ABGB, NZ 2002, 193. Übersicht I. Vereinbarungen über Motive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Motivirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Vereinbarungen über Motive 1 Beweggründe und Zweckvorstellungen können im Vertrag auf ver-
schiedene Weise verankert werden: Zunächst steht es den Parteien frei, Motive in den Vertragsinhalt aufzunehmen, ohne die Rechtsfolgen näher zu regeln (EvBl 1973/27: Eignung für Programmierkurs; HS X/XI/21: Möglichkeit des Betriebs eines gemieteten Automaten ohne Gewerbeberechtigung). Solche Klauseln gewährleisten, dass auch das Motiv bei der Vertragsauslegung (§ 914) berücksichtigt wird. Ferner gelten Fehlvorstellungen über vereinbarte Motive als Irrtum über den Inhalt des Vertrages und damit als Geschäftsirrtum (K/W I 155; Stefula/Thunhart, NZ 2002, 194), der bei entgeltlichen Verträgen gemäß §§ 871, 872 zur Anfechtung berechtigt (s § 871 Rz 7 ff und hier Rz 3). 2 Darüber hinaus kann ein Motiv zum Gegenstand einer Bedingung
iSd §§ 696, 897 ff gemacht werden, so dass, je nach Art der Bedingung, die Wirksamkeit des Vertrages, ohne Notwendigkeit einer Anfechtung (Rz 1), direkt vom Eintritt oder Wegfall des vorgestellten Zwecks abhängt. Die Wendung „ausdrücklich“ in S 1 bedeutet kein Formerfordernis, sondern ist nur als „hinreichend deutlich“ zu verstehen (vgl § 863 Rz 2), so dass auch konkludente Bedingungsvereinbarungen in Betracht kommen (Rummel/R Rz 2; Miet 24.089; NZ 1981, 42; Miet 40.064; 6 Ob 154/02v RdW 2003, 371). Nicht ausreichend ist jedoch, wenn beide Vertragsteile lediglich von derselben Vorstellung ausgingen ohne diese zumindest schlüssig zu äußern (3 Ob 534/95 HS XXVI/4). II. Motivirrtum 3 Bloße Motivirrtümer (§ 871 Rz 7) sind bei entgeltlichen Verträgen
entgegen S 2 nicht stets unbeachtlich; sie berechtigen aber nur dann zur Anfechtung, wenn dem Gegner Arglist iSd § 870 vorzuwerfen ist. Fahrlässigkeit reicht hiefür, anders als bei Geschäftsirrtümern nach § 871, nicht aus (s § 870 Rz 1 und § 871 Rz 15). 878
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Für unentgeltliche Verfügungen verweist S 3 auf §§ 570 ff, was insb 4 gemäß § 572 Anfechtbarkeit auch wegen Motivirrtums bedeutet (EvBl 1955/289; SZ 54/7); ebenso ist Anpassung analog § 872 möglich (Kerschner, Irrtumsanfechtung 132 ff). Die Beachtlichkeit des Motivirrtums erklärt sich aus der fehlenden Äquivalenz und der allgemein geringeren Schutzwürdigkeit des Beschenkten (s § 863 Rz 1 und § 938 Rz 1). Bei falsa demonstratio (§ 571) gilt allerdings auch hier schon ohne Anfechtung das wirklich Gewollte (s § 871 Rz 5), sofern der Zweck von Formvorschriften nicht verletzt wird (Rummel/R Rz 9; der Schutz vor Übereilung wird jedenfalls bei bewusster Falschbezeichnung in einem Notariatsakt gemäß § 1 Abs 1 lit d NotAktsG idR gewahrt sein). Die Irrtumsanfechtung setzt nach richtiger Ansicht nicht voraus, dass das Motiv bei Vertragsabschluss ausdrücklich als Beweggrund angegeben wurde (so aber SZ 28/60; Stefula/Thunhart, NZ 2002, 197; zum Vertrauensschutz s Rz 5) und der Vertrag allein auf dem irrigen Motiv beruhte (so jedoch JBl 1989, 446; Stefula/Thunhart, NZ 2002, 199). Vielmehr muss ein sicherer Nachweis der Kausalität des Irrtums ausreichen (s Rummel/R Rz 9; Apathy/ Riedler/S Rz 4 f), braucht ferner das Motiv dem Gegner nicht bekannt gewesen zu sein und sind dessen eigene Beweggründe irrelevant (EvBl 1955/289). Zur Frage der Relevanz der drei Voraussetzungen des § 871 s Rz 5. Die Widerrufsgründe für Schenkungen in §§ 947 ff, die im Kernbereich (insb grober Undank nach § 948) Fehlvorstellungen über Zukünftiges betreffen und insofern § 901 als leges speciales vorgehen, zeigen allerdings, dass auch bei Schenkungen nicht jeder Irrtum über Zukünftiges zur Anfechtung berechtigt (Kerschner, Irrtumsanfechtung 154 ff). Für Ehepakte und Zuwendungen unter Ehegatten mit vergleichbaren Zwecken gilt, wenn die Erwartung des Fortbestands der Ehe zugrunde lag, im Fall der Scheidung § 1266 (Rummel, JBl 1976, 626; Fischer-Czermak, NZ 2001, 4; SZ 58/63; 8 Ob 530/94 NZ 1996, 268; zur Berücksichtigung im Aufteilungsverfahren s 4 Ob 565/94 NZ 1996, 65; s auch § 1246 Rz 1). Nach hL können bei unentgeltlichen Geschäften Motivirrtümer (und 5 umso mehr Geschäftsirrtümer) ohne die Voraussetzungen des § 871 (Veranlassung; Auffallenmüssen; rechtzeitige Aufklärung) geltend gemacht werden (Gschnitzer/K IV/1, 332; K/W I 155; F. Bydlinski, FS H. Stoll, 2001, 127 FN 38). Kerschner (Irrtumsanfechtung 124 ff) plädiert hingegen wegen der Vertrauensschutzwürdigkeit auch des Beschenkten für deren (sowie des § 875) Beachtlichkeit (ihm folgend 1 Ob 551/94 SZ 67/136 und Apathy/Riedler/S Rz 5). Da Kerschner (mit bejahender Tendenz offen gelassen in SZ 67/136) dem Irrenden mit Recht Bollenberger
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jedenfalls die Redintegration gestattet (Anfechtung gegen verschuldensunabhängigen Vertrauensschadenersatz, s § 871 Rz 16), können unentgeltliche Geschäfte nach beiden Meinungen stets wegen (Motiv-) Irrtums angefochten werden und reduziert sich der Unterschied zur hL darauf, dass nach dieser der Anfechtende nur bei Verschulden auf den Vertrauensschaden haftet (§ 871 Rz 4 und § 874 Rz 2). Das Vertrauen des Beschenkten kann uU auch durch den bereicherungsrechtlichen Nachteilsausgleich geschützt werden (K/W I 156). III. Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage 6 Das Problem der Geschäftsgrundlage stellt sich dann, wenn die Par-
teien bei Vertragsabschluss vom Bestehen oder künftigen Eintritt bestimmter Voraussetzungen ausgingen und sie in dieser Erwartung enttäuscht werden, ohne hiefür eine vertragliche Regelung getroffen zu haben (Meinungsstand und rechtsvergleichender Überblick instruktiv zuletzt bei Fenyves, Geänderte Verhältnisse 9 ff; s auch Schilcher, VR 1999, 32). Im Kern geht es um einen Konflikt zwischen dem Grundsatz „pacta sunt servanda“, dem zur Wahrung der Verkehrssicherheit und damit auch effektiver Marktverhältnisse Vorrang zukommt, und Entwicklungen, die die ausgleichende Gerechtigkeit ebenso wie die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit beeinträchtigen und das unveränderte Festhalten am Vertrag unzumutbar machen (F. Bydlinski, ÖBA 1996, 499). Im Mittelpunkt stehen Störungen der dem Vertrag zugrunde gelegten Äquivalenz oder des mit ihm angestrebten Zwecks (Rummel/R Rz 4). Die Irrtumsregelung des § 871 allein bietet hiefür dann keine adäquate Lösung, wenn es, wie zumeist, um einen Irrtum über Zukünftiges geht (Rummel/R Rz 6; differenzierend Fenyves, Geänderte Verhältnisse 86 ff). Die Wertungen des Irrtumsrechts bleiben als Ausgangspunkt beachtlich, doch bedürfen sie bei Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Einschränkung durch objektive Kriterien, wie zB dem Wegfall einer typischen Voraussetzung und deren Unvorhersehbarkeit (F. Bydlinski, ÖBA 1996, 502 ff). Zu den einzelnen Kriterien s Rz 8 ff. 7 Während Störungen der Geschäftsgrundlage in Deutschland in § 313
BGB eine gesetzliche Regelung erfahren haben, geht die österreichische hL und Judikatur (Nachweise Rz 8 ff) nach wie vor von der Lehre Piskos aus: Danach betrifft § 901 S 2, der die Offenlegung von Beweggründen bei entgeltlichen Geschäften für unbeachtlich erklärt, nur individuelle Motive einer Partei. Dem gegenüber kann der Wegfall einer geschäftstypischen Voraussetzung geltend gemacht werden (zu den Rechtsfolgen Rz 12), wenn er für die betroffene Partei nicht vorhersehbar war und sich auch nicht in ihrer eigenen Sphäre ereignete. 880
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§ 901
Insoweit besteht eine Gesetzeslücke, die ua mit dem in § 936, § 1052 S 2, § 1170a Abs 2 zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken der clausula rebus sic stantibus (Umstandsklausel) zu füllen ist (Pisko/K1 II/2, 349 ff und IV 557 ff; Apathy/Riedler/S Rz 6 ff; F. Bydlinski, ÖBA 1996, 505 ff; P. Bydlinski, AT Rz 8/40 ff; zu den teilweise abweichenden Lösungsansätzen von Rummel und Fenyves s Rz 15). Die Judikatur des OGH wendet folgende Regeln an: Ein Rechtssatz, 8 wonach jeder Vertrag nur rebus sic stantibus gilt, besteht nicht (SZ 60/42). Die Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (Rz 9) ist jedenfalls nur als letztes Mittel heranzuziehen (8 ObA 72/03a wbl 2004, 340) und daher unstatthaft, wenn vertragliche Gefahrtragungsregeln das betreffende Risiko einer Partei zuweisen (7 Ob 232/97m immolex 1998, 267; Apathy/Riedler/S Rz 7) oder das Gesetz ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, um auf die veränderten Verhältnisse zu reagieren, wie insb die Irrtumsanfechtung (1 Ob 34/98a RdW 1998, 664; 2 Ob 322/00t JBl 2001, 712) und das Leistungsstörungsrecht (Rummel/R Rz 6; F. Bydlinski, ÖBA 1996, 505; s ferner 8 Ob 2361/96f wobl 1997, 271 Kletecˇ ka: Kostentragung bei Vergleich; 1 Ob 44/98x Miet L/26: vorzeitige Auflösung von Bestandverträgen; 8 ObA 30/00w RdW 2001, 683: Kündigung von Kollektivverträgen); ebenso wenn eine Lösung durch ergänzende Vertragsauslegung gefunden werden kann (3 Ob 513/94 wobl 1995, 152 Arnold; s auch 9 Ob 152/03y). Vorausgesetzt ist somit eine „Doppellücke“ (s Fenyves, Geänderte Verhältnisse 79 ff). Bei der Definition der relevanten Geschäftsgrundlage durch die 9 Rechtsprechung spiegelt sich die von der Lehre getroffene Unterscheidung zwischen subjektiver (wirkliche gemeinsame Erwartungen der Parteien) und objektiver Geschäftsgrundlage (geschäftstypische Voraussetzung, die die Parteien nicht bedachten, wie zB Stabilität der Währung) wider (F. Bydlinski, ÖBA 1996, 500 ff, tritt mit Recht für eine Verbindung dieser Elemente ein): Typische Geschäftsgrundlage ist eine solche, die überhaupt und allgemein bei Abschluss solcher Geschäfte vorausgesetzt wird (6 Ob 154/02v RdW 2003, 371), wie zB bei einer Stornovereinbarung die Rückstellbarkeit der Ware (HS V/24); bei Verpachtung einer Konzession die fehlende Möglichkeit der Erlangung eines eigenen Gewerberechts durch den Pächter (Miet XIX/23); bei der Vereinbarung über den Vertrieb von Kaffee in einer Privatklinik deren Inbetriebnahme (7 Ob 211/99a RdW 2000, 723). Keine typische Voraussetzung ist hingegen das Aufrechtbleiben einer strafrechtlichen Verurteilung bei einem Vergleich über Schadenersatzansprüche (SZ 47/102); die Erlangung der Finanzierung für die Gegenleistung (SZ 54/4: WohnbauförBollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 901
derung; s aber SZ 43/63; Miet 34.130; nun auch § 3a KSchG, § 5 Abs 3 BTVG); die Höhe der vom Bewerber kalkulierten Kreditzinsen bei einem öffentlichen Auftrag (SZ 60/42); die Prosperität des Unternehmens bei einer Pensionszusage (SZ 62/4; auch 9 ObA 2023/96 wbl 1996, 407); die Zahlungsfähigkeit des Akzeptanten beim Wechseldiskont (8 Ob 237/97d ÖBA 2000, 914 Fitz). Eine individuelle Voraussetzung, die nur die Interessensphäre einer Partei betrifft, ist idR unbeachtlich (JBl 1988, 723: erfolgreiche Verwendung der Kreditsumme; 5 Ob 504, 505/96 JBl 1998, 577 Staudegger: Konvertierbarkeit von Altdaten bei Softwareüberlassung). Eine individuelle Voraussetzung wird aber dann relevant, wenn beide Teile bei Vertragsabschluss von ihr ausgingen und das Geschäft zumindest konkludent von ihr abhängig machten (6 Ob 154/02v RdW 2003, 371; s auch Fenyves, Geänderte Verhältnisse 43), wie zB den Fortbestand einer Gesetzeslage (SZ 43/63; RdW 1990, 249; s aber immolex 1998, 267). 10 Zusätzlich zum Fehlen oder Wegfall einer Geschäftsgrundlage (Rz 9)
müssen folgende weitere Kriterien erfüllt sein: a) Die Berufung auf die Geschäftsgrundlage setzt (da es andernfalls den Parteien obliegt, selbst vertraglich Vorsorge zu treffen) voraus, dass die Änderung der Verhältnisse nicht vorhersehbar war (1 Ob 60/03k ZIK 2004, 59); dies trifft zB nicht zu bezüglich einer Änderung der Ertragslage der vom Kollektivvertrag erfassten Unternehmen (8 ObA 30/00w RdW 2001, 683) oder idR bei enttäuschender Entwicklung eines Einkaufszentrums (6 Ob 154/02v RdW 2003, 371); anders aber bei 90% Leerstand und Fehlen von Elementen, die die Attraktivität des Zentrums ausmachen sollten (6 Ob 59/00w SZ 73/180). b) Unbeachtlich ist die Änderung der Verhältnisse dann, wenn sie aus der Sphäre jener Partei stammt, die sich darauf beruft (SZ 49/13; EvBl 1977/68; 8 ObA 72/03a wbl 2004, 340) oder von ihr selbst herbeigeführt wurde (4 Ob 506/93 SZ 66/70). So trägt zB das Risiko der Verwendbarkeit der Kaufsache im Betrieb des Käufers grundsätzlich dieser (SZ 55/51; immolex 1998, 267); das Risiko der Erlangung einer Zufahrt zum Baugrund der Bauherr (JBl 1989, 650 Dullinger); das Risiko der Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung der Bestandnehmer (Miet 31.103; anders aber, wenn dieses Motiv Vertragsinhalt wurde, s Rz 1 f und Miet 40.064: Bewilligung für Tabakwarenverkauf). c) Schließlich ist eine Störung der Äquivalenz zu fordern, was schon der Judikatur zur Unerschwinglichkeit zugrunde liegt (Rz 11); F. Bydlinski (ÖBA 1996, 507 ff) hat dieses Kriterium in einem plau882
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Verträge und Rechtsgeschäfte
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siblen beweglichen System dahin konkretisiert, dass bei Gefahr des wirtschaftlichen Ruins des betroffenen Vertragsteils eine geringere Äquivalenzstörung ausreicht, im Übrigen idR die Grenze von 49:100 des § 934 gilt, jedoch dann, wenn dem Betroffenen keine Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtlage droht, eine so starke Äquivalenzstörung erforderlich ist, dass kein relevantes Entgelt mehr erzielt wird (differenzierend Fenyves, Geänderte Verhältnisse 52 und 94; vgl auch 8 Ob 112/97x ecolex 1998, 36 Fellner; Miet L/26). d) Liegen die Voraussetzungen a) bis c) vor, so ist die Verwirklichung einer der Alternativen des § 871 nicht erforderlich (aM Fenyves, Geänderte Verhältnisse 88 ff, der aber auch die Gemeinsamkeit des Irrtums anerkennt). Die Fehlvorstellung über die künftige Entwicklung braucht also vom Gegner zB nicht veranlasst worden zu sein. Immerhin darf die Änderung der Verhältnisse aber nicht, wie oben unter b) dargestellt, der eigenen Risikosphäre des Irrenden zugehören. Auch Unzumutbarkeit kann eine Vertragsauflösung rechtfertigen, 11 zB eines Reisevertrages bei unvorhersehbaren Kriegsgefahren (8 Ob 99/99p SZ 72/95: vereinzelte Terroranschläge reichen nicht; 6 Ob 145/04y JBl 2005, 253 und 9 Ob 42/04y RdW 2005, 89: 11. September 2001; s auch § 31d KSchG Rz 24). Erforderlich ist eine solche Veränderung der Verhältnisse, dass im Beharren auf Verpflichtungen geradezu ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben erblickt werden muss (SZ 52/189; 9 Ob 152/03y). Die Rspr hat eine krasse wirtschaftliche Erschwerung der Erbringung von Sachleistungen, zB wegen Krieg und Hyperinflation, die zu einem Missverhältnis von Aufwand und Wert der Leistung führte, unter dem Begriff der „Unerschwinglichkeit“ häufig einer Unmöglichkeit gemäß § 1447 gleichgesetzt (SZ 26/194; SZ 36/44; SZ 44/77; Geldleistungen wurden hingegen nicht als unerschwinglich qualifiziert: SZ 26/286; SZ 47/8). Indessen liegt auch hier der richtige Lösungsansatz bei den Regeln über die Geschäftsgrundlage (F. Bydlinski, ÖBA 1996, 500 f; s aber K/W II 47). Bei Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage kann der Vertrag 12 aufgelöst oder analog § 872 angepasst werden (SZ 54/4). Primär ist eine Anpassung anzustreben, weil diese dem Grundsatz der Vertragstreue besser Rechnung trägt (Rummel/R Rz 6a; 1 Ob 257/01b RdW 2002, 211: Umbuchung bei Unzumutbarkeit der geplanten Reise wegen Terroranschlägen). Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage führt aufgrund der Sachnähe zur 13 Irrtumsanfechtung nicht eo ipso zur Ungültigkeit des Vertrages (1 Ob 192/03x), sondern ist mittels rechtsgestaltender Klage oder Einrede Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 902
auf Vertragsaufhebung bzw -anpassung geltend zu machen (3 Ob 205/98p RdW 1999, 211; 3 Ob 131/02i EvBl 2003/51; für außergerichtliche Geltendmachung Apathy/Riedler/S Rz 16; für Analogie zu § 933 Abs 3 Rummel/R Rz 7a). Zur Verjährung s § 1487 Rz 3. 14 Unterhaltsvereinbarungen stehen stets unter der clausula rebus sic
stantibus (3 Ob 64/03p; 9 Ob 137/03t; s auch § 140 Rz 19). Zur Auflösung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund s § 859 Rz 7; zur Ableitung des Einwendungsdurchgriffs bei der Drittfinanzierung aus der Geschäftsgrundlagenverbindung von Kauf und Kredit s § 1063 Rz 19 f; zur Anpassung von Stiftungserklärungen an geänderte Verhältnisse s § 33 PSG. Zur condictio causa data causa non secuta, die bei zweckverfehlten Leistungen außerhalb wirksamer Verträge greift, s § 1435 Rz 2. 15 Rummel (JBl 1981, 7 ff) betont den fließenden Übergang zwischen
Geschäftsgrundlagenregeln und ergänzender Vertragsauslegung (§ 914); wenn der Vertrag gemessen an den von beiden Parteien festgelegten immanenten Zwecken lückenhaft ist, sei unter Mitberücksichtigung auch der Kriterien Piskos eine Vertragsergänzung anhand des Willens redlicher Parteien, Treu und Glauben sowie redlicher Verkehrsanschauung geboten (krit F. Bydlinski, ÖBA 1996, 504 f). Die neuere Rspr greift Ansätze dieser Lehre auf (vgl wobl 1995, 152; 8 Ob 2177/96x; 8 ObA 72/03a wbl 2004, 340; s auch Binder/S § 914 Rz 236 ff). Fenyves (Geänderte Verhältnisse 81 ff, 86 ff) befürwortet, wenn eine Lösung durch ergänzende Auslegung nicht gefunden werden kann, eine Unterscheidung in Fälle, die in der Nähe des Irrtumsrechts liegen und in Fortentwicklung des § 871 zu handhaben sind, und Konstellationen, die Leistungsstörungen verwandt sind und einer Beurteilung in Analogie zu den hiefür jeweils einschlägigen Normen bedürfen. 3. Zeit, Ort und Art der Erfüllung; § 902. (1) Eine durch Vertrag oder Gesetz bestimmte Frist ist vorbehaltlich anderer Festsetzung so zu berechnen, daß bei einer nach Tagen bestimmten Frist der Tag nicht mitgezählt wird, in welchen das Ereignis fällt, von dem der Fristenlauf beginnt. (2) Das Ende einer nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmten Frist fällt auf denjenigen Tag der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach seiner Benennung oder Zahl dem Tage des Ereignisses entspricht, mit dem der Lauf der Frist beginnt, wenn aber dieser Tag in dem letzten Monat fehlt, auf den letzten Tag dieses Monats. 884
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 902
(3) Unter einem halben Monate sind fünfzehn Tage zu verstehen, unter der Mitte eines Monats der fünfzehnte dieses Monats. [idF III. TN]
Die Zivilkomputation gemäß §§ 902 f gilt für alle materiellrecht- 1 lichen Fristen des Privatrechts (JBl 1988, 389 König; 4 Ob 546/92 JBl 1993, 583), insb auch Verjährungs- und Präklusivfristen (9 ObA 103/95 JBl 1996, 536), ferner zB die Widerrufsfrist beim bedingten gerichtlichen Vergleich (SZ 42/26) oder die Dreißigtagefrist für die Besitzstörungsklage (LG Innsbruck EvBl 1987/137). Durch Gesetz oder Vertrag, wobei auch Verkehrssitten zu beachten sind, kann aber anderes bestimmt werden (Binder/S Rz 5). Das EuFrÜb (BGBl 1983/254, dazu näher Rz 3), das auch innerstaatlich unmittelbar wirksam ist (Erl 156 BlgNR 14. GP 8), derogiert hingegen gesetzlichen Abweichungen (zur Verdrängung regelungsgleicher Vorschriften s 3 Ob 40/99z ZfRV 1999, 155). Anwendbar ist es auf zivil-, handelsund verwaltungsrechtliche Fristen, die durch Gesetz, Gericht, Behörde oder Schiedsorgan festgesetzt wurden, sowie, wenn sich eine andere Berechnungsart nicht aus Vereinbarung oder anwendbaren Bräuchen ergibt, durch Parteien bestimmte Fristen; nicht aber auf zurückzurechnende Fristen. Der Regelung in Abs 1 für Tagesfristen, wonach der Tag des fristaus- 2 lösenden Ereignisses nicht mitgezählt wird, entspricht auch die Berechnungsart des Abs 2 für Wochen-, Monats- und Jahresfristen. Bruchstücke eines Tages werden somit nicht berücksichtigt; die jeweils vorgesehene Frist steht ungeschmälert zur Verfügung. Andere Vereinbarungen sind zulässig, zB Naturalkomputation, die von Augenblick zu Augenblick rechnet. Zu Stundenfristen s Reischauer/R Rz 4. Abs 3 enthält Auslegungsregeln. Das EuFrÜb (Rz 1) stimmt inhaltlich weitgehend mit § 902 überein 3 (dazu auch ZfRV 1999, 155; Erl 156 BlgNR 14. GP 8 weist auf die Abweichung gegenüber § 903 S 1 hin): Gemäß Art 3 laufen Fristen, die in Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren ausgedrückt sind, von Mitternacht des dies a quo (Tag des Beginns des Fristenlaufs, Art 2) bis Mitternacht des dies ad quem (Tag des Fristablaufs, Art 2), wobei aber nicht ausgeschlossen wird, dass die Handlung während der gewöhnlichen Amts- oder Geschäftsstunden vorzunehmen ist. Art 4 deckt sich mit § 902 Abs 2 und ergänzt, dass bei einer in Monaten und Tagen oder Bruchteilen von Monaten ausgedrückten Frist zuerst die ganzen Monate und danach die Tage oder Bruchteile der Monate zu zählen sind und dass bei Berechnung von Bruchteilen von einem Monat zu 30 Tagen auszugehen ist. Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 903
4 Die Zeit des Postlaufes ist in materiellrechtliche Fristen einzurechnen,
so dass Zugang innerhalb der Frist erforderlich ist (s auch § 862a; anders § 3 Abs 4 und § 5e Abs 1 KSchG; zum Lauf einer Nachfrist s JBl 1960, 255). Bei prozessualen Fristen reicht hingegen die Absendung (§ 89 GOG), doch ist zu beachten, dass sich in Verfahrensgesetzen materiellrechtliche Fristen finden können, insb die Fristen für Besitzstörungsklage und gerichtliche Aufkündigung (Reischauer/R Rz 9; 5 Ob 2124/96f SZ 70/34). § 903. Ein Recht, dessen Erwerbung an einen bestimmten Tag gebunden ist, wird mit dem Anfang dieses Tages erworben. Die Rechtsfolgen der Nichterfüllung einer Verbindlichkeit oder eines Versäumnisses treten erst mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist ein. Fällt der für die Abgabe einer Erklärung oder für eine Leistung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag, so tritt an dessen Stelle, vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung, der nächstfolgende Werktag. [idF III. TN]
1 S 1 wurde durch Art 2 und 3 EuFrÜb teilweise derogiert: Nicht nur
Rechtsverlust, sondern auch Rechtserwerb treten erst um Mitternacht des dies ad quem ein (s näher, auch zur Fälligkeit als Recht auf Geltendmachung der Forderung, Reischauer/R Rz 2 f). Allerdings lässt Art 3 Abs 2 EuFrÜb Regelungen zu, wonach die Handlung am Ablauftag der Frist zu den gewöhnlichen Amts- oder Geschäftsstunden vorzunehmen ist. Dies bestimmte früher § 358 HGB, der mit dem UGB aufgehoben wurde, jedoch nur, weil sein Inhalt ohnedies schon aus Vertragsauslegung folgt (Erl UGB 58). Ferner muss ein Leistungsanbot oder eine Erklärung zur Unzeit, die nach der Verkehrsübung zu beurteilen ist, nicht angenommen werden (SZ 30/5; EvBl 1966/309). Zur Rechtzeitigkeit von Geldleistungen s § 905 Rz 5. 2 Folgen der Nichterfüllung iSd S 2 sind zB Verzugszinsen (§ 1333),
Terminsverlust (§ 13 KSchG, der Gläubiger darf sich aber auf eine geringfügige Minderzahlung nicht berufen: 3 Ob 2212/96g ÖBA 1998, 400) oder das Hinterlegungsrecht bei Annahmeverzug (§ 1425), jene eines Versäumnisses zB Verjährung. 3 Ablaufhemmung nach S 3 gilt für alle materiellrechtliche Fristen des
Privatrechts (4 Ob 546/92 JBl 1993, 583; zur Besitzstörungsklage LG Innsbruck EvBl 1987/137). Anerkannte Feiertage sind nach BGBl 1957/163: 1. und 6. Jänner, Ostermontag, 1. Mai, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. August, 26. Oktober, 1. November sowie 8., 25. und 26. Dezember. Gemäß BGBl 1961/37 gilt S 3 886
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Verträge und Rechtsgeschäfte
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auch für Samstage und den Karfreitag, gemäß BGBl I 1999/186 nun auch für den 31. Dezember. Die angeführten Feiertage und der Karfreitag wurden von Österreich gemäß Art 11 EuFrÜb notifiziert. Auch gemäß dessen Art 5 werden Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage bei der Fristberechnung mitgezählt; fällt der dies ad quem einer Frist, vor deren Ablauf eine Handlung vorzunehmen ist, jedoch auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so schließt die Frist den nächstfolgenden Werktag ein. Eine gegenteilige Vereinbarung kann zB dann vorliegen, wenn in einem bedingten gerichtlichen Vergleich ein Datum für den Widerruf festgesetzt wird (SZ 42/26; s auch JBl 1993, 583; 3 Ob 164/97g ÖBA 1998, 305). Die Rspr verneint eine Ablaufhemmung auch für die Frist zur Erklärung der Kündigung oder Auflösung von Arbeitsverhältnissen (8 ObA 286/94 DRdA 1995, 322 abl Wachter, nach dem die Frist erst am nächstfolgenden Werktag endet); daran anknüpfend wird vertreten, dass S 3 bei zurückzurechnenden Fristen spiegelbildlich anzuwenden sei, also die Frist schon am vorhergehenden Werktag ende (Reischauer/R § 902 Rz 8). S auch §§ 1159–1159c Rz 7. § 904. Ist keine gewisse Zeit für die Erfüllung des Vertrages bestimmt worden; so kann sie sogleich, nämlich ohne unnötigen Aufschub, gefordert werden. Hat der Verpflichtete die Erfüllungszeit seiner Willkür vorbehalten; so muß man entweder seinen Tod abwarten, und sich an die Erben halten; oder, wenn es um eine bloß persönliche, nicht vererbliche, Pflicht zu tun ist, die Erfüllungszeit von dem Richter nach Billigkeit festsetzen lassen. Letzteres findet auch dann statt, wenn der Verpflichtete die Erfüllung, nach Möglichkeit, oder Tunlichkeit versprochen hat. Übrigens müssen die Vorschriften, welche oben (§§ 704–706) in Rücksicht der den letzten Anordnungen beigerückten Zeitbestimmung gegeben werden, auch hier angewendet werden. Lit: F. Bydlinski, Fälligkeit und Grundlagen des Entgeltsanspruches bei Störung in der Erfüllung des Kaufes und Werkvertrages, JBl 1973, 281.
Fälligkeit ist der Zeitpunkt, zu dem der Schuldner die Leistung be- 1 wirken und der Gläubiger sie annehmen soll (K/W II 34); sie richtet sich primär nach (ausdrücklicher oder konkludenter) Vereinbarung, wobei der Vertragszweck eine maßgebende Rolle spielt (zB Zweck einer Abnahmepflicht des Käufers: JBl 1985, 746), und nach Gesetz (zB § 1170; § 1334; § 1418 S 2; § 5i KSchG), subsidiär nach der Natur der Leistung (§ 1418 S 1). Die Fälligkeitsvereinbarung kann auch nachträglich geändert werden (7 Ob 556/91 ÖBA 1992, 384: UmschulBollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
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dung). Nur wenn sich aus diesen Bestimmungsgründen kein späterer Zahlungstag ergibt, kann der Gläubiger gemäß § 904 und § 1334 S 3 sogleich mittels Mahnung (zB Zusendung einer Rechnung, RZ 1979, 146; Einklagung) fälligstellen; dies gilt auch für gesetzliche Schuldverhältnisse (§ 1417). Zur Voraussetzung der Erfüllung durch den Gläubiger und Rechnungslegung s § 1334, auch § 1052. Mangelnde Vereinbarung von Zahlungsfrist oder -termin führt nicht etwa zur Unwirksamkeit des Vertrages; Fälligkeit (und Schuldnerverzug) tritt dann, freilich nicht nur bei Geldleistungspflichten, aufgrund einer Mahnung ein (1 Ob 122/00y RdW 2001, 145). Sofort zurückzuführen sind zB Überziehungskredite (2 Ob 273/98f ÖBA 2001, 178). Respiro bedeutet eine Frist nach Fälligkeit, innerhalb der die Leistung noch als rechtzeitig gilt und der Gläubiger auf die Geltendmachung der Verzugsfolgen verzichtet (zB 3 Ob 164/97g ÖBA 1998, 305; 3 Ob 197/05z RdW 2006, 17). Zum Terminsverlust s bei § 13 KSchG. 2 Nach Mahnung ist die Leistung „ohne unnötigen Aufschub“, dh in
jener objektiv zu beurteilenden Frist zu erbringen, in der sie ihrer Art nach üblicherweise erbracht werden kann (Reischauer/R Rz 5; HS XVI/3: Erstellung einer Bankgarantie); jedenfalls in angemessener Zeit (6 Ob 248/03v ÖBA 2004, 964 Ch. Rabl mwN: Lastenfreistellung durch Liegenschaftsverkäufer); s auch § 1334 Rz 2. Zur Terminfestsetzung durch den Schuldner, wenn der Gläubiger nicht fällig stellt, s Reischauer/R Rz 6. 3 Vereinbarung der Fälligkeit nur „nach Willkür“ des Schuldners mit
den Rechtsfolgen des S 2 ist im Zweifel nicht anzunehmen (DRdA 1982, 298 Apathy: „Zahlung, wenn ich wieder zu Geld komme“). Ist Leistung „nach Möglichkeit oder Tunlichkeit“ vereinbart und können sich die Parteien nicht einigen, hat der Richter die Fälligkeit nach S 3 unter Wahrung der beiderseitigen Interessen festzusetzen, so zB bei „Zahlung nach Maßgabe der Liquidität“ (SZ 56/30), Stundung zur Abwendung eines Konkurses (JBl 1982, 37); in Betracht kommt auch Festsetzung eines künftigen Zahlungstermins und Ratenzahlung (EvBl 1962/2). 4 Die Fälligkeit kann nachträglich durch (ändernde) Stundung hinaus-
geschoben werden. Bis zum neuen Termin kann der Gläubiger weder die Leistung noch Verzugszinsen fordern. Davon zu unterscheiden ist die „reine Stundung“, die als bloßes Hinausschieben der Geltendmachung nicht die Fälligkeit ändert und daher auch den objektiven Verzug nicht beseitigt (7 Ob 578/92 JBl 1993, 456; 4 Ob 215/97i JBl 1998, 53; 9 Ob 24/04a ÖBA 2005, 714). Während die Verjährung bei 888
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 905
der ändernden Stundung nicht zu laufen beginnt (§ 1478), wird sie bei der reinen Stundung, wenn in dieser ein Anerkenntnis liegt, unterbrochen (§ 1497; 7 Ob 292/04y RdW 2005, 484), sonst jedenfalls gehemmt (8 Ob 28/93 GesRZ 1994, 136). Eine nach Verzugseintritt gewährte Stundung ist im Zweifel nur reine Stundung (6 Ob 536/90 ÖBA 1990, 639). Für Rückstehungserklärungen zur Beseitigung einer Überschuldung beachte nun § 67 Abs 3 KO. § 905. (1) Kann der Erfüllungsort weder aus der Verabredung noch aus der Natur oder dem Zwecke des Geschäftes bestimmt werden, so ist an dem Orte zu leisten, wo der Schuldner zur Zeit des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz hatte, oder, wenn die Verbindlichkeit im Betriebe des gewerblichen oder geschäftlichen Unternehmens des Schuldners entstand, am Orte der Niederlassung. In Ansehung des Maßes, des Gewichtes und der Geldsorten ist auf den Ort der Erfüllung zu sehen. (2) Geldzahlungen hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen. Hat sich dieser nach der Entstehung der Forderung geändert, so trägt der Gläubiger die dadurch bewirkte Erhöhung der Gefahr und der Kosten. (3) Aus der Übernahme der Kosten der Versendung durch den Schuldner allein folgt noch nicht, dass der Ort, an den die Versendung zu erfolgen hat, für den Schuldner als Erfüllungsort zu gelten hat. [idF BGBl I 2005/120] Lit: P. Bydlinski, Zivilrechtsfragen bei Zahlung auf ein nicht autorisiertes Gläubigerkonto, ÖBA 1995, 599; ders, Ausgewählte Fragen der Banküberweisung, ÖBA 2002, 865.
Wie § 904 ist auch § 905 auf rechtsgeschäftliche und gesetzliche 1 Schuldverhältnisse anzuwenden (vgl § 1420). Erfüllungsort ist jener Ort, an dem die Leistung erbracht werden soll (dazu Rz 2 ff); er kann auch für die Bestimmung der geschuldeten Qualität relevant sein (§ 905b Rz 1). Sekundäre Rechtsfolgen sind insb Gerichtsstand (s § 88 JN; Art 5 Z 1 EuGVVO, dazu 8 Ob 83/05x SZ 2005/128) und die nicht als kollisions-, sondern sachrechtliche Vorschrift zu verstehende (Schauer/RK UGB § 361 Rz 2) Zweifelsregel des Abs 1 S 2 über Maß, Gewicht und Geldsorten. Der Erfüllungsort bestimmt sich primär nach der (ausdrücklichen) 2 Vereinbarung und, unter Berücksichtigung der Interessenlage und Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 905
der Verkehrssitte, aus Natur und Zweck des Geschäftes. So hat der Feriengast beim Beherbergungsvertrag das Entgelt (in bar oder mittels „Voucher“) am Urlaubsort zu bezahlen (4 Ob 299/97t JBl 1998, 379); ist die Einschulung in eine EDV-Anlage am Betriebsort vorzunehmen (8 Ob 547/91 SZ 65/144). Ergibt sich aus den angeführten Kriterien kein anderer Erfüllungsort, greifen die dispositiven Regeln des § 905 (dazu die folgenden Rz). Zwingende Bestimmungen gehen aber freilich vor, so zB § 8 KSchG für die Verbesserungspflicht des Unternehmers. Zur Zahlung von Arbeitsentgelt s § 1154 Rz 3. 3 Der Gläubiger hat die Leistung nur am vertraglich oder gesetzlich
vorgesehenen Erfüllungsort anzunehmen. Der Schuldner ist andererseits auch nicht verpflichtet, an einem anderen Ort zu leisten. § 8 KSchG sieht eine Ausnahme für die Verbesserung oder den Nachtrag des Fehlenden vor (I. Welser, ÖJZ 2001, 745). Ferner kann sich eine Änderung des Ortes ergeben, wenn der Schuldner angewiesen wird (§ 1401 Abs 1), dem Anweisungsempfänger zu leisten; der Schuldner ist dazu allerdings nur verpflichtet, wenn keine zusätzlichen Belastungen entstehen (s Koziol, JBl 1980, 122). Gleiches gilt bei der Zession der Forderung (Koziol, JBl 1980, 121 f); nur für Schickschulden anerkennen dies Ertl/R § 1394 Rz 1 und Honsell/Heidinger/S § 1394 Rz 3. Zur Geldschuld s Abs 2 S 2. 4 Abgesehen von Geldleistungen (Abs 2, s Rz 5) liegt nach Abs 1 im
Zweifel Holschuld vor, bei welcher der Wohnsitz bzw die Niederlassung des Schuldners im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Erfüllungsort ist; er braucht die Sache dort nur zur Abholung bereitzuhalten (10 Ob 2035/96d ÖBA 1996, 818: Auszahlung einer Spareinlage). Bei Schickschulden (Geldschulden gemäß Abs 2; Versendung iSd Abs 3) ist ebenfalls der Wohnsitz oder die Niederlassung des Schuldners im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Erfüllungsort (1 Ob 173/98t EvBl 1999/14; 7 Ob 89/03v ZfRV 2004, 32), doch kommt die Verpflichtung hinzu, die Sache an den Gläubiger abzusenden, also einer dritten Person zum Transport zu übergeben (JBl 1969, 337 F. Bydlinski); der Schuldner haftet für den Dritten nicht nach § 1313a, sondern nur bei Auswahlverschulden. Die Kosten der Versendung trägt grundsätzlich der Gläubiger (s zum Kauf § 1063a; anders aber für Geldschuld § 905 Abs 2). Bei Bringschuld liegt der Erfüllungsort hingegen am Sitz des Gläubigers, wohin der Schuldner die Sache auf eigene Kosten und unter eigener Verantwortung zu befördern hat (SZ 55/102: Lieferung „frei Haus“). Im Zweifel liegt Schick- und nicht Bringschuld vor. 5 Geldschulden sind gemäß Abs 2 im Zweifel Schickschulden: Der
Schuldner hat den Betrag dem Gläubiger an dessen bei Vertragsab890
Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 905
schluss bestehenden Wohnsitz (Niederlassung) zu „übermachen“, dh zu übersenden (EvBl 1999/14; 3 Ob 45/00i). Die Schickschuld ist hier qualifiziert, weil der Schuldner die Kosten (SZ 60/81; 5 Ob 9/98d EvBl 1999/3: Giroüberweisung) und die Gefahr des Einlangens trägt (3 Ob 2405/96i EvBl 1998/103: Postanweisung); im Verlustfall muss er daher nochmals leisten (6 Ob 55/97z NZ 1998, 119; zur Veruntreuung s Rz 7). Das Risiko einer Verspätung trägt hingegen der Gläubiger: Der Schuldner hat, unter der Voraussetzung späteren Einlangens, rechtzeitig geleistet, wenn er den Geldbetrag am Fälligkeitstag absendet (SZ 62/166). Geldunterhalt ist hingegen Bringschuld (3 Ob 229/03b). Zahlung mit Buchgeld, zB Überweisung auf ein Bankkonto (§ 1400 6 Rz 5), ist, wenn nicht schon ursprünglich vereinbart, eine Leistung an Zahlungs statt, die des (konkludenten) Einverständnisses des Gläubigers bedarf (zB durch Anführung von Konten auf Geschäftskorrespondenz, Zusendung von Zahlscheinen: ÖBA 1988, 839 Koziol; 8 ObA 281/95 JBl 1997, 124; zur Überweisung auf ein anderes als das angegebene Konto s 6 Ob 190/00k ÖBA 2001, 332 P. Bydlinski). Die Giroüberweisung ist rechtzeitig, wenn der Überweisungsauftrag am Fälligkeitstag beim kontoführenden Institut einlangt und das Konto gedeckt ist oder eine Überziehung gestattet wird; dies allerdings – da der Schuldner die Gefahr trägt – unter der Bedingung, dass der Betrag später tatsächlich bei der Empfangsbank einlangt bzw dem Gläubiger gutgeschrieben wird (SZ 57/160; SZ 62/166; Reischauer/R Rz 19; Eccher/Hagen, ÖBA 2000, 115). Jedenfalls mit der Gutschrift gelangt der Betrag in das Vermögen des Gläubigers (zur Stornierung s 2 Ob 196/03t ÖBA 2004, 474 Bollenberger). Die Bank ist Machthaber des Gläubigers ohne ein (konkursfestes) Recht auf den erwarteten Betrag (3 Ob 66/02f ÖBA 2004, 62). S auch Z 40 ABB 2000. Zur Aussonderung von Buchgeld s Ch. Rabl, ÖBA 2006, 575. Bei der Abwicklung von (Liegenschafts-)Verträgen durch einen 7 mehrseitigen Treuhänder gilt § 905 Abs 2 nur für die Zahlung an diesen. So wird zB die Kreditvaluta schon mit Überweisung an den Treuhänder wirksam zugezählt (5 Ob 41/03w ÖBA 2004, 149). Zur Verteilung des Veruntreuungsrisikos s § 1002 Rz 7. Die frühere Regelung über die Kosten der Übergabe, Abnahme und 8 Versendung in Art 8 Nr 19 der 4. EVHGB wurde mit dem UGB in das ABGB transferiert. Zur dispositivrechtlichen Verteilung dieser Kosten s nun § 1063a (früher Art 8 Nr 19 Abs 1 der 4. EVHGB). Die Kosten der Versendung der Sache an einen anderen Ort als den Erfüllungsort trägt danach im Zweifel der Käufer (zur Vertragsauslegung Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 905a
s F. Bydlinski/K IV/2, 140). Abs 3 bestimmt dazu wie bisher Art 8 Nr 19 Abs 2 der 4. EVHGB, dass die Vereinbarung der Kostentragung durch den Schuldner im Zweifel nicht auch den Erfüllungsort (mit den in Rz 1 dargestellten Rechtsfolgen) zum Bestimmungsort verlegt. § 905a. (1) Ist eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld im Inland zu zahlen, so kann die Zahlung in inländischer Währung erfolgen, es sei denn, dass die Zahlung in ausländischer Währung ausdrücklich bedungen worden ist. (2) Die Umrechnung erfolgt nach dem zur Zeit der Zahlung am Zahlungsort maßgeblichen Kurswert. Wenn der Schuldner die Zahlung verzögert, hat der Gläubiger die Wahl zwischen dem bei Fälligkeit und dem zur Zeit der Zahlung maßgeblichen Kurswert. [BGBl I 2005/120]
1 Grundsätzlich sind Geldschulden verschiedener Währung nicht iden-
tisch und weder für Schuldner noch Gläubiger durch eine andere Währung substituierbar (1 Ob 586/90 wbl 1991, 72). Die Regelung des § 905a entspricht dem früheren Art 8 Nr 8 der 4. EVHGB, der im bürgerlichen Recht analog angewandt und daher schließlich mit dem UGB in das ABGB verlegt wurde. Sie betrifft echte Fremdwährungsschulden, dh solche, bei denen der Gläubiger Anspruch auf Zahlung in der fremden Währung hat (1 Ob 77/01g SZ 74/178), und gewährt dem Schuldner eine Ersetzungsbefugnis zur Leistung in Euro (Rz 2). Bei unechten Fremdwährungsschulden lautet die Forderung hingegen nur auf Euro und dient die fremde Währung bloß als Rechnungsgrundlage (SZ 44/42; RZ 1973/169: Reparaturkosten in D-Mark; Schadenersatz); umzurechnen ist daher nicht erst am Zahlungstag, sondern schon mit dem Kurs am Tag der Entstehung des Anspruches, äußerstenfalls der Fälligkeit (9 ObA 252/00z). 2 Echte Fremdwährungsschulden, die im Inland zahlbar sind, können
(jedoch nicht im Anwendungsbereich des UN-K: SZ 74/178) gemäß Abs 1 auch in Euro gezahlt werden, sofern die Zahlung im Inland erfolgt (dazu Rz 4) und nicht effektive Zahlung in der Fremdwährung vereinbart ist (Rz 3). Diese Ersetzungsbefugnis des Schuldners soll die inländische Währung privilegieren und dem Schuldner die Zahlung erleichtern (SZ 74/178). Ähnliches sehen Art 41 WG (dazu SZ 53/158) und Art 36 SchG vor; zur Aufrechnung mit und gegen Fremdwährungsforderungen s § 1440 Rz 1. Zu Krediten und Hypotheken in Fremdwährung siehe §§ 985–987 Rz 3 ff. 3 Die Vereinbarung einer effektiven Fremdwährungsschuld, dh dass
der Schuldner auch im Inland in der Fremdwährung zahlen muss, 892
Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 905a
ergibt sich am deutlichsten durch die Klausel „effektiv“ (so zB für Fremdwährungskredite in Z 75 ABB 2000), eine gleichbedeutende Formulierung („nicht anders“) oder auch aus dem Zweck (SZ 74/178); zum Fremdwährungskonto s Z 37 ABB 2000. Die bloße Festlegung der Zahlung in Fremdwährung reicht hingegen nicht, sondern begründet idR eine einfache Fremdwährungsschuld, für welche § 905a gilt (Dullinger/Jabornegg, HGB Art 8 Nr 8 Rz 3). Die Klage muss den in Fremdwährung zu leistenden Betrag genau bezeichnen. Bei Schuldnerverzug sowie bei devisenrechtlichen Hindernissen kann der Gläubiger Zahlung in Inlandswährung verlangen (ÖBA 1989, 1225; wbl 1991, 72; s weiters Rz 6). Bei der Beurteilung, ob die Zahlung im Inland erfolgt, stellt die hM 4 auf den Erfüllungsort ab, bei Schickschuld nach § 905 also auf den Wohnsitz des Schuldners; eine im Vordringen befindliche, beifallswerte Gegenmeinung hält hingegen den Ort, an den die Zahlung zu übersenden ist, für maßgeblich (Koziol, BVR II Rz 1/62; SZ 74/178 mwN). Auf das Schuldstatut (das auf die Forderung anwendbare Recht) kommt es jedenfalls nicht an. Umrechnungskurs nach Abs 2 S 1 ist, mangels anderer Vereinba- 5 rung, der zum Zahlungszeitpunkt am Zahlungsort verlautbarte Devisenkurs (Briefkurs; näher Dullinger/Jabornegg, HGB Art 8 Nr 8 Rz 9). Gerät der Schuldner in Verzug, so verliert er nach hA seine Erset- 6 zungsbefugnis (wbl 1991, 72; krit ua Schauer/RK Rz 3 mwN). Der Gläubiger kann – auch bei einer effektiven Fremdwährungsschuld – Zahlung in Fremd- oder in Inlandswährung fordern, muss aber bereits in der Klage die Wahl treffen (ÖBA 1989, 735 Schuhmacher). In Abs 2 S 2 wurde nun lediglich klargestellt, dass der Gläubiger zwischen dem Kurs am Zahlungstag und jenem des Fälligkeitstages wählen kann (so bereits die bisherige Judikatur, zB wbl 1991, 72). Das auf den Gegenwert eines Fremdwährungsbetrages in Euro gerichtete Klagebegehren ist hinreichend bestimmt, wenn es den Umrechnungskurs oder doch Umrechungstag und -ort angibt (SZ 39/47). Geht es dem Kläger nicht um Zahlung in einer bestimmten Valuta, sondern um Leistung eines Geldbetrags schlechthin, so kann das Gericht den Urteilsspruch von Amts wegen dem maßgebenden Währungsrecht anpassen (wbl 1991, 72). Erwirkt der Gläubiger einen Titel in fremder Währung ohne Ver- 7 pflichtung zur Effektivzahlung, so kann er Exekution auf Zahlung des in Inlandswährung umgerechneten Betrags oder auf Zahlung des Fremdwährungsbetrags führen. Im letzteren Fall erfolgt die UmrechBollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 905b
nung mangels anderer Anordnung im Exekutionstitel zum Kurswert am Zahlungstag ( Jakusch in Angst, EO § 7 Rz 47 mwN). Im Zwangsversteigerungsverfahren muss hingegen, wenn die betriebene Forderung auf die Währung eines nicht der EU oder des EWR angehörenden Staates lautet, bereits im Exekutionsantrag in Euro umgerechnet werden (3 Ob 98/06t ÖBA 2007, 62: US-Dollar). § 905b. Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet, so ist diese in mittlerer Art und Güte zu leisten. [BGBl I 2005/120]
1 Mit dem UGB wurde § 360 HGB gestrichen und der Inhalt der Zwei-
felsregel fast wörtlich in § 905b, der allerdings weiter von „Sache“ statt von „Ware“ spricht, übernommen. Die Regel bezieht sich auf Gattungsschulden (§ 906 Rz 5), doch kann sie auch bei einer Spezies für die Festlegung der „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ in § 922 von Bedeutung sein (Dullinger/Jabornegg, HGB § 360 Rz 2). Für die Konkretisierung der „mittleren Art und Güte“ sind die Verkehrsanschauungen am Erfüllungsort maßgeblich. 2 Als abweichende Vereinbarungen kommen zB „prima Ware“, „tel
quel“ (schlechteste Qualität aus der Gattung) oder Kauf nach Probe oder Muster (§ 922 Abs 1) in Betracht. § 906. (1) Kann das Versprechen auf mehrere Arten erfüllt werden; so hat der Schuldner die Wahl; er kann aber von der einmal getroffenen Wahl für sich allein nicht abgehen. (2) Hat der Gläubiger die Wahl und ist er mit ihr in Verzug, so kann der Schuldner die Wahl an Stelle des Gläubigers treffen oder nach den §§ 918 und 919 vorgehen. Wenn er die Wahl an Stelle des Gläubigers trifft, hat er diesen davon zu verständigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Vornahme einer anderen Wahl zu setzen. Trifft der Gläubiger keine solche Wahl, so ist die Wahl des Schuldners maßgebend. In jedem Fall gebührt dem Schuldner der Ersatz des Schadens. [idF BGBl I 2005/120] Lit: Apathy, Schadenersatz und Rücktritt bei Annahmeverzug, JBl 1982, 561; Mayrhofer, Der Kauf mit Umtauschvorbehalt des Käufers, JBl 1972, 445; Ch. Rabl, Gefahrtragung 353 ff.
1 Die Wahlschuld ist auf verschiedene Leistungen gerichtet, von denen
der Schuldner nur eine erbringen muss (zB DRdA 1990, 60 Löffler = 894
Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 906
ZAS 1990, 201 Schima: Firmenquartier oder Übernachtungsgeld; 3 Ob 509/94 NZ 1995, 34: Abtretung eines noch auszusuchenden Baugrundes). Die Abgrenzung zur Gattungsschuld (Rz 5) besteht darin, dass bei dieser den Parteien alle Gegenstände, die die Gattungsmerkmale aufweisen, gleichwertig erscheinen, während bei der Wahlschuld zumindest eine Partei die alternativ geschuldeten Stücke nicht für gleichwertig ansieht und daher der späteren Auswahl eine eigenständige Bedeutung beimisst (Ch. Rabl, Gefahrtragung 344 f). Ein Sonderfall der Wahlschuld (mit Wahlrecht des Gläubigers) ist der Spezifikationskauf gemäß § 1063b ABGB (früher § 375 HGB). Zum Vermächtnis s auch § 656; zur Ersetzungsbefugnis s Rz 4; zum Rücktritt beim Vorauszahlungskauf s § 27 KSchG. Das Wahlrecht hat gemäß Abs 1 HS 1 im Zweifel der Schuldner, doch 2 kann es ebenso dem Gläubiger (oder einem Dritten, vgl auch § 1056) eingeräumt werden (EvBl 1977/15). Die Wahl wird durch Erklärung ausgeübt, uU auch konkludent iSv § 863 durch Erfüllungshandlungen (Reischauer/R Rz 4). Nicht nur der Schuldner gemäß Abs 1 HS 2 (und zwar selbst bei wiederkehrenden Leistungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen: DRdA 1990, 60), sondern auch der Gläubiger sind an die einmal getroffene Wahl grundsätzlich gebunden (EvBl 1977/15; Ch. Rabl, Gefahrtragung 360); wenn jedoch die begehrte Naturalrestitution wegen Schuldnerverzugs untunlich wird, kann der Gläubiger wieder Geldersatz ansprechen (4 Ob 343/99s EvBl 2000/104; 6 Ob 139/00k). Die Wahlerklärung kann bei Willensmängeln gemäß §§ 870 ff angefochten werden (vgl § 876). Zu irrtümlicher Doppelleistung s § 1436. Bei Verzug des Schuldners mit der Wahl geht das Wahlrecht nicht auf 3 den Gläubiger über, sondern muss dieser beide Leistungen alternativ oder eine Leistung mit Ersetzungsbefugnis durch die andere Leistung einklagen (NZ 1995, 34); zur Exekution s §§ 12, 39 Abs 1 Z 7 EO. Hat hingegen der Gläubiger das Wahlrecht, ist dieses spätestens mit der Klage auszuüben (vgl zur Fremdwährungsschuld EvBl 1989/84). Für den Wahlverzug des Gläubigers bestimmt Abs 2, der seit dem UGB die speziellere Regelung des § 375 Abs 2 HGB ersetzt (Näheres bei Schauer/RK Rz 2), dass der Schuldner entweder (außerhalb von Fixgeschäften unter Setzung einer angemessenen Nachfrist nach § 918) vom Vertrag zurücktreten oder eine eigene Wahl mitteilen und eine angemessene Nachfrist zur Vornahme einer anderen Wahl setzen kann. Mit neuerlicher Säumnis des Gläubigers wird dann die Wahl des Schuldners wirksam (vgl schon HS VI/21). Daneben kommt in beiden Varianten ein Schadenersatzanspruch in Betracht (zu den Voraussetzungen Schauer, aaO Rz 6 ff). Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 906
4 Bei einer Ersetzungs- oder Lösungsbefugnis (auch Alternativer-
mächtigung, facultas alternativa) ist, anders als bei der Wahlschuld, nur eine bestimmte Leistung geschuldet, welche der Gläubiger fordern kann (SZ 53/158); der Schuldner hat aber das Recht, mit einer anderen Leistung zu erfüllen (1 Ob 626/92 SZ 65/156: Die Erfüllung ist weder Novation noch Leistung an Zahlungs statt). Dieses Gestaltungsrecht wird vertraglich oder durch den Zugang der einseitigen, bindenden Erklärung des Gläubigers, mit der er die Lösungsbefugnis einräumt, begründet (10 Ob 504/94 SZ 67/73, insb zur Anfechtbarkeit wegen Irrtums). Die andere Leistung wird neuer Schuldinhalt, wenn der Schuldner das Recht durch Willenserklärung, auch konkludent durch Erbringung der Leistung, ausübt (3 Ob 86/95 RdW 1996, 163). Wird nicht zugleich erfüllt, kann der Gläubiger die Ersatzleistung einklagen (Reischauer/R Rz 9). Erklärt der Kläger im Prozess, anstelle der nicht in Geld bestehenden eingeklagten Leistung einen Geldbetrag anzunehmen, so ist die dem Beklagten damit eingeräumte Lösungsbefugnis gemäß § 410 ZPO in das Urteil aufzunehmen (dazu 3 Ob 562/95 SZ 68/161, insb auch zur Bekämpfbarkeit). Ersetzungsbefugnisse werden auch vom Gesetz vorgesehen (zB § 905a Abs 1; § 934 S 2; Art 41 WG). Zum Reugeld s bei § 909. 5 Bei einer Gattungsschuld (Genusschuld), die im ABGB, abgesehen
vom Vermächtnis (§ 656), nicht besonders geregelt ist, im Wirtschaftsleben jedoch im Vordergrund steht, wird der Leistungsgegenstand im Vertrag durch generelle Merkmale beschrieben, zB „ein Mercedes Type X“ (3 Ob 124/91 JBl 1992, 453). Anders als bei der Stückschuld (Spezies), die von vornherein auf ein individualisierend bezeichnetes Objekt gerichtet ist (7 Ob 136/02d RdW 2003, 199: „dieses Bild“), kann der Schuldner daher beliebig wählen, welches Stück aus der Gattung er leisten wird (1 Ob 582, 583/95 SZ 68/119); hierbei wird jedoch, zumal den Parteien alle Stücke aus der Gattung gleichwertig sind (Rz 1), keine Wahlerklärung iSd § 906 abgegeben (F. Bydlinski/K IV/2, 148 f). Beim Kauf vertretbarer Sachen liegt idR eine Gattungsschuld vor, sofern nicht besondere Umstände auf einen abweichenden Parteiwillen schließen lassen (9 Ob 247/02t JBl 2003, 573: fabriksneues Fahrzeug). Nach § 905b ist im Zweifel eine Sache mittlerer Art und Güte zu leisten. Während bei der Speziesschuld stets der Gläubiger die Leistungsgefahr trägt und sich daher im Fall des zufälligen Untergangs nur die Frage nach der Gegenleistungsgefahr stellt, ist bei der Gattungsschuld wegen des Grundsatzes „genus non perit“ der Schuldner bis zur Konzentration mit der Leistungsgefahr belastet (F. Bydlinski/K IV/2, 149 f; Ch. Rabl, Gefahrtragung 362 ff; s näher §§ 1048–1049 Rz 3; § 1064 Rz 1). 896
Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 908
§ 907. Wird ein Vertrag ausdrücklich mit Vorbehalt der Wahl geschlossen, und dieselbe durch zufälligen Untergang eines oder mehrerer Wahlstücke vereitelt; so ist der Teil, dem die Wahl zusteht, an den Vertrag nicht gebunden. Unterläuft aber ein Verschulden des Verpflichteten; so muß er dem Berechtigten für die Vereitlung der Wahl haften. Lit: Ch. Rabl, Gefahrtragung, insb 356 ff.
§ 907 gilt nicht für sog unbedingte Wahlschulden, bei der die Wahl- 1 möglichkeit lediglich die Erbringbarkeit der Leistung absichern soll und der Wahlberechtigte folglich bei Untergang eines oder mehrerer Stücke aus den verbleibenden Stücken wählen muss (so dass die Leistungspflicht „unbedingt“ ist: Ch. Rabl, Gefahrtragung 351). Eine Aufhebung der Bindung tritt nur bei reinen Auswahlschulden ein. Diese sind dadurch charakterisiert, dass gerade die Wahlmöglichkeit („ausdrücklich mit Vorbehalt der Wahl“) einen wesentlichen Vertragsbestandteil bildet (Ch. Rabl, Gefahrtragung 351 f und 356). Auch bei reinen Auswahlschulden (Rz 1) führt der zufällige Unter- 2 gang eines Stücks nach hA nicht jedenfalls zur Vertragsaufhebung, sondern kann der Wahlberechtigte ein anderes Stück wählen: der Berechtigte ist nur nicht mehr gebunden (Ch. Rabl, Gefahrtragung 358 f, auch zum Fall der Verschlechterung). Zur Verteilung der Preisgefahr s Reischauer/R Rz 2 und 4. Hat der Schuldner den Untergang zu vertreten (s bei § 920), muss er 3 bei Schuldnerwahlrecht aus den restlichen Stücken wählen; bei Wahlrecht des Gläubigers kann dieser die untergegangene Sache wählen und für diese Schadenersatz fordern (S 2). 4. Angeld; § 908. Was bei Abschließung eines Vertrages vorausgegeben wird; ist, außer dem Falle einer besonderen Verabredung, nur als ein Zeichen der Abschließung, oder als eine Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages zu betrachten, und heißt Angeld. Wird der Vertrag durch Schuld einer Partei nicht erfüllt; so kann die schuldlose Partei das von ihr empfangene Angeld behalten, oder den doppelten Betrag des von ihr gegebenen Angeldes zurückfordern. Will sie sich aber damit nicht begnügen, so kann sie auf die Erfüllung; oder wenn diese nicht mehr möglich ist, auf den Ersatz dringen. Das Angeld wird bei Vertragsabschluss gegeben und dient als Zeichen 1 des Abschlusses und (nicht oder: Gschnitzer/K IV/1, 383) zur BestärBollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 909
kung der vertraglichen Verpflichtung (Angeldgabe nach Vertragsabschluss bezweckt nur Sicherstellung: RZ 1979, 179). Bei Ungültigkeit des Vertrages ist es daher zurückzugeben (JBl 1982, 255; SZ 61/136). Bei Immobiliengeschäften eines Verbrauchers kann ein Angeld erst nach Ablauf der Rücktrittsfrist vereinbart werden (§ 30a Abs 4 KSchG). Im Fall ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung ist das Angeld im Zweifel auf die Forderung des Empfängers anzurechnen (Gschnitzer/K IV/1, 385). Zur Abgrenzung vom Reugeld s bei § 910. 2 Die Bedeutung des Angeldes ging seit Erlassung des ABGB stark
zurück, insb weil es bei schriftlichen Verträgen keines Abschlusszeichens bedarf. Daher hat keineswegs jede Teilzahlung bei Vertragsabschluss auch Angeldfunktion iSd § 908, insb im Zweifel nicht als „Anzahlung“ bezeichnete Beträge (JBl 1982, 255; 6 Ob 2317/96w RdW 1997, 655), wie jene gemäß § 20 KSchG beim Abzahlungsgeschäft. Die Rspr geht überhaupt davon aus, dass hohe Vorauszahlungen, entgegen S 1 („außer im Falle einer besonderen Verabredung“), im Zweifel nicht Angeld sein sollen, weil ein Verfall oder die Rückstellung in doppelter Höhe hier, wenn eine Qualifikation als Angeld iSd § 908 nicht ausdrücklich vereinbart wird, nicht dem Parteiwillen entspricht (SZ 54/46; SZ 54/186; JBl 1982, 255). Eine „Kaution“ ist ebenfalls nicht Angeld und dient nur der Abdeckung des tatsächlichen Schadens (Binder/S Rz 21 f). 3 Rechtsfolgen: Der Verfall des Angeldes oder die Rückforderung des
doppelten Betrages bei schuldhafter Nicht- oder Schlechterfüllung gemäß S 2 bedürfen nach hA auch in Verzugsfällen keiner Nachfristsetzung (SZ 23/142). Die Ansprüche sind von einem Schaden unabhängig, doch ist das Mäßigungsrecht nach § 1336 Abs 2 analog anzuwenden (SZ 54/46; RdW 1997, 655); für Verbraucherverträge s § 6 Abs 2 Z 6 und § 7 KSchG. Der schuldlose Teil kann nach S 3 auch einen darüber hinausgehenden Schaden oder einfach Erfüllung fordern. 5. Reugeld; § 909. Wird bei Schließung eines Vertrages ein Betrag bestimmt, welchen ein oder der andere Teil in dem Falle, daß er von dem Vertrage vor der Erfüllung zurücktreten will, entrichten muß; so wird der Vertrag gegen Reugeld geschlossen. In diesem Falle muß entweder der Vertrag erfüllt, oder das Reugeld bezahlt werden. Wer den Vertrag auch nur zum Teile erfüllt; oder das, was von dem andern auch nur zum Teile zur Erfüllung geleistet worden ist, angenommen hat, kann selbst gegen Entrichtung des Reugeldes nicht mehr zurücktreten. 898
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 910
Lit: Mayrhofer, Zur Rechtsnatur der Stornogebühr im österreichischen Privatrecht, FS Herdlitczka (1972) 187.
Das Reugeld wird von einem Teil dem anderen für den Fall der Aus- 1 übung eines ihm vorbehaltenen Rücktrittsrechtes (Reurecht) versprochen. Macht er dann bloß von einem gesetzlichen Auflösungsrecht Gebrauch (zB Anfechtung nach §§ 870 ff; Aufhebung wegen Leistungsstörungen gemäß §§ 918 ff), verfällt das Reugeld nicht. Nach S 2 erhält der Gegner mit dem Rücktritt einen Anspruch auf das Reugeld, doch ist auch die Vereinbarung möglich, dass der Rücktritt erst mit der Zahlung des Reugeldes wirksam wird und der Gegner davor nur auf Erfüllung klagen kann (Reischauer/R Rz 2). Die durch die Reugeldabrede eingeräumte facultas alternativa (§ 906 Rz 4) endet gemäß S 3 mit der Erfüllung. Zum Verhältnis zum Angeld s bei § 910. Die Reugeldvereinbarung wird, da sie der Abschwächung einer beste- 2 henden Verpflichtung dient, von einer Vertragsungültigkeit miterfasst (5 Ob 138/94 JBl 1995, 788 Lukas). Verbote oder Beschränkungen von Reugeldabreden enthalten § 38 Abs 1 Z 5 WEG 2002, § 11 Abs 2 Z 6 AÜG, § 30a Abs 4 und § 31c Abs 2 KSchG, § 45 ABGB. Abgesehen davon ist beim Verbrauchergeschäft ein Rücktrittsrecht des Unternehmers im Einzelnen auszuhandeln (§ 6 Abs 2 Z 1 KSchG), ferner unterliegt das Reugeld des Verbrauchers dem Mäßigungsrecht gemäß § 1336 Abs 2 (§ 7 KSchG). Während eine Konventionalstrafe pauschalierten Schadenersatz be- 3 inhaltet und nicht zugleich Reugeldfunktion hat (§ 1336 Abs 1 S 2; SZ 48/38; 1 Ob 58/98f JBl 1999, 802), ist das Reugeld Entgeltersatz. Eine „Stornogebühr“ kann das eine oder das andere sein (8 Ob 591/90 EvBl 1992/109). Vertragsstrafe, die im Zweifel nur bei Verschulden verfällt, liegt jedenfalls dann vor, wenn sie vom Gegner des Rücktrittsberechtigten zu leisten ist (SZ 52/83; zur Abgrenzung näher Reischauer/R Rz 2a und 7 ff). Eine vom Besteller bei Abbestellung des Werks zu entrichtende Stornogebühr ist jedoch Reugeld, denn sie bezweckt die Pauschalierung des Entgeltanspruchs gemäß § 1168 Abs 1 in (im Vergleich zum Entgelt bei Werkausführung) geringerer Höhe; § 27a KSchG ist darauf unmittelbar anwendbar (1 Ob 268/03y SZ 2004/20). § 910. Wenn ein Angeld gegeben, und zugleich das Befugnis des Rücktrittes ohne Bestimmung eines besonderen Reugeldes bedungen wird; so vertritt das Angeld die Stelle des Reugeldes. Im Falle des Rücktrittes verliert also der Geber das Angeld; oder der Empfänger stellt das Doppelte zurück. Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 911
1 Da das bei Vertragsabschluss gegebene Angeld der Bestärkung der
vertraglichen Verpflichtung dient (§ 908 Rz 1), ist mit ihm kein Reurecht (§ 909) verbunden. Parteienvereinbarung kann das Angeld freilich auch zum Reugeld bestimmen, so dass sich der Geber durch Verfall des Angeldes, der Empfänger durch Rückzahlung des doppelten Betrages von der Erfüllungspflicht zu befreien vermögen (GlU 1825). Wenn neben dem Angeld nur ein grundloses Rücktrittsrecht vereinbart wird, kommt dem bezahlten Angeld gemäß § 910 zugleich Reugeldfunktion zu (ZBl 1919/232; zum Zusammenspiel der Regelungen s näher Gschnitzer/K IV/1, 391, 383). Es kann aber auch eine bei Vertragsabschluss geleistete Zahlung nur Reugeld sein (GlUNF 6347). § 911. Wer nicht durch bloßen Zufall, sondern durch sein Verschulden an der Erfüllung des Vertrages verhindert wird, muß ebenfalls das Reugeld entrichten. 1 Die Begrenzung der Haftung auf das Reugeld bei zu vertretender
Nichterfüllung (Unmöglichkeit, Unvermögen, Verzug) setzt voraus, dass das Reurecht im Zeitpunkt der Nichterfüllung noch besteht, und erklärt sich einfach daraus, dass der Gegner auch einen Rücktritt unter Reugeldzahlung hinnehmen hätte müssen (Gschnitzer/K IV/1, 392); begrenzt ist auch der Anspruch nach § 1168 (s auch § 909 Rz 3). § 911 gilt ferner dann, wenn der Gegner wegen Nichterfüllung oder aus wichtigem Grund zurücktritt; Leistungsstörungen nach Ende des Reurechts machen hingegen nach allgemeinen Regeln unbeschränkt ersatzpflichtig (Reischauer/R Rz 1 und 3). 2 Ein vom Verbraucher versprochenes Reugeld unterliegt gemäß § 7
KSchG dem richterlichen Mäßigungsrecht. Die Lehre befürwortet eine analoge Anwendung auf Nicht-Verbrauchergeschäfte, verneint aber zutreffend die Mäßigung bei vorsätzlicher Nichterfüllung oder Ausübung des Reurechtes (Apathy/S § 7 KSchG Rz 3 f; aM Mayrhofer/K 3 § 3 KSchG Rz 16). 6. Nebengebühren § 912. Der Gläubiger ist von seinem Schuldner außer der Hauptschuld zuweilen auch Nebengebühren zu fordern berechtigt. Sie bestehen in dem Zuwachse, und in den Früchten der Hauptsache; in den bestimmten oder in den Zögerungszinsen; oder in dem Ersatze des verursachten Schadens; oder dessen, was dem andern daran liegt, daß die Verbindlichkeit nicht gehörig erfüllt worden; endlich in dem Betrage, welchen ein Teil sich auf diesen Fall bedungen hat. 900
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§ 913. Inwieweit mit einem dinglichen Rechte das Recht auf den Zuwachs, oder auf die Früchte verbunden sei, ist in dem ersten und vierten Hauptstücke des zweiten Teiles bestimmt worden. Wegen eines bloß persönlichen Rechtes hat der Berechtigte noch keinen Anspruch auf Nebengebühren. Inwieweit dem Gläubiger ein Recht auf diese zukomme, ist teils aus den besonderen Arten und Bestimmungen der Verträge; teils aus dem Hauptstücke von dem Rechte des Schadenersatzes und der Genugtuung zu entnehmen. Im Urentwurf war für Nebengebühren noch ein eigenes Hauptstück 1 vorgesehen, das schließlich durch Aufteilung der einzelnen Bestimmungen zu den die jeweilige „Hauptsache“ regelnden Hauptstücken aufgelöst wurde. §§ 912 f blieben mit deklaratorischem, weitgehend entbehrlichem Inhalt zurück (Gschnitzer/K IV/1, 393 f). Die Aufzählung der Arten von Nebengebühren in § 912 ist auch nicht taxativ (Gschnitzer, aaO 395 ff, insb zu Verfahrenskosten; zu diesen M. Bydlinski, Der Kostenersatz im Zivilprozeß, 1992, 44 ff). §§ 912 f bieten keine Anspruchsgrundlage, sondern es bedarf die Ne- 2 benforderung eines eigenen gesetzlichen oder vertraglichen Entstehungsgrundes, zB Verzug für Verzugszinsen nach § 1333; Vereinbarung und Verwirkung einer Vertragsstrafe nach § 1336. Wegen § 913 S 2 soll einschränkende Interpretation geboten sein (Binder/S Rz 8, mE zweifelhaft). Zudem setzt die Entstehung der Nebenforderung zwar eine Hauptforderung voraus, zB eine Konventionalstrafe die Gültigkeit des Vertrages; das Erlöschen der Hauptforderung erfasst aber nicht notwendig auch die Nebenforderung, zB kann ein Kostenanspruch nach Bezahlung der Hauptforderung aufrecht bleiben. Auslegungsregeln bei Verträgen § 914. Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. [idF III. TN] Lit: F. Bydlinski, Witwenpensionszusage, Zweitehe und Vertragsauslegung, FS Schnorr (1988) 3; Graf, Vertrag und Vernunft (1997); Fenyves, Das Verhältnis von Auslegung, Geltungskontrolle und Inhaltskontrolle von AVB als methodisches und praktisches Problem, FS F. Bydlinski (2002) 121; Karollus, Praxisfragen der Vertragsauslegung, AnwBl 1996, 818; Rummel, Vertragsauslegung nach der Verkehrssitte (1972); ders, Auslegung von Bankgarantien, ÖBA 2000, 210; ders, Besondere Auslegungsregeln für besondere RechtsgeBollenberger
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schäfte? FS F. Bydlinski 337; Thunhart, Brutto- und Nettopreise im Zivilrecht, RdW 2003, 548. Übersicht I. II. III. IV.
Abgrenzungen, dispositives Recht, besondere Fälle . . . . . . . . . . . . . . 1 Einfache Vertragsauslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Konversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
I. Abgrenzungen, dispositives Recht, besondere Fälle 1 Während § 863 die Frage regelt, ob eine Willenserklärung vorliegt,
betrifft § 914 die Auslegung des Inhalts gültig zustande gekommener Rechtsgeschäfte, und zwar sowohl von Verträgen als auch einseitigen Erklärungen unter Lebenden (Gschnitzer/K IV/1, 400 f; JBl 1988, 257; 4 Ob 159/01p SZ 74/152: Optionsausübung). Der Maßstab der §§ 863 und 914 ist freilich iSd Vertrauenstheorie der gleiche, indem es auf den objektiven Erklärungswert ankommt, also jenes Verständnis der Erklärung, das ihr ein redlicher Empfänger unter Berücksichtigung aller Umstände beimessen musste (3 Ob 265/98m JBl 1999, 602 Rummel; s auch § 863 Rz 3). Die Auslegung letztwilliger Verfügungen orientiert sich hingegen primär am subjektiven Willen des Erblassers (§ 565 Rz 4). Bei Rechtsgeschäften, die der Schriftform bedürfen, ist der Parteiwille nach allgemeinen Auslegungsregeln zu ermitteln; die Andeutungstheorie betrifft nur die Frage, ob das Gewollte auch formwirksam erklärt wurde (s § 886 Rz 2 aE). 2 Zu unterscheiden ist zwischen einfacher (Rz 5 ff) und ergänzender
Interpretation (Rz 8 ff); die Grenze bildet, wie bei Gesetzen (s § 6 Rz 3), der Wortlaut der Vereinbarung (6 Ob 155/02s RdW 2003, 78). Dies ist ua für das Verhältnis zum dispositiven Recht entscheidend: Das Ergebnis der einfachen Vertragsauslegung geht objektivem Recht vor. Dieses wiederum lässt der ergänzenden Auslegung grundsätzlich keinen Raum, zumal es gerade Zweck des dispositiven Rechts ist, im Vertrag nicht angesprochene Fragen zu regeln; anders aber dann, wenn die Parteien die gesetzliche Lösung jedenfalls nicht wollten oder diese nicht sachgerecht wäre (3 Ob 146/01v JBl 2002, 455; Rummel/R Rz 8 f und 22; F. Bydlinski, System 162 mit FN 168: die an sich einschlägige dispositive Norm ist nicht anzuwenden, wenn sie die erkennbaren Vertragszwecke der Kontrahenten durchkreuzen würde); so kann auch ein Handelsbrauch dispositives Recht verdrängen (6 Ob 546/90 JBl 1991, 116: Holzhandelsusancen). Der grundsätzliche Vorrang des dispositiven Rechts wirkt sich zB beim Kreditkauf, wenn entgegen der Vertragssitte (Rz 3) kein Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde, dahin aus, dass der Verkäufer gemäß § 1063 Eigentum 902
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schon durch die Übergabe verliert (vgl auch 6 Ob 306/02x JBl 2003, 856). Die Unterscheidung von einfacher und ergänzender Auslegung ist 3 ferner für die Berücksichtigung von Verkehrssitten von Bedeutung: Die hM nimmt in Anschluss an Rummel (Vertragsauslegung 78 ff) eine Dreiteilung vor: Die „Erklärungssitte“ meint den Sprachgebrauch, der im Rahmen der einfachen Auslegung maßgeblich ist (wbl 1989, 348: „Reihenhaus“; 7 Ob 513/92 SZ 65/45: „Eigenheim“; 3 Ob 564/94 SZ 68/35: „Schieben der Rohtrasse“). Der Erklärungsempfänger darf den ihm geläufigen Sprachgebrauch zugrunde legen, wenn er nicht konkrete Anhaltspunkte für eine abweichende Übung des Erklärenden hat (Rummel/R Rz 5, 7 und 15); wer einen vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Bedeutungsinhalt behauptet, muss diesen beweisen (4 Ob 154/01b ecolex 2002, 356 Reich-Rohrwig). Sog echte Verkehrssitten sind hingegen tatsächliche, im Verkehr geübte Verhaltensweisen, wie zB Handelsbräuche (§ 346 UGB, dazu Weiss, Der Handelsbrauch, 1992). Sie sind sowohl bei einfacher als auch ergänzender Auslegung maßgeblich (zB HS XIV/XV/29: Provisionsvereinbarung „3% N.A.“). Bloße Vertragssitten wiederum bestehen darin, dass bei bestimmten Geschäften idR gewisse Klauseln vereinbart werden (SZ 52/189: Hotelreglement). Soweit die Vertragssitte nicht mit einer entsprechenden Verkehrssitte einhergeht, ist sie für die Auslegung zumeist nicht geeignet (Rummel/R Rz 13). S auch Rz 2 aE. Besondere Fälle: Wenn der Inhalt vereinbarter ÖNORMEN nicht 4 Ergebnis konkreter Verhandlungen der Parteien ist, sind sie objektiv ohne Berücksichtigung außerhalb des Textes liegender Umstände so zu verstehen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Adressatenkreises erschließen (7 Ob 110/01d RdW 2001, 661; 6 Ob 151/05g ecolex 2006, 122 M. Leitner). S zur Auslegung von AGB § 915 Rz 4; von Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträgen 9 ObA 347/00w RdW 2001, 685; 8 ObA 41/04v ecolex 2004, 967; 8 ObA 133/04y ecolex 2005, 855; Pensionszusagen 8 ObA 147/97v SZ 70/213; Haftungserklärungen 1 Ob 525/94 wbl 1994, 378 (Zusage der Deckung eines Schecks durch GmbH-Geschäftsführer); 10 Ob 51/03b RdW 2004, 270 (formelle Garantiestrenge); 1 Ob 66/04v ÖBA 2005, 134 (Effektivklausel); Rummel, ÖBA 2000, 210; 7 Ob 11/01w ÖBA 2002, 249 Bollenberger (Zwischenform von Garantie und Bürgschaft); ferner § 1346 Rz 4 f; Gesellschaftsverträgen 1 Ob 61/97w SZ 70/242; 6 Ob 231/05x RdW 2006, 151; Spaltungsplänen 4 Ob 241/04a ÖBA 2005, 491 Zollner; Stiftungserklärungen 6 Ob 106/03m RdW 2004, 89; 6 Ob 61/04w RdW 2004, 596; dazu Hochedlinger, Bollenberger
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ecolex 2004, 863; Vereinsstatuten 2 Ob 51/05x JBl 2005, 728; Vergleichen JBl 1988, 380 und 396; 4 Ob 21/03x EvBl 2003/107; Wechselwidmungserklärungen 3 Ob 77/03z ÖBA 2004, 710. II. Einfache Vertragsauslegung 5 Ziel der einfachen Auslegung ist die Ermittlung der Absicht der Par-
teien (3 Ob 2135/96h wbl 1998, 266; 9 Ob 13/02f Miet 54.105). Dafür bildet der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung (zum Sprachgebrauch Rz 3) den Ausgangspunkt (1 Ob 2385/96h ÖBA 1997, 826; 2 Ob 585/95 ÖBA 1997, 1016). Der Wortlaut der Vereinbarung ist allein maßgeblich, wenn keine abweichende Absicht festgestellt wird (9 ObA 185/94 RdW 1995, 227; 3 Ob 534/95 HS XXVI/4). Zu berücksichtigen sind jedoch alle den Vertragsabschluss begleitenden Umstände (SZ 59/223; 7 Ob 542/91 JBl 1991, 642 Pfersmann). Dem gesetzlichen Auftrag, nicht den Buchstaben verhaftet zu bleiben, sondern die Parteiabsicht zu erforschen, ist in mehreren Schritten nachzukommen: Zuerst ist zu prüfen, ob nicht ohnedies bei Vertragsabschluss beide Teile dasselbe gewollt haben, wobei die Parteiabsicht freilich vom Urkundeninhalt abweichen kann (3 Ob 579/85 SZ 58/177; 8 Ob 504/92 SZ 65/17); ein solcher übereinstimmender Wille geht als natürlicher Konsens entsprechend dem Grundsatz falsa demonstratio non nocet stets vor, auch der Auslegung nach Erklärungs- und Verkehrssitte (6 Ob 160/00y JBl 2001, 590; 1 Ob 108/03v SZ 2004/97; s auch § 863 Rz 4 und § 869 Rz 2). Sogar die Bezeichnung eines Vertrages durch die Parteien ist jedenfalls dann nicht entscheidend, wenn ein mit ihr nicht in Einklang zu bringender Vertragsinhalt und eine auf diesen gerichtete Parteiabsicht festgestellt sind (7 Ob 561/95 SZ 68/198; 8 Ob 25/06v JBl 2006, 649; bei bewusster Falschbezeichnung kann ein Umgehungsgeschäft vorliegen, vgl § 916 Rz 5). 6 Liegt hingegen keine tatsächliche Willensübereinstimmung vor, so ist
„Absicht“ iSd Vertrauenstheorie als die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm nicht widersprochene Absicht des Erklärenden zu verstehen (4 Ob 111/98x ÖBA 1998, 976; K/W I 107; zur Maßgeblichkeit des Empfängerhorizonts s auch § 863 Rz 3). Absicht iSd § 914 bedeutet nicht irgendeinen unkontrollierbaren Willen einer Partei, sondern den Zweck der Regelung, den beide Teile redlicherweise unterstellen mussten (SZ 49/59; SZ 62/46; SZ 62/191; 3 Ob 125/05m JBl 2006, 452). Bezweckt zB eine Haftungserklärung die Sicherung des Begünstigten gegen allfällige Einwendungen aus dem Valutaverhältnis, ist nicht Bürgschaft, sondern (abstrakte) Garantie anzunehmen (1 Ob 163/00b JBl 2001, 380). Aus der Beschränkung des Mietvertrages über ein Geschäftslokal auf dessen Innenraum ist kein 904
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Verbot des Aufstellens von Gegenständen auf dem davor liegenden öffentlichen Grund abzuleiten (Miet 54.105). Eine langjährige Abwicklungspraxis lässt oft im Sinne einer authentischen Interpretation auf den seinerzeitigen Geschäftswillen schließen (1 Ob 201/98k JBl 1999, 380; auch 3 Ob 195/97s ÖBA 1998, 127; 6 Ob 172/05w JBl 2006, 658; vgl aber 4 Ob 46/01w SZ 74/107). Bringen weder Wortsinn noch Parteiabsicht ein eindeutiges Ergebnis, 7 ist nicht schon § 915 anzuwenden, sondern der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (1 Ob 543/95 ÖBA 1995, 718; ecolex 2002, 356 Reich-Rohrwig). Hierbei geht es vor allem um die Erklärungssitte (Rz 3), weil diese angibt, wie der Empfänger die Erklärung verstehen durfte, sowie um echte Verkehrssitten (Rz 3), da die Absicht der Parteien mit einer ihnen geläufigen Übung in Einklang stehen kann (Rummel/R Rz 5). Relevant können auch „Verkehrsauffassungen“ und ÖNORMEN sein (1 Ob 564/95 SZ 68/105). Nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs ist eine Erklärung ferner gesetzesgemäß zu verstehen (7 Ob 231/02z RdW 2003, 495: Förderungsbestimmungen). III. Ergänzende Vertragsauslegung Eine ergänzende Auslegung ist vorzunehmen, wenn nach Vertragsab- 8 schluss Probleme auftreten, die die Parteien nicht bedacht und daher nicht geregelt haben, sofern auch das dispositive Recht keine Lösung bietet. Notwendige Voraussetzung ist somit eine „Vertragslücke“, die auch erst durch die spätere Entwicklung entstehen kann (3 Ob 513/94 wobl 1995, 152 Arnold; 3 Ob 146/01v JBl 2002, 455; JBl 2006, 452; zum grundsätzlichen Vorrang des dispositiven Rechts s Rz 2). Ebenso wie bei der teleologischen Reduktion von Gesetzen (§ 7 Rz 5) ist bei Verträgen eine einschränkende Auslegung zulässig, wenn der Vertragswortlaut über den Regelungsplan der Parteien hinausgeht (Rummel/R Rz 10). Die ergänzende Interpretation nimmt eine Mittelstellung zwischen 9 Vertrag und objektivem Recht ein: Zunächst erfolgt die Vertragsergänzung anhand des hypothetischen Willens der Parteien (4 Ob 73/03v ÖBA 2003, 774: variable Kreditzinsen bei Unwirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel), wobei sowohl der tatsächlich geäußerte Wille als auch die Angemessenheit des Interessenausgleichs Schranken setzen. Kann der hypothetische Wille nicht ermittelt werden, ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des Vertragszwecks jene Regelung zu ergänzen, die vernünftige und redliche Parteien getroffen hätten (4 Ob 2195/96i SZ 69/178: keine neuerliche Beistellung einer Bankgarantie nach unberechtigter InanspruchBollenberger
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nahme; 6 Ob 248/03v RdW 2004, 271: Veruntreuungsrisiko; 9 Ob 152/03y: Förderung durch Abgabenrefundierung und Änderung des WerbeabgabenG; 1 Ob 256/03h ÖBA 2004, 632: Kreditfälligkeit). Während der hypothetische Parteiwille anhand aller Indizien für die Absichten und Interessen der Kontrahenten beim Vertragsschluss (einschließlich der gewöhnlichen Interessenlage, wenn erkennbare Abweichungen fehlen) zu erschließen ist (vgl 2 Ob 51/03v), verweist das Kriterium der Redlichkeit auf einen objektiven rechtlichen Kontrollmaßstab wechselseitiger Rücksichtnahme (F. Bydlinski, System 162 f). Daher ist, selbst wenn sich die Parteien hypothetisch wegen Übermacht einer Partei auf eine den Gegner belastende Regelung geeinigt hätten, ein angemessener Interessenausgleich vorzusehen (JBl 2006, 658). Weitere Mittel der ergänzenden Auslegung sind Verkehrssitten (Rz 3) sowie Treu und Glauben (Rummel/R Rz 13 ff). 10 Eine ergänzende Auslegung kann die Hauptleistungen betreffen, zB
Kreditzinsen (ÖBA 2003, 774; 10 Ob 125/05p ÖBA 2006, 916 Iro); Arbeitslohn (Kietaibl, JBl 2004, 630 ff); die Gewinnverteilung unter Gesellschaftern (7 Ob 1657/92 RdW 1993, 303); den Stichtag für Bewertung des abgetretenen Geschäftsanteils (3 Ob 567/95 NZ 1997, 93). Auch die einem Partner einer Architekten-ARGE vom Auftraggeber wegen des unerwarteten Unterbleibens der Auftragserteilung geleistete Aufwandsentschädigung ist mit dem anderen Gesellschafter zu teilen (3 Ob 235/00f bbl 2002, 216). Besteht der Mietzins teilweise in ärztlichen Diensten des Mieters für den Vermieter, ist nach dessen Tod der Barzins entsprechend zu erhöhen (5 Ob 229/02s immolex 2003, 196). 11 Hauptanwendungsfeld der ergänzenden Auslegung sind Neben-
pflichten. So sind bei einem Verkauf unter Gewährleistungsausschluss die aus Mängeln resultierenden Ansprüche gegen Dritte an den Käufer abzutreten (1 Ob 257/04g JBl 2005, 579 M. Leitner) oder dem Käufer eines Zinshauses eingehobene Betriebskostenpauschalen auszufolgen (3 Ob 249/04w RdW 2005, 743); bei Softwareerstellung kann ein Anspruch auf Herausgabe des Quellcodes bestehen (9 Ob 81/04h SZ 2005/109). Oft betrifft die Vertragsergänzung Schutz- und Sorgfaltspflichten. So muss ein Verkäufer uU eine Gebrauchsanweisung und Gefahrenhinweise geben (SZ 68/105; s weiters § 1061 Rz 5); ein vertragliches Konkurrenzverbot kann ergänzt werden, wenn dies der Zweck der Vereinbarung oder die Verkehrssitte erfordert (2 Ob 336/01b JBl 2002, 653; s auch Rummel, FS F. Bydlinski 340 ff). Eine wichtige Fallgruppe bilden Schutzpflichten zugunsten Dritter (1 Ob 2317/96h JBl 1997, 315), die heute allerdings überwiegend objektivrechtlich begründet werden, s § 1295 Rz 19. 906
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IV. Konversion Mit der ergänzenden Auslegung eng verwandt ist die Konversion 12 (M. Binder, Zur Konversion von Rechtsgeschäften, 1982; B. Jud, NZ 2001, 17 ff): Wenn ein Geschäft wegen Fehlens gesetzlicher Voraussetzungen (zB der Form) unwirksam ist, aber die abgegebenen Erklärungen die Erfordernisse eines anderen Vertrages erfüllen und dieser dem von den Parteien angestrebten Zweck (dh dem hypothetischen Willen) eher entspricht als die Nichtigkeit, kann in das andere Geschäft umgedeutet werden (K/W I 192; 10 Ob 2204/96g ecolex 1997, 85 Wilhelm: testamentarische Stiftung in Auflage zur Vereinsgründung; 8 Ob 2082/96a SZ 69/85 und 8 Ob 1026/95 ÖBA 1996, 721: formungültige Wechselbürgschaft in Bürgschaft nach Handelsrecht; 7 Ob 210/03p EvBl 2004/38: zeitwidrige Kündigung des Versicherers in Kündigung zum nächstzulässigen Termin; s auch § 15 Abs 4 KSchG). Unzulässig ist dies freilich dann, wenn die verletzte Norm auch auf das umgedeutete Geschäft anzuwenden ist (SZ 55/182) oder sonst der Normzweck unterlaufen würde (zB keine Umdeutung einer formunwirksamen Bürgschaft in formfreien Schuldbeitritt). Ebenso ist der sachenrechtliche Modus für das andere Geschäft einzuhalten (zur Verpfändung eines vermeintlich selbständigen Gebäudeteiles s Bollenberger, RdW 2001, 588). § 915. Bei einseitig verbindlichen Verträgen wird im Zweifel angenommen, daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollte, bei zweiseitig verbindlichen wird eine undeutliche Äußerung zum Nachteile desjenigen erklärt, der sich derselben bedient hat (§ 869). Lit: S bei § 914.
Die Vorschrift des § 915 ist subsidiär zu § 914, darf also erst herange- 1 zogen werden, wenn mit dessen Regeln kein klares Ergebnis erzielt werden kann (5 Ob 31/99s Miet LI/12; 1 Ob 160/02i ÖBA 2003, 541; 8 ObA 64/02y RdW 2004, 294); sie gilt auch bei beiderseitigen Handelsgeschäften (2 Ob 210/97i JBl 1998, 300). Die Regel der geringeren Last gemäß S 1 bezieht sich auf einseitig 2 verpflichtende, dh unentgeltliche (s § 917 Rz 1 f) Verträge (1 Ob 406/97f SZ 71/154: Drittschuldnererklärung gemäß § 1396; 1 Ob 201/98k JBl 1999, 380). Für die Anwendung der Zweifelsregel muss die Unentgeltlichkeit feststehen (2 Ob 2394/96i JBl 1998, 367); dann ist eher der geringer belastende unentgeltliche Vertragstyp (zB eher Darlehen statt Schenkung) anzunehmen (SZ 51/92; K/W I 109; Rummel/R Rz 3; Mandl, JBl 1998, 368; aM Zemen, JBl 1986, 205; offen lassend JBl 1998, Bollenberger
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367). Bürgschafts- und Garantieübernahmen sind regelmäßig entgeltlich, weil Teil der Gegenleistung für die Kreditgewährung (s § 1346 Rz 4), und daher im Zweifelsfall nach S 2 contra proferentem zu interpretieren (Koziol, Garantievertrag 42 ff; richtig nun 7 Ob 260/99g ÖBA 2000, 701; s aber § 1353 Rz 1); andere E befürworten hingegen bei der Bürgschaft im Zweifel die Anwendung der Regel der geringeren Last (zB 10 Ob 509/96 ÖBA 1996, 631 krit Rummel; 4 Ob 45/98s ÖBA 1998, 809; 1 Ob 326/98t ÖBA 1999, 822 krit F. Bydlinski). Zu revolvierenden Garantien s Koziol, FS Hadding (2004) 905. 3 Die Unklarheitenregel des S 2 gilt für entgeltliche Verträge (RdW
2004, 294: Betriebspensionsvereinbarung). Über die Frage, wer sich der undeutlichen Erklärung „bedient“ hat, entscheidet nicht etwa die Unterfertigung, die idR durch beide Teile erfolgt (Gschnitzer/K IV/1, 417). Vielmehr kommt es darauf an, wer die Erklärung ausgearbeitet oder sonst in das vertragliche Geschehen eingeführt hat (SZ 57/150; SZ 62/9; 6 Ob 67/99t wobl 2001, 62). Bsp: Der vom ausländischen Produzenten entworfene Vertriebsvertrag wird in unklaren Punkten zu dessen Nachteil verstanden (SZ 59/223: „exclusively“). Eine vom Arbeitgeber formulierte Konkurrenzklausel (9 ObA 120/92 DRdA 1993, 237 Reissner) oder eine Entlassungserklärung (8 ObA 124/02x ecolex 2002, 903) sind zu seinen Lasten zu interpretieren; eine vom Versicherer vorformulierte Abfindungserklärung des Geschädigten „ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“ ist unverbindlich (2 Ob 184/01z RdW 2003, 79). 4 Große praktische Bedeutung hat S 2 für AGB: Soferne nach Ausle-
gung gemäß § 914 (zu dieser s 7 Ob 41/01g SZ 74/46; 7 Ob 69/01z SZ 74/83) Unklarheiten verbleiben, gehen diese zu Lasten des Verwenders der AGB (7 Ob 205/02a RdW 2003, 137; 6 Ob 30/05p ÖBA 2006, 843; I. Faber, ÖJZ 2003, 794). Die Abgrenzung zur Unwirksamkeit nach § 6 Abs 3 KSchG (Transparenzgebot) hat richtigerweise dadurch zu erfolgen, dass diese Vorschrift nicht zur Anwendung kommt, wenn sich die Unklarheit zu Gunsten des Verbrauchers lösen lässt (Apathy/S § 6 KSchG Rz 86; Korinek, JBl 1999, 162 ff; Fenyves, FS F. Bydlinski, 2002, 140; K/W I 110; vgl § 6 KSchG Rz 31; dagegen, auch mit Vorschlag de lege ferenda, P. Bydlinski, AT Rz 6/48 f; s auch I. Faber, ÖJZ 2003, 797 ff; M. Leitner, Das Transparenzgebot, 2005, 63 ff). § 916. (1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis zum Schein abgegeben wird, ist nichtig. Soll dadurch ein anderes Geschäft verborgen werden, so ist dieses nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen. 908
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(2) Einem Dritten, der im Vertrauen auf die Erklärung Rechte erworben hat, kann die Einrede des Scheingeschäftes nicht entgegengesetzt werden. [idF III. TN] Lit: Tamussino, Die Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen (1990).
Bei einem Scheingeschäft schaffen die Parteien einverständlich nur 1 den äußeren Schein der Abgabe einer Willenserklärung, wollen jedoch schon bei Geschäftsabschluss die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht oder nicht so wie vertraglich niedergelegt eintreten lassen (SZ 43/134; SZ 53/42; 4 Ob 541/95 wobl 1996, 201); zum Umgehungsgeschäft, das wirklich gewollt ist, s hingegen Rz 5 (zur Abgrenzung Tamussino, Umgehung 27 ff). Das Scheingeschäft ist nach Abs 1 S 1 unwirksam, weil es von beiden Teilen nicht gewollt ist und auch keiner der Partner auf die Wirksamkeit der Erklärung vertraute (SZ 59/108; 10 ObS 207/03v SZ 2003/108; 7 Ob 263/03g ÖBA 2005, 278 Bollenberger; s auch § 184 Abs 1 Z 4 ABGB; § 23 EheG; § 23 BAO); somit fehlt auf beiden Seiten sowohl das Element der Selbstbestimmung als auch jenes des Vertrauens (vgl § 863 Rz 1). Hierin liegt der Unterschied zur (auch durchschauten) Mentalreservation, bei der das Geschäft dem Willen des Erklärungsempfängers entspricht (§ 869 Rz 5). Zu beweisen hat die Scheinnatur eines Geschäftes, wer sich auf diese 2 beruft (3 Ob 7/95 JBl 1996, 578; 6 Ob 140/03m). Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erfolgt nach § 877 (SZ 43/38), weshalb der Kondiktion der erbrachten Leistung das Wissen um die Nichtschuld (§ 1432) nicht entgegensteht (Rummel/R Rz 2). Der Zweck des Scheingeschäftes besteht häufig in der Täuschung einer 3 Behörde oder eines Dritten. Beim absoluten Scheingeschäft wollen die Parteien überhaupt kein Rechtsgeschäft eingehen; hier hat es mit der Nichtigkeit des simulierten Geschäftes sein Bewenden (wobl 1996, 201; zum Schutz Dritter s aber Rz 4). Beim relativen Scheingeschäft ist hingegen im Hintergrund ein verdecktes (dissimuliertes) Geschäft beabsichtigt (SZ 53/42; s auch § 1071 S 2); dieses ist in Bezug auf Form, Erlaubtheit und Klagbarkeit nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen (9 ObA 80/00f JBl 2000, 738). Daher ist es gültig, wenn seine Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen; hingegen nichtig, wenn es zB gegen § 879 verstößt, in welchem Fall auch keine nachwirkenden Treuepflichten begründet werden (8 Ob 510/90 SZ 63/72). Bedienten sich die Parteien eines bestimmten Geschäftstypus nur deshalb, um Steuern zu sparen oder sozialversicherungsrechtliche Vorteile zu erlangen, ist das verdeckte Geschäft idR wirksam (4 Ob 545/90 JBl 1991, 381; 6 Ob 140/03m); zB gilt der Kaufvertrag mit dem vereinbarten höheren Preis, Bollenberger
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 916
wenn in der Urkunde zum Zweck der Steuerhinterziehung ein niedrigerer Betrag angegeben war (SZ 48/36; 1 Ob 58/02i Miet 54.107). Klauseln des simulierten Geschäftes, die auch auf das verdeckte Geschäft Anwendung finden können, bleiben in Kraft (SZ 49/82), wenn sie auch für dieses gewollt waren (Rummel/R Rz 3). 4 Grundsätzlich gelten die Rechtsfolgen des Abs 1 auch für am Schein-
geschäft nicht beteiligte Dritte (SZ 56/41). Gemäß Abs 2 genießen gutgläubige Dritte jedoch einen Schutz in ihrem Vertrauen auf die Gültigkeit des Scheingeschäftes, der wegen der geringen Schutzwürdigkeit der Simulanten über § 367 hinausgeht: § 916 ermöglicht einen Gutglaubenserwerb auch an Forderungen (SZ 28/242) und setzt kein Entgelt voraus (K/W I 146; s auch Karner, JBl 2004, 495). Da es allerdings nicht um Bestrafung der Simulanten, sondern um Vertrauensschutz geht, muss der Dritte nach der Rspr die Scheinerklärung bei seinem Rechtserwerb bedacht haben (8 Ob 513/94 JBl 1994, 750; Miet 54.107; aM Rummel/R Rz 4). Das kommt bei Begründung eines exekutiven Befriedigungsrechts in Betracht (JBl 1955, 18; sofern kein rechtsgeschäftlicher Erwerb vorgeht: EvBl 1960/316; JBl 1966, 312), nicht aber, wenn bloß gesetzliche Tatbestände verwirklicht werden, wie zB bei der Gläubigeranfechtung (SZ 56/41; 3 Ob 534/91 ÖBA 1992, 176 Koziol; krit König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung3, 2003, Rz 17/118) oder dem Eintrittsrecht gemäß § 14 Abs 3 MRG (JBl 1994, 750). Dritter ist jede nicht als Partei involvierte Person, deren Rechtssphäre durch das Scheingeschäft berührt wird; sie kann sich auf die Nichtigkeit, allenfalls auf das verdeckte Geschäft, bei Redlichkeit auch auf den Scheintatbestand berufen (SZ 2003/108: Für Fiskus und SV-Träger ist jedoch stets das verdeckte Geschäft maßgeblich). 5 Im Unterschied zum Scheingeschäft ist das Umgehungsgeschäft von
den Parteien wirklich gewollt (5 Ob 9/03i RdW 2003, 497). Die Parteien versuchen aber, bestimmten für sie ungünstigen Rechtsfolgen durch Umgestaltung des Sachverhaltes auszuweichen (2 Ob 354/98t JBl 2001, 102). § 916 ist hier nicht anwendbar, sondern das Umgehungsgeschäft unterliegt jener Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist (RdW 2003, 497; 7 Ob 32/04p). Dabei genügt es, dass das Geschäft objektiv den Zweck der umgangenen Norm vereitelt (8 ObA 161/02p RdW 2003, 575); auf eine spezielle Umgehungsabsicht kommt es nicht an (Tamussino, Umgehung 61 ff; RdW 2003, 497; 6 Ob 39/03h SZ 2003/43; offen lassend aber 6 Ob 290/02v EvBl 2003/81). Unwirksam ist ein Umgehungsgeschäft nur dann, wenn der Verbotszweck der Norm, die dem primär angestrebten Geschäft entgegensteht, auch die Unwirksamkeit des Um910
Bollenberger
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 917
gehungsgeschäftes erfordert (JBl 1988, 250 Karollus; JBl 1991, 381; 2 Ob 354/98t JBl 2001, 102 Peer: Erbsentschlagung zur Umgehung des Schenkungspflichtteils). Daher bewirkt eine Umgehungsabsicht nicht stets die Ungültigkeit (6 Ob 287/00z SZ 74/167). Bei Umgehung eines Vorkaufs(pacht)rechtes muss sich der Belastete so behandeln lassen, als wäre der Vorkaufs(pacht)fall eingetreten (3 Ob 2136/96f JBl 1996, 782 Mader); ein die Ausübung des Vorrechtes verleidender Vertrag ist unwirksam (8 Ob 15/01s SZ 74/67). Allgemeine Bestimmungen über entgeltliche Verträge und Geschäfte § 917. Bei einem entgeltlichen Vertrage werden entweder Sachen mit Sachen, oder Handlungen, worunter auch die Unterlassungen gehören, mit Handlungen, oder endlich Sachen mit Handlungen und Handlungen mit Sachen vergolten. [idF III. TN] Lit: Eccher, Erbfolge 160 ff; Kerschner, Irrtumsanfechtung 97 ff; Kulka, Unentgeltlichkeit und Freigebigkeit, ÖJZ 1969, 477; Migsch, Die sogenannte Pflichtschenkung, AcP 173 (1973) 46; Wilhelm, Entgeltliche und unentgeltliche Arbeitsverhältnisse, in Tomandl (Hrsg), Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht (1979) 1.
Die §§ 917a–935 gelten für entgeltliche bzw zweiseitig verbindliche 1 (s § 934) Verträge, das sind Rechtsgeschäfte, aus denen beide Parteien bei Erbringung ihrer Hauptleistung Anspruch auf Gegenleistung haben. Entgeltlich sind insb Austauschverträge (Kauf, Tausch), Miete oder Pacht; auch der Maklervertrag, obwohl den Makler keine Tätigkeitspflicht trifft (s § 4 Abs 1 MaklerG), er also keine Hauptleistung schuldet. Entgeltlichkeit setzt daher keine beiderseitige Verpflichtung voraus (SZ 41/173; SZ 58/209). IwS entgeltlich ist jeder Vertrag, bei dem auf beiden Seiten die Frei- 2 gebigkeit fehlt (SZ 58/209); etwa Sicherungsgeschäfte (Bürgschaft, Pfandbestellung; s § 1369 S 1), aber auch Gesellschaftsverträge. Diese als „entgeltfremd“ zu bezeichnen (so insb Gschnitzer/K IV/1, 453 ff), hilft nicht weiter, da für die Anwendung einzelner Vorschriften eine Zuordnung erfolgen muss (vgl etwa § 915). Die §§ 917a ff sind auf solche „Nichtaustauschverträge“ jedenfalls unanwendbar. Bei Geschäften, die entgeltliche und unentgeltliche Elemente auf- 3 weisen, zB die „gemischte Schenkung“ (vgl § 935; dazu § 938 Rz 3, 8), ist nach hA im Einzelfall zu entscheiden, welche Regeln anwendbar sind (SZ 49/75). Bollenberger/P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 917a
§ 917a. Ist zum Schutz eines Vertragspartners gesetzlich bestimmt, daß kein höheres oder kein niedrigeres als ein bestimmtes Entgelt vereinbart werden darf, so ist eine Entgeltvereinbarung soweit unwirksam, als sie dieses Höchstmaß über- beziehungsweise dieses Mindestmaß unterschreitet. Im zweiten Fall gilt das festgelegte Mindestentgelt als vereinbart. [BGBl 1979/140] Lit: P. Bydlinski, Die rechtlichen Grenzen für Stromanschlußpreisvereinbarungen im Lichte der aktuellen zivilgerichtlichen Judikatur, ÖZW 1989, 65; Hanreich, Das zeitliche Element der Preisregelung, ÖZW 1982, 7; Krejci, KSchG und ABGB, in Krejci, KSchG-HB 85; Mayer-Maly, Der gerechte Preis, FS Demelius (1973) 139; Schuhmacher, Der Konsumentenschutzgedanke in der österreichischen Rechtsordnung, in Krejci, KSchG-HB 1.
1 Die zwingende Norm des § 917a betrifft Vorschriften, die Individu-
alschutz (SZ 59/65; 2 Ob 172/01k RdW 2002, 81) einer Vertragsseite durch Höchst-, seltener Mindestpreise gewährleisten wollen. Wird ein gesetzlicher (insb nach dem PreisG festgesetzter) Höchstpreis durch Vereinbarung überschritten, so ist die Preisabrede (nur) im Ausmaß der Überschreitung unwirksam (Teilnichtigkeit). Unter einem Mindestpreis liegende Abreden wirken ipso iure als mit dem Mindestpreis abgeschlossen. 2 „Bestimmte“ Entgelte iSd § 917a liegen nicht nur bei genauer betrags-
mäßiger Fixierung, sondern auch dann vor, wenn sie ohne weiteres präzise bestimmbar sind. Bsp für Höchstentgelte: §§ 11 ff ImmMV, Art 3 VO 2560/2001 über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro, ABl 2001 L 344 S 13; vgl ferner etwa § 25 Abs 1 letzter S ElWOG. Für das Mietrecht vgl die dem § 917a vorgehende Spezialnorm des § 16 Abs 8 MRG. Mindestpreise sind etwa in § 2 Z 5 des G über die Preisbindung bei Büchern, in § 2 Abs 2 Z 1 und § 11 ÖkostromG oder in § 26 Abs 1 ÜbG vorgesehen. Auch Festpreise existieren (s § 25 Abs 3 ElWOG oder § 23a Abs 5 GWG). 3 Lässt eine Vorschrift ausdrücklich nur eine angemessene Vergütung
als Höchstentgelt zu, so werden darüber hinausgehende Preisabreden im Regelfall ebenfalls teilnichtig sein, auch wenn der Tatbestand des § 917a nicht erfüllt ist. Eine entsprechende Regel enthalten etwa § 16 Abs 8 iVm Abs 1 MRG oder die §§ 13 f iVm § 21 Abs 1 Z 1 WGG („insoweit unwirksam“). Ohne besondere gesetzliche Regelung können grob unangemessene Entgelte wegen Wuchers (§ 879 Abs 2 Z 4) oder wegen Verkürzung über die Hälfte (§§ 934 f) unwirksam sein. 4 Auch Wertsicherungsklauseln können nicht zur Überschreitung
eines gesetzlichen Höchstentgelts führen. Ab Wegfall der Preisrege912
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
Vor §§ 918 ff
lung kann sich der Gläubiger jedoch auf die vereinbarte Wertsicherung berufen (JBl 1954, 176 und 398; EvBl 1956/314; HS VI/10); siehe ferner auch § 16 Abs 9 MRG (dazu insb wobl 1988, 43 Würth; wobl 1990, 10 Würth). Vor §§ 918 ff Die §§ 918 ff stellen den Kernbereich des sog Leistungsstörungs- 1 rechts dar. Leistungsstörungen sind dadurch charakterisiert, dass die Abwicklung eines wirksam zustande gekommenen (entgeltlichen) Vertrages nicht reibungslos erfolgt. Die Störungen können unterschiedlich sein: – – – –
Obwohl die geschuldete Leistung vom Schuldner erbracht werden kann, leistet dieser vertragswidrigerweise nicht (Verzug); die geschuldete Leistung kann vom Schuldner nicht (mehr) erbracht werden (Unmöglichkeit); die vom Schuldner erbrachte Leistung weicht in negativer Weise vom Geschuldeten ab (Schlechterfüllung, Gewährleistung); der Schuldner beeinträchtigt im Zusammenhang mit der Erfüllung des Vertrages Rechtsgüter des Gläubigers (positive Vertragsverletzung).
Begriffe und Abgrenzungsprobleme werden bei den einschlägigen 2 Bestimmungen angesprochen. Kurz einzugehen ist hier mangels konkreter Vorschriften bloß auf die ganz überwiegend anerkannte (krit etwa Reischauer/R Vor §§ 918 ff Rz 4; Wittwer, ÖJZ 2004, 161, jeweils mwN) positive Vertrags- bzw Forderungsverletzung (pVV bzw pFV). Sogar wenn die Hauptleistungspflicht ordnungsgemäß erfüllt wird, kann der Vertrag verletzt sein; so etwa, wenn der Schuldner bei Erbringung seiner Leistung andere Rechtsgüter des Gläubigers beeinträchtigt (Maler stößt Lampe um; diese zerbricht). Die Haftung aus pVV knüpft – wie die aus culpa in contrahendo (cic; dazu § 1294 Rz 5) – am Verstoß gegen vertragsnahe Schutz- und Sorgfaltspflichten an. Sie greift unter den Voraussetzungen des § 1295 ein, wobei es insb zur strengen Gehilfenzurechnung nach § 1313a sowie zur Beweislastumkehr nach § 1298 kommen kann (SZ 57/16; K/W II 88; zu möglichen Differenzierungen § 1298 Rz 3). Die §§ 918 ff enthalten weitestgehend dispositives Recht. Insb die 3 Gewährleistungsvorschriften sind jedoch im Verbrauchergeschäft halbzwingend ausgestaltet (§ 9 KSchG, dort Rz 1). Ein deutlich anders strukturiertes Leistungsstörungsrecht, in dessen Zentrum die (wesentliche) Vertragsverletzung steht, weist das Recht des internaP. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 918
tionalen Warenkaufs auf (Art 25 ff UN-K); dazu etwa Schauer, FS Kramer (2004) 627. 4 Eine einseitige Vertragsauflösung kann auch ohne Leistungsstörung
kraft entsprechender Vereinbarung erfolgen. Die Einräumung eines solchen (freien) vertraglichen Rücktrittsrechts kann aber uU an gesetzliche Zulässigkeitsgrenzen stoßen, da es den Grundsatz der Vertragstreue aufweicht (s insb § 6 Abs 2 Z 1 KSchG; vgl auch EvBl 1963/163; SZ 43/152). Zur entgeltlichen Einräumung eines „Reurechts“ § 909. § 918. (1) Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird, kann der andere entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären. (2) Ist die Erfüllung für beide Seiten teilbar, so kann wegen Verzögerung einer Teilleistung der Rücktritt nur hinsichtlich der einzelnen oder auch aller noch ausstehenden Teilleistungen erklärt werden. [idF III. TN] Lit: F. Bydlinski, Fälligkeit und Grundlagen des Entgeltsanspruches bei Störungen in der Erfüllung des Kauf- und Werkvertrages, JBl 1973, 281; P. Bydlinski, Rücktritt wegen Verzuges ohne Nachfrist? RdW 1998, 719; Iro, Zur Nachfristsetzung beim Rücktritt, RdW 1988, 341; Kramer, Die Abgrenzung von Nichterfüllungs- und Gewährleistungsfolgen im ABGB, JBl 1972, 401; Ch. Rabl, Schadenersatz wegen Nichterfüllung (1998); Schumacher, Der Rücktritt vom gerichtlichen Vergleich, JBl 1996, 627; Wilhelm, Festsetzung oder Gewährung der Nachfrist beim Rücktritt vom Vertrag? JBl 1976, 515. Übersicht I. Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs im Einzelnen . . . . . . . . . . . . A. Bestehen auf Erfüllung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rücktritt vom Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dauerschuldverhältnisse/wichtiger Grund. . . . . . . . . . . . . . . . 5. Teilverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach Rücktritt . . . . . . . . . .
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I. Grundsätzliches § 918 regelt den Schuldnerverzug und dessen Rechtsfolgen für ent- 1 geltliche Verträge (zum Gläubigerverzug, der kein Rücktrittsrecht des Partners auslöst, s § 1419 Rz 1–3); unter der Voraussetzung gegenseitiger Verpflichtungen ist die Norm auch auf Prozessvergleiche anwendbar (Schumacher, JBl 1996, 633; 1 Ob 57/05x RdW 2005, 490; dazu Reis, Zak 2006, 283). Der dispositivrechtliche Verzugstatbestand ist weit: Es geht nicht nur um Verspätung, sondern auch um Anbieten der Leistung am falschen Ort und/oder in vertragswidriger Qualität bzw Quantität. Auf ein Verschulden des Verpflichteten kommt es grundsätzlich nicht an; objektiver Verzug genügt. Wird die Leistung vom Gläubiger (dennoch) als Erfüllung angenommen (§ 922 Rz 5), ist der Verzug trotz der sehr weit geratenen Formulierung des § 918 („nicht ... auf die bedungene Weise erfüllt“) an sich beendet (K/W II 66). Abweichendes kann allenfalls für die Anderslieferung (aliud) gelten (§ 922 Rz 3 f). Ferner können dem Gläubiger für die Dauer des – mittlerweile beendeten – Verzuges Ansprüche zustehen (Rz 8). Verzug liegt dann von vornherein nicht vor, wenn die Leistung zu- 2 lässigerweise verweigert wird; etwa deshalb, weil der Gläubiger im Zug-um-Zug-Geschäft seinerseits nicht bereit ist, gleichzeitig die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen. Solange der Verzug andauert, steht dem Gläubiger das in Abs 1 vor- 3 gesehene Wahlrecht zu: Er kann entweder weiterhin auf vertragsgemäßer Erfüllung bestehen und bei verschuldetem Verzug daneben seinen Verspätungsschaden ersetzt verlangen oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten. Sogar bei Rücktritt muss der Schuldner, der den Verzug verschuldet hat, den Gläubiger wie bei korrekter Erfüllung stellen; er schuldet also das Erfüllungsinteresse (§ 921 S 1). Das Verschulden an der Verspätung wird gemäß § 1298 S 1 vermutet (SZ 27/141). II. Der Tatbestand Im Kernbereich des § 918 liegt die Verspätung (§ 904) mit der noch 4 möglichen Erfüllung der Hauptleistungspflicht (Geldzahlung, Sachoder Werkleistung usw). Vorläufige Leistungshindernisse, die voraussichtlich oder auch nur möglicherweise in absehbarer Zeit wieder wegfallen (zB Krankheit des Handwerkers), führen nicht zur Unmöglichkeit, wohl aber dauerhafte (JBl 1985, 742; SZ 61/113; 1 Ob 164/01a JBl 2002, 333; 10 Ob 326/02t). So ist etwa bei Doppelverkauf bzw Doppelvermietung trotz bereits erfolgter Sachübergabe – jedenfalls zunächst – nicht von Unmöglichkeit auszugehen, da es der Schuldner P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 918
regelmäßig in der Hand hat, die Sache durch Zahlung eines angemessenen Betrages wieder an sich zu bringen und seinem anderen Gläubiger zu übergeben (für Doppelverkauf vgl RS0011215, für Doppelvermietung 8 Ob 640/92 RdW 1993, 274). 5 Im Bereich der Nebenpflichten ist zu unterscheiden: Die Verletzung
der allgemeinen Schutzpflichten (dazu § 859 Rz 5) löst regelmäßig bloß Schadenersatzansprüche aus (zum denkbaren Rücktritt aus wichtigem Grund Rz 16). Gerät der Schuldner hingegen mit selbständigen bzw hauptleistungsbezogenen („äquivalenten“) Nebenleistungspflichten in Verzug, die im Austauschverhältnis stehen (zB Gartenpflege neben Mietzinszahlungspflicht; Übergabe einer Betriebsanleitung, Einschulung, Montage uÄ), kann der Gläubiger nach § 918 vorgehen (8 Ob 547/91 ecolex 1993, 85 Wilhelm; 3 Ob 295/05m bbl 2006, 199 ua). 6 In Verzug gerät auch, wer seine Leistung am falschen Ort (§ 905)
anbietet (HS III/45). Gleiches gilt für das Anbieten einer vom Geschuldeten (negativ) abweichenden Leistung, sei es eine andere oder eine mangelhafte: Der Gläubiger ist berechtigt, das Angebotene zurückzuweisen und auf vertragsgemäßer Erfüllung zu bestehen (s § 1413) oder unter Nachfristsetzung zurückzutreten (zur Einschränkung dieser Rechte in AGB 7 Ob 78/06f JBl 2007, 181 zur Klausel 5. – Verbandsklage). Problematisch sind allein jene Fälle, in denen die angebotene Leistung mit einem unbehebbaren und bloß geringfügigen Mangel behaftet ist: Die wohl hA lehnt ein Zurückweisungsrecht des Gläubigers ab (Ch. Rabl, Gefahrtragung 237 ff mwN) und beschränkt den Gläubiger damit im Ergebnis auf den Teilrücktritt wegen Teilunmöglichkeit (dazu § 920 Rz 7 f). 7 Die Rechtsfolgen des § 918 greifen an sich erst ab dem Verzugseintritt
ein (HS XIV/XV/3; JBl 1976, 535). Ausnahmsweise kann der Gläubiger das Rücktrittsrecht aber bereits vor Fälligkeit ausüben: Zum einen dann, wenn feststeht, dass eine rechtzeitige Erfüllung nicht möglich sein wird (Reischauer/R Rz 2), wobei mE überdies Nichterfüllbarkeit innerhalb einer angemessenen Nachfrist zu verlangen ist; zum anderen bei ernstlicher Leistungsverweigerung (EvBl 1958/246; SZ 32/118; Miet 24.093; 9 Ob 503/94 HS XXV/8). In beiden Fällen ist es von der Interessenlage her nahe liegend, dem Gläubiger ein rasches Umdisponieren zu ermöglichen, damit er möglichst schnell an die von ihm gewünschte Leistung gelangt. III. Die Rechtsfolgen des Schuldnerverzuges im Einzelnen 8 A. Bestehen auf Erfüllung. Dass der Gläubiger weiterhin Erfüllung
verlangen kann, ergibt sich ohne weiteres aus der wirksamen Vertrags916
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 918
erklärung des Schuldners. Der Gläubiger hat aber jederzeit – und damit etwa auch noch während bereits laufenden Exekutionsverfahrens – die Möglichkeit, auf den Rücktritt (unter Nachfristsetzung) umzusteigen (6 Ob 572/95 JBl 1996, 177; 3 Ob 210/97x SZ 70/120). Ist der Verzug dem Schuldner subjektiv vorwerfbar, kann neben der Erfüllung ein etwaiger Verspätungsschaden verlangt werden. Dabei sind auch bloße Vermögensschäden zu ersetzen, zB sinnlos gewordene Aufwendungen oder mittlerweile erhöhte Kosten (JBl 1981, 537 Koziol; 7 Ob 699/89 JBl 1990, 585). Für die verspätete Erfüllung einer Geldschuld hat der Schuldner verschuldensunabhängig Verzugszinsen zu bezahlen (§ 1333 Abs 1 iVm § 1000 sowie § 352 UGB); zur Verspätung mit anderen Leistungen vgl § 932 Rz 13. B. Rücktritt vom Vertrag. 1. Voraussetzungen. Ein wirksamer Ver- 9 tragsrücktritt nach § 918 benötigt im Regelfall Schuldnerverzug als Rücktrittsgrund, die Abgabe sowie den Zugang der Rücktrittserklärung und den fruchtlosen Ablauf der vom Gläubiger gesetzten angemessenen Nachfrist. Der Rücktrittsgrund des Verzuges ist weitgehend disponibel; innerhalb der Sittenwidrigkeitsgrenzen können Erleichterungen und Erschwerungen des Rücktritts vereinbart werden (näher Binder/Reidinger/S Rz 99 ff). Die formfreie und auch stillschweigend (etwa durch Rückforderung der eigenen Leistung) mögliche Rücktrittserklärung ist nur beim Fixgeschäft (§ 919) entbehrlich. Aus der Erklärung muss klar hervorgehen, dass der Erklärende den Vertrag auflösen will (JBl 1976, 535); nach der Rspr hat sie auch den Rücktrittsgrund zu enthalten (EvBl 1956/96), sofern ihn der Schuldner nicht ohnehin kennt (zum Nachfristerfordernis Rz 12 ff). Besteht der geltend gemachte Rücktrittsgrund nicht, fehlt dem Gläu- 10 biger also das von ihm behauptete Gestaltungsrecht, geht die Erklärung ins Leere; der Vertrag bleibt aufrecht. Nach der Rspr (9 Ob 712/91 JBl 1992, 247) soll der Partner jedoch das (Wahl-)Recht haben, den Rücktritt (stillschweigend) zu akzeptieren. Dem ist jedenfalls dann zu folgen, wenn der Rücktritt in ein Angebot zur Vertragsauflösung umgedeutet werden kann, wobei aber die Folgen einer solchen Auflösung unsicher bleiben. Der OGH will § 921 S 2 zur Anwendung bringen, gewährt dem Rücktrittsgegner, der es bei der Vertragsaufhebung „bewenden“ lässt, aber auch Schadenersatzansprüche (JBl 1992, 247; 10 Ob 147/02v). Die Begründung dieses Ergebnisses ist schwierig, da § 921 nur Ersatzansprüche des zurückgetretenen Teils vorsieht (s dort Rz 1). Konstruktiv ist wohl am ehesten folgender Lösungsweg zu bevorzugen: Der zu Unrecht Zurücktretende verweigert zugleich ernstlich die Erbringung seiner eigenen Leistung; er gerät also in Schuldnerverzug. Die „Zustimmung“ des Rücktrittsgegners zur VertragsaufP. Bydlinski
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hebung kann daher in der Sache einem Rücktritt gleichgestellt werden, der entsprechend § 921 S 1 Ersatzpflichten des schuldhaft handelnden Partners unberührt lässt. Hat der Zurücktretende seine Leistung bereits (voll) erbracht, scheidet dieser Lösungsweg allerdings aus. 11 Nach ersatzloser Aufhebung des Art 8 Nr 21 der 4. EVHGB besteht
das gesetzliche Rücktrittsrecht eines Verkäufers nach § 918 mangels anderer Abrede bei jedem Käuferverzug; also auch dann, wenn der Verkäufer die Ware unter Stundung des Kaufpreises übergeben hat, und jedenfalls beim Verkauf unter Eigentumsvorbehalt (zum alten Recht siehe nur 1 Ob 2297/96t ÖBA 1998, 798 Bollenberger mit Besprechungsaufsatz von P. Bydlinski, RdW 1998, 719). 12 2. Nachfrist. Die Nachfrist soll dem Schuldner die Chance geben, den
Vertrag – und damit seinen Anspruch auf die Gegenleistung – trotz seines Verzugs zu retten. Zugleich ist dem Gläubiger längeres Zuwarten nicht zumutbar, weshalb dem Schuldner bloß eine angemessene Frist gewährt werden muss. Nach dem Wortlaut des § 918 muss diese Nachfrist vom Gläubiger in der Rücktrittserklärung festgesetzt sein; idealerweise unter präziser Angabe der Dauer (zB: 60 Stunden; 14 Tage). Was die Angemessenheit anbelangt, so kann diese nur für den Einzelfall durch eine Interessenabwägung konkretisiert werden: Je aufwändiger die zu erbringende Leistung ist und je weniger dringend der Gläubiger auf sie angewiesen ist, umso länger muss sie sein (JBl 1930, 81; EvBl 1960/317). Auch die bereits verstrichene Zeit des Verzugs kann bei der Bemessung mitberücksichtigt werden (SZ 60/287); allerdings kommt es für die Angemessenheit der Länge immer auf jene Zeit an, die dem Schuldner ab Zugang der (bedingten) Rücktrittserklärung zur Verfügung steht, auch wenn sie vom Gläubiger ab dem Verzugsbeginn bemessen wurde (JBl 1974, 423 Wilhelm; SZ 60/287; JBl 1988, 447). Die Frist muss dem Schuldner die reale Chance zur Nachholung geben, braucht ihm aber nicht zu ermöglichen, mit den Leistungsvorbereitungen erst zu beginnen (SZ 34/54; EvBl 1958/302). Für Geldschulden genügen in der Regel wenige Tage. Bei Warenbestellungen, die der Käufer ersichtlich rasch benötigt, hat die Rspr 14 Tage als ausreichend angesehen (HS IV/14; EvBl 1958/302). 13 Bei Rücktrittserklärungen ohne Nachfristsetzung ist zu unter-
scheiden: War die Fristsetzung entbehrlich, etwa weil der Schuldner seine Leistung bereits ernstlich und endgültig verweigert hat (3 Ob 511/96 SZ 69/11; 3 Ob 2427/96z ecolex 1999, 16; 2 Ob 301/05m bbl 2006, 243; zu Grenzfällen HS 6337; HS 12.924), eine Nachholung in angemessener Frist nicht in Frage kommt (JBl 1974, 574; HS 12.924) oder die Notwendigkeit zur Nachfristsetzung wirksam abbedungen 918
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wurde (zum schlüssigen Verzicht RZ 1972, 14), wird der Rücktritt sogleich wirksam. Ansonsten will es die Rspr grundsätzlich genügen lassen, wenn der Gläubiger dem Schuldner nach Zugang der Rücktrittserklärung eine angemessene Nachfrist tatsächlich gewährt (EvBl 1946/314; 7 Ob 122/99p RdW 1999, 713; vgl 6 Ob 301/02m RdW 2004, 79). Aufgrund der apodiktischen Rücktrittserklärung rechnet der Schuldner aber häufig gar nicht mehr mit der Chance, den Vertrag zu retten, weshalb das Gewähren der Frist mehr sein muss als schlichtes Zuwarten. Vielmehr muss der Schuldner dem Gesamtverhalten des Gläubigers entnehmen können, dieser werde eine rasche Nachholung der verspäteten Leistung noch akzeptieren (so die jüngere Rspr: JBl 1988, 447; 1 Ob 203/98d JBl 1999, 527). Dass zumindest Private das Erfordernis der Nachfristsetzung häufig nicht kennen, beachtet der OGH in anderem Zusammenhang durchaus, wenn er einem Unternehmer als Empfänger der nachfristlosen Rücktrittserklärung eines Konsumenten die Obliegenheit auferlegt, den Verbraucher auf die Notwendigkeit der Nachfristsetzung hinzuweisen (SZ 60/287; RdW 1999, 713). Erfolgt ein solcher Hinweis nicht, wird der Rücktritt trotz fehlender Nachfrist wirksam; und zwar spätestens nach Ablauf einer angemessenen Erfüllungs-Nachfrist, eventuell aber auch schon nach Ablauf einer angemessenen Hinweis-Frist für den UnternehmerSchuldner. Um die gesetzlich geforderte Fristsetzung nicht vollends beiseite zu schieben, sollte als Grundregel jedoch gelten: Konnte der Schuldner (mangels gesetzter Nachfrist) nicht mehr mit einer Nachholmöglichkeit rechnen, ist die Rücktrittserklärung unwirksam. Der Gläubiger müsste dann den Rücktritt – nunmehr unter Fristsetzung – neuerlich erklären, wobei die bereits verstrichene Zeit bei der Fristlänge uU mitbeachtet werden könnte (Rz 12). Ähnliche Probleme wirft die Setzung einer zu kurzen Nachfrist auf. 14 Solche Fälle dürften schon deshalb nicht selten sein, weil sogar ein rechtskundiger Gläubiger häufig nicht alle Umstände kennt, die für eine korrekte Bemessung der Frist erforderlich sind (JBl 1962, 96; HS XII/XIII/4). Die hA will die Rücktrittserklärung hier ebenfalls regelmäßig als grundsätzlich wirksam aufrechterhalten und dem Schuldner eine (angemessene) längere als die gesetzte Frist zur Nachholung gewähren (SZ 24/332; 3 Ob 2427/96z ecolex 1996, 16; Mayrhofer, SR AT 380; K/W II 54). Einen Unternehmer-Schuldner trifft nach der Rspr wiederum die Obliegenheit, zumindest einen Verbraucher-Gläubiger auf die zu geringe Länge hinzuweisen und eine Fristverlängerung zu begehren (SZ 60/287; 1 Ob 203/98d JBl 1999, 527). Tut er das nicht, sollte der Rücktritt konsequenterweise mit Ablauf der gesetzten Frist wirksam werden (vgl SZ 24/332; HS I/14; ferner P. Bydlinski
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Thunhart, RdW 2006, 555, dessen Ansicht jedoch nicht überzeugt). Bleibt sein berechtigtes Verlängerungsverlangen hingegen ohne Reaktion oder wird es abgelehnt, ist der Rücktritt wirkungslos (vgl Rz 13). Eine entsprechende allgemeine Schuldnerobliegenheit, die dann auch Private erfassen würde, begegnet hingegen Bedenken: Zwar erscheint es realistisch, dass ein Schuldner, dem die Frist zu kurz erscheint, regelmäßig reagieren wird, sofern er an sich noch erfüllungsbereit ist. Einzelne private Schuldner könnten jedoch – wie bei fehlender Nachfrist – zur Ansicht gelangen, der Vertrag wäre nicht mehr zu retten. Ferner und vor allem verlangt das Gesetz vom Gläubiger die Festsetzung einer angemessenen Frist, was durch eine allgemeine Obliegenheit nicht unterlaufen werden darf. 15 3. Wirkungen. Rücktrittserklärungen sind unwiderruflich (Miet
40.069). Der Rücktritt (einschließlich des fruchtlosen Ablaufs der gesetzten Nachfrist) führt primär zum Wegfall des Vertrages. Bereits erbrachte Leistungen sind nach § 1435 bzw § 921 zurückzustellen (7 Ob 286/05t). Da der Rücktritt zwar schuldrechtlich (SZ 25/299; HS V/32), nicht aber sachenrechtlich zurückwirkt, sind Sachen rückzuübereignen; weitere Details bei § 921. 16 4. Dauerschuldverhältnisse/wichtiger Grund. Das Rücktrittsrecht
nach § 918 besteht grundsätzlich auch bei Dauerschuldverhältnissen; allerdings nur, solange die Abwicklung noch nicht begonnen hat (HS 5313; Miet 40.069), zB vor Überlassung des Mietgegenstandes. Überdies gehen Spezialvorschriften (wie § 30 AngG) vor. Bei bereits in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen tritt an die Stelle des Rücktrittsrechts die außerordentliche Kündigung (EvBl 1960/223); näher zur Kündigung § 859 Rz 7. Analog § 918 Abs 2 kommt auch die Auflösung bloß einer Teilvereinbarung in Betracht (SZ 60/230: Heizungsversorgung bei Bestandvertrag). Für Zielschuldverhältnisse sind – über die in den §§ 918, 920 geregelten Fälle hinaus – Rücktrittsrechte aus wichtigem Grund anzuerkennen, wenn dem einen Vertragsteil das Festhalten am Vertrag wegen Umständen auf Seiten seines Partners unzumutbar geworden ist (1 Ob 252/98k JBl 1999, 526; 7 Ob 40/05s ecolex 2006, 24; 7 Ob 286/05t). Steht einem zur Vorleistung Verpflichteten die Unsicherheitseinrede nach § 1052 S 2 zu und wird er trotz entsprechenden Verlangens weder sichergestellt noch (Zug um Zug) befriedigt, kann der Vorleistungspflichtige analog § 918 zurücktreten (SZ 2/12; JBl 1972, 320 F. Bydlinski). 17 5. Teilverzug. Ist die Leistung des Schuldners aus der Sicht beider
Vertragspartner (nach Parteiwillen und/oder Geschäftszweck; vgl § 920 S 2) teilbar (s dazu 7 Ob 298/04f bbl 2005, 130), steht dem Gläu920
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biger bei Schuldnerverzug mit einem Leistungsteil gemäß § 918 Abs 2 ein Wahlrecht zu: Er kann bezüglich aller noch offenen Leistungsteile zurücktreten, auch soweit sie noch nicht fällig sind; auf die bereits vorher erbrachten Teilleistungen und die dafür geschuldete Gegenleistung bleibt der Rücktritt hingegen ohne Einfluss. Er kann den Rücktritt jedoch auch auf die verzögerte Teilleistung beschränken. Abs 2 erfasst primär Sukzessivlieferungsverträge (zB Zeitungsabonnement), ist aber auch bei unvollständiger Erbringung teilbarer Leistungen anwendbar, die an sich auf einmal erbracht werden sollen (EvBl 1985/79; 3 Ob 328/99b ecolex 2001, 374 Thaler). Ist die „gestreckte“ Leistung hingegen unteilbar (mehrbändiges Le- 18 xikon, Schachfiguren) so folgt aus dem Verzug mit bloß einem Leistungsteil im Regelfall das Recht zum Gesamtrücktritt nach Abs 1. War die Leistung allerdings nur für den Gläubiger unteilbar, für den Schuldner hingegen teilbar, so kann der Gläubiger auch den Teilrücktritt wählen (SZ 60/230). Ist der noch ausstehende Teil einer insgesamt unteilbaren Leistung im Vergleich zur Gesamtleistung bloß geringfügig, so spricht die Wertung des neuen § 932 Abs 4 stark dafür, zunächst nur den Teilrücktritt zulassen; erst Nichtleistung innerhalb der Nachfrist rechtfertigt einen Gesamtrücktritt (Dullinger, SR AT Rz 3/28 aE; Reischauer, JBl 2002, 143). Zur Unmöglichkeit der Resterfüllung bereits Rz 6. C. Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach Rücktritt. Ist dem 19 Schuldner kein Verschulden am Verzug vorzuwerfen, hat es mit der Rückabwicklung des Vertrages sein Bewenden. Liegt hingegen verschuldeter (subjektiver) Verzug vor, hat der Schuldner den Gläubiger trotz Vertragsauflösung so zu stellen, wie wenn vertragsgemäß erfüllt worden wäre; er haftet also auf das Erfüllungsinteresse (Details bei § 921). § 919. Ist die Erfüllung zu einer bestimmten Zeit oder binnen einer festbestimmten Frist bei sonstigem Rücktritt bedungen, so muß der Rücktrittsberechtigte, wenn er auf der Erfüllung bestehen will, das nach Ablauf der Zeit dem andern ohne Verzug anzeigen; unterläßt er dies, so kann er später nicht mehr auf der Erfüllung bestehen. Dasselbe gilt, wenn die Natur des Geschäftes oder der dem Verpflichteten bekannte Zweck der Leistung entnehmen läßt, daß die verspätete Leistung oder, im Falle der Verspätung einer Teilleistung, die noch übrigen Leistungen für den Empfänger kein Interesse haben. [idF III. TN] P. Bydlinski
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Lit: Ofner, Überbuchte Flüge und das Zivilrecht, ecolex 1994, 453; Wünsch, Probleme des Spezifikationskaufes, GedS Gschnitzer (1969) 477.
1 § 919 erfasst das sog relative Fixgeschäft: Infolge entsprechender Ab-
rede (S 1) bzw nach Inhalt und Zweck der Vereinbarung (S 2) kommt dem Leistungstermin besondere Bedeutung zu: Der Gläubiger ist an verspäteter Erfüllung typischerweise nicht interessiert. Daher kehrt das Gesetz die Rechtsfolgen im Vergleich zum einfachen Termingeschäft (§ 918) um: Grundsätzlich fällt der Vertrag mit Verstreichen der Erfüllungsfrist von selbst dahin. Er steht eben von vornherein unter der Bedingung rechtzeitiger Erfüllung, weshalb es keiner Rücktrittserklärung bedarf (3 Ob 546/95 ÖBA 1996, 69); nichts anderes ist mit der unglücklichen Formulierung „bei sonstigem Rücktritt“ gemeint (EvBl 1953/161). Will der Gläubiger jedoch – ausnahmsweise – die Leistung lieber verspätet als gar nicht erhalten, muss er dies dem Schuldner unverzüglich kundtun, widrigenfalls der Vertrag wegfällt (SZ 54/186). Ein solches Erfüllungsverlangen nach Fristablauf rettet den Vertrag, hat aber keine Auswirkungen auf – bereits eingetretene – Fälligkeit und Verzug (Kramer/Straube, HGB I 3 § 376 Rz 25; Mayrhofer, SR AT 384 FN 24; Reischauer/R Rz 4; aA HS 1739; 6 Ob 544/79; Gschnitzer/K IV/1, 478). Häufig wird formuliert, das bisherige Fixgeschäft werde zum einfachen Termingeschäft (HS 1764; K/W II 54 ua). Wegen der ursprünglichen Fixterminverpflichtung plädieren jedoch manche mit guten Gründen dafür, dass der Gläubiger einseitig einen neuen Fixtermin festlegen und dabei die Länge der Nachfrist frei bestimmen kann (Kerschner in Jabornegg, HGB § 376 Rz 12; Reischauer/R Rz 4): So wird zB Lieferung der bestellten Brötchen nunmehr für die am nächsten Tag stattfindende zweite Party verlangt. Ansonsten sollte der (ursprüngliche) Fixcharakter des Geschäfts bei der Bemessung einer angemessenen Nachfrist im Sinne einer Verkürzung Berücksichtigung finden. 2 Auch wenn § 921 S 1 nur von Rücktritt spricht, führt verschuldeter
Verzug bei § 919 ebenfalls zur Haftung des Schuldners auf das Erfüllungsinteresse (Dullinger, SR AT Rz 3/33). Nach Annahme der verspätet angebotenen Leistung scheidet eine Berufung auf Vertragsunwirksamkeit infolge Versäumung des Fixtermins aus (HS VII/16); der Gläubiger kann bei schuldhafter Verzögerung nur Ersatz des Verspätungsschadens fordern. 3 Nach der Rspr sprechen etwa Terminangaben in Verbindung mit den
Worten „präzise“, „fix“ oder „genau“ für eine Vereinbarung iSd S 1 (HS IV/22; HS 10.853), was wegen der Bedeutung des Empfängerhorizonts bei der Auslegung von Erklärungen jedenfalls für unterneh922
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merische Geschäfte überzeugt. Nicht ausreichend sind demgegenüber Formulierungen wie „raschest“ (HS IV/22) oder „Abschicken sofort nach Einlangen“ (EvBl 1984/22). Ein Fixtermin kann hinsichtlich jeder Leistung vereinbart werden; ob verspätete Erfüllung für den Gläubiger noch von Interesse ist, spielt dann keine Rolle, weil dessen Wegfall nicht notwendiges Element eines Fixgeschäftes ist (Reischauer/R Rz 2 gegen eine wenig glückliche Formulierung des OGH wbl 1987, 124). Dieses Kriterium (Wegfall des Interesses an der Erfüllung) gehört vielmehr zum Tatbestand des S 2. Die Rspr hat einen solchen Interessewegfall infolge Verspätung etwa bei der Buchung eines bestimmten Fluges (EvBl 1990/63) sowie bei der Bestellung von Waren für das Weihnachtsgeschäft (HS 1759; HS 1760) bejaht, hingegen bei der Lieferung von Modeartikeln in Trendfarben (HS 12.932) verneint. Absolute Fixgeschäfte sind dadurch charakterisiert, dass die verspro- 4 chene Leistung vom Schuldner nachträglich nicht mehr erbracht werden kann (EvBl 1990/63; K/W II 57; aA Reischauer/R Rz 4, der darauf abstellen will, ob der Schuldner ein nachträgliches Erfüllungsverlangen als völlig ausgeschlossen betrachten kann; wieder anders Mayrhofer, SR AT 399). Da ein Bestehen auf Erfüllung sinnlos wäre, sind sie nicht nach § 919, sondern nach den Regeln der nachträglichen Unmöglichkeit zu behandeln. Bsp: Teilnahme an einer Tournee (Arb 8138) oder deren Durchführung (ÖBA 1996, 69); Trauerrede beim Begräbnis; Filmen oder Fotografieren anlässlich eines bestimmten Ereignisses. § 376 UGB enthält nähere Vorschriften für die Berechnung des Scha- 5 denersatzes wegen Nichterfüllung durch den Verkäufer. Ob diese Norm per analogiam auch auf Fixgeschäfte unter Privaten Anwendung finden soll, ist umstritten (vgl nur Erl UGB 60 f mwN). § 920. Wird die Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder einen von ihm zu vertretenden Zufall vereitelt, so kann der andere Teil entweder Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrage zurücktreten. Bei teilweiser Vereitlung steht ihm der Rücktritt zu, falls die Natur des Geschäftes oder der dem Verpflichteten bekannte Zweck der Leistung entnehmen läßt, daß die teilweise Erfüllung für ihn kein Interesse hat. [idF III. TN] Lit: M. Binder, Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindung bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit, 1. FS Strasser (1983) 271; Bollenberger, Das stellvertretende Commodum (1999); Reischauer, Der Entlastungsbeweis des Schuldners (§ 1298 ABGB) (1975) 208 ff und 231 ff; Schauer, Doppelvermietung P. Bydlinski
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und Unmöglichkeit der Leistung, wobl 1998, 365; Wilhelm, Ersatz des Erfüllungsinteresses wegen Verschuldens beim Vertragsschluß? wbl 1987, 173.
1 Leistungsvereitelung ieS liegt dann vor, wenn die geschuldete Leis-
tung nach dem Vertragsschluss ganz oder teilweise (s § 920 S 2) unmöglich wird: Die verkaufte Speziessache wird vor dem vereinbarten Abholtermin vollständig zerstört (nachträgliche Unmöglichkeit; zur anfänglichen s bei § 878). Durch ein stellvertretendes Commodum, das an die Stelle des zerstörten Gegenstandes tritt (zB Versicherungssumme), wird die Unmöglichkeit nicht verhindert (zum dann bestehenden Gläubigerwahlrecht § 1447 Rz 7). Dem tatsächlichen Unmöglichwerden gleichzuhalten sind Konstellationen, in denen nach Lage der Dinge ein dauerhaftes Leistungshindernis besteht, mit dessen Wegfall nicht konkret gerechnet werden kann (bei vermutlich bloß vorübergehendem Hindernis liegt hingegen Verzug vor). Das zu entscheiden, bedarf uU einer Wertung; mit Tatsachenfeststellungen allein ist es nicht getan (vgl JBl 1985, 742; 8 Ob 628/91 JBl 1992, 517). Immer kommt es auf das Leistungsvermögen des Schuldners selbst an; ob andere Personen erfüllen könnten, ist irrelevant. Subjektive Unmöglichkeit (Unvermögen) wird daher gleich wie objektive behandelt (JBl 1983, 604; JBl 1987, 783). Erfüllungsmöglichkeit durch Einsatz von Hilfspersonen schließt Leistungsvereitelung zumindest dann aus, wenn eine entsprechende Verpflichtung des Schuldners zum Einsatz Dritter besteht (Pisko/K VI 504 f). 2 Die Anwendung der Unmöglichkeitsregeln wird überwiegend auch
dann befürwortet, wenn die Leistungserbringung für den Schuldner nachträglich unzumutbar bzw unerschwinglich wurde („wirtschaftliche Unmöglichkeit“). Bsp: Das Leistungsobjekt steht einem Dritten zu, der es nicht oder bloß gegen ganz unverhältnismäßige „Ablöse“ freigeben will (EvBl 1954/132; JBl 1985, 742). Wegen des Verschuldenserfordernisses (daher kein Fall der Geschäftsgrundlage; dazu § 901 Rz 10) muss die Gleichsetzung von Unzumutbarkeit mit echter Unmöglichkeit im Rahmen des § 920 sehr zurückhaltend erfolgen (noch strenger offenbar Mayrhofer, SR AT 398; für eine Behandlung der Unerschwinglichkeit nach den Grundsätzen der Geschäftsgrundlagenlehre F. Bydlinski, ÖBA 1996, 500 sowie § 901 Rz 11). Überdies ist es dem Schuldner immer unbenommen, die wirtschaftlich „unmögliche“ Leistung zu erbringen. Geldleistungen werden niemals unmöglich bzw unerschwinglich (SZ 23/335; 1 Ob 520/96 SZ 69/95). 3 Wer sich auf Leistungsunmöglichkeit (bzw Unerschwinglichkeit) be-
ruft, trägt für die dafür relevanten Tatsachen die Beweislast. Regelmäßig ist das der Schuldner (RS0109497; 5 Ob 134/91 wobl 1992, 208 924
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Call). Ausnahmsweise kann aber auch der Gläubiger beweisbelastet sein; etwa dann, wenn er einen Schadenersatzanspruch geltend macht, ohne vorher nach § 918 (Nachfristsetzung!) vorgegangen zu sein (SZ 56/190; 7 Ob 609/91 SZ 64/157). § 920 greift nur dann ein, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit 4 verschuldet oder das zufällige Unmöglichwerden sonst zu vertreten hat. Dem eigenen Verschulden steht das Fehlverhalten zurechenbarer Gehilfen gleich (JBl 1989, 175 Humel; Dullinger, SR AT Rz 3/55); jedenfalls ist es vom Schuldner iSd § 920 zu vertreten. Subjektive Vorwerfbarkeit wird gemäß § 1298 S 1 vermutet. Unter dem vom Schuldner zu vertretenden Zufall versteht man insb den zufälligen Untergang des Leistungsgegenstandes im subjektiven Schuldnerverzug (Dullinger, SR AT Rz 3/55). Gleiches gilt aber etwa auch bei Unmöglichwerden der Leistung aufgrund rechtlicher Änderungen während des verschuldeten Verzugs (2 Ob 2226/96h SZ 69/213). Ist das Unmöglichwerden weder dem Schuldner noch dem Gläubiger 5 vorzuwerfen, führt der Wegfall der Leistung des Schuldners nach hA zugleich zum Erlöschen der Gegenleistungsverpflichtung (s § 1447 Rz 1). Trifft hingegen bloß den Gläubiger ein Verschulden an der Unmöglichkeit, hat er seine Vertragspflicht (zB Kaufpreiszahlung) ohne Gegenleistung zu erbringen. Ist der Tatbestand des § 920 erfüllt, kommt dem Gläubiger ein Wahl- 6 recht zu: Er kann bei aufrecht bleibendem Vertrag Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten und den ihm entstandenen Nichterfüllungsschaden nach § 921 S 1 begehren. In beiden Fällen erhält der Gläubiger jene Nachteile ersetzt, die ihm gerade wegen der unterbliebenen Erfüllung entstanden sind. Da sich der Gläubiger bei Wahl des Rücktritts, der wegen der Unmöglichkeit keiner Nachfristsetzung bedarf, die eigene Leistung erspart, steht ihm bloß der Differenzanspruch zu: Er kann die Differenz zwischen dem niedrigeren Kaufpreis und einem höheren Weiterveräußerungserlös, der ihm nun entgeht (SZ 44/87), oder den Unterschied zum höheren Preis des abgeschlossenen Deckungsgeschäftes verlangen. An der Aufrechterhaltung des Vertrages wird der Gläubiger nur dann interessiert sein, wenn er selbst eine nicht in Geld bestehende Leistung schuldet (zB beim Tausch) und am Wert der vereinbarten Gegenleistung ein größeres Interesse hat als am Behalten der von ihm versprochenen Leistung (Austauschanspruch). In § 920 S 2 ist mit „Rücktritt“ der Totalrücktritt gemeint. Die Be- 7 griffe „teilweise Vereitelung“ bzw „teilweise Erfüllung“ sind rein objektiv zu verstehen: Es kommt darauf an, ob ein Teil der geschulP. Bydlinski
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deten Leistung noch erbracht werden kann (andere Begriffsbildung offenbar bei Reischauer/R Rz 15 f). Ist das der Fall, kann der Gläubiger nur unter bestimmten Umständen vom gesamten Vertrag zurücktreten. Entscheidend ist, ob die nunmehr allein mögliche Teilerfüllung (gegen entsprechend geminderte Gegenleistung) für den Gläubiger nach dem Vertrag von Interesse ist (dann nur Teilrücktritt) oder nicht (dann Totalrücktritt). Um die Bestimmung des Interesses nicht der nachträglichen Willkür des Gläubigers zu überlassen, ist auf objektivierbare Kriterien abzustellen, die sich mit den Mitteln der Vertragsauslegung (§§ 914 f) finden lassen. Das Gesetz nennt ausdrücklich die Natur des Geschäftes (vgl dazu JBl 1988, 241) und den dem Schuldner bekannten Leistungszweck (vgl 6 Ob 680/87: Grundstückskauf zwecks Wegverbreiterung). Danach werden Quantitätsminderungen häufig nur einen Teilrücktritt rechtfertigen. 8 Hinsichtlich des schuldhaft vereitelten Leistungsteils steht dem Gläu-
biger jedenfalls ein Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung zu; bei berechtigtem Totalrücktritt nach S 2 gebührt trotz objektiv noch vorhandener Teilerfüllungsmöglichkeit das gesamte Erfüllungsinteresse (§ 921 S 1 iVm § 920 S 2). 9 Wäre dem Gläubiger nach § 920 S 2 ein Totalrücktritt möglich, wird
er sich mangels entgegenstehender Schuldnerinteressen auch für bloßen Teilrücktritt entscheiden können (vgl § 918 Rz 18; aA offenbar K/W II 51 f, wo übersehen wird, dass die Vorschrift das Rücktrittsrecht und nicht den Erfüllungsanspruch regelt). 10 Der Bestimmung des S 2 kommt über § 920 hinaus Bedeutung zu. So
gibt sie etwa auch für die zufällige Teilunmöglichkeit (von § 1447 nicht erfasst!) die zentralen Wertungen vor (vgl Dullinger, SR AT Rz 3/61; Pisko/Gschnitzer/K VI 557 f) Die Spezialnorm des § 1048 verdrängt § 920 nur dann, wenn die dort erwähnten Tatbestände bis zum Zeitpunkt der bedungenen Übergabe verwirklicht wurden (Binder/S § 1048 Rz 1). § 921. Der Rücktritt vom Vertrage läßt den Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt. Das bereits empfangene Entgelt ist auf solche Art zurückzustellen oder zu vergüten, daß kein Teil aus dem Schaden des anderen Gewinn zieht. [idF III. TN] Lit: Koziol, Ersatz der getätigten Aufwendungen statt des Nichterfüllungsschadens? RdW 1993, 354; Ch. Rabl, Schadenersatz wegen Nichterfüllung
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(1998); Reischauer, Der Entlastungsbeweis des Schuldners (§ 1298 ABGB) (1975); Wilhelm, Ersatz des Erfüllungsinteresses wegen Verschulden beim Vertragsschluß? wbl 1987, 173.
§ 921 knüpft an den gesetzlichen Rücktritt bzw – bei § 919 – an die 1 Vertragsauflösung nach den §§ 918–920 an und gilt daher jedenfalls für die Vertragsbeseitigung aufgrund dieser Normen (zu § 919 S dort Rz 2). S 1 erfasst nur die Ersatzansprüche des (zurücktretenden) Gläubigers, nicht auch die des Schuldners (nicht beachtet von 9 Ob 712/91 JBl 1992, 247). Auf S 2 können hingegen auch etwaige bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche des Rücktrittsgegners gestützt werden; etwa nach Totalrücktritt trotz Teilerfüllung. Die konkreten Folgen der Ausübung eines vertraglich eingeräumten 2 Rücktrittsrechts sind meist ebenfalls rechtsgeschäftlich geregelt (zB Pflicht zur Zahlung einer Stornogebühr; vgl § 909). § 921 greift grundsätzlich nicht ein (EvBl 1988/93; JBl 1992, 247 mwN). Schadenersatzansprüche sind regelmäßig ausgeschlossen; mangels gegenteiliger Regelung wird die Rückabwicklung jedoch wie nach S 2 (dazu Rz 4) zu erfolgen haben (JBl 1992, 247). Entsprechendes gilt für die einvernehmliche Vertragsauflösung: Sofern sich nicht ein Teil in der Aufhebungsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend Ersatzansprüche vorbehält (s SZ 61/44; JBl 1992, 247; 1 Ob 214/02f ecolex 2003, 908), hat es mit der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung (analog S 2 bzw nach § 1435) sein Bewenden. Zu den Folgen der Hinnahme eines unberechtigten Rücktritts s § 918 Rz 10. § 921 S 1 gewährt dem Gläubiger nach Rücktritt einen auf das Erfül- 3 lungsinteresse gerichteten Schadenersatzanspruch: Der Schuldner hat alle (1 Ob 9/05p SZ 2005/22 mwN) Nachteile zu ersetzen, die dem Gläubiger durch die verschuldete Nichterfüllung entstanden sind, wobei Verschulden vermutet wird (§ 1298). Hat die nicht erbrachte Leistung einen Marktpreis, kann der geschädigte Gläubiger seinen Schaden sowohl konkret (Deckungsgeschäft mit Schadensminderungsobliegenheit; vgl etwa 7 Ob 298/04f bbl 2005, 130) als auch abstrakt berechnen (8 Ob 38/90 ÖBA 1991, 535; 5 Ob 273/04i bbl 2005, 166 mwN). Die abstrakte Berechnungsmöglichkeit kann auf § 1332 (s dort Rz 1), aber auch auf den verallgemeinerungsfähigen § 376 Abs 1 UGB gestützt werden (s dazu nur Ch. Rabl, Schadenersatz 69 ff mwN; zur konkreten Berechnung JBl 1985, 746 Wilhelm; JBl 1986, 371). Da der Lieferant des Schuldners nicht zu seinen Erfüllungsgehilfen gehört (statt vieler JBl 1988, 650; 1 Ob 564/94 JBl 1995, 177 Rummel = wobl 1995, 8 Call; s zum Werkvertrag nunmehr aber auch 1 Ob 265/03g JBl 2004, 648 Lukas = ecolex 2004, 608 Wilhelm), kann dessen unerP. Bydlinski
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warteter Lieferverzug den Schuldner allerdings iSd § 1298 S 1 entlasten (SZ 23/47; RZ 1972, 14). Dazu ist jedoch der Beweis nötig, dass er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt mit der rechtzeitigen Leistung durch seinen Lieferanten rechnen konnte (RZ 1972, 14; HS XIV/XV/14), was etwa bei jahrelanger geschäftlicher Verbindung mit einem verlässlichen Partner anzunehmen ist. Tritt der Schuldner hingegen selbst als Hersteller auf, beauftragt er damit aber tatsächlich einen anderen Unternehmer, der säumig wird, so ist ihm dieser als Erfüllungsgehilfe zuzurechnen (JBl 1989, 175 Humel; F. Bydlinski, JBl 1995, 562 ff). Ob Geldmangel des Schuldners im Fälligkeitszeitpunkt generell als verschuldet gilt bzw Ersatzpflichten auslöst, ist umstritten; in Extremfällen wird der Beweis fehlenden Verschuldens möglich und daher wie auch sonst beachtlich sein (Mayrhofer, SR AT 368 mwN; wohl aA JBl 1983, 604). Eine Obliegenheit zur Schadensminderung durch Ersatzbeschaffung der geschuldeten Leistung trifft den Gläubiger in aller Regel nicht (Koziol, RdW 2005, 267). 4 § 921 S 2 enthält im Grundsatz bloß die in den §§ 1431 ff niedergelegte
verschuldensunabhängige bereicherungsrechtliche Rückstellungsbzw Vergütungspflicht (10 Ob 57/04m ecolex 2006, 123 ua): Der Vertragswegfall beseitigt bei beiden Partnern den Rechtsgrund für das Behalten der erhaltenen Leistung (SZ 52/154). HS 2 kann – uU iVm § 877 – die Pflicht zur Rückstellung Zug um Zug (SZ 25/263) entnommen werden, sofern beide Vertragsteile bereits (Teil-)Leistungen erbracht haben. Soweit möglich, ist die erhaltene Leistung selbst herauszugeben, ansonsten ihr Wert (vgl § 1431); zur Berechnung des Benutzungsentgelts s 6 Ob 76/04a ecolex 2004, 854 (Heranziehung von § 273 ZPO möglich); 6 Ob 147/05v ecolex 2006, 282; 5 Ob 33/06y. Details der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bei den §§ 1431 ff. 5 Nach einem Rücktritt gemäß § 3 („Haustürgeschäft“) oder § 3a KSchG
gehen die ausführlichen, tendenziell verbraucherfreundlicheren Anordnungen des § 4 Abs 1 und 2 KSchG den allgemein-zivilrechtlichen Bereicherungsnormen als Spezialvorschriften prinzipiell vor (näher Rummel in Krejci, KSchG-HB 315). Der OGH (JBl 1992, 247) sieht die zu § 4 Abs 1 Z 2 KSchG (angemessenes Benützungsentgelt) entwickelten Grundsätze als verallgemeinerungsfähig an, weshalb er sie zur Konkretisierung des § 921 S 2 fruchtbar macht. Gewährleistung § 922. (1) Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also da928
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für, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäftes oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann. (2) Ob die Sache dem Vertrag entspricht, ist auch danach zu beurteilen, was der Übernehmer auf Grund der über sie gemachten öffentlichen Äußerungen des Übergebers oder des Herstellers, vor allem in der Werbung und in den der Sache beigefügten Angaben, erwarten kann; das gilt auch für öffentliche Äußerungen einer Person, die die Sache in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt hat oder die sich durch die Anbringung ihres Namens, ihrer Marke oder eines anderen Kennzeichens an der Sache als Hersteller bezeichnet. Solche öffentlichen Äußerungen binden den Übergeber jedoch nicht, wenn er sie weder kannte noch kennen konnte, wenn sie beim Abschluss des Vertrags berichtigt waren oder wenn sie den Vertragsabschluss nicht beeinflusst haben konnten. [idF BGBl I 2001/48] Lit a) zur Rechtslage vor 1.1.2002: Böhler, Grundwertungen zur Mängelrüge (2000); M. Gruber, Gewährleistung für bedungene Eigenschaften (1990); Kurschel, Die Gewährleistung beim Werkvertrag (1989); b) zu Reformvorhaben vor der Verbrauchsgüterkauf-RL: Krejci, Reform des Gewährleistungsrechts (1994); c) zur Verbrauchsgüterkauf-RL: Schermaier (Hrsg), Reform des Gewährleistungsrechts und europäische Rechtsangleichung (1998); Welser/B. Jud, Reform des Gewährleistungsrechts – GA für den 14. ÖJT II/1 (2000); d) zur Rechtslage seit 1.1.2002: Augenhofer, Gewährleistung und Werbung (2002); dies, Bedeutung von Werbeaussagen – sowohl des Verkäufers als auch des Herstellers – für die Begründung von Gewährleistungsrechten, JBl 2001, 82; P. Bydlinski, Neues zum neuen Gewährleistungsrecht, JBl 2005, 681; W. Faber, Handbuch zum neuen Gewährleistungsrecht (2001); Kletecˇ ka, Gewährleistung neu (2001); Krejci, Zum neuen Gewährleistungsrecht, VR 2001, 201; Pirker-Hörmann/Hammerl (Hrsg), Das neue Gewährleistungsrecht (2004); I. Welser, Teilweise oder vollständige Mangelhaftigkeit? FS Welser (2004) 1169; Welser/B. Jud, Die neue Gewährleistung (2001). Übersicht I. Anwendungsbereich und Zwecke des Gewährleistungsrechts. . . . . . A. Mangelhafte Leistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erfasste Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anderslieferung (Aliud) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Annahme als Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zwecke der Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P. Bydlinski
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III. Die Feststellung des Geschuldeten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . 8 A. Vereinbarte Eigenschaften oder Verwendungsmöglichkeiten . . . 8 B. Gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 C. Werbeaussagen im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 D. Fehlerhafte Montageanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 IV. Arten von Mängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
I. Anwendungsbereich und Zwecke des Gewährleistungsrechts 1 A. Mangelhafte Leistung. Das Gewährleistungsrecht knüpft an die
Erbringung einer mit einem Mangel behafteten Leistung an (s insb § 924 S 1; zur Bedeutung der sog Annahme als Erfüllung Rz 5). Ein Mangel liegt dann vor, wenn das Geleistete in negativer Weise vom Geschuldeten abweicht (ganz hA: Faber, Gewährleistungsrecht 57 f; M. Gruber, Gewährleistung Rz 10; Reischauer/R Rz 3). Ausnahmen von diesem Grundsatz greifen bei Anderslieferung (Rz 3) und bei Annahme als bloße Teilerfüllung (Rz 5) ein. Was im Einzelnen geschuldet ist, ergibt sich aus dem Vertrag und dessen Auslegung, wobei dem Rechtsanwender zuweilen Dispositivrecht zu Hilfe kommt (vgl § 905b: mittlere Art und Güte); Näheres Rz 8 ff. Trotz unbestrittener Geltung des subjektiven, also am Maßstab des konkreten Vertrags zu bestimmenden Mangelbegriffs, findet sich der Ausdruck „Mangel“ im Gesetz ausnahmsweise auch in anderer Bedeutung, nämlich als „Fehler im objektiven Sinn“, dh gemessen am Idealzustand (so zweimal in § 923): „Gewöhnliche Mängel“ iSd § 923 sind aber nur ausnahmsweise negative Abweichungen von Geschuldeten (vgl § 922 Abs 1 S 2) und lösen daher keine Gewährleistung aus. Zu Konsequenzen unberechtigter Mangelbehauptung vgl 1 Ob 223/03f JBl 2004, 655. Die Gewährleistungspflichten können immer nur den vertragswidrig leistenden Schuldner treffen, während eine rechtsgeschäftliche Garantie häufig von anderen Personen, insb dem Hersteller, übernommen wird (zur Garantie bei § 9b KSchG sowie bei § 880a Rz 2; zur Verkäufergarantie § 880a Rz 7). 2 B. Erfasste Verträge. Die §§ 922 ff sind vor allem für Kauf und
Tausch bedeutsam, aber auch auf Werkverträge anwendbar (vgl § 1167; zu einigen Spezialaspekten s dort Rz 2 ff). Sonderregeln genießen Vorrang. Zum Bestandvertrag s etwa § 1096, zum Heimvertrag § 27f S 1 KSchG, zum entgeltlichen Forderungserwerb § 1397; zum Verhältnis des ABGB-Gewährleistungsrechts zu den Vorschriften des Pauschalreiserechts (§ 31e KSchG) s insb Apathy, JBl 2001, 477; dens, RdW 2002, 2; B. Jud, ecolex 2001, 430; Wukoschitz, RdW 2001, 646. Bei der Schenkung trifft den Schenker keine Gewährleistungshaftung (§ 945 Rz 1 f). 930
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C. Anderslieferung (Aliud). Von der „bloß“ mangelhaften Leistung 3 ist die Anderslieferung abzugrenzen, für die nach hA Verzugsrecht, allenfalls Unmöglichkeitsrecht gilt. Klare Grenzen sind kaum auszumachen. Üblicherweise wird gefragt, ob die erbrachte Leistung zur geschuldeten Gattung gehört oder nicht, wobei sowohl dem üblichen Sprachgebrauch als auch der Verkehrssitte Bedeutung zukommt (K/W II 66 f). Danach ist bei Bestellung von Apfelsaft die Lieferung von bereits gärendem Apfelsaft mangelhaft, während die von einwandfreiem Birnensaft ein Aliud darstellt. Es wird aber auch erwogen, die Grenze entsprechend § 378 HGB/UGB zu ziehen, der das „brauchbare“ („genehmigungsfähige“) Aliud für Fragen der Rügeobliegenheit der mangelhaften Leistung gleichstellt (so etwa Böhler, Mängelrüge 186 ff mwN; F. Bydlinski/K IV/2, 163). Tatsächlich dürfte es aber doch um zwei durchaus unterschiedliche Probleme gehen: Unterstellt man iSd § 378 UGB Kenntnis des Übergebers von der Abweichung, so wird dieser ja auch bei grob mangelhafter Leistung niemals von einer Genehmigung durch den Übernehmer ausgehen dürfen. Die im HGB dennoch erfolgte Gleichsetzung – auch massivste Mängel sind unverzüglich anzuzeigen – kann daher wohl nur mit Vereinfachungs- und Beschleunigungserwägungen gerechtfertigt werden, die im ABGB keine Beachtung verdienen. Hinzu kommt, dass sich das Problem praktisch auf die Frage zuspitzt, ob die kürzeren Gewährleistungsfristen oder die längeren allgemeinen Verjährungsfristen zur Anwendung gelangen sollen; anders formuliert: wann es gerechtfertigt ist, den Übergeber, der längere Zeit nichts vom Übernehmer hört, in seinem Vertrauen auf endgültige (fehlerfreie) Erledigung des Geschäftes zu schützen (zur ratio des § 933 s dort Rz 1). Wer aus einer anderen Gattung als der geschuldeten liefert, verdient aber wohl grundsätzlich keinen derartigen Schutz (für das „nicht genehmigungsfähige“ Aliud zust Kramer/Straube, HGB I 3 §§ 377, 378 Rz 4; aA insb Böhler, Mängelrüge 188 f), da diese Abweichung für ihn typischerweise erkennbar war (gegen die Fruchtbarmachung des § 378 HGB/UGB, wenn auch mit anderer Begründung, etwa K/W II 67 mwN). Überdies scheint es hinsichtlich der übergebenen Sache am Titel für den Eigentumserwerb zu fehlen. Die Rspr erscheint uneinheitlich: Bei bloß geringfügiger Gattungsabweichung („genehmigungsfähiges“ Aliud) ließ sie im zweiseitigen Handelsgeschäft offenbar Gewährleistungsrecht eingreifen (vgl JBl 1964, 565; 7 Ob 2224/96a SZ 70/15, wo allerdings Konkurrenz zu den §§ 918 ff befürwortet wird; wieder anders SZ 27/334, wonach bei rechtzeitiger Rüge Verzugsfolgen geltend gemacht werden können), während es ansonsten beim Nichterfüllungsrecht bleibt (5 Ob 142/04z bbl 2005, 86; 7 Ob 295/04i wbl 2005, 536 ua). Gewisse Probleme mit dem österreichischen P. Bydlinski
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„Trennungskonzept“ könnten sich daraus ergeben, dass die Verbrauchsgüterkauf-RL (s Rz 7) nach überwiegender Ansicht auch Aliud-Leistungen erfasst, der österreichische Gesetzgeber aber nur das Gewährleistungsrecht entsprechend umgestaltet hat (dazu insb Faber, Gewährleistungsrecht 30, 37 f; s ferner etwa Schauer/RK UGB § 378 Rz 2, jeweils mwN). Die neuere Lehre sympathisiert überhaupt mit der (primären) Behandlung jeglicher aliud-Leistung nach Gewährleistungsrecht (Schauer, aaO Rz 1 f mwN; Kramer, FS Honsell, 2002, 247, 256 ff; so für Sachmängel beim Kauf ausdrücklich § 434 Abs 3 BGB). Wer sich auf die Leistung eines aliud beruft, trägt die Beweislast für eine derartige Abweichung vom Geschuldeten. Eine Analogie zu § 924 S 2 (dazu dort Rz 2 f) muss schon deshalb nicht erwogen werden, weil eine Leistung nicht nach Übergabe zu einem aliud werden kann. 4 Aliud-Lieferungen haben keinen Rechtsgrund. Sie können daher
nach Bereicherungsrecht zurückverlangt werden (§ 1431 oder § 1435 analog), allerdings nur Zug um Zug gegen Leistung des tatsächlich Geschuldeten bzw gegen Rückgabe des vom Partner Erhaltenen (P. Bydlinski, ÖBA 1995, 602; Kramer/Straube, HGB I 3 §§ 377, 378 Rz 77). Wird die vorher besichtigte Speziessache geleistet, kann keine Anderslieferung vorliegen, da genau diese Sache geschuldet ist; wenn auch uU mit anderen Eigenschaften (Böhler, Mängelrüge 179 FN 73 mwN). 5 D. Annahme als Erfüllung. Gewährleistungsrecht greift erst dann
ein, wenn der Vertrag hinsichtlich der betreffenden Leistung bereits in das Erfüllungsstadium getreten ist. Dazu bedarf es regelmäßig einer Entgegennahme der Sach- oder Werkleistung durch den Gläubiger. Diese „Annahme als Erfüllung“ stellt nach hA (K/W II 65 f ua) die Zäsur zum Recht der Nichterfüllung (Verzug bzw Unmöglichkeit) dar (eine Mindermeinung will demgegenüber Konkurrenz zulassen, dann jedoch auch bei § 918 oder § 920 die Fristen des § 933 beachten: Kramer, JBl 1972, 405 ff; ders, ÖJZ 1972, 565 f; Reischauer/ R Vor §§ 918–933 Rz 9). Unter einer solchen Annahme wird die vorbehaltslose Entgegennahme der vom Schuldner zwecks Vertragserfüllung angebotenen Leistung verstanden (9 Ob 81/04h JBl 2006, 174 Staudegger; 3 Ob 295/05m bbl 2006, 199 ua). Bemerkt der Gläubiger hingegen bereits vor vollendeter Übergabe Mängel, so kann er die Leistung im Regelfall zurückweisen (s aber auch § 918 Rz 6) oder als bloße Teilerfüllung akzeptieren. Dabei sind auch Kombinationen denkbar: Erkennt der Übernehmer etwa einen Quantitätsmangel und nimmt er die Lieferung daher insoweit nur als Teilerfüllung an, gilt für das fehlende Quantum das Recht des (Teil-) Verzugs, während auf 932
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etwaige zusätzliche Qualitätsmängel des bereits Geleisteten Gewährleistungsrecht anzuwenden ist. Ein bei Übernahme geäußerter Vorbehalt muss allerdings zumindest erkennen lassen, inwiefern der Übernehmer die Leistung nicht als vertragsgemäß ansieht; ansonsten ist er unwirksam (Böhler, Mängelrüge 62 f mwN). E. Zwecke der Gewährleistung. Generell zielt das Gewährleistungs- 6 recht auf die Herstellung der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung ab (SZ 54/168; Dullinger, SR AT Rz 3/67; K/W II 64 f): Schon auf den ersten Blick wäre es inakzeptabel, dem einen Vertragsteil die volle Gegenleistung (bzw den Anspruch darauf) zu belassen, obwohl er seine Verpflichtung mangelhaft erfüllt hat. Aus diesem Grund ist das Gewährleistungsrecht verschuldensunabhängig ausgestaltet. Wie § 932 deutlich zeigt, soll der Gläubiger primär das erhalten, was ihm versprochen wurde (Verbesserung iwS). Kommt dies nicht in Betracht, bleibt die erhaltene Leistung also endgültig hinter dem Geschuldeten zurück, soll auch seine Verpflichtung entsprechend (relativ) reduziert werden (Preisminderung). In beiden Fällen bleiben die individuellen Wertvorstellungen – die sich namentlich beim Kauf im vereinbarten Preis manifestieren – und damit die subjektive Äquivalenz voll gewahrt. Nur bei Vertragsaufhebung (Wandlung) kann im verschuldensunabhängigen Bereich auf die Bewertungen durch die Parteien nicht mehr Rücksicht genommen werden. Vielmehr wird der Vertrag „auf Null“ gestellt, was zumindest die objektive Äquivalenz wahrt. Aus dem Äquivalenzgedanken folgt, dass dem Gewährleistungsrecht ein hoher Gerechtigkeitsgehalt innewohnt, was nicht zuletzt für die Prüfung gewährleistungsbeschränkender Vertragsklauseln Bedeutung hat (dazu § 929 Rz 3 ff, insb 7 ff; s ferner die halbzwingende Vorschrift des § 9 KSchG). II. Rechtsentwicklung Das Gewährleistungsrecht wurde mit dem Gewährleistungsrechts- 7 Änderungsgesetz (GewRÄG) zum 1.1.2002 tief greifend geändert (BGBl I 48/2001; dazu die Erl 422 BlgNR 21. GP sowie der JAB 522 BlgNR 21. GP). Hauptgrund für die Reform war die RL 1999/44/EG, ABl 1999 L 171 S 12 (Verbrauchsgüterkauf-RL). Viele dort vorzufindende Wertungen sind allerdings derart allgemeiner Natur, dass die meisten Richtlinienvorgaben nicht im KSchG, sondern im ABGB umgesetzt wurden. III. Die Feststellung des Geschuldeten im Einzelnen A. Vereinbarte Eigenschaften oder Verwendungsmöglichkeiten. 8 Welche konkreten Eigenschaften bzw welche VerwendungsmöglichP. Bydlinski
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keit die versprochene Leistung aufweisen muss, ergibt sich aus dem Vertrag (Rz 1). Dabei können Qualitäten und Quantitäten eigens vereinbart sein („bedungene Eigenschaften“ iSd Abs 1 S 2); etwa durch Beschreibung des Bauzustandes in einem Gutachten nach § 37 Abs 4 WEG (vgl 5 Ob 159/04z SZ 2005/2 = wobl 2005, 178 Call). Der gesetzliche Hinweis auf Beschreibung, Probe oder Muster ist bloß ein Anwendungsfall zumindest stillschweigend vereinbarter Eigenschaften. 9 B. Gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften sind mangels gegen-
teiliger Abreden ebenfalls immer stillschweigend mitvereinbart (vgl § 923 HS 1 aE). Sicherheitshalber werden sie in § 922 Abs 1 eigens neben den bedungenen genannt. Bloß in diesem Bereich deckt sich der objektive Fehlerbegriff mit dem subjektiven Mangelbegriff; im Einzelnen kommen der Verkehrsauffassung sowie der Natur des Geschäfts (s § 923) für die Konkretisierung Bedeutung zu. „Gewöhnlich vorausgesetzt“ ist etwa die Betriebs- und Verkehrssicherheit eines Gebrauchtwagens (7 Ob 23/90 SZ 63/160; 1 Ob 414/97g SZ 71/88), die Freiheit einer zum Zwecke des Hausbaus gekauften Liegenschaft von massiven Kontaminationen (5 Ob 104/99a RdU 2001, 74 Kerschner = wobl 2000, 365 Pilgerstorfer), das Unterbleiben von Zeilensprüngen bei einer Textverarbeitungsanlage (SZ 61/24) oder ein bestimmter Lichtechtheitswert bei Stoffen (1 Ob 509/90 ecolex 1990, 543). Ob es bei einem Unternehmen gewöhnliche Eigenschaften überhaupt gibt, ist fraglich (vgl Oberlechner, ecolex 2006, 628). 10 C. Werbeaussagen im Besonderen. Öffentliche Äußerungen des
Übergebers selbst, die der Übernehmer zur Kenntnis genommen hat, fließen ohne weiteres in die Vertragsauslegung mit ein, so dass sie das Geschuldete mit festlegen (vgl nur 3 Ob 24/05h: Zeitungsinserat). Nach Abs 2 S 1 kann sich der Übernehmer aber auch auf Aussagen anderer Personen berufen, namentlich auf solche des Herstellers, des Quasi-Herstellers (Anbringer von Kennzeichen, die ihn als Produzenten bezeichnen) und des EWR-Importeurs. 11 In Abs 2 S 2 entfällt die Bindung des Übergebers an öffentliche Drit-
täußerungen nur in drei Fällen. Zunächst beeinflussen sie den Vertragsinhalt dann nicht, wenn der Übergeber die Äußerungen weder kannte noch kennen konnte (gemeint wohl: musste). Wurden die Aussagen noch „beim“ (gemeint wohl: vor) Abschluss des Vertrages berichtigt, können sie die Auslegung des erst anschließend Vereinbarten ebenfalls nicht (mehr) prägen. Auf Kenntnis des Übernehmers von der (öffentlichen) Berichtigung kommt es nach hA nicht an; es reicht aus, dass sie in gleich effektiver Weise erfolgte wie die ursprüng934
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liche Äußerung (Augenhofer, MR 2002, 139 f; Faber, Gewährleistungsrecht 75 f). Problematisch sind allerdings Fälle, in denen die Berichtigung erst nach Abgabe (bzw Zugang) des verbindlichen Angebots eines Vertragsteils erfolgte, da dessen Inhalt, der im Zweifel auf der (früheren unrichtigen) öffentlichen Äußerung fußt, nachträglich nicht ohne weiteres verändert werden kann. Vertragsrechtliche Grundsätze sprechen dafür, die Vorschrift um derartige Konstellationen zu reduzieren (in diese Richtung wohl Welser/Jud, Gewährleistung §§ 922, 923 Rz 15, 22), die Berichtigung also nur dann zu berücksichtigen, wenn sie vor Abgabe der Offerte des Übernehmers bzw vor Zugang der Offerte des Übergebers erfolgte. Die dritte Einschränkung, dass öffentliche Aussagen den Vertragsabschluss nicht beeinflusst haben konnten, ist ausgesprochen kryptisch. Vermutlich ist der konkrete Vertrag und nicht bloß dessen Abschluss, sondern auch dessen Inhalt gemeint. Der zugrunde liegende Art 2 Abs 4 Verbrauchsgüterkauf-RL spricht jedenfalls weit deutlicher davon, dass die „Kaufentscheidung durch die betreffende Äußerung nicht beeinflusst sein konnte“. Wesentlichster Anwendungsfall dieser Einschränkung ist die Unkenntnis des Übernehmers von der entsprechenden öffentlichen Äußerung. Für alle drei Einschränkungsgründe trägt der Übergeber die Beweislast (Faber, Gewährleistungsrecht 74; Welser/ Jud, Gewährleistung §§ 922, 923 Rz 23 mwN; ausdrücklich idS Art 2 Abs 4 der Verbrauchsgüterkauf-RL: „nachweist“). D. Fehlerhafte Montageanleitung. Bei Selbstbauprodukten stellt die 12 Fehlerhaftigkeit der beigefügten Montageanleitung ebenfalls eine negative Abweichung vom Geschuldeten dar, weshalb eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht geboten ist; nicht anders, als wenn der Verkäufer die Montage schuldet und diese misslingt. Die Montageanleitung (bzw die Montagepflicht des Verkäufers) steht mit im Austauschverhältnis. Der Übernehmer erwirbt eben nicht nur einzelne Sachbestandteile, sondern eine Leistungseinheit einschließlich der Bauanleitung. Da die Fehlerhaftigkeit der Anleitung in aller Regel erst während der Montagebemühungen offenbar wird bzw sich erst dann zeigt, wenn es bereits zu einem Schaden an der zu montierenden Sache gekommen ist, muss auch für diese „Verschlechterung“ konsequenterweise nach Mängelgewährleistungsrecht eingestanden werden (aA etwa Welser/Jud, Gewährleistung § 9a KSchG Rz 10; dies, Reform 177, die eine Systemwidrigkeit annehmen; offenbar ähnlich Faber, Gewährleistungsrecht 233 ff). Der Sachverhalt ähnelt sehr stark dem „Anlageschaden“, auch wenn hier die dem übergebenen Leistungspaket anhaftende Schadensanlage im Ergebnis nicht in allen Fällen schlagend wird (vgl auch Rz 13). P. Bydlinski
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13 Ein weiterer erwägenswerter Begründungsweg wäre eine Analogie
zu § 9a KSchG (idS Krejci, VR 2001, 212), wobei allerdings zu beachten ist, dass der Gesetzgeber den dieser Vorschrift zugrunde liegenden Art 2 Abs 5 der Verbrauchsgüterkauf-RL bewusst nicht durch eine Änderung des ABGB umgesetzt hat (anders etwa in Deutschland: s § 434 Abs 2 BGB), obwohl die ratio der Vorschrift keinesfalls auf Verbrauchergeschäfte beschränkt ist (die Erl 422 BlgNR 21. GP 24 meinen hingegen, die Vorschrift passe nicht recht in das System der §§ 922 ff; gegen Analogie daher etwa Faber, Gewährleistungsrecht 233). Man denke nur an den Kleinunternehmer, der Büromöbel selbst zusammenbaut. Schäden infolge fehlerhafter Anleitung führen somit primär zu Verbesserungsansprüchen des Übernehmers, die durch Leistung einer korrekten Anleitung sowie den Austausch (zumindest) der beim ersten Montageversuch beschädigten Stücke erfüllt werden (Faber, Gewährleistungsrecht 240, zu Mitverschuldensfragen 241 f). Zum Beginn der Gewährleistungsfrist § 933 Rz 9. 14 Scheitert der Übernehmer bei seinen Montageversuchen schon in
einem frühen Stadium, ohne dass irgendwelche Schäden an der erworbenen Sache entstanden sind, steht ihm wie bei fehlender Anleitung (zunächst) nur ein Verbesserungsanspruch zu, der auf die Übergabe einer fehlerfreien Anleitung gerichtet ist (§ 932 Abs 2); dazu insb Faber, Gewährleistungsrecht 242 f. IV. Arten von Mängeln 15 Die gesetzlichen Vorschriften kennen eine Reihe von Differenzie-
rungen nach der geschuldeten Sache und nach der Art des vorliegenden Mangels. Unterschieden wird zwischen – – – –
Sach- und Rechtsmängeln (dazu § 933 Rz 3); behebbaren und unbehebbaren Mängeln (§ 932 Abs 2 und 4) geringfügigen und nicht geringfügigen Mängeln (§ 932 Abs 4); Mängeln an unbeweglichen und an beweglichen Sachen (s § 933), wobei für Mängel an Tieren bzw an Vieh weitere Sondervorschriften bestehen (§§ 925–927 bzw § 932a und § 933 Abs 2).
16 Weicht eine Leistung hinsichtlich Eigenschaft oder Funktionsfähig-
keit negativ vom Geschuldeten ab, liegt ein Qualitätsmangel vor (zur Abgrenzung vom Aliud Rz 3 f). Hingegen spricht man von (echten) Quantitätsmängeln, wenn bloß die geleistete Menge gleichwertiger Güter hinter der geschuldeten zurückbleibt (näher Welser, 1. FS Strasser, 1983, 919). „Unechte“ Quantitätsmängel sind dadurch gekennzeichnet, dass der auch mengenmäßig umschriebene Leistungsgegenstand (zB ein Warenlager oder ein Schlachttier) von vornherein weni936
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ger umfangreich war als dem Vertrag zugrunde gelegt. Damit liegt eigentlich ein Qualitätsmangel vor. Für die echten Quantitätsmängel ist umstritten, ob Teilnichterfüllung (§ 918 S 2) oder mangelhafte Leistung (§§ 922 ff) vorliegt (für § 918 etwa SZ 1/19). Richtigerweise muss über diese Frage wie auch sonst die – erfolgte oder fehlende – Annahme als vollständige Erfüllung (s Rz 5) entscheiden. Fälle der Gewährleistung § 923. Wer also der Sache Eigenschaften beilegt, die sie nicht hat, und die ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungen worden sind; wer ungewöhnliche Mängel, oder Lasten derselben verschweigt; wer eine nicht mehr vorhandene, oder eine fremde Sache als die seinige veräußert; wer fälschlich vorgibt, daß die Sache zu einem bestimmten Gebrauche tauglich; oder daß sie auch von den gewöhnlichen Mängeln und Lasten frei sei; der hat, wenn das Widerspiel hervorkommt, dafür zu haften. Lit: M. Gruber, Gewährleistung für bedungene Eigenschaften (1990); Holzinger, Beurteilung von Softwarequalität im Hinblick auf Vertragserfüllung und Gewährleistung, EDVuR 1994, 38; Iro, Zusicherung der Kilometerleistung eines Kfz, RdW 1998, 533; Lukas, Zur Haftung beim anfänglichen unbehebbaren Mangel, JBl 1992, 11; Oberlechner, Wann ist ein Unternehmen mangelhaft? ecolex 2006, 628. S auch bei § 922.
§ 923 blieb durch das GewRÄG unangetastet. Er enthält eine wenig 1 scharfe beispielhafte Aufzählung von Negativumständen, für die der Übergeber mangels gegenteiliger Abrede einzustehen hat. Zur ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Eigenschaft bzw Gebrauchstauglichkeit bereits § 922 Rz 8 f. Verschweigen ungewöhnlicher „Mängel“ (= Negativeigenschaften) 2 oder Lasten und ähnliche Formulierungen (zB fälschlich vorgeben) sind streng objektiv zu verstehen; auch unerkennbare Mängel fallen darunter (Reischauer/R §§ 922, 923 Rz 10). Maßstab für die Ungewöhnlichkeit sind die „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ des § 922 (s dort Rz 9). Die Veräußerung einer fremden Sache ist der Hauptfall des Rechts- 3 mangels (näher § 933 Rz 3): Dem Erwerber wird nicht die geschuldete Rechtsposition (freies Eigentum) verschafft. Erlangt der Übernehmer allerdings infolge gutgläubigen Erwerbs (etwa nach § 367) doch das Eigentum, steht er nicht schlechter als bei Erwerb vom Berechtigten, weshalb eine rechtsmangelhafte Leistung zu verneinen ist (1 Ob 606/93 HS 24.092; 8 Ob 8/92 ecolex 1995, 802 N.N.; 1 Ob 349/99a). P. Bydlinski
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4 Besonders heikel, ja geradezu ein Fremdkörper im Gewährleistungs-
recht, ist die Veräußerung einer nicht (mehr) vorhandenen Sache. Sie ist der lupenreine Fall ursprünglicher vollständiger (schlichter) Unmöglichkeit. Da hier eine Annahme als Erfüllung (§ 922 Rz 5) rein logisch nicht in Betracht kommt, weshalb der Übergeber niemals von reibungsloser Erfüllung ausgehen darf, wäre insb das Eingreifen der Verjährungsfristen des § 933 nicht zu begründen. Bei dieser Ausgangslage sind Bedeutung und Verständnis der Regelung nahe liegender Weise stark umstritten. Manche wollen gemäß der Überschrift des § 923 Gewährleistungsrecht anwenden, wobei die Frist des § 933 mit der Erkennbarkeit der Unmöglichkeit für den Gläubiger beginnen soll (so Dullinger, SR AT 3/129). Wegen der fehlenden Eignung des Gewährleistungsrechts können die letzten Worte des § 923 („dafür zu haften“) insoweit aber auch anders verstanden werden (Haftung auf den Vertrauensschaden), wobei zum Teil entgegen der hA zu § 878 (s dort Rz 2) wegen der Unerfüllbarkeit von Vertragsnichtigkeit ausgegangen wird (Apathy/Riedler/S § 878 Rz 5; Lukas, JBl 1992, 19 ff; dagegen etwa – mit je unterschiedlicher Begründung – P. Bydlinski, AT Rz 7/16 [Rücktrittsrecht analog § 920]; Reischauer/R § 920 Rz 18). Vermutung der Mangelhaftigkeit § 924. Der Übergeber leistet Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. [idF BGBl I 2001/48] Lit: Fischer-Czermak, Zwei Fragen zur Gewährleistungsreform, FS Krejci (2001) 1167; Krejci, Zum neuen Gewährleistungsrecht, VR 2001, 201; Reischauer, Das neue Gewährleistungsrecht und seine schadenersatzrechtlichen Folgen, JBl 2002, 137; s auch bei § 922.
1 Die Gewährleistung setzt eine Störung der subjektiven Äquivalenz
voraus (§ 922 Rz 6), die dem Übergeber anzulasten ist. Daher ist die in § 924 zu findende Beschränkung auf bei Übergabe bereits vorhandene Mängel nahezu selbstverständlich (S 1). Ein „Anlagemangel“, also eine bei Übergabe bloß latent vorhandene negative Eigenschaft, genügt (Erl 422 BlgNR 21. GP 14; HS 12.936; ebenso nun 3 Ob 295/05m bbl 2006, 199). Eine Einschränkung erfährt die Einstandspflicht des Übergebers bei zufälliger Verschlechterung im Gläubigerverzug: Leistungsstörungsbehelfe des Erwerbers entstehen nicht; vielmehr 938
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 924
hat der Übergeber Anspruch auf das volle Entgelt Zug um Zug gegen Leistung des noch Vorhandenen (§ 1419 Rz 4). Zu Sonderfragen beim Versendungskauf insb Faber, Gewährleistungsrecht 85 ff. Da es für den Übernehmer häufig schwierig ist, den Nachweis zu füh- 2 ren, dass die Leistung bereits bei ihrer Erbringung mangelhaft war, hilft ihm S 2 mit einer entsprechenden widerleglichen Vermutung, sofern der Mangel innerhalb von 6 Monaten „hervorkommt“ (Art 5 Abs 3 der RL spricht von „offenbar werden“). Diese Regel (zur Einschränkung durch S 3 Rz 4) wird mit einer typischerweise vorliegenden größeren Nähe des Übergebers zum Beweis sowie dem – für körperliche Sachen schlechthin viel zu pauschalen – Hinweis zu rechtfertigen versucht, dass bald nach Übergabe auftretende Mängel meist schon bei Ablieferung vorhanden waren (vgl Erl 422 BlgNR 21. GP 14). S 2 stellt auf ein Ereignis ab, das den zunächst versteckten Mangel augenfällig werden lässt. Kenntnis des Übernehmers vom Mangel impliziert der Begriff „hervorkommen“ somit nicht. Umgekehrt kann Auftreten des Mangels ohne Erkennbarkeit niemals genügen (so aber Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 4): Ein solcherart versteckt bleibender Mangel kann in keinem denkbaren Sinn als „hervorgekommen“ angesehen werden. Dem Übernehmer, der sich auf die Vermutung des § 924 S 2 berufen 3 will, obliegt es, sowohl die (nunmehrige) Mangelhaftigkeit (= Vertragswidrigkeit) der Sache (1 Ob 577/91 JBl 1992, 243 ua) als auch das Hervorkommen des Mangels innerhalb der Sechsmonatefrist zu beweisen (Erl 422 BlgNR 21. GP 14; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 8 mwN). Das wird ihm nur selten gelingen, wenn er die Negativeigenschaft erst nach Fristablauf registriert; nötig dürfte dann in aller Regel sein, dass eine andere Person den Mangel rechtzeitig bemerkt hat und nun darüber Auskunft geben kann (vgl Faber, Gewährleistungsrecht 94). Mitteilung an den Übergeber erst nach Fristablauf beseitigt die Vermutung nicht, wenn dem Übernehmer der Beweis des Hervorkommens innerhalb der Frist gelingt, weil die zeitliche Nähe des Hervorkommens – und nicht die der Geltendmachung – des Mangels zum Übergabetermin die Vermutung trägt (Welser/Jud, Reform des Gewährleistungsrechts – GA für den 14. ÖJT II/1, 2000, 77; s auch B. Jud, ÖJZ 1997, 444). Der sicherste Weg ist aber jedenfalls eine nachweisbar vor Fristablauf erfolgte Information des Übergebers (vgl Krejci, VR 2000, 172). Große Interpretationsprobleme bereitet S 3. Danach fällt die Vermu- 4 tung weg, wenn sie mit dem Leistungsgegenstand oder mit dem geltend gemachten Mangel „unvereinbar“ ist (ebenso schon der in Art 5 Abs 3 der Verbrauchsgüterkauf-RL verwendete Begriff). Die P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
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Zielrichtung der Regel ist klar: Es geht um eine sachgerechte Beschränkung des S 2. Nicht zuletzt mangels voll überzeugender ratio dieses S 2 (s Rz 2) sind taugliche Abgrenzungskriterien aber schwer zu finden. Das Auslegungsspektrum für den zentralen Begriff der „Unvereinbarkeit“ ist weit: Begrenzt wird es an einem Ende damit, dass die Existenz des Mangels bereits bei Übergabe (nahezu) ausgeschlossen erscheint. Am anderen Ende liegt die Interpretation, dass es für S 3 genügt, wenn das Vorliegen des Mangels im Übergabezeitpunkt bloß weniger wahrscheinlich ist als dessen Fehlen. Offen ist darüber hinaus, wie sich die Unvereinbarkeit der Vermutung zur Sechsmonatefrist des S 2 verhält (dazu Rz 6). Für die erste, erwerbergünstigste Auslegungsvariante könnte der Wortlaut des S 2 sprechen („unvereinbar“, nicht bloß „ungerechtfertigt“ oÄ). Umgekehrt liegt diese Konstellation schon so nahe am Beweis der Mangelfreiheit bei Übergabe, dass eine solcherart verstandene Norm praktisch ohne Bedeutung wäre. 5 Die Erl (422 BlgNR 21. GP 15) nennen primär Eigenschaften, die bei
Übergabe typischerweise nicht vorhanden sind, wie Gebrauchs- und Abnützungserscheinungen, wobei es insoweit offenbar nur um Waren geht, die ungebraucht geschuldet sind (Neuwagen, originalverpackter PC uÄ; zu Tiermängeln Rz 8). Die Subsumtion jener Fälle unter S 3, in denen die Ware Spuren einer offenkundigen Fehlbehandlung aufweist (so die Erl 422 BlgNR 21. GP 14), erscheint deutlich problematischer: Vielleicht hat der Erwerber ja gerade wegen des Mangels alles Mögliche versucht, um das Gerät doch noch in Gang zu bringen. Kann ein Sachverständiger nicht klären, ob die Negativeigenschaft Folge der Fehlbehandlung war, sollte es wohl bei der Vermutung zugunsten des Käufers bleiben; weder die Art der Sache noch die des Mangels sprechen dagegen. Beim Erwerb gebrauchter Sachen, insb von Gebrauchtwagen, ist die Beweislastumkehr des S 2 regelmäßig anwendbar; sie scheitert also nicht an S 3 (6 Ob 272/05a ZVR 2006/155 Kathrein; dazu P. Bydlinski, Zak 2007, 6; Erl aaO 15 ua). Besonderheiten könnten beim Unternehmenskauf („Art der Sache“) bestehen (s Egermann/Winkler, RdW 2002, 197). 6 Besondere Probleme werfen auch verderbliche Waren auf. ME liegt
es jedenfalls bei verpackten Lebensmitteln nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass die Ware bereits bei Übergabe verdorben war; überdies stellt sich das Beweisproblem für den Übernehmer nicht anders als bei sonstigen Waren. S 3 („Art der Sache“) sollte daher nicht generell eingreifen (Kerschner/Bydlinski, Fälle und Lösungen 15; Krejci, VR 2001, 205 f; anders Faber, Gewährleistungsrecht 97). Für kurzlebige Produkte wie etwa Milchprodukte ist die sechsmonatige 940
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 924
Frist des S 2 natürlich ganz unpassend. Umgekehrt spricht sachlich alles für das Eingreifen der Vermutung, wenn der Käufer die verdorbene Milch noch innerhalb der aufgedruckten Haltbarkeitsfrist beim Verkäufer vorbeibringt (ohne dass darin schon ein Beweis der Mangelhaftigkeit bei Übergabe läge; der vorzeitige Verderb könnte ja auch auf Lagerungsfehler oÄ zurückzuführen sein). Die Beweisprobleme sind keine anderen als im unbestrittenen Anwendungsbereich des S 2. Damit gelangt ein sachlich überzeugendes Ergebnis ins Blickfeld, das 7 mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar und darüber hinaus mit dessen Wertungen am besten in Einklang zu bringen ist: Die Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art der Sache bzw des Mangels ist jeweils bezogen auf den konkreten Hervorkommenszeitpunkt zu prüfen, den der Übernehmer zu beweisen hat (wie hier über eine Analogie zu § 924 S 2 Reischauer, JBl 2002, 156; ähnlich Krejci, VR 2001, 205 f, der allerdings wenig konsequent auf den Zeitpunkt der Geltendmachung und nicht auf den des Hervorkommens abstellt). So wäre etwa bei einer üblichen Haltbarkeit von 7–14 Tagen die Vermutung bei Hervorkommen nach 10 Tagen mit Sache und Mangel ohne weiteres vereinbar, nach drei Wochen hingegen nicht. Die Sechsmonatefrist des S 2 wird damit zwar zu einer (generellen) Höchstfrist, was möglicherweise nicht in der Absicht des Richtlinien- bzw Gesetzgebers lag. Allerdings ist auch nicht zu sehen, dass das hier diskutierte Problem bei der Gesetzwerdung im Detail erkannt wurde, weshalb methodisch keine durchschlagenden Gegenargumente gegen diese Lösung bestehen. Sie würde den Hauptzweck der Neuregelung, die Verbesserung der beweisrechtlichen Position des Übernehmers, im Ergebnis sogar fördern: Eine derart flexible Anwendung der Vermutung gestattet es nämlich, den S 3 eher restriktiv anzuwenden; insb muss er etwa auch für verderbliche Sachen nicht ohne weiteres zum Einsatz gebracht werden (vorsichtig idS schon Faber, Gewährleistungsrecht 97). Bei gegenteiliger Sicht müsste die Vermutung des S 2 hingegen generell bei allen Waren fallen, die eine geringere durchschnittliche Haltbarkeit als sechs Monate aufweisen (vgl K/W II 78: „sehr kurzlebige“ Waren). Mit der Art der Sache und des Mangels iSd S 3 unvereinbar ist die 8 Vermutung des S 2 nach hA bei Tierkrankheiten (Fischer-Czermak, FS Krejci 1176 f; Welser/Jud, Gewährleistung §§ 925–927 Rz 8 aE; aA Dobretsberger, AnwBl 2003, 542 f; zum Verhältnis des § 924 zu § 925 dort Rz 2). Das überzeugt jedenfalls dann, wenn man die Sechsmonatefrist des S 2 absolut setzt; sie passt keinesfalls, da Veränderungen bei Lebewesen in aller Regel viel rascher vor sich gehen als bei leblosen Sachen und der Übergeber nicht einmal typischerweise näher P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 925
am Beweis ist. Bei flexiblerer Anwendung von S 3 (6 Monate nach S 2 als Höchstfrist; s Rz 7) wäre hingegen wie bei verderblicher Ware auf die konkrete Negativeigenschaft und deren Hervorkommen abzustellen: Besteht etwa für die nunmehr vorhandene Krankheit eine Inkubationsfrist von 14–21 Tagen und bricht sie 18 Tage nach Übergabe aus, steht zwar nicht im Sinne eines strengen Beweises fest, dass das Tier schon bei Übergabe infiziert war; eine entsprechende Vermutung ist nach der ratio des S 2 jedoch gerechtfertigt. 9 Bei mehreren, voneinander abgrenzbaren Mängeln einer Leistung
ist für jeden Mangel eigenständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutung erfüllt sind bzw ob die Vermutung bereits nach S 3 nicht eingreift. § 925. Durch Verordnung wird bestimmt, inwiefern die Vermutung eintritt, daß ein Tier schon vor der Übergabe krank gewesen ist, wenn innerhalb bestimmter Fristen gewisse Krankheiten und Mängel hervorkommen. [idF III. TN] Lit: P. Bydlinski, Grundfragen der Gewährleistung für Viehmängel, JBl 1982, 225; Dobretsberger, § 924 ABGB bei Tiermängeln, AnwBl 2003, 539; FischerCzermak, Zwei Fragen zur Gewährleistungsreform, FS Krejci (2001) 1167; Graf, Tierschutz durch Zivilrecht? in Harrer/Graf (Hrsg), Tierschutz und Recht (1994) 77.
1 Die von § 925 angesprochene Verordnung findet sich heute in BGBl
1972/472. Sie legt in ihrer Anlage für bestimmte Tiere, vor allem für landwirtschaftliche Nutztiere, und für bestimmte Krankheiten Vermutungsfristen iSd § 925 fest: Tritt die betreffende Krankheit (zu Verhaltensstörungen Rz 3) innerhalb der entsprechenden Frist nach Übergabe an den Erwerber auf, so ist bis zum Beweis des Gegenteils von einer Erkrankung bereits im Übergabezeitpunkt auszugehen (zu den besonderen Beweisanforderungen, um in den Genuss der Mangelvermutung zu gelangen, s § 926). Die Vermutungsfristen greifen auch dann ein, wenn ein Tier zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken, etwa zur Freizeitgestaltung (Reitpferd, Kaninchen als Spielkamerad für ein Kind) gekauft wird (zum Parallelproblem bei § 933 Abs 2 s dort Rz 18). 2 Die Regeln der V gehen iVm § 925 als leges speciales dem § 924 S 2
jedenfalls vor (Welser/Jud, Gewährleistung Rz 8). Zur Anwendbarkeit des § 924 Abs 2 auf von der V nicht erfasste Tierkrankheiten s § 924 Rz 8. 942
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 926
§ 925 knüpft die Krankheitsvermutung bei Übergabe an das Vorliegen 3 gewisser „Krankheiten und Mängel“. Diese Ungenauigkeit resultiert wohl aus dem Umstand, dass die Grenzziehung zwischen eigentlichen Krankheiten und ähnlichen Negativeigenschaften nicht immer einfach ist. So beinhaltet auch die V neben Krankheiten ausnahmsweise Verhaltensstörungen (Untugenden) wie das „Koppen“ beim Pferd (Dobretsberger, AnwBl 2003, 540; Fischer-Czermak, FS Krejci 1169 f). Die in der V angeführten Mängel bedürfen gemäß § 377 Abs 5 UGB 4 auch beim Kauf unter Unternehmern keiner Rüge. § 926. Von der rechtlichen Vermutung, daß der Mangel schon vor der Übergabe des Tieres vorhanden war, kann aber der Übernehmer nur dann Gebrauch machen, wenn er dem Übergeber oder in dessen Abwesenheit dem Gemeindevorsteher sogleich von dem bemerkten Fehler Nachricht gibt oder das Tier durch einen Sachverständigen untersuchen läßt oder die gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt. [idF III. TN] Lit: S bei § 925.
Aus Beweisgründen, aber auch um ein rasches Reagieren auf eine 1 etwaige Krankheit zu ermöglichen, ist das Eingreifen der gesetzlichen Mangelvermutung weiter eingeschränkt. Der Übernehmer hat „sogleich“ nach Erkennen des Mangels, also ohne unnötigen Aufschub (vgl § 904 S 1 sowie Mat zur III. TN 41), nach einer der drei in § 926 genannten, gleichwertigen Möglichkeiten vorzugehen. Unterlässt er dies, muss er den vollen Beweis der Mangelhaftigkeit führen (§ 927). Fraglich ist, ob eine solche Unterlassung überdies Einfluss auf die Länge der Geltendmachungsfrist gemäß § 933 Abs 2 hat, ob also die dort in S 2 vorgesehene Verlängerung der Sechswochenfrist um die jeweilige Vermutungsfrist wieder unbeachtlich wird. Das wird man verneinen müssen, da das Gesetz ein Aufrechtbleiben der Vermutung nicht fordert und die Gesamtfrist ohnehin sehr kurz ist. Auch gibt es keinen Grund, den Übernehmer, dem der Beweis der Mangelhaftigkeit bei Übergabe gelingt, schlechter zu stellen als jenen, der sich auf eine (bloße) Vermutung stützt. § 926 gilt nur für jene Tiermängel, die unter § 925 fallen. Zwar könnte 2 bei reiner Wortinterpretation mit der „rechtlichen Vermutung“ auch die allgemeine Mangelvermutung des § 924 S 2 gemeint sein. Dagegen sprechen jedoch bereits historische Argumente: § 926 ist älter als die Vermutung des § 924, die überdies bei Tierkrankheiten allenfalls in ganz eingeschränkter Form eingreift (§ 924 Rz 8). P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 927
§ 927. Vernachlässigt der Übernehmer diese Vorsicht, so liegt ihm der Beweis ob, daß das Tier schon vor der Übergabe mangelhaft war. Immer steht aber auch dem Übergeber der Beweis offen, daß der gerügte Mangel erst nach der Übergabe eingetreten sei. [idF III. TN] Lit: S bei § 925.
1 Geht ein Übernehmer nicht iSd § 926 vor, kommt ihm keine Mangel-
vermutung zugute. Vielmehr bleibt es bei der allgemeinen Beweislastverteilung: Der Übernehmer hat alle Tatsachen unter Beweis zu stellen, aus denen sich ergibt, dass das Tier bereits bei Übergabe mangelbehaftet war (S 1). S 2 macht deutlich, dass die nach § 925 iVm der V BGBl 1972/472 eingreifende Vermutung widerlegbar ist. 2 Nach wie vor spricht das ABGB in den §§ 925–927 von Tier, in den
§§ 932a und 933 Abs 2 hingegen von Vieh(mängeln). Bedeutung dürfte diesem terminologischen Unterschied allerdings nicht zukommen: Es geht jeweils um die sachgerechte Berücksichtigung jener Besonderheiten, die bei Tierkrankheiten bestehen (zum Viehmangel näher § 933 Rz 18 ff). 3 Die §§ 925–927 (sowie § 933 Abs 2) sind auf den Erwerb durch einen
Verbraucher nicht anwendbar (§ 9 Abs 2 KSchG). Damit ist der Verbraucher bei Kauf vom Unternehmer hinsichtlich der Verjährungsfrist gegenüber allen anderen Konstellationen zwar extrem begünstigt; die Vermutungsfristen der V (für deren Beachtung, allerdings ohne methodische Rechtfertigung, Welser/Jud, Gewährleistung § 9 KSchG Rz 14; bereits zur entsprechenden Entwurfsfassung krit FischerCzermak, FS Krejci, 2001, 1177) könnten ihm jedoch nur über § 924 zugute kommen (Reischauer, JBl 2002, 157; s ferner § 924 Rz 8). § 928. Fallen die Mängel einer Sache in die Augen oder sind die auf der Sache haftenden Lasten aus den öffentlichen Büchern zu ersehen, so findet außer dem Falle arglistigen Verschweigens des Mangels oder einer ausdrücklichen Zusage, daß die Sache von allen Fehlern und Lasten frei sei, keine Gewährleistung statt (§ 443). Schulden und Rückstände, welche auf der Sache haften, müssen stets vertreten werden. [idF III. TN] Lit: Apathy, Gewährleistung für bedungene Eigenschaften und den verabredeten Gebrauch, JBl 1975, 572; ders, Die Lastenfreistellung nach § 928 ABGB, NZ 2006, 289; W. Berger, Verkauf einer verpfändeten Liegenschaft und Schadenersatz wegen mangelhafter Vertragserfüllung, JBl 1982, 464; P. Bydlinski,
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 928
Beschränkung und Ausschluß der Gewährleistung, JBl 1993, 559 und 631; P. Madl, Ansprüche des Käufers einer altlastenbehafteten Liegenschaft, ecolex 1995, 703; Zankl, „Altlastenatlas“ und Gewährleistungsausschluß, ecolex 1990, 609; s auch bei § 922.
Die §§ 928 f regeln ganz heterogene Konstellationen, in denen dem 1 Übernehmer keine Gewährleistungsrechte zustehen sollen. Nahezu in allen genannten Fällen ergibt sich mittels Vertragsauslegung das gleiche Ergebnis. Es wäre daher zumindest missverständlich, die Vorschriften als gesetzliche Gewährleistungsausschlüsse zu qualifizieren, da Ausschlüsse das Vorhandensein eines Mangels voraussetzen. Ein solcher fehlt jedoch, wenn und soweit der Übergeber nichts Besseres schuldet. § 928 enthält somit wohl Auslegungszweifelsregeln. Bei der Pfandverwertung durch Verkauf ist für Mängel Gewähr zu leisten (§ 466c Rz 2). Zum Gewährleistungsausschluss beim Erwerb in der Zwangsversteigerung s § 189 Abs 2 und § 278 Abs 3 S 6 EO (dazu P. Bydlinski, JBl 1993, 567). Augenfällige („offenkundige“) Mängel liegen nur dann vor, wenn 2 der Übernehmer vor Vertragsschluss (SZ 8/130; 1 Ob 555/94 ecolex 1994, 754; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 5 mwN) die Eigenschaften des Vertragsgegenstandes ohne weiteres erkennen konnte (nicht daher regelmäßig beim Werkvertrag: 1 Ob 214/05k RdW 2006, 274 mwN, anders zu Unrecht JBl 1966, 315; für einen Kauf ungenau 6 Ob 272/05a ZVR 2006/155 Kathrein, richtig Mendel, Zak 2006, 270). Seine Willenserklärung darf vom Übergeber dann so verstanden werden, dass der Übernehmer diese (negativen) Eigenschaften akzeptiert (§ 914) und bei der Entgeltbemessung mit berücksichtigt. Die Leistung des Besichtigten ist also von vornherein mangelfrei. Dass der Übernehmer die negativen Eigenschaften tatsächlich zur Kenntnis nahm, muss nicht bewiesen werden. Bewusst verschwiegene negative Eigenschaften akzeptiert der Übernehmer aber ersichtlich nicht; daher ist bei nachgewiesenem arglistigem Verschweigen durch den Übergeber mangels Nichtberücksichtigung im Vertrag von Mangelhaftigkeit auszugehen; ebenso selbstverständlich dann, wenn der Übergeber die Fehler- bzw Lastenfreiheit ausdrücklich zugesagt hat, wobei „ausdrücklich“ hier wie öfters im ABGB im Sinne von „unzweifelhaft“ zu verstehen ist (SZ 41/182; Apathy, JBl 1975, 576; ebenso in § 929). Auch in öffentlichen Büchern, insb im Grundbuch eingetragene 3 Lasten sind in diesem Sinn augenfällig. Allerdings müssen gemäß S 2 „auf der Sache haftende“ Rückstände und Schulden stets vertreten werden. Diese differenzierende Regelung will offensichtlich wiederP. Bydlinski
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um dem üblichen Parteiwillen gerecht werden: Ist die verkaufte Liegenschaft etwa mit einer im Grundbuch eingetragenen Servitut belastet, so ist das Nichtansprechen dieses Umstandes im Kaufvertrag typischerweise damit zu erklären, dass die Liegenschaft eben nur mit dieser Eigenschaft geschuldet ist. Der Gegenbeweis einer davon abweichenden Vereinbarung (vgl SZ 41/182: Zusage der Lastenfreiheit) kann jedoch geführt werden. 4 Entsprechendes gilt für die Schulden und Rückstände (S 2), bei de-
nen ein Wille zur Übernahme durch den Erwerber nicht anzunehmen ist. Vielmehr wird insoweit gerade umgekehrt von einer vertraglichen Freistellungspflicht (Depurierungspflicht) des Veräußerers ausgegangen (SZ 53/107; 1 Ob 504/92 JBl 1992, 646). Auf diesen Anspruch des Erwerbers findet die Frist des § 933 vor allem nach der Rspr keine Anwendung (SZ 14/107; Rsp 1932/244), während von manchen bei Übergabe ohne vorherige Freistellung ein dem Gewährleistungsrecht voll unterliegender Rechtsmangel angenommen wird (Apathy, NZ 2006, 289 mwN). Die widerlegliche Vermutung des S 2 (JBl 1989, 659 Hoyer; JBl 1992, 646) erfasst jedenfalls Konstellationen, in denen die entsprechende Zahlungspflicht „an der Sache haftet“, also nach Eigentumsübergang den Erwerber trifft (JBl 1989, 659 Hoyer; Reischauer/R Rz 8); so nach der Rspr zB grundstücksbezogene öffentlichrechtliche Abgabenpflichten (Rsp 1935/31) und Altlastensanierungskosten (7 Ob 562/94 ÖZW 1996, 85 Hüttler = RdU 1996, 88 W. Berger), Kraftfahrzeugabgaben (SZ 14/107; Rsp 1932/244) oder ausständige Sozialversicherungsabgaben bei Betriebsnachfolge (ZBl 1935/227). 5 Auch wenn eine hypothekarische Belastung zu keiner unmittelbaren
persönlichen Zahlungspflicht des Übernehmers führt, also keine „Schuld“ ieS begründet, wird man sie unter S 2 zu subsumieren haben: Zum einen ist das Grundstück immerhin dem Zugriff des Gläubigers ausgesetzt, zum anderen erscheint die Vermutung, der Erwerber wolle diese Belastung auch ohne entsprechende Abrede übernehmen, nicht gerechtfertigt. Die ganz hA (Binder/Ofner/S Rz 18 f; Gschnitzer/K IV/1, 523; Reischauer/R Rz 8) zieht daher zu Recht S 2 auch bei vorhandenen Pfandbelastungen heran. Unproblematisch sind jene Fälle, in denen das Pfandrecht erst nach dem Vertragsschluss begründet wurde (vgl JBl 1992, 646), da dann von vornherein keine augenfällige Last iSd S 1 gegeben sein kann. § 929. Wer eine fremde Sache wissentlich an sich bringt, hat ebensowenig Anspruch auf eine Gewährleistung, als derjenige, welcher ausdrücklich darauf Verzicht getan hat. 946
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Lit: P. Bydlinski, Beschränkung und Ausschluß der Gewährleistung, JBl 1993, 559 und 631; ders, Ein Gewährleistungsausschluss und seine Grenzen, Zak 2007, 6; Ertl, Allgemeine Geschäftsbedingungen der Softwareverträge, EDVuR 1994, 19; Kurschel, Gewährleistung 120 ff; Parschalk/Wahl, Ausgewählte Fragen der Gewährleistung beim Unternehmenskauf, wbl 2003, 353; Pilgerstorfer, Aufklärungspflicht und Gewährleistungsausschluss beim Kauf kontaminierter Grundstücke, ÖJZ 2001, 373; S. Urbanek, Besichtigungsklausel und Gewährleistungsverzicht, ecolex 1998, 119; s auch bei § 928.
I. Wissentlicher Erwerb einer fremden Sache Dass bei wissentlichem Erwerb einer fremden Sache keine Gewähr- 1 leistung eingreift, ist im Regelfall auch ohne die Anordnung des § 929 Fall 1 selbstverständlich: Kennt – wie häufig – auch der Übergeber die Fremdheit der Sache, kommt der Vertrag wegen Gesetzwidrigkeit nicht zustande (§ 879 Abs 1, insb iVm dem Hehlereitatbestand des § 164 StGB). Ohne Vertrag scheidet Gewährleistung aber schon rein logisch aus; vielmehr kann eine bereits erbrachte Gegenleistung analog § 877 kondiziert werden. Denkbar ist allerdings, dass zwar beide Teile vom Fremdeigentum wissen, der Übergeber sich aber dennoch verpflichtet, Eigentum zu übertragen (Garantiezusage); etwa durch Einholung der Zustimmung des Eigentümers. Auch die Deutung der Verpflichtung des Übergeber im Sinne einer bloßen Bemühenszusage (§ 880a HS 1) käme in Betracht. Dann schadet dem Übernehmer das Wissen vom Fremdeigentum jedoch nicht iSd § 929. Bei bloßer Unsicherheit über das (fehlende) Recht des Vormanns greift § 929 ebenfalls nicht ein. Es ist dann nur zu klären, ob der Übergeber die Pflicht zur Eigentumsverschaffung tatsächlich bedingungslos übernommen hat. Weiß ausnahmsweise nur der Übernehmer vom Fremdeigentum, 2 nicht hingegen der Übergeber, so ist der Vertrag gültig. Und auch § 929 wäre seinem Wortlaut nach erfüllt. Auf den ersten Blick folgt daraus, dass dem Übergeber der Kaufpreis(anspruch) in einem solchen Fall sogar dann zu belassen ist, wenn es in der Folge zur Eviktion durch den Dritten kommt (dafür wohl Binder/Ofner/S Rz 1). Allerdings verbliebe dem Übergeber bei dieser Sicht der aus fremder Sache – und damit unrechtmäßig – gezogene Nutzen dauerhaft, was zentralen bereicherungsrechtlichen Prinzipien widerspräche. Da dem Eigentümer ein Anspruch auf den erlösten Kaufpreis gemäß § 1041 zusteht (SZ 27/38; SZ 27/286), könnte ein Lösungsansatz darin liegen, den vindizierenden Eigentümer Zug um Zug gegen Sachherausgabe zur Abtretung dieses Anspruchs an den Übernehmer zu verpflichten. Überzeugender erscheint mE aber eine entsprechende teleologische Reduktion des § 929: Der Übergeber hat sich ja tatsächlich zur EigenP. Bydlinski
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tumsverschaffung verpflichten wollen und auch der Übernehmer hat nur in der Erwartung gekauft, dass der Eigentümer von ihm keine Herausgabe fordern werde. Inter partes war also keinesfalls vorgesehen, der Veräußerer solle den Kaufpreis auch im Falle der Eviktion behalten. II. Rechtsgeschäftliche Einschränkungen der Gewährleistungsrechte 3 § 929 Fall 2 behandelt den rechtsgeschäftlichen Gewährleistungsverzicht (zum Verzicht eines Verbrauchers gegenüber einem Unternehmer s bei § 9 KSchG). Er erfasst nicht bloß die Gewährleistungsrechte des Übernehmers vollständig ausschließende Abreden, sondern auch solche Vereinbarungen, die die Erwerberrechte bloß einschränken. Zweierlei kann der Anordnung, der ausdrücklich (= eindeutig, deutlich) Verzichtende habe keinen Anspruch auf die Gewährleistung, jedenfalls entnommen werden: Die §§ 922 ff gehören zum dispositiven Recht; und: Abreden, die die Gewährleistung des Erwerbers einschränken, sind grundsätzlich zulässig. Es ginge aber zu weit, unter Hinweis auf diese Regel jede die Gewährleistung einschränkende Vereinbarung, insb den Totalverzicht, als wirksam anzusehen. Vielmehr sind solche Abreden am Maßstab der Sittenwidrigkeit zu messen (§ 879 Abs 1 bzw Abs 3; zum Folgenden insb P. Bydlinski, JBl 1993, 559 ff und 631 ff). Dabei ist nicht zuletzt der hohe Gerechtigkeitsgehalt des Gewährleistungsrechts zu beachten, das ungewollte Äquivalenzstörungen auszugleichen sucht (§ 922 Rz 6; s etwa auch P. Bydlinski, JBl 1993, 565). Prägnant gesagt, bedeutete ein (vollständiger) Verzicht Folgendes: Der Übergeber verpflichtet sich zwar im ersten Schritt, eine Sache mit den positiven Eigenschaften A, B und C zu einem bestimmten Preis zu leisten, erklärt aber im zweiten, dass der Übernehmer bei Fehlen einzelner oder gar aller dieser Eigenschaften den gleichen Preis zu entrichten habe (zum zentralen Unterschied zwischen solchen echten Gewährleistungsbeschränkungen und unbedenklicher einschränkender Leistungsbeschreibung Rz 4). Auch in der neueren Gesetzgebung finden sich deutliche Argumente für ein restriktives Verständnis des § 929 Fall 2. Hinzuweisen ist namentlich auf § 9 KSchG, der das Gewährleistungsrecht zugunsten des Verbrauchers nahezu vollkommen zwingend ausgestaltet. Da KSchG- und ABGB-Sachverhalte nun aber häufig gar nicht so weit auseinander liegen (statt vieler F. Bydlinski, System, passim), darf man der Rechtsordnung nicht unterstellen, sie wolle für den einen Teilbereich größtmögliche Strenge und für den anderen größtmögliche Freiheit. Ein derartiger krasser Gegensatz ohne Rücksicht auf die Ergebnisse und den individuellen Schutzbedarf überzeugt schon im Ansatz nicht. 948
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Schließlich: Gewährleistung setzt die Annahme als Erfüllung voraus (§ 922 Rz 5). Bemerkt der Übernehmer die Mängel bereits vorher, muss er die Leistung also auch bei Vorliegen einer gewährleistungsbeschränkenden Vertragsklausel grundsätzlich weder annehmen (§ 1413) noch bezahlen (P. Bydlinski, JBl 1993, 563 f; zu einer Ausnahme § 918 Rz 6). Zeigt sich der Mangel aber auch nur wenig später, sollen ihm keinerlei Rechte mehr zustehen? Eine derart unterschiedliche Behandlung wertungsmäßig ganz ähnlicher Sachverhalte darf der Rechtsordnung nicht unterstellt werden. Will sich der Übergeber zu möglichst wenig verpflichten, steht ihm 4 ein transparenter und daher unbedenklicher Weg offen: Er beschreibt die von ihm versprochene Leistung so genau und zugleich so „zurückhaltend“, dass der Übernehmer sofort erkennt, womit er im schlimmsten Fall zu rechnen hat. Wird die Hauptpflicht des Übergebers auch hinsichtlich der (möglichen) Negativeigenschaften derart präzise umschrieben (Leistungsbeschreibung bzw Eigenschaftsbeschaffenheitsabrede), besteht auch kaum einmal die Gefahr, dass der Übernehmer bei den Entgeltsverhandlungen eine „Idealqualität“ der Gegenleistung zugrunde legt. Überdies gibt nun diese Leistungsbeschreibung den Maßstab für etwaige Abweichungen vom Geschuldeten vor. In Abgrenzung von Gewährleistungsausschlussklauseln bedarf es allerdings konkreter Angaben über bestimmte (negative) Sacheigenschaften; pauschale Erklärungen, etwa „eine bestimmte Qualität ist nicht geschuldet“, reichen dafür nicht aus (s P. Bydlinski, JBl 1993, 570; Fenyves in Krejci, KSchG-HB 397 ff; Welser/Jud, Gewährleistung § 9 KSchG Rz 2), wobei im Bereich des KSchG aus Umgehungsgründen (§ 9 KSchG) besondere Strenge am Platze ist. Auch ein Totalausschluss der Haftung ist über den Weg einer Leistungsbeschreibung nicht möglich. Allerdings genügt es, wenn der insoweit selbst unsichere Übergeber gewisse konkrete Negativeigenschaften als möglich offen legt. Bsp: Der bloß fünfstellige Kilometerzähler eines Gebrauchtwagens steht bei 15.000. Der Übergeber erklärt nun, dass er den wirklichen Kilometerstand selbst nicht kenne. Die tatsächliche Laufleistung des Autos liege entweder bei 115.000 oder bei 215.000 km. Auch wenn sich in der Folge herausstellt, dass der höhere Wert stimmt, liegt kein Mangel vor. Wann eine Ausschlussvereinbarung iSd § 929 vorliegt und wie weit 5 diese reicht, kann nur durch Auslegung im Einzelfall (§§ 914 f) geklärt werden. Auf den Gebrauch der Worte „Gewährleistung“, „Verzicht“ oder „Ausschluss“ kommt es nicht an. Wird etwa ein Gebrauchtwagen ohne sonstige nähere Abreden verkauft, weshalb der Verkäufer für die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften einer P. Bydlinski
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solchen Sache einzustehen hat (dazu § 922 Rz 9), sind zB Klauseln „wie gekauft und probegefahren“, oder „wie besichtigt“ als Gewährleistungseinschränkungen zu verstehen. Was deren Reichweite anbelangt, so ist zu beachten, dass derartige Klauseln typischerweise vom Übergeber in den Vertrag eingebracht werden. In der Rspr findet sich die Aussage, Gewährleistungsausschlüsse seien als Aufgabe von Rechten im Zweifel restriktiv zu interpretieren (7 Ob 562/94 ÖZW 1996, 85 Hüttler = RdU 1996, 88 W. Berger; 6 Ob 272/05a ZVR 2006/155 Kathrein ua; krit P. Bydlinski, Zak 2007, 7). Zum selben Ergebnis gelangt man häufig bereits über § 915 Fall 2, wonach bei Formulierung des Ausschlusses durch den Veräußerer im Zweifel die erwerbergünstigere – also weniger weit reichende – Auslegungsvariante zu wählen ist. Spätestens damit könnte etwa begründet werden, dass die üblichen Probefahrt- oder Besichtigungsklauseln im Unterschied zu umfassenden Gewährleistungsausschlüssen (diese erfassen auch geheime Mängel: HS 5360; SZ 61/162; 4 Ob 180/97t ecolex 1998, 120 Wilhelm, dazu S. Urbanek, ecolex 1998, 119; aA bloß SZ 42/180) nur für jene Mängel gelten, die der Erwerber bei sorgfältigem Vorgehen hätte bemerken können (SZ 25/73; JBl 1972, 531; ecolex 1998, 120 Wilhelm). Ferner kann Gewährleistungsverzichtsabreden keine Bedeutung für das Erkennen des Mangels schon vor Übergabe beigemessen werden (vgl Rz 3); ebenso wenig für Schadenersatzansprüche wegen schuldhafter Schlechtleistung (ÖZW 1996, 85 Hüttler; P. Bydlinski, JBl 1993, 564; Parschalk/Wahl, wbl 2003, 358; bloß für Mangelfolgeschäden K/W II 84). Nach der Rspr soll eine Ausschlussklausel die völlige Unbrauchbarkeit einer Leistung nicht erfassen (GlU 12.202; Rsp 1929/152; SZ 61/162); ein Ergebnis, das bei üblicher Klauselformulierung nicht im Auslegungsweg, sondern allenfalls über Teilnichtigkeitsregeln (dazu Rz 8) erreicht werden kann (P. Bydlinski, JBl 1993, 634; Gschnitzer/K IV/1, 525). Umgekehrt wird sich in aller Regel bereits über § 914 ergeben, dass mit einem Sachmängelgewährleistungsausschluss jedenfalls auch das Anfechtungsrecht wegen eines schuldlos veranlassten Eigenschaftsirrtums (§ 871) abbedungen sein soll (str; näher P. Bydlinski, JBl 1993, 562; Honsell, JBl 1989, 207; vorsichtig Kerschner, JBl 1989, 542; speziell zum Unternehmenskauf Parschalk/Wahl, wbl 2003, 359 f), da die Ausschlussklausel beim Spezieskauf ansonsten praktisch immer ins Leere ginge, was nicht dem mutmaßlichen Parteiwillen entspräche (bloß pauschal für Konkurrenz zwischen Gewährleistungs- und Irrtumsbehelfen die Rspr: s RS0014900). – Zur davon streng zu unterscheidenden Frage, ob bzw unter welchen Umständen eine auf Willensmängel gestützte Anfechtung der Gewährleistungsausschlussvereinbarung in Betracht kommt, s etwa Gschnitzer/K IV/1, 525; Reischauer/R Rz 7a. 950
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Für die Reichweite einer generell formulierten Ausschlussvereinba- 6 rung spielt es auf der Auslegungsebene eine wesentliche Rolle, ob es bloß um gewöhnlich vorausgesetzte oder um eigens vereinbarte Eigenschaften geht. Im zweiten Fall liegt eine vorrangige Individualabrede vor (statt vieler HS V/44; 7 Ob 732/89 JBl 1990, 655; Apathy, JBl 1975, 575; dafür reicht eine schlüssige Zusage aus, die aber nicht vorschnell angenommen werden darf: P. Bydlinski, Zak 2007, 7 gegen 6 Ob 272/05a ZVR 2006/155 Kathrein), während die erste Fallgruppe vom Ausschluss erfasst wird (problematisch daher etwa HS V/26). Nach dem OGH unterfallen auch Rechtsmängel einer allgemein gefassten Ausschlussklausel (HS 8330); gilt der Ausschluss hingegen etwa nur für „Baumängel“, erstreckt er sich nicht auf Rechtsmängel (JBl 1987, 383: Fehlen einer behördlichen Benützungsbewilligung). Auch arglistig verschwiegene Mängel sollen weiterhin beachtlich sein (so etwa JBl 1984, 432 Reidinger; SZ 61/162; ÖZW 1996, 85 Hüttler = RdU 1996, 88 W. Berger). Der präzise Weg zu diesem Ergebnis bleibt in der Rspr allerdings unklar; erwogen werden insb – zT nebeneinander – Sittenwidrigkeit, Arglistanfechtung und Aufklärungspflichtverletzung (HS 7339; JBl 1972, 531; s ferner ÖZW 1996, 85 Hüttler, wo sogar bei grober Fahrlässigkeit des Partners Anfechtbarkeit bejaht wird). Bei allgemein formuliertem Verzicht sollte man aber bereits im Wege der Auslegung (§§ 914 f) regelmäßig zum Ergebnis gelangen, dass die Arglistfälle vom Ausschlusswillen von vornherein nicht erfasst sind. Erst wenn geklärt ist, ob Gewährleistungsbeschränkungen vereinbart 7 wurden und wie weit diese reichen (Rz 5 f), kann es zur Sittenwidrigkeitskontrolle des Vereinbarten kommen. Die Rspr war bis vor Kurzem bei der Anwendung des § 879 eher zurückhaltend. Bejaht wurde insb die Sittenwidrigkeit von Ausschlussklauseln in AGB beim Verkauf fabriksneuer Ware (SZ 53/128; 1 Ob 277/98m RdW 1999, 196 ua). Gleiches soll gelten, wenn die geschuldete Sache bei Vertragsschluss (noch) nicht vorhanden war, so dass eine genaue Begutachtung nicht einmal theoretisch in Frage kam (Reischauer/R Rz 3 und obiter RdW 1999, 196; aA noch JBl 1984, 432 Reidinger). Hingegen wurde zum „alten“ Recht ein Ausschluss der Rechte auf Wandlung und Minderung akzeptiert (HS 1548; SZ 41/94; SZ 52/71 ua). Eine solche Klausel sollte es dem Veräußerer offensichtlich ermöglichen, Wandlung bzw Minderung durch Vornahme der Verbesserung zu verhindern, weshalb die Abrede unbehebbare Mängel wohl von vornherein nicht erfasst (Binder/Ofner/S Rz 17). Heute ist der Verbesserungsvorrang gesetzlich festgelegt (§ 932 Abs 2), womit diese Auslegung möglicherweise ihre Grundlage verloren hat. Weitestgehend unbedenklich sind P. Bydlinski
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auch Fälle, in denen der Übernehmer zwischen höherem Preis mit und niedrigerem ohne Gewährleistung wählen kann (P. Bydlinski, JBl 1993, 571). Zur mittels AGB vertraglich eingeführten Rügeobliegenheit, die in der Sache eine massive Beschränkung der gesetzlichen Gewährleistungsrechte bedeutet, s 5 Ob 522/91 RdW 1992, 8 und dazu krit P. Bydlinski, JBl 1993, 641 f. 8 Als Grundsatz der Sittenwidrigkeitskontrolle (zum Folgenden insb
P. Bydlinski, JBl 1993, 559 ff und 631 ff; ganz ähnlich Binder/Ofner/S Rz 16; Ertl, EDVuR 1994, 24 ff) sollte gelten, dass krasse Abweichungen des Geleisteten vom Geschuldeten nicht ohne Folgen bleiben dürfen. Der Preis wird ja vor allem aufgrund der geschuldeten Eigenschaften bemessen, weshalb es bei massiver Schlechtleistung zu gravierenden Äquivalenzstörungen käme. Daraus folgt, dass die Gewährleistung regelmäßig nur hinsichtlich kleinerer Mängel ausgeschlossen werden kann, nicht aber für massive Sachmängel (zumindest im Ergebnis ebenso 6 Ob 272/05a ZVR 2006/155 Kathrein; für den Fall der Unbehebbarkeit, der die tatsächliche Nichtbehebung gleich steht, vgl bereits RdW 1999, 196) oder für den Rechtsmangel fehlender Eigentumsverschaffung. Ob die verkaufte Sache fabriksneu war oder nicht (s Rz 7), spielt für § 879 hingegen eine ganz untergeordnete Rolle. Als grobe Richtschnur könnte die Laesio-enormisGrenze dienen, die sich etwa auch in den §§ 1048 f findet. Tendenziell noch größere Strenge ist an Ausschlussklauseln in AGB anzulegen (§ 879 Abs 3). Nicht zuletzt aufgrund der Regel des § 929 sollte die Rechtsfolge zu weit gefasster Gewährleistungsausschlussklauseln nicht Gesamt-, sondern Teilnichtigkeit des Ausschlusses sein (im Ergebnis ebenso RdW 1999, 196; Binder/Ofner/S Rz 16; s auch FischerCzermak, Mobilienleasing 195 ff, 203 ff). 9 Bei Gewährleistungsausschlüssen kommt der OGH dem Erwerber im
Wege ergänzender Auslegung entgegen, indem er auf diesen – bei Vertragsschluss noch unbekannte – Ansprüche gegen Dritte übergehen lässt, die dem Veräußerer wegen mangelhafter Arbeiten an der veräußerten Sache zustehen (1 Ob 257/04g JBl 2005, 579 M. Leitner). § 930. Werden Sachen in Pausch und Bogen, nämlich so, wie sie stehen und liegen, ohne Zahl, Maß und Gewicht übergeben; so ist der Übergeber, außer dem Falle, daß eine von ihm fälschlich vorgegebene, oder von dem Empfänger bedungene Beschaffenheit mangelt, für die daran entdeckten Fehler nicht verantwortlich. Lit: P. Bydlinski, Beschränkung und Ausschluß der Gewährleistung, JBl 1993, 559.
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§ 930 erfasst die einheitliche Veräußerung einer Vielzahl von Sachen 1 (Sachgesamtheit) ohne detaillierte Abrede über Anzahl, Gewicht, Einzelqualität usw. Bei derart grob umschriebenem Leistungsgegenstand (vgl JBl 1972, 611: Briefmarkensammlung) ergibt üblicherweise bereits die Vertragsauslegung, dass auch der Erwerber nicht mit präzise bestimmten Quantitäten und Qualitäten rechnet; daher können etwa einzelnen Stücken sogar die ansonsten gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften (§ 922) fehlen, ohne dass dies Gewährleistungsfolgen auslöst. Bei detaillierter Fixierung des Geschuldeten ist der Tatbestand der Vorschrift nicht erfüllt (s GlUNF 388; GlUNF 5546). Soweit es um Mängel geht, die der Erwerber erkennbar keinesfalls 2 akzeptieren wollte, bleiben auch beim Kauf in Pausch und Bogen die Gewährleistungsbehelfe des Erwerbers aufrecht. Das Gesetz selbst erwähnt Beschaffenheitsvereinbarungen, wobei die „fälschlich vorgegebene Beschaffenheit“ nicht auf bewusste Täuschungen beschränkt werden darf. Anerkannt ist ferner das Vorliegen einer mangelhaften Leistung, wenn die Gesamtleistung vertragswidrig ist (Bsp: 70% der Stücke des verkauften Warenlagers sind verschimmelt). Mögliche Rechtsmängel kalkuliert der Erwerber ebenfalls typischerweise nicht mit ein, weshalb § 930 auf Sachmängel zu beschränken ist (P. Bydlinski, JBl 1993, 566; Binder/Ofner/S Rz 5; aA Gschnitzer/K IV/1, 527; wohl auch Mayrhofer, SR AT 435). Allein die Bezeichnung eines Geschäfts als „Kauf in Pausch und Bo- 3 gen“ führt noch nicht zur Anwendung des § 930. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob darin nicht eine versteckte Gewährleistungsausschlussklausel liegt, die im Verbrauchergeschäft an § 9 KSchG scheitert (für restriktive Beurteilung daher etwa Faber, Gewährleistungsrecht 80). Bedingung der Gewährleistung § 931. Wenn der Übernehmer wegen eines von einem Dritten auf die Sache erhobenen Anspruches von der Gewährleistung Gebrauch machen will, so muß er seinem Vormann den Streit verkündigen. Unterläßt er dies, so verliert er zwar noch nicht das Recht der Schadloshaltung, aber sein Vormann kann ihm alle wider den Dritten unausgeführt gebliebenen Einwendungen entgegensetzen und sich dadurch von der Entschädigung in dem Maße befreien, als erkannt wird, daß diese Einwendungen, wenn von ihnen der gehörige Gebrauch gemacht worden wäre, eine andere Entscheidung gegen den Dritten veranlaßt haben würden. [idF III. TN] P. Bydlinski
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§ 932
Lit: Klicka, Die Bindungswirkung bei Nebenintervention und Streitverkündung, JBl 1997, 611; Oberhammer, Verstärkter Senat: Bindungswirkung bei einfacher Nebenintervention und Streitverkündung, ecolex 1997, 422; Reischauer, Streitverkündung und Bindungswirkung, ÖJZ 1979, 57.
1 Auch wenn § 931 die allgemeine Überschrift „Bedingung der Ge-
währleistung“ trägt, hat die Norm nur im Bereich der Rechtsmängelhaftung Bedeutung (aA Reischauer, JBl 2002, 155). S 1 sieht eine Obliegenheit des Übernehmers zur Streitverkündung vor, wenn von ihm ein Dritter Herausgabe der erworbenen Sache fordert: Der Übergeber soll als sein Streithelfer auftreten und ihn bei der Abwehr des Herausgabeanspruchs unterstützen. S 2 normiert die Rechtsfolgen unterlassener Streitverkündung: Unterliegt der Übernehmer im Herausgabeprozess und belangt er deshalb den Übergeber, so kann ihm dieser entgegenhalten, der Herausgabeprozess wäre bei seiner Beiziehung nicht verloren gegangen. Die Beweislast für die entsprechenden Tatsachen trifft den Übergeber (GlU 558). Gelingt ihm der notwendige Beweis, steht fest, dass kein Herausgabeanspruch des Dritten und somit gar kein Rechtsmangel vorlag. 2 Erfolgt im Herausgabeprozess eine Streitverkündung, so entfalten
nach dem OGH (verst Senat 1 Ob 2123/96d SZ 70/60 = ecolex 1997, 22 Oberhammer = JAP 1997/1998, 41 Chiwitt-Oberhammer; davor 3 Ob 511/94 ÖZW 1995, 85 Burgstaller) alle in diesem Verfahren getroffenen Tatsachenfeststellungen Bindungswirkung für das Verhältnis der Hauptpartei zur als Streithelferin nominierten Partei; hier: zwischen Übernehmer und Übergeber (Details etwa bei Fasching, ZPR 212; Klicka, RZ 1990, 2; dems, JBl 1997, 611; Reischauer, JBl 1979, 57; Schubert in Fasching, ZPO II/1 § 21 Rz 2). 3 Materiellrechtlich ist von Bedeutung, dass den Übergeber, der sich zur
Verschaffung freien Eigentums verpflichtet hat, in aller Regel die vertragliche Nebenpflicht trifft, den Übernehmer bei der Abwehr derartiger Herausgabebegehren Dritter nach Kräften zu unterstützen (vgl SZ 27/332). Die schuldhafte Verletzung einer solchen Pflicht kann zu Schadenersatzansprüchen des Übernehmers führen (Reischauer/R Rz 1). Rechte aus der Gewährleistung § 932. (1) Der Übernehmer kann wegen eines Mangels die Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden), den Austausch der Sache, eine angemessene Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des Vertrags (Wandlung) fordern. 954
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(2) Zunächst kann der Übernehmer nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Ob dies der Fall ist, richtet sich auch nach dem Wert der mangelfreien Sache, der Schwere des Mangels und den mit der anderen Abhilfe für den Übernehmer verbundenen Unannehmlichkeiten. (3) Die Verbesserung oder der Austausch ist in angemessener Frist und mit möglichst geringen Unannehmlichkeiten für den Übernehmer zu bewirken, wobei die Art der Sache und der mit ihr verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind. (4) Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung. Dasselbe gilt, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind. [idF BGBl I 2001/48] Lit Apathy, Reisevertragsrecht und Gewährleistungsreform, JBl 2001, 477; ders, Rügepflicht bei behebbaren Reisemängeln, RdW 2002, 2; Augenhofer, Zum Vorrang der Verbesserung nach dem GewRÄG 2001, JBl 2006, 437; Bollenberger, Das neue Wahlrecht zwischen Wandlung und Minderung, RdW 2002, 713; Kletecˇ ka, Der geringfügige Mangel, RdW 2003, 612; Proschak, Neues zum „geringfügigen Mangel“ nach § 932 Abs 4 ABGB, ÖJZ 2005, 900; I. Welser, Teilweise oder vollständige Mangelhaftigkeit? FS Welser (2004) 1169. S auch bei § 922. Übersicht I. Das Modell der abgestuften Gewährleistungsbehelfe . . . . . . . . . . . . . 1 II. Der vorrangige Anspruch auf Verbesserung iwS . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 A. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Das Verhältnis von Verbesserungs- und Austauschanspruch . . . 4 C. Fehlschlagen des ersten Verbesserungsversuchs . . . . . . . . . . . . . . 6 D. Bloß teilweise Behebbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 E. Durchführung der Verbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 F. Zug-um-Zug-Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 III. Die Sekundärrechte Preisminderung und Wandlung . . . . . . . . . . . . . 15 A. Bei Unmöglichkeit der Verbesserung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 P. Bydlinski
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B. C. D. E. F. G.
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Bei Unzumutbarkeit der Verbesserung für den Übernehmer . . . Bei unverhältnismäßig hohem Verbesserungsaufwand . . . . . . . . . Voraussetzungen des Wandlungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übernehmerwahlrecht bei nicht geringfügigen Mängeln. . . . . . . Berechnung des Minderungsbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifikation, Geltendmachung und Wirkungsweise der Sekundärbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Behandlung „unerheblicher“ Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verbesserungsvorrang im Irrtumsrecht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Das Modell der abgestuften Gewährleistungsbehelfe 1 § 932 regelt die Rechtsbehelfe des Übernehmers einer mangelhaften
Leistung. Er ist das Kernstück des Gewährleistungsrechts, vor allem aber des GewRÄG (s § 922 Rz 7). Die Vorschrift enthält wie ihr Vorbild, Art 3 Abs 2 Verbrauchsgüterkauf-RL, eine Vielzahl unbestimmter Gesetzesbegriffe, weshalb jeder Auslegungsversuch mit Unsicherheiten verbunden ist. Abs 1 zählt bloß auf, welche Rechte des Übernehmers überhaupt in Betracht kommen: – – – –
Verbesserung (Nachbesserung bei Qualitätsmängeln, Nachtrag des Fehlenden bei Quantitätsmängeln); dazu näher Abs 2 und 3. Austausch; dazu näher Abs 2 und 3. angemessene Entgeltminderung (Preisminderung); dazu näher Abs 4. Vertragsaufhebung (Wandlung); dazu näher Abs 4.
Prägnant gesagt, wird durch Verbesserung und Austausch das Geleistete dem Vertrag angepasst, während Preisminderung zur Anpassung des Vertrages an das Geleistete führt. Wandlung beseitigt den Vertrag zur Gänze und stellt so ebenfalls die Äquivalenz wieder her (§ 922 Rz 6). 2 Nach dem Gesetz besteht im Interesse des Übergebers eine strenge
Rangfolge: Der Übernehmer ist zunächst auf Verbesserung bzw Austausch beschränkt (Primäranspruch). Damit soll dem Vertragswillen am besten Rechnung getragen werden: Jeder bekommt das, was ihm aus dem Vertrag geschuldet ist, wenn auch regelmäßig erst später als beabsichtigt (zum Verspätungsaspekt Rz 13). Überdies harmoniert dieser Vorrang der Verbesserung mit dem Verzugsrecht, das dem Schuldner die Möglichkeit einräumt, seine Verpflichtung innerhalb angemessener Nachfrist zu erbringen und so den Vertrag vollständig zu retten (§ 918 Rz 12). Die sekundären Behelfe (Preisminderung und Wandlung) kann der Übernehmer grundsätzlich nur dann geltend machen, wenn die nachträgliche vollständige Vertragserfüllung 956
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unmöglich oder für einen Teil – etwa wegen massiver Verzögerung – unzumutbar ist (s Abs 4; dazu Rz 15 ff). Ist der Gewährleistungsberechtigte nicht in der Lage, den ihm konkret zustehenden Behelf sicher zu beurteilen – etwa mangels Kenntnis der Ursachen einer Funktionsstörung oder mangels Abschätzbarkeit technischer oder wirtschaftlicher Behebbarkeit –, so gestattet die Rspr eine Feststellungsklage (RS0018668, zuletzt 3 Ob 227/05m); zur verjährungsrechtlichen Relevanz s § 933 Rz 4 aE. – Zur rechtsgeschäftlichen Übertragung von Gewährleistungsrechten § 1393 Rz 8. II. Der vorrangige Anspruch auf Verbesserung iwS A. Begriffe. Verbesserung ieS bedeutet Reparatur des geleisteten 3 Stücks („Nachbesserung“, bei Rechtsmängeln: s 3 Ob 24/05h) bzw Nachlieferung der fehlenden Quantität („Nachtrag des Fehlenden“); zusammen mit dem Austausch der geleisteten mangelhaften Sache gegen eine vertragsgemäße wird von Verbesserung iwS gesprochen, die selbstverständlich immer auf Kosten des Übergebers zu erfolgen hat. Die Vorschriften über den Austausch greifen bei Gattungsschulden ein. Die Herstellung einer bloß wirtschaftlich gleichwertigen Ersatzlage bei Stückschulden ist grundsätzlich nicht erfasst (statt vieler Schauer, FS Kramer, 2004, 632 f mwN; aA Jud, Schadenersatz 151 ff); kein Käufer muss sich etwa einen gleichwertigen Gebrauchtwagen mit anderer Farbe aufdrängen lassen. Erwägenswert wäre allenfalls, dem Übernehmer einen Anspruch auf Austausch gegen ein gleichwertiges Stück zu gewähren, wenn Verbesserung ieS ausscheidet und dem Übergeber kein Nachteil entsteht (Bsp: Der Käufer verlangt vom Gebrauchtwagenhändler den gleichartigen und gleich teuren weißen an Stelle des mangelhaften blauen Wagens). Stattdessen könnte er aber auch Preisminderung bzw Wandlung wählen. Vereinbarungen über die Verbesserung sind nach der Rspr eigene Rechtsgeschäfte, aus denen neue Erfüllungsansprüche erwachsen, die den §§ 918 ff unterliegen (9 Ob 91/04d JBl 2005, 312 mwN). B. Das Verhältnis von Verbesserungs- und Austauschanspruch. 4 Auch wenn dies im Gesetzeswortlaut nicht deutlich zum Ausdruck kommt, soll dem Übernehmer bei Gattungsschulden grundsätzlich ein freies Wahlrecht zwischen Verbesserung ieS und Austausch zustehen (Welser/Jud, Gewährleistung Rz 15 mwN). Ist eine Variante unmöglich (so insb der Austausch bei Speziesschulden), steht nur die andere zu Gebote (Abs 2 S 1); zur teilweisen Behebbarkeit Rz 7. Gegen die Wahl des einen Behelfs kann sich der Übergeber aber auch dann zur Wehr setzen, wenn diese Abhilfe im Vergleich zur anderen mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre (Abs 2 P. Bydlinski
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S 1). Obwohl von „Aufwand“ die Rede ist, dürfte nicht bloß auf Kosten-, sondern generell auf (Un-)Zumutbarkeitserwägungen abzustellen sein (vgl Krejci, VR 2001, 209, widersprüchlich jedoch 210; ausdrücklich von Unzumutbarkeit spricht Art 3 Abs 3 der Verbrauchsgüterkauf-RL). Nur so ist es zu erklären, dass bei der Konkretisierung des unverhältnismäßig hohen Aufwandes auch die Unannehmlichkeiten des Übernehmers ins Kalkül zu ziehen sind; des Weiteren sind der Wert der mangelfreien Sache sowie die Schwere des Mangels zu berücksichtigen (Abs 2 S 2). Wenn die Materialien (Erl 422 BlgNR 21. GP 17) auf die ältere Rspr zur Unverhältnismäßigkeit der Verbesserung zurückgreifen wollen (zustimmend Welser/Jud, Gewährleistung Rz 21), so wird dabei übersehen, dass früher die Frage der Behebbarkeit als solche zu entscheiden war, während es bei § 932 Abs 2 um die Wahl zwischen zwei an sich möglichen primären Behebungsbehelfen geht; die Argumentation passt daher bloß zu Abs 4 (idS nunmehr auch 8 Ob 108/06z). Beim Aufwand sind alle dem Übergeber entstehenden Kosten, nicht nur jene der reinen Behebung, zu berücksichtigen (Faber, Gewährleistungsrecht 109; I. Welser, ÖJZ 2001, 748). 5 Blickt man auf die Interessenlage, so könnte der höhere Aufwand des
Übergebers für eine Behebungsart schon dann unverhältnismäßig erscheinen, wenn sich für den Übernehmer beide Möglichkeiten im Ergebnis als gleichwertig darstellen. Diese übergeberfreundliche Sicht würde das Übernehmerwahlrecht zwar einschränken, dafür aber für Rechtsklarheit sorgen; eine Sicherheit, die ansonsten völlig fehlte. Als beachtliche Übernehmer-Unannehmlichkeit, die den Übergeber zur Vornahme der teureren Abhilfe verpflichten könnte, wäre aber etwa zu berücksichtigen, dass die Reparatur deutlich länger dauert als der Austausch, dass sich für längere Zeit zu beaufsichtigende Handwerker in der Übernehmer-Wohnung aufhalten uÄ (s Krejci, VR 2001, 209); umgekehrt könnte bei bereits erfolgtem Einbau einer Sache der Austausch größere Unannehmlichkeiten mit sich bringen als die Reparatur (Lärm und Schmutz beim Ausbau). Inwieweit der Wert der Leistung sowie die Schwere des Mangels für oder gegen Verbesserung ieS bzw Austausch sprechen könnten, ist hingegen unklar. Tendenziell werden Verbesserungskosten, die sich dem Wert der Sache nähern, unverhältnismäßig hoch iSd Abs 2 sein; umgekehrt wird ein hoher Aufwand vom Übergeber bei groben Mängeln eher hinzunehmen sein als bei leichten (s dazu etwa Jud, Schadenersatz 201 f). 6 C. Fehlschlagen des ersten Verbesserungsversuchs. Misslingt der
erste Verbesserungsversuch, kann der Übernehmer sofort auf einen Sekundärbehelf umsteigen (7 Ob 239/05f JBl 2006, 585 = ecolex 2006, 958
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562 Wilhelm; Schauer, FS Kramer, 2004, 121); auch dann, wenn vom Übergeber unverzüglich ein weiterer Verbesserungs- bzw Austauschversuch angeboten wird, der ebenfalls noch innerhalb der angemessenen Frist (Abs 3) läge. Dem Übergeber muss also keine „dritte Chance“ eingeräumt werden (Erl 422 BlgNR 21. GP 18). Manche (Faber, Gewährleistungsrecht 151; Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 16) wollen sich hingegen an Abs 4 aE orientieren, einen zweiten fristgerechten Versuch also nur dann ausschließen, wenn er für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden oder für ihn aus den dort genannten Gründen (Rz 16) unzumutbar wäre. D. Bloß teilweise Behebbarkeit. Ebenfalls heikel sind Konstellatio- 7 nen, in denen der Mangel nur zum (Groß-)Teil behebbar ist, so dass nach dem Verbesserungsversuch jedenfalls ein geringfügiger Mangel zurückbliebe; eine Fallgestaltung, die insb im Werkvertragsrecht große praktische Bedeutung haben dürfte. Auf diese Weise könnte der Übergeber seinen Entgeltsanspruch weitestgehend retten und müsste sich nur einen geringen Minderungsbetrag abziehen lassen. Entscheidend ist, wie man aufgrund der Wertungen des Gesetzes die Wendung „Verbesserung oder Austausch unmöglich“ zu verstehen hat. Die bisherigen Stellungnahmen favorisieren eine übergeberfreundliche Lösung, indem sie ihm das Recht einräumen, soweit wie möglich zu verbessern (Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 21; Rebhahn/ Kietaibl, ecolex-Script 2004/27, 2; aA Jud, Schadenersatz 165), sofern damit zu rechnen ist, dass kein ernster Mangel zurückbleibt. Eine Einschränkung auf das ursprüngliche Vorliegen geringfügiger Mängel (so aber offenbar Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 22 ff, insb 23) ist jedoch abzulehnen, da es aus der Sicht des Übernehmers nur darauf ankommt, dass der Mangel nach der Verbesserung bloß geringfügig ist. E. Durchführung der Verbesserung. Dass gemäß Abs 3 die Verbes- 8 serung in angemessener Frist und mit möglichst geringen Unannehmlichkeiten für den Erwerber zu erfolgen hat, versteht sich nahezu von selbst. Die Verbesserungsfrist muss – anders als nach § 918 (s aber auch dort Rz 13) – nicht vom Übernehmer gesetzt werden (Erl 422 BlgNR 21. GP 17) und beginnt mit Zugang des (außergerichtlichen) Verbesserungsbegehrens beim Übergeber zu laufen (Faber, Gewährleistungsrecht 125; Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 10): Bei der einzelfallbezogenen Konkretisierung der Angemessenheit (vgl 4 Ob 112/06h ecolex 2006, 989 B. Jud: Heizungsanlage-Pilotprojekt) sind nach Abs 3 HS 2 – wohl nicht taxativ – die Art der Leistung („Sache“) sowie der mit ihr verfolgte Zweck zu beachten (s 6 Ob 85/05a JBl 2006, 458; zur E etwa Augenhofer, JBl 2006, 437, 438 f; P. Bydlinski, Zak 2006, P. Bydlinski
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105 f). Dieser Zweck muss dem Übergeber zumindest erkennbar sein (Erl aaO; missverständlich Welser/Jud, Gewährleistung Rz 26 f, die eher auf den Vertragsinhalt abstellen dürften, was abzulehnen wäre; wie hier etwa Faber, Gewährleistungsrecht 114). Da wegen der bereits feststehenden Schlechterfüllung eine besondere Übergeberbegünstigung ganz ungerechtfertigt wäre, wird man die Angemessenheit eng verstehen müssen und dem Übergeber grundsätzlich (nur) jene Zeit einräumen, die bei unverzüglicher Inangriffnahme der Verbesserung für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes erforderlich ist. Allenfalls kann die Frist dann ein wenig länger sein, wenn der Übernehmer auf die Leistung (nach Art und erkennbarem Zweck) nicht dringend angewiesen ist (s § 918 Rz 12). 9 Obwohl meist in diesem Zusammenhang erörtert (s die Bsp der Erl
422 BlgNR 21. GP 17 f und dazu die aus anderen Gründen nicht überzeugende Kritik bei Welser/Jud, Gewährleistung Rz 28), haben jene Fälle mit Abs 3 mE nichts zu tun, in denen die nachträgliche Abhilfe für den Übernehmer ohne Interesse ist (dazu Rz 17), da es dabei weder um die konkrete Länge der Verbesserungsfrist noch um etwaige Unannehmlichkeiten bei der Verbesserung selbst geht. 10 Die Materialien (Erl 422 BlgNR 21. GP 17) führen aus, dass Unan-
nehmlichkeiten auch aus der langen Dauer der Abhilfe resultieren können. Zur Regelung des Abs 3 passt das nicht. Ist die Reparatur oder der Austausch aufwändig, muss eben auch die angemessene Frist entsprechend lang bemessen sein. Liegt in dieser langen Dauer jedoch eine „erhebliche Unannehmlichkeit“ iSd Abs 4, steht dem Übernehmer schon von vornherein ein Sekundärbehelf zu (vgl B. Jud in Jb Junger Zivilrechtswissenschaftler, 2001, 213). 11 Klärungsbedürftig ist schließlich die Frage, welche Rechtsfolgen Ver-
stöße gegen die Verhaltenspflichten des Übergebers gemäß Abs 3 auslösen. Für Verzögerungen sieht Abs 4 vor, dass der Übernehmer auf Sekundärbehelfe umsteigen kann. Ob der Gläubiger nunmehr wandeln kann, hängt davon ab, ob der aktuelle Zustand der neuerlich übergebenen (oder angebotenen) Sache bzw des Werkes einen nicht bloß geringfügigen Mangel darstellt (dazu Rz 19), nicht hingegen vom Zustand vor der ersten Verbesserungshandlung. Ungeregelt ist hingegen, was rechtens sein soll, wenn die Unannehmlichkeiten entgegen Abs 3 für den Übernehmer massiver als unbedingt nötig ausfallen. Abgesehen von Schadenersatzpflichten bei schuldhafter Pflichtverletzung, die immer in Frage kommen (Erl 422 BlgNR 21. GP 18 nennt Reinigungskosten), wird man auch hier ein Umsteigen des Gläubigers auf einen sekundären Gewährleistungsbehelf zu befürworten haben, 960
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wenn weitere über das Notwendige hinausgehende Unannehmlichkeiten zu befürchten sind, die insgesamt die Erheblichkeitsschwelle erreichen (s Faber, Gewährleistungsrecht 140; Reischauer, JBl 2002, 149 f). Die Wahl eines Sekundärbehelfs ist ebenso dann möglich, wenn sich erst nach Beginn der Verbesserung herausstellt, dass erhebliche Unannehmlichkeiten unvermeidbar sind. Nach vollendeter Verbesserung scheiden Sekundärbehelfe aber jedenfalls aus (Welser/Jud, Reform des Gewährleistungsrechts – GA für den 14. ÖJT II/1, 2000, 85 f ua). Die Verbesserung iwS ist – auf Kosten des Übergebers (Ofner/S 12 Rz 11; vgl 4 Ob 47/01t JBl 2002, 796; 3 Ob 24/05h) – an jenem Ort vorzunehmen, an dem die ursprüngliche Leistung zu erbringen war (SZ 55/67; Faber, Gewährleistungsrecht 140 f mwN); für das Verbrauchergeschäft s § 8 KSchG. Erlangt der Übernehmer durch die Verbesserung Vorteile, die über 13 das ursprünglich Geschuldete hinausgehen, so muss er diese in aller Regel nicht vergüten (SZ 55/29; näher mwN Fenyves, JBl 1999, 2; B. Jud, JBl 2000, 2). Ungeregelt ist auch das umgekehrte Problem, ob dem Übernehmer für jene Nachteile verschuldensunabhängige Ansprüche gebühren, dass ihm die Sache während der Reparaturzeit nicht zur Verfügung stand. Insoweit hat der Übergeber seinem Gläubiger ja auch nachträglich nicht das verschafft, was er sollte, nämlich Zug um Zug gegen Zahlung des Preises eine vertragsgemäße, sofort und auf Dauer verwendbare Sache. Das Problem ist verallgemeinerungsfähig und wäre näherer Untersuchung wert; die Vorschriften über den Verzug sprechen wohl eher dafür, dem Übernehmer für die Dauer der Verbesserung keine solchen Ansprüche zu gewähren. F. Zug-um-Zug-Einrede. Ist Verbesserung möglich, steht dem Über- 14 nehmer gegen den Entgeltsanspruch bis zur vollständigen Mangelbehebung die Einrede des nicht erfüllten Vertrages zu (Erl 422 BlgNR 21. GP 16; näher § 1052 Rz 2). Bei Geltendmachung von Preisminderung oder Wandlung greift diese Einrede hingegen nicht ein, da der Übernehmer nicht mehr seine Vertragserfüllungsansprüche verfolgt, sondern den Vertrag modifizieren bzw beseitigen will (vgl P. Bydlinski, Zak 2006, 107 mwN). Wählt der Erwerber nicht zwischen den ihm zustehenden Primär- und Sekundärbehelfen, ist er unbedingt zur Erbringung der vollen Gegenleistung zu verurteilen (vgl SZ 55/27); dies kann insb nach Ablauf der angemessenen Verbesserungsfrist der Fall sein. Keine Einrede steht auch dann zu, wenn der Gewährleistungsberechtigte die Verbesserung verhindert oder die nötige Mitwirkung unterlässt (JBl 1976, 537; HS XIV/XV/4). P. Bydlinski
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III. Die Sekundärrechte Preisminderung und Wandlung 15 A. Bei Unmöglichkeit der Verbesserung. Die sekundären Gewähr-
leistungsbehelfe der Preisminderung und der Wandlung kann der Übernehmer jedenfalls dann geltend machen, wenn Verbesserung iwS unmöglich ist (Abs 4 S 1). Wandlung kommt nach hA auch noch dann in Betracht, wenn der Übernehmer die Rückgabe der mangelhaften Sache schuldhaft vereitelt hat (2 Ob 280/04x ecolex 2006, 124 mwN der Diskussion zur alten Rechtslage). Besonderes – kein Sekundärbehelf – gilt jedoch dann, wenn die Behebung trotz Verbesserungsbereitschaft des Übergebers bzw ohne Stellung eines Verbesserungsbegehrens vom Übernehmer selbst oder durch Dritte vorgenommen wurde (s 5 Ob 191/05g JBl 2006, 518 P. Bydlinski = ecolex 2006, 746 B. Jud). Die Schlechtleistung bleibt allerdings für den Übergeber nicht folgenlos: Nach manchen (s § 1042 Rz 5) gebührt dem Übernehmer ein Anspruch gemäß § 1042 (dagegen allerdings die hA: s etwa 1 Ob 122/00y RdW 2001, 145; Dullinger, SR AT 3/98 mwN); er kann aber jedenfalls nicht mehr verlangen als jene Kosten, die dem Übergeber bei der Verbesserung entstanden wären (Kletecˇ ka, ecolex 1996, 234; ders, Gewährleistung Rz 17; Koziol, RdW 1994, 343 f). Heute wird ein Anspruch überwiegend mit der „Ersparnisvorschrift“ des § 1168 Abs 1 (s ferner etwa § 1155 Abs 1 und § 1162b S 1 ABGB; § 29 Abs 1 AngG) begründet (Bollenberger, Commodum 225 ff; P. Bydlinski, JBl 2005, 548 ff; Jud, Schadenersatz 121 ff ua). Entsprechendes muss gelten, wenn die erworbene Sache mittlerweile zerstört wurde, da es keinen Grund gibt, den mangelhaft Leistenden von jeder Verpflichtung freizustellen. War der Übergeber hingegen bereits in Verbesserungsverzug, so kann der Übernehmer ohnehin nach § 932 Abs 4 S 2 Fall 1 mindern bzw wandeln; bei verschuldeter Verzögerung stehen ihm überdies Ersatzansprüche zu (§ 933a Rz 8). 16 B. Bei Unzumutbarkeit der Verbesserung für den Übernehmer. In
einigen Fällen ist dem Übernehmer die Verbesserung durch den Übergeber nicht (mehr) zumutbar (näher etwa Augenhofer, JBl 2006, 442 f mwN). Er könnte dann zwar dennoch auf Nacherfüllung bestehen, kann aber auch den ihm zustehenden Sekundärbehelf wählen (Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 13 aE). Dies gilt nach Abs 4 S 2 bei Verweigerung der Verbesserung und nach Ablauf der angemessenen Verbesserungsfrist, wenn die Behebung für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre (so etwa durch massive Schmutz- und Lärmbeeinträchtigungen: Erl 422 BlgNR 21. GP 18; vgl ferner 4 Ob 112/06h ecolex 2006, 989 B. Jud: das gesamte Haus des Bestellers erfassende Umgestaltung der geschuldeten Heizungs962
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anlage) sowie dann, wenn sie aus in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar wäre (das zusätzliche Wörtchen „triftig“ ist ohne eigene Bedeutung, da ohnehin nur derartige Gründe Unzumutbarkeit begründen können). Eine in der Person des Übergebers liegende Unzumutbarkeit der Verbesserung wird vor allem dann anzunehmen sein, wenn die mangelhafte Leistung auf bewusstem oder grob fahrlässigem Verhalten des Übergebers beruht (s Erl aaO); ebenso bei fehlender Eignung des Übergebers zur Leistungserbringung. Dem stehen das Verhalten und die Fähigkeiten seiner Erfüllungsgehilfen gleich (s Krejci, VR 2001, 210; Reischauer, JBl 2002, 149); jedenfalls dann, wenn sie auch für die Verbesserung zuständig wären. In Analogie zu § 932 Abs 4 (gegen eine Lücke und für sehr weite 17 Auslegung der „erheblichen Unannehmlichkeiten“ Augenhofer, JBl 2006, 444), aus dem sich das Prinzip der Zumutbarkeit erschließen lässt, sind Konstellationen zu behandeln, in denen Austausch oder Verbesserung zwar möglich, für den Übernehmer jedoch ohne Nutzen wäre. Dabei ist allerdings auf Fälle einzuschränken, in denen dieser Umstand dem Übergeber zuzurechnen ist. Bsp: Die Unrichtigkeit des erstatteten graphologischen Gutachtens steht mittlerweile zweifelsfrei fest, weshalb dem Übernehmer die nachträgliche Richtigstellung durch den Übergeber nichts bringt (JBl 1985, 625 Iro); die Lieferung ordnungsgemäßen Hundefutters interessiert den Übernehmer nicht, nachdem sein Tier an dem gelieferten verdorbenen verendet ist; das Hochzeitskleid ist mangelhaft, eine Reparatur vor der Hochzeit kommt aber nicht mehr in Betracht (vgl Erl 422 BlgNR 21. GP 17). Ist die Nutzlosigkeit hingegen vom Übernehmer selbst zu verantworten oder beruht sie auf Zufall, stehen ihm nach Wortlaut und Zweck des Gesetzes wohl nur die Primärbehelfe zu. C. Bei unverhältnismäßig hohem Verbesserungsaufwand. § 932 18 Abs 4 S 1 gewährt dem Übernehmer seinem Wortlaut nach auch dann sofort die Sekundärbehelfe, wenn die Verbesserung iwS für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist. Mit dem Zweck dieser übergeberfreundlichen Regelung wäre eine solche Auslegung jedoch unvereinbar (dafür aber offenbar Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 12). Vielmehr wird man dem Übergeber gegenüber dem Verbesserungsbegehren des Übernehmers den Einwand gewähren, der dafür notwendige Aufwand sei unzumutbar hoch (Faber, Gewährleistungsrecht 118 f; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 17), wobei dann ihn die Beweislast für die Unverhältnismäßigkeit trifft (I. Welser, ÖJZ 2001, 747). Das bedeutet zugleich die Möglichkeit des Übergebers, dem Wandlungs- bzw Minderungsbegehren in einem solchen Fall mit der Erklärung entgegenzutreten, trotz des unverhältP. Bydlinski
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nismäßig hohen Aufwands zur Verbesserung bereit zu sein (Faber, Gewährleistungsrecht 122; s auch § 920 Rz 2). Ob Unverhältnismäßigkeit vorliegt, hängt vor allem von der Wichtigkeit der Behebung für den Übernehmer ab (vgl 6 Ob 274/06x mwN); sie ist daher nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil die Behebungskosten das vereinbarte Entgelt übersteigen (8 Ob 108/06z mwN: Bodenbelag). 19 D. Voraussetzungen des Wandlungsrechts. Nach § 932 Abs 4 hängt
das Wandlungsrecht von der Einordnung des Mangels als „nicht geringfügig“ ab. Konkretisierungshilfen dafür sucht man in Verbrauchsgüterkauf-RL, Gesetz und Materialien vergeblich. Dass eine Wandlung dann nicht stattfinden soll, wenn die Vertragsauflösung unverhältnismäßig wäre (Erl 422 BlgNR 21. GP 19; K/W II 75 f), umschreibt bloß das Abgrenzungsproblem mit anderen Worten. Ein denkbarer irrtumsrechtlicher Ansatz (Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 19) überzeugt nicht vollständig (ebenso Reischauer, JBl 2002, 142 FN 27). ME spielen sowohl objektive als auch subjektive Momente eine Rolle: Zu beachten ist jedenfalls die objektive Wertminderung (vgl Krejci, VR 2001, 211), die ab einem Viertel sicherlich nicht mehr geringfügig ist. Doch auch der deklarierte Erwerbszweck sollte mitberücksichtigt werden (Kerschner/Bydlinski, Fälle und Lösungen 16; zust OGH 8 Ob 63/05f Zak 2005, 23 Bollenberger = JAP 2005/2006, 120 Schopper). Danach kann etwa ein Erwerber auch dann vom Vertrag loskommen, wenn er deklariertermaßen ein Stück für seine hochwertige Sammlung kauft, das sich in der Folge als bloß leicht mangelhaft erweist. Aus diesem Ansatz folgt, dass das Fehlen besonders bedungener, nicht gewöhnlicher vorausgesetzter Eigenschaften regelmäßig die Wandlung ermöglicht (vgl RS0018718; 7 Ob 239/05f JBl 2006, 585 mwN = ecolex 2006, 562 Wilhelm), da der Übernehmer damit sein besonderes Interesse an diesen Umständen deutlich gemacht hat. Näher zum Problem Bollenberger, RdW 2002, 713; Jud, Schadenersatz 295 ff; Kletecˇ ka, RdW 2003, 612, jeweils mwN. Zu weit geht hingegen JBl 2006, 585, wo allein wegen der Vereinbarung, einen bestimmten Fehler bis zur Übergabe zu beheben, nach einem misslungenen Verbesserungsversuch das Wandlungsrecht bejaht wird, obwohl die Behebungskosten nur etwa 5% des Kaufpreises betragen und die Reparatur offenbar von jedem Fachmann durchgeführt werden kann. Entsprechende Vereinbarungen sind bei vorweg erkannten Mängeln (hier: Ölverlust) ja ganz unabhängig von ihrem Gewicht üblich. Mangels besonderer Abreden geringfügig sind etwa leichte Geräusche eines Schaltgetriebes, auch bei höherwertigen Autos (1 Ob 14/05y EvBl 2005/181 Ch. Rabl; dazu etwa P. Bydlinski, JBl 2005, 681, 688 f; Proschak, ÖJZ 2005, 900); nicht bloß geringfügig hingegen eine zu schwache Heizung bei einem Fahrzeug mit aufzahlungspflich964
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tigem Luxuspaket inklusive Klimaanlage (Zak 2005, 23 Bollenberger [auch zur ersten E]) oder ein gestörter Geradeauslauf (7 Ob 194/05p ZVR 2006/91 Kathrein und Bauer); ebenso wenig die Heizung eines Einfamilienhauses, die nur einen Raum beheizt (vgl 4 Ob 112/06h ecolex 2006, 989 B. Jud). E. Übernehmerwahlrecht bei nicht geringfügigen Mängeln. Trotz 20 insoweit nicht allzu klarer Formulierung wird § 932 Abs 4 bei Vorliegen nicht geringfügiger Mängel ein freies Wahlrecht des Übernehmers entnommen: Er kann sich auch dafür entscheiden, die Leistung zu behalten und dafür deutlich weniger zu bezahlen. Das überzeugt insb dann, wenn man die Grenze der Geringfügigkeit eher niedrig ansetzt, so dass auch nicht bloß geringfügig mangelhafte Sachen noch sinnvoll verwendet werden können. Einer Minderung bis auf Null, womit der Übergeber weder einen Zahlungs- noch einen Rückforderungsanspruch hätte, steht der OGH für den Werkvertrag jedenfalls bei Arbeiten an einer Sache des Werkbestellers positiv gegenüber (3 Ob 130/97g ecolex 1999, 18), während er für den Kaufvertrag große Reserve zeigt (6 Ob 221/98p JBl 1999, 115; 7 Ob 212/06m: kontaminiertes Grundstück; bejahend allerdings zum UN-K in 3 Ob 193/04k SZ 2005/78 = ecolex 2005, 768 Wilhelm); zum Problem mwN etwa auch Augenhofer, VR 2000, 47; Bollenberger, RdW 2002, 717 („Scheinproblem“); Faber, Gewährleistungsrecht 146; B. Jud in Jb Junger Zivilrechtswissenschaftler (2001) 224 f. F. Berechnung des Minderungsbetrages. Ausgehend vom zentralen 21 Zweck des Gewährleistungsrechts (Herstellung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung; s § 922 Rz 6), spricht sich die hA (SZ 26/185; 6 Ob 221/98p JBl 1999, 115; RS0018764; Erl 422 BlgNR 21. GP 18; K/W II 77 uva; aA Reischauer/R Rz 8) für die relative Berechnungsmethode aus: Der – gesuchte – geminderte Preis (p) verhält sich zum vereinbarten wie der Wert der Leistung mit Mangel zum Wert ohne Mangel (p:P = w:W). Bsp: Wurde eine Sache mit dem objektiven Wert von 100 als mangelfrei um 75 verkauft und ist die gelieferte mangelhafte Sache nur 80 wert, mindert sich der Kaufpreis auf 60 (und nicht etwa um die gesamte Wertdifferenz iHv 20 auf 55). Zur Berechnung der Preisminderung im Reiserecht („Frankfurter Tabelle“) s Michitsch, ZVR 2006, 340; 6 Ob 251/05p RdW 2006, 205 Bläumauer. G. Qualifikation, Geltendmachung und Wirkungsweise der Sekun- 22 därbehelfe. Auch wenn in § 932 Abs 1 weiterhin unpräzise von „fordern“ die Rede ist, ist die Einordnung der Rechte auf Wandlung bzw Minderung als Gestaltungsrechte anerkannt (Welser/Jud, Gewährleistung Rz 29; ungenau daher etwa 4 Ob 112/06h ecolex 2006, 989 P. Bydlinski
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B. Jud). Sofern es zu keiner einvernehmlichen Lösung kommt, bedürfen sie gerichtlicher Geltendmachung mittels Klage oder Einrede (§ 933 Rz 4). Erfolgreiche Geltendmachung führt zu einer entsprechenden Rechtsänderung (Vertragswegfall bzw Reduktion von Leistung und Gegenleistung) mit schuldrechtlicher Rückwirkung (ecolex 2006, 989 B. Jud). Danach zu viel Gezahltes kann nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden (§ 1435 Rz 1). Zum Ausgleich von vor der Rückgabe gezogenen Vorteilen etwa 2 Ob 142/06f (wo Wertverlust und Benützungsvorteile wohl zu Unrecht gleich behandelt werden); Faber, Gewährleistungsrecht 149, jeweils mwN. IV. Die Behandlung „unerheblicher“ Mängel 23 Nach altem Recht hatte eine unerhebliche Wertminderung „außer
Betracht“ zu bleiben (§ 932 Abs 2 aF). Mit dem GewRÄG wurde diese Vorschrift gestrichen, zugleich aber betont, dass sich an der Rechtslage insoweit nichts ändern solle (Erl 422 BlgNR 21. GP 19; zustimmend Welser/Jud, Gewährleistung Rz 38). Abgesehen von praktischen Abgrenzungsproblemen (s nur wbl 1987, 37: bei über öS 4 Mio Werklohn Verbesserungsaufwand von etwa öS 56.000) spricht auch rechtlich vieles gegen diese Sicht: So lässt die Verbrauchsgüterkauf-RL in keiner Weise erkennen, dass es Mängel geben kann, deren Vorliegen keine Rechtsfolgen auslöst (ebenso die Regierungsbegründung zum neuen § 439 BGB, BT-Dr 14/6040, 231). Vielmehr ist im ersten Schritt zu fragen, ob überhaupt ein Mangel vorliegt (so wohl zumindest im Ergebnis auch der Ansatz von Apathy, JBl 2001, 481). Bejaht man dies, so ist bei ganz geringen Mängeln eine geringfügige Rechtsfolge durchaus sachgerecht; niemals aber der Fortfall aller Gewährleistungsbehelfe des Übernehmers. Richtlinienkonforme Interpretation des § 932, der überdies keinerlei Differenzierung innerhalb der geringfügigen Mängel enthält, lässt keine Ausnahme zu (Kerschner/Bydlinski, Fälle und Lösungen 16 f; noch etwas vorsichtig idS Faber, Gewährleistungsrecht 134 f, der allerdings für von der Verbrauchsgüterkauf-RL nicht erfasste Fälle wenig beifallswert eher zur Lösung der Materialien – und damit zu einer „gespaltenen Lösung“ – tendiert). V. Verbesserungsvorrang im Irrtumsrecht? 24 Will der Übernehmer einen Eigenschaftsirrtum geltend machen, ist zu differenzieren: Hätte er sich bei Kenntnis des Mangels auf eine Verbesserung durch den Übergeber nicht eingelassen (sondern etwa weniger geboten: vgl P. Bydlinski, JBl 2006, 521), bleibt es bei Anpassung oder Anfechtung. Ansonsten kann der Übergeber die Anfechtung/Anpassung durch Klaglosstellung verhindern (s § 871 Rz 22), 966
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was zumindest ein ernsthaftes Angebot zur Mangelbeseitigung voraussetzt (näher Jud, Schadenersatz 76 ff). § 932a. Während des Rechtsstreites über die Aufhebung des Vertrages wegen eines Viehmangels hat das Gericht auf Antrag einer der Parteien, sobald die Besichtigung nicht mehr erforderlich ist, durch einstweilige Verfügung den gerichtlichen Verkauf des Tieres und die gerichtliche Hinterlegung des Erlöses anzuordnen. [III. TN] Lit: P. Bydlinski, Grundfragen der Gewährleistung für Viehmängel, JBl 1982, 225.
Die jedem Streitteil eingeräumte Möglichkeit, das Tier gerichtlich 1 verkaufen zu lassen, soll primär das Anwachsen von Erhaltungskosten vermeiden. Auch ist nach einem solchen Verkauf der etwaige Streit über die Tragung dieser (nur bis zum Verkauf aufgelaufenen) Kosten von geringerer Tragweite; uU ist auch die Vergütung vom Erwerber trotz des Mangels gezogener Nutzungen klärungsbedürftig (Mat zur III. TN 41 f). Für den Antrag müssen bloß zwei Voraussetzungen vorliegen: kein 2 Bedarf an einer (weiteren) Untersuchung des Tieres zwecks Klärung der Mangelfrage und Anhängigkeit eines Rechtsstreits über die Vertragsaufhebung wegen eines Viehmangels (§ 933 Rz 14), wobei es keine Rolle spielt, ob das Begehren berechtigt ist. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der EO und anderer Vorschriften, die die Gefährdung des Anspruchs der antragstellenden Partei verlangen (etwa § 394 EO) sind nicht zu beachten (Reischauer/R Rz 4). Ein Prozess, in dem bloß Preisminderung geltend gemacht wird, reicht hingegen nicht aus, weil das Tier dann jedenfalls beim Erwerber bleiben soll. Überzeugend ist die (analoge) Anwendung dieser Bestimmung auf die Irrtumsanfechtung, jedenfalls soweit sie sich auf einen entsprechenden Eigenschaftsirrtum stützt. § 932a soll aufgrund seiner ratio (Rz 1) sinngemäß aber überhaupt auf alle Prozesse anzuwenden sein, in denen es um Aufhebung des über ein Tier geschlossenen Erwerbsvertrages (Kauf oder Tausch) geht (Gschnitzer/K IV/1, 549; Reischauer/R Rz 3); also auch bei Anfechtung wegen laesio enormis (§ 934), sogar wenn kein Mangel behauptet wird (Reischauer, aaO). Damit wird auch der Einschränkung auf „Vieh“ keine Beachtung geschenkt (SZ 12/238). Der gerichtlich hinterlegte Erlös gebührt nach rechtskräftiger Ent- 3 scheidung demjenigen, dem ohne Verkauf das Tier zustünde; also bei P. Bydlinski
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erfolgreicher Wandlung dem Verkäufer, sonst dem Käufer. Bei erfolgter Vertragsaufhebung ist zwar das Zug-um-Zug-Prinzip (§ 921 Rz 4) zu beachten; beim Kauf kann die Rückabwicklung jedoch zumindest teilweise durch Kompensation erfolgen, da nunmehr beide Forderungen auf Geld gerichtet sind. 4 § 932a kommt auch beim Kauf von Vieh durch einen Verbraucher zur
Anwendung (§ 9 Abs 2 KSchG e contrario). Verjährung § 933. (1) Das Recht auf die Gewährleistung muss, wenn es unbewegliche Sachen betrifft, binnen drei Jahren, wenn es bewegliche Sachen betrifft, binnen zwei Jahren gerichtlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Tag der Ablieferung der Sache, bei Rechtsmängeln aber erst mit dem Tag, an dem der Mangel dem Übernehmer bekannt wird. Die Parteien können eine Verkürzung oder Verlängerung dieser Frist vereinbaren. (2) Bei Viehmängeln beträgt die Frist sechs Wochen. Sie beginnt bei Mängeln, für die eine Vermutungsfrist besteht, erst nach deren Ablauf. (3) In jedem Fall bleibt dem Übernehmer die Geltendmachung durch Einrede vorbehalten, wenn er innerhalb der Frist dem Übergeber den Mangel anzeigt. [idF BGBl I 2001/48] Lit a) zur Rechtslage vor 1.1.2002: P. Bydlinski, Zum Beginn des Fristenlaufs im Gewährleistungsrecht, RdW 1986, 235; Kurschel, Baumängel: Rücktritt wegen Verbesserungsverzuges nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, ecolex 1991, 229; Wilhelm, Gewährleistungsfristen beim erfolglosen Verbesserungsversuch, RdW 1986, 102; b) zur Rechtslage seit 1.1.2002: Reischauer, Ein Plädoyer für die Möglichkeit der außergerichtlichen Wandlung und Minderung (§ 933 ABGB) ..., FS Welser (2004) 901. S auch bei § 922. Übersicht I. Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Relevante Unterscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Mängelrüge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Rechtsgeschäftliche Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachmängel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Fristlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fristbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Fehlerhafte Verbesserung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Fristbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fristlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besonderheiten bei Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten bei Viehmängeln (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Begriff „Viehmangel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konkurrenz zum Irrtumsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Tierkauf nach KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Grundsätzliches A. Ratio. Die Gewährleistungsfristen haben primär den Zweck, nach 1 einer gewissen Zeit Streitigkeiten über den Zustand einer Leistung im Zeitpunkt ihrer Erbringung abzuschneiden. Hauptgrund dafür ist die immer größer werdende Beweisunsicherheit. Überdies soll der (redliche) Übergeber nach längerer Zeit von reibungsloser Abwicklung des konkreten Geschäfts ausgehen können (ausführlich zur ratio – wenn auch noch zu § 933 aF – etwa Böhler, Mängelrüge 45 ff; Krejci, Reform 131; 2 Ob 597/89 ecolex 1990, 408 Wilhelm). Die Fristen liegen vor allem im Interesse des Übergebers, so dass die nunmehrige Qualifikation als Verjährungsfrist (s die Überschrift vor § 933 und die Erl 422 BlgNR 21. GP 19) sachgerecht ist, da ihr Ablauf nur über Einwendung des Übergebers beachtet werden darf (§ 1501). Zur Möglichkeit einer verjährungsunterbrechenden Feststellungsklage s § 932 Rz 1. B. Relevante Unterscheidungen. Abs 1 enthält Differenzierungen: 2 einerseits zwischen unbeweglichen und beweglichen Sachen, wobei Viehmängel eine Sonderbehandlung erfahren, und andererseits zwischen Sach- und Rechtsmängeln. Die erste Unterscheidung knüpft an § 293 an. Daher gehört ein demontierbarer Tanzboden zu den beweglichen Sachen (JBl 1987, 662); ebenso Computer-Software (5 Ob 504, 505/96 JBl 1998, 577 Staudegger = ecolex 1998, 127 Wilhelm; Staudegger in Jahnel/Schramm/Staudegger, Informatikrecht 2 , 2002, 111) sowie Baumaterial wie Ziegel oder Dachfolie, sofern der Übergeber keine Montagepflichten übernommen hat (SZ 47/118; SZ 58/208; 7 Ob 2129/96f HS 27.596). Unbeweglich sind hingegen Liegenschaften, aber auch Leistungen, die sich auf unbewegliche Sachen beziehen, wie das Ausmalen und Verfliesen oder das Setzen eines Kachelofens (EvBl 1957/257; 2 Ob 597/89 ecolex 1990, 408 Wilhelm; 1 Ob 679/90 JBl 1992, 245). Unternehmen wurden nach altem Recht von der hA in Hinblick auf die Gewährleistungsfrist den Regeln über unbewegliche Sachen unterworfen (3 Ob 520/94, 3 Ob 559/95 SZ 68/152 = P. Bydlinski
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ecolex 1996, 15 Puck; 4 Ob 1657, 1658/95 ecolex 1996, 247 Puck; s ferner etwa Puck, Der Unternehmenskauf, 1996, 110 mwN; zur Behandlung des bloßen Anteilserwerbs etwa Kepplinger/Duursma, ZfRV 2001, 90 ff). Pragmatisches Hauptargument für diese Zuordnung war aber offenbar, dass die Sechsmonatefrist als zu kurz empfunden wurde, da sich Unternehmensmängel häufig erst später zeigen (Stainer, Die Gewährleistung beim Unternehmenskauf, 1993, 10); ferner, dass Unternehmen wie Liegenschaften häufig einen hohen Wert haben und bloß bei beweglichen Sachen ein besonderes Interesse an rascher Abwicklung besteht (s Pisko, Das Unternehmen, 1907, 52). Aufgrund der zum 1.1.2002 erfolgten Vervierfachung der Frist auf 2 Jahre sowie des Umstandes, dass Unternehmen an sich den beweglichen Sachen zugezählt werden (Klang/K II 34; Klicka/S § 302 Rz 5 ua), erscheint nunmehr die Anwendung der 2-Jahres-Frist vorzugswürdig (ebenso wohl Ofner/S Rz 6). 3 Sachmängel sind Beeinträchtigungen der Sachsubstanz, nicht des
erworbenen Rechts. Somit liegt etwa auch dann ein Sachmangel vor, wenn das als Original verkaufte Gemälde von einem Fälscher stammt (7 Ob 603/91 SZ 64/190; 7 Ob 136/02d SZ 2002/144), wenn das tatsächliche Gewicht des verkauften Tieres unter dem vereinbarten liegt (SZ 1/19) oder wenn eine Reiseleistung mangelhaft erbracht wurde (HG Wien 1 R 517/90 ZVR 1992/51 M. Bydlinski 112; Bläumauer, Reiserecht, 2000, 88). Auch eine uneinbringliche Forderung ist „nur“ sachmangelhaft (Reischauer/R §§ 922, 923 Rz 8a); ebenso die Liegenschaft, die bei Übergabe von einem titellosen Benutzer bewohnt wird. Rechtsmängel sind hingegen dadurch charakterisiert, dass dem Übernehmer nicht die geschuldete rechtliche Position, nämlich regelmäßig freies Eigentum, verschafft wurde (SZ 67/231; 6 Ob 312/97v wobl 1998, 345 M. Mohr). Neben der Nichtverschaffung des Eigentums gehören die vertragswidrige Belastung des Vertragsgegenstandes mit Rechten Dritter (Pfandrecht, Dienstbarkeit, Mietrecht, Urheberrecht uÄ: SZ 54/152 JBl 1983, 253 Posch) sowie mit öffentlichrechtlichen Belastungen bzw Einschränkungen (Legalservitut, fehlende Bau- oder Betriebsanlagengenehmigung: JBl 1960, 492; JBl 1987, 383; 6 Ob 390/97i RdW 1998, 606) dazu. Weniger überzeugend ist die Annahme eines Rechtsmangels bei Erwerb eines Wasserbenutzungsrechts, wenn die zugesagte Wasserdurchflussmenge deutlich unterschritten wird (1 Ob 43/92 SZ 66/129 = ecolex 1994, 224 Puck). 4 C. Geltendmachung. Gewährleistungsrechte sind kraft ausdrück-
licher Anordnung (§ 933 Abs 1) innerhalb der einschlägigen Frist gerichtlich geltend zu machen (vgl § 1497). Außergerichtliche Mangelanzeige innerhalb der Frist ist allerdings nicht wirkungslos. Da der 970
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Übergeber nunmehr mit Mängeln rechnen muss und sich auf einen Streit darüber einstellen kann, bleibt dem Übernehmer die Berufung auf Mangelhaftigkeit bei späterer Einklagung der Gegenleistung durch den Übergeber mittels Einrede dauerhaft möglich (Abs 3); offensives Vorgehen des Übernehmers mittels Klage (auf Verbesserung oder – teilweise – Rückzahlung) kommt nach Fristablauf hingegen nicht mehr in Betracht. Bei mehreren Mängeln bleibt die Einrede nur hinsichtlich jener Fehler erhalten, die innerhalb der Frist angezeigt wurden. Ebenso wenig hemmen Vergleichsverhandlungen (dazu § 1494 Rz 3) wegen des einen Mangels den Fristablauf wegen eines anderen. Auch eine Feststellungsklage (zu deren Zulässigkeit § 932 Rz 2 aE) reicht nach ständiger Judikatur (RS0018858) zur Vermeidung der Verjährung aus. Festgestellt wird allerdings bloß die Gewährleistungspflicht an sich, was dem Berechtigten aber immerhin Zeit gibt, weitere Klärungen anzustellen. Auch ein Umsteigen auf einen anderen Behelf im Prozess nach Fristablauf wird als zulässig angesehen (s nur 7 Ob 212/06m). Im Rahmen des § 932 kommt ferner bereits dem außergerichtlich er- 5 hobenen Verbesserungsbegehren rechtliche Bedeutung zu. So setzt es insb die angemessene Abhilfefrist in Gang, nach deren fruchtlosem Ablauf der Übernehmer auf Sekundärbehelfe umsteigen kann. D. Mängelrüge. Eine gesonderte Mängelrüge ist nach ABGB nicht 6 vorgesehen, aus Beweisgründen aber immer ratsam. Für den Übernehmer strengere Vorschriften enthalten jedoch § 31e Abs 2 KSchG (Reiseveranstaltungsvertrag), die §§ 377 f UGB (Handelskauf) sowie die Art 38 f UN-K. E. Rechtsgeschäftliche Abweichungen. Kraft ausdrücklicher An- 7 ordnung sind sowohl Verkürzungen als auch – abweichend von § 1502 – Verlängerungen der gesetzlichen Fristen durch Vereinbarung grundsätzlich zulässig (für bloße Verlängerung trotz Bezeichnung als „Garantie“ wohl zu Recht 1 Ob 113/05g RdW 2006, 428). Zu Lasten von Verbrauchern kommen Verkürzungen nur in ganz eng umschriebenen Grenzen in Betracht (§ 9 Abs 1 KSchG; dazu dort Rz 1). Ansonsten können massive Verkürzungsabreden wegen Sittenwidrigkeit an § 879 scheitern (vgl § 929 Rz 3 ff). II. Sachmängel A. Fristlänge. Die Frist für bewegliche Sachen wurde durch das 8 GewRÄG von sechs Monaten auf zwei Jahre erhöht, während für unbewegliche Sachen nach wie vor drei Jahre gelten (Abs 1 S 1). Zur Sonderregelung des Abs 2 für Viehmängel s Rz 18 ff. P. Bydlinski
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9 B. Fristbeginn. Die Frist beginnt mit dem Tag der Ablieferung der
Sache zu laufen (Abs 1 S 2). Das ist der Zeitpunkt, in dem der Übernehmer die gesamte (körperliche) Leistung in die Hand bekommt (s Erl 422 BlgNR 21. GP 20) und damit überprüfen kann. Das gilt auch bei mitgelieferter fehlerhafter Montageanleitung. Hingegen liegt noch keine vollständige Ablieferung vor, solange die geschuldete Einschulung durch den Softwarelieferanten fehlt (5 Ob 504, 505/96 JBl 1998, 577 Staudegger = ecolex 1998, 127 Wilhelm). Bei fehlender körperlicher Übergabe (Besitzkonstitut, Besitzanweisung, Versendungskauf uÄ) tritt an die Stelle der Ablieferung die erstmalige Überprüfungsmöglichkeit durch den Übernehmer (Ofner/S Rz 9 ua). Zum Fristbeginn bei Werkverträgen s § 1168a Rz 4; zum Problem, dass der Übernehmer zunächst (gerichtlich) einen Sekundärbehelf geltend macht und sich erst nach Ablauf der Verjährungsfrist ergibt, dass ihm bloß ein Verbesserungsanspruch zusteht, P. Bydlinski, Zak 2006, 107 f mwN. 10 Schon vor dem GewRÄG ging die wohl hA (2 Ob 535/90 SZ 63/171 =
ecolex 1991, 84 Wilhelm; 7 Ob 603/91 SZ 64/190; 1 Ob 536/90 JBl 1990, 648 Reischauer; K/W II 80 mwN) davon aus, dass der Ablieferungszeitpunkt ansonsten (Rz 9) mangels abweichender Vereinbarung ausnahmslos gelte; die Materialien (Erl 422 BlgNR 21. GP 20) betonen diese Position nochmals ausdrücklich. Ob dem Übernehmer die Mangelerkennung theoretisch bzw mit angemessenen Mitteln überhaupt möglich war, bleibt danach unbeachtlich (für mehr oder weniger weit reichende Einschränkungen in solchen Fällen hingegen etwa Böhler, Mängelrüge 50 ff; P. Bydlinski, RdW 1986, 237 ff; Mayrhofer, SR AT 451; Reischauer/R Rz 3a); näher zum Problem Rz 11 f. Da es nach der ratio des § 933 auf stark typisierte (abstrakte) Erkennbarkeit ankommt, ist auch beim Erwerb von Grundstücken auf die Verschaffung des körperlichen Besitzes, nicht auf den (späteren) Eigentumserwerb abzustellen (SZ 43/152; ImmZ 1975, 106; HS 10.911; aA noch SZ 34/146). 11 Kann ein konkreter Mangel mit zumutbaren Mitteln im Zeitpunkt
der Ablieferung nicht erkannt werden, besteht wegen der nunmehr deutlich verlängerten Frist in vielen Fällen kein besonderes Problem: Tritt der Mangel innerhalb der Frist zu Tage, kann er ja ohnehin noch geltend gemacht werden. Nach dem Konzept des § 933 sind die Sachmängelfristen keine reinen Geltendmachungsfristen (s Rz 1). 12 Deutlich anders fallen die Wertungen dann aus, wenn es sich um
Mängel handelt, die sich ihrer Art nach, also typischerweise, erst nach Fristablauf zeigen. Zu denken ist an Vertragsgegenstände, zu deren geschuldeten Eigenschaften die Haltbarkeit über mehrere Jahre gehört, wie Baumaterial, Tanks, Dachziegel oder Teich- und Dachfolien 972
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(vgl SZ 39/7). In solchen Fällen darf der Übergeber nach Ablauf der Frist des § 933 gerade (noch) nicht davon ausgehen, er habe vertragsgemäß erfüllt. Wortgetreue Anwendung des § 933 Abs 1 würde aber häufig dazu führen, dass der Übernehmer überhaupt keine Gewährleistungsrechte (anders für Ersatzansprüche nach § 933a: s dort Rz 11 ff) geltend machen könnte: vor Fristablauf nicht, weil sich der Mangel noch nicht zeigt; danach nicht, weil die Frist abgelaufen ist. Daher hat auch die Rspr zuweilen nach Auswegen gesucht. Jedenfalls im Ansatz überzeugend ist die Auffassung, dass in der Vereinbarung (Zusicherung) bestimmter Eigenschaften, deren (Nicht-)Vorliegen erst in späterer Zeit erkannt werden kann (daher nicht etwa beim Verkauf eines Gemäldes, das sich später als gefälscht herausstellt: 7 Ob 603/91 SZ 64/190), zugleich eine stillschweigende Abweichung von § 933 Abs 1 liegt. Inhaltlich wird dabei ein Hinausschieben des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Mangelerkennbarkeit favorisiert (SZ 17/89; SZ 39/7; 2 Ob 535/90 SZ 63/171 = ecolex 1991, 84 Wilhelm; 5 Ob 504, 505/96 JBl 1998, 577 Staudegger = ecolex 1998, 127 Wilhelm; Kurschel, Gewährleistung 97 ff ua). Dieser vertragsrechtliche Ansatz wird aber spätestens dann scheitern, wenn sich die Mindesthaltbarkeitsdauer nicht aus speziellen Abreden, denen man ein Abweichen von § 933 Abs 1 entnehmen kann, sondern „nur“ aus den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften (bzw dem offen gelegten Verwendungszweck) ergibt. Auch hier noch von stillschweigenden Fristabreden auszugehen, wäre Fiktion und eine unzulässige Überspannung des § 863. Daher bleibt es auch nach neuem Recht dabei, dass zumindest für diese Konstellation sachgerechte Lösungen bloß über eine Analogie zum Fristbeginn bei Rechtsmängeln (Rz 15) möglich sind (so zur alten Rechtslage Böhler, Mängelrüge 53; P. Bydlinski, RdW 1986, 238 f; Mayrhofer, SR AT 451; ebenso auch zum neuen Recht Reischauer, JBl 2002, 154). Dem Gesetzgeber des GewRÄG, der nur allgemein von verborgenen Mängeln spricht (Erl 422 BlgNR 21. GP 20), kann nicht unterstellt werden, dass er den Übernehmer in solchen Fällen vollkommen rechtlos stellen wollte. C. Fehlerhafte Verbesserung. Aus Übernehmersicht ebenfalls pro- 13 blematisch sind jene Fälle, in denen sich nach Verbesserungsversuchen durch den Übergeber später neuerlich ein Mangel zeigt; insb dann, wenn seit der erstmaligen Ablieferung der Leistung die Gewährleistungsfrist bereits verstrichen ist. Drei Fallgruppen sind zu unterscheiden: 1. Der Übernehmer bemerkt den Mangel, bevor er die Leistung neuerlich übernimmt. 2. Die Verbesserung stellt sich erst im Nachhinein als (teilweise) misslungen heraus. 3. Die „Verbesserung“ hat zum Entstehen neuer Fehler an der Sache geführt, die erst nach P. Bydlinski
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Übernahme erkannt werden. Für die ersten beiden Gruppen reicht die Bejahung eines deklarativen Anerkenntnisses, das in der Zusage bzw dem Versuch der Verbesserung liegt, regelmäßig aus, damit die ursprüngliche Gewährleistungsfrist infolge Unterbrechung gemäß § 1497 nochmals zu laufen beginnt (SZ 50/85; 7 Ob 541/95 RdW 1996, 108 = ecolex 1996, 251 Wilhelm ua; etwas abweichend Reischauer/R Rz 5, der insoweit auf die vorbehaltslose Übernahme der „verbesserten“ Leistung abstellt; s auch § 933a Rz 13). 14 Die dritte Konstellation ist dadurch charakterisiert, dass der neue
Fehler bei der ersten Ablieferung noch nicht vorhanden war, weshalb Gewährleistungsrechte an § 924 scheitern könnten. Allerdings ist die Sache vom/beim Übergeber verschlechtert worden, was eine Gleichbehandlung mit dem ursprünglichen Mangel rechtfertigt. Damit beginnt die Gewährleistungsfrist hinsichtlich des neuen Mangels, für dessen Entstehen in der neuerlichen Obhut des Übergebers der Übernehmer beweispflichtig ist, mit der Übergabe der „verbesserten“ Sache zu laufen (vgl Faber, Gewährleistungsrecht 172; ebenso – noch zu § 933 aF – Kurschel, Gewährleistung 115 f; s ferner 10 Ob 105/05x ecolex 2006, 829, wo allerdings so weit formuliert wird, dass der Übernehmer auch hinsichtlich „alter“ und vom Verbesserungsbegehren nicht erfasster Mängel in den Genuss des neuerlichen Fristbeginns käme). III. Rechtsmängel 15 A. Fristbeginn. Bei Rechtsmängeln beginnt die Verjährungsfrist erst
mit Erlangung der Kenntnis vom Recht eines Dritten (Abs 1 S 2). Damit ist die Frist eine reine Geltendmachungsfrist. Anspruchserhebung durch einen Dritten reicht nicht aus; umgekehrt kann Kenntnis von der Drittberechtigung auch schon vorher gegeben sein. Das zum alten Recht vertretbare Abstellen auf die (bloße) Erkennbarkeit des Rechtsmangels (6 Ob 531/91, 552/92 ecolex 1992, 628 Wilhelm; 1 Ob 43/92 SZ 66/129 = ecolex 1994, 224 Puck; Reischauer/R Rz 3c; anders die Erl 422 BlgNR 21. GP 20 und etwa Krejci, Reform 135 f) stünde zu § 933 nF in Widerspruch (dennoch für Fristbeginn mit Erkennbarkeit Dullinger, SR AT Rz 3/126; Reischauer, JBl 2002, 154). Entscheidend ist vielmehr das für den Übernehmer unzweifelhafte Bestehen des Mangels (vgl K/W II 80). Die Differenzierung zwischen Rechtsund Sachmängeln ist damit zu rechtfertigen, dass Sachmängel durch Prüfung des Leistungsgegenstandes nach Ablieferung regelmäßig erkennbar sind, Rechtsmängel hingegen nicht. 16 B. Fristlänge. Mangels abweichender Anordnung können Rechts-
mängel ab Kenntnis zwei (bewegliche Sachen) bzw drei Jahre (unbe974
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wegliche Sachen) lang geltend gemacht werden. Diese Regel ist in zweifacher Weise wenig sachgerecht, de lege lata aber hinzunehmen: Bei Anknüpfen an die Mangelkenntnis kann die Differenzierung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen nicht überzeugen; ebenso erscheint die Geltendmachungsfrist für verschuldensunabhängige Ansprüche überlang (vgl Krejci, Reform 148 f, 150 f). Die Verbrauchsgüterkauf-RL kann nicht als Rechtfertigung dienen, da sie Rechtsmängel nicht erfasst (Faber, Gewährleistungsrecht 30; B. Jud, ÖJZ 1997, 442; Welser/Jud, Reform des Gewährleistungsrechts – GA für den 14. ÖJT II/1, 2000, 49 f). C. Besonderheiten bei Rückabwicklung. Kommt es aufgrund des 17 klassischen Rechtsmangels, nämlich des Fremdeigentums, zur Wandlung, trifft den Übernehmer – anders als sonst – nicht die Pflicht, die Sache an den Übergeber zurückzustellen. Vielmehr kann er seine Leistung auch dann zurückfordern, wenn er die Sache dem Eigentümer übergibt bzw für diesen bereit hält (vgl K/W II 290). Im Verhältnis zum Eigentümer wäre Rückstellung an den Übergeber überhaupt nur mit seiner Zustimmung zulässig. IV. Besonderheiten bei Viehmängeln (Abs 2) A. Der Begriff „Viehmangel“. Der OGH hat zuletzt im Jahre 1979 18 vertreten, dass die Sondervorschrift des § 933 Abs 2 nur für landwirtschaftlich genutzte Tiere gelte, nicht hingegen für Reit- und Springpferde (EvBl 1979/113; davor SZ 9/291; SZ 26/128) oder Chinchillas (EvBl 1962/284). Auf „Vieh“ in diesem engen Sinn soll die kurze Frist aber bei jedem Sachmangel anwendbar sein; so zB bei Trächtigkeitszusagen (SZ 3/16 und SZ 17/89; gegenteilig SZ 9/291) oder bei zugesagter Milchleistung einer Kuh (SZ 26/128). Demgegenüber lehnt die jüngere Lehre überwiegend die Differenzierung zwischen „Vieh“ im landwirtschaftlichen Sinn und anderen Tieren ab (P. Bydlinski, JBl 1982, 226 ff; Fischer-Czermak, FS Krejci, 2001, 1169; Krejci, Reform 149, jeweils mwN). Konsequenz einer solchen Unterscheidung wäre ja insb das ganz unsachliche Ergebnis, dass ein und dieselbe Tierkrankheit einmal innerhalb von 6 Wochen – uU nach Ablauf einer vorzuschaltenden Vermutungsfrist – und einmal innerhalb von zwei Jahren geltend gemacht werden müsste. Gegen eine derartige Differenzierung spricht überdies die klare ratio der extrem kurzen Frist, die in der raschen Zustandsveränderung solcher Lebewesen liegt (P. Bydlinski, JBl 1982, 226; Ehrenzweig, System II/1, 226 ua; s etwa auch SZ 12/238 zu § 932a). § 933 Abs 2 gilt also für Krankheiten aller Tiere und für alle Tierkrankheiten (zur Miterfassung von Verhaltensstörungen bzw „Untugenden“ vgl § 925 Rz 3). Für TierkrankP. Bydlinski
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heiten, die eine längere Inkubationsfrist als sechs Wochen haben, kann sich damit eine gewährleistungsrechtliche Schutzlücke auftun (s dazu P. Bydlinski, JBl 1982, 238 ff sowie hier Rz 11 ff). 19 Die ratio der kurzen Frist spricht dafür, den Begriff „Viehmangel“
auf Krankheiten zu beschränken (P. Bydlinski, JBl 1982, 228 ff; Fischer-Czermak, FS Krejci, 2001, 1169; Krejci, Reform 150 ua; aA Gschnitzer/K IV/1, 22). Für andere Eigenschaften, insb wenn sie aufgrund von Zusagen des Übergebers geschuldet sind (Trächtigkeit, Abstammung, Zuchttauglichkeit, Milchleistung uÄ), sind vergleichbare Besonderheiten nicht auszumachen. 20 Unbestrittenermaßen unterfallen Rechtsmängel niemals den Vor-
schriften über Viehmängel, da diesbezüglich bei Tieren im Vergleich zu unbelebten Sachen keine Besonderheiten bestehen (SZ 2/20; Krejci, Reform 149 ua). 21 B. Frist. Da es um Sachmängel geht, beginnt die Verjährungsfrist mit
der Ablieferung. UU ist ihr eine Vermutungsfrist iSd § 925 vorgeschaltet (s dort Rz 1); auch dann, wenn sich der Übernehmer auf diese Vermutung nicht berufen kann (§ 926 Rz 1). Auf die Vermutungsfrist des § 924 verweist Abs 2 hingegen nicht (§ 925 Rz 2). Die Gewährleistungsfrist selbst beträgt nur sechs Wochen (zur ratio dieser Kürze Rz 18). 22 C. Konkurrenz zum Irrtumsrecht. Aufgrund der extrem kurzen Frist sowie deren spezieller ratio erscheint eine – ansonsten grundsätzlich zu bejahende (s § 871 Rz 21) – freie Konkurrenz mit dem Irrtumsanfechtungsrecht gemäß § 871 nicht ganz unproblematisch. Umgekehrt trifft die Beweislast für alle Anfechtungsvoraussetzungen ohnehin den Übernehmer, so dass eine Ausnahme eher abzulehnen ist. 23 D. Tierkauf nach KSchG. Bei Verbrauchergeschäften gilt die allgemei-
ne Zweijahresfrist (§ 9 Abs 2 KSchG); die Verbrauchsgüterkauf-RL ließe eine kürzere gesetzliche Frist nicht zu (Erl 422 BlgNR 21.GP 24). Der sachlich nicht begründbare gravierende Unterschied (in Deutschland wurden zum 1.1.2002 alle Sondervorschriften für Tiermängel aufgehoben) ist ein zusätzlicher Grund, den Begriff des Viehmangels eng zu verstehen, nämlich auf Krankheiten einzuschränken (s Rz 18 f). Schadenersatz § 933a. (1) Hat der Übergeber den Mangel verschuldet, so kann der Übernehmer auch Schadenersatz fordern. (2) Wegen des Mangels selbst kann der Übernehmer auch als Schadenersatz zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch 976
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verlangen. Er kann jedoch Geldersatz verlangen, wenn sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Dasselbe gilt, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind. (3) Nach Ablauf von zehn Jahren ab der Übergabe der Sache obliegt für einen Ersatzanspruch wegen der Mangelhaftigkeit selbst und wegen eines durch diese verursachten weiteren Schadens dem Übernehmer der Beweis des Verschuldens des Übergebers. [BGBl I 2001/48] Lit a) zur Rechtslage vor 1.1.2002: Apathy, Verbesserung oder Geldersatz, RdW 1994, 198; Welser, Gewährleistung und Schadenersatz, JBl 1976, 127; ders, Entscheidung des Verstärkten Senates und Reform des Gewährleistungsrechts, ÖJZ 1993, 753, 665; ders, Schadenersatz statt Gewährleistung (1994); b) zur Rechtslage seit 1.1.2002: B. Jud, Schadenersatz bei mangelhafter Leistung (2003); M. Leitner, Der verlagerte Mangelschaden, ecolex 2003, 392; Reischauer, Das neue Gewährleistungsrecht und seine schadenersatzrechtlichen Folgen, JBl 2002, 137; Welser, Gewährleistungsreform – Konsequenzen für die Rechtsprechung, FS Krejci (2001) 1319; Wilhelm/Pilz, Zur Schadenersatzpflicht des Bauträgers für Baumängel, ecolex 2003, 401. S auch bei § 922. Übersicht I. Entstehung der Norm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Tatbestand (Abs 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Rechtsfolgen beim Mangelschaden (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 A. Der Grundsatz des Verbesserungsvorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 B. Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 C. Trotz Verbesserung verbleibende Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 D. Der Geldanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 E. Vertragsbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Rechtsfolgen beim Mangelfolgeschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 V. Verjährung und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 VI. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
I. Entstehung der Norm Während für Mangelfolgeschäden das Eingreifen der allgemeinen 1 Schadenersatznormen kaum einmal bezweifelt wurde, war das Verhältnis von Gewährleistung und Schadenersatz in Hinblick auf den P. Bydlinski
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Mangelschaden längere Zeit strittig; zum Teil wurde ein Vorrang der Gewährleistung vertreten. Dagegen sprach schon das zusätzliche Verschuldenserfordernis, so dass spätestens seit der E eines verstärkten Senats (1 Ob 536/90 JBl 1990, 648 Reischauer, insb im Anschluss an Welser, JBl 1976, 129) die freie Konkurrenz praktiziertes Recht war (umfassend Welser, Schadenersatz statt Gewährleistung, 1994). Der Gesetzgeber nahm die Reform zum Anlass, wesentliche Aspekte dieser konkurrierenden Ansprüche in Gesetzesform zu gießen. Die Neuregelung des § 933a erfasst neben Mangel- aber auch Mangelfolgeschäden. § 933a ist lex specialis und geht daher den §§ 1295 ff vor. II. Tatbestand (Abs 1) 2 Als Anspruchsvoraussetzung verlangt § 933a Abs 1, dass der Über-
geber den Mangel verschuldet hat. Diese Formulierung ist offensichtlich zu eng geraten: Anerkanntermaßen sollen jedenfalls auch jene Fälle erfasst sein, in denen der Übergeber den Mangel nicht aktiv herbeigeführt hat, ihm aber zumindest vorgeworfen werden kann, den Mangel vor Übergabe schuldhaft nicht beseitigt zu haben (Erl 422 BlgNR 21. GP 20; offenbar unstr). Erfasst ist damit auch die schuldhafte Auswahl eines mangelhaften Stücks aus der geschuldeten Gattung. Es geht also generell um die verschuldete Schlechtleistung, wobei Verschulden nach § 1298 vermutet wird (näher Rz 14). 3 Wegen des engen Wortlauts besonders fraglich ist allerdings, ob § 933a
auch jene dem Gewährleistungsrecht unterliegenden Konstellationen miterfassen will, in denen der Übergeber bei Vertragsschluss über das Vorliegen eines unbehebbaren Mangels schuldhaft nicht aufgeklärt hat. Dass daraus eine Haftung aus cic auf Ersatz des Vertrauensschadens resultieren kann, ist zwar unbestritten (s nur K/W II 89 mwN); das Erfüllungsinteresse könnte nur – ausnahmsweise (s § 880a Rz 7) – aufgrund einer entsprechenden Garantiezusage gefordert werden (vgl Wiedenbauer/Klauninger, ecolex 2003, 398 ff; zu Recht zurückhaltend 1 Ob 41/03s JBl 2003, 853; aA und generell für eine gesetzliche Garantie Faber, Gewährleistungsrecht 183 f, der § 933a offenbar ohne weiteres für einschlägig hält; mit Einschränkungen – Garantiehaftung auf das Erfüllungsinteresse mit Entlastungsmöglichkeit bei fehlendem Verschulden – Reischauer/R § 932 Rz 20c mwN und 20j; ihm folgend Jud, Schadenersatz 117). Von der Zuordnung zu § 933a hängt zumindest ab, ob die einschränkende Sonderbeweislastregel des § 933a Abs 3 eingreift (dazu Rz 15) oder ob § 1298 ohne Modifikationen gilt, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (zur Frage, ob derartige Aufklärungspflichtverletzungen vom Anwendungsbereich des § 1298 erfasst 978
P. Bydlinski
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§ 933a
sind, dort Rz 3). Vom Wortlaut der Tatbestandsregelung des Abs 1 ist diese Fallgruppe an sich nicht gedeckt. Für eine Miterfassung könnte jedoch sprechen, dass der Gesetzgeber offensichtlich die Konkurrenz zu Gewährleistungsbehelfen insgesamt regeln wollte (s Rz 2) und dass es widersprüchlich wäre, eine bloße Nebenpflichtverletzung im Bereich der Beweislast strenger zu behandeln als die Verletzung der Hauptpflicht. Wer die Regelung des Abs 3 für sachwidrig hält (s Rz 15), wird jedoch für die Gegenposition mit dem methodischen Grundsatz argumentieren, wonach unsachliche Ausnahmeregelungen eng auszulegen und nicht analogiefähig sind (§ 7 Rz 3). III. Rechtsfolgen beim Mangelschaden (Abs 2) A. Der Grundsatz des Verbesserungsvorrangs. Für den Ersatz des 4 Mangelschadens hat sich der Gesetzgeber für eine weitestgehende Parallele zur Rangfolge des § 932, also im Vergleich zum allgemeinen Schadenersatzrecht für eine übergebergünstigere Lösung, entschieden (zum Verständnis des § 1323, der den Vorrang der Naturalrestitution vorsieht, s dort Rz 1); die Materialien sprechen von einer „Harmonisierung“ und von „einheitlicher Ausgestaltung“ (Erl 422 BlgNR 21. GP 20). Daher kann der Übernehmer auch über das Schadenersatzrecht bei Behebbarkeit zunächst nur Verbesserung oder Austausch verlangen (Abs 2 S 1). Diese im Ansatz nicht unumstrittene Gleichschaltung wird allerdings mehrfach und nahezu wortgleich wie in § 932 Abs 4 eingeschränkt (Rz 5 f), was wohl regelmäßig sachgerechte Einzelfallentscheidungen ermöglicht. Anders als in § 932 thematisiert § 933a das Verhältnis von Verbesserungs- und Austauschanspruch nicht. Wegen der gewünschten Parallele wird man die dortigen Kriterien (§ 932 Rz 4 f) aber auch für den Schadenersatzanspruch heranzuziehen haben (Faber, Gewährleistungsrecht 177 f; Jud, Schadenersatz 179; Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 3; im Ergebnis ebenso Welser/Jud, Gewährleistung Rz 10, deren Argument aus dem Wortlaut des § 933a Abs 2 S 2 allerdings nicht zutrifft, da dort nur geregelt wird, wann dem Übernehmer sofort ein Geldanspruch zusteht). B. Einschränkungen. § 933a Abs 2 enthält in S 2 zwei Ausschlüsse 5 des Verbesserungsvorrangs, wobei sich die Unmöglichkeit von Verbesserung und Austausch von selbst versteht. Wenig gelungen ist die zweite Einschränkung, wonach der Übernehmer dann Geldersatz verlangen kann, wenn die Verbesserung iwS für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Das Wort „kann“ deutet auf ein Recht des Übernehmers hin, sofort den Geldanspruch zu wählen. Mit dem Inhalt und Zweck der Regelung ist diese Auslegung jedoch unvereinbar, weshalb der Übergeber dem VerP. Bydlinski
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§ 933a
langen auf Geldersatz die Bereitschaft zur Verbesserung entgegenhalten kann (s § 932 Rz 18; Jud, Schadenersatz 221). 6 Zu den drei Einschränkungen des Abs 2 S 3 (Nichtvornahme in an-
gemessener Frist, erhebliche Unannehmlichkeiten für Übernehmer, Unzumutbarkeit aus in der Person des Übergebers liegenden Gründen), die nicht anders als in § 932 Abs 4 zu verstehen sind, s dort Rz 8, 16 sowie bei Jud, Schadenersatz 212 ff. 7 C. Trotz Verbesserung verbleibende Schäden. Bleibt beim Überneh-
mer trotz gänzlicher Verbesserung ein Schaden zurück, etwa weil bis zur Reparatur ein Ersatzgegenstand angemietet werden musste, liegt ein dem Verzugsschaden vergleichbarer Mangelfolgeschaden vor (Rz 10). Gelingt die Verbesserung hingegen nicht vollständig, kann ohne Gestattung eines weiteren Versuchs sofort Ersatz dieses „Mangelrestschadens“ in Geld verlangt werden (vgl § 932 Rz 6); zum Vorrang der Verbesserung bei bloßer Teilbehebbarkeit s § 932 Rz 7. 8 D. Der Geldanspruch. Steht dem Übernehmer gemäß Abs 2 S 2 oder
3 ein Geldanspruch zu, kann es zu von § 932 abweichenden Ergebnissen kommen, da der Übergeber bei behebbarer Mangelhaftigkeit das Erfüllungsinteresse schuldet (10 Ob 115/05t; ebenso bei nach Vertragschluss entstandenen, vom Schuldner zu vertretenden unbehebbaren Mängeln: vgl 6 Ob 353/04m ecolex 2005, 761). So erfolgt die Berechnung des Schadenersatzanspruchs gemäß § 933a Abs 2 nicht wie bei der Preisminderung nach der relativen Berechnungsmethode (§ 932 Rz 21), sondern durch einen Vergleich zwischen dem Wert mit und ohne Mangel (Erl 422 BlgNR 21. GP 20 f; Reischauer, JBl 2002, 160). Über diesen Betrag hinausgehende Behebungskosten sind zumindest dann zu ersetzen, wenn sich der Übergeber in verschuldetem Verbesserungsverzug befand, weshalb der Übernehmer die Verbesserung von dritter Seite vornehmen ließ (zum Problem bereits § 932 Rz 15; detailliert und mwN dazu etwa Jud, Schadenersatz 246 ff; Reischauer, JBl 2002, 162 f; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 13 ff). Auch der Ersatz weiterer Nichterfüllungsschäden kommt in Betracht (so etwa der Entfall eines Weiterveräußerungsgewinns). Handelte es sich um einen bereits ursprünglich unbehebbaren Mangel (zur Anwendbarkeit von § 933a s Rz 3), so ist der Übernehmer schon aus Kausalitätsgründen nicht so zu stellen wie bei korrekter – hier aber eben von vornherein unmöglicher – Erfüllung. Vielmehr kann er wie nach § 932 Abs 4 „schadenersatzrechtlich mindern“ bzw nach den Grundsätzen der anfänglichen Unmöglichkeit (s § 878 Rz 6) etwaige Vertrauensschäden ersetzt verlangen (Welser/Jud, Gewährleistung Rz 12 mwN). 980
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§ 933a
E. Vertragsbeseitigung. Ist der Übernehmer nicht auf Verbesserung 9 bzw Austausch beschränkt und liegt ein nicht bloß geringfügiger Mangel vor, sollte man ihm über § 933a Abs 2 auch die Möglichkeit einräumen, ganz vom Vertrag loszukommen („schadenersatzrechtliche Wandlung“). Dieser Weg kann wohl noch unter den Begriff „Geldersatz“ subsumiert werden, der ja nur der Verbesserung iwS gegenüber gestellt ist (vgl Welser/Jud, Gewährleistung Rz 20 mwN). Dafür spricht nicht zuletzt, dass die Position des Übernehmers bei Verschulden des Übergebers keine schlechtere sein soll als bei bloß objektiver Vertragswidrigkeit (näher zum Problem, allerdings im Ergebnis aA, Jud, Schadenersatz 268 ff mwN). Bei gegenteiliger Sicht müsste er sogar eine grob mangelhafte Leistung behalten und sich um deren Verwertung kümmern. Schutzwürdige Interessen des schuldhaft vertragswidrig leistenden Übergebers an einer solchen Lösung sind nicht zu sehen. Aus der (kürzeren) Befristung der Gewährleistungsrechte kann nur geschlossen werden, dass der schuldlos schlecht Leistende nach Fristablauf in seinem Vertrauen auf korrekte Erfüllung geschützt wird (s § 933 Rz 1); für die Rechtslage bei schuldhafter Schlechterfüllung folgt daraus aber nichts (aA offenbar Jud, Schadenersatz 280). Bei ursprünglich unbehebbaren Mängeln (s Rz 3) erscheint die Begründung einer „schadenersatzrechtlichen Vertragsaufhebung“ einfacher. Dogmatischer Ansatzpunkt ist die Verletzung einer Aufklärungspflicht (cic), wenn und soweit sie für den Vertragsschluss kausal war, der Übernehmer bei Kenntnis des Mangels also vom Vertragsschluss Abstand genommen hätte (P. Bydlinski, AT Rz 6/39; Jaksch-Ratajczak, ÖJZ 2000, 799 f; Pletzer, JBl 2002, 563): Der verursachte Schaden liegt dann bereits in der Belastung mit der Entgeltzahlungspflicht. Auf diese Weise könnte ein Übernehmer im Einzelfall sogar bei bloß geringfügigen Mängeln (§ 932 Rz 19) vom gesamten Vertrag loskommen, wenn ihm der Beweis gelingt, dass er bei Mangelkenntnis überhaupt nicht kontrahiert hätte (zB Kauf für eine hochwertige Sammlung, ohne dies dem Übergeber offen zu legen; s ferner § 932 Rz 19). Insb bei Werkverträgen kann die Vertragsaufhebung qua Schadenersatzrecht allerdings nicht ohne weiteres auf schuldhafte Schadensverursachung gestützt werden, da der Mangel bei Vertragsschluss noch nicht vorlag. Über die Lehre vom frustrierten Aufwand gelangt man aber zu den gleichen Ergebnissen (s Welser/ Jud, Gewährleistung Rz 20 mwN). IV. Rechtsfolgen beim Mangelfolgeschaden Da der Anspruch auf Ersatz von Mangelfolgeschäden keine Parallele 10 zu den Gewährleistungsrechten des § 932 aufweist, gilt für ihn weitestgehend allgemeines Schadenersatzrecht. § 933a Abs 2 betrifft P. Bydlinski
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nur den Mangelschaden. Wohl aber erfasst die Sondervorschrift des Abs 3 über die Beweislast kraft ausdrücklicher Anordnung auch Ansprüche wegen Mangelfolgeschäden. V. Verjährung und Beweislast 11 Mangels Sondervorschrift gilt die Verjährungsnorm des § 1489 auch
für alle aus § 933a resultierenden Ansprüche. Die lange kenntnisunabhängige Frist beträgt daher weiterhin 30 Jahre; eine Abmilderung erfolgt bloß auf der Beweislastebene (Rz 14 f). Was den Fristbeginn bei Mangelschäden anbelangt, so ist für die (absolute) Dreißigjahresfrist auf den Leistungszeitpunkt abzustellen, weil der Ersatzanspruch schon in diesem Zeitpunkt fällig ist und daher an sich hätte geltend gemacht werden können (vgl § 1478 S 2). Dass der Anspruch als Geldanspruch uU erst nach erfolgloser Verbesserung erhoben werden kann, ist aufgrund der Fristlänge zumindest aus praktischer Sicht ohne Bedeutung. Für die Dreijahresfrist wird in der Lehre ein undifferenziertes Anknüpfen an die Kenntnis des Übernehmers von der mangelhaften Leistung favorisiert (s Welser/Jud, Gewährleistung Rz 28 ff; Welser, FS Krejci 1328 f uva; ebenso 6 Ob 616/93 ecolex 1994, 615 Puck), während die aktuelle Rspr – wenn auch noch nicht zu § 933a – die kurze Verjährung erst mit der Kenntnis vom Misslingen der Verbesserung (bzw der endgültigen Verweigerung) beginnen lässt (s § 1489 Rz 5). Schon weil der Ersatzanspruch nach § 933a primär auf Verbesserung gerichtet ist, wirkt bereits die Kenntnis vom (ursprünglichen) Mangel fristauslösend (s auch M. Bydlinski/R § 1489 Rz 3 aE). 12 Aufgrund der Inhomogenität des Anspruchs nach § 933a ist es zwar
durchaus möglich, dass der Übernehmer trotz Kenntnis vom Mangel Zweifel hat, was er vom Übergeber konkret fordern kann. Ihm steht jedoch nur ein Ersatzanspruch zu und er kennt iSd § 1489 Schaden und Schädiger. Mangels Sondernorm gehen sonstige Unklarheiten daher wohl zu Lasten des Übernehmers; die Verjährungsfrist beginnt dennoch zu laufen. Konkretisiert er sein Begehren in der Klage unrichtig (etwa Geldanspruch statt Verbesserung) und stellt sich dies erst nach einiger Zeit heraus, wird der beklagte Übergeber jedoch umgekehrt auch nicht einwenden können, mittlerweile seien bereits mehr als drei Jahre verstrichen, weshalb das Verbesserungsbegehren verjährt sei. 13 Hat der Übergeber Verbesserungsversuche unternommen und zeigt
sich deren Erfolglosigkeit erst nach längerer Zeit, so liegt im Verbesserungsbemühen regelmäßig ein stillschweigendes (deklaratives) Anerkenntnis des vom Übernehmer behaupteten Anspruchs, das ohnehin zu einer Unterbrechung der Verjährung gemäß § 1497 führt 982
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§ 933a
(Kurschel, Gewährleistung 103 f; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 34 ua). Allerdings werden mit dem Verbesserungsversuch regelmäßig nur verschuldensunabhängige Gewährleistungsrechte des Übernehmers nach § 932 anerkannt, nicht hingegen Schadenersatzansprüche (JBl 1985, 743 Reidinger; Pfersmann, ÖJZ 1986, 549; Reidinger, wbl 1988, 37; aA GesRZ 1987, 38; I. Welser, ecolex 1992, 85; Welser, Schadenersatz 86 f; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 34). Die Frist des § 1489 läuft also weiter. Daher ist die Ansicht, diese Frist beginne erst mit Kenntnis vom Misslingen der Verbesserung zu laufen (s Rz 11; besonders deutlich idS etwa 1 Ob 590/94 ecolex 1995, 20), in dieser Allgemeinheit nicht unproblematisch. Geht man von einer Verbesserungspflicht aus, so wird jedoch die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht (Übergabe einer weiterhin mangelhaften Sache) zu einem neuerlichen Ersatzanspruch mit eigenständigem Verjährungsbeginn führen. Ohne Zweifel liegt eine gesondert zu beurteilende eigene Schädigung dann vor, wenn durch den Verbesserungsversuch neue Schäden am Leistungsgegenstand entstanden sind (s § 933 Rz 14). Jedenfalls bei Nichterfüllung vertraglicher Leistungspflichten greift 14 die Verschuldensvermutung des § 1298 ein (vgl 8 Ob 12/05f Zak 2005, 77: Prüfpflicht eines Futtermittelhändlers). Anders als im deliktischen Bereich trifft daher auch bei § 933a den Übergeber die Beweislast für fehlendes Verschulden (Beweislastumkehr). Obwohl § 1298 nur vom Verschulden spricht, ist zu Recht ein weiter gehendes Verständnis anerkannt (s § 1298 Rz 2). Im vorliegenden Zusammenhang genügt es, wenn die mangelhafte Erfüllung, also der vertragswidrige Erfolg, feststeht, wobei § 924 zur Anwendung gelangt (Rebhahn/Kietaibl/S § 1167 Rz 41; Reischauer, JBl 2002, 160; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 42). Hingegen muss der Übernehmer ein rechtswidriges Verhalten des Übergebers iS der Verhaltensunrechtslehre nicht beweisen (Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 10). Der Beweis fehlenden Verschuldens wird dem Übergeber insb beim Kaufvertrag nicht selten gelingen; so bei Verkauf originalverpackter Markenware nach Ziehung der üblichen Stichproben (SZ 52/74; JBl 1987, 385; Reischauer, JBl 2002, 160 ua). Eine dreißigjährige Verjährungsfrist einschließlich dauerhafter Be- 15 weislastumkehr sah der Gesetzgeber als für den Übergeber zu hart an. Die schließlich getroffene Vorschrift des § 933a Abs 3 war wohl ein Kompromiss. Danach kommt es zehn Jahre nach Erbringung der Leistung (zu eng: „Übergabe der Sache“) zur „Umkehr der Beweislastumkehr“. Die in den Materialien (Erl 422 BlgNR 21. GP 21) dafür gebrachten Argumente überzeugen wenig (s Reischauer, JBl 2002, 166 f). Insb geht der Hinweis darauf, die Sache sei ja nun schon lange Zeit beim Erwerber gewesen, ins Leere, weil dieser ohnehin den BeP. Bydlinski
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§ 933b
weis der Mangelhaftigkeit bereits bei Übergabe führen muss. Abgesehen davon sind die Beweisprobleme eines möglicherweise Haftpflichtigen nach langer Zeit keine Spezifika des Mängelrechts; und auch für den Übernehmer ist der Verschuldensbeweis nach über zehn Jahren kaum einmal zu führen. Die Sonderregelung im Vergleich zum sonstigen Anwendungsbereich des § 1298, in dem die Beweislastumkehr während der gesamten Verjährungsfrist gilt (so etwa für „begleitende“ Schadenszufügungen anlässlich der Leistungserbringung), erscheint daher als sachlich ungerechtfertigt (Krejci, Reform 20 f; Welser, ecolex 2001, 425), ist de lege lata aber hinzunehmen. 16 § 933a Abs 3 ist nicht zu entnehmen, was der Übernehmer tun muss,
um sich die Beweislastumkehr des § 1298 zu erhalten. Nach dem immer wieder betonten Aspekt der „Beweisnähe“ (s nur Erl 422 BlgNR 21. GP 21) könnte außergerichtliche Anspruchserhebung innerhalb der zehn Jahre genügen: Der Übergeber hat dann ja allen Grund, Beweise zu sichern und sich für einen Prozess zu wappnen (vgl § 933 Abs 3; dazu dort Rz 4). Ausschlaggebend könnte aber auch der Zeitpunkt der Klageerhebung sein (dafür wohl Reischauer, JBl 2002, 166), da dieses Vorgehen, wie § 1497 zeigt, für die Rechtzeitigkeit ganz generell von zentraler Bedeutung ist. Dass die Frist während des Prozesses abläuft, schadet dem Übernehmer keinesfalls. VI. Abdingbarkeit 17 Die Frage, ob und inwieweit Ansprüche nach § 933a kraft Vereinba-
rung abbedungen werden können, ist, soweit es um Mangelfolgeschäden geht, nach den allgemein für die Schadenersatz-Freizeichnung geltenden Regeln zu beantworten (dazu § 879 Rz 24 sowie Welser/Jud, Gewährleistung 43 ff). Für den Mangelschaden sind hingegen – verschärft durch das (vermutete) Übergeberverschulden – tendenziell die gleichen Argumente wie bei Gewährleistungsausschlüssen (§ 929 Rz 3 ff) zu beachten. Für Unwirksamkeit einer Beschränkung der Schadenersatzhaftung auf drei Jahre ab Lieferung in AGB 4 Ob 279/04i SZ 2005/14 (für den bekannt gegebenen Verwendungszweck ungeeignetes Material), wo allerdings wohl zu Unrecht das Vorliegen eines Mangels abgelehnt und „bloß“ die Verletzung einer Aufklärungspflicht angenommen wurde. Besonderer Rückgriff § 933b. (1) Hat ein Unternehmer einem Verbraucher Gewähr geleistet, so kann er von seinem Vormann, wenn auch dieser Unternehmer ist, auch nach Ablauf der Fristen des § 933 die Gewähr984
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§ 933b
leistung fordern. Dasselbe gilt für frühere Übergeber im Verhältnis zu ihren Vormännern, wenn sie selbst wegen der Gewährleistungsrechte des letzten Käufers ihrem Nachmann Gewähr geleistet haben. Der Anspruch ist mit der Höhe des eigenen Aufwandes beschränkt. (2) Ansprüche nach Abs. 1 sind innerhalb von zwei Monaten ab Erfüllung der eigenen Gewährleistungspflicht gerichtlich geltend zu machen. Die Haftung eines Rückgriffspflichtigen verjährt jedenfalls in fünf Jahren nach Erbringung seiner Leistung. Die Frist wird durch eine Streitverkündigung für die Dauer des Rechtsstreits gehemmt. [BGBl I 2001/48] Lit: Augenhofer, Skizzen zum Händlerregreß und zur „Direktklage“, FS Krejci (2001) 1021; W. Faber, Der Rückgriff des Letztverkäufers nach § 933b ABGB, IHR 2004, 177; Fischer-Czermak, Zwei Fragen zur Gewährleistungsreform, FS Krejci (2001) 1167; B. Jud, Zum Händlerregress im Gewährleistungsrecht, ÖJZ 2000, 661; dies, Regressrecht des Letztverkäufers, ZfRV 2001, 201; Schmidt-Kessel, Der Rückgriff des Letztverkäufers, ÖJZ 2000, 668; Wilhelm, Der Händlerregress an der Schnittstelle von Privat- und Gemeinschaftsrecht, ecolex 2003, 231. Übersicht I. Ratio und Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Analogiefragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Einzelheiten zu den Fristen des Abs 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 V. Abdingbarkeit des § 933b? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
I. Ratio und Regelungsinhalt In einer Absatzkette kann es vorkommen, dass ein Übergeber vom 1 Übernehmer gegen Ende der Gewährleistungsfrist in Anspruch genommen wird; womöglich zu einem Zeitpunkt, in dem es dem Übergeber aus Fristgründen nicht mehr möglich ist, verschuldensunabhängige Ansprüche gegen seinen eigenen Vormann geltend zu machen. Konsequenz wäre, dass der Übergeber infolge seiner Gewährleistungspflicht endgültig mit Nachteilen belastet ist, obwohl der Mangel eigentlich aus dem Verantwortungsbereich eines früheren Glieds der Absatzkette stammt. Um diese Folge zu vermeiden, verlangt Art 4 Verbrauchsgüterkauf-RL, dass die Mitgliedstaaten Regelungen treffen, die dem unternehmerischen Letztverkäufer eine effektive Regressmöglichkeit innerhalb der Vertragskette ermöglichen. Diese Zielvorgabe soll durch § 933b erfüllt werden (zu möglicher Richtlinienwidrigkeit insb W. Faber, IHR 2004, 184 ff). P. Bydlinski
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2 § 933b Abs 1 setzt voraus, dass ein Unternehmer einem Verbraucher
Gewähr geleistet, dh dessen Rechte aus der Gewährleistung befriedigt hat (s auch Rz 9). Hat er dies getan, so soll er seinerseits gegen seinen unternehmerischen Vormann auch dann noch Gewährleistungsrechte ausüben können, wenn diese Rechte bereits nach § 933 verfristet sind (S 1). Gleiches gilt in der Folge für die Rechte dieses Vormanns zu seinem eigenen Vormann bis hin zum ersten Veräußerer (S 2; dass diese Norm den letzten Übernehmer einschränkend als „Käufer“ bezeichnet, ist ein Redaktionsversehen: Faber, Gewährleistungsrecht 197; Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 3): Wird der jeweilige Nachmann befriedigt, können gegen den eigenen, unmittelbaren Vormann Ansprüche gemäß § 933b entstehen (statt vieler W. Faber, IHR 2004, 184; B. Jud, ZfRV 2001, 208; Krejci, VR 2000, 174; ungenau Welser/Jud, Gewährleistung Rz 4, die nicht an die Erfüllung, sondern bloß an die Haftung nach § 933b anknüpfen). Mit diesen Anordnungen könnten zwar die Zwecke der Gewährleistungsfristen (§ 933 Rz 1) beeinträchtigt werden. Der Gesetzgeber bewertet die gegenläufigen Rückgriffsinteressen des Nachmanns jedoch aus verständlichen Gründen höher. Um die Fristen aber nicht zu sehr zu verlängern und den Vormann nach Verjährung seiner Gewährleistungspflicht nicht über Gebühr zu belasten, enthält das Gesetz drei Einschränkungen: Der Rückgriffsanspruch kann nur innerhalb von zwei Monaten nach Erfüllung der eigenen Gewährleistungspflicht geltend gemacht werden (Abs 2 S 1); Rückgriffsansprüche sind jedenfalls verjährt, wenn die Leistungserbringung durch den Vormann mehr als fünf Jahre zurückliegt (Abs 2 S 2); der Rückgriffsberechtigte kann niemals mehr als den Aufwand ersetzt verlangen, den er selbst zur Befriedigung seines Nachmanns tätigen musste (Abs 1 S 3). Dies gilt auch dann, wenn ihm nach Gewährleistungsrecht an sich ein höherer Betrag zustünde. 3 Schließlich soll nur der im Vergleich zur allgemeinen Gewährleis-
tungsverjährung privilegiert werden, der seine Pflicht tatsächlich erfüllt hat (S 1 HS 1). Somit reicht nicht einmal ein Anerkenntnis des Übergebers aus: Erst mit Erfüllung der aus der Gewährleistung resultierenden Verpflichtungen (Vornahme der Verbesserung bzw Rückgabe des – zuviel – Erhaltenen) ist klar, dass der Übergeber einen spürbaren Nachteil erleidet. Kulanzleistungen ohne Gewährleistungspflicht können ebenfalls keine Rückgriffsansprüche nach § 933b auslösen (vgl B. Jud, ZfRV 2001, 208 f); auch dann nicht, wenn der Vormann tatsächlich mangelhaft geleistet hatte. Besonders schutzbedürftig erscheint ja nur derjenige, der (durchsetzbaren) Ansprüchen des Übernehmers ausgesetzt ist. Nicht zuletzt aufgrund des Gesetzes986
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§ 933b
wortlauts dürfte aber auch jenem Übergeber der Rückgriff offen stehen, der nach Fristablauf Gewähr geleistet hat, da hier immerhin noch eine Naturalobligation besteht (vgl 2 Ob 296/00v EvBl 2001/91) und es für den Vormann eine bloße Zufälligkeit darstellt, wann der Übernehmer den Mangel geltend macht bzw welche Frist zwischen Übergeber und Übernehmer vereinbart wurde. Die Obergrenze von 5 Jahren (Rz 2 aE; s auch Rz 8) begrenzt das Risiko des Vormanns ohnehin ausreichend. § 933b Abs 2 S 2 enthält die klare Wertung, dass der Übergeber für 4 seinen Gewährleistungsrückgriff zwei Monate Zeit haben soll. Daher findet § 933b sogar dann Anwendung, wenn der Übergeber seine Gewährleistungspflicht erfüllt hat, (kurz) bevor die gegenüber seinem Vormann geltende Gewährleistungsfrist abgelaufen ist (vgl Abs 1: „… auch nach Ablauf …“; für ein generelles Wahlrecht zwischen § 932 und § 933b gegenüber dem Vormann Faber, Gewährleistungsrecht 194 ff). § 933b sieht für den – etwas modifizierten (s Rz 2 aE, 11 f) – „gewähr- 5 leistungsrechtlichen Rückgriff“ ausschließlich vom Fristerfordernis des § 933 ab. Bestehen gegen den Vormann aus anderen Gründen keine Rechte (mehr), kann § 933b also nicht helfen. Daher gibt es etwa dann keinen Rückgriff, wenn der Vormann gar nicht mangelhaft geleistet hat, soweit die Gewährleistung in diesem Verhältnis wirksam ausgeschlossen wurde oder wenn die Rechte des Übergebers infolge unterlassener Mängelrüge (§ 377 UGB) nicht mehr geltend gemacht werden können (Noll, JAP 2002/2003, 21). Mit dem Ausfall eines Gliedes wird die gesamte Regresskette durchbrochen. § 933b lässt nur einen Regress gegen den unmittelbaren Vormann zu 6 (kein „Sprungregress“). Das Überspringen eines Glieds in der Kette kommt auch dann nicht in Betracht, wenn der Vormann ein Verbraucher ist (Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 8) oder insolvent wurde. II. Analogiefragen § 933b basiert auf einer Richtlinie, die die Position der Verbraucher 7 stärken will. Tatsächlich verschafft die neue Norm ihrem Wortlaut nach aber bloß Unternehmern Regressvorteile (für eine daraus resultierende faktische bzw mittelbare Begünstigung des Letztverbrauchers etwa die Erl 422 BlgNR 21. GP 21 f; B. Jud, ÖJZ 2000, 662). Ein durchschlagender Grund dafür ist nicht zu sehen. Vielmehr trägt die klare Wertung auch jene – sicherlich seltenen – Fälle, in denen ein Verbraucher als Letztverkäufer agiert. Daher sollten solche Konstellationen analog § 933b behandelt werden, was zu einer VerbesseP. Bydlinski
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§ 933b
rung der Verbraucherposition führt (wohl nur de lege ferenda kritisch etwa Welser, ecolex 2001, 425; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 10 aE). Hingegen sind Konsumenten, die sich als Vormänner in der Absatzkette befinden, dem besonderen, ihnen nachteiligen Regress des § 933b auch nicht per analogiam ausgesetzt; die gesetzliche Einschränkung auf unternehmerische Vormänner wurde ganz bewusst und sachlich begründet getroffen (s Erl aaO 22; Fischer-Czermak, FS Krejci 1178 f). Nach manchen scheidet eine (analoge) Anwendung von § 933b auch dann aus, wenn der Endabnehmer der Leistung ein Unternehmer war (s Faber, Gewährleistungsrecht 196 f; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 9) was nicht überzeugt (für Analogie etwa Krejci, VR 2001, 211; s auch Augenhofer, FS Krejci 1028). Dass Art 4 der dem GewRÄG zugrunde liegenden RL enger gefasst ist, ergibt sich schlicht aus ihrer Beschränkung auf den Verbrauchsgüterkauf. 8 § 933b knüpft bloß an die Gewährleistung durch den Übergeber an.
Wenn der Übernehmer seine Ansprüche wegen des Mangelschadens erfolgreich auf Schadenersatz (§ 933a) stützt – was wohl nur dann von praktischer Bedeutung ist, wenn seine Gewährleistungsrechte bereits nach § 933 verjährt sind –, stellt sich daher ebenfalls die Analogiefrage, wobei der ohne Verschulden einstandspflichtige Vormann jedenfalls in den Genuss der absoluten Fünfjahresfrist (Rz 2 aE) käme. Deshalb und weil die Position des Vormanns keine andere wäre, wenn zwischen Übergeber und Übernehmer längere, noch offene Fristen vereinbart wurden, ist die Analogie zu bejahen (im Ergebnis ebenso, wenn auch mit etwas anderer Argumentation, Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 9 ff; Reischauer, JBl 2002, 160; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 19; vgl auch Faber, Gewährleistungsrecht 200 f). III. Einzelheiten zu den Fristen des Abs 2 9 Die Zweimonatefrist des Abs 2 S 1 beginnt mit der Erfüllung der
Gewährleistungspflicht des Übergebers zu laufen. Bei vom Übernehmer geltend gemachtem Verbesserungsanspruch (iwS) ist damit auf die Beendigung der Verbesserung abzustellen. Erst dann steht ja der für die Anspruchshöhe relevante Aufwand fest (dazu Rz 11). Macht der Übernehmer hingegen Wandlung oder Minderung geltend, kommen als für den Fristbeginn entscheidende Zeitpunkte nach dem Gesetzeswortlaut zwei Möglichkeiten in Betracht: die diesbezügliche Einigung (Vertragsänderung) bzw das rechtskräftige (rechtsgestaltende) Urteil oder die etwaige Rückleistung des vom Übergeber (zuviel) Erhaltenen, also die Erfüllung des aus der Rechtsgestaltung resultierenden Bereicherungsanspruchs. Im Einklang mit der Regelung der Anspruchsentstehung in Abs 1 stünde das Abstellen auf die tat988
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§ 933b
sächliche Rückzahlung (s Rz 3), auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die beiden Vorschriften unterschiedliche Zielrichtungen haben: Abs 1 verlangt ein konkretes „Vermögensopfer“ (Rz 3), während Abs 2 S 1 den Regressberechtigten zu raschem Vorgehen anhalten will (näher dazu P. Bydlinski, JBl 2005, 694). Der Ablauf der absoluten fünfjährigen Verjährungsfrist des Abs 2 10 S 2 kann nicht nur durch die anerkannten Unterbrechungs- bzw Hemmungsgründe, sondern auch dadurch verhindert werden, dass der vom Übernehmer in Anspruch genommene Übergeber seinem Vormann den Streit verkündet. Damit ist der Fristlauf für die Dauer des Rechtsstreits iS einer Fortlaufshemmung (ebenso Faber, Gewährleistungsrecht 214; aA ohne Begründung Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 2) gestoppt (S 3). Die Hemmungswirkungen treten nur gegenüber dem (unmittelbaren) Vormann ein, dem der Streit verkündet wurde, nicht hingegen gegenüber weiteren Vormännern: Die Streitverkündung hat den Zweck, den Vormann mit möglichen künftigen Ansprüchen zu konfrontieren. Er darf dann nicht mehr damit rechnen, dass „alles erledigt“ ist; umgekehrt hat er gute Gründe, Beweise zu sichern oder sich auf andere Weise auf eine Inanspruchnahme einzustellen. All das trifft auf die dem Streit nicht beigezogenen Vormänner keinesfalls zu, so dass deren Fünfjahresfristen weiter laufen (ebenso, wenn auch vorsichtiger, Faber, Gewährleistungsrecht 214 f). IV. Anspruchsinhalt Grundsätzlich bestimmt sich der Inhalt des Rückgriffsanspruchs 11 gemäß § 933b Abs 1 S 1 nach Gewährleistungsrecht (Erl 422 BlgNR 21. GP 22): Man fragt, welche Rechte dem Übergeber gegen seinen Vormann ohne Verjährung nach § 932 zugestanden wären (Faber, Gewährleistungsrecht 204 f; B. Jud, ZfRV 2001, 209; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 20 f; s auch hier Rz 5). Hat der Übergeber die Sache aufgrund einer Wandlung durch den Übernehmer oder infolge eines Austausches zurückerhalten, steht ihm daher uU (zunächst) bloß ein Verbesserungsanspruch zu. Die Kriterien des § 932, deren Vorliegen über den Inhalt des Anspruchs entscheidet, sind konkret und auf den Zeitpunkt des Rückgriffs nach § 933b bezogen zu prüfen. Daher scheidet etwa die Verbesserung aus, wenn es zwischen Übergeber und Übernehmer zur Preisminderung gekommen ist und sich die Sache daher weiterhin beim Letztübernehmer befindet; nicht anders, wenn der Letztübergeber das Verbesserungsbegehren des Übernehmers bereits erfüllt hat (Welser/Jud, Gewährleistung Rz 21; s ferner hier Rz 12). Sofern es nicht im Regressweg zur Verbesserung iwS oder zur Rückabwicklung kommt, ist der auf Geld gerichtete Anspruch gegen P. Bydlinski
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§ 933b
den Vormann nach oben hin mit dem Aufwand begrenzt, den der Übergeber bei Befriedigung des Übernehmers hatte (Abs 1 S 3); entscheidend sind insoweit also die konkreten Verbesserungskosten (Reischauer, JBl 2002, 159) oder die Differenz des ursprünglich vereinbarten zum nunmehr geminderten Entgelt (einen anderen, noch stärker aufwandsersatzorientierten Ansatz unter analoger Heranziehung von § 1014 vertritt Wilhelm, ecolex 2003, 231). Um eine Verschlechterung der Position des Vormanns zu vermeiden, sind der Berechnung überdies immer nur jene Rechte zugrunde zu legen, die dem Übernehmer tatsächlich zustanden (s Rz 3; vgl Reischauer, JBl 2002, 159). 12 Scheidet Verbesserung durch den Vormann infolge Selbstverbesse-
rung durch den Übergeber aus, muss diesem ein Geldanspruch zustehen. Begründung und Berechnung dieses Anspruchs sind auf zweierlei Arten denkbar: Entweder tritt an die Stelle des Verbesserungsanspruchs das Preisminderungsrecht einschließlich anteiligen Entgelts-Rückzahlungsanspruchs (dafür insb B. Jud, ZfRV 2001, 209; Welser/Jud, Gewährleistung Rz 21) oder ein Anspruch auf Zahlung in Höhe der (fiktiven) Verbesserungskosten des Vormanns, jeweils begrenzt mit dem uU niedrigeren tatsächlichen Verbesserungsaufwand des Regress Suchenden (Rz 11; Kletecˇ ka, Gewährleistung Rz 7). In beiden Fällen könnte der Anspruch allerdings hinter dem Verbesserungsaufwand des Übergebers zurückbleiben, was de lege lata aber wohl unvermeidbar ist: Ein höherer Betrag ergibt sich aus dem Gewährleistungsrecht, das den Regress nach Abs 1 S 1 bestimmt, eben nicht (Welser/Jud, Gewährleistung Rz 25; aA, nämlich für volle Überwälzbarkeit des getätigten – notwendigen – Aufwands, auch unter Hinweis auf die Vorgaben der Verbrauchsgüterkauf-RL, Faber, Gewährleistungsrecht 207 ff; zur möglichen Richtlinienwidrigkeit auch B. Jud, ZfRV 2001, 211 f). Ist die (nachträgliche) Unmöglichkeit der Verbesserung nicht dem Vormann anzulasten, etwa weil er vom Mangel das erste Mal infolge der Erhebung des Regressanspruchs durch seinen Nachmann erfährt, dürfte die zu § 932 (Rz 15) entwickelte Lösung, also die Abrechnung nach (fiktiven) Verbesserungskosten, vorzugswürdig sein. Gleiches gilt dann, wenn der Übernehmer – etwa wegen Verzugs des Übergebers – zulässigerweise gemindert hat, obwohl eine Verbesserung in Frage gekommen wäre: Sind die fiktiven Verbesserungskosten niedriger als der Minderungsbetrag, hat der Vormann nach § 933b nur den geringeren Betrag zu leisten. 13 Eine für den Übergeber günstigere Lösung kann mE dann eingreifen,
wenn der mit dem Verbesserungsanspruch konfrontierte Übergeber 990
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§ 934
dieses Verlangen „weiterleitet“, der Vormann darauf aber nicht reagiert. In solchen Fällen verletzt der Vormann zumindest eine Obliegenheit, weshalb er bei späterer Belangung nicht mehr einwenden kann, er selbst hätte günstiger verbessern können. Bei diesem, nicht auf einer Auslegung des § 933b basierenden Ansatz wäre auch an die Überwälzung der Kosten eines fehlgeschlagenen Verbesserungsversuchs zu denken (zu weit gehend hingegen Faber, Gewährleistungsrecht 209; Schmidt-Kessel, ÖJZ 2000, 671; s ferner W. Faber, IHR 2004, 186, 190 f). V. Abdingbarkeit des § 933b? § 933b ist keine Norm des zwingenden Rechts (Erl 422 BlgNR 21. 14 GP 22). Da der Sonderrückgriff von weit geringerer Tragweite und Bedeutung ist als die Gewährleistungsrechte selbst (eine mE unzulässige Parallele ziehen die Erl aaO), wird auch eine in AGB enthaltene Ausschlussvereinbarung kaum einmal als sittenwidrig einzustufen sein (näher dazu etwa Faber, Gewährleistungsrecht 271 ff; einschränkend Welser/Jud, Gewährleistung Rz 30). Schadloshaltung wegen Verkürzung über die Hälfte § 934. Hat bei zweiseitig verbindlichen Geschäften ein Teil nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem andern gegeben hat, von diesem an dem gemeinen Werte erhalten; so räumt das Gesetz dem verletzten Teile das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Dem andern Teile steht aber bevor, das Geschäft dadurch aufrecht zu erhalten, daß er den Abgang bis zum gemeinen Werte zu ersetzen bereit ist. Das Mißverhältnis des Wertes wird nach dem Zeitpunkte des geschlossenen Geschäftes bestimmt. Lit: P. Bydlinski, Die Stellung der laesio enormis im Vertragsrecht, JBl 1983, 410; ders, Laesio enormis und Gewährleistung, RdW 2003, 429; W. Jud, Anfechtbarkeit des Unternehmenskaufs aus einer Verlassenschaft wegen laesio enormis oder Irrtums über den Wert, FS Wagner (1987) 213; Riedler, Von laesio enormis, dinglich und obligatorisch wirkenden Vertragsaufhebungstatbeständen und Schadenersatzpflichten des Beklagten wegen eigener Prozessfehler des Klägers, JBl 2004, 215; Zemen, Kunstkauf und laesio enormis, ÖJZ 1989, 589; ders, Kunstauktion und laesio enormis, ÖJZ 1997, 213.
Zweiseitig verbindliche Verträge, die einen Partner massiv benach- 1 teiligen, ohne dass dieser Umstand auf den freien Willen des Benachteiligten zurückzuführen ist, sollen grundsätzlich keinen Bestand haben. Während beim Wucher zu einer groben inhaltlichen ÄquivaP. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 934
lenzstörung eine gravierendes Manko bei der Willensbildung tritt (s § 879 Rz 18, 20), knüpft § 934 zunächst bloß an ein krasses objektives Wertmissverhältnis an: Ist die eine Leistung weniger als die Hälfte der versprochenen Gegenleistung wert, der eine Vertragsteil also über die Hälfte verkürzt (laesio enormis), ist die Grenze des Akzeptablen überschritten. Ein solcher Wertvergleich setzt voraus, dass beide Leistungen bewertbar sind (zum gemeinen Wert § 305 Rz 3 f), wenn auch uU nur in Form einer Bandbreite (näher Zemen, ÖJZ 1989, 594) oder unter Rückgriff auf die Herstellungskosten (Reischauer/R Rz 4); ansonsten kann § 934 nicht eingreifen (s § 935 HS 5: eigentlicher Wert lässt sich nicht – mehr – erheben). Unbewertbar kann etwa ein Unterhaltsverzicht bei Scheidung sein (RZ 1985, 95); ebenso ein von seinem Schöpfer verkauftes Kunstwerk (SZ 39/206). Grundsätzlich sind Bewertungen heutzutage aber weitestgehend möglich; nach der Rspr etwa auch für GmbH-Geschäftsanteile (3 Ob 520/94, 559/95 SZ 68/152 = ecolex 1996, 15 Puck), bestimmte Kunstwerke (SZ 39/206; RZ 1962, 83) oder Leibrenten (dazu §§ 1284–1286 Rz 9; vgl Wenusch, AnwBl 2001, 133). Bei Bestandverträgen ist ein Vergleich zum marktüblichen Entgelt anzustellen (3 Ob 324/04z JBl 2006, 39 mwN). Die Bewertung ist gemäß S 3 auf den Vertragsabschlusszeitpunkt hin vorzunehmen, nicht auf einen etwaigen späteren Leistungszeitpunkt (SZ 61/162; 4 Ob 208/98m RdW 1999, 18 N.N.). Bei Optionsrechten ist wegen der Ähnlichkeit zur Offerte (§ 861 Rz 10) auf den Ausübungs- und nicht auf den Einräumungszeitpunkt abzustellen, soweit es um die Beurteilung des durch die Optionsausübung herbeigeführten Vertrages geht (4 Ob 159/01p JBl 2002, 243 gegen 2 Ob 17/97g SZ 70/28); hingegen kommt es bei Beurteilung der entgeltlichen Einräumung einer – nicht immer leicht zu bewertenden – Option als solcher auf den Abschluss der Optionsvereinbarung an. Die Beweislast für das über die Grenze von 1:2 hinausgehende Missverhältnis trägt immer derjenige, der sich auf eine entsprechende Verkürzung beruft (JBl 1928, 151; 6 Ob 592/95; 1 Ob 2342/96k). Noch nicht wirklich geklärt ist, ob und wann eine Berufung auf § 934 bei langfristigen Dauerschuldverhältnissen ohne Wertsicherung in Frage kommt, bei denen die enorme Verkürzung erst einige Zeit nach Vertragsschluss auftritt (und dann meist nicht den gesamten Vertrag, sondern die Abrechnungsperioden ab einem bestimmten Termin erfasst); zu Leibrenten s 8 Ob 562/93 NZ 1994, 206; 3 Ob 8/98t SZ 71/59. 2 Neben dem objektiven Wertmissverhältnis wird für die Anfechtung
wegen laesio enormis aber auch ein Element mangelhafter Willensbildung verlangt (vgl Gschnitzer/K IV/1, 560). Gemäß § 934 ist bei Vorliegen des krassen Missverhältnisses ein Wertirrtum des Verkürz992
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 934
ten zu vermuten (zum Wertirrtum, der im Regelfall einen unbeachtlichen Motivirrtum darstellt, § 871 Rz 8). Die Anfechtung kommt konsequenterweise (nur) dann nicht in Betracht, wenn dem Verkürzten der wahre Wert bekannt war (§ 935), wofür der Partner des Verkürzten die Beweislast trägt (SZ 68/152 = ecolex 1996, 15 Puck). Der Wertirrtum ist also Voraussetzung der Anfechtung wegen laesio enormis (aA Reischauer/R Rz 8), nur muss der Anfechtende sein Vorliegen nicht eigens beweisen. Die Anfechtung scheidet daher auch dann aus, wenn sich ein Teil ganz bewusst aus Freigebigkeit zu einem derartigen Vertrag entschlossen hat (gemischte Schenkung, dazu § 938 Rz 3, 8; s § 935 HS 4). Dass der Verkürzte den Vertrag als wirtschaftliches Verlustgeschäft erkannte, genügt allerdings nicht (zu Details P. Bydlinski, JBl 1983, 417 f). Obwohl die Tatbestandsformulierung anderes nahe legt, kann § 934 3 auch schon vor Leistungsaustausch eingreifen. Dafür sprechen nicht zuletzt sowohl der Zweck der Vorschrift (Rz 1) als auch das von S 3 leg cit geforderte Abstellen auf den Abschlusszeitpunkt für die Wertberechnung. Dieser letzte Gesichtspunkt ist umgekehrt ein entscheidendes Argument dafür, nach Vertragsschluss eingetretene Wertminderungen nicht zu berücksichtigen (überzeugend ecolex 1999, 15 = RdW 1999, 18 N.N.); dafür ist das Leistungsstörungs-, insb das Gewährleistungsrecht, zuständig. Streitig ist demgegenüber nach wie vor, ob bei der Bemessung der zu vergleichenden Werte von den vereinbarten Leistungen auszugehen ist oder ob ursprüngliche Mängel bei der Feststellung des Wertmissverhältnisses zu Gunsten des Gläubigers mit zu berücksichtigen sind. Für ursprüngliche und unbehebbare Mängel einer Spezies, der sicherlich heikelsten Konstellation, hat sich der OGH (7 Ob 251/02s JBl 2004, 252 Riedler 215; offen gelassen noch in SZ 61/162 und in ecolex 1999, 15 = RdW 1999, 18 N.N.) kaum begründet der überwiegenden Ansicht (Nw etwa bei Reischauer/R Rz 15) angeschlossen und den Wert der vorhandenen mangelhaften Sache in Anschlag gebracht (zust Riedler, JBl 2004, 218 f). ME sollten für solche Fälle nur die – für den Gläubiger ausreichenden – Irrtums- und Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung stehen (P. Bydlinski, RdW 2003, 429, insb 431 f; Bedenken gegen die hA auch bei Reischauer/R Rz 15 sowie bei Kramer/Straube, HGB I 3 § 351a Rz 5). Bei dieser Sicht kommt es für § 934 – wie beim Wucher (vgl Joeinig, ÖJZ 2003, 4) – immer auf einen Wertvergleich der vereinbarten Leistungen an (idS SZ 60/37; ebenso Ehrenzweig, System II/1, 202). Ist der Tatbestand des § 934 erfüllt, kommt dem Verkürzten ein An- 4 fechtungsrecht zu (näher Rz 5). S 2 leg cit räumt dem Vertragspartner P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
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aber als facultas alternativa (Ersetzungsbefugnis) ein Gegengestaltungsrecht ein: Dieser kann den Vertrag retten, indem er die objektive Äquivalenz vollständig herstellt, also seine Leistung auf den vollen Wert der Gegenleistung aufstockt oder eine entsprechende Kürzung seines Entgeltanspruchs akzeptiert. Die Vertragsaufhebung ist somit durch die Nichtausübung der Ersetzungsbefugnis bedingt (vgl 1 Ob 606/91 SZ 64/183). Ausübung ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung 1. Instanz möglich (SZ 61/162; JBl 2004, 252). Das Angebot des Ausgleichs genügt (6 Ob 618/92 SZ 66/25); eine etwaige Rück- bzw Zusatzleistung muss nicht zugleich erbracht werden. Die wirksame Ausübung der Ersetzungsbefugnis verschafft dem Vertragspartner uU einen klagbaren Zahlungsanspruch (SZ 66/25), wobei eine entsprechende Änderung des Begehrten gemäß § 235 Abs 4 ZPO ohne weiteres möglich ist (8 Ob 567/93 JBl 1994, 823). Fraglich ist, ob das Anfechtungsrecht wieder entsteht, wenn der Partner des Verkürzten mit der aus der Ersetzungsbefugnis resultierenden Leistungspflicht (zB der Rückgewähr der Überzahlung) in Verzug gerät. Wurde der Vertrag durch Wahl der Aufzahlungsvariante derart modifiziert, dass den Anfechtungsgegner eine zusätzliche vertragliche Leistungspflicht trifft, ist allerdings ohnehin der Rücktritt gemäß § 918 möglich, der bei unteilbarer Gegenleistung den gesamten Vertrag erfasst. 5 Obwohl § 934 S 1 von „Aufhebung ... fordern“ spricht, steht dem
Verkürzten anerkanntermaßen kein Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht zu, das dem Anfechtungsrecht wegen Irrtums entspricht (dazu § 871 Rz 19 f). Nach hA bedarf es gerichtlicher Geltendmachung (2 Ob 522/95 JBl 1998, 41 Holzner) innerhalb dreijähriger Verjährungsfrist (§ 1487), die ab dem Vertragsschluss läuft (SZ 28/232; EvBl 1961/357); implizite Ausübung, etwa durch Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Sachrückgabe, genügt (6 Ob 36/04v ecolex 2005, 36). Bei Ausübung eines Optionsrechts, die einen unter § 934 fallenden Vertrag zustande bringt, wird hingegen auf die Ausübung der Option abgestellt (SZ 70/28). Entgegen älterer Ansicht geht die aktuelle Judikatur im Ergebnis – wenn auch ohne Begründung – wie bei Irrtumsanfechtung von sachenrechtlicher Rückwirkung der Vertragsaufhebung aus, was der rechtsdogmatischen Einordnung als Wurzelmangel Rechnung trägt (JBl 1998, 41 Holzner; 2 Ob 325/98b JBl 1999, 537 Rummel; ebenso mit näherer Begründung insb P. Bydlinski, JBl 1983, 412, 417; aA zB noch SZ 55/21 sowie Teile der Lehre, die bloß schuldrechtliche ex-tunc-Wirkung befürworten). Dazu passt auch der Verjährungsbeginn mit Vertragsschluss (und nicht erst ab Übergabe). 994
P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 935
Nach der hier vertretenen Ansicht (Rz 4) scheidet eine echte Konkur- 6 renz zwischen der Berufung auf § 934 und der Geltendmachung von Gewährleistungsbehelfen aus. Negative Abweichungen vom vertraglich Geschuldeten lösen vielmehr nur die entsprechenden leistungsstörungsrechtlichen Konsequenzen aus. Entsprechendes gilt für Eigenschaftsirrtümer iSd § 871 (für Konkurrenz aber wiederum die hA), während echte Erklärungsirrtümer (§ 871 Rz 5) unter den Voraussetzungen des § 871 durchaus anstelle der Verkürzung über die Hälfte geltend gemacht werden könnten. Auch ist es denkbar, dass der über den wahren Wert arglistig Getäuschte sowohl nach § 934 als auch nach § 870 vorgehen kann (vgl EvBl 1964/317). Auch andere Normen messen einer Verkürzung über die Hälfte Be- 7 deutung zu; allerdings auf andere Weise. So stellen die §§ 1048 f auf entsprechend massive nachträgliche Entwertungen des Leistungsgegenstandes ab, wobei die Gegenleistung und deren Wert ganz außer Betracht bleiben. § 1105 S 2 sieht bei Jahrespachtverträgen dann eine Zinsminderung vor, wenn der Ertrag um mehr als die Hälfte hinter dem gewöhnlichen Ertrag zurückbleibt. § 935. Die Anwendung des § 934 kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden; er ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn jemand erklärt hat, die Sache aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Wert zu übernehmen; wenn er, obgleich ihm der wahre Wert bekannt war, sich dennoch zu dem unverhältnismäßigen Werte verstanden hat; ferner, wenn aus dem Verhältnisse der Personen zu vermuten ist, daß sie einen, aus einem entgeltlichen und unentgeltlichen vermischten Vertrag schließen wollten; wenn sich der eigentliche Wert nicht mehr erheben läßt; endlich, wenn die Sache von dem Gerichte versteigert worden ist. [idF BGBl 1979/140] Lit: Krejci, KSchG und ABGB, in Krejci, KSchG-HB 85; Welser, Anmerkungen zum Konsumentenschutzgesetz, JBl 1979, 449; s auch bei § 934.
Rechtsgeschäftliche Vorweg-Verzichte auf das Anfechtungsrecht 1 sind gemäß § 935 HS 1 unwirksam; § 934 S 1 ist also zwingend (vgl 3 Ob 8/98t SZ 71/59). Unternehmer können hingegen wegen ihrer typischen Geschäftserfahrenheit auf das Anfechtungsrecht bereits vorweg verzichten (§ 351 UGB), sofern es sich nicht um Vorbereitungsgeschäfte zur Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit handelt (§ 343 Abs 3 UGB); ein Ausschluss mittels AGB erscheint allerdings nicht unproblematisch (P. Bydlinski in Harrer/Mader, Die HGB-Reform in Österreich, 2005, 61; vgl aber auch Schauer/RK P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 936
UGB § 351 Rz 5 mwN). Obwohl § 935 pauschal von der „Anwendung des § 934“ spricht, begegnet die Abbedingung der facultas alternativa des § 934 S 2 keinen Bedenken. Verzichtsvereinbarungen nach Vertragsschluss fallen nicht unter § 935 HS 1; ihre Gültigkeit ist nach allgemeinen Regeln zu beurteilen. 2 Die HS 2–6 enthalten Tatbestände, bei deren Vorliegen das Anfech-
tungsrecht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Zu einigen Fällen s bereits § 934 Rz 2. Auch wer eine Sache aus besonderer Vorliebe bewusst überzahlt (HS 2), soll sich später nicht auf enorme Verkürzung berufen können (Kauf einer Briefmarkensammlung in Pausch und Bogen: JBl 1972, 611; nicht aber: Kauf eines Unfallwagens, JBl 1988, 449; wenig überzeugend der Hinweis auf die besondere Vorliebe in SZ 50/144: Partnerring). Bei massivem Wertirrtum sollte jedoch wohl auch der Schutz eines Affektionserwerbers und eines „gemischten Schenkers“ (HS 4) erwogen werden. Der Anfechtungsausschluss der gerichtlichen Versteigerung (HS 6) betrifft nach hA nur die Zwangsversteigerung, nicht hingegen freiwillige Feilbietungen (GlUNF 2701; SZ 61/248; Mayrhofer, SR AT 455). 3 Für das Vorliegen jener Umstände, die gemäß § 935 HS 2–6 das An-
fechtungsrecht des § 934 ausschließen, trägt der Partner des Verkürzten die Beweislast (8 Ob 2177/96x ecolex 1997, 924 S. Urbanek; SZ 68/152 = ecolex 1996, 15 Puck). Für die gemischte Schenkung genügt nach dem Gesetzeswortlaut der Beweis jener Umstände, die die (bloße) Vermutung teilweiser Unentgeltlichkeit rechtfertigen. 4 Zum Ausschluss des Laesio-enormis-Einwandes bei Glücksverträ-
gen s §§ 1267–1274 Rz 10, beim Vergleich § 1386. Von der Verabredung eines künftigen Vertrages § 936. Die Verabredung, künftig erst einen Vertrag schließen zu wollen, ist nur dann verbindlich, wenn sowohl die Zeit der Abschließung, als die wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt, und die Umstände inzwischen nicht dergestalt verändert worden sind, daß dadurch der ausdrücklich bestimmte, oder aus den Umständen hervorleuchtende Zweck vereitelt, oder das Zutrauen des einen oder andern Teiles verloren wird. Überhaupt muß auf die Vollziehung solcher Zusagen längstens in einem Jahre nach dem bedungenen Zeitpunkte gedrungen werden; widrigenfalls ist das Recht erloschen. Lit: Call, Zur Bestimmtheit der „wesentlichen Stücke des Vertrages“, insb beim Vorvertrag zum Kauf, FG Herdlitczka (1972) 43; Schimetschek, Vorverträge
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P. Bydlinski
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 936
über Liegenschaften und Bestandobjekte, ImmZ 1982, 99; Stauffer, Bemerkungen zum Aufgriffsrecht, NZ 1963, 145; Stöckl, Option und Aufgriffsrecht, NZ 1963, 113; Süssner, Noch einmal Erbvertrag und Aufgriffsrecht, NZ 1968, 177; Zöllner, Der arbeitsrechtliche Vorvertrag, FS Floretta (1983) 455.
Der Vorvertrag ist die Vereinbarung, in Zukunft einen Hauptvertrag 1 zu schließen. Damit der Vorvertrag Verbindlichkeit erlangt, muss der beabsichtigte Hauptvertrag bereits weitestgehend konkretisiert (Rz 2) und sein Abschlusszeitpunkt vorweg bestimmt sein (Rz 3). Um die konkreten Formzwecke (va Übereilungsschutz) nicht zu vereiteln, bedarf der Vorvertrag grundsätzlich der für den betreffenden Hauptvertrag notwendigen Form (SZ 23/268; NZ 1986, 37; 7 Ob 62/05a wobl 2006, 228; RS0017224 ua). Aus einem Vorvertrag kann von jedem Vertragsteil auf Erfüllung des Versprochenen, also auf Abschluss des Hauptvertrages, geklagt werden (6 Ob 570/93 RdW 1994, 205). Soll die Vertragsleistung des Partners sogleich fällig werden, kann der Kläger zugleich die Erbringung dieser Leistung begehren (P. Bydlinski, AT Rz 10/20). Entsprechend bedingte Vorverträge sind auch dann gültig, wenn dem Hauptvertrag (noch) rechtliche Hindernisse entgegenstehen (4 Ob 20/03h immolex 2004, 27 Pfiel). Ausreichend bestimmt ist ein Vorvertrag dann, wenn er die gesetz- 2 lich notwendigen Mindestbestandteile („wesentliche Stücke“) des in Aussicht genommenen Hauptvertrages enthält (RdW 1994, 205; 3 Ob 2094/96d NZ 1998, 216); beim Vorvertrag zu einem Kauf sind das etwa Ware und Preis. Da die Parteien somit schon bei Abschluss des Vorvertrages ziemlich genau wissen müssen, was sie wollen und die Bindung an den Vorvertrag bloß unwesentlich schwächer ausgestaltet ist als die an einen Hauptvertrag (Rz 4 und 5), werden echte Vorverträge nur selten geschlossen (vgl 2 Ob 33/05z Miet 57.108 mwN). Ein wichtiger Anwendungsbereich liegt dort, wo Hauptverträge nach geltendem Recht als Realverträge ausgestaltet sind (Darlehen, Leihe, Verwahrung); bloße Einigung über das Gewollte kann in diesem Bereich daher grundsätzlich nur einen Vorvertrag darstellen. Doch wird für den besonders wichtigen Darlehensvertrag ein sog Kredit(eröffnungs)vertrag als Hauptvertrag (Konsensualvertrag sui generis) anerkannt (JBl 1981, 90; § 983 Rz 3). Die bestimmte Zeit der Abschließung darf entgegen älterer Judika- 3 tur (s etwa GlUNF 1216) nicht zu eng verstanden werden. Neben der Festlegung eines fixen Abschlusstermins reicht auch das Abstellen auf den Eintritt einer Bedingung (4 Ob 20/03z NZ 2004, 207 = immolex 2004, 27 Pfiel; Miet 57.108) oder die Vereinbarung einer Zeitspanne (vgl 7 Ob 619/91) aus. Es genügt, wenn sich der Abschlusszeitpunkt P. Bydlinski
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Verträge und Rechtsgeschäfte
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oder -zeitraum durch Vertragsauslegung ergibt (SZ 49/160). Für diese großzügigere Sicht spricht der Zweck der Regelung, der nur darin liegen kann, zwischen ernsthaft gewollten Bindungen und unverbindlichen Inaussichtnahmen zu unterscheiden (zur zweiten Konstellation vgl HS 6437, wo ehebaldigste Ausarbeitung eines Vertragsentwurfs vorgesehen war). War eine wechselseitige Bindung gewollt, wäre Nichtigkeit der Vereinbarung bei unbedenklichem Vertragsinhalt keine adäquate Rechtsfolge. Sie ist nur dann unvermeidbar, wenn sich der geplante Abschlusstermin auch mit Hilfe der §§ 914 f nicht klären lässt. Ein Rückgriff auf § 904 (Erfüllung im Zweifel sogleich) verbietet sich jedenfalls dann, wenn feststeht, dass die Parteien keine sofort durchsetzbaren Hauptleistungspflichten begründen wollten, wovon bei Abschluss eines bloßen Vorvertrages auszugehen ist (anderes gilt für die Punktation; dazu § 885). Steht der Vorvertrag unter einer Bedingung, etwa der Änderung der Rechtslage, ist der Bedingungseintritt als vereinbarter Abschlusstermin anzusehen (immolex 2004, 27 Pfiel). 4 Die aus einem Vorvertrag resultierende Bindung ist in zweifacher
Hinsicht schwächer als die an einen Hauptvertrag. So stehen Vorverträge unter der „Umstandsklausel“ (clausula rebus sic stantibus): Ändern sich vertragswesentliche Umstände nachträglich wesentlich und unvorhersehbar (8 Ob 504/92 SZ 65/17), so verliert der Vorvertrag seine Verbindlichkeit. Bsp aus der Rspr: Gesetzesänderungen (EvBl 1955/86); dringender eigener Geldbedarf des Geldschuldners infolge Arbeitslosigkeit (SZ 20/256); Pfändungen beim Vertragspartner (HG Wien EvBl 1937/409); erhebliche Veränderung des ortsüblichen Mietzinses (5 Ob 138/02h RdW 2002, 731). Die in § 936 enthaltene Umstandsklausel ist ein zentraler Baustein der für Verträge generell entwickelten Lehre vom Wegfall (bzw der Störung) der Geschäftsgrundlage (§ 901 Rz 6 ff) wobei allerdings zu beachten ist, dass die Störung bei Hauptverträgen stärker ausgeprägt sein muss, um die privatautonom eingegangene Bindung zu beseitigen bzw zu modifizieren. 5 Abgeschwächt ist ferner die Bindungsdauer. Während vertragliche
Verpflichtungen den Verjährungsregeln unterliegen, muss der aus dem Vorvertrag resultierende Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrages binnen einer Einjahresfrist geltend gemacht werden (§ 936 S 2). Der einem Vorvertrag immanente Schwebe- bzw Ungewissheitszustand soll eben nur relativ kurze Zeit dauern. Die Frist läuft ab dem vereinbarten Abschlusstermin (SZ 20/256; SZ 49/160), bei einer Abschlusszeitspanne ab deren Ende. Überdies soll Fristablauf nach überwiegender Ansicht zum Erlöschen aller Ansprüche aus dem Vorvertrag (Präklusion; dazu § 1451 Rz 5), nicht bloß zur Verjährung führen 998
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Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 937
(SZ 49/160; Miet 31.118). Das hätte etwa zur Konsequenz, dass der Abschluss des Hauptvertrages in Erfüllung der verfristeten Pflicht aus dem Vorvertrag uU von jedem Vertragsteil dreißig Jahre lang (!) bekämpft werden könnte (Abgabe der entsprechenden Willenserklärung als irrtümliche Leistung einer Nichtschuld iSd § 1431; vgl Mader/S § 1432 Rz 5). Überdies bedürfte es im Prozess keiner Verfristungseinrede (dagegen trotz Einordnung als Präklusivfrist Gschnitzer/K IV/1, 578 f). Für beides ist keine überzeugende Rechtfertigung zu sehen, weshalb gute Argumente, nicht zuletzt der Zweck der kurzen Frist, die Qualifizierung als normale Verjährungsfrist nahe legen (ebenso Reischauer/R Rz 8). Dafür spricht überdies, dass die Rspr immer wieder auch bei § 936 verjährungsrechtliche Normen analog anwendet (Miet 31.118: § 1497; 8 Ob 711/89: § 1494). Nicht alles, was in der Praxis als Vorvertrag bezeichnet wird, ist auch 6 ein solcher. Die schriftformbedürftige Punktation stellt einen „vorläufig verbindlichen“ Hauptvertrag dar (s § 885 Rz 1), während im Optionsvertrag einem Vertragsteil ein Gestaltungsrecht eingeräumt wird (dazu § 861 Rz 10); ebenso durch die Vereinbarung künftig möglicher Konvertierung des Kreditbetrags in eine andere Währung (4 Ob 271/04p SZ 2005/31). Rahmenverträge werden hingegen aus Vereinfachungsgründen geschlossen, nämlich vorweg und im Hinblick auf eine bereits unverbindlich in Aussicht genommene Vielzahl gleichartiger Einzelverträge. Sie führen für sich allein keine durchsetzbaren Verpflichtungen herbei, sondern werden erst dann relevant, wenn es in der Folge tatsächlich zum Abschluss von Einzelverträgen kommt, die sich den Inhalt der Rahmenvereinbarungen zu eigen machen. Von dem Verzicht auf Einwendungen § 937. Allgemeine, unbestimmte Verzichtleistungen auf Einwendungen gegen die Gültigkeit eines Vertrages sind ohne Wirkung. Lit: Avancini, Anerkennung einer abgetretenen Forderung, ÖBA 1989, 451; Koziol, Zur Gültigkeit abstrakter Schuldverträge im österreichischen Recht, GedS Gschnitzer (1969) 233; ders, Der Garantievertrag (1981); Lukas, Das Abstraktionsmodell der §§ 780 f, 812 Abs 2 BGB als Vorbild für das geltende österreichische Schuldrecht? in Krebs (Hrsg), Summum ius, summa iniuria (1994) 161.
Ein genereller Verzicht auf die Geltendmachung von Unwirksam- 1 keitsgründen erfolgt häufig ohne ausreichende Überlegung und kann Folgen haben, die vorweg kaum absehbar sind (Miet 35.108; SZ 57/125; 4 Ob 81/99m ecolex 1999, 536). Ferner und vor allem (Dullinger/R P. Bydlinski
999
Verträge und Rechtsgeschäfte
§ 937
§ 1444 Rz 4) darf auf diese Weise zwingendes Recht nicht umgangen werden können. Daher erklärt § 937 derartige „Generalverzichtsvereinbarungen“ von vornherein für unwirksam. Konkretere, individuelle Vorweg-Verzichte fallen nicht unter § 937. Sie sind insb an § 879 zu messen, wobei generelle Regeln nicht existieren. In Bezug auf echte Nichtigkeitsgründe (fehlende Geschäftsfähigkeit, Formmangel, Dissens) werden sie regelmäßig unwirksam sein, während über Anfechtungsrechte wegen Willensmängeln Vorwegdispositionen in gewissen Grenzen in Frage kommen (s § 871 Rz 22, aber auch § 870 Rz 9); allerdings kaum einmal zu Lasten von Verbrauchern bzw Privaten (vgl § 6 Abs 1 Z 14 KSchG oder § 935 ABGB). Weitestgehend unbedenklich sind nachträgliche Verzichte auf konkrete Rechtspositionen in Kenntnis der wesentlichen Umstände (EvBl 1956/374; vgl auch 6 Ob 59/00w wobl 2001, 87 Dirnbacher). 2 Die Rspr zieht § 937 immer wieder über dessen eigentlichen Anwen-
dungsbereich (ungültige Verträge) hinaus – also analog (F. Bydlinski/K IV/2, 398; Kletecˇ ka, ecolex 1991, 6) – heran; so bei Verzicht auf Einwendungen gegen eine Kündigung (GlUNF 7171), bei Vorwegverzichten auf künftige durch Gesetzesänderungen allenfalls entstehende Rechte eines Mieters (SZ 57/125) und überhaupt bei Verzichten auf Rechte (s etwa Rsp 1931/70 Wahle; JBl 1981, 90; 4 Ob 505/85; RS0018776). ME sollten derartige Verzichtsklauseln nach § 879 beurteilt werden (daher keine Lücke), wobei die Wertung des § 937 uU Hilfe bei der Konkretisierung des Sittenwidrigkeitsmaßstabes leisten kann. 3 Von besonderer praktischer Bedeutung ist die vor allem aus § 937
gezogene Konsequenz, dass abstrakte Verpflichtungen – also solche, deren wirtschaftlicher Grund der Vereinbarung selbst nicht zu entnehmen ist – regelmäßig unwirksam sind. Zu leicht könnten ansonsten gesetz- oder sittenwidrige Zwecke verschleiert werden. Im österreichischen Recht herrscht also auch insoweit das Prinzip der Kausalität (grundlegend Koziol, GedS Gschnitzer 233). Das konstitutive Anerkenntnis (§ 1375 Rz 2 ff) stellt keine Ausnahme von diesem Grundsatz dar, weil dessen Causa in der – rechtlich sogar erwünschten – Streitbereinigung bzw der Prozessvermeidung liegt; Gleiches gilt für den gesetzlich ausdrücklich anerkannten Vergleich (§ 1380). 4 Abstrakte Verpflichtungen werden allerdings in drei- oder mehrper-
sonalen Verhältnissen unter bestimmten Voraussetzungen akzeptiert: Einerseits liegen dann in aller Regel kausale Grundverhältnisse vor, mit deren Hilfe sich die – meist wirtschaftlichen – Beweggründe für die abstrakte Verpflichtung bei Bedarf nachzeichnen lassen; anderer1000
P. Bydlinski
Schenkung
§ 938
seits besteht die Möglichkeit einer „Rückabwicklung im Dreieck“ bei Zweckverfehlung. Hinzu kommt, dass der Gläubiger nicht von einem fremden Rechtsverhältnis abhängig sein will, in dessen Einzelheiten er keinen Einblick hat. Sein Wunsch nach einem abstrakten Anspruch ist daher gut verständlich und rechtlich unbedenklich. Zur Begründung einer weitestgehend abstrakten Verpflichtung geeignet sind daher anerkanntermaßen die Annahme einer Anweisung (§ 1402), die Unterfertigung eines Wechsels (vgl insb § 17 WG) oder die Übernahme einer Garantiehaftung zu Sicherungszwecken (zur Abstraktheit einer Garantie und ihren Grenzen § 880a Rz 2, 4).
Achtzehntes Hauptstück Von Schenkungen Schenkung § 938. Ein Vertrag, wodurch eine Sache jemandem unentgeltlich überlassen wird, heißt eine Schenkung. Lit: Kulka, Unentgeltlichkeit und Freigebigkeit, ÖJZ 1969, 477.
Die Schenkung ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft und bedarf daher 1 der Annahme durch den Beschenkten (zum Vertrag zugunsten Dritter s aber § 882; SZ 51/25; SZ 51/82). Der Wille der Parteien muss auf eine freigebige, dh ohne Gegenleistung und ohne bisherige Verpflichtung erfolgende, Zuwendung gerichtet sein (näher Rz 3 ff und §§ 940–941 Rz 2). Die Parteierklärungen werden auch bei Schenkungen nach §§ 914 f ausgelegt (8 Ob 560/90). Neben dem Konsens über die unentgeltliche Zuwendung ist als Form die wirkliche Übergabe oder ein Notariatsakt erforderlich, s bei § 943. Aus der Unentgeltlichkeit des Erwerbs erklärt sich die geringere Schutzwürdigkeit des Beschenkten, die vor allem in §§ 367, 901, 915, 947 ff ABGB, ferner in §§ 29 und 58 KO, § 3 AnfO zum Ausdruck kommt. „Sache“ ist an sich im weiten Sinn des § 285 zu verstehen; geschenkt 2 werden können daher auch Forderungen und andere unkörperliche Sachen (zB Miet 24.098: Bestandrechtsabtretung; 4 Ob 53/04d: Werknutzungsrechte). Soweit jedoch das ABGB für unentgeltliche Leistungen besondere Vertragstypen vorsieht (Leihe, auch Darlehen, Auftrag, Dienstvertrag), sind diese Regeln anzuwenden (K/W II 178; vgl aber JBl 1986, 526 krit Pfersmann: Freiflugzusage; zu Formfragen s Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 65 ff; Vollmaier, JBl 2005, 558); die unentgeltliche Einräumung eines Vorkaufsrechtes ist keine SchenP. Bydlinski/Bollenberger
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Schenkung
§ 938
seits besteht die Möglichkeit einer „Rückabwicklung im Dreieck“ bei Zweckverfehlung. Hinzu kommt, dass der Gläubiger nicht von einem fremden Rechtsverhältnis abhängig sein will, in dessen Einzelheiten er keinen Einblick hat. Sein Wunsch nach einem abstrakten Anspruch ist daher gut verständlich und rechtlich unbedenklich. Zur Begründung einer weitestgehend abstrakten Verpflichtung geeignet sind daher anerkanntermaßen die Annahme einer Anweisung (§ 1402), die Unterfertigung eines Wechsels (vgl insb § 17 WG) oder die Übernahme einer Garantiehaftung zu Sicherungszwecken (zur Abstraktheit einer Garantie und ihren Grenzen § 880a Rz 2, 4).
Achtzehntes Hauptstück Von Schenkungen Schenkung § 938. Ein Vertrag, wodurch eine Sache jemandem unentgeltlich überlassen wird, heißt eine Schenkung. Lit: Kulka, Unentgeltlichkeit und Freigebigkeit, ÖJZ 1969, 477.
Die Schenkung ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft und bedarf daher 1 der Annahme durch den Beschenkten (zum Vertrag zugunsten Dritter s aber § 882; SZ 51/25; SZ 51/82). Der Wille der Parteien muss auf eine freigebige, dh ohne Gegenleistung und ohne bisherige Verpflichtung erfolgende, Zuwendung gerichtet sein (näher Rz 3 ff und §§ 940–941 Rz 2). Die Parteierklärungen werden auch bei Schenkungen nach §§ 914 f ausgelegt (8 Ob 560/90). Neben dem Konsens über die unentgeltliche Zuwendung ist als Form die wirkliche Übergabe oder ein Notariatsakt erforderlich, s bei § 943. Aus der Unentgeltlichkeit des Erwerbs erklärt sich die geringere Schutzwürdigkeit des Beschenkten, die vor allem in §§ 367, 901, 915, 947 ff ABGB, ferner in §§ 29 und 58 KO, § 3 AnfO zum Ausdruck kommt. „Sache“ ist an sich im weiten Sinn des § 285 zu verstehen; geschenkt 2 werden können daher auch Forderungen und andere unkörperliche Sachen (zB Miet 24.098: Bestandrechtsabtretung; 4 Ob 53/04d: Werknutzungsrechte). Soweit jedoch das ABGB für unentgeltliche Leistungen besondere Vertragstypen vorsieht (Leihe, auch Darlehen, Auftrag, Dienstvertrag), sind diese Regeln anzuwenden (K/W II 178; vgl aber JBl 1986, 526 krit Pfersmann: Freiflugzusage; zu Formfragen s Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 65 ff; Vollmaier, JBl 2005, 558); die unentgeltliche Einräumung eines Vorkaufsrechtes ist keine SchenP. Bydlinski/Bollenberger
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Schenkung
§ 938
kung (1 Ob 108/03v SZ 2004/97). Zur Abgrenzung von Ehepakten s RZ 1961, 66; JBl 1973, 32 F. Bydlinski; 7 Ob 561/95 SZ 68/198. 3 Unentgeltlichkeit bedeutet, dass nach dem Parteiwillen kein Entgelt
erbracht wird. Sie wird durch jede synallagmatisch, konditional oder kausal verknüpfte Gegenleistung, die in einer Handlung oder Unterlassung bestehen kann und keinen Vermögenswert haben muss, ausgeschlossen (Stanzl/K IV/1, 587 f; JBl 1971, 197; SZ 58/209); das Entgelt kann einem Dritten zukommen (SZ 56/30; 9 ObA 102/99m RdW 2000, 624: betriebliche Zusatzleistung an Angehörige des Arbeitnehmers). Bei Verschiedenwertigkeit der Leistungen liegt nur dann eine gemischte Schenkung vor, wenn sich die Parteien über die teilweise Unentgeltlichkeit einig sind (SZ 58/209; s näher Rz 8). Die Erfüllung von Verbindlichkeiten ist keine Schenkung, s §§ 940–941 Rz 2. 4 Die Rspr verneint die Freigebigkeit – trotz Fehlens eines Entgelts und
einer bereits bestehenden Verpflichtung – auch dann, wenn eine Leistung aus sittlicher Pflicht zugesagt wird („Anstandsschenkung“), mit der Folge, dass die Verpflichtung formlos (vgl bei § 943) begründet werden kann (8 Ob 630/92 ecolex 1993, 86 Wilhelm). Hierbei geht es um Leistungen, die nach der gesellschaftlichen Anschauung zwar nicht rechtlich, aber moralisch gefordert werden können, deren Unterlassung als Anstandsverletzung gilt und eine Minderung der Achtung nach sich zieht (SZ 61/110; 1 Ob 322/99f ecolex 2000, 578, jeweils zur Gläubigeranfechtung; 4 Ob 246/99a NZ 2000, 170 Zankl zu § 785; s auch § 785 Rz 5). Im Hinblick auf § 785 Abs 3 ABGB, § 29 KO und § 3 AnfO ist es jedoch richtiger, den Schenkungscharakter zu bejahen und die Formpflicht gemäß § 943 ABGB und § 1 NotAktsG zu verneinen, weil es bei Erfüllung sittlicher Pflichten keines Übereilungsschutzes bedarf (F. Bydlinski, JBl 1978, 648; Schubert/R Rz 4; K/W II 178; offen lassend SZ 48/68). Im Übrigen sind auf die Anstandsschenkung die Regeln für unentgeltliche Geschäfte anwendbar, zB Anfechtbarkeit wegen Motivirrtums (§ 901) oder Ausschluss des Gutglaubenserwerbs nach § 367. ME gäbe es auch keinen Grund, das Widerrufsrecht wegen Undanks (§ 948) zu verneinen. Ausnahmevorschriften ua für Schenkungen aus sittlicher Pflicht bestehen nur bei Pflichtteilsverkürzung (§ 785 Abs 3) und Gläubigeranfechtung (§ 3 AnfO; § 29 KO). 5 Die Beweislast für die Schenkungsabsicht trägt derjenige, der sich
hierauf beruft (7 Ob 2373/96p SZ 70/107; vgl aber 2 Ob 2394/96i JBl 1998, 367 krit zu Recht Mandl; 10 Ob 93/02b). Im Grundbuchsverfahren muss das Einverständnis über die (teilweise) Unentgeltlichkeit aus den beigebrachten Urkunden hervorgehen (5 Ob 141/94 NZ 1996, 205; 5 Ob 2249/96p EvBl 1997/47). 1002
Bollenberger
Schenkung
§ 938
Die Frage nach der Entgeltlichkeit der Sicherung (zB durch Bürg- 6 schaft), Übernahme und Erfüllung fremder Schulden ist va bei der Gläubigeranfechtung von Bedeutung. Maßgeblich sind hiefür insb Bestand und Einbringlichkeit eines Rückgriffsanspruchs, wobei zwischen dem Verhältnis des Interzedenten zum Schuldner und jenem zum Gläubiger unterschieden werden muss, s im Einzelnen Koziol/ Bollenberger in Buchegger, Insolvenzrecht I § 29 KO Rz 17 ff; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung3, 2003, Rz 9/14. S auch § 915 Rz 2; § 1346 Rz 4. Enthält die Schenkung eine Auflage, dh die Verpflichtung des Be- 7 schenkten zu einem bestimmten Verhalten (§§ 709 ff; SZ 51/25), liegt kein entgeltliches Geschäft, sondern nur eine Verminderung der Zuwendung bzw der Bereicherung des Beschenkten vor (Stanzl/K IV/1, 608 f; 7 Ob 264/00z NZ 2001, 308). Ebenso begründet der Vorbehalt des Fruchtgenusses zivilrechtlich (unbeschadet steuerlicher Regelungen) keine Entgeltlichkeit, weil dem Schenker die Substanz der Sache nicht vergolten wird (5 Ob 67/02t). Regelmäßig werden Pflichten auferlegt, die mit dem Geschenk bzw seinen Erträgnissen finanziert werden können (vgl 6 Ob 70/00p), doch sind auch andere Auflagen denkbar. Bei Verletzung der Auflage haben Geschenkgeber und begünstigter Dritter ein Klagerecht (SZ 51/25; 6 Ob 92/01z EF 96.952). Auch die Verpflichtung, die geschenkte Sache einer dritten Person zu überlassen, ist zulässig und wird als (verbücherungsfähiges) Besitznachfolgerecht wie eine echte fideikommissarische Substitution behandelt (5 Ob 84/85 JBl 1997, 165 Spielbüchler = NZ 1997, 63 Hoyer 67; 4 Ob 194/98b NZ 1999, 91; 7 Ob 111/99w NZ 2001, 190; s auch § 608 Rz 7). In Betracht kommt in solchen Fällen aber auch Treuhandschaft (SZ 48/55: Sammlung zu wohltätigem Zweck). Eine gemischte Schenkung setzt sich aus einem entgeltlichen und 8 einem unentgeltlichen Teil zusammen (§ 935: Ausschluss der laesio enormis); entscheidend ist, dass die Parteien einen Teil der Leistung (der nicht überwiegen muss: 9 Ob 134/00x EF 96.960) als geschenkt ansehen wollen (SZ 59/6; 6 Ob 128/05z SZ 2005/103). Daher ist Schenkungsbewusstsein beider Vertragspartner erforderlich; ein objektives Missverhältnis der Werte der beiderseitigen Leistungen reicht hiefür nicht aus, sondern bietet lediglich ein Indiz (SZ 70/107; 6 Ob 175/01f ÖBA 2002, 814 Bollenberger; 6 Ob 92/01z; SZ 2005/103), dem insb bei Beeinträchtigung der Interessen Dritter (zB Gläubiger, Pflichtteilsberechtigte) Bedeutung zukommt (3 Ob 66/97w Miet 50.101; 6 Ob 24/01z EF 96.961). Wenn sich eine gemischte Schenkung, wie regelmäßig, nicht in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Geschäftsteil trennen Bollenberger
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Schenkung
§ 939
lässt, können für die Rechtsfolgen nicht Kauf- und Schenkungsrecht kombiniert werden, sondern ist die jeweils angemessene Lösung zu ermitteln (5 Ob 124/92 SZ 65/137); zB greift Preisminderung wegen Mängeln erst dann und insoweit, als der Minderungsbetrag den geschenkten Teil übersteigt (K/W II 182); bei Wandlung ist die gesamte Gegenleistung zurückzustellen (Schubert/R Rz 9a). Ein Schenkungswiderruf erfasst das ganze Geschäft (2 Ob 113/02k EF 100.685 zu § 948), doch kann der Beschenkte den Widerruf durch Aufzahlung analog § 934 abwehren (SZ 49/75); der Geschenkgeber hat aber die Möglichkeit, nur auf die Ergänzung des Fehlenden, dh die Wertdifferenz, zu klagen, worauf es am Beklagten läge, auf Vertragsaufhebung zu bestehen (SZ 52/36; Schubert/R § 948 Rz 5). Zur Gläubigeranfechtung s Bollenberger, ÖBA 2002, 817 f. Zur Formpflicht s § 943 Rz 2. 9 Übergabsverträge im bäuerlichen Bereich sind Verträge sui generis
mit familien- und erbrechtlichen Elementen (jedoch keine letztwilligen Verfügungen: 1 Ob 510/96 JBl 1996, 722); sie bezwecken die vorgezogene Erbfolge im Interesse der Erhaltung des Betriebes in der Familie und in einer Hand (SZ 2005/103). Häufig treten neben die Gegenleistungen an den Übergeber auch Leistungen an Dritte, insb Abfindungen an weichende Erben (vgl § 881 Abs 3 und SZ 51/25). Die weichenden Geschwister werden regelmäßig mit einem Betrag unter dem Verkehrswert abgefunden, wie dies dem Anerben- und Höferecht entspricht (s § 761). Die Wertdifferenz stellt einen Schenkungsteil dar, so dass der Übergabsvertrag dann ein gemischtes Geschäft ist (ÖBA 2002, 814 Bollenberger; SZ 2005/103); insoweit ist zB auch Anfechtung wegen Pflichtteilsverkürzung gemäß § 951 möglich (SZ 48/114; JBl 1989, 377). Maßgebend ist der Wert der beiderseitigen Leistungen (zB auch eines Ausgedinges) im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (6 Ob 24/01z). Hofübergaben zu Lebzeiten an einen Pflichtteilsberechtigten werden jedoch analog dem Anerbenrecht behandelt (6 Ob 92/01z EF 101.162: nicht auch Übergaben an andere Personen; 6 Ob 37/02p ecolex 2002, 508). Die Liegenschaften sind daher für die Pflichtteilsberechnung entsprechend dem Grundsatz des Wohlbestehenkönnens idR nach dem Ertragswert zu schätzen, ausnahmsweise aber nach dem Verkehrswert (SZ 59/6; 6 Ob 359/97f SZ 71/112; 6 Ob 92/01z EF 101.159; 6 Ob 292/03i SZ 2004/16). Zum Übergabsvertrag auf den Todesfall s SZ 44/98; EvBl 1997/47. Inwiefern eine Verzichtleistung eine Schenkung sei § 939. Wer auf ein gehofftes, oder wirklich angefallenes, oder zweifelhaftes Recht Verzicht tut, ohne es einem andern ordentlich 1004
Bollenberger
Schenkung
§§ 940–941
abzutreten, oder dasselbe dem Verpflichteten mit dessen Einwilligung zu erlassen, ist für keinen Geschenkgeber anzusehen. § 939 betont den Vertragscharakter der Schenkung (Stanzl/K IV/1, 1 606). Nach hM bedarf auch ein Forderungsverzicht (§ 1444, § 1381) stets der Einwilligung des Schuldners, da sich niemand etwas unentgeltlich zuwenden lassen muss (EvBl 1960/6; SZ 54/7; K/W II 106; differenzierend Dullinger/R § 1444 Rz 3); Schweigen des Schuldners auf die Verzichtserklärung des Gläubigers ist idR als Zustimmung zu werten (EvBl 1971/229; 4 Ob 2330/96t ÖBA 1997, 482). Zur Formfreiheit des unentgeltlichen Schulderlasses s § 943 Rz 3. Die Schenkung der Forderung an einen Dritten (Abtretung) ist hingegen formpflichtig (zur „wirklichen Übergabe“ s § 943 Rz 7). Einseitiger Verzicht auf Rechte ist außerhalb des Schuldrechts mög- 2 lich: s zur Dereliktion §§ 362, 386; zur Erbsentschlagung §§ 805, 808. Der Verzicht auf ein künftiges Erbrecht bedarf hingegen eines Vertrages mit dem Erblasser (§ 551; s auch § 879 Abs 2 Z 3). Eine andere Frage ist, ob diese Akte eine Schenkung bzw unentgeltliche Verfügung darstellen, was insb in Betracht kommt, wenn ein Dritter hieraus begünstigt wird, s zur Dereliktion Ertl, JBl 1974, 343; Koziol/Bollenberger in Buchegger, Insolvenzrecht I § 29 Rz 9; zu Erb- oder Pflichtteilsverzicht und Erbsentschlagung Hofmann-Wellenhof, NZ 1984, 17. Belohnende Schenkung § 940. Es verändert die Wesenheit der Schenkung nicht, wenn sie aus Erkenntlichkeit; oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten; oder als eine besondere Belohnung desselben gemacht worden ist; nur darf er vorher kein Klagerecht darauf gehabt haben. § 941. Hat der Beschenkte ein Klagerecht auf die Belohnung gehabt, entweder, weil sie unter den Parteien schon bedungen, oder durch das Gesetz vorgeschrieben war; so hört das Geschäft auf, eine Schenkung zu sein, und ist als ein entgeltlicher Vertrag anzusehen. Das Motiv des Leistenden für seine Freigebigkeit ist gleichgültig; 1 auch bei egoistischer Absicht oder feindseliger Stimmung liegt Schenkung vor (Stanzl/K IV/1, 590). Ebenso unerheblich ist die Absicht des Schenkers über die Verwendung der Sache durch den Beschenkten (zur Versorgungsschenkung s Kritik von F. Bydlinski zu JBl 1973, 32; 7 Ob 561/95 SZ 68/198). § 940 stellt klar, dass auch remuneratorische Bollenberger
1005
Schenkung
§ 942
Zuwendungen, wenn sie nicht Entgelt für eine Leistung des Empfängers darstellen (s § 938 Rz 3), Schenkungen sind. Zur Formfreiheit der Anstandsschenkung s § 938 Rz 4. 2 Hat der Empfänger hingegen einen Anspruch auf die Leistung, liegt
mangels Freigebigkeit keine Schenkung vor (vgl 4 Ob 246/99a NZ 2000, 170 Zankl), da als Gegenleistung die Befreiung von der Verbindlichkeit erlangt wird. Dies gilt auch, wenn kein „Klagerecht“ bestand, da die Erfüllung einer Naturalobligation nicht Schenkung, sondern Schuldtilgung ist (§ 1432). Wechselseitige Schenkungen § 942. Sind Schenkungen vorher dergestalt bedungen, daß der Schenkende wieder beschenkt werden muß; so entsteht keine wahre Schenkung im Ganzen; sondern nur in Ansehung des übersteigenden Wertes. 1 Macht der Beschenkte dem Schenker freiwillig (etwa aus Erkenntlich-
keit) ein Gegengeschenk, kommen zwei Schenkungen zustande (Stanzl/K IV/1, 609 f). War das Gegengeschenk jedoch von vornherein vereinbart, liegt Entgeltlichkeit und deshalb keine Schenkung vor, zB Liegenschaftsschenkung gegen Darlehen, wenn mit dessen Rückzahlung nicht zu rechnen war (6 Ob 167/99y ÖBA 2000, 817). 2 Bei unterschiedlichen Werten der Leistungen kann die Parteiabsicht
uU auf eine Schenkung des Mehrwerts gerichtet sein (vgl SZ 49/75). S zur gemischten Schenkung § 938 Rz 8. Form des Schenkungsvertrages, § 943. Aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrage erwächst dem Geschenknehmer kein Klagerecht. Dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden. Lit: P. Bydlinski, Die Formpflicht bei der Schenkung ohne wirkliche Übergabe (§ 1 Abs 1 lit d NZwG), NZ 1991, 166; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung (1998); Nowotny, Zivilrechtliches zum Schenken von Sparbüchern und Bankguthaben, RdW 2000, 714; s auch bei § 883.
1 Zum Schutz vor Übereilung bedarf die Schenkung entweder einer
wirklichen Übergabe (Handschenkung) oder eines Notariatsakts (§ 1 Abs 1 lit d NotAktsG, der § 943 S 2 derogiert). Formbedürftig ist auch eine nachträgliche Erhöhung der Schenkung, nicht aber eine 1006
Bollenberger
Schenkung
§ 943
Herabsetzung (2 Ob 123/01d ecolex 2001, 745). Nach neuer Rspr bedarf nur das Versprechen des Schenkers, nicht auch die Annahme des Beschenkten eines Notariatsakts (5 Ob 266/99z NZ 2001, 141; 5 Ob 82/05b NZ 2006, 46; s auch § 883 Rz 6; anders aber § 956, s dort Rz 3). Für Vollmachten zum Abschluss von Notariatsakten genügt allgemein eine beglaubigte Spezial- oder Gattungsvollmacht gemäß § 69 Abs 1 und 1a NO (zur Schenkung 4 Ob 19/01z SZ 74/17); s auch § 1008. Für die gemischte Schenkung ist strittig, ob Formpflicht stets (K/W 2 II 182; wohl offen lassend 5 Ob 124/92 SZ 65/137) oder nur bei überwiegender Unentgeltlichkeit besteht (so Schubert/R Rz 6; SZ 50/101); zur gemischten Schenkung unter Ehegatten s SZ 65/137. Zur Schenkung aus sittlicher Pflicht s § 938 Rz 4. Formfrei ist, auch bei Hypothekarforderungen, der unentgeltliche 3 Schulderlass, da er nicht Schenkungsversprechen ist, sondern als Verfügung den Vollzug in sich schließt (SZ 51/15; EF 41.163; ecolex 2001, 745; krit Dullinger/R § 1444 Rz 8; s auch Binder/S Rz 29 f, der Aushändigung des Schuldscheins oder Löschung der Reallast fordert). Zum Vertrag zugunsten Dritter s 2 Ob 104/97a RdW 2000, 83 und § 881 Rz 5; zur Erfüllungsübernahme s 6 Ob 281/02w bbl 2004, 34 und § 1404 Rz 2. Bei Formmangel, der von Amts wegen wahrzunehmen ist, besteht 4 eine Naturalobligation (§ 1432). Durch Erfüllung (nachträgliche wirkliche Übergabe) wird der Formmangel geheilt (SZ 52/176; EvBl 1985/117; 8 Ob 560/90; 9 Ob 149/04a SZ 2005/12; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 157 ff). Die Gläubiger des Schenkers werden durch § 3 AnfO und § 29 KO ausreichend geschützt. Das gilt auch für Ehegattenschenkungen, da diese ebenso nur unter § 1 Abs 1 lit d NotAktsG, nicht aber auch unter lit b leg cit fallen, SZ 65/137 (zur Verletzungen dieser Formvorschrift siehe K/W I 189; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 97 ff; 5 Ob 294/01y NZ 2002, 378). Die „wirkliche Übergabe“ erfordert neben dem Schenkungsvertrag 5 einen weiteren Akt, der sinnfällig nach außen tritt und den Willen des Schenkers erkennen lässt, die Sache sofort in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte 59 ff; 5 Ob 390/97g SZ 70/194; 1 Ob 47/99i SZ 72/182; Kenntnis durch Dritten ist nicht notwendig: 1 Ob 115/02x ÖBA 2003, 226). Sie kann durch körperliche Übergabe (nicht unbedingt „von Hand zu Hand“: Binder/S Rz 10), Übergabe durch Zeichen oder durch Besitzauflassung erfolgen, und zwar auch dann, wenn sich die geschenkte Sache in gemeinsamer Gewahrsame des Übergebers und des Übernehmers Bollenberger
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Schenkung
§ 943
befindet (SZ 70/194: Mitgewahrsame an einer Eigentumswohnung; SZ 72/182: Übergabe von Depotscheinen; 7 Ob 292/03x NZ 2004, 183); der Beschenkte muss aber die tatsächliche Herrschaft über die Sache ausüben können (JBl 1985, 672); zum Bankschließfach s 1 Ob 39/97k NZ 1998, 246. Ebenso genügen Besitzanweisung und uU eine Veräußerungsvollmacht (4 Ob 516/95 EvBl 1995/148). Nicht ausreichend ist hingegen das Besitzkonstitut (SZ 48/81; JBl 1985, 672; SZ 2005/12), außer bei qualifiziert geäußertem Schenkungswillen (2 Ob 274/01k JBl 2002, 451 krit E. Wagner; offen lassend nun 3 Ob 109/02d JBl 2003, 512 E. Wagner; zur nachfolgenden Bestätigung 7 Ob 188/05f Zak 2005, 36). Nach wirklicher Übergabe ist eine vorübergehende Rückübertragung an den Schenker unschädlich (Binder/S Rz 18). 6 Bei Liegenschaften ist nicht Verbücherung erforderlich, sondern ge-
nügt die Verschaffung des faktischen Besitzes (NZ 1991, 11; SZ 65/137: Übernahme der Verwaltung; s aber SZ 2005/12). Umgekehrt hielt der OGH die körperliche Übergabe durch bücherliche Einverleibung für ersetzbar (SZ 45/37; 6 Ob 179/97k JBl 1999, 45 krit Hoyer und Schubert/R Rz 2), verlangte jedoch zuletzt einen zum Vertrag hinzutretenden Willensakt des Schenkers (SZ 2005/12). ME wäre etwa erforderlich, dass der Schenker den Eintragungsantrag stellt. Besitzeinräumung genügt auch bei Schenkung von abzuschreibenden Teilen von Grundstücken (SZ 23/383), ideellen Anteilen (SZ 70/194; NZ 2002, 378) und Eigentumswohnungen (EF 57.607; auch bei Begründung von Ehegattenwohnungseigentum, zutr Binder/S Rz 20). Die bloße Erklärung, die Übergabe gelte mit Unterfertigung als vollzogen, stellt allein keine Übergabe dar (SZ 38/227; NZ 1984, 234; SZ 70/194), doch kann die tatsächlich erfolgte Übergabe im Vertrag beurkundet werden (vgl 1 Ob 551/94 SZ 67/136; zur unrichtigen Bestätigung SZ 2005/12). Im Grundbuchsverfahren ist ein Notariatsakt entbehrlich, wenn im Vertrag auch vom Geschenkgeber bestätigt wird, dass die Übergabe bereits erfolgt ist (5 Ob 247/02p Miet 54.108; NZ 2006, 46). 7 Bei der Schenkung von Forderungen erfolgt die „wirkliche Über-
gabe“ durch Zeichen iSd § 427, also bei nicht verbrieften Forderungen durch Aushändigung einer Abtretungsurkunde (krit Puck, ecolex 1992, 230) oder Verständigung des Drittschuldners durch den Zedenten (SZ 52/176: Anwartschaft auf Wohnungseigentum; JBl 1984, 378: Schadenersatzanspruch; 1 Ob 147/00z JBl 2001, 313: Herausgabeanspruch gegen Treuhänder) oder Vermerk in den Geschäftsbüchern des Schenkers (Schubert/R Rz 4). Zu beachten ist, dass es hier um Formpflicht des Titelgeschäftes geht, also ohne Notariatsakt oder 1008
Bollenberger
Schenkung
§ 944
wirkliche Übergabe keine Verpflichtung entsteht. Zum Modus bei der Verpfändung von Forderungen s bei § 452. Bei Sparbüchern ist Übergabe des Buches und Mitteilung des richtigen Losungswortes erforderlich, EvBl 1995/148; NZ 1998, 246; 2 Ob 47/03f ÖBA 2004, 60; Näheres bei Nowotny, RdW 2000, 714; zu Postsparbüchern SZ 54/51; zu deponierten Sparbüchern s 7 Ob 506/92 ÖBA 1992, 746. Die Übergabe eines Bausparbriefes (bloße Beweisurkunde) reicht hingegen nicht (1 Ob 169/98d EvBl 1999/47). Einzahlung bzw Überweisung auf ein Konto oder Sparbuch des Beschenkten (4 Ob 562/91 ÖBA 1992, 274 Iro) oder Einräumung einer Mitzeichnungsbefugnis über ein Depot, welche die Möglichkeit uneingeschränkter Verfügungen verschafft (9 Ob 151/04b JBl 2005, 648 Wagner = ÖBA 2006, 136 P. Bydlinski; anders 4 Ob 34/99z ÖBA 1999, 911) ist wirkliche Übergabe. Bei deponierten Wertpapieren genügt ferner Übergabe der Wertpapierbons und Nennung des Losungswortes (ÖBA 2003, 226). Bei auf Inhaber lautenden Lebensversicherungspolizzen genügt die Übergabe der Polizze mit der Erklärung, sie gehöre jetzt dem Beschenkten (EvBl 1962/467; 6 Ob 181/02i EvBl 2003/135); Übergabe von Versicherungsscheinen, denen nur Beweisfunktion zukommt, ist nicht ausreichend (RdW 1988, 10). und Maß einer Schenkung § 944. Ein unbeschränkter Eigentümer kann mit Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften auch sein ganzes gegenwärtiges Vermögen verschenken. Ein Vertrag aber, wodurch das künftige Vermögen verschenkt wird, besteht nur insoweit, als er die Hälfte dieses Vermögens nicht übersteigt. Bei Verschenkung eines Vermögens werden die Gläubiger des Schen- 1 kers durch § 1409 ABGB sowie § 29 KO und § 3 AnfO geschützt. Die Beschränkung von Schenkungen künftigen Vermögens auf die Hälfte gemäß § 944 dient dem Schutz des Schenkers (Stanzl/K IV/1, 617; vgl auch § 1253). Die Schranke wirkt auch dann, wenn die Schenkung nur das künftige Vermögen erfasst (Binder/S Rz 3). Für die Abgrenzung gegenwärtigen und künftigen Vermögens kommt es nicht unbedingt auf den Eigentumserwerb an (s zu Erbschaftsschenkung und Schenkung auf den Todesfall SZ 52/156). Bei Verstoß gegen S 2 liegt relative Nichtigkeit vor, die nur die vom 2 Schutzzweck erfassten Personen (Geschenkgeber und dessen Angehörige) geltend machen können (1 Ob 133/02v ÖBA 2003, 787). Bollenberger
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Schenkung
§ 945 Inwiefern der Geber für das Geschenkte hafte
§ 945. Wer wissentlich eine fremde Sache verschenkt, und dem Geschenknehmer diesen Umstand verschweigt, haftet für die nachteiligen Folgen. 1 Das allgemeine Leistungsstörungsrecht der §§ 918 ff (Schuldnerver-
zug; vom Schuldner zu vertretendes Unmöglichwerden und Gewährleistung) gilt nur für entgeltliche Verträge iSd § 917 und daher nicht für die Schenkung (vgl EvBl 1977/231). Schuldhafte Vertragsverletzung macht freilich auch den Schenker nach allgemeinen Grundsätzen ersatzpflichtig (§ 1295 Abs 1), doch schränkt die hA wegen der Freigebigkeit die Haftung bei Verletzung von Leistungspflichten auf grobes Verschulden ein (K/W II 180; zu weitgehend SZ 51/137: Haftung nur für Vorsatz). Richtigerweise sind entsprechende Ergebnisse schon auf der Ebene der Rechtswidrigkeit zu erzielen, indem die objektiven Sorgfaltspflichten gemildert werden, für deren Verletzung aber bei leichter Fahrlässigkeit einzustehen ist (Koziol, HPR I3 Rz 4/41 und 17/16). Da die Unentgeltlichkeit nicht auch eine Herabsetzung der gegenüber jedermann bestehenden Haftung rechtfertigt, besteht bei Verletzung von Schutzpflichten, dh bei positiver Forderungsverletzung (Vor §§ 918 ff Rz 2) und culpa in contrahendo (§ 1294 Rz 5), keine Haftungsbegünstigung (Koziol, aaO; Schubert/R Rz 1; SZ 51/137: Schenkung einer gefährlichen Sache). 2 Die Haftung des Schenkers für Rechtsmängel gründet sich nicht auf
Gewährleistung, sondern auf culpa in contrahendo (§ 1294 Rz 5) und geht auf den Vertrauensschaden (Stanzl/K IV/1, 618). Während hiefür sonst schon leichte Fahrlässigkeit ausreicht (§ 874 Rz 2), beschränkt § 945 die Haftung des Schenkers auf Wissentlichkeit. Bei Folgeschäden aus Sachmängeln gilt die Begünstigung nicht (Rz 1; aM Binder/S Rz 1, 5). Unwiderruflichkeit der Schenkungen § 946. Schenkungsverträge dürfen in der Regel nicht widerrufen werden. Lit: Kerschner, Irrtumsanfechtung, insb 154 ff; Scheffknecht, Der Widerruf im Schenkungsvertrag, NZ 1958, 129.
1 Wie andere Verträge kann auch die Schenkung grundsätzlich nicht
einseitig widerrufen werden. Ausnahmen sind die in §§ 947 ff taxativ geregelten Widerrufsgründe (für Schenkungen unter Ehegatten und an Verlobte s § 1246 Rz 1; § 1247 Rz 2), die Irrtümer bzw Änderungen der Geschäftsgrundlage betreffen und ihre Rechtfertigung va in der 1010
Bollenberger
Schenkung
§ 947
Unentgeltlichkeit finden (Stanzl/K IV/1, 618 f). Darüber hinaus können ein freier Widerruf und auflösende Bedingungen vereinbart werden (Schubert/R Rz 1); zur Schenkung auf den Todesfall s aber § 956 Rz 3. Zur Anfechtung von Schenkungen wegen Motivirrtums und Wegfall der Geschäftsgrundlage s bei § 901; zur Gläubigeranfechtung bei § 953. Zum Widerruf gemischter Schenkungen s § 938 Rz 8. Der Widerruf nach §§ 947 ff wird durch einseitige, empfangsbedürf- 2 tige Willenserklärung ausgeübt, die rechtsgestaltend wirkt (SZ 48/68). Die Rspr lässt außergerichtliche Geltendmachung genügen (aM Binder/S Rz 8), doch ist zur Vermeidung der Verjährung (§ 1487: 3 Jahre für Widerruf wegen Undanks und Pflichtteilsverkürzung) gemäß § 1497 Anerkenntnis oder Klage erforderlich (SZ 51/25 krit P. Bydlinski, ÖJZ 1982, 515; zur Manifestationsklage s SZ 40/117). Aufgrund des Widerrufs ist, wenn die Sache schon übergeben wurde, ein Leistungsbegehren zu stellen (10 Ob 2152/96k EF 81.413). Vor der Erfüllung der Schenkung kann auf Feststellung geklagt werden (SZ 52/36). Der Widerruf kann nur gegenüber dem Beschenkten und dessen Er- 3 ben, nicht aber gegenüber einem Dritten, der dingliche Rechte an der Sache erworben hat, ausgeübt werden (Stanzl/K IV/1, 619). Wurde die geschenkte Sache von einem mehrseitigen Treuhänder im Interesse von Schenker und Beschenktem übernommen, wirkt ein Widerruf auch gegenüber dem Treuhänder (7 Ob 503/94 SZ 68/23). Eine grundbücherliche Streitanmerkung der Widerrufsklage ist unzulässig (zu § 751 s EvBl 1971/43; zu § 748 s 7 Ob 253/02k JBl 2003, 307 abl Pfersmann). Ausnahmen: 1. Wegen Dürftigkeit; § 947. Gerät der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, daß es ihm an dem nötigen Unterhalt gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, insoweit die geschenkte Sache, oder derselben Wert noch vorhanden ist, und ihm der nötige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehreren Geschenknehmern ist der frühere nur insoweit verbunden, als die Beiträge der späteren zum Unterhalte nicht zureichen. Lit: Umlauft, Schenkungswiderruf wegen Dürftigkeit gemäß § 947 ABGB im Zusammenhang mit geleisteter Sozialhilfe, FS Weißmann (2003) 963. Bollenberger
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Schenkung
§ 948
1 Der Widerruf wegen Dürftigkeit hatte wegen der engen Vorausset-
zungen (insb Mangel des notdürftigen, nicht schon des angemessenen Unterhalts) und der eingeschränkten Rechtsfolge (keine Rückforderung der Sache, sondern nur gesetzliche Zinsen von 4% gemäß § 1000) bislang kaum praktische Bedeutung (s schon Stanzl/K IV/1, 619 f). Das könnte sich jedoch ändern, da § 947 vor Beanspruchung von Unterhalt und Sozialhilfe geltend zu machen ist (4 Ob 192/06y Zak 2007, 71). 2. Undankes; § 948. Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohltäter eines groben Undankes schuldig macht, kann die Schenkung widerrufen werden. Unter grobem Undanke wird eine Verletzung am Leibe, an Ehre, an Freiheit, oder am Vermögen verstanden, welche von der Art ist, daß gegen den Verletzer von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetze verfahren werden kann. Lit: Scheffknecht, Der Widerruf im Schenkungsvertrag, NZ 1958, 129.
1 Ein Verhalten, das nicht so weit geht wie die geringsten in § 948 an-
geführten Verletzungen, begründet jedenfalls kein Widerrufsrecht (EvBl 1963/201; 1 Ob 108/03v SZ 2004/97). Aber es stellt auch nicht schon jede strafbare Handlung iSd S 2 groben Undank dar (EvBl 1953/510), sondern nur solche, die eine verwerfliche Außerachtlassung der Dankbarkeit zum Ausdruck bringen (5 Ob 539/95 EF 78.460: Körperverletzung). Dem Beschenkten muss bewusst sein, dass er durch sein Verhalten den Schenker kränkt (10 Ob 2152/96k EF 81.412), woran es bei einer Reflexhandlung auf eine Verfehlung des Schenkers mangeln kann (SZ 48/68). Insb bei Beleidigungen kommt es auf die Umstände des konkreten Falles an (EvBl 1974/39). Auch Verletzungshandlungen vor der Schenkung sind Widerrufsgrund, wenn sie dem Schenker unbekannt waren (so SZ 28/60, mE wäre Irrtumsrecht einschlägig). Straftaten gegen den Geschenkgeber selbst sind solche gegen dessen nahe Angehörige gleichzuhalten, weil auch diese idR von der Gefühlssphäre des Geschenkgebers umfasst sind (10 Ob 2152/96k EF 81.414; 8 Ob 230/02k). 2 Der Widerruf setzt den Nachweis eines Verschuldens des Beschenkten
voraus (3 Ob 35/03y); bei absolut untauglichem Versuch iSd § 15 Abs 3 StGB kommt er nicht in Betracht (NZ 1988, 13). Wird kein Strafverfahren eingeleitet, hat der Zivilrichter die Strafbarkeit als Vorfrage zu beurteilen (JBl 1973, 204: Verleumdung; SZ 48/68: Ehebruch, dessen Strafbarkeit allerdings mittlerweile durch das StRÄG 1996 beseitigt wurde). 1012
Bollenberger
Schenkung
§ 950
Zu Ausübung und Verjährung des Widerrufsrechts s § 946 Rz 2 f. Ein 3 Vorausverzicht auf den Widerruf wegen Undanks ist unwirksam, doch kann das Widerrufsrecht durch nachträgliche Verzeihung untergehen (EvBl 1953/510; SZ 48/68, s auch § 949). § 949. Der Undank macht den Undankbaren für seine Person zum unredlichen Besitzer, und gibt selbst dem Erben des Verletzten, insofern der letztere den Undank nicht verziehen hat, und noch etwas von dem Geschenke in Natur oder Werte vorhanden ist, ein Recht zur Widerrufungsklage auch gegen den Erben des Verletzers. Zur Rückstellung des Geschenks in Natur ist der Beschenkte nur 1 verpflichtet, wenn dies möglich und tunlich ist; daher dann nicht, wenn die geschenkte Sache so wesentlich und tiefgreifend verändert wurde (SZ 44/192: Errichtung eines Hauses auf einem Grundstück, dessen ideelle Hälfte in unverbautem Zustand geschenkt wurde; SZ 48/68: Schmuckstück), dass die Rückübereignung mehr und etwas anderes bedeutete als die Wiederherstellung des früheren Zustands (1 Ob 2298/96i EF 81.415). Das Vorhandensein an Wert bedeutet, dass der Beschenkte die vorhandene Bereicherung herauszugeben hat (Stanzl/K IV/1, 624; JBl 1973, 203). Anspruchsgrundlage hiefür ist § 1435 (SZ 44/192). Ab dem Zeitpunkt des Undanks (Stanzl/K IV/1, 624) wird die Haf- 2 tung des Beschenkten verschärft und richtet sich nach § 335 (JBl 1973, 204; EvBl 1977/231). Aufwendungen des Beschenkten sind nur gemäß § 336 zu ersetzen (JBl 1973, 204; 3 Ob 30/04i JBl 2004, 731); sie sollen nach SZ 48/68 (offen lassend jedoch SZ 44/192; JBl 2004, 731) nicht zur Zurückbehaltung berechtigen (krit mit Recht Schubert/R Rz 3). Gemäß § 335 können alle durch den Besitz erlangten Vorteile oder auch Schadenersatz gefordert werden (EvBl 1977/231: Veräußerungserlös oder entgangene Mietzinse). S auch bei § 952. 3. Verkürzung des schuldigen Unterhaltes; § 950. Wer jemanden den Unterhalt zu reichen schuldig ist, kann dessen Recht durch Beschenkung eines Dritten nicht verletzen. Der auf solche Art Verkürzte ist befugt, den Beschenkten um die Ergänzung desjenigen zu belangen, was ihm der Schenkende nun nicht mehr zu leisten vermag. Bei mehreren Geschenknehmern ist die obige (§ 947) Vorschrift anzuwenden. Der Unterhaltsberechtigte (auch nasciturus: s § 22 und GlU 11.138) 1 kann nach § 950 die Schenkung insoweit widerrufen, als es notwendig ist, um die Unterhaltsleistung auf jene Höhe zu bringen, zu der der Bollenberger
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Schenkung
§ 951
Schenker ohne die Schenkung verpflichtet wäre (EF 29.344). Für den Widerruf muss der Unterhalt nicht gerichtlich zugesprochen sein; vielmehr genügt der Bestand eines Unterhaltsanspruchs, der durch die Schenkung der Höhe nach oder durch mangelnde Einbringlichkeit verkürzt wird (8 Ob 516, 517/92 SZ 65/98). Eine bloße Erschwerung der Hereinbringung von Unterhaltsforderungen beim Schenker rechtfertigt die Inanspruchnahme des Beschenkten jedoch noch nicht, sondern der Unterhaltsberechtigte hat, soweit ihm dies zumutbar ist, zunächst alle Mittel der Exekution beim Unterhaltsschuldner auszuschöpfen (SZ 65/98). Der Anspruch aus § 950 gegen den Beschenkten erfasst sowohl zukünftigen als auch rückständigen Unterhalt, doch können wegen § 1480 nur die in den letzten drei Jahren vor der Klagsführung fällig gewordenen Beträge begehrt werden (SZ 65/98). Der Beschenkte wird unmittelbar auf Leistung in Anspruch genommen und haftet nach § 952 (Schubert/R Rz 1). 2 Neben § 950 normiert § 1 USchG eine Haftung des Dritten, der den
erwerbslosen Unterhaltspflichtigen aushält (vgl SZ 23/171; SZ 27/133). Ferner stehen zur Durchsetzung von Unterhaltsforderungen auch die Tatbestände der AnfO zur Verfügung (vgl 6 Ob 128/05z SZ 2005/103; zum Unterhalt im Konkurs des Schuldners s aber § 5 KO). Bei gläubigerschädigenden Arbeitsverträgen mit Entgeltsleistung an einen Dritten oder verschleiertem Entgelt ermöglichen §§ 292d und 292e EO eine Entgeltspfändung (zur Gläubigeranfechtung in solchen Fällen s König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung3, 2003, Rz 15/6). 4. des Pflichtteiles; § 951. (1) Wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785), der Nachlaß aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Deckung des Fehlbetrages verlangen. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrages abwenden. (2) Ist der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, so haftet er dem andern nur so weit, als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Einrechnung der Schenkungen gebührenden Pflichtteil erhalten würde. (3) Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte nur in dem Maße, als der später Beschenkte zur Herausgabe nicht verpflichtet oder nicht imstande ist. Gleichzeitig Beschenkte haften verhältnismäßig. [idF III. TN]
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Bollenberger
Schenkung
§ 951
Lit: Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erbund Pflichtteilsrecht (2001); Welser, Zur Berücksichtigung von Schenkungen im Pflichtteilsrecht, FS Kralik (1986) 583; s auch bei § 785.
Die §§ 785, 951 bezwecken, den übergangenen Noterben so zu stellen, 1 wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre. Der Wert der Verlassenschaft ist daher so zu ermitteln, als wäre die pflichtteilswidrige Verfügung nicht erfolgt. Nachlasspflichtteil + Schenkungspflichtteil = erhöhter Pflichtteil (1 Ob 525/92 SZ 65/39; 6 Ob 189/00p EF 93.462 f). Auch der testamentarisch oder gesetzlich berufene Erbe kann sich auf sein Pflichtteilsrecht stützen und gemäß §§ 785, 951 vorgehen (1 Ob 510/96 JBl 1996, 722). Näheres zu den Anspruchsvoraussetzungen bei § 785. Während sich der Anspruch aus § 785 gegen den Nachlass bzw den 2 Erben richtet, geht die Anfechtung nach § 951, und zwar auch bei unbedingter Erb(antritt)serklärung (SZ 57/7), gegen den Beschenkten, allerdings erst dann, wenn mit der Anrechnung nach § 785 nicht auszukommen ist (SZ 48/114: Unterbleiben einer Verlassenschaftsabhandlung). Dies ist der Fall, wenn der Nachlass zur Deckung des erhöhten Pflichtteils nicht hinreicht (SZ 24/237: Auslandsvermögen; SZ 57/7), wobei eine Überschuldung des Nachlasses vom Wert der Schenkung abzuziehen ist (SZ 65/39). Auch die Erben des Beschenkten sind als Universalsukzessoren passiv legitimiert (6 Ob 263/03z SZ 2004/15), nicht jedoch dessen Einzelrechtsnachfolger (JBl 1955, 122). Bei der Schenkung auf den Todesfall ist der Erbe passivlegitimiert (6 Ob 37/02p ecolex 2002, 508). Zur Anfechtung bei Einbringung von Vermögen in eine Stiftung s 6 Ob 290/02v ecolex 2003, 328 B. Jud. Das Klagebegehren nach § 951 lautet nicht auf Herausgabe des Ge- 3 schenks, sondern auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei Exekution (nur) in die geschenkte Sache; im Fall des § 952 besteht freilich Haftung mit dem gesamten Vermögen (JBl 1989, 377; 7 Ob 561/95 SZ 68/198; 5 Ob 526/95 EvBl 1996/111); Vermögensangabe (Art XLII EGZPO) kann nur vom Erben, nicht aber vom Beschenkten begehrt werden (SZ 48/114; aM Binder/S Rz 24). Sicherung durch einstweiliges Veräußerungs- und Belastungsverbot an Liegenschaften kommt seit der EO-Novelle 2000 gemäß § 379 Abs 3 Z 5 EO in Betracht (anders noch EvBl 1996/111). Ein Vergleich zwischen Noterben und Beschenktem ist schon vor dem Tod des Erblassers möglich (1 Ob 363/99k EF 93.461). Zu Verjährung und Streitanmerkung s § 946 Rz 2 f. Die Haftungsbeschränkung des Abs 2 setzt, wie die Anrechnung 4 nach § 785, ein Verlangen des beklagten Geschenknehmers voraus und greift nur bei der Einrechnung von Schenkungen (6 Ob 189/00p EF 93.465); zum begünstigten Personenkreis s Müller, NZ 2005, 77. Bollenberger
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Schenkung
§ 952
5 Die Rangfolge gemäß Abs 3 beruht auf der Vermutung, dass der Ge-
schenkgeber erst durch die späteren Schenkungen (zum maßgeblichen Zeitpunkt: 7 Ob 264/00z NZ 2001, 308) gegenüber dem Noterben pflichtwidrig handelte. Der Rückgriff auf früher Beschenkte ist nur zulässig, wenn die Pflichtteilsergänzung vom später Beschenkten allein nicht erlangt werden kann, weil ein Anspruch gegen ihn nicht besteht oder uneinbringlich ist (RZ 1961, 66; 6 Ob 189/00p; 8 Ob 79/04g NZ 2006, 335). § 952. Besitzt der Beschenkte die geschenkte Sache oder ihren Wert nicht mehr; so haftet er nur insofern, als er sie unredlicher Weise aus dem Besitze gelassen hat. 1 Abgesehen vom Fall der Unredlichkeit (Rz 2) ist die Haftung des
Beschenkten, wie nach § 949, auf die noch vorhandene Bereicherung beschränkt, deren Fehlen allerdings der Beschenkte zu beweisen hat (7 Ob 595/93 SZ 67/50; 6 Ob 263/03z SZ 2004/15). Eine Bereicherung liegt nur dann vor, wenn der Beschenkte noch einen Vermögensvorteil hat (2 Ob 578/93 NZ 1995, 300). Der Beschenkte ist daher befreit, wenn er die Sache bei fortbestehender Gutgläubigkeit zB verbraucht oder verschenkt hat (EvBl 1973/143), sofern nicht noch eine Bereicherung durch Ersparnis eigener Aufwendungen vorliegt (s zu § 39 Abs 3 KO Koziol/Bollenberger in Buchegger, Insolvenzrecht I § 39 Rz 34). 2 Unredlichkeit liegt etwa dann vor, wenn der Beschenkte mit der Ver-
kürzung von Noterben rechnen musste, wobei leichte Fahrlässigkeit genügt (JBl 1989, 377; 6 Ob 290/02v EvBl 2003/81), oder die Zuwendung überhaupt der Verletzung von Pflichtteilsansprüchen diente (6 Ob 359/97f SZ 71/112). Unredlich ist ferner die Veräußerung der Sache nach Klagszustellung (JBl 1973, 204). Die Grundsätze des § 952 gelten nicht nur dann, wenn die Sache zB wegen Vernichtung oder Weitergabe nicht mehr vorhanden ist, sondern auch bei dem Beschenkten zurechenbaren Verschlechterungen (1 Ob 1592/95 EF 78.463). [5. der Gläubiger;] § 953. [Unter eben dieser (§ 952) Beschränkung können auch diejenigen Geschenke zurückgefordert werden, wodurch die zur Zeit der Schenkung schon vorhandenen Gläubiger verkürzt worden sind. Auf Gläubiger, deren Forderungen jünger sind, als die Schenkung, erstreckt sich dieses Recht nur dann, wenn der Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnisses überwiesen werden kann.] 1016
Bollenberger
Schenkung
§ 955
§ 953 wurde materiell derogiert durch die Anfechtungstatbestände 1 der AnfO und KO (Stanzl/K IV/1, 628; 8 Ob 516, 517/92 SZ 65/98). Nach diesen kommt es auf den Zeitpunkt der Begründung der Forderung nicht an (teilweise krit Koziol/Bollenberger in Buchegger, Insolvenzrecht I § 27 Rz 11 f mwN). In Betracht kommt insb die Schenkungsanfechtung gemäß § 29 KO und § 3 AnfO, aber etwa auch die Absichtsanfechtung gemäß § 28 KO und § 2 AnfO (zB 5 Ob 254/00i JBl 2001, 721). 6. wegen nachgeborner Kinder § 954. Dadurch, daß einem kinderlosen Geschenkgeber nach geschlossenem Schenkungsvertrage Kinder geboren werden, erwächst weder ihm, noch den nachgeborenen Kindern das Recht, die Schenkung zu widerrufen. Doch kann er, oder das nachgeborene Kind, im Notfalle sowohl gegen den Beschenkten, als gegen dessen Erben das oben angeführte Recht auf die gesetzlichen Zinsen des geschenkten Betrages geltend machen (§ 947). Maßgeblich für den Widerruf nach S 2 ist die Geburt nach der Schen- 1 kung. Für den nasciturus (§ 22) gilt daher § 954 neben dem weitergehenden § 950 (Stanzl/K IV/1, 628). Wegen der engen Grenzen (Notfall; Beschränkung auf die Zinsen) kommt § 954 wie § 947 kaum praktische Bedeutung zu (Schubert/R Rz 1). Ob neben § 954 die Anfechtung wegen Motivirrtums gemäß §§ 901, 2 572 uneingeschränkt zur Verfügung steht (so Binder/S Rz 4), ist fraglich (vgl Kerschner, Irrtumsanfechtung 154 ff). Zu erb- und pflichtteilsrechtlichen Regelungen s §§ 777 f, auch §§ 785, 951. Welche Schenkungen auf die Erben nicht übergehen § 955. Hat der Geschenkgeber dem Beschenkten eine Unterstützung in gewissen Fristen zugesichert, so erwächst für die Erben derselben weder ein Recht, noch eine Verbindlichkeit; es müßte denn in dem Schenkungsvertrage ausdrücklich anders bedungen worden sein. Im Allgemeinen gehen das Recht auf und die Pflicht zur Erfüllung 1 einer (formgültigen) Schenkung auf die Erben des Schenkers und des Beschenkten über. Für in bestimmten Fristen zugesagte Unterstützungen (insb, aber nicht nur, zu Unterhaltszwecken) gilt dies, da sie höchstpersönlicher Natur sind, gemäß § 955 im Zweifel jedoch nicht. Ob es sich dabei um Geld- oder Sachwerte oder unentgeltliche Arbeitsleistungen handelt, ist unerheblich (Binder/S Rz 4). Auf in Raten Bollenberger
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Schenkung
§ 956
auszuzahlende Schenkungen ist § 955 hingegen nicht anwendbar (Stanzl/K IV/1, 629). Schenkung auf den Todesfall § 956. Eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tode des Schenkenden erfolgen soll, ist mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als ein Vermächtnis gültig. Nur dann ist sie als ein Vertrag anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändigt worden ist. Lit: Apathy, Der Auftrag auf den Todesfall, JBl 1976, 393; M. Binder, Zum Erfordernis des Widerrufsverzichts bei der Schenkung auf den Todesfall, FS Welser (2004) 76; Armin Ehrenzweig, Die Schenkung auf den Todesfall, FS ABGB II (1911) 627; Fischer-Czermak, Verträge auf den Todesfall zwischen Ehegatten und Scheidung, NZ 2001, 3; B. Jud, Schenkung auf den Todesfall und Berechnung des „freien Viertels“ beim Erbvertrag, NZ 1999, 268; Ch. Rabl, Die Schenkung auf den Todesfall im Pflichtteilsrecht, NZ 2005, 129; Welser, Erbverzicht und Schenkung auf den Todesfall, NZ 1991, 84; Zankl, Schenkung auf den Todesfall, Vermächtnisvertrag und „reines Viertel“, NZ 1997, 311.
1 Mit einer unentgeltlichen Zuwendung auf den Todesfall kann zweier-
lei gemeint sein (s auch § 603): Einerseits ein – frei widerrufbares – Vermächtnis in Testamentsform (8 Ob 690/89 SZ 63/148); hiefür verweist S 1 nur auf §§ 535, 577 ff, 647 ff (zum Vermächtnisvertrag unter Ehegatten s § 1249 Rz 6). Andererseits kennt S 2 die (echte) Schenkung auf den Todesfall, die als Vertrag (vorbehaltlich eines Widerrufs nach §§ 947 ff) den Schenker bindet (Miet 33.188). Ein wegen Formmangels ungültiger Schenkungsvertrag auf den Todesfall kann in ein Vermächtnis umgedeutet werden, wenn die Form hiefür eingehalten wurde (Stanzl/K IV/1, 630). Anders als der Vermächtnisnehmer braucht der Beschenkte den Tod des Schenkers nicht zu erleben, sondern vererbt sein Recht weiter; die Schenkung kann jedoch an die Bedingung geknüpft werden, dass der Beschenkte den Schenker überlebt (SZ 57/91). Im Folgenden wird nur der Schenkungsvertrag gemäß S 2 behandelt. 2 Schenkungen auf den Todesfall nehmen nach hM eine Mittelstellung
zwischen Geschäften unter Lebenden und von Todes wegen ein: Sie sind „unter Lebenden gemacht“, das Geschenk bleibt jedoch bis zum Tod Vermögen des Schenkers und es erfolgt dann der Erwerb des Beschenkten „von Todes wegen“ (1 Ob 133/02v ÖBA 2003, 787). Die 1018
Bollenberger
Schenkung
§ 956
Schenkung ist damit eine unbedingte, mit dem Tod des Erblassers (Schenkers) als Anfangstermin befristete Schenkung, die erst nach dessen Tod aus dem Nachlass erfüllt werden soll (SZ 59/9). Die Gültigkeit der Schenkung auf den Todesfall setzt zum einen die 3 Annahme durch den Beschenkten und die ausdrückliche Erklärung des Schenkers voraus, auf den (freien) Widerruf zu verzichten (SZ 49/75: ein Widerruf nach §§ 947 ff bleibt möglich); der Widerrufsverzicht ist nicht bloß Form-, sondern materielles Gültigkeitserfordernis (8 Ob 107/05a EvBl 2006/179). Der Vertrag darf daher auch keine vom Willen des Schenkers abhängige Potestativbedingung enthalten (SZ 57/91; Welser, NZ 2005, 161; aM B. Jud, NZ 2004, 321). Bei Fehlen eines Widerrufsverzichts ist die Schenkung grundsätzlich unwirksam; ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten des Beschenkten hat aber eine gleichkommende Warn- und Beweisfunktion und bewirkt daher die Gültigkeit der Schenkung (7 Ob 135/99z NZ 2000, 15). Ferner muss ein Notariatsakt errichtet werden (§ 1 Abs 1 lit d NotAktsG), der auch die Annahme und den Widerrufsverzicht zu enthalten hat (SZ 57/91). Eine Erweiterung der Schenkung ist formpflichtig (SZ 57/118: zu verbücherndes Veräußerungs- und Belastungsverbot), eine Herabsetzung hingegen formfrei (2 Ob 123/01d ecolex 2001, 745: Verkaufsrecht für den Schenker). § 956 gilt auch für gemischte Schenkungen auf den Todesfall (5 Ob 141/94 NZ 1996, 205; 5 Ob 2249/96p EvBl 1997/47), nicht aber für den Schulderlass (EvBl 1977/244). Die geschenkte Sache geht mit dem Tod des Schenkers nicht eo ipso 4 in das Eigentum des Beschenkten über (7 Ob 264/00z NZ 2001, 308). Sie wird nach hA in das Nachlassinventar als Aktivum und die Schuld gegenüber dem Beschenkten als Passivum aufgenommen (SZ 59/9; 3 Ob 518/92 SZ 65/68; zum Problem Ch. Rabl, NZ 1999, 136 ff). Der Beschenkte ist Gläubiger des Nachlasses bzw der Erben (1 Ob 586/92 SZ 65/113). Die Schenkung ist nach dem Todesfall wie ein Vermächtnis zu behandeln (6 Ob 99/99y EF 90.086); daher ist der Beschenkte für die Pflichtteilsklage nicht passiv legitimiert (4 Ob 2029/96b SZ 69/108; s aber NZ 2000, 170 Zankl; 6 Ob 37/02p ecolex 2002, 508); die Schenkung auf den Todesfall unterliegt nach der Rspr nicht § 785: Da die geschenkte Sache im Nachlass vorhanden ist, wird sie schon bei Ermittlung des Nachlasspflichtteils mitgezählt, und zwar auch dann, wenn die Schenkung früher als 2 Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgte (SZ 59/9; SZ 65/113; 7 Ob 2373/96p SZ 70/107; ecolex 2002, 508); richtigerweise ist die Schenkung jedoch als Schenkung unter Lebenden nach § 785 zu behandeln, wobei die Zweijahresfrist hier nicht greift, s Ch. Rabl, NZ 2005, 129, auch § 785 Rz 2). Bollenberger
1019
Verwahrungsvertrag
§ 957
5 Zu Lebzeiten des Schenkers steht dem Beschenkten noch kein Erfül-
lungsanspruch zu (SZ 49/75). Er kann jedoch im Fall der Erfüllungsvereitelung durch den Schenker, zB der Veräußerung an einen Dritten, später vom Nachlass bzw dem Erben Schadenersatz (NZ 1985, 69; Kurschel, NZ 1986, 98 f) und einen stellvertretenden Vorteil (zB Veräußerungserlös) fordern (Bollenberger, Commodum 421 und 339 f). Bei drohender Veräußerung oder sonstiger Beeinträchtigung der Sache ist Unterlassungsklage schon gegen den Schenker möglich (SZ 49/75; SZ 49/134; Kurschel, aaO). Ansprüche gegen den dritten Erwerber kommen, sofern kein besitzverstärktes Forderungsrecht bestand, nur bei Verleitung zum Vertragsbruch in Betracht (NZ 1985, 69; JBl 1990, 179); s auch § 859 Rz 16. 6 Bei einer Übergabe oder einem Auftrag auf den Todesfall übergibt
der künftige Erblasser eine Sache dem Begünstigten selbst (Übergabe) oder einem Dritten (Auftrag) mit der Vereinbarung, dass sie nach dem Tod vom Begünstigten behalten werden könne bzw diesem (vom Beauftragten) herausgegeben werden soll. Soferne nicht die Formvorschriften für letztwillige Verfügungen eingehalten werden (SZ 63/148), setzt die Wirksamkeit solcher Geschäfte nach hA die Errichtung eines Notariatsaktes über die Verpflichtung, deren Annahme und den Widerrufsverzicht voraus (Apathy, JBl 1976, 393; K/W II 502 f; 7 Ob 600/90 JBl 1991, 312 Eccher; 5 Ob 589/90 JBl 1991, 244; 4 Ob 34/99z ÖBA 1999, 911; 7 Ob 176/04i NZ 2006, 178; s auch § 647 Rz 3); zum Treuhandauftrag 1 Ob 39/97k NZ 1998, 246 (zust Zankl, NZ 1998, 225). Krit zur hM Schubert/R Rz 6 f mwN. S auch bei § 1022. 7 Es können auch entgeltliche Geschäfte mit dem Tod terminisiert
werden. Diese sind keine Vermächtnisse und bedürfen auch keines Notariatsakts (NZ 1989, 218), zB ein Kaufvertrag (SZ 22/2; 7 Ob 514/94 NZ 1994, 231); Übergabsvertrag (SZ 59/174; EvBl 1997/47); Gesellschaftsvertrag (8 Ob 644/91 AnwBl 1993, 432 Graff; 10 Ob 34/97s ecolex 1997, 774).
Neunzehntes Hauptstück Von dem Verwahrungsvertrage Verwahrungsvertrag § 957. Wenn jemand eine fremde Sache in seine Obsorge übernimmt; so entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das angenommene Versprechen, eine fremde, noch nicht übergebene Sache in die Ob1020
Bollenberger/Griss
Verwahrungsvertrag
§ 957
5 Zu Lebzeiten des Schenkers steht dem Beschenkten noch kein Erfül-
lungsanspruch zu (SZ 49/75). Er kann jedoch im Fall der Erfüllungsvereitelung durch den Schenker, zB der Veräußerung an einen Dritten, später vom Nachlass bzw dem Erben Schadenersatz (NZ 1985, 69; Kurschel, NZ 1986, 98 f) und einen stellvertretenden Vorteil (zB Veräußerungserlös) fordern (Bollenberger, Commodum 421 und 339 f). Bei drohender Veräußerung oder sonstiger Beeinträchtigung der Sache ist Unterlassungsklage schon gegen den Schenker möglich (SZ 49/75; SZ 49/134; Kurschel, aaO). Ansprüche gegen den dritten Erwerber kommen, sofern kein besitzverstärktes Forderungsrecht bestand, nur bei Verleitung zum Vertragsbruch in Betracht (NZ 1985, 69; JBl 1990, 179); s auch § 859 Rz 16. 6 Bei einer Übergabe oder einem Auftrag auf den Todesfall übergibt
der künftige Erblasser eine Sache dem Begünstigten selbst (Übergabe) oder einem Dritten (Auftrag) mit der Vereinbarung, dass sie nach dem Tod vom Begünstigten behalten werden könne bzw diesem (vom Beauftragten) herausgegeben werden soll. Soferne nicht die Formvorschriften für letztwillige Verfügungen eingehalten werden (SZ 63/148), setzt die Wirksamkeit solcher Geschäfte nach hA die Errichtung eines Notariatsaktes über die Verpflichtung, deren Annahme und den Widerrufsverzicht voraus (Apathy, JBl 1976, 393; K/W II 502 f; 7 Ob 600/90 JBl 1991, 312 Eccher; 5 Ob 589/90 JBl 1991, 244; 4 Ob 34/99z ÖBA 1999, 911; 7 Ob 176/04i NZ 2006, 178; s auch § 647 Rz 3); zum Treuhandauftrag 1 Ob 39/97k NZ 1998, 246 (zust Zankl, NZ 1998, 225). Krit zur hM Schubert/R Rz 6 f mwN. S auch bei § 1022. 7 Es können auch entgeltliche Geschäfte mit dem Tod terminisiert
werden. Diese sind keine Vermächtnisse und bedürfen auch keines Notariatsakts (NZ 1989, 218), zB ein Kaufvertrag (SZ 22/2; 7 Ob 514/94 NZ 1994, 231); Übergabsvertrag (SZ 59/174; EvBl 1997/47); Gesellschaftsvertrag (8 Ob 644/91 AnwBl 1993, 432 Graff; 10 Ob 34/97s ecolex 1997, 774).
Neunzehntes Hauptstück Von dem Verwahrungsvertrage Verwahrungsvertrag § 957. Wenn jemand eine fremde Sache in seine Obsorge übernimmt; so entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das angenommene Versprechen, eine fremde, noch nicht übergebene Sache in die Ob1020
Bollenberger/Griss
Verwahrungsvertrag
§ 957
sorge zu übernehmen, macht zwar den versprechenden Teil verbindlich; es ist aber noch kein Verwahrungsvertrag. Lit: Iro, BVR I1 Rz 10/2 ff.
Der Verwahrungsvertrag kommt mit der in beiderseitigem Einver- 1 ständnis erfolgten Übergabe und Übernahme einer fremden Sache in die Obsorge eines anderen zustande und ist daher ein Realvertrag (SZ 5/98; JBl 1956, 232). Wesentlich ist die – sei es auch konkludent – erklärte Übernahme der Obhutsverpflichtung (Miet 40.103). Eine darauf gerichtete Vereinbarung ist bloßer Vorvertrag (§ 936). Die faktische Hingabe einer Sache begründet noch keinen Verwahrungsvertrag (Rsp 1928/254: eigenmächtig zurückgestellte, nicht zurückgenommene Retourware); Gleiches gilt für bloße Gefälligkeitsverhältnisse ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen (JBl 1956, 232; 3 Ob 234/02m RZ 2003, 256). Gegenstand des Verwahrungsvertrags können bewegliche oder un- 2 bewegliche Sachen sein; die Verwahrung kann gegen Entgelt oder unentgeltlich (§ 969 Rz 1) erfolgen. Der Verwahrungsvertrag kann ausdrücklich oder schlüssig (§ 863) abgeschlossen werden. Die Verwahrung kann auch Nebenpflicht eines Vertrags sein (JBl 1962, 37; SZ 56/143: Werkvertrag); Elemente des Verwahrungsvertrags können sich mit Elementen des Mietvertrags zu einem gemischten Vertrag verbinden (Miet 19.090: Vertrag über die Einstellung eines Motorboots in der Box eines Bootsverleihers). Schlüssig wird ein Verwahrungsvertrag durch Übergabe einer Sache 3 geschlossen, wenn eine Übernahme in die Obsorge vorliegt (SZ 37/151: Pelzcape – Hotelrestaurant; SZ 43/80: bewachter Parkplatz) und nicht bloß Einrichtungen zum Gebrauch auf eigene Gefahr zur Verfügung gestellt werden (EvBl 1980/91: Kleiderhaken in einem Lokal; SZ 52/70: Schiständer im Hausflur eines Gasthauses; s auch Miet 21.131: Abstellen eines Sattelschleppers gegen ein Entgelt von täglich öS 5 auf einem Platz neben einer Tankstelle). Die Haftung kann unter bestimmten Voraussetzungen durch Anschlag ausgeschlossen werden (SZ 41/14; SZ 49/37; s aber § 970a). Unentgeltlichkeit spricht vielfach gegen eine schlüssige Obsorgezusage (3 Ob 274/98k RZ 2000, 47). Eine Sonderform des Verwahrungsvertrags ist der Depotvertrag, in 4 dem ein Kreditinstitut die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere übernimmt (§ 1 BWG); er ist im Depotgesetz und in den ABB näher geregelt. Neben dem regulären Depot (§ 2 DepG: Sonderverwahrung, Streifbandverwahrung) gibt es auch Depotformen, bei denen der Hinterleger Miteigentum am Sammelbestand Griss
1021
Verwahrungsvertrag
§ 958
erwirbt (§ 4 DepG: Sammelverwahrung), der Verwahrer zum Tausch ermächtigt wird (§ 7 DepG: Summenverwahrung, Tauschermächtigung) oder der Verwahrer (oder ein Dritter) Eigentümer der Wertpapiere wird (§ 8 DepG: unregelmäßige Verwahrung), wobei das Geschäft als Darlehen anzusehen ist, sobald der Verwahrer oder der Dritte Eigentum an den Wertpapieren erwirbt (§ 8 Abs 2 DepG). Der Verwahrer hat ein Verwahrungsbuch zu führen (§ 11 DepG); er kann Wertpapiere nach § 3 DepG auch ohne Ermächtigung durch den Hinterleger von einem Dritten verwahren lassen (inländische Wertpapiere nur im Inland); für das Verschulden des Drittverwahrers haftet er mangels anderer Vereinbarung (s Z 69 ABB: Kreditinstitut haftet gegenüber einem Unternehmer nur für sorgfältige Auswahl des Drittverwahrers; zur Unwirksamkeit der Klausel im Verbrauchergeschäft s 4 Ob 179/02f SZ 2002/153) nach § 1313a wie für sein eigenes (§ 3 Abs 3 DepG). Zur Verpfändung des Depotinhalts an die Bank SZ 41/81; an einen Dritten 7 Ob 75/98z ÖBA 1999, 225. 5 Im Schrankfachvertrag übernimmt das Kreditinstitut keine Ver-
wahrungs-, wohl aber Bewachungspflichten. Dem Kunden wird ein Schrankfach in den besonders gesicherten und überwachten Stahlkammern unter Mitverschluss beider Teile zur Verfügung gestellt (SZ 50/25; SZ 55/64; SZ 57/102). Der Schrankfachvertrag wird teils als Mietvertrag gesehen (SZ 50/25), teils als gemischter Vertrag, bei dem die Elemente der Miete überwiegen (K/W II 197 f; s aber Heller/ Berger/Stix, EO 2286, wonach die Elemente des Verwahrungsvertrags überwiegen sollen). Zur Exekution auf den Schrankfachinhalt s SZ 57/102. Verwahrt der Hotelier zur Verwahrung übernommene Gegenstände in Depositenboxen im Hotelsafe, so liegt kein Schrankfachvertrag, sondern ein Verwahrungsvertrag vor (SZ 55/64). 6 Die verwahrte Sache ist mangels anderer Vereinbarung am vereinbar-
ten Verwahrungsort zurückzustellen (3 Ob 125/74). Die Ansprüche von Hinterleger und Verwahrer unterliegen der gewöhnlichen (30jährigen) Verjährung (7 Ob 73/62). § 958. Durch den Verwahrungsvertrag erwirbt der Übernehmer weder Eigentum noch Besitz, noch Gebrauchsrecht; er ist bloßer Inhaber mit der Pflicht, die ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern. 1 Der Verwahrer wird nicht Eigentümer der hinterlegten Sache (5 Ob
550/80; die Übergabe zur Verwahrung bildet auch keinen zum Eigentumserwerb tauglichen Titel (JBl 1974, 622). Zur Abgrenzung von Verwahrungsvertrag und Treuhand s EvBl 1972/19; EvBl 1980/162. 1022
Griss
Verwahrungsvertrag
§ 959
Der Verwahrer ist bloßer Inhaber ohne Sach- oder Rechtsbesitz. Gegen Eingriffe Dritter steht ihm kein eigenständiger petitorischer oder possessorischer Rechtsschutz zu; er kann dagegen nur im Namen des Hinterlegers vorgehen, soweit nicht gleichzeitig sein Besitz an den Räumen gestört wird, in denen er die Sache verwahrt. Hauptpflicht des Verwahrers ist die Obsorge für die anvertraute Sa- 2 che. Obsorge ist nicht bloß Überlassung eines Raumes, sondern Obhut (SZ 41/14; 3 Ob 274/98k RZ 2000, 47). Rein passive Verwahrung genügt nicht; der Verwahrer muss die zur Erhaltung der Sache notwendigen Maßnahmen treffen (SZ 56/143: Verwahrung von Schlüssel und Papieren eines zum Service übergebenen PKW; 3 Ob 537/91 SZ 64/62: Versicherungspflicht?). Soweit eine Verpflichtung zu positiven Handlungen besteht, nimmt die Rspr Elemente des Werkvertrags an (8 Ob 517/94 EvBl 1995/8: Versorgung und Verpflegung von Katzen; 10 Ob 10/03y Miet 55.772: Pferdeeinstellungsvertrag). Welches Maß an Sorgfalt der Verwahrer einzuhalten hat, bestimmt 3 sich nach der Parteienvereinbarung und nach den äußeren Umständen (Binder/S Rz 8). Soll jemand neben seinen sonstigen Berufspflichten auf eine hinterlegte Sache aufpassen, so trifft ihn die Obhutspflicht nur mit den Beschränkungen, die sich aus seinen Dienstpflichten ergeben (Gschnitzer/K IV/1, 649; SZ 8/287: Übergabe eines Mantels an den Portier der Staatsoper). Ein Verwahrungsvertrag über ein Kleidungsstück erstreckt sich re- 4 gelmäßig nicht auf eine darauf (EvBl 1971/17: Brosche) oder darin (EvBl 1980/110: Brieftasche) befindliche wertvolle Sache. Wann er in einen Darlehens- oder Leihvertrag; § 959. Wird dem Verwahrer auf sein Verlangen, oder durch freiwilliges Anerbieten des Hinterlegers der Gebrauch gestattet; so hört im ersten Falle der Vertrag gleich nach der Verwilligung; im zweiten aber von dem Augenblicke, da das Anerbieten angenommen, oder von der hinterlegten Sache wirklich Gebrauch gemacht worden ist, auf, ein Verwahrungsvertrag zu sein; er wird bei verbrauchbaren Sachen in einen Darlehens-, bei unverbrauchbaren in einen Leihvertrag umgeändert, und es treten die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein. Wird dem Verwahrer auf sein Ansuchen hin gestattet, die hinterlegte 1 Sache zu gebrauchen, oder nimmt er ein darauf gerichtetes Angebot des Hinterlegers ausdrücklich oder schlüssig an, so hört er auf, Verwahrer zu sein. Seine Rechtsstellung bestimmt sich danach, ob die Griss
1023
Verwahrungsvertrag
§ 960
Sache verbrauchbar oder unverbrauchbar und die Gebrauchsüberlassung entgeltlich oder unentgeltlich ist. Bei verbrauchbaren Sachen kommt es zu einem Darlehen, bei der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung unverbrauchbarer Sachen zur Miete und bei der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung unverbrauchbarer Sachen zur Leihe. 2 Sind bei der Überlassung von vertretbaren Sachen (insb Geld) solche
gleicher Art und Güte zurückzustellen, so liegt ein unregelmäßiger Verwahrungsvertrag (depositum irregulare) vor, den das Gesetz als Darlehensvertrag qualifiziert (so ausdrücklich § 8 Abs 2 DepG). Der Verwahrer wird Eigentümer; der Hinterleger hat nur einen obligatorischen Rückforderungsanspruch. 3 Der Spareinlagenvertrag ist nach der Rspr ein Vertrag sui generis,
der gewisse Elemente eines Darlehens oder eines depositum irregulare enthält (SZ 43/121; 6 Ob 69/97h EvBl 1997/157); die jüngere Lehre lehnt es ab, die Spareinlage als Darlehen des Kunden an die Bank zu qualifizieren (Iro, BVR I 2 Rz 1/411; anders noch Avancini, BVR I1 Rz 9/10). Nähere Bestimmungen enthalten die §§ 31 f BWG. oder in eine Bevollmächtigung übergehe § 960. Es können bewegliche und unbewegliche Sachen in Obsorge gegeben werden. Wird aber dem Übernehmer zugleich ein anderes, auf die anvertraute Sache sich beziehendes Geschäft aufgetragen; so wird er als ein Gewalthaber angesehen. 1 Gegenstand des Verwahrungsvertrags können körperliche Sachen
jeder Art sein; bei unkörperlichen Sachen und Rechten kann über die sich darauf beziehenden Urkunden (Wertpapiere) ein Verwahrungsvertrag abgeschlossen werden. 2 Das Rechtsverhältnis zwischen Verwahrer und Hinterleger ist ein
reiner Verwahrungsvertrag, soweit die Obsorgepflicht des Verwahrers reicht (auch die Pflicht zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Kühltemperatur fällt entgegen SZ 48/67 unter die Obsorgepflicht des Verwahrers). Übernimmt der Verwahrer darüber hinaus Pflichten (zB als Verwalter oder sonst Beauftragter; s 1 Ob 519/95 RZ 1996, 118, wonach der Verwahrungsvertrag im Allgemeinen keine Verwaltervollmacht umfasst), so entsteht ein gemischter Vertrag, auf den auch die Regeln des Bevollmächtigungsvertrags anwendbar sind. 3 Verwahrung als Nebenpflicht folgt aus Rechtsverhältnissen, in denen
eine Sache übergeben wird und wieder zurückgegeben werden muss (s § 957 Rz 2). Verwahrerpflichten haben daher zB Werkunternehmer, 1024
Griss
Verwahrungsvertrag
§ 961
Kommissionäre und Frachtführer. Die Obsorgepflicht für fremde Sachen, die den Gegenstand der eigenen rechtsgeschäftlichen Leistung bilden, ist auch bei unentgeltlichen Verträgen ein allgemeiner Rechtsgrundsatz (§ 7; JBl 1974, 624). Keine Verwahrerpflichten treffen denjenigen, der eine Sache unverlangt zugesandt erhält (§ 864 Rz 5). Pflichten und Rechte des Verwahrers; § 961. Die Hauptpflicht des Verwahrers ist: die ihm anvertraute Sache durch die bestimmte Zeit sorgfältig zu bewahren, und nach Verlauf derselben dem Hinterleger in eben dem Zustande, in welchem er sie übernommen hat, und mit allem Zuwachse zurückzustellen. Der Verwahrer muss die ihm anvertraute Sache so sorgfältig aufbe- 1 wahren, dass sie weder Schaden erleidet, noch gestohlen wird (2 Ob 101/99p ecolex 1999, 760). Der Umfang der Obsorgepflicht richtet sich nach der Parteienvereinbarung und nach der Art der verwahrten Sache (8 Ob 517/94 EvBl 1994/213: Katzen; ecolex 1999, 760: PKW). Ob die Verwahrung Haupt- oder Nebenpflicht ist, spielt keine Rolle (SZ 56/143: zum Service übergebener PKW). Die Obsorgepflicht des Werkunternehmers darf aber nicht überspannt werden (3 Ob 537/91 SZ 64/62; 4 Ob 218/99h). Wird die hinterlegte Sache beschädigt, so muss der Verwahrer den 2 Hinterleger unverzüglich verständigen und Sicherheitsmaßnahmen ergreifen (3 Ob 221/75). Auch gefahrenerhöhende Umstände sind unverzüglich mitzuteilen, damit der Hinterleger Maßnahmen treffen kann (1 Ob 376/98w SZ 72/30: unverhältnismäßiger Wertverfall eines Pkw). Der Verwahrer hat kein Zurückbehaltungsrecht (§ 1440 Rz 3; zu den 3 in § 970 genannten Personen s § 970c Rz 1). Er hat die hinterlegte Sache grundsätzlich dem Hinterleger zurückzustellen, der weder behaupten noch beweisen muss, Eigentümer zu sein (EvBl 1958/382: Herausgabe einer gestohlenen Sache an den Hinterleger, der die diebische Herkunft nicht kennt; Miet 32.121). Hat der Hinterleger eine fremde Sache in Verwahrung gegeben, so ist der Verwahrer für die Eigentumsklage passiv legitimiert (JBl 1958, 205 Gschnitzer: Studiomikrofon; JBl 1962, 147: Rubens-Bild). Er kann den Herausgabeanspruch nicht unter Hinweis auf den Verwahrungsanspruch ablehnen (7 Ob 689/90 NZ 1991, 314: von der Landesbibliothek verwahrter literarischer Nachlass eines Dichters). Ist ihm bei zumutbarer Prüfung nicht erkennbar, wer Eigentümer der Sache ist, dann kann er die Sache nach § 1425 gerichtlich hinterlegen (Miet 32.121; 9 Ob 96/01k Griss
1025
Verwahrungsvertrag
§§ 962–963
Miet 53.214). Eine bei ihm gepfändete Sache darf der Verwahrer dem Hinterleger nicht herausgeben (RZ 1934, 156); die freiwillige Herausgabe bei aufrechter Pfändung wäre Verstrickungsbruch (Oberhammer in Angst, EO § 325 Rz 15). 4 Ist die vereinbarte Verwahrungszeit abgelaufen, so hat der Hinter-
leger die Sache an dem Ort zurückzunehmen, an dem sie vereinbarungsgemäß zu verwahren war. Gerät er in Verzug, so kann der Verwahrer die Sache nach § 1425 hinterlegen; verwahrt er sie weiterhin, so kann sich seine Haftung für Vertragsverletzungen mindern (SZ 5/94; s § 1419 Rz 5). § 962. Der Verwahrer muß dem Hinterleger auf Verlangen die Sache auch noch vor Verlauf der Zeit zurückstellen, und kann nur den Ersatz des ihm etwa verursachten Schadens begehren. Er kann hingegen die ihm anvertraute Sache nicht früher zurückgeben; es wäre denn, daß ein unvorhergesehener Umstand ihn außer Stand setzte, die Sache mit Sicherheit oder ohne seinen eigenen Nachteil zu verwahren. § 963. Ist die Verwahrungszeit weder ausdrücklich bestimmt worden, noch sonst aus Nebenumständen abzunehmen; so kann die Verwahrung nach Belieben aufgekündet werden. 1 Der Hinterleger kann die Rückstellung der Sache auch bei einem
(ausdrücklich oder schlüssig) auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Verwahrungsvertrag jederzeit verlangen. Der Verwahrer hat ihm das Verwahrungsentgelt aliquot rückzuerstatten, kann aber allenfalls den Ersatz eines ihm aus der vorzeitigen Rückstellung erwachsenen Schadens verlangen (JBl 1974, 622: Kater). 2 Der Verwahrer kann die Sache nicht vorzeitig zurückstellen. Kann
er sie nicht mehr sicher oder nicht ohne eigenen Nachteil verwahren, so muss er den Hinterleger unverzüglich benachrichtigen, wenn Treu und Glauben im Verkehr es fordern (SZ 14/126: frostgefährdete Pflanzen), daher nicht, wenn der Hinterleger auf andere Weise Kenntnis erhält. Nimmt der Hinterleger die Sache nicht zurück, kann sie der Verwahrer nach § 1425 bei Gericht erlegen (zur Veräußerungspflicht des Erlagsgerichts bei unverhältnismäßigem Wertverfall s 1 Ob 376/98w SZ 72/30). 3 Wurde keine bestimmte Verwahrungszeit vereinbart, so kann auch
der Verwahrer den Vertrag jederzeit beenden. Er hat dem Hinterleger allerdings eine nach den Umständen angemessene Frist für die Rücknahme zu gewähren (Gschnitzer/K IV/1, 647). 1026
Griss
Verwahrungsvertrag
§ 964
§ 964. Der Verwahrer haftet dem Hinterleger für den aus der Unterlassung der pflichtmäßigen Obsorge verursachten Schaden, aber nicht für den Zufall; selbst dann nicht, wenn er die anvertraute, obschon kostbarere Sache, mit Aufopferung seiner eigenen hätte retten können. Der Verwahrer muss alle ihm zumutbaren Maßnahmen treffen, um 1 die verwahrte Sache vor Schaden zu bewahren (SZ 56/143; 2 Ob 101/99p ecolex 1999, 760: Verwahrung von Zündschlüssel und Kraftfahrzeugpapieren; s auch SZ 49/10: Verwahrung des Safeschlüssels; SZ 55/64: Sicherung des Zugangs zum Tresor). Welches Maß an Sorgfalt anzuwenden ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Falles (zur Versicherungspflicht SZ 51/26; 3 Ob 537/91 SZ 64/62; 4 Ob 218/99h). Unwirtschaftliche Maßnahmen müssen nicht ergriffen werden (1 Ob 2083/96x ZVR 1997/95: keine Pflicht zur Verhinderung witterungsbedingter Schäden eines im Freien abgestellten PKW). Für den Unternehmer, der ein Fahrzeug zur Reparatur übernimmt, gilt auch für die Verwahrung der Sorgfaltsmaßstab der §§ 1297, 1299 (SZ 56/143; ecolex 1999, 760). Der Verwahrer muss den Hinterleger unverzüglich verständigen, 2 wenn die Sache beschädigt wird (3 Ob 221/75) oder wenn Schäden drohen und er sie nicht verhindern kann (ZVR 1997/95). Ist dem Hinterleger die Art der Verwahrung bekannt und billigt er sie, so trifft den Verwahrer für daraus entstehende Schäden keine Haftung (SZ 5/94: Fahrrad; SZ 64/62: Kraftfahrzeug; 3 Ob 234/02m RZ-EÜ 2003/236: Filmausrüstung; s auch § 958 Rz 3). Der Verwahrer haftet auch bei unentgeltlicher Verwahrung für sein 3 Verschulden und das seiner Erfüllungsgehilfen; er muss sich nach § 1298 freibeweisen (SZ 56/143). Auch die Entstehung des Schadens durch Zufall hat der Verwahrer zu beweisen (SZ 10/87; zur Haftung des Verwahrers für gemischten Zufall s § 965 Rz 1). Kann der Verwahrer die Sache wegen schuldhafter Verletzung seiner 4 Verwahrungspflicht nicht zurückstellen, so verliert er seinen Anspruch auf Verwahrungsentgelt, nicht aber auch den Anspruch auf Ersatz der Verpflegungs- und Versorgungskosten (8 Ob 517/94 RZ 1995, 210: Katzen). Der Schaden kann nach § 1304 zu teilen sein, wenn den Hinterleger ein Mitverschulden trifft (RZ 1982, 244: Gast legt Pelzmantel neben überhitzten Ofen); der Hinterleger muss aber die Verwahrung nicht kontrollieren; ob er auf den besonderen Wert der Sache hinweisen muss, ist strittig (SZ 37/151: Pelzcape; nicht bei Erkennbarkeit EvBl 1977/264: Schildkröten-Leopardenmantel). Der Ersatzanspruch steht als vertraglicher Schadenersatzanspruch auch Griss
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Verwahrungsvertrag
§ 965
dann dem Hinterleger zu, wenn dieser nicht Eigentümer der Sache ist; dem Eigentümer steht ein vertraglicher Ersatzanspruch nur zu, wenn nach der Fallgestaltung ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (= des Eigentümers) anzunehmen ist (§ 1295 Rz 19). 5 Die Haftung kann innerhalb der Grenzen der §§ 864a, 879 ABGB, § 6
Abs 1 Z 9 KSchG vertraglich ausgeschlossen oder beschränkt werden (SZ 36/42; zum Haftungsausschluss durch Anschlag SZ 41/14; SZ 49/37). § 965. Hat aber der Verwahrer von der hinterlegten Sache Gebrauch gemacht; hat er sie ohne Not und ohne Erlaubnis des Hinterlegers einem Dritten in Verwahrung gegeben; oder die Zurückstellung verzögert, und die Sache leidet einen Schaden, welchem sie bei dem Hinterleger nicht ausgesetzt gewesen wäre; so kann er keinen Zufall vorschützen, und die Beschädigung wird ihm zugerechnet. 1 Der Verwahrer haftet nach § 964 für jedes Verschulden, nicht aber
für Zufall. § 965 lässt ihn in drei Fällen für gemischten Zufall haften: bei unbefugtem Gebrauch der Sache, bei Drittverwahrung ohne Erlaubnis des Hinterlegers und ohne Not sowie bei Verzögerung der Rückstellung. Die Haftung setzt in allen drei Fällen voraus, dass der Schaden beim Hinterleger nicht eingetreten wäre. 2 Setzt der Verwahrer bei der Verwahrung Gehilfen ein, so haftet er für
sie nach § 1313a (SZ 56/143). Er kann auch einen Substituten bestellen, trägt allerdings das Risiko, wenn er die Sache einem Dritten in Verwahrung gibt, ohne über die Einwilligung des Hinterlegers zu verfügen oder durch einen Notfall außerstande gesetzt zu sein, die Sache sicher zu verwahren (SZ 52/63; zur Drittverwahrung von Wertpapieren s § 957 Rz 4). Andernfalls haftet er nur für Auswahlverschulden. § 966. [Wenn Sachen verschlossen oder versiegelt hinterlegt, und in der Folge das Schloß oder Siegel verletzt worden; so ist der Hinterleger, wenn er einen Abgang behauptet, zur Beschwörung seines Schadens, insofern derselbe nach seinem Stande, Gewerbe, Vermögen und den übrigen Umständen wahrscheinlich ist, nach Vorschrift der Gerichtsordnung zuzulassen; es wäre denn, daß der Verwahrer beweisen könnte, daß die Verletzung des Schlosses oder Siegels ohne sein Verschulden geschehen sei. Das Nämliche hat auch dann zu gelten, wenn sämtliche auf solche Art hinterlegte Sachen in Verlust geraten sind.] 1028
Griss
Verwahrungsvertrag
§ 967
Der Bestimmung ist durch § 272 ZPO (Grundsatz der freien Beweis- 1 würdigung) materiell derogiert. und des Hinterlegers § 967. Der Hinterleger ist verpflichtet, dem Verwahrer den schuldbarer Weise zugefügten Schaden, und die zur Erhaltung der verwahrten Sache, oder zur Vermehrung der fortdauernden Nutzungen verwendeten Kosten zu ersetzen. Hat der Verwahrer im Notfalle, um das hinterlegte Gut zu retten, seine eigenen Sachen aufgeopfert; so kann er einen angemessenen Ersatz fordern. Die wechselseitigen Forderungen des Verwahrers und Hinterlegers einer beweglichen Sache können aber nur binnen dreißig Tagen von Zeit der Zurückstellung angebracht werden. Der Hinterleger haftet dem Verwahrer bei Verschulden für Schäden, 1 die durch die Sache selbst oder durch verspätete Rücknahme entstehen. Wer Sachen in Verwahrung gibt, die gefährlich sind oder werden, muss den Verwahrer entsprechend aufklären. Ob Aufwendungen bei entgeltlicher Verwahrung durch das Verwah- 2 rungsentgelt abgegolten oder gesondert zu ersetzen sind, richtet sich nach der Parteienvereinbarung. Der Anspruch auf Aufwandsersatz ist erfolgsunabhängig; die Aufwendungen sind dem Verwahrer daher auch dann zu ersetzen, wenn er die Sache wegen schuldhafter Verletzung seiner Verwahrungspflicht nicht zurückstellen kann (8 Ob 517/94 RZ 1995, 210: entlaufene Katzen). Aufwendungen, die nicht zur Erfüllung der Obsorgepflicht notwendig sind, sind nach den Grundsätzen der GoA (§§ 1035, 1036) zu ersetzen (zum Aufwandsersatzanspruch des gleich einem Verwahrer zu behandelnden Retentionsberechtigten s 3 Ob 31/97y JBl 1998, 303 Meissel). Die Ersatzansprüche von Verwahrer und Hinterleger sind innerhalb 3 der Ausschlussfrist von 30 Tagen nach gänzlicher oder teilweiser Rückstellung der Sache geltend zu machen (SZ 15/109). Für die Fristwahrung genügt außergerichtliche Geltendmachung. Die Frist gilt nicht für Lagergeschäfte nach §§ 416 ff UGB (6 Ob 7/06g wbl 2006, 382); mangels Rückstellung gilt sie auch nicht für Ersatzansprüche wegen verschuldeten Untergangs der Sache (SZ 10/87) oder wenn die Obsorge nur Neben- und nicht Hauptpflicht des Vertrags ist (9 Ob 2169/96b wobl 1997, 279 Degelsegger). Der Verwahrer hat kein Zurückbehaltungs- und kein Aufrechnungsrecht (§ 1440 Rz 3; anders die in § 970 genannten Personen: § 970c Rz 1); die Lehre schränkt den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts auf unentgeltliche VerwahGriss
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Verwahrungsvertrag
§ 968
rungsverträge ein, bei denen nicht von vornherein mit Gegenansprüchen zu rechnen ist (Meissel, JBl 1998, 306). Sequester § 968. Wird eine in Anspruch genommene Sache von den streitenden Parteien oder vom Gerichte jemandem in Verwahrung gegeben; so heißt der Verwahrer, Sequester. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters werden nach den hier festgesetzten Grundsätzen beurteilt. 1 Der Sequester ist ein Verwahrer, dem das Gericht oder die Parteien
eine streitverfangene Sache in Verwahrung geben. Er darf zu keinem der Streitteile in einer so engen Beziehung stehen, dass die unbefangene Ausübung des Amts nicht gewährleistet ist (1 Ob 519/95 RZ 1996, 118). Aufgabe des Sequesters ist es, die Sache zu verwahren und sie dadurch dem Zugriff der Streitteile zu entziehen; zu Verwaltungshandlungen, die über die Obsorge hinausgehen, ist er weder berechtigt noch verpflichtet (RZ 1996, 118). Er darf die Sache keinem Dritten in Verwahrung geben (SZ 52/63) und hat sie dem obsiegenden Teil herauszugeben. 2 Sequester sind die Verwahrer nach §§ 347, 348; auch der in einem
Erbrechtsstreit oder der nach den Vorschriften der EO bestellte Verwahrer ist Sequester. Die Verwahrung ist kein hoheitlicher Akt, sondern wird aufgrund eines fingierten Vertragsverhältnisses vorgenommen und unterliegt daher den §§ 957 ff (SZ 57/83; 9 Ob 2169/96b wobl 1997, 279 Degelsegger; dennoch für die Anwendung des AHG Vrba/ Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht, 1983, 107 f; dagegen Schragel, AHG Rz 47). Der Sequester haftet dem Verpflichteten persönlich und unmittelbar für den durch Vernachlässigung seiner pflichtgemäßen Obsorge verursachten Schaden (SZ 57/83; 1 Ob 186/97b NZ 1999, 218). Ob dem Verwahrer ein Lohn gebühre § 969. Ein Lohn kann für die Aufbewahrung nur dann gefordert werden, wenn er ausdrücklich, oder nach dem Stande des Aufbewahrers stillschweigend bedungen worden ist. 1 Die Verwahrung kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Ein
Unternehmer kann auch ohne besondere Vereinbarung ein angemessenes Lagergeld verlangen (§ 354 Abs 1 UGB; EvBl 1962/131; s auch § 1004 Rz 2; zur Höhe des Entgelts bei gerichtlicher Verwahrung EvBl 1030
Griss
Verwahrungsvertrag
§ 970
1974/278); sonst steht ein Entgelt nur bei ausdrücklicher Vereinbarung zu. Verlangt der Hinterleger die Sache vorzeitig zurück, so kann das Ent- 2 gelt nach § 1435 teilweise zurückzuzahlen sein (JBl 1974, 622). Vertragsauslegung und Verkehrssitte können einen Rückzahlungsanspruch ausschließen (keine teilweise Rückzahlung bei vorzeitiger Rückforderung eines Kleidungsstücks aus der Garderobe; Schubert/R Rz 1). Gastaufnahme § 970. (1) Gastwirte, die Fremde beherbergen, haften als Verwahrer für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen, sofern sie nicht beweisen, daß der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet noch durch fremde, in dem Hause aus- und eingehende Personen verursacht ist. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hat der Richter nach den Umständen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. (2) Als eingebracht gelten die Sachen, die dem Wirte oder einem seiner Leute übergeben oder an einen von diesen angewiesenen oder hierzu bestimmten Orte gebracht sind. Ebenso haften Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, für die bei ihnen eingestellten Tiere und Fahrzeuge und die auf diesen befindlichen Sachen. (3) Den Wirten werden gleichgehalten die Besitzer von Badeanstalten in Rücksicht auf die üblicherweise eingebrachten Sachen der Badegäste. [idF III. TN] Lit: Edlbacher, Der Gastwirtsbegriff des § 970 ABGB im Fremdenverkehr heute, ÖJZ 1967, 1; Sprung/König, Rechtsnatur des Garagen-Kurzparkvertrages, RdW 1985, 235; dies, Bestimmbarkeit der Bestandsache und GaragenKurzparkvertrag, RdW 1986, 200; Voggenberger, Die Haftung des Schlafwagenunternehmers, JBl 1955, 209 und 239; Wukoschitz, Der Reiseveranstalter als „Gastwirt“? RdW 1997, 708.
Der Gastwirt haftet „als Verwahrer“ für die von den aufgenom- 1 menen Gästen eingebrachten Sachen und damit unabhängig davon, ob ein Verwahrungsvertrag zustande kommt; die Haftung beruht auf einem kraft Gesetzes entstehenden Rechtsverhältnis (SZ 48/97). Daneben trifft den Gastwirt die Deliktshaftung nach § 1316 (zum Verhältnis zu § 970 s § 1316 Rz 1 und 2); er kann auch aus einem Gastaufnahmevertrag und/oder aus einem Verwahrungsvertrag (SZ 55/64) Griss
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Verwahrungsvertrag
§ 970
haften. Dem Gastwirt gleichgestellt sind Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten (Rz 7) und Besitzer von Badeanstalten (Rz 8). 2 Als Gastwirt haftet, wer den Gastbetrieb auf eigene Rechnung und
eigenes Risiko führt; auf wen die Gewerbeberechtigung lautet, ist nicht entscheidend (EvBl 1961/39; 7 Ob 524/90 JBl 1991, 387: Pächter). Den Gastwirten gleichgestellt sind Privatzimmervermieter, wenn auf Grund der Größe des Betriebes die Gefahr des offenen Hauses besteht (SZ 51/158: 18 Betten), die Schlafwagengesellschaft (Voggenberger, JBl 1955, 209; gegenteilig SZ 9/251); nicht aber Spitäler (SZ 47/11), Sanatorien (5 Ob 482/97m; gegenteilig SZ 8/50; Binder/S Rz 16), Erziehungs-, Schülerheime oder Internate (3 Ob 559/90), Privatturnschulen (SZ 19/233), Campingplätze (SZ 55/53) und Reiseveranstalter (7 Ob 237/01f EvBl 2002/50). 3 Gast ist, wer im Betrieb des Gastwirts zur Beherbergung aufgenom-
men wird, auch wenn er sie in der Folge nicht in Anspruch nimmt (SZ 22/70), nicht aber der bloße Restaurantgast (SZ 52/70) oder die unentgeltlich aufgenommene Person (SZ 50/100). Gast ist auch, wer dauernd in einem Gastbetrieb wohnt, aber den für Gäste geltenden Zimmerpreis zahlt (SZ 23/129). 4 Sachen sind eingebracht, wenn sie der Gast mit sich führt, wenn er
sie dem Gastwirt oder seinen Leuten zur Verwahrung übergibt (SZ 49/10: Übergabe einer Aktentasche an Hotelsekretärin; SZ 55/7; 7 Ob 299/97i ZVR 1999/12: Übergabe des Autoschlüssels an einen Hotelbediensteten) oder an eine vom Wirt oder dessen Leuten bezeichnete Stelle bringt, sofern diese in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gastgewerbebetrieb steht (SZ 37/167: Parkplatz; SZ 51/158: Garage; SZ 56/24: Zimmer des Gastes). Nicht eingebracht sind Wertgegenstände, die der Gast entgegen der Anweisung des Gastwirts im Zimmer belässt und nicht deponiert (EvBl 1977/245: Wertgegenstände; s aber EvBl 2002/50: Laptop). Der Gast muss nicht Eigentümer sein (SZ 34/154; s aber SZ 20/173: Einstellung eines Radioapparats durch einen Dritten); der Schadenersatzanspruch steht auch bei Einbringung einer fremden Sache dem Gast zu (SZ 32/71). Der Eigentümer muss sich an den Gast halten und kann gegebenenfalls die Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen (SZ 34/154). 5 Der Gastwirt haftet für eigenes Verschulden und das seiner Leute
(= für ihn tätige Personen) sowie für die Gefahr des offenen Hauses bis zur Grenze der höheren Gewalt (SZ 49/10). Ausgeschlossen ist lediglich die Haftung für Personen, die den Eintritt mit Gewalt erzwingen; daher keine Haftung für Räuber und Einbrecher, wohl aber 1032
Griss
Verwahrungsvertrag
§ 970a
für Einschleichdiebe (SZ 21/94; SZ 55/64). Für zufällige Beschädigungen haftet der Gastwirt nur, wenn er die Sache bei gehöriger Sorgfalt davor hätte bewahren können (SZ 37/167; Miet 32.123). Die Beweislast, dass der Schaden weder durch ihn noch durch seine Leute noch durch fremde, im Haus ein- und ausgehende Personen verursacht wurde, trifft den Gastwirt (SZ 21/94; SZ 52/54). „Fremd“ ist jede dem Geschädigten fremde Person (SZ 21/94; EvBl 1976/167). Den Gast trifft ein Mitverschulden, wenn er gegenüber eigenen Gü- 6 tern sorglos war (SZ 51/158). Von ihm können aber nur übliche Vorkehrungen zum Schutz der eingebrachten Sachen gefordert werden (SZ 48/97: keine Verpflichtung, bei geschlossenem Fenster zu schlafen). Auf den Wert der Sache muss er im Allgemeinen nicht hinweisen (EvBl 1977/264: Schildkröten-Leopardenmantel; s aber EvBl 1980/110: wertvolle Baby-Kroko-Brieftasche in Jacke). Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume gewerbs- 7 mäßig halten (Garagierungsunternehmer), sind Gastwirten gleichgestellt, weil und soweit die Gefahr des offenen Hauses besteht; daher nicht, wenn ausschließlich Berechtigte Zugang zum Abstellplatz haben und der Garagierungsvertrag daher als reiner Mietvertrag zu werten ist (SZ 54/181; SZ 55/52). Die E 4 Ob 522/95 (wobl 1995, 222 krit M. Binder) wertet auch den Garagen-Kurzparkvertrag als reinen Mietvertrag, legt dem Garagenunternehmer allerdings die Verpflichtung auf, seinen Betrieb ausreichend durchzuorganisieren, um eine sichere Benützung der Abstellplätze zu gewährleisten. Nach SZ 54/181 und SZ 55/52 sind die §§ 970 ff zwar anwendbar, aber abdingbar, so dass die Bereitstellung bloßer Abstellplätze ohne besondere Verwahrungspflichten vertraglich vereinbart werden kann (aM SZ 52/54; Binder/S Rz 63). Ein Aufbewahrungsraum setzt einen Schutz gegen Außeneinwirkungen voraus; ein bewachter Parkplatz ist daher noch kein Aufbewahrungsraum (SZ 43/84), wohl aber ein umbauter Raum (SZ 55/52). Die Besitzer von Badeanstalten haften, wenn von den Badegästen 8 eingebrachte Sachen beschädigt werden oder in Verlust geraten. Ihre Haftung ist auf die üblicherweise eingebrachten Sachen beschränkt; sind diese ungewöhnlich wertvoll, so beschränkt sich die Haftung auf den Teilbetrag, der dem üblichen Maß entspricht (SpR 272). § 970a. Ablehnung der Haftung durch Anschlag ist ohne rechtliche Wirkung. Für Kostbarkeiten, Geld oder Wertpapiere haftet der Gastwirt nur bis zum Betrage von 550 Euro, es sei denn, daß er diese Sachen in Kenntnis ihrer Beschaffenheit zur Aufbewahrung Griss
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Verwahrungsvertrag
§ 970b
übernommen hat oder daß der Schaden von ihm selbst oder seinen Leuten verschuldet ist. [idF BGBl I 2001/98]
1 Die Haftung der Gastwirte und der Besitzer von Badeanstalten ist
durch das BG vom 16.11.1921, BGBl 1921/638, über die Haftung der Gastwirte und anderer Unternehmer idF BGBl I 2001/98, auf höchstens € 1.100 beschränkt; für Kostbarkeiten (zur Begriffsbestimmung s das Gutachten SZ 2/147; JBl 1963, 378), Geld und Wertpapiere beträgt der Haftungshöchstbetrag € 550. Die Haftungshöchstbeträge können auch durch individuelle Vereinbarung nicht unterschritten werden (§ 3 BG BGBl 1921/638); der Gastwirt kann den Gast aber anweisen, Sachen zu hinterlegen oder im Safe zu verwahren. Die Haftungsgrenzen gelten nicht, wenn der Gastwirt die Sachen (bei Kostbarkeiten, Geld und Wertpapieren: in Kenntnis ihrer Beschaffenheit, wenn auch in Unkenntnis des genauen Wertes: SZ 49/10) zur Aufbewahrung übernimmt oder wenn der Gast beweist, dass den Gastwirt oder seine Leute ein Verschulden trifft (SZ 56/24; SZ 57/20). Beim Abhandenkommen von Wertsachen aus einem Hotelzimmer gibt es keinen typischen Geschehensablauf; daher zur Begründung der unbeschränkten Haftung des Gastwirts auch keinen Anscheinsbeweis (SZ 57/20; 6 Ob 1714/95). 2 Die Haftungsbeschränkung für Kostbarkeiten, Geld und Wertpa-
piere gilt auch für die Halter von Stallungen und Aufbewahrungsräumen (SZ 55/52), nicht aber die Haftungsbeschränkung für andere Sachen. Anders als Gastwirte und Besitzer von Badeanstalten können die Halter von Stallungen und Aufbewahrungsräumen die Haftung aber ausschließen oder einschränken (SZ 54/181; SZ 55/52; aM SZ 52/54), allerdings nicht durch Anschlag. Wird in der Vertragsurkunde (Parkticket) auf ausgehängte allgemeine Geschäftsbedingungen hingewiesen, so reicht dies daher nicht aus, um einen darin enthaltenen Haftungsausschluss Vertragsinhalt werden zu lassen (SZ 54/181; SZ 55/52). § 970b. Der Ersatzanspruch aus der Gastaufnahme erlischt, wenn der Beschädigte nach erlangter Kenntnis von dem Schaden nicht ohne Verzug dem Wirte die Anzeige macht. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Sachen vom Wirte zur Aufbewahrung übernommen waren. [III. TN]
1 Die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Schadens bildet einen
Ausgleich zur strengen Haftung der Gastwirte und der ihnen in § 970 1034
Griss
Verwahrungsvertrag
§ 970c
gleichgestellten Personen. Dem Geschädigten schadet allerdings nur die verschuldete Verzögerung der Anzeige; die Beweislast für fehlendes Verschulden trifft den Geschädigten (SZ 54/181). Zeigt der Geschädigte den Schaden einem Dritten (zB der zuständigen Sicherheitsdienststelle) an, so kommt er seiner unverzüglichen Anzeigepflicht nur nach, wenn der Dritte den Wirt rechtzeitig verständigt (SZ 3/116; SZ 54/181). Keine Anzeigepflicht besteht, wenn der Wirt die Sachen zur Aufbewahrung übernommen hat (SZ 22/70: Gast stellt Koffer über Aufforderung des Portiers in die Portierloge ein) oder wenn es sich um Umstände handelt, die nicht der unverzüglichen Kenntnis des Unternehmers bedürfen, wie insb bei Organisationsverschulden (SZ 54/181). Forderungen wegen Beschädigung der Sache müssen binnen 30 Tagen ab Rückstellung geltend gemacht werden (§ 967). Die Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige lässt Ansprü- 2 che aus § 1316 oder aus dem zwischen dem Geschädigten und dem Wirt geschlossenen Vertrag (Gastaufnahmevertrag, Garagierungsvertrag, Verwahrungsvertrag) unberührt (SZ 54/181). § 970c. Den im § 970 bezeichneten Personen steht das Recht zu, zur Sicherung ihrer Forderungen aus der Beherbergung und Verpflegung sowie ihrer Auslagen für die Gäste die eingebrachten Sachen zurückzuhalten. [III. TN]
Gastwirten, Besitzern von Badeanstalten und Unternehmern, die 1 Stallungen und Aufbewahrungsräume gewerbsmäßig halten, steht für ihre Entgelt- und Schadenersatzforderungen als Ausgleich für die strenge Haftung ein Zurückbehaltungsrecht an den eingebrachten Sachen zu (SZ 19/6; SZ 34/103); damit besteht gegenüber dem Verbot der Zurückbehaltung verwahrter Sachen (§ 1440 Rz 3) eine Ausnahme (Miet 30.134). Das Zurückbehaltungsrecht steht auch an eingebrachten Sachen zu, die nicht im Eigentum des Gastes stehen (SZ 20/173; SZ 35/126; krit Rummel, JBl 1977, 526 f; abl Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 203 f). Die Herausgabe kann Zug um Zug gegen Befriedigung des Anspruchs verlangt werden (SZ 35/126); das Zurückbehaltungsrecht erlischt mit Befriedigung des Anspruchs oder mit Entfernung der Sachen.
Griss
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Leihvertrag
§ 971
Zwanzigstes Hauptstück Von dem Leihvertrage Leihvertrag § 971. Wenn jemandem eine unverbrauchbare Sache bloß zum unentgeltlichen Gebrauche auf eine bestimmte Zeit übergeben wird; so entsteht ein Leihvertrag. Der Vertrag, wodurch man jemandem eine Sache zu leihen verspricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein Leihvertrag. Lit: H. Böhm, Rechtsprobleme studentischen Wohnens, ÖJZ 1983, 57; Mayrhofer, Zur Rechtsnatur der „Dauerleihe“ an Museen und ähnliche Einrichtungen, NZ 1975, 86; Zankl, Zur Rechtsnatur des „Flaschenpfandes“, JBl 1986, 493.
1 Der Leihvertrag setzt neben der Willenseinigung der Parteien (bloße
Gefälligkeit genügt nicht: 2 Ob 153/98h JBl 1999, 47) auch die Übergabe der Sache an den Entlehner voraus und ist daher ein Realvertrag (krit H. Böhm, ÖJZ 1983, 63). Übergeben ist die Sache, wenn sie sich tatsächlich oder nach der Verkehrsauffassung in der Verfügungsgewalt des Entlehners befindet (7 Ob 42/75). Durch bloße Willenseinigung ohne Übergabe kommt ein Vorvertrag zustande (§ 936). Der Entlehner wird, anders als der Darlehensnehmer, nicht Eigentümer; er ist aber, anders als der Verwahrer, Sachinhaber und Rechtsbesitzer. 2 Gegenstand eines Leihvertrags können unverbrauchbare oder von
den Parteien nicht zum Verbrauch, sondern nur zum Gebrauch überlassene verbrauchbare (Stanzl/K IV/1, 678), auch – vom Verleiher aus gesehen – fremde (JBl 1972, 474; ZVR 1988/153) bewegliche oder unbewegliche, vertretbare oder unvertretbare Sachen sein: Wohnungen, einzelne Wohnungs- oder Liegenschaftsteile oder Geschäftsräume (Miet 24.113; SZ 58/163); Grundstücksteile, Rechte an Grundstücken (zur Abgrenzung von Grundstücksleihe und Dienstbarkeit: SZ 44/41); Tiere (EvBl 1957/398: Überlassung einer Kuh zur Milchnutzung gegen Fütterung des Tieres); Kunstgegenstände (SZ 56/12); Kraftfahrzeuge (SZ 50/137; s aber 1 Ob 35/03h SZ 2003/30: durch Überlassung eines Vorführwagens zur Probefahrt kommt regelmäßig kein Leihvertrag zustande). Zur „Sackleihe“, der Beistellung von Behältnissen für gelieferte Waren, als Nebenabrede zum Hauptvertrag s SZ 52/59; s auch SZ 59/94: Propangasflaschen. 3 Die Gebrauchsüberlassung muss unentgeltlich sein (SZ 31/7: Musik-
automat), sonst liegt Miete vor. Eine allfällige Gegenleistung darf einen geringfügigen, gegenüber dem Wert der Nutzung wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden Betrag nicht überschreiten. Ob die Ge1036
Griss
Leihvertrag
§ 972
genleistung Entgelt ist, richtet sich – soweit nicht mieter- oder pächterschutzrechtliche Vorschriften umgangen werden – nach dem Parteiwillen und damit nach den Verhältnissen bei Vertragsabschluss (Miet 40.099; 5 Ob 31/00w Miet 52.105; 8 Ob 25/06v JBl 2006, 649). Trägt der Entlehner nur den mit dem vertragsgemäßen Gebrauch und der ordentlichen Erhaltung der Sache verbundenen Aufwand, so leistet er damit noch kein Entgelt (SZ 58/163). Die Leihe muss zeitlich beschränkt sein; die Dauer kann von vorn- 4 herein bestimmt sein oder sich aus dem Gebrauchszweck ergeben. Auch eine Leihe auf unbestimmte Zeit gegen Kündigung ist möglich (Stanzl/K IV/1, 680). Kann der Verleiher die Sache nach Willkür jederzeit zurückfordern, liegt ein Prekarium vor (§ 974). Der Verleiher haftet wie ein Geschenkgeber, also für Rechtsmängel 5 regelmäßig nur bei Vorsatz (§ 945 Rz 2). Bei positiven Vertragsverletzungen, wie der Verletzung von Schutz- und Aufklärungspflichten, haftet der Verleiher wie der Geschenkgeber auch bei bloßer Fahrlässigkeit (s § 945 Rz 1; SZ 50/137: Kraftfahrzeug ohne Haftpflichtversicherung; SZ 56/12: Pflicht, auf Transportrisiken des verliehenen Kunstwerks hinzuweisen; 1 Ob 603/90 ecolex 1991, 157: Pflicht zur Aufklärung über Vorsichtsmaßnahmen bei Behebung von „Verstopfern“ einer verliehenen Mischpumpe). Rechte und Pflichten des Entlehners: 1. in Rücksicht des Gebrauches; § 972. Der Entlehner erwirbt das Recht, den ordentlichen oder näher bestimmten Gebrauch von der Sache zu machen. Nach Verlauf der Zeit ist er verpflichtet, eben dieselbe Sache zurückzustellen. Dem Entlehner steht nur der ausdrücklich oder schlüssig bedungene 1 Gebrauch zu; ist nichts anderes vereinbart, so ist dies der Gebrauch, zu dem die Sache nach der Verkehrsauffassung regelmäßig dient (ordentlicher Gebrauch; SZ 61/259; 7 Ob 17/95 SZ 69/172: Verwendung eines Kraftfahrzeugs nur auf eine dem Gesetz entsprechende Art). Eine Pflicht zum Gebrauch besteht nur, wenn die Sache gebraucht werden muss, um sie unversehrt zurückstellen zu können (zB Reitpferd). Als Rechtsbesitzer genießt der Entlehner Besitzschutz, und zwar so- 2 wohl gegenüber dem Verleiher als auch gegenüber Dritten. Inwieweit dem Entlehner die petitorische Klage bei Entzug des Leihobjekts zuGriss
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Leihvertrag
§ 973
steht, ist strittig (für uneingeschränkten petitorischen Schutz Schubert/R Rz 2; s auch Stanzl/K IV/1, 681: Schutz gegenüber dem Verleiher uneingeschränkt, gegen Dritte nur bei unbeweglichen Sachen; Binder/S Rz 7: Schutz nur gegenüber dem Verleiher). 3 Zur Rückstellungspflicht § 973 Rz 1 f.
2. der Zurückstellung; § 973. Wenn keine Zeit zur Zurückgabe festgesetzt, wohl aber die Absicht des Gebrauches bestimmt worden ist; so ist der Entlehner verbunden, mit dem Gebrauche nicht zu zögern, und die Sache so bald als möglich zurückzugeben. 1 Der Entlehner muss die entliehene Sache nach Beendigung der Ent-
lehnzeit zurückstellen. Folgt die Entlehnzeit aus dem Gebrauchszweck (§ 971 Rz 4), so darf der Entlehner den Gebrauch nicht hinauszögern und muss die Sache zurückgeben, sobald der Gebrauch beendet werden kann. 2 Die Sache ist dem Verleiher an dessen Wohnort bzw Ort der geschäft-
lichen Niederlassung zurückzugeben. Der Entlehner kann dem Verleiher dessen fehlendes Eigentum nicht entgegenhalten (7 Ob 648/78; SZ 60/157). Verlangt der Eigentümer die Herausgabe, so kann sich der Entlehner nicht auf den Leihvertrag berufen (Stanzl/K IV/1, 682). Bei widerstreitenden Herausgabebegehren kann er die Sache nach § 1425 ABGB hinterlegen (§ 1425 Rz 9); klagt ihn der Eigentümer auf Herausgabe, so kann er den Verleiher als Auktor benennen (§§ 21 ff ZPO). § 974. Hat man weder die Dauer, noch die Absicht des Gebrauches bestimmt; so entsteht kein wahrer Vertrag, sondern ein unverbindliches Bittleihen (Prekarium), und der Verleiher kann die entlehnte Sache nach Willkür zurückfordern. 1 Das Prekarium (Bittleihe) ist eine Abart der Leihe, bei der der Ver-
leiher die Sache jederzeit zurückfordern kann (SZ 54/43; SZ 60/183). Es ist nach hA ein zweiseitiges Rechtsgeschäft und keine bloße Gefälligkeit (K/W II 203; H. Böhm, ÖJZ 1983, 58). Dem Prekaristen kommt daher gegenüber Dritten Besitzschutz zu (§ 313 Rz 2; s aber K/W II 203, wonach der Prekarist nicht Rechtsbesitzer sei). Das Prekarium kann ausdrücklich vereinbart sein oder sich aus den Umständen ergeben (Miet 25.082; 6 Ob 143/02a Miet 54.100). Ein Prekarium wird nicht vermutet, sondern ist von demjenigen zu beweisen, der sich 1038
Griss
Leihvertrag
§ 974
darauf beruft (Miet 18.096; 1 Ob 184/99m; zur Beweislastverteilung im Verhältnis nicht frei widerrufbarer Leihvertrag – Prekarium s § 975 Rz 2). Unentgeltlichkeit kann für ein Prekarium sprechen (6 Ob 143/02a Miet 54.110). Besteht ein Mietvertrag und duldet der Vermieter eine Gebrauchserweiterung durch den Mieter, so wird im Zweifel der Mietvertrag erweitert und nicht ein Prekarium begründet (1 Ob 2087/96k EWr III/974 A/3). Familienrechtliche Wohnverhältnisse sind kein Prekarium. Sie können nur zwischen Angehörigen im engeren Sinn begründet werden und haben ihren Grund in familienrechtlichen Ansprüchen; bei Erlöschen dieser Ansprüche können sie jederzeit beendet werden (SZ 60/246; 7 Ob 547/95 JBl 1996, 106). Als Leihvertragsvariante muss das Prekarium unentgeltlich sein. 2 Eine allfällige Gegenleistung darf über einen Anerkennungszins nicht hinausgehen und muss daher so niedrig sein, dass sie gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht ins Gewicht fällt (7 Ob 733/89 SZ 63/31; 1 Ob 1984/99m Miet 51.099); maßgebend sind die Verhältnisse bei Vertragsabschluss (Miet 40.099; 8 Ob 25/06v JBl 2006, 649). Wertsicherung des Entgelts schließt einen bloßen Anerkennungszins aus (EvBl 1964/360). Ob trotz Gegenleistung noch Unentgeltlichkeit gegeben ist, ist für die Abgrenzung Prekarium – Bestandverhältnis von großer praktischer Bedeutung (s Miet 27.125; Miet 33.144; SZ 63/31) und bei sonst dem MRG unterliegenden Objekten streng zu prüfen (EvBl 1962/508). Der Verleiher kann das Prekarium jederzeit formfrei widerrufen; das 3 Gebrauchsrecht des Prekaristen ist damit durch die Nichtausübung des Widerrufsrechts bedingt (H. Böhm, ÖJZ 1983, 59). Bei Mehrheitseigentum genügt der Widerruf durch die Anteilsmehrheit (SZ 60/183; Call, wobl 1994, 27). Der Hälfteeigentümer allein kann nicht widerrufen (SZ 54/43; 5 Ob 1607/93 wobl 1994, 27 Call); ihm steht aber ein Räumungsanspruch zu, wenn er am Vertragsabschluss mit dem Prekaristen nicht beteiligt war und der Prekarist daher ihm gegenüber titellos benützt (SZ 60/183). Der Widerruf muss dem Prekaristen gegenüber erklärt werden; wer 4 sein Gebrauchsrecht vom Prekaristen ableitet, kann das Prekarium bis zu dessen Widerruf oder Erlöschen dem Eigentümer entgegenhalten. Mit der gegen den Prekaristen eingebrachten Räumungsklage wird das Prekarium schlüssig widerrufen (8 Ob 540/93 ecolex 1994, 14). Nach dem Widerruf des Prekariums kann nur der Eigentümer (nicht auch der Prekarist) den Bestandnehmer auf Räumung klagen (Miet 26.034). Der Widerruf eines bloß gegen jederzeitigen Widerruf eingeräumten Rechts verstößt nicht gegen das Schikaneverbot (7 Ob Griss
1039
Leihvertrag
§ 975
647/56). Eine trotz Widerrufs fortgesetzte Benützung ist titellos und verpflichtet zur Zahlung von Benützungsentgelt (SZ 60/246). 5 Der Einzelrechtsnachfolger des Verleihers muss das Prekarium
grundsätzlich nur bei entsprechender Vereinbarung gegen sich gelten lassen (Miet 27.123; s 8 Ob 2024/96x SZ 69/71). Einen Vertrauensschutz für ein nicht zu übernehmendes obligatorisches Recht gibt es nicht (Miet 39.038; 4 Ob 547/90 Miet 42.025). Das Prekarium ist kein Exszindierungsgrund (SZ 26/191). 6 Das Prekarium erlischt nicht schon mit dem Tod des Verleihers, son-
dern besteht bis zum Widerruf durch den Erben fort (SZ 60/246). Stirbt der Prekarist, so erlischt damit das Prekarium, ohne dass es gegenüber der Verlassenschaft widerrufen werden müsste (ecolex 1994, 14). Wird das prekaristisch überlassene Objekt enteignet, so hat der Prekarist keinen Anspruch auf Entschädigung, weil das Prekarium jederzeit widerrufen werden könnte (Miet 37.083). 7 Der Prekarist hat das überlassene Objekt in unversehrtem Zustand
zurückzustellen. Ist es beschädigt, so muss er beweisen, dass er die Beschädigung nicht verschuldet hat (2 Ob 153/98h JBl 1999, 47). Aufwendungen des Prekaristen berechtigen nicht zur Zurückhaltung oder Aufrechnung (§ 1440 Rz 3). Sie sind binnen 30 Tagen nach Rückgabe der Sache geltend zu machen (§ 982). § 975. Bei einem Streite über die Dauer des Gebrauches muß der Entlehner das Recht auf den längeren Gebrauch beweisen. 1 Fordert der Verleiher die Sache zurück, so braucht er nur zu beweisen,
dass er die Sache dem Entlehner unentgeltlich zum Gebrauch übergeben hat (8 Ob 615/93). Die Beweislast für die Dauer des Gebrauchs trägt der Entlehner. 2 Die Beweislastregel gilt auch für die Abgrenzung zwischen Preka-
rium und nicht frei widerrufbarem Leihvertrag. Die Beweislast dafür, dass ihm nicht bloß ein jederzeit widerrufbares Recht eingeräumt wurde, trifft daher den Entlehner (SZ 32/154). Dass kein Bestandvertrag, sondern ein Prekarium vorliege, hat als für seinen Rechtsstandpunkt günstige Tatsache hingegen der Räumungskläger zu beweisen (Miet 17.124; Miet 19.086). § 976. Wenngleich die verlehnte Sache vor Verlauf der Zeit und vor geendigtem Gebrauche dem Verleiher selbst unentbehrlich wird; so hat er ohne ausdrückliche Verabredung doch kein Recht, die Sache früher zurückzunehmen. 1040
Griss
Leihvertrag
§ 979
Der Verleiher ist, solange die Sache gebraucht wird, für die vereinbar- 1 te Zeit vertraglich gebunden; er kann die Sache schon nach § 1413 selbst dann nur bei entsprechender Vereinbarung vorzeitig zurückfordern, wenn er sie selbst benötigt. Der Entlehner muss die Sache vor Ablauf der vereinbarten Dauer zurückgeben, wenn der Gebrauch beendet ist (Stanzl/K IV/1, 686). Bei Missbrauch kann der Verleiher die Sache sofort zurückfordern (§ 978). Stirbt der Entlehner, so kann der Verleiher die Sache zurückfordern, 2 weil im Zweifel nur zum höchstpersönlichen Gebrauch geliehen wird (Stanzl/K IV/1, 686). Der Tod des Verleihers lässt den Leihvertrag hingegen bestehen (zum Prekarium s § 974 Rz 6). § 977. Der Entlehner ist zwar in der Regel berechtigt, die entlehnte Sache auch vor der bestimmten Zeit zurückzugeben; fällt aber die frühere Zurückgabe dem Verleiher beschwerlich; so kann sie wider seinen Willen nicht stattfinden. Da die Leihe regelmäßig dem Interesse des Entlehners dient, kann der 1 Entlehner die Sache mangels anderer Vereinbarung vorzeitig zurückgeben. Der Verleiher kann die vorzeitige Rücknahme aber, wieder mangels anderer Vereinbarung, ablehnen, wenn sie ihm beschwerlich fällt, etwa weil er die Sache nicht selbst verwahren kann, so dass Verwahrungskosten anfallen würden. 3. der Beschädigung; § 978. Wenn der Entlehner die geliehene Sache anders gebraucht, als es bedungen war, oder den Gebrauch derselben eigenmächtig einem Dritten gestattet; so ist er dem Verleiher verantwortlich, und dieser auch berechtigt, die Sache sogleich zurückzufordern. Der Entlehner darf die Sache mangels anderer Vereinbarung nur 1 selbst (2 Ob 580/91) und nur auf die bedungene (= übliche, sofern nichts anderes vereinbart) Weise gebrauchen (SZ 53/151). Andernfalls kann der Verleiher die Sache sogleich zurückfordern; ist er nicht Eigentümer, so ist er zur Wahrung der Eigentümerinteressen zur sofortigen Rückforderung verpflichtet (RZ 1990, 39). Wird die Sache durch vereinbarungswidrigen Gebrauch oder beim Dritten beschädigt, so haftet der Entlehner für jeden Schaden, der ohne seine widerrechtliche Ausgangshandlung nicht eingetreten wäre (§ 979 Rz 1). § 979. Wird die geliehene Sache beschädigt, oder zu Grunde gerichtet; so muß der Entlehner nicht nur den zunächst durch sein Griss
1041
Leihvertrag
§ 979
Verschulden verursachten, sondern auch den zufälligen Schaden, den er durch eine widerrechtliche Handlung veranlaßt hat, so wie der Verwahrer einer Sache ersetzen (§ 965). 1 Der Entlehner haftet nicht für die durch den vertraglich verein-
barten oder üblichen Gebrauch bewirkte Abnützung, wohl aber für verschuldete Beschädigungen und für den verschuldeten Verlust der Sache, wobei es genügt, dass der Schade ohne widerrechtliche Ausgangshandlung des Entlehners nicht eingetreten wäre (Haftung für gemischten Zufall: 5 Ob 593/80; 5 Ob 683/81). Der Entlehner hat nach § 1313a für das Verschulden von Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Pflichten bedient, einzustehen (SZ 60/157: Frachtführer). Seine Haftung erstreckt sich auf Sachen, die zwar im Rahmen des Leihvertrags übernommen wurden, deren Leihe aber nicht beabsichtigt war (EvBl 1967/364: Möbelstücke auf dem geliehenen LKW). 2 Die Haftung kann vertraglich beschränkt werden (5 Ob 2015/96a
KRES 1e/17b: Haftung nur für den Selbstbehalt der Kaskoversicherung). Den Verleiher trifft die vertragliche Nebenpflicht, den Entlehner auf ungewöhnliche Risiken hinzuweisen (SZ 56/12: mangelnde Transporttauglichkeit eines Kunstgegenstands; 1 Ob 35/03h SZ 2003/30: keine Vollkaskoversicherung für leihweise überlassenen Vorführwagen; 2 Ob 154/06w Zak 2007, 37: Mietwagen). Verletzt er diese Pflicht oder trifft ihn aus anderen Gründen ein Mitverschulden, so ist der Schaden nach § 1304 zu teilen. Kein Mitverschulden trifft den Verleiher, wenn die Gefahr, die zum Schaden führt, nicht von der verliehenen Sache ausgeht, sondern durch ihren Gebrauch entsteht (SZ 50/100: Kellerbar, die für Fotoaufnahmen leihweise überlassen wurde, bei denen Brennspiritus eingesetzt wurde). 3 Die Beweislast, dass die Beschädigung ohne sein oder seiner Erfül-
lungsgehilfen Verschulden eingetreten ist, trägt der Entlehner (§ 1298). Ihn trifft – da er wegen der Unentgeltlichkeit der Leihe auf die Interessen des Verleihers weitgehend Rücksicht nehmen muss – nur dann kein Verschulden, wenn er die im Einzelfall zur Vermeidung der Beschädigung gebotenen Vorsichtsmaßnahmen ergreift (6 Ob 14/98x HS 29.403). 4 Der Schadenersatzanspruch steht dem Verleiher zu, auch wenn er
nicht Eigentümer der Sache ist (SZ 60/157; ZVR 1988/153). Verweigert der Entlehner die Rückgabe der geliehenen Gegenstände, weil der Verleiher nicht Eigentümer sei, so kann der Verleiher, wenn die Rückgabe weder unmöglich noch untunlich ist, nicht anstelle der Herausgabe Wertersatz verlangen (3 Ob 326/98g). 1042
Griss
Leihvertrag
§ 981
§ 980. Dadurch, daß der Entlehner für ein verlornes Lehnstück den Wert erlegt, hat er noch kein Recht, dasselbe, wenn es wieder gefunden wird, gegen den Willen des Eigentümers für sich zu behalten, wenn dieser bereit ist, den empfangenen Wert zurückzugeben. Der Entlehner haftet für verschuldeten Verlust der geliehenen Sache 1 und muss Wertersatz leisten (§ 979 Rz 1). Das gibt ihm aber nicht das Recht, die Sache zu behalten, wenn sie wieder gefunden wird. Er muss sie dem Verleiher auf dessen Verlangen gegen Rückzahlung des Ersatzbetrags herausgeben. Der Entlehner kann die Sache dem Verleiher aber nicht gegen dessen Willen zurückstellen. Überlässt der Verleiher die Sache dem Entlehner ausdrücklich oder schlüssig, so wird dieser Eigentümer. 4. der Erhaltungskosten § 981. Die mit dem Gebrauche ordentlicher Weise verbundenen Kosten muß der Entlehner selbst bestreiten. Die außerordentlichen Erhaltungskosten hat er zwar, dafern er die Sache dem Verleiher nicht zur eigenen Besorgung überlassen kann oder will, inzwischen vorzuschießen; doch werden sie ihm gleich einem redlichen Besitzer vergütet. Der Entlehner zahlt für die Gebrauchsüberlassung kein Entgelt; er hat 1 aber die mit dem vertragsgemäßen Gebrauch und der ordentlichen Erhaltung der Sache verbundenen Kosten zu tragen (SZ 58/163: Betriebskosten einer Eigentumswohnung; 8 Ob 25/06v JBl 2006, 649: Abgrenzung von Gebrauchskosten und Entgelt), damit er die Sache unversehrt zurückstellen kann (1 Ob 542/91 Miet 43.043). Ordentliche Erhaltungskosten sind Kosten, mit denen im Laufe des Leihverhältnisses gerechnet werden muss und die dazu dienen, die entliehene Sache in brauchbarem Zustand zu erhalten. Außergewöhnlich hohe oder durch unvorhergesehene Umstände verursachte Kosten, mit denen der Entlehner nicht von vornherein rechnen konnte, sind außerordentliche Erhaltungskosten (3 Ob 542/95). Werden außerordentliche Erhaltungsmaßnahmen notwendig, so hat der Entlehner die Sache dem Verleiher zu ihrer Durchführung zurückzustellen. Kann er das nicht, weil er die Sache nicht entbehren kann, so hat er den Aufwand vorläufig zu tragen. Sein Ersatzanspruch besteht entgegen § 331 unabhängig davon, ob eine Werterhöhung eingetreten ist (s § 331 Rz 2). Die Kosten, die schon aus der Bereitstellung des Gegenstands der 2 Gebrauchsüberlassung entstehen, trägt der Verleiher (s Miet 33.144: Fondsrückzahlungen; JBl 1987, 320; Miet 43.043: Grundsteuer); überGriss
1043
Leihvertrag
§ 982
nimmt sie der „Entlehner“, so liegt Miete und nicht Leihe vor, außer sie fallen als Anerkennungszins gegenüber dem Wert des Gebrauchs praktisch nicht ins Gewicht (JBl 1987, 320). 3 Bei Aufwendungen, die nicht der Erhaltung der Sache dienen, ist der
Entlehner als Geschäftsführer ohne Auftrag zu behandeln. Sein Ersatzanspruch richtet sich nach §§ 1037 f. Er hat Anspruch auf Ersatz der Kosten, die sich bei objektiver Betrachtung zum klaren, überwiegenden Vorteil des Verleihers ausgewirkt haben. Dabei ist auf alle Interessen des Verleihers Bedacht zu nehmen; im Zweifel entscheidet dessen Bewertung (3 Ob 542/95 Miet 48.089; s § 1037 Rz 2). Beschränkung der wechselseitigen Klagen § 982. Wenn der Verleiher nach der Zurücknahme des Lehnstückes dessen Mißbrauch, oder übertriebene Abnutzung innerhalb dreißig Tagen nicht gerügt; oder, wenn der Entlehner nach der Zurückgabe von den auf die Sache verwendeten außerordentlichen Kosten binnen eben diesem Zeitraume keine Meldung gemacht hat; so ist die Klage erloschen. 1 Ansprüche aus der übertriebenen Abnützung oder zweckwidrigen
Verwendung der geliehenen Sache und Ansprüche auf Ersatz außerordentlicher Aufwendungen sind binnen 30 Tagen nach Rückgabe der Sache dem Anspruchsgegner anzuzeigen. Außergerichtliche Geltendmachung genügt; die Ansprüche müssen nicht beziffert werden (SZ 60/157). Aus dem Zweck der Bestimmung, innerhalb von 30 Tagen nach Rückgabe der Sache Klarheit zu schaffen, ob Schäden oder Aufwendungen bestehen, wird abgeleitet, dass der Mangel nicht angezeigt werden muss, wenn Verleiher und Entlehner die tatsächlichen Verhältnisse kennen (7 Ob 93/01d ZVR 2002/51: gemeinsame Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs; s aber EvBl 1957/398). 2 Die Frist ist eine Ausschlussfrist und gilt auch für das Prekarium. Wird
der Mangel nicht angezeigt, obwohl die Anzeige nicht ausnahmsweise entbehrlich ist, so kann nicht geklagt werden (ZVR 2002/51). 3 Für andere Ansprüche, wie den Anspruch auf Rückstellung der Sa-
che, gilt die Frist nicht. Diese Ansprüche können innerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 Jahren erhoben werden; Schadenersatzansprüche wegen verschuldeten Verlusts oder Untergangs der Sache verjähren nach § 1489 in drei Jahren (Stanzl/K IV/1, 692). 4 Entlehnte Sachen sind kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder
Aufrechnung (§ 1440 Rz 3). Der Entlehner kann seinem Anspruch 1044
Griss
Darlehensvertrag
§ 983
auf Ersatz außerordentlicher Aufwendungen daher nicht durch Zurückbehaltung der Sache Nachdruck verleihen.
Einundzwanzigstes Hauptstück Von dem Darlehensvertrage Darlehen § 983. Wenn jemandem verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben Gattung und Güte zurückgeben soll; so entsteht ein Darlehensvertrag. Er ist mit dem, obgleich ebenfalls verbindlichen Vertrage (§ 936), ein Darlehen künftig zu geben, nicht zu verwechseln. Lit: Graf/M. Gruber (Hrsg), Aktuelle Probleme des Kreditvertragsrechts (2004); Harrer-Hörzinger, Zur Rechtsnatur des Darlehens, ÖJZ 1990, 614; Koziol, BVR II Rz 1/1 ff; ders, Die Übertragung der Rechte aus Kreditverträgen, FS Ostheim (1990) 137; Zemen, Im Zweifel Darlehen oder Leihe statt Schenkung? JBl 1986, 205.
Wie bei der Leihe werden auch beim Darlehen Vermögensstücke zur 1 Benützung überlassen. Während aber der Entlehner dieselben Stücke zurückstellen muss, hat der Darlehensnehmer Stücke derselben Gattung und Güte zurückzugeben. Wirtschaftlicher Zweck des Darlehens ist Kreditgewährung; dem Schuldner wird regelmäßig gegen Entgelt für eine gewisse Zeit die Nutzung eines Kapitals überlassen (Stanzl/K IV/1, 693). Der Darlehensvertrag ist als Realvertrag ausgestaltet. Er setzt neben 2 der Willenseinigung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer auch die Übergabe der „verbrauchbaren“ (= vertretbaren) Sachen in das Eigentum des Darlehensnehmers voraus (zur Erfüllung dieses Erfordernisses bei Gutschrift des Darlehensbetrags auf dem Konto des Darlehensnehmers s Koziol, BVR II Rz 1/8 f; SZ 52/147; zur Begründung der Darlehensschuld durch Novation ÖBA 1989, 741: „Vereinbarungsdarlehen“). Das Darlehen ist ein Eigentumserwerbstitel (§ 1461); Voraussetzung für den Eigentumserwerb ist allerdings, dass der Darlehensgeber Eigentümer ist oder die Voraussetzungen für den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten (§§ 367, 368) bestehen (6 Ob 610/92 EvBl 1993/90: LKW-Reifen). Der Darlehensgeber hat im Konkurs des Darlehensnehmers kein Aussonderungsrecht (SZ 38/223: auf ein Konto des Darlehensnehmers eingezahltes Geld). Griss
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Darlehensvertrag
§ 983
auf Ersatz außerordentlicher Aufwendungen daher nicht durch Zurückbehaltung der Sache Nachdruck verleihen.
Einundzwanzigstes Hauptstück Von dem Darlehensvertrage Darlehen § 983. Wenn jemandem verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben Gattung und Güte zurückgeben soll; so entsteht ein Darlehensvertrag. Er ist mit dem, obgleich ebenfalls verbindlichen Vertrage (§ 936), ein Darlehen künftig zu geben, nicht zu verwechseln. Lit: Graf/M. Gruber (Hrsg), Aktuelle Probleme des Kreditvertragsrechts (2004); Harrer-Hörzinger, Zur Rechtsnatur des Darlehens, ÖJZ 1990, 614; Koziol, BVR II Rz 1/1 ff; ders, Die Übertragung der Rechte aus Kreditverträgen, FS Ostheim (1990) 137; Zemen, Im Zweifel Darlehen oder Leihe statt Schenkung? JBl 1986, 205.
Wie bei der Leihe werden auch beim Darlehen Vermögensstücke zur 1 Benützung überlassen. Während aber der Entlehner dieselben Stücke zurückstellen muss, hat der Darlehensnehmer Stücke derselben Gattung und Güte zurückzugeben. Wirtschaftlicher Zweck des Darlehens ist Kreditgewährung; dem Schuldner wird regelmäßig gegen Entgelt für eine gewisse Zeit die Nutzung eines Kapitals überlassen (Stanzl/K IV/1, 693). Der Darlehensvertrag ist als Realvertrag ausgestaltet. Er setzt neben 2 der Willenseinigung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer auch die Übergabe der „verbrauchbaren“ (= vertretbaren) Sachen in das Eigentum des Darlehensnehmers voraus (zur Erfüllung dieses Erfordernisses bei Gutschrift des Darlehensbetrags auf dem Konto des Darlehensnehmers s Koziol, BVR II Rz 1/8 f; SZ 52/147; zur Begründung der Darlehensschuld durch Novation ÖBA 1989, 741: „Vereinbarungsdarlehen“). Das Darlehen ist ein Eigentumserwerbstitel (§ 1461); Voraussetzung für den Eigentumserwerb ist allerdings, dass der Darlehensgeber Eigentümer ist oder die Voraussetzungen für den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten (§§ 367, 368) bestehen (6 Ob 610/92 EvBl 1993/90: LKW-Reifen). Der Darlehensgeber hat im Konkurs des Darlehensnehmers kein Aussonderungsrecht (SZ 38/223: auf ein Konto des Darlehensnehmers eingezahltes Geld). Griss
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Darlehensvertrag
§ 983
3 Vom Darlehensvertrag unterschieden wird der nach § 936 zu beurtei-
lende und daher der Umstandsklausel unterliegende Vorvertrag, künftig ein Darlehen zu geben. Die Praxis hat daneben einen Konsensualvertrag entwickelt, in dem sich der Kreditgeber verpflichtet, für den Kreditnehmer eine Haftung zu übernehmen (Kreditleihe: Avalkredit, Akzeptkredit; s Koziol, BVR II Rz 1/191 ff) oder ihm auf dessen Verlangen auch ohne Deckung durch ein Guthaben Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen (3 Ob 75/93 SZ 66/75). Dieser Vertrag wird Krediteröffnungsvertrag (Koziol, BVR II Rz 1/3, 1/73 ff; Binder/S Rz 27), aber auch Kreditvertrag (Schubert/R Vor § 983 Rz 1; SZ 66/75) genannt. Davon zu unterscheiden ist ein als Konsensualvertrag ausgestalteter Hauptvertrag, der die künftige Zuzählung eines bestimmten Geldbetrags vorsieht, ohne dass, wie beim Krediteröffnungsvertrag, ein Abruf durch den Kreditnehmer notwendig wäre. Einen solchen Vertrag kennt das ABGB nicht, schließt ihn aber, da der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt, auch nicht aus (Koziol, BVR II Rz 1/4 ff). Mit dem Begriff „Kreditvertrag“ wird daher zwar in jedem Fall ein Konsensualvertrag bezeichnet; inhaltlich kann es sich dabei aber entweder um die Einräumung der Befugnis handeln, Geldbeträge auch ohne Deckung durch ein Guthaben abzurufen, oder um die Zuzählung eines bestimmten Geldbetrags und damit um einen inhaltlich dem Darlehensvertrag entsprechenden Vertrag (zum Bausparvertrag als kombinierter Spar- und Kreditvertrag s 3 Ob 14/99a SZ 73/41). 4 Der gewerbsmäßige Abschluss von Geldkreditverträgen und die ge-
werbsmäßige Gewährung von Gelddarlehen (Kreditgeschäft) fallen als Bankgeschäfte unter § 1 BWG und sind Kreditinstituten vorbehalten. Das BWG grenzt die beiden Vertragstypen nicht gegeneinander ab; soweit Bestimmungen für „Kredite“ gelten, sind auch Darlehen erfasst (Fremuth/Laurer/Linc/Pötzelberger/Strobl, Bankwesengesetz 2 , 1999, § 1 Rz 9; Chini/Frölichsthal, Praxiskommentar zum Bankwesengesetz2 , 1997, § 1 Anm 15). Wirtschaftlich gesehen besteht zwischen Darlehensgewährung und Krediteinräumung kein wesentlicher Unterschied (SZ 51/81). Das BWG enthält besondere Bestimmungen für Organkredite (§ 28) und für Verbraucherkreditverträge (§§ 33 ff). Weitere Bestimmungen für Verbraucherkreditverträge sind im KSchG enthalten (§§ 12a, 25a, 25b, 25c, 26c). Kreditinstitute legen ihren Kreditgeschäften regelmäßig allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde. Die meisten Banken haben die von der Bundessektion Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer Österreich herausgegebenen Musterbedingungen ABB übernommen (zur Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen s 4 Ob 179/02f ÖBA 2003, 141; Iro/Koziol, 1046
Griss
Darlehensvertrag
§ 983
ÖBA 2003, 129; Apathy, ÖBA 2003, 177; Iro, RdW 2003, 66; Graf, ecolex 2003, 1; Krassnig/Stotter, wbl 2004, 213). Darlehens- und Kreditverträge sind, außer zwischen Ehegatten (§ 1 5 Abs 1 lit b NotAktsG: Notariatsaktspflicht) und mit Verbrauchern (§ 33 Abs 2 BWG: Schriftform), formfrei. Mündlich geschlossene Verbraucherkreditverträge sind zwar gültig, aber mit einer Verwaltungsstrafe sanktioniert (§ 98 Abs 3 Z 3 BWG). Minderjährige (§ 151 Abs 1), Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben (§ 865), und Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist (§ 280), können grundsätzlich nicht selbst, sondern nur durch ihren gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Genehmigung Darlehens- und Kreditgeschäfte abschließen; mündige Minderjährige sind dazu in den Grenzen des § 151 Abs 2 berechtigt (Näheres bei Koziol, BVR II Rz 1/13 ff). Zum Abschluss eines Darlehens- oder Kreditvertrags durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter ist eine Gattungsvollmacht notwendig (§ 1008), außer das Geschäft fällt nach der Natur der Sache, der Verkehrsanschauung oder nach gesetzlicher Regel in den Rahmen der Vollmacht (SZ 51/81: Wohnungseigentumsorganisator; zur Kreditaufnahme durch einen Wohnungseigentums-Verwalter s 5 Ob 28/93 wobl 1995, 60 Niedermayr). Die Zeichnungsberechtigung für ein Girokonto vermag eine Gattungsvollmacht nicht zu ersetzen; im Fehlen einer Reaktion auf die Kontoauszüge liegt auch keine Genehmigung (SZ 62/153; 3 Ob 610/90 ÖBA 1991, 458 Iro: „Oder-Konto“ von Ehegatten). Die Vertragserklärung der Kontomitinhaber deckt nur eine Kontobelastung mit den gewöhnlich vorkommenden Verfügungen (1 Ob 543/95 EvBl 1995/101: Ausnützung des Kreditrahmens oder vereinbarte oder verkehrsübliche Kontoüberziehung). Das Ansuchen um Krediteinräumung ist üblicherweise noch kein An- 6 gebot auf Abschluss des Kreditvertrags, sondern eine Einladung an die Bank, dem Kunden den Abschluss eines Kreditvertrags anzubieten (SZ 54/161). Die Kreditunternehmung treffen Interessenwahrungspflichten und im Zusammenhang damit Aufklärungspflichten (1 Ob 150/01t SZ 74/114). Besondere Aufklärungspflichten bestehen gegenüber Verbrauchern. Ihnen ist auf Verlangen ein Entwurf des in Aussicht genommenen Kreditvertrags auszuhändigen; bei Vertragsabschluss haben sie eine Vertragsausfertigung in deutscher Sprache zu erhalten. Der Verbraucherkreditvertrag hat die in § 33 Abs 2 Z 1–6 BWG vorgeschriebenen Angaben zu enthalten. Damit soll die Information des Verbrauchers über den wesentlichen Vertragsinhalt (Gesamtbelastung, effektiver Jahreszinssatz, Zinssatz für Zahlungsverzug, Rückzahlungsraten etc) sichergestellt und der Vergleich mit den Angeboten anderer Kreditgeber ermöglicht werden. § 25a KSchG Griss
1047
Darlehensvertrag
§ 983
normiert besondere Informationspflichten gegenüber Ehegatten, die als Verbraucher gemeinsam einen Kredit (oder ein Darlehen) aufnehmen; die Informationspflicht trifft Unternehmen, deren Unternehmensgegenstand die Gewährung oder Vermittlung von Krediten ist, und damit jedenfalls Banken und Personalkreditvermittler (s § 25a KSchG Rz 2). Ganz allgemein (7 Ob 610/95 SZ 69/119) und damit auch bei Kreditverhältnissen (1 Ob 239/05m ÖBA 2006, 760) ist die Bank dem Kunden jederzeit zur Auskunft über die Konten und den Stand der Geschäftsbeziehung verpflichtet. 7 Im Darlehens- oder Kreditvertrag kann zwar ein bestimmter Ver-
wendungszweck vereinbart werden; ein klagbarer Anspruch auf die vereinbarte Verwendung besteht jedoch nicht (HS IX/3: auch kein Anspruch, das Darlehen in den Büchern des Unternehmens ersichtlich zu machen). Die zweckwidrige Verwendung kann aber zur vorzeitigen Rückforderung berechtigen (s Schubert/R Rz 1). Der Verwendungszweck des Darlehens kann zur Ungültigkeit des Darlehensvertrags führen (RdW 1989, 220: Verstoß gegen das KautSchG; 4 Ob 507/95 ecolex 1995, 404: Verstoß gegen § 150 Abs 5 S 1 KO). 8 Die Kreditvaluta (ebenso die Darlehensvaluta) muss weder bar aus-
gezahlt werden (SZ 52/147: Gutschrift auf Girokonto) noch unmittelbar dem Kreditnehmer zukommen, sondern sie kann auch vereinbarungsmäß einem Dritten zu zahlen sein. Mit dem Einlangen des Kreditbetrags beim Dritten hat der Kreditgeber den Kreditvertrag erfüllt und einen Rückzahlungsanspruch erworben (SZ 74/114 unter ausdrücklicher Ablehnung der E JBl 1981, 90). Ist der Dritte mehrseitiger Treuhänder und veruntreut er den Kreditbetrag, bevor noch die Bedingungen für die Auszahlung an den Verkäufer erfüllt sind, so ist nach neuerer Rspr der Schaden zwischen der Bank und dem Käufer als Kreditnehmer zu teilen (näher dazu § 1002 Rz 7). 9 Der Kreditnehmer erwirbt mit dem Abschluss des Kredit(eröffnungs)-
vertrags einen Anspruch auf Kreditgewährung. Ruft er den Kredit ab, so übt er ein Gestaltungsrecht aus. Das Gestaltungsrecht kann abgetreten werden (SZ 73/41); Gleiches gilt für die aus dem bereits abgerufenen Kredit entstehende Forderung und den Rückzahlungsanspruch des Kreditgebers (ÖBA 1987, 55 Apathy), sofern nicht ausdrücklich oder schlüssig (zB durch Zweckbindung des Kredits) ein Abtretungsverbot vereinbart ist. Die Kreditforderung ist auch pfändbar; nicht der Pfändung unterliegt aber das Gestaltungsrecht, die Kreditsumme abzurufen (SZ 66/75). Die Position des Kreditgebers oder Kreditnehmers als Ganzes kann ohne Zustimmung des Vertragspartners nicht auf einen Dritten übertragen werden (1 Ob 536, 537/93 1048
Griss
Darlehensvertrag
§ 983
SZ 66/81). Die Rückzahlungspflicht trifft daher auch nach Abtretung oder Pfändung der Kreditforderung den Kreditnehmer. Zur Sicherung der Forderungen aus einem Kreditverhältnis kann 10 eine Höchstbetragshypothek eingetragen werden (§ 14 GBG; zur Sicherung von Aufwertungsbeträgen durch Höchstbetragshypothek s §§ 988, 989 Rz 8; zur Einverleibung einer Darlehensforderung mit variablem Zinssatz s 5 Ob 65/90 NZ 1991, 108 Hofmeister 111 = ÖBA 1991, 532 Hoyer). Die Bestellung von Sicherheiten ist Teil der vom Kreditnehmer zu erbringenden Gegenleistung; der Verzug mit der Sicherheitenbestellung begründet analog §§ 1052, 1062 die Zug-umZug-Einrede gegen den Auszahlungsanspruch und auch ein Rücktrittsrecht nach § 918 sowie einen Schadenersatzanspruch nach § 921 (Koziol, BVR II Rz 1/72). Das Darlehen wird auf „gewisse Zeit“ gewährt; auch der Kreditver- 11 trag begründet in der Regel ein Dauerschuldverhältnis (SZ 35/125). Darlehens- und Kreditvertrag können von vornherein befristet oder durch (ordentliche) Kündigung beendet werden, die bei mehreren Kreditnehmern gegenüber allen zu erfolgen hat (JBl 1974, 426; zu den Verständigungspflichten bei Verbraucherkrediten s § 25b KSchG). Die Laufzeit kann sich auch aus dem Zweck des Vertrags oder aus der Parteienabsicht ergeben. Aus wichtigem Grund kann der Vertrag auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufgelöst werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Vertragspartner die Fortsetzung der Vertragsbeziehung bis zum nächsten in Betracht kommenden Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann (NZ 1985, 230); bei Verletzung schutzwürdiger Interessen des Kunden durch grundlose Kündigung ist die Bank zum Schadenersatz verpflichtet (7 Ob 566/95 ÖBA 1996, 233; zu den Anforderungen an den als Auflösungsgrund vereinbarten „wichtigen Grund“ bei Verbraucherkreditverträgen s 5 Ob 266/02g RdW 2003, 254). Die vereinbarte Laufzeit bindet beide Vertragspartner; Verbraucherkreditverträge können – mit bestimmten Ausnahmen – vom Verbraucher ganz oder teilweise vorzeitig erfüllt werden (§ 12a KSchG); ein mit einem Kreditinstitut oder im Rahmen einer Kapitalanlage mit einem Versicherungsunternehmen abgeschlossener Verbraucherkreditvertrag kann immer vorzeitig erfüllt werden (§ 33 Abs 8 BWG; § 12a KSchG Rz 2 f; zur Vorfälligkeitsgebühr s 4 Ob 60/06m ÖBA 2006, 678 krit Kellner, ÖBA 2006, 661). Sowohl im Darlehensvertrag als auch im Kreditvertrag kann verein- 12 bart werden, dass der Schuldner die gesamte noch offene Schuld zahlen muss, wenn er in Verzug gerät (Terminsverlust). Bei der näheren Ausgestaltung sind – außer bei Verbrauchergeschäften (§ 13 KSchG) Griss
1049
Darlehensvertrag
§ 983
– die Parteien frei (zu den verschiedenen Arten s Koziol, BVR II Rz 154 ff). 13 Ein Darlehen liegt nur vor, wenn Rückzahlung versprochen wird; aus
der Zuwendung eines Geldbetrags folgt nicht schlüssig die Rückzahlungsverpflichtung (SZ 51/92: Zuwendung an Sohn). Fehlt eine Rückzahlungsvereinbarung, so liegt allenfalls ein anderes Rechtsgeschäft vor, wie zB Pränumerationskauf, Ausstattung, Gesellschaft (Stanzl/K IV/1, 699); s auch 7 Ob 263/03g ÖBA 2005, 278 Bollenberger (Scheingeschäft). Wird das Darlehen mehreren Personen gewährt, so haften sie auch ohne besondere Vereinbarung solidarisch (wbl 1988, 164). 14 Vorschüsse sind Vorausleistungen, und zwar vor allem Leistungen,
die in Erwartung einer Gegenleistung gegeben werden (SZ 51/38; 1 Ob 563/91 JBl 1991, 793: Vorauszahlung eines noch nicht fälligen Entgelts). Wird die Gegenleistung erbracht und die bevorschusste Forderung fällig, so wird der Vorschuss ab- und nicht aufgerechnet. Wird die Gegenleistung nicht erbracht, so kann der Vorschuss nach § 1435 zurückgefordert werden. Ob mit dem (verzinslichen) Vorschuss ein Darlehen gewährt wird, richtet sich nach der Parteienabsicht. Im Exekutionsverfahren werden vom Drittschuldner gewährte Vorschüsse und Darlehen gleich behandelt; sie sind in erster Linie aus dem Unterschiedsbetrag zwischen den in § 292 Abs 4 EO genannten Beträgen und dem unpfändbaren Freibetrag abzudecken; kann der Vorschuss damit nicht hereingebracht werden, kann auch auf den pfändbaren Betrag gegriffen werden (§ 290c Abs 1 und 2 EO; s Oberhammer in Angst, EO § 290c Rz 3; § 293 Rz 9 f); Vorschüsse, bei denen die bevorschussten Leistungen nicht mehr erbracht werden, können auch von dem der Exekution entzogenen Teil der Forderung abgerechnet werden (§ 293 Abs 3 EO). 15 Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens oder des auf einmal
zur Rückzahlung fällig werdenden Kreditbetrags verjährt in 30 Jahren (§ 1478); gegenüber juristischen Personen beträgt die Verjährungsfrist 40 Jahre (§ 1485). Die zur Kapitaltilgung vereinbarten Annuitäten verjähren gemäß § 1480 in drei Jahren; Teilzahlungen, durch die der Kapitalbetrag zu begleichen ist (gemeine Raten), unterliegen nach hA der langen Verjährungsfrist (§ 1480 Rz 3). Die 30-jährige Verjährungsfrist gilt auch für den durch Kündigung fällig gewordenen (Teil- oder Rest-) Betrag eines durch Annuitäten abzustattenden Kredits (8 Ob 244/98k ÖBA 1999, 552 Apathy). Hat der Darlehens- oder Kreditgeber ein Faustpfand in Händen, so kann zwar die Forderung verjähren, das Recht des Gläubigers auf Befriedigung aus der Pfandsache bleibt jedoch aufrecht (§ 1483 Rz 1). Gleiches gilt für die zur Sicherung über1050
Griss
Darlehensvertrag
§ 984
eignete körperliche Sache (Koziol, BVR II Rz 1/65). § 1483 gilt nicht für die Hypothek; die Hypothekarklage verjährt in 30, gegenüber juristischen Personen in 40 Jahren (§ 1479 Rz 2). Arten desselben § 984. Ein Darlehen wird entweder in Geld oder in anderen verbrauchbaren Sachen, und zwar ohne, oder gegen Zinsen gegeben. Im letzteren Falle nennt man es auch einen Zinsenvertrag. Lit: Graf, Die Neuregelung der Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs – Eine kritische Analyse des ZinsRÄG, wbl 2002, 437.
Gegenstand des Darlehensvertrags können vertretbare Sachen jeder 1 Art sein (6 Ob 610/92 EvBl 1993/90: LKW-Reifen). Welche Sachen vertretbar sind, richtet sich nach der Verkehrsanschauung, von der die Parteien aber auch abgehen können (Stanzl/K IV/1, 695). Die weitaus überwiegende Zahl der Darlehen sind Gelddarlehen. Darlehen können entgeltlich oder unentgeltlich sein. Als Vergütung 2 kann ein Mehrbetrag vereinbart werden, um den sich der Rückzahlungsbetrag erhöht (s die auf § 5 des mittlerweile aufgehobenen G RGBl 1868/62 gestützte E wbl 1988, 164; die Zulässigkeit einer derartigen Vereinbarung folgt aber schon aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit), eine „fixe Gewinnbeteiligung“ (zur Abgrenzung Darlehen/ GesBR/stille Gesellschaft: RdW 1988, 350; zum Begriff des partiarischen Darlehens: wbl 1989, 351), die Verzinsung des Darlehens, nicht aber die Fruchtziehung aus der Pfandsache (§ 1372). Darlehen sind nach § 354 Abs 2 UGB im Zweifel verzinslich; das gilt nach § 345 UGB auch für einseitig unternehmensbezogene Geschäfte und damit sowohl für von einem Unternehmer einem Verbraucher gewährte Darlehen als auch für Darlehen, die ein Verbraucher einem Unternehmer gewährt (Schauer/RK UGB § 354 Rz 2). Banken bieten ihre Leistungen typischerweise nur gegen Entgelt an; die Erklärung des Kunden, mit der Bank einen Darlehens- oder Kreditvertrag abschließen zu wollen, ist daher als Einverständnis mit der Entgeltpflicht zu verstehen (Koziol, BVR II Rz 1/24). Die Höhe der Zinsen richtet sich nach der Vereinbarung. Dabei sind 3 der Vertragsfreiheit durch § 879 Abs 2 Z 4 (Wucherverbot), das Verbot der Verkürzung über die Hälfte (§ 934) und durch die AusbV vom 17.3.1933, BGBl 1933/66 idF BGBl I 2001/98, Grenzen gesetzt. Die Festlegung der Zinsen kann vertraglich dem Darlehensgeber übertragen werden; an eine grob unbillige Festsetzung des Zinssatzes ist der Darlehensnehmer aber nicht gebunden (SZ 56/32). Bei VerbraucherGriss
1051
Darlehensvertrag
§ 985
geschäften hat der Darlehens- oder Kreditgeber offenzulegen, nach welchen Kriterien er die später festzusetzenden Zinsen bestimmen will (s § 6 KSchG Rz 10 f). Ist die Höhe der Zinsen nicht festgelegt, so sind die gesetzlichen Zinsen von 4% (§ 1000 Rz 3) zu zahlen. Zu Zinseszinsen s §§ 999, 1000 Rz 3. 4 Der Zinssatz kann durch – immer zweiseitig wirkende – Zinsgleit-
klauseln oder Zinsanpassungsklauseln veränderbar gestaltet werden. Durch Zinsgleitklauseln wird der Zinssatz an bestimmte veränderliche Bezugsgrößen gebunden, so dass deren Änderung automatisch eine Änderung des Zinssatzes bewirkt. Zinsanpassungsklauseln (Zinsänderungsklauseln) ermächtigen das Kreditinstitut, den Zinssatz bei Veränderung der Refinanzierungsbedingungen am Geld- und Kapitalmarkt nach billigem Ermessen einseitig anzupassen. Im Unternehmergeschäft besteht für die Zinsanpassung nur die Schranke offenbarer (grober) Unbilligkeit (10 Ob 125/05p ÖBA 2006, 916 Iro = ecolex 2006, 752 Leithenmair). Mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sind Zinsanpassungsklauseln nur vereinbar, wenn sie hinreichend deutlich erkennen lassen, innerhalb welcher Grenzen der Zinssatz geändert werden darf, so dass der Gestaltungsspielraum des Kreditinstituts festgelegt und willkürliches Handeln zu Lasten des Kreditnehmers ausgeschlossen ist (4 Ob 73/03v JBl 2004, 50 Rummel; Beclin, ecolex 2003, 653; Graf, ecolex 2003, 648; Klauser, ecolex 2003, 656; Koziol, ÖBA 2004, 58; R. Madl, ÖBA 2003, 722; Wilhelm, ecolex 2003, 645; s auch M. Leitner, ecolex 2005, 362). 5 Gerät der Darlehens- oder Kreditnehmer mit Rückzahlungen oder
mit Zinsenzahlungen in Verzug, so hat er nach § 352 UGB, § 1333 Verzugszinsen zu entrichten. Ihre Höhe richtet sich nach der Vereinbarung; die von einem Verbraucher zu entrichtenden Verzugszinsen dürfen den für den Fall vertragsmäßiger Zahlung vereinbarten Zinssatz nicht um mehr als fünf Prozentpunkte pro Jahr übersteigen (§ 6 Abs 1 Z 13 KSchG). Fehlt eine Vereinbarung, so sind die gesetzlichen Zinsen (s Rz 3) maßgebend. Für Kreditforderungen gegen Unternehmer aus Unternehmenskrediten gilt § 352 UGB (s Graf, wbl 2002, 440). Danach beträgt der Zinssatz acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei Verschulden kann auch ein darüber hinausgehender Schaden ersetzt verlangt werden (§ 1333 Abs 2). Gelddarlehen: § 985. Ein Gelddarlehen kann klingende Münze, oder Papiergeld, oder öffentliche Schuldscheine (Obligationen) zum Gegenstande haben. 1052
Griss
Darlehensvertrag
§§ 986–987
a) in klingender Münze, oder Papiergeld; § 986. Inwiefern ein Darlehen in klingender Münze überhaupt geschlossen werden könne, und in welcher Währung (Valuta) ein solches Darlehen, oder ein Darlehen in Papiergeld zurückzuzahlen sei, bestimmen die darüber bestehenden besonderen Vorschriften. § 987. Wenn ein Darleiher sich die Zahlung in der besonderen, von ihm gegebenen Münzsorte bedungen hat; so muß die Zahlung in eben dieser Münzsorte geleistet werden. Lit: Griller, Der Eintritt in die dritte Stufe der WWU, ecolex 1998, 86; Schwarzer/List/Gerharter (Hrsg), Die österreichische Währungsordnung in der EU5 (2000).
In Österreich gilt seit 1.1.1999 – ebenso wie in elf weiteren Mitglieds- 1 ländern der EU – die europäische Einheitswährung Euro. Durch die Einführung des Euro wurde der Leistungsinhalt einer bisher auf Schilling lautenden Geldschuld nicht umgestaltet; die Änderung betraf allein den Leistungsgegenstand und die Rechnungseinheiten (Erl 1203 BlgNR 20. GP 17). Eine auf Schilling lautende Geldleistung konnte durch die Währungsumstellung daher auch nicht unmöglich werden; sie ist in der neuen Währung zu erfüllen. Gelddarlehen können als schlichte Geldschuld begründet werden, die 2 ohne Rücksicht auf die zugezählte Geldsorte zurückgezahlt werden kann, oder als besondere Geldschuld mit Effektivklausel, die zur Rückzahlung in der bedungenen Geldsorte verpflichtet (Schubert/R Rz 1). Darlehen und Kredite werden häufig in fremder Währung aufgenom- 3 men, um durch niedrige Zinssätze oder die erhoffte Kursentwicklung zu geringeren Rückzahlungen zu gelangen (4 Ob 271/04p ÖBA 2005, 716). Kreditinstitute sollen dabei zur Einhaltung der Sorgfalt nach § 39 BWG die FMA-Mindeststandards für die Vergabe und Gestionierung von Fremdwährungskrediten vom 16.10.2003 beachten. Die Aufnahme von Darlehen und Krediten durch Ausländer und bei Ausländern ist zulässig; sie kann aber nach § 4 DevG 2004 von der OeNB untersagt oder von einer Bewilligung abhängig gemacht werden. Bei Darlehen in fremder Währung ist zwischen unechten und echten 4 Fremdwährungsschulden zu unterscheiden. Bei unechten Fremdwährungsschulden lautet die Forderung auf Inlandswährung und dient die fremde Währung nur als Rechnungsgrundlage. Bei echten Fremdwährungsschulden hat der Gläubiger hingegen Anspruch auf Zahlung in der Fremdwährung; sofern nicht Effektivzahlung vereinGriss
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Darlehensvertrag
§§ 988–989
bart ist, kann der Schuldner allerdings bei Zahlung im Inland nach § 905a in Inlandswährung erfüllen. S zu allem bei § 905a. 5 Nach Z 75 ABB 2000 sind Fremdwährungskredite effektiv in der von
der Bank ausgereichten Fremdwährung zurückzuzahlen und dienen Zahlungen des Kunden in anderer Währung grundsätzlich nur als Sicherheit. Aus in Z 75 ABB näher bestimmten wichtigen Gründen ist die Bank zur Umwandlung des Schuldsaldos in Inlandswährung berechtigt. Siehe zur Konvertierung auch 6 Ob 275/05t ÖBA 2006, 530. 6 Die Eintragung von Pfandrechten für Fremdwährungsforderungen
ist für Währungen des EWR zulässig (Art I § 5 1. Euro-JuBeG; s auch 5 Ob 87/99a SZ 72/64). Lautet der Exekutionstitel auf eine andere Währung, so muss im Exekutionsantrag der entsprechende Euro-Betrag angeführt werden (Angst in Angst, EO § 87 Rz 5). § 988. Gesetzliche Münzveränderungen ohne Veränderung des inneren Gehaltes gehen auf Rechnung des Darleihers. Er empfängt die Zahlung in der bestimmten, gegebenen Münzsorte, z. B. von 1000 Stücken kaiserlicher Dukaten, oder 3000 Zwanzig-Kreuzer Stücken ohne Rücksicht, ob deren äußerer Wert in der Zwischenzeit erhöht oder vermindert worden ist. Wird aber der innere Wert geändert; so ist die Zahlung im Verhältnis zu dem inneren Werte, den die gegebene Münzsorte zur Zeit des Darlehens hatte, zu leisten. § 989. Sind zur Zeit der Rückzahlung dergleichen Münzsorten im Staate nicht im Umlaufe; so muß der Schuldner den Gläubiger mit zunächst ähnlichen Geldstücken in solcher Zahl und Art befriedigen, daß derselbe den zur Zeit des Darlehens bestandenen inneren Wert dessen, was er gegeben hat, erhalte. Lit: Baur, Die Anpassung langfristiger Verträge an geänderte Umstände, JBl 1987, 137; Dürkes, Wertsicherungsklauseln10 (1992); Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung (1980); Kurzbauer, Die Höchstbetragshypothek (1999); Mayer, Goldklausel wieder zulässig, RdW 1991, 137.
1 Aus § 988 folgt kein Aufwertungsanspruch, weil das Gesetz mit „in-
nerem Gehalt“ oder „innerem Wert“ den Metallwert meint, den nur eine Münzwährung haben kann, nicht aber eine Papierwährung wie der Euro. Jede Geldsummenschuld kann grundsätzlich mit Banknoten zum Nennwert erfüllt werden. Das Risiko der Geldentwertung trägt der Gläubiger, soweit sich ein Aufwertungsanspruch nicht aus Gesetz oder Vertrag ergibt. 2 Ein gesetzlicher Aufwertungsanspruch wird nur in wenigen Fällen
bejaht (zur Aufwertung aufgrund der Umstandsklausel s Ertl, Infla1054
Griss
Darlehensvertrag
§§ 988–989
tion 229 ff). Nach dem – auch nach der E des verst Senats 1 Ob 315/97y SZ 71/56 = ecolex 1998, 392 Wilhelm (dazu Iro, RdW 1998, 317; Honsell, wbl 1999, 97; Rebhahn, ÖBA 1999, 441) insoweit noch aufrechten – Gutachten über den Verzögerungsschaden (SZ 5/53) steht dem Gläubiger bei Verzug des Schuldners aus der Minderung der wirtschaftlichen Kaufkraft kein Rechtsanspruch auf Ersatzleistung („abstrakter Schaden“) zu; nur der Ersatz eines konkreten Schadens kann gefordert werden (krit Ertl, Inflation 145 ff; zum Ersatz des Kursverlusts einer Fremdwährung s 1 Ob 32/91 SZ 64/129). Bei Unterhaltsleistungen und Leistungen mit Unterhaltscharakter führt die Anwendung der Umstandsklausel zu einem aufwertungsähnlichen Ergebnis; selbst der Ausschluss der Umstandsklausel hindert bei erheblichem Kaufkraftverlust die Aufwertung nicht (SZ 54/159). Hat der Schädiger – wie nach § 1332 – den Wert einer Sache zur Zeit der Beschädigung zu ersetzen, so ist dieser in Geld zur Zeit des Urteils auszudrücken (K/W II 33; EvBl 1968/57); bei wesentlicher Geldentwertung kann der nach § 1327 ersatzberechtigte Hinterbliebene vom Schädiger die Aufwertung seiner Rente verlangen (SZ 36/132); Enteignungsentschädigungen sind jedenfalls bei einer außergewöhnlich großen Geldentwertung aufzuwerten (1 Ob 148/97i SZ 71/4: 32% Indexsteigerung). Nach Art III Abs 5 BauRGNov 1990 kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Erhöhung des Bauzinses begehrt werden (5 Ob 86/92 SZ 65/146; 5 Ob 2128/96v SZ 69/138). Bei Schulden, die zunächst auf eine andere Leistung gehen und deren Wert erst in Geld auszudrücken ist (Geldwertschulden), trägt das Risiko der Geldentwertung ganz allgemein der Schuldner (SZ 44/59). Wertsicherungsklauseln sind Vereinbarungen, nach denen die ge- 3 schuldete Summe durch einen „Faktor“, der den inneren Wert zur Grundlage hat, aufgewertet wird, falls die Kaufkraft des Geldes sinkt (K/W II 33). Sie sind grundsätzlich zulässig (6 Ob 154/99m JBl 2000, 670: Wertsicherung eines Unterhaltsbeitrags durch Vertrag, nicht aber in gerichtlichen Entscheidungen; zur Begrenzung der Wertsicherung von Mietzinsen durch § 16 Abs 9 MRG s Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR § 16 MRG Rz 35). Zulässig sind seit der Aufhebung des GoldKlG durch das BG BGBl 1991/30 auch Goldklauseln; gesetzlich aufgehobene Goldklauseln wurden dadurch aber nicht wieder gültig (5 Ob 44/95 SZ 68/80). Vollstreckbar sind wertgesicherte Forderungen nur, wenn die Wertsicherungsklausel an nicht mehr als eine veränderliche Größe anknüpft (§ 8 Abs 2 Z 1 EO). Die Wertsicherung einer Leistung betrifft einen Hauptpunkt des 4 Vertrags; können sich die Parteien über die Wertsicherung an sich oder ihre Art nicht einigen, so kommt kein Vertrag zustande (SZ Griss
1055
Darlehensvertrag
§§ 988–989
49/142). Die Unwirksamkeit einer Wertsicherungsklausel muss daher im Zweifel zur Ungültigkeit des ganzen Vertrags führen (Ertl, Inflation 124; aM Stanzl/K IV/1, 724; Schubert/R Rz 3; s auch Binder/S § 986 Rz 25). Das Beharren auf Vertragserfüllung kann im Zusammenhang mit einer Wertsicherungsklausel sittenwidrig sein, wenn ein Vertragspartner dadurch aus einem bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbaren Grund unverhältnismäßig bereichert würde (SZ 44/58; SZ 56/29). 5 Die mangelnde Bestimmtheit des Wertmaßstabs hindert seit der
EO-Novelle 1991, BGBl 1991/628, die Wirksamkeit nicht mehr. Es genügt, dass eine Leistung wertgesichert vereinbart ist. Ist dazu nichts Näheres bestimmt, so gilt als Aufwertungsschlüssel der vom Österreichischen Statistischen Zentralamt (nunmehr: Statistik Austria) verlautbarte, für den Monat der Schaffung des Exekutionstitels gültige Verbraucherpreisindex. Der Anspruch vermindert oder erhöht sich in dem Maß, als sich der Verbraucherpreisindex gegenüber dem Zeitpunkt der Schaffung des Exekutionstitels ändert. Änderungen sind solange nicht zu berücksichtigen, als sie 10% der bisher maßgebenden Indexzahl nicht übersteigen (§ 8 Abs 3 EO). § 8 Abs 3 EO ist auch anzuwenden, wenn der vereinbarte Aufwertungsschlüssel „Auslegungsschwierigkeiten“ bereitet (JAB 261 BlgNR 18. GP 2). In diesen Fällen gilt auch die im Gesetz festgelegte „Schwelle“ von 10%, nicht aber auch dann, wenn zwar ein bestimmter Wertmaßstab, aber keine „Schwelle“ vereinbart ist. In diesem Fall ist § 8 Abs 3 EO gar nicht anzuwenden, da ohnehin „Näheres bestimmt“ ist ( Jakusch in Angst, EO § 8 Rz 29; aM Schubert/R Rz 7). 6 Indexklauseln sind gegenwärtig die gebräuchlichsten Wertsiche-
rungsklauseln. Neben dem Verbraucherpreisindex wird vor allem auch der Baukostenindex der Statistik Austria (alle Indices abrufbar unter www.statistik.at) als Wertmesser verwendet. Wertmaßstab kann aber grundsätzlich der Preis jeder Ware oder Leistung sein (JBl 1951, 549: Weizenpreis; HS 9301: Brotpreis; SZ 56/29: Verpflegungskostensatz; EvBl 1967/175: Bruttolohn eines Maurers; HS I/37: Kurs einer Fremdwährung). 7 Für die Auslegung von Wertsicherungsklauseln gelten die allgemei-
nen Auslegungsregeln (§§ 914 f; SZ 34/31; 9 ObA 17/90 JBl 1990, 468: Zweck der Wertsicherungsklausel; 5 Ob 503/91 wobl 1991, 139 Würth). Wird die Wertanpassung vom Überschreiten eines bestimmten Prozentsatzes („Schwelle“) abhängig gemacht (Schwell-, Schwellenwert-, Sprung- oder Sperrklauseln), so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die „Schwelle“ nur für die erste Anpassung oder auch für jede weitere 1056
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Darlehensvertrag
§§ 988–989
Anpassung gilt (SZ 49/59). Haben die Parteien einen bestimmten Wertmesser gewählt, so sind sie daran gebunden, auch wenn seine Entwicklung der allgemeinen Preisentwicklung nicht entspricht (SZ 38/164). Fällt der vereinbarte Wertmesser weg, ohne dass die Parteien einen Ersatz vereinbart haben, so ist der dem weggefallenen Wertmesser nach dessen Funktion und nach der Absicht der Parteien am ehesten entsprechende Wertmesser heranzuziehen (§ 2 Abs 1 1. Euro-JuBeG). Gleiches gilt, wenn der vereinbarte Wertmesser unanwendbar geworden ist (SZ 52/52: Anpassung der Beamtenbezüge nicht mehr durch die als Wertmesser gewählte Teuerungszulage). Die Einverleibung von Wertsicherungsklauseln wurde in stRspr mit 8 der Begründung abgelehnt, dass ihr die (durch Art XII § 1 des 1. EuroJuBeG aufgehobene) V über wertbeständige Rechte vom 16.11.1940, dRGBl I 1521, entgegenstehe (SZ 24/345) und sie auch mit dem Bestimmtheitsgebot des § 14 GBG unvereinbar sei (SZ 25/164). Die E 5 Ob 101/02t (ecolex 2002, 663 Thaler = NZ 2003, 186 Hoyer 189) lässt unter Hinweis auf die E des verst Senats 3 Ob 34/94 (NZ 1996, 344 Hoyer 349 = ÖZW 1997, 18 Spielbüchler) die mittelbare Verbücherung der Wertsicherung durch Einverleibung einer Höchstbetragshypothek für den Aufwertungsbetrag zu. Ein schlüssiger Verzicht auf die Wertsicherung ist nur unter den 9 strengen Voraussetzungen des § 863 anzunehmen. In der widerspruchslosen Annahme eines nicht aufgewerteten Forderungsbetrags (JBl 1982, 426) liegt daher ebenso wenig ein Verzicht auf die Aufwertung wie in der Unterlassung der Geltendmachung des Erhöhungsbetrags (2 Ob 546/95 wobl 1996, 35 Würth). Selbst wenn aber die jahrelange Annahme nicht aufgewerteter Leistungen als schlüssiger Verzicht auf deren Aufwertung zu verstehen ist (Miet XXVI/4; Miet 35.112: widerspruchslose Entgegennahme eines nicht valorisierten Mietzinses durch längere Zeit), so wirkt der Verzicht nur für die Vergangenheit; auf die Wertsicherungsklausel überhaupt wird damit nicht verzichtet (Miet XXXIX/46). Aufwertungsbeträge sind Teil der Schuld (und daher keine bloße Ne- 10 benforderung im Sinne des § 54 Abs 2 JN); sie beruhen auf dem gleichen Rechtsgrund und verjähren in der gleichen Zeit wie die Schuld selbst (SZ 34/106; 1 Ob 520/96 SZ 69/95). Ein Mietzinsrückstand liegt daher auch dann vor, wenn der Mieter bloß mit den Aufwertungsbeträgen in Verzug geraten ist (SZ 42/182; Miet 30.225: Räumungsklage nach § 1118 Fall 2). Werden Aufwertungsbeträge nicht gezahlt, so kann ein vereinbarter Terminsverlust geltend gemacht werden, sofern es sich nicht bloß um einen verhältnismäßig geringfügigen Betrag Griss
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Darlehensvertrag
§ 990
handelt, mit dem der Schuldner infolge einer unterschiedlichen Berechnung der Wertsicherungsbeträge in Verzug geraten ist (RdW 1989, 301). 11 Bei rechtlichem Interesse (§ 228 ZPO) kann auf Feststellung des Be-
stehens oder Nichtbestehens einer Wertsicherungsvereinbarung geklagt werden (SZ 26/116; JBl 1990, 468: Auslegung der Wertsicherungsklausel). Das Klagebegehren der Leistungsklage kann auf Zahlung des wertgesicherten Betrags lauten; vollstreckbar ist das Urteil, wenn die Wertsicherungsklausel an nicht mehr als eine veränderliche Größe anknüpft (§ 8 Abs 2 Z 1 EO). Im Exekutionsantrag ist der aufgrund der Wertsicherungsklausel errechnete Betrag anzugeben (§ 54 Abs 2 lit c EO); der Aufwertungsschlüssel muss durch eine unbedenkliche Urkunde bewiesen werden, sofern es sich nicht um einen von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex oder um einen Aufwertungsschlüssel handelt, dessen Höhe gesetzlich bestimmt ist (§ 8 Abs 2 Z 2 EO). Kann der Unbestimmtheit des Exekutionstitels nicht nach § 8 Abs 3 EO schon durch Anwendung des Verbraucherpreisindexes abgeholfen werden, so ist eine Sanierung unter Bedachtnahme auf § 2 Abs 1 1. Euro-JuBeG durch Titelergänzungsklage möglich (s 3 Ob 143/97v ecolex 1999, 766 Schumacher). b) in Schuldscheinen; § 990. In öffentlichen Schuldscheinen können Darlehen in der Art gültig geschlossen werden, daß die Tilgung der Schuld entweder mit einem durchaus gleichen öffentlichen Schuldscheine, wie der dargeliehene war, geleistet, oder der Betrag nach dem Werte, welchen der Schuldschein zur Zeit des Darlehens hatte, zurückgezahlt werde. 1 Dass Darlehen auch in öffentlichen Schuldscheinen (= Wertpapiere
mit Kurswert; s Schubert/R Rz 1) gewährt werden können, ist schon in § 985 bestimmt und folgt auch aus § 983 (SZ 11/180: Darlehen in Pfandbriefen). Die Zulässigkeit einer Vereinbarung der Rückzahlung in Geld ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Eine (geringe) Bedeutung kommt § 990 als dispositivem Recht zu, wenn ein Darlehen in Wertpapieren mit Kurswert gewährt wird, ohne dass nähere Absprachen über die Rückzahlung getroffen werden (s Stanzl/K IV/1, 755). § 991. Wenn statt Geldes ein Privatschuldschein oder Waren gegeben worden sind; so ist der Schuldner nur verbunden, entweder den Schuldschein oder die empfangenen Waren unbeschädigt zu1058
Griss
Darlehensvertrag
§§ 999–1000
rückzustellen, oder dem Gläubiger den von diesem zu erweisenden Schaden zu ersetzen. § 991 regelt die Rechtsfolgen der nach § 8 Wucherpatent 1803 ungül- 1 tigen Vereinbarung, statt baren Geldes Privatforderungen oder Waren zu geben, dahin, dass der Schuldner die Sachen zurückzugeben oder einen vom Gläubiger zu beweisenden Schaden zu ersetzen hat. Da eine derartige Vereinbarung nunmehr grundsätzlich gültig ist, hat § 991 seinen Anwendungsbereich verloren (Stanzl/K IV/1, 756 f). c) Darlehen in anderen verbrauchbaren Gegenständen § 992. Bei Darlehen, die nicht über Geld, sondern über andere verbrauchbare Gegenstände geschlossen werden, macht es, dafern nur die Zurückstellung in der nämlichen Gattung, Güte und Menge bedungen worden, keinen Unterschied, wenn sie in der Zwischenzeit am Werte gestiegen oder gefallen. Da der Darlehensnehmer zur Rückgabe verpflichtet ist, macht es kei- 1 nen Unterschied, ob die Sachen mittlerweile im Wert gestiegen oder gefallen sind. Die Berücksichtigung von Wertveränderungen kann durch Wertsicherungsklauseln (§§ 988, 989 Rz 3 ff) oder auch durch die Vereinbarung sichergestellt werden, dass der Schuldner einen höheren Betrag zurückzuzahlen hat. Zinsen §§ 993–998. [aufgehoben, RGBl 1868/62] § 999. Zinsen von Gelddarlehen sind in der nämlichen Währung (Valuta), wie das Kapital selbst, zu entrichten. § 1000. (1) An Zinsen, die ohne Bestimmung der Höhe vereinbart worden sind oder aus dem Gesetz gebühren, sind, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten. (2) Der Gläubiger einer Geldforderung kann Zinsen von Zinsen verlangen, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Sonst kann er, sofern fällige Zinsen eingeklagt werden, Zinseszinsen vom Tag der Streitanhängigkeit an fordern. Wurde über die Höhe der Zinseszinsen keine Vereinbarung getroffen, so sind ebenfalls vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten. (3) Haben die Parteien über die Frist zur Zahlung der Zinsen keine Vereinbarung getroffen, so sind diese bei der Zurückzahlung Griss
1059
Darlehensvertrag
§§ 999–1000
des Kapitals oder, sofern der Vertrag auf mehrere Jahre abgeschlossen worden ist, jährlich zu zahlen. [BGBl I 2002/118] Lit: Dehn, Das Zinsrechts-Änderungsgesetz, RdW 2002, 514; Graf, Die Neuregelung des Zahlungsverzugs – Eine kritische Analyse des ZinsRÄG, wbl 2002, 437; Kühnberger/Reidinger, Vereinsrecht und Zinsrechts-Änderungsgesetz, JAP 2001/2002, 255.
1 Mit dem in Umsetzung der RL 2000/35/EG, ABl 2000 L 200 S 35
(Zahlungsverzugs-RL) erlassenen ZinsRÄG wurden das G RGBl 1868/62 und das HfD JGS 1842/592 (über gesetzliche Zinsen für Geldforderungen) aufgehoben und das Zinsenrecht in den §§ 1000 und 1333 ff neu geregelt; § 1333 Abs 2 wurde durch das HaRÄG in § 352 UGB transferiert. Das ZinsRÄG enthält keine Übergangsbestimmung; die neuen Bestimmungen gelten daher auch für Forderungen, die vor dem 1.8.2002 begründet wurden, soweit Zinsen für Zeiträume nach diesem Zeitpunkt zustehen. 2 Zinsen sind jede für die Überlassung der Nutzung vertretbarer Sachen
zu leistende Vergütung in gleichen vertretbaren Sachen. Sie werden in Bruchteilen (Prozenten) des Kapitals berechnet und in der Regel periodisch abgestattet (Schubert/R Rz 1). Werden die Zinsen mit dem Kapital in gleichbleibenden Raten beglichen (Annuitäten), so ändert dies nichts an ihrer Rechtsnatur. 3 Der gesetzliche Zinssatz beträgt, auch für Forderungen zwischen
Unternehmern aus unternehmensbezogenen Geschäften (Erl UGB 56), 4% pa. Unverändert geblieben ist der Zinssatz von 6% pa für Wechsel- und Scheckforderungen (Art 48 WG; Art 45 SchG; zum Zinsenanspruch nach Wechselrecht s 8 Ob 21/93 ÖBA 1994, 315 Nowotny). Zinsen in gesetzlicher Höhe gebühren, wenn eine Forderung kraft Gesetzes oder Vertrags zu verzinsen ist, ohne dass der Zinssatz festgelegt ist. 4 Zinseszinsen stehen bei ausdrücklicher Vereinbarung zu (4 Ob 84/97z
SZ 70/69); fehlt eine Vereinbarung, so können sie, wenn fällige Zinsen eingeklagt werden, vom Tag der Streitanhängigkeit (§ 232 ZPO: Zustellung der Klage an den Beklagten) an gefordert werden. Mangels anderer Vereinbarung gilt auch für Zinseszinsen der gesetzliche Zinssatz von 4% pa. 5 Verzugszinsen stehen als Ersatz des durch die Verzögerung verur-
sachten Zinsenschadens verschuldensunabhängig zu. Näheres s § 1333 Rz 2 ff. 1060
Griss
Darlehensvertrag
§ 1001
Übersteigen die Vertragszinsen die gesetzlichen Zinsen, dann gebüh- 6 ren bis zur Tilgung der Schuld Verzugszinsen nach dem höheren Zinssatz der Vertragszinsen (1 Ob 20/94 ÖBA 1996, 549 Rebhahn = ecolex 1996, 168 Graf ); Vertrags- und Verzugszinsen können nebeneinander nur aufgrund einer klaren Vereinbarung gefordert werden (HS 9294). Der Anspruch auf weitere Zinsen erlischt, wenn die Zinsen den Betrag der Hauptschuld erreichen (§ 1335 S 1), sofern es sich nicht um Geldforderungen gegen einen Unternehmer aus unternehmerischen Geschäften handelt (§ 353 UGB); nach Eintritt der Streitanhängigkeit können jedoch wieder Zinsen verlangt werden (§ 1335 S 2). Da Verzugszinsen nach dem Gemeinschaftsrecht kein Entgelt sind, unterliegen sie seit 1.1.1995 nicht mehr der Umsatzsteuer (6 Ob 660/95 SZ 69/181; 3 Ob 235/97y bbl 1999, 244). Zu vertraglichen Zinsenvereinbarungen und ihren Grenzen s § 984 Rz 3 f. Die Fälligkeit der Zinsen richtet sich nach dem Vertrag. Mangels an- 7 derer Vereinbarung sind sie mit dem Kapital zurückzuzahlen; übersteigt die Laufzeit ein Jahr, so sind die Zinsen jährlich zu entrichten. Gesetzliche Zinsen sind stets fällig und können daher für beliebige Zeiträume nach ihrem Ablauf berechnet und gefordert werden (SZ 60/213). Verzugszinsen sind auch bei unternehmensbezogenen Geschäften erst mit dem auf die Fälligkeit folgenden Tag zu zahlen, da das ZinsRÄG die für beiderseitige Handelsgeschäfte geltende Fälligkeitsregelung des § 353 HGB beseitigt hat. Zinsen sind „Nebengebühren“ (§ 912 ABGB); sie können bei der 8 Meistbotsverteilung, soweit sie nicht nach § 216 Abs 1 Z 2 EO im Rang des Kapitals befriedigt werden, nur im Rahmen einer Nebengebührensicherstellung berücksichtigt werden (Angst in Angst, EO § 216 Rz 20; s auch 5 Ob 140/95 ÖBA 1996, 636). Bei der Berechnung des Streitwerts bleiben gemeinsam mit dem Kapital eingeklagte Zinsen unberücksichtigt (§ 54 Abs 2 JN). Zinsen, ausgenommen selbständig einverleibte oder für die Vergan- 9 genheit durch ein Judikat zuerkannte Zinsenrückstände (3 Ob 164/93 SZ 66/142) sowie in das Kontokorrent eingestellte Zinsen (8 Ob 21/93 SZ 66/125), verjähren in drei Jahren (§ 1480 Rz 3). Zu der für die Rückforderung zuviel gezahlter Zinsen geltenden Verjährungsfrist s § 1480 Rz 3. Form des Schuldscheines § 1001. Damit ein Schuldschein über einen Darlehensvertrag einen vollständigen Beweis mache, müssen darin der eigentliche Darleiher oder Gläubiger sowohl, als der eigentliche Anleiher oder Griss
1061
Bevollmächtigung
§ 1002
Schuldner; der Gegenstand und Betrag des Darlehens; und, wenn es in Geld gegeben wird, die Gattung desselben, wie auch alle auf die Zahlung der Hauptschuld sowohl, als auf die etwa zu entrichtenden Zinsen sich beziehende Bedingungen redlich und deutlich bestimmt werden. Die äußere, zur Beweiskraft nötige Form einer Schuldurkunde setzt die Gerichtsordnung fest. 1 S 1 ist gegenstandslos, da gemäß § 272 ZPO der Grundsatz der freien
Beweiswürdigung gilt; S 2 ist inhaltslos geworden, da die ZPO mit § 294 nur eine einzige Beweisregel für Privaturkunden enthält (ÖBA 1989, 537). Gemäß § 294 ZPO gilt eine qualifizierte Echtheitsvermutung, wenn Privaturkunden von den Ausstellern unterschrieben oder mit ihrem gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichen versehen sind. 2 Schuldscheine sind – sofern sie nicht in der Form eines Wertpapiers
ausgestellt werden – nur Beweisurkunden; sie haben daher im Allgemeinen nur deklarative Bedeutung. Ein Schuldschein kann aber auch ein Schuldbekenntnis des Ausstellers enthalten und damit als Anerkenntnis wirken (ÖBA 1989, 537). Schuldbekenntnisse zwischen Ehegatten sind gemäß § 1 Abs 1 lit b NotAktsG notariatsaktspflichtig. Zu den Form- und Inhaltserfordernissen für Verbraucherkreditverträge s § 983 Rz 5 und 6.
Zweiundzwanzigstes Hauptstück Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung Bevollmächtigungsvertrag § 1002. Der Vertrag, wodurch jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im Namen des andern zur Besorgung übernimmt, heißt Bevollmächtigungsvertrag. Lit a) allgemein: Hügel, Probleme des Offenlegungsgrundsatzes bei Rechtsgeschäften im Unternehmensbereich, JBl 1983, 449 und 523; Koziol, Der Kreditauftrag, FS Kastner (1992) 241; Krejci, Vertretungsprobleme kommunaler Privatwirtschaftsverwaltung, in Krejci/Ruppe (Hrsg), Rechtsfragen der kommunalen Wirtschaftsverwaltung (1992) 119; Pollak, Rechtsfragen des Verkaufsauftrages (§§ 1086–1088 ABGB), JBl 1985, 646; Rummel, Stellvertretung in der Generalversammlung von Vereinen, RdW 1987, 38; Seikel, Umfang, Grenzen und Nachweis der Vertretungsmacht bei privaten und öffentlichen
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Griss/P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1002
Schuldner; der Gegenstand und Betrag des Darlehens; und, wenn es in Geld gegeben wird, die Gattung desselben, wie auch alle auf die Zahlung der Hauptschuld sowohl, als auf die etwa zu entrichtenden Zinsen sich beziehende Bedingungen redlich und deutlich bestimmt werden. Die äußere, zur Beweiskraft nötige Form einer Schuldurkunde setzt die Gerichtsordnung fest. 1 S 1 ist gegenstandslos, da gemäß § 272 ZPO der Grundsatz der freien
Beweiswürdigung gilt; S 2 ist inhaltslos geworden, da die ZPO mit § 294 nur eine einzige Beweisregel für Privaturkunden enthält (ÖBA 1989, 537). Gemäß § 294 ZPO gilt eine qualifizierte Echtheitsvermutung, wenn Privaturkunden von den Ausstellern unterschrieben oder mit ihrem gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichen versehen sind. 2 Schuldscheine sind – sofern sie nicht in der Form eines Wertpapiers
ausgestellt werden – nur Beweisurkunden; sie haben daher im Allgemeinen nur deklarative Bedeutung. Ein Schuldschein kann aber auch ein Schuldbekenntnis des Ausstellers enthalten und damit als Anerkenntnis wirken (ÖBA 1989, 537). Schuldbekenntnisse zwischen Ehegatten sind gemäß § 1 Abs 1 lit b NotAktsG notariatsaktspflichtig. Zu den Form- und Inhaltserfordernissen für Verbraucherkreditverträge s § 983 Rz 5 und 6.
Zweiundzwanzigstes Hauptstück Von der Bevollmächtigung und andern Arten der Geschäftsführung Bevollmächtigungsvertrag § 1002. Der Vertrag, wodurch jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im Namen des andern zur Besorgung übernimmt, heißt Bevollmächtigungsvertrag. Lit a) allgemein: Hügel, Probleme des Offenlegungsgrundsatzes bei Rechtsgeschäften im Unternehmensbereich, JBl 1983, 449 und 523; Koziol, Der Kreditauftrag, FS Kastner (1992) 241; Krejci, Vertretungsprobleme kommunaler Privatwirtschaftsverwaltung, in Krejci/Ruppe (Hrsg), Rechtsfragen der kommunalen Wirtschaftsverwaltung (1992) 119; Pollak, Rechtsfragen des Verkaufsauftrages (§§ 1086–1088 ABGB), JBl 1985, 646; Rummel, Stellvertretung in der Generalversammlung von Vereinen, RdW 1987, 38; Seikel, Umfang, Grenzen und Nachweis der Vertretungsmacht bei privaten und öffentlichen
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Griss/P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1002
Rechtsträgern in Österreich (1998); Vonkilch, Zur privatrechtlichen Rechtsfähigkeit und Vertretung von Klubs und Fraktionen in den allgemeinen Vertretungskörpern, JBl 2000, 77; Welser, Vertretung ohne Vollmacht (1970); b) speziell zur Treuhand (Rz 7): Apathy (Hrsg), Die Treuhandschaft (1995); ders, Probleme der Treuhand, ÖJZ 2006, 221; Bollenberger, Das Veruntreuungsrisiko bei treuhändiger Abwicklung des Liegenschaftsverkehrs, ÖBA 2000, 847; Graf, Wer trägt das Veruntreuungsrisiko beim über einen Treuhänder abgewickelten Liegenschaftskauf? ÖBA 1997, 27; M. Gruber, Treuhandbeteiligung an Gesellschaften (2001); Jappel, Treuhandschaften (1998); Kastner, Die Treuhand im österreichischen Recht, FS Hämmerle (1972) 163; Ch. Rabl, Der untreue Treuhänder (2002); Thurnher, Grundfragen des Treuhandwesens (1994); Umlauft, Die Treuhandschaft im Wirtschaftsleben, NZ 1993, 60; S. Urbanek, Die treuhändige Abwicklung von Liegenschaftskaufverträgen durch Notare und Rechtsanwälte (1999). Übersicht I. Auftrag und Vollmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Botenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Treuhand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vertragsvermittlung (Makler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entstehen von Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vertretungsmacht kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vertretungsmacht kraft gerichtlicher Bestellung . . . . . . . . . . . . . . D. Organschaftliche Vertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Offenlegung im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Analoge Anwendung von Stellvertretungsrecht?. . . . . . . . . . . . . . . . .
1 6 6 7 8 9 9 10 11 12 13 13 14 19
I. Auftrag und Vollmacht Die wenig übersichtlichen §§ 1002–1034 regeln den „Bevollmächti- 1 gungsvertrag“, also die Geschäftsbesorgung in fremdem Namen. Darin liegt eine Kombination von Auftrag („aufgetragenes Geschäft“) und Vollmacht („im Namen des andern“ = in fremdem Namen), die in der modernen Dogmatik aus guten Gründen präzise getrennt werden. Der Auftrag ist ein Vertrag, der den Beauftragten zur Vornahme eines 2 Rechtsgeschäftes oder einer sonstigen Rechtshandlung auf Rechnung des Auftraggebers verpflichtet („rechtliches Müssen“ im Innenverhältnis); zB Abschluss und Abwicklung eines Kaufvertrages mit P. Bydlinski
1063
Bevollmächtigung
§ 1002
einem bestimmten Dritten oder Übernahme einer Garantiehaftung (9 Ob 139/04p ÖBA 2005, 649 mwN), nicht aber die Vornahme bloß faktischer Handlungen (DRdA 1984, 32 Jabornegg; 10 Ob 82/00g JBl 2002, 108). Große praktische Bedeutung kommt dem Auftrag im Bankrecht zu, zB im Recht des Zahlungsverkehrs (Sondervorschriften für einen Teilbereich grenzüberschreitender Überweisungen enthält das ÜberweisungsG). Auftragsrechtliche Sonderformen sind etwa Kommissions- und Speditionsgeschäft (§§ 383, 407 UGB). Auftragsrecht greift ferner dann ein, wenn jemand von einer ihm erteilten Ermächtigung, auf fremde Rechnung zu handeln („rechtliches Dürfen“; vgl SZ 28/259), Gebrauch macht; die Ermächtigung stellt in der Sache ein Angebot zum Abschluss eines Auftragsvertrages dar (P. Bydlinski, AT Rz 9/8; zur davon streng zu unterscheidenden, das Außenverhältnis betreffenden Verfügungsermächtigung § 442 Rz 2). Vollmacht (Vertretungsmacht) entsteht hingegen vor allem durch einseitiges Rechtsgeschäft (näher Rz 9 ff). Sie verschafft dem Bevollmächtigten (Stellvertreter, Machthaber) die Rechtsmacht, durch Handeln im Namen des Vertretenen unmittelbar Rechtsänderungen in der Sphäre des Vollmachtgebers (Vertretenen, Machtgebers) herbeizuführen („rechtliches Können“ im Außenverhältnis, also dem Dritten gegenüber). Bei ausreichender Vertretungsmacht wirkt das Handeln des Machthabers nicht anders, als wenn der Machtgeber selbst agiert hätte. 3 Die strikte Trennung von Außen- und Innenverhältnis ist auch im
österreichischen Recht bereits de lege lata vorzunehmen; zugleich muss bei jeder einzelnen Norm geklärt werden, welches Verhältnis sie regelt. Die Trennung ist beim „echten“ Bevollmächtigungsvertrag etwa dann von Bedeutung, wenn das rechtsgeschäftliche Handeln des Machthabers im fremden Namen nicht voll gedeckt ist: Fehlt die (ausreichende) Vollmacht, kommt das beabsichtigte Rechtsgeschäft nicht zustande (s § 1016). Fehlt nur der entsprechende Auftrag, bindet das Verhalten des Machthabers den Machtgeber; wegen der mangelnden Rechtfertigung im Innenverhältnis können den Machthaber jedoch Schadenersatzpflichten treffen (s § 1012). 4 Ferner sind die vollmachtrechtlichen Regeln der §§ 1002 ff auch dann
zu beachten, wenn im Innenverhältnis kein Auftrag, sondern etwa eine dienstvertragliche Weisung oder eine bloße Ermächtigung (Rz 2) vorliegt; und sogar dann, wenn ausnahmsweise eine „nackte“ Vollmacht ohne interne Ausübungsberechtigung existiert. Die Vollmacht ist vom Innenverhältnis rechtlich also grundsätzlich losgelöst, dh weitgehend abstrakt (zu den Grenzen § 1017 Rz 2). 1064
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1002
Schließlich kann ein Auftrag erteilt werden, ohne dass der Beauftrag- 5 te im Namen des Auftraggebers auftreten soll. Derartige vollmachtlose Aufträge – für die sich der unglückliche Ausdruck „mittelbare Stellvertretung“ eingebürgert hat (§ 1017 S 3 spricht von „geheimer Vollmacht“) – werden durch Handeln im eigenen Namen erfüllt. Der Beauftragte („Strohmann“) schließt also ein Eigengeschäft, muss aber alles aus diesem Geschäft Erhaltene in der Folge an den Auftraggeber herausgeben (§ 1009 S 1). II. Abgrenzungen A. Botenschaft. Bote ist, wer eine fremde Erklärung bloß überbringt 6 (Erklärungsbote) oder entgegennimmt (Empfangsbote). Im Gegensatz zum Stellvertreter kommt dem Erklärungsboten somit keinerlei Spielraum zu; ebenso wenig bildet der Bote einen eigenen Geschäftswillen (SZ 55/75; JBl 1989, 107 Kömürcü-Spielbüchler). Übermittelt der Erklärungsbote die mündliche Erklärung unrichtig, so wirkt sie für den Geschäftsherrn grundsätzlich mit dem übermittelten Inhalt; dem Geschäftsherrn ist aber uU eine Anfechtung nach § 871 möglich (SZ 55/75). Nicht zugerechnet werden hingegen Handlungen einer gar nicht zur Erklärungsübermittlung eingesetzten Person („Scheinbote“); nach hA ebenso wenig absichtlich veränderte Erklärungen, wobei der Geschäftsherr dem Dritten wegen des Botenfehlverhaltens aber jedenfalls Vertrauensschäden nach § 1313a zu ersetzen hat (s etwa Rummel/R § 871 Rz 5 mwN). Tritt ein bloß zum Erklärungsboten Bestellter als Stellvertreter auf, so ist die abgegebene Erklärung dann wirksam, wenn sie inhaltlich präzise dem entspricht, was übermittelt hätte werden sollen (P. Bydlinski, AT Rz 9/14 gegen Stimmen, die eine Haftung des Boten als falsus procurator – dazu § 1016 Rz 3 ff – befürworten). Der Unterschied zwischen Empfangsboten und (Passiv-) Stellvertreter soll darin bestehen, dass eine Erklärung widerrufen werden kann, solange sie der Empfangsbote noch nicht weitergeleitet hat (SZ 27/110). B. Treuhand. Die gesetzlich kaum geregelte Treuhand unterscheidet 7 sich von der Stellvertretung bereits dadurch, dass der Treuhänder im eigenen Namen agiert. Überdies existiert regelmäßig ein sog Treugut (Sache, Geschäftsanteil), mit dem der Treuhänder in bestimmter Weise verfahren soll bzw darf (JBl 1986, 647; ÖBA 1987, 55). Er unterliegt dabei im Innenverhältnis besonderen Bindungen bzw Beschränkungen, die jedoch seine Befugnisse nach außen grundsätzlich nicht schmälern (anders aber etwa bei vom Dritten erkanntem Missbrauch: 8 Ob 625/92 SZ 66/76 = ecolex 1993, 732 Wilhelm). Das wird insb bei der eigennützigen, also der im Interesse des Treuhänders vereinbarP. Bydlinski
1065
Bevollmächtigung
§ 1002
ten Treuhand deutlich: Der Kreditgeber erhält zB Sicherungseigentum (§ 358 Rz 4), über das er nach außen frei verfügen kann, während er intern an den konkreten Inhalt der Sicherungsabrede (SZ 45/21; SZ 50/150), uU auch an zwingendes Recht, gebunden ist. Der fremdnützigen – nicht selten zwei- oder mehrseitigen – Treuhand (Abrede im Interesse des Treugebers, gelegentlich auch als uneigennützige oder Verwaltungstreuhand bezeichnet) liegt hingegen ein Auftragsverhältnis zugrunde (1 Ob 546/90 RZ 1991, 203 uva), das durchaus Daueraspekte aufweisen kann (zB Erwerb und Halten eines GmbH-Geschäftsanteils). Große praktische Bedeutung hat die fremdnützige Treuhand im Liegenschaftsverkehr (s nur 1 Ob 43/99a ÖBA 2000, 251 mwN; S. Urbanek, Die treuhändige Abwicklung). Zu den Pflichten des fremdnützigen Treuhänders zB ÖBA 2000, 251; 10 Ob 309/02t wobl 2003, 192 Call. Bei der üblichen Treuhandabwicklung von (Grundstücks-)Kaufverträgen ist an sich nur Zahlung an den Treuhänder geschuldet (§ 905 Rz 7). Im Fall der Veruntreuung ist allerdings entscheidend, als wessen Treuhänder der untreu Gewordene anzusehen ist. Regelmäßig liegt (gemeinsame) Treuhand für alle Beteiligten vor, weshalb eine Risikoteilung zwischen Verkäufer, Käufer und allenfalls dem Finanzierer vorzunehmen ist, wenn die Veruntreuung zwischen Erlag beim Treuhänder und Auszahlungsreife erfolgt (Bollenberger, ÖBA 2000, 847; Ch. Rabl, Der untreue Treuhänder 81 ff; so auch die jüngere Judikatur, 8 Ob 13/99s ÖBA 2001, 409 Bollenberger; 1 Ob 119/01h RdW 2002, 15; 6 Ob 248/03v ÖBA 2004, 964 Ch. Rabl). Das Risiko trifft allein den Verkäufer, wenn nach Auszahlungsreife veruntreut wird, da der Treuhänder dann nur mehr für diesen inne hatte (Reischauer/R § 905 Rz 19a), oder wenn der Treuhänder nur dessen Zahlstelle ist (7 Ob 55/00i RdW 2001, 529; Bollenberger, ÖBA 2000, 860). Den Käufer treffen die Folgen der Veruntreuung dann, wenn er die Auszahlungsreife verzögert (Ch. Rabl, Treuhänder 88) oder auf ein falsches Konto gezahlt hatte (6 Ob 55/97z NZ 1998, 119); ebenso die finanzierende Bank, die auftragswidrig nicht auf ein Anderkonto überwies (1 Ob 277/04y ÖBA 2005, 710 Iro). Nach erfolgter Veruntreuung des dem Treuhänder überwiesenen Kreditbetrags hat der Kreditnehmer keinen Anspruch auf neuerliche Kreditauszahlung (2 Ob 590/93 ÖBA 1995, 470 Graf ). Da das Treugut dem Treugeber wirtschaftlich zugeordnet bleibt, wird von der hA – zT unter Hinweis auf § 392 Abs 2 HGB/UGB – vertreten, dass dem Treugeber bei Abgrenzbarkeit des Treuguts trotz fehlenden Eigentums Exszindierungs- und Aussonderungsrechte zustehen (8 Ob 4/94 JBl 1995, 520 Holzner = ecolex 1994, 812 Wilhelm = wobl 1995, 101 Niedermayr; 6 Ob 2352/96t SZ 70/63; 3 Ob 145/04a 1066
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1002
ecolex 2005, 690; vgl Apathy, ÖJZ 2006, 223; Butschek, JBl 1991, 365 ff; F. Bydlinski, System 336 ff). Umgekehrt ist den Gläubigern des Treugebers ein Zugriff auf das Treugut möglich (ÖBA 1990, 472; 3 Ob 143/93 RdW 1994, 246; 3 Ob 14/95 ZIK 1995, 199). Aus der Rspr, insb auch zum Schutz Dritter bei der verdeckten (geheimen, stillen) Treuhand (Treuhänder tritt im Gegensatz zur offenen als schrankenlos berechtigt auf), s etwa 9 Ob 128/03v ÖBA 2004, 702 Iro; zur Haftung der das offene Treuhandkonto („Anderkonto“) führenden Bank gegenüber dem Treugeber s 7 Ob 8/05k ÖBA 2005, 559 Ch. Rabl: Zusammenführung von Anderkonto und Girokonto des Treuhänders; anders bei verdeckter Treuhand 7 Ob 211/05p ÖBA 2006, 454. Zum Treuhandeigentum § 358 Rz 2 f. Für die Unwirksamkeit des Erwerbs von Treugut durch einen Dritten verlangt der OGH, dass der Erwerber nicht nur die bloße Treuhänderstellung des Veräußerers kennt, sondern darüber hinaus weiß, dass dieser seine Befugnisse überschreitet, seine Stellung also missbraucht (5 Ob 297/05w EvBl 2006/146 mwN). C. Vertragsvermittlung (Makler). Ein Vermittler führt an einem 8 Geschäftsabschluss interessierte Personen bloß zusammen; er hat also als solcher (s aber § 2 MaklerG) von niemandem Vertretungsmacht. Maklerverträge sind keine Auftragsverhältnisse, da den Makler keine Tätigkeitspflicht trifft (§ 4 Abs 1 MaklerG); anderes gilt für den Handelsvertreter (§ 5 S 1 HVertrG, s ferner die §§ 1 f). III. Entstehen von Vertretungsmacht A. Rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung. Abgesehen von Sonder- 9 vorschriften (dazu Rz 10 ff) entsteht Vertretungsmacht durch Zugang einer entsprechenden Willenserklärung des Machtgebers. Diese grundsätzlich formfreie (§ 1005 S 1) Bevollmächtigung kann – ausdrücklich oder konkludent – sowohl gegenüber dem Vertreter (Innenbevollmächtigung) als auch gegenüber dem Dritten (Außenbevollmächtigung) erfolgen (Bsp: Zeichnungsberechtigung für Konto; dazu 2 Ob 166/02d RdW 2002, 726; Gapp, Kontovollmacht, 2004); zu Sonderaspekten der Außenbevollmächtigung § 1026 Rz 2. Zur Bevollmächtigung durch beschränkt Geschäftsfähige § 1018 Rz 4, zur besonderen „Vorsorgevollmacht“ für den Fall künftigen Geschäftsfähigkeitsverlusts §§ 284f ff, zur Anscheinsvollmacht § 1029 Rz 6 ff. B. Vertretungsmacht kraft Gesetzes. Bisweilen ergibt sich die Ver- 10 tretungsmacht bereits aus dem Gesetz; so werden eheliche Minderjährige durch ihre Eltern und uneheliche durch ihre Mutter vertreten (§§ 1034 S 2, 144, 166); zum Vertretungsrecht der nächsten Angehörigen Behinderter ohne Sachwalter s insb §§ 284b ff. P. Bydlinski
1067
Bevollmächtigung
§ 1002
11 C. Vertretungsmacht kraft gerichtlicher Bestellung. Die gericht-
liche Bestellung eines Stellvertreters (§ 1034 S 1) erfolgt etwa für elternlose Minderjährige (§ 145), für geistig behinderte Volljährige (§ 268) oder bei Interessenkollisionen (§§ 271 f); zum Ungeborenenkurator s § 269, zum Abwesenheitskurator § 270. 12 D. Organschaftliche Vertretung. Juristische Personen bedürfen
kraft Gesetzes zwingend der Vertretung. Sofern die vertretungsbefugten Personen nicht bereits im Gründungsvertrag (Satzung) benannt werden, werden sie durch das dafür zuständige Organ (zB den Aufsichtsrat der AG) bestellt. Zu Sonderfragen der Vertretung von Körperschaften des öffentlichen Rechts insb Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht (1981); ders, NZ 2001, 149; Thunhart, Rechtsgeschäftliche Vertretungsregeln im Gemeinderecht (2000); ders, JBl 2001, 69; aus der Rspr zuletzt 1 Ob 137/03h JBl 2004, 243. S ferner § 867 Rz 3 f. IV. Die Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung 13 A. Überblick. Damit das rechtsgeschäftliche Handeln einer Person
für eine andere wirkt, sind kumulativ fünf Voraussetzungen nötig: – – – – –
ausreichende Vertretungsmacht (näher § 1017 Rz 2; zur ebenfalls hinreichenden Vollmacht kraft Rechtsscheins § 1029 Rz 6 ff) Handeln im Namen des Vertretenen (Offenlegung; näher Rz 14 f) zumindest beschränkte Geschäftsfähigkeit des Handelnden (s § 1018 Rz 2) Bildung eines eigenen Geschäftswillens (sonst Botenschaft, s Rz 6) keine Höchstpersönlichkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts (wie etwa bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung und bei vielen familienrechtlichen Geschäften)
14 B. Die Offenlegung im Besonderen. Da dem Dritten erkennbar sein
muss, dass der Handelnde für jemand anderen agiert, bedarf die Stellvertretung der Offenlegung. Im Zweifel, also mangels hinreichend deutlicher Offenlegung gegenüber dem Dritten, schließt der Bevollmächtigte ein Eigengeschäft, da er dann im eigenen Namen handelt (3 Ob 120/95 RdW 1996, 468; 10 Ob 528/94 SZ 69/86 = ecolex 1997, 151 Wilhelm; RS0019516; zu Ausnahmen Rz 17). Wollte er das nicht, kann er sich vom Rechtsgeschäft unter den Voraussetzungen des § 871 lösen. 15 Eine ausdrückliche Offenlegung („ich handle im Namen von X“) ist
nicht erforderlich. Es genügt, wenn dem Dritten erkennbar ist, dass 1068
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1002
der Handelnde nicht im eigenen Namen auftreten will (vernachlässigt in SZ 51/6), wobei auf den Erkenntnishorizont des Dritten abzustellen ist (4 Ob 6/02i JBl 2003, 513). Im Regelfall muss dem Dritten darüber hinaus auch erkennbar sein, für wen der Vertreter handelt, was sich bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften häufig zumindest aus den Umständen des Geschäftsabschlusses ergibt (SZ 54/11; JBl 1985, 616 Hügel; 4 Ob 365/97y ÖBA 1998, 556 Iro; 7 Ob 212/98x RdW 1999, 586; 1 Ob 290/00d ÖBA 2002, 146; Hügel, JBl 1983, 449 und 523); von Verzicht auf Offenlegung sollte man in solchen Fällen besser nicht sprechen (so aber etwa SZ 54/11; ÖBA 2002, 146). Nach neuerer Rspr reicht es sogar aus, dass sich der Dritte jederzeit über die Person des Vertretenen informieren kann (JBl 2003, 513; s auch 1 Ob 2322/96v SZ 70/197). Schließlich kommt ein Vertrag mit dem Machtgeber auch dann zustande, wenn der Machthaber zunächst im eigenen Namen kontrahiert und das Vertretungsverhältnis erst im Nachhinein offen legt, sofern der Dritte dem zustimmt (4 Ob 323/00d EvBl 2001/110). Bei Auftreten als Stellvertreter, jedoch unter Vorbehalt der Person 16 des Vertretenen, kommt das Geschäft nach hA unmittelbar mit dem Vollmachtgeber zustande, wenn sich der Dritte auf diesen Vorbehalt einlässt (4 Ob 532/94 ÖBA 1995, 54 Iro; 1 Ob 622–624/94 SZ 68/44). Gibt der Vertreter den Vertretenen aber auch in der Folge innerhalb angemessener Frist nicht bekannt, haftet er als falsus procurator (K/W I 217). Ausnahmen vom Offenlegungsgrundsatz. Eine gesetzliche Aus- 17 nahme enthält § 96 (haushaltsbezogene Rechtsgeschäfte). Doch auch bei sofort erfüllten Bargeschäften, bei denen an der Identität des Vertragspartners üblicherweise kein Interesse besteht (Geschäft für den, den es angeht), soll jegliche Offenlegung entbehrlich sein (7 Ob 1557/92 EvBl 1993/4; 4 Ob 532/94 ÖBA 1995, 54 Iro; 6 Ob 244/00a ÖBA 2002, 488 Hirsch; noch weiter gehend 1 Ob 2322/96v SZ 70/197; kritisch P. Bydlinski, AT Rz 9/58). Handelt jemand unter fremdem Namen, gibt sich der Erklärende also 18 eine andere Identität, liegt ein ähnliches Problem vor. Folgende Differenzierung ist anerkannt: Hat der angegebene Name keinen Einfluss auf die Entscheidung des Dritten zum Geschäftsabschluss, sieht der Dritte allein den Handelnden als sein Gegenüber an, weshalb dieser Vertragspartner wird. Wollte der Dritte hingegen gerade mit dem Namensträger kontrahieren, kommt kein Vertrag zustande, sofern der Namensträger nicht ausnahmsweise Vollmacht erteilt hat (vgl JB 66); mangels Bevollmächtigung durch den Namensträger haftet der HanP. Bydlinski
1069
Bevollmächtigung
§ 1003
delnde wie ein falsus procurator (P. Bydlinski, AT Rz 9/17). Die hA (Apathy/S § 1017 Rz 5; K/W I 216 f) gelangt so zur Haftung auf den Vertrauensschaden (s nunmehr § 1019). V. Analoge Anwendung von Stellvertretungsrecht? 19 Stellvertretung bedeutet rechtsgeschäftliches Tätigwerden in fremdem
Namen. Für geschäftsähnliches Handeln wird jedoch immer wieder die analoge Heranziehung stellvertretungsrechtlicher Normen befürwortet; so für Wissenserklärungen etwa 9 ObA 120, 121/93 DRdA 1994, 148 Kerschner, für Willensmitteilungen K/W I 99 f. § 1003. Personen, welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt worden, sind schuldig, über einen darauf sich beziehenden Auftrag ohne Zögerung gegen den Auftragenden sich ausdrücklich zu erklären, ob sie denselben annehmen oder nicht; widrigenfalls bleiben sie dem Auftragenden für den dadurch veranlaßten Nachteil verantwortlich. Lit: G. Frotz, Schweigen als Zustimmung, FS Ostheim (1990) 75; Ostheim, Zur Haftung für culpa in contrahendo bei grundloser Ablehnung des Vertragsabschlusses, JBl 1980, 522.
1 § 1003 betrifft das Innenverhältnis. Die Norm sieht vor, dass be-
stimmte Personen eine vorvertragliche Äußerungspflicht trifft, sofern ihnen in ihrem Geschäftsbereich ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages gemacht wird. Anders als nach dem mittlerweile ersatzlos beseitigten § 362 HGB führt Schweigen auf das Angebot allerdings nicht zum Vertragsschluss, sondern als culpa in contrahendo zur Pflicht zum Ersatz jener Schäden, die der Offerent im Vertrauen darauf, der Oblat werde das Angebot annehmen und den Auftrag durchführen, erlitten hat. 2 Ein Vertrauen auf Vertragsschluss und Erledigung des Auftrags wird
nach § 1003 nur dann geschützt, wenn der Oblat zur Besorgung entsprechender Geschäfte öffentlich bestellt wurde. Dafür verlangt die hA keine öffentlich-rechtliche Ernennung, sondern lässt die öffentlich bekannt gemachte Berufsausübung im Bereich der Geschäftsbesorgung genügen (vgl 10 Ob 148/05w ecolex 2006, 379; Ostheim, JBl 1980, 528 FN 65 ua). Erfasst sind Rechtsanwälte (JB 212; EvBl 1969/198; 6 Ob 509/96 ÖBA 1997, 198 Bollenberger 139), aber auch Notare, Wirtschaftstreuhänder, Spediteure, Banken, Ziviltechniker usw. 3 Ablehnung oder Annahme des Antrags ist ohne schuldhafte Verzö-
gerung (EvBl 1969/198) ausdrücklich oder stillschweigend (8 Ob 7/93 1070
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1004
SZ 68/21) zu erklären, sofern nicht bereits eine „stille“ Annahme nach § 864 in Frage kommt (nach SZ 68/21 insb wegen § 35 WTBO für Wirtschaftstreuhänder ausgeschlossen) und stattgefunden hat. Einteilung der Bevollmächtigung in eine unentgeltliche oder entgeltliche; § 1004. Wird für die Besorgung eines fremden Geschäftes entweder ausdrücklich, oder nach dem Stande des Geschäftsträgers auch nur stillschweigend eine Belohnung bedungen; so gehört der Vertrag zu den entgeltlichen, außer dem aber zu den unentgeltlichen. § 1004 betrifft wiederum das Innenverhältnis: Der Beauftragte kann 1 sich entgeltlich oder unentgeltlich zur Geschäftsbesorgung verpflichten. Fehlen konkrete Entgeltsabsprachen, ist zu klären, ob überhaupt ein Entgelt („Belohnung“) gebührt; und wenn ja, wie viel. § 1004 ist – jedenfalls heutzutage – nicht in dem Sinn zu verstehen, 2 dass ein Entgelt nur unter den im HS 1 genannten Voraussetzungen gebührt. Stillschweigende Entgeltlichkeitsabreden sind bei von § 1004 nicht erfassten Personen ebenfalls denkbar und beachtlich. Die Norm enthält auch keine Zweifelsregel für Unentgeltlichkeit (Apathy/S Rz 2; Strasser/R Rz 8, jeweils gegen SZ 12/144 und Stanzl/K IV/1, 802). Wie sich aus manchen gesetzlichen Bestimmungen (insb §§ 354, 396, 409 UGB; § 8 HVertrG; §§ 6, 23 MaklerG), aber auch aus dem tatsächlichen Geschäftsleben ergibt, werden Unternehmer in aller Regel nur gegen Entgelt tätig. Daher sollte auch die Formulierung „Stand des Geschäftsträgers“ in diesem weiten Sinn verstanden werden. Die Rspr hat darunter etwa subsumiert: Rechtsanwälte (SZ 34/30; EvBl 1990/20; 10 Ob 509/94 wobl 1995, 90 Call; 6 Ob 292/00k NZ 2001, 378), Steuerberater und Buchprüfer – sogar wenn sie Geschäfte außerhalb ihrer eigentlichen beruflichen Agenden besorgen (EvBl 1959/2) – und Hausverwalter (SZ 41/75). Mangels vereinbarter Beträge bzw Prozentsätze ist bei feststehender 3 Entgeltlichkeit ein angemessenes Entgelt geschuldet (EvBl 1972/124; AnwBl 1990, 42; 1 Ob 598/91 AnwBl 1992, 678), das sich auch aus Tarifen ergeben kann (zB Anwalts- oder Notartarif: SZ 34/30; SZ 62/102 = AnwBl 1990, 45 Pritz; EvBl 1990/20; AnwBl 1992, 678). Ob bloß von einer Seite aufgestellte Tarife die Vermutung der Angemessenheit für sich haben (so zu den AHR der Rechtsanwälte AnwBl 1992, 678 mwN), erscheint fraglich. Stellt der Auftrag für den Beauftragten ein Bankgeschäft iSd § 1 Abs 1 BWG dar und wird der Beauftragte ohne die dafür notwendige Konzession tätig, so steht ihm P. Bydlinski
1071
Bevollmächtigung
§ 1005
kraft sondergesetzlicher Vorschrift (§ 100 BWG) keinerlei Entgelt zu (vgl 6 Ob 110/06d ecolex 2006, 901). 4 Der Entgeltsanspruch entsteht wie auch sonst mit Abschluss des
Auftragsvertrages. Fällig und damit durchsetzbar wird er mangels gegenteiliger Abreden aber erst mit der Erledigung der Geschäftsbesorgung (SZ 12/144; SZ 22/44; 1 Ob 632/90 JBl 1991, 654) oder mit sonstiger Beendigung des Auftragsverhältnisses (JBl 1986, 452; zur Beendigung s §§ 1020 ff). Für eine derartige dispositive Fälligkeit sprechen nicht zuletzt Vorschriften des „Sonder-Auftragsrechts“ wie die §§ 396, 409 UGB. Werden im Rahmen einer Dauerbeziehung („Dauervertretung“) mehrere voneinander sachlich unabhängige Geschäfte besorgt, ist die Fälligkeit für jeden einzelnen Geschäftsfall gesondert festzustellen. Gleiches gilt für den Beginn der Verjährung (SZ 12/144; SZ 22/44); die Verjährungsdauer beträgt im Regelfall gemäß § 1486 Z 1 drei Jahre (SZ 52/137; JBl 1986, 452), bei Beauftragung eines Privaten 30 Jahre. – Zu den Folgen von Ausführungsmängeln für den Entgeltsanspruch § 1009 Rz 5; zum vom Entgeltsanspruch streng zu unterscheidenden Aufwandsersatzanspruch § 1014 Rz 2 ff. mündliche oder schriftliche; § 1005. Bevollmächtigungsverträge können mündlich oder schriftlich geschlossen werden. Die von dem Gewaltgeber dem Gewalthaber hierüber ausgestellte Urkunde wird Vollmacht genannt. Lit: P. Bydlinski, Veräußerung und Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen (1991) 46 ff; Lessiak, Formgebundenheit der Übertragung von GmbH-Anteilen im Treuhandverhältnis? GesRZ 1988, 217; Ch. Rabl, Die Stellvertretung beim Erbverzicht, NZ 2002, 105; Schauer, Zur Formpflicht der Vollmacht bei der Schenkung, NZ 1984, 185.
1 Sowohl für den Auftrag als auch für die Bevollmächtigung gilt der
Grundsatz der Formfreiheit (EvBl 1962/432; JBl 1984, 624; 7 Ob 506/92 ÖBA 1992, 746); es kommen daher auch stillschweigende Willenserklärungen in Betracht (zur schlüssigen Bevollmächtigung etwa 1 Ob 269/01t bbl 2002, 255; 6 Ob 223/05w mwN). Die Ausstellung einer Vollmachturkunde (S 2) ist deshalb regelmäßig bloß deklarativ, wenn auch praktisch von großer Bedeutung, da sich Dritte häufig nur bei Vorlage einer entsprechenden Urkunde in Verhandlungen mit einem Machthaber einlassen, dann aber auch in ihrem Vertrauen auf den Urkundeninhalt Schutz genießen (§ 1026 Rz 2). Nach herrschender, aber wohl überprüfungsbedürftiger Ansicht besteht auch 1072
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1006
für unentgeltliche Auftragsverträge kein Formgebot (ausdrücklich etwa Strasser/R § 1004 Rz 7; jedenfalls de lege ferenda anders wegen der Nähe zur Schenkung sowie der gleich gelagerten Übereilungsgefahr Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 65 f). Für die Bevollmächtigung bestehen allerdings viele gesetzliche Aus- 2 nahmen vom Formfreiheitsprinzip. Grund dafür ist regelmäßig die Formpflichtigkeit des mit dem Dritten abzuschließenden Ausführungsgeschäfts, die auf die Vollmacht durchschlagen kann. So muss eine Vollmacht zum Abschluss notariatsaktspflichtiger Rechtsgeschäfte gemäß § 69 NO die notariell beglaubigte Unterschrift des Machtgebers enthalten; überdies muss das beabsichtigte Ausführungsgeschäft zumindest gattungsmäßig bezeichnet sein (s 4 Ob 19/01z SZ 74/17). Gar eine beglaubigte Spezialvollmacht verlangt etwa § 4 Abs 3 GmbHG für den Abschluss eines GmbH-Gesellschaftsvertrages. S im Gesellschaftsrecht ferner etwa §§ 16, 114 Abs 3 AktG, § 4 Abs 3, § 39 Abs 3 GmbHG; im Verfahrensrecht §§ 30, 557 Abs 2 ZPO, §§ 78, 180 Abs 2 EO, §§ 31, 77 GBG, § 10 AVG, § 83 BAO; zur Firmenbuchanmeldung § 11 UGB. Auch ohne konkrete Anordnungen werden überwiegend für das Aus- 3 führungsgeschäft bestehende Formgebote, die der Warnung bzw dem Übereilungsschutz dienen, auf die Bevollmächtigung selbst bezogen (SZ 57/118; 1 Ob 569/94 wobl 1994, 188 Dirnbacher; 7 Ob 64/06x, dazu Petsche/Platte, ecolex 2006, 646, ua; de lege ferenda s nur Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 61 ff mwN). Bsp aus der Rspr: Bürgschaft (SZ 14/58; RdW 1987, 407); befristeter Mietvertrag (wobl 1994, 188 Dirnbacher); Gerichtsstandsvereinbarung (SZ 10/243; JBl 1954, 541; SZ 53/4); Schiedsvertrag (SpR 250; SZ 15/29 ua. In jüngerer Zeit wird für Schiedsvereinbarungen aus Warngründen sogar eine Spezialvollmacht iS des § 1008 verlangt (zuletzt 7 Ob 64/06x; 7 Ob 236/05i JBl 2006, 726 Hügel, jeweils mwN; s auch Erl 1158 BlgNR 22. GP 9 f; aA etwa Oberhammer, FS Welser, 2004, 759). Hingegen erfasst die Handlungsvollmacht nach § 54 Abs 1 UGB immer auch den Abschluss von Schiedsvereinbarungen; ob die Form des § 583 ZPO (vgl § 883 Rz 2) eingehalten werden muss, ist fraglich (dagegen S. Bydlinski/Krejci/RK UGB § 54 Rz 5). allgemeine oder besondere; § 1006. Es gibt allgemeine und besondere Vollmachten, je nachdem jemandem die Besorgung aller, oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird. Die besonderen Vollmachten können bloß gerichtliche oder bloß außergerichtliche Geschäfte überhaupt; oder P. Bydlinski
1073
Bevollmächtigung
§ 1007
sie können einzelne Angelegenheiten der einen oder andern Gattung zum Gegenstande haben. 1 § 1006 betrifft nur die Vollmacht. Er enthält eine Aufzählung mög-
licher Vollmachten, ist ohne eigene normative Bedeutung, macht aber immerhin deutlich, dass es der Machtgeber kraft seiner Privatautonomie in der Hand hat, welche Vollmachten er erteilt. unumschränkte oder beschränkte § 1007. Vollmachten werden entweder mit unumschränkter oder mit beschränkter Freiheit zu handeln erteilet. Durch die erstere wird der Gewalthaber berechtigt, das Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen zu leiten; durch die letztere aber werden ihm die Grenzen, wie weit, und die Art, wie er dasselbe betreiben soll, vorgeschrieben. Lit: Palten, Zur Bevollmächtigung des Hausverwalters, ImmZ 1982, 163.
1 Die Norm betrifft Vollmacht und Auftrag; zu S 1 s § 1006 Rz 1. 2 Beschränkte Vollmachten geben schon im Außenverhältnis be-
stimmte Grenzen vor. Doch auch innerhalb dieser Grenzen, also nicht nur bei unbeschränkter Vertretungsmacht, trifft den Machthaber im Innenverhältnis die Pflicht, das Geschäft sorgfältig und im Interesse des Auftraggebers auszuführen (dazu bei § 1009). Für die Wirksamkeit des Ausführungsgeschäfts kommt es darauf an, ob bereits die Vollmacht (HS 13.040: Mindestpreis) oder bloß die interne Befugnis (EvBl 1958/39: kein Vergleichsabschluss vor Klärung der Ansprüche) entsprechend beschränkt war. 3 Ausnahmsweise kann der Machtgeber zwar entscheiden, ob er Voll-
macht erteilt; ihr Inhalt ist jedoch gesetzlich vorgegeben. Einschränkungen im Außenverhältnis kommen dann aus Verkehrsschutzgründen nur in Betracht, soweit das Gesetz dies zulässt (zB bloß Gesamtvertretung; dazu bei § 1011). Eine derart unbeschränkbare Vertretungsmacht kommt etwa zu: dem Prokuristen (s § 50 Abs 1 UGB; anders bei bloßer Handlungsvollmacht gemäß § 54 UGB), dem OHG-Gesellschafter (§ 126 Abs 2 UGB), dem Prozessbevollmächtigten (§ 32 ZPO), dem GmbH-Geschäftsführer (§ 20 Abs 2 GmbHG) und dem AG-Vorstand (§ 74 Abs 2 AktG). – Zum Missbrauch solcher Vollmachten § 1016 Rz 8. § 1008. Folgende Geschäfte: wenn im Namen eines andern Sachen veräußert, oder entgeltlich übernommen; Anleihen oder Darlehen 1074
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1008
geschlossen; Geld oder Geldeswert erhoben; Prozesse anhängig gemacht; [Eide aufgetragen, angenommen oder zurückgeschoben], oder Vergleiche getroffen werden sollen, erfordern eine besondere, auf diese Gattungen der Geschäfte lautende Vollmacht. Wenn aber eine Erbschaft unbedingt angenommen oder ausgeschlagen; Gesellschaftsverträge errichtet; Schenkungen gemacht; die Befugnis, einen Schiedsrichter zu wählen, eingeräumt, oder Rechte unentgeltlich aufgegeben werden sollen; ist eine besondere, auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht notwendig. Allgemeine, selbst unbeschränkte Vollmachten sind in diesen Fällen nur hinreichend, wenn die Gattung des Geschäftes in der Vollmacht ausgedrückt worden ist. Lit: Eccher, Die Bankzeichnungsbefugnis in der OHG, RdW 1984, 66; Oberhammer, Schiedsvereinbarung und § 1016 ABGB, FS Welser (2004) 759; Palten, Zur Bevollmächtigung des Hausverwalters, ImmZ 1982, 163; s auch bei § 1005.
Ausgehend von der Gefährlichkeit genereller, weit reichender Voll- 1 machten für den Machtgeber (vgl SZ 51/81) verlangt § 1008 für besonders wichtige, gefährliche oder typischerweise nachteilige Geschäfte näher konkretisierte Vollmachten. Generalvollmachten (allgemeine Vollmachten iSd § 1006) reichen für solche Geschäfte daher nicht aus. Vielmehr bedarf es einer – nicht formgebundenen (SZ 39/95; NZ 1980, 174; ÖBA 1990, 51) – Gattungsvollmacht (S 1) oder gar einer Einzelvollmacht (Spezialvollmacht; S 2). § 1008 ist nicht taxativ (für analoge Anwendung zB SZ 51/81; 8 Ob 1015/94 HS 25.530) und wird durch Spezialregelungen in anderen Gesetzen ergänzt; so für Einverleibungen zu Lasten des Machtgebers (§ 31 Abs 6 GBG, s 4 Ob 607/89 AnwBl 1991, 51) oder für die Stimmrechtsausübung in der Generalversammlung (§ 39 Abs 3 GmbHG, s SZ 54/15); weitere Bsp in § 1005 Rz 2. Nach der Rspr reicht eine Generalvollmacht etwa für die einvernehm- 2 liche Auflösung bestimmter Verträge (zB Miete: SZ 24/223; 3 Ob 562/92 RZ 1994, 114) aus; ebenso für die – durchaus gefährliche – Übernahme von Wechselverbindlichkeiten (RZ 1955, 16; SZ 29/42), was schon in Hinblick auf § 54 Abs 2 UGB bedenklich erscheint. Keiner von § 1008 an sich geforderten Gattungsvollmacht bedarf es dann, wenn eine gesetzlich näher umschriebene Verwaltervollmacht (§ 1029 S 2) besteht, die auch das abgeschlossene Geschäft deckt (SZ 10/243; SZ 38/185; SZ 39/95; SZ 51/81; s aber auch EvBl 1959/261; SZ 45/71). Gattungsvollmachten müssen die erfassten Geschäfte ihrer Art nach 3 bezeichnen (zB Abschluss von Kreditverträgen, Inkasso). Die NenP. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1008
nung mehrerer Gattungen in einer Vollmachturkunde kommt in Betracht (vgl S 3); mE aber nur, wenn nicht aufgrund der Vielzahl der aufgezählten Gattungen für den Machtgeber die gleiche Gefahr der Unüberschaubarkeit wie bei der Generalvollmacht besteht. Ausgehend von § 1008 S 1 ist nach der Rspr – die Vollmachten iSd § 1008 leider oft generell als „Spezialvollmacht“ bezeichnet (saubere Trennung zB in GlUNF 6249) – Gattungsvollmacht notwendig und ausreichend bei: Kauf- und Tauschverträgen für beide Vertragsseiten (EvBl 1957/201; SZ 45/71; NZ 1980, 174) einschließlich Teilungsvereinbarungen (EvBl 1969/389); Darlehens- und Kreditverträgen für beide Vertragsseiten (SZ 51/81; JBl 1990, 173), auch wenn eine Handlungsvollmacht besteht und dem Machtgeber ein Geschäftsstempel überlassen wurde (ÖBA 1987, 582 Iro); für Entgegennahme von Zahlungen (SZ 24/298; SZ 39/95; ÖBA 1990, 51; nach 10 Ob 94/05d kommt auch eine Anscheinsvollmacht – zu dieser § 1020 Rz 6 ff – in Frage); Prozessführung (LG Wien EvBl 1946/116), sofern nicht eine Prozessvollmacht nach den §§ 30 f ZPO vorliegt (eine Verwaltervollmacht reicht hingegen nicht aus: 5 Ob 2179/96v wobl 1997, 198); Vergleich (EvBl 1957/258; SZ 34/6). Über den Wortlaut des S 1 hinaus wird eine Gattungsvollmacht aber etwa auch verlangt für die Kontoeröffnung (4 Ob 2298/96m ÖBA 1997, 377 Iro), für den Bürgschaftsvertrag auf Bürgenseite (SZ 14/58; JBl 1958, 551; RdW 1987, 407) und für den Abschluss eines Entschädigungsübereinkommens (SZ 56/167). 4 Eine Einzel- bzw Spezialvollmacht (S 2) muss das konkrete Geschäft
nennen (zB Ausschlagung der Erbschaft nach X oder Schenkung einer bestimmten Liegenschaft an Y). Sie wird verlangt für die unbedingte Annahme und die Ausschlagung einer Erbschaft (NZ 1963, 24; NZ 1966, 123; EvBl 1968/3; 3 Ob 566/90 RZ 1991, 146), wobei eine auf die Abgabe von Erbantrittserklärungen lautende Vollmacht nicht genügt (LGZ Wien EF 59.989); Gesellschaftsverträge; Schenkungen auf Schenkerseite (AnwBl 1991, 51); Schiedsverträge (s § 1005 Rz 3); unentgeltliche Aufgabe von Rechten (Miet 19.068; EvBl 1968/3; SZ 56/120). 5 Um den Zweck des S 2 (Rz 1) nicht gänzlich zu unterlaufen, sollte S 3,
wonach allgemeine Vollmachten „in diesen Fällen“ ausreichen, wenn in ihr die Gattung des abgeschlossenen Geschäfts eigens erwähnt ist, trotz seiner Stellung am Ende der gesamten Norm entgegen der hA (GlU 6322; GlUNF 6249; Strasser/R Rz 12 mwN) nur auf S 1 bezogen werden (P. Bydlinski, Veräußerung und Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, 1991, 50 FN 191). Die Entstehungsgeschichte des § 1008 kann gegen dieses Verständnis wohl nicht ins Treffen geführt werden: S 3 wurde zuerst formuliert und die Wendung „in diesen 1076
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Bevollmächtigung
§ 1009
Fällen“ – möglicherweise ungewollt – unverändert gelassen, nachdem in einem späteren Schritt die Unterscheidung zwischen Gattungsund Spezialvollmacht in den Entwurf Eingang fand (s GlUNF 6249). Rechte und Verbindlichkeiten des Gewalthabers; § 1009. Der Gewalthaber ist verpflichtet, das Geschäft seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen, und allen aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen. Er ist, ob er gleich eine beschränkte Vollmacht hat, berechtigt, alle Mittel anzuwenden, die mit der Natur des Geschäftes notwendig verbunden, oder der erklärten Absicht des Machtgebers gemäß sind. Überschreitet er aber die Grenzen der Vollmacht; so haftet er für die Folgen. Lit: Fenyves, Die Haftung des Immobilienverwalters, wobl 1992, 213; Fraberger, Verschwiegenheitspflicht in der Großkanzlei bzw im Kanzleiverbund, RdW 2002, 73; Knöchlein, Stellvertretung und Insichgeschäft (1994); Nowotny, Selbstkontrahieren im Gesellschaftsrecht, RdW 1987, 35; Thöni, Zum Selbstkontrahieren des Gesellschafter-Geschäftsführers einer EinmannGmbH, wbl 1988, 102; Welser, Vertretung 34 ff.
§ 1009 kann als die Zentralregelung des Auftragsrechts angesehen 1 werden. Sie umschreibt die Pflichten des Beauftragten. Als Hauptpflicht ist die sorgfältige Besorgung des aufgetragenen Geschäfts anzusehen (RdW 1984, 11; EvBl 1988/5), ohne dass jedoch in der Regel ein konkreter Erfolg herbeigeführt werden muss (8 Ob 700/89 JBl 1990, 723); anders etwa bei fristgerechter Einbringung eines Rechtsmittels oder beim Wechselprotest (8 Ob 27/93 JBl 1994, 829). Wird das Geschäft, etwa der Einkauf von Ware bei einem Dritten, erfolgreich ausgeführt, gehört zu den Hauptpflichten auch die Herausgabe des Erlangten (S 1); dazu noch näher Rz 4. Bei den Nebenpflichten steht die Interessenwahrungspflicht („Treue- 2 pflicht“) im Vordergrund: Der Beauftragte handelt für fremde Rechnung und hat schon deshalb die Interessen des Auftraggebers in den Vordergrund zu stellen (vgl 7 Ob 603/91 SZ 64/190) und bestmöglich zu verfolgen. Der wenig klare S 2 ist wohl in diesem Licht zu verstehen. Aus dem Kernprinzip der Interessenwahrung resultieren unter anderen folgende, zT in § 1009 erwähnte bzw angedeutete Einzelpflichten (vgl auch § 384 UGB): Aufklärung und Beratung, etwa über Rechtsfragen (wbl 1987, 212; 4 Ob 607/89 AnwBl 1991, 51 Pritz; 7 Ob 316/01y JBl 2002, 585; 3 Ob 35/02x RdW 2003, 257), zB die Aussichtslosigkeit einer beabsichtigten Prozessführung (wbl 1989, P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1009
160; 1 Ob 632/90 JBl 1991, 654); unverzügliche Verständigung von wichtigen Umständen (SZ 4/4; EvBl 1970/15), insb auch über mögliche Interessenkollisionen (uU sogar Pflicht zur Zurücklegung des Auftrags: 3 Ob 508/91 SZ 64/13; 1 Ob 64/00v JBl 2001, 384); Rückfrage bei unklarem oder zu unbestimmtem Auftrag (RdW 1983, 106; wbl 1987, 212), aber auch bei unerwarteten Änderungen, sofern nach den Umständen möglich, ansonsten Ausführung nach dem mutmaßlichen Auftraggeberwillen; Verschwiegenheit, auch bei drohenden ideellen Nachteilen (EvBl 1988/5); Befolgung auftragskonkretisierender Weisungen (HS IV/67; RdW 1985, 369), sofern sie nicht als schädlich erkannt werden und rechtzeitige Rückfrage (dazu RdW 1983, 106) unmöglich ist (bei Gefahr im Verzug sogar Pflicht zum Abgehen: ZAS 1985, 70 Beck-Mannagetta; s ferner ZBl 1928/3; EvBl 1959/261); Sorgfalt (SZ 34/153), uU unter Beachtung des § 1299 (SZ 58/165; 7 Ob 13/90 RdW 1990, 375); Rechnungslegung (s § 1012 Rz 3; dort Rz 1 auch zum Schadenersatz). – Zu den Pflichten einer Bank im nationalen und internationalen Überweisungsverkehr (außerhalb des ÜberweisungsG) 9 Ob 139/00g ÖBA 2001, 472; 7 Ob 122/02w ÖBA 2003, 532; 4 Ob 245/02m ÖBA 2003, 626. 3 Eine abstrakte Gefährdung der Interessen des Auftraggebers be-
steht, wenn der Beauftragte das beabsichtigte Geschäft mit sich selbst abschließen will; ebenso, wenn er auch vom Dritten beauftragt (und bevollmächtigt) wurde. Das Problem wird vor allem für das Außenverhältnis diskutiert und mit den Begriffen Insichgeschäft bzw Doppelvertretung gekennzeichnet (dazu § 1017 Rz 5). Auftragsrechtlich wird der Selbstabschluss als Selbsteintritt bezeichnet. Er ist dann zulässig, wenn er vom Auftraggeber gestattet wurde (SZ 54/57; EvBl 1983/39) oder wenn diesem, insb wegen fixer Markt- oder Börsenpreise, keine Nachteile drohen (SZ 54/20; s § 400 Abs 1 UGB). Will ein Beauftragter für mehrere Auftraggeber tätig werden, die gegenläufige Interessen verfolgen, so muss er darüber informieren und Widersprüche zu einem derartigen Vorgehen akzeptieren (s 1 Ob 333/98x EvBl 1999/196 zu mehrseitiger Treuhand). Bei Gestattung hat er die Interessen aller Auftraggeber gleichermaßen zu beachten (SZ 34/153; EvBl 1972/19; NZ 1982, 142; RdW 1990, 375). Einseitige, einem anderen Auftraggeber nachteilige Weisungen darf er nicht befolgen (JBl 1958, 122; EvBl 1980/162; JBl 1984, 85 Koziol). 4 Die Pflicht zur Herausgabe aller (SZ 6/103) aus dem Geschäft erhal-
tenen Vorteile ergibt sich aus dem Handeln auf Rechnung des Auftraggebers. Agiert der Beauftragte im eigenen Namen, entsteht der Herausgabeanspruch wohl nur bei Wirksamkeit des Geschäfts mit dem Dritten (aA HS I/23), da der Beauftragte sonst selbst dem Kon1078
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1009
diktionsanspruch des Dritten ausgesetzt ist. War der Auftragsvertrag nichtig, stehen dem Auftraggeber bloß bereicherungsrechtliche Rückgabeansprüche zu, die nach Durchführung des Auftrags im Ergebnis aber durchaus auf Herausgabe des Erlangten gerichtet sein können (s zu einem Wertpapier-Verkaufsauftrag SZ 23/159). Der Herausgabeanspruch verjährt als Erfüllungsanspruch (6 Ob 509/96 ÖBA 1997, 198) in 30 Jahren (SZ 52/158; 2 Ob 87/00h ÖBA 2001, 258). Er entsteht mit Erlangung eines Vermögenswerts durch den Beauftragten (JBl 1979, 438); allerdings genügt mangels anderer Absprache die Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs gegen einen Dritten, den sich der Auftraggeber abtreten lassen kann. Herauszugeben sind ua: erworbene Sachen; Verkaufserlöse (EvBl 1962/414; 3 Ob 120/01w RdW 2002, 536), auch soweit sie über dem Mindestpreis liegen (so ausdrücklich § 387 Abs 1 UGB); tatsächlich erzielte Zinsen (SZ 8/18; Miet 35.120); Kursgewinne (SZ 25/286); Ablösen bei Vermietung, nach der Rspr auch unerlaubte (Miet 19.069; Miet 28.097); sonstige bei Auftragserledigung erlangte Vermögenswerte wie vom Dritten gewährte Nachlässe und Provisionen (EvBl 1969/51; SZ 52/158; 9 ObA 206/92 SZ 65/120), zum Verhältnis zu § 1013 dort Rz 2. Behalten darf der Beauftragte hingegen Vorteile, die er bloß bei Gelegenheit der Durchführung mit eigenen Mitteln, also gerade nicht auf Rechnung des Auftraggebers, erworben hat (9 ObA 217/00b Arb 12.075). Wiederum herauszugeben ist alles vom Auftraggeber Stammende, das der Beauftragte nicht (mehr) benötigt (ÖBA 1997, 198), wie nicht verwendete Vorschüsse (SZ 8/349) oder die bei erfolglosem Verkaufsauftrag nicht verkaufte Sache (SZ 4/51); ferner etwa Verwaltungsunterlagen, Pläne und sonstige Urkunden (JBl 1965, 90; EvBl 1973/11; JBl 1975, 201; RdW 1988, 386). Für auftragswidrig nicht Erlangtes (zB Zinsen) ist bei Verschulden nach § 1012 Ersatz zu leisten; für diesen Anspruch gilt die Verjährungsregel des § 1489 (8 Ob 5/06b). Kommt der entgeltlich Beauftragte seinen Hauptpflichten unver- 5 schuldet nicht ordnungsgemäß nach, greift grundsätzlich Leistungsstörungsrecht ein (str, s Apathy/S § 1004 Rz 4 mwN; gegen Gewährleistung etwa 7 Ob 612/93 NZ 1994, 228). Jedenfalls gebührt bei Nichtdurchführung oder fehlerhafter Durchführung ohne Vorteil für den Auftraggeber kein Entgelt (SZ 52/73; AnwBl 1990, 42; JBl 1991, 654; NZ 1994, 228); bei geringerem Vorteil als bei korrekter Ausführung ist das Entgelt entsprechend zu kürzen. Überdies kann der Auftraggeber den Auftragsvertrag beenden (§ 1020). Zur schuldhaften Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten § 1012 Rz 1 f. Die Bedeutung von S 3 – Haftung bei Überschreiten der „Grenzen 6 der Vollmacht“ – ist dunkel. Überwiegend wird die Vorschrift wie die P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1010
S 1 und 2 auf das Innenverhältnis bezogen (mwN insb Welser, Vertretung 19 ff, 34 ff); andere wollen der Norm hingegen (auch) eine Haftung gegenüber dem Dritten entnehmen (EvBl 1979/104; Gschnitzer ua, AT 777 f; Zeiller III 282 f). Da die Ersatzpflicht jedenfalls nur bei Verschulden eingreift und die Haftung des Scheinvertreters gegenüber dem Dritten unbestritten ist (dazu § 1019 Rz 1 ff; zur Haftung im Innenverhältnis bei § 1012), dürfte der Meinungsstreit aber keine praktische Relevanz haben. § 1010. Trägt der Gewalthaber das Geschäft ohne Not einem Dritten auf; so haftet er ganz allein für den Erfolg. Wird ihm aber die Bestellung eines Stellvertreters in der Vollmacht ausdrücklich gestattet, oder durch die Umstände unvermeidlich; so verantwortet er nur ein bei der Auswahl der Person begangenes Verschulden. Lit: W. Hofer, Substitution und Untervertretung, JBl 1980, 625; P. Steiner/ Fleisch, Ärztliche Substitutionsbefugnis, AnwBl 1997, 702.
1 § 1010 betrifft Innen- und Außenverhältnis. Auszugehen ist davon,
dass der Auftrag mangels Höchstpersönlichkeit, die nur ausnahmsweise vorliegt, auch unter Beiziehung von Hilfspersonen erledigt werden kann. S 1 sieht für solche Fälle vor, dass für deren Fehlverhalten der Beauftragte haftet, und zwar nach § 1313a (SZ 16/92; JBl 1963, 262; Miet 27.134). Ist der Einsatz von Erfüllungsgehilfen zulässig, folgt daraus für den mit einer Bevollmächtigung kombinierten Auftrag, dass es dem Machthaber möglich und erlaubt ist, seine Gehilfen soweit nötig mit Vertretungsmacht (Untervollmacht) für den Machtgeber auszustatten. Während früher auch die „unselbständige“ („mittelbare“) Unterbevollmächtigung (im eigenen Namen) anerkannt war (s etwa EvBl 1960/306; Ehrenzweig, System I/1, 276), wird heute überwiegend nur die (selbständige) Unterbevollmächtigung im Namen des Machtgebers für zulässig angesehen (W. Hofer, JBl 1980, 632; Welser, Vertretung 226 ua). Obwohl sich der Ausdruck „Substitution“ immer wieder auch im Zusammenhang mit der Unterbevollmächtigung findet, sollte er nur für die Auftragsweitergabe (Rz 2) verwendet werden (W. Hofer, JBl 1980, 626; Strasser/R Rz 3). 2 Eine echte Weitergabe des Auftrags im Namen des Auftraggebers
dergestalt, dass der Erstbeauftragte aus dem Auftragsverhältnis ausscheidet und der Substitut mit allen Rechten und Pflichten an seine Stelle tritt (Substitution, Vertragspartnerwechsel), setzt zunächst voraus, dass auch dafür ausreichende Vollmacht besteht (EvBl 1960/306). Dafür ist nach S 2 Voraussetzung, dass die Substitution 1080
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Bevollmächtigung
§ 1010
vom Auftraggeber gestattet oder aufgrund der Umstände unvermeidlich wurde (s Rz 4). Wird der Auftrag hingegen im eigenen Namen „weitergegeben“ (erteilt), scheidet der Erstbeauftragte aus dem Auftragsverhältnis nicht aus; der Zweitauftrag ist dann ein solcher zugunsten des Erstauftraggebers (§§ 881 f; s NZ 1973, 140). In jedem Fall ist der Substitut bei der Weitergabe über seine Aufgaben und Pflichten ausreichend zu informieren. Zur heiklen Abgrenzung von Erfüllungsgehilfeneinsatz und Substitution etwa 4 Ob 2112/96h SZ 69/115; 2 Ob 49/02y NZ 2002, 326 Hoyer. Liegen die Substitutionsvoraussetzungen hingegen nicht vor und ver- 3 sucht der Beauftragte – etwa wegen Überlastung – dennoch, den gesamten „Auftrag“ (uU einschließlich der erhaltenen Vollmacht) an einen anderen weiterzugeben (missglückte bzw unzulässige Substitution), so ist die Weitergabe wirkungslos (Schey, Obligationsverhältnisse 610) und das Verhalten des „Übernehmers“ dem Erstbeauftragten entsprechend § 1313a zuzurechnen (Stanzl/K IV/1, 830 mwN; s auch NZ 2002, 326 Hoyer: Dauersubstitut eines Notars). Darüber hinaus wird aus S 1 eine Haftung des Beauftragten für alle Schäden gefolgert, die aus der schuldhaften Weitergabe – besser wohl: dem Weitergabeversuch – resultieren (SZ 4/51; W. Hofer, JBl 1980, 627). Diese casus-mixtus-Haftung (dazu § 1311 Rz 2) tritt dann ein, wenn der „Substitut“ schuldlos schädigte und der Beauftragte nicht nachweisen kann, dass der Schaden auch ohne Weitergabe eingetreten wäre (Schey, Obligationsverhältnisse 610; Stanzl/K IV/1, 830; W. Hofer, JBl 1980, 626). Da der „Substitut“ im Regelfall auch als Erfüllungsgehilfe hätte beigezogen werden dürfen, wird dieser Nachweis allerdings häufig gelingen. Eine ausdrückliche Gestattung (S 2 Fall 1) ist bei Privaten, die einen 4 Unternehmer beauftragt haben, an § 6 Abs 2 Z 2 KSchG zu messen (dazu etwa W. Hofer, JBl 1980, 628 ff mwN). Substitution im Notfall (S 2 Fall 2) kommt nur ausnahmsweise in Frage: Zum einen kann der Auftrag regelmäßig durch Einsatz von Gehilfen erledigt werden (daher überzeugt die von Stanzl/K IV/1, 827 gezogene Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag im Notfall nicht). Zum anderen wird man eine Informations- und Rückfragepflicht beim Auftraggeber anzunehmen haben, wenn der Beauftragte erkennt, dass ihm die Ausführung auch mit Hilfe von Gehilfen (Instruktion, Kontrolle uÄ) nicht möglich ist; dann hat er sich an die entsprechenden Weisungen zu halten (SZ 69/115). Überdies wird der Beauftragte in Extremfällen (schwerer Unfall, lebensbedrohliche Erkrankung) nicht nur an der Auftragserledigung, sondern sogar an der Substitution gehindert sein. Ein Rechtsanwalt kann bereits im Verhinderungsfall substituieren P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1011
(§ 14 RAO; für Notare s §§ 119 f NO; zur Haftung des Notars in diesen Fällen s einerseits Koziol, FS Weißmann, 2003, 431, andererseits Kletecˇ ka, FS Welser, 2004, 477). 5 Lagen die Substitutionsvoraussetzungen vor, haftet der Beauftragte
nur für Auswahlverschulden (SZ 24/328; SZ 40/68; 8 Ob 594/89 AnwBl 1991, 116) sowie für unrichtige Instruktion (EvBl 1960/306; NZ 1973, 140). Ob trotz Substitution gewisse Vertragspflichten des Erstbeauftragten aufrecht bleiben, ist unsicher. Von der Hauptleistungspflicht wird er jedenfalls frei; im Rahmen seiner Möglichkeiten dürfte der Erstbeauftragte, soweit nötig, jedoch weiterhin zur Interessenwahrung verpflichtet bleiben, indem er etwa für Rückfragen des Substituten zur Verfügung steht (vgl Stanzl/K IV/1, 829; Strasser/R Rz 5). 6 Substituiert ein Bevollmächtigter, hat er den Substituten auch mit aus-
reichender, vom Machtgeber stammender Vollmacht auszustatten. Da der Erstbeauftragte aus seinen Ausführungspflichten ausscheidet, wird er die vom Auftraggeber erhaltene, selbst nicht mehr benötigte Vollmacht an den Substituten weiterzugeben haben (Ersatz-, nicht Unterbevollmächtigung: P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 258 ff; dort 257 ff auch generell zur Übertragbarkeit von Vollmachten). § 1011. Wird mehreren Bevollmächtigten zugleich ein Geschäft aufgetragen; so ist die Mitwirkung aller zur Gültigkeit des Geschäftes, und Verpflichtung des Machtgebers notwendig; wenn nicht ausdrücklich einem oder mehreren aus ihnen die volle Befugnis in der Vollmacht erteilt worden ist. Lit: F. Bydlinski, Gesamtvertretung und Verkehrsschutz, JBl 1983, 627; Hannak, Alleinvertretung durch ein gesamtvertretungsbefugtes Organmitglied, GesRZ 1982, 107; Strasser, Die Leitung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand, JBl 1990, 477 und 552; Wünsch, Zur Ausübung der Vertretungsmacht durch den GmbH-Geschäftsführer, GesRZ 1992, 229.
1 § 1011 geht von einer Beauftragung und Bevollmächtigung mehre-
rer aus (HS 1). Konsequenz soll die Notwendigkeit des Auftretens aller beim Geschäftsabschluss, also Gesamtvertretung (Kollektivvertretung), sein (HS 2), sofern nicht ausdrücklich, also hinreichend deutlich (GesRZ 1981, 227), Einzelvertretungsmacht erteilt (HS 3) oder das Alleinhandeln eines Gesamtvertreters vom Machtgeber geduldet wurde (HS I/54; zur Duldungsvollmacht § 1029 Rz 6 ff, insb 10). Sondervorschriften wie §§ 154 Abs 1 und 836 ff ABGB oder §§ 115, 125 UGB sind vorrangig zu beachten. 1082
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Bevollmächtigung
§ 1012
Grundsätzlich steht es im Belieben des Machtgebers, bloß Gesamt- 2 vertretungsmacht einzuräumen, um seine Risiken durch ein „Vier-“ bzw „Mehraugenprinzip“ zu minimieren (GlU 647; SZ 62/121); daher führt der Tod eines von zwei Gesamtvertretern nicht automatisch zu Einzelvertretungsmacht des Überlebenden (GlU 647; GesRZ 1979, 34). Als Aktivvertreter müssen alle Gesamtvertreter – gemeinsam oder getrennt – die gleiche Vertretungshandlung vornehmen (EvBl 1976/272; HS I/54; SZ 58/199; 6 Ob 570/91 ÖBA 1992, 172) bzw die Vertretungshandlung des einen zumindest – intern oder extern – genehmigen (SZ 58/199 ua). Etwaige Formgebote müssen von jedem erfüllt werden (Rsp 1924, 201; SZ 10/303). Das Auftreten bloß eines Gesamtvertreters kann dann ausreichen, wenn ihn die anderen dazu vorweg wirksam bevollmächtigt haben. Dass eine derartige Vollmacht existiert, ist allerdings nicht ohne weiteres anzunehmen, da der Zweck der Gesamtvertretung gerade in der gegenseitigen Kontrolle in Bezug auf konkrete Geschäftsfälle liegt (näher, auch zu den Ausnahmen, F. Bydlinski, JBl 1983, 637 ff). Die Rspr lässt immer wieder einen entsprechenden, von allen Kollektivvertretern geschaffenen, für Einzelvertretung sprechenden äußeren Tatbestand genügen (JBl 1988, 733; ÖBA 1988, 839 Koziol; SZ 62/121), so insb durch interne Geschäftsverteilung (GesRZ 1990, 44). Im Handelsverkehr mag größerer Bedarf nach Vereinfachung und Beschleunigung bestehen, weshalb etwa § 125 Abs 2 S 2 UGB derartige Vorwegermächtigungen einzelner Gesamtvertreter zulässt. Wurde die Vertretungshandlung nicht von allen Gesamtvertretern 3 iSd eben gemachten Ausführungen mitgetragen, ist sie unwirksam; die Handelnden haften dem Dritten als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 1016 Rz 3 f). Bei der Entgegennahme von Erklärungen für den Machtgeber (Pas- 4 sivvertretung) reicht demgegenüber der Zugang bei bloß einem Gesamtvertreter aus (HS IV/50; SZ 43/120; aA noch SZ 6/379). Überzeugendste Begründung dafür ist eine Gesamtanalogie, gestützt auf Vorschriften für die organschaftliche Vertretung im Gesellschaftsrecht (§ 125 Abs 2 S 3 UGB, § 18 Abs 4 GmbHG ua; vgl F. Bydlinski, JBl 1983, 628). Leistung an einen Gesamtvertreter reicht auch für Erfüllungshandlungen des Dritten aus (ÖBA 1992, 172). § 1012. Der Gewalthaber ist schuldig, dem Machtgeber den durch sein Verschulden verursachten Schaden zu ersetzen, und die bei dem Geschäfte vorkommenden Rechnungen, sooft dieser es verlangt, vorzulegen. P. Bydlinski
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§ 1012
Lit: Bollenberger, Drittfinanzierter Liegenschaftsverkehr: Haftung des Treuhänders gegenüber der Bank, ÖBA 1997, 139; Call, Wie haften Wohnungseigentümer für Liegenschaftsaufwendungen und für Zahlungsrückstände säumiger Miteigentümer? wobl 1988, 125; Fenyves, Die Haftung des Immobilienverwalters, wobl 1992, 213; H. Rainer, Rechnungslegung durch den Verwalter, immolex 2003, 143; W. Völkl/E. Völkl, Die Haftung der rechtsberatenden Berufe im Spiegel der Rechtsprechung, ÖJZ 1991, 617, ÖJZ 1998, 856 und 906 sowie ÖJZ 2002, 1.
1 Schuldhafte Verletzungen auftragsrechtlicher Pflichten (zu diesen
bei § 1009) lösen Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz erlittener Schäden aus. Dabei sind die §§ 1293 ff, insb 1298 f sowie § 1304, zu beachten (NZ 1987, 42; DRdA 1988, 229 Floretta; 5 Ob 180/06s immolex 2007, 56). Bei schuldhaft unterlassenem Rechtsmittel kommt es auf die Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens im Falle rechtzeitiger Einbringung an (SZ 56/81; wbl 1987, 212; NZ 1988, 200). 2 Schuldhafte Fehler des Beauftragten können sich wie schuldlose
(§ 1009 Rz 5) auch auf dessen Entgeltsanspruch auswirken. Allerdings ginge es zu weit, bei jeder schuldhaften Vertragsverletzung den Anspruch zur Gänze zu verneinen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob dem Auftraggeber nicht dennoch ein Vorteil verschafft wurde und in welcher Relation dieser zum (hypothetischen) Vorteil bei korrekter Durchführung steht (s nur 4 Ob 83/02p EvBl 2002/144 mwN, wo auf die Wertlosigkeit der Leistung abgestellt wird; bedenklich hingegen 1 Ob 291/01b RdW 2002, 335, wo offenbar jeglicher Honoraranspruch abgelehnt wird). Kann die korrekte Leistung vom Beauftragten nicht mehr nachgeholt werden, steht dem Auftraggeber, der das Entgelt bereits gezahlt hat, ein (Rückforderungs-)Anspruch zu, sofern die Voraussetzungen des Gewährleistungs- bzw Schadenersatzrechts vorliegen; wegen des bestehenden Vertrages kommt eine Berufung auf § 1431 hingegen nicht in Betracht (6 Ob 304/99w JBl 2000, 590 Rummel). 3 § 1012 gibt dem Auftraggeber das Recht, jederzeit Rechnungslegung
zu verlangen. Einschränkungen dieses Rechts bilden abweichende gesetzliche oder vertragliche Regelungen, zB die Vereinbarung periodischer bzw laufender Rechnungslegung ohne Aufforderung (JBl 1987, 248; 1 Ob 83/01i EvBl 2002/14) sowie das Rechtsmissbrauchsprinzip (8 Ob 167/00t ecolex 2002, 86). Spätestens abzurechnen ist mit Beendigung der Geschäftsbesorgung (Rsp 1934, 8). Abrechnungen haben schriftlich, vollständig und so detailliert zu sein, dass sie eine Zuordnung zu einzelnen Geschäftsfällen möglich machen (SZ 36/74; SZ 37/186; SZ 58/197). Die Angabe bloßer Pauschal1084
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§ 1013
summen reicht regelmäßig nicht aus (SZ 29/37; SZ 62/102); ebenso wenig die bloße Aushändigung von Belegen zur Einsicht (SZ 36/74). Kopien von Belegen können neben der Abrechnung verlangt werden (RdW 1988, 385). Die Abrechnung soll den Auftraggeber in die Lage versetzen, Klarheit über die Erledigung der aufgetragenen Geschäfte sowie der für ihn daraus folgenden rechtlichen Konsequenzen zu erhalten; nach diesem Zweck bestimmt sich auch der Umfang der Rechnungslegung im Einzelfall (SZ 37/186; SZ 59/169 = JBl 1987, 174 Call; immolex 2007, 56 mwN ua). Der Rechnungslegungsanspruch verjährt in 30 Jahren (EvBl 1962/414); verjährte Ansprüche unterliegen nicht der Rechnungslegungspflicht (Miet 23.092). § 1013. Gewalthaber sind, außer dem im § 1004 enthaltenen Falle, nicht befugt, ihrer Bemühung wegen eine Belohnung zu fordern. Es ist ihnen nicht erlaubt, ohne Willen des Machtgebers in Rücksicht auf die Geschäftsverwaltung von einem Dritten Geschenke anzunehmen. Die erhaltenen werden zur [Armenkasse]* eingezogen. Lit: Iro, Schmiergeldzahlungen im Exportgeschäft, RdW 1986, 264; Krejci, Unerlaubte Provisionen, Zuwendungen und Vorteile in privatrechtlicher Sicht, in Krejci/Ruppe/Schick, Unerlaubte Provisionen (1982) 41.
§ 1013 regelt das Innenverhältnis. Er stellt nochmals klar, dass der 1 Beauftragte außer dem vereinbarten Entgelt (§ 1004) keine Leistungen für die Auftragsdurchführung beanspruchen kann; weder vom Auftraggeber (S 1) noch infolge Zuwendung eines Dritten (S 2), der etwa den Beauftragten durch ein „Geschenk“ günstig stimmen will, was die Wahrung der Interessen des Auftraggebers beeinträchtigen könnte (Iro, RdW 1986, 264). Geschenke sind alle denkbaren vermögenswerten Leistungen (SZ 52/158; RdW 1990, 44 ua). Nachträgliche Begünstigungen (vgl JBl 1953, 468 zu § 13 AngG) sind auftragsrechtlich ebenso unzulässig wie Zuwendungen, die „an sich“ zu keinem Nachteil des Auftraggebers führen (ZfRV 1984, 59 V. Liebscher; 9 ObA 206/92 DRdA 1993, 314 Ritzberger), da es nicht zuletzt um die objektive Auswahl des bestgeeigneten dritten Geschäftspartners geht. Da prinzipiell alle Vorteile aus dem Handeln des Beauftragten dem 2 Auftraggeber zukommen sollen (§ 1009 Rz 4), bereitet die Anordnung des S 3, wonach erhaltene Geschenke zur „Armenkasse“ (heute [Bezirks-]Fürsorgeverband: SZ 31/154) eingezogen werden, einige * Jetzt: Fürsorgeverband P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1014
Schwierigkeiten (zur Bestimmung des im Einzelfall berechtigten Rechtsträgers Krejci in Krejci ua, Provisionen 83). Ausgeschlossen ist damit jedenfalls die Rückforderung durch den Geschenkgeber, obwohl die entsprechende Vereinbarung mit dem Machthaber – nach hA schwebend – unwirksam ist (Krejci, aaO 69 f; Stanzl/K IV/1, 845 ua). Ansonsten soll nach hA § 1009 Vorrang gegenüber § 1013 S 3 genießen, der Fürsorgeverband also nur dann Ansprüche geltend machen können, wenn der Auftraggeber seine Herausgabeansprüche nach § 1009 nicht geltend macht (GlUNF 4987; RZ 1959, 134; EvBl 1969/11; DRdA 1993, 314 Ritzberger). Dass der Gesetzgeber § 1013 S 3 bloß als subsidiäre Anspruchsgrundlage verstanden hat, erscheint allerdings nicht überzeugend. Überdies muss dem Auftraggeber zur Verfolgung seines Anspruchs die gesamte 30-jährige Verjährungsfrist offen stehen, so dass unklar ist, (ab) wann und in welcher Frist der Fürsorgeverband fordern könnte. Näher liegt folgende Differenzierung: Stammt die Zuwendung – auch bloß indirekt – aus dem Vermögen des Auftraggebers (vgl GlUNF 4987: nach Wegfall der „Provision“ lieferte der Geschäftspartner zu geringeren Preisen), greift § 1009 ein. In allen anderen Fällen, jedenfalls aber bei gesetzwidriger Geschenkannahme (zB Bestechungsgelder, um bei einem konkreten Geschäft zum Zuge zu kommen; s § 153a StGB), stehen die Ansprüche von vornherein nur dem Fürsorgeverband zu. Bei korrektem Verhalten des Machthabers hätte der Machtgeber das Geschenk bzw dessen Wert ja ebenfalls nicht bekommen. 3 Zum schwierigen Problem, ob, unter welchen Voraussetzungen und
von wem bloß versprochene Geschenke eingefordert werden können, s etwa Krejci in Krejci ua, Provisionen 83; Stanzl/K IV/1, 845 f. des Gewaltgebers; § 1014. Der Gewaltgeber ist verbunden, dem Gewalthaber allen zur Besorgung des Geschäftes notwendig oder nützlich gemachten Aufwand, selbst bei fehlgeschlagenem Erfolge, zu ersetzen, und ihm auf Verlangen zur Bestreitung der baren Auslagen auch einen angemessenen Vorschuß zu leisten; er muß ferner allen durch sein Verschulden entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden vergüten. Lit: Apathy, Risikohaftung des Arbeitgebers für Personenschäden? JBl 2004, 746; F. Bydlinski, Die Risikohaftung des Arbeitgebers (1986); Dolp, Haften Gemeinden ihren Organen nach den §§ 1014 und 1015 ABGB? ÖJZ 1990, 46; W. Faber, Risikohaftung im Auftrags- und Arbeitsrecht (2001); ders, Haftung für Personenschäden eines als Kfz-Lenker eingesetzten Arbeitnehmers auf
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§ 1014
Grund § 1014 ABGB? JBl 2003, 669; Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit im fremden Interesse (1985); Helmich, Arbeitsunfälle mit Kraftfahrzeugen – verschuldensunabhängige Dienstgeberhaftung für Personenschäden? ecolex 2003, 901; Kerschner, Die Reichweite der Arbeitgeberhaftung nach § 1014 ABGB, in Tomandl (Hrsg), Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis (1991) 57; Kerschner/Wagner, Risikohaftung des Arbeitgebers bei Personenschaden des Arbeitnehmers? DRdA 2001, 568; Kissich, Risikohaftung des Arbeitgebers analog § 1014 ABGB auch für Personenschäden, ZVR 2005, 184; Neumayr, Haftung für Sachschäden im Zusammenhang mit der Überlassung von Arbeitskräften (§ 7 öAÜG, § 1014 ABGB), FS Kramer (2004) 757; B. A. Oberhofer, Der Ersatzanspruch bei Schäden wegen Tätigkeit in fremdem Interesse, ÖJZ 1994, 730; ders, Die Risikohaftung wegen Tätigkeit in fremdem Interesse als allgemeines Haftungsprinzip, JBl 1995, 217; ders, Außenhaftung des Arbeitnehmers (1996) 123 ff; Tomandl, Grundlagen und Grenzen der verschuldensunabhängigen Arbeitgeberhaftung, ZAS 1991, 37; Vonkilch, Haftpflicht für Kfz-Schäden von Dienstnehmern, Arbeitgeberprivileg und Haftpflichtversicherung nach der 48. ASVG-Novelle, ZVR 2004, 40.
§ 1014 betrifft das Innenverhältnis (SZ 6/300; JB 212; 5 Ob 534/94 1 HS 25.332; aA Strasser/R §§ 1014 f Rz 2: auch für reine Bevollmächtigung) und regelt drei unterschiedliche Ansprüche des Beauftragten: den – uU zu bevorschussenden – Aufwandersatzanspruch (Rz 2 ff), den verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch (Rz 6) und den verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz „erfüllungstypischer“ Schäden (Rz 7 ff). Dieser dritte Bereich hat unter dem Stichwort „Risikohaftung“ große praktische Bedeutung erlangt, wenn auch deren Grenzen heftig umstritten sind (dazu Rz 7 ff). Die Pflicht des Auftraggebers, den zur Auftragsdurchführung not- 2 wendigen und/oder für ihn nützlichen Aufwand zu ersetzen, leuchtet unmittelbar ein. Der Anspruch wird auch im dienstvertraglichen Bereich qua Analogie gewährt (8 ObA 224/00z Arb 12.205; 8 ObA 1/06i ecolex 2006, 774 ua; s auch 9 ObA 275/01h ZAS 2003, 277 Stärker). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Aufwand zur Durchführung nötig, also erforderlich bzw zweckdienlich ist, sind die konkreten Umstände in jenem Zeitpunkt, in dem der Beauftragte den Aufwand tätigt (vgl SZ 50/147). Bereits aus dem Agieren auf fremde Rechnung ergibt sich, dass solche Aufwendungen auch dann zu ersetzen sind, wenn sie nicht zum vom Auftraggeber gewünschten Erfolg geführt haben, also fehlgeschlagen sind; es genügt, dass sie der sorgfältige Beauftragte ex ante für notwendig halten durfte (SZ 49/49; SZ 57/185; 2 Ob 52/00m EvBl 2000/157). Weisungswidrig getätigter Aufwand ist nach § 1014 nicht zu ersetzen (Miet 25.087); wohl aber kann ihn der Beauftragte uU nach § 1040 zurücknehmen. GesetzwidP. Bydlinski
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rige Aufwendungen wie Schmiergeldzahlungen bleiben im Regelfall ebenfalls unvergütet; sind diese bei Auslandsgeschäften üblich, wäre eine Ausnahme zu erwägen (s Apathy/Jabornegg, HGB § 396 Rz 14 mwN), weil sie dann dem ausdrücklich geäußerten oder doch zumindest mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprechen und deshalb nicht den Beauftragten belasten sollen. Die Vorwegübernahme etwaiger Strafen durch den Geschäftsherrn (Auftrag- bzw Dienstgeber) wird allerdings in der Regel als unwirksam angesehen (SZ 28/56; 9 ObA 284/92 wbl 1993, 157; 3 Ob 2400/96d JBl 1998, 248, anders für Verfahrenskosten; s dazu auch F. Bydlinski, FS Niederländer, 1991, 243 f). 3 Aufwandersatz ist regelmäßig in Geld zu leisten. Besteht der Auf-
wand jedoch im Eingehen einer Verpflichtung gegenüber einem Dritten, kann der Ersatz auch durch Befreiung von dieser Verbindlichkeit erfolgen (SZ 11/239; 8 Ob 721/89 SZ 63/92). Soweit Barauslagen zu erwarten sind, steht dem Beauftragten „auf Verlangen“ ein Anspruch auf Vorschuss zu (SZ 50/147; SZ 58/158; SZ 63/92; 1 Ob 563/91 SZ 64/70), da er im Regelfall nicht zur Verwendung eigener Mittel verpflichtet ist (SZ 55/138). 4 Bei der auftragsgemäßen Stellung von Sicherheiten gegenüber Dritten
kann der Aufwandersatzanspruch mit der vom Gläubiger über § 1358 erworbenen Forderung in Konkurrenz treten (EvBl 1963/309; 1 Ob 78/02f; 8 Ob 200/02y JBl 2003, 579). 5 Wann der Aufwandersatzanspruch mangels besonderer Vereinbarung
(zB periodische Abrechnung bei Hausverwaltung: SZ 52/137) fällig wird, ist umstritten. Abgestellt wird auf die Tätigung des konkreten Aufwands (Strasser/R §§ 1014, 1015 Rz 7), manchmal mit der (aus § 904 stammenden) Ergänzung „ohne unnötigen Aufschub“ (Miet 33.117), aber auch auf die Geltendmachung des Ersatzanspruchs (LGZ Graz Miet 35.122) oder überhaupt erst auf die ordnungsgemäße Rechnungslegung (1 Ob 509/94 RdW 1994, 311 ua). Da die Fälligkeit regelmäßig von einer Einmahnung abhängt (§ 1417), kommt es grundsätzlich auf die Geltendmachung an; der Auftraggeber hat dann ohne unnötigen Aufschub zu leisten (§ 904 Rz 2). Vor Zahlung muss der Auftraggeber aber die Berechtigung des Geforderten nachvollziehen können. Daher ist bei entsprechender Notwendigkeit zusätzlich Rechnungslegung zu verlangen (Apathy/S Rz 7 mwN; Griss/Straube, HGB I3 § 396 Rz 12), zumal die Rechnungslegung sogar zu den gesetzlichen Pflichten des Beauftragten gehört (§ 1012). Der OGH lässt nachträgliche Rechnungslegung im Prozess genügen (SZ 58/197; 5 Ob 20/92 ImmZ 1992, 263; 5 Ob 180/06s immolex 2007, 56 ua), was hin1088
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sichtlich der Herbeiführung der Fälligkeit überzeugt, da dafür der anhängige Prozess kein Hindernis sein kann. Eine Mindermeinung plädiert bei unterbliebener Rechnungslegung generell für eine Zugum-Zug-Einrede des Schuldners, ohne dass das Unterbleiben Bedeutung für die Fälligkeit habe (Dullinger, Aufrechnung 117 f; Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 89 ff). Jedenfalls können beauftragte Unternehmer unabhängig von der Fälligkeitsfrage gemäß § 354 Abs 2 UGB vom Tag des getätigten Aufwands an Zinsen berechnen (s auch Miet 33.117); wegen der Fremdnützigkeit des Aufwands als ratio der Vorschrift spricht manches für ihre analoge Anwendung auf Beauftragte schlechthin (vgl nur Mayrhofer, SR AT 56 mwN, der aber offenbar bereits § 1014 selbst einen Anspruch auf „Verwendungszinsen“ entnehmen will). Für die Verjährung, deren Beginn von der tatsächlichen Rechnungslegung unabhängig ist (OLG Wien Miet 34.302 ua; s auch § 1478 Rz 2), wird von der Rspr differenziert: Sofern nicht Forderungen des täglichen Lebens (Betriebs- und Heizkosten, öffentliche Abgaben usw) vorliegen, für die gemäß § 1486 eine Dreijahresfrist gilt (SZ 52/137; Miet XXXV/10; JBl 1987, 322), greift die allgemeine Dreißigjahresfrist ein (SZ 28/98; SZ 50/147; SZ 54/177; JBl 1986, 244). Dem Beauftragten schuldhaft, etwa durch Verschweigen besonderer 6 Risiken, verursachte Schäden sind nach den allgemeinen Grundsätzen der Verschuldenshaftung (§§ 1293 ff) zu ersetzen. Die verschuldensunabhängige Pflicht zum Ersatz mit der Erfüllung 7 des Auftrags verbundener Schäden (Risikohaftung) ist ebenfalls mit der Fremdnützigkeit des Beauftragtenhandelns zu rechtfertigen (9 ObA 222/90 JBl 1991, 329). Erfasst sind jedoch anerkanntermaßen nur Schäden, die durch die Gefahrenerhöhung infolge der typischen Risiken des aufgetragenen Geschäfts (SZ 19/40; DRdA 1984, 32 Jabornegg; DRdA 1989, 400 Jabornegg = ZAS 1988, 174 Kerschner; 1 Ob 16/01m ÖBA 2002, 316 Apathy, zT zu Dienstnehmerschäden; F. Bydlinski, Risikohaftung 64 ff uva), also ex causa mandati, nicht hingegen ex occasione mandati (s aber auch § 1015 Rz 1), entstanden sind. Insoweit besteht eine besondere, die Gleichbehandlung rechtfertigende Nähe zum echten – nämlich bewusst für einen anderen getätigten – Aufwand. Speziell auftragsbedingte Schäden sind allerdings eher selten. Kontrovers diskutiert wird die Risikohaftung etwa bei Bankgeschäften; zB dann, wenn die Bank einen unerkennbar gefälschten Überweisungsauftrag durchführt (s 4 Ob 179/02f ÖBA 2003, 141 und dazu insb Apathy, ÖBA 2003, 177 ff; Iro/Koziol, ÖBA 2003, 129 ff). Die größte Bedeutung kommt der Risikohaftung nicht im eigent- 8 lichen Anwendungsbereich (Auftragsrecht), sondern bei DienstverP. Bydlinski
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trägen zu, für die § 1014 nach hA ebenfalls – außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1151 Abs 2 per analogiam (näher etwa F. Bydlinski, Risikohaftung 2 ff, 16 ff mwN) – Beachtung verlangt (Leitentscheidung DRdA 1984, 32 Jabornegg; ferner zB DRdA 1991, 27 Jabornegg und 9 ObA 122/98a SZ 71/172 mwN: jeweils Schaden an dienstlich eingesetztem Privatfahrzeug). Mitverschulden des Dienstnehmers kann seinen Ersatzanspruch wie bei Verschuldenshaftung mindern (§ 1304), wobei jedoch auch das DHG – bzw uU das OrgHG – zu beachten ist (DRdA 1984, 32 Jabornegg; SZ 61/45; SZ 71/172; zum Verhältnis zum DHG etwa B. A. Oberhofer, Außenhaftung 123 ff). 9 Regelmäßig kein Ersatz gebührt bei Beschädigung auf der Fahrt zum
Arbeitsplatz, da dieser Schaden dem persönlichen Risikobereich zuzurechnen ist (9 ObA 49/91 Arb 10.923; anders wohl zu Recht JBl 1991, 329: als „Springerin“ eingesetzte Lehrerin). Gleiches gilt dann, wenn das dienstliche Risiko durch das Entgelt abgedeckt ist (Fitz, Risikozurechnung 89 f, 160 ff; B. A. Oberhofer, JBl 1995, 226 mwN), wofür die Zahlung des amtlichen Kilometergeldes beim Einsatz des Privat-Kfz allerdings nicht ausreicht (DRdA 1984, 32 Jabornegg). 10 Während beim Auftrag anerkanntermaßen auch Personenschäden
nach § 1014 ersatzfähig sein können (s nur 2 Ob 203/02w ZVR 2004/16; W. Faber, Risikohaftung 331 f), ist die Rechtslage für Arbeitsverhältnisse umstritten. Feststeht, dass das Dienstgeber-Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG dem § 1014 ABGB vorgeht (ZVR 2004/16; Kerschner in Tomandl, Haftungsprobleme 65 f ua). Dieses Privileg wird jedoch durch § 333 Abs 3 ASVG aufgehoben, soweit der Personenschaden des Arbeitnehmers durch eine Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt ist (W. Faber, JBl 2003, 673; Vonkilch, ZVR 2004, 49 f, jeweils mwN). Eine solche Deckung wird für Ansprüche nach § 1014 zum Teil bejaht (ZVR 2004/16 in Anschluss an Kerschner/Wagner, DRdA 2001, 570 ff und B.A. Oberhofer, ÖJZ 1994, 732 f; Kissich, ZVR 2005, 187 ff), zum Teil – wohl zu Recht – verneint (8 ObA 117/02t ZAS 2004, 88 Schmaranzer; 9 ObA 36/03i DRdA 2004, 346 Reissner; Apathy, JBl 2004, 755 ff; W. Faber, JBl 2003, 669; Helmich, ecolex 2003, 901; vermittelnd Vonkilch, ZVR 2004, 40). 11 Ansprüche aus der Risikohaftung verjähren nach hA im dienstver-
traglichen Bereich analog § 1486 Z 5 in drei Jahren (SZ 62/150; 9 ObA 184/95 JBl 1996, 404, dort auch gegen eine analoge Anwendung von § 6 DHG; B. A. Oberhofer, ZAS 1989, 54, mit Einschränkungen wegen § 6 DHG; Kerschner in Tomandl, Haftungsprobleme 60). Im eigentlichen Auftragsrecht müsste nach der damit gezogenen Parallele zum Aufwandersatz die Dreißigjahrefrist eingreifen (Rz 5 aE). Da es 1090
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um – wenn auch verschuldensunabhängige – Schadenersatzansprüche geht (s nur B. A. Oberhofer, ZAS 1989, 54 mwN), spricht allerdings viel dafür, eine Regelungslücke zu leugnen und generell die durchaus sachgerechte Vorschrift des § 1489 zur Anwendung zu bringen. Die in S 1 leg cit vorgesehene Dreijahrefrist würde dann regelmäßig sofort zu laufen beginnen, da der Schaden meist gleich nach seinem Entstehen bekannt wird und der Geschädigte auch den Ersatzpflichtigen (seinen Auftrag- bzw Dienstgeber) kennt. § 1015. Leidet der Gewalthaber bei der Geschäftsführung nur zufälligerweise Schaden; so kann er in dem Falle, daß er das Geschäft unentgeltlich zu besorgen übernahm, einen solchen Betrag fordern, welcher ihm bei einem entgeltlichen Vertrage zur Vergütung der Bemühung nach dem höchsten Schätzungswerte gebührt haben würde. Lit: F. Bydlinski, Die Risikohaftung des Arbeitgebers (1986); Dolp, Haften Gemeinden ihren Organen nach den §§ 1014 und 1015 ABGB? ÖJZ 1990, 46; Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit im fremden Interesse (1985); s auch bei § 1014.
§ 1015 enthält eine Billigkeitsregel, die dem unentgeltlich im fremden 1 Interesse tätigen Beauftragten über § 1014 hinaus verschuldensunabhängigen Schadenersatz gewährt; nämlich auch für solche Schäden, die zwar bei Auftragsdurchführung (ex occasione mandati), jedoch ohne Verwirklichung einer spezifischen Ausführungsgefahr (ex causa mandati) entstanden sind (DRdA 1984, 32 Jabornegg). Es handelt sich also grundsätzlich um den Bereich des allgemeinen Lebensrisikos, allerdings war der Auftrag kausal für den Schadenseintritt. Damit der Auftraggeber nicht schlechter steht als bei entgeltlicher Beauftragung – dann wären solche Schäden nach § 1014 gerade nicht zu ersetzen (GlU 8245) –, ist seine Ersatzpflicht mit dem fiktiven Entgelt begrenzt; und zwar mit jenem, das für derartige Aufträge an der Obergrenze des noch Angemessenen liegt ( Jabornegg, DRdA 1984, 38). § 1016. Überschreitet der Gewalthaber die Grenzen seiner Vollmacht; so ist der Gewaltgeber nur insofern verbunden, als er das Geschäft genehmigt, oder den aus dem Geschäfte entstandenen Vorteil sich zuwendet. Lit: Auer, Missbrauch der Vertretungsmacht im Handels- und Gesellschaftsrecht, GesRZ 2000, 138; P. Bydlinski, Der sogenannte „Missbrauch“ unbeP. Bydlinski
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§ 1016
schränkbarer Vertretungsmacht, FS F. Bydlinski (2002) 19; Eccher, Die Bankzeichnungsbefugnis in der OHG, RdW 1984, 66; M. Gruber, Die Vertretung der handelsrechtlichen Zweigniederlassung, in Schuhmacher/M. Gruber (Hrsg), Rechtsfragen der Zweigniederlassung (1993) 117; Iro, Banken und Wissenszurechnung, ÖBA 2001, 3 und 112; Koziol, Zurechnung ungetreuer Bankmitarbeiter (2004) 10 ff; ders, Risikoverteilung bei auftragswidrigem Handeln des Bevollmächtigten, FS Rey (2003) 427; Welser, Vertretung ohne Vollmacht (1970); Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht (1981); ders, Der Vollmachtsmißbrauch im Zivil-, Handels- und Gesellschaftsrecht, JBl 1985, 449; s auch bei § 1019.
1 Die §§ 1016 f betreffen das Außenverhältnis. Dabei blickt § 1016
mehr auf den Machtgeber, während § 1017 vor allem die Rechtsstellung des Dritten im Auge hat. § 1016 geht davon aus, dass der Handelnde im Zeitpunkt seines Agierens über keine ausreichende Vertretungsmacht verfügte; sei es, dass er zu wenig oder überhaupt keine Vollmacht hatte (zur Klärung dieser Vorfrage s § 1017 Rz 2 f, speziell zu Rechtscheinvollmachten § 1029 Rz 6 ff). 2 Primäre Konsequenz eines vollmachtlosen Auftretens ist die Unwirk-
samkeit der Vertretungshandlung (SZ 49/133; SZ 57/209; SZ 60/20): Die im fremden Namen abgegebene Willenserklärung des Scheinvertreters (falsus procurator) geht ins Leere, insb entsteht kein Vertrag; auch nicht mit dem Handelnden selbst, da dieser im fremden Namen aufgetreten ist (SZ 49/133; 1 Ob 563/93 HS 24.537). Da und so lange der unwirksam Vertretene die Möglichkeit der Sanierung des Vollmachtmangels hat (Rz 4), wird das Geschäft als schwebend unwirksam angesehen (RZ 1960, 63; SZ 52/50; 6 Ob 2328/96p ecolex 1997, 494 Wilhelm); s dazu insb § 865 Rz 6. Zur Haftung des Scheinvertreters § 1019. 3 Hat der Dritte bereits Leistungen erbracht, so steht ihm ein bereiche-
rungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zu (näher Vor §§ 1431– 1437 Rz 13), uU auch die Eigentumsklage (§ 366). 4 Ein Vollmachtmangel kann nachträglich saniert werden, was zu den
gleichen Folgen wie bei Handeln mit ausreichender Vertretungsmacht führt (Rückwirkung: ÖBA 1988, 601 Koziol; 1 Ob 191/02y GesRZ 2003, 38; 3 Ob 13/05s wbl 2006, 88). § 1016 unterscheidet zwei Arten (die nicht immer klar auseinander gehalten werden; vgl EvBl 1953/136; JBl 1983, 97 P. Bydlinski): Die „klassische“ Genehmigung erfolgt durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung des Machtgebers, die sowohl an den Dritten als auch an den Vertreter selbst gerichtet sein kann (SZ 49/133; JBl 1989, 107 Kömürcü-Spielbüchler). Eine solche Genehmigung ist stillschweigend (SZ 39/162; SZ 52/50; 1092
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§ 1016
SZ 57/12; JBl 1987, 60 W. Berger) und auch bei Insichgeschäften (§ 1017 Rz 5) möglich (5 Ob 223/00f RdW 2001, 83); Schweigen allein genügt regelmäßig nicht (JBl 1963, 219; HS 7096; Miet 28.104). Besonderen gesetzlichen Vorgaben für die Vollmacht muss jedoch auch die Genehmigung genügen (5 Ob 214/02k wobl 2003, 87; Schauer, NZ 1984, 188 f). Der Genehmigungserklärung gleichwertig ist die Vorteilszuwendung; eine Willensbetätigung (wbl 1988, 395; s auch § 859 Rz 9), die nach hA auf Seiten des „Machtgebers“ neben der Zuwendungshandlung zwingend einen Genehmigungswillen voraussetzt (Apathy/S Rz 6; P. Bydlinski, AT Rz 9/67 gegen Strasser/R §§ 1016, 1017 Rz 12). Dafür ist beim Machtgeber das Bewusstsein nötig, dass der konkrete Vorteil (zB eine erworbene Sache) aus einem in seinem Namen ohne ausreichende Vollmacht geschlossenen Geschäft stammt (RS0014363; zuletzt 6 Ob 127/05b EvBl 2006/51; zur Notwendigkeit der Kenntnis des Vertragsinhalts SZ 49/162; wbl 1988, 395). Von der Vollmachtüberschreitung streng zu unterscheiden ist der sog 5 Vollmachtmissbrauch. Wegen der – mehr oder weniger weit gehenden – rechtlichen Trennung der Vertretungsmacht vom Innenverhältnis (näher dazu § 1017 Rz 2) ist es denkbar, dass ein Machthaber zwar mit ausreichender Vertretungsmacht handelt, die Vornahme des konkreten Rechtsgeschäfts jedoch im Innenverhältnis pflichtwidrig ist. Da den Dritten das Innenverhältnis regelmäßig nichts angeht, kommt das Geschäft wirksam zustande (JBl 1989, 523 uva). Der Machtgeber ist auf Ersatzansprüche gegen seinen ungetreuen Machthaber beschränkt. Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist die Ausnahme und jedenfalls bei Kollusion anzunehmen; also bei absichtlichem Zusammenwirken von Machthaber und Drittem in der Absicht, den Machtgeber zu schädigen (SZ 52/90; 4 Ob 2298/96m ÖBA 1997, 377 Iro; 7 Ob 2350/96f RdW 1997, 594 Tichy). Ansonsten herrscht bereits in der Rspr keine einheitliche Linie. So wird einmal auf die Schädigungsabsicht des Machthabers (und dessen Kenntnis bzw Erkennbarkeit für den Vertreter) Wert gelegt (7 Ob 2343/96a Miet 49.0847; 7 Ob 108/97a RdW 1997, 655), dann wieder nicht (3 Ob 1043/95 HS 26.449, wo nicht einmal ein Bewusstsein des Vertreters von der Überschreitung interner Beschränkungen verlangt wird). Auf Seiten des Dritten wird für die Nichtzurechnung des Vertreterhandelns manchmal Kenntnis vom Missbrauch des Machtgebers verlangt (SZ 62/218), aber auch grobe Fahrlässigkeit (RdW 1997, 655) oder Erkennbarkeit schlechthin (HS XXVI/1; HS 26.449) für ausreichend angesehen. Dem Problem kommt bei den unbeschränkbaren Vollmachten des Unternehmensrechts (s § 1017 Rz 3) besondere Bedeutung zu (vgl 6 Ob 1731/95 wbl 1996, 288; 4 Ob 2078/96 JBl 1997, 108 Hügel; 5 Ob P. Bydlinski
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164/99z ÖBA 2001, 242 Bollenberger; ausführliche Entscheidungsnachweise bei Auer, GesRZ 2000, 139; P. Bydlinski, FS F. Bydlinski 25 ff), weil ansonsten im Ergebnis ohnehin eine weitgehende Annäherung der Vollmachtreichweite an die Beschränkungen im Innenverhältnis möglich ist (Wilhelm, Vertretung 104 ff; ders, JBl 1985, 455 ff; s auch § 1017 Rz 2). Da es um die Abwägung der gegenläufigen Interessen von Machtgeber und Drittem geht, sollten subjektive Momente beim Machthaber von vornherein keine Rolle spielen. Vielmehr ist eine unwirksame Vertretungshandlung im Wege teleologischer Reduktion der Verkehrsschutz bezweckenden Unbeschränkbarkeitsregeln (schon) dann zu bejahen, wenn der Vertreter interne Schranken verletzt hat und dies dem Dritten bei Geschäftsabschluss bekannt war (P. Bydlinski, FS F. Bydlinski 30 ff, insb 44). Die Grundsätze der Vollmachtmissbrauch-Lehre wendet der OGH auch in einem komplizierten Fall zu Lasten der beteiligten Bank an, in dem bloß deren wissentlich weisungswidrig handelnder Gehilfe bevollmächtigt war (10 Ob 17/04d ÖBA 2006, 53 = ecolex 2005, 911 M. Leitner). in Rücksicht eines Dritten; § 1017. Insofern der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht den Gewaltgeber vorstellt, kann er ihm Rechte erwerben und Verbindlichkeiten auflegen. Hat er also innerhalb der Grenzen der offenen Vollmacht mit einem Dritten einen Vertrag geschlossen; so kommen die dadurch gegründeten Rechte und Verbindlichkeiten dem Gewaltgeber und dem Dritten; nicht aber dem Gewalthaber zu. Die dem Gewalthaber erteilte geheime Vollmacht hat auf die Rechte des Dritten keinen Einfluß. Lit: S bei §§ 1009, 1016.
1 § 1017 stellt die Rechtsposition des Dritten in den Vordergrund, regelt
also das Außenverhältnis. S 1 und 2 enthalten den zentralen stellvertretungsrechtlichen Grundsatz, dass das rechtsgeschäftliche Handeln des Machthabers mit ausreichender Vertretungsmacht (dazu Rz 2) für den Machtgeber die gleichen Konsequenzen hat wie dessen eigenes Agieren. Zugleich folgt daraus, dass das in Vertretung, also im Namen des Machtgebers getätigte Rechtsgeschäft dem handelnden Machthaber weder Rechte noch Pflichten gegenüber dem Dritten verschafft. Zur „geheimen“ Vollmacht des S 3 Rz 9. 2 Zentrale Vorfragen sind Existenz und Reichweite der vom Handeln-
den behaupteten Vollmacht, die im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe bestehen muss (8 Ob 523/94 SZ 67/106; Apathy/S Rz 3). Im Bereich 1094
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rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung sind beide Fragen durch Auslegung der vom Machtgeber abgegebenen Erklärung zu beantworten (Gleiches gilt für die nachträgliche Genehmigung bei zunächst vollmachtlosem Handeln, dazu § 1016 Rz 7; zur nachträglichen rückwirkenden Beseitigung einer Vollmacht durch Anfechtung § 1020 Rz 5). Daraus ergibt sich etwa, dass eine Vollmacht mit Erledigung des Geschäfts, für das sie erteilt wurde, erlischt (EvBl 1956/346). Generell ist zu beachten, dass die Vollmacht aus Verkehrsschutzgründen grundsätzlich abstrakt, also vom konkreten Innenverhältnis losgelöst ist: Der Dritte hat in dieses Verhältnis keinen Einblick und wird daher bereits dann geschützt, wenn er sich allein an der Vollmacht orientiert (SZ 42/5; Miet 35.622; SZ 58/123). Die Reichweite schriftlicher Vollmachten ist daher unzweifelhaft aus dem Horizont des Dritten zu beurteilen; doch muss sie ganz generell – also auch bei bloß mündlicher Bevollmächtigung – nach redlicher Verkehrsübung unter Berücksichtigung von Gegenstand und Natur des Geschäfts (§ 1029 S 1) beurteilt werden (HS II/73; SZ 42/5; SZ 51/6). Die Abstraktion der Vertretungsmacht vom Innenverhältnis ist jedoch in mehrfacher Weise abgeschwächt. Da der Dritte bei bloßer Innenbevollmächtigung (§ 1002 Rz 9) nur auf die Erklärungen des Vertreters vertraut, darf er auch nicht damit rechnen, dass die Vollmacht weiter reicht als der ihr zugrunde liegende Auftrag (3 Ob 550/94 SZ 67/124; Apathy/S § 1002 Rz 3; Wilhelm, Vertretung 61 ff). Anderes gilt bei Außenbevollmächtigung (§ 1002 Rz 9); sei es, dass die Bevollmächtigung unmittelbar dem Dritten erklärt wird, sei es, dass der Machthaber eine vom Machtgeber stammende Vollmachturkunde vorlegt (SZ 34/176; Stanzl/K IV/1, 881; ähnlich Apathy/S § 1028 Rz 1; zur Bedeutung der Urkunde s auch § 1028 Rz 1). Doch sogar für diesen Bereich wird vertreten, dass die Wirkungen der Vertretungshandlung analog § 871 beseitigt werden können, wenn dem Dritten der Verstoß gegen Beschränkungen im Innenverhältnis offenbar auffallen musste oder wenn der Machtgeber den Dritten rechtzeitig über die Pflichtwidrigkeit des Vertreterhandelns aufgeklärt hat (Wilhelm, Vertretung 104 ff; ders, JBl 1985, 455 ff; ferner etwa Krejci, GesRZ 1984, 150). Diesem Ansatz ist die Judikatur aber (bisher) nicht gefolgt. Stärker ausgeprägt ist die Abstraktion bei von Gesetzes wegen unbe- 3 schränkbaren Vollmachten, da in diesen Fällen vom Gesetzgeber ein weiter reichender Verkehrsschutz beabsichtigt ist (SZ 52/90; SZ 56/7; JBl 1986, 377), so dass etwa bloße Fahrlässigkeit dem Dritten nicht schadet (näher § 1016 Rz 8). Gewisse Besonderheiten sind schließlich bei von Gesetzes wegen ob- 4 jektivierten Vollmachten zu beachten. So wird die von einem UnterP. Bydlinski
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§ 1017
nehmer erteilte Vollmacht gegenüber Verbrauchern auf alle dabei gewöhnlich vorkommenden Rechtshandlungen bezogen (§ 10 Abs 1 S 1 KSchG). Erklärungen des Unternehmers, die diese Reichweite einschränken, sind nur unter bestimmten, in § 10 KSchG genannten Voraussetzungen beachtlich, wobei sich dort auch detaillierte Regelungen zu den Rechtsfolgen finden. 5 An Grenzen stößt eine Vollmacht, wenn von ihr „an sich“ erfasste
Geschäfte typischerweise mit Nachteilen bzw Gefahren für den Machtgeber verbunden sind. Aus diesem Grund sind Insichgeschäfte (Selbstkontrahieren = Abschluss als Vertreter mit sich selbst) und Doppelvertretungen (Abschluss als Vertreter beider Vertragsteile) unwirksam (zum Innenverhältnis bereits § 1009 Rz 3), wenn und soweit eine Interessenkollision ernsthaft droht (zur gesetzlichen Vertretung s §§ 271 f; zum Insichgeschäft JBl 1984, 315; NZ 1988, 54; 5 Ob 119/92 NZ 1993, 43 Hofmeister 46; anders die ältere Rspr, s etwa SZ 44/141; zur Doppelvertretung 5 Ob 70, 71/90 ecolex 1991, 96 Reich-Rohrwig = NZ 1991, 109 Hofmeister 111; s auch die Diskussionsnachweise bei Apathy/S § 1009 Rz 14 f). Fehlt die Gefahr einer Interessenkollision, wie etwa bei zum Markt- bzw Börsenpreis getätigten Geschäften (SZ 54/20; s auch §§ 400 Abs 1, 412 Abs 1 UGB), beim für den Machtgeber bloß vorteilhaften Insichgeschäft (vgl SZ 54/20; dazu Dullinger, RZ 1986, 202) oder bei entsprechender Zustimmung des Machtgebers bzw der Machtgeber (SZ 54/57; EvBl 1983/39), bestehen hingegen keine Gültigkeitsbedenken (2 Ob 126/04z GesRZ 2005, 136 mwN). Allerdings bedarf das Insichgeschäft einer Äußerung – und damit Dokumentation – des Abschlusswillens dergestalt, dass es nicht ohne weiteres unbemerkt wieder zurückgenommen werden kann (SZ 51/115; EvBl 1983/39; RdW 1986, 39 ua). Dass bestimmte Geschäfte wie die Errichtung und Durchführung von Verträgen durch Anwälte oder Notare für zwei oder mehrere von ihnen vertretene Parteien erfolgen, ist unbedenklich, da vom Willen dieser Personen gedeckt (7 Ob 13/90 RdW 1990, 375). 6 Schließlich kann Stellvertretungsrecht ausnahmsweise sogar dann
eingreifen, wenn eine Bevollmächtigung fehlt, jedoch ein entsprechender Rechtsscheintatbestand vorliegt (näher dazu § 1029 Rz 6 ff). Auch der Umfang einer solchen Rechtsscheinvollmacht orientiert sich an objektiven Kriterien. 7 Dafür, dass alle Voraussetzungen des wirksamen Handelns für einen
anderen, also insb ausreichende Vertretungsmacht, vorlagen, trägt derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft (EvBl 1981/168; JBl 1987, 60; 8 Ob 531/90 RdW 1990, 342; 3 Ob 120/95 RdW 1996, 468). 1096
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1017
Das ist regelmäßig der Dritte; uU aber auch der Vertreter, der wegen falsa procuratio auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Kommt der Vertrag mit dem Machtgeber zustande, stellt sich die Fra- 8 ge, auf welche Person – den Machtgeber oder den Machthaber – es ankommt, wenn das Gesetz subjektive Momente bei einem Vertragsteil verlangt; so etwa Redlichkeit für den Gutglaubenserwerb (SZ 50/91), Verschulden für die culpa in contrahendo oder Irrtum bzw arglistige Herbeiführung eines Irrtums für die Anfechtung. Da der Machthaber den rechtsgeschäftlichen Willen gebildet und erklärt hat, kann es nur um ihm unterlaufene Willensmängel gehen (Miet 36.078; 6 Ob 281/00t Miet 52.083); ein daraus resultierendes Anfechtungsrecht steht aber dem Machtgeber als dem Vertragspartner des Dritten zu (Apathy/Riedler/S § 870 Rz 14; P. Bydlinski, AT Rz 9/72; Strasser/R § 1018 Rz 10 f). Umgekehrt führt Irrtumsveranlassung bzw listige Irreführung durch den Machthaber zu einem Anfechtungsrecht des Dritten gegenüber dem Machtgeber (SZ 32/77; JBl 1963, 428; SZ 52/34); umso mehr, wenn ausnahmsweise der Machthaber (= späterer Vertragspartner) selbst den Irrtum verursacht hat (HS X/XI/21). Für den Ausschluss der Gewährleistung nach § 928 bzw wegen Kenntnis des „Mangels“ bei Vertragsschluss reicht Kenntnis des Machthabers aus (SZ 41/182), wie dessen Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis dem Machtgeber überhaupt zuzurechnen ist (SZ 36/25 = VersR 1964, 1059 Wahle; SZ 37/16; SZ 52/167; zur Wissenszurechnung ausführlich Iro, ÖBA 2001, 4 ff, insb 7 f) Allerdings können auch subjektive Momente, die allein beim Machtgeber vorliegen, zu seinen Lasten ausschlagen; so die vorweg vorhandene Kenntnis von negativen Eigenschaften der Kaufsache im Gewährleistungsrecht oder Schlechtgläubigkeit beim Erwerb vom Nichteigentümer (P. Bydlinski, AT Rz 9/73; Iro, Besitzerwerb 109 ff). Der Lauf der kurzen Verjährung des § 1489 wird ausgelöst, sobald (aktueller) Machthaber oder Machtgeber Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt haben (SZ 61/156: gesetzlicher Vertreter eines Entmündigten). Für die schuldhafte Verletzung (vor-) vertraglicher Nebenpflichten durch den Machthaber haftet der Machtgeber nach § 1313a (SZ 52/90; 5 Ob 506/96 JBl 1997, 37). Zu den Voraussetzungen einer Eigenhaftung des Machthabers § 1313a Rz 10. Mit der für den Dritten irrelevanten „geheimen Vollmacht“ (S 3) 9 wird auf Fälle Bezug genommen, in denen zwar ein konkretes Innenverhältnis vorliegt, jedoch keine echte Stellvertretung geplant ist: Allein die Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem, dass auf Rechnung des Auftraggebers – jedoch im eigenen Namen – gehandelt werden solle („mittelbare Stellvertretung“, s § 1002 Rz 5), bleibt für den Dritten ohne rechtliche Bedeutung (EvBl 1956/269; P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1018
EvBl 1979/133). Gleiches gilt für die Ermächtigung (§ 1002 Rz 2), sofern es nicht um eine gerade auf das Außenverhältnis bezogene Verfügungsermächtigung (dazu § 442 Rz 2; F. Bydlinski, JBl 1967, 356) geht (Apathy/S Rz 11 mwN). Der Grundgedanke des S 3, wonach reine Interna für den Dritten grundsätzlich unbeachtlich sind, stützt auch die Lehre von der Abstraktheit der Vollmacht (Rz 2 f). 10 Der OGH greift in ständiger Rspr auch bei Versicherungsverträgen
zugunsten Dritter auf § 1017 zurück (seit SZ 2/98; zuletzt 5 Ob 119/01p Miet 53.353), was nicht überzeugt, weil die Norm nur das Handeln in fremdem Namen betrifft. Der Herausgabeanspruch des begünstigten Hauseigentümers gegen den Verwalter, der als Versicherungsnehmer aufgetreten ist und die Versicherungssumme kassiert hat, ergibt sich vielmehr ohne weiteres aus der auftragsrechtlichen Norm des § 1009. § 1018. Auch in dem Falle, daß der Gewaltgeber einen solchen Gewalthaber, der sich selbst zu verbinden unfähig ist, aufgestellt hat, sind die innerhalb der Grenzen der Vollmacht geschlossenen Geschäfte sowohl für den Gewaltgeber, als für den Dritten verbindlich. Lit: Dullinger, Zur Prozessfähigkeit minderjähriger und geistig behinderter Personen, RZ 1989, 6; Ostheim, Probleme der Vertretung durch Geschäftsunfähige, AcP 169 (1969) 193; Welser, Die Neuordnung der Geschäftsfähigkeit und ihre Problematik, VR 1973, 146.
1 § 1018 betrifft das Außenverhältnis. Er ordnet an, dass von einem
Machthaber getätigte Geschäfte auch dann wirksam sind, wenn der Machthaber in seiner Geschäftsfähigkeit eingeschränkt ist und daher ein entsprechendes Eigengeschäft nicht hätte schließen können. Grund dafür ist, dass der Machthaber durch sein Handeln nur den Machtgeber, nicht aber sich selbst verpflichtet. Daher soll der Machtgeber selbst entscheiden können, ob er die Vertretung durch eine nicht voll geschäftsfähige Person will. Allerdings greift die Norm aus Drittschutzgründen auch dann ein, wenn sich der Machtgeber bei der Bevollmächtigung über die Geschäftsfähigkeit des Machthabers irrte (P. Bydlinski, AT Rz 9/22; Ostheim, AcP 169, 224; Welser, Vertretung 122 ff; zur Anfechtung der Bevollmächtigung wegen Irrtums § 1020 Rz 5). Zum nachträglichen Wegfall der (vollen) Geschäftsfähigkeit § 1022 Rz 6. 2 Da der Machthaber einen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen bilden
und erklären muss (§ 1002 Rz 6), kommt ein vollkommen Geschäftsunfähiger als Vertreter nicht in Betracht (ZBl 1928/235). Daher ist 1098
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1019
nach ganz hA beschränkte Geschäftsfähigkeit zu verlangen (K/W I 201); der in § 865 S 1 genannte Personenkreis scheidet also aus (Strasser/R Rz 1), sofern es nicht um die Vertretung bei Rechtsgeschäften geht, die § 151 Abs 3 unterfallen (Welser, VR 1973, 154). Aufgrund strengerer Sonderregelung reicht beschränkte Geschäftsfähigkeit aber uU nicht aus; so bei der gesetzlichen Vertretung Minderjähriger (s § 145a) oder der Prozessvertretung (§ 29 Abs 1 ZPO). § 1018 erfasst nicht den Auftragsvertrag. Ob die Beteiligten für des- 3 sen Abschluss ausreichende Eigengeschäftsfähigkeit haben bzw was für eine wirksame Vertretung eines Minderjährigen bzw geistig Behinderten bei Abschluss des Auftragsverhältnisses nötig ist, muss nach allgemeinem Geschäftsfähigkeitsrecht (§§ 865, 151 ff, 268, 280) entschieden werden. Gesetzlich ungeregelt ist die auf Seiten des Machtgebers nötige Ge- 4 schäftsfähigkeit. Nach überwiegender Ansicht reicht beschränkte Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers aus, soweit zu Geschäften bevollmächtigt wird, die er selbst abschließen könnte (SZ 28/259; Dullinger, RZ 1989, 7; aA Strasser/R Rz 7). Aus Gründen des Übereilungsschutzes sollte jedoch die Notwendigkeit einer Spezialvollmacht (§ 1008 Rz 4) erwogen werden (P. Bydlinski, AT Rz 9/21). § 1019. Ist der Gewalthaber zu dem von ihm geschlossenen Geschäft nicht oder nicht ausreichend bevollmächtigt, so ist er, wenn der Gewaltgeber weder das Geschäft genehmigt noch sich den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil zuwendet (§ 1016), dem anderen Teil zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser im Vertrauen auf die Vertretungsmacht erleidet. Der Gewalthaber haftet jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, das der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrages hat. [BGBl I 2005/120] Lit: P. Bydlinski, Zu ausgewählten Änderungsvorschlägen im Bereich des Handelsgeschäftsrechts, in Harrer/Mader (Hrsg), Die HGB-Reform in Österreich (2005) 57; Kerschner, Gedanken zur Haftung des falsus procurator nach Handelsrecht, JBl 2003, 901; Krejci, Abschied von der falsus-procurator-Haftung nach Art 8 Nr 11 EVHGB, FS Welser (2004) 559.
Die Norm regelt erstmals deutlich die Haftung des Scheinvertreters; 1 und zwar einheitlich für Privat- und für Unternehmensgeschäfte. Die bisher für bestimmte Fälle gesetzlich vorgesehene „Garantiehaftung“ auf das Erfüllungsinteresse – also für einen vom Scheinvertreter gar nicht verursachten Schaden – wurde mit dem HaRÄG abgeschafft. Sie P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1019
könnte sich daher bloß aus einer gesonderten rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Vertreters selbst ergeben. 2 Hat der Dritte zu Unrecht auf das Vorhandensein ausreichender Voll-
macht und damit auf ein wirksames Geschäft vertraut, haftet ihm der Scheinvertreter gemäß S 1 für alle Vertrauensschäden, also für solche Nachteile, die ihm aufgrund seines enttäuschten Vertrauens entstanden sind (näher Schauer/RK Rz 4). Voraussetzung dafür ist, dass dem Scheinvertreter das Nichtausreichen seiner Vollmacht für das betreffende Geschäft erkennbar war und er es schuldhaft unterlassen hat, den Dritten auf den Vollmachtmangel hinzuweisen (JBl 1978, 32; SZ 55/84; JBl 1985, 616 Hügel). Kenntnis des Dritten vom Vollmachtmangel schließt die Haftung aus (EvBl 1956/346; SZ 52/11); cic ist aber wohl auch in diesem Fall zu bejahen, wenn der Scheinvertreter die nachträgliche Genehmigung zu Unrecht als sicher darstellte. Eigene Sorglosigkeit des Dritten wird gemäß § 1304 berücksichtigt (Welser, Vertretung 150 ff). § 878 S 3 (Kulpakompensation) ist nicht analog anwendbar (SZ 54/94; 7 Ob 28/95 ZVR 1996/98; Kerschner, Irrtumsanfechtung 118 f; Welser, aaO ua; anders bei gleichem Verschuldensgrad etwa Reischauer/R Vor §§ 918–933 Rz 16a). Kannte der Scheinvertreter den Mangel seiner Vollmacht, wird Fahrlässigkeit des Dritten hingegen zu keiner Einschränkung der Ersatzpflicht führen (vgl § 1304 Rz 4). 3 S 2 verallgemeinert die früher nur im Handelsrecht (Art 8 Nr 11 Abs 2
4. EVHGB) verankerte Regel, wonach der geschädigte Dritte nie mehr verlangen kann, als wenn der Vertrag wirksam gewesen und durchgeführt worden wäre. Das hypothetische Erfüllungsinteresse stellt damit die Obergrenze der Haftung des Scheinvertreters dar. Das bedarf allerdings bereits de lege lata der Einschränkung: So sind (Integritäts-)Schäden, die auch bei Gültigkeit des Geschäfts entstanden wären, nicht mit zu berücksichtigen (Welser, Vertretung 144 ff; Koziol, HPR I3 Rz 2/97 f; schon zum neuen Recht idS Thunhart, Zak 2006, 429). Problematisch ist die Mitberechnung von Aufwendungen, die nur wegen der Vertragsunwirksamkeit frustriert sind. Bsp: Kauf eines wertvollen Gemäldes (zu einem angemessenen Preis), dessen Unwirksamkeit wegen Vertretungsmangels sich erst nach Installierung teurer Klima- und Alarmanlagen herausstellt. – Die Begrenzung des Ersatzes mit dem hypothetischen Erfüllungsinteresse kann (per analogiam) auch in anderen Fällen der Vertragsunwirksamkeit beachtlich sein; zB dann, wenn einem Vertragsteil die Nichtaufklärung über Formgebote vorgeworfen werden kann. 4 Zwar keine rechtsgeschäftliche Bindung, wohl aber eine Haftung des
„Machtgebers“ (Geschäftsherrn) gegenüber dem Dritten für den vom 1100
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1020
Scheinvertreter verschuldeten Schaden kommt nach § 1313a dann in Betracht, wenn der Scheinvertreter zumindest als Verhandlungsgehilfe anzusehen ist. Auflösung des Vertrages durch den Widerruf; § 1020. Es steht dem Machtgeber frei, die Vollmacht nach Belieben zu widerrufen; doch muß er dem Gewalthaber nicht nur die in der Zwischenzeit gehabten Kosten und den sonst erlittenen Schaden ersetzen; sondern auch einen der Bemühung angemessenen Teil der Belohnung entrichten. Dieses findet auch dann statt, wenn die Vollendung des Geschäftes durch einen Zufall verhindert worden ist. Lit: F. Bydlinski, Letztwillige Verwaltungsanordnungen, JBl 1981, 72; Herz, Die unwiderrufliche Vollmacht, JBl 1952, 505.
§ 1020 erfasst Auftrag und Vollmacht. Die Vollmacht kann grundsätz- 1 lich ebenso frei widerrufen werden, wie sie erteilt wurde (6 Ob 263/00w ÖBA 2002, 328; s etwa auch § 52 Abs 1 UGB oder § 16 Abs 1 GmbHG). Und auch die Durchführung des Auftrags liegt allein im Interesse des Auftraggebers, weshalb es sich dieser jederzeit wieder anders überlegen kann; allerdings mit finanziellen Konsequenzen (Rz 2). Der Widerruf ist formfrei, daher auch stillschweigend möglich (8 ObA 221/00h ARD 5365/18/2002: Abnahme aller Firmenschecks ist konkludenter Vollmachtwiderruf); er wird mit Zugang der entsprechenden Erklärung wirksam, wirkt also nicht zurück. Der Widerruf einer Vollmacht erfasst im Zweifel auch den dahinter stehenden Auftrag (Schey, Obligationsverhältnisse 684) und umgekehrt (Stanzl/K IV/1, 866; Strasser/R § 1020–1026 Rz 8b), nicht aber etwa einen Dienstvertrag. Widerruf des Auftrags führt zum Wegfall aller Ausführungspflichten 2 des Beauftragten, sofern nicht ausnahmsweise eine Fortsetzungspflicht besteht (§ 1025). Nach vollständiger Auftragserledigung geht ein Widerruf ins Leere (HS 618; SZ 42/51). Der Widerruf hat keinen Einfluss auf den Umfang des Aufwandersatzspruchs. Die vom Beauftragten in Ausführung des Auftrags bereits zweckmäßig getätigten Aufwendungen sind daher vollständig zu ersetzen; Gleiches gilt für die in § 1014 vorgesehenen Schadenersatzansprüche. Diese Ansprüche, aber auch solche des Auftraggebers (Herausgabe, Rechnungslegung), werden mit Wirksamwerden des Widerrufs fällig (Apathy/S Rz 10), sofern die Fälligkeit nicht bereits früher eingetreten ist (s etwa § 1014 Rz 5). Mit Beendigung des Auftragsverhältnisses wird auch der (anteilige) angemessene Entgeltsanspruch fällig, über dessen Umfang insb die vom Beauftragten bereits vorgenommenen AusführungsP. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1020
handlungen entscheiden (SZ 18/59; Miet 20.089). Aufgrund besonderer Vereinbarung darüber hinaus gehende Provisionsansprüche unterliegen nach der Rspr, da konventionalstrafenähnlich, der Mäßigung nach § 1336 Abs 2 (SZ 25/90; EvBl 1962/6). 3 All diese Ansprüche stehen dem Beauftragten nicht nur bei Widerruf
durch den Auftraggeber, sondern gemäß S 2 auch dann zu, wenn der Auftrag infolge zufälligen Unmöglichwerdens gemäß § 1447 erlischt (6 Ob 509/96 ÖBA 1997, 198 Bollenberger 139; Stanzl/K IV/1, 869). 4 § 1020 ist nicht zwingend; daher können in gewissem Rahmen für
Auftrag und Vollmacht Einschränkungen der freien Widerruflichkeit vereinbart werden (Miet 18.101; Miet 38.092; 2 Ob 598/94 RdW 1995, 178; 1 Ob 160/00m RdW 2001, 144). Um die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Machtgebers nicht über Gebühr einzuschränken, macht die Rspr jedoch mehrere Vorgaben: Zum einen darf das Widerrufsrecht nur für eine angemessene Frist suspendiert sein (JBl 1966, 364; Miet 38.092; zu lange Fristen werden reduziert: HS XII/14); zum anderen bedarf es eines rechtfertigenden Grundes wie etwa eines Eigeninteresses des Machthabers an der Durchführung des Geschäfts (SZ 27/211; SZ 43/37; 8 Ob 125/98k ÖBA 1999, 568; RdW 2001, 144). Bei Gefährdung des Vertragszwecks kann das Widerrufsrecht des Einzelnen von vornherein fehlen; so insb bei der mehrseitigen Treuhand, bei der Gestaltungsrechte nur von bzw gegenüber allen ausgeübt werden können (LGZ Wien 42 R 176/92 EvBl 1993/2; s auch § 888 Rz 2), oder hinsichtlich eines durch die Mehrheit (§ 836) bestellten Miteigentumsverwalters (SZ 13/65; Miet 30.147; Miet 40.649). Trotz an sich wirksam vereinbarter Unwiderruflichkeit kommt allerdings ein Widerruf aus wichtigem Grund in Betracht (EvBl 1959/3; SZ 43/37; Miet 31.528; EvBl 1988/5). Auch gesetzliche Abweichungen sind möglich. So wird etwa § 21 WEG 2002 als lex specialis zu §§ 1020 f angesehen (5 Ob 115/05f wobl 2005, 353 Call). 5 Eine bereits in Ausübung von Vertretungsmacht vorgenommene
Handlung des Machthabers kann vom Machtgeber einseitig nicht mehr rückgängig gemacht werden (SZ 38/154; DRdA 1984, 460 Schauer). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn dem Machtgeber bei der Bevollmächtigung ein an sich relevanter Willensmangel unterlaufen ist. Zwar käme die ex tunc wirkende Anfechtung der Bevollmächtigung (zur Anfechtung des bereits mit einem Dritten getätigten Rechtsgeschäfts § 1017 Rz 8) grundsätzlich in Frage, da auch einseitige Rechtsgeschäfte durch Anfechtung beseitigt werden können (§ 876). Dem steht jedoch die Drittbezogenheit der Bevollmächtigung und damit das Vertrauensschutzbedürfnis des Dritten entgegen. Damit spre1102
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1021
chen jedenfalls bei Außenvollmachten die überwiegenden Argumente dafür, die – gegen den Dritten zu richtende – Anfechtung nur dann zuzulassen, wenn die Anfechtungsvoraussetzungen (List, rechtzeitige Aufklärung uÄ) auch in der Person des Dritten erfüllt sind (Rummel/R § 871 Rz 1 mwN). Bei bloßer Innenbevollmächtigung sollte man hingegen eine erleichterte Anfechtung (gegenüber dem Machthaber) befürworten, da es aus der Sicht des Dritten keinen Unterschied macht, ob die – ihm gegenüber niemals nachgewiesene – Vollmacht von vornherein nicht bestand oder nachträglich mit Rückwirkung beseitigt wurde (P. Bydlinski, AT Rz 9/33; aA Welser, Vertretung 202 f). die Aufkündung; § 1021. Auch der Machthaber kann die angenommene Vollmacht aufkünden. Wenn er sie aber vor Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen, oder vermöge der allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes aufkündet; so muß er, dafern nicht ein unvorhergesehenes und unvermeidliches Hindernis eingetreten ist, allen daraus entstandenen Schaden ersetzen. Lit: S bei § 1002.
§ 1021 regelt das Kündigungsrecht des Beauftragten. Die Norm 1 spricht in S 1 von der „angenommenen“ Vollmacht und erfasst damit das Auftragsverhältnis. Allein auf die Vollmacht ist er keinesfalls zu beziehen: Zum einen deshalb, weil die Rechtsfolge (Schadenersatzpflicht) nur an eine Pflichtverletzung geknüpft werden kann, die ein bloß Bevollmächtigter, aber nicht auch Beauftragter niemals verantworten muss (anders nach manchen dann, wenn von der Vollmacht bereits Gebrauch gemacht wurde; s Strasser/R § 1009 Rz 1, §§ 1020– 1026 Rz 9). Zum anderen braucht ein nur Bevollmächtigter von seiner Rechtsmacht keinen Gebrauch zu machen, so dass ihn die Vollmacht ohnehin nicht belastet, was eine besondere Befreiungsmöglichkeit unnötig macht (vgl SZ 1/49). Dass der Beauftragte das Auftragsverhältnis jederzeit durch Kündi- 2 gung beenden kann, ist – zumal bei Entgeltlichkeit – alles andere als selbstverständlich (zur Abdingbarkeit dieses Rechts 5 Ob 306/02i EvBl 2003/117). Der Gesetzgeber sieht den Auftrag offenbar als besonderes Vertrauensverhältnis an und hält die dabei zentrale Wahrung der Auftraggeberinteressen bereits dann für ernsthaft gefährdet, wenn der Beauftragte den übernommenen Auftrag in der Folge doch nicht ausführen will (vgl Schey, Obligationsverhältnisse 691; Zeiller III/1, 300). Daher wird im ersten Schritt die Kündigung durch den P. Bydlinski
1103
Bevollmächtigung
§ 1022
Beauftragten akzeptiert, die zum Wegfall seiner Ausführungspflicht führt (zu Ausnahmen s § 1025). Dennoch ist dieses Verhalten an sich auftragswidrig, so dass im zweiten Schritt der Beauftragte nach S 2 grundsätzlich für alle Nachteile einzustehen hat, die dem Auftraggeber aus diesem Verhalten erwachsen (JB 238; RZ 1969, 69). 3 Der wenig geglückte S 2 lässt zunächst die Selbstverständlichkeit er-
kennen, dass nach vereinbarungsgemäßer und vollständiger Auftragsdurchführung Ersatzpflichten nicht in Frage kommen; für diese Konstellation ist eine Aufkündigung aber ohnehin unnötig. Ansonsten, also auch bei noch nicht einmal begonnener Geschäftsbesorgung (Apathy/S Rz 2 gegen Schey, Obligationsverhältnisse 691 f), haftet der Beauftragte bei ihm vorwerfbarer, also verschuldeter Kündigung auf das Erfüllungsinteresse. Für unvorhersehbare oder unvermeidbare Hindernisse, für deren Vorliegen den Beauftragten die Beweislast trifft, hat dieser nicht einzustehen. Diese Voraussetzung wird eng verstanden (Apathy/S Rz 2 ua). Bei Unmöglichkeit der Ausführung aus derartigen Gründen bedarf es aber wohl von vornherein keiner Kündigung, sondern allenfalls einer entsprechenden Mitteilung an den Auftraggeber, da der Auftragsvertrag bereits gemäß § 1447 dahinfällt (s dort Rz 1). Waren die Hindernisse hingegen für den Beauftragten vorhersehbar, hat er bloß – aber immerhin – Informationspflichten verletzt und daher nur für jene Schäden einzustehen, für die die Nichtinformation ursächlich war (Schey, Obligationsverhältnisse 693 FN 61; Strasser/R §§ 1020–1026 Rz 13). 4 Ob und in welcher Höhe dem Beauftragten nach Aufkündigung Ent-
gelt zusteht, hängt von den Vorteilen ab, die seine Tätigkeit dem Auftraggeber verschafft hat (Stanzl/K IV/1, 869). Anders als bei Widerruf durch den Auftraggeber (§ 1020 Rz 2) sind bereits getätigte Aufwendungen nur so weit zu ersetzen, wie sie dem Auftraggeber noch von Nutzen sind. Verschuldensunabhängige Schadenersatzansprüche (§ 1014 Rz 7 ff) sind dem vertragsbrüchigen Beauftragten nicht zu gewähren (aA wohl Apathy/S Rz 3). 5 Keine nachteiligen Folgen treten für den Beauftragten dann ein, wenn
er den Vertrag zulässigerweise aus wichtigem Grund auflöst; ebenso wenig bei (ordentlicher) Kündigung eines Dauer-Geschäftsbesorgungsverhältnisses unter Einhaltung einer angemessenen Frist (GesRZ 1980, 90). den Tod; § 1022. In der Regel wird die Vollmacht sowohl durch den Tod des Gewaltgebers als des Gewalthabers aufgehoben. Läßt sich aber das 1104
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1022
angefangene Geschäft ohne offenbaren Nachteil der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers; so hat der Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden. Lit: Apathy, Der Auftrag auf den Todesfall, JBl 1976, 393; F. Bydlinski, Letztwillige Verwaltungsanordnungen, JBl 1981, 72; Lehner, Treuhand und Liegenschaftsverkehr, NZ 1986, 121.
Die Auslegungsregel des § 1022 betrifft Außen- und Innenverhält- 1 nis. „In der Regel“, also mangels abweichender Vereinbarung, enden – auch unwiderruflich erteilte (Miet 36.096) – Vollmachten und Aufträge nach S 1 mit dem Tod eines Beteiligten (JBl 1947, 41; SZ 26/164; Miet 36.096). Zu möglichen Fortsetzungspflichten trotz Erlöschens s § 1025. Für den Tod des Beauftragten bzw Bevollmächtigten ist dieser 2 Grundsatz der Unvererblichkeit wegen der besonderen Vertrauensbeziehung beinahe selbstverständlich. Er greift nach der Rspr auch dann ein, wenn für den verstorbenen Rechtsanwalt-Treuhänder ein mittlerweiliger Stellvertreter bestellt wurde (SZ 49/25; wohl zu Unrecht krit Pfersmann, ÖJZ 1979, 566; Stölzle, AnwBl 1979, 300). Anderes gilt bei Tod eines von mehreren Beauftragten, wenn der Auftrag auch ohne Mitwirkung des Verstorbenen durchgeführt werden kann (3 Ob 55/98d SZ 71/95: Beauftragung einer Anwaltssozietät). Bei Tod des Auftrag- bzw Machtgebers sieht die Interessenlage nicht 3 selten anders aus. So bleiben die Rechtsverhältnisse selbstverständlich aufrecht, wenn es gerade um Geschäftsbesorgungen nach dem Tod des Auftraggebers geht (s S 2; zum Sonderproblem eines formlosen Auftrags auf den Todesfall § 956 Rz 6); aber auch dann, wenn die Vollmacht nach dem Willen des Machtgebers über den Todesfall hinauswirken sollte (3 Ob 508/91 SZ 64/13; 7 Ob 506/92 ÖBA 1992, 746), was bei Beauftragung eines Treuhänders üblicherweise anzunehmen ist (Lehner, NZ 1986, 129). In allen diesen Fällen spricht Auslegung nach dem Parteiwillen gegen abrupte Beendigung (s ferner etwa SZ 41/72; SZ 64/13). Ein Aufrechtbleiben mit den entsprechenden Konsequenzen (Vollendungspflicht) sieht S 2 schließlich dann vor, wenn das angefangene Geschäft ohne Nachteil für die Erben nicht unterbrochen werden kann (EvBl 1967/267). Doch auch wenn die Geschäftsbesorgung noch nicht begonnen wurde, wird ein Aufrechtbleiben öfters anzunehmen sein; etwa aufgrund einer (ergänzenden) Auslegung des Auftrags oder weil Untätigbleiben den Erben einen offenbaren Nachteil brächte (s SZ 64/13; Apathy/S Rz 3; Schey, Obligationsverhältnisse 697). P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1023
4 Abweichungen von § 1022 können sich auch aus gesetzlichen Anord-
nungen ergeben, denen eine gegenteilige Wertung zugrunde liegt. So bleibt die Prokura bei Tod des Machtgebers aufrecht (§ 52 Abs 3 UGB), um das Weiterlaufen des Geschäftsbetriebes sicherzustellen; ebenso im Zweifel eine Handlungsvollmacht (§ 58 Abs 3 UGB). Bestehen bleibt auch die Prozessvollmacht (§ 35 Abs 1 ZPO; dazu EvBl 1967/267), sofern der Prozess bereits eingeleitet wurde (SZ 26/164; EvBl 1961/96). 5 Sofern kein „echter“ Auftrag auf den Todesfall vorliegt (§ 956 Rz 6),
bei dessen Erfüllung weiterhin die Interessen des Verstorbenen zu wahren sind (SZ 64/13), bestehen bei Aufrechtbleiben trotz Tod des Auftraggebers alle aus dem Auftrag resultierenden Pflichten des Beauftragten nunmehr gegenüber dem ruhenden Nachlass bzw den Erben des Auftraggebers (SZ 64/13; 1 Ob 28/02b RdW 2002, 595). Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge kann nunmehr der Erbe entscheiden, ob er Auftrag und Vollmacht bestehen lassen will oder ob er diese Verhältnisse beendet (vgl JBl 1953, 417; Stanzl/K IV/1, 872 sowie etwa § 35 Abs 2 ZPO). 6 Der nachträgliche Verlust der (vollen) Geschäftsfähigkeit durch den
Auftrag- und Vollmachtgeber ist ohne Bedeutung (SZ 13/71; SZ 26/132; EvBl 1968/60). Verliert der Beauftragte bzw Bevollmächtigte seine volle Geschäftsfähigkeit, fällt die Vollmacht anerkanntermaßen dahin, was auch für den Auftrag vertreten wird (Schey, Obligationsverhältnisse 713); die Gegenmeinung verweist hingegen auf die vorzeitige Auflösbarkeit nach §§ 1020 f (Stanzl/K IV/1, 874). Bei verbleibender beschränkter Geschäftsfähigkeit soll jedoch auch die Vollmacht aufrecht bleiben; der Auftrag dann, wenn seine Ausführung noch möglich ist (Schey und Stanzl, jeweils aaO). Das für den Weiterbestand der Vollmacht ins Treffen geführte Argument aus § 1018 überzeugt mE nicht: Wer einen voll Geschäftsfähigen bevollmächtigt (und beauftragt), möchte typischerweise nicht von einem bloß beschränkt Geschäftsfähigen vertreten werden. Und ein Widerruf nach § 1020 setzt Kenntnis des Machtgebers vom Absinken der Geschäftsfähigkeit voraus, die in den kritischen Fällen fehlt. Bejahte man aus diesem Grund Erlöschen der Vollmacht, blieben gutgläubige Dritte ohnehin nach § 1026 geschützt. § 1023. Die von einem Körper (Gemeinschaft) ausgestellten und übernommenen Vollmachten werden durch die Erlöschung der Gemeinschaft aufgehoben. 1 § 1023 sieht bei Erlöschen, also bei Vollbeendigung einer juristischen
Person (GlU 15.194) für Auftrag und Vollmacht grundsätzlich die1106
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1024
selben Folgen wie § 1022 für den Tod natürlicher Personen vor; die analoge Heranziehung des § 1022 S 2 wird befürwortet (Stanzl/K IV/1, 873). Löschung der Firma im Firmenbuch reicht nicht aus (SZ 6/311; EvBl 1961/251; aA noch GlU 5542). Mangels Erlöschens der Körperschaft besteht die von Organen juristischer Personen oder einer OHG dritten Personen erteilte Vertretungsmacht auch im Liquidationsstadium weiter (RZ 1968, 175). oder Konkurs § 1024. Verfällt der Machtgeber in Konkurs; so sind alle Handlungen, die der Gewalthaber nach Kundmachung des Konkurses im Namen des Konkursschuldners unternommen hat, ohne Rechtskraft. Ebenso erklärt die Verhängung des Konkurses über das Vermögen des Machthabers schon an und für sich die erteilte Vollmacht für aufgehoben. Lit: Bollenberger, Treuhändiger Liegenschaftsverkehr und Konkurs einer Partei, ÖBA 1994, 825; König, Treuhand und Liegenschaftskauf im Konkurs, JBl 1995, 38; Koziol, Der Überweisungsauftrag im Konkurs des Überweisenden, GedS Schönherr (1986) 305; Ch. Rabl, § 1026 ABGB und Konkurs des Machthabers, NZ 1997, 302; Rechberger, Die Treuhandschaft in Insolvenz und Exekution, in Apathy (Hrsg), Die Treuhandschaft (1995) 178; Schumacher, Konkurseröffnung, Treuhand und Liegenschaftsverkehr, NZ 1991, 1.
§ 1024 betrifft jedenfalls das Außenverhältnis. Die Norm sagt in et- 1 was umständlicher Weise, dass Vollmachten mit der Konkurseröffnung – sei es über das Vermögen des Machtgebers (S 1) oder das des Machthabers (S 2) – erlöschen. Entscheidender Zeitpunkt ist 0.00 Uhr des Tages nach der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Konkursedikts (§ 2 Abs 1 KO) durch Aufnahme in die elektronische Insolvenzdatei (§ 14 IEG). § 1024 ist auf Vollmachten einzuschränken, die das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betreffen (JBl 1966, 370). Bsp: Konkurs des bevollmächtigten Rechtsanwalts, Steuerberaters, Hausverwalters (VwGH ZfVB 1987/747; 8 Ob 7/93 JBl 1995, 450 ua) oder Treugebers (JBl 1984, 85 Koziol; 6 Ob 509/93 ÖBA 1994, 66 Bollenberger). Nicht erfasst sind etwa Vollmachten betreffend das pfändungsfreie Vermögen oder Dritteigentum. Für die Ausgleichseröffnung gilt die Norm nicht (Rechberger in Apathy, Treuhandschaft 188). Ob § 1024 auch das Innenverhältnis, also den Auftrag, erfasst, ist 2 umstritten (dafür etwa 8 ObA 116/03x EvBl 2005/22). Für den Auftraggeberkonkurs ergibt sich die Rechtsfolge des Vertragswegfalls jedenfalls aus § 26 Abs 1 KO (ÖBA 1994, 66 Bollenberger; § 1024 S 1 P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1025
spricht hingegen nur von Handlungen im Namen des „Konkursschuldners“), weshalb die Diskussion insoweit ohne praktische Bedeutung ist. Für den Beauftragtenkonkurs (S 2) wird von manchen e contrario § 26 Abs 1 KO auf ein Aufrechtbleiben geschlossen (Iro, BVR II Rz 7/168 mwN; Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/ Schubert, InsolvenzG § 26 KO Rz 5 f). Danach könnte der Masseverwalter über die Durchführung des Auftrags entscheiden (vgl § 21 KO), sofern der Auftraggeber nicht widerruft, was wegen des starken persönlichen Elements regelmäßig ohne schadenersatzrechtliche Folgen (s § 1020 S 1) bliebe. Vor allem die Entstehungsgeschichte des § 1024 und die Überschrift (vor § 1020 und vor § 1024) „Auflösung des Vertrages durch Konkurs“ können von der im Vordringen befindlichen Gegenmeinung (näher mit reichen Nw Gamerith in Buchegger, Insolvenzrecht I § 26 KO Rz 4; wohl auch Miet 24.694) ins Treffen geführt werden. Generell ist jedoch vorweg zu klären, ob der Auftrag überhaupt die Konkursmasse betrifft; falls nicht, bleiben Auftrag und Vollmacht ohnehin aufrecht (s Gamerith, aaO). 3 Die Prozessvollmacht bleibt im Auftraggeberkonkurs bei bereits
laufendem Prozess gemäß § 35 Abs 1 ZPO bestehen (GlUNF 326; KOG HS 13.380). Inwiefern die Verbindlichkeit fortdauere § 1025. Wird die Vollmacht durch Widerruf, Aufkündung, oder durch den Tod des Gewaltgebers oder Gewalthabers aufgehoben; so müssen doch die Geschäfte, welche keinen Aufschub leiden, so lange fortgesetzt werden, bis von dem Machtgeber oder dessen Erben eine andere Verfügung getroffen worden ist, oder füglich getroffen werden konnte. Lit: S bei § 1024.
1 § 1025 betrifft wiederum Außen- und Innenverhältnis. Trotz Been-
digung von Vertretungsmacht und Auftrag aus den dort genannten Gründen (Widerruf usw) trifft den Beauftragten in krassen Fällen eine Fortsetzungspflicht: Unaufschiebbare Geschäfte sind so lange fortzusetzen, bis der Beauftragte oder sein Erbe die Möglichkeit hat, selbst ausreichende Verfügungen wie die Bestellung eines neuen Geschäftsbesorgers zu treffen (SZ 41/75: Liegenschaftsverwaltung; VwGH ÖJZ 1985, 571: Rechtsmittelerhebung). Soweit zur gehörigen Fortsetzung Vertretungsmacht vonnöten ist, bleibt auch diese bestehen (vgl JBl 1953, 417). Auf vergleichbaren Wertungen beruhen die Sondervorschriften des § 36 Abs 2 ZPO sowie des § 11 Abs 2 RAO. 1108
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1026
Solange Auftrag und Vollmacht aufrecht sind, kommt § 1026 nicht zur Anwendung (4 Ob 276/97k EvBl 1998/55). Was die in § 1025 nicht geregelten Auflösungsgründe anbelangt, so 2 dürfte bei Konkurseröffnung (§ 1024) keine Fortsetzungspflicht bestehen (str, s Apathy/S Rz 3 mwN); ebenso wenig bei fristgebundener Kündigung eines unbefristeten und Ablauf eines auf bestimmte Zeit geschlossenen Geschäftsbesorgungsverhältnisses, da der Auftraggeber in diesen Fällen genügend Zeit hat, anderweitige Vorsorge zu treffen (Apathy/S Rz 4; Strasser/R §§ 1020–1026 Rz 38; aA Stanzl/K IV/1, 878). Der Eintritt einer auflösenden Bedingung kann hingegen ebenfalls plötzlich und unerwartet erfolgen, so dass bei gleicher Interessenlage einiges für eine Analogie zu § 1025 spricht (sogar für unmittelbare Anwendung Strasser, aaO). Gleiches gilt wohl zumindest im Regelfall bei fristloser Kündigung aus wichtigem Grund durch den Auftraggeber, während bei außerordentlicher Auflösung durch den Beauftragten die Fortsetzung uU unzumutbar sein wird (Stanzl/K IV/1, 876). Bei einvernehmlicher Auflösung kommt es auf den Willen der Parteien bei Aufhebung des Vertragsverhältnisses an. Die geringste Überzeugungskraft hat die Fortsetzungspflicht nach 3 freiem Widerruf durch den Auftraggeber. In solchen Fällen läge es ja eigentlich bei ihm, sich vor dem Widerruf zu überlegen, ob ihm wegen der Eilbedürftigkeit des Geschäfts Nachteile entstehen könnten. De lege lata wird man die Fortsetzungspflicht zwar akzeptieren müssen. Aufgrund der besonderen Umstände spricht für diese Fallgruppe jedoch manches dafür, dem Beauftragten nur ganz besonders eilige Fortsetzungshandlungen aufzubürden und relativ bald davon auszugehen, der Auftraggeber habe bereits selbst andere Verfügungen treffen können. § 1026. Auch bleiben die mit einem Dritten, dem die Aufhebung der Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt war, geschlossenen Verträge verbindlich, und der Gewaltgeber kann sich nur bei dem Gewalthaber, der die Aufhebung verschwiegen hat, wegen seines Schadens erholen. Lit: Fischer-Czermak, Mündliche Vereinbarungen beim Finanzierungsleasing, ecolex 1992, 312; Rummel, Probleme der gewillkürten Schriftform, JBl 1980, 236; Wilhelm, Der Vollmachtsmißbrauch im Zivil-, Handels- und Gesellschaftsrecht, JBl 1985, 449; s auch bei § 1029.
§ 1026 regelt in seinem ersten Teil das Außenverhältnis; im zweiten 1 wird eine Konsequenz für das Innenverhältnis gezogen. TatbestandsP. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1026
elemente sind erstens die frühere Existenz einer Vollmacht, die das tatsächlich abgeschlossene Geschäft gedeckt hätte (SZ 61/75); zweitens die mittlerweile erfolgte Aufhebung dieser Vollmacht (auch infolge Konkurseröffnung: 4 Ob 276/97k SZ 70/224); und drittens das unverschuldete Vertrauen des Dritten auf den Fortbestand der Vollmacht. Liegen diese drei Voraussetzungen vor, wird das Handeln des nunmehr vollmachtlosen Machthabers aus Verkehrsschutzgründen dem (früheren) Machtgeber wie bei aufrechter Bevollmächtigung zugerechnet (SZ 53/152). Geschützt wird also der gute Glaube an den Weiterbestand einer Vollmacht. Die Norm findet daher vor allem auf Dauerbevollmächtigungen Anwendung. 2 Die dem § 1016 vorgehende spezielle Vertrauensschutz- und Rechts-
scheinnorm setzt allerdings – wie sonstige Rechtscheintatbestände (vgl § 1029 Rz 8) – voraus, dass das Vertrauen des Dritten seine Grundlage in einem Verhalten gerade des Machtgebers hat (SZ 61/75). Vollmachtkundgabe direkt dem Dritten gegenüber (Außenbevollmächtigung) reicht daher jedenfalls aus. Innenbevollmächtigung genügt hingegen nur dann, wenn dieser Umstand dem Dritten durch ein dem Gewaltgeber zurechenbares Verhalten zur Kenntnis gelangte (Strasser/R §§ 1020–1026 Rz 44), wofür entsprechende Information durch den Gewalthaber während noch bestehender Vollmacht regelmäßig ausreichen wird. Vorlage einer Vollmachturkunde ist der Außenbevollmächtigung generell gleichzuhalten. Diese Grundsätze greifen nicht nur bei Wegfall der Vollmacht, sondern kraft Größenschlusses umso mehr bei nachträglichen Beschränkungen ein, von denen der Dritte nichts wissen musste (8 Ob 1/93 wbl 1993, 227: Einzelvertreter wird Kollektivvertreter). 3 Der Dritte verliert den Schutz des § 1026 bereits durch leichte Sorg-
losigkeit. Die Rspr ist aber nicht allzu streng: Das Vertrauen auf den Vollmachtbestand nach einer ausweichenden Antwort des Machtgebers auf die Frage nach der Inkassoberechtigung soll kein Verschulden begründen (vgl HS III/37); bei ständiger Geschäftsverbindung wird die Eintragung der Änderung im Firmenbuch als unschädlich angesehen, da mit einer individuellen Verständigung gerechnet werden durfte, weshalb eine Berufung auf den Ablauf der Frist des § 15 Abs 2 S 2 HGB/UGB rechtsmissbräuchlich sei (wbl 1993, 227; Schenk/ Straube, HGB I3 § 15 Rz 13). Die Sorgfalt des Dritten ist auf den Zeitpunkt hin zu prüfen, in dem dieser Dispositionen im Vertrauen auf das Bestehen der Vollmacht vornimmt; so Zahlung an den „Vertreter“ oder Abgabe einer Annahmeerklärung (für Zeitpunkt des Vertragsschlusses LGZ Wien Miet 36.555). Zu schützen ist der Dritte zwar auch, wenn er aufgrund des vom „Vertreter“ gemachten Ange1110
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1027
bots irreversible, vermögenswerte Vorbereitungen trifft (zB Ablehnung von Konkurrenzangeboten, Beschaffung von Lagerraum) und erst anschließend, aber noch vor der rechtzeitigen Annahme Verdacht erregende Hinweise oder gar Kenntnis vom seinerzeitigen Vollmachtwegfall erhält. In einem solchem Fall reicht jedoch wohl ein Schutz über das Schadenersatzrecht (cic) aus. Vergleichbare Rechtsscheinregeln existieren etwa im Unternehmens- 4 recht. So wird das Vertrauen auf die Vertretungsmacht des intern bereits abgelösten GmbH-Geschäftsführers gemäß § 15 Abs 1 HGB/ UGB iVm § 17 GmbHG geschützt, wobei wegen der Firmenbucheintragung nur Kenntnis schadet (vgl 1 Ob 257/02d ecolex 2004, 284, wo es allerdings offenbar um § 17 Abs 3 GmbHG ging, also um eine Konstellation, in der die Bevollmächtigung von vornherein fehlte). Gleiches gilt gemäß § 15 Abs 1 iVm § 53 Abs 3 UGB bei Widerruf der Prokura. Den Schutz des Vertrauens auf die beim Vertreter des Prozessgegners weiter bestehende Vollmacht regelt § 36 Abs 1 ZPO sehr großzügig (nur Anzeige des Erlöschens mittels Schriftsatzes schadet). Die interne Haftung des ehemaligen Machthabers, der seinen ehe- 5 maligen Machtgeber trotz erloschener Vollmacht verpflichtet, folgt bei noch aufrechtem Innenverhältnis aus § 1012 (oder aus einem sonstigen Innenverhältnis, etwa einem Dienstvertrag). War auch dieses bereits aufgelöst, liegt eine Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Willen des Geschäftsherrn vor, weshalb § 1040 eingreift. Stillschweigende Bevollmächtigung der Dienstpersonen § 1027. Die in diesem Hauptstücke enthaltenen Vorschriften haben auch ihre Anwendung auf die Eigentümer einer Handlung, eines Schiffes, Kaufladens oder andern Gewerbes, welche die Verwaltung einem Faktor, Schiffer, Ladendiener oder andern Geschäftsträgern anvertrauen. § 1027 ist ohne normative Bedeutung. Er leitet den Abschnitt über 1 die „stillschweigende Bevollmächtigung“ von Dienstpersonen ein (§§ 1027–1033). Bei Erfüllung bestimmter Tatbestände, für die der Geschäftsherr verantwortlich ist (zB Beschäftigung einer Person in seinem Verkaufslokal), dürfen dritte Verkehrsteilnehmer regelmäßig auf die Bevollmächtigung des Bediensteten (mit bestimmter Reichweite) vertrauen. Daher werden dem Dritten auch dann entsprechende Rechte gegenüber dem Geschäftsherrn zuerkannt, wenn die Vollmacht nicht oder nicht im erwarteten Umfang bestand oder deren P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1028
Existenz und Reichweite zumindest nicht nachgewiesen werden kann (Rechtsscheinzurechnung; s § 1029 Rz 6 ff). § 1028. Die Rechte solcher Geschäftsführer sind vorzüglich aus der Urkunde ihrer Bestellung, dergleichen unter Handelsleuten die ordentlich kundgemachte Befugnis der Unterzeichnung (Firma) ist, zu beurteilen. 1 Der das Außenverhältnis regelnde § 1028 passt nicht zur Überschrift
vor § 1027 („stillschweigende Bevollmächtigung“). Er befasst sich mit einem Ausschnitt der Frage, von welchem Vollmachtinhalt der Dritte verbindlich ausgehen darf (allgemein dazu § 1017 Rz 2). Primär kommt es danach auf den Inhalt der Vollmachturkunde („Bestellungsurkunde“) an, die der Machthaber oder der Machtgeber selbst dem Dritten präsentiert (zu deren Auslegung § 1017 Rz 2; zum Vertrauensschutz des Dritten mangels vorgelegter Urkunde s §§ 1029 ff). Einschränkungen können dem Dritten aber auch auf andere Weise zur Kenntnis gebracht werden (SZ 34/176: Ausschluss der Inkassoberechtigung durch Vermerk auf Bestellschein und Rechnung). 2 Wird dem Dritten hinreichend deutlich (SZ 24/249; JBl 1968, 365;
JBl 1969, 217) mitgeteilt, dass mündliche Nebenabreden unwirksam sind, so liegt darin regelmäßig eine entsprechende Beschränkung der Vertretungsmacht (SZ 32/77; HS IV/27; HS IV/36; 6 Ob 631/91 wobl 1993, 132; aA Keinert, Vorvertragliche Anzeigepflicht, 1983, 63 ff; Fischer-Czermak, ecolex 1992, 313, primär zum Leasingvertrag). Abweichendes (Beschränkung unwirksam) gilt gemäß § 10 Abs 3 KSchG (dazu dort Rz 1); auch eine Generalvollmacht soll durch die Schriftformklausel nicht eingeschränkt werden (JBl 1990, 318). Zur Beschränkung der Empfangszuständigkeit von Vertretern und Boten auf schriftliche Erklärungen SZ 48/52; JBl 1986, 177 Wilhelm; VersE 1282; 7 Ob 546/93 ÖBA 1993, 908 P. Bydlinski; s ferner etwa Rummel, JBl 1980, 242. 3 Den sprachlich schwer zugänglichen zweiten Satzteil wird man heut-
zutage wohl in dem Sinn verstehen müssen, dass es bei in das Firmenbuch einzutragenden Vertretern auf den Inhalt der Bekanntmachung in Verbindung mit den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften (etwa zur Prokura oder zur Vertretungsmacht eines Geschäftsführers) ankommt. Wird also jemand bloß zum Gesamtprokuristen bestellt und lautet die Bekanntmachung zu Unrecht auf Einzelprokura, so wird das Vertrauen des Dritten auf alleinige Vertretungsbefugnis des Prokuristen ebenso geschützt, wie wenn sich die Einzelvertretungsbefugnis aus einer Vollmachturkunde ergäbe. 1112
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Bevollmächtigung
§ 1029
§ 1029. (1) Ist die Vollmacht nicht schriftlich gegeben worden; so wird ihr Umfang aus dem Gegenstande, und aus der Natur des Geschäftes beurteilt. Wer einem andern eine Verwaltung anvertraut hat, von dem wird vermutet, daß er ihm auch die Macht eingeräumt habe, alles dasjenige zu tun, was die Verwaltung selbst erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist (§ 1009). (2) Der Überbringer einer Quittung gilt als ermächtigt, die Leistung zu empfangen, sofern nicht dem Leistenden bekannte Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenstehen. [idF BGBl I 2005/120] Lit: Krejci, Vertretungsprobleme kommunaler Privatwirtschaftsverwaltung, in Krejci/Ruppe (Hrsg), Rechtsfragen der kommunalen Wirtschaftsverwaltung (1992) 119; Palten, Zur Bevollmächtigung des Hausverwalters, ImmZ 1982, 163; Schnizer, Konkordat, ABGB und Vertrauensschutz? JBl 1986, 545; Thunhart, Rechtsgeschäftliche Vertretungsregeln im Gemeinderecht (2000); ders, Anschein und Vertrauensschutz im Vertretungsrecht, RZ 2000, 74; ders, Eigenmächtiger Vertragsabschluss des Bürgermeisters und die Notwendigkeit von Vertrauensschutz im Gemeinderecht, JBl 2001, 69; Welser, Äußerer Tatbestand, Duldung und Anschein im Vollmachtsrecht, JBl 1979, 1.
I. Der Anwendungsbereich des § 1029 § 1029 regelt die Vollmacht und knüpft in seinem Abs 1 S 1 an § 1028 1 an. Trotz der Formulierungsunterschiede besteht kein Zweifel daran, dass auch schriftliche Vollmachten hinsichtlich ihrer Reichweite der Auslegung bedürfen (Strasser/R Vor §§ 1027–1033 Rz 1; zu Auslegungsfragen § 1017 Rz 2). Abs 1 S 2 konkretisiert S 1: Der Verwalter besitzt regelmäßig jene 2 Vollmacht, die notwendig ist, um die mit der Verwaltung üblicherweise verbundenen Aufgaben erledigen zu können. Diese weitgehende Orientierung am Innenverhältnis (s auch den Verweis auf § 1009) entspricht dem typischen Willen des Machtgebers. Bei der notwendigen Grenzziehung ist wegen des Verkehrsschutzes jedoch ein objektiver Maßstab anzulegen (s nur Stanzl/K IV/1, 882): Ausgehend von der tatsächlich eingeräumten – nicht etwa einer bloß angemaßten – Verwaltung kommt es darauf an, mit welchen Befugnissen der Dritte rechnen durfte (vgl Rz 6 ff zur Rechtsscheinvollmacht). Als Verwalter iSd § 1029 werden etwa angesehen: Hausverwalter (s Rz 3), Liegenschaftsverwalter (SZ 23/351; Miet 28.099), Geschäftsführer einer GesBR (SZ 53/152; GesRZ 1982, 48), Hoteldirektoren und sonstige Unternehmensleiter (HS 7098; SZ 51/6; SZ 52/82), haushaltsführende Ehegatten oder Lebensgefährten (SZ 44/46). P. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1029
3 Da das Anvertrauen einer Verwaltung, also die längerfristige Be-
trauung mit selbständigen wirtschaftlichen Entscheidungen hinsichtlich eines Vermögenssubstrats, zB eines Unternehmensteiles (vgl ZVR 1987/112), zwingend mit einer Bevollmächtigung einher geht, steht von vornherein nur deren Reichweite in Frage (Strasser/R Vor §§ 1027–1033 Rz 1). Gedeckt ist die ordentliche Verwaltung, wobei für die Zuordnung einzelner Geschäfte abgesehen von konkreten gesetzlichen Regelungen örtliche, zeitliche und branchenspezifische Kriterien ausschlaggebend sind (Miet 28.99; SZ 53/152; 4 Ob 512/91 wobl 1991, 208 Würth); zur außerordentlichen Verwaltung (unübliche Geschäfte) s etwa SZ 56/7. Breiten Raum nehmen in der Rspr Tätigkeiten eines Hausverwalters ein (s auch § 837 Rz 4). Zur ordentlichen Verwaltung werden gerechnet: Abschluss von Bestandverträgen mit üblichem Inhalt, wobei ein eher großer Spielraum anerkannt wird (Miet 20.091; Miet 28.099; JBl 1987, 312 Primetshofer; 1 Ob 618/91 wobl 1992, 121 Call) sowie deren Kündigung (SZ 19/186; 4 Ob 274/98t wobl 1999, 233 Hausmann); Empfang der Mieterkündigung (2 Ob 287/99s Miet 51.106; anders noch der zurückweisende Beschluss 10 Ob 2387/96v wobl 1998, 176 zust Call); Abschluss von Hausbesorger-Dienstverträgen (9 ObA 15/96 DRdA 1997, 130 Kürner; 8 ObA 190/00z Miet 53.598; 8 ObS 114/01z Miet 53.603), Reparatur-Werkverträgen (SZ 53/14) und Feuerversicherungsverträgen (JBl 1957, 477). Zu Ablösezahlungen an den ausscheidenden Mieter 7 Ob 108/97a RdW 1997, 655. In anderen Bereichen wurde Verwaltervollmacht etwa in folgenden Fällen bejaht: Autoverkäufer nimmt Gebrauchtwagen in Zahlung (SZ 53/37); Bauleiter schließt Werkverträge mit Bauhandwerkern (HS 7103; HS 9110); eine mit der Rechnungsausstellung betraute Person setzt den üblichen Inhalt (hier: Bankverbindung) ein (ÖBA 1988, 839 Koziol); mittlerweiliger Stellvertreter eines verstorbenen Rechtsanwalts gemäß § 34 RAO zieht kanzleibezogene Forderungen ein (2 Ob 13/02d JBl 2002, 590). 4 Nicht von der Hausverwaltervollmacht gedeckt sind hingegen Ab-
schlüsse von Mietverträgen mit unüblichem, dem Eigentümer nachteiligen Inhalt (5 Ob 2134/96a wobl 1996, 31; Mietzins: Miet 8585; Kündigungsbestimmungen: Miet XXI/52; 9 ObA 93/03x EvBl 2004/126); Verkauf der Liegenschaft (HS 10.216); Verzicht auf Kündigung eines Versicherungsvertrages (JBl 1957, 477). Andere Fälle: Abschluss von die Bank belastenden Sicherungsgeschäften durch Bankangestellten (JBl 1976, 307 Welser; QuHGZ 1980, 1/175; QuHGZ 1983, 2/216; SZ 57/209); Inkasso von Baukostenbeiträgen künftiger Mieter durch Baupolier (SZ 24/298); Abschluss eines Bestandvertrages durch Hausbesorger (Miet 6305); Stundungszusage durch 1114
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Bevollmächtigung
§ 1029
Rechtsanwaltskanzleimitarbeiter (SZ 7/320): Anerkennung eines Deckungsanspruchs durch Versicherungs-Schadensreferenten (7 Ob 26/90 RdW 1991, 174). Abs 1 S 2 enthält nur die Vermutung eines bestimmten Vollmacht- 5 umfangs. Damit fragt sich, was rechtens ist, wenn der Machtgeber im Nachhinein, also insb nach Vertragsschluss, eine weiter reichende Beschränkung der Vollmacht seines Verwalters nachweisen kann. Die hA setzt das in § 1029 anklingende Vertrauensschutzkonzept (näher Rz 6 ff) auch insoweit konsequent um und gestattet dem Machtgeber eine Berufung auf Beschränkungen nur bei deutlichem Hinweis gegenüber dem Dritten spätestens beim Geschäftsabschluss (SZ 42/5; SZ 52/82; SZ 53/152; GesRZ 1982, 48). II. Die Rechtsschein- bzw Anscheinsvollmacht Aus Normen wie den §§ 1029 und 1030, aber auch 1026 und 1033 6 sowie den §§ 54 und 56 HGB/UGB, wurde die vollmachtrechtliche Rechtsscheinlehre entwickelt (K/W I 206 f; Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte, 1906, 239 ff; Welser, JBl 1979, 10 ff; die früher anzutreffende generelle Berufung auf § 863 – s etwa Stanzl/K IV/1, 778 ff – ist heute obsolet; s auch Rz 10). Sie geht über die genannten Tatbestände hinaus und erfasst all jene Fälle, in denen im Augenblick des Vertreterhandelns zwar keine (ausreichende) Vollmacht vorlag (oder vom Dritten nicht bewiesen werden kann), der Dritte aber auf eine entsprechend weit reichende Vollmacht vertrauen durfte und vertraut hat, sofern die Vertrauensgrundlage in einem dem Geschäftsherrn zurechenbaren Verhalten besteht. Eine solche Rechtscheinvollmacht löst grundsätzlich dieselben Wirkungen aus wie eine rechtsgeschäftlich erteilte (eine Teilnichtigkeitslösung kommt nicht in Betracht: Koziol, Zurechnung untreuer Bankmitarbeiter, 2004, 15 ff; zur Wahlmöglichkeit des Erklärungsempfängers zwischen Rechtsscheinwirkung und Scheinvertreterhaftung Fellner, JBl 2003, 621). Ihre drei unabdingbaren Voraussetzungen sind: – – –
Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes (= Bestehen eines konkreten Rechtsscheins, s Rz 7); Zurechenbare Verursachung dieses Anscheins durch denjenigen, in dessen Namen gehandelt wurde (Rz 8); Gutgläubiges Vertrauen auf den Anschein durch den Dritten (Rz 9).
Der Anschein der Berechtigung des Handelnden kann sich aus einer 7 Willenserklärung, etwa einer – wenn auch später widerrufenen – BeP. Bydlinski
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Bevollmächtigung
§ 1029
vollmächtigung, verbunden mit dem Nichtzerstören des daraus resultierenden Vertrauens, ergeben (vgl § 1026). Denkbar ist aber auch eine bloße Wissenserklärung (Schaffung eines äußeren Tatbestandes; „Vollmachtkundgabe“), der eine frühere Vollmachterteilung entnommen werden kann und die deshalb ein entsprechendes Drittvertrauen begründet (HS VI/36; EvBl 1976/272; JBl 1987, 60 W. Berger; wbl 1990, 247; Welser, JBl 1979, 8), wie eben etwa das Anvertrauen einer Verwaltung (§ 1029 S 2). Das den Anschein begründende Verhalten muss dem Dritten bei Abschluss des Rechtsgeschäfts bekannt sein (3 Ob 531/93 ecolex 1994, 15 Puck; 3 Ob 52/00v RdW 2001, 277), da bei an sich fehlender Vollmacht nur konkretes Vertrauen Schutz verdient. Die Verwendung eines Firmenstempels durch bloß einen Kollektivvertreter reicht nicht aus (6 Ob 127/05b EvBl 2006/51). 8 Eine Zurechnung setzt weiter voraus, dass der Machtgeber selbst
(SZ 54/111; JBl 1986, 784 Wilhelm; 8 Ob 573/90 JBl 1991, 517; 5 Ob 81/01z wobl 2001, 332 ua) oder ihm zurechenbare Personen wie Organe (JBl 1987, 312 Primetshofer; 1 Ob 560/93 JBl 1994, 115) oder sonst Vertretungsberechtigte (zB ein Einzelprokurist: SZ 52/90; VersR 1984, 951) den Anschein verursacht haben. Vertrauen auf das Verhalten des vermeintlichen Vertreters allein reicht hingegen nicht aus (SZ 34/176; SZ 39/215; HS 24.537), ebenso wenig Erweckung des Anscheins durch einen einzelnen Kollektivvertreter (zur Schaffung eines äußeren Tatbestandes durch einen Kollektivvertreter bei Vertretungshandlungen bloß des anderen vgl JBl 1988, 733; ÖBA 1988, 839 Koziol; SZ 62/121). 9 Geschützt wird nur der Gutgläubige (Arb 9547). Bereits leichte Sorg-
losigkeit schadet (s § 1026 ABGB, § 55 UGB), umso mehr Kenntnis von der Beschränkung (Miet 8583). Bei Zweifeln wäre – beim Geschäftsherrn – nachzufragen (HS VI/36; 8 Ob 1586/92 RdW 1993, 39). Zum relevanten Zeitpunkt s § 1026 Rz 3. 10 Gelegentlich werden Anscheins- und Duldungsvollmacht unter-
schieden (s nur K/W I 205 ff mwN). Dies verwirrt aber wohl mehr, als es nützt. Auseinanderhalten sollte man vielmehr bloß Rechtsscheinzurechnung und eigentliche rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung, die auch durch stillschweigendes Dulden des Vertreterhandelns durch den – anwesenden – Machtgeber erfolgen kann (§ 863). 11 Die Rspr hat Rechtsscheinvollmachten etwa bei Auftreten folgender
Personen als Stellvertreter anerkannt: Angestellter, dem Firmenpapier und Firmenstempel zur Verfügung standen, hinsichtlich eines Herbergsvermittlungsvertrages (JBl 1968, 567; Miet XXXIII/25); Autobuslenker hinsichtlich des Abschlusses von Beförderungsverträ1116
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1029
gen (JBl 1986, 447); Handelsvertreter, der wie ein Verkaufsleiter auftrat, hinsichtlich der Auflösung anderer Handelsvertreter-Vertragsverhältnisse (HS XIV/31); Tankwart, dem gestattet wurde, Geschäfte auf eigene Rechnung zu tätigen (JBl 1972, 146); bloß Kollektivvertretungsberechtigter, dessen Handlungen die Gesellschaft über längere Zeit unbeanstandet gelten ließ, hinsichtlich des Verkaufs eines Zuckerlagers (SZ 26/57; EvBl 1976/272); Mitarbeiter der Personalabteilung, dem die Befugnis zur selbständigen Durchführung von Bewerbungsgesprächen samt Festlegung von Arbeitsleitung und Gehalt eingeräumt wurde, hinsichtlich des Abschlusses von Arbeitsverträgen (ASG Wien 25 Cga 77/00a ARD 5350/39/2002). Abgelehnt wurde die Annahme einer Rechtsscheinvollmacht hingegen zB in folgenden Fällen: Übergabe eines Kfz zum Gebrauch in Hinblick auf den Abschluss von Reparatur- bzw Frachtverträge hinsichtlich des Fahrzeugs (ZVR 1982/135; ZVR 1983/82; ZVR 1987/112); Bestellung zum Versicherungsagenten hinsichtlich des Abschlusses von Versicherungsverträgen (SZ 50/28); Überlassung des Geschäftsstempels hinsichtlich Darlehensaufnahme (durch angestellten Ehemann: ÖBA 1987, 582 Iro), Kauf einer Rechenmaschine (durch Tankwart: EvBl 1974/51) und Forderungsanerkennung (durch technischen Angestellten: wbl 1990, 247); Miteigentum hinsichtlich von Verträgen über die gemeinsame Sache (JBl 1967, 478); bloß passiv bleibender Gemeinderat hinsichtlich vom Bürgermeister in Anwesenheit von Gemeindefunktionären geschlossener Geschäfte (6 Ob 316/00 bbl 2001, 154; abgelehnt wurde ein vom Gemeinderat gesetzter Anschein etwa auch von 9 ObA 211/01 wbl 2002, 225; ausführlich und mwN zum Zurechnungsproblem bei der Vertretung von Gemeinden Wilhelm, Vertretung 76 ff; Thunhart, Vertretungsregeln, insb 137 ff; ders, JBl 2001, 69). Um eine Schlechterstellung des kraft bloßen Anscheins gebundenen 12 Machtgebers zu verhindern, wird eine Anfechtbarkeit der Vollmachtkundgabe wegen Irrtums analog § 871 wie bei der eigentlichen Bevollmächtigung (dazu § 1017 Rz 2) bejaht (K/W I 209; Wilhelm, Vertretung 93 f, 104 ff ua). Eine Rechtsscheinzurechnung kommt auch bei der (Empfangs-)Bo- 13 tenschaft in Betracht (3 Ob 84/02b JBl 2003, 445). II. Überbringen einer Quittung (Abs 2) Abs 2 entspricht beinahe wörtlich dem früheren Art 8 Nr 9 der 14 4. EVHGB. Zum Begriff der Quittung § 1426 Rz 1. Die Regelung ist dann von Bedeutung, wenn nicht feststeht, ob der Anspruchsberechtigte den Quittungsinhaber tatsächlich zur Einziehung der Forderung bevollmächtigt hat. Nach hA genügt als Rechtsscheingrundlage, P. Bydlinski
1117
Bevollmächtigung
§ 1030
dass der Gläubiger die Quittung vorbereitet und unterschrieben hat, weshalb auch die Leistung an den Dieb der Quittung schuldbefreiend wirkt; anders hingegen bei Fälschung (SZ 60/54; Apathy/S ErgBd Rz 15). § 1030. Gestattet der Eigentümer einer Handlung, oder eines Gewerbes seinem Diener oder Lehrlinge, Waren im Laden oder außer demselben zu verkaufen; so wird vermutet, daß sie bevollmächtigt seien, die Bezahlung zu empfangen, und Quittungen dagegen auszustellen. 1 § 1030 konkretisiert § 1029 für den Fall, dass einem Angestellten
(„Diener“) oder Lehrling Verkaufsvollmacht erteilt wurde (öfters ungenau als „Ladenvollmacht“ bezeichnet, obwohl § 1030 ausdrücklich auch Verkäufe außerhalb eines Ladens erfasst). Daran knüpft sich die – nicht allzu weit reichende – Vermutung, dass diese Vollmacht auch Inkasso und Quittierung (§ 1426) erfasst. Der bloße Einsatz einer Person zur Entgegennahme von Bestellungen fällt nicht unter § 1030 (EvBl 1956/96). Die vermuteten Befugnisse sind auf den Kaufpreis für die verkaufte Ware („Bezahlung“) beschränkt (SZ 25/37). Im Sinne der Ausführungen zu § 1029 (s dort insb Rz 5) hat eine interne Beschränkung dieser „vermuteten Vollmacht“ nur dann Wirkungen gegenüber Dritten, wenn diesen die Einschränkung erkennbar war (zB durch deutliche Hinweise im Ladenlokal, wonach Zahlungen nur an einer speziellen Kasse möglich sind). 2 Nach der Rspr muss der Machtgeber kein Unternehmer sein (JBl 1967,
367) und auch kein Angestelltenverhältnis vorliegen (vgl SZ 25/37: Sohn). Damit wird im Ergebnis – wohl zu Recht – analoge Anwendung bejaht. 3 Soweit sich die Anwendungsbereiche überschneiden, geht § 56 UGB
als lex specialis dem § 1030 vor. § 1031. Die Vollmacht, Waren im Namen des Eigentümers zu verkaufen, erstreckt sich aber nicht auf das Recht, in seinem Namen Waren einzukaufen; auch dürfen Fuhrleute weder den Wert der ihnen anvertrauten Güter beziehen, noch Geld darauf anleihen, wenn es nicht ausdrücklich in Frachtbriefen bestimmt worden ist. 1 Die Norm betrifft das Außenverhältnis. Ihr HS 1 spricht bloß eine
Selbstverständlichkeit aus (Verkaufsvollmacht erfasst nicht Einkäufe); doch ist auch hier im Einzelfall ausnahmsweise (SZ 25/37) eine abweichende Auslegung der Bevollmächtigung möglich (SZ 53/37: 1118
P. Bydlinski
Bevollmächtigung
§ 1033
Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens durch angestellten Autoverkäufer). HS 2 spricht Frachtführern („Fuhrleuten“) grundsätzlich die Voll- 2 macht zum Inkasso (Nachnahmen) sowie zur Verpfändung der ihnen anvertrauten Güter ab, sofern in den Frachtbriefen keine entsprechende Erlaubnis vorgesehen ist. Die Vorschrift schließt es jedoch nicht aus, die Vertretungsmacht für derartige Rechtsgeschäfte auf andere Weise zu begründen. Zur Inkassobefugnis durch einen UGBFrachtführer gegenüber dem Empfänger des beförderten Gutes s § 436 UGB („nach Maßgabe des Frachtbriefs“). § 1032. Dienstgeber und Familienhäupter sind nicht verbunden, das, was von ihren Dienstpersonen oder andern Hausgenossen in ihrem Namen auf Borg genommen wird, zu bezahlen. Der Borger muß in solchen Fällen den gemachten Auftrag erweisen. § 1032 regelt das Außenverhältnis und macht deutlich, dass allein 1 vom Bestehen eines Dienst- oder Haushaltsverhältnisses nicht auf eine Vollmachterteilung durch den Dienstgeber bzw den Haushaltsvorstand (das „Familienhaupt“) geschlossen werden darf. Die Norm behandelt zwar ausdrücklich nur das „Auf-Borg-Nehmen“, also den Kreditkauf. Sie ist jedoch verallgemeinerungsfähig. S 2 ist gleich mehrfach misslungen. So ist mit dem „gemachten Auf- 2 trag“ offensichtlich (auch) die Vollmacht gemeint. Dann reicht es für einen wirksamen Vertrag aus, wenn nicht (vorweg) der Borger, sondern (im Nachhinein) der Borggeber (= Verkäufer) beweisen kann, dass der Borger für das konkrete Geschäft ausreichende Vertretungsmacht hatte. Schließlich trifft die Beweislast nur dann den handelnden Borger in eigener Person, wenn er selbst – als falsus procurator – in Anspruch genommen wird, während ansonsten die Grundregel eingreift, wonach den die Beweislast trifft, der sich auf die entsprechenden Tatsachen beruft (§ 1017 Rz 7). § 1033. Besteht aber zwischen dem Borgnehmer und dem Borggeber ein ordentliches Einschreibebuch, worin die ausgeborgten Sachen aufgezeichnet werden; so gilt die Vermutung, daß der Überbringer dieses Buches bevollmächtigt sei, die Ware auf Borg zu nehmen. Die das Außenverhältnis betreffende Norm enthält, anknüpfend an 1 und in Abgrenzung von § 1032, eine näher konkretisierte Vollmachtvermutung zugunsten des Inhabers eines Einschreibebuches, das P. Bydlinski
1119
Bevollmächtigung
§ 1034
zwischen Kreditkäufer und Verkäufer (GlU 15.807) in Verwendung steht. Nach Wortlaut und Zweck der Norm erfasst die Vermutung nur jene Geschäfte, bei denen das Buch tatsächlich vorgelegt wurde (vgl Strasser/R Vor §§ 1027–1033 Rz 1 aE; aA Zeiller III/1, 314); ansonsten hat der Borggeber die Existenz einer entsprechenden Vollmacht zu beweisen. Gerichtliche und gesetzliche Bevollmächtigung § 1034. Das Recht der Großeltern, der Pflegeeltern, anderer mit der Obsorge betrauter Personen, der Sachwalter und Kuratoren, die Geschäfte ihrer Pflegebefohlenen zu verwalten, gründet sich auf die Anordnung des Gerichtes. Die Eltern (ein Elternteil) werden unmittelbar durch das Gesetz mit der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder betraut; Gleiches gilt nach Maßgabe der §§ 211, 212 und 215 Abs. 1 letzter Satz für Jugendwohlfahrtsträger und nach Maßgabe der §§ 284b bis 284e für nächste Angehörige. [idF BGBl I 2006/92]
1 Zu dieser das Außenverhältnis betreffenden Vorschrift s § 1002
Rz 10 f. Der letzte Satz tritt am 1.7.2007 in Kraft. Geschäftsführung ohne Auftrag; § 1035. Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze das Befugnis erhalten hat, darf der Regel nach sich in das Geschäft eines andern nicht mengen. Hätte er sich dessen angemaßt; so ist er für alle Folgen verantwortlich. Lit: Fötschl, Reservehaltungskosten und Geschäftsführung ohne Auftrag, ZVR 2003, 220; Meissel, Geschäftsführung ohne Auftrag (1993); Reischauer, Doppelzession, Bereicherung und unechte (angewandte) Geschäftsführung ohne Auftrag, ÖJZ 1987, 257.
1 Wenn das Gesetz von Einmengung in Geschäfte eines anderen spricht,
so geht es davon aus, dass jemand ohne Befugnis mit der Absicht tätig wird, fremde Interessen zu besorgen. Durch eine GoA entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis; die Rechtsfolgen sind unterschiedlich und hängen davon ab, ob die Geschäftsführung im Notfall (§ 1036), zum Nutzen (§ 1037), ohne Nutzen (§ 1038) oder gegen den Willen des anderen (§ 1040) erfolgt. GoA liegt nur vor, wenn weder Vertrag noch Gesetz noch richterliche Anordnung eine Pflicht gegenüber dem Begünstigten zur betreffenden Handlung begründet (Rummel/R Rz 6). 1120
P. Bydlinski/Koziol
Bevollmächtigung
§ 1035
Mit dem Begriff „Geschäft“ werden nicht nur Rechtsgeschäfte, son- 2 dern alle Angelegenheiten erfasst. Die GoA kann daher in rechtsgeschäftlichem, rechtsgeschäftsähnlichem oder tatsächlichem Handeln bestehen. Sie erfasst somit nicht nur das im vertraglichen Bereich durch den Auftrag (§ 1002) abgedeckte Gebiet, sondern auch jenes des Werkvertrags (§ 1051). Im Namen des Geschäftsherrn könnte der Geschäftsführer nur dann wirksam Rechtsgeschäfte schließen, wenn er ausnahmsweise Vollmacht besäße. Die unbefugte und damit eigenmächtige Führung fremder Angele- 3 genheiten ist in der Regel unzulässig, da sie die Dispositionsfreiheit des Geschäftsherrn verletzt. Nur die Wahrung fremder Interessen im Notfall (§§ 1036, 1311 S 2 Fall 3) ist erlaubt (Koziol, HPR I Rz 4/96 ff mwN). Da die Absicht, fremde Interessen wahrzunehmen, erforderlich ist, 4 sind die Regeln der GoA nicht anzuwenden, wenn jemand irrtümlich meint, Eigeninteressen zu verfolgen. Keine GoA liegt daher vor, wenn jemand einen entgeltlichen Auftrag durchführen will, dieser jedoch in Wahrheit unwirksam ist (Meissel, Geschäftsführung 215 ff): Er beabsichtigt, seine Verpflichtung zu erfüllen und damit seine eigenen Interessen zu wahren; ihm stehen wegen der rechtsgrundlosen Leistung Ansprüche nach §§ 1431 ff zu (Meissel, Geschäftsführung 223 f). Die Voraussetzung, dass der Geschäftsführer fremde Interessen för- 5 dern muss (näher Meissel, Geschäftsführung 59 ff), ist selbst dann erfüllt, wenn er auch eigene Interessen verfolgt (JBl 1973, 476 Koziol; SZ 60/65). Ist der für die Verfolgung fremder Interessen gemachte Aufwand jedoch von der eigenen Sphäre des Geschäftsführers nicht abtrennbar, so scheidet GoA aus (3 Ob 53/02v RdW 2003, 259). Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers ist nur bei rechtsgeschäft- 6 lichem Handeln erforderlich; sofern er nicht für sich selbst kontrahiert, genügt beschränkte Geschäftsfähigkeit (s § 1018 Rz 2). Den nicht voll Geschäftsfähigen trifft jedoch keine Fortsetzungspflicht nach § 1039 (Apathy/S Rz 4). Die Haftung für verursachte Schäden setzt regelmäßig Deliktsfähigkeit (§ 153) voraus; vgl aber § 1310. Geschäftsherr ist jener, dessen Geschäfte geführt werden (näher 7 Meissel, Geschäftsführung 59 ff). Es ist nicht erforderlich, dass der Geschäftsführer weiß, wer dies ist (K/W II 364). Selbst wenn die Voraussetzungen einer GoA nicht gegeben sind, kön- 8 nen die §§ 1035 ff auf Grund eines gesetzlichen Verweises (zB §§ 336, 418, 1097) gelten: angewandte GoA. Vielfach wird vertreten, dass die Regeln über die GoA auch dann anzuwenden seien, wenn ein UnredKoziol
1121
Bevollmächtigung
§ 1036
licher das objektiv fremde Geschäft führt, um sich den Vorteil zuzuwenden (9 ObA 3/93 wbl 1993, 260; Stanzl/K IV/1, 894; Reischauer, ÖJZ 1987, 264); es wird von unechter GoA gesprochen. Richtiger dürfte sein, in derartigen Fällen den Herausgabeanspruch auf § 1041 zu stützen (Apathy, Verwendungsanspruch 57 ff) und nur in Analogie zu § 1039 dem Geschäftsführer die Vollendungs- und Rechnungslegungspflichten aufzuerlegen; so etwa F. Bydlinski, JBl 1969, 256 f; Bollenberger, Commodum 333 f. im Notfalle; § 1036. Wer, obgleich unberufen, ein fremdes Geschäft zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens besorgt, dem ist derjenige, dessen Geschäft er besorgt hat, den notwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand zu ersetzen schuldig; wenngleich die Bemühung ohne Verschulden fruchtlos geblieben ist (§ 403). Lit: Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit im fremden Interesse (1985); Kuprian, Der Aufwandersatz des „eigenmächtigen“ Wohnungseigentümers, immolex 2004, 169; Meissel, Geschäftsführung, insb 29 ff, 101 ff, 112 ff; Perner, Zur Geltendmachung von aus dem Erwerbsvorgang zustehenden Forderungen von Miteigentümern, wobl 2004, 169.
1 GoA im Notfall liegt nur vor, wenn ein Schaden droht, der Geschäfts-
führer die Absicht hat, diesen zu verhindern, und es ihm nicht möglich ist, rechtzeitig die Zustimmung des Geschäftsherrn einzuholen (SZ 57/167). 2 Der drohende Schaden muss so schwerwiegend sein, dass er geeignet
ist, den Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Geschäftsherrn zu rechtfertigen (Meissel, Geschäftsführung 29 ff). Vorausgesetzt wird, dass ein positiver Schaden und nicht bloß der Verlust eines künftigen Gewinnes (s § 1293 Rz 3 f) droht. 3 Ob ein entsprechender Schaden zu befürchten ist und ob sich das
Risiko so rasch verwirklichen wird, dass eine Einwilligung des Gefährdeten vorher nicht mehr erreicht werden kann, ist aus der Sicht eines objektiven, redlichen Geschäftsführers im Zeitpunkt der Geschäftsführung zu beurteilen (JBl 1984, 256; 1 Ob 207/98t SZ 72/47). War der Notfall in Wahrheit nicht gegeben, so greift nach Meissel (Geschäftsführung 101 ff) § 1036 nur ein, wenn dem Geschäftsherrn die Erweckung des Anscheins eines Notfalls zurechenbar ist. 4 Zur Förderung der Bereitschaft, in Notfällen helfend einzugreifen,
sieht das Gesetz einen Anspruch auf Aufwandersatz selbst dann vor, 1122
Koziol
Bevollmächtigung
§ 1037
wenn die Bemühungen zwar erfolglos, jedoch objektiv zweckmäßig waren (JBl 1984, 256). Zum Aufwand zählt auch der Zeitaufwand, wenn er zu einem Verdienstentgang geführt hat (Rummel/R Rz 4). Strittig ist, ob dem Geschäftsführer auch sonst ein Lohn gebührt. 5 Überwiegend wird dies nur bei berufs- oder gewerbsmäßigen Tätigkeiten bejaht (1 Ob 2168/96x NZ 1997, 290). Da § 403 bei Rettung einer Sache eine Entlohnung vorsieht, muss aber wohl Entsprechendes bei anderer Verhütung eines Nachteils, insb bei Rettung einer Person, gelten (Wilburg, AcP 163, 364). Erleidet der Geschäftsführer bei seinen Bemühungen einen Schaden, 6 so ist ihm dieser entsprechend § 1014 zu ersetzen (Fitz, Risikozurechnung 96 ff). Der OGH will analog §§ 1306a, 1310 Ersatz nach Billigkeit gewähren (2 Ob 46/95 DRdA 1996, 311 Grömmer/B. A. Oberhofer = ÖZW 1997, 14 Fitz; 3 Ob 507/96 SZ 70/113). Eine Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers wegen der Einmen- 7 gung in die fremde Sphäre scheidet aus (§ 1311 S 2 Fall 3), da die GoA im Notfall rechtmäßig ist. Mangels Fortsetzungspflicht (§ 1039 Rz 1) wird er auch nicht für den Schaden verantwortlich, den er nicht mehr verhütet hat (§ 1312). Der Geschäftsführer kann jedoch haftbar werden, wenn er andere von der Rettung abgehalten oder sorglos die Güter des Geschäftsherrn beschädigt hat (Rummel/R Rz 3). oder zum Nutzen des anderen; § 1037. Wer fremde Geschäfte bloß, um den Nutzen des andern zu befördern, übernehmen will, soll sich um dessen Einwilligung bewerben. Hat der Geschäftsführer zwar diese Vorschrift unterlassen, aber das Geschäft auf seine Kosten zu des andern klarem, überwiegenden Vorteile geführt; so müssen ihm von diesem die darauf verwendeten Kosten ersetzt werden. Lit: Ch. Huber, Der Ersatzanspruch des Regreßgläubigers für im Vorprozeß getätigte Aufwendungen, unter besonderer Berücksichtigung des kranken Deckungsverhältnisses in der Kfz-Haftpflichtversicherung, ZVR 1986, 33; Kuprian, Der Aufwandersatz des „eigenmächtigen“ Wohnungseigentümers, immolex 2004, 169; Meissel, Geschäftsführung, insb 42 ff, 119 ff, 171 ff; Perner, Zur Geltendmachung von aus dem Erwerbsvorgang zustehenden Forderungen von Miteigentümern, wobl 2004, 169; Pochmarski/Strauss, Die Rechtsprechung des OGH zum Ersatz von Prozesskosten, JBl 2002, 353.
Selbst der nützliche Geschäftsführer hat sich um die Einwilligung zu 1 bemühen, wenn er die Einmengung in fremde Geschäfte beabsichtigt. Koziol
1123
Bevollmächtigung
§ 1038
Eingriffe in die geschützten Güter des Geschäftsherrn ohne Einwilligung sind daher nicht gerechtfertigt (Meissel, Geschäftsführung 135 f) und machen den Geschäftsführer bei Verschulden ersatzpflichtig. 2 Nützlich ist die GoA nur dann, wenn sie zu einem klaren und über-
wiegenden Vorteil des Geschäftsherrn geführt hat. Bei der Beurteilung des Nutzens ist eine vernünftige Bewertung nach der Verkehrsauffassung unter möglichster Berücksichtigung aller Interessen des Geschäftsherrn vorzunehmen; im Zweifel entscheidet die Bewertung des Geschäftsherrn (Stanzl/K IV/1, 902; SZ 60/100; JBl 1988, 718; 3 Ob 135/99w Miet 52.116). Objektive Werterhöhung genügt somit nicht, da sie dem Geschäftsherrn keinen subjektiven Vorteil bringen muss und für ihn wegen der ungeplanten Aufwendungen sogar nachteilig sein kann. Auch eine Prozessführung kann zum „klaren und überwiegenden Vorteil“ eines anderen sein (vgl 6 Ob 324/97h SZ 70/241; 3 Ob 53/02v RdW 2003, 259; 4 Ob 235/03t SZ 2004/32; Pochmarski/Strauss, JBl 2002, 367; krit Fötschl, ÖJZ 2004, 781). 3 Der Geschäftsführer hat Anspruch auf Ersatz der tatsächlichen Kos-
ten (Aufwandersatz), allerdings begrenzt mit dem Vorteil des Geschäftsherrn (Ch. Huber, ZVR 1986, 42). Mit der Durchführung der Geschäftsführung verbundene Schäden sind analog § 1014 zu ersetzen (Rummel/R Rz 5), allerdings ebenfalls nur im Rahmen des erlangten Vorteils. Der Zeitaufwand ist wie bei GoA im Notfall zu behandeln (§ 1036 Rz 4). 4 Ob dem Geschäftsführer ein Lohn gebührt, ist wohl wie bei Not-
geschäftsführung zu beantworten (§ 1036 Rz 5). § 1038. Ist aber der überwiegende Vorteil nicht klar; oder hat der Geschäftsführer eigenmächtig so wichtige Veränderungen in einer fremden Sache vorgenommen, daß die Sache dem andern zu dem Zwecke, wozu er sie bisher benützte, unbrauchbar wird, so ist dieser zu keinem Ersatze verbunden; er kann vielmehr verlangen, daß der Geschäftsführer auf eigene Kosten die Sache in den vorigen Stand zurücksetze, oder, wenn das nicht möglich ist, ihm volle Genugtuung leiste. Lit: Meissel, Geschäftsführung, insb 42 ff, 119 ff.
1 Die Nützlichkeit ist wie nach § 1037 zu beurteilen. Unnütz ist die
GoA auch dann, wenn die Sache so umgestaltet wurde, dass sie für den bisherigen Zweck unbrauchbar wurde. Dies ist jedoch nur eine Vermutung; die neue Verwendung kann uU für den Geschäftsherrn auch nützlich sein (s Meissel, Geschäftsführung 175 FN 19). 1124
Koziol
Bevollmächtigung
§ 1040
Bei unnützer GoA gebührt kein Aufwandersatz. Der Geschäftsfüh- 2 rer hat den vorigen Stand wieder herzustellen und, wenn dies untunlich ist, Schadenersatz (positiver Schaden und entgangener Gewinn) in Geld zu leisten. Die Ersatzpflicht setzt entsprechend den allgemeinen Regeln Verschulden voraus. § 1039. Wer ein fremdes Geschäft ohne Auftrag auf sich genommen hat, muß es bis zur Vollendung fortsetzen, und gleich einem Bevollmächtigten genaue Rechnung darüber ablegen. Lit: Meissel, Geschäftsführung, insb 153 ff.
Die Fortsetzungspflicht besteht nur bei Geschäftsfähigkeit des Ge- 1 schäftsführers (§ 1035 Rz 6) und letztlich nur bei nützlicher GoA; nicht jedoch bei GoA im Notfall (§ 1312; SZ 54/176), nach Sinn und Zweck auch nicht bei unnützer GoA und bei GoA gegen den Willen des Geschäftsherrn (Meissel, Geschäftsführung 154 f). Eine analoge Anwendung des § 1039 für Fälle der unechten GoA (§ 1035 Rz 8) wird überwiegend abgelehnt (Apathy/S Rz 7). Eine Rechnungslegungspflicht entsprechend § 1012 hat nicht nur 2 den Zweck, allenfalls zu ersetzende Aufwendungen festzustellen, sondern auch die Durchsetzung des Anspruchs auf Herausgabe der vom Geschäftsführer erlangten Vorteile und auf Ersatz erlittener Nachteile zu erleichtern. Sie besteht bei allen Arten der GoA. Das Gesetz erwähnt nicht die Pflicht des Geschäftsherrn zur Heraus- 3 gabe des Erlangten, doch ergibt sich diese aus einer Analogie zu § 1009 (Rummel/R Rz 4). gegen den Willen des anderen § 1040. Wenn jemand gegen den gültig erklärten Willen des Eigentümers sich eines fremden Geschäftes anmaßt, oder den rechtmäßigen Bevollmächtigten durch eine solche Einmengung an der Besorgung des Geschäftes verhindert; so verantwortet er nicht nur den hieraus erwachsenen Schaden und entgangenen Gewinn, sondern er verliert auch den gemachten Aufwand, insofern er nicht in Natur zurück genommen werden kann. Der Wille des Geschäftsherrn ist nur dann gültig erklärt, wenn die 1 Ablehnung nicht gesetz- oder sittenwidrig ist. Der Geschäftsführer gegen den Willen hat keinen Anspruch auf Er- 2 satz der Aufwendungen; er kann sie allerdings – soweit möglich – in Koziol
1125
Bevollmächtigung
§ 1041
Natur zurücknehmen. Schuldhaft verursachten Schaden hat er zu ersetzen; das Verschulden braucht sich nur auf den Verstoß gegen den Willen des Geschäftsherrn zu beziehen (Karollus, Schutzgesetzverletzung 330). Den erlangten Gewinn hat der Geschäftsführer nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen herauszugeben (9 ObA 3/93 wbl 1993, 260). Verwendung einer Sache zum Nutzen des anderen § 1041. Wenn ohne Geschäftsführung eine Sache zum Nutzen eines andern verwendet worden ist; kann der Eigentümer sie in Natur, oder, wenn dies nicht mehr geschehen kann, den Wert verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist. Lit: Apathy, Der Verwendungsanspruch (1988); Bollenberger, Das stellvertretende Commodum (1999); F. Bydlinski, Zum Bereicherungsanspruch gegen den Unredlichen, JBl 1969, 252; Canaris, Der Bereicherungsausgleich im Dreipersonenverhältnis, FS Larenz (1973) 799; Ellger, Bereicherung durch Eingriff (2002); P. Huber, Wegfall der Bereicherung und Nutzen (1988); Kerschner, Zur Höhe des Benützungsentgelts bei Nichtrückstellung der Bestandsache nach Vertragsende, JBl 1978, 411; ders, Wem gehört der Tunnelaushub? JBl 1997, 331; Kletecˇ ka, Unberechtigte Verwendung eines Werktitels, ecolex 1991, 525; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung 2 (1988); Koziol, Der Verwendungsanspruch bei Ausnützung fremder Kenntnisse und schöpferischer Leistungen, JBl 1978, 239; ders, Bereicherungsansprüche bei Eingriffen in nicht entgeltsfähige Güter? FS Wiegand (2005) 449; R. Oberhofer, Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt auch für die Vergangenheit? wobl 2004, 209; Reuter, Gegenstand und Inhalt des Bereicherungsanspruchs im deutschen Recht, FS Georgiades (2005) 321; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung (1983); Stefula, Zivilrechtliche Fragen des Schwarzfahrens, ÖJZ 2002, 826; Thunhart, Die Nutzungsvergütung (2005); Wellspacher, Versio in rem (1900); Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1934); ders, Zusammenspiel der Kräfte im Aufbau des Schuldrechts, AcP 163 (1964) 346; ders, Die „Subsidiarität“ des Verwendungsanspruchs, JBl 1992, 545.
1 § 1041 regelt den bereicherungsrechtlichen Grundtatbestand; er ist
Ausdruck des Prinzips, dass sich niemand ungerechtfertigt auf Kosten fremder Güter bereichern darf (F. Bydlinski, System 235). Die Verwendungsansprüche beruhen auf dem Gedanken, dass derjenige, der ohne rechtfertigenden Grund Vorteile aus den einem anderen zugewiesenen Gütern gezogen hat, die erlangte Bereicherung dem „Verkürzten“ (ohne Eingriff gibt es keinen Verwendungs- oder sons1126
Koziol
Bevollmächtigung
§ 1041
tigen Bereicherungsanspruch: 3 Ob 259/00k ecolex 2001, 275) herauszugeben hat (Wilburg, Bereicherung 27 ff; F. Bydlinski, System 242 f; Larenz/Canaris, SchuldR II/213 § 69 I 1c; 3 Ob 544, 545/95 SZ 68/115; 8 Ob 194/01i JBl 2002, 459; 7 Ob 265/05d ecolex 2006, 283 Wilhelm mit Besprechungsaufsatz von Thunhart, Zak 2006, 126; vgl auch 1 Ob 38/03z ÖBA 2004, 382 Apathy): Das die Güter zuordnende Recht setzt sich bei Verletzung in einem Anspruch auf den zuweisungswidrig erlangten Vorteil fort (Rechtsfortwirkung). § 1041 ist allerdings dann nicht anzuwenden, wenn die Bereicherung zwischen den beiden Beteiligten durch Leistung erfolgt (Stanzl/K IV/1, 909; SZ 58/104); dann greifen die Sonderregeln über die Leistungskondiktionen ein (s Vor §§ 1431–1437 Rz 1 und Wilburg, JBl 1992, 545; 8 Ob 129/03h JBl 2004, 382). § 1041 erfasst somit nur die Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung in sonstiger Weise. Wegen der „Grundlagenverwandtschaft“ zwischen Leistungskondiktion und Verwendungsklage ist allerdings eine scharfe Trennung weder stets möglich noch erforderlich (2 Ob 5/00z ÖBA 2001, 158 F. Bydlinski). Der Vorrang der Leistungskondiktion gegenüber dem Verwendungsanspruch gilt allerdings nur in zweipersonalen Beziehungen. Es kann hingegen sein, dass dem Verkürzten wahlweise gegen eine Person ein Verwendungsanspruch und gegen eine andere eine Leistungskondiktion zusteht (3 Ob 126/97v ÖBA 1999, 731 Apathy; Koziol, JBl 1977, 628 f). Im ABGB werden an vielen Stellen Unterarten des Verwendungsan- 2 spruchs geregelt (s Apathy, Verwendungsanspruch 26 ff). Beispiele bieten die §§ 331, 332, 333, 415, 416, 417, 418, 419, 824. Auch der aus § 1447 abzuleitende Anspruch auf das stellvertretende Commodum zählt zu den Verwendungsansprüchen (Bollenberger, Commodum 139 ff; s auch Rz 8 und § 1447). Im Unterschied zur Geschäftsführung ohne Auftrag setzt der Ver- 3 wendungsanspruch nicht voraus, dass die Vermögensverschiebung mit dem Willen erfolgt, die Interessen eines anderen wahrzunehmen. Wollte der Verkürzte die Geschäfte des Bereicherten führen, so scheidet ein Verwendungsanspruch aus und es sind die §§ 1035 ff anzuwenden (s 3 Ob 544, 545/95 SZ 68/115); andererseits unterliegen die Fälle sog unechter GoA dem § 1041, da es am Geschäftsführungswillen fehlt (s § 1035 Rz 8). Schadenersatz- und Verwendungsanspruch setzen gleichermaßen den 4 Eingriff in geschützte Interessen eines anderen voraus (vgl Larenz/ Canaris, SchuldR II/213 § 69 I 1d; Koziol, JBl 1998, 624). Das Schadenersatzrecht zielt jedoch auf den Ausgleich des dem BeeinträchKoziol
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tigten entstandenen Nachteils, während das Bereicherungsrecht der Abschöpfung des vom Eingreifenden erlangten Vorteils dient (7 Ob 190/04y ÖBA 2005, 807); nach heute hA setzt der Verwendungsanspruch auch keinen Schaden des Verkürzten voraus (Wilburg, Bereicherung 97 ff; SZ 55/37; 1 Ob 39/03x RdW 2003, 496). Da der Ersatz eines fremden Nachteils mit eigenen Mitteln eine belastendere Rechtsfolge als die Herausgabe eines nicht gebührenden Vorteils ist, bedarf der Schadenersatzanspruch im Gegensatz zum Verwendungsanspruch noch zusätzlicher Gründe, insb des Verschuldens des Eingreifenden. Wegen der Unterschiede bei Voraussetzungen und Rechtsfolgen ist Anspruchsnormenkonkurrenz gegeben (Koziol, HPR I Rz 17/26 ff; SZ 68/115; 2 Ob 5/00z JBl 2000, 446 Rummel = ÖBA 2001, 158 F. Bydlinski = ecolex 2000, 498 Thaler; 4 Ob 66/01m ÖBl 2002, 309; 8 Ob 194/01i JBl 2002, 459; ÖBA 2005, 807). 5 Sache ist iSd § 285 weit zu verstehen (5 Ob 525/94 SZ 67/79; 6 Ob
294/00d ÖBA 2002, 403). Es fallen daher nicht nur körperliche Gegenstände, insb Geld (Begleichung von Prozesskosten für einen Solidarschuldner, der als Nebenintervenient beigetreten ist: 8 Ob 2/00b JBl 2001, 172), Sachgesamtheiten wie zB Unternehmen (Würstelstand: 9 ObA 43/01s DRdA 2002, 158) und die mit Sachen gleich zu behandelnden Tiere (§ 285a) darunter, sondern auch Persönlichkeitsrechte, wie etwa das Namensrecht (Wilburg, Bereicherung 43), Immaterialgüterrechte (4 Ob 2385/96f MR 1997, 41; 4 Ob 307/00a MR 2001, 298; Wilburg, Bereicherung 41 ff; Torggler, JBl 1971, 1; Kletecˇ ka, ecolex 1991, 525; Jenny, Die Eingriffskondiktion bei Immaterialgüterrechtsverletzungen, 2005, 171 ff), Forderungsrechte (8 Ob 512/95 JBl 1996, 251 Apathy = ÖBA 1996, 135 Koziol; 8 Ob 194/01i JBl 2002, 459; 10 Ob 9/04b ÖBA 2004, 785 Koziol; 6 Ob 54/06v ÖBA 2007, 164; F. Bydlinski, QuHGZ 1981 H 3, 51), Bestandrechte (3 Ob 323/98s Miet 52.117) und Arbeitsleistungen. Auch dem bloßen Vermögen zuzuzählende Chancen oder Kenntnisse sind in gewissem Rahmen ein zugewiesenes Gut (Rz 8) und insofern als Sache zu verstehen. 6 Nach hA werden durch die Verwendungsansprüche allerdings nur
marktfähig verwertbare (s Reuter/Martinek, Bereicherung 256 ff; F. Bydlinski, System 241; Ellger, Bereicherung 403 ff; wirtschaftliche Werte: Miet 52.117) oder von Rechts wegen entgeltsfähige (Larenz/ Canaris, SchuldR II/213 § 69 I 1d; Lieb/MKBGB4 § 812 Rz 249) Vermögenswerte geschützt. Ideelle Güter, insb die Persönlichkeitsgüter, werden nicht erfasst, außer sie sind zumindest abstrakt verwertbar (Reuter/Martinek, Bereicherung 266 ff; vgl auch Ellger, Bereicherung 729 ff). Verwertbar sind etwa das Namensrecht; das Recht am eigenen Bild (vgl JBl 1989, 786 K. Nowakowski; 4 Ob 127/94 MR 1995, 109 1128
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M. Walter; Wilburg, Bereicherung 44) und der Bekanntheitsgrad einer Person (6 Ob 287/02b SZ 2003/24). Als entgeltsfähig wird auch das Recht an der Privatsphäre angesehen, da dieses zu kommerzieller Verwertung freigegeben werden könne (Schlechtriem, FS Hefermehl, 1976, 445; Canaris, FS Deutsch, 1999, 85; zweifelnd für Fälle, in denen eine Genehmigung zur Verwertung nie erteilt worden wäre, Wendehorst in Bamberger/Roth, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch II, 2003, § 812 Rz 74 mwN). Die Eingrenzung auf verwertbare oder entgeltsfähige Güter (Rz 6) 7 beruht wohl auch darauf, dass regelmäßig nur Vermögenswerte herausgegeben oder in Geld abgeschöpft werden können und eine in Geld messbare Ersparnis nur eintritt, wenn das Gut am Markt erhältlich ist. Richtig ist daran, dass beim Ausgleich rein ideeller Vorteile in Geld der Bereicherte Vermögenswerte herauszugeben hätte, die er nicht erlangte; die Rechtsfolge wäre daher ähnlich schwerwiegend wie eine Schadenersatzleistung. Überdies spricht gegen die Abgeltung erlangter ideeller Vorteile in Geld, dass eine Bemessung kaum möglich wäre (zur entsprechenden Begründung der Zurückhaltung bei Schadenersatz für ideelle Nachteile s Karner/Koziol, Ideeller Schaden 14 ff mwN). Diese Argumente tragen jedoch nicht, wenn der Eingriff in ein ideelles oder von Rechts wegen nicht entgeltsfähiges Gut zu einem in Geld messbaren, also vermögenswerten Gewinn geführt hat; nur dann, wenn die Rechtsordnung den Zufluss an den Verkürzten jedenfalls verhindern wollte, wäre die Kondiktion zu verneinen (ausführlich Koziol, FS Wiegand 449). Wenn das Gesetz vom Eigentümer spricht, so drückt es damit aus, 8 dass nur jener anspruchsberechtigt ist, dem das verwendete Gut zugewiesen ist (Rz 1). Das Ausmaß der Zuweisung kann sehr unterschiedlich sein (s Koziol, JBl 1998, 624 ff): Umfassend ist die Zuordnung bei den sog absoluten Rechten, also den Persönlichkeitsrechten, dinglichen Rechten (zum Pfandrecht 3 Ob 86/03y JBl 2004, 511) und Immaterialgüterrechten; doch ist auch bei ihnen der Umfang der Zuweisung zu prüfen (Fotografieren und Verbreitung der Bilder: SZ 61/220). Forderungsrechte stehen dem Gläubiger zu und sind ihm insofern ausschließlich zugewiesen (4 Ob 66/01m SZ 74/121; Koziol, HPR 2 II 43). Reine Vermögensinteressen genießen hingegen nur geringen Schutz, etwa gegen zielgerichtete Eingriffe, die keine höherwertigen Interessen verfolgen (näher Koziol, JBl 2004, 273 ff). Der sich aus allgemeinen Abwägungen ergebende Schutzbereich kann durch Schutzgesetze (§ 1311) und den Schutz gegen sittenwidrige Eingriffe (§ 1295 Abs 2; § 1 UWG) ergänzt werden. Auch derart begrenzte Güterzuordnungen können Verwendungsansprüche rechtfertigen, wenn Koziol
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Eingriffe in den geschützten Interessensbereich erfolgen (Wilburg, Bereicherung 44 ff; Larenz/Canaris, SchuldR II/213 § 69 I 1c; F. Bydlinski, System 243; Koziol, JBl 1978, 239; 8 Ob 610/92 JBl 1994, 538; dagegen etwa Reuter/Martinek, Bereicherung 257 ff; Wilhelm, ÖBl 1995, 149 ff). Der Besitz ist keine geeignete Grundlage für Verwendungsansprüche (Wilburg, Bereicherung 37 f); er genießt zwar Schutz, jedoch nur zwecks Erhaltung der Friedensordnung und nicht wegen der Zuweisung des Vermögenswertes an den Besitzer (Iro, SachenR Rz 2/2). Anderes gilt jedoch, wenn ein Recht zum Besitz besteht und der Besitzer Schutz analog § 372 genießt (Bestandrecht: 3 Ob 323/98s Miet 52.117; Fischereirecht: 1 Ob 82/05y JBl 2006, 790). Eine relative Zuweisung erfolgt durch Vertragsverhältnisse, soweit diese dem Gläubiger ein durchsetzbares Recht auf den Leistungsgegenstand verschaffen; bei einem Eingriff in die dem Gläubiger zugewiesene Sache ist daher der stellvertretende Vorteil herauszugeben (dazu ausführlich Bollenberger, Commodum, insb 139 ff; s auch § 1447 Rz 7). 9 Verwendung ist jede Nutzung eines Gutes (5 Ob 525/94 ÖBA 1995,
141), also sowohl Gebrauch als auch Verbrauch, Verfügung oder Erwerb; keine Verwendung ist eine Zerstörung, die nicht der Nutzung dient (Rummel/R Rz 3). Verfügung ist nicht nur die Übertragung eines Rechts, sondern auch die wirksame (§ 1395) Einziehung einer fremden Forderung (JBl 1986, 235 Czermak; 6 Ob 174/00g ÖBA 2001, 910 Karollus; 3 Ob 133/01g ÖBA 2003, 61 Koziol; Apathy, Verwendungsanspruch 49 ff; Reischauer, ÖJZ 1987, 257). Die Verwendung kann auch durch Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgen: Der Gläubiger befriedigt sich aus Sachen, die nicht seinem Schuldner, sondern einem anderen, zB dem Vorbehaltsverkäufer, gehören (SZ 57/192; Wilburg, Bereicherung 159 ff; F. Bydlinski/K IV/2, 559, 615). Eine unwirksame Verfügung ist wohl nicht als Verwendung zu verstehen (übersehend bei einer Wechseleinziehung ÖBA 1995, 141, s dazu Canaris, ÖBA 1995, 79): Der Verwendungsanspruch ist ein Rechtsfortwirkungsanspruch, der den Verlust des Eigentums voraussetzt (Rz 1), und überdies ist der Verfügende nicht endgültig bereichert, weil er dem Erwerber, der nicht Eigentum erlangte, für den Rechtsmangel Gewähr zu leisten hat und daher zur Herausgabe des Preises verpflichtet ist. Der Eigentümer kann sein Bedürfnis, bei faktischer Undurchsetzbarkeit seines Herausgabeanspruchs doch den Verwendungsanspruch gegen den Verfügenden geltend zu machen, abdecken, indem er die Verfügung genehmigt und damit die endgültige Bereicherung des Verfügenden bewirkt (zur Problematik bei Konkurs des Schuldners Canaris, ÖBA 1995, 80). Es wird jedoch auch 1130
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vertreten, dass dem Eigentümer bei unwirksamer Verfügung stets der Verwendungsanspruch zusteht; er habe dann noch immer die Möglichkeit, die Eigentumsklage zu erheben und dem Verfügenden die Bereicherungssumme zurückzuerstatten (Apathy, Verwendungsanspruch 59 ff mwN). Die Verwendung kann durch einen Eingriff des Bereicherten in die 10 einem anderen zugewiesenen Güter erfolgen. Erforderlich ist nur, dass der Tatbestand der Verletzung eines geschützten Interesses verwirklicht ist (Koziol, JBl 1998, 623 f). Auf die Sorgfaltswidrigkeit des Handelns kommt es bloß dann an, wenn die Interessen lediglich gegen bestimmte rechtswidrige Verhaltensweisen geschützt sind, etwa gegen sittenwidriges Handeln (Rz 8). Die Verwendung kann jedoch auch erfolgen durch ein Handeln des Eigentümers iwS, die keine Leistung ist (4 Ob 2259/96a SZ 69/229; versehentliche Ausbesserung einer fremden Sache oder Fütterung eines fremden Tieres; vgl auch § 418) oder ohne Mitwirkung von Bereichertem oder Verkürztem (der Schuldner zahlt schuldbefreiend an den Zedenten statt an den Zessionar: JBl 1986, 235 Czermak; ÖBA 1989, 188 Holzner; Zuweisung bei der Meistbotsverteilung an einen dem übergangenen Pfandgläubiger nachfolgenden Gläubiger: 3 Ob 86/03y JBl 2004, 511; 1 Ob 215/03d JBl 2005, 100 Dullinger; 6 Ob 54/06v ÖBA 2007, 164). Nur eine ungerechtfertigte Verwendung, die in geschützte Interessen 11 eingreift und der Zuweisung widerspricht, löst Bereicherungsansprüche aus; die Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit trifft den Verkürzten (1 Ob 215/03d ÖBA 2004, 552). Die Ansprüche scheiden daher bei Rechtfertigung durch Vertrag oder Gesetz aus (1 Ob 353/97m SZ 71/128; 6 Ob 75/01z ÖBA 2001, 984). Ein Vertrag rechtfertigt die Vorteilserlangung allerdings nur, wenn er mit dem Verkürzten besteht (8 Ob 129/03h JBl 2004, 382; s auch Rz 12). Die uneingeschränkte Anwendbarkeit dieser Regel wird etwa von Wilburg, JBl 1992, 547, Apathy, Verwendungsanspruch 90 ff, F. Bydlinski, System 274 ff, bezweifelt, insb wenn ein Werkunternehmer dem Werkbesteller leistet, der Vorteil jedoch dem Dritteigentümer zukommt. Das Gesetz bietet einen Rechtsgrund insb beim gutgläubigen Erwerb, etwa gemäß § 367 (zu § 371 s F. Bydlinski, QuHGZ 1981 H 3, 51; ÖBA 1989, 428 Kerschner; SZ 71/128), bei der Ersitzung (Wilburg, Bereicherung 12 f; einschränkend Spielbüchler, Schuldverhältnis 226) oder der Verjährung (SZ 43/98), sowie bei Verstreichen der für die Rangordnung vorgesehenen Jahresfrist (6 Ob 294/00d ÖBA 2002, 403). Vgl ferner 3 Ob 523/95 JBl 1997, 241 Auckenthaler = NZ 1997, 149 Ch. Rabl: vergütungsfreie Nutzung des vermeintlich heimgefallenen Nachlasses. Es ist zu beachten, dass das Gesetz aber auch nur das Eigentum zuspreKoziol
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chen, jedoch einen Ausgleich durch Verwendungsansprüche vorsehen kann (vgl etwa §§ 416, 417; § 371 wenn die Voraussetzungen gutgläubigen Erwerbs nicht vorliegen; zu § 330 s Apathy, JBl 1978, 522 f). 12 Bereicherungsgläubiger ist der „Eigentümer“, also der Verkürzte,
dem das unbefugt verwendete Gut in einer den Eingriff ausschließenden Weise zugewiesen war (Rz 8). Bereicherungsschuldner ist, wer den Nutzen gezogen hat. Der Verwendungsanspruch kann sich auch gegen mehrere Personen richten, wenn jede von ihnen einen Nutzen zieht (9 Ob 51/03w immolex 2003, 348). Die Bestimmung von Gläubiger und Schuldner kann insb bei dreipersonalen Verhältnissen Schwierigkeiten bereiten. Hat V seine Sache M, dem mittelbaren Stellvertreter des B, übereignet und M die Sache an B übertragen, so steht V kein Verwendungsanspruch (Versionsanspruch) gegen B zu, falls M dem V die geschuldete Gegenleistung nicht erbringt: B hat von M, der Eigentümer war, erworben und daher nicht in die Rechte des V eingegriffen. Da auch der Erwerb des M vertraglich gerechtfertigt ist, kann V nur nach Auflösung des Vertrages mit M eine Leistungskondiktion gegen M zustehen (JBl 1956, 17; JBl 1982, 429; vgl auch 9 Ob 127/04y ecolex 2006, 222. Stanzl/K IV/1, 912 ff; Apathy, Verwendungsanspruch 81 ff; krit Wilburg, JBl 1992, 545 ff; aA noch JBl 1951, 329; Wellspacher, Versio in rem 133). Überweist der debitor cessus den geschuldeten Betrag schuldbefreiend (§ 1395) auf das Konto des Zedenten, so steht dem Zessionar der Verwendungsanspruch gegen diesen zu, da der Zedent als Empfänger der Zahlung und nicht seine Bank ungerechtfertigt bereichert ist (7 Ob 332/98v SZ 72/66 = ecolex 1999, 539 Graf; 10 Ob 9/04b ÖBA 2004, 785 Koziol; Dullinger/Rummel, ÖBA 1998, 593; unzutreffend 8 Ob 512/95 JBl 1996, 251 Apathy = ÖBA 1996, 135 Koziol). Fehlt ein gültiger Überweisungsauftrag, so steht der vermeintlich angewiesenen Bank und nicht dem angeblich Überweisenden der Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger zu (1 Ob 580/94 ÖBA 1995, 314; 6 Ob 204/02x ÖBA 2004, 550; Koziol, BVR I1 Rz 6/87; vgl auch Vor §§ 1431–1437 Rz 5 f; zur Scheckeinlösung vgl 3 Ob 126/97v ÖBA 1999, 731 Apathy, krit Wilhelm, ecolex 1999, 533; 3 Ob 133/01g ÖBA 2003, 61 Koziol). Wird die Sache des V vom Dieb dem B verkauft und erwirbt dieser kein Eigentum (§ 367), so steht nach hA bei Verbrauch der Sache V in Fortwirkung der Eigentumsklage der Verwendungsanspruch gegen B und nicht gegen den Dieb zu (s Rz 9; zur Leistungskondiktion des Diebes gegen B bei Wandlung des Kaufvertrages s Wilburg/K VI 488). Befriedigt sich ein Gläubiger durch Zwangsvollstreckung aus Sachen, die nicht seinem Schuldner gehören, so steht dem Eigentümer die Kondiktion gegen den Gläubiger und nicht gegen 1132
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den Schuldner zu (SZ 57/192; s auch Rz 9). Der Verwendungsanspruch des bei der Meistbotsverteilung übergangenen Hypothekargläubigers richtet sich gegen den nachfolgenden Pfandgläubiger, der einen höheren Betrag zugewiesen erhielt (3 Ob 86/03y JBl 2004, 511). Der Verwendungsanspruch ist primär auf die Rückgabe der Sache 13 gerichtet. Geht die Sache durch Zufall unter, bevor der Bereicherungsschuldner Eigentum erwarb, so wird er gemäß § 1447 von seiner Herausgabepflicht befreit (K/W II 266). Trat keine Befreiung ein, ist die Herausgabe jedoch nicht möglich oder tunlich, so ist vom Bereicherten nach hA keine gleichartige Sache zu leisten (vgl SZ 7/51). Das ist im Gegensatz zum Schadenersatzrecht (§ 1323) insofern gerechtfertigt, als der Bereicherte nicht schuldhaft gehandelt haben muss und ihm daher die Belastung der Anschaffung anderer Sachen nicht zumutbar ist. Es ist jedoch Apathy, Verwendungsanspruch 98 f, zu folgen, dass der Bereicherte dann gleichartige Sachen schuldet, wenn ihn dies nicht mehr belastet als die von ihm zu erbringende Geldleistung. Ist eine Rückgabe nicht möglich, hatte der Bereicherte jedoch schon 14 Eigentum erworben oder einen Vorteil gezogen, so ist Wertersatz in Geld zu leisten (P. Huber, Wegfall 45; Kerschner, JBl 1990, 565). Maßgebend ist der Wert der Sache für den Bereicherten, also dessen Vorteil und nicht der Schaden des Verkürzten (s Rz 4). Der Vorteil kann in einer Vermögensvermehrung oder auch in der Ersparnis von Aufwendungen liegen (SZ 52/9; 4 Ob 266/01y EvBl 2002/118; 1 Ob 39/03x RdW 2003, 496). Bei Verbrauch oder Verfügung über die Sache ist der Substanzwert, bei Gebrauch der Wert der Benutzung maßgebend (Rummel/R Rz 15). Werden Sachen üblicherweise gekauft und nicht auf lange Zeit gemietet, so ist nicht der Mietzins, sondern der ersparte Aufwand des Bereicherten anzusetzen (1 Ob 511/92 SZ 65/5; vgl auch Thunhart, Nutzungsvergütung 35 ff). Beim Wertersatz ist auf den Zeitpunkt der Verwendung abzustellen, so dass ein späterer Wegfall des einmal eingetretenen Nutzens den Bereicherten nicht befreit (SZ 54/131; Apathy, Verwendungsanspruch 104 ff; 4 Ob 114/02x EvBl 2002/180). Macht der Gläubiger Wertersatz geltend, so steht ihm gegen den Bereicherten ein Rechnungslegungsanspruch analog § 1039 zu (1 Ob 82/05y JBl 2006, 790). Für die Bemessung der Bereicherung ist die Redlichkeit oder Unred- 15 lichkeit des Bereicherten von Bedeutung. Der Redliche hat bei Verbrauch oder Veräußerung der Sache höchstens den Verkehrswert (§ 417) zu ersetzen (Wilburg, Bereicherung 133 ff; F. Bydlinski, JBl 1969, 253; 3 Ob 323/98s Miet 52.117; differenzierend Apathy, VerwenKoziol
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dungsanspruch 116 f; s auch § 1437 Rz 4); liegt der Erlös darunter, so hat er nur das tatsächlich Erlangte herauszugeben (unterscheidend Harrer, JBl 1983, 249; P. Huber, Wegfall 118 ff). Bei wirksamer Schenkung einer Sache (s § 824) ist der ersparte Aufwand für den Erwerb eines Geschenkes maßgebend. Für den Gebrauch hat der Redliche das gewöhnliche Benutzungsentgelt zu leisten (Wilburg, Bereicherung 133 ff; zum Entgelt bei Belassung von Einrichtungsgegenständen in der Wohnung nach Beendigung des Mietvertrages: 1 Ob 39/03x RdW 2003, 496), doch fallen ihm die Früchte sachenrechtlich zu (§ 330; s Apathy, JBl 1978, 517; Stanzl/K IV/1, 918). Zum Nachteilsausgleich s § 1437 Rz 5. Der Unredliche muss jedenfalls den höchsten am Markt erzielbaren Preis ersetzen (§ 417), selbst wenn der tatsächliche Erlös geringer war (vgl SZ 57/44; Miet 52.117); er hat auch das höchste Benutzungsentgelt zu leisten, wenn die Benützung der Sache objektiv vorteilhaft war (4 Ob 114/02x SZ 2002/75; 7 Ob 265/05d ecolex 2006, 283). Einen über den Verkehrswert hinausgehenden Erlös hat der Unredliche herauszugeben, außer dieser wurde nur durch eigene Aufwendungen erzielt; dann ist der Erlös zu teilen. Ebenso sind die Nutzen zu teilen, wenn die Fruchtziehung auch auf Aufwendungen des Bereicherten zurückzuführen ist (Wilburg, Bereicherung 128 ff; F. Bydlinski, JBl 1969, 253 ff; Graf, JBl 1990, 351 ff; Bollenberger, Commodum 317 ff). 16 Bei wissentlicher Inanspruchnahme fremden Gutes ist jedenfalls ein
angemessenes Entgelt zu zahlen, selbst wenn kein konkreter Vorteil erlangt wurde (Wilburg, AcP 163, 356 ff; 6 Ob 280/98i JBl 1999, 458 Apathy; 9 ObA 43/01s SZ 74/102; 7 Ob 265/05d ecolex 2006, 283). § 1042. Wer für einen andern einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetze selbst hätte machen müssen, hat das Recht, den Ersatz zu fordern. Lit: Auckenthaler, Irrtümliche Zahlung fremder Schulden (1980); Ch. Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 395; Koziol, Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit und Regreßansprüche eines Drittzahlers, JBl 1978, 626; ders, Der Ersatzanspruch des Gläubigers gemäß § 1042 ABGB bei Vornahme der dem Schuldner obliegenden Leistung, RdW 1994, 341; Meissel, Geschäftsführung, insb 49 ff; J.W. Steiner, Zahlungsansprüche aus ärztlicher Behandlung gegen unterhaltspflichtige Dritte, JBl 1975, 406; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1934).
1 Da es um die Verwendung eigener Vermögenswerte zu fremdem Nut-
zen geht, handelt es sich nach hA um einen Unterfall des Verwen1134
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Bevollmächtigung
§ 1042
dungsanspruchs nach § 1041 (Stanzl/K IV/2, 923; Apathy/S Rz 1; Meissel, Geschäftsführung 49; aA Rummel/R Rz 1). Aufwand für einen anderen ist jede vermögenswerte Leistung, mit der eine fremde Schuld erfüllt wird (Rummel/R Rz 2 und 3). Die Abgrenzung zur GoA kann allerdings schwierig sein (vgl auch 6 Ob 129/02t RdW 2003, 190). Erfolgt die Aufwendung in der Absicht, die Interessen des Verpflichteten zu wahren, so liegt GoA vor (§ 1035 Rz 4), handelt der Aufwendende hingegen im Interesse desjenigen, dem der Verpflichtete leisten sollte, so ist § 1042 anzuwenden (s Ch. Huber, JBl 1985, 533). Vorausgesetzt wird, dass der andere „nach dem Gesetz“ zur Täti- 2 gung des Aufwandes verpflichtet ist. Damit sollten vor allem Unterhaltspflichten, aber auch andere unmittelbar aus dem Gesetz ableitbare Pflichten (1 Ob 272/02k SZ 2003/17: Bundesbetreuung von Asylwerbern; vgl aber auch 5 Ob 98/05f SZ 2006/132 = JBl 2006, 242 Diehsbacher) erfasst werden, doch genügt nach heute hA jede vom Gesetz anerkannte Verpflichtung, also auch eine vertraglich begründete (9 ObA 1/90 JBl 1991, 127; 5 Ob 165/00a SZ 73/116: Beitragspflicht von Miteigentümern; Stanzl/K IV/1, 927 f; Auckenthaler, Zahlung 25 f); vgl auch 5 Ob 90/02z ecolex 2002, 746 Wilhelm = wobl 2003, 248 Vonkilch: Ausgleich zwischen dem Erben des früheren Mieters, der einen Baukostenbeitrag geleistet hat, und dem gemäß § 14 MRG eingetretenen Mieter. Der Vorteil des Schuldners liegt in der Befreiung von seiner Verbindlichkeit (JBl 1988, 586 H. Pichler; 3 Ob 606/90 JBl 1991, 309 Apathy; Koziol, JBl 1978, 628, 631; vgl auch Kerschner, JBl 1986, 704). Nach aA genügt es allerdings, wenn der Verpflichtete sich die Leistung vorläufig erspart hat (Auckenthaler, Zahlung 59 ff). Ein Anspruch aus § 1042 scheidet aus, wenn der Aufwand in der – 3 nicht zu vermutenden – Absicht erbracht wurde, keinen Ersatz zu begehren (SZ 61/241; JBl 1991, 309 Apathy) oder die Vermögensverschiebung gerechtfertigt (vgl § 1041 Rz 11) oder durch das Gesetz gesondert geregelt ist (wbl 1989, 346). Die Rechtfertigung kann im Verhältnis zum Verpflichteten oder zum Empfänger bestehen (SZ 52/79; 4 Ob 518/96 SZ 69/40; 1 Ob 173/97s JBl 1998, 252; 2 Ob 60/01i ZVR 2002/36 und RdW 2003, 190: vertragliche Verpflichtung des Zahlenden gegenüber dem Empfänger; Stanzl/K IV/1, 924 f; J.W. Steiner, JBl 1975, 410 f). Dass der Vater nach der Tötung der Mutter gesetzlich zu erhöhten Unterhaltsleistungen gegenüber dem Kind verpflichtet ist, schließt allerdings den Anspruch nach § 1042 gegenüber dem Schädiger nicht aus, da die subsidiäre Unterhaltspflicht nicht zu dessen Entlastung führen soll: 2 Ob 8/03w ZVR 2004/58. § 1042 ist ferner dann Koziol
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Bevollmächtigung
§ 1042
nicht anwendbar, wenn der Zahlende gemäß § 1358 oder § 1422 vom Empfänger dessen Anspruch gegen den Verpflichteten erwirbt (7 Ob 281/00z SZ 74/44); in diesen Fällen wird der Verpflichtete durch die Zahlung nicht befreit, es tritt vielmehr ein bloßer Gläubigerwechsel ein. 4 War der Zahlende der Meinung, eine eigene Verbindlichkeit zu erfül-
len, hat er jedoch irrtümlich eine fremde Schuld beglichen, so steht ihm grundsätzlich eine Leistungskondiktion (§ 1431) gegen den Empfänger zu (s Koziol, JBl 1978, 632 f). Ein Anspruch nach § 1042 gegen den Verpflichteten scheidet hier nach hA (s Rz 2) aus, da der Verpflichtete mangels Befreiung von seiner Verbindlichkeit nicht bereichert ist. Der Zahlende kann jedoch auf seine Kondiktion verzichten, die Leistung damit endgültig dem Empfänger belassen und den Verpflichteten von seiner Schuld befreien; dann steht der Anspruch nach § 1042 offen (dazu SZ 33/41; Auckenthaler, Zahlung 27 ff, 81 ff; s auch § 1041 Rz 9). 5 Strittig ist die Anwendbarkeit des § 1042 in zweipersonalen Bezie-
hungen, etwa wenn der Besteller die vom säumigen Werkunternehmer geschuldete Verbesserung der gelieferten Sache selbst durchführt (dafür 4 Ob 598/89 ÖBA 1990, 390; 9 Ob 342/98d RdW 1999, 648; Koziol, RdW 1994, 341; Reischauer, JBl 2002, 151; aA 1 Ob 122/00y RdW 2001, 145; Rummel/R Rz 1 mwN). Da der Anspruch nach § 1042 nur auf die tatsächliche Ersparnis des Verpflichteten gerichtet ist und auch dieselbe Verjährungsfrist gilt, werden die Interessen des Verpflichteten nicht beeinträchtigt. Soweit überhaupt eine Verdrängung der Verzugsregeln (s Welser/Jud, Reform des Gewährleistungsrechts – GA für den 14. ÖJT II/1, 2000, 100 f) zu befürchten wäre, kann dem durch die analoge Anwendung des § 1168 Abs 1 begegnet werden (s dazu § 932 Rz 5). 6 Der Umfang des Anspruchs ist einerseits durch den vom Verkürzten
getätigten Aufwand, andererseits durch den vom Verpflichteten erlangten Vorteil begrenzt (Apathy/S Rz 7). Dieser liegt in der Ersparnis der Erfüllung der Verbindlichkeit. Bei Geldschulden können neben dem zu zahlenden Betrag allenfalls zusätzlich Kreditkosten zu berücksichtigen sein; bei anderen Leistungen sind die Kosten zu ermitteln, die dem Verpflichteten entstanden wären. Da sich der Anspruch nach der fremden Schuld richtet, kann der Schuldner alle Einwendungen gegen die Schuld auch dem Drittzahler entgegensetzen (5 Ob 213/00k immolex 2002, 53). Die Verjährung hat sich nach der getilgten Forderung zu richten, da sonst der Schuldner durch die Drittzahlung benachteiligt würde (Wilburg, Bereicherung 67; Ch. Huber, 1136
Koziol
Bevollmächtigung
§ 1044
JBl 1985, 532 ff; Apathy, JBl 1991, 311; Koziol, RdW 1994, 334; Rummel/R Rz 8; M. Bydlinski/R § 1478 Rz 6); dieser Auffassung hat sich nun auch die Rspr angeschlossen: 4 Ob 15/05t SZ 2005/50 (s § 1478 Rz 1; aA noch JBl 1991, 127; immolex 2002, 53; 2 Ob 114/03h bbl 2003, 242). § 1043. Hat jemand in einem Notfalle, um einen größeren Schaden von sich und andern abzuwenden, sein Eigentum aufgeopfert; so müssen ihn alle, welche daraus Vorteil zogen, verhältnismäßig entschädigen. Die ausführlichere Anwendung dieser Vorschrift auf Seegefahren ist ein Gegenstand der Seegesetze. Lit: Bollenberger, Commodum, insb 215 ff; Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit im fremden Interesse (1985); Frank, Die Selbstaufopferung des Kraftfahrers im Straßenverkehr, JZ 1982, 737; Meissel, Geschäftsführung, insb 34 ff; Wesener, Von der lex Rhodia de iactu zum § 1043 ABGB, FS Bärmann (1975) 31; Wünsch, Gedanken zur großen Haverei und deren analoger Anwendung, FS Wesener (1992) 531.
Bei der Aufopferung von Sachen im Notfall, also bei unmittelbar 1 drohendem Schaden, geht es im Gegensatz zu § 1041 nicht um die widmungsgemäße Verwendung einer Sache, sondern um deren Zerstörung. Geschäftsführungsabsicht ist keine Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs (Meissel, Geschäftsführung 36 ff), nur Rettungswille (Rummel/R Rz 4). Praktisch bedeutsam kann die Bestimmung heute insb in Fällen der „Selbstaufopferung“ im Straßenverkehr werden (s Canaris, JZ 1963, 655; Fitz, Risikozurechnung 128 ff; Wesener, FS Bärmann 33; aA Stanzl/K IV/1, 936; ZVR 1960/16). § 1043 spricht von „entschädigen“ und drückt damit aus, dass sich der 2 Anspruch – anders als nach § 1041 – nach der Entreicherung, also dem Nachteil des Verkürzten, richtet; es handelt sich daher wohl nicht um einen reinen Verwendungsanspruch (das betont Bollenberger, Commodum 216; vgl auch Koziol, FS F. Bydlinski, 2002, 178 f). Der Anspruch ist jedoch auch durch den Nutzen der anderen Beteiligten begrenzt (Meissel, Geschäftsführung 38); insofern kommt der Bereicherungsgedanke zum Durchbruch. § 1044. Die Verteilung der Kriegsschäden wird nach besondern Vorschriften von den politischen Behörden bestimmt. Diese Bestimmung verweist bezüglich des Ersatzes von Kriegsschä- 1 den auf das öffentliche Recht. Koziol
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Tauschvertrag
§ 1045
Dreiundzwanzigstes Hauptstück Von dem Tauschvertrage Tausch § 1045. Der Tausch ist ein Vertrag, wodurch eine Sache gegen eine andere Sache überlassen wird. Die wirkliche Übergabe ist nicht zur Errichtung; sondern nur zur Erfüllung des Tauschvertrages, und zur Erwerbung des Eigentumes notwendig. Lit: Lurger, Zur Typologie internationaler Gegengeschäfte, wbl 1990, 353; dies, Handbuch der internationalen Tausch- und Gegengeschäftsverträge (1992); Thiele, Transportrechtliche Probleme beim Palettentausch, RdW 1998, 390.
1 In Abkehr vom römischen Recht ist der Tausch – wie der im anschlie-
ßenden Hauptstück geregelte Kauf, für den die §§ 1045 ff ergänzend anzuwenden sind (§ 1066) – ein entgeltlicher Konsensualvertrag (SZ 53/106). Es soll eine (bestimmbare) Sache (Rz 3) für eine andere (ausgenommen Geld: § 1046) überlassen, dh übergeben und übereignet werden. Zur Abgrenzung vom Kauf s §§ 1046, 1055. 2 Der Tausch ist Titel für den Eigentumserwerb, wozu entsprechend
§§ 380, 425 zudem die Übergabe bzw Einverleibung nötig ist (§ 1047 Rz 1). Eigentum der Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist nicht erforderlich (vgl § 367); es genügt die (objektive) Möglichkeit, Eigentum zu verschaffen (SZ 53/106; zur anfänglichen Unmöglichkeit s § 878). Selbst ein verbüchertes Veräußerungsverbot (§ 364c) schließt die Wirksamkeit eines Tausch- oder Kaufvertrages nicht aus, sondern verhindert nur dessen grundbücherliche Durchführung (SZ 39/9; 3 Ob 2094/96d NZ 1998, 216; Iro, SachenR Rz 4/34). Auch beim Tausch kann ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden, insb beim Tausch mit Aufzahlungsverpflichtung (SZ 20/4). 3 Vertauschen kann man verkehrsfähige Sachen (§ 285) und Tiere (§ 285a): Also körperliche Sachen, einschließlich Energie (§ 15 Abs 1 KSchG), und unkörperliche (zB Forderungen, Dienstbarkeiten, Informationen); Mobilien und Liegenschaften (SZ 53/106), aber auch Gesamtsachen (§ 302; zB Unternehmen) und Vermögen (zB Erbschaft: § 1278). Kein Gegenstand des Tausches sind jedoch Arbeitsund Werkleistungen (§ 1151) sowie obligatorische Gebrauchsrechte (§ 1090; zum Wohnungstausch s § 13 MRG). § 1046. Das Geld ist kein Gegenstand des Tauschvertrages; doch lassen sich Gold und Silber als eine Ware, und selbst als Münzsorten insoweit vertauschen, als sie nur gegen andere Münzsorten, gol1138
Apathy
Tauschvertrag
§ 1047
dene nämlich gegen silberne, kleinere gegen größere Stücke verwechselt werden sollen. Lit: Oppitz, Der Differenzeinwand bei Swapverträgen, ÖBA 1991, 782.
Dass Geld (in- oder ausländische gesetzliche Zahlungsmittel) kein 1 Gegenstand des Tauschvertrags ist, entspricht der Abgrenzung von Tausch und Kauf danach, ob eine Sache gegen eine Sache oder aber gegen Geld überlassen werden soll. Freilich ist der Erwerb ausländischer Währung gegen Euro entsprechend dem Parteiwillen Kauf. Der Erwerb ausländischer Währung gegen ausländische Währung ist Tausch (GlU 15.049), sofern nicht zwei selbständige Kaufverträge gewollt sind, was bei Bankgeschäften anzunehmen ist (Oppitz, ÖBA 1991, 784; Aicher/R Rz 3); auch beim Wechseln einer großen Banknote in kleinere handelt es sich um Tausch. Nicht als gesetzliche Zahlungsmittel geltende Gold- und Silbermünzen werden um Euro gekauft; gegen andere Sachen (§ 1045 Rz 1 und 3) werden sie getauscht. Rechte und Pflichten der Tauschenden; § 1047. Tauschende sind vermöge des Vertrages verpflichtet, die vertauschten Sachen der Verabredung gemäß mit ihren Bestandteilen und mit allem Zugehöre zu rechter Zeit, am gehörigen Ort und in eben dem Zustand, in welchem sie sich bei Schließung des Vertrages befunden haben, zum freien Besitz zu übergeben und zu übernehmen. [idF III. TN] Lit: Holzner, Gutgläubiger Rechtserwerb an Nebensachen, JBl 1994, 511 und 587.
Hauptpflicht der Tauschenden ist es, einander unbelastetes Eigentum 1 und Besitz zu verschaffen. Zwar spricht § 1047 nur von der Übergabe „zum freien Besitz“, doch ist diese dem gemeinen Recht entsprechende Anordnung infolge der geänderten Gestaltung des Gewährleistungsrechts für Rechtsmängel zu ergänzen. Da zufolge § 923 nicht erst nach Eviktion, sondern sofort gehaftet wird, „wenn das Widerspiel hervorkommt“, besteht auch eine Eigentumsverschaffungspflicht, und zwar nicht nur für die Hauptsache, sondern auch für Zubehör, das im Zweifel mitveräußert ist. Der Veräußerer erfüllt seine Verpflichtung auch dann, wenn der Erwerber zB nach § 367 oder durch Ersitzung originär Eigentum erwirbt. Zum Erwerb muss der Schuldner eine bewegliche Sache körperlich 2 übergeben (§ 426), wenn nicht Übergabe durch Zeichen (§ 427), Erklärung (§ 428) oder Versendung (§ 429) vereinbart ist. Apathy
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Tauschvertrag
§§ 1048–1049
Bei Liegenschaften sind neben der realen Übergabe die Aufsandungserklärung (§ 32 GBG) und die Unterfertigung der erforderlichen Urkunden geschuldet (1 Ob 140/97p NZ 1998, 182); die Einverleibung lässt den Anspruch auf Verschaffung des physischen Besitzes unberührt (3 Ob 2159/96p immolex 1998, 121). Einen bei Vertragsschluss bereits vorhandenen oder später erwirkten Rangordnungsbeschluss hat der Veräußerer dem Erwerber auszufolgen (JBl 1961, 595; NZ 1988, 11). Zur Einschaltung eines Treuhänders s § 1062 Rz 3 ff. Zur Übernahmepflicht s § 1062 Rz 6. 3 Dass sich die Verpflichtung auf die Bestandteile, nicht abgesonderte
Früchte und das Zubehör erstreckt, ist eine Auslegungsregel. Abweichende Vereinbarungen muss der Schuldner beweisen (LG Wien Miet 17.098). Scheinzubehör (Fremdeigentum) ist im Zweifel nicht erfasst (Holzner, JBl 1994, 515; aM Aicher/R Rz 5). Dass der Zustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschuldet wird, ist ebenfalls Auslegungsregel. Für Zeit und Ort der Übergabe gelten die allgemeinen §§ 904 f. 4 Bei Mangelhaftigkeit sind §§ 922 ff mit der Besonderheit anzuwen-
den, dass eine Preisminderung – außer bei teilbarer Gegenleistung (SZ 26/185: Tausch mit Aufzahlung) – nicht in Betracht kommt; vielmehr schuldet, wer mangelhaft geleistet hat, statt dessen angemessene Aufzahlung (Ehrenzweig, System II/1, 403). insbesondere in Rücksicht der Gefahr; § 1048. Ist eine Zeit bedungen, zu welcher die Übergabe geschehen soll, und wird in der Zwischenzeit entweder die vertauschte bestimmte Sache durch Verbot außer Verkehr gesetzt, oder zufälliger Weise ganz, oder doch über die Hälfte am Werte zu Grunde gerichtet, so ist der Tausch für nicht geschlossen anzusehen. § 1049. Andere in dieser Zwischenzeit durch Zufall erfolgte Verschlimmerungen der Sache und Lasten gehen auf die Rechnung des Besitzers. Sind jedoch Sachen in Pausch und Bogen behandelt worden; so trägt der Übernehmer den zufälligen Untergang einzelner Stücke, wenn anders hierdurch das Ganze nicht über die Hälfte am Werte verändert worden ist. Lit: Ch. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf (2002); Schilcher, Die Preisgefahr beim Kauf, JBl 1964, 395.
1 Wird die Sache nach Vertragsschluss und vor ihrer Übergabe beschä-
digt oder zerstört, ohne dass dies eine der Parteien zu vertreten hat 1140
Apathy
Tauschvertrag
§§ 1048–1049
(vgl § 1447; Art 66 UN-K), oder wird sie durch ein Verbot außer Verkehr gesetzt (vgl § 880), so ist entscheidend, wer die Gefahr zu tragen hat, wen also die wirtschaftlichen Folgen dieses Zufalls treffen. Zufolge § 1048 ist in Abkehr vom Grundsatz periculum est emptoris primär der Zeitpunkt der bedungenen Übergabe maßgebend (Ch. Rabl, Gefahrtragung 54 ff, 85; vgl ferner § 1051). Geht die vertauschte oder verkaufte Sache vor diesem Zeitpunkt unter oder wird sie verschlechtert, so trifft die Gefahr den Schuldner (Veräußerer; Zeiller III 343: Überträger als Eigentümer; § 1049 S 1: Besitzer). Ebenso wenn sich der Schuldner beim zufälligen Ereignis in objektivem oder subjektivem Verzug befindet (SZ 6/161: Gefahr der Entwertung der Gegenleistung). Sonst trifft den Gläubiger (Erwerber) die Gefahr zufälliger Ereignisse nach dem Zeitpunkt der bedungenen Übergabe oder bei Gläubigerverzug (§ 1419; SZ 45/11; Art 69 UN-K), nicht aber bei Verschulden des Veräußerers (JBl 1974, 423). Auf den Eigentumserwerb kommt es für den Gefahrübergang nicht an, was insb beim Liegenschaftserwerb oder beim Eigentumsvorbehalt (EvBl 1948/165; SZ 45/18) bedeutsam ist (Ch. Rabl, Gefahrtragung 86 ff). Auch beim internationalen Warenkauf ist der Gefahrübergang vom Eigentumsübergang getrennt (Posch/S Vor Art 66 UN-K Rz 6). Abweichend von § 1048 trifft denjenigen, der Sachen in Pausch und 2 Bogen (§ 930) erwirbt, ab Vertragsschluss die Gefahr, dass einzelne Sachen zufällig untergehen, solange der Gesamtwert sich um nicht mehr als die Hälfte verringert (§ 1049 S 2). Trifft den Schuldner (Veräußerer) die Gefahr, so muss er eine (noch 3 nicht konzentrierte) Gattungsschuld durch Lieferung anderer Sachen erfüllen (Leistungsgefahr); bei einer Speziesschuld oder konzentrierten Gattungsschuld wird beim Untergang der Vertrag für nicht geschlossen angesehen und der Anspruch auf die Gegenleistung geht verloren (Gegenleistungs-, Preisgefahr). Verliert die zu leistende Sache durch zufällige Beschädigung über die Hälfte an Wert, so erlischt ebenfalls der Vertrag (6 Ob 660/95 SZ 69/181: Rückverkaufsvorbehalt); bereits erbrachte Leistungen sind zurückzustellen (§ 1447). Bei geringerem Wertverlust bleibt der Vertrag bestehen und dem Gläubiger steht verhältnismäßige Vergütung zu (Zeiller III 344 f). Dazu wird die teilbare Gegenleistung verhältnismäßig gemindert oder der Schuldner ist zum Ausgleich in Geld verpflichtet (Wahle/K IV/2, 57). Diese Regelung berücksichtigt (anders als §§ 920, 932) die konkreten Interessen des Gläubigers nur unvollkommen und ist seit dem GewRÄG weitgehend obsolet. Ist die Verschlechterung behebbar, so hat der Gläubiger Anspruch auf Verbesserung (§ 932). Ist sie unbehebApathy
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Tauschvertrag
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bar, so kann der Gläubiger Preisminderung verlangen oder wahlweise wandeln, sofern es sich nicht bloß um einen geringfügigen Mangel iSv § 932 Abs 4 handelt (Ch. Rabl, Gefahrtragung 224 ff). 4 Trifft den Gläubiger (Erwerber) die Gefahr, so bleibt der Vertrag
aufrecht und er schuldet die Gegenleistung, obwohl er nichts oder nur eine beschädigte Sache erhält (so auch Art 66 UN-K). Ist die Gefahr für die Sache auf den Erwerber übergegangen, so trifft ihn auch die Gefahr hinsichtlich der zurückzustellenden Emballage (SZ 23/29). Außerdem hat der Erwerber ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Lasten der Sache (zB Steuern, Abgaben) zu tragen. Periodisch wiederkehrende Lasten sind pro rata temporis zu tragen (GlUNF 354: vom Verkäufer vorausbezahlte Versicherungsprämien). und der Nutzungen vor der Übergabe § 1050. Dem Besitzer gebühren die Nutzungen der vertauschten Sache bis zur bedungenen Zeit der Übergabe. Von dieser Zeit an gebühren sie, samt dem Zuwachse, dem Übernehmer, obgleich die Sache noch nicht übergeben worden ist. 1 Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§§ 1048–1049 Rz 1) ist entspre-
chend der Regel secundum naturam est commoda cuiusque rei eum sequi, quem sequentur incommoda auch für die Zuweisung der Nutzungen von Bedeutung. Nutzungen sind alle Vorteile, die mit dem Eigentum an der Sache verbunden sind, zB Versicherungsleistung (SZ 55/32: Feuerversicherung), Schatzfund, Enteignungsentschädigung, Mieteinnahmen (Wahle/K IV/2, 58 f). 2 Von den natürlichen Früchten darf der Veräußerer nur diejenigen
behalten, die vor dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs ordnungsgemäß abgesondert wurden. Im Falle einer Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung und nachrangigen Zwangsverwaltung gebühren dem im Rang der Anmerkung einverleibten Käufer nicht auch die Früchte vor Vertragsschluss (GlUNF 3176). Periodisch wiederkehrende Erträge werden pro rata temporis aufgeteilt. Andere Zuwächse als Früchte (§§ 411 f, 420) fallen mit dem Gefahrübergang dem Erwerber zu, ohne dass der Veräußerer Aufzahlung verlangen könnte. § 1051. Ist keine Zeit zur Übergabe der bestimmten Sache bedungen, und fällt keinem Teile ein Versehen zur Last; so sind die obigen Vorschriften wegen Gefahr und Nutzungen (§§ 1048 bis 1050) auf den Zeitpunkt der Übergabe selbst anzuwenden; insofern die Parteien nicht etwas anderes festgesetzt haben. 1142
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Lit: Graf, Vertrag und Vernunft (1997); Harrer, Rückabwicklungsprobleme beim fehlerhaften Kauf, JBl 1983, 238; Kerschner, Der OGH auf dem Weg zur Saldotheorie? JBl 1988, 541 und 624; Ch. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf (2002); Schilcher, Die Preisgefahr beim Kauf, JBl 1964, 395.
Wurde kein Übergabezeitpunkt vereinbart, so kommt es – soweit kein 1 Verzug eintritt (§§ 1048–1049 Rz 1) – für den Gefahrübergang und die Zuweisung der Nutzungen auf die tatsächliche Übergabe der vertauschten oder verkauften Sache an (Traditionsprinzip; Graf, Vertrag 158; Ch. Rabl, Gefahrtragung 33 ff). Denn damit hat der Veräußerer seine Vertragspflichten im Wesentlichen erfüllt und der Erwerber ist in der Lage, über die Sache zu verfügen und sie vor Schädigung zu schützen (Schilcher, JBl 1964, 406; OLG Wien EvBl 1947/723). Als tatsächliche Übergabe ist nicht nur die körperliche Übergabe iSv § 426 anzusehen, sondern auch die Übergabe durch Zeichen oder durch Erklärung (Reischauer/R § 1419 Rz 18; aM für Besitzkonstitut, Besitzanweisung und symbolische Übergabe Aicher/R §§ 1048–1051 Rz 11). Bei Grundstücken ist die faktische Überlassung, nicht die Einverleibung entscheidend (vgl SZ 43/152: Stichtag für die Gewährleistung); für Rechtsmängel wird jedoch bis zur Verbücherung gehaftet (Ch. Rabl, Gefahrtragung 235). Bei einer vom Erwerber bestimmten oder genehmigten Versendung 2 gehen mit der Übergabe an den Transporteur Gefahr und (soweit kein Eigentumsvorbehalt vereinbart ist) Eigentum über (§ 429). Ohne diese Bestimmung oder Genehmigung, die jedoch bei verkehrsüblicher Versendung (EvBl 1990/34: Bahn, Post, Schiff, Flugzeug) grundsätzlich angenommen wird, kommt es auf die Ablieferung der Sache beim Erwerber an. Zum Versendungskauf nach UN-K s § 1064 Rz 3. Die Regelungen über den Gefahrenübergang (§§ 1048 ff) und die Nut- 3 zungen sind dispositiv (JBl 1960, 126: waggonverladen; 6 Ob 660/95 SZ 69/181), wobei sich die Aufteilung der Nutzungen im Zweifel nach der vereinbarten Gefahrtragung richtet (Aicher/R §§ 1048–1051 Rz 21). Wurde die Sache dem Erwerber übergeben, ist jedoch der Tausch- oder 4 Kaufvertrag nichtig (Dissens, §§ 865, 879) oder wird er angefochten (§§ 870 f), gewandelt (§ 932) oder durch Rücktritt aufgelöst (§§ 918, 920; §§ 3, 3a, 5e KSchG), so ist umstritten, ob der Erwerber dennoch die Gefahr trägt (Apathy/Riedler, SR BT Rz 15/37; K/W II 298 f). Nach hA wird der redliche Kondiktionsschuldner durch den zufälligen Untergang zufolge § 1447 von seiner Verpflichtung befreit, ohne den Anspruch auf Rückstellung seiner Leistung zu verlieren (Zwei-Kondiktionen-Theorie; s § 1437 Rz 6; so auch Art 70 UN-K: Apathy
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Tauschvertrag
§ 1052
Posch/S Art 70 UN-K Rz 4). Die beiden Kondiktionsansprüche sind voneinander unabhängig. Diese völlige Befreiung tritt freilich nur dann ein, wenn der Empfänger den Untergang nicht verschuldet (JBl 1984, 200: Verkehrsunfall infolge Alkoholisierung) und keinen Vorteil gezogen hat. Hätte er zB ohne die rechtsgrundlose Leistung ein eigenes Rechtsgut verwendet, das ebenfalls untergegangen wäre, so hat er sich etwas erspart und insofern einen Nutzen erzielt; ebenso wenn er die Sache bestimmungsgemäß verbraucht, etwa er verheizt die ihm irrtümlich gelieferten Kohlen. Demgegenüber trägt nach der Saldotheorie der Empfänger das Risiko des zufälligen Untergangs, weil sich die Sache beim Untergang in seinem Machtbereich befindet (Harrer, JBl 1983, 238; Ch. Rabl, Gefahrtragung 284, 288). Dass für den Übergang der Gefahr nicht die Gültigkeit des Vertrags, sondern die faktische Übergabe maßgeblich sei, widerspricht aber § 1311, wenn der Empfänger nie Eigentümer geworden ist oder der Veräußerer infolge Anfechtung ex tunc wieder Eigentümer wird. Selbst wenn die Vertragsauflösung nur obligatorische Wirkungen hat (Rücktritt, Wandlung), ist der Erwerb noch kein endgültiger, wenn er wieder rückgängig gemacht werden kann. So hat sich der Gesetzgeber der §§ 4 und 5g KSchG dafür entschieden, dass die Gefahr zufälligen Untergangs den Unternehmer treffen soll. Dazu kommt, dass der redliche Empfänger trotz des Eigentumserwerbs für die Benutzung der ihm geleisteten Sache Benutzungsentgelt schuldet, also wie jemand behandelt wird, der eine fremde Sache gebraucht. Schließlich würde der Erwerber durch die Saldotheorie bei mangelhafter Erfüllung im Ergebnis so gestellt, als könnte er nur Preisminderung, nicht aber Wandlung begehren. Käme es nur auf die faktische Übergabe, nicht auch auf den Vertrag an, so müsste auch ein Mieter, Verwahrer oder Leihnehmer das Risiko zufälligen Untergangs tragen. § 1052. Wer auf die Übergabe dringen will, muß seine Verbindlichkeit erfüllt haben oder sie zu erfüllen bereit sein. Auch der zur Vorausleistung Verpflichtete kann seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teiles gefährdet ist, die ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mußten. [idF III. TN] Lit: Bollenberger, Irrtum, insb 27 ff; Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht und Einrede des nicht erfüllten Vertrages (1982); Karollus/Lukas, Das sogenannte Zurückbehaltungsrecht des Werkbestellers, JBl 2001, 677 und 766; Koziol, Die
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Apathy
Tauschvertrag
§ 1052
Grenzen des Zurückbehaltungsrechts bei nicht gehöriger Erfüllung, ÖJZ 1985, 737.
S 1 normiert als Ausdruck des funktionellen Synallagmas das Zug- 1 um-Zug-Prinzip (ebenso Art 58 Abs 1 UN-K; 4 Ob 179/05k EvBl 2006/28). Es gilt nicht nur für Tausch und Kauf (§ 1062), sondern auch für andere synallagmatischen Verträge (SZ 58/144: Leasing; zum Arbeitsvertrag s aber 9 ObA 325/00k JBl 2001, 600; zum Bestandvertrag s § 1096 Rz 9), sofern keine Vorleistungspflicht vereinbart oder besonders gesetzlich angeordnet ist (vgl § 1154 Abs 1; § 1170; s Rz 4). Die gegenseitigen Leistungen müssen nicht in einem Vertrag geregelt sein; es genügt, wenn nach dem Willen der Vertragspartner ein entsprechender Zusammenhang besteht (SZ 42/162). Zufolge S 1 kann kein Vertragsteil erzwingen, dass der andere voraus leistet; zB nicht vereinbarte Zusendung per Nachnahme (SZ 48/106), die dem Erwerber die Möglichkeit nimmt, die Sache zu untersuchen, bevor er die Gegenleistung erbringt (vgl Art 58 Abs 3 UN-K). Das Risiko der Kreditierung soll daher nur derjenige tragen, der es vertraglich auf sich genommen hat. Beim Werkvertrag ist zwar der Unternehmer vorleistungspflichtig; soweit er jedoch das (fertige) Werk zu übergeben (übereignen) hat, braucht er dies nur Zug um Zug gegen Zahlung des Werklohns (Karollus/Lukas, JBl 2001, 679). Besteht das Werk in der Bearbeitung einer fremden Sache, so kann er diese gemäß § 471 zurückbehalten. Außer bei synallagmatischen Verträgen ist § 1052 bei konditionaler Pflichtenbeziehung anwendbar, wenn also die eine Leistungspflicht nicht ohne die andere bestehen soll ( Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 104), zB bei Rückabwicklung nach Anfechtung oder bei Nichtigkeit (§ 877; Art 81 Abs 2 UN-K). Das Zug-um-Zug-Prinzip steht der Fälligkeit der wechselseitigen An- 2 sprüche nicht entgegen (SZ 25/310), doch kann der Schuldner die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben und seine Leistung so lange zurückbehalten, bis der andere Teil zur gleichzeitigen Erbringung der Gegenleistung bereit ist, und zwar der Haupt- und äquivalenten Nebenleistungen (HS 14.790; SZ 61/15: Nichterstellung einer Garantie; vgl aber 5 Ob 57/06b JBl 2006, 795). Dies erfordert bei Bringschulden ein reales Leistungsangebot, bei Holschulden die Erklärung der Leistungsbereitschaft. Bei Sukzessivlieferungsverträgen kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrages auch dann erhoben werden kann, wenn die fällige Gegenleistung für eine früher erbrachte Teilleistung ausgeblieben ist (SZ 27/248; Mayrhofer, SR AT 359). Wird eine qualitativ oder quantitativ mangelhafte Leistung angeboten oder erbracht, so steht dem Schuldner der Gegenleistung zur Apathy
1145
Tauschvertrag
§ 1052
Sicherung seines Anspruches auf Verbesserung die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages zu (SZ 53/63; wbl 1990, 88). Bei behebbaren Mängeln kann er – außer bei Rechtsmissbrauch (JBl 1990, 248 Rebhahn; 6 Ob 51/99i RdW 1999, 713) oder Verweigerung der notwendigen Mitwirkung (HS XIV/XV/4) – die gesamte Gegenleistung bis zur vollständigen Mangelbehebung zurückbehalten (nach Koziol, ÖJZ 1985, 737 rechtfertigt der Sicherungszweck jedoch nur mehr die Zurückbehaltung des Betrages, der dem Wert der noch ausständigen Leistung des Veräußerers entspricht). Bei unbehebbaren Mängeln besteht hingegen nur das Recht zur Wandlung oder Preisminderung (§ 932 Abs 4). Kein Zurückbehaltungsrecht besteht, wenn „nur“ nichtäquivalente Nebenleistungspflichten (zB Aufklärungs-, Sorgfaltspflichten) verletzt werden. Allerdings kann dies einen Rücktritt aus wichtigem Grund (s § 918 Rz 16) rechtfertigen. 3 Auf die Verpflichtung zur Zug-um-Zug-Leistung wird nicht von Amts
wegen Bedacht genommen, sondern der Beklagte muss die in Rz 2 genannte Einrede erheben (JBl 1975, 262). Er wird dann nicht unbedingt, sondern nur zur Leistung Zug um Zug verurteilt; die Verurteilung kann nicht durch Sicherstellung vermieden werden (SZ 33/23). Verweigert jedoch der Kläger endgültig seine Leistung, so wird seine Klage abgewiesen (SZ 53/63; 7 Ob 275/03x SZ 2003/175). Nimmt der Beklagte die ihm ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht an, so wird er nach hA unbedingt und nicht zur Leistung Zug um Zug verurteilt (1 Ob 523/92 JBl 1992, 590; Mayrhofer, SR AT 356 f). Sieht man mit Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 270, die Funktion der Zug-umZug-Verurteilung darin, die Frage des Zurückbehaltungsrechts vom Erkenntnisverfahren ins Exekutionsverfahren zu verlagern, um mehrfache Prozesse zu vermeiden, so ist sowohl bei Leistungsverweigerung des Klägers als auch bei Annahmeverzug des Beklagten zur Leistung Zug um Zug zu verurteilen (Aicher/R Rz 12 und 17; SZ 45/11). 4 Dem auf Grund der Vereinbarung oder ex lege vorleistungspflichtigen
Vertragsteil steht zwar die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht zu; er kann aber nach S 2 die sog Unsicherheitseinrede erheben und seine Leistung zurückbehalten (SZ 44/167; SZ 58/117; vgl die ähnliche Regelung des Art 71 UN-K); zB bei Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts nach S 1 (SZ 55/27). Voraussetzung ist die Gefährdung der Erfüllung der Gegenleistung durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teils, die dem Vorleistungspflichtigen beim Vertragsschluss nicht bekannt sein mussten. Die Erfüllung der Gegenleistung ist gefährdet, wenn bei objektiver Beurteilung zu befürchten ist, dass die volle und zeitgerechte Bewirkung der Gegenleistung in Frage ge1146
Apathy
Kaufvertrag
§ 1053
stellt ist; dies hat der Vorleistungspflichtige zu beweisen (7 Ob 536/91 ecolex 1991, 798). Stellt der andere Teil seine Leistung sicher (§§ 1373 f) oder erbringt er sie, so muss der Vorleistungspflichtige erfüllen. Ob die schlechten Vermögensverhältnisse des Nachleistenden bereits bei Vertragsschluss bestanden haben oder erst nachträglich eingetreten sind (clausula rebus sic stantibus), ist unerheblich (Dullinger, SR AT Rz 2/46). Entscheidend ist, ob aus der Sicht des Kreditnehmers dem Vorleistungspflichtigen die schlechten Vermögensverhältnisse bekannt sein mussten und er dennoch das Risiko der Vorleistung auf sich genommen hat (Bollenberger, Irrtum 34 ff; vgl SZ 44/118). Hat der vorleistungspflichtige Verkäufer einer Liegenschaft die Vertragsurkunde unterfertigt, die Aufsandungserklärung abgegeben und die Liegenschaft übergeben, so kann er kein Zurückbehaltungsrecht mehr ausüben (SZ 58/117). Unterbleibt die Sicherstellung oder Erbringung der Gegenleistung, 5 so droht ein unbegrenzter Schwebezustand, wenn der Vorleistungspflichtige nur die Erbringung der von ihm geschuldeten Leistung verweigern könnte, aber ansonsten an den Vertrag gebunden bliebe. Nach hA kann daher der Vorleistungspflichtige analog § 918 unter Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Sicherheitsleistung vom Vertrag zurücktreten (SZ 44/167). Nach Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 230 ff, erlischt hingegen die Vorleistungspflicht, so dass der ursprünglich vorleistungspflichtige Vertragspartner die Gegenleistung ab deren Fälligkeit Zug um Zug gegen Erbringung seiner Leistung einklagen könne (zustimmend Aicher/R Rz 34). Ist die Leistung des Nachleistungspflichtigen dermaßen unverbes- 6 serbar mangelhaft, dass sie unbrauchbar ist, so kann sich der Nachleistungspflichtige nicht auf die vereinbarte Vorleistungspflicht des anderen Teils berufen. In 1 Ob 101/00k EvBl 2001/47 wurde die Berufung auf die Vorleistungspflicht als sittenwidrig beurteilt, doch kommt auch eine Vertragsauflösung durch Wandlung oder Rücktritt in Betracht.
Vierundzwanzigstes Hauptstück Von dem Kaufvertrage Kaufvertrag § 1053. Durch den Kaufvertrag wird eine Sache um eine bestimmte Summe Geldes einem andern überlassen. Er gehört, wie der Tausch, zu den Titeln, ein Eigentum zu erwerben. Die Erwerbung Apathy
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Kaufvertrag
§ 1053
stellt ist; dies hat der Vorleistungspflichtige zu beweisen (7 Ob 536/91 ecolex 1991, 798). Stellt der andere Teil seine Leistung sicher (§§ 1373 f) oder erbringt er sie, so muss der Vorleistungspflichtige erfüllen. Ob die schlechten Vermögensverhältnisse des Nachleistenden bereits bei Vertragsschluss bestanden haben oder erst nachträglich eingetreten sind (clausula rebus sic stantibus), ist unerheblich (Dullinger, SR AT Rz 2/46). Entscheidend ist, ob aus der Sicht des Kreditnehmers dem Vorleistungspflichtigen die schlechten Vermögensverhältnisse bekannt sein mussten und er dennoch das Risiko der Vorleistung auf sich genommen hat (Bollenberger, Irrtum 34 ff; vgl SZ 44/118). Hat der vorleistungspflichtige Verkäufer einer Liegenschaft die Vertragsurkunde unterfertigt, die Aufsandungserklärung abgegeben und die Liegenschaft übergeben, so kann er kein Zurückbehaltungsrecht mehr ausüben (SZ 58/117). Unterbleibt die Sicherstellung oder Erbringung der Gegenleistung, 5 so droht ein unbegrenzter Schwebezustand, wenn der Vorleistungspflichtige nur die Erbringung der von ihm geschuldeten Leistung verweigern könnte, aber ansonsten an den Vertrag gebunden bliebe. Nach hA kann daher der Vorleistungspflichtige analog § 918 unter Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Sicherheitsleistung vom Vertrag zurücktreten (SZ 44/167). Nach Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 230 ff, erlischt hingegen die Vorleistungspflicht, so dass der ursprünglich vorleistungspflichtige Vertragspartner die Gegenleistung ab deren Fälligkeit Zug um Zug gegen Erbringung seiner Leistung einklagen könne (zustimmend Aicher/R Rz 34). Ist die Leistung des Nachleistungspflichtigen dermaßen unverbes- 6 serbar mangelhaft, dass sie unbrauchbar ist, so kann sich der Nachleistungspflichtige nicht auf die vereinbarte Vorleistungspflicht des anderen Teils berufen. In 1 Ob 101/00k EvBl 2001/47 wurde die Berufung auf die Vorleistungspflicht als sittenwidrig beurteilt, doch kommt auch eine Vertragsauflösung durch Wandlung oder Rücktritt in Betracht.
Vierundzwanzigstes Hauptstück Von dem Kaufvertrage Kaufvertrag § 1053. Durch den Kaufvertrag wird eine Sache um eine bestimmte Summe Geldes einem andern überlassen. Er gehört, wie der Tausch, zu den Titeln, ein Eigentum zu erwerben. Die Erwerbung Apathy
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Kaufvertrag
§ 1054
erfolgt erst durch die Übergabe des Kaufgegenstandes. Bis zur Übergabe behält der Verkäufer das Eigentumsrecht. Lit: Koziol, Streckengeschäft und Anweisung, JBl 1977, 617; Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis (1973).
1 Der Kaufvertrag ist, wie der Tausch, ein Konsensualvertrag und Titel
für den Eigentumserwerb (§ 1045 Rz 1 f); er bezweckt den Austausch einer (bestimmbaren) Sache (§ 1054 Rz 5) gegen Geld (§ 1046 Rz 1). Der Eigentumserwerb erfordert entsprechend §§ 380, 425 zudem die Übergabe der Sache an den Käufer (JBl 1982, 311), bei verbücherten Liegenschaften die Einverleibung. Beim Forderungskauf (zB Factoring: 2 Ob 114/99z ÖBA 2000, 77) fallen Verpflichtungsgeschäft und Verfügung (Zession: § 1392) regelmäßig zusammen; künftige Forderungen sind jedoch erst mit ihrer Entstehung übertragen. Liefert der Verkäufer auf Grund einer Anweisung des Käufers an dessen Abnehmer (Streckengeschäft), so geht das Eigentum sofort auf den Abnehmer über (SZ 55/31; Iro, SachenR Rz 6/80 f). Zum Erwerb bei einer Auktion s SZ 58/64; zum Erwerb bei Versteigerung s § 1089 Rz 2. 2 Soll der Erwerber nicht Eigentümer werden, so handelt es sich um
einen Kaufvertrag, wenn eine endgültige Verschaffung der geschuldeten Rechtsposition bezweckt ist (SZ 44/89: Recht auf Errichtung einer Tankstelle); zB entgeltliche Einräumung oder Übertragung (1 Ob 290/97x NZ 1999, 79: Weiderechte) einer Servitut. 3 Ein Kaufvertrag begründet idR ein Zielschuldverhältnis, doch ist
auch ein Dauerschuldverhältnis möglich (Bezugsvertrag; vgl § 15 KSchG; als Kaufvertrag zu qualifizierende Leasingverträge: § 1063 Rz 24). Erfordernisse des Kaufvertrages § 1054. Wie die Einwilligung des Käufers und Verkäufers beschaffen sein müsse, und welche Sachen gekauft und verkauft werden dürfen, dieses wird nach den Regeln der Verträge überhaupt bestimmt. Der Kaufpreis muß in barem Gelde bestehen, und darf weder unbestimmt, noch gesetzwidrig sein. Lit: Bittner, Der ABGB-Kaufvertrag gilt doch für Grundbuchszwecke, NZ 2006, 138; F. Bydlinski, Unbedingte Pflichten aus behördlich genehmigungsbedürftigen Verträgen, FS Ostheim (1990) 43; Knütel, Zur sogenannten Erfüllungs- und Nichterfüllungsfiktion bei der Bedingung, JBl 1976, 613; MayerMaly, Dogmatik und Interessenwertung im Kaufrecht, ÖJZ 1973, 197; Schauer, Handelsrechtsreform: Die Neuerungen im Vierten und Fünften Buch, ÖJZ
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Apathy
Kaufvertrag
§ 1054
2006, 64; Staudegger, Zur Qualifikation von Verträgen, die der Überlassung von Computersoftware dienen, JBl 1998, 604; J.W. Steiner, Grundverkehrsbehördliche Genehmigung und Bedingungslehre, JBl 1974, 506.
S 1 verweist auf die §§ 861 ff und andere allgemeine Normen des Ver- 1 tragsrechts. Zum Abschluss eines Kaufvertrags genügt daher grundsätzlich die Einigung der (geschäftsfähigen) Vertragspartner über das Kaufobjekt und den Preis sowie der Abschlusswille (SZ 54/112). Wird zB über die Tragung der Vertrags- und Verbücherungskosten, Steuern und Gebühren nichts vereinbart, so steht dies einem gültigen Kaufvertrag nicht entgegen (SZ 62/9). Waren allerdings solche Nebenpunkte Gegenstand der Vertragsverhandlungen, so ist idR auch darüber Konsens zu erzielen (SZ 49/142: Wertsicherung; SZ 61/136: Fälligkeit des Kaufpreises). Anderes gilt nur, wenn sich die Parteien trotz Uneinigkeit über Nebenpunkte binden wollen (SZ 59/87); es greifen dann die Dispositivnormen ein (§ 861 Rz 6). Zufolge § 883 ist grundsätzlich keine besondere Form einzuhalten, 2 so dass auch ein Liegenschaftskauf formfrei geschlossen werden kann (JBl 1974, 146; SZ 59/108); die förmliche Urkunde nach § 26 GBG ist nur für die Verbücherung erforderlich. Wird die endgültige Errichtung der Vertragsurkunde in einverleibungsfähiger Form vorbehalten, so hat dies nicht zur Folge, dass der Liegenschaftskauf erst mit Einhaltung dieser Form wirksam wird (SZ 43/152: Punktation im Korrespondenzweg); ein Vorbehalt iSv § 884 bedarf daher einer entsprechend deutlichen Vereinbarung. Formpflicht besteht für Kaufverträge unter Ehegatten (§ 1 NotAktsG) und für den Erbschaftskauf (§ 1278 Abs 2). Die Wirkungen gesetzlicher Veräußerungsverbote bestimmen sich nach dem jeweiligen Normzweck. Zum Erfordernis eines Ratenbriefs s § 24 KSchG. Kaufgegenstand können verkehrsfähige Sachen und Tiere sein (§§ 285, 3 285a; dazu § 1045 Rz 3); zB Mitgliedschaftsrechte (2 Ob 158/01a GesRZ 2002, 140: Aktien); Standardsoftware (5 Ob 504/96 SZ 70/202; Staudegger, JBl 1998, 606 und JBl 2006, 195), sofern eine endgültige Nutzungsmöglichkeit eingeräumt wird; Tabaktrafik (SZ 45/123); Café-Restaurant (2 Ob 509/96 RdW 1998, 539); Wertpapiere (SZ 53/13: Wechsel); Veräußerung einer Liegenschaft gegen Leibrente (SZ 45/112). Anders als der zivilrechtliche Kauf sind der Warenkauf nach §§ 373 ff UGB (früher: Handelskauf) und der internationale Warenkauf auf bewegliche körperliche Sachen beschränkt, weshalb auch der Unternehmenskauf nicht als Warenkauf verstanden wird (3 Ob 290/01w EvBl 2002/136). Apathy
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Kaufvertrag
§ 1054
Ist der Kaufgegenstand durch generelle Merkmale bestimmt (Gattungskauf), zB fabriksneues Serienkraftfahrzeug (3 Ob 124/91 SZ 65/10), so schuldet der Verkäufer mangels besonderer Abrede Sachen mittlerer Art und Güte (§ 905b). Wird eine vertretbare Sache verkauft, so ist grundsätzlich eine Gattungsschuld anzunehmen, doch können besondere Umstände auf die Vereinbarung einer Speziesschuld schließen lassen (SZ 65/10). Zum Geschäftsirrtum beim Gattungskauf s § 871 Rz 8. Besondere Beschränkungen der Verkehrsfähigkeit ergeben sich aus den Landesgrundverkehrsgesetzen (K/W I 246). Bedarf der Kaufvertrag einer behördlichen Genehmigung, so ist er bis zur Erteilung der Bewilligung aufschiebend bedingt geschlossen ( J.W. Steiner, JBl 1974, 509; F. Bydlinski, FS Ostheim 50; Apathy/Riedler/S § 897 Rz 8 ff: Rechtsbedingung, dazu § 897 Rz 3). Zu Veräußerungsverboten gemäß § 364c s § 1045 Rz 2. 4 Kaufobjekt und Kaufpreis müssen bestimmt oder iSv § 869 objektiv
bestimmbar sein, sie müssen sich also durch Auslegung ermitteln lassen. Dabei sind bei bewiesenem Konsens keine übertriebenen Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis zu stellen (SZ 54/112). Bsp: Kauf eines nach Ausmaß und Lage bestimmten Grundstücksteils, wenngleich die genaue Umgrenzung erst durch Vermessung festgestellt wird (9 Ob 2020/96s NZ 1998, 85). Kauf zum Marktpreis (§ 1058); Börsen-, Ladenpreis, orts- oder kundenüblicher Preis (JBl 1953, 517; JBl 1987, 263); Schätzpreis (SZ 60/178); Selbstkostenpreis (SZ 53/104); Tagespreis bei Lieferung (vgl aber § 6 Abs 1 Z 5 KSchG; zum Vorkaufsrecht s § 1077 Rz 1). Der Kaufpreis ist auch ausreichend bestimmt, wenn der Käufer es übernimmt, die Hypothekargläubiger und die Konkursgläubiger in der mit diesen vereinbarten Weise zu befriedigen (SZ 12/99). Eine Preisvereinbarung ist grundsätzlich so zu verstehen, dass die Umsatzsteuer eingeschlossen ist (7 Ob 574/92 SZ 65/105; s auch Thunhart, RdW 2003, 548). Kauft jemand Miteigentumsanteile von verschiedenen Verkäufern, so ist nach 5 Ob 63/02d EvBl 2002/149 (dazu Hoyer, NZ 2003, 126 f) in der Vertragsurkunde der auf die einzelnen Verkäufer entfallende Kaufpreis anzuführen oder zumindest klarzustellen, in welchem Verhältnis der Gesamtkaufpreis den einzelnen Verkäufern zukommen soll (Verbücherungsantrag ohne diese Spezifizierung wurde abgewiesen). Nach 5 Ob 252/04a JBl 2005, 587 Holzner muss beim Verkauf mehrerer Liegenschaften der Kaufpreis in Bezug auf jede Liegenschaft bestimmbar sein, was Holzner mit Recht kritisiert und in 5 Ob 5/06f RZ 2006, 154 jedenfalls für den Fall zurückgenommen wird, dass auf Verkäuferund Käuferseite jeweils nur eine Person beteiligt ist (dazu Bittner, NZ 2006, 138). Zu gesetzwidrigen Preisen s § 917a. 1150
Apathy
Kaufvertrag
§ 1055
Für unternehmensbezogene Geschäfte besteht jedoch eine Ausnahme von § 1054: Ist das Entgelt nicht bestimmbar vereinbart, aber auch nicht Unentgeltlichkeit gewollt, so gilt gemäß § 354 Abs 1 UGB ein angemessenes Entgelt als bedungen. Dabei ist der Bindungswille sorgfältig zu prüfen (Schauer, ÖJZ 2006, 72 f). Für den internationalen Warenkauf sieht Art 55 UN-K vor, dass der Vertrag auch ohne Preisfestsetzung zustande kommen kann (vgl aber Art 14 UN-K). Es gilt dann der bei Vertragsschluss allgemein übliche Verkäuferpreis (Karollus, UN-Kaufrecht 166; Posch, IPR Rz 19/28: angemessener Preis). Dass der Kaufpreis in Geld bestehen muss, entspricht der Abgrenzung 5 zum Tausch. Nach S 2 und § 1062 schuldet der Käufer Bargeld, doch kann man auch bargeldlose Zahlung (Banküberweisung, Kreditkarte) oder Zahlung in ausländischer Währung vereinbaren; ebenso Zahlung durch Scheck oder Wechsel, die im Zweifel jedoch bloß zahlungshalber gegeben werden; ferner Zahlung durch Übernahme einer Hypothek in Anrechnung auf den Kaufpreis (§ 1408). Aktien sind entgegen GlU 8861 nicht als Geld anzusehen (Mayer-Maly/K IV/2, 237 f). Der Kaufpreis muß a) in barem Gelde bestehen; § 1055. Wird eine Sache teils gegen Geld, teils gegen eine andere Sache veräußert; so wird der Vertrag, je nachdem der Wert am Gelde mehr oder weniger, als der gemeine Wert der gegebenen Sache beträgt, zum Kaufe oder Tausche, und bei gleichem Werte der Sache, zum Kaufe gerechnet. Soll die Gegenleistung für eine Sache zum Teil in Geld, zum Teil in 1 einer anderen Sachleistung bestehen, etwa in einer Arbeitsleistung (SZ 54/112), so grenzt § 1055 zwischen Kauf und Tausch nach dem Absorptionsprinzip ab: Ist innerhalb der zusammengesetzten Leistung der Sachwert höher als der Geldanteil, so handelt es sich um Tausch, andernfalls um Kauf. Davon abweichende Vereinbarungen haben jedoch Vorrang. Zuvor ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien einen 2 einheitlichen Vertrag schließen wollten oder zwei selbständige Kaufverträge mit Verrechnung des Kaufpreises (Doppelkauf); zB wenn der Käufer dem Verkäufer ein gebrauchte Sache in Zahlung gibt. Für diese Fälle nahm die ältere Rspr einen Doppelkauf an (SZ 57/85); nach jüngerer Rspr handelt es sich idR um ein einheitliches Rechtsgeschäft (SZ 58/45; JBl 1987, 316), was dem Interesse des NeuwagenkäuApathy
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Kaufvertrag
§ 1056
fers entgegenkommt (Gschnitzer ua, SR BT 32). Ein Doppelkauf liegt nur dann vor, wenn die Parteien mit jeder der beiden Veräußerungen einen besonderen Umsatzzweck, also eine für sich sinnvolle Absatzfunktion verbinden (7 Ob 249/97m SZ 70/234). Beim Doppelkauf lassen sich die Folgen einer Leistungsstörung oder eines Irrtums auf einen der beiden Verträge begrenzen, sofern dessen Wegfall nicht als auflösende Bedingung für den anderen Vertrag wirkt. Beim Rücktritt von einem einheitlichen Vertrag oder dessen Wandlung sind hingegen alle erbrachten Leistungen zurückzustellen (SZ 70/234). b) bestimmt; § 1056. Käufer und Verkäufer können die Festsetzung des Preises auch einer dritten bestimmten Person überlassen. Wird von dieser in dem bedungenen Zeitraume nichts festgesetzt; oder will im Falle, daß kein Zeitraum bedungen worden ist, ein Teil vor der Bestimmung des Preises zurücktreten; so wird der Kaufvertrag als nicht geschlossen angesehen. Lit: Bürge, Preisbestimmung durch einen Vertragspartner und die Tagespreisklausel, JBl 1989, 687.
1 Überlassen die Kaufvertragsparteien die Preisfestsetzung einem be-
stimmten Dritten, zB einem Schiedsgutachter (1 Ob 501/96 SZ 69/168), so machen sie die Wirksamkeit des Vertrags von dessen Festsetzung abhängig (EvBl 1980/38: Gestaltungsrecht); allerdings ist diese Regelung dispositiv (Mayrhofer, SR AT 27). Der Dritte darf den Preis nach Ermessen, jedoch nicht willkürlich festsetzen (Aicher/R Rz 8). Eine solche Preisfestsetzung durch Dritte ist auch bei anderen Verträgen möglich (SZ 56/32: Kreditvertrag mit Verzugszinsenbestimmung durch den Gläubiger; 8 Ob 232/99x Miet 52.100: Scheidungsvergleich). 2 Darüber hinaus kann dem Verkäufer (SZ 53/104: Zirkapreisvereinba-
rung; SZ 58/45) oder Käufer das Recht der Preisbestimmung oder das Recht zur Bestimmung des Dritten, der den Preis festsetzt (EvBl 1980/38: Baukostenabrechnung durch vom Verkäufer bestimmten Zivilarchitekten), eingeräumt werden. Die Einräumung eines solchen Gestaltungsrechts ist daher nicht sittenwidrig (1 Ob 30/91 SZ 64/92), da das Gestaltungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben ist. Obliegt die Preisfestsetzung dem Verkäufer (auch) für einen „in Tausch genommenen“ Gegenstand, so hängt die Fälligkeit der Kaufpreisforderung von der (vollständigen) Preisfestsetzung ab (SZ 58/45). 1152
Apathy
Kaufvertrag
§ 1058
Bei offenbar unbilliger Preisfestsetzung, sei es durch den Dritten, sei 3 es durch den Vertragspartner selbst, ist richterliche Korrektur möglich (EvBl 1980/38; 1 Ob 4/93 JBl 1994, 252 Holzner). Ebenso wenn der Dritte die ihm durch den Vertrag gezogenen Grenzen eindeutig überschritten (SZ 69/168) oder der Verkäufer einen Preis festgesetzt hat, der das Ausmaß überschreitet, mit dem der Käufer überhaupt hätte rechnen können (SZ 25/46). Offenbar unbillig ist die Preisfestsetzung, wenn die Maßstäbe von Treu und Glauben in gröbster Weise verletzt werden und die Unrichtigkeit der Preisfestsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar ist (EvBl 1980/38; SZ 69/168). § 1057. Wird die Bestimmung des Preises mehreren Personen überlassen, so entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Fallen die Stimmen so verschieden aus, daß der Preis nicht einmal durch wirkliche Mehrheit der Stimmen festgesetzt wird; so ist der Kauf für nicht eingegangen zu achten. Haben mehrere Personen den Preis iSd § 1056 zu bestimmen, so 1 kommt es auf die absolute Mehrheit der Stimmen an. Abweichende Vereinbarungen gehen jedoch vor. Gibt es mehr als zwei Meinungen, so ist entsprechend § 12 Abs 3 JN vorzugehen. § 1058. Auch der Wert, welcher bei einer frühern Veräußerung bedungen worden ist, kann zur Bestimmung des Preises dienen. Hat man den ordentlichen Marktpreis zum Grunde gelegt, so wird der mittlere Marktpreis des Ortes und der Zeit, wo und in welcher der Vertrag erfüllt werden muß, angenommen. Die frühere Veräußerung muss auf Grund der Vereinbarung be- 1 stimmbar sein; zB Einkaufspreis des Verkäufers; der (zwischen den Parteien) zuletzt verrechnete Kaufpreis. Auch der Marktpreis ist ein bestimmbarer Preis (§ 1054 Rz 5). Es ist 2 der Durchschnittspreis, der sich unabhängig von besonderen, zufälligen Umständen der Preisbildung aus der Vergleichung einer großen Anzahl an diesem Ort zur maßgebenden Zeit geschlossener Kaufverträge über Waren der betreffenden Beschaffenheit ergibt (SZ 54/95). Bei unterschiedlichen Marktpreisen ist durch Auslegung zu ermitteln, welcher vereinbart wurde (EvBl 1955/147: Milchpreis). c) nicht gesetzwidrig sein § 1059. [aufgehoben, BGBl 1979/140] Apathy
1153
Kaufvertrag
§ 1060
§ 1060. Außer diesem Falle kann der Kauf sowohl von dem Käufer als Verkäufer nur wegen Verletzung über die Hälfte bestritten werden (§§ 934–935). Diese Beschwerde findet auch dann statt, wenn der Ausspruch des Kaufpreises einem Dritten überlassen worden ist. Lit: P. Bydlinski, Die Stellung der laesio enormis im Vertragsrecht, JBl 1983, 410.
1 S 1 bezog sich auf § 1059, der durch § 917a ersetzt wurde. § 1060 ver-
weist auch für die Fälle der Preisfestsetzung durch Dritte (§§ 1056 f) auf die Bestimmungen über die Verkürzung über die Hälfte. Darüber hinaus unterliegt eine grob unbillige Preisfestsetzung richterlicher Korrektur (§ 1056 Rz 3). Pflichten des Verkäufers, § 1061. Der Verkäufer ist schuldig, die Sache bis zur Zeit der Übergabe sorgfältig zu verwahren und sie dem Käufer nach eben den Vorschriften zu übergeben, welche oben bei dem Tausche (§ 1047) aufgestellt worden sind. Lit: Pletzer, Doppelveräußerung und Forderungseingriff (2000); Ch. Rabl, Gläubigerverzug und beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung, JBl 1997, 488; Schilcher/Holzer, Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung von Liegenschaften, JBl 1974, 445 und 512.
1 Hauptpflicht des Verkäufers ist es, dem Käufer unbelastetes Eigen-
tum und Besitz an der Kaufsache samt Zugehör zu verschaffen: dazu § 1047 Rz 1 f. Ebenso Art 30 UN-K, wo noch die Verpflichtung zur Übergabe der Dokumente eigens genannt ist (dazu auch Art 34 UN-K). Dabei kann er zur nochmaligen Abgabe der Aufsandungserklärung verpflichtet sein, wenn der Käufer über die verbücherungsfähige Urkunde nicht verfügt (JBl 1988, 714). Aus einem mündlichen Kaufvertrag kann der Verkäufer auf Unterfertigung einer schriftlichen Vertragsurkunde (JBl 1966, 142) und/oder auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Käufers geklagt werden (SZ 36/76). Ist der Verkäufer nicht bücherlicher Eigentümer, so hat er die Ordnung des Grundbuchsstandes herzustellen oder dem Käufer die dazu erforderlichen Urkunden zu verschaffen (GlU 13.042). Zur Fälligkeit s §§ 904, 1417; zur Haftung des Verkäufers bei mangelhafter Lieferung s §§ 922 ff. 1154
Apathy
Kaufvertrag
§ 1061
Verkauft jemand seine Sache hintereinander an verschiedene Käufer 2 (Doppelverkauf), so ist er jedem von ihnen zur Übereignung verpflichtet (10 Ob 330/97w NZ 1999, 85). Zum Eigentumserwerb in diesen Fällen s §§ 430, 440. Dem Käufer, der nicht Eigentum erwirbt, haftet der Verkäufer (§§ 430, 918, 921, 932, 933a). Der erste Käufer kann aber daneben auch vom zweiten Schadenersatz durch Naturalrestitution verlangen, wenn dieser wissentlich den Verkäufer zum Vertragsbruch verleitet oder dessen Vertragsbruch ausgenützt hat (§ 1295 Rz 2). Nach jüngerer Rspr haftet der Zweitkäufer einer Liegenschaft dem Erstkäufer auch dann, wenn er leicht fahrlässig das durch den Besitz verstärkte Forderungsrecht des Erstkäufers nicht erkannte (1 Ob 671/90 SZ 63/186 unter Berufung auf Schilcher/Holzer, JBl 1974, 445 ff, 512 ff); s § 859 Rz 16 f. Verkauft jemand eine Sache, ohne sie zu übergeben, und verkauft sie 3 der Käufer weiter (Vertragskette), so hat der letzte Erwerber keinen Anspruch auf Übereignung gegen den ersten Verkäufer, außer sein Vormann hat ihm seinen Anspruch abgetreten (1 Ob 140/97p NZ 1998, 182). Zum Streckengeschäft s § 425 Rz 3. Bis zur Übergabe hat der Verkäufer die Sache sorgfältig zu verwah- 4 ren (Ch. Rabl, JBl 1997, 492 f). Weitere Nebenpflichten können sich aus dem Vertrag und dessen Auslegung ergeben, zB Vorbereitungshandlungen (Verpackung; SZ 57/175: bücherliche Durchführung der Neuparifizierung); Versendung, Verladung (SZ 25/261: franko Waggon), Ausladen (SZ 55/102: frei Baustelle); Anschluss einer Waschmaschine (HS V/3); Belehrung des Käufers, insb wenn es sich um eine schwieriger zu handhabende Maschine handelt (SZ 43/220: Schaufellader); Ausfolgung einer Bedienungsanleitung (HS 14.603), der Fahrzeugpapiere (außer bei Verkauf zur Verschrottung: EvBl 1949/662) oder eines bei Vertragsschluss bereits vorhandenen oder danach erwirkten Rangordnungsbeschlusses (JBl 1961, 595; NZ 1980, 174), soweit dieser noch nicht verwendet worden ist (NZ 1988, 11); Ausstellung einer Faktura (EvBl 1983/148: unter Kaufleuten; weitergehend jedoch § 11 Abs 1 UStG 1994; 5 Ob 10/90 wobl 1990, 167 Call: Kauf einer Eigentumswohnung); Verständigung vom Lieferzeitpunkt (SZ 53/162: Lieferung frei Haus); Konkurrenzverbot beim Verkauf eines Unternehmens (wbl 1988, 31); Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten (JBl 1984, 41; 1 Ob 2317/96h JBl 1997, 315; zu den Grenzen dieser Verpflichtung s 1 Ob 564/95 SZ 68/105); Einschulung (8 Ob 547/91 SZ 65/144: Softwarelieferant); wahrheitsgetreue Auskunft über die Hauptmietzinsreserve (3 Ob 233/98f RdW 1999, 468); Mitwirkung bei der Umschreibung (6 Ob 2288/96f SZ 70/29: Unternehmenskauf). Apathy
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§ 1062 und des Käufers
§ 1062. Der Käufer hingegen ist verbunden, die Sache sogleich, oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen, zugleich aber auch das Kaufgeld bar abzuführen; widrigenfalls ist der Verkäufer ihm die Übergabe der Sache zu verweigern berechtigt. Lit: Apathy, Schadenersatz und Rücktritt bei Annahmeverzug, JBl 1982, 561; Bollenberger, Treuhändiger Liegenschaftsverkehr und Konkurs einer Partei, ÖBA 1994, 825; ders, Das Veruntreuungsrisiko bei treuhändiger Abwicklung des Liegenschaftsverkehrs, ÖBA 2000, 847; Ch. Rabl, Der untreue Treuhänder (2002); S. Urbanek, Die treuhändige Abwicklung von Liegenschaftskaufverträgen durch Notare und Rechtsanwälte (1999).
1 Hauptpflicht des Käufers ist es, den Kaufpreis zu bezahlen, und zwar
grundsätzlich Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung der mangelfreien Kaufsache (ebenso Art 58 UN-K). Abweichungen vom Zug-um-Zug-Prinzip (dazu § 1052) müssen vereinbart sein (zum Kreditkauf s § 1063; zur Zusendung per Nachnahme s § 1052 Rz 1; zum Vorauszahlungskauf s § 27 KSchG). Die Fälligkeit des Kaufpreises hängt nicht von der Zusendung einer Rechnung ab, außer der Käufer kann ohne Mitteilung des Verkäufers die ziffernmäßige Höhe der Kaufpreisschuld nicht wissen (EvBl 1983/148). Bargeldlose Bezahlung (§ 1054 Rz 6) bedarf der Vereinbarung, doch ist auch Aufrechnung möglich. Auch bei Barzahlung kann ein Abzug (Skonto, Rabatt) nur bei Vereinbarung vorgenommen werden. Der Käufer ist zwar nur zur (rechtzeitigen) Absendung des Kaufpreises verpflichtet (§ 905 Abs 2); da er aber das Risiko des Einlangens trägt, braucht der Verkäufer vor Erhalt nicht zu leisten. Dem Erfordernis der Leistung Zug um Zug ist aber entsprochen, wenn der Käufer den Kaufpreis real anbietet (F. Bydlinski/K IV/2, 340; aM Binder/S Rz 1: Vorlage des von der Bank bestätigten Zahlungsbelegs). Trägt der Käufer zB wegen Annahmeverzugs bereits die Gefahr, so muss er auch dann zahlen, wenn die gekaufte Sache zufällig untergegangen ist (§§ 1048–1049 Rz 4; Art 66 UN-K). 2 Beim Liegenschaftskauf erfolgt die Abwicklung Zug um Zug, indem
der Kaufpreis bei Einreichung des Grundbuchsgesuchs auf Einverleibung des Eigentumsrechts bezahlt wird (SZ 54/112). 3 Da dies nicht immer praktikabel ist, wird häufig ein (mehrseitiger)
Treuhänder eingeschaltet, bei dem der Käufer den Kaufpreis und der Verkäufer die erforderlichen Urkunden erlegt. Je nach Vereinbarung soll der Treuhänder den Kaufpreis an den Verkäufer weiterleiten, wenn zB die Eintragung beantragt oder erfolgt ist. Dadurch soll eine Vorleis1156
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Kaufvertrag
§ 1062
tung an den Vertragspartner vermieden und eine Sicherung im Konkurs des Verkäufers bzw des Käufers erreicht werden. Im Verkäuferkonkurs kann der Masseverwalter zufolge § 13 KO iVm § 56 Abs 3 GBG nicht mehr nach § 21 KO zurücktreten, wenn der Treuhänder einverleibungsfähige Urkunden und einen gültigen Rangordnungsbeschluss in Händen hat (Bollenberger, ÖBA 1994, 826 f, 833) und die Einverleibung erfolgt (8 Ob 109/03t JBl 2004, 527). Im Käuferkonkurs muss der Kaufpreis vor Konkurseröffnung beim Treuhänder erlegt sein. Handelt der Treuhänder auch im Interesse der den Kaufpreis finanzie- 4 renden Bank, ist folgende Vorgangsweise anzuraten (Bollenberger, ÖBA 1994, 835 f; 4 Ob 2119/96p ÖBA 1996, 953 Apathy), damit das Pfandrecht unmittelbar nach dem Eigentumsrecht des Käufers, also ohne Zwischeneinträge, eingetragen wird. Man schützt die finanzierende Bank durch ein Zurückbehaltungsrecht an den Kaufurkunden, das der Treuhänder für die Bank ausübt: Der dem Ankauf der Liegenschaft dienende Hypothekarkredit wird nach redlicher Parteienabsicht dahin verstanden, dass der Käufer der Bank zu deren vorläufiger Sicherheit an den Kaufurkunden ein Zurückbehaltungsrecht einräumt, das später gegen die zu beantragende Hypothek ausgetauscht wird (Sicherungsaustauschabrede; 3 Ob 266/00i JBl 2002, 661). Dabei folgt aus ÖBA 1996, 953 Apathy, dass für eine reibungslose Abwicklung nicht nur ein Rangordnungsbeschluss für die beabsichtigte Veräußerung, sondern auch ein solcher für die beabsichtigte Verpfändung erwirkt werden soll. Tritt der Masseverwalter in einen noch nicht erfüllten Vertrag ein, so ist er an die Treuhandabwicklung gebunden (JBl 2002, 661). Tritt er von der Sicherungsaustauschabrede nach § 21 KO zurück, so kann im Käuferkonkurs der Masseverwalter die Übereignung der Liegenschaft wegen des Zurückbehaltungsrechts der Bank an den Kaufurkunden nicht erwirken (Bollenberger, ÖBA 1994, 837). Zur Veruntreuung durch den gemeinsamen Treuhänder siehe § 1002 5 Rz 7. Trotz der Formulierung, der Käufer sei „verbunden, die Sache so- 6 gleich, oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen“, bejaht man eine Abnahmepflicht nur bei entsprechendem Interesse des Verkäufers (HS III/49: Aufstellung eines Zigarettenautomaten zu Reklamezwecken; EvBl 1982/68; § 1419 Rz 2), insb wenn die Nichtannahme den Verkäufer schädigen könnte (JBl 1985, 746 Wilhelm: Kauf von Humus; Apathy, JBl 1982, 576) oder die Abnahme Voraussetzung für die Zahlung eines den Kauf finanzierenden Dritten ist (SZ 43/6). Soweit der Verkäufer hinterlegen kann, handelt es sich idR nur um Annahmeverzug (§ 1419), wenn der Käufer die Sache nicht übernimmt. Der Apathy
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Kaufvertrag
§ 1063
Verkäufer einer Liegenschaft kann auch ohne weitere Mitwirkung des Käufers die Einverleibung erwirken (JBl 1984, 380 Hoyer); allenfalls kann er den Käufer auf Ausstellung und Übergabe verbücherungsfähiger Urkunden klagen. Nach Art 53, 60, 62 UN-K ist der Käufer zur Annahme verpflichtet; die Verletzung dieser Pflicht berechtigt den Verkäufer, die Aufhebung des Vertrages zu erklären (Art 64 Abs 1 lit b UN-K) und Schadenersatz zu verlangen. § 1063. Wird die Sache dem Käufer von dem Verkäufer, ohne das Kaufgeld zu erhalten, übergeben; so ist die Sache auf Borg verkauft, und das Eigentum derselben geht gleich auf den Käufer über. Lit: Bollenberger, Konkursfeste Gestaltung des verlängerten Eigentumsvorbehaltes, RdW 1993, 36; P. Bydlinski, Eigentumsvorbehalt und Rücktrittsrecht, RdW 1984, 98; Walter Doralt, Vorausleistung und Rücktritt beim Zahlungsverzug, RdW 2003, 8; Duursma-Kepplinger, Eigentumsvorbehalt und Mobilienleasing in der Insolvenz (2002); Fischer-Czermak, Mobilienleasing (1995); dies, Wegfall der Geschäftsgrundlage beim Leasing, ecolex 2000, 97; Graf/Schett, Das Schicksal des Eigentumsvorbehalts beim Scheck-/Wechselverfahren, wbl 1997, 189; Harrer, Sicherungsrechte (2002); F. Hoyer, Einwendungsdurchgriff beim drittfinanzierten Kauf (1999); H. Hoyer, Einseitig erklärter Eigentumsvorbehalt? wbl 1995, 181; Iro, Zur Kollision von Factoring und verlängertem Eigentumsvorbehalt, ÖBA 1990, 259; ders, Die Übertragung des vorbehaltenen Eigentums beim drittfinanzierten Kauf und beim Factoring, FS Frotz (1993) 101; Koziol, Einwendungsmöglichkeiten und Rückabwicklung bei Drittfinanzierung mit Einlösung der Kaufpreisforderung, ÖBA 1989, 207; Reidinger, Die Rechtslage nach Wegfall eines drittfinanzierten Kaufvertrages, JBl 1984, 190; Spielbüchler, Verarbeitung und Eigentumsvorbehalt, JBl 1968, 589; ders, Übereignung durch mittelbare Leistung, JBl 1971, 589. Übersicht I. II. III. IV.
Kreditkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Drittfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
I. Kreditkauf 1 Der Kreditkauf (Kauf auf Borg) dient dazu, dem Käufer den sofor-
tigen Gebrauch und die Nutzung der gekauften Sache zu verschaffen, obwohl er erst später, zB in Raten, den Kaufpreis zahlt. Da der Käufer grundsätzlich zur Zahlung Zug um Zug gegen Übergabe der 1158
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Kaufvertrag
§ 1063
Kaufsache verpflichtet ist (§ 1062 Rz 1), bedarf ein Kreditkauf einer Vereinbarung. Dies kann auch nachträglich bei der Übergabe der Sache geschehen, doch muss der Kreditierungswille zweifelsfrei feststehen. Die bloße Tatsache der Vorausleistung des Verkäufers bewirkt noch keine Stundung des Kaufpreises und der Verkäufer kann Zahlung ohne unnötigen Aufschub verlangen (§ 904). Hingegen ist beim Kreditkauf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ausgeschlossen; der Verkäufer kann die Vorausleistung nur unter den Voraussetzungen des § 1052 S 2 verweigern (Unsicherheitseinrede: § 1052 Rz 4). Beim Kreditkauf geht grundsätzlich das Eigentum mit der Übergabe 2 und vor Bezahlung des Kaufpreises vom Verkäufer auf den Käufer über (5 Ob 18/97a NZ 1998, 136); dafür stehen alle Übergabearten der §§ 426 ff zur Verfügung (JBl 1982, 311). Der OGH folgt in NZ 1998, 136 und anderen E der Auffassung, dass die Kaufvereinbarung selbst die dingliche Einigung enthalte und die Übergabe als bloßer Realakt zu qualifizieren sei (F. Bydlinski/K IV/2, 375; Spielbüchler/R § 425 Rz 2; aM Iro, SachenR Rz 6/40 und 8/3). Der Verkäufer, der die Sache zwar übergibt, aber in den Lieferschein oder eine nach mündlichem Vertragsschluss übermittelte Auftragsbestätigung einen Eigentumsvorbehalt (EV; Rz 3 ff) aufnimmt, verhält sich obligationswidrig und seine einseitige Erklärung des EV ist beim Kreditkauf sachenrechtlich wirkungslos (SZ 52/120; 6 Ob 306/02x JBl 2003, 856; Aicher/R Rz 30). Er ist an seinen im Rahmen der Kaufvereinbarung erklärten Willen, die Sache zu übereignen, gebunden. Daran ändert auch nichts, dass der Käufer den Lieferschein unterschreibt (RdW 1987, 157 Iro), da der Käufer mit einer Vertragsänderung nicht zu rechnen braucht. II. Eigentumsvorbehalt Vielfach wird jedoch beim Kreditkauf (einer beweglichen körper- 3 lichen Sache: SZ 42/65; 3 Ob 38/90 JBl 1991, 378: Superädifikat) ein EV vereinbart, um den Verkäufer insb bei Insolvenz des Käufers zu sichern. Vom Ausgleichsverfahren über das Vermögen des Vorbehaltskäufers wird die Forderung des Verkäufers auf restliche Kaufpreiszahlung nicht berührt (§ 20a AO; zum Rücktrittsrecht des Masseverwalters nach § 21 KO s Rz 13); zum Aussonderungsrecht s Rz 12. Diese gängige Vertragspraxis berechtigt jedoch nicht zu der Annahme, der EV gelte auch ohne Vereinbarung auf Grund Handelsbrauchs oder allgemeiner Verkehrssitte (wbl 1989, 224 Wilhelm). Ebenso kann ein EV nicht einseitig durch einen Verweis auf die AGB des Verkäufers in dessen Auftragsbestätigung begründet werden (4 Ob 538/90 HS XX/XXI/13). Apathy
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§ 1063
Allerdings bejaht die Rspr eine stillschweigende Vereinbarung eines EV, wenn bei einer längeren Geschäftsverbindung Rechnungen oder Lieferscheine immer wieder einen solchen Vermerk enthalten und der Käufer dies widerspruchslos hinnimmt (SZ 25/294; 6 Ob 73/01f RdW 2002, 149); ebenso wenn allen Beteiligten klar ist, dass der Kauf durch Einschaltung eines Kreditinstituts finanziert werden soll, da beim drittfinanzierten Kauf das Vorbehaltseigentum üblicherweise dem Finanzierer übertragen wird (wbl 1989, 224 Wilhelm; s Rz 17 f). Hingegen misslingt die Vereinbarung des EV, wenn dieser zwar in den AGB des Verkäufers vorgesehen ist, dessen Geltung jedoch in den AGB des Käufers ausgeschlossen wird (6 Ob 306/02x JBl 2003, 856). 4 Infolge der (formlosen) Vereinbarung eines EV geht das Eigentum nicht
schon mit der Übergabe, sondern erst mit der Bezahlung des Kaufpreises auf den Käufer über. Bis zur Bezahlung wird der Käufer zum Gebrauch der Sache berechtigter Rechtsbesitzer mit Eigentumsanwartschaft (SZ 45/18; s auch Rz 15). Beim Kauf unter EV ist das Verfügungsgeschäft aufschiebend bedingt (JB 246; K/W I 411); andererseits wirkt die Kaufpreiszahlung für den Verkäufer als auflösende Bedingung (Duursma-Kepplinger, EV 1). Der Bezahlung stehen zB die Aufrechnung, die Verrechnung beim Kontokorrent (grundsätzlich entsprechend §§ 1415 f: Dullinger/Jabornegg, HGB § 355 Rz 19), eine Leistung an Zahlungs Statt, aber auch der Verzicht des Verkäufers auf den Restkaufpreis gleich; zur Bezahlung des geminderten Kaufpreises s SZ 49/91; zum Erfordernis der Einlösung eines Wechsels s 3 Ob 38/90 JBl 1991, 378. Hingegen besteht der EV bei Verjährung der Kaufpreisforderung fort (JBl 1935, 494 Klang; wbl 1990, 88: Verkäufer behebt Mängel nicht). Für die Novation sieht § 1378 grundsätzlich das Erlöschen akzessorischer Sicherungen vor, doch sind abweichende Vereinbarungen zulässig; insb sieht § 356 UGB den Fortbestand der Sicherheiten vor, soweit die zu sichernde Forderung nicht schon durch die Verrechnung erloschen ist (§ 355 Abs 3 UGB; Apathy, ÖBA 1999, 687). 5 Wird die Vorbehaltssache verarbeitet oder mit einer anderen beweg-
lichen Sache verbunden oder vermengt, so entsteht Miteigentum (§§ 414 f; SZ 49/138; SZ 52/154; Spielbüchler, JBl 1968, 589). Wird sie hingegen zum unselbständigen Bestandteil einer Liegenschaft, so erlischt der EV (4 Ob 523/90 JBl 1991, 376: Balkonverkleidung; SZ 60/66: Fertigteilgarage); zur Aufrechterhaltung des EV an Maschinen durch Anmerkung im Grundbuch s § 297a. 6 Der Vorbehaltsverkäufer kann das vorbehaltene Eigentum insb
durch Besitzanweisung übertragen, indem er den Käufer anweist, die 1160
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Sache für den neuen Eigentümer (zB Finanzierer) innezuhaben. In den Fällen der Einlösung (§§ 1358, 1422; SZ 61/166) wird jedoch von der Rspr ein ipso-iure-Übergang des vorbehaltenen Eigentums zum Schutz des Zahlenden angenommen (§ 1422 Rz 8; 3 Ob 308/97h JBl 2000, 32). Die Einlösung setzt die vollständige Zahlung des offenen Kaufpreises voraus (EvBl 1961/268). Der EV ist eine publizitätslose Sicherung (SZ 33/132), die – im Ver- 7 gleich zur Sicherungsübereignung – gerechtfertigt erscheint, weil das Vermögen des Schuldners (Käufers) nicht verringert wird und der EV zudem dem Zug-um-Zug-Prinzip entspricht (F. Bydlinski/K IV/2, 463; K/W I 413). Eine Sicherung anderer Forderungen ist ohne die Publizität der Sicherungsübereignung jedoch nicht wirksam (JBl 1969, 389 Koziol; 2 Ob 210/97i JBl 1998, 300 Holzner: kein erweiterter EV). Auch eine Anrechnungsvereinbarung, wonach Zahlungen des Käufers abweichend von §§ 1415 f zunächst auf andere Forderungen als die durch den EV gesicherte Kaufpreisforderung angerechnet werden sollen, ist als Umgehung des § 452 nichtig (JBl 1981, 256; Spielbüchler/R §§ 357–360 Rz 11). Ebenso kann man keinen EV mehr begründen, wenn der Käufer bereits Eigentümer geworden ist (HS 4323; SZ 44/65; kein nachträglicher EV). Soll an die Stelle einer unter EV verkauften Sache eine andere treten (Objekttausch), so handelt es sich um eine Sicherungsübereignung, wenn diese Sache dem Käufer gehört (3 Ob 308/97h JBl 2000, 32; um den gewünschten Erfolg zu erzielen, hätte der Vorbehaltsverkäufer das Austauschobjekt vom zweiten Verkäufer erwerben und dem Käufer verkaufen müssen). Ist keine Kreditierung des Kaufpreises vereinbart und erbringt der 8 Verkäufer seine Leistung in der Erwartung, der Käufer werde unverzüglich den Kaufpreis bezahlen, so ist umstritten, ob der Käufer mit der Übergabe Eigentum erwirbt. Da der Verkäufer faktisch kreditiert hat, entspricht es dem Gesetzeswortlaut, dass der Käufer sofort Eigentümer wird (Zeiller III 362 f); allerdings kann er, da er nicht vorleistungspflichtig ist, durch einseitigen EV an der Übereignung Zug um Zug gegen Zahlung festhalten (Spielbüchler, JBl 1971, 595). Nach hA ist in diesem Fall schon der Kaufvertrag wegen des Zug-umZug-Prinzips so zu verstehen, dass der Käufer erst mit der Zahlung Eigentümer wird (sog kurzfristiger EV; K/W I 411), sofern nicht nach dem Umständen eine nachträgliche Kreditabrede getroffen wird (K/W II 176). Dem Vorbehaltskäufer steht als aufschiebend bedingt Berechtigtem 9 ein Anwartschaftsrecht zu (SZ 52/142; 3 Ob 534/93 SZ 66/172; F. BydApathy
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linski/K IV/2, 559 ff; Apathy/Riedler/S § 897 Rz 14; s Rz 10), zumal er den Bedingungseintritt herbeiführen kann. Er kann seine Anwartschaft nach sachenrechtlichen Grundsätzen (§ 380) übertragen (Iro, SachenR Rz 8/9; vgl SZ 41/37, jedoch Veräußerung der Sache und Übertragung des Anwartschaftsrechts vermengend); der EV bleibt dann aufrecht (weitergeleiteter EV). Kauft auch der Zweitkäufer auf Borg, so kann sich der Vorbehaltskäufer seinerseits das Eigentum vorbehalten (nachgeschalteter EV). Der Zweitkäufer erwirbt dann Eigentum, wenn er und der erste Vorbehaltskäufer ihre Kaufpreisschulden erfüllt haben. Zur Pfändung des Anwartschaftsrechts s SZ 66/172. 10 Verkauft der Vorbehaltskäufer nicht bloß sein Anwartschaftsrecht,
sondern die Sache selbst, so ist zu unterscheiden: Hat ihn der Verkäufer ausdrücklich oder konkludent zur Verfügung über sein Eigentumsrecht ermächtigt, so erwirbt der Käufer derivativ Eigentum (SZ 60/13); im Zweifel ist eine solche Weiterveräußerungsermächtigung auf den ordentlichen Geschäftsbetrieb beschränkt und deckt nicht Verschleuderung und Verwertung im Konkurs (F. Bydlinski/K IV/2, 634; Duursma-Kepplinger, EV 81) oder Begründung von Sicherungseigentum (5 Ob 642/89 SZ 63/85). Erwirbt der Vorbehaltskäufer Waren zur Weiterveräußerung, so ist es verkehrsüblich, dass der Verkäufer den Käufer zur vorbehaltslosen Veräußerung im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb ermächtigt (JBl 1988, 314 Czermak); dies vertritt der OGH auch bei einem Streckengeschäft und formularmäßiger Erklärung des EV auf dem Lieferschein (3 Ob 84/02b JBl 2003, 445 Spielbüchler; Holzner, ÖBA 2004, 953 f), doch lässt sich die konkludente Verfügungsermächtigung in diesem Fall bezweifeln. Der erste Verkäufer verliert mit der Weiterveräußerung seine Kaufpreissicherung, außer er sichert sich durch einen verlängerten EV ab. Dazu vereinbart er mit dem Vorbehaltskäufer einerseits, dass ihm dieser vorweg künftige Forderungen abtritt, die der Käufer beim Weiterverkauf gegen den zweiten Käufer erwirbt (SZ 61/142); dabei ist die Publizität für eine Sicherungszession einzuhalten (3 Ob 531/91 JBl 1992, 652). Vereinbaren der Verkäufer, der sich die künftigen Forderungen aus dem Weiterverkauf zur Sicherung seiner offenen Kaufpreisforderung abtreten lässt, und der Käufer, dass letzterer die Forderungen aus dem Weiterverkauf nicht abtreten dürfe, so ist dies ohne die gebotene Publizität unwirksam und ein Dritter kann wirksam die Forderung erwerben (8 Ob 569/90 ÖBA 1991, 134 Koziol). Andererseits wird für den Fall der Barzahlung des zweiten Käufers vereinbart, dass der Vorbehaltsverkäufer durch antizipiertes Besitzkonstitut Eigentum am Geld erwirbt. Hier droht 1162
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Kaufvertrag
§ 1063
freilich der Verlust der Sicherung durch Vermischung oder gutgläubigen Erwerb eines Dritten nach § 371. Verkauft ein nicht zur Verfügung ermächtigter Vorbehaltskäufer, so begeht er eine Vertragsverletzung (SZ 20/149: einstweilige Verfügung des Verkäufers); unter den Voraussetzungen des § 367 ABGB kommt es jedoch zum gutgläubigen Eigentumserwerb des zweiten Käufers (4 Ob 536/92 JBl 1993, 183; zur Haftung des unredlichen Erwerbers, der an einen Gutgläubigen weiterverkauft, s SZ 48/89). Allerdings wird bei Sachen, die üblicherweise unter EV verkauft werden, ein strenger Maßstab bei der Beurteilung der Gutgläubigkeit des Zweiterwerbers angelegt, insb wenn dieser Unternehmer ist (JBl 1988, 314 Czermak). Sowohl ein derivativer als auch ein gutgläubiger Erwerb scheidet aus, wenn der Lieferant als Erfüllungsgehilfe des Zwischenhändlers dessen Kunden beliefert und sich auch ihm gegenüber das Eigentum vorbehält; dem Kunden gegenüber ist nämlich klargestellt, dass der Zwischenhändler in diesem Fall nicht verfügungsermächtigt ist (JBl 1984, 671; vgl aber JBl 2003, 445 Spielbüchler). Bezahlt der Vorbehaltskäufer nicht rechtzeitig, so kann der Verkäufer 11 offene Kaufpreisraten oder (insb nach Terminsverlust; vgl § 13 KSchG) den ganzen fälligen Restkaufpreis einklagen. Dies bedeutet keinen Verzicht auf den EV; ebensowenig, wenn der Prozess mit einem Ratenvergleich endet (SZ 55/152). Der Verkäufer kann aber auch vom Vertrag zurücktreten und die Sache nach §§ 366, 1435 zurückverlangen (6 Ob 526/94 HS XXV/3; § 918 Rz 11), und zwar auch nach Verjährung der Kaufpreisforderung (§ 1498 Rz 2). Ohne Rücktritt kann der Verkäufer die Rückstellung der Sache nur dann verlangen, wenn dies vereinbart wurde (SZ 57/81; JBl 1986, 307 Reidinger: Rücknahmeklausel; vgl § 22 KSchG). Der Verkäufer braucht die Sache dann bloß Zug um Zug gegen Bezahlung des Restkaufpreises dem Käufer zu übergeben. Soll der Verkäufer nach der Rücknahmeklausel auch zur Verwertung der Sache befugt sein, so muss er dabei die Interessen des Käufers wahren (SZ 55/152). Auch der Herausgabeanspruch des Vorbehaltseigentümers gegenüber einem unberechtigten Dritten besteht unabhängig vom Rücktritt (5 Ob 642/89 SZ 63/85: unberechtigte Weiterveräußerung zur Begründung von Sicherungseigentum; 7 Ob 191/00i Miet 52.157). Gegen Gläubiger des Vorbehaltskäufers, die in die Vorbehaltssache 12 Exekution führen, steht dem Vorbehaltsverkäufer die Exszindierungsklage (§ 37 EO) zu (EvBl 1959/100; SZ 35/76), doch kann sich der betreibende Gläubiger durch Bezahlung der fälligen Kaufpreisforderung das Exekutionsobjekt sichern (K/W I 413). Das Unterlassen Apathy
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Kaufvertrag
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der Geltendmachung des EV im Exekutionsverfahren bedeutet keinen Verzicht auf das vorbehaltene Eigentum, so dass dem Verkäufer gegen den betreibenden Gläubiger ein Verwendungsanspruch (§ 1041) zusteht (SZ 57/192). Ebenso verzichtet der Verkäufer eines Kfz nicht auf den EV, wenn er dem Käufer den Typenschein zur Anmeldung des Kfz aushändigt und der Käufer auf die Rückgabe vergisst (SZ 33/132). Bei Insolvenz des Vorbehaltskäufers steht dem Verkäufer ein Aussonderungsrecht zu (§ 44 KO; § 11 AO; SZ 25/294; SZ 62/55), auf das der Verkäufer nicht schon durch die Forderungsanmeldung verzichtet (SZ 37/118; SZ 40/32). Allerdings muss er sich grundsätzlich zwischen der Geltendmachung der restlichen Kaufpreisforderung und der Aussonderung, die den Rücktritt vom Vertrag voraussetzt, entscheiden. Nimmt er die Ausgleichsquote entgegen, so kann dies als Verzicht auf das vorbehaltene Eigentum verstanden werden (SZ 61/123). In 8 Ob 184/00t RdW 2001, 727 hat der OGH jedoch einen stillschweigenden Verzicht des Verkäufers, der die Ausgleichsquote kommentarlos entgegennimmt, auf die Geltendmachung einer Ersatzaussonderung verneint. Diese E lässt erkennen, dass der OGH einen Verzicht auf den EV nur mehr annimmt, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist. Auf Grund eines verlängerten EV (Rz 10) steht dem Vorbehaltsverkäufer ein Absonderungsrecht an der Kaufpreisforderung der Masse gegen den Dritterwerber zu (SZ 62/55). Nach einer (unberechtigten) Veräußerung der Vorbehaltssache während des Konkursverfahrens kann der Verkäufer die Aussonderung des bereits geleisteten Entgelts aus der Masse (Ersatzaussonderung; SZ 34/113; wbl 1989, 194; Duursma-Kepplinger, EV 78 ff) bzw die Abtretung des Rechts auf das ausstehende Entgelt verlangen (§ 44 Abs 2 KO). Ist der Erlös aus dem Verkauf nicht mehr individualisierbar, so besteht eine Masseforderung wegen rechtsgrundloser Bereicherung der Masse (§ 46 Abs 1 Z 6 KO; SZ 52/154) oder nach § 46 Abs 1 Z 5 KO. 13 Bis zur Bezahlung des Restkaufpreises steht dem Masseverwalter im
Käuferkonkurs das Rücktrittsrecht nach § 21 KO zu (SZ 43/92; 1 Ob 2297/96t ÖBA 1998, 798; Gamerith in Buchegger, Insolvenzrecht I § 21 Rz 11; Duursma-Kepplinger, EV 13 ff); der Verkäufer kann dann sein Aussonderungsrecht geltend machen. Ob der Masseverwalter auch im Verkäuferkonkurs zurücktreten kann, wurde in wbl 1989, 194 offen gelassen (dazu – außer bei Rechtsmissbrauch – bejahend Gamerith, aaO; aM Paul Doralt, ÖBA 1989, 922; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht 5, 1996, 45). 1164
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Kaufvertrag
§ 1063
Führt der Vorbehaltsverkäufer zur Befriedigung seiner Kaufpreisfor- 14 derung bewusst Exekution in die verkaufte Sache, so sei dies nach JB 246 alt als Verzicht auf das Eigentum zu verstehen, da eine Befriedigung aus eigenem Vermögen „begrifflich ausgeschlossen“ sei (so auch SZ 40/50; Harrer, Sicherungsrechte 100). Diese Auffassung stößt auf erhebliche Bedenken (F. Bydlinski/K IV/2, 638 ff; Spielbüchler/R §§ 357–360 Rz 12; K/W I 412 mit Bezug auf § 470 S 2; vgl auch SZ 57/192). Eine Befriedigung aus einer eigenen Sache ist auch in § 398 UGB vorgesehen (Apathy/Jabornegg, HGB § 398 Rz 1). Zudem führt die Exekution in die Vorbehaltssache zur einer Zivilteilung vergleichbaren Problemlösung. Für die Auffassung vom Eigentumsverzicht lässt sich nicht ins Treffen führen, eine Äußerung einer entgegenstehenden Absicht durch den Verkäufer sei als venire contra factum proprium unbeachtlich (so aber Duursma-Kepplinger, EV 11 f). Denn diese Beurteilung ist mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar (K/W I 140). Auch das Argument, dem Vorbehaltskäufer wäre es bei anderer Beurteilung freigestellt, sein vorbehaltenes Eigentum als (publizitätsloses) Sicherungseigentum oder Pfandrecht zu behandeln und sich auf diese Weise die Rechtsfolgen selbst auszusuchen (DuursmaKepplinger, EV 11), schlägt nicht durch. Denn auf der anderen Seite haben es die sonstigen Gläubiger des Käufers in der Hand, sich durch Bezahlung des Restkaufpreises den Zugriff auf die Sache zu sichern (Rz 12). Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers ist analog § 372 ge- 15 schützt (SZ 31/91), weil er – wie ein Ersitzungsbesitzer – „werdender Eigentümer“ ist (F. Bydlinski/K IV/2, 573 ff; aM Harrer, Sicherungsrechte 101), ohne dass dies der Verkäufer verhindern könnte (SZ 45/18). Der Vorbehaltskäufer kann daher die Exszindierungsklage (§ 37 EO) gegen Gläubiger des Verkäufers oder dritte Gläubiger erheben, wenn diese auf die Vorbehaltssache Exekution führen (JBl 1967, 571); zur Pfändung des Anwartschaftsrechts s 3 Ob 534/93 SZ 66/172. Dem Vorbehaltskäufer steht ein Herausgabe- und Unterlassungsanspruch nicht nur gegenüber Dritten, sondern auch gegenüber dem Verkäufer zu (6 Ob 526/94 HS XXV/3). Wird die Vorbehaltssache beschädigt, so können der Verkäufer – entsprechend seinem Sicherungsinteresse – und der Käufer Schadenersatzansprüche geltend machen (SZ 52/63; Apathy, EKHG § 16 Rz 6 f; aM Harrer, Sicherungsrechte 104, der allein den Verkäufer als aktivlegitimiert ansieht, was jedoch umso problematischere Folgen hat, je mehr der Käufer bereits bezahlt hat). Ebenso sind beide nach § 1041 anspruchsberechtigt (vgl SZ 57/192). Apathy
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Kaufvertrag
§ 1063 III. Drittfinanzierung
16 Kann der Käufer den Kaufpreis nicht bar bezahlen und der Verkäufer
nicht kreditieren, so wird häufig ein Dritter eingeschaltet, um die Anschaffung zu finanzieren. Nimmt der Käufer beim Kreditgeber ein Darlehen auf und zahlt er dann den Kaufpreis, so sind Kauf und Darlehen grundsätzlich völlig getrennte Geschäfte. Häufig arbeitet der Verkäufer aber mit einem Finanzierer zusammen: Dem Käufer werden Kauf und darauf abgestimmte Finanzierung „im Paket“ angeboten (F. Hoyer, Einwendungsdurchgriff 1 f: drittfinanzierter Kauf). Nach Übergabe der Kaufsache an den Käufer zahlt der Kreditgeber den Kaufpreis an den Verkäufer; der Käufer soll ihn, insb in Raten, an den Finanzierer zurückzahlen. Im Einzelnen ist zu unterscheiden, ob der Finanzierer dem Verkäufer (Rz 17) oder dem Käufer (Rz 18) kreditiert. 17 Gewährt der Finanzierer dem Verkäufer (auf Grund einer Rahmen-
vereinbarung) Kredit (Absatzfinanzierung), so schließen Verkäufer und Käufer einen Ratenkauf, während der Finanzierer sich die Kaufpreisforderung und das vorbehaltene Eigentum übertragen lässt (Abtretungskonstruktion). Auch das Recht, bei Verzug des Käufers vom Vertrag zurückzutreten, wird dem Finanzierer übertragen, damit dieser die Sache vom säumigen Käufer herausverlangen kann. Die Abtretung der Kaufpreisforderung kann Sicherungszession oder vereinbarte Einlösung (§ 1422) sein; der Finanzierer erwirbt das vorbehaltene Eigentum als Sicherungsmittel, nicht (wie ein Käufer) um die Sache selbst zu erlangen (Iro, FS Frotz 105, 110 ff). Für den Käufer ergeben sich daraus keine besonderen Gefahren, da er Einwendungen aus dem Kaufvertrag auch gegen den Finanzierer geltend machen kann (§ 1396). Bei Insolvenz des Käufers haftet der Verkäufer dem Finanzierer nach § 1397, doch kann die Haftung für die Zahlungsfähigkeit des Käufers ausgeschlossen sein (echtes Factoring). 18 Gewährt der Finanzierer dem Käufer Kredit (Konsumfinanzierung),
so werden dem Finanzierer nicht nur vom Verkäufer die Kaufpreisforderung und das Rücktrittsrecht abgetreten sowie das vorbehaltene Eigentum übertragen, sondern es soll zusätzlich eine selbständige Forderung des Kreditgebers gegenüber dem Käufer entstehen (9 Ob 17/01t ecolex 2001, 526 Wilhelm: Darlehenskonstruktion; § 18 KSchG). Dass dabei der Käufer von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung nicht befreit werden soll, spricht jedoch gegen die Annahme, der Kreditgeber gewähre dem Käufer ein Darlehen (F. Bydlinski/K IV/2, 420 ff). Der Finanzierer zahlt ja die Kreditsumme nicht an den Käufer, sondern zur Einlösung der Kaufpreisforderung an den Verkäufer. Allerdings tut er dies im Auftrag des Käufers, so dass ihm 1166
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§ 1063
Ersatz nach § 1014 gebührt, wobei der Finanzierer diesen Aufwandersatzanspruch dem Käufer kreditiert (Koziol, ÖBA 1989, 209; SZ 66/70; aM F. Hoyer, Einwendungsdurchgriff 21 ff). Eine solche Zahlung des Kreditinstituts an den Verkäufer liegt auch dann vor, wenn der Käufer den Überweisungsbeleg unterschreibt, aber als Auftraggeber die finanzierende Bank aufscheint (ecolex 2001, 526 Wilhelm). Sagt der Finanzierer dem Verkäufer zu, die Finanzierung unwiderruflich zu übernehmen und die Kaufpreisforderung einzulösen, so verjährt die Forderung des Verkäufers gegen den Finanzierer nach § 1486 Z 1 (1 Ob 629/95 JBl 1996, 518). Die Darlehenskonstruktion ist für den Käufer insofern gefährlich, als 19 es zu einer Aufspaltung der Verkäuferposition kommt. Die Verkäuferrechte aus dem Kaufvertrag stehen infolge der Abtretung dem Finanzierer zu, der zudem eine weitere selbständige Forderung gegen den Käufer geltend machen kann. Dies wird noch verstärkt, wenn der Käufer einen vom Verkäufer oder Finanzierer ausgestellten Wechsel akzeptiert. Dem Käufer stehen hingegen vertragliche Ansprüche, zB auf Verbesserung, nur gegen den Verkäufer zu. Dies könnte dazu führen, dass er zB bei Mangelhaftigkeit der Sache zwar gegen den Verkäufer vorgehen kann, gegenüber dem Finanzierer jedoch die Zahlung nicht verweigern darf. Dieses Aufspaltungsrisiko wird bei Verbrauchergeschäften unter der Voraussetzung der wirtschaftlichen Einheit von Kaufvertrag und Finanzierung durch den Einwendungsdurchgriff (§ 18 KSchG) reduziert. Das Aufspaltungsrisiko besteht allerdings auch dann, wenn der Käufer ein Unternehmer ist (JBl 1986, 307 Reidinger). Daher wird zum Teil eine analoge Anwendung des § 18 KSchG auf Geschäfte zwischen Unternehmern befürwortet (K/W II 179; vgl SZ 61/166). Dass ein Käufer, der Unternehmer ist, in gleicher Weise zu schützen ist wie ein Verbraucher, stößt jedoch auf Bedenken, zumal keine echte Gesetzeslücke besteht. Denn der Gesetzgeber des KSchG hat den Einwendungsdurchgriff nach § 18 KSchG nur für Verbrauchergeschäfte normiert und nicht – wie die §§ 864a, 871 Abs 2, § 873 S 3, § 879 Abs 3, §§ 917a und 935 ABGB – im allgemeinen Zivilrecht. Er hat aber zudem betont, die bisherige Rspr und Lehre solle keine Einengung, besonders hinsichtlich ihres Geltungsbereichs, erfahren (Erl 744 BlgNR 14. GP 39). Demzufolge führen die nach allgemeinem Zivilrecht bestehenden Zusammenhänge zwischen Kauf und Finanzierung (dazu Rz 20) weiterhin dazu, dass der Käufer Einwendungen auch gegen den Finanzierer erheben kann. Zum Einwendungsdurchgriff außerhalb des Anwendungsbereichs des RatG s Apathy/S § 18 Apathy
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KSchG Rz 6. Ausgeschlossen ist nach der Rspr der Einwendungsdurchgriff bei drittfinanzierten risikoträchtigen Beteiligungen (1 Ob 599/93 SZ 67/54; 5 Ob 562/94 ÖBA 1996, 228; dazu Apathy/S § 18 KSchG Rz 8). 20 Gegen die Auffassung, der Kauf sei Geschäftsgrundlage für die Fi-
nanzierung (Erl 744 BlgNR 14. GP 35), so dass bei Wegfall des Kaufvertrages infolge Irrtumsanfechtung, Rücktritt oder Wandlung auch der Vertrag zwischen dem Käufer und dem Finanzierer aufgehoben sei, lässt sich allerdings einwenden, dass zB eine Wandlung des Kaufvertrages wegen eines Mangels nicht unvorhersehbar ist. Daher lässt sich der Einwendungsdurchgriff mit dem restriktiv gehandhabten Wegfall der Geschäftsgrundlage (K/W I 161 ff; P. Bydlinski, AT Rz 8/40 ff; s § 901 Rz 6 ff) vielfach nicht erklären (Koziol, BVR II Rz 1/102). Der Einwendungsdurchgriff bei nicht dem KSchG unterliegenden Verträgen ist allerdings dann gerechtfertigt, wenn Kauf und Finanzierung inhaltlich so aufeinander bezogen sind, dass kein Vertrag ohne den anderen zustande gekommen wäre (JBl 1986, 307 Reidinger; 8 Ob 46/89 ÖBA 1991, 759), wenn mithin Entstehen und Weiterbestehen des einen Bedingung für den anderen ist (Aicher/R Rz 16 und 17a; Apathy/Riedler, SR BT Rz 1/46). Damit hängt der Einwendungsdurchgriff letztlich vom Parteiwillen ab. Allerdings soll nach SZ 61/166 bei wirtschaftlicher Einheit von Kauf (zwischen Unternehmern) und Finanzierung ein Ausschluss von Einwendungen des Käufers gegenüber dem Finanzierer gröblich benachteiligend iSv § 879 Abs 3 sein. Ist dem Käufer jedoch die rechtliche Unabhängigkeit von Kauf und Finanzierung bekannt, so ist ein Ausschluss von Einwendungen des Käufers gegenüber dem Finanzierer unbedenklich (Koziol, ÖBA 1989, 214; Aicher/R Rz 17b; aM F. Hoyer, Einwendungsdurchgriff 65 ff). 21 Führt danach die Aufhebung des Kaufvertrages auch zur Beendigung
des damit verbundenen Finanzierungsauftrags, so hat der Käufer die gekaufte Sache dem Finanzierer als Vorbehaltseigentümer zurückzugeben, wird aber diesem gegenüber auch bei der Rückabwicklung geschützt. Insb braucht er die Vorbehaltssache nur Zug um Zug gegen Rückstellung der an den Verkäufer und den Finanzierer erbrachten Zahlungen herauszugeben. Im Einzelnen ist zu unterscheiden, ob der Finanzierer die Kaufpreisforderung eingelöst (Rz 22) oder im Namen des Käufers gezahlt hat (Rz 23). In weiterer Folge hat der Vorbehaltsverkäufer das Recht, die Sache vom Finanzierer gemäß § 1435 zurückzuverlangen, wenn er seinen Verpflichtungen diesem gegenüber nachkommt. 1168
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Im Regelfall hat der Finanzierer im eigenen Namen an den Verkäufer 22 gezahlt, um die Kaufpreisforderung einzulösen (Rz 4). Er kann daher vom Verkäufer kondizieren oder ihm gegenüber die Unrichtigkeit der zedierten Forderung geltend machen (§ 1397; Reidinger, JBl 1984, 193; P. Bydlinski, ÖBA 1988, 85). Der Käufer kann seine Leistungen vom jeweiligen Empfänger kondizieren, also die Anzahlung vom Verkäufer, die an den Finanzierer gezahlten Raten vom diesem (RZ 1979, 232; 8 Ob 617/92 ÖBA 1994, 723 Koziol; Reidinger, JBl 1984, 191 ff; Koziol, BVR II Rz 1/98 auch zum Regress des Finanzierers gegen den Verkäufer insb gemäß § 1397). Hat der Käufer Teilzahlungen an den Finanzierer erbracht, so würde er von der Drittfinanzierung profitieren, wenn er deren volle Rückzahlung auch bei Insolvenz des Verkäufers verlangen kann. Denn beim zweipersonalen Ratenkauf träfe den Käufer hinsichtlich der erbrachten Teilzahlungen das Risiko der Insolvenz des Verkäufers. Die Verlagerung dieses Risikos auf den Finanzierer ist nicht Zweck der Drittfinanzierung (P. Bydlinski, JBl 1988, 765; Koziol, ÖBA 1989, 214 ff; ders, BVR II Rz 1/126; Aicher/R Rz 18). Daher kann der Finanzierer dem Käufer entgegenhalten, er habe sich entsprechende Zahlungen an den Verkäufer (abzüglich der Konkursquote) erspart (Koziol, ÖBA 1989, 217). Gibt der Käufer dem Finanzierer und Vorbehaltseigentümer die Kaufsache zurück, so ist er in Höhe von deren Wert jedenfalls kondiktionsberechtigt (Aicher/R Rz 18). Hat der Finanzierer hingegen die Kaufpreisforderung nicht eingelöst, 23 sondern im Namen des Käufers auf dessen Anweisung an den Verkäufer gezahlt, so kann er vom Käufer nur die Abtretung von dessen Anspruch gegen den Verkäufer auf Rückzahlung des Kaufpreises verlangen (JBl 1988, 172 P. Bydlinski; Aicher/R Rz 18); der Käufer schuldet also nicht die Zahlung des Betrages, den der Verkäufer in seinem Namen gezahlt hat. Nach 7 Ob 617/95 ÖBA 1997, 292 Apathy beschränkt sich der Bereicherungsanspruch des Finanzierers gegenüber dem Käufer bei Dissens hinsichtlich der Kreditierung und daraus folgender Unwirksamkeit der Anweisung auf das vom Anweisungsempfänger dem Anweisenden Geleistete (Hausanteilschein). Zum Verwendungsanspruch des scheinbar Angewiesenen gegen den Empfänger s Apathy/Riedler, SR BT Rz 15/43 und § 1041 Rz 12. IV. Finanzierungsleasing Finanzierungsleasing ist ein Sachüberlassungsvertrag eigener Art 24 (1 Ob 579/94 ÖBA 1995, 813 Iro), der in der Regel überwiegend kaufvertragliche Elemente aufweist (8 Ob 545/91 SZ 64/73; 1 Ob 2141/96a SZ 69/171; Rz 28). Mittelbares Finanzierungsleasing erfüllt ähnliche Apathy
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Kaufvertrag
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Funktionen wie die Drittfinanzierung beim Ratenkauf, doch handelt es sich vielfach um ein Dauerschuldverhältnis (Würth/R § 1090 Rz 27); außerdem steht der Leasingnehmer vielfach nur mit dem Leasinggeber in Vertragsbeziehung. Der Leasinggeber erwirbt eine den Wünschen des Leasingnehmers entsprechende Sache, um sie diesem für bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen; dabei steht nicht die vorübergehende Verschaffung der Gebrauchsmöglichkeit, sondern der dauernde Einsatz der durch Leasing finanzierten Sache im Vordergrund (SZ 52/34; ÖBA 1995, 813 Iro). Der Vertrag ist für die Grundlaufzeit unkündbar (zur Kündigung durch den Masseverwalter gemäß § 23 KO s 3 Ob 532/95 SZ 68/84). 25 Der Leasingnehmer trägt typischerweise wie ein Käufer (und anders
als ein Mieter: § 1096) die Gefahr zufälliger Beeinträchtigungen (SZ 53/128). Er muss also die Leasingraten weiterzahlen, auch wenn sich das Leasinggut nicht bewährt, wenn es beschädigt oder zerstört wird, oder wenn die Investition aus einem anderen Grund nicht zielführend ist (SZ 52/157). Beim Teilamortisationsleasing trägt er auch das Risiko, ob die Sache nach Ablauf der Vertragsdauer den kalkulierten Restwert hat. Allerdings ist es gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3), wenn im Fall eines von einem Dritten verschuldeten Untergangs des Leasinggutes dessen Schadenersatzleistung bei Berechnung der restlichen Raten nicht berücksichtigt werden soll (SZ 57/41). Ebenso gehört die Verschaffung des Gebrauchs zur unabdingbaren Hauptpflicht des Leasinggebers (6 Ob 507/95 JBl 1996, 657). Während der Leasingnehmer das volle Investitionsrisiko trägt, trifft den Leasinggeber nur das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Leasingnehmers, wobei er durch sein Eigentum an der Sache abgesichert ist (SZ 52/157). 26 Die Gewährleistung ist regelmäßig so geregelt, dass der Leasinggeber
nur seine Ansprüche gegen den Lieferanten dem Leasingnehmer abzutreten hat (1 Ob 579/94 ÖBA 1995, 813 Iro; Fischer-Czermak, Mobilienleasing 195 ff). Außerdem beschränkt sich die Haftung auf Mängel bei der Übergabe (SZ 53/128; ÖBA 1995, 813 Iro). Dann ist es aber inkonsequent, wenn nach stRspr die Wandlung des Kaufvertrags dazu führen kann, dass der Leasingvertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgehoben wird (ÖBA 1995, 813 Iro; 1 Ob 122/99v RdW 2000, 24; dazu kritisch Fischer-Czermak, ecolex 2000, 97; s auch Rz 20). Außerdem wird bei einer rückwirkenden Auflösung des Leasingvertrags nicht berücksichtigt, dass es sich nicht selten um ein Dauerschuldverhältnis handelt (vgl Apathy/Riedler/S § 901 Rz 12). 27 Bei Zahlungsverzug oder Konkurs des Leasingnehmers tritt in der
Regel Terminsverlust ein. Auch bedingt sich der Leasinggeber für 1170
Apathy
Kaufvertrag
§ 1063b
diese Fälle vielfach das Recht aus, die Sache ohne Vertragsauflösung dem Leasingnehmer zu entziehen; er muss aber bereit sein, die Sache bei Nachzahlung wieder zum Gebrauch zu überlassen (SZ 58/144). Erwirbt der Leasingnehmer nach der Grundvertragszeit mit der Zah- 28 lung der letzten Leasingrate Eigentum, so lässt sich der Vertrag als Vorbehaltskauf qualifizieren (SZ 59/40; Fischer-Czermak, Mobilienleasing 118 ff; aM Würth/R § 1090 Rz 31). Ähnlich ist es zu beurteilen, wenn der Leasingnehmer gegen eine geringfügige Nachzahlung, die deutlich unter dem Verkehrswert bleibt, Eigentum erwerben kann. Demgegenüber vertritt der OGH in SZ 59/40 zur Frage der Deckung geleaster Sachen durch eine Feuerversicherung, dass es sich beim Leasing mit Option auf anschließenden Eigentumsübergang um eine Novation in einen Kaufvertrag handle, sofern die Optionserklärung nach dem Parteiwillen bei Abschluss des Leasingvertrages nicht bloße Formsache ist. Schließlich ist der Leasingvertrag einem Ratenkauf gleichzustellen (vgl § 17 KSchG), wenn der Leasingnehmer die Sache bis zur Erschöpfung der Substanz gebrauchen darf (FischerCzermak, Mobilienleasing 137 f; Apathy/S § 17 KSchG Rz 2). § 1063a. Die Kosten der Übergabe der verkauften Ware, insbesondere die Kosten des Messens und des Wägens, fallen dem Verkäufer zur Last, die Kosten der Abnahme und der Versendung der Sache an einen anderen Ort als den Erfüllungsort aber dem Käufer. [BGBl I 2005/120]
Die Kosten der Übergabe und Übereignung trägt der Verkäufer, zB: 1 Kosten der Lieferung an den Erfüllungsort (§ 905; SZ 55/102: Lieferung „frei Haus“); Kosten der einverleibungsfähigen Urkunde und Eintragung im Grundbuch, doch wird bei Liegenschaftskäufen idR Kostentragung durch den Käufer vereinbart. Schuldet der Verkäufer nur die Absendung (Versendungskauf), so hat er die Kosten der Verpackung, der Käufer die Transportkosten zu tragen (Schauer/RK Rz 1). § 1063b. Wenn dem Käufer beim Kauf einer beweglichen Sache die nähere Bestimmung der Form, des Maßes oder ähnlicher Verhältnisse vorbehalten ist, ist er verpflichtet, die vorbehaltene Bestimmung zu treffen. Im Übrigen gilt § 906 Abs. 2 sinngemäß. [BGBl I 2005/120] Lit: E. Bydlinski, Erfüllungsklage beim Spezifikationsverzug, ÖJZ 1990, 440; Nitsche, Der Bestimmungsverzug beim Spezifikationskauf, 2. FS Wilburg Apathy
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Kaufvertrag
§ 1064
(1975) 147; Wünsch, Probleme des Spezifikationskaufes, GedS Gschnitzer (1969) 477.
1 Die ursprünglich in § 375 HGB getroffene, aber auch im bürgerlichen
Recht analog angewendete Bestimmung über den Spezifikationskauf wurde durch das HaRÄG ins ABGB übernommen. Beim Spezifikationskauf ist dem Käufer die nähere Bestimmung über Form, Maß oder ähnliche Verhältnisse vorbehalten (Apathy/Riedler, SR BT Rz 1/50). Das Kaufobjekt ist zwar bestimmbar, soll aber bezüglich gewisser Eigenschaften erst später vom Käufer bestimmt werden. Dies erfolgt durch empfangsbedürftige Willenserklärung (Wünsch, GedS Gschnitzer 478). Der mit der Spezifikation säumige Käufer braucht nicht auf deren Vornahme geklagt zu werden, sondern der Verkäufer kann entweder vom Vertrag zurücktreten (§ 918) und Schadenersatz verlangen oder selbst spezifizieren (§ 906 Abs 2; Art 65 UN-K). Der Verkäufer kann nach HS 12.242 nach freiem Ermessen spezifizieren, doch wird zunehmend vertreten, dass er dies nicht evidentermaßen zum Nachteil des Käufers, sondern nur nach billigem Ermessen tun darf (E. Bydlinski, ÖJZ 1990, 447 f; K/W II 181). Gefahr und Nutzen des Kaufgegenstandes § 1064. In Rücksicht der Gefahr und Nutzungen einer zwar gekauften, aber noch nicht übergebenen Sache gelten die nämlichen Vorschriften, die bei dem Tauschvertrage gegeben worden sind (§§ 1048–1051). Lit: Apathy, Der Verkauf „reisender Ware“, RdW 2003, 299; Geist, Die Gefahrtragung nach dem UN-Übereinkommen über den internationalen Warenkauf, wbl 1988, 349; Lindacher, Gefahrtragung und Gefahrübergang, in Hoyer/Posch (Hrsg), Das Einheitliche Wiener Kaufrecht (1992) 165; Ch. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf (2002); Schilcher, Die Preisgefahr beim Kauf, JBl 1964, 395.
1 Für die Gefahrtragung und die Nutzungen des Kaufgegenstandes
wird auf die §§ 1048–1051 verwiesen. Dies gilt auch für den Gattungskauf, bei dem es im Zeitpunkt der tatsächlichen oder der bedungenen Übergabe zur Konzentration kommt, wenn der Verkäufer eine bestimmte Sache aus der geschuldeten Gattung dem Käufer am Erfüllungsort real, im Falle einer Holschuld verbal anbietet und dieser die Sache nicht annimmt, so dass er in Gläubigerverzug gerät (§ 1419; Reischauer/R § 1419 Rz 19; Ch. Rabl, Gefahrtragung 398 ff). HS 10.783 verlangt überdies eine Aussonderung der Quantität, so dass ein nachträglicher Austausch unmöglich 1172
Apathy
Kaufvertrag
§ 1064
wird. Bei Annahmeverzug ist allerdings der Verkäufer nach hA an seine Auswahl nicht gebunden; er darf also die nicht abgenommene Sache jemand anderem leisten, solange er dem säumigen Käufer einen gleichartigen Gegenstand liefern kann (SZ 54/3; Ch. Rabl, Gefahrtragung 386). Die bloße Bereitstellung einer Sache bewirkt noch keine Konzentration (Gschnitzer ua, SR AT 54), selbst wenn der Verkäufer gegen den (auch) mit der Kaufpreiszahlung säumigen Käufer ein Versäumungsurteil erwirkt (3 Ob 124/91 SZ 65/10). Besonderheiten des handelsrechtlichen Versendungskaufs wurden 2 durch das HaRÄG beseitigt. Beim internationalen Warenkauf geht die Gefahr gemäß Art 67 3 UN-K grundsätzlich mit der Übergabe der eindeutig dem Vertrag zugeordneten Ware an den ersten (selbständigen) Beförderer gemäß dem Kaufvertrag auf den Käufer über. Die Übergabe an den Spediteur, der die Beförderung nicht selbst besorgt, oder an Personen in der Einwirkungssphäre des Verkäufers genügt nicht (Posch/S Art 31 UN-K Rz 6). Ist hingegen der Verkäufer verpflichtet, an einem bestimmten anderen Ort zu übergeben (Bringschuld), so trägt er bis zur Übergabe an diesem Ort die Gefahr. Der Gefahrübergang hängt nicht von der Übergabe von Dokumenten ab, die zur Verfügung über die Ware berechtigen (zB Konossemente; Posch/S Art 67 UN-K Rz 7). Eine besondere Gefahrtragungsregelung trifft Art 68 UN-K für den 4 Kaufvertrag über „reisende Ware“. Wird Ware verkauft, die sich auf dem Transport befindet, so geht die Gefahr grundsätzlich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf den Käufer über, sofern nicht der Verkäufer zu diesem Zeitpunkt wusste oder wissen musste, dass die verkaufte Ware untergegangen oder beschädigt worden ist. Der Gefahrübergang beim Vertragsschluss ist problematisch, wenn der Zeitpunkt der Beschädigung des transportierten Gutes nicht zuverlässig feststellbar ist (Lindacher in Hoyer/Posch, Kaufrecht 173). Der Käufer kann daher rückwirkend die Gefahr mit dem Zeitpunkt der Übergabe der Ware an den (selbständigen) Beförderer übernehmen. Dies gilt nicht nur bei ausdrücklicher Vereinbarung, sondern auch dann, wenn „die Umstände diesen Schluß nahelegen“ (Art 68 S 2 UN-K). Als ein solcher Umstand wird das Vorliegen einer ausreichenden Transportversicherung angesehen (Geist, wbl 1988, 352; Lindacher in Hoyer/Posch, Kaufrecht 173). In diesen Fällen ist der Kaufvertrag trotz des Untergangs der Sache vor Vertragsschluss gültig (Schönle in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht, 1997, Art 68 Rz 13). Für das allgemeine Zivilrecht vertritt der BGH für diese Fälle die analoge Anwendung des § 447 BGB mit der Maßgabe, dass es auf den Apathy
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Kaufvertrag
§ 1065
Zeitpunkt der Umleitungsanweisung an den Beförderer ankommt (BGHZ 50, 32; so auch Ch. Rabl, Gefahrtragung 160). Muss die Route nicht geändert werden, so soll der Käufer ab Vertragsschluss die Gefahr tragen (Grunewald in Erman, Bürgerliches Gesetzbuch I11, 2004, § 447 Rz 9). Nach deutscher hL erfolgt der Gefahrenübergang nach § 446 BGB, also mit der Übergabe an den Käufer, um Streitigkeiten über Zeit und Ort der Beschädigung zu vermeiden (Köhler in Staudinger13 § 447 Rz 13). Versteht man die Anweisung des Verkäufers an den Beförderer als Besitzanweisung, so ist damit übergeben und der Beförderer hat die verkaufte Sache für den Käufer inne, der entsprechend § 446 BGB bzw § 1051 ABGB fortan die Gefahr trägt (Apathy, RdW 2003, 300). Kauf einer gehofften Sache § 1065. Wenn Sachen, die noch zu erwarten stehen, gekauft werden; so sind die in dem Hauptstücke von gewagten Geschäften gegebenen Anordnungen anzuwenden. 1 Verwiesen wird auf § 1275 (emptio rei speratae) und § 1276 (emptio
spei). Allgemeine Vorschrift § 1066. In allen bei einem Kaufvertrage vorkommenden Fällen, welche in dem Gesetze nicht ausdrücklich entschieden werden, sind die in den Hauptstücken von Verträgen überhaupt, und von dem Tauschvertrage insbesondere aufgestellten Vorschriften anzuwenden. 1 Verwiesen wird zum einen auf die §§ 859 ff (durch die III. TN wurde
die Bezeichnung des 17. Hauptstücks geändert, was man in § 1066 nicht berücksichtigt hat), zum anderen auf die §§ 1045 ff, da der Kauf als Sonderfall des Tausches konzipiert wurde. Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages § 1067. Besondere Arten oder Nebenverträge eines Kaufvertrages sind: der Vorbehalt des Wiederkaufes, des Rückverkaufes, des Vorkaufes; der Verkauf auf die Probe; der Verkauf mit Vorbehalt eines bessern Käufers; und der Verkaufsauftrag. 1 § 1067 leitet zur Regelung einiger typisierter Fälle von besonderen
Kaufvertragsarten über (Mayer-Maly/K IV/2, 711), die zum Teil aus den gemeinrechtlichen pacta adiecta hervorgegangen sind. Die bei1174
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spielhaft aufgezählten Vertragstypen können zum Teil nur als Nebenverträge eines Kaufvertrages vereinbart werden (SZ 23/187: Wiederkaufsrecht), zum Teil auch in Zusammenhang mit anderen Verträgen; zB Vorkaufsrecht eines Mieters (2 Ob 201/99v RdW 2000, 144), Pächters (1 Ob 503/95 JBl 1995, 526 Rummel) oder Gesellschafters (8 Ob 631/90 SZ 65/60; 1 Ob 8/00h SZ 73/33 = ecolex 2000, 585 J. Zehetner). Zum Aufgriffsrecht s § 653 Rz 3. Im Rahmen der Privatautonomie können auch andere Nebenabreden 2 getroffen werden; zB Eigentumsvorbehalt (§ 1063 Rz 3 ff); Rücktrittsrecht des Verkäufers (vgl § 918); Entziehungs- und Verkaufsabrede (§ 22 KSchG); Sackleihe (SZ 24/344: Rückstellung nicht mitverkaufter Verpackung; SZ 52/59: Weinhandel). Verkauf mit Vorbehalt des Wiederkaufes § 1068. Das Recht, eine verkaufte Sache wieder einzulösen, heißt das Recht des Wiederkaufes. Ist dieses Recht dem Verkäufer überhaupt und ohne nähere Bestimmung eingeräumt, so wird von einer Seite das Kaufstück in einem nicht verschlimmerten Zustande; von der andern Seite aber das erlegte Kaufgeld zurückgegeben, und die inzwischen beiderseits aus dem Gelde und der Sache gezogenen Nutzungen bleiben gegeneinander aufgehoben. Lit: Engelhart, Das Wiederkaufsrecht im Exekutions- und Insolvenzverfahren, NZ 1987, 273; Hubmer, Einverleibung des Liegenschaftskäufers trotz ausgelöstem Wiederverkaufsfall? JBl 2002, 218.
Das Wiederkaufsrecht ist das Gestaltungsrecht des Verkäufers, die 1 Kaufsache wieder einzulösen, also zu einem bestimmten Preis zurückzukaufen (JBl 1988, 35; 3 Ob 131/02i SZ 2002/159). Es kann auch erst nach dem ersten Kauf begründet werden (SZ 40/66; SZ 44/166). Der Berechtigte übt sein Recht, wie bei einer Option (SZ 26/91), durch einseitige Willenserklärung aus und begründet dadurch seine (unwiderrufliche) Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe der Sache (SZ 2002/159). Es tritt also kein dinglicher Rückfall ein, sondern es kommt ein zweiter Kaufvertrag mit umgekehrten Parteirollen zustande (JBl 1971, 620). Dem Wiederkaufsberechtigten steht nicht bloß, wie einem Vorkaufsberechtigten, das Recht zu, den Verpflichteten zum Vertragsschluss zu verhalten, sondern er kann unmittelbar auf Erfüllung des Wiederkaufsvertrages klagen. Wiederkaufs- und Vorkaufsrechte zu Lasten der Wohnungseigentumsbewerber sind gemäß § 38 Abs 1 Z 3 WEG 2002 rechtsunwirksam (5 Ob 228/99m wobl 2000, 28 zu § 24 WEG 1975); ebenso § 21 WGG. Apathy
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§ 1068
2 Die Ausübung des Wiederkaufsrechts kann von Voraussetzungen ab-
hängig gemacht werden (SZ 60/37: Nichterrichtung eines Wohnhauses), wodurch es unterschiedlichen wirtschaftlichen Funktionen dienen kann (3 Ob 534/95 HS XXVI/4: Betriebsansiedlung). Die Wiederkaufserklärung ist grundsätzlich bedingungsfeindlich; von einer Potestativbedingung, deren Eintritt vom Wiederkaufsverpflichteten abhängt, kann sie jedoch abhängig gemacht werden (Hubmer, JBl 2002, 226). Im Konkurs des Wiederverkäufers kann der Masseverwalter nach § 21 KO zwar vom beiderseits noch nicht erfüllten Wiederkaufsvertrag, nicht aber vom Wiederkaufsrecht zurücktreten (2 Ob 278/97i ZIK 2000, 24). Ein verbüchertes Wiederkaufsrecht hindert ein Teilungsverfahren (§ 830) nicht (SZ 50/63). 3 Das Wiederkaufsrecht kann man schon vor vollständiger Erfüllung
des ersten Kaufvertrags ausüben (JBl 1971, 620). Dadurch wird dieser Vertrag nicht einfach aufgelöst (so BGHZ 29, 107), sondern beide Kaufverträge bestehen nebeneinander, wobei nach BGH V ZR 386/98 NJW 2000, 1332 ein Vorrang des Wiederkaufsrechts bestehe (aM Hubmer, JBl 2002, 229 ff). Wird der Wiederkaufspreis nicht gezahlt, so kann der Wiederverkäufer vom Wiederkauf zurücktreten (§ 918) und Erfüllung des ersten Vertrags verlangen. Zahlt der Wiederkäufer den Preis oder bietet er ihn an, so handelt der Wiederverkäufer rechtsmissbräuchlich, wenn er weiter auf Erfüllung des ersten Kaufvertrags und Verbücherung besteht (Hubmer, JBl 2002, 231). 4 Der Wiederkaufspreis entspricht grundsätzlich dem Preis des ersten
Kaufs, eine Verzinsung oder Geldwertanpassung muss daher vereinbart werden (JBl 1979, 651; SZ 60/37). Nur wenn die Geldwertveränderung so erheblich ist, dass eine Änderung der Geschäftsgrundlage eintritt, soll auch ohne Vereinbarung eine Valorisierung stattfinden (JBl 1979, 651). Bei der Beurteilung, ob der Wiederkauf wegen laesio enormis anfechtbar ist, kommt es auf das Missverhältnis bei der Ausübung des Gestaltungsrechts (Rz 1) an (vgl § 934 Rz 1); allerdings ist der mit der Einräumung des Wiederkaufsrechts verfolgte Vertragszweck zu berücksichtigen, so dass sich der Wiederkaufsverpflichtete nicht auf laesio enormis berufen kann, wenn er durch vertragswidriges Verhalten den Wiederkaufsfall auslöst (SZ 60/37). 5 Die wechselseitige Aufhebung der Nutzungen setzt voraus, dass der
erste Kaufvertrag beiderseits erfüllt wurde. Ansonsten sind die Nutzungen nach den Regeln des Bereicherungsrechts auszugleichen (§ 1437). 6 Nach JBl 1971, 569 verjährt nicht das Wiederkaufsrecht, sondern der
durch seine Ausübung entstehende Anspruch. Demgegenüber wird 1176
Apathy
Kaufvertrag
§ 1070
im jüngeren Schrifttum eine Verjährung des Gestaltungsrechts in 30 Jahren ab dem Zeitpunkt bejaht, zu dem es ausgeübt hätte werden können (Aicher/R Rz 15; vgl auch SZ 60/37). § 1069. Hat der Käufer das Kaufstück aus dem Seinigen verbessert; oder zu dessen Erhaltung außerordentliche Kosten verwendet, so gebührt ihm gleich einem redlichen Besitzer der Ersatz; er haftet aber auch dafür, wenn durch sein Verschulden der Wert verändert oder die Zurückgabe vereitelt worden ist. Lit: Ch. Rabl, Gefahrtragung 321 ff.
Nützliche Aufwendungen des ersten Käufers (aus eigenen Mitteln) 1 auf die zurückzustellende Sache und außerordentliche Erhaltungskosten werden entsprechend §§ 331 f vergütet. Der Anspruch wird einerseits durch die tatsächlichen Aufwendungen, andererseits durch den Wertzuwachs der Sache im Zeitpunkt der Rückgabe begrenzt. Dem Käufer steht das Zurückbehaltungsrecht nach § 471 zu. Richtet sich der Wiederkaufspreis – abweichend von § 1068 – nach dem Schätzwert zum Wiederkaufszeitpunkt, so kann daneben nicht Aufwandersatz begehrt werden (Mayer-Maly/K IV/2, 730). Der Wiederverkäufer muss die Sache in einem nicht verschlimmerten 2 Zustand zurückstellen (§ 1068). Er haftet für Verschlechterungen oder Verlust nur bei Verschulden, nicht jedoch für die beim Rückerwerb anfallende Grunderwerbssteuer (SZ 51/107). Ferner haftet er bei Veräußerung von Zubehör (Zeiller III 372) oder bei ihm zurechenbaren Belastungen (Aicher/R § 1070 Rz 10). Eine verschuldensunabhängige Gewährleistungshaftung des Wiederverkäufers für Verschlechterungen bis zur Ausübung des Wiederkaufsrechts entfällt damit (so auch § 457 Abs 2 BGB); sie kann jedoch vereinbart werden. § 1070. Der Vorbehalt des Wiederkaufes findet nur bei unbeweglichen Sachen statt und gebührt dem Verkäufer nur für seine Lebenszeit. Er kann sein Recht weder auf die Erben noch auf einen anderen übertragen. Ist das Recht in die öffentlichen Bücher einverleibt, so kann die Sache auch einem Dritten abgefordert werden und dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes behandelt. [idF III. TN] Lit: P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 222 ff; Thöni, Die juristische Person als Wiederkaufsberechtigter, JBl 1989, 162. Apathy
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Kaufvertrag
§ 1071
1 S 1 beschränkt aus Gründen der Verkehrssicherheit das Wiederkaufs-
recht auf Liegenschaften (SZ 44/166), doch kann es auch hinsichtlich vertretbarer Sachen (Gattungsschuld) oder eines Unternehmens vereinbart werden (SZ 28/144). Denn bei vertretbaren Sachen droht die verpönte Beschränkung der Verkehrsfähigkeit (vgl § 364c) angesichts der regelmäßig möglichen Beschaffbarkeit nicht (1 Ob 582/95 SZ 68/119; 6 Ob 660/95 SZ 69/181); und bei Unternehmen gefährdet ein Wiederkaufsrecht die Verkehrssicherheit nicht mehr als bei Liegenschaften (Mayer-Maly/K IV/2, 735). Unzulässig ist hingegen die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts für alle Aktien einer AG (HS III/3). Ein Verstoß gegen S 1 begründet unabhängig vom (hypothetischen) Parteiwillen Restgültigkeit des ersten Kaufvertrags (SZ 44/166), da § 1070 den Käufer schützen soll (3 Ob 77/02y JBl 2003, 854; aM Aicher/R Rz 3). 2 Das Wiederkaufsrecht ist ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht,
das mit dem Tod des Berechtigten erlischt (SZ 28/144). Es kann aber nicht nur einer natürlichen, sondern auch einer juristischen Person eingeräumt werden (SZ 40/66), wobei die Problematik einer übermäßig langen Verkehrsbeschränkung durch die Verjährung zu lösen ist (SZ 60/37; § 1068 Rz 6). Gegen eine Übertragung mit Zustimmung des Verpflichteten bestehen keine Bedenken, wenn das Wiederkaufsrecht mit der Lebenszeit des ursprünglich Berechtigten begrenzt bleibt (P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 222 ff; Aicher/R Rz 6). Der Verkäufer kann ein Wiederkaufsrecht zugunsten eines Dritten vereinbaren (5 Ob 271/03v SZ 2004/24), allerdings nicht derart, dass der Dritte erst dem Tod des Verkäufers berechtigt sein soll (JBl 2003, 854). 3 S 3 ermöglicht die Verbücherung des Wiederkaufsrechts, das dann
gegen dritte Erwerber einer Liegenschaft, also Einzelrechtsnachfolger des Käufers, ausgeübt werden kann. Die Verbücherung hat auf dem ganzen Grundbuchskörper zu erfolgen (5 Ob 63/93 SZ 66/150); Einsichtnahme in die Urkundensammlung ist geboten (JBl 1988, 35). Auch das verbücherte Wiederkaufsrecht begründet kein Belastungsund Veräußerungsverbot (JBl 1988, 35). Kauf mit Vorbehalt des Rückverkaufes § 1071. Den nämlichen Beschränkungen unterliegt das von dem Käufer ausbedungene Recht, die Sache dem Verkäufer wieder zurückzuverkaufen; und es sind auf dasselbe die für den Wiederkauf erteilten Vorschriften anzuwenden. Ist aber die Bedingung des Wiederverkaufs oder Wiederkaufs verstellt, und eigentlich, um ein 1178
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Kaufvertrag
§ 1071
Pfandrecht oder ein Borggeschäft zu verbergen, gebraucht worden, so tritt die Vorschrift des § 916 ein. Lit: Ch. Rabl, Gefahrtragung 326 ff; Zankl, Zur Rechtsnatur des „Flaschenpfandes“, JBl 1986, 493.
Das Rückverkaufsrecht ist das Gestaltungsrecht des Käufers, die 1 Kaufsache dem Verkäufer wieder zu verkaufen. Er schuldet dann die Rückgabe und -übereignung der Sache in dem Zustand, in dem sie sich beim ursprünglichen Verkauf befunden hat (Ch. Rabl, Gefahrtragung 328). Der Rückkaufsverpflichtete schuldet den Rückkaufpreis. Das Rückverkaufsrecht folgt gemäß S 1 grundsätzlich den Rege- 2 lungen des Wiederkaufsrechts (§§ 1068 ff), doch kann es auch eine unvertretbare bewegliche Sache zum Gegenstand haben, weil es deren Verkehrsfähigkeit nicht beschränkt (1 Ob 582/95 SZ 68/119: Rückverkaufsrecht eines Leasinggebers gegenüber einem Baumaschinenhändler für den Fall, dass der Leasingvertrag Not leidend werden sollte; 6 Ob 660/95 SZ 69/181). Problematisch ist es, gemäß § 1069 dem Rückverkäufer Aufwandersatz gleich einem redlichen Besitzer zuzuerkennen (Mayer-Maly/K IV/2, 746: Aufwandersatz wie bei GoA). Auch in Zusammenhang mit zufälligen Verschlechterungen (Rz 3) ist die unterschiedliche Interessenlage beim Wiederkauf und beim Rückverkauf zu berücksichtigen. Das Rückverkaufsrecht ist nicht verbücherbar (§ 9 GBG). Zu vom Käufer verschuldeten Verschlechterungen s § 1069 Rz 2. 3 Verliert die zurückzuverkaufende Sache durch zufällige Verschlechterungen über die Hälfte an Wert, so tritt der Rückverkaufsvorbehalt außer Kraft (§ 1048; Zeiller III 375; SZ 68/119; SZ 69/181). Geringere zufällige Verschlechterungen gehen nach hL zu Lasten des Rückkaufsverpflichteten (Aicher/R Rz 4), was jedoch § 1049 S 1 widerspricht (vgl Ch. Rabl, Gefahrtragung 327, der mit Recht kritisiert, dass die Gefahrtragung des Rückverkäufers davon abhängt, ob die Sache über die Hälfte an Wert verliert oder weniger). Nach der Rspr, die einheitlich den Rückverkaufsberechtigten die Gefahr tragen lässt, schuldet dieser entsprechenden Wertersatz, dh er muss eine Preisminderung in Kauf nehmen (SZ 68/119; SZ 69/181; so auch Binder/S Rz 5). Pauschalierende Vereinbarungen über den Rückkaufspreis haben jedoch Vorrang (SZ 68/119); ansonsten sollte der Rückkäufer die allgemeinen Gewährleistungsrechte geltend machen können (BGHZ 110, 183; Ch. Rabl, Gefahrtragung 328). Wiederkaufs- und Rückverkaufsrechte können zum Schein (§ 916), 4 vor allem aber zur Gesetzesumgehung (s § 916 Rz 5) vereinbart werApathy
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Kaufvertrag
§ 1072
den, zB Wiederkaufsrecht an Stelle einer Sicherungsübereignung (SZ 9/237; Mayer-Maly/K IV/2, 718) oder eines Darlehens (Gschnitzer ua, SR BT 58). Werden bewegliche Sachen gekauft und gleichzeitig ein Wiederkaufsrecht, das binnen einer bestimmten Frist auszuüben ist, vereinbart, wobei der Wiederkäufer einen höheren Preis zu bezahlen hat, so liegt wirtschaftlich eine Pfandleihe vor (RdW 1988, 292: Verstoß gegen § 1 UWG). Dient das Rückkaufsrecht dem Zweck einer Interzession, so ist die Formvorschrift des § 1346 Abs 2 zu beachten. Vorbehalt des Vorkaufsrechts § 1072. Wer eine Sache mit der Bedingung verkauft, daß der Käufer, wenn er eine solche wieder verkaufen will, ihm die Einlösung anbieten soll, der hat das Vorkaufsrecht. Lit: Faistenberger, Das Vorkaufsrecht (1967); Keinert, Rechtsirrtum beim Vorkaufsrecht, ÖJZ 2006, 137; Mayer-Maly, Bedingte und anfechtbare Vorkaufsfälle, FS Wagner (1987) 283; ders, Der Vorkaufsfall, FS Honsell (2002) 321.
1 Das Vorkaufsrecht ist ein Gestaltungsrecht zum bevorzugten Erwerb
einer Sache (Rz 2) für den Fall, dass der Verpflichtete diese verkaufen will (EvBl 1986/148; 5 Ob 28/94 SZ 67/89; zu anderen Fällen der Veräußerung s § 1078). Der Vorkaufsberechtigte kann dann dem Verpflichteten die Einlösung anbieten (Rz 4; § 1075) und dadurch einen Kaufvertrag herbeiführen (§ 1075 Rz 1). Das Vorkaufsrecht (Eintrittsrecht) kann in Zusammenhang mit einem Kauf oder anderen Vertrag (§ 1067 Rz 1; 4 Ob 506/91 SZ 64/18: Vertrag zugunsten Dritter; 1 Ob 8/00h SZ 73/33: Gesellschaftsvertrag), durch letztwillige Verfügung, aber auch durch Gesetz eingeräumt sein (§ 6 BodenbeschaffungsG; § 8 StadtErnG; § 3 Abs 2 BundesforsteG 1996; § 15f WGG; § 5 Abs 2 oö FischereiG: 1 Ob 330/97d SZ 71/153). Die selbständige Einräumung des Vorkaufsrechts wird auch dann nicht als Schenkung beurteilt, wenn sie ohne Entgelt erfolgt (1 Ob 108/03v SZ 2004/97). 2 Das Vorkaufsrecht kann jede Sache iSv § 285 ABGB zum Gegenstand
haben; zB ein Baurecht (5 Ob 205/98b NZ 2000, 172). Es kann auch an einzelnen Teilen einer aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft eingeräumt werden (2 Ob 201/99v RdW 2000, 144: Vorkaufsrecht des Mieters an den gemieteten Teilen einer Liegenschaft). Zur analogen Anwendung der §§ 1072 ff auf die Vorpacht s SZ 38/148; 3 Ob 2136/96f JBl 1996, 782 Mader; zum „Einstiegsrecht auf den Bestbieter“ in einem Ausschreibungsverfahren s 6 Ob 256/98k RdW 1999, 335. 3 Zum Unterschied vom Wiederkaufsrecht kann das Vorkaufsrecht erst
ausgeübt werden, wenn der Verpflichtete verkaufen will und entweder 1180
Apathy
Kaufvertrag
§ 1073
mit einem Dritten einen wirksamen Vertrag, Vorvertrag oder eine Punktation geschlossen oder ein bindendes Angebot des Dritten erhalten hat (Vorkaufsfall; SZ 56/96; Mayer-Maly, FS Honsell 323). Damit sich der Vorkaufsverpflichtete keiner Schadenersatzpflicht wegen Doppelverkaufs (§ 1061 Rz 2) aussetzt, wird empfohlen, den Vertrag mit dem Dritten unter der Bedingung der Nichtausübung des Vorkaufsrechts zu schließen (F. Bydlinski/K IV/2, 771; SZ 53/177), doch genügt es, den Dritten beim Vertragsabschluss vom Vorkaufsrecht in Kenntnis zu setzen (1 Ob 49/00p SZ 73/120). Ist der Vertrag mit dem Dritten von einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abhängig (7 Ob 531/94 JBl 1996, 735) oder sonst aufschiebend bedingt, so tritt der Vorkaufsfall erst mit Bedingungseintritt ein (SZ 58/93; aM Gschnitzer ua, SR BT 60 f). Bei einer Veräußerung an eine Gemeinde setzt der Vorkaufsfall voraus, dass die im Kaufvertrag vorgesehene Genehmigung durch den Gemeinderat erteilt ist (JBl 1983, 203; SZ 56/25). Ein nichtiger oder mit Wirkung ex tunc angefochtener Kaufvertrag oder eine solche Offerte bewirken keinen Vorkaufsfall (3 Ob 263/05f); die dennoch erfolgte Einlösungserklärung ist unwirksam, die ausgetauschten Leistungen sind kondizierbar (SZ 56/96). Der Vorkaufsverpflichtete muss dem Berechtigten die Sache – oder 4 den zu verkaufenden Anteil (SZ 67/89) – anbieten und ihn damit vom Vorkaufsfall und von dessen vollem und detailliertem Inhalt in Kenntnis setzen, damit er vom Einlösungsrecht Gebrauch machen kann (5 Ob 39/95 HS XXVI/2). Ohne gehörige Anbietung kann der Berechtigte zwar von seinem Einlösungsrecht Gebrauch machen (SZ 58/93); er behält dieses Recht jedoch, bis er ausreichend informiert wird (EvBl 1986/148; § 1075 Rz 2). Hat der Vorkaufsberechtigte bereits Kenntnis aller Umstände, so ist die Anbotspflicht wegen Zweckerreichung erloschen (EvBl 1957/255; JBl 1983, 203). Der Vorkaufsverpflichtete ist zwar nicht zur Werterhaltung verpflichtet, darf aber keine Vereinbarungen treffen, die in sittenwidriger Weise dem Vorkaufsberechtigten die Ausübung seines Rechts verleiden (8 Ob 15/01s SZ 74/67). Ein im Zusammenhang mit einem Bestandvertrag eingeräumtes Vor- 5 kaufsrecht erlischt grundsätzlich mit der Beendigung des Bestandverhältnisses (JBl 1974, 204 Rummel; Miet 31.146). § 1073. Das Vorkaufsrecht ist in der Regel ein persönliches Recht. In Rücksicht auf unbewegliche Güter kann es durch Eintragung in die öffentlichen Bücher in ein dingliches verwandelt werden. Lit: Apathy, Ausgewählte Fragen des Ersitzungsrechts, JBl 1999, 205. Apathy
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Kaufvertrag
§ 1073
1 Grundsätzlich kann das Vorkaufsrecht als persönliches Recht (§ 307
S 2) nur demjenigen gegenüber ausgeübt werden, zu dessen Lasten es begründet wurde, sowie gegen dessen Gesamtrechtsnachfolger. Der Einzelrechtsnachfolger des Vorkaufsverpflichteten ist nur dann betroffen, wenn er die Verpflichtung übernimmt (§§ 1405 f; JBl 1977, 94; 1 Ob 259/01x JBl 2002, 458) oder wegen Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte haftet (§ 1079 Rz 2). Weitergehend bewirkt ein gesellschaftsrechtliches Vorkaufsrecht ein absolutes Verfügungsverbot (4 Ob 11/98s SZ 71/33). 2 Infolge Eintragung in das Grundbuch wird das Vorkaufsrecht zwar
entgegen dem Gesetzeswortlaut kein dingliches Recht (Iro, SachenR Rz 3/4; Binder/S Rz 5), doch wirkt es wie ein dingliches Recht gegen Dritte (§ 1079). Es beschränkt das Verfügungsrecht des Liegenschaftseigentümers (JB 68; SZ 37/78; s Rz 4). Die Einverleibung des Vorkaufsrechts kann nur am ganzen Grundbuchskörper erfolgen (5 Ob 63/93 EvBl 1994/87; 5 Ob 182/98w NZ 2000, 370). Auch ein Vorkaufsrecht mit einer von § 1075 abweichenden Frist für dessen Ausübung ist eintragbar (5 Ob 127/92 NZ 1993, 287 Hofmeister 292). Zur Wirkung des verbücherten Vorkaufsrechts bei einer Versteigerung s § 1076. 3 Das verbücherte Vorkaufsrecht wirkt als Veräußerungsverbot und
bildet ein von Amts wegen wahrzunehmendes Eintragungshindernis (§ 94 GBG; SZ 37/78; 4 Ob 506/91 SZ 64/18). Die Einverleibung des Eigentums für einen Dritten erfordert den Nachweis durch eine einverleibungsfähige Urkunde, dass der Vorkaufsberechtigte von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat (SZ 49/46; 7 Ob 313/01g NZ 2003, 116). Kann der Käufer diesen Nachweis nicht erbringen, so muss er ihn sich im Prozessweg beschaffen (SZ 23/230). Zum Rekursrecht des Vorkaufsberechtigten s SZ 35/91; 5 Ob 163/02k SZ 2002/115. Der Vorkaufsberechtigte kann keine Streitanmerkung nach § 61 Abs 1 GBG erwirken, wenn der Verpflichtete nicht anbietet (NZ 2003, 116). 4 Bei Übereignung der Liegenschaft, ohne dass ein Vorkaufsfall vor-
liegt (§ 1078 Rz 1), bleibt das verbücherte Vorkaufsrecht bestehen und kann vom Berechtigten ausgeübt werden, wenn der neue Eigentümer verkaufen will (5 Ob 2/95 NZ 1995, 304). Die gleiche Wirkung hat eine Ersitzung (5 Ob 34/94 SZ 67/44), doch kann der Vorkaufsberechtigte das Vorkaufsrecht ausüben, wenn der Ersitzende vom Liegenschaftseigentümer gekauft hat, die grundbücherliche Durchführung aber im Hinblick auf das Vorkaufsrecht unterlassen wird (Apathy, JBl 1999, 218). Hingegen erlischt das persönliche Vorkaufsrecht mit der Übereignung, wenn die Verpflichtung nicht vom Rechtsnachfolger übernommen wird. 1182
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§ 1075
§ 1074. Auch kann das Vorkaufsrecht weder einem Dritten abgetreten, noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden. Lit: P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 222 ff; Grünwald, Zum Schicksal kaufvertraglicher Nebenabreden bei Verschmelzungen, RdW 1996, 518.
Das Vorkaufsrecht ist nach dieser zwingenden Anordnung ein höchst- 1 persönliches Gestaltungsrecht; ebenso ein Vorpachtrecht oder Vormietrecht (SZ 25/288; HS 26.631). Es erlischt daher mit dem Tod (Untergang) des Berechtigten (EvBl 1959/202; SZ 59/159) und kann nicht abgetreten oder durch Unternehmensveräußerung (§ 12a MRG) übertragen werden (6 Ob 605/95 wobl 1997, 94). Die Höchstpersönlichkeit hat den Zweck, die mit dem Vorkaufsrecht verbundene Beschränkung des freien Verkehrs zeitlich zu begrenzen (1 Ob 259/01x JBl 2002, 458). Ein Vorkaufsrecht kann auch nicht zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers einer Liegenschaft begründet werden (5 Ob 121/98z NZ 1999, 73; 5 Ob 151/01v RdW 2002, 154). Ist eine juristische Person vorkaufsberechtigt, so hat dies aber im Falle der Verschmelzung die fragwürdige Konsequenz, dass ein Vorkaufsrecht der übertragenden Gesellschaft erlischt (5 Ob 106/95 NZ 1996, 215 krit Hoyer 220; Grünwald, RdW 1996, 518). § 1074 ist auch für Familieneinstandsrechte maßgebend, die darauf 2 abzielen, den Erwerb einer Liegenschaft den Familienangehörigen zu sichern und den Erwerb durch nicht der begünstigten Familie angehörige Personen zu verhindern (Mayer-Maly/K IV/2, 712). RGBl 1875/37 stellte klar, dass Familieneinstandrechte nach den das Vorkaufsrecht beschränkenden Bestimmungen zu beurteilen seien. Dies zielte auf die Beseitigung feudaler Bindungen des Liegenschaftseigentums und die Sicherung der Freiheit des Liegenschaftsverkehrs (Mayer-Maly/K IV/2, 712 f). Die Aufhebung von RGBl 1875/37 durch das 1. BRBG hat die Rechtslage nicht verändert (Aicher/R § 1067 Rz 3). § 1074 schließt nicht aus, dass die Mitglieder eines Konsortiums ver- 3 einbaren, dass auch alle neu eintretenden Konsorten den anderen Konsorten Vorkaufsrechte einräumen (JBl 2002, 458). Weitergehend soll eine Übertragung mit Zustimmung des Gestaltungsgegners möglich sein, wobei es weiterhin auf die Lebensdauer des ursprünglich Berechtigten ankomme (P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 230; Aicher/R Rz 1; aM Binder/S Rz 2). § 1075. Der Berechtigte muß bewegliche Sachen binnen vierundzwanzig Stunden; unbewegliche aber binnen dreißig Tagen, nach der geschehenen Anbietung, wirklich einlösen. Nach Verlauf dieser Zeit ist das Vorkaufsrecht erloschen. Apathy
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Kaufvertrag
§ 1075
1 Um das Vorkaufsrecht auszuüben, muss der Berechtigte fristgerecht
(Rz 2) „wirklich einlösen“, dh erklären, zu denselben Bedingungen wie der Dritte kaufen zu wollen, und die vom Dritten angebotene Leistung vollständig entrichten (§ 1077) oder anbieten (SZ 58/93; SZ 62/25); die bloße Ausübungserklärung genügt nicht (SZ 53/177; SZ 56/25; aM SZ 22/34), doch kann die Zahlung auch durch Aufrechnung erfolgen (SZ 55/121). Beim Kreditkauf ist der Kaufpreis sicherzustellen (JBl 1980, 37; Miet 34.176). Durch die Einlösung entsteht zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten ein Kaufvertrag, der inhaltlich jenem entspricht, der mit dem Dritten geschlossen wurde oder (durch Annahme von dessen Angebot) geschlossen hätte werden können (SZ 54/180; 1 Ob 516/91 SZ 64/24). Der Vorkaufsberechtigte muss daher seine Leistungen zu denselben Konditionen wie der Dritte erbringen, so dass die dem Dritten eingeräumten Zahlungsmodalitäten (Fälligkeit, Ratenzahlung) auch dem Vorkaufsberechtigten zugute kommen. Gefahrtragung, Gewährleistung, Tragung der Vertragskosten sowie Nebenleistungen richten sich ebenfalls nach dem Angebot des Dritten (§ 1077). 2 Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts beträgt mangels abwei-
chender Vereinbarung (SZ 26/293; 5 Ob 127/92 NZ 1993, 287 Hofmeister 292) bei beweglichen Sachen 24 Stunden, bei Grundstücken und Unternehmen 30 Tage. Sie beginnt, wenn der Vorkaufsfall eingetreten ist (§ 1072 Rz 3) und der Verpflichtete ein gehöriges Einlösungsangebot an den Berechtigten gerichtet hat (5 Ob 39/95 HS XXVI/2). Unzureichend ist die Bekanntgabe des Preises (2 Ob 201/99v RdW 2000, 144). Vielmehr muss der Berechtigte den vollständigen Inhalt des Angebots des Dritten oder des mit diesem geschlossenen Vertrages sowie dessen Namen erfahren (aM SZ 22/34), damit der Vorkaufsberechtigte die Ernstlichkeit des Angebots prüfen kann (EvBl 1963/354). Bsp: detaillierte Angaben über die vom Vorkaufsberechtigten mitzuerwerbenden Sachen (HS XXVI/2). Erlangt der Berechtigte auf andere Weise Kenntnis von allen Tatsachen, die zur Ausübung des Gestaltungsrechts nötig sind, so erlischt zwar der Anspruch auf ein Einlösungsangebot (§ 1072 Rz 4), doch wird nach hA die Frist noch nicht in Gang gesetzt (SZ 58/93; RdW 2000, 144; Aicher/R Rz 13; aM Binder/S Rz 4). 3 Da § 1075 dispositiv ist, kann ein Vorkaufsrecht für mehrere Vor-
kaufsfälle vereinbart werden (1 Ob 259/01x JBl 2002, 458). Ansonsten erlischt das Vorkaufsrecht, das nach gehörigem Einlösungsangebot nicht (fristgerecht) ausgeübt worden ist, und zwar auch dann, wenn das Einlösungsangebot verspätet erfolgt ist (SZ 36/128).
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Apathy
Kaufvertrag
§ 1077
§ 1076. Das Vorkaufsrecht hat im Falle einer gerichtlichen Feilbietung der mit diesem Rechte belasteten Sachen keine andere Wirkung, als daß der den öffentlichen Büchern einverleibte Berechtigte zur Feilbietung insbesondere vorgeladen werden muß. § 1076 gilt für das verbücherte Vorkaufsrecht (3 Ob 49/93 HS 24.576) 1 und stellt das Interesse an reibungsloser Versteigerung vor das des Vorkaufsberechtigten. Dieser kann daher weder die Versteigerung verhindern, noch die Sache dem Meistbietenden, dem der Zuschlag erteilt worden ist, abfordern. Vielmehr erlischt das Vorkaufsrecht mit Rechtskraft des Zuschlags. Der Vorkaufsberechtigte hat nur das Recht, zur Versteigerung gela- 2 den zu werden (§ 171 EO: Zustellung des Versteigerungsedikts), und zwar auch bei freiwilliger Feilbietung, zB zwecks Aufhebung einer Eigentumsgemeinschaft (HS 24.576). Wird er nicht geladen, so steht ihm das Rekursrecht gegen die Zuschlagserteilung zu (§ 187 Abs 3 EO; vgl HS 24.576). Ist das Vorkaufsrecht nicht verbüchert (vgl SZ 26/72), so hat der 3 Verpflichtete den Vorkaufsberechtigten vom Versteigerungstermin zu verständigen (Aicher/R Rz 5). § 1077. Der zur Einlösung Berechtigte muß, außer dem Falle einer andern Verabredung, den vollständigen Preis, welcher von einem Dritten angeboten worden ist, entrichten. Kann er die außer dem gewöhnlichen Kaufpreise angebotenen Nebenbedingungen nicht erfüllen, und lassen sie sich auch durch einen Schätzungswert nicht ausgleichen; so kann das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden. Das vom Vorkaufsberechtigten zu zahlende Entgelt kann von vorn- 1 herein vereinbart werden: limitiertes Vorkaufsrecht (EvBl 1986/148: Höchsteinlösungspreis). Dabei muss der Preis ausreichend bestimmbar sein, was bei der Vereinbarung eines Vorkaufspreises „zu den Tagespreisen“ verneint wurde (EvBl 1980/75). Ohne derartige Vereinbarung bestimmt sich die Gegenleistung nach dem vom Dritten angebotenen Preis samt den Konditionen (§ 1075 Rz 1) und Nebenleistungen (1 Ob 516/91 SZ 64/24), zB Sach-, Werk-, Arbeitsleistungen. Verkauft der Verpflichtete die mit dem Vorkaufsrecht belastete Sache 2 zusammen mit unbelasteten Sachen (Mengenkauf), so bleibt das Vorkaufsrecht grundsätzlich auf die belastete Sache beschränkt und der Berechtigte, der sein Recht ausübt, hat einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu entrichten (SZ 42/158). Ist jedoch ein teilweiser Verkauf für den Vorkaufsverpflichteten von erheblichem Nachteil, so Apathy
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Kaufvertrag
§ 1078
kann er alle dem Dritten verkauften Sachen anbieten, muss dies aber nicht (5 Ob 39/95 HS XXVI/2; 2 Ob 201/99v RdW 2000, 144: Gestaltungsrecht). Bietet er alle Sachen an, so stellt der Mitverkauf eine Nebenbestimmung iSv S 2 dar. Der Berechtigte kann dann das Vorkaufsrecht nur für alle Sachen ausüben; sonst büßt er es ein (F. Bydlinski/K IV/1, 782). 3 Kann der Vorkaufsberechtigte eine Nebenleistung nicht erbringen,
so ist zu unterscheiden, ob ihr Ausgleich durch den Schätzungswert die Interessen des Vorkaufsverpflichteten verletzt (6 Ob 45/97d SZ 70/50: Gegenleistung für Sacheinlage; 1 Ob 66/01i RdW 2001, 463) oder ob dies nicht der Fall ist. Im ersten Fall kann das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden; im zweiten Fall kann es ausgeübt werden und der Vorkaufsberechtigte schuldet (auch) den Schätzungswert für die nicht erbrachte Nebenleistung. Kann eine unwesentliche Nebenleistung auch durch den Schätzwert nicht ausgeglichen werden, so muss sie der Vorkaufsberechtigte nicht übernehmen, wenn man annehmen darf, der Verpflichtete hätte den Vertrag mit dem Dritten auch ohne diese Bestimmung geschlossen (SZ 26/293). Nach SZ 64/24 gilt dies – zur Vermeidung einer unbilligen Erschwerung oder Vereitelung der Ausübung des Vorkaufsrechts (3 Ob 107/00g RdW 2000, 727) – ebenso für eine Vertragsklausel, wonach die Vertragserrichtung auch im Falle des Eintritts des Vorkaufsberechtigten durch den Käufer erfolge. Zur sittenwidrigen Verleidung der Ausübung des Vorkaufsrechts s § 1072 Rz 4. 4 Hat vereinbarungsgemäß der Käufer die Vertragskosten zu tragen,
so belasten den Vorkaufsberechtigten nur die Kosten seines Vertrages, nicht auch die des Vertrags zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Dritten. Diese sind keine Nebenleistungen iSd S 2 und das Risiko von deren Nutzlosigkeit trifft (mangels besonderer Abrede) den Dritten (1 Ob 49/00p SZ 73/120). Ebenso gehören vom Vorkaufsverpflichteten dem Dritten, der ihm bereits einen Teil des Kaufpreises bezahlt hat, im Falle der Rückabwicklung geschuldete Zinsen nicht zu den vom Käufer zu erbringenden Leistungen (SZ 58/93). § 1078. Das Vorkaufsrecht läßt sich auf andere Veräußerungsarten ohne eine besondere Verabredung nicht ausdehnen. Lit: Umlauft, Die Preisbestimmung beim Vorkaufsrecht für alle Veräußerungsarten, GedS Hofmeister (1996) 663.
1 Das reine Vorkaufsrecht kommt nur zur Anwendung, wenn der Ver-
pflichtete verkaufen will (EvBl 1964/2: Leibrentenvertrag; 1 Ob 66/01i 1186
Apathy
Kaufvertrag
§ 1078
RdW 2001, 463; § 1072 Rz 3); ebenso wenn er als Schuldner einer Geldleistung die belastete Sache dem Gläubiger an Zahlungs Statt leisten will (SZ 28/54). Bei Abschluss eines Umgehungsgeschäftes muss sich der durch ein Vorkaufs- oder Vorpachtrecht Belastete so behandeln lassen, als wäre ein Kauf- oder Bestandvertrag geschlossen worden (3 Ob 2136/96f JBl 1996, 782 Mader). Nicht in Geld bestehende Nebenleistungen schließen den Vorkaufsfall nicht aus (§ 1077 S 2); überwiegt jedoch die vom Dritten angebotene Sachleistung, so handelt es sich um Tausch (§ 1055), der ohne besondere Verabredung (Rz 2) keine Anbotspflicht auslöst (SZ 23/250). Ohne eine solche Vereinbarung erlischt das unverbücherte Vorkaufsrecht, während das verbücherte fortbesteht (5 Ob 2/95 NZ 1995, 304: Aufspaltung; § 1073 Rz 4). Kein Vorkaufsfall liegt ferner vor bei einer Schenkung (SZ 55/57); einer Übertragung einer Liegenschaft gegen die Verpflichtung, den Bruder des Veräußerers in einem Verlag zu beschäftigen und für dessen weitere journalistische Ausbildung zu sorgen (SZ 25/92); einer Aufteilung nach §§ 81 ff EheG (5 Ob 2171/96t SZ 69/158); sowie bei einem Sacheinlagevertrag (6 Ob 45/97d SZ 70/50). Auf Grund besonderer Vereinbarung trifft den Belasteten auch bei 2 anderer Veräußerung die Pflicht, die Sache dem Vorkaufsberechtigten anzubieten: erweitertes Vorkaufsrecht. Andere Veräußerungen sind solche, bei denen typischerweise immaterielle, an die Person des Erwerbers gebundene Motive zugrunde liegen (zB Schenkung; 5 Ob 84/90 EvBl 1991/23: Freundschaftskauf) oder die auf eine nicht substituierbare Gegenleistung gerichtet sind (SZ 70/50: Sacheinlagevertrag; 2 Ob 2292/96i SZ 71/60: Erbteilungsübereinkommen; RdW 2001, 463: Aktientausch; § 1073 Rz 4). Es hängt von der Vereinbarung ab, ob die Anbotspflicht bei jeder Veräußerung (SZ 70/50), die zum endgültigen Ausscheiden der Sache aus dem Vermögen des Vorkaufsverpflichteten führt (SZ 71/60), oder nur bei bestimmten Arten der Veräußerung besteht (1 Ob 540/92 EvBl 1992/112). Wurde kein Einlösungspreis vereinbart und vermag der Vorkaufs- 3 berechtigte die Gegenleistung des Dritten nicht zu erbringen, so kann das erweiterte Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden, wenn sich diese Gegenleistung nicht ohne Verletzung der Interessen des Vorkaufsverpflichteten durch den Schätzwert ausgleichen lässt (§ 1077 Rz 3). Das verbücherte Vorkaufsrecht bleibt bestehen und kann bei nächster Gelegenheit ausgeübt werden (SZ 70/50). Im Falle der Schenkung kann nach hA das erweiterte Vorkaufsrecht 4 nur ausgeübt werden, wenn ein (bestimmbarer) Einlösungspreis vereinbart worden war (SZ 55/57; 5 Ob 64/93 NZ 1994, 192; K/W II 174). Apathy
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Kaufvertrag
§ 1079
Die Auffassung, die Erweiterung sei dahin auszulegen, dass der Schätzwert der Vorkaufssache geschuldet werde (so F. Bydlinski/K IV/2, 880), hat der OGH zwar in SZ 55/57 abgelehnt; sie wird aber wieder nachdrücklich vertreten (Umlauft, GedS Hofmeister 668 ff; Aicher/R Rz 8). § 1079. Hat der Besitzer dem Berechtigten die Einlösung nicht angeboten, so muß er ihm für allen Schaden haften. Im Falle eines dinglichen Vorkaufsrechts kann die veräußerte Sache dem Dritten abgefordert werden, und dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes behandelt. 1 Bietet der Vorkaufsverpflichtete dem Berechtigten die Einlösung
nicht an, so kann der Berechtigte von ihm Schadenersatz nach S 1 begehren. Der Schadenersatzanspruch setzt voraus, dass der Vorkaufsberechtigte bei gehörigem Angebot von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht hätte (SZ 28/264). Entgegen älterer Rspr (JBl 1974, 204 Rummel; EvBl 1986/148) kann der Vorkaufsberechtigte aber auch sein Gestaltungsrecht ausüben und Erfüllung verlangen (SZ 59/54), solange der Vorkaufsverpflichtete noch zu erfüllen vermag, also die Sache dem Dritten noch nicht übergeben hat oder das Gesuch um Einverleibung des Eigentums für den Dritten noch nicht beim Grundbuchsgericht eingelangt ist. Die Entscheidung über den Abforderungsanspruch des Vorkaufsberechtigten (Rz 3) begründet keine Bindung im Prozess des Vorkaufsberechtigten gegen den Vorkaufsverpflichteten (6 Ob 88/99f JBl 2000, 736). 2 Gegen den Dritten hat der bloß obligatorisch Vorkaufsberechtigte
(nur) unter den Voraussetzungen der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte (SZ 49/46; JBl 1987, 318: Verleitung zum Vertragsbruch; § 1061 Rz 2, § 1295 Rz 2) einen Anspruch auf Schadenersatz (Naturalrestitution) und vor Verbücherung auf Unterlassung (1 Ob 503/95 JBl 1995, 526 Rummel). Für diese Haftung genügt die bloße Kenntnis des Vorkaufsrechts nicht; denn der Erwerber darf grundsätzlich davon ausgehen, dass sich der Vorkaufsverpflichtete mit dem Berechtigten über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts geeinigt hat (JBl 1995, 526 Rummel). Die Beweislast für den Vorsatz des Schädigers trifft den Geschädigten (7 Ob 34/97v EF 84.446). 3 Weitergehenden Schutz genießt, wem ein verbüchertes Vorkaufs-
recht zusteht (§ 1073 Rz 2 f). Er wird dann wie ein dinglich Berechtigter gegen Dritte geschützt und kann nach S 2 die veräußerte Sache dem Dritten (Zug um Zug gegen Zahlung des Einlösungspreises: Rz 4) 1188
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Kaufvertrag
§ 1080
abfordern (JBl 2000, 736) oder ihn auf Löschung klagen (SZ 37/78; 4 Ob 506/91 SZ 64/18). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das verbücherte Vorkaufsrecht als ein Veräußerungsverbot wirkt und damit ein vom Grundbuchsgericht von Amts wegen wahrzunehmendes Eintragungshindernis bildet (§ 1073 Rz 3). Der Abforderungsanspruch betrifft dann die Herausgabe in Natur und die Bereicherungsansprüche (vgl JBl 2000, 736: Mietzinseinnahmen). Er ist aber von weiterreichender Bedeutung, wenn der Dritte, zB auf Grund eines zum Schein als Schenkungsvertrag bezeichneten Kaufvertrags, als bücherlicher Eigentümer eingetragen worden ist (SZ 37/78 auch zur Streitanmerkung). Der Anspruch nach S 2 schließt einen Schadenersatzanspruch gegen den Vorkaufsverpflichteten nicht aus (SZ 36/128). Der Vorkaufsberechtigte hat den Einlösungspreis dem Dritten zu 4 zahlen, wenn dieser den Kaufpreis dem Vorkaufsverpflichteten bereits entrichtet hat. Dadurch wird der Dritte bei Insolvenz des Vorkaufsverpflichteten davor geschützt, dass er gegen diesen einen (wertlosen) Kondiktionsanspruch nach Wandlung des Kaufvertrags wegen eines Rechtsmangels oder infolge Auflösung des Vertrags wegen Entfall der Bedingung (§ 1072 Rz 3) erlangt (F. Bydlinski/K IV/2, 881). Dieses sachgerechte Ergebnis wird damit begründet, dass das dem Dritten gehörende Kaufobjekt zum Nutzen des Vorkaufsberechtigten verwendet wird (§ 1041; F. Bydlinski/K IV/2, 894 f; Aicher/R Rz 11). Allerdings bereitet diese Lösung Schwierigkeiten, wenn die Sache weniger wert ist als der Einlösungspreis oder der Dritte zwar bereits den Besitz, aber noch nicht das Eigentum erworben hat. Daher bietet es sich an, den Anspruch des Dritten gegenüber dem Vorkaufsberechtigten auf § 1358 zu stützen: Da der Einlösungspreis dem vom Dritten geschuldeten Kaufpreis entspricht und der Verkäufer ihn nur einmal erhalten soll, erweist sich die Zahlung des Dritten nachträglich als Zahlung einer materiell fremden Schuld, für die er (aus seinem Kaufvertrag) haftet. Denn sobald der Berechtigte das Vorkaufsrecht ausgeübt hat, soll zufolge § 1075 er und nicht der Dritte den Kaufpreis zahlen und dafür die Sache erhalten. Hat der Dritte noch nicht gezahlt, gebührt der Einlösungspreis dem Vorkaufsverpflichteten gemäß § 1062. Kauf auf die Probe § 1080. Der Kauf auf die Probe ist unter der im Belieben des Käufers stehenden Bedingung geschlossen, daß er die Ware genehmige. Die Bedingung ist im Zweifel eine aufschiebende; der Käufer ist vor Apathy
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Kaufvertrag
§ 1080
der Genehmigung an den Kauf nicht gebunden, der Verkäufer hört auf, gebunden zu sein, wenn der Käufer bis zum Ablaufe der Probezeit nicht genehmigt. [idF III. TN] Lit: Beck-Mannagetta, Der Prüfungskauf, ÖJZ 1984, 427; Mayrhofer, Der Kauf mit Umtauschvorbehalt des Käufers, JBl 1972, 445; Ch. Rabl, Gefahrtragung 317 ff.
1 Beim Kauf auf Probe erhält der Käufer Gelegenheit, ohne von vorn-
herein gebunden zu sein, die gekaufte Sache einige Zeit lang (§ 1082) zu probieren. Bsp: Kauf eines Kfz unter Vorbehalt der Probefahrt (SZ 27/72); Rübenerntemaschine (EvBl 1960/82); Versandhandel (SZ 53/84). Genehmigt er die Sache, so wird der Vertrag perfekt, sofern der Kaufpreis vereinbart wurde (JBl 1971, 256); genehmigt er sie nicht, so endet die Bindung des Verkäufers und dieser kann die Sache zurückverlangen. Prüfung und Genehmigung stehen im Belieben des Käufers (SZ 27/72: Käufer erscheint nicht zur Probefahrt). Es handelt sich zufolge S 2 idR um eine für den Käufer aufschiebende Potestativbedingung, für den Verkäufer um eine auflösende Bedingung. Bei aufschiebend bedingtem Kauf auf Probe bleibt der Verkäufer bis zur Genehmigung Eigentümer, ist aber verpflichtet, die Sache zur Besichtigung und Genehmigung dem Käufer zur Verfügung zu stellen (EvBl 1961/114: Anwartschaftsrecht des Käufers; Kerschner/Jabornegg, HGB Art 8 Nr 18 Rz 2). Mangels abweichender Vereinbarung trägt der Verkäufer die Gefahr zufälliger Beeinträchtigung der Sache während der Probezeit (Mayer-Maly/K IV/2, 907; Ch. Rabl, Gefahrtragung 320 f). Ob der Vertrag aufschiebend oder auflösend bedingt geschlossen wurde, ist insoweit unerheblich (Kerschner/Jabornegg, HGB Art 8 Nr 18 Rz 6). 2 Die Grundsätze des Kaufs auf Probe sind auch auf das Konditionen-
geschäft anzuwenden; dabei hat der Käufer das Recht, Waren zurückzugeben, deren Weiterverkauf nicht gelingt (EvBl 1983/26). 3 Beim Kauf mit Umtauschvorbehalt kann der Käufer die Sache zwar
wie beim Kauf auf Probe nach Belieben zurückgeben, doch idR nur um eine andere zu erwerben. Der Vertrag ist jedoch insofern unbedingt geschlossen, als der Käufer zur Kaufpreiszahlung verpflichtet bleibt, sofern er keine Wandlung begehren kann (EvBl 1960/332). 4 Anders als beim Kauf auf Probe darf der Käufer beim Prüfungskauf
die Genehmigung nur aus sachlichen Gründen auf Grund eines objektiven Mangels verweigern (HS VII/30; 7 Ob 504/93 SZ 66/43). Der Vertrag kann aufschiebend oder auflösend bedingt geschlossen wer1190
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Kaufvertrag
§ 1082
den. Die Folgen der Mangelhaftigkeit richten sich grundsätzlich nach der Vereinbarung (SZ 66/43: Rücktrittsrecht – auflösende Bedingung), allenfalls nach § 932. Die §§ 1080 ff sind analog anwendbar. Auch der Kauf nach Probe ist ein unbedingter Kauf: Die Eigen- 5 schaften des Probestücks sind zugesichert, so dass eine davon abweichende Lieferung mangelhaft ist (§ 922 Abs 1; 3 Ob 605/90 SZ 63/197). Ist schon das Probestück mangelhaft, so hat der Käufer dies gleich und nicht erst nach der Hauptlieferung zu beanstanden (2 Ob 574/95 EvBl 1996/60; differenzierend Kerschner/Jabornegg, HGB Art 8 Nr 17 Rz 7). Beim Kauf zur Probe erwirbt der Käufer unbedingt eine Kostprobe 6 (zB ein Glas Wein) oder ein Muster (JBl 1953, 517: Teddybären) und stellt unverbindlich eine Nachbestellung in Aussicht. § 1081. Ist die Sache zum Zwecke der Besichtigung oder Probe bereits übergeben, so gilt Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Probezeit als Genehmigung. [idF III. TN]
Nach handelsrechtlichem Vorbild (Mat III. TN 307) wird bei Schwei- 1 gen des Käufers bis nach Ablauf der Probezeit die Genehmigung angenommen, wenn ihm die Sache übergeben worden ist. Eine Anfechtung wegen Willensmängeln ist dadurch nicht ausgeschlossen (7 Ob 504/93 SZ 66/43; K/W I 104 f: normierte Willenserklärung). Schweigen bewirkt allerdings nur dann eine Genehmigung, wenn sich aus den sonstigen Umständen nicht ergibt, dass der Käufer nicht genehmigen will (HS 6350; Kerschner/Jabornegg, HGB Art 8 Nr 18 Rz 5: widerlegliche Vermutung). Abweichend von § 1081 können die Parteien vereinbaren, dass der Vertrag nur bei ausdrücklicher Genehmigung perfekt werde (SZ 66/43). § 1081 erfordert eine Übergabe zwecks Besichtigung oder Probe. 2 Eine Übergabe durch Besitzkonstitut reicht nicht aus, da der Käufer die Sache nicht erproben kann (Aicher/R Rz 2). Trifft den Käufer die Rügeobliegenheit nach § 377 UGB, so muss er 3 diese bis zur Genehmigung ausüben (HS IV/45). § 1082. Ist bei einem Kauf auf Probe keine Probezeit vereinbart worden, so kann der Verkäufer dem Käufer eine angemessene Frist als Probezeit setzen. [idF BGBl I 2005/120] Apathy
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Kaufvertrag
§ 1083
1 Die Probezeit beginnt grundsätzlich mit der Übergabe (§ 1081 Rz 2).
Ihre Dauer richtet sich nach der Vereinbarung. Wurde keine Probezeit vereinbart, so kann der Verkäufer eine angemessene Frist setzen. Macht er davon keinen Gebrauch, so verhindert er die stillschweigende Genehmigung iSv § 1081 (EvBl 1960/82). Es handelt sich um eine Präklusivfrist (5 Ob 172/99a JBl 2000, 312; K/W I 235). Die Probezeit endet vorzeitig, wenn der Käufer die Sache vor Fristablauf genehmigt oder missbilligt; er schuldet dann den Kaufpreis bzw die Rückgabe. 2 Will der Käufer die Genehmigung durch sein Stillschweigen (§ 1081)
verhindern, so muss er seine Missbilligung innerhalb der Probezeit erklären; rechtzeitige Absendung soll genügen, sofern die Erklärung beim Verkäufer, wenngleich nach Ablauf der Frist, eintrifft (Ehrenzweig, System II/1, 422 f; Aicher/R § 1081 Rz 2). Verkauf mit Vorbehalt eines besseren Käufers § 1083. Wird das Kaufgeschäft mit dem Vorbehalte verabredet, daß der Verkäufer, wenn sich binnen einer bestimmten Zeit ein besserer Käufer meldet, denselben vorzuziehen befugt sei; so bleibt in dem Falle, daß das Kaufstück nicht übergeben worden, die Wirklichkeit des Vertrages bis zum Eintritte der Bedingung aufgeschoben. 1 Der Vorbehalt des besseren Käufers (Bessergebotsklausel) gibt dem
Verkäufer das Gestaltungsrecht, den für den Käufer bindenden Kaufvertrag aufzulösen, wenn er innerhalb der vereinbarten (GlU 12.543) oder gesetzlichen (§§ 1082, 1084) Frist einen besseren Käufer (§ 1085 Rz 1) findet. Die Zusage einer Entschädigung für den ersten Käufer für den Fall der Ausübung dieses Rechts ist wirksam; und zwar auch für den Fall, dass der Vertrag zufolge HS 2 aufschiebend bedingt geschlossen wird, weil die Kaufsache nicht übergeben worden ist (vgl GlU 12.543). Von HS 2 abweichende Vereinbarungen sind möglich. § 1084. Ist das Kaufstück übergeben worden, so ist der Kaufvertrag abgeschlossen; er wird aber durch den Eintritt der Bedingung wieder aufgelöst. Bei dem Mangel einer ausdrücklichen Zeitbestimmung wird der bei dem Kaufe auf die Probe angenommene Zeitraum vermutet. Lit: Ch. Rabl, Gefahrtragung, insb 329 ff.
1 Wurde die mit Bessergebotsklausel verkaufte Sache dem Käufer über-
geben, und sei es auch durch Besitzkonstitut (Mayer-Maly/K IV/2, 1192
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Kaufvertrag
§ 1086
912), so gilt er mangels anderer Vereinbarung als auflösend bedingt geschlossen. Trotzdem trägt der Verkäufer die Gefahr zufälliger Beeinträchtigungen der Sache, die er zurückzuerwerben ja nicht gezwungen ist (Ch. Rabl, Gefahrtragung 330; § 1085 S 4; aM Bettelheim/K1 II/2, 1039). Zur Rückstellung der Sache kann er auch die dingliche Klage erheben (Aicher/R Rz 2; Binder/S § 1085 Rz 3). S 2 verweist für die Frist zur Ausübung des Gestaltungsrechts auf 2 § 1082. Die Frist beginnt mit dem Abschluss des (ersten) Kaufvertrags. § 1085. Ob der neue Käufer besser sei, beurteilt der Verkäufer. Er kann den zweiten Käufer, wenn der erste auch noch mehr zahlen wollte, vorziehen. Bei der Auflösung des Vertrages heben sich die Nutzungen der Sache und des Geldes gegeneinander auf. In Rücksicht der Verbesserungen oder Verschlimmerungen wird der Käufer gleich einem redlichen Besitzer behandelt. Die Entscheidung, welcher Käufer besser ist, ist dem Verkäufer über- 1 lassen (Potestativbedingung). Die wechselseitige Aufhebung der Nutzungen entspricht der Re- 2 gelung beim Wiederkauf und setzt beiderseitige Vertragserfüllung voraus (§ 1068 Rz 5). Auch die Vergütung der Aufwendungen des (ersten) Käufers entspricht der beim Wiederkauf (§ 1069 Rz 1). Der rückgabepflichtige Käufer haftet, da er mit der Rückgabe rechnen muss, für verschuldete Verschlechterungen (Aicher/R Rz 3, aM Mayer-Maly/K IV/2, 913), nicht aber für Zufall (§ 1084 Rz 1). Verkaufsauftrag § 1086. Wenn jemand seine bewegliche Sache einem anderen für einen gewissen Preis zum Verkaufe übergibt, mit der Bedingung, daß ihm der Übernehmer binnen einer festgesetzten Zeit entweder das bestimmte Kaufgeld liefern oder die Sache zurückstellen soll; so ist der Übergeber vor Verlauf der Zeit die Sache zurückzufordern nicht berechtigt; der Übernehmer aber muß nach deren Ablauf das bestimmte Kaufgeld entrichten. Lit: Pollak, Rechtsfragen des Verkaufsauftrages (§§ 1086–1088 ABGB), JBl 1985, 646.
Will jemand eine Sache verkaufen, so kann er sich statt eines Vertre- 1 ters oder Beauftragten auch eines Verkaufsbeauftragten (Trödlers) bedienen. Diesem übergibt er die bewegliche Sache mit der Abrede, Apathy
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dass der Übernehmer binnen einer vereinbarten Frist wahlweise den festgesetzten Kaufpreis zahlt oder die Sache zurückgibt (Realkontrakt). Da der Trödler die Sache verkaufen soll, genügt Übergabe durch Besitzkonstitut oder -anweisung nicht (Pollak, JBl 1985, 647). Die tatsächliche Übergabe ist auch in Hinblick auf § 1088 S 2 von Bedeutung (Mayer-Maly/K IV/2, 916). 2 Der Verkaufsauftrag ist kein Auftrag iSd §§ 1002 ff. Der Trödler ist
ermächtigt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (Aicher/R Rz 9) zu verkaufen; er muss daher dem Übergeber nur den mit ihm vereinbarten Preis bezahlen (oder die Sache zurückstellen; Rz 3). Einen weitergehenden Verkaufserlös kann er – anders als ein Beauftragter (§ 1009) oder Kommissionär (§ 384 Abs 2 UGB) – behalten. Im Gegensatz zum widerruflichen Auftrag (§ 1020) bindet der Trödelvertrag den Übergeber für die vereinbarte Frist. Der Trödler ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die übernommene Sache zu verkaufen (2 Ob 513/93 JBl 1994, 617 = ecolex 1994, 13 Wilhelm; Apathy/ Jabornegg, HGB § 383 Rz 8). 3 Gibt der Trödler die Sache bei Fristablauf nicht zurück, so muss er
den vereinbarten Kaufpreis bezahlen, auch wenn er beim Verkauf weniger erlösen konnte (JBl 1994, 617 = ecolex 1994, 13 Wilhelm: Verkauf einer mangelhaften Sache in Kenntnis des Mangels) oder die Sache nicht verkaufen konnte. Er erwirbt Eigentum (EvBl 1956/151; Ehrenzweig, System II/1, 431) auch ohne gezahlt zu haben, doch kann auch hier ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden (was Binder/S § 1087 Rz 1 generell annimmt). Der Übernehmer ist daher auch zum Selbsteintritt berechtigt (Pollak, JBl 1985, 652 f). Dass ein Erwerb vor Fristablauf ausgeschlossen wäre, ist nicht begründbar, da der Übergeber die Sache ja nicht zurückverlangen kann. § 1087. Während der festgesetzten Zeit bleibt der Übergeber Eigentümer. Der Übernehmer haftet ihm für den durch sein Verschulden verursachten Schaden, und es werden ihm bei Zurückstellung der Sache nur solche Kosten vergütet, die dem Übergeber zum Nutzen gereichen. Lit: Ch. Rabl, Gefahrtragung 331 ff.
1 Der Trödelvertrag begründet zunächst keinen Titel für den Eigen-
tumserwerb; er ist also kein Sonderfall des Kaufs. Der Übergeber bleibt Eigentümer (EvBl 1984/135) und der Trödler wird bloß Inhaber der Sache (zum Erwerb nach Fristablauf s § 1086 Rz 3). Daher verkauft der Trödler idR als verfügungsbefugter Nichteigentümer (im 1194
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Kaufvertrag
§ 1088
eigenen Namen) und der Käufer erwirbt derivativ Eigentum (Iro, SachenR Rz 6/44). Zur Überschreitung der Verfügungsbefugnis s § 1088 Rz 2. Solange die vereinbarte Frist nicht verstrichen ist, trägt der Übergeber 2 die Gefahr zufälliger Beeinträchtigung (hA; zweifelnd Ch. Rabl, Gefahrtragung 331); ihm gebühren die Nutzungen der Sache; der Trödler haftet nur bei Verschulden. Stellt der Trödler die unverkaufte Sache nicht rechtzeitig zurück, so trifft ihn die Gefahr; ebenso ab Übergabe an den Erwerber. Aufwendungen des Trödlers, der die Sache zurückgibt, sind vom 3 Übergeber zu ersetzen, wenn sie notwendig oder für den Übergeber nützlich sind. Rahmt der Trödler ihm zum Verkauf übergebene Bilder, so verneint 8 Ob 1590/94 den Aufwandersatz nach S 2, da die Rahmung vom Verkaufsauftrag nicht erfasst war, und verweist ihn auf § 1037 (aM Mayer-Maly/K IV/2, 920, demzufolge der Übernehmer besser zu behandeln sei als ein Geschäftsführer ohne Auftrag, dem nur bei klarem, überwiegendem Vorteil Ersatz gebührt). § 1088. Ist die Sache unbeweglich; oder ist der Preis, oder die Zahlungsfrist nicht bestimmt; so wird der Übernehmer wie ein Gewalthaber angesehen. In keinem Falle kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie von dem Übernehmer redlicher Weise an sich gebracht hat, abgefordert werden (§ 367). Lit: F. Bydlinski, Der Inhalt des guten Glaubens beim Erwerb vom Vertrauensmann des Eigentümers, JBl 1967, 355; Iro, Gutglaubenserwerb versus Anscheinsvollmacht, RdW 1998, 388; Karner, Rechtsscheinwirkung des Besitzes und Scheinermächtigung, JBl 2004, 486.
Nach der problematischen Auslegungsregel des S 1 (2 Ob 513/93 JBl 1 1994, 617; Pollak, JBl 1985, 655) gilt Auftragsrecht, wenn die Sache unbeweglich ist, der Preis oder die Frist nicht bestimmt ist (EvBl 1967/400: Verkauf einer Liegenschaft unter Garantie eines Mindestpreises). Dem ist allerdings nur zu folgen, wenn der Parteiwille nichts anderes ergibt. Soll jedoch der Übernehmer auf eigene Rechnung handeln (§ 1086 Rz 2), so ist abweichend von S 1 nicht Auftragsrecht anzuwenden, sondern ein dem Trödelvertrag ähnlicher Vertrag anzunehmen (JBl 1975, 495: Liegenschaft; RZ 1962, 277 und JBl 1994, 617: keine Fristbestimmung). Soll die Sache erst nach Fristablauf zurückgegeben werden, so handelt es sich ebenfalls um keinen Verkaufsauftrag im strengen Sinne (EvBl 1956/151). Apathy
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2 Verkauft der Trödler im eigenen Namen unter dem vereinbarten Preis
oder sonst abweichend von der ihm erteilten Verfügungsbefugnis, so erwirbt der redliche Käufer nach § 367 iVm § 1088 S 2 (JBl 1967, 367), da insoweit auch das Vertrauen auf die Verfügungsberechtigung geschützt wird (Iro, SachenR Rz 6/51; K/W I 332). Dabei will § 1088 S 2 dem redlichen Erwerber das Risiko der richtigen Beurteilung des Umfangs der Befugnis des Trödlers abnehmen (3 Ob 45/94 RdW 1994, 394), nicht aber das Risiko, ob überhaupt eine Veräußerungsbefugnis eingeräumt worden ist (F. Bydlinski, JBl 1967, 356; Karner, JBl 2004, 491 f). Wer hingegen als Stellvertreter verkauft, ohne bevollmächtigt zu sein, verschafft dem Erwerber mangels gültigen Titels kein Eigentum, auch nicht nach § 367 (SZ 53/163). § 1089. Auch bei gerichtlichen Verkäufen finden die über Verträge und den Tausch- und Kaufvertrag insbesondere aufgestellten Vorschriften in der Regel statt; insofern nicht in diesem Gesetze, oder in der Gerichtsordnung eigene Anordnungen enthalten sind. Lit: Mayer-Maly, Zum Verständnis des § 1089 ABGB, ÖJZ 1982, 456; Nagele, Kein Gewährleistungsausschluss bei Verbrauchergeschäften im Konkursverfahren, ZIK 2002, 83; Nowotny, Die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen gegenüber dem Ersteher in der Liegenschaftszwangsversteigerung, JBl 1987, 282.
1 § 1089 zielt nicht darauf ab, den gerichtlichen Verkauf als gewöhn-
lichen Kaufvertrag des Privatrechts zu qualifizieren, sondern besagt lediglich, dass subsidiär die Bestimmungen über Verträge (§§ 859 ff) sowie über den Tausch (§§ 1045 ff) und den Kauf (§§ 1053 ff) anzuwenden sind. Dies betrifft die Zwangsversteigerung (§§ 133 ff, 264 ff EO; sowie im Abgabenexekutionsverfahren: SZ 60/94), den Verkauf gepfändeter Forderungen (§§ 318 ff EO) und anderer veräußerlicher Rechte (§ 332 EO), den Verkauf nach § 349 Abs 2 EO, den Freihandverkauf im Exekutionsverfahren (§§ 268, 280 EO), die gerichtliche Veräußerung im Konkursverfahren (§ 119 KO), die Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft (§§ 352 ff EO), die freiwillige gerichtliche Versteigerung (§§ 269 ff AußStrG). Angesichts dieser Spezialbestimmungen ist § 1089 nur selten von praktischer Bedeutung. In SZ 47/50 wurde dem Ersteigerer eines PKW der privatrechtliche Anspruch auf Ausfolgung des Typenscheins versagt, weil der gerichtliche Zwangsverkauf keinen Kaufvertrag zwischen dem Verpflichteten und dem Ersteher hervorbringe (dazu kritisch Mayer1196
Apathy
Bestandvertrag
§ 1090
Maly/K IV/2, 924). Für den exekutiven Verkauf eines Geschäftsanteils einer GmbH (§ 76 Abs 4 GmbHG) ist kein Notariatsakt erforderlich (SZ 24/245). Der Eigentumserwerb im Versteigerungsverfahren erfolgt mit der 2 Erteilung des Zuschlags (§ 237 EO; Angst in Angst, EO § 156 Rz 2; für bewegliche Sachen: SZ 26/281; SZ 60/94; aM Binder/S Rz 11); mit dem Zuschlag geht auch die Gefahr auf den Ersteher über (§ 155 EO). Für den Umfang des Eigentumserwerbs ist primär der Inhalt der Versteigerungsbedingungen und des Versteigerungsediktes maßgebend. Sind die Grenzen nicht beschrieben und weichen die natürlichen Grenzen eines nicht im Grenzkataster eingetragenen Grundstücks von den Mappengrenzen ab, so erwirbt der Ersteher Eigentum in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Grundstück besaß oder zu besitzen berechtigt war (SZ 60/2; 2 Ob 72/00b NZ 2002, 119; Angst in Angst, EO § 156 Rz 6). Der Zuschlag ist unwirksam, wenn infolge einer Verwechslung andere als die zur Versteigerung angebotenen Sachen als Gegenstand der Versteigerung vorgezeigt werden (SZ 60/94); ein Rückgriff auf die §§ 869 ff ABGB ist nicht erforderlich. Erleidet der Ersteher einen Schaden infolge eines unrichtigen Schätz- 3 gutachtens, so verneint die Rspr die Haftung des Sachverständigen mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs (SZ 60/2; 7 Ob 544/92 ecolex 1992, 627 entgegen Nowotny, JBl 1987, 282; diesem teilweise zustimmend Aicher/R Rz 11).
Fünfundzwanzigstes Hauptstück Von Bestand-, Erbpacht- und Erbzinsverträgen Bestandvertrag § 1090. Der Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt überhaupt Bestandvertrag. Lit: Dirnbacher, Renaissance des ABGB: Vollausnahmen gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG, wobl 2003, 65; Feil, Bestandvertrag – Miete und Pacht4 (2000); MayerMaly/J. Pichler (Hrsg), Wohnen und Recht (1983); Ostermayer (Hrsg), Mietrecht 5 (2002); Stabentheiner, Mietrecht (2004).
Die Definition des § 1090 zählt vier Merkmale eines Bestandvertrags 1 auf: Zentrales Kriterium ist das Recht des Bestandnehmers zum GeApathy/Iro
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Bestandvertrag
§ 1090
Maly/K IV/2, 924). Für den exekutiven Verkauf eines Geschäftsanteils einer GmbH (§ 76 Abs 4 GmbHG) ist kein Notariatsakt erforderlich (SZ 24/245). Der Eigentumserwerb im Versteigerungsverfahren erfolgt mit der 2 Erteilung des Zuschlags (§ 237 EO; Angst in Angst, EO § 156 Rz 2; für bewegliche Sachen: SZ 26/281; SZ 60/94; aM Binder/S Rz 11); mit dem Zuschlag geht auch die Gefahr auf den Ersteher über (§ 155 EO). Für den Umfang des Eigentumserwerbs ist primär der Inhalt der Versteigerungsbedingungen und des Versteigerungsediktes maßgebend. Sind die Grenzen nicht beschrieben und weichen die natürlichen Grenzen eines nicht im Grenzkataster eingetragenen Grundstücks von den Mappengrenzen ab, so erwirbt der Ersteher Eigentum in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Grundstück besaß oder zu besitzen berechtigt war (SZ 60/2; 2 Ob 72/00b NZ 2002, 119; Angst in Angst, EO § 156 Rz 6). Der Zuschlag ist unwirksam, wenn infolge einer Verwechslung andere als die zur Versteigerung angebotenen Sachen als Gegenstand der Versteigerung vorgezeigt werden (SZ 60/94); ein Rückgriff auf die §§ 869 ff ABGB ist nicht erforderlich. Erleidet der Ersteher einen Schaden infolge eines unrichtigen Schätz- 3 gutachtens, so verneint die Rspr die Haftung des Sachverständigen mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs (SZ 60/2; 7 Ob 544/92 ecolex 1992, 627 entgegen Nowotny, JBl 1987, 282; diesem teilweise zustimmend Aicher/R Rz 11).
Fünfundzwanzigstes Hauptstück Von Bestand-, Erbpacht- und Erbzinsverträgen Bestandvertrag § 1090. Der Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt überhaupt Bestandvertrag. Lit: Dirnbacher, Renaissance des ABGB: Vollausnahmen gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG, wobl 2003, 65; Feil, Bestandvertrag – Miete und Pacht4 (2000); MayerMaly/J. Pichler (Hrsg), Wohnen und Recht (1983); Ostermayer (Hrsg), Mietrecht 5 (2002); Stabentheiner, Mietrecht (2004).
Die Definition des § 1090 zählt vier Merkmale eines Bestandvertrags 1 auf: Zentrales Kriterium ist das Recht des Bestandnehmers zum GeApathy/Iro
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Bestandvertrag
§ 1090
brauch der Sache, also zu deren Verwendung und zur Ziehung von Früchten aus ihr – im Gegensatz zu Veräußerungsgeschäften, die auf Überlassung der Sachsubstanz gerichtet sind. Damit in engem Zusammenhang steht das Erfordernis einer unverbrauchbaren Sache. 2 Durch das Abstellen auf „eine gewisse Zeit“ wird einerseits das Wesen
des Bestandvertrags als Dauerschuldverhältnis, andererseits aber auch die Bindung des Bestandgebers als Abgrenzungskriterium zum Prekarium hervorgestrichen. Die Bestanddauer kann entweder vorweg festgelegt oder unbestimmt sein. 3 Im Gegensatz zu Leihe und Prekarium erfolgt die Gebrauchsüberlas-
sung beim Bestandvertrag gegen Entgelt. Ob die geschuldete Gegenleistung als Entgelt anzusehen ist, richtet sich primär nach dem Willen der Parteien (8 Ob 25/06v wobl 2006, 228 Prader). Wurde nicht bloß ein „Anerkennungszins“, sondern eine ins Gewicht fallende Gegenleistung vereinbart – was von der hA dann angenommen wird, wenn sie etwa ein Zehntel des Wertes der Benützung übersteigt –, so liegt ein Bestandvertrag vor (3 Ob 136/95 Miet 48.079; wobl 2006, 228 Prader). Dabei sind die durch den Gebrauch des Bestandobjekts konkret entstehenden (Betriebs-)Kosten nicht zu berücksichtigen (JBl 1987, 320; wobl 2006, 228 Prader; vgl aber 7 Ob 733/89 SZ 63/31; 5 Ob 62/05m wobl 2006, 99: auch nicht die überwälzte Grundsteuer). 4 Ob ein Bestandvertrag oder die Einräumung eines Fruchtgenuss-
oder Gebrauchsrechts (zB Wohnungsrecht, § 521) vorliegt, richtet sich nach der Parteiabsicht (7 Ob 547/95 JBl 1996, 106; 4 Ob 186/00g SZ 73/125). Soll kein dingliches Recht begründet werden und die Gebrauchsüberlassung nicht auf die Person des (ersten) Vertragspartners beschränkt sein (vgl § 529), ist idR Bestandvertrag anzunehmen. Nach hA gibt es allerdings auch ein obligatorisches Wohnungsrecht (vgl § 2 Abs 1 S 1 MRG), dessen Verbücherung nach dem Willen der Vertragspartner ausgeschlossen sein soll (Miet 34.059; Miet 40.032); dieses ist typischerweise unvererblich und unübertragbar (7 Ob 617/90 Miet 42.078; 6 Ob 328/04k wobl 2006, 126). Davon zu unterscheiden sind familienrechtliche Wohnverhältnisse, die auf Unterhaltsansprüchen beruhen. Sie sind daher bei deren Erlöschen jederzeit beendbar (JBl 1996, 106; wobl 2006, 126). 5 Für genossenschaftliche Nutzungsverträge ist die entgeltliche Ge-
brauchsüberlassung durch eine gemeinnützige Genossenschaft an ihre Mitglieder typisch. Sie sind dem Wesen nach Bestandverträge, wobei für einzelne Probleme (zB Verlust der Mitgliedschaft durch den Gebrauchsberechtigten) diese Besonderheit zu berücksichtigen ist. Solche Nutzungsverträge über Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten 1198
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Bestandvertrag
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sowie Eigenheime unterliegen dem WGG. Ferner ist das MRG anwendbar, soweit das WGG auf dieses verweist (§ 1 Abs 3 MRG iVm § 20 WGG). Beim Operating-Leasing, das auf kurzfristige Gebrauchsüberlas- 6 sung, idR mit Kündigungsmöglichkeit durch den Leasingnehmer, gerichtet ist und bei dem sich das Entgelt nach der tatsächlichen Nutzungsdauer bemisst, handelt es sich nach hA prinzipiell um einen Mietvertrag (SZ 59/213; 1 Ob 2141/96a ÖBA 1997, 70). Für das Finanzierungs-Leasing (näher § 1063 Rz 24 ff) ist es hingegen typisch, dass der Leasingnehmer Vollamortisation mittels Zahlung der Leasingraten, meist auch einer Anzahlung und beim Teilamortisations-Leasing unter Anrechnung des Restwerts des Leasinggutes, schuldet. Es wird als Vertrag sui generis, der Elemente des Bestand-, Kauf- und Kreditvertrages enthält, angesehen (JBl 1981, 317; ÖBA 1997, 70; aA für Kauf- bzw Mietvertrag Krejci in Egger/Krejci, Das Leasinggeschäft, 1987, 57; Fischer-Czermak, Mobilienleasing 77 ff, 161 ff). Daher werden die üblicherweise in Leasingverträgen enthaltenen Klauseln über die Tragung der Preisgefahr durch den Leasingnehmer ab Übergabe des Leasingobjekts und die Einschränkung der Gewährleistung auf in diesem Zeitpunkt bestehende Mängel nicht an den §§ 1096, 1106 f, sondern an der Position eines Käufers gemessen und nicht beanstandet. Immobilien-Leasingverträge, die idR auf unbestimmte Zeit mit einseitigem Kündigungsverzicht des Leasingnehmers geschlossen werden, unterliegen nach hA dem MRG (SZ 59/213; 3 Ob 28/99k JBl 2000, 43; Pittl/Ess, wobl 2005, 189; Würth/R Rz 35 mwN; aA Csaky, Der Immobilienleasingvertrag, 1992, 76 f; Iro, RdW 1987, 77). Einem Teilzeitnutzungsvertrag (Time-Sharing) gemäß § 2 TNG 7 kann eine mietvertragliche Konstruktion zugrunde liegen (1 Ob 279/01p immolex 2003, 41). Oft handelt es sich aber um eine dingliche (Miteigentum, Fruchtgenuss) oder gesellschaftsrechtliche (zB Vereinsmitgliedschaft) Rechtsposition des Nutzungsberechtigten (1 Ob 2088/96g SZ 70/45; Pittl, wobl 1995, 208; Stabentheiner, immolex 1997, 118). Das TNG enthält dazu Konsumentenschutzvorschriften, ohne dieses Rechtsphänomen selbst umfassend zu regeln. Zur Benützungsregelung zwischen Miteigentümern s § 828 Rz 9 ff.
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Heimverträge sind idR keine reinen Mietverträge, da sie unterschied- 9 lich stark ausgeprägte Elemente anderer Vertragstypen aufweisen (Betreuung, Verpflegung, Gemeinschaftseinrichtungen, Veranstaltungsprogramm uÄ; Barta/Ganner, wobl 1998, 93). Die Verflechtung mit den anderen Leistungspflichten kann daher Modifikationen erfordern (vgl 6 Ob 247/97k SZ 70/210: Kündigung nur aus wichtigem Iro
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Grund). Auf solche Verträge ist das MRG idR nicht anwendbar (§ 1 Abs 2 Z 1 und 1a MRG; Schauer, wobl 1996, 52; Stabentheiner, wobl 2002, 3; Vonkilch, immolex 2002, 39; 5 Ob 118/04w wobl 2005, 229 Call; 5 Ob 85/05s wobl 2006, 148; zu Heimverträgen iSd §§ 27b ff KSchG Kathrein, FS Welser, 2004, 431; Rittler, wobl 2006, 193, 206). 10 Vom Verwahrungsvertrag unterscheidet sich der Bestandvertrag
durch die Überlassung eines bestimmten Objekts zur ausschließlichen Nutzung und durch das Fehlen einer Obsorgepflicht für die eingebrachten Gegenstände. Das Parken eines Kfz in einer bewachten Garage weist aber auch Elemente des Bestandvertrags auf, da die Abstellmöglichkeit ein wesentliches Vertragsinteresse ist. Der heute übliche Garagen-Kurzparkvertrag wird von der hA als reiner Mietvertrag angesehen (4 Ob 522/95 SZ 68/79; Sprung/König, RdW 1986, 201; aA Würth/R Rz 15). 11 Mobilfunkverträge sind nach der Rspr gemischte Verträge mit über-
wiegenden Elementen des freien Dienstvertrags und des Bestandvertrags (6 Ob 69/05y JBl 2005, 735), nach Zankl (ecolex 2005, 29) Mietverträge. 12 Bei Mietverträgen über Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten (s § 1091
Rz 1 f) überlagern die zugunsten des Mieters zwingenden Normen des MRG die §§ 1090 ff weitgehend (zum Anwendungsbereich s § 1 MRG), so vor allem bei den Erhaltungspflichten (§§ 3 ff MRG), der Mietzinsvereinbarung (§§ 15 ff MRG) und der Beendigung des Mietvertrags (§§ 29 ff MRG). Das MRG gilt nach hA auch für Mietverträge über Grundflächen zum Zweck der Errichtung eines Wohn- oder Geschäftsraumsuperädifikats (9 Ob 47/04h SZ 2004/161 = wobl 2005, 308 Schauer; 6 Ob 88/05t wobl 2006, 147 T. Hausmann; 7 Ob 31/06v wobl 2006, 359; F. Bydlinski, JBl 1984, 241; aA Holzner, JBl 2005, 333; Kletecˇ ka, wobl 2001, 129; Pletzer, immolex 2005, 114; Rechberger/ Oberhammer in Kletecˇka/Rechberger/Zitta, Bauen auf fremdem Grund 2 , 2004, Rz 60), wobei allerdings umstritten ist, welche Bestimmungen des MRG (analog) anwendbar sind. Im Bereich der Pachtverträge sind das LPG und das KlGG (dazu 8 Ob 240/01d EvBl 2003/9; Hinghofer-Szalkay/Ortner, wobl 2005, 325 und 357) als zwingende Sondervorschriften zu beachten. I. Miet- und Pachtvertrag § 1091. Der Bestandvertrag wird, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, ein Mietvertrag; wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt werden 1200
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§ 1091
kann, ein Pachtvertrag genannt. Werden durch einen Vertrag Sachen von der ersten und zweiten Art zugleich in Bestand gegeben; so ist der Vertrag nach der Beschaffenheit der Hauptsache zu beurteilen. Lit: Brauneis, Der Unternehmenspachtvertrag (2000); Degelsegger, Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht – eine Analyse im Spiegel der Rechtsprechung, wobl 1998, 5 und 33; St. Frotz, Zur Auflösung einer Personengesellschaft ohne Liquidation sowie zur Abgrenzung von Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht, GesRZ 1992, 12; Hasberger, Kollokationsraum – Miete oder Pacht? ecolex 2004, 356; Kletecˇ ka, Bestandverträge auf Bahnhöfen und Flughäfen, immolex 2005, 6; Lovrek, Geschäftsraummiete – wo steht die Judikatur? immolex 1998, 337; Reich-Rohrwig, Geschäftsraummiete, Unternehmenspacht und Bestandverhältnisse in Einkaufszentren – zu § 1091 ABGB und § 1 MRG, FS Koppensteiner (2001) 629; Schimetschek, Miete oder Pacht? ImmZ 1980, 251; Vonkilch, Kündigungsschutz für Bestandverträge auf Bahnhöfen und Flughäfen, wobl 2004, 251.
Das Gesetz unterscheidet zwischen Miet- und Pachtverträgen: Miete 1 liegt vor, wenn der Bestandnehmer nur zum Gebrauch der Sache berechtigt ist. Bei der Pacht darf er darüber hinaus die sachtypischen Nutzungen aus der Sache ziehen. Daher ist die Inbestandgabe eines Grundstücks zum Zwecke der Errichtung eines Superädifikats Miete, zur Erzielung von Feldfrüchten hingegen Pacht. Entscheidend ist nicht die Beschaffenheit des Bestandobjekts oder die Bezeichnung durch die Parteien, sondern der sich aus der Vereinbarung ergebende Zweck des Vertrages. Besonders wichtig für die Anwendbarkeit des MRG ist die Zuord- 2 nung von Bestandverträgen über Räumlichkeiten, die geschäftlichen Zwecken dienen sollen. Eine Pacht („Unternehmenspacht“) liegt vor, wenn ein lebendes Unternehmen in Bestand gegeben wird, wofür nach hA die Überlassung von Betriebsmitteln, Warenvorräten, Kundenstock, good will, Gewerbeberechtigung und vor allem die Vereinbarung einer Betriebspflicht, die sich auch aus den Umständen ergeben kann, sprechen (3 Ob 274/02v JBl 2003, 643; 7 Ob 87/04a wobl 2005, 205; 4 Ob 258/05b wobl 2006, 269 T. Hausmann). Allerdings schadet das Fehlen einzelner dieser Aspekte nicht und kann auch über ein stillgelegtes oder erst zu errichtendes Unternehmen ein Pachtvertrag geschlossen werden (6 Ob 36/03t wobl 2004, 285 Vonkilch; RS00020581). Die Rspr sieht es als ausreichend an, dass infolge der günstigen Lage des Bestandobjekts ein Kundenstock leicht (wieder) aufgebaut werden kann und eine Betriebspflicht des Bestandnehmers vereinbart wird (1 Ob 548/94 Miet XLVI/25; 4 Ob 249/97i SZ 70/184. Iro
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Bestandvertrag
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Vgl aber 9 Ob 53/04s wobl 2004, 282 Vonkilch). Auch das Partizipieren am Kundenstock des Unternehmens des Bestandgebers durch die Eingliederung des Betriebs des Bestandnehmers (3 Ob 274/02v SZ 2002/160 = wobl 2004, 346 Werkusch; 8 Ob 108/04x wobl 2005, 172 T. Hausmann; 4 Ob 163/04f wobl 2005, 137 Lukas = immolex 2005, 19 Prader) bzw durch dessen Nebenfunktion zum Hauptbetrieb des Bestandgebers (SZ 58/8; 1 Ob 255/97z wobl 1999, 25) spricht nach der Rspr zusammen mit der Vereinbarung einer Betriebspflicht für das Vorliegen eines Pachtvertrages. 3 Für Bestandverträge über Geschäftsräumlichkeiten in Einkaufs-
zentren (EKZ) ist es typisch, dass dem Bestandnehmer nur eine – nicht einmal immer rundum mit Wänden abgegrenzte – Fläche überlassen wird, auf der er ein bestimmtes Unternehmen während der Öffnungszeiten des EKZ betreiben muss. Von der einen Meinung werden solche Bestandverhältnisse grundsätzlich als Pachtverträge qualifiziert, wofür vor allem die typischerweise vereinbarte Betriebspflicht und die von der Attraktivität des EKZ ausgelösten Kundenströme angeführt werden, und damit vom MRG ausgenommen (SZ 70/183; 6 Ob 59/00w SZ 73/180 = wobl 2001, 87 Dirnbacher; 6 Ob 154/02v RdW 2003, 371; 7 Ob 267/05y wobl 2006, 55 Schauer; Kletecˇ ka, immolex 2006, 6 und 38; P. Oberhammer, wobl 2005, 299; ders, wobl 2006, 76), wobei von manchen mit vagen Formulierungen eine Art Teilhabe am Unternehmen des EKZ-Betreibers behauptet wird (B. Jud, wobl 2005, 127; Karollus/Lukas, wobl 2005, 350; dies, JBl 2006, 78; dazu krit Iro, RdW 2005, 672 ff). Andere Autoren sprechen sich deswegen gegen das Eingreifen des MRG aus, weil solche Rechtsverhältnisse auch werk-, dienst und vor allem gesellschaftsrechtliche Elemente aufweisen (Schauer, wobl 2006, 57; Werkusch, wobl 2004, 351; krit Iro/Riss, RdW 2006, 317). Richtigerweise sind Bestandverhältnisse in EKZ in den üblichen Vertragsgestaltungen ua auch mangels Überlassung von Betriebsmitteln und wegen des Fehlens einer Pflicht des Bestandnehmers zur Rückstellung eines lebenden Unternehmens als bloße Geschäftsraummiete anzusehen, die je nach Datum der Baubewilligung (§ 1 Abs 4 Z 1 MRG) in den Voll- bzw Teilanwendungsbereich des MRG fallen (Fenyves, wobl 2006, 2; Reich-Rohrwig, FS Koppensteiner, 2001, 643; Riss, RdW 2006, 6; Vonkilch, wobl 2006, 13; Würth, wobl 2005, 228; SZ 59/17; 2 Ob 567/89; 3 Ob 253/05k wobl 2007, 14 Vonkilch). Erfordernisse § 1092. Miet- und Pachtverträge können über die nämlichen Gegenstände und auf die nämliche Art, als der Kaufvertrag geschlos1202
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sen werden. Der Miet- und Pachtzins wird, wenn keine andere Übereinkunft getroffen worden ist, wie das Kaufgeld entrichtet. § 1093. Der Eigentümer kann sowohl seine beweglichen und unbeweglichen Sachen, als seine Rechte in Bestand geben; er kann aber auch in den Fall kommen, den Gebrauch seiner eigenen Sache, wenn er einem Dritten gebührt, in Bestand zu nehmen. Wirkung § 1094. Sind die vertragschließenden Teile über das Wesentliche des Bestandes, nämlich über die Sache und den Preis, übereingekommen; so ist der Vertrag vollkommen abgeschlossen, und der Gebrauch der Sache für gekauft anzusehen. Lit: Bauer, Konsumentenschutz und Mietrecht, wobl 2000, 257; Graf, Die Pflicht des Vermieters zur Veranlagung und Verzinsung der Barkaution, wobl 1990, 88; Kocevar, Gläubiger- und Schuldnermehrheit bei Bestandverhältnissen, ÖJZ 1956, 184; Nowotny, Der Einfluß von Änderungen im Gesellschaftsverhältnis auf die Geschäftsraummiete, GesRZ 1986, 16; Palten, Betriebskosten im Mietrecht 2 (2003).
Der Bestandvertrag kommt wie der Kaufvertrag (vgl § 1053) durch – 1 auch schlüssige – Einigung über die Sache (= Bestandobjekt) und den Preis (= Bestandzins) zustande (§ 1094; 6 Ob 88/02p wobl 2003, 231; 6 Ob 51/03y immolex 2004, 52). Spezielle inhaltliche Schranken durch zwingendes Recht gibt es im ABGB nur wenige (§ 1096 Abs 1 letzter S; § 1117 S 2). Allerdings sind die Vorschriften des KSchG zu beachten, wenn der Bestandgeber insofern eine „auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit“ entfaltet (§ 1 Abs 2 KSchG; im Zweifel bei mehr als fünf zu vermietenden Objekten anzunehmen, SZ 53/103; 2 Ob 198/01h RdW 2002, 84; Bauer, wobl 2000, 257; Beig, wobl 2006, 38) oder wenn der Bestandnehmer den Vertrag im Rahmen einer solchen Tätigkeit schließt. Im Anwendungsbereich des MRG geht dieses allerdings dem KSchG vor, soweit es eine in sich geschlossene Regelung enthält (zB bezüglich der Erhaltungspflicht §§ 3 und 8 MRG, SZ 53/103; Riss, Die Erhaltungspflicht des Vermieters, 2005, 272; vgl auch Hinghofer-Szalkay/Ortner, wobl 2005, 336; Schauer/Beig, wobl 2005, 45). Bestandgeber ist idR der Eigentümer des Bestandobjekts. Steht dieses 2 im Miteigentum, so ist für die Wirksamkeit des im Namen der Miteigentümer abgeschlossenen Vertrages eine Beschlussfassung nach §§ 833–835 erforderlich, je nachdem, ob es sich um eine Maßnahme Iro
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der ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung handelt (5 Ob 528/90 wobl 1991, 41 Call; 1 Ob 220/05t immolex 2006, 149), ebenso für die (außerordentliche) Kündigung des Bestandverhältnisses (10 Ob 95/04z immolex 2005, 335). Die Inbestandgabe durch einen Miteigentümer wird als Handeln für alle Miteigentümer angesehen, wenn er nicht deutlich erklärt, im eigenen Namen handeln zu wollen (JBl 1989, 526; 1 Ob 187/02k immolex 2003, 101). Ein Miteigentümer, dem die gemeinsame Sache zum alleinigen Gebrauch überlassen wurde, hat im Rahmen der ordentlichen Verwaltung Vollmacht zum Abschluss von Bestandverträgen, die daher mit allen Miteigentümern zustande kommen (2 Ob 520/95 SZ 68/70; 8 Ob 131/02a wobl 2003, 28 Call). Das gilt auch für die Vermietung durch Wohnungseigentumsbewerber (§ 2 Abs 1 S 3 MRG; 5 Ob 454/97v SZ 70/256). Wohnungseigentümer schließen hingegen den Bestandvertrag im eigenen Namen ab. Bestandgeber kann auch der Fruchtnießer oder ein obligatorisch Berechtigter (Mieter, Leasingnehmer) sein. 3 Das Bestandverhältnis kann auf Grund einer Vereinbarung oder des
Gesetzes (zB Miterben) auch mit einer Mehrheit von Bestandnehmern bestehen. Da es sich um ein einheitliches, ungeteiltes Rechtsverhältnis handelt, hat jeder Teilhaber Anspruch auf Gewährung des Gebrauchs an der gesamten Sache (1 Ob 530/91 SZ 64/93; 6 Ob 177/98t wobl 2000, 40). Für den Bestandzins haften die Bestandnehmer nach hA trotz Teilbarkeit als Solidarschuldner (SZ 57/120; 4 Ob 567/94 JBl 1995, 467; Klang/K V 8; s aber § 891 Rz 1), wobei sich jeder von ihnen auf eine Zinsminderung nach § 1096 berufen kann. Auf Maßnahmen, die die Position der Bestandnehmer beeinflussen können, sind die Regeln über die Gemeinschaft an einer Sache (§§ 825 ff) entsprechend anzuwenden (SZ 64/93; 2 Ob 137/04t JBl 2005, 46), so dass sie nur durch alle gemeinsam möglich sind, wenn sie eine Verfügung über das Bestandrecht darstellen (zB Kündigung), bzw eine Beschlussfassung durch die Bestandnehmer vorliegen muss, wenn es sich um eine Verwaltungsmaßnahme handelt (zB Geltendmachung von Aufwandersatz). Ein Teilhaber kann über seine Rechtsposition grundsätzlich nicht – durch Übertragung oder Beendigung – verfügen (wobl 2000, 40; 5 Ob 102/01p wobl 2002, 178). 4 Wird ein Bestandvertrag mit einer Personenhandelsgesellschaft ge-
schlossen, so ist diese Bestandnehmer (§§ 105, 124 Abs 1 UGB) und hat ein Gesellschafterwechsel oder eine Änderung der Gesellschaftsform (zB OG in KG) mangels abweichender Vereinbarung keinen Einfluss (Miet 40.108; Nowotny, GesRZ 1986, 19; Ofner, wobl 1989, 40). Das gilt umso mehr für Kapitalgesellschaften und sonstige juristische Personen als Bestandnehmer. 1204
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Bestandobjekt kann prinzipiell jede unverbrauchbare Sache iSd § 285 5 sein, die einem Gebrauch oder einer Nutzung zugänglich ist (zur Tabaktrafik 5 Ob 72/01a wobl 2002, 336). Dazu zählen auch Rechte (zB Patent-, Jagd- und Fischereirechte) und unselbständige Bestandteile einer Sache (zB Wohnung, Fassadenfläche uÄ), nicht aber ideelle Anteile (RZ 1992, 96; Klang/K III 1095; aA M. Binder/S § 1093 Rz 2). Nach dem Parteiwillen können auch mehrere in Bestand gegebene Sachen ein einheitliches Bestandobjekt bilden (wobl 2002, 178; 6 Ob 214/05x wobl 2006, 302). Der Eigentümer kann seine eigene Sache in Bestand nehmen (§ 1093 6 HS 2), nämlich von jemandem, dem er den Gebrauch der Sache – zB als Mieter oder Fruchtnießer – überlassen hat. Bestandverträge über eine fremde Sache sind grundsätzlich auch bei fehlender Verfügungsmacht des Bestandgebers wirksam. Kann aber der Bestandgeber den ungestörten Gebrauch der Sache nicht verschaffen, kommt wie beim Verkauf einer fremden Sache (vgl § 923 Rz 3) idR nur Auflösung des Vertrages nach § 1117 und Ersatz des Vertrauensschadens in Betracht. Auch über künftige Sachen können Bestandverträge geschlossen werden (vgl §§ 1065, 1275 f). Bei Doppelinbestandgabe einer Sache entstehen grundsätzlich dieselben Probleme wie beim Doppelverkauf (dazu § 440 Rz 3, § 918 Rz 4). Entscheidend für den Erwerb des Bestandrechts iS einer gegenüber Dritten nach § 372 geschützten Rechtsposition (vgl § 372 Rz 3) ist die Übergabe des Bestandobjekts. Der Bestandzins ist mangels einer abweichenden Vereinbarung in 7 barem Geld zu entrichten und darf „weder unbestimmt noch gesetzwidrig“ sein (vgl § 1054 S 2). „Bestimmt“ ist so wie beim Kaufvertrag als „bestimmbar“ zu verstehen und bedeutet, dass zumindest die Parameter zur Ermittlung der Höhe des Bestandzinses Vertragsinhalt sein müssen; zB Verweis auf den ortsüblichen bzw nach Art und Lage des Bestandobjekts angemessenen Mietzins (SZ 34/80; wobl 1990, 10), nicht aber – im Anwendungsbereich des MRG – die Vereinbarung des „gesetzlichen Zinses“, da das MRG keine fixen Zinsbeträge kennt. Der Bestandzins kann vereinbarungsgemäß auch in Naturalien oder Diensten, in einer Einmalzahlung (zu deren Problematik im MRG 5 Ob 55/03d immolex 2003, 262; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR § 27 Rz 3 ff), in unregelmäßig wiederkehrenden Leistungen bestehen (5 Ob 92/02v wobl 2003, 212; 3 Ob 306/04b immolex 2005, 338). Im Vollanwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 1 MRG) setzt sich der 8 Mietzins vor allem aus dem Hauptmietzins und dem nach der NutzIro
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fläche (§ 17 MRG) zu berechnenden Anteil an den laufenden öffentlichen Abgaben für die Liegenschaft und an den Betriebskosten (auch für Gemeinschaftsanlagen iSd § 24 MRG) zusammen (§ 15 MRG). § 16 MRG sieht für den Hauptmietzins, der je nach Verwendungszweck und Beschaffenheit des Bestandobjekts als angemessener Mietzins (Abs 1), Richtwertmietzins (Abs 2–4; RichtWG) bzw Kategoriemietzins (Abs 5) ermittelt wird, Obergrenzen vor. Deren Überschreitung führt zur teilweisen Ungültigkeit der Mietzinsvereinbarung, wenn sie innerhalb von 3 Jahren gerichtlich geltend gemacht wird (§ 16 Abs 8 MRG; zur Rückforderung § 27 Abs 3 MRG). Entsprechendes gilt gemäß §§ 12a Abs 2, 45 Abs 1, 46 Abs 2, 46a Abs 6 MRG für die dort geregelten Fälle eines Mietzinserhöhungsrechts des Vermieters und nach § 26 MRG für den Untermietzins, der den (anteiligen) Hauptmietzins um höchstens 50% übersteigen darf (zu Investitionen des Hauptmieters 5 Ob 9/03i RdW 2003, 497). Die als Betriebskosten verrechenbaren Aufwendungen des Vermieters werden in den §§ 21 ff MRG taxativ angeführt. Zu unwirksamen Entgeltsvereinbarungen zwischen gemeinnütziger Bauvereinigung und Mieter s §§ 13 f, 21 Abs 1 Z 1 WGG, in Pachtverträgen über Kleingärten s §§ 5, 11 KlGG. Vgl ferner § 11 LPG. 9 Der Bestandgeber muss eine vom Bestandnehmer geleistete Barkau-
tion mangels abweichender Vereinbarung mit dem üblichen Zinssatz für Spareinlagen, die entsprechend der bestandvertraglichen Kündigungsfrist gebunden sind, verzinsen (JBl 1987, 248); das ist im Vollanwendungsbereich des MRG gemäß § 27 Abs 1 MRG unabdingbar (wobl 1990, 15 Würth; Graf, wobl 1990, 88). Die Kaution darf im Verhältnis zum Sicherungsinteresse des Vermieters nicht unangemessen hoch sein (idR 6 Bruttomietzinse; 5 Ob 2217/96g wobl 1997, 193 T. Hausmann; 9 Ob 160/02y wobl 2003, 291). 10 Eine Wertsicherung des Bestandzinses kann innerhalb der Schran-
ken des § 879 frei vereinbart werden (SZ 56/29). Im Bereich des MRG sind aber die für die jeweilige Mietzinsart zu dem betreffenden Zeitpunkt geltenden Obergrenzen (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR § 16 Rz 35) zu beachten. Die Unwirksamkeit der darüber hinausgehenden Erhöhung des Hauptmietzinses muss der Mieter binnen drei Jahren gerichtlich geltend machen (§ 16 Abs 9 MRG). § 1095. Wenn ein Bestandvertrag in die öffentlichen Bücher eingetragen ist; so ist das Recht des Bestandnehmers als ein dingliches Recht zu betrachten, welches sich auch der nachfolgende Besitzer auf die noch übrige Zeit gefallen lassen muß. 1206
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Lit: Dengler, Der Bestandvertrag auf unbestimmte Dauer im Grundbuch, NZ 1950, 56; Schauer, Zur Verbücherung von Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit, GedS Hofmeister (1996) 631.
Das Bestandrecht an (Teilen) einer Liegenschaft ist ein verbüche- 1 rungsfähiges Recht (§ 9 GBG). Es entsteht durch Einverleibung im Lastenblatt (§ 11 Abs 1 AllgGAG). Die Beschränkung auf ein Grundstück ist möglich, doch belastet das Bestandrecht den gesamten Grundbuchskörper (SZ 31/65; 5 Ob 243/03a). Voraussetzung für die Eintragung eines Bestandrechts im Grundbuch ist nach hA, dass der Vertrag auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde (SZ 32/124; SZ 33/68). Das ist auch bei einem zeitlich befristeten Kündigungsverzicht oder bei Abschluss des Bestandvertrags auf Lebenszeit des Bestandnehmers erfüllt (SZ 45/47; 5 Ob 382/97f SZ 70/193). Nach Schauer, GedS Hofmeister 637 f, kann jeder Bestandvertrag verbüchert werden, der das gesetzliche Kündigungsrecht des Bestandgebers – etwa auch durch Abänderung der gesetzlichen Kündigungstermine oder –fristen – schmälert. Dieser Ansicht hat sich der OGH 5 Ob 90/06f EvBl 2007/10 angeschlossen. Die Verbücherung macht allerdings das Bestandrecht nicht zu einem 2 dinglichen Recht, sondern äußert nur in den gesetzlich geregelten Fällen, § 1102 (dort Rz 1) und §§ 1120 f (§ 1120 Rz 6), Wirkungen gegen Dritte. Wechselseitige Rechte: 1. In Hinsicht auf Überlassung, Erhaltung, Benützung; § 1096. (1) Vermieter und Verpächter sind verpflichtet, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Stande zu übergeben und zu erhalten und die Bestandinhaber in dem bedungenen Gebrauche oder Genusse nicht zu stören. Ist das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, daß es zu dem bedungenen Gebrauche nicht taugt, so ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Auf diese Befreiung kann bei der Miete unbeweglicher Sachen im voraus nicht verzichtet werden. (2) Der Pächter hat die gewöhnlichen Ausbesserungen der Wirtschaftsgebäude nur insoweit selbst zu tragen, als sie mit den Materialien des Gutes und den Diensten, die er nach der Beschaffenheit des Gutes zu fordern berechtigt ist, bestritten werden können. [idF III. TN] Iro
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Lit: Helmich, Volle Zurückbehaltung des Mietzinses bei Mangelhaftigkeit der Wohnung? ecolex 2003, 395; W. Faber, Auswirkungen des Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetzes auf Bestandverhältnisse, immolex 2001, 246; Prader/Kuprian, Erhaltungspflichten im Mietobjekt, immolex 2002, 9; Riss, Zur Abdingbarkeit der Erhaltungspflicht des Vermieters im Verbrauchergeschäft, wobl 2002, 345; ders, Die Erhaltungspflicht des Vermieters (2005); Würth, Gedanken zur Gewährleistung im Wohnrecht, FS Welser (2004) 1217; Zingher, Die Mängel der Mietobjekte und ihre Rechtsfolgen (1948).
1 Der Bestandgeber schuldet die Überlassung des Bestandobjekts, wo-
für im Zweifel die Verschaffung der unmittelbaren Gewahrsame erforderlich ist. Er hat die Sache in der vertraglich bedungenen Beschaffenheit anzubieten, mangels einer diesbezüglichen Abrede in einem brauchbaren Zustand, der sich nach dem vereinbarten Verwendungszweck (vgl 5 Ob 72/06h immolex 2006, 340 Prader) richtet und mittlerer Art und Güte sein muss (4 Ob 180/97t Miet 49.112; 1 Ob 146/05k immolex 2005, 306 Prader; zum Einfluss technischer Normen Riss, Erhaltungspflicht 129 ff). Dass der geschuldete Gebrauchsnutzen bereits ursprünglich oder erst nachträglich (dazu Rz 2 f) ausbleibt, kann dem Bestandgeber nur dann angelastet werden, wenn die Ursache dafür aus seiner Sphäre stammt. Aus der Gegenüberstellung zu § 1107 folgt, dass der Bestandgeber das Risiko aller (zufälligen) Ereignisse zu tragen hat, die den Gebrauchsnutzen des Bestandobjekts einschränken (1 Ob 177/05v immolex 2006, 150 Pfiel), nicht aber solcher Umstände, die bei an sich gegebener Brauchbarkeit des Bestandobjekts den Bestandnehmer an der Benützung hindern bzw zu dessen „allgemeinem Lebensrisiko“ gehören, wie zB zunehmender Straßenverkehr (1 Ob 89/02y wobl 2003, 147) oder Umsatzrückgang durch Konkurrenzunternehmen (verst Senat 1 Ob 113/02b wobl 2003, 243 Prader; 9 Ob 54/04p RdW 2005, 17; außer bei Vermietung im Einzugsbereich durch denselben Vermieter: 5 Ob 257/05p immolex 2006, 151 Oppolzer; 2 Ob 275/05p immolex 2006, 185 Maier-Hülle; vgl Rz 6). Insofern liegt § 1096 Abs 1 eine Gefahrtragungsregel zugrunde (1 Ob 306/02k wobl 2003, 371. Unklar Würth, FS Welser 1220). 2 Bis zur Übergabe des Bestandobjekts richten sich die Rechtsbehelfe
bei Leistungsstörungen nach den allgemeinen Bestimmungen (§§ 918 ff, 1419, 1447). Der Bestandnehmer kann daher bei nicht gehörigem Erfüllungsangebot die Sache zurückweisen und auf ordnungsgemäßer Leistung unter Nachfristsetzung bestehen (6 Ob 572/95 JBl 1996, 177) oder sie übernehmen und sich bis zur Herstellung des vereinbarten Zustandes mit einer Zinsminderung begnügen (8 Ob 679/90 SZ 63/220; 6 Ob 59/00w wobl 2001, 87 Dirnbacher). Ist der 1208
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Mangel unbehebbar, darf der Bestandnehmer die Übernahme zu einem – auf Dauer – geminderten Zins nicht verweigern (vgl § 918 Rz 6), es sei denn es liegt Untauglichkeit iSd § 1117 vor; dann greifen §§ 920 f bzw § 1447 ein. Entsprechendes (Zinsminderung bzw § 1447) gilt, wenn die Unbrauchbarkeit der Bestandsache auf einem außerordentlichen Zufall iSd § 1104 beruht, da dann der Bestandnehmer die Leistungsgefahr trägt (§ 1104 Rz 1) und daher keinen Anspruch auf Übergabe im vereinbarten Zustand hat. Nach Übergabe des Bestandobjekts ist der Bestandgeber zu dessen 3 Erhaltung in dem der Vereinbarung entsprechenden, also im ursprünglich geschuldeten Zustand verpflichtet. Das umfasst nach dem OGH zB auch den vom Arbeitsinspektorat vorgeschriebenen Einbau eines Kühlgerätes, wenn das zur standardmäßigen Ausstattung derartiger Geschäftsräumlichkeiten gehört (7 Ob 3/03x wobl 2004, 342 Vonkilch = ecolex 2003, 409 Helmich; Pittl, immolex 2003, 234). Eine Verbesserung iS der Herstellung einer höherwertigen Beschaffenheit der Sache kann der Bestandnehmer nicht verlangen (10 Ob 270/99z immolex 2000, 109). Der Brauchbarkeitsmaßstab kann sich aber durch nachträglich angehobene Gesundheitsstandards ändern (zB Herabsetzung der Grenzwerte für Blei im Trinkwasser: Lenk, immolex 2003, 173; Riss, Erhaltungspflicht 137 ff; 9 Ob 34/04x EvBl 2005/97; 7 Ob 155/05b wobl 2006, 100 Riss = immolex 2005, 336 Prader). Die Pflicht zur Gewährung des bedungenen Gebrauchs umfasst bei in Gebäuden gelegenen Räumlichkeiten auch die allgemeinen Teile des Hauses, die der Bestandnehmer zu nutzen berechtigt ist, wie zB Stiegenhaus oder Aufzug (5 Ob 72/97t Miet 49.111). Eingeschränkt wird diese Erhaltungspflicht nach hA durch die Un- 4 wirtschaftlichkeit der erforderlichen Maßnahmen (Miet 33.153; SZ 62/36; Klang/K V 41; aA zutr Riss, Erhaltungspflicht 179) und bei außerordentlichen Zufällen (§ 1104 Rz 1). Sie kann bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit und der Verkürzung über die Hälfte abbedungen werden (1 Ob 606/91 SZ 64/183; 1 Ob 44/98x Miet L/26), soweit sie nicht – vor allem nach § 3 MRG – (relativ) zwingend ausgestaltet ist. § 9 KSchG ist auf die Erhaltungspflicht nicht anwendbar, da diese keine Gewährleistungs-, sondern eine Erfüllungspflicht ist (Riss, aaO 86, 280; aA W. Faber, immolex 2001, 251; 7 Ob 78/06f JBl 2007, 181). Ferner ist der Bestandnehmer nach hA zu kleineren Reparaturen sowie zur verkehrsüblichen Wartung von Einrichtungsgegenständen verpflichtet (Gschnitzer ua, SR BT 112; Klang/K V 41; Palten, ImmZ 1979, 248; Riss, aaO 160). Der Bestandgeber ist auch verpflichtet, bei der Einholung von be- 5 hördlichen Bewilligungen, die für die vertragsgemäße Nutzung oder Iro
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Umgestaltung des Bestandobjekts erforderlich sind, mitzuwirken (SZ 40/103; 1 Ob 1546/94 wobl 1996, 144). Ist das Ansuchen von vornherein aussichtslos (1 Ob 537/94 wobl 1995, 12 Dirnbacher) oder wird es endgültig abschlägig beschieden (EvBl 1977/265), so ist die Gewährung des bedungenen Gebrauchs unmöglich und kann der Bestandnehmer nur mehr Zinsminderung oder Aufhebung des Bestandvertrags geltend machen. 6 Die Pflicht des Bestandgebers, Störungen des Gebrauchs oder der
Nutzung des Bestandobjekts zu unterlassen, umfasst die Duldung der vereinbarungsgemäßen Benützung des Bestandobjekts durch den Bestandnehmer und die Vermeidung beeinträchtigender Maßnahmen (zB Verstoß gegen Konkurrenzschutzklausel, wobl 2003, 243 Prader); vgl aber § 1098 Rz 4. 7 Der Bestandgeber hat auch gegen Störungen durch Dritte, die den
bedungenen Gebrauch wesentlich beeinträchtigen, mit geeigneten Maßnahmen (zB Ausforschung des Störers; Unterlassungsklage; Kündigung des störenden Mieters) vorzugehen (6 Ob 634/89 JBl 1991, 46; 6 Ob 293/00g JBl 2001, 522; wobl 2003, 147). Die Wahl der erforderlichen Maßnahmen bleibt dem Bestandgeber überlassen (JBl 2001, 522). Auch soweit der Bestandnehmer eigene Unterlassungsansprüche gegen den Dritten hat (§ 372 Rz 3), besteht die Pflicht des Bestandgebers zur Abhilfe (JBl 2001, 522; wobl 2003, 147). Er muss auf Aufforderung auch nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche erheben (8 Ob 227/97h wobl 2000, 160). Die Pflicht zur Störungsabwehr entfällt jedoch, wenn diese mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird bzw unzumutbar ist (JBl 2001, 522; wobl 2003, 147). 8 Bei nicht gehöriger Erfüllung der Pflicht zur Gewährung des bedun-
genen Gebrauchs hat der Bestandnehmer die Wahl, entweder Zuhaltung des Vertrages (Instandsetzung des Bestandobjekts, Unterlassung von Störungen, Maßnahmen gegen Dritte usw) zu verlangen, gemäß § 1117 vom Vertrag zurückzutreten (dazu dort) oder untätig zu bleiben und sich bis auf weiteres mit der Zinsminderung bzw -befreiung nach § 1096 Abs 1 S 2 zu begnügen (SZ 63/220; wobl 2001, 87 Dirnbacher). Bei Verschulden des Bestandgebers kommen auch Schadenersatzansprüche in Betracht (5 Ob 92/05y wobl 2006, 372). 9 Kann die Bestandsache aus dem Bestandgeber zuzurechnenden
Gründen (Rz 1) nicht vereinbarungsgemäß benutzt werden, kommt es ex lege zu einer Zinsminderung (SZ 63/220; wobl 2003, 147; Riss, Erhaltungspflicht 211). Bei dieser handelt es sich nach der Rspr um einen Gewährleistungsbehelf eigener Art (7 Ob 99/03v Miet 55.142; 5 Ob 60/04s SZ 2004/47). Sie besteht auch dann, wenn nur die Erhal1210
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tungspflicht, nicht aber die Mietzinsminderung abbedungen wurde bzw werden kann (Riss, aaO 222). Mängel der Trinkwasserversorgung eines Bestandobjekts durch gesundheitsgefährlichen Bleigehalt können von Anfang an zur Mietzinsreduktion führen (EvBl 2005/97; wobl 2006, 100 Riss; Lenk, immolex 2003, 173; Riss, aaO 137), nicht aber die Besorgnis einer Gefährdung durch Mobilfunkanlagen (2 Ob 265/04s RdU 2005, 189 Kräutler; immolex 2005, 306 Prader; Riss, RdW 2005, 265 f). Die Zinsminderung wirkt bis zur Behebung des Mangels, sei es auch durch den Mieter selbst (Miet XXIII/20; unklar 1 Ob 27/97w SZ 70/96). Ihre Höhe richtet sich nach dem Maß der Beeinträchtigung unter Heranziehung der relativen Berechnungsmethode (vgl § 932 Rz 21; SZ 70/96; E. Lindinger, immolex 2006, 70) und geht bis zum völligen Entfall der Zahlungspflicht. Sie umfasst alle Bestandteile des Zinses, nach hA auch die Betriebskosten (9 Ob 58/98i Miet 50.151; wobl 2003, 371; Würth, FS Welser 1221: nur vom Verbrauch unabhängige; aA zutr Riss, Erhaltungspflicht 218, wenn noch teilweise Brauchbarkeit gegeben ist), sowie Mietzinsvorauszahlungen und Finanzierungsbeiträge (SZ 2004/47). Eine Klage auf Feststellung des Ausmaßes der Mietzinsminderung ist nach der Rspr nicht zulässig (7 Ob 242/01s SZ 2002/13 = immolex 2002, 230 Pfiel; krit Mahrer, immolex 2006, 134). Zahlt der Bestandnehmer irrtümlich mehr als den geminderten Zins, kann er diesen Teil zurückfordern (§ 1431; 8 Ob 526/90 Miet XLIII/5); dieser Anspruch verjährt analog zu § 27 Abs 3 MRG und § 5 Abs 4 KlGG in drei Jahren (Riss, aaO 250). Solange er trotz eines Rechtsmangels tatsächlich den Gebrauch der Sache hat, kommt eine Zinsbefreiung nicht in Betracht (7 Ob 631/92 wobl 1993, 104; 7 Ob 184/03i immolex 2004, 52). Nach der Rspr verdrängt die automatische Zinsminderung in ihrem Anwendungsbereich das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 (3 Ob 511/93 Miet XLV/5; SZ 2004/47; aA P. Bydlinski, JBl 1997, 153; Helmich, ecolex 2003, 396; Riss, aaO 231). Wird der Gebrauchsnutzen aus Verschulden des Bestandnehmers 10 vereitelt oder muss er nach §§ 1111, 1313a dafür einstehen, so hat er kein Zinsminderungsrecht (§ 1096 Abs 1 S 2). Ohne Deckung im Wortlaut wird diese Einschränkung auch für die Erhaltungspflicht nach § 1096 Abs 1 S 1 vertreten (Miet 39.112; Klang/K V 41; Pittl, immolex 2003, 236; Prader/Kuprian, immolex 2002, 15). Dem ist jedoch nicht zu folgen, da das auf Dauer zu einer Äquivalenzstörung zwischen der Leistung des Bestandgebers und der des Bestandnehmers, der weiterhin den vollen Bestandzins zahlen muss, führt. Die Behebungspflicht des Bestandgebers ist vielmehr auch in solchen Fällen zu bejahen, aber von einer entsprechenden Schadenersatzleistung Iro
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des Bestandnehmers abhängig zu machen (so auch Riss, Erhaltungspflicht 164 bei leichtem Verschulden). 11 Nach der Rspr ist eine Zinsminderung ausgeschlossen, wenn der
Bestandnehmer in Kenntnis der Gebrauchsbeeinträchtigung vorbehaltlos den Bestandvertrag schließt, die Bestandsache übernimmt oder sich zur Behebung des Mangels verpflichtet (4 Ob 591/95 wobl 1996, 123; wobl 2001, 87 Dirnbacher). Ferner entfällt die Zinsminderung von dem Zeitpunkt an, in dem der Bestandnehmer eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung zur Beseitigung der Schäden (zB Bekanntgabe eines Reparaturtermins, 6 Ob 152/03a ecolex 2004, 443) trotz Fristsetzung unterlässt. Im Voraus kann auf die Zinsminderung bei der Miete einer unbeweglichen Sache nicht verzichtet werden (§ 1096 Abs 1 letzter S). Bei Verbrauchergeschäften kann sie auch sonst nicht abbedungen werden (§ 9 KSchG; JBl 2007, 181; W. Faber, immolex 2001, 251; Fenyves in Krejci, KSchG-HB 375; Riss, wobl 2002, 353). Die vorbehaltlose Zahlung des (vollen) Mietzinses in Kenntnis des Mangels kann aber uU als konkludenter Verzicht auf den Rückforderungsanspruch – nicht ohne weiters auch auf zukünftige Zinsminderungen – zu werten sein (SZ 2004/47; Riss, Erhaltungspflicht 253). Eine gerichtliche Hinterlegung des Mietzinses wegen eines behaupteten Zinsminderungsanspruchs kommt nicht in Betracht (10 Ob 95/05a immolex 2006, 51; E. Lindinger, immolex 2006, 102). 12 Die Instandhaltungspflicht des Bestandgebers gilt grundsätzlich auch
bei Pachtverträgen. § 1096 Abs 2 macht nur insofern eine Ausnahme, als der Pächter gewöhnliche Ausbesserungen der „Wirtschaftsgebäude“ vorzunehmen hat, soweit dafür „Materialien des Gutes“ herangezogen werden können, was in der Land- und Forstwirtschaft bedeutsam sein kann (zB Holz, Schilf). Hinsichtlich der in § 1096 Abs 2 erwähnten Dienste ist die Bestimmung wegen der Abschaffung der Fronarbeit nicht mehr anwendbar (Klang/K V 41). 13 Im Vollanwendungsbereich des MRG wird die in § 1096 normierte
Erhaltungspflicht des Vermieters durch § 3 Abs 2 MRG auf bestimmte Maßnahmen eingeschränkt; sie kann nicht im Voraus abbedungen werden (5 Ob 42/02s wobl 2002, 298; 5 Ob 87/04m immolex 2004, 277: Unwirksamkeit jederzeit geltendmachbar). Sie hat sich am jeweils ortsüblichen Standard zu orientieren („dynamischer Erhaltungsbegriff“, 5 Ob 189/01g wobl 2002, 222; wobl 2005, 338). Bezüglich der vermieteten Bestandobjekte besteht sie nur in der Behebung von ernsten Schäden des Hauses oder der Beseitigung einer ernsthaften Gesundheitsgefährdung (dazu Prader/Kuprian, immolex 2006, 1212
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271; Stabentheiner, wobl 2006, 249). Ein ernster Schaden des Hauses liegt nach der Rspr vor, wenn das Mietobjekt infolge seines Erhaltungszustandes nicht zum bedungenen Gebrauch verwendet werden kann (1 Ob 589/94 wobl 1996, 65 Würth; 5 Ob 2060/96v Miet XLVIII/24). Die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 MRG besteht auch dann, wenn der Mangel vom Mieter verschuldet wurde (5 Ob 136/05v wobl 2006, 179; Prader/Kuprian, immolex 2002, 13; aA Stabentheiner, wobl 2006, 251, bei bloßer Beeinträchtigung des betreffenden Mieters); sie entfällt aber im Falle der Unwirtschaftlichkeit (§ 3 Abs 1 MRG; 3 Ob 37/94 wobl 1994, 114 Würth; 1 Ob 573/94 wobl 1995, 12 Dirnbacher). Die Pflicht des Vermieters, die Räumlichkeiten im vereinbarten Zustand zu übergeben und Störungen des Mieters zu unterlassen, wird durch das MRG nicht berührt (§ 3 Abs 1 S 2 MRG; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und WohnR § 3 MRG Rz 3). Soweit es sich nicht um ernste Schäden des Hauses handelt, sieht § 8 14 Abs 1 MRG eine Erhaltungspflicht des Mieters im Mietgegenstand vor, die allerdings auf die Abwendung von Nachteilen für den Vermieter und die anderen Mieter des Hauses beschränkt ist (dazu Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, WohnR § 8 MRG Rz 6 ff). Neben den in § 1096 Abs 1 S 1 angeführten Hauptleistungspflichten 15 treffen den Bestandgeber auch spezifische Nebenpflichten, etwa für die Sicherheit des Zugangs zum Bestandobjekt zu sorgen (1 Ob 279/01p immolex 2003, 41). Vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten des Bestandgebers bestehen auch zugunsten Dritter, die sich mit Einverständnis des Bestandnehmers im Bestandobjekt aufhalten, wie vor allem Familienangehörige, Untermieter, Hausangestellte und Arbeitnehmer des Bestandnehmers (6 Ob 611/91 wobl 1992, 123; 2 Ob 513/96 ZVR 1997/128). Nicht in den Schutzbereich des Bestandvertrags fallen nach der Rspr wegen der Kurzfristigkeit ihres Aufenthalts Gäste, Lieferanten, Handwerker uÄ (2 Ob 335/97x JBl 1998, 655 Dullinger; 2 Ob 202/00w Miet 52.137; aA F. Bydlinski, JBl 1960, 363). § 1097. Werden Ausbesserungen nötig, welche dem Bestandgeber obliegen, so ist der Bestandnehmer bei sonstigem Schadenersatz verpflichtet, dem Bestandgeber ohne Verzug Anzeige zu machen. Der Bestandnehmer wird als ein Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet, wenn er auf das Bestandstück einen dem Bestandgeber obliegenden Aufwand (§ 1036) oder einen nützlichen Aufwand (§ 1037) gemacht hat; er muß aber den Ersatz längstens binnen Iro
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sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern, sonst ist die Klage erloschen. [idF III. TN] Lit: Krejci, Ansprüche des Mieters auf Aufwandersatz (§ 10 MRG), in Korinek/Krejci, MRG-HB 263; Ostermayer, Investitionsersatz im Mietrecht (1998); Prader/Kuprian, Zur Verkehrsüblichkeit von Änderungen in Mietwohnungen, immolex 2005, 262; Reiber, Der Aufwandersatz des scheidenden Mieters, immolex 2005, 240; Schimetschek, Aufwandersatzansprüche des Mieters gegen den Vermieter, ImmZ 1982, 195.
1 Wenn Umstände eintreten, die die Erhaltungspflicht des Bestandge-
bers auslösen, hat der Bestandnehmer die Pflicht, ihm diese unverzüglich anzuzeigen (vgl auch § 8 Abs 1 S 3 MRG); deren schuldhafte Verletzung kann schadenersatzpflichtig machen. Ein formularmäßiges Schriftformgebot für die Anzeige ist gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 (7 Ob 78/06f JBl 2007, 181). Die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Bestandgeber die Notwendigkeit der Reparatur ohnedies kennt oder es sich um regelmäßig wiederkehrende Arbeiten handelt (zB Streichen der Außenfenster, Miet 39.119). Bei Unterlassung der gebotenen Anzeige kann der Bestandnehmer ferner die Zinsminderung (§ 1096 Abs 1 S 2) oder das Auflösungsrecht (§ 1117) nicht auf die betreffende Gebrauchsbeeinträchtigung stützen (RdW 1986, 208). Aufwandersatzansprüche des Bestandnehmers bei Selbstvornahme der Mangelbehebung werden dadurch aber nicht ausgeschlossen (Miet 28.135). 2 Im Vollanwendungsbereich des MRG trifft den Mieter bei Unbrauch-
barkeit eines Kategoriemerkmals und bei Fehlen des zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zusätzlich eine Rügeobliegenheit (§ 15a Abs 2 S 3 MRG; Stabentheiner, wobl 2006, 255). Verstößt der Mieter dagegen, so ist die sonst angeordnete Sanktion für solche Mängel, nämlich die (dauernde) Herabstufung auf die entsprechende niedrigere Kategorie, ausgeschlossen. Der Mieter muss diese Anzeige nach der Rspr auch dann vornehmen, wenn der Vermieter die Unbrauchbarkeit kennt (Miet 36.332; Miet 37.332). Zur ausnahmsweisen Rügeobliegenheit bei Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich vgl 5 Ob 247/05t immolex 2006, 215 Pfiel. 3 Hinsichtlich der Aufwendungen des Bestandnehmers auf das Be-
standobjekt unterscheidet § 1097, der als Spezialnorm die Anwendung anderer bereicherungsrechtlicher Bestimmungen ausschließt (7 Ob 237/04k wobl 2006, 58; 2 Ob 21/06m wobl 2006, 311 Prader), danach, ob die betreffende Maßnahme dem Bestandgeber oblegen wäre, also 1214
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zur Erhaltung des bedungenen Gebrauchs erforderlich ist, oder ob sie bloß nützlich ist. Bezüglich der Ersatzansprüche des Bestandnehmers verweist § 1097 auf die Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1036 f). Es handelt sich um einen Fall der „angewandten Geschäftsführung“, so dass es auf einen Fremdgeschäftsführungswillen nicht ankommt (§ 1035 Rz 8; SZ 57/167; 1 Ob 589/94 wobl 1996, 65 Würth). § 1097 ist auch auf Aufwendungen des Bestandnehmers nach Beendigung des Bestandverhältnisses, aber noch vor Rückstellung des Bestandobjekts anzuwenden (wobl 2006, 58). Nimmt der Bestandnehmer dem Bestandgeber obliegende Instand- 4 haltungsarbeiten vor, die zur Abwehr eines bevorstehenden Schadens geboten sind, so hat er Anspruch auf Ersatz seiner – ex ante betrachtet – notwendigen und zweckmäßigen Aufwendungen (wobl 1996, 65 Würth: nicht bloß oberflächliche Instandhaltung ohne anhaltenden Effekt), auch wenn sie ohne sein Verschulden fehlschlagen (§ 1036; JBl 1989, 527). Ein diesbezügliches Verbot des Bestandgebers verhindert nicht den Aufwandersatzanspruch (EvBl 1961/295). Für sonstige, bloß nützliche Aufwendungen kann der Bestand- 5 nehmer nur dann Ersatz fordern, wenn sie nicht gegen den erklärten Willen des Bestandgebers getätigt wurden (2 Ob 587/89 wobl 1991, 33 Würth; 2 Ob 582, 583/95 Miet XLVII/37). Der Anspruch wird nach § 1037 einerseits durch den tatsächlich getätigten Aufwand und andererseits durch den „klaren, überwiegenden Vorteil“ des Bestandgebers nach Beendigung des Bestandverhältnisses begrenzt (SZ 57/35; wobl 2006, 58). Der Nutzen ist auf Grund einer an der Verkehrsauffassung orientierten objektiven Bewertung, die auf die Interessen des Bestandgebers Bedacht nimmt, zu ermitteln (wobl 1991, 33 Würth). Der Anspruch kann – anders als bei notwendigen Aufwendungen – erst bei Rückstellung des Bestandobjekts geltend gemacht werden (SZ 57/167; Miet XLVII/37). Hat der Bestandnehmer die Sache in Kenntnis des Mangels vorbehalt- 6 los übernommen, so ist nicht nur eine Zinsminderung (s § 1096 Rz 8 f), sondern auch ein Ersatzanspruch nach § 1036 (7 Ob 3/03x immolex 2003, 137; aA 5 Ob 151/95 wobl 1996, 202), nicht aber nach § 1037, ausgeschlossen (JBl 1989, 527; 3 Ob 79/99k wobl 2000, 307). Statt die nützliche Veränderung „abzulösen“, kann der Bestandgeber 7 nach Beendigung des Bestandverhältnisses gemäß § 1109 oder § 523 die Beseitigung der nützlichen Veränderung verlangen, es sei denn, er hat in die Belassung eingewilligt. Bei notwendigen Maßnahmen besteht kein derartiger Anspruch, da durch sie der geschuldete Zustand des Bestandobjekts hergestellt wird. Für die nützliche oder notIro
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Bestandvertrag
§ 1098
wendige Maßnahme verwendete Sachen, die noch im Eigentum des Bestandnehmers stehen, kann er wieder entfernen (JBl 1988, 718). 8 Ersatzansprüche für während des Bestandverhältnisses vom Be-
standnehmer getätigte Aufwendungen müssen innerhalb der Präklusivfrist (SZ 57/35; wobl 1990, 99; wobl 2006, 58) von 6 Monaten ab Rückstellung des Bestandobjekts erhoben werden (JBl 1989, 527; wobl 2006, 58; für später entstehende Ansprüche vgl 6 Ob 387/97y immolex 1999, 14: Dekontaminierung). Das gilt nicht für vertragliche Aufwandersatzansprüche (wobl 1990, 71; Miet 41.102). Passiv legitimiert ist der jeweilige Bestandgeber im Zeitpunkt der Aufwendung bzw der Rückstellung der Bestandsache, je nachdem ob es sich um notwendige oder nützliche Aufwendungen handelt (wobl 2006, 311 Prader). Mehrere Bestandgeber haften anteilig (5 Ob 208/00z wobl 2001, 165 Palten; 9 Ob 34/03w immolex 2004, 147). Auf den Aufwandersatzanspruch kann der Bestandnehmer auch im Voraus verzichten, für notwendige Aufwendungen aber nur, wenn eine von § 1096 abweichende Instandhaltung vereinbart werden konnte (2 Ob 40/01y wobl 2001, 227 Prader; JBl 2007, 181). 9 Im Vollanwendungsbereich des MRG ist ein Vorausverzicht des Mie-
ters auf Aufwandersatz für dem Vermieter nach § 3 Abs 2 MRG obliegende Erhaltungsarbeiten unwirksam (wobl 1991, 32 Würth; wobl 1996, 65 Würth). § 10 MRG gewährt Wohnungsmietern zusätzlich zum Anspruch nach § 1097 einen nach objektiven Kriterien zu ermittelnden Aufwandersatzanspruch für bestimmte nützliche Veränderungen des Mietobjekts (zur WRN 2006 Stabentheiner, wobl 2006, 253). Da § 10 MRG bei rechtzeitiger Anzeige (Abs 4, 4a) keine Verjährungsfrist vorsieht, ist insofern wohl so wie für Ansprüche nach §§ 9, 16 KlGG (SZ 57/35) die des § 1097 anzuwenden (Würth/R Rz 7; aA Pletzer/S2 § 10 MRG Rz 63). Auf den Anspruch nach § 10 MRG kann nicht im Voraus verzichtet werden (Abs 7). § 1098. Mieter und Pächter sind berechtigt, die Miet- und Pachtstücke dem Vertrage gemäß durch die bestimmte Zeit zu gebrauchen und zu benützen, oder auch in Afterbestand zu geben, wenn es ohne Nachteil des Eigentümers geschehen kann und im Vertrage nicht ausdrücklich untersagt worden ist. [idF III. TN] Lit: P. Bydlinski, Zur Abtretung der Rechte aus einem Mietverhältnis, JBl 1985, 728; Iro, Die Übertragung von Mietrechten an Wohnungen, RZ 1983, 213; Mayrhofer, Abtretung von Bestandrechten und Abtretungsverbot, ÖJZ 1973, 146; Ostheim, Unternehmensveräußerung und Mietzinserhöhung, JBl
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Bestandvertrag
§ 1098
1993, 77; Palten, Untermiete (2002); Schauer, Geschäftsraummiete und Unternehmensübergang, GesRZ 1994, 12.
Inhalt und Umfang des Gebrauchsrechts des Bestandnehmers rich- 1 ten sich nach der Vereinbarung (vgl § 8 Abs 1 MRG), subsidiär nach dem Ortsgebrauch, wobei auch öffentlich-rechtliche Normen von Bedeutung sein können (zB Haustorsperre, 5 Ob 265/01h wobl 2002, 224 Dirnbacher). Bei Geschäftsraummieten wird der Vertragszweck oft durch Beschränkung auf einen bestimmten Unternehmensgegenstand genauer festgelegt. Davon darf der Mieter nicht einseitig abgehen, außer wenn die neue geschäftliche Tätigkeit gleichwertig und für den Vermieter nicht belastender ist oder es sich um geringfügige Änderungen zum Zwecke der Konkurrenzfähigkeit handelt (1 Ob 620/91 wobl 1993, 11). Ebenso wenig darf der Mieter in für Wohnzwecke gemieteten Räumen geschäftliche Tätigkeiten entfalten (3 Ob 523/90 Miet 42.109), mag dadurch auch die für das MRG wichtige Einstufung als (reine) Wohnräumlichkeiten nicht verloren gehen (bei üblicherweise in Wohnungen ausgeübter Tätigkeit als Rechtsanwalt, Arzt, Ziviltechniker uÄ; 1 Ob 413/97k wobl 1999, 173; 1 Ob 177/00m wobl 2001, 327; Böhm/S2 § 1 MRG Rz 30; T. Hausmann in Hausmann/ Vonkilch, WohnR § 1 MRG Rz 47). Der Bestandnehmer darf auch allgemeine Teile und sonstige Ein- 2 richtungen des Hauses benutzen, soweit das mit der vereinbarten Benutzung des Bestandobjekts notwendigerweise oder nach der Verkehrsauffassung verbunden ist (Zugang zur Wohnung: 1 Ob 279/01p immolex 2003, 41; Anbringung von Geschäftsschildern oder Antennen: EvBl 1959/108; 7 Ob 51/97v Miet 49.126). Häufig finden sich einschlägige Bestimmungen in einer „Hausordnung“ (dazu 5 Ob 73/89 Miet XLII/10), die wie sonstige AGB nur kraft Einbeziehung in den Bestandvertrag gilt. Eine nachträgliche Änderung der Hausordnung durch den Bestandgeber zum Nachteil des Bestandnehmers ist nicht zulässig (7 Ob 78/06f JBl 2007, 181: derartiger Vorbehalt in Formularverträgen ist gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3), insb dann, wenn dadurch die Ausübung des Bestandrechts wesentlich beeinträchtigt wird (Miet 39.131). Der Bestandgeber hat Änderungen des Bestandobjekts zu dulden, 3 die für die vereinbarungsgemäße Verwendung erforderlich sind oder werden (SZ 51/185; 4 Ob 304/98d Miet 51.137), wenn sie nicht wesentlich sind, leicht wieder beseitigt werden können und keine wichtigen Interessen des Bestandgebers, insb durch Verletzung der Substanz oder der äußeren Erscheinung des Hauses, oder anderer Bestandberechtigter beeinträchtigen: zB Einleitung von Wasser und elektrischem Iro
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Bestandvertrag
§ 1098
Strom, Errichtung eines WC, einer Badenische oder einer Etagenheizung, Anbringung einer Fernsehantenne (EvBl 1961/500; SZ 32/17; SZ 42/75) sowie Maßnahmen zur Erfüllung behördlicher Aufträge im Rahmen des vereinbarten Unternehmenszwecks (Miet 21.180; Miet 36.154). Das Erfordernis einer Baubewilligung steht der Änderung nicht entgegen (SZ 42/75; Miet 32.176; vgl auch § 1096 Rz 5). Der Bestandgeber kann vom Bestandnehmer nähere Auskünfte über die geplante Maßnahme verlangen und sich bezüglich der Durchführung vergewissern (Miet 28.142; Miet XXXIII/8). Überschreitet der Bestandnehmer dabei die Grenzen des Gebrauchsrechts, so kann der Bestandgeber possessorisch (§ 339) und petitorisch (§ 523) mit Unterlassungs- und Beseitigungsklage vorgehen. 4 Der Bestandnehmer muss Eingriffe des Bestandgebers in sein Be-
standrecht dulden, wenn dadurch dessen Ausübung unter Abwägung der Interessen nicht wesentlich erschwert oder gefährdet wird (1 Ob 23/01s SZ 74/54; wobl 2002, 224; JBl 2007, 181: formularmäßiges Abgehen davon zu Lasten des Mieters ist gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3); zu notwendigen Bauführungen s § 1118 Rz 7. Der Bestandgeber von Räumlichkeiten kann Zutritt verlangen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner schutzwürdigen Interessen, wie etwa zur Erhaltung des Hauses oder im Rahmen einer üblichen Kontrolle (Miet 26.102), notwendig und dem Bestandnehmer zumutbar ist (vgl § 8 Abs 2 MRG); der formularmäßige Vorbehalt eines uneingeschränkten Besichtigungsrechts ist gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 (JBl 2007, 181). Auch die Besichtigung durch Kaufinteressenten oder durch potenzielle Mieter kurz vor Ablauf des Mietverhältnisses muss der Bestandnehmer ermöglichen. Bei Gefahr in Verzug, insb bei unmittelbar erforderlichen Erhaltungsarbeiten, kann der Bestandgeber die Räumlichkeit auch in Abwesenheit des Bestandnehmers betreten (Miet 29.158). 5 Im Vollanwendungsbereich des MRG gilt für das Recht des Mieters
zur Vornahme von wesentlichen Änderungen des Bestandobjekts § 9 MRG, der die Einwilligung des Vermieters fingiert, wenn dieser nicht innerhalb von 2 Monaten den Antrag des Mieters ablehnt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Vermieter verpflichtet, den geplanten Maßnahmen des Mieters zuzustimmen. Aber auch dann muss der Mieter diese Einwilligung einholen, andernfalls er eine Besitzstörung begeht (RdW 1986, 113; 3 Ob 184/00f JBl 2001, 325; Kodek, Besitzstörung 556 f). Die Duldungspflicht des Mieters bei Maßnahmen des Vermieters, die sein Gebrauchsrecht beeinträchtigen, ist in § 8 Abs 2 MRG geregelt, der danach unterscheidet, ob der Eingriff der Erhaltung oder 1218
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Bestandvertrag
§ 1098
Verbesserung von allgemeinen Teilen bzw der Behebung von ernsten Schäden des Hauses einerseits oder der Beseitigung einer von einem Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung bzw der Durchführung von Veränderungen in einem anderen Mietobjekt andererseits dient. Der Mieter muss Eingriffe in sein Mietrecht uU auch dann dulden, wenn sie wesentlich und von Dauer sind (wobl 1991, 60), also etwa zu bleibenden Veränderungen oder Verkleinerungen des Mietobjekts führen (wobl 1988, 18; wobl 1989, 91). Zum Schadenersatzanspruch des Mieters nach § 8 Abs 3 MRG vgl 5 Ob 54/01d wobl 2002, 262 Vonkilch; 5 Ob 218/05b immolex 2006, 341 Pfiel. Statt die Bestandsache selbst zu verwenden, kann sie der Bestandneh- 6 mer auch einem Dritten in Unterbestand (Untermiete, -pacht) geben. Für dieses Rechtsverhältnis gelten ebenfalls die §§ 1090 ff (SZ 74/54); der Untermieter hat daher dieselbe Rechtsposition wie ein Hauptmieter (Miet 49.126). Da er dem Hauptbestandgeber gegenüber keine eigenen vertraglichen Rechte geltend machen kann, sind alle von diesem gegen den Bestandnehmer erwirkten Gerichtsentscheidungen, die das Bestehen oder die Auflösung des Hauptbestandvertrags betreffen, gegen ihn wirksam und vollstreckbar (§ 568 ZPO). Das gilt auch für einen Räumungsvergleich zwischen den Parteien des Hauptbestandvertrags, wenn dieser nicht bloß abgeschlossen wurde, um den Untermieter zu schädigen (1 Ob 9/04m wobl 2005, 355). Im Anwendungsbereich des MRG liegt Untermiete nicht nur bei Ver- 7 mietung durch den Hauptmieter vor, sondern auch zB durch den Wohnungsfruchtnießer, Leihenehmer uÄ (§ 2 MRG). Der Abgrenzung zwischen Haupt- und Untermiete kommt hier besondere Bedeutung zu, weil die meisten Bestimmungen des MRG – außer zB §§ 1, 2, 14 Abs 1, §§ 26, 27, 29 ff – nur für Hauptmieten gelten. Zur Vereitelung von Umgehungsversuchen sieht § 2 Abs 3 MRG die (deklaratorische) Anerkennung des Untermieters als Hauptmieter vor (Fenyves in Hausmann/Vonkilch, WohnR § 2 MRG Rz 37 ff). Der Bestandnehmer ist dann nicht zur Untervermietung bzw -ver- 8 pachtung berechtigt, wenn dies vertraglich ausgeschlossen wurde oder dem Bestandgeber zum Nachteil gereichen würde (zB übermäßige Abnützung durch Überbelegung; Untervermietung an Konkurrenten des Bestandgebers). Das Verbot der Unterinbestandgabe macht den dennoch abgeschlossenen Afterbestandvertrag nicht unwirksam. Der Bestandgeber kann jedoch den Unterbestandnehmer nach zutreffender Ansicht genauso wie bei Fehlen eines gültigen Hauptbestandverhältnisses direkt auf Räumung klagen, weil dieser Iro
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sich mangels des Rechts seines Vormannes zur Untervermietung nicht auf eine geschlossene Titelkette berufen kann, also kein Recht zum Besitz hat (§ 366 Rz 4). Zum Verwendungsanspruch gegen den Mieter bei unzulässiger Untervermietung 3 Ob 54/98g wobl 2001, 283 Kerschner; 6 Ob 144/03z wobl 2004, 315. Nach § 11 MRG ist ein vertragliches Untervermietverbot nur wirksam, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. 9 Das Gebrauchsrecht kann auch einem Dritten abgetreten werden. Als
Titel dafür kommt insb ein Kauf- oder Tauschvertrag oder eine gesellschaftsrechtliche Einbringungsabrede in Betracht (zur Sicherungsabtretung SZ 46/24). Nach hL bewirkt die Zession den Übergang des Benützungsrechts auf den Zessionar, der daher direkt gegenüber dem Bestandgeber berechtigt ist (P. Bydlinski, JBl 1985, 728; § 1393 Rz 5); es entsteht ein „gespaltenes Bestandverhältnis“. Die Gegenansicht verneint hingegen eine solche Wirkung und erachtet weiterhin nur den Bestandnehmer für berechtigt („abgeschwächte Bestandrechtsabtretung“, SZ 49/159; 5 Ob 201/01x wobl 2002, 328; Mayrhofer, ÖJZ 1973, 147). Der Gesetzgeber hat sich offenbar dieser Meinung angeschlossen (§ 46a Abs 5 MRG). Dem „gespaltenen Mietverhältnis“ kommt in Anbetracht des § 12 MRG bzw – seit dem 3. WÄG – der §§ 12, 12a MRG (s Rz 12) und des § 46a Abs 5 MRG nur geringe Bedeutung zu. 10 Der Volleintritt eines Dritten in das Bestandverhältnis ist durch Ver-
tragsübernahme (dazu §§ 1405, 1406 Rz 5 ff) möglich, die aber der Zustimmung des Bestandgebers bedarf. Diese kann auch im Voraus erteilt werden, so dass der Vertragseintritt – vorbehaltlich eines vereinbarten Ablehnungsrechts des Bestandgebers aus wichtigem Grund (4 Ob 548/90 wobl 1991, 57 Würth; 7 Ob 589/92 wobl 1993, 114) – mit Vereinbarung zwischen altem und neuem Bestandnehmer zustande kommt („Weitergaberecht“, SZ 46/24; 1 Ob 125/99k immolex 2000, 44; 6 Ob 258/99f wobl 2001, 4 Dirnbacher). Das Weitergaberecht erlischt im Zweifel mit der Ausübung und geht nicht auf den Eintretenden über (5 Ob 365/97f wobl 1999, 204; 1 Ob 226/98m wobl 1999, 88 Schauer). Beim „Wohnungstausch“ handelt es sich um zwei Vertragsübernahmen, denen ein Tausch- oder eventuell (§ 1055) ein Kaufvertrag zugrunde liegt. 11 Die vertragliche Verpflichtung des Bestandgebers, bei Beendigung des
Vertrages mit einem vom Bestandnehmer namhaft gemachten Dritten zu den vereinbarten Bedingungen zu kontrahieren, wird „Präsentationsrecht“ genannt (4 Ob 509/90 Miet 42.115). Es kommt daher anders 1220
Iro
Bestandvertrag
§ 1099
als beim Weitergaberecht ein neues Vertragsverhältnis zustande, was etwa im Bereich des MRG für die Einstufung des Mietobjekts in die maßgebliche Kategorie (§ 15a Abs 2 MRG) von Bedeutung sein kann. Bei grundloser Weigerung des Bestandgebers, mit dem vorgeschlagenen Nachfolger einen Bestandvertrag zu schließen, kann idR auch dieser als Begünstigter (§ 881 Abs 2) auf Zuhaltung der Präsentationsvereinbarung klagen (8 Ob 504/92 SZ 65/17; immolex 2000, 44). Im Vollanwendungsbereich des MRG sieht § 12 MRG im Falle der 12 Abtretung der Hauptmietrechte an einer Wohnung und § 12a MRG bei Veräußerung eines in gemieteten Räumlichkeiten betriebenen Unternehmens eine Vertragsübernahme auf Mieterseite vor, die nicht der Zustimmung des Vermieters bedarf. Dafür steht diesem unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zur Anhebung des Hauptmietzinses zu (§ 12a Abs 2, §§ 46 ff MRG). Bei Geschäftsraummietverträgen mit juristischen Personen oder unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaften kann der Vermieter einen angemessenen Hauptmietzins statt des bisherigen niedrigeren verlangen, wenn sich bei ihnen die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten entscheidend ändern (§ 12a Abs 3, § 46a Abs 4 MRG; dazu aus jüngerer Zeit M. Gruber, wobl 2005, 149; Schauer, wobl 2005, 169; Thoß, RdW 2006, 683; Vaclavek/Winkler, RdW 2005, 149, 208). Nach § 13 MRG entfällt beim Wohnungstausch unter bestimmten Voraussetzungen das Erfordernis der Zustimmung der Vermieter. 2. Lasten; § 1099. Bei Vermietungen trägt alle Lasten und Abgaben der Vermieter. Bei eigentlichen Pachtungen, wenn sie in Pausch und Bogen geschehen, übernimmt der Pächter, mit Ausschluß der eingetragenen Hypothekarlasten, alle übrige; wird aber die Pachtung nach einem Anschlage geschlossen, so trägt er jene Lasten, welche von dem Ertrage abgezogen worden sind, oder bloß von den Früchten, und nicht von dem Grunde selbst entrichtet werden müssen. Die mit dem Bestandobjekt verbundenen Lasten und Abgaben trägt 1 bei Mietverträgen mangels anderer Vereinbarung der Vermieter. Abweichend davon ist nach § 15 Abs 1 Z 2, § 17 Abs 1 und § 21 Abs 2 MRG der Vermieter berechtigt, die von der Liegenschaft zu entrichtenden öffentlichen Abgaben entsprechend den Nutzflächen der Mietobjekte auf die Mieter zu überwälzen. Bei Pachtverträgen unterscheidet § 1099: Wurde der Pachtzins pau- 2 schal vereinbart, hat der Pächter alle mit der Pachtsache verbundenen Iro
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Bestandvertrag
§ 1100
Lasten außer Zahlungen für Hypothekarforderungen zu übernehmen. Richtet sich der Pachtzins nach dem zu erwartenden Ertrag, treffen den Pächter nur die Lasten, die bei der Berechnung des Pachtzinses berücksichtigt wurden oder die von den Früchten zu entrichten sind. 3. Zins § 1100. Ist nichts anderes vereinbart oder ortsüblich, so ist der Zins, wenn eine Sache auf ein oder mehrere Jahre in Bestand genommen wird, halbjährlich, bei einer kürzeren Bestandzeit hingegen nach Verlauf derselben zu entrichten. [idF III. TN]
1 Die gesetzliche Bestimmung der Fälligkeit des Bestandzinses ist
kaum von Bedeutung, da sie idR von einer abweichenden Vereinbarung oder Verkehrssitte verdrängt wird. Bei mindestens einjähriger Bestanddauer ist der Zins halbjährlich zu entrichten und zwar wohl wie bei einer kürzeren Dauer im Nachhinein. Das MRG sieht in § 15 Abs 3 dispositiv monatliche Zahlung im Voraus vor. Die Zinsforderung entsteht erst mit dem Fälligkeitstermin, vorher ist sie auch nicht als bedingte oder betagte Forderung iSd § 19 Abs 2 KO vorhanden (7 Ob 28/98p immolex 1999, 14; Fenyves, Erbenhaftung 127 ff). Für die Tilgungsreihenfolge von Mietzinsrückständen aus verschiedenen Perioden gelten §§ 1415 f (Reischauer/R § 1416 Rz 31; 9 Ob 129/03s wobl 2005, 200 Prader). § 1101. (1) Zur Sicherstellung des Bestandzinses hat der Vermieter einer unbeweglichen Sache das Pfandrecht an den eingebrachten, dem Mieter oder seinen mit ihm in gemeinschaftlichem Haushalte lebenden Familienmitgliedern gehörigen Einrichtungsstücken und Fahrnissen, soweit sie nicht der Pfändung entzogen sind. Das Pfandrecht erlischt, wenn die Gegenstände vor ihrer pfandweisen Beschreibung entfernt werden, es sei denn, daß dies infolge einer gerichtlichen Verfügung geschieht und der Vermieter binnen drei Tagen nach dem Vollzuge sein Recht bei Gericht anmeldet. (2) Zieht der Mieter aus oder werden Sachen verschleppt, ohne daß der Zins entrichtet oder sichergestellt ist, so kann der Vermieter die Sachen auf eigene Gefahr zurückbehalten, doch muß er binnen drei Tagen um die pfandweise Beschreibung ansuchen oder die Sachen herausgeben. (3) Dem Verpächter eines Grundstückes steht in gleichem Umfange und mit gleicher Wirkung das Pfandrecht an dem auf dem 1222
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Bestandvertrag
§ 1101
Pachtgute vorhandenen Vieh und den Wirtschaftsgerätschaften und den darauf noch befindlichen Früchten zu. [idF III. TN] Lit: Reckenzaun, Das gesetzliche Bestandgeberpfandrecht (1989).
Der Vermieter einer unbeweglichen Sache hat ein gesetzliches Pfand- 1 recht an den in das Bestandobjekt eingebrachten Sachen zur Sicherung des Bestandzinses. Das gilt auch für die Untermiete, genossenschaftliche Nutzungsverträge und sonstige gemischte Rechtsverhältnisse, bei denen das Bestandelement überwiegt, wie zB Garagen- oder Safemiete (Reckenzaun, Bestandgeberpfandrecht 3 ff). Gesichert werden durch das Pfandrecht bereits bestehende oder künf- 2 tig fällig werdende (Miet 23.157; Miet 37.153) Forderungen auf Zahlung des Bestandzinses einschließlich der Betriebskosten sowie der Nebenkosten, wie Zinsen, Mahnspesen, ferner auf ein Benützungsentgelt wegen titelloser Benützung der Sache (SZ 23/200; Miet 37.156; Reckenzaun, Bestandgeberpfandrecht 4). Tritt der Erwerber des Bestandobjekts nach § 1120 in den Mietvertrag ein, so steht ihm das Pfandrecht für bereits vorher fällig gewordene Zinsforderungen nur dann zu, wenn sie ihm übertragen wurden. Pfandobjekt sind alle pfändbaren beweglichen, körperlichen Sachen, 3 die in den Mietgegenstand wann immer eingebracht wurden und im Eigentum des Mieters oder eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieds stehen. An unter Eigentumsvorbehalt gekauften Sachen entsteht das Pfandrecht erst mit Bezahlung der letzten Kaufpreisrate (Miet 32.029; Klang/K V 70). Forderungen unterliegen nicht dem Pfandrecht, nach hA aber Inhaberpapiere (Klang/K V 68; aA Reckenzaun, Bestandgeberpfandrecht 12). Zu den Familienmitgliedern des Mieters gehören auch Lebensgefährten (Reckenzaun, Bestandgeberpfandrecht 16). Die Haushaltsgemeinschaft mit dem Bestandnehmer muss in dem betreffenden Bestandobjekt bestehen. Sachen der Familienmitglieder haften nur für den Teil der Zinsforderung, der auf von diesen mitbenützte Objekte entfällt (nicht zB für die mitgemietete Garage, die nur der Mieter verwendet). Das Pfandrecht entsteht mit dem Realakt der Einbringung der Sache 4 in das Bestandobjekt. Nach diesem Zeitpunkt richtet sich auch sein Rang. Durch Entfernung der Pfandsache aus dem Bestandobjekt (dazu 7 Ob 2374/96k immolex 1997, 139) erlischt das Pfandrecht, es sei denn, sie wird zuvor pfandweise beschrieben. Wird die eingeIro
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brachte Sache auf Grund einer exekutionsrechtlichen Verfügung (Klang/K V 70; Reckenzaun, Bestandgeberpfandrecht 61 ff mit Nw zur teilweise abweichenden Rspr) weggebracht, so bleibt das Pfandrecht aufrecht, wenn es der Vermieter binnen drei Tagen beim Exekutionsgericht anmeldet. Die Verwertung des Pfandrechts erfolgt durch Klage und Exekution. 5 Bei der pfandweisen Beschreibung handelt es sich – anders nach § 253
EO – um einen bloß deklaratorischen Akt (Miet 32.866), der in der Verzeichnung aller im Bestandobjekt befindlichen Pfandgegenstände in einem Protokoll unabhängig von der Höhe der offenen Forderung besteht (SZ 15/89; Klang/K V 73). Zur Rechtsnatur und zum Verfahren s Reckenzaun, Bestandgeberpfandrecht 32 ff, 46 ff. Trotz Beschreibung der Pfandsache darf der Mieter diese – unter Aufrechterhaltung des Pfandrechts – aus dem Bestandobjekt wegbringen. Um dies zu verhindern, muss der Bestandgeber zusätzlich eine einstweilige Verfügung nach § 382 EO erwirken (Klang/K V 75). 6 Zieht der Mieter aus oder werden die Sachen „verschleppt“, ohne dass
für den noch ausständigen Mietzins eine ausreichende Sicherheit besteht, kann sie der Vermieter zurückbehalten, wenn richterliche Hilfe zu spät käme. Er muss aber binnen drei Tagen um pfandweise Beschreibung ansuchen, andernfalls die Zurückbehaltung rechtswidrig wird. Das so genannte Sperr- oder Perklusionsrecht besteht nicht bei einer Entfernung, die dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb (zB Verkauf der Ware) oder den gewöhnlichen Lebensverhältnissen (zB Benützung der Kleidung) entspricht. Der Bestandgeber handelt bei der Zurückbehaltung auf eigene Gefahr, ist also in analoger Anwendung des § 394 EO für ungerechtfertigte Maßnahmen auch ohne Verschulden haftbar (Reckenzaun, Bestandgeberpfandrecht 29). 7 Der Verpächter eines landwirtschaftlichen Betriebs hat nach Abs 3 ein
Bestandgeberpfandrecht an den Tieren, Gerätschaften und Früchten. Darüber hinaus erfasst das Pfandrecht nach hA auch sonstige eingebrachte Sachen. Auf Pachtverträge über andere Betriebe, die sich auf einer Liegenschaft des Verpächters befinden, sind Abs 1 und 2 entsprechend anzuwenden (Miet 37.156; Klang/K V 69). § 1102. Der Bestandgeber kann sich zwar die Vorausbezahlung des Bestandzinses bedingen. Hat aber der Bestandnehmer mehr als eine Fristzahlung voraus geleistet, so kann er dieselbe einem später eingetragenen Gläubiger oder neuen Eigentümer nur dann 1224
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§ 1102
entgegensetzen, wenn sie in dem öffentlichen Buch ersichtlich gemacht ist. [idF III. TN] Lit: Zingher, Die Bindung des Erwerbers an Mietzinsvereinbarungen des Veräußerers, ÖJZ 1954, 521.
Leistet der Bestandnehmer den Bestandzins vereinbarungsgemäß für 1 mehr als die ortsübliche bzw subsidiär die gesetzliche Zinszahlungsperiode (§ 1100) ganz oder teilweise voraus, so kann er dies dem neuerlichen Zahlungsbegehren des Erwerbers der Liegenschaft in Abweichung von § 1120 nicht entgegenhalten. Eine Ausnahme besteht dann, wenn im Zeitpunkt der Stellung des Verbücherungsantrags durch den Erwerber bereits um Ersichtlichmachung der Vorauszahlung im Grundbuch angesucht wurde – was die Verbücherung des Bestandrechts voraussetzt (5 Ob 1010/93 Miet 45.119; 7 Ob 325/98i immolex 1999, 169) – oder der neue Eigentümer von der Vorauszahlung wusste oder wissen musste (SZ 44/5; immolex 1999, 169; Zingher, ÖJZ 1954, 522; aA Klang/K V 76). Ein auf der Liegenschaft hypothekarisch gesicherter Gläubiger des 2 Bestandgebers wird durch die Zinsvorauszahlung idR nicht tangiert, weil das Pfandrecht die Zivilfrüchte im Zweifel nicht erfasst (§ 457 Rz 1; 3 Ob 261/05m JBl 2006, 376). Erst bei Realisierung des Pfandrechts in der Exekution, vor allem in der Zwangsverwaltung, kann der Bestandnehmer zur nochmaligen Zahlung des voraus geleisteten Zinses verpflichtet sein, wenn die Vorauszahlung im Grundbuch nicht ersichtlich gemacht wurde (Miet 50.161; Klang/K V 77) und der Pfandgläubiger bei Ansuchen um Einverleibung der Hypothek nicht von ihr wissen musste (offen lassend JBl 2006, 376). § 1102 gilt auch für den Ersteher der Liegenschaft in der Zwangsver- 3 steigerung, wobei die Ersichtlichmachung der Vorauszahlung nur dann gegen ihn wirkt, wenn sie dem betreibenden Gläubiger oder einem Hypothekargläubiger im Rang vorgeht bzw die Vorauszahlung im Meistbot Deckung findet (§ 150 EO). Dem Ersteher schadet ebenfalls die Kenntnis von der Zinsvorauszahlung (Miet 41.117). Im Konkurs des Bestandgebers gilt § 24 Abs 1 KO (vgl § 1121 Rz 3). Im Anwendungsbereich des MRG richtet sich die Wirkung einer Mietzinsvorauszahlung gegenüber dem Rechtsnachfolger des Vermieters nicht nach § 1102, sondern nach § 2 Abs 1 S 4 und 5 MRG (7 Ob 633, 634/94 Miet XLVI/36; 5 Ob 117/98m Miet L/51). Der Vorauszahlung des Bestandzinses werden andere Rechtsakte mit 4 entsprechender Wirkung gleichgestellt, wie etwa das (teilweise) ErIro
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§ 1103
löschen des Mietzinsanspruchs durch Aufrechnung, Erlass oder Vergleich (SZ 44/126; 5 Ob 601/90 SZ 63/232). Auf die Zession von Zinsforderungen wird § 1102 mit der Maßgabe analog angewendet, dass sie mangels Ersichtlichmachung im Grundbuch für nach Einleitung der Zwangsverwaltung fällig werdende Bestandzinsforderungen gegenüber dem Zwangsverwalter unwirksam ist (Miet 41.117; SZ 63/232). Zins in Früchten § 1103. Wenn der Eigentümer sein Gut mit der Bedingung überläßt, daß der Übernehmer die Wirtschaft betreiben, und dem Übergeber einen auf die ganze Nutzung sich beziehenden Teil, z.B. ein Dritteil oder die Hälfte der Früchte geben solle; so entsteht kein Pacht-, sondern ein Gesellschaftsvertrag, welcher nach den darüber aufgestellten Regeln beurteilt wird. 1 Entgegen § 1103 ist in den angesprochenen Fällen nicht ohne weiters
ein Gesellschaftsvertrag anzunehmen. Aus dem Überlassen des Gutes zum Zwecke der Bewirtschaftung wird man zwar idR auf eine Betriebspflicht schließen können, doch ist diese nach hA auch für Pachtverträge typisch (§ 1091 Rz 2). Es wird vielmehr darauf ankommen, ob eine gemeinschaftliche Organisation beabsichtigt ist (§ 1175 Rz 2). Vgl auch § 1 Abs 1 S 2 LPG, der Verträge iSd § 1103 als Pachtverträge behandelt. Zur Beurteilung der Überlassung von Objekten in Einkaufszentren als Gesellschaftsvertrag s § 1091 Rz 3. Fälle und Bedingungen einer Erlassung des Zinses § 1104. Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten. [idF III. TN] Lit: Hirsch, Entgeltansprüche von Beherbergungsunternehmen in eingeschneiten Wintersportorten, ZVR 2000, 2; Th. Rabl, Schneechaos und Hotelstorno, ecolex 1999, 150; Riss, Die Erhaltungspflicht des Vermieters (2005) 191.
1 Während nach § 1096 Abs 1 der Bestandgeber die Leistungsgefahr
trägt, wenn das Bestandobjekt für den bedungenen Gebrauch nicht 1226
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§ 1106
(mehr) taugt, schränkt dies § 1104 insofern ein, als bei außerordentlichen Zufällen keine Wiederherstellungspflicht des Bestandgebers besteht. Diesen trifft dafür die Beweislast (SZ 60/23). Der Bestandvertrag bleibt aufrecht; der Bestandnehmer kann ihn aber nach § 1117 auflösen. Die in §§ 1104, 1105 S 1 angeordnete (teilweise) Zinsbefreiung während der Dauer der Unbenutzbarkeit ergibt sich bereits aus § 1096 Abs 1 S 2. Nach § 7 MRG besteht insoweit eine Wiederherstellungspflicht, als die Kosten durch eine Versicherung gedeckt sind. Außerordentliche Zufälle sind nur solche, die einen größeren Perso- 2 nenkreis treffen und von Menschen nicht beherrschbar sind, so dass für deren Folgen von niemandem Ersatz erwartet werden kann (SZ 60/23; 1 Ob 306/02k wobl 2003, 371; Riss, Erhaltungspflicht 197). Dazu werden neben den beispielhaft genannten Fällen auch von den Vertragspartnern nicht provozierte hoheitliche Verfügungen gerechnet (EvBl 1957/237: Beschlagnahme durch Besatzungsmacht). In Abgrenzung zu § 1112 (dort Rz 1 f) setzt § 1104 voraus, dass die Bestandsache nicht als physisch oder rechtlich untergegangen anzusehen ist. § 1105. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstückes, so wird ihm auch ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlaß an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt. [idF III. ƒTN]
Die Minderung des Pachtzinses setzt voraus, dass die Pachtzeit ein 1 Jahr nicht übersteigt und die erzielten Nutzungen weniger als die Hälfte des gewöhnlichen Umfangs betragen (dazu krit Klang/K V 83 f). Falls der Ertrag nicht zur Zahlung des Pachtzinses ausreicht, hat der Verpächter den Rest zu erlassen. Das gilt auch für die Unternehmenspacht (SZ 38/20). Im Falle einer Substanzbeeinträchtigung durch außerordentlichen Zufall greift § 1104 ein (Klang/K V 84). § 1106. Hat der Bestandnehmer unbestimmt alle Gefahren auf sich genommen; so werden darunter nur die Feuer-, Wasserschäden und Wetterschläge verstanden. Andere außerordentliche Unglücksfälle kommen nicht auf seine Gefahr. Verbindet er sich aber ausdrückIro
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lich, auch alle andere außerordentliche Unglücksfälle zu tragen; so wird deswegen noch nicht vermutet, daß er auch für den zufälligen Untergang des ganzen Pachtstückes haften wolle. 1 § 1106 ist im Zusammenhang mit § 1104 zu sehen und setzt daher das
Unbrauchbarwerden des Bestandobjekts durch einen außerordentlichen Zufall voraus. Seine Auslegungsregel beschränkt zunächst die Folgen einer vertraglichen Gefahrenübernahme durch den Bestandnehmer auf die Preisgefahr: Der Bestandnehmer muss trotz Unbrauchbarkeit den Zins zahlen. Mangels abweichender Vereinbarung übernimmt er aber nicht die Pflicht zur Brauchbarmachung des Bestandobjekts, so dass sich die Leistungsgefahr nach § 1104 richtet (Klang/K V 85). Weiters wird im Zweifel angenommen, dass der Bestandnehmer nur bestimmte außerordentliche Unglücksfälle – durch Feuer, Wasser und Unwetter – zu tragen hat und dies auch nur bei Unbrauchbarkeit, nicht aber bei völligem Untergang des Bestandobjekts iSd § 1112 (aA Klang/K V 85). Soweit der Bestandnehmer vereinbarungsgemäß die Preisgefahr trägt, ist eine Zinsminderung oder ein Rücktritt nach § 1117 ausgeschlossen. § 1107. Wird der Gebrauch oder Genuß des Bestandstückes nicht wegen dessen Beschädigung oder sonst entstandener Unbrauchbarkeit, sondern aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse oder Unglücksfalle vereitelt, oder waren zur Zeit der Beschädigung die Früchte von dem Grunde schon abgesondert, so fällt die widrige Ereignung dem Bestandnehmer allein zur Last. Er muß den Zins doch entrichten. Der Bestandgeber muß sich aber den ersparten Aufwand und die Vorteile, die er durch anderweitige Verwertung des Bestandstückes erlangt, anrechnen. [idF III. TN]
1 ISd Sphärentheorie trägt der Bestandnehmer die Gefahr für alle Um-
stände aus seinem Bereich, die ihn hindern, das brauchbare Bestandobjekt zu verwenden (§ 1096 Rz 1). Er hat daher den vollen Zins zu zahlen. Die Anrechnungsregel des letzten Satzes wird am ehesten hinsichtlich der Ersparnisse des Bestandgebers (Erhaltungsarbeiten, Betriebskosten) eine Rolle spielen. Zu einer anderweitigen Verwertung des Bestandobjekts ist der Bestandgeber trotz Nichtbenützung durch den Bestandnehmer nicht berechtigt. In Betracht kommt daher nur eine Vereinbarung über das Recht bzw die Pflicht des Bestandgebers zur zwischenzeitigen Nutzung des Bestandobjekts, aus der sich aber auch die Anrechnungspflicht ergeben wird. 1228
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§ 1108. Behauptet der Pächter den Erlaß des ganzen Pachtzinses oder eines Teiles davon entweder aus dem Vertrage oder aus dem Gesetze; so muß er dem Verpächter ohne Zeitverlust den geschehenen Unglücksfall anzeigen, und die Begebenheit, wenn sie nicht landkundig ist, gerichtlich, oder wenigstens durch zwei sachkundige Männer erheben lassen; ohne diese Vorsicht wird er nicht angehört. § 1108 normiert einerseits eine Anzeigeobliegenheit des Pächters bei 1 Vorliegen eines Unglücksfalles, der ihn (teilweise) von der Pflicht zur Zahlung des Pachtzinses befreit. Andererseits wird eine bestimmte Vorgangsweise zur Beweissicherung vorgesehen (dazu auch §§ 384 ff ZPO). Während es sich bei der Anzeige um eine materiellrechtliche Voraussetzung für die Minderung des Pachtzinses handelt, ist das bezüglich der beweisrechtlichen Anordnung fraglich (Klang/K V 87). 4. Zurückstellung; § 1109. Nach geendigtem Bestandvertrage muß der Bestandnehmer die Sache dem etwa errichteten Inventarium gemäß oder doch in dem Zustand, in welchem er sie übernommen hat, gepachtete Grundstücke aber mit Rücksicht auf die Jahreszeit, in welcher die Pacht geendigt worden ist, in gewöhnlicher wirtschaftlicher Kultur zurückstellen. Weder ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einwendung der Kompensation noch selbst des früheren Eigentumsrechtes kann ihn vor der Zurückstellung schützen. [idF III. TN]
§ 1110. Wenn bei dem Bestandvertrage kein Inventarium errichtet worden ist; so tritt die nämliche Vermutung, wie bei der Fruchtnießung (§ 518) ein. Lit: Kerschner, Zur Höhe des Benützungsentgelts bei Nichtrückstellung der Bestandsache nach Vertragsende, JBl 1978, 411.
Die Pflicht des Bestandnehmers zur Rückstellung des Bestandobjekts 1 ist vertraglicher Natur. Fälligkeit und Inhalt richten sich mangels abweichender Vereinbarung nach §§ 1109 f (SZ 60/229; 1 Ob 195/01k Miet 53.164). Danach wird sie mit Beendigung des Bestandverhältnisses fällig. Für unbewegliche und diesen nach § 560 ZPO gleichgestellte Sachen ergibt sich aus § 573 Abs 2 ZPO eine Räumungsfrist von 14 Tagen; dadurch verlängert sich aber das Bestandverhältnis nicht. Der Zustand des Bestandobjekts – samt Zubehör und Bestandteilen 2 (SZ 53/116; SZ 60/229) – muss dem bei Überlassung zum Gebrauch Iro
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entsprechen, wobei aber die normale Abnutzung (ohne „Missbrauch“, vgl § 1111) vom Bestandgeber hinzunehmen ist (Miet 39.114; 2 Ob 390/97k Miet LI/17). Wurde nicht spätestens bei Übergabe ein Inventar errichtet, so wird vermutet, dass das Bestandobjekt samt Nebensachen in brauchbarem Zustand von mittlerer Beschaffenheit übergeben wurde (§ 518). Die Bestätigung des Bestandnehmers, das Bestandobjekt in neuwertigem Zustand übernommen zu haben, ist bei Vorliegen eines Verbrauchergeschäfts wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG unwirksam (7 Ob 78/06f JBl 2007, 181). Vom Bestandnehmer zulässigerweise vorgenommene Veränderungen sind mangels abweichender Vereinbarung rückgängig zu machen (Miet 23.167). Im Vollanwendungsbereich des MRG ist für die Beseitigungspflicht des Mieters ein diesbezügliches Verlangen des Vermieters bei Erteilung der Zustimmung zur Änderung Voraussetzung (§ 9 Abs 3 MRG; 10 Ob 3/04w wobl 2005, 285; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, WohnR § 9 MRG Rz 54). Eine verpachtete Landwirtschaft ist in dem der Jahreszeit entsprechenden Kulturzustand zurückzustellen. 3 Die Rückstellung erfolgt bei unbeweglichen Sachen und Superädifi-
katen durch Räumung – dh Entfernung aller nicht in Bestand gegebenen Sachen (1 Ob 210/97g wobl 1998, 183 Oberhammer; 8 Ob 300/98w JBl 1999, 736 Apathy) – und Übergabe (Miet 41.118; wobl 1998, 183 Oberhammer), bei beweglichen Sachen durch deren Übergabe. Bei versperrbaren Objekten ist auch die Aushändigung der Schlüssel erforderlich (wobl 1998, 183 Oberhammer). Der Bestandgeber kann wegen Beschädigungen des Bestandobjekts die Übernahme nicht verweigern, sondern ist auf Ansprüche nach § 1111 verwiesen (SZ 60/229; Miet 53.164; 4 Ob 147/02z ecolex 2003, 24). Die Übergabe beweglicher Sachen ist prinzipiell am Wohnsitz bzw Niederlassungsort des Bestandgebers zu erfüllen. Das bloße Anbieten reicht idR nicht aus, es sei denn, der Bestandgeber verweigert unberechtigt die Übernahme (JBl 1988, 245; 4 Ob 239/05h immolex 2006, 218 Sääf ). Zurückzustellen ist das Bestandobjekt an denjenigen, der bei Vertragsende Bestandgeber ist (Miet 38.183). 4 Bei Verzögerung der Rückstellung hat der Bestandgeber gemäß
§ 1041 Anspruch auf ein angemessenes Benützungsentgelt (JBl 1999, 736 Apathy), das sich am ortsüblichen Mietzins orientiert (Kerschner, JBl 1978, 411). Die Rspr geht dabei vom vereinbarten Bestandzins aus, sofern nicht dessen Abweichen vom ortsüblichen Zinsniveau dargetan wird (SZ 58/104; 3 Ob 54/98g wobl 2001, 283 Kerschner; immolex 2006, 218 Sääf ). Bei Verschulden an der Verzögerung trifft den Bestandnehmer auch eine Schadenersatzpflicht (Miet 37.159; 7 Ob 115/97f wobl 1998, 242 Iro). 1230
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Der Bestandnehmer kann die Rückstellung des Bestandobjekts nicht 5 unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht (zB wegen Anspruchs auf Aufwandersatz, 7 Ob 207/97k immolex 1999, 49) oder eine Aufrechnung (zB mit einem kaufvertraglichen Anspruch auf die Sache) verweigern (vgl § 1440; dazu Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 235 f). § 1111. Wird das Miet- oder Pachtstück beschädigt; oder durch Mißbrauch abgenützt; so haften Mieter und Pächter sowohl für ihr eigenes, als des Afterbestandnehmers Verschulden, nicht aber für den Zufall. Doch muß der Bestandgeber den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen einem Jahre nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern; sonst ist das Recht erloschen. Lit: E. Lindinger, Präklusivfrist versus Perpetuierung der Einrede, immolex 2004, 137; Markl/Pittl, Mängelbehebungspflicht und Mietzinsminderung bei (Mit)Verschulden des Mieters, immolex 1998, 46; Pilgerstorfer, § 1111 ABGB und Bodenkontaminierung, ecolex 2003, 13.
Den Bestandnehmer treffen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung 1 spezifische, mit dem Gebrauchsrecht korrespondierende Obhuts- und Sorgfaltspflichten, insb die zur schonenden Ausübung des Bestandrechts. Er haftet daher für Beschädigung oder übermäßige Abnützung des Bestandobjekts oder allgemeiner Teile des Hauses (7 Ob 236/98a Miet 50.162) wegen Vertragsverletzung nach allgemeinen Schadenersatzregeln. Er hat auch fremdes Verschulden zu vertreten, nämlich das von Erfüllungsgehilfen (§ 1313a; 2 Ob 390/97k Miet LI/17: vom Mieter beauftragter Bauunternehmer) sowie nach § 1111 auch das von Unterbestandnehmern, Hausgenossen und Gästen (SZ 53/41; Miet 50.162). Für zufällige Ereignisse hat der Bestandnehmer auch dann nicht einzustehen, wenn sie sich in seiner Sphäre ereignen (SZ 53/41; Würth/R Rz 2; aA Ehrenzweig, System II/1, 459; Klang/K V 93). Die formularmäßige Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Haftung des Mieters ist gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 (7 Ob 78/06f JBl 2007, 181). Zum Entfall von Zinsminderung und Auflösungsrecht bei schuldhafter Beschädigung durch den Bestandnehmer s § 1096 Rz 10 und § 1117 Rz 5. Der Anspruch nach § 1111 ist primär auf Naturalrestitution gerichtet 2 (Miet 38.183). Nach Rückstellung des Bestandobjekts kann stets Geldersatz begehrt werden (SZ 32/5; 3 Ob 286/05p immolex 2006, 132). Unter § 1111 fallen auch die Kosten der Durchsetzung der Rückstellungspflicht (Miet 37.167) und der Zinsentgang wegen UnvermietIro
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barkeit des Bestandobjekts (Miet 28.154). Anspruchslegitimiert ist der aktuelle Bestandgeber, auch wenn er im Zeitpunkt der Beschädigung nicht der Eigentümer war (Miet 38.183). 3 Der Schadenersatzanspruch muss innerhalb eines Jahres ab Rückstel-
lung der Bestandsache (4 Ob 258/98i SZ 71/169; 7 Ob 120/99v immolex 2000, 46) bzw ab ungerechtfertigter Ablehnung der Übernahme durch den Bestandgeber (JBl 1988, 245; 1 Ob 195/01k Miet 53. 164) erhoben werden. Es handelt sich um eine (von Amts wegen wahrzunehmende) Präklusivfrist (SZ 56/103; immolex 2000, 46), die auch für Ersatzansprüche wegen Nichtwiederherstellung des ursprünglichen Zustands (SZ 71/169; 3 Ob 554/91 Miet 43.098; vgl aber 8 Ob 117/00i SZ 74/136) oder Fehlens von Inventar (7 Ob 609/91 SZ 64/157), nicht aber wegen Verletzung der Rückstellungspflicht (SZ 60/229; 4 Ob 147/02z ecolex 2003, 24) oder culpa in contrahendo (10 Ob 10/05a wobl 2006, 51) oder für Benützungsentgeltansprüche gilt (4 Ob 239/05h wobl 2006, 344 Prader). Die Frist wird auch durch eine Aufrechnungseinrede gewahrt (Miet 39.150; E. Lindinger, immolex 2004, 138). Die Regeln über die Unterbrechung und Hemmung sind sinngemäß anzuwenden (SZ 58/180; Miet 43.098), etwa im Falle von Vergleichsverhandlungen (immolex 2000, 46; 4 Ob 158/01s Miet 53.163) oder bei Bestellung einer Barkaution in Analogie zu § 1483 (E. Lindinger, immolex 2004, 139; Wolf, wobl 1999, 344). 5. Auflösung des Bestandvertrages: a) durch Untergang der Sache; § 1112. Der Bestandvertrag löst sich von selbst auf, wenn die bestandene Sache zu Grunde geht. Geschieht dies aus Verschulden des einen Teiles, so gebührt dem andern Ersatz; geschieht es durch einen Unglücksfall, so ist kein Teil dem andern dafür verantwortlich. Lit: Apathy, Die publizianische Klage (1981); Hauer, Bewirkt ein baubehördlicher Abtragungsauftrag den Untergang des Bestandobjektes? ÖJZ 1966, 257; H. Pichler, Binden Demolierungsbescheide die Gerichte? JBl 1965, 494; ders, Neues über die Bindungswirkung von Demolierungsbescheiden, JBl 1966, 553; Riss, Die Erhaltungspflicht des Vermieters (2005) 186; Schauer, Abhängigkeit des Unterbestandverhältnisses vom Hauptbestandvertrag? wobl 1996, 25.
1 Unter Zugrundegehen ist im Gegensatz zur Unbenützbarkeit gemäß
§ 1104 der gänzliche Verlust oder die völlige Zerstörung der Bestandsache zu verstehen (EvBl 1981/70; 5 Ob 77/99f wobl 2000, 38). Dem 1232
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ist der rechtliche Untergang des Bestandobjekts gleichzuhalten, so etwa wenn die baurechtliche Bewilligung der vereinbarten Benützung wegen Verstoßes gegen die BauO entzogen wird oder ein rechtskräftiger behördlicher Auftrag zur Abtragung des Bestandobjekts vorliegt (verst Senat 3 Ob 37/94 wobl 1994, 114 Würth; 7 Ob 622/94 Miet XLVII/5). Nach hA erlischt der Bestandvertrag nicht nach § 1112, wenn der 2 Bestandgeber kraft Vereinbarung oder nach dem Gesetz (§ 1096; § 3 MRG) zur Wiederherstellung verpflichtet und diese rechtlich möglich und wirtschaftlich erschwinglich ist (wobl 1994, 114 Würth; 1 Ob 573/94 wobl 1995, 12 Dirnbacher; Apathy, Publizianische Klage 99; Riss, Erhaltungspflicht 118, 186; Würth/R Rz 2; aA Ehrenzweig, System II/1, 408; Klang/K V 98), wobei auch etwaige Ersatzpflichten Dritter (Versicherung; Schädiger) zu berücksichtigen sind (Apathy, aaO 100; Riss, aaO 190). Ein behördlicher Abbruchauftrag bewirkt daher nur dann den Untergang, wenn die Ursache für die Unbenützbarkeit der Sache aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht beseitigt werden kann und die Räumungsfrist verstrichen ist, er also endgültig ist (wobl 1994, 114 Würth; 2 Ob 107/97t Miet 49.136). Die Beweislast dafür trifft den Bestandgeber (Miet XLVII/5). Betrifft der Untergang selbständige Teile des Objekts, so erlischt der Bestandvertrag bloß teilweise (wobl 1995, 12 Dirnbacher: Aufzugsanlage). Wenn der tatsächliche oder rechtliche Untergang auf Verschulden 3 eines Vertragspartners beruht, haftet dieser dafür nach §§ 1293 ff. Ist dies der Bestandgeber, so kann der Bestandnehmer im Rahmen der Tunlichkeit (§ 1323) die Wiederherstellung des Bestandobjekts und Abschluss eines neuen Mietvertrags über dieses verlangen (H. Pichler, JBl 1965, 502). Er hat allerdings nicht für das Verschulden des Einzelrechtsvorgängers einzustehen (Miet XL/27). Das Erlöschen des Hauptbestandverhältnisses bewirkt nicht automa- 4 tisch die Beendigung des Unterbestandverhältnisses und stellt auch keinen Kündigungsgrund dar (8 Ob 546/91 Miet XLIII/43; 8 Ob 300/98w JBl 1999, 736 Apathy; 3 Ob 33/99w wobl 2000, 23 T. Hausmann; Schauer, wobl 1996, 25; aA 3 Ob 278/04k wobl 2006, 227). Der Unterbestandnehmer verliert dadurch aber das Recht zum Besitz gegenüber dem Hauptbestandgeber und wird daher idR ebenfalls das Bestandobjekt räumen (§ 568 ZPO; vgl Iby in Fasching, ZPO IV/12 § 568 Rz 6) und sich mit Schadenersatzansprüchen wegen Nichterfüllung gegenüber seinem Vertragspartner begnügen müssen. Erlischt das Hauptbestandverhältnis infolge Vereinigung der Person des BeIro
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standgebers und der des Bestandnehmers, so bleibt das Unterbestandrecht weiterhin aufrecht (4 Ob 535/94 SZ 67/72; 2 Ob 135/01s wobl 2002, 259). 5 § 1112 gilt auch im Anwendungsbereich des MRG (§ 29 Abs 1 Z 2
MRG), doch ist der Vermieter zur Wiederherstellung jedenfalls insoweit verpflichtet, als die Kosten durch eine bestehende Versicherung gedeckt sind (§ 7 MRG; 5 Ob 275/03g immolex 2004, 110; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, WohnR § 7 MRG Rz 5 ff). Zum Erlöschen des Bestandrechts im Falle der Enteignung des Bestandobjekts sowie nach § 21 StadtErnG und § 18 BodenbeschaffungsG vgl Würth/R Rz 6 f. b) Verlauf der Zeit; § 1113. Der Bestandvertrag erlischt auch durch den Verlauf der Zeit, welcher ausdrücklich oder stillschweigend, entweder durch den nach einem gewissen Zeitraume ausgemessenen Zins, wie bei sogenannten Tag-, Wochen- und Monatszimmern, oder durch die erklärte, oder aus den Umständen hervorleuchtende Absicht des Bestandnehmers bedungen worden ist. Wenn keine Erneuerung geschieht; § 1114. Der Bestandvertrag kann aber nicht nur ausdrücklich; sondern auch stillschweigend erneuert werden. Ist in dem Vertrage eine vorläufige Aufkündigung bedungen worden; so wird der Vertrag durch die Unterlassung der gehörigen Aufkündigung stillschweigend erneuert. Ist keine Aufkündigung bedungen worden; so geschieht eine stillschweigende Erneuerung, wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabei bewenden läßt. § 1115. Die stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrags geschieht unter den nämlichen Bedingungen, unter welchen er vorher beschlossen war. Doch erstreckt sie sich bei Pachtungen nur auf ein Jahr; wenn aber der ordentliche Genuß erst in einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann, auf eine so lange Zeit, als notwendig ist, um die Nutzungen einmal beziehen zu können. Mietungen, wofür man den Zins erst nach einem ganzen oder halben Jahre zu bezahlen pflegt, werden auf ein halbes Jahr; alle kürzere Mietungen aber auf diejenige Zeit stillschweigend erneuert, welche vorher durch den Bestandvertrag bestimmt war. Von wiederholten Erneue1234
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rungen gilt das Nämliche, was hier in Rücksicht der ersten Erneuerung vorgeschrieben ist. Lit: H. Böhm/Schuster, Zur stillschweigenden Erneuerung von Mietverträgen, in Korinek/Krejci, MRG-HB 469; Dirnbacher, Die 10 Gebote der Befristung, wobl 1999, 362; Palten, Zeitmietverträge, ImmZ 1983, 7 und 22; Reiber, Der konkludente Kündigungsverzicht, immolex 2003, 10; Tschütscher, Die Befristung des Mietverhältnisses durch Räumungsvergleich, wobl 1996, 223.
Die Befristung des Bestandvertrags kann sich ausdrücklich aus der 1 Vereinbarung oder aus den Umständen, wie insb dem Vertragszweck, ergeben. Der Endtermin muss wenigstens bestimmbar sein. Ein befristeter Bestandvertrag erlischt mit Ablauf der bedungenen Zeit. Bis dahin kann ihn keine der Parteien auflösen, außer sie hat sich ein ordentliches Kündigungsrecht vorbehalten (Miet 42.299). Außerdem ist eine vorzeitige Beendigung aus wichtigem Grund (§§ 1117 f) möglich (3 Ob 274/02v wobl 2003, 346 Werkusch). Die Parteien können übereinkommen, dass für die tatsächliche Been- 2 digung des Bestandverhältnisses zum vereinbarten Zeitpunkt eine Kündigung erforderlich ist („bedingter Endtermin“). Für diese gelten mangels abweichender Vereinbarung die Kündigungsfristen und -termine der §§ 560 ff ZPO. Die Kündigung kann mit der Klage auf Räumung bzw Übernahme verbunden werden (§ 567 Abs 4 ZPO; „Kündigungsklage“). Einem Bestandvertrag mit bedingtem Endtermin kommt ein unbefristeter Vertrag mit zeitlich beschränktem Kündigungsverzicht nahe. Mangels einer solchen Vereinbarung erlöschen Bestandverträge mit 3 Ablauf der bedungenen Zeit von selbst („unbedingter Endtermin“). Sie werden jedoch gemäß § 1114 dadurch stillschweigend verlängert, dass der Bestandnehmer das Bestandobjekt über den Endtermin hinaus benützt und der Bestandgeber es dabei bewenden lässt. Das gilt aber nur dann, wenn binnen 14 Tagen nach Ende der Bestandzeit – bei kürzerer Bestanddauer als 1 Monat innerhalb der Hälfte dieser Zeit – weder der Bestandgeber eine Klage auf Zurückstellung noch der Bestandnehmer auf Zurücknahme des Bestandobjekts erhebt (§ 569 ZPO). Für diese gesetzlich fingierte Willenserklärung („relocatio tacita“) müssen die rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen, wie insb die Geschäftsfähigkeit gegeben sein (3 Ob 308/01t EvBl 2003/8; wobl 2003, 346 Werkusch). Die Fortsetzung des Bestandverhältnisses wird auch durch jedes andere widersprechende Verhalten einer Partei verhindert (JBl 1987, 659 H. Böhm; 1 Ob 412/97p wobl 1999, 236 Graf; 5 Ob 56/04b immolex 2005, 89). Eine solche Erklärung kann bereits Iro
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vor dem Endtermin, aber doch in engem zeitlichen Zusammenhang mit diesem wirksam abgegeben werden (3 Ob 571/91 wobl 1992, 77 Hanel; wobl 1999, 236 Graf ). Benützt der Bestandnehmer das Bestandobjekt weiter, ist der Widerspruch des Bestandgebers wirkungslos, wenn er nicht in angemessener Frist die Räumungsklage erhebt (wobl 1992, 77 Hanel; 5 Ob 97/99x immolex 1999, 325). Bloßes Verstreichen der prozessualen Frist des § 575 Abs 2 ZPO bewirkt keine Verlängerung des Bestandverhältnisses (Würth/R § 1114 Rz 5). 4 Die Verlängerung des Bestandverhältnisses erfolgt – abgesehen von
der Dauer – zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen (5 Ob 25/97f Miet 49.137), außer es handelt sich um Vereinbarungen, die nicht unmittelbar mit dem Bestandvertrag zusammenhängen (zB Vorkaufsrecht, Konkurrenzverbot, Miet 28.128; 6 Ob 605/95 Miet XLVII/21). Befristete Pachtverträge werden auf ein Jahr bzw auf die darüber hinausgehende Zeit, die zur Erzielung des „ordentlichen Genusses“ erforderlich ist, erneuert. Mietverträge, für die der Zins in Abständen von mindestens einem halben Jahr zu zahlen ist, werden um ein halbes Jahr verlängert. Bei kürzeren Zinsperioden ist nach hA der im Vertrag bestimmte bzw mangels einer solchen Regelung der gesetzlich vorgesehene Zeitraum für die Zinszahlung, also idR ein Monat (§ 1100 Rz 1), maßgeblich (JBl 1987, 659 H. Böhm; 8 Ob 542/92 JBl 1993, 584 Watzl; aA H. Böhm/Schuster in Korinek/Krejci, MRGHB 482 ff; Binder/S § 1115 Rz 3). 5 Im MRG sind Befristungen des Mietverhältnisses wirksam, wenn für
die ursprüngliche Vertragsdauer oder die beliebig oft zulässige Verlängerung ein unbedingter Endtermin (7 Ob 215/01w wobl 2002, 235 Prader) schriftlich vereinbart wurde und bei Wohnungsmieten die Laufzeit jeweils mindestens drei Jahre beträgt (§ 29 Abs 1 Z 3 MRG); andernfalls gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen (§ 29 Abs 3 lit a MRG). Wird der Mietvertrag nach Ablauf der wirksam vereinbarten oder verlängerten Vertragsdauer weder verlängert noch aufgelöst, so gilt er beim ersten Mal als auf drei Jahre, danach aber auf unbestimmte Zeit erneuert (§ 29 Abs 3 lit b MRG; Stabentheiner, wobl 2006, 260; Prader/Kuprian, immolex 2006, 307). Zum vorzeitigen Kündigungsrecht des Mieters s § 29 Abs 2 und Abs 3 lit b MRG. c) Aufkündigung; § 1116. Insofern die Dauer eines Bestandvertrags weder ausdrücklich, noch stillschweigend, noch durch besondere Vorschriften bestimmt ist, muß derjenige, welcher den Vertrag aufheben will, 1236
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dem andern die Pachtung sechs Monate; die Mietung einer unbeweglichen Sache vierzehn Tage; und einer beweglichen vierundzwanzig Stunden vorher aufkündigen, als die Abtretung erfolgen soll. Lit: R. Herbst, Kündigungsrecht des Bestandgebers im Konkurs des Bestandnehmers, ecolex 2005, 755, 832; Hoyer, Aufkündigung von Bestandverhältnissen bei Miteigentum, wobl 1991, 152; P. Oberhammer, Kündigung durch den Verpächter im Konkurs des Pächters, wobl 2006, 74; Reiber, Der konkludente Kündigungsverzicht, immolex 2003, 10; Reiber/Liehl, Die Kündigung im Mietrecht (2001).
Die (ordentliche) Kündigung ist der gesetzliche Rechtsbehelf zur re- 1 gulären Beendigung unbefristeter Bestandverhältnisse. Dabei handelt es sich um die einseitige, empfangsbedürftige und bedingungsfeindliche Willenserklärung, den Vertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzulösen. Ein (wichtiger) Grund ist nicht erforderlich (6 Ob 639, 640/93 wobl 1994, 220). Die Kündigung wird mit Zugang beim Vertragspartner wirksam und löst das Bestandverhältnis bei Einhaltung von Kündigungstermin und -frist (Rz 4) per se zum angegebenen Zeitpunkt auf. Eine Kündigung des Bestandverhältnisses bloß hinsichtlich eines Teils ist nur möglich, wenn sie vertraglich oder gesetzlich (zB § 31 MRG) vorgesehen ist (SZ 26/238). Ein Verzicht auf die Kündigung kann befristet oder bedingt (1 Ob 2 514/92 SZ 65/6; 8 Ob 531/93 Miet 45.368), aber auch zeitlich unbeschränkt erklärt werden, weil er eine Kündigung aus wichtigem Grund (§§ 1117 f) nicht ausschließt (4 Ob 324/00a SZ 74/19; 3 Ob 274/02v JBl 2003, 643). In der Vereinbarung einer Zinsvorauszahlung wird ein Kündigungsverzicht für den betreffenden Zeitraum erblickt (Miet XVI/31; Miet 26.216). Das Kündigungsrecht kann auch vertraglich durch das Erfordernis von Gründen eingeschränkt werden (Miet 23.179). Legitimiert zur Kündigung sind die jeweiligen – kraft Universal- 3 oder Singularsukzession (§§ 1116a, 1120; §§ 2 Abs 1, 12 ff MRG) in den Bestandvertrag eingetretenen – Vertragsparteien. Sind Miteigentümer Bestandgeber, so richtet sich die Berechtigung zur Kündigung im Innenverhältnis und damit auch nach außen nach §§ 834 f, wobei eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung vorliegt, wenn der Bestandnehmer auch Miteigentümer ist (5 Ob 2330/96z wobl 1998, 116 Call; Hoyer, wobl 1991, 152). Mitbestandnehmer sind nur gemeinsam zur Kündigung berechtigt (SZ 56/132; Miet 41.318). Eine Kündigung durch den Bestandgeber ist nur gegen alle Bestandnehmer möglich (SZ 57/120; 8 Ob 284/00y Miet 52.429). Im Kündigungs- und Iro
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Räumungsprozess bilden sie eine notwendige Streitgenossenschaft (2 Ob 137/04t JBl 2005, 46; 9 Ob 36/05t JBl 2006, 317). 4 In der Kündigung ist der Termin, zu dem das Bestandverhältnis enden
soll, anzugeben. Sie muss dem anderen Teil so rechtzeitig zugehen, dass die vom Kündigungstermin zurückzurechnende Kündigungsfrist (daher ist das EuFrÜb gemäß Art 1 Abs 1 letzter S nicht anwendbar) tatsächlich gewahrt wird. Kündigungstermin und -frist richten sich primär nach der Vereinbarung. Subsidiär gelten für Bestandverträge über Grundstücke, Gebäude (auch Superädifikate, Miet 30.775) und andere unbewegliche Sachen, Schiffsmühlen und auf Schiffen errichtete Bauwerke sowie Unternehmen, zu denen derartige Sachen gehören, die Termine und Fristen des § 560 ZPO. Bei beweglichen Sachen sieht § 1116 nur eine Kündigungsfrist vor (24 Stunden), so dass das Bestandverhältnis zu jedem Zeitpunkt beendet werden kann (8 Ob 310/97i ZIK 1998, 65). 5 Eine Kündigung zu einem nicht vorgesehenen Termin oder unter Ein-
haltung einer zu kurzen Kündigungsfrist ist materiell unwirksam (Miet 37.790; Miet 38.808; 6 Ob 47/97y immolex 1998, 13). Nach § 33 Abs 1 S 2 MRG entfaltet jedoch eine Kündigung, die die erforderliche Frist nicht wahrt, für den nächstmöglichen Kündigungstermin Wirkung. Die Kündigung muss nicht zum nächsten Kündigungstermin erfolgen, sondern kann auch für einen späteren Termin erklärt werden (JBl 1964, 426). Die Einhaltung von Kündigungstermin und -frist ist nicht erforderlich, wenn die Kündigung anstelle einer vorzeitigen Auflösung gemäß §§ 1117 f erfolgt (Miet 35.221; 6 Ob 589/91 Miet XLIV/3). 6 Die Kündigung kann formlos außergerichtlich erklärt werden (Miet
34.246). Bei Bestandverhältnissen an den in § 560 ZPO genannten Sachen ist auch eine gerichtliche Kündigung nach den §§ 560 ff ZPO möglich, die einerseits materiellrechtlicher Gestaltungsakt und andererseits (verfahrenseinleitende) Prozesshandlung ist („Doppelnatur“ der Kündigung; Miet 24.579; Miet 30.773). Die Kündigung hat das Bestandobjekt, den Kündigungstermin sowie einen Übergabs- bzw Übernahmsauftrag (§ 562 Abs 1 ZPO), im Anwendungsbereich des MRG auch einen Kündigungsgrund gemäß § 30 MRG zu enthalten (§ 33 Abs 1 MRG). Gerichtliche Kündigungen, die erst nach Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 560 ZPO eingebracht werden, sind von Amts wegen zurückzuweisen (§ 563 Abs 1 S 2 ZPO; nicht aber Kündigungen nach § 33 Abs 1 S 2 MRG, Stabentheiner, wobl 2006, 265 FN 122; aA Prader/Kuprian, immolex 2006, 312). Wird hingegen die fristgerecht eingebrachte Kündigung verspätet zugestellt oder zu 1238
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einem nach § 560 ZPO unzutreffenden Termin erklärt, so ist sie dennoch wirksam, wenn der Gegner nicht rechtzeitig Einwendungen erhebt (§ 564 Abs 2 ZPO; Miet 38.808; immolex 1998, 13). Wirksame gerichtliche Aufkündigungen sind auch gegenüber dem Aufkündigenden Exekutionstitel (§ 561 Abs 2 ZPO; „judicium duplex“, dazu Lovrek in Fasching, ZPO IV/12 § 561 Rz 20). Die §§ 1116a, 1120 f sehen ein besonderes gesetzliches Kündigungs- 7 recht ohne Rücksicht auf abweichende Vereinbarungen hinsichtlich der Vertragsdauer oder der einzuhaltenden Kündigungstermine bzw -fristen vor (s dort). Im Konkurs des Bestandnehmers – nicht aber im Ausgleich (§ 20c Abs 2 AO) – kann der Bestandvertrag auch vom Bestandgeber unter Einhaltung der gesetzlichen oder kürzeren vereinbarten Kündigungsfrist aufgelöst werden (§ 23 KO; P. Oberhammer, wobl 2006, 83; aA R. Herbst, ecolex 2005, 831 bei Unternehmensfortführung); die Kündigungstermine des § 560 ZPO müssen nicht eingehalten werden (6 Ob 65/02f wobl 2003, 123 P. Oberhammer; Rathauscher, Bestandrechte und Konkurs, 1999, 122 ff; aA SZ 62/83; offen lassend 3 Ob 67/03d wobl 2005, 198). Im Anwendungsbereich des MRG benötigt der Vermieter dafür aber einen wichtigen Grund iSd § 30 MRG (Miet 37.852; P. Oberhammer in Konecny/ Schubert, InsolvenzG § 23 KO Rz 51). Die Konkurseröffnung wird nicht als ein solcher angesehen (wobl 1989, 77; 6 Ob 628/94 JBl 1995, 594; P. Oberhammer, aaO). Bei Pachtverträgen wird ein vertragliches Kündigungsrecht für den Fall der Eröffnung des Konkurses über den Pächter von der hA für wirksam erachtet (P. Oberhammer, wobl 2006, 83 mwN; aA R. Herbst, ecolex 2005, 834). Im Ausgleich s aber § 20e Abs 2 AO. Für dem MRG unterfallende Mietverhältnisse ist eine Kündigung 8 durch den Vermieter nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich (§ 30 MRG; s auch § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG). Die Kündigung des Vermieters muss gerichtlich, die des Mieters kann auch schriftlich erfolgen (§ 33 Abs 1 MRG; Stabentheiner, wobl 2006, 264: auch durch Fax; Bresich, RdW 2006, 747: Fax oder Email). Kündigungsgründe sind ferner nach § 6 Abs 2 und § 12 Abs 2 KlGG erforderlich. § 1116a. Durch den Tod eines der vertragschließenden Teile wird der Bestandvertrag nicht aufgehoben. Wohnungsmieten können jedoch, wenn der Mieter stirbt, ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer sowohl von den Erben des Mieters wie von dem Vermieter unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst werden. [III. TN] Iro
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Lit: Fenyves, Erbenhaftung 284 ff, 306 ff; Wilhelm, Übergang des Bestandverhältnisses durch Vermächtnis? JBl 1972, 79; ders, Übergang des Bestandverhältnisses durch Vermächtnis – noch immer? JBl 1984, 594.
1 § 1116a S 1 normiert ausdrücklich die sich bereits aus § 531 ergebende
Vererblichkeit der Bestandnehmer- und Bestandgeberposition (s auch § 14 Abs 1 MRG). Der Eintritt des Erben erfolgt mit Einantwortung; bis dahin ist der ruhende Nachlass Partei des Bestandvertrags (6 Ob 258/98d wobl 1999, 233). Mehrere Erben werden Mitbestandgeber bzw Mitbestandnehmer, es sei denn, einer von ihnen übernimmt auf Grund eines Erbteilungsübereinkommens allein die bestandvertraglichen Rechte und Pflichten. Auf Bestandgeberseite ist dafür entscheidend, welcher Erbe Alleineigentümer des Bestandobjekts wird (Würth/R Rz 2). Bei juristischen Personen und Personengesellschaften des Handelsrechts vollzieht sich im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge (zB Verschmelzung; § 142 UGB) der Eintritt in den Bestandvertrag ebenfalls ex lege (Miet 7926; 5 Ob 53/91 wobl 1992, 57). Der Legatar des Bestandnehmers kann nur mittels Vertragsübernahme in den Bestandvertrag eintreten (Miet 37.176; Miet XLI/30), der Legatar des Bestandgebers tritt nach § 1120 ein (dort Rz 2). Entsprechendes gilt für die Schenkung auf den Todesfall. 2 Durch die Gesamtrechtsnachfolge kommt es zu einem Volleintritt in
den Bestandvertrag (wobl 1999, 233). Eine Ausnahme besteht nur für Wohnungsmieten, wenn der Mieter stirbt. Dann haben sowohl seine Rechtsnachfolger als auch der Vermieter ein besonderes Kündigungsrecht zu den gesetzlichen Terminen und Fristen ohne Rücksicht auf abweichende Vereinbarungen (SZ 47/4; 4 Ob 502/92 SZ 65/3; nicht wenn bloß ein Mitmieter stirbt: 1 Ob 114/00x wobl 2000, 245). Bei teils zu Geschäfts-, teils zu Wohnzwecken gemieteten Bestandobjekten kommt es dafür auf das Überwiegen des Wohnzwecks an (5 Ob 513, 514/94 Miet 46.374). Noch mehr als bei § 1120 (vgl dort Rz 6) sprechen gute Gründe dafür, dass das Kündigungsrecht innerhalb angemessener Frist ab dem Eintritt ausgeübt werden muss, andernfalls die Parteien an Vereinbarungen bezüglich Vertragsdauer bzw Kündigungsmodifikationen gebunden sind. Denn nach § 1116a ist anders als nach § 1120 der Volleintritt der Normalfall. Auf das Kündigungsrecht nach § 1116a S 2 kann verzichtet werden, doch genügt dafür ein allgemeiner Kündigungsverzicht nicht (3 Ob 50/00z wobl 2001, 54 Hausmann; 8 Ob 53/06m immolex 2006, 343 Maier-Hülle). 3 Eine Sondererbfolge für Mietverträge über Wohnungen, die unter das
MRG oder § 20 Abs 1 WGG fallen, sieht § 14 Abs 2 und 3 MRG vor. 1240
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In diese treten die eintrittsberechtigten Personen – zu denen der OGH nunmehr auch gleichgeschlechtliche Lebengfährten rechnet (5 Ob 70/06i EvBl 2006/154) – unter Ausschluss der Erben ex lege mit Tod des Mieters ein, es sei denn, sie erklären dem Vermieter binnen 14 Tagen, dass sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollen (§ 14 Abs 2 MRG). Dann fällt das Mietrecht in den (allgemeinen) Nachlass und kann der Vermieter den Mietvertrag nach § 1116a, der auch im Bereich des MRG anwendbar ist, aufkündigen (4 Ob 537/95 Miet 47.125). Zu Seniorenwohnungen s § 12 Abs 3 MRG (Stabentheiner, wobl 2006, 254). Vgl auch die ähnliche Regelung des § 15 KlGG. § 1117. Der Bestandnehmer ist berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem Vertrag ohne Kündigung abzustehen, wenn das Bestandstück in einem Zustand übergeben oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es zu dem bedungenen Gebrauch untauglich macht, oder wenn ein beträchtlicher Teil durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Aus dem Grunde der Gesundheitsschädlichkeit gemieteter Wohnräume steht dieses Recht dem Mieter auch dann zu, wenn er im Vertrage darauf verzichtet oder die Beschaffenheit der Räume beim Vertragsabschluß gekannt hat. [idF III. TN] Lit: Kiesel, Kann der Bestandvertrag mit dem Betreiber eines Einkaufszentrums wegen Leerstehung vorzeitig aufgelöst werden? immolex 2003, 266; Pittl, Unternehmenspacht im Einkaufszentrum: Ansprüche des Unternehmers bei mangelnder Kundenfrequenz, immolex 2001, 268.
§ 1117 ist – so wie auch § 1118 – Ausdruck des Grundsatzes, dass 1 Dauerschuldverhältnisse bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer und ohne Einhaltung von Kündigungsfrist und -termin mit Wirkung ex nunc aufgelöst werden können („außerordentliche Kündigung“; 1 Ob 210/97g wobl 1998, 183 Oberhammer; 5 Ob 62/05m wobl 2006, 99; Fenyves, Erbenhaftung 188; Gschnitzer/K IV/1, 447). Die Norm nennt zwar nur bestimmte, den Gebrauch der Sache betreffende und damit die praktisch wichtigsten Gründe; insofern ist ein Zurückgreifen auf die Regeln über die Geschäftsgrundlage ausgeschlossen (Miet 39.160; 1 Ob 44/98x Miet L/26; Pittl, immolex 2001, 270). Darüber hinaus berechtigen den Bestandnehmer aber auch andere wichtige Gründe, die die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen, zur Vertragsauflösung (wobl 1998, 183 Oberhammer; 6 Ob 59/00w wobl Iro
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2001, 87 Dirnbacher). Diese entspricht in ihrer Funktionsweise der Wandlung bei Zielschuldverhältnissen (§ 932 Abs 4; Würth/R Rz 2). § 1117 gilt auch im Anwendungsbereich des MRG (§ 29 Abs 1 Z 4 MRG). 2 Die in § 1117 angeführten Aufhebungsgründe betreffen Fälle der – auf
den Übergabszeitpunkt bezogen – ursprünglichen oder nachträglichen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts. Es macht keinen Unterschied, ob es sich um einen Sach- oder Rechtsmangel handelt, ob die Ursache für die Gebrauchsbeeinträchtigung in der Sache selbst oder in Störungen von außen (JBl 1990, 375) bzw in einem Verschulden des Bestandgebers oder einem Zufall (wobl 1998, 183 P. Oberhammer; Miet L/26) gelegen ist und ob die ganze Sache oder nur ein Teil von ihr unbrauchbar ist. 3 Die Auflösungserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige
Willenserklärung, die mit ihrem Zugang die Beendigung des Bestandverhältnisses bewirkt. Sie kann – auch bei unter das MRG fallenden Objekten – außergerichtlich erfolgen (Miet 40.166). Aufhebungsgründe müssen unverzüglich geltend gemacht werden (wobl 1998, 183 Oberhammer; 2 Ob 213/99h wobl 2001, 267), es sei denn, es handelt sich um einen Dauersachverhalt (SZ 61/42; 4 Ob 170/98y Miet 50.420); dann kann aber das Auflösungsrecht durch grundlose Nichtausübung während langer Zeit verloren gehen (wobl 2001, 87 Dirnbacher). Die Auflösungserklärung wirkt schuld- und sachenrechtlich ex nunc. Im Falle eines Verschuldens des Bestandgebers kommen zusätzlich Schadenersatzansprüche gegen diesen in Betracht. 4 Bei geringfügigen und leicht behebbaren Mängeln muss der Be-
standnehmer zunächst deren Behebung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist verlangen (SZ 60/230; wobl 2000, 306; Klang/K V 120; Riss, Die Erhaltungspflicht des Vermieters, 2005, 105 ff). Die beharrliche Verweigerung berechtigt den Bestandnehmer zur Vertragsauflösung nach § 1117 (SZ 60/230; 6 Ob 42/99s wobl 2000, 185 Vonkilch = immolex 2000, 9 Iby). Zwischen Zinsminderung und Auflösung des Vertrages besteht Konkurrenz, jedoch ist letztere bei „unbedeutenden Mängeln“ nach hA nicht möglich (Miet 36.179). Versteht man darunter „geringfügige Mängel“ iSd § 932 Abs 4, wofür die gesetzliche Wertung spricht (vgl § 932 Rz 23), so herrscht weitgehend Gleichklang mit den allgemeinen Gewährleistungsregeln. 5 Das Auflösungsrecht besteht nicht, wenn der Bestandnehmer die
Gebrauchsbeeinträchtigung verschuldet oder iSd §§ 1111, 1313a zu vertreten hat (8 Ob 650/93 Miet 45.135); in Übereinstimmung mit der Wertung des § 1107 (vgl § 1096 Rz 1) ferner dann nicht, wenn der 1242
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Grund für die Gebrauchsvereitelung in seiner Sphäre liegt (wobl 1998, 183 P. Oberhammer; Miet L/26; wobl 2001, 87 Dirnbacher; vgl § 1096 Rz 1). Deshalb berechtigen auch unzutreffende Einschätzungen des Geschäftsganges eines vom Bestandnehmer betriebenen Unternehmens, mit der schon bei Vertragsschluss gerechnet werden musste, grundsätzlich nicht zur vorzeitigen Kündigung (8 Ob 27/05m immolex 2005, 246 Pfiel; 5 Ob 257/05p immolex 2006, 151 Oppolzer), es sei denn sie beruhen auf Konkurrenzierung durch den Bestandgeber (1 Ob 340/98a Miet 51.159) oder das Leerstehen zahlreicher Bestandobjekte in einem Einkaufszentrum (wobl 2001, 87 Dirnbacher; Kiesel, immolex 2003, 270; Pittl, immolex 2001, 270). Das Auflösungsrecht ist abdingbar (1 Ob 29/98s Miet 50.169), außer 6 wenn die Gesundheit des Mieters einer Wohnung durch deren Mangelhaftigkeit gefährdet wird (1 Ob 24/00m immolex 2001, 8 Kovanyi). Darüber hinaus kann ein gänzlicher Verzicht bei längerfristigen Verträgen nach § 879 Abs 3 und bei Verbraucherverträgen generell nach § 6 Abs 1 Z 1 bzw § 9 KSchG unwirksam sein (JBl 1990, 321). § 1118. Der Bestandgeber kann seinerseits die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen erheblichen nachteiligen Gebrauch davon macht; wenn er nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat; oder, wenn ein vermietetes Gebäude neu aufgeführt werden muß. Eine nützlichere Bauführung ist der Mieter zu seinem Nachteile zuzulassen nicht schuldig, wohl aber notwendige Ausbesserungen. § 1119. Wenn dem Vermieter die Notwendigkeit der neuen Bauführung schon zur Zeit des geschlossenen Vertrages bekannt sein mußte; oder, wenn die Notwendigkeit der durch längere Zeit fortzusetzenden Ausbesserungen aus Vernachlässigung der kleineren Ausbesserungen entstanden ist; so muß dem Mieter für den vermißten Gebrauch eine angemessene Entschädigung geleistet werden. Lit: Anderluh, Ersetzt die Räumungsklage nach § 1118 die Einmahnung? JBl 1965, 83; Konecny, Auflösung von Bestandverträgen wegen Mietzinsrückständen trotz Konkurses des Bestandnehmers, wobl 2001, 241; P. Oberhammer, Kündigung durch den Verpächter im Konkurs des Pächters, wobl 2006, 74.
§ 1118 enthält drei Gründe, die den Bestandgeber zur außerordent- 1 lichen Kündigung des Bestandverhältnisses vor Ablauf der vereinIro
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barten Dauer und ohne Einhaltung von Kündigungsfrist und -termin berechtigen. § 1118 kann abbedungen werden, wofür aber die Vereinbarung der Unkündbarkeit nicht genügt (3 Ob 595/90 wobl 1991, 137). Auch eine Modifizierung oder Erweiterung der Kündigungsgründe ist möglich (7 Ob 2424/96p immolex 1997, 136). Bezüglich Form und Wirkung der Auflösungserklärung s § 1117 Rz 3. Sie kann auch mit der Räumungsklage verbunden werden (Miet 41.133; 1 Ob 2315/96i Miet 49.153), wobei der Bestandvertrag bereits mit deren Zustellung beendet wird (7 Ob 207/97k immolex 1999, 49). Bei Mitmietern genügt das Vorliegen des wichtigen Grundes bei einem von ihnen (4 Ob 537/95 wobl 1997, 191 Dirnbacher); bei Mietzinsrückständen muss aber die Einmahnung (Rz 4) gegenüber jedem erfolgen (3 Ob 12/99g immolex 2000, 43). 2 Erheblich nachteiliger Gebrauch ist jede gravierende Beeinträchti-
gung der schutzwürdigen Interessen des Bestandgebers, auch wenn sie erst bevorsteht (Miet 29.310). Er liegt in einer (drohenden) Verletzung der Substanz infolge Unterlassung notwendiger Vorkehrungen oder wiederholter bzw länger währender vertragswidriger Benützung des Bestandobjektes durch den Bestandnehmer (10 Ob 270/99z immolex 2000, 109; 1 Ob 41/02i immolex 2003, 9). Dabei ist dem Bestandnehmer das Verhalten der unter § 1111 fallenden Personen zuzurechnen (3 Ob 151/02h JBl 2003, 523: Unterbestandnehmer), nicht aber das von Hilfspersonen (3 Ob 65/99a immolex 2000, 169: Bedienerin). Verschulden des Bestandnehmers ist nicht erforderlich, wohl aber die nach gewöhnlichen Fähigkeiten zu bestimmende Erkennbarkeit der Nachteiligkeit des Verhaltens (des Dritten) (JBl 2003, 523). Fehlt es daran, ist eine vorherige Abmahnung des Bestandnehmers Voraussetzung für das Aufhebungsrecht (Miet 38.207; JBl 2003, 523; Klang/K V 123). Eine Besserung des Verhaltens des Mieters nach Zugang der Auflösungserklärung ist rechtlich bedeutungslos (10 Ob 62/04x immolex 2006, 19). Als erheblich nachteiliger Gebrauch wurde etwa angesehen: starke Verunreinigungen und Ungeziefergefahr; feuergefährliche Lagerung von Brennstoffen (9 Ob 304/01y immolex 2002, 111); nicht fachgerechter Badezimmereinbau (3 Ob 268/02m wobl 2004, 146; 8 Ob 96/04g immolex 2005, 275); widmungswidrige Verwendung des Bestandobjekts (7 Ob 321/99b SZ 73/29); unleidliches Verhalten (immolex 2006, 19), wobei aber eine Geisteskrankheit des Bestandnehmers zu berücksichtigen ist (10 Ob 2159/96i wobl 1998, 234; immolex 2006, 19); Verletzung der Betriebspflicht (Miet 41.135). 3 Nur ein „qualifizierter“ Zinsrückstand berechtigt den Bestandgeber
zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags. Ein solcher liegt vor, wenn 1244
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der Bestandnehmer mit der Zahlung des (fälligen) Bestandzinses in (objektiven, 5 Ob 552/90 Miet 42.135) Verzug gerät und diesen Betrag bis zum nächsten Zinstermin nicht (1 Ob 295/99k Miet 52.180) oder nicht vollständig entrichtet (1 Ob 573/90 wobl 1990, 166 Würth; 7 Ob 59/04h immolex 2004, 249). Zum Zins gehören alle vom Bestandnehmer für die Benützung des Bestandobjekts zu erbringenden Leistungen (Betriebskosten, Umsatzsteuer, Dienstleistungen uÄ; wobl 1990, 166 Würth; 1 Ob 265/98x wobl 1998, 177 Prader), nicht aber Verzugszinsen (9 Ob 129/03s wobl 2005, 200 Prader). Weiters ist Voraussetzung, dass der Bestandgeber den Bestandnehmer 4 mahnt und ihm (tatsächlich) eine angemessene Frist zur Bezahlung des Rückstandes einräumt (Miet 52.180). Die formfreie Mahnung muss klar erkennen lassen, dass der Bestandgeber eine weitere Verzögerung der Zahlung nicht mehr hinnehmen will (9 Ob 110/03x immolex 2004, 181 Iby), und wie hoch der noch offene Zins ist (4 Ob 535/94 SZ 67/72; 8 Ob 47/03z wobl 2005, 93 Dirnbacher). Ob die Mahnung bei einem bereits bestehenden qualifizierten Zinsrückstand durch die Räumungsklage ersetzt werden kann bzw ob in der Fortsetzung des Räumungsprozesses eine Mahnung liegt, wenn die Voraussetzungen erst während des Verfahrens eintreten, ist umstritten (dafür 7 Ob 248/97i wobl 1998, 234; 2 Ob 50/99p immolex 2000, 238 Iby; aA Anderluh, JBl 1965, 127; Würth/R Rz 18 f). Die Auflösungserklärung des Bestandgebers wird hinfällig, wenn der 5 Bestandnehmer den ausständigen Zins innerhalb der Nachfrist zahlt (Miet 40.174) oder durch außergerichtliche Aufrechnung zum Erlöschen bringt. Ist sie bereits wirksam geworden, kann sie aber nicht durch eine (prozessuale) Aufrechnung rückwirkend beseitigt werden (8 Ob 304/99k wobl 2002, 191; 1 Ob 30/05a wobl 2005, 286 Prader). Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bestandnehmers ändert nichts am bereits verwirklichten Auflösungsrecht des Bestandgebers nach § 1118 Fall 2 (2 Ob 213/99h wobl 2001, 267; Konecny, wobl 2001, 242; Fruhstorfer, ZIK 2003, 78). Nach § 12a AO gilt aber im Ausgleich das aufgelöste Bestandverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen als fortgesetzt (3 Ob 92/03f EvBl 2004/132). Eine Neuaufführung des Gebäudes liegt dann vor, wenn das Gebäu- 6 de bzw das Bestandobjekt zur Gänze – Erneuerung einzelner Teile, wie Stiege oder Fußboden, genügt nicht – neu errichtet werden muss. Ein Abbruchauftrag erfüllt den Tatbestand nur dann, wenn feststeht, dass die Behebung des mangelhaften Zustands aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht kommt, wobei aber die Iro
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Räumungsfrist noch nicht abgelaufen sein darf, da dann der Bestandvertrag automatisch nach § 1112 erlischt (vgl § 1112 Rz 2). Nach hA genügt auch die wirtschaftliche Abbruchreife (Miet 4411; Klang/K V 125; aA EvBl 1968/241). Beruht die Abbruchreife auf schuldhafter Vernachlässigung der Instandhaltung durch den Bestandgeber (§ 1096 Abs 1), so haftet er dem Bestandnehmer (§ 1119). 7 Der Mieter muss notwendige Instandhaltungsarbeiten, durch die er
in seinem Gebrauch gestört wird, dulden (§ 1118 letzter S). Er kann auch zur zeitweiligen Räumung des Objekts ohne Anspruch auf eine Ersatzwohnung verpflichtet sein (Miet XXX/25). Die Arbeiten sind unter möglichster Schonung seiner Rechte durchzuführen (Miet 16.165). Nützliche Bauführungen muss der Mieter nur dann zulassen, wenn die ihm daraus entstehenden Nachteile nicht wesentlich sind (Miet 35.235; Miet 36.134; Klang/K V 126), mögen sie auch dauerhaft sein (zB geringfügige Verschlechterung des Lichteinfalls). Zur Duldungspflicht des Bestandnehmers vgl auch § 1098 Rz 4 f. 8 Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzes des MRG berechtigen
nur § 1118 Fall 1 und 2 zur vorzeitigen Auflösung (§ 29 Abs 1 Z 5 MRG); die Vereinbarung vom Gesetz zum Nachteil des Mieters abweichender Voraussetzungen oder weiterer Auflösungsgründe ist unwirksam (7 Ob 78/06f JBl 2007, 181). Es gibt aber Kündigungsgründe (§ 30 Abs 2 Z 14 und 15 MRG), die auf den Abbruchfall abstellen, jedoch Ersatzbeschaffung für den Mieter voraussetzen. Mit der Auflösung nach § 1118 Fall 1 und 2 konkurriert die Kündigung gemäß § 30 Abs 2 Z 3 bzw § 30 Abs 2 Z 1 und 2 MRG. Die Auflösungserklärung wegen Zinsrückstandes wird wie die Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG hinfällig, wenn der Mieter diesen begleicht und ihn am Rückstand kein grobes Verschulden trifft, wofür er beweispflichtig ist (§ 33 Abs 2, 3 MRG; wobl 2005, 93 Dirnbacher; Judikaturübersicht bei E. Lindinger, immolex 2006, 245). Zur Festsetzung eines einstweiligen Mietzinses durch einstweilige Verfügung s § 382f EO (Vonkilch, immolex 2004, 228; 8 Ob 100/05x wobl 2006, 187 Prader). d) Veräußerung der Sache § 1120. Hat der Eigentümer das Bestandstück an einen andern veräußert, und ihm bereits übergeben; so muß der Bestandinhaber, wenn sein Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§ 1095), nach der gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Er ist aber berechtigt, von dem Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen Schaden, und entgangenen Nutzen eine vollkommene Genugtuung zu fordern. 1246
Iro
Bestandvertrag
§ 1120
Lit: P. Bydlinski, Der Übergang von „vertragsbezogenen“ Gestaltungsrechten bei Veräußerung der Bestandsache am Beispiel der Vermieterkündigung, JBl 1997, 151; Holzner, Fruchtgenussbestellung durch den Eigentümer und § 1120 ABGB, wobl 2004, 55; Iro, Probleme des Eintritts des außerbücherlichen Erwerbers in das Bestandverhältnis, wobl 1997, 117; Palten, Zur mietrechtlichen Stellung des Erwerbers der Liegenschaft, ImmZ 1981, 35.
Wird das Bestandobjekt veräußert und dem Erwerber übergeben, ist 1 dieser nicht zur Erfüllung eines davor vom Veräußerer abgeschlossenen Bestandvertrags verpflichtet. Wurde jedoch dem Bestandnehmer die Gewahrsame am Bestandobjekt eingeräumt (arg „Bestandinhaber“; 1 Ob 300/01a NZ 2003, 52), wirkt das Bestandverhältnis gegen den Einzelrechtsnachfolger des Bestandgebers, der in dieses ex lege eintritt (SZ 73/102; 7 Ob 53/01x wobl 2002, 279). Zur Anwendbarkeit des § 1120 auf Mietverträge, die mit Arbeitsverträgen zusammenhängen, s Werkusch, wobl 2002, 35. Neben § 1120 besteht die Möglichkeit eines vertraglichen (Voll-) Eintritts in den Bestandvertrag auf Bestandgeberseite durch Vertragsübernahme (dazu §§ 1405, 1406 Rz 5 ff), für die die Zustimmung des Bestandnehmers erforderlich ist (10 Ob 34/00y Miet 52.185; 1 Ob 122/02a wobl 2003, 91). „Veräußerung“ sind alle Formen derivativer Einzelrechtsnachfolge 2 unter Lebenden und von Todes wegen. Im Falle des Miteigentums ist § 1120 erst bei – auch sukzessiver – Veräußerung aller Anteile anwendbar (SZ 32/89; Würth/R Rz 2; aA Hoyer, wobl 1991, 154). Der Wohnungseigentümer tritt allerdings mit Begründung von Wohnungseigentum in bereits bestehende Mietverträge an seinem Objekt ohne die Einschränkungen des § 1120 und § 2 Abs 1 S 5 MRG ein (§ 4 Abs 1 WEG 2002; Vonkilch, wobl 2002, 124 f). Der Veräußerung wird der Übergang der Nutzungsbefugnis auf den 3 Fruchtnießer (6 Ob 2061/96y Miet XLVIII/15: nicht bloß obligatorischen) bzw nach Beendigung des – auch bloß obligatorisch eingeräumten (5 Ob 546/93 Miet 45.149) – Fruchtgenusses auf den Eigentümer gleichgehalten (4 Ob 556/90 wobl 1991, 73; Holzner, wobl 2004, 55), daher auch der Übergang der Verlassenschaft vom Vorerben auf den Nacherben (7 Ob 587, 588/92 Miet XLIV/40; 6 Ob 66/05g Zak 2006, 435). Im Verhältnis Haupt- und Unterbestandnehmer ist § 1120 im Falle eines Eintritts in ein Hauptbestandverhältnis auf Bestandnehmerseite (zB nach §§ 12 ff MRG) oder bei Auflösung des Hauptbestandverhältnisses durch den bisherigen Bestandnehmer zu Gunsten eines anderen entsprechend anzuwenden (4 Ob 50/99b Miet LI/20), nicht aber bei Abschluss eines neuen Hauptbestandvertrags ohne Zusammenhang mit dem früheren (bloße „Zeitnachfolge“). Iro
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Bestandvertrag
§ 1120
4 Maßgebender Zeitpunkt ist jener der Einräumung des Eigentums-
bzw Fruchtgenussrechts an den Erwerber, also bei Liegenschaften und Superädifikaten das Einlangen des Antrags auf Verbücherung (1 Ob 512/93 SZ 66/148; ferner 1 Ob 344/99s SZ 73/102) bzw Urkundenhinterlegung (Miet 41.141) beim Grundbuchsgericht, bei beweglichen körperlichen Sachen die Übergabe iSd §§ 426 ff. Bei Liegenschaften können dem noch nicht verbücherten Erwerber die Rechte aus dem Bestandvertrag (Mietzinsanspruch; Gestaltungsrechte, wie insb Kündigungsrechte) durch Überlassung von Besitz und Verwaltung abgetreten werden. Den Veräußerer treffen aber weiterhin die bestandvertraglichen Pflichten (SZ 66/148; 3 Ob 507/95 wobl 1996, 244 Dirnbacher; 4 Ob 2146/96h JBl 1997, 169). 5 Mit dem Eintritt in die Position des Bestandgebers übernimmt der
Erwerber dessen Rechte und Pflichten in dem sich bei Übergabe befindlichen Zustand. Das gilt grundsätzlich auch für Nebenbedingungen, die mit dem Bestandvertrag in einem sachlichen Zusammenhang stehen (zB Weitergaberecht), unabhängig von der Kenntnis des Erwerbers und von ihrer Üblichkeit (wobl 2002, 279). Er ist daher zur Rückzahlung einer vom Bestandnehmer gegebenen Kaution verpflichtet (wobl 2002, 279). Hingegen ist er nicht an ein Konkurrenzverbot nach Ende des Bestandverhältnisses (Miet 22.181), eine Option auf Abschluss eines Pachtvertrages (3 Ob 300/01s Miet 54.170) oder zur Begründung von Wohnungseigentum (5 Ob 117/98m Miet L/51) gebunden. Mietzinsvorauszahlungen an den Vorgänger muss sich der Erwerber nicht entgegenhalten lassen (§ 1102 Rz 1). 6 Vereinbarungen über die Vertragsbeendigung, wie bestimmte Ver-
tragsdauer, Kündigungsverzicht (SZ 73/102; 1 Ob 248/03g RdW 2004, 273), Kündigungstermine und -fristen (SZ 73/102; wobl 2002, 279) oder Kündigungsschutz (Miet 40.181), wirken nicht gegen den Erwerber. Er kann daher das Bestandverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsmodalitäten auflösen, wobei ihm kürzere vereinbarte Kündigungsfristen zugute kommen (SZ 73/102). Dieses Recht steht nach hA auch dem Bestandnehmer offen (6 Ob 602/93 wobl 1995, 18; aA Binder/S Rz 49). Allerdings wird das auf bestimmte Zeit geschlossene Bestandverhältnis nicht in ein solches auf unbestimmte Zeit umgewandelt (so Miet XLIV/40; 52.185; Würth/R Rz 5), sondern muss das Kündigungsrecht binnen angemessener Frist geltend gemacht werden, andernfalls die vereinbarten Beendigungsmodalitäten doch maßgeblich sind (P. Bydlinski, Gestaltungsrechte 186; Dirnbacher, wobl 2003, 73; Holzner, JBl 1994, 597; offen lassend SZ 73/102; wobl 2003, 91; Zak 2006, 435). Wurde das Bestandrecht verbüchert (§ 1095 Rz 1), wirken auch Vereinbarungen 1248
Iro
Bestandvertrag
§ 1121
über die Vertragsbeendigung gegen den Erwerber (3 Ob 191/98d wobl 1999, 236). Der Bestandnehmer, der nach § 1120 zu einem früheren Zeitpunkt 7 gekündigt wird, als es nach dem Bestandvertrag möglich gewesen wäre, hat Schadenersatzansprüche gegen den bisherigen Bestandgeber nach allgemeinen Grundsätzen (aA Würth/R § 1121 Rz 1; Miet 40.180: kein Verschulden erforderlich). Im (Teil-)Anwendungsbereich des MRG (7 Ob 215/01w wobl 2002, 8 235 Prader) normiert § 2 Abs 1 S 4 MRG einen Eintritt des Einzelrechtsnachfolgers des Vermieters in den Mietvertrag, wobei aber keine Kündigungsmöglichkeit aus diesem Anlass besteht und auch die Bestimmungen über die Beendigung des Mietverhältnisses übernommen werden müssen. Nach § 2 Abs 1 S 5 MRG ist jedoch der Erwerber an ungewöhnliche Nebenabreden (9 Ob 35/01i immolex 2001, 292 Iby; Fenyves in Korinek/Krejci, MRG-HB 293) nur dann gebunden, wenn er sie kannte oder kennen musste (wobl 2003, 291: Barkaution). § 1121. Bei einer zwangsweisen gerichtlichen Veräußerung ist das Bestandrecht, wenn es in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, gleich einer Dienstbarkeit zu behandeln. Hat der Ersteher das Bestandrecht nicht zu übernehmen, so muß ihm der Bestandnehmer nach gehöriger Aufkündigung weichen. [idF III. TN] Lit: Karollus, Zur Rechtsstellung des Liegenschaftserstehers, JBl 1989, 23; Reidinger, Inbestandgabe zur Erschwerung von Liegenschaftsexekutionen – Rechte des Erstehers, wobl 1991, 217.
Nach § 1121 S 1 ABGB iVm § 150 Abs 3 EO wirkt das gemäß § 1095 1 verbücherte Bestandrecht in der Zwangsversteigerung der Liegenschaft wie eine Dienstbarkeit. Es ist daher vom Ersteher so wie von einem rechtsgeschäftlichen Erwerber ohne Kündigungsmöglichkeit nach § 1120 zu übernehmen, wenn es im Range dem Befriedigungsrecht eines betreibenden Gläubigers oder einer Hypothek vorgeht, oder zwar einem solchen Recht nachfolgt, aber in der Verteilungsmasse Deckung findet (§ 150 Abs 1 EO). Für nicht verbücherte Bestandrechte verweist § 1121 S 2 auf § 1120. 2 Der Ersteher tritt daher mit dem Zuschlag in das bereits in Vollzug gesetzte Bestandverhältnis ein und kann dieses ohne Rücksicht auf abweichende Vereinbarungen zum gesetzlichen Kündigungstermin auflösen (1 Ob 344/99s SZ 73/102; 7 Ob 53/01x wobl 2002, 279. Iro
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Dienst- und Werkvertrag
§ 1151
AA Klang/K V 133 f: erst mit Einverleibung). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Bestandvertrag vor oder nach Einleitung des Exekutionsverfahrens geschlossen wurde (wobl 1990, 134 Würth; 5 Ob 6/01w Miet 53.129). Der Ersteher muss allerdings einen von Bestandnehmer und Bestandgeber in bewusstem Zusammenwirken zu seinem Nachteil geschlossenen Bestandvertrag nicht gegen sich gelten lassen (wobl 1990, 134 Würth; Reidinger, wobl 1991, 222). 3 Im Konkurs des Bestandgebers tritt der Masseverwalter in das Be-
standverhältnis auch hinsichtlich Vereinbarungen über die Beendigung ein. Mietzinsvorauszahlungen können ihm aber nur für die Zeit bis zur nächsten regulären Kündigungsmöglichkeit entgegengehalten werden (§ 24 Abs 1 KO). Diese Bestimmung ist bei Bestandverhältnissen auf bestimmte Zeit und bei solchen, die unter den Kündigungsschutz des MRG fallen, unanwendbar (2 Ob 123/04h ZIK 2004, 169). Für jede Veräußerung der Bestandsache im Konkurs gilt § 1121 (§ 24 Abs 2 KO). 4 Im Anwendungsbereich des MRG gilt § 2 Abs 1 S 4 MRG auch für
den Erwerber im Zwangsversteigerungs- oder Konkursverfahren, so dass dieser an die Kündigungsschutzvorschriften gebunden ist (Fenyves in Hausmann/Vonkilch, WohnR § 2 MRG Rz 25). §§ 1122–1150. [aufgehoben, BGBl I 2006/113]
Sechsundzwanzigstes Hauptstück Von Verträgen über Dienstleistungen Dienst- und Werkvertrag § 1151. (1) Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, ein Werkvertrag. (2) Insoweit damit eine Geschäftsbesorgung (§ 1002) verbunden ist, müssen auch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag beobachtet werden. [idF III. TN] Lit: Kuras/Strohmayer, Der „freie“ Dienstvertrag, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 37; Resch (Hrsg), (Schein-)Selbständigkeit – Arbeits- und sozialrechtliche Fragen (2000); Rebhahn, Dienstnehmerbegriff und persönliche Abhängigkeit bei Vertretungsbefugnis, wbl 1998, 277; Schrammel, Arbeitsvertrag
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Iro/Spenling
Dienst- und Werkvertrag
§ 1151
AA Klang/K V 133 f: erst mit Einverleibung). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Bestandvertrag vor oder nach Einleitung des Exekutionsverfahrens geschlossen wurde (wobl 1990, 134 Würth; 5 Ob 6/01w Miet 53.129). Der Ersteher muss allerdings einen von Bestandnehmer und Bestandgeber in bewusstem Zusammenwirken zu seinem Nachteil geschlossenen Bestandvertrag nicht gegen sich gelten lassen (wobl 1990, 134 Würth; Reidinger, wobl 1991, 222). 3 Im Konkurs des Bestandgebers tritt der Masseverwalter in das Be-
standverhältnis auch hinsichtlich Vereinbarungen über die Beendigung ein. Mietzinsvorauszahlungen können ihm aber nur für die Zeit bis zur nächsten regulären Kündigungsmöglichkeit entgegengehalten werden (§ 24 Abs 1 KO). Diese Bestimmung ist bei Bestandverhältnissen auf bestimmte Zeit und bei solchen, die unter den Kündigungsschutz des MRG fallen, unanwendbar (2 Ob 123/04h ZIK 2004, 169). Für jede Veräußerung der Bestandsache im Konkurs gilt § 1121 (§ 24 Abs 2 KO). 4 Im Anwendungsbereich des MRG gilt § 2 Abs 1 S 4 MRG auch für
den Erwerber im Zwangsversteigerungs- oder Konkursverfahren, so dass dieser an die Kündigungsschutzvorschriften gebunden ist (Fenyves in Hausmann/Vonkilch, WohnR § 2 MRG Rz 25). §§ 1122–1150. [aufgehoben, BGBl I 2006/113]
Sechsundzwanzigstes Hauptstück Von Verträgen über Dienstleistungen Dienst- und Werkvertrag § 1151. (1) Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, ein Werkvertrag. (2) Insoweit damit eine Geschäftsbesorgung (§ 1002) verbunden ist, müssen auch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag beobachtet werden. [idF III. TN] Lit: Kuras/Strohmayer, Der „freie“ Dienstvertrag, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 37; Resch (Hrsg), (Schein-)Selbständigkeit – Arbeits- und sozialrechtliche Fragen (2000); Rebhahn, Dienstnehmerbegriff und persönliche Abhängigkeit bei Vertretungsbefugnis, wbl 1998, 277; Schrammel, Arbeitsvertrag
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Dienst- und Werkvertrag
§ 1151
versus freier Dienstvertrag, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 25; Schrank, Werkverträge und freie Dienstverträge (1997).
I. II. III. IV. V. VI. VII.
Übersicht Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wesensmerkmale des Dienstvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zu anderen Verträgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstleistungen ohne Vertragsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Formen des Dienstvertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mangelhafte Dienstverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Allgemeines Unter dem Titel „Verträge über Dienstleistungen“ regelt das 26. 1 Hauptstück die beiden wichtigsten Arten, den Dienstvertrag (heute gängiger „Arbeitsvertrag“) und den Werkvertrag. Die Regelungen über den Dienstvertrag sind aber nur anzuwenden, soweit nicht arbeitsrechtliche Sondergesetze eingreifen (§ 153 Abs 2 III. TN). Obwohl daher das ABGB für die meisten Dienstverhältnisse nur eine subsidiäre Rolle spielt, kommt ihm auch im Arbeitsrecht nach wie vor Bedeutung zu, vor allem für den Begriff des Dienstvertrages und damit auch des Dienstnehmers und des Dienstgebers (zum Betriebsverfassungsrecht s aber § 36 ArbVG). II. Dienstvertrag Der Dienstvertrag ist ein Konsensualvertrag, bei dem sich ein Teil zur 2 Leistung von Arbeit in persönlicher Abhängigkeit (Rz 6 f) für den anderen verpflichtet. Diese persönliche Abhängigkeit, die idR mit wirtschaftlicher Abhängigkeit einhergeht (Rz 9), ist der Grund für viele (einseitig) zwingende Gesetzesbestimmungen bzw Normen kollektiver Rechtsgestaltung (vor allem Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung), die die Möglichkeit der Vertragspartner, den Dienstvertrag inhaltlich zu gestalten, im Interesse des Dienstnehmers begrenzen. Von sondergesetzlich normierten Ausnahmen abgesehen (zB § 12 3 Abs 1 BAG, § 4 Abs 1 VBG; in beiden Fällen berührt die Nichteinhaltung der Form die Gültigkeit des Vertrages nicht, s Löschnigg, AR 194) ist der Vertragsabschluss an keine bestimmte Form gebunden und kann auch schlüssig erfolgen. Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze. Zur erweiterten Geschäftsfähigkeit mündiger Minderjähriger s § 152. Der Dienstvertrag begründet das Dienstverhältnis, ein Dauerschuld- 4 verhältnis, das neben der Verpflichtung des Dienstnehmers zur Spenling
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Dienst- und Werkvertrag
§ 1151
Dienstleistung und der (nicht notwendigen, aber typischen, s Rz 8) Verpflichtung des Dienstgebers zur Entgeltleistung eine besondere Treuepflicht des Dienstnehmers (§ 1153 Rz 11) und die Fürsorgepflicht des Dienstgebers (§ 1157) auslöst. Die These, das Dienstverhältnis werde nicht primär durch den Dienstvertrag, sondern durch „sozialtypisches Verhalten“ (die Eingliederung in den Betrieb) begründet („Eingliederungstheorie“), wird von der herrschenden „Vertragstheorie“ ebenso abgelehnt wie die Deutung des Dienstverhältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis. Jene Ergebnisse, die diese Theorien bei der Rückabwicklung fehlerhafter Dienstverhältnisse bzw bei der Qualifizierung rechtsgrundloser Arbeitsleistungen sicherstellen sollen, erreicht die hM durch Anwendung (modifizierter, Rz 22) bereicherungsrechtlicher Grundsätze (Löschnigg, AR 208; Spielbüchler/Grillberger, AR I 139 f). 5 Dienstnehmer ist, wer Dienste in persönlicher Abhängigkeit (Rz 6)
zu leisten hat. Kategorisierungen ergeben sich aus arbeitsrechtlichen Sondergesetzen, die teils für besonders schutzwürdige Gruppen gelten (zB MuttSchG, BEinstG), teils für bestimmte Berufe (zB BUAG, GAngG). Historisch gewachsen ist die Unterscheidung in Arbeiter und Angestellte, die vom Gesetzgeber jedoch zunehmend abgebaut wird. Dienstgeber ist, wer berechtigt ist, von einem anderen Dienste in persönlicher Abhängigkeit zu fordern. Auf das Eigentum am Betrieb kommt es nicht an. In Zweifelsfällen ist Dienstgeber, wer aus der Sicht des redlichen Erklärungsempfängers bei Vertragsabschluss als Vertragspartner auftritt bzw in der Folge die Dienstgeberfunktion ausübt. Üben mehrere Personen Dienstgeberfunktionen aus, ist aus der Wahrnehmung von Einzelpflichten nach den Grundsätzen eines beweglichen Systems auf die Dienstgeberstellung zu schließen (RS0014455; 8 ObA 2186/96w SZ 69/276). III. Wesensmerkmale des Dienstvertrages 6 Der „echte“ Dienstvertrag wird durch die persönliche Abhängigkeit
des Dienstnehmers vom Dienstgeber charakterisiert. Für deren Vorliegen sprechen vor allem die Weisungsgebundenheit des Dienstnehmers (Rz 7); die persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht; die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Dienstgeber zukommt; die funktionelle Einbindung der Dienstleistung in ein betriebliches Weisungsgefüge; ein hohes Maß an Kontrollunterworfenheit und die Beistellung des Arbeitsgerätes durch den Dienstgeber. Es müssen nicht alle Kriterien vorliegen; entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen 1252
Spenling
Dienst- und Werkvertrag
§ 1151
Abhängigkeit nach Gewicht und Bedeutung überwiegen (RS0021306; RS0021284; 8 ObA 45/03f JBl 2004, 465). Bei der Beurteilung der Weisungsunterworfenheit sind sachliche Wei- 7 sungen, wie sie auch bei anderen Dauerschuldverhältnissen vorkommen, nicht entscheidend. Die Möglichkeit zu persönlichen Weisungen, die die persönliche Gestaltung der Dienstleistung betreffen und die eigene Gestaltungsfreiheit weitgehend ausschalten (8 ObA 45/03f JBl 2004, 465), spricht hingegen für persönliche Abhängigkeit. Es genügt, dass der Dienstgeber vertraglich dazu berechtigt ist, auch wenn tatsächlich keine erteilt werden („stille Autorität“; Krejci/R Rz 52). Dienstverhältnisse sind zwar typischerweise, aber nicht notwendig 8 entgeltlich (s § 1152; EvBl 1978/98). Die Art der Entlohnung ist für die Qualifikation ohne Bedeutung; auch die Entlohnung ausschließlich auf Provisionsbasis schließt die Annahme eines Dienstverhältnisses nicht aus (9 ObA 148/03k ARD 5533/12/2004). Wirtschaftliche Abhängigkeit, also der Umstand, dass der Dienst- 9 leistende auf das Einkommen aus der Dienstleistung angewiesen ist, ist für den Dienstvertrag typisch, aber nach hM kein Wesensmerkmal, weil auch einen Dienstvertrag abschließen kann, wer nicht darauf angewiesen ist, und auch Selbständige wirtschaftlich abhängig sein können (SZ 62/21; 8 ObA 46/98t RdW 1999, 99). Von Bedeutung ist die wirtschaftliche Unselbständigkeit hingegen für die Abgrenzung des wirtschaftlich selbständigen Unternehmers von der arbeitnehmerähnlichen Person. Arbeitnehmerähnlich ist, wer zwar in wirtschaftlicher, aber nicht in persönlicher Abhängigkeit tätig wird und daher kein Dienstnehmer ist. Der Begriff kennzeichnet kein bestimmtes Vertragsverhältnis (häufig betrifft er „freie“ Dienstnehmer; s Rz 12), sondern besagt nur, dass der so Qualifizierte auf Grund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit in vergleichbarer Weise schutzbedürftig ist. Verschiedene arbeitsrechtliche Sondergesetze gelten daher ausdrücklich auch für arbeitnehmerähnliche Personen (vgl § 1 Abs 1 DHG; § 2 Abs 2 lit b AuslBG; § 3 Abs 4 AÜG; § 51 Abs 3 Z 2 ASGG). Arbeitnehmerähnlich ist etwa ein selbständiger Handelsvertreter, dessen wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Geschäftsherrn so groß ist, dass er wirtschaftlich und sozial einem Dienstnehmer gleichkommt. IV. Abgrenzung zu anderen Verträgen Der Abgrenzung zu anderen Vertragstypen kommt große Bedeutung 10 zu, weil oft Verträge über Dienstleistungen geschlossen werden, die zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen den in perSpenling
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Dienst- und Werkvertrag
§ 1151
sönlicher Abhängigkeit Tätigen als selbständig Erwerbstätigen ausweisen („Flucht aus dem Arbeitsrecht“; Firlei, DRdA 1987, 271). Die rechtliche Qualifikation des Vertrages ist aber nicht vom Willen der Parteien und seiner Bezeichnung, uU nicht einmal von seiner Gestaltung abhängig, sondern von der tatsächlichen Handhabung des Vertragsverhältnisses (RS 0111914; 9 ObA 22/01b DRdA 2002, 138 Burgstaller). Auch die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die steuerliche Behandlung sind daher nicht entscheidend und die Beurteilungen des Sozialversicherungsträgers oder der Steuerbehörde somit nicht bindend (9 ObA 287/00x Arb 12.061; DRdA 2002, 138 Burgstaller). Entscheidend ist vielmehr, ob bei einer Gesamtbetrachtung des von den Parteien gelebten Schuldverhältnisses iSd Rz 6 von einem Dienstverhältnis auszugehen ist. 11 Beim Werkvertrag wird – anders als beim „echten“ oder beim freien
Dienstvertrag – nicht die Dienstleistung, sondern der bereits bei Vertragsabschluss festgelegte Erfolg (das Werk) geschuldet. Das Unternehmerrisiko trägt der Werkunternehmer, dem auch der wirtschaftliche Erfolg seiner Tätigkeit zukommt. Wie beim freien (aber anders als beim „echten“) Dienstvertrag wird die Dienstleistung in persönlicher Selbständigkeit erbracht. Für das Vorliegen eines Werkvertrages spricht etwa das Fehlen der persönlichen Arbeitspflicht, das Arbeiten nach eigenem Plan und mit eigenen Mitteln, die Gewährleistungspflicht für die vertragsgemäße Leistung und das Fehlen der Eingliederung in die fremde Unternehmensorganisation. In Grenzfällen entscheidet das Überwiegen der für den einen oder den anderen Vertragstypus sprechenden Umstände. 12 Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich vom „echten“ Dienstver-
trag durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit. Der freie Dienstnehmer kann den Arbeitsablauf selbst regeln und jederzeit ändern. Indizien dafür sind etwa das Recht auf freie Gestaltung der Arbeitszeit, das Fehlen der Bindung an einen bestimmten Arbeitsort, die Freiheit von persönlichen Weisungen oder das Recht, sich beliebig vertreten zu lassen. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen Unabhängigkeit nach Gewicht und Bedeutung überwiegen (Rz 6). Die Abgrenzung ist einzelfallabhängig und oft schwierig (s etwa die ähnlichen, aber mit Grund unterschiedlich beurteilten Sachverhalte in 8 ObA 2158/96b Arb 11.625 [Nachhilfelehrer] und 9 ObA 10/99g RdW 1999, 673 [Sprachlehrer]; weitere Bsp: RS0021518). Wo es der Arbeitsablauf mit sich bringt, dass der Dienstnehmer in den Betrieb fest integriert ist, kann idR kein freies Dienstverhältnis begründet werden (9 ObA 96/06t; näher Kuras/Strohmayer, FS Bauer/Maier/Petrag 42). 1254
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Dienst- und Werkvertrag
§ 1151
Der freie Dienstvertrag war bisher in arbeitsrechtlichen Gesetzen weder definiert noch geregelt. Der mit BGBl I 2004/77 neu geschaffene § 1164a normiert für bestimmte freie Dienstverträge die Verpflichtung des Dienstgebers zur Aushändigung eines Dienstzettels, enthält aber keine darüber hinausgehende inhaltliche Regelung. Die Rspr wendet jene arbeitsrechtlichen Normen, die nicht von der persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers ausgehen und den sozial Schwächeren schützen sollen (§ 1152; §§ 1159, 1159a und b; §§ 1162– 1162d) auf den freien Dienstvertrag analog an (RS0021758; 9 ObA 15/03a ASoK 2004, 96). Andere arbeitsrechtliche Normen (zB über Abfertigung oder Urlaub) sind hingegen nicht anwendbar, ebenso wenig Regelungen in Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen (Arb 10.716). Für die GesBR, die im Gegensatz zum Dienstvertrag vom Prinzip der 13 Gleichordnung getragen ist, sind Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte bei der Geschäftsführung charakteristisch (s § 1188 Rz 2). Hohe Gewinnbeteiligung, verbunden mit Verlustbeteiligung, spricht ebenfalls für ein Gesellschaftsverhältnis (VwGH HS 8198 f). Abgrenzungsprobleme zum Bestandvertrag treten auf, wenn Ge- 14 brauchs- oder Nutzungsrechte gegen Dienstleistungen ausgetauscht werden. Auch hier kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt des Vertrags und dessen wirtschaftlichen Zweck (Wohnraumverschaffung oder Dienstleistung) an. Persönliche Abhängigkeit des Dienstleistungspflichtigen spricht für einen Dienstvertrag. Geschäftsbesorgung hat die Verpflichtung zur Vornahme von 15 Rechtshandlungen, insb zum Abschluss von Rechtsgeschäften, zum Gegenstand (s § 1002 Rz 2). Sind Dienstverträge mit Auftrag, Ermächtigung bzw Vollmacht kombiniert, müssen nach § 1151 Abs 2 auch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag beachtet werden, soweit nicht spezielle arbeitsrechtliche Regelungen bestehen. Dies gilt insb im Verhältnis zwischen den Schadenersatzbestimmungen der §§ 1009, 1012 und dem DHG. Zur (analogen) Anwendung des § 1014 auf Dienstverträge s dort Rz 8 ff. Kombinationen zwischen freiem Dienstvertrag und Auftrag werden primär durch das Auftragsrecht bestimmt (Krejci/R Rz 122). V. Dienstleistungen ohne Vertragsgrundlage Durch Dienste von Familienmitgliedern, die in Erfüllung ihrer fa- 16 miliären Beistandspflicht tätig werden, wird idR kein Dienstverhältnis begründet. Gegenteiliges kann aber vereinbart werden. Das äußere Bild der Erfüllung familiärer Beistandspflicht kann jener Spenling
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Dienst- und Werkvertrag
§ 1151
dienstvertraglicher Pflichten völlig gleichen, zumal die Beistandsverpflichtung eine Einordnung des Angehörigen in den Betrieb des anderen nicht ausschließt. Ein Dienstverhältnis kann nur angenommen werden, wenn sein Abschluss klar zum Ausdruck kommt. Die Rspr lehnt hier die Anwendung des sonst eher großzügig gehandhabten § 863 ab und geht im Zweifel von Erfüllung familiärer Beistandspflicht aus (RS0011397; 9 ObA 25/01v DRdA 2002, 331 Dellinger). Die Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen ist gemäß § 98 (s dort Rz 1) angemessen zu vergüten. 17 Dienstleistungen unter Lebensgefährten werden im Zweifel als
außervertragliche, unentgeltliche Gefälligkeitsdienste gewertet. Ein Dienstverhältnis kann vereinbart werden, anders als bei Familienmitgliedern (mangels Beistandspflicht) auch schlüssig (9 ObA 248/98f DRdA 1999, 476 Resch; 9 ObA 161/00t RdW 2001, 103). Auch die (allenfalls konkludente) Vereinbarung einer GesBR kommt in Betracht (§ 1175 Rz 7). 18 Auf die durch Hoheitsakt (Ernennung mittels Bescheids) begründe-
ten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse der Beamten sind die §§ 1151 ff gemäß § 153 Abs 1 der III. TN nicht anwendbar. Hingegen beruhen die Dienstverhältnisse der Vertragsbediensteten des Bundes und der übrigen Gebietskörperschaften auf privatrechtlichen Verträgen, deren Inhalt aber – unbeschadet der eingeschränkt möglichen Vereinbarung von Sonderverträgen (vgl etwa § 36 VBG 1948) – durch Gesetz geregelt ist. VI. Besondere Formen des Dienstvertrages 19 Bei der Arbeitskräfteüberlassung stellt der Dienstgeber den Dienst-
nehmer einem Dritten (Beschäftiger) zur Dienstleistung zur Verfügung („Leiharbeitsverhältnis“). Der Dienstnehmer, der vertragsgemäß zur Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, ist für die Dauer der Überlassung in den Betrieb des Beschäftigers eingegliedert, der dem Dienstnehmer gegenüber auch weisungsbefugt ist. Zwischen dem Dienstnehmer und dem Beschäftiger besteht aber kein Dienstverhältnis. Zwischen dem Dienstgeber und dem Beschäftiger besteht ein Die nstverschaffungs(Dienstnehmerüberlassungs)vertrag. Der Überlasser hat dem Beschäftiger für die durchschnittliche Qualifikation und die Arbeitsbereitschaft des Dienstnehmers (verschuldensunabhängig) Gewähr zu leisten, nicht aber für die mangelnde Qualität der von diesem verrichteten Arbeit (1 Ob 203/01m ecolex 2002, 88; 9 ObA 80/04m DRdA 2006, 207 Kerschner). Vereinbarungen über eine Beschränkung der Entgeltspflicht des Dienstgebers auf Zeiten der Überlassung sind als unerlaubte Arbeitsvermittlung nichtig (EvBl 1987/100). 1256
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Die Arbeitskräfteüberlassung ist durch das AÜG in dessen Anwendungsbereich (s § 1 Abs 2–4 AÜG) umfassend geregelt. Danach treffen den Beschäftiger zahlreiche Dienstgeberpflichten (zB Fürsorgepflicht, Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften). Für die gewerbsmäßige Arbeitskräfteüberlassung wird der Entgeltanspruch des Dienstnehmers unabdingbar durch § 10 AÜG geregelt, nach dem zwischen dem schon vor und unabhängig von der Überlassung zu vereinbarenden Grundentgelt und dem für die Zeit der Überlassung zu leistenden „Beschäftigerentgelt“ zu unterscheiden ist (näher 8 ObA 226/01w DRdA 2002, 307 Schindler; 9 ObA 69/02s ARD 5354/7/2002). Der Gruppendienstvertrag begründet ein Dienstverhältnis einer 20 Gruppe von (meist künstlerisch oder fachlich zusammenwirkenden) Dienstnehmern zu einem Dienstgeber, für den die Bedeutung des Vertrages in der Tätigkeit der ganzen Gruppe liegt. Die Gruppenmitglieder können in einem Vertragsverhältnis mit ihrem Leiter stehen, der mit dem Dienstgeber einen Dienstverschaffungsvertrag schließt. Möglich ist aber auch, dass die Gruppe als solche ein Vertragsverhältnis mit dem Dienstgeber eingeht oder dass Dienstverträge zwischen dem Dienstgeber und jedem Gruppenmitglied geschlossen werden, die nach dem Willen der Vertragspartner miteinander verbunden sind. Setzt auch nur ein Gruppenmitglied einen Entlassungsgrund, kann die ganze Gruppe entlassen werden, sofern sie nicht einen vollwertigen Ersatz beistellen kann. Ebenso rechtfertigt ein vom Dienstgeber gegenüber nur einem Gruppenmitglied gesetzter Austrittsgrund den Austritt der gesamten Gruppe (8 ObA 130/02d Arb 12.269; 8 ObA 104/02f RdW 2004, 49). Das im BAG umfassend geregelte Lehrverhältnis ist trotz des damit 21 verfolgten Ausbildungszwecks ein Dienstverhältnis, auf das subsidiär die Vorschriften des Arbeitsrechts anzuwenden sind. Auch für Volontär- oder Praktikantenverträge ist der Ausbildungszweck kennzeichnend; ob ein solcher Vertrag oder ein Dienstverhältnis vorliegt, hängt davon ab, ob die Interessen des Auszubildenden und der Ausbildungszweck im Vordergrund stehen, oder ob sich die Gestaltung überwiegend am Interesse des Betriebsinhabers an der Arbeitsleistung orientiert. Die Beweispflicht für das Vorliegen einer Ausbildungspraxis trifft den Betriebsinhaber (9 ObA 176/95 SZ 68/184; 9 ObA 288/01w ARD 5366/11/2002). VII. Mangelhafte Dienstverträge Die Anwendung der allgemeinen Regeln über fehlerhafte Verträge 22 (insb wegen Willensmängeln sowie wegen Gesetz- oder SittenwidrigSpenling
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keit) führt beim Dienstverhältnis wegen dessen Charakter als Dauerschuldverhältnis und wegen des Schutzbedürfnisses des Dienstnehmers zu Problemen. Daraus resultiert die Tendenz der Rspr, zur Vermeidung schwieriger Rückabwicklungsprobleme die Anfechtung des Dienstvertrags wegen eines Willensmangels nur mit Wirkung ex nunc zuzulassen (JBl 1969, 285 Spielbüchler; ZAS 1984, 188 Müller). Dieser auf Gschnitzer/K IV/1, 137 zurückgehende Ansatz stößt aber in seiner Allgemeinheit, vor allem bei List und Zwang, auf Kritik (Spielbüchler/Grillberger, AR I 140 f). Bei Gesetz- oder Sittenwidrigkeit tritt die Nichtigkeit nur ein, soweit dies der Normzweck bzw der Grund der Sittenwidrigkeit erfordert (s § 879 Rz 3 f). Betrifft die Nichtigkeit nur eine einzelne Abrede, wird dies idR nicht zur Nichtigkeit des gesamten Dienstvertrags führen, sondern nur zur Nichtigkeit der betroffenen Abrede und der mit ihr in untrennbarem Zusammenhang stehenden Klauseln, was insb dann gelten muss, wenn durch die nichtige Vereinbarung zwingende Bestimmungen abbedungen wurden. Mitunter verlangt der Normzweck jedoch die Nichtigkeit des gesamten Vertrags, wobei es häufig nahe liegt, die Nichtigkeit nicht auf das bereits erfüllte Dienstverhältnis zu erstrecken (Löschnigg, AR 221 f; Spielbüchler/Grillberger, AR I 143). § 1152. Ist im Vertrage kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen. [idF III. TN] Lit: Andexlinger, Zur Feststellung des ortsüblichen Entgelts, ecolex 1997, 183.
1 Die Bestimmung gilt nach ihrem Wortlaut für Dienst- und Werkver-
träge, wird jedoch auch auf freie Dienstverträge angewendet (8 ObA 95/01f Arb 12.168). Darüber hinaus kommt ihre sinngemäße Anwendung auch bei anderen Verträgen in Betracht, bei denen die Entgeltlichkeit dem Grunde nach feststeht, aber – ohne dass dies die Ungültigkeit des Vertrages bewirkt (s etwa 1054 Rz 5) – eine konkretisierende Entgeltvereinbarung fehlt (Krejci/R Rz 2). Im Bereich des Arbeitsrechts gehen dem § 1152 mitunter ähnliche Bestimmungen in Sondergesetzen vor (zB § 6 Abs 1, § 10 Abs 1 AngG). § 1152 ist auch dann anzuwenden, wenn eine Entgeltvereinbarung getroffen wurde, die aber Sonder- oder Zusatzleistungen nicht abdeckt (9 ObA 53/92 Arb 11.018; 9 ObA 71/04p DRdA 2006, 210 B. Schwarz). 1258
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Ein Entgeltanspruch in Analogie zu § 1152 wird auch dann bejaht, 2 wenn Dienstleistungen ohne Vertrag, aber in der für den Empfänger erkennbaren oder von ihm herbeigeführten Erwartung eines späteren Vermögensvorteils zunächst unentgeltlich erbracht werden und diese Erwartung enttäuscht wird („zweckverfehlende Arbeitsleistung“; näher § 1435 Rz 5). Hat der Leistende den in Aussicht genommenen Erfolg selbst vereitelt, ist sein Anspruch durch die beim Empfänger eingetretene Bereicherung begrenzt (9 ObA 222/01i RdW 2002, 421). Ist im Vertrag (auch schlüssig) ein Entgelt bestimmt, kommt § 1152 3 nicht zur Anwendung, selbst dann nicht, wenn das vereinbarte Entgelt unangemessen niedrig ist. Soweit nicht beim Dienstvertrag ein anzuwendender Kollektivvertrag ein (höheres) Mindestentgelt zwingend vorschreibt oder sittenwidriger „Lohnwucher“ iSd § 879 Abs 1 vorliegt, bleibt auch eine unangemessene Entgeltvereinbarung gültig. Entgelt ist alles, was der Dienstnehmer als Gegenleistung für die 4 Dienstleistung bekommt. Dazu gehört nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern alle zusätzlichen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen (zB Zulagen, Beihilfen, Gewinnbeteiligungen), auch wenn sie in ihrer Höhe variabel sind (Provisionen), nur in größeren Zeitabständen (Sonderzahlungen, Prämien) oder aus besonderen Anlässen (Jubiläumsgeld) bzw erst anlässlich oder nach der Beendigung des Dienstverhältnisses (Abfertigung, Betriebspension) gebühren (RS0030847; 9 ObA 220/02x DRdA 2004, 134 M. Binder). Entgelt kann auch in Naturalleistungen bestehen (s aber § 78 GewO 1859; § 8 KJBG; zum „Truckverbot“ M. Binder, FS Bauer/Maier/Petrag, 2004, 111). Kein Entgelt ist die Aufwandsentschädigung, mit der ein mit der Dienstleistung verbundener finanzieller Aufwand abgedeckt wird. Ob eine Leistung Aufwandsentschädigung ist, hängt nicht von ihrer Bezeichnung sondern davon ab, ob und inwieweit sie der Abdeckung eines Aufwandes dient oder (auch) Gegenleistung für die Dienstleistung ist. Soweit die Leistung über die Abgeltung des tatsächlichen Aufwands hinausgeht, ist sie Entgelt (Arb 10.355; DRdA 2004, 134 M. Binder; zur Beweislast: 8 ObA 87/05k ARD 5688/2/2006). Während der Werkvertrag nach überwiegender Meinung notwendig 5 entgeltlich ist (vgl § 1165 Rz 1), können Dienstverträge – sofern nicht Gesetz (zB § 10 AÜG) oder Kollektivvertrag anderes zwingend vorschreiben – unentgeltlich sein (§ 1151 Rz 8). Die Unentgeltlichkeit des Dienstverhältnisses wird nicht vermutet; sie muss ausdrücklich Spenling
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oder schlüssig vereinbart werden (Arb 11.018). Die Beweislast für eine solche Vereinbarung trifft den Dienstgeber. 6 Angemessen ist jenes Entgelt, das sich unter Berücksichtigung aller
Umstände und unter Bedachtnahme auf das unter ähnlichen Umständen Geleistete ergibt (RS0021636; 4 Ob 2161/96i ÖBl 1997, 38). Für Dienstleistungen ist das idR der in Kollektivverträgen festgelegte Lohn, sofern nicht ein höheres Entgelt ortsüblich ist (SZ 57/144; zum ortsüblichen Lohn 8 ObA 226/01w DRdA 2002, 307 Schindler). Richtlinien für die Angemessenheit sind auch (verwandte) Gebührenund Honorarordnungen, auch wenn sie keine normative Wirkung haben (ÖBl 1997, 38). 1. Dienstvertrag § 1153. Wenn sich aus dem Dienstvertrage oder aus den Umständen nichts anderes ergibt, hat der Dienstnehmer die Dienste in eigener Person zu leisten und ist der Anspruch auf die Dienste nicht übertragbar. Soweit über Art und Umfang der Dienste nichts vereinbart ist, sind die den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten. [idF III. TN] Lit: Germ/Spenling, Versetzungsschutz im privaten Arbeitsrecht und im öffentlichen Dienstrecht – ein Vergleich, FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 189; Kietaibl, Die Versetzung aus arbeitsvertraglicher Sicht, ZAS 2005, 52; Klein, Möglichkeiten und Grenzen flexibler Teilzeitarbeit, FS Cerny (2001) 219; Mosler, Beschäftigung nach Bedarf – arbeitsrechtliche Grenzen der flexiblen Teilzeitarbeit, DRdA 2002, 461; Tinhofer, Die kollektivvertraglichen Aspekte der Versetzung, ZAS 2005, 59.
1 Die Verpflichtung zur persönlichen Dienstleistung ist dispositiv; sie
besteht nicht, wenn (ausdrücklich oder schlüssig) vereinbart wurde, dass dem Dienstnehmer die Beiziehung eines Vertreters erlaubt ist. Eine generelle Vertretungsmöglichkeit spricht aber gegen das Vorliegen eines „echten“ Dienstvertrages (§ 1151 Rz 6). 2 Auch der Anspruch auf Dienstleistung ist unübertragbar, wenn sich
aus dem Vertrag nichts anderes ergibt. Mangels gegenteiliger Vereinbarung ist daher die Zession des Anspruchs ebenso unwirksam wie die Anweisung an den Dienstnehmer, die Arbeitsleistung einem Dritten nach dessen Weisung zu erbringen (zur Arbeitskräfteüberlassung s § 1151 Rz 19). 3 Durch den Tod des Dienstnehmers wird das Dienstverhältnis be-
endet; die persönliche Dienstpflicht geht nicht auf seine Erben über 1260
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(SZ 50/103). Der Tod des Dienstgebers beendet das Dienstverhältnis (nur) bei Diensten, die ausschließlich und unmittelbar für die Person des Dienstgebers zu erbringen sind (Pflegerin, Privatsekretär). Das Lehrverhältnis endet, wenn der Lehrberechtigte stirbt und niemand die Ausbildung des Lehrlings fortsetzen kann (SZ 50/103). Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen neuen 4 Inhaber über (Betriebsübergang; zum Begriff RS0082749; 9 ObA 153/98k SZ 71/216) tritt dieser gemäß § 3 Abs 1 AVRAG (bzw § 39a LAG) mit allen Rechten und Pflichten als Dienstgeber in die bestehenden Dienstverhältnisse ein (zum Anwendungsbereich der §§ 3 ff AVRAG 8 ObA 221/98b SZ 72/70; keine Anwendung auf Inhaberwechsel im Konkurs: § 3 Abs 2 AVRAG). Um die Umgehung dieser „Eintrittsautomatik“ zu verhindern, werden Kündigungen durch den früheren oder den neuen Betriebsinhaber, die „wegen des Betriebsübergangs“ erfolgen, als nichtig erachtet (RS0102122; 9 Ob 17/03w RdW 2004, 172). Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen sind möglich, wenn nunmehr ein anderer Kollektivvertrag (eine andere Betriebsvereinbarung) zur Anwendung kommt (s aber § 4 AVRAG); bei einer wesentlichen Verschlechterung hat der Dienstnehmer ein besonderes Recht zur Kündigung, die Ansprüche wie bei einer Dienstgeberkündigung auslöst (§ 3 Abs 5 AVRAG). Übernimmt der neue Dienstgeber den kollektivvertraglichen Bestandschutz oder eine betriebliche Pensionszusage nicht, kann der Dienstnehmer dem Übergang des Dienstverhältnisses widersprechen (§ 3 Abs 4 AVRAG). Zur Haftung des alten und des neuen Inhabers s § 6 AVRAG sowie §§ 1409, 1409a Rz 7. Dienstvertragsübernahmen, die nicht kraft Gesetzes eintreten, be- 5 dürfen der Zustimmung sowohl des Dienstnehmers als auch des alten und des neuen Dienstgebers (SZ 53/170; SZ 61/118). Art und Umfang der Dienstleistung richten sich nach dem Dienst- 6 vertrag, der aber die geschuldeten Dienste oft nur grob umschreibt. Auch schlüssige Vereinbarungen – etwa bei langjähriger Übung – sind beachtlich. Aus der längeren Verwendung an einem Arbeitsplatz allein kann jedoch noch nicht geschlossen werden, dass sich der Aufgabenkreis des Dienstnehmers dauerhaft auf diese Tätigkeit beschränkt (9 ObA 171/94 ZAS 1995, 88 Tomandl). Bei der Auslegung des Vertrags ist dessen Sinn zu beachten, der nach redlicher Verkehrsübung (s § 914) die Dienstpflicht von den jeweils gegebenen Umständen abhängig machen kann (DRdA 1989, 395 Apathy; 8 ObA 2108/96z DRdA 1997, 379). Nicht durch den Vertrag gedeckte Dienste müssen aber nicht geleistet werden. Bei unkündbaren (definitiven) DienstverSpenling
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hältnissen legt die Rspr das im Fall einer Änderung der Verhältnisse gegebene Weisungsrecht des Dienstgebers weiter aus (ZAS 1995, 88 Tomandl). Auch das kann aber nicht zu einer völligen Abkopplung von der vertraglichen Vereinbarung führen. Näher zur „Versetzung“ s Rz 9. 7 Den Ort der Dienstleistung bestimmt ebenfalls der Dienstvertrag.
Nach der Rspr kann die bloß demonstrative Anführung des (derzeitigen) Arbeitsortes im Dienstvertrag für sich allein nicht als Vereinbarung gewertet werden, dass der Dienstnehmer seine Dienstleistung ausschließlich an diesem Ort zu erbringen habe (9 ObA 51/99m ZAS 2001, 78 Korn; krit Mayr, FS Bauer/Maier/Petrag, 2004, 175 f). Wird Derartiges jedoch in qualifizierter Weise vereinbart, wird eine „Folgepflicht“ des Dienstnehmers – insb bei Betriebsverlegung – (nur) bejaht, wenn sie dem Dienstnehmer zumutbar ist (ZAS 2001, 78 Korn; 9 ObA 48/00z DRdA 2001, 244 Pfeil; zu den Kriterien Germ/ Spenling, FS Bauer/Maier/Petrag 193). 8 Auch der zeitliche Umfang der Dienstleistung richtet sich nach dem
Dienstvertrag, dem aber durch das AZG und allenfalls anzuwendende kollektivvertragliche Normen Grenzen gesetzt sind. § 19c AZG schreibt vor, dass mangels kollektivvertraglicher Regelung die Lage der Normalarbeitszeit und ihre Änderung zu vereinbaren sind; zudem begrenzt er die Möglichkeit von Änderungen. Von unvorhergesehenen Notfällen abgesehen, müssen Überstunden (= über die gesetzliche Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistungen, § 6 AZG) nur im Fall einer (einzel- oder kollektiv-)vertraglichen Verpflichtung geleistet werden. Vereinbarungen oder Weisungen, die gegen das AZG verstoßen, sind nichtig (9 ObA 28/01k DRdA 2002, 299 B. Schwarz). Bei Teilzeitbeschäftigung sind Ausmaß und Lage der Arbeitszeit zu vereinbaren (§ 19d AZG; zu den Folgen des Fehlens einer Vereinbarung 8 ObA 277/01w JBl 2003, 126; 8 ObA 116/04y DRdA 2005, 417 B. Schwarz); die Verpflichtung zu Mehrarbeit (mangels Überschreitung der gesetzlichen Normalarbeitszeit keine Überstunden) ist durch § 19d Abs 3 AZG beschränkt. 9 Weisungen des Dienstgebers, die zu einer einschneidenden Änderung
der bisherigen Dienstleistung führen („Versetzung“), sind nur zulässig, wenn auch die neu zugewiesene Tätigkeit vertraglich gedeckt ist. Vertragsändernde Versetzungen sind mangels Zustimmung des Dienstnehmers unwirksam; der Dienstnehmer ist berechtigt, die Befolgung zu verweigern, sich auf der Grundlage des Dienstvertrages leistungsbereit zu erklären und – bei Versetzungen mit Schmälerung des Entgelts – die Fortzahlung des bisherigen Entgelts zu verlangen. 1262
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Er kann auch auf Feststellung klagen, zur Arbeit am neuen Arbeitsplatz nicht verpflichtet zu sein. Die Unwirksamkeit kann zeitlich nicht unbegrenzt geltend gemacht werden („Aufgriffsobliegenheit“: Germ/Spenling, FS Bauer/Maier/Petrag 192; 9 ObA 122/00g RdW 2000, 757). Unabhängig vom vertraglichen Versetzungsschutz und vom Willen des Dienstnehmers sind „verschlechternde Versetzungen“ (zum Begriff 9 ObA 198/00h wbl 2001, 228) nach § 101 ArbVG nur mit Zustimmung des Betriebsrates zulässig (betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsschutz). Die nachträgliche Zustimmung ändert an der Unwirksamkeit der Versetzung nichts (wbl 2001, 228). Der Dienstgeber kann den Betriebsrat auf Zustimmung klagen. Ein allgemeines Recht auf Beschäftigung anerkennt die Rspr nicht. 10 Es kann sich aber aus Gesetz (§ 21 SchSpG) oder (Einzel- oder Kollektiv-) Vertrag ergeben. Bei Berufen, bei denen die Nichtbeschäftigung zum Verlust von Fertigkeiten oder Berechtigungen führt (zB Gefäßchirurg, Pilot), ergibt es sich aus der Natur des Dienstvertrags (9 ObA 2263/96a SZ 69/252; 9 ObA 51/03w wbl 2003, 540). Hat der Dienstnehmer kein Recht auf Beschäftigung, darf er vom Dienst suspendiert (freigestellt) werden, was aber die Entgeltpflicht nicht beeinflusst (§ 1155 Rz 4). Den Dienstnehmer trifft die im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte 11 Treuepflicht. Sie umfasst die Verpflichtung zur Respektierung des unternehmerischen Tätigkeitsbereichs, nicht aber die Verpflichtung zur umfassenden Wahrung aller nur denkbaren Dienstgeberinteressen (9 ObA 287/92 wbl 1993, 190; 9 ObA 82/06h ecolex 2007, 54; näher Löschnigg, AR 256 ff). Meist werden mit diesem Begriff Unterlassungspflichten (etwa Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) begründet, mitunter auch Handlungspflichten (Warnpflichten; Verpflichtung zu Mehrarbeit in Notfällen). Anspruch auf das Entgelt § 1154. (1) Wenn nichts anderes vereinbart oder bei Diensten der betreffenden Art üblich ist, ist das Entgelt nach Leistung der Dienste zu entrichten. (2) Ist das Entgelt nach Monaten oder kürzeren Zeiträumen bemessen, so ist es am Schlusse des einzelnen Zeitraumes; ist es nach längeren Zeiträumen bemessen, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten. Ein nach Stunden, nach Stück oder Einzelleistungen bemessenes Entgelt ist für die schon vollendeten Leistungen am Schlusse einer jeden Kalenderwoche, wenn es sich jeSpenling
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doch um Dienste höherer Art handelt, am Schlusse eines jeden Kalendermonats zu entrichten. (3) In jedem Falle wird das bereits verdiente Entgelt mit der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig. [idF III. TN]
1 Da viele Sondergesetze eigene Bestimmungen über die Fälligkeit des
Entgelts enthalten (zum Entgeltbegriff § 1152 Rz 4), ist der Anwendungsbereich des § 1154 gering; die Abs 1 und 2 lassen überdies abweichende Vereinbarungen zu. Abs 3 ist relativ zwingend (§ 1164 Abs 1). 2 Fälligkeit am Schluss der jeweiligen Lohnperiode bedeutet, dass das
Entgelt am letzten Tag der Periode (und nicht am ersten Tag der Folgeperiode) fällig wird; ist der letzte Tag ein arbeitsfreier Samstag, Sonn- oder Feiertag, tritt Fälligkeit am letzten vorangehenden Arbeitstag ein. Zum Einfluss von arbeitsfreien Tagen: LG Wien Arb 5230. 3 Den Zahlungsort regelt § 1154 nicht. Die Pflicht zur Entgeltzahlung
ist nach der Verkehrssitte entgegen § 905 Abs 2 eine Holschuld; ist der Dienstnehmer am Zahlungstag nicht im Betrieb anwesend, wird sie zur Schickschuld (SZ 60/81; Arb 10.726). Mangels einer entsprechenden Regelung in Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung setzt die bargeldlose Überweisung auf ein Gehaltskonto eine Vereinbarung voraus (8 ObA 281/95 EvBl 1996/116). Durch die Bekanntgabe der Bankverbindung erteilt der Dienstnehmer seine Zustimmung (9 ObA 184/91 JBl 1992, 336). Ist nichts anderes vereinbart, hat er die Kosten der Kontoführung zu tragen (Arb 10.642). Der geschuldete Betrag muss am Fälligkeitstag dem Konto gutgeschrieben sein und dem Dienstnehmer zur Verfügung stehen (Arb 10.642). Das Risiko von Fehlüberweisungen trägt der Dienstgeber bis zum Einlangen der Zahlung beim vom Dienstnehmer ermächtigten Geldinstitut (JBl 1992, 336). 4 Entgeltansprüche verjähren gemäß § 1486 Z 5 in drei Jahren ab Fäl-
ligkeit. Zur Vereinbarung kürzerer Verfallsfristen s § 1162d. 5 Vom Entgelt hat der Dienstgeber die gesetzlichen Abzüge vorzuneh-
men, so dass nicht der Brutto-, sondern der Nettolohn ausgezahlt wird. Eine Klage auf den Bruttolohn ist zulässig und exequierbar (RS0000636; 9 ObA 100/03a RdW 2004, 116). Im Fall der Exekution kann der Dienstgeber sein Abzugsrecht nach § 35 EO geltend machen (3 Ob 15/96 SZ 70/132; 8 ObA 142/00s). Zur „Brutto-Netto“-Problematik bei der Rückforderung von Überzahlungen s 8 ObA 69/05p ARD 5714/9/2006. 1264
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Zu Aufrechnungsbeschränkungen s § 78 GewO 1859; § 7 DHG; 6 § 293 EO; zu Pfändungsbeschränkungen §§ 290 ff EO. Zur Rückforderung von Überzahlungen s § 1437 Rz 5. § 1154a. Der nach Stück oder Einzelleistungen entlohnte Dienstnehmer kann einen den geleisteten Diensten und seinen Auslagen entsprechenden Vorschuß vor Fälligkeit des Entgelts verlangen. [III. TN]
Ob Vorschuss (Vorauszahlung noch nicht fälligen Entgelts) oder Dar- 1 lehen vorliegt, richtet sich nach der Vereinbarung; Verzinsung spricht für Darlehen. Die (dispositive) Vorschrift des § 1154a sieht einen Anspruch auf Vorschuss nur für nach Stück oder Einzelleistungen entlohnte Dienstnehmer vor. Der Anspruch besteht nur in jener Höhe, die den bereits geleisteten Diensten und den Auslagen entspricht. Mangels abweichender Vereinbarung hat die Abrechnung des Vorschusses jedenfalls mit Ende des Dienstverhältnisses zu erfolgen (9 ObA 125/91 EvBl 1992/28). § 1154b. (1) Der Dienstnehmer behält seinen Anspruch auf das Entgelt, wenn er nach Antritt des Dienstes durch Krankheit oder Unglücksfall an der Dienstleistung verhindert ist, ohne dies vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet zu haben, bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das Dienstverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält der Dienstnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt. (2) Bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs gemäß Abs. 1 noch nicht erschöpft ist. (3) Wird ein Dienstnehmer durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Dienstverhinderung bis zur Dauer von acht Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Dienstverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Bei wiederholten DienstverSpenling
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hinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Dienstjahres nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs nach dem ersten oder zweiten Satz noch nicht erschöpft ist. Ist ein Dienstnehmer gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern beschäftigt, so entsteht ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber jenem Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung im Sinne dieses Absatzes eingetreten ist; gegenüber den anderen Dienstgebern entstehen Ansprüche nach Abs. 1. (4) Kur- und Erholungsaufenthalte, Aufenthalte in Heil- und Pflegeanstalten, Rehabilitationszentren und Rekonvaleszentenheimen, die wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit von einem Träger der Sozialversicherung, dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen gemäß § 12 Abs. 4 Opferfürsorgegesetz, einem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen oder einer Landesregierung auf Grund eines Behindertengesetzes auf deren Rechnung bewilligt oder angeordnet werden, sind einer Dienstverhinderung gemäß Abs. 3 gleichzuhalten. (5) Der Dienstnehmer behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Dienstleistung verhindert wird. (6) Durch Kollektivvertrag können von Abs. 5 abweichende Regelungen getroffen werden. Bestehende Kollektivverträge gelten als abweichende Regelungen. [idF BGBl I 2000/44] Lit: Drs, Neues aus dem Arbeits- und Sozialrecht – Das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000, RdW 2000, 479; dies, Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs in Arbeits- oder Kalendertagen? RdW 2003, 645.
1 § 1154b ordnet die Fortzahlung des Entgelts bei Dienstverhinde-
rungen an, die der Sphäre des Dienstnehmers zuzurechnen sind; § 1155 greift bei Hinderungsgründen in der Sphäre des Dienstgebers. Kein Entgeltanspruch besteht bei Hinderungsgründen, die wegen ihrer umfassenden und die Allgemeinheit betreffenden Konsequenzen weder auf der Dienstnehmer- noch auf der Dienstgeberseite liegen („neutrale Sphäre“; § 1155 Rz 5). 2 Abgesehen von der für Arbeiter bedeutsamen Anordnung des Abs 5
hat § 1154b geringe Bedeutung, weil die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die meisten Dienstnehmer im EFZG, in § 8 AngG und in anderen Sondergesetzen geregelt ist. Nach Abs 6 können (nur) 1266
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Dienstvertrag
§ 1154b
durch Kollektivverträge von Abs 5 abweichende Regelungen getroffen werden (Drs, RdW 2000, 480); die Abs 1–4 sind zugunsten der Dienstnehmer zwingend (§ 1164 Abs 1). Die Dienstverhinderung muss nach Antritt des Dienstes (Arbeits- 3 aufnahme) eingetreten sein; Vertragsabschluss allein reicht nicht. Der Anspruch besteht auch dann, wenn die Ursache der Dienstverhinderung vor Dienstantritt liegt (Arb 6816). Krankheit iSd § 1154b ist ein im medizinischen Sinn regelwidriger 4 Körper- oder Geisteszustand, der eine zumindest vorübergehende Arbeitsunfähigkeit bewirkt (RdW 1985, 350). Unglücksfall ist ein plötzliches Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt. Der Arbeitsunfall und die ihm gleichgestellten Unfälle sind in den §§ 175 f ASVG definiert; Berufskrankheiten sind gemäß § 177 ASVG die in der Anlage I zum ASVG bezeichneten Krankheiten. Andere wichtige, die Person des Dienstnehmers betreffende Gründe sind solche, die in seiner Person entstanden sind, aber auch solche, die „ihn angehen“ und ihn durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hindern oder wichtig genug sind, um ihn davon abzuhalten (Arb 10.702), etwa familiäre Ereignisse (Begräbnis naher Angehöriger: Arb 8147; besondere Familienfeste: Arb 8194), öffentlich-rechtliche Pflichten (als Zeuge oder Laienrichter: 8 ObA 71/03d ecolex 2004, 632), oder Verkehrsstörungen (JBl 1982, 802; dazu und zur Abgrenzung der „Zurechnungssphären“ s § 1155 Rz 5), nicht aber die üblichen Verspätungen im Massenverkehr. Bei Dienstverhinderung durch Krankheit, Unglücksfall, Arbeitsun- 5 fall oder Berufskrankheit besteht der Anspruch nur, wenn der Hinderungsgrund nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde (was bei einem Sportunfall nicht zwangsläufig zu unterstellen ist: Arb 8360). Bei Dienstverhinderung durch andere wichtige, die Person des Dienstnehmers betreffende Gründe schließt hingegen jedes Verschulden den Anspruch aus. Ein Anspruch nach Abs 5 besteht nur bei „verhältnismäßig kurze 6 Zeit“ dauernden Hinderungsgründen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, insb die Wichtigkeit des Ereignisses und die Dauer des Dienstverhältnisses. Die Dienstverhinderung ist dem Dienstgeber ohne Verzug mitzu- 7 teilen (8 ObA 2058/96x SZ 69/105; s auch § 8 Abs 8 AngG und § 4 Abs 1 EFZG) und – über Verlangen – durch Vorlage der im Gesetz genannten Bestätigung nachzuweisen. Für die Zeit der Säumnis geht der Anspruch auf Entgelt verloren. Ein Entlassungsgrund wird daSpenling
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Dienstvertrag
§ 1155
durch ausnahmsweise dann verwirklicht, wenn für den Dienstnehmer die Gefahr einer Schädigung des Dienstgebers erkennbar war und ihm die Mitteilung leicht möglich gewesen wäre (RS0028891; 8 ObA 214/01f wbl 2002, 177). 8 Der Dienstnehmer hat Anspruch auf jenes Entgelt, das er sonst ver-
dient hätte („Lohnausfallprinzip“). Der Anspruch umfasst daher etwa auch Sonderzahlungen, entgangene Überstundenentgelte, regelmäßig gewährte Prämien und entgangene Provisionen, wobei variable Entgeltbestandteile idR nach dem Durchschnittsverdienst zu bemessen sind (s auch § 1155 Rz 7). Allerdings ist die Betriebssituation zu berücksichtigen. Entfällt Arbeit im Betrieb und mindert sich dadurch der Entgeltanspruch auch der übrigen Beschäftigten, verringert sich auch der Anspruch nach § 1154b (SZ 50/44). 9 Zur Lohnfortzahlungspflicht des Dienstgebers bei Verletzung des
Dienstnehmers durch einen ersatzpflichtigen Dritten vgl § 1295 Rz 17. § 1155. (1) Auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, gebührt dem Dienstnehmer das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. (2) Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Dienstleistung verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung. [idF III. TN] Lit: Drs, Streik: Entgeltfortzahlungsanspruch arbeitswilliger Arbeitnehmer, RdW 2006, 230; Ettmayer, Die Anrechnung des zu erwerben absichtlich Versäumten nach § 1155 ABGB, JBl 2006, 295; Krejci, Lohnzahlung bei Teilstreik? (1988); Marhold, Entgeltanspruch für Trittbrettfahrer? ASoK 2005, 78; Naderhirn, Gedanken zur Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei höherer Gewalt, DRdA 2005, 17; Rebhahn, Der Arbeitskampf bei weitgehend gesetzlicher Regelung der Arbeitsbedingungen, DRdA 2004, 399 und 503.
1 § 1155 regelt den Entgeltanspruch des Dienstnehmers bei Dienstver-
hinderung durch Gründe in der Sphäre des Dienstgebers (zu Gründen in der Dienstnehmersphäre s § 1154b, in der „neutralen Sphäre“ Rz 5). Sein Anwendungsbereich ist groß, weil vergleichbare Normen in den arbeitsrechtlichen Sondergesetzen weitgehend fehlen. Die Re1268
Spenling
Dienstvertrag
§ 1155
gelung ist dispositiv (Arb 10.603); die generelle Abwälzung des Unternehmerrisikos auf den Dienstnehmer ist aber sittenwidrig. § 1155 setzt ein aufrechtes Dienstverhältnis voraus. Bei wirksamer 2 Beendigung des Dienstverhältnisses durch unberechtigte Entlassung oder fristwidrige Kündigung gebührt bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem das Dienstverhältnis ordnungsgemäß hätte beendet werden können, kein Anspruch nach § 1155 sondern die sog Kündigungsentschädigung nach § 29 AngG bzw § 1162b (Arb 10.061; Arb 10.581; s aber Krejci/R Rz 40 ff). Ein Anspruch nach § 1155 besteht nur bei Leistungsbereitschaft des 3 Dienstnehmers. Ist er krank, richten sich seine Ansprüche nach § 1154b. Der Dienstnehmer muss die Leistungsbereitschaft in geeigneter Weise bekunden, idR durch Erscheinen im Betrieb. Bei längerem Beschäftigungsmangel genügt Erscheinen in größeren Intervallen oder telefonische Erreichbarkeit (9 ObA 602/90 SZ 63/173). Lässt der Dienstgeber die Dienste für einen längeren Zeitraum endgültig nicht zu, ist der Dienstnehmer nicht mehr verpflichtet, sich weiter bereit zu halten, sondern kann eine andere Tätigkeit aufnehmen. In diesem Fall bekundet er seine Leistungsbereitschaft durch unverzügliche Einleitung der zur rechtmäßigen Auflösung des „Zwischendienstverhältnisses“ nötigen Schritte (RS0021583; 9 ObA 115/03g ecolex 2004, 730). Obzwar dies insb wegen der in diesem Fall als unbefriedigend emp- 4 fundenen Anrechungsregel bestritten wurde, ist § 1155 nach Rspr und hL auch bei schuldhaftem Annahmeverzug des Dienstgebers anzuwenden (RS0021454; 9 ObA 24/01x RdW 2002, 362; zum Meinungsstand Löschnigg, AR 388; zur Anrechnung Rz 8). Ein der Kündigungsanfechtungsklage stattgebendes erstinstanzliches Urteil ist nach § 61 Abs 1 Z 1 ASGG vorläufig verbindlich und ermöglicht bis zur Beendigung des Verfahrens die Anwendung des § 1155. Wird die Klage allerdings im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen, kommt es zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung (9 ObA 283/99d SZ 72/200). Auch Zufälle in der Sphäre des Dienstgebers begründen den Entgelt- 5 fortzahlungsanspruch. Allerdings ist hier die Abgrenzung schwierig und umstritten. Nach hM gehören alle Ereignisse und Umstände zur Sphäre des Dienstgebers, die seine Person, sein Unternehmen, Organisation und Ablauf des Betriebes, die Zufuhr von Rohstoffen, Energien und sonstigen Betriebsmitteln, die erforderlichen Arbeitskräfte, die Auftrags- und Absatzlage sowie die rechtliche Zulässigkeit der Tätigkeit betreffen. Dazu zählen neben organisatorischen und techSpenling
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Dienstvertrag
§ 1155
nischen Mängeln auch Fälle „höherer Gewalt“, sofern von ihnen das Unternehmen, aber nicht die Allgemeinheit berührt ist, unabhängig davon, ob sie vom Dienstgeber beherrschbar sind (RS0021631; 9 ObA 27/98f SZ 71/64; Löschnigg, AR 388 f). Elementarereignisse (zB Blitzschlag, Hochwasser im Betrieb) sind daher dem Dienstgeber zuzurechnen, ebenso durch Schlechtwetter (Schneechaos) bedingte Verkehrsprobleme, die im Betrieb die Arbeit unmöglich machen, aber nicht die Allgemeinheit betreffen. Elementarereignisse, von denen die Allgemeinheit betroffen ist (Erdbeben, Terror, der sich nicht nur gegen den Betrieb richtet, Seuchen, Krieg) sind hingegen nicht dem Dienstgeber zuzurechnen („neutrale Sphäre“); ebenso wenig die wetterbedingte Lahmlegung des gesamten Verkehrs oder der Zusammenbruch des gesamten Stromnetzes (ZAS 1988, 167 Schnorr). Bei Hinderungsgründen in der neutralen Sphäre besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. 6 Streikende Dienstnehmer haben keinen Entgeltanspruch (Löschnigg,
AR 391 und 785; 9 ObA 17/05y RdW 2006, 230 Drs; 8 ObA 23/05y ZAS 2006, 183 Tomandl). Strittig ist, ob leistungsbereiten Dienstnehmern, die wegen eines Teilstreiks in ihrem Betrieb oder wegen Streiks in anderen Betrieben an der Dienstleistung verhindert sind, ein Entgeltanspruch zusteht. Dies wird teilweise bejaht (Löschnigg, AR 392 f; SZ 3/84), teilweise aber unter Hinweis auf die „arbeitskampfrechtlichen Grundsätze der Kampf(mittel)parität“ verneint (Krejci/R Rz 20). Kein Entgeltanspruch besteht jedenfalls dann, wenn die Leistungsbereitschaft nur vorgetäuscht wird (näher, aber die Grundfrage offen lassend RdW 2006, 230; ZAS 2006, 183). 7 Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist kein Schadenersatz-, son-
dern ein Erfüllungsanspruch. Er ist auf jenes Entgelt gerichtet, das der Dienstnehmer bekommen hätte, wenn er wie bisher weiter gearbeitet hätte (Lohnausfallprinzip; 9 ObA 203/94 Arb 11.338). Er umfasst daher auch regelmäßig bezogene Zulagen und Zuschläge (Arb 8015), Sonderzahlungen (Arb 7680), Überstundenentgelt für regelmäßig in Betracht kommende Mehrleistungen (Arb 11.338), Überstundenpauschalen (8 ObA 79/04g RdW 2005, 371) sowie Provisionen, die der Dienstnehmer üblicherweise erzielt hätte (idR auf der Grundlage des Durchschnittes der letzten zwölf repräsentativen Monate; RS0109785; SZ 71/64). „Echte“ Aufwandsentschädigungen (§ 1152 Rz 4) sind nicht weiter zu zahlen. Zum Verhältnis von § 1155 zur (spezielleren) Norm des § 12 AngG SZ 71/64. 8 Zu den anzurechnenden Ersparnissen zählen ua durch das Unter-
bleiben der Dienstleistung nicht aufgelaufene Kosten für Fahrt oder 1270
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Dienstvertrag
§ 1156
Verpflegung. Anrechenbarer anderweitiger Erwerb ist auch Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, nicht aber Arbeitslosenentgelt (Arb 10.311) und nicht der Wert der eigenen Arbeitsleistung im eigenen Betrieb oder Haushalt, sofern sich der Betroffene nicht dadurch eine Hilfskraft erspart (EA St. Pölten Arb 3318). Der Dienstnehmer versäumt dann absichtlich anderweitigen Erwerb, wenn er – mit dem Vorsatz, die Anrechnung zu verhindern – eine ihm (gemessen an der geschuldeten Arbeit) zumutbare Beschäftigung ausschlägt oder sich nicht darum bemüht (RS0021599; Arb 10.311). Die Lehre plädiert für Zurückhaltung bei der Anrechnung, wenn der Dienstgeber die Dienstleistung schuldhaft verhindert (Löschnigg, AR 393). Dem trägt die Rspr insofern Rechnung, als sie die Anrechung zwar nicht generell bei Vorsatz des Dienstgebers ausschließt, wohl aber bei Mutwilligkeit oder Missbrauch (RdW 2002, 362; ecolex 2004, 730). Zur Anrechnung kommt es nur, wenn das Unterbleiben der Dienstleistung für die Ersparnis oder den anderweitigen Erwerb kausal war (RS0021467; Arb 10.311; daher keine Anrechnung von [Neben-]Einkünften, die ohnedies erzielt worden wären). Zudem muss zeitliche Kongruenz bestehen; ein zeitweise erzielter Mehrverdienst ist nicht auf andere Zeiträume mit keinem oder weniger Erwerb zu verteilen (RS0021532; ZAS 1983, 62 Schrammel). Anders als nach § 1162b ist nach § 1155 sofort und nicht erst nach drei Monaten anzurechnen. Die Behauptungs- und Beweislast für die Anrechnungsvoraussetzungen trifft den Dienstgeber. Es bedarf eines konkreten und substantiierten Vorbringens; die Wiedergabe des bloßen Gesetzeswortlautes reicht nicht (RS0021543; Arb 10.311; 9 ObA 135/03y Arb 12.388). Wird aus dem Dienstgeber zuzurechnenden Gründen weniger oder 9 kürzer gearbeitet, hat der Dienstnehmer nach § 1155 Abs 2 Anspruch auf jenes Entgelt, das er ohne Störung verdient hätte. Erlöschen der Ansprüche § 1156. Die dem Dienstgeber nach § 1154b obliegenden Verpflichtungen erlöschen, wenn das Dienstverhältnis infolge Ablaufes der Zeit, für die es eingegangen wurde, oder infolge einer früheren Kündigung oder einer Entlassung endet, die nicht durch die Erkrankung oder sonstige die Person des Dienstnehmers betreffende wichtige Gründe im Sinne des § 1154b verursacht ist. Wird der Dienstnehmer wegen der Verhinderung entlassen oder wird ihm während der Verhinderung gekündigt, so bleibt die dadurch herSpenling
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Dienstvertrag
§ 1157
beigeführte Beendigung des Dienstverhältnisses in Ansehung der bezeichneten Ansprüche außer Betracht. [idF BGBl I 2000/44]
1 Die relativ zwingende (§ 1164) Bestimmung soll verhindern, dass sich
der Dienstgeber dem Fortzahlungsanspruch des Dienstnehmers durch Entlassung oder Kündigung entzieht (ähnlich § 9 AngG, § 5 EFZG). Dem Dienstnehmer bleibt der Anspruch erhalten, wenn er wegen der Dienstverhinderung entlassen oder – wenn auch nicht wegen der Verhinderung – während dieser gekündigt wird, unabhängig davon, ob der Dienstgeber vom Hinderungsgrund weiß (Arb 7749). Die Entlassung aus einem anderen Grund, eine schon vor der Verhinderung ausgesprochene Dienstgeberkündigung, die Beendigung des befristeten Dienstverhältnisses durch Zeitablauf, die Beendigung durch den Dienstnehmer und die einvernehmliche Auflösung beenden hingegen den Anspruch. § 1156 gilt auch für über § 1154b hinausgehende günstigere Fortzahlungsansprüche, die auf Kollektiv- oder Einzelvertrag beruhen (Arb 7749). § 1156a. [aufgehoben, BGBl I 2000/44] Fürsorgepflicht des Dienstgebers § 1157. (1) Der Dienstgeber hat die Dienstleistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beizustellenden oder beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen, daß Leben und Gesundheit des Dienstnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist, geschützt werden. (2) Ist der Dienstnehmer in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen, so hat dieser in Ansehnung des Wohn- und Schlafraumes, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit die mit Rücksicht auf Gesundheit, Sittlichkeit und Religion des Dienstnehmers erforderlichen Anordnungen zu treffen. [idF III. TN]
1 Die relativ zwingende (§ 1164) Bestimmung (ähnliche Normen fin-
den sich in verschiedenen Sondergesetzen) ist – weit über ihren Wortlaut hinaus – Grundlage für die Annahme eines als „Fürsorgepflicht“ bezeichneten Bündels von Dienstgeberpflichten. 2 Zu den durch die Fürsorgepflicht geschützten Rechtsgütern zählen
nicht nur Leben und Gesundheit des Dienstnehmers, sondern – über den Wortlaut hinaus – alle Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers, insb auf sexuelle Integrität, Gewissens- und Glaubensfreiheit, Pri1272
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Dienstvertrag
§ 1158
vatsphäre und auch vermögensrechtliche Interessen (SZ 39/25; 9 ObA 118/03y ZAS 2004, 249 Schrank; 9 ObA 143/03z DRdA 2005, 342 Eichinger). Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, nach dem 3 der Dienstgeber einzelne seiner Dienstnehmer (etwa bei der Einstufung oder bei der Gewährung von Leistungen) nicht ohne sachlichen Grund schlechter behandeln darf als die übrigen (RS0060204; 9 ObA 24/02y Arb 12.271; zeitliche Differenzierung ist allerdings erlaubt), wird oft als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstgebers gesehen (Arb 9523; Arb 9574). Die Verletzung der Fürsorgepflicht kann Unterlassungs- oder Besei- 4 tigungsansprüche, Erfüllungsansprüche (etwa auf Vornahme von Schutzmaßnahmen oder auf gleiches Entgelt), ein Leistungsverweigerungsrecht (zB bei fehlenden Schutzvorkehrungen) oder – bei Verschulden des Dienstgebers – Schadenersatzansprüche des Dienstnehmers auslösen (ZAS 2004, 249); bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses ist der Dienstnehmer zum Austritt berechtigt. Endigung des Dienstverhältnisses § 1158. (1) Das Dienstverhältnis endet mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen wurde. (2) Ein auf Probe oder nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden. (3) Ein für die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre vereinbartes Dienstverhältnis kann von dem Dienstnehmer nach Ablauf von fünf Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gelöst werden. (4) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden. [idF III. TN]
Die §§ 1158–1163 regeln die Beendigung des Dienstverhältnisses, 1 erfassen aber nicht alle Beendigungsarten. Die einvernehmliche Auflösung, der Eintritt einer auflösenden Bedingung, die Folgen des Todes eines Vertragspartners und der Rücktritt vom Dienstvertrag bleiben ungeregelt. Sondergesetze enthalten umfangreiche Regelungen über die Beendigung, die dem ABGB vorgehen (insb die §§ 19 ff AngG und – für Arbeiter – die gemäß § 376 Z 47 GewO 1994 weiter geltenden §§ 82 ff GewO 1859). Eine wichtige Rolle spielen Spenling
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Dienstvertrag
§ 1158
überdies die Bestimmungen über den allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutz und sondergesetzliche Normen, die für bestimmte Dienstnehmergruppen einen besonderen Bestandschutz vorsehen (zum Kündigungsschutz §§ 1159–1159c Rz 11 ff; zum Entlassungsschutz § 1162 Rz 22 ff). Die §§ 1158–1159b sind relativ zwingend (§ 1164 Abs 1), der in § 1164 nicht erwähnte § 1159c ist – wie sich aus seinem Wortlaut ergibt – zweiseitig zwingend. 2 Das befristete Dienstverhältnis ist nur in Teilbereichen geregelt.
§ 1158 regelt einige Aspekte der Beendigung (ebenso §§ 19, 21 AngG). Daneben gibt es sondergesetzliche Bestimmungen für bestimmte Berufsgruppen (zB in den Vertragsbedienstetengesetzen des Bundes und der Länder). § 2b AVRAG verbietet die Diskriminierung befristet beschäftigter Dienstnehmer und verpflichtet den Dienstgeber, sie über frei werdende unbefristete Dienstverhältnisse zu informieren. Im Übrigen wird die Rechtslage durch von der Rspr erarbeitete Grundsätze geprägt. 3 Die Befristung bedarf einer Vereinbarung, die nur wirksam ist, wenn
das Ende des Dienstverhältnisses objektiv bestimmbar ist und nicht von der Willkür einer Partei abhängt (zB „für die Dauer der Wintersaison“). Ein kalendermäßig bestimmter Endtermin ist nur erforderlich, wenn dies in Kollektivverträgen vorgeschrieben ist (RS0028403; 8 ObA 130/99x DRdA 2000, 328); bei nicht genügender Bestimmtheit (zB „für die Dauer des Bedarfs“) gilt das Dienstverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. 4 Befristete Dienstverhältnisse enden von selbst. Eine Kündigung
während der Vertragszeit ist nur zulässig, wenn die Kündigungsmöglichkeit vereinbart wurde. Solche Vereinbarungen sind nur wirksam, wenn die Dauer der Befristung und die Möglichkeit der Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen (RS0028428; 8 ObA 42/04s ZAS 2004, 288). Kündigt der Dienstgeber das befristete Dienstverhältnis ohne eine solche Vereinbarung, wird es zwar – sofern nicht der Ausschluss der Kündigung ausdrücklich vereinbart wurde – beendet, es treffen ihn aber die Folgen der ungerechtfertigten vorzeitigen Auflösung (§ 1162b; 9 ObA 140/90 Arb 10.867; 9 ObA 49/05d ARD 5706/4/2006). Die vorzeitige Entlassung beendet (unabhängig von ihrer Berechtigung) das befristete Dienstverhältnis; die Entlassungsanfechtung nach § 106 ArbVG ist möglich (9 ObA 31/04f DRdA 2005, 309 Löschnigg = ecolex 2004, 732 Windisch-Graetz). 5 Um die Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zu verhin-
dern, wird die Aneinanderreihung von befristeten Dienstverhältnis1274
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Dienstvertrag
§ 1158
sen („Kettendienstverträge“) nur dann als zulässig erachtet, wenn sie durch besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe gerechtfertigt ist. Andernfalls sind Kettendienstverträge als einheitliche unbefristete Dienstverträge zu behandeln, und zwar auch dann, wenn zwischen den einzelnen Vertragsverhältnissen geringe zeitliche Abstände liegen. Die erste Befristung bedarf keiner Begründung (s aber § 11 Abs 2 AÜG; § 10a MuttSchG); schon die zweite ist auf ihre Berechtigung zu prüfen (RS0028327; 9 ObA 89/02g RdW 2003, 160; aM Tomandl, ZAS 2004, 276). Rechtfertigungsgründe sind zB das objektiv vorhersehbare Ende des Arbeitsbedarfes (etwa bei Saisonarbeiten) oder persönliche Verhältnisse des Dienstnehmers (zB Notwendigkeit weiterer Erprobung, weil der bisherige Verwendungserfolg unterdurchschnittlich war). Sondergesetze normieren weitere Beschränkungen (zB § 4 Abs 4 VBG) oder lassen wiederholte Befristungen ohne Beschränkungen zu (zB § 32 ORF-G). Ein Dienstverhältnis „auf Probe“ (§ 1158 Abs 2) kann während der 6 Probezeit von jedem Vertragspartner jederzeit fristlos und grundlos aufgelöst werden (9 ObA 141/90 Arb 10.872; 8 ObA 51/03p RdW 2004, 114). Die Auflösungserklärung muss am letzten Werktag der Probezeit zugehen; ist sie verspätet, hat sie die Wirkung einer grundlosen Entlassung (Arb 9473; 8 ObA 286/94 Arb 11.306). Die Auflösung wegen Schwangerschaft der Dienstnehmerin kann aber als Verstoß gegen § 10 Abs 7 GlBG angefochten werden (9 ObA 4/05m EvBl 2006/1; ähnlich 9 ObA 81/05k RdW 2006, 770 Runggaldier). Ein Probedienstverhältnis kann nur für einen Monat wirksam vereinbart werden, der am Beginn des Dienstverhältnisses liegen muss. Ob bei Vereinbarung einer längeren Probezeit ab dem Beginn des zweiten Monats ein befristetes Dienstverhältnis oder ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist, hängt vom Willen der Parteien ab (RS0028231; 9 ObA 163/00m RdW 2003, 160). Kein Probedienstverhältnis ist das Dienstverhältnis „zur Probe“, ein befristetes Dienstverhältnis, bei dem die Erprobung das (rechtlich unerhebliche) Motiv des Vertragsabschlusses ist (RS0028263; 8 ObA 1/03k RdW 2004, 233). Ein Dienstverhältnis auf die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs 7 ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber während des ersten Monats jederzeit gelöst werden (SZ 44/17; JBl 1958, 369). Es muss objektiv erkennbar sein, dass das Dienstverhältnis nur für einen zwar nicht bestimmbaren, aber relativ kurzfristigen, vorübergehenden Bedarf begründet wurde. Wird hingegen das Ende des Dienstverhältnisses an ein objektiv bestimmbares Ereignis geknüpft, liegt ein befristetes Dienstverhältnis vor, das ohne Vereinbarung einer ProbeSpenling
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Dienstvertrag
§ 1158
zeit nicht im ersten Monat aufgelöst werden kann (SZ 44/17; EvBl 1958/166). 8 Bei Dienstverhältnissen, die auf Lebenszeit oder auf länger als
5 Jahre abgeschlossen wurden, kommt dem Dienstnehmer (zwingend) das in § 1158 Abs 3 normierte Kündigungsrecht zu. 9 Bei der im Gesetz nicht geregelten einvernehmlichen Auflösung wird
das Dienstverhältnis zum von den Parteien festgesetzten Zeitpunkt beendet. Soweit nicht sondergesetzliche Beschränkungen eingreifen (zB § 10 Abs 7 MuttSchG), ist dafür keinerlei Form vorgeschrieben. Bei der Annahme schlüssiger Auflösungsvereinbarungen ist aber Zurückhaltung geboten. Einvernehmliche Auflösungen zur Vermeidung einer angedrohten Entlassung erfolgen oft zur Risikovermeidung bei Unsicherheit über die Richtigkeit des eigenen Standpunktes. Die unrichtige Einschätzung der Berechtigung der Entlassung berechtigt als Motivirrtum im Allgemeinen nicht zur Anfechtung der Vereinbarung. Allenfalls ist von einer rechtswidrigen Drohung des Dienstgebers iSd § 870 auszugehen, was aber dann nicht der Fall ist, wenn er seinen Standpunkt mit Grund für richtig halten konnte (9 ObA 180/98f Arb 11.766). Verlangt der Dienstnehmer vor der einvernehmlichen Auflösung gegenüber dem Betriebsinhaber, sich mit dem Betriebsrat zu beraten, so kann gemäß § 104a ArbVG die einvernehmliche Lösung innerhalb von zwei Arbeitstagen nach diesem Verlangen nicht wirksam vereinbart werden. 10 Die Lehre hat den Abschluss von Dienstverhältnissen unter einer Re-
solutivbedingung früher generell als unzulässig und solche Dienstverhältnisse als unbefristet betrachtet (Löschnigg, AR 218 mwN). Die Rspr hält unter Berufung auf Schrammel (ZAS 1984, 221 ff) auflösende Bedingungen nur dann für unzulässig, wenn nicht nur der Eintritt der Bedingung, sondern auch sein möglicher Zeitpunkt völlig ungewiss ist. Steht hingegen dieser Zeitpunkt (zumindest annähernd) fest, ist die Vereinbarung zulässig, weil sich die Parteien wie bei Befristungen auf die (mögliche) Beendigung des Dienstverhältnisses einstellen können (9 ObA 158/91 SZ 64/132; 9 ObA 156/98a Arb 11.743; Löschnigg, AR 218 f). 11 Aussetzungsverträge („Karenzierungen“) führen zu einem vor-
übergehenden Ruhen der beiderseitigen Hauptleistungspflichten. Vor allem bei saisonal bedingten Vereinbarungen ist die Abgrenzung zur (uU mit Wiedereinstellungszusage oder Wiedereinstellungsvereinbarung [zu diesen Begriffen 9 ObA 2122/96s DRdA 1997, 396] verbundenen) „Unterbrechung“ des Dienstverhältnisses, die Beendigungs1276
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Dienstvertrag
§§ 1159–1159c
wirkung hat, schwierig. Ob die Parteien eine Unterbrechung oder eine Karenzierung vereinbart haben, ist – ungeachtet der Formulierungen – unter Erforschung der wahren Absicht zu ermitteln. Nach der Rspr bringt der Dienstgeber, der das Dienstverhältnis durch Auszahlung der aliquoten Sonderzahlungen und der Urlaubsersatzleistung abwickelt, damit im Allgemeinen seinen Willen, es zu beenden, deutlich zum Ausdruck. In Fällen, in denen die Erforschung des Parteiwillens keinen eindeutigen Sinn ergibt, wertet die Rspr die Absicht, den Dienstnehmer mit dessen Einverständnis „stempeln“ zu schicken, in Verbindung mit der Abmeldung bei der Krankenkasse als Indiz für die Annahme einer Unterbrechung (9 ObA 105/95 Arb 11.499; 9 ObA 249/99d DRdA 2000, 521 Brodil). Den Rücktritt vom Vertrag regeln die §§ 1158 ff nicht; sondergesetz- 12 liche Normen (zB § 30 AngG) sind nicht analogiefähig. Außerhalb des Geltungsbereichs dieser Normen ist der Rücktritt nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 918 ff) zulässig, wenn der Dienstnehmer den Dienst nicht antritt oder der Dienstgeber ihn nicht in den Dienst nimmt. Bei endgültiger Ablehnung der Vertragserfüllung und dann, wenn der Rücktrittsgrund einem Austritts- oder Entlassungsgrund entspricht, bedarf es keiner Nachfristsetzung. Bei unberechtigtem Rücktritt ist § 1162b analog anzuwenden (SZ 59/91). Kündigungsfristen § 1159. Die Kündigung ist zulässig: wenn bei einem Dienstverhältnisse, das keine Dienste höherer Art zum Gegenstand hat, das Entgelt nach Stunden oder Tagen, nach Stück oder Einzelleistungen bemessen ist, jederzeit für den folgenden Tag; wenn ein solches Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat oder wenn das Entgelt nach Wochen bemessen ist, spätestens am ersten Werktage für den Schluß der Kalenderwoche. Die Wirkung der Kündigung tritt im Falle der Entlohnung nach Stück oder Einzelleistungen keinesfalls vor Vollendung der zur Zeit der Kündigung in Ausführung begriffenen Leistungen ein. [idF III. TN]
§ 1159a. (1) Wenn ein Dienstverhältnis, das Dienste höherer Art zum Gegenstande hat, die Erwerbstätigkeit des Dienstnehmers hauptsächlich in Anspruch nimmt und schon drei Monate gedauert hat, so ist ohne Rücksicht auf die Art der Bemessung des Entgelts eine mindestens vierwöchentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Spenling
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Dienstvertrag
§§ 1159–1159c
(2) Dasselbe gilt überhaupt, wenn das Entgelt nach Jahren bemessen ist. [III. TN]
§ 1159b. In allen anderen Fällen kann das Dienstverhältnis unter Einhaltung einer mindestens vierzehntägigen Kündigungsfrist gelöst werden. [III. TN]
§ 1159c. Die Kündigungsfrist muß immer für beide Teile gleich sein. Wurden ungleiche Fristen vereinbart, so gilt für beide Teile die längere Frist. [III. TN]
1 Der Anwendungsbereich der §§ 1159 ff ist gering; für die meisten
Dienstverhältnisse gehen ihnen sondergesetzliche Normen vor. Die §§ 1159–1159b sind relativ zwingend (§ 1164 Abs 1); § 1159c ist – wie sich aus seinem Wortlaut ergibt – zweiseitig zwingend. 2 Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklä-
rung, die das Dienstverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet. Die Teilkündigung, die nur Teile des Dienstverhältnisses beenden soll, ist nur dann wirksam, wenn ihre Möglichkeit vereinbart wurde (Arb 10.038; 8 ObA 312/95 SZ 69/7) oder wenn sie gegenüber den übrigen Aufgaben des Dienstnehmers eigenständige Dienstleistungen betrifft, die im Rahmen eines bestehenden Dienstverhältnisses zusätzlich vereinbart wurden (Arb 10.038; 9 ObA 98/98x Arb 11.736; aM Pfeil/S Rz 5). 3 Bedingte Kündigungen sind nur zulässig, wenn der Bedingungsein-
tritt vom Willen des Erklärungsempfängers abhängt (Potestativbedingung), weil dann für den Empfänger keine ungewisse Situation entsteht (RS0028418; SZ 52/139). Daher ist auch die sog Änderungskündigung zulässig, die unter der Bedingung ausgesprochen wird, dass der Gekündigte einer vorgeschlagenen Vertragsänderung nicht zustimmt. Auch die Eventualkündigung wird als zulässig erachtet (8 ObA 4/03a DRdA 2004, 164; Lovrek, FS Bauer/Maier/Petrag, 2004, 261; aM B. Trost, DRdA 2004, 166). Es handelt sich dabei um eine Kündigung, die vorsichtshalber für den Fall ausgesprochen wird, dass das Dienstverhältnis nicht ohnedies bereits beendet ist. Sittenwidrig wäre aber der Versuch des Dienstgebers, den Dienstnehmer durch eine Serie von aufeinander folgenden Kündigungen „in die Enge zu treiben“ (DRdA 2004, 164). 4 Die Kündigung ist – soweit Sondergesetze (zB § 32 Abs 1 VBG) nichts
anderes vorschreiben – nicht formgebunden. Das Wort „Kündigung“ 1278
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Dienstvertrag
§§ 1159–1159c
muss nicht verwendet werden, wenn nur die Absicht des Erklärenden erkennbar ist, das Dienstverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beenden. Die Kündigung muss dem Gekündigten zugehen (§§ 862 f). Ist sie 5 zugegangen, kann sie nicht mehr einseitig widerrufen werden. Der unverzügliche Widerruf einer in augenblicklicher Erregung ausgesprochenen Kündigung wird aber als zulässig erachtet (Arb 6866). Die einvernehmliche Rücknahme der Kündigung ist möglich, ebenso die Anfechtung nach den §§ 870 ff. Kündigungsfrist ist der Zeitraum, der zwischen dem Ausspruch der 6 Kündigung und dem Ende des Dienstverhältnisses verstreichen muss. Kündigungstermin ist der Zeitpunkt, zu dem entweder das Dienstverhältnis beendet wird oder die Kündigung ausgesprochen werden kann. Die Kündigungsfristen sind in den §§ 1159 ff und in sondergesetzlichen Normen geregelt. Von großer praktischer Bedeutung sind vor allem die §§ 20 ff AngG sowie – für Arbeiter – § 77 GewO 1859. Letzterer ist dispositiv, weshalb die Kündigungsfristen sogar gänzlich beseitigt, aber auch verlängert werden können (s aber § 1159c). In seinem Anwendungsbereich geht er den §§ 1159 ff vor, so dass mangels anderer Vereinbarung die 14-tägige Kündigungsfrist gilt. Die mit dem ARÄG 2000 erfolgte Änderung des § 1164 Abs 1 hat daran nichts geändert (RS0060213; 9 ObA 25/04y ecolex 2004, 880). Kündigungsfristen, die durch relativ zwingende Bestimmungen festgelegt werden, können zwar verlängert werden, verkürzt aber nur dann, wenn dies für den Dienstnehmer günstiger ist (Spielbüchler/Grillberger, AR I 371). Nach dem zweiseitig zwingenden § 1159c (anders etwa § 20 iVm § 40 AngG) müssen die Kündigungsfristen für beide Teile gleich lang sein. Werden ungleiche Fristen vereinbart, gilt für beide Teile die längere Frist. Ist der letzte für den Ausspruch der Frist offen stehende Tag ein 7 Sonn- oder Feiertag, hält die Rspr § 903 S 3 für nicht anwendbar, so dass die am nächstfolgenden Werktag zugehende Kündigung nicht rechtzeitig ist (SZ 48/48; DRdA 1976, 338 Grillberger; 8 ObA 286/94 Arb 11.306; zust Reischauer/R § 902 Rz 8; abl Krejci/R §§ 1158–1159c Rz 77). Aus § 1159c wird das Verbot abgeleitet, die Kündigungsfreiheit des 8 Dienstnehmers zu erschweren. Daher sind Vereinbarungen unzulässig, nach denen der kündigende Dienstnehmer erhebliche wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss (Verlust bereits verdienter Sonderzahlungen; Vertragsstrafen etc; RS0016656; 9 ObA 275/90 SZ 63/199). Spenling
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§§ 1159–1159c
9 Nach hM sind Kündigungen, bei deren Ausspruch Kündigungsfrist
oder Kündigungstermin nicht eingehalten wurden (zeitwidrige Kündigungen), rechtswirksam und lösen das Dienstverhältnis zum angegebenen Zeitpunkt auf; dem Dienstnehmer stehen aber nach dem analog anzuwendenden § 1162a (bzw § 29 AngG) die im Fall der ungerechtfertigten vorzeitigen Beendigung zustehenden Ersatzansprüche zu (RS0028223; 8 ObA 306/01k ARD 5340/10/2002; zum Meinungsstand in der Lehre s Löschnigg, AR 463 ff). 10 Von der Bindung an Kündigungsfrist und -termin abgesehen, besteht
für den Dienstgeber grundsätzlich Kündigungsfreiheit. Unter bestimmten Voraussetzungen können aber verschiedene Formen von Kündigungsschutz zum Tragen kommen. 11 Der allgemeine Kündigungsschutz ist in den §§ 105 ff ArbVG (§ 210
LAG) als Belegschaftsrecht (mit individualrechtlicher Komponente) ausgestaltet. In seinen Genuss kommen Dienstnehmer, die in betriebsratspflichtigen Betrieben (mehr als 5 ständig beschäftigte Dienstnehmer) beschäftigt sind und unter den Arbeitnehmerbegriff der Betriebsverfassung fallen (§ 36 ArbVG; daher kein allgemeiner Bestandschutz für leitende Angestellte). § 105 ArbVG ermöglicht die Anfechtung der (rechtsgültigen) Kündigung wegen Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) oder als unzulässige Motivkündigung (§ 105 Abs 3 Z 1 ArbVG; zB Kündigung wegen gewerkschaftlicher Tätigkeit oder wegen Geltendmachung nicht offenbar unberechtigter Ansprüche). Die erfolgreiche Anfechtung führt zur rechtsgestaltenden Aufhebung der Kündigung. Ist ein Betriebsrat errichtet, hat ihn der Betriebsinhaber im Rahmen des betrieblichen Vorverfahrens von der Kündigungsabsicht zu verständigen. Je nach Stellungnahme des Betriebsrats zur Kündigungsabsicht kommt das Recht, die Kündigung anzufechten, entweder (primär) dem Betriebsrat oder dem Dienstnehmer selbst zu. Durch Zustimmung zur Kündigung kann der Betriebsrat die Anfechtung der Kündigung als sozialwidrig (nicht aber die Anfechtung als Motivkündigung) verhindern. Die Nichteinhaltung des Vorverfahrens bewirkt die (mit dem Begehren auf Feststellung des Fortbestands des Dienstverhältnisses geltend zu machende) Unwirksamkeit der Kündigung (näher Spielbüchler/Grillberger, AR I 376 ff). 12 Sondergesetzliche Bestimmungen (§ 12 Abs 7 GlBG; § 8 Abs 2, § 9
Abs 2, § 15 Abs 1 AVRAG) normieren für bestimmte Dienstnehmer einen dem Motivkündigungsschutz des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG nachgebildeten Kündigungsschutz („individueller Kündigungsschutz“). § 15 Abs 3 AVRAG ermöglicht älteren Dienstnehmern in nicht 1280
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§§ 1159–1159c
betriebsratspflichtigen Betrieben die Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit. Sondergesetze gewähren schutzwürdigen Dienstnehmergruppen den 13 sog besonderen Kündigungsschutz. Belegschaftsfunktionäre (§§ 120 f, 130 ArbVG; § 223 LAG), Dienstnehmerinnen vor bzw nach der Geburt eines Kindes (§ 10 MuttSchG), Väter aus Anlass des Karenzurlaubs (§ 7 VKG) und Präsenz- und Zivildiener (§§ 12 ff APSG) können nur nach Zustimmung des Gerichtes gekündigt werden, die bloß bei Vorliegen bestimmter Gründe zu erteilen ist. Auch Dienstnehmer, die das Recht auf Sterbebegleitung naher Angehöriger (§ 14a AVRAG) oder auf Begleitung von schwerst erkrankten Kindern (§ 14b AVRAG) in Anspruch nehmen, können innerhalb einer bestimmten Frist nur mit Zustimmung des Gerichts gekündigt werden (§ 15a AVRAG). Die Kündigung „begünstigter Behinderter“ bedarf nach § 8 BEinstG der Zustimmung des Behindertenausschusses beim Bundessozialamt. Zu weiteren Beschränkungen des Kündigungsrechtes s etwa § 18 Abs 6 HbG, § 32 VBG, § 45a AMFG. Gegen diese Bestimmungen verstoßende Kündigungen sind unwirksam. Der Dienstnehmer hat ein Wahlrecht: Er kann auf dem Fortbestand des Dienstverhältnisses bestehen oder die Beendigung akzeptieren und die daraus resultierenden Ansprüche (insb Kündigungsentschädigung) geltend machen (Löschnigg, AR 508; RS0101989; 8 ObA 213/96 Arb 11.484; differenzierend für den Fall, dass dem Dienstgeber bei Kündigung eines begünstigten Behinderten die Behinderteneigenschaft nicht bekannt ist, 9 ObA 82/03d RdW 2004, 352). Der (Leistungsbereitschaft voraussetzende) Anspruch auf Fortsetzung des Dienstverhältnisses muss aber innerhalb angemessener Frist geltend gemacht werden („Aufgriffsobliegenheit“). Dies wird mit einem aus dem synallagmatischen Charakter des Dienstverhältnisses abgeleiteten Klarstellungsinteresse des Dienstgebers begründet, der ja personelle Dispositionen zu treffen hat (RS0107828; 8 ObA 44/03h ARD 5479/8/2004; 9 ObA 160/99s SZ 72/112). Kündigungsschutz kann auch in Einzel- oder Kollektivverträgen 14 vereinbart werden. Insb kann das Kündigungsrecht des Dienstgebers an Gründe gebunden oder ausgeschlossen werden. Der vertragliche Ausschluss der freien Kündbarkeit wirkt wie ein gesetzlicher Bestandschutz. Das Kündigungsrecht des Dienstnehmers kann nur in Ausnahmefällen und nur in beschränktem Ausmaß ausgeschlossen werden (Löschnigg, AR 508). Soweit nicht die Normen des ArbVG über die Motivkündigung (oder 15 vergleichbare Sondernormen) eingreifen, kann eine Kündigung auch Spenling
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§ 1160
nach § 879 unwirksam sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sie aus Motiven erfolgte, die völlig unsachlich oder aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligen sind (9 ObA 200/93 SZ 66/95; Löschnigg, AR 471). Freizeit während der Kündigungsfrist § 1160. (1) Bei Kündigung durch den Dienstgeber ist dem Dienstnehmer während der Kündigungsfrist auf sein Verlangen wöchentlich mindestens ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ohne Schmälerung des Entgelts freizugeben. (2) Ansprüche nach Abs. 1 bestehen nicht, wenn der Dienstnehmer einen Anspruch auf eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung hat, sofern eine Bescheinigung über die vorläufige Krankenversicherung vom Pensionsversicherungsträger ausgestellt wurde. (3) Abs. 2 gilt nicht bei Kündigung wegen Inanspruchnahme einer Gleitpension gemäß § 253c ASVG. (4) Durch Kollektivvertrag können abweichende Regelungen getroffen werden. [idF BGBl I 2000/44] Lit: Drs, Neues aus dem Arbeits- und Sozialrecht – Das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000, RdW 2000, 479; dies, Postensuchtage und Urlaub, RdW 2003, 580; Klein, Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 (ARÄG 2000), DRdA 2000, 437; Trattner, Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freizeit? Neuerungen aufgrund des Arbeitsrechtsänderungsgesetzes 2000, ASoK 2001, 144.
1 Die durch das ARÄG 2000 neu gefasste Bestimmung gewährt (wie
vergleichbare sondergesetzliche Normen; zB § 22 AngG) dem gekündigten Dienstnehmer Anspruch auf Freizeit während der Kündigungsfrist ohne Schmälerung des Entgelts; der Dienstnehmer ist so zu stellen, als hätte er gearbeitet. Bei Kündigung durch den Dienstnehmer besteht kein Anspruch. Auch die Pensionsberechtigung des Dienstnehmers schließt bei Vorliegen der in Abs 2 genannten Bescheinigung den Anspruch aus. Dass der Pensionsantrag nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt gestellt wird, schadet nicht (9 ObA 131/05p ecolex 2007, 56 zum insoweit vergleichbaren § 33a VBG). Die in Abs 2 genannte Bestimmung des § 253c ASVG (Gleitpension) wurde mit BGBl I 2003/71 aufgehoben. Vor seiner Neufassung wurde § 1160 (bzw § 22 AngG) von der Rspr bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses (SZ 32/145) und bei Ablauf einer (nicht besonders kurzen) Befristung analog angewendet (9 ObA 604/92 Arb 11.071). 1282
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§ 1161
Ob daran festzuhalten ist, ist strittig (bejahend Löschnigg, AR 597; zweifelnd – insb zur einvernehmlichen Auflösung – Drs, RdW 2000, 480; Krejci/R Rz 7; Spielbüchler/Grillberger, AR I 320). Auch das Verhältnis zwischen § 1160 Abs 4 und § 1164 Abs 1 (keine 2 Beschränkung des Anspruchs durch Einzelvertrag oder Normen kollektiver Rechtsgestaltung) ist unklar. Aus der jüngeren Formulierung des § 1164 Abs 1 ist wohl zu schließen, dass § 1160 relativ zwingend ist und daher auch in Kollektivverträgen keine für den Dienstnehmer ungünstigeren Vereinbarungen zulässig sind (Krejci/R Rz 4; aM Löschnigg, AR 598). Freizeit ist „auf Verlangen“ des Dienstnehmers zu gewähren. Es ist 3 eine Vereinbarung zu treffen, bei der – soweit möglich – auch berechtigte betriebliche Interessen zu berücksichtigen sind. Verweigert der Dienstgeber die Freizeit, kann sie der Dienstnehmer eigenmächtig in Anspruch nehmen (9 ObA 31/90 RdW 1990, 386) oder Entschädigung in Geld verlangen (ecolex 2007, 56). Konkurs § 1161. Welche Wirkungen die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Dienstgebers auf das Dienstverhältnis hat, bestimmt die Konkursordnung. [idF III. TN]
Die Bestimmung, die auch auf freie Dienstverträge angewendet wird 1 (9 ObA 902/91 Arb 10.944), verweist nur auf die KO. Für Dienstverhältnisse, die der Dienstnehmer noch vor Konkurseröffnung angetreten hat und die bei Konkurseröffnung noch aufrecht sind, gilt § 25 KO. Durch den Konkurs des Dienstgebers oder des Dienstnehmers wird ein solches Dienstverhältnis nicht beendet; der Masseverwalter tritt in das Dienstverhältnis ein, ohne dass es einer Erklärung bedarf. Der Konkurs des Dienstgebers löst aber die in § 25 Abs 1 KO vorgesehenen begünstigten Lösungsrechte beider Teile aus, deren Inanspruchnahme die in § 25 Abs 2 KO normierten Ansprüche des Dienstnehmers zur Folge hat. Bei noch nicht angetretenen Dienstverhältnissen kann der Masse- 2 verwalter das Dienstverhältnis entweder aufrechterhalten oder den Rücktritt vom Vertrag erklären (s § 21 KO). Ein Rücktrittsrecht des Dienstnehmers bei nicht angetretenen Dienstverhältnissen ist zwar nur in Sondergesetzen normiert (zB § 30 Abs 4 AngG), besteht aber nach hL für alle Dienstnehmer (Gamerith in Buchegger, Insolvenzrecht I § 25 Rz 45). Spenling
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§ 1162
3 Im Ausgleich des Dienstgebers hat dieser gemäß § 20c Abs 3 AO ein
begünstigtes Lösungsrecht. Wird davon Gebrauch gemacht, hat der Dienstnehmer gemäß § 20d AO Anspruch auf Schadenersatz. 4 Die Insolvenz des Dienstnehmers hat auf das Dienstverhältnis keine
Auswirkungen. Allenfalls – etwa beim Konkurs eines leitenden Angestellten einer Bank – kann der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht sein (Spielbüchler/Grillberger, AR I 361). Vorzeitige Auflösung § 1162. Das Dienstverhältnis kann, wenn es für bestimmte Zeit eingegangen wurde, vor Ablauf dieser Zeit, sonst aber ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teile aus wichtigen Gründen gelöst werden. [idF III. TN] Übersicht I. II. III. IV. V. VI.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebot der Unverzüglichkeit vorzeitiger Auflösung . . . . . . . . . . . . . . Austrittsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entlassungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Auflösungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entlassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Allgemeines 1 Das Gesetz räumt dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer das Recht
ein, das Dienstverhältnis bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vorzeitig zu beenden (Entlassung, Austritt). Von der Kündigung unterscheidet sich die vorzeitige Auflösung durch ihre Bindung an einen wichtigen Grund. Zudem löst sie das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung auf. 2 Als wichtiger Grund kommen die in arbeitsrechtlichen Sondergeset-
zen normierten Auflösungsgründe in Betracht (s Rz 14 ff). Die Vereinbarung zusätzlicher Gründe ist (nur) zulässig, soweit diese das Gewicht eines der im Gesetz normierten Gründe erreichen (Arb 5544; VwGH wbl 1988, 200). Die Zulässigkeit des vertraglichen Ausschlusses von Auflösungsgründen ist strittig; der generelle, auch verschuldete Tatbestände umfassende Ausschluss des Auflösungsrechtes ist jedenfalls nichtig (Spielbüchler/Grillberger, AR I 410). 3 Der wichtige Grund muss die Fortsetzung des Dienstverhältnisses
selbst für die Zeit der Kündigungsfrist unzumutbar erscheinen lassen 1284
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§ 1162
(DRdA 1990, 277; 8 ObA 41/02s Arb 12.268). Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ist kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, sondern ermöglicht im Einzelfall die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichtigen Auflösungsgrund und einem in concreto geringfügigen Sachverhalt (9 ObA 57/92 ARD 4413/17/1992; Löschnigg, AR 514). Gibt der zur Auflösung Berechtigte zu erkennen, dass er wegen eines Vorfalls die Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar erachtet, kann er nicht nachträglich vorzeitig auflösen (9 ObA 8/97k infas 1997, A 98). Die vorzeitige Auflösung erfolgt durch einseitige, empfangsbedürf- 4 tige Willenserklärung. Von sondergesetzlichen Ausnahmen abgesehen (zB § 15 Abs 1 BAG) ist weder eine bestimmte Form noch ein bestimmter Wortlaut erforderlich; es muss jedoch der Wille des Erklärenden, das Dienstverhältnis vorzeitig zu lösen, eindeutig erkennbar sein. Der wichtige Grund muss nicht genannt werden; es genügt, wenn er im Prozess behauptet und bewiesen wird, sofern er zum Zeitpunkt der Auflösungserklärung bereits vorhanden war, unabhängig davon, ob er dem Erklärenden damals bereits bekannt war („Nachschieben des Auflösungsgrundes“; Kuderna, Entlassungsrecht 51; RdW 1986, 54; 9 ObA 309/97z ARD 4925/30/1998). Eine mit Willensmängeln behaftete Auflösungserklärung kann nach 5 den allgemeinen Regeln der §§ 870 ff angefochten werden. Ein Widerruf kann nur unmittelbar nach Abgabe der Erklärung oder im beiderseitigen Einvernehmen erfolgen. Bedingte vorzeitige Auflösungen sind zulässig, wenn der Eintritt der 6 Bedingung vom Willen des Erklärungsempfängers abhängt (Potestativbedingung) und der Schwebezustand nur kurz ist, weil dann keine ungewisse Situation entsteht (RS0028418; 8 ObA 7/04v Arb 12.396; zB Entlassung für den Fall, dass der Dienstnehmer sich nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist rechtfertigt; Austritt für den Fall, dass das ausstehende Entgelt nicht binnen einer bestimmten Frist nachgezahlt wird). Zur „Eventualentlassung“ Arb 9707 sowie die Ausführungen zur Eventualkündigung §§ 1159–1159c Rz 3. Befristete vorzeitige Auflösungserklärungen (die auf eine Beendi- 7 gung aus wichtigem Grund zu einem späteren Zeitpunkt abzielen) wurden von der älteren Rspr als zulässig erachtet (Arb 6391; Arb 7255). Darin liegt – wie zu Recht eingewendet wurde – ein Widerspruch zum Erfordernis der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung (Spielbüchler/Grillberger, AR I 411 f). Auch die Rspr steht nunmehr der befristeten vorzeitigen Auflösung kritischer gegenüber, lässt sie aber in Ausnahmefällen – insb dann, wenn das Hinausschieben der Spenling
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§ 1162
Wirksamkeit der Beendigung kurz ist und im Interesse beider Teile liegt – zu (DRdA 1985, 200 Csebrenyak; 3 Ob 244/98v). II. Gebot der Unverzüglichkeit vorzeitiger Auflösung 8 Das Auflösungsrecht muss bei sonstigem Verlust unverzüglich aus-
geübt werden. Dies wird meist damit begründet, dass der Erklärende, der mit der Geltendmachung seines Rechtes zuwartet, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht als unzumutbar empfindet und auf sein Auflösungsrecht verzichtet; zudem wird ausgeführt, dass der Dienstnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werde, nicht ungebührlich lange über sein Schicksal im Unklaren gelassen werden dürfe (RS0029249; 8 ObA 96/03f RdW 2004, 358; Kuderna, Entlassungsrecht 13 ff). 9 Das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Auflösung, das vor allem
bei der Entlassung eine Rolle spielt, darf nicht überspannt werden. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an, so dass allgemeine Aussagen über die einzuhaltende Frist unmöglich sind. Ist der wichtige Grund offenkundig, legt die Rspr sehr strenge Maßstäbe an. In solchen Fällen führt der Umstand, dass der Dienstgeber den Dienstnehmer zunächst – wenn auch nur kurze Zeit – weiterarbeiten lässt, idR zur Beurteilung der Entlassung als verspätet (8 ObA 96/03f RdW 2004, 358; 9 ObA 65/03d ARD 5461/16/2003; s aber Rz 12). Ist der Sachverhalt unklar, wird dem Dienstgeber eine angemessene Frist (zur Einholung einer Rechtsauskunft oder zur Durchführung von Erhebungen) zugebilligt. Sind dem Dienstgeber konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes bekannt, muss er die notwendigen Erhebungen ohne unnötigen Verzug durchführen; bloße Verdachtsmomente begründen aber noch keine Nachforschungspflicht (RS0029345; 8 ObA 49/01s RdW 2002, 547). Bei unklarem Sachverhalt kann der Dienstgeber mit der Entlassung bis zur Beendigung eines über den Vorwurf abgeführten Strafverfahrens zuwarten (RS0029309; 9 ObA 333/00m RdW 2001, 615). 10 Zu berücksichtigen – allerdings in Grenzen – ist der bei Dienstgebern
mit komplizierter Organisationsform erforderliche Zeitraum für die Willensbildung (RS0031789; 9 ObA 25/03x ARD 5461/17/2003). Umso mehr muss Berücksichtigung finden, wenn die Beendigung nur nach Durchführung eines Disziplinarverfahrens oder nach Anhörung der Personalvertretung erfolgen kann. 11 Dauertatbestände können grundsätzlich während ihrer gesamten
Dauer geltend gemacht werden (RS0029396; DRdA 1988, 249 Csebrenyak). Bei fortgesetzter Begehung gleichartigen Fehlverhaltens 1286
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verliert der Dienstgeber sein Entlassungsrecht nur hinsichtlich der nicht rechtzeitig als Entlassungsgrund geltend gemachten Vorfälle (RS0028859; 8 ObA 23/03w RdW 2003, 724). Siehe im Übrigen Rz 15 und 19. Die Suspendierung des Dienstnehmers bis zur Klärung des Sachver- 12 haltes kann die Annahme eines Verzichtes des Dienstgebers auf das Entlassungsrecht verhindern (RS0028987; 9 ObA 304/00x ARD 5236/53/2001); uU reicht sogar der bloße Vorbehalt weiterer Schritte (9 ObA 138/91 DRdA 1992, 210 Klein), da der Dienstnehmer dann nicht annehmen kann, dass der Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses als zumutbar erachtet. Auch die Verzögerung, die sich daraus ergibt, dass der Dienstgeber dem Dienstnehmer Gelegenheit gibt, sich zu entschuldigen, sich zu rechtfertigen oder den für die Entlassung maßgebenden Grund zu beseitigen, führt nicht zum Verlust des Entlassungsrechts (SZ 52/139; 8 ObA 21/98s ecolex 1998, 504). Die Rechtzeitigkeit der Entlassung ist nicht von Amts wegen zu prü- 13 fen. Der Dienstnehmer muss die Verspätung zumindest implicite einwenden. Die bloße Anführung der Zeitpunkte des Ausspruchs der Entlassung und des ihr zu Grunde liegenden Vorfalls reichen nicht (9 ObA 156/99b Arb 11.935; 9 ObA 212/00t ARD 5208/50/2001). III. Austrittsgründe Als den Austritt des Dienstnehmers rechtfertigende wichtige Gründe 14 kommen die in den arbeitsrechtlichen Sondergesetzen normierten Austrittsgründe in Betracht (zB § 26 AngG, § 82a GewO 1859). Sie berechtigen den Dienstnehmer zum Austritt, wenn er die Arbeit ohne Schaden für seine Gesundheit nicht mehr fortsetzen kann (zB § 82a lit a GewO 1859 sowie § 26 Z 1 AngG, der zudem auf eine Gefahr für die Sittlichkeit verweist) oder ihm Pflichtverletzungen des Dienstgebers die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar machen (zB widerrechtliche Vorenthaltung oder Schmälerung des Entgelts bzw Verletzung anderer wesentlicher Vertragsbestimmungen, § 26 Z 2 AngG, § 82a lit d GewO 1859); näher Löschnigg, AR 554. Familiäre Pflichten werden nicht als Austrittsgrund anerkannt (Arb 8302). Der Mutterschafts(Vaterschafts)austritt iSd § 23a Abs 3 bzw 4 AngG ist kein Austrittsgrund iSd § 1162, sondern ein Auflösungsgrund eigener Art (Arb 10.411). Hat der Dienstnehmer ein zum Austritt berechtigendes Verhalten des 15 Dienstgebers einige Zeit hingenommen (idR eine Schmälerung des geschuldeten Entgelts) und damit beim Dienstgeber den Eindruck Spenling
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§ 1162
erweckt, er akzeptiere dessen Verhalten, muss er – will er das fortgesetzte Verhalten nun doch zum Anlass für seinen Austritt nehmen – dem Dienstgeber den Austritt unter Nachfristsetzung androhen. Erst nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist ist er zum Austritt berechtigt. Dies gilt aber nicht bei krass pflichtwidrigem Verhalten, wie etwa im Fall der Vorenthaltung des gesamten Entgelts (Arb 10.218; 8 ObA 287/97g SZ 71/14). IV. Entlassungsgründe 16 Was ein wichtiger Grund ist, der die Entlassung rechtfertigt, ist in
verschiedenen Gesetzen in unterschiedlicher Weise geregelt. Während sich der subsidiär geltende § 1162 auf die Generalklausel beschränkt, dass das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund gelöst werden kann, zählen andere Gesetze die Entlassungsgründe demonstrativ auf (zB § 27 AngG; § 38 SchSpG); weitere Gesetze enthalten taxative Aufzählungen (zB § 82 GewO 1859). Soweit im Gesetz nur auf einen „wichtigen Grund“ abgestellt ist, können die in anderen Sondergesetzen normierten Gründe zur Konkretisierung herangezogen werden (Spielbüchler/Grillberger, AR I 415). Zu den einzelnen Entlassungstatbeständen s etwa Löschnigg, AR 518 ff. Gründe, die auf der Seite des Dienstgebers liegen, können die Entlassung nie rechtfertigen (9 ObA 193/94 RdW 1995, 152: schlechter Geschäftsgang). Der Dienstgeber kann in solchen Fällen nur kündigen. 17 Zwischen den Sondergesetzen bestehen erhebliche Unterschiede, die
zu (von Löschnigg, AR 514 als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichneten) Ungleichheiten führen. So kennt etwa § 82 GewO 1859 keinen allgemeinen Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit, sondern stellt auf konkrete Verhaltensweisen ab. Der Vertrauensverlust des Dienstgebers berechtigt nur dann zur Entlassung, wenn er im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung des Dienstnehmers eintritt (§ 82 lit d GewO 1859). § 27 Z 1 AngG normiert hingegen einen allgemeinen Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit, der auch durch nicht strafbare Handlungen verwirklicht werden kann. Es wurde daher die Auffassung vertreten, dass diese Unterschiede im Auslegungsweg beseitigt werden müssten (für alle Löschnigg, AR 514; s dort auch weitere Unterschiede zwischen AngG und GewO 1859). Dem hat sich die Rspr jedoch nicht angeschlossen (RS0060324; 9 ObA 355/93 RdW 1994, 287). 18 Die meisten Entlassungsgründe können nur schuldhaft verwirklicht
werden; jene, deren Verwirklichung nicht vom Willen des Dienstnehmers abhängt, erfordern kein Verschulden (zB Unfähigkeit zur vereinbarten Dienstleistung iSd § 27 Z 2 AngG bzw § 82 lit b GewO 1859). 1288
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Dienstvertrag
§ 1162
Hat der Dienstgeber ein ihm bekanntes fortgesetztes Verhalten des 19 Dienstnehmers, das einen Entlassungsgrund verwirklicht, einige Zeit nicht zum Anlass für eine Entlassung genommen und dadurch beim Dienstnehmer den Eindruck erweckt, er billige das Verhalten bzw es sei ihm gleichgültig, muss er den Dienstnehmer – will er das fortgesetzte Verhalten nun doch zum Anlass für eine Entlassung nehmen – zunächst zu pflichtgemäßem Verhalten auffordern. Erst wenn das Fehlverhalten trotzdem fortgesetzt wird, ist er zur Entlassung berechtigt (9 ObA 33/97m RdW 1998, 27). V. Folgen der Auflösungserklärung Entlassung und Austritt werden mit Zugang wirksam. Werden nach 20 einer Kündigung des Dienstverhältnisses während der Kündigungsfrist Gründe für eine vorzeitige Auflösung bekannt, kann bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses die Entlassung bzw der Austritt erklärt werden. Nach diesem Zeitpunkt ist eine („rückwirkende“) Auflösungserklärung ebenso wenig möglich, wie die „Umwandlung“ einer früher ausgesprochenen Kündigung in eine vorzeitige Auflösung (SZ 57/36). Austritt und Entlassung beenden das Dienstverhältnis, und zwar 21 nach Rspr (RS0031773; SZ 49/139) und hL (Löschnigg, AR 534; Spielbüchler/Grillberger, AR I 418) auch dann, wenn sie unberechtigt erklärt wurden; dem vertragstreuen Teil stehen aber Schadenersatzansprüche zu („Kündigungsentschädigung“ nach § 1162b; „Schadenersatzprinzip“). Besteht allerdings ein besonderer gesetzlicher Kündigungs- oder Entlassungsschutz (Rz 22), ist die unberechtigte Entlassung unwirksam und beendet das Dienstverhältnis nicht. Der Dienstnehmer hat das Wahlrecht, entweder auf dem Fortbestand des Dienstverhältnisses zu bestehen oder aber Ersatzansprüche nach § 1162b (§ 84 GewO 1859; § 29 AngG) geltend zu machen (RS0028839; SZ 60/192; ebenso beim vertraglichen Ausschluss der freien Kündbarkeit des Dienstverhältnisses: RS0028484; 9 ObA 73/93 RdW 1993, 341). Der Fortsetzungsanspruch muss aber innerhalb angemessener Frist geltend gemacht werden (Aufgriffsobliegenheit; s §§ 1159–1159c Rz 13). Zur allenfalls gegebenen Möglichkeit, die unberechtigte Entlassung eines Vertragsbediensteten in eine Kündigung umzudeuten, s § 30 Abs 3 VBG. VI. Entlassungsschutz Wie der allgemeine Kündigungsschutz (§§ 1159–1159c Rz 11) ist der 22 allgemeine Entlassungsschutz in § 106 ArbVG (§ 211 LAG) als Belegschaftsrecht ausgestaltet. Er kommt Dienstnehmern zu, die in betriebsSpenling
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Dienstvertrag
§ 1162
ratspflichtigen Betrieben (mehr als 5 ständig beschäftigte Dienstnehmer) beschäftigt sind und unter den Arbeitnehmerbegriff der Betriebsverfassung fallen (§ 36 ArbVG; daher kein allgemeiner Entlassungsschutz für leitende Angestellte). Er ergänzt den allgemeinen Kündigungsschutz und soll dessen Umgehung verhindern. Die Entlassung kann angefochten werden, wenn sie unberechtigt ist und überdies einer der in § 105 Abs 3 ArbVG (§ 210 Abs 3 LAG) genannten Gründe für die Kündigungsanfechtung vorliegt (§§ 1159–1159c Rz 11). Anders als bei der Kündigung muss der Entlassung kein betriebliches Vorverfahren vorgeschaltet werden; der Betriebsinhaber ist nur verpflichtet, den Betriebsrat innerhalb von drei Tagen von der erfolgten Entlassung zu verständigen und sie mit ihm auf Verlangen zu beraten. Die Verletzung dieser Verpflichtung macht die Entlassung nicht unwirksam. Ob (primär) der Betriebsrat oder der Dienstnehmer selbst anfechtungsberechtigt ist, hängt von der Stellungnahme des Betriebsrates ab, der durch seine Zustimmung die Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit verhindern kann. Die erfolgreiche Anfechtung führt zur rechtsgestaltenden Aufhebung der Entlassung. Die Entlassung kann auch im befristeten Dienstverhältnis angefochten werden (9 ObA 31/04f DRdA 2005, 309 Löschnigg = ecolex 2004, 732 Windisch-Graetz). 23 Sondergesetzliche Bestimmungen (§ 12 Abs 7 GlBG; § 8 Abs 2, § 9
Abs 2 AVRAG) sehen zur Absicherung bestimmter Dienstnehmer die Möglichkeit der Entlassungsanfechtung wegen verpönter Motive vor. Einen Entlassungsschutz, der dem Kündigungsschutz nach § 15 Abs 1 AVRAG (Motivkündigung) bzw nach § 15 Abs 3 AVRAG (Möglichkeit der Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit für ältere Dienstnehmer in nicht betriebsratspflichtigen Betrieben) entspricht, sieht das AVRAG nach seinem Wortlaut nicht vor. In der Lehre wird dennoch mit überzeugenden Argumenten die Möglichkeit der Entlassungsanfechtung bejaht, wenn die Entlassung in Umgehung des durch § 15 Abs 1 und 3 AVRAG normierten Kündigungsschutzes ausgesprochen wurde (Holzer/Reissner, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, 1998, 229; Löschnigg, AR 542; Risak, ecolex 2000, 809). 24 Sondergesetze gewähren schutzwürdigen Dienstnehmergruppen den
besonderen Entlassungsschutz, der den besonderen Kündigungsschutz dieser Gruppen (§§ 1159–1159c Rz 13) ergänzt. Belegschaftsfunktionäre (§§ 120, 123, 130 ArbVG; §§ 223, 225 LAG), Dienstnehmerinnen vor bzw nach der Geburt eines Kindes (§ 12 Abs 1 MuttSchG), Väter aus Anlass des Karenzurlaubs (§ 7 Abs 3 VKG) und Präsenz- und Zivildiener (§§ 12 ff APSG) können nur mit (bei Vorliegen bestimmter Gründe zu erteilender) Zustimmung des Gerichtes wirksam entlassen werden. Auch Dienstnehmer, die das Recht auf 1290
Spenling
Dienstvertrag
§ 1162a
Sterbebegleitung naher Angehöriger (§ 14a AVRAG) oder auf Begleitung von schwerst erkrankten Kindern (§ 14b AVRAG) in Anspruch nehmen, können innerhalb einer bestimmten Frist nur mit Zustimmung des Gerichts rechtswirksam entlassen werden (§ 15a AVRAG). Im Gegensatz zur Kündigung ist die Entlassung „begünstigter Behinderter“ iSd BEinstG nicht an die Zustimmung des Behindertenausschusses beim Bundessozialamt gebunden. Dennoch besteht auch für begünstigte Behinderte insofern ein Entlassungsschutz, als – zur Vermeidung der Umgehung des Kündigungsschutzes nach § 8 BEinstG (§§ 1159–1159c Rz 13) – die unberechtigte Entlassung als unwirksam erachtet wird (Löschnigg, AR 550; RS0052630; 9 ObA 94/02t RdW 2003, 465). Gleiches gilt für die Umgehung der Kündigungsbeschränkungen des § 45a AMFG und der §§ 18, 20 HbG (Spielbüchler/Grillberger, AR I 425). Beschränkungen des Entlassungsrechtes normieren auch § 15 BAG und § 34 VBG. Zum Wahlrecht des Dienstnehmers bei Unwirksamkeit der Entlassung s Rz 21. Beschränkungen des Entlassungsrechtes können auch in Einzel- 25 oder Kollektivverträgen vereinbart werden. Der generelle, auch verschuldete Tatbestände umfassende Ausschluss des Entlassungsrechtes ist aber nichtig (Rz 2). § 1162a. Wenn der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt, kann der Dienstgeber entweder dessen Wiedereintritt zur Dienstleistung nebst Schadenersatz oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangen. Wird der Dienstnehmer wegen eines Verschuldens vorzeitig entlassen, so hat er Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages zu leisten. Für die schon bewirkten Leistungen, deren Entgelt noch nicht fällig ist, steht dem Dienstnehmer ein Anspruch auf den entsprechenden Teil des Entgelts nur insoweit zu, als sie nicht durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisse für den Dienstgeber ihren Wert ganz oder zum größten Teil eingebüßt haben. [III. TN]
Die Bestimmung regelt die Ansprüche des Dienstgebers im Fall eines 1 ohne wichtigen Grund erklärten Austritts oder einer vom Dienstnehmer verschuldeten Entlassung. Für die meisten Dienstnehmergruppen bestehen insofern sondergesetzliche Regelungen (zB § 28 AngG, § 28 GAngG). Obwohl § 1162a nach seinem Wortlaut dem Dienstgeber für den Fall 2 des unberechtigten Austritts das Recht einräumt, vom Dienstnehmer den „Wiedereintritt zur Dienstleistung“ zu verlangen, wird nach hA Spenling
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Dienstvertrag
§ 1162b
auch im Anwendungsbereich des § 1162a das Dienstverhältnis durch den unberechtigten Austritt beendet (JBl 1975, 437; 8 ObA 113/01b Arb 12.144; Spielbüchler/Grillberger, AR I 420). 3 Bei unberechtigtem Austritt und bei vom Dienstnehmer verschul-
deter gerechtfertigter Entlassung hat der Dienstgeber Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Der Dienstnehmer haftet für den Schaden, der dadurch entstanden ist, dass das Dienstverhältnis nicht ordnungsgemäß beendet wurde (zB Mehrauslagen für eine Ersatzkraft für die Dauer der Kündigungsfrist; Arb 9422), aber nicht für Kosten, die auch bei ordnungsgemäßer Kündigung entstanden wären (9 ObA 127/98m RdW 1998, 699: Kosten der Suche eines Nachfolgers). Der Dienstgeber ist verpflichtet, den Schaden möglichst gering zu halten (ZAS 1981, 23; § 1304 Rz 1, 9). Die Ersatzpflicht des Dienstnehmers kann durch Konventionalstrafe gesichert werden (RS0028153; SZ 56/75). Das DHG ist auf Ersatzansprüche nach § 1162a nicht anzuwenden (RS0038093; Arb 9422). 4 § 1162a letzter S (ebenso § 28 Abs 2 AngG) normiert die Kürzung der
Ansprüche des Dienstnehmers, wenn schon erbrachte Leistungen, deren Entgelt noch nicht fällig ist, durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses für den Dienstgeber ganz oder weitgehend wertlos wurden. Der Wertverlust muss durch die vorzeitige Auflösung entstanden, objektiv feststellbar und wesentlich sein (Kuderna, Entlassungsrecht 36). § 1162b. Wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig entläßt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritte des Dienstnehmers trifft, behält dieser, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes, seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen, unter Anrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Soweit jedoch der oben genannte Zeitraum drei Monate nicht übersteigt, kann der Dienstnehmer das ganze für diese Zeit gebührende Entgelt ohne Abzug sofort fordern. [III. TN] Lit: Wagnest, Kündigungsentschädigung, ecolex 2002, 201.
1 § 1162b regelt die Ansprüche des Dienstnehmers bei unberechtigter
Entlassung und bei gerechtfertigtem, vom Dienstgeber verschuldeten 1292
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Dienstvertrag
§ 1162b
Austritt. Für die meisten Dienstnehmer gelten allerdings entsprechende sondergesetzliche Regelungen. Die Bestimmung wird auch auf zeitwidrige Kündigungen (§§ 1159–1159c Rz 9), auf den unberechtigten Rücktritt vom Vertrag vor Dienstantritt (§ 1158 Rz 12) und auf die unberechtigte vorzeitige Auflösung des freien Dienstvertrags (9 ObA 54/97z SZ 70/52; 9 ObA 15/03a wbl 2004, 89) angewendet. Entlassung (sofern nicht ein besonderer Bestandschutz zum Tragen 2 kommt) und Austritt beenden das Dienstverhältnis auch dann, wenn sie unberechtigt sind (näher § 1162 Rz 21). Dem vertragstreuen Teil stehen aber die in § 1162b (§ 84 GewO 1859; § 29 AngG) normierten Ansprüche zu. Beim Austritt ist der Anspruch von einem Verschulden des Dienstgebers abhängig, das bei Austritt im Konkurs gemäß § 25 Abs 1 KO vermutet wird (RdW 1988, 137). Die in § 1162b als Mindestanspruch des Dienstnehmers normierte 3 „Kündigungsentschädigung“ wird von der hA ungeachtet der Bezugnahme auf die „vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt“ als Schadenersatzanspruch („Schadenersatzprinzip“) qualifiziert (RS0028724; 8 ObA 218/96m SZ 72/106; Spielbüchler/Grillberger, AR I 418). Der Dienstnehmer wird wirtschaftlich so gestellt, als wäre das Dienstverhältnis vertragsgemäß beendet worden. Es stehen ihm daher auch jene Ansprüche zu, die bei ordnungsgemäßer Beendigung im dafür erforderlichen Zeitraum entstanden wären (zB Urlaubsansprüche wegen des Beginns eines neuen Urlaubsjahrs). Beim befristeten Dienstverhältnis steht dem Dienstnehmer das Entgelt bis zum Ablauf der Vertragszeit zu. Ein über die Kündigungsentschädigung hinausgehender, vom Dienstgeber verschuldeter Schaden kann zusätzlich geltend gemacht werden. Der vertragliche Ausschluss des Anspruchs auf Kündigungsentschädigung verstößt gegen zwingendes Recht und ist unwirksam (Löschnigg, AR 535). In Fällen, in denen ein besonderer gesetzlicher Kündigungs- oder 4 Entlassungsschutz oder ein vertraglicher Ausschluss der freien Kündbarkeit besteht, ist die unberechtigte Entlassung unwirksam. Der Dienstnehmer hat das Wahlrecht, entweder auf dem Fortbestand des Dienstverhältnisses zu bestehen (zur insofern bestehenden Aufgriffsobliegenheit s § 1162 Rz 21; §§ 1159–1159c Rz 13) oder aber die Ersatzansprüche nach § 1162b (§ 84 GewO 1859; § 29 AngG) geltend zu machen (§ 1162 Rz 21). Bei der Frage, ob bzw in welcher Form bei der Bemessung der Ersatzansprüche der Einfluss des Bestandschutzes auf die zur (fiktiven) Beendigung des Dienstverhältnisses erforderliche Zeit zu berücksichtigen ist, differenziert die Rspr: Bei Betriebsratsmitgliedern sieht sie vom durch den KündiSpenling
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Dienstvertrag
§ 1162c
gungsschutz gewährten Schutzzeitraum ab (9 ObA 59/94 Arb 11.180; Spielbüchler/Grillberger, AR I 419). Bei begünstigten Behinderten wendet sie § 1158 Abs 3 und § 21 AngG analog an und bemisst die Kündigungsentschädigung unter Bedachtnahme auf eine Kündigungsfrist von sechs Monaten, sofern nicht aufgrund von Gesetz, Kollektiv- oder Dienstvertrag eine längere Kündigungsfrist besteht (RS0052572; 9 ObA 82/03d SZ 2003/136). Beim Bestandschutz nach dem BAG und nach dem MuttSchG wird der geschützte Zeitraum berücksichtigt (9 ObS 13/91 SZ 64/116; 9 ObA 2070/96v SZ 69/163). 5 Wie nach § 1155 muss sich der Dienstnehmer anrechnen lassen, was
er sich infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder was er durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (s § 1155 Rz 8). Anders als nach § 1155 findet die Anrechnung aber für die ersten drei Monate, für die Entschädigung gebührt, nicht statt. 6 Soweit der Zeitraum, für den Entschädigung gebührt, drei Monate
nicht übersteigt, wird der gesamte Ersatzbetrag bei Beendigung des Dienstverhältnisses fällig. Geht dieser Zeitraum über drei Monate hinaus, können die weiteren Entschädigungsleistungen an den gesetzlichen oder vertraglichen Fälligkeitstagen gefordert werden, die im aufrechten Dienstverhältnisses maßgebend gewesen wären (Löschnigg, AR 536). § 1162c. Trifft beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. [III. TN] Lit: Rauch, Die Rechtsprechung zur arbeitsrechtlichen Mitverschuldensregel, ASoK 2003, 162; Wachter, Beiderseitiges Verschulden bei der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses (1992).
1 § 1162c sieht – wie zB § 32 AngG – die Kürzung der aus den §§ 1162a
und 1162b resultierenden Ansprüche bei Mitverschulden vor. Diese Regel ist jedenfalls dann anzuwenden, wenn die vorzeitige Auflösung berechtigt war, aber auch den Auflösenden daran ein Verschulden trifft (zB Austritt wegen Beschimpfungen durch den Dienstgeber, der vorher durch den Dienstnehmer provoziert wurde; 8 ObA 116/98m SZ 71/148). Nach hM kann § 1162c aber nicht nur zur Kürzung von Ansprüchen führen: Das Gericht kann auch einem Dienstnehmer, der – weil er rechtmäßig entlassen wurde – aus § 1162b keine Ansprüche ableiten kann, bei einem mitwirkenden Verschulden des Dienstgebers 1294
Spenling
Dienstvertrag
§ 1162d
Kündigungsentschädigung und sonstigen Schadenersatz auf der Grundlage des § 1162c (idR teilweise) zusprechen („anspruchsbegründende Wirkung des § 1162c“; 8 ObA 76/01m DRdA 2002, 284 Apathy; Kuderna, Entlassungsrecht 77; Wachter, Verschulden 46 f). Nach der jüngeren Rspr und der hL (Kuderna, Entlassungsrecht 76 ff; 2 Löschnigg, AR 537; 8 ObA 2058/96x ZAS 1997, 55 Apathy; 8 ObA 52/04m ecolex 2004, 802) kann den Dienstnehmer auch ein Mitverschulden an der unberechtigten Entlassung treffen, wenn er einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten dem Dienstgeber schuldhaft nicht bekannt gibt und der Dienstgeber bei Kenntnis des Rechtfertigungsgrundes die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte. Dies kann sogar zur gänzlichen Verneinung des Anspruchs führen (9 ObA 160/05b). Kein Mitverschulden kann hingegen aus jenem Verhalten des Dienstnehmers abgeleitet werden, das Anlass für die Entlassung war, aber die Entlassung nicht rechtfertigt (näher RS0028230; ecolex 2004, 802). § 1162c wird nicht nur auf die aus den §§ 1162a und 1162b resultie- 3 renden Ersatzansprüche, sondern auch auf andere von der Art der Beendigung abhängige Ansprüche angewendet (zB Abfertigung alt; DRdA 2002, 284 Apathy; Kuderna, Entlassungsrecht 77 f). § 1162d. Ansprüche wegen vorzeitigen Austrittes oder vorzeitiger Entlassung im Sinne der §§ 1162a und 1162b müssen bei sonstigem Ausschlusse binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten, gerichtlich geltend gemacht werden. [III. TN] Lit: Balla, Über den Verfall von Zeitausgleichsansprüchen, DRdA 2001, 465; Eypeltauer, Wider den vereinbarten Verfall zwingender Arbeitnehmeransprüche bei aufrechtem Arbeitsverhältnis, DRdA 2001, 23.
§ 1162d (vgl zB auch § 34 AngG) ist relativ zwingend (§ 1164 Abs 1); 1 die Frist kann daher nicht zum Nachteil des Dienstnehmers verkürzt werden (RS0021731; SZ 59/180). Bei der Beurteilung der Nachteiligkeit hat der OGH in 9 ObA 141/05h JBl 2006, 802 – in Abweichung von seiner bisherigen Rspr – einen Günstigkeitsvergleich (Gruppenvergleich; § 1164 Rz 2) angestellt und eine Kollektivvertragsbestimmung, nach der sämtliche Ansprüche des Dienstnehmers verfallen, wenn sie nicht innerhalb von vier Monaten außergerichtlich schriftlich geltend gemacht werden, als insgesamt günstiger erachtet, als die Regelung des § 1162d. Spenling
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Dienstvertrag
§ 1163
2 § 1162d erfasst nur Ansprüche nach §§ 1162a und 1162b. Nach der Rspr
ist daher für andere Ansprüche die Vereinbarung kürzerer kollektivvertraglicher Verfallsfristen zulässig, sofern dadurch die Geltendmachung des Anspruchs nicht ohne sachlichen Grund unangemessen erschwert wird. Fristen von drei oder vier Monaten werden idR als zulässig erachtet (RS0016688; 8 ObA 42/03i Arb 12.406; 9 ObA 12/04m ARD 5558/10/2005). Mit der Begründung, dass nicht der Anspruch selbst, sondern nur dessen Geltendmachung betroffen sei, lässt die Rspr solche Vereinbarungen auch für zwingende Ansprüche zu (RS0034517; SZ 56/27; zum Verzicht auf zwingende Ansprüche s § 1164 Rz 3). Dies wird allerdings im Schrifttum überwiegend abgelehnt (für alle Eypeltauer, DRdA 2001, 23). Der Dienstgeber kann sich dann nicht auf den Ablauf der Verfallsfrist berufen, wenn er in treuwidriger Weise die Geltendmachung des Anspruchs durch den Dienstnehmer erschwert oder praktisch unmöglich macht (9 ObA 86/01i DRdA 2003, 35 B. Schwarz; 9 ObA 153/03w ARD 5501/2/04). 3 Die Frist des § 1162d ist eine Präklusivfrist. § 1497 wird auf sie ana-
log angewendet (SZ 49/106; RS0029716; 9 ObA 97/05p EvBl 2006/49), so dass die rechtzeitige Einbringung der Klage den Anspruch wahrt. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das Dienstverhältnis durch Entlassung oder Austritt beendet wird (wbl 1987, 130), bei Ansprüchen, die erst nach dem Ende des Dienstverhältnisses fällig werden, mit dem Tag der Fälligkeit (RS0029690; EvBl 2006/49). Die Nichteinhaltung der Frist ist vom Gericht nur über Einwand wahrzunehmen (Arb 10.097; EvBl 1990/45). Zeugnis § 1163. (1) Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist dem Dienstnehmer auf sein Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und Art der Dienstleistung auszustellen. Verlangt der Dienstnehmer während der Dauer des Dienstverhältnisses ein Zeugnis, so ist ihm ein solches auf seine Kosten auszustellen. Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnisse, durch die dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stellung erschwert wird, sind unzulässig. (2) Zeugnisse des Dienstnehmers, die sich in Verwahrung des Dienstgebers befinden, sind dem Dienstnehmer auf Verlangen jederzeit auszufolgen. [idF III. TN] Lit: Celar, Das Arbeitszeugnis als Ausdruck der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht, ASoK 2006, 7; Eichinger, Anforderungen an den Inhalt eines Dienstzeugnisses, RdW 1995, 347.
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Spenling
Dienstvertrag
§ 1164
Die relativ zwingende Bestimmung (§ 1164 Abs 1) soll dem Dienst- 1 nehmer die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes erleichtern (vgl auch zB § 39 AngG). Der Dienstgeber hat das Zeugnis nur über Verlangen auszustellen. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses hat die Kosten der Dienstgeber zu tragen; verlangt der Dienstnehmer während des aufrechten Dienstverhältnisses ein Zeugnis, muss er die Kosten tragen. Vorhandene Zeugnisse (anderer Dienstgeber) hat der Dienstgeber jederzeit herauszugeben. Das Zeugnis ist schriftlich auszustellen; es muss vom Dienstgeber 2 oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden. Im Zeugnis ist Art (= tatsächliche Beschäftigung) und Dauer der Dienstleistung anzugeben (RS0030868; 8 ObA 16/05v RdW 2005, 700 Eypeltauer). Werturteile sind zu unterlassen. Unzulässig ist jeder Hinweis, der dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stellung erschwert (zB Angaben über häufige und längere Krankenstände oder über die Art der Beendigung; Hinweise auf die „sehr ernst“ genommene gewerkschaftliche Betätigung des Dienstnehmers: RdW 1993, 252). Auch die äußere Form kann – sofern daraus auf Unstimmigkeiten zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer zu schließen ist – geeignet sein, dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stellung zu erschweren (8 ObA 217/00w SZ 74/42). Die Klage des Dienstnehmers auf Ausstellung eines Zeugnisses muss 3 ein konkretes Begehren enthalten; das Begehren auf Ausstellung eines den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Dienstzeugnisses reicht nicht (Arb 10.812). Ist der begehrte Wortlaut nicht durch das Gesetz gedeckt, kann das Gericht im Urteil entsprechende Einschränkungen vornehmen. § 367 EO ist unanwendbar, weil die Vorlage des Urteils geeignet wäre, die Erlangung einer neuen Stellung zu erschweren. Das Urteil ist daher nach § 354 EO zu vollstrecken (SZ 74/42). Zum Anspruch auf ein Dienstzeugnis im Konkurs des Dienstgebers s 9 ObA 118/04z DRdA 2006, 290 Reissner). Zwingende Vorschriften § 1164. (1) Die Berechtigungen des Dienstnehmers, die sich aus den Bestimmungen der §§ 1154 Abs. 3, 1154b Abs. 1 bis 4, 1156 bis 1159b, 1160 und 1162a bis 1163 ergeben, können durch den Dienstvertrag oder durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben oder beschränkt werden. (2) Die §§ 1154b, 1156 und 1164 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 sind auf Dienstverhinderungen anzuSpenling
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Dienstvertrag
§ 1164
wenden, die in nach dem 31. Dezember 2000 begonnenen Arbeitsjahren eingetreten sind. (3) Die verlängerte Anspruchsdauer nach § 1154b Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 bewirkt keine Verlängerung einer in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Dienstverträgen vorgesehenen längeren Anspruchsdauer. Sehen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Dienstverträge einen zusätzlichen Anspruch im Anschluss an den Anspruch nach § 1154b Abs. 1 vor, wird die Gesamtdauer der Ansprüche nicht verlängert. (4) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 für die Dienstnehmer günstigere Regelungen in Dienstverträgen oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung werden durch die Neuregelung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/2000 nicht berührt. [idF BGBl I 2000/44]
1 § 1164 normiert, welche Bestimmungen des Dienstvertragsrechts
zwingend sind. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass alle nicht aufgezählten Normen nur dispositiv sind (vgl etwa § 1162 oder § 1159c). Die Abs 2–4 sind im Wesentlichen Übergangsbestimmungen. Abs 3 soll verhindern, dass Regelungen in Einzelverträgen oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die dem Dienstnehmer ohnedies günstigere als die gesetzlichen Ansprüche auf Entgeltfortzahlung einräumen, durch die Neuregelung des § 1154b noch weiter verbessert werden. Abs 4 normiert, dass die Neuregelung bereits vorhandene Besserstellungen nicht beseitigt. 2 Die Anordnung des § 1164 Abs 1 steht günstigeren Regelungen durch
Einzelvertrag oder kollektive Rechtsgestaltung nicht entgegen. Beim Günstigkeitsvergleich ist weder ein punktueller Einzelvergleich einzelner Bestimmungen noch ein Gesamtvergleich aller vertraglichen Rechtspositionen mit der gesetzlichen Lage anzustellen, sondern ein Vergleich der rechtlich und sachlich in Zusammenhang stehenden Regelungen („Gruppenvergleich“; 9 ObA 141/05h ARD 5695/6/2006). 3 Ein Verzicht des Dienstnehmers auf unabdingbare Ansprüche wird
von der hA während der Dauer des Dienstverhältnisses als unwirksam erachtet, weil angenommen werden muss, dass er unter wirtschaftlichem Druck erfolgt ist („Drucktheorie“). Im Detail bestehen allerdings Auffassungsunterschiede: Nach der überwiegenden Rspr ist entscheidend, ob das Dienstverhältnis wirtschaftlich nicht beendet und die persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers noch aufrecht ist (Arb 3725; 8 ObA 277/01w Arb 12.253; 9 ObA 10/05v JBl 2006, 1298
Spenling
Dienstvertrag
§ 1164a
58). In der Lehre wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass ein Verzicht auf unabdingbare Ansprüche auch nach der Beendigung des Dienstverhältnisses ohne jede zeitlich Begrenzung unwirksam sei oder dass die Unverzichtbarkeit zumindest so lange anzunehmen sei, als das Dienstverhältnis noch nachwirkt (Löschnigg, AR 66 ff; Spielbüchler/Grillberger, AR I 106 ff). Zum Verzicht auf unabdingbare Ansprüche in einem Vergleich aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses 9 ObA 138/02p Arb 12.280. Dienstzettel für das freie Dienstverhältnis § 1164a. (1) Liegt ein freies Dienstverhältnis (§ 4 Abs. 4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, in der jeweils geltenden Fassung) vor, so hat der Dienstgeber dem freien Dienstnehmer unverzüglich nach dessen Beginn eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem freien Dienstvertrag (Dienstzettel) auszuhändigen. Solche Aufzeichnungen sind von Stempel- und unmittelbaren Gebühren befreit. Der Dienstzettel hat folgende Angaben zu enthalten: 1. Name und Anschrift des Dienstgebers, 2. Name und Anschrift des freien Dienstnehmers, 3. Beginn des freien Dienstverhältnisses, 4. bei freien Dienstverhältnissen auf bestimmte Zeit das Ende des freien Dienstverhältnisses, 5. Dauer der Kündigungsfrist, Kündigungstermin, 6. vorgesehene Tätigkeit, 7. Entgelt, Fälligkeit des Entgelts. (2) Hat der freie Dienstnehmer seine Tätigkeit länger als einen Monat im Ausland zu verrichten, so hat der vor der Aufnahme der Auslandstätigkeit auszuhändigende Dienstzettel oder schriftliche freie Dienstvertrag zusätzlich folgende Angaben zu enthalten: 1. voraussichtliche Dauer der Auslandstätigkeit, 2. Währung, in der das Entgelt auszuzahlen ist, sofern es nicht in Euro auszuzahlen ist, 3. allenfalls Bedingungen für die Rückführung nach Österreich und 4. allfällige zusätzliche Vergütung für die Auslandstätigkeit. (3) Keine Verpflichtung zur Aushändigung eines Dienstzettels besteht, wenn 1. die Dauer des freien Dienstverhältnisses höchstens einen Monat beträgt oder 2. ein schriftlicher freier Dienstvertrag ausgehändigt wurde, der alle in Abs. 1 und 2 genannten Angaben enthält, oder Spenling
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Dienstvertrag
§ 1164a
3. bei Auslandstätigkeit die in Abs. 2 genannten Angaben in anderen schriftlichen Unterlagen enthalten sind. (4) Jede Änderung der Angaben gemäß Abs. 1 und 2 ist dem freien Dienstnehmer unverzüglich, spätestens jedoch einen Monat nach ihrer Wirksamkeit schriftlich mitzuteilen, es sei denn, die Änderung erfolgte durch Änderung von Gesetzen. (5) Hat das freie Dienstverhältnis bereits am 1. Juli 2004 bestanden, so ist dem freien Dienstnehmer auf sein Verlangen binnen zwei Monaten ein Dienstzettel gemäß Abs. 1 auszuhändigen. Eine solche Verpflichtung des Dienstgebers besteht nicht, wenn ein früher ausgestellter Dienstzettel oder ein schriftlicher Vertrag über das freie Dienstverhältnis alle nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Angaben enthält. (6) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 5 können durch den freien Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. [BGBl I 2004/77] Lit: M. Binder, Funktion, Inhalt und Wirkungsweise von Dienstzetteln, FS Cerny (2001) 169; Resch, Sozialversicherungspflicht für freie Dienstverträge, DRdA 2000, 15; Risak, Dienstzettelpflicht auch für freie Dienstnehmer, ZAS 2004, 201; Trattner, Dienstzettel für das freie Dienstverhältnis, ASoK 2006, 59.
1 Die durch das Arbeitsmarktreformgesetz BGBl I 2004/77 eingefügte,
mit 1.8.2004 in Kraft getretene Bestimmung ist an § 2 AVRAG orientiert, der die Dienstzettelpflicht für „echte“ Dienstverhältnisse normiert. 2 Der freie Dienstvertrag ist weder im ABGB noch in arbeitsrecht-
lichen Sondergesetzen geregelt (zum Begriff § 1151 Rz 12). § 1164a knüpft „aus Praktikabilitätserwägungen“ (Erl 464 BlgNR 22. GP 12) an den durch § 4 Abs 4 ASVG geprägten sozialversicherungsrechtlichen Begriff des freien Dienstvertrages an (dazu Kuras/Strohmayer, FS Bauer/Maier/Petrag, 2004, 53 ff; Resch, DRdA 2000, 16 ff). Wie aus den Materialien ersichtlich ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dadurch im Ergebnis die wirtschaftlich abhängigen und arbeitnehmerähnlichen freien Dienstnehmer zu erfassen, deren Schutzwürdigkeit jener eines Dienstnehmers entspricht. Bei Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit (§ 1151 Rz 6) liegt – ungeachtet der Bezeichnung des Vertrags (§ 1151 Rz 10) – in Wahrheit ein „echter“ Dienstvertrag vor, für den sich die Verpflichtung des Dienstgebers zur Ausfolgung eines Dienstzettels aus § 2 AVRAG ergibt. 3 Sofern die vom Gesetz geforderten Angaben nicht bereits im schrift-
lichen Vertrag enthalten sind, ist der Dienstzettel dem freien Dienst1300
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Werkvertrag
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nehmer unmittelbar nach Beginn des freien Dienstverhältnisses auszuhändigen; hat der Vertrag zum 1.7.2004 bereits bestanden und wurde noch kein Dienstzettel ausgehändigt – in diesem Fall nur über Verlangen des Dienstnehmers – innerhalb zweier Monate. Ein vertraglicher Verzicht auf den Anspruch ist wirkungslos (Abs 6). Zum Begriff des Dienstzettels s die Rspr zu § 2 AVRAG bzw § 6 4 Abs 3 AngG (RS0027889; 9 ObA 267/01g DRdA 2003, 58 Eichinger). Danach ist der Dienstzettel eine Wissenserklärung des Dienstgebers, die Vereinbartes wiedergibt. Weicht der ausgefolgte Dienstzettel vom Vertragsinhalt ab, führt dies idR selbst dann zu keiner Vertragsänderung, wenn der Dienstnehmer den Dienstzettel gelesen und unterschrieben hat (vgl § 861 Rz 9). Der Dienstnehmer muss nämlich nicht damit rechnen, dass der Dienstzettel eine Willenserklärung iS eines Anbots auf Abänderung des Vertrags enthält. Anders ist dies aber dann, wenn der Dienstgeber auf die Änderung, die mit der Unterfertigung des Dienstzettels vereinbart werden soll, bei dessen Ausfolgung hinweist (DRdA 2003, 58 Eichinger). 2. Werkvertrag § 1165. Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk persönlich auszuführen oder unter seiner persönlichen Verantwortung ausführen zu lassen. [idF III. TN] Lit: Engljähringer, Ärztlicher Behandlungsvertrag, ÖJZ 1993, 488; G. Frotz, Der Generalunternehmervertrag, in Aicher/Korinek (Hrsg), Rechtsfragen des Industrieanlagenbaus (1991) 153; Hodik, Theater- und Konzertverträge (1995); Hartl/Reich-Rohrwig/Schlosser, Der Druckvertrag im österreichischen Recht (1987); Pflaum/G. Schima, Der Architektenvertrag (1991). Zum Reisevertrag s bei § 31b KSchG.
Die Definition des Werkvertrags findet sich in § 1151 Abs 1. Die dort 1 erwähnte „Herstellung eines Werkes“ wird allgemein als Verpflichtung zur Herbeiführung eines (Arbeits-)Erfolgs verstanden, wogegen beim Dienstvertrag nur die Arbeitsleistung an sich, nicht aber ein bestimmtes Ergebnis geschuldet wird. Der Unterschied zum Auftragsvertrag besteht darin, dass ein „tatsächlicher“ Erfolg, also eine reale Veränderung, herbeizuführen ist und nicht (primär) eine Veränderung der Rechtslage durch rechtsgeschäftliches Handeln. Die Abgrenzung zum Kaufvertrag ist in den Randbereichen der beiden Institute oft nicht leicht (dazu § 1166), sofern eine körperliche Sache herzustellen und zu liefern ist; die Besonderheit dieses Vertragstyps Spenling/M. Bydlinski
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liegt darin, dass die geschuldete Leistung – anders als bei einem bereits vorhandenen, vorgegebenen oder sonst „standardisierten“ Leistungsgegenstand – typischerweise nach den Wünschen und Bedürfnissen des konkreten Bestellers anzufertigen ist. IdR liegt ein Zielschuldverhältnis vor, doch können Werkleistungen auch im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses (zB Wartungsvertrag) zu erbringen sein (EvBl 1987/176). Strittig ist, ob entsprechend dem Gesetzeswortlaut die Entgeltlichkeit zum Wesen des Werkvertrags gehört (K/W II 256 mwN); im Falle der Unentgeltlichkeit sind Werkvertrags- und Schenkungsrecht jeweils soweit anzuwenden, wie dies den (unterschiedlichen) Gesetzeszwecken entspricht. 2 Das praktische Hauptanwendungsgebiet des Werkvertragsrechts liegt
im Bauwesen. Dort wird das dispositive Recht des ABGB jedoch häufig durch vertragliche Einzelabreden, Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Einbeziehung einschlägiger ÖNORMEN in den Vertrag umfassend abgeändert (s nur Karasek, ÖNORM B 2110 [2003]). Sonst können die Gegenstände eines Werkvertrags ganz unterschiedlich sein, etwa Reparaturarbeiten, Transporte, die Herstellung eines literarischen Werks, eines Rechtsgutachtens oder einer Bilanz. Der Reiseveranstaltungsvertrag (s auch §§ 31b ff KSchG) wird häufig als ein gemischter Vertrag (6 Ob 11/02i ZVR 2003/109) bzw ein mit einer Geschäftsbesorgung verbundener Werkvertrag (SZ 58/174) bezeichnet, wobei dem Auftragselement mE aber idR nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Schuldet ein Vertragspartner neben der Werkleistung weitere Tätigkeiten (zB Architekt: Planerstellung/Bauaufsicht, Vertretung des Bauherrn; Rechtsanwalt: Vertragserrichtung/Verbücherung bzw sonstige Vertretung), ist im Konfliktfall zu prüfen, welche Normen für die Lösung des jeweiligen Rechtsproblems am sachgerechtesten erscheinen. Liegt das Schwergewicht eindeutig auf der Werkleistung (zB Vertragserrichtung nach Rechtsberatung), wird man idR neben dem eigentlichen Werkvertragsrecht mit den allgemeinen vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten das Auslangen finden (vgl auch § 1169). 3 Sofern sich nicht aus einer ausdrücklichen Abrede oder den Umstän-
den Höchstpersönlichkeit ergibt, wie etwa typischerweise bei künstlerischen Leistungen, darf der Unternehmer das geschuldete Werk auch – ganz oder teilweise – von Dritten (Hilfspersonen, Subunternehmern) herstellen lassen, stets aber unter seiner persönlichen Verantwortung (s auch § 1171). Auch wenn ein Fachmann wegen des besonderen Vertrauens in dessen Kenntnisse beauftragt wird, ist eine 1302
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Werkvertrag
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Pflicht zur persönlichen Leistung nicht anzunehmen, wenn dem erkennbaren Interesse des Bestellers durch Überwachungs-, Kontrollund Korrekturtätigkeit Rechnung getragen werden kann (Rechtsgutachten: GlU 11.030; Baupläne, Computerprogramme, Bilanz uÄ), nicht aber bei irreversiblen Vorgängen (Operation: 3 Ob 131/03s RdM 2004, 58; Moderation uÄ). Unklarheiten können durch eindeutige vertragliche Regelungen vermieden werden; dabei kann etwa vereinbart werden, dass der Unternehmer die Leistung ausschließlich selbst oder durch eigene Mitarbeiter zu erbringen hat oder dass bestimmte Dritte nicht herangezogen werden dürfen. Bestehen keine (vertraglichen) Einschränkungen, kann der Unternehmer die Werkherstellung auch zur Gänze einem Dritten übertragen. Seine „persönliche Verantwortung“ besteht dann darin, dass ihn als Vertragspartner des Bestellers die Gewährleistungspflicht trifft und er für herbeigeführte Schäden nach § 1313a haftet (4 Ob 197/05g JBl 2006, 653 Haas; zur Haftung für beigezogene selbständige Dritte 1 Ob 265/03g JBl 2004, 648 Lukas = ecolex 2004, 608 Wilhelm). Werden mehrere Unternehmer mit der Herstellung von Teilen eines Gesamtwerks (zB Bauwerk) beauftragt, haben sich diese ausreichend miteinander abzustimmen (2 Ob 355/98i RdW 1999, 649). § 1166. Hat derjenige, der die Verfertigung einer Sache übernommen hat, den Stoff dazu zu liefern, so ist der Vertrag im Zweifel als Kaufvertrag; liefert aber der Besteller den Stoff, im Zweifel als Werkvertrag zu betrachten. [idF III. TN]
Die Bestimmung enthält eine Zweifelsregel zur Abgrenzung zwi- 1 schen Kauf- und Werkvertrag, wenn die vom Besteller gewünschte Sache erst herzustellen ist. Abgesehen von der eher formalen Abgrenzung ist vor allem entscheidend, ob die Sache den besonderen Bedürfnissen und Wünschen des Bestellers gemäß zu verfertigen ist (2 Ob 85/05x EvBl 2006/27: Blockhaus), was auch dann für eine Einordnung unter den Werkvertrag spricht, wenn das Material nicht vom Besteller stammt („Werklieferungsvertrag“, vgl § 651 BGB). Gemäß § 381 Abs 2 UGB sind aber die Vorschriften über den Warenkauf anzuwenden, wenn eine bewegliche körperliche Sache herzustellen ist (vgl § 1167 Rz 1). Ausnahmsweise können auch zwei getrennte Verträge (Kaufvertrag und Werkvertrag) vorliegen, etwa wenn der Besteller beim Unternehmer mehr Material erwirbt als für die Herstellung des Werks erforderlich ist; hier werden unter Bedachtnahme auf die vernünftigerweise zu unterstellende Parteienabsicht Kaufrecht und WerkverM. Bydlinski
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tragsrecht nebeneinander anzuwenden sein (vgl auch Adler/Höller/K V 388). 2 Liefert der Besteller den Stoff, aus dem nach seinen Wünschen eine
bestimmte Sache angefertigt werden soll, so liegt in aller Regel ein Werkvertrag vor. Nur ausnahmsweise wird eine solche Vereinbarung als Kaufvertrag zu qualifizieren sein, etwa wenn die Materialbeistellung durch den Besteller (zB wegen eines Materialengpasses beim Unternehmer) eine bloße Zufälligkeit darstellt und die herzustellende (bewegliche) Sache keine individuellen Besonderheiten aufweist. Arbeiten an unbeweglichen Sachen sind stets werkvertraglicher Natur, ohne Rücksicht auf die Herkunft des Materials. 3 Nicht unproblematisch ist die Anordnung, den Vertrag im Zweifel als
Kaufvertrag anzusehen, wenn derjenige, der die Verfertigung einer Sache übernommen hat, den Stoff dafür zu liefern hat. Dies scheint nur dort zu passen, wo es sich um „Standardware“ ohne Bedachtnahme auf besondere Wünsche und Bedürfnisse des Bestellers handelt (Rebhahn/S Rz 2), soweit nicht § 381 Abs 2 UGB anzuwenden ist. Ein Kaufvertrag liegt jedenfalls vor, wenn es dem typischen Vertragspartner nicht darauf ankommt, ob die gewünschte Sache bereits vorhanden ist oder erst hergestellt werden muss bzw ob sie gerade im Verantwortungsbereich des Schuldners produziert oder allenfalls auch bei einem Dritten beschafft wird. Hat der Veräußerer eine bereits vorhandene Sache nur geringfügig an Kundenwünsche anzupassen (zB Kürzen einer Hose), liegt Kauf vor (SZ 27/223; SZ 38/69). 4 Nachdem die besonderen gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen
des § 1167 beseitigt wurden, ist der Unterschied in den Rechtsfolgen nicht mehr gravierend. Mangels besonderer Abrede wird das Entgelt sowohl beim Kauf- als auch beim Werkvertrag mit Übergabe bzw Abnahme fällig. Ein Recht zur „Abbestellung“ – wenn auch mit weitgehend aufrecht bleibendem Entgeltsanspruch – besteht allerdings nur im Bereich des Werkvertrags (§ 1168 Rz 2). Zur unternehmerischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 UGB s § 1167 Rz 1. Gewährleistung § 1167. Bei Mängeln des Werkes kommen die für entgeltliche Verträge überhaupt geltenden Bestimmungen (§§ 922 bis 933b) zur Anwendung. [idF BGBl I 2001/48] Lit: Kurschel, Die Gewährleistung beim Werkvertrag (1989); s auch bei § 922.
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Die besonderen werkvertraglichen Gewährleistungsbestimmungen 1 wurden durch das GewRÄG beseitigt. Das Gesetz verweist nun auf das allgemeine Gewährleistungsrecht der §§ 922–933b. Für das beiderseitige Unternehmergeschäft ist zu beachten, dass die Regeln des UGB über den Warenkauf (§§ 373 ff UGB) gemäß § 381 Abs 2 UGB auch Werkverträge über die Herstellung beweglicher körperlicher Sachen erfassen, so dass insb auch die – gegenüber dem HGB abgeschwächte – Obliegenheit zur Mängelrüge (§ 377 UGB) besteht. Nicht alle Gewährleistungsfragen des Werkvertragsrechts lassen sich 2 jedoch mit den primär auf Kaufverträge zugeschnittenen allgemeinen Gewährleistungsvorschriften ohne weiteres lösen. Dies gilt etwa für die Anknüpfung an die Übergabe (§ 924), die bei Arbeiten an unbeweglichen Sachen oder bei unkörperlichen Werken eigens zu bestimmen ist (dazu § 1168a Rz 4). Der Ausschluss der Gewährleistung bei offenkundigen Mängeln (§ 928) hat im Werkvertragsrecht keinen Anwendungsbereich (1 Ob 214/05k Zak 2006, 75), da Bezugspunkt für die Offenkundigkeit der Vertragsschluss ist, bei dem das Werk ja noch nicht existiert (§ 928 Rz 2; unrichtig daher wbl 1987, 312 Wilhelm). Hingegen haben die schadenersatzrechtlichen Konsequenzen einer Schlechterfüllung (§ 933a) beim Werkvertrag erheblich größere praktische Bedeutung, weil idR ein Verschulden des Unternehmers vorliegt. Auch die Rückgriffsbestimmungen des § 933b kommen im Verhältnis zwischen dem Werkunternehmer und seinen Subunternehmern häufig zur Anwendung. Die (spezifisch werkvertraglichen) Bestimmungen der §§ 1168 und 1168a (Sphärenzuordnung, Warnpflicht) wirken sich nach hA auch auf die Gewährleistung aus (Kletecˇ ka, Gewährleistung 81; § 1168a Rz 10). Welche Eigenschaften das geschuldete Werk aufzuweisen hat, ergibt 3 sich in erster Linie aus konkreten Vereinbarungen, hilfsweise aus Natur und (erkennbarem) Zweck der Leistung, letztlich aus der Verkehrsauffassung, so dass das Werk so auszuführen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (JBl 1984, 204); das Werk ist so herzustellen, dass es unter den üblichen (oder den für den Unternehmer erkennbaren besonderen) Verhältnissen benutzbar ist und den gewöhnlich an solche Werke gestellten Anforderungen standhält (wbl 1989, 307). Im Zweifel wird ein Werk durchschnittlicher Qualität und Lebensdauer entsprechend den aktuellen fachspezifischen Erkenntnissen geschuldet. Sind die idS Vertragsinhalt gewordenen Anforderungen miteinander nicht in Einklang zu bringen, so etwa in Bezug auf Material und Funktion, stellt sich die Frage der werkvertraglichen M. Bydlinski
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Warnpflicht (§ 1168a S 3), sofern die Diskrepanz auf Anweisungen des Bestellers beruht. Andernfalls liegt eine mangelhafte Leistung vor, die etwa durch Verwendung eines geeigneten Werkstoffs – uU auch durch Neuherstellung – zu verbessern ist (zum Problem der dabei von vornherein unvermeidbaren Mehrkosten [„Sowiesokosten“] s die Nachweise bei K/W II 261). Tritt der vom Unternehmer geschuldete Erfolg (zB Feuchtigkeitsabdichtung) nicht ein, kann er sich nicht darauf berufen, bei seiner Arbeit die Regeln der Technik eingehalten zu haben (wbl 1989, 307 Wilhelm; 2 Ob 291/97a bbl 1998, 140); anders, wenn von vornherein (ausnahmsweise) nur die Anwendung einer bestimmten (üblicherweise geeigneten) Methode ohne Erfolgszusage versprochen wurde und dem Unternehmer auch kein Beratungsfehler vorzuwerfen ist. 4 Kein werkvertragliches Sonderproblem ist die Frage der Neuherstel-
lung bei Vorliegen eines anders nicht behebbaren erheblichen Mangels. Wird die Mangelhaftigkeit noch vor Übernahme offenbar, kann der Gläubiger die Leistung als vertragswidrig zurückweisen, was eine Neuherstellung jedenfalls erforderlich macht. Bei geringem Herstellungsaufwand (zB missglückte Fotoausarbeitung, erfolglose Reparatur uÄ) hat der Unternehmer auch im Rahmen des gewährleistungsrechtlichen Verbesserungsanspruchs stets die Pflicht zur vollständig neuen Ausführung des Werks. Nach Abnahme des Werks soll nach der Rspr (EvBl 1967/322) und einem Teil der (älteren) Lehre im Falle eines unverhältnismäßig hohen Verbesserungsaufwands hingegen bei einem nicht mehr geringfügigen Mangel nur das Recht auf Wandlung (§ 932 Abs 4) bestehen; da Wandlung zur Aufhebung des Vertrags führt, bedarf es zur Neuherstellung eines neuen Vertrags, wobei allfällige Mehrkosten nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen regelmäßig vom ersten Unternehmer zu ersetzen sind (SZ 55/67; 1 Ob 536/90 SZ 63/37). ME bietet sich anstelle der Wandlung viel eher eine Parallele zur Gattungsschuld beim Kaufvertrag an, wo der Schuldner ebenfalls ein neues Stück der Gattung besorgen bzw herstellen lassen muss, der Mangel insoweit also behebbar ist und nur dadurch beseitigt werden kann, dass der Schuldner einen völlig neuen Erfüllungsversuch unternimmt (ebenso im Ergebnis Reischauer/R Rz 3 mwN; Rebhahn/S Rz 60), dessen Kosten schon deshalb nicht unverhältnismäßig sein können, weil nur das von vornherein Geschuldete zu leisten ist. 5 Gerade im Bereich des Werkvertrags wird der Übernehmer bei mani-
festen Schlechtleistungen häufig die als primärer Gewährleistungsbehelf vorgesehene Verbesserung mit dem Argument ablehnen können, sie sei ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen – nämlich wegen dessen erwiesener Unverlässlichkeit – unzu1306
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mutbar (§ 932 Abs 4 letzter S; s dort Rz 16). Dies gilt auch für den Ersatz (die Behebung) eines Mangelschadens, wie überhaupt § 933a für das Werkvertragsrecht erhebliche Bedeutung hat, insb wegen des (dem Unternehmer an sich zugute kommenden) Vorrangs des Naturalersatzes, also des Rechts auf eine „zweite Chance“ durch Verbesserung. Zum Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers wegen nach Übernahme hervorgekommener Mängel s § 1170 Rz 3. Vereitlung der Ausführung § 1168. (1) Unterbleibt die Ausführung des Werkes, so gebührt dem Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist; er muss sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Ausführung des Werkes verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung. (2) Unterbleibt eine zur Ausführung des Werkes erforderliche Mitwirkung des Bestellers, so ist der Unternehmer auch berechtigt, ihm zur Nachholung eine angemessene Frist zu setzen mit der Erklärung, dass nach fruchtlosem Verstreichen der Frist der Vertrag als aufgehoben gelte. [idF III. TN] Lit: Apathy, Schadenersatz und Rücktritt bei Annahmeverzug, JBl 1982, 561; F. Bydlinski, Fälligkeit und Grundlagen des Entgeltsanspruchs bei Störungen in der Erfüllung des Kaufes und Werkvertrages, JBl 1973, 281; Gölles, Ö-Normen-Vertrag: Leistungsänderung und Behinderung, ecolex 1996, 839; Schachinger, Die Bauverzögerung (1999); Thunhart, Das Baugrundrisiko, bbl 2006, 127.
§ 1168 enthält drei unterschiedliche Regelungskomplexe. Abs 1 legt 1 einerseits den Entgeltsanspruch des Unternehmers bei Unterbleiben der Werkerstellung aus in der Sphäre des Bestellers liegenden Gründen (S 1), andererseits einen „Entschädigungsanspruch“ wegen Erschwernissen aus der Bestellersphäre (S 2) fest. Abs 2 regelt das Rücktrittsrecht des Unternehmers bei Unterbleiben der erforderlichen Mitwirkung des Bestellers. Die gesetzlichen Gefahrtragungsregeln („Sphärentheorie“) sind grundsätzlich vertraglich abdingbar (4 Ob 46/01w SZ 74/107; 1 Ob 259/04a ecolex 2005, 528); die Auslegung häufig nicht ganz eindeutiger Abreden ist aber oft schwierig (dazu auch § 1170a Rz 9). M. Bydlinski
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2 Schon nach allgemeinen Regeln kann der Unternehmer kein Entgelt
verlangen, wenn die Herstellung des Werks durch Zufall vereitelt wird oder dieses auf Grund eines nicht der Sphäre des Bestellers zuzuordnenden Umstandes vor Übergabe untergeht. Bei Vereitelung durch Gründe in der Sphäre des Bestellers gebührt dem Unternehmer das vereinbarte Entgelt, sofern er zur Leistung bereit war bzw ist (SZ 47/149; 8 Ob 63/98t ecolex 1998, 626). Aus Abs 1 S 1 wird auch ein Recht des Bestellers zum „Abbestellen“ des Werks abgeleitet (1 Ob 642/90 SZ 64/71; 10 Ob 136/98t RdW 1999, 134; 1 Ob 268/03y SZ 2004/20). Ein „Verschulden“ des Bestellers ist nicht Voraussetzung für den Entgeltsanspruch des Unternehmers trotz unterbliebener Leistung; entscheidend ist nur, ob der Hinderungsgrund eindeutig der Bestellersphäre zuzuordnen ist. Das endgültige Unterbleiben des Werks muss allerdings feststehen; eine bloße Verzögerung löst die Rechtsfolgen des Abs 1 letzter S nicht aus. Ist nicht endgültig absehbar, ob es bei einer bloßen Verzögerung bleiben oder zu einer Vereitelung kommen wird, ist dem Unternehmer analog Abs 2 das Recht zuzubilligen, unter Setzung einer – hier regelmäßig längeren – Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten (vgl Rz 8). Erfasst der Hinderungsgrund nur einen Teil der an sich einheitlichen Gesamtleistung, muss der Besteller deutlich die Leistung der übrigen Teile fordern (6 Ob 116/03g RdW 2003, 631). 3 Gelegentlich kann die Abgrenzung, ob ein Umstand der Sphäre des
Bestellers zuzuordnen ist oder in einen neutralen Bereich (SZ 47/149) fällt, schwierig sein. Den Besteller trifft etwa das Fehlen einer Zufahrtsmöglichkeit zur Baustelle (JBl 1989, 650) oder die Behinderung von Bauarbeiten durch Demonstranten (3 Ob 501/94 SZ 67/92; vgl auch 6 Ob 201/98x SZ 72/55). Auch die Beistellung eines für das konkrete Bauwerk ungeeigneten Baugrundes wird idR der Bestellersphäre zugeordnet (7 Ob 140/98h SZ 71/142 mwN; aA Thunhart, bbl 2006, 128 ff mwN). 4 Unter den in Rz 2 angeführten Umständen kann der Unternehmer
zwar grundsätzlich das gesamte vereinbarte oder (hypothetisch) angemessene Entgelt (einschließlich Umsatzsteuer) verlangen, hat sich jedoch anrechnen zu lassen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Der Unternehmer soll somit nicht besser gestellt werden als bei vertragsgemäßer Ausführung des Werks; wäre die Vertragserfüllung wegen ungünstiger Kalkulation für den Unternehmer ein Verlustgeschäft gewesen, kann ihm daher nicht ohne weiteres der gesamte bis zur Abbestellung getätigte Aufwand zuerkannt werden (SZ 64/71). Als Ersparnis sind insb nicht angeschafftes 1308
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bzw anderweitig verwendetes (oder verwendbares) Material, nicht aufgewendeter Arbeitslohn oder ersparte Aufwendungen für sonstige Hilfskräfte anzusehen, nicht aber die ersparte eigene Arbeitsleistung des Unternehmers (EvBl 1962/64; SZ 64/71). Eine vereinbarte „Stornogebühr“ ist regelmäßig als eine den Entgeltsanspruch pauschalierende Reuegeldvereinbarung zu qualifizieren (SZ 2004/20). Was der Unternehmer infolge Unterbleibens der Arbeit durch ander- 5 weitige Verwendung (seiner Arbeitskräfte bzw des Materials) tatsächlich „erworben“ hat, ist oft schwer festzustellen und hängt va von der Auslastung des Unternehmens ab (Näheres zB bei Krejci/R Rz 17). Hat der Unternehmer etwa einen Auftrag zusätzlich übernommen, den er sonst nur unter Vermehrung seines Einsatzes an Arbeitskräften (Überstunden, Personalaufstockung) erfüllen hätte können, ergeben sich betriebswirtschaftlich komplexere Berechnungen. Eine Anrechnung hat ebenso zu erfolgen, wenn der Unternehmer absichtlich andere Erwerbsmöglichkeiten versäumt hat, etwa durch das Ausschlagen anderer (angemessen entlohnter) Aufträge. Die Beweislast für das Vorliegen eines Anrechnungstatbestands trägt nach ganz herrschender Judikatur der Besteller (EvBl 1962/64; SZ 64/71), was jedenfalls im Fall des absichtlichen Versäumens anderer Erwerbsmöglichkeiten unproblematisch ist, weil sonst der Unternehmer einen Negativbeweis zu erbringen hätte. Hat der Unternehmer jedoch im fraglichen Zeitraum (möglicherweise) zusätzliche Aufträge übernommen, müsste eine (prozessuale) Darlegungslast (§ 184 ZPO) des Unternehmers (vgl Klicka, JBl 1992, 231 ff; 9 Ob 12/05p SZ 2005/73) angenommen werden, zumal der Besteller – auch wenn er nicht Verbraucher ist – insoweit regelmäßig keinen Einblick in die allein der Unternehmersphäre zuzuordnenden maßgeblichen Tatsachen hat; der Besteller hätte dann vorerst nur zu behaupten, dass der Unternehmer im fraglichen Zeitraum einen bestimmten Betrag mit „Ersatzaufträgen“ verdient hat. Für Verbrauchergeschäfte statuiert § 27a KSchG die materiellrechtliche Nebenpflicht des Unternehmers, dem Verbraucher die Gründe dafür mitzuteilen, dass er infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Auch wenn die Gesetzesmaterialien (Erl 311 BlgNR 20. GP 31) ausführen, dass dadurch keine Beweislastverschiebung eintritt, muss es doch zumindest zu einer Verschiebung der Beweisführungslast kommen, da der Anspruch des Verbrauchers auf (inhaltlich richtige) Information ja nicht unmittelbar durchgesetzt werden kann und der Gesetzgeber selbst erklärt, das Informationsdefizit des Verbrauchers ausgleichen zu wollen (ähnlich wohl Krejci/R § 27a KSchG Rz 3). Nach der Rspr (SZ 2004/20) ist die Erfüllung der M. Bydlinski
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Informationspflicht – durch konkrete Angaben – Voraussetzung für die Fälligkeit des Entgeltsanspruchs nach § 1168 Abs 1 S 1. 6 Bei Unterbleiben des Werks iSd Abs 1 wird der Entgeltsanspruch
fällig, sobald endgültig feststeht, dass das Werk nicht ausgeführt werden wird (EvBl 1961/342; 8 Ob 625/88 ecolex 1990, 212); vertraglich vereinbarte Zahlungsfristen haben auch hier zu gelten (Dullinger, JBl 1989, 651; aA JBl 1989, 650). Der Anspruch kann nicht früher fällig werden, als dies bei regulärer Abwicklung der Fall gewesen wäre (JBl 1981, 594 Wilhelm). Sofortiger Fälligkeitseintritt ist jedoch nur anzunehmen, wenn das endgültige Unterbleiben evident ist oder zumindest für den Besteller – insb bei Abbestellung – feststeht. Sonst ist aus Klarstellungsgründen eine Fälligstellung durch Einmahnung gemäß § 1417 erforderlich (Krejci/R Rz 22). Zur Rechnungslegung als allfälliges Zusatzerfordernis s § 1170 Rz 5. 7 Wenn Abs 1 S 2 davon spricht, dass dem Unternehmer eine „angemes-
sene Entschädigung“ gebührt, wenn er infolge „solcher“ – also auf Seiten des Bestellers liegender – Umstände „durch Zeitverlust bei der Ausführung des Werkes verkürzt“ wurde, so sind damit Erschwernisse und Behinderungen gemeint, die typischerweise einen höheren Zeitaufwand („Zeitverlust“) an Arbeits-, Warte- oder Fahrzeit zur Folge haben (SZ 67/92: Stehtage; vgl auch SZ 58/41). Eine tatsächliche Verzögerung ist nicht notwendig, so dass der Anspruch auch zusteht, wenn der Unternehmer etwa durch verstärkten Arbeitseinsatz trotz der Behinderung im Zeitplan bleibt (5 Ob 558/93 ecolex 1994, 814; ecolex 1998, 626). Erfasst ist wohl auch höherer technischer Einsatz (stärkere Maschinen) oder zusätzlicher Materialaufwand (zB Härtungs- oder Trocknungsbeschleuniger), der erforderlich wurde, um eine Verzögerung wieder auszugleichen. Ungeachtet des Gesetzeswortlauts („Entschädigung“) handelt es sich der Sache nach um eine Entgeltserhöhung, die auch der Umsatzsteuer unterliegt (ecolex 1994, 814). Die Angemessenheit bestimmt sich nicht nach objektiven Vergleichswerten, sofern nicht insgesamt mangels Preisvereinbarung ein angemessenes Entgelt geschuldet wird. Sonst hat die in der Vereinbarung des „Grundpreises“ zum Ausdruck kommende subjektive Äquivalenz auch auf die Bemessung des zusätzlichen Anspruchs durchzuschlagen (Krejci/R Rz 29); anders, wenn von vornherein für über die an sich notwendigen Arbeiten hinausgehende Leistungen („Regiearbeiten“) eine eigene Preisvereinbarung getroffen wurde. Soweit der Unternehmer die bereitgestellten Mittel (Arbeitskräfte, Maschinen) im Behinderungszeitraum anderweitig einsetzen kann, steht ihm – anders als bei echten „Stehzeiten“ – nach dem Gedanken des Abs 1 HS 2 keine zusätzliche Vergütung zu. 1310
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Werkvertrag
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Fälligkeit des „Entschädigungsanspruchs“ setzt regelmäßig eine Einmahnung (Fälligstellung) durch eine nachvollziehbar aufgeschlüsselte Rechnung voraus (§ 1170 Rz 5). Da typischerweise erst nach Beendigung des Werks der Mehraufwand abgeschätzt werden kann und auch dieser Entgelt für die Werkleistung darstellt, tritt Fälligkeit frühestens zugleich mit dem „gewöhnlichen“ Werklohn ein (F. Bydlinski, JBl 1973, 282; anders JBl 1973, 309). Setzt die Herstellung des Werks eine – vereinbarte oder sich aus der 8 Natur der Sache ergebende – Mitwirkung des Bestellers voraus, so kann der Unternehmer nach Abs 2 unter Setzung einer angemessenen Frist den Rücktritt vom Vertrag erklären, wenn die Mitwirkung unterbleibt. Tatbestandsmäßig liegt ein Sonderfall des Abs 1 S 1 vor, da die unterlassene Mitwirkung zweifellos der Bestellersphäre zuzuordnen ist. Konsequenterweise behält der Unternehmer daher auch bei wirksamem Rücktritt den Entgeltsanspruch gemäß Abs 1 S 1 unter Berücksichtigung allfälliger Anrechnungen (SZ 52/178; F. Bydlinski, JBl 1973, 283). Die Mitwirkungspflicht des Bestellers kann unmittelbarer (Erscheinen zur vereinbarten Operation, Zugänglichmachen der Baustelle) oder mittelbarer Natur (Organisation der notwendigen Vorarbeiten, Einholung von Bewilligungen) sein. Solange die notwendige Mitwirkung des Bestellers noch möglich ist, 9 kann der Unternehmer am Vertrag festhalten und zu jenem Zeitpunkt, zu dem das Werk bei ordnungsgemäßer Mitwirkung vollendet gewesen wäre, seinen Entgeltsanspruch nach Abs 1 S 1 geltend machen; dann bleibt er aber verpflichtet, das Werk später fertigzustellen, sobald der Besteller zur Mitwirkung bereit oder in der Lage ist. Will er hingegen den Vertrag auflösen – wofür nach der Rspr (1 Ob 252/98k JBl 1999, 526; 7 Ob 40/05s ecolex 2006, 24) auch eine schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens in die Person des Bestellers hinreicht –, kann er entsprechend § 918 unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsauflösung erklären, die nach fruchtlosem Verstreichen der Frist wirksam wird. Die Frist ist nur dann angemessen, wenn sie dem Besteller unter normalen Umständen die Möglichkeit gibt, die Mitwirkung nachzuholen, ohne die Interessen des Unternehmers an einer raschen Vertragsabwicklung unzumutbar zu beeinträchtigen; dabei sind die ursprünglichen Vereinbarungen über Beginn und Ende der Arbeiten zu berücksichtigen. § 1168a. Geht das Werk vor seiner Übernahme durch einen bloßen Zufall zugrunde, so kann der Unternehmer kein Entgelt verlangen. Der Verlust des Stoffes trifft denjenigen Teil, der ihn beigestellt hat. M. Bydlinski
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Werkvertrag
§ 1168a
Mißlingt aber das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers, so ist der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat. [III. TN] Lit: Iro, Die Warnpflicht des Werkunternehmers, ÖJZ 1983, 505 und 539; Karasek, Die Übernahme des Bauwerks nach ABGB und der ÖNORM B 2110, ecolex 1996, 836; ders, Rechtsfolgen bei Verletzung der Prüf- und Warnpflicht, ecolex 2000, 620; Krejci, Bauvertrag: Wer trägt das Baugrundrisiko? (1995); Rummel, Das „Baugrundrisiko“, ein neuer Rechtsbegriff? 2. FS Strasser (1993) 309; Schopf, Die Prüf- und Warnpflicht des Werkunternehmers (1997); U. Schwarz, Gedanken zur Warnpflicht, RdW 1996, 9; Sturm, Anweisungsfehler und Bestellermitverschulden im Werkvertragsrecht, wbl 2000, 299; Thaler, Rechtsprechungsübersicht Baugrundrisiko, ecolex 2001, 192; Thunhart, Das Baugrundrisiko, bbl 2006, 127; Wenusch, Die Warnpflicht des Unternehmers bei sachverständig beratenem Besteller, ecolex 1998, 756; Wilhelm, Eine Studie zu Gefahr und Warnpflicht beim Werkmangel, FS Welser (2004) 1185.
1 S 1 und 2 regeln die Fragen der Preisgefahr bei zufälligem Untergang
des (allenfalls nur teilweise) hergestellten Werks sowie des Materialverlusts vor der Übernahme; geht das Werk nicht zufällig, sondern auf Grund eines Umstands in der Bestellersphäre unter, so treten die Rechtsfolgen des § 1168 Abs 1 ein. Besonderes gilt nach S 3 bei Warnpflichtverletzung durch den Unternehmer. 2 Dass bei zufälligem Untergang vor der Übernahme die Nachteile den
Werkunternehmer bzw den Stoffeigentümer treffen, entspricht allgemeinen Grundsätzen. Entgegen dem Wortlaut von S 1 verliert der Unternehmer aber nicht stets seinen Entgeltsanspruch. Kann das Werk nach seinem Untergang neuerlich hergestellt werden, bleibt er weiterhin leistungspflichtig (str; aA Rebhahn/S § 1168 Rz 9; Krejci/R Rz 39; unentschlossen Adler/Höller/K V 410 f), wogegen der Besteller Zug um Zug den Werklohn zu zahlen hat (§ 1167 Rz 4). Ein endgültiger Verlust des Entgeltsanspruchs tritt nur ein, wenn eine Neuherstellung – etwa wegen fehlenden Materials – nicht mehr in Betracht kommt oder der Besteller wegen Verzugs wirksam vom Vertrag zurücktritt. 3 Sofern der Unternehmer Material beizustellen hatte, gelten die Aus-
führungen der vorigen Rz. Stammt der Stoff vom Besteller, hat er bei zufälligem Untergang vor Übernahme den im Verlust liegenden Nachteil zu tragen und allenfalls Material nachzuschaffen. Befand sich der Unternehmer zum Zeitpunkt des Materialverlusts allerdings in schuldhaftem Leistungsverzug, haftet er auch für zufälligen Stoff1312
M. Bydlinski
Werkvertrag
§ 1168a
verlust (Krejci/R Rz 6a). Gleiches gilt, wenn nicht das Rohmaterial des Bestellers, sondern eine zur Bearbeitung übergebene Sache zufällig untergeht. Anders als beim Kaufvertrag kann beim Werkvertrag der Zeitpunkt 4 der Übernahme bzw Übergabe (bei Arbeiten an unbeweglichen Sachen auch: „Abnahme“) oft zweifelhaft sein, insb wenn nicht ein vom Unternehmer zur Gänze hergestelltes Werk körperlich übergeben, sondern Werkleistungen an einer Sache durchgeführt werden, die im Einflussbereich des Bestellers oder eines Dritten verbleiben (Bauleistungen, Reparaturarbeiten uÄ). Unkörperliche Werke (zB Vortrag, Gesangsdarbietung) werden gleichzeitig mit ihrem Entstehen „übergeben“, sofern nicht die reale Übergabe eines körperlichen Trägers (Manuskript, Notenblatt uÄ) geschuldet wird. Im Bereich des Bauwesens werden oft detaillierte Vereinbarungen über die „Abnahme“ getroffen, die insb gewährleisten sollen, dass der Besteller das Werk vor der Übernahme im Rechtssinn auf seine Vertragsgemäßheit prüfen kann (vgl auch 1 Ob 99/02v). Wird eine Übernahme als Erfüllung verweigert oder erfolgt sie „unter Vorbehalt“, reicht der Umstand, dass sich das Werk bereits in der Sphäre des Bestellers befindet, nicht aus. Daran ändert auch die Benutzung der Sache nichts, wenn diese vom Besteller vernünftigerweise nicht vermieden werden kann (zB Einzug in ein unfertiges Haus nach Aufgabe der früheren Wohnung). In anderen Fällen wird die Vollendung eines Werks, das in der Sphäre des Bestellers belassen wird, häufig zugleich als Übergabe zu qualifizieren sein (Adler/Höller/K V 407). Auch ohne Übernahme geht die Preisgefahr bei Annahmeverzug auf den Besteller über (JBl 1951, 415). S 3 regelt einerseits die Warnpflicht des Unternehmers, ohne diese 5 jedoch genauer zu bestimmen, andererseits die Rechtsfolgen des Misslingens des Werks infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffs oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers. Hat der Unternehmer den Besteller ausreichend gewarnt (dazu Rz 7 f), treffen die nachteiligen Folgen des Misslingens den Besteller: Er hat den Werklohn zu entrichten und verliert uU darüber hinaus das bereitgestellte Material. War die Untauglichkeit des Stoffs oder die Unrichtigkeit der Anweisung für den Unternehmer nicht „offenbar“ (dazu Rz 7), so treffen die nachteiligen Folgen mangels Warnpflicht des Unternehmers ebenfalls den Besteller, da die Ursache auch hier (allein) aus seiner Sphäre stammt. Wird die Untauglichkeit des Stoffs bzw die Unrichtigkeit der Anweisung – und damit das zwingende Misslingen des Werks – bereits in einem frühen Stadium erkennbar, erscheinen die Rechtsfolgen des § 1168 Abs 1, insb die M. Bydlinski
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Werkvertrag
§ 1168a
Anrechnungsregeln, sachgerecht, sofern nicht der Besteller trotz Warnung auf einer – allenfalls adaptierten (Rz 9) – Fortsetzung der Unternehmertätigkeit besteht. 6 Als „Stoff“ ist alles zu betrachten, aus dem oder mit dessen Hilfe das
Werk herzustellen ist (SZ 45/75; 8 Ob 579/90 JBl 1990, 656 Dullinger). Dazu zählen etwa der Baugrund (wbl 1987, 219; 6 Ob 233/97a RdW 1998, 189), das Gebäude, an dem Arbeiten zu verrichten sind (SZ 54/128; 1 Ob 192/97k EvBl 1997/200), dem Unternehmer übergebene Pläne (4 Ob 283/98s RdW 1999, 200) und Vorarbeiten – eines anderen Unternehmers oder des Bestellers –, auf denen der Unternehmer aufbauen muss (SZ 37/163; 7 Ob 82/97b RdW 1997, 717). Die Anweisungen des Bestellers können sich auf das gewünschte Ergebnis oder auf Modalitäten der Leistungserbringung beziehen (9 Ob 133/98v RdW 1999, 137). Derartige Anweisungen erfolgen entweder bereits bei Vertragsschluss oder später, wenn sich der Besteller nachträgliche Konkretisierungen ausbedungen hat. Darüber hinaus muss der Unternehmer nachträglichen Änderungswünschen mangels vertraglicher Grundlage nicht entsprechen; tut er dies dennoch, trifft ihn auch hier gegebenenfalls die Warnpflicht, weil die Interessenlage nicht anders ist als bei ursprünglich unrichtiger Anweisung. 7 Die Warnpflicht des Unternehmers besteht grundsätzlich nur, wenn
die Untauglichkeit des Stoffes bzw die Unrichtigkeit der Anweisungen „offenbar“ ist, also erkennbar ist, dass das Werk – zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit – misslingen werde; sie ist besonders intensiv, wenn es um neue Arbeitsmethoden, technische Verfahren und Werkstoffe geht (7 Ob 515/91 JBl 1992, 114 Karollus). Aber auch in den wohl häufigeren Fällen, in denen unklar ist, ob das Werk nach den Vorstellungen des Bestellers hergestellt werden kann, ist eine (eingeschränkte) Warnpflicht anzunehmen; die Warnung hat sich dann auf ein mögliches Misslingen und dessen Wahrscheinlichkeit zu beschränken. Die Warnpflicht kann auch erst nachträglich entstehen, wenn etwa im Zuge des Baufortschritts unvorhergesehene Hindernisse erkennbar werden (wbl 1988, 401). Die Warnung muss so beschaffen sein, dass sie dem Besteller unmissverständlich klar macht, mit welchen Nachteilen zu rechnen ist (7 Ob 521/96 RdM 1997, 53; 1 Ob 137/04k RdW 2004, 660). Sie ist an den Besteller selbst oder einen zu deren Entgegennahme bevollmächtigten Vertreter (zB bauüberwachender Architekt) zu richten (2 Ob 80/04k RdW 2004, 529). Da der Werkunternehmer regelmäßig als Sachverständiger (§§ 1299 f) anzusehen ist, unterliegt er einem objektiven Sorgfaltsmaßstab, so dass er die üblichen Branchenkenntnisse zu prästieren hat (JBl 1966, 562; SZ 50/50; 4 Ob 59/06i Zak 2006, 277). 1314
M. Bydlinski
Werkvertrag
§ 1168a
Die Warnpflicht besteht auch gegenüber einem sachkundigen bzw 8 einem sachverständig beratenen oder vertretenen Besteller (SZ 58/6; JBl 1992, 114 Karollus). Zur Frage des Mitverschuldens s Rz 11. Die Warnpflicht entfällt nur, wenn der Besteller (ausnahmsweise) keinen Zweifel daran lässt, dass ihm das Risiko des Misslingens bewusst ist, er sich darauf aber dennoch einlassen will (1 Ob 205/01x JBl 2002, 717; Iro, ÖJZ 1983, 510 ff; weitergehend 7 Ob 140/98h SZ 71/142). Das Gesetz sagt nicht, wie vorzugehen ist, wenn sich erst nach Ver- 9 tragsschluss herausstellt, dass nach dem nunmehr gewonnenen Erkenntnisstand der angestrebte Erfolg nur bei – regelmäßig teurerem – Abgehen von den vereinbarten Ausführungsdetails (Material, Verfahren, Geräte uÄ) erreicht werden kann. Soweit der Unternehmer nicht auch dieses Risiko übernommen hat, muss er die Mehrleistungen nicht ohne zusätzliche Vergütung erbringen (§ 1170a Rz 9). Will der Besteller am Vertrag festhalten und kommt keine Einigung über den Mehrpreis zustande, ergibt sich idR schon aus ergänzender Vertragsauslegung, dass der Besteller eine geeignete Variante zu wählen und dem Unternehmer dafür ein angemessenes – an den vereinbarten Detailpreisen orientiertes – Entgelt („Sowiesokosten“) zu entrichten hat (vgl dazu – sowie zur Vertragsanpassung wegen Irrtums – auch Rebhahn/S § 1168 Rz 40 ff). Das Gesetz spricht zwar nur davon, dass der Unternehmer „für den 10 Schaden verantwortlich“ ist, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat, aus dem Kontext ergibt sich jedoch, dass nicht nur eine Schadenersatzpflicht eintreten soll, sondern der Unternehmer darüber hinaus regelmäßig auch seinen Entgeltsanspruch verliert (SZ 45/75; 1 Ob 628/91 EvBl 1992/74 = ecolex 1992, 316 Wilhelm). § 1168a ist zwar keine Gewährleistungsnorm (EvBl 1992/74 mwN; 9 Ob 98/06m; vgl auch Rebhahn/S § 1165 Rz 39). Ist das Werk nach der Verkehrsauffassung nicht gänzlich „misslungen“, sondern mangelhaft, stehen dem Besteller nach der Rspr neben dem Schadenersatzanspruch aber auch Ansprüche aus Gewährleistung bzw – bei Verweigerung der Abnahme – wegen Nichterfüllung zu Gebote; der Unternehmer muss den erkennbar angestrebten Erfolg zwar durch Verbesserung – etwa die Wahl eines geeigneten Materials oder einer anderen Ausführungsart – herbeiführen, jedoch nur gegen Zahlung der zusätzlichen „Sowiesokosten“ (EvBl 1992/74 = ecolex 1992, 316 Wilhelm; 1 Ob 550/93 JBl 1994, 174 M. Gruber = ecolex 1993, 518 Wilhelm uva; aA Wilhelm, FS Welser, 2004, 1185 ff, der ein ähnliches Ergebnis allein über Irrtums- und Schadenersatzrecht erreichen will). Im Rahmen des Schadenersatzes ist der Besteller so zu stellen, wie er 11 stünde, wenn der Unternehmer seiner Warnpflicht entsprochen hätte M. Bydlinski
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Werkvertrag
§ 1169
(wbl 1987, 119). Wäre auch bei pflichtgemäßem Verhalten ein Schaden entstanden, haftet der Unternehmer nur für die Differenz (SZ 50/50; 9 Ob 342/98d RdW 1999, 648). Bedeutsam ist daher, welche Disposition der Besteller bei entsprechender Warnung getroffen hätte (RdW 1999, 648; 3 Ob 274/01t bbl 2003, 36). Ein (den Ersatzanspruch minderndes) Mitverschulden kann darin liegen, dass er selbst (SZ 57/18; 4 Ob 1522/96 RdW 1996, 305; 10 Ob 205/01x JBl 2002, 717 = ecolex 2002, 508 Wilhelm; 7 Ob 159/03p bbl 2004, 73) oder ein Fachmann (zB Architekt), den er zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten herangezogen hat (JBl 1987, 44; JBl 1992, 114 Karollus; 6 Ob 107/00d ecolex 2000, 793 Thaler), die Untauglichkeit bzw Unrichtigkeit hätte erkennen können (aA Wilhelm, FS Welser 1195 f); ein solches Mitverschulden soll dem Unternehmer auch den Entgeltsanspruch (anteilig) erhalten (JBl 2002, 717 = ecolex 2002, 508 Wilhelm). IdR ist das Verschulden des Unternehmers schwerer zu gewichten als die Nachlässigkeit des vom Besteller herangezogenen Fachmanns (JBl 1987, 44). Fürsorgepflicht § 1169. Die Bestimmungen des § 1157, mit Ausnahme der die Regelung der Dienstleistungen und die Arbeits- und Erholungszeit betreffenden, finden auf den Werkvertrag sinngemäße Anwendung. [idF III. TN] Lit: Iro, Haftung des Bauherrn wegen Verletzung seiner werkvertraglichen Fürsorgepflicht, RdW 1997, 263.
1 Nach heutigem Verständnis erscheint die Anwendung des § 1157 über
die Fürsorgepflicht des Dienstgebers beim Dienstvertrag auf das Verhältnis zwischen Werkbesteller und Werkunternehmer überzogen. Die Statuierung einer eigenen Fürsorgepflicht (des Werkbestellers) erübrigt sich mE schon deshalb, weil der in § 1157 erwähnte Schutz von Leben und Gesundheit ohnehin im Rahmen der allgemeinen Schutz- und Sorgfaltspflichten jedes Vertragspartners als Nebenpflicht geschuldet wird. Auch ein Werkbesteller, der seine eigene Sphäre dem Unternehmer öffnet und diesen daher (zumindest potentiell) gewissen Gefahren aussetzt, hat ihn im Rahmen des Zumutbaren vor Schäden zu bewahren. Dabei ist auf mögliche Gefahrenquellen hinzuweisen, sofern diese nicht überhaupt beseitigt werden können. Die Reichweite dieser Fürsorge- bzw Schutzpflicht bestimmt sich danach, wie weit sich der Unternehmer in einem der Sphäre des Bestellers zuzuordnenden Bereich begibt, in dem er gefährdet ist. Je nach 1316
M. Bydlinski
Werkvertrag
§ 1170
Leistungsinhalt und Leistungsort kann sich die Fürsorgepflicht des Bestellers daher erheblich verändern; sie fällt dann fast vollständig weg, wenn das Werk allein in der Sphäre des Unternehmers herzustellen ist und von Seiten des Bestellers keine Gefahr ausgeht (zB Kleiderreinigung). Andererseits geht die „Fürsorgepflicht“ des Bestellers über jene des Dienstgebers hinaus. Sie betrifft nämlich nicht nur den Unternehmer selbst, sondern erstreckt sich auf alle Personen aus dessen Sphäre, die an der Werkerstellung mitwirken (1 Ob 664/90 JBl 1991, 453). Auf Baustellen mit mehreren gleichzeitig tätigen Unternehmen hat der Bauherr bei sonstiger Verantwortlichkeit einen Baustellenkoordinator zu bestellen, den die besonderen – über § 1169 hinausgehenden – Pflichten nach § 5 BauKG treffen (vgl nur 1 Ob 233/03a SZ 2004/119). Die allgemeinen Schutzpflichten erfassen – über den Wortlaut des 2 § 1157 Abs 1 hinaus – auch das Eigentum, so dass gegebenenfalls auch Sachschäden zu ersetzen sind (EvBl 1971/118). Auf mit dem auszuführenden Werk unmittelbar verbundene und für den Unternehmer (und seine Gehilfen) nach ihren zu unterstellenden Fachkenntnissen erkennbare Gefahren erstreckt sich die „Fürsorgepflicht“ nicht (JBl 1966, 206); vor einer besonderen (unvermeidbaren), für den Unternehmer nicht erkennbaren Gefährlichkeit hat der Besteller stets zu warnen (SZ 26/121). Gegebenenfalls kann es zur Schadensteilung wegen Mitverschuldens kommen (1 Ob 39/89 NRsp 1990/89). Auch ohne eigene Erwähnung im Gesetz treffen ebenso den Unter- 3 nehmer Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Besteller. Er hat dessen Rechtsgüter, mit denen er im Zuge der Vertragserfüllung in Kontakt kommt, vor Schaden zu bewahren. Diese Pflichten sind umso intensiver, je weiter sich der Besteller in die Sphäre des Unternehmers begibt (zB Beförderungsverträge: JBl 1977, 320; SZ 45/136). Geschützt sind auch Personen aus der Sphäre des Bestellers, die mit den Leistungen in Berührung kommen (Familienmitglieder, Personal). Entrichtung des Entgelts § 1170. In der Regel ist das Entgelt nach vollendetem Werk zu entrichten. Wird aber das Werk in gewissen Abteilungen verrichtet oder sind Auslagen damit verbunden, die der Unternehmer nicht auf sich genommen hat, so ist dieser befugt, einen verhältnismäßigen Teil des Entgelts und den Ersatz der gemachten Auslagen schon vorher zu fordern. [idF III. TN] M. Bydlinski
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Werkvertrag
§ 1170
Lit: Angst, Das Zurückbehaltungsrecht beim Werkvertrag, RZ 1992, 2; F. Bydlinski, Fälligkeit und Grundlagen des Entgeltsanspruchs bei Störungen in der Erfüllung des Kaufes und Werkvertrages, JBl 1973, 281; Karollus/Lukas, Das sogenannte Zurückbehaltungsrecht des Werkbestellers, JBl 2001, 679 und 766; Kerschner, Vergütungsanspruch wegen Mehraufwands beim Werkvertrag, FS Welser (2004) 443; Koziol, Grenzen des Zurückbehaltungsrechtes bei nicht gehöriger Erfüllung, ÖJZ 1985, 737; Längle, Das Entgelt beim Bauvertrag (1999).
1 Nach der dispositiven Regel von S 1 ist das Entgelt „nach vollendetem
Werk“ zu entrichten. Davon wird bei Werken größeren Umfangs (zB Bauwerken) durch Vereinbarung von periodischen Vorauszahlungen oder Teilzahlungen nach Baufortschritt häufig abgegangen. Angesichts der meist sehr eingehenden vertraglichen Regelungen bei Werken größeren Umfangs hat die Bestimmung von S 2 für das Verrichten des Werks „in gewissen Abteilungen“ keine große praktische Bedeutung. Schließlich sieht S 2 den Anspruch des Unternehmers auf Ersatz solcher Auslagen vor, die er „nicht auf sich genommen“ hat. 2 Vollendet ist das Werk, wenn es vertragsmäßig fertiggestellt und
übergeben bzw abgenommen (dazu § 1168a Rz 4) ist. Der Besteller ist regelmäßig berechtigt, das Werk vor der Abnahme auf Mangelfreiheit zu prüfen (GlUNF 3656; 1 Ob 47/02x EvBl 2002/130). Eine echte Vorleistungspflicht des Unternehmers besteht nicht, weil er das Werk zwar herzustellen, aber nur Zug um Zug gegen Zahlung des Werklohns herauszugeben hat (SZ 40/44; EvBl 1971/119). Hat der Unternehmer Werkleistungen in der Sphäre des Bestellers – etwa auf einer Liegenschaft oder an einem Bauwerk – erbracht oder setzt die Übergabe/Abnahme eine Prüfung durch den Besteller voraus, ist wohl eine Vorleistungspflicht anzunehmen (Krejci/R Rz 5). 3 Besondere Bedeutung kommt dem „Zurückbehaltungsrecht“ (Leis-
tungsverweigerungsrecht) des Bestellers zu. Dieses beruht dogmatisch auf der Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrags (§ 1052) und erfasst auch jene Fälle, in denen der Besteller das Werk übernommen hat und – erst nachträglich – Verbesserung vorhandener Mängel verlangt (SZ 39/27; 1 Ob 77/98s ecolex 1998, 838). Voraussetzung für die Zurückbehaltung des (restlichen) Werklohns ist stets die Behebbarkeit des Mangels sowie ein ernstliches Verbesserungsbegehren des Bestellers. Mit der Zurückbehaltung soll auf den Unternehmer Druck ausgeübt werden, die Verbesserung vorzunehmen. Kommt nur (mehr) Preisminderung in Betracht (JBl 1990, 248 Rebhahn = ecolex 1990, 82 Wilhelm) oder erklärt der Besteller – allenfalls nach fruchtloser Fristsetzung –, eine Verbesserung durch den Unternehmer nicht zuzulassen (SZ 49/9; 1 Ob 2005/96a RdW 1997, 449), wird der (geminderte) 1318
M. Bydlinski
Werkvertrag
§ 1170
Werklohn fällig. Nur bei ganz unbedeutendem Verbesserungsaufwand besteht das Zurückbehaltungsrecht nicht (SZ 52/23; SZ 62/169; 8 Ob 628/90 ecolex 1991, 315). Sonst kann – bis zur Grenze der Schikane (JBl 1990, 248 Rebhahn = ecolex 1990, 82 Wilhelm; vgl auch 5 Ob 57/06b RdW 2006, 559) – der gesamte noch offene Werklohn zurückbehalten werden und nicht etwa nur in Höhe des (oft nicht leicht abschätzbaren) für die Verbesserung erforderlichen Deckungskapitals (s § 1052 Rz 2 mwN). Durch die Vereinbarung eines Haftungsrücklasses wird das Zurückbehaltungsrecht idR nicht eingeschränkt (ecolex 1991, 315), sofern dies nicht die Vertragsauslegung im Einzelfall ergibt (ecolex 1990, 283). Das Zurückbehaltungsrecht ist in den Grenzen des § 879 vertraglich abdingbar (EvBl 1979/128). Die dargelegten Grundsätze gelten mangels besonderer Abreden 4 sinngemäß für Teile des Entgelts, die vor Vollendung des Gesamtwerks fällig werden, wenn dieses „in gewissen Abteilungen“ verrichtet wird. Ob Letzteres der Fall ist, bestimmt die Verkehrsauffassung, wobei es primär darauf ankommt, ob die betreffenden Teile für den Besteller einen eigenen wirtschaftlichen Wert haben (zB Errichtung mehrerer Verträge durch einen Anwalt auf Grund eines einheitlichen Auftrags). Ist die Höhe des Entgelts für den Besteller bei Übernahme des Werks 5 nicht – etwa durch eine Fixpreisvereinbarung – klar bestimmt, tritt Fälligkeit des Werklohns erst mit Übermittlung einer detaillierten und nachvollziehbaren Abrechnung ein (SZ 23/26; 1 Ob 39/99p RdW 1999, 715). Die fehlende Nachvollziehbarkeit einer derartigen Rechnung kann uU durch ein in einem Prozess eingeholtes Sachverständigengutachten behoben werden (wbl 1989, 162). Da dem Besteller die Möglichkeit einer zweckmäßigen Prüfung der Rechnung zuzugestehen ist, steht ihm eine den Umständen angemessene Frist zur (unverzüglichen) Rechnungsprüfung zu, vor deren Ablauf Zahlungsverzug nicht eintritt. Nach S 2 kann der Unternehmer den Ersatz bestimmter Auslagen, 6 die er „nicht auf sich genommen“ hat, bereits vor Vollendung des Werks verlangen. Damit sind nicht jene Mehraufwendungen gemeint, die einen Anspruch nach § 1168 Abs 1 letzter S begründen und gleichzeitig mit dem Werklohn fällig werden (§ 1168 Rz 7). Typischerweise mit der Werkerstellung verbundene Auslagen des Unternehmers oder auch solche, die sich sonst in seiner Sphäre ergeben, sind regelmäßig nicht eigens zu vergüten. Wird der Unternehmer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit hingegen der Sache nach als Geschäftsführer ohne Auftrag für den Besteller tätig, steht ihm gesonderter Auslagenersatz M. Bydlinski
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Werkvertrag
§ 1170a
zu. Auch derartige Auslagen sind nachvollziehbar, idR unter Anschluss von Belegen, zu verrechnen. 7 Die Ansprüche des Werkunternehmers verjähren nach § 1486 Z 1
innerhalb von drei Jahren. Bei vereinbartem Pauschallohn beginnt die Verjährung mit Vollendung (Übernahme) des Werks zu laufen; die Rechnungslegung ist dann nicht maßgeblich (EvBl 1971/119). Muss die Forderung nach Fertigstellung erst errechnet werden, tritt Fälligkeit mit Rechnungslegung ein (SZ 61/233; wbl 1988, 205), dies auch bei Abweichen von einer Pauschale durch nachträgliche Leistungsänderung (JBl 1986, 450). Die Rechnung ist dabei binnen angemessener Frist zu legen; mangels anderer Vereinbarung (JBl 1982, 429) beginnt die Verjährung – um ein Hinausschieben durch den Werkunternehmer zu verhindern – mit objektiver Möglichkeit dazu (stRspr, SZ 38/44; 2 Ob 2254/96a EvBl 1998/168 uva). Die Verjährung von Ansprüchen nach § 1168 Abs 1 S 1 und Abs 2 beginnt, sobald objektiv feststeht, dass eine Ausführung des Werks nicht mehr möglich ist bzw mit Ablauf der gewährten Nachfrist, nicht aber vor dem bei vertragsgemäßer Abwicklung vorgesehenen Zahlungstag (§ 1168 Rz 6). § 1170a. (1) Ist dem Vertrage ein Kostenvoranschlag unter ausdrücklicher Gewährleistung für seine Richtigkeit zugrunde gelegt, so kann der Unternehmer auch bei unvorhergesehener Größe oder Kostspieligkeit der veranschlagten Arbeiten keine Erhöhung des Entgelts fordern. (2) Ist ein Voranschlag ohne Gewährleistung zugrunde gelegt und erweist sich eine beträchtliche Überschreitung als unvermeidlich, so kann der Besteller unter angemessener Vergütung der vom Unternehmer geleisteten Arbeit vom Vertrage zurücktreten. Sobald sich eine solche Überschreitung als unvermeidlich herausstellt, hat der Unternehmer dies dem Besteller unverzüglich anzuzeigen, widrigenfalls er jeden Anspruch wegen der Mehrarbeiten verliert. [III. TN] Lit: Hutter, Der Kostenvoranschlag (1996); Iro, Die Höhe des Werklohnanspruchs bei Unterschreitung eines garantierten Kostenvoranschlages, RdW 1995, 291; ders, Entgeltshöhe bei der Überschreitung der Kostenschätzung, RdW 1999, 57; Karasek, Die Pauschalpreisvereinbarung in der Baupraxis, ecolex 1991, 235; Kerschner, Vergütungsanspruch wegen Mehraufwands beim Werkvertrag, FS Welser (2004) 443; Krejci, Bauvertrag: Wer trägt das Baugrundrisiko? (1995); Kühne, Zur Mehrkostenregelung im österreichischen Bauvertragsrecht, FS Locher (1990) 141; Wenusch, Der Bauwerkvertrag als Einheitspreisvertrag, ecolex 1998, 112.
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Werkvertrag
§ 1170a
§ 1170a regelt in beiden Absätzen die Rechtsfolgen eines bei Vertrags- 1 abschluss „unvorhergesehenen“ Mehraufwands, der sich im Zuge der Arbeiten als zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs gegenüber einem vom Unternehmer erstellten Kostenvoranschlag als unvermeidlich erweist. Dabei ist danach zu unterscheiden, ob der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Kostenvoranschlags übernommen hat oder nicht. Eine Entgeltserhöhung kommt insoweit nicht in Betracht, als der Unternehmer bestimmte Unwägbarkeiten (zB Baugrundrisiko) vertraglich übernommen hat. Ein Kostenvoranschlag ist eine dem Besteller bekannt gegebene, nach technisch-kaufmännischen Gesichtspunkten kalkulierte Berechnung der voraussichtlichen Kosten des Werks, wobei die veranschlagten Arbeiten und Materialien – einschließlich einer Gewinntangente für den Unternehmer – möglichst genau abgeschätzt werden (SZ 5/65; SZ 55/83; JBl 1983, 150). Dabei werden regelmäßig Einheitssätze (Stundensatz für Arbeiten, Kilo-, Laufmeter-, Quadratmeteroder Kubikmeterpreise für Materialien uÄ) angegeben. Das Gegenstück zu einem Kostenvoranschlag stellt der Pauschalpreis dar, bei dem die einzelnen preisbildenden Faktoren nicht offengelegt werden, mag ihm auch dieselbe (interne) Kalkulation des Unternehmers zugrunde liegen wie einem Kostenvoranschlag. Auf Pauschalpreisvereinbarungen ist § 1170a unanwendbar; sie bleiben grundsätzlich auch bei erheblicher Überschreitung des veranschlagten Aufwands verbindlich (EvBl 1976/176; 9 Ob 242/01f bbl 2002, 116). Zum Einfluss von nachträglich vereinbarten Leistungsänderungen auf den Pauschalpreis s etwa 1 Ob 192/97k EvBl 1997/200, zu einem vom Besteller veranlassten Kalkulationsirrtum 9 Ob 41/04a SZ 2004/160. Eine gegenüber einem Kostenvoranschlag schwächere Richtigkeitsge- 2 währ kommt dem sogenannten Schätzungsanschlag (auch: Kostenschätzung) zu, der von vornherein nur eine ungefähre Orientierungshilfe für den Besteller bieten soll. Die Abgrenzung ist im Einzelnen schwierig (vgl 3 Ob 46/04t RdW 2005, 419), zumal es auf die konkreten Formulierungen im Einzelfall ankommt und der Besteller auch bei einem Schätzungsanschlag nicht unmaßgeblich darauf vertraut, dass der endgültige Werklohn in etwa dem bekannt gegebenen Betrag entsprechen wird. Schätzungsanschläge werden idR eher pauschal oder nur geringfügig aufgeschlüsselt erstellt. Von der Rspr wird § 1170a Abs 2 wegen der Nähe zum unverbindlichen Kostenvoranschlag sinngemäß angewandt (SZ 55/83; 2 Ob 192/98w RdW 1999, 74; 10 Ob 82/00g JBl 2002, 108). An einen „unter ausdrücklicher Gewährleistung für seine Richtig- 3 keit“ abgegebenen Kostenvoranschlag ist der Unternehmer gebunden M. Bydlinski
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und kann insb auch bei unvorhergesehenem Mehraufwand keinen höheren Werklohn verlangen. Die Rechtsfolgen einer unvorhergesehenen Verminderung des Aufwands sind nicht geregelt. Geht man von den Gesetzesmaterialien aus, nach denen die Endsumme des verbindlichen Kostenvoranschlags das „garantierte Maximum des Entgelts“ darstellen soll, wird der Besteller – anders als beim Pauschalpreis – eine Minderung des Werklohns entsprechend der Kalkulation verlangen können (str; Nachweise des Meinungsstands bei Apathy/ Riedler, SR BT Rz 3/12 FN 29). Die Verbindlichkeit des Kostenvoranschlags ändert nichts an der Anwendbarkeit des § 1168 Abs 1 S 2, so dass der Unternehmer ein zusätzliches Entgelt verlangen kann, wenn bestimmte Mehraufwendungen (§ 1168 Rz 7) erforderlich wurden, die auf ein Verschulden des Bestellers oder auf Umstände in seiner Sphäre zurückzuführen sind (vgl auch SZ 58/41). 4 Auch wenn Abs 1 von der „ausdrücklichen“ Gewährleistung für die
Richtigkeit des Kostenvoranschlags spricht, genügt jede eindeutige (auch schlüssige) Erklärung in diese Richtung, wobei jedoch im Zweifel eine Richtigkeitsgarantie nicht zu unterstellen ist (EvBl 1963/145); insb wenn die Kalkulation zumindest überwiegend auf – erkennbar nicht überprüften – Angaben des Bestellers beruht (JBl 1975, 322). Für Verbrauchergeschäfte bestimmt allerdings § 5 Abs 2 KSchG, dass von einem verbindlichen Kostenvoranschlag auszugehen ist, wenn nicht das Gegenteil „ausdrücklich“ erklärt ist. 5 Liegt ein „unverbindlicher“ Kostenvoranschlag vor, so kommt grund-
sätzlich eine Erhöhung des Entgeltsanspruchs in Betracht, wenn sich eine beträchtliche Überschreitung als unvermeidlich erweist und der Unternehmer dies dem Besteller unverzüglich anzeigt. Das Tatbestandsmerkmal der „unvorhergesehenen Größe oder Kostspieligkeit der veranschlagten Arbeiten“ ist aus Abs 1 zu übernehmen. Beim Voranschlag ohne Gewährleistung gibt der Unternehmer (nur) zu erkennen, dass er unter den von ihm zugrunde gelegten Voraussetzungen einen bestimmten Werklohn zusagt, dass sich aber durch ein Abweichen von seinen Annahmen auch eine Über- oder Unterschreitung ergeben kann. Da sich der Unternehmer auch im Anwendungsbereich des Abs 2 nur auf „unvorhergesehene“ Umstände berufen kann, wird das Risiko eines Kalkulationsfehlers nicht auf den Besteller überwälzt. Nur solche Umstände können zu einer Entgelterhöhung führen, die von einem durchschnittlich sachkundigen und sorgfältigen Fachmann nicht einkalkuliert werden mussten (Hutter, Der Kostenvoranschlag, 1996, 145). 1322
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Ist ein Mehraufwand idS „unvorhergesehen“, aber unbeträchtlich, steht dem Unternehmer ein entsprechend höherer Werklohn zu, weil mit einer nicht erheblich ins Gewicht fallenden Veränderung bei einem unverbindlichen Voranschlag gerechnet werden muss (8 Ob 521/93 JBl 1994, 179). Ist die Überschreitung hingegen beträchtlich, treten die Rechtsfol- 6 gen des Abs 2 ein. Eine beträchtliche Überschreitung liegt dann vor, wenn ein Ausmaß erreicht wird, mit dem trotz der Unverbindlichkeit des Kostenvoranschlags nicht gerechnet werden musste (Krejci/R Rz 14). Eine fixe Prozentgrenze kann nicht angegeben werden, zumal der Unternehmer in unterschiedlicher Weise darauf hingewiesen haben kann, von welchen Faktoren die Einhaltung des Voranschlags abhängt. Eine Überschreitung um 30% wurde als jedenfalls übermäßig gewertet (JBl 1994, 179). Erweist sich eine beträchtliche Überschreitung als unvermeidlich, hat 7 der Unternehmer dies dem Besteller unverzüglich anzuzeigen, widrigenfalls er jeden Anspruch wegen der Mehrarbeiten verliert. Unverzüglich ist die Anzeige regelmäßig nur dann, wenn sie vor einem (kostenverursachenden) Weiterarbeiten erfolgt. Unerheblich ist, ob der Besteller allenfalls aus anderen Gründen Anlass hat, die Notwendigkeit einer Überschreitung zu vermuten (SZ 34/43). Nur durch die Anzeige bringt der Unternehmer unmissverständlich zum Ausdruck, dass er an den Kostenvoranschlag nicht mehr gebunden sein will. In der Anzeige ist die voraussichtliche Höhe der Überschreitung nachvollziehbar und so präzise wie möglich anzugeben, damit der Besteller eine ausreichende Dispositionsgrundlage hat. Das Unterbleiben der gebotenen Anzeige führt zum gänzlichen Verlust eines (zusätzlichen) Anspruchs wegen der Mehrarbeiten, und zwar auch jenes Betrages, der bei einer nur unbeträchtlichen Überschreitung hinzunehmen wäre (9 Ob 201/98v RdW 1999, 74; JBl 2002, 108; aA Iro, RdW 1999, 57 mwN). Für bloß verspätete Anzeigen muss dies nicht uneingeschränkt gelten, wenn der Besteller daraufhin am Vertrag festhält (vgl JBl 1983, 150). Wird dem Besteller die Notwendigkeit einer beträchtlichen Über- 8 schreitung bekannt gegeben, so kann dieser vom Vertrag zurücktreten, hat aber die bereits geleistete Arbeit angemessen zu vergüten. Die Angemessenheit der Vergütung bestimmt sich nach dem vom Unternehmer bis zum Rücktritt getätigten Aufwand unter Bedachtnahme auf die im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Einheitspreise einschließlich der darin enthaltenen Gewinnspanne (Krejci, Baugrundrisiko 62 FN 68). Ist die Ursache für die Überschreitung nicht (ausnahmsweise) iSd § 1168 Abs 1 der Sphäre des Bestellers zuzurechM. Bydlinski
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nen oder gar von diesem verschuldet, steht im Rahmen der angemessenen Vergütung der darüber hinaus kalkulierte Gewinn nicht zu (str; Nachweise bei Rebhahn/S Rz 16). Unterbleibt ein Rücktritt, erhöht sich der Werklohnanspruch „wegen der Mehrarbeiten“ entsprechend, wobei auch hier von den Einheitspreisen des Voranschlags auszugehen ist (Hutter, Kostenvoranschlag 162). Werden darin nicht enthaltene Leistungen erforderlich, sind diese mit ortsüblichen Preisen zu vergüten; ein allenfalls generell niedrigeres Preisniveau wird allerdings beizubehalten sein. 9 Schwer zu fassen – daher auch umstritten (s Kerschner, FS Welser 443 ff
mwN) – ist das Verhältnis von § 1168 Abs 1 („Sphärentheorie“) bzw § 1168a (Rechtsfolgen der Warnpflichtverletzung) zu § 1170a Abs 2 (Entgelterhöhung bei unvorhergesehenem Mehraufwand). ME hat die Sphärentheorie für die Frage der Erhöhung des Werklohns gegenüber dem Voranschlag keine eigenständige Bedeutung, da § 1168 Abs 1 S 1 nur den Fall der Nichtausführung des Werks regelt. S 2 deckt einen eigenen, besonderen Sachverhaltsbereich ab und geht damit § 1170a Abs 2 vor, zumal die „Entschädigung wegen Zeitverlusts“ einen zusätzlichen Anspruch darstellt, der neben den eigentlichen Werklohn tritt; abgesehen davon, dass dem Besteller bewusst sein muss, dass derartige Mehrkosten im Voranschlag keinesfalls berücksichtigt werden konnten, käme es keinesfalls in Betracht, ihm bei entsprechendem Hinweis des Unternehmers eine Rücktrittsmöglichkeit mit der Folge einzuräumen, dass er lediglich die bisher geleistete Arbeit angemessen zu vergüten hätte. § 1168a regelt den Fall des Misslingens des Werks und die Verpflichtung des Unternehmers, den Besteller davor zu warnen, wogegen im Rahmen des § 1170a (nur) auf die bei Vertragsschluss nicht erwarteten Mehrkosten der (vertragsgemäßen und idR unveränderten) Werkherstellung hinzuweisen ist. Darauf, ob der aufwanderhöhende Umstand aus der Sphäre des Bestellers stammt, kann es im Rahmen des § 1170a daher regelmäßig nicht ankommen. Hat der Unternehmer seine – nur in diesen Fällen in Betracht kommende – Warnpflicht verletzt, verliert er ohnehin seinen Entgeltsanspruch; hat er gewarnt, trifft das Risiko des Misslingens den Besteller, ohne dass sich die Frage eines Mehraufwands unmittelbar stellt. § 1170a Abs 2 könnte hier somit nur für jene Fälle Bedeutung haben, in denen eine Warnpflicht ursprünglich nicht bestand und erst im Zuge der Arbeiten erkennbar wird, dass das gewünschte Ergebnis nur durch eine veränderte – erheblich aufwendigere – Leistung erzielt werden kann. Aber auch hier geht es alleine um eine – wenn auch spätere (vgl § 1168a Rz 7) – Warnung vor einem Misslingen, ohne dass der Unternehmer ohne weiteres verpflichtet wäre, von sich aus eine von den Vereinbarungen 1324
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abweichende, aufwendigere Ausführungsart zu wählen; vielmehr hat er dem Besteller Gelegenheit zu geben, sich mit der neuen Situation auseinander zu setzen und das weitere Vorgehen abzustimmen (§ 1168a Rz 9). Verschweigt der Unternehmer hingegen den aufgetretenen Hinderungsgrund und führt er ohne Rücksprache eine teurere (nicht vereinbarte) Variante aus, spricht die in § 1170a Abs 2 zum Ausdruck kommende Wertung mE klar für die Anwendung dieser Bestimmung (ebenso JBl 1983, 150; Rebhahn/S § 1168 Rz 46 f; Kerschner, FS Welser 450; aA Krejci/R, Rz 7, 25; SZ 58/41; wbl 1987, 219 ua). Es stellt geradezu einen typischen Fall dar, dass der unvorhergesehene Umfang der Arbeiten seine Ursache in der Sphäre des Bestellers hat (Baugrund, zu bearbeitendes Material, vorgegebene Ausführungspläne uÄ), da die in die Unternehmersphäre fallenden Umstände für diesen selten unvorhersehbar sind. Gerade bei von vornherein bestehenden, aber unbekannten Erschwernissen aus der Bestellersphäre soll der Unternehmer nur bei rechtzeitiger Anzeige der (beträchtlichen) Überschreitung Anspruch auf den erhöhten Werklohn haben; bei unerwartet hohen Gesamtkosten soll dem Besteller ja die Möglichkeit geboten werden, sich vom Vertrag zu lösen. Ein Verbraucher hat für die Erstellung eines Kostenvoranschlags 10 nur dann ein Entgelt zu entrichten, wenn dies vereinbart wurde (§ 5 Abs 2 KSchG). Sonst sind Voranschläge, denen in erster Linie Offertcharakter zukommt, im Zweifel unentgeltlich (zB Beteiligung an einer Ausschreibung), außer sie sind – insb wegen eines erheblichen Aufwands – als eigenes Werk zu betrachten (SZ 30/63). Sicherstellung bei Bauverträgen § 1170b. (1) Der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hievon kann vom Besteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung bis zur Höhe eines Fünftels des vereinbarten Entgelts, bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind, aber bis zur Höhe von zwei Fünfteln des vereinbarten Entgelts, verlangen. Dieses Recht kann nicht abbedungen werden. Als Sicherstellung können Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Die Kosten der Sicherstellung hat der Sicherungsnehmer zu tragen, soweit sie pro Jahr zwei von Hundert der Sicherungssumme nicht übersteigen. Die Kostentragungspflicht entfällt, wenn die Sicherheit nur mehr wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch aufrechterhalten werden muss und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen. M. Bydlinski
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(2) Sicherstellungen nach Abs. 1 sind binnen angemessener, vom Unternehmer festzusetzender Frist zu leisten. Kommt der Besteller dem Verlangen des Unternehmers auf Leistung einer Sicherstellung nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig nach, so kann der Unternehmer seine Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären (§ 1168 Abs 2). (3) Abs 1 und 2 gelten nicht, wenn der Werkbesteller eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 und Abs 3 KSchG ist. [BGBl I 2005/120] Lit: Bollenberger, Zum Inhalt des Sicherstellungsanspruchs des Bauunternehmers nach § 1170b neu ABGB: Muss der Besteller faktisch ein Vorleistungsrisiko tragen? RdW 2006, 199; B. Jud, Zur Einfügung einer Bestimmung über die Bauhandwerkersicherung in das ABGB, RdW 1998, 248; Kolba/Bitriol, „Giftzähne“ für Konsumentenschutz – Kritik am Entwurf für ein neues Handelsrecht, ecolex 2004, 98.
1 Gleichzeitig mit dem neuen UGB trat am 1.1.2007 eine gegenüber den
Vorentwürfen (dazu etwa B. Jud, ecolex 2004, 12) deutlich veränderte Regelung in Kraft, mit der in Anlehnung an die „Bauhandwerkersicherung“ des § 648a BGB zur Verminderung der Insolvenzrisiken im Bau- und im Baunebengewerbe eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers geschaffen wird, die von einer konkreten Risikosituation – etwa Verschlechterung der Vermögensverhältnisse (vgl § 1052 S 2 ABGB) – unabhängig ist (Erl UGB 72). Die Betonung der (Sicherungs-)Interessen des – vorleistungspflichtigen (§ 1170 Abs 1) – Unternehmers führt allerdings dazu, dass sein Vertragspartner nun einem Insolvenzrisiko ausgesetzt wird, nämlich wenn die Sicherheit gefordert, später unberechtigt verwertet wird und die Rückforderung an der Vermögenslosigkeit des Unternehmers scheitert. Trotz der Berücksichtigung berechtigter Kritik am ursprünglichen Entwurf sind einige – praktisch bedeutsame – Zweifelsfragen offen geblieben (Rz 4–8). 2 Geschützt ist wohl auch jener Werkunternehmer, der an einem bereits
bestehenden Bauwerk Werkleistungen (zB Reparaturen) zu erbringen hat. Der Gesetzeswortlaut schließt entgegen den Materialien (Erl UGB 72) eine Erstreckung auf bloße Planungsleistungen aus (vgl Schauer/RK Rz 3). Auch die Lieferung von Baumaterialien außerhalb eines Werkvertrags wurde nicht erfasst, weil sich der Verkäufer hier auf andere Weise, etwa durch die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts, absichern könne (Erl UGB 72); dies erscheint allerdings we1326
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gen der Gefahr eines Eigentumsverlustes durch Verarbeitung problematisch. Angesichts des erklärten Gesetzeszwecks, die Insolvenzrisiken im Bau- und im Baunebengewerbe zu vermindern, ist insgesamt fraglich, warum die Sicherungspflicht nur gegenüber bestimmten Gläubigern besteht, die im Zusammenhang mit der Errichtung oder Bearbeitung eines Bauwerks Vorleistungen erbringen. Das Recht auf Sicherstellung besteht stets (nur) gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner, so dass etwa auch der Subunternehmer von dem ihn beauftragenden Generalunternehmer Sicherstellung verlangen kann, wogegen der Bauherr nur dem Generalunternehmer Sicherstellung zu leisten hat. Aus konsumentenschutzpolitischen Erwägungen sind nach Abs 3 Verbraucher von der Sicherstellungsobliegenheit ausgenommen, wegen des Fehlens eines Insolvenzrisikos darüber hinaus juristische Personen des öffentlichen Rechts. Die gesetzliche Aufzählung der Sicherungsmittel ist taxativ, was die 3 Gesetzesmaterialien („nur“) nahelegen, die zudem sonstige bewegliche Sachen oder eine Hypothek ausdrücklich ausschließen und ausführen, dass nur solche Vermögenswerte in Betracht kommen sollen, die eine rasche und günstige Verwertung ermöglichen. Aus diesem Grund wären auch bei nicht abschließender Aufzählung Bürgschaften und bestimmte andere akzessorische Sicherheiten ausgeschlossen, weil diese – ebenso wie etwa Hypotheken – einer raschen (außergerichtlichen) Verwertung nicht verlässlich zugänglich sind (Schauer/RK Rz 11 ff; aA Bollenberger, RdW 2006, 201 f). Aus dem Gesetzeszweck ist ableitbar: Bargeld ist als Faustpfand zu 4 übergeben. Mit Bareinlagen sind wohl Einzahlungen des Sicherstellungspflichtigen bei einer Bank gemeint; hier ist dem Werkunternehmer – durch Sicherungszession des Auszahlungsanspruchs oder Verpfändung mit Einziehungsermächtigung – der unmittelbare Zugriff einzuräumen (Schauer/RK Rz 12; Bollenberger, RdW 2006, 200). Bei Sparbüchern wird auch die bloße Verpfändung als ausreichend angesehen, weil sich der Gläubiger durch den Verkauf aus freier Hand gemäß § 466b Abs 4 rasch und unkompliziert befriedigen könne (Schauer, aaO). Eine Bankgarantie reicht dann nicht aus, wenn sie zu kurz befristet ist oder die Auszahlung von Nachweisen oder der Vorlage bestimmter Dokumente abhängig gemacht wird (aA Bollenberger, aaO 202). Unklar ist, welche Versicherung dem Gesetzeszweck entspricht. Ungeeignet wäre eine übliche Kreditversicherung, bei der die Zahlungspflicht idR vom Nachweis eines bestimmten Werklohnanspruchs (und dessen Uneinbringlichkeit) abhängt (Schauer, aaO Rz 12; aA Bollenberger, aaO 200 f). M. Bydlinski
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5 Die Obliegenheit (s Rz 7) des Werkbestellers zur Sicherstellung wird
mit dem Vertragsabschluss begründet und kann bis zur vollständigen Zahlung des Entgelts gefordert worden (zur Unabdingbarkeit Rz 8). Bezugspunkt für die Höhe der Sicherstellung ist stets der (gesamte) vereinbarte Werklohn, wobei aber wohl auch nachträgliche Entgeltserhöhungen zu berücksichtigen sind (vgl Schauer/RK Rz 16). Im Regelfall kann der Unternehmer Sicherstellung bis zu 20% davon, bei kurzfristig (binnen 3 Monaten) zu erfüllenden Verträgen bis zu 40%, begehren. Stets ist die Höchstsicherungssumme mit dem unter Berücksichtigung von Teilzahlungen noch offenen Werklohn begrenzt (Erl UGB 72). 6 Sicherstellungen sind nur auf Verlangen des Unternehmers zu leisten,
und zwar gemäß Abs 2 binnen angemessener Frist, und zwar selbst dann, wenn der Unternehmer eine unangemessen kurze Frist festgesetzt hat. IdR werden wenige Tage ausreichen. Die Wahl eines – oder auch mehrerer – Sicherungsmittel kommt dem Werkbesteller zu, der die damit verbundenen Kosten allerdings nur insoweit zu tragen hat, als sie pro Jahr 2% der Sicherungssumme übersteigen; die sonstigen Kosten – maximal 2% – hat der Werkunternehmer zu ersetzen, was „mutwillige“ Sicherstellungsbegehren verhindern soll (Erl UGB 72). Kosten, die dadurch entstehen, dass die Sicherheit wegen unbegründeter Einwendungen gegen den Werklohnanspruch weiter aufrecht erhalten werden muss, treffen allein den Besteller. 7 Es besteht keine Pflicht zur Sicherheitenbestellung, sondern eine blo-
ße Obliegenheit: Der Unternehmer hat keinen klagbaren Anspruch. Er kann aber, wenn die Sicherheit nicht oder nicht ausreichend geleistet wird, seine (weitere) Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären, wobei dann die Rechtsfolgen des § 1168 Abs 2 eintreten und er grundsätzlich seinen vertragsgemäßen Werklohnanspruch behält (§ 1168 Rz 4). Bei „nicht rechtzeitiger“ Sicherstellung kommt eine Leistungsverweigerung oder eine Vertragsaufhebung nach der (verspäteten) Bestellung nicht mehr in Frage; ebenso wenig bei Sicherheitsleistung innerhalb der (angemessenen) Nachfrist. 8 Nach Abs 1 S 2 ist das Recht auf Sicherstellung unabdingbar. Es wird
aber schon aus praktischen (geschäftspolitischen) Erwägungen wohl nicht sehr häufig in Anspruch genommen werden, insb wenn sich der Werkunternehmer vertraglich auf andere Weise abgesichert hat. Wenn die Gesetzesmaterialien (Erl UGB 73) ausführen, es sei zulässig, eine andere geeignete, zumindest eine vergleichbare Rechtsposition ver1328
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schaffende oder eine höhere als die gesetzliche Sicherstellung zu vereinbaren, so wird nicht nur im Einzelfall genau zu prüfen sein, ob die vereinbarte Sicherstellung der gesetzlich vorgesehenen – in jeder Hinsicht – zumindest gleichkommt. Vielmehr wird die gesetzliche Sicherstellungsobliegenheit nur dann wegfallen, wenn sich eine darauf gerichtete Absicht aus der Parteienabrede ergibt. Unbedenklich ist eine vertragliche Festlegung auf einzelne der in Abs 1 S 3 genannten Sicherungsmittel (Schauer/RK Rz 20). Erlöschen durch Tod § 1171. Ein Werkvertrag über Arbeiten, bei denen es auf die besonderen persönlichen Eigenschaften des Unternehmers ankommt, erlischt durch dessen Tod und seine Erben können nur den Preis für den zubereiteten brauchbaren Stoff und einen dem Werte der geleisteten Arbeit angemessenen Teil des Entgelts fordern. Stirbt der Besteller, so bleiben die Erben an den Vertrag gebunden. [idF III. TN]
Grundsätzlich gelten für die Beendigung des Werkvertrags die allge- 1 meinen Regeln über Zielschuldverhältnisse, deren regelmäßiges Ende in der Erfüllung liegt. An werkvertraglichen Besonderheiten gibt es vor allem die Rücktrittsrechte des § 1168 Abs 2 und des § 1170a Abs 2. Da ein Werkvertrag vermögensrechtliche Ansprüche begründet, gehen Forderungen und Verbindlichkeiten aus Werkverträgen grundsätzlich auf die Erben eines verstorbenen Vertragspartners über. Dies gilt nach S 2 uneingeschränkt für die Bestellerseite; erfordert die Werkerstellung ausnahmsweise die persönliche Mitwirkung des Bestellers (zB Operation), kommt § 1168 zur Anwendung. Auch der Tod des Unternehmers beendet regelmäßig den Vertrag 2 nicht. Nur wenn es nach der Vereinbarung oder dem erkennbaren Geschäftszweck auf die besonderen persönlichen Eigenschaften des Unternehmers ankommt, wird der Vertrag ex lege aufgehoben. Dies ist nur ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn der Besteller einen bestimmten Vertragspartner erkennbar deshalb herangezogen hat, weil es ihm im Besonderen um dessen außergewöhnliche persönliche Fähigkeiten oder Kenntnisse gegangen ist (zB Künstler, Vortragender, spezialisierter Architekt uÄ). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Anordnung zu verstehen, dass die Erben des verstorbenen Werkunternehmers nur den Preis für den zubereiteten brauchbaren Stoff und einen dem Werte der geleisteten Arbeit angemessenen Teil des Entgelts fordern können. Zu vergüten ist nur der Wert des (unvollständigen) Arbeitsergebnisses M. Bydlinski
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Verlagsvertrag
§§ 1172–1173
– unter Berücksichtigung des vereinbarten Preises für das vollständige Werk –, nicht aber der Arbeitsaufwand des Unternehmers (Krejci/R Rz 5). S 1 ist sinngemäß anzuwenden, wenn der Unternehmer zwar nicht stirbt, aber – etwa durch Alter, Gebrechen oder Unfall – die besonderen persönlichen Eigenschaften verliert, auf die es dem Besteller angekommen ist. 3. Verlagsvertrag § 1172. Durch den Verlagsvertrag verpflichtet sich der Urheber eines Werkes der Literatur, der Tonkunst oder der bildenden Künste oder sein Rechtsnachfolger, das Werk einem anderen zur Vervielfältigung und Verbreitung für eigene Rechnung zu überlassen, dieser (der Verleger) dagegen, das Werk zu vervielfältigen und die Vervielfältigungsstücke zu verbreiten. [idF BGBl 1936/111]
§ 1173. Wurde über die Anzahl der Auflagen nichts bestimmt, so ist der Verleger nur zu einer Auflage berechtigt. Vor dem Absatze der Auflage darf der Urheber über das Werk nur dann anderweitig verfügen, wenn er dem Verleger eine angemessene Schadloshaltung leistet. [idF III. TN] Lit: Delp, Der Verlagsvertrag7 (2001); Dittrich, Die Pflichten des Verlaggebers, ÖBl 1967, 64; ders, Das österreichische Verlagsrecht (1969); Koziol, Zivilrechtliche Gedanken zum Verlagsvertrag I – Der Vertrag zwischen Autor und Verleger als Verbrauchergeschäft, JBl 2002, 766; Koziol/I. Faber, Zivilrechtliche Gedanken zum Verlagsvertrag II – Neuauflagen und Neubearbeitung, JBl 2004, 545; Noll, Österreichisches Verlagsrecht (2005); Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht 3 (2005); Schricker, Verlagsrecht 3 (2001).
1 Die Bestimmungen über den Verlagsvertrag sind äußerst rudimentär.
§ 1172 enthält eine Definition des Verlagsvertrags, § 1173 eine Zweifelsregel über die Anzahl der Auflagen sowie das an den Urheber gerichtete Verbot, über sein Werk vor dem Absatz der (gesamten) Auflage anderweitig zu verfügen, dessen Verletzung schadenersatzpflichtig macht. Die praktische Bedeutung dieser Einzelbestimmungen ist gering, weil diese Fragen regelmäßig in detaillierten schriftlichen Verlagsverträgen geregelt werden. Das Gesetz lässt vor allem auch eine ganze Reihe von wesentlichen Rechtsfragen offen, etwa die durchaus bedeutsame nach dem Honorar des Urhebers, das grundsätzlich nur bei entsprechender Vereinbarung gebührt (HHB 248); die Gegenleistung des Verlegers für die Werküberlassung besteht schon 1330
M. Bydlinski
Unerlaubter Zweck
§ 1174
in der Verbreitung. Für den Verlagsvertrag maßgebliche Bestimmungen finden sich auch im UrhG. 4. Leistung zu unerlaubtem Zweck § 1174. (1) Was jemand wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung gegeben hat, kann er nicht wieder zurückfordern. Inwiefern es der Fiskus einzuziehen berechtigt sei, bestimmen die politischen Verordnungen. Ist aber etwas zu Verhinderung einer unerlaubten Handlung demjenigen, der diese Handlung begehen wollte, gegeben worden, so findet die Zurückforderung statt. (2) Ein zum Zweck eines verbotenen Spieles gegebenes Darlehen kann nicht zurückgefordert werden. [idF III. TN] Lit: Iro, Schmiergeldzahlungen im Exportgeschäft, RdW 1986, 264; ders, Zivilrechtliche Probleme mit Schwarzarbeitern, JBl 1987, 1; Krejci/Ruppe/Schick, Unerlaubte Provisionen, Zuwendungen und Vorteile im Straf-, Privat- und Steuerrecht (1982); Rummel, Kondiktion bei verbotenen und sittenwidrigen Rechtsgeschäften, ÖJZ 1978, 253.
Ist ein Vertrag wegen anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung (§ 878) 1 oder wegen Unerlaubtheit (§ 879) ungültig, so kann die Gegenleistung nach den Regeln des § 877 (s dort Rz 1 f), § 1431 (Rz 2) oder bei Ausbleiben der erwarteten Gegenleistung auch nach § 1435 zurückgefordert werden. § 1174 Abs 1 schließt diese Kondiktionen für den Fall der wissentlichen Hingabe zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung aus, und zwar auch dann, wenn der erwartete Erfolg ausbleibt oder die verbotene Handlung nicht gesetzt wurde. Handlung wird von der hA eng verstanden: Nur Tätigkeiten, nicht 2 auch Sachleistungen fallen darunter (Wilburg/K V 477 ff; Iro, JBl 1987, 10 f; SZ 5/33; 7 Ob 135/03h JBl 2004, 107 Thunhart). Durch den allgemeinen Ausschluss der Rückforderung bei Nichtdurchführung der unerlaubten Tätigkeit soll der Anreiz vermieden werden, die Handlung nur deshalb zu setzen, um das erlangte Entgelt behalten zu können (JBl 2004, 107 Thunhart; Rebhahn/S Rz 3). Die Unerlaubtheit der Handlung kann sich aus dem Gesetz oder den guten Sitten ergeben. Die Verbotsnorm muss den Rückforderungsausschluss fordern. Das ist etwa der Fall, wenn Entgelt für die Vortäuschung einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung iSd § 39 GewO gezahlt wurde (JBl 2004, 107 krit Thunhart), hingegen regelmäßig dann nicht, wenn bloß Nebenumstände der Handlung unerlaubt sind, wie etwa bei verbotenen Überstunden oder Tätigkeit ohne gewerbliche Befugnis; hier ist M. Bydlinski/Koziol
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Erwerbsgesellschaft
§ 1175
das Entgelt nicht Prämie für die Unerlaubtheit (Wilburg/K V 482; Iro, JBl 1987, 10 ff). Bei Zahlung unerlaubter Provisionen wäre § 1174 Abs 1 nur dann anwendbar, wenn das dadurch veranlasste Geschäft eine unerlaubte Handlung ist (Krejci ua, Provisionen 70); s aber auch § 1013. Unmöglichkeit ist iSv § 878 zu verstehen (Rummel/R Rz 2). 3 Bewirkung bedeutet, dass nach der Absicht der Beteiligten die Leis-
tung das Entgelt für die unerlaubte Tätigkeit ist (EvBl 1956/22; JBl 2004, 107 Thunhart). Die Zahlungen aufgrund eines unerlaubten Spiels werden als „Einsatz“, nicht zur Bewirkung der verbotenen Handlung erbracht und sind daher rückforderbar (5 Ob 506/96 JBl 1997, 37). Wissentlichkeit setzt das Bewusstsein der Unerlaubtheit oder Unmöglichkeit voraus. Nach hA wird jedoch auch verschuldete Unkenntnis für ausreichend erachtet (Wilburg/K V 484). 4 Verfallbestimmungen finden sich unter anderem in § 1013; §§ 20, 20a
StGB (dazu Karollus, JBl 1988, 280); § 13 AngG; § 7 HVertrG. 5 Was jemandem zur Verhinderung der von ihm geplanten unerlaubten
Handlung gegeben wurde, etwa das Lösegeld, kann zurückgefordert werden (Rebhahn/S Rz 16). 6 Darlehen zu verbotenem Spiel (dazu JBl 1997, 37; vgl auch § 1272)
kann nach Abs 2 nicht zurückgefordert werden, wenn der Darlehensgeber Kenntnis vom verbotenen Zweck hatte (7 Ob 579/95 ÖBA 1996, 394). Nach richtiger Ansicht ist dies jedoch auf die Fälle zu beschränken, in denen der Darlehensnehmer das Geld im Spiel endgültig verloren hat (Wilburg/K V 489; Rebhahn/S Rz 14; vgl auch P. Bydlinski, ZVR 1989, 250; aA jedoch 8 Ob 680/89 JBl 1991, 524 krit Honsell). Andernfalls würde das vom Schutzzweck nicht mehr gedeckte Ergebnis erzielt, dass der Spieler einerseits den Spielverlust erfolgreich zurückfordern (JBl 1991, 524 Honsell; ÖBA 1996, 394), andererseits das Darlehen behalten kann.
Siebenundzwanzigstes Hauptstück Von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter Entstehung einer Erwerbsgesellschaft. Begriff § 1175. Durch einen Vertrag, vermöge dessen zwei oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe allein, oder auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen, wird eine Gesellschaft zu einem gemeinschaftlichen Erwerbe errichtet. 1332
Koziol/Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1175
das Entgelt nicht Prämie für die Unerlaubtheit (Wilburg/K V 482; Iro, JBl 1987, 10 ff). Bei Zahlung unerlaubter Provisionen wäre § 1174 Abs 1 nur dann anwendbar, wenn das dadurch veranlasste Geschäft eine unerlaubte Handlung ist (Krejci ua, Provisionen 70); s aber auch § 1013. Unmöglichkeit ist iSv § 878 zu verstehen (Rummel/R Rz 2). 3 Bewirkung bedeutet, dass nach der Absicht der Beteiligten die Leis-
tung das Entgelt für die unerlaubte Tätigkeit ist (EvBl 1956/22; JBl 2004, 107 Thunhart). Die Zahlungen aufgrund eines unerlaubten Spiels werden als „Einsatz“, nicht zur Bewirkung der verbotenen Handlung erbracht und sind daher rückforderbar (5 Ob 506/96 JBl 1997, 37). Wissentlichkeit setzt das Bewusstsein der Unerlaubtheit oder Unmöglichkeit voraus. Nach hA wird jedoch auch verschuldete Unkenntnis für ausreichend erachtet (Wilburg/K V 484). 4 Verfallbestimmungen finden sich unter anderem in § 1013; §§ 20, 20a
StGB (dazu Karollus, JBl 1988, 280); § 13 AngG; § 7 HVertrG. 5 Was jemandem zur Verhinderung der von ihm geplanten unerlaubten
Handlung gegeben wurde, etwa das Lösegeld, kann zurückgefordert werden (Rebhahn/S Rz 16). 6 Darlehen zu verbotenem Spiel (dazu JBl 1997, 37; vgl auch § 1272)
kann nach Abs 2 nicht zurückgefordert werden, wenn der Darlehensgeber Kenntnis vom verbotenen Zweck hatte (7 Ob 579/95 ÖBA 1996, 394). Nach richtiger Ansicht ist dies jedoch auf die Fälle zu beschränken, in denen der Darlehensnehmer das Geld im Spiel endgültig verloren hat (Wilburg/K V 489; Rebhahn/S Rz 14; vgl auch P. Bydlinski, ZVR 1989, 250; aA jedoch 8 Ob 680/89 JBl 1991, 524 krit Honsell). Andernfalls würde das vom Schutzzweck nicht mehr gedeckte Ergebnis erzielt, dass der Spieler einerseits den Spielverlust erfolgreich zurückfordern (JBl 1991, 524 Honsell; ÖBA 1996, 394), andererseits das Darlehen behalten kann.
Siebenundzwanzigstes Hauptstück Von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter Entstehung einer Erwerbsgesellschaft. Begriff § 1175. Durch einen Vertrag, vermöge dessen zwei oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe allein, oder auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen, wird eine Gesellschaft zu einem gemeinschaftlichen Erwerbe errichtet. 1332
Koziol/Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1175
Lit: Böhler, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (1976); Feil/Igerz/Schnabl, Die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (1976); Grillberger, Eheliche Gütergemeinschaft (1982); Kastner, Die bürgerlichrechtliche Gesellschaft im österreichischen Wirtschaftsleben, GedS Gschnitzer (1969) 211; Krejci, Das Recht der Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft (1979); Kühne/Straube, Die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft (ARGE)3 (1989); Riedler, Gesamt- und Teilgläubigerschaft (1997); ders, Sicherheitenbestellung beim Konsortialkredit (2002); Rummel, Eheliche Gütergemeinschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts, FS Demelius (1973) 451; Straube, Grenzverschiebungen im Personengesellschaftsrecht, JBl 2003, 739; Thiery, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Unternehmer (1989); Welser, Ehepakt, Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts und Formzwang, GesRZ 1976, 43.
Eine Erwerbsgesellschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GesBR) 1 entsteht durch „Vertrag, vermöge dessen zwei oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe allein, oder auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen“ (§ 1175). Die GesBR muss zumindest zwei Gesellschafter haben (§ 1207 Rz 1). Gesellschafter der GesBR können alle natürlichen und juristischen Personen, (mangels eigener Rechtsfähigkeit) aber nicht stille Gesellschaft, Erbengemeinschaft oder eine andere GesBR sein (Apathy/Riedler, SR BT Rz 12/1). Inhalt des (idR formfreien, multilateralen; s 2 Ob 197/98d RdW 1999, 2 18) Gesellschafts(Konsensual)vertrages müssen sowohl die Vergemeinschaftung von Mühen/Sachen als auch (erlaubte; 10 Ob 523/94 SZ 70/109) gemeinschaftliche Zweckverfolgung sein, wobei nach neuerer Ansicht (8 Ob 707/89 RdW 1991, 261; Holzhammer/Roth, GesR 17; Grillberger/R Rz 17; krit Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 52; Hämmerle/Wünsch, HR II4 29 f) auch die Verfolgung bloß ideeller Zwecke ausreicht. Die Vereinbarung einer Gesellschaftsorganisation ist zwar Indiz für das Vorliegen einer GesBR, aber – entgegen teilweise anderslautender Judikatur (5 Ob 226/05d) – nicht Wesens(Tatbestands)merkmal der GesBR (5 Ob 297/05w wbl 2006, 533), sondern Rechtsfolge der §§ 1175 ff. Für Abschluss, Änderung und Auflösung des Gesellschaftsvertrages 3 gilt Formfreiheit (wbl 2006, 533). Sie können daher schriftlich (4 Ob 291/99v EF 90.096) oder mündlich (GesRZ 1973, 49), ausdrücklich oder konkludent (1 Ob 96/04f) erfolgen (zu GesBR-Verträgen unter Ehegatten 1 Ob 585/94 SZ 67/137 und wbl 2006, 533; zur konkludenten Auflösung einer Ehegatten-GesBR 6 Ob 262/03b JBl 2004, 712). Vgl aber § 1178. Zu beachten ist, dass die GesBR zwar mit Abschluss des Gesellschafts- 4 vertrages entsteht, ihr aber nach heute hA keine eigene RechtspersönRiedler
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lichkeit (iS einer juristischen Person) zukommt (zB 8 Ob 96/03f GesRZ 2003, 346; Riedler, JBl 1999, 644 f; Straube, JBl 2003, 743; Jabornegg/Resch/S Rz 20 [auch zu Fällen, in welchen der GesBR auf Grund expliziter Sondervorschriften Rechtsfähigkeit zuerkannt wird] jeweils mwN; aA Holzhammer/Roth, GesR 31). Demgemäß kann sie zwar einen eigenen Namen führen (4 Ob 189/98t ÖBl 1999, 91; vgl auch § 178 UGB), doch ist sie weder konkurs- (HS 10.334), wechsel- (8 Ob 5/90 SZ 65/58) noch (im Prozess) parteifähig (6 Ob 58/00y EvBl 2000/180) und kann daher auch nicht als Gesellschaft klagen oder geklagt werden, als Eigentümerin auftreten oder eine Gewerbeberechtigung haben (Krejci, GesR I 222). Auch Eintragung im Grundbuch (SZ 59/161), Marken- (4 Ob 21/95 ÖBl 1996, 33) und Patentregister ist nicht möglich, vielmehr werden jeweils die Gesellschafter entsprechend ihren Quoten eingetragen (Apathy/Riedler, SR BT Rz 12/1). Mangels eigener Rechtspersönlichkeit erübrigt sich auch die Frage nach einer Unternehmereigenschaft iSd §§ 1 ff UGB. Eintragung im Firmenbuch kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl § 2 FBG). Betreiben allerdings mehrere Personen ihr Unternehmen in der Rechtsform einer GesBR und überschreitet die Gesellschaft den Schwellenwert des neuen § 189 UGB, so sind sie nach § 8 Abs 3 UGB zur (konstitutiv wirkenden) Eintragung als OG oder KG verpflichtet. Allerdings gilt dies nicht für GesBR von Freiberuflern und Land- und Forstwirten, welche vom 3. Buch des UGB ausgenommen und von der Rechnungslegungspflicht befreit sind (§ 189 Abs 4 UGB), sowie für Gelegenheitsgesellschaften lediglich zur Durchführung eines konkreten Projektes (zB Bau-ARGE; Erl UGB 23; Dehn/RK UGB § 8 Rz 45), da diese nicht dauerhaft iSd § 1 Abs 2 UGB am Markt als Anbieter auftreten. Bei Verletzung der Eintragungspflicht bleibt die GesBR als GesBR bestehen, mutiert also nicht automatisch in eine OG/KG (Dehn/RK UGB § 8 Rz 28, 35 f). Zurechnungssubjekt für alle Rechte und Pflichten sind bei der GesBR also ausschließlich die Gesellschafter, die sich durch den Gesellschaftsvertrag (als Dauerschuldverhältnis) und durch die Vergemeinschaftung von Mühen/Sachen zu einer zweckgerichteten Rechtsgemeinschaft iSd §§ 825 ff organisiert haben. Während sich aber die Miteigentumsgemeinschaft auf das (statische) Haben und Verwalten beschränkt (2 Ob 37/92 wbl 1994, 95), ist für die GesBR das darüber hinausgehende (dynamische) Wirken zur Erzielung eines gemeinsamen, meist wirtschaftlichen Erfolgs (Zwecks) kennzeichnend (7 Ob 33/98y JBl 1999, 185; 6 Ob 326/02p). Dem entsprechend bauen die §§ 1175 ff auf dem Miteigentumsrecht des ABGB auf (vgl auch § 826), was etwa in der Vermögensstruktur, der internen Geschäftsführung, der externen Vertretung sowie der Liquidation der GesBR sichtbar wird (vgl zB §§ 1188, 1190, 1194, 1208, 1212, 1215). 1334
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Erwerbsgesellschaft
§ 1175
Die §§ 1175–1216 entstammen weitgehend der Urmasse des ABGB 5 und erfassten ursprünglich alle Personen- und Kapitalgesellschaftsformen (vgl § 1216). Durch die Sondergesetzgebung für die verschiedenen juristischen Personen (insb AG, GmbH, Genossenschaft, Wirtschafts- und Idealvereine) wurde der Anwendungsbereich der §§ 1175 ff zunächst wesentlich verringert. Zudem waren seit der Einführung des deutschen HGB gemäß Art 7 Nr 1 der 4. EVHGB und § 179 HGB die Vorschriften des 27. Hauptstückes des ABGB auf die OHG, KG und stille Gesellschaft nicht mehr anzuwenden, die entstandenen Lücken wurden durch Art 7 der 4. EVHGB geschlossen. Gleichzeitig traten allerdings mit der Einführung des HGB die handelsrechtlichen Sonderbestimmungen des AHGB für Gelegenheitsgesellschaften außer Kraft (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 53), so dass der GesBR auch im modernen Wirtschaftsleben (ungeachtet der Einführung der EEG) wieder ein überaus breites Anwendungsgebiet zukam. Durch das UGB wurden § 179 HGB und Art 7 der 4. EVHGB ersatzlos gestrichen, so dass die §§ 1175 ff nunmehr auch auf offene Gesellschaften (§§ 105 ff UGB) und stille Gesellschaften (§§ 179 ff UGB) anwendbar sind, soweit das UGB keine Sondernormen enthält (Übersicht und weitere Abgrenzungsfragen bei Jabornegg/Resch/S Rz 2 ff und 24 ff). Die GesBR kommt etwa in Betracht zum Betrieb einer Bierbrauerei 6 (SZ 34/145), einer Schischule (SZ 48/53), eines Friseurgeschäftes (SZ 54/84), eines Autohauses (6 Ob 262/03b JBl 2004, 712), für den (Erwerb und) Betrieb land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (wbl 2006, 533) sowie für Bildung und Betrieb von Gelegenheitsgesellschaften, die nur auf die Durchführung eines bestimmten Geschäftes oder die Verfolgung bestimmter Interessen gerichtet sind (zB [Bau-] Arbeitsgemeinschaften: 1 Ob 110/02m wbl 2003, 440; Konsortium mehrerer Kreditgeber: GesRZ 1978, 30 [zum Konsortialkredit ausf Riedler, Sicherheitenbestellung beim Konsortialkredit]; Investorengemeinschaft zwecks gewinnbringender Verwertung von Bildern: RdW 1999, 18; Kaufleutegemeinschaft zwecks Installation einer Weihnachtsbeleuchtung: 1 Ob 69/98y RdW 1998, 745; gemeinsame Betreuung eines im Koma liegenden Angehörigen: SZ 62/71; Bildung eines Kartells: 8 Ob 15/95 JBl 1996, 262; zu Bietergemeinschaften Grasböck, ZVB 2004, 206 f); für Stimmrechtsbindungs(Syndikats)verträge bei Personen- oder Kapitalgesellschaften zur gemeinsamen Stimmabgabe nach Mehrheitsbeschluss (7 Ob 59/03g JBl 2003, 869; Wallisch, ÖZW 2004, 55); insb auch für den Zusammenschluss von Freiberuflern (zB Regiegemeinschaft von Ärzten oder Anwälten: 5 Ob 226/05d; Architekturbüro: 3 Ob 235/00f ecolex 2003, 34). Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1175
7 Das Eingehen einer Ehe oder Lebensgemeinschaft (9 Ob 140/04k
EF 108.088) allein begründet – für sich betrachtet – noch keine GesBR. Verfolgen die Ehepartner/Lebensgefährten aber gemeinsam einen darüber (über die eheliche Beistandspflicht, s § 90 Rz 6) hinausgehenden besonderen (beschränkten, idR wirtschaftlichen) Zweck (Betrieb eines gemeinsamen Unternehmens, zB SZ 40/170: Kaffeehaus; SZ 56/95: Privatzimmervermietung; wbl 2006, 533: Landwirtschaft; gemeinsamer Erwerb einer Liegenschaft bzw gemeinsame Errichtung oder Ausbau eines Hauses: GesRZ 1987, 41; EF 51.460; 8 Ob 61/06p RdW 2006, 695), so kann GesBR gegeben sein (zB JBl 1988, 516 Kerschner; 7 Ob 313/98z JBl 2000, 243; zum gemeinsamen Hausbau 2 Ob 200/98w NZ 2000, 19; RdW 2006, 695). Zu beachten ist, dass bei Ehegatten der Abgeltungsanspruch nach § 98 und die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nach den §§ 81 ff EheG die Annahme einer GesBR nicht ausschließen (JAB 916 BlgNR 14. GP 5). Nach § 100 kommt aber ein Abgeltungsanspruch des im Betrieb mitwirkenden Ehegatten nach § 98 nicht in Betracht, wenn der Ehegatte im Rahmen einer GesBR tätig wurde, so dass ausschließlich die gesellschaftsvertraglichen Regelungen durchschlagen (SZ 56/95; s § 100 Rz 1). Hingegen gelten bei Auflösung der Ehe die §§ 81 ff EheG für das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse auch bei Existenz einer GesBR, während Unternehmen nach § 82 Abs 1 Z 3 und 4 EheG von den Aufteilungsvorschriften ausgenommen sind, so dass es bei diesen bei den Regelungen des Gesellschaftsvertrages verbleibt (Grillberger/R Rz 9). Zu den (notariatsaktspflichtigen) Ehepakten, die – im Gegensatz zur GesBR – idR auf umfassende Ordnung des Güterstandes zwischen den Ehegatten gerichtet sind, insb zur ehelichen Gütergemeinschaft vgl §§ 1233 – 1236 und § 1 Abs 1 lit a NotAktsG. 8 Die GesBR kann bloße Innen- oder (auch) Außengesellschaft sein.
Während bei der Innengesellschaft (zB Apotheke: SZ 50/96; Schischule: GesRZ 1986, 93) der Gesellschafter gegenüber Dritten auch dann nur im eigenen Namen auftritt, wenn er auf Rechnung aller Gesellschafter handelt (indirekter Stellvertreter), kann er bei der Außengesellschaft im Namen der GesBR tätig werden, so dass sein Handeln als direkter Stellvertreter die Mitgesellschafter dem Dritten gegenüber unmittelbar berechtigt bzw verpflichtet. 9 Mangels Parteifähigkeit der GesBR haben im Prozess grundsätzlich
alle Gesellschafter einzuschreiten (6 Ob 67/02z JBl 2003, 327). Ansprüche der Gesellschaft gegen einzelne Gesellschafter (actio pro socio) kann nach hA (EvBl 2000/180) aber auch jeder – selbst der von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossene – einzelne Ge1336
Riedler
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§ 1177
sellschafter im eigenen Namen alleine geltend machen, doch muss er Leistung an alle Gesellschafter verlangen. Einteilung § 1176. Je nachdem die Mitglieder einer Gesellschaft nur einzelne Sachen, oder Summen; oder eine ganze Gattung von Sachen, z.B. alle Waren, alle Früchte, alle liegende Gründe, oder endlich ihr ganzes Vermögen ohne Ausnahme der Gemeinschaft widmen, sind auch die Arten der Gesellschaft verschieden, und die Gesellschaftsrechte mehr oder weniger ausgedehnt. Die Einteilung des § 1176 nach dem Umfang des vergemeinschafteten 1 Vermögens in Universal-, beschränkte General- und Spezialgesellschaften ist ohne unmittelbare praktische Bedeutung. § 1177. Wenn ein Gesellschaftsvertrag auf das ganze Vermögen lautet; so wird doch nur das gegenwärtige darunter verstanden. Wird aber auch das künftige Vermögen mit begriffen; so versteht man darunter nur das erworbene, nicht das ererbte; außer es wäre beides ausdrücklich bedungen worden. Lit: S bei § 1175.
§ 1177 erfasst den Fall, dass sich der Gesellschaftsvertrag auf das 1 ganze Vermögen eines oder aller Partner bezieht. Gütergemeinschaften (mit Erwerbscharakter) können daher (nach Maßgabe der Kriterien des § 1175) auch GesBR sein (Rummel, FS Demelius, 1973, 452 ff). § 1177 enthält folgende (restriktiv wirkende) Auslegungsregeln: Eine 2 das gesamte Vermögen umfassende Gütergemeinschaft liegt nur vor, wenn ausdrücklich vereinbart wird, dass sich diese auf das gegenwärtige, zukünftige, erworbene und ererbte Vermögen erstrecken soll (SZ 25/34). Wird hingegen nur „allgemeine Gütergemeinschaft“ vereinbart, so wird im Zweifel nur das gegenwärtige, nicht auch das künftige Vermögen erfasst (EvBl 1955/394). Im gegenwärtigen Vermögen ist aber auch dasjenige enthalten, was ein Vertragspartner vor Vertragsabschluss geerbt hat und zum Zeitpunkt der Vertragserrichtung noch vorhanden ist (GlU 5746). Bei Vereinbarung von „allgemeiner Gütergemeinschaft, bezüglich allen Vermögens, das auf welche Art immer erworben wird“ wird im Zweifel nur das künftig erworbene, nicht auch das ererbte Vermögen erfasst; künftig ererbtes Vermögen müsste ausdrücklich angeführt werden (GlU 14.451). Bleiben Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1178
einzelne Sachen oder Vermögensteile durch ausdrückliche Vereinbarungen oder kraft § 1177 (RZ 1957, 40) von der Gütergemeinschaft ausgeschlossen, so entsteht Vorbehaltsgut. Form der Errichtung § 1178. Gesellschaftsverträge, welche sich nur auf das gegenwärtige, oder nur auf das zukünftige Vermögen beziehen, sind ungültig, wenn das von dem einen und dem andern Teile eingebrachte Gut nicht ordentlich beschrieben, und verzeichnet worden ist. 1 Bezieht sich der Gesellschaftsvertrag nur auf das (ganze) gegenwär-
tige oder nur auf das zukünftige Vermögen, so muss bei sonstiger Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages ein Inventar (mit stückweiser Auflistung der Vermögensbestandteile) errichtet werden (§ 1178). Zweck der Regelung ist die Beweissicherung, damit späteren Streitigkeiten über die Frage, welche Vermögensbestandteile der Gemeinschaft unterliegen, vorgebeugt wird (SZ 24/78; Hämmerle/Wünsch, HR II4 46). Aufgrund der „überschießenden“ Nichtigkeitssanktion wird § 1178 restriktiv interpretiert und nur auf die im Gesetz explizit angeführten Fälle der beschränkten Gütergemeinschaften über das (ganze) gegenwärtige Vermögen oder nur das künftige Vermögen, nicht hingegen auf allgemeine Gütergemeinschaften (GlU 15.874) oder auf die bloße Vergemeinschaftung einzelner Sachen (RZ 1935, 118) angewendet (Grillberger/R Rz 1). 2 Im Inventar ist das eingebrachte Gut stückweise samt Angabe des
jeweils Einbringenden „ordentlich“ zu erfassen, nach Maßgabe des Normzwecks kann auch summarische Aufzählung genügen (Jabornegg/Resch/S Rz 3), sofern Bestimmbarkeit der erfassten Stücke gewährleistet ist. Bei Vergemeinschaftung des künftigen Vermögens muss das gegenwärtige Vermögen inventarisiert werden, (zusätzliche) Aufzeichnung des laufend Erworbenen ist nicht erforderlich (GlUNF 4525). Unterschrift der Parteien und Bewertung der eingebrachten Sachen im Inventar ist nicht nötig, aber möglich. 3 (Nur) Gänzliches Fehlen des Inventars bewirkt nach hA (Ofner II
424; Grillberger/R Rz 3; aA Jabornegg/Resch/S Rz 4, die unter Berufung auf verfassungsrechtliche Überlegungen § 1178 nur als Beweislastregel einordnen) Nichtigkeit des Vertrages, woran auch Unkenntnis der Inventarisierungspflicht nichts ändert (GlUNF 6204). Ein bloß unvollständiges Verzeichnis schadet hingegen nicht, vielmehr sind in diesen Fällen entsprechend dem hypothetischen Parteiwillen die nicht inventarisierten Stücke als nachträglich erworbenes 1338
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Erwerbsgesellschaft
§ 1180
Vermögen zu qualifizieren (GlUNF 4525; Hämmerle/Wünsch, HR II4 46). § 1178 gilt aufgrund der Verweisung in § 1233 auch für die Güterge- 4 meinschaft unter Ehegatten (Ehepakt), sofern das gegenwärtige oder künftige Vermögen Gegenstand des Ehepaktes ist. § 1179. Wie der gesellschaftliche Vertrag unter Handelsleuten zu errichten, in die gehörigen Register einzutragen und öffentlich bekannt zu machen sei, bestimmen die besondern Handels- und politischen Gesetze. [idF RGBl 1863/1]
Für GesBR von Unternehmern verweist § 1179 auf das UGB. Seit der 1 ersatzlosen Streichung von § 179 HGB und Art 7 der 4. EVHGB durch das UGB sind die §§ 1175 ff auch auf offene Gesellschaften (§§ 105 ff UGB) und stille Gesellschaften (§§ 179 ff UGB) anwendbar, soweit das UGB keine Sondernormen enthält. Für Kapitalgesellschaften gilt das 27. Hauptstück des ABGB gemäß § 1216 subsidiär. Dem früheren § 1179 S 2 über Gelegenheitsgesellschaften unter Kaufleuten wurde durch § 1 EGAHGB materiell derogiert. § 1180. Der Vertrag über eine Gemeinschaft des ganzen sowohl gegenwärtigen als künftigen Vermögens, welcher gewöhnlich nur zwischen Ehegatten errichtet zu werden pflegt, ist nach den in dem Hauptstücke von den Ehepakten hierüber erteilten Vorschriften zu beurteilen. Die gegenwärtigen Vorschriften beziehen sich auf die übrigen Arten der durch Vertrag errichteten Gütergemeinschaft. Lit: Nowotny, Ehescheidung und Unternehmensvermögen, ÖJZ 1988, 609 und 650; Rummel, Zur Auswirkung der Ehescheidung auf die Gütergemeinschaft unter Lebenden, JBl 1968, 406. S auch bei § 1175.
Durch § 1180 soll der Anwendungsbereich des 27. Hauptstückes 1 (§§ 1175 ff) vom Anwendungsbereich der Regelungen über die Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten im 28. Hauptstück abgegrenzt werden: Die Vorschrift wirft jedoch viele Unklarheiten auf, da etwa das 28. Hauptstück kaum Regelungen über die Gütergemeinschaft unter Lebenden enthält und etwa § 1233 für sämtliche (auch beschränkte) Gütergemeinschaften unter Ehegatten nur die §§ 1177 f für anwendbar erklärt. Eine sachgerechte Interpretation gelangt zu folgendem Ergebnis (Grillberger/R Rz 2 f; Jabornegg/Resch/S Rz 3): Nach § 1180 S 1 gilt für allgemeine Gütergemeinschaften über das ganze gegenRiedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1181
wärtige und das ganze künftige Vermögen das 28. Hauptstück (unmittelbar), auch dann, wenn diese nicht zwischen Ehegatten begründet werden. Sofern diese Gütergemeinschaften auch Erwerbscharakter haben, können Gesetzeslücken durch analoge Anwendung der Vorschriften des 27. Hauptstückes geschlossen werden. Für alle übrigen Arten vertraglicher Gütergemeinschaften, die nicht zwischen Ehepartnern abgeschlossen werden, gelangt hingegen nach § 1180 S 2 das 27. Hauptstück zur Anwendung, sofern die Kriterien einer GesBR nach § 1175 erfüllt sind. 2 Die von § 1180 aufgeworfenen Unklarheiten haben zu zT wider-
sprüchlicher Judikatur geführt: Teilweise findet sich die Aussage, die eheliche Gütergemeinschaft sei zwar keine Erwerbsgesellschaft, aber doch eine Gesellschaft, weshalb die Vorschriften über die Erwerbsgesellschaft subsidiär neben dem 28. Hauptstück sinngemäß zur Anwendung kämen, soweit sie nicht nur auf die Erwerbsgesellschaft alleine zugeschnitten seien (zB SZ 35/10; offen lassend 4 Ob 281/00b JBl 2001, 309 Pfersmann). In anderen Judikaten wird festgehalten, dass die Gütergemeinschaft keine Erwerbsgesellschaft sei, weil der Erwerb nicht Zweck, sondern Voraussetzung der Gütergemeinschaft sei, weshalb – abgesehen von den §§ 1177 f – nicht einmal eine analoge Anwendung der §§ 1175 ff in Betracht käme (EvBl 1961/116). In wieder anderen Entscheidungen wird ausgeführt, dass auf die Gütergemeinschaft unter Lebenden nicht die §§ 1234 ff, sondern die §§ 825 ff und 1175 ff zur Anwendung gelangen würden (zB 10 Ob 508/95 SZ 68/226: Vermögensverwaltung), und in der älteren Rspr findet sich die Ansicht, dass die eheliche allgemeine Gütergemeinschaft ein Spezialfall der GesBR sei (SZ 25/192). Wirkung des Vertrages und des wirklichen Beitrages § 1181. Der Gesellschaftsvertrag gehört zwar unter die Titel, ein Eigentum zu erwerben; die Erwerbung selbst aber, und die Gemeinschaft der Güter oder Sachen kommt nur durch die Übergabe derselben zustande. 1 Für die dinglich wirkende Begründung von gemeinschaftlichem
Eigentum der Gesellschafter an den eingebrachten Sachen ist der Gesellschaftsvertrag nur das Titelgeschäft (7 Ob 313/98z JBl 2000, 243), zu dem das nach sachenrechtlichen Prinzipien erforderliche Verfügungsgeschäft hinzutreten muss (§ 1181). Daher müssen bewegliche Sachen nach den §§ 426 ff übergeben, bei unbeweglichen Sachen die Miteigentumsanteile der übrigen Gesellschafter intabuliert (5 Ob 297/05w wbl 2006, 533), nicht verkörperte Forderungen an diese an1340
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Erwerbsgesellschaft
§ 1182
teilsmäßig zediert (SZ 25/192) werden etc. Auch Übergabe an den vertretungsberechtigten Gesellschafter reicht. Soll dieser selbst eine Sache einbringen, so ist Übergabe durch Besitzkonstitut möglich, wobei die Zustimmung der Mitgesellschafter angenommen werden kann, so dass kein schädliches Insichgeschäft vorliegt. Kein eigener weiterer Übergabeakt ist erforderlich, wenn bereits schlichte Rechtsgemeinschaft der Gesellschafter an der einzubringenden Sache besteht. Gutgläubiger Eigentumserwerb der Gesellschafter an einer eingebrachten Sache kommt nach Maßgabe des § 367 in Betracht, wobei zu beachten ist, dass alle Gesellschafter (auch der Einbringende) gutgläubig sein müssen. § 1181 betrifft nur Sachen, die quoad dominium in die Gesellschaft 2 eingebracht werden, somit tatsächlich ins gemeinschaftliche Eigentum der Gesellschafter übergehen sollen, nicht dagegen Sachen, welche bloß dem Werte nach (quoad sortem) oder bloß zum Gebrauch (quoad usum) in die GesBR einzubringen sind (zur Unterscheidung § 1183 Rz 2 ff). Das Erfordernis der Übergabe gilt nicht nur für den Eigentumserwerb 3 der Gesellschafter an den eingebrachten Sachen, sondern konsequenterweise auch für den Erwerb sonstiger dinglicher Rechte, zB von Pfand- und Servitutsrechten oder vorbehaltenem Eigentum; im Pfandrecht ist das Publizitätsprinzip zu beachten, so dass Besitzkonstitut nicht reicht (s bei § 451). Hauptstamm § 1182. Alles, was ausdrücklich zum Betriebe des gemeinschaftlichen Geschäftes bestimmt worden ist, macht das Kapital, oder den Hauptstamm der Gesellschaft aus. Das Übrige, was jedes Mitglied besitzt, wird als ein abgesondertes Gut betrachtet. Der Hauptstamm (Kapital) des Vermögens der GesBR besteht aus 1 der Summe aller (ausdrücklich oder konkludent) dem Geschäftsbetrieb gewidmeten vermögenswerten Einlagen der Gesellschafter (1 Ob 155/05h wbl 2006, 137). Der Hauptstamm entsteht durch die Geld- und Sachbeiträge (nicht durch die Arbeitsbeiträge) der Gesellschafter (Holzhammer/Roth, GesR 29). Irrelevant ist es, wie die Gesellschafter ihre Einlagen aufbringen und refinanzieren (wbl 2006, 137). Die Bildung eines (anfänglichen) Hauptstammes ist nicht zwingend 2 erforderlich (4 Ob 7/01k), so dass auch bloße Arbeitsgesellschafter eine GesBR bilden können (SZ 23/48), und ist auch nachträglich mögRiedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1182
lich. IdR bildet der Hauptstamm aber das Anfangskapital der GesBR. Eingebrachte Sachen bleiben ohne Rücksicht auf mögliche nachträgliche Wertänderungen Teile des Hauptstammes ( Jabornegg/Resch/S Rz 2 und 3). Nachträgliche Wertsteigerungen/-verluste wirken sich daher (nur) für die am Hauptstamm beteiligten Gesellschafter aus. Der Hauptstamm bildet eine besondere, die Gewinn- und Verlustrechnung nicht berührende Masse, die bei der Bilanzierung außer Betracht bleiben kann (SZ 43/107). Auf den Hauptstamm bzw die Beteiligung der Gesellschafter am Hauptstamm nehmen etwa die §§ 1183 (gemeinschaftliches Eigentum), 1184 (Beitragspflicht), 1188 (Gewichtung des Stimmrechts), 1189 (Nachschusspflicht), 1192 (Gewinnermittlung), 1193 und 1197 (Gewinn- und Verlustverteilung), 1198 (Rechnungslegung) und 1205 (Auflösung bei Verlust des Hauptstammes) Bezug. Mangels abweichender vertraglicher Vereinbarung kommt es etwa für die Gewichtung des Stimmrechtes oder die Gewinnverteilung auf die Beteiligung der Gesellschafter am Hauptstamm an. Die Bewertung der Einlage obliegt – innerhalb der Grenzen der §§ 879, 934 (GesRZ 1977, 23) – der Parteiendisposition, da keine konkreten Bewertungsvorschriften existieren (SZ 43/107). Mangels Vereinbarung ist der verkehrsübliche Wert anzusetzen (Krejci, GesR I 249). Die Höhe der Einlagen richtet sich nach dem Verhältnis der Einlagenwerte (im Zeitpunkt der Einbringung) zueinander (wbl 2006, 137), im Zweifel sind die Anteile gleich hoch (§ 839; EF 38.519). 3 Für die Zugehörigkeit zum Hauptstamm reicht, dass die Beiträge der
Gesellschafter zum Betrieb des gemeinschaftlichen Geschäftes bestimmt worden sind, somit wird die Zugehörigkeit schon durch die einvernehmliche Widmung zum Geschäftszweck begründet (SZ 59/161), die Übertragung der Sache in das Eigentum der GesBR (der Gesellschafter; Einbringung quoad dominium) ist nicht erforderlich (GesRZ 1987, 41). 4 Vom Hauptstamm zu differenzieren ist das Gesellschaftsvermögen,
das sich aus dem Hauptstamm und dem später im Rahmen der Geschäftsführung erworbenen Vermögen abzüglich allfälliger späterer Verluste zusammensetzt (5 Ob 297/05w wbl 2006, 533) und daher höher oder niedriger als der Hauptstamm sein kann (4 Ob 21/95 RdW 1995, 385). Als Sondervermögen ist das Gesellschaftsvermögen vom Privatvermögen der Gesellschafter zu trennen (§§ 1182, 1202; Rsp 1931/68). Rechte und Verbindlichkeiten von Dritten gegenüber „der GesBR“ (die Gesellschafter der GesBR) sind also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Privatleute zu differenzieren. 1342
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1183
§ 1183. Wenn Geld, verbrauchbare, oder zwar unverbrauchbare, jedoch in Geldwert angeschlagene Sachen eingelegt werden; so ist nicht nur der daraus verschaffte Nutzen, sondern auch der Hauptstamm in Rücksicht der Mitglieder, welche hierzu beigetragen haben, als ein gemeinschaftliches Eigentum anzusehen. Wer nur seine Mühe zum gemeinschaftlichen Nutzen zu verwenden verspricht, hat zwar auf den Gewinn, nicht aber auf den Hauptstamm einen Anspruch (§ 1192). Lit: Meissel, Miteigentum und ABGB-Gesellschaft, GedS Hofmeister (1996) 419; Riedler, Treuhandmissbrauch bei quoad sortem in eine GesbR eingebrachten Sachen, wbl 2007 (in Druck).
Die Gesellschafter können ihre Einlagen auf verschiedene Arten er- 1 bringen und die Sachen entweder in das gemeinschaftliche Eigentum der am Hauptstamm beteiligten Gesellschafter übertragen (quoad dominium), bloß zum Gebrauch durch die GesBR (quoad usum) oder dem Wert nach (quoad sortem) in die Gesellschaft einbringen (zur Treuhänderstellung bei quoad sortem eingebrachtem Vermögen s 5 Ob 297/05w wbl 2006, 533). Die quoad dominium eingebrachten Sachen stehen im (gemeinschaftlichen) Miteigentum (§§ 825 ff) der am Hauptstamm beteiligten Gesellschafter (§ 1183); es liegt nicht Gesamthandeigentum, sondern bloß obligatorisch gebundenes ideelles Miteigentum vor (8 Ob 96/03f GesRZ 2003, 346). An den quoad usum eingebrachten Sachen erlangt „die GesBR“ bloß ein Gebrauchsrecht für Gesellschaftszwecke an der Sache, die im Eigentum des Einbringenden bleibt (zur Abgrenzung zum Bestandvertrag 4 Ob 291/99v EvBl 2000/84). Bei der Einbringung quoad sortem wird die Sache im Innenverhältnis als Eigentum der GesBR behandelt, die damit auch die Verlustgefahr trägt. Der „Eigentümer-Gesellschafter“ ist hinsichtlich der den übrigen Gesellschaftern zustehenden Anteile als Treuhänder anzusehen; veräußert er abredewidrig das Treugut an einen Dritten, so ist der Veräußerungsvertrag nur dann nichtig, wenn der Erwerber den Treuhandmissbrauch kennt (wbl 2006, 533); Kennenmüssen schadet dem Erwerber jedoch bei offener Treuhand (Riedler, wbl 2007). Bei Auflösung der GesBR fällt die Sache im Zweifel in die Liquidationsmasse (wbl 2006, 533). Ob im Einzelfall Einbringung quoad sortem, quoad dominium oder 2 quoad usum vorliegt, richtet sich nach der Abrede im Gesellschaftsvertrag (wbl 2006, 533). Mangels ausdrücklicher Regelung ist die Absicht der Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Gesellschaftszwecks und der Übung des redlichen Verkehrs, zu ermitteln (7 Ob 313/98z JBl 2000, 243 Jabornegg). Geld, verbrauchRiedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1184
bare Sachen oder zwar unverbrauchbare, aber in Geldwert veranschlagte Sachen werden nach § 1183 S 1 im Zweifel quoad dominium eingebracht (EF V/12), nach hA sind auch alle vertretbaren und unvertretbaren Sachen erfasst (Grillberger/R Rz 2). Hinsichtlich der sonstigen (unverbrauchbaren, unvertretbaren und nicht in Geldwert veranschlagten) Sachen ist derjenige beweispflichtig, der die Einbringung zum Eigentum behauptet (7 Ob 563/92), im Zweifel ist bloße Einbringung quoad usum anzunehmen. Bei unverbrauchbaren vertretbaren Sachen ist eine Preisfestlegung Grundlage der gesetzlichen Vermutung ( Jabornegg/Resch/S Rz 7). 3 Gegenstand der Einlage können alle Sachen iSd § 285 sein, also alles,
was nicht Müheleistung ist und dem Gebrauch des Menschen dient, zB Geld, Wertpapiere, Patente, Marken-, Urheberrechte, Betriebsgeheimnisse, Rezepte, Konzessionen, Kundenstöcke (SZ 43/107; Hämmerle/Wünsch, HR II4 40 f). (Bloße) Arbeitsleistungen können zwar GesBR-Mitgliedschaft begründen, sind aber im Zweifel – mangels abweichender Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag – nicht als Beiträge zum Hauptstamm anzusehen (arg § 1187, vgl aber § 1192 S 2). Bloße Arbeitsgesellschafter sind damit zwar im Zweifel gewinnbeteiligt, haben aber – mangels abweichender Vereinbarung – keine Miteigentumsquote an den (von anderen Gesellschaftern) in den Hauptstamm eingebrachten Sachen (§ 1183 S 2, § 1192 S 2; 3 Ob 146/02w JBl 2003, 448). Rechte und Pflichten der Mitglieder. Beitrag zum Hauptstamme (Fonds); § 1184. Jedes Mitglied ist außer dem Falle einer besonderen Verabredung, verbunden, einen gleichen Anteil zum gemeinschaftlichen Hauptstamme beizutragen. Lit: Schinas, Rechtsfolgen des Verzugs des Gesellschafters einer bürgerlichrechtlichen Erwerbsgesellschaft mit seiner Beitragsleistung, JBl 1981, 349.
1 Im Zweifel hat nach der dispositiven (5 Ob 82/05b) Norm des § 1184
jeder Gesellschafter zum Hauptstamm einen gleichwertigen Beitrag zu leisten (vgl auch § 839). Wer sich auf unterschiedliche Beitragspflichten beruft, ist beweispflichtig. Gegenstand, Höhe und Wert des Beitrages sind im Gesellschaftsvertrag näher zu definieren (SZ 43/107). Zum Gegenstand der Einlage vgl § 1183 Rz 3 f, zur Bewertung § 1182 Rz 2. 2 Bei Verletzung der Beitragspflicht kann die Leistung mit der actio
pro socio erzwungen werden. Unter Umständen kommt Austritt aus 1344
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Erwerbsgesellschaft
§ 1185
der GesBR oder Ausschluss des in Verzug befindlichen Gesellschafters (§ 1210), nicht aber Rücktritt vom oder Wandlung des Gesellschaftsvertrages in Betracht. Mangelhafte Beitragsleistung hat der Beitragspflichtige nach Maßgabe des § 932 zu verbessern bzw Wertersatz (Grillberger/R Rz 4; skeptisch Jabornegg/Resch/S Rz 6) zu leisten. Beteiligung am Hauptstamm trotz Befreiung von der Beitragspflicht 3 ist möglich, aber uU formpflichtige Schenkung, was auch bei Aufnahme in die GesBR in Erfüllung einer bloß sittlichen Pflicht gilt (aA JBl 1967, 257). Ein Beitrag kann aber auch zB in bloßer Übernahme anteiliger Passiven und der Pflicht zur Tätigkeit in der GesBR liegen (GlUNF 1601). Mitwirkung; § 1185. In der Regel sind alle Mitglieder verbunden, ohne Rücksicht auf ihren größern oder geringern Anteil, zu dem gemeinschaftlichen Nutzen gleich mitzuwirken. Lit: Bachofner/Kastner, Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, JBl 1972, 1.
Ausweislich § 1185 sind – mangels abweichender Vereinbarung – alle 1 Gesellschafter zur (§ 1186: im Zweifel persönlichen) Mitwirkung zur Erreichung des gemeinschaftlichen Nutzens in gleichem Anteil verpflichtet, ohne Rücksicht auf ihren größeren oder geringeren Anteil an der GesBR. Alle Gesellschafter sind daher berechtigt, aber auch verpflichtet, sich an den Beratungen und Entscheidungen über gesellschaftliche Angelegenheiten zu beteiligen (Apathy/Riedler, SR BT Rz 12/7). Unter Mitwirkung ist jede im Zusammenhang mit dem Gesellschaftszweck stehende Maßnahme rechtlicher oder faktischer Natur zu verstehen. Der Begriff deckt sich mit jenem der Geschäftsführung iSd § 1188, die das Innenverhältnis der GesBR betrifft (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 61 f; Grillberger/R Rz 1). Bei Verletzung der Mitwirkungspflicht kann auf Erfüllung geklagt 2 werden (actio pro socio), der Gesellschafter uU nach Maßgabe des § 1210 ausgeschlossen werden und bei schuldhafter Verletzung besteht Schadenersatzpflicht (vgl § 1191). Unterlassen der Mitwirkung führt – mangels abweichender Vereinbarung – zwar nicht zur (automatischen) Kürzung oder Streichung des Gewinnanteils, doch können bei Verschulden dem verletzenden Gesellschafter Schadenersatzforderungen „der GesBR“ compensando eingewendet werden ( Jabornegg/Resch/S Rz 4). Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1186
§ 1186. Kein Mitglied ist befugt, die Mitwirkung einem Dritten anzuvertrauen; oder jemanden in die Gesellschaft aufzunehmen; oder ein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu unternehmen. Lit: Geist, Das Wettbewerbsverbot bei Vorstandsmitgliedern von Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften, ÖJZ 1992, 257 und 290.
1 Jeder Gesellschafter hat die Pflicht zur höchstpersönlichen Betäti-
gung (§ 1186 HS 1): Mangels abweichender Vereinbarung ist es verboten, die Mitwirkungsrechte und/oder -pflichten einem Dritten (Nichtgesellschafter) zu übertragen (JBl 1930, 150). Aber auch bei Übertragung an Mitgesellschafter ist ein strenger Maßstab anzulegen (Grillberger/R Rz 1; aA Jabornegg/Resch/S Rz 2, die dies – mangels Grundlage im Gesellschaftsvertrag – nur bei Gefahr im Verzug zulassen). Nicht übertragen werden kann die Gesellschafterstellung als solche (Gesellschafteranteil im Ganzen; 6 Ob 718/89 ecolex 1990, 484), doch können von der Person des Gesellschafters losgelöste vermögenswerte Ansprüche (zB Gewinn- oder Aufwandersatzansprüche) zediert werden (ecolex 1990, 484). Gesellschafterwechsel ist eine nur bei Zustimmung aller Vertragspartner mögliche Vertragsänderung, sofern nicht schon im Gesellschaftsvertrag die Mitgliedschaft frei übertragbar ausgestaltet oder deren Übertragbarkeit von einem bloßen Mehrheitsbeschluss abhängig gemacht wurde (zust Hämmerle/Wünsch, HR II4 91). Auch ad-hoc-Zustimmung der übrigen Gesellschafter reicht (ecolex 1990, 484). Unterbeteiligungen schaffen eine Innen-GesBR zwischen dem GesBR-Gesellschafter und dem Unterbeteiligten (SZ 22/55), die das Außenverhältnis des Gesellschafters zur GesBR nicht tangiert. 2 § 1186 HS 2 normiert das Verbot einseitiger Aufnahme eines Drit-
ten in die GesBR und wiederholt lediglich das allgemeine Prinzip, dass eine Änderung des Gesellschaftsvertrages (Aufnahme eines neues Gesellschafters) nicht ohne Zustimmung aller anderen Gesellschafter vorgenommen werden darf. 3 § 1186 HS 3 statuiert ein sehr weites Verbot schädlicher Nebenge-
schäfte (Konkurrenzverbot). Es kann sogar Tätigkeiten erfassen, die nicht in einem der Gesellschaft abträglichen Wettbewerb bestehen (Hämmerle/Wünsch, HR II4 61). Es kommt (nur) darauf an, ob ein Geschäft, das ein Gesellschafter nicht im Rahmen der GesBR macht, diese schädigt bzw die konkrete Gefahr einer Schädigung bewirkt (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 65; Hämmerle/Wünsch, HR II4 61). Verboten sind zunächst die Konkurrenzgeschäfte im eigentlichen Sinne (selbständiger Betrieb eines Konkurrenzunternehmens im Ge1346
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Erwerbsgesellschaft
§ 1187
schäftszweig der Gesellschaft) oder die Beteiligung an einem solchen Unternehmen sowie die Vornahme einzelner echter Konkurrenzgeschäfte. Darüber hinaus sind aber auch Nebengeschäfte verboten, die zwar völlig außerhalb der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft liegen, dieser aber (mittelbar) Schaden zufügen, etwa weil sie die Arbeitskraft des Gesellschafters überfordern oder ihn in eine schwierige Vermögenslage bringen ( Jabornegg/Resch/S Rz 7). § 1186 ist dispositives Recht (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 65), so 4 dass das gesetzliche Konkurrenzverbot durch entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag erschwert, erleichtert oder völlig aufgehoben werden kann. Nachträgliche einvernehmliche (ausdrückliche oder stillschweigende) Änderungen sind möglich (zB wenn alle Gesellschafter die Nebentätigkeit sowie jene Umstände, aus denen sich der Verstoß gegen § 1186 ergibt, kennen; s Hämmerle/Wünsch, HR II4 61). Bei einem Verstoß gegen das Konkurrenzverbot sind die Mitgesell- 5 schafter zur Unterlassungsklage berechtigt; bei Verschulden bestehen Schadenersatzansprüche. Zudem kommt eine Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis in Betracht (vgl § 1190 Rz 8 ff) sowie in schwerwiegenden Fällen auch ein Ausschluss aus der Gesellschaft (§ 1210). § 1187. Die Pflichten der Mitglieder werden durch den Vertrag genauer bestimmt. Wer sich bloß zur Arbeit verbunden hat, der ist keinen Beitrag schuldig. Wer lediglich einen Geld- oder andern Beitrag verheißen hat, der hat weder die Verbindlichkeit, noch das Recht, auf eine andere Art zu dem gemeinschaftlichen Erwerbe mitzuwirken. Nach den §§ 1184 f haben mangels abweichender Regelung im Ge- 1 sellschaftsvertrag grundsätzlich alle Gesellschafter sowohl zum Hauptstamm beizutragen, als auch persönlich zum gemeinschaftlichen Nutzen mitzuwirken. § 1187 S 1 verweist für die konkrete Ausgestaltung dieser Mitwirkungs- und Beitragspflichten auf den Gesellschaftsvertrag. Der bloße Arbeitsgesellschafter braucht im Zweifel entgegen § 1184 2 keinen Beitrag zum Hauptstamm zu leisten (§ 1187 S 2). Der bloße Kapitalgesellschafter hat im Zweifel entgegen § 1185 keine Mitwirkungspflicht/kein Mitwirkungsrecht (§ 1187 S 3). Dies gilt ungeachtet des Stimmrechts der Kapitalgesellschafter im Rahmen der Geschäftsführung nach § 1188. Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1188
§ 1188. Bei der Beratschlagung und Entscheidung über die gesellschaftlichen Angelegenheiten sind, wenn keine andere Verabredung besteht, die in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes gegebenen Vorschriften anzuwenden (§§ 833 bis 842). Lit: S bei §§ 1175, 1185.
1 § 1188 normiert die Geschäftsführung der GesBR, hat aber mangels
besonderer Abreden auch für die Vertretung im Außenverhältnis Bedeutung (§ 1201). Geschäftsführung ist Betätigung für die Gesellschaft vom Innenverhältnis her gesehen, wobei dieselbe Handlung – vom Außenverhältnis her betrachtet – auch Vertretungshandlung sein kann, aber nicht sein muss (Apathy/Riedler, SR BT Rz 12/6). Geschäftsführung erfasst also das interne Verhältnis zwischen den Gesellschaftern, wogegen Vertretungshandlungen das Außenverhältnis und damit die Frage betreffen, inwiefern „die GesBR“ (eigentlich: alle Gesellschafter) gegenüber Dritten (unmittelbar) berechtigt oder verpflichtet wird. Mangels abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag gelten insb für die interne Geschäftsführung die Grundsätze der §§ 1185–1188; ergänzend die §§ 833–842 über die Verwaltung des Miteigentums (§§ 1188 und 1190). 2 Aus den §§ 833 ff ist abzuleiten, dass nur am Hauptstamm beteiligte
Gesellschafter – nicht aber bloße Arbeitsgesellschafter (GesRZ 1978, 169) – stimm- und damit entscheidungsberechtigt sind. Die nicht am Hauptstamm beteiligten Gesellschafter haben zwar – im Rahmen der Entscheidungsfindung – ein Beratungsrecht, aber bei der Abstimmung kein Stimmrecht (Grillberger/R Rz 2). Für die Entscheidung in gesellschaftlichen Angelegenheiten ist – im Anschluss an die §§ 833– 842 – zwischen der ordentlichen Verwaltung (§ 833; gewöhnliche Geschäftsführungshandlungen) und wichtigen Veränderungen (§ 834; außergewöhnliche Geschäfte) zu unterscheiden; die Rspr zum Miteigentum wird sinngemäß herangezogen. 3 Unter gewöhnliche Geschäftsführungshandlungen fällt alles, was sich
in der betreffenden Gesellschaft im gewöhnlichen Lauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweist, im (objektiven) Interesse aller Mitglieder liegt und keinen besonderen Kostenaufwand erfordert (1 Ob 267/02z SZ 2003/7), etwa ständig wiederkehrende Instandsetzungsarbeiten (1 Ob 11/93 JBl 1994, 471). Bei gewöhnlichen Geschäftsführungshandlungen gilt der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung mit Mehrheitsprinzip auf Grund der Kapitalbeteiligung ( Jabornegg/ Resch/S Rz 4), so dass reine Arbeitsgesellschafter zwar ein Beratungs-, aber kein Stimmrecht haben (§ 1188). Haben sich aber nur Arbeitsgesellschafter zu einer GesBR vereinigt, so kommt mangels Haupt1348
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Erwerbsgesellschaft
§ 1188
stamms und anderer Vereinbarung jedem Gesellschafter eine Kopfstimme zu. Ungeachtet des Mehrheitsprinzips müssen alle Gesellschafter zumindest an der Beratung vor Beschlussfassung beteiligt werden. Ein unter Verletzung dieser Willensbildungsvorschriften gefasster Beschluss ist unwirksam und bindet die übergangenen Gesellschafter nicht (GesRZ 2003, 158), bereits durchgeführte Maßnahmen sind rückgängig zu machen (zur nachträglichen Genehmigung 4 Ob 120/01b EvBl 2001/191). Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. (Nachfolgende) Gerichtliche Entscheidung wird nicht zugelassen (Grillberger/R Rz 4). Ordnungsgemäße Mehrheitsbildung im Innenverhältnis verleiht – in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung – Vertretungsmacht nach außen (GesRZ 2003, 158). Wichtige Veränderungen sind alle über die ordentliche Verwaltung 4 hinausgehenden Maßnahmen, die für die konkrete GesBR – etwa wegen des Geschäftsumfanges oder der Abweichung von der bisherigen regelmäßigen Tätigkeit der GesBR – besondere Bedeutung haben (GesRZ 2003, 158). Für die Abgrenzung zu den gewöhnlichen Geschäften ist auf den Zweck bzw den Betriebsgegenstand der konkreten GesBR Bedacht zu nehmen (HS 10.317). Bei außergewöhnlichen Geschäften ist für die überstimmte Minderheit, wozu auch Arbeitsgesellschafter ohne Stimmrecht zählen, der Minderheitenschutz der §§ 834 f zu beachten. Die Kapitalmehrheit darf (auch hier) Beschlüsse nicht ohne Anhörung der Minderheit fassen, dennoch gefasste Beschlüsse sind unwirksam (GesRZ 2003, 158), bereits vollzogene Maßnahmen sind rückgängig zu machen (Rz 3). Wurden die Willensbildungsvorschriften aber eingehalten, so entscheidet die Mehrheit. Die überstimmte Minderheit kann jedoch Sicherstellung für künftige Schäden begehren. Wird diese nicht geleistet, so können die überstimmten Gesellschafter aus der GesBR austreten und Auszahlung des Anteils begehren (SZ 42/117), was nicht bedeutet, dass die Mehrheit die Minderheit (zum Austritt) zwingen kann. Wollen sie nicht austreten oder würde dieser zur Unzeit erfolgen, so ist die Entscheidung über die geplante Maßnahme durch Los oder Schiedsmann zu treffen; können sich die Gesellschafter auch darüber nicht einigen, so entscheidet der Richter im Außerstreitverfahren (§ 835; vgl aber 4 Ob 2229/96i SZ 69/228: Entscheidung im Streitverfahren bei Beteiligung aller Gemeinschafter; offen lassend GesRZ 2003, 158). Str ist, ob der überstimmten Minderheit auch bei richterlicher Genehmigung ein Austrittsrecht zukommt (dagegen Hämmerle/Wünsch, HR II4 54). Von den außergewöhnlichen Geschäften zu differenzieren sind Än- 5 derungen des Gesellschaftsvertrages (sog Grundlagengeschäfte; zB Aufnahme eines neuen Mitgliedes: ÖBl 1977, 14; Veräußerung des Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1189
Unternehmens: EvBl 1957/253), die nicht zu den Geschäftsführungsmaßnahmen gehören und – mangels abweichender vertraglicher Regelung – der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen. Zur Verwalterbestellung für Einstimmigkeit SZ 27/242; aA JBl 1964, 463. 6 § 1188 ist dispositiv, so dass zB (bereits im Gesellschaftsvertrag) die
Geschäftsführung einem oder mehreren Gesellschaftern (jedem für sich oder im Zusammenwirken) anvertraut werden kann (§ 1190). Auch ein Nichtgesellschafter kann zum Verwalter iSd § 837 und (im Innenverhältnis) zum Geschäftsführer bestellt werden (4 Ob 382/97y wbl 1998, 551). Nachschuß zum Hauptstamme; § 1189. Die Mitglieder können zu einem mehreren Beitrage, als wozu sie sich verpflichtet haben, nicht gezwungen werden. Fände jedoch bei veränderten Umständen ohne Vermehrung des Beitrages die Erreichung des gesellschaftlichen Zweckes gar nicht statt; so kann das sich weigernde Mitglied austreten, oder zum Austritte verhalten werden. 1 Die Gesellschafter können grundsätzlich nicht zur (nachträglichen)
Leistung eines höheren als des im Vertrag vereinbarten Beitrages gezwungen werden; es besteht keine gesetzliche Nachschusspflicht (§ 1189 S 1). § 1189 ist jedoch dispositiv, so dass (durch ausreichend deutliche Klausel) wirksam vereinbart werden kann, dass Beitragserhöhungen durch Mehrheitsbeschluss festgelegt werden können (SZ 34/145); allgemeine Klauseln über die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen reichen nicht (GlU 4928). Mangels abweichender vertraglicher Regelung kann die Einforderung von zusätzlichen Beträgen nur bei (einstimmiger) Änderung des Gesellschaftsvertrages erfolgen. 2 Einseitige Erhöhung des Kapitalanteils durch einen Gesellschafter
ist nicht möglich ( Jabornegg/Resch/S Rz 2). Das bloße Stehenlassen von Gewinnanteilen zum genannten Zweck oder Ergänzung einer durch Verlust verminderten Einlage ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter ändert daher an den Kapitalanteilen nichts (Hämmerle/Wünsch, HR II4 70). 3 Kann ohne Vermehrung des Beitrages der gesellschaftliche Zweck
nicht erreicht werden und liegt ein Mehrheitsbeschluss über die Beitragserhöhung vor, so trifft die Gesellschafter eine Nachschussobliegenheit (§ 1189 S 2). Mangels Festlegung der genauen Nachschusshöhe ist aliquote Aufstockung im Verhältnis der bestehenden Einlagen anzunehmen (Zeiller III/2, 544). Jene Gesellschafter, die für die 1350
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1190
Erhöhung des Hauptstammes gestimmt haben, trifft eine vertragliche Nachschusspflicht ( Jabornegg/Resch/S Rz 3). Die Überstimmten trifft die Nachschussobliegenheit des § 1189 S 2, welche keine echte Rechtspflicht ist, da weder ein Erfüllungsanspruch besteht (vgl SZ 10/23), noch bei Nichtzahlung Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können (Hämmerle/Wünsch, HR II4 93 f). Wollen die Überstimmten den Nachschuss nicht leisten, so können sie aus der GesBR austreten (SZ 42/117) oder von den Mitgesellschaftern, die die Erhöhung durchsetzen und die GesBR fortführen wollen, ausgeschlossen werden (RZ 1973, 34), wobei der Ausschluss keine vorhergehende Entscheidung des Richters über die Notwendigkeit der Erhöhung nach § 835 erfordert (aA SZ 10/23), vielmehr wird diese Frage im Verfahren über die Gültigkeit des Austritts/Ausschlusses geprüft (Hämmerle/Wünsch, HR II4 71; Grillberger/R Rz 3). Die GesBR wird ohne die abzuschichtenden Ausgeschiedenen fortgesetzt (zust Hämmerle/Wünsch, HR II4 71). Betrieb der anvertrauten Geschäfte; § 1190. Wird einem oder einigen Mitgliedern der Betrieb der Geschäfte anvertraut; so sind sie als Bevollmächtigte zu betrachten. Auf ihre Beratschlagungen und Entscheidungen über gesellschaftliche Angelegenheiten sind ebenfalls die oben (§§ 833 bis 842) erwähnten Vorschriften anzuwenden. Lit: Neuwirth, Die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht im Gesellschaftsrecht, ÖJZ 1956, 289. S auch bei §§ 1175, 1185.
§ 1190 regelt die vertragliche Bestellung von geschäftsführenden 1 Gesellschaftern. Mangels Bestellung im (ursprünglichen) Gesellschaftsvertrag bedarf es eines (nachträglichen) einstimmigen Gesellschafterbeschlusses, der Gesellschaftsvertrag kann aber auch Mehrheitsentscheidung vorsehen. Die ausdrücklich oder konkludent (3 Ob 515/92 NZ 1994, 62) eingeräumte Geschäftsführungsbefugnis kann Einzelgeschäftsführung eines (JBl 1976, 428) oder mehrerer Gesellschafter oder Kollektivgeschäftsführung mehrerer Gesellschafter (GlU 647) sein, aber auch Übertragung bloß bestimmter Agenden an das Kollektiv oder einen Ausschuss (SZ 53/9) ist möglich. Bei durch Vertrag bestellten geschäftsführenden Gesellschaftern sind die übrigen Gesellschafter im Umfang der übertragenen Agenden von der Geschäftführung ausgeschlossen. Sie können weder dem bestellten Geschäftsführer wirksam Weisungen erteilen ( Jabornegg/Resch/S Rz 4; aM Wahle/K V 609, 613) noch den von diesem getroffenen Maßnahmen wirksam widersprechen (zust Hämmerle/Wünsch, HR II4 Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1190
59). Auch Nichtgesellschafter können mit der Geschäftsführung betraut werden (4 Ob 382/97y wbl 1998, 551), in welchem Fall die Weisungs- und Widerspruchsrechte der Gesellschafter aber aufrecht bleiben, so dass die Fremdgeschäftsführer nach Fassung eines zureichenden Gesellschafterbeschlusses Widersprüche der Gesellschafter zu beachten und deren Weisungen zu befolgen haben (Grillberger/R Rz 6). Bei der Bestellung mehrerer Geschäftsführer entscheiden diese – mangels abweichender Vereinbarung – mit Stimmenmehrheit, die nach Köpfen berechnet wird (§§ 1190 iVm 838). 2 Geschäftsführer sind also Bevollmächtigte, woraus sich ein Verweis
auf die Regeln des 22. Hauptstückes ergibt. Auf das Innenverhältnis zwischen GesBR und Geschäftsführer kommt grundsätzlich Auftragsrecht zur Anwendung. Der Geschäftsführer hat im Zweifel die Pflicht zur höchstpersönlichen Geschäftsführung (SZ 41/162), seine Treuepflicht beurteilt sich nach § 1013, der Aufwandersatz nach § 1014 (SZ 49/74). Bei Fremdgeschäftsführern ist die Abgrenzung zum Arbeitsvertrag zu beachten. 3 Der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis richtet sich nach der
Vereinbarung, im Zweifel ist nur ordentliche Verwaltung übertragen (NZ 1994, 62). Bei Überschreitung der Befugnisse liegt GoA vor (SZ 49/74). 4 Die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis erfolgt durch Be-
schluss der Gesellschafter und Erklärung gegenüber den Betroffenen (JBl 1964, 463). Bei der Abberufung von geschäftsführenden Gesellschaftern ist danach zu differenzieren, ob ein vertragliches (ev unentziehbares) Recht des Gesellschafters zur Geschäftsführung besteht (GesRZ 1978, 169). Mangels vertraglichen Rechts zur Geschäftsführung ist die Abberufung (iSd § 1020) nach der Rspr (6 Ob 268/06i) jederzeit durch Mehrheitsbeschluss der Kapitalgesellschafter möglich, bei Stimmengleichheit entscheidet der Außerstreitrichter (6 Ob 268/06i). Bei vertraglich eingeräumter Geschäftsführungsbefugnis kommt (nur) eine Entziehung aus wichtigem Grunde durch einstimmigen Beschluss der übrigen Gesellschafter in Betracht (6 Ob 268/06i: bei Stimmen[Anteils]gleichheit in der Zweipersonengesellschaft Entscheidung durch den Außerstreitrichter). Bei vertraglich eingeräumter unentziehbarer Geschäftsführungsbefugnis ist anstelle der Ausschließung nach § 1210 bei Vorliegen wichtiger Gründe auch das mildere Mittel der bloßen Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis möglich (6 Ob 268/06i). Die Abberufung von gesellschaftsfremden Geschäftsführern ist jederzeit möglich (§§ 1190 iVm 1020), doch kann sich aus einem der Bestellung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis 1352
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1191
(zB Arbeitsvertrag) Abweichendes ergeben. Abberufung aus wichtigem Grund ist aber stets möglich ( Jabornegg/Resch/S Rz 8). Ein Entzug der gesetzlichen Geschäftsführungsbefugnis des § 1188 (durch einstimmigen Beschluss der übrigen Gesellschafter) sollte bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Gesellschafterausschluss nach § 1210 zugelassen werden (Grillberger/R Rz 12); Mehrheitsbeschluss reicht nicht (SZ 27/242). Bei Entzug der vertraglichen Geschäftsführungsbefugnis „lebt“ die 5 gesetzliche Geschäftsführungsbefugnis wieder auf (6 Ob 268/06i). Bei Entzug der gesetzlichen Geschäftsführungsbefugnis verliert der Gesellschafter zwar sein Stimmrecht, aber nicht seine Minderheitenschutz- und Mitentscheidungsrechte bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages (Grillberger/R Rz 13). § 1190 ist ungeachtet seiner systematischen Stellung nicht nur für das 6 Innenverhältnis maßgebend, sondern (nur bei einer Außen-GesBR: GesRZ 1978, 30) auch Grundlage für die Vollmacht der/s Geschäftsführer/s im Außenverhältnis (7 Ob 603/93 HS 24.630). Für den Vollmachtsumfang gelten die §§ 1190 iVm 837 iVm 1029, so dass ordentliche Verwaltungshandlungen gedeckt sind, für den Entzug der Vollmacht gegenüber Dritten insb § 1026. Haftung für den Schaden; § 1191. Jedes Mitglied haftet für den Schaden, den es der Gesellschaft durch sein Verschulden zugefügt hat. Dieser Schaden läßt sich mit dem Nutzen, den es der Gesellschaft sonst verschaffte, nicht ausgleichen. Hat aber ein Mitglied durch ein eigenmächtig unternommenes neues Geschäft der Gesellschaft von einer Seite Schaden, und von der andern Nutzen verursacht; so soll eine verhältnismäßige Ausgleichung stattfinden. Lit: Feil, Interne vermögensrechtliche Ersatzansprüche von Gesellschaftern der GesbR, GesRZ 1981, 221. S auch bei § 1203.
§ 1191 S 1 verweist auf die Verschuldenshaftung aller Gesellschafter 1 gegenüber der GesBR, die sich nach allgemeinem Schadenersatzrecht beurteilt. Bei Geschäftsführung und Vertretung prästieren die Gesellschafter die dafür gebotene Sorgfalt (§ 1191) ohne Einschränkung auf die diligentia quam in suis rebus (Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten). In Betracht kommen etwa Schadenersatzpflichten wegen Verletzung der Beitragspflicht (SZ 35/8) oder sonstiger Mitwirkungspflichten (EvBl 1977/140). Weitere Sanktionen (zB Entzug der Geschäftsführung) sind davon unberührt. Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1192
2 Anspruchsberechtigt ist zwar an sich „die GesBR“, doch kann der
Schadenersatzanspruch auch von jedem einzelnen Gesellschafter im Rahmen der actio pro socio geltend gemacht werden. Leistung an sich selbst kann ein Mitgesellschafter nur verlangen, wenn gerade sein vertragsmäßiger Gewinn verkürzt wurde (EvBl 1977/140). 3 Da die Verschaffung von Nutzen für die GesBR grundsätzlich auf
Pflichterfüllung der Gesellschafter beruht, stellt § 1191 S 2 klar, dass die Schadenersatzpflicht nicht dadurch gemildert oder ausgeglichen wird, dass der ersatzpflichtige Gesellschafter der GesBR durch seine Tätigkeit einen Nutzen verschafft hat. Nur wenn der Schaden durch ein eigenmächtig unternommenes neues Geschäft entstanden ist und dieses Geschäft der GesBR auch einen Nutzen verschafft hat, findet ausnahmsweise auch Vorteilsanrechnung statt (§ 1191 S 3), so dass der Gewinn der GesBR aus diesem eigenmächtigen Geschäft dann vom entstandenen Schaden abzuziehen ist (Zeiller III 547). Nicht erforderlich ist, dass das neue Geschäft außerhalb des Betriebsgegenstandes der GesBR liegt ( Jabornegg/Resch/S Rz 4; aA Grillberger/R Rz 6). 4 Der Gesellschaftsvertrag kann auch abweichende Haftungsrege-
lungen vorsehen. Ist der Gesellschafter Arbeitnehmer der GesBR oder als arbeitnehmerähnlich anzusehen, so sind die unabdingbaren Vorschriften des DHG zu beachten (§ 1 Abs 1 DHG). Verteilung des Gewinnes; § 1192. Das Vermögen, welches nach Abzug aller Kosten und erlittenen Nachteile über den Hauptstamm zurückbleibt, ist der Gewinn. Der Hauptstamm selbst bleibt ein Eigentum derjenigen, welche dazu beigetragen haben; außer es wäre der Wert der Arbeiten zum Kapitale geschlagen und alles als ein gemeinschaftliches Gut erklärt worden. 1 Gewinn ist jener Betrag, der „nach Abzug aller Kosten und erlittenen
Nachteile über den Hauptstamm zurückbleibt“, also die Summe aller Aktiva (alle der Verfügung der Gesellschaft unterliegenden Vermögensrechte) abzüglich aller Passiva (Schulden) und des Wertes des Hauptstammes (zwei Subtraktionen; zur Einlagenaufwertung bei Geldentwertung SZ 8/199), somit die Differenz zwischen reinem Gesellschaftsvermögen und Hauptstamm (4 Ob 7/01k). 2 Wertminderungen/-erhöhungen des Hauptstammes sind unbe-
achtlich, bilden weder Verlust noch Gewinn (Kastner/Doralt/No1354
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1193
wotny, GesR 69) und sind nur den am Hauptstamm beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen (zur möglichen Anrechnung der Arbeitsleistung auf den Hauptstamm § 1183 Rz 3). Der Hauptstamm stellt daher eine besondere, die Gewinn- und Verlustberechnung nicht berührende Masse dar, die bei der Bilanzierung außer Betracht bleibt (SZ 43/107). § 1192 ist dispositiv, so dass abweichende Vereinbarungen über die 3 Gewinnermittlung im Gesellschaftsvertrag zulässig sind. § 1193. Der Gewinn wird nach Verhältnis der Kapitalsbeiträge verteilt, und die von allen Mitgliedern geleisteten Arbeiten heben sich gegeneinander auf. Wenn ein oder einige Mitglieder bloß arbeiten, oder nebst dem Kapitalsbeitrage zugleich Arbeiten leisten; so wird für die Bemühungen, wenn keine Verabredung besteht, und die Gesellschafter sich nicht vereinigen können, der Betrag mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Geschäftes, die angewendete Mühe und den verschafften Nutzen vom Gerichte bestimmt. Die Gewinn- und Verlustverteilung kann im Gesellschaftsvertrag in 1 den Grenzen des § 879 frei geregelt werden (§ 1195), selbst garantierter Mindestgewinn ist möglich (SZ 35/8). Wurde einem Gesellschafter für seine Mitwirkung Vergütung zugesichert, so ist durch Auslegung zu klären, ob auch Anrechnung der Vergütung auf den Gewinnanteil vorgesehen ist ( Jabornegg/Resch/S Rz 4). Wird der Gewinn vertraglich nach Köpfen verteilt und sind nicht alle Mitglieder tätig, so ist damit auch die Arbeit abgegolten (EvBl 1966/423). Mangels abweichender Vereinbarung gilt nach den dispositiven 2 §§ 1193 ff: Haben alle Gesellschafter Einlage und Arbeit geleistet, so werden die Gewinnanteile im Verhältnis der Kapitaleinlagen berechnet, wobei die geleisteten Arbeiten einander aufheben (1 Ob 155/05h wbl 2006, 137). Arbeiten nicht alle Gesellschafter, haben aber alle Vermögenseinlagen erbracht, oder einzelne Gesellschafter nur Arbeit geleistet, so ist der Gewinn mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Geschäftes, die geleistete Mühe und den verschafften Nutzen zu verteilen (wbl 2006, 137). Mangels Einigung der Gesellschafter wird die Höhe der einzelnen 3 Gewinnanteile aufgrund einer Klage gegen die jeweils übrigen Gesellschafter vom Gericht bestimmt (zur Vorenthaltung des Gewinns durch nur einen Gesellschafter und Klage nur gegen diesen SZ 41/170). Bei der Festsetzung des Gewinnanteils ist zu berücksichtigen, dass bloße Arbeitsgesellschafter Gefahr laufen, ihre BemüRiedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1194
hungen einzubüßen, wenn die Gesellschaft Verluste macht ( Jabornegg/Resch/S Rz 2), da sie eben als „Unternehmer“ keinen unbedingten Anspruch auf Entlohnung für die erbrachten Leistungen haben (EvBl 1966/423). 4 Jeder Gesellschafter kann über seinen Gewinnanteil frei verfügen
und ihn mangels anderer Vereinbarung nach Maßgabe des § 1199 zur Gänze entnehmen (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 68). 5 Gewinnanteile sind nicht als periodisch wiederkehrende Leistun-
gen iSd § 1480 anzusehen, da die künftige Gewinnerzielung ungewiss ist, so dass die dreißigjährige Verjährungsfrist gilt (SZ 61/221). § 1194. Besteht der Gewinn nicht in barem Gelde, sondern in andern Arten der Nutzungen; so geschieht die Teilung nach der in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes enthaltenen Vorschrift (§§ 840 bis 843). 1 Gelangen als Gewinn nicht Geldbeträge, sondern andere Arten von
Nutzungen zur Verteilung, so richtet sich deren Teilung nach den §§ 840 ff, so dass die Aufteilung primär in natura, bei Unteilbarkeit oder bloßer Teilbarkeit unter erheblichen Wertverlusten in Form der Zivilteilung – also Veräußerung und Erlösteilung – vorzunehmen ist. § 1195. Die Gesellschaft kann einem Mitgliede, seiner vorzüglichen Eigenschaften oder Bemühungen wegen, einen größern Gewinn bewilligen, als ihm nach seinem Anteile zukäme; nur dürfen dergleichen Ausnahmen nicht in gesetzwidrige Verabredungen oder Verkürzungen ausarten. 1 Abweichend vom Regelungskonzept der §§ 1193 ff können einzelnen
Gesellschaftern durch Vereinbarung etwa wegen besonderer Eigenschaften oder Bemühungen höhere oder niedrigere Gewinnanteile bewilligt werden als ihrer gesellschaftlichen Beteiligung am Hauptstamm entsprechen würde (GlUNF 4138). In Relation zu den erhöhten Bemühungen überhöhte Gewinnzuwendungen können aber zur Beurteilung als Schenkung führen. 2 Gesetzwidrige Vereinbarungen sind unwirksam (§§ 879, 1195), insb
ist auf die mögliche Umgehung von Zinsbegrenzungsvorschriften oder Zinsenwucher zu achten ( Jabornegg/Resch/S Rz 2). Der Passus „Verkürzungen“ verweist auf § 934, der auch bei Gesellschaftsverträgen zu beachten ist (EvBl 1977/140). 1356
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1197
§ 1196. [aufgehoben, RGBl 1868/62] Verteilung des Verlustes; § 1197. Hat die Gesellschaft ihre Einlage ganz oder zum Teile verloren; so wird der Verlust in dem Verhältnisse verteilt, wie im entgegengesetzten Falle der Gewinn verteilt worden wäre. Wer kein Kapital gegeben hat, büßt seine Bemühungen ein. Ist das nach Abzug aller Kosten und Ausgaben verbleibende Gesell- 1 schaftsvermögen niedriger als der Hauptstamm, so hat die GesBR Verlust erzielt (§ 1197; Apathy/Riedler, SR BT Rz 12/10). Verluste der GesBR haben – mangels abweichender Vereinbarung – 2 spiegelbildlich zur Gewinnverteilung nach § 1197 die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Vermögenseinlagen zu tragen, so dass der (teilweise) Verlust des Hauptstammes nur jene Gesellschafter trifft, die zum Kapital beigetragen haben. Arbeitsgesellschafter büßen im Verlustfall lediglich ihre Bemühungen ein (ZBl 1933/288). Wurde aber der Wert der Arbeitsleistung dem Kapital zugeschlagen (§ 1192), so nimmt nach einem Teil der L ( Jabornegg/Resch/S Rz 2; skeptisch Grillberger/R Rz 2) auch der Arbeitsgesellschafter am Kapitalverlust teil. Auch eine Vereinbarung des Arbeitsgesellschafters über Gewinnund Verlustverteilung kann eine quotenmäßige Beteiligung am Kapitalverlust enthalten (ZBl 1933/288), was durch Interpretation festzustellen ist. Zu beachten ist, dass bei dauernder gesellschaftlicher Betätigung der Jahresverlust auf das nächste Geschäftsjahr vorzutragen und aus künftigen Überschüssen abzudecken ist, also nicht sofort auf die Gesellschafter zu verteilen ist, da dies einer Nachschusspflicht gleichkäme, die nur bei besonderer Vereinbarung besteht (§ 1189). Auch eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse findet durch Verlusterzielung nicht statt ( Jabornegg/Resch/S Rz 1). § 1197 ist dispositiv, so dass eine bloße Gewinnbeteiligung unter 3 gänzlichem Ausschluss der Verlustbeteiligung ebenso zulässig ist (RdW 1990, 294) wie umgekehrt die bloße Verlustbeteiligung eines Gesellschafters ohne Gewinnbeteiligung (societas leonina; Jabornegg/Resch/S § 1175 Rz 13; Holzhammer/Roth, GesR 25). Die in § 1197 geregelte Frage, ob und in welchem Ausmaß die Ge- 4 sellschafter im Innenverhältnis den Verlust der GesBR zu tragen haben, ist von einer (durch gesonderte Vereinbarung zu begründende) Nachschusspflicht in den Hauptstamm (§ 1189) ebenso zu trennen wie von der Frage der Haftung der Gesellschafter gegenüber Dritten (§ 1203). Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1198 Rechnungslegung;
§ 1198. Die Mitglieder, denen die Verwaltung anvertraut ist, sind verbunden, über den gemeinschaftlichen Hauptstamm und über die dahin gehörigen Einnahmen und Ausgaben ordentlich Rechnung zu führen und abzulegen. 1 § 1198 normiert die Pflicht aller geschäftsführenden Gesellschafter
zur laufenden Rechnungsführung und zur Rechnungslegung gegenüber den übrigen Gesellschaftern. Die Vorschrift gilt aber auch für gesellschaftsfremde Geschäftsführer (4 Ob 382/97y wbl 1998, 551). 2 Die konkret notwendigen Maßnahmen für die laufende ordentliche
Rechnungsführung und die konkrete Rechnungslegung sind nach der Natur des Geschäftes und den Umständen des Einzelfalles nach der Verkehrsübung (Geschäftsübung) zu beurteilen (8 Ob 278/99m Miet 52.112); idR ist – außer bei kleinen Gelegenheitsgesellschaften (EvBl 1953/201) – Schriftlichkeit erforderlich (SZ 49/74). Bei der Rechnungsführung sind die anerkannten Grundsätze ordentlicher Buchführung im jeweils zweckentsprechenden Umfang zu beachten (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 69). Ordentliche Rechnungsführung und ordentliche Rechnungslegung liegen nur vor, wenn die fortlaufende Dokumentation bzw konkrete Rechnungslegung wirklich den tatsächlichen Verhältnissen entspricht und sich sowohl auf den gemeinschaftlichen Hauptstamm als auch die mit der Geschäftstätigkeit zusammenhängenden Einnahmen und Ausnahmen bezieht. Somit müssen alle Geschäftsfälle, Einnahmen und Ausgaben detailliert ausgewiesen (SZ 49/74), die Veränderungen des Hauptstammes erkennbar sein (SZ 43/107) und der Verwendungszweck der jeweiligen Ausgaben angegeben werden (SZ 27/157). Bloße Endsummen reichen nicht (SZ 27/157), vielmehr müssen die einzelnen Geschäftsfälle nachvollziehbar angeführt sein, so dass etwa bei Material- und Wareneinkauf Menge und Gattung, bei einem Arbeitslohn Arbeitsdauer und Objekt (SZ 23/76), bei eingenommenen Zinsen Zinsfuß und Zeitraum (GlU 13.109) angegeben sein müssen; gleichwertige Spesen dürfen aber in zusammenfassender Form angeführt werden (Rsp 1936/346). Sind diese Umstände aus den Büchern und Einzelbelegen entnehmbar, so genügt bei ordnungsgemäßer Buchführung ein Verweis (EvBl 1964/362). Bloße Gewährung von Buch- oder Bilanzeinsicht oder bloße Ausfolgung der Belege ersetzt die erforderlichen Aufstellungen nicht (SZ 49/74). 3 Jeder einzelne Gesellschafter hat grundsätzlich einen eigenen (RZ
1961, 13) unübertragbaren (6 Ob 718/89 ecolex 1990, 484) Anspruch auf Rechnungslegung, der auch durch bereits erfolgte Rechnungs1358
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1199
legung gegenüber anderen Gesellschaftern oder Verzicht anderer Gesellschafter auf Rechnungslegung nicht beeinträchtigt wird (Hämmerle/Wünsch, HR II4 76) und von jedem (selbst dem nach § 1210 ausgeschlossenen: GesRZ 1974, 61) Gesellschafter auch ohne Zustimmung der übrigen geltend gemacht werden kann (RZ 1961, 13). Rechnungslegung über den Hauptstamm können nur die am Hauptstamm beteiligten Gesellschafter verlangen (SZ 43/107). Mangelnde Rechnungslegung berechtigt den Gesellschafter nicht zur Verweigerung seiner Mitwirkungspflicht (EvBl 1974/161). Der Anspruch besteht auch nach Beendigung der GesBR (RZ 1961, 13) und richtet sich nach dem Tod des Geschäftsführers gegen dessen Erben (RZ 1937, 392). Stufenklage unter Vorbehalt der späteren genauen Bezifferung des Leistungsbegehrens ist zulässig (GesRZ 1974, 61). Die Rechnungslegung ist nach hA exekutionsrechtlich als unvertretbare Handlung nach § 354 EO zu erzwingen (EvBl 1979/140), doch ist bei bloßer Weigerung zur Herausgabe der Unterlagen wohl analog zur Herausgabeexekution nach den §§ 346 ff EO vorzugehen ( Jabornegg/Resch/S Rz 8). Den Rechnungsleger trifft keine Pflicht zur Eidesleistung nach 4 Art XLII EGZPO für die Richtigkeit der Rechnung (SZ 46/68), soferne es nicht um einzelne Rechnungsposten geht und dargetan wird, dass diese vermutlich unrichtig oder unvollständig sind (RdW 1986, 112). § 1198 ist dispositiv, so dass die Rechnungslegungspflicht einge- 5 schränkt werden oder jeder Gesellschafter zur Gänze auf Rechnungslegung (stillschweigend: GlUNF 3012) verzichten kann. Die Rechnungslegung selbst ist kein Rechtsgeschäft, so dass jederzeit 6 Unrichtigkeiten korrigiert werden können, ohne dass es einer Irrtumsanfechtung bedürfte. Wird aber die Rechnung Grundlage eines Vertrages, so kann Anfechtung oder Anpassung dieses Vertrages nach Maßgabe der §§ 871 f in Betracht kommen (SZ 6/233). § 1199. Die Schlußrechnung und Teilung des Gewinnes oder Verlustes kann vor Vollendung des Geschäftes nicht gefordert werden. Wenn aber Geschäfte betrieben werden, die durch mehrere Jahre fortdauern und einen jährlichen Nutzen abwerfen sollen; so können die Mitglieder, wenn anders das Hauptgeschäft nicht darunter leidet, jährlich sowohl die Rechnung, als die Verteilung des Gewinnes verlangen. Übrigens kann jedes Mitglied zu jeder Zeit auf seine Kosten die Rechnungen einsehen. Lit: Straube, Die Gewinnverteilung im Gesellschaftsrecht, GesRZ 1973, 10. Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1199
1 Bei Gelegenheitsgesellschaften kann Schlussrechnung vom Ge-
schäftsführer und Teilung des Gewinns und Verlusts erst nach Vollendung des den Gegenstand der GesBR bildenden Geschäfts gefordert werden (§ 1191 S 1; EvBl 1958/114). Abweichende (konkludente: GlU 2502) Vereinbarungen über den Zeitpunkt der Schlussrechnung und die Gewinnverteilung sind möglich. 2 Dauergesellschaften betreiben Geschäfte, die mehrere Jahre dauern
und einen jährlichen Nutzen abwerfen sollen; sie können befristet oder unbefristet sein. Bei Dauergesellschaften kann jährlich Rechnungslegung vom Geschäftsführer und Gewinnverteilung verlangt werden (§ 1199 S 2), sofern nicht das Hauptgeschäft darunter leiden würde, also der Gesellschaft wegen der jährlichen Rechnungslegung Schaden droht und allenfalls der Fortbetrieb gefährdet wäre (Hämmerle/Wünsch, HR II4 77). Die jährliche Rechnungslegung kann für die Gesellschaft nicht nachteilig sein, so dass § 1199 HS 2 auf die Gewinnverteilung einzuschränken ist (Grillberger/R Rz 4) und auch Aufschub der Gewinnverteilung nur bei Nachweis gewichtiger Gründe verlangt werden kann ( Jabornegg/Resch/S Rz 3). Auch bei Beendigung einer Dauergesellschaft durch Auflösung (EvBl 1958/114), Austritt oder Ausschluss eines Gesellschafters (RZ 1961, 13) muss Schlussrechnung gelegt und der Gewinn verteilt werden. Abweichende Vereinbarungen sind zulässig (GlU 2502). Verluste sind im Zweifel auf das nächste Geschäftsjahr vorzutragen, abweichende Vereinbarungen zulässig (§ 1197 Rz 2). 3 Jeder Gesellschafter hat ein umfassendes Bucheinsichtsrecht (§ 1199
S 3), das sich auf alle Unterlagen, die Aufzeichnungen in gesellschaftlichen Angelegenheiten enthalten, bezieht. Erfasst sind insb Verträge und Geschäftkorrespondenz ( Jabornegg/Resch/S Rz 4). Konkrete Ausgestaltung, Art und Umfang orientieren sich mangels konkreter Vereinbarung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (SZ 25/218; für die Zulässigkeit der Anfertigung von Kopien und der Beiziehung eines Buchsachverständigen Grillberger/R Rz 6). Das Schikaneverbot ist zu beachten (SZ 25/237), wobei Rechtsmissbrauch gegeben ist, wenn das Bucheinsichtsrecht ausschließlich zum Zweck der Schädigung der Gesellschaft ausgeübt wird (EvBl 1977/172). Der Grund dieses umfassenden Informationsrechts liegt in der persönlichen Haftung der Gesellschafter und des daraus resultierenden gesteigerten Informationsbedürfnisses zur Abschätzung der Haftungsrisiken. Zur Klage und der Verbindung mit unbestimmter Leistungsklage und zur Exekution gelten sinngemäß die Erläuterungen zur Rechnungslegung § 1198 Rz 3.
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Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1201
§ 1200. Wer sich mit der bloßen Vorlegung des Abschlusses (Bilanz) begnügt, oder auch seinem Rechte, Rechnung zu fordern, entsagt hat, kann, wenn er einen Betrug auch nur in einem Teile der Verwaltung beweist, sowohl für den vergangenen Fall, als für alle künftige Fälle auf eine vollständige Rechnung dringen. Trotz seines umfassenden Rechnungslegungsanspruches nach § 1199 1 kann sich jeder Gesellschafter auch mit der bloßen Bilanzvorlage begnügen bzw vertraglich ganz auf Rechnungslegung verzichten (8 Ob 278/99m Miet 52.112). Ungeachtet eines derartigen Verzichtes kann aber jeder Gesellschafter sowohl für die Vergangenheit als auch die Zukunft vollständige Rechnungslegung gemäß § 1200 verlangen, wenn er – zumindest in einem Teil der Verwaltung – „Betrug“ nachweist; der begründete („bewiesene“) Verdacht unredlicher Gebarung des Geschäftsführers reicht (Miet 23.092). Verhältnis gegen Nichtmitglieder § 1201. Ohne die ausdrückliche oder stillschweigende, rechtliche Einwilligung der Mitglieder oder ihrer Bevollmächtigten kann die Gesellschaft einem Dritten nicht verbindlich gemacht werden. [idF RGBl 1863/1]
§ 1188 regelt die Geschäftsführung im Innenverhältnis, § 1201 die 1 Vertretung der GesBR im Außenverhältnis. Nach § 1201 kann „die Gesellschaft“ einem Dritten ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung der Mitglieder nicht verbindlich gemacht werden (zu § 178 UGB Rz 5). Eine wirksame Vertretungshandlung im Außenverhältnis setzt daher – neben dem Handeln des Vertreters im Namen aller Gesellschafter (Offenlegungsprinzip) – eine zureichende interne Entscheidung (Beschlussfassung) im Rahmen der Geschäftsführung (iS einer internen Vollmachtserteilung) voraus. Bei der GesBR besteht – anders als bei Handelsgesellschaften – keine gesetzlich fixierte Vertretungsmacht bestimmter Organe, der Umfang der Vertretungsmacht richtet sich im Zweifel nach dem Umfang der Geschäftsführerbefugnis des betreffenden Gesellschafters (6 Ob 67/02z JBl 2003, 327). Für die Vollmachtserteilung an Dritte gelten die allgemeinen Grundsätze des Vollmachtsrechts (§§ 1002 ff) und der Rechtsscheinhaftung (7 Ob 173/98m RdW 1999, 138; näher § 1029 Rz 6). Spezielle Vollmachtserteilung an einen oder mehrere Gesellschafter oder Dritte – die wiederum einzel- (JBl 2003, 327) oder kollektivvertretungsbefugt (JBl 1951, 553) sein können –, ist nach allgemeinen Regeln zulässig (Apathy/Riedler, SR BT Rz 12/9). Auch können interne Geschäftsführungsbefugnis einerseits und externe Vertretungsmacht andererseits unterschiedlich geregelt werden. Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1201
2 Da sich Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis im Zweifel
decken (wbl 1989, 338), kann bei Anwendung der gesetzlichen Geschäftsführungsregeln die Kapitalmehrheit im Rahmen der ordentlichen Verwaltung die Gesellschaft auch (extern) vertreten (JBl 2003, 327). Handeln die Gesellschafter jedoch unter Außerachtlassung der Beschlusserfordernisse (zB ohne Anhörung der Minderheit), so wird die GesBR nicht verpflichtet (SZ 41/170). Bei wichtigen Veränderungen iSd §§ 1188, 834 steht die Vertretungsbefugnis der Kapitalmehrheit zusätzlich unter dem Vorbehalt der Minderheitsrechte der §§ 834 f, dh bei Verweigerung der Zustimmung durch eine Minderheit kann das Rechtsgeschäft erst nach Einhaltung der Schutzvorschriften der §§ 834 f gültig zustande kommen. Daraus folgt, dass diejenigen, die (im Innenverhältnis) Geschäftsführungshandlungen vorzunehmen berechtigt sind, die Gesellschafter auch (im Außenverhältnis) Dritten gegenüber verpflichten können und eine Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auch nach außen wirksam ist (Apathy/ Riedler, SR BT Rz 12/9). 3 Dieser Grundsatz stimmt mit dem aus dem Vollmachtsrecht bekannten
Prinzip überein, dass sich im Zweifel interner Auftrag und externe Vollmacht decken, so dass sich der Regelungsgehalt des § 1201 darauf beschränkt, externe Vertretungshandlungen nur dann zu Lasten der (vertretenen) Gesellschaft wirken zu lassen, wenn eine intern oder extern erteilte Vollmacht des Vertretenen (§§ 833 – 838; §§ 1026 ff) angenommen werden kann (Apathy/Riedler, SR BT Rz 12/9). 4 Fehlt zureichende Vollmacht, so ist nachträgliche Genehmigung des
schwebend unwirksamen Vertrages durch Willenserklärung oder Vorteilszuwendung iSd § 1016 der Gesellschafter (wbl 1988, 395) möglich; je nach Art des zu genehmigenden Geschäfts muss die Genehmigung nach Maßgabe der allgemeinen internen Beschlusserfordernisse (den Geschäftsführungsregeln) erfolgen (§ 1188 Rz 1 ff). 5 „Handeln Gesellschafter einer unternehmerisch tätigen GesBR, die
im Verkehr unter einem eigenen Namen auftritt, oder zu deren Vertretung bestellte Personen in deren Namen“, so werden nach § 178 S 1 UGB „alle Gesellschafter daraus berechtigt und verpflichtet“. Dies gilt auch, „wenn der handelnde Gesellschafter nicht, nicht allein oder nur beschränkt vertretungsbefugt ist, der Dritte den Mangel aber weder kannte noch kennen musste“ (§ 178 S 2 UGB). Damit durchbricht das Regelungskonzept des (insofern problematischen) § 178 UGB die Prinzipien des allgemeinen Stellvertretungsrechts, wonach fremdes Handeln nur dann den (vertretenen) Geschäftsherrn binden kann, wenn dieser (zureichende) Vollmacht erteilt hat. Nach § 178 UGB 1362
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1203
kann hingegen auch das Handeln eines falsus rechtsgeschäftliche Wirkungen entfalten, obwohl die Vertretenen keinerlei Vollmacht erteilt haben. Zu beachten ist, dass § 178 UGB nur das vollmachtlose Handeln von Gesellschaftern oder zur Vertretung einer unternehmerisch tätigen GesBR bestellten Personen erfasst, und auch hier nur dann eingreift, wenn diese im Namen der GesBR aufgetreten sind. Das vollmachtlose Handeln dritter nicht zur Vertretung bestellter Personen beurteilt sich hingegen wieder nach allgemeinem Stellvertretungsrecht, berechtigt und verpflichtet die unternehmerisch tätigen GesBR-Gesellschafter also nicht. Zudem gilt § 178 UGB auch nicht für nicht unternehmerisch tätige GesBR und auch nicht für unternehmerisch tätige GesBR, die nicht im Verkehr unter eigenem Namen auftreten, und auch nicht für das Handeln von Gesellschaftern, die zwar im Namen der übrigen, aber nicht im eigenen Namen der unternehmerisch tätigen GesBR agieren. § 1202. Ein Mitglied, welches nur mit einem Teile seines Vermögens in der Gesellschaft steht, kann ein von dem gemeinschaftlichen abgesondertes Vermögen besitzen, worüber es nach Belieben zu verfügen berechtigt ist. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein Dritter gegen die Gesellschaft hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne Mitglieder unterschieden werden. Als Sondervermögen ist das Gesellschaftsvermögen ausweislich der 1 §§ 1182 und 1202 vom Privatvermögen der jeweiligen Gesellschafter zu trennen. Rechte und Verbindlichkeiten von Dritten gegen die GesBR sind also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne Mitglieder zu differenzieren. Aufrechnung eines für die Gesellschaftsschuld persönlich haftenden Gesellschafters mit einer Privatforderung gegen den Gesellschaftsgläubiger ist aber möglich (wbl 1987, 191 zust Wilhelm), worin keine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, sondern bloße Erfüllung der Verpflichtung zu sehen ist, so dass kein Mehrheitsbeschluss erforderlich ist. Zu beachten ist, dass dem Privatgläubiger eines Gesellschafters zwar nur dessen Privatvermögen, nicht aber auch das Gesellschaftsvermögen haftet, allerdings gehören auch die disponiblen Ansprüche des Gesellschafters gegen die GesBR (zB Gewinnauszahlungsansprüche) sowie dessen Miteigentumsanteile am Hauptstamm zum haftenden Privatvermögen und können daher vom Privatgläubiger in Exekution gezogen werden. § 1203. Was also jemand an ein einzelnes Mitglied, und nicht an die Gesellschaft zu fordern oder zu zahlen hat, kann er auch nur Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1203
an das einzelne Mitglied, und nicht an die Gesellschaft fordern oder bezahlen. Ebenso hat aber bei gesellschaftlichen Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur für seinen Anteil ein Recht oder eine Verbindlichkeit zur Zahlung, außer in dem Falle, welcher bei Handelsleuten vermutet wird, daß alle für einen und einer für alle etwas zugesagt oder angenommen haben. Lit: Apathy, Deliktshaftung und Gesellschaft bürgerlichen Rechts, FS Krejci (2001) 427; Oberhammer, Zum Anwendungsbereich der Solidarhaftung von Handelsleuten gemäß § 1203 ABGB, RdW 1996, 572; Perner, Zur Qualifikation von Forderungen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, NZ 2004, 101; ders, Die Haftung von Mitschuldnern bei Verletzung vertraglicher Verbindlichkeiten, JBl 2005, 629; ders, Glaubensfragen bei Gläubigermehrheiten im ABGB, JBl 2006, 400; Riedler, Gesellschafterkompetenz bei Forderungen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, JBl 1999, 638; ders, Drei Rechtsfragen bei Gläubigermehrheiten im ABGB, JBl 2006, 743; Welser, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gläubiger und Schuldner, GesRZ 1978, 141 und 1979, 15.
1 Ein (Privat-)Gläubiger eines Gesellschafters kann seine Ansprüche
nicht gegen die Gesellschaft geltend machen (vgl aber § 1202 Rz 1) und ein (Privat-)Schuldner eines Gesellschafters ist nicht Schuldner der Gesellschaft – er kann nicht an „die GesBR“ schuldbefreiend leisten (§ 1203 S 1). 2 Werden im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Forderungen zu Guns-
ten oder Verbindlichkeiten zu Lasten der Gesellschaft begründet, so kann mangels Rechtsfähigkeit der GesBR nicht diese selbst die Forderungen erwerben oder Verbindlichkeiten eingehen. § 1203 S 2 statuiert daher, dass „bei gesellschaftlichen Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur für seinen Anteil ein Recht oder eine Verbindlichkeit zur Zahlung“ hat. 3 Gegen diesen Wortlaut des Gesetzes betrachtet jedoch die überwie-
gende Lehre (Hämmerle/Wünsch, HR II4 85 f; Jabornegg/Resch/S Rz 3 ff; Krejci, GesR I 226) und die Rspr (6 Ob 99/05k ÖBA 2006, 518) Gesellschaftsforderungen generell als Gesamthandforderungen (der Gesellschafter), die nur von der Gesamtheit der Gesellschafter bzw dem dazu befugten Vertreter geltend gemacht werden können. Ein einzelner Gesellschafter ist zur Klage nur legitimiert, wenn er die Zustimmung der Mitgesellschafter nachweist oder auf Hinterlegung für alle Gesellschafter klagt (§ 890 S 2). Nur wenn etwa im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern einem Gesellschafter eine Forderung überlassen worden sei, könne dieser den ihm zugewiesenen Teil der ehemaligen Gesamthandforde1364
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1203
rung selbständig einklagen (SZ 50/151). Die Qualifikation von Gesellschaftsforderungen als Gesamthandforderungen steht im klaren Widerspruch zu den eindeutigen verba legalia des (dispositiven) § 1203 S 2 und dem Regelungskonzept der §§ 888 f. Vielmehr ist im Einklang mit Zeiller III 563 f und EvBl 1958/222 davon auszugehen, dass – mangels abweichender Vereinbarung – Forderungen der GesBR bei Teilbarkeit der Leistung Teilforderungen der Gesellschafter iSd §§ 889, 848, 1203 S 2 darstellen (ausf Riedler, JBl 1999, 638 ff; Apathy/ Riedler/S § 890 Rz 7; unklar Grillberger/R §§ 1202, 1203 Rz 8 f; den Regelungsgehalt des § 848 verkennend Perner, NZ 2004, 101 ff und JBl 2006, 400; dagegen Riedler, JBl 2006, 743). Bei Unteilbarkeit der Leistung kommt es – mangels abweichender Vereinbarung – zwar zur Gesamthandforderung, aber nicht wegen § 1203 und auch nicht wegen § 848, sondern aufgrund des § 890 S 2 (ausf Riedler, JBl 1999, 638 ff). Für Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet den Gesellschaftsgläu- 4 bigern zunächst das gesamte Gesellschaftsvermögen, darüber hinaus aber (§ 1203 S 2) jedes Mitglied zwar persönlich, doch „nur für seinen Anteil“. Ungeachtet der klaren verba legalia nehmen die überwiegende Lehre (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 58 ff; Hämmerle/ Wünsch, HR II4 85 ff; Holzhammer/Roth, GesR 30 f; Jabornegg/ Resch/S Rz 5 ff) und die Rspr (3 Ob 146/99p; 8 Ob 54/99w RdW 2000, 25) unter Berufung auf den einheitlichen Verpflichtungsgrund der Gesellschafter immer wieder Solidarhaftung der Gesellschafter an, so dass jeder Gesellschafter für die gesamte Schuld in Anspruch genommen werden kann, sich aber im Innenverhältnis nach § 896 regressieren können soll. Solidarhaftung für Vertragserfüllung soll sich dabei auch auf Schadenersatzansprüche wegen Vertragsverletzung erstrecken (GesRZ 1986, 93; Perner, JBl 2005, 636 ff). Zwar ist zu konzedieren, dass sich aus Vereinbarung mit dem Gesellschaftsgläubiger oder Sondernormen wie zB § 348 UGB, bei Unteilbarkeit der Leistung nach § 890 S 1 (GesRZ 1986, 93) oder § 1203 S 2 (dazu Riedler, JBl 1999, 649 ff) Solidarhaftung ergeben kann; greift jedoch keiner der genannten Verpflichtungsgründe ein, so bleibt es (bei teilbaren Leistungen) – mangels abweichender Vereinbarung – bei der in § 1203 S 2 klar angeordneten Teilschuldnerschaft (ebenso nun Krejci, GesR I 229), was im Einklang mit den §§ 888 f steht (s § 891 Rz 1). Die Haftungsquoten der Gesellschafter gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger bestimmen sich nach dem Verhältnis ihrer Anteile am Hauptstamm, so dass Arbeitsgesellschafter ohne Kapitalisierung der Arbeitsleistung nach § 1192 nicht haften. Bei einer GesBR ohne Hauptstamm ist der Gewinnverteilungsschlüssel maßgebend, im Zweifel ist gleichteilige Haftung anzunehmen. Riedler
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Erwerbsgesellschaft
§ 1203
5 Eine deliktische Haftung „der GesBR“ für Fehlverhalten der Gesell-
schafter kommt jedenfalls nach Maßgabe des § 1315 in Betracht. Auch Haltereigenschaft einer GesBR (ARGE: JBl 1982, 656) ist denkbar. Zudem hat „die GesBR“ nach allgemeinen Prinzipien für Delikte ihrer Repräsentanten (Machthaber) einzustehen (3 Ob 123/99f JBl 2000, 169). Bei einer Deliktshaftung der GesBR haften die Gesellschafter nach der Rspr (2 Ob 2398/96b SZ 70/138) solidarisch, doch sollte bei Teilbarkeit der Leistung Teilschuldnerschaft angenommen werden. Diese Prinzipien sollten auch für Bereicherungsansprüche beachtet werden (2 Ob 608/92 HS 24.632: Solidarhaftung). Nach einem Teil der L (Apathy, FS Krejci 439 f) haftet nur das Gesellschaftsvermögen. 6 Nach der Rspr wurde dem § 1203 S 2 aE durch die Einführung des
AHGB und des HGB nicht derogiert (wbl 1989, 221) und waren unter „Handelsleuten“ iSd § 1203 S 2 Kaufleute iSd HGB zu verstehen (HS 24.632), seit dem UGB wird auf Unternehmer iSd §§ 1 ff UGB abzustellen sein. Richtiger Ansicht nach trat zwar durch das AHGB materielle Derogation ein, doch wurde diese Derogation durch die Einführung des HGB obsolet: Aus dem Entfall der (früher vorgesehenen) Protokollierung der GesBR und § 348 UGB ergibt sich, dass in Fortdenken des gesetzgeberischen Konzepts Solidargläubigerschaft von Handelsleuten iSd § 1203 S 2 für die aus einem Vertrag „der Gesellschaft“ zukommenden Ansprüche nur in jenen Fällen angenommen werden sollte, in welchen durch § 348 UGB auch eine Solidarhaftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden in Betracht kommt (ausf Riedler, JBl 1999, 653 f; diesem folgend Perner, NZ 2004, 103). Solidarhaftung von Handelsleuten (Unternehmern) kommt insb nach Maßgabe des § 348 UGB in Betracht, da die Vorläufernorm des Art 8 Nr 1 der 4. EVHGB dem diesbezüglichen Passus in § 1203 S 2 derogierte (ausf Riedler, JBl 1999, 653). Dies gilt wohl auch im Rahmen des § 178 UGB (s § 1201 Rz 5) 7 Haftung und Forderungskompetenz der Gesellschafter beurteilen
sich nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Obligation, nachträgliche Auflösung der GesBR (10 Ob 225/02i; 3 Ob 29/04t RdW 2004, 733) oder späterer Austritt/Ausschluss eines Gesellschafters ändern daran nichts (SZ 50/151). Daher partizipiert der Ausgetretene/Ausgeschlossene nicht an nachträglich entstandenen Forderungen und haftet nicht für nachträglich entstandene Verbindlichkeiten. Neueintretende haften nicht für vor ihrem Eintritt entstandene Schulden (wbl 1989, 221), doch wird auch ihr allfälliger Beitrag zum Hauptstamm und ihr Anteil am Gesellschaftsvermögen Teil der Haftungsmasse ( Jabornegg/Resch/S Rz 9). 1366
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1205
Erfüllt ein Gesellschafter eine Gesellschaftsschuld aus dem Privatver- 8 mögen, so hat er einen Regressanspruch entsprechend § 896 (1 Ob 266/99w) gegen das Gesellschaftsvermögen bzw die übrigen Gesellschafter. Primär ist das Gesellschaftsvermögen heranzuziehen, worauf der Gesellschafter auch greifen kann, wenn er nicht mehr als den ihn im Innenverhältnis treffenden Teil der Verbindlichkeit erfüllt hat (Hämmerle/Wünsch, HR II4 88). Mangels ausreichender Befriedigung können in weiterer Folge auch die übrigen Gesellschafter im Regress belangt werden, doch sind hier die im Innenverhältnis maßgebenden Haftungsquoten zu beachten, so dass der leistende Gesellschafter nur einen Regressanspruch hat, wenn er (noch immer) mehr als die ihn im Innenverhältnis treffende Quote geleistet hat (SZ 55/117). § 1204. [aufgehoben, RGBl 1863/1] Auflösung der Gesellschaft, und Austritt aus derselben § 1205. Die Gesellschaft löst sich von selbst auf, wenn das unternommene Geschäft vollendet; oder nicht mehr fortzuführen; wenn der ganze gemeinschaftliche Hauptstamm zu Grunde gegangen; oder wenn die zur Dauer der Gesellschaft festgesetzte Zeit verflossen ist. Lit: Strasser, Die Beendigung der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (1969).
§ 1205 normiert vier Auflösungstatbestände der GesBR (des Gesell- 1 schaftsvertrages, nicht aber des Gesellschafterverhältnisses), die automatisch wirken, so dass die Auflösung keiner Willenserklärung eines Gesellschafters oder einer gerichtlichen Entscheidung bedarf (automatische Auflösung). Die Beendigung wird durch Eintritt eines der angeführten Tatbestände herbeigeführt. Gelegenheitsgesellschaften (zB Bau-ARGE) lösen sich auf, wenn „das 2 unternommene Geschäft vollendet“ ist (Vollendung des Bauwerkes), da damit der begrenzte Gesellschaftszweck erreicht ist (Rsp 1931/68) und der Gesellschaftsvertrag keine Grundlage für die Weiterführung der GesBR sein kann (§ 1205 S 1 HS 1). Jede GesBR (Gelegenheits- und Dauergesellschaften) löst sich auf, 3 wenn das unternommene Geschäft „nicht mehr fortzuführen“ ist, also die Erreichung des gemeinsamen Zwecks aufgrund besonderer Umstände unmöglich geworden ist (Miet 32.218). Die durch objektive Umstände bedingte Unmöglichkeit der Erreichung des gemeinRiedler
1367
Erwerbsgesellschaft
§ 1206
samen Zwecks muss dauerhaft und offenkundig sein. In Betracht kommen zB Auflösung des Syndikatsvertrages in einer AG bei deren Löschung (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 74); Aussichtslosigkeit der Herstellung des den Gegenstand der GesBR bildenden Produkts (GlUNF 593); Undurchführbarkeit der geplanten Industrialisierung wegen allgemeiner Wirtschaftskrise (Rsp 1931/68) oder Unverkäuflichkeit von Restgrundstücken (7 Ob 1555/94 RdW 1994, 346); Auflösung der Ehe (ehelichen Lebensgemeinschaft) bei Errichtung einer Ehewohnung (Miet 32.218); Ende des Pachtvertrages bei einer InnenGesBR zur Verwertung gepachteter Lokalitäten (SZ 23/76); Auflösung des Sanatoriums bei einer GesBR der Sanatoriums-AG mit dem behandelnden Röntgenarzt (EvBl 1957/281); nicht aber bloßer Ablauf der Standortgenehmigung für einen Marktstand (4 Ob 382/97y wbl 1998, 551) oder das bloße Ausscheiden eines Gesellschafters, von dem der Geschäftsbetrieb zwar vorzüglich abhängt, aber die Fortführung noch möglich ist (§ 1211). 4 Auch der Verlust des ganzen gemeinschaftlichen Hauptstammes
(GlUNF 593) löst jede GesBR automatisch auf, außer die Gesellschafter trifft eine (vertragliche) Nachschusspflicht oder sie stellen freiwillig neue Mittel bereit. Entscheidend ist der völlige Verlust des Betriebskapitals, da dadurch eine Weiterführung der Gesellschaft gänzlich ausgeschlossen ist. Bei Weigerung bloß einzelner Gesellschafter gilt § 1189. 5 Die zeitlich befristete GesBR endet automatisch durch Fristablauf.
Klare zeitliche Begrenzung der GesBR reicht, kalendermäßige Fixierung ist nicht erforderlich (GlU 7029: Auflösung einer Losspielgesellschaft mit der Zahlung aller Raten aus dem Loskauf). 6 Die Aufzählung der Auflösungstatbestände in § 1205 ist nicht taxa-
tiv (10 Ob 225/02i), auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung im Gesellschaftsvertrag ist zulässig (Zeiller III/2, 572), einverständliche Auflösung ist jederzeit möglich (Zeiller III/2, 565). Eine Zweipersonen- GesBR endet bei Ausscheiden eines Gesellschafters (§ 1175 Rz 1). Keine Auflösung tritt bei einem Fortführungsbeschluss der Gesellschafter sowie bei stillschweigender Fortführung der Geschäfte ein, etwa wenn Ehegatten auch nach der Scheidung eine Landwirtschaft gemeinsam weiterführen (3 Ob 515/92 NZ 1994, 62). § 1206. Die gesellschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten gehen in der Regel nicht auf die Erben eines Mitgliedes über. Doch sind diese, wenn mit ihnen die Gesellschaft nicht fortgesetzt wird, 1368
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1206
berechtigt, die Rechnungen bis auf den Tod des Erblassers zu fordern und berichtigen zu lassen. Sie sind aber im entgegengesetzten Falle auch verbunden, Rechnungen zu legen, und zu berichtigen. Lit: Stölzle, Der Tod im Gesellschaftsrecht, GesRZ 1977, 109.
Die Gesellschafterstellung ist unvererblich (§ 1206 S 1). Das Gesell- 1 schafterverhältnis des verstorbenen Gesellschafters endet; die Erben können von den verbleibenden Gesellschaftern Auszahlung des Beteiligungswertes in Geld verlangen (SZ 25/256). Ansprüche (zB Gewinn-, Auseinandersetzungs-, Aufwandersatzansprüche) und Verbindlichkeiten (zB Beitragsverbindlichkeiten) des verstorbenen Gesellschafters, die zu dessen Lebzeiten schon bestanden haben oder erst mit seinem Ableben entstehen, gehen auf die Erben über (SZ 25/256). Auch an Gewinn und Verlust der noch vor dem Tod des Gesellschafters abgeschlossenen Geschäfte der GesBR sind die Erben beteiligt (zust Hämmerle/Wünsch, HR II4 98). Der Rechnungslegungsanspruch für die Zeit bis zum Tod des Erblassers (SZ 25/256) geht auf die Erben über (§ 1206 S 2; EvBl 1956/326), er richtet sich gegen die Geschäftsführer (GlU 2964). Umgekehrt trifft auch die Rechnungslegungspflicht des verstorbenen Gesellschafters nunmehr die Erben (§ 1206 S 3; GlU 14.700). Zwischen den übrigen (zumindest zwei, § 1207) Gesellschaftern bleibt 2 die Gesellschaft aufrecht, ihre Beteilung am Gesellschaftsvermögen erhöht sich aliquot. Der Fortsetzungswille der verbleibenden Gesellschafter wird vermutet (§ 1207 S 2). Auch eine gegenteilige Erklärung eines Gesellschafters führt nicht zur Auflösung, so dass mangels gesonderter Vereinbarung eine Fortsetzungspflicht der übrigen Gesellschafter besteht (Zeiller III 568; Grillberger/R §§ 1206, 1207 Rz 3). Bei Tod des Gesellschafters, von dem der Betrieb vorzüglich abhing, ist jedoch Kündigung nach § 1211 möglich. Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben kommt bei (nachträglicher) Zustimmung aller Gesellschafter (§ 1206 S 2), bei einer GesBR unter „Handelsleuten“ (§ 1207 S 2) sowie bei entsprechender (Vorweg-)Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag (§ 1208) in Betracht (SZ 25/256). Zum Erlöschen der Zweimann-GesBR § 1207 S 1. § 1206 ist dispositiv, so dass etwa automatische Auflösung der GesBR 3 bei Tod eines/jedes Gesellschafters, Erhöhung des Anteils nur eines Gesellschafters durch „Übernahme oder Aufgriff“ des Anteils des Verstorbenen oder der Auszahlungsbetrag an die Erben (vorweg) vereinbart werden können. Eine Vereinbarung, nach welcher die Erben keinen Auszahlungsanspruch haben, ist zulässig (SZ 23/182). Riedler
1369
Erwerbsgesellschaft
§ 1207
§ 1207. Besteht die Gesellschaft nur aus zwei Personen; so erlischt sie durch das Absterben der einen. Besteht sie aus mehreren, so wird von den übrigen Mitgliedern vermutet, daß sie die Gesellschaft noch unter sich fortsetzen wollen. Diese Vermutung gilt auch überhaupt von den Erben der Handelsleute. 1 Die GesBR muss zumindest zwei Gesellschafter haben, eine Ein-
manngesellschaft wird nicht anerkannt (5 Ob 560/90 SZ 63/44), so dass eine Zweipersonen-GesBR trotz Fortsetzungsklausel endet, wenn einer der Gesellschafter ersatzlos wegfällt (Hämmerle/Wünsch, HR II4 46 f; Holzhammer/Roth, GesR 20). Übergang zu einem Einzelunternehmen kann vereinbart werden (SZ 54/84). 2 Besteht die GesBR aber auch nach dem Ableben eines Gesellschafters
noch aus zumindest zwei Personen, so wird der Fortsetzungswille der verbleibenden Gesellschafter vermutet (§ 1207 S 2), so dass die GesBR nur zwischen diesen fortbesteht. Bei „Handelsleuten“ (Unternehmern iSd UGB) ist jedoch – mangels abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag – die Gesellschafterstellung nach § 1207 S 3 grundsätzlich vererblich (EvBl 1956/326). Dem § 1207 S 3 wurde durch das Handelsrecht nur insoweit derogiert, als es um eine handelsrechtliche Gesellschaft (zB OG etc) geht (EvBl 1956/326; Hämmerle/Wünsch, HR II4 99; aA Jabornegg/Resch/S Rz 3; Krejci, GesR I 265). § 1208. Lautet der von Personen, die keine Handelsleute sind, errichtete Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auch auf ihre Erben; so sind diese, wenn sie die Erbschaft antreten, verpflichtet, sich nach dem Willen des Erblassers zu fügen; allein auf die Erbeserben erstreckt sich dieser Wille nicht; noch weniger vermag er eine immerwährende Gesellschaft zu begründen (§ 832). 1 Vererblichkeit der Gesellschafterstellung kann mit (formloser) Zu-
stimmung aller Gesellschafter vereinbart werden (SZ 25/256). Die Nachfolgeklausel bewirkt, dass mit der Einantwortung die Erben ipso iure Gesellschafter werden, so dass es weder einer Aufnahmeerklärung durch die übrigen Gesellschafter noch einer besonderen Erklärung der Erben bedarf. Wollen die Erben die Gesellschafterstellung nicht übernehmen, so müssen sie die Erbschaft ausschlagen (hM; Hämmerle/Wünsch, HR II4 100). Die Erben übernehmen die Rechtsstellung des verstorbenen Gesellschafters (Erblassers) inklusive allfälliger Geschäftsführungs- und Vertretungsrechte (Grillberger/R Rz 5), sofern diese nicht nur auf den Erblasser bezogen waren (EvBl 1967/7); für mehrere Erben gilt § 1190 S 1. Für Altschulden haften die Erben nach Maßgabe ihrer Erbserklärung, für Neuschulden nach 1370
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1210
§ 1203. § 1208 erfasst alle Erben unabhängig vom Berufungsgrund, Legatare haben hingegen nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Gesellschaftsanteils gegen die Erben (JBl 1984, 612). Erbeserben können nicht zum Eintritt gezwungen werden. Abweichende vertragliche Regelungen über die Ausgestaltung der 2 Mitgliedschaft der Erben sind zulässig. So kann etwa durch eine qualifizierte Nachfolgeklausel ein bestimmter Erbe als Nachfolger in die GesBR vorgesehen werden (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 123 ff; aA JBl 1966, 337). Voraussetzung ist eine gültige letztwillige Verfügung, ohne diese soll nach dem Gesellschaftsvertrag zur Nachfolge berufenen Erben ein bloßes Eintrittsrecht zustehen (Grillberger/R Rz 7; Jabornegg/Resch/S Rz 4). Vertraglich vereinbarte Nachfolgeklauseln können nur mit Zustimmung aller Gesellschafter (nicht allein durch den Erblasser) wieder abgeändert werden, Eintrittklauseln so gestaltet werden, dass die Rechtsstellung (Abfindung) der nicht eintretenden Erben klargestellt ist. § 1209. Wenn der Erbe die von dem Verstorbenen für die Gesellschaft übernommenen Dienste zu erfüllen nicht im Stande ist; so muß er sich einem verhältnismäßigen Abzuge an dem ausgemessenen Anteile unterziehen. Setzt der Erbe die GesBR fort, kann er aber nicht die gleichen 1 Dienste wie der Erblasser leisten, so muss er sich eine angemessene Kürzung seines Gewinnanteiles (§ 1209: „ausgemessenen Anteile“) gefallen lassen. Kürzung kommt etwa in Betracht, wenn der Erbe die gewöhnliche Mitwirkung wegen Unmündigkeit oder fehlender Sachkunde weder selbst noch durch einen (gesetzlichen) Vertreter leisten kann oder der Erblasser vertraglich besondere Pflichten übernommen hatte, die nunmehr vom Erben nicht erfüllt werden können (Zeiller III/2, 570), nicht aber, wenn die Tätigkeit des Erblassers bereits bei der Kapitalquote berücksichtigt wurde und er die höhere Quote durch die erbrachte Tätigkeit bereits zur Gänze „verdient“ hat (zB abgeschlossene Aufbauarbeit; Jabornegg/Resch/S Rz 2). § 1210. Wenn ein Mitglied die wesentlichen Bedingungen des Vertrages nicht erfüllt; wenn es in Konkurs verfällt; wenn es durch eine oder mehrere gerichtlich strafbare Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, das Vertrauen verliert; so kann es vor Verlauf der Zeit von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. [idF BGBl 1983/136] Riedler
1371
Erwerbsgesellschaft
§ 1210
Lit: F. Bydlinski, Der Ausschluß aus einer zweipersonalen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, GedS Schönherr (1986) 155; König, Das „Gesellschaftsvermögen“ im Konkurs der GesbR, ZIK 1996, 73; Krejci, Zum Ausschluß eines im Ausgleich befindlichen Mitgliedes einer Bau-Arbeitsgemeinschaft, wbl 1996, 217; Kurschel/Thiery, Rechtsgestaltungs- und Feststellungsklage bei Auflösung und Ausschluß aus der OHG, KG, EEG und GesbR, GesRZ 1990, 141; Wünsch, Zur Ausschließungsklage bei Personengesellschaften, JBl 1965, 447.
1 § 1210 enthält eine demonstrative (SZ 61/281, Krejci, GesR I 262; aA
RZ 1973, 34) Aufzählung wichtiger Gründe, die einen Ausschluss eines Gesellschafters aus einer (befristeten oder unbefristeten) GesBR rechtfertigen. Der Ausschluss muss rechtzeitig geltend gemacht werden, je mehr Zeit verstreicht, desto weniger kann Unzumutbarkeit der Fortführung der GesBR mit dem Gesellschafter angenommen werden. Die Gründe können auch erst im allenfalls nachfolgenden Prozess nachgeschoben werden. 2 Ausschlussgrund ist die Nichterfüllung wesentlicher Vertragsbe-
dingungen (§ 1210 S 1 HS 1). Entscheidend ist, ob eine Fortsetzung der GesBR mit diesem Mitglied den übrigen Gesellschaftern nicht mehr zumutbar erscheint, etwa weil sie diesen zum Nachteil gereichen würde oder gar einen Verzicht auf die Erreichung des Gesellschaftszwecks und die Gefahr vorzeitiger Auflösung der Gesellschaft gegen den Willen der Mitglieder bedeuten könnte (Rsp 1934/384), zB Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht, selbst wenn kein Schaden und keine vorherige Abmahnung erfolgt ist (Rsp 1934/384); Unfähigkeit zur Herstellung von Produkten, zu deren Erzeugung das Mitglied verpflichtet ist (GlUNF 593); Verletzung der von einem Gesellschafter übernommenen wesentlichen Verpflichtung, dem anderen das Hauptmietrecht an den Räumlichkeiten einer Anwaltskanzlei zu übertragen (SZ 26/124); unwaidmännische Ausübung des den Gegenstand der GesBR bildenden Jagdrechts (GlUNF 4137; SZ 9/107); Verletzung eines Konkurrenzverbotes (§ 1186); ungerechtfertigte Weigerung des Skilehrers, der Erteilung einer Lehrbewilligung an seinen Mitgesellschafter zuzustimmen (SZ 48/53). Bloße Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaftern rechtfertigen für sich alleine nicht den Ausschluss aus wichtigem Grund (8 Ob 647/91 ecolex 1992, 565). Schuldhaftes Verhalten des Gesellschafters ist nicht erforderlich (SZ 26/124). 3 Ausschlussgrund ist Konkurseröffnung über einen Gesellschafter
(§ 1210 S 1 HS 2; 3 Ob 348/97s JBl 2000, 238 Jabornegg). Dies gilt auch für bloße Arbeitsgesellschafter (Grillberger/R Rz 8). Bloßer Ge1372
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1210
sellschafterkonkurs führt also nicht zur Auflösung der Gesellschaft (JBl 2000, 238 Jabornegg). Ausgleichseröffnung über das Vermögen eines Gesellschafters bildet zwar keinen Ausschlussgrund, kann aber die Nichterfüllung wesentlicher Vertragsbedingungen bewirken. Ausschlussgrund ist der Vertrauensverlust durch Vornahme einer 4 gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 1210 S 1 HS 3). Tatsächliche strafrechtliche Verurteilung ist nicht erforderlich (RZ 1973, 34). § 1210 S 1 HS 3 ist nicht auf bestimmte Straftatbestände eingeschränkt. Gesetzlicher Ausschlussgrund ist auch die Verweigerung des Nach- 5 schusses auf den Hauptstamm nach § 1189 (näher § 1189 Rz 3). Das Ausschlussrecht ist ein Gestaltungsrecht, dessen Ausübung – 6 mangels abweichender Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag – der Zustimmung aller (verbleibenden) Gesellschafter bedarf (5 Ob 560/90 SZ 63/44 = ecolex 1990, 482 Reich-Rohrwig); diese müssen nicht die Mehrheit haben (SZ 31/121). Verweigert ein verbleibender Gesellschafter seine Zustimmung, so kann er damit einen wichtigen Grund für seinen eigenen Ausschluss setzen, sofern er damit wichtige Gesellschaftsinteressen verletzt ( Jabornegg/Resch/S Rz 10). Der Ausschluss wird mit dem Zugang der (außergerichtlichen) Ausschlusserklärung beim Auszuschließenden wirksam (8 Ob 630/91 JBl 1993, 108). Klage ist zwar nicht erforderlich, doch kann auch in einer Feststellungsklage die Ausschlusserklärung liegen (SZ 61/281), in welchem Fall der Ausschluss mit Klagszustellung wirksam wird (GesRZ 1989, 152 Thiery). Die GesBR wird unter den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt (SZ 50/151); eine Zweimann-GesBR wird jedoch aufgelöst (§ 1207 Rz 1), wobei das Vermögen ohne besondere Übertragungsakte qua Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter übergeht (4 Ob 1607/94 HS 25.604). Der ausgeschlossene Gesellschafter ist vermögensrechtlich abzuschichten, dh der Wert seiner Beteiligung, der mangels abweichender Vereinbarungen am wahren Wert der fortgesetzten GesBR zu bemessen ist, ist in Geld auszuzahlen (SZ 63/44). Die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung. § 1210 ist dispositiv, so dass die gesetzlichen Ausschlussgründe ver- 7 traglich erweitert (SZ 49/137: Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens über die Gesellschafter) oder auch eingeschränkt werden können (EvBl 1982/187). Auch automatisches Ausscheiden eines Gesellschafters kann vereinbart sein (2 Ob 27/00k RdW 2000, 413: Konkurseröffnung). Die Sittenwidrigkeitsgrenze ist ebenso zu beachten (vgl Riedler
1373
Erwerbsgesellschaft
§ 1211
SZ 32/49: Verein) wie der Umstand, dass das Auflösungsrecht aus wichtigem Grund im Kern zwingendes Recht ist (zust Hämmerle/ Wünsch, HR II4 96). § 1211. Man kann den Gesellschaftsvertrag vor Verlauf der Zeit aufkündigen, wenn dasjenige Mitglied, von welchem der Betrieb des Geschäftes vorzüglich abhing, gestorben oder ausgetreten ist. 1 § 1211 nennt als außerordentlichen Kündigungsgrund für eine be-
fristete GesBR nur den Fall, dass jener Gesellschafter, von dem der Betrieb des Geschäftes vorzüglich abhängt, gestorben oder ausgetreten ist (SZ 9/107). Nach hA kommt ein außerordentliches fristloses Kündigungsrecht darüber hinaus sowohl bei befristeten als auch unbefristeten ( Jabornegg/Resch/S Rz 4) GesBR aber auch bei sonstigen in ihrem Gewicht vergleichbaren wichtigen Gründen (zB den Ausschlussgründen des § 1210) in Betracht, wenn dem Kündigenden eine Fortsetzung der Gesellschaft nicht mehr zumutbar ist (Miet 29.197). Die Kündigungsgründe können im Falle einer Bestreitung auch erst im Prozess nachgeschoben werden (EvBl 1955/272). Unbegründete Kündigungen sind unwirksam, können aber bei unbefristeten GesBR in ordentliche Kündigungen nach § 1212 umgedeutet werden. 2 Die Kündigungserklärung ist formfrei und wird mit Zugang an alle
Gesellschafter wirksam; Zugang beim Geschäftsführer reicht nur bei Empfangsvollmacht aus. 3 Nach der Rspr (GesRZ 1986, 30; ebenso Kastner/Doralt/Nowotny,
GesR 72 f) löst die Kündigung nach § 1211 die GesBR auf (sog Auflösungskündigung). Aufgrund einer historischen, teleologischen und systematischen Interpretation sollte aber der Ansicht der Vorzug gegeben werden, dass die Kündigung nur die Mitgliedschaft des Gesellschafters beendet (sog Austrittskündigung; Zeiller III 573; Jabornegg/Resch/S Rz 5), so dass die GesBR zwischen den übrigen Gesellschaftern weiter besteht. Lediglich die Zweimann-GesBR wird aufgelöst (SZ 54/84). Zum Auseinandersetzungsanspruch vgl § 1213 Rz 1. § 1212. Wenn die Zeit zur Dauer der Gesellschaft weder ausdrücklich bestimmt worden ist, noch aus der Natur des Geschäftes bestimmt werden kann; so mag jedes Mitglied den Vertrag nach Willkür aufkündigen; nur darf es nicht mit Arglist oder zur Unzeit geschehen (§ 830). Lit: Elsner, Kündigungsmöglichkeiten im Gesellschaftsrecht, ecolex 1995, 175; Strasser, Die Kündigung zur Unzeit, GedS Gschnitzer (1969) 415; Wallisch,
1374
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1212
Implizite Befristung und Durchsetzung von Syndikatsverträgen, ÖZW 2004, 55. S auch bei §§ 1205, 1210.
§ 1212 normiert ein ordentliches Kündigungsrecht bei unbefris- 1 teten Gesellschaften. Das Kündigungsrecht ist unabhängig vom Vorliegen besonderer Gründe (GesRZ 1986, 30). Ein unbefristetes Gesellschaftsverhältnis liegt vor, „wenn die Zeit zur Dauer der Gesellschaft weder ausdrücklich bestimmt worden ist, noch aus der Natur des Geschäftes bestimmt werden kann“ (Miet 36.049). Befristet sind daher etwa Gesellschaften auf Lebzeiten der Gesellschafter (EvBl 1955/272) oder auf die Dauer der Ehe (JBl 1961, 634). Die Kündigung nach § 1212 löst entgegen der Rspr (GesRZ 1986, 30; 2 ebenso Kastner/Doralt/Nowotny, GesR 72 f) nicht die gesamte GesBR auf (sog Auflösungskündigung), sondern führt nur zur Beendigung der Mitgliedschaft des Gesellschafters (sog Austrittskündigung; ausf Jabornegg/Resch/S Rz 3; Krejci, GesR I 260). Die GesBR besteht zwischen den übrigen Gesellschaftern weiter (zur Auflösung der Zweimann-GesBR SZ 54/84). Die Kündigung darf nicht mit Arglist oder zur Unzeit erfolgen (7 Ob 3 59/03g JBl 2003, 869). Arglistige Aufkündigung ist ebenso unwirksam wie die Kündigung zur Unzeit (JBl 1955, 172). Unzeit ist gegeben, wenn objektive vorübergehende Umstände vorliegen, aufgrund derer die Kündigung im jetzigen Zeitpunkt wesentliche Nachteile für die übrigen Gesellschafter mit sich bringen würde, die sich bei einem Aufschub für eine schon absehbare Zeit vermeiden lassen (Miet 34.071; vgl § 830). § 1212 sieht keine Kündigungsfrist vor, dennoch ist im Einklang mit 4 den sonstigen Regeln über die ordentliche Kündigung von Dauerschuldverhältnissen die Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist nötig ( Jabornegg/Resch/S Rz 7; Krejci, GesR I 261; aA Kastner/ Doralt/Nowotny, GesR 73; GesRZ 1986, 30). Strittig ist, ob fristwidrige Kündigungen mit Ablauf der angemes- 5 senen Frist (Grillberger/R §§ 1211, 1212 Rz 11) oder zum nächstmöglichen Termin ( Jabornegg/Resch/S Rz 8) wirken. § 1212 ist dispositiv, so dass die ordentliche Kündigung eines Gesell- 6 schafters (auch befristet schlüssig) ausgeschlossen (JBl 2003, 869: Syndikatsvertrag), an bestimmte Fristen oder die Einhaltung bestimmter Formvorschriften gebunden werden kann. Auch Austrittswirkung oder Auflösungswirkung sowie die Rechtsfolgen des Ausscheidens können näher vereinbart werden. Der Ausschluss der Kündigung aus wichtigem Grund wäre jedoch unwirksam (vgl § 879 Rz 7). Riedler
1375
Erwerbsgesellschaft
§ 1213
§ 1213. Die Wirkungen einer zwar bestrittenen, aber in der Folge für rechtmäßig erklärten Ausschließung oder Aufkündung werden auf den Tag, wo sie geschehen sind, zurückgezogen. 1 Der rechtmäßig erklärte Ausschluss eines Gesellschafters sowie Aus-
tritts- oder Auflösungskündigung werden bereits mit Zugang der Erklärung wirksam (SZ 40/170). Gerichtliche oder außergerichtliche Bestreitung der Rechtmäßigkeit hat somit auf den Zeitpunkt der Ausschließung/Auflösung/des Austritts keine Wirkung; gewinnt etwa der Kündigende den von den Partnern angestrengten Feststellungsprozess, so wirkt das Urteil auf den Zeitpunkt des Erklärungszuganges zurück (Hämmerle/Wünsch, HR II4 103). Sinngemäße Anwendung kommt bei Bestreiten der Existenz einer einvernehmlichen Auflösungsvereinbarung in Betracht (Grillberger/R Rz 2a). Der Auseinandersetzungsanspruch des abzuschichtenden Gesellschafters entsteht – mangels anderer Vereinbarung – mit dessen Ausscheiden (2 Ob 27/00k RdW 2000, 413) und bemisst sich im Zweifel am wahren wirtschaftlichen Wert der fortgesetzten GesBR. § 1214. [aufgehoben, RGBl 1863/1] Teilung des gesellschaftlichen Vermögens § 1215. Bei der nach Auflösung einer Gesellschaft vorzunehmenden Teilung des gesellschaftlichen Vermögens sind nebst den obigen Bestimmungen die nämlichen Vorschriften zu beobachten, welche in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes über die Teilung einer gemeinschaftlichen Sache überhaupt aufgestellt worden sind. Lit: S bei §§ 1175, 1205, 1210.
1 Ein gesetzlich geregeltes Liquidationsstadium fehlt bei der GesBR, so
dass keine Liquidationsgesellschaft entsteht (5 Ob 560/90 SZ 63/44 = ecolex 1990, 482 Reich-Rohrwig). Mangels (zulässiger) vertraglicher Regelung (3 Ob 146/02w JBl 2003, 448) wandelt sich die GesBR daher mit der Auflösung automatisch (6 Ob 262/03b JBl 2004, 712: konkludente Auflösung einer Ehegatten-GesBR) in eine schlichte Rechtsgemeinschaft iSd §§ 825 ff (3 Ob 247/00w GesRZ 2001, 190), die ihrerseits wieder durch Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens beendet wird. Vertragliche Geschäftsführungs-, Vertretungs- und Verwaltungsrechte der Gesellschafter oder Dritter entfallen, auch die gesellschaftsvertraglichen Beitrags- und Mitwirkungspflichten enden. Für die Teilung des gesamten Gesellschaftsvermögens verweist 1376
Riedler
Erwerbsgesellschaft
§ 1216
§ 1215 insb auf die §§ 1175 ff und 841 ff. Zu beachten ist, dass die Auflösung des Gesellschaftsvertrages per se keine sachenrechtlichen Änderungen zeitigt, vielmehr entfallen nur die schuldrechtlichen Bindungen ( Jabornegg/Resch/S Rz 4; SZ 36/100; ebenso wohl JBl 1988, 516 Kerschner; zur Haftung und Forderungsberechtigung der Gesellschafter für vor Auflösung entstandene Gesellschaftsforderungen 3 Ob 29/04t RdW 2004, 733 und § 1203 Rz 7; zur Gesamtrechtsnachfolge bei Auflösung einer Zweimann-GesBR § 1210 Rz 6). Die quoad dominium eingebrachten Sachen müssen an die jeweiligen Gesellschafter rückübereignet werden. Das Gesellschaftsvermögen (zur Ermittlung des Werts des Auseinandersetzungsguthabens 1 Ob 298/01g) wird verteilt. Vorweg müssen die quoad usum eingebrachten Sachen (SZ 59/161), die nicht der Aufteilung unterliegen, dem betreffenden Gesellschafter wegen Wegfalls des Benützungstitels zurückgestellt werden (5 Ob 297/05w wbl 2006, 533). Die Beendigung der Geschäfte und die Verteilung des nach Berichtigung der Schulden (8 Ob 54/99w RdW 2000, 25) verbleibenden Liquidationsvermögens, zu dem auch die quoad dominium und die quoad sortem eingebrachten Sachen gehören (wbl 2006, 533), erfolgt primär durch alle Gesellschafter gemeinsam (§ 841). Mangels Einigung über die Verteilung des verbleibenden Vermögens entscheiden Los oder Schiedsmann. Können sie sich auch darüber nicht einigen, so kann jeder Gesellschafter Teilungsklage iSd § 843 erheben (1 Ob 527/93 HS 24.634), gegen die sich die Beklagten nur mit den nach § 830 bei schlichter Miteigentumsgemeinschaft zur Verfügung stehenden Einwänden zur Wehr setzen können (JBl 2004, 712). Das Vermögen wird dann nach dem Verhältnis der Gesellschafteranteile primär in natura verteilt (Naturalteilung; SZ 23/48); ist dies unmöglich oder untunlich, so werden die Vermögensgegenstände veräußert und der Gelderlös wird verteilt (Zivilteilung: wbl 1987, 245). Der Gesellschaftsvertrag kann (abweichende) Vereinbarungen über die Teilung vorsehen (JBl 2004, 712), etwa die Übernahme eines Unternehmens durch einen Gesellschafter oder einen Dritten mit entsprechender Abfindung der ausscheidenden Gesellschafter (GesRZ 2001, 190). Erst mit der endgültigen Auseinandersetzung wird auch die Rechtsgemeinschaft beendet (JBl 1988, 516 Kerschner). § 1216. Die in diesem Hauptstück enthaltenen Anordnungen sind auch auf die Handlungsgesellschaften anzuwenden; insofern hierüber nicht besondere Vorschriften bestehen. S § 1175 Rz 5 und § 1179 Rz 1.
1
Riedler
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Ehepakte
§ 1217
Achtundzwanzigstes Hauptstück Von den Ehepakten Ehepakte § 1217. Ehepakte heißen diejenigen Verträge, welche in Absicht auf die eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen werden, und haben vorzüglich das Heiratsgut; die Widerlage; Morgengabe; die Gütergemeinschaft; Verwaltung und Fruchtnießung des eigenen Vermögens; die Erbfolge, oder die auf den Todesfall bestimmte lebenslange Fruchtnießung des Vermögens, und den Witwengehalt zum Gegenstande. Lit: Bittner, Verträge im Ehegüterrecht 2 (1995); Fenyves, Ehegüterrechtliche Vereinbarungen aus zivilrechtlicher Sicht, in Ruppe, Familienverträge 749; Welser, Ehepakt, Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts und Formzwang, GesRZ 1976, 34.
1 Das 28. Hauptstück regelt die vermögensrechtlichen Wirkungen
einer Ehe (zur Eheschließung § 44 ABGB und §§ 1 ff EheG; zu den persönlichen Rechtswirkungen §§ 89 ff ABGB). Weitere für das Ehegüterrecht relevante Vorschriften sind etwa §§ 94 ff (Unterhalt, Schlüsselgewalt, Abgeltungsansprüche), §§ 669 ff (Heiratsgutvermächtnisse), §§ 757 ff (Ehegattenerbrecht) sowie hinsichtlich der Scheidungsfolgen §§ 66 ff EheG. Daneben finden sich im 28. Hauptstück noch Regelungen des Kindschaftsrechts (Ausstattung der Kinder: §§ 1220–1223, 1231) sowie erbrechtliche Bestimmungen (§§ 1248 ff). 2 Ehepakte sind Vereinbarungen zwischen künftigen oder gegenwär-
tigen Ehegatten, mit denen ihre vermögensrechtlichen Beziehungen während aufrechter oder nach beendeter Ehe in Abweichung vom gesetzlichen Güterstand oder zu seiner Ergänzung (§§ 1233 ff) geregelt werden sollen (7 Ob 561/95 SZ 68/198; zur Abgrenzung von Rechtsgeschäften mit beschränktem wirtschaftlichen Zweck Rz 5). Soweit es um Heiratsgut ieS (§ 1218 Rz 1) oder Widerlage (§§ 1230 f) geht, kann bei entsprechender Widmungsabsicht auch ein dies bestellender Dritter mit nur einem Ehegatten kontrahieren; der andere muss aber daraus zumindest berechtigt werden, davon Kenntnis haben und dem zustimmen (RZ 1981, 202; SZ 55/45). 3 Ehepakte können auch nur Teile des Vermögens oder sogar nur
einzelne Sachen daraus (insb Liegenschaften) betreffen, solange dies dem grundlegenden Regelungszweck (Rz 2) dient (RZ 1965, 83; SZ 49/160). 1378
Koch
Ehepakte
§ 1218
Die Aufzählung der verschiedenen Typen von Ehepakten in § 1217 ist 4 nur demonstrativ; sie können auch modifiziert oder durch neue ersetzt werden (SZ 49/160; SZ 68/198). Keine Ehepakte sind hingegen bloße Vermögensverschiebungen zwi- 5 schen den Ehegatten wie Kauf-, Tausch-, Schenkungs- oder Darlehensverträge (RZ 1981, 202; SZ 68/198) sowie andere Vereinbarungen mit lediglich begrenztem wirtschaftlichen Zweck, insb solche, die nicht das eheliche Zusammenleben betreffen (zB die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens; K/W I 479), wobei die Abgrenzung aber schwierig ist (vgl Rz 3 zu Ehepakten über bloße Vermögensteile). Ehepakte müssen in Form eines Notariatsaktes abgeschlossen werden 6 (§ 1 Abs 1 lit a NotAktsG; zu Änderungen oder Aufhebung SZ 5/302; RZ 1965, 46; s aber auch § 1 Abs 1 lit b NotAktsG zu sonstigen Verträgen zwischen Ehegatten; dagegen de lege ferenda Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 41). Gegen Unternehmensgläubiger wirken sie nur bei Eintragung im Firmenbuch (§ 36 UGB). Notariatsaktspflichtige Verträge gelten aber nach der Rspr als geheilt, wenn sie „tatsächlich in Vollzug gesetzt“ worden sind, Heiratsgut also etwa übergeben wurde (SZ 10/125; aM Kerschner, FamR Rz 2/91; s auch § 1432 Rz 2). Im Übrigen ist aber auch auf Ehepakte allgemeines Vertragsrecht anwendbar, soweit die §§ 1217 ff keine besonderen Regelungen enthalten (zur Möglichkeit von – ebenso notariatsaktspflichtigen – Vorverträgen etwa SZ 49/160). 1. Heiratsgut § 1218. Unter Heiratsgut versteht man dasjenige Vermögen, welches von der Ehegattin, oder für sie von einem Dritten dem Manne zur Erleichterung des mit der ehelichen Gesellschaft verbundenen Aufwandes übergeben oder zugesichert wird. Das ABGB verwendet den Begriff des Heiratsgutes in einem doppel- 1 ten Sinne: Zum einen ist damit das Heiratsgut ieS gemeint (dos, Mitgift; §§ 1218 f, 1224 ff), also jenes Vermögen, das ein Ehepartner vom anderen oder für letzteren von einem Dritten zur Erleichterung des Eheaufwandes versprochen erhält, ohne dass es sich dabei um eine Schenkung handelte (s F. Bydlinski, JBl 1973, 35: entgeltfremdes Geschäft; dazu auch Gschnitzer/K IV/1, 435 f). In Analogie zum historischen Wortlaut kann mE auch die Frau Begünstigte eines Heiratsgutes sein (aM Brauneder/S Rz 5). Nicht alles in die Ehe Eingebrachte oder von Dritten anlässlich der Eheschließung Versprochene oder Geleistete ist Heiratsgut; dies hängt von der entsprechenden versorKoch
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Ehepakte
§ 1219
gungsähnlichen Widmung ab (JBl 1953, 461). Zum Heiratsgut ieS im Übrigen §§ 1224 ff. 2 „Heiratsgut“ ist nach der Diktion des Gesetzes (dazu Ostheim, ÖJZ
1978, 505 f) zum anderen aber auch die Ausstattung (§§ 1220–1223, 1231), auf die im Gegensatz zum Heiratsgut ieS (Rz 1) ein Rechtsanspruch besteht, der nicht von einem Ehepakt abhängt (M. Bydlinski/R Rz 1). Die Ausstattungspflicht kann freilich durch Leistung eines Heiratsgutes ieS erfüllt werden (§§ 1220–1221 Rz 1). Dessen Bestellung § 1219. Wenn die Braut eigenes Vermögen besitzt, und volljährig ist; so hängt es von ihr und dem Bräutigame ab, wie sie sich wegen des Heiratsgutes, und wegen anderer wechselseitigen Gaben miteinander verstehen wollen. Ist aber die Braut noch minderjährig, so muß der Vertrag von ihrem gesetzlichen Vertreter geschlossen werden. [idF BGBl 1977/403]
1 Auf Bestellung eines Heiratsgutes ieS (§ 1218 Rz 1) besteht kein
Rechtsanspruch (S 1; s auch § 1225 S 1), weder gegenüber dem (künftigen) Ehegatten (S 1) noch gegenüber Dritten. 2 Ein beschränkt geschäftsfähiger Ehepartner (S 2: „minderjährig“)
kann nur mit Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter und des Gerichtes (§ 154 Abs 3) aus eigenem Vermögen ein Heiratsgut ieS bestellen. Diese Genehmigungspflicht mangels voller Geschäftsfähigkeit gilt arg § 865 S 2 auch für den empfangenden Ehegatten (Hopf/ Kathrein, EheR Anm 3). § 1220. Besitzt die Braut kein eigenes, zu einem angemessenen Heiratsgut hinlängliches Vermögen, so sind Eltern oder Großeltern nach der Reihenfolge und nach den Grundsätzen, nach denen sie für den Unterhalt der Kinder zu sorgen haben, verpflichtet, den Töchtern oder Enkelinnen bei ihrer Verehelichung ein Heiratsgut zu geben oder dazu verhältnismäßig beizutragen. [idF BGBl 1977/403]
§ 1221. Berufen sich Eltern oder Großeltern auf ihr Unvermögen zur Bestellung eines anständigen Heiratsgutes; so soll auf Ansuchen der Brautpersonen das Gericht die Umstände, jedoch ohne strenge Erforschung des Vermögensstandes, untersuchen, und hiernach ein angemessenes Heiratsgut bestimmen, oder die Eltern und Großeltern davon freisprechen. 1380
Koch
Ehepakte
§§ 1220–1221
Lit: F. Bydlinski, Vorzeitige Gewährung von Heiratsgut oder Ausstattung und Tod des Dotierungspflichtigen, JBl 1985, 79; B. Jud, Ausgewählte Fragen zu Heiratsgut und Ausstattung (§§ 1220, 1231 ABGB), NZ 1999, 37; Ostheim, Familienrechtsreform und Ausstattungsanspruch, ÖJZ 1978, 505; Schauer, Heiratsgut herabgesetzt? RdW 1987, 282; Wanke, Ausstattungsanspruch bei hinlänglichem Vermögen des Ausstattungsberechtigten, JBl 1988, 691; ders, Nachträgliche Leistung einer Heiratsausstattung, ÖJZ 1991, 113.
Beide Eltern müssen kraft Gesetzes nach ihren Kräften anteilig (nicht 1 solidarisch: SZ 53/110; vgl § 140 Abs 1) einer Tochter Heiratsausstattung (Dotierung) geben, die, zumeist als Abschluss der Unterhaltspflichten (6 Ob 180/01s JBl 2002, 176), jedenfalls in dessen Fortwirkung, eine Starthilfe für die Gründung von Hausstand und Familie sein soll (1 Ob 61/03g EvBl 2003/150; B. Jud, NZ 1999, 38 f; zur korrespondierenden Pflicht gegenüber Söhnen § 1231 Rz 1; de lege ferenda gegen die Anknüpfung an die Eheschließung zutr Hopf/Kathrein, EheR § 1220 Anm 1). Entsprechend den hier anwendbaren Grundsätzen des Unterhaltsrechtes (EvBl 2003/150) sind subsidiär die Großeltern leistungspflichtig (§§ 140 f). Die Ausstattungspflicht kann auch durch Leistung eines Heiratsgutes ieS (§ 1219 Rz 1) erfüllt werden (M. Bydlinski/R § 1220 Rz 1). Der Ausstattungsanspruch setzt voraus, dass die Braut selbst kein 2 ausreichend hohes eigenes Einkommen oder entsprechendes Vermögen hat, um sich den Start in den eigenen Haushalt selbst finanzieren zu können. Einkommen oder Vermögen des Bräutigams haben jedoch keinen Einfluss auf den Anspruch der Braut (SZ 53/110). Die Höhe der Ausstattung hängt von der Leistungsfähigkeit der Ver- 3 pflichteten ab und damit von ihrem jeweiligen Einkommen und Vermögen, soweit es verwertbar ist. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles (10 Ob 92/04h SZ 2005/86). Ein Betrag in der Höhe von ca 25–30% des Jahresnettoeinkommens (1 Ob 600/91 RZ 1993, 76) sollte jedenfalls die Obergrenze bilden (zutr M. Bydlinski/R § 1221 Rz 1 S 85; s auch B. Jud, NZ 1999, 44 ff: analoge Anwendung der unterhaltsrechtlichen „Luxusgrenze“; zu dieser § 140 Rz 17). In die Berechnung mit einzubeziehen ist der eigene Bedarf entsprechend den Lebensverhältnissen der Verpflichteten, wobei eine vorübergehende Einschränkung sehr wohl für zumutbar erachtet wird (SZ 47/82; 1 Ob 4/03z EF 104.692). Ebenso sind gesetzliche (nicht aber freiwillige) Unterhaltspflichten pflichtmindernd zu berücksichtigen, weitere Dotationspflichten nur, soweit diese schon konkret absehbar sind (zB EF 56.944; zweifelnd M. Bydlinski/R § 1221 Rz 1 S 87; grundsätzlich besteht keine Gleichbehandlungspflicht: SZ 37/58). Koch
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Ehepakte
§ 1222
4 Bei der Bewertung sowohl der Selbsterhaltungsfähigkeit der Braut
(Rz 2; SZ 53/87) als auch der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten (Rz 3) sind die Umstände zum Zeitpunkt der Eheschließung maßgeblich, es sei denn, der Anspruch wird erst später geltend gemacht (so zutr B. Jud, NZ 1999, 39 ff; 6 Ob 271/02z EF 104.689; zur Geltung der Umstandsklausel 5 Ob 289/01p EF 96.979; s auch § 1223 Rz 1). Eine gezielte Vermögensbeeinflussung zulasten der jeweils anderen Seite wird allerdings nicht berücksichtigt (1 Ob 215/99w EvBl 2000/1: Verzögerung der Vermögensvermehrung durch Braut; JBl 2002, 176: Einbringung von Elternvermögen in Stiftung, dort aber ohne Umgehungsabsicht). 5 Der Dotierungsberechtigte hat ein Gestaltungsrecht, das jedenfalls
ab Verlobung ausgeübt werden kann. Mit Geltendmachung wird der Anspruch übertragbar und pfändbar (8 Ob 17/91 SZ 64/120). Fällig wird die Ausstattungsleistung aber frühestens mit Heirat (SZ 45/78). 6 Durchzusetzen ist der Anspruch im Außerstreitverfahren; antrags-
berechtigt sind beide Ehegatten sowohl einzeln als auch gemeinsam, und zwar sowohl vor als auch nach Eheschließung (2 Ob 539/92 SZ 65/81 mwN). Der Gatte der Anspruchsberechtigten kann die Ausstattung aber nicht gegen deren Willen begehren; auch kann er nicht wirksam darauf verzichten. 7 Der Anspruch erlischt mit Scheidung oder anderer Auflösung der
Ehe, kann aber auch erst bei Eingehung einer weiteren Ehe geltend gemacht werden (§ 1223 Rz 1). Auf die Ausstattung kann verzichtet werden (EF 46.049; zur Verwirkung § 1223). Da der Anspruch höchstpersönlich ist, erlischt er weiters durch Tod des Berechtigten. Stirbt ein Verpflichteter vor Geltendmachung (zum Tod danach SZ 27/247), wird der Anspruch durch erbrechtliche ersetzt (§§ 729, 732–734, 762 und 795: SZ 25/106). Gemäß § 1481 kann das Dotierungsrecht als solches nicht verjähren; sehr wohl aber nach Geltendmachung eine daraus entspringenden fälligen Zahlungspflicht (zutr B. Jud, NZ 1999, 43: dreijährige Frist; abw M. Bydlinski/R Rz 3; Schauer, RdW 1987, 282: 30 Jahre). § 1222. Wenn eine Tochter ohne Wissen, oder gegen den Willen ihrer Eltern sich verehelicht hat, und das Gericht die Ursache der Mißbilligung gegründet findet; so sind die Eltern selbst in dem Falle, daß sie in der Folge die Ehe genehmigen, nicht schuldig, ihr ein Heiratsgut zu geben. 1382
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Ehepakte
§ 1224
Wer gegen den Willen seiner Eltern heiratet, verwirkt dadurch sei- 1 nen Anspruch auf Ausstattung (§ 1220), sofern die Missbilligung der Ehe auf objektiv zu rechtfertigende Gründe gestützt wird, aufgrund derer im Interesse des Kindes dessen leichtfertige Eheschließung verhindert werden soll (SZ 37/142). Dazu zählen etwa bestimmte persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse seines Ehepartners (zB schwere Eheverfehlungen in dessen Vorehe; selbst verschuldete Mittellosigkeit) oder andere Umstände, welche die Reiflichkeit des Eheentschlusses in Frage stellen (3 Ob 508/92 SZ 65/119; 4 Ob 585/95 SZ 68/232; 6 Ob 271/02z EF 104.703). Die Missbilligungsgründe müssen zum Zeitpunkt der abgelehnten Eheschließung vorliegen (EvBl 1976/153; 2 Ob 576/93 EF 75.419), eine nachfolgende Genehmigung lässt den Ausstattungsanspruch nicht wieder aufleben (SZ 8/250). Um eine Eheschließung des Kindes überhaupt missbilligen zu kön- 2 nen, müssen die Eltern davon sowie von den für ihre Beurteilung (Rz 1) maßgeblichen Umständen wissen (SZ 65/119). War dies nicht der Fall, können sie eine Ausstattungsleistung ebenso verweigern, aber nur, wenn sie die Ehe in Kenntnis dieser Umstände gerechtfertigt missbilligt hätten (zB 7 Ob 576/95 EF 78.483). § 1223. Hat eine Tochter ihr Heiratsgut schon erhalten, und es, obschon ohne ihr Verschulden, verloren; so ist sie nicht mehr, selbst nicht in dem Falle einer zweiten Ehe, berechtigt, ein neues zu fordern. Anspruch auf Ausstattung besteht nur für eine Ehe, dies muss aber 1 nicht unbedingt die erste sein. Solange ihn die Berechtigte noch nicht für eine frühere Ehe geltend gemacht oder auf ihn verzichtet hat (SZ 56/169; Verwirkung des Anspruchs gemäß § 1222 bei erster Ehe unschädlich: Brauneder/S Rz 2), kann er auch bei einer neuerlichen Heirat ausgeübt werden; maßgeblicher Bewertungszeitpunkt (§§ 1220–1221 Rz 4) ist dann jener der neuen Eheschließung (2 Ob 214/04s NZ 2006, 180). Sofern allerdings bereits einmal Ausstattung im geschuldeten Umfang 2 geleistet wurde, kann später keine Erhöhung oder Abänderung mehr verlangt werden (M. Bydlinski/R Rz 1). § 1224. Im Zweifel, ob das Heiratsgut von dem Vermögen der Eltern oder der Braut ausgesetzt worden sei, wird das letztere angenommen. Haben aber Eltern das Heiratsgut ihrer minderjähKoch
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Ehepakte
§ 1225
rigen Tochter ohne [ober]vormundschaftliche Genehmigung bereits ausgezahlt; so wird vermutet, daß es die Eltern aus eigenem Vermögen getan haben. 1 Um insb die spätere erbrechtliche Anrechnung zu erleichtern (§§ 788,
790), stellt § 1224 Vermutungen auf, aus wessen Vermögen ein Heiratsgut ieS (§ 1218 Rz 1) stammt: Im Zweifel wurde es aus dem Vermögen der Braut versprochen (S 1). Sofern es allerdings bereits ohne notwendige pflegschaftsgerichtliche Genehmigung (§ 154 Abs 3) tatsächlich geleistet wurde, somit solange die Tochter noch minderjährig war, wird das Gegenteil vermutet (s auch § 1219 S 2 zur Vertretung des beschränkt geschäftsfähigen Kindes durch die Eltern beim Versprechen eines Heiratsgutes). Übergabe, § 1225. Hat sich der Ehemann vor geschlossener Ehe kein Heiratsgut bedungen; so ist er auch keines zu fordern berechtigt. Die Übergabe des bedungenen Heiratsgutes kann, wenn keine andere Zeit festgesetzt worden ist, gleich nach geschlossener Ehe begehrt werden. 1 S 1 wiederholt, dass auf Bestellung von Heiratsgut ieS (§ 1218 Rz 1)
kein Rechtsanspruch besteht (s bereits § 1219 Rz 1). 2 Wurde es hingegen bereits vor der Eheschließung (was nicht notwen-
dig ist: M. Bydlinski/R Rz 1) versprochen, so wird es erst mit dieser fällig, sofern kein anderer Termin vereinbart wurde. und Beweis derselben § 1226. Wenn über das Vermögen des Ehemannes ein Konkurs verhängt wird; so macht seine vor Ausbruch des Konkurses geschehene schriftliche oder mündliche Bestätigung, daß er das Heiratsgut empfangen habe, gegen jedermann einen Beweis. Erfolgt aber die Bestätigung erst nach ausgebrochenem Konkurse; so hat sie gegen die Gläubiger keine Beweiseskraft. 1 Bei Insolvenz desjenigen, der ein Heiratsgut ieS (§ 1218 Rz 1) erhalten
hat, kann sich dessen Ehegatte darauf nur berufen (s § 1260), wenn diese Übergabe mittels Notariatsakts (§ 1 Abs 1 lit c NotAktsG; „schriftliche oder mündliche Bestätigung“ wie in S 1 genügt nicht) spätestens binnen zweier Jahre danach bestätigt wurde (§ 55 KO, § 25 AO). Berechtigte Kritik an § 1226 und § 1 Abs 1 lit c NotAktsG üben Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 41 f. 1384
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Ehepakte
§ 1229
Gegenstand des Heiratsgutes und Rechte des Ehemannes und der Ehefrau in Rücksicht desselben § 1227. Alles, was sich veräußern und nutzen läßt, ist zum Heiratsgute geeignet. Solange die eheliche Gesellschaft fortgesetzt wird, gehört die Fruchtnießung des Heiratsgutes, und dessen, was demselben zuwächst, dem Manne. Besteht das Heiratsgut in barem Gelde, in abgetretenen Schuldforderungen oder verbrauchbaren Sachen; so gebührt ihm das vollständige Eigentum. § 1228. Besteht das Heiratsgut in unbeweglichen Gütern, in Rechten oder Fahrnissen, welche mit Schonung der Substanz benutzt werden können; so wird die Ehegattin so lange als Eigentümerin und der Mann als Fruchtnießer desselben angesehen, bis bewiesen wird, daß der Ehemann das Heiratsgut für einen bestimmten Preis übernommen, und sich nur zur Zurückgabe dieses Geldbetrages verbunden hat. Gegenstand des Heiratsgutes ieS (§ 1218 Rz 1) sind alle verwertbaren 1 Sachen, die zu seinem Zweck, der Erleichterung des Eheaufwandes, genutzt werden können, somit nicht nur körperliche Sachen, sondern auch Rechte wie Fruchtgenuss oder Forderungen. Der Empfänger erwirbt am Heiratsgut mangels anderweitiger Ver- 2 einbarung grundsätzlich kein Eigentum, sondern lediglich Fruchtgenuss (§ 1228; zum nötigen Modus s § 481). Nur an verbrauchbaren Sachen (insb Geld) wird er im Zweifel bei Übergabe Eigentümer (S 2), an abgetretenen Forderungen Gläubiger, ohne darüber jedoch frei verfügen zu dürfen (zur Widmung von übergebenem Geld zur Anschaffung eines bestimmten Vermögensgegenstandes, der dann das eigentliche Heiratsgut bildet, SZ 55/45; Weiß/K V 762). Zu den Folgen einer Auflösung der Ehe s §§ 1229, 1265 f; zum Konkurs §§ 1260 f. § 1229. Nach dem Gesetze fällt das Heiratsgut nach dem Tode des Mannes seiner Ehegattin, und wenn sie vor ihm stirbt, ihren Erben heim. Soll sie oder ihre Erben davon ausgeschlossen sein; so muß dieses ausdrücklich bestimmt werden. Wer das Heiratsgut freiwillig bestellt, kann sich ausbedingen, daß es nach dem Tode des Mannes auf ihn zurückfalle. Mangels anderweitiger Vereinbarung (S 2 und 3) muss das Heiratsgut 1 nach dem Tod des Empfängers seinem Ehegatten übergeben werden, auch wenn dieser nicht Besteller war. Ein Fruchtgenussrecht erlischt mit dem Tod. Hatte der Verstorbene Eigentum am Heiratsgut erworKoch
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Ehepakte
§ 1230
ben (§§ 1227–1228 Rz 2), hat der überlebende Gatte Anspruch auf (Rück-)Übereignung (allenfalls Wertersatz). 2 Der Empfänger eines Heiratsgutes muss dieses den Erben seines vor-
verstorbenen Ehepartners herausgeben und allenfalls übereignen, soweit er nicht selbst erbt. Ein allfälliges Zurückbehaltungsrecht richtet sich nach der allgemeinen Regel des § 471 (M. Bydlinski/R Rz 2). 2. Widerlage § 1230. Was der Bräutigam oder ein Dritter der Braut zur Vermehrung des Heiratsgutes aussetzt, heißt Widerlage. Hiervon gebührt zwar der Ehegattin während der Ehe kein Genuß, allein wenn sie den Mann überlebt, gebührt ihr ohne besondere Übereinkunft auch das freie Eigentum, obgleich dem Manne auf den Fall seines Überlebens das Heiratsgut nicht verschrieben worden ist. 1 Die Widerlage wird von einem Dritten oder vom Empfänger eines
Heiratsgutes ieS (§ 1218 Rz 1) dessen Ehegatten im Gegenzug versprochen. Diesem entsteht dadurch mangels anderweitiger Vereinbarung zunächst lediglich ein Anwartschaftsrecht; Eigentum erst im Falle des Vortodes des Heiratsgutbestellers. Die Widerlage ist allerdings „weitgehend totes Recht“ (Brauneder/S Rz 1). § 1231. Weder der Bräutigam, noch seine Eltern sind verbunden, eine Widerlage zu bestimmen. Doch in eben der Art, in welcher die Eltern der Braut schuldig sind, ihr ein Heiratsgut auszusetzen, liegt auch den Eltern des Bräutigams ob, ihm eine ihrem Vermögen angemessene Ausstattung zu geben (§ 1220–1223). 1 Der angesichts der Bedeutungslosigkeit der Widerlage (s § 1230 Rz 1)
noch relevante S 2 dieser Bestimmung normiert eine Pflicht der Eltern zur Ausstattung eines Sohnes im Heiratsfalle. Der Anspruch des Sohnes ist deckungsgleich mit jenem der Tochter, wie er in den §§ 1220 ff geregelt ist (SZ 53/87; EF 60.035; Ostheim, ÖJZ 1978, 508 ff). 3. Morgengabe § 1232. Das Geschenk, welches der Mann seiner Gattin am ersten Morgen zu geben verspricht, heißt Morgengabe. Ist dieselbe versprochen worden, so wird im Zweifel vermutet, daß sie binnen den ersten drei Jahren der Ehe schon überreicht worden sei. 1 Die Morgengabe ist wie die Widerlage „totes Recht“ (Brauneder/S
Rz 1). 1386
Koch
Ehepakte
§ 1233 4. Gütergemeinschaft
§ 1233. Die eheliche Verbindung allein begründet noch keine Gemeinschaft der Güter zwischen den Eheleuten. Dazu wird ein besonderer Vertrag erfordert, dessen Umfang und rechtliche Form nach den §§ 1177 und 1178 des vorigen Hauptstückes beurteilt wird. Lit: Grillberger, Eheliche Gütergemeinschaft (1982); Migsch, Persönliche Rechtswirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979) 17; M. Mohr, Wirkungen und Gefahren der Gütergemeinschaft auf den Todesfall, NZ 1995, 7; Schramböck, Ausgewählte Rechtsprobleme der ehelichen Gütergemeinschaft, ÖJZ 1999, 443; Welser, Gütergemeinschaft auf den Todesfall und unentgeltliche Verfügung unter Lebenden, NZ 1997, 270; s auch bei § 1217.
Wie auch § 1237 stellt S 1 klar, dass der gesetzliche Güterstand jener 1 der Gütertrennung ist, bei der jeder Ehegatte Eigentümer des in die Ehe eingebrachten Vermögens bleibt, dieses um Erworbenes vermehren und darüber weiterhin alleine verfügen kann (zu den Grenzen Welser, NZ 1997, 270). Für bei Eheschließung bestehende oder danach begründete Schulden haftet mangels abweichender Vereinbarung nur er selbst, nicht auch sein Ehepartner (zB SZ 55/70; s aber § 96 zur Schlüsselgewalt; zur Vermögensaufteilung nach Eheauflösung §§ 81 ff EheG; zum Ehegattenerbrecht §§ 757 ff). Eine Abweichung davon kann zunächst punktuell mit Rechtsge- 2 schäften erzielt werden, die nur einen beschränkten wirtschaftlichen Zweck haben, etwa gemeinsamer Erwerb eines bestimmten Vermögensgegenstandes ins Miteigentum der Ehegatten (zum besonders geregelten Fall der Eigentümerpartnerschaft bei Wohnungseigentum §§ 13 ff WEG 2002), oder durch Betrieb eines gemeinsamen Unternehmens (s § 1217 Rz 5; zu Ehegattenkrediten § 25a KSchG; s auch § 98 EheG). Soweit hingegen tatsächlich vom gesetzlichen Güterstand der Güter- 3 trennung generell abgewichen werden soll, bedarf es eines notariatsaktspflichtigen Ehepaktes (§ 1217 Rz 2; ebenso zur Abänderung oder Aufhebung: zB 10 ObS 54/96 SZ 69/81). Die dadurch angestrebte Gütergemeinschaft kann nach Belieben der Ehegatten ausgestaltet werden. Während im Zweifel von einer Regelung nur auf den Todesfall auszugehen ist (§ 1234 S 1), kann auch eine sofortige Neuordnung unter Lebenden beabsichtigt sein (§ 1234 Rz 2 ff). Je nach Umfang unterscheidet man zwischen allgemeiner Güterge- 4 meinschaft, die das gesamte gegenwärtige und künftige Vermögen Koch
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Ehepakte
§ 1234
beider Ehegatten umfasst (allerdings auch unter möglichem Ausschluss von Eigenvermögen, s Rz 5), und beschränkter Gütergemeinschaft. Diese kann zum einen auf ausdrücklich bestimmte oder bestimmbare Vermögensteile quantitativ begrenzt sein (M. Bydlinski/R Rz 4; Weiß/K V 803 ff). Zum anderen kann auch der Erwerbszeitpunkt entsprechend §§ 1233, 1177 eine Grenze ziehen: Die Gütergemeinschaft kann etwa nur auf gegenwärtiges Vermögen bei Eingehung der Ehe beschränkt sein (dies vermutet § 1177 S 1: EvBl 1955/394), oder nur auf das künftige Vermögen, wobei wiederum unterschieden werden kann zwischen der Einbeziehung nur künftig erworbenen Vermögens mit Ausschluss des Ererbten (Errungenschaftsgemeinschaft) oder unter dessen Einbeziehung (im Zweifel nur Ersteres: § 1177 S 2). Bei der sog Fahrnisgemeinschaft sind alle gegenwärtigen Fahrnisse sowie das künftig erworbene Vermögen (dann aber einschließlich Liegenschaften) erfasst. Auch Kombinationen der genannten Beschränkungen sind frei vereinbar; maßgeblich ist generell der Parteiwille (Fenyves in Ruppe, Familienverträge 755 ff; eine eigenständige, auf die Haftungsfolgen statt auf die Vermögensmassen abstellende Abgrenzung versucht Grillberger, Gütergemeinschaft 136 ff). 5 Bei einer Gütergemeinschaft unterscheidet man mehrere mögliche
Gütermassen (Weiß/K V 800 ff): Von jenem Vermögen, das im Miteigentum steht (Gesamtgut), ist das jeweilige Eigengut der beiden Ehepartner zu unterscheiden, welches weiterhin jedem von ihnen allein gehört (Weiß/K V 800 ff). Darunter fallen zum einen Ansprüche, die wegen ihrer Rechtsnatur oder kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht übertragen und daher auch nicht einer Gütergemeinschaft unterworfen werden können (Sondergut, zB Ausgedinge, Unterhalt oÄ: M. Bydlinski/R Rz 2), zum anderen solche Vermögensteile, welche die Ehepartner privatautonom von der Gütergemeinschaft ausgenommen und sich damit den Fortbestand des Alleineigentums mit Ehepakt vorbehalten haben (Vorbehaltsgut). Da sie solcherart aber auch bei einer im Übrigen allgemeinen Gütergemeinschaft wesentliche Vermögensteile davon ausschließen können, verschwimmt die Grenze zur beschränkten Gütergemeinschaft (vgl auch Fenyves in Ruppe, Familienverträge 756 f), was angesichts der unterschiedlichen Haftungsfolgen problematisch ist (§ 1235 Rz 4; zu Recht krit Schramböck, ÖJZ 1999, 446). § 1234. Die Gütergemeinschaft unter Ehegatten wird in der Regel nur auf den Todesfall verstanden. Sie gibt dem Ehegatten das Recht auf die Hälfte dessen, was von den der Gemeinschaft wechselseitig 1388
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unterzogenen Gütern nach Ableben des andern Ehegatten noch vorhanden sein wird. Lit: S bei § 1233.
Das Gesetz geht im Zweifel (jedoch praxisfremd: Brauneder/S 1 §§ 1234 f Rz 1: „praktisch totes Recht“; aM M. Mohr, NZ 1995, 7) davon aus, dass die Ehepartner nur eine Gütergemeinschaft auf den Todesfall vereinbaren wollten (S 1; zu den verschiedenen Arten dem Umfang nach § 1233 Rz 4). Während aufrechter Ehe kann dabei jeder Ehegatte frei über sein Vermögen verfügen, bei Liegenschaften ist allerdings eine Beschränkung durch Verbücherung des Anwartschaftsrechtes gemäß § 1236 (s dort Rz 1) oder eines allgemeinen Veräußerungs- und Belastungsverbotes gemäß § 364c möglich. Erst wenn einer von ihnen gestorben ist, wird ihr Vermögen vereinigt, um in zwei Hälften (oder andere vereinbarte Quoten: Fenyves in Ruppe, Familienverträge 762) getrennt werden zu können, von denen eine an den überlebenden Ehegatten, die zweite in den Nachlass fällt (K/W I 480 f, 483 f; zur Anrechnung der ersten Hälfte auf den gesetzlichen Erbteil des Überlebenden an der zweiten s § 757 Rz 5). Zu den Folgen eines Konkurses § 1262, zur Auflösung der Ehe § 1266 (grundsätzliche Gleichstellung bei den Folgen: M. Mohr, NZ 1995, 8 ff). Für die Gütergemeinschaft unter Lebenden gelten die Bestimmun- 2 gen über jene auf den Todesfall entsprechend (10 Ob 508/95 SZ 68/226). Ergänzend sind subsidiär, soweit passend, die §§ 1175 ff zumindest analog heranzuziehen, ebenso die §§ 825 ff (Hopf/Kathrein, EheR § 1233 Anm 5). Eine Gütergemeinschaft unter Lebenden muss ausdrücklich als sol- 3 che mit Notariatsakt (§ 1217 Rz 6) vereinbart werden, um die gesetzliche Vermutung von S 1 zu entkräften (10 ObS 54/96 SZ 69/81). Dieser Ehepakt ist jedoch lediglich Titel für den Miteigentumserwerb; entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bedarf es dazu auch noch eines entsprechenden Modus (§§ 426 ff; Grillberger, Gütergemeinschaft 120 ff; K/W I 481; s aber 3 Ob 57/01f SZ 74/128: vorweggenommenes Besitzkonstitut für nachträglich erworbenes Vermögen; dazu auch Gschnitzer ua, SachenR 83 f). Dies gilt ebenso für jene Gegenstände, die erst nach Eingehung der Gütergemeinschaft erworben werden, sofern sie dieser unterliegen. Die Ehegatten haben am Gesamtgut, also jenem Vermögen, das der 4 Gütergemeinschaft unterliegt und nicht kraft Gesetzes oder durch Vereinbarung davon ausgenommen ist (zum Sonder- und Vorbehaltsgut § 1233 Rz 5), schlichtes Miteigentum (SZ 25/192; SZ 68/226; Koch
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§ 1235
SZ 69/81; Schramböck, ÖJZ 1999, 447 ff; aM Fenyves in Ruppe, Familienverträge 769 ff; Grillberger, Gütergemeinschaft 39 ff, insb 108 f: Gesamthandeigentum), wobei ihre Quoten im Zweifel gleich groß sind. 5 Die Ehegatten sind einander im Innenverhältnis verpflichtet, über das
Gesamtgut nur gemeinsam und somit nicht einseitig über ihre ideellen Anteile zu verfügen. Gegenüber Dritten wirkt diese Beschränkung allerdings lediglich bei Liegenschaften, falls ein Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 364c) oder eine entsprechende Beschränkung des Miteigentums verbüchert wurde (s § 1236 Rz 1; SZ 68/226; zur Diskussion siehe Rz 4). 6 Im Zweifel verwalten beide Ehegatten gemeinsam das Gesamtgut
(Hopf/Kathrein, EheR Anm 12 mit Verweis auf die §§ 833 ff, ausführlich Grillberger, Gütergemeinschaft 149 ff). Wurde dies nur einem von ihnen übertragen, hat er dem anderen Rechnung zu legen (SZ 68/226). Streitigkeiten über die Nutzung des Vermögens sind im Außerstreitverfahren zu klären (SZ 37/45). 7 Die Gütergemeinschaft wird durch Tod eines Ehegatten, durch Kon-
kurs (s § 1262) sowie durch Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe (§§ 1265 f) aufgelöst. Sie kann auch einvernehmlich durch Ehepakt aufgehoben werden (SZ 69/81). Auch eine vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund ist möglich (M. Bydlinski/R Rz 9; Grillberger, Gütergemeinschaft 162 ff; M. Mohr, NZ 1995, 13; aM Brauneder/S Nach § 1236 Rz 14; Weiß/K V 799; Welser, GesRZ 1976, 40). 8 Nach dem Tod eines Ehegatten wird auch bei einer Gütergemein-
schaft unter bis dahin Lebenden so vorgegangen wie oben in Rz 1 zur Gütergemeinschaft auf den Todesfall beschrieben (EvBl 1967/346), also das Vermögen entsprechend der vereinbarten Quote geteilt (im Zweifel somit halbiert) und die Teile sodann dem Überlebenden sowie dem Nachlass zugewiesen (M. Bydlinski/R Rz 10). § 1235. Bei einer Gemeinschaft, die sich auf das ganze Vermögen bezieht, sind vor der Teilung alle Schulden ohne Ausnahme; bei einer Gemeinschaft aber, die bloß das gegenwärtige, oder bloß das künftige Vermögen zum Gegenstande hat, nur diejenigen Schulden abzuziehen, die zum Nutzen des gemeinschaftlichen Gutes verwendet worden sind. Lit: S bei § 1233.
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Die Ehegatten können auch bei allgemeiner Gütergemeinschaft wei- 1 terhin für sich alleine Forderungen begründen und Rechte erwerben oder sich verpflichten (SZ 25/192). Für eigene Schulden (Sonderschulden) haften sie mit ihrem Anteil am 2 Gesamtgut sowie dem ihnen verbleibenden Sonder- oder Vorbehaltsgut. Umgekehrt stehen sie für gemeinschaftlich eingegangene Schulden 3 solidarisch mit dem gesamten Vermögen ein, also sowohl mit dem Gesamtgut als auch beide mit ihrem jeweiligen Eigengut. Dies gilt ebenso für Gesamtgutschulden aus Aufwendungen zugunsten des Gesamtgutes (zB Verwaltungskosten; str, M. Bydlinski/R Rz 5; K/W I 482; Weiß/K V 792; aM SZ 36/21; Brauneder/S Nach § 1236 Rz 10; Hopf/ Kathrein, EheR Anm 2: Haftung nur mit Gesamt-, ohne Eigengut). Hinsichtlich Schulden des anderen Ehepartners muss zwischen all- 4 gemeiner und beschränkter Gütergemeinschaft unterschieden werden. Während die Gläubiger des anderen bei beschränkter Gütergemeinschaft nach hL nur auf dessen Eigengut sowie seinen Anteil am Gesamtgut (vgl Rz 2), nicht aber auf den Anteil seines Ehegatten greifen können, haftet bei allgemeiner Gütergemeinschaft das Gesamtgut als Ganzes (somit beide Teile) auch für Sonderschulden nur eines Ehegatten (SZ 30/65; NZ 1990, 277; 10 Ob 508/95 SZ 68/226), selbst wenn diese unabhängig von und vor der Gütergemeinschaft oder sogar vor der Ehe eingegangen wurden (neben persönlicher Haftung des Schuldners bloße Sachhaftung seines Ehegatten mit dessen Anteil; SZ 32/157; JBl 1962, 515; 3 Ob 527/91 EF 66.243; M. Bydlinski/R § 1234 Rz 5; aM SZ 18/179; SZ 68/226; Weiß/K V 793; offen gelassen in 3 Ob 57/01f SZ 74/128), noch dazu ohne Regressrecht (RZ 1972, 54; Hopf/Kathrein, EheR Anm 8). Diese weite Haftung des Gesamtgutes wird zu Recht kritisiert (dazu insb Hopf/Kathrein, EheR Anm 4; zust M. Bydlinski/R § 1234 Rz 7), soweit es auch Schulden eines Ehegatten betrifft, die ohne jeglichen Bezug zum ehelichen Zusammenleben begründet wurden (etwa Verteidigungskosten im Strafprozess wegen Mordversuches am anderen Ehegatten: SZ 33/69, aber auch Kosten der im Scheidungsstreit als Klägerin unterlegenen Ehegattin: SZ 25/209 – dort mit mehrfach unzutreffender Begründung), da dies wohl kaum vom Willen der Ehegatten bei Eingehung der Gütergemeinschaft gedeckt sein kann. Im Übrigen ist die Differenzierung zwischen allgemeiner und beschränkter Gütergemeinschaft trotz des Wortlautes von § 1235 abzulehnen, soweit es um die Haftung des Gesamtgutes geht. In beiden Fällen sollte das Gesamtgut als Ganzes (somit einschließlich des AnKoch
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teiles jenes Ehegatten, der nicht persönlicher Schuldner ist) für Sonderschulden des anderen haften. Der Haftungsfonds kann von den Ehegatten bei Eingehen der Gütergemeinschaft bestimmt werden, wobei auch bei allgemeiner Gütergemeinschaft eine „Beschränkung“ durch Ausklammerung von Vorbehaltsgut möglich ist (§ 1233 Rz 5). Sofern sie eine Haftung des Gesamtgutes als Ganzes für Sonderschulden ablehnen, steht es ihnen frei, eine derart beschränkte Haftung in den Ehepakt aufzunehmen (insoweit zutr Schramböck, ÖJZ 1999, 446 f; letztlich aber doch für Differenzierung 451 f; s auch Grillberger, Gütergemeinschaft 147 f). Tun sie es nicht, ist nicht einzusehen, wieso ausgerechnet bei (zumindest der Definition nach) geringerem Haftungsfonds dessen Haftung noch weiter eingeschränkt werden soll. 5 Bei der Exekutionsführung in das Gesamtgut ist zu unterscheiden,
ob die Gütergemeinschaft verdinglicht wurde oder nicht (s § 1234 Rz 5): Solange das Verfügungsrecht eines Ehegatten über seinen Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft nicht gemäß § 1236 grundbücherlich beschränkt wurde, kann darauf ohne Rücksicht auf die Gütergemeinschaft Exekution geführt werden (SZ 43/155). Ansonsten benötigt der betreibende Gläubiger einen Exekutionstitel nicht nur gegen den Verpflichteten, sondern auch gegen dessen Ehegatten (SZ 30/65; Verurteilung zur selben Leistung genügt; vgl verst Senat SZ 60/124), sofern dieser der Zwangsvollstreckung in den Anteil des Ersteren nicht zustimmt (SZ 42/97). Bei rechtskräftigem Titel gegen den persönlich haftenden Ehegatten sowie nachgewiesener allgemeiner Gütergemeinschaft kann der andere in einem auf seine Sachhaftung beschränkten Prozess neben den in den §§ 35 ff EO vorgesehenen Einwendungen lediglich jene der Arglist oder der Verletzung der guten Sitten erheben (SZ 25/247; EF 51.481 f). Da nach hM bei beschränkter Gütergemeinschaft das Gesamtgut als solches ohnehin nicht herangezogen werden kann (Rz 4), kann der Gläubiger des persönlich haftenden Ehegatten in diesem Fall nur auf dessen künftigen Anteil am Auseinandersetzungsguthaben greifen (Fenyves in Ruppe, Familienverträge 769). 6 Gegenseitige Verbindlichkeiten der Ehegatten untereinander kön-
nen sie bei Gütergemeinschaft nur noch bezogen auf deren jeweiliges Eigengut begründen (SZ 68/226 mwN; Fenyves in Ruppe, Familienverträge 772 f; Weiß/K V 795). 7 Nach Auflösung der Ehe haften die Ehegatten mit dem Wert ihres
Auseinandersetzungsguthabens für Schulden, die bis zur Eheauflösung eingegangen wurden (EF 66.243) und für die das Gesamtgut haftete (NZ 1990, 277). 1392
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§ 1237
§ 1236. Besitzt ein Ehegatte ein unbewegliches Gut, und wird das Recht des andern Ehegatten zur Gemeinschaft in die öffentlichen Bücher eingetragen; so erhält dieser durch die Eintragung auf die Hälfte der Substanz des Gutes ein dingliches Recht, vermöge dessen der Ehegatte über diese Hälfte keine Anordnung machen kann; auf die Nutzungen aber während der Ehe erhält er durch die Einverleibung keinen Anspruch. Nach dem Tode des Ehegatten gebührt dem überlebenden Teile sogleich das freie Eigentum seines Anteiles. Doch kann eine solche Einverleibung den auf das Gut früher eingetragenen Gläubigern nicht zum Nachteile gereichen. Lit: Brauneder, Das „Recht zur Gemeinschaft“ gemäß § 1236 ABGB, FS Kühne (1984) 193.
Abgesehen von einem Veräußerungs- und Belastungsverbot gemäß 1 § 364c kann die ansonsten nur im Innenverhältnis wirkende Gütergemeinschaft (dazu § 1234 Rz 5) bei Liegenschaften verdinglicht werden, indem das Eigentumsrecht jedes Ehegatten auf deren gemeinsamen Antrag hin (SZ 28/138) mit der Beschränkung einverleibt wird, dass er während der Gütergemeinschaft nicht einseitig über seinen ideellen Anteil verfügen kann. Auch die Anwartschaft aus einer Gütergemeinschaft auf den Todesfall kann solcherart im Außenverhältnis gesichert werden (M. Bydlinski/R Rz 1; aM Weiß/K V 812). Ein bloßer Verweis auf einen Ehepakt als Titel reicht dazu allerdings nicht aus, da dieser nicht notwendigerweise eine Gütergemeinschaft begründet (s § 1217; vgl SZ 43/155). Daher muss zumindest auf die Urkundensammlung verwiesen werden (JBl 1970, 90; SZ 46/56; Wiesinger, NZ 1973, 20). 5. Gesetzlicher ehelicher Güterstand § 1237. Haben Eheleute über die Verwendung ihres Vermögens keine besondere Übereinkunft getroffen, so behält jeder Ehegatte sein voriges Eigentumsrecht, und auf das, was ein jeder Teil während der Ehe erwirbt, und auf was immer für eine Art überkommt, hat der andere keinen Anspruch. [idF BGBl 1978/280]
Wie bereits in § 1233 S 1 wird hier betont, dass der gesetzliche Güter- 1 stand jener der Gütertrennung ist (s § 1233 Rz 1). §§ 1238–1241. [aufgehoben, BGBl 1978/280] Koch
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Ehepakte
§§ 1242–1244 6. Witwengehalt;
§ 1242. Das, was einer Gattin auf den Fall des Witwenstandes zum Unterhalte bestimmt wird, heißt Witwengehalt. Dieser gebührt der Witwe gleich nach dem Tode des Mannes, und soll immer auf drei Monate vorhinein entrichtet werden. § 1243. [aufgehoben, BGBl 1975/412] § 1244. Wenn die Witwe sich verehelicht; so verliert sie das Recht auf den Witwengehalt. 1 Mit Ehepakt kann der Gattin ein sog Witwengehalt versprochen wer-
den, somit eine (auf den gesetzlichen Erbteil gemäß § 757 Abs 2 anzurechnende) laufende Unterhaltsleistung aus dem Vermögen des Mannes für die Zeit nach dessen Tod, im Zweifel bis zur Wiederverheiratung (§ 1244). Dabei handelt es sich nicht um ein Vermächtnis; es ist daher zwar als Ehepakt (§ 1217) notariatsaktspflichtig, ohne dass aber die Formvorschriften für letztwillige Verfügungen eingehalten werden müssten (s Hopf/Kathrein, EheR § 1242 Anm 1, wonach das Institut „praktisch bedeutungslos“ ist). Sicherstellung des Heiratsgutes, der Widerlage und des Witwengehaltes; § 1245. Wer das Heiratsgut übergibt, ist berechtigt, bei der Übergabe; oder wenn in der Folge Gefahr eintritt, von demjenigen, der es empfängt, eine angemessene Sicherstellung zu fordern. [idF BGBl I 2000/135]
1 Wer ein Heiratsgut ieS (§ 1218 Rz 1) bestellt, kann mit dem Empfänger
angemessene Sicherstellung iSd § 1373 für die Rückstellung vereinbaren (nicht notwendigerweise im selben Ehepakt, aber auch in Notariatsaktsform: Hopf/Kathrein, EheR Anm 1). Nach hM steht ein solcher Sicherungsanspruch auch kraft Gesetzes zu, wenn nachträglich ein aus der Bestellung resultierender Anspruch (§§ 1228 f) gefährdet ist (M. Bydlinski/R Rz 1; Hopf/Kathrein, EheR Anm 1; aM Brauneder/S Rz 2, 6; zum Konkurs s §§ 1260 f). Schenkungen unter Ehegatten und Verlobten § 1246. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Schenkungen zwischen Ehegatten wird nach den für die Schenkungen überhaupt bestehenden Gesetzen beurteilt. 1394
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Ehepakte
§ 1247
Lit: Fischer-Czermak, Verträge auf den Todesfall zwischen Ehegatten und Scheidung, NZ 2001, 3; Rummel, Schenkungen unter Ehegatten und Scheidung, JBl 1976, 626.
Schenkungen unter Ehegatten unterliegen den allgemeinen Regeln 1 (insb §§ 901, 938 ff ABGB, § 1 Abs 1 lit d NotAktsG). Nach hM wird § 1266 analog auch auf Schenkungen angewandt, die im Vertrauen auf den Bestand der Ehe in einer den Ehepakten vergleichbaren Absicht geleistet wurden (somit nicht bloße Gelegenheitsgeschenke: 5 Ob 506/93 EF 75.422). Daher kann der an der Scheidung Schuldlose oder zu gleichen Teilen Schuldige eine Schenkung an seinen ehemaligen Gatten widerrufen (SZ 48/9; SZ 58/63; 4 Ob 565/94 NZ 1996, 65; 1 Ob 310/98i EF 87.321; Fischer-Czermak, NZ 2001, 4 ff; K/W II 181; Rummel, JBl 1976, 626). § 1247. Was ein Mann seiner Ehegattin an Schmuck, Edelsteinen und andern Kostbarkeiten zum Putze gegeben hat, wird im Zweifel nicht für gelehnt; sondern für geschenkt angesehen. Wenn aber ein verlobter Teil dem andern, oder auch ein Dritter dem einen oder andern Teile in Rücksicht auf die künftige Ehe etwas zusichert oder schenkt; so kann, wenn die Ehe ohne Verschulden des Geschenkgebers nicht erfolgt, die Schenkung widerrufen werden. Gemäß S 1 wird vermutet, dass bereits übergebene Schmuckgegen- 1 stände, aber auch Kleidung und andere Gegenstände zum Gebrauch des Ehepartners(Hopf/Kathrein, EheR Anm 1) vom anderen geschenkt und nicht bloß geliehen wurden. Kommt eine Ehe nach Verlobung der Brautleute doch nicht zustande, 2 so kann ein zwischenzeitliches Geschenk an einen von ihnen vom Geschenkgeber, also vom anderen Verlobten oder einem Dritten, zurückgefordert werden, sofern den Schenker kein Verschulden an der Beendigung des Verlöbnisses trifft oder er nicht selbst grundlos zurückgetreten ist (SZ 62/5). Ein Verschulden des Beschenkten ist hingegen irrelevant (EvBl 1963/201). Das Geschenk muss ein übliches Brautgeschenk und als solches den Verhältnissen der Ehegatten angepasst gewesen sein (SZ 43/16). Im Übrigen bleiben daneben die Widerrufsgründe der §§ 947 ff offen; 3 auch eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht kann möglich sein (condictio causa data causa non secuta, s § 1435 Rz 2 und 4; Verschulden des Schenkers dabei irrelevant, solange er nicht treuwidrig gehandelt hat: SZ 43/16; 7 Ob 189/01x EF 97.095 f; s auch § 46 Rz 2 sowie § 44 Rz 6 ff zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft). Koch
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Ehepakte
§ 1248 Wechselseitige Testamente
§ 1248. Den Ehegatten ist gestattet, in einem und dem nämlichen Testamente sich gegenseitig, oder auch andere Personen als Erben einzusetzen. Auch ein solches Testament ist widerruflich; es kann aber aus der Widerrufung des einen Teiles auf die Widerrufung des andern Teiles nicht geschlossen werden (§ 583). 1 Ehegatten oder Brautleute (unter der Bedingung der späteren Heirat:
EvBl 1967/346; zur Unwirksamkeit zwischen Nichtehegatten SZ 55/143) können in einem gemeinschaftlichen Testament entweder sich selbst zumindest teilweise gegenseitig als Erben einsetzen (wechselseitiges Testament) oder einen Dritten (gemeinsames Testament), oder dies kombinieren (Hopf/Kathrein, EheR Anm 1; auch gemeinschaftliches Kodizill ist möglich). Dabei handelt es sich um eine letztwillige Verfügung und nicht um einen Ehepakt, daher sind lediglich die Formvorschriften für Testamente einzuhalten (SZ 10/237; Kralik, ErbR 141 f), ohne dass ein Notariatsakt zwingend geboten wäre (im Unterschied zum Erbvertrag, s §§ 1249 ff). 2 Ein gemeinschaftliches Testament ist frei und auch einseitig wider-
ruflich, wobei der Widerruf einer Seite die letztwillige Verfügung des anderen nicht berührt, sofern diese nicht – entgegen der Vermutung von S 2 – unter der Bedingung des Fortbestandes beider Verfügungen getroffen wurde (sog wechselbezügliches Testament: SZ 29/13; zum Widerruf durch den überlebenden Ehegatten SZ 50/19; im Übrigen gelten die §§ 713 ff: SZ 50/71). 3 Im Zweifel ist ein gemeinschaftliches Testament nicht unter der Be-
dingung des Fortbestandes der Ehe geschlossen (Eccher, ErbR Rz 4/52 arg § 575; offen K/W II 469: Auslegungsfrage), daher ist bei Scheidung meist ein ausdrücklicher Widerruf nötig, um die Weitergeltung der letztwilligen Verfügung zu verhindern (M. Bydlinski/R Rz 1). Erbverträge. Erfordernisse zur Gültigkeit des Erbvertrages § 1249. Zwischen Ehegatten kann auch ein Erbvertrag, wodurch der künftige Nachlaß, oder ein Teil desselben versprochen, und das Versprechen angenommen wird, geschlossen werden (§ 602). Zur Gültigkeit eines solchen Vertrages ist jedoch notwendig, daß er schriftlich mit allen Erfordernissen eines schriftlichen Testamentes errichtet werde. Lit: Grabenwarter, Ist der Erbvertrag ein Auslaufmodell? ecolex 1996, 589.
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Ehepakte
§ 1249
Mit einem Erbvertrag vereinbaren Ehegatten oder (unter der Bedin- 1 gung ihrer späteren Heirat) Brautleute (vgl Michalek, AnwBl 2000, 116 zur Aufhebung des HfD JGS 1817/1340), dass einer den anderen oder beide einander zum Erben einsetzen, ohne dass einer von ihnen dies einseitig widerrufen könnte (s § 1254). Er hat somit vertrags- und erbrechtliche Aspekte; Ersteres insb wegen seiner Zweiseitigkeit, Letzteres wegen der in ihm notwendigerweise enthaltenen Erbeinsetzung (ein bloßer Erbverzichtsvertrag ist daher kein Erbvertrag). Dieser Doppelcharakter spiegelt sich auch in den auf den Erbvertrag 2 anwendbaren Regeln wider: Zum einen ist Geschäftsfähigkeit nötig (zu den Besonderheiten § 1250), auch gelten die allgemeinen Regeln über Willensmängel (SZ 59/71) und Vertragsauslegung (Hopf/Kathrein, EheR Anm 1; K/W II 455; aM Weiß/K V 918). Zum anderen muss jene Partei eines Erbvertrages, die den anderen zum Erben einsetzt, testierfähig (§§ 566 ff), der andere bei Erbanfall erbfähig sein (§§ 538 ff). Auch der Formzwang ist ein doppelter: Als ehegüterrechtliche Ver- 3 einbarung (Ehepakt, s § 1217, aM lediglich Brauneder/S Rz 4) bedarf der Erbvertrag eines Notariatsaktes (§ 1 Abs 1 lit a NotAktsG; SZ 62/11); auf Grund der Erbeinsetzung ist aber zusätzlich die Testamentsform einzuhalten (S 2). Somit sind zwei weitere Zeugen beizuziehen, alternativ ein zweiter Notar (§§ 56 f NO); gerichtliche Protokollierung genügt nicht. Wird diese strenge Form nicht eingehalten, kann statt eines Erbvertrages aber zumindest ein gültiges Testament unter dessen Voraussetzungen vorliegen (Konversion; Weiß/K V 916 ff; Ausnahme s § 1253 Rz 1; zur Konversion im Übrigen § 577 Rz 3 und § 914 Rz 12), sofern dies vom Parteiwillen auch gedeckt ist. Für die Aufhebung des Erbvertrages (dazu § 1254) genügt hingegen einfacher Notariatsakt oder gerichtliches Protokoll (SZ 52/58). Mindestinhalt eines Erbvertrages ist die Einsetzung wenigstens eines 4 Ehegatten zum Gesamtrechtsnachfolger des anderen im Todesfall, wobei auf diese Weise allerdings höchstens über drei Viertel (oder eine geringere Quote, nicht über einzelne Gegenstände, s aber Rz 6) von dessen künftigem Nachlass verfügt werden kann (§ 1253). Ein Erbvertrag ist somit niemals alleiniger Erbrechtstitel (§§ 533 f), unter mehreren konkurrierenden jedoch stets der stärkste (§ 533 Rz 2). Ein älteres Testament bleibt aber hinsichtlich des erbvertraglich nicht geregelten Anteils bestehen (GlU 11.646). Letztwillige Verfügungen zugunsten Dritter können in einen Erb- 5 vertrag zwar aufgenommen werden, sind aber nach allgemeinen Regeln frei widerruflich (hM: RS0017048; SZ 58/141; SZ 62/11; K/W II 482; aM Gschnitzer/K IV/1, 234; Kralik, ErbR 156; Weiß/K V 906). Koch
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Ehepakte
§ 1250
6 An Stelle einer Erbeinsetzung können die Ehegatten einander auch
Legate versprechen; auf einen solchen Vermächtnisvertrag sind die Regeln über den Erbvertrag analog anwendbar (hM; M. Bydlinski/R Rz 2; aM Weiß/K V 905, 910). 7 Als Teil der privatautonomen Erbfolgeplanung kann auch das Recht
eingeräumt werden, bestimmte Nachlass-Sachen gegen Zahlung eines bestimmbaren Übernahmepreises (etwa zum Schätzwert: SZ 11/171) zu erwerben (Aufgriffsrecht; dazu Grabenwarter, NZ 1988, 317; Stauffer, NZ 1963, 33 und 145; Stöckl, NZ 1963, 113; § 653 Rz 3). Während es je nach Ausgestaltung (zB als Vermächtnis oder fideikommissarische Substitution: M. Bydlinski/R Rz 6) zumeist widerruflich ist, kann es im Rahmen eines ehegüterrechtlichen Vertrages auch wechselseitig verbindlich (und damit einseitig unwiderruflich) eingeräumt werden (SZ 58/131), solange die Grenze des § 1253 (s dort) eingehalten wird (1 Ob 619/92 JBl 1993, 658; M. Bydlinski/R § 1253 Rz 1). § 1250. Ein pflegebefohlener Ehegatte kann zwar die ihm versprochene, unnachteilige Verlassenschaft annehmen; aber die Verfügung über seine eigene Verlassenschaft kann, ohne Genehmhaltung des Gerichtes, nur insofern bestehen, als sie ein gültiges Testament ist. 1 Personen mit beschränkter Geschäftsfähigkeit können eine un-
nachteilige Verlassenschaft ohne Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter oder das Gericht annehmen, wobei angesichts der Möglichkeit einer bedingten Erbserklärung oder Ausschlagung der Erbschaft wohl nur Erbverträge nachteilig sind, in denen sich der beschränkt Geschäftsfähige selbst verpflichtet (Hopf/Kathrein, EheR Anm 2). 2 Selbst über eigenes Vermögen erbvertraglich verfügen kann ein be-
schränkt Geschäftsfähiger nur mit Zustimmung sowohl seines gesetzlichen Vertreters (Hopf/Kathrein, EheR Anm 3; aM mit verfehltem Umkehrschluss Brauneder/S Rz 3) als auch des Gerichtes. Während Personen, für die ein Sachwalter bestellt wurde, nach bisher wohl hM keine letztwillige Verfügung mittels Erbvertrags treffen konnten (M. Bydlinski/R Rz 3), gilt dies nach der Neufassung des § 568 höchstens noch dann, falls das Gericht für sie angeordnet hat, dass sie nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren können (s aber Hopf/ Kathrein, EheR Anm 4, die schon bisher zu Recht gegen die hM argumentierten, dass die strengen Formpflichten für Erbverträge das Mündlichkeitserfordernis des § 568 ersetzen). 1398
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Ehepakte
§ 1253 Vorschrift über die eingerückten Bedingungen
§ 1251. Was von Bedingungen bei Verträgen überhaupt gesagt worden ist, muß auch auf Erbverträge zwischen Ehegatten angewendet werden. Einem Erbvertrag beigefügte Bedingungen und Befristungen sind 1 nach den §§ 897 ff (mit Ausnahme von § 900: M. Bydlinski/R Rz 1) zu beurteilen. Wirkung des Erbvertrages § 1252. Ein selbst den öffentlichen Büchern einverleibter Erbvertrag hindert den Ehegatten nicht, mit seinem Vermögen, solange er lebt, nach Belieben zu schalten. Das Recht, welches daraus entsteht, setzt den Tod des Erblassers voraus; es kann von dem Vertragserben, wenn er den Erblasser nicht überlebt, weder auf andere übertragen, noch der künftigen Erbschaft willen eine Sicherstellung gefordert werden. Zu Lebzeiten können beide Ehegatten über ihr Vermögen trotz Erb- 1 vertrags frei verfügen, soweit sie keine diesbezüglichen Beschränkungen vereinbart haben (zB ein Veräußerungs- und Belastungsverbot) oder eine Vermögensminderung rechtsmissbräuchlich wäre (Weiß/K V 932; Welser, NZ 1997, 271 f; aM M. Bydlinski/R Rz 1). Verfügungen auf den Todesfall ohne Mitwirkung des anderen Ehe- 2 gatten sind hingegen zu dessen Lebzeiten nach einem Erbvertrag ausgeschlossen, soweit dieser wirksam ist (vgl § 1266 zur Scheidung). Vermächtnisse oder Schenkungen auf den Todesfall sind daher nur insoweit noch möglich, als diese das vom Erbvertrag nicht erfasste freie Viertel (oder die sonst offene Quote) betreffen (§ 1253; Hopf/ Kathrein, EheR § 1253 Anm 3). Nach dem Tod des einen Ehegatten werden hingegen zwischenzeitliche Testamente des anderen, denen der Erbvertrag bis dahin entgegenstand, voll wirksam (SZ 34/198). Erbverträge können entgegen dem Wortlaut von S 1 nicht bücherlich 3 einverleibt werden, da sie nicht in § 9 GBG vorgesehen sind (Hopf/ Kathrein, EheR Anm 3). Eine Absicherung ist allenfalls durch ein Veräußerungs- und Belastungsverbot möglich (§ 364c; s auch § 1236 zur Gütergemeinschaft). § 1253. Durch den Erbvertrag kann ein Ehegatte auf das Recht, zu testieren, nicht gänzlich Verzicht tun. Ein reiner Vierteil, worauf weder der jemandem gebührende Pflichtteil, noch eine andere Schuld haften darf, bleibt kraft des Gesetzes zur freien letzten AnKoch
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Ehepakte
§ 1254
ordnung immer vorbehalten. Hat der Erblasser darüber nicht verfügt; so fällt der doch nicht dem Vertragserben, obschon die ganze Verlassenschaft versprochen worden wäre, sondern den gesetzlichen Erben zu. Lit: B. Jud, Schenkung auf den Todesfall und Berechnung des „freien Viertels“ beim Erbvertrag, NZ 1999, 268; Zankl, Schenkung auf den Todesfall, Vermächtnisvertrag und „reines Viertel“, NZ 1997, 311; Zemen, Erbvertrag, reines Viertel und Pflichtteilsansprüche, NZ 1988, 29.
1 Die Ehegatten können mittels Erbvertrages nicht die Erbfolge am
gesamten Nachlass regeln, sondern müssen mindestens ein Viertel davon dem jeweiligen Gatten zur (weiteren) freien Disposition belassen. Sofern sie im Erbvertrag keine derartige Einschränkung vorgesehen haben, kann diese Verfügung hinsichtlich des freizulassenden Viertels nicht in eine einfach-testamentarische Verfügung umgedeutet werden (S 3; K/W II 484). Dies schließt aber nicht aus, dass der betreffende Ehegatte mit einer anderen (allerdings widerruflichen) Verfügung, etwa einem – sogar zeitgleichen – einfachen oder wechselseitigen Testament (s § 1248; Eccher, ErbR Rz 4/52), seinen Ehepartner auch als Erben des letzten Viertels einsetzt (vgl SZ 59/187; 1 Ob 619/92 JBl 1993, 658). Im Übrigen bleiben frühere letztwillige Verfügungen (nur) in Bezug auf dieses freie Viertel aufrecht, bis der Erblasser diese durch jüngere Regelungen ersetzt. 2 Das freizuhaltende Viertel wird auf das zum Zeitpunkt des Erbfalls
vorhandene Vermögen berechnet, indem von den Aktiva die Erblasser- und Erbgangsschulden, nicht aber Vermächtnisse oder Schenkungen auf den Todesfall, subtrahiert werden. Ebenfalls vorab abzuziehen sind konkrete Pflichtteilsforderungen (Brauneder/S Rz 2; M. Bydlinski/R Rz 3; K/W II 483 f; Weiß/K V 935 ff; aM die Rspr: SZ 20/92; Eccher, ErbR Rz 5/8; B. Jud, NZ 1999, 274 ff; Kralik, ErbR 158 f; Zemen, NZ 1988, 29). Erlöschung desselben § 1254. Der Erbvertrag kann zum Nachteile des andern Gatten, mit dem er geschlossen worden ist, nicht widerrufen; sondern nur nach Vorschrift der Gesetze entkräftet werden. Den Noterben bleiben ihre Rechte, wie gegen eine andere letzte Anordnung vorbehalten. 1 Zwar kann ein Erbvertrag nicht einseitig widerrufen, sehr wohl aber durch die Vertragsparteien mittels Notariatsakts oder gerichtlichen Protokolls einvernehmlich aufgehoben werden (dazu auch § 1249 Rz 3), ebenso durch Erbverzicht (§ 551 – gleiche Form: SZ 52/58). Ein 1400
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Ehepakte
§ 1259
neuer Erbvertrag ersetzt den früheren (nicht aber ein nachfolgendes Testament, da schwächerer Berufungsgrund). Abgesehen von fehlerhaften Willenserklärungen (SZ 59/71: Irrtum) 2 und sonstigen vertragsrechtlichen Wurzelmängeln werden Erbverträge wegen ihres Doppelcharakters (§ 1249 Rz 1 f) auch aus erbrechtlichen Gründen „entkräftet“, etwa durch Übergehung eines nachgeborenen Kindes (analog § 778; SZ 59/71; SZ 31/21: Adoption), bei Erbunfähigkeit oder Erbunwürdigkeit des Begünstigten (§§ 538 ff) oder durch dessen Ausschlagung (§ 805). Zur Scheidung s § 1266. Fruchtnießung auf den Todesfall (Advitalitätsrecht) § 1255. Wenn ein Ehegatte dem andern die Fruchtnießung seines Vermögens auf den Fall des Überlebens erteilt; so wird er dadurch in der freien Verfügung durch Handlungen unter Lebenden nicht beschränkt; das Recht der Fruchtnießung (§ 509–520) bezieht sich nur auf den Nachlaß des frei vererblichen Vermögens. § 1256. [Wird aber die Fruchtnießung eines unbeweglichen Gutes mit Einwilligung des Verleihers den öffentlichen Büchern einverleibt; so kann dieselbe in Hinsicht dieses Gutes nicht mehr verkürzt werden.] § 1257. In dem Falle, daß der überlebende Teil sich wieder verehelicht, oder die Fruchtnießung einem andern abtreten will, haben die Kinder des verstorbenen Ehegatten das Recht zu verlangen, daß ihnen dieselbe gegen einen angemessenen jährlichen Betrag überlassen werde. § 1258. Ein Ehegatte, welcher auf die Fruchtnießung der ganzen Verlassenschaft des andern Ehegatten, oder eines Teiles derselben Anspruch macht, hat kein Recht, den ihm in dem Fall der gesetzlichen Erbfolge von dem Gesetze ausgemessenen Anteil zu fordern (§§ 757–759). Das Advitalitätsrecht, mit dem ein Ehegatte dem anderen die Frucht- 1 nießung seines ganzen Vermögens oder eines Teiles davon auf den Todesfall verspricht, ist praktisch bedeutungslos (Brauneder/S § 1255 Rz 1: „totes Recht“). Einkindschaft § 1259. Die Einkindschaft, das ist, ein Vertrag, wodurch Kinder aus verschiedenen Ehen in der Erbfolge einander gleich gehalten werden sollen, hat keine rechtliche Wirkung. Koch
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Ehepakte
§§ 1260–1261
1 Das Versprechen der Gleichbehandlung von Kindern aus verschie-
denen Ehen bei der Erbfolgeregelung kann nur letztwillig widerruflich erteilt werden (M. Bydlinski/R Rz 1). Absonderung des Vermögens in dem Falle: 1. eines Konkurses; § 1260. Wenn über das Vermögen des Mannes bei seinen Lebzeiten ein Konkurs eröffnet wird; so kann die Ehegattin zwar noch nicht die Zurückstellung des Heiratsgutes, und die Herausgabe der Widerlage, sondern nur die Sicherstellung für den Fall der Auflösung der Ehe gegen die Gläubiger verlangen. Sie ist überdies berechtigt, von Zeit der Konkurseröffnung den Genuß des witiblichen Unterhaltes, und wenn keiner bedungen ist, den Genuß des Heiratsgutes anzusprechen. Dieser Anspruch auf den einen, oder den andern Genuß hat aber nicht statt, wenn bewiesen wird, daß die Ehegattin an dem Verfalle der Vermögensumstände des Mannes Ursache sei. § 1261. Verfällt die Gattin mit ihrem Vermögen in den Konkurs; so bleiben die Ehepakte unverändert. 1 Fällt der Empfänger von Heiratsgut ieS (§ 1218 Rz 1) in Konkurs, löst
dies keine vorzeitigen Rückstellungsansprüche aus. Allerdings kann dessen Ehegatte, sofern dieser die Insolvenz nicht mitverursacht hat, Sicherstellung solcher Ansprüche für den Fall der Auflösung der Ehe verlangen, und zwar für Aussonderung eines weiterhin in seinem Eigentum stehenden Heiratsgutes (§§ 1227–1228 Rz 2) oder, sofern die Sache nicht (mehr) in seinem Eigentum steht, für die Ausfolgung gemäß § 1229, sofern die Übergabe formgerecht bestätigt wurde (§ 1226; s auch §§ 55 f KO und §§ 25 f AO). Ein Konkurs des Heiratsgutbestellers hat hingegen keinen Einfluss auf das Heiratsgut (zum Konkurs bei Gütergemeinschaft § 1262). § 1262. Ist zwischen den Ehegatten eine Gemeinschaft der Güter bedungen; so hört dieselbe durch den Konkurs des einen oder des andern Ehegatten auf, und das zwischen ihnen gemeinschaftliche Vermögen wird, wie bei dem Tode, geteilt. 1 Eine Gütergemeinschaft egal welcher Art (s § 1233 Rz 3 f) wird durch
den Konkurs eines der Ehegatten aufgelöst, weshalb spätere Erwerbungen des anderen davon nicht mehr betroffen sind. 2 Sofern es sich um eine allgemeine Gütergemeinschaft gehandelt hat,
fällt das Gesamtgut, das schon bisher zur Gänze auch für Sonder1402
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Ehepakte
§ 1265
schulden nur eines Ehegatten gehaftet hat (§ 1235 Rz 4), in die Konkursmasse (EvBl 1969/225; SZ 47/86). Bei beschränkter Gütergemeinschaft betrifft dies hingegen in konsequenter Fortführung der nur beschränkten Haftung des Gesamtgutes (zur Kritik daran § 1235 Rz 4) abgesehen von Gesamtgutsforderungen (§ 1235 Rz 3) lediglich den Anteil des in Konkurs gefallenen Ehegatten, der Anteil des anderen ist von dieser Insolvenz hingegen nicht betroffen (SZ 47/86; Hopf/ Kathrein, EheR Anm 1; aM M. Bydlinski/R Rz 1). Bei Konkurs beider Ehegatten tragen die beiden Konkursmassen die 3 das Gesamtgut betreffenden Schulden entsprechend den Anteilen der Ehegatten an der Gütergemeinschaft (Hopf/Kathrein, EheR Anm 1). [2. einer freiwilligen;] § 1263. [Wenn Ehegatten übereinkommen, geschieden zu leben, so hängt es auch von ihrem Einverständnisse ab, welches immer zugleich zu treffen ist (§§ 103–105), ob sie ihre Ehepakte fortdauern lassen, oder auf welche Art sie dieselben abändern wollen.] [oder 3. einer gerichtlichen Scheidung;] § 1264. [Ist aber die Scheidung durch richterliches Urteil erkannt worden, und trägt kein Teil, oder jeder Teil Schuld an der Scheidung, so kann ein oder der andere Ehegatte verlangen, daß die Ehepakte für aufgehoben erklärt werden; worüber von dem Gerichte stets ein Vergleich zu versuchen ist (§ 108). Ist ein Teil schuldlos, so steht demselben frei, die Fortsetzung oder Aufhebung der Ehepakte, oder nach Umständen, den angemessenen Unterhalt zu verlangen.] Die §§ 1263 f betrafen die durch das EheG aufgehobene Scheidung von 1 Tisch und Bett und sind daher heute gegenstandlos (JBl 1949, 575). 4. Nichtigerklärung; § 1265. Wird eine Ehe für ungültig erklärt; so zerfallen auch die Ehepakte; das Vermögen kommt, insofern es vorhanden ist, in den vorigen Stand zurück. Der schuldtragende Teil hat aber dem schuldlosen Teile Entschädigung zu leisten [(§ 102)]. Lit: S bei §§ 31 f EheG.
§ 1265 hat nur noch in jenen (wohl seltenen: RZ 1972, 54) Fällen der 1 Ehenichtigkeit Bedeutung, für die § 31 EheG nicht auf die ScheiKoch
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Ehepakte
§ 1266
dungsfolgen (für Ehepakte somit auf § 1266) verweist: zum einen bei Kenntnis beider Ehegatten von der Nichtigkeit, zum zweiten bei Gutgläubigkeit eines von ihnen, wenn dieser fristgerecht eine Erklärung gemäß § 31 Abs 2 EheG abgegeben hat. In beiden Fällen werden die Ehepakte aufgelöst und rückabgewickelt (Weiß/K V 970); wer die Nichtigkeit wegen Verschuldens zu verantworten hat, muss dem anderen den Vertrauensschaden ersetzen (S 2 mit obsoletem Verweis auf den durch das EheG aufgehobenen § 102; Weiß/K V 972). 5. [Trennung] der Ehe § 1266. Wird die [Trennung] der Ehe [(§§ 115 und 133)] auf Verlangen beider Ehegatten, ihrer unüberwindlichen Abneigung wegen, verwilligt; so sind die Ehepakte, soweit darüber kein Vergleich getroffen wird [(§ 117)], für beide Teile erloschen. Wird auf die [Trennung] der Ehe durch Urteil erkannt, so gebührt dem schuldlosen Ehegatten nicht nur volle Genugtuung, sondern von dem Zeitpunkte der erkannten [Trennung] alles dasjenige, was ihm in den Ehepakten auf den Fall des Überlebens bedungen worden ist. Das Vermögen, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wird wie bei dem Tode geteilt, und das Recht aus einem Erbvertrage bleibt dem Schuldlosen auf den Todesfall vorbehalten. Die gesetzliche Erbfolge (§§ 757–759) kann ein getrennter, obgleich schuldloser Ehegatte nicht ansprechen. Lit: Grillberger, Gütergemeinschaft 168 ff; Honsell, Die Aufteilung des Vermögens bei der Scheidung, in Ostheim, Familienrechtsreform 169; Migsch, Persönliche Ehewirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979) 17; Rummel, Zur Auswirkung der Ehescheidung auf die Gütergemeinschaft unter Lebenden, JBl 1968, 406.
1 Obwohl Formulierung und Gesetzesverweise noch immer nicht an
die Rechtslage nach Einführung des EheG angepasst wurden, normiert § 1266 weiterhin die Konsequenzen einer Scheidung für Ehepakte, soweit diese nicht durch das EheG neu bestimmt wurden (Rz 6). Diese Regelungen sind auch bei Aufhebung (§ 42 EheG) oder Nichtigerklärung einer Ehe (§ 31 EheG iVm § 1265) sowie analog bei Widerruf bestimmter Schenkungen unter Ehegatten (§ 1246 Rz 1) anzuwenden. 2 Vorrangig ist in all diesen Fällen jedoch eine Vereinbarung der Ehe-
gatten selbst zu beachten (K/W I 515 f). Haben sie bereits bei Eingehung des Ehepaktes darin Scheidungsfolgen vorgesehen (vgl SZ 56/90; 1404
Koch
Ehepakte
§ 1266
wohl zu weit gehend Kerschner, FamR Rz 2/104, der dies sogar im Zweifel annimmt) oder solche erst später geregelt (während aufrechter Ehe notariatsaktspflichtiger Ehepakt: SZ 61/111; § 97 Abs 1 S 2 EheG; s auch § 55a EheG Rz 6, § 85 EheG Rz 1 sowie § 97 EheG Rz 1 ff zu Vereinbarungen anlässlich oder nach Scheidung), geht eine solche Einigung den dispositiven Regeln im Rahmen des Zulässigen vor. § 97 Abs 1 EheG schließt allerdings einen Vorausverzicht auf die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens aus. Bei einvernehmlicher Scheidung, bei streitiger Scheidung aus gleich- 3 teiligem Verschulden oder ohne Schuldausspruch gelten die Ehepakte in sinngemäßer Anwendung von S 1 ex nunc als erloschen, es bedarf dazu also keiner Aufhebung (RS0022405; SZ 26/171; SZ 48/9; 1 Ob 197/99y SZ 73/31). Damit hat jeder Ehegatte Anspruch auf Rückstellung dessen, was er in die Ehe eingebracht hat, und zwar in natura, soweit noch vorhanden (SZ 23/67; s aber Rz 5 f). Hat er Aufwendungen auf Eingebrachtes des anderen gemacht, kann er dafür Ersatz verlangen und bis dahin die Sache zurückbehalten (SZ 48/9; Weiß/K V 979, 980 f). Ist hingegen einer der Ehegatten alleine oder zumindest überwiegend 4 schuldig an der Scheidung, so hat der andere ein Wahlrecht (sogar – vorläufig oder endgültig – hinsichtlich einzelner Gegenstände: SZ 23/67): Zum einen kann er es bei den in Rz 3 geschilderten Rechtsfolgen einer einvernehmlichen Scheidung belassen, wenn dies für ihn günstiger ist, insb wenn er mehr in die Ehe eingebracht hat (Rummel, JBl 1968, 406 ff). Zum anderen kann er aber die Anwendung der in den Ehepakten oder für sie kraft Gesetzes (s zum Heiratsgut zB § 1229) für den Todesfall vorgesehenen Folgen geltend machen, was bei der Gütergemeinschaft eine Aufteilung des Gesamtgutes im Zweifel je zur Hälfte bedeutet (§ 1234 Rz 1, 8). Zudem kann er (erst) bei späterem Vortod seines an der Scheidung alleinig oder überwiegend schuldigen Ehegatten die Rechte aus einem Erbvertrag geltend machen (SZ 34/53), während sein gesetzliches Erbrecht mit Scheidung untergegangen ist (S 4). Ein allfälliges Aufgriffsrecht (§ 1249 Rz 7) kann allerdings sofort geltend gemacht werden (SZ 61/111). Soweit sie nicht in natura möglich ist, wird die Aufteilung des Ge- 5 samtgutes aus einer Gütergemeinschaft grundsätzlich nach dem ursprünglichen Verhältnis der eingebrachten Werte vorgenommen, so dass jedenfalls Wertveränderungen, die auf objektive Umstände wie Schwankungen der Marktlage zurückzuführen sind, nicht berücksichtigt werden. Falls aber ein Gewinn oder Verlust zB infolge besonderer Arbeitsleistungen oder sonstiger Anstrengungen der EheKoch
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Glücksverträge
§§ 1267–1274
gatten erzielt wurde, wird von der jüngeren Rspr ein Wertausgleich dadurch angestrebt, dass die Aufteilung stattdessen im Verhältnis der für die Gütergemeinschaft vereinbarten Quote (im Zweifel somit je zur Hälfte) vorgenommen wird (SZ 73/31; 4 Ob 281/00b JBl 2001, 309 Pfersmann im Anschluss an Rummel, JBl 1968, 412 ff; Gschnitzer/ Faistenberger, FamR 88; ähnlich M. Bydlinski/R Rz 3). 6 Soweit die §§ 81 ff EheG über die Vermögensaufteilung nach Schei-
dung zur Anwendung kommen, gehen allerdings diese Normen als leges speciales § 1266 vor (stRspr und hM: RS0022434; RS0022395; SZ 56/90; JBl 2001, 309 Pfersmann; M. Bydlinski/R Rz 4; Grillberger, Gütergemeinschaft 171 f; Hopf/Kathrein, EheR Anm 8; K/W I 515 f; aM Honsell in Ostheim, Familienrechtsreform 181 f; Kerschner, FamR Rz 2/103 f; Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 79 ff). Außer dem Falle der versäumten Antragstellung (§ 95 EheG) sind nach den zuvor ausgeführten Grundsätzen somit nur solche Vermögenswerte weiterhin nach § 1266 aufzuteilen, die nicht den §§ 81 ff EheG unterliegen, insb Sachen iSd § 82 Abs 1 (EF 48.895; Kostka, NZ 1988, 321). Dazu zählt typischerweise Heiratsgut (§ 82 Abs 1 Z 1 EheG, nicht jedoch ein als Ehewohnung dienendes Objekt: § 82 Abs 2 EheG), vor allem aber auch Unternehmen oder Anteile daran (§ 82 Abs 1 Z 3 und 4 EheG; JBl 2001, 309 Pfersmann).
Neunundzwanzigstes Hauptstück Von den Glücksverträgen Glücksverträge § 1267. Ein Vertrag, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteiles versprochen und angenommen wird, ist ein Glücksvertrag. Er gehört, je nachdem etwas dagegen versprochen wird oder nicht, zu den entgeltlichen oder unentgeltlichen Verträgen. § 1268. Bei Glücksverträgen findet das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des Wertes nicht statt. Arten der Glücksverträge: § 1269. Glücksverträge sind: die Wette; das Spiel und das Los; alle über gehoffte Rechte, oder über künftige noch unbestimmte Sachen errichtete Kauf- und andere Verträge; ferner, die Leibrenten; die gesellschaftlichen Versorgungsanstalten; endlich die Versicherungs- und Bodmereiverträge. 1406
Koch/Karner
Glücksverträge
§§ 1267–1274
gatten erzielt wurde, wird von der jüngeren Rspr ein Wertausgleich dadurch angestrebt, dass die Aufteilung stattdessen im Verhältnis der für die Gütergemeinschaft vereinbarten Quote (im Zweifel somit je zur Hälfte) vorgenommen wird (SZ 73/31; 4 Ob 281/00b JBl 2001, 309 Pfersmann im Anschluss an Rummel, JBl 1968, 412 ff; Gschnitzer/ Faistenberger, FamR 88; ähnlich M. Bydlinski/R Rz 3). 6 Soweit die §§ 81 ff EheG über die Vermögensaufteilung nach Schei-
dung zur Anwendung kommen, gehen allerdings diese Normen als leges speciales § 1266 vor (stRspr und hM: RS0022434; RS0022395; SZ 56/90; JBl 2001, 309 Pfersmann; M. Bydlinski/R Rz 4; Grillberger, Gütergemeinschaft 171 f; Hopf/Kathrein, EheR Anm 8; K/W I 515 f; aM Honsell in Ostheim, Familienrechtsreform 181 f; Kerschner, FamR Rz 2/103 f; Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 79 ff). Außer dem Falle der versäumten Antragstellung (§ 95 EheG) sind nach den zuvor ausgeführten Grundsätzen somit nur solche Vermögenswerte weiterhin nach § 1266 aufzuteilen, die nicht den §§ 81 ff EheG unterliegen, insb Sachen iSd § 82 Abs 1 (EF 48.895; Kostka, NZ 1988, 321). Dazu zählt typischerweise Heiratsgut (§ 82 Abs 1 Z 1 EheG, nicht jedoch ein als Ehewohnung dienendes Objekt: § 82 Abs 2 EheG), vor allem aber auch Unternehmen oder Anteile daran (§ 82 Abs 1 Z 3 und 4 EheG; JBl 2001, 309 Pfersmann).
Neunundzwanzigstes Hauptstück Von den Glücksverträgen Glücksverträge § 1267. Ein Vertrag, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteiles versprochen und angenommen wird, ist ein Glücksvertrag. Er gehört, je nachdem etwas dagegen versprochen wird oder nicht, zu den entgeltlichen oder unentgeltlichen Verträgen. § 1268. Bei Glücksverträgen findet das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des Wertes nicht statt. Arten der Glücksverträge: § 1269. Glücksverträge sind: die Wette; das Spiel und das Los; alle über gehoffte Rechte, oder über künftige noch unbestimmte Sachen errichtete Kauf- und andere Verträge; ferner, die Leibrenten; die gesellschaftlichen Versorgungsanstalten; endlich die Versicherungs- und Bodmereiverträge. 1406
Koch/Karner
Glücksverträge
§§ 1267–1274 1. die Wette;
§ 1270. Wenn über ein beiden Teilen noch unbekanntes Ereignis ein bestimmter Preis zwischen ihnen für denjenigen, dessen Behauptung der Erfolg entspricht, verabredet wird; so entsteht eine Wette. Hatte der gewinnende Teil von dem Ausgange Gewißheit, und verheimlichte er sie dem andern Teile; so macht er sich einer Arglist schuldig, und die Wette ist ungültig. Der verlierende Teil aber, dem der Ausgang vorher bekannt war, ist als ein Geschenkgeber anzusehen. § 1271. Redliche und sonst erlaubte Wetten sind insoweit verbindlich, als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden. 2. das Spiel; § 1272. Jedes Spiel ist eine Art von Wette. Die für Wetten festgesetzten Rechte gelten auch für Spiele. Welche Spiele überhaupt, oder für besondere Klassen verboten; wie Personen, die verbotene Spiele treiben, und diejenigen, die ihnen dazu Unterschleif geben, zu bestrafen sind, bestimmen die politischen Gesetze. 3. Los; § 1273. Ein zwischen Privatpersonen auf eine Wette oder auf ein Spiel abzielendes Los wird nach den für Wetten und Spiele festgesetzten Vorschriften beurteilt. Soll aber eine Teilung, eine Wahl, oder eine Streitigkeit durch das Los entschieden werden; so treten dabei die Rechte der übrigen Verträge ein. § 1274. Staatslotterien sind nicht nach der Eigenschaft der Wette und des Spieles; sondern nach den jedes Mal darüber kundgemachten Planen, zu beurteilen. Lit: M. Binder, Privatrechtliche Aspekte der Spielsucht, ÖJZ 1998, 175; GrasslPalten, Zum Anwendungsbereich des § 1271 ABGB, FS F. Bydlinski (2002) 153; Hasberger/Busta, Top die Wette gilt. Internetsportwetten nach österreichischem und europäischem Recht, MR-Int 2005, 49; W. Schwartz, Strukturfragen und ausgewählte Probleme des österreichischen Glücksspielrechts (1998); W. Schwartz/Wohlfahrt, Rechtsfragen der Sportwette, ÖJZ 1998, 601; dies, Der glücksspielrechtliche Ausspielungsbegriff, ÖJZ 1999, 339; dies, Glücksverträge im Internet, MR 2001, 323; dies, Glücksspielgesetz 2 (2006); Strejcek (Hrsg), Lotto und andere Glücksspiele (2003); ders (Hrsg), GlücksKarner
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Glücksverträge
§§ 1267–1274
spiele, Wetten und Internet (2006); Strejcek/Hoscher/Eder (Hrsg), Glücksspiel in der EU und in Österreich (2001).
1 Das ABGB fasst im Abschnitt über die Glücksverträge so unter-
schiedliche Vertragstypen wie Wette, Spiel, Los (§§ 1270–1274), Hoffnungskauf (§§ 1275 f), Erbschaftskauf (§§ 1278–1283), Leibrentenvertrag (§§ 1284–1286), den Vertrag über gesellschaftliche Versorgungsanstalten (§ 1287) sowie den Versicherungs- (§§ 1288–1291) und Bodmereivertrag (§ 1292) zusammen. Allen diesen Verträgen ist ein gewisses aleatorisches Element (§ 1267: „Hoffnung eines noch ungewissen Vorteils“) gemeinsam. Während bei Wette, Spiel und Los aber ausschließlich der Zweck verfolgt wird, Gewinn und Verlust vom Ausgang eines ungewissen Ereignisses abhängig zu machen (Glücksverträge im engen Sinn), ihr wirtschaftlicher Zweck also im Eingehen eines Wagnisses besteht (Wolff/K V 982), wird mit den Glücksverträgen im weiten Sinn durchaus planvoll ein sonstiger wirtschaftlicher Zweck verfolgt, so eine Risikostreuung bei Versicherungsverträgen oder eine Versorgung bei Leibrenten (Apathy/Riedler, SR BT Rz 10/3). 2 Wette, Spiel und Los sind Glücksverträge ieS (Rz 1): Vertragsgegen-
stand ist die Übernahme eines Risikos (K/W II 269). Unter Wette (§ 1270) versteht man die Zusage einer Leistung an denjenigen, dessen Behauptung sich im Meinungsstreit als richtig erweist (SZ 47/42). Essentielles Merkmal der Wette ist das aleatorische Element (RZ 1960, 81; SZ 47/42), das in der Ungewissheit über den Ausgang liegt. Dabei reicht Ungewissheit für einen Teil (Wolff/K V 988; Apathy/Riedler, SR BT Rz 10/1), doch darf der andere seine Kenntnis nicht verheimlichen, da sonst die Wette wegen List anfechtbar ist (§ 1270 S 2). Kennt der Verlierer den Ausgang von vornherein, so ist er „als ein Geschenkgeber“ anzusehen (§ 1270 S 3). 3 Nach § 1272 ist auch jedes Spiel Wette. Während die Parteien bei einer
Wette keinen Einfluss darauf haben, ob sich ihre Behauptungen als wahr erweisen, ist beim Spiel ein Einfluss auf den Erfolg nicht ausgeschlossen, da dieser mindestens zum Teil von Können und Geschicklichkeit abhängen kann (K/W II 270). Auch dient die Wette der Bekräftigung der eigenen Meinung, während das Spiel vorwiegend auf Unterhaltung und Gewinn abzielt (RZ 1960, 81; Apathy/Riedler, SR BT Rz 10/2). Spiel und Wette sind häufig schwer abgrenzbar und es ist dies für den Anwendungsbereich des ABGB regelmäßig auch nicht nötig, da beide Vertragstypen denselben Regeln unterliegen (verst Senat 1 Ob 107/98m SZ 71/183; Wolff/K V 994; K/W II 270; zum GSpG vgl W. Schwartz, Glücksspielrecht 91 ff). Zum Los s Krejci/R Rz 19 f. 1408
Karner
Glücksverträge
§§ 1267–1274
Spiel und Wette können entgeltlich oder unentgeltlich sein (§ 1267), 4 je nachdem, ob beide Teile eine Leistung versprechen oder nicht (K/W II 270): „halbe Wette“ (SZ 47/42; Wolff/K V 982, 985); auch ist der Wettpreis nicht notwendig für beide Teile gleich hoch: „ungleiche Wette“ (Wolff/K V 985). Die Abgrenzung von Spiel und Wette zu anderen Verträgen bereitet 5 Schwierigkeiten, wobei entscheidend ist, ob das aleatorische Element von solchem Gewicht ist, dass es die damit verbundenen Rechtsfolgen, insb den Ausschluss der laesio enormis (§ 1268) und die Unklagbarkeit (§ 1271) rechtfertigt (vgl Krejci/R Rz 42 f). So hat der OGH die Zusage eines Geldbetrages für den Nachweis, dass ein bestimmtes Fernsehgerät trotz eines bestehenden Ausschließlichkeitsrechtes bei einem anderen Verkäufer billiger zu erwerben ist, als Werkvertrag bzw – wegen des Fehlens einer Nachforschungspflicht – als klagbare (negative) Werkzusicherung qualifiziert (SZ 47/42): Entscheidend sei das Interesse des Versprechenden an der (Nicht-)Erbringung der Leistung. Gleiches gilt für einen Baumtransport, den der Versprechende für unmöglich hält (GlU 6068: Werkvertrag). Zur Problematik solcher „Werkwetten“ näher Grassl-Palten, FS F. Bydlinski 163 ff. Die ausschlaggebende Bedeutung des aleatorischen Elements zeigt sich auch bei der Abgrenzung zu einer Auslobung iSd §§ 860 ff: Ist ungewiss, ob die Zusage überhaupt erfüllt werden muss, liegt Wette oder Spiel vor. Betrifft das aleatorische Element hingegen nur den Umstand, wem gegenüber die Leistung zu erbringen ist, so ist Auslobung anzunehmen (Apathy/Riedler, SR BT Rz 10/3), so etwa bei der Ziehung des Gewinners aus zutreffenden Einsendungen (RZ 1960, 81) oder einem Telefonquiz in einer Fernsehsendung (HG Wien MRA 1985, 17 Korn). Der Unterschied zu einer Garantie ist darin zu sehen, dass der Garantiebegünstigte anders als der Wettteilnehmer ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Eintritt des ungewissen Ereignisses hat (s Koziol, Garantievertrag 20 f). Hingegen weist ein Partnervermittlungsvertrag wegen seines ungewissen Erfolges glücksvertragsähnlichen Charakter auf (EvBl 1978/111; SZ 54/173), weshalb § 1268 grundsätzlich anwendbar ist, auf Grund der werkvertraglichen Elemente jedoch auch das Anrechnungsgebot des § 1168 Abs 1 greift (SZ 54/173). Sind Wette und Spiel erlaubt, so begründen sie nach § 1271 eine un- 6 klagbare Naturalobligation (s SZ 53/74; SZ 58/184; SZ 59/173). Ein bereits bezahlter Preis kann nicht zurückverlangt werden (§§ 1271, 1432). Wurde der vereinbarte Preis hinterlegt, so kann ihn der Gewinner auch gerichtlich fordern. Hinterlegung zur gemeinsamen Innehabung genügt (Wolff/K V 995), kann aber nicht durch die AusKarner
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Glücksverträge
§§ 1267–1274
stellung von Schecks (SZ 53/74), Wechseln (SZ 59/173) oder Schuldscheinen (SZ 58/184) ersetzt werden (Apathy/Riedler, SR BT Rz 10/5). Auch ein Anerkenntnis (1 Ob 639/95 SZ 69/261) oder eine Novation der Spiel- in eine Darlehensschuld scheidet aus (GlU 12.032; aA Wolff/K V 993, 995; Binder/S § 1271 Rz 15 f). Das von einem Dritten zu einem erlaubten Spiel gegebene Darlehen ist hingegen rückforderbar (SZ 35/103; SZ 53/74; 7 Ob 140/99k ÖBA 2000, 164 [nicht, wenn Dritter nur Gehilfe/Strohmann des Gegenspielers ist]; aA Honsell, JBl 1991, 525 f). 7 Auch Differenzgeschäfte, das sind Termingeschäfte, die nach dem
Willen der Parteien nicht tatsächlich erfüllt werden sollen, sondern nur auf die Zahlung der Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem am Stichtag tatsächlich geltenden Börsen- oder Marktpreis abzielen, sind wegen ihres spekulativen Charakters als Glücksverträge zu qualifizieren, die nach § 1271 grundsätzlich unklagbar sind (SZ 56/77; SZ 69/261; dazu Hammerer, ÖBA 1997, 415; weiters Honsell, FS Ostheim, 1990, 263 ff; Grassl-Palten, FS F. Bydlinski 170 ff). Will nur eine der Vertragsparteien spekulieren, ohne dass dies zum Vertragszweck erhoben wurde, liegt aber kein Glücksvertrag vor (6 Ob 1518/92 ÖBA 1992, 944). Auch ist der Einwand der Unklagbarkeit (Differenzeinwand) nach Lehre (Göth, ÖBA 1992, 707 f; Iro, BVR II Rz 7/31; Oppitz, ÖBA 1991, 788 ff) und neuerer Rspr unzulässig, wenn das Differenzgeschäft wirtschaftlich gerechtfertigt ist, etwa weil es der Absicherung gegen Zins- und Kursschwankungen dient (1 Ob 81/98p ÖBA 1999, 219; vgl bereits SZ 69/261, dazu Iro, RdW 1997, 123; näher H. Gruber, ÖBA 1999, 851 ff und Oppitz, ÖBA 1999, 951 f). Die praktische Bedeutung des § 1271 ist überdies gering, weil Sondervorschriften für Bank- und Börsengeschäfte die Unzulässigkeit des Differenzeinwandes ausdrücklich vorsehen (§ 28 BörseG und § 1 Abs 5 BWG; dazu B. Koch, ÖBA 1990, 24 ff; H. Gruber, ÖBA 1999, 855 ff; 6 Ob 28/06w ÖBA 2007, 59). 8 Glücksspiele sind Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließ-
lich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (§ 1 Abs 1 GSpG; § 168 Abs 1 StGB; so zB Zahlenlotto oder Klassenlotterie; zu Sportwette und Toto vgl VwGH 87/17/0258 wbl 1992, 171). Nach § 3 GSpG ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen – mit Ausnahme der in § 4 genannten Spiele – dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol, dazu W. Schwartz, Glücksspielrecht 21 ff; W. Schwartz/Wohlfahrt, GSpG § 3 Rz 1 ff mwN), wobei eine Übertragung dieser Berechtigung auf Dritte möglich ist (§§ 14 ff, 21 ff und 36 ff GSpG). Eine Verletzung des Monopols wird durch die §§ 52 ff GSpG und 168 StGB sanktioniert. Gewinne aus Staatslotterien sind nach Maßgabe des 1410
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Glücksverträge
§§ 1267–1274
GSpG und der Spielbedingungen (vgl § 16, 43, 45 Abs 2 GSpG; W. Schwartz/Wohlfahrt, GSpG Anh I ff) einklagbar (§ 1274). Auch Buchmacherwetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, die auf Grund einer Bewilligung der Landesregierung zur gewerbsmäßigen Vermittlung derartiger Wetten abgeschlossen werden, sind „Staatslotterien“ iSd § 1274 (verst Senat SZ 71/183 = ecolex 1999, 13 Wilhelm; anders noch 10 Ob 504/95 SZ 69/268 und 5 Ob 2201/96d SZ 70/187): Die Wettschuld eines solchen Buchmachers ist klagbar, wenn sein Vertragspartner den Wettpreis tatsächlich entrichtet oder hinterlegt hat. Hat hingegen der Buchmacher seinem Vertragspartner den Wettpreis kreditiert, so kann er nicht klagen, wenn dieser die Wette verliert. Zum Schutzgesetzcharakter des § 25 Abs 3 GSpG (Ausschluss von Spielern) s § 1311 Rz 5. Verbotene Spiele sind ungültig (§ 879), wobei der OGH all jene Spiele 9 als verboten qualifiziert, die iSd §§ 1 Abs 1 GSpG und 168 Abs 1 StGB vom Zufall abhängen ( 7 Ob 579/95 ÖBA 1996, 394; 5 Ob 506/96 SZ 69/69; s auch Rz 8; näher M. Binder, ÖJZ 1998, 179), so etwa Würfeln (8 Ob 680/89 JBl 1991, 524 Honsell), Baccarat (SZ 59/117), Färbeln (SZ 54/157; ÖBA 1996, 394), ebenso ein Pyramidenspiel (SZ 69/69: Haftung des Organisators auch für Rückzahlung der Einsätze; dazu Iro, RdW 1996, 297 f und Battlogg, ÖJZ 1998, 547 ff; s auch § 168a StGB); zu Spielautomaten s 3 Ob 525/89 JBl 1990, 318. Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation (ÖBA 1996, 394; SZ 69/69), so dass § 1432 nicht anwendbar ist. Bezahlte Wett- und Spielschulden können deshalb zurückgefordert werden (Wilburg/K V 489 ff; M. Binder, ÖJZ 1998, 180; ÖBA 1996, 394; SZ 69/69). Dies entspricht dem Verbotszweck, Vermögensnachteile durch verbotene Spiele zu verhindern, wobei einer Rückforderung auch § 1174 Abs 1 S 1 nicht entgegensteht, weil die Leistung nicht zur Bewirkung der unerlaubten Handlung, sondern als Einsatz gegeben wurde (ÖBA 1996, 394; K/W II 271). Ein zum Zweck eines verbotenen Spiels gegebenes Darlehen kann hingegen nicht zurückverlangt werden, s § 1174 Rz 6. Nach § 1268 ist bei allen Glücksverträgen die laesio enormis ausge- 10 schlossen, weil Risiken für den Glücksvertrag charakteristisch sind und von den Parteien bewusst übernommen werden (K/W II 271). Dies gilt in seinem vollen Umfang freilich nur für Glücksverträge ieS, was die (eingeschränkte) Anwendbarkeit des § 934 auf Leibrentenverträge erklärt (dazu §§ 1284–1286 Rz 9). Auch ist die Berufung auf Sittenwidrigkeit und Wucher zulässig (SZ 24/306; EvBl 1958/94; 7 Ob 643, 644/89 JBl 1990, 802 Buchegger; 3 Ob 503/93 SZ 67/123). Allenfalls kommt auch die Geltendmachung von Willensmängeln oder Gewährleistung in Betracht (s Wolff/K V 983 f; Krejci/R Rz 80 ff, 93). Karner
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Glücksverträge
§§ 1275–1276 11 Zur Zusendung von Gewinnzusagen s § 5j KSchG.
4. Hoffnungskauf; § 1275. Wer für ein bestimmtes Maß von einem künftigen Erträgnisse einen verhältnismäßigen Preis verspricht, schließt einen ordentlichen Kaufvertrag. § 1276. Wer die künftigen Nutzungen einer Sache in Pausch und Bogen; oder wer die Hoffnung derselben in einem bestimmten Preise kauft, errichtet einen Glücksvertrag; er trägt die Gefahr der ganz vereitelten Erwartung; es gebühren ihm aber auch alle ordentliche erzielte Nutzungen. Lit: Holeschofsky, Verträge über künftige Werke oder künftige Nutzungen, FS 50 Jahre UrheberrechtsG (1986) 153.
1 Auch der Kauf künftiger Sachen ist zulässig (§§ 1065, 1275 f), wobei
im Hinblick auf die divergierenden Rechtsfolgen durch Auslegung zu ermitteln ist, ob der Kauf einer erhofften Sache (Rz 2) oder ein Hoffnungskauf (Rz 3) vereinbart wurde (zur Terminologie s Mayer-Maly/ K IV/2, 702 f). 2 Der Kauf einer erhofften Sache (emptio rei speratae) ist ein normaler
Kaufvertrag (§ 1275; K/W II 181), weshalb der Verkäufer das Risiko der Existenz der Sache trägt und der Käufer den Preis nur unter der Bedingung des Entstehens der Sache zu zahlen hat (hL, s zB Apathy/ Riedler, SR BT Rz 1/3; krit zur „Bedingungskonstruktion“ MayerMaly/K IV/2, 707, nach dem es bei Nichtentstehen einer Sache schon an einem tauglichen Kaufgegenstand fehlt). Beim Kauf gehoffter künftiger Erträgnisse übernimmt der Käufer dementsprechend kein Quantitätsrisiko, wohl aber – mangels abweichender Vereinbarung – das Qualitätsrisiko (s Mayer-Maly/K IV/2, 701; Krejci/R Rz 11), was anzunehmen ist, wenn sich der Preis nur an der Menge orientiert (Binder/S § 1275 Rz 1). 3 Hingegen handelt es sich beim Hoffnungskauf (emptio spei; § 1276;
zB Kauf der künftigen Ernte um einen jedenfalls zu zahlenden Preis; Zusicherung eines Gewinnanteils aus Los: GlU 2711) um ein Glücksgeschäft: Wer die künftigen Nutzungen einer Sache in Pausch und Bogen übernimmt, hat Anrecht auf alle ordentlich erzielten Nutzungen dieser Sache (dazu Mayer-Maly/K IV/2, 705), trägt aber auch die Gefahr der ganz vereitelten Erwartung und das Risiko einer minderen Quantität oder Qualität (K/W II 181). Eine Anfechtung wegen laesio enormis ist ausgeschlossen (§ 1268; Mayer-Maly/K IV/2, 705 f). Entsprechendes kann für den Kauf der (künftigen) Sache selbst ver1412
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Glücksverträge
§§ 1278–1281
einbart werden. Der Unterschied zwischen Hoffnungskauf und Kauf einer erhofften Sache besteht also nicht im Kaufgegenstand, sondern in der vom Parteiwillen und dem Geschäftszweck getragenen Rechtsfolgenvereinbarung (Krejci/R Rz 18), wobei im Zweifel Kauf einer erhofften Sache und nicht Hoffnungskauf anzunehmen ist (Wolff/K V 1006), doch soll Vorauszahlung des Kaufpreises einen Hoffnungskauf indizieren (Mayer-Maly/K IV/2, 708; Aicher/R § 1065 Rz 5). [insbesondere eines Kuxes;] § 1277. Der Anteil an einem Bergwerke heißt Kux. Der Kauf eines Kuxes gehört zu den gewagten Verträgen. Der Verkäufer haftet nur für die Richtigkeit des Kuxes, und der Käufer hat sich nach den Gesetzen über den Bergbau zu benehmen. Seit Auflösung der bergrechtlichen Gewerkschaften iSd ABG mit 1 Ablauf des 31.12.1960 ist § 1277 gegenstandslos. oder einer Erbschaft; § 1278. (1) Der Käufer einer von dem Verkäufer angetretenen, oder ihm wenigstens angefallenen Erbschaft tritt nicht allein in die Rechte; sondern auch in die Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erben ein, insoweit diese nicht bloß persönlich sind. Wenn also bei dem Kaufe kein Inventarium zugrunde gelegt wird, ist auch der Erbschaftskauf ein gewagtes Geschäft. (2) Der Erbschaftskauf bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsaktes oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll. [idF III. TN]
§ 1279. Auf Sachen, die dem Verkäufer nicht als Erben, sondern aus einem andern Grunde, z.B. als Vorausvermächtnis, [als Fideikommiß,] als Substitution, als Schuldforderung aus der Verlassenschaft gebühren, und ihm auch ohne Erbrecht gebührt hätten, hat der Erbschaftskäufer keinen Anspruch. Dagegen erhält er alles, was der Erbschaft selbst zuwächst, es sei durch den Abgang eines Legatars, oder eines Miterben, oder auf was immer für eine andere Art, insoweit der Verkäufer darauf Anspruch gehabt hätte. § 1280. Alles, was der Erbe aus dem Erbrechte erhält, wie z.B. die bezogenen Früchte und Forderungen, wird mit zur Masse gerechnet; alles hingegen, was er aus dem Seinigen auf die Antretung der Erbschaft, oder auf die Verlassenschaft verwendet hat, wird von der Masse abgezogen. Dahin gehören die bezahlten Schulden; die schon Karner
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Glücksverträge
§§ 1278–1281
abgeführten Vermächtnisse, Abgaben und Gerichtsgebühren; und wenn es nicht ausdrücklich anders verabredet worden ist, auch die Begräbniskosten. § 1281. Insoweit der Verkäufer die Verlassenschaft vor der Übergabe verwaltet hat, haftet er dem Käufer dafür wie ein anderer Geschäftsträger. Lit: Demelius, Erbverzicht zugunsten Dritter, NZ 1930, 101; Fenzl, Der „unechte“ Erbverzicht, ÖJZ 1949, 32; G. Frotz, Rechtsfragen der „unbeschränkten Erbenhaftung nach Handelsrecht“, GedS Schönherr (1986) 339; HofmannWellenhof, Erbverzicht und Ausschlagung der Erbschaft aus zivilrechtlicher Sicht, NZ 1984, 17; B. Jud, Der Erbschaftskauf (1998); Krehan, Die Ausschlagung der Erbschaft zugunsten Dritter, NZ 1950, 107; Scheffknecht, Die Erbrechtsveräußerung, NZ 1953, 97; Schönherr, Die Rechtsstellung des Erbschaftskäufers im österreichischen Recht der Personenhandelsgesellschaften, 1. FS Schwind (1978) 251; Welser, Erbschaftskauf und fideikommissarische Substitution, NZ 2006, 65.
1 Während der Veräußerung einer erhofften Erbschaft zu Lebzeiten des
Erblassers § 879 Abs 2 Z 3 entgegensteht und der Erbe nach Einantwortung kein Erbrecht, sondern Rechte an den geerbten Sachen hat, geht es beim Erbschaftskauf um die entgeltliche Veräußerung des Erbrechts zwischen Erbanfall und Einantwortung (K/W II 581). Veräußert werden kann auch ein Bruchteil des Erbrechts (SZ 37/104; Wolff/K V 1009) oder – bei Vorliegen einer fideikommissarischen Substitution – nur das Recht des Vor- oder Nacherben (Eccher, ErbR Rz 2/41; Kletecˇka, Ersatz- und Nacherbschaft, 1999, 87 ff, 268 f). Dass das Erbrecht zweifelhaft oder ein Erbrechtsstreit anhängig ist, steht einem Erbschaftskauf nicht entgegen (Wolff/K V 1008; für Erbschaftsschenkung SZ 30/64). 2 Gegenstand des Erbschaftskaufes ist das Erbrecht als solches (SZ
30/64; EvBl 1964/361; 1 Ob 630/94 NZ 1996, 183 Kletecˇka; Ehrenzweig, System II/2, 604; Wolff/K V 1010), weshalb auch ein Vorkaufsrecht, das im Hinblick auf eine im Nachlass befindliche Sache besteht, grundsätzlich nicht ausgelöst wird (EvBl 1961/361: anders bei Scheingeschäft; B. Jud, Erbschaftskauf 28 f). Werden einzelne NachlassSachen vor Einantwortung veräußert, so ist dies ebenso wenig Erbschaftskauf wie die Veräußerung von Vermächtnisforderungen, auf die – so wie auf die Veräußerung von Pflichtteilsansprüchen (B. Jud, Erbschaftskauf 16) – Zessionsrecht anzuwenden ist (Welser/R Rz 1). 3 Gemäß § 1278 Abs 2 ist für einen Erbschaftskauf ein Notariatsakt
oder ein gerichtliches Protokoll erforderlich; diesem gleichzuhalten 1414
Karner
Glücksverträge
§§ 1278–1281
ist eine vom Notar im Abhandlungsverfahren als Gerichtskommissär vorgenommene Protokollierung (SZ 23/46; NZ 1969, 41; 6 Ob 193/98w NZ 1999, 124 B. Jud; B. Jud, Erbschaftskauf 37 mwN). Auch jede andere rechtsgeschäftliche Verfügung über das angefallene Erbrecht ist formpflichtig; ebenso Verträge, durch die sich der Erbe zu einer solchen Verfügung verpflichtet (Welser/R Rz 3 mwN; zu Erbschaftsschenkung und Ausschlagung „zugunsten Dritter“ s Rz 8; zu Modifikationen einer fideikommissarischen Bindung Welser, NZ 2006, 65 ff). Eine Heilung formungültiger Geschäfte durch Einantwortung kommt nicht in Betracht (SZ 14/2; B. Jud, Erbschaftskauf 39 f; aA Demelius, NZ 1930, 104). Befindet sich im Nachlass eine Liegenschaft, kann überdies eine grundverkehrsrechtliche Genehmigung erforderlich sein (B. Jud, Erbschaftskauf 27 f). Da der Erbschaftskäufer nicht selbst Erbe ist, sondern sein Erbrecht 4 vom Veräußerer ableitet, braucht er gegenüber dem Erblasser nicht erbfähig zu sein (Gschnitzer/Faistenberger, ErbR 110; Wolff/K V 1010; B. Jud, Erbschaftskauf 25 f; aA Kralik, ErbR 54). Der Erwerber übernimmt das Erbrecht in jenem Zustand, in dem es 5 sich befindet, also zB unter aufschiebender Bedingung oder mit Belastungen durch Auflagen und Vermächtnisse, wobei er wie ein Erbe die Anrechnung von Vorempfängen verlangen kann (Eccher, ErbR Rz 2/44). Hingegen treffen ihn persönliche Verbindlichkeiten des Veräußerers nicht (§ 1278 S 1). Der Umfang des Erbschaftskaufs richtet sich nach den §§ 1279 f, die normieren, welche Rechte im Zweifel von der Veräußerung umfasst sind und dabei insb den Zuwachs durch Abgang eines Legatars oder Miterben nennen (näher B. Jud, Erbschaftskauf 43 ff). Da der Erbschaftskäufer im Abhandlungsverfahren an die Stelle des 6 Erben tritt, hat er dieses in jenem Stadium hinzunehmen, in dem es sich befindet, kann es also nur fortsetzen, nicht jedoch Akte des Veräußerers rückgängig machen (Welser/R Rz 6). Liegt noch keine Erbantrittserklärung des Veräußerers vor, so hat sie der Käufer in eigenem Namen, jedoch unter Bezugnahme auf das Erwerbsgeschäft abzugeben (K/W II 581). Im Erbrechts- und Erbschaftsstreit ist nur der Käufer aktiv und passiv legitimiert (Schönherr, 1. FS Schwind 252; B. Jud, Erbschaftskauf 17 ff; SZ 30/64; aA Wolff/K V 1013). Mit seiner Einantwortung wird der Käufer Gesamtrechtsnachfolger 7 des Erblassers (SZ 30/64; EvBl 1964/361; Ehrenzweig, System II/2, 604; Gschnitzer/Faistenberger, ErbR 110; Kralik, ErbR 54). Auf die Erbschaftsschenkung – die in den Fällen der §§ 947 ff wider- 8 rufen werden kann (Binder/S § 1278 Rz 7) – sind die §§ 1278 ff entKarner
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Glücksverträge
§ 1282
sprechend anzuwenden (Ehrenzweig, System II/2, 603; Wolff/K V 1008 f; Fenzl, ÖJZ 1949, 32), weshalb das Geschäft formpflichtig iSd § 1278 Abs 2 ist (SZ 30/64; SZ 37/104; NZ 1999, 124 B. Jud; B. Jud, Erbschaftskauf 37 ff). Auch eine Entschlagung des Erben zugunsten von Personen, die bei seinem Wegfall nicht ohnedies zu Erben berufen wären, kann eine (entgeltliche oder unentgeltliche) Erbschaftsveräußerung darstellen, wobei der Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber wiederum der Formpflicht des § 1278 Abs 2 unterliegt (K/W II 570, 582; Binder/S § 1278 Rz 9; JBl 1954, 174; EvBl 1968/3). Die protokollierte Ausschlagungserklärung des Erben in Verbindung mit einer positiven Erbantrittserklärung des Erwerbers reicht nicht aus (NZ 1999, 124 B. Jud; B. Jud, Erbschaftskauf 105 ff). 9 Die Erbschaftssteuerpflicht trifft grundsätzlich den veräußernden
Erben, wobei im Fall einer Erbschaftsschenkung zusätzlich ein Schenkungssteuervorgang gegeben ist (verst Senat VwGH 90/16/0167 JBl 1993, 202); näher Werner Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts II 5 (2006) Rz 111. § 1282. Die Erbschaftsgläubiger und Vermächtnisnehmer aber können sich ihrer Befriedigung wegen sowohl an den Käufer der Erbschaft, als an den Erben selbst halten. Ihre Rechte, sowie jene der Erbschaftsschuldner werden durch den Verkauf der Erbschaft nicht geändert, und die Erbschaftsantretung des einen gilt auch für den andern. 1 Nach § 1282, der für das Außenverhältnis zwingend ist (Ehrenzweig,
System II/2, 605; Gschnitzer/Faistenberger, ErbR 110; Welser/R Rz 1), tritt in den Rechten der Erbschafts- und Erbfallsgläubiger keine Veränderung ein, doch haften ihnen Verkäufer und Käufer nach dem Inhalt der Erbantrittserklärung solidarisch. Wer von beiden die (beschränkte oder unbeschränkte) Erbantrittserklärung abgegeben hat, ist irrelevant (Welser/R Rz 1). Ändert allerdings der Käufer eine bedingte Erbantrittserklärung in eine unbedingte (dagegen Eccher, ErbR Rz 2/45), so bleibt es bei einer beschränkten Haftung des Verkäufers (Wolff/K V 1012 f; Welser/R Rz 1; aA Kralik, ErbR 56; differenzierend B. Jud, Erbschaftskauf 82, nach der auf die Inventarisierung abzustellen ist). Hat der Veräußerer Nachlassgläubiger befriedigt, so kann er sich mangels abweichender Vereinbarung beim Käufer regressieren (Kralik, ErbR 56). 2 Zur Haftung des Erbschaftskäufers bei Fortführung eines zum Nach-
lass gehörenden Unternehmens s § 40 UGB; zur Vorläuferbestim1416
Karner
Glücksverträge
§ 1283
mung des § 27 HGB G. Frotz, GedS Schönherr 343 ff; B. Jud, Erbschaftskauf 86 ff. Vor Einantwortung haben Erbschaftsschuldner an den Nachlass, 3 danach an den Erbschaftskäufer zu leisten, wobei der Schuldner dem Käufer Forderungen, die er gegen den Verkäufer persönlich erworben hat, nicht nach § 1395 entgegenhalten kann (Welser/R Rz 2; B. Jud, Erbschaftskauf 90 f; aA Binder/S Rz 5). Mangels Einantwortung befreit Leistung an den Verkäufer den Schuldner auch nicht in Analogie zu § 824 (Welser/R Rz 2). § 1283. Hat man bei dem Verkaufe der Erbschaft ein Inventarium zugrunde gelegt; so haftet der Verkäufer für dasselbe. Ist der Kauf ohne ein solches Verzeichnis geschehen; so haftet er für die Richtigkeit seines Erbrechtes, wie er es angegeben hat, und für allen dem Käufer durch sein Verschulden zugefügten Schaden. Wurde dem Kauf eine Aufstellung („Inventar“) zugrunde gelegt, so 1 hat der Verkäufer nach der – die §§ 922 ff modifizierenden – Gewährleistungsvorschrift des § 1283 in diesem Umfang für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Nachlasses einzustehen; ohne Inventar bezieht sich die Haftung nur auf die Richtigkeit des Erbrechts, also die Existenz der behaupteten Berechtigung (K/W II 582; B. Jud, Erbschaftskauf 58 ff). In diesem Fall ist der Erbschaftskauf ein Glücksgeschäft (Binder/S § 1278 Rz 5), dessen aleatorisches Element in der ungewissen Höhe des erhofften Vorteils, also dem Wert des Nachlasses, liegt (für Glücksgeschäft auch bei Inventarisierung B. Jud, Erbschaftskauf 47 f). Haben die Vertragsparteien das Bestehen des Erbrechts selbst für zweifelhaft gehalten, entfällt auch die Haftung für die Richtigkeit (GlU 4494; Ehrenzweig, System II/2, 607; Welser/R Rz 2). § 1283 ist dispositives Recht, weshalb die Haftung auch für die Rich- 2 tigkeit des Erbrechts ausgeschlossen (vgl Rz 1 aE) oder trotz Fehlens eines Inventars für Existenz und Mangelfreiheit bestimmter Sachen begründet werden kann (Welser/R Rz 3). Die Gewährleistungsbehelfe sind jene des § 932 (Wolff/K V 1014), wobei auch hier eine Haftung für verschuldeten Schaden unberührt bleibt (Welser/R Rz 5). Da ein Erbschaftskauf „in Pausch und Bogen“, also ohne Inventar, ein 3 Glücksgeschäft ist (Rz 1), kommt nach § 1268 das Rechtsmittel der laesio enormis nicht in Betracht (Welser/R Rz 2; aA Kralik, ErbR 56; B. Jud, Erbschaftskauf 48, nach denen eine Anfechtung nach § 934 auch bei Vorliegen eines Inventars ausscheidet). Karner
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Glücksverträge
§§ 1284–1286
4 Bei einer Erbschaftsschenkung wird nur für die wissentliche Ver-
äußerung eines nicht bestehenden Erbrechts gehaftet (Wolff/K 1008 f; Kralik, ErbR 56; Hofmann-Wellenhof, NZ 1984, 24; s § 945). 5. Leibrente; § 1284. Wird jemandem für Geld, oder gegen eine für Geld geschätzte Sache auf die Lebensdauer einer gewissen Person eine bestimmte jährliche Entrichtung versprochen; so ist es ein Leibrentenvertrag. § 1285. Die Dauer der Leibrente kann von dem Leben des einen oder andern Teiles, oder auch eines Dritten abhängen. Sie wird im Zweifel vierteljährig vorhinein entrichtet; und nimmt in allen Fällen mit dem Leben desjenigen, auf dessen Kopf sie beruht, ihr Ende. § 1286. Weder die Gläubiger, noch die Kinder desjenigen, welcher sich eine Leibrente bedingt, sind berechtigt, den Vertrag umzustoßen. Doch steht den erstern frei, ihre Befriedigung aus den Leibrenten zu suchen; den letztern aber, die Hinterlegung eines entbehrlichen Teiles der Rente zu fordern, um sich den ihnen nach dem Gesetze gebührenden Unterhalt darauf versichern zu lassen. 1 Beim Leibrentenvertrag verspricht ein Teil eine Leistung (zB Über-
gabe von Geld: § 1284; Liegenschaft: 5 Ob 508/95 EvBl 1996/64; Haus: 7 Ob 514/94 NZ 1994, 231 oder Unternehmen: 8 Ob 684/89 ecolex 1991, 386 Reich-Rohrwig) gegen Zusage einer lebenslangen Rente. Der Leibrentenvertrag ist ein entgeltliches Geschäft (K/W II 272; vgl auch 5 Ob 521/95 HS 26.685 und EvBl 1996/64: Leibrente als Kaufpreis, dazu Rz 3), wobei der Rentenverpflichtete idR sofort Eigentümer der Gegenleistung werden soll, doch ist auch die Vereinbarung einer Übergabe erst bei Tod des Rentenbegünstigten gültig (NZ 1994, 231). Unentgeltliche Leibrenten sind Schenkungen und unterliegen den dafür geltenden Bestimmungen (Ehrenzweig, System II/1, 567; K/W II 272), insb den Formvorschriften für Schenkungen ohne wirkliche Übergabe (§ 943; § 1 Abs 1 lit d NotAktsG) und den für die Anfechtung von unentgeltlichen Verfügungen geltenden Vorschriften (Krejci/R Rz 24). Zur gemischten Schenkung s SZ 27/222. 2 Die Leibrente – deren eigentlicher wirtschaftlicher Zweck in der Ver-
sorgung des Rentenberechtigten liegt – ist ein Glücksvertrag iwS (Krejci/R Rz 2), da beide Teile wegen des aleatorischen Elements der Unsicherheit der Lebensdauer das Risiko auf sich nehmen, keine entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Nur die Dauer, nicht aber die 1418
Karner
Glücksverträge
§§ 1284–1286
Höhe des Rentenbetrages ist ein Glücksgeschäft, weshalb ein Wegfall der Geschäftsgrundlage releviert werden kann (ecolex 1991, 386 Reich-Rohrwig); zur laesio enormis s Rz 9. Für jede vertragliche Zusicherung einer Leibrente gelten die §§ 1284 ff 3 (s EvBl 1964/2; SZ 45/112; HS 26.685), die grundsätzlich dispositives Recht sind (NZ 1994, 231). Die Rechtsnatur des Leibrentenvertrages richtet sich allerdings nach dem zugrunde liegenden Kausalverhältnis (EvBl 1964/2; SZ 45/112), wobei Kauf-, Tausch-, Werk-, Schenkungs- oder Versicherungsvertrag in Betracht kommen (9 Ob 134/00x immolex 2002, 84). So ist insb die Veräußerung von Liegenschaften, Unternehmen oder sonstigen Vermögenswerten gegen Rente (auch) als Kaufvertrag zu qualifizieren (SZ 25/328; JBl 1988, 108; ecolex 1991, 386 Reich-Rohrwig; EvBl 1996/64). Soweit die Vorschriften über den Leibrentenvertrag keine Sonderregeln enthalten, ist deshalb Kaufvertragsrecht anzuwenden (NZ 1994, 231; HS 26.685; 8 Ob 562/93 NZ 1994, 206). Leibrentenverträge sind grundsätzlich formfrei, doch unterliegen 4 Rentenvereinbarungen zwischen Ehegatten nach § 1 Abs 1 lit b NotAktsG der Notariatsaktpflicht. Der Umfang der Rente muss bestimmt sein (§ 1284), wobei Bestimm- 5 barkeit ausreicht (NZ 1994, 231: aus Untervermietung erzielbarer Betrag). Ist nach Parteiwillen und Umständen des Falles die Höhe der Rente am Bedarf des Berechtigten orientiert, so hat die Leibrente Unterhaltscharakter (EvBl 1956/126; JBl 1959, 412; 3 Ob 21/95 ÖBA 1995, 722), was für die Frage der Geldentwertung entscheidend ist: Während Unterhaltsschulden Geldwertschulden sind und somit eine Aufwertung zu erfolgen hat (s EvBl 1956/126; JBl 1959, 412: nur bei Unvorhersehbarkeit der Geldentwertung; ÖBA 1995, 722), wird der Rentenbegünstigte sonst bei einem Leibrentenvertrag nur durch die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel vor einer Inflation geschützt (näher Krejci/R Rz 14 ff). Die Leibrente ist im Zweifel vierteljährlich im Vorhinein zu entrichten 6 (§ 1285). Ihre Dauer kann sich nach dem Leben des Berechtigten, des Verpflichteten oder eines Dritten richten. Im Zweifel ist die Lebenszeit des Rentenempfängers maßgeblich (Ehrenzweig, System II/1, 564; Wolff/K V 1017; K/W II 272). Ist die Dauer der Rentenzahlung von vornherein festgelegt und bei 7 vorzeitigem Ableben des Berechtigten überdies ein Übergang des Forderungsrechts auf die Erben des Gläubigers vorgesehen, so liegt nicht Leibrente, sondern Ratenkauf vor (Apathy/Riedler, SR BT Rz 11/3). Karner
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Glücksverträge
§§ 1284–1286
8 Wird die Rente für einen Dritten ausbedungen, so liegt (auch) ein
Vertrag zugunsten Dritter vor (§ 881). 9 Obgleich bei Glücksverträgen laesio enormis gemäß § 1268 ausge-
schlossen ist, lässt die jüngere Rspr bei Leibrentenverträgen eine Anfechtung nach § 934 zu, wenn schon beim Vertragsabschluss feststeht, dass der Berechtigte auf Grund seines Alters weniger als die Hälfte des Wertes seiner Leistung vergütet erhalten wird (s 8 Ob 562/93 NZ 1994, 206; 1 Ob 515/94 SZ 67/99; 5 Ob 21/05g NZ 2006, 44). Während die Leitentscheidung NZ 1994, 206 dabei die absolute Höchstlebensdauer für maßgeblich hält, stellen die folgenden E zutreffend auf die (statistisch zu ermittelnde) mögliche Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung ab (SZ 67/99; 3 Ob 8/98t SZ 71/59; immolex 2002, 84). Nach SZ 71/59 ist dabei auch die konkrete Lebenserwartung des Rentenbegünstigten (Gesundheitszustand) zu berücksichtigen. § 1268 hindert auch nicht die Geltendmachung von Sittenwidrigkeit oder Wucher (SZ 24/306; 7 Ob 643, 644/89 JBl 1990, 802 Buchegger; NZ 1994, 206), doch macht eine bloße Äquivalenzdifferenz den Leibrentenvertrag noch nicht sittenwidrig (2 Ob 584/94 RdW 1995, 298); anders, wenn die auf 5 Jahre berechnete Rente bei einer 82-Jährigen nur ein Viertel des Liegenschaftswertes ausmacht (EvBl 1958/94). Ebenso können ein Wegfall der Geschäftsgrundlage (ecolex 1991, 386 Reich-Rohrwig: Änderung der Rechtslage) oder Willensmängel (Krejci/R Rz 26) geltend gemacht werden. Ein Rücktritt wegen Verzugs des Rentenpflichtigen nach § 918 kommt aber nur in Betracht, solange die Gegenleistung des Rentenbegünstigten nicht vollständig übergeben wurde (JBl 1988, 108; NZ 1994, 231), wobei bei Liegenschaften trotz faktischer Besitzüberlassung ein Rücktritt bis zur Verbücherung zugelassen wird (SZ 45/112; EvBl 1996/64; anders bei Übergabeverträgen [s Rz 11], bei denen mangels anderer Vereinbarung die Besitzeinräumung zählt: SZ 50/166). Auch eine Anfechtung nach KO oder AnfO ist möglich (Krejci/R Rz 29). 10 Die Leibrente kann auch als Reallast bestellt und dann im Grundbuch
eingetragen werden (NZ 1981, 35). 11 Vom Leibrentenvertrag ist das Ausgedinge zu unterscheiden, das idR
gemeinsam mit einem Übergabsvertrag vereinbart wird, dessen Gegenstand die Hofübergabe ist und der damit der lebzeitigen Vermögensabhandlung und der vorverlegten Erbfolge dient (s Gschnitzer/K IV/1, 237 ff). Das Ausgedinge soll den Lebensabend des Altbauern sichern und stellt eine Mischform aus Forderungsrechten, persönlichen Dienstbarkeiten und Reallasten dar (K/W I 433 f). Im Vordergrund steht die auf dem Bauerngut lastende dingliche Verpflichtung 1420
Karner
Glücksverträge
§§ 1288–1291
des Eigentümers des Gutes, dem früheren Eigentümer Natural-, Geld- und Dienstleistungen zum Zweck des Unterhalts zu gewähren (Krejci/R Rz 47). Das in jährlichen Leistungen bestehende Ausgedinge ist keine Leibrente, von dieser unterscheidet es insb die dingliche Beziehung zu einem Gut, doch kann das Ausgedinge auch eine Leibrente enthalten (Krejci/R Rz 49). 6. gesellschaftliche Versorgungsanstalten; § 1287. Der Vertrag, wodurch vermittelst einer Einlage ein gemeinschaftlicher Versorgungsfonds für die Mitglieder, ihre Gattinnen oder Waisen errichtet wird, ist aus der Natur und dem Zwecke einer solchen Anstalt, und den darüber festgesetzten Bedingungen, zu beurteilen. Für einen privatrechtlichen Versorgungsanspruch kommen unter- 1 schiedliche Rechtsgrundlagen in Betracht, so neben einer gesellschafts- oder vereinsrechtlichen Konzeption auch betriebliche Pensionskassen (vgl BPG und PKG). Sind die Versorgungsverträge Versicherungsverträge, ist das VersVG anzuwenden. 7. Versicherungsvertrag; § 1288. Wenn jemand die Gefahr des Schadens, welcher einen andern ohne dessen Verschulden treffen könnte, auf sich nimmt, und ihm gegen einen gewissen Preis den bedungenen Ersatz zu leisten verspricht; so entsteht der Versicherungsvertrag. Der Versicherer haftet dabei für den zufälligen Schaden, und der Versicherte für den versprochenen Preis. § 1289. Der gewöhnliche Gegenstand dieses Vertrages sind Waren, die zu Wasser oder zu Lande verführt werden. Es können aber auch andere Sachen, z.B. Häuser und Grundstücke gegen Feuer-, Wasser- und andere Gefahren versichert werden. § 1290. Ereignet sich der zufällige Schade, wofür die Entschädigung versichert worden ist; so muß der Versicherte, wenn kein unüberwindliches Hindernis dazwischen kommt, oder nichts anderes verabredet worden ist, dem Versicherer, wenn sie sich im nämlichen Orte befinden, binnen drei Tagen, sonst aber in derjenigen Zeitfrist davon Nachricht geben, welche zur Bekanntmachung der Annahme eines von einem Abwesenden gemachten Versprechens bestimmt worden ist (§ 862). Unterläßt er die Anzeige; kann er den Unfall nicht erweisen; oder kann der Versicherer Karner
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Glücksverträge
§ 1292
beweisen, daß der Schade aus Verschulden des Versicherten entstanden ist; so hat dieser auch keinen Anspruch auf die versicherte Summe. § 1291. Wenn der Untergang der Sache dem Versicherten; oder der gefahrlose Zustand derselben dem Versicherer zur Zeit des geschlossenen Vertrages schon bekannt war; so ist der Vertrag ungültig. 1 Die nähere Regelung des Versicherungsvertrages findet sich heute im
VersVG, wobei die jeweiligen AVB zu beachten sind. 8. Bodmerei- und Seeassekuranzen § 1292. Die Bestimmungen in Rücksicht der Versicherungen zur See; sowie die Vorschriften über den Bodmereivertrag sind ein Gegenstand der Seegesetze. 1 Die Bestimmungen über die Bodmerei (§§ 679–699 HGB) sind durch
das HaRÄG BGBl I 2005/120 aufgehoben worden, auf vor dem 1.1. 2007 vereinbarte Verbodmungen aber weiterhin anwendbar (§ 907 Abs 19 UGB); zur Seeversicherung – auf die das VersVG nach seinem § 186 nicht anwendbar ist – s die §§ 778 bis 905 UGB.
Dreißigstes Hauptstück Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugtuung Schade § 1293. Schade heißt jeder Nachteil, welcher jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu erwarten hat. Lit: Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung (1979); F. Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung nach deutschem und österreichischem Recht (1964); ders, Der Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl 1965, 173 und 237; ders, Der immaterielle Schaden in der österreichischen Rechtsentwicklung, FS von Caemmerer (1978) 785; GimpelHinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung (1994); Ch. Huber, Fragen der Schadensberechnung 2 (1995); Karner/Koziol, Der Ersatz ideellen Schadens im österreichischen Recht und seine Reform, GA für den 15. ÖJT II/1 (2003);
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Karner
Glücksverträge
§ 1292
beweisen, daß der Schade aus Verschulden des Versicherten entstanden ist; so hat dieser auch keinen Anspruch auf die versicherte Summe. § 1291. Wenn der Untergang der Sache dem Versicherten; oder der gefahrlose Zustand derselben dem Versicherer zur Zeit des geschlossenen Vertrages schon bekannt war; so ist der Vertrag ungültig. 1 Die nähere Regelung des Versicherungsvertrages findet sich heute im
VersVG, wobei die jeweiligen AVB zu beachten sind. 8. Bodmerei- und Seeassekuranzen § 1292. Die Bestimmungen in Rücksicht der Versicherungen zur See; sowie die Vorschriften über den Bodmereivertrag sind ein Gegenstand der Seegesetze. 1 Die Bestimmungen über die Bodmerei (§§ 679–699 HGB) sind durch
das HaRÄG BGBl I 2005/120 aufgehoben worden, auf vor dem 1.1. 2007 vereinbarte Verbodmungen aber weiterhin anwendbar (§ 907 Abs 19 UGB); zur Seeversicherung – auf die das VersVG nach seinem § 186 nicht anwendbar ist – s die §§ 778 bis 905 UGB.
Dreißigstes Hauptstück Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugtuung Schade § 1293. Schade heißt jeder Nachteil, welcher jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zu erwarten hat. Lit: Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung (1979); F. Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung nach deutschem und österreichischem Recht (1964); ders, Der Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl 1965, 173 und 237; ders, Der immaterielle Schaden in der österreichischen Rechtsentwicklung, FS von Caemmerer (1978) 785; GimpelHinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung (1994); Ch. Huber, Fragen der Schadensberechnung 2 (1995); Karner/Koziol, Der Ersatz ideellen Schadens im österreichischen Recht und seine Reform, GA für den 15. ÖJT II/1 (2003);
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Schadenersatz
§ 1293
Magnus, Einheitliches Schadenersatzrecht – Reformüberlegungen für das österreichische Haftpflichtrecht – GA für den 12. ÖJT II/1 (1994); Neuner, Interesse und Vermögensschaden, AcP 133 (1931) 277; Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung (1977); ders, Zukunftsperspektiven des österreichischen Schadenersatzrechts, in BMJ (Hrsg), Aktuelle Entwicklungen im Schadenersatzrecht (2002) 1; Schobel, Der Ersatz frustrierter Aufwendungen (2003); Strasser, Der immaterielle Schaden im österreichischen Recht (1964); Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts (1941). Übersicht I. II. III. IV. V. VI. VII.
Realer und rechnerischer Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Materielle und ideelle Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Positiver Schaden und entgangener Gewinn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Schadensberechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Vertrauensschaden und Nichterfüllungsschaden. . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Frustrierte Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Sonstige Schadensfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
I. Realer und rechnerischer Schaden Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst sowohl den realen als 1 auch den rechnerischen Schaden. Der reale Schaden als tatsächliche negative Beeinträchtigung eines Rechtsgutes bildet den Ansatzpunkt für die Naturalherstellung (§ 1323), die dem Integritätsinteresse des Geschädigten dient. Soweit möglich und tunlich gebührt Naturalherstellung sowohl bei materiellen als auch bei immateriellen Nachteilen (Karner/Koziol, Ideeller Schaden 13 f). Der rechnerische Schaden ist maßgeblich, wenn der Schaden in Geld bemessen wird. II. Materielle und ideelle Schäden § 1293 erfasst sowohl Vermögensschäden, also Nachteile an geld- 2 werten Gütern, als auch ideelle Schäden, das sind Nachteile, die nicht direkt im Anschluss an reale Marktvorgänge in Vermögenskategorien erfasst werden können. Anders als bei Naturalherstellung (Rz 1) kommt dieser Unterscheidung beim Geldersatz erhebliche Bedeutung zu: Soweit das Gesetz nichts anderes anordnet (insb Schmerzengeld bei Körperverletzung, § 1325), gebührt ein Ausgleich ideeller Schäden nach der allgemeinen Regel der §§ 1323, 1324 nur bei grobem Verschulden (F. Bydlinski, JBl 1965, 247; Karner/Koziol, Ideeller Schaden 17 ff); restriktiver die Rspr, die den Ersatz seit GlUNF 4185 grundsätzlich auf ausdrücklich geregelte Fälle beschränkt; zu Recht weiter gehend die Judikatur in den Trauerschmerzfällen (2 Ob 84/01v ZVR 2001/73 Karner ua), s dazu § 1325 Rz 29. Karner
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Schadenersatz
§ 1293
III. Positiver Schaden und entgangener Gewinn 3 Beim Vermögensschaden unterscheidet das ABGB zwischen posi-
tivem Schaden und entgangenem Gewinn: Bei leichter Fahrlässigkeit ist nur der positive Schaden zu ersetzen, der entgangene Gewinn gebührt nach den §§ 1323, 1324 erst ab grobem Verschulden (grobe Fahrlässigkeit, Vorsatz). Mit diesem gegliederten Schadensbegriff berücksichtigt das Gesetz – wenn auch in schematischer Weise – die Schwere des Zurechnungsgrundes beim Umfang des Ersatzes (Wilburg, Elemente 249 f; Koziol, HPR I3 Rz 1/16). Anders § 349 UGB, wonach unter Unternehmern – also bei beidseitig unternehmensbezogenen Geschäften – schon bei leichter Fahrlässigkeit auch Ersatz des entgangenen Gewinns zusteht (dazu Schauer, ÖJZ 2006, 73). Das UGB folgt damit dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“, wie es auch im deutschen Recht verankert ist (§ 252 BGB). 4 Positiver Schaden ist die Minderung eines schon vorhandenen Ver-
mögensgutes, zB Zerstörung einer Sache, Entzug eines Forderungsrechtes; ebenso das Entstehen einer Verbindlichkeit (Koziol, HPR I3 Rz 2/36; JBl 1987, 723; SZ 61/280; auch bei Vermögenslosen: 3 Ob 34/97i SZ 71/108; dazu B. A. Oberhofer, ÖJZ 1995, 180 ff) sowie ein Aufwand, den der Geschädigte auf Grund eines Schadensereignisses tätigen muss, dazu Rz 7. Entgangener Gewinn ist die Verhinderung einer Vermögensvermehrung, also der Verlust bloßer Gewinnaussichten. 5 Der Verlust einer Erwerbschance ist positiver Schaden, wenn der
Geschädigte schon eine rechtlich gesicherte Position hat (Vertrag, bindende Offerte) oder sie einen gegenwärtigen Vermögenswert darstellt, so die Erwerbsfähigkeit (Rz 6); näher Koziol, HPR I3 Rz 2/37 ff. Die Rspr meint, dass ein positiver Schaden schon dann vorliege, wenn eine Gewinnchance im Verkehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne (1 Ob 15/92 SZ 65/94; 1 Ob 20/94 ÖBA 1996, 549 Rebhahn = ecolex 1996, 168 Graf; verst Senat 1 Ob 315/97y SZ 71/56: jeweils marktübliche Verzinsung als positiver Schaden; vgl dazu noch Rz 6). Eine derart weite Formel birgt allerdings die Gefahr einer Aushöhlung des vom Gesetz vorgegebenen gegliederten Schadensbegriffes (krit Koziol, HPR I3 Rz 2/38; vgl aber Harrer/S Rz 11 ff). Als positiver Schaden angesehen wurde zB der Verlust einer Alterspension wegen Nichtanmeldung (SZ 50/29) oder einer zu erwartenden Prämienherabsetzung: „Bonusverlust“ (Welser, ZVR-Sonderheft 1978, 39 f; JBl 1987, 723). 6 Da die Erwerbsfähigkeit ein selbständiges gegenwärtiges Gut ist, ist
ihre Beeinträchtigung positiver Schaden (nicht hingegen eine beson1424
Karner
Schadenersatz
§ 1293
dere subjektive Erwerbsmöglichkeit, s Koziol, HPR I3 Rz 2/42 f; 2 Ob 270/98i JBl 1999, 183: Gewinnmöglichkeit durch Gesellschaftsbeitritt). Künftige Früchte haben hingegen keinen selbständigen Vermögenswert, weil sie bei der Bewertung der Muttersache mitberücksichtigt werden; vgl 8 Ob 561/92 ecolex 1993, 381, aA Mayrhofer, SR AT 317 f; EvBl 1978/190; näher Koziol, HPR I3 2/44 ff; zum Ersatz von Zinsen s aber verst Senat SZ 71/56, dazu Honsell, wbl 1999, 97 ff; Rebhahn, ÖBA 1999, 441 ff. Der Verlust eines rechtlich gesicherten Veräußerungsgewinnes ist zwar positiver Schaden, bei objektiv abstrakter Berechnung (Rz 8) aber schon im gemeinen Wert enthalten und daher nicht selbständig ersatzfähig (Koziol, HPR I3 Rz 2/54; aA ZVR 1961/80; 8 Ob 533/91 ecolex 1993, 452). Ebenso ist der bloße Gebrauchsentgang schon im Substanzwert der Sache enthalten und daher nicht gesondert zu ersetzen (F. Bydlinski, JBl 1966, 439 ff; SZ 42/33; 2 Ob 26/93 JBl 1994, 121; 1 Ob 331/98b ecolex 1999, 463; zu fiktiven Mietwagenkosten Rz 7). Entsprechendes gilt auch für eine Betriebsstörung durch Beschädigung von Produktionsmitteln oder eines Kfz (Koziol, HPR I3 Rz 2/40 f; ZBl 1936/337; aA SZ 29/43; ZVR 1980/15). Aufwendungen zur Schadensbeseitigung sind positiver Schaden, 7 daher schon bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen und stets subjektivkonkret zu berechnen (grundlegend Apathy, Aufwendungen 44 ff, 92 ff); für eine beschränkt abstrakte Berechnung bei Einsatz eigener Ressourcen zutr Ch. Huber, Schadensberechnung 194 ff, 200 f, 247 ff; zu den Reservehaltungskosten § 1323 Rz 18. Richtiger Auffassung nach sind Aufwendungen nur zu ersetzen, wenn sie tatsächlich getätigt wurden, da nur dann ein ersatzfähiges Integritätsinteresse besteht. Es gebühren deshalb keine fiktiven Mietwagenkosten (Koziol, HPR I3 Rz 2/108; SZ 42/33) und auch keine fiktiven Reparaturkosten (Koziol, HPR I3 Rz 9/11; in der Begründung, nicht aber im Ergebnis anders die jüngere Rspr, s § 1323 Rz 10 ff). Positiver Schaden ist auch der Rettungsaufwand zur Gefahrenabwehr oder Verhinderung einer Schadensvergrößerung (Reischauer/R Rz 10; 1 Ob 5/92 JBl 1993, 532 Kerschner; 4 Ob 31/94 SZ 67/35; zu Nachforschungs- und Detektivkosten 9 ObA 129/05v EvBl 2006/167 und § 90 Rz 9). IV. Schadensberechnung Der positive Schaden kann bei Zerstörung eines Rechtsgutes objek- 8 tiv-abstrakt berechnet werden: Dem Rechtsfortwirkungsgedanken (Neuner, AcP 133, 290 ff; Wilburg, JherJB 82, 130 f) entsprechend tritt an Stelle des verletzten Gutes ein Schadenersatzanspruch in Höhe des gemeinen Wertes; s F. Bydlinski, JBl 1966, 439 ff; ders, SchadensverKarner
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Schadenersatz
§ 1293
ursachung 28 ff; Koziol, HPR I3 Rz 2/56 ff, 10/14 ff; aA etwa Reischauer/R § 1323 Rz 3 f und § 1332 Rz 11 f (nur Berechnungshilfe). Als Mindestschadenersatz dient die objektiv-abstrakte Berechnung zugleich der Prävention, s F. Bydlinski, System 191 ff. Zur abstrakten Rente s § 1325 Rz 21. 9 Bei grobem Verschulden ist das Interesse (positiver Schaden und ent-
gangener Gewinn) subjektiv-konkret zu berechnen und zwar durch einen Gesamtvermögensvergleich mittels der Differenzmethode: Das zu leistende Interesse besteht in der Differenz zwischen dem Vermögen des Geschädigten, wie es ohne schädigendes Ereignis bestünde, und dem Vermögensstand, wie er tatsächlich gegeben ist (Koziol, HPR I3 Rz 10/30 ff). Zur Vorteilsanrechnung § 1295 Rz 16. 10 Da der Vorwurf des groben Verschuldens auch die leichte Fahrlässig-
keit mitumfasst, hat der Geschädigte ein Wahlrecht und kann statt dem Interesse auch den Ersatz des objektiven Schadens fordern (Fröhlich, ZBl 1931, 545; Wilburg, JherJB 82, 127 f; F. Bydlinski, Schadensverursachung 29; Koziol, HPR I3 Rz 2/76; 1 Ob 701/89 JBl 1990, 718 Ch. Huber). V. Vertrauensschaden und Nichterfüllungsschaden 11 Im Bereich vorvertraglicher und vertraglicher Haftung sind Ver-
trauensschaden und Nichterfüllungsschaden zu unterscheiden. Bei Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung einer gültig entstandenen Leistungspflicht gebührt dem Geschädigten das Erfüllungsinteresse, er ist also so zu stellen, wie wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (vgl §§ 920, 921; § 933a; Ch. Rabl, Schadenersatz wegen Nichterfüllung, 1998; B. Jud, Schadenersatz bei mangelhafter Leistung, 2003). Der Vertrauensschaden ist jener Schaden, der dadurch entsteht, dass jemand auf die Gültigkeit einer Erklärung oder das Zustandekommen eines Vertrages vertraut, obgleich die Erklärung ungültig ist oder der Vertrag nicht zustande kommt. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie wenn er nicht vertraut hätte. Gleiches gilt bei anfänglicher Unmöglichkeit (§ 878, s K/W I 172 ff) oder einem ursprünglichen und unbehebbaren Mangel (Welser, JBl 1976, 129 f, 134; 6 Ob 531/91 ecolex 1992, 628 Wilhelm; 6 Ob 138/98g RdW 1999, 17); zur Haftung des Scheinvertreters s § 1019. Typische Vertrauensschäden (dazu Welser, Vertretung 129 f; ders, FS Wagner, 1987, 380) sind nutzlose Aufwendungen zur Vorbereitung oder Abwicklung des Geschäftes (vgl JBl 1985, 625 krit Iro: Rückzahlung des Entgelts), versäumte anderweitige Abschlussmöglichkeiten (vgl SZ 62/187: Versicherungsdeckung; 8 Ob 514/90 EvBl 1991/101) oder die Kosten für die Durchsetzung des vermeintlich bestehenden Anspruches (JBl 1978, 1426
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Schadenersatz
§ 1293
32). Soweit es dabei um das Risiko einer Fehlspekulation geht, ist der Vertrauensschaden mit dem hypothetischen Erfüllungsinteresse begrenzt, also etwa bei versäumten Abschlussmöglichkeiten, nicht aber bei nutzloser Rechtsverfolgung (Welser, Vertretung 138 ff, 141, 144 ff; ders, ÖJZ 1973, 287 f; offen lassend SZ 46/22). Ausnahmsweise kann die Verletzung vorvertraglicher Pflichten für den Nichterfüllungsschaden kausal sein, nämlich dann, wenn bei rechtmäßigem Verhalten (insb Aufklärung) ein Vertrag zustande gekommen wäre; in solchen Fällen gebührt dem Geschädigten – sofern nicht Schutzzwecküberlegungen entgegenstehen – das Erfüllungsinteresse (s Koziol, HPR I3 Rz 2/91 ff). War das Fehlverhalten des Schädigers sowohl für den Vertrauensschaden als auch den Nichterfüllungsschaden kausal, so hat der Geschädigte ein Wahlrecht, dem insb wegen der Beweislast praktische Bedeutung zukommt; vgl 6 Ob 572/95 JBl 1996, 177; dazu näher Koziol, RdW 1993, 354 ff. Soweit nicht § 349 UGB anwendbar ist, richtet sich der Umfang des Ersatzes sowohl bei Vertrauens- als auch bei Nichterfüllungsschäden nach den §§ 1323, 1324; entgangener Gewinn gebührt also jeweils nur bei grobem Verschulden (dazu Rz 3). Bei schuldhafter Verletzung des Vergaberechts gebühren einem über- 12 gangenen (Best-)Bieter bzw Bewerber die Kosten der Angebotsstellung und Teilnahme (§ 338 Abs 1 S 1 BVergG), wobei ein Ersatz solcher Vertrauensschäden nur ausgeschlossen ist, wenn „keine echte Chance“ auf Zuschlag bestand (näher Rummel, ÖZW 1999, 10; ders in Griller/ Holoubek, Grundfragen des Bundesvergabegesetzes 2002, 2004, 460; vgl auch 7 Ob 148/01t RPA 2001, 145 Pock = ZVB 2001, 143 Sturm). Auch einem chancenlosen Unternehmer gebührt Ersatz, wenn er bei rechtskonformer Ausschreibung nicht teilgenommen hätte (Rummel, ÖZW 1999, 12; jüngst etwa 5 Ob 49/05z SZ 2005/83 mwN). Durch § 338 Abs 1 S 2 BVergG ist klargestellt, dass auch der Nichterfüllungsschaden ersatzfähig ist (Erl 1171 BlgNR 22. GP 145), was die Rspr schon bisher bejahte (7 Ob 92/99a SZ 73/62 ua; zuletzt SZ 2005/83 mwN; näher R. Madl/Hauck in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht², 2005, 645 ff; Reinbacher, Schadenersatz im Vergaberecht, 2002, 87 ff). Der Nichterfüllungsschaden gebührt nur alternativ zum Vertrauensschaden (stRspr seit SZ 73/62; Iro, RdW 1998, 719; Rummel/Lux in Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht 8/3, 2003, 104; aA Öhler/Schramm, ZVB 2002, 14 f). Zum rechtswidrigen Widerruf einer Ausschreibung Sturm, RPA 2004, 6 ff. VI. Frustrierte Aufwendungen Anders als bei jenen nutzlosen Aufwendungen, die als Vertrauens- 13 schaden zu ersetzen sind (Rz 11), wird bei den sog frustrierten AufKarner
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wendungen nicht die Aufwendung selbst durch das Schadensereignis verursacht, sondern der Zweck der Aufwendung vereitelt, wodurch diese wertlos wird. Gegen einen Ersatz spricht nicht fehlende Kausalität, da immerhin der Frustrationsschaden verursacht wurde (vgl Reischauer/R Rz 11), sondern die Gefahr einer unabsehbaren Haftungsausuferung (vgl Koziol, HPR I3 Rz 2/122 f). Wo diese nicht droht, gebührt auch nach der Rspr Ersatz, so für nutzlos gewordene Steuer, Versicherung und Garagenmiete bei Beschädigung eines Kfz (ZVR 1965/114), nicht aber für vergeudete Campingwagenmiete (SZ 60/102) oder frustrierte Fahrschulkosten (ZVR 1978/264) infolge einer Körperverletzung; überzeugend zum Problemkreis Schobel, Der Ersatz frustrierter Aufwendungen, 2003. VII. Sonstige Schadensfälle 14 Bei unerwünschter Geburt besteht Einigkeit, dass das (behinderte)
Kind keinen Schaden darstellt; anderes könnte für den Unterhaltsaufwand gelten. Während die Rspr bei Täuschung über die Empfängnismöglichkeit einen Ersatzanspruch ablehnt (2 Ob 557/93 SZ 67/17; dazu Lanczmann, JAP 1994/1995, 192 ff), wird bei mangelnder Aufklärung über eine Behinderung des Kindes nicht nur eine Ersatzpflicht in Höhe des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwandes bejaht (s 1 Ob 91/99k SZ 72/91 = RdM 1999, 177 Kopetzki; dazu Ch. Hirsch, RdM 1999, 163 ff und Rebhahn, JBl 2000, 265 ff; vgl auch 6 Ob 303/02f JBl 2004, 311 Bernat = RdM 2004, 50 Kletecˇka = VR 2004, 118 B. Steininger), sondern der gesamte Unterhalt zugesprochen (5 Ob 165/05h EF-Z 2006, 53 Bernat = FamZ 2006, 63 Neumayr; dazu Rebhahn, Zak 2006, 206). Hingegen wird bei Geburt eines gesunden Kindes ein Ersatz grundsätzlich abgelehnt, doch könnte anderes bei einer existenziellen Notlage gelten (6 Ob 101/06f EvBl 2006/171 B. Steininger = EF-Z 2006, 131 M. Leitner = FamZ 2006, 198 Neumayr: fehlgeschlagene Vasektomie; dazu Kletecˇka, Zak 2006, 343 ff; Wilhelm, ecolex 2006, 793); weiterführend F. Bydlinski in Magnus/Spier, European Tort Law (2000) 29 ff; Ch. Hirsch, Arzthaftung bei fehlgeschlagener Familienplanung (2002); Koziol, HPR I3 Rz 2/22 ff; weiters Engel, ÖJZ 1999, 621 ff; zur Deckung derartiger Ansprüche durch die Arzthaftpflichtversicherung Fenyves/Ch. Hirsch, RdM 2000, 10 ff. 15 Zur Haftung für Terrorschäden s Koziol, VR 2002, 71 ff und 225 ff;
B.A. Koch, Terrorism, Tort Law and Insurance (2004); zu Raucherschäden P. Bydlinski, ÖJZ 1997, 378 ff; M. Leitner, ÖJZ 2004, 93 ff; Arbeithuber, ÖJZ 2005, 649 ff; Kissich, Zak 2006, 46 ff; zum Doping Markowetz, ÖJZ 2004, 401 ff. 1428
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Schadenersatz
§ 1294 Quellen der Beschädigung
§ 1294. Der Schade entspringt entweder aus einer widerrechtlichen Handlung, oder Unterlassung eines andern; oder aus einem Zufalle. Die widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkürlich, oder unwillkürlich zugefügt. Die willkürliche Beschädigung aber gründet sich teils in einer bösen Absicht, wenn der Schade mit Wissen und Willen; teils in einem Versehen, wenn er aus schuldbarer Unwissenheit, oder aus Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit, oder des gehörigen Fleißes verursacht worden ist. Beides wird ein Verschulden genannt. Lit: Koziol, Rechtswidrigkeit, bewegliches System und Rechtsangleichung, JBl 1998, 619.
I. Handlungsbegriff Grundvoraussetzung der Verschuldenshaftung ist eine rechtswidrige 1 und schuldhafte Handlung des Schädigers, während der Zufall nach § 1311 S 1 in die Sphäre des Geschädigten fällt und von diesem zu tragen ist. Nach modernem Verständnis ist eine Handlung jedes menschliche Tun, das vom Willen beherrschbar ist und deshalb einem Menschen zugerechnet werden kann, nicht also etwa Bewegungen auf Grund eines unkontrollierbaren Reflexes oder im Schlaf (Larenz/ Canaris, SchuldR II/213 § 75 II 1; Harrer/S Rz 2 f). Auch Kleinkinder und Geisteskranke können im deliktsrechtlichen Sinne handeln, die Problematik ihrer Verantwortlichkeit (§ 1310) liegt auf der Ebene des Verschuldens (Larenz/Canaris, SchuldR II/213 § 75 II 1; einschränkend Harrer/S Rz 4; ders, JBl 1996, 391, der als „gewisse Mindestvoraussetzung“ auf die „Fähigkeit zum anders Handeln“ abstellen will). Der Handlung stellt das Gesetz die Unterlassung gleich, wenn eine Pflicht zur Schadensabwehr besteht, dazu Rz 6. II. Rechtswidrigkeit Da nur der Mensch Adressat von Rechtsnormen ist, kann nur ein 2 menschliches Verhalten, nicht ein Erfolg als rechtswidrig beurteilt werden. Es ist deshalb von der Verhaltensunrechtslehre auszugehen (Koziol, HPR I3 Rz 4/2; Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/15). Dem Erfolgsunrecht, das bei der Rechtswidrigkeitsbeurteilung vom 3 Handlungserfolg ausgeht, kommt für das Notwehrrecht und die verschuldensunabhängigen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Bedeutung zu (vgl Reischauer/R Rz 9; E. Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht, 2006, 207 ff). Solche Abwehrrechte bestehen schon bei tatbestandsmäßiger Gefährdung oder Verletzung Karner
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§ 1294
von rechtlich geschützten Bereichen (Koziol, HPR I3 Rz 4/10 ff). Trotz Verschuldensunabhängigkeit scheidet ein Unterlassungsanspruch nach der Rspr allerdings bei Handlungsunfähigkeit des Störers aus, s 7 Ob 150/97b ecolex 1998, 124 Rubin (Verletzung der Privatsphäre wegen Liebeswahn); dazu Ch. Hirsch, JBl 1998, 541 ff. 4 Rechtswidrig ist ein Verhalten, das objektiv sorgfaltswidrig ist, wo-
bei Maßstab für das Unwerturteil die gesamte Rechtsordnung ist. Soweit wegen der abstrakten Gefährlichkeit einer Handlungsweise nicht ohnedies konkrete Verhaltensvorschriften bestehen (Schutzgesetze iSd § 1311), kann sich die Rechtswidrigkeit im deliktischen Bereich aus einer sittenwidrigen Schädigung (§ 1295 Abs 2) sowie der Beeinträchtigung absolut geschützter Güter (Persönlichkeitsrechte, Eigentum und beschränkte dingliche Rechte, rechtlicher Besitz iSd § 372, Immaterialgüterrechte, Rechtszuständigkeit; s dazu Koziol, HPR II 2 5 ff, 22 ff, 27 ff, 43) ergeben. Der Eingriff in ein absolut geschütztes Gut indiziert die Rechtswidrigkeit nur, deren Feststellung erfordert eine umfassende Interessenabwägung (SZ 61/270; 4 Ob 524/92 ZVR 1992/177; 3 Ob 501/94 JBl 1995, 658 Karollus-Bruner); maßgebliche Kriterien sind dabei der Rang des betroffenen Rechtsgutes, die Gefährlichkeit des Verhaltens, die Zumutbarkeit der statuierten Verhaltenspflichten sowie das Interesse an allgemeiner Bewegungsfreiheit, s Koziol, HPR I3 Rz 4/28 ff. Deshalb ist etwa die Ausübung gefährlicher Sportarten auch im Fall einer Schadenszufügung nicht stets, sondern nur dann rechtswidrig, wenn die zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und sich nicht bloß das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko verwirklicht bzw lediglich ein typischer, praktisch unvermeidlicher Verstoß gegen die Sportregeln vorliegt (Reischauer/R § 1297 Rz 8; auf ein echtes Handeln auf eigene Gefahr stellt Koziol, HPR I3 Rz 4/38 f ab; ebenso zB schon SZ 54/133 und 6 Ob 220/04b JBl 2005, 380; näher Seebacher, Haftungsfragen bei Körperverletzung im Sport, 1997; Gschöpf, Haftung bei Verstoß gegen Sportregeln, 2000, 85 ff; Kletecˇka in Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht, Sport und Recht, 2005, 105 ff; Hinteregger/Reissner, Sport und Haftung, 2006; Eishockey: JBl 1988, 114; Eislaufen: 6 Ob 76/05b JBl 2006, 249 Resch; Fußball: SZ 60/176; 2 Ob 571/94 JBl 1996, 786 Sprung; 3 Ob 81/06t Zak 2007, 56; Judo: 2 Ob 109/03y JBl 2005, 313; dazu ausf Höllwerth, JBl 2006, 568 ff; Motorsport: ZVR 1984/92; vgl auch 2 Ob 149/97v JBl 1997, 734 Apathy: Verletzung eines Zusehers; Paragleiten-Tandemflug: 2 Ob 277/05g ZVR 2006/124 Danzl [Aufklärungspflicht des Veranstalters bei Risikosport]; Schifahren: SZ 44/178; SZ 61/201; 3 Ob 309/97f JBl 1998, 450; Welser in Sprung/König, Das österreichische Schirecht, 1977, 1430
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439 ff; Gschöpf, aaO 108 ff; Segelregatta: 2 Ob 42/95 SZ 68/141; Springreiten: 7 Ob 674/90 JBl 1992, 44; Tennis: SZ 51/89; Volleyball: 3 Ob 91/06p Zak 2006, 297; s auch 3 Ob 221/02z ZVR 2004/45: therapeutisches Rollenspiel; 2 Ob 207/00f ZVR 2001/95: „Balgerei“; 6 Ob 220/04b JBl 2005, 380: „freundschaftliches Gerangel“). Bei Sonderverbindungen ergibt sich die Rechtswidrigkeit aus der 5 Verletzung gesetzlicher, insb vorvertraglicher oder rechtsgeschäftlicher, vertraglich begründeter Verpflichtungen (Schutz-, Sorgfalts-, Aufklärungspflichten in contrahendo; Haupt- und Nebenleistungspflichten), wobei auch bei einer Vertragsverletzung nicht schon die Nichterfüllung, sondern erst die Sorgfaltswidrigkeit das Unwerturteil begründet (Koziol, HPR I3 Rz 4/15 und 40 mwN). Culpa in contrahendo setzt die Verletzung vorvertraglicher Schutz-, Sorgfaltsoder Aufklärungspflichten voraus. Diese entstehen ex lege (§ 859) schon mit der Aufnahme eines geschäftlichen Kontaktes (Welser, Vertretung 81 ff; s JBl 1979, 654; ZVR 1984/140; für den öffentlich-rechtlichen Bereich 1 Ob 5/91 JBl 1991, 586: Sturz in Amtsgebäude), unterliegen hinsichtlich des Ersatzes reiner Vermögensschäden, der Gehilfenzurechnung und Beweislast demselben strengen Regime wie die Verletzung vertraglicher Pflichten (s § 1295 Rz 1) und dienen der Wahrung einer funktionstüchtigen Rechtsgeschäftsordnung (Welser, Vertretung 73 ff); zur Verwendung gesetzwidriger Klauseln s § 1299 Rz 7. Die vorvertraglichen Pflichten entsprechen – mit Ausnahme der (noch) nicht bestehenden vertraglichen Leistungspflichten – jenen nach Abschluss eines Vertrages und sind von dessen Zustandekommen und Gültigkeit unabhängig (s Canaris, JZ 1965, 475 ff). Bei ihrer Verletzung ist regelmäßig der Vertrauensschaden zu ersetzen, s § 1293 Rz 11. Eine Unterlassung ist nur rechtswidrig, wenn jemand zur aktiven 6 Schadensabwehr verpflichtet ist. Eine solche Pflicht zum Handeln kann sich aus (vor-)vertraglichen Pflichten ergeben, während im deliktischen Bereich – also bei der Haftung gegenüber jedermann – keine allgemeine Schadensverhinderungspflicht besteht (Koziol, HPR I3 Rz 4/60; SZ 39/170; SZ 59/7; 4 Ob 170/93 wbl 1994, 210). Eine Unterlassung ist hier nur aus besonderen Gründen rechtswidrig, insb bei Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht: So muss jeder, der einen Verkehr eröffnet, die Verkehrsteilnehmer im Rahmen des Zumutbaren schützen und vor Gefahren warnen (s § 1319a; zur Vertragshaftung 2 Ob 583/93 ZVR 1995/130: Schihütte/Bewirtungsvertrag; 2 Ob 33/01v JBl 2001, 453: Vignettenmaut). Entsprechendes gilt, wenn jemand eine Gefahrenquelle schafft oder in seinem Bereich bestehen lässt; er hat dafür zu sorgen, dass niemand Schaden erleidet (SZ Karner
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60/256: Großveranstaltung/Erstlandung Concorde; 1 Ob 42/90 SZ 64/23: Abbauarbeiten/Felssturz; 2 Ob 34/95 ZVR 1996/11: Glatteisbildung durch Betreiben eines LKW-Abstellplatzes; 2 Ob 94/95 ZVR 1997/17: Baugrube; 2 Ob 2171/96w ZVR 1999/61: Straßenbauarbeiten; 3 Ob 35/98p ZVR 1998/143: Absicherung landwirtschaftlicher Geräte/Verletzung von Kindern). Ein strenger Maßstab gilt, wenn zu erwarten ist, dass Kinder in den Gefahrenbereich gelangen (5 Ob 595/89 JBl 1990, 113; 5 Ob 3/02f EF 100.731). Auch Schipisten sind von ungewöhnlichen Hindernissen zu befreien und gegen atypische Gefahren abzusichern, wobei entsprechende Pflichten regelmäßig schon vertraglich begründet sind, s auch § 1319a Rz 4 (SZ 50/73; 2 Ob 501/93 SZ 66/16: Abpolsterung von Fangnetzen; 4 Ob 531/92 ZVR 1993/97: nicht bei gut sichtbarer Markierungsstange; 1 Ob 75/00m ZVR 2000/95 König = JBl 2001, 104 J. Pichler sowie Reischauer, JBl 2001, 131 ff: Pistenrand; 1 Ob 77/03k ZVR 2004/112 König: Schlauch zu Schneekanone; 1 Ob 520/93 ZVR 1994/38: Beschaffenheit einer Schirennstrecke, zu dieser E Kletecˇka, ZfRV 1994, 232 ff; 1 Ob 309/97s ZVR 1998/141: Geschwindigkeitsmessstrecke/vereister Schneewall; 7 Ob 314/97w ZVR 1999/10: Absperrung bei Schirennen; 8 Ob 164/00a ZVR 2002/10: Pflichten nach Ende eines Schirennens; 8 Ob 58/06x ZVR 2007/29 Thöny: Trainingsstrecke; näher Welser in Sprung/ König, Schirecht 385 ff; J. Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts, 1987, 23 ff; J. Pichler, FS Dittrich, 2000, 619 ff; Reindl/Stabentheiner/Dittrich, ZVR 2006, 549 ff). Eine Zuschauertribüne ist vor verschossenen Bällen zu sichern (7 Ob 2415/96i ZVR 1998/91; s auch SZ 57/57: Eishockey-Puck). Bei einer der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Fitnessanlage müssen – wiederum schon auf Grund des Deliktsrechtes – bei bestimmungsgemäßer Benützung Gefahren ausgeschlossen sein (JBl 1980, 590); hingegen besteht keine Haftung, wenn jemand verletzt wird, weil er auf erkennbar nicht verankerten, transportablen Fußballtoren Klimmzüge macht (4 Ob 280/00f EvBl 2001/67). Auch Waffen sind stets so zu verwahren, dass sie dem Zugriff unbefugter Benutzer entzogen sind (SZ 44/8). Auf Grund einer allgemeinen Interessenabwägung ist eine die Allgemeinheit treffende Pflicht zum Handeln überdies stets dann anzunehmen, wenn jemand die Gefahr einer sehr schweren Beeinträchtigung fremder Güter leicht und ohne eigene Gefährdung abwenden kann (Koziol, HPR I3 Rz 4/61); zur Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen vgl Mayer-Maly, ZVR 1977, 100. Zur Verpflichtung von Behörden, Gefahrenquellen zu beseitigen, s 1 Ob 7/89 JBl 1991, 172 Rebhahn (Verwahrungshaft bei Morddrohung); 1 Ob 25/93 RdU 1995, 37 Kerschner (Überprüfung von Auflagen); 1 Ob 285/04z RdU-LSK 2005/52 (keine Pflicht, Jahrtausendhochwasser zu verhindern; vgl auch Kletecˇka, 1432
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FS Rechberger, 2005, 263 ff); umfassend Rebhahn, Staatshaftung wegen mangelnder Gefahrenabwehr (1997). Zur Haftung bei eigenmächtigem Eindringen in einen fremden (Gefahren-) Bereich s Koziol, HPR II 2 62 f; EvBl 2001/67; ZVR 2002/10; 10 Ob 237/02d bbl 2004, 203; zur unerlaubten Wegbenutzung § 1319a Rz 3. III. Verschulden Beim Verschulden geht es um die persönliche Vorwerfbarkeit des 7 rechtswidrigen Verhaltens, also um ein Urteil über den konkreten Täter (K/W II 318 f): Schuldhaft handelt, wer ein Verhalten setzt, das er hätte vermeiden sollen und auch hätte vermeiden können. Maßgeblich sind insofern die subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse, wobei die Vermutung des § 1297 zu beachten ist, s dort Rz 2. Im Hinblick auf Aufmerksamkeit und Fleiß ist nach den §§ 1294, 1297 stets ein objektiver Maßstab anzulegen (Koziol, HPR I3 Rz 5/35; Mayrhofer, SR AT 295). Zur Objektivierung bei Sachverständigen s § 1299. Zur Schädigung durch Deliktsunfähige §§ 1308 ff. Das Verschulden muss sich grundsätzlich nur auf den Eintritt des 8 „ersten“ Schadens, nicht aber auf Folgeschäden beziehen (F. Bydlinski, JBl 1958, 2; Karollus, Schutzgesetzverletzung 278 ff; Koziol, HPR I3 Rz 5/6); bei Schutzgesetzen sogar nur auf deren Verletzung, s § 1311 Rz 3. Die Verschuldensformen sind Vorsatz und Fahrlässigkeit, wobei auf- 9 grund des gegliederten Schadensbegriffes insb die Unterscheidung zwischen grobem Verschulden (Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit) und leichter Fahrlässigkeit bedeutsam ist, s § 1293 Rz 3. Vorsätzlich handelt ein Täter, wenn ihm die Rechtswidrigkeit be- 10 wusst ist, er den schädlichen Erfolg vorhersieht und seinen Eintritt billigt (K/W II 319). Es reicht also dolus eventualis, doch ist – anders als im Strafrecht – stets das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit erforderlich (Vorsatztheorie; s Wilburg, Elemente 52 f; Koziol, HPR I3 Rz 5/27 ff; Reischauer/R Rz 22). Fahrlässigkeit ist die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt (zum 11 Sorgfaltsmaßstab § 1297 Rz 1). Leicht fahrlässig handelt, wer ein Verhalten setzt, das gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Grobe Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn die Sorgfaltswidrigkeit so schwer wiegt, dass sie einem ordentlichen Menschen in dieser Situation keinesfalls unterlaufen würde (K/W II 320; Mayrhofer, SR AT 296 f), also eine ungewöhnliche und auffallende Sorglosigkeit vorliegt (SZ 56/166; 7 Ob 589/89 ZVR 1990/103; 2 Ob 62/91 SZ 65/26; „extremes Abweichen von der gebotenen Sorgfalt“: EvBl Karner
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1987/94), wobei insb die Gefährlichkeit der Situation, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise sowie seine persönlichen Fähigkeiten zu berücksichtigen sind (Koziol, HPR I3 Rz 5/47; SZ 56/166). So ist grob fahrlässig das jähe Abbremsen eines Kfz, um nachfolgende Fahrer zu erschrecken (Arb 9105); ein riskantes Überholen trotz Schneematsch und Gegenverkehr (ZVR 1976/275); ein 14 Sekunden langes Außerachtlassen der Ampelanlage bei Annäherung (7 Ob 27/95 ZVR 1996/52); das Suchen von Gegenständen durch den Lenker während der Fahrt bei hoher Geschwindigkeit oder Kurvenfahrt (7 Ob 19/90 VR 1991, 325); das unversperrte Abstellen eines Kfz mit steckendem Zündschlüssel (ZVR 1980/44); die Verwendung hölzerner Abfallbehälter für Zigarettenreste in einer Diskothek (SZ 56/166); ebenso, wenn jemand eine geladene Waffe beim Magazinwechsel auf Personen richtet (9 ObA 363/89 ecolex 1990, 434). 12 Eine entschuldbare Fehlleistung ist der leichteste Grad an leichter
Fahrlässigkeit, für den nach den allgemeinen Regeln noch gehaftet wird. Sie führt nach dem DHG und OrgHG zur Haftungsfreiheit des Dienstnehmers/Organs gegenüber seinem Dienstgeber/Rechtsträger; s Kerschner, DHG2 § 2 Rz 40 f. Von der Verbindlichkeit zum Schadenersatze: 1. Von dem Schaden aus Verschulden; § 1295. (1) Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein. (2) Auch wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt, ist dafür verantwortlich, jedoch falls dies in Ausübung eines Rechtes geschah, nur dann, wenn die Ausübung des Rechtes offenbar den Zweck hatte, den anderen zu schädigen. [idF III. TN] Lit: Bollenberger, Drittschaden bei obligatorischer Gefahrverlagerung, JBl 1997, 284; F. Bydlinski, Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 359; ders, Schadenersatz wegen materiell rechtswidriger Verfahrenshandlungen, JBl 1986, 626; ders, Skizzen zum Verbot des Rechtsmißbrauchs im österreichischen Privatrecht, FS Krejci (2001) 1079 ff; Danzl, Mittelbare Schäden im Schadenersatzrecht, ZVR 2002, 363; Koziol, Delikt, Verletzung
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von Schuldverhältnissen und Zwischenbereich, JBl 1994, 209; ders, Rechtmäßiges Alternativverhalten – Auflockerung starrer Lösungsansätze, FS Deutsch (1999) 179; ders, Schadenersatz für reine Vermögensschäden, JBl 2004, 273; Lukas, Von liquidierbaren Drittschäden, anzurechnenden Vorteilen und unechten Gesamtschulden, JBl 1996, 481 und 567; Mader, Rechtsmißbrauch und unzulässige Rechtsausübung (1994); Schmaranzer, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (2006); Welser, Der OGH und der Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖJZ 1975, 1 und 37; Wilburg, Zur Lehre von der Vorteilsausgleichung, JherJB 82 (1932) 51. Übersicht I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.
Systematik des Rechtsgüterschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reine Vermögensschäden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtswidrigkeit und Verschulden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrenzung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorteilsanrechnung und Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sittenwidrige Schädigung und Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Systematik des Rechtsgüterschutzes Trotz der weit gefassten Generalklausel des § 1295 Abs 1 liegt dem 1 ABGB ein differenziertes System des Rechtsgüterschutzes zugrunde (dazu rechtsvergleichend Koziol, ZEuP 1995, 359 ff), wobei zwischen einer Haftung aus Sonderbeziehung (insb Vertrag, vorvertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis) sowie einer deliktischen Haftung (wie sie gegenüber jedermann besteht) zu unterscheiden ist. Die Haftung aus Sonderbeziehung ist dabei wesentlich strenger ausgestaltet, da es hinsichtlich des Verschuldens zu einer Umkehr der Beweislast kommt (§ 1298), bloße Vermögensschäden zu ersetzen sind (dazu Rz 2) und der Geschäftsherr für jedes Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen hat (§ 1313a). Im deliktischen Bereich hat hingegen der Geschädigte das Verschulden des Schädigers zu beweisen (§ 1296; zur strittigen Beweislast bei Schutzgesetzen s § 1298 Rz 4), es genießen grundsätzlich nur absolut geschützte Güter umfassenden Schutz (zu diesen § 1294 Rz 4), und der Geschäftsherr haftet für seine Besorgungsgehilfen nur nach § 1315. Trotz dieser vom Gesetz angelegten Zweiteilung, darf nicht übersehen werden, dass die Haftung aus Sonderbeziehung und aus Delikt nur die jeweiligen Endpunkte des Zurechnungssystems bildet, während für den Zwischenbereich eine differenzierte Anwendung der dargestellten Regeln angezeigt erscheint (dazu grundlegend Koziol, JBl 1994, 209 ff; ders, HPR I3 Rz 4/42 ff). Karner
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§ 1295 II. Reine Vermögensschäden
2 Bloße Vermögensschäden sind Vermögensschäden, die nicht auf der
Verletzung eines absolut geschützten Gutes (dazu § 1294 Rz 4) beruhen. Während sie im Rahmen einer (vor-)vertraglichen Haftung zu ersetzen sind (Koziol, JBl 2004, 275 f), genießt das reine Vermögen in der Deliktshaftung keinen umfassenden Schutz (vgl etwa 1 Ob 562/92 SZ 65/76; 1 Ob 22/92 JBl 1993, 788; 4 Ob 2259/96a SZ 69/229; näher Koziol, JBl 2004, 273 ff): Anders als absolut geschützte Güter sind bloße Vermögenspositionen nämlich nicht ausreichend offenkundig, ihre Beeinträchtigung schon auf Grund der marktwirtschaftlichen Konkurrenzsituation häufig nicht rechtswidrig (anders bei unlauterem Wettbewerb) und eine allgemeine Ersatzpflicht würde überdies zu einer völligen Ausuferung der Haftung führen. Unter besonderen Voraussetzungen sind bloße Vermögensschäden aber auch im deliktischen Bereich auszugleichen (vgl die obigen Nw): So wenn das verletzte Schutzgesetz iSd § 1311 gerade auch den Schutz des bloßen Vermögens bezweckt (s zB 1 Ob 152/97b SZ 70/126: § 2 VslgG; 1 Ob 214/98x SZ 72/4: § 25 GSpG, s dazu auch § 1311 Rz 5), bei sittenwidriger Schädigung (§ 1295 Abs 2) und missbräuchlicher Prozessführung (§ 408 ZPO; s auch Rz 22); weiters wenn der Vermögensschaden die Folge der Verletzung eines absolut geschützten Gutes ist (dazu Koziol, HPR I3 Rz 8/35). Trotz Fehlens einer Sonderbeziehung gebührt ein Ersatz bloßer Vermögensschäden überdies nach § 1300 S 2 bei wissentlich falscher Raterteilung (s § 1300 Rz 4) und bei wissentlicher Irreführung (§ 874). Ein Ausgleich kommt zudem bei der Dritthaftung des Sachverständigen (§ 1300 Rz 3) oder Abschlussprüfers (§ 1299 Rz 9) sowie bei der Prospekthaftung (§ 1300 Rz 6) in Betracht. Eingehend zum Schutz des reinen Vermögens Koziol, JBl 2004, 273 ff sowie rechtsvergleichend van Boom/Koziol/Witting, Pure Economic Loss (2004). Auch Forderungsrechte genießen – anders als die Rechtszuständigkeit selbst – keinen absoluten Schutz (Koziol, HPR II 2 40 ff). Ein Schadenersatzanspruch kommt deshalb nur bei wissentlicher Verleitung zum Vertragsbruch (SZ 55/170; näher Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, 1967, 159 ff), ausnahmsweise bei seiner bewussten Ausnutzung (s 6 Ob 174/00g ÖBA 2001, 910 Karollus = JBl 2002, 182 Dullinger/Riedler) sowie dann in Betracht, wenn das fremde Forderungsrecht durch Besitz offenkundig ist (Schilcher/ Holzer, JBl 1974, 445 ff, 512 ff; 7 Ob 225/03v JBl 2005, 36); näher § 859 Rz 16 f; zur Beeinträchtigung des Befriedigungsrechts Koziol, HPR II 2 53 ff; zum Schutz von Mitgliedschaftsrechten U. Torggler, JBl 2003, 747 ff.
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III. Kausalität Erste Voraussetzung einer Schadenszurechnung ist die Verursachung 3 des Schadens durch den Schädiger, wobei die Kausalität entsprechend der Äquivalenztheorie mittels der conditio-sine-qua-non-Formel zu prüfen ist (dazu Koziol, HPR I3 Rz 3/5 ff). Bei einer Schädigung durch aktives Tun ist zu prüfen, ob der Schaden wegfiele, wenn man sich die schädigende Handlung wegdenkt; bei einer Unterlassung, ob ein mögliches (pflichtgemäßes) Verhalten, das man sich hinzudenkt, den Schaden verhindert hätte (s Koziol, RdW 2007, 12 f). Zu den Fällen alternativer, kumulativer und überholender Kausalität s § 1302. Psychische Kausalität liegt vor, wenn jemand bloß die Bedingung für 4 den Willensentschluss eines anderen setzt und dieser zu einem Schaden führt. Unproblematisch ist die mittels Äquivalenztheorie (Rz 3) zu prüfende Verursachung, hingegen bedarf die Rechtswidrigkeit des bloß psychisch kausal handelnden Täters der besonderen Prüfung, da grundsätzlich jedermann für seine Entscheidungen selbst verantwortlich ist (Koziol, HPR I3 Rz 3/16 und 4/52 ff; 1 Ob 223/03f RdW 2004, 531: psychische Kausalität zur Prozessführung): Die Rechtswidrigkeit kann sich ergeben aus bewusster Verleitung (Anstiftung, s § 1301), mangelnder Einsichtsfähigkeit des Zweiten, bei dem ein Entschluss hervorgerufen wird (Kind oder Blinder, die durch „Vorbildwirkung“ zum vorschriftswidrigen Überqueren der Straße animiert werden) oder einer rechtlichen Missbilligung des auslösenden und Billigung des vom Zweittäter gesetzten Verhaltens; so bei den Rettungs- und Verfolgungsfällen: Brandstifter oder Räuber haften für Schäden, die Retter/Verfolger erleiden oder verursachen. Für eine Zurechnung müssen die eingegangenen Risiken allerdings verhältnismäßig sein und der Schaden darf nicht bloß – ohne besondere Gefahrenerhöhung – die Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos darstellen, s Koziol, HPR I3 Rz 4/55, 8/42 f. Zur Verfolgung s SZ 60/105 (durch Sicherheitswachebeamten) sowie 2 Ob 2264/96x ZVR 1997/102 (durch Privaten bei Fahrerflucht des Erstunfallgegners); zur Rettung JBl 1979, 597 (Feuerwehrmann); 4 Ob 17/00d SZ 73/82 (Verletzung bei Schadensminderung); 2 Ob 15/05b SZ 2005/40 (rollender PKW). IV. Rechtswidrigkeit und Verschulden Zu Rechtswidrigkeit und Verschulden s § 1294 Rz 2 ff und 7 ff.
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V. Begrenzung der Haftung Da eine Haftung für jeden schuldhaft verursachten Schaden zu einer 6 uferlosen Ausweitung der Haftung führen würde, bedarf es einer Karner
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wertenden Begrenzung der Haftung (Koziol, HPR I3 Rz 8/1 f; anders Reischauer/R Rz 6, 13); teils unrichtig als „Unterbrechung des Kausalzusammenhanges“ bezeichnet (s etwa JBl 1973, 151; 1 Ob 5/93 RZ 1995, 202). Die Begrenzung der Zurechnung erfolgt durch Berücksichtigung von Adäquanz, Rechtswidrigkeitszusammenhang, rechtmäßigem Alternativverhalten sowie dem Dazwischentreten einer fremden Willensbetätigung. 7 Adäquanz liegt vor, wenn ein Schadensereignis seiner Natur nach
nicht völlig ungeeignet erscheint, einen Erfolg nach der Art des eingetretenen herbeizuführen und nicht bloß eine außergewöhnliche Verkettung der Umstände vorliegt (s K/W II 311; Koziol, HPR I3 Rz 8/8 ff). Zu beachten ist, dass die Adäquanz keine starre Grenze ist, sondern Abstufungen zulässt, weshalb die Haftung je nach der Schwere der sonstigen Zurechnungsgründe (Verschuldensgrad) weiter oder enger gezogen werden kann (Wilburg, Elemente 242 ff; Koziol, HPR I3 Rz 8/15 ff). Bejaht wurde die Adäquanz zwischen einer Verkehrsbehinderung durch ein Unfallfahrzeug und weiteren Auffahrunfällen (SZ 55/9; 2 Ob 155/97a JBl 1999, 533), dem unbeaufsichtigten Stehenlassen eines Gewehres und Schäden durch dessen unbefugte Benutzung (SZ 25/14), einem Oberschenkelbruch und einem auf die eingeschränkte Bewegungsfreiheit zurückzuführenden Sturz (EvBl 1961/379), einer schweren Verletzung mit Dauerfolgen und einem depressiv verübten Selbstmord (2 Ob 27/91 JBl 1992, 255; vgl schon GlUNF 5394) sowie einer hochgradigen Querschnittlähmung und einem verfrühten Tod wegen der Verweigerung lebensverlängernder Medikamente (2 Ob 314/02v ZVR 2004/37). Adäquanz liegt auch vor bei Schmerzmittelmissbrauch (JBl 1970, 317) oder Drogensucht (2 Ob 46/93 ZVR 1995/73) wegen schwerer Körperverletzung; ebenso bei Magersucht eines Kindes wegen häuslicher Überforderung infolge Verletzung beider Eltern (2 Ob 111/03t JBl 2004, 111, dazu auch § 1325 Rz 29). Verneint wird die Adäquanz selten, so bei einem Schock auf Grund der unberechtigten Ablehnung eines Rentenbegehrens (JBl 1962, 151; krit Koziol, HPR I3 Rz 8/12; Reischauer/R Rz 16: fraglich sei aber der Rechtswidrigkeitszusammenhang) oder wegen eines PKW-Sachschadens (2 Ob 100/05b ÖAMTC-LSK 2005/118); bei einem Kurzschluss infolge einer durch einen Omnibus beschädigten Oberleitung, der nur wegen falsch dimensionierter Sicherungen im Kraftwerk zu Schäden an diesem führt (SZ 58/128; abl Reischauer/R Rz 16); bei unberechtigter Verweigerung des für Bezahlung der Einfuhrumsatzsteuer benötigten Betrages durch eine Bank, die dazu führt, dass Geschäftspartner des Bankkunden die Geschäftsbeziehungen abbrechen (JBl 1986, 103 Koziol). 1438
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Eine besondere Schadensanfälligkeit des Geschädigten entlastet den 8 Schädiger grundsätzlich nicht, da es sein Risiko ist, dass bei Verletzung von Personen unterschiedlichen Gesundheitszustandes verschiedene Folgen eintreten können (ZVR 1982/271); dies gilt sowohl bei körperlicher (ZVR 1977/108; ZVR 1977/231; ZVR 1979/99) als auch bei psychischer Anfälligkeit (JBl 1988, 649; 2 Ob 12/93 ZVR 1995/92; zur Begehrungsneurose s GlUNF 4386 [für eine zeitliche Beschränkung des Ersatzes bis zur Rechtskraft des Urteils, zust Koziol, HPR II 2 117]; SZ 16/12; SZ 24/113); ausf dazu und zur nötigen Haftungsbegrenzung bei extremer Schadensanfälligkeit Karner, Der Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung (1999) 140 ff; zur bloßen Vorverlagerung des Schadens s § 1302 Rz 10. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene Schäden zu 9 haften, welche die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern sollte (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Entscheidend ist der Normzweck, der durch teleologische Auslegung zu ermitteln ist und für den personalen, gegenständlichen und modalen Schutzbereich bedeutsam ist, wonach sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung vom Schutzzweck erfasst sein müssen (Koziol, HPR I3 Rz 8/21). Praktisch besonders bedeutsam ist dies bei Schutzgesetzverletzungen, s § 1311 Rz 5, aber auch bei Vertragsverletzungen, bei denen darauf abzustellen ist, ob die verletzten Interessen sachlich in der Richtung und im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen (Wilburg, JherJB 82, 104 ff; Rabel, Recht des Warenkaufes I, 1936, 496 ff; Koziol, HPR I3 Rz 8/49 ff), wobei die Unentgeltlichkeit oder Entgeltlichkeit und die Höhe des Entgelts für die Risikotragung bedeutsam sind (vgl JBl 1987, 720: keine Haftung bei eigenmächtiger Verwendung eines fehlerhaften Bauplanes für weitere Bauwerke) sowie die objektive Erkennbarkeit des Risikos bei Vertragsabschluss (vgl EvBl 1980/110, darauf Bezug nehmend 1 Ob 503/92 JBl 1992, 713 Iro: keine Haftung für Verwahrung ungewöhnlich wertvoller Sachen, die sich in der aufzubewahrenden Sache befinden, ohne dass darauf aufmerksam gemacht worden wäre); erfasst ist regelmäßig der Entgang der Weiterveräußerung der geschuldeten Sache, nur ausnahmsweise – da vom Entgelt üblicherweise nicht mehr abgedeckt – hingegen das Interesse an der Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen mit Dritten (JBl 1986, 98; zu Recht anders, wenn Frächter trotz ausdrücklichem Verbot Alkohol nach Saudi-Arabien schmuggelt: JBl 1986, 101; zu beiden E Koziol, JBl 1986, 105 ff). Abgelehnt wurde eine Haftung auch bei Austritt eines Dienstnehmers wegen verspäteter Lohnzahlung auf Grund einer fehlerhaften Giroüberweisung (JBl 1992, 713 krit Iro) und bei einem NervenzusamKarner
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menbruch wegen vertragswidrigem Ausschluss von der Geschäftsführung (JBl 1936, 211). Bejaht hingegen, wenn die Weitergabe unrichtiger Rennergebnisse an Zeitschriften zu einem Verlust von Sponsorengeldern führt (2 Ob 603/89 JBl 1991, 457). 10 Bedeutsam ist der Normzweck auch bei den Gefährdungshaftungen
(Koziol, HPR I3 Rz 8/20 und 74), bei denen der Gefahrenzusammenhang zu beachten ist (s zum EKHG 2 Ob 17/94 ZVR 1995/135; Apathy, EKHG § 1 Rz 8). 11 Adäquanz (Rz 7) und Rechtswidrigkeitszusammenhang (Rz 9) sind
nebeneinander zur Haftungsbegrenzung heranzuziehen, da sie unterschiedliche Gesichtspunkte erfassen: Während es bei der Adäquanz darum geht, ob ein konkretes Verhalten hinsichtlich eines bestimmten Schadens ex ante gefährlich erscheint, stellt die Normzweckprüfung generell-abstrakt darauf ab, welche Schäden durch eine Vorschrift verhindert werden sollen (s Koziol, HPR I3 Rz 8/75 f). 12 Auch für die Frage, ob der Entgang unerlaubter Vorteile zu ersetzen
ist, sind Normzwecküberlegungen maßgeblich (F. Bydlinski, FS Deutsch, 1999, 76 ff): Als Grundregel ist dabei anerkannt, dass Gewinne aus verbotener Tätigkeit nicht ausgleichsfähig sind (SZ 58/101; 1 Ob 10/90 SZ 63/106); dies gilt insb bei kriminellem Erwerb. Ist ein Verhalten hingegen nur wegen einer fehlenden behördlichen Genehmigung verboten, so ist der entgangene Gewinn zu ersetzen, wenn die Genehmigung erlangbar gewesen wäre (SZ 63/106; vgl auch JBl 1986, 182; Koziol, HPR I3 Rz 8/36). Auch der Erwerb aus Schwarzarbeit („Pfusch“) wird vom OGH für ersatzfähig angesehen (2 Ob 289/97g SZ 72/54; § 1325 Rz 19 mwN); ebenso – trotz Sittenwidrigkeit des Vertrages (SZ 62/123) – der Verdienstentgang einer verletzten Prostituierten (SZ 54/70); die Vertragsungültigkeit habe nämlich nicht den Zweck, die tatsächliche Erlangung des Entgelts zu verhindern (Koziol, HPR I3 Rz 8/37). Entgangene Vorteile aus Steuerhinterziehung sind hingegen nicht auszugleichen, s Krejci/Brandstetter, ecolex 2004, 520 ff; Schauer, RdW 2004, 324 ff; weiterführend F. Bydlinski, FS Deutsch 63 ff. 13 Liegt ein Schaden außerhalb des Schutzzwecks der übertretenen
Norm, so spricht man von einem (nicht zu ersetzenden) mittelbaren Schaden (dazu Danzl, ZVR 2002, 363 ff; s zB 2 Ob 110/03w ZVR 2004/47: unfallbedingte Straßensperre/Kundenausfall auf Raststätte). Dies gilt insb für Reflexschäden, die als Seitenwirkung bei Dritten eintreten, so in den Stromkabelfällen: Unmittelbar geschädigt ist das Versorgungsunternehmen, in dessen Eigentum am Stromkabel eingegriffen wurde. Hingegen haben jene Normen, die das Eigentum schüt1440
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zen, nicht den Zweck, auch jene Personen mitzuschützen, die bloß in schuldrechtlicher Beziehung zum Eigentümer stehen und durch den Stromausfall geschädigt werden (Abnehmer) (JBl 1973, 579; JBl 1976, 210; SZ 49/96; Koziol, HPR I3 Rz 8/40); ihr Schutz kommt aber dann in Betracht, wenn sie selbst in absolut geschützten Gütern beeinträchtigt werden (Welser, ÖJZ 1975, 42; Koziol, HPR I3 Rz 8/41; vgl auch JBl 1973, 581; nicht berücksichtigt von JBl 1976, 210; SZ 49/96) oder etwa auf Seiten des schädigenden Bauunternehmers ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten der Abnehmer vorliegt, s SZ 54/65; Harrer/S Rz 117 ff. Nach hA hat ein rechtswidrig handelnder Täter für den Schaden nicht 14 einzustehen, wenn er beweisen kann, dass dieser auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre (Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens; s SZ 54/108; 1 Ob 42/90 SZ 64/23; 2 Ob 20/99a ZVR 1999/97; auf Risikoerhöhung abstellend Karollus, Schutzgesetzverletzung 399 ff, ihm folgend 2 Ob 594/95 RdW 1996, 114; 2 Ob 83/95 SZ 68/205; mit beachtlichen Gründen für eine Schadensteilung Koziol, FS Deutsch, 1999, 179 ff). Die Problematik stellt sich nur bei einer Schädigung durch aktives Tun, da eine Unterlassung nicht kausal ist, wenn das pflichtgemäße Verhalten den Schaden nicht verhindert hätte (vgl § 1295 Rz 3). Bei einem konkret gefährlichen, rechtswidrigen Verhalten tritt aber auch hier eine Beweislastumkehr ein, so dass der Täter nachweisen muss, dass sich die Risikoerhöhung nicht ausgewirkt hat (Koziol, HPR I3 Rz 8/67, 16/12 und 37). Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens wird nicht zugelassen, wenn Vorschriften ein mit besonderen Sicherheitsgarantien ausgestattetes Verfahren gewährleisten sollen (SZ 54/108: Verhaftung ohne Haftbefehl; SZ 59/141: nicht begründeter Sicherstellungsauftrag; hingegen zugelassen: 1 Ob 5/93 RZ 1995, 202: vorschriftswidrige Pfändung; 1 Ob 42/90 SZ 64/23: Sicherungsmaßnahme durch unzuständige Behörde; differenzierend auch Karollus, Schutzgesetzverletzung 405 ff und Koziol, HPR I3 Rz 8/70 ff). Eine Zurechnung scheidet aus, wenn die Schadensfolge auf einen selb- 15 ständigen Willensentschluss eines Dritten oder des Geschädigten zurückzuführen ist, die nicht durch den haftungsbegründenden Vorgang herausgefordert wurde (Dazwischentreten einer fremden Willensbetätigung); dabei ist im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen, ob die Belastungsmomente auf Seiten des Verletzten oder Dritten jene auf Seiten des Ersttäters bei weitem überwiegen, s 2 Ob 155/97a JBl 1999, 533; näher Koziol, HPR I3 Rz 8/77 ff. Deshalb belastet eine vorsätzliche ärztliche Fehlbehandlung den Erstverletzer nicht; anders eine Aufsichtspflichtverletzung, die gerade Karner
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auch den Zweck hat, das Kind vor vorsätzlichen Schädigungen durch Dritte zu bewahren (Koziol, HPR I3 Rz 8/78); zur (bewussten) Vergrößerung des Schadens durch den Geschädigten § 1304 Rz 10. VI. Vorteilsanrechnung und Drittschadensliquidation 16 Bei subjektiv-konkreter Schadensberechnung (§ 1293 Rz 9) sind auf
Grund des Gesamtvermögensvergleiches grundsätzlich auch Vorteile zu berücksichtigen, die aus Anlass der Schädigung in das Vermögen des Geschädigten geflossen sind. Doch darf diese Vorteilsanrechnung nicht mechanisch erfolgen, sondern es ist zu prüfen, ob bei wertender Betrachtung eine Entlastung des Schädigers sachlich gerechtfertigt erscheint (eingehend Koziol, HPR I3 Rz 10/33 ff; vgl auch 2 Ob 84/90 JBl 1991, 653; 2 Ob 554/92 JBl 1993, 725 Rummel; 2 Ob 2220/90 ZVR 1998/42). So haben Zahlungen Dritter häufig nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten (zB Geschenk des Großvaters an verletztes Kind; vgl SZ 53/58; näher Reischauer/R § 1312 Rz 9 und Rz 11 zu Versicherungsleistungen) oder führen zu einer bloßen Schadensverlagerung, so die Tragung der Heilungskosten durch den Sozialversicherungsträger oder eine Lohnfortzahlung, s Rz 17. Zur Vorteilsanrechnung bei Mitverschulden des Geschädigten s Welser, JBl 1968, 346 ff; Koziol, HPR I3 Rz 10/56 f. 17 Schäden bloß mittelbar Geschädigter (Rz 13) sind nicht ersatzfähig,
weil eine Ausgleichspflicht zu einer völligen Ausuferung der Haftung führen würde. Anderes gilt in jenen Fällen, in denen auf Grund einer gesetzlichen oder vertraglichen „Risikotragungsregelung“ eine bloße Schadensüberwälzung vorliegt: Da keine Haftungsausuferung droht und auch die „interne Regel“ nicht den Zweck hat, den Schädiger zu entlasten, findet eine Drittschadensliquidation statt, so bei einem Übergang der Preisgefahr (SZ 51/164; s auch 8 Ob 287/01s JBl 2003, 379: Werkvertrag); wenn der Schenker noch Eigentümer ist, die Zerstörung der Sache aber schon den Beschenkten trifft; in Fällen mittelbarer Stellvertretung (SZ 46/31; 4 Ob 2336/96z SZ 69/266: Hauptfrachtführer, dazu Csoklich, RdW 1997, 188 ff) oder bei vertraglichen Schadenstragungsregeln (JBl 1986, 468; 1 Ob 247/05p ÖBA 2006, 838 Apathy). Hierher gehören auch jene Fälle eines verhinderten Vorteilsausgleichs (Rz 16), in denen eine Legalzession stattfindet, so bei der Leistung von Heilungskosten (§ 332 ASVG), Erbringung von Versicherungsleistungen (§ 67 VersVG) sowie Lohnfortzahlung (2 Ob 21/94 DRdA 1995, 44 Klein = AnwBl 1994, 905 W. Berger = ecolex 1994, 560 M. Mohr: § 1358 analog; dazu auch § 1325 Rz 17), ausf Koziol, HPR I3 Rz 13/1 ff; weiters (zu den Schenkungs- und Kauffällen) Bollenberger, JBl 1997, 284 ff; ders, Commodum 351 ff, sowie 1442
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Lukas, JBl 1996, 481 ff und 567 ff. Kein Drittschadensproblem liegt vor, wenn dem Geschädigten ein eigener Anspruch gegen den Schädiger zusteht, was insb bei Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (dazu Rz 19) zu beachten ist und zu einer Subsidiarität der Drittschadensproblematik führt (s Koziol, HPR I3 Rz 13/6 und 14; zum Schutz des Leasingnehmers aus eigenem Recht Koziol, aaO Rz 17; zum Eigentumsvorbehaltskäufer Koziol, HPR II 2 31 ff; Thoß, JBl 2003, 277 ff). Sowohl die Problematik des verhinderten Vorteilsausgleiches als auch 18 der Drittschadensliquidation stellen sich nur bei subjektiv-konkreter, nicht aber bei objektiv-abstrakter Berechnung und Ersatz des gemeinen Wertes (Koziol, HPR I3 Rz 10/22 [anders bei Vorteilen an der beschädigten Sache selbst] und Rz 13/7 f; aA Reischauer/R Rz 28, § 1312 Rz 7). VII. Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter Bei einem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter wer- 19 den die Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis auf Dritte erstreckt, wenn diese erkennbar durch die Vertragserfüllung erhöht gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Erfasst sind somit „Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluß vorhersehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat, oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist“ (so grundlegend F. Bydlinski, JBl 1960, 363; ihm folgend JBl 1985, 293; 4 Ob 2/93 wbl 1993, 264; 6 Ob 146/04w JBl 2005, 255). Durch diese Einbeziehung in die rechtliche Sonderbeziehung kommen dem Dritten die Vorteile einer vertraglichen Haftung zugute (§§ 1298, 1313a). Strittig ist, ob ein Ersatz bloßer Vermögensschäden stets (Welser, FS Wagner, 1987, 378) oder – was grundsätzlich sachgerechter erscheint – nur dann zu erfolgen hat, wenn die Hauptleistung gerade dem Dritten zugute kommen soll (Koziol, HPR II 2 87 f; wbl 1993, 264; 8 Ob 287/01s JBl 2003, 379; zum Überweisungsauftrag 1 Ob 672/90 ÖBA 1991, 525 Canaris; 1 Ob 503/92 JBl 1992, 713 Iro; 4 Ob 2259/96a SZ 69/229; zum Leasing: 7 Ob 514/91 SZ 64/15; 5 Ob 522/95 ecolex 1995, 799); dies ist insb auch in den Fällen einer Dritthaftung für Rat und Auskunft anzunehmen (dazu Welser, Rat 84 ff, sowie § 1300 Rz 3). Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht nicht auf objektiver Vertragsauslegung (so aber F. Bydlinski, JBl 1960, 360; SZ 51/169: Haftungsausschluss wirkt auch gegen Dritte; dazu Koziol, HPR I3 Karner
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Rz 18/40 f sowie Rz 20), sondern auf einer Erstreckung objektivrechtlicher Pflichten (Welser, Rat 86 ff; Koziol, HPR II 2 85 f; 7 Ob 513/96 SZ 69/258; s auch § 1300 Rz 3 mwN). Die Feststellung des einbezogenen Personenkreises bereitet dabei häufig Schwierigkeiten: So wurde eine Einbeziehung von Krankenhausbesuchern teils bejaht (JBl 1985, 293), teils verneint (JBl 1986, 452); bei einem Mietverhältnis hängt die Erstreckung der Schutzwirkungen davon ab, ob es sich um Familienangehörige und Hausangestellte oder um bloß kurzfristige Besucher handelt (2 Ob 335/97x JBl 1998, 655 Dullinger: kein Schutz eines Paketzustellers; ebenso 2 Ob 216/03h immolex 2004, 83: Begleitperson bei Zahnarzt). Erfasst sind nicht nur Familienangehörige des Werkbestellers, sondern auch dessen Arbeitnehmer (SZ 47/72). Sind mehrere Unternehmer bei der Werkerstellung tätig, so wirkt der mit dem Besteller geschlossene Vertrag auch zugunsten der anderen Unternehmer (1 Ob 664/90 JBl 1991, 453; 6 Ob 296/01z RdW 2002, 404: mehrere Subunternehmer); ebenso entfaltet ein Baustellenkoordinationsvertrag Schutzwirkungen zugunsten der auf der Baustelle tätigen Arbeiter (2 Ob 272/03v RdW 2004, 334). Kein Ersatzanspruch besteht, wenn der Dritte selbst einen vertraglichen Schadenersatzanspruch hat (JBl 1980, 39 Koziol; 1 Ob 601/92 JBl 1994, 331 Karollus; 7 Ob 175/06w FamZ 2007, 81 Parapatits; s weiters 6 Ob 146/04w JBl 2005, 255; dazu Schmaranzer, JBl 2005, 267 ff: keine Subsidiarität bei mehreren Verträgen mit Schutzwirkung), weshalb auch der Vertrag des Geschäftsherrn mit seinem Erfüllungsgehilfen regelmäßig kein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten der Gläubiger des Geschäftsherrn ist (s § 1313a Rz 10). VIII. Produkthaftung 20 Auch die Produkthaftung nach ABGB beruht auf einem Vertrag mit
Schutzwirkung zugunsten Dritter (SZ 49/14; SZ 51/169; 8 Ob 556/92 EvBl 1993/14), der damit zu begründen ist, dass der Erwerber nicht dem Händler sein Vertrauen schenkt (den auch keine besonderen Prüfungs- und Untersuchungspflichten treffen, weshalb seine Haftung regelmäßig ausscheidet, vgl § 1313a Rz 4), sondern dem Produzenten, der dieses Vertrauen veranlasst hat und über die Absatzkette Vorteile daraus zieht (F. Bydlinski/K IV/2, 180 ff). Da die Rspr zu Unrecht eine Haftungsfreizeichnung zulässt (SZ 51/169; dagegen Koziol, HPR II 2 93 f mwN) und keine Haftung für „Ausreißer“ und „innocent bystander“ besteht, verbleiben – ebenso wie häufig bei importierten Gütern – Schutzlücken (dazu Koziol, Grundfragen der Produktehaftung, 1980, 20 ff), die durch die verschuldensunabhängige Produkthaftung nach dem PHG geschlossen werden; dazu Fitz/Grau/Reindl, PHG2 (2004); Welser/Ch. Rabl, PHG2 (2004). 1444
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IX. Sittenwidrige Schädigung und Rechtsmissbrauch Bei einer absichtlichen sittenwidrigen Schädigung iSd § 1295 Abs 2 21 fällt der personale Handlungsunwert, der in einer zielgerichteten Schädigung liegt, besonders ins Gewicht (vgl Karollus, Schutzgesetzverletzung 51 f), weshalb eine weite Schadenszurechnung unabhängig vom betroffenen Rechtsgut angezeigt erscheint und selbst reine Gefühlsschäden zu ersetzen sind (F. Bydlinski, JBl 1965, 251; Karner/ Koziol, Ideeller Schaden 23 f). Der Vorsatz muss das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit nicht mitumfassen (vgl SZ 11/49), sofern der Täter die Umstände kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt (F. Bydlinski, JBl 1986, 631) und ihm diese deshalb „mitbewusst“ sein muss, weil es sich um einen Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze handelt (Koziol, HPR I3 Rz 5/30). Ebenso normiert § 1295 Abs 2 eine Haftpflicht für missbräuchliche 22 Rechtsausübung, die nach der neueren Rspr nicht nur bei ausschließlichem Schädigungszweck (Schikane ieS), sondern schon dann vorliegt, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung die lauteren Motive eindeutig überwiegt (SZ 60/281). Schon ein krasses Missverhältnis zwischen den vom Handelnden verfolgten und den beeinträchtigten Interessen führt dabei zur Sittenwidrigkeit (vgl 5 Ob 630/89 JBl 1990, 248 Rebhahn; 1 Ob 11/93 JBl 1994, 471; 2 Ob 569/95 SZ 70/137; Koziol, HPR II 2 99), doch setzt eine Haftung für Rechtsmissbrauch ein doloses Verhalten voraus (s F. Bydlinski, FS Krejci 1095). Zur missbräuchlichen Prozessführung s JBl 1989, 789 Knötzl; 7 Ob 583/92 JBl 1993, 394; 1 Ob 223/03f RdW 2004, 531; F. Bydlinski, JBl 1986, 626 ff; ausf zur Thematik Mader, Rechtsmißbrauch; ders, JBl 1998, 677 ff. § 1296. Im Zweifel gilt die Vermutung, daß ein Schade ohne Verschulden eines andern entstanden sei. Lit: Bumberger, Zum Kausalitätsbeweis im Haftpflichtrecht (2003); Dolinar, Bemerkungen zum Prima-facie-Beweis, ÖJZ 1968, 431; Moser, Beweiserleichterungen im Haftpflichtrecht, ÖJZ 1967, 589; Rechberger, Der Anscheinsbeweis in der österreichischen Judikatur, ÖJZ 1972, 425 und 457.
Da die Schuldlosigkeit des Schädigers vermutet wird, obliegt der Be- 1 weis des Verschuldens dem Geschädigten. Dies entspricht den allgemeinen Beweislastregeln, wonach der Geschädigte alle Umstände zu beweisen hat, die für ihn günstig sind. § 1296 kommt zur Anwendung, soweit nicht die Beweislastumkehr 2 des § 1298 greift, also im deliktischen Bereich; zu SchutzgesetzverKarner
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§ 1296
letzungen iSd § 1311 s § 1298 Rz 4. Vorsatz ist stets vom Geschädigten zu beweisen (Reischauer/R Rz 1). Hinsichtlich des Fehlens der durchschnittlichen Fähigkeiten greift überdies die Beweislastumkehr des § 1297 (s dort Rz 2). 3 Bei typischen Geschehensabläufen bietet der prima-facie-Beweis dem
Geschädigten eine Beweiserleichterung (7 Ob 237/01f RdW 2002, 211) und zwar insb im Hinblick auf die Kausalität und das Verschulden (SZ 61/126; 8 Ob 615/92 SZ 65/132; auch bei „psychischer Kausalität“ 1 Ob 45/95 SZ 69/48: parteipolitische Motive für Beförderung eines Beamten; nicht aber, wenn der Kausalablauf durch den individuellen, freien Willensentschluss eines Menschen bestimmt wird: SZ 57/20; 5 Ob 133/92 SZ 66/29; 6 Ob 2100/96h ÖBA 1998, 474 zu Recht krit Oberhammer = ecolex 1998, 20 krit Graf: mangelhafter Prospekt/Anlageentschluss; 7 Ob 220/04k ÖBA 2006, 60 B. Steininger: Aufklärungspflichtverletzung durch Bank). Das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Tatsache gilt als erwiesen, wenn sich auf Grund von Erfahrungssätzen die zu beweisende Tatsache aus anderen feststehenden Tatsachen ergibt (näher Koziol, HPR I3 Rz 16/2 ff mwN). Ein solcher Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (SZ 57/20; SZ 61/61; RdW 2002, 211): so etwa zwischen einer fehlerhaft eingestellten Schibindung und dafür typischen Sturzverletzungen (1 Ob 2139/96g JBl 1997, 392 Lukas; 4 Ob 76/97y JBl 1997, 587; vgl auch 3 Ob 38/97b JBl 1997, 585 krit Koziol: Auslösen der Bindung während der Fahrt und Fehleinstellung), einer Beziehung der Mutter eines Missbrauchsopfers zum Schädiger und dem Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses (SZ 65/132), einer nassen und rutschigen Hallenbadtreppe und dem Sturz eines Badegastes (OLG Innsbruck 4 R 153/95 ZVR 1996/39), einer Alkoholisierung und einem dafür typischen Unfallverlauf (10 ObS 133/98a SZ 71/81, zum Sozialversicherungsrecht). Wegen der Schwierigkeit eines exakten Kausalitätsnachweises kommt dem Anscheinsbeweis bei ärztlicher Fehlbehandlung besondere Bedeutung zu (2 Ob 590/92 JBl 1994, 540 Bollenberger; 4 Ob 554/95 JBl 1996, 181; Reischauer, VR 1997, 143). Nach der Judikatur soll es allerdings schon ausreichen, dass dem Geschädigten der Nachweis gelingt, dass der ärztliche Behandlungsfehler die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes nicht bloß unwesentlich erhöht hat, um dem Schädiger den vollen Beweis zu überbürden, dass die erwiesene Vertragsverletzung im konkreten Fall für die nachteiligen Folgen unwesentlich geblieben sei (6 Ob 702/89 SZ 63/90; 6 Ob 604/91 JBl 1992, 522; 4 Ob 23/98f JBl 1999, 246 krit 1446
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§ 1297
Bumberger; abl auch Bollenberger, JBl 1994, 544 FN 5). Zur Bedeutung des Anscheinsbeweises bei Schutzgesetzen s § 1311 Rz 6. Der Anscheinsbeweis kann vom Gegner schon dadurch entkräftet 4 werden, dass er Tatsachen darlegt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes als des typischen ergibt (SZ 56/181; JBl 1988, 244; SZ 69/48; RdW 2002, 211). Die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises ist nach der Rspr eine revisible Rechtsfrage (SZ 57/20; SZ 61/61; RdW 2002, 211), ob der Anscheinsbeweis erbracht oder erschüttert worden ist, hingegen eine vom OGH nicht mehr überprüfbare Frage der Beweiswürdigung (SZ 56/145; 4 Ob 169/93 MR 1994, 66; 6 Ob 2100/96h ÖBA 1998, 474 Oberhammer). § 1297. Es wird aber auch vermutet, daß jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sei, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Wer bei Handlungen, woraus eine Verkürzung der Rechte eines andern entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich eines Versehens schuldig. § 1297 legt den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab fest, dessen Nichtein- 1 haltung Fahrlässigkeit begründet (zur Fahrlässigkeit schon § 1294 Rz 11), wobei die Verletzung des objektiven Sorgfaltsmaßstabes die Rechtswidrigkeit begründet (dazu Koziol, HPR I3 Rz 4/13 ff, 5/43 f). Da auf den gewöhnlichen Grad der Aufmerksamkeit und des Fleißes abzustellen ist (ZVR 1978/167), ist maßgeblich, wie sich ein maßgerechter Durchschnittsmensch in der konkreten Lage des Täters verhalten hätte (VR 1989, 55). Steht die zu beurteilende Handlung mit einem Verkehrskreis in innerem Zusammenhang, so sind die in diesem üblichen Anforderungen maßgebend (9 ObA 265/89 RZ 1992, 94). In bestimmten Verkehrskreisen übliche Nachlässigkeit vermag den Sorgfaltsmaßstab aber nicht herabzusetzen (SZ 56/143: Schlüsselverwahrung in Autowerkstätte). Auch die Erfüllung behördlicher Anordnungen erschöpft nicht stets die allgemeine (oder nach § 1299 zu prästierende) Sorgfalt (SZ 60/256: Großveranstaltung/Erstlandung Concorde; 1 Ob 520/93 ZVR 1994/38: Veranstaltung von Schirennen/ Einhaltung der FIS-Regeln; 1 Ob 600/93 SZ 66/179 und 2 Ob 81/00a ZVR 2000/93: baurechtliche Sicherheitsstandards; 3 Ob 508/93 JBl 1996, 446 Jabornegg = RdU 1996, 39 Kerschner/Raschauer = ecolex 1996, 162 Wilhelm = AnwBl 1997, 67 Bisanz: rechtskräftige Betriebsanlagengenehmigung schließt Rechtswidrigkeit von Beeinträchtigungen nicht schlechthin aus). Karner
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§ 1298
2 § 1297 erleichtert den für den Geschädigten häufig schwer zu füh-
renden Verschuldensbeweis durch eine teilweise Beweislastumkehr (Koziol, HPR I3 Rz 16/15; Karollus, Schutzgesetzverletzung 177): Da vermutet wird, dass Deliktsfähige die subjektiven Fähigkeiten (Wissen, Kenntnisse, Kraft, Erfahrung etc) zur Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt haben, ist es Sache des Belangten, das Fehlen der durchschnittlichen Fähigkeiten zu beweisen (SZ 37/159 und EvBl 1970/310: Bewusstseinsstörung; ZVR 1982/22: schlechter Gesundheitszustand). An Aufmerksamkeit und Fleiß ist überdies ein objektiver Maßstab anzulegen, s § 1294 Rz 7. 3 Gelingt dieser Entlastungsbeweis (Rz 2), so trifft den Schädiger noch
der Beweis fehlenden Einlassungsverschuldens (Reischauer/R Rz 12); überdies ist eine Billigkeitshaftung analog § 1310 in Betracht zu ziehen, s § 1310 Rz 4. 4 Bei Deliktsunfähigen muss der Geschädigte beweisen, dass dem
Schädiger ausnahmsweise die erforderliche Einsichtsfähigkeit zukommt (Reischauer/R Rz 11; Karollus, Schutzgesetzverletzung 178; ZVR 1985/7; 2 Ob 56/92 ZVR 1993/137). § 1298. Wer vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sei, dem liegt der Beweis ob. Soweit er auf Grund vertraglicher Vereinbarung nur für grobe Fahrlässigkeit haftet, muß er auch beweisen, daß es an dieser Voraussetzung fehlt. [idF BGBl I 1997/6] Lit: F. Bydlinski, Zur Haftung der Dienstleistungsberufe in Österreich und nach dem EG-Richtlinienvorschlag, JBl 1992, 341; Karollus, Praktische Probleme der Schutzgesetzhaftung, insbesondere im Verkehrshaftpflichtrecht, ZVR 1994, 129; Reischauer, Der Entlastungsbeweis des Schuldners (1975); ders, Verschulden und Beweislast, ZVR 1978, 97 und 129; ders, Neuere Rechtsprechung und Lehre zu § 1298 ABGB, JBl 1998, 473 und 560; ders, Die Anwendbarkeit des § 1298 ABGB bei Verletzung von Neben(leistungs)-, Schutzund Sorgfaltspflichten, aufgezeigt anhand der Flugunfallentscheidung 2 Ob 300/97z, ÖJZ 2000, 534.
1 Bei Verletzung vertraglicher (2 Ob 300/97z JBl 2000, 249 Stefula: auch
unentgeltlicher; aA Reischauer, ÖJZ 2000, 543 f) oder gesetzlicher Verbindlichkeiten (§ 859), also innerhalb einer bereits bestehenden Sonderbeziehung, greift – zumindest soweit Leistungspflichten verletzt werden (näher Rz 3) – die Beweislastumkehr des § 1298: Der Schädiger muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (s Koziol, 1448
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§ 1298
HPR I3 Rz 16/21 ff; anders Reischauer, Entlastungsbeweis 147 ff; ders, JBl 1998, 473 ff, 560 ff, der § 1298 nur bei der Nichterfüllung von Erfolgsverbindlichkeiten, nicht aber bei Verletzung bloßer Sorgfaltsverbindlichkeiten anwenden will. Für eine kombinierte Anwendung der §§ 1296, 1298 sowohl im deliktischen als auch im vertraglichen Bereich Karollus, ZVR 1994, 135 f, wonach der Geschädigte stets das abstrakt pflichtwidrige Verhalten, der Schädiger aber das Fehlen einer Sorglosigkeit zu beweisen habe; vgl auch 6 Ob 596/92 JBl 1994, 47; zu dieser E Lukas, JBl 1994, 62 ff). Ob § 1298 auch die Beweislast für die objektive Sorgfaltswidrigkeit 2 umkehrt, ist str, aber zu bejahen (Reischauer, Entlastungsbeweis 116 ff; Koziol, HPR I3 Rz 16/28; Karollus ZVR 1994, 132 f; dagegen M. Binder, JBl 1990, 815; Welser, Schadenersatz 63 ff). Der Beweis des Schadens (Koziol, HPR I3 Rz 16/7 ff und 27) und der Kausalität trifft den Geschädigten (Koziol, HPR I3 Rz 16/27); zum Kausalitätsbeweis bei Schutzgesetzen § 1311 Rz 6, bei Unterlassungen § 1295 Rz 14, bei der Arzthaftung § 1296 Rz 3, bei Aufklärungspflichtverletzungen 7 Ob 220/04k ÖBA 2006, 60 B. Steininger; 5 Ob 106/05g ÖBA 2006, 376. Anders als bei Haupt- und Nebenleistungspflichten ist die Anwen- 3 dung des § 1298 auf Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten (culpa in contrahendo, positive Forderungsverletzung) überaus umstritten. Teils wird eine Anwendung bejaht (K/W II 321; Welser, Schadenersatz 65 f; SZ 49/37; 2 Ob 79/94 JBl 1997, 390; JBl 2000, 249 Stefula), teils eingeschränkt, da § 1298 nur auf die Verletzung von Erfolgs-, nicht aber auf bloße Sorgfaltsverbindlichkeiten anzuwenden sei (so Reischauer, s die Nw in Rz 1; ihm folgend Lukas, JBl 1994, 62 ff; teils auch die Rspr, so 8 Ob 700/89 JBl 1990, 723, zu dieser E M. Binder, JBl 1990, 814 f und Wilhelm, ecolex 1990, 733; 8 Ob 27/93 JBl 1994, 829). Zutreffend erscheint es, mit F. Bydlinski, JBl 1992, 347 ff, für die Anwendbarkeit des § 1298 auf das Vorliegen eines objektiven Mangels in der Sphäre des Schädigers abzustellen (zust Koziol, HPR I3 Rz 16/33; s auch 6 Ob 583/93 ecolex 1993, 733 Wilhelm; 1 Ob 532/94 RdM 1994, 121 Kopetzki; 1 Ob 564/94 wobl 1995, 8 Call). Von der stRspr und einem Teil der Lehre wird § 1298 auch bei der 4 Verletzung von Schutzgesetzen iSd § 1311 angewendet (SZ 51/109; 2 Ob 2423/96d ZVR 1998/3; 7 Ob 82/00k ZVR 2001/17; Welser, ZVR 1976, 9 f; Fucik, RZ 1990, 59; Harrer/S Rz 22; dagegen zutr Reischauer, Entlastungsbeweis 188 f; Koziol, HPR I3 Rz 16/40; Karollus, Schutzgesetzverletzung 175 ff); vgl noch § 1311 Rz 6. Seit der Novellierung des § 1298 durch BGBl I 1997/6 (dazu B. Jud, 5 ecolex 1997, 569 ff) ist – auf Grund eines Gegenschlusses zu S 2 – abKarner
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zuleiten, dass die Umkehr der Beweislast nur leichte Fahrlässigkeit betrifft, grobes Verschulden hingegen der Geschädigte zu beweisen hat (dies ist rechtspolitisch überprüfungsbedürftig, entspricht aber schon der bisherigen stRspr SZ 5/53; 8 Ob 14/94 JBl 1995, 248 Apathy; 2 Ob 79/94 JBl 1997, 390; gegen diese zutr Welser, Vertretung 270 f; Koziol, HPR I3 16/25 mwN). Lediglich in jenen Fällen, in denen ein vertraglicher Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit vereinbart wurde, muss der Schädiger beweisen, dass ihn kein grobes Verschulden trifft. insbesondere a) der Sachverständigen, § 1299. Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennt; oder wer ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den notwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen, Kenntnisse zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können, so fällt zugleich dem letzteren ein Versehen zur Last. Lit: Aigner/Kletecˇka/Kletecˇka-Pulker/Memmer (Hrsg), Handbuch Medizinrecht (Loseblatt, ab 2003); F. Bydlinski, Zur Haftung der Dienstleistungsberufe in Österreich und nach dem EG-Richtlinienvorschlag, JBl 1992, 341; P. Bydlinski, Die „Beraterhaftung“ der Banken im österreichischen Recht, FS Hadding (2004) 759; W. Doralt, Haftung der Abschlussprüfer (2005); Engljähringer, Ärztliche Aufklärungspflicht vor medizinischen Eingriffen (1996); F. Graf, Anwaltshaftung (1991); Gruber/Harrer (Hrsg), Aktuelle Probleme der Abschlussprüfung (2006); Gumpoltsberger, Beraterhaftung bei Spekulationsverlusten (2005); Harrer, Die zivilrechtliche Haftung des Sachverständigen, in Aicher/Funk (Hrsg), Der Sachverständige im Wirtschaftsleben (1990) 177; Juen, Arzthaftungsrecht 2 (2005); Kalss, Die rechtlichen Grundlagen kapitalmarktbezogener Haftungsansprüche, ÖBA 2000, 641; Koziol/ W. Doralt (Hrsg), Abschlussprüfer. Haftung und Versicherung (2004); Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten (1983); Winternitz/Aigner, Die Haftung des Anlageberaters für fehlerhafte Beratung (2004).
1 § 1299 regelt den Haftungsmaßstab von Sachverständigen (zum
Personenkreis Rz 5): Einerseits wird der Sorgfaltsmaßstab gegenüber der allgemeinen Regel des § 1297 angehoben, da nicht auf den gewöhnlichen Grad an Aufmerksamkeit und Fleiß abzustellen ist, sondern auf den für die übernommene Tätigkeit notwendigen Fleiß. 1450
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§ 1299
Maßgeblich ist also nicht die Sorgfalt eines Durchschnittsmenschen, sondern die übliche Sorgfalt von Personen, die derartige Tätigkeiten ausüben (Koziol, HPR II 2 182; SZ 54/13; EvBl 1987/205; wbl 1989, 280). Andererseits kommt es beim Verschulden nicht wie sonst auf die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten an (§ 1294 Rz 7), sondern es ist ein objektiver Verschuldensmaßstab anzulegen (Reischauer/R Rz 5; SZ 49/47; RZ 1981, 56; SZ 54/13; wbl 1989, 280). Sachverständigen wird insofern eine Garantiehaftung auferlegt (Koziol, HPR II 2 183; SZ 49/47). Der Nachweis, zB wegen einer Bewusstseinsstörung subjektiv nicht in der Lage gewesen zu sein, den objektiven Sorgfaltsmaßstab einzuhalten, steht aber auch Sachverständigen offen (Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/34). Auf Grund des objektiven Verschuldensmaßstabes hat der Sachver- 2 ständige für die typischen Fähigkeiten seines Berufsstandes einzustehen, maßgeblich ist also der Leistungsstandard seiner Berufsgruppe (SZ 54/13; SZ 60/236; 1 Ob 35/92 JBl 1993, 389 Dullinger; „durchschnittlicher Fachmann“: Reischauer/R Rz 2 mwN), wobei etwa an einen Facharzt ein höherer Maßstab anzulegen ist als an einen praktischen Arzt (JBl 1987, 670), an die freiwillige Feuerwehr ein milderer als an die Berufsfeuerwehr (SZ 60/236). Außergewöhnliche Fähigkeiten innerhalb seiner Gruppe sind nicht gefordert (K/W II 353; SZ 34/153). § 1299 beschränkt sich auf die Anhebung und Objektivierung des 3 Verschuldensmaßstabes, während sich die Haftung nach den allgemeinen Regeln richtet, also eine Verletzung vertraglicher oder deliktischer Pflichten voraussetzt (Welser, Rat 23 ff; Koziol, JBl 1988, 411). § 1299 ist somit keine Anspruchsgrundlage (EvBl 1975/4; 3 Ob 51/98s ÖA 2000, 89). Bei Schädigung durch einen Sachverständigen ist § 1299 unabhängig davon anzuwenden, ob die Schädigung innerhalb einer Sonderbeziehung oder deliktisch erfolgt ist (Koziol, HPR II 2 184; Welser, Rat 26; differenzierend Reischauer/R Rz 6). § 1299 ist auch auf ein Mitverschulden von Sachverständigen anzu- 4 wenden, s § 1304 Rz 1. Sachverständiger ist jedermann, der eine Tätigkeit ausübt, die ein 5 besonderes Können oder Fachwissen voraussetzt (K/W II 353). Maßgeblich ist die Übernahme entsprechender Tätigkeiten, nicht das tatsächliche Vorliegen einer Sachverständigeneigenschaft (SZ 43/221; 1 Ob 262/98f NZ 2000, 236). Einlassungsfahrlässigkeit ist nicht Voraussetzung der Haftung (SZ 49/47; Koziol, HPR II 2 183; anders Harrer/S Rz 2 und SZ 62/146 bei Überschreiten der Fachkompetenz). Erfasst sind insb – selbständige oder unselbständige (DRdA 1972, 246 Karner
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Fenyves/Holzer: Schweißer) – berufliche Tätigkeiten, zB von Ärzten (Rz 6), Banken (Rz 7), Rechtsanwälten und Notaren (Rz 8), Masseverwaltern (Welser, NZ 1984, 92 ff; Shamiyeh, Die zivilrechtliche Haftung des Masseverwalters, 1995, 153 ff; SZ 59/35; EvBl 1987/205; 6 Ob 116/05k Zak 2007, 54 Spitzer 47), Steuerberatern (wbl 1989, 280; 1 Ob 33/97b; dazu Iro, RdW 1997, 587 f), Anlage- und Vermögensberatern (2 Ob 2107/96h ÖBA 1996, 964; vgl auch Rz 7 sowie § 1300 Rz 5) sowie Unternehmensberatern (4 Ob 265/99w JBl 2000, 441 Staudegger), Ziviltechnikern (1 Ob 587/90 JBl 1991, 249 Kerschner: Schätzgutachten; dazu auch 7 Ob 513/96 SZ 69/258), Piloten (ZVR 1984/246; OLG Innsbruck 3 R 1047/95 ZVR 1996/76) und Tierärzten (2 Ob 281/04v ZRInfo 2005/155); ebenso derjenige, der im Einzelfall eine Begutachtung übernommen hat (JBl 2000, 441 Staudegger). Weiters alle Arten von Professionisten und qualifizierten Gewerben (EvBl 1975/4; JBl 2000, 441 Staudegger), so Bauunternehmer (7 Ob 9/95 VR 1997, 107), Baustellenkoordinatoren (1 Ob 233/03a SZ 2004/119), Bergführer (8 Ob 505/93 ZVR 1994/125), Bodenverleger (7 Ob 628/93 HS 24.660), Elektriker (JBl 1973, 151), Friseure (OLG Innsbruck 1 R 83/96g ZVR 1997/118), Gastwirte (SZ 51/55; 1 Ob 600/93 SZ 66/179; 2 Ob 193/04b JBl 2005, 256 Rummel), Lieferanten von Öl (JBl 1993, 389 Dullinger) oder Fernwärme (1 Ob 614/94 SZ 67/211), Produzenten für die Eignung ihrer Produkte (JBl 1981, 319 Koziol), Verkäufer von Hochdruckschläuchen (1 Ob 564/95 SZ 68/105) oder von Sportartikeln (4 Ob 76/97y JBl 1997, 587: Montage von Schibindungen), ebenso ein Händler, der berät (SZ 54/13), Spediteure (1 Ob 503/96 SZ 69/134), Schädlingsbekämpfungsunternehmen (9 Ob 510/95 JBl 1996, 183 Kletecˇka), Veranstalter von Schirennen (1 Ob 520/93 ZVR 1994/38) oder eines Kinderfestes (1 Ob 2227/96y ZVR 1997/82), Pistenhalter (2 Ob 501/93 SZ 66/16), Hundezüchter (1 Ob 2351/96h ecolex 1997, 156; s auch § 1320 Rz 4), in der Waldbewirtschaftung Tätige (6 Ob 193/00a ZVR 2001/107), Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr (SZ 60/236) oder der Betreiber einer Schießbude (RZ 1981, 56). Unter § 1299 fällt auch ein Schiffsführer (5 Ob 224/05k ZVR 2006/126), ebenso ein Kraftfahrer, und zwar nicht nur der Lenker einer Planierraupe (ZVR 1986/132), eines Kranwagens (SZ 58/47) oder eines Abschleppfahrzeuges (ZVR 1985/144), sondern jeder Kfz-Lenker hinsichtlich der erforderlichen Fahrkenntnisse (SZ 38/139; ZVR 1988/66; 2 Ob 51/90 ZVR 1991/5), wobei als Maßstab die Führerscheinprüfungsvorschriften anzulegen sein werden (Reischauer/R Rz 33); bei Berufskraftfahrern gelten höhere Anforderungen (vgl ZVR 1964/285). 6 Ärzte haften, wenn die Heilbehandlung nicht lege artis, also nach den
anerkannten Regeln der Medizin durchgeführt wird (Kunstfehler; 1452
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Schadenersatz
§ 1299
JBl 1987, 104; 10 Ob 2348/96h SZ 69/198; 7 Ob 337/98d RdM 1999, 122; Juen, Arzthaftungsrecht 2 3 ff, 164 ff; K. Hofmann, RZ 1999, 82 ff), wobei sich ein Arzt laufend fortbilden muss (1 Ob 651/90 SZ 63/152). Zwar trägt der Geschädigte grundsätzlich die Beweislast für die Kausalität der Fehlbehandlung (1 Ob 532/94 SZ 67/9; 4 Ob 554/90 SZ 68/207; 1 Ob 254/99f JBl 2000, 657 Jabornegg), doch bietet der prima-facie-Beweis, an den die Judikatur hier geringere Anforderungen stellt, eine Beweiserleichterung (s § 1296 Rz 3); bei alternativer Kausalität von Behandlungsfehler und Operationsrisiko kommt überdies eine Schadensteilung in Betracht (7 Ob 648/98 JBl 1990, 924 Holzer; SZ 68/207; näher dazu § 1302 Rz 5). Wegen der Beweisschwierigkeiten praktisch besonders bedeutsam ist die „zweite Schiene der Arzthaftung“ wegen Aufklärungsfehlern: Jede Heilbehandlung bedarf der Einwilligung des Patienten (§ 110 StGB; § 8 Abs 3 KAKuG; §§ 146c und 146d ABGB), die zu ihrer Wirksamkeit eine umfassende Aufklärung über die Risken des Eingriffes und alternative Behandlungsmethoden voraussetzt (JBl 1983, 373 Holzer; 4 Ob 509/95 JBl 1995, 453 J.W. Steiner = RdM 1995, 91 Kopetzki; 6 Ob 258/00k RdM 2001, 188; zur Aufklärung bei Plasmapherese: 3 Ob 123/99f JBl 2000, 169; näher Engljähringer, Aufklärungspflicht 135 ff, 179 ff; K. Hofmann, RZ 1998, 80 ff); erforderlich ist eine Diagnose-, Behandlungsund Risikoaufklärung (3 Ob 87/00s RdM 2001, 150). Je größer die Risken (typisches Risiko: SZ 67/9; auch bei seltenem, aber erheblichem Risiko: JBl 1995, 453 J.W. Steiner; 4 Ob 335/98p RdM 1999, 117 Kletecˇka) und je weniger dringlich der Eingriff ist, desto strengere Anforderungen sind an die Aufklärung zu stellen (SZ 62/18; 6 Ob 558/91 EvBl 1993/3: kosmetische Operation; RdM 1997, 117 Kletecˇka: chiropraktischer Eingriff). Auch über einen Wechsel des ausdrücklich vereinbarten Operateurs ist aufzuklären (3 Ob 131/03s SZ 2003/112; verschärfend 4 Ob 121/05f JBl 2006, 254 Pfersmann). Eine ohne wirksame Einwilligung erfolgte Heilbehandlung, die den Gesundheitszustand des Patienten verschlechtert, stellt eine Körperverletzung dar (Karner, Der Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung, 1999, 109 ff, 119 ff; Kletecˇka, RdM 1999, 121; JBl 1995, 453 J.W. Steiner; JBl 2000, 657 Jabornegg; aA Harrer/S § 1300 Rz 63; Dullinger, JBl 1998, 9 ff), für die der Arzt auch dann ersatzpflichtig wird, wenn die Heilbehandlung selbst lege artis durchgeführt wurde (SZ 62/18; JBl 1995, 453 J.W. Steiner; 10 Ob 8/01a RdM 2001, 152). Die Beweislast für die erfolgte Aufklärung trifft den Arzt (8 Ob 628/92 RdM 1994, 28 Kopetzki, dazu Gaisbauer, JBl 1994, 352 ff; JBl 1995, 453 J.W. Steiner; JBl 2000, 657 Jabornegg). Misslingt der Beweis, so kann sich der Arzt nur durch den Nachweis befreien, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zugestimmt hätte (SZ 63/152; JBl 1995, 453 Karner
1453
Schadenersatz
§ 1299
J. W. Steiner; JBl 2000, 657 Jabornegg; s auch Koziol, HPR I3 Rz 8/72; aA Dullinger, JBl 1998, 16 ff; gegen diese RdM 1999, 117 Kletecˇka; zur insb vom BGH angenommenen Pflicht des Patienten, substantiiert darzulegen, dass er vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden wäre, 6 Ob 126/98t RdM 2000, 28). Den Arzt trifft auch die Pflicht, Behandlung und Aufklärung zu dokumentieren (§ 10 KAKuG; § 51 ÄrzteG); bei deren Verletzung wird nach der Rspr vermutet, dass nicht dokumentierte Maßnahmen nicht gesetzt worden sind (3 Ob 2121/96z RdM 1998, 57; 1 Ob 139/04d SZ 2004/122; näher Juen, Arzthaftungsrecht 2 229 ff). 7 Bei Bankgeschäften sind nicht nur Banken Sachverständige, sondern
auch eine Versicherung, die Hypothekarkredite vergibt (7 Ob 513/96 SZ 69/258). Eine fehlerhafte (Anlage-)Beratung macht ersatzpflichtig (s 7 Ob 575/93 ÖBA 1994, 156 Iro; 1 Ob 632/94 ÖBA 1995, 317; 7 Ob 140/02t ÖBA 2003, 378; Iro, BVR II Rz 7/38 ff; P. Bydlinski, FS Hadding 759 ff), wobei bei kreditfinanzierter Anlage ein strengerer Maßstab gilt (2 Ob 236/04a ÖBA 2005, 635 Oppitz); zur Aufklärungspflicht des Versicherers bei Einsatz einer Lebensversicherung als Tilgungsträger für Kredit Karollus/Koziol, ÖBA 2006, 263 ff; zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage bei Beratungsfehlern 9 Ob 53/03i ÖBA 2004, 631; dazu und zum Mitverschulden bei vorzeitigem Verkauf Brandl/Hohensinner, ÖBA 2004, 602 ff; 8 Ob 123/05d ÖBA 2006, 682, dazu Wilhelm, ecolex 2006, 541; zu (Bonitäts-)Auskünften § 1300 Rz 2; zur Haftung für Bestätigungen nach § 10 Abs 3 GmbHG, § 29 Abs 1 AktG Karollus/Lukas, JBl 2004, 686 ff; Fellner/ Kaindl, ÖBA 2006, 103 ff jeweils mwN. Zur Einstandspflicht für Bankmitarbeiter Koziol, Zurechnung ungetreuer Bank-Mitarbeiter, 2004; zur Haftung der Bank für Überfälle auf Kunden 6 Ob 77/05z ÖBA 2005, 633 sowie Koziol, ÖBA 2005, 526 ff; zur Haftung wegen Verwendung gesetzwidriger Klauseln 10 Ob 23/04m JBl 2005, 443 Lukas, dazu Apathy, ÖBA 2005, 557 ff; 1 Ob 68/05i ÖBA 2006, 445, dazu Rummel, ÖBA 2006, 451 ff; 7 Ob 204/05h ÖBA 2006, 592; M. Leitner, ÖJZ 2005, 321 ff. 8 Ein Rechtsanwalt haftet bei Unkenntnis des Gesetzes sowie der ein-
helligen Lehre und Rechtsprechung (EvBl 1972/124; 7 Ob 541/94 RdW 1996, 521), nicht hingegen für eine irrige, aber vertretbare Rechtsauffassung (4 Ob 506/95 JBl 1995, 530); wohl aber, wenn bei einer strittigen, noch nicht höchstgerichtlich entschiedenen Frage weder Literatur noch Gesetzesmaterialien für die gewählte Auslegung Anhaltspunkte bieten (9 Ob 508/94 JBl 1995, 371; dazu Thiele, ÖJZ 1998, 735 ff). Zu den wichtigsten Aufgaben gehört die Belehrung des Mandanten (6 Ob 292/00k RdW 2001, 401), bei unerfahrenen Man1454
Karner
Schadenersatz
§ 1299
danten auch die Aufklärung über das zu erwartende Honorar (10 Ob 509/95 JBl 1995, 732; 3 Ob 25/01z JBl 2001, 655; grundsätzlich aber keine Warnpflicht wegen Erschöpfung eines Vorschusses 2 Ob 145/05w JBl 2006, 44) sowie stets die Aufklärung über eine aussichtslose Prozessführung (JBl 1995, 530; RdW 1996, 521); näher F. Graf, Anwaltshaftung 63 ff; zur Fehlinformation durch Klienten 3 Ob 2417/96d immolex 1997, 329, dazu Iro, RdW 1997, 520. Ähnliche Kriterien gelten bei der Haftung von Notaren, wobei bei Tätigkeit für beide Vertragsparteien die Interessen beider wahrzunehmen sind (dies gilt auch für Anwälte und sonstige Vertragserrichter: SZ 43/221; 3 Ob 211/01b JBl 2002, 378), auch wenn der Notar nur vom Käufer beauftragt wurde (7 Ob 695/89 RZ 1992, 128); eine Aufklärungspflicht des vertragserrichtenden Notars gegenüber einer anwaltlich vertretenen Partei kann aber nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden (RZ 1992, 128); näher P. Bydlinski, NZ 1991, 235 ff; zur Haftung des Notars für Substituten Koziol, FS Weißmann 431 ff; Kletecˇka, FS Welser 477 ff; zur Verletzung der Verschwiegenheitspflicht Fenyves in ÖGIZIN, Berufsverschwiegenheit und Klientenschutz, 1994, 123 ff. Zur Haftung von Schiedsrichtern 9 Ob 126/04a SZ 2005/85; Weißmann, FS Welser, 2004, 1158 ff; C. Völkl/Perner, NZ 2006, 129 ff; zu jener von Mediatoren dies, NZ 2006, 134 ff; weitere Judikaturnachweise zur Haftung rechtsberatender Berufe bei E. Völkl/W. Völkl, ÖJZ 2006, 261 ff. Zur (Dritt-)Haftung des Abschlussprüfers (§ 275 UGB) s 5 Ob 9 262/01t ÖBA 2002, 820 W. Doralt (Rieger-Bank); Artmann, JBl 2000, 623 ff; dies, ÖZW 2002, 90 ff; Dehn, ÖBA 2002, 377 ff; Harrer, FS Georgiades (2005) 637 ff; ders, wbl 2005, 108 ff; Kalss, ÖBA 2002, 187 ff; Koziol/W. Doralt, Abschlussprüfer 91 ff; W. Doralt, Abschlussprüfer 75 ff, 140 ff mwN; zu den Änderungen durch das GesRÄG 2005 W. Doralt, ÖBA 2006, 173 ff; zur Haftungshöchstgrenze s einerseits Karollus, RdW 2006, 389 ff, anderseits W. Doralt, RdW 2006, 687 ff; zur Verjährung 4 Ob 89/04y ÖBA 2005, 285; 10 Ob 24/04h ÖBA 2005, 287; dazu W. Doralt, ÖBA 2005, 260 ff. Zum Unterfall des Bankprüfers (§ 62a BWG) 8 Ob 141/99i SZ 73/157 (BHI), dazu Gelter, RdW 2001, 69 ff; Vavrovsky, ÖBA 2001, 577 ff; zur Bankaufsicht 1 Ob 188/02g ÖBA 2004, 304 (Amtshaftung, da Organ iSd § 1 AHG; s jetzt aber § 3 Abs 5 FMAG idF BGBl I 2005/33), vgl dazu Rebhahn, ÖBA 2004, 267 ff; Raschauer, ÖJZ 2005, 1 ff; Mader in Gruber/Harrer, Abschlussprüfung 119 ff; 1 Ob 251/05a GesRZ 2006, 206; zum Genossenschaftsrevisor (§ 10 Abs 2 GenRevG) Koziol, JBl 1995, 681 ff; zum Sacheinlagenprüfer (§ 150 AktG) 6 Ob 39/06p JBl 2006, 723. Ein Steuerberater, der einen unrichtigen Jahresabschluss erstellt, haftet Karner
1455
Schadenersatz
§ 1300
Dritten aber regelmäßig nicht, s 10 Ob 57/03k JBl 2006, 526; zur Dritthaftung näher § 1300 Rz 3. 10 Während bei Fehlern von Amtssachverständigen das AHG anwend-
bar ist (1 Ob 49/05w JBl 2006, 117 ua), haften gerichtlich bestellte Sachverständige nach den allgemeinen Regeln persönlich (SZ 58/42; 1 Ob 79/00z SZ 73/96; 1 Ob 1/01f JBl 2001, 788 Rummel = SV 2001, 133 Krammer; krit Zechner, JBl 1986, 415 ff; ders in BMJ, Haftung für staatliches Handeln, 2003, 180 ff; Schilcher, FS Jelinek, 2002, 241 ff), und zwar nicht nur den Prozessparteien gegenüber (SZ 11/225; SZ 50/98; JBl 1985, 629; Welser, Rat 79), sondern uU auch sonstigen Dritten, wenn diese vom Schutzzweck der gerichtlichen Bestellung mitumfasst sind, so einem Ersteher bei unrichtiger Schätzung eines Exekutionsobjektes (SZ 73/96 gegen SZ 60/2) oder jemandem, der durch ein falsches Schriftgutachten in einem Strafprozess unter Verdacht gerät (5 Ob 18/00h JBl 2001, 227); zur Dritthaftung bei Privatgutachten s § 1300 Rz 3. Ein Ersatzanspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist (Koziol, HPR II 2 190; SZ 50/98); anderes gilt auf Grund der Bindungswirkung (1 Ob 612/95 SZ 68/195) bei einem rechtskräftigen Strafurteil (7 Ob 180/02z RdW 2003, 79; abl Kindel, GesRZ 2004, 13 ff; s auch 9 Ob 67/03y RdW 2005, 30: überhöhte Gebühren). § 1300. Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachteiligen Rat erteilt. Außer diesem Falle haftet ein Ratgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Erteilung des Rates dem andern verursacht hat. Lit: Karner, Amtshaftungsansprüche des Kreditgebers bei unrichtiger Baulandbestätigung, ÖBA 2001, 235; ders, Haftung des Gutachters gegenüber Dritten und deren Treugebern, ÖBA 2001, 893; Koziol, Zur Haftung wegen fahrlässiger Anstiftung durch unrichtige Auskünfte, JBl 1988, 409; Schobel, Auskunftshaftung, Vertragsfiktionen und Eigenhaftung des Gehilfen, ÖBA 2001, 752; C. Völkl, § 1300 Satz 1 ABGB als Grundlage einer allgemeinen zivilrechtlichen Informationshaftung, ÖJZ 2006, 97; Welser, Zur Haftung der Banken für Bonitätsauskünfte, ÖBA 1982, 117; ders, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten (1983); Wilhelm, Unrichtiges Gutachten – Haftung gegenüber Dritten, ecolex 1991, 87; Zankl, Haftung für Fehlinformation im Internet, ecolex 2000, 472.
1 § 1300 regelt die Haftung für Rat und Auskunft, wobei Rat und
Auskunft nach hL gleich zu behandeln sind (SZ 57/122; Welser, Rat 11 f; differenzierend aber Koziol, HPR II 2 186; s auch Rz 4); erfasst 1456
Karner
Schadenersatz
§ 1300
sind auch Gutachten, Expertisen, Stellungnahmen etc. Auf eine Sachverständigeneigenschaft kommt es nicht an: Zwar erfasst § 1300 S 1 – im Gegensatz zu S 2 – nur Sachverständige, doch ergibt sich eine Haftung für Falschauskünfte innerhalb einer Sonderbeziehung schon aus den allgemeinen Regeln (K/W II 354). Allerdings ist zu beachten, dass bei Sachverständigen der Verschuldensmaßstab nach § 1299 objektiviert ist. Besteht eine Pflicht zu positivem Tun (vgl § 1294 Rz 6), kann auch die Unterlassung von Rat und Auskunft haftbar machen (EvBl 1960/66; SZ 43/20). Nach S 1 wird für jede, auch (leicht) fahrlässige Auskunft gehaftet, 2 wenn diese „gegen Belohnung“ erfolgt ist. Dies wird sehr weit verstanden und erfasst jede Auskunft und jeden Rat innerhalb einer Sonderbeziehung (Welser, Rat 32 ff). Darunter fallen Verträge, Schuldverhältnisse aus vorvertraglichem (Welser, Rat 47 ff; 1 Ob 182/97i SZ 70/147; 7 Ob 79/98p ÖBA 1998, 891) oder sonstigem geschäftlichem Kontakt, so bei Erteilung einer Bankauskunft (Welser, ÖBA 1982, 117 ff; ders, Rat 59 ff; Koziol, BVR I 2 Rz 3/9 ff; ÖBA 1988, 615 Jabornegg), wobei schon eine einmalige Auskunft ausreicht (8 Ob 246/01m ÖBA 2002, 937 Koziol; 4 Ob 13/04x ÖBA 2004, 881); ebenso öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse (Welser, Rat 77 f; Karner, ÖBA 2001, 237 f; SZ 53/83; SZ 57/172), weshalb auch gerichtliche oder behördliche Falschauskünfte eine (Amts-)Haftung nach sich ziehen können (SZ 53/83: Richter; SZ 57/172: Gerichtskommissär; vgl auch 1 Ob 43/91 ecolex 1992, 410: Finanzbehörde; 1 Ob 32/94 RdW 1995, 99: Arbeitsamt; 1 Ob 14/00s SZ 73/34 und 1 Ob 173/03b JBl 2004, 793: krnt Auskunftspflichtgesetz/Gemeinde; dazu M. Konecny/Augenhofer, JAP 2000/2001, 165 ff mwN; s weiters Rz 3 aE). Entscheidend ist, dass der Rat nicht aus reiner Gefälligkeit (Welser, Rat 37 ff; JBl 1985, 38), also nicht selbstlos erteilt wird (Reischauer/R 7; 1 Ob 587/90 JBl 1991, 249 Kerschner; 1 Ob 44/94 SZ 68/60: Schiedsstellen der Ärztekammern; ÖBA 2002, 937 Koziol: Bankauskunft). Entgeltlichkeit ist nicht Voraussetzung des § 1300 S 1 (SZ 68/60; s auch JBl 1991, 249 Kerschner und 1 Ob 43/92 SZ 66/129), doch kann bei Unentgeltlichkeit eine Haftungsmilderung greifen (Welser, Rat 36). Grundsätzlich wird nach § 1300 S 1 nur demjenigen gegenüber gehaf- 3 tet, dem Rat oder Auskunft erteilt wird (SZ 43/236). Eine Haftung gegenüber Dritten kommt nur dann in Betracht, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter vorliegt (JBl 1981, 319 Koziol; SZ 57/122; JBl 1991, 249 Kerschner; F. Bydlinski, JBl 1965, 321), oder – was eigentlich entscheidend ist – die objektiv-rechtlichen Schutzpflichten auf den Dritten zu erstrecken sind (Welser, Rat 86 ff; Wilhelm, ecolex 1991, 87; Karner, ÖBA 2001, 238 f; ders, ÖBA 2001, Karner
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Schadenersatz
§ 1300
893 ff; 7 Ob 513/96 SZ 69/258; 7 Ob 273/00y ÖBA 2001, 922; 6 Ob 81/01g ÖBA 2002, 829). Dies ist dann der Fall, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll (Welser, Rat 87 f; Karner, ÖBA 2001, 894 ff; SZ 69/258: Liegenschaftsbewertung zur Vorlage bei einer Bank; 3 Ob 67/05g JBl 2006, 178: Reichweite einer Kunstexpertise). Entscheidend ist somit der Zweck des Gutachtens (SZ 57/122; ÖBA 2001, 922: Haftung gegenüber Treugebern, dazu Karner, ÖBA 2001, 893 ff; ÖBA 2002, 829; Welser, Rat 88); zur Dritthaftung des Abschlussprüfers ua s § 1299 Rz 9; zu jener des gerichtlichen Sachverständigen § 1299 Rz 10. Auch bei behördlichen Auskünften ist ein Drittschutz denkbar (s 1 Ob 48/00s ÖBA 2001, 247: NÖ AuskunftsG/unrichtige Baulandbestätigung; dazu Karner, ÖBA 2001, 235 ff mwN). 4 Im deliktischen Bereich, also bei Fehlen einer rechtlichen Sonderbe-
ziehung, ist nach S 2 nur bei wissentlich falscher Erteilung von Rat und Auskunft einzustehen, wobei Schädigungsvorsatz erforderlich ist (Koziol, HPR II 2 185; dolus eventualis reicht aus: Miet 30.246; 4 Ob 252/00p ÖBA 2001, 819). S 2 normiert eine deliktische Haftung für reine Vermögensschäden. Führen Rat oder Auskunft hingegen zu einer Beeinträchtigung absolut geschützter Güter, so richtet sich die Haftung nach den allgemeinen Regeln (s Welser, Rat 17 ff; vgl SZ 37/105: Überreden zu Bergtour). Dies spricht für einen Ersatz bei jedem Verschulden (K/W II 355). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es um Fälle psychischer Kausalität geht, so dass die Haftungsgrenzen nur durch Fallgruppenbildung festgelegt werden können. Dabei kann dem Unterschied zwischen einem Rat, der nur einen Vorschlag darstellen soll, und einer Auskunft, die ein Informationsgefälle vorgibt, durchaus Bedeutung zukommen (Koziol, HPR II 2 189; s aber Rz 1). Vor allem ist auf die Gefährlichkeit des Rates/der Auskunft, den Rang des betroffenen Rechtsgutes und das Maß an Entscheidungsfreiheit bzw das Angewiesensein auf die Information abzustellen. 5 Wer sich innerhalb einer Sonderbeziehung (Rz 2) eines Gehilfen zur
Auskunftserteilung bedient, hat für diesen nach § 1313a einzustehen. Der Gehilfe selbst haftet prinzipiell nur deliktisch (s § 1313a Rz 10), also nach § 1300 S 2 lediglich bei wissentlich falscher Raterteilung. Eine persönliche Haftung des (Geschäfts-)Gehilfen nach § 1300 S 1 tritt nur dann ein, wenn der Gehilfe im Verhältnis zum Dritten ein ausgeprägtes eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hat, bei den Vertragsverhandlungen in besonderem Ausmaß persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt oder sein Verhalten 1458
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§ 1301
keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden kann (SZ 70/147; ÖBA 2001, 819, beide betreffend Anlagevermittlung/-beratung; weiterführend Schobel, ÖBA 2001, 756 ff). Zur Prospekthaftung s Koziol, BVR II Rz 6/64 ff; Brawenz, Die Pro- 6 spekthaftung nach allgemeinem Zivilrecht (1991). Für die Emission von Wertpapieren besteht eine besondere Regelung (§ 11 KMG idF BGBl I 2005/78); vgl dazu und zum strittigen Verhältnis zu den allgemeinen Regeln einerseits Koziol, ÖBA 1992, 886 ff; Brawenz, ÖBA 1990, 162 ff; dens, ÖBA 1992, 433 f, die eine Konkurrenz annehmen, andererseits Wilhelm, ecolex 1992, 11 ff und Welser, ecolex 1992, 309, nach denen § 11 KMG die allgemeine Prospekthaftung verdrängt. Für eine Judikaturübersicht s Brandl/Saria, Aufklärungspflichten, Organisationspflichten, Prospekthaftung, 2005, 307 ff. oder b) mehrerer Teilnehmer § 1301. Für einen widerrechtlich zugefügten Schaden können mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen u. dgl.; oder, auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben. Lit: F. Bydlinski, Mittäterschaft im Schadensrecht, AcP 158 (1959/1960) 410.
Die §§ 1301 f regeln die Haftung mehrerer Täter. Schon nach den 1 allgemeinen Regeln haften mehrere Täter solidarisch, wenn jeder von ihnen eine conditio sine qua non für denselben Schaden oder Schadensteil gesetzt hat (Koziol, HPR I3 Rz 14/11; Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/58; SZ 55/62; vgl auch 4 Ob 2319/96z JBl 1997, 245 Dullinger: zwei Rechtsanwälte klären Klienten nicht auf). Darüber hinaus regeln die §§ 1301 f die Haftung von Mittätern, diesen gleichzustellenden Teilnehmern (Anstiftung, Beihilfe; vgl SZ 30/80: Anfertigung einer Maske für Raubüberfall; 1 Ob 200/03y ZVR 2004/49: Aufpasser in Fluchtauto) sowie von Nebentätern (zu diesen § 1302 Rz 1 ff). Eine (Solidar-)Haftung Mehrerer wird überdies in Sondergesetzen vorgesehen, s § 5 Abs 2, § 6 Abs 1 und § 8 EKHG; § 18 AtomHG; § 84 Abs 2, § 99 AktG; § 25 Abs 2, § 33 GmbHG; s auch § 26 Abs 5 WRG und § 53 Abs 2 ForstG; dazu Koziol, HPR II 2 435 f. Mittäter handeln gemeinschaftlich und vorsätzlich. Auf Grund der 2 Vermutung psychischer Kausalität haften Mittäter solidarisch und zwar unabhängig davon, ob sich die von ihnen verursachten Anteile bestimmen lassen oder nicht (SZ 27/103; SZ 43/141). Karner
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3 Der gemeinschaftliche Vorsatz richtet sich typischerweise auf eine
Rechtsgutverletzung, wobei hinsichtlich der Schadensfolgen Fahrlässigkeit ausreicht (vgl SZ 13/193: Spannen eines Seiles, um jemanden „aus Spaß“ zu Sturz zu bringen; ZVR 2004/49: Raubüberfall; F. Bydlinski, AcP 158, 428 ff). Gemeinschaftlichkeit kann darüber hinaus auch dann vorliegen, wenn zwar kein Einvernehmen über die Schädigung besteht, wohl aber über die gemeinsame Durchführung einer rechtswidrigen, im Hinblick auf den eingetretenen Schaden konkret gefährlichen Handlung (2 Ob 12/98y SZ 71/22: PKW-Rennen auf Autobahn; 2 Ob 290/99g SZ 72/156: Schwarzfahrt mit zwei entwendeten Fahrzeugen; Koziol, HPR I3 Rz 14/7 FN 17). Vgl aber auch SZ 59/7, wonach ein gleichgerichtetes, aber nicht einvernehmliches fahrlässiges Handeln („Zündeln“) nicht zu einer Solidarhaftung führt. 4 Zur Mittäterschaft bei Demonstrationsschäden s 3 Ob 501/94 JBl
1995, 658 Karollus-Bruner; 6 Ob 201/98x RdU 1999, 156 E. Wagner (dies, JAP 1999/2000, 162 ff); zur Problematik minimaler Kausalität s § 1302 Rz 11. 5 Jedem Mittäter steht der (haftungsbefreiende) Beweis offen, dass er
keine conditio sine qua non für den Schaden gesetzt hat (F. Bydlinski, AcP 158, 430; s auch § 1302 Rz 4 aE). § 1302. In einem solchen Falle verantwortet, wenn die Beschädigung in einem Versehen gegründet ist, und die Anteile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn aber der Schade vorsätzlich zugefügt worden ist; oder, wenn die Anteile der Einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen; so haften alle für einen, und einer für alle; doch bleibt demjenigen, welcher den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die übrigen vorbehalten. Lit: F. Bydlinski, Haftung bei alternativer Kausalität, JBl 1959, 1; ders, Probleme der Schadensverursachung nach deutschem und österreichischem Recht (1964); ders, Vergleichsverhandlungen und Verjährung; Anlageschäden und überholende Kausalität, JBl 1967, 130; ders, Aktuelle Streitfragen um die alternative Kausalität, FS Beitzke (1979) 3; ders, Haftungsgrund und Zufall als alternativ mögliche Schadensursachen, FS Frotz (1993) 3; Kleewein, Hypothetische Kausalität und Schadensberechnung (1993); Kletecˇka, Solidarhaftung und Haftungsprivileg, ÖJZ 1993, 785 und 833; Riss, Hypothetische Kausalität, objektive Berechnung bloßer Vermögensschäden und Ersatz verlorener Prozesschancen, JBl 2004, 423; Rummel, Ersatzansprüche bei summierten Immissionen (1969); Schobel, Hypothetische Verursachung, Aliud-Verbesserung und Schadensteilung, JBl 2002, 771; Schoditsch, Schädigermehrheit und gesetz-
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§ 1302
liches Haftungsprivileg, JBl 2004, 557; Welser, Zur solidarischen Schadenshaftung bei ungeklärter Verursachung im deutschen Recht, ZfRV 1968, 38; Wimmer, Schadensverteilung in Nebentäterfällen bei mitwirkender Schadensverantwortlichkeit des Geschädigten, ZVR 2000, 182.
Nebentäter handeln fahrlässig oder auch vorsätzlich, im Unterschied 1 zu Mittätern (§ 1301 Rz 2 f) aber unabhängig voneinander. Sind die Anteile, die jeder der Nebentäter verursacht hat, bestimm- 2 bar, so haftet jeder der Täter für seinen Anteil; dies entspricht der conditio-sine-qua-non-Formel (s § 1295 Rz 3). Lassen sich die Anteile nicht bestimmen, so haften Nebentäter soli- 3 darisch (6 Ob 658/94 ecolex 1995, 714). § 1302 sieht somit eine Haftung für potentielle Kausalität vor, die damit zu begründen ist, dass das Risiko der Unaufklärbarkeit die rechtswidrig und schuldhaft handelnden Täter treffen soll und nicht das Opfer. Als Ausgleich für die bloß mögliche Verursachung setzt die Haftung ein besonders hohes Maß an Adäquanz voraus, hängt also davon ab, dass der Täter konkret gefährlich gehandelt hat (s Koziol, HPR I3 Rz 3/25 und 31 mwN). In den Fällen alternativer Kausalität handeln mehrere Täter rechts- 4 widrig und schuldhaft, es ist zwar sicher, dass einer von ihnen den Schaden verursacht hat (F. Bydlinski, JBl 1959, 1 ff, 8 f; ders, FS Beitzke 3 ff, 6 ff; Koziol, HPR I3 Rz 3/29 ff; SZ 54/63; 1 Ob 21/90 SZ 63/185), es lässt sich aber nicht feststellen, welcher von ihnen (RZ 1937, 55: zwei Jäger schießen auf Wild und treffen Passanten). In Analogie zu § 1302 haften die Täter solidarisch, wenn sie konkret gefährlich gehandelt haben (F. Bydlinski, FS Beitzke 9; Koziol, HPR I3 Rz 3/31; SZ 63/185; vgl auch Rz 3). Kann einer von mehreren potentiellen Tätern nachweisen, dass er den Schaden sicher nicht verursacht hat, so haftet er nicht (SZ 61/234; 7 Ob 57/01k ZVR 2002/37; vgl auch § 1301 Rz 5). Bei einer Konkurrenz von haftungsbegründendem Verhalten und 5 Zufall belastet den Schädiger sein rechtswidriges und schuldhaftes Tun, während der Zufall in die Sphäre des Geschädigten fällt; sachgerecht erscheint eine Schadensteilung (F. Bydlinski, FS Frotz 3 ff; Koziol, HPR I3 Rz 3/36 ff; Bollenberger, JBl 1994, 544 f; 7 Ob 648/89 JBl 1990, 524 Holzer; 8 Ob 608/92 EvBl 1994/13; 4 Ob 554/95 SZ 68/207; aA aber 6 Ob 604/91 JBl 1992, 522; 2 Ob 590/92 JBl 1994, 540 Bollenberger; Welser, ZfRV 1968, 42 ff; Lukas, JBl 1997, 395 f); Gleiches gilt bei kumulativer Kausalität mit Zufall (s Rz 8). Erforderlich ist wiederum ein konkret gefährliches Verhalten des Schädigers (vgl Rz 3), so dass keineswegs in jedem Fall bloß möglicher Kausalität Karner
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§ 1302
eine Haftung eintritt (dies betont zu Recht Koziol, HPR I3 Rz 3/38 gegen die Einwände von Welser, ZfRV 1968, 42 ff; K/W II 335). 6 Bei einer Konkurrenz von realer und potentieller Schädigung lässt
die Rspr nur den realen Schädiger haften; s JBl 1986, 787 Apathy (Auffahrunfall, bei dem der Erstschädiger auch den Aufprall eines Zweiten verursacht, wobei nicht festzustellen ist, ob der Zweite den Schaden vergrößert hat); ebenso Reischauer, VR 1987, 208 ff; mit beachtlichen Gründen für eine Solidarhaftung hingegen Apathy, JBl 1986, 788 ff und Koziol, HPR I3 Rz 3/35. 7 Die Grundsätze der alternativen Kausalität sind auch auf die Fälle der
Gefährdungshaftung analog anzuwenden, wobei auch hier eine konkrete Gefährlichkeit (s Rz 3) des potentiellen Verursachers vorausgesetzt ist (Koziol, HPR I3 Rz 3/42 f; Reischauer/R Rz 2 und 12; 2 Ob 2311/96h JBl 1997, 529 Dullinger). 8 Bei kumulativer Kausalität werden mehrere reale Ursachen gleich-
zeitig wirksam, jede von ihnen hätte den Schaden herbeigeführt. Analog § 1302 haften die Täter solidarisch, weil es nicht zum Nachteil des Geschädigten ausschlagen darf, dass mehrere Schädiger gleichzeitig rechtswidrige und schuldhafte (oder sonst zurechenbare, vgl Rz 7) Handlungen gesetzt haben, die jede für sich geeignet waren, den Schaden herbeizuführen (F. Bydlinski, Schadensverursachung 15 ff, 67 f, 70; Koziol, HPR I3 Rz 3/51 ff; SZ 57/25). Bei einer Konkurrenz mit einem Zufall kommt es wie bei alternativer Kausalität (Rz 5) zu einer Schadensteilung: Koziol, HPR I3 Rz 3/57; 6 Ob 163/05x MR 2006, 72; anders noch SZ 57/25 und M. Leitner, ecolex 2006, 278 ff. 9 Bei überholender Kausalität führt ein Ereignis den Schaden real her-
bei, ein anderes Ereignis hätte den Schaden zu einem späteren Zeitpunkt ebenso herbeigeführt, wenn ihm nicht das erste Ereignis zuvorgekommen wäre. Obwohl der Unterschied zur kumulativen Kausalität (Rz 8) nur im Zeitmoment liegt, ist die Lösung umstritten. Während die Rspr und ein Teil der Lehre nur den realen Schädiger haften lassen (EvBl 1959/244; SZ 39/172; 1 Ob 642/92 JBl 1993, 663 Kleewein; Reischauer/R Rz 14; K/W II 336; vgl aber SZ 57/51), ist nach vorzugswürdiger Auffassung (F. Bydlinski, Schadensverursachung 25 ff, 32 ff, 65 ff; Koziol, HPR I3 Rz 3/67 ff) zu unterscheiden: Bei objektiv-abstrakter Berechnung (§ 1293 Rz 8) haftet grundsätzlich nur der erste (reale) Schädiger, da nur auf den Zeitpunkt der Schädigung abzustellen ist. Bei subjektiv-konkreter Berechnung (§ 1293 Rz 9) kommt es hingegen zu einer solidarischen Haftung, sofern auch der spätere Schädiger noch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat (dies betonen zu Recht F. Bydlinski, Schadensverursachung 75 FN 172; Koziol, HPR I3 1462
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§ 1302
Rz 3/76). Auch bei objektiv-abstrakter Schadensberechnung kommt eine Solidarhaftung in Betracht, wenn und soweit der Verkehrswert der Sache schon im Zeitpunkt der realen Schädigung durch das spätere, drohende Ereignis vermindert wurde (Koziol, HPR I3 Rz 3/71). Besteht eine Schadensanlage (insb Vorerkrankung; s auch § 1295 10 Rz 8), die denselben Schaden zu einem späteren Zeitpunkt herbeigeführt hätte, so hat der Schädiger nur den durch die Vorverlagerung des Schadenseintrittes entstehenden Nachteil zu ersetzen (F. Bydlinski, Schadensverursachung 99 ff; Mayrhofer, SR AT 263 f; ZVR 1978/165; 10 Ob 2350/96t SZ 69/199; 4 Ob 23/98f JBl 1999, 246 Bumberger); Gleiches gilt bei Sachschäden (SZ 46/47; 7 Ob 86/02a bbl 2002, 215), wobei sich bei objektiv-abstrakter Berechnung der Wert danach bemisst, wie die Sache bei Kenntnis der Schadensanlage vom Verkehr bewertet wird (Reischauer/R Rz 15; Koziol, HPR I3 Rz 3/71 FN 202; gegen 1 Ob 701/89 JBl 1990, 718 Ch. Huber; s auch 1 Ob 175/01v JBl 2002, 720). Die Beweislast, dass das überholte Ereignis (Schadensanlage) eingetreten wäre, trägt der Schädiger, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (SZ 69/199; JBl 1999, 246 Bumberger). In den Fällen minimaler Kausalität lässt sich nicht konkret feststellen, 11 ob ein Ereignis einen Schaden herbeigeführt hat; dieser resultiert aber jedenfalls aus dem Zusammenwirken zahlreicher gleichartiger und für sich genommen geringfügiger Tatbeiträge, so etwa bei einem Streik oder Demonstrationsschäden. Während die Judikatur für eine Solidarhaftung eintritt (GlUNF 3873 und JBl 1931, 81: Streik), ist der Schaden nach F. Bydlinski, Schadensverursachung 108 ff, zu gleichen Teilen aufzuteilen; zust Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/63. Eine Mittellösung vertritt Koziol, HPR I3 Rz 3/82 f, wonach bei gemeinschaftlichem und vorsätzlichem Handeln zwar gemäß § 1301 eine Solidarhaftung eintritt, es bei fehlender Gemeinschaftlichkeit aber trotz Unbestimmbarkeit der Anteile nur zu einer Haftung nach gleichen Anteilen kommt; zu den Demonstrationsschäden s schon § 1301 Rz 4. Zur Problematik summierter Einwirkungen (lineare, progressive, 12 degressive Schadenssteigerung) s Rummel, Ersatzansprüche bei summierten Immissionen (1969); Koziol, HPR I3 Rz 3/84 ff. Zur psychischen Kausalität s § 1295 Rz 4.
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Haften mehrere Täter solidarisch, so richtet sich der Regress nach 14 § 896, wobei es mangels vertraglicher Regelung für die interne Verteilung auf die Schwere der Zurechnungsgründe (insb des Verschuldens) ankommt. Allerdings erfasst der Rückgriff nach der Rspr nicht Karner
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§ 1303
die Prozesskosten und Verzugszinsen (ZVR 1983/72; SZ 56/185; 6 Ob 538/95 SZ 68/186; krit Ch. Huber, ZVR 1986, 33 ff; Koziol, HPR I3 Rz 14/30). Ist der Regressschuldner dem Vorprozess trotz Streitverkündung nicht beigetreten, hat der Regressberechtigte allerdings einen Anspruch aus nützlicher GoA nach § 1037 (§ 1037 Rz 2). Zur Problematik von Haftungsprivilegien s Kletecˇka, ÖJZ 1993, 785 ff, 833 ff; Schoditsch, JBl 2004, 557 ff; Koziol, HPR I3 Rz 14/32 ff. § 1303. Inwieweit mehrere Mitschuldner bloß aus der unterlassenen Erfüllung ihrer Verbindlichkeit zu haften haben, ist aus der Beschaffenheit des Vertrages zu beurteilen. Lit: Perner, Die Haftung von Mitschuldnern bei Verletzung vertraglicher Verbindlichkeiten, JBl 2005, 629.
1 Während bei unteilbarer Leistung mehrere Schuldner auch für die
aus der Nichterfüllung entstehenden Schäden solidarisch haften (vgl Mayrhofer, SR AT 100; Gschnitzer/K IV/1, 310 f; 5 Ob 3/05k wobl 2005, 238 Call), hat bei teilbarer Leistung jeder einzelne Schuldner – mangels gegenteiliger Vereinbarung – nur für Schäden einzustehen, die auf die Nichterbringung seiner Leistung zurückzuführen sind (Reischauer/R Rz 2). Eine Haftung setzt dabei eigenes Verschulden voraus (s § 894 Rz 3), ein wechselseitiges Einstehenmüssen kommt aber bei GesBR und gesamthänderischer Verpflichtung in Betracht (Perner, JBl 2005, 634 ff). § 1304. Wenn bei einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt; so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden verhältnismäßig; und wenn sich das Verhältnis nicht bestimmen läßt, zu gleichen Teilen. Lit: F. Bydlinski, Gehilfenmitverschulden beim Arbeitgeber und betriebliche Hierarchie, FS Tomandl (1998) 45; Dullinger, Mitverschulden von Gehilfen. Zum Verhältnis zwischen § 1302 und § 1304 ABGB, JBl 1990, 20 und 91; dies, Zum Mitverschulden von Gehilfen bei Haftung ex delicto, JBl 1992, 407; Jabornegg, Probleme des Mitverschuldens bei Verkehrsunfällen, ZVR 1983, 193; Karollus, Gleichbehandlung von Schädiger und Geschädigtem bei der Zurechnung von Gehilfenverhalten, ÖJZ 1994, 257; Kletecˇka, Mitverschulden durch Gehilfenverhalten (1991); Koziol, Die Schadensminderungspflicht, JBl 1972, 225; ders, Die Zurechnung des Gehilfenverhaltens im Rahmen des § 1304 ABGB, JBl 1997, 201; ders, Rechtsfolgen der Verletzung einer Schadensminderungspflicht – Rückkehr der archaischen Kulpakompensation? ZEuP 1998, 593; ders, Die Mitverantwortung des Geschädigten im Wandel der Zeiten,
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§ 1304
FS Hausmaninger (2006) 139; Resch, Schadenersatz und Mitverschulden des Dienstnehmers bei Nichtanmeldung zur Sozialversicherung, JBl 1995, 24.
Hat nicht nur der Schädiger, sondern auch der Geschädigte sorglos 1 eine Bedingung für den Schadenseintritt gesetzt, so liegt ein Mitverschulden vor und der Ersatzanspruch ist zu kürzen. Da keine Rechtspflicht besteht, eigene Güter zu schützen, handelt es sich dabei um eine Obliegenheitsverletzung (Koziol, HPR I3 Rz 12/3 ff). Der Sorgfaltsmaßstab ergibt sich aus § 1297 bzw § 1299 (zu § 1299 7 Ob 513/96 SZ 69/258). Das Mitverschulden kann auch aus einer Schutzgesetzverletzung resultieren, wobei der Mitverschuldenszusammenhang zu prüfen ist (Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/64; SZ 51/188; ZVR 1988/174; s aber 2 Ob 351/99b ZVR 2000/70) und im Fall einer Fremdschädigung zugleich ein rechtswidriges Verhalten vorliegt, das haftpflichtig machen kann. Da es auch beim Mitverschulden um eine Frage der Schadenszurech- 2 nung geht, ist Zurechnungsfähigkeit des Geschädigten (§ 153) Voraussetzung einer Schadensteilung (Koziol, HPR I3 Rz 12/13), doch ist bei Deliktsunfähigen § 1310 analog anzuwenden (s SZ 60/224; 2 Ob 56/92 JBl 1993, 660 sowie § 1310 Rz 7). Eine Mitverantwortung Aufsichtspflichtiger für eine deliktische Schädigung Unmündiger wirkt nicht zu deren Lasten (SZ 48/109; Dullinger, JBl 1990, 25, 93; Kletecˇka, Mitverschulden 67 ff); vielmehr haften Aufsichtspflichtiger und Schädiger dem Deliktsunfähigen solidarisch, was insb für den internen Regress bedeutsam ist. Bei rechtsgeschäftlichem Handeln ist ein Fehlverhalten des gesetzlichen Vertreters hingegen zuzurechnen (Koziol, HPR I3 Rz 12/73; SZ 58/105). Befand sich der Geschädigte im Zeitpunkt der Handlung, die seinen 3 Schaden mitverursachte, im Zustand der Sinnesverwirrung, so ist § 1307 entsprechend heranzuziehen (Koziol, HPR I3 Rz 12/15; SZ 43/231: volltrunkener Gast vertraut sich einem betrunkenen Fahrzeuglenker an); anders als im direkten Anwendungsbereich (§ 1307 Rz 1) wird dabei der Vorhersehbarkeit der Gefahrensituation Bedeutung beigemessen, s ZVR 1981/191; ZVR 1985/30; ZVR 1989/24. Die Schadensteilung erfolgt nach Schwere der beidseitigen Zurech- 4 nungsgründe (insb Verschulden und Sorglosigkeit; zur Gefährdungshaftung Rz 5). Belastet den Schädiger ein besonders schweres Verschulden, so fällt ein geringfügiges Versehen des Geschädigten nicht ins Gewicht (JBl 1985, 551; VR 1990, 255; 2 Ob 41/93 ZVR 1994/118); bei gleichteiligem Verschulden oder Unbestimmbarkeit der Anteile findet eine Teilung 1:1 statt. Zur Aufteilung bei Tätermehrheit s 4 Ob 162/00b ZVR 2001/42; Koziol, HPR I Rz 12/106 ff. Karner
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§ 1304
5 Ein Mitverschulden wirkt auch bei Gefährdungshaftung des Schädi-
gers anspruchsmindernd (s insb § 7 EKHG), ebenso bei der verschuldensunabhängigen Produkthaftung (§ 11 PHG). Auch hier richtet sich die Schadensteilung nach der Schwere der Zurechnungsgründe, wobei die Größe der Gefährdung und die Sorglosigkeit des Geschädigten in Relation zu setzen sind (Koziol, HPR I3 Rz 12/27 f; s zB 2 Ob 164/89 ZVR 1991/52: gegenüber schuldlosem Halter hat grob verkehrswidriger Fußgänger nur Anspruch auf 1/4 des Schadens; s die Übersicht bei Apathy, EKHG § 7 Rz 24 ff; Danzl, EKHG § 7 E 1 ff). 6 Ein Mitverschulden des Getöteten mindert den Schadenersatzan-
spruch der Hinterbliebenen (Reischauer/R Rz 9; Koziol, HPR I3 Rz 12/81 ff; § 7 Abs 2 EKHG), was insb bei Unterhaltszahlungen praktisch relevant ist, s § 1327 Rz 10; ebenso in den Trauerschmerzund Schockschadensfällen, s Karner, ZVR 2001, 288 f; 2 Ob 178/04x ZVR 2004/105 Danzl. 7 Auch ein Mitverschulden von Gehilfen ist zuzurechnen und zwar bei
einer vertraglichen Haftung nach einhelliger Auffassung analog § 1313a (Koziol, HPR I3 Rz 12/64 mwN). Im deliktischen Bereich sind die Zurechnungsvoraussetzungen hingegen überaus strittig: Einerseits wird – spiegelbildlich zur Schädigerseite – eine Zurechnung nach § 1315 befürwortet (Kletecˇka, Mitverschulden 28 ff; F. Bydlinski, FS Tomandl 54 ff; grundsätzlich auch Karollus, ÖJZ 1994, 257 ff), andererseits eine Zurechnung jeden Gehilfenverschuldens vertreten (7 Ob 27/91 SZ 64/140; 7 Ob 34/91 VersE 1524; Dullinger, JBl 1990, 27 ff, 91 ff; Koziol, JBl 1997, 203 ff; Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/66; s auch § 7 Abs 2 EKHG). Für eine solche weite Zurechnung des Bewahrungsgehilfen spricht, dass der Geschädigte ihm die Gewahrsame über sein Gut eingeräumt und ihn zur Wahrung seiner Interessen eingesetzt hat. Selbständige Unternehmer werden dabei aber nicht zuzurechnen sein (Koziol, JBl 1997, 209; aA Karollus, ÖJZ 1994, 260). 8 Bei einer Verletzung der Gurten- und Sturzhelmpflicht ist gemäß
§ 106 Abs 2–8 KFG nur das Schmerzengeld zu kürzen, wobei die Mitverschuldensquote überwiegend mit 25% festgesetzt wird (SZ 51/104; 2 Ob 30/90 ZVR 1991/44; 2 Ob 119/99k ZVR 1999/96); näher Apathy, JBl 1985, 641 ff; Karner, Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung (1999) 55 ff. Das Nichtverwenden eines Fahrradhelms wird hingegen nicht als Mitverschulden gewertet (2 Ob 135/04v ZVR 2006/33 Schoditsch/Griehser). 9 Den Geschädigten trifft die Obliegenheit (vgl Rz 1), den drohenden
Schaden möglichst gering zu halten („Schadensminderungspflicht“). So ist etwa eine zumutbare Heilbehandlung/Operation vorzunehmen 1466
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(SZ 36/37; SZ 47/69; ZVR 1982/113; für das Sozialversicherungsrecht: 10 ObS 40/90 JBl 1990, 734; 10 ObS 350/91 DRdA 1993, 32 Oberbauer; keine Obliegenheitsverletzung bei verweigerter Bluttransfusion durch Zeugen Jehovas: OLG Innsbruck 1 R 159/94 ZVR 1996/48, dazu Korinek/Vonkilch, JBl 1997, 756 ff), einem zumutbaren Erwerb nachzugehen (2 Ob 161/98k ZVR 1999/25; 2 Ob 324/00m ZVR 2002/5) oder eine erforderliche Reparatur durchzuführen (Koziol, HPR I3 Rz 12/104); zur Frage der Schadensminderung bei Nichterfüllung durch den Schuldner Koziol, RdW 2005, 267 ff. Auch bei Verletzung der Schadensminderungspflicht findet grund- 10 sätzlich eine Teilung des vergrößerten Schadens nach der Schwere der Zurechnungsgründe statt (Koziol, ZEuP 1998, 593 ff; anders die Rspr, die den vergrößerten Schaden meist dem Geschädigten allein zuweist, vgl zB 1 Ob 247/05p ÖBA 2006, 838 Apathy). Nur wenn die Schadensvergrößerung auf einem selbständigen Willensentschluss des Geschädigten beruht, der nicht durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde, hat der Geschädigte diese allein zu tragen (Dazwischentreten einer fremden Willensbetätigung, s Koziol, HPR I3 Rz 8/79, 12/92 und 96; vgl etwa 2 Ob 81/90 ZVR 1991/92: Anmietung eines nicht benötigten Ersatzfahrzeuges; 3 Ob 289/05d ÖBA 2006, 925: Anlageentscheidung). Die Beweislast für ein Mitverschulden des Geschädigten trifft den 11 Schädiger (2 Ob 14/91 ZVR 1991/128; 2 Ob 2264/96x ZVR 1997/102); Gleiches gilt für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht (ZVR 1985/114; 4 Ob 61/99w ÖBA 1999, 1012 Apathy; 1 Ob 601/92 JBl 1994, 331 Karollus). Zum Handeln auf eigene Gefahr s Koziol, HPR I3 Rz 12/78 f.
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2. aus dem Gebrauche des Rechtes; § 1305. Wer von seinem Rechte innerhalb der rechtlichen Schranken (§ 1295 Absatz 2) Gebrauch macht, hat den für einen anderen daraus entspringenden Nachteil nicht zu verantworten. [idF III. TN]
Zum Rechtsmissbrauch s § 1295 Rz 22.
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3. aus einer schuldlosen oder unwillkürlichen Handlung; § 1306. Den Schaden, welchen jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkürliche Handlung verursacht hat, ist er in der Regel zu ersetzen nicht schuldig. Karner
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§ 1306
Lit: Canaris, Die Gefährdungshaftung im Lichte der neueren Rechtsentwicklung, JBl 1995, 2; Koziol, Umfassende Gefährdungshaftung durch Analogie? 2. FS Wilburg (1975) 173; ders, Bewegliches System und Gefährdungshaftung, in F. Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger (Hrsg), Das Bewegliche System im geltenden und künftigen Recht (1986) 51.
1 § 1306 stellt die Relevanz von Unrecht und Verschulden für das Scha-
denersatzrecht klar (Verschuldenshaftung). Ein prinzipiell gleichgewichtiges Zurechnungsmoment (Koziol, HPR I3 Rz 6/25; aA Canaris, JBl 1995, 15 ff: „rechtsethische Überlegenheit des Verschuldensprinzips“) bildet die Gefährdungshaftung, die auf der objektiven Gefährlichkeit einer erlaubten Tätigkeit aufbaut und denjenigen trifft, der die Verfügungsgewalt über die gefährliche Sache hat und sie auf eigene Rechnung betreibt (Halter). Sie ist in zahlreichen Einzelgesetzen geregelt und besteht insb für Eisenbahnen und Kraftfahrzeuge (EKHG), Luftfahrzeuge (§ 148 ff LFG), Elektrizitäts- und Gasanlagen (RHPflG), Rohrleitungsanlagen (RohrlG), forstschädliche Luftverunreinigungen (§§ 53 ff ForstG), gentechnisch veränderte Organismen (GTG); Bergbautätigkeiten (MinRoG) sowie Kernanlagen und Kernmaterialien (AtomHG); zur Qualifikation der §§ 1319 und 1320 s § 1319 Rz 4 und § 1320 Rz 4. 2 Das Fehlen eines allgemeinen Gefährdungshaftungstatbestandes
führt zu einer formellen und materiellen Rechtszersplitterung und Schutzlücken, die dadurch gemildert werden, dass die Judikatur eine Gefährdungshaftung kraft Analogie anerkennt, wenn eine Gefahrenquelle vorliegt, die jenen vom Gesetz ausdrücklich erfassten gleichkommt (dazu Koziol, 2. FS Wilburg 173 ff). Nach der Judikatur ist erforderlich, dass die Gefahr nicht bloß auf Grund besonderer Umstände, sondern nach der Art des Betriebes regelmäßig und ganz allgemein vorhanden ist (1 Ob 549/92 JBl 1993, 113; 2 Ob 2416/96z ZVR 1998/18; 1 Ob 306/99b JBl 2000, 790). Maßgeblich sei dabei nicht nur der durch die Gefahrenquelle geschaffene höhere Wahrscheinlichkeitsgrad eines Schadenseintrittes, sondern es müsse auch die Gefahr des Eintrittes eines außergewöhnlich hohen Schadens bestehen (3 Ob 508/93 JBl 1996, 446 Jabornegg = RdU 1996, 39 Kerschner/Raschauer = ecolex 1996, 162 Wilhelm = AnwBl 1997, 67 Bisanz: Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen bei Sandstrahlanlage). In der Praxis wird eine solche (Gesamt- oder Einzel-)Analogie nur selten bejaht: SZ 31/26 (Rauchgase durch Industriebetrieb), SZ 46/36 (Unternehmen eines Feuerwerkers), weit häufiger aber verneint: JBl 1956, 527 (Autoreparaturwerkstätte); SZ 34/111 (Installationsbetrieb); JBl 1981, 371 Koziol (Bau- oder Erdbewegungsunternehmen); EvBl 1982/129 (Autodrom); JBl 1985, 556 (Sturmboot im Prater); JBl 1986, 1468
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Schadenersatz
§ 1306a
525 (Planierraupe); ZVR 1986/59 (Motorboot); JBl 1993, 113 und OLG Wien 12 R 87/96 ZVR 1997/5 (Sommerrodelbahn); ZVR 1998/18 (Rasenmähtraktor); LG Innsbruck 3 R 17/00x ZVR 2000/66 („SkiDoo“-Motorschlitten bei Pistenfahrt; auf Güterwegen gilt EKHG 2 Ob 142/01y ZVR 2004/4); JBl 2000, 790 (Schwarzpulververwahrung in Pappkarton); 9 ObA 49/04b ZVR 2005/30 Apathy (abwägend bei Pistengeräten). Gefährdungshaftung und Verschuldenshaftung begründen eine 3 „Zweispurigkeit des Haftungsrechts“ (Esser, JZ 1953, 129), die freilich keine absolute ist; vielmehr besteht ein Zwischenbereich mit fließenden Übergängen, s Koziol in F. Bydlinski/Krejci/Schilcher/ Steininger, Bewegliches System 51 ff; s auch JBl 1996, 446. Zur erweiterten Gehilfenhaftung bei gefährlichem Betrieb s § 1315 4 Rz 6. § 1306a. Wenn jemand im Notstand einen Schaden verursacht, um eine unmittelbar drohende Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, hat der Richter unter Erwägung, ob der Beschädigte die Abwehr aus Rücksicht auf die dem anderen drohende Gefahr unterlassen hat, sowie des Verhältnisses der Größe der Beschädigung zu dieser Gefahr oder endlich des Vermögens des Beschädigers und des Beschädigten zu erkennen, ob und in welchem Umfange der Schaden zu ersetzen ist. [III. TN] Lit: Wolff, Die neue Notstandsregelung, JBl 1917, 85; Hohenecker, Die Notstandsregelung des ABGB, JBl 1993, 363 und 440.
Ein Notstand liegt vor, wenn sich jemand aus einer unmittelbar dro- 1 henden Gefahr für rechtlich geschützte Interessen (Notlage) durch einen Eingriff in die Rechtsgüter eines unbeteiligten (jedenfalls nicht rechtswidrig angreifenden) Dritten rettet, wobei auch fahrlässige Schädigung erfasst ist (ZVR 1980/277; SZ 61/270). Nothilfe steht dem grundsätzlich gleich (Koziol, HPR I3 Rz 4/79; ZVR 1980/277; SZ 61/270; beim entschuldigenden Notstand differenzierend Reischauer/R Rz 14); zur selbstverschuldeten Notlage s § 1307 Rz 2. Besteht die gegenwärtige oder unmittelbar drohende Gefahr in einem 2 rechtswidrigen Angriff auf notwehrfähige Güter (§ 3 StGB: Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Vermögen) und richtet sich die (angemessene) Abwehr gegen den Angreifer, so liegt nicht Notstand, sondern Notwehr vor, die einen Ersatzanspruch ausKarner
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Schadenersatz
§ 1306a
schließt (6 Ob 572/89 JBl 1990, 104: Raufhandel; OLG Wien 15 R 270/93 ZVR 1995/36: ruckartiges Anfahren, um Angreifer von Kfz abzuschütteln). Schuldhafte Putativnotwehr macht nach den allgemeinen Regeln ersatzpflichtig (EvBl 1972/219; Koziol, HPR I3 Rz 4/64); bei fehlendem Verschulden ist eine analoge Anwendung des § 1306a geboten (Reischauer/R § 19 Rz 14). 3 Die Qualifikation der Notstandshandlung bedarf einer umfassenden
Interessenabwägung (ZVR 1980/277: Nothilfe bei Schilfbrand; SZ 61/270: Beschädigung eines Kfz bei Verfolgung eines Diebes); sie ist nur dann nicht rechtswidrig, wenn die Interessen des im Notstand Befindlichen jene des Geschädigten deutlich überwiegen, die Eingriffshandlung die geringste mögliche Verletzung der fremden Interessen darstellt (SZ 61/270) und letzter Ausweg ist (ZVR 1980/277; Koziol, HPR I3 Rz 4/81; rechtfertigender Notstand). Andernfalls schließt der Notstand nur das Verschulden des Schädigers aus (entschuldigender Notstand), sofern der durch die Eingriffshandlung drohende Nachteil nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der abzuwehrende und von einem maßgerechten Menschen ein anderes Verhalten nicht zu erwarten war (Reischauer/R Rz 6). 4 Bei einer Schädigung im Notstand sieht § 1306a eine Billigkeitshaf-
tung vor, wobei die maßgeblichen Kriterien – Unterlassung der Abwehr durch den Beschädigten (Notwehr; nur bei entschuldigendem, nicht aber bei rechtfertigendem Notstand zulässig, s Koziol, HPR II 2 315), Verhältnis von Beschädigung und Gefahr sowie beidseitige Vermögensverhältnisse (Gedanke der wirtschaftlichen Tragfähigkeit) – in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. 5 Kein Ersatz gebührt bei Sachwehr (Abwehr eines nicht rechtswid-
rigen Angriffes), bei der sich die Abwehrhandlung gerade gegen jene Sache richtet, von der die Notstandslage hervorgerufen wird (K/W II 365; vgl auch Hohenecker, JBl 1993, 377 f, der eine Billigkeitshaftung nicht generell ausschließen will; für eine analoge Anwendung der Notwehrregeln Reischauer/R § 19 Rz 15 mwN; GlU 7550: Tötung eines fremden Hundes in Verteidigung eigener Tiere; vorausgesetzt ist, dass es nicht tunlich war, den Hund zu verjagen, SZ 26/266, oder dem Angriff auszuweichen, Koziol, HPR I3 Rz 4/83). 6 Zu beachten ist, dass derjenige, der fremdes Vermögen zu seinem
Nutzen verwendet (außer bei Sachwehr, dazu Rz 5; Mayrhofer, SR AT 302), einem Verwendungsanspruch nach § 1041 ausgesetzt ist. § 1306a ist deshalb praktisch vor allem insofern relevant, als es um vom Bereicherungsanspruch nicht gedeckte Schäden geht (Koziol, HPR II 2 314 f). 1470
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Schadenersatz
§ 1307
Hat der Schädiger irrtümlich eine Notstandssituation angenommen 7 (Putativnotstand), so ist bei Verschulden der Schaden nach den allgemeinen Regeln zu ersetzen; bei Schuldlosigkeit nach § 1306a (Koziol, HPR II 2 316). § 1307. Wenn sich jemand aus eigenem Verschulden in einen Zustand der Sinnesverwirrung oder in einen Notstand versetzt hat, so ist auch der in demselben verursachte Schade seinem Verschulden zuzuschreiben. Eben dieses gilt auch von einem Dritten, der durch sein Verschulden diese Lage bei dem Beschädiger veranlaßt hat. [idF III. TN]
Nach § 1307 haftet derjenige, der sich – insb durch Alkohol oder 1 Drogen – schuldhaft in einen Zustand der Sinnesverwirrung versetzt und in diesem Zustand rechtswidrig einen Schaden verursacht, wobei nicht erforderlich ist, dass der Schädiger die Gefährdung fremder Güter voraussehen konnte (Wolff/K VI 74; SZ 43/231; SZ 61/259; abw die Rspr beim Mitverschulden, s § 1304 Rz 3). Haftungsbegründend ist somit schon die abstrakt gefährliche Versetzung in den Zustand der Sinnesverwirrung, so dass sich auch das Verschulden nur darauf beziehen muss (Koziol, HPR I3 Rz 5/19; zur dogmatischen Struktur mit Vergleich zu § 287 StGB s Karollus, Schutzgesetzverletzung 227 ff). Hinsichtlich des Verschuldensgrades wird ein grobes Verschulden bei der Berauschung nicht automatisch mit einer grob schuldhaften Schädigung gleichgesetzt werden können, wenn einem Nüchternen nur leichte Fahrlässigkeit anzulasten wäre. Vorsatz liegt jedenfalls nur dann vor, wenn sich jemand in den Zustand der Sinnesverwirrung versetzt hat, um die Tat zu begehen oder diese in Kauf nahm (s Reischauer/R Rz 3). Bei schuldloser Sinnesverwirrung ist § 1310 analog anzuwenden (Reischauer/R Rz 5; s auch § 1310 Rz 4). Trifft den Bedrohten ein Verschulden an der Notstandslage, so 2 scheint § 1307 eine Berufung auf den Notstand stets auszuschließen (so Hohenecker, JBl 1993, 378 f). Es ist allerdings zu differenzieren: Ist die Sorglosigkeit als sehr geringfügig, sind die zu rettenden Interessen aber als sehr hoch zu bewerten und ist der Eingriff in die fremde Interessenssphäre überdies gering, so wird man sogar einen rechtfertigenden Notstand annehmen dürfen und die Haftung richtet sich nach § 1306a (Koziol, HPR I3 Rz 4/83). Eine (teilweise) materielle Derogation des § 1307 durch § 10 Abs 2 StGB nimmt Reischauer/R § 1306a Rz 7 an, so dass eine Berufung auf die Notstandslage nur dann ausscheidet, wenn der Täter sich bewusst ohne anerkannten Grund einer Gefahr ausgesetzt hat. Karner
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Schadenersatz
§ 1308
3 Nach § 1307 S 2 haftet ein Dritter, der schuldhaft einen derartigen
Zustand herbeigeführt hat, etwa indem er einem Getränk heimlich Drogen beigemengt hat (Koziol, HPR II 2 311). 4 § 1307 ist auch auf Mitverschuldensseite anzuwenden, s § 1304 Rz 3.
§ 1308. Wenn Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, oder Unmündige jemanden beschädigen, der durch irgendein Verschulden hierzu selbst Veranlassung gegeben hat, so kann er keinen Ersatz ansprechen. [idF BGBl I 1999/164]
1 Hat der deliktsfähige Geschädigte die Schädigung durch den Delikts-
unfähigen schuldhaft veranlasst (dazu Rz 3), so steht dem Geschädigten weder gegen den Aufsichtspflichtigen noch gegen den Deliktsunfähigen ein Ersatzanspruch zu; die Anwendbarkeit der §§ 1309 und 1310 ist ausgeschlossen (6 Ob 566/94 EF 75.432). Diese Abweichung von der allgemeinen Regel des § 1304, die zu einer alleinigen Schadenstragung durch den Schädiger führt, resultiert aus der besonderen Schutzbedürftigkeit Deliktsunfähiger und ist auf die Fälle eines Mitverschuldens Deliktsunfähiger (dazu § 1304 Rz 2) analog anzuwenden, so dass dem Schädiger der Mitverschuldenseinwand abgeschnitten ist (Reischauer/R Rz 5). 2 Zwischen Deliktsunfähigen ist § 1308 nicht anzuwenden, sondern
§ 1304, da zwischen gleich Schutzwürdigen ein voller Ersatzausfall ohne Berücksichtigung der Verschuldensanteile unbillig wäre (Reischauer/R Rz 1; Koziol, HPR I3 Rz 12/19; EF 38.565; EF 41.089; EF 75.432; vgl schon SZ 33/54; anders noch die ältere Rspr, die § 1308 auch dann heranzog, wenn Unmündige einander schädigten, JBl 1958, 401; JBl 1961, 282; EvBl 1974/234). 3 Veranlassung liegt vor, wenn der Geschädigte das schädigende Ver-
halten herausgefordert hat (K/W II 365; „geradezu veranlasst hat“: SZ 33/54; ZVR 1974/39; ZVR 1981/168), wobei die Verursachung typischer Fehlreaktionen maßgeblich ist (Reischauer/R Rz 2; EF 75.432). Durch das bloße Nichtversperren einer unbewohnten Hütte wird das Eindringen von Kindern zwar erleichtert, das Entfachen eines Feuers in der Hütte aber nicht veranlasst (SZ 52/168); ebenso liegt keine Veranlassung vor, wenn ein 8-jähriges Kind beim Spielen im Freien ohne ständige Aufsicht gelassen wird (JBl 1982, 149). Ebenso wenig veranlasst ein unvorsichtiger Autofahrer das blindlings über die Straße Laufen des Unmündigen, es bleibt deshalb bei einer Schadensteilung nach § 1304 (ZVR 1974/39; ZVR 1981/168). 1472
Karner
Schadenersatz
§ 1309
Zu eng ist es, wenn Überreaktionen Deliktsunfähiger stets als un- 4 typische und damit nicht veranlasste Folgen qualifiziert werden, da je nach Alter, Geisteszustand und Anlassfall mit überschießenden Reaktionen durchaus zu rechnen ist (so überzeugend Reischauer/R Rz 2): So ist es keineswegs atypisch, wenn ein Unmündiger auf ein vorsätzliches Niederstoßen oder eine Provokation mit dem Werfen von Gegenständen reagiert (gegen SZ 33/54; JBl 1961, 282) oder Hänseln zu Ausschreitungen führt (JBl 1971, 312). Die allzu restriktive Judikatur ist wohl darauf zurückzuführen, dass die ältere Rspr § 1308 auch zwischen Deliktsunfähigen angewendet hat und verliert ihr Gewicht, wenn man den Anwendungsbereich des § 1308 sachgerecht einschränkt (Rz 2). Die Beweislast für die fehlende Veranlassung trifft den Geschädigten 5 (2 Ob 40/93 ZVR 1994/149; Reischauer/R § 1309 Rz 9, § 1310 Rz 11); s auch § 1310 Rz 12. § 1309. Außer diesem Falle gebührt ihm der Ersatz von denjenigen Personen, denen der Schade wegen Vernachlässigung der ihnen über solche Personen anvertrauten Obsorge beigemessen werden kann. Lit: Nademleinsky, Aufsichtspflicht (2006); ders, Aufsichtspflicht und Gehilfenhaftung, EF-Z 2006, 79; Walchshofer, Probleme des Aufenthalts von Schülern im Schulgebäude vor Beginn der gesetzlichen Aufsichtsphase, ÖJZ 2004, 375.
Mangels Verschuldens haften Unmündige (§ 153) und Geisteskranke 1 grundsätzlich nicht für den von ihnen rechtswidrig verursachten Schaden. Statt ihrer werden – sofern kein Fall des § 1308 vorliegt – die Aufsichtspflichtigen haftbar, wenn der Schaden auf eine schuldhafte Unterlassung der nötigen Obsorge zurückzuführen ist. Nur subsidiär kommt eine Billigkeitshaftung des Deliktsunfähigen nach § 1310 in Betracht (dazu § 1310 Rz 1). Der Aufsichtspflichtige haftet auch dann, wenn die mangelnde Auf- 2 sicht zu einer Selbstschädigung des zu Beaufsichtigenden führt (OLG Innsbruck ZVR 1986/114), wobei der Aufsichtspflichtige sich nicht auf ein Mitverschulden des Geschädigten berufen kann, weil seine Aufsicht gerade den Zweck hat, diesen zu schützen (s EvBl 1956/274; SZ 17/126: Aufsicht über Schädiger und Geschädigten); zum Einsatz von Gehilfen s Rz 4. Bei Schädigung des zu Beaufsichtigenden durch einen Dritten ist 3 eine Verletzung der Obsorgeverpflichtung dem Deliktsunfähigen Karner
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Schadenersatz
§ 1309
nicht als Mitverschulden anzulasten (s § 1304 Rz 2); vielmehr haften Aufsichtspflichtiger und Dritter dem Geschädigten solidarisch (1 Ob 2227/96y ZVR 1997/82). 4 Aufsichtspflichtig sind kraft Gesetzes in erster Linie die Eltern
(§§ 144, 146), während des Unterrichts und Schulveranstaltungen auch Lehrer (§ 51 SchUG; dazu Koziol/St. Frotz, RdS 1979, 97 ff; Walchshofer, ÖJZ 2004, 375 ff); eine Haftung besteht aber auch hinsichtlich jener Personen, die rechtsgeschäftlich eine Aufsichtspflicht übernommen haben, wie etwa Kindergärtner (10 Ob 2441/96k EF 84.467 ff; OLG Linz 4 R 64/00k EF 93.542 ff), Kindermädchen (vgl GlUNF 1483) oder Pflegeeltern (vgl EvBl 1971/74); daneben kann auch der primär Aufsichtspflichtige nach den Regeln über die Gehilfenhaftung ersatzpflichtig werden (Koziol, HPR II 2 309), wobei bei einer Schädigung des Kindes § 264 Abs 2 zu beachten und auf Eltern, Großeltern und Pflegeeltern analog anzuwenden ist (Weitzenböck/S § 264 Rz 6; Nademleinsky, EF-Z 2006, 79 ff). Gefälligkeitshalber übernommene Aufsicht wird analog dem Ingerenzprinzip zu behandeln sein (Reischauer/R Rz 2). 5 Das Ausmaß der nötigen Obsorge richtet sich nach dem, was ange-
sichts des Alters, der Eigenschaften und der Entwicklung des Aufsichtsbedürftigen und der (auch wirtschaftlichen) Lebensverhältnisse der Aufsichtsführenden von diesen vernünftigerweise erwartet werden darf (SZ 34/137; ZVR 1984/324; 2 Ob 2027/96 ZVR 1997/35), wobei die Gefährlichkeit der Situation (EvBl 1978/52; ZVR 1982/109) und ein wiederholtes früheres Fehlverhalten (ZVR 1997/35) zu berücksichtigen sind. Die Aufsichtspflichten dürfen nicht überspannt werden (EF 36.165), zumal bei größeren Kindern eine Überwachung auf Schritt und Tritt nicht angemessen erscheint (ZVR 1982/109; 2 Ob 110/98k EF 90.145) und auch bei 5 bis 6-Jährigen die Möglichkeit eines Spielens im Freien erhalten bleiben soll (ZVR 1982/109), nach Maßgabe der Verkehrsverhältnisse ebenso bei 4-Jährigen (EF 84.467). Bei Kleinkindern ist allerdings ein strenger Maßstab angebracht, so dass die Nichtbeaufsichtigung eines 2-jährigen Kindes, das im Garten neben einer stark frequentierten Straße spielt, nur dann keine Aufsichtspflichtverletzung ist, wenn die Gartentür verschlossen und verriegelt ist (anders 2 Ob 133/89 ZVR 1990/156, weil Kind bislang Garten nie verließ; abl auch Harrer/S Rz 7). Gerade Kleinkinder neigen zu Spontanreaktionen, was – jedenfalls in ungewohnter Umgebung (EF 90.146) – eine ständige Beaufsichtigung erfordert (OLG Linz EF 93.544). Keine Aufsichtspflicht verletzt, wer ein normal entwickeltes 7-jähriges Kind bei Benützung einer Rolltreppe nicht an der Hand führt (OLG Wien 12 R 143/93 EF 72.173), einen 4-Jährigen am 1474
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Schadenersatz
§ 1310
Gehsteig an dessen Arm festhält (ZVR 1982/192) oder schulpflichtige 8- bis 10-Jährige um 18 Uhr zu einer kleinen Besorgung wegschickt, wenn gegen ihr verkehrsangepasstes Verhalten keine Bedenken bestehen (LGZ Wien EF 27.184). Die Aufsichtspflicht verletzt, wer 11- bis 13-Jährige unbeaufsichtigt mit einem Luftdruckgewehr schießen lässt (SZ 17/126; SZ 20/241) oder einem 9-Jährigen erlaubt, unbeaufsichtigt auf einer Wohnstraße Rad zu fahren (2 Ob 346/97i ZVR 2000/4; vgl § 65 StVO: Verbot des unbeaufsichtigten Radfahrens unter 12-Jähriger auf öffentlichen Verkehrswegen). Die Haftpflicht der Aufsichtspersonen endet nicht zwingend mit der 6 Erreichung des 14. Lebensjahres, sondern dauert so lange an, als die Erziehungsbedürftigkeit besteht (EvBl 1964/124; SZ 44/8; aA EF 36.162) und noch keine Volljährigkeit gegeben ist (Reischauer/R Rz 12). Zwar ist § 1309 nicht direkt anwendbar (anders Harrer/S Rz 5), doch ergibt sich dies aus den allgemeinen Regeln (Koziol, HPR II 2 310). Der zu beaufsichtigende Schädiger haftet mit Erlangung der Deliktsfähigkeit nicht mehr subsidiär, sondern gemäß §§ 1301 f solidarisch mit der Aufsichtsperson (Reischauer/R Rz 12), weshalb – anders als im direkten Anwendungsbereich des § 1309 – auch ein Regress in Betracht kommt. Bei Schädigung einer Aufsichtsperson, die ihre Aufsichtspflichten 7 ordnungsgemäß wahrgenommen hat, kommt eine Haftung des Schützlings nach § 1310 in Betracht (Reischauer/R Rz 11). § 1310. Kann der Beschädigte auf solche Art den Ersatz nicht erhalten; so soll der Richter mit Erwägung des Umstandes, ob dem Beschädiger, ungeachtet er gewöhnlich seines Verstandes nicht mächtig ist, in dem bestimmten Falle nicht dennoch ein Verschulden zur Last liege; oder, ob der Beschädigte aus Schonung des Beschädigers die Verteidigung unterlassen habe; oder endlich, mit Rücksicht auf das Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten; auf den ganzen Ersatz, oder doch einen billigen Teil desselben erkennen. Lit: Gamerith, Der Minderjährige im Schadenersatzrecht, ÖA 1981, 20; S. Hirsch, Children as Tortfeasors under Austrian Law, in Martín-Casals (Hrsg), Children in Tort Law I (2006) 7; Kerschner, Freiwillige Haftpflichtversicherung als „Vermögen“ iS des § 1310 ABGB? ÖJZ 1979, 282; Michalik, Kindgemäßes Verhalten im Straßenverkehr, ZVR 1994, 59; Rubin, Billigkeitshaftung Deliktsunfähiger und Versicherungsschutz, in Koban/Rubin/Vonkilch (Hrsg), Aktuelle Entwicklungen im Versicherungsrecht (2005) 85. Karner
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Schadenersatz
§ 1310
1 § 1310 ordnet eine subsidiäre Billigkeitshaftung Deliktsunfähiger an,
die voraussetzt, dass weder der Tatbestand des § 1308 erfüllt, noch eine Haftung aufsichtspflichtiger Personen nach § 1309 gegeben ist. Ob von den Aufsichtspflichtigen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen kein Ersatz erlangt werden kann, insb weil diese kein Verschulden trifft oder sie nicht zahlungsfähig sind, ist irrelevant (Wolff/K VI 78; Koziol, HPR II 2 311; EF 33.757; ZVR 1984/323); zur – ansonsten wegen Subsidiarität ausgeschlossenen – Solidarhaftung bei Zahlungsunfähigkeit der Aufsichtspersonen 2 Ob 36/95 JBl 1996, 388 Harrer. 2 Die Haftung eines Dritten, der etwa deshalb schadenersatzpflichtig
wird, weil er den Unmündigen zur Schädigung veranlasst hat, steht einer Anwendung des § 1310 nicht entgegen (Wolff/K VI 78; Koziol, HPR II 2 311; aA mit beachtlichen Gründen Reischauer/R Rz 2). 3 § 1310 findet auch auf Personen unter 7 Jahren Anwendung (Wolff/K
VI 78; 2 Ob 56/92 EvBl 1993/124; OLG Wien 11 R 84/00d ZVR 2001/66); zum Verschulden Rz 7; zur cic-Haftung Mj § 865 Rz 9. 4 Um Wertungswidersprüche zu verhindern, ist § 1310 analog auch auf
deliktsfähige Schädiger anzuwenden, die zwar rechtswidrig gehandelt haben, denen aber im konkreten Schadensfall – etwa wegen unterdurchschnittlicher Fähigkeiten – kein Verschulden angelastet werden kann (Koziol, HPR I3 Rz 5/41 und 7/5). 5 § 1310 macht die Ersatzpflicht des Deliktsunfähigen von drei Krite-
rien abhängig, nämlich ob dem Geschädigten nicht doch ein Verschulden zur Last gelegt werden kann, weil er die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens einsehen und sich dementsprechend verhalten konnte (ZVR 1976/14; dazu Rz 7), der Geschädigte aus Rücksicht auf den Schädiger die Verteidigung seiner Güter unterlassen hat (auch der Deliktsunfähige handelt rechtswidrig, so dass Notwehr zulässig ist), und schließlich den beidseitigen Vermögensverhältnissen, also dem Gedanken der wirtschaftlichen Tragfähigkeit (dazu Rz 8 f). Es ist möglich, dass ein einziges der Kriterien in solcher Stärke gegeben ist, dass es zur Begründung der Haftung ausreicht. Es kann aber auch sein, dass die Abwägungsmomente nur in ihrer Kombination eine Haftung gerechtfertigt erscheinen lassen (Koziol, HPR II 2 312; EF 31.518). 6 Eine Haftung nach § 1310 kommt freilich nur dann in Betracht, wenn
auch ein Deliktsfähiger – auf Grund der Rechtswidrigkeit der Handlung – für den Schaden einzustehen hätte (ZVR 1985/127; 2 Ob 40/93 ZVR 1994/149; 7 Ob 55/99k VersR 2001, 101): § 1310 enthält keine 1476
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§ 1310
Ausweitung der Haftung, sondern eine Einschränkung zugunsten Deliktsunfähiger (4 Ob 65/99h JBl 1999, 604). Zwar kann ein Verschulden von Unmündigen, insb von Kindern, nur 7 ausnahmsweise angenommen werden (ZVR 1987/9; 2 Ob 121/89 ZVR 1990/143; beide Mitverschulden; OLG Wien ZVR 2001/66), doch sind schon Schulkinder in der Lage, gewisse Gefahren zu begreifen (vgl die unten zitierten E), wobei das Verschulden von Kindern und Unmündigen milder zu beurteilen ist als jenes von Erwachsenen (ZVR 1987/80; ZVR 1988/39; 2 Ob 4/92 ZVR 1992/115, jeweils Mitverschulden); Gleiches gilt für Geistesschwache (ZVR 1973/100). Eine Verantwortlichkeit Unmündiger ist dabei um so weniger anzunehmen, je mehr das Alter unter der Mündigkeitsgrenze liegt (ZVR 1986/77, Mitverschulden; OLG Wien ZVR 2001/66), wobei es für die Einsichtsfähigkeit nicht auf einen abstrakten Maßstab, sondern auf den konkreten Einzelfall ankommt (OLG Wien 13 R 26/00i EF 93.556; Reischauer/R Rz 4). Dies gilt insb auch bei Verkehrsunfällen, bei denen zu beachten ist, dass gerade Kinder kaum in der Lage sind, sich stets verkehrsgerecht zu verhalten (vgl aus verkehrspsychologischer Sicht Michalik, ZVR 1994, 59 ff). Kein Verschulden wurde angenommen bei einem 4-jährigen Kind, das einen Rodelunfall verursacht (OLG Wien ZVR 2001/66); 5-jährigen Zündlern (SZ 47/43); bei einem 6 1/2-Jährigen, für den nicht erkennbar ist, dass der Motor eines abgestellten PKW Feuer fangen kann, wenn man ein brennendes Zündholz auf das Auto wirft (RZ 1982, 268); wenn kaum 6-jährige, noch nicht schulpflichtige Kinder wegen Fehlverhaltens von Autofahrern geschädigt werden (ZVR 1981/42; ZVR 1987/9, Mitverschulden); bei einer 7-Jährigen, die auf Zuruf ihrer älteren Schwester die Straße überquert, ohne auf den Verkehr zu achten (OLG Wien 2 R 234/93 ZVR 1995/23, Mitverschulden). Hingegen wurde ein Verschulden bejaht bei einem 7 1/2-jährigen Schulkind, das überraschend die Straße betritt (EF 38.580); einem 8-Jährigen, der hinter einem Hauseck hervor auf die Straße läuft (ZVR 1981/146), hinter einem am Fahrbahnrand stehenden Bus die Straße überquert (2 Ob 53/95 SZ 68/143, jeweils Mitverschulden) oder mit Knallkörpern spielt (SZ 60/224, Mitverschulden; anders 10 Ob 79/00s ZVR 2001/5: 10-Jähriger/Minirakete); ebenso, wenn ein 12-Jähriger einen Gleichaltrigen gegen einen eben abfahrenden Bus stößt (OLG Graz 3 R 80/92 ZVR 1993/103); wenn ein 13-jähriger Radfahrer mit zu geringem Seitenabstand überholt (OLG Wien 14 R 106/95 ZVR 1996/63) oder ein fast 14-Jähriger einen Radlader unbefugt in Betrieb nimmt (OLG Wien 11 R 224/96h ZVR 1998/68; ebenso ZVR 1976/14). Die stRspr zählt auch die Haftpflichtversicherung zum Vermögen 8 des Schädigers (4 Ob 2107/96y SZ 69/156; 4 Ob 65/99h JBl 1999, 604; Karner
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§ 1311
7 Ob 200/98g ZVR 2000/25); dagegen Kerschner, ÖJZ 1979, 282 ff, der einwendet, dass die Haftpflichtversicherung den Zweck habe, Schadenersatzansprüche des Versicherten abzudecken, nicht aber eine Haftpflicht erst zu begründen; krit auch Apathy/Riedler, SR BT Rz 14/31; für eine Berücksichtigung hingegen Rubin in Koban/Rubin/Vonkilch, Aktuelle Entwicklungen 98 ff. Differenzierend Koziol, HPR II 2 313, der zwar zugesteht, dass eine Haftpflichtversicherung allein die Haftung nach § 1310 nicht begründen könne; sei die Haftung aber aus anderen im Gesetz angeführten Gründen gerechtfertigt, so könne bei Bestehen einer Versicherung der Anspruch nicht wegen Vermögenslosigkeit abgelehnt werden. 9 Kann einem unmündigen Schädiger bereits ein Verschulden ange-
lastet werden, so kann seine Haftpflichtversicherung nicht wie im Fall 3 des § 1310 im Verhältnis des Deckungsfonds zum eingetretenen Schaden einbezogen werden, sondern das Verschulden ist stärker zu gewichten, wobei freilich zu beachten ist, dass das Verschulden Unmündiger milder zu beurteilen ist (9 Ob 181/00h ZVR 2001/82). 10 Je nach den Umständen – insb der Stärke der belastenden Momente
– kann der Richter auf vollen Ersatz oder einen billigen Teil desselben erkennen (ZVR 2001/82: „billiges Ermessen“), wobei beispielsweise auch zu berücksichtigen ist, wenn der Geschädigte Ansprüche aus einer Unfallversicherung hat (4 Ob 2107/96y SZ 69/156: nicht aber, soweit Versicherung Nachteile deckt, die mit Ersatzanspruch nichts zu tun haben) oder eine Feuerversicherung besteht (SZ 52/168; JBl 1982, 149; ZVR 2000/25; anders aber EF 29.399). 11 Zu einem (ausnahmsweisen) Mitverschulden Deliktsunfähiger ana-
log § 1310 s § 1304 Rz 2 sowie die Judikaturnachweise Rz 7. 12 Auf Grund der Subsidiarität der Haftung aus § 1310 hat der Geschä-
digte zu beweisen, dass er die Schädigung nicht veranlasst hat (s § 1308 Rz 5) und er die Aufsichtspflichtigen nicht nach § 1309 zur Haftung heranziehen kann (ZVR 1984/323; ZVR 1994/149; Reischauer/R Rz 11 und 21). 4. durch Zufall; § 1311. Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet. Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden veranlaßt; hat er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten; oder, sich ohne Not in fremde Geschäfte gemengt; so haftet er für allen Nachteil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre. 1478
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Schadenersatz
§ 1311
Lit: Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung (1992); ders, Praktische Probleme der Schutzgesetzhaftung, insbesondere im Verkehrshaftpflichtrecht, ZVR 1994, 129; Welser, Der OGH und der Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖJZ 1975, 1 und 37; ders, Schutzgesetzverletzung, Verschulden und Beweislast, ZVR 1976, 1.
S 1 regelt nach heutigem Verständnis den Grundsatz „casum sentit 1 dominus“, also eine negative Haftungsregel, mit der die Grenzen der Schadenszurechnung umschrieben werden (dazu und zur Vorstellung Zeillers von der „Haftung für aktiven Zufall“ Karollus, Schutzgesetzverletzung 7 ff). Eine Schadensüberwälzung auf den Schädiger ist nur bei Vorliegen der schadenersatzrechtlichen Zurechnungsgründe gerechtfertigt (zu diesen grundlegend Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts, 1941, 28 ff, 101 ff). Nach S 2 Fall 1 ist haftbar, wer einen Zufall schuldhaft veranlasst. 2 Dies entspricht insofern den allgemeinen Regeln (s Koziol, HPR II 2 100 f), als bei rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten auch für verursachte „zufällige“ Folgeschäden einzustehen ist, sofern nicht eine wertende Begrenzung der Haftung angezeigt erscheint (zu dieser § 1295 Rz 6 ff). Darüber hinaus kann diese Bestimmung – der heute eine eigenständige Bedeutung überwiegend abgesprochen wird – als Sondertatbestand einer casus-mixtus-Haftung für abstrakte Verkehrspflichten angesehen werden (s Karollus, Schutzgesetzverletzung 67 ff), was – so wie bei den Schutzgesetzen – zu einer Verkürzung des Verschuldensbezugs führt (dazu Rz 3). § 1311 S 2 Fall 2 regelt die Haftung bei Verletzung von Schutzgeset- 3 zen. Das sind konkrete Verhaltensvorschriften, die ein Verhalten schon wegen seiner abstrakten Gefährlichkeit verbieten (Karollus, Schutzgesetzverletzung 92 f). Während das Verschulden grundsätzlich den Eintritt des ersten Schadens umfassen muss (s § 1294 Rz 8), hat es sich bei Schutzgesetzen nur auf die Verletzung der übertretenen Norm zu beziehen (Karollus, Schutzgesetzverletzung 84 ff, 269 ff; Welser, ZVR 1976, 2 ff). Ein grob schuldhaftes oder vorsätzliches Verhalten, das nach § 1324 zu einem Ersatz des gesamten Interesses führt (s § 1293 Rz 3 und 9), kann dem Schädiger aber nur dann angelastet werden, wenn das Verhalten auch in Bezug auf den Schadenseintritt grob fahrlässig oder vorsätzlich war (P. Bydlinski, ZVR 1984, 198; Karollus, Schutzgesetzverletzung 320 ff; aA Mayrhofer, SR AT 299). Unter Schutzgesetzen sind nicht nur Gesetze im formellen Sinn zu 4 verstehen (so zB die Vorschriften der StVO; vgl auch Rz 5), sondern auch Gesetze im materiellen Sinn (Koziol, HPR II 2 102), also jede Karner
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Rechtsvorschrift, die inhaltlich einen Schutzzweck verfolgt (2 Ob 310/01d ZVR 2003/25: Signal- und Betriebsvorschriften der ÖBB). Auch Verordnungen können daher Schutzgesetze sein (VR 1987, 31; Karollus, Schutzgesetzverletzung 96 ff), ebenso nach verbreiteter Auffassung Bescheide (ZVR 1979/283; SZ 52/109; ZVR 1983/35; s Welser in Sprung/König, Das österreichische Schirecht, 1977, 422 f; zu Recht krit im Hinblick auf fehlerhafte Bescheide Reischauer/R Rz 4; eingehend Karollus, Schutzgesetzverletzung 98 ff, 111 ff, der überzeugend darlegt, dass der Bescheidinhalt nur mittelbar die zugrunde liegende generelle Norm konkretisiert und damit die Verhaltenspflicht mitkonstituiert, „Konkretisierungsthese“), insb auch als Auflage in einem Zulassungsbescheid (ZVR 1980/149; 10 Ob 273/02d bbl 2004, 203) oder in der Form der Genehmigung von Betriebsvorschriften (ZVR 1969/330; 7 Ob 276/03v: Sommerrodelbahn). Nicht hingegen ÖNORMEN (JBl 1972, 569; ZVR 1984/17: sie können jedoch durch Gesetz oder Verordnung für verbindlich erklärt werden; Reischauer/R Rz 5) oder Pistenregeln (FIS-Regeln, s Welser, aaO 442 ff; J. Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts, 1987, 150 f), die nur als Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen zu verstehen sind (Welser, aaO); ebenso wenig eine interne Arbeitsanweisung (4 Ob 216/99i EvBl 2000/41). 5 Bei Schutzgesetzen ist die Rechtswidrigkeit auf Grund der übertre-
tenen Norm leichter feststellbar, wobei es allerdings auch hier auf eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung ankommt, die etwa dann nicht vorliegt, wenn eine Gebotstafel durch ein Gebüsch verdeckt und damit objektiv nicht wahrnehmbar ist (Koziol, HPR I3 Rz 4/14; Reischauer/R Rz 6; Karollus, Schutzgesetzverletzung 159 ff). Besonderer Prüfung bedarf aber stets der Rechtswidrigkeitszusammenhang (dazu § 1295 Rz 9), genauer der Schutzzweck der Norm (Karollus, Schutzgesetzverletzung 337 ff; Welser, ZVR 1976, 1 ff): Für eine Haftung ist der personale, sachliche und modale Schutzbereich maßgeblich, es ist also stets zu prüfen, welchen Personenkreis das Schutzgesetz vor welchen Schäden und Tatbegehungsformen bewahren soll und ob der Einzelne oder nur die Allgemeinheit geschützt wird (Karollus, Schutzgesetzverletzung 341 ff): teleologische Interpretation (2 Ob 11/91 ZVR 1991/130; 2 Ob 75/94 ZVR 1995/75; 2 Ob 2028/96s ZVR 1997/45; Karollus, Schutzgesetzverletzung 347 ff). So soll zB eine ortspolizeiliche V, die Leinenzwang für Hunde anordnet, Kinder auch dann vor Hundebissen schützen, wenn die Behörde sie laut Sitzungsprotokoll nur zum Schutz von Gartenanlagen erlassen hat (EvBl 1960/127: Abstellen auf vernünftigen Gesetzgeber; zust Koziol, HPR I3 Rz 8/29). Die Führerscheinvorschriften haben den Zweck, 1480
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Schäden wegen mangelnder Eignung des Lenkers zu verhindern, nicht aber solche, die bei einem Führerscheininhaber genauso eingetreten wären (SZ 26/59; ZVR 1966/151). Das Linksgehgebot auf Freilandstraßen (§ 76 Abs 1 StVO) soll auch verhindern, dass Fußgänger von hinten angefahren werden (ZVR 1977/288; 2 Ob 260/03d ÖAMTC-LSK 2004/119). Das Überholverbot auf ungeregelten Kreuzungen (§ 16 Abs 2 lit c StVO) soll eine Sichtbehinderung nach rechts verhindern, nicht aber den benachrangten Verkehr von links schützen (2 Ob 14/91 ZVR 1991/128). Das Verbot des Stehenlassens von Anhängern nach dem Be- oder Entladen (§ 23 Abs 6 StVO) hat nicht den Zweck, Auffahrunfälle zu vermeiden (2 Ob 19/91 ZVR 1992/7); anderes gilt für Parkverbote und zwar selbst dann, wenn Halten erlaubt wäre (hier: § 24 Abs 3 lit d StVO), weil der mit der Dauer des Parkens wachsenden Gefahr von Unfällen entgegengewirkt werden solle (ZVR 1983/195; 2 Ob 28/90 ZVR 1990/126; abl Harrer/S Rz 19). Die Nichtbeachtung des Rechtsfahrgebots (§ 7 StVO) hat keine Bedeutung für Fahrbahnmängel, die nur auf der linken Fahrbahnhälfte auftreten (ZVR 1989/168). Ein Parkverbot hat nicht den Zweck, eine Gefährdung durch freilaufende Hunde zu verhindern (5 Ob 513/92 JBl 1993, 315). Das Gefahrenzeichen „Achtung Wildwechsel“ (§ 50 Z 13b StVO) dient nicht nur dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer, sondern auch dem Schutz des Eigentümers der Tiere oder Jagdberechtigter (2 Ob 25/94 ZVR 1995/81). Das Gefahrenzeichen des § 50 Z 16 StVO („Andere Gefahren“; hier: Wintersperre) erfasst auch Risken, die beim Bergen oder Abschleppen hängen gebliebener Fahrzeuge entstehen (2 Ob 137/89 ZVR 1990/150). Eine Geschwindigkeitsbeschränkung, die primär dem Lärmschutz dient (§ 43 Abs 1 lit b und Abs 2 lit a StVO), soll nach Ansicht des OGH auch alle Gefahren des Straßenverkehrs verhindern helfen, die erhöhte Geschwindigkeit mit sich bringt (ZVR 1997/45; krit Harrer/S Rz 18). Die Signal- und Betriebsvorschriften der ÖBB über die Bezeichnung der Bahnsteige sollen nicht nur die Orientierung der Reisenden ermöglichen, sondern diese auch vor herannahenden Zügen schützen (ZVR 2003/25). § 25 Abs 3 GSpG über den Ausschluss von Spielern dient auch dem Schutz von Spielsüchtigen vor Vermögensschäden (1 Ob 214/98x SZ 72/4; 1 Ob 175/02w SZ 2002/125; 1 Ob 52/04k RdW 2004, 466; Riss, RdW 2005, 7 ff, die Haftung wurde jedoch massiv eingeschränkt, s § 25 GSpG idF BGBl I 2006/145; Vonkilch, ÖJZ 2006, 487 ff). Die Vorschriften über die Abschlussprüfung (§§ 273–275 UGB) bezwecken auch die Aufdeckung einer vorsätzlich unrichtigen Rechnungslegung durch den Vorstand der Gesellschaft (8 Ob 141/99i SZ 73/157; zur Haftung des Abschlussprüfers näher § 1299 Rz 9). § 158 StGB dient dem Schutz der Gläubiger vor ungleicher Befriedigung (3 Ob Karner
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278/02g ÖBA 2004, 628 Karollus). Die Pflicht strafbare Handlungen zu verhindern (§ 286 StGB) soll jene schützen, die durch diese bedroht sind (6 Ob 147/99g JBl 2000, 113). Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Aussagepflicht von Zeugen dienen auch dem Schutz jener, deren Rechte festgestellt oder durchgesetzt werden sollen (SZ 54/142: Detektivkosten wegen Aussageverweigerung; zust Karollus, Schutzgesetzverletzung 256 ff; abl Harrer/S Rz 20). Die Verpflichtung, eine Versammlung anzuzeigen (§ 2 Abs 1 VslgG), hat auch den Zweck, bloße Vermögensschäden von Personen zu verhindern, die durch die Versammlung betroffen sind (1 Ob 152/97b SZ 70/126). Bei einer Morddrohung hat die Anordnung einer Verwahrungshaft (§ 175 StPO) auch den Zweck, einen Mordversuch zu verhindern (1 Ob 7/89 JBl 1991, 172 Rebhahn). Die (hoheitliche) Begutachtung eines Kfz gemäß § 57a KFG hat den Zweck, Unfälle zu verhindern (SZ 54/19; vgl auch 1 Ob 3/90 JBl 1991, 180 krit Rebhahn; 1 Ob 8/03p JBl 2003, 866); ebenso können Verstöße gegen Auskunftspflichtgesetze eine Haftung begründen (s 1 Ob 48/00s ÖBA 2001, 247: unrichtige Baulandbestätigung/Kreditgewährung; dazu Karner, ÖBA 2001, 235 ff; eingehend zum Schutzzweck im Amtshaftungsrecht Rebhahn, Staatshaftung wegen mangelnder Gefahrenabwehr, 1997, 245 ff, 298 ff, 376 ff). 6 Nach Auffassung des OGH ist bei Schutzgesetzen kein strikter
Nachweis des Kausalzusammenhanges erforderlich (ZVR 1972/7; 1 Ob 39/95 EvBl 1996/18; 6 Ob 174/99g JBl 2000, 113; dazu Welser, ZVR 1976, 5 ff; Koziol, HPR I3 Rz 16/36 ff). Besonders die ältere Rspr betonte, der Geschädigte brauche nur die Übertretung des Schutzgesetzes nachzuweisen; die Beweislast dafür, dass der Schaden auch ohne rechtswidriges Verhalten eingetreten wäre, obliege dem Schädiger (ZVR 1980/266; ZVR 1985/1; ZVR 1985/9; dagegen aber ZVR 1988/174). Dem ist nur insofern zuzustimmen, als es um eine Berufung auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten geht (dazu § 1295 Rz 14) und ein konkret gefährliches rechtswidriges Verhalten vorliegt (Koziol, HPR I3 Rz 16/37 und 39). Überdies ist einzuräumen, dass hinsichtlich der Kausalität eine Beweiserleichterung durch einen prima-facie-Beweis (zu diesem § 1296 Rz 3 f) in Betracht kommt, wenn gerade jener Schaden eingetreten ist, den das Schutzgesetz verhindern sollte (Welser, ZVR 1976, 6 f; F. Bydlinski, JBl 1992, 351; Koziol, HPR I3 Rz 16/39; für einen Anscheinsbeweis auch die jüngere Rspr ZVR 1978/89; 1 Ob 39/95 EvBl 1996/18; 6 Ob 174/99g JBl 2000, 113). Zur Anwendbarkeit des § 1298 s dort Rz 4. 7 § 1311 S 2 Fall 3 betrifft die Haftung bei GoA, s §§ 1035 Rz 3, § 1036
Rz 7. 1482
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§ 1312. Wer in einem Notfalle jemandem einen Dienst geleistet hat, dem wird der Schade, welchen er nicht verhütet hat, nicht zugerechnet; es wäre denn, daß er einen andern, der noch mehr geleistet haben würde, durch eine Schuld daran verhindert hätte. Aber auch in diesem Falle kann er den sicher verschafften Nutzen gegen den verursachten Schaden in Rechnung bringen. Zur Haftung bei GoA s § 1036 Rz 7; zur von S 2 angesprochenen 1 Vorteilsanrechnung s § 1295 Rz 16. 5. durch fremde Handlungen; § 1313. Für fremde, widerrechtliche Handlungen, woran jemand keinen Teil genommen hat, ist er in der Regel auch nicht verantwortlich. Selbst in den Fällen, wo die Gesetze das Gegenteil anordnen, bleibt ihm der Rückersatz gegen den Schuldtragenden vorbehalten. Lit: F. Bydlinski, Zur Haftung für Erfüllungsgehilfen im Vorbereitungsstadium, JBl 1995, 477 und 558; Ertl, Die Deliktshaftung der juristischen Person, RZ 1972, 111; Griss, Haftung für Dritte im Wettbewerbsrecht und im allgemeinen Zivilrecht, JBl 2005, 69; Kletecˇka, Der Anscheinserfüllungsgehilfe, JBl 1996, 84; Koziol, Die Haftung der Banken bei Versagen technischer Hilfsmittel, ÖBA 1987, 3; ders, Zurechnung ungetreuer Bank-Mitarbeiter (2004); Ostheim, Weisungsdelegation als Haftungsgrund, JBl 1969, 535; ders, Organisation, Organschaft und Machthaberschaft im Deliktsrecht juristischer Personen, GedS Gschnitzer (1969) 317; ders, Gedanken zur deliktischen Haftung für Repräsentanten anläßlich der neueren Rechtsprechung des OGH, JBl 1978, 57; Reischauer, Zur Ratio der Erfüllungsgehilfenhaftung (§ 1313a), VR 1990, 46; Spiro, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen (1984); M. Wilburg, Haftung für Gehilfen, ZBl 1930, 641 und 721.
§ 1313 normiert als Grundregel, dass niemand für fremdes Verhalten 1 einzustehen hat. Ausnahmen von dieser Regel enthalten die §§ 1313a– 1318, wobei es insb beim Einsatz von Gehilfen zu einer Zurechnung fremden Verhaltens kommt und zwar im Rahmen einer (rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen) Sonderbeziehung nach § 1313a, im deliktischen Bereich nach § 1315; eine Leutehaftung normiert § 1319a; zur Gehilfenhaftung bei gefährlichem Betrieb s § 9 Abs 2, § 19 Abs 2 EKHG; § 2 RHPflG; § 10 Abs 2 RohrlG; § 9 Abs 2, § 17 AtomHG; § 164 Abs 2, § 166 MinRoG; §§ 149, 156, 158 LFG; § 53 Abs 4 ForstG; § 79h Abs 2 GTG. Hat der Geschäftsherr den Schaden zu ersetzen, so kann er gemäß 2 § 1313 S 2 vom Gehilfen Rückersatz verlangen und zwar wegen VerKarner
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letzung des Innenverhältnisses. Der Schaden des Geschäftsherrn kann dabei höher sein als der vom Gehilfen zu tragende, so wenn der Geschäftsherr wegen § 349 UGB schon bei leichter Fahrlässigkeit den entgangenen Gewinn zu ersetzen hat (vgl Reischauer/R Rz 4; Koziol, HPR II 2 350 f). Der Regressanspruch entsteht erst mit Zahlung des Geschäftsherrn (SZ 57/197; SZ 60/73; 9 Ob 236/99t RdW 2000, 213; differenzierend Reischauer/R Rz 4). Nach § 3 Abs 2 und § 4 Abs 2 DHG sind die notwendigen Prozess- und Exekutionskosten eines Vorprozesses beim Rückgriff zu berücksichtigen; außerhalb des DHG kommt ein Ersatz insb bei Vertragsverletzung in Betracht (2 Ob 168/01x SZ 74/119: Schlechterfüllung durch Subunternehmer; regelmäßig wird dabei allerdings eine Verletzung besonderer Pflichten vorausgesetzt, s 3 Ob 53/02v RdW 2003, 259; 3 Ob 313/01b RdW 2003, 433; 4 Ob 197/05g JBl 2006, 653 Haas; näher Pochmarski/Strauss, JBl 2002, 366 f). Zum Regress bei Solidarhaftung (§ 896) s § 1302 Rz 14. 3 Ist der Gehilfe Dienstnehmer des Geschäftsherrn, so modifiziert das
DHG den Regress: Dieser entfällt bei entschuldbarer Fehlleistung (§ 4 Abs 3 DHG), bei leichter und grober Fahrlässigkeit besteht ein Mäßigungsrecht nach den Kriterien des § 2 Abs 2 DHG, das bei leichter Fahrlässigkeit auch zu einem Entfall der Haftung führen kann (§ 4 Abs 2 DHG). Verlangt der Geschädigte vom Dienstgeber Ersatz, so hat dieser dem Dienstnehmer den Streit zu verkünden (§ 4 Abs 1 DHG); widrigenfalls behält der Dienstnehmer alle Einwendungen, die ihm gegen den Dritten zugestanden wären (§ 4 Abs 4 DHG). Hat der Dienstnehmer dem Dritten seinerseits den Schaden ersetzt, so sieht § 3 DHG einen entsprechenden Rückgriffsanspruch gegen den Dienstgeber vor. Näher Kerschner, DHG mwN. § 1313a. Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes. [III. TN] Lit: S bei § 1313.
1 Die im Rahmen einer Sonderverbindung (Rz 2) bestehende strenge
Einstandspflicht für Erfüllungsgehilfen und gesetzliche Vertreter (Eltern, Kurator; Sachwalter, Masseverwalter, Zwangsverwalter; näher Koziol, HPR II 2 339) resultiert aus der Verfolgung konkreter eigener Interessen gegenüber dem Geschädigten (Reischauer/R Rz 1; 1 Ob 564/94 wobl 1995, 8 Call; 9 Ob 510/95 JBl 1996, 183 Kletecˇka). Dem Nutzen der Erweiterung des Aktionsradius entspricht die Tra1484
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gung der damit verbundenen Risiken, zumal die Stellung des Gläubigers durch den Gehilfeneinsatz nicht verschlechtert werden darf (F. Bydlinski, System 206 ff; SZ 60/133; 8 Ob 579/90 JBl 1990, 656 Dullinger; wobl 1995, 8 Call). Erfüllungsgehilfe ist, wer zur Erfüllung einer bestehenden Sonder- 2 verbindung eingesetzt wird (Koziol, HPR II 2 336 ff; JBl 1983, 255; 1 Ob 5/91 JBl 1991, 586; 6 Ob 345/97x JBl 1998, 718 Kleewein: Handlungspflicht eines mittlerweiligen Stellvertreters nach RAO). Darunter fallen vertragliche oder gesetzliche Schuldverhältnisse (Unterhalt, Bereicherung, GoA, Erfüllung von Schadenersatzpflichten), ebenso ein vorvertragliches Schuldverhältnis (Welser, Vertretung 79 ff; wobei auch für den falsus procurator einzustehen ist, wenn dieser ein Gehilfe des unwirksam Vertretenen war, dazu Welser, aaO 102 ff) einschließlich der Vorbereitung des Geschäftsabschlusses (SZ 51/111; 7 Ob 2224/96a SZ 70/15; zum Vorbereitungsstadium F. Bydlinski, JBl 1995, 477 ff, 558 ff; Kletecˇka, JBl 1996, 86 ff) und des Vertrags zugunsten Dritter (1 Ob 529/94 wobl 1994, 209); nicht aber eine bloße Gefälligkeitszusage ohne Eigeninteresse (2 Ob 19/97a JBl 1999, 244: Betreiber von Schaubergwerk gestattet Vermessungen für Diplomarbeit; restriktiv auch bei Erfüllung unentgeltlicher Geschäfte F. Bydlinski, System 208), wohl aber eine unentgeltliche Leistung innerhalb einer Geschäftsbeziehung (2 Ob 332/00p ZVR 2002/23: „kostenloses“ Anziehen von Radmuttern), Unterlassungen von Sachbearbeitern der Schiedsstellen der Ärztekammern (1 Ob 44/94 SZ 68/60) oder bei Subventionsgewährung (1 Ob 33/94 SZ 67/208). Erfasst sind auch öffentlich-rechtliche Sonderbeziehungen, deren Inhalt einer privatrechtlichen Verpflichtung gleichkommt (1 Ob 296/03s SZ 2004/145), so zB, wenn jemand ein öffentliches Gebäude aufsucht, um eine Dienststelle in Anspruch zu nehmen (JBl 1991, 586); das Vollzugsorgan ist aber nicht Erfüllungsgehilfe des betreibenden Gläubigers (3 Ob 11/97g JBl 1997, 386); zur Frage, ob § 21 SchG eine Sonderbeziehung begründet 8 Ob 31/97k ÖBA 1999, 300 Iro. Der Erfüllungsgehilfe muss mit Willen des Schuldners zwecks Er- 3 füllung tätig sein (SZ 55/123; 1 Ob 711/89 SZ 63/201; Koziol, HPR II 2 340; s auch JBl 1996, 183 Kletecˇka; 7 Ob 519/94 SZ 68/106; 1 Ob 265/03g JBl 2004, 648 Lukas = ecolex 2004, 608 Wilhelm; Reischauer/R Rz 8: „Einbeziehung in das Interessenverfolgungsprogramm“). Dabei genügt, dass der Geschäftsherr in zurechenbarer Weise den Anschein einer Erfüllungsgehilfeneigenschaft erweckt (10 Ob 528/94 SZ 69/86 = ecolex 1997, 151 Wilhelm; 4 Ob 365/97y ÖBA 1998, 556 Iro: jeweils Bankangestellte; näher Kletecˇka, JBl 1996, 84 ff). Nicht hingegen, wenn der Gehilfe auf Wunsch des Gläubigers zusätzliche Arbeiten Karner
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durchführt (JBl 1982, 654; 4 Ob 57/02i RdW 2002, 729); anders bei Zusatzleistungen, die im Rahmen der übernommenen Verpflichtung üblicherweise ohne gesondertes Entgelt erbracht werden (s ZVR 2002/23; Reischauer/R Rz 3). 4 Auch selbständige Unternehmer können Erfüllungsgehilfen sein
(SZ 63/201; 2 Ob 593/91 SZ 65/16; JBl 2004, 648 Lukas = ecolex 2004, 608 Wilhelm; Koziol, HPR II 2 340 f); strittig ist, ob eine Weisungsbefugnis bestehen muss (5 Ob 521/91 SZ 64/76; SZ 65/16; 4 Ob 2112/96h SZ 69/115; vgl auch JBl 1996, 183 Kletecˇka), doch kommt es nur darauf an, dass der Unternehmer vom Geschäftsherrn zur Erfüllung herangezogen wurde (F. Bydlinski, JBl 1995, 565 f; die Irrelevanz einer Weisungsbefugnis betonen auch 1 Ob 269/99m RdM 2000, 90 Kopetzki; JBl 2004, 648 Lukas = ecolex 2004, 608 Wilhelm). Entscheidend sind also die vertragliche Vereinbarung des Geschäftsherrn mit dem Dritten und die interpretative Ermittlung der jeweils übernommenen Leistungs- und Sorgfaltspflichten, zu deren Erfüllung man sich eines Gehilfen bedient (s F. Bydlinski, JBl 1995, 479 ff, 560 ff). Der Produzent ist daher nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, da dieser nicht zur Herstellung verpflichtet ist (SZ 52/74; SZ 54/116; Koziol, HPR II 2 340 f); auch ein Zulieferer von Rohstoffen oder Bestandteilen ist regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Produzenten (JBl 1988, 650; F. Bydlinski, JBl 1995, 480 ff). Eine Haftung für Erfüllungsgehilfen besteht hingegen, wenn ein Werkunternehmer sich nicht nur zur Werkleistung verpflichtet, sondern auch zur Bereitstellung eines geeigneten Produktes eines selbständigen, weisungsfreien Dritten, den er in die Leistungserbringung einbezieht (JBl 2004, 648 Lukas = ecolex 2004, 608 Wilhelm: Schwimmbad/Dichtungssystem; zu dieser E auch Strahwald, VR 2004, 175 ff; zu Konsequenzen für die Vertragsgestaltung Lukas, Zak 2005, 7 ff), ein Kükenproduzent in der Brüterei ein Schädlingsbekämpfungsunternehmen einsetzt (JBl 1996, 183 Kletecˇka) oder ein Verkäufer sich auch zur Herstellung der Kaufsache verpflichtet (JBl 1989, 175 Humel; wobl 1995, 8 Call; s F. Bydlinski, JBl 1995, 562 ff; Kletecˇka, JBl 1996, 186 ff) oder sich als Hersteller geriert (JBl 1989, 175 Humel; dazu F. Bydlinski, JBl 1995, 562 ff). Erfüllungsgehilfe ist auch ein Subunternehmer (SZ 63/201; 1 Ob 704/89 JBl 1990, 587; 1 Ob 178/00h RdW 2001, 334; 4 Ob 197/05g JBl 2006, 653 Haas), ein (englischer) Hotelier für den Reiseveranstalter (7 Ob 237/01f EvBl 2002/50); Banken, deren sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient (Reischauer/R Rz 4c) sowie Ärzte, die vom Krankenhausträger eingesetzt sind (4 Ob 509/95 JBl 1995, 453 J. W. Steiner = RdM 1995, 91 Kopetzki; 10 Ob 2350/96b EvBl 1997/86); 1486
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dieser hat auch für die Universitätskliniken einzustehen (1 Ob 91/99k RdM 1999, 177 Kopetzki); zum Belegsystem 1 Ob 267/99t RdM 2000, 88 Pitzl/Huber; RdM 2000, 90 Kopetzki; zu beiden E abl Bruck/Pfersmann, JBl 2001, 64 ff; s weiters Krejci, VR 1995, H 7–8, 32; Markl/ Pittl, ÖJZ 1997, 774 ff; Haberl, RdM 2005, 100 ff. Keine Erfüllungsgehilfenhaftung besteht, wenn der Schuldner nur Personen auswählen soll, die ihrerseits die Leistung erbringen (SZ 43/62; JBl 1986, 789; Koziol, HPR II 2 341). Auch ein Substitut (§ 1010 Rz 1 ff) ist kein Erfüllungsgehilfe; gehaftet wird deshalb nur bei unerlaubter Substitution oder Auswahlverschulden (§ 1010) (SZ 40/68; SZ 69/115; 2 Ob 49/02y NZ 2002, 326 Hoyer; zur Haftung für eigenverantwortliche Notarsubstituten Koziol, FS Weißmann, 2003, 431 ff; Kletecˇka, FS Welser, 2004, 477 ff); ebenso wenig ein eigenverantwortlicher Dritter, der ohne Zustimmung des Schuldners dessen Verbindlichkeit erfüllt (Koziol, FS Kramer, 2004, 169 ff), ein Baustellenkoordinator für den Bauherrn (2 Ob 272/03v RdW 2004, 334) oder ein Arbeiter für den Arbeitskräfteüberlasser (9 ObA 80/04m JBl 2005, 669). Gemäß § 1313a (analog) hat man auch für Ausübungspersonen ein- 5 zustehen, das sind Personen, deren man sich bei der Ausübung eines Rechtes bedient oder denen man diese überlässt (Reischauer/R Rz 10; präzisierend Koziol, HPR II 2 342: bei Überschreitung des Rechtes oder Verletzung übertragener Schutzpflichten). Werden technische Hilfsmittel wie Gehilfen eingesetzt, so ist auch 6 dafür einzustehen, s Koziol, ÖBA 1987, 3 ff. Ausdrücklich normiert dies für automationsunterstützte Datenverarbeitung § 89e GOG (Haftung für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie; außer bei unabwendbarem Ereignis). Diese Bestimmung bildet in Verbindung mit § 1313a eine hinreichende Analogiebasis (aA Kodek in Fasching, ZPO III § 251 Rz 26 f). Eine Haftung besteht auch bei einer Erfüllungsgehilfenkette: War 7 der Einsatz eines weiteren Gehilfen erlaubt, so ist auch dieser dem Geschäftsherrn zuzurechnen (SZ 28/61; JBl 1973, 151); war er unerlaubt, so liegt schon in der Weitergabe ein Fehlverhalten des Gehilfen, für das einzustehen ist (SZ 50/100). Der Geschäftsherr haftet nur für solche schädigende Handlungen des 8 Gehilfen, die mit der Erfüllung in einem inneren Zusammenhang stehen (SZ 51/55; JBl 1986, 101; 7 Ob 524/90 JBl 1991, 387); ein solcher ist jedenfalls bei Verletzung der Hauptleistungspflicht anzunehmen und zwar auch bei Vorsatz des Gehilfen (Koziol, Zurechnung 39; 7 Ob 400/97t RdW 1998, 459: Diebstahl durch Gehilfen des BewachungsKarner
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Schadenersatz
§ 1313a
unternehmens). Bei einer Verletzung von Schutzpflichten ist hingegen nur eine Schädigung bei der Erfüllung, nicht bloß gelegentlich der Erfüllung erfasst (SZ 9/168; JBl 1983, 255; dazu Koziol, HPR II 2 343 ff), wobei maßgeblich ist, ob das Verhalten des Gehilfen noch innerhalb des für den Geschäftsherrn wahrzunehmenden Pflichtenkreises liegt (SZ 60/133; SZ 63/201; 3 Ob 296/98w ZVR 2000/102: Diebstahl durch Stationsgehilfin/keine Haftung des Pflegeheims; krit Reischauer/R Rz 3) und ein sachlicher Zusammenhang mit dem Interessenverfolgungsprogramm des Geschäftsherrn besteht (Reischauer/R Rz 3). Eine allfällige Haftung nach § 1315 bleibt davon unberührt. 9 Den Gehilfen selbst treffen die Pflichten aus dem Schuldverhältnis
nicht. Unter dem Verschulden des Gehilfen ist deshalb ein Verhalten zu verstehen, das schuldhaft wäre, wenn es der Geschäftsherr selbst gesetzt hätte (JBl 1989, 175 Humel; 1 Ob 531/91 JBl 1992, 42; 1 Ob 62/00z SZ 73/151): Der Maßstab der Beurteilung richtet sich nach dem Verkehrskreis und der Stellung des Schuldners; näher, auch zur Frage der Zurechnungsfähigkeit, Koziol, HPR II 2 347 ff. 10 Da der Gehilfe selbst nicht zur Erfüllung verpflichtet ist, haftet er
nur deliktisch (SZ 51/97; JBl 1980, 39 Koziol; SZ 62/173; 4 Ob 524/92 ZVR 1992/177) und zwar solidarisch mit dem Geschäftsherrn (1 Ob 39/91 JBl 1992, 323); auch ist der Vertrag Geschäftsherr/Gehilfe regelmäßig kein Vertrag zugunsten der Gläubiger des Geschäftsherrn (JBl 1980, 39 Koziol; SZ 62/173; 1 Ob 601/92 JBl 1994, 331 Karollus; 6 Ob 250/01k ecolex 2002, 426); doch kann sich aus dem erteilten Auftrag eine Handlungspflicht des (deliktisch haftenden) Gehilfen ergeben: 2 Ob 64/98w wobl 1999, 186 (Schneeräumung); 2 Ob 172/99d ZVR 1999/98 (Schülertransport/Angurtpflicht). Überdies könnten Schutzwirkungen erwogen werden, wenn der Gehilfe ein selbständiger Unternehmer ist (Koziol, HPR II 2 90; Iro, ÖBA 1999, 303), doch wird auch dies von der Rspr abgelehnt, weil und sofern der Geschädigte ohnedies einen (deckungsgleichen) Schadenersatzanspruch gegen seinen Vertragspartner hat (JBl 1980, 39 Koziol; JBl 1994, 331 Karollus; ecolex 2002, 426). Eine persönliche Haftung trifft hingegen einen Verhandlungsgehilfen, der im Verhältnis zum Dritten ein ausgeprägtes eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hat oder bei den Vertragsverhandlungen in besonderem Ausmaß persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt (5 Ob 506/96 JBl 1997, 37; 1 Ob 182/97i SZ 70/147; 4 Ob 252/00p ÖBA 2001, 819; dazu Schobel, ÖBA 2001, 756 ff) und besteht auch in jenen Fällen, in denen das Verhalten des Gehilfen dem Geschäftsherrn nicht zugerechnet werden kann (vgl SZ 51/79; SZ 56/135; 9 ObA 208/89 JBl 1990, 599; Welser, Vertretung 94 ff); s auch § 1300 Rz 5. 1488
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Schadenersatz
§ 1315
Vertragliche Haftungseinschränkungen zugunsten des Geschäfts- 11 herrn werden auch auf den Gehilfen zu beziehen sein, wenn dieser bei und nicht bloß anlässlich der Erfüllung schädigt (Koziol, HPR II 2 350); zur Zulässigkeit Reischauer/R Rz 20. § 1314. Wer eine Dienstperson ohne Zeugnis aufnimmt oder wissentlich eine durch ihre Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit gefährliche Person im Dienste behält oder ihr Aufenthalt gibt, haftet dem Hausherrn und den Hausgenossen für den Ersatz des durch die gefährliche Beschaffenheit dieser Personen verursachten Schadens. [idF III. TN]
§ 1314 ordnet eine verschärfte Haftung gegenüber dem Hausherrn 1 und Hausgenossen an, weil diese auf Grund des räumlichen Naheverhältnisses besonders leicht in Mitleidenschaft gezogen werden können (Koziol, HPR II 2 365). Zu den Hausgenossen werden auch Besucher gezählt (SZ 3/100: Diebstahl), der Hausherr auch bei anderweitigem Wohnsitz, weil sich seine Nahebeziehung schon aus seiner Eigentümerstellung ergibt (Reischauer/R Rz 1). Vom Schutzweck umfasst sind dabei nur Schäden, die im Zusammenhang mit der räumlichen Nähe stehen (Koziol, HPR II 2 365). Die praktische Bedeutung ist gering: Da Zeugnisse keine für den 2 Dienstnehmer nachteiligen Hinweise enthalten dürfen (vgl § 1163 Rz 2), ist § 1314 insoweit unanwendbar (Reischauer/R Rz 4); auch Führerscheine sind keine Ausweise iSd § 1314 (Koziol, HPR II 2 365 FN 3 gegen SZ 31/88). Bei Beschäftigung von Personen, deren Gefährlichkeit man kennt, greift ohnedies § 1315. Einen eigenen Anwendungsbereich hat § 1314 daher nur, wenn solchen Personen wissentlich Aufenthalt gewährt wird. Auf eine Unterbringung Geisteskranker in einer Klinik ist § 1314 aber nicht anzuwenden (Koziol, HPR II 2 367). § 1315. Überhaupt haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt. [idF III. TN] Lit: S bei § 1313.
Im deliktischen Bereich haftet der Geschäftsherr nur für Besorgungs- 1 gehilfen, die habituell untüchtig sind oder deren Gefährlichkeit er kennt. Karner
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Schadenersatz
§ 1315
2 Besorgungsgehilfen sind Hilfspersonen, die unter Aufsicht und ent-
sprechender Weisung des Geschäftsherrn dessen tatsächliche oder rechtliche Angelegenheiten besorgen, worunter nicht nur Arbeitnehmer oder Beauftragte fallen, sondern auch jemand, der einmalig (Koziol, HPR II 2 353) oder aus Gefälligkeit handelt (Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/40). Bei Eingliederung in den Herrschafts- und Organisationsbereich (insb Weisungsgebundenheit) ist auch ein Unternehmer Besorgungsgehilfe (Reischauer/R Rz 1; JBl 1968, 473; 4 Ob 522/95 SZ 68/79); selbständige, nicht weisungsgebundene Unternehmer sind nach richtiger Auffassung hingegen keine Besorgungsgehilfen (Koziol, HPR II 2 353 f; Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/40 f; aA die überwiegende Rspr, s insb JBl 1978, 91 Koziol); gehaftet wird nur für ein Auswahlverschulden (Koziol, HPR II 2 354). Gesetzliche Vertreter fallen nicht unter § 1315 (Reischauer/R Rz 2). 3 Die Untüchtigkeit bezieht sich auf die zu verrichtende Tätigkeit und
muss habituell sein (stRspr SZ 25/68; SZ 41/47; SZ 60/69); der Gehilfe muss also nach seiner Ausbildung oder Veranlagung für die übertragene Tätigkeit ungeeignet sein (7 Ob 729/88 ZVR 1990/85); ein Verschulden oder Deliktsfähigkeit des Gehilfen ist nicht erforderlich, sondern nur ein objektiv sorgfaltswidriges (untüchtiges) Verhalten (Koziol, HPR II 2 358). Unter den genannten Voraussetzungen kann auch ein einmaliges Versagen die Haftung begründen (JBl 1978, 91 Koziol; SZ 54/21; SZ 60/49). Zwischen der Untüchtigkeit und der Schädigung muss ein innerer Zusammenhang bestehen (Koziol, HPR II 2 357). Ein Verschulden des Geschäftsherrn, etwa bei der Auswahl oder Überwachung, ist nicht nötig (JBl 1978, 91 Koziol; SZ 60/49). 4 Die Gefährlichkeit ergibt sich aus einer körperlichen, geistigen oder
charakterlichen Anlage des Gehilfen, wobei zwischen der Gefährlichkeit und dem Schaden ein Zusammenhang im Sinne der Normzwecklehre erforderlich ist (Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/42) und der Geschäftsherr gerade jene gefährliche Eigenschaft des Gehilfen gekannt haben muss, die sich realisiert hat (K/W II 358; ZVR 1985/44; vgl auch 3 Ob 296/98w ZVR 2000/102). Dieses Wissen muss aber nur die Gefährlichkeit umfassen, nicht die Möglichkeit einer Schadenszufügung (M. Wilburg, ZBl 1930, 724 f). Hat der Geschäftsherr die Gefährlichkeit nicht gekannt, sondern nur kennen müssen, so haftet er nach den allgemeinen Regeln nur, wenn ihn an der Schädigung selbst ein Verschulden trifft (Koziol, HPR II 2 355). Auf ein Verschulden des Gehilfen kommt es auch hier nicht an (vgl Rz 3). 5 Der schuldhaft handelnde Gehilfe haftet deliktisch, und zwar soli-
darisch mit dem Geschäftsherrn (Koziol, HPR II 2 358); vgl auch § 1313a Rz 10. 1490
Karner
Schadenersatz
§ 1316
Die allzu engen Haftungsvoraussetzungen des § 1315 (vgl Harrer, JBl 6 1996, 23 f) werden vielfach durchbrochen. So haftet der Wegehalter nach § 1319a für jedes grobe Verschulden seiner Leute. Ebenso sehen die neueren Bestimmungen der Gefährdungshaftung eine erweiterte Gehilfenhaftung vor, wonach der Inhaber einer gefährlichen Sache für jedes Verschulden seiner Gehilfen einzustehen hat (§ 19 Abs 2 EKHG; § 17 AtomHG; § 56 Abs 2 ForstG; § 10 Abs 2 RohrlG). Analog zu diesen Bestimmungen ist den Inhabern gefährlicher Sachen ganz allgemein eine Haftung (zumindest) für grobes Verschulden aufzuerlegen (Koziol, 2. FS Wilburg, 1975, 175 ff, 181 ff; für jedes Verschulden Reischauer/R § 1306 Rz 4; JBl 1958, 550; JBl 1982, 150 Koziol; vgl auch JBl 1986, 181). Eine über § 1315 hinausgehende Haftung besteht bei juristischen Per- 7 sonen, die deliktisch nicht nur für ihre Organe, sondern auch für ihre Machthaber (§ 337), also Personen in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion, einzustehen haben (F. Bydlinski, ZAS 1966, 169 ff; ders, System 144 f; Ostheim, GedS Gschnitzer 317 ff, 330 f, 335; Koziol, Zurechnung 34 f; 6 Ob 153/97m SZ 70/150; 3 Ob 119/99t ZVR 2000/90; 7 Ob 271/00d JBl 2001, 525). Diese Repräsentantenhaftung gilt auch bei einer GesBR (2 Ob 2398/96b SZ 70/138; 3 Ob 123/99f JBl 2000, 169; näher Apathy, FS Krejci I, 2001, 427 ff) und ist auf natürliche Personen zu erstrecken (F. Bydlinski, System 217 f; 5 Ob 173/02f ZVR 2003/108; vgl schon 2 Ob 107/98v JBl 1998, 713). Diese Erstreckung führt zu einer sachgerechten Erweiterung der Unternehmerhaftung (Apathy/Riedler, SR BT Rz 13/43; vgl JBl 1998, 713: Bauunternehmer haftet wegen unzureichender Absicherung der Baustelle für einen leitenden Ingenieur). Zur Repräsentantenhaftung im Versicherungsrecht s Welser, FS Ostheim, 1990, 609 ff; Reisinger, VR 2004, 147 ff. § 1316. Gastwirte, die Fremde beherbergen, sowie die anderen in § 970 bezeichneten Personen, ferner Fuhrleute haften für den Schaden, welchen ihre eigenen oder die von ihnen zugewiesenen Dienstpersonen an den eingebrachten oder übernommenen Sachen einem Gast oder Reisenden in ihrem Hause, ihrer Anstalt oder ihrem Fahrzeuge verursachen. [idF dRGBl 1939 I 2394]
Das ABGB folgt, soweit es die Gastwirtehaftung nicht nur im An- 1 schluss an den Verwahrungsvertrag (§§ 970 ff), sondern auch im Schadenersatzrecht regelt, römisch-rechtlichen Wurzeln (4 Ob 522/95 SZ 68/79), wobei § 970 die Vertrags- und § 1316 die Deliktshaftung Karner/Danzl
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Schadenersatz
§ 1317
behandelt (GlUNF 962; JBl 1917, 369); daher ist trotz des Wortlautes („verursachen“) Verschulden erforderlich (JBl 1917, 369; Schubert/R § 970 Rz 14; Harrer/S Rz 2). Der Kreis der Haftpflichtigen als auch der Anspruchsberechtigten ist ident; die Erweiterung in § 1316 auf „Fuhrleute“ ist ohne praktische Bedeutung (ausgenommen eventuell für Fiakerunternehmer: GlUNF 4328), weil bei Güterbeförderung die §§ 429 ff HGB (iVm CMR uam) und bei Sachschäden auch jene des EKHG (§§ 4, 16) zur Anwendung gelangen (Schubert/R 970 Rz 14; Reischauer/R Rz 2). Unterschied zu § 970 ist daher bloß, dass nach § 1316 nicht auch für die „aus- und eingehenden Personen“, sondern nur für die „Dienstpersonen“ gehaftet wird. 2 Die Deliktshaftung kann auch noch dann geltend gemacht werden,
wenn die nach § 970b notwendige Anzeige unterlassen wurde (Reischauer/R Rz 1; aA jedoch Harrer/S Rz 3) oder die Frist des § 967 abgelaufen ist; die Haftungshöchstgrenzen des § 970a kommen nicht zur Anwendung (vgl Schubert/R Rz 970 Rz 2). 3 Ein vertraglicher Ausschluss der Haftung (Freizeichnung) ist vor
allem bei der Einstellung von Kfz in Parkgaragen uÄ von praktischer Bedeutung (SZ 68/79). Zu beachten ist hiebei auch § 6 Abs 1 Z 9 KSchG (s § 6 KSchG Rz 15 f). § 1317. Inwiefern bei öffentlichen Versendungsanstalten für den Schaden eine Haftung übernommen werde, bestimmen die besonderen Vorschriften. Lit: Csoklich, Einführung in das Transportrecht (1990) 209 ff.
1 Als bloße Verweisungsnorm bezieht sich § 1317 vorrangig auf Schä-
den bei der Beförderung mittels Eisenbahn und Post. Erstere ist in den §§ 94 ff EBG, letztere in § 24 PostG geregelt. Die Haftung im internationalen Verkehr regeln diverse Abkommen, vorrangig das COTIF (samt Anhängen CIM und CIV). § 1318. Wird jemand durch das Herabfallen einer gefährlich aufgehängten oder gestellten Sache; oder, durch Herauswerfen oder Herausgießen aus einer Wohnung beschädigt; so haftet derjenige, aus dessen Wohnung geworfen oder gegossen worden, oder die Sache herabgefallen ist, für den Schaden. 1 Haftbar für die der römisch-rechtlichen actio de deiectis vel effusis
nachgebildeten Anlassfälle ist der Inhaber einer „Wohnung“ (gleichermaßen ob privat oder geschäftlich genutzt; ebenso Garage, Amts1492
Danzl
Schadenersatz
§ 1318
räume, Theater etc; einschließlich Außenflächen [RS0029597: Reklametafel; Geschäftsschild; Blumentopf]; nicht hingegen Gebäudeteile [Reischauer/R Rz 12] oder Brücken [JBl 1986, 180]); dies ist derjenige, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt zukommt (Reischauer/R Rz 3 mit zahlreichen Bsp; K/W II 341), also auch der (Unter-)Mieter oder Pächter (JBl 1989, 40; SZ 60/38; Wolff/K VI 106: nicht hingegen nach Auszug, auch wenn Mietvertrag noch aufrecht); ebenso der Hotelier hinsichtlich der von seinen Gästen bewohnten Zimmern (RS0029591; SZ 51/116; aA Harrer/S Rz 6: der Hotelgast selbst), nicht jedoch bloße Mitbewohner (SZ 39/170). Gemeinsame Innehabung begründet solidarische Haftung (10 Ob 374/98t Miet 50.215). Erfasst wird nur ein aus einer Wohnung, nicht hingegen ein in dieser selbst (1 Ob 306/99b SZ 73/118) oder auch bloß neben einer Hauswand (etwa durch eine am Gehsteig oder im Haustor stehende Sache: Wolff/K VI 105) zugefügter Schaden. In Analogie wird auch die Haftung für gefährlich verwahrtes Wasser 2 (nicht ordnungsgemäß geschlossener Absperrhahn; verstopfter Abfluss; defekter Schlauch; schadhafte Wasch- oder Geschirrspülmaschine; geborstenes Aquarium) unter § 1318 subsumiert (4 Ob 179/98x NZ 2000, 42; nicht hingegen bloße Vermögensschäden durch Wassermehrverbrauch eines Miteigentümers: 1 Ob 29/06f Zak 2006, 236) – gleichermaßen für sonstige Flüssigkeiten wie Öl (SZ 60/38; 4 Ob 233/04z); auch übermäßiges Blumengießen aus einem höher gelegenen Stockwerk kann darunter fallen (1 Ob 143/53). Die Tatsache eines Rohrbruches für sich allein begründet jedoch noch keine Haftung (RS0029837); es müssen vielmehr noch besondere Umstände hinzutreten, die den Schadenseintritt wahrscheinlich machten, und nach denen objektiv mit einer Funktionsstörung oder einem Versagen von Vorrichtungen und demzufolge mit einem unkontrollierten Wasseraustritt zu rechnen war (SZ 39/170: zu gering dimensionierter Waschmaschinenschlauch; JBl 1989, 40: bereits zweimal reparierte Leih-Kaffeemaschine). In winterlich ungeheizten Räumen sind wasserführende Anlagen (Leitungen) idR „gefährlich“ iSd § 1318 (RS0029823). Nach hM wird auf Dachlawinen nicht § 1318 angewendet, sondern 3 § 1319 (s dort Rz 2). Für die Haftung des Wohnungsinhabers ist – wegen des Beweisnot- 4 standes des Verletzten – Verschulden nicht erforderlich (RS0029761; SZ 73/118; K/W II 341; Mayrhofer, SR AT 300), sondern (nur), dass die Gefahr, aus der der Schaden später entstand, objektiv erkennbar war (Miet 50.215). Für fremdes Verhalten der mit seiner Zustimmung Danzl
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Schadenersatz
§ 1319
handelnden (unterlassenden) Personen (etwa Familienmitglieder: Miet 50.215; nur ausnahmsweise Professionisten: SZ 49/47; SZ 59/189) haftet der Rauminhaber auch, ohne dass auf seiner Seite Verschulden oder auch nur eine objektive Sorgfaltswidrigkeit vorliegen müsste; (nur) insofern liegt reine Erfolgshaftung vor (Reischauer/R Rz 15), freilich mit einem Regressanspruch (§ 1313; NZ 2000, 42). Keine Haftung besteht hingegen für Personen, die dem Rauminhaber die Verfügungsgewalt (gewaltsam) entzogen haben (Räuber, Terroristen, Hausbesetzer: Miet 50.215). 5 Der Geschädigte hat den Schaden, dessen Verursachung (durch das
Herabfallen etc) und die Gefährlichkeit zu beweisen (SZ 37/140); dem Schädiger obliegt hingegen der Beweis der Einhaltung der (objektiv gebotenen) Sorgfalt (Reischauer/R Rz 16; 10 Ob 360/99k EF 93.564). 6 Ob auch Schadensfälle durch Tiere miterfasst sind, ist strittig (dafür
Wolff/K VI 104 f; Koziol, HPR II 2 393; aA und – wegen der Einordnung unter die Überschrift „Haftung für fremde Handlungen“ sowie die nicht von dieser erfasste Tierhalterhaftung [§ 1320] – wohl zutreffender Reischauer/R 2 Rz 7). 7 Keine Haftung des Wohnungsinhabers besteht hingegen, wenn ein
Mensch aus einem Fenster springt oder geworfen wird (arg „Sache“; K/W II 342; Wolff/K VI 105: anders bei Körper eines bereits Toten). 8 Entgegen dem scheinbar engen Wortlaut („wird jemand beschädigt“)
sind von der Haftung auch Sachschäden erfasst (Wolff/K VI 107) 6. durch ein Bauwerk; § 1319. Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht, so ist der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatze verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe. [idF III. TN] Lit: Terlitza, Die Bauwerkehaftung (§ 1319 ABGB) (2000); ders, Aktuelle Rechtsprechung zur Bauwerkehaftung (§ 1319 ABGB), immolex 2001, 150 und 184.
1 Die Begriffe „Gebäude“ und „Werk“ werden in weitem Sinne verstan-
den (RS0029880; 4 Ob 56/04w). Darunter fallen daher künstliche 1494
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Aufbauten und Bodenvertiefungen oder (sonstige) willkürliche Gestaltung der Boden- und Geländebeschaffenheit (2 Ob 281/01i JBl 2002, 463). Bsp: Gruben (7 Ob 215/98p immolex 2000, 20 Iby), Schächte (SZ 61/132; 1 Ob 129/02f ZVR 2003/37; 7 Ob 255/04g), Kanaldeckel (4 Ob 2334/96f ZVR 1997/147; 10 Ob 2444/96a) und -gitter (6 Ob 30/98z), Grabstein (3 Ob 190/99h JBl 2000, 588), Geländer (SZ 36/103), Gerüst (EvBl 1965/48), Schranken (SZ 53/143; 2 Ob 17/01s ZVR 2002/9 2 Ob 175/04f), Masten (ZBl 1935/91), Zaun (SZ 41/27), Hallendach (6 Ob 20/98d Miet 50.217), Schlauch (6 Ob 80/02m Miet 54.187), Werbe- und Ankündigungstafel (SZ 25/68), Mauer (SZ 17/121), Absperrkette (2 Ob 357/97g JBl 1998, 715 Koziol; 1 Ob 75/02i ZVR 2003/20), Brückenwaage (2 Ob 281/01i JBl 2002, 463 = ecolex 2002, 348 Helmich), Abflussleitung (JBl 1986, 523), Übertragungskamera auf Holzplattform (3 Ob 199/99t ZVR 2000/90); weitere Bsp bei Terlitza, immolex 2001, 151 und 190. Haftungsentscheidend sind die Gefahren, die sich aus der Höhe oder Tiefe eines Werks oder dessen Statik und Dynamik ergeben (Terlitza, immolex 2001, 186 f; 9 Ob 27/04t: nicht daher Haftung für „bloße Oberflächenbeschaffenheit“) – gleichgültig, ob der Mangel durch fehlerhafte Errichtung oder durch unzureichende Instandhaltung hervorgerufen wurde (4 Ob 179/99y RdW 1999, 715). Auf Dachlawinen ( Jabornegg, ZVR 1974, 321; Koziol, HPR II 2 390, 2 396; Gschnitzer ua, SR BT 524; Terlitza, Bauwerkehaftung 286 f), stürzende Bäume und Äste (6 Ob 21/01h ZVR 2001/110; 2 Ob 137/05v immolex 2006, 126; Koziol, aaO 395; Terlitza, Bauwerkehaftung 284 ff; zum ForstG als Sondernorm s ZVR 2001/110) sowie Aufzüge (Langer, ÖJZ 2001, 232; nur die Eigenschaft als gefährlicher Betrieb abl 1 Ob 262/00m) wird § 1319 nach hM analog angewendet (Harrer/S Rz 16 f); die Haftung setzt freilich auch hier Erkennbarkeit der Gefahr voraus (Näheres Rz 4). Für analoge Anwendung auch bei Absturz einer hochgehobenen Baggerschaufel Koziol, HPR II 2 395 (gegen SZ 37/97). Besitzer (Halter) ist, wer in der Lage und auch verpflichtet war, durch 3 die erforderlichen Vorkehrungen die Gefahr abzuwenden (RS0010100; auf das Eigentum kommt es nicht entscheidend an: JBl 1986, 523); daher uU auch Haftung des Mieters (EvBl 1968/192; Reischauer/R Rz 13) oder der Wohnungseigentümergemeinschaft (5 Ob 291/01g wobl 2002, 307 Call; 4 Ob 56/04w; 5 Ob 162/06v Zak 2006, 418). Es kommt also nicht auf das rechtliche, sondern auf das tatsächliche und wirtschaftliche Verhältnis zur Sache an (wobl 2002, 307 Call). § 1319 normiert weder eine Erfolgs- (so Reischauer/R Rz 15; abl 5 Ob 4 150/06d) noch eine Gefährdungs- (so ZVR 2003/37 und immolex Danzl
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§ 1319a
2006, 126), sondern nach hM eine Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast (RS0023525; JBl 2002, 463; Miet 54.187; 7 Ob 255/04g). Manche (Koziol, HPR II 2 400 f; Terlitza, immolex 2001, 186) gehen von einer Haftung für objektive Sorgfaltswidrigkeit, verschärft durch eine Umkehr der Beweislast aus. Die Haftung setzt – unter Anlegung eines objektiven Maßstabes (Terlitza, immolex 2001, 184 f) – jedenfalls Erkennbarkeit oder doch Voraussehbarkeit der Gefahr voraus (EvBl 1983/63; Miet 54.187; immolex 2006, 126; 5 Ob 150/06d). Dem Geschädigten obliegt der Beweis des Besitzes des Beklagten am Bauwerk sowie dessen Mangelhaftigkeit als Schadensursache, dem Besitzer hingegen, dass er die erforderlichen (vernünftigen) Schutzvorkehrungen getroffen hat (SZ 41/27; 7 Ob 255/04g; RS0030049, RS0030035; Reischauer/R Rz 16 f; Mayrhofer, SR AT 341; Terlitza, immolex 2001, 185 f; Wolff/K VI 109), die nach der Auffassung des Verkehrs erwartet werden konnten (Miet 54.187). Zutr verneint Koziol, VR 2002, 228 f die verschärfte Haftung des Besitzers eines Hochhauses gemäß § 1319 im Falle einer terroristischen Sprengung. 5 Für Dritte haftet der Besitzer lediglich gemäß § 1315 (Harrer/S Rz 13;
Terlitza, immolex 2001, 188); eine juristische Person haftet für ihre Repräsentanten (RdW 1999, 715: Bundesbaudirektion; wobl 2002/307 Call: Wohnungseigentümergemeinschaft; Terlitza, aaO). 6 Ist der Besitzer eines Werkes gleichzeitig auch Wegehalter, dann
wird § 1319 durch § 1319a als Spezialnorm verdrängt (4 Ob 104/97s SZ 70/71; 7 Ob 58/03k; RS0107589; aA Koziol, HPR II 2 205 f; ders, JBl 1998, 716; Reischauer/R Rz 29; Terlitza, immolex 2001, 189: Anspruchsgrundlagenkonkurrenz). Dies gilt nur dann nicht, wenn ein besonderes Interesse des Wegehalters am betreffenden Werk besteht (JBl 2002, 463 = ecolex 2002, 348 Helmich: Brückenwaage; nicht hingegen 7 Ob 58/03k: Pflasterstein; 2 Ob 158/03d: Pflastermulde um Schachtdeckel; 7 Ob 227/03p Miet 55.191: leicht welliger Zebrastreifen; 2 Ob 79/04p: Holzbrücke an Radweg). 6a. durch einen Weg; § 1319a. (1) Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet hat. Ist der Schaden bei einer unerlaubten, besonders auch widmungswidrigen, Benützung des Weges entstanden und ist die Unerlaubt1496
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heit dem Benützer entweder nach der Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen, eine Abschrankung oder eine sonstige Absperrung des Weges erkennbar gewesen, so kann sich der Geschädigte auf den mangelhaften Zustand des Weges nicht berufen. (2) Ein Weg im Sinn des Abs. 1 ist eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehres benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist; zu einem Weg gehören auch die in seinem Zug befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen, wie besonders Brücken, Stützmauern, Futtermauern, Durchlässe, Gräben und Pflanzungen. Ob der Zustand eines Weges mangelhaft ist, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist. (3) Ist der mangelhafte Zustand durch Leute des Haftpflichtigen verschuldet worden, so haften auch sie nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. [BGBl 1975/416] Lit: F. Bydlinski, Verkehrssicherungspflichten des Wegehalters im Bergland, ZVR 1998, 326; Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz VI/103 ff; Kerschner, Neuere Entwicklungen in der Wegehalterhaftung, ZVR 2003, 272; Pirker, Die Wegehalterhaftung im alpinen Gelände, ZVR 1991, 193.
§ 1319a weicht dreifach von den allgemeinen Grundsätzen ab: Er er- 1 weitert die Haftung für fremdes Verschulden („Leutehaftung“, Abs 1); schließt die Haftung für leichte Fahrlässigkeit aus (Abs 1 und 3) und legt die haftungsausschließenden Standards des Wegzustandes durch Umschreibung der für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit bestimmenden Kriterien fest (Abs 2). § 1319a betrifft nur die Deliktshaftung (1 Ob 529/94 SZ 67/40; 8 Ob 2 164/00a ZVR 2002/10; 5 Ob 111/01m Miet 53.202; Reischauer/R Rz 26). Bei Benützung eines Weges gegen Entgelt beurteilt sich die Haftung nach Vertragsrecht und nicht nach § 1319a (RS0023714) – so auch bei der Vignettenmaut unterliegenden Autobahnen (2 Ob 33/01v SZ 74/25; 2 Ob 181/02k ZVR 2002/108: ohne deren sämtliche Anschluss-Strecken; 2 Ob 177/05a: Sorgfaltspflichten des Autobahnhalters dürfen nicht überspannt werden). Der Geschädigte hat die Haltereigenschaft, den mangelhaften Zustand der Straße (1 Ob 768/78) sowie (zumindest) grobe Fahrlässigkeit zu behaupten und zu beweisen (2 Ob 509/92 JBl 1993, 315). Danzl
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3 Der Halter haftet nur bei zulässiger Benützung des Weges (Abs 1
letzter S), sonst liegt Handeln auf eigene Gefahr vor. Die Haftungsfreiheit setzt Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Unerlaubtheit der Benutzung und dem Schadenseintritt voraus (1 Ob 625/94 SZ 68/145; 9 ObA 83/97i ZVR 1998/22). 4 Unter den Begriff des „Weges“ fallen öffentliche Verkehrswege eben-
so wie von jedermann – wenn auch nur von eingeschränktem Kreis – unter den gleichen Bedingungen benutzbare Privatstraßen (RS0115172; 2 Ob 335/97x JBl 1998, 655 Dullinger: nicht auch Hoffläche für „Anrainer“; 2 Ob 59/05y ZVR 2005/112: nach Betriebsschluss in der Nacht allgemein zugängliches Tankstellenareal), Wanderwege, alpine Steige (SZ 60/189), Mountainbikestrecke (1 Ob 260/05z ZVR 2006/198 Ch. Huber). Die Haftung ist unabhängig von der Benützungsart (RS0029988); sie gilt jedoch nur für Schädigung von Benützern des Weges, nicht aber etwa des Weganrainergrundes (SZ 55/179; aA SZ 52/27). Nicht darunter fallen in einem abgezäunten Grundstück (zB Fabriks-, Krankenhaus- oder Eisenbahngelände; privater Park oder Wald) befindliche Wege (RS0030061). Zu den Forstwegen s Rz 10. Zu den dem Verkehr dienenden Anlagen iSd Abs 2 gehören beispielsweise Geländer (4 Ob 104/97s SZ 70/71) sowie bei einem Klettersteig angebrachte Sicherungen (SZ 60/189); ebenso uU ein Bahnübergang, nicht jedoch ein Gleiskörper (ZVR 1989/160: auch nicht im Bereich der Kreuzung mit einer Straße; Reischauer/R Rz 2, 8). § 1319a ist auch auf Rodelbahnen (RS0030347) und Langlaufloipen (ZVR 1984/176; 6 Ob 692/89) anwendbar; ebenso auf Schipisten (8 Ob 164/00a ZVR 2002/10), sofern nicht, wie im Regelfall, Vertragshaftung vorgeht (ZVR 2002/10; s Rz 2); hingegen nicht auf den Veranstalter eines auf gesperrter Strecke veranstalteten Schirennens (ZVR 2002/10). 5 „Zustand“ bedeutet, dass nicht nur für den Weg selbst (die Fahrbahn),
sondern auch für dessen Verkehrssicherheit gehaftet wird (2 Ob 53/02m), etwa für einen gefährlichen Straßenrand (ZVR 1982/139; vgl auch 7 Ob 24/02h ZVR 2003/76 Ch. Huber: unbefestigter Randbereich einer Forststraße). Beurteilungsmaßstab sind Verkehrsbedürfnis und Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen (RS0030180; 2 Ob 299/01m; 2 Ob 53/02m; Einzelfallbeurteilung: 2 Ob 299/01m; 2 Ob 53/02m; 7 Ob 227/03p Miet 55.192), welche mit der Lage (JBl 1986, 113; 2 Ob 53/02m), aber auch den jahreszeitlichen Bedingungen (Harrer/S Rz 19) zusammenhängt. Speziell im (Hoch-)Gebirge sind ein vollkommener Schutz und das ständige Instandhalten einer Straße in gefahrlosem Zustand fast unmöglich (RS0023748; EvBl 1979/61: 1498
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Felssturz; ZVR 1983/83: vereiste Mautstraße; SZ 60/189: Wanderweg; 7 Ob 632/89: Steinschlag auf Pass-Straße); bei extrem ungünstiger Beschaffenheit ist uU die Straße für den Verkehr sogar zu sperren (ZVR 1983/83). Kleinen Gemeinden ist hiebei weniger zuzumuten als großen (ZVR 1979/316; Reischauer/R Rz 6); s auch Rz 9. Zur – der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuzählenden (Schragel, AHG Rz 119; Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz VI/108) – Instandhaltung der Straße gehört auch die Ausstattung mit allen notwendigen Verkehrseinrichtungen (Reischauer/R Rz 7; 2 Ob 293/98x ZVR 2000/61: Verkehrsschilder; RS0030113). Im Anwendungsbereich des § 1319a bleibt für die Annahme allgemeiner Verkehrssicherungspflichten kein Raum (2 Ob 310/98x JBl 1999, 461). Halter ist, wer die Kosten für Errichtung und Erhaltung des Weges 6 trägt sowie die Verfügungsmacht hat (RS0030011; SZ 51/129); Mithalter haften zur ungeteilten Hand (ZVR 1990/120). Die Einschränkung der Haftung auf grobes Verschulden ist nicht 7 verfassungswidrig (VfGH VfSlg 8254; 3 Ob 586/90 JBl 1991, 652; 8 Ob 93/04s). Zur groben Fahrlässigkeit s § 1294 Rz 11; Bsp finden sich in Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz VI/134 ff. Die Beurteilung stellt idR keine erhebliche Rechtsfrage dar (6 Ob 70/06x EWr W/18/42). Der Wegehalter haftet auch für grobes Verschulden „seiner Leute“ 8 (Mitarbeiter, Dienstnehmer). Selbständige, weisungsfreie Unternehmer (auch Straßenmeisterei: ZVR 1982/162; andere juristische Person: ZVR 1988/50) gehören nicht zu den „Leuten“ (RS0029995) und der Halter haftet nur für unsorgfältige Auswahl oder Verletzung der Überwachungspflichten (2 Ob 151/01x ZVR 2002/63; krit Harrer/S Rz 14). Die Vernachlässigung der Streupflicht durch den Halter ist nach 9 § 1319a zu beurteilen (RS0030148), und zwar wiederum nach objektiven Gesichtspunkten, wobei die Verkehrsbedürfnisse und die Zumutbarkeit für den Streupflichtigen maßgebend sind (Rz 5; vgl auch 2 Ob 41/02x: Forstweg zu Gasthaus). Das Land haftet bei Übertragung der Streupflicht an eine Gemeinde für Schäden, die der Bürgermeister oder die ihm unterstellten Beamten grob schuldhaft herbeiführen (2 Ob 3/93 SZ 66/30). Überträgt der Eigentümer gemäß § 93 Abs 5 StVO seine Verpflichtung, Gehsteige zu reinigen und zu säubern, durch Rechtsgeschäft (schlüssig: 2 Ob 1104/94 ZVR 1996/113; 2 Ob 119/98h ZVR 1999/43) auf einen anderen, dann tritt dieser an die Stelle des primär Verkehrssicherungspflichtigen (RS0023328; 5 Ob 173/02f ZVR 2003/108). Der Liegenschaftseigentümer iSd § 93 Abs 1 StVO oder die Danzl
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gemäß Abs 5 leg cit an seine Stelle tretende Person haben bei Verletzung ihrer Pflichten nach § 93 StVO (mangels Haltereigenschaft iSd § 1319a) auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen (RS0030023), und für Gehilfen nur nach § 1315 (ZVR 2003/108; 2 Ob 291/03p; aA Reischauer/R Rz 21); eine juristische Person uU auch für sog Repräsentanten (2 Ob 291/03p: Bereichsleiter eines Winterdienstunternehmens). Ist ein (streupflichtiger) Anrainer zugleich Wegehalter, so steht es dem Geschädigten frei, sich auf § 93 Abs 1 StVO oder § 1319a zu stützen (2 Ob 26/06x Zak 2006, 397 mit ausf Abgrenzung). 10 Gemäß § 176 Abs 4 ForstG gilt § 1319a auch „für die Haftung für den
Zustand einer Forststraße oder eines sonstigen Weges im Wald“ (6 Ob 21/01h ZVR 2001/110; 7 Ob 24/02h ZVR 2003/76 Ch. Huber). 7. durch ein Tier § 1320. Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte. [idF III. TN] Lit: Gstir, Gefährdungen durch Hunde – eine Analyse verwaltungsrechtlicher Schutzbestimmungen, ZfV 2004, 179; G. Haybäck/M. Haybäck, Hunderecht (2000); R. Oberhofer, Tierhalterhaftung im ländlichen Bereich, ZVR 1996, 34 und 66 (samt DFB 128).
1 § 1320 regelt zwei Fallgruppen, nämlich die Haftung desjenigen, der
ein – wildes, gezähmtes oder zahmes (Wolff/K VI 109) – Tier angetrieben, gereizt oder nachlässig verwahrt hat (S 1) sowie jene des Halters (S 2). Erfasst werden Personen- und Sachschäden (zB unerwünschter Deckakt: 1 Ob 2351/96h SZ 69/264 = EujurZ 1997/4, 23 Grill), welche Tiere „durch ihre von Trieben und Instinkten gelenkten Bewegungen, die nicht durch die Vernunft kontrolliert werden“ (3 Ob 507/96 SZ 70/113; RS0030199), angerichtet haben, etwa durch Anspringen, Beißen, Stoßen, Aufbäumen, Durchgehen eines Pferdes, Entlaufen eines Hundes auf die Straße, Verlust der Herrschaft über ein Pony-Gespann (2 Ob 46/01f). 2 „Antreiben“ und „reizen“ (hiezu RS0030212) bedeutet nicht nur vor-
sätzliches Hetzen eines Tieres („Kampfhund“: vgl Kunze, NJW 2001, 1608), sondern auch sonstiges fahrlässiges (ausf Wolff/K VI 109 f) Verhalten (Reischauer/R Rz 5). Aus der Formulierung „dazu gereizt“ folgt, dass ein unmittelbarer, auch zeitlicher Zusammenhang mit der 1500
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Beschädigung bestehen muss (JBl 1961, 324). „Verwahren“ umfasst vor allem die „Beaufsichtigung“ nach S 2; stehen mehrere Verwahrungsorte zur Verfügung, so ist die Verwahrung an jenem Ort „erforderlich“, an dem die Gefahr möglichst gering ist (3 Ob 2070/96v SZ 69/162; 2 Ob 308/03p). Halter ist, wer – auch ohne Eigentümer zu sein (SZ 26/121; Wolff/K 3 VI 110) – die tatsächliche Herrschaft über das Tier ausübt (RZ 1992, 93; vgl § 4 Z 1 TSchG; § 1 Abs 2 Z 2 oö HundehalteG 2002). Halter sind daher auch zB der Fruchtnießer eines Landgutes (ZVR 1965/286); Betreiber eines Wildparks (EvBl 1986/111), einer Tierschau (JBl 1968, 258) oder eines Tierheims (vgl LG Hanau VersR 2003, 873); Tiertransporteur (Reischauer/R Rz 7); Entlehner eines Reitpferds (ZVR 1973/157). Nicht hingegen: behandelnder Tierarzt (SZ 26/121; Reischauer/R Rz 7); bloß kurzfristiger Mieter oder bloße Aufsichtsperson (etwa zum Hundeausführen; Harrer/S Rz 3); Agrargemeinschaft für unbeaufsichtigtes Almvieh (EvBl 1970/326; SZ 55/180). Bsp für Mithalter (RS 0030431): Eheleute in gemeinsamer Wohnung (RS0030459; RS0030147), auch wenn sie den Hund als Spielgefährten der Kinder anschafften (EF 41.104); Miteigentümer bei Wachhund für die gemeinsame Liegenschaft (SZ 35/45; SZ 55/62). Nach nunmehr hA (abw noch SZ 48/34) normiert § 1320 zwar keine 4 (volle) Gefährdungshaftung des Tierhalters (6 Ob 55/02k ZVR 2003/91 = ecolex 2003, 95 Wilhelm), die besondere Tiergefahr wird aber dadurch berücksichtigt, dass auf die objektiv gebotene Sorgfalt abgestellt wird (2 Ob 180/98d ZVR 1999/107; 2 Ob 13/01b; 2 Ob 46/01f; ZVR 2003/91; 2 Ob 40/03a; Koziol, HPR I3 Rz 4/13, 5/40; vgl auch dens, HPR II 2 406 ff). Die Beweispflicht trifft den Halter (8 Ob 125/03w; RS0105089; R. Oberhofer, ZVR 1996, 77); misslingt der Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten (3 Ob 105/94 SZ 69/162; 8 Ob 125/03w; RS0105089). Welche Verwahrung (Beaufsichtigung) erforderlich ist, richtet sich 5 nach den – dem Halter bekannten oder erkennbaren – Umständen, insb Gattung des Tieres, dessen Eigenschaften und Eigenarten (Bösartigkeit), Verwendung, bisherigem Verhalten, Umgebung und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung (vgl 3 Ob 2229/96g JBl 1997, 99; 2 Ob 40/03a). Es dürfen jedoch nur Maßnahmen verlangt werden, die vernünftigerweise nach der Verkehrsaufassung (orts-)üblich – und zumutbar – sind (RS0030157; RS0030365; RS0030326); die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden (RS0029999). Bei besonderer Gefährlichkeit (Bösartigkeit) eines Tieres ist auch besondere Sorgfalt geboten (RS 0030515; Reischauer/R Rz 12; vgl hiezu auch Danzl
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§ 81 Abs 1 Z 3 StGB). Diese Beurteilung ist aufgrund ihrer Einzelfallabhängigkeit idR mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht revisibel (9 Ob 140/97x; 2 Ob 13/01b; 2 Ob 334/01h EF 102.127; 1 Ob 32/04v). 6 Der Tierhalter hat seiner Verwahrungspflicht entsprochen, wenn er
eine verlässliche Person (nicht zB Kind für großen Hund: 7 Ob 61/99t EF 90.159, EF 90.161; vgl auch § 3 Abs 3 oö HundehalteG 2002) betraut hat; für diese haftet er nur nach § 1315 (RS0028797; RS0028834; 2 Ob 8, 9/94 ZVR 1996/23). 7 Einzelfälle: a) Hunde (R. Oberhofer, ZVR 1996, 70): Schon der erste
Biss kann durchaus haftungsrechtliche Folgen haben (kein „Freibiss“; RS0030111); ebenso Vernachlässigung der Verwahrung bei Umherlaufenlassen auf der Straße ohne Maulkorb und ohne den Hund unter Kontrolle zu halten (8 Ob 125/03w; RS0030179); gleichermaßen im Kraftfahrlinienverkehr (vgl § 38 Kfl-Bef Bed idF BGBl II 2004/374); bei Übertretung des Leinen- oder Maulkorbzwangs haftet der Halter nur für den im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehenden Schaden (EvBl 1960/127; 8 Ob 125/03w; 6 Ob 104/04v). Bei Spaziergängen im Gelände entspricht es der Verkehrsübung, dass der Halter ein nicht bösartiges und folgsames Tier frei herumlaufen lassen darf (RZ 1985, 89; 1 Ob 57/02t ZVR 2002/67 Danzl; RS0030287; anders bei Fitnessparcours im Wald, wo mit Freizeitsportlern zu rechnen ist: 6 Ob 227/05h Zak 2006, 17); es ist gestattet, Hunde im Haus und im Hof (Garten) frei herumlaufen zu lassen (1 Ob 31/04x), doch gilt dies nicht, wenn sich Kleinkinder in der Nähe aufhalten (6 Ob 47/01g EF 97.023; RS0030116); die bloße Anbringung einer Warntafel („scharfer Wachhund“) genügt bei gefährlichen Tieren nicht (EvBl 1980/49); auch gutmütige Tiere können gefährlich werden (1 Ob 609/94 EvBl 1995/57); zum Mitlaufenlassen eines Hundes neben einem Moped, Fahrrad oder Traktor s SZ 20/198; SZ 27/267; 2 Ob 227/80; RS0030184; zu (Polizeioder Lawinen-)Spürhunden s RS0030442 und RS0030186. In Landesgesetzen finden sich haftungsrechtliche Sonderregelungen (zB oö HundehalteG 2002). b) Katzen bilden keine besondere Gefahr (1 Ob 25/02m). c) Pferde (R. Oberhofer, ZVR 1996, 44 ff und 66 ff): Gefahr des Ausschlagens bei Annäherung von hinten (4 Ob 2155/96g); Überlassung nur an kundige und körperlich geeignete Person (RZ 1983, 296); zur Höchstleistung angetriebenes Rennpferd ist „potentiell besonders gefährlich“ (ZVR 2003/91 = ecolex 2003, 95 Wilhelm); der bloße schriftliche Hinweis „bissig“ auf der Box eines für seine Bissigkeit bekannten Pferdes ist nicht ausreichend, wenn Reitschüler und Gäste ungehinderten Zugang haben (OLG Linz 6 R 137/03i). 1502
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d) Weidevieh (Kühe; R. Oberhofer, ZVR 1996, 40 ff und 71 ff): Verwahrung von Rindern mit elektrischem Weidezaun ist im Allgemeinen hinlänglich (SZ 52/86; ZVR 1999/107; RS0030020); für Almund Alpgebiete s 2 Ob 18/93 ZVR 1995/2; OLG Innsbruck 3 R 224/92 ZVR 1993/48; 8 Ob 91/02v Miet 54.189; 2 Ob 334/01h; 1 Ob 221/03m EF 104.736; Viehtrieb auf der Straße erfordert entsprechende Zahl geeigneter Treiber (ZVR 1982/325). e) Federvieh (Hühner; R. Oberhofer, ZVR 1996, 69): auch im ländlichen Bereich nur bei sehr geringer Verkehrsfrequenz keine Verwahrung erforderlich (2 Ob 278/02z JBl 2003, 381: Radweg). Diverse Schutzgesetze, insb nach der StVO, sind zu beachten; so § 50 8 Z 13a StVO (Gefahrenzeichen „Achtung Tiere“; 2 Ob 2326/96i SZ 69/231), § 79 (Reiten), § 80 (Viehtrieb), § 81 (Weiden an Straßen); weiters § 16 Abs 5 EisbKrV (Beaufsichtigung bei Annäherung eines Schienenfahrzeuges: ZVR 1978/242) und § 24 Abs 3 BStG (ZVR 1974/136). S auch § 9 Abs 2 EKHG (unabwendbares Ereignis zufolge Verhaltens eines Tieres; Danzl, EKHG § 9 Anm 7 sowie E 57 f; Apathy, EKHG § 9 Rz 13 f); weiters § 33a EpidemieG 1950 (Ersatz der Behandlungskosten für von „wutkranken oder wutverdächtigen“ Hunden gebissene Personen). Zu Tierunfällen als Arbeitsunfälle s 9 ObA 316/89 und RS0030139. Zur Beurteilung der von einem Nachbargrundstück durch die Haltung von Tieren ausgehenden Beeinträchtigung unter dem Aspekt des Immissionsschutzes nach § 364 Abs 2 vgl M. Binder, SachenR Rz 17/19 f; Gaisbauer, wobl 2000, 165. § 1321. Wer auf seinem Grund und Boden fremdes Vieh antrifft, ist deswegen noch nicht berechtigt, es zu töten. Er kann es durch anpassende Gewalt verjagen; oder, wenn er dadurch Schaden gelitten hat, das Recht der Privatpfändung über so viele Stücke Viehes ausüben, als zu seiner Entschädigung hinreicht. Doch muß er binnen acht Tagen sich mit dem Eigentümer abfinden, oder seine Klage vor den Richter bringen; widrigenfalls aber das gepfändete Vieh zurückstellen. Aus der in § 1320 verankerten Verwahrungspflicht folgt, dass auch 1 dafür Sorge zu tragen ist, dass Tiere nicht auf fremden „Grund und Boden“ gelangen. Wegen des bloßen Antreffens auf eigenem Grund darf man fremdes Vieh noch nicht töten (SZ 6/405; EvBl 1962/91: Ausstreuen von Gift gegen fremde Hühner), außer bei Not- oder Sachwehr (Reischauer/R Rz 1; Wolff/K VI 116). Vgl auch § 384 Rz 2. Danzl
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§ 1322
2 „Anpassende Gewalt“ (vgl § 344) ist die geringst mögliche, angesichts
der Größe und Gefährlichkeit des Tieres noch zielführende Gewaltausübung (Reischauer/R Rz 2). Die Anwendung ungeeigneter Mittel kann zu Sorgfaltspflichtverletzung in eigener Sache führen (EvBl 1958/289; 7 Ob 625/80). 3 Hat das Tier einen Schaden am Vermögen – oder an der Person
(Wolff/K VI 116; aA Reischauer/R Rz 7) – des Grundeigentümers (nicht auch eines Dritten) angerichtet, besteht das (mit § 1101 Abs 2 vergleichbare: SZ 48/34) Recht der Privatpfändung mit den normierten Auflagen. Gehört das schädigende Vieh mehreren Eigentümern, besteht Solidarhaftung; lässt sich nicht feststellen, welches von mehreren Tieren den Schaden angerichtet hat, ist die Privatpfändung unzulässig (Wolff/K VI 117). Nur bei rechtmäßiger Tötung kann auch das getötete Tier gepfändet werden (Wolff, aaO). 4 Die Schadenersatzpflicht des Vieheigentümers nach § 1321 richtet sich
im Übrigen nach § 1320 (SZ 48/34). § 1322. Das gepfändete Vieh muß auch zurückgestellt werden, wenn der Eigentümer eine andere angemessene Sicherheit leistet. 1 Zur Art und Angemessenheit einer solchen anderweitigen Sicherheit
s §§ 1373 f. Arten des Schadenersatzes § 1323. Um den Ersatz eines verursachten Schadens zu leisten, muß alles in den vorigen Stand zurückversetzt, oder, wenn dieses nicht tunlich ist, der Schätzungswert vergütet werden. Betrifft der Ersatz nur den erlittenen Schaden, so wird er eigentlich eine Schadloshaltung; wofern er sich aber auch auf den entgangenen Gewinn, und die Tilgung der verursachten Beleidigung erstreckt, volle Genugtuung genannt. Lit: Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung (1977); ders, Fragen des Ersatzes von Reparaturkosten nach der Beschädigung von Kraftfahrzeugen, ZVR 1981, 257; ders, Merkantile Wertminderung unter besonderer Berücksichtigung der Bagatellschäden, ZVR 1988, 289; F. Bydlinski, Der Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl 1965, 173 und 237; Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz V/1 ff; Ch. Huber, Fragen der Schadensberechnung 2 (1995); ders, Aktuelle Fragen des Sachschadens, ÖJZ 2005, 161 und 211; Nedwed, Schadensablöse – Probleme der Schadensberechnung abseits der Wirklichkeit, SV 1999, 10.
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Schadenersatz
§ 1323 Übersicht
I. Naturalrestitution – Geldersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Totalschaden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. (Fiktive) Reparaturkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. (Fiktive) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Merkantiler Minderwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Mietwagen; sonstige Ersatzfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Abzug „neu für alt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Naturalrestitution – Geldersatz Nach § 1323 S 1 ist dem Geschädigten primär Ersatz durch Natural- 1 restitution zu leisten: Diese bedeutet zumindest die Herstellung eines gleichartigen und gleichwertigen Zustands wie vor dem Schadensereignis (1 Ob 15/02s bbl 2002, 161; 1 Ob 195/03p EF 104.603). Naturalherstellung ist geboten, wenn ein wirtschaftlich denkender Mensch, der den Schaden selbst zu tragen hätte, die Aufwendungen ebenfalls tätigen würde (EvBl 1989/103; 1 Ob 54/03b JBl 2004, 657 = ecolex 2004, 855 M. Leitner). Ist sie unmöglich oder (im wirtschaftlichen Sinn: 6 Ob 139/04s) untunlich, so ist Geldersatz zu leisten (SZ 51/7; EF 104.603; Reischauer/R Rz 9) – ebenso im Rahmen des sog Interesseersatzes beim subjektiv berechneten Vermögensschaden (S 2; §§ 1324, 1331; Koziol, HPR I3 Rz 2/77; vgl auch § 1293 Rz 2 ff und § 1324 Rz 1). Zur Berechnung s § 1332 Rz 1. Zum Vorrang der Naturalrestitution im Gewährleistungsrecht s 2 § 933a Rz 4 ff. Bei Ansprüchen nach dem AHG/OrgHG und StEG 2005 ist Ersatzleistung in natura ausgeschlossen. Der Ausdruck „Tilgung der verursachten Beleidigung“ im letzten HS 3 von S 2 wird nach hL (Koziol, HPR I3 Rz 11/3 ff; Mayrhofer, SR AT 257, 323; Reischauer/R § 1324 Rz 11) als Hinweis auf den Ersatz ideellen Schadens (bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit) gedeutet (ausf § 1293 Rz 2 f); s auch § 1331 Rz 2. II. Sachschaden Bei Beschädigung einer Sache besteht der Naturalersatz entweder in 4 der Verschaffung einer gleichartigen und gleichwertigen Sache (ZVR 1966/121) oder in deren Reparatur (ZVR 1980/325). Im wirtschaftlich besonders bedeutsamen Kfz-Bereich wird aller- 5 dings – nicht zuletzt wegen der Anordnung des § 49 VersVG, wonach der Versicherer den Schadenersatz (nur) in Geld zu leisten hat (GeldDanzl
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leistungsprinzip) – eine Naturalherstellungspflicht verneint (ZVR 1961/313), der Ersatzpflichtige (Versicherer) hat daher regelmäßig (nur) Geldersatz zu leisten. Dieser richtet sich nach den Kosten einer technisch einwandfreien Reparatur, wenn diese möglich und wirtschaftlich noch zweckmäßig ist (ZVR 1987/38). Dem Geschädigten ist hiebei zuzugestehen, die Werkstätte seines Vertrauens zu beauftragen (ZVR 1974/217); er hat daher auch Anspruch auf die Überstellungskosten, wenn diese zu den Reparaturkosten in einem angemessenen Verhältnis stehen (ZVR 1982/160). 6 Wegen seiner Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 1304 Rz 1, 9)
hat der Geschädigte den Reparaturauftrag so schnell als möglich zu erteilen (ZVR 1984/281; RS0027052; RS0027072); ein Zuwarten kann aber, insb wenn die Feststellung des Schadens durch einen Sachverständigen notwendig ist, gerechtfertigt sein (ZVR 1977/229; 2 Ob 158/79; RS0026860). Eine Frist von 14 Tagen ist uU angemessen (ZVR 1979/305; ebenso ZVR 1975/165: 10 Tage; ZVR 1977/229 und ZVR 1984/281: 1 Woche). Grundsätzlich ist ein Zuwarten bis zur Genehmigung durch den Haftpflichtversicherer jedoch nicht gerechtfertigt (RS0026970), außer der Haftpflichtversicherer tritt den Vorschlägen des Geschädigten näher (ZVR 1977/229). III. Totalschaden 7 Ein solcher ist anzunehmen, wenn die Reparatur unmöglich ist oder
deren Kosten den Zeitwert des beschädigten Kfz erheblich übersteigen (RS0030559; RS0030487). Eine mäßige, wirtschaftlich vertretbare Überschreitung des Zeitwertes ist unschädlich (ZVR 1975/79), wobei keine starre Grenze besteht (ZVR 1977/167). Zur Wirtschaftlichkeitsbeurteilung s Ch. Huber, SV 2004, 25 ff. Als Faustregel werden in der Praxis rund 10% angesehen (Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz I/84 und V/8). 8 Bei Totalschaden ist – im Rahmen der objektiv-abstrakten Schadens-
berechnung (§ 1293 Rz 9) bei leichter Fahrlässigkeit – die Differenz zwischen dem Zeitwert des unbeschädigten Kfz und dem Wrackwert zu ersetzen (ZVR 1984/344; RS0030534). Unter Zeitwert ist der Wiederbeschaffungswert zu verstehen (ZVR 1976/15). Es ist nicht auf ein Fahrzeug gleicher Type in Normalausstattung, sondern auf das konkrete Fahrzeug im Zustand vor seiner Beschädigung mit seiner Sonderausstattung und den zum Betrieb gehörigen „Extras“ abzustellen (ZVR 1976/15; näher 7 Ob 380/97a ZVR 1999/105 und dazu Reisinger, RdW 1999, 324). Besteht kein Gebrauchtwagenmarkt, so ist auf jenen Wert abzustellen, den das gebrauchte Fahrzeug für den Eigentümer noch hätte (SZ 51/37). 1506
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Bei Totalschaden eines Leasingfahrzeugs ist ausschließlich der Wie- 9 derbeschaffungswert maßgeblich (2 Ob 2419/96s ZVR 1997/104: Differenz zwischen Zeitwert vor und Wrackwert nach dem Unfall); nicht zu ersetzen ist hingegen (mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs) der Schaden des Leasingnehmers, dass er infolge Beendigung des Leasingvertrages die noch offenen Leasingraten zahlen und den Restwert ablösen muss (2 Ob 26/93 ZVR 1994/39). Erteilt der Leasingnehmer auf Grund einer Vereinbarung mit dem Leasinggeber selbst den Reparaturauftrag und bezahlt er, so liegt eine Schadensverlagerung vor und der Schädiger hat ihm die Reparaturkosten zu ersetzen (2 Ob 33/95 ZVR 1996/61). Näheres s Fischer-Czermak, SV 2006, 22. IV. (Fiktive) Reparaturkosten Nach stRspr – entgegen Apathy, ZVR 1981, 261 – besteht Anspruch 10 auf geldmäßigen Ersatz der Reparaturkosten (sofern Reparatur möglich und wirtschaftlich ist: Rz 4) ohne Rücksicht darauf, ob der Geschädigte diese vornehmen ließ oder das Fahrzeug in beschädigtem Zustand veräußerte und welchen Erlös er dabei erzielte (RS0030285), ist es doch Sache des Geschädigten, wie er den Betrag verwendet (ZVR 1979/132) bzw ob und wie er die Reparatur durchführen lässt (ZVR 1983/36; ZVR 1979/132). S hiezu auch Rz 14 und Nedwed, SV 1999, 10 ff. Keine fiktiven Reparaturkosten sind hingegen zu ersetzen, wenn der 11 tatsächliche Aufwand geringer war (ZVR 1982/194). Einem Geschädigten, der nicht gewerblicher Unternehmer ist und die Reparatur selbst durchgeführt hat, ist nur der tatsächliche Aufwand zu ersetzen (SZ 51/7; 2 Ob 128/89 AnwBl 1990, 399 Arnold = VersR 1991, 721 Ch. Huber). Der Zuspruch fiktiver Reparaturkosten in voller Höhe verbietet sich weiters, wenn die Reparaturkosten höher als die objektive Wertminderung sind, weil dies einer Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers gleichkäme (2 Ob 5/94 ZVR 1995/7; 2 Ob 11/96 ZVR 1996/114; RS0022844). V. (Fiktive) Umsatzsteuer Zu den Wiederherstellungskosten zählt auch die neben dem Repa- 12 raturentgelt zu entrichtende USt (JBl 1976, 44; zu sonstigen steuerrechtlichen Fragen s Achatz/R § 1323 Anh Rz 55 ff). Es ist jedoch nur die tatsächlich entrichtete Steuer in Ansatz zu bringen (SZ 51/7 und 2 Ob 128/89 AnwBl 1990, 399 Arnold = VersR 1991, 721 Ch. Huber; ZVR 1978/321; RS0037934). Danzl
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13 Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug berührt die Bemessung des
Schadenersatzes nicht; der Ersatzpflichtige wird auf einen Rückersatz verwiesen (ZVR 1979/75; 7 Ob 147/00v VersE 1891). VI. Merkantiler Minderwert 14 Auch merkantile Wertminderung ist positiver Schaden (5 Ob 47/98t; RS0031205; Mayrhofer, SR AT 317). Als eine objektiv berechenbare Minderung des Werts der Sache ist sie ebenfalls (s Rz 10) ohne Rücksicht darauf zu ersetzen, ob der Geschädigte das Kfz reparieren lässt (ZVR 1983/280) oder verkauft (ZVR 1961/116; ZVR 1981/95; RS0030400). Ganz geringfügige Schäden sind zu vernachlässigen (ZVR 1977/298; ZVR 1983/280); krit Apathy, ZVR 1988, 295 ff. VII. Mietwagen; sonstige Ersatzfahrzeuge 15 Der Geschädigte hat für die Reparaturzeit Anspruch auf ein dem
beschädigten annähernd gleichwertiges Mietfahrzeug (RS0026941). Ebenso hat er bei Totalschaden für eine zur Beschaffung eines neuen Wagens angemessene Frist (RS0030635; SZ 41/177) Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten – jedenfalls so lange, bis der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer den Schaden ersetzt oder bevorschusst (ZVR 1978/114). 16 Der Geschädigte muss sich idR – anders bei vielfachem Kostenauf-
wand (RS0026829) – nicht mit einem Taxi zufrieden geben (ZVR 1974/164; ZVR 1977/78). Er muss sich aber wie ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch verhalten (ZVR 1980/153) und besonders hohe Kilometerleistungen nach Möglichkeit vermeiden (ZVR 1979/304). Zur Schadensminderungsobliegenheit des Geschädigten s auch ZVR 1980/153 (provisorische Reparatur); ZVR 1983/275 und RS0026854 (unverhältnismäßig hohe Mietkosten); ZVR 1971/156 und RS0030586 (Luxusfahrzeug). 17 Ist bei Totalschaden eines Spezialfahrzeugs (LKW mit Kran) ein
Mietfahrzeug nicht erhältlich und die Anschaffung eines anderen Neufahrzeugs (aus Kostengründen) nicht zumutbar, so ist für die Dauer der Reparatur (in der eigenen Werkstätte auch) Verdienstentgang zu ersetzen (SZ 42/92). 18 Zur Ersatzfähigkeit der Aufwendungen für ein Reservefahrzeug
(„Vorsorgekosten“ von Verkehrs- oder Transportunternehmungen) s SZ 45/137; SZ 59/95; SZ 60/65; RS0019878 und RS0019810; 2 Ob 2006/96f („Betriebserschwerniskosten“ der ÖBB); 2 Ob 54/95 ecolex 1997, 81 (Wilhelm, ecolex 1999, 73); 2 Ob 272/01s sowie Apathy, ZVR 1989, 257; Fötschl, ZVR 2003, 220; Ch. Huber, ecolex 1997, 77; 1508
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Meissel, Geschäftsführung 87 ff sowie Reischauer/R Rz 11a. Nach hM wird deren Ersatzfähigkeit mit den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag begründet. VIII. Abzug „neu für alt“ Das Problem „neu für alt“ stellt sich, wenn eine gebrauchte Sache 19 zerstört wird, deren Naturalersatz nicht durch eine wirtschaftlich gleichwertige gebrauchte Sache möglich ist (10 Ob 31/00g ecolex 2001, 604 Helmich; 1 Ob 16/06v) und deshalb eine neue Sache angeschafft wird. Es ist der Differenzbetrag zwischen dem Wert der unbeschädigten Sache und jenem der neuen oder der unter Verwendung von Neuteilen reparierten Sache von den Kosten der Schadensbehebung in Abzug zu bringen (SZ 55/104; 2 Ob 285/01b RdW 2002, 274); anders, wenn die neue Sache dem Beschädigten nicht mit Sicherheit eine längere Brauchbarkeit bietet als die beschädigte gebrauchte Sache und er durch die Ersatzleistung sohin nicht besser gestellt wird als vor dem Schadensereignis (SZ 56/54: Zahnbrücke). Der Schädiger trägt die Behauptungs- und Beweislast für eine Werterhöhung der Sache (9 Ob 415/97p); hat er bloß einen Abzug „neu für alt“ gefordert, ohne nähere Gründe anzugeben, hat ein solcher zu unterbleiben (2 Ob 159/98s). S hiezu auch § 1332 Rz 4. § 1324. In dem Falle eines aus böser Absicht, oder aus einer auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens; ist der Beschädigte volle Genugtuung; in den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtigt. Hiernach ist in den Fällen, wo im Gesetze der allgemeine Ausdruck: Ersatz, vorkommt, zu beurteilen, welche Art des Ersatzes zu leisten sei. Lit: Saria, Zum Begriff der groben Fahrlässigkeit nach den §§ 1294, 1324 ABGB und § 61 VersVG am Beispiel der Wohnungsbrandfälle, VR 2000, 81; Wahle, Grobe Fahrlässigkeit, JBl 1961, 497.
Der Umfang des Ersatzes ist nach der Schwere der Zurechnungs- 1 gründe abgestuft: Bei grobem Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) ist das gesamte Interesse, insb der entgangene Gewinn, in subjektiv-konkreter Berechnung (Koziol, HPR I3 Rz 10/1) zu ersetzen; in den übrigen Fällen, also vor allem bei leichter Fahrlässigkeit, hingegen nur der wirkliche oder positive, objektiv-abstrakt zu berechnende (Koziol, aaO Rz 2/5) (Vermögens-)Schaden (Näheres § 1293 Rz 3 ff). Ideelle Schäden wären bei grobem Verschulden nur dann stets auszugleichen, wenn die volle Genugtuung auch diese (als Tilgung der verursachten Beleidigung: s § 1323 Rz 3; Mayrhofer, SR AT 253) erfasst, was die Rspr jedoch verneint (§ 1293 Rz 2). Danzl
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Zur Abgrenzung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit s § 1294 Rz 11. Für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit trifft die Beweislast denjenigen, der sich darauf beruft (2 Ob 27/99f ZVR 2000/17; Reischauer/R Rz 7); zur Vertragshaftung s § 1298 Rz 5. 2 Zu den „übrigen Fällen“ zählt nicht nur die leicht fahrlässige Schädi-
gung, sondern auch die Gefährdungshaftung. Die von Koziol, HPR I3 Rz 6/23 iVm 10/2 und 10/9 ff vertretene Auffassung, wonach der Umfang des Ersatzes „analog § 1324 je nach Größe der Gefahr, die sich verwirklicht hat“ gelöst werden sollte, steht jedenfalls für das EKHG – und gleichermaßen wohl auch für das RHPflG, das in § 3 auf das EKHG verweist – mit den Intentionen des historischen Gesetzgebers insoweit in Widerstreit, als die „Verneinung des entgangenen Gewinnes“ seinerzeit ausdrücklich als Kriterium für eine „erträgliche Erleichterung der strengen Haftung des schuldlosen Betriebsunternehmers oder Halters“ erachtet wurde (Erl 470 BlgNR 8. GP 12). 3 Sonderregeln zum Umfang des Ersatzes in Abhängigkeit vom Ver-
schuldensgrad enthalten ua § 349 UGB (s § 1293 Rz 3) sowie Art 29 CMR, § 439a UGB. Insbesondere 1. bei Verletzungen an dem Körper; § 1325. Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten, ersetzt ihm den entgangenen, oder, wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst; und bezahlt ihm auf Verlangen überdies ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld. Lit: F. Bydlinski, Der Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl 1965, 173 und 273; ders, Die „Umrechnung“ immaterieller Schäden in Geld, FS Widmer (2003) 27; Danzl, Die (psychische) Gesundheit als geschütztes Rechtsgut des § 1325 ABGB, ZVR 1990, 1; ders, Schmerzengeldansprüche nach HWS-Verletzungen im Straßenverkehr, FS Dittrich (2000) 687; ders, Schmerzengeld im Wandel: Neues zu den Voraussetzungen und zur Höhe des Schmerzengeldanspruchs, SV 2002, 73 und 140; Danzl/GutiérrezLobos/Müller, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht8 (2003) 61 ff; Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz IV/1 ff und IV/90 ff; Ch. Huber, Fragen der Schadensberechnung2 (1995) 260 ff; ders, Der Erwerbsschaden des Schwarzarbeiters, ZVR 2000, 290; ders, Antithesen zum Schmerzengeld ohne Schmerzen – Bemerkungen zur objektiv-abstrakten und subjektiv-konkreten Schadensberechnung, ZVR 2000, 218; Karner, Rechtsprechungswende bei Schock- und Fernwirkungsschäden Dritter? ZVR 1998, 182; ders, Der Ersatz
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ideeller Schäden bei Körperverletzung (1999); Kossak, „Schmerzengeld nach Tagessätzen“, ZVR 2001, 227; Koziol, Die Bedeutung des Zeitfaktors bei der Bemessung ideeller Schäden, FS Hausheer (2002) 597; Wittwer, Zum Comeback einer Rechtsfigur – Die abstrakte Rente lebt weiter! ZVR 2004, 51. Übersicht I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heilungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflegehilfe durch Verwandte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermehrte Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verdienstentgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abstrakte Rente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadensminderung (Umschulung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Hausfrauen(mann)rente“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerzengeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Allgemeines Personenschäden treffen regelmäßig den Kernbereich eines Menschen. 1 § 1325 ist die Zentralnorm derartiger Personenverletzungen. Durch die Reihenfolge der Aufzählung in den Überschriften (Körper – Freiheit – Ehre – Vermögen) hat der Gesetzgeber bewusst das existentielle Gut des Lebens und den (absoluten) Schutz des menschlichen Körpers an die Spitze gestellt (Danzl, ZVR 1990, 3). Das Fehlen einer ausdrücklichen Nennung der „Gesundheit“ (anders zB § 13 EKHG, §§ 83 ff StGB) begründet keine Rechtsschutzlücke, da der Begriff „Körperverletzung“ die Gesundheitsverletzung mit einschließt (Danzl, ZVR 1990, 1 ff; Karner, Ideelle Schäden 61 ff). Körperverletzung ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder 2 geistigen Gesundheit. Auch ärztliche Eingriffe sind Körperverletzungen, wenn sie negative Folgen zeitigen, und können bei Behandlungsfehlern oder mangelnder Einwilligung zur Haftung führen (s § 1299 Rz 6). Körperverletzungen setzen keine äußerlich sichtbaren Folgen voraus (RS0030792); auch Störungen „der inneren Lebensvorgänge“ fallen darunter (RS0030778). Psychische Einwirkungen, die bloß das seelische Wohlbefinden ohne Krankheitswert und Behandlungsbedürftigkeit beeinträchtigen, sind keine Gesundheitsverletzung (zB Verärgerung oder Aufregung: 9 Ob 147/00h ZVR 2001/55; Danzl ua, Schmerzengeld 120); im Übrigen s hiezu Rz 28 f. II. Heilungskosten Zu den Heilungskosten gehört jeder Aufwand, der zur Verbesserung 3 des Zustandes erforderlich ist (ZVR 1984/303; Akupunktur: OLG Danzl
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Innsbruck 2 R 200/92 ZVR 1993/151; Rehabilitation: 2 Ob 35/05v; Betreuung durch Angehörige: 6 Ob 186/06f – s hiezu auch Rz 8; auch uU kosmetische Operation: ZVR 1987/45; 2 Ob 46/92 ZVR 1994/22; 2 Ob 7/05a SZ 2005/4 = ZVR 2005/47 Karner: Facelifting bei krankheitswertig trauergeschädigter Frau). Die Kosten einer künftigen Heilbehandlung können vom Geschädigten, der die Heilbehandlung ernstlich beabsichtigt, nur vorschussweise begehrt werden; es gebührt daher kein Ersatz, wenn feststeht, dass die Behandlung unterbleibt (verst Senat 2 Ob 82/97s SZ 70/220; Ch. Huber, ZVR 1998, 74). 4 Bei Personenverletzungen ist eine Objektivierung unbefriedigend,
weil die Höhe des Schadens stets von individuellen Umständen abhängt (Koziol, HPR I3 Rz 12/98; 2 Ob 231/99f ZVR 2001/26). Deshalb steht dem Geschädigten selbst bei leichter Fahrlässigkeit des Schädigers stets die Wahl offen, entweder den objektiven oder den konkret berechneten subjektiven Schaden zu verlangen. § 1325 sieht in diesem Bereich keine Einschränkung des Ersatzanspruchs auf den objektiven Schaden vor. Daher steht es einem Verletzten etwa auch zu, von der ärztlichen Betreuung her nicht (zwingend) notwendige Krankenhauskosten einer höheren Gebührenklasse zu begehren, wenn diese seinen Verhältnissen entspricht (ZVR 2001/26; vgl auch 2 Ob 284/01f ZVR 2004/38: Beiziehung eines zusätzlichen Privatarztes; 10 Ob 24/05k RdM 2005, 151: Nachbehandlung in Privatklinik nach fehlerhafter Vorbehandlung in öffentlicher Krankenanstalt). Welche Verpflegungsklasse der Schädiger zu ersetzen hat, richtet sich zwar grundsätzlich danach, ob die höhere Gebührenklasse nach der Schwere der Verletzung als sachgemäß und geboten erachtet werden muss (ZVR 1977/15; ZVR 2001/26) oder wenigstens ein günstiges Behandlungsergebnis zu erwarten ist (ZVR 1973/134; ZVR 1977/15; Harrer/S Rz 7); es ist hiebei allerdings nicht ausschließlich der medizinische Standpunkt maßgebend, sondern sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (ZVR 1977/226), also auch die sonstige Lebensführung des Verletzten (SZ 25/318; ZVR 1973/134). 5 Zu den Heilungskosten gehören ua auch die Aufwendungen für Heil-
behelfe und Prothesen (ZVR 1979/135; ZVR 1983/281). Zu den Kosten eines Hubschraubertransports s ZVR 1990/132 Welser. 6 Auch die durch den Besuch der sorge- und beistandspflichtigen
nächsten Verwandten veranlassten Kosten sind Heilungskosten, deren Ersatz die unmittelbar Geschädigten verlangen können (ZVR 1968/83; ZVR 1973/38; Reischauer/R Rz 16). Darunter fallen Eltern (ZVR 1968/83), Ehepartner (JBl 1958, 207), uU auch Lebensgefährten 1512
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(2 Ob 103/01p ZVR 2003/89); Geschwister, (jedenfalls) wenn sie im Familienverband mit dem Verletzten leben (EF 56.995); nicht hingegen nach der Rspr Schwiegereltern (EF 41.106; EF 54.250) bzw Schwiegerkinder (EF 54.250), Onkel und Tanten (OLG Innsbruck 1 R 243/97p). Ebenso nicht bloße „Höflichkeitsbesucher“ oder „gute Bekannte“ (Reischauer/R Rz 16; Ch. Huber, Schadensberechnung 297 f). Zur Heranziehung des amtlichen Kilometergeldes für die Feststellung der Kosten s ZVR 1976/321 und ZVR 1985/102; zu Mautkosten ZVR 2003/89. Der bloße Zeitaufwand solcher Besuche ist nicht abzugelten (8 Ob 64/05b JBl 2006, 464). Angemessene Trinkgelder und kleinere Geschenke an das Pflege- 7 personal sind ebenfalls zu ersetzen (ZVR 1973/38; ZVR 1979/133); ebenso uU Telefonspesen, soweit die Kontakte zwischen dem Verletzten und seinen Angehörigen für die Wiederherstellung förderlich sind (2 Ob 103/01p ZVR 2003/89; 7 Ob 281/02b JBl 2003, 650); weiters einem Kind zugewendete Lernspiele sowie Lehrmittel und -behelfe wie logopädisches Material (OLG Innsbruck 2 R 284/87), zusätzliche Nahrung wie zB Obst (2 Ob 84/67; OLG Wien 14 R 41/95); kleinere Geschenke, Blumen etc (OLG Innsbruck 3 R 253/88), wie überhaupt allgemein vertretbare Aufwendungen zur Erleichterung des Aufenthalts im Krankenhaus, zB Lektüre (Romane, Zeitungen: OLG Innsbruck 5 R 265/86; OLG Wien 14 R 41/95), nicht hingegen Zigaretten und andere „Genussmittel“ (2 Ob 84/67: Wein); weitere Bsp s Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz IV/99. III. Pflegehilfe durch Verwandte Dass Hilfeleistungen von Verwandten freiwillig und unentgeltlich 8 erbracht werden, ändert an der Ersatzpflicht nichts (2 Ob 49/98i ZVR 1998/128); die Leistung des Angehörigen soll den Schädiger nicht entlasten (6 Ob 143/98t ZVR 1999/47; 2 Ob 345/00z EF 97.041; 2 Ob 148/01f). Es kommt dabei darauf an, welches Entgelt der Geschädigte für eine professionelle Pflegeperson zahlen müsste (ZVR 1984/322; ZVR 1987/128; ZVR 1988/14). Ersatz ist auch für jene Zeit zu leisten, die die Pflegeperson sonst außer Haus als Freizeit verbringen würde (2 Ob 99/02a ZVR 2003/47). Auch hiefür gebührt der Ersatz der Kosten einer professionellen Pflegekraft, die sonst anwesend sein müsste (2 Ob 49/98i ZVR 1998/128; 2 Ob 152/99p ZVR 2001/106; 2 Ob 195/02v ZVR 2003/66). Die Zeit, die die Pflegeperson jedenfalls beim Verletzten anwesend wäre (während der Nacht oder der Hausarbeit), ist mangels Ursächlichkeit nicht zu ersetzen. Zur Entwicklung der Judikatur ausf Danzl, EKHG § 13 E 156a. Danzl
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9 Dem Verletzten sind (jedenfalls) alle tatsächlich entstandenen Kosten
zu ersetzen (2 Ob 152/99p ZVR 2001/106), selbst wenn sie durch individuelle Umstände besonders hoch sind. Vom Geschädigten kann im Rahmen der Schadensminderungsobliegenheit auch nicht verlangt werden, sich in ein – billigeres – Pflegeheim zu begeben (2 Ob 338/99s ecolex 2000, 282). IV. Vermehrte Bedürfnisse 10 Darunter sind die auf dem Unfallgeschehen beruhenden Aufwen-
dungen zu verstehen, die solche Nachteile ausgleichen sollen, die durch eine dauernde Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens des Verletzten entstehen, und demgemäß das Ziel verfolgen, dessen Lebensführung derjenigen eines Gesunden möglichst anzunähern (7 Ob 281/02b JBl 2003, 650). Entstehen solche, so ist § 13 Z 3 EKHG analog anzuwenden (ZVR 1965/225; ZVR 1984/322). Der Anspruch auf Ersatz derartiger Kosten entsteht nicht erst mit deren Aufwendung, sondern schon mit dem Eintritt der vermehrten Bedürfnisse (ZVR 1979/226; ZVR 1987/128); Dauerhaftigkeit der Behinderung ist nicht erforderlich: 2 Ob 104/05s ZVR 2006/104 Kathrein mit Berechnungsanleitung. 11 Bsp: Anschaffung eines behindertengerechten PKW (2 Ob 2/91 ZVR
1991/109; 7 Ob 281/02b JBl 2003, 650; 2 Ob 89/06m ZVR 2007/52 Kathrein: vorher Firmenwagen, nunmehr Neuwagen mit größerer Nutzungsintensität); der Geschädigte hat dabei auch Anspruch auf einen neuen PKW (ZVR 1985/48; 2 Ob 2031/96g ZVR 1997/114; 2 Ob 253/00w ZVR 2002/12: Bus mit WC-Ausstattung für Inkontinenten); auch die Kosten der Instandhaltung sind zu ersetzen (ZVR 1975/281; 2 Ob 6/95; ZVR 1997/114); eine Erstattung sämtlicher Anschaffungskosten kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Geschädigte ohne Unfall keinen PKW gehalten hätte (8 Ob 127/05t: Wohnmobil für Kläger mit apallischem Syndrom). Kosten eines behindertengerechten Wohnungsumbaus (1 Ob 161/00h ZVR 2001/25; JBl 2003, 650); eines Aufzugs (EF 54.266; vgl auch 5 Ob 72/97t NZ 1998, 332), einer Garage (8 Ob 60/86; 2 Ob 50/90 ZVR 1991/50), eines automatischen Garagentors (OLG Innsbruck 6 R 136/86), eines Therapieraums mit Whirlpool (OLG Innsbruck 2 R 291/91); nicht für die Errichtung eines Schwimmbads, sondern nur für die Adaptierung des Beckens (2 Ob 10/91 VersR 1992, 259; abl Ch. Huber, VersR 1992, 545); zur Schadensminderungsobliegenheit (ortsübliche Erkundigungen über die Verhältnisse am Wohnungsmarkt und die Kosten von Umbaumaßnahmen) s 2 Ob 2/89; Anschaffung eines Computers (JBl 2003, 650); uU Taxikosten bei irreparabler Sehbehinderung und Man1514
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gel an öffentlichen Verkehrsmitteln für notwendige Einkaufsfahrten und zum auswärtigen Wochenendhaus (2 Ob 47/05h ZVR 2006/45). V. Verdienstentgang Unter Erwerbsfähigkeit ist die Fähigkeit zu verstehen, in einer der 12 Ausbildung, den Anlagen und der bisherigen Tätigkeit entsprechenden Stellung den Lebensunterhalt zu verdienen (Koziol, HPR II 2 134 f; ZVR 1979/232). Für die Feststellung der Verminderung der Arbeitsfähigkeit ist nicht von der medizinisch-physiologischen Arbeitsfähigkeit, sondern von der Erwerbsfähigkeit im wirtschaftlichen Sinn auszugehen (JBl 1959, 31; ZVR 1979/232; Reischauer/R Rz 22). Ob und in welchem Grad Erwerbsunfähigkeit besteht, ist eine vom Gericht zu lösende Tatfrage (ZVR 1980/154). Verdienstentgang ist positiver Schaden (2 Ob 16/01v; RS0030425; § 1293 Rz 7); ebenso der Entgang eines Nutzens, den ein Unternehmer aus seinem Betrieb gezogen hätte (1 Ob 147/02b SZ 2002/88; 1 Ob 230/05p). Besondere persönliche Erwerbsmöglichkeiten können daher nur beim subjektiv zu berechnenden Interesseersatz berücksichtigt werden (2 Ob 270/98i RdW 1999, 19: Aufnahme als Gesellschafter der Arbeitgeber-Gesellschaft; 2 Ob 27/99f ZVR 2000/17: Übernahme des elterlichen Hofs; 2 Ob 82/00y ZVR 2001/2: Ganztagesverdienst). Einer Person, die zur Unfallszeit noch nichts verdient, kann Ver- 13 dienstentgang nur dann zugesprochen werden, wenn anzunehmen ist, dass sie ihre Erwerbsfähigkeit eingesetzt und Erwerb gefunden hätte (ZVR 1961/148; 2 Ob 69/87; Reischauer/R Rz 23); einem Kind gebührt vor Erreichung des Alters, in dem es ohne den Unfall erwerbsfähig geworden wäre, noch kein Ersatz (2 Ob 69/87; RS0030683). Den Geschädigten trifft die Beweislast, dass er einen Beruf gesucht und gefunden hätte; welches Einkommen er erzielt hätte, kann nur auf Grund hypothetischer Feststellungen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge beurteilt werden (2 Ob 16/01v; 1 Ob 256/01f). Ein durch die Verletzung im Studium behinderter Student hat Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalles, der durch den verzögerten Eintritt in das Berufsleben entsteht (ZVR 1970/150; 2 Ob 138/00h JBl 2000, 729). Der Vermögensnachteil kann auch darin bestehen, dass dem Verletzten 14 einst die Alterspension entgehen wird (ZVR 1980/160). Zur Kongruenz mit sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen s 1 Ob 165/06f ZVR 2007/54 Kathrein (Versehrtenrente nach Dienstunfall). Rentenbegehren selbständig und unselbständig Erwerbstätiger sind 15 verschieden zu beurteilen. Bei Unselbständigen ist mit einer berufDanzl
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lichen Tätigkeit über das Pensionsalter (65. Lebensjahr bei Männern, 60. bei Frauen) hinaus nicht zu rechnen; Abweichendes hat der Geschädigte zu beweisen (SZ 44/183; ZVR 1976/207; ZVR 1985/11). Eine Rente kann ohne zeitliche Begrenzung zuerkannt werden, wenn der Geschädigte infolge der Unfallverletzung auch nach Erreichung der Altersgrenze keine Pension erlangen kann (SZ 52/77; RS0030892; vgl auch 2 Ob 1099/94). Wird ein unselbständig Erwerbstätiger arbeitsunfähig, so kann er entweder vom Schädiger sogleich die Mittel für eine freiwillige Beitragsleistung an den Sozialversicherungsträger verlangen oder erst bei Erreichung des für den Pensionsanspruch erforderlichen Alters den Entfall seiner Rente geltend machen (2 Ob 38/02f ZVR 2002/103). Die Rente eines Selbständigen ist hingegen idR zeitlich nicht zu befristen, weil nur bei Dienstnehmern mit der Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit über die Altersgrenze hinaus nicht zu rechnen ist (ZVR 1962/60; ZVR 1989/30). Steht nicht fest, ob und wann die Erwerbsfähigkeit wieder eintritt, ist die Rente ohne zeitliche Begrenzung zuzusprechen (SZ 25/104; ZVR 1962/59). Eine urteilsmäßig zuerkannte Rente kann nach Änderung der Verhältnisse, insb der Wirtschafts- und Lohnverhältnisse, in ihrer Höhe geändert werden (SZ 24/252). 16 Die Verletzung eines selbständig Erwerbstätigen kann nicht nur zu vermindertem Betriebsertrag (ZVR 1985/47; 6 Ob 565/92 JBl 1993, 786), sondern auch zu Kosten für Ersatzkräfte führen (2 Ob 2053/96t; 7 Ob 33/98y JBl 1999, 185; 2 Ob 135/03x ZVR 2004/48: Mehrkosten aus Weitergabe an Subunternehmer). Wird ein Betrieb unfallbedingt aufgegeben, kann nicht mehr als der hiedurch verursachte Einkommensverlust abgegolten werden (2 Ob 54/94 ZVR 1995/45). Steigt der Reingewinn eines Unternehmens trotz Wegfalls der persönlichen Tätigkeit des Unternehmers, so muss der Schädiger den Betrag ersetzen, um den der Reingewinn bei nicht behinderter Tätigkeit noch größer gewesen wäre (SZ 41/46). Schlägt sich die Verletzung eines mitarbeitenden Gesellschafters einer Personengesellschaft in einem Gewinnausfall der Gesellschaft nieder, kann der verletzte Gesellschafter Ersatz des Gewinnausfalles nur in dem Ausmaß fordern, der seiner gesellschaftlichen Beteiligung entspricht (4 Ob 2396/96y SZ 70/93; JBl 1999, 185). Zum Verdienstentgang eines geschäftsführenden Gesellschafters in einer Kapitaloder Personengesellschaft s auch Harrer, GesRZ 1985, 130; Ch. Huber, JBl 1987, 613. 17 Ist der Dienstgeber des Verletzten diesem auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder privatrechtlicher Vereinbarung (2 Ob 2056/96h ZVR 1516
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1998/95) zur Lohnfortzahlung verpflichtet, so wird der Schaden auf den Dienstgeber verlagert (Danzl, ZVR 2002, 373 ff; Ch. Huber, FS Dittrich, 2000, 411 ff; s auch § 1295 Rz 17). Der Schädiger hat daher dem Dienstgeber den auf ihn überwälzten Schaden zu ersetzen; der eigene Schaden des Dienstgebers aus dem Ausfall der Arbeitskraft des Verletzten ist dagegen nicht zu ersetzen. Der Dienstgeber hat Anspruch auf Ersatz des Bruttolohns und der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (2 Ob 21/94 DRdA 1995, 44 Klein = ecolex 1994, 560 M. Mohr = AnwBl 1994, 905 W. Berger; 2 Ob 91/00x; Danzl, EKHG § 13 E 52b mwN). Ein identer Anspruch des Dienstgebers besteht bei unfallbedingter Minderleistung des Dienstnehmers und Entgeltminderungsverbot nach dem BEinstG (2 Ob 303/04d ZVR 2006/156 Kathrein, Ch. Huber = ecolex 2006, 750 Baumgartner). Der Schädiger kann sich gegenüber dem Geschädigten nicht auf die 18 Unterhalts- bzw Sorgepflicht eines Dritten berufen (SZ 33/140; ZVR 1977/9); auch Leistungen aus der Notstandshilfe oder Arbeitslosengeld sind nicht anzurechnen (RS0031478; 2 Ob 345/00z EF 97.038). Ein Ordensangehöriger hat ebenfalls Anspruch auf Verdienstent- 19 gang (ZVR 1976/320; ZVR 1980/231), ebenso Pfuscher (2 Ob 289/97g SZ 72/54; krit Iro, RdW 1999, 453; zust Pfersmann, ÖJZ 2002, 665; abl Ch. Huber, ZVR 2000, 290); zum Trinkgeldentgang eines Zahlkellners s 2 Ob 269/04d ZVR 2006/86; bei Eigenheimbau durch „Verwandtenhilfe“ s 1 Ob 261/02t ZVR 2004/36. Auch das Einkommen einer Prostituierten ist Verdienst (SZ 54/70). Auszugleichen ist der Nettoschaden. Bei der Bemessung des Ersatz- 20 betrages sind allerdings die Steuern und sonstigen Abgaben zu berücksichtigen, die durch die Ersatzleistung entstehen (2 Ob 68/95 ecolex 1998, 689; OLG Wien 11 R 170/98w ZVR 2000/32). VI. Abstrakte Rente Die abstrakte Rente – ein Fall objektiv-abstrakter Schadensberech- 21 nung iSd § 1332 (2 Ob 143/03y SZ 2003/106) – hat nach stRspr eine Ausgleichs- und Sicherungsfunktion (ZVR 1987/81; 2 Ob 9/00p; 2 Ob 133/02a JBl 2003, 242 W. Faber; ausf SZ 2003/106; krit Reischauer/R Rz 30 ff und Harrer/S Rz 58); nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen kann sie zugesprochen werden (RS0030614); sie stellt damit eine Sicherung im Konkurrenzkampf mit gesunden Arbeitnehmern dar (ZVR 1983/144). Es muss eine Einkommensminderung wegen der unfallbedingten Verletzung nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu erwarten oder doch wahrscheinlich sein (ZVR 1984/325; 2 Ob 9/00p; JBl 2003, 242 W. Faber). Sie soll dem Verletzten Danzl
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einen Ausgleich dafür bieten, dass er sich zur Vermeidung eines konkreten Verdienstentganges physisch und psychisch mehr anstrengen muss als früher und soll ihn in die Lage versetzen, sich für den infolge seiner Verletzung zu befürchtenden Fall späteren Arbeitsplatzverlustes schon jetzt durch Rücklagen einen Fonds zur Deckung seines Ausfalles zu schaffen (ZVR 1975/167; 2 Ob 9/00p; JBl 2003, 242 W. Faber), dem Geschädigten also eine Absicherung einerseits dagegen bieten, dass er im Falle künftiger Arbeitslosigkeit schwerer eine Stellung erlangt als ein gesunder Mitbewerber, und andererseits dafür, dass er bei der Arbeit mehr Energie verbraucht als ein voll einsatzfähiger Arbeitnehmer (ZVR 1971/205; ZVR 1975/220). Wenn es sich freilich um eine objektiv-abstrakte Berechnung(sweise) handelt, dann kann es konsequenterweise nicht entscheidend darauf ankommen, ob eine Einkommensminderung wahrscheinlich, sondern nur, dass die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist (§ 1293 Rz 6); es geht auch nicht um eine Abgeltung bloßer Mehranstrengungen. Ich bin daher in der Vorauflage dafür eingetreten, dass (in folgerichtiger Umsetzung der von Wittwer, ZVR 2004, 55 als „Wende“ bezeichneten E SZ 2003/106) die bisherigen (weiteren) Bemessungskriterien – wie Beginn erst ab Schluss der Streitverhandlung erster Instanz, nicht für die Vergangenheit (EvBl 1972/2; ZVR 1983/284; abl auch Reischauer/R Rz 35); Berechnung nach der sog Pieglerschen Formel (Hälfte der Minderung der Erwerbsfähigkeit; JBl 1966, 567; RZ 1982, 33); keine Geltendmachung eines späteren konkreten Verdienstentganges (RS0030747) – überdacht und umgestoßen werden sollten; Maßstab (Maßfigur) müsste demgemäß eine Gegenüberstellung der Erwerbsmöglichkeiten einer Person mit der Ausbildung vor der Verletzung mit jenen einer Person samt verletzungsbedingter (Dauer-)Behinderung sein. Der OGH hat jedoch zu 2 Ob 67/05z ZVR 2007/32 (Danzl) „die engen Grenzen nach der bisherigen Rsp“ (SZ 2003/106) nicht verlassen und daran festgehalten, dass es dem Empfänger einer abstrakten Rente verwehrt ist, später einen konkreten Verdienstentgang (oder auch eine höhere abstrakte Rente) zu fordern (idS auch 2 Ob 126/06b). VII. Schadensminderung (Umschulung) 22 Die Obliegenheit, eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit anzunehmen
bzw eine solche zu suchen und dadurch den Schaden möglichst gering zu halten, wird aus § 1304 abgeleitet (2 Ob 324/00 m ZVR 2002/5; s auch § 1304 Rz 9). Schlägt der Verletzte eine zumutbare Möglichkeit aus, so wäre der nicht verhinderte Schaden gemäß § 1304 zu teilen (§ 1304 Rz 10); die Rspr rechnet jedoch das Einkommen aus der möglich gewesenen Beschäftigung zur Gänze an (2 Ob 2182/96p RZ 1999, 102). 1518
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Was dem Geschädigten hiebei im Einzelfall im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (ZVR 1978/325; 2 Ob 147/98a ZVR 1998/122). Der Geschädigte muss nicht jeden beliebigen Erwerb schon deshalb annehmen, weil damit ein höheres Einkommen verbunden ist, wenn wichtige Interessen dagegen sprechen (ZVR 1973/92; ZVR 1978/325). Hat der Verletzte seine frühere Erwerbsfähigkeit nicht gänzlich wie- 23 dererlangt, dann obliegt dem Schädiger der Beweis, dass der Geschädigte eine ihm nachgewiesene konkrete Erwerbsmöglichkeit oder eine zu einer solchen voraussichtlich führende Umschulung ausgeschlagen hat; lediglich dann, wenn der Verletzte seine Erwerbsfähigkeit im vollen Ausmaß wiedererlangt hat, muss er beweisen, dass er trotzdem keine gleichwertige zumutbare Beschäftigung finden konnte (2 Ob 55/94 ZVR 1995/91; 2 Ob 161/98k ZVR 1999/25; 2 Ob 324/00m ZVR 2002/5; krit Koziol, HPR I3 Rz 16/20). VIII. „Hausfrauen(mann)rente“ Eine Ehefrau, die durch die erlittene Verletzung an der Haushaltsfüh- 24 rung und Kindererziehung gehindert ist, hat Anspruch auf Ersatz, unabhängig davon, ob sie eine Haushaltshilfe beschäftigt oder ob sie die Hausarbeit durch Mehraufwand von Zeit und Mühe selbst verrichtet (ZVR 1973/68; ZVR 1987/56; 2 Ob 26/02s ZVR 2003/45; 6 Ob 109/06g). Ist sie infolge einer Körperverletzung gezwungen, eine Haushaltshilfe aufzunehmen, so kann sie – und nicht ihr Gatte (SZ 22/77) – vom Schädiger Aufwandersatz begehren (ZVR 1984/322; EF 54.255). Der OGH gewährt der Hausfrau einen Ersatzanspruch auch dann, wenn sie schon vor dem Unfall zur Verrichtung von Hausarbeiten Hilfskräfte eingesetzt hat und auf diese nunmehr auch tatsächlich angewiesen ist (2 Ob 2123/96m ZVR 1999/1 = ecolex 1998, 127 „Oedipus“; krit Wilhelm, ecolex 1999, 73). Der Ersatz kann in Form einer Rente („Hausfrauenrente“) verlangt 25 werden (ZVR 1974/162), und zwar grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung (ZVR 1985/46; 2 Ob 345/00z). Es gebührt der Bruttolohn einschließlich Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuss sowie einem Zuschlag für Leistungen an Sonn- und Feiertagen (ZVR 1987/56; 2 Ob 345/00z); abl Apathy, EKHG § 13 Rz 11 aE. S auch Mitterlehner, SV 2003, 136 ff. IX. Schmerzengeld Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der 26 Verletzte infolge einer Verletzung erduldet (ZVR 1956/21; ZVR Danzl
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1984/45). Körperliche und seelische Schmerzen sind dabei gemeinsam zu bewerten (ZVR 1957/181; ZVR 1972/10). Für die Bemessung sind die Dauer und Intensität der Schmerzen, die Schwere der Verletzung und der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes sowie die negativen Auswirkungen auf das Leben des Verletzten maßgebend (SZ 23/71; ZVR 1962/256; ZVR 1982/44; ZVR 1984/96; zum Einfluss des Alters eines Betroffenen bei gesundheitlichen Dauerfolgen s Danzl ua, Schmerzengeld 75 ff sowie Koziol, FS Hausheer 598 ff). Nach der Rspr ist weder auf die soziale Stellung noch die Vermögensverhältnisse des Schädigers (SZ 10/44; ZVR 1976/208) oder des Geschädigten (SZ 25/268; JBl 1988, 46; JBl 1990, 456; aA F. Bydlinski, JBl 1962, 108 f; Koziol, HPR I3 Rz 11/22 und II 2 140; Reischauer/R Rz 46) Rücksicht zu nehmen. Vorrangiger Zweck des Schmerzengeldes ist es, den Verletzten in die Lage zu versetzen, sich als Ausgleich für die Leiden und statt der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (ZVR 1980/233; ZVR 1987/93; zum Kompensationsinteresse bei Schwerstverletzungen s Danzl, ZVR 2006, 422). Das Schmerzengeld dient der Abgeltung sämtlicher Schmerzempfindungen körperlicher und seelischer Art, die auch das Bewusstsein des Dauerschadens und der Gefahr der Verschlechterung dieses Schadens umfassen (ZVR 1972/116; ZVR 1975/220). 27 Für einen Schmerzengeldanspruch ist es nicht erforderlich, dass der
Verletzte die Schmerzen mit klarem Bewusstsein erlebt und rational verarbeitet (SZ 44/150; JBl 1984, 673; 2 Ob 146/89). Selbst bei völliger Zerstörung der Persönlichkeit mit gänzlichem Verlust jeglicher Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit und damit auch einhergehender völliger und dauerhafter Schmerzunempfindlichkeit besteht ein Anspruch auf Schmerzengeld (6 Ob 535, 1558/92 EF 69.111; 2 Ob 192/97t ZVR 2000/54, krit Ch. Huber, ZVR 2000, 218 ff; ausf Karner, Ideelle Schäden 123 ff und Danzl ua, Schmerzengeld 98 ff). Zum eingeschränkten Schmerzempfinden des Geschädigten schon vor der Schadenszufügung (Oberschenkelbruch eines Querschnittgelähmten) s 3 Ob 116/05p ZVR 2006/202 Karner. 28 Auch seelische Leiden, die die Folge einer körperlichen Beschädigung
sind, sollen durch das Schmerzengeld abgegolten werden (ZVR 1984/45; ZVR 1983/15), ohne dass es hiefür stets konkreter Behauptungen oder Beweiserhebungen bedürfte, wenn nach der Lage des Falles mit solchen jedenfalls zu rechnen ist (ZVR 1972/10; 2 Ob 96/95). Hiebei ist zwischen den Verletzungsfolgeschäden (etwa nach Verlust eines Sinnesorgans; bleibende Entstellungen und Narben; nachhaltige 1520
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Auswirkungen auf die gewohnte Lebensgestaltung: s Danzl ua, Schmerzengeld 117 ff), sowie solchen, die als psychotraumatischer Leidenszustand von Krankheitswert (Schock, Neurose, Depression; nicht bloße Unlustgefühle: SZ 23/311; 9 Ob 36/00k ZVR 2001/33; 9 Ob 147/00h ZVR 2001/55; Wolff/K VI 135) auftreten (Danzl ua, aaO 120 ff), zu unterscheiden. Zur Thematik ausgestandener Todesangst (mit oder ohne eigene Körperverletzung) s ausf Koziol, FS Hausheer 601 ff. S auch § 1327 Rz 20. Erleiden nahe Angehörige eines Verletzten – Eltern, Kinder, uU auch 29 Lebensgefährten (8 Ob 127/02p SZ 2002/110 = ZVR 2002/96 Karner; 2 Ob 212/04x Zak 2006, 134), Geschwister (bei intensiver Gefühlsgemeinschaft: 2 Ob 90/05g SZ 2005/59 = ZVR 2005/73 Karner; 2 Ob 99/05f ZVR 2005/89 Danzl) – Schockschäden mit Krankheitswert, so stehen ihnen Schmerzengeldansprüche gegen den Haftenden zu (ausf Danzl ua, Schmerzengeld 124 ff). Es macht keinen Unterschied, ob der Schock durch das Unfallserlebnis oder die Unfallsnachricht bewirkt wurde (2 Ob 79/00g SZ 74/24 = ZVR 2001/52 Karner; 2 Ob 136/00i ZVR 2001/72). Ein Schockschaden ist auch dann zu ersetzen, wenn die Gefühlsgemeinschaft zwischen dem Angehörigen und dem Unfallopfer gerade gestört war (ZVR 2001/52 Karner); s auch Rz 3 (Facelifting). Hingegen kein Schockschaden-Schmerzengeld nach bloßem Sachschaden (2 Ob 100/05b ÖAMTC-LSK 2005/118). Nur bei grobem Verschulden, nicht bei leichter Fahrlässigkeit oder Gefährdungshaftung (bloß insoweit abl Schobel, RdW 2002, 208 f; Karner/Koziol, Ideeller Schaden 81 FN 375; Reischauer/R Rz 5a), gebührt Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger (Trauer) auch, wenn er zu keiner Gesundheitsschädigung mit Krankheitswert geführt hat (2 Ob 84/01v SZ 74/90 = ZVR 2001/73 Karner; 2 Ob 141/04f JBl 2004, 792; weitergehend Reischauer/R Rz 5). Die schwere lebensbedrohliche Magersucht einer minderjährigen, nicht unfallbeteiligten Tochter eines schwer verletzten Elternpaars wurde als nicht völlig atypische, ungewöhnliche Folge angesehen und die Haftung wegen des besonderen Unrechtsgehalts der Schädigungshandlung bejaht (2 Ob 111/03t JBl 2004, 111: Zuspruch € 21.500). Zur Höhe s 2 Ob 186/03x JBl 2004, 448 (Krankheitswert: Zuspruch € 65.000 – gleichzeitiger Tod der Gattin und aller drei Kinder); 2 Ob 292/04m ZVR 2005/109 Danzl (€ 25.000 – Tod des Mannes); 2 Ob 141/04f JBl 2004, 792 (kein Krankheitswert: € 13.000 bei Tod der Mutter mit engem Verhältnis zum erwachsenen Sohn); 2 Ob 90/05g SZ 2005/59 (€ 9.000 bei Tod eines erwachsenen Bruders). Zur Danzl
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Kürzung wegen Mitverschuldens des Getöteten s 2 Ob 178/04x ZVR 2004/105 Danzl (sonst zum Mitverschulden des Getöteten s § 1327 Rz 10). Zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Schmerzengeldklage eines erst 7 Monate alten Kleinkindes nach dem Unfalltod seines Großvaters s 2 Ob 41/03y ZVR 2005/88 Griehser. 30 Das Schmerzengeld ist global – nicht tageweise – festzusetzen (7 Ob
281/02b JBl 2003, 650; RS0031415). Demgemäß stellen die seit mehreren Jahren veröffentlichten und nach den OLG- und LG-Sprengeln aufgelisteten „Schmerzengeldsätze in Österreich“ von Hartl (zuletzt RZ 2006, 89) bloß eine Berechnungshilfe, jedoch keine Berechnungsmethode (etwa iS eines einfachen Multiplikators mit den Schmerzperioden) dar (Danzl, ZVR 1990, 295; Kossak, ZVR 2001, 227; Danzl ua, Schmerzengeld 91; 1 Ob 200/03y ZVR 2004/49). Jedenfalls bei leichten bis minder schweren Schädigungen, bei denen die körperlichen Beschwerden im Vordergrund stehen, leisten sie jedoch eine unschätzbare Hilfe; hingegen tritt ihre Orientierungsfunktion umso mehr zurück, je schwerer die Verletzungen und je gravierender die damit verbundenen Dauerfolgen sind. Zur aktuellen Bemessungsjudikatur s Danzl ua, Schmerzengeld 273 ff sowie Danzl, CD-ROM Schmerzengeld (Update). Zur Schmerzengeldrente s Rz 34. Bisher höchster Zuspruch öS 3,000.000 (= € 218.018,50; 2 Ob 237/01v ZVR 2002/66 Danzl); weiters zu den Bemessungskriterien bei Schwerstverletzten 2 Ob 180/04s ZVR 2004/113 Danzl und 2 Ob 104/06t ZVR 2006/157 Danzl. Zu Querschnittlähmung mit anschließendem raschem, infolge Behandlungsverweigerung selbstbestimmtem Tod des Verletzten s 2 Ob 314/02v ZVR 2004/37. Die Höhe des angemessenen Schmerzengeldes ist idR keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sondern nur dann, wenn eine eklatante Fehlbemessung vorläge (RS0042887; ZVR 2004/113; s auch Kodek in Rechberger, ZPO § 502 Rz 12). 31 Für die Höhe des Schmerzengeldes sind die Währungsverhältnisse
zur Zeit des Schlusses der Verhandlung durch das Erstgericht maßgeblich (ZVR 1988/66; ZVR 1989/203); dadurch finden Verfahrensverzögerungen im Schmerzengeldprozess Berücksichtigung (ZVR 1983/346). 32 Für Schmerzengeld gebühren nach hM nur die gesetzlichen Zinsen
(ZVR 1978/115); krit Danzl ua, Schmerzengeld 216 ff. 33 Eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldes oder die Geltend-
machung bloß eines Teilbetrages ist nur aus besonderen Gründen zulässig (2 Ob 255/01s; RS0031051); zB wenn zum Zeitpunkt des 1522
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Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch kein Endzustand vorliegt, so dass die Verletzungsfolgen noch nicht im vollen Umfang und mit hinreichender Sicherheit abgeklärt werden können (2 Ob 154/03s; RS0031082); oder wenn der Kläger nachweist, dass ihm gegenüber dem Vorprozess und der damaligen Globalbemessung weitere, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartende und daher nicht abschätzbare Unfallsfolgen, verbunden mit weiteren Schmerzbeeinträchtigungen, entstanden sind (2 Ob 154/03s; RS0031235; Danzl ua, Schmerzengeld 170 ff); oder wenn der Ausdehnung prozessrechtliche Umstände entgegenstehen (6 Ob 204/98p ZVR 1999/48; 2 Ob 173/01g SZ 74/135). Der Zuspruch von Schmerzengeld in Teilbemessungen für verschiedene Zeiträume darf jedenfalls nicht dazu führen, dass der Geschädigte ein höheres Schmerzengeld erhält, als er bei einer einzigen Globalbemessung erhalten hätte: ZVR 1986/9; ZVR 1986/77). Das Schmerzengeld ist nur ausnahmsweise in Form einer Rente ab- 34 zugelten (RS0031369; SZ 41/159; ZVR 1980/159; 2 Ob 292/03k ecolex 2004, 362; Reischauer/R Rz 49a); so im Falle außerordentlich schwerer Verletzungen und nicht restlos überschaubarer Schmerzenfolgen oder bei dauernden, äußerst schweren Körperverletzungen mit besonders schwerwiegenden Dauerfolgen, wie etwa einer Querschnittlähmung oÄ (SZ 41/159; ZVR 1986/50; 2 Ob 145/02 s ZVR 2002/95 Danzl; ecolex 2004, 362). Werden Kapitalbetrag und Rente nebeneinander begehrt, so ist nach Globalbemessung der Kapitalbetrag abzuziehen und aus dem Rest entsprechend der Lebenserwartung der monatliche Rentenbetrag zu errechnen (ZVR 2002/95 Danzl). Schmerzengeldansprüche sind unabhängig von ihrer Geltendma- 35 chung durch den Verletzten vererblich (6 Ob 2068/96b SZ 69/217 = ecolex 1996, 913 Wilhelm). Bei Verletzung der Sicherheitsgurt- und Sturzhelmanlegepflicht 36 nach § 106 Abs 2–8 KFG ist eine Kürzung des Schmerzengeldanspruchs im Ausmaß von einem Viertel üblich; die Höhe der Mitverschuldensquote hängt jedoch stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0029844); Näheres s Danzl ua, Schmerzengeld 73 ff; Danzl, EKHG § 7 E 175 ff sowie § 1304 Rz 8. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (2 Ob 62/05i ZVR 2006/4 Kathrein). § 333 ASVG sieht eine Einschränkung der Schadenersatzpflicht des 37 Dienstgebers gegenüber einem Dienstnehmer bei Arbeitsunfällen auf Vorsatz vor, wovon auch Ansprüche auf Schmerzengeld erfasst sind (1 Ob 251/03y; 2 Ob 82/05f ZVR 2005/110 Kathrein: Trauerschmerzengeld; Danzl ua, Schmerzengeld 168 ff). Danzl
1523
Schadenersatz
§ 1326
38 Schmerzengeld unterliegt grundsätzlich nicht der Einkommen-
steuer, es sei denn in wiederkehrender Rentenform oder bei Ablöse einer solchen Rente gemäß § 29 Abs 1 Z 1 EStG 1988 durch eine Einmalzahlung (Achatz/R § 1323 Anh Rz 10, 37). 39 Kein Schmerzengeld gebührt für „verlorene Liebe“ (6 Ob 124/02g
SZ 2003/16) und „Seelenschmerz“ des Vaters wegen Behinderung seiner Besuchskontakte zu den mj Kindern aus der geschiedenen Ehe durch die Mutter (8 Ob 133/06a EF-Z 2007, 56 Gitschthaler). § 1326. Ist die verletzte Person durch die Mißhandlung verunstaltet worden; so muß zumal, wenn sie weiblichen Geschlechtes ist, insofern auf diesen Umstand Rücksicht genommen werden, als ihr besseres Fortkommen dadurch verhindert werden kann. Lit: Apathy, Historisches und Dogmatisches zur Entschädigung für die Verhinderung des besseren Fortkommens (§ 1326 ABGB, § 13 Z 5 AtomHG, § 13 Z 5 EKHG), 2. FS Strasser (1993) 1; Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz IV/73 ff; Karner, Der Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung (1999) 207 ff.
1 § 1326 regelt die sog Verunstaltungsentschädigung. Dieser Aus-
druck wird zwar nicht im ABGB, aber etwa in § 13 Z 5 EKHG verwendet. „Mißhandlung“ bedeutet nichts anderes als Körperverletzung (Karner, Ideelle Schäden 208); insoweit erläutert und ergänzt § 1326 den § 1325. So wie dort ist auch hier der Ersatz bei jedem Grad des Verschuldens bzw (etwa nach EKHG) bei Gefährdungshaftung zu leisten. Der Anspruch nach § 1326 kann auch neben dem nach § 1325 geltend gemacht werden (ZVR 1986/77; 2 Ob 290/05v Zak 2006, 337), da sie unterschiedlich sind: Die Verunstaltungsentschädigung ist (im Regelfall der Behinderung des besseren beruflichen Fortkommens; s jedoch Rz 2) Ersatz für eine verminderte Erwerbschance, sohin für einen Vermögensschaden; das Schmerzengeld hingegen (ausschließlich) Ersatz für immateriellen Schaden (ZVR 1963/20; ZVR 1977/133). Eine Verunstaltung kann daher sowohl bei Bemessung des Schmerzengeldes als auch des Anspruches nach § 1326 berücksichtigt werden (ZVR 1961/250; ZVR 1980/160). Hat der Verletzte mangels Verhinderung des besseren Fortkommens keinen Anspruch nach § 1326, kann dennoch die Verunstaltung bei der Bemessung des Schmerzengeldes als seelische Beeinträchtigung berücksichtigt werden (ZVR 1972/82). 2 § 1326 setzt voraus, dass dem Verletzten ein Nachteil an seinem be-
ruflichen (s Rz 7) oder privatem (Rz 8) „Fortkommen“ entstehen 1524
Danzl
Schadenersatz
§ 1326
kann (JBl 1954, 400; JBl 1956, 153; ZVR 1980/104); insofern dient § 1326 dem Ausgleich sowohl materieller als auch immaterieller Schäden (Karner, Ideelle Schäden 228). Bereits die (freilich nicht bloß abstrakte: 2 Ob 290/05v) Möglichkeit 3 einer Behinderung des besseren Fortkommens begründet den Ersatzanspruch (ZVR 1987/70); es genügt eine geringe Wahrscheinlichkeit (ZVR 1997/115; 2 Ob 113/01h EF 97.055); der Eintritt des Schadens darf nur nicht praktisch ausgeschlossen sein (ZVR 1982/114; 2 Ob 111/04v; 2 Ob 290/05v). An die Behauptungs- und Beweislast des Geschädigten sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (ZVR 1979/266; 2 Ob 2076/96z ZVR 1997/115); die bloße Behauptung einer Verunstaltung genügt nicht (ZVR 1977/17; 2 Ob 49/89 ZVR 1990/88; 8 Ob 300/00a). Ein Anspruch nach § 1326 ist auch bei nicht dauernder Verunstaltung 4 gerechtfertigt (ZVR 1961/48; ZVR 1978/21), jedoch nur dann, wenn sie während ihrer Dauer das bessere Fortkommen verhindert hat (ZVR 1956/103; ZVR 1963/237). Zur Obliegenheit der Schadensminderung durch kosmetische Operation s § 1304 Rz 9 sowie ZVR 1963/237 und ZVR 1982/113. Unter einer Verunstaltung ist jede wesentliche nachteilige Verände- 5 rung der äußeren (präziser: nach außen hin bemerkbaren) Erscheinung zu verstehen (ZVR 1962/196; ZVR 1984/319). Entscheidend ist die Lebensanschauung (ZVR 1959/216; 2 Ob 89/99y ZVR 2001/3) unter Zugrundelegung eines ästhetischen Maßstabes (ZVR 1972/198; 1 Ob 2227/96y ZVR 1997/82; Reischauer/R Rz 4). Sie setzt aber kein abstoßendes, abscheuerregendes und mitleiderweckendes Aussehen voraus (ZVR 1972/116; ZVR 1980/74; ZVR 1984/345; ZVR 1987/70). Es kommt auch nicht darauf an, ob die Verletzung beim normal bekleideten Menschen sichtbar ist (ZVR 1980/74; ZVR 1987/70). Bsp: Veränderungen im Gesichts- und Schädelbereich (ZVR 1972/198; 6 ZVR 1981/40; 8 Ob 521/90); Verlust eines Fingergliedes (ZVR 1961/316; ZVR 1997/82); hinkender Gang (5 Ob 260/05d ZVR 2006/125 Ch. Huber), Beinamputation (ZVR 1972/132); Schielen (ZVR 1978/291); epileptische Anfälle (ZVR 1976/79); Stottern oder sonstige Sprachstörungen (ZVR 1979/159); Taubheit (EF 29.424; ZVR 1989/74); uU gewisse Ungeschicklichkeiten (ZVR 1970/181; 9 Ob 148/00f); Störungen der Sexualfunktionen (ZVR 1989/74; 9 ObA 2153/96z ZVR 1997/81; 2 Ob 163/89 ZVR 1991/33). Nicht hingegen: unbedeutende Narbenbildung (ZVR 1984/345; vgl auch OLG Linz 12 R 130/99w ZVR 2001/64). Danzl
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Schadenersatz
§ 1327
7 Unter besserem Fortkommen ist nicht nur der berufliche Aufstieg
(JBl 1954, 400; ZVR 1974/70), sondern überhaupt eine Verbesserung der Lebenslage zu verstehen (ZVR 1971/54; ZVR 1980/74). Eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens kommt nicht mehr in Betracht, wenn der Verletzte bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (ZVR 1983/16). Führt die Verletzung zur Erwerbsunfähigkeit, so kann dem Verletzten eine Verunstaltungsentschädigung wegen der verminderten Heiratsaussichten zuzuerkennen sein (1 Ob 161/00h ZVR 2001/25). Ansprüche auf Verunstaltungsentschädigung wegen beruflicher Behinderungen und Ersatz des Verdienstentganges können nebeneinander bestehen (ZVR 1978/176; Zak 2006, 337). Einem Kind können Ansprüche nach § 1326 zustehen, ohne dass feststeht, welchen Beruf es ergreifen und ob es das Berufsalter erreichen wird (ZVR 1974/141; ZVR 1978/292). 8 Eine Entschädigung für verminderte Heiratsaussicht steht auch
Männern zu (ZVR 1974/70; 9 Ob 728/00y EF 97.049; RS0031229). Die Ausübung einer eigenen Berufstätigkeit schließt nicht die Möglichkeit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage durch Verehelichung aus (ZVR 1976/19). Ansprüche wegen Verschlechterung der Heiratsaussichten können nur Unverheiratete geltend machen (ZVR 1977/17; ZVR 1982/392; ZVR 1997/81), eine Lebensgemeinschaft ist kein Hindernis (OLG Wien 11 R 38/95 ZVR 1996/101; OLG Innsbruck 2 R 135/06d); Verheirateten steht eine Feststellungsklage zur Verfügung (Reischauer/R Rz 7). Es kommt auf den Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz an (Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz IV/79). UU können auch Kosten für die Inanspruchnahme eines Partnervermittlungsinstitutes als Verunstaltungsentschädigung begehrt werden (2 Ob 266/97z ZVR 1999/2). 9 Die Entschädigung ist mit einem Globalbetrag zu bemessen (SZ
41/92; ZVR 1976/270; zur ausnahmsweisen Zulässigkeit eines Rentenbegehrens s etwa EvBl 1940/58 und SZ 40/125). Die Auslegung des Begriffs der Verunstaltung sowie die Höhe der Entschädigung stellen idR keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (9 Ob 148/00f; 2 Ob 111/04v). Zur Bemessungspraxis s Danzl, CD-ROM Schmerzengeld (Update); höchster Zuspruch bisher € 30.000 (7 Ob 36/03z ZVR 2004/39: achtjähriges Mädchen, Amputation beider Arme). § 1327. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so müssen nicht nur alle Kosten, sondern auch den Hinterbliebenen, für 1526
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§ 1327
deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetze zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden. [idF III. TN] Lit: Feil, Ansprüche Dritter bei Tötung (1997); Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz IV/163 ff; Koziol, Die Tötung im Schadenersatzrecht, in Koziol/Spier (Hrsg), Liber Amicorum Pierre Widmer (2003) 203; Welser, Schadenersatzrechtliche Grundfragen bei Berechnung des entgangenen Unterhalts, JBl 1968, 342. Übersicht I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begräbniskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ersatz des Unterhalts im Grundsätzlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitverschulden des Getöteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entgangene Pflegeleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung; Höhe und Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten für Wohnung, PKW, Kredite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruchskonkurrenz Witwe(r) – Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Verfrühter Tod“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 5 6 10 11 12 15 19 20
I. Allgemeines § 1327 enthält nach hM eine Sonderregelung zugunsten bloß mittel- 1 bar Geschädigter (Koziol, HPR I3 Rz 12/80, 13/2; Kletecˇka, Mitverschulden durch Gehilfenverhalten, 1991, 83; Reischauer/R Rz 2: „Drittschäden“; 2 Ob 156/02h ZVR 2003/79); § 1295 Rz 13. Zu den Anspruchsvoraussetzungen für ein Schmerzengeld Hinterbliebener bei Tod eines Angehörigen s § 1325 Rz 29. Unter „Kosten“ fallen nicht bloß solche der versuchten Heilung (des 2 später Verstorbenen) – so § 12 Abs 1 Z 1 EKHG –, sondern sämtliche (arg „alle“) mit dem Tod in adäquatem Zusammenhang stehende (ZVR 1963/119) Auslagen (K/W II 324), insb die Kosten des Begräbnisses und der Errichtung des Grabes. II. Begräbniskosten Die zu ersetzenden Begräbniskosten (s auch § 12 Abs 1 Z 5 EKHG) 3 richten sich nach Ortsgebrauch sowie Stand und Vermögen des Verstorbenen (ZVR 1970/54; 4 Ob 55/99p ecolex 1999, 766). Zu ihnen zählen Kosten für Trauerkleidung nächster Angehöriger (SZ 27/210; ZVR 1970/54; ZVR 1979/168; Lebensgefährtin: ZVR 1961/196), Totenmahl (SZ 10/25; ZVR 1979/168), angemessene Bewirtung von Trauergästen (ZVR 1960/20), Reisekosten Angehöriger (ZVR 1979/168); Nachrufkosten (ZVR 1979/168); uU Verdienstausfall durch Danzl
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Schadenersatz
§ 1327
Ausrichtung des Begräbnisses (ZVR 1979/168); Kosten für Todesanzeigen, Danksagungen und Begräbnisfotos (ZVR 1970/54; OLG Wien EF 68.953; gegenteilig ecolex 1999, 766). S auch § 549 Rz 1. 4 Die Kosten der Verlassenschaftsabhandlung sind nach neuerer Rspr
den Begräbniskosten nicht gleichzusetzen und daher nicht zu ersetzen (ZVR 1972/181; 1 Ob 282/00b; aA Apathy, EKHG § 12 Rz 1; Reischauer/R Rz 10). III. Aktivlegitimation 5 Anspruchsberechtigt ist, wem nach dem Gesetz Unterhaltsansprüche
gegen den Getöteten zustanden; eine vertragliche Berechtigung genügt nicht (2 Ob 12/91 JBl 1992, 44). Lebensgefährtin (SZ 13/141; SZ 17/132; Stabentheiner, NZ 1995, 60), Braut (SZ 13/141; Apathy, EKHG § 12 Rz 11), Stiefkinder (ZBl 1933/52) und erst nach dem Unfall vom Verletzten gezeugte Minderjährige (SZ 42/19) sind nicht anspruchsberechtigt. Die Witwe kann nur ihren Unterhalt begehren, nicht aber Ersatz für die Versorgung ihres Sohnes, da dieser einen unmittelbaren Anspruch hat (2 Ob 54/55; vgl auch ZVR 1960/21). Kamen die Arbeitsleistungen der Ehefrau im Haushalt zT dem Ehemann und zT den Kindern zugute, dann kann der Ehemann nur Ersatz für die Dienste in Erfüllung der ehelichen Beistandspflicht verlangen (ZVR 1983/17; ZVR 1985/12; ZVR 1974/245). IV. Der Ersatz des Unterhalts im Grundsätzlichen 6 Das in § 1327 (§ 12 Abs 2 EKHG) verankerte Recht auf Ersatz des
„entgangenen“ (einschließlich des künftig entgehenden: ZVR 1975/116; 1 Ob 175/04y) Unterhalts – regelmäßig in Form einer Rente (Koziol, HPR II 2 162; 1 Ob 175/04y) – ist ein Schadenersatz- und kein Unterhaltsanspruch (2 Ob 22/97t ZVR 2000/40; 2 Ob 175/00z; 2 Ob 99/06g). Die Ersatzpflicht nach § 1327 geht einer durch den Tod des primär Unterhaltspflichtigen ausgelösten subsidiären Unterhaltspflicht vor (ZVR 1973/194; ZVR 1978/16 und 118; Reischauer/R Rz 15 mwN). 7 Entgang ist alles, was die Hinterbliebenen erhielten, wenn der Unterhaltspflichtige nicht getötet worden wäre (2 Ob 22/97i ZVR 2000/40; 2 Ob 175/00z; RS0031391). Der zu ersetzende Unterhalt ist allerdings nicht ohne weiteres dem (nach §§ 94, 140 ff) gebührenden und durchsetzbaren Unterhalt gleichzusetzen, weil bei Unterhaltsgewährung auch persönliche und sittliche Erwägungen eine Rolle spielen, so dass auch ein reichlich bemessener Unterhalt zu ersetzen ist (RS0031410; Reischauer/R Rz 22). Ist der tatsächlich entzogene Unterhalt hingegen niedriger als der gesetzliche, so liegt der Schaden des 1528
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§ 1327
Unterhaltsberechtigten darin, dass er die Möglichkeit, den vollen gesetzlichen Unterhalt einzufordern, verloren hat (ZVR 2000/40; 2 Ob 243/99w JBl 2000, 115 Karollus-Bruner; Apathy, JBl 1993, 75). Nach § 12 Abs 2 EKHG und § 3 RHPflG hat ein Hinterbliebener hingegen nur Anspruch auf den ihm entgehenden gesetzlichen, nicht hingegen auch einen freiwillig höher geleisteten Unterhalt (2 Ob 281/02s ZVR 2004/85); nach § 1327 allenfalls gegebene höhere Ansprüche werden hiedurch nicht berührt (Apathy, EKHG § 12 Rz 20). Schadenersatzrechtliche Unterhaltsrenten können grundsätzlich nicht länger als bis zum Eintritt eines Ereignisses währen, das den Getöteten (familienrechtlich) von der Entrichtung des Unterhalts befreit hätte (JBl 1947, 133; ZVR 1961/341). Die Witwenrente ist mit der mutmaßlichen Lebensdauer des Ge- 8 töteten (ZVR 1978/23), nicht jedoch mit dem Zeitpunkt einer allfälligen Wiederverehelichung im Urteilsspruch zeitlich zu begrenzen (ZVR 1981/121; ZVR 1990/86). Die Rente erlischt jedoch bei Wiederverheiratung (ZVR 1958/13; SZ 60/249); bei Eingehung einer Lebensgemeinschaft sind hingegen nur die Unterhaltsleistungen des Lebensgefährten anzurechnen (SZ 53/155). Leistungen nach dem PG (Witwenrente) stellen einen Vorteil dar, der bei der Ermittlung des Schadenersatzanspruches der Witwe zu berücksichtigen ist (2 Ob 77/94 ZVR 1995/133; zum Übergang nach § 332 ASVG auf den Sozialversicherungsträger s JBl 1990, 723; 2 Ob 69/93; zur sachlichen Kongruenz zwischen Witwenpension und Schadenersatzansprüchen der Witwe nach § 1327 s 2 Ob 105/05p). Die Frage des anzuwendenden Rechts (etwa zur Verjährung und zum 9 Kreis der Berechtigten) ist nach den Umständen im Zeitpunkt des Todes des Unterhaltspflichtigen zu entscheiden (ZVR 1960/227); gemäß Art 8 Z 6 Haager Straßenverkehrsübereinkommen bestimmt das anzuwendende Recht „die Personen, die Anspruch auf Ersatz des persönlich erlittenen Schadens“ haben (ZVR 1990/87). V. Mitverschulden des Getöteten Nach neuerer Rspr ist dem Unterhaltsberechtigten das Mitverschul- 10 den des Unterhaltspflichtigen an seinem Tod anzurechnen, weil es in dessen Risikosphäre fällt (ZVR 1977/263; ZVR 1978/79). Dies wird von § 7 Abs 2 EKHG ausdrücklich vorgesehen (vgl dazu Erl 470 BlgNR 8. GP 10); diese Bestimmung ist außerhalb des Geltungsbereichs des EKHG analog anzuwenden (Koziol, HPR I3 Rz 12/83, ebenso in JBl 1997, 207; so auch Kletecˇka, Mitverschulden durch Gehilfenverhalten, 1991, 83 ff). Zur Mitverschuldenskürzung beim Angehörigen-Schmerzengeld s § 1325 Rz 29. Danzl
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§ 1327 VI. Entgangene Pflegeleistungen
11 Die Pflege der Kinder zählt zum gesetzlichen Unterhalt; Kindern der
getöteten Mutter steht daher ein Anspruch zu, der mit den Kosten einer Wirtschafterin beziffert werden kann (ZVR 1978/320). VII. Berechnung; Höhe und Dauer 12 Bei der Berechnung des Unterhaltsentganges ist vom fiktiven Netto-
einkommen des Getöteten auszugehen, da der Getötete Steuer- und sonstige Abgabenbeträge nicht zur Versorgung seiner Familie hätte verwenden können (ZVR 1961/81; 2 Ob 195/98k; OLG Wien 11 R 167/97b ZVR 1999/5; vgl auch 2 Ob 195/98k EF 90.200); die Schadenersatzleistung ist so zu bemessen, dass sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspricht (ZVR 1961/81; Harrer/S Rz 64). Näheres hinsichtlich der fixen Haushaltskosten s Rz 15. 13 Was die Hinterbliebenen an Einnahmen aus der ihnen angefallenen
Erbschaft des Verstorbenen erhalten, mindert ihren Schaden, soweit es auch bisher zum Unterhalt der Familie verwendet worden ist (ZVR 1957/102; ZVR 1977/112); der Stamm des Nachlasses ist jedoch nicht anzurechnen (2 Ob 106/98x ZVR 1999/127; 2 Ob 148/01f EF 97.076; Fucik ua, Verkehrsunfall VI Rz I/66; differenzierend Mayrhofer, SR AT 336 f). Auch Erträge aus einem von der Witwe (fort)geführten, letztwillig erworbenen Unternehmen können uU berücksichtigt werden (2 Ob 202/05b ecolex 2006, 763). Ist der überlebende Ehegatte nur dadurch in den Besitz des gesamten Nachlasses gelangt, weil die Kinder zu seinen Gunsten auf ihr Erbteil verzichtet haben, so liegt insofern eine Leistung Dritter vor, die nicht dem Schädiger zugute kommen darf (vgl § 1295 Rz 16); es ist daher nur der gesetzliche Erbteil zu berücksichtigen (ZVR 1959/140). Für eine Anrechnung des in der Erbschaft liegenden Vorteils auf die Begräbniskosten s Koziol, HPR I3 Rz 10/51. 14 Unvorhersehbare Änderungen der für die Bemessung einer Hinter-
bliebenrente maßgeblichen Tatumstände können in einem späteren Rechtsstreit mit Klage geltend gemacht werden, auch wenn kein Feststellungsurteil des Hinterbliebenen gegenüber dem Schädiger vorliegt (1 Ob 155/97v JBl 1998, 454 = ecolex 1998, 551 Wilhelm). VIII. Kosten für Wohnung, PKW, Kredite 15 Bei der Berechnung des Entganges der Witwe ist zu berücksichtigen,
dass durch den Tod eines Familienmitgliedes gewisse Haushaltsausgaben (Miete, Gas, Elektrizität) überhaupt nicht oder nur unwesent1530
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§ 1327
lich vermindert werden (RS0031612); derartige Kosten der Haushaltsführung, die sich durch den Wegfall des Verstorbenen in ihrer Höhe nicht wesentlich ändern und Unterhaltscharakter haben, werden demgemäß idR als sog Fixkosten bezeichnet (2 Ob 178/04x ZVR 2004/105; 2 Ob 108/05d; RS0031808) und sind unter die einzelnen (unterhalts-) rentenberechtigten Haushaltsangehörigen verhältnismäßig aufzuteilen (RS0112970; RS0031723). Der Unterhaltsentgang einer Witwe ist sodann – nach Abzug dieser fixen Haushaltskosten – nach der in ZVR 2004/105 wiederholten Berechnungsformel (RS0031954) zu ermitteln. Zur Berechnung bei Witwe nach Berufsaufgabe zur Haushaltsund Kinderbetreuung s 2 Ob 99/06g. Die Kosten für die Erhaltung und den Betrieb eines (zur Befriedigung 16 der Bedürfnisse aller Haushaltsangehörigen verwendeten und benötigten) PKW sind „fixe Haushaltskosten“ (Näheres ZVR 1980/71; 2 Ob 2430/96h ZVR 1998/46; 2 Ob 108/05d); ebenso die Leasingraten oder Darlehensrückzahlungen für ein solches Kfz (ZVR 1998/46). Der Verlust der als Ehewohnung benützten Dienstwohnung ist Teil 17 des entgangenen Unterhaltes (SZ 41/155; ZVR 1976/144; vgl ferner ZVR 1975/65; 6 Ob 203/00x ZVR 2002/62). Entgangener Unterhalt sind auch die Geld- oder Arbeitsleistungen, 18 die der getötete Ehemann zum Bau eines Hauses zur Deckung des Wohnbedarfs erbracht hätte (ZVR 1989/136; 6 Ob 203/00x ZVR 2002/62; RS0031579; 2 Ob 57/92 ZVR 1994/129: Zweitwohnsitz). Rückzahlungsraten eines zur Errichtung des Hauses aufgenommenen Darlehens sind bei den fixen Kosten zu berücksichtigen (ZVR 1976/271; 2 Ob 74/01y ZVR 2002/60) – auch bei Leistungen aus einer zur Kreditsicherung abgeschlossenen Lebensversicherung (2 Ob 74/01y ZVR 2002/60; 2 Ob 108/05d). IX. Anspruchskonkurrenz Witwe(r) – Kinder Der gesetzliche Anspruch auf den Beistand des Ehegatten in der 19 Haushaltsführung und beim Erwerb ist dem Unterhaltsanspruch gleichzustellen (JBl 1952, 318; 2 Ob 121/99d ZVR 2000/33; 2 Ob 322/99p). Der Anspruch des Witwers wegen Wegfalls der Leistungen seiner Frau bei der Haushaltsführung besteht nur insoweit, als diese Leistungen ihm selbst zugute kamen. Sind Kinder vorhanden, so ist der Schaden des einzelnen Unterhaltsberechtigten nach dem auf ihn entfallenden Anteil an der von der Ehefrau (Mutter) erbrachten Haushaltsführung zu ermitteln; im Zweifel sind die Anteile gleich (ZVR 2000/33). Die Ansprüche stehen den Geschädigten getrennt zu (2 Ob 38/00b). Der Witwer, der Ersatz dessen verlangt, was ihm durch den Danzl
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Schadenersatz
§ 1328
Wegfall der Frau im Haushalt und Erwerb entgangen ist, muss sich bei der Schadensberechnung den Vorteil, der im Wegfall seiner Unterhaltsleistungen an die Ehefrau liegt, anrechnen lassen (ZVR 1959/140; ZVR 1981/121). X. „Verfrühter Tod“ 20 Zufolge Höchstpersönlichkeit und damit Unvererblichkeit des
Rechtsgutes „Leben“ sowie Beendigung der Ausgleichsfunktion des Schmerzengeldes mit dem Tod des Verletzten besteht kein (vererbbarer) Schmerzengeldanspruch „für den verfrühten Tod“ eines Angehörigen (2 Ob 55/04h SZ 2005/26 = ZVR 2005/61 Karner; 8 Ob 64/05b JBl 2006, 464; aA Greiter, FS Kohlegger, 2001, 239 ff). 1a. an der geschlechtlichen Selbstbestimmung § 1328. Wer jemanden durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeitsoder Autoritätsverhältnisses zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen Handlungen mißbraucht, hat ihm den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten. [idF BGBl 1996/759] Lit: Danzl, Schmerzengeldansprüche für sexuell missbrauchte und in ihrer Freiheit beraubte Opfer, FS H. Steininger (2003) 215; Danzl ua, Schmerzengeld 235 ff; Karner, Die Neuregelung des Ersatzes ideeller Schäden bei geschlechtlichem Mißbrauch, JBl 1997, 685; ders, Rechtsvergleichende Überlegungen zur österreichischen Neuregelung des Ausgleiches ideeller Schäden bei geschlechtlichem Mißbrauch, ZEuP 1999, 318; ders, Der Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung (1999) 161 ff; Karner/Koziol, Ideeller Schaden 92 ff.
1 § 1328 schützt die Willensfreiheit und Selbstbestimmung jeglicher
Person (9 Ob 78/99g ZVR 2000/44) bezüglich ihrer Geschlechtssphäre. Durch das mit 1.1.1997 in Kraft getretene GeSchG wurde der Tatbestand geschlechtsneutral gefasst (JAB 407 BlgNR 20. GP 2) und es ist die frühere Beschränkung auf die „außereheliche Beiwohnung“ weggefallen, so dass auch sexuelle Missbrauchshandlungen an Kindern und Jugendlichen erfasst sind (Danzl ua, Schmerzengeld 237 ff). 2 Als „strafbare Handlung“ sind in erster Linie die Sexualstrafdelikte
der §§ 201 ff StGB angesprochen; ferner die Tatbestände etwa der 1532
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Mehrfachehe (§ 192 StGB), Täuschung (§ 108 StGB), insb über Ehenichtigkeits- und -aufhebungsgründe (§ 193 StGB), Freiheitsentziehung (§ 99 StGB; s auch § 1329 Rz 2 f) sowie Entführung einer willen- oder wehrlosen Frau (§ 100 StGB) oder unmündigen Person (§ 101 StGB) (Karner, JBl 1997, 693). Als weitere drei Tatbestandsvarianten, denen die „zweckgerichtete 3 Beeinflussung des Willens mit unlauteren Mitteln“ zum Geschlechtsverkehr („Beiwohnung“) oder „sonst zu geschlechtlichen Handlungen“ gemeinsam ist (Karner, JBl 1997, 688), nennt das Gesetz die Begehung durch Hinterlist oder Drohung sowie durch Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder eines Autoritätsverhältnisses. „Hinterlist“ ist eng im Sinne eines besonders verwerflichen Verhal- 4 tens auszulegen (näher Karner, JBl 1997, 694). Drohung (rechtswidriger Zwang) liegt vor, wenn das verwendete 5 Druckmittel oder das angestrebte Ziel rechtswidrig ist, wobei davon auszugehen ist, dass eine Drohung „schon bei der Überschreitung einer relativ geringen Erheblichkeitsschwelle“ rechtswidrig ist (Karner, JBl 1997, 695). Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder eines Autoritätsverhält- 6 nisses ist weit auszulegen; es fällt jedes Verhältnis, das eine besondere Einflussmöglichkeit (Karner, JBl 1997, 696) mit sich bringt, darunter (etwa: Dienstgeber – Dienstnehmer, Arzt – Patient, Erzieher – Zögling). Ob ein solches Abhängigkeits- bzw Autoritätsverhältnis vorliegt, ist eine Rechtsfrage; ob die Abhängigkeit ein Beweggrund für die missbrauchte Person war, hingegen Tatfrage (8 Ob 615/92 SZ 65/132). § 1328 enthält keine Abstufung des Ersatzes nach dem Verschuldens- 7 grad; auch wenn vorrangig vorsätzliche Begehungsformen erfasst werden, gebührt Schadenersatz jedenfalls auch bei grob fahrlässigem Missbrauch (Karner, JBl 1997, 696 f mit Ablehnung einer Ersatzpflicht bei leichter Fahrlässigkeit; offenbar weitergehend Apathy/Riedler, SR BT Rz 14/14). Die „angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung“ 8 dient dem Ausgleich ideeller Schäden. Die konkurrierenden Normen des § 1325 und des § 1329 bleiben weiterhin anwendbar und das Gericht kann eine allfällige Konkurrenz im Rahmen der Globalbemessung berücksichtigen (JAB 407 BlgNR 20. GP 3). Hiebei sind auch die auf einer Verletzung des geschlechtlichen Selbstbestimmungsrechtes beruhenden seelischen Schmerzen auszugleichen (1 Ob 744/50; besonders deutlich SZ 58/80 und 9 Ob 78/99g ZVR 2000/44). Danzl
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§ 1328a
9 Zum Tatbestand der sexuellen Belästigung im Arbeitsrecht s §§ 8,
8a, 19 bis 20 B-GlBG sowie §§ 6, 7, 12 Abs 11, § 15 GlBG; weiters H. Hopf, FS Bauer/Mayer/Petrag, 2004, 147; ders, RdW 2004, 601. 1b. am Recht auf Wahrung der Privatsphäre § 1328a. (1) Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei erheblichen Verletzungen der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer Weise verwertet werden, die geeignet sind, den Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, umfasst der Ersatzanspruch auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (2) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, sofern eine Verletzung der Privatsphäre nach besonderen Bestimmungen zu beurteilen ist. Die Verantwortung für Verletzungen der Privatsphäre durch Medien richtet sich allein nach den Bestimmungen des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981, in der jeweils geltenden Fassung. [BGBl I 2003/91] Lit: Helmich, Schadenersatz bei Eingriffen in die Privatsphäre, ecolex 2003, 888; Karner/Koziol, Ideeller Schaden 101 ff; Lukas, Schadenersatz bei Verletzung der Privatsphäre, RZ 2004, 33; Koziol/Warzilek (Hrsg), Der Schutz der Persönlichkeitsrechte gegenüber Massenmedien in Österreich (2005); Thiele, Unbefugte Bildaufnahme und ihre Verbreitung im Internet – Braucht Österreich einen eigenen Paparazzi-Paragrafen? RZ 2007, 2.
1 Die Bestimmung ist nach Art IV Z 2 BGBl I 2003/91 nur auf Schäden
anzuwenden, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens am 1.1.2004 verursacht wurden (vgl Lukas, RZ 2004, 33 samt FN 2). 2 § 1328a versteht sich (Erl 173 BlgNR 22. GP 4) als Ausführungsbe-
stimmung zur Durchsetzung der in § 16 verankerten Persönlichkeitsrechte in ihrem Kernbereich der Würde des Einzelnen. 3 Die Haftung kann sowohl auf deliktischem Verhalten (zB nach
§§ 118 ff, 302, 310 StGB, §§ 108, 109 TKG 2003; Missachtung beruflicher Geheimhaltungspflichten) als auch auf einer Verletzung (vor-) vertraglicher Verpflichtungen (etwa durch Offenbarung oder Weitergabe von Daten) beruhen (Reischauer/R Rz 5); in letzterem Fall kommen dem Geschädigten die §§ 1298 und 1313a zugute (zur Gehilfenhaftung Lukas, RZ 2004, 39). Es genügt leichte Fahrlässigkeit (Helmich, ecolex 2003, 889; Reischauer/R Rz 9). 1534
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§ 1328a
Der nicht näher umschriebene Begriff „Privatsphäre“ ist in Anleh- 4 nung an jenen des „Privatlebens“ in Art 8 Abs 1 MRK zu verstehen (hiezu Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht 3, 2002, Art 8 MRK II.I; Erl 173 BlgNR 22. GP 17 sowie EGMR ÖJZ 2004, 651); dazu zählen jedenfalls der Gesundheitszustand (Aigner/ Schwamberger, RdM 2004, 48); die Intimsphäre (auch spezifische Interessen, Neigungen und Gewohnheiten, die Ausdruck seiner Persönlichkeit sind, sofern sie der Betroffene nicht schon selbst öffentlich gemacht hat; Reischauer/R Rz 3); das Familienleben (Mayer, aaO II.2); die Wohnung sowie der Werdegang oder die Entwicklung einer Person (Zeugnisse, Strafregistereintragungen). Insoweit hat der Schutz des Privatlebens auch eine „soziale Komponente“ (vgl EGMR MR 2004, 246 Ennöckl/Windhager – „Caroline von Monaco“). Nicht zur Privatsphäre gehören hingegen Umstände und Informationen, die einem Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unterliegen; deren Verletzung ist nach allgemeinem Schadenersatzrecht zu beurteilen (Erl aaO 18). Schadenersatzansprüche können bei widerrechtlichem Eingreifen 5 entstehen. Als Bsp nennen die Mat (Erl 173 BlgNR 22. GP 18) die heimliche Tonbandaufnahme eines Vieraugen-Gesprächs, eine geheime Bild- oder Videoaufnahme (vgl Helmich, ecolex 2003, 888; s hiezu allerdings auch Rz 6), die fortwährende Belästigung durch unerwünschte Telefonanrufe (neuerdings auch das als „Stalking“ bezeichnete Verfolgen und Belästigen von Menschen: s hiezu auch Anfragebeantwortung BM Mag. Miklautsch 9.11.2004 JMZ Pr7000/ 0051-Pr 1/2004 an den Nationalrat [2137/J-NR/2004] betr die „Notwendigkeit eines Anti-Stalking-Gesetzes“, insb Antwort zu Fragen 1–13); weiters das unbefugte Öffnen oder Mitlesen fremder Post, unbefugtes Abhören des Telefons, „Verwanzen“ eines Zimmers oder Eindringen eines „Hackers“ in einen privaten Computer. Tatbildlich handelt auch, wer Umstände aus der Privatsphäre „offenbart oder verwertet“, sie also einem oder mehreren anderen, die nicht dem Kreis der Geheimnisträger angehören, oder gar der Öffentlichkeit mitteilt oder zugänglich macht, bzw die Kenntnis hievon materiell ausnützt (Erl aaO; Lukas, RZ 2004, 38). Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens ist aufgrund einer umfas- 6 senden Interessenabwägung (vgl Aicher/R § 16 Rz 14) zu beurteilen (Erl 173 BlgNR 22. GP 15): Danach ziehen nur Eingriffe zur Durchsetzung höherwertiger Interessen (etwa in Zeiten steigender Kriminalität Videoüberwachung: 6 Ob 2401/96y SZ 70/18; EGMR ÖJZ 2004, 651; vgl auch Erl aaO 16) keine Schadenersatzpflichten nach sich. (Noch) keinen rechtswidrigen Eingriff erblicken die Mat (Erl aaO 17) Danzl
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hingegen, „wenn Mitbewohner eines Hauses, Berufskollegen oder andere Bekannte über bestimmte Details aus dem Privatleben einer Person tratschen“, oder wenn ein Berufsdetektiv im Privatleben einer Person nachforscht (krit Lukas, RZ 2004, 38). 7 Bei Schädigung durch ein Organ in Vollziehung der Gesetze ist der
Rechtsträger im Amtshaftungsverfahren zu belangen (Erl 173 BlgNR 22. GP 19). 8 Der ideelle Schaden ist nur „bei erheblichen Verletzungen“ zu erset-
zen (Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung). Nach den Erl 173 BlgNR 22. GP 19 sollen „idR bei der Ausmessung des Anspruchs die in den §§ 7 ff MedG statuierten Anspruchsgrenzen und die Rspr zu diesen Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsrechte eine Richtschnur bieten“ (krit Reischauer/R Rz 12). Lukas, RZ 2004, 39 f nennt Beträge „zwischen € 1.500 und € 7.300“ als idR zu erwartende Ersatzzusprüche. 9 Abs 2 sieht eine Subsidiaritätsklausel vor; solche dem Abs 1 vorge-
hende Sonderbestimmungen sind insb §§ 77, 78 und 87 Abs 2 UrhG; § 33 DSG; §§ 7, 7a und 7c MedG (ausf s Erl 173 BlgNR 22. GP 19 f; Lukas, RZ 2004, 34 ff und 40; krit Helmich, ecolex 2003, 890 sowie Karner/Koziol, Ideeller Schaden 105) sowie § 12 Abs 11 GlBG, § 19 Abs 3 B-GlBG; zum Rechtfertigungsgrund nach § 6 Abs 2 Z 4 MedG im Zusammenhang mit der (ungeprüften) Wiedergabe eines „anonymen“ Schreibens durch ein Printmedium s ausf 6 Ob 128/06a WRInfo 2006, 220. 2. an der persönlichen Freiheit; § 1329. Wer jemanden durch gewaltsame Entführung, durch Privatgefangennehmung oder vorsätzlich durch einen widerrechtlichen Arrest seiner Freiheit beraubt, ist verpflichtet, dem Verletzten die vorige Freiheit zu verschaffen und volle Genugtuung zu leisten. Kann er ihm die Freiheit nicht mehr verschaffen, so muß er den Hinterbliebenen, wie bei der Tötung, Ersatz leisten. [idF III. TN] Lit: Danzl, Schmerzengeldansprüche für sexuell missbrauchte und in ihrer Freiheit beraubte Opfer, FS H. Steininger (2003) 215; Danzl ua, Schmerzengeld 251 ff; Harrer, Schadenersatz wegen hoheitlicher Freiheitsentziehung, Zak 2005, 9; Heissenberger, Haftentschädigung (2006) 123 ff.
1 Freiheit ist eines der höchsten Rechtsgüter und sowohl verfassungs-
(Art 5 MRK; PersFrSchG; s Rz 2) als auch strafgesetzlich geschützt (§§ 99 ff StGB). 1536
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§ 1329 regelt nur drei Fälle: gewaltsame Entführung, Gefangennahme durch eine Privatperson und Freiheitsentziehung durch Hoheitsakt. Darüber hinaus kann jedoch jede andere Verletzung der Freiheit zur Ersatzpflicht führen (JBl 1981, 206). Zu beachten ist insb der innerstaatlich unmittelbar anwendbare (SZ 2 48/69; SZ 62/176) Art 5 Abs 5 MRK. Er setzt kein Verschulden voraus (RS0031690), erfasst allerdings nur hoheitliche Freiheitsentziehungen und ist daher im Amtshaftungsverfahren geltend zu machen (SZ 52/153; 1 Ob 7/95 SZ 68/102; RS0037896); zur Entscheidungskompetenz des EGMR s SZ 55/18 (vgl hiezu auch 1 Ob 116/97h ZfRV 1999, 72). Ferner räumt Art 7 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG) gegenüber dem Staat bei rechtswidriger Festnahme oder Anhaltung einen eigenen „Anspruch auf volle Genugtuung einschließlich des Ersatzes nicht vermögensrechtlichen Schadens“ ein, wobei auch diese Haftung (vgl Erl 134 BlgNR 17. GP 7) verschuldensunabhängig und unter sinngemäßer Anwendung des AHG vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist (VwGH 94/19/0452; Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht 3, 2002, Anm zu Art 7 PersFrSchG). § 5 StEG 2005 schränkt – anders als das am 31.12.2004 außer Kraft getretene StEG 1969 – Ersatzansprüche nicht mehr bloß auf „vermögensrechtliche Nachteile“ ein (Schadenersatz jedoch ausschließlich in Geld). „Gewaltsame“ Entführung ist die Entfernung aus dem bisherigen 3 Lebensbereich, „Privatgefangennehmung“ jede Freiheitsberaubung durch jemanden, der keine Hoheitsbefugnis hat (zB Terroristen, Kidnapper). Allen drei Tatbildern des § 1329 ist gemeinsam, dass die Haftung nur 4 bei Vorsatz besteht (RS0031706; Harrer, Zak 2005, 12). Jedenfalls für die Freiheitsentziehung durch Hoheitsakt genügt bedingter Vorsatz (1 Ob 251/00v JBl 2001, 725). Bei fahrlässigen Verletzungen des Rechts auf Freiheit lehnt der OGH einen Anspruch auf Ersatz ideellen Schadens ab (5 Ob 544/90 JBl 1990, 794; RS0031706); für die Leistung eines Schmerzengeldes in Fällen (zumindest grob) fahrlässiger Schädigung treten allerdings (stichhaltig) Koziol, HPR I3 Rz 11/18, Karner, JBl 1997, 700, Reischauer/R Rz 8, Harrer/S Rz 6 und Heissenberger, Haftentschädigung 127 ein. Bei der Bemessung des ideellen Schadens („volle Genugtuung“) sind 5 (s § 1325 Rz 26) Dauer und Intensität der Beeinträchtigung, die psycho-physische Situation des Betroffenen, seine Empfindsamkeit und Danzl
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die Schwankungsbreite seiner Psyche zu berücksichtigen (SZ 48/69; SZ 58/80; SZ 62/176; 1 Ob 27, 28/90 SZ 63/223; 7 Ob 97/00s EvBl 2000/207), nicht hingegen die soziale Stellung des Geschädigten (s § 1325 Rz 26; JBl 1988, 46; SZ 63/223). Allerdings ist als immaterieller Schaden bei (konventionswidriger) Freiheitsentziehung neben der psychischen Belastung während der Haft (Zukunftsangst) auch die Schädigung des beruflichen und wirtschaftlichen Rufs anerkannt (SZ 60/117), die in untrennbarem Zusammenhang mit der „sozialen Stellung“ des Geschädigten steht. Gleiches hat wohl auch für Ansprüche nach dem neuen StEG 2005 (Rz 2) zu gelten. 6 Der Ersatz ist global zu bemessen (JBl 1982, 263). Die Höhe des einem
Inhaftierten gebührenden Ersatzes entspricht etwa jenem bei leichten körperlichen Schmerzen der gleichen Dauer (SZ 63/223; 1 Ob 94/00f ZVR 2000/103); hiezu auch ausf Danzl, FS H. Steininger 235 ff sowie Heissenberger, Haftentschädigung 143 ff. Zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Bund auf Grund des StEG 2005 s V BMJ BGBl II 2005/34. 7 Erfolgt aus der Tathandlung der Tod, so gebührt den Hinterbliebenen
Ersatz nach § 1327. 3. an der Ehre; § 1330. (1) Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz zu fordern. (2) Dies gilt auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. [idF III. TN] Lit: G. Haybäck, Können wahre Tatsachenbehauptungen Ehrenbeleidigungen iS des § 1330 Abs 1 ABGB sein? JBl 1994, 667 und 732; Karner/Koziol, Ideeller Schaden 98 ff; Korn, Die „zivilrechtliche“ Ehrenbeleidigung, MR 1991, 138; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991); Koziol, Die Haftung für kreditschädigende Berichte in Massenmedien, JBl 1993, 613; Koziol/Warzilek (Hrsg), Der Schutz der Persönlichkeitsrechte gegenüber Massenmedien in Österreich (2005) 3 ff, 661 ff; Mayer (Hrsg), Per-
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sönlichkeitsschutz und Medienrecht (1999); Renzl, Die Veröffentlichungsansprüche – Konsumtion oder Kumulation? MR 2004, 87; Ch. Schumacher, Medienberichterstattung und Schutz der Persönlichkeitsrechte, ÖSGRUM 23 (2001); Zeiler, Persönlichkeitsschutz (1998); Zöchbauer, Korrektes Zitat und zivilrechtliche Ehrenbeleidigung, wbl 1999, 289.
Zur Geltendmachung von Ansprüchen ist derjenige legitimiert, in 1 dessen Ehre eingegriffen wird. Bei einem Kollektiv ist jedes einzelne Mitglied berechtigt, wenn der Kreis der Angehörigen überschaubar (ausf 6 Ob 321/04f MR 2006, 366: jüdische NS-Opfer) und daher der Einzelne auch persönlich betroffen ist (6 Ob 231/01s MR 2002, 24: „Stammtischrunde“; 6 Ob 190/03i EvBl 2004/156: religiöse Vereinigung; 6 Ob 114/00h SZ 73/117: „Verbrecherpolizisten“; Helmich, ecolex 2001, 838: „Ganoven von Schiedsrichtern“; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 51 f). Auch juristische Personen sind uU legitimiert (RS0008985; 6 Ob 62/02i RdW 2003, 313; Korn/Neumayer, aaO 50 f). Postmortal kann ein Angehöriger zur Wahrung des Schutzes der Persönlichkeit des Verstorbenen berechtigt sein (6 Ob 283/01p JBl 2003, 114; Reischauer/R Rz 1b). Die Ansprüche richten sich nicht nur gegen den unmittelbaren Täter, sondern auch gegen dessen Mittäter, Anstifter und Gehilfen (§ 1301), die den Täter bewusst fördern (6 Ob 307/00s MR 2001, 161 krit Thiele; 6 Ob 14/03g; 6 Ob 95/05x ecolex 2006, 485: Vereinsobmann; RS0031901). Schutzobjekt des Abs 1 ist die zu den absoluten Rechten zählende 2 (6 Ob 109/00y SZ 73/181; 6 Ob 84/06f; RS0008984; Koziol, HPR II 2 172) Personenwürde, des Abs 2 hingegen der Ruf (Zöchbauer, wbl 1999, 296; 6 Ob 40/03f MR 2004, 16; RS0032276). Abs 1 sanktioniert Ehrenbeleidigungen, die nach jüngerer Rspr zugleich Tatsachenbehauptungen sein können (7 Ob 607/90 EvBl 1991/24), Abs 2 hingegen nur unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptungen (auch von Gerüchten, Vermutungen oder Verdächtigungen: 4 Ob 172/06g MR 2006, 371), nicht jedoch Werturteile (6 Ob 159/06k MR 2006, 362). Tatsachenbehauptungen sind einer objektiven Überprüfung zugänglich (6 Ob 20/95 SZ 68/97; 4 Ob 138/99v SZ 72/118; 6 Ob 235/02f). Wertende Äußerungen können zugleich Tatsachenbehauptung sein, wenn sie von bestimmten Tatsachen ausgehen („konkludente Tatsachenbehauptung“: RS0031810). Ob dies der Fall ist, hängt vom vermittelten Gesamteindruck der Äußerungen nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber dem subjektiven Willen des Erklärenden ab (RS0031883, RS0032489); bei einer Vermengung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen kann das Überwiegen dafür entscheidend sein, ob die GesamtäußeDanzl
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rung noch als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist (RS0032280; 6 Ob 244/03f). Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist Rechtsfrage (6 Ob 93/98i SZ 71/96; 6 Ob 192/01f MR 2001, 371). Nach der Unklarheitenregel muss der Äußernde die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (6 Ob 235/02f). Ein ehrverletzendes Werturteil, dem die Basis eines konkreten Sachverhalts fehlt, unterliegt als Beschimpfung nur dem Abs 1 (6 Ob 32/95 MR 1996, 28: „Nazi“; 6 Ob 285/01g MR 2002, 292: „Dreck am Stecken“). Der Vorwurf schlechter Qualität von Waren oder Dienstleistungen oder eines geschäftlichen Misserfolgs ist idR nicht ehrenrührig, wohl aber uU eine kreditschädigende Tatsachenbehauptung (4 Ob 52/93 ÖBl 1993, 163; 4 Ob 159/02i MR 2002, 294). 3 Das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK; Art 13 StGG)
deckt nicht unwahre Tatsachenbehauptungen (4 Ob 109/01k MR 2001, 242; 6 Ob 235/02f; 6 Ob 60/03x; 6 Ob 250/03p; MR 2006, 366; 4 Ob 71/06d MR 2006, 255; RS0032201). Daher dürfen auch Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind, nicht schrankenlos geäußert werden; allerdings sind angesichts der heutigen Reizüberflutung selbst „überspitzte“ Formulierungen uU hinzunehmen (6 Ob 244/02d: Abtreibungs„morde“; MR 2006, 366: Instrumentalisierung des Holocaust für Tierschutzanliegen; MR 2006, 362: Bevorzugung von Familienangehörigen eines Mandatars; EGMR MR 2001, 89: „Psychosekten“; EGMR ÖJZ-MRK 2006/15: Pressefreiheit umfasst auch ein gewisses Maß an Übertreibung oder sogar Provokation), soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (4 Ob 55/00t JBl 2000, 664; MR 2006, 366; MR 2006, 362). Die Grenzen werden bei Politikern erheblich weiter gezogen (6 Ob 138/01i MR 2001, 367: „Lügner“; 6 Ob 149/01g SZ 74/117: „Menschenhatz“ [dazu auch 6 Ob 168/01a und 6 Ob 191/01h]; 6 Ob 176/01b: „Donnerstagsdemonstrationen“; 6 Ob 192/02g MR 2002, 378: „Bürgermeisterparty“; 4 Ob 123/04y MR 2004, 352: „Betrugsvorwurf“ an Gewerkschaft; EGMR ÖJZ 1991, 641: „NS-Gesinnung“; EGMR ÖJZ 1997, 956: „Trottel“; EGMR ÖJZ 2004, 512: „Kellernazi“; EGMR ÖJZ-MRK 2006/8: „Straflager“); bei ihnen kann uU auch der richtige Vorwurf einer rechtskräftigen, wenngleich bereits getilgten Vorstrafe (§ 113 StGB) gerechtfertigt sein (6 Ob 83/04f MR 2004, 325). Ebenso sind bei einer in der Öffentlichkeit bekannten Person („Enthüllungsjournalist“) die Grenzen zulässiger Kritik weiter gezogen (6 Ob 250/03p: „Spitzelaffäre“; ebenso 6 Ob 245/05d und 6 Ob 250/06t); s hiezu auch Reischauer/R Rz 35 ff. Zur Immunität der Mitglieder des National- und Bundesrates sowie der Landtage s Art 57, 58 und 96 Abs 1 B-VG (Näheres Reisch1540
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§ 1330
auer/R Rz 32 und Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht 3, 2002, Art 57 Anm I ff). Unwahr ist eine Äußerung dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeit- 4 punkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Gegenstand des Wahrheitsbeweises ist nicht der vollständige Beweis der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung, es genügt der Beweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns (6 Ob 251/03k; 6 Ob 40/04g MR 2004, 327; 6 Ob 211/05f WRInfo 2006, 71). Die Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung kann auch in der Unvollständigkeit des bekannt gegebenen Sachverhalts liegen (RS0031963; MR 2004, 327). Der Wahrheitsbeweis ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS 0079693). Für die Unrichtigkeit behaupteter Tatsachen trägt der Kläger die Beweislast (6 Ob 238/03y; RS0031798; 6 Ob 38/03m; differenzierend Kletecˇka, ecolex 1991, 310). Ist eine Rufschädigung gleichzeitig Ehrenbeleidigung (Abs 1), so hat der Betroffene bezüglich der Ansprüche nach Abs 2 nur die Tatsachenverbreitung zu beweisen; der Wahrheitsbeweis obliegt dem Beklagten (MR 2006, 255). Bei wissentlich falschen Anzeigen trifft den Kläger die Beweislast für die Kenntnis der Unwahrheit und den Vorsatz des Täters (RS0105665; 6 Ob 146/01s MR 2001, 231; 6 Ob 233/01k); nur eine wider besseres Wissen erfolgte (Straf- oder Disziplinar-)Anzeige hat eine Schadenersatzpflicht des Anzeigers zur Folge (SZ 59/190; 6 Ob 226/05m). „Verbreiten“ (Abs 2) ist das Mitteilen einer Tatsache, und zwar sowohl 5 eine eigene Behauptung (6 Ob 197/99k MR 2000, 20 krit Frauenberger; 6 Ob 153/01w MR 2001, 232) als auch das Weitergeben der Behauptung eines Dritten, ohne sich mit dessen Äußerung zu identifizieren. Es ist ausreichend, dass die Mitteilung an eine Person erfolgt (6 Ob 97/06t; Koziol, HPR II 2 175; Zöchbauer, wbl 1999, 294). Eine geistige Beziehung des Verbreiters zum wiedergegebenen Gedankeninhalt („intellektueller Verbreiter“; Verleger: 6 Ob 218/03g ecolex 2004, 530) ist nicht erforderlich; die „technische Verbreitung“ (Zeitung, Rundfunk, Fernsehen; Internet: EvBl 2004/156 [Provider-Haftung]; ecolex 2004, 530; 6 Ob 274/03t MR 2004, 97 [beide: Online-Archiv]; 6 Ob 178/04a [Online-Gästebuch]) genügt (6 Ob 119/99i SZ 72/144). Bei neutraler und richtiger Wiedergabe des Inhalts behördlicher Erklärungen (Urteile, Anklageschriften, Haftbefehle, Polizeiberichte) besteht keine Pflicht, die Richtigkeit der darin zum Ausdruck kommenden Verdächtigungen zu prüfen (6 Ob 2018/96z SZ 69/113; 6 Ob 220/01y MR 2001, 373). Die Presse trifft nur die Pflicht zur Wahrhaftigkeit, nicht aber zur objektiven Wahrheit (6 Ob 249/01p SZ 74/204). Buchhändler und BiDanzl
1541
Schadenersatz
§ 1330
bliothekare trifft keine Pflicht, die von ihnen verbreiteten Bücher zu prüfen (SZ 72/144; ecolex 2004, 530; MR 2004, 97). Auch das Aussprechen eines Verdachts ist Weitergabe (RS0031816; MR 2001, 373; 6 Ob 96/04t). Aus Abs 2 geht hervor, dass das Verbreiten wahrer Tatsachenbehauptungen grundsätzlich – freilich unter Abwägung der Interessen (WRInfo 2006, 71: „Sexspiele“ in Priesterseminar) – zulässig ist (6 Ob 14/03g). Das gilt auch für wahre Bildberichte (SZ 74/204; 4 Ob 120/03f MR 2004, 101); zum Verbot der (zutreffenden) Mitteilung getilgter gerichtlicher Strafen s § 113 StGB (vgl auch Rz 3). 6 Der Begriff des „Fortkommens“ darf nicht eng verstanden werden
(SZ 60/138; 6 Ob 235/02f). Schon eine Gefährdung des Fortkommens kann Ansprüche auslösen (MR 2004, 101). 7 Bei Verstößen gegen Abs 1 besteht kein Widerrufs- und Veröffent-
lichungsanspruch (RS0031688; 6 Ob 312/01b). Der Anspruch nach Abs 2 ist ein verschuldensabhängiger (SZ 69/113; 6 Ob 2334/96w SZ 70/38; 6 Ob 235/02f; MR 2004, 327) Schadenersatzanspruch (vgl 6 Ob 50/01y; 6 Ob 258/03i MR 2004, 108); er steht bei jedem Grad des Verschuldens zu (SZ 60/138; MR 2004, 327; Koziol, HPR II 2 176). Er dient der Wiederherstellung des vorigen Zustandes (Renzl, MR 2004, 87; RS0107663; 6 Ob 295/97v SZ 70/267; 6 Ob 312/01b; MR 2004, 108) und muss in gleich wirksamer Form erfolgen (3 Ob 270/05k). Mit der Veröffentlichung des Widerrufs soll der Öffentlichkeit dokumentiert werden, dass die Verbreitung rechtswidrig war (MR 2004, 108). Auf Wiederholungsgefahr kommt es grundsätzlich nicht an (6 Ob 312/01b), wohl aber auf ein Fortwirken der abträglichen Meinung (6 Ob 211/97s MR 1998, 17 Korn; 6 Ob 312/01b). Das Rechtsschutzinteresse am öffentlichen Widerruf einer in einem Medium veröffentlichten ehrenbeleidigenden Äußerung, die zugleich kreditschädigend ist, fällt mit der Veröffentlichung eines wegen derselben Äußerung gefällten Urteils nach § 34 MedG weg (MR 2004, 108); ebenso nach außergerichtlicher Vereinbarung auf Abstandnahme von der Durchsetzung der Veröffentlichung im Strafverfahren (6 Ob 41/04d MR 2004, 322). 8 Ehrverletzende und rufschädigende Prozessbehauptungen über den
Prozessgegner können wegen des Rechts auf ungehinderte Prozessführung gerechtfertigt sein; dies gilt nicht bei wissentlich falschen Behauptungen (6 Ob 60/03x; 6 Ob 14/03g; 4 Ob 26/06m; RS0022784; RS0114015; 6 Ob 103/01t); vgl hiezu auch SZ 73/117 („Verbrecherpolizisten“). Der Mandant haftet nicht für vollmachtslose Äuße1542
Danzl
Schadenersatz
§ 1330
rungen seines Anwalts, wohl aber bei dessen Anleitung (6 Ob 84/06f RdW 2006, 625). Der Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verbreitung einer her- 9 absetzenden Äußerung ist verschuldensunabhängig (6 Ob 235/02f). Der Unterlassungsanspruch kann durch eV gesichert werden, ohne dass es idR einer gesonderten Gefahrenbescheinigung nach § 381 Z 2 EO bedarf (RS0011399; 6 Ob 37/95 SZ 69/12; 6 Ob 80/01k; 6 Ob 299/02t MR 2003, 90). Durch eine solche Provisorialmaßnahme (anders bei § 15 UWG) ist keine Verpflichtung zur Vornahme bestimmter Beseitigungshandlungen tituliert (3 Ob 215/02t, 321/02f MR 2003, 82 Rechberger = wbl 2003, 290; s dazu auch Klicka, wbl 2003, 260). Ein Angebot, sich in einem vollstreckbaren Vergleich zur Unterlassung zu verpflichten, beseitigt idR die Vermutung künftiger Verstöße (RS0079899; 6 Ob 244/03f; 6 Ob 295/03f MR 2005, 371). Nicht öffentlich (Abs 2 letzter S) sind vertrauliche Weitergaben der 10 Behauptung an einen Dritten, bei dem keine Gefahr der Weiterverbreitung besteht (SZ 69/12), so uU bei einem privaten Telefongespräch (6 Ob 165/01k MR 2002, 92), aber auch bei einer Mitteilung an eine zur Verschwiegenheit verpflichteten Behörde (6 Ob 96/02i; 4 Ob 259/05z EvBl 2006/130: Vereinsvorstand). Ein „berechtigtes Interesse“ ist gegeben, wenn die Mitteilung für die persönlichen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen und Verhältnisse von Bedeutung ist oder ein öffentliches Interesse (6 Ob 239/02v; 6 Ob 96/02i: Strafanzeigen; SZ 60/138: Beschwerdebrief an Kurienkardinal) vorliegt. Öffentlich verbreitet wird eine Tatsache, wenn keine Gewähr für Vertraulichkeit besteht (RS0032413; RS0031906; 6 Ob 97/06t; vgl auch 13 Os 63/05x JBl 2006, 739). Im Falle der Ehrverletzung beschränkt § 1330 den Ersatz ausdrück- 11 lich auf den Vermögensschaden (RdW 2006, 625), ideelle Schäden sind hingegen nicht auszugleichen (Koziol, HPR II 2 173; Reischauer/R Rz 3; JBl 2003, 114). Nach Karner/Koziol, Ideeller Schaden 98 f mwN soll dieser Ausschluss auf reine („alltägliche“) Ehrenkränkung beschränkt sein, hingegen bei Verletzung der Menschenwürde („schwere Erschütterung des Rufes des Beleidigten“) auch immaterieller Nachteil ausgeglichen werden. Im Falle einer Realinjurie bestehen Ansprüche nur bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 1325 (Karner/Koziol, aaO 99; Reischauer/R Rz 2). Ersatz auch des immateriellen Schadens sehen hingegen vor § 87 Abs 2 UrhG, § 150 Abs 3 PatG und § 53 Abs 4 MarkSchG. Zu IPR-rechtlichen Fragen s § 13 IPRG Rz 3. S auch §§ 7, 24 UWG. Danzl
1543
Schadenersatz
§ 1331
12 Für Ehrenbeleidigung (Abs 1) gilt eine einjährige Verjährungsfrist
(§ 1490 Abs 1; Koziol, HPR II 2 174); für Ansprüche nach Abs 2 gilt hingegen die dreijährige Frist des § 1489 (§ 1490 Abs 2; EvBl 2004/156). 4. an dem Vermögen § 1331. Wird jemand an seinem Vermögen vorsätzlich oder durch auffallende Sorglosigkeit eines andern beschädigt; so ist er auch den entgangenen Gewinn, und wenn der Schade vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbotenen Handlung, oder aus Mutwillen und Schadenfreude verursacht worden ist, den Wert der besondern Vorliebe zu fordern berechtigt. 1 HS 1 wiederholt die Regelung des § 1324 HS 1 für den Fall des Vor-
satzes und der groben Fahrlässigkeit. HS 2 spricht bei besonders qualifiziertem Verschulden, wofür der Geschädigte die Beweislast trägt (JBl 1977, 648; 5 Ob 764/81; Harrer/S Rz 6), sowie strafgesetzlich verpöntem Verhalten zusätzlich das sog Affektionsinteresse als ideellen Schaden zu (Mayrhofer, SR AT 323 f). Wegen Fahrlässigkeit strafbare Schädigungen reichen nicht aus (1 Ob 160/98f SZ 71/156; Reischauer/R Rz 3; Mayrhofer, aaO 324 f). Der „Wert der besondern Vorliebe“ muss im Verfahren erster Instanz verlangt werden (RS0030499). 2 Der „Wert der besondern Vorliebe“ ist im Zusammenhalt mit § 1323
letzter HS („Tilgung der verursachten Beleidigung“, s § 1323 Rz 3) zu lesen und entspricht dem außerordentlichen Preis des § 305 letzter HS (SZ 24/346), der sich nach der Gefühlsverbundenheit des Geschädigten mit der betroffenen Sache (zB Erb- oder Erinnerungsstück) bestimmt (Reischauer/R Rz 2; Mayrhofer, SR AT 323; Wolff/K VI 167). 3 § 1331 gilt auch bei Vertragsverletzungen (Mayrhofer, SR AT 325).
§ 1332. Der Schade, welcher aus einem mindern Grade des Versehens oder der Nachlässigkeit verursacht worden ist, wird nach dem gemeinen Werte, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzt. Lit: Ch. Huber, Fragen der Schadensberechnung2 (1995).
1 Bei leichter Fahrlässigkeit ist nach § 1324 nur der positive Schaden zu
ersetzen, selbst wenn der Schädiger strafgerichtlich verurteilt wurde (Koziol, HPR I3 Rz 10/1 FN 2; s § 1331 Rz 1). Zu ersetzen ist der „gemeine Wert“, also der Verkehrswert (§ 305; SZ 56/54; Koziol, HPR I3 Rz 2/74 und 10/24). Dieser bestimmt sich 1544
Danzl
Schadenersatz
§ 1332a
nach dem Markt- oder Handelspreis, idR dem Einkaufs- oder Wiederbeschaffungswert (Miet 40.193; RS0031865), uU dem Verkaufswert (Koziol, aaO Rz 10/15). Der Schaden ist somit objektiv-abstrakt zu berechnen (Mayrhofer, SR AT 328; Ch. Huber, Schadensberechnung 238), und zwar durch eine Differenzrechnung zwischen dem gemeinen Wert vor und nach der Beschädigung (1 Ob 358/98y; RS0030236; Koziol, aaO Rz 2/19, 2/52 und 2/71). Der Wert ist ohne USt anzusetzen (Koziol, aaO Rz 10/19; Näheres § 1323 Rz 12). Für die Bemessung ist nicht der Ort der Beschädigung der Sache, 2 sondern jener, wo sie sich gewöhnlich befindet und benützt wird, maßgebend (2 Ob 317/97z SZ 70/240). Da für die Wertbestimmung der Zeitpunkt der Beschädigung – allenfalls der Kenntniserlangung von Schaden und Schädiger (1 Ob 143/04t) – maßgeblich ist, sind spätere Änderungen des Marktpreises unerheblich (SZ 52/188; Miet 40.193; Koziol, HPR I3 Rz 10/24). Zur Berücksichtigung inflationärer Entwicklungen s Mayrhofer, SR AT 320 und Reischauer/R Rz 5. Bei der Vernichtung (oder nachteiligen Veränderung) des Stücks einer 3 Sachgesamtheit ist idR von deren Wert (und nicht des Einzelstücks) auszugehen (6 Ob 595/90 Miet 43.116: einheitliche Raumeinrichtung). Bei einer ausschließlich zum individuellen Gebrauch geeigneten, nie- 4 mand anderem dienlichen Sache bestimmt sich der „gemeine Wert“ (mangels Verkehrswertes) nach den Herstellungskosten (SZ 56/54: Zahnbrücke; JBl 1987, 325: Brücke; ZVR 1988/104: Fichtenhecke; RS0030246); allenfalls (ZVR 1976/259: Windschutzscheibe) unter Vornahme eines angemessenen Abschlages („neu für alt“: SZ 56/54; Näheres § 1323 Rz 19), der vom Ersatzpflichtigen zu behaupten und zu beweisen ist (2 Ob 159/98s). Wird durch die Reparatur nicht nur der Zustand wie vor der Schädigung wiederhergestellt, sondern gleichzeitig, weil dieselbe Reparatur auch sonst hätte vorgenommen werden müssen, über die Wiederherstellung hinaus eine Verbesserung herbeigeführt, so sind nicht die vollen Reparaturkosten zuzusprechen, sondern nur die Differenz zwischen dem auch ohne das Schadensereignis verminderten Verkehrswert und dem durch das schädigende Ereignis noch weiter verminderten Verkehrswert (SZ 55/28; vgl auch 4 Ob 98/01t SZ 74/184: Zinsschaden durch vorverlegte Kapitalaufwendungen eines fahrlässig vor Ablauf seiner Bestanddauer zerstörten Bauwerks). § 1332a. Wird ein Tier verletzt, so gebühren die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein Danzl
1545
Schadenersatz
§ 1332a
verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte. [BGBl 1988/179] Lit: P. Bydlinski, Das Tier, (k)eine Sache? RdW 1988, 157; Gimpel-Hinteregger, Das Tier als Sache und Ersatz der Heilungskosten für ein verletztes Tier, ÖJZ 1989, 65; Graf, Tierschutz durch Zivilrecht, in Harrer/Graf (Hrsg), Tierschutz und Recht (1994) 77; G. Haybäck/M. Haybäck, Hunderecht (2000); Saria, Tiere als Güter, ÖJZ 2001, 161.
1 Die Bestimmung wurde gleichzeitig mit § 285a, der Tiere vom Sach-
begriff ausnimmt, eingefügt, um deren schadenersatzrechtliche Sonderstellung hervorzuheben (vgl JAB 497 BlgNR 17. GP 1). Dass der Eigentümer eines Tieres Ersatz der (auch nur versuchten) Heilungskosten verlangen kann, folgt allerdings schon aus dem allgemeinen Wiederherstellungsprinzip (8 Ob 93/01m); die weiteren Kriterien des Wertes des Tieres und des „verständigen“ Tierhalters haben letztlich zur Klarheit nicht besonders beigetragen. Dass auch den Wert übersteigende Heilungskosten zu ersetzen sind, ergibt sich überdies schon – wegen der Berücksichtigung der Gefühlsbeziehung – aus den allgemeinen Regeln (Koziol, HPR I3 Rz 9/22). Unstrittig ist, dass im Übrigen die sachenrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind (1 Ob 160/98f SZ 71/156; s § 285a Rz 2). 2 Die Schadenersatzpflicht greift unabhängig davon ein, ob das Tier
einen Marktwert hat (Harrer/S Rz 3). Bei reinen „Nutztieren“, zu denen keine Gefühlsbeziehung besteht, soll es bei der allgemeinen Regel des § 1323 ABGB verbleiben (JAB 497 BlgNR 17. GP 1). 3 Der Begriff „Heilungskosten“ ist nicht anders als bei Menschen zu
verstehen (s § 1325 Rz 3). Um den Ersatzanspruch „in vernünftigen Grenzen“ zu halten (JAB 497 BlgNR 17. GP 1), wurde der „verständige Tierhalter“ eingeführt: Welchen Aufwand dieser getätigt hätte, wird sich im Regelfall an den Kosten einer „üblichen tierärztlichen Behandlung“ (JAB aaO 2) bemessen lassen (dazu Reischauer/R Rz 3). Wird ein unheilbar invalides Tier, das den Nutzen, dessentwegen es angeschafft wurde, nicht mehr hat, nur aus emotionaler Bindung am Leben gelassen, sind die verbundenen Einstellkosten (etwa in einer „Pferdepension“) weder tatsächlich aufgewendete Kosten einer auch nur versuchten Heilung nach § 1332a noch auf Grund des (grundsätzlich neben § 1332a anwendbaren: JAB aaO 1) § 1331 ersatzfähig (SZ 71/156; RS0110774). 4 Zum Schmerzengeldanspruch des Halters eines getöteten Haustiers
zufolge des Erleidens einer dadurch ausgelösten eigenen krankheits1546
Danzl
Schadenersatz
§ 1333
wertigen Erlebnisreaktion s LG Feldkirch 8 Cg 262/96g ZVR 2001/67 sowie Karner/Koziol, Ideeller Schaden 80. Besonders durch die Verzögerung der Zahlung Gesetzliche Zinsen und weitere Schäden § 1333. (1) Der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung zugefügt hat, wird durch die gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs. 1) vergütet. (2) Der Gläubiger kann außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen. [idF BGBl I 2005/120] Lit: Christandl, Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten, RZ 2004, 262; Dehn, Das Zinsrechts-Änderungsgesetz, RdW 2002, 514; Graf, Die Neuregelung der Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs – Eine kritische Analyse des ZinsRÄG, wbl 2002, 437; Huter, Die Geltendmachung von „Inkassospesen“ nach dem Zinsrechtsänderungsgesetz, AnwBl 2003, 646; Karollus/Lukas, Inkassokosten als Verspätungsschaden, FS Mayer (2004) 71; Spunda, Änderungen durch das Zinsenrechts-Änderungsgesetz (ZinsRÄG), ecolex 2002, 653; Thiele, „Zukunftszinsen“ und das Zinsrechts-Änderungsgesetz 2002, RdW 2003, 427.
Die erste Änderung der §§ 1333–1335 durch das ZinsRÄG erfolgte in 1 Umsetzung der Zahlungsverzugs-RL (vgl § 1000 Rz 1), die zweite in Anpassung an das neue HaRÄG – anzuwenden allerdings erst auf nach dem 31.12.2006 abgeschlossene Rechtsgeschäfte (Art XXXII Abs 1 BGBl I 2005/120) – durch Verlegung des bisherigen § 1333 Abs 2 in das UGB (dort § 352). Nach Koziol, HPR I3 Rz 15/6 (zum alten Recht) handelt es sich bei § 1333 um eine auf bereicherungsrechtlichen Gedanken beruhende Bestimmung; durch die Neufassungen (insb Abs 2: arg „auch den Ersatz anderer Schäden“) ist dieser Ansatz jedoch (wohl) überholt (Reischauer/R Rz 18; Harrer/S Rz 3). Die gesetzlichen Verzugszinsen für eine Geldschuld betragen 4% pa 2 (§ 1000 Abs 1; ebenso im Zweifel Zinseszinsen hieraus: § 1000 Abs 2 letzter S), für beidseitige unternehmensbezogene Geschäfte (§ 352 UGB; nicht anwendbar, wenn das Geschäft auf einer Seite nur ein Vorbereitungsgeschäft gemäß § 343 Abs 3 UGB ist: Schauer/RK UGB § 352 Rz 2) „acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“ (und zwar für jede verspätete Geldzahlung aus einem unternehmerischen GeDanzl
1547
Schadenersatz
§ 1333
schäft – also auch Schadenersatzzahlungen, gleichgültig ob aus Verletzung einer vertragstypischen Hauptleistung oder einer vertraglichen Nebenpflicht: 6 Ob 15/06h Zak 2006, 215); im Wechsel- und Scheckrecht 6% (§ 48 Abs 1 Z 2 WG, § 45 Z 2 SchG). Für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis beträgt der gesetzliche Zinssatz „acht vom Hundert pro Jahr über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Basiszinssatz“ (§ 49a ASGG). Der für die Bestimmung erhöhter gesetzlicher Zinsen maßgebliche „Basiszinssatz“ ist in § 1 des 1. Euro-JuBeG definiert, wobei nach § 352 letzter Satz UGB der am letzten Tag eines Halbjahres geltende Basiszinssatz auch für das nächste Halbjahr maßgebend ist; er kann im Internet über die Homepage der OeNB www.oenb.at abgerufen werden und beträgt mit Wirksamkeit seit 14.3.2007 3,19% (gesetzlicher Zinsfuß aus unternehmerischen Geschäften und für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis derzeit sohin 11,19%: Erlass BMJ 14.3.2007, BMJ-B7.049/0001-I 2/2007). 3 Die Verpflichtung zur Bezahlung von gesetzlichen Verzugszinsen
nach § 1333 Abs 1 trifft den Schuldner – anders als jene nach Abs 2 (s Rz 6) – auch bei bloß objektivem Verzug, ist also verschuldensunabhängig (krit Graf, wbl 2002, 440 f). 4 Die Zinsen sollen den Schaden, den ein Gläubiger durch die Zahlungs-
verzögerung des Schuldners erlitten hat, pauschal abdecken, ohne dass es eines konkreten Schadensnachweises durch den Gläubiger bedarf (verst Senat 1 Ob 315/97y SZ 71/56: „Mindestpauschale“; 6 Ob 41/00y EF 92.018; Erl 1167 BlgNR 21. GP 9). Ein solcher Zinsenschaden liegt entweder in höheren Zinsenaufwendungen, wenn der Gläubiger den ihm vorenthaltenen Kapitalbetrag zur Tilgung laufender Kredite verwendet und dadurch Kreditzinsen erspart hätte, oder im Verlust von Anlagezinsen (1 Ob 20/94 SZ 68/189; SZ 71/56; 3 Ob 33/00z Miet 53.196; 1 Ob 173/03b JBl 2004, 793). 5 § 1333 Abs 2 betrifft jene Nachteile, deren Ersatz der Gläubiger neben
den gesetzlichen Zinsen verlangen kann. Dazu zählen nicht nur Zinsen, deren Höhe den gesetzlichen Zinssatz übersteigt, sondern auch außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungskosten (Kosten eines Rechtsanwalts: 2 Ob 251/02d ZVR 2004/68; aA Christandl, RZ 2004, 264: anwaltliche Kosten weiterhin ausschließlich vorprozessuale Kosten – so auch OLG Innsbruck 4 R 160/05v). Angesichts der durch zweitinstanzliche Rechtsmittelgerichte unterschiedlich und kontroversiell entwickelten Lösungsansätze (zB LG Salzburg 54 R 81/96 RZ 1997, 140; LG Korneuburg 21 R 227/97y RZ 1997, 224; LGZ Wien 37 R 573/96f RZ 1998, 177; OLG Wien 1 R 119/97w AnwBl 1997, 1548
Danzl
Schadenersatz
§ 1333
950 Haindl) und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit wurde durch die Neufassung des § 1333 Abs 3 (nun Abs 2) ABGB klargestellt, dass sog Inkassokosten als materiellrechtlicher Schadenersatzanspruch zu behandeln sind und im ordentlichen Rechtsweg (§ 54 Abs 2 JN), also nicht bloß als (vorprozessuale) Prozesskosten, geltend gemacht werden können (Erl 1167 BlgNR 21. GP 5 und 11 ff). Sie unterliegen einer doppelten Beschränkung: Der Gläubiger erhält nur die „notwendigen Kosten“ und sie müssen zur betriebenen Forderung „in einem angemessenen Verhältnis“ stehen (Karollus/Lukas, FS Mayer 81 f), wobei freilich die Höhe der Hauptforderung nicht stets eine Obergrenze darstellen muss (Dehn, RdW 2002, 518). Bei der Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen (Huter, AnwBl 2003, 647 f). Der Schadenersatzanspruch nach § 1333 Abs 3 (nunmehr: 2) ist eine „Nebenforderung“ iSd § 54 Abs 2 JN, so dass eine eigenständige Einklagung zulässig ist (1 Ob 46/03a EvBl 2004/150; Karollus/Lukas, FS Mayer 83 FN 54). Für anwaltliche außergerichtliche Betreibungsund Einbringungsmaßnahmen gilt jedoch weiterhin § 23 RAT als lex specialis: Solange solche Kosten in Akzessorietät zum Hauptanspruch stehen, sind sie weiterhin als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis geltend zu machen, so dass ihrer klageweisen Geltendmachung die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegensteht (3 Ob 127/05f SZ 2005/153 = JBl 2006, 380; 6 Ob 131/05s EvBl 2006/69). Während die Neuregelung des § 1333 Abs 3 (nun Abs 2) nach ZVR 2004/68 nur für Fälle gilt, in denen (bei deliktischen Schuldverhältnissen) der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nach dem 31.7.2002 liegt, soll der neue materiellrechtliche Ansatz nach 8 Ob 25/03i RdW 2004, 20 für alle nach dem 31.7.2002 eingebrachten Klagen anzuwenden sein, mag der Verzug auch schon vor dem 1.8.2002 eingesetzt haben (vgl auch Erl aaO 18). S auch V BMWA über die Höchstsätze der Inkassoinstituten gebührenden Vergütungen BGBl 1996/141. Der Anspruch nach Abs 2 setzt Verschulden voraus, wobei jeder 6 Grad ausreicht (RS0109502) und der Exkulpierungsbeweis dem beklagten Schädiger obliegt. Nicht erforderlich ist, dass der geschädigte Kläger die Zinsen bereits bezahlt hat (RS0031924). Nicht erfasst sind Verzugszinsen oder Inkassokosten, die auf Grund vorheriger Vereinbarung gebühren: Ob hiefür Verschulden vorausgesetzt ist, hat die Auslegung zu ergeben (Erl 1167 BlgNR 21. GP 11; Karollus/Lukas, FS Mayer 82 f). Das Begehren eines verschuldeten Verzögerungsschadens begreift nach stRspr – als minus – das Begehren auf gesetzliche Verzugsfolgen in sich (3 Ob 223/97h). S auch § 6 Abs 1 Z 13 KSchG. Danzl
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Schadenersatz
§ 1334
7 Der Geschädigte ist nur dann berechtigt, einen Kredit gegen eine
höhere als die gesetzliche Verzinsung auf Kosten des Schädigers aufzunehmen, wenn er diesen (bzw dessen Haftpflichtversicherer) erfolglos aufgefordert hat, einen Vorschuss für die Reparaturkosten zu geben oder diese selbst zu bezahlen (RS0030587). 8 Da bei echtem Schadenersatz ein entgeltlicher Leistungsaustausch in
dem Sinne, dass einer der Beteiligten Unternehmer iSd USt-Rechtes sein muss, fehlt, sind bei einer Schadenersatzleistung weder diese noch die hieraus begehrten Zinsen umsatzsteuerpflichtig (Danzl ua, Schmerzengeld 218; Fucik, RZ 1995, 275 [unter Hinweis auf EuGH 1.7.1982 Rs 222/81, B.A.Z/Finanzamt München, Slg 1982, 2527; s hiezu auch Arnold, AnwBl 1983, 376]; 9 Ob 2089/96 ecolex 1996, 883 Staringer; 1 Ob 638/95 SZ 69/57; 3 Ob 2316/96a EWr I/12/117); differenzierend Achatz/R § 1323 Anh Rz 40. § 1334. Eine Verzögerung fällt einem Schuldner zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht einhält. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, hat der Schuldner seine Leistung bei vertragsgemäßer Erbringung der Gegenleistung ohne unnötigen Aufschub nach der Erfüllung durch den Gläubiger oder, wenn die Parteien ein solches Verfahren vereinbart haben, nach der Abnahme oder Überprüfung der Leistung des Gläubigers oder, wenn die Forderung der Höhe nach noch nicht feststeht, nach dem Eingang der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung zu erbringen. Ist die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt, so trägt der Schuldner die Folgen der Zahlungsverzögerung, wenn er sich nach dem Tag der gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat. [idF BGBl I 2002/118]
1 Der Begriff „Verzögerung“ ist rein objektiv (also verschuldensunab-
hängig: 3 Ob 223/97h; RS0043297) als zeitliches Zurückbleiben der geschuldeten Leistung hinter dem „durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag“ (Fälligkeit; s § 904 Rz 1) definiert. Durch die Einräumung eines Respiros wird nicht die Fälligkeit, sondern lediglich die (oder einzelne) Verzugsfolge(n) hinausgeschoben (JBl 1981, 602; 1 Ob 542/92; s § 904 Rz 1). Auch die Legung einer überhöhten Rechnung verhindert nicht den Eintritt der Fälligkeit (und damit des Zinsenlaufes) hinsichtlich des tatsächlich geschuldeten Betrages (RZ 1979, 146; 4 Ob 252/98g; 1 Ob 39/99p ecolex 1999, 822; s auch Rz 3). Bei Schadenersatzforderungen tritt die für den Zinsenlauf maßgebliche 1550
Danzl
Schadenersatz
§ 1335
Fälligkeit erst ein, wenn der Schaden feststellbar und zumindest vom Beschädigten (durch Mahnung, Klage oder Klageerweiterung: 1 Ob 32/94) zahlenmäßig bestimmt worden ist (RS0023392). Lediglich Prozesszinsen – das sind solche, die der Beklagte vom Tag der Klagezustellung an ohne Rücksicht darauf, ob er im Verzug war, zu bezahlen hat (Wolff/K VI 178) – gebühren immer nur vom Tag der (gerichtlichen) Geltendmachung des jeweiligen Anspruches an (2 Ob 250/68). Durch die Klarstellung „ohne unnötigen Aufschub“ soll verhindert 2 werden, dass der Schuldner unmittelbar nach Lieferung der Leistung, der Rechnungslegung oder dem Abnahmeverfahren sofort in Verzug gerät, wenn er innerhalb einer im redlichen Geschäftsverkehr üblichen Zeit, die zur Überprüfung oder Weiterleitung der Rechnung an die Auszahlungsstelle notwendig ist, die Zahlung bewerkstelligt; der Zeitraum, der dabei dem Schuldner für seine Leistung zuzugestehen ist, ist nach der Natur und/oder dem Zweck des einzelnen Geschäfts zu beurteilen und wird idR wenige Tage bis etwa eine Woche betragen können (Dehn, RdW 2002, 516). Ist die Zahlungsfrist oder der Zahlungstag nicht bestimmt, so tritt der 3 Verzug des Schuldners nach dem Schlusssatz des § 1334 erst ein, wenn der Gläubiger gemahnt hat; insoweit wiederholt § 1334 nur die Grundregeln der §§ 904 und 1417 (Näheres s daher dort; weiters RS0017614). Nach dem Wortlaut von § 1334 S 2 soll die Zusendung einer Rechnung den Beginn des Laufes der gesetzlichen Zinsen nur hinausschieben, wenn die Höhe der Forderung des Gläubigers „noch nicht feststeht“; ist die Höhe der Forderung zu diesem Zeitpunkt jedoch schon klar, kommt es auf den Zeitpunkt der Erbringung der Leistung (subsidiär die vereinbarte Abnahme oder Überprüfung der Leistung) an (Erl 1167 BlgNR 21. GP 15 f). Auch rückständiger Unterhalt unterliegt wie jede sonstige Geld- 4 forderung der Verzugszinsenregelung (RS0032015; 6 Ob 41/00y EF 92.018). § 1334 ist – zufolge Fehlens besonderer Vorschriften, sofern das Ge- 5 setz nichts Gegenteiliges bestimmt – sinngemäß auch auf öffentlichrechtliche Schuldverhältnisse anzuwenden (VfGH VfSlg 11.064; 9 ObA 308/00k; RS0032073). § 1335. Hat der Gläubiger die Zinsen ohne gerichtliche Einmahnung bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen lassen, so erlischt das Recht, vom Kapital weitere Zinsen zu fordern. Vom Tag der Danzl
1551
Schadenersatz
§ 1336
Streitanhängigkeit an können jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden. [idF BGBl I 2005/120]
1 „Gerichtliche Einmahnung“ ist (S 2) gleichbedeutend mit Einkla-
gung; „Hauptschuld“ ist die ursprüngliche Schuld (Reischauer/R Rz 2). Das – unter der Sanktion des „Erlöschens“ stehende – Auflaufenlassen fälliger (§§ 1333 f) Zinsen setzt nach hM (Wolff/K VI 182; Reischauer, aaO) Vorwerfbarkeit voraus. 2 Vermindert sich die Kapitalschuld durch Rückzahlung, so dass der
Zinsenrückstand, der bis dahin die Höhe der Hauptschuld (noch) nicht erreicht hatte, nunmehr den Rest derselben übersteigt, kommt § 1335 nicht zur Anwendung (SZ 55/44; Wolff/K VI 182). Auch die nach S 2 vom Tag der Streitanhängigkeit an neu gebührenden Zinsen laufen nur wiederum bis zum Betrag der Kapitalsforderung (Wolff, aaO). Das Zinsenanwachsungsverbot des § 1335 ist auch von Amts wegen wahrzunehmen (SZ 10/50; 6 Ob 326/99f; Reischauer/R Rz 4); auf diese Begünstigung kann der Schuldner nicht im Voraus, wohl aber nachträglich verzichten (Mayrhofer, SR AT 63). 3 Das Verbot des „ultra alterum tantum“ gilt gemäß § 353 UGB nicht
„für Geldforderungen gegen einen Unternehmer“ (näher Schauer/RK UGB § 353 Rz 3). Bedingung des Vergütungsbetrages (Konventionalstrafe) § 1336. (1) Die vertragschließenden Teile können eine besondere Übereinkunft treffen, daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle (§ 912). Der Schuldner erlangt mangels besonderer Vereinbarung nicht das Recht, sich durch Bezahlung des Vergütungsbetrages von der Erfüllung zu befreien. Wurde die Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen, so kann sie neben der Erfüllung gefordert werden. (2) In allen Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird, von dem Richter, allenfalls nach Einvernehmung von Sachverständigen, zu mäßigen. (3) Der Gläubiger kann neben einer Konventionalstrafe den Ersatz eines diese übersteigenden Schadens geltend machen. Ist der Schuldner ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 KSchG, so muss dies im Einzelnen ausgehandelt werden. [idF BGBl I 2005/120]
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Danzl
Schadenersatz
§ 1336
Lit: Hartl/Schlosser, Vertrags- oder Konventionalstrafe, SV 1988, 2; Hoyer, Pauschalierter Schadenersatz ohne Schaden? ecolex 1999, 387; Karasek, ÖNORM Rz 864 ff; Noll, Die Konventionalstrafe – Rechtsprechung und wirtschaftlicher Hintergrund, AnwBl 2001, 374.
Die vereinbarte Konventional- oder Vertragsstrafe (auch Pönale ge- 1 nannt) soll einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung veranlassen (9 ObA 136/05y wbl 2006, 132) und andererseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten (verschuldeten: K/W II 21; SZ 54/4; RS0032056, RS0017471; RS0016558) Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung (Mayrhofer, SR AT 215; RS0032013) seines Schadenersatzanspruches dienen (1 Ob 58/98f SZ 72/25). Sie gebührt nach hM auch dann, wenn überhaupt kein Schaden eingetreten ist, außer es wurde Gegenteiliges vereinbart (Reischauer/R Rz 5; Mayrhofer, aaO; Kramer/Straube, HGB I3 § 348 Rz 3; RS0032198; RS0026259; RS 0029835; SZ 72/25; gegenteilig Wolff/K VI 185) – wobei allerdings der Umstand, dass gar kein oder nur ein geringfügiger Schaden eingetreten ist, ein besonders gewichtiges Mäßigungskriterium darstellt (wbl 2006, 132). Sie kann bei Verzug oder Leistung am falschen Ort auch neben der Erfüllung verlangt werden (SZ 58/152; Reischauer/R Rz 8). Die Parteien konnten auch schon vor Anfügung des – insoweit die Rechtslage auch im Lichte des KSchG klarstellenden („im Einzelnen ausgehandelt“) und auf nach dem 31.12.2006 abgeschlossene Rechtsgeschäfte anzuwendenden (Art XXXII Abs 1 BGBl I 2005/120) – Abs 3 durch das HaRÄG vereinbaren, dass ein darüber hinausgehender Schadenersatz geltend gemacht werden kann (Vertragsstrafe = Mindestbetrag: Harrer/S Rz 10); ansonsten erfasst sie nur jene Leistungsstörung, für die der Vergütungsbetrag versprochen wurde (2 Ob 275/04m: Verzugsund nicht auch Mangelfolgeschaden). Zur neuen Rechtslage ausf Schauer/RK Rz 4 f, der Abs 3 S 2 auch auf Geschäfte zwischen zwei Verbrauchern für anwendbar erachtet. Die Anordnung, dass die Vertragsstrafe des Vollkaufmanns nicht 2 gemäßigt werden könne (§ 348 HGB), wurde durch das HaRÄG aufgegeben (ausf Erl UGB 53 f sowie Schauer/RK Rz 1 f). Allerdings wurde die Vereinbarung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe schon bisher – auch bei einem Vollkaufmann – als sittenwidrig angesehen (RS0029963). Die Gültigkeit der „Bedingung des Vergütungsbetrages“ ist von der 3 Wirksamkeit des Hauptgeschäftes abhängig (Hartl/Schlosser, SV 1988, 2; Wolff/K VI 184; Karasek, ÖNORM Rz 873; RS0031995). Ein Rücktritt vom Vertrag berührt die Vertragsstrafe nicht (vgl SZ Danzl
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Schadenersatz
§ 1336
58/152), ebenso nicht die einverständliche Vertragsauflösung, wenn die Voraussetzungen für Schadenersatz gegeben sind (RS0017712; Reischauer/R Rz 8a). Ist die Erfüllung durch Zufall unmöglich geworden, so verfällt die Vertragsstrafe nicht (Mayrhofer, SR AT 216; SZ 72/25; s jedoch 5 Ob 675/81 bei Wissen des Schuldners um die Unmöglichkeit fristgerechter Liefererfüllung). Die auch für den Fall unverschuldeter Nichterfüllung vereinbarte „Abstandszahlung“ wird unechte Vertragsstrafe genannt (JBl 1974, 368); ein Erfüllungsanspruch ist ausgeschlossen (4 Ob 113/06f). Auf sie ist § 1336 (analog) anzuwenden (RS0032110); zu sonstigen Fällen sog unechter Vertragsstrafen s auch Reischauer/R Rz 21 und Hartl/ Schlosser, SV 1988, 3. 4 Eine Konventionalstrafe kann auch für ideelle Schäden vereinbart
werden, die an sich nach Gesetz oder Rspr nicht zu ersetzen wären (7 Ob 512/93 ecolex 1994, 93 Wilhelm; wbl 2006, 132: Unannehmlichkeiten oder Zeitverlust); weiters für Schädigungen durch Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten (GesRZ 1981, 178 Ostheim). 5 Die Vertragsstrafe besteht idR in Geld, es kann aber auch eine andere
körperliche Sache mit Vermögenswert („anderer Betrag“) sein (Wolff/K VI 184). Es kann auch vereinbart werden, dass der Schuldner für seine Leistung nur ein um einen bestimmten Betrag reduziertes Entgelt erhält (3 Ob 87/99m ecolex 2001, 435 Wilhelm). Pkt 5.36.2 der ÖNORM B 2110 regelt die Berechnung wie folgt: „Ist die Vertragsstrafe nach Tagen festgesetzt, zählt jeder Kalendertag; ist sie nach Wochen oder Monaten festgesetzt, gilt bei der Berechnung von Bruchteilen ein Kalendertag als ein Siebentel (1/7) einer Woche oder als ein Dreißigstel (1/30) eines Monates.“ 6 Konventionalstrafe und Verzugszinsen können auch nebeneinander
vereinbart werden; eine solche Vereinbarung wird durch § 879 begrenzt (RS0016563); s Rz 13. 7 Die (anfechtungsfeste) Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den
Konkursfall ist kein unzulässiger Eingriff in die Rechte der Konkursgläubiger (1 Ob 170/00g ecolex 2001, 434). 8 Für die Verjährung gilt § 1489 (SZ 47/61; SZ 48/88; RS0032208; Mayr-
hofer, SR AT 347). Als vertragsmäßig übernommene Schadenersatzverpflichtung kann eine Konventionalstrafe gemäß § 14 Abs 2 GBG grundbücherlich sichergestellt werden (SZ 62/205). 9 Die bis zum HaRÄG versagte „Billigkeitskontrolle“ in Gestalt des
richterlichen Mäßigungsrechtes bei „übermäßiger“ (hiezu: RS0032138) Vertragsstrafe, wenn sie ein Voll- (nicht auch Minder-)kaufmann im 1554
Danzl
Schadenersatz
§ 1336
Rahmen seines Unternehmens versprochen hatte (§ 348 HGB; SZ 54/186; 1 Ob 167/00s; Karasek, ÖNORM Rz 885 ff), griff bloß dann, wenn das richterliche Mäßigungsrecht nach Pkt 5.36.1 (Abs 2 der Anm) der ÖNORM B 2110 – freilich begrenzt „mit höchstens 5% der Auftragssumme“ – anzuwenden war (Karasek, aaO Rz 890; SZ 72/25). Eine Reduktion soll – nach Abwägung der beiderseitigen Interessen, uU auch der wirtschaftlichen Verhältnisse (9 ObA 140/02g infas 2002, A 103) – vor allem dann vorgenommen werden, wenn der eingetretene Schaden unverhältnismäßig geringer ist als die vereinbarte Vertragsstrafe (SZ 25/90; ZAS 1985, 27; Reischauer/R Rz 14). Sie kann aber nicht unter die Höhe des tatsächlichen Schadens herabgesetzt werden (2 Ob 85/05x EvBl 2006/27; RS0032156), wobei nicht im Detail zu ermitteln ist, welcher messbare Nachteil tatsächlich entstanden ist (9 ObA 136/05y wbl 2006, 132). Auch eine innerhalb eines Gründungsgeschäfts eines Verbrauchers versprochene Konventionalstrafe unterliegt der Mäßigung (3 Ob 180/02w EvBl 2003/151); ebenso die in einem Prozessvergleich festgelegte Vertragsstrafe (Miet 19.158). Das Mäßigungsrecht kann auch von einer die Vertragsposition eines Vertragsteils übernehmenden Neupartei in Anspruch genommen werden, wenn diese im Zeitpunkt ihres Vertragseintritts Nichtoder Minderkaufmann war. Wurde § 348 HGB zugunsten eines Vollkaufmanns abbedungen, besteht das Mäßigungsrecht unverändert auch zugunsten jedes weiteren Vollkaufmanns, der an Stelle der verpflichteten Vertragspartei später in den Vertrag eintritt (4 Ob 119/03h EvBl 2004/36). Die Mäßigung erfolgt nicht von Amts wegen (Reischauer/R Rz 18; 10 Mayrhofer, SR AT 218; RS0032136); sie muss im Verfahren erster Instanz eingewendet werden (SZ 41/128; 2 Ob 253/06d; RS0032187; RS0032126). Das Bestreiten des Anspruchs beinhaltet nach hM das Verlangen nach Mäßigung (RS0032161; RS0032167). Die Behauptungs- und Beweislast für die Mäßigungskriterien trifft den Schuldner (RS0032195; 1 Ob 195/00h Miet 53.207; SZ 54/4; 8 ObA 21/04b infas 2004, A 59; Karasek, ÖNORM Rz 891). Das Mäßigungsrecht ist zwingender Natur, auch zugunsten von Unternehmern (Schauer, ÖJZ 2006, 73). Da ein geringerer Schaden eine Mäßigung der Ersatzpflicht herbei- 11 führen kann, ist davon auszugehen, dass den durch eine Konventionalstrafe gesicherten Gläubiger auch eine Rettungs(Schadenminderungs)pflicht trifft (Reischauer/R Rz 15; vgl auch JBl 1968, 567; RZ 1976, 179). Danzl
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Schadenersatz
§ 1337
Analog zu § 1304 ist die Vertragsstrafe herabzusetzen, wenn den Gläubiger an der diese auslösenden Vertragsverletzung ein Mitverschulden trifft (K/W II 21). 12 Ähnliche Mäßigungsrechte finden sich ua auch in § 265; § 38 AngG
(DRdA 1984, 150 P. Steinbauer; 8 ObA 58/03t infas 2004, A 28; 8 ObA 138/04h); § 7 KSchG (1 Ob 268/03y ecolex 2004, 528). 13 Eine Konventionalstrafenvereinbarung ist uU auch einer Geltungs-
kontrolle nach § 864a und Angemessenheitskontrolle nach § 879 Abs 3 zu unterziehen (Mayrhofer, SR AT 218; RS0014642, RS0016913); im letzteren Fall ist die Strafe vom Gericht – bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (4 Ob 113/06f) – auf das nach dieser Gesetzesstelle nicht zu beanstandende Maß zu reduzieren (RS0016935). Verbindlichkeit der Erben des Beschädigers § 1337. Die Verbindlichkeit zum Ersatze des Schadens, und des entgangenen Gewinnes, oder zur Entrichtung des bedungenen Vergütungsbetrages haftet auf dem Vermögen, und geht auf die Erben über. 1 § 1337 wiederholt für das Schadenersatzrecht nur die Grundregel des
§ 548 S 1. Schadenersatzansprüche sind somit nicht nur aktiv (zum Schmerzengeld s § 1325 Rz 37), sondern auch passiv vererblich, und zwar auch dann, wenn die schädigende Handlung vor dem Tod, der Erfolg jedoch nachher eingetreten ist (Mayrhofer, SR AT 621; Reischauer/R Rz 1). Rechtsmittel der Entschädigung § 1338. Das Recht zum Schadensersatze muß in der Regel, wie jedes andere Privatrecht, bei dem ordentlichen Richter angebracht werden. Hat der Beschädiger zugleich ein Strafgesetz übertreten; so trifft ihn auch die verhängte Strafe. Die Verhandlung über den Schadensersatz aber gehört auch in diesem Falle, insofern sie nicht durch die Strafgesetze dem Strafgerichte oder der politischen Behörde aufgetragen ist, zu dem Zivilgerichte. 1 § 1338 weist das „Recht zum Schadenersatze“ dem Privatrecht und
damit als „bürgerliche Rechtssache“ (§ 1 JN) den ordentlichen Gerichten zu. Diese Regel gilt auch dann, wenn die Rechtsverletzung im öffentlichen Recht begründet ist, und Vorfragen von den Zivilgerich1556
Danzl
Schadenersatz
§ 1341
ten geprüft werden müssen, zu deren selbständiger Entscheidung diese an sich nicht berufen wären. Zur Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche im Strafverfah- 2 ren gegen den Beschädiger s §§ 4, 47, 47a, 90i, 365 ff StPO. Trotz Aufhebung des § 268 ZPO durch VfGH VfSlg 12.504 (BGBl 1990/706) besteht im Falle einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung (nicht hingegen auch im Falle eines Freispruches: 7 Ob 2309/96a SZ 69/259) in einem nachfolgenden Zivilprozess grundsätzlich Bindungswirkung an die vom Strafgericht getroffenen Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang (verst Senat 1 Ob 612/95 SZ 68/195; RS0074219); Ausnahme: im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung (2 Ob 257/97a SZ 71/66; RS0110240; RS0097968). § 1339. [aufgehoben, BGBl 1974/496] § 1340. Diese Behörden haben in dem Falle, daß sich die Entschädigung unmittelbar bestimmen läßt, sogleich darüber nach den in diesem Hauptstücke erteilten Vorschriften zu erkennen. Wenn aber der Ersatz des Schadens nicht unmittelbar bestimmt werden kann, ist in dem Erkenntnisse überhaupt auszudrücken, daß dem Beschädigten die Entschädigung im Wege Rechtens zu suchen vorbehalten bleibe. Dieser Weg ist auch in Kriminalfällen dem Beschädigten[, und in andern Fällen beiden Teilen] dann vorbehalten, wenn sie mit der von der Strafbehörde erfolgten Bestimmung des Ersatzes sich nicht befriedigen wollten. Die Bestimmung ist im Zusammenhalt mit § 1338 S 3 zu lesen; zur 1 Stellung und zu den Rechten eines Geschädigten im Strafverfahren gegen den Beschädiger s Nw in § 1338 Rz 2. Die im § 1340 S 2 verankerte Rechtsstellung des Beschädigten wird in § 366 StPO als sog Verweisung auf den Zivilrechtsweg näher geregelt. § 1341. Gegen das Verschulden eines Richters beschwert man sich bei der höhern Behörde. Diese untersucht und beurteilt die Beschwerde von Amts wegen. Der Regelung kommt keine normative Bedeutung mehr zu. Scha- 1 denersatzansprüche wegen „Verschuldens eines Richters“ sind ausschließlich nach den Bestimmungen des AHG geltend zu machen. Ein Direktanspruch des geschädigten Dritten gegen das Organ besteht Danzl
1557
Befestigung der Rechte
§ 1342
nicht; vom Organ kann jedoch durch den Rechtsträger uU Rückersatz begehrt werden (§§ 3 ff AHG iVm OrgHG). 2 Zu „Beschwerdemöglichkeiten bei der höhern Behörde“ gegen pflicht-
säumige Richter s ausf Danzl, Kommentar zur Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Loseblatt, ab 1993) Anm bei § 94.
Dritter Teil Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte Erstes Hauptstück Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten Gemeinschaftliche Bestimmungen der Rechte § 1342. Sowohl Personenrechte als Sachenrechte, und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestigt, umgeändert und aufgehoben werden. 1 Die lehrsatzhafte Bestimmung ist ohne normative Bedeutung.
Arten der Befestigung eines Rechtes; § 1343. Die rechtlichen Arten der Sicherstellung einer Verbindlichkeit und der Befestigung eines Rechtes, durch welche dem Berechtigten eine neues Recht eingeräumt wird, sind: die Verpflichtung eines Dritten für den Schuldner, und die Verpfändung. 1 § 1343 gibt einen ersten groben Überblick über die Möglichkeiten der
„Befestigung“, also der Absicherung eines Rechts. Er unterscheidet die obligatorische Verpflichtung eines Dritten für den Schuldner, die in § 1344 näher erläutert wird, von der (dinglich wirkenden) Verpfändung. Zweck ist jeweils die Absicherung des Gläubigers; primär gegen (künftige) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, sekundär gegen dessen bloße Zahlungsunwilligkeit. 2 Verpfändungen können durch den Schuldner selbst oder durch einen
Dritten erfolgen. Das Pfandrecht erfährt vor allem in den §§ 447 ff und 1368 ff eine nähere Regelung. Ähnliche Wirkungen wie dem Pfandrecht kommen dem Unternehmer-Befriedigungsrecht zu 1558
Danzl/P. Bydlinski
Befestigung der Rechte
§ 1342
nicht; vom Organ kann jedoch durch den Rechtsträger uU Rückersatz begehrt werden (§§ 3 ff AHG iVm OrgHG). 2 Zu „Beschwerdemöglichkeiten bei der höhern Behörde“ gegen pflicht-
säumige Richter s ausf Danzl, Kommentar zur Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Loseblatt, ab 1993) Anm bei § 94.
Dritter Teil Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte Erstes Hauptstück Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten Gemeinschaftliche Bestimmungen der Rechte § 1342. Sowohl Personenrechte als Sachenrechte, und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestigt, umgeändert und aufgehoben werden. 1 Die lehrsatzhafte Bestimmung ist ohne normative Bedeutung.
Arten der Befestigung eines Rechtes; § 1343. Die rechtlichen Arten der Sicherstellung einer Verbindlichkeit und der Befestigung eines Rechtes, durch welche dem Berechtigten eine neues Recht eingeräumt wird, sind: die Verpflichtung eines Dritten für den Schuldner, und die Verpfändung. 1 § 1343 gibt einen ersten groben Überblick über die Möglichkeiten der
„Befestigung“, also der Absicherung eines Rechts. Er unterscheidet die obligatorische Verpflichtung eines Dritten für den Schuldner, die in § 1344 näher erläutert wird, von der (dinglich wirkenden) Verpfändung. Zweck ist jeweils die Absicherung des Gläubigers; primär gegen (künftige) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, sekundär gegen dessen bloße Zahlungsunwilligkeit. 2 Verpfändungen können durch den Schuldner selbst oder durch einen
Dritten erfolgen. Das Pfandrecht erfährt vor allem in den §§ 447 ff und 1368 ff eine nähere Regelung. Ähnliche Wirkungen wie dem Pfandrecht kommen dem Unternehmer-Befriedigungsrecht zu 1558
Danzl/P. Bydlinski
Befestigung der Rechte
§ 1344
(§ 371 UGB), das aus dem Zurückbehaltungsrecht nach § 369 UGB resultiert. Zu den dinglichen Sicherheiten iwS lassen sich auch die Sicherungs- 3 übereignung (dazu § 358 Rz 5), die Sicherungsabtretung (dazu § 1392 Rz 7) sowie der Eigentumsvorbehalt (dazu § 1063 Rz 3 ff) zählen. Zur Besicherung durch „Vinkulierung“ von Versicherungsforderungen § 364c Rz 9 aE. I. durch Verpflichtung eines Dritten § 1344. Ein Dritter kann sich dem Gläubiger für den Schuldner auf dreierlei Art verpflichten: einmal, wenn er mit Einwilligung des Gläubigers die Schuld als Alleinzahler übernimmt; dann, wenn er der Verbindlichkeit als Mitschuldner beitritt; endlich, wenn er sich für die Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verbindet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle. Lit a) zur persönlichen Kreditsicherung allgemein: Bacher, Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Sicherern einer fremden Schuld (1994); Eigner, Interzedentenschutz unter besonderer Berücksichtigung der Ehegattenhaftung (2004); G. Frotz, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts (1970); Harrer, Sicherungsrechte (2002); Neumayr, Persönliche Sicherungsgeschäfte: Abgrenzungs- und Formfragen, FS Honsell (2002) 481; b) zur Bürgschaft: P. Bydlinski, Die Kreditbürgschaft im Spiegel von aktueller Judikatur und Formularpraxis2 (2003); ders, Die Bürgschaft im österreichischen und deutschen Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht (1991); Th. Rabl, Die Bürgschaft (2000); c) zur Garantie s bei § 880a; d) zum Schuldbeitritt s bei § 1347.
Die von § 1344 vorgenommene Konkretisierung der Verpflichtung 1 eines Dritten ist unpräzise und zumindest aus heutiger Sicht unvollständig: Die Übernahme der Schuld als Alleinzahler (privative Schuldübernahme) führt zu einem Schuldnerwechsel und damit – wie § 1345 richtig ausspricht – zu einer Änderung und nicht zu einer Befestigung der ursprünglichen Verbindlichkeit (näher dazu bei §§ 1405 ff). Zur Absicherung des Gläubigers führt hingegen der Beitritt als Mitschuldner (näher bei § 1347) sowie die am Ende von § 1344 angesprochene (subsidiäre) Bürgschaft (§ 1346 Abs 1). Zu Sicherungszwecken eingesetzt wird auch die Garantie (dazu 2 § 880a Rz 2 f), obwohl die Verpflichtung des Garanten von der des (möglichen) Schuldners weitestgehend unabhängig, also nicht akzessorisch ist. Die Abgrenzung von der Bürgschaft bzw vom Schuldbeitritt erfolgt durch Auslegung (4 Ob 207/98i ÖBA 1999, 306 ua; zur P. Bydlinski
1559
Befestigung der Rechte
§ 1344
Formpflicht § 1346 Rz 12). Dabei legt die Rspr zu Recht besonderes Gewicht auf die vermutliche Absicht der Parteien zur Begründung einer vom Valutaverhältnis losgelösten Einstandspflicht (1 Ob 525/91 ÖBA 1991, 822 P. Bydlinski = ecolex 1991, 530 Wilhelm; 8 Ob 190/98v ÖBA 2000, 322 Rummel; 1 Ob 163/00b ÖBA 2001, 477 P. Bydlinski; nicht überzeugend hingegen etwa 1 Ob 702/89 ÖBA 1990, 843 P. Bydlinski; 1 Ob 525/94 RdW 1994, 278), also einer Durchbrechung der strikten Haftungsakzessorietät (dazu § 1346 Rz 2). Zwischen Bürgschaft und Garantie steht die „Bürgschaft auf erstes Anfordern“. Dabei hat der „Bürge“ zunächst nach Garantiegrundsätzen zu zahlen; ob der Begünstigte die Leistung behalten darf, wird hingegen erst im Nachhinein nach bürgschaftsrechtlichen Kriterien geklärt (1 Ob 529/93 ÖBA 1993, 985; 7 Ob 559/95 ÖBA 1996, 221; 1 Ob 208/99s ÖBA 2000, 418 Apathy = ecolex 2000, 33 Wilhelm; Hadding, FS Welser, 2004, 253; s aber auch ÖBA 1987, 505 Koziol; ÖBA 2001, 477 P. Bydlinski). 3 Eine weitere anerkannte obligatorische Drittverpflichtung stellt die
Patronatserklärung dar. Diese im Wirtschaftsleben entstandene, ganz unterschiedlich ausgestaltete Verpflichtung, die vorwiegend in Konzernverhältnissen übernommen wird (zB von der Muttergesellschaft als Patronin für Schulden einer Tochtergesellschaft), begründet häufig keinen unmittelbaren Anspruch des Gläubigers, sondern – in ihrer „harten“ Form – bloß Ausstattungsverpflichtungen, deren Erfüllung den Schuldner in die Lage versetzen soll, selbst seinen Zahlungspflichten nachzukommen (s insb 7 Ob 323/99x EvBl 2000/149; Heiss/ Müller, RdW 1989, 290; S. Leitner, ÖBA 2002, 517; Nowotny, RdW 1992, 198; Rummel, FS Peter Doralt, 2004, 493; zum deutschen Recht insb J. Koch, Die Patronatserklärung, 2005). Auch „weiche“ Patronatserklärungen, die rechtlich ganz unverbindlich sind oder allenfalls als Verwendungszusage (§ 880a HS 1) verstanden werden können (SZ 58/127), kommen vor. 4 Nicht selten erfolgt eine Absicherung schließlich dadurch, dass ein
vom Schuldner verschiedener Dritter – neben oder an Stelle einer Bürgschaft – wertpapierrechtliche, namentlich wechselrechtliche Verpflichtungen zu Haftungszwecken übernimmt (ausf dazu P. Bydlinski, Bürgschaft 191 ff; ders, Kreditbürgschaft 85 ff). Die Wechselzeichnung kann neben der Bürgschaftsübernahme (vgl 8 Ob 129/97a SZ 70/182: Blankoakzept) oder an ihrer Stelle erfolgen. Im zweiten Fall „steckt“ im Wechsel regelmäßig nicht zugleich auch eine ABGB-Bürgschaft (7 Ob 537/91 ÖBA 1992, 74 P. Bydlinski ua; ebenso zum Scheck 8 Ob 675/90 ÖBA 1992, 83). In der Rspr wird betont, dass einer solchen „verkleideten“ Wechselbürgschaft (SZ 59/193) eine Sicherungsabrede 1560
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eigener Art zugrunde liege, für die das allgemeine Bürgschaftsrecht nicht gelte (SZ 59/193; 8 Ob 25/89 ÖBA 1991, 132; 8 Ob 3/91 ÖBA 1992, 78 Mader). Wegen des eingeschränkten Zweckes der Wechselzeichnung, der sich regelmäßig im Inhalt der Wechselwidmungserklärung widerspiegelt (zu deren Auslegung ÖBA 1990, 212 Ostheim; zur Anfechtbarkeit 8 Ob 29/94 ÖBA 1995, 390), bestehen aber doch viele Parallelen. Der Gläubiger darf den Wechsel im Regelfall nicht weitergeben (P. Bydlinski, Kreditbürgschaft 90; vgl auch Gamerith/R § 1346 Rz 6). Klagt jedoch der Gläubiger selbst aus dem Wechsel, greift der Grundsatz der Abstraktheit des Wechselrechts nicht ein, weshalb sich der Verpflichtete wie ein Bürge insb auf die fehlende Leistungspflicht des Schuldners berufen kann (Mader/W. Faber/S § 1346 Rz 41; missverständlich 8 Ob 21/93 ÖBA 1994, 315 krit Nowotny). Auch § 1364 wird für anwendbar angesehen (ÖBA 1992, 78 Mader). Richtigerweise wäre entgegen der Rspr (ÖBA 1994, 315 Nowotny; 8 Ob 117/97g SZ 71/44 = ecolex 1998, 549 Wilhelm; 8 Ob 37/97t ÖBA 2000, 86) schon zur Verhinderung von Umgehungen das Formgebot des § 1346 Abs 2 ebenfalls zu beachten (Nowotny, ÖBA 1994, 318; Th. Rabl, Bürgschaft 9 mwN). Auch auf die eigentliche Wechselbürgschaft (s Art 30 ff WG und dazu P. Bydlinski, Bürgschaft 149 ff) sollen die ABGB-Bürgschaftsregeln grundsätzlich unanwendbar sein (RS0032174); zur Lückenfüllung werden sie aber zu Recht herangezogen (8 Ob 100/03v EvBl 2004/99; vgl auch EvBl 1986/92). Zur Delkrederehaftung des Kommissionärs s § 394 Abs 1 UGB, zur 5 Haftung bei Kreditauftrag s etwa Koziol, Garantievertrag 16; Mayrhofer, SR AT 148. § 1345. Wenn jemand mit Einwilligung des Gläubigers die ganze Schuld eines andern übernimmt; so geschieht keine Befestigung, sondern eine Umänderung der Verbindlichkeit, wovon in dem folgenden Hauptstücke gehandelt wird. Vgl § 1344 Rz 1. Zur Schuldübernahme s die §§ 1405 ff.
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a) Als Bürge; § 1346. (1) Wer sich zur Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verpflichtet, daß der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle, wird ein Bürge, und das zwischen ihm und dem Gläubiger getroffene Übereinkommen ein Bürgschaftsvertrag genannt. Hier bleibt der erste Schuldner noch immer der Hauptschuldner, und der Bürge kommt nur als Nachschuldner hinzu. P. Bydlinski
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(2) Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages ist erforderlich, daß die Verpflichtungserklärung des Bürgen schriftlich abgegeben wird. [idF III. TN] Lit: P. Bydlinski, Einreden des Bürgen, ÖBA 1987, 690; ders, Bürgenhaftung für Kontokorrentkredite, ÖBA 1991, 879; Harrer, Einreden des Bürgen, FS Honsell (2002) 515; Koziol, Über den Anwendungsbereich des Bürgschaftsrechts, JBl 1964, 306; s auch bei § 1344. Übersicht I. II. III. IV. V. VI.
Charakteristika der Bürgschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Abgrenzung von ähnlichen Sicherungsgeschäften. . . . . . . . . . . . . . . . 5 Form (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Gesetz- und Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Wichtige Sonderformen der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Vertragsschlussbezogene Nebenpflichten des Gläubigers . . . . . . . . . 19
I. Charakteristika der Bürgschaft 1 Die Bürgschaft kommt durch einseitig formbedürftigen (Rz 7 ff)
Konsensualvertrag zustande, der regelmäßig zwischen Bürgen und Gläubiger abgeschlossen wird (4 Ob 306/99z EvBl 2000/105; zur Notwendigkeit der rechtzeitigen Annahme eines Angebots des Bürgen ÖBA 1989, 1021 P. Bydlinski). Bloß der Bürge übernimmt darin eine (bedingte) Hauptpflicht (zum Erfüllungsort der Bürgenverpflichtung 2 Ob 304/98i SZ 71/191, zu Nebenpflichten bzw Obliegenheiten des Bürgschaftsgläubigers bei Vertragsschluss Rz 19): Er verspricht dem Gläubiger Befriedigung für den Fall, dass der eigentliche Schuldner (Hauptschuldner) seiner Verpflichtung nicht nachkommt (Abs 1 S 1). Daher bedarf es im Vertrag eines deutlichen Bezugs zu einer gesicherten Hauptschuld (Rz 8). Im Innenverhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürgen liegt regelmäßig ein Auftrag (§ 1002 Rz 2) vor, der jedoch nur ganz ausnahmsweise als echter Vertrag zugunsten des Gläubigers (§ 881 Rz 1 ff) angesehen werden kann (1 Ob 605/95 SZ 69/18). Die gewöhnliche Bürgschaft ist durch strenge Akzessorietät (Rz 2) und durch Subsidiarität (Rz 3) charakterisiert („Nachschuldner“; Abs 1 S 2). – Ausnahmsweise kann eine Haftung als Bürge auch (sonder-)gesetzlich vorgesehen sein (vgl etwa § 14 Abs 1 AÜG; s ferner § 1357 Rz 3). 2 Der bürgschaftsrechtlich zwingende Akzessorietätsgrundsatz ergibt
sich neben § 1346 aus § 1351 sowie aus § 1363 S 1: Der Bürge haftet niemals strenger als der Hauptschuldner selbst. Könnte sich der Schuldner gegen die Inanspruchnahme wehren, kann das auch der Bürge (Bsp: 1562
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Hauptschuld niemals entstanden oder bereits beseitigt, noch nicht fällig, gestundet; zur Stundung 7 Ob 578/92 JBl 1993, 456). Ergibt sich aus der Vereinbarung ein Abgehen vom Abhängigkeitsprinzip, liegt keine eigentliche Bürgschaft mehr vor (s insb § 1344 Rz 2). Zu einzelnen Konsequenzen der Haftungsakzessorietät § 1351 Rz 2 f. Ausnahmen: Geschäftsunfähigkeit des Hauptschuldners (§ 1352), Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners (8 Ob 101/00m ecolex 2000, 866; zur Ausgleichsbürgschaft Rz 16), „ersatzloser“ Wegfall des Hauptschuldners (etwa einer GmbH); zur bloß vorläufigen Durchbrechung bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern § 1344 Rz 2. Demgegenüber ändert sich an der Hauptschuld durch die Konkurseröffnung inhaltlich nichts, so dass das Aufrechtbleiben der Bürgenhaftung (SZ 39/122) selbstverständlich ist. Das durch die §§ 1355 f näher konkretisierte Subsidiaritätsprinzip 3 bedeutet im Grundsatz, dass der Bürge bloß in zweiter Linie, also nach dem Hauptschuldner, in Anspruch genommen werden kann. Ausnahmen: Haftung als Bürge und Zahler (§ 1357); Wechselbürgschaft (Art 47 WG). Nicht zuletzt für die Auslegung von Haftungserklärungen (dazu 4 auch noch Rz 5) ist die Einordnung des Vertrages als entgeltlich oder unentgeltlich von Bedeutung (vgl § 915). Obwohl der OGH offenbar auch in jüngerer Zeit immer wieder von Unentgeltlichkeit ausging (1 Ob 2385/96h ÖBA 1997, 826; 1 Ob 326/98t ÖBA 1999, 822 krit F. Bydlinski = ecolex 1999, 619 Th. Rabl), fehlt im Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen jeglicher Wille zur Freigebigkeit, so dass Entgeltlichkeit (iwS) zu bejahen ist (vgl 7 Ob 260/99g ÖBA 2000, 701; deutlicher die Lehre, zB F. Bydlinski, ÖBA 1999, 826 f; P. Bydlinski, Kreditbürgschaft 22 f; s auch § 1369 S 1). Da Bürgschaften regelmäßig vom Gläubiger vorformuliert sind, kommt dem Bürgen bei inhaltlichen Unklarheiten § 915 Fall 2 zugute. Überdies dürfte die Regel des § 915 Fall 1 durch § 1353 S 1 verdrängt sein (s § 1353 Rz 1). Zur Mitbeachtung des in Bezug genommenen Kreditvertrags 3 Ob 577/91 ÖBA 1993, 479 P. Bydlinski; ÖBA 1997, 826. II. Abgrenzung von ähnlichen Sicherungsgeschäften Besteht keine Einigkeit über das Vereinbarte, haben auch bei Siche- 5 rungsgeschäften detaillierte Auslegungsbemühungen zu erfolgen. Im Vordergrund stehen dabei der Geschäftszweck sowie die Interessenlage der Parteien (1 Ob 525/91 ÖBA 1991, 822 P. Bydlinski; 1 Ob 553/94 ÖBA 1995, 59 H. Schumacher; s ferner etwa 1 Ob 109/00m ÖBA 2001, 922 sowie § 1344 Rz 2); allein auf die gewählte Bezeichnung kommt es nicht an (6 Ob 147/01p ÖBA 2002, 401). Zur mögP. Bydlinski
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lichen Bedeutung des Gebührenrechts für die Auslegung P. Bydlinski, Kreditbürgschaft 25. 6 Zur Abgrenzung der Bürgschaft vom Schuldbeitritt § 1347 Rz 2, von
der Garantie § 1344 Rz 2. III. Form (Abs 2) 7 Das Schriftformgebot bezweckt eine besondere Warnung des Bürgen
vor den (möglichen) negativen Konsequenzen des Vertrages. Es verlangt im Regelfall eigenhändige Unterfertigung (§ 886). Dieser besondere Übereilungsschutz ist aus zwei Gründen vonnöten: Zum einen hat der Bürge typischerweise – ähnlich wie ein Schenker – keine wirtschaftlichen Vorteile aus dem Geschäft zu erwarten; zum anderen ist sein Risiko ein künftiges, das überdies vorweg nicht selten verharmlost wird. Demgegenüber erlangt der Gläubiger bloß Vorteile, weshalb nur die Erklärung des Bürgen vom Formgebot erfasst ist (EvBl 1980/99). 8 Um dem Warnzweck genügen zu können, muss die Urkunde bei Un-
terfertigung grundsätzlich alle für das Risiko des Bürgen relevanten Angaben aufweisen, also insb die verbürgte Hauptschuld einschließlich der Person des Schuldners; ebenso muss der Verbürgungswille erkennbar sein (1 Ob 582/90 JBl 1991, 193). Blankettbürgschaften, bei denen etwa die Bürgschaftssumme erst nachträglich eingetragen werden soll, sind daher entgegen dem OGH (ÖBA 1989, 176 zust Iro = wbl 1989, 19 krit Wilhelm) nur dann wirksam, wenn die entsprechende Ausfüllungsvereinbarung ebenfalls vom Bürgen unterfertigt wurde (Wilhelm, ecolex 1996, 437; Th. Rabl, Bürgschaft 6 ff mwN; ebenso nach langer gegenteiliger Judikatur BGH NJW 1996, 1467). Ist die Bürgschaftsurkunde aus sich heraus nicht eindeutig, muss das tatsächlich Gewollte in ihr zumindest angedeutet sein (Andeutungstheorie); die vorgelagerte Auslegungsfrage, was vereinbart wurde, ist allerdings nach allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden, wobei auch alle außerhalb der Urkunde liegenden Umstände heranzuziehen sind (1 Ob 163/00b ÖBA 2001, 477 P. Bydlinski; 1 Ob 213/03k ÖBA 2004, 484 P. Bydlinski; ausf Haas, ÖBA 2001, 875). Nachträgliche, die Position des Bürgen verschlechternde Änderungen bedürfen – anders als Begünstigungen – jedenfalls der Schriftform (Ohmeyer/Klang/K VI 206; Mayrhofer, SR AT 116). 9 Bei Verbürgung durch moderne Kommunikationstechniken ist insb
zu fragen, ob der zentrale Formzweck, die Sicherung reiflicher Überlegung, ebenso wie bei eigenhändiger Unterschrift eingehalten ist. Bei Telegramm und Fernschreiben besteht schon mangels Unterfertigung 1564
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des Bürgschaftstextes keine Gleichwertigkeit (SZ 58/85). Formmangelhaftigkeit nimmt der OGH (1 Ob 515/95 ÖBA 1996, 73 Rummel; zust Wilhelm, ecolex 1996, 449) auch für die Telefaxbürgschaft an; dies wird in der Literatur überwiegend abgelehnt (P. Bydlinski, RdW 1996, 196; Gamerith/R Rz 8; Koziol, ÖBA 1996, 478 f; Rummel, ÖBA 1996, 76 f), da der Bürge die Erklärung eigenhändig unterfertigt und die Besonderheit bloß darin liegt, dass dem Empfänger nicht das Original, sondern eine (Tele-)Kopie zukommt. Sicher signierte elektronische Erklärungen reichen bei unternehmerischen Bürgschaften immer aus; bei privaten nur dann, wenn sie zugleich die Erklärung eines Rechtsanwalts oder Notars enthalten, dass der Bürge von ihm über die Folgen der Verbürgung aufgeklärt wurde (§ 4 Abs 2 Z 4 SigG). Formmangelhafte Bürgschaften sind nichtig; umstritten ist bloß, ob 10 die Nichtigkeit absolut wirkt oder von beklagten Bürgen eigens eingewandt werden muss (s dazu § 883 Rz 7). Leistung durch den Bürgen, sei es auch im Wege der Zwangsvollstreckung nach Versäumungsurteil (4 Ob 518/96 SZ 69/40), führt im Ausmaß der Zahlung zur Heilung des Formmangels (s § 1432 Fall 2; anders wohl nur Th. Rabl, Bürgschaft 12 ff). Seit dem Inkrafttreten des HaRÄG (ersatzlose Streichung des § 350 11 HGB) gibt es grundsätzlich keine Fälle formfrei wirksamer Bürgschaften mehr (zur Ausnahme des § 1 Abs 6 BWG für von Kreditinstituten übernommene Haftungen s Schauer/RK UGB § 350 Rz 10 ff mwN). Das Formgebot des § 1346 Abs 2 erfasst alle Bürgschaftsarten (s SZ 12 12/263; EvBl 1980/99; RdW 1987, 407); darüber hinaus ist es analogiefähig. Konsequenterweise sollte es auf alle Konstellationen erstreckt werden, in denen sich jemand durch bloßen Konsensualvertrag zur Haftungsübernahme für fremde Schuld verpflichtet (Bydlinski/ Bydlinski, Formgebote 72 ff). Mittlerweile anerkannt ist die Formpflichtigkeit der Garantie (1 Ob 595/92 ÖBA 1993, 146 Apathy; 8 Ob 259/98s ÖBA 1999, 833 = ecolex 1999, 541 Th. Rabl); Gleiches wäre – gegen die ganz hA (s § 1368 Rz 2) – auch für die Drittpfandbestellung vorzugswürdig (vgl Vollmaier, JBl 2005, 545, insb 553 ff, der allerdings differenziert und für die Verpflichtung zur Bestellung eines Faustpfandes Formfreiheit befürwortet). Zum Sicherungs-Schuldbeitritt § 1347 Rz 1 ff. IV. Gesetz- und Sittenwidrigkeit Abgesehen von Formmängeln können Bürgschaften auch aus anderen 13 Gründen nichtig sein; so insb nach § 879, dessen Anwendung aber selten zur Nichtigkeit der Verbürgung als solcher führt. Vielmehr geht P. Bydlinski
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es meist um die Inhaltskontrolle (§ 879 Abs 3) einzelner Klauseln (s etwa P. Bydlinski, Kreditbürgschaft 124 ff). Zur Sittenwidrigkeit wegen massiver Überforderung s nur die zu einer Garantiehaftung ergangene Leitentscheidung 1 Ob 544/95 JBl 1995, 651 Mader = ÖBA 1995, 804 Graf sowie bei § 25d KSchG Rz 2, zur Sittenwidrigkeit aus anderen Gründen 8 Ob 558/91 ÖBA 1992, 1113 Koziol = ecolex 1992, 556 Wilhelm. Dienstnehmerbürgschaften sind dann gesetzwidrig, wenn dem Gläubiger das Abhängigkeitsverhältnis des Bürgen vom Dienstgeber-Hauptschuldner bekannt war (vgl §§ 3 f KautSchG; dazu EvBl 1986/92; SZ 61/229; 6 Ob 1/00s ecolex 2000, 795 Th. Rabl = immolex 2000, 298 Iby; Geist, RdW 1995, 388); wusste er es nicht, kommt im Einzelfall Sittenwidrigkeit wegen Überforderung (erkennbare Drucksituation) in Frage. V. Wichtige Sonderformen der Bürgschaft 14 Hier werden nur solche Arten kurz vorgestellt, die nicht an anderer
Stelle erörtert werden. Zur Bürgschaft auf erstes Anfordern § 1344 Rz 2, zur Bürge-und-Zahler-Haftung § 1357 Rz 1, zur Ehegattenbürgschaft § 98 EheG Rz 3 f und § 25a KSchG Rz 3, zur Entschädigungsbürgschaft § 1348 Rz 1, zur Höchstbetragsbürgschaft § 1353 Rz 3, zur Nachbürgschaft § 1348 Rz 2, zur Teilbürgschaft § 1359 Rz 2, zur (verkleideten) Wechselbürgschaft § 1344 Rz 4, zur Zeitbürgschaft § 1363 Rz 2 f. 15 Bei der gesetzlich nicht näher geregelten Ausfallsbürgschaft (s aber
§ 1356) wird die Subsidiarität der Haftung rechtsgeschäftlich verstärkt: Der Bürge kann grundsätzlich erst dann belangt werden, wenn Exekutionsmaßnahmen gegen den Hauptschuldner erfolglos waren (8 Ob 9/93 SZ 66/107; 4 Ob 589/95 SZ 68/219); die Parteien können die Voraussetzungen der Inanspruchnahme jedoch an sich beliebig ausgestalten (3 Ob 58/05h JBl 2006, 384). § 1356 ist anwendbar (s dort Rz 1). Bei Eigenkapital ersetzenden Bürgschaften von Gesellschaftern für Gesellschaftsschulden ist dem Bürgen jedoch die Berufung auf die vereinbarte Begünstigung verwehrt; vielmehr haftet er immer als Bürge und Zahler (§ 15 Abs 1 EKEG; Zehetner/Bauer, Eigenkapitalersatzrecht, 2004, 100). Auch Vereinbarungen, wonach der Bürge erst dann belangt werden kann, wenn alle übrigen Sicherheiten verwertet wurden, kommen in Betracht (vgl ÖBA 1989, 183). 16 Ausgleichsbürgschaften werden zur Absicherung eines Ausgleichs
abgeschlossen: Die Gläubiger stimmen nur zu, wenn die vorgesehenen Ausgleichsbedingungen durch eine Drittverpflichtung abgesichert werden. Die Ausgleichsbürgschaft soll kein Vertrag, sondern eine Prozesshandlung sein (SZ 11/88; RZ 1968, 112), auf die aber im Ergeb1566
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nis doch das ABGB-Bürgschaftsrecht Anwendung findet. Bei unklarer Formulierung kann die Reichweite der Haftung fraglich sein. Die Rspr lässt den Bürgen nicht nur für die Ausgleichsquote, sondern für die wiederaufgelebten Forderungen haften (SZ 26/290; SZ 60/185), was abzulehnen ist (P. Bydlinski, ÖBA 2005, 102). Bei der Kontokorrentbürgschaft entstehen deshalb Sonderprobleme, 17 weil der gesicherte Kredit vom Hauptschuldner bis zur vereinbarten Höchstgrenze jederzeit wieder ausgenützt werden kann. Das ist nicht jedem Bürgen bekannt, weshalb darüber uU aufgeklärt werden muss (1 Ob 29/01y ÖBA 2002, 654; dazu auch Rz 19). Schwierigkeiten bereiten auch Zahlungen des Bürgen auf das Kreditkonto während des laufenden Kreditverhältnisses (1 Ob 520/91 SZ 64/31; dazu P. Bydlinski, ÖBA 1991, 880 f; Th. Rabl, Bürgschaft 108 ff mwN). Zur Verbürgung für eine in das Kontokorrent eingestellte Einzelforderung ausf P. Bydlinski, Bürgschaft 108 ff. Von einer Verbraucherbürgschaft spricht man bei Verbürgung eines 18 Verbrauchers gegenüber einem Unternehmer. Abgesehen vom allgemeinen Konsumentenschutzrecht sind auf solche Verträge einige Spezialvorschriften anwendbar (§§ 25b–25d KSchG). Zwar sind auch Mitglieder bzw Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften grundsätzlich Verbraucher. Zumindest der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH wird bei Verbürgung für GmbH-Schulden jedoch wie ein Unternehmer behandelt (7 Ob 315/01a JBl 2002, 526 Karollus; ebenso für den Komplementär einer KG 5 Ob 76/02s wbl 2002, 580; s auch 6 Ob 12/03p ÖBA 2003, 871 Haas zu Art 13 EuGVÜ); Gleiches sollte für den geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter gelten (P. Bydlinski/Haas, ÖBA 2002, 13 ff; Eigner, Interzedentenschutz 63 ff; aA Karollus, JBl 2002, 528; offen lassend für Minderheitsgesellschafter 8 Ob 100/03v EvBl 2004/99). VI. Vertragsschlussbezogene Nebenpflichten des Gläubigers Hauptpflichten des Gläubigers bestehen nicht (Rz 1); vorvertragliche 19 Nebenpflichten (bzw Obliegenheiten; s Rz 20) werden eher zurückhaltend angenommen, sofern sie sich nicht aus konkreten gesetzlichen Bestimmungen ergeben (s insb § 25c KSchG). Im Vordergrund stehen dabei Aufklärung und Information. Grundsätzlich hat der Bürge seine Interessen selbst zu wahren und sich um Informationen selbst zu kümmern (6 Ob 184/00b JBl 2001, 715; 1 Ob 29/01y ÖBA 2002, 654 mwN). Das gilt nach der Rspr namentlich für die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners. Über dessen Finanzlage ist nur in krassen Ausnahmefällen zu informieren; insb dann, wenn die Bank bereits Kenntnis vom unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch des HauptP. Bydlinski
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schuldners hat (ÖBA 1987, 576; ÖBA 1988, 1037; 8 Ob 4/01y ÖBA 2002, 503 uva); ebenso, wenn es ausschließlich um die Besicherung eines bereits Not leidend gewordenen Altkredits ging, für den Bürgen jedoch der Anschein einer Neufinanzierung bestand (SZ 58/153; s aber auch ÖBA 1988, 1037). Bloße Erkennbarkeit der schlechten Finanzlage des Hauptschuldners begründet nach dem OGH außerhalb des Anwendungsbereiches von § 25c KSchG keine Aufklärungspflichten. Umso weniger ist über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Kreditverwendung aufzuklären (ÖBA 2002, 503); uU aber über eine dem Bürgen nicht ohne weiteres einsichtige rechtliche Konstruktion (s ÖBA 2002, 654: Bürgschaft einer geschäftlich unerfahrenen alten Frau für wieder ausnützbaren Kontokorrentkredit). Die Rspr verlangt Aufklärung allgemein dann, wenn der Gläubiger eine für den Bürgen besonders gefährliche Situation erkennen musste (ÖBA 1987, 576; 8 Ob 2315/96s ÖBA 1997, 1027 uva). 20 Schuldhafte Aufklärungspflichtverletzungen führen zu Ersatzan-
sprüchen, die dem Bürgschaftsanspruch aufrechnungsweise entgegengehalten werden können. Wegen dieser bloßen „Negativwirkung“ spricht viel dafür, korrekte Aufklärung von vornherein als Obliegenheit (§ 859 Rz 5) anzusehen (s 8 Ob 119/97a SZ 70/182; Iro, ÖBA 1988, 724). Abgesehen von § 25c KSchG (dazu dort Rz 8) trifft die Beweislast für die Kausalität der Pflicht- bzw Obliegenheitsverletzung – bei korrekter Aufklärung wäre die Haftung nicht oder nicht in dieser Weise übernommen worden – den Bürgen, sofern man nicht bei Aufklärungspflichtverletzung generell eine Kausalitätsvermutung bzw eine Beweislastumkehr bejahen will (vgl 1 Ob 532/94 SZ 67/9; Koziol, HPR I3 Rz 16/12; ders, BVR I 2 Rz 3/45 f; eingehend etwa auch Canaris, FS Hadding, 2004, 3; s auch § 1298 Rz 3). Zur Anfechtbarkeit eines Bürgschaftsvertrages wegen Willensmangels infolge mangelhafter Aufklärung § 1363 Rz 7 f; zum Problemkreis „Aufklärung versus Bankgeheimnis“ § 25c KSchG Rz 5. b) als Mitschuldner; § 1347. Wenn jemand, ohne die den Bürgen zustatten kommende Bedingung, einer Verbindlichkeit als Mitschuldner beitritt; so entsteht eine Gemeinschaft mehrerer Mitschuldner, deren rechtliche Folgen nach den in dem Hauptstücke von Verträgen überhaupt gegebenen Vorschriften zu beurteilen sind (§§ 888–896). Lit: Schett, Die Abgrenzung von Bürgschaft und Schuldbeitritt und ihre Bedeutung, JAP 1991/1992, 201; Zawischa, Zur Sorgfaltspflicht des Gläubigers bei Schuldbeitritt und Bürgschaft, AnwBl 1978, 153.
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Befestigung der Rechte
§ 1347
Der Beitritt als Mitschuldner zu Sicherungszwecken ist von der 1 Übernahme einer Bürge-und-Zahler-Haftung (§ 1357) nur sehr schwer zu unterscheiden. Während die Bürgschaft von dauerhafter Akzessorietät gekennzeichnet ist (§ 1351 Rz 1), tritt der Mitschuldner der (Ur-) Schuld zwar so bei, wie sie in diesem Augenblick besteht; die Verpflichtungen können sich jedoch anschließend unterschiedlich entwickeln (bloße Beitritts-, nicht aber Bestandsakzessorietät; s etwa ÖBA 1989, 432 P. Bydlinski; 3 Ob 62/90 ÖBA 1991, 210 P. Bydlinski). Damit kann der Beigetretene etwa auch (noch) dann belangt werden, wenn der Urschuldner – zB infolge Entlassung oder Verjährung – nicht mehr (voll) haftet oder Durchsetzungshindernisse (zB Stundung) gelten machen kann. Ergibt Auslegung, dass das nicht gewollt ist, liegt eine – uU falsch bezeichnete – (selbstschuldnerische) Bürgschaft vor. Da eine derart weitreichende Haftung des Beigetretenen über den 2 bloßen Sicherungszweck hinausgeht, stellt die Rspr bei auslegungsbedürftigen Haftungserklärungen auf die Existenz eines (unmittelbaren) wirtschaftlichen Eigeninteresses an der gesicherten Forderung ab: Besteht es, sei von Schuldbeitritt auszugehen, ansonsten von Bürgschaft (ÖBA 1989, 432 P. Bydlinski; 6 Ob 619/92 ÖBA 1993, 819 P. Bydlinski = ecolex 1993, 302 Wilhelm). Diese Abgrenzung wird von manchen als kaum durchführbar kritisiert; abgesehen davon haben auch Bürgen nicht selten eigenwirtschaftliche Interessen (s nur Neumayr, FS Honsell 490 ff mwN). Für Schuldbeitritt soll sprechen, dass bei Übernahme der Haftung die Nichtzahlung durch den Schuldner absehbar war (JBl 1990, 322 P. Bydlinski = ÖBA 1990, 554 Apathy = ecolex 1990, 289 Wilhelm = wbl 1990, 187 Aicher). Im Zweifel wird jedoch auch vom OGH Bürgschaft als die mildere Haftungsform angenommen (JBl 1986, 307 Reidinger; 8 Ob 259/98s ÖBA 1999, 833 = ecolex 1999, 541 Th. Rabl). Praktische Bedeutung hat die Abgrenzung vor allem für die Formfrage (Rz 4). Mangels näherer gesetzlicher Determinierung des Sicherungs-Schuld- 3 beitritts sollten auf ihn bürgschaftsrechtliche Normen anwendbar sein, soweit sie nicht auf Subsidiarität sowie Bestandsakzessorietät basieren. Die Rspr hat dies bereits mehrfach berücksichtigt; so macht sie etwa bei der Beurteilung krass überfordernder Haftungsübernahmen (§ 1346 Rz 13) zwischen den verschiedenen Interzessionsarten keinen Unterschied (zum Schuldbeitritt etwa 8 Ob 51/98b ÖBA 1998, 723; 4 Ob 354/98g ecolex 1999, 460 Th. Rabl; 7 Ob 217/99h ÖBA 2000, 924; 9 Ob 250/00f ecolex 2001, 199 Th. Rabl). Auch bürgschaftsrechtliche Sorgfalts- und Aufklärungsgebote des Gläubigers werden zugunsten eines Beitrittsschuldners herangezogen (3 Ob P. Bydlinski
1569
Befestigung der Rechte
§ 1348
559/91 ÖBA 1993, 64 P. Bydlinski; 7 Ob 605/95 ÖBA 1996, 893; 8 Ob 2315/96s ÖBA 1997, 1027); ebenso § 1358 (EvBl 1969/358) und § 1360 (vgl 10 Ob 58/05k SZ 2005/94 mit grundsätzlichen Erwägungen für Gleichbehandlung). 4 Demgegenüber lehnt die Rspr – zuletzt nur mehr aus methodischen
Erwägungen (Lücke fehlt) – eine analoge Anwendung des Schriftformgebots (§ 1346 Abs 2) auf den Sicherungs-Schuldbeitritt ab und befürwortet Formfreiheit (ÖBA 1989, 432 P. Bydlinski; JBl 1990, 322 P. Bydlinski = ÖBA 1990, 554 Apathy = ecolex 1990, 289 Wilhelm = wbl 1990, 187 Aicher; 6 Ob 616/92 ÖBA 1993, 819 P. Bydlinski = ecolex 1993, 302 Wilhelm). Dagegen spricht insb, dass der Beitritt sogar größere Risiken als eine Verbürgung mit sich bringt, dass der OGH selbst für die nicht akzessorische Garantie Schriftform verlangt (§ 880a Rz 2) und dass seit 1997 in den §§ 25b ff KSchG alle drei Interzessionsformen parallel geregelt sind, was gleiche Schutzbedürftigkeit vermuten lässt; schließlich, dass es in aller Regel vom Gläubiger entschieden wird, welche Art der Besicherung er verlangt (gegen die Rspr daher die ganz überwiegende Lehre, etwa Bydlinski/Bydlinski, Formgebote 72; Th. Rabl, Bürgschaft 16, jeweils mwN). 5 Neben dem bürgschaftsähnlichen Sicherungs-Schuldbeitritt kom-
men Beitrittsvereinbarungen auch aus anderen Gründen in Betracht; insb im Zuge einer Unternehmensübernahme, bei der der beitretende Übernehmer die unternehmensbezogenen Schulden endgültig und regresslos tilgen soll. Für einen solchen „Übernahme“-Schuldbeitritt passen die bürgschaftsrechtlichen Wertungen nicht. Gleiches gilt für die Mitvertragspartnerschaft (vgl Eigner, Interzedentenschutz 73 f), sofern damit vom Gläubiger nicht eine Umgehung bürgschaftsrechtlicher Schutznormen beabsichtigt ist (P. Bydlinski, ÖBA 2005, 53 f). Entschädigungsbürge § 1348. Wer dem Bürgen auf den Fall, daß derselbe durch seine Bürgschaft zu Schaden kommen sollte, Entschädigung zusagt, heißt Entschädigungsbürge. Lit: Krassnigg, Staatliche Bürgschaften im EU-Beihilfeaufsichtsrecht und ihre Rückabwicklung im Fall unrechtmäßiger Gewährung, ÖJZ 1996, 447.
1 Bei der Entschädigungs- oder Rückbürgschaft tritt ein (Haupt-)
Bürge als (Rück-)Bürgschaftsgläubiger auf. Befriedigt der Hauptbürge seinen Gläubiger, greift die Haftung des Rückbürgen für den Regressanspruch des Hauptbürgen gegen dessen Hauptschuldner ein. 1570
P. Bydlinski
Befestigung der Rechte
§ 1350
Nach hA (RZ 1930, 76; Mayrhofer, SR AT 126 ua) ist die Rückbürgschaft mangels abweichender Vereinbarung Ausfallsbürgschaft (s § 1346 Rz 15). Konnte der Hauptbürge aus eigenem Verschulden, etwa infolge langen Zuwartens, seinen Rückgriffsanspruch nicht (voll) befriedigen, scheidet eine Belangung des Rückbürgen (insoweit) aus (§ 1362). Ob den Rückbürgen die Beweislast für die Kausalität des – feststehenden! – Sorgfaltsverstoßes trifft (so Gamerith/R § 1362 Rz 1), erscheint fraglich. Nachbürgschaft (After-, Überbürgschaft) – im ABGB nicht eigens 2 geregelt – bedeutet demgegenüber die Haftung gegenüber dem Gläubiger für die Verpflichtung eines Bürgen. Die Bürgenschuld ist bei der Nachbürgschaft also Hauptschuld, der erste Bürge somit Hauptschuldner. Wer sich verbürgen könne § 1349. Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des Geschlechtes jedermann auf sich nehmen, dem die freie Verwaltung seines Vermögens zusteht. Die Anordnung, wonach jeder voll Geschäftsfähige Verbindlichkeiten 1 anderer wirksam absichern kann, versteht sich heutzutage von selbst. Die Norm ist schon von ihrem Wortlaut her nicht auf Bürgschaften beschränkt. Haftungsübernahmen durch beschränkt Geschäftsfähige sind nicht von vornherein ausgeschlossen; ihre Wirksamkeit richtet sich nach den §§ 151 ff, 280. Für welche Verbindlichkeiten § 1350. Eine Bürgschaft kann nicht nur über Summen und Sachen, sondern auch über erlaubte Handlungen und Unterlassungen in Beziehung auf den Vorteil oder Nachtheil, welcher aus denselben für den Sichergestellten entstehen kann, geleistet werden. Dieser sehr abstrakt formulierten Norm kann entnommen werden, 1 dass eine Verbürgung für alle erlaubten Verpflichtungen möglich ist, seien sie zivil- oder öffentlich-rechtlicher Natur. Im Regelfall besteht die Hauptschuld in einer Geldleistungspflicht. Andere vertretbare Sachen bzw Handlungen kann der Gläubiger auch vom Bürgen fordern; in den seltenen sonstigen Fällen kann der Bürge erst dann in Anspruch genommen werden, wenn sich die (unvertretbare, insb höchstpersönliche) Verpflichtung des Hauptschuldners in einen Geldanspruch (Schadenersatz wegen Nichterfüllung) gewandelt hat. P. Bydlinski
1571
Befestigung der Rechte
§ 1351
§ 1351. Verbindlichkeiten, welche nie zu Recht bestanden haben, oder schon aufgehoben sind, können weder übernommen, noch bekräftigt werden. Lit: P. Bydlinski, Einreden des Bürgen, ÖBA 1987, 690; ders, Die Besicherung vernichtbarer Forderungen, ÖBA 1987, 876; B. A. Koch, Die Gegenseitigkeit und deren Nachbildung durch Aufrechnungsvertrag, JBl 1989, 222; Lukas, Novation zugunsten des Bürgen, ÖZW 1995, 40.
1 § 1351 geht schon von seinem Wortlaut über das Bürgschaftsrecht
hinaus. Er erfasst auch Schuldübernahme und Schuldbeitritt, betrifft jedoch nur die Abhängigkeit von der (Haupt-)Schuld im Begründungszeitpunkt. Die unbestrittene Dauerakzessorietät der Bürgenhaftung ergibt sich erst unter Mitbeachtung des § 1363 S 1 (näher § 1346 Rz 2; s auch § 1347 Rz 1). Grundsätzlich unbedenklich (s aber auch § 1353 Rz 2) ist die Verbürgung für künftige Forderungen (SZ 42/36; EvBl 1973/177; 4 Ob 124/00i ÖBA 2000, 1098 [zur Garantie]); allerdings ist die Bürgenverpflichtung durch das künftige Entstehen der Hauptschuld (sowie deren nicht rechtzeitige Tilgung) bedingt. 2 War die gesicherte Forderung im Verbürgungszeitpunkt eine Natu-
ralobligation (§ 1432 Rz 1), also insb bereits verjährt, fehlt sie nicht vollkommen, was dafür spricht, auch die Bürgenverpflichtung als unvollkommene Verbindlichkeit anzusehen und auf eine etwaige Bürgenzahlung § 1432 anzuwenden (str; vgl etwa SZ 16/67; Koziol, JBl 1964, 308; Gamerith/R Rz 2). 3 Die vom Hauptschuldner bereits vorgenommene Beseitigung der
gesicherten Forderung wie etwa die erfolgreiche Anfechtung des Kreditvertrages (§§ 870 f), kommt dem Bürgen jedenfalls zugute. Gestaltungsrechte des Hauptschuldners kann der Bürge nicht selbst ausüben (vgl SZ 60/69 = wbl 1987, 274 P. Bydlinski; 6 Ob 634/91 ÖBA 1992, 660 P. Bydlinski = ecolex 1992, 232 Wilhelm; 7 Ob 25/04h EvBl 2004/144 = ecolex 2004, 857 Helmich). Ob und inwieweit er sich im Rahmen des Akzessorietätsprinzips jedoch auf das bloße Bestehen von Verteidigungsmitteln des Hauptschuldners berufen kann, ist umstritten. Die Rspr hat dies für das Aufrechnungsrecht abgelehnt (ÖBA 1992, 660 krit P. Bydlinski = ecolex 1992, 232 Wilhelm). Manche befürworten hingegen grundsätzlich derartige dilatorische Einrederechte, solange der Hauptschuldner gestaltungsberechtigt ist; ebenso die analoge Anwendung des § 129 Abs 2 und 3 HGB/UGB zugunsten des Bürgen (s nur die Nw bei Schett, JAP 1991/1992, 203; aA etwa Mader/W. Faber/S Rz 12 aE; Th. Rabl, Bürgschaft 97 ff; gegen diesen wiederum P. Bydlinski, ÖBA 2001, 740 mwN). Wegfall eines rechtsvernichtenden Gestaltungsrechts des Hauptschuldners (durch Ver1572
P. Bydlinski
Befestigung der Rechte
§ 1353
zicht oder infolge Untätigkeit) lässt die Haftung des Bürgen regelmäßig unberührt (aA Harrer FS Honsell, 2002, 521 ff und ihm folgend Mader/W. Faber/S Rz 12, die dem Bürgen im Verjährungsfall jedoch keine Einrede gewähren wollen). § 1352. Wer sich für eine Person verbürgt, die sich vermöge ihrer persönlichen Eigenschaft nicht verbinden kann, ist, obschon ihm diese Eigenschaft unbekannt war, gleich einem ungeteilten Mitschuldner verpflichtet (§ 896). Die in § 1352 vorgesehene Wirksamkeit einer Verbürgung für Ge- 1 schäftsunfähige (SZ 48/8) stellt eine rechtspolitisch wenig überzeugende (Koziol, JBl 1964, 307) gläubigerbegünstigende Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips dar. Eine Einschränkung auf Fälle vom Bürgen erkannter Geschäftsunfähigkeit verbietet der klare Wortlaut; eine Bürgenhaftung bloß für die Bereicherungsschuld des Geschäftsunfähigen (dafür offenbar Koziol, ZBB 1989, 24 FN 47) widerspricht wohl dem Zweck der Norm. Der Bürge ist nach hA daher dem Gläubiger so verpflichtet, als wäre die Begründung der Hauptschuld nicht an fehlender Geschäftsfähigkeit gescheitert. Zu einer „Mitschuld“ kann es entgegen der Gesetzesformulierung 2 jedoch nur so weit kommen, wie der Geschäftsunfähige – aus Bereicherungsrecht – selbst dem Gläubiger haftet. Auch nur insoweit ist an (vollen) Regress gemäß § 896 zu denken. Ansonsten haftet der Bürge ohne Rückgriffsmöglichkeit als Alleinschuldner. Umfang der Bürgschaft § 1353. Die Bürgschaft kann nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt hat. Wer sich für ein zinsbares Kapital verbürgt, haftet nur für jene rückständigen Zinsen, welche der Gläubiger noch nicht einzutreiben berechtigt war. Lit: P. Bydlinski, Bürgenhaftung für Kontokorrentkredite, ÖBA 1991, 879; ders, Wirksamkeit, Reichweite und Beendigung der Bürgenhaftung: Neue Entwicklungen in Österreich? Zugleich ein erster Versuch über die Bürgenkündigung, ÖBA 1999, 93; Gamerith, Die Teilbürgschaft, ÖBA 1988, 759; M. Gruber, Umfang der Bürgenhaftung: Erstreckungsklausel und Globalbürgschaft, ÖBA 2002, 885; ders, Schutz des Bürgen vor globalen Haftungserklärungen – eine rechtsvergleichende Skizze, FS Honsell (2002) 503; Haas, Stichwort AGB-Kontrolle: Formularmäßige Erstreckungsklauseln auf dem Prüfstand, JAP 2003/2004, 75; Koziol, Erstreckung von Kreditsicherheiten, ÖBA 2003, 809. P. Bydlinski
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Befestigung der Rechte
§ 1353
1 S 1 enthält die für den Bürgschaftsinhalt zentrale Regelung: Der Bür-
ge haftet so, wie er sich ausdrücklich erklärt hat; damit ist „hinreichend deutlich“ gemeint (SZ 51/9; 4 Ob 45/98s ÖBA 1998, 809 = ecolex 1998, 470 Th. Rabl; M. Gruber, ÖBA 2002, 888 ff mwN der Diskussion). Da es sic