Jürgen Ensthaler · Kai Strübbe Patentbewertung
Jürgen Ensthaler · Kai Strübbe
Patentbewertung Ein Praxisleitfaden zum Patentmanagement Mit 70 Abbildungen
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Professor Dr. Dr. Jürgen Ensthaler Technische Universität Berlin Lehrstuhl für Wirtschafts-, Unternehmens- und Technikrecht Straße des 17. Juni 135 10623 Berlin e-mail:
[email protected] Dipl.-Wirtsch.-Ing. Kai Strübbe Technische Universität Kaiserslautern Zivil- und Wirtschaftsrecht Gottlieb-Daimler-Straße Gebäude 42/230 67663 Kaiserlautern e-mail:
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ISBN-103-540-34413-6 1. Aufl. Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13978-3-540-34413-1 1. Aufl. Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuziehen. Satz: Digitale Druckvorlage der Autoren Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: deblik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort
Obwohl den Unternehmen bewusst ist, dass Patente einen bedeutsamen Beitrag für den Unternehmenserfolg leisten können, werden sie allzu oft nur verwaltet und nicht marktgerecht verwertet. Dieses Fehlmanagement bei den immateriellen Vermögenswerten ist in erheblichem Umfang auf die Unkenntnis über sinnvolle Bewertungsmöglichkeiten zurückzuführen. Die Bewertung von Patenten ist aber unabdingbare Voraussetzung für ein zielgerichtetes, ganzheitliches Management. Die Gründe für die Durchführung einer Patentbewertung sind vielfältig. So können z. B. bei der Bewertung für unternehmensexterne Zwecke – wie etwa zur Gewinnung eines Investors, bei der Kreditsicherung oder im Rahmen der Ermittlung des Verkaufswertes einzelner Patente oder des ganzen Unternehmens - andere Ergebnisse erforderlich sein als zur Förderung unternehmensinterner Entscheidungen, bspw. bei Verlängerung der Schutzdauer. In Branchen, die von Inventionen leben, wird mit der Patentbewertung auch der Wert des Unternehmens bestimmt. Mit dem vorliegenden Handbuch wird das nötige Fachwissen, insbesondere die Methoden zur Patentbewertung bereitgestellt. Auf der Grundlage vorhandener und auch weiterentwickelter Methoden wird erstmals ein praktisch verwertbares, ganzheitliches Konzept vorgestellt. Es handelt sich um eine interdisziplinäre Herangehensweise zwischen Ingenieur- und Rechtswissenschaft sowie Betriebswirtschaftslehre. In einzelnen Modulen, wie z. B. Patentierfähigkeit, Technologieportfolio/Technologielebenszykluskonzept, Kosten-Nutzen-Abschätzung und kapitalwertorientierte Patentbewertung, werden markt- und unternehmensbezogene Patentdaten analysiert. Zur Veranschaulichung wird eine Patentbewertung mit allen ihren Bestandteilen von der Informationsbeschaffung bis hin zum konkreten Wert des untersuchten Objektes durchgeführt. Das Handbuch richtet sich an Patentrechtler, an die im Innovationsmanagement tätigen Betriebswirte und insbesondere an die Ingenieure in F&EAbteilungen der Industrie. Danken möchten wir zunächst allen mitwirkenden Partnern und Teilnehmern in Industrieprojekten, Workshops und Seminaren, ohne deren
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Vorwort
Engagement das vorliegende Werk nicht hätte entstehen können. Besonderer Dank gilt hier Herrn Dipl. Wirtsch. Chem. Rafael Danner, Frau Dipl. Wirtsch. Ing. Katharina Schmidt und Herrn Dipl. Wirtsch. Ing. Florian Kempel. Unseren Mitarbeitern Herrn Henning Austmann, Frau Katrin Gebhard und Herrn Marian Hayn danken wir für die tatkräftige Unterstützung bei den Korrekturarbeiten und der drucktechnischen Aufbereitung dieses Werkes. Für den Anstoß, dieses Werk in Angriff zu nehmen, möchten wir uns recht herzlich bei den Mitarbeitern der Patent- und Informationsabteilung der BASF-AG in Ludwigshafen bedanken. Kaiserslautern, im Frühjahr 2006
Jürgen Ensthaler Kai Strübbe
Inhaltsverzeichnis
(LQOHLWXQJ 1.1 Patentbewertung in der Praxis .......................................... 1 1.2 Überblick .......................................................................... 2
*UXQGODJHQGHV3DWHQWZHVHQV 2.1 Historische Entwicklung und Begründung des Patentwesens .............................................................. 6 2.2 Einordnung des Patentrechts in die gewerblichen Schutzrechte...................................................................... 8 2.3 Grundbegriffe und Rechtstheorien des Patentrechts....... 10 2.4 Materialrechtliche Voraussetzungen des Patentrechts.... 11 2.5 Die Offenbarung und der Aufbau deutscher Patentschriften ................................................................ 14 2.6 Verfahrensrechtliche Grundlagen des Patentrechts ........ 16 2.7 Internationale Regelungen und Absprachen................... 19 2.8 Bewertung und Bilanzierung im Rahmen der rechtlicher Vorschriften............................................ 21 2.8.1 Bilanzierung nach HGB ....................................... 22 2.8.2 Bilanzierung nach IAS/IFRS................................ 24 2.8.3 Bilanzierung nach US – GAAP............................ 26 2.9 Begriffsbestimmungen.................................................... 29 2.9.1 Erfindung.............................................................. 29 2.9.2 Patent.................................................................... 30 2.9.3 Patentportfolio...................................................... 31
'LH%HGHXWXQJGHV3DWHQWVIUGDV8QWHUQHKPHQ 3.1 Die unternehmerische Verwertung von Patentrechten ... 36 3.1.3 Schutz vor Nachahmung ...................................... 37 3.1.1 Lizenzierung und Verkauf der Patentrechte......... 38 3.1.2 Das Tauschpatent und weitere Nutzungsformen.. 40 3.2 Alternative Instrumente zur Sicherung von Innovationen ............................................................ 42
VIII Inhaltsverzeichnis
3.3 Die Bedeutung von Patenten anhand des unternehmerischen Patentierverhaltens .................... 3.3.1 Patentanmeldungen am Deutschen Patentamt...... 3.3.2 Die Patentaktivität auf internationaler Ebene....... 3.4 Das Patent im Rahmen des strategischen Managements .................................................................. 3.4.1 Strategisches Management ................................... 3.4.2 Patentfunktionen in der strategischen Planung .... 3.4.3 Ziele und Aufgaben des Patentmanagements....... 3.4.4 Patentstrategien ....................................................
46 47 50 52 53 55 57 59
'LH3DWHQWDQDO\VHDOV,QVWUXPHQWGHUVWUDWHJLVFKHQ 3ODQXQJ 4.1 Kennzahlen ..................................................................... 64 4.1.1 Aktivitätskennzahlen ............................................ 66 4.1.2 Qualitätskennzahlen ............................................. 76 4.1.3 Verbindungskennzahlen ....................................... 86 4.2 Anwendungsfelder .......................................................... 88 4.2.1 Unternehmensinterne Patentanalyse..................... 90 4.2.2 Unternehmensexterne Patentanalysen .................. 92 4.3 Aufbau und Methodik..................................................... 97 4.3.1 Definitionsphase................................................... 99 4.3.2 Entscheidungsphase............................................ 100 4.3.3 Durchführungsphase........................................... 103 4.3.4 Beurteilungs- und Empfehlungsphase................ 104 4.4 Darstellung und Auswertung der Ergebnisse ............... 105 4.4.1 Der Portfolio-Ansatz .......................................... 106 4.4.2 Die Anwendung des Portfolio-Ansatzes in der Patentanalyse............................................ 107
$XIEDXHLQHV%HZHUWXQJVNRQ]HSWHV 5.1 Überblick ...................................................................... 113 5.2 Aspekte der Bewertungsstruktur................................... 114 5.2.1 Bewertungsanlässe ............................................. 115 5.2.2 Informationen ..................................................... 117 5.2.3 Bewertungsrisiken .............................................. 118 5.3 Konsequenzen für die Struktur des Bewertungskonzeptes ............................................. 120
Inhaltsverzeichnis
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0RGXODUHV%HZHUWXQJVNRQ]HSW 6.1 Erfindungsbewertung.................................................... 123 6.1.1 Patentfähigkeit der Erfindung ............................ 124 6.1.2 Technologieportfolio und Technologielebenszykluskonzept....................... 130 6.1.3 Kosten-Nutzen-Abschätzung ............................. 149 6.1.4 Zusammenfassung.............................................. 152 6.2 Patentbewertung ........................................................... 153 6.2.1 Überblick............................................................ 153 6.2.2 Einzelschritte der Patentbewertung.................... 155 6.2.3 Bewertungsmodule............................................. 159 6.3 Patentportfoliobewertung ............................................. 171
3DWHQWEHZHUWXQJVPHWKRGHQLQGHU3UD[LV 7.1 Patentbewertung ........................................................... 177 7.1.1 Auswahl und Anpassung der Bewertungsmethode..................................... 178 7.1.2 Die Conjoint Analyse als Messverfahren........... 185 7.1.3 Bewertung des Patents ....................................... 191 7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung ......................... 265 7.2.1 Das untersuchte Unternehmen ........................... 267 7.2.2 Die Definitionsphase .......................................... 268 7.2.3 Die Entscheidungsphase..................................... 270 7.2.4 Die Durchführungsphase.................................... 272 7.2.5 Die Beurteilungs- und Empfehlungsphase......... 284
6FKOXVVEHWUDFKWXQJ 8.1 Zusammenfassung ........................................................ 291 8.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis .................. 292 8.3 Ausblick........................................................................ 293
$QKDQJ Anhang 1: Produktbeschreibung des betrachteten Patentbewertungsobjektes ............................... 295 Anhang 2: Verzeichnis der Befragungsorte ...................... 296 Orte der Marktvoruntersuchung: ..................... 296 Orte des Pretests und der Hauptbefragung: ..... 296 Anhang 3: Verzeichnis der Babyschalenhersteller............ 296 Anhang 4: Pretest Fragebogen .......................................... 298
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Inhaltsverzeichnis
Anhang 5: Anhang 6: Anhang 7: Anhang 8: Anhang 9: Anhang 10: Anhang 11: Anhang 12: Anhang 13: Anhang 14: Anhang 15:
Endgültiger Fragebogen .................................. Regionenvergleich ........................................... Regressionsanalyse.......................................... Experimente zu Methoden der Marktsimulation ........................................ Umsetzung des Grundmodells zur Marktsimulation ........................................ Ergebnisübersicht zu Szenarien des Grundmodells ............................................ Ermittlung der Marktrendite mittels exponentieller Glättung ................................... Berechnung des Beta-Faktors.......................... Marktentwicklung............................................ Auszüge aus dem Patentumfeld....................... Prozesskosten .................................................. I. Landgericht (LG).......................................... II. Oberlandesgericht (OLG) ........................... III. Bundesgerichtshof (BGH) .........................
300 302 303 304 305 307 309 310 311 312 313 313 313 314
/LWHUDWXU .XU]ELRJUDILHQ Professor Dr. jur. Dr. rer. pol. Jürgen Ensthaler.................... 327 Dipl.-Wirtsch.-Ing. Kai Strübbe............................................ 327 6DFKYHU]HLFKQLV
Abkürzungen
a.a.O. a.E. AktG Anm. Art. Aufl. Az. Bspw. bzw. BGB BGH DPatG EG EPA EuGH F&E f/ff Fn ggf. GmbH GmbHG Hrsg. HGB IAS IFRS i.S.d. i.V.m. Kap. KapAEG KMU n.F. Nr. Rz US-GAAP USPTO usw. vgl.
am angegebenen Orte am Ende Aktiengesetz Anmeldung Artikel Auflage Aktenzeichen beispielsweise beziehungsweise Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Deutsches Patentgesetz EG-Vertrag in der nach dem 1.5.1999 geltenden Fassung Europäisches Patentamt Europäischer Gerichtshof Forschung und Entwicklung folgende/fortfolgende Fußnote gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Herausgeber Handelsgesetzbuch International Accounting Standards International Financial Reporting Standards im Sinne des in Verbindung mit Kapitel Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz kleine und mittlere Unternehmen neue Fassung Nummer Randziffer Generally Accepted Accounting Principles United States Patent and Trademark Office und so weiter vergleiche
1 Einleitung
1.1 Patentbewertung in der Praxis Forschung und Entwicklung sowie die daraus entstehenden Ideen sind für Unternehmen gerade in einer Zeit der Internationalisierung und des Zusammenwachsens der Märkte die zentralen Erfolgsfaktoren. Mit dem Ziel, langfristig am Markt zu bestehen und dauerhaft erfolgreich zu wirtschaften, sind Unternehmen gezwungen, permanent neue Ideen und Innovationen zu entwickeln. Im Zeitalter immer leistungsfähigerer und komplexerer Produkte findet der Wettbewerb heute zunehmend auf der technologischen Ebene statt. Technisches Wissen, Innovationen und Erfindungen stellen die Grundvoraussetzung für das Erarbeiten von Wettbewerbsvorteilen dar. Dieses immaterielle Eigentum gilt es in besonderer Weise zu schützen, um zum einen den erarbeiteten Wettbewerbsvorteil so lange wie möglich zu erhalten und zum anderen um die immensen Kosten für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten bis zur Marktreife der Idee wieder zu amortisieren. Eine Möglichkeit, technische Innovationen zu schützen, ist durch das Patentrecht gegeben. Für die Veröffentlichung der Erfindung wird unter bestimmten Voraussetzungen ein Patent erteilt, welches dem Erfinder prinzipiell das Recht zuspricht, über seine Erfindung für eine bestimmte Zeit allein zu verfügen und anderen die Verwendung zu untersagen. Das Patentwesen umfasst rechtliche, wirtschaftliche und technische Aspekte. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Patentrechts dienen durch die Erteilung eines zeitlich begrenzten Monopols der wirtschaftlichen Nutzung einer technischen Erfindung. Das ausschließliche Nutzungsrecht kann dabei einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil darstellen. Im gleichen Maße wie Forschung und Entwicklung gewinnt auch die Erlangung von Patentrechten zum Schutz des technischen Wissens und deren Verwertung im internationalen Wettbewerb mehr und mehr an Bedeutung. Vor allem in der strategischen Planung müssen die Patentaktivitäten immer stärker berücksichtigt werden. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft mehr denn je ein qualifiziertes und wertorientiertes Patentmanagement erforderlich sein wird, um auf Dauer am Markt bestehen zu
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1 Einleitung
können. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der zunehmenden Bearbeitung der Thematik durch die Literatur wider1. Die Unternehmensrealität stellt sich jedoch häufig noch anders dar. Obwohl ein breites Bewusstsein in den Unternehmen über den Beitrag, den Patente für den Unternehmenserfolg leisten können, besteht, werden sie nicht selten lediglich verwaltet anstatt verwertet. Dieses Fehlmanagement immaterieller Vermögensgegenstände ist hauptsächlich auf die Unwissenheit über bestehende und sinnvolle Bewertungsmöglichkeiten zurückzuführen. Da gerade die Bewertung von Patenten eine unabdingbare Voraussetzung für ein zielgerichtetes Management ist, wird mit dem vorliegenden Handbuch das nötige Fachwissen und die Methoden zur Patentbewertung für Unternehmen bereitgestellt.
1.2 Überblick Das Handbuch Patentbewertung führt zunächst in die Grundlagen des Patentwesens ein. Nach einem Blick auf die historische Entwicklung und die Einordnung des Patentrechts in sein rechtliches Umfeld werden die Voraussetzungen zur Patentierfähigkeit erläutert. Im Hinblick auf die Analyse von Patentschriften werden darauf aufbauend die durch gesetzliche Bestimmungen geregelten Verfahrensabläufe und der allgemeine inhaltliche Aufbau von Patentdokumenten beschrieben. Die internationalen Besonderheiten von Patentgesetzen im Hinblick auf die Globalisierung werden vorgestellt. Darüber hinaus gibt Kap. 2 einen Einblick auf die Vorgehensweise bei der Bilanzierung von Patenten. Im letzten Teil dieses Kapitels werden Erfindungen, Patente und Patentportfolios in ihrer Eigenschaft als Bewertungsobjekte definiert. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Bedeutung des Patents für das Unternehmen. Es soll die Brücke geschlagen werden zwischen dem durch das Patent gewährten ausschließlichen Nutzungsrecht auf der einen Seite und der wirtschaftlichen und insbesondere strategischen Auswirkung der Schutzrechte auf der anderen Seite. Dazu wird auf die Möglichkeiten der Patentverwertung eingegangen, die theoretischen Alternativen zum Patenschutz aufgezeigt und das aktuelle Patentierverhalten von Unternehmen anhand der Patentanmeldungen untersucht. Im letzten Abschnitt wird die strategische Relevanz der Schutzrechte herausgestellt. Dazu kommt eine
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z. B. durch Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten; Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung; Faix, Patente im strategischen Marketing.
1.2 Überblick
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Darlegung der Aufgaben und Ziele eines Patentmanagements und die aus der Literatur bekannten Patentstrategien. Basierend auf der Erkenntnis, dass Patente zum Unternehmenserfolg beitragen, umfassende Informationen enthalten und im strategischen Management zu berücksichtigen sind, wird in Kap. 4 die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung konkretisiert. Im Hinblick auf die empirische Betrachtung stellt dies den Kern der theoretischen Vorbereitung dar. Aufbauend auf einer Vielzahl der Patentinformationen und die daraus zu ermittelnden Patentkennzahlen ergeben sich die Anwendungsfelder einer Patentanalyse. Anschließend wird eine Methodik zur Durchführung einer auf Patentdaten beruhenden Analyse eingeführt. Die Darstellung und Auswertung der Ergebnisse bildet unter besonderer Berücksichtigung der aus dem Marketing bekannten Portfolio-Analyse den letzten Teil dieses Kapitels. Kapitel 5 beschäftigt sich mit den Grundlagen und Voraussetzungen eines Bewertungskonzeptes. Hierbei spielen vor allem Fragestellungen bzgl. der Bewertungsstruktur, der Bewertungsanlässe, der Bewertungsrisiken sowie der zur Bewertung benötigten Informationen eine Rolle. Kapitel 6, der Hauptteil der Arbeit, enthält eine Darlegung der einzelnen Module des Bewertungskonzeptes – sowohl theoretisch als auch in ihrer praktischen Anwendung. Ausgehend von den identifizierten Bewertungsobjekten werden die zentralen Variablen einer Patentbewertung entwickelt und inhaltlich erläutert. Anschließend wird aus den gewonnenen Erkenntnissen die Notwendigkeit eines dreigeteilten Bewertungskonzeptes abgeleitet und dessen grundlegende Struktur vorgestellt. In Abschn. 6.1 werden die für die Erfindungsbewertung ausgewählten Bewertungsansätze Patentierfähigkeit, Technologieportfolio / Technologielebenszykluskonzept und Kosten-Nutzen-Abschätzung als aufeinander aufbauende Module vorgestellt. Aufgrund der Relevanz der so generierbaren Erkenntnisse für die anschließende Patentbewertung erfolgt eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Module. Abschnitt 6.2 stellt die Module für die Patentbewertung zur Verfügung. Die Auswahl wird hier aus Gründen der Konsistenz und praktischen Anwendbarkeit auf zwei Module beschränkt. Bezüglich der Patentbewertung wird zum einen auf das Modul Technologieportfolio/ Technologielebenszykluskonzept aus der Erfindungsbewertung zurückgegriffen. Zum anderen wird eine kapitalwertorientierte Patentbewertung ausgewählt und in seinen flexibel anpassbaren Bewertungsschritten beschrieben. Die Darlegung der Bewertungsmöglichkeiten mit und durch Patentportfolios in Abschn. 6.3 rundet das Bewertungskonzept ab. Hier wird eine integrierende Patentportfoliobetrachtung aus bestehenden Portfoliomodellen
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1 Einleitung
entwickelt und in ihren Potentialen für die Portfolio- und Patenteinzelbewertung vorgestellt. Zur Veranschaulichung wird in Kap. 7 eine Patentbewertung mit allen ihren Bestandteilen von der Informationsbeschaffung bis hin zum konkreten Wert des untersuchten Objektes durchgeführt. Ergänzend werden in Abschn. 7.2 einzelne Instrumente der Patentportfoliobewertung angewendet. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse, Schlussfolgerungen für Unternehmen sowie ein Ausblick für die Zukunft ist Bestandteil einer abschließenden Betrachtung in Kap. 8.
2 Grundlagen des Patentwesens
Grundl agen des Patentwesens
Im Rahmen dieses Handbuches wird sehr intensiv mit Patenten, bzw. Patentdokumenten und den in ihnen enthaltenen Informationen gearbeitet. Die Patentbewertung, oder allgemeiner die Patentanalyse, nutzt die in den Patentschriften festgehaltenen Daten und fasst daraus abzuleitende Erkenntnisse zusammen. Um einen Überblick über die rechtlichen und inhaltlichen Aspekte von Patentrechten zu bekommen, stellt dieses erste Kapitel die Grundlagen des Patentwesens vor. Dabei wird insbesondere auf die Vielzahl von Informationen, die eine Patentschrift enthält, eingegangen. Weiterhin werden die durch die verfahrensrechtlichen Regelungen vorgeschriebenen Eckdaten vorgestellt. Gerade die durch das Verfahren bestimmten Aktivitäten wie Anmeldung, Offenlegung usw. stehen im Zentrum der Patentanalyse, wie später genauer erläutert wird. Als Patent bezeichnet man eine territorial, sachlich und zeitlich begrenzt geschützte Erfindung2. Etwas konkreter ausgedrückt versteht man unter einem Patent ein hoheitlich erteiltes gewerbliches Schutzrecht, das ein zeitlich begrenztes ausschließliches Recht (Monopol) zur gewerblichen Nutzung eines technischen Verfahrens oder eines technischen Produkts gewährt. In diesem Kapitel zu den Grundlagen des Patentwesens wird erörtert, welche Verfahren und Produkte für das Schutzrecht in Frage kommen, welche Voraussetzungen es gibt, der geschichtliche Hintergrund und welche Regelungen und Gesetze für das Patentwesen entscheidend sind. In einem ersten Schritt wird die historische Entwicklung kurz skizziert und eine Begründung für das Entstehen dieser Privilegien gegeben. Daran anschließend wird das Patentrecht in das Umfeld der gewerblichen Schutzrechte eingeordnet. Das aktuelle Patentwesen wird im Folgenden näher beschrieben, die Grundbegriffe und Rechtstheorien werden vorgestellt und anhand des deutschen Patentgesetzes die materialrechtlichen Voraussetzungen besprochen. Im Anschluss daran wird die Offenbarung und die damit zu veröffentlichenden Inhalte sowie der Aufbau von deutschen Patentdokumenten thematisiert. Die verfahrensrechtlichen Grundlagen bilden einen weiteren Abschnitt dieses Kapitels. Abschließend wird kurz auf internationale
2
Wolfrum, Strategisches Technologiemanagement, S. 127.
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2 Grundlagen des Patentwesens
Besonderheiten des Patentrechts hingewiesen und es werden die Begriffe Erfindung, Patent und Patentportfolio bestimmt.
2.1 Historische Entwicklung und Begründung des Patentwesens Das Interesse und die Notwendigkeit, Erfindungen zu schützen, und Erfinder zu belohnen, kann sich erst dann herausbilden, wenn soziale und wirtschaftliche Strukturen eine gewisse Reife erreicht haben, ein grundlegendes rechtliches Bewusstsein entwickelt ist und die Anwendung der Erfindungen wesentliche wirtschaftliche Vorteile verspricht. Daher sind Ansätze zum Schutz von Erfindungen erst seit der Neuzeit vorhanden3, wenn auch in Einzelfällen schon viel früher von patentähnlichen Maßnahmen, wie etwa dem eher sagenhaften einjährigen Schutz neuer Kochrezepte um 500 v. Chr. in Sybaris, Süditalien, berichtet wird4. Die erste niedergeschriebene Regelung bezüglich eines zeitlich begrenzten Schutzes vor Nachahmung ist das venezianische Gesetz von 1474. Durch die Anmeldung einer gebrauchsfertigen, neuen und erfinderischen Vorrichtung bei einer Behörde konnte der Erfinder seine Innovation für 10 Jahre schützen lassen. Widerrechtliches Kopieren wurde mit Geldbußen bestraft. Schon damals war die Intention, durch den Schutz von Erfindungen begabte Menschen zu innovativen Leistungen anzuspornen5. Im Laufe der Zeit entwickelten sich auch in England, Frankreich, USA und Deutschland Verfahrensgrundsätze, die nach und nach in Form von Gesetzen festgehalten wurden. In Frankreich wurde das Patentgesetz 1791 kurz nach der Revolution beschlossen. Es entstand aus dem Gedanken, dass der Erfinder ein natürliches Eigentumsrecht an seiner Erfindung besitzt und ihm der Schutz als eine vertragsgemäße Gegenleistung für die Veröffentlichung und Bereitstellung seines Wissens zusteht. Ziel war es, die Erfindertätigkeit im Land zu ermutigen und zu steigern. In England wurden die Grundsteine des Patentwesens schon früher gelegt. Mit dem Statute of Monopolies 1624 wurde der Missbrauch von Monopolen und Privilegien durch die Krone vom Parlament eingeschränkt. Es entwickelten sich nach und nach den modernen Patentgesetzen ähnliche Regelungen, die zusätzlich schon sehr früh auf eine Erfindungsbeschreibung bestanden. Als Gesetz verfasst und niedergeschrieben wurde der Anspruch auf Patentierung jedoch erst 1835. In den USA entstand 1790 ein Gesetz zum Schutz von 3 4 5
Kraßer, Patentrecht, S. 50 f. Zimmermann, GRUR 4/ 1967, S. 173 (173 f.). Kraßer, Patentrecht, S. 55.
2.1 Historische Entwicklung und Begründung des Patentwesens
7
1474 1624 1790 1791 1835 1850 1856 1877 1949 1976
Venezianische Gesetze
Amerikanische Patentgesetze
Statue of Monopolies (in England)
Englische Patentgesetze
Französische Patentgesetze
Gründung VDI
Antipatentbewegung
DPMA
Deutsche Patentgesetze
Neuerungen Deutsche Patentgesetze
Abb. 2.1. Historische Entwicklung des Patentwesens
Erfindungen. Man versprach sich davon eine wirksame Unterstützung und Beschleunigung von Innovationen und Fortschritt. In Anlehnung an das französische Patentgesetz wurde das ausschließliche Eigentum des Erfinders an seiner Erfindung anerkannt und 1793 schriftlich festgehalten6. In Deutschland verzögerte sich die Entstehung eines gemeinsamen Patentgesetzes aufgrund des Deutschen Bundes und der damit zusammenhängenden Vielzahl von Staatsgrenzen und einzelstaatlichen Vorstellungen und Sonderregelungen. Hinzu kam um 1850 eine nicht nur in Deutschland aufkommende Antipatentbewegung, die sich auf die Lehren des liberalen Wirtschaftssystems und freien Handels nach Adam Smith berief. Die Anhänger dieser Bewegung waren der Ansicht, dass die Erteilung von Patenten Monopolstellungen errichtet und somit die Gewerbetätigkeit behindert und hemmt. Sie schlossen daraus, dass Erfindungspatente schädlich für das Gemeinwohl sind und setzten sich für deren Abschaffung ein7. Dem Gegenlager und damit Fürsprecher der Patente gehörten viele Techniker, Ingenieure und Unternehmer an, die sich beispielsweise im 1856 gegründeten Verein Deutscher Ingenieure oder der Deutschen Chemischen Gesellschaft formierten. Ihrer Meinung nach unterstützt der Schutz die Erfindungstätigkeit und fördert die Bereitschaft von Unternehmen in die Forschung zu investieren. Insgesamt kann durch Patentrechte der entwicklungshemmenden Geheimhaltung entgegengewirkt werden. Die Befürworter setzten sich schließlich auch in Deutschland durch. So wurde 1877 das Patentgesetz auf den Weg gebracht und kurz danach in Berlin das Kaiserliche Patentamt eröffnet. Dieses wurde nach einigen Umbenennungen 1949 nach dem Zweiten Weltkrieg durch das Deutsche Patentamt in München ersetzt8.
6 7 8
Kraßer, Patentrecht, S. 56 f. Kaufer, The Economics of the Patent System, S. 8 f. Kraßer, Patentrecht, S. 62.
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2 Grundlagen des Patentwesens
In der folgenden Zeit kam es zu laufenden Veränderungen und Reformen im deutschen Patentgesetz. Vor allem die Neuerungen aus dem Jahr 1976 sind von Bedeutung. Es wurde zum einen dem weltweiten Patentzusammenarbeitsvertrag zugestimmt, auch Patent Cooperation Treaty PCT genannt. Dieser ermöglicht es, mit einer einzigen Anmeldung in mehreren vom Anmelder gewünschten Ländern einen vorläufigen patentrechtlichen Schutz zu erlangen. Ferner wurden die Voraussetzungen für eine europaweite Harmonisierung des Patentwesens im Rahmen des Europäischen Patent Übereinkommens EPÜ geschaffen. Dazu gehört unter anderem ein einheitliches europäisches Patentverfahren und die Eröffnung des Europäischen Patentamts in München9. Einen Überblick zur geschichtlichen Entwicklung des Patentwesens gibt Abb. 2.1.
2.2 Einordnung des Patentrechts in die gewerblichen Schutzrechte Der Schutz von Erfindungen ist in Deutschland im Rahmen des gewerblichen Rechtsschutzes geregelt. Der gewerbliche Rechtsschutz ist ein Teil des Privatrechts und dient dem Schutz geistigen Schaffens im gewerblichen Bereich. Zu dem Begriff gewerblicher Rechtsschutz werden folgende zusammen mit ihren Rechtsquellen genannte Rechtsgebiete gezählt: x das Patentrecht: Patentgesetz (PatG) in der Fassung von 1981, x das Gebrauchsmusterrecht: Gebrauchsmustergesetz (GebrMG) in der Fassung von 1986, x das Halbleiterschutzrecht: Halbleiterschutzgesetz in der Fassung von 198710, x das Geschmacksmusterrecht: Geschmacksmustergesetz (GeschmMG) in der Fassung von 1986, x das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in der Fassung von 1986, x das Kennzeichenrecht: Warenzeichengesetz (WZG) in der Fassung von 1968 und § 16 UWG, § 12 BGB, §§ 17 ff. HGB11. Das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes lässt sich anhand zweier unterschiedlicher Wertungsgedanken ordnen. Das UWG und das Kennzeichenrecht gewährleisten auf der Sicherung des fairen Leistungswettbewerbs 9 10 11
Holeweg, GRUR Int. 2/ 2001, S. 141 (145). Osterrieth, Patentrecht, S. 89. Ahlert/Schröder, Rechtliche Grundlagen des Marketing, S. 105.
2.2 Einordnung des Patentrechts in die gewerblichen Schutzrechte
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durch Bekämpfung unlauteren Wettbewerbsverhaltens. Das Patentrecht sowie das Musterrecht dienen dagegen dem Schutz der geistig-gewerblichen Schöpfung als solche12. Sie gewähren besondere Ausschließlichkeitsrechte, die auf folgenden Merkmalen beruhen: Zum einen handelt es sich um subjektive Privatrechte, welche die Interessen des Schaffenden an einer konkreten, gewerblich verwertbaren Leistung sichern, indem sie die Leistung seiner rechtlichen Herrschaft unterwerfen und ihn dazu befugen, die Interessen über Klagewege wahrzunehmen und durchzusetzen. Zum anderen sind es Immaterialgüterrechte, da sie den geistigen Gehalt der gewerblichen Güter betreffen. Ferner besitzen sie als Recht einen positiven und negativen Inhalt, der sich in den Benutzungsbefugnissen für den Inhaber (positiv) bzw. durch die Befugnis Dritte von der Nutzung auszuschließen (negativ) äußert. Eine Systematisierung und Abgrenzung der Rechtsmaterie des gewerblichen Rechtsschutzes gibt Abb. 2.2. In ihr sind neben den verschiedenen Rechtsquellen auch die jeweils in juristischen Schriften verwendeten normensystemübergreifenden Begriffe genannt.
Normensystemübergreifende Begriffsdifferenzierungen
Schutzmedien zur Erreichung der Ziele
Normensysteme zur Erreichung der Ziele
Rechtspol. Zielinhalte und Wertungsgedanken
6FKXW]JHLVWLJJHZHUEOLFKHQ6FKDIIHQV Schutz des Leistungswettbewerbes (Institutionenschutz) Schutz der Freiheit des Wettbewerbs
GWB
Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs
UWG
MarkenG
Normierung von Schutz- und Verbotstatbeständen
:HWWEHZHUEVUHFKWLZ6 :HWWEHZHUEVUHFKWLH6
Schutz individueller Geistesschöpfungen (Immaterialgüterrechtsschutz) Schutz geistig-gewerblicher Schöpfungen
PatG
GebrMG
Schutz geistigkultureller Schöpfungen
Halbleiterschutz- GeschmG UrheberG gesetz
Zubilligung von Ausschließlichkeitsrechten
7HFKQLVFKH6FKXW]UHFKWH 0XVWHUUHFKWH
*HZHUEOLFKHU5HFKWVVFKXW] *HZHUEOLFKH6FKXW]UHFKWH
Abb. 2.2. Systematisierung und Abgrenzung der Rechtsmaterie des gewerblichen Rechtsschutzes (nach Ahlert/Schröder)
12
Ahlert/Schröder, Rechtliche Grundlagen des Marketing, S. 107.
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2 Grundlagen des Patentwesens
2.3 Grundbegriffe und Rechtstheorien des Patentrechts Wie bereits erwähnt, ist das Ziel des Patentrechts der Schutz von geistiggewerblichen Schöpfungen und Leistungen. Der theoretische Ausgangspunkt ist der Schutz des Individuums und die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Darauf baut der Schutz des geistigen Eigentums auf. Der zuvor auf körperliche Gegenstände bezogene Eigentumsbegriff wurde in diesem Zusammenhang auf geistige Leistungen ausgedehnt. Allein durch das Persönlichkeitsrecht und den Begriff des geistigen Eigentums ist jedoch in patentrechtlicher Hinsicht noch nicht zu erklären, weshalb der Erfinder erst nach staatlicher Erteilung eines Patents ein Anrecht auf Schutz seiner Erfindung erhält und zudem ein Ausschlussrecht erteilt bekommt. Es sind also verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen, damit ein Patent erteilt und der zugehörige Schutz gewährt werden kann13. Die grundlegende Voraussetzung ist die Offenbarung der Erfindung der Öffentlichkeit gegenüber. Nur gegen eine Bekanntmachung und Veröffentlichung der Innovation, die dem Fortschritt der Allgemeinheit dienen soll, wird ein Schutzrecht gewährt. Weitere materialrechtliche und verfahrensrechtliche Voraussetzungen werden im nachfolgenden Kapitel erläutert. Bei dem Versuch, die theoretische Basis und die Legitimation für den Patentschutz zusammenzufassen, ist auf die Arbeiten von Machlup zu verweisen. Nach Machlup sind die Grundlagen des Patentrechts in vier verschiedene, aber zusammenhängende Patentrechtstheorien zu untergliedern: Eigentumstheorie: Dieser Ansatz kommt aus der Naturrechtstheorie und besagt, dass nicht nur jede körperliche sondern auch jede geistige Schöpfung als Eigentum des Schöpfers zu behandeln ist. Daraus leitet sich das Recht ab, Dritte von der Nutzung auszuschließen. Belohnungstheorie: Nach dieser Theorie verdient der Erfinder nicht nur ein eigentumsähnliches Recht an seiner Erfindung, sondern vielmehr den Anspruch auf eine Art Gegenleistung der Allgemeinheit für seine Erfindung. Das heißt, dass über die Eigentumstheorie hinaus die Erfindung als geistiges Eigentum anerkannt wird und zusätzlich eine Belohnung finanzieller oder ideeller Art geboten wird. Anspornungstheorie: Die Anspornungstheorie betrachtet das Patentrecht nicht nur als Anspruch auf geistiges Eigentum und eine damit verbundene Belohnung, sondern sie schafft zusätzlich einen Anreiz für eine technische Erfindertätigkeit. Dies geschieht im Einverständnis mit der Allgemeinheit und dem öffentlichen Interesse, da Erfindungen generell als Fortschritt und Entwicklung und zum Wohl eines Volkes angesehen werden. Als Anreiz für eine Erfindung stellt sie einen umfassenden Schutz in Aussicht. 13
Osterrieth, Patentrecht, S. 4.
2.4 Materialrechtliche Voraussetzungen des Patentrechts
11
Offenbarungstheorie: Diese Betrachtungsweise stellt den Nutzen von Erfindungen für die Allgemeinheit in den Mittelpunkt. Diese Theorie wird auch als Vertragstheorie bezeichnet, da sie die Gewährung des Schutzes als Gegenleistung für die Veröffentlichung der Erfindung ansieht. Die Erfindung wird nur in den Bereichen geschützt, die auch offenbart werden. Hinzu kommt, dass nur die erstmalige Offenbarung im Rahmen des Patentwesens schützenswert ist14.
2.4 Materialrechtliche Voraussetzungen des Patentrechts Im Folgenden wird auf die materialrechtlichen Voraussetzungen des deutschen Patentrechts und die zugehörigen Begrifflichkeiten eingegangen. Da das deutsche System dem europäischen Patentwesen sehr ähnlich ist, oder anders gesagt, das europäische System auf dem Deutschen basiert, werden beide Rechtsgrundlagen parallel vorgestellt. Neben den Paragraphen des deutschen Patentgesetzes werden zusätzlich die entsprechenden Stellen des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) in Klammern angegeben. Die wesentlichen materialrechtlichen Voraussetzungen einer Patenterteilung sind in § 1 I PatG (entspr. Artikel 52 I EPÜ) niedergeschrieben. Hier heißt es, dass Patente für Erfindungen erteilt werden, die neu sind, auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind15. Die Voraussetzung der Neuheit ist in § 3 PatG (entspr. Artikel 54 EPÜ) geregelt. Demnach gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Nach § 3 II PatG (entspr. Artikel 54 II EPÜ) umfasst der Stand der Technik alles, was vor dem Tag der Anmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, Benutzung oder in sonstiger Art und Weise bekannt war. Der Neuheitsbegriff ist im Sinne einer absoluten Neuheit zu betrachten. Dem Anmelder wird demnach nur dann ein Patent zugesprochen, wenn er den Stand der Technik objektiv um eine technische Erfindung bereichert. Zur Beurteilung der Neuheit ist die Gesamtheit des technischen Wissens unabhängig vom Zeitpunkt oder Ort der Offenbarung heranzuziehen. Eine subjektive Erweiterung genügt den Ansprüchen eines Patents nicht. Im Rahmen der Neuheitsprüfung wird der Stand des Wissens an dem Fachwissen eines Durchschnittsfachmanns gemessen. Zeitlich ausschlaggebend ist der Stand des Wissens am Tag der Anmeldung oder dem Zeitpunkt einer früheren Anmeldung, falls 14 15
Machlup, GRUR Int. 9/ 1961, S. 373 (373 ff.). Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 8.
12
2 Grundlagen des Patentwesens
eine Priorität gemäß § 40 PatG (entspr. Artikel 87 EPÜ) in Anspruch genommen wurde16. Eine weitere Voraussetzung für die Erteilung eines Patents ist die erfinderische Tätigkeit, sie ist in § 4 Satz 1 PatG (entspr. Artikel 56 Satz 1 EPÜ) genauer geregelt. Hiernach beruht eine Erfindung dann auf erfinderischer Tätigkeit, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Eine bloße Kombination bekannter Einzelmaßnahmen gehört beispielsweise nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit, weshalb für derartige Leistungen kein Patent erteilt werden kann. Während in der Praxis die Prüfung auf Neuheit in der Regel zu eindeutigen Ergebnissen kommt, stößt man bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit häufig auf erhebliche Probleme17. Der Fachmann ist gefordert, den Stand des Wissens zu erfassen und eine Bewertung des objektiven Inhalts der Erfindung sowie der individuellen Leistung des Erfinders vorzunehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass die sogenannte Erfindungshöhe rückwirkend bewertet wird. Es handelt sich also um eine rückschauende Betrachtung, bei welcher der Durchschnittsfachmann den Inhalt der Erfindung ausblenden muss, um die Erfindungshöhe auf Grundlage des Stands der Technik zu bewerten. So wird beispielsweise die Schwierigkeit leicht verkannt, eine einfachere Lösung für eine Problemstellung ohne wesentliche Qualitätseinbußen zu erfinden. Der Prüfer sieht beim Einblick in die Erfindungsbeschreibung zuerst die Lösung und dann den Stand der Technik. Diese zur Situation des Erfinders umgekehrte Sichtweise führt mitunter zu einer unterschiedlichen Einschätzung der erfinderischen Tätigkeit. Die Beurteilung der Erfindungshöhe folgt dem Alles-oder-Nichts-Prinzip, das heißt, dass entweder ein Patent erteilt wird, ganz gleich ob es sich um eine große oder nur sehr kleine Erfindung handelt, oder nicht. Die Bedeutung der Erfindungshöhe kommt erst in der Bestimmung des Schutzbereichs zur Geltung. Je höher die erfinderische Tätigkeit eingeschätzt wird, desto größer kann in der Regel auch der Schutzbereich gewählt werden18. Die dritte in § 1 I PatG genannte Voraussetzung ist die gewerbliche Anwendbarkeit der Erfindung. § 5 Abs. 1 PatG (entspr. Artikel 57 EPÜ) besagt, dass eine Erfindung gewerblich anwendbar ist, wenn ihr Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder genutzt werden kann. Nach Krasser ist die Möglichkeit der Anwendung, ungeachtet ihrer Realisierung oder Rentabilität, allein entscheidend. Zur Anwendbarkeit gehört die technische Brauchbarkeit 16 17 18
Osterrieth, Patentrecht, S. 104 ff. Pleschak/Sabisch, Innovationsmanagement, S. 49. Osterrieth, Patentrecht, S. 110 ff.
2.4 Materialrechtliche Voraussetzungen des Patentrechts
13
oder Leistungsfähigkeit, das heißt, dass die Erfindung wie beschrieben funktionieren muss. Ferner muss die Erfindung unabhängig von Zufällen wiederholbar sein. In der Vorschrift zur gewerblichen Anwendbarkeit wird nochmals deutlich, dass der Schutz von Erfindungen als Belohnung gewährt wird, wenn damit gewerbliche Produkte oder Verfahren zum langfristigen Fortschritt der Allgemeinheit weiterentwickelt werden. Erfindungen mit rein theoretischer Bedeutung können im Sinne des Patentgesetzes keinen Schutz erlangen. Patente werden sowohl für Produkte als auch für Verfahren erteilt. Diese beiden Patentkategorien sollen an dieser Stelle anhand einiger Beispiele kurz vorgestellt werden. Selbstverständlich gelten für beide Gruppen die oben besprochenen materialrechtlichen Voraussetzungen. Das Erzeugnispatent, das den umfassensten Schutz gewährt, weil es sich sowohl auf alle Herstellungsverfahren sowie auf alle Verwendungsformen der Erfindung erstreckt, wird erteilt für: x Vorrichtungen wie Maschinen, Geräte, Werkzeuge oder auch nur Teile davon, x Stoffe, die in der Natur nicht vorkommen wie beispielsweise Kunststoffe, Arzneimittel, usw., x unbewegliche Sachen wie Brücken, Deiche, Kanäle, x elektrische Schaltungen und sonstige Anordnungen aus funktionell zusammenwirkenden Mitteln. Zu den Verfahrenspatenten gehören auch die so genannten Verwendungsansprüche, die die Benutzung eines Gegenstandes zum Inhalt haben. Verfahrenspatente werden erteilt für: x Herstellungsverfahren zur Produktion von Erzeugnissen, x Arbeitsverfahren, die nicht der Produktion eines bestimmten Erzeugnisses dienen wie beispielsweise Messen und Prüfen, x neue Verwendungsmöglichkeiten bezüglich der Anwendung eines Erzeugnisses in einer bestimmten, bisher nicht bekannten Weise19. Die materialrechtlichen Voraussetzungen, die Neuheit, die Erfindungshöhe und die gewerbliche Anwendbarkeit, stellen die inhaltliche Basis von Erzeugnis- und Verfahrenspatenten dar. Weitere Voraussetzungen betreffen die zur Offenbarung notwendige Patentschrift selbst, auf deren Form und Aufbau im nächsten Abschnitt eingegangen wird.
19
Pleschak/Sabisch, Innovationsmanagement, S. 49.
14
2 Grundlagen des Patentwesens
2.5 Die Offenbarung und der Aufbau deutscher Patentschriften Die Offenbarung der Erfindung ist ein wesentlicher Bestandteil des patentrechtlichen Grundgedankens und gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung zur Erlangung des Patentschutzes. Der Erfinder kann seine Erfindung nur dann umfassend schützen lassen, wenn er bereit ist eine vollständige Beschreibung der Erfindung zu offenbaren und damit der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Diese Offenbarung stellt eine Weiterentwicklung des Stands der Technik dar und bereichert somit den Fortschritt einer Gesellschaft. Die Offenbarung ist ausdrücklich im Patentgesetz festgehalten. Im Zusammenhang mit den Vorschriften für die Anmeldung heißt es in § 34 Abs. 2 PatG (entspr. Artikel 83 EPÜ), dass die Offenbarung fester Bestandteil der Anmeldung ist und damit unbedingte Voraussetzung zur Erteilung eines Patents. In dem Paragraph heißt es weiter, dass die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann20. Die Vorschriften zu Form, Aufbau und Inhalt der Patentschriften sind in §§ 34 bis 41 PatG festgelegt. Zu den notwendigen Bestandteilen gehört der Name des Anmelders, der Antrag auf Patenterteilung, mindestens ein Patentanspruch, die Beschreibung und die zugehörigen Zeichnungen. Zu den Patentansprüchen ist zu sagen, dass sie festlegen, was an der Erfindung neu ist und was geschützt werden soll. Sie werden in der Regel nach dem Motto „so eng wie nötig, so breit wie möglich“ formuliert, um einerseits eine sinnvolle Abgrenzung der Erfindung zum Stand der Technik zu gewährleisten und andererseits dem Patent einen möglichst großen Schutzbereich zu geben. Bestehende Mängel können sowohl bei Beschreibung und Zeichnung als auch bei den Patentansprüchen nachträglich verbessert werden, jedoch können keine fehlenden Inhalte nachgetragen werden21. Da im Rahmen der Arbeit auch die Analyse einzelner Patentdokumente von Bedeutung ist, wird an dieser Stelle anhand eines Beispiels der Aufbau von Patentschriften etwas näher betrachtet. Für die Recherche von Patentschriften zur statistischen Analyse ist vor allem die erste Seite von Bedeutung. Abbildung 2.3 zeigt die erste Seite eines Beispielpatentes, anhand dessen die einzelnen Patentinformationen, erläutert werden, die im Rahmen der Offenbarung zu veröffentlichen sind. Die im nachstehenden Text angegebenen in Klammern stehenden Zahlen beziehen sich auf die in Kreisen sichtbaren Nummern der Abbildung. 20 21
Osterrieth, Patentrecht, S. 16. Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, S. 342.
2.5 Die Offenbarung und der Aufbau deutscher Patentschriften
15
Abb. 2.3. Erste Seite eines Beispielpatents zur Erläuterung der enthaltenen Patentinformationen (DE 198 34 771 C2)
Auf der ersten Seite der Patentschrift finden sich Informationen über den Anmeldetag (22), den Offenlegungstag (43), den Tag der Patenterteilung (45), die technische Patentklassifizierung (51), den Anmelder (71) bzw. Patentinhaber (73), den Erfinder (72), die zur Beurteilung in Betracht gezogenen Druckschriften bzw. Entgegenhaltungen, auch Zitationen genannt (56), den Titel der Erfindung (54), eine verkürzte Beschreibung der Erfindung (57) sowie gegebenenfalls eine Skizze. Bei international wirkenden Patenten kommen zusätzliche Informationen wie die Staaten, in denen ein Schutzrecht erwirkt wurde und Angaben zur Priorität hinzu. Für die statistische Patentanalyse ist vor allem das Anmeldungsdatum (22) relevant. An diesem Tag tritt die Erfindung zum ersten Mal in Erscheinung. So einfach diese Information auch ist, dieses Datum ist die Grundlage einer Vielzahl von Patentkennwerten, die in Kap. 4 beschrieben werden. Neben dem Tag der Anmeldung ist der Offenlegungstag (43), im
16
2 Grundlagen des Patentwesens
Regelfall 18 Monate nach Anmeldung, und je nach Stand des Verfahrens der Veröffentlichungstag der Patenterteilung (45) mit angegeben. Auch diese Daten werden im Rahmen der Patentanalyse häufig verwendet. Ebenfalls von Bedeutung ist die Klassifikation technischer Sachverhalte (51). Sie orientiert sich an der Internationalen Patentklassifikation IPC und ordnet das Patent einer von etwa 70.000 technischen Untergliederungen zu. Im Rahmen des deutschen Patentwesens, genauer gesagt der Deutschen Feinklassifikation DEKLA wurde diese Einteilung um etwa 40.000 auf etwa 110.000 Klassen verfeinert und wird durch die letzte BuchstabenZiffern-Kombination mit ein bis drei Zeichen angezeigt22. Im Beispielpatent aus Abb. 2.3 ist keine erweiterte Klassifikation vorhanden. Die Übersetzung des Zahlen- und Buchstabencodes ist der entsprechenden Tabelle des DPMA zu entnehmen. Im Beispiel handelt es sich um die Sektion B „Arbeitsverfahren, Transportieren“, die Klasse 32 „Formgebung - Schichtkörper“, die Unterklasse B „aus Ebenen oder gewölbten Schichten, z. B. mit zell- oder wabenförmiger Form, aufgebaute Erzeugnisse“, die Hauptgruppe 27 „Schichtkörper, die als wichtigen Bestandteil Kunstharz enthalten“ und die Untergruppe 12 „grenzend an eine aus Fasern oder Fäden aufgebaute Schicht“23. Die für die Beurteilung der Patentfähigkeit in Betracht gezogenen Druckschriften (56), auch Zitationen genannt, sind Patentschriften und wissenschaftliche Veröffentlichungen, die den Stand des Wissens wiedergeben und auf die das Patent Bezug nimmt und aufbaut. Sie können im Rahmen der Patentanalyse sowohl quantitativ als auch inhaltlich genutzt werden um Kennwerte zu berechnen und Verbindungen von Patentschriften und ihren Anmeldern zu erkunden24.
2.6 Verfahrensrechtliche Grundlagen des Patentrechts In diesem Abschnitt werden die einzelnen Schritte des deutschen Patentverfahrens erläutert. In den meisten Ländern läuft das Verfahren nach einem ähnlichen Schema ab. Da bei der Patentanalyse mit den aus dem Verfahren entstandenen Daten umgegangen wird, ist ein Überblick über den Verfahrensablauf dringend notwendig. Zur besseren Übersicht zeigt Abb. 2.4 die einzelnen Schritte anhand eines Zeitstrahls graphisch auf. 22
23 24
Deutsches Patent- und Markenamt, Online-Hilfe der Patentdatenbank DEPATIS, Kap. 7.1; Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF, Der Patentserver. Deutsches Patent- und Markenamt, Online Erläuterung zur DEKLA (IPC). Schmoch, Wettbewerbsvorsprung durch Patentinformation, S. 31 f.
2.6 Verfahrensrechtliche Grundlagen des Patentrechts
17
Abb. 2.4. Das deutsche Patentverfahren in zeitlicher Abfolge (nach Ripper/Wolf)
Wie bereits gesagt, beginnt das Verfahren mit der Anmeldung durch den Erfinder. Dieser Anmeldetag wird auch Prioritätsdatum genannt. Es ist das Datum der ersten Anmeldung der Erfindung zum Patent, der weitere Anmeldungen in anderen Ländern folgen können. Das Datum bestimmt ferner den so genannten Zeitrang der Anmeldung und ist maßgeblich für den zu berücksichtigenden Stand der Technik. Des weiteren sind vom Tag der Anmeldung die Laufzeit des Patents, die Prioritätsfrist zur Einreichung von Auslandsanmeldungen und die Offenlegungsfrist abhängig25. Nach dem Eingang der Anmeldung prüft das DPMA, ob alle Formvorschriften eingehalten wurden und ob es offensichtliche Patenthindernisse gibt. Außerdem wird während dieser Offensichtlichkeitsprüfung die Erfindung einem technischen Fachgebiet zugeordnet26. Die mit der Anmeldung beginnende Prioritätsfrist beträgt 12 Monate. In dieser Zeit besteht das Prioritätsrecht, den Patentschutz in weiteren Ländern zu beantragen. Die ursprüngliche Anmeldung bleibt davon unberührt. Die Kosten für die Nachanmeldungen setzen sich vor allem aus der zu übersetzenden Patentschrift und der Pflicht, sich durch einen Patentanwalt vertreten zu lassen, zusammen. Eine Möglichkeit inhaltliche Dinge zu ergänzen stellt das Zusatzpatent dar. Es kostet keine Jahresgebühren, endet gleichzeitig mit der Laufzeit der Hauptanmeldung und kann innerhalb der ersten 18 Monate nach Anmeldung beantragt werden. Es besteht außerdem die Möglichkeit, eine bereits angemeldete, Erfindung innerhalb von 12 Monaten erneut anzumelden. Dabei muss die Priorität der Erstanmeldung (innere Priorität) in Anspruch genommen werden, das heißt die Laufzeit kann um maximal 12 Monate verlängert werden. In der Praxis wird diese Variante
25 26
Schmoch, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformation, S. 16. Schmoch, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformation, S. 16.
18
2 Grundlagen des Patentwesens
genutzt, um Weiterentwicklungen und Ergänzungen in den Patentschutz mit aufzunehmen27. Beim DPMA wird nach 18 Monaten die Patentschrift der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Die Offenlegung bedient dabei den Grundgedanken des Patentrechts, den Tausch von Schutzrechten gegen eine frühzeitige Veröffentlichung der Erfindung. Das notwendige Prüfungsverfahren muss innerhalb der ersten sieben Jahre vom Anmelder eingeleitet werden. Geschieht dies nicht, gilt das Patent als zurückgenommen. Es ist möglich den Antrag auf Prüfung gleich bei der Anmeldung zu stellen. Ist er einmal gestellt, ist eine Rücknahme nicht mehr möglich und das Prüfungsverfahren zur Feststellung der materiellen Patentfähigkeit wird durchgeführt. Will man mit dem Prüfungsantrag warten und dennoch sich ein Bild über die Patentierbarkeit machen, so kann man ab Anmeldung einen Rechercheantrag stellen, in dem der Stand der Technik ermittelt wird und im Falle der Offenlegung die ermittelten Dokumente erwähnt werden28. Ist das Prüfungsverfahren erstmalig abgeschlossen, wird der Anmelder in Form eines so genannten Prüfungsbescheids über das Ergebnis informiert. Ist die Erfindung dem Prüfer nach nicht patentfähig, erlässt dieser einen Zurückweisungsbeschluss, gegen den der Erfinder innerhalb eines Monats schriftlich und gebührenpflichtig Beschwerde einlegen kann. Werden Mängel erkannt, hat er in der Regel vier Monate Zeit um darauf zu reagieren und Verbesserungen vorzunehmen. Geht das Prüfungsverfahren, das zwischen zwei und vier Jahren dauern kann durch, erscheint nach einem mitgeteilten Patenterteilungsbeschluss die Patentschrift. Nun kann jeder Dritte innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Patenterteilung Einspruch gegen die Erteilung einlegen. Dadurch wird eine erneute Prüfung durchgeführt, die mit einer beschränkten oder unbeschränkten Aufrechterhaltung oder aber mit Widerruf des Patents endet. Die Schutzdauer beträgt insgesamt maximal 20 Jahre ab Anmeldetag. Durch die unaufgeforderte Zahlung der ab dem dritten Jahr fälligen Patentgebühren wird das Patent aufrechterhalten. Werden die Zahlungen eingestellt, erlischt das Patent unwiderruflich29.
27 28 29
Ripper/Wolf, Patente und Patentstrategie, S. 8. Osterrieth, Patentrecht, S. 287 f. Schmoch, Wettbewerbsvorsprung durch Patentinformation, S. 15 f.
2.7 Internationale Regelungen und Absprachen
19
2.7 Internationale Regelungen und Absprachen Nachdem das Verfahren zur Erlangung eines Patents am Deutschen Patentund Markenamt beschrieben wurde, werden in diesem Abschnitt die Verfahren des Europäischen Patentamtes und des Patentzusammenarbeitsvertrages PCT (Patent Cooperation Treaty) genauer betrachtet. Im Rahmen der vorzunehmenden Patentanalyse ist mit weltweit und europaweit angemeldeten Patenten zu rechnen. Um ein Verständnis für die länderübergreifenden Verfahren aufzubauen, ist eine kurze Einführung notwendig. Dem Europäischen Patentübereinkommen gehören derzeit 30 Länder 30. Ab einer Anmeldung eines Patents in mehr als vier europäischen Länan dern ist die Anmeldung über das Europäische Patentamt in München oder der Zweigstelle in Den Haag günstiger als die getrennte Anmeldung in den einzelnen Ländern31. Ein weiterer Vorteil der europäischen Anmeldung ist, dass zu Beginn nur eine Verfahrenssprache zu wählen ist (englisch, französisch oder deutsch). Erst nach der Patenterteilung geht das Verfahren auf die Patentämter der einzelnen Länder über. Mit dem Tag der Erteilung zerfällt also das europäische Patent in ein Bündel nationaler Schutzrechte32. Die Erteilung dauert in etwa drei bis sechs Jahre. Wird das Patent erteilt, müssen gemäß der nationalen Bestimmungen der Länder, in denen das Patent angemeldet werden soll, die Patentgebühren an die betreffenden Patentämter gezahlt werden. Die Einspruchsfrist dauert neun Monate. Zu bemerken ist, dass weitere nicht zu unterschätzende Kosten durch die Notwendigkeit einer Übersetzung der Patentschrift in die Landessprache und die pflichtgemäße Vertretung durch einen Patentanwalt hinzukommen. Dies sei erwähnt, da anhand der Patentanalyse aufgrund der Anzahl der Länder, in denen das Patentrecht gilt und dem damit verbundenen Aufwand, Aussagen über das Patent und den Anmelder getroffen werden können33. Durch den Patentzusammenarbeitsvertrag oder auch Patent Cooperation Treaty PCT ergibt sich die Möglichkeit auf internationaler Ebene die Anmeldung und die Vorprüfung zusammenzufassen. Durch die internationale Patentanmeldung entsteht jedoch kein internationales Patent, ähnlich dem EPÜ, sondern nur die Option auf eine Vielzahl von Patentanmeldungen. Hauptvorteil dieses Verfahrens ist, dass unter Wahrung der Priorität erst spät über die konkreten Auslandsanmeldungen entschieden werden muss. Während bei einer direkten nationalen Anmeldung die Prioritätsfrist nach 30 31 32
33
Europäisches Patentamt EPA, Das Erteilungsverfahren. Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E Management, S. 247. Haugg/Lokys/Winterfeldt, in: Engelhardt (Hrsg), Fachwissen Patentinformation: Datenbanken strategisch genutzt, S. 183 (189). Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E Management, S. 247.
20
2 Grundlagen des Patentwesens Nationalisierung Antrag auf Prüfung gestellt
{
20 . 22 . . 25 . . 28 . 30 Anmeldetag der PCTWO-Schrift Patentanmeldung
Prüfungsbescheid Internationales vorläufiges Gutachten 19
{
1 2 3 . . . . . . . . 12 . 14 . 16 . 18
Anmeldetag der deutschen Patent-Anmeldung PCT-Recherche-Bericht
Nationalisierung: u.a. muss der Anmeldungstext bei allen ausgewählten Patentämtern in der jeweiligen Landessprache eingereicht werden.
ohne Prüfungsantrag 20 Nationalisierung
Abb. 2.5. Verfahren der Internationalen Patentanmeldung des PCT (nach Ripper/ Wolf)
einem Jahr abläuft, beträgt die Frist bei der PCT-Anmeldung je nach Land 20 oder 30 Monate. Diese Frist kann in allen Ländern auf 30 Monate verlängert werden, wenn ein Antrag auf vorläufige internationale Prüfung gestellt wird. Dieses Prüfungsverfahren endet nicht mit der Erteilung oder Zurückweisung des Patents, sondern nur mit einem internationalen Prüfbericht, der ein Ergebnis der Anmeldungsprüfung in Bezug auf Neuheit und Erfindungshöhe enthält. Nach der angesprochenen Frist geht das Verfahren auf die bis dahin festgelegten Länder und deren Patentämter über. Wie schon zuvor bei der europäischen Anmeldung müssen auch bei der PCT-Anmeldung Prüfungs-, Übersetzungs- und Anwaltsgebühren der jeweiligen Länder geleistet werden. Abbildung 2.5 fasst das PCT-Verfahren noch einmal grafisch zusammen. Wie dargestellt, wird die Anmeldung an einem nationalen Patentamt ausgelöst und innerhalb der Prioritätsfrist von 12 Monaten über den Patentzusammenarbeitsvertrag PCT auf die Mitgliedstaaten ausgeweitet. Danach beginnt die acht- bzw. achtzehnmonatige länderbezogene Frist, die wie erwähnt in allen Ländern durch Stellung des Prüfungsantrages auf insgesamt, auf die Anmeldung bezogen, 30 Monate ausgedehnt werden kann34. 34
Schmoch, Wettbewerbsvorsprung durch Patentinformation, S. 23 f.
2.8 Bewertung und Bilanzierung im Rahmen der rechtlicher Vorschriften
21
2.8 Bewertung und Bilanzierung im Rahmen der rechtlicher Vorschriften Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Bewertung von Patentrechten unter der Berücksichtigung existierender rechtlicher Vorgaben mit besonderem Augenmerk auf Bestimmungen bezüglich der Bilanzierung von immateriellen Vermögensgegenständen. Die für deutsche Unternehmen von Bedeutung und hier besprochenen international anerkannte Rechnungslegungsstandards sind: x x x x
International Accounting Standards (IAS), International Financial Reporting Standards (IFRS)35, United States – Generally Accepted Accounting Principles (US – GAAP). IAS/IFRS sind seit dem 1. Januar 2005 für deutsche Unternehmen sogar vorgeschrieben36.
Durch das Inkrafttreten des „Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG) wird die Rechnungslegung nach internationalen Standards enorm erleichtert. Der gleiche Effekt ergibt sich auch durch das „Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschaftsdarlehen“ (KapAEG)37. Die Erleichterung besteht darin, dass gemäß des § 292a HGB der so genannten „Öffnungsklausel“, es nun nicht mehr notwendig ist einen handelsrechtlichen Konzernabschluss gemäß den §§ 290-315 HGB aufzustellen, „wenn der Konzernabschluß und der Konzernlagebericht … nach international anerkannten Rechnunglegungsgrundsätzen
35
36
37
Seit der zum 1.Januar vollzogenen Strukturveränderung des International Accounting Standard Comittee tritt die Bezeichnung IFRS an die Stelle der früheren Namensgebung IAS, wobei die Bezeichnung IAS für die bisher als IAS bezeichneten Standards erhalten bleibt. Im Folgenden wird unter „international anerkannten Rechnungslegungsstandards“ die Rechnungslegung nach IAS/IFRS oder US – GAAP verstanden, vgl. z.B. Böcking/Orth, Der Betrieb DB, 51. JG., 1998a, S. 1241. I. Allg. werden Unternehmen IAS oder US – GAAP an, um so leichter Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten zu erhalten. So müssen z.B. Unternehmen, die an der New York Stock Exchange gelistet wereden wollen, einen Abschluss nach US – GAAP bzw. zumindest eine Überleitungsrechnung („reconcilation“) aufstellen, vgl. z.B. Böcking/Orth, Der Betrieb DB, 51. JG., 1998b, S. 1876. Ein tabellarischer Vergleich der vor der Verabschiedung der beiden Gesetze geltenden Vorschriften und des nach Verabschiedung geltenden Rechts findet sich in Böcking/Orth, Der Betrieb DB, 51. JG., 1998a, S. 1242–1246.
22
2 Grundlagen des Patentwesens
aufgestellt worden ist“38. Darüber hinaus müssen, neben anderen Voraussetzungen für die Befreiung, nach § 292a Abs.2 HGB, die vom deutschen Recht abweichenden Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsmaßnahmen im Anhang bzw. in der Konzernabschlusserläuternung dargelegt werden. 2.8.1 Bilanzierung nach HGB Immaterielle Vermögensgegenstände stellen für die Unternehmen in der heutigen Zeit, welche durch die Globalisierung geprägt ist, wesentliche, wenn nicht sogar die entscheidenden Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Bestehen an den globalisierten Märkten dar. Unter diesem Aspekt erscheint es kaum verwunderlich, dass die Rufe nach einer allgemeinen Aktivierung immaterieller Vermögenswerte, (wie etwa von Patenten in der Bilanz) immer lauter werden. Eigene Patente
§ 246 Abs. 1 HGB schreibt die Angabe aller Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz vor. Allerdings sind laut § 266 Abs.2 HGB gewerbliche Schutzrechte zu den immateriellen Vermögensgegenständen zu zählen und für diese existiert gemäß § 248 Abs. 2 HGB ein so genanntes „Ansatzverbot“, sofern sie unentgeltlich erworben wurden. Das bedeutet also, dass im Unternehmen selbst erstellte Patente in ihrer Form als immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens nicht aktiviert werden39. Diese geltende Regelung macht Sinn, da wie schon angesprochen ein konkreter Wert für immaterielle Vermögensobjekte, wie etwa Patente, nur schwer zu ermitteln ist und somit einer großen Unsicherheit unterliegt. Tauchen gewerbliche Schutzrecht in ihrer Eigenschaft als immaterielle Vermögenswerte allerdings als Bestandteile von Transaktionen zwischen Mutter-, Tochter- oder Schwesterunternehmen auf, so besteht in diesem Fall die Möglichkeit einer Aktivierung in der Bilanz, da sie in diesem speziellen Fall als erworbene Patente im Sinne des nächsten Abschnitts einzuordnen sind und demzufolge auch als solche in der Bilanz aufgeführt werden können.
38 39
Böcking/Orth, Der Betrieb DB, 51. JG., 1998b, S 1873 ff. Vgl. Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagenwerte, S. 251 ff.
2.8 Bewertung und Bilanzierung im Rahmen der rechtlicher Vorschriften
23
Erworbene Patente
Für entgeltlich erworbene Patente besteht im Unterschied zu selbsterstellten Patenten eine Aktivierungspflicht40. Hier unterscheidet man drei Fälle, die mit jeweils verschiedenen Werten in die Bilanz eingehen: x Einzelerwerb eines Patents: In der Bilanz taucht der Wert der Anschaffungskosten in der Zugangsperiode auf. x Erwerb durch Tausch: Auch hier gehen die Anschaffungskosten in die Bilanz ein. Diese Anschaffungskosten des erworbenen Patents entsprechen hier dem Zeitwert des abgegebenen Patents. x Erwerb durch Unternehmensübernahme: Übersteigt der Gesamtkaufpreis den Buchwert, so gehen die erlangten immateriellen Vermögenswerte mit ihrem Zeitwert in die Bilanz ein, es sei denn, aus dem Kaufvertrag oder anderen Unterlagen, die zur Bestimmung des Kaufpreises dienten (z. B. Gutachten von Sachverständigen etc.), gehen wirtschaftlich vernünftige Werte hervor. Ist dies der Fall, so sind diese bei der Aktivierung zu berücksichtigen. Sollte dies nicht möglich sein, können die aus dem Patent entstehenden Erträge als Bilanzwert herangezogen werden. Allerdings muss die Ermittlung der Erträge für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbar sein. Folgebewertung
Die Folgebewertung ergibt sich aus planmäßiger und außerplanmäßiger Abschreibung gem. § 253 Abs. 2 HGB: x Planmäßige Abschreibung: Sie ergibt sich aus Lebensdauer und durch den Nutzungsverlauf des Patents. Sollte der Nutzungsverlauf nicht eindeutig bestimmt werden können, weil evtl. ein Verkauf des Patents zu einem späteren Zeitpunkt in Frage kommt, so ist eine lineare Abschreibung vorzunehmen. x Außerplanmäßige Abschreibungen: Diese sind notwendig und vorzunehmen, wenn der Zeitwert des Patents unter dessen Buchwert sinkt41. 40
41
Vgl. zu diesen Ausführungen Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 97 ff., 103 f. Vgl. zu diesen Vorschriften den Deutschen Rechnungslegungsstandard Nr. 12 (DRS 12), veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 197a vom 22. Oktober 2002.
24
2 Grundlagen des Patentwesens
2.8.2 Bilanzierung nach IAS/IFRS IAS und IFRS besitzen als international anerkannte Rechnungslegungsstandards auch eine sehr große Bedeutung für deutsche Unternehmen. Grund dafür ist die EU-Verordnung Nr. 1606/200242, welche Unternehmen in der EU dazu verpflichtet, eine Rechnungslegung gemäß IAS/IFRS durchzuführen und vorzulegen. Eigene Patente
Unter den Voraussetzungen, dass dem bilanzierenden Unternehmen aus dem zu aktivierenden Patent ein monetärer Nutzen zukommt und darüber hinaus die Herstellungskosten konkret zu ermitteln sind, existiert nach IAS/IFRS ein so genanntes Aktivierungswahlrecht für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens43. Was den Nutzenzuwachs anbelangt, so bedarf es gemäß IAS 38.45 einer Plausibilisierung44 durch das Unternehmen, eine solche Plausibilisierung könnte in Form einer Patentbewertung vorgenommen werden, woraus ersichtlich wird, welche Bedeutung einer Bewertung von Patentrechten im Rahmen der Bilanzierung zukommt. Der Bilanzwert selbst entspricht den Herstellungskosten, also allen ab dem Zeitpunkt des Nuztenzuwachses anfallenden Kosten. Darunter sind nach IAS 38.54 auch Gebühren für die Patentanmeldung des Patents beim zuständigen Patentamt, Abschreibungen auf Patente und Lizenzen, aber auch dem Patent zurechenbare Gemeinkosten zu zählen. IAS 38.42 und 38.45 erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen auch Ausgaben für die Entwicklung von Patenten (nicht aber für die Forschung) ebenfalls zu den Herstellungskosten zu addieren45. Was in diesem Zusammenhang unter Forschung bzw. Entwicklung entfällt, bestimmt sich aus IAS 38.7. Erworbene Patente
Auch für entgeltlich oder durch Tausch erworbene Patente gelten gleiche Voraussetzungen für die Aktivierung, wie für selbsterstellte Patente. Allerdings wird gemäß IAS 38.33 von vornherein davon ausgegangen, dass 42
43
44
45
Die Verordnung kann unter http://europa.eu.int/comm/internal market/ accounting/ias de.htm eingesehen werden. Vgl. Schildbach, Der Konzernabschluß nach HGB, IAS und US – GAAP, S. 441. Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 199 f. Zu den Aktivierungskriterien der Entwicklung vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 204 f.
2.8 Bewertung und Bilanzierung im Rahmen der rechtlicher Vorschriften
25
mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Nutzenzuwachs für das erwerbende Unternehmen vorliegt, da dieser Ziel und Zweck eines Erwerbs sein soll. Auch hier unterscheidet man zwei Fallgruppen: x Entgeltlicher Erwerb eines Patents: Hierbei erfolgt die Erstbewertung zu Anschaffungskosten. x Erwerb im Rahmen eines Unternehmenserwerbs Dabei ist der Bilanzwert nach IAS 38.31a mit einem „fair value“ anzusetzen. Für die Ermittlung dieses Barwertes können gemäß IAS 38.30 seit der Neufassung des IAS 36 seit 2004 im Allgemeinen. verschiedene Verfahren zur Anwendung kommen: – „Traditional approach“: Der zu erwartende Zahlungszustrom wird mit einem risikoadjustierten Zinssatz diskontiert. – „Expected cash flow approach“: Hierbei werden alternative Zahlungsströme, je nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit, zur Bewertung herangezogen46. Sollte ein bewertendes Unternehmen über ein eigenes Verfahren zur Bewertung von Patenten verfügen, so kann dieses, gemäß IAS 38.29. und 30. zum Zweck der Bilanzierung unter der Voraussetzung herangezogen werden, sobald dieses Bewertungsverfahren solide Prognosen garantiert. Folgebewertung
In den Folgeperioden ergibt sich der Bilanzwert aus den Anschaffungsbzw. Herstellungskosten. Die Vermögensminderung, welche durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch entsteht, wird gemäß IAS 38.63. durch planmäßige Wertminderungen erfasst47. Darüber hinaus ist vorgeschrieben, dasjenige Abschreibungsverfahren zu wählen, welches den Wertverlauf des betrachteten immateriellen Vermögensgegenstandes am ehesten widerspiegelt. Falls der Wertverlauf nicht zweifelsfrei dargestellt werden kann, so ist gemäß IAS 38.88., bzw. IAS 38.97 das Verfahren der linearen Abschreibung zu wählen. Erfährt das Patent eine Wertminderung aufgrund offensichtlicher Veränderungen im rechtlichen, ökonomischen oder technologischen Umfeld und diese Wertminderung ist durch ein geeignetes
46
47
Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 139 ff. Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 217 ff.
26
2 Grundlagen des Patentwesens
Verfahren konkret ermittelbar, so besteht die Möglichkeit außerplanmäßiger Abschreibungen48. Darüber hinaus muss die verbleibende Nutzungsdauer alljährlich geschätzt bzw. überprüft werden. Dies geschieht nach IAS 38.94 anhand wirtschaftlicher und rechtlicher Faktoren. Im speziellen Fall von Patenten als immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ist die Länge der Nutzungsdauer durch die Dauer des Bestehens der Rechtspositionen beschränkt49. Die Neubewertung von Patenten in den Folgeperioden ist nicht möglich, da kein aktiver Markt im Sinne von IAS 38.7 existiert. 2.8.3 Bilanzierung nach US – GAAP In den Vereinigten Staaten sollen aus Jahresabschlüssen und Bilanzen auch entscheidungsrelevante Informationen hervorgehen. Diese Informationen sollen alle relevanten Gruppen, also Investoren, Gläubiger und Share Holder in die Lage versetzen ihr weiteres Vorgehen und Engagement zu überprüfen und aus dem vorgelegten Zahlenwerk vernünftige Handlungsalternativen für die Zukunft abzuleiten. Die im kommenden Abschnitt beschriebene Bilanzierung immaterieller Vermögensgegenstände nach US – GAAP verfolgt das gleiche Ziel. Eigene Patente
Auch bei der Bilanzierung nach US – GAAP existiert, wie bei IAS/IFRS, ein Aktivierungswahlrecht für selbsterstellte Patente50. Um von diesem Aktivierungswahlrecht Gebrauch machen zu können, müssen nach dem Statement of Financial Accounting Concept (SFAC) 142.10 allerdings die nachfolgenden Bedingungen kumulativ vorliegen: x Identifizierbarkeit51: Dawo verweist bei dem Kriterium der Identifizierbarkeit auf Accounting Principles Board Opinion (APBO) 17.10, wo Patente explizit als Beispiele identifizierbarer Vermögenswerte genannt werden, da dieses Kriterium nicht explizit im SFAS 142 erwähnt wird. Damit ist die Bedingung der Identifizierbarkeit für Patente stets erfüllt. 48
49
50 51
Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 225 f. Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 220 f. Vgl. Schildbach, Der Konzernabschluß nach HGB, IAS und US – GAAP, S. 441. Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP,: S. 135 f.
2.8 Bewertung und Bilanzierung im Rahmen der rechtlicher Vorschriften
27
x Spezifische Nutzungsdauer nach APBO 17.24: Als zweite Bedingung muss es möglich sein, die Laufzeit von Patenten, die in der Bilanz auftauchen, unter rechtlichen, ökonomischen und technologischen Aspekten zu schätzen. Da aber von Gesetzes wegen eine maximale Laufzeit von 20 Jahren vorgegeben ist, ist auch die zweite Bedingung stets erfüllt. In der Regel liegen beide Bedingungen also kumulativ vor und somit kann auch hier, wie bei der Aktivierung selbsterstellter Patente nach IAS/IFRS der Bilanzwert des Patents in der Höhe der Herstellungskosten angesetzt werden. In der Rechnungslegung nach US – GAAP setzen sich die Herstellungskosten aus allen produktionsbedingten Vollkosten zusammen. Darunter fallen neben den Material- und Fertigungsgemeinkosten auch die jeweils entsprechenden Gemeinkostenanteile, sowie Sonderkosten der Fertigung. Nach SFAS 2 sind die Kosten für Forschung und Entwicklung nicht aktivierungsfähig, im Gegensatz zur Rechnungslegung nach IAS/IFRS, wo zumindest unter bestimmten Umständen die Ausgaben für die Patententwicklung aktivierbar sind52. Allerdings sind nach amerikanischer Überzeugung Kosten, die einem Unternehmen im Rahmen einer erfolgreichen gerichtlichen Verteidigung eines Patents entstehen durchaus aktivierbar53. Erworbene Patente
Auch hier kann zwischen drei Fällen unterschieden werden: x Einzelerwerb eines Patents: Wie bei der Bewertung nach IAS/IFRS, sind entgeltlich erworbene Patente in der Höhe eines „fair value“ nach SFAC 142.9 in der Bilanz aufzuführen. Dieser setzt sich normalerweise aus Anschaffungskosten sowie Anschaffungsnebenkosten zusammen54.
52
53
54
Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 146 f. Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 146 f. insb. Fußnote 768 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 137.
28
2 Grundlagen des Patentwesens
x Erwerb durch Tausch: Im Falle eines Patenttausches ergibt sich der „fair value“ entweder aus dem Wert des abgegebenen oder dem des erhaltenen Patents, je nachdem, welcher der beiden Patentwerte genauer ermittelt werden kann55. x Erwerb durch Unternehmensübernahme: Der Kaufpreis für ein Unternehmen ist oftmals höher, als das sich aus der Bilanz ergebende Eigenkapital. Die Differenz entspricht den vom Unternehmen geschaffenen, allerdings nicht aktivierbaren immateriellen Vermögensgegenständen56. SFAC 142.9 bestimmt, dass in der US-amerikanischen Rechnungslegung nun eine Neubewertung der Vermögensgegenstände durchzuführen ist. Patente gehen gemäß SFAC 142.9 mit dem aus dieser Neubewertung hervorgehenden „fair value“ in die Bilanz ein. SFAC 142.24 schreibt die Ansetzung dieses neuen „fair value“ durch eine Marktbeobachtung vor. Entweder von repräsentativen Marktwerten des zu bewertenden Patents oder einem Vergleich mit ähnlichen Patenten. Stehen keine solchen Informationen zur Verfügung, so wird eine hypothetische Ermittlung über den BarwertB aller mit dem Patent verbundenen Zahlungsströme vorgenommen. Dies geschieht unabhängig von den unternehmensspezifischen Verhältnissen und der individuellen Nutzung des Patents. Zur Berechnung des Barwerts kommen die bereits in Abschn. 2.8.2 beschriebenen Methoden „traditional approach“ 57 und „expected cash flow approach“ zur Anwendung58. Folgebewertung
In den Folgeperioden sind Patente mit begrenzter Nutzungsdauer über die voraussichtliche Nutzungsdauer so abzuschreiben, dass die Abschreibung dem erwarteten Verlauf des wirtschaftlichen Nutzens entspricht59. Ist dies aus bestimmten Gründen nicht möglich, so ist nach SFAC 142.12 eine lineare Abschreibung vorzunehmen und nach SFAC 142.14 die weitere 55
56
57 58
59
Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 139. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide, Konzernabschlüsse – Rechnungslegung für Konzerne nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und gesetzlichen Vorschriften, S. 206 f. Vgl. 2.8.2. Erworbene Patente, S. 28 in diesem Buch. Vgl. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 139 ff. Dawo, Immaterielle Güter in der Rechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US – GAAP, S. 147 ff.
2.9 Begriffsbestimmungen
29
Nutzungsdauer jährlich zu überprüfen, so wie es bei der Folgebewertung nach IAS/IFRS der Fall ist. Für den Fall, dass der Zeitwert eines Patents unter seinen Buchwert sinkt, ist eine planmäßige Wertminderung und darüber hinaus ein Wertminderungstest bzw. eine Werthaltigkeitsprüfung (,,impairment test”) durchzuführen. Liegt der umgekehrte Fall vor und der Buchwert übersteigt den Zeitwert, so erfolgt eine Abschreibung auf den Zeitwert, der dann die Basis bildet. Wertaufholungen sind nicht erlaubt. Hierdurch wird eine ständige Bewertung der aktivierten Patente notwendig.
2.9 Begriffsbestimmungen Nicht nur für den Unternehmensjuristen ist eine einheitliche Begriffsverwendung notwendig. Deshalb werden in diesem Abschnitt einige wesentliche Begriffe definiert und gegeneinander abgegrenzt. 2.9.1 Erfindung Erfindungen im Sinne des Patentrechts sind nicht auf der Hand liegende, technische Konstrukte oder Verfahren, die neue Anwendungen ermöglichen. Diese technischen Leistungen müssen sich an den Anforderungen des Patentrechts messen lassen. Werden alle Bedingungen der die Patentierbarkeit materiell regelnden Normen des Patentgesetzes (§§ 1 bis 5 PatG) erfüllt, wird für eine Erfindung ein Patent erteilt60. Aus dem Vorgang des Erfindens entstehen aus dem Patentgesetz (PatG) noch keine Rechte an der Erfindung. Nicht das Erfinden an sich ist geschützt, sondern die erstmalige Veröffentlichung des neuen technischen Wissens, welches der Erfindung zugrunde liegt, soll belohnt werden. Ist eine Erfindung noch nicht zum Patent angemeldet worden, existiert lediglich ein so genanntes Erfinderpersönlichkeitsrecht, das alleine aufgrund der Tatsache des Erfindens oder Miterfindens besteht. Es handelt sich hierbei um „sonstiges Recht“ i.S.v. § 823 BGB und kann nicht übertragen werden61. Der Schutz der Erfinderehre erwächst aus der in § 37 Abs. 1 PatG dargelegten Verpflichtung zur Nennung des Erfinders durch den Anmelder. Aus einer Erfindung wird durch die Anmeldung des Erfindungsgegenstandes zum Patent beim deutschen oder europäischen Patentamt eine Patentanmeldung. Das der Erfindung zugrunde liegende technische Wissen 60 61
Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 89 ff. Fahse, Patentrecht für Ingenieure, S. 31.
30
2 Grundlagen des Patentwesens
wird der Öffentlichkeit offenbart. Mit dem Anmeldevorgang sind rechtliche Konsequenzen verbunden, welche die Rechte des Anmelders62 schützen. Diese äußern sich in dem so genannten Prioritätsrecht, das dem Anmelder mit dem Tag der Anmeldung eingeräumt wird. Ab diesem Zeitpunkt ist er der Einzige, der ein Patent für die angemeldete Erfindung erlangen kann. Zwar kann er Dritten bis zur endgültigen Erteilung des Patentes die Auswertung der Erfindung noch nicht verbieten. Jedoch kann der Inhaber des Prioritätsrechts von jedem Dritten, der seine Erfindung benutzt, nach § 33 Abs. 1 PatG eine angemessene Entschädigung verlangen, sofern dieser „wusste oder wissen musste“, dass die benutzte Erfindung Teil der Patentanmeldung war. Mit der Zurückweisung der Anmeldung entfallen diese vorläufigen Schutzwirkungen und eventuell geleistete Entschädigungen müssen rückerstattet werden63. Im Rahmen dieser Arbeit werden unter dem Begriff Erfindung auch Patentanmeldungen subsumiert, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird. 2.9.2 Patent Für eine Erfindung, die die Voraussetzungen des Patentrechts erfüllt, wird ein Patent erteilt. Bei einem Patent handelt es sich um einen staatlichen Verwaltungsakt, durch den die Erfindung als schützbar anerkannt und dem Anmelder ein Ausschließlichkeitsrecht zur Nutzung des Patentgegenstandes (der Erfindung) eingeräumt wird. Durch die Vergabe von Patenten will der Staat den Erfinder dazu veranlassen, sein Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen und gewährt ihm im Gegenzug eine langjährige Vorzugsstellung. Allerdings sind an eine Erfindung eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, damit dieses Tauschgeschäft zwischen Staat und Anmelder zustande kommt. Nach § 1 PatG werden „Patente für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind“. Diese Voraussetzungen werden durch die §§ 3 bis 5 PatG und durch die laufende Rechtsprechung genauer definiert. Einen Überblick hierzu gibt Abb. 2.6.
62
63
Wenn im Rahmen dieser Arbeit von dem Anmelder einer Erfindung zum Patent die Rede ist, ist derjenige gemeint, der die Anmeldung bei einem Patentamt vorlegt. Dabei muss diese Person nicht zwingend identisch mit der des Erfinders sein. So ist beispielsweise im Falle von Arbeitnehmererfindungen der Anmelder regelmäßig nicht der Erfinder persönlich. Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 124 f.
2.9 Begriffsbestimmungen
Erfindung - Technisch - Wiederholbarkeit - Einsatz beherrschbarer Naturkräfte
31
Neuheit - Absoluter Begriff - Stand der Technik - Öffentlicher Zugang - Erfindungsbezogen
Patent Erfinderische Tätigkeit - Erfindungshöhe - Durchschnittsfachmann - In nicht nahe liegender Weise
Gewerbliche Anwendbarkeit - Eignung zur Herstellung oder Nutzung - Muss nicht gewinnbringend sein
Abb. 2.6 Grundsätze der Patenterteilung
Gemäß § 16 PatG stellt das Patent ein absolutes Recht dar, das dem Inhaber für einen Zeitraum von maximal 20 Jahren ab dem Tag nach der Anmeldung gewährt wird. Es wirkt gegenüber jedem Dritten (ohne rechtliche Beziehungen, wie zum Beispiel durch einen Vertrag) und gewährt dem Inhaber des Patentes das ausschließliche Recht, die patentierte Erfindung wirtschaftlich auszuwerten64. 2.9.3 Patentportfolio Das Portfoliokonzept geht ursprünglich auf Anwendungen im finanzwirtschaftlichen Bereich zur Bestimmung optimaler Portfolios von Wertpapier- und Kapitalanlagen zurück und hat seit Anfang der siebziger Jahre vielfältge Anwendungen in der Unternehmensführung, im Marketing und im Technologiemanagement erfahren65. Der Grundgedanke aller Portfolio-Darstellungen besteht darin, die Ist-Situationen einzelner Einheiten (Geschäftseinheiten eines Unternehmens, einzelne Produkte, Technologiefelder, Patente etc.) in einer zweidimensionalen Matrix abzubilden, um so Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten zu können66. Die 64 65 66
Beier/Heinemann, Patent- und Musterrecht, Einführung, S. XI (XXII). Pleschak/Sabisch, Innovationsmanagement, S. 66. Brockhoff, Forschung und Entwicklung: Planung und Kontrolle, S. 156.
32
2 Grundlagen des Patentwesens
hoch
Investieren
mittel niedrig
Technologieattraktivität
Dimensionen der Achsen können hierbei im Prinzip frei gewählt werden. In der Regel handelt es sich jedoch um eine Umweltdimension, das heißt um eine Größe, die vom Unternehmen nicht oder nur sehr beschränkt beeinflusst werden kann, und um eine unternehmensinterne Dimension, also eine direkt vom Unternehmen beeinflussbare Größe. Häufig werden komplexe Faktoren zur Erfassung der Dimensionen verwendet, die sich aus einer Reihe von Einzelfaktoren zusammensetzen67.
Selektieren
Desinvestieren
niedrig
mittel
hoch
Relative Patentposition
Abb. 2.7. Beispielhafte Darstellung eines Patentportfolios mit zehn Technologiegebieten (nach Brockhoff 1994)
Mit Hilfe von Patentportfolios können die Patentpositionen von Unternehmen in einzelnen Technologiefeldern analysiert und bewertet werden. Anhand von Abb. 2.7 wird im Folgenden die Grundstruktur von Patentportfolios erläutert. Voraussetzung für die Erstellung eines derartigen Patentportfolios ist die zweckmäßige Abgrenzung von für das Unternehmen relevanten Technologiefeldern. Dabei ist es erforderlich, dass alle relevanten Technologiefelder berücksichtigt werden, auch wenn sie von Wettbewerbern beherrscht werden68. 67 68
Pleschak/Sabisch, Innovationsmanagement, S. 66. Brockhoff, Forschung und Entwicklung: Planung und Kontrolle, S. 167.
2.9 Begriffsbestimmungen
33
Auf der Abszisse wird die relative Patentposition in den zuvor definierten Technologiefeldern abgetragen. Diese bemisst sich anhand der Anzahl der erteilten Patente im betrachteten Technologiefeld im Vergleich zum stärksten Wettbewerber. Die relative Patentposition stellt die unternehmensinterne Dimension des Patentportfolios dar. Sie kann durch entsprechende Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen direkt gesteuert werden69. Auf der Ordinate wird die Attraktivität der dargestellten Technologiefelder abgetragen. Diese wird gemessen anhand der durchschnittlichen Wachstumsrate der Patentanmeldungen in den letzten vier Jahren relativ zur durchschnittlichen Wachstumsrate der Patentanmeldungen der letzten sechzehn Jahre70. Somit handelt es sich bei der Technologieattraktivität um eine Umweltdimension, auf die nicht gezielt Einfluss genommen werden kann. Die Bedeutung der einzelnen Technologiefelder für das Unternehmen wird durch die Größe der Kreisfläche repräsentiert. Sie ergibt sich aus dem Anteil der Patente des betrachteten Technologiefeldes relativ zur gesamten Anzahl der Patente des Unternehmens. Somit wird ersichtlich, auf welche Technologien das betrachtete Unternehmen seine Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen konzentriert71. Zu den Schlussfolgerungen, die aus einem Patentportfolio gezogen werden können, sind zwei Anmerkungen zu machen. Auf der einen Seite sind mit Hilfe von Patentportfolios nicht nur Aussagen über die Gesamtsituation eines Unternehmens möglich, sondern auch Aussagen über die Wertigkeit einzelner Patente für das Unternehmen. Für diese können aus der Zuordnung zu bestimmten Technologiefeldern, die eine definierte Position innerhalb des Portfolios innehaben, Rückschlüsse auf ihren Wert und ihre Bedeutung für das Unternehmen gezogen werden. Auf der anderen Seite können Patentportfolios nicht nur für Unternehmen erstellt werden. Prinzipiell kann für eine beliebige Bezugseinheit ein solches Portfolio generiert werden. So kann zum Beispiel auch eine einzelne Geschäftseinheit eines Unternehmens betrachtet werden, um technologische Stärken und Schwächen dieser zu identifizieren. Auf die Alternativen bei der Wahl der Bezugseinheit und auf die genaue Bestimmung der Dimensionen relative Patentposition und Technologieattraktivität wird in den Ausführungen zu Technologieportfolios in Abschn. 4.4.2 Technologiebezogene Patent-Portfolie-Analyse und im Rahmen der Bewertung von Patentportfolios in Abschn. 6.3 genauer eingegangen. 69
70 71
Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 118. Brockhoff, Forschung und Entwicklung: Planung und Kontrolle, S. 167. Brockhoff, Technovation Band 12 1/1992, S. 41 (47).
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
Die Bedeutung des Patents für das Unter nehmen
Im Grundlagenteil wurde die generelle Verwertbarkeit von Patentdaten für eine Analyse eigener und fremder Patente hergeleitet. Es wurde gezeigt, dass im Rahmen des Patentwesens umfangreiche und aktuelle Informationen aufbereitet und für jedermann zur Verfügung gestellt werden. In diesem Kapitel wird nun auf die Bedeutung und die Rolle des Patents für das Unternehmen eingegangen. Ziel ist es, aufzuzeigen, inwiefern Patente zum Unternehmenserfolg beitragen, wie Patentaktivitäten und strategische Planung zueinander stehen, welche Funktionen dabei das Patentmanagement übernimmt und welche Patentstrategien erfolgreiches Wirtschaften unterstützen können. Die geläufigste Assoziation mit dem Patentbegriff bezieht sich auf das Ausschließlichkeitsrecht. Wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, wird durch die Patenterteilung das zeitlich begrenzte, alleinige Nutzungsrecht der Erfindung gewährt. Auf welche Art und Weise der Erfinder mit diesem Recht umgeht und es verwertet, bleibt allein ihm überlassen. In Abschn. 3.1 „Die unternehmerische Verwertung von Patentrechten“ wird auf mögliche unternehmerische Verwertungsarten der Patentrechte eingegangen und diese mit Beispielen unterlegt. Die Schutzfunktion des Patents muss je nach geographischer und zeitlicher Ausdehnung des Schutzes teilweise teuer erkauft werden. Zu den reinen Patentgebühren kommen Aufwendungen für Patentanwälte, Freistellung von Mitarbeitern und Arbeitsmitteln zur Ausarbeitung der Patentschrift und ähnliches. In der Praxis wird daher oft auf den Patentschutz verzichtet. Abschnitt 3.2 „Alternative Instrumente zur Sicherung von Innovationen" beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Instrumenten das Ausschließlichkeitsprinzip anderweitig zu sichern. Die Alternativen werden vorgestellt und bewertet. In Zeiten von Globalisierung und steigendem Wettbewerb gewinnt das Patent an Bedeutung. Die Möglichkeit eigene Innovationen rechtlich schützen zu lassen, stellt eine große Chance dar. Viele Unternehmen setzen verstärkt auf Forschung und Entwicklung, um erfolgreich in der Zukunft zu bestehen. „Die Bedeutung von Patenten anhand des unternehmerischen
36
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
Patentierverhaltens“ unterlegt diese Tendenz und wird in Abschn. 3.3 näher beleuchtet. Dieser Abschnitt wird anhand von Zahlen aus der Wirtschaft die steigende Bedeutung von gewerblichen Schutzrechten aufzeigen. In diesem Zusammenhang wird bereits eine erste Kennzahl der Patentanalyse, die Patentaktivität, verwendet. Bei der Betrachtung des Patentierverhaltens wird ein besonderes Augenmerk auf die Position Deutschlands im internationalen Vergleich gerichtet. Gemäß der steigenden Patentaktivität gewinnt das Management von Patenten an Bedeutung. Abschnitt 3.4 „Das Patent im Rahmen des strategischen Managements“ grenzt zunächst den Begriff des strategischen Managements ab und verdeutlicht dann den Zusammenhang von Patenten und strategischer Planung. Dabei wird die Position der Patentanalyse im Rahmen des strategischen Managements erläutert und ihre Bedeutung diskutiert. Abschließend wird auf die Aufgaben und Ziele des Patentmanagements eingegangen und die Rolle der Patentstrategien erklärt.
3.1 Die unternehmerische Verwertung von Patentrechten Unternehmerisches Handeln zielt in erster Linie auf ein erfolgreiches Bestehen im Wettbewerb ab. Alles was zum Unternehmenserfolg beitragen kann, ist für das Unternehmen von Bedeutung. Inwieweit Patente hinsichtlich ökonomischer Ziele verwertet werden können, wird im Folgenden besprochen. Dieses Unterkapitel zeigt Nutzungs- und Verwertungsformen von Patentrechten auf. Es wird verdeutlicht, welche Möglichkeiten und welche Chancen sich durch Patente ergeben können. Ziel ist es, die Vielfältigkeit im Umgang mit dem Ausschließlichkeitsrecht auf der einen Seite und das große ökonomische Potential auf der anderen Seite zu erfassen. Neben dem ursprünglichen, von gesetzgebender Seite angedachten Sinn eines Patentes, nämlich die ausschließliche Vermarktung oder Lizenzierung einer patentgeschützten Erfindung, werden weitere Nutzungsformen angesprochen72. Die nun folgende Einteilung der Nutzungsformen in „Schutz vor Nachahmung“, „Lizenzierung und Verkauf der Patentrechte“ und „Das Tauschpatent und weitere Nutzungsformen“ orientiert sich an der Systematik von Reitzig73.
72 73
Kaufer, The Economics of the Patent System, S. 19. Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 60 ff.
3.1 Die unternehmerische Verwertung von Patentrechten
37
3.1.3 Schutz vor Nachahmung In der Literatur wird als wichtigste Eigenschaft eines Patents der Schutz vor Nachahmung und damit die Sicherung des Wettbewerbsvorsprungs genannt74. Aus Unternehmenssicht ist dies die Hauptmotivation Patente anzumelden. Damit keine weiteren Unternehmen in den das Patent betreffenden Markt eintreten können, wird von der Möglichkeit ein produktoder prozessbezogenes Schutzrecht zu erlangen, Gebrauch gemacht. Ein Unterschied im Patentierverhalten existiert dabei aufgrund der Größe des Unternehmens. Kleine, umsatzschwächere Unternehmen nennen meist ausschließlich Schutz und Sicherung im Wettbewerb als Grund der für sie teueren Patentanmeldung. Große Unternehmen dagegen melden aus weiteren Überlegungen Patente an. Die stärkere internationale Ausrichtung ihrer Geschäftstätigkeit und die im Vergleich zu potentiellen Marktvolumen gering einzustufenden Patentgebühren ermöglichen Patentanmeldungen zu rein strategischen, langfristigen Absicherungen auch ausländischer Märkte. Die Kosten werden in Kauf genommen, da die Sicherung des Wettbewerbsvorsprungs auch zu späteren Zeitpunkten gewinnträchtige Umsätze in Aussicht stellt. Unabhängig von der Unternehmensgröße bleibt festzuhalten, dass der Schutz vor Nachahmung im Mittelpunkt steht. Dies ist auch der ursprüngliche Grund für die Vergabe von Schutzrechten auf Erfindungen. Die teils aufwendigen F&E-Aktivitäten sollen durch eine Art zugesichertes Monopol zu einer lohnenden Investition werden75. Der bekannteste Fall einer Schutzrechtsverletzung, die den Wert eines Patents widerspiegelt, betrifft einen Rechtsstreit im Sofortbildgeschäft zwischen Kodak und Polaroid. Kodak hatte bei der Entwicklung seiner Sofortbildkameras die Patente seines wesentlich kleineren Konkurrenten Polaroid nicht berücksichtigt und über die Jahre mehrere Patentrechte und deren Ansprüche verletzt. Im Jahr 1990 endete der daraus entstandene Patentstreit zugunsten des kleinen, aber durch die Patente mehr als ebenbürtigen Unternehmens Polaroid. Kodak verlor das Verfahren und wurde dazu verurteilt Schadensersatz in Höhe von 925 Millionen Dollar an Polaroid zu zahlen. Darüber hinaus musste Kodak eine Produktionsanlage im Wert von 1,5 Milliarden Dollar schließen, 700 Mitarbeiter entlassen, ein F&E-Projekt stoppen und als Totalverlust abschreiben, etwa 500 Millionen Dollar für den Rückkauf der bereits im Handel befindlichen Sofortbildkameras aufwenden und Anwaltskosten in Höhe von etwa 100 Millionen
74 75
Däbritz, Patente, S. 53. Greipl/Träger, Wettbewerbswirkungen der unternehmerischen Patent- und Lizenzpolitik, S. 53 f.
38
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
Dollar begleichen. Insgesamt betrug, abgesehen vom Imageverlust, der rein finanzielle Schaden für Kodak etwa 3 Milliarden Dollar76. In den Bereich des Schutzes vor Nachahmung fällt auch die nächste Nutzungsvariante von Patentrechten. Es handelt sich dabei um eine Unterform der ursprünglichen Patentidee, die sogenannten Sperrpatente. Wird ein Patent nicht zur alleinigen Produktion eines Gutes genutzt, sondern ausschließlich aufrechterhalten um die Produktion durch andere zu verhindern, so spricht man von einem Sperrpatent. Der Nutzen durch das Sperren eines Konkurrenten ist dabei größer als der Nutzen durch eine eigene Produktion. Bei einer Umfrage von Cohen/Nelson/Walsh unter Unternehmen wurden sowohl der Schutz vor Nachahmung als auch die Möglichkeit der Sperrung als ein wichtiger Grund zur Anmeldung und Aufrechterhaltung von Patenten genannt. Den reinen produkt- oder prozessbezogenen Schutz gaben 96% (produktbezogen) bzw. 78% (prozessbezogen) der Befragten als Hauptziel der Schutzrechte an. Die Sperrung von Wettbewerbern hielten 84% (produktbezogen) bzw. 64% (prozessbezogen) der Unternehmen für die Hauptursache der Patentanmeldungen77. Eine weitere Studie des Europäischen Patentamtes zur Nutzung des Patentschutzes in Europa kam zu ähnlichen Ergebnissen. Unternehmen aus den USA, Japan und Deutschland ließen sowohl reinen Schutzpatenten als auch Sperrpatenten eine große Bedeutung zukommen, wobei die Sperrung von Wettbewerbern sogar als geringfügig wichtiger bewertet wurde78. In einer Studie von Greipl/Träger nannten 95% der Befragten den Schutz vor Nachahmung als Argument, ohne dass hier nach Sperrpatenten unterschieden wurde. Dagegen ließ diese Studie erkennen, dass vor allem große Unternehmen sowohl in den Schutz vor Nachahmung (100%), als auch in der Sicherung eines Marktgebietes (60%) den Hauptgrund für ein anzustrebendes Patentrecht sehen79. 3.1.1 Lizenzierung und Verkauf der Patentrechte Lizenzierung und Verkauf stellen eine Möglichkeit dar, die Patentrechte direkt in finanzielle Mittel umzuwandeln. In den letzten Jahren konnte beobachtet werden, dass die Akzeptanz, technologisches Wissen als kommerziell verwertbare Ressource anzuerkennen und damit zu handeln, 76 77 78 79
Rivette/Kline, Rembrands in the Attic, S. 64. Cohen/Nelson/Walsh, in: NBER (Hrsg.), Working Paper No. 7552, Abb. 7. Europäisches Patentamt EPA, Nutzung des Patentschutzes in Europa, S. 98 f. Greipl/Träger, Wettbewerbswirkungen der unternehmerischen Patent- und Lizenzpolitik, S. 55.
3.1 Die unternehmerische Verwertung von Patentrechten
39
ständig zunimmt80. Es sind viele Unternehmen bekannt, die durch eine intensive Lizenzierungspolitik große Gewinne erwirtschaften. Als ein Beispiel soll an dieser Stelle IBM angeführt werden. Während im Jahr 1990 die Einnahmen aus Patent- und Lizenzgebühren noch etwa 30 Millionen Dollar betrugen, wurden diese Einnahmen innerhalb der nächsten zehn Jahre durch eine energische Verwertungsstrategie auf etwa eine Milliarde Dollar gesteigert. Dabei ist zu bemerken, dass es sich bei dieser Summe um jährliche Nettoeinnahmen handelt, die für ein Neuntel des IBM-Jahresgewinnes vor Steuern verantwortlich sind. Ein vergleichbarer Nettoerlös wäre durch den Umsatz von Produkten im Wert von etwa 20 Milliarden Dollar generierbar, was wiederum einem Viertel des weltweiten IBM-Umsatzes entspricht81. Bei der Lizenzierung gestattet der Lizenzgeber im Rahmen eines Lizenzvertrages dem Lizenznehmer in der Regel gegen ein Entgelt ein Schutzrecht und/oder Know-how gewerblich zu nutzen82. Grundlage dafür ist die Regelung aus § 15 Abs. 2 PatG, die besagt, dass Rechte aus dem Patent ganz oder teilweise Gegenstand von ausschließlichen oder nicht ausschließlichen Lizenzen sein können. Eine ausschließliche Lizenz, auch Exklusivlizenz genannt, übergibt dem Lizenznehmer das alleinige Recht auf Verwertung. Nicht ausschließliche Lizenzen oder auch einfache Lizenzen übertragen lediglich das Benutzungsrecht, während das Verfügungsrecht beim Lizenzgeber bleibt83. Daneben gibt es unzählige Varianten, was die inhaltliche Ausgestaltung angeht. Zum einen ist der Unterschied zwischen Patentlizenzen und Know-How-Lizenzen zu erwähnen. Bei Letzteren handelt es sich um rechtlich nicht abgesicherte Unternehmensgeheimnisse meist technischer Natur, die ebenfalls über Verträge weitergegeben werden können. In der Praxis geschieht dies häufig zusammen mit patentiertem Wissen. In diesem Fall spricht man von gemischten Lizenzen. Eine weitere Differenzierung betrifft den Umfang der übertragenen Rechte. Beschränkte Lizenzen grenzen das Nutzungsrecht hinsichtlich zeitlicher oder räumlicher Aspekte ein, während unbeschränkte Lizenzen keine Einschränkung vornehmen. Einen Überblick über verschiedene Lizenzarten gibt Abb. 3.1. Patentinhaber, sofern sie ihre allgemeine Lizenzbereitschaft erklären, nur die Hälfte der jährlich fälligen Patentgebühren zahlen müssen. Unter der allgemeinen Lizenzbereitschaft wird dabei verstanden, dass man sich 80
81 82 83
Schramm/Kluge/Krempin u.a., Online Informationen der Deutschen Patentinformationszentren, S. 35 f. Rivette/Kline, Harvard Business Manager 4/ 2000, S. 28 (29). Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 253. Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management S. 254.
40
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
Ansatzpunkte für die Systematisierung
Kriterium
Lizenzarten
Lizenzobjekt
Vorhandensein von Schutzrechten
Patentlizenzen Know-How-Lizenzen Gemischte Lizenzen
Umfang der übertragenen Unbeschränkte Lizenzen Nutzungsrechte/Restriktionen Beschränkte Lizenzen (sachlich beschränkt: Montagelizenzen) Herstellungslizenzen Vertriebslizenzen Benutzungslizenzen (räumlich beschränkt: Zeitlizenzen) Lizenzgeber
Identität mit dem „Hersteller“ Unmittelbare Lizenzen der Kenntnisse Unterlizenzen
Lizenznehmer
Zahl der Nutznießer im selben Ausschließliche Lizenzen Gebiet Einfache Lizenzen Organisationsformen
Persönliche Lizenzen Betriebslizenzen Konzernlizenzen
Zustandekommen der Lizenz
Freiwilligkeit
Zwangslizenzen (§ 15 DpatG) Vereinbarte Lizenzen
Vereinbartes Entgelt
Berechnungslizenzen
Pauschallizenzen Stücklizenzen Quotenlizenzen (Umsatzlizenzen, Gewinnquotenlizenzen)
Abb. 3.1. Systematik der Lizenzarten (nach Specht/Beckmann/Amelingmeyer )
gegenüber jedermann bereiterklärt, gegen eine angemessene Lizenzgebühr, die Benutzung der Erfindung zuzulassen. Neben dem wirtschaftlichen Interesse des Patentinhabers die erkauften Schutzrechte durch die Vergabe von Lizenzen zu verwerten, ist auch der Staat darauf bedacht, Anreize für die Verbreitung von technischem Wissen und Innovationen zu schaffen. Man erhofft sich durch einen derartigen Erfahrungsaustausch weitere Impulse für neue Ideen und Produkte. So bleibt zum einen das grundlegende Ziel Forschung und Entwicklung und daraus entstandene Erfindungen zu schützen bestehen und zum anderen wird der Weg bereitet für den Austausch und Transfer von technischem Wissen gemäß § 23 PatG. 3.1.2 Das Tauschpatent und weitere Nutzungsformen Neben dem Schutz vor Nachahmung und der direkten Verwertung der Patentrechte durch Lizenzierung wird patentiertes Wissen immer häufiger gegeneinander getauscht. Man spricht in diesem Zusammenhang von
3.1 Die unternehmerische Verwertung von Patentrechten
41
sogenannten Tauschpatenten. Vor allem in Bereichen von Anwendungen, denen eine Vielzahl von Technologien zugrunde liegen, ist der Zugang nur über Technologien möglich, deren Patentrechte bereits Dritte besitzen. Ein Beispiel stellt die Halbleiterbranche dar. Eine Studie von Hall und Ham-Ziedonis zeigt, dass hier Patente als eine Art technologische Währung verwendet werden. Die Herausgabe von Wissen und Information erfolgt meist ausschließlich gegen andere Patentrechte, die wiederum ein Teil des Ganzen darstellen. Nur wer interessante Innovationen aufweisen kann, ist in der Lage das gesuchte Wissen und die benötigten Rechte zu tauschen. Die mitunter große Bedeutung von Patentrechten als Tauschobjekt wird in folgendem Beispiel deutlich. Es geht um die Unternehmen Intel und S3, die beide auf dem Sektor der Mikrochips tätig sind. Anfang 1998 war S3 ein eher unbedeutendes Unternehmen im genannten Bereich. Durch die Patentstrategie von Intel, die versuchten durch Umzäunungs- und Sperrpatente Wettbewerber zurückzudrängen, bestand die Gefahr, dass S3 in ihrem Geschäft mit Grafikchips gestoppt wird. In dieser Situation entschloss sich S3 den übermächtigen Konkurrenten Intel beim Kauf der Patente eines bankrotten Chipherstellers anonym zu überbieten. Unter den Patenten war eines, das bereits vor den entsprechenden Patenten von Intel angemeldet wurde und wichtige Ansprüche auf Eigenschaften von Chips der nächsten Generation enthielt. Nachdem sich S3 als Käufer zu erkennen gab, war Intel gezwungen, die von S3 benötigten Lizenzen gegen das Nutzungsrecht auf deren ersteigerte Patentrechte zu tauschen, um ungehindert weiterzuarbeiten84. Ergänzend zu den bereits erwähnten Möglichkeiten zur Verwertung von Patentrechten soll nun noch kurz auf einige weitere eingegangen werden. Auch wenn jede Form der Nutzung je nach Unternehmen und Manager anders beurteilt und eingeordnet wird, bleibt festzuhalten, dass der Schutz vor Nachahmung inklusive der Sperrpatente, die Lizenzierung bzw. Verkauf von Patentrechten und der Tausch von Lizenzen die ökonomisch wichtigsten Verwendungsformen darstellen. Zu den weiteren Nutzungsformen in Anlehnung an die Patentfunktionen gehört die Motivierungsfunktion, die Reputationsfunktion und die Täuschungsfunktion des Patents. Die Motivierungsfunktion umfasst die Möglichkeit ein Anreizsystem zu installieren das Mitarbeiter anhand ihres Patentierverhaltens bewertet und auszeichnet. Bei Schramm/Kluge/Krempin findet man ein Beispiel, in dem auch die Auswahl von Spitzenkräften der Forschung über deren Patentiervergangenheit erfolgreich geschehen kann85. Die Reputationsfunktion weist 84 85
Rivette/Kline, Rembrandts in the Attic, S. 62. Schramm/Kluge/Krempin u.a., Online Informationen der Deutschen Patentinformationszentren, S. 54 f.
42
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
auf die Verwendung von Patenten zu Zwecken der Werbung und Imagegestaltung hin. In besonderer Weise kann somit eine technologische Führungsrolle unterstrichen werden und die öffentliche Einschätzung technologischer Stärken in positiver Hinsicht gefördert werden. In diesem Zusammenhang findet man bei Huch auch den Begriff „Werbepatent“. Ebenfalls bei Huch wird von sogenannten Verwirrungspatenten gesprochen, die Konkurrenten täuschen sollen und ein falsches Bild der eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeit wiedergeben. Dies ist unter der Täuschungsfunktion von Patenten zu verstehen86.
3.2 Alternative Instrumente zur Sicherung von Innovationen Die Hauptfunktionen eines Patents sind, wie in Kap. 2 erläutert, die Schutzfunktion und die Informationsfunktion. Für den Anmelder ist vor allem die Schutzfunktion von Bedeutung, da sie die alleinigen Nutzungsrechte an der Erfindung für einen begrenzten Zeitraum in einem festgelegten räumlichen Rahmen sichert. Diese Rechte, die zur Rückgewinnung hoher Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen beitragen sollen, müssen erkauft werden. Für viele Erfinder stellt sich daher die Frage, ob diese zusätzlichen Kosten notwendig sind um die patentierbare Innovation zu schützen, oder ob es Alternativen zu den erkauften Schutzrechten gibt. Viele Unternehmen verzichten in der Praxis auf einen Schutz ihrer Innovationen. Gründe dafür sind unter anderem: x Als zu schwierig und zu lange empfundene Prüfungsverfahren, x voraussichtlich kurze Lebensdauer der Produktneuheit durch das hohe Innovationstempo der Branche (bspw. Elektrotechnik), x hohe Gebühren des Patentverfahrens, x schwer feststellbare Patentverletzungen und sich daran anschließende teure Patentprozesse und x zu frühe Offenlegung der Patentschrift87. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die nicht auf eigene Patentabteilungen zurückgreifen können und daher Patentanwälte mit der Anmeldung beauftragen müssen, entscheiden sich oft aus Kostengründen gegen eine Anmeldung. Für große Unternehmen stellt dagegen die Anmeldung einer schutzwürdigen Erfindung einen alltäglichen Prozess dar. Die Kosten86 87
Huch, Die Industriepatentabteilung, S. 59. Greipl/Träger, Wettbewerbswirkung der unternehmerischen Patent- und Lizenzpolitik, S. 56 ff.
3.2 Alternative Instrumente zur Sicherung von Innovationen
43
Sicherung des Ausschließlichkeitsprinzips der Wissensnutzung durch
Schutzrechte
Patente Musterschutz - Gebrauchsmuster - Geschmacksmuster Zeichenschutz
Faktische Hinderung des Wissenstransfers Konstruktive Vorkehrungen an Produkten Geheimhaltung von Prozessen, Formeln usw.
Know-HowSchutz
Instrumente mit Aneignungswirkung Zeitvorsprünge Überragende Verkaufs- und Serviceleistungen Kostenvorteile durch Lernkurveneffekte
Abb. 3.2. Systematisierung von Instrumenten zur Sicherung von Innovationen und Erfindungen (nach Brockhoff 1994)
frage tritt in den Hintergrund und die möglichen Potentiale einer Patentanmeldung überwiegen. Dennoch ist unabhängig von der Unternehmensgröße die Anmeldung jedes mal neu zu beurteilen. Als Alternativen zur Anmeldung nennt Reitzig ausschließlich die Geheimhaltung88. Greipl/Träger untersuchten die Hemmfaktoren der Patentierneigung und sahen ebenfalls in der Geheimhaltung eine Alternative zur Patentanmeldung89. Bei Brockhoff findet man eine ausführlichere Diskussion möglicher alternativer Instrumente zur Sicherung des Ausschließlichkeitsprinzips90. Patentrechte sichern die ausschließliche Nutzung der patentierten Erfindung und ihrer Ansprüche. Dieses Ausschließlichkeitsprinzip der Wissensnutzung kann auch über andere Wege erreicht werden. Neben der Veröffentlichung der Innovation und gleichzeitigem Erlangen von Schutzrechten ist die faktische Hinderung des Wissenstransfers die bedeutendste Alternative. Darüber hinaus werden in der Literatur der Know-how-Schutz und einige weitere Instrumente mit Aneignungswirkung diskutiert. Abbildung 3.2 zeigt diese Instrumente , auf welche in den darauffolgenden Abschnitten detaillierter eingegangen wird. Während die gewerblichen Schutzrechte gegen die Freigabe von Informationen eine alleinige Nutzung rechtlich sicherstellen, wird dies bei der faktischen Hinderung des Wissenstransfers durch eine generelle Zurück88 89
90
Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 39. Greipl/Träger, Wettbewerbswirkung der unternehmerischen Patent- und Lizenzpolitik, S. 60. Brockhoff, Forschung und Entwicklung, S. 71 ff.
44
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
haltung der relevanten Eigenschaften der Erfindung zu erreichen versucht. Als Alternative zur Anmeldung kann also die Geheimhaltung angesehen werden. Dabei werden Prozesse, Formeln, usw. – die den Kern der Erfindung darstellen – vor den Wettbewerbern geheimgehalten. Dies kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass jegliche Art von ungewolltem Know-how-Transfer unterbunden wird. Dazu ist es notwendig den Mitwisserkreis gering zu halten, Besichtigungen und ähnliches nicht auf alle Betriebsbereiche auszudehnen usw. Bei Umfragen zu den Gründen für eine Nichtanmeldung von technischen Erfindungen war gerade für große Unternehmen die Tatsache, dass eine Geheimhaltung möglich erscheint, der Hauptgrund von einer Patentierung abzusehen91. Die weitere Möglichkeit den Wissenstransfer faktisch zu behindern und damit die Erfindung zu schützen ist, konstruktive Sicherungsvorkehrungen an den Produkten zu treffen. Eine reine Geheimhaltung reicht bei Produkten in der Regel nicht aus, da das Produkt sobald es auf den Markt kommt, von den Konkurrenten ausgiebig analysiert und nachgeahmt werden kann. Zusätzliche konstruktive Sicherheitsvorkehrungen machen es den Wettbewerbern bei Produkten schwer, die Erfindung umfassend zu verstehen und nachzumachen. Zu den konstruktiven Maßnahmen gehören z. B. die Einbettung und Kapselung der Neuerung (engl.: potting), sowie die Selbstzerstörung und der Schutz gegen Nachkonstruktion (engl.: reverse engineering). Jedoch ist der Patentschutz den faktischen Schutzmaßnahmen gerade dann vorzuziehen, wenn: x Erfindungen sich auf Produkte und nicht auf Prozesse beziehen. Produktinnovationen sind leicht zu durchschauen und können effektiv nur durch gesetzliche Schutzrechte gesichert werden, x faktische Schutzmaßnahmen nicht den gewünschten Grad an Zuverlässigkeit versprechen und in der Erfindung ein hohes ökonomisches Potential vermutet wird und x die voraussichtliche Nutzungsdauer des Wissens lang ist. Eine lange Nutzungsdauer lässt auf eine grundlegende und damit wichtige und ökonomisch interessante Erfindung schließen, deren dauerhafte alleinige Nutzung nur durch rechtlichen Schutz gesichert werden kann92. Der Know-how-Schutz betrifft im Vergleich zu den faktischen Schutzmaßnahmen mehr die Aneignung von Wissen als den eigentlichen Schutz und die langfristige Sicherung der Erfindung und erst darüber den Forschungs- und Entwicklungsoutput. Unter Know-How versteht man dabei die 91
92
Greipl/Träger, Wettbewerbswirkung der unternehmerischen Patent- und Lizenzpolitik, S. 57. Kern/Schröder, Forschung und Entwicklung in der Unternehmung, S. 67 f.
3.2 Alternative Instrumente zur Sicherung von Innovationen
45
individuellen Fähigkeiten eines Unternehmens, die sich nicht durch Schutzrechte absichern lassen93. Es wird zwischen funktionalen und kulturellen Fähigkeiten unterschieden. Funktionale Fähigkeiten beziehen sich auf das Wissen und Können einzelner Mitarbeiter und die Begabung dies umzusetzen. Kulturelle Fähigkeiten betreffen das gesamte Unternehmen hinsichtlich Organisationsform, Werten und Einstellungen. Dazu gehört beispielsweise die Anpassungsfähigkeit an ein sich wandelndes Umfeld oder die interne Vermittlung einer erfolgversprechenden Unternehmensphilosophie94. Der Know-how-Schutz hat zum Ziel die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Forschungs- und Entwicklungstätigkeit wie etwa die langfristige Bindung von besonders qualifizierten Mitarbeitern auf Dauer zu gewährleisten. Im Unterschied zu den Schutzrechten und faktischen Schutzmaßnahmen zielt der Know-how-Schutz nicht auf einzelne Forschungsergebnisse ab, sondern dient den Voraussetzungen zur Aneignung von technischem Wissen im Allgemeinen. Know-how-Vorteile werden als wichtigstes Schutzinstrument zur Aneignung und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen gesehen. Eine langfristige Sicherung des bereits existierenden Wissens ist jedoch nicht möglich. Aufbauend auf dem Know-how eines Unternehmens nennen Levin/ Klevorick/Nelson u. A. weitere Instrumente mit Aneignungswirkung auf technisches Wissen. Zum einen sind dies die Realisierung von Zeitvorsprüngen, die einen entscheidenden Vorteil im Wettbewerb verschaffen und für eine begrenzte Zeit eine ausschließliche Nutzung von Innovationen gestatten. Zum anderen besitzen Kostenvorteile durch Lernkurveneffekte einen ähnlichen Effekt. In Märkten, die vom Preis bestimmt werden, können Lerneffekte eine Art Ausschließlichkeit hervorrufen, wenn kein Konkurrent dem Unternehmen preislich folgen kann. Dadurch können wiederum Mittel für weitere Entwicklungen freigesetzt werden und eine alleinige Vormachtstellung begünstigen. Als dritter Punkt werden überragende Verkaufs- und Serviceleistungen angeführt, die ebenfalls im Vergleich zu den Wettbewerbern einen derart großen Vorteil darstellen können, dass eine ausschließliche Berücksichtigung der durch das Unternehmen bereitgestellten Leistungen stattfindet. Durch diese drei genannten Instrumente erfolgt wiederum kein direkter Schutz von patentierbarem Wissen. Vielmehr handelt es sich um Wettbewerbsvorteile, mit denen der Effekt der Ausschließlichkeit über den Wettbewerb realisiert werden kann95. 93
94 95
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 25. Hall, Strategic Management Journal Bd. 14 Nr. 8 1993, S. 607 (614). Levin/Klevorick/Nelson u.a., Brookings Papers on Economic Activity Bd. 3 1987, S. 783 (794).
46
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die faktischen Schutzmaßnahmen eine Alternative zu den gewerblichen Schutzrechten und damit den Patentrechten darstellen. Gerade die Geheimhaltung von relevanten Informationen kann vor allem bei Prozessinnovationen einen Ausschließlichkeitseffekt hervorrufen. Jedoch ist zu bedenken, dass ein langfristiger und sicherer Schutz nur durch das Patent erreicht wird. Sowohl Geheimhaltung als auch konstruktive Maßnahmen sind einer gewissen Unsicherheit ausgesetzt. Ist die Erfindung von den Wettbewerbern durchschaut, gibt es keine Möglichkeit rückwirkend die alleinige Nutzung zu erwirken. Bedenkt man, dass einige Erfindungen einen großen F&E-Aufwand benötigen, stellt diese Unsicherheit ein sehr großes Risiko dar. Entwicklungskosten im mehrstelligen Millionenbereich sind keine Seltenheit. Für einen neuen Nassrasierer muss mit etwa 75 Millionen Euro, für ein pharmazeutisches Produkt mit etwa 125 Millionen Euro und für eine neue PkwHinterachse mit etwa 500 Millionen Euro Entwicklungskosten gerechnet werden96. Lässt man es zu, dass Wettbewerber die erlangte Technologie benutzen oder gar Produkte kopieren, sind die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung nicht wieder zurückzugewinnen. Nur die Patentierung kann hier für ausreichenden Schutz sorgen. Die unter den Schlagwörtern Know-how-Schutz und Instrumente mit Aneignungswirkung erläuterten Alternativen zum Erreichen des Ausschließlichkeitseffekts beziehen sich mehr auf die der Erfindung vorgelagerten Prozesse der Wissensaneignung und Umsetzung. Es handelt sich um unternehmensinterne Fähigkeiten und Eigenschaften, die in den Bereich der strategischen Wettbewerbsvorteile fallen. Werden sie konsequent verfolgt und letztendlich erreicht, können auch sie über den Wettbewerb zu einem Schutz von Innovationen beitragen. Sie enthalten aber keinen direkten Ausschließlichkeitseffekt. Als Schutzinstrument für technisches Wissen stellen sie keine Alternative zur Patentierung oder Geheimhaltung dar97. Vielmehr sind sie als Voraussetzung und Unterstützung von Innovationen zu sehen, wie etwa ein Zeitvorsprung die Grundlage einer Erfindung ist.
3.3 Die Bedeutung von Patenten anhand des unternehmerischen Patentierverhaltens Im Abschn. 3.1 wurde aufgezeigt, inwieweit Patente direkt oder indirekt zum Unternehmenserfolg beitragen können. Es konnte belegt werden, dass 96 97
Brockhoff, Forschung und Entwicklung, S.14. Franke, Ifo-Studien Nr. 3-4 1993, S. 307 (313).
3.3 Unternehmerisches Patentierverhalten
47
der Patentschutz eine strategische Bedeutung für das Unternehmen besitzt. Die genannten Beispiele verdeutlichten dabei die ökonomische Relevanz und das Ausmaß möglicher Folgen der Nutzung oder Verletzung von Patentrechten. Die Betrachtung der Alternativen im vorangegangenen Abschn. 3.2 kam zu dem Ergebnis, dass beispielsweise durch die Geheimhaltung der angestrebte Ausschließlichkeitseffekt ebenfalls erreicht werden kann, jedoch dadurch erhebliche Risiken eingegangen werden. Der Grad an Sicherheit, der durch Patentrechte gewährt wird, ist durch keine der genannten Alternativen zu erlangen. Ob die Kombination des ökonomischen Einflusses der Patentrechte einerseits und den fehlenden gleichwertigen Alternativen andererseits auch in der Praxis erkannt und durch eine gezielte Patentpolitik umgesetzt wird, ist die Kernfrage dieses Kapitels. Anhand des Patentierverhaltens soll die theoretische Bedeutung von Patenten mit der praktischen Bedeutung verglichen werden. Im Hinblick auf das Ziel der Arbeit wird so die Grundlage einer Patentanalyse, die Bedeutung von Patenten für das Unternehmen, hergeleitet. Eine Analyse wird nur dann aussagekräftige Empfehlungen für die strategische Ausrichtung eines Unternehmens geben können, wenn die Informationen auf denen sie beruht (in diesem Fall die Patentdaten) eine gewisse Bedeutung für das Unternehmen und die Konkurrenten im Wettbewerbsumfeld besitzen. Das Patentierverhalten soll darüber Aufschluss geben, welchen Stellenwert Patente in Unternehmen zugeschrieben bekommen. Im Folgenden werden die Patentaktivitäten nach nationalem und internationalem Patentierverhalten getrennt wiedergegeben. Zum einen soll die Entwicklung der letzten Jahre aufgezeigt werden und zum anderen wird im internationalen Teil die Aktivität der wichtigsten Länder gegenübergestellt und verglichen. 3.3.1 Patentanmeldungen am Deutschen Patentamt Das Deutsche Patent- und Markenamt DPMA dokumentiert in seiner jährlich veröffentlichten Statistik das Anmeldegeschehen der in der Bundesrepublik Deutschland wirkenden Patentrechte. Dem Geschäftsbericht von 2003 ist zu entnehmen, dass die Anzahl der direkt beim DPMA eingegangenen Patentanmeldungen mit 56.938 im Vergleich zum Vorjahr (2002: 56.909) konstant geblieben ist. Dies könnte auf eine zwar auf hohem Niveau aber dennoch gleichbleibende Bedeutung von Patenten für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen hinweisen. Anhand der Entwicklung der gesamten Patenanmeldungen am DPMA wird jedoch deutlich, dass Patente zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Zahl der gesamten Patentanmeldungen hat sich am DPMA in den letzten 10 Jahren mehr als verdreifacht und ist im Vergleich zu 2002 um
48
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
fünf Prozent auf 142.698 gestiegen. Sie setzt sich zusammen aus der Zahl der direkten Anmeldungen und den aus anderen Prioritäten (wie beispielsweise im Rahmen des Patentzusammenarbeitsvertrages PCT) stammenden Anmeldungen beim DPMA. Gerade die über das PCT eingegangenen Anmeldungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen. In der internationalen Phase, d. h. in der Phase, in der die in anderen Ländern angemeldeten und über das PCT in Deutschland wirkenden Patente erfasst werden, ist die Zahl der Anmeldungen im letzten Jahr um 5 Prozent auf 84.096 gestiegen. In der nationalen Phase, also der Phase in der die Patente auf die einzelnen länderspezifischen Patentämter übergehen und dort endgültig geprüft werden, sind 2003 mit 7.580 Patenten 16 Prozent mehr eingegangen als 200298. Diese Entwicklungen weisen zum einen auf eine Globalisierung und Internationalisierung von Technologie und Wirtschaft hin. Immer mehr Anmelder beantragen für ihre Patente die Schutzrechte gleich in mehreren Ländern, da sie weltweit agieren oder ihre Innovationen vor dem internationalen Wettbewerb schützen wollen. Zum anderen kann die hohe und weiter wachsende Anzahl von Patenten gerade von ausländischen Erfindern auch als ein Indiz für die internationale Bedeutung des deutschen Marktes gelten. Der Anteil der von inländischen Anmeldern eingegangenen Anmeldungen beträgt 2003 33,3%. Die wichtigsten Herkunftsländer ausländischer Anmelder sind die USA (21,9%), Japan (13,8%) und Frankreich (4,8%). Betrachtet man die Patentaktivität über einen längeren Zeitraum, ist wie erwähnt, eine deutlich steigende Tendenz zu erkennen. Abbildung 3.3 fasst die Werte aus den Geschäftsberichten des Deutschen Patent- und Markenamts der letzten Jahre graphisch zusammen99. Im Geschäftsbericht 2003 heißt es, dass die direkt beim DPMA eingegangenen Anmeldezahlen sich auf durchgängig hohem Niveau befinden. Das DPMA hält fest, dass dies ein Indiz für die hohe Attraktivität des Patentwesens bei der heimischen Wirtschaft ist100. Die enorme Zunahme der gesamten auf die Bundesrepublik wirkenden Patentanmeldungen über die letzten Jahre verdeutlicht die stetig wachsende Bedeutung von Patentrechten als ein wichtiges Wettbewerbsinstrument101. Untersucht man das Patentierverhalten etwas genauer, stellt man fest, dass eine Vielzahl von Faktoren in unterschiedlicher Weise die Aktivität beeinflussen. Wie bereits angesprochen ist die Patentierneigung stark abhängig
98
Deutsches Patent- und Markenamt DPMA, Jahresbericht 2003, S. 7. Deutsches Patent- und Markenamt DPMA, Jahresbericht 2003, S. 8. 100 Deutsches Patent- und Markenamt DPMA, Jahresbericht 2003, S. 10. 101 Deutsches Patent- und Markenamt DPMA, Jahresbericht 1999, S. 9. 99
3.3 Unternehmerisches Patentierverhalten
49
160000 DPMA-Direkt+DPMA-PCT internationale Phase* 140000
DPMA-Direkt DPMA-PCT internationale Phase* DPMA-PCT nationale Phase
Anzahl Patentanmeldungen
120000
100000
80000
60000
40000
20000
0 1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
Abb. 3.3. Entwicklung der Patentanmeldungen am DPMA (nach Deutsches Patent- und Markenamt DPMA, Jahresberichte 1999, 2003 und 2004, Anhang Statistik; *die Werte für die internationale Phase werden nach persönlicher Auskunft des DPMA seit 2004 nicht mehr erfasst)
von der Größe des Unternehmens102. In der Statistik des DPMA spiegelt sich dies in dem großen Anteil an Anmeldungen wieder, der nur auf einen geringen Anteil der Anmelder zurückzuführen ist. So sind 2,9% der Anmelder für 53,9% der Anmeldungen verantwortlich. Diese haben in 2003 jeweils 11 und mehr Patente angemeldet103. Als Ursache für die Zurückhaltung kleinerer und mittlerer Unternehmen (im Folgenden: KMU´s) werden ein fehlender Überblick über die Erfolgsaussichten eines Patentrechts zusammen mit den im Vergleich zum Umsatz relativ hohen Kosten angesehen. Die den Kosten gegenüberstehende Unsicherheit des ökonomischen Erfolgs durch das Fehlen eines rechnerisch nachweisbaren Patentertrages lässt diese Unternehmen vor einer Anmeldung zurückschrecken104. Umfangreiche Programme zur Unterstützung der KMU´s bei der Patentierung technologischen Wissens werden daher von entsprechenden Ministerien unterhalten105. Träger, in: Oppenländer (Hrsg.), Patentwesen, technischer Fortschritt und Wettbewerb, S. 231 (234). 103 Deutsches Patent- und Markenamt DPMA, Jahresbericht 2003, S. 13. 104 Träger, in: Oppenländer (Hrsg.), Patentwesen, technischer Fortschritt und Wettbewerb, S. 231 (235). 105 Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF, in: Bundesanzeiger Nr. 226 2001, S. 24505. 102
50
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
Bei Scheffler findet man eine Studie, die weitere Faktoren auf ihren Zusammenhang mit dem Patentierverhalten hin untersucht. Die volkswirtschaftliche Entwicklung wurde im Vergleich zur Entwicklung sowohl der gesamten als auch der branchenbezogenen Patentaktivität betrachtet. Somit konnten volkswirtschaftliche Einflüsse auf die Zahl der Patentanmeldungen analysiert werden. Als Indikator wurde das Bruttosozialprodukt verwendet. Scheffler kam zu dem Ergebnis, dass in dem betrachteten Zeitraum kein erkennbarer Zusammenhang zwischen Bruttosozialprodukt und Patentaktivität besteht. Die Entwicklung der Branchen Maschinenbau, Elektrotechnik, Chemie, mechanische Technologie und Physik, denen gesamtwirtschaftlich eine tragende Rolle zugesprochen wird, lässt ebensowenig Rückschlüsse auf eine Beeinflussung durch die volkswirtschaftliche Situation zu. Gemäß der wirtschaftlichen Bedeutung der Branchen besitzen jedoch die absoluten Zahlen der Anmeldungen eine gewisse Aussagekraft106. So zeigt die Statistik des DPMA, dass die anmeldestärksten Bereiche die Patentklassen B60: Fahrzeuge allgemein (4953 Anmeldungen), F16: Maschinenelemente oder -einheiten (3784 Anm.), H01: Grundlegende elektrische Bauteile (3568 Anm.) und G01: Messen, Prüfen (3500 Anm.) sind107. 3.3.2 Die Patentaktivität auf internationaler Ebene Auch bei der Betrachtung des Patentierverhaltens auf internationaler Ebene fällt insbesondere die steigende Anzahl von Patentanmeldungen auf. In dem Compendium of Patent Statistics 2004 der OECD wird die wachsende Bedeutung von Patentrechten zum Schutz von Erfindungen, abgeleitet von der Patentaktivität wiederholt erwähnt. Während in 1991 60.104 Patente am EPA angemeldet wurden, waren es im Jahr 2000 109.609 Patente. Am US Patent and Trademark Office USPTO wurden im Jahr 1991 107.039 Patente und in 2000 179.658 Patente gezählt. Die Steigerung fand branchenübergreifend statt. Hervorzuheben sind die im Vergleich zur durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 6,9% besonders stark gewachsenen Anmeldungen in den Branchen Biotechnologie und Informations- und Kommunikationstechnologie mit 10,9% bzw. 9,5% jährlichem Wachstum108. Abbildung 3.4 zeigt graphisch die Entwicklung der jährlichen Patentanmeldungen im Zeitraum von 1985 bis 2000 des Europäischen Patentamts. Scheffler, Das Deutsche Patentsystem und die mittelständische Industrie, S. 223 ff. 107 Deutsches Patent- und Markenamt DPMA, Jahresbericht 2003, S. 16. 108 OECD, Compendium of Patent Statistics 2004, S. 6. 106
3.3 Unternehmerisches Patentierverhalten
51
Abb. 3.4. Entwicklung der jährlichen Patentanmeldungen beim EPA (nach OECD 2004)
Von 1994 bis 2000 beträgt die Wachstumsrate 7,8%. Zwischen 1985 und 1993 erreicht sie nur etwa 4,6%. Gründe für die stagnierenden Entwicklung der Kurve zwischen 1989 und 1993 werden nicht genannt. Eine weitere bemerkenswerte Tatsache ist die Internationalisierung von Technologien und Innovationen. Im Rahmen der Patentdaten wird diese durch den Anteil ausländischer Anmelder in bestimmten Ländern wiedergegeben. Anfang der 90er wurden durchschnittlich 10,7% aller Patente in den OECD Staaten durch ausländische Unternehmen und Personen angemeldet. Bis Ende der 90er ist dieser Anteil auf 14,5% gestiegen. Als ein Zeichen der Globalisierung und der zunehmenden Bedeutung von MNU´s kann die Zahl der auf die Triade Japan, USA und Europa ausgeweiteten Patente gelten. Im Jahr 2000 gab es 44.000 Schutzrechte mit weltweiter Geltung. 34,3% der Anmelder kamen aus den USA, 31,4% aus der EU und 26,9% aus Japan. Nur 7,4% waren auf Erfinder aus anderen Ländern angemeldet. Auch ein Blick auf die Verteilung der gesamten Patentanmeldungen der Mitgliedstaaten zeigt, dass 83% der Patente aus den Ländern Frankreich, Japan, USA, England und Deutschland kommen. Es ist jedoch gerade in China, Brasilien und Indien ein stark wachsendes Patentierverhalten festzustellen109. Es bleibt festzuhalten, dass die Betrachtung der nationalen und internationalen Patentaktivität ebenfalls auf eine immer größer werdende Bedeutung von Patenten für Unternehmen schließen lässt. Vor allem große Unternehmen haben das Potential und den Nutzen von Patentrechten als ein Wettbewerbsinstrument erkannt. Die steigenden Patentanmeldezahlen sowohl am 109
OECD, Compendium of Patent Statistics 2004, S. 6.
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3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
DPMA als auch an anderen wichtigen Patentämtern weisen darauf hin, dass die Vorteile von Patentrechten bekannt sind und ein umfassender Schutz von Innovationen über das Patentwesen durch die Unternehmen verfolgt wird. Ferner wird geschätzt, dass etwa 80-90% des weltweiten technischen Wissens in den Patentdokumenten vorhanden und gut recherchierbar aufbereitet ist110. Mit wachsender Bedeutung nimmt auch die Notwendigkeit eines Konzeptes zur Planung, Kontrolle und Steuerung der Patentaktivitäten innerhalb der Unternehmung zu. Große Unternehmen wie IBM und BASF werden in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt. Neben dem Innovationsmanagement als Grundlage und Wegbereiter von F&E-Output wird dem Patentmanagement gerade in KMU´s eine größer werdende Aufmerksamkeit geschenkt, vor allem wenn es um die strategische Planung geht. Der nun folgende Abschnitt befasst sich mit den Aufgaben und Zielen des Patentmanagements und ordnet die Rolle von Patenten in die strategischen Planungsaufgaben ein.
3.4 Das Patent im Rahmen des strategischen Managements In den vorangegangenen Abschnitten wurde die wachsende Bedeutung von Patentrechten für das unternehmerische Handeln erläutert. Anhand der weitreichenden Verwertungsmöglichkeiten, dem Mangel an gleichwertigen Alternativen und der weltweit steigenden Patentaktivität wurde verdeutlicht, dass der Umgang mit Patenten allgemein als ein wichtiges Wettbewerbsinstrument anerkannt wird und den Schutzrechten ein verstärktes Interesse zukommt. Die wachsende Bedeutung lässt mehr und mehr Unternehmen dazu übergehen, die Planung, Steuerung und Kontrolle des Patentierverhaltens intensiver zu betreiben. Gerade in großen Unternehmen wird sich zunehmend um das Patentmanagement gekümmert mit dem Ziel das große Potential von Schutzrechten auszuschöpfen. In diesem Kapitel wird nun das betriebliche Patentmanagement in die Struktur der Unternehmensorganisation und deren Abläufe und Prozesse eingeordnet und beschrieben. Hinsichtlich der Aufgabenstellung der Arbeit wird die Verbindung zwischen der Patentanalyse als ein wichtiges Instrument des Patentmanagements und der strategischen Planung im Rahmen des strategischen Managements hergestellt. Im Folgenden wird zunächst auf die Grundlagen des strategischen Managements eingegangen. Die Begrifflichkeiten, Inhalte und Aufgaben dieser Disziplin werden vorgestellt und diskutiert. Anschließend wird der strategi110
Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 43.
3.4 Das Patent im Rahmen des strategischen Managements
53
sche Bezug von Patenten erläutert und eine Einordnung in das strategische Management vorgenommen. In einem eigenen Abschnitt wird dann auf die Ziele und Aufgaben des Patentmanagements eingegangen. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung der Patentinformationen und die Möglichkeiten der Analyse dieser Daten erklärt. Abschließend werden die aus der Literatur bekannten Patentstrategien einzeln besprochen. 3.4.1 Strategisches Management Das strategische Management existiert als eigenständige Disziplin seit etwa 30 bis 40 Jahren und hat ihren Ursprung in den USA. Die theoretische Entwicklung basiert hauptsächlich auf Arbeiten von Chandler (Strategy and Structure, 1962), Andrews (Business Policy, 1965) und schließlich Ansoff (Corporate Strategy, 1965). Ansoff geht in seinem Werk ausführlich auf die Grundzüge eines strategischen Managements ein. Er fasst strategische Überlegungen in Phasenmodellen zusammen und legt so den Grundstein der strategischen Planung. Er erkennt schon früh die Probleme einer langfristigen Planung und weist auf ihre Grenzen hin. Hauptproblem ist die frühzeitige Erkennung und Prognose von Umweltveränderungen111. In den 70ern beginnt die Wissenschaft sich mehr mit der Beschreibung und Erklärung von empirischen Ergebnissen zu befassen als mit der Formulierung normativer Aussagen. In den folgenden Jahren bilden sich zwei Forschungsstränge heraus. Die Prozessforschung untersucht wie sich Strategien im Unternehmen tatsächlich bilden. Die Inhaltsforschung thematisiert den Zusammenhang zwischen verschiedenen Strategien, wie Unterschiede zwischen Unternehmen entstehen und welche Auswirkungen unterschiedliche Strategien auf den Unternehmenserfolg haben. Porter trägt mit seinen Arbeiten entscheidend zur Entwicklung bei. Er erklärt und identifiziert Wettbewerbsvorteile und ihre Bedeutung für die Erfolgsunterschiede zwischen Unternehmen aus einer marktorientierten Sicht. Später werden die ressourcen- und wissensorientierten Ansätze entwickelt und neue Perspektiven des strategischen Managements kommen auf112. Das strategische Management umfasst ein breites Spektrum an thematischen Forschungsgebieten und auch auf die Praxis bezogen ergibt sich ein weites Aufgabenfeld. Ganz allgemein versucht das strategische Management die Entwicklung von Unternehmen zu gestalten. Es übernimmt dabei die „Steuerung und Koordination der langfristigen Evolution des Unternehmens und seiner Aufgabenumwelten [...] über eine konzeptionelle Gesamt111 112
Müller-Stewens/Lechner, Strategisches Management, S. 7 u. 9. Müller-Stewens/Lechner, Strategisches Management, S. 11.
54
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
:HUWHXQG (LQVWHOOXQJHQGHV 7RS0DQDJHPHQW Langfristige Unternehmensabsichten
Strategische Analyse
Strategiebestimmung
Strategische Kontrolle
8PZHOWEHGLQJXQJHQ
Abb. 3.5. Die strategische Planung im Unternehmen (nach Vorlage des Institutes für Innovations- und Umweltmanagement der Universität Graz )
sicht der Unternehmenspolitik, die einer ständigen kritischen Überprüfung […] unterworfen bleibt“113. Die Abgrenzung des Begriffs „strategisch“ ist nicht immer eindeutig möglich. Kirsch versteht unter strategisch all das, was die Fähigkeiten eines Unternehmens signifikant betrifft. Für Gälweiler ist es das Gefüge sämtlicher, jeweils geschäftsspezifisch erfolgsrelevanter, Voraussetzungen. Verknüpft man strategische Entscheidungen mit dem Begriff des Erfolgspotenzials, so ist das strategisch, was zur Schaffung und Sicherung von Erfolgspotenzialen führt114. Die strategische Planung übernimmt im Rahmen des strategischen Managements die Aufgabe der Schaffung und des Erhalts von Erfolgspotentialen, die auf der operativen Ebene ausgeschöpft werden. Damit beinhaltet die strategische Planung die Abgrenzung von Ziel- und Aktionsräumen von Unternehmen mit der Intention Erfolgspotentiale zu identifizieren und zu erschließen. Ein wesentlicher Aspekt ist das Erkennen von dem Erfolg entgegenstehenden Entwicklungen im Unternehmensumfeld und das rechtzeitige Reagieren, um den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern115. Abbildung 3.5 erfasst graphisch die aufgabenbezogenen Zusammenhänge der strategischen Planung im Unternehmen. Die Werte und Einstellungen des Top-Managements zusammen mit den Umweltbedingungen beeinflussen die langfristigen Unternehmensabsichten. Mit dem Ziel eine erfolgsversprechende Strategie gemäß den Absichten und Zielvorgaben zu bestimmen werden strategische Analysen durchgeführt und ausgewertet. Ein weiteres wichtiges Element ist nach der Bestimmung der strategischen Kirsch/Trux, in: Kirsch (Hrsg.), Unternehmenspolitik, S. 290 (324). Müller-Stewens/Lechner, Strategisches Management, S. 19. 115 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 31. 113 114
3.4 Das Patent im Rahmen des strategischen Managements
55
Ausrichtung die ständige Kontrolle der festgelegten Strategie. Diese wird in einem nächsten Schritt mit den auf Veränderungen des Unternehmensumfeldes reagierenden langfristigen Absichten abgeglichen und falls nötig der Prozess zur Anpassung wiederholt. 3.4.2 Patentfunktionen in der strategischen Planung Patentrechte zeichnen sich vor allem durch ihren lang andauernden Schutz von Innovationen aus. Sie stellen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar und besitzen gleichzeitig ein hohes Erfolgspotential. Ferner schützen sie technologische Erfindungen und haben damit einen direkten Bezug zu den relevanten Fähigkeiten des Unternehmens. Dieses veranlasst zudem nur dann eine Anmeldung, wenn die Erfindung erfolgsversprechend ist und die Erwartung besteht, dass der finanzielle Aufwand sich lohnt. Im Sinne der zuvor gegebenen Definition des Begriffs „strategisch“ handelt es sich bei Patenten um langfristige, strategische Objekte. Patente zielen auf ein zukünftiges erfolgreiches Wirtschaften ab. Ihre Umsetzung in gewerbliche Güter und Produkte erfolgt nicht selten erst vier bis zehn Jahre nach ihrer Anmeldung. Im Rahmen der unternehmerischen Geschäftstätigkeit haben sie damit einen strategischen Charakter116. Neben anderen wichtigen Wettbewerbsvorteilen wie Kostenführerschaft, Qualität, Absatzstruktur, Lieferbereitschaft und -treue usw. ist das Schutzrecht ein in Umfragen zwar als weniger wichtig angesehenes Instrument117, es ist jedoch das einzige, das eine Exklusivität der Nutzung von Innovationen gewähren und garantieren kann. Die Erfolgswirkung von Patenten ist durch empirische Studien belegt. Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen einem ausgeprägten Patentbestand und einem erfolgreichen Bestehen im Markt118. Insgesamt betrachtet spielen die Patentrechte eine wichtige Rolle für die strategische Planung zumindest von technologieorientierten Unternehmen. Die erfolgsversprechende Wettbewerbsposition, die im Rahmen der strategischen Planung ermittelt und verfolgt wird, ist maßgeblich abhängig von der technologischen Orientierung und der Verwertung des technischen Wissens der Unternehmen. Die zentrale Bedeutung des Patents als Schutzrecht des technischen Wissens erfordert ein gezieltes Planen, Steuern und Kontrollieren der Patentaktivität. Die in Abb. 3.5 dargestellten Bestandteile des strategischen Managements können auf ein Management Miele, Patent Strategy, S. 5. Greipl/Träger, in: Oppenländer (Hrsg.), Patentwesen, technischer Fortschritt und Wettbewerb, S. 215 (222). 118 Ernst/Omland, ZfB Ergänzungsheft 2/2003, S. 95 (97). 116 117
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3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
von Patenten für die strategische Planung übertragen werden. Dabei übernehmen die beiden Hauptpatentfunktionen, nämlich die Schutz- und die Informationsfunktion, zwei unterschiedliche Rollen ein. Die Schutzfunktion sichert das strategische Erfolgspotential der durch die Patente geprägten Strategien. Sie stellt die Basis dafür dar, dass Patente einen strategischen Bezug und eine strategische Relevanz besitzen. Das Ausschließlichkeitsrecht bezüglich der Nutzung der Innovation stellt den wichtigsten Wettbewerbsvorteil von Patentrechten dar. Alle weiteren Verwertungsmöglichkeiten, z. B. im Rahmen von Lizenzverträgen, als Werbeträger oder als innerbetriebliches Instrument zur Motivation von Angestellten, ergänzen die Vorteilhaftigkeit, sind jedoch in der Bedeutung geringer einzustufen als die Schutzfunktion119. Die langfristigen Absichten und die Strategiebestimmung richten sich in der Regel nach den Wettbewerbsvorteilen. Für die strategische Planung besitzt die technologische Schutzfunktion von Patentrechten daher eine wichtige Funktion, die bei der strategischen Ausrichtung berücksichtigt werden sollte120. Während die Schutzfunktion die strategischen Absichten und die Bestimmung der Strategie unterstützt, stellt die Informationsfunktion von Patentdokumenten in Anlehnung an Abb. 3.5 eine Basis für die strategischen Analysen und Kontrollen dar. Der Begriff Patentinformation umfasst dabei das Wissen aus Patentdokumenten und das Wissen über Patentdokumente121. Wie bereits erwähnt, enthält die Summe der Patentschriften, die jährlich weltweit etwa um eine Million ergänzt wird, schätzungsweise zwischen 80 und 90 Prozent des gesamten veröffentlichten technischen Wissens. Nur ein kleiner Teil ist auch aus anderen Quellen einzusehen122. Patentinformationen sind dazu geeignet technologie- und marktbezogene Entwicklungen relativ frühzeitig zu erkennen. Dies kommt daher, weil die grundlegende Entdeckung im Patent geschützt und damit veröffentlicht wird, lange bevor die Erfindung in Form von Produkten oder Leistungen auf dem Markt angeboten wird. Daher ist die Patentinformation für strategische Analysen sehr hilfreich und aussagekräftig. Beispielsweise zur technologischen Früherkennung gibt es zahlreiche Untersuchungen, die Patentdaten berücksichtigen123. Zum strategischen Gehalt der Patentinformationen kommt die leichte Zugänglichkeit zu Patentschriften hinzu. Die Patentdokumente werden von Träger, in: Oppenländer (Hrsg.), Patentwesen, technischer Fortschritt und Wettbewerb , S. 231 (236). 120 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 47. 121 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 41. 122 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 43. 123 Peiffer, Technologie-Frühaufklärung, S. 154. 119
3.4 Das Patent im Rahmen des strategischen Managements
57
den Patentämtern weltweit in die International Patent Classification (IPC) eingereiht und können meist über Online-Datenbanken abgerufen werden124. Laut Peiffer handelt es sich bei Patentinformationen um die vollständigste und sehr leicht zugängliche Quelle von technologiebezogenen Informationen. Zudem kommt er zu dem Schluss, dass Patentdaten sich für die Früherkennung von technologischen Entwicklungen und Veränderungen des Unternehmensumfeldes eignen125. Zusammengenommen bietet die Informationsfunktion die Möglichkeit, die strategische Planung mit Informationen zu unterstützen, die leicht zugänglich, umfassend und aktuell sind. Für die strategische Planung bilden sie eine breite Basis zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen und zur Erarbeitung von Handlungsempfehlungen. Wie dies im Einzelnen aussieht, wird in Kap. 4 der Patentanalyse erläutert. Die steigende Bedeutung von Patenten im Wettbewerb sowie die Nutzung der Patentfunktionen im Rahmen der strategischen Planung impliziert die Notwendigkeit eines integrierten Patentmanagements. Die dazu existierenden Ansätze sowie die Vorstellung der unterschiedlichen Patentstrategien ist Inhalt der nächsten Unterkapitel. 3.4.3 Ziele und Aufgaben des Patentmanagements Steigende Patentzahlen, steigende Bedeutung von Patenten im Wettbewerb, Globalisierung von Märkten und Technologien, der Zusammenhang von F&E, Patenten als Output und Unternehmenserfolg und die Notwendigkeit von permanenten technischen Innovationen um einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erarbeiten zu können führen dazu, dass die Verwaltung, Organisation und Durchführung aller Aktivitäten rund um das Patent strategisch wichtig sind und möglichst optimal gestaltet werden sollten. Große Unternehmen haben dies erkannt, im Mittelstand (gerade in Deutschland) besteht noch Nachholbedarf. Wurzer hält unter dem Leitsatz „Patentstrategie ist Unternehmensstrategie“ fest, dass erst das betriebswirtschaftlich orientierte Management von gewerblichen Schutzrechten im Einklang mit dem Innovations-, Wissens- und Finanzmanagement, Patente für das Unternehmen vollständig nutzbar werden lässt. Durch das zielgerichtete Management des patentierbaren Wissens kann die Unternehmensstrategie unterstützt und durchgesetzt werden126. Zu den wichtigsten Zielen des Patentmanagements zählt in Anlehnung an Wurzer zum einen die Stärkung der eigenen Wettbewerbsvorteile. Dazu Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 44. Peiffer, Technologie-Frühaufklärung, S. 154. 126 Wurzer, Patentmanagement, S. 7. 124 125
58
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
gehört der konsequente Schutz von Produkten und Prozessen ohne dabei Patente aufrecht zu erhalten, die strategisch keine Vorteile bringen oder nicht genutzt werden. Ferner wird die Steigerung der F&E Effizienz durch kontinuierliche Nutzung von Patentinformationen als Innovationsquelle und F&E-Vorbereitung verfolgt, um beispielsweise Doppelentwicklungen zu vermeiden. Auch die Inanspruchnahme von Lizenzen als Möglichkeit neue Märkte zu betreten und technologisch flexibel zu bleiben ist zu berücksichtigen127. Das zweite Ziel betrifft die Verbesserung der Kapitalleistung. Patentrechte als Output von Forschung und Entwicklung können direkt vermarktet werden, indem Lizenzen an Dritte vergeben werden. Finanzielle Mittel können ferner durch die Realisierung von Kosteneinsparungspotenzialen im Patentbestand freigesetzt werden. In letzter Zeit gewinnt auch die Nutzung des Patentportfolios im Kapitalmarkt an Bedeutung. Patente werden mitunter als Währung bei Beteiligungen, als Gegenwert bei Übernahmen und zur Expansionsfinanzierung anerkannt und berücksichtigt128. Schließlich gehört die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu den erklärten Zielen des Patentmanagements. Dies kann durch eine patentbasierte Behinderung von Wettbewerbern durch Sperrpatente geschehen. Hilfreich sind dabei rechtzeitige Analysen der Wettbewerber um Lücken im Patentportfolio zu erkennen und zu schließen. Vor allem aber gilt es die Exklusivität bezüglich der Nutzung von Erfindungen durch Patente abzusichern, um Marktchancen auszunutzen. Die Reduzierung von Wettbewerbsrisiken z. B. durch die Überwachung von Verletzungspotentialen und die Analyse von Wettbewerberstrategien zählt ebenso dazu129. Um die Ziele des Patentmanagements in der Praxis erfolgreich umzusetzen sind unter anderem drei wesentliche Aufgabenfelder zu beachten. Diese betreffen ein patentbezogenes Berichtswesen, sowie die strategische und unternehmensbezogene Verankerung des Patentmanagements. Das Berichtswesen gleicht dabei der aus anderen Bereichen bekannten Reporting und Controlling Funktion. Dazu gehören alle Maßnahmen, die das betriebliche Patentwesen transparent, nachvollziehbar und steuerbar machen. Die Kernaufgabe des Reporting ist die Ermittlung von KostenNutzen-Relationen des Patentportfolios bezogen auf einzelne Geschäftsfelder, Produkte und Märkte. Auch eine Bewertung der technologischen Chancen und Risiken ist vorzunehmen, worauf im Kap. 4 noch genauer eingegangen wird. Im Rahmen des Controllings werden zielorientierte Kennziffern gebildet. Ist beispielsweise die Technologieführerschaft Ziel Wurzer, Patentmanagement, S. 12. Wurzer, Patentmanagement, S. 13. 129 Wurzer, Patentmanagement, S. 13. 127 128
3.4 Das Patent im Rahmen des strategischen Managements
59
der Geschäftstätigkeit, kann über Kennziffern der Grad der Erreichung abgebildet werden. Gerade für Allokationsentscheidungen finanzieller Mittel auf die einzelnen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ist dies von Bedeutung und ermöglicht eine übersichtliche Entscheidungsvorbereitung. Das Berichtswesen hat somit einerseits die Aufgabe interne Entscheidungen zu unterstützen und andererseits nach außen die wichtigen Informationen z. B. für Investoren und Banken zu kommunizieren130. Die strategische Verankerung des Patentmanagements ist ein weiteres Aufgabenfeld. Patentportfolios sind für den strategischen Erfolg relevant, das heißt aber auch, dass sie nur langfristig steuerbar sind. Bei strukturellen und strategischen Änderungen der Unternehmensziele ist es notwendig, das Patentmanagement frühzeitig mit einzubeziehen. Entscheidungen über neue Produkte und Technologien, über den Ein- und Ausstieg aus Märkten und Regionen und über zukünftige Partnerschaften und Allianzen müssen mit dem Patentmanagement abgeglichen werden. Nur so kann der Patentbestand des Unternehmens dauerhaft zum Erfolg beitragen131. Die unternehmerische Verankerung des Patenmanagements ist die dritte wichtige Aufgabe. Aufgrund der großen Bedeutung und des Erfolgspotentials von Schutzrechten reicht es nicht die Patentabteilung im Entwicklungsbereich oder juristischen Bereich zu positionieren. Das Unternehmensmanagement sollte direkt mit dem Patentmanagement verbunden sein. Für die Berücksichtigung der großen Bedeutung von Patentrechten und Patentinformationen ist es notwendig, dass die Unternehmensführung direkt und kontinuierlich über Ergebnisse und den Stand der Umsetzung des Patentmanagements informiert ist. Schon sehr früh weist Schmidt auf diese Tatsache hin. Er schlägt vor, die Patentabteilung unmittelbar der Geschäftsführung zu unterstellen132. 3.4.4 Patentstrategien Nachdem die Ziele und Aufgaben des Patentmanagements allgemein erfasst und erläutert wurden, stellt dieses Kapitel einige Ausprägungen von Patentstrategien vor. Für die Praxis kann dies nur eine Orientierung darstellen. Es soll ein Überblick über mögliche das Patentierverhalten betreffende Strategien wiedergegeben werden. Die Komplexität der Realität kann in dieser modellhaften Darstellung nicht erfasst werden. Dennoch können die richtungsweisenden Inhalte der verschiedenen Strategien wertWurzer, Patentmanagement, S. 37. Wurzer, Patentmanagement, S. 38. 132 Schmidt, Die Patentabteilung im Betrieb, S. 15. 130 131
60
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
volle Anregungen und Informationen enthalten. In Bezug auf die Aufgabe der vorliegenden Arbeit, die Patentanalyse im Rahmen der strategischen Planung theoretisch zu betrachten und eine abschließende praktische Anwendung vorzubereiten, ist das Wissen über alternative Strategien von Bedeutung, da sie den Sollzustand vorgeben, der durch die Analyse von Patentinformationen bezüglich des Ist-Zustands abgeglichen werden soll und so ein eventueller Handlungsbedarf bestimmt werden kann. Faix bemerkt, dass Patentstrategien verschiedene Ebenen der Geschäftstätigkeit betreffen. Er unterscheidet zwischen x der Patentstrategie auf Gesamtunternehmensebene, die eine generelle Grundhaltung gegenüber der Inanspruchnahme des Patentwesens zum Ausdruck bringt, x der bereichsbezogenen Patentstrategien, die den Rahmen für die Maßnahmen zur Erlangung und Sicherung des Patentschutzes mit Bezug zu den Zielvorgaben bilden und schließlich x den Patentstrategien für einzelne Erfindungen bezüglich des Vorgehens auf einer sehr feinen Ebene133. An den nomologischer Hypothesen, also allgemeingültigen Aussagen mit hohem Informationsgehalt, über Patentstrategien auf der Gesamtunternehmensebene hält er fest, dass der Forschungsstand keine abgesicherten und differenzierten Aussagen zulässt134. Auf der bereichsbezogenen Ebene teilt er die Patentstrategien anhand zweier Eigenschaften ein: Einerseits ist dies die Aktivität, ausgedrückt durch eine aktive und eine reaktive Strategieausrichtung135 und andererseits das Verhalten bei Störungen, beschrieben durch eine präventive und eine defensive Verhaltensweise. Somit erhält er die vier Strategietypen aktiv-präventiv, aktiv-defensiv, reaktiv-präventiv und reaktiv-defensiv136. Betrachtet man Patente als eine Art Output von technologiebezogenen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, so können an dieser Stelle die Technologienormstrategien im übertragenen Sinne genannt werden. Bei Ehrat findet man eine auf die Arbeit von Boutellier/Hallbauer/Locker zurückgreifende Typologie dieser Normstrategien137. Es werden fünf Strategien unterschieden, die abschließend innerhalb eines TechnologieportfoFaix, Patente im strategischen Marketing, S. 330 f. Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 118. 135 Ripper/Wolf, Patente und Patentstrategie, S. 2. 136 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 337 f. 137 Ehrat, Kompetenzorientierte, analysegestützte Technologiestrategieerarbeitung, S. 119 ff.; Boutellier/Hallbauer/Locker, Technologiestrategien für kleine und mittlere Unternehmen, S. 26 ff. 133 134
3.4 Das Patent im Rahmen des strategischen Managements
61
VWUDWHJLVFKH%HGHXWXQJ 3LORWSURMHNWH
,QYHVWLHUHQ
•Investitionsrisiko ! •Pilotprojekt mit Partner durchführen •min. Mitteleinsatz •Ressourcenstärke aufbauen
2SWLPLHUHQ
%HREDFKWHQ •Technologie-Owner •beobachten und informieren •Seminare, Messen •Experimente mit Hochschulen
•Investitionsantrag Wirtschaftlichkeit •Technologieeignung geklärt
•Technologien ständig verbessern •entsprechende Mittel bereitstellen
'HVLQYHVWLHUHQ •Ressourcenabbau •Evaluation neuer Technologiepotentiale
5HVVRXUFHQVWlUNH
Abb. 3.6. Normstrategien im Technologieportfolio (nach Boutellier/ Ehrat/ Willemin )
lios über den Achsbezeichnungen Ressourcenstärke und strategische Bedeutung abgebildet werden. Es handelt sich um die Strategien „Beobachten“, „Pilotprojekte“, „Investieren“, „Optimieren“ und „Desinvestieren“. Die Ausrichtungen Beobachten und Pilotprojekte werden im Rahmen der Grundlagenentwicklung zur Bereitstellung abgesicherter Technologien bei kontrolliertem Ressourceneinsatz zugeordnet. Investieren, Optimieren und Desinvestieren werden dagegen je nach Bedeutung der externen Marktpotentiale als Strategie der Anwendungsentwicklung verwendet. Abbildung 3.6 zeigt die Einordnung in das Technologieportfolio. Eine weitere Systematik von Patentstrategietypen findet sich bei Ernst. Seine Einteilung basiert auf der Ausgestaltung des tatsächlichen, beobachtbaren Patentierverhaltens. Die Ergebnisse stammen aus einer Studie von 65 Unternehmen die im Bereich von Werkzeugmaschinen tätig sind. Der große Vorteil dieser auf empirischen Daten aufbauenden Strategietypeneinteilung ist der ebenfalls untersuchte Zusammenhang zwischen Patentstrategie und Unternehmenserfolg. Ernst identifizierte vier grundlegende Strategietypen. Es handelt sich um „Selektive Patentanmelder“, „Nichterfolgreiche Patentanmelder“, „International orientierte, aktive Patentanmelder“ und „Kleine, aktive Patentanmelder“. In dem untersuchten Sample zeigte sich, dass „international orientierte, aktive Patentanmelder“
62
3 Die Bedeutung des Patents für das Unternehmen
hoch
$NWLYH$QPHOGHU ,QDNWLYH$QPHOGHU TXDOLWDWLYKRFK TXDOLWDWLYKRFK ZHUWLJHU 3DWHQWH ZHUWLJHU 3DWHQWH 7HFKQRORJLHIKUHU
3DWHQWTXDOLWlW niedrig
,QDNWLYH$QPHOGHU TXDOLWDWLYPLQGHU ZHUWLJHU 3DWHQWH
$NWLYH$QPHOGHU TXDOLWDWLYPLQGHU ZHUWLJHU 3DWHQWH
niedrig
hoch
3DWHQWDNWLYLWlW
Abb. 3.7. Patentstrategien in der Portfolio-Matrix (nach Ernst )
die erfolgreichste, und „nichterfolgreiche Patentanmelder“ die schwächste Position im Wettbewerb einnehmen. Diese Einteilung wird aufgrund des Erfolgsbezuges auch im Rahmen der Patentanalyse in Kap. 4 genutzt, um strategische Handlungsempfehlungen zu ermitteln138. Abbildung 3.7 stellt die Strategietypen graphisch dar. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Wahl der Patenstrategie und ihre Erfolgswirkung von vielen Faktoren abhängt. Anders als bei den bekannten Wettbewerbsinstrumenten wie Preis, Qualität, Liefertreue und zeit, ist die ökonomische Bedeutung von Patenten nicht unmittelbar vergleichbar. Die Patentstrategien können daher über beispielsweise patentpolitische Leitlinien formuliert werden. Diese gehen mit den Zielen des Patentmanagements einher. Als zentrales Ziel formuliert Faix „das Anliegen, durch patenpolitische Maßnahmen die Handlungsfreiheit des Unternehmens in den bearbeiteten oder anvisierten Aktionsräumen zu gewährleisten“. Ferner sieht er darüber hinaus die Möglichkeit, die Patentstrategie auf eine „Beeinflussung der Gegebenheiten in der Unternehmensumwelt“ auszuweiten um etwa „Optionen zum Einsatz von Sperrpatenten bzw. der Realisierung von Patenthäufungen zum Aufbau von Machtpotentialen“ zu nutzen139.
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 243. 139 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 333. 138
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Die Patentanal ys e als Instr ument der str ategischen Pl anung
Eine Analyse wird gemeinhin definiert als „Untersuchung eines Sachverhaltes unter Berücksichtigung seiner Teilaspekte“. Die Patentanalyse befasst sich demnach mit der Untersuchung des Patentierverhaltens (Sachverhalt) unter Berücksichtigung der Patentinformationen (Teilaspekte). Im Rahmen dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf den unternehmerischen Patentaktivitäten. Durch eine umfassende Patentanalyse wird das Ziel verfolgt, Entscheidungshilfen für die strategische Planung bereitzustellen. Wie in Kap. 3 erläutert, stehen Patente und Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in einem engen Verhältnis zueinander. Die aus Patentinformationen abzuleitenden Handlungsempfehlungen beziehen sich damit in erster Linie auf das Technologiemanagement und auf strategische Entscheidungen wie beispielsweise Allokationsentscheidungen bezüglich Forschung und Entwicklung. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Möglichkeiten von Patentanalysen und ihrer Bedeutung für die strategische Planung. Es umfasst den Kern der theoretischen Arbeit und bereitet in sehr konkreter Art und Weise die abschließende Durchführung einer Patentanalyse vor. Das Kapitel ist wie folgt aufgebaut: Zuerst werden die aus den Patentinformationen ableitbaren Kennzahlen vorgestellt, die im praktischen Teil ihre Anwendung finden und in anschaulicher Weise einen ersten Eindruck des Informationspotentials von Patentdokumenten vermitteln. Die Inhalte von Patentschriften geben die Verwendungsmöglichkeiten von Patenten als strategische Informationsquelle vor. Daher wird zuerst auf die inhaltsbezogenen Kennwerte und erst dann auf die Anwendungsfelder von Patentanalysen eingegangen. Dabei werden Fragestellungen aufgeführt, die im Rahmen einer Analyse bearbeitet werden können und zusätzlich erste Ansätze zur Zielerreichung dargestellt. Abschnitt 4.3 befasst sich mit dem methodischen Aufbau einer Patentanalyse. Hierzu wird ein vier Phasen Modell von Faix herangezogen, die einzelnen Aufgaben erläutert und in einen Gesamtzusammenhang gebracht. Abschnitt 4.4 dient der Vorstellung des letzten Schrittes einer Patentanalyse,
64
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
der Darstellung und Auswertung der Ergebnisse. Schwerpunkt dieses Unterkapitels ist die Patent-Portfolio-Analyse.
4.1 Kennzahlen Eine Patentanalyse kann unterschiedliche Ziele verfolgen. In der Literatur findet man die Auswertung von Patentdaten zur Kontrolle des Patentbestandes, zur Prognose von Technikentwicklungen, zur finanziellen Bewertung von Patentrechten, für die Analyse von Konkurrenten und Wettbewerbern und zur Unterstützung der unternehmerischen Planung. Je nach Aufgabenstellung werden unterschiedliche Schwerpunkte bei der Auswahl von Kennzahlen gesetzt. So ist beispielsweise die Zuordnung einzelner Patente zu bestimmten Unternehmen für eine Prognose der technischen Entwicklung eher unwichtig, während gerade dieser Information für die Analyse des Wettbewerbsumfeldes einer Unternehmung eine tragende Bedeutung zukommt. In diesem Kapitel werden die Kennzahlen vorgestellt, die im weiteren Verlauf der Arbeit für die unternehmensbezogene Patentanalyse verwendet werden. Dabei handelt es sich ausschließlich um Kennzahlen, die aus dem Patentsystem (d. h. Patentschriften, Patentdatenbanken) zu erarbeiten sind und sich für eine unternehmensbezogene Patentanalyse zu Planungszwecken eignen. In der Literatur findet man neben dem Begriff Patentkennzahlen auch häufig die Bezeichnung Patentindikator. Beide Begriffe werden für inhaltlich identische Patentinformationen verwendet. Der sprachliche Unterschied ist auf das Verwendungsumfeld zurückzuführen. Im Rahmen von Prognosen bezüglich aktueller Forschungsgebiete und zukünftiger Technologien sind Patentdaten ein Indikator von Trends und Entwicklungen. Ebenso verhält es sich bei der Ermittlung bzw. Prognose oder Schätzung des grundsätzlich immateriellen und in der Zukunft liegenden Patentwertes. Die Informationen können nur ein Indiz für die Bewertung darstellen. Daher wird in diesem Zusammenhang ebenfalls der Begriff Indikator gewählt. Bei der unternehmensbezogenen und planungsunterstützenden Patentanalyse sind die Patentdaten bereits das Ergebnis. Es handelt sich bei den erhaltenen Informationen um konkrete Werte oder Verhältnisse. Diese geben eine Patentausprägung einzelner oder mehrerer Patente, beispielsweise das Patentalter, direkt wieder. Im Rahmen der Analyse ist dieser Kennwert das Ergebnis und wird nicht als Indikator weiterer Sachverhalte gebraucht. Da es sich inhaltlich oft um identische oder zumindest ähnliche Informationen handelt, wurden bei der Recherche beide Begriffe berücksichtigt, auch wenn im Zentrum dieser Arbeit die Analyse von Unterneh-
4.1 Kennzahlen
65
men und ihrem Umfeld steht, die über die Bildung von Kennzahlen geschieht. Im Folgenden wird daher überwiegend der Begriff Patentkennzahl verwendet. Patentschriften beinhalten viele unterschiedliche Informationen, die in Kap. 2 vorgestellt wurden. Durch die Bildung von Kennzahlen werden die Informationen gefiltert und verdichtet. Die Literatur hält eine Vielzahl von Kennzahlen und Indikatoren bereit, die aus den Patentdaten abgeleitet werden können140. Bezüglich einer Ordnung und Systematisierung der Patentkennzahlen gibt es unterschiedliche Ansätze. Bei Schmoch, Grupp, Mannsbart u. A. werden die Kennzahlen direkt der betreffenden Patentinformation untergeordnet141. Somit ergeben sich Kennzahlen bezüglich der Patentanmeldung, der Familiengröße, der Erteilungs- und Prüfungsquote usw. Bei Reitzig findet man eine Auflistung der aus dem Patentsystem gewinnbaren Kennzahlen ohne weitere Klassifizierung142. Bei Narin/Olivastro und auch bei Ernst werden Sie nach ihrem Inhalt systematisiert. Man unterscheidet zwischen: x x x x
Aktivitätskennzahlen Qualitätskennzahlen Verbindungskennzahlen sonstigen Kennzahlen143.
Diese Einteilung ist nicht immer eindeutig. Mitunter können Kennzahlen mehreren Klassen zugeordnet werden. Jedoch gerade für unternehmensbezogene Patentanalysen erscheint diese Klassifizierung sinnvoll. Zum einen handelt es sich um eine übersichtliche und doch vollständige Einteilung und zum anderen ist gerade dem grundlegenden Unterschied zwischen quantitativen und qualitativen Kennzahlen Rechnung getragen. Die Vorstellung der einzelnen Patentkennzahlen orientiert sich im Folgenden an dieser Klassifizierung. Wo immer es möglich ist und zweckmäßig erscheint, werden zur Darstellung der einzelnen Kennzahlen mathematische Formeln verwendet, die der angesprochenen Literatur entnommen sind.
Narin/Olivastro, in: Raan van (Hrsg.), Handbook of quantitative studies of science and technology, S. 465 (465 ff). 141 Schmoch/Grupp/Mannsbart u.a., Technikprognosen mit Patentindikatoren, S. 49 ff. 142 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 129. 143 Narin/Olivastro, in: Raan van (Hrsg.), Handbook of quantitative studies of science and technology, S. 465 (498); Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 37. 140
66
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
4.1.1 Aktivitätskennzahlen Die Aktivitätskennzahlen beziehen sich auf alle Handlungen, die vom Patentanmelder im Rahmen des Patentverfahrens durchzuführen sind. Durch das deutsche Verfahren vorgeschriebene Aktivitäten sind die Anmeldung des Patentes und die Stellung des Prüfungsantrages. Weitere verwertbare Aktivitäten betreffen die Entscheidung über die Ausweitung des Patentschutzes auf weitere Länder, das Erheben von Einsprüchen, die Festlegung der Ansprüche und die Entscheidung über die Rücknahme beziehungsweise die Aufgabe des Patents. In der Patentschrift sind diese Daten niedergeschrieben und mit Datum erfasst. Sie können daher ohne Schwierigkeiten recherchiert werden. Das Patentverfahren beginnt mit der Patentanmeldung. Durch sie wird zum Ausdruck gebracht, dass der Erfinder eine in irgendeiner Weise schützenswerte Eigenschaft hinter der Erfindung vermutet. Nur so kann der Aufwand eines sich im Wettbewerb befindlichen Unternehmens gerechtfertigt werden, den Patentschutz für ein Produkt oder Verfahren zu erlangen. Der Anmeldung kommt daher eine besondere Bedeutung zu und sie findet sich in vielen Kennzahlen wieder. In Anlehnung an Ernst werden im Folgenden diese und weitere Aktivitätskennzahlen vorgestellt. Zu ihnen zählen die Anzahl neu hinzukommender Patentanmelder, die Gesamtzahl der patentierenden Unternehmen, die Konzentration der Patentanmelder und die Anzahl der ausscheidenden Patentanmelder in dem betreffenden Technologiefeld. Während mit der Anmeldung dem Patent eine gewisse Bedeutung und Wertigkeit suggeriert wird, weisen diese Kennzahlen auf ein besonderes Interesse der Patentanmelder an bestimmten Forschungsund Technologiefeldern hin. Patentanmeldungen
Auf der Basis von Patentanmeldungen werden unterschiedliche Kennzahlen gebildet. Sie lassen sich in zwei Bereiche einteilen. Einmal sind dies die Kennzahlen über die Anmeldeaktivität der gesamten Unternehmung und zum anderen Patentanmeldungen, die einzelne Teilbereiche wie zum Beispiel Geschäftsbereiche, Produkte, Technologiefelder oder bestimmte Erfinder betreffen. Abbildung 4.1 stellt diesen Zusammenhang graphisch dar. Die absolute Anzahl der Patentanmeldungen eines Unternehmens gibt einen ersten Eindruck der Erfindungstätigkeit des Betriebes wieder. Es ist die einfachste aber auch am häufigsten verwendete Kennzahl unternehmensbezogener Patentanalysen.
4.1 Kennzahlen
67
3DWHQWDQPHOGXQJHQ3$ 8QWHUQHKPHQ
7HLOEHUHLFKH:
Geschäftsbereich, Produkt, Technologiefeld, Erfinder
Absolute PA
Absolute PA
Relative PA
Relative PA
Branchenvergleich Unternehmensvergleich -Stärkster Wettbewerber -Stärkster Patentanmelder (Patent Benchmarking) 5HODWLYH3DWHQWDNWLYLWlW GHV8QWHUQHKPHQV
PA des Unternehmens ,QWHUQH$NWLYLWlWVSURILOH
Branchenvergleich Unternehmensvergleich -Stärkster Wettbewerber -Stärkster Patentanmelder (Patent Benchmarking)
Identifikation von
SURGXNWVSH]LILVFKHQ WHFKQRORJLVFKHQ und SHUVRQHOOHQ Kompetenzfeldern
([WHUQH$NWLYLWlWVSURILOH
Abb. 4.1. Grundlegende zeitpunktbezogene Aktivitätskennzahlen auf der Basis von Patentanmeldungen (nach Ernst)
Eine mögliche Darstellungsform ist die Auflistung entlang einer Zeitreihe144. Auch als Gesamtzahl zur Bildung von Ranglisten tritt sie in Erscheinung145. Die Summe der Patentanmeldungen wird auch als Indikator für das Patentpotential eines Unternehmens angesehen146. Man erhält diese Kennzahl durch Datenbankrecherchen, die teilweise auch online ausgeführt werden können. Für in Deutschland wirkende Patentrechte steht mit der Datenbank DEPATISnet des Deutschen Patentamtes eine kostenlose Recherchemöglichkeit zur Verfügung. Darauf zu achten ist, dass bei der Suche nach Patenten Doppelnennungen auftreten können, um deren Anzahl das Gesamtergebnis bereinigt werden muss. Grund für Doppelnennungen sind die Familiengröße des Patentes, da bei einer gewöhnlichen Recherche sowohl deutsche wie auch europäische und weltweite Patentdokumente aufgeführt werden. Alleine für sich stehend ist die Aussagekraft der absoluten Zahl der Patentanmeldungen einer Unternehmung eher als gering einzustufen. Sie Schmoch/Grupp/Mannsbart u.a., Technikprognosen mit Patentindikatoren, S. 49. 145 Deutsches Patent- und Markenamt DPMA, Jahresbericht 2003, S. 11. 146 Schmoch/Grupp/Mannsbart u.a., Technikprognosen mit Patentindikatoren, S. 54. 144
68
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
wird erst dann erhöht, wenn man sie in Bezug zu anderen Größen beziehungsweise Anmeldezahlen aus dem Unternehmensumfeld setzt. Die damit erhaltene relative Anzahl von Patentanmeldungen einer Unternehmung gibt Auskunft über die relative Patentaktivität, beispielsweise im Branchenvergleich. Um nun Vermutungen hinsichtlich der Effizienz betrieblicher Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten anstellen zu können, und damit die Aussagekraft der Kennzahlen zusätzlich zu erhöhen, muss man noch einen Schritt weitergehen. Betrachtet man die Anzahl der Anmeldungen als Output der betrieblichen F&E-Tätigkeiten und setzt diesen Output nun in ein Verhältnis zum Input, beispielsweise zu den finanziellen Aufwendungen für F&E-Aktivitäten, dann erhält man eine Aussage über die Effektivität. Es ist also nicht nur notwendig die Gesamtzahl der Patentanmeldungen zu vergleichen, sondern es muss zusätzlich die Zahl der Anmeldungen auf eine sinnvolle Inputgröße bezogen werden. Die so erhaltenen Daten einer Unternehmung können wiederum in Relation zum Wettbewerbsumfeld betrachtet und ausgewertet werden. Die relative Anzahl von unternehmensbezogenen Patentanmeldungen kann sich neben einem Branchenvergleich auch auf den direkten Vergleich zweier Unternehmen beziehen. Als Bezugseinheit ist es zweckmäßig den bezüglich der Zielsetzung der Analyse größten Konkurrenten auszuwählen. Dies kann sowohl der stärkste Wettbewerber hinsichtlich Umsatz, Mitarbeiter usw. sein, oder auch das Konkurrenzunternehmen mit den meisten Patentanmeldungen oder F&E Aufwendungen (falls diese Informationen bekannt sind) betreffen. Der Begriff Benchmarking umfasst den Vergleich der eigenen Position mit der bestmöglichen, feststellbaren Position eines anderen Mitstreiters oder Konkurrenten. Im Falle eines Unternehmensvergleichs mit dem stärksten Patentanmelder spricht man daher auch von Patent-Benchmarking. Bei der Berechnung der relativen Anzahl der Patentanmeldungen eines Unternehmens wird als Bezugsgröße (PAB) entweder die durchschnittliche Anzahl der Patentanmeldungen pro Unternehmen der jeweiligen Branche verwendet, oder man greift auf die Anzahl der Patentanmeldungen eines einzelnen Unternehmens zurück. Die relative Patentaktivität des i-ten Unternehmens (RPAi) ist wie folgt definiert:
4.1 Kennzahlen
69
Formel (4.1)147: PAi PAB
RPAi
PAi
T
¦ PAit t 1
§ J PA ¨¨ ¦ ©j1 PA j*
T
· 1
¦ PAjt ¸¸ J t 1
¹
T
¦ PAj*t t 1
PAit
= Patentanmeldungen des i-ten Unternehmens in Periode t
PA jt
= Patentanmeldungen des j-ten Unternehmens in Periode t
PA j*t = Patentanmeldungen des stärksten Patentanmelders in Periode t PAB = ^PA, PA j* `
j t
= 1, 2, ……J Unternehmen in der Branche = 1, 2, ……T Zeitperioden
Wie aus Abb. 4.1 ersichtlich, können Kennzahlen aus Patentanmeldungen nicht nur auf das Unternehmen als Ganzes sondern auch auf Teilbereiche angewendet werden. Dazu gehören unter anderem Geschäftsbereiche, Produkte, Technologiefelder und Erfinder. Neben der absoluten Anzahl der Patentanmeldungen je Teilbereich können wie zuvor bei den Werten zum gesamten Unternehmen, durch die Einbeziehung von Bezugsgrößen relative Aktivitätskennzahlen gebildet werden. Diese geben Auskunft über besonders ausgeprägte Kompetenzfelder und Aktivitätsprofile innerhalb der Unternehmung oder lassen unternehmensübergreifende Rückschlüsse über die relative Position innerhalb einer Branche oder gegenüber einem
147
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 40.
70
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
anderen Unternehmen zu. In der Literatur wird zwischen internen und externen Aktivitätsprofilen unterschieden, wie aus Abb. 4.1 zu ersehen ist148. Die Unterschiedlichkeit unternehmensinterner Patentaktivitäten einzelner Teilbereiche wird über interne Aktivitätsprofile abgebildet. Das Aktivitätsprofil gibt die Kennzahlen der Teilbereiche einzeln wieder und stellt sie vergleichend gegenüber. Die Kennzahlen setzen sich aus dem Quotient der Patentanmeldungen des jeweiligen Teilbereiches und der Gesamtzahl der Patentanmeldungen des gesamten Unternehmens zusammen. Diese Vorgehensweise ist identisch mit der an anderer Stelle beschriebenen Identifikation bedeutender Geschäftsfelder149. Aus dem internen Aktivitätsprofil lassen sich Rückschlüsse ziehen, welche Bedeutung den einzelnen Bereichen und vor allem Technologiefeldern innerhalb des Unternehmens bezüglich der Forschungs- und Entwicklungsarbeit zukommt. Diese Ergebnisse enthalten wie auch andere Kennzahlen keine Garantie auf vollkommene und richtige Abbildung der Unternehmenssituation. Dennoch stellen sie eine zweckmäßige und meist zuverlässige Informationsquelle dar, zumal der Aufwand, die Werte zu generieren, auch bei großen Patentportfolios überschaubar bleibt. Das interne Aktivitätsprofil des i-ten Unternehmens für das Technologiefeld f (IAPif) wird folgendermaßen definiert: Formel (4.2)150: IAPif
PAif
PAif PAi T
¦ PAift t 1
PAift
=
t
=
Patentanmeldungen des i-ten Unternehmens im Technologiefeld f in Periode t 1, 2, ……T Zeitperioden
Bei Brockhoff findet man eine Erweiterung dieser Kennzahl151. Ziel ist es unterschiedliche technologische Strategien der Unternehmen aufzudecken. Dazu wird über eine sogenannte Konzentrationsquote (concentration Narin/Olivastro, in: Raan van (Hrsg.), Handbook of quantitative studies of science and technology, S. 465 (497). 149 OECD, Patent Manual 1994, S. 58 f. 150 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 43. 151 Brockhoff, Technovation Band 12 Nr 1/1992, S. 41 (44 ff). 148
4.1 Kennzahlen
71
ratio) die Streuung der Patentanmeldungen über die Teilbereiche der Unternehmung dargestellt. Dabei kann es sich wie bereits erwähnt um Technologiefelder, Patentklassen, Geschäftsbereiche, Produkte, Erfinder usw. handeln. Die unten angegebene Formel (4.3) behandelt den Teilbereich Technologiefelder. Durch Anpassung des Index f kann sie jedoch auf jeden definierbaren Unternehmensbereich angewendet werden. Beschränken sich die Patentanmeldungen auf wenige Bereiche, wie beispielsweise Patentklassen bzw. Technologiefelder, so spricht Brockhoff von einer auf wenige Kernbereiche konzentrierten Technologiestrategie. Im Gegensatz zum internen Aktivitätsprofil, bei dem einzelne Bereiche beleuchtet werden, gibt die Konzentrationsquote das Verteilungsmaß aller Patentanmeldungen des Unternehmens über die Teilbereiche wieder. Geht die Quote gegen den Wert Null, so konzentriert sich die Zahl der Patentanmeldungen in einem Bereichsfeld, geht der Wert gegen Eins, sind die Patentanmeldungen über die Bereiche gleichverteilt. Die Ermittlung der Konzentrationsquote für das i-te Unternehmen (KQi) wird wie folgt definiert: Formel (4.3)152: F
KQi IAPif
=
f log2
= =
¦ IAPif log2 IAPif
f 1
log 2 F
Internes Aktivitätsprofil des i-ten Unternehmens für das Technologiefeld f 1, 2, ……F Technologiefelder Logarithmus zur Basis 2
Externe Aktivitätsprofile vergleichen die relativen Anzahlen von Patentanmeldungen einzelner Teilbereiche mit den entsprechenden Kennwerten anderer Unternehmen oder ganzer Branchen aus dem Wettbewerbsumfeld. Um einen Vergleich anzustellen, müssen sowohl für das Unternehmen selbst, als auch für den Wettbewerber bzw. die gesamte Branche die Anzahl der Patentanmeldungen in bestimmten Teilbereichen ermittelt werden. Ist nach den technologischen Kernkompetenzen eines Unternehmens gefragt, werden als Teilbereich die Technologiefelder gewählt. Diese werden, nachdem sie eindeutig definiert wurden nacheinander auf Patentanmeldungen hin untersucht und ausgewertet. Formelmäßig kann dies wie folgt ausgedrückt werden: 152
Brockhoff, Technovation Band 12 Nr 1/1992, S. 41 (45).
72
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Formel (4.4)153: PA jf
T
¦ PA jft t 1
PA jft
=
j f t
= = =
Patentanmeldungen des j-ten Unternehmens im f-ten Technologiefeld in Periode t 1, 2, ……J Anzahl der Wettbewerber 1, 2, ……F Anzahl der Technologiefelder 1, 2, ……T Zeitperioden
Zu den externen Aktivitätsprofilen zählt auch der Anteil eines Unternehmens an den Patentanmeldungen innerhalb eines bestimmten Technologiefeldes. Dieser Technologieanteil (TANjf) wird durch Bildung des Quotienten aus der Anzahl der Patentanmeldungen eines Unternehmens und der Gesamtzahl der Patentanmeldungen in einem einzelnen Technologiefeld berechnet (siehe Formel 4.5). Formel (4.5): TAN jf
PA jf J
¦ PA jf j 1
Zusätzlich kann auch der Patentanteil über alle Technologiefelder (PANj) gefragt sein. Mathematisch ist er in Formel (4.6) dargestellt. Formel (4.6): F
PAN j
¦ PA jf J
f 1 F
¦¦ PA jf j 1 f 1
Setzt man diese beiden Kennzahlen in Relation zueinander, so erhält man einen Verhältniswert, der ausdrückt, inwiefern die Aktivität des Unternehmens hinsichtlich Patentanmeldungen im Technologiefeld f stärker (Kennwert ist größer Eins), schwächer (Kennwert ist kleiner Eins) oder 153
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 44.
4.1 Kennzahlen
73
gleichgroß (Kennwert ist gleich Eins) ist wie die durchschnittliche Aktivität über alle Technologiefelder. Ein überdurchschnittlicher Aktivitätsindex kann auf besondere technologische Kompetenzen des untersuchten Technologiefeldes hinweisen. Eine mathematische Darstellung für den Aktivitätsindex (AIf) eines Technologiefeldes f zeigt Formel (4.7). Formel (4.7)154: AI jf
TAN jf PAN j
Der Aktivitätsindex kann auch für einen direkten Unternehmensvergleich ermittelt werden155. Wie schon erwähnt wird im Rahmen des Benchmarkings meist der stärkste Konkurrent bzw. Patentanmelder für den Vergleich ausgewählt. Der Aktivitätsindex für das Benchmarking (PBMif) gibt die relative, quantitative Patentstärke zwischen einem Unternehmen und dem stärksten Patentanmelder bezüglich eines Technologiefeldes wieder. Erneut gilt, dass bei Kennwert größer Eins das Unternehmen eine stärkere Patentposition inne hat, bei Kennwert kleiner Eins der Vergleichspartner stärker ist und bei Kennwert gleich Eins beide gleich viele Patente in diesem Technologiefeld angemeldet haben. Mathematisch wird dies in Formel (4.8) ausgedrückt. Formel (4.8): PAif PA jf
PBM if
PA jf
T
¦ PA jft t 1
PAif
=
PA jft
=
t
=
Patentanmeldungen des i-ten Unternehmens im Technologiefeld f Patentanmeldungen des stärksten Patentanmelders j im Technologiefeld f in Periode t 1, 2, ……T Zeitperioden in Jahren
Narin/Olivastro, in: Raan van (Hrsg.), Handbook of quantitative studies of science and technology, S. 465 (481). 155 Fendt, Harvard Businessmanager, Jahrgang 10, 4. Quartal 1988, S. 72 (76 ff). 154
74
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Anzahl der Patentanmelder
Durch die Anmeldung eines Patentes zeigt der Anmelder, dass er im entsprechenden Technologiefeld tätig ist, dass er etwas Neues herausgefunden hat und dass er diese Erfindung für ökonomisch interessant hält. Kennzahlen bezüglich der Zahl der Anmeldungen eines Unternehmens sind daher ein Abbild der technologischen Stärke. Die Anzahl der Patentanmelder in einem Technologiefeld lässt wiederum andere Rückschlüsse zu. Unter Patentanmeldern sind die anmeldenden Unternehmen, Institute und Forschungseinrichtungen zu verstehen. Da der Erfinder beziehungsweise die dahinter stehende Organisation in der Patentschrift niedergeschrieben sind, kann die Anzahl unterschiedlicher Patentanmelder aus Datenbanken entnommen werden. Die wichtigsten Kennzahlen zu dieser Patentinformation und deren Bedeutung stehen im Mittelpunkt dieses Kapitels. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass eine hohe Anzahl von Patentanmeldern sowie eine zunehmende Anzahl neu hinzukommender Patentanmelder auf großes Interesse an dem betroffenen Technologiefeld hinweisen. Dies bedeutet auch, dass vermutet werden kann, dass steigende Ausgaben für Forschung und Entwicklung einem erhöhten finanziellen Marktpotential gegenüberstehen156. Anders gesehen zeigen ausscheidende Patentanmelder ein abfallendes Interesse am Technologiebereich und deuten ein zurückgehendes Potential des Marktes an157. Die aufgrund der Anzahl der Patentanmelder getroffenen Aussagen zur Situation des Marktes sind nicht als unabdingliche Wahrheiten anzusehen. Wie bei allen Kennzahlen wird nur versucht eine durch empirische Studien herausgefundene positive Korrelation (hier zwischen Patentanmelder und vermutetem Marktpotential) zwecks einer möglichst unabhängigen Planung und Entscheidungsvorbereitung zu nutzen. Die Kennzahlen zu Patentanmelderzahlen drehen sich um die Anmelderaktivität (AAft). Mit ihr werden Veränderungen der Anzahl der Patentanmelder, der Anzahl hinzukommender Patentanmelder oder der Anzahl ausscheidender Patentanmelder ausgedrückt. Die Anzahlen werden dafür ermittelt und durch die Werte des langjährigen Mittels geteilt. In der Literatur werden häufig fünf Jahre als Zeitraum verwendet158. Die mathematischen Beziehungen werden wie folgt dargestellt:
Merkle, in: Der Betrieb, Jahrgang 37 Heft 41 1984, S.2101 (2110). Fendt, in: Wirtschaftswoche, Nr 29 1983, S. 40 (41). 158 Schmoch/Grupp/Mannsbart u.a., Technikprognosen mit Patentindikatoren, S. 54. 156 157
4.1 Kennzahlen
75
Formel (4.9)159: AA ft
PAM f , t W
=
PAM f t
=
W
=
PAM ft § · 1 ¨ ¦ PAM f , t W ¸ ©W 0 ¹ T 1 T
Anzahl der Patentanmelder, Anzahl neu hinzukommender Patentanmelder, Anzahl ausgeschiedener Patentanmelder im Technologiefeld f in der Periode tW Anzahl der Patentanmelder, Anzahl neu hinzukommender Patentanmelder, Anzahl ausgeschiedener Patentanmelder im Technologiefeld f in Periode t, dem Zeitpunkt der Kennzahlenbestimmung 0, 1….., TZeitverzögerung in Jahren
Die Ermittlung der Konzentration der Patentanmeldungen auf bestimmte Unternehmen ist in Formel (4.10) mathematisch wiedergegeben. Multipliziert mit 100 nennt sie den prozentualen Anteil der ausgewählten Unternehmen an den gesamten Patentanmeldungen im Technologiefeld f. Eine hohe Konzentration weist auf einen von wenigen Unternehmen kontrollierten technologischen Fortschritt hin und damit auf die Möglichkeit hoher Markteintrittsbarrieren.160 Formel (4.10)161: K nf
PA nf J
¦ PAjf j 1
PA nf
T
¦ PAnft t 1
PA jf
=
Patentanmeldungen des j-ten Unternehmens im Technologiefeld f
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 48. 160 Fendt, in: Wirtschaftswoche, Nr. 29 1983, S. 40 (42). 161 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 49. 159
76
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
PA nft
=
J t
= =
Patentanmeldungen der n < J Unternehmen im Technologiefeld f in der Periode t 1, 2, ……J Patentanmelder im Technologiefeld f 1, 2, ……T Zeitperioden
Analog zur Formel (4.3) kann die Konzentration in bestimmten Technologiefeldern als Quote gemäß Formel (4.11) berechnet werden. Hierbei kann auf eine vorherige Festlegung auf eine Gruppe ausgewählter Unternehmen zur Ermittlung der Konzentration verzichtet werden. Formel (4.11)162: J
¦ h j log2 h j
Kf
hj
J
j 1
log 2 J
PA jf
¦ PA jf j 1
PA jf
j log2
= Patentanmeldungen des j-ten Unternehmens im Technologiefeld f = 1, 2, ……J Patentanmelder im Technologiefeld F = Logarithmus zur Basis 2
4.1.2 Qualitätskennzahlen Qualitätskennzahlen werden genau wie Aktivitätskennzahlen aus wertmäßig ermittelbaren Patentdaten gewonnen. Während das Ergebnis von Aktivitätskennzahlen ausschließlich quantitative Aussagen über Unternehmen und ihre Patentaktivität zulässt, wird durch die im Folgenden vorgestellten Kennzahlen auch die qualitative Ebene mitberücksichtigt. Die bei Aktivitätskennzahlen betrachtete Anzahl der Patentanmeldungen kann das Patentierverhalten nur zahlenmäßig erfassen. Patentaktivitäten unterscheiden sich jedoch nicht nur zahlenmäßig, sondern auch in technologischer und ökonomischer Hinsicht. Dieser Qualitätsunterschied wird durch eine zahlenmäßige Patentaktivitätserfassung nicht berücksichtigt. Am Beispiel der 162
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 49.
4.1 Kennzahlen
77
Familiengröße wird dies leicht verständlich. Die Familiengröße des Patentes lässt Rückschlüsse auf die Qualität und den Wert des Patentes zu, da in der Regel ein Unternehmen einen Patentschutz nur dann auf andere Länder ausdehnt, wenn das finanzielle Risiko gerechtfertigt ist und das Patent auch die erhöhten Kosten wert ist. Die zusätzliche Verwendung qualitativer Informationen lässt den Qualitätskennzahlen eine höhere Aussagekraft zukommen. Sie bilden damit eine erweiterte Möglichkeit Patentaktivitäten zu differenzieren und können zu genaueren, aussagekräftigeren Patentanalysen führen. Die für Qualitätskennzahlen herangezogenen Patentinformationen betreffen die Patenterteilungen, die Patentlaufzeit, die Patentzitate und die Auslandsanmeldungen bzw. die Familiengröße. Patenterteilungen
Die Zahl der Patenterteilungen ergibt sich aus den Patenanmeldungen vermindert um die Zahl der abgelehnten bzw. noch im Verfahren befindlichen Patentanträge. Im Gegensatz zu den reinen Patentanmeldungen ist ein gewisser durch das Patentgesetz vorgegebener Qualitätsanspruch zumindest bezüglich technischer Neuheit durch die ausgesprochene Patenterteilung erfüllt. Aussagen über den ökonomischen Wert des Patentes können dadurch jedoch nicht getroffen werden. Vielmehr handelt es sich bei den Patenterteilungen um einen technologischen Qualitätsindikator163. Tauscht man die Zahl der Patentanmeldungen gegen die Zahl der Patenterteilungen, so können die im vorigen Kapitel vorgestellten Kennzahlen analog für die Patenterteilungen berechnet werden. Eine neue Kennzahl ist die Erfolgsrate. Man erhält sie aus dem Quotienten der Anzahl der Patenterteilungen und der Anzahl der Patentanmeldungen. Die Formel zur Berechnung lautet wie folgt: Formel (4.12)164: ERi
PEi
PEi PAi T
¦ PEit t 1
163 164
Basberg, in: Research Policy, Band 16 1987, S. 138. Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 51.
78
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
PEit PAi t
= = =
Patenterteilung des i-ten Unternehmens in Periode t Patentanmeldungen des i-ten Unternehmens 1, 2, ……T Zeitperioden
Beim Umgang mit Kennzahlen, welche die Patenterteilung betreffen, müssen einige Dinge bedacht werden. Zum einen gibt es große Unterschiede in der Statistik der Erteilungsrate verschiedener Ländern. In einer Studie wurde herausgearbeitet, dass im untersuchten Zeitraum die Erfolgsrate in Deutschland bei etwa einem Drittel lag, während andere Länder wie Frankreich auf über 90 Prozent kamen165. Bei einer länderübergreifenden Analyse empfiehlt sich daher sehr vorsichtig mit den Ergebnissen zur Erfolgsrate umzugehen. Zum anderen geht es um die Zeitdauer zwischen Patentanmeldung und Patenterteilung. Diese Zeitspanne kann mitunter 5 Jahre und mehr betragen. Wenn auch der qualitative Gesichtspunkt für die Verwendung der Anzahl der Patenterteilungen zur Berechnung von Kennzahlen spricht, so sind für einige Analyseziele, wie beispielsweise die Früherkennung technologischer Entwicklungen, diese Kennzahlen unbrauchbar. Patentlaufzeit
Mit der Patentlaufzeit kommen wir zu einem ersten Indikator für ökonomische Qualität. Die Patentlaufzeit ist der Zeitraum zwischen Patentanmeldung und Patentende. Sie kann daher erst dann endgültig ermittelt werden, wenn das Patent erloschen ist oder die maximale Laufzeit erreicht hat. Die ökonomische wie auch die technische Qualität variiert von Patent zu Patent. Es ist für die Analyse des Patentierverhaltens offensichtlich von Bedeutung, welche Qualität hinter den angemeldeten Patenten steckt. Die Anzahl der Patente alleine erreicht nicht annähernd die gleiche Aussagekraft. Der Zusammenhang zwischen der Patentlaufzeit und der Qualität eines Patents ist in empirischen Studien nachgewiesen worden. Er soll im Folgenden kurz erläutert werden. Zuerst wird der betriebswissenschaftliche Bewertungsansatz der Barwertmethode erklärt und danach auf die im Rahmen der Patentanalyse genutzten Überlegungen eingegangen, um in der Folge den Unterschied zu verdeutlichen. Der Wert eines Patents im betriebswissenschaftlichen Sinn kann nach der Barwertmethode aus den bevorstehenden Rückflüssen abgeleitet werden. Der Schutz, der durch das Patent gewährleistet wird, sichert gewisse Einnahmen, die sowohl durch Nutzung als auch Verkauf der Rechte zustande kommen können. Die Summe der Rückflüsse, die jedoch nur 165
Schankermann/Pakes, The Economic Journal, Band 96 1986, S. 1052 (1956).
4.1 Kennzahlen
79
schwer ermittelbar ist, stellt den Patentwert dar. Der Patentschutz ist rechtlich auf 20 Jahre beschränkt. Bei steigendem Patentalter sinkt gleichzeitig die maximale Restlaufzeit. Dadurch werden weniger patentgebundene Rückflüsse ermöglicht. Das würde bedeuten, dass junge Patente einen größeren Patentwert besitzen als ältere, da über die längere Restlaufzeit mehr Rückflüsse bevorstehen. Reitziger weist darauf hin, dass die zukünftigen Patenteinnahmen nur mit großer Unsicherheit geschätzt werden können und daher keinen zuverlässigen Indikator für ökonomische Qualität darstellen. Betrachtet man jedoch die Verlängerung eines Patents als eine Investitionsentscheidung, kann man einen Zusammenhang zwischen Patentlaufzeit und Qualität herstellen166. Die Investitionssumme entspricht dabei der Patentgebühr. Daraus lässt sich schließen, dass der Patentwert von Patenten mit langer Patentlaufzeit durch den Patentinhaber als hoch eingeschätzt wurde, da bei längerer Patentlaufzeit die Investitionssumme größer wird. Diese Einschätzung deckt sich mit den Auswertungen empirischer Studien zur Patentlaufzeit. Die Betrachtung einer großen Zahl von Patentdaten brachte zum Vorschein, dass die Patentlaufzeit mit dem Patentwert positiv korreliert167. Der Unterschied zur Barwertmethode ist, dass nicht die unsicheren zukünftigen Rückflüsse kalkuliert werden, sondern die gefallenen Investitionsentscheidungen als Grundlage der Qualitätskennzahl einbezogen werden. Auf Basis der Patentlaufzeit können die Berechnungen der in Abschn. 4.1.1 Patentanmeldungen in Abb. 4.1 genannten Kennzahlen ebenfalls vorgenommen werden. In den Formeln wird dafür die Anzahl der Patentanmeldungen durch die Patentlaufzeit ersetzt. Auch die Bildung der relativen Kennzahlen zum Vergleich zweier Unternehmen, zum Benchmarking oder einem Branchenvergleich, führt zur qualitativen Einordnung des unternehmenseigenen Patentportfolios. Analog zu den Kennzahlen der Patentaktivität kann die Patentlaufzeit in den Kennzahlen bezüglich der gesamten Unternehmung und auch bezüglich einzelner Teilbereiche zum Einsatz kommen. Es ist generell darauf zu achten, dass die Patentlaufzeit sich nicht für alle Arten von Analysen eignet. Da ihr endgültiger Wert erst ermittelt werden kann, wenn das Patent erloschen ist, ist für eine Früherkennung oder zeitnahe Analyse diese Kennzahl nicht zu gebrauchen168.
Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 102. Schankermann/Pakes, The Economic Journal, Band 96 1986, S. 1052 (1073). 168 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 51. 166 167
80
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Patentzitate
Patentzitate finden sich wie die zuvor genannten Patentinformationen ebenfalls auf der Patentschrift. Sie weisen den inhaltlichen Zusammenhang zu anderen Patenten aus. Die Patentbehörde nutzt sie, um die Neuheit und Erfindungshöhe im Vergleich zu bereits angemeldeten Patenten zu belegen. Sie werden im Rahmen des Prüfungsverfahrens eingetragen. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Zitationen zur Nicht-Patentliteratur, also wissenschaftlichen Publikationen, und Zitationen zur Patentliteratur. Eine weitere Unterscheidung betrifft die zeitliche Richtung der Zitate. Sind diese in die Vergangenheit gerichtet, dann spricht man von Rückwärtszitationen. Damit ist die Anzahl und Art der Zitate umschrieben, die auf einer Patentschrift zu finden sind. Weisen sie in die Zukunft, dann spricht man von Vorwärtszitationen. Darunter versteht man die Anzahl von Nennungen der untersuchten Patentschrift in den Prüfberichten anderer Patente und wissenschaftlichen Publikationen169. Zu den Rückwärtszitationen und ihrer Bedeutung für die Qualität eines Patents sind mehrere empirische Studien unternommen worden. Einige Schlußfolgerungen sollen im Folgenden stichpunktartig wiedergegeben werden. Sie zeigen den schwierigen Umgang mit dieser Kennzahl auf. x Bei der Ermittlung der Rückwärtszitationen kann zwischen Eigen- und Fremdzitationen differenziert werden. Eine umfangreiche Zitation zu eigenen Patentschriften wird als Indiz für eine starke Position des Anmelders im untersuchten Technologiefeld gewertet170. x Es existiert die Hypothese, dass eine Vielzahl von Rückwärtszitationen eine relativ geringe Neuheit vermuten lässt und das Patent anfällig für rechtliche Anfechtungen macht171. x Man geht generell von dem Zusammenhang aus, dass die Zahl der Rückwärtszitationen zur Patentliteratur ein Indiz für die Attraktivität des Technologiefeldes ist172. Es wird deutlich, dass es sehr schwer ist, die Anzahl von Rückwärtszitationen einem einzelnen Effekt zuzuordnen. Die Analyse der ermittelbaren Kennzahlen führt zu keiner eindeutigen Aussage und kann nur als Ergänzung betrachtet werden. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Informationen frühzeitig mit Erscheinen des Prüf- und Rechercheberichtes Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 107. Harhoff/Scherer/Vopel, in: Research Policy, Heft 32 2003, S. 1343 (1353). 171 Harhoff/Reitzig, in: International Journal of Industrial Organization, Heft 22 2004, S. 443 (466). 172 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 108. 169 170
4.1 Kennzahlen
81
zur Verfügung stehen. Der zeitliche Datenerhebungsaufwand ist dank in elektronischer Form vorliegender Informationen überschaubar. Zu den Vorwärtszitationen findet man bei Ernst eine Reihe von definierten Kennzahlen173. Es handelt sich dabei um die Zitierquote, den Current Impact Index (CII), die Technologiestärke (technological strength) und die Citation Performance Ratio (CPR). Im Folgenden werden diese Kennzahlen beschrieben und mathematisch dargestellt. Die Zitierquote gibt wieder, wie oft die Patente eines Unternehmens durchschnittlich in nachfolgenden Patentschriften anderer Patentanmelder zitiert werden. Sie wird in der Regel nicht auf die Anzahl der Patentanmeldungen bezogen, sondern auf die Zahl der Patenterteilungen. Dies kann wie folgt mathematisch ausgedrückt werden: Formel (4.13)174: T
ZQit
¦ Zi, t W
W 0 T
¦ PEi, t W
W 0
Z i , t W PEi , t W t W
= Anzahl der auf erteilte Patente des i-ten Unternehmens in Periode tW entfallenden Zitate = Patenterteilungen des i-ten Unternehmens in Periode tW = Zeitpunkt der Kennzahlenbestimmung = 0, 1….., TZeitverzögerung in Jahren
Der Current Impact Index (CII) beschreibt die relative Häufigkeit, mit der Patente eines Unternehmens im Vergleich zu Patenten anderer Unternehmen zitiert werden. Dieser Index kann auf einen beliebigen Zeitraum bezogen werden. Der Umfang der Kennzahl ist ebenfalls variabel. Neben der Berechnung für die ganze Unternehmung kann diese auch für einzelne Teilbereiche durchgeführt werden. Formel (4.14) stellt den CII in allgemeiner mathematischer Form dar:
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 57. 174 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 57. 173
82
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Formel (4.14)175:
CII it
ZU , t , PEi ; t W
=
PEi , t W
=
j
=
W t
= =
ZU , t ,PEi , t W § ¨ T PE i , t W ¨¦ ¨ W 0 ZU , t , PE j , t W ¨ PE j , t W ©
· ¸ 1 ¸ ¸ T 1 ¸ ¹
Anzahl der Patentzitate von Patentschriften, die in Periode t am USPTO erteilt werden und auf Patentschriften verweisen, die dem i-ten Unternehmen in Periode tW erteilt worden sind Patenterteilungen des i-ten Unternehmens in Periode tW Bezugseinheit (Unternehmen der Branche, einzelne Wettbewerber, Wettbewerber mit der höchsten Anzahl von Zitaten, Land bzw. Patentamt) 0, 1….., TZeitverzögerung in Jahren Zeitpunkt der Kennzahlenbestimmung
Die Technologiestärke (technological strength) wird aus der Multiplikation des Current Impact Index (CII) mit der Anzahl der Patenterteilungen des Unternehmens berechnet. Beide Werte beziehen sich auf das gleiche Jahr. Formel (4.15) zeigt den mathematischen Bezug. Zusammen mit dem Current Impact Index nutzten Coy/Carey/Gross die Kennzahl der Technologiestärke im Rahmen eines Patent-Scoreboards, um die gesamten Patentpositionen einiger ausgewählter großer Firmen in einer Tabelle darzustellen.176 Formel (4.15)177: TSit CII it PEit
= =
CII it PEit
CII des i-ten Unternehmens in Periode t Patenterteilung des i-ten Unternehmens in Periode t
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 59. 176 Coy/Carey/Gross, in: Business Week, 9. August 1993, S. 49 (49). 177 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 59. 175
4.1 Kennzahlen
83
Die letzte zu den Vorwärtszitationen gehörende Kennzahl, die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellt wird, wird Citation Performance Ratio (CPR) genannt. Sie ist eine Erweiterung des Current Impact Index (CII). Die Bezugsgröße sind hier nicht mehr alle auf einzelne Patente entfallenden Zitate, sondern man beschränkt sich bei der Ermittlung der durchschnittlichen Patentzitationen auf einen gewissen Anteil der meist zitierten Patente, der frei gewählt werden kann. Bei Narin/Olivastro wurde die Zitierhäufigkeit beispielsweise auf die 10% der am häufigsten zitierten Patente bezogen178. Die im Folgenden dargestellte Formel (4.16) zeigt den mathematischen Zusammenhang. Formel (4.16)179: CPRi
PEiz
=
PE jz
=
j
=
z
=
PEiz PE jz
Anzahl der Patenterteilungen des i-ten Unternehmens, die das z-te Anspruchsniveau hinsichtlich der Zitierhäufigkeit erfüllen Anzahl der Patenterteilungen der j-ten Bezugseinheit, die das z-te Anspruchsniveau hinsichtlich der Zitierhäufigkeit erfüllen Bezugseinheit (Branche, einzelne Wettbewerber, Wettbewerber mit der höchsten Anzahl von erteilten Patenten, die das z-te Anspruchsniveau hinsichtlich der Zitierhäufigkeit erfüllen) Anspruchsniveau der Zitierhäufigkeit, gemessen am Prozentsatz der meist zitierten Patente (z = 1%, 5%, 10%, …)
Abschließend ist zu bemerken, dass Vorwärtszitationen eine weitere Möglichkeit bieten, die Patentaktivität von Unternehmen qualitativ zu beleuchten. Die Häufigkeit mit der auf ein Patent verwiesen wird, ist ein Indiz für die technologische und ökonomische Qualität der Erfindung. In Anlehnung an die Zahl der Patentanmeldungen können auch die Kennzahlen der Zitationen auf Teilbereiche bezogen werden. Die Aussagekraft einer Patentanalyse wird durch die Hinzunahme von Zitationskennzahlen Narin/Olivastro, in: Raan van (Hrsg.), Handbook of quantitative studies of science and technology, S. 465 (491). 179 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 61. 178
84
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
maßgeblich gestärkt und erweitert. Die Patentinformationen zu Zitaten sind nicht so leicht zu recherchieren wie reine Anmeldezahlen oder Patenterteilungen, dank umfangreicher digitaler Datenbanken ist der Aufwand dennoch überschaubar. Auslandsanmeldungen
Der Begriff Auslandsanmeldungen umschreibt die Zahl der Patentrechte, die ein Unternehmen im Ausland unterhält. Aufgrund des höheren finanziellen und administrativen Aufwandes für Anmeldungen in anderen Ländern, ist davon auszugehen, dass nur Patente angemeldet werden, die ein gewisses ökonomisches Potential besitzen. Studien bestätigen den Zusammenhang zwischen den Auslandsanmeldungen und dem Patentwert180. Es existiert daher die allgemeine Auffassung, dass die Zahl der Auslandsanmeldungen einen ökonomischen Qualitätsindikator für Patente darstellt181. Beim Untersuchen der Patentaktivitäten globaler Unternehmen kann ein besonderer Effekt auftreten, der kurz erläutert werden soll: Analysiert man Unternehmen aus verschiedenen Ländern durch eine Patentrecherche im Heimatland eines Unternehmens, wird sehr häufig das Patentierverhalten des inländischen Unternehmens überschätzt. Der finanzielle und administrative Aufwand zur Anmeldung eines Patentes im Ausland sorgt dafür, dass ausländische Unternehmen nur wirklich wichtige Patente anmelden. Bei der Auswertung der Analyse muss dieser Inländervorteil beachtet werden. Er zeigt sich zum einen in einer höheren Aktivität des heimischen Unternehmens. Zum anderen ist zu erwarten, dass die vom ausländischen Unternehmen angemeldeten Patente eine höhere Qualität aufweisen. Zum Umgehen dieser Problematik kann als Recherchebezug ein neutrales Land gewählt werden. Beim Vergleich deutscher und japanischer Unternehmen würde sich beispielsweise das EPA oder das USPTO anbieten182. Eine weitere die Auslandsanmeldungen betreffende Kennzahl ist die Familiengröße. Die Familiengröße gibt die Zahl der Länder wieder, in denen ein und dasselbe Patent Gültigkeit besitzt. Ernst drückt diesen Sachverhalt wie folgt aus: „Die Prioritätsanmeldung erfasst die nationale Erstanmeldung eines Patents, während die Patentfamilie alle auf dieser An-
Harhoff/Scherer/Vopel, in: Research Policy Heft 32 2003, S. 1343 (1354); Harhoff/Reitzig, in: International Journal of Industrial Organization, Heft 22 2004, S. 443 (461). 181 Schmoch, Wettbewerbsvorsprung durch Patentinformationen, S. 19. 182 Schmoch, Wettbewerbsvorsprung durch Patentinformationen, S. 72. 180
4.1 Kennzahlen
85
meldung basierenden internationalen Parallelanmeldungen erfasst“183. Ihre theoretische Rechtfertigung als Kennzahl ökonomischer Qualität basiert ebenfalls auf der Tatsache, dass die höheren Kosten einer internationalen Erfindung nur mit der Erwartung höherer Rückflüsse in Kauf genommen werden. Zu dm deutet eine internationale Anmeldung auf einen internationalen Markt hin184. Sowohl mit der Zahl der Auslandsanmeldungen, als auch mit der Familiengröße können die für die Patentanmeldungen in Abschn. 4.1.1 mathematisch dargestellten absoluten und relativen Kennzahlen gebildet werden. Die Zahl der Patentanmeldungen werden dafür einfach durch die Zahl der Auslandsanmeldungen bzw. die Familiengröße ersetzt. Die Daten bezüglich Auslandsanmeldungen und Familiengröße haben ferner, wie auch die Aktivitätskennzahlen den Vorteil, dass sie als Information frühzeitig zur Verfügung stehen. Beim Europäischen Patentamt sind die Daten spätestens 18 Monate nach der Patentanmeldung zugänglich. In den USA kann es mitunter länger dauern, da erst mit der Patenterteilung die Patentschrift veröffentlicht wird185. In der Literatur findet man weitere nützliche Kennzahlen zu Auslandsanmeldungen, die im Folgenden kurz genannt werden. Eine davon ist die Auslandsquote. Sie ermittelt den Anteil der Auslandsanmeldungen an den gesamten Patentanmeldungen der Unternehmung. Da Auslandsanmeldungen als Zeichen von ökonomischer Qualität gewertet werden, lässt eine hohe Auslandsquote Rückschlüsse auf ein ökonomisch interessantes Patentportfolio zu. Ergänzend wären dann wieder Aktivitätskennzahlen notwendig, um die Aussagekraft zu erweitern. Die Formel (4.17) gibt die Kennzahl Auslandsquote mathematisch wieder: Formel (4.17)186: PAi, l !1
AQi , l !1
L
¦ PAil l 1
PAil
T
¦ PAilt t 1
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 66. 184 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 117. 185 Däbritz, Patente, S. 27. 186 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 65. 183
86
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung T
PAi , l !1
¦ PAi, l !1, t t 1
PAilt
=
l l t
= = =
Patentanmeldungen des i-ten Unternehmens im l-ten Land in der Periode t 1 = Inland 2, 3, ……L = Ausland 1, 2, ……T Zeitperioden
Ergänzend zu den absoluten und relativen Kennzahlen basierend auf der Familiengröße, kann die durchschnittliche Familiengröße ermittelt werden. Es ist möglich, diese Größe auf das gesamte Unternehmen oder aber auf Teilbereiche zu beziehen. Die Kennzahl ist in Formel (4.18) wie folgt definiert: Formel (4.18)187: L
¦ PAil l 1
GPFi
PFi
PFi T
¦ PFit t 1
PAil
=
PFit
=
l t
= =
Patentanmeldungen des i-ten Unternehmens im l-ten Land Anzahl der Patentfamilien des i-ten Unternehmens in Periode t 1, 2, ……L Länder mit Patentanmeldungen 1, 2, ……T Zeitperioden
4.1.3 Verbindungskennzahlen Sowohl Aktivitäts-, als auch Qualitätskennzahlen beleuchten einzelne Unternehmen oder Teilbereiche und vergleichen diese mit anderen Patentanmelder aus dem Wettbewerbsumfeld. Die Aufgabe der Verbindungskenn187
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 67.
4.1 Kennzahlen
87
zahlen ist es nun, Beziehungen und technologische Strukturen innerhalb des Analysegegenstandes zu ergründen. Gegenstand können Erfinder, Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Länder und andere Institutionen mit Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sein. Ziel der Verbindungskennzahlen auf Unternehmensebene ist die Identifikation von in Teilbereichen führenden Unternehmen, Aufdeckung technologischer Transfers und unterschiedlicher Technologiestrategien188. Da insbesondere Patentzitate direkte Verbindungen zwischen zwei Patenten und damit Beziehungen zwischen Anmeldern wiedergeben, konzentrieren sich Verbindungskennzahlen auf die Verwendung von Zitationen. Dieses Kapitel stellt in Anlehnung an Ernst die Verbindungskennzahlen Dominanz, Technologische Zyklusdauer, Wissenschaftsbindung und Anteil der Eigen- bzw. Fremdzitate vor. Die Dominanz (dominance) betrifft das Beziehungsmuster zwischen Unternehmen. Sie wird über die Häufigkeit gebildet, mit der die Patente des Unternehmens in anderen Patentschriften von Unternehmen aus dem Wettbewerbsumfeld zitiert werden. Wiederum können sowohl das gesamte Unternehmen wie auch Teilbereiche betrachtet werden. Eine in Relation zu anderen Unternehmen hohe Kennzahlenausprägung deutet auf eine dominante Stellung im analysierten Technologiebereich hin. Eine andere Möglichkeit ist die Bildung eines Verhältnisses der auf ein Unternehmen entfallenden Patentzitate zur Gesamtzahl der Patentzitate in einem gewissen Bereich. Auch hier gilt, je größer die Kennzahl desto dominanter das Unternehmen. Die Dominanz wird dabei entsprechend der Deutung von Patentzitationen als Indiz technologischer und ökonomischer Qualität gedeutet. Durch Variation des betrachteten Technologiefeldes, der Konkurrenten und Teilbereiche können relative Stärken und Schwächen sowie dominante Mitbewerber identifiziert werden189. Die technologische Zyklusdauer (technological cycle time, TCT) erfasst die zeitliche Beziehung zwischen einzelnen Patentzitaten. Da die Zitate oft zur Klärung des Standes des Wissens verwendet werden, zeigt die zeitliche Differenz zwischen Anmeldung des eigenen Patentes und Anmeldung des zitierten Patentes die Geschwindigkeit, mit der Unternehmen technische Neuerungen erfinden. Je kleiner der Wert der Kennzahl, desto schneller werden Technologien weiterentwickelt oder erfunden. Die Kennzahl TCT birgt damit die Möglichkeit Aussagen über die Dynamik der Technologiestrategie von Unternehmen zu treffen. Bei der Auswertung ist eine branchentypische Zyklusdauer zu beachten. Während beispielsweise in den Narin/Olivastro, in: Raan van (Hrsg.), Handbook of quantitative studies of science and technology, S. 465 (497). 189 Narin, in: Review of Business, Band 14 Nr. 3 1993, S. 19 (21); Fendt, in: Wirtschaftswoche, Nr. 29 1983, S. 40 (41 f). 188
88
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Bereichen Telekommunikation, Elektronik- und Computerindustrie in den letzten Jahren sehr schnell entwickelt wird, sind die Bereiche Maschinenbau und Chemie deutlich langsamer190. Die Wissenschaftsbindung (science linkage, SL) befasst sich mit der Art der Zitation. Die Wissenschaftsbindung betrachtet die Häufigkeit, mit der in Patenten auf wissenschaftliche also Nicht-Patentliteratur verwiesen wird. Es wird damit eine Verbindung zwischen patentfähiger F&E und der meist nicht patentierfähigen Grundlagenforschung hergestellt. Ein hoher Wert weist auf eine technologische Führungsposition hin. Die Kennzahl Wissenschaftsbindung ist ebenfalls stark branchenabhängig. Dem Bereich Maschinenbau werden sehr geringe Kennzahlenwerte zugeordnet, in der Pharmaindustrie wird dagegen sehr oft auf wissenschaftliche NichtPatentliteratur verwiesen. Im Rahmen der Kennzahlenermittlung können zusätzlich konkrete Beziehungen zwischen Unternehmen und Forschungsinstituten herausgefunden werden und Kooperationsstrategien entlarvt werden191. Der Anteil der Eigen- bzw. Fremdzitate ist eine Kennzahl, die wie ihr Name sagt Eigen- und Fremdzitate quantitativ erfasst und in Beziehung setzt. Das Verhältnis wird genutzt, um die von Unternehmen langfristig verfolgten Technologiestrategien zu erkennen. Ein hoher Eigenzitatanteil spricht für eine defensive, absichernde Technologiestrategie des Unternehmens. Bestehende technologische Kompetenzen und die errungene Position werden verteidigt. Ein hoher Fremdzitatanteil wird als Versuch gedeutet, in neue technologische Bereiche vorzudringen und weist in Richtung einer offensiven Technologiestrategie. Die vermutete Strategie kann natürlich von Technologiefeld zu Technologiefeld variieren192.
4.2 Anwendungsfelder Nachdem im vorangegangenen Abschnitt das Handwerkszeug der Patentanalyse, die Kennzahlen, vorgestellt wurden, widmet sich dieses Kapitel den Anwendungsfeldern einer auf Patentinformationen basierenden unternehmensbezogenen Analyse. Die Aufbereitung von Informationen eines Unternehmens oder seines Umfeldes dient im Allgemeinen der Planung und Vorbereitung von Entscheidungen. Abhängig von der Art der Information Narin, in: Review of Business, Band 14 Nr. 3 1993, S. 19 (22). Narin, in: Review of Business, Band 14 Nr. 3 1993, S. 19 (22); Grupp/ Schmoch, in: Grupp (Hrsg.), Dynamics of science-based innovation, S. 73 (94). 192 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 67; Fendt, in: Wirtschaftswoche, Nr. 29 1983, S. 40 (41). 190 191
4.2 Anwendungsfelder
89
können bestimmte Teilbereiche und Fragestellungen durch eine Analyse und die anschließende Auswertung beleuchtet werden. Wie zuvor erläutert, stellen Patentdaten eine Vielzahl verwertbarer und frei zugänglicher Informationen bereit. Auf welche Bereiche eine unternehmensorientierte Patentanalyse bezogen werden kann und welche Aussagen und Ergebnisse zu erwarten sind, wird im folgenden Kapitel erklärt. Damit werden mögliche Ziele einer Patentanalyse vorgestellt und gleichzeitig auf die Qualität der Ergebnisse in Abhängigkeit des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes eingegangen. Um eine Patentanalyse sinnvoll vorzubereiten und zügig durchzuführen sind diese Informationen von großer Bedeutung. Die Anwendungsfelder werden im Folgenden in unternehmensinterne und unternehmensexterne Patentanalysen unterschieden. Diese Unterteilung folgt dem logischen Aufbau einer Patentanalyse, die zuerst mit den eigenen Patentpositionen beginnt und darauf aufbauend die erhaltenen Ergebnisse in Relation zu Bezugsgrößen aus dem Wettbewerbsumfeld setzt. An diesem Aufbau wird sich auch die abschließende praktische Durchführung einer Patentanalyse orientieren. Diese Gliederung wurde gewählt, da durch sie der Zusammenhang zwischen Patentanalysen, die das eigene Unternehmen betreffen und denen die das Unternehmensumfeld betrachten, deutlich wird und gleichzeitig alle wesentlichen Anwendungsfelder umfasst werden. In Anlehnung an die Theorie zur strategischen Situationsanalyse193 stellt Abb. 4.2 den inhaltlichen Aufbau des Kapitels graphisch dar. Die Linien weisen auf den Informationsfluss hin, wobei die durchgezogenen zusätzlich die wesentlichen Anwendungsfelder von Patentanalysen anzeigen. Auf Basis der unternehmensinternen und unternehmensexternen Patentdaten können unternehmensbezogene Patentanalysen zu Aussagen bezüglich der relativen Stärken und Schwächen führen. Die internen Daten werden aus der patentbasierten Potentialanalyse gewonnen, die externen aus der patentbasierten Konkurrenzanalyse. Technologiebezogene Patentanalysen, deren externe Daten aus der Betrachtung des technologischen Umfeldes (Technologieanalyse) kommen, lassen die Betrachtung technologiebezogener Chancen und Risiken zu. Die aus der Literatur bekannte Unterteilung in unternehmensbezogene194 und technologiebezogene195 Patentanalysen wird durch die beiden mittleren großen Kästen erfasst196. Durch einen Vergleich der Patentaktivitäten von zwei und mehr Unternehmen (Konkurrenzanalyse) werden Stärken und Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, Marketing, S. 861. Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 181. 195 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 208. 196 Ashton/Sen, in: Research Technology Management, Nov-Dez 1988, S. 42 (43 f). 193 194
90
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
UnternehmensLQWHUQH Patentanalyse
Vergleich
UnternehmensH[WHUQH Patentanalyse
Potentialanalyse
Konkurrenzanalyse unternehmensbezogene Stärken u. Schwächen Technologieanalyse technologiebezogene Chancen u. Risiken
Abb. 4.2. Anwendungsfelder der Patentanalyse (nach Nieschlag/Dichtl/Hörschgen)
Schwächen in ausgewählten Teilbereichen ermittelt (gestrichelte Linie). Eine technologie-bezogene Untersuchung des Unternehmensumfeldes oder ganzer Technologiezweige (Technologieanalyse) führt zu Aussagen bezüglich der Chancen und Risiken in diesem Bereich (gestrichelte Linie). Die unternehmensinterne Patentanalyse deckt Potentiale innerhalb der Unternehmung auf (Potentialanalyse). Mit ihr können unternehmens- und technologiebezogene Ist-Zustände ermittelt werden und mit den Planvorgaben und Zielen abgeglichen werden. Um Aussagen über relative Stärken oder Chancen zum Wettbewerbsumfeld zu treffen, sind die Daten in Relation zu den unternehmensexternen Patentinformationen zu setzen. Durch den Vergleich der internen und externen Analyse gelangt man zu Aussagen über Stärken und Schwächen im Vergleich zu den Wettbewerbern. Eine Betrachtung der eigenen technologiebezogenen Position, zusammen mit der Entwicklung des Wettbewerbsumfeldes auf der Technologieebene, lässt eine Beurteilung der Chancen und Risiken zu. 4.2.1 Unternehmensinterne Patentanalyse In diesem Abschnitt werden die Fragestellungen, für die sich die Anwendung einer unternehmensinternen Patentanalyse eignet, vorgestellt. Gemäß Abb. 3.7 ist die unternehmensinterne Analyse in Form einer auf Patentdaten basierenden Potentialanalyse durchführbar und als solche zu betrachten. Das Ziel einer Potentialanalyse ist es, die aktuellen und zukünftigen
4.2 Anwendungsfelder
91
Potentiale eines Unternehmens zu bestimmen. Im Mittelpunkt der unternehmensinternen Analyse und gleichzeitig die Grundlage für alle weiterführende Analysen, steht die Frage nach dem Ist-Zustand der Patentaktivität des Unternehmens. Dafür ist zunächst ein Überblick über die Patentaktivitäten zu schaffen. Geschieht dies nur aufgrund von Patentdaten, beispielsweise durch externe Personen, so wird der Anwendungsbereich sinnvoller Analysen eingeschränkt, da qualitative und fachspezifische Informationen zum Unternehmen fehlen. Bezüglich des IstZustandes ist zu klären197: x wie viele Patente unterhalten werden und ob alle diese notwendig sind und die Patentkosten rechtfertigen. Dabei ist neben dem Schutz eigener Produkte und Geschäftsfelder auch auf mögliche Verwertung der Patente durch Lizenzen und Ähnliches zu achten. x welche Qualität der Patentbestand aufweist, ob Familiengrößen ausreichen oder übertrieben sind. Auch der Aufwand für Auslandsanmeldungen sollte kontrolliert und gegebenenfalls erweitert oder gekürzt werden. x inwiefern Aufwendungen für Forschung und Entwicklung durch Patentzahlen wiedergegeben werden. Besteht eine große Diskrepanz zwischen der verfolgten Strategie, dem F&E Aufwand und dem Patentoutput auch von Teilbereichen, sind Prozesse neu zu überdenken, um unnötige Kosten einzusparen. x wann Patentrechte auslaufen und ob sich die Anmeldung neuer Patente anbahnt. Steht der Konkurrenz der Markteintritt durch das Wegfallen von Schutzrechten offen, kann dies zu veränderten Marktsituationen führen, auf die reagiert werden muss. Es ist beispielsweise denkbar durch neue, weiterführende Patente derartige Geschäftsfelder zu schützen. x wie hoch der Anteil von Patenterteilungen an der Zahl der Anmeldungen ist. Eine geringe Erteilungsquote weist auf unnötig hohe Kosten hin. Das interne Verfahren zur Vorbereitung und Anmeldung von Patenten sollte dann kontrolliert werden. Das Gleiche gilt für die Zahl der Einsprüche und Gerichtsprozesse die auf unzureichende Vorarbeiten schließen lassen und teuer bezahlt werden müssen. x welche Mitarbeiter besonders viele Patente angemeldet haben. Man sollte Anreizsysteme schaffen, um wertvolle Angestellte halten zu können. Neben dem Ist-Zustand ist die zeitliche Veränderung der Patentaktivität von Bedeutung, um etwaige negative oder positive Tendenzen rechtzeitig 197
Fendt, in: Engelhardt (Hrsg.), Fachwissen Patentinformation, S. 29 (36 f).
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4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
zu erkennen. Dies kann durch den Vergleich regelmäßig angestellter Patentanalysen geschehen. Über die Einbeziehung von kumulierten Patentkennzahlen oder Patentwachstumsraten hinsichtlich der oben genannten Punkte wird das gleiche Ziel erreicht. Dadurch wird die Analyse auf folgende Fragestellungen erweitert198: x Wie entwickeln sich Anmeldezahl, Erteilquote, Auslandsanmeldungen usw.? Werden starke Schwankungen und Veränderungen festgestellt, die nicht zu erwarten waren, kann auf diese reagiert werden. x Welche Unternehmensbereiche können ihren quantitativen und qualitativen Patentoutput mit der Zeit steigern? Welche nicht? Die zukünftige Strategie kann sich an solchen Informationen orientieren bzw. Änderungen müssen zur weiteren Strategieverfolgung veranlasst werden. Starke Variationen sollten hinterfragt werden. Es fällt insgesamt auf, dass erst durch den Bezug und die Verbindung zu weiteren Informationen des Geschäftsbetriebes (wie beispielsweise Aufwand, strukturelle Veränderungen, Strategie, usw.) die Patentdaten an Aussagekraft gewinnen199. Um das Unternehmen in seinem Wettbewerbsumfeld zu analysieren, ist daher ein Bezug zu zusätzlichen Informationen herzustellen200. Diese Bezugsgrößen sind die unternehmensexternen Patentdaten. Im folgenden Abschnitt werden die durch den Vergleich möglichen Anwendungsfelder von Patentanalysen vorgestellt. 4.2.2 Unternehmensexterne Patentanalysen Wie aus Abb. 3.7 zu entnehmen ist, sind Aussagen bezüglich unternehmensbezogener Stärken und Schwächen bzw. technologiebezogener Chancen und Risiken mit einer rein unternehmensinternen Analyse nicht möglich. Es sind die Daten des Unternehmensumfeldes und der Vergleich notwendig, um diese Aussagen treffen zu können. Das Patentsystem ermöglicht die Einsicht unternehmensexterner Informationen, da die Patentdaten, die das eigene Unternehmen bekannt geben muss, um ein Schutzrecht zu erlangen, durch die angemeldeten Patente über die Konkurrenz in Erfahrung gebracht werden können. Die Ergebnisse der externen Konkurrenz- bzw. Technologieanalyse sind für sich gesehen sicherlich verwertbar, doch gewinnen sie erst durch den Vergleich und die Einordnung der eigenen Daten ihre ganze Bedeutung. Da im vorangegangenen Kapitel die Aufgaben einer Fendt, in: Engelhardt (Hrsg.), Fachwissen Patentinformation, S. 29 (36 f). Peiffer, Technologie-Frühaufklärung, S. 136. 200 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 169. 198 199
4.2 Anwendungsfelder
93
auf das eigene Unternehmen bezogenen Patentanalyse vorgestellt wurden, beschränkt sich dieser Abschnitt auf die Anwendungsfelder und Fragestellungen unternehmens- und technologie-bezogener Patentanalysen, die interne und externe Daten einbeziehen. Unternehmensbezogene Patentanalyse
Die unternehmensbezogene Patentanalyse findet grundsätzlich Anwendung bei der Ermittlung der technologischen Position (Ist-Zustand) und der zeitlichen Entwicklung der betrieblichen Patentaktivitäten. Daraus abzuleiten sind die Technologiestrategien der Unternehmen und durch den zeitlichen Verlauf auch deren Veränderungen und Trends201. In Anlehnung an Ernst werden im Folgenden die strategischen Fragestellungen unternehmensbezogener Patentanalysen nach Art der Technologiestrategie, Ausrichtung der Technologiestrategie und nach der zeitlichen Veränderung getrennt wiedergegeben. Gleichzeitig werden geeignete Patentkennzahlen genannt, die in Abschn. 4.1 vorgestellt wurden202. Auf der Ebene der Art der Technologiestrategie sind Patentanalysen für folgende Fragestellungen geeignet: x Wer ist ein relevanter Wettbewerber? Dazu werden technologische Ähnlichkeiten mit Hilfe der aus den Patentschriften der Wettbewerber zu entnehmenden Patentklassifikationen bestimmt. x Wie stark ist meine gesamte Technologieposition im Vergleich zu den Wettbewerbern? Hier kann auf den Patentanmeldungen basierend die relative Patentaktivität hinzugezogen werden und damit das Ausmaß der F&E-Aktivitäten beurteilt werden. x Wie ist die Qualität meiner gesamten Technologiepositionen im Vergleich zu den Wettbewerbern? Auf Basis der Qualitätskennzahlen und einiger Vebindungskennzahlen (Dominanz, TCT, SL) wird die Art der technologischen Strategie bestimmt (Führer oder Folger), werden die Innovationspotentiale abgeschätzt und die Produktivität verglichen.
201 202
Mogee, in: Research Technology Management, Juli-Aug. 1991, S. 43 (44). Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 96 ff.
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4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
x Verfolgen die Wettbewerber bestimmte internationale Technologiebzw. Marktstrategien? Als Kennzahlen werden dazu Auslandsanmeldungen, Auslandsquoten und Familiengrößen betrachtet. Auf der Ebene der Ausrichtung der Technologiestrategie werden Patentanalysen zur Beantwortung folgender Fragen herangezogen: x Auf welche Technologien konzentrieren sich die Wettbewerber? Hier ist eine Identifikation der F&E-Schwerpunkte durch interne technologische Aktivitätsprofile auf der Basis von Patentanmeldungen und Konzentrationsquoten gefragt. x Wo liegen meine technologiespezifischen relativen Stärken und Schwächen gegenüber den Wettbewerbern? Diese Frage richtet sich nach den technologischen Kompetenzfeldern der Unternehmen. Zur Beantwortung können externe technologische Aktivitätsprofile, Patent-Benchmarking, die Qualitätskennzahlen, sowie die Kennzahlen Dominanz, TCT und SL verwendet werden. Die letzte Ebene unternehmensbezogener Patentanalysen ist die Ermittlung der ]HLWOLFKHQ9HUlQGHUXQJYRQ$UWXQG$XVULFKWXQJGHU7HFK QRORJLHVWUDWHJLHDie strategischen Fragestellungen sind die Folgenden: x Verändert sich die Technologiestrategie der Wettbewerber? Sinn und Zweck ist die Identifikation angreifender Unternehmen mit offensiver Technologiestrategie. Die Kennzahlen der relativen Patentaktivität, die Qualitätskennzahlen sowie Patentwachstumsraten, Patentbestandsgröße, Prüfquote, Fremdzitate, SL und TCT können dazu auf ihre zeitliche Veränderung hin untersucht werden. x Verändert sich die Ausrichtung der Technologiestrategie der Wettbewerber? Diese Frage zielt auf die betrieblichen Entwicklungen in bekannten und neuen Geschäftsfeldern ab. Um diese Entwicklungen zu verfolgen, können die Kennzahlen interner Aktivitätsprofile, Patentbestände, Fremdzitate, SL, Patentklassifikation und Nebenklassifikation betrachtet werden203. Die unternehmensbezogene Patentanalyse, die den Vergleich zwischen internen und externen Patentinformationen anstellt, wird hauptsächlich zur Bestimmung der eigenen zum Wettbewerbsumfeld relativen Position genutzt. Durch diese Einordnung in den Kontext des Wettbewerbs werden Stärken und Schwächen erkennbar. Die strategische Planung kann auf 203
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 96 ff.
4.2 Anwendungsfelder
95
diese Informationen eingehen und sie als Entscheidungshilfe nutzen. Durch die Möglichkeit die Wettbewerber und die Art und Ausrichtung ihrer Technologiestrategien zu analysieren, wird die Betrachtungszeit der Patentaktivitäten erweitert. Aufbauend auf der Langfristigkeit der erkannten Strategien können Prognosen gestellt und Trends erforscht werden. Die Betrachtung der zeitlichen Veränderung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Veränderungen im Wettbewerbsumfeld werden frühzeitig sichtbar und es bleibt genügend Zeit, entsprechend auf sie zu reagieren. Technologiebezogene Patentanalyse
Die technologiebezogene Patentanalyse beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Früherkennung technologischer Entwicklungen. Sie wird als unverzichtbares Element des Technologiemanagements angesehen204. Das Ziel ist es, schneller als die Wettbewerber auf neue attraktive Technologien aufmerksam zu werden, um beispielsweise den Niedergang alter Technologien oder technologische Diskontinuitäten zu realisieren205. Patentdaten sind dazu wie geschaffen206. Anhand der Patentaktivität können Rückschlüsse auf die Wachstumsrate einer Technologie gezogen werden. Mit Hilfe der Patentklassifikation und anderer technologischer Zuordnungssystematiken können Patentschriften einzelnen Technologiefeldern zugeordnet werden und die Aktivität derer beobachtet und analysiert werden. Aus den Patentschriften ist zusätzlich abzulesen, welche Firmen sich um bestimmte Technologien bemühen. Deren Alter, Anzahl und technologische Herkunft beinhalten weitere Erkennungsmerkmale der technologischen Entwicklung207. Die Zusammenhänge zwischen Patentinformationen und technologischer Entwicklung können auf Basis des Technologielebenszykluses erklärt werden208. Das allgemeine Ziel von Lebens-zykluskonzepten ist die Zukunftsprognose. In Anlehnung an Abb. 3.6 werden dadurch Chancen und Risiken beleuchtet. Auf dieser Prognose können strategische Entscheidungen aufbauen. Entsprechend der Phasen des Technologielebenszykluskonzepts gibt Abb. 4.3 die zugehörigen Veränderungen der Patentkennzahlen: „Patentanmeldungen“, „Konzentration“, „Aktualität“ wieder.
Ewald, Organisation des strategischen Technologie-Managements, Berlin 1989, S. 24. 205 Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 80. 206 Faust, in: Ifo-Schnelldienst, Nr. 30 1987, S. 7 (7). 207 Campbell, in: World Patent Information, Nr. 3 1983, S. 137 (137). 208 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 93. 204
96
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung Patentkennzahl
Lebenszyklusphase
Patentanmeldungen
Einführung
niedrig, zunehmend
hoch
zunehmend
Wachstum
hoch
abnehmend
hoch
Reife
konstant
zunehmend
abnehmend
Sättigung
niedrig, abnehmend
zunehmend, hoch niedrig, abnehmend
Konzentration
Aktualität
Abb. 4.3. Beschreibung der Lebenszyklusphasen von Technologien anhand von Patentkennzahlen (nach Campbell und Ernst).
Der Lebenszyklus von Produkten, wie auch von Technologien wird im Allgemeinen durch die 4 Phasen „Einführung“, „Wachstum“, „Reife“ und „Sättigung“ wiedergegeben. In der Einführungsphase sind die Patente auf wenige Unternehmen verteilt, was zu einer hohen Konzentration führt. Die Anzahl der Patentanmeldungen ist niedrig, aber ebenso wie die Aktualität zunehmend. Die Wachstumsphase ist bei abnehmender Konzentration durch viele Patentanmeldungen hoher Aktualität gekennzeichnet. Mehr Unternehmen wollen am Aufschwung der Technologie teilhaben, deshalb bringen ihre F&E-Abteilungen erste Patente zur Anmeldung. In der Reifephase dagegen bleibt die Zahl der Patentanmeldungen konstant. Die Konzentration nimmt zu und die Aktualität ab. Wenige neue Wettbewerber und schärferer Wettbewerb bestimmen die Situation. Die Phase der Sättigung lockt keine neuen Konkurrenten mehr an. Die Patentanmeldungen befinden sich auf niedrigem Niveau und fallen weiter. Mehr und mehr Patentanmelder scheiden aus. Die Konzentration steigt und die Aktualität sinkt weiter209. Aufbauend auf der Erkennungsfunktion relevanter Technologien und deren Entwicklung, wird die technologiebezogene Patentanalyse zu weiterführenden Aufgaben eingesetzt. Die zugrunde liegenden Fragestellungen werden im Folgenden aufgelistet: x Welche Technologien und Technologiebereiche weisen auf große Potentiale und damit Chancen für das Unternehmen hin? Nur wenn man sich der Chancen bewusst ist, kann man sie auch nutzen. Dabei sollte die Analyse auch auf angrenzende und weiter entfernte Technologiefelder ausgedehnt werden. x Welche Technologien und Technologiebereiche scheinen vor dem Niedergang zu stehen?
209
Merkle, in: Raffée/Wiedmann (Hrsg.), Strategisches Marketing, S. 391 (413).
4.3 Aufbau und Methodik
97
Diese Frage muss zumindest für die eigenen Geschäftsbereiche analysiert werden. Eine Einbeziehung verwandter Technologien kann jedoch ebenfalls wichtige Erkenntnisse bringen. x In welchen Technologien und Technologiebereichen kommt es zu starken Bewegungen und Veränderungen? Sowohl für den Technologieführer wie auch für den -folger ist diese Information wesentlich. Der Technologieführer will seine Position verteidigen und sollte offensiv reagieren, während der Technologiefolger auf diese Weise die Veränderungen frühzeitig bemerkt und annehmen kann. x Welche Technologiebereiche könnten in die Unternehmensstrategie passen? Bei der Suche auf zusätzliche Geschäftsfelder kann die technologiebezogene Analyse eine sinnvolle Vorauswahl treffen, die dann näher untersucht werden muss. x Welche interessanten technologischen Neuerungen werden von welchem Unternehmen angemeldet? Diese Frage zielt auf die Identifikation externer Technologiequellen und deren Bewertung ab. Auch derzeitige und potentielle Lieferanten könnten auf diese Weise untersucht werden, um mögliche Synergieeffekte zu erkennen210. Abschließend bleibt festzuhalten, dass zur Analyse der technologischen Entwicklung meist Kennzahlen mit einem zeitlichen Bezug verwendet werden. Diese ermöglichen das Erkennen von Tendenzen und Trends. Dazu zählen z. B. kumulierte Kennzahlen und Wachstumsraten. Auch die Verwendung der reinen Patentanmeldezahlen ist sinnvoll, da sie in einfacher aber direkter Weise die Aktivität in einem Technologiefeld frühzeitig wiedergeben.
4.3 Aufbau und Methodik In den beiden vorangegangenen Abschnitten des Kap. 4 wurden die Kennzahlen und die Anwendungsfelder einer betrieblichen Patentanalyse zur Planungsunterstützung besprochen. Der nun folgende Teil soll den Rahmen einer solchen Analyse abstecken. In der Literatur werden besonders zur technologischen Frühaufklärung Analysen methodisiert. Die Methoden bauen alle auf Phasenmodellen auf. Die Anzahl der Phasen, die Benennung und die Art und Weise der Vernetzung variieren. Kirsch hat die Methode und selbsterklärende Metapher des „Aufwirbel-Ansaug-Filter-Systems mit 210
Fendt, in: Engelhardt (Hrsg.), Fachwissen Patentinformation, S.36 ff.
98
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Definitionsphase Entscheidungsphase Durchführungsphase Beurteilungs- und Empfehlungsphase Abb. 4.4. Die Phasen der strategischen Patentanalyse (nach Faix 1998)
systematischem Recycling und automatischer Filterüberprüfung“ geprägt211. Rieser entwickelte einen Systemprozess der auf drei Phasen basiert: Identifikation, Analyse und Evaluation.212 Der Ansatz von Faix bezieht sich direkt auf strategische Patentanalysen und wird im Folgenden erläutert213. Nach Faix folgt eine Patentanalyse einer bestimmten Methodik. In mehreren Teilschritten werden mit ihr Erkenntnisprobleme nach Maßgabe dieser Methodik gelöst. Die anfallenden Aufgaben können in Entscheidungsund Durchführungsaktivitäten unterschieden werden. Um zur Entscheidungsphase zu gelangen, muss zuvor die Ausgangslage bzw. Ebene genau geklärt werden. Zur effizienten Durchführung wird sowohl ein gewisses Maß an Elastizität wie auch Stabilität verlangt. In ihrem Ablauf sollte eine Patentanalyse kreativ flexibel sein, da einige Gegebenheiten erst während der Untersuchung zum Vorschein kommen oder sich verändern. Der Rahmen und die Zielausrichtung einer Analyse dagegen sollten stabil bleiben und konsequent verfolgt werden. Abbildung 4.4 zeigt die Methodik des Analyseablaufes nach Faix. Dieser methodische Ablauf einer Patentanalyse ist als allgemeine Konzeption zu sehen. Er beginnt mit der Definitionsphase, in der die Aufgabenstellung und das Ziel definiert werden. Sie nimmt eine handlungsleitende Stellung ein, an der sich die folgenden Arbeitschritte orientieren. Die Entscheidungsphase bestimmt den Rahmen des Analysefeldes und der Vorgehensweise. Hierzu gehören Entscheidungen über die zu betrachtenden technologischen Sektoren und die Gewinnung und Verarbeitung der Patentinformationen. In der Durchführungsphase werden die Vorgaben Kirsch, Unternehmenspolitik, S. 359. Rieser, in: Die Unternehmung, 1978, S. 51 (66). 213 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 158. 211 212
4.3 Aufbau und Methodik
99
realisiert. Die Aufgabe der abschließenden Beurteilungs- und Empfehlungsphase ist die Einordnung der Ergebnisse und die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen214. Im Folgenden werden, nach Phasen getrennt, die jeweiligen Teilaufgaben eingehender beschrieben. 4.3.1 Definitionsphase Die Hauptaufgabe der Definitionsphase ist die Bestimmung der inhaltlichen Informationsziele der Patentanalyse. Diese stecken den Rahmen der zu erfüllenden Aufgabe ab und konkretisieren die Anforderungen, die an die Analyse gestellt werden. Bezugspunkt der Definitionsphase ist in der Regel ein Informationsproblem, das am einfachsten durch eine Ausgangsfrage definiert werden kann. In diesem Punkt wird die Verbindung zum Kapitel „Anwendungsfelder“ deutlich. Dort wurden in Form von Fragen die üblichen Einsatzmöglichkeiten von Patentanalysen abgesteckt. Aufgabe der Definitionsanalyse ist nun den Auftrag und das Ziel zu definieren. Der Kern der Definitionsphase, die Formulierung der Informationsziele, ist durch die vier Informationsebenen, die Patentschriften u. A. Daten enthalten, eingegrenzt. Dazu gehören: x die technologische Ebene, die Angaben über die Erfindung, die Patentklassifikation und durch Zitate bestehende Beziehungen zu anderen Patentschriften und wissenschaftlicher Literatur enthält. x die Ebene der handelnden (Wirtschafts-) Subjekte bzw. Institutionen, in der Erfinder, Anmelder usw. erfasst werden. Diese Ebene wird von Faix auch als unternehmensfokussierte Ebene bezeichnet. Die inhaltliche Übereinstimmung bezüglich der technologie- und unternehmensbezogenen Aspekte einer Patentanalyse werden hierdurch deutlich. x die räumliche Ebene, mit den Angaben zum Geltungsbereich des Patents und dem Herkunftsland des Anmelders bzw. Inhabers. x die zeitliche Ebene, welche die Basis der Aktivitätskennzahlen bildet, also die Zeitpunkte der Anmeldung, Erteilung, usw. einschließt. Die Definitionsphase bezieht sich in der Regel auf nur eine dieser Ebenen, d. h. die Patentanalyse wird üblicherweise auf einer dieser Informationsebenen ausgerichtet. Umfangreiche Analysen mit breitem Fokus auf mehrere Ebenen bearbeiten diese meist sukzessive. Ein Beispiel ist die Suche nach relevanten Wettbewerbern. Zuerst werden auf der technologischen Ebene die Technologiefelder des eigenen Patentbestandes bestimmt, nach weiteren Patenten dieser Bereiche gesucht und erst dann werden auf 214
Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 160.
100
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
der unternehmensfokussierten Ebene Erfinder und Anmelder ermittelt. Die Definitionsphase hätte hier als Aufgabe den genannten Weg zu definieren und vorzugeben. Die im Fokus der Analyse stehende Ebene kann ferner entweder als Einheit betrachtet und analysiert werden (Totalanalyse) oder aber in Teilbereiche zerlegt werden (Partialanalyse)215. Einer Teilbetrachtung wird nachgegangen, wenn die Ausgangsfrage dies durch ihre Formulierung vorgibt. Eine beispielhafte Fragestellung dafür ist: „Welche Patentstrategie verfolgt Unternehmen XY ?“. Bei allgemein gestellten Aufgaben kann aufgrund plausibler Erklärungen oft eine Totalanalyse eingeschränkt werden. Dies ist der Fall, wenn durch eine Betrachtung von Teilbereichen eine ausreichende Exaktheit erreicht wird und dabei der Umfang in angemessenem Maße verringert werden kann. Auch ist es möglich, dass Bereiche ohne Einwirkungen auf die Qualität der Ergebnisse weggelassen werden können und somit eine Totalanalyse nicht erforderlich ist. In jedem Fall ist, hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Ebene der Analyseumfang festzulegen, um den Aufwand in Grenzen zu halten. Zu den zeitlichen Gesichtspunkten gehört dabei nicht nur das betrachtete Zeitfenster, sondern auch die Häufigkeit der Datenerhebung216. Man unterscheidet zwischen einmaligen Analysen ohne Folgestudien und Mehrfachanalysen, die in Abhängigkeit von zeitlichen Perioden oder bestimmten Anlässen wiederholt stattfinden217. Neben der inhaltlichen Zielbestimmung wird die Aufstellung von Grundsätzen über das weitere Vorgehen nahegelegt. Zu den Grundsätzen erwähnt Faix, dass neben allgemeinen Beurteilungsmaßstäben eine frühzeitige Festlegung auf primär quantitative oder qualitative Analysen zweckmäßig sei218. Im Rahmen der unternehmensbezogenen Patentanalyse scheint dies überflüssig, da erst durch die Verbindung quantitativer und qualitativer Betrachtungen die aussagekräftigsten Ergebnisse erreicht werden können. Die Aufgabe der Definitionsphase ist erfüllt, wenn die inhaltlichen Informationsziele und methodischen Grundsätze definiert sind. Es kann in die Entscheidungsphase übergegangen werden. 4.3.2 Entscheidungsphase Nach der Definition der Ziele, der groben Vorgehensweise und des Umfangs der Patentanalyse ist es die Aufgabe der Entscheidungsphase zum Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 163. Ashton/Sen, in: Research Technology Management, Nr. 6 1988, S. 42 (45). 217 Engelhardt, Fachwissen Patentinformation: Datenbanken strategisch genutzt, S. 63 (66). 218 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 163. 215 216
4.3 Aufbau und Methodik
101
einen das Analysefeld festzulegen und zum anderen das Vorgehen hinsichtlich der Gewinnung und Verarbeitung der Patentinformationen zu bestimmen. Im Mittelpunkt der Konkretisierung des Analysefeldes steht die Präzisierung der technologischen und unternehmensbezogenen Analyseebene. Dies erfolgt über Auswahlentscheidungen, Segmentierungsentscheidungen sowie Überlegungen zur Zugänglichkeit der ausgewählten und segmentierten Sektoren. Die Bestimmung des methodischen Vorgehens bei der Gewinnung und Verarbeitung von Patentinformationen wird in zwei Hauptaufgaben unterteilt. Einerseits müssen Informationsangebote, Verarbeitungs- und Auswertungsmethoden im Rahmen der Bestimmung des Analysefeldes ausgewählt werden, und andererseits muss die Methode der Datengewinnung festgelegt werden219. Das Analysefeld baut auf dem durch die Definitionsphase vorgegebenen Fokus der Analyse auf. Um diesen Bereich, über den mit Hilfe von Patentinformationen Erkenntnisse gewonnen werden sollen, zu definieren, sind in einem ersten Schritt die durch die Ausgangsfrage angesprochenen Technologien bzw. Unternehmen auszuwählen. Dies ist notwendig und sinnvoll, um den Umfang der Analyse in Grenzen zu halten. Dabei kann man zwei Fälle unterscheiden: Bei allgemein gestellter Aufgabenstellung hat die Auswahlentscheidung über Relevanzüberlegungen zu erfolgen. Relevante Technologien werden über das Erkennen funktional gleicher Ansätze identifiziert, relevante Unternehmen durch eine sukzessive Prüfung auf Unternehmens-, SGF- oder Produkt-Markt-Ebene. Ein schrittweises, iteratives Vorgehen wird hierzu nahegelegt. Ist die Ausgangsfrage sehr speziell gestellt, so sind die gesuchten Bereiche meist bekannt. Die Auswahlentscheidung hat hier die Aufgabe, die Vollständigkeit und Korrektheit der Bereiche im Analysefeld sicherzustellen. Technologiebezogen bedeutet dies, dass die Abgrenzung zu verwandten und indirekt verbundenen Bereichen angemessen stattzufinden hat. Auf der Unternehmensebene ist zu beachten, dass Patentaktivitäten der Zielunternehmen von selbstständigen Gesellschaften geführt werden können, und damit die Anmeldung unter anderem Namen erfolgt220. Einige Zielvorgaben patentbasierter Analysen verlangen eine Segmentierung des Analysefeldes in Teilbereiche. Die Frage nach der relativen Stärke des unternehmerischen Patentbestandes in seiner Gesamtheit und bezüglich der einzelnen Technologiefelder wäre die entsprechende Ausgangsfrage. Das Analysefeld, nämlich alle relevanten Technologien, ist dafür nach seiner Auswahl entsprechend der Fragestellung in Segmente, 219 220
Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 164 f. Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 165.
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4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
die einzelnen Technologiefelder, zu unterteilen. Die mögliche Größe der Segmente kann variieren. Sehr verdichtete Betrachtungen, man spricht dann von einem hohen Aggregationsgrad, sind stabil, geben jedoch keine detaillierten Erkenntnisse. Dank der elektronischen Datenverarbeitung sind feine Zerlegungen vom Aufwand her durchführbar geworden und führen zu genaueren Ergebnissen221. Der dritte Schritt zur Bestimmung des Analysefeldes beinhaltet Überlegungen zur Zugänglichkeit der Sektoren. Gerade bei technologiefokussierten Analysen kommt es häufig vor, dass die gesuchten Technologiefelder zwar leicht zu formulieren sind, bei der Patentrecherche jedoch eine Zuordnung zu den Patentklassifikationen schwer fällt. Zur Überwindung dieser Schwierigkeit kann als erstes das Stich- und Schlagwörterverzeichnis zur Internationalen Patentklassifikation eingesetzt werden. Zusätzlich stehen einige Konkordanzen zur Verfügung, die die Zuordnung zwischen Patentklassifizierung und Produkten, Märkten oder Wirtschaftszweigen herstellen222. Ist das Analysefeld festgelegt, kann mit der Bestimmung des methodischen Vorgehens bei der Gewinnung und Verarbeitung von Patentinformationen begonnen werden. Zur Gewinnung der relevanten Daten wird zuerst das Informationsangebot bestimmt. Für qualitative Patentanalysen heißt das, dass die relevanten Patentdokumente festgelegt werden bzw. Richtlinien zu ihrer Identifikation aufgestellt werden. Im Rahmen quantitativer Analysen sind die passenden Patentkennzahlen auszuwählen. Die Vielfalt an existierenden Kennzahlen und Indikatoren und deren Kombinationen zeigt die mögliche Komplexität einer Patentanalyse. Um so wichtiger ist es, zu versuchen, angefangen bei der Ausgangsfrage, den Umfang durch konkrete Anweisungen zu minimieren ohne die Qualität der Ergebnisse zu gefährden223. Sind die Richtlinien zur Identifikation der Patentschriften und die Patenten bestimmt, müssen in einem nächsten Schritt die Verarbeitungs- und Auswertungsmethoden konkretisiert werden. Bezüglich der direkten Verarbeitung der Patentinformationen stehen gerade bei quantitativen Untersuchungen uni-, bi- und multivariate Datenanalysemethoden zur Verfügung. Die sonst eher unüblichen Zeitreihenanalysen finden ebenfalls Anwendung. Zusätzlich zur direkten Verarbeitung gehören auch Instrumente zur Patentanalyse, die sich mit dem Wert eines Patents befassen. Da dieser nicht unmittelbar zu ermitteln ist, spricht man bei der Patentbewertung von Schmoch/Grupp/Mannsbart u.a., Technikprognosen mit Patentindikatoren, S. 26. 222 Greif, in: Träger/Witzleben (Hrsg.), Proceedings of the First European Congress on Industrial Property Rights and Innovation, S. 275 (277). 223 Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 168. 221
4.3 Aufbau und Methodik
103
der Nutzung indirekter Methoden, die über Qualitätskennzahlen und weiterführende Zusammenhänge versuchen, auf den Patentwert zu schließen224. Nachdem die Methoden zur Verarbeitung und Auswertung der Patentinformationen feststehen, kann mit der Festlegung der Datengewinnungsmethodik begonnen werden. Inhalt dieses Schrittes ist die Bestimmung der Informationsquellen und Erhebungsformen. Seit dem Internet und OnlineRecherchen weite Verbreitung gefunden haben, gibt es auch für Patentinformationen ein umfangreiches Datenbank Angebot. Patentanalysen werden aufgrund der enormen zeitlichen und finanziellen Einsparungen fast ausschließlich über diese elektronischen Medien durchgeführt. Das Deutsche Patentamt hält beispielsweise alle offengelegten Patentdokumente zur freien Einsicht kostenlos über die Internetdatenbank www.depatisnet.de bereit. Weitere private Anbieter von Patentdatenbanken stellen ihre Dienste entgeldlich zur Verfügung. Auch die in den letzten Jahren vermehrt untersuchten Patentzitationen sind mittlerweile über Datenbanken zeitsparend recherchierbar225. Neue Entwicklungen betreffen die Semantik der Patendokumente. An derartigen semantischen Patentanalysen wird derzeit intensiv geforscht226. 4.3.3 Durchführungsphase Nach der Entwicklung und Festlegung einer geeigneten Methodik, die sowohl die Art der Gewinnung und Verarbeitung von Patentinformationen als auch die eigentliche Datenerhebung vorbereitet und konkretisiert hat, kann man zur Durchführungsphase übergehen. Ihre Aufgabe besteht in der reibungslosen Abwicklung der ausführenden Aktivitäten unter Beachtung der Vorgaben aus Definitions- und Entscheidungsphase. Wie aus Abb. 4.4 zu erkennen, ist die Definitionsphase nicht als starres Element der Patentanalyse anzusehen. Jegliche Art von Störungen und Problemen die zu einem Änderungsbedarf führen können sind unverzüglich anzuzeigen. Die Verbindungslinie im Schaubild zur Entscheidungsebene bedeutet, dass beim Auftreten solcher Komplikationen neue Alternativen überdacht werden müssen. Dabei kann es zu inhaltlichen wie auch methodischen Verschiebungen der Ausgangssituation kommen. Insbesondere bei Mehrfachanalysen treten solche rückwirkende Korrekturen sehr häufig auf. Dies wird neben der naturgemäß größeren Wahrscheinlichkeit von UnvollstänBöhler, Marktforschung, S.161 ff. Engelhardt, Fachwissen Patentinformation, S. 13 (13). 226 Walter/Geritz/Möhrle, in: Schramm/Schwanbeck (Hrsg.), PATINFO 2003, S. 235 (235). 224 225
104
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
digkeiten vor allem über die Realisierung von Lerneffekten beeinflusst. Die neben einem stabilen Rahmen erforderliche Elastizität einer Patentanalyse, wird in diesem Zusammenhang deutlich. 4.3.4 Beurteilungs- und Empfehlungsphase Die Durchführungsphase liefert aufbereitete Patentinformationen in Form von quantitativen und qualitativen Kennzahlen und deren Kombinationen. Die Beurteilungsphase hat nun die Aufgabe, diese in den Kontext des Unternehmens und seines Wettbewerbsumfeldes einzuordnen und bezüglich der Ausgangsfrage zu bewerten. Die direkte Aussage des Bewertungsergebnisses ist, nachdem sie verstanden wurde, zunächst auf ihre Relevanz für die aktuelle Situation hin zu untersuchen. Ist dies geschehen, so ist die Bedeutung zu beurteilen, d. h. es sind die möglichen Konsequenzen abzuleiten. Setzt man diese in Bezug zu denkbaren strategischen Alternativen, können erste Wertungen getätigt werden. Ziel der Beurteilungsphase ist es also, Auswirkungen der ermittelten Aussagen zur aktuellen Situation oder zu möglichen Trends und Entwicklungen des Umfeldes zu ermitteln und zu bewerten227. Darauf aufbauend beschäftigt man sich dann in einem nächsten Schritt mit der Entwicklung von Handlungsempfehlungen. Diese umfassen Vorschläge für einzuleitende Maßnahmen, die das erfolgreiche Bestehen im Wettbewerb sichern sollen. Eine Systematisierung von Alternativen auf Basis des Ausmaßes des Analyseergebnisses und der Dringlichkeit einer Reaktion findet man bei Ansoff. Die Handlungsempfehlungen reichen von „nicht weiterbeachten“ (drop from list) über „in Abständen bzw. ständig überwachen“ (periodic review – monitor – monitor continously) bis hin zu „sofort reagieren“ (respond immediately) und geben damit ausschließlich eine wage Dringlichkeitsformulierung weiter. Wie schon die Beurteilungsphase ist auch die Entwicklung von Handlungsempfehlungen zu stark an die jeweilige Situation gebunden, als dass konkretere Anweisungen formulierbar wären. Abschließend bleibt festzuhalten, dass es sich bei dieser Methodik um einen möglichst allgemeingültigen Ansatz einer Patentanalyse handelt, der zumindest für eine Orientierung in der Planungsphase und auch zum Teil während der Durchführung sorgen kann. Die wesentlichen Zusammenhänge und Aufgaben, die während einer Analyse zu beachten sind, wurden genannt. Es wurde ferner deutlich, dass aufbauend auf der Ausgangsfrage schon sehr früh versucht wird, das Analysefeld zu definieren. Gerade beim 227
Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 175.
4.4 Darstellung und Auswertung der Ergebnisse
105
Umgang mit komplexen und umfangreichen Patentdaten ist dies unbedingt zu beachten. Trotz der mittlerweile elektronischen Datenverwaltung kann nur so der Umfang einer Patentanalyse kontrolliert werden und der Weg zu einem qualitativ hochwertigen Ergebnis geebnet werden228.
4.4 Darstellung und Auswertung der Ergebnisse In diesem Kapitel geht es um den letzten Schritt einer Patentanalyse, der Darstellung und Auswertung der Ergebnisse. Zentrales Instrument zur übersichtlichen Wiedergabe der Analyseergebnisse ist die PortfolioAnalyse. Im Folgenden wird zuerst auf die Bedeutung und die Möglichkeiten der Ergebnisverwertung einer Patentanalyse eingegangen. Es wird eine Einordnung der Patent-Portfolio-Analyse in den Kontext vorgenommen und im Anschluss daran der Ansatz von Brockhoff zur Patent-PortfolioAnalyse vorgestellt. Der erste Teil des Kapitels dient der Einleitung in das Thema, der letzte Teil bereitet den Einsatz der Methode von Brockhoff im darauffolgenden praktischen Teil der Arbeit vor229. In den vorangegangenen Abschnitten des Kap. 4 wurden die zur Durchführung einer Patentanalyse notwendigen Hilfsmittel und Methoden vorgestellt. Im letzten Abschnitt wurde deutlich, dass ein Schwerpunkt der Analyse auf der Recherche und Informationsverdichtung liegt, die anhand von Ausgangsfragen, dem Informationsangebot und den Verarbeitungsmethoden relativ konkret zu beschreiben ist. Dies wurde bereits in den Kapiteln bezüglich der Kennzahlen, Anwendungsfelder und des methodischen Aufbaus getan. Den zweiten Schwerpunkt stellt die Auswertung und Darstellung der Ergebnisse dar, aus denen zweckmäßige strategische Ausrichtungen und konkrete Handlungsempfehlungen abgelesen werden können. Die Komplexität der Ergebnisse, die durch eine große Anzahl verwertbarer Kennzahlen, die Vielfalt möglicher Szenarien und der Unzahl von Effekten und Zusammenhängen der Unternehmen-Produkt-Markt-Beziehung geprägt ist, erschwert eine Auswertung zur direkten Umsetzung in strategische und taktische Handlungsempfehlungen. Gängige Darstellungsformen und Analyseinstrumente wie etwa Ranglisten, Stärken-Schwächen- und Chancen-Risiken-Profile, Erfahrungskurvenanalysen, Wertkettenanalysen, Impact-Analysen usw. geben wertvolle Hinweise auf den Ist-Zustand, Zusammenhänge oder mögliche Entwicklungen. Dennoch sind aus ihnen nur bedingt Strategien und Handlungsempfehlungen direkt abzuleiten. Die Stärken-Schwächen-Analyse beispielsweise 228 229
Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 176. Brockhoff, in: Technovation Band 12 1/1992, S. 41 (47 ff).
106
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
vergleicht den Ist-Zustand des Unternehmens oder Teilbereiches mit dem eines Konkurrenten oder eines erfolgsversprechenden Modells. Aus ihr sind Defizite oder Vorsprünge abzulesen, aus denen wiederum einzelne erfolgsversprechende Entscheidungen ableitbar wären. Das gleiche gilt für die technologiebezogene Chancen-Risiken-Analyse. Im Gesamtzusammenhang ist es durch die Unübersichtlichkeit vieler einzelner Vergleiche im allgemeinen nicht möglich, eine strategische Richtung auszumachen. Hinzu kommt, dass sich diese beiden Instrumente entweder auf unternehmensbezogene (Stärken-Schwächen) oder technologiebezogene Größen (ChancenRisiken) beziehen. Der bekannteste Ansatz, der dieses Problem zu überwinden versucht, ist das Portfolio-Konzept230. 4.4.1 Der Portfolio-Ansatz Der Portfolio-Ansatz stammt aus den 60er-Jahren. Er basiert auf den Überlegungen von Markowitz zur „Portfolio Selection Theory“, in der es um die optimale Zusammensetzung von Wertpapier-Portfeuilles geht. Dieser Ansatz der Finanztheorie wurde auf das strategische Management übertragen. Durch den Expansionskurs großer Firmen in neue Geschäftsbereiche war es damals für die Unternehmensleitung schwierig geworden, mit der Vielfalt an Geschäften zum Beispiel bei der Allokation finanzieller Mittel umzugehen. Das Management musste über Unternehmensbereiche bestimmen, die es nicht mehr im Detail kannte und einordnen konnte. Die Entwicklung des Portfolio-Ansatzes half strategische Entscheidungen zu treffen, ohne die einzelnen Geschäftsaktivitäten verstehen zu müssen. Dieser Ansatz wurde auf viele Aufgabenstellungen übertragen. Nahezu alle diese Portfolio-Methoden basieren auf dem gleichen Grundschema231. Bei diesem grundlegenden Schema handelt es sich um eine Matrix mit zwei Dimensionen, auf deren Achsen eine unternehmensbezogene Größe und eine umweltbezogene Größe dargestellt ist. Die Größe aus dem Umfeld der Umgebung ist für das Unternehmen nicht oder kaum beeinflussbar. Der Aktionsradius beschränkt sich auf die unternehmensbezogene Größe. Die zu analysierenden Objekten werden hinsichtlich der Achsenbezeichnungen bewertet und anschließend in der Matrix positioniert. Wie bereits erwähnt, unterscheiden sich die entwickelten Portfolio-Methoden hauptsächlich hinsichtlich der Wahl der Achsenbezeichnungen. Eine der bekanntesten Varianten ist die von der Boston Consulting Group entwickelte Marktanteil-Marktwachstum-Matrix. 230 231
Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 95. Müller-Stewens/Lechner, Strategisches Management, S. 226.
4.4 Darstellung und Auswertung der Ergebnisse
UnternehmensLQWHUQH
Vergleich
UnternehmensH[WHUQH
Patentanalyse
Patentanalyse
7HFKQRORJLH DWWUDNWLYLWlW
technologiebezogene Chancen u. Risiken Bewertung
107
unternehmensbezogene Stärken u. Schwächen
3RUWIROLR $QDO\VH
Bewertung
Relative Patentposition
Abb. 4.5. Die Portfolio-Analyse im Kontext der Patentanalyse (nach Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen )
Im Zusammenhang mit Patentinformationen taucht der Begriff Portfolio-Analyse in letzter Zeit immer öfter auf. Die auf der Abb. 3.7 zu den Anwendungsfeldern aufbauende Abb. 4.5 zeigt die Notwendigkeit eines Instrumentes, eben der Portfolio-Analyse, das die unternehmensbezogenen und technologiebezogenen Teilergebnisse einer Patentanalyse in einen Zusammenhang bringt. Es ist dargestellt, wie durch eine zusätzliche Bewertung der relativen Stärken und Schwächen bzw. Chancen und Risiken die Zusammenführung in eine gemeinsame Matrix vollzogen werden kann. Aus ihr können sowohl Strategien abgelesen wie auch strategische Planungsentscheidungen abgeleitet werden. Im Rahmen der Patentanalyse kann die Patent-Portfolio-Analyse damit eine wichtige Stellung in der abschließenden Darstellung und Auswertung der Ergebnisse einnehmen. Die notwendigen Schritte zur Anwendung der Patent-Portfolio-Analyse werden im Folgenden genauer erläutert. 4.4.2 Die Anwendung des Portfolio-Ansatzes in der Patentanalyse Nicht nur der Begriff Patentportfolio zur Umschreibung des Patentbestandes in Anlehnung an den von Markowitz geprägten finanztheoretischen
108
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Begriff des Wertpapier-Portfeuilles ist in der Literatur häufig anzutreffen, auch die Portfolio-Methode zur Darstellung und Auswertung von Patentinformationen wird vermehrt diskutiert. Im Folgenden soll auf zwei Varianten des Portfolio-Ansatzes näher eingegangen werden. Dabei handelt es sich um ein Patentportfolio auf Unternehmensebene und eines, das die Verbindung zwischen unternehmensbezogener Patentposition und technologiebezogener Attraktivität (siehe Abb. 4.5) herstellt. Patent-Portfolio-Analyse auf Unternehmensebene
Bei Ernst wird die Anwendung eines unternehmensbezogenen Patentportfolios beschrieben, das zur Abbildung und Identifizierung von Patentstrategien geeignet ist. Diese Portfolio-Methode ermöglicht es, mit Hilfe einer Auswahl der in Abschn. 4.1 vorgestellten Aktivitäts- und Qualitätskennzahlen die Patentaktivitäten von Unternehmen in übersichtlicher Weise zu bewerten. In empirischen Studien wurde bewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen den Patentstrategien, die mit Hilfe dieses Ansatzes identifiziert werden können, und dem Unternehmenserfolg existiert. Aus den Positionen in der Matrix sind damit Handlungsempfehlungen für die strategische Planung abzuleiten. Die patentstrategischen Ausrichtungen werden in vier Typen unterschieden. Jeder Strategie ist ein Sektor in der Portfolio-Matrix zugeordnet Abb. 4.6 zeigt die Positionierung der Strategien in der Matrix232. Die vier Sektoren unterscheiden sich in der Einordnung zum einen nach der Patentaktivität (x-Achse) und zum anderen nach der Patentqualität (y-Achse). Unternehmen mit einer hohen Aktivität werden als aktive Anmelder bezeichnet, Unternehmen mit einer niedrigen Patentaktivität als inaktive Anmelder. Bezüglich der Qualität der angemeldeten Patente wird nach qualitativ hochwertigen und qualitativ minderwertigen Patenten unterschieden. Somit ergeben sich die vier grundlegenden Patentstrategien: x Strategie A: Aktive Anmelder qualitativ hochwertiger Patente (rechter oberer Quadrant) x Strategie B: Inaktive Anmelder qualitativ hochwertiger Patente (linker oberer Quadrant) x Strategie C: Aktive Anmelder qualitativ minderwertiger Patente (rechter unterer Quadrant) x Strategie D: Inaktive Anmelder qualitativ minderwertiger Patente (linker unterer Quadrant).
232
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 270 ff.
4.4 Darstellung und Auswertung der Ergebnisse
hoch
3DWHQWTXDOLWlW niedrig
109
,QDNWLYH$QPHOGHU $NWLYH$QPHOGHU TXDOLWDWLYKRFK TXDOLWDWLYKRFK ZHUWLJHU 3DWHQWH ZHUWLJHU 3DWHQWH 7HFKQRORJLHIKUHU ,QDNWLYH$QPHOGHU TXDOLWDWLYPLQGHU ZHUWLJHU 3DWHQWH
$NWLYH$QPHOGHU TXDOLWDWLYPLQGHU ZHUWLJHU 3DWHQWH
niedrig
hoch
3DWHQWDNWLYLWlW
Abb. 4.6. Patentstrategien im unternehmensbezogenen Patentportfolio (nach Ernst)
Die unter Verwendung dieser Einteilung durchgeführten Studien zeigten, dass eine hohe Patentqualität zu einem höheren Unternehmenserfolg führt. Über die Patentleistung, die als Produkt von Patentqualität und Patentaktivität definiert wurde, erhält man die gleiche Aussage. Eine höhere Patentleistung führt zu einem höheren Unternehmenserfolg. Dies bedeutet, dass zumindest bei gleicher Patentqualität auch die Patentaktivität positiv mit dem Unternehmenserfolg korreliert. Zur Berechnung der axialen Bezugsgrößen wird für die x-Achse die Kennzahl der relativen Patentaktivität verwendet. Dabei werden die Patentanmeldungen der jeweiligen Unternehmen auf die durchschnittliche Anzahl der Patentanmeldungen aller betrachteter Unternehmen bezogen. Sie ist in Formel (4.19) dargestellt. Der Wert der Patentqualität, in der Matrix auf der y-Achse abgebildet, ermittelt sich nach Formel (4.20). Zur Berechnung werden die Kennzahlen x Erteilungsquote (EQ): Anteil erteilter Patente an den Patentanmeldungen, abzüglich der im Prüfverfahren befindlichen Patente x Gültigkeitsquote (GQ): Anteil gültiger Patente an den erteilten Patenten x internationale Patentanmeldungen (REPA, US-Quote): Anzahl der Patentanmeldungen beim EPA/ US-PTO im Vergleich zur mittleren Anzahl der Patentanmeldungen beim EPA aller Unternehmen. und die Zitierquote (ZQ) gemäß Abschn. 4.1.2 Patentzitate hinzugezogen.
110
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Formel (4.19)233: RPAi
PAi
=
i t
= =
PAi I
§ · 1 ¨ ¦ PAi ¸ ©i 1 ¹ l
Anzahl der gesamten Patentanmeldungen des i-ten Unternehmens 1, 2, ......., I Unternehmen 1, 2, ......., T Zeitperioden
Formel (4.20)234: PQi
H
¦ RPKih Wh h 1
RPK ih
PQi PKih
= =
h Wh i
= = =
PK ih I
§ · 1 ¨ ¦ PK ih ¸ ©i 1 ¹ l
Qualität der Patentposition des i-ten Unternehmens Ausprägung des i-ten Unternehmens bezüglich der h-ten Patentkennzahl, PKh {EQ, GQ, EPA, USQuote, ZQ} 1, 2, ......., H Patentkennzahlen (hier: H = 5) Gewichtung der h-ten Patentkennzahl 1, 2, ......., I Unternehmen
Technologiebezogene Patent-Portfolio-Analyse
Die im vorigen Kapitel aufgezeigte Portfolio-Methode analysiert Unternehmen hinsichtlich der Aktivität und der Qualität ihres Patentierverhaltens. Diese Vorgehensweise ermöglicht Schlussfolgerungen zur gewählten Patentstrategie der Unternehmen und lässt aufgrund des nachgewiesenen Zusammenhangs mit dem Unternehmenserfolg Empfehlungen für die strategische Planung zu. Durch die Betrachtung des gesamten Patentierverhaltens werden jedoch technologiebezogene Chancen und Risiken außer Acht Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 207. 234 Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 272. 233
4.4 Darstellung und Auswertung der Ergebnisse
111
gelassen. Ein Unternehmen, das der Strategie „Aktive Anmelder qualitativ hochwertiger Patente“ zugeordnet werden kann, wird, wenn es in einem wirtschaftlich uninteressanten Technologiefeld tätig ist, nur begrenzt erfolgreich sein können. Dieser Tatsache kann in einer zweidimensionalen Matrix und den Bezugsgrößen Qualität und Aktivität nicht berücksichtigt werden. Die notwendige Ergänzung erfolgt in der technologiebezogenen Patent-Portfolio-Analyse nach Brockhoff235. Mit dem von Brockhoff entwickelten Patentportfolio können die Patentpositionen von Unternehmen in einzelnen Technologiefeldern analysiert und bewertet werden. Aus den Positionen in der Portfolio-Matrix können wiederum Empfehlungen für die strategische Planung von Patent- und damit Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten abgeleitet werden. Die Basis dieser Methode stellt die Definition der Technologiefelder dar. Sie müssen zweckmäßig abgegrenzt werden, eine Übereinstimmung mit den IPC-Klassen ist dabei nicht notwendig. Jedoch müssen die Patente eindeutig zugeordnet werden können. Neben den Technologiefeldern des oder der zu untersuchenden Unternehmen fordert Brockhoff die Einbeziehung der Bereiche, die von Wettbewerbern beherrscht werden. Dies dient der Erkennung und Berücksichtigung möglicher relevanter Technologiefelder. Die Grundstruktur dieser Portfolio-Methode ist identisch mit der des unter-nehmensbezogenen Patentportfolios aus Abschn. 4.4. Die x-AchsenBezeichnung wird ebenfalls durch die relative Patentposition wiedergegeben. Es handelt sich in dieser Methode um das Verhältnis eigener Anmeldungen in einem Technologiefeld zu den Patentanmeldungen des stärksten Patentanmelders. Um die Technologiebezogenheit auszudrücken, wird als Bezugsgröße der y-Achse die Technologieattraktivität gewählt. Der Ermittlung der Attraktivität des betrachteten Technologiefeldes wird eine große Bedeutung zugesprochen236. Zu ihrer Berechnung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Auch die subjektive, auf Expertenmeinungen basierende Wertzuweisung wird nicht ausgeschlossen, falls die Definition des Feldes andere Berechnungsweisen ausschließt bzw. die subjektive Methode für zutreffender gehalten wird. Dennoch wird eine objektive, auf Patentinformationen basierende Bewertung der Technologiefelder bevorzugt. Dazu werden die Kennzahlen bezüglich der Patentwachstumsraten herangezogen. Die mittlere Patentwachstumsrate ergibt sich aus dem Mittelwert der jährlichen Wachstumsrate der Patentanmeldungen im jeweiligen Technologiefeld. Die Formel zur Berechnung der mittleren Patentwachstumsrate (WA) wird im Folgenden dargestellt. 235 236
Brockhoff, in: Technovation, Band 12 1/1992, S. 41 (47 ff). Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung.
112
4 Die Patentanalyse als Instrument der strategischen Planung
Formel (4.21): WA ft
PAf, tt
=
W
=
§ T PA f , t W 1 · ¨¨ ¦ ln ¸¸ © W 0 PA f , t W 1 T 1 ¹
Patentanmeldungen im f-ten Technologiefeld in Periode tW 0, 1, ......., TZeitverzögerung in Jahren
Eine große Patentwachstumsrate eines Technologiefeldes im Vergleich zu anderen sinnvoll ausgewählten Technologiefeldern spricht für einen sich im Wachstum befindlichen Bereich, während eine niedrige oder negative Wachstumsrate für eine weniger interessante Forschungs- und Entwicklungssparte spricht. In der Methode von Brockhoff wird eine weitere Größe eingeführt. Es handelt sich um die Technologiebedeutung. Sie wird aus dem Verhältnis der Patentanmeldungen im jeweiligen Technologiefeld zu den insgesamt vom Unternehmen getätigten Patentanmeldungen ermittelt. Im Portfolio selbst wird sie durch die Größe der Kreise dargestellt. Je größer die Kreisfläche ist, desto höher ist der Anteil des betrachteten Technologiefeldes an den gesamten Patentanmeldungen eines Unternehmens. Abschließend lässt sich Folgendes festhalten: Bei den beiden erläuterten Formen der Patent-Portfolio-Analyse handelt es sich um hilfreiche Instrumente bei der Analyse des unternehmerischen Patentierverhaltens. Mit dem Patentportfolio auf Unternehmensebene können in übersichtlicher Weise die Technologie- bzw. Patentstrategien analysiert und deren Vorteilhaftigkeit eingeschätzt werden. Eine Ergänzung um die Analyse der Patentpositionen in spezifischen Technologiefeldern unter Einbeziehung der Technologieattraktivität bietet die von Brockhoff entwickelte Methode. Sie ermöglicht das Erkennen unternehmerischer Technologieschwerpunkte, vergleicht diese mit den Wettbewerbern und eignet sich für die Unterstützung von Allokationsentscheidungen unter den betrieblichen F&E-Projekten. In der nachstehenden praktischen Durchführung einer Patentanalyse werden unter anderem diese beiden Methoden eingesetzt. Anhand des Beispiels wird kritisch diskutiert, welche Art von Aussagen für die strategische Planung mit welcher Qualität getroffen werden können.
5 Aufbau eines Bewertungskonzeptes
Aufbau ei nes Bewertungs konzeptes
5.1 Überblick Ziel der Patentbewertung ist es, einer Erfindung, einem Patent oder einem Patentportfolio als immaterielles Wirtschaftsgut einen (monetären) Wert zuzuordnen, der den Vermögenswert möglichst realistisch repräsentiert. Eine allgemeingültige Bewertung unabhängig vom zeitlichen und sachlichen Kontext, ist jedoch kaum möglich. So kann ein bestimmtes Patent für das eine Unternehmen besonders wertvoll, für ein anderes Unternehmen dagegen nahezu nutzlos sein. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Verwertung eines Patentes an weitere Patente gebunden oder nur mit bestimmtem, nicht allgemein verfügbarem Know-how möglich ist. Es existiert somit nicht nur ein einziger Wert eines Patentes. Vielmehr ergibt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Werte, je nach Situation, Zeitpunkt, Gewichtung und dem Zweck der durchgeführten Bewertung237. Dementsprechend wird in dieser Arbeit nicht ein statisches und auf alle Situationen unverändert anwendbares Bewertungskonzept entwickelt. Es soll vielmehr ein zeitlich und sachlich flexibles, sowie individuell anpassbares Bewertungssystem generiert werden. Ausgehend von den in Kap. 2 getroffenen Definitionen ergibt sich eine Dreigeteiltheit des Konzeptes. Das heißt, es wird bei der Auswahl der Bewertungsmethoden zwischen den Bewertungsobjekten Erfindung, Patent und Patentportfolio unterschieden. Diese Abgrenzung folgt sowohl einer zeitlichen, als auch einer sachlichen Logik. Aus der zeitlichen Perspektive steht am Anfang eine Erfindung, die es zu bewerten gilt. Die zur Verfügung stehenden Informationen sind zu diesem Zeitpunkt in der Regel noch relativ gering bzw. mit großen Unsicherheiten behaftet. Die Bewertung einer Erfindung erfolgt hauptsächlich unter strategischen Gesichtspunkten, zum Beispiel um eine Entscheidung zwischen 237
Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (839); Stolberg, Bewertung, Controlling und Bilanzierung von Patenten und Marken, S. 4, 15.
114
5 Aufbau eines Bewertungskonzeptes
den Alternativen Geheimhaltung oder Patentierung der Erfindung treffen zu können. Handelt es sich bei dem Bewertungsgegenstand hingegen um ein Patent, sind die Entscheidungen, die durch eine Erfindungsbewertung unterstützt werden sollen, in der Regel schon getroffen worden. In der Zeitreihe ist ein Patent eindeutig hinter einer Erfindung einzuordnen und es stehen vielfältigere und sicherere Informationen zur Verfügung. Zu strategischen Bewertungsanlässen treten beispielsweise finanzielle Bewertungsanlässe hinzu. So kann eine Patentbewertung zum Beispiel im Rahmen der Kreditsicherung relevant werden. Die zeitliche Reihenfolge wird durch die Koexistenz der Bewertungsgegenstände Patent und Patentportfolio durchbrochen, da diese zeitlich nebeneinander stehen können. Eine Differenzierung der beiden Bewertungsgegenstände ist dennoch gerechtfertigt, da unterschiedliche Bewertungsanlässe zugrunde liegen können, die wiederum unter anderem von der Zeit abhängig sind. Die Überlegungen machen deutlich, dass die Zeit die zentrale Variable innerhalb des Bewertungskonzeptes ist. Mit ihr verändern sich die wesentlichen, zu berücksichtigenden Aspekte bei der Konzeptentwicklung. Welche das genau sind und welche Auswirkungen sich auf die Struktur und den Inhalt des Bewertungskonzeptes ergeben, wird im folgenden Abschn. 5.2 dargestellt.
5.2 Aspekte der Bewertungsstruktur Im vorhergehenden Kapitel wurde die Zeit als zentrale Variable bei der Entwicklung eines Bewertungskonzeptes für Erfindungen bzw. Patente identifiziert. Die genaueren Auswirkungen dieser Feststellung sollen im Folgenden untersucht werden. In Abb. 5.1. wird deutlich, dass sich in Abhängigkeit von der Zeit folgende, zu berücksichtigende Änderungen der Ausgangsbedingungen für die Bewertung ergeben: x Das Bewertungsobjekt avanciert von einer Erfindung zu einem Patent und gegebenenfalls zu einem Patentportfolio. x In Abhängigkeit von der Zeit und dem Bewertungsobjekt ergeben sich unterschiedliche Bewertungsanlässe, die wiederum bei der Wahl der Bewertungsmethoden berücksichtigt werden müssen.
5.2 Aspekte der Bewertungsstruktur
115
x Die Veränderung der rechtlichen Situation des Bewertungsobjektes und der Zeitverlauf beeinflussen die Zusammensetzung und Bedeutung von rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Risiken. x Im Laufe der Zeit verändern sich sowohl die zur Verfügung stehenden Informationen, als auch ihre Genauigkeit und Sicherheit. Um diese Variabilität der Kontextbedingungen zu erfassen, wurde die schon vorgestellte Dreiteiligkeit des Bewertungskonzeptes gewählt. Es erscheint sinnvoll, zwischen den Bewertungsobjekten Erfindung, Patent und Patentportfolio zu differenzieren.
Erfindung
Patent
Patentportfolio
Zeit
Unterschiedliche Bewertungsanlässe
Veränderte Risikostruktur
Menge/Verlässlichkeit der bewertungsrelevanten Informationen Abb. 5.1. Die Zeit als zentrale Variable bei der Bewertung
5.2.1 Bewertungsanlässe Die grundlegende Fragestellung, die bei der Auswahl der Bewertungsmethoden berücksichtigt werden muss, ist die nach dem Anlass der Bewertung. Aus dem Bewertungsanlass ergeben sich Anforderungen an das Ergebnis der Bewertung und dadurch rückwirkend die Auswahl der jeweiligen Methoden. So können bei der Bewertung unternehmensexterner Zwecke (zum Beispiel Gewinnung eines Investors, Patente als Kreditsicherheit, Ermittlung des Verkaufswertes einzelner Patente oder des ganzen Unternehmens) objektivere Ergebnisse erforderlich sein, als wenn die Bewertung
116
5 Aufbau eines Bewertungskonzeptes
(UILQGXQJ
3DWHQWSRUWIROLR
3DWHQW
6WUDWHJLVFKH%HZHUWXQJVDQOlVVH xPatentierfähigkeit xRentabilität einer Patentanmeldung
xAufrechterhaltung xVerkauf/Lizenzierung?
xPortfolioabstimmung zur optimalen Ressourcenallokation xOptimierung der Patentstrategie
)LQDQ]LHOOH%HZHUWXQJVDQOlVVH xKreditsicherung xVerkauf/Lizenzierung xSchadensberechnung in Verletzungsfällen xBilanzierung
xKreditsicherung xUnternehmensbewertung xErgebnisorientiertes Patentcontrolling
Abb. 5.2 Bewertungsanlässe
zur Unterstützung unternehmensinterner Entscheidungen (zum Beispiel Verlängerung der Schutzdauer) erfolgt238. Außerdem können zwischen dem Marktwert und dem unternehmensinternen Wert eines Patentes erhebliche Differenzen bestehen239. Bewertungsanlässe werden also dann bewertungsrelevant, wenn sich durch einen konkreten Anlass Rückwirkungen auf das anzuwendende Bewertungsverfahren ergeben240. Trotz Überschneidungen bestehen zwischen den Bewertungsobjekten hinsichtlich der Bewertungsanlässe zum Teil erhebliche Unterschiede. Erfindungen werden größtenteils unter strategischen Gesichtspunkten einer Bewertung unterzogen. Es geht hier um Fragestellungen wie: x Lohnt sich eine Patentierung? x Ist eine Geheimhaltung der Erfindung besser? Stolberg, Bewertung, Controlling und Bilanzierung von Patenten und Marken, S. 8. 239 Hofinger, Harvard Business Manager 1/1999, S. 101 (104f.). 240 Menninger/Kunowski, DStR 28/2003, S. 1180 (1182). 238
5.2 Aspekte der Bewertungsstruktur
117
x Wie weit soll der Schutzumfang abgesteckt werden? x Für welches territoriale Gebiet soll ein Patent angemeldet werden? Aber auch für die Gewinnung eines Investors kann die Bewertung einer Erfindung erforderlich werden. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, einen möglichst realistischen Wert für die zu erwartenden Einzahlungsüberschüsse aus der Patentierung einer Erfindung zu bestimmen241. Bei Patenten sind die Motive einer Bewertung vielfältiger und komplexer. Selbstverständlich sollen auch hier strategische Entscheidungen (z.B über die Verlängerung der Schutzdauer oder einen möglichen Verkauf) unterstützt werden, jedoch treten bei der Patentbewertung verstärkt wirtschaftliche und unternehmensexterne Bewertungsanlässe hinzu. So wird eine Bewertung zum Beispiel im Rahmen der Bilanzierung, der Kreditsicherung oder der Lizenzvergabe erforderlich242. Die Bewertung von Patentportfolios stellt eine Besonderheit dar. Sie erfolgt zum einen aus dem Grund, den Patentbestand der jeweiligen Bezugseinheit als Ganzes zu bewerten; zum anderen kann sie auch erfolgen, um die Bedeutung eines einzelnen Patentes im Verhältnis zum gesamten Portfoliobestand zu ermitteln. Anlässe für die erstgenannte Alternative sind zum Beispiel die Unternehmensbewertung im Verkaufsfall oder, wie bei einem einzelnen Patent, Bewertungen zu Bilanzierungs- oder Kreditsicherungszwecken. Demgegenüber erfolgt die Bewertung zur wertmäßigen Einordnung einzelner Patente in das Portfolio zur Optimierung und strategischen Ausrichtung der Patentpolitik243. 5.2.2 Informationen Die Schwierigkeit der Erfindungs- bzw. Patentbewertung liegt, neben der Identifizierung, in der Quantifizierung der wertrelevanten Größen unter Unsicherheit (aufgrund der Unsicherheit von unvollständigen Informationen). Der Grad der Unvollständigkeit hängt im Wesentlichen von der Zeit ab. Handelt es sich bei dem Bewertungsobjekt um eine Erfindung, liegen in der Regel nur sehr wenige Informationen oder mit großer Unsicherheit behaftete Informationen vor. Über die weitere technische und wirtschaftliche Entwicklung einer Erfindung kann in der Regel nur anhand von auf Marktdaten beruhenden Analogieschlüssen spekuliert werden. Mit der Erteilung eines Patentes und der weiteren Etablierung nehmen die zur Verfügung stehenden Informationen sowohl an Menge als auch an Qualität zu. Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (840). Menninger/Kunowski, DStR 28/2003, S. 1180 (1182). 243 Himmel/Mussler, ifo-Schnelldienst 7/2005, S. 26 (26f.). 241 242
118
5 Aufbau eines Bewertungskonzeptes
Eng verknüpft mit der Informationslage sind die Risiken der Patentbewertung. Aus diesem Grund werden die Folgen einer unvollständigen Informationslage bei der Bewertung an den folgenden Ausführungen zu den Bewertungsrisiken deutlich. 5.2.3 Bewertungsrisiken Die Risiken, die bei der Bewertung von Erfindungen, Patenten oder Patentportfolios berücksichtigt werden müssen, ergeben sich aus rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten bei der Bewertung. Durch verschiedene Risikofaktoren wird der Versuch unternommen, diese Unsicherheiten einer Bewertung zugänglich zu machen und zu quantifizieren244. Sie müssen sowohl in die Auswahl und Anwendung der Bewertungsmethoden als auch als Validitätskriterium bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden245. Abbildung 5.2 gibt einen Überblick über die relevanten Risikofaktoren. Rechtliche Risiken
Technische Risiken
Wirtschaftliche Risiken
– Schutzfähigkeit – Unbekannter Stand der Technik, Rechtsbeständigkeit – Umgehbarkeit – Verletzungs-, Prozessrisiko – Schutzrechtssituation, Konkurrenzpatente, Abhängigkeiten – Drohende Einsprüche – Drohende Nichtigkeitsklagen
– Realisierbarkeit – Integrierbarkeit – Verdrängung durch technologischen Fortschritt – Entwicklungssprünge – Herstellungsprobleme
– – – – – –
Marktakzeptanz Marktdynamik Absatzchancen Konkurrenzmaßnahmen Verlustrisiko Investitionsrisiko
Abb. 5.2. Bewertungsrisiken (Himmel/Mussler, ifo-Schnelldienst 7/2005)
244 245
Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 25. Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (841).
5.2 Aspekte der Bewertungsstruktur
119
Die Risikostruktur246 eines Bewertungsobjektes ist eng mit der Zugehörigkeit zu einer der Gruppen Erfindung oder Patent und somit auch mit den zum Bewertungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen verknüpft. Im Stadium der Erfindung erfolgt die Bewertung unter erheblich eingeschränkter Informationslage. Es stehen hauptsächlich allgemeine Marktinformationen und damit Vergleichsdaten zur Verfügung. Aufgrund des ungesicherten rechtlichen Status einer Erfindung bestehen noch erhebliche rechtliche Risiken, die sich in einer latenten Verletzbarkeit und der noch unsicheren rechtlichen Durchsetzbarkeit einer zukünftigen Patentierung äußern247. Auch wirtschaftlich und technisch bedingte Risikofaktoren sind bei der Erfindungsbewertung in verstärktem Ausmaß zu berücksichtigen. Je nach Entwicklungsstadium einer Erfindung (ausgereift oder noch am Anfang der Entwicklung stehend) besteht ein mehr oder weniger großes Risiko bezüglich der technischen Realisierbarkeit und der Integrationsfähigkeit in den bisherigen Produktionsablauf. In Abhängigkeit von dem Technologiefeld der Erfindung (weitgehend ausgereifte Technologien wie zum Beispiel im Bereich der Benzinmotoren oder noch großes Entwicklungspotenzial wie im Bereich der Mikroprozessoren) sind außerdem angemessene Risiken durch Entwicklungssprünge einzukalkulieren. Bei Patenten liegen im Vergleich zu Erfindungen mehr und sicherere bewertungsrelevante Informationen vor. Dementsprechend bestehen schwächer ausgeprägte rechtliche, technologische und wirtschaftliche Unsicherheiten. Je nachdem in welchem Stadium des Patentlebenszyklus248 sich ein Patent befindet, treten rechtliche Risiken gegebenenfalls vollständig in den Hintergrund. In Abhängigkeit von dem zugehörigen Technologiefeld des Patentes variieren die technischen und wirtschaftlichen Risiken. So ist das Risiko eines Entwicklungssprunges in technologisch ausgereiften Gebieten geringer. Auch Probleme bei der Herstellung oder der Integrierbarkeit in bestehende Unternehmensstrukturen nehmen mit zunehmendem Alter des Patentes weiter ab. Ähnliche Aussagen lassen sich bezüglich der wirtschaftlichen Risikofaktoren treffen. Während die von 246
Unter Risikostruktur wird hier die konkrete Zusammensetzung des Gesamtrisikos der Bewertung aus den einzelnen Risikofaktoren, die sich aus rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten ergeben, verstanden. 247 Reitzig, Die Bewertung von Patenrechten, S. 55. 248 Unter Patentlebenszyklus wird hier im engeren Sinne die Existenz eines Patentes beginnend mit der Erteilung und endend mit Ablauf der maximalen Laufzeit von 20 Jahren oder der frühzeitigen Beendigung verstanden. Patentlebenszyklus im weiteren Sinne schließt das Stadium der Erfindung als Vorstufe eines Patentes mit ein.
120
5 Aufbau eines Bewertungskonzeptes
Konkurrenzmaßnahmen ausgehende Gefahr (strategische Neuausrichtung der Konkurrenten, Substitutionstechnologien)249 oder Unsicherheiten der Vermarktung bei einem jungen Patent als bedeutend eingeschätzt werden müssen, treten diese Faktoren bei älteren Patenten, deren zugrunde liegenden Technologien sich am Markt etabliert haben, in den Hintergrund. Die relevanten Risiken bei der Bewertung von Patentportfolios müssen durch eine Abwägung der Risikostrukturen der einzelnen Patente ermittelt werden. Hierbei ist insbesondere die Altersstruktur der Patente, ihre Abhängigkeiten untereinander und ihre Verteilung auf definierte Technologiefelder zu bedenken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Risiken einer Falschbewertung zu Beginn des Patentlebenszyklus im weiteren Sinne viel höher sind als in einem späteren Stadium, wenn zum Beispiel die Einspruchsfrist schon abgelaufen ist oder ein Patent ein Einspruchsverfahren erfolgreich überstanden hat250. Auch wenn in diesem Abschnitt allgemeine Aussagen zu den Risikostrukturen der einzelnen Bewertungsobjekte getroffen wurden, sind die Bewertungsrisiken für jedes Bewertungsobjekt individuell abzuwiegen und in die Bewertung zu integrieren. Folglich werden im Rahmen der Bewertungskonzepte in Kap. 4 wesentliche Elemente der Risikostruktur erneut aufgegriffen und inhaltlich konkretisiert.
5.3 Konsequenzen für die Struktur des Bewertungskonzeptes Wie zu Beginn dieses Kapitels schon ausgeführt, erscheint ein statisches Konzept zur Erfindungs- bzw. Patentbewertung nicht geeignet. Die vorhergehenden Ausführungen zu den Bewertungsanlässen, der Unvollkommenheit der zur Verfügung stehenden Informationen und den eng damit verknüpften Bewertungsrisiken haben diese Ansicht bestätigt. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein aus einzelnen Modulen bestehendes, dynamisches Bewertungskonzept entwickelt, das an die individuellen Gegebenheiten des Bewertungsobjektes angepasst werden kann. Dabei bauen die Erfindungsbewertung, die Patentbewertung und die Bewertung von Patentportfolios aufeinander auf. Die Erfindungsbewertung beruht auf Modulen aus qualitativen Kriterien und Kosten-Nutzen-Abwägungen. Bei der Bewertung von Patenten treten neue Bewertungsmodule hinzu, die auf 249 250
Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 54. Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (841).
5.3 Konsequenzen für die Struktur des Bewertungskonzeptes
121
unternehmensinternen Informationen beruhen und auf Markterfahrungen zurückgreifen. In Abhängigkeit von dem Alter des Patentes und dem konkreten Bewertungskontext treten qualitative Ansätze in den Hintergrund. Die Patentportfoliobewertung baut auf den Wertansätzen der einzelnen Patente auf, wobei zusätzlich die Gesamt-Patentsituation des Unternehmens berücksichtigt wird. Auch Synergieeffekte zwischen den Patenten müssen hier verstärkt in die Bewertung mit einbezogen werden. Schließlich wird der Tatsache Rechnung getragen, dass der Wert eines Patentportfolios mehr ist, als die Summe der Werte der einzelnen Patente251. Die flexible Anpassung der Bewertungsmodule innerhalb der Kategorien der Bewertungsobjekte werden darüber hinaus den spezifischen Anforderungen eines einzelnen Bewertungsobjektes gerecht. So finden im Bewertungskonzept auch die unterschiedlichen Bewertungsanlässe und deren Konsequenzen Berücksichtigung. Es ist unter Umständen nicht sinnvoll, für jede Erfindungsbewertung die gleichen Bewertungsmodule heranzuziehen, man sollte zwischen der unternehmensinternen und der Bewertung für Dritte zu unterscheiden. Aus diesem Grund wird in Kap. 4 für jede Kategorie von Bewertungsobjekten (Erfindung, Patent, Patentportfolio) ein Pool von Bewertungsmodulen definiert, die inhaltlich und bezüglich ihres Einsatzes beschrieben werden.
251
Parchomovsky/Wagner, Patent Portfolios, S. 1.
6 Modulares Bewertungskonzept
Modular es Bewertungs konzept
Mit den Erläuterungen des vorherigen Kapitels und den Begriffsbestimmungen und Grundlegungen aus Kap. 2 kann nun eine Auswahl von Bewertungsmethoden und deren Integration in ein flexibles Bewertungskonzept erfolgen. Von grundlegender Bedeutung ist hierbei die Unterscheidung zwischen der Erfindungsbewertung auf der einen Seite und der Bewertung von Patenten bzw. Patentportfolios auf der anderen Seite. Der Erfindungsbewertung liegen im Allgemeinen strategische Fragestellungen zugrunde, die nicht zwingend einer exakten geldwerten Bestimmung des Erfindungswertes bedürfen. Es reichen vielmehr qualitative Aussagen und Erfolgsprognosen aus. Darüber hinaus erscheint die Bestimmung eines monetären Erfindungswertes auch unter dem Risikoaspekt wenig sinnvoll. Anders stellt sich die Situation bei der Patent- bzw. der Patentportfoliobewertung dar. Zu den Bewertungen unter strategischen Gesichtspunkten treten vermehrt externe Bewertungsanlässe hinzu. Darüber hinaus stehen im Zeitverlauf eines Patentlebenszyklus zunehmend externe und unternehmensinterne Informationen zur Verfügung, so dass sich die Risiken einer Bewertung minimieren. So können bei der Bewertung von Patenten und Patentportfolios qualitative und quantitative Bewertungsansätze in ein Bewertungskonzept integriert werden. Bei der Bewertung von Patentportfolios wird der Gesamtpatentbestand eines Unternehmens betrachtet. Zusätzlich kann anhand der Position eines Patentes im Portfolio der im Rahmen der Einzelbewertung ermittelte Patentwert überprüft werden.
6.1 Erfindungsbewertung Dieses Kapitel verfolgt das Ziel, zunächst die Bewertung von Erfindungen zu ermöglichen. Für die relevanten Fragestellungen und die zu berücksichtigenden Aspekte werden Lösungswege dargestellt. Das folgende Bewertungskonzept dient dabei der Veranschaulichung einer strukturierten und zielgerichteten Erfindungsbewertung.
124
6 Modulares Bewertungskonzept
Die Erfindungsbewertung in Unternehmen kann durch die zentrale Fragestellung gekennzeichnet werden, ob und in welcher Art und Weise die Patentierung einer Erfindung erfolgen kann und sollte. Denn nicht jede unter technologischen Gesichtspunkten gelungene Erfindung kann oder sollte zum Patent angemeldet werden. Auch die Patentpolitik eines Unternehmens unterliegt wie jedes wirtschaftliche Handeln, dem Grundsatz des optimalen Einsatzes knapper Ressourcen252. Diesen Aspekt gilt es bei der Erfindungsbewertung zu berücksichtigen. Unter Beachtung der Tatsache, dass bezüglich der Bewertung auch Patentanmeldungen zu der Kategorie der Erfindungen gezählt werden, finden Erfindungsbewertungen aufgrund folgender Anlässe bzw. zur Beantwortung folgender Fragestellungen statt: x x x x x x x
Ist die Erfindung patentfähig? Ist eine Patentanmeldung lohnend? Ist eine Geheimhaltung der Erfindung besser? Für welches territoriale Gebiet soll ein Patent angemeldet werden? Welcher Schutzumfang soll gewählt werden? Ist eine Patentanmeldung weiter zu verfolgen?253 Sollte eine territoriale Schutzerweiterung der Patentanmeldung vorgenommen werden?
Die technische Realisierbarkeit der Erfindung vorausgesetzt, ergibt sich demnach die rechtliche Fragestellung nach der Patentierbarkeit. Desweiteren erfordern verschiedenartige Bewertungsanlässe, bezüglich der Realisierung der Patentierung eine intensivere Beschäftigung mit wirtschaftlichen und technologischen Aspekten der Erfindung, um eine ressourcenoptimierte Ausrichtung der Patentstrategie zu unterstützen. 6.1.1 Patentfähigkeit der Erfindung Die erste Frage, die sich bei der Bewertung einer Erfindung stellt, ist die generelle Frage nach der Patentfähigkeit. Erst wenn diese bestätigt werden
252 253
Hofinger, Harvard Business Manager 1/1999, S. 101. Es kann unter Umständen während der Anmeldungsphase eine Neubewertung der Patentanmeldung erforderlich werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der ursprünglich beanspruchte Schutzbereich nicht gewährt wurde und dementsprechend die Erfolgsprognosen nach unten korrigiert werden müssen. Es kann zu einer derartigen Verschiebung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses kommen, dass eine Aufrechterhaltung der Anmeldung nicht mehr als sinnvoll erachtet wird.
6.1 Erfindungsbewertung
125
kann, ist die Bewertung fortzuführen254. Nach § 1 Abs. 1 PatG ist eine technische Erfindung255 dann patentfähig, wenn sie neu ist, auf einem erfinderischen Schritt beruht und gewerblich anwendbar ist. Neuheitsprüfung
Um die Patentfähigkeit einer Erfindung zu beurteilen, muss in erster Linie die Neuheit des Erfindungsgegenstandes anhand des Standes der Technik überprüft werden. Der Stand der Technik umfasst alle Informationen, die der Öffentlichkeit in irgendeiner Weise zugänglich sind. Das heißt, vor der Anmeldung der Erfindung dürfen weltweit weder mündliche, schriftliche noch durch Benutzung oder in sonstiger Weise veröffentlichte Kenntnisse über den Erfindungsgegenstand existieren256. Neuheitsschädlich sind somit nicht nur in Patentschriften veröffentlichte Kenntnisse, sondern auch Publikationen in Büchern, Zeitschriften oder Broschüren weltweit. Nicht als Veröffentlichung anzusehen sind hingegen zum Beispiel Vorträge innerhalb von Firmen, die nur einem begrenztem Personenkreis zugänglich waren257. Konkret muss bei der Neuheitsprüfung kontrolliert werden, ob der Erfindungsgegenstand mit allen seinen kennzeichnenden Merkmalen bereits offenbart worden ist. Ist dies nicht der Fall, ist die der Erfindung zugrunde liegende Technik als neu einzustufen258. Eine gründliche Neuheitsrecherche ist in einem möglichst frühen Erfindungsstadium anzustreben, um keine unnötigen Ressourcen in aussichtslose Forschungs- und Entwicklungsvorhaben oder Patentanmeldungen zu investieren. So können Patent- bzw. Literaturrecherchen auch dazu beitragen, teure Doppelentwicklungen zu vermeiden und zu Effizienzsteigerungen im Innovationsprozess führen259. Persönliche Mitteilung von Herrn Simon Horoz (Dipl.-Ing., Fachgebiete Maschinenbau und Verfahrenstechnik, IMG Innovations-Management GmbH) am 10.08.2005. 255 Bezüglich der Voraussetzung der Technizität einer Erfindung kann von einem gewohnheitsrechtlichen Grundsatz gesprochen werden (vgl. Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 91). 256 o.V., Patentrecherche: Innovationssicherheit, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Patentcheck, http://www.bmwi-softwarepaket.de/pmc/ vom 30.07.2005. 257 o.V., Patentfibel - Von der Idee zum Patent, S. 11. 258 Wagner/Thieler, Wegweiser für den Erfinder – Von der Aufgabe über die Idee zum Patent, S. 205. 259 o.V., Patentrecherche: Innovationssicherheit, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Patentcheck, http://www.bmwi-softwarepaket.de/pmc/ vom 30.07.2005; o.V., Patentfibel – Von der Idee zum Patent, S. 34. 254
126
6 Modulares Bewertungskonzept
Eine qualifizierte Neuheitsrecherche hat in fachlichen nationalen und internationalen Datenbanken zu erfolgen. Da etwa 90% des technischen Wissens ausschließlich in Patentschriften veröffentlicht ist, bietet sich als erstes eine Recherche in Patentdatenbanken an, die entweder über das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) in München eingesehen werden können oder mittlerweile auch über das Internet kostenlos recherchierbar sind. Hervorzuheben sind hier die frei zugänglichen Patentserver DEPATISnet des DPMA (www.depatisnet.de) und Espacenet des Europäischen Patentamtes (www.escpacenet.com). Kostenlose Patendatenbanken weisen jedoch den Nachteil einer zum Teil lückenhaften Erfassung der Patentschriften und einer im Vergleich zu kommerziellen Datenbanken späteren Aktualisierung auf. Deshalb sollte grundsätzlich auch auf kostenpflichtige Recherchemöglichkeiten zurückgegriffen werden260. Da nicht jedes technische Wissen patentiert wird, müssen darüber hinaus Literaturdatenbanken, Suchfunktionen im Internet (wie zum Beispiel die Suchmaschine Google) oder auch Informationen anderer Unternehmen in die Recherche einbezogen werden 261. Als Beispiel eines kommerziellen Anbieters soll hier das Angebot des Fachinformationszentrums Karlsruhe hervorgehoben werden, das als europäisches Servicezentrum von „The Scientific & Technical Information Network“ STN International einen Online-Service mit Zugang zu über 200 Datenbanken (mit mehr als 35 Millionen Patentdokumenten) aus Wissenschaft und Technik betreibt262. Es ist in jedem Fall zu beachten, dass eine qualifizierte Recherche sowohl juristischen und technischen Sachverstand als auch eine strukturierte Vorgehensweise erfordert. Aus diesem Grund ist es insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene Rechercheabteilung mit entsprechendem Know-how besitzen, ratsam, die Recherchedienstleistungen eines Patentinformationszentrums263 oder einer Patentverwertungsagentur264 in Anspruch zu nehmen bzw. einen Patentanwalt hinzuzuziehen. o.V., Patentfibel - Von der Idee zum Patent, S. 34. Persönliche Mitteilung von Herrn Simon Horoz (Dipl.-Ing., Fachgebiete Maschinenbau und Verfahrenstechnik, IMG Innovations-Management GmbH) am 10.08.2005; Weiterführende Rechercheanleitungen finden sich z. B. bei Limbeck, Lei(d)tfaden der Patentverwertung; Schmoch, Wettbewerbsvorsprung durch Patentinformation: Handbuch für die Recherchenpraxis; Wurzer, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformationen und Engelhardt, Die Patentrecherche. 262 Wurzer, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformationen, S. 57. 263 Eine Liste der Patentinformationszentren in Deutschland steht auf der Internetseite des DPMA http://www.dpma.de/suche/rech_5.html zur Verfügung. 264 In Deutschland niedergelassene Patentverwertungsagenturen finden sich unter http://www.insti.de/SEITEN/PVA/PVA_NETZWERK.HTM. 260 261
6.1 Erfindungsbewertung
127
Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit
Eine Erfindung beruht nach § 4 PatG dann auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn sie sich für den jeweiligen Fachmann in nicht nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Hiermit soll dem Ziel des Patentschutzes, den technischen Fortschritt zu fördern, entsprochen werden. Es kommt also nicht nur auf die Neuheit an, sondern es muss auch ein Fortschritt der Technik durch die Erfindung nachgewiesen werden können. Bei der Beurteilung, ob eine erfinderische Tätigkeit vorliegt oder nicht, wird auf das Wissen des Durchschnittsfachmanns des jeweiligen Gebietes zurückgegriffen. Der Stand der Technik und das Merkmal „in nicht nahe liegender Weise“ werden durch das Fachgebiet und die Qualifikationen des auf dem jeweiligen Fachgebietes tätigen Durchschnittsfachmanns (nicht der Experte) widergespiegelt. Alles, was dieser Fachmann ohne grundsätzlich Neues aus dem Stand der Technik entwickeln kann, beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit265. Ferner ist bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu untersuchen, ob der jeweilige Durchschnittsfachmann zwingend genau zu der technischen Lösung der Erfindung gelangt wäre266. Diese Überprüfung stellt ein zentrales Problem des Patentrechtes dar. In der Praxis gilt es festzustellen, ob die Kombination einer kleinen Anzahl von Veröffentlichungen alle Merkmale der Erfindung ergibt. Sofern für den Durchschnittsfachmann Hinweise für eine derartige Kombination bekannter Techniken vorgelegen haben, ist eine erfinderische Tätigkeit zu verneinen. Werden durch die Kombination einer größeren Anzahl von bekannten Techniken jedoch enorme Qualitätsverbesserungen von Produkten oder Prozessen hervorgerufen, oder wird durch die Kombination von Bekanntem ein überraschendes, so nicht zu erwartendes Ergebnis erzielt, ist das Merkmal der erfinderischen Tätigkeit erfüllt267. In der Praxis haben sich eine Reihe von Indizien für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit entwickelt, die zu einer Objektivierung der Beurteilung beitragen können. Fischer und Ensthaler nennen folgende Indizien: x x x x
Aufgabenneuheit, bisherige Technikirrwege, Schwierigkeitsüberwindung, überraschende Lösung für den Fachmann,
Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 117; Fahse, Patentrecht für Ingenieure, S. 20 f. 266 o.V., Patentfibel – Von der Idee zum Patent, S. 12. 267 Wagner/Thieler, Wegweiser für den Erfinder – Von der Aufgabe über die Idee zum Patent, S. 206. 265
128
6 Modulares Bewertungskonzept
x Lösung einer Aufgabe durch einen grundsätzlich neuen Weg, x überlegene Kombinationsaufgabe und überlegener Überblick des Erfinders, x einfachere und billigere Produktion eines Gegenstandes, x fehlendes gesichertes Fachwissen auf dem Gebiet der Erfindung und x entwicklungsraffende Leistung als sprunghafter Fortschritt268. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit können mit den obigen Ausführungen nur Anhaltspunkte gegeben werden. Es ist bei jeder Erfindungsbeurteilung auf eine größtmögliche Objektivität zu achten. Gewerbliche Anwendbarkeit
Die Forderung nach gewerblicher Anwendbarkeit der Erfindung ist weit gefasst. Nach § 5 Abs.1 PatG ist eine Erfindung gewerblich anwendbar, wenn ihr Gegenstand auf einem gewerblichen Gebiet (einschließlich der Landwirtschaft) hergestellt oder benutzt werden kann. Allein die Möglichkeit der Anwendung ist entscheidend269. Unter Gewerbe werden dabei alle auf Gewinn gerichteten Tätigkeiten verstanden270. Da freie Berufe kein Gewerbe darstellen, sind zum Beispiel chirurgische oder therapeutische Behandlungsverfahren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. In den meisten Fällen kann der Erfindungsgegenstand offenkundig auf einem gewerblichen Gebiet hergestellt oder genutzt werden271. Ableitung erster Erkenntnisse über Potenziale und Risiken einer Erfindung
Wenn alle rechtlichen Voraussetzungen des § 1 PatG erfüllt sind, ist die Erfindung grundsätzlich patentierfähig. Jedoch ist es nicht sinnvoll, jede patentierfähige Erfindung zu patentieren. Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob und wie eine Erfindung zum Patent angemeldet werden soll. Diese Entscheidung muss nach der Maßgabe getroffen werden, dass ein Patent nicht mehr kosten darf, als es Nutzen bringt. Hofinger veranschaulicht die Frage der wirtschaftlichen Rechtfertigung eines Patentes mit dem Bild eines Obstgartens. In diesem Obstgarten hängen die Früchte von Forschung und Entwicklung wie saftige Äpfel an den Bäumen. Fischer, Grundzüge des gewerblichen Rechtsschutzes, S. 37; Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 117. 269 Kraßer, Patentrecht, S.187. 270 Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 119. 271 Wagner/Thieler, Wegweiser für den Erfinder – Von der Aufgabe über die Idee zum Patent, S. 207. 268
6.1 Erfindungsbewertung
Patentfähig und marktrelevant
129
Patentanmeldungen
Patentfähig, aber nicht marktrelevant
Nicht Patentfähig
Abb. 6.1. Patentpyramide (nach o.V., Patentfibel)
Den Zaun um den Obstgarten stellen Patente dar. Dieser Zaun soll verhindern, dass jemand anderes als der Gartenbesitzer die Äpfel erntet. Dieses Bild zeigt, dass der Zaun nicht mehr kosten darf, als die Äpfel wert sind272. Ein Patent ist also in der Regel dann wirtschaftlich zu rechtfertigen, wenn es mehr Nutzen bringt, als Kosten mit ihm verbunden sind. Die Abschätzung des wirtschaftlichen Potenzials stellt eine der schwierigsten Aufgaben der Erfindungs- bzw. Patentbewertung dar. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Nutzen eines Patentes für den Inhaber dann überwiegt, wenn ein für die Verwertung des Patentes relevanter Markt existiert, an dem Umsätze erzielt und Gewinne erwirtschaftet werden können273. Somit sind patentfähige und marktrelevante von patentfähigen, aber nicht marktrelevanten Erfindungen zu unterscheiden (vgl. Abb. 6.1). Wie eine fundierte Beurteilung des wirtschaftlichen Potenzials einer Erfindung vorgenommen werden kann, zeigen die weiteren Ausführungen zur Erfindungsbewertung. Bereits aus den Erkenntnissen über die Neuheit (und damit über den Stand der Technik) und über das Maß der erfinderischen Tätigkeit lassen sich einige grundlegende Aussagen über mögliche Potenziale und Risiken der Patentierung einer Erfindung ableiten274: Hofinger, Harvard Business Manager 1/1999, S. 101 (102). Persönliche Mitteilung von Herrn Simon Horoz (Dipl.-Ing., Fachgebiete Maschinenbau und Verfahrenstechnik, IMG Innovations-Management GmbH) am 10.08.2005. 274 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 160 f.; Harhoff/Reitzig, ZfB 5/2001, S. 509 (519). 272 273
130
6 Modulares Bewertungskonzept
x Ein geringer Stand der Technik deutet auf einen wenig erschlossenen Markt hin. Innovationsrenditen sind eher auf lange Sicht zu erwarten. x Ein umfangreicher Stand der Technik deutet auf einen lukrativen Markt hin. Kurz- bis mittelfristig zu erwartende Innovationsrenditen erscheinen hoch. x Mit dem Umfang des Standes der Technik steigt das Risiko, in kostenintensive rechtliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden, die den erwarteten Gewinn aus der Patentierung vermindern. x Ist das Maß der erfinderischen Tätigkeit niedrig bei einem geringen Stand der Technik, so sind keine bedeutsamen Gewinne aus der Patentierung zu erwarten. Ist das Maß der erfinderischen Tätigkeit hingegen hoch, könnte, die Erfindung das Marktsegment erst erschließen. x Ist der Stand der Technik hoch, das Maß der erfinderischen Tätigkeit hingegen eher niedrig, so sind eventuell kurzfristig hohe Gewinne zu erzielen. Diese Profiterwartung wird jedoch durch den Mangel an rechtlicher Standfestigkeit und die niedrige Umgehungsschwierigkeit der Erfindung (beide Tatsachen bedingt durch das geringe Maß der erfinderischen Tätigkeit) gedämpft. Ist das Maß der erfinderischen Tätigkeit hoch, so besteht unter Umständen eine Erwartung kurz- bis mittelfristig hoher Gewinne. 6.1.2 Technologieportfolio und Technologielebenszykluskonzept Ziel dieses Abschnittes ist es, aufzuzeigen, wie mittels der Konzepte des Technologieportfolios und des Technologielebenszyklus die Bewertung einer Erfindung vorgenommen werden kann. Zu diesem Zweck werden zunächst die erforderlichen theoretischen Kenntnisse über diese beiden Konzepte vermittelt und dann ihre Anwendung in der Praxis aufgezeigt. Theorie
Um der Dynamik und der zunehmenden Bedeutung der technologischen Entwicklung für den Unternehmenserfolg Rechnung zu tragen, wurden in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts Technologieportfolios entwickelt275. Das schon im Rahmen der Patentportfolios erläuterte Portfoliokonzept eignet sich auch zur Ableitung von allgemeinen Strategieempfehlungen im Technologiebereich276. 275 276
Mörle/Voigt, ZfB 10/1993, S. 973 (974). Pleschak/Sabisch, Innovationsmanagement, S. 106.
6.1 Erfindungsbewertung
131
hoch
Investieren
mittel niedrig
Technologieattraktivität
In einem Technologieportfolio werden die Technologien, die in der zu analysierenden Einheit (Unternehmen, Geschäftsfeld usw.) eingesetzt werden, anhand der Dimensionen Technologieattraktivität und Ressourcenstärke in einer zweidimensionalen Matrix abgebildet. Hierbei stellt die Technologieattraktivität die Umweltdimension und die Ressourcenstärke die Unternehmensdimension in Abb. 6.2 dar. Die Technologieattraktivität ist die Summe der wirtschaftlichen und technischen Vorteile, die durch die in diesem Technologiebereich noch vorhandenen Weiterentwicklungspotenziale realisiert werden können277. Die Ressourcenstärke bemisst sich anhand der wirtschaftlichen und technischen Beherrschung dieses Gebietes durch die analysierte Einheit, auch im Verhältnis zur Konkurrenz278. Die Einteilung dieser Dimensionen erfolgt auf einer dreistufigen Skala, so dass sich die in Abb. 6.2 dargestellte Grundform eines Technologieportfolios mit den bekannten Normstrategien ergibt.
Selektieren
Desinvestieren
niedrig
mittel
hoch
(Relative) Ressourcenstärke Abb. 6.2. Grundform eines Technologieportfolios (nach Pfeiffer/Metze/Schneider u.a).
Pfeiffer/Schneider/Dögel, in: Staudt (Hrsg.), Das Management von Innovationen, S. 107 (115). 278 Benkenstein, Strategisches Marketing, S. 88. 277
132
6 Modulares Bewertungskonzept
Die Einordnung und Stellung der Technologiegebiete innerhalb der Matrix ermöglicht Entscheidungen darüber, in welche Technologien und damit auch in welche Entwicklungsvorhaben wie viele Ressourcen mit welcher Priorität eingesetzt werden sollten279. Durch eine derartige Anordnung können nicht nur Handlungsempfehlungen für die zukünftige Forschung und Entwicklung abgeleitet werden, es wird damit auch eine Einschätzung möglich, wie lohnend die Patentierung einer bereits existierenden Erfindung, die zuvor einem definierten Technologiefeld zugeordnet wurde, ist. Die Schwierigkeiten der Technologieportfolio-Analyse bestehen in der Erfassung der Dimensionen Technologieattraktivität und (relative) Ressourcenstärke. Zur Bestimmung der Technologieattraktivität kann das Technologielebenszykluskonzept herangezogen werden. In diesem wird unterstellt, dass im Verlauf der Entwicklung jede Technologie einen spezifischen Lebenszyklus durchläuft, der durch gewisse Regelmäßigkeiten gekennzeichnet ist. Ziel der Technologielebenszyklus-Analyse ist es, einen gesetzesmäßigen Zusammenhang zwischen der unabhängigen Variablen Zeit und Parametern der Technologieentwicklung zu finden280. Abbildung 6.3 zeigt den allgemeingültigen, s-förmigen Verlauf der Technologieentwicklung. Anhand der Darstellung des Technologielebenszyklus wird deutlich, dass nicht alle Technologien für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen gleich bedeutend sind. Das Differenzierungspotenzial einer Technologie hängt von ihrem Alter, ihrem Grad der Verbreitung und der bei weiteren Entwicklungsaufwendungen erwarteten technischen und wirtschaftlichen Leistungssteigerung ab281. Entsprechend der Ausschöpfung des Differentzierungspotenzials einer Technologie wird von Lebenszyklusphasen einer Technologie gesprochen. Technologien in der Entstehungsphase sind Schrittmachertechnologien. Sie befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium, lassen jedoch schon ein gewisses Wettbewerbspotenzial erkennen. Wegen ihres noch geringen Verbreitungsgrades besitzen sie ein hohes Entwicklungspotenzial, das jedoch auch mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist282.
Saad/Roussel/Tiby, in: Little (Hrsg.), Management der F&E-Strategie, S. 13. Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 61. 281 Meyer, in: Töpfer/Sommerlatte (Hrsg.), Technologie-Marketing, S. 88 (95); Pleschak/Sabisch, Innovationsmanagement, S. 91. 282 Saad/Roussel/Tiby, in: Little (Hrsg.), Management der F&E-Strategie, S. 65; Meyer, in: Töpfer/Sommerlatte (Hrsg.), Technologie-Marketing, S. 88 (94). 279 280
6.1 Erfindungsbewertung
133
Grad der Ausschöpfung des Differenzierungspotenzials
Basistechnologien
Schlüsseltechnologien
Schrittmachertechnologien
Zeit Entstehungs-
Wachstums-
Reife-
Altersphase
Abb. 6.3. Technologielebenszyklus (nach Sommerlatte/Deschamps).
Technologien in der Wachstumsphase sind Schlüsseltechnologien. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass bereits vielfältiges Wissen über und Anwendungen von ihr verbreitet sind. Wegen ihres hohen Integrationsgrades besitzen sie ein hohes wettbewerbsstrategisches Differenzierungspotenzial283. Mit der Erschließung immer neuer Anwendungen nimmt jedoch gleichzeitig das verbleibende Marktpotenzial ab. Der Zusatznutzen weiterer technischer Fortschritte wird immer geringer284. Technologien in der Reifephase bzw. in der Altersphase sind Basistechnologien. Aufgrund einer zunehmenden Stabilisierung der Anwendungsmöglichkeiten ist ihr Differenzierungspotenzial nur noch gering. Das Wettbewerbspotenzial von Basistechnologien nimmt stetig ab, bis sie durch Substitutionstechnologien mit höheren Leistungs- und Wettbewerbspotenzialen abgelöst werden285. Wie die Einordnung von Technologien in das Lebenszykluskonzept erfolgen kann und welche Schlüsse hieraus für die Erfindungsbewertung gezogen werden können, wird ausführlich im Praxisteil 4.1.2 dargestellt. An dieser Stelle ist jedoch relevant, dass sich aus der Lebenszyklusphase (in der sich eine Technologie zum Betrachtungszeitpunkt befindet) Rückschlüsse Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 65. Saad/Roussel/Tiby, in: Little (Hrsg.), Management der F&E-Strategie, S. 65. 285 Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 66. 283 284
134
6 Modulares Bewertungskonzept
auf ihre Technologieattraktivität ziehen lassen. Eine Technologie kann grundsätzlich als umso attraktiver eingestuft werden, je höher ihr noch verbleibendes Weiterentwicklungspotenzial ist. Anhand der Technologieattraktivität kann lediglich eine von den Unternehmensressourcen losgelöste Beurteilung von Technologien und damit von Erfindungen erfolgen. Um die Realisierung dieser Zukunftspotenziale vor dem Hintergrund der im Unternehmen vorhanden Ressourcen zu relativieren, muss als Zweites die unternehmenseigene Ressourcenstärke erfasst werden286. Die Ressourcenstärke gibt an, inwieweit ein Unternehmen in der Lage ist, die in dem Portfolio abgebildeten Technologien anzuwenden und zu beherrschen287. Je mehr die eigenen Ressourcen der allgemeinen wettbewerblichen und technischen Entwicklung entsprechen, desto größer ist die Gesamtressourcenstärke eines Unternehmens288. Die Ermittlung der Ressourcenstärke in einem bestimmten Technologiebereich erfolgt anhand von Kriterien wie zum Beispiel personelle oder finanzielle Kapazitäten zur Weiterentwicklung einer Technologie, unternehmensinternes Know-how oder die Anzahl der Patentanmeldungen289. Durch die Abbildung von Technologien in Portfolios wird es möglich, die für die unterschiedlichen Felder der Matrix vorhandenen strategischen Handlungsempfehlungen, so genannte Normstrategien, auf die Technologien anzuwenden. Ursprünglich wurde diese Analysemethode entwickelt, um die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten eines Unternehmens in strategisch sinnvolle Bereiche zu lenken290. Sie kann aber auch Aufschluss darüber geben, ob weitergehende Aktivitäten einschließlich der damit verbundenen Kosten zum Bespiel zur Erlangung der Patentierungsreife einer Erfindung, also bereits vorhandener (Teil-) Ergebnisse von Forschung und Entwicklung, sinnvoll sind. Technologieportfolios dienen somit der strategischen Optimierung der Ressourcensteuerung im Forschungs- und Entwicklungsbereich im Allgemeinen und in der Patentpolitik im Speziellen. Es sei an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, dass sich die Technologieportfolio-Methode nicht nur zur Bewertung von Erfindungen eignet, Pfeiffer/Schneider/Dögl, in: Staudt (Hrsg.), Das Management von Innovationen, S. 107 (118). 287 Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 115. 288 Pfeiffer/Schneider/Dögl, in: Staudt (Hrsg.), Das Management von Innovationen, S. 107 (118). 289 Benkenstein, Strategisches Marketing, S. 88; Brockhoff, Forschung und Entwicklung: Planung und Kontrolle, S. 165. 290 Goos/Hagenhoff, Strategisches Innovationsmanagement: Eine Bestandaufnahme, S. 55. 286
6.1 Erfindungsbewertung
135
sondern mit ihrer Hilfe auch eine Bewertung von Patenten bzw. eine Optimierung eines Patentportfolios unterstützt werden kann. Der folgende Abschnitt stellt eine praxisorientierte Anleitung zur Erstellung eines Technologieportfolios dar und zeigt die Bewertungsmöglichkeiten von Erfindungen mit diesem Konzept auf. Praktische Anwendung
Die Erstellung eines Technologieportfolios kann unter Umständen verhältnismäßig umfangreich und arbeitsaufwendig sein. Es stellt sich daher die Frage nach dem realen Nutzen, wenn eigentlich nur eine einzelne Erfindung bewertet werden soll. Einerseits kann nur eine Bewertung, die sowohl die wirtschaftlichen und technologischen Kontextbedingungen als auch die Unternehmensressourcen berücksichtigt, zweckmäßig sein. Andererseits muss ein einmal erstelltes Technologieportfolio nicht für jeden Bewertungsanlass neu erstellt werden, sondern kann auf den jeweiligen Bewertungszeitpunkt angepasst werden. Zur Erstellung eines Technologieportfolios gilt es, Faktoren zu extrahieren, anhand derer die Dimensionen Technologieattraktivität und Ressourcenstärke erfasst werden können. Bestimmung der Technologieattraktivität
Wie im theoretischen Teil dargestellt, lässt sich die Technologieattraktivität mit Hilfe der Lebenszyklusphase bestimmen, in der sich eine Technologie befindet. Es müssen also geeignete Indikatoren gefunden werden, mit denen eine Technologie in den Verlauf des idealtypischen Lebenslaufes eingeordnet werden kann. Sommerlatte und Dechamps schlagen eine Reihe von Indikatoren vor, mit denen eine derartige Einordnung erfolgen kann. Diese sind, mit einer Erweiterung um zusätzliche Indikatoren, in Abb. 6.4 mit ihren Ausprägungen dargestellt. Im Folgenden werden einige dieser Indikatoren genauer beschrieben.
136
6 Modulares Bewertungskonzept Lebenszyklusphase
Indikator
Entstehung
Wachstum Reife
Alter
Unsicherheit über technische Leistungsfähigkeit Breite der potenziellen Einsatzgebiete Vorhersagbarkeit des Markterfolgs Dauerhaftigkeit des potenziellen Wettbewerbsvorsprungs Investitionen in Technologieentwicklungen Typ der Entwicklungsanforderungen Auswirkungen auf Kosten-Leistungs-Verhältnis der Produkte Zugangsbarrieren
hoch
mittel
niedrig
sehr niedrig
unbekannt
groß
etabliert
abnehmend
gering
hoch
hoch
sehr hoch
groß
mittel
mittel
sehr begrenzt
niedrig
maximal
niedrig
wissenschaftliche Fähigkeiten sehr beschränkt zunehmend
Personal
Lizenzen Know-how
Verfügbarkeit Zahl der Patentanmeldungen Typ der Patente Konzentration der Patentanmeldungen
vernachlässigbar wissenschaft- anwendungsorientiert kostenlich orientiert sekundär maximal marginal marginal
Konzeptpatente hoch
Restrukturierung hoch
marktorientiert abnehmend produktVerfahbezogen rensbezogen abnehmend zunehmend
hoch -
zunehmend und hoch
Abb. 6.4. Indikatoren für die Lebenszyklusphase einer Technologie (nach Sommerlatte/Deschamps, Erweiterungen nach Saad/Roussel/Tiby) Unsicherheit über die technische Leistungsfähigkeit/Technisches Risiko
In der Entstehungsphase einer Technologie bestehen noch erhebliche Unsicherheiten über ihre technische Leistungsfähigkeit. Diese beziehen sich zum Beispiel auf die generelle Realisierbarkeit der Technologie oder Integrierbarkeit in bereits existierende Produkte bzw. Prozesse. Das technische
6.1 Erfindungsbewertung
137
Risiko ist aus Sicht des Unternehmens in dieser Phase noch sehr groß291. Im Laufe der Zeit und mit kontinuierlicher Weiterentwicklung einer Technologie nehmen diese Unsicherheiten ab, bis sie letztendlich sehr klein sind und eine ausgereifte Technologie vorliegt. So ist beispielsweise die Leistungsfähigkeit von Otto-Motoren durch vielfältige Anwendungen hinlänglich bekannt, die Einsatzmöglichkeiten von Brennstoffzellen zum Antrieb von Fahrzeugen sind hingegen noch nicht vollständig absehbar. Die Unsicherheit über die technische Leistungsfähigkeit von innovativen Lösungen lässt sich in den Beschreibungen der entsprechenden Patentschriften nachvollziehen. Je größer die Unsicherheit über die Leistungsfähigkeit ist, desto vager ist die Erfindungsbeschreibung292. Breite der potenziellen Einsatzgebiete
In der Entstehungsphase einer Technologie sind die potenziellen Einsatzgebiete einer Technologie in der Regel noch nicht absehbar. Bei Forschern und Entwicklern besteht Uneinigkeit über mögliche Anwendungen. Potenzielle Anwender sind in dieser frühen Phase weder in der Lage ihre technologiespezifischen Bedürfnisse zu formulieren, noch Aussagen darüber zu machen, unter welchen Bedingungen sie die neue Technologie einsetzen würden293. Im weiteren Verlauf der Entwicklung wird die Sicherheit von konkreten Anwendungen größer und es werden immer mehr Anwendungen praktisch realisiert. Die Altersphase einer Technologie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zunehmend durch leistungsfähigere Substitutionstechnologien ersetzt wird und ihre Anwendungen abnehmen294. Diese Entwicklung ist an dem Beispiel der Nadeldrucker nachvollziehbar. Waren sie vor fünfzehn Jahren noch in nahezu jedem Büro zu finden, wurden sie sukzessive erst durch den Tintenstrahldrucker und dann durch den Laserdrucker ersetzt. Ihr Anwendungsspektrum wurde kontinuierlich kleiner. In Patentschriften lässt sich dieser Verlauf anhand der beschriebenen Anwendungen einer Technologie beobachten. In der Entstehungsphase einer Technologie sind die Beschreibungen noch sehr vage, dann sehr breit gefächert und in späteren Phasen sehr speziell295.
Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 65. Wurzer, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformation, S. 98. 293 Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 64. 294 Saad/Roussel/Tiby, in: Little (Hrsg.), Management der F&E-Strategie, S. 65 ff. 295 Wurzer, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformation, S. 99. 291 292
138
6 Modulares Bewertungskonzept
Typ der Entwicklungsanforderungen/Auswirkungen auf das Kosten-Leistungs-Verhältnis der Produkte
In der Entstehungsphase einer Technologie geht es hauptsächlich um die generelle Realisierbarkeit neuer technologischer Lösungen. Es wird überwiegend wissenschaftlich geforscht und die Verbesserung des Kosten-Leistungs-Verhältnisses ist zweitrangig. Wenn die Frage der Machbarkeit geklärt ist, konzentrieren sich die Entwicklungsbemühungen auf die Erschließung neuer Anwendungsmöglichkeiten und Weiterentwicklungen, die in der Wachstumsphase einer Technologie noch mit enormen Verbesserungen des Kosten-Leistungs-Verhältnisses verbunden sind. Jedoch nimmt der Zusatznutzen weiterer technischer Fortschritte und die Anzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten mit zunehmendem Alter ab, so dass in der Reifephase einer Technologie in der Regel nur noch marginale Kosteneinsparungen realisiert werden können296. Vorhersagbarkeit des Markterfolgs/Dauerhaftigkeit des potenziellen Wettbewerbsvorsprungs
Eng verbunden mit den übrigen Kriterien sind die Vorhersagbarkeit des Markterfolges und die Dauerhaftigkeit der in diesem Technologiefeld erzielbaren Wettbewerbsvorsprünge. In der Entstehungsphase einer Technologie sind die Unsicherheiten bezüglich des technischen Potenzials und der Einsatzmöglichkeiten noch sehr groß, so dass die Vorhersehbarkeit eines Markterfolges noch sehr gering ist. Mit dieser Unsicherheit ist jedoch ein enormer potenzieller Wettbewerbsvorsprung bei erfolgreicher Markteinführung verbunden, der durch so genannte Grundlagenpatente abgesichert wird. Im weiteren Entwicklungsverlauf nimmt die Vorhersagbarkeit des Markterfolges mit der zunehmenden Erschließung neuer Anwendungen zu. Gleichzeitig verringert sich die Dauerhaftigkeit der erzielbaren Wettbewerbsvorsprünge durch das schwindende verbleibende Marktpotenzial297. Die unten in der Tabelle genannten Patentkennzahlen „Zahl der Patentanmeldungen“ und „Konzentration“ stellen den Versuch dar, die bisher beschriebenen, qualitativen Indikatoren mittels frei verfügbarer Patentdaten einer quantitativen Erfassung zugänglich zu machen. Die Einbeziehung von Patentdaten in die Identifizierung von Technologielebenszyklusphasen stellt insofern eine Besonderheit dar, dass die Existenz von Patenterteilungen nicht nur ein Ausdruck der technischen Leistungsfähigkeit einer Saad/Roussel/Tiby, in: Little (Hrsg.), Management der F&E-Strategie, S. 65 ff.; Wurzer, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformation, S. 100. 297 Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 65; Saad/Roussel/ Tiby, in: Little (Hrsg.), Management der F&E-Strategie, S. 65 f. 296
6.1 Erfindungsbewertung
139
Technologie ist, sondern dass sie auch Rückschlüsse auf die Marktdiffusion einzelner Technologien zulässt. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass Patentanmeldungen auf die gewerbliche Anwendbarkeit der Erfindungen ausgerichtet sind. Empirische Studien haben bestätigt, dass zwischen Patentaktivitäten und nachfolgenden Marktveränderungen ein positiver Zusammenhang besteht298. Patentanmeldungen
Bezüglich der Patentanmeldungen ist zwischen der absoluten Zahl von Patentanmeldungen in einem definiertem Zeitraum und der Wachstumsrate der Patentanmeldungen zwischen diesen Zeiträumen zu differenzieren. Die Einführungsphase einer Technologie ist durch eine niedrige, wenn auch steigende Anzahl von Patentanmeldungen gekennzeichnet. Die Wachstumsphase, in der es darum geht, die geleistete Forschungs- und Entwicklungsarbeit in vermarktbare Produkte umzusetzen, ist durch eine stabil hohe Anzahl von Patentanmeldungen gekennzeichnet. Gegen Ende der Wachstumsphase und mit Eintritt in die Reifephase sinkt die Anzahl der Patentanmeldungen (negative Wachstumsraten) bis in der Altersphase nur noch eine geringe Zahl von Patentanmeldungen vorliegt299. In manchen Technologiebereichen lässt sich jedoch eine steigende Anzahl von Patentanmeldungen in der Reife bzw. Altersphase beobachten, was darauf hindeutet, dass durch einen Innovationsschub eine neue Schlüsseltechnologie (Wachstumsphase) entsteht300. Die Erfassung der Anzahl von Patentanmeldungen in einem definierten Zeitraum (zum Beispiel ein Jahr) ist durch eine Patentrecherche in den Datenbaken der Patentämter möglich. Es werden lediglich die Anmeldungen aller Anmelder in dem betrachteten Zeitraum und dem interessierenden Technologiefeld aufsummiert. Um eine Aussage über die Dynamik und die Richtung der Entwicklung in einem Technologiefeld treffen zu können, werden die Anmeldezahlen verschiedener Zeiträume verglichen. Brockhoff schlägt hierzu einen Vergleich der durchschnittlichen Patentwachstumsrate der letzten vier Jahre mit denen der letzten sechzehn Jahren vor301. Eine andere Variante verfolgen Marmor, Lawson und Terapane. Sie schlagen einen Vergleich der Patentanmeldungen der letzten drei Jahre mit Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 105 f. 299 Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 109; Wurzer, Wettbewerbsvorteile durch Patentinformation, S. 101. 300 Merkle, in: Raffée/Wiedmann (Hrsg.), Strategisches Marketing, S. 391 (412). 301 Brockhoff, Technovation 1/1992, S. 41 (47). 298
140
6 Modulares Bewertungskonzept
denen der letzten zehn Jahre vor, um aktuelle Entwicklungen in Form von „hot technologies“ zu erkennen302. Konzentration
Die Konzentration gibt Aufschluss über die Anzahl der in einem bestimmten Technologiebereich aktiven Patentanmelder. Eine hohe Konzentration bedeutet, dass sich die getätigten Patentanmeldungen in einem Technologiebereich auf relativ wenige Anmelder verteilen. Ist die Zahl der Anmelder hingegen groß, spricht man von einer geringen Konzentration. In der Einführungsphase einer Technologie ist die Zahl der Patentanmelder relativ gering, was zu einer hohen Konzentration führt. Im weiteren Verlauf treten immer mehr Patentanmelder hinzu, die die Attraktivität der neuen Technologie erkannt und neue Anwendungen entwickelt haben. Die Konzentration der Patentanmeldungen auf einzelne Unternehmen nimmt dementsprechend ab. Mit Eintritt in die Reife- bzw. Altersphase sinkt die Zahl der Anmelder aufgrund abnehmender Möglichkeiten, was erneut zu einer Erhöhung der Konzentration führt303. Die Konzentration der Patentanmeldungen auf einzelne Unternehmen in einem Technologiefeld kann nach folgender Methode ermittelt werden: Zuerst werden alle patentierenden Unternehmen J nach der Anzahl ihrer Patentanmeldung in eine Rangfolge gebracht. Nun wird die Summe der Anmeldungen der ersten n < J Unternehmen mit der Summe aller Anmeldungen ins Verhältnis gesetzt. Die Anzahl n kann dabei willkürlich gewählt werden, sollte jedoch aus Gründen der Vergleichbarkeit immer gleich sein304. Mogee und Kolar schlagen vor, die stärksten vier Anmelder auszuwählen305. Formel (6.1) die zur Berechnung der Konzentrationsquote dient, ergibt sich zu306:
Marmor/Lawson/Terapane, in: World Patent Information 1/1979, S. 15 (19). Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 223; Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 109. 304 Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 49. 305 Mogee, Kolar, Extracting useful information for technology management from international patent records, S. 12; Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 49. 306 Ernst, Patentinformation für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 43, 49. 302 303
6.1 Erfindungsbewertung
141
Formel (6.1): K nf
PA nf J
¦ PAjf j 1
wobei gilt PA nf
T
¦ PAnft t 1
PA jf
T
¦ PA jft
=
t 1
PA jft
=
PAnft
=
j W
= =
Patentanmeldungen des j-ten Unternehmens im Technologiefeld f Patentanmeldungen des j-ten Unternehmens im Technologiefeld f in der Periode t Patentanmeldungen der n < J Unternehmen im Technologiefeld f in der Periode t 1,2,…..,J Patentanmelder im Technologiefeld 1,2,….,T Zeitperioden
Anhand der erläuterten Indikatoren ist die Einordnung einer Technologie in die unterschiedlichen Lebenszyklusphasen und somit auch eine Zuordnung zu den Kategorien Schrittmacher-, Schlüssel- oder Basistechnologie möglich. Die Zuordnung gibt zudem Aufschluss über die Attraktivität einer Technologie307. So ist eine junge Technologie, für die kontinuierlich neue Anwendungsmöglichkeiten gefunden werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit für ein Unternehmen wesentlich attraktiver, als eine reife Technologie, die kaum noch weiterentwickelt werden kann und deren Anwendungsmöglichkeiten abnehmen308. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass eine junge Technologie mit einem höheren technischen und wirtschaftlichen Risiko behaftet ist als eine ältere.
307
Diese Vorgehensweise deckt sich auch mit der Ansicht Pfeiffers, der die Technologie-Potenzial-Relevanz (Weiterentwickelbarkeit, Zeitbedarf) und die Technologie-Bedarfs-Relevanz (Anwendungsumfang, Anwendungsarten) als die bestimmenden Faktoren der Technologie angibt. Vgl. Pfeiffer/Schneider/Dögel, in: Staudt (Hrsg.), Das Management von Innovationen, S. 107 (118); Brockhoff, Forschung und Entwicklung: Planung und Kontrolle, S. 164. 308 Pfeiffer/Metze/Schneider u.a., Technologie-Portfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 85.
142
6 Modulares Bewertungskonzept
Die Berücksichtigung der Risikostruktur erfolgt idealerweise, nachdem die Technologieattraktivität im Technologieportfolio anhand der Ressourcenstärke des Unternehmens relativiert wurde, da nicht nur die Stellung der Technologie im Lebenszyklus, sondern auch die individuelle Situation des Unternehmens bei der Bestimmung der Risiken relevant ist. Die Technologieattraktivität lässt sich über die Wettbewerbsbedeutung, die den Technologien in bestimmten Lebenszyklusphasen eigen ist, erfassen. Die Zusammenhänge verdeutlicht Abb. 6.5. Strategische Rolle einer Technologie Basistechnologie (Reife- und Altersphase) Schlüsseltechnologie (Wachstumsphase)
Wettbewerbsbedeutung x x x x x x x
Schrittmachertechno- x x logie x (Entstehungsphase)
Von allen Wettbewerbern weitgehend beherrscht Begrenzter Entwicklungsspielraum Grundlage der Industrie Nicht geeignet, um wirksame Wettbewerbsvorteile zu erzielen Deutlich überragender Einfluss auf Wettbewerbsfähigkeit Hohes Entwicklungspotenzial Starker Einfluss auf Produkt- und/oder Kostendifferenzierung Frühes Entwicklungsstadium Konkrete Einsatzgebiete Hohe potentielle Auswirkungen auf Leistungsmerkmale der Produkte und Kostenstruktur
Abb. 6.5. Wettbewerbsbedeutung von Technologien als Funktion ihrer Position auf der Lebenszykluskurve (nach Saad/Roussel/Tiby)
Technologien, die sich in einer frühen Entwicklungsphase befinden und deren Anwendungs- und Marktpotenzial als hoch eingeschätzt werden, sind Schrittmachertechnologien309. Sie bieten vielfältige Möglichkeiten zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen und sind somit als sehr attraktiv einzuschätzen. Erreicht eine Technologie das Stadium konkreter Anwendungen, wird sie zur Schlüsseltechnologie. Anfangs noch als sehr attraktiv einzuschätzen, verringert sich im Laufe ihrer Entwicklung das strategische Wettbewerbspotenzial aufgrund der Erschließung immer neuer Anwendungen und der zunehmenden Verfügbarkeit des technischen Know-hows. Die Zahl der Anwendungsarten und der Anwendungsumfang stagnieren auf
309
Technologien in der Entwicklungsphase avancieren definitionsgemäß erst dadurch, dass sie bereits soweit entwickelt sind, dass ihr Wettbewerbspotenzial als hoch eingeschätzt wird, von „Neuen Technologien“ zu „Schrittmachertechnologien“. (Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 92).
6.1 Erfindungsbewertung
143
hohem Niveau310. Solange die Technologie selbst noch in einem gewissen Umfang weiterentwickelbar ist, ist ihre Attraktivität als mittelhoch einzustufen. Technologien, die von nahezu allen Wettbewerbern beherrscht werden, die keine neuen Anwendungen mehr zulassen und die zunehmend durch Substitutionstechnologien ersetzt werden, werden als Basistechnologien bezeichnet. Sie sind nicht geeignet, Wettbewerbsvorteile zu erzielen und unter diesen Aspekten als unattraktiv einzustufen311. Nachdem die Attraktivität der relevanten Technologiefelder ermittelt worden ist, sind diese Zukunftspotenziale an der Ressourcenstärke des Unternehmens zu relativieren, um zu der gewünschten Portfoliodarstellung zu gelangen312. Bestimmung der Ressourcenstärke
Die Ressourcenstärke spiegelt die relative Position des Unternehmens im Vergleich zum Wettbewerb in Bezug auf die Technologien wider. Sie drückt die Fähigkeit aus, die technologischen Möglichkeiten anzuwenden und zu beherrschen und wird hauptsächlich durch die Dimensionen Finanzstärke und Know-how-Stärke bestimmt (vgl. Abb. 6.6)313. Im Gegensatz zur Technologieattraktivität handelt es sich bei der Ressourcenstärke um eine vom Unternehmen direkt beeinflussbare Größe314. Die Ressourcenstärke eines Unternehmens kann zum Beispiel mit den folgenden Indikatoren erfasst werden315: x Anzahl der unternehmenseigenen Patente/Relative Patentposition x Nichtpatentiertes, unternehmensinternes Know-how x Lizenzen Pfeiffer/Metze/Schneider u.a., Technologie-Portfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 86. 311 Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 65 f.; Saad/Roussel/ Tiby, in: Little (Hrsg.), Management der F&E-Strategie, S. 69 f. 312 Pfeiffer/Schneider/Dögel, in: Staudt (Hrsg.), Das Management von Innovationen, S. 107 (118). 313 Bea/Haas, Strategisches Management, S. 159; Pfeiffer/Metze/Schneider u.a., Technologie-Portfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 89. 314 Benkenstein, Strategisches Marketing, S. 88. 315 Brockhoff, Forschung und Entwicklung: Planung und Kontrolle, S. 165; Pfeiffer/Metze/Schneider u.a., Technologie-Portfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 91; Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 65 f.; Pfeiffer/Schneider/Dögel, in: Staudt (Hrsg.), Das Management von Innovationen, S. 107 (118). 310
144
6 Modulares Bewertungskonzept
x x x x
Personell gebundenes Know-how Spezifische technische Einrichtungen Anpassungsgeschwindigkeit an neue Entwicklungen Stabilität des Know-hows (instabiles Know-how beispielsweise bei Fluktuation hochqualifizierter Mitarbeiter) x Höhe des verfügbaren Budgets x Verhältnis der verfügbaren zu den notwendigen Mitteln x Kontinuität bzw. Sicherheit des Budgets
5HVVRXUFHQ VWlUNH .QRZKRZ 6WlUNH
.QRZKRZ 6WDQG
6WDELOLWlWGHV .QRZKRZV
)LQDQ]LHOOH 6WlUNH %XGJHW VWlUNH
.RQWLQXLWlW GHV%XGJHWV
Abb. 6.6. Komponenten der Ressourcenstärke (nach Pfeiffer/Metze/Schneider u. a.)
Die Ermittlung der relativen Patentposition eines Unternehmens ist durch das Verhältnis der unternehmenseigenen Patente zu denen des stärksten Wettbewerbers gekennzeichnet (vgl. Abschn. 4.3). Hier ist die Relation zwischen der eigenen Position und der des Wettbewerbers leicht zu bestimmen. Bei den anderen Indikatoren, vor allem bezüglich des personell gebundenen und des nichtpatentierten, unternehmensinternen Know-hows ist diese Relation schwieriger herzustellen. Hier sollte eine Bewertung nur sehr vorsichtig und von Fachleuten mit umfangreichen Branchenkenntnissen vorgenommen werden. Keinesfalls sollte die eigene Position zu positiv bewertet werden. Die Bestimmung der finanziellen Ressourcen kann anhand des Forschungs- und Entwicklungsbudgets der laufenden Investitionsplanung erfolgen. Probleme können sich hier aus der zeitlichen und sachlichen Zuordnung der Mittel ergeben316.
316
Pfeiffer/Metze/Schneider u.a., Technologie-Portfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 89.
6.1 Erfindungsbewertung
145
Zusammenfassend bleibt zur Ressourcenstärke zu sagen, dass sie (mit Ausnahme des Indikators der relativen Patentposition) in allen Facetten mehr oder weniger subjektiven Werturteilen unterliegt. Aus diesem Grund ist es zu empfehlen, zur Bewertung Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen (Patentabteilung, Forschungs- und Entwicklungsabteilung, Personalabteilung, Ingenieure usw.) heranzuziehen, um eine weitestgehend unvoreingenommene Einschätzung zu erhalten. Aufstellung des Technologieportfolios und Ableitung einer Bewertung
hoch
Offensivstrategie
mittel niedrig
Technologieattraktivität
Liegt eine Erfindung vor, die mit Hilfe des Technologieportfolios bewertet werden soll, ist es zunächst erforderlich, die Erfindung einem Technologiefeld zuzuordnen und dieses nach den oben beschriebenen Kriterien in die Dimensionen Technologieattraktivität und Ressourcenstärke einzuordnen. Die Rückschlüsse, die aufgrund der Stellung im Technologieportfolio auf den Erfindungswert gezogen werden können, sollen anhand des in Abb. 6.7 dargestellten, beispielhaften Technologieportfolios erläutert werden.
Investitionsstrategie
Übergangsstrategie
Desinvestitonsstrategie
niedrig
Defensivstrategie
mittel
hoch
Ressourcenstärke Abb. 6.7. Technologieportfolio zur Erfindungsbewertung (nach Pfeiffer/Metze/ Schneider)
146
6 Modulares Bewertungskonzept
Die beste Bewertung erhalten Erfindungen, die der Technologien der Investitionsfelder zugeordnet werden, die also zu Technologien mit mittlerer bis hoher Attraktivität und Ressourcenstärke zählen. Die Strategieempfehlung für derartige Technologiefelder lautet, die Ressourcenstärke zu halten bzw. zu vergrößern317. Somit sind Erfindungen in derartigen Technologiebereichen als sehr wertvoll anzusehen. Es kann damit gerechnet werden, dass die Verfolgung einer Patentierung nicht nur zur Stärkung der technologischen Position des Unternehmens sinnvoll ist, sondern dass sie auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein hohes Erfolgspotenzial besitzt. Plausibel wird dies besonders vor dem Hintergrund der zur Bestimmung der Technologieattraktivität herangezogenen Indikatoren. Als attraktiv wurden die Technologien eingestuft, die ein hohes Anwendungsund Wettbewerbspotenzial besitzen. Im Zusammenhang mit einer mittleren bis hohen Ressourcenstärke ist davon auszugehen, dass diese Potenziale im weiteren Verlauf auch grundsätzlich in Gewinne umgesetzt werden können. Für Technologien in Desinvestitionsfeldern gilt, soll der Aufwand für Forschung und Entwicklung minimiert werden. Neue oder zusätzliche Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen lassen keine prinzipiellen Verbesserungen der Leistungsfähigkeit erwarten318. Vielmehr geht es um eine Bestandswahrung. So ist es auch keineswegs ratsam, alle Patente, die sich auf Technologiefelder in diesen Bereichen beziehen, durch Nichtzahlung der Jahresgebühren auslaufen zu lassen oder jede Erfindung in diesem Bereich grundsätzlich zu verwerfen. Etablierte Anwendungen einer Technologie können auch bei geringer Ressourcenstärke und Attraktivität durchaus noch Gewinne abwerfen. Ebenso kann sich vereinzelt sogar die Patentierung einer Erfindung in diesen Technologiebereichen noch lohnen, zum Beispiel wenn bei mittlerer Technologieattraktivität der überwiegende Aufwand zur Entwicklung der Erfindung bis zur Patentierfähigkeit bereits getätigt wurde und somit eine Stärkung der schwachen Ressourcen erreicht werden würde. Generell ist jedoch davon auszugehen, dass entsprechende Erfindungen, v.a. in den Bereichen niedriger Attraktivität, durch derart niedrige erfinderische Tätigkeiten gekennzeichnet sind, dass der zu erwartende Wettbewerbsvorteil zu gering und kurzfristig für eine lohnenswerte Patentierung ist.
Bea/Haas, Strategisches Management, S. 159; Pfeiffer/Metze/Schneider u. a., Technologieportfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 89. 318 Pfeiffer/Metze/Schneider u. a., Technologie-Portfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 123. 317
6.1 Erfindungsbewertung
147
Somit sind Erfindungen aus Technologiefeldern mit Desinvestitionstrategien immer unter Berücksichtigung ihrer konkreten Situation zu bewerten. Insbesondere folgende Fragen sind zu beantworten: x Kann trotz geringer Ressourcenstärke mit der vorhandenen Erfindung ein angemessener Wettbewerbsvorsprung erzielt werden? x Wie hoch sind die dafür noch zu tätigenden Investitionen? Für Technologiefelder in der Diagonalen des Technologieportfolios werden Selektionsstrategien empfohlen319. Bei der Bewertung von Erfindungen in diesen Technologiebereichen müssen die konkreten Gegebenheiten und Umgebungsbedingungen noch detaillierter einbezogen werden. Technologien mit hoher Attraktivität und geringer Ressourcenstärke lassen zwei alternative Handlungsoptionen zu. Zum einen kann es sich anbieten, durch hohe Investitionen zu einer mittleren bis hohen Ressourcenstärke zu gelangen und so die strategische Lücke zu schließen. Zum anderen kann der Versuch unternommen werden, die Technologie, sofern sie unverzichtbar ist, zum Beispiel in Form von Lizenzen zu erwerben und die eigenen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen einzustellen320. Die Konsequenzen für die Bewertung von Erfindungen in diesen Technologien sind eindeutig. Eine vorliegende Erfindung ist das Resultat bereits getätigter Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen. Deswegen sollte durch eine Patentierung in der Regel angestrebt werden, die Früchte dieser Anstrengungen auch zu ernten. Ist jedoch die Patentierungsreife der Erfindung zu diesem Bewertungszeitpunkt noch nicht erreicht, sollte abgewogen werden, ob diese, gemessen an den wenigen zur Verfügung stehenden Ressourcen (v.a. Know-how), mit einem vertretbaren Aufwand herbeigeführt werden kann. Wenn es sich bei der Erfindung um eine Art Zufallserfindung handelt, für die im Unternehmen aufgrund der geringen Ressourcen keine internen Verwertungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sollte eine externe Verwertung in Erwägung gezogen werden. Für Technologien mit mittlerer Attraktivität und Ressourcenstärke ergeben sich prinzipiell ähnliche strategische Handlungsempfehlungen. Entweder ist durch gemäßigte Investitionen eine hohe Ressourcenstärke anzustreben oder die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sind einzustellen und die entsprechenden Technologien sind hinzuzukaufen321. Durch die mittlere Ressourcenstärke ist davon auszugehen, dass Erfindungen in diesen Benkenstein, Strategisches Marketing, S. 89. Pfeiffer/Schneider/Dögel, in: Staudt (Hrsg.), Das Management von Innovationen, S. 107 (122). 321 Pfeiffer/Metze/Schneider u.a., Technologie-Portfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 123. 319 320
148
6 Modulares Bewertungskonzept
Bereichen in einem höheren Maß intern verwertet werden können als in dem vorgenannten Fall. Darüber hinaus ist die mittlere Ressourcenstärke ein Indiz dafür, dass den Technologien dieser Bereiche eine höhere Stellung im Unternehmen eingeräumt werden sollte und entsprechende Erfindungen eine größere Relevanz besitzen könnten. Bei Technologien mit geringer Attraktivität und großer Ressourcenstärke, gelten die Alternativen der Erhaltungsinvestition oder der langsamen Desinvestition322. Dementsprechend sind maximal die Erfindungen zu patentieren, die erforderlich sind, um den technologischen Vorsprung zu halten. Besondere Beachtung bei der Beurteilung von Erfindungen mittels der beschriebenen Normstrategien eines Technologieportfolios verlangt die der Erfindungsbewertung immanente Risikostruktur. Unter Berücksichtigung der im Unternehmen vorhandenen Ressourcen und der Lebenszyklusphase, in der sich die entsprechende Technologie befindet, ist die Risikostruktur in die Bewertung einzubeziehen. Zur Verdeutlichung soll ein kurzes Beispiel dienen: Die zu bewertende Erfindung wird einer Technologie in der Entstehungsphase, also einer Schrittmachertechnologie zugeordnet. In diesem Entwicklungsstadium wird zwar allgemein von einem hohen Anwendungsund Wettbewerbspotenzial ausgegangen, es können jedoch noch keine sicheren Aussagen über die tatsächliche Entwicklung der Technologie gemacht werden. Dies hat zur Folge, dass diese Technologien aufgrund ihrer Potenziale zwar als attraktiv eingestuft werden, ihre tatsächliche Realisierung jedoch noch mit technischen Risiken verbunden ist. Auch ihr wirtschaftlicher Erfolg kann noch nicht mit Sicherheit abgeschätzt werden323. Diese Risiken fallen für ein Unternehmen umso kleiner aus, desto mehr Erfahrungen es mit der entsprechenden Technik im Vergleich zum Wettbewerb schon gesammelt hat, desto größer also seine Ressourcenstärke ist. Über die Relevanz rechtlicher Risiken lässt sich anhand der Stellung im Technologieportfolio keine Aussage treffen. Rechtliche Risiken ergeben sich bei der Erfindungsbewertung aus Unsicherheiten bezüglich der Wahrscheinlichkeit der Durchsetzbarkeit und der Verletzbarkeit. Sie können durch das Technologieportfoliokonzept nicht ausreichend erfasst werden und werden aus diesem Grund im folgenden Abschnitt über die Kosten-Nutzen-Abschätzung in die Erfindungsbewertung einbezogen.
322 323
Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 94. Benkenstein, Strategisches Marketing, S. 58; Specht/Beckmann/Amelingmeyer, F&E-Management, S. 64.
6.1 Erfindungsbewertung
149
6.1.3 Kosten-Nutzen-Abschätzung Die Patentierung einer Erfindung stellt einen mit Kosten und Risiken verbundenen Prozess dar, der nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit gewählt werden sollte. Um das Risiko von Fehlentscheidungen zu minimieren, ist es erstrebenswert, schon vor Initiierung des Patentverfahrens über Kenntnisse zu verfügen, die die Angemessenheit von Patenten in einem konkreten Fall belegen. Es ist festzustellen, ob ein so genannter Patentbedarf besteht324. Ein Patentbedarf wird als das aus Unternehmenssicht resultierende Erfordernis definiert, „... für eine patentfähige Erfindung eine Ausschließlichkeitsposition durch ein Patent (oder mehrere) zu erreichen“325. Dies ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn ein angemessener Gewinn durch die Patentierung erreicht werden kann, der ansonsten nicht realisierbar wäre. Es muss eine Abwägung zwischen den Kosten und dem Nutzen einer Patentierung erfolgen, um so auf den erwarteten Gewinn aus der Patentierung schließen zu können. Jedoch ergeben sich bei der Quantifizierung des erwarteten Nutzens und der Kosten erhebliche Schwierigkeiten, die hauptsächlich in der unvollkommenen Informationslage zum Bewertungszeitpunkt von Erfindungen begründet liegen326. Zum Zeitpunkt einer Erfindung stehen häufig lediglich Informationen zum Stand der Technik und dem Maß der erfinderischen Tätigkeit sowie eine Einschätzung der technischen Umgehungsschwierigkeit der Erfindung zur Verfügung. Diese unvollständigen Informationen sind mit Unsicherheiten verbunden, die sich in rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Risiken manifestieren. Um trotz dieser Schwierigkeiten eine realistische Einschätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses zu erhalten, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Patentabteilung bzw. den Patentanwälten und der Managementabteilung eines Unternehmens erforderlich327. Hierbei sind, neben den in Abschn. 4.1.1 aus dem Stand der Technik und dem Maß der erfinderischen Tätigkeit abgeleiteten Potenzialen und Risiken, folgende Aspekte in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen: x Der strategische Nutzen der Patentierung einer Erfindung ergibt sich nicht ausschließlich durch das Erlangen des alleinigen Verwertungsrechts. So kann aus der Patentierung ein Abschreckungseffekt resultieren, der einer Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 343. Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 343 f. 326 Goddar, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 12/1995, S. 357 (360); Harhoff/Reitzig, ZfB 5/2001, S. 509 (513). 327 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 161. 324 325
150
6 Modulares Bewertungskonzept
0DUNWHLQWULWWVEDUULHUH gleichkommt. Potenzielle Konkurrenten werden von einem Markteintritt abgehalten, obgleich das Schutzrecht selbst von geringer Bedeutung ist. Strategische Wettbewerbsvorteile bestehen vor allem dann, wenn Konkurrenten zu teuren Alternativerfindungen gezwungen werden. Zusätzlich zu den direkten Erträgen durch die eigene Verwertung und/oder die Vergabe von Lizenzen können sich durch den Besitz von Patenten verbesserte Verhandlungspositionen im Rahmen einer Kreuzlizensierung ergeben328. x Eindeutig und relativ leicht zu beziffernde Kosten entstehen durch die $QPHOGXQJV XQG $XIUHFKWHUKDOWXQJVNRVWHQ eines Patentes. Die Jahresgebühren für eine deutsche Patentanmeldung steigern sich zwischen dem dritten und zwanzigsten Jahr der Aufrechterhaltung von 70 auf 1.940 Euro329. Die Kosten für eine europäische oder internationale Patentanmeldung können diese Beträge deutlich übersteigen und werden häufig unterschätzt. Gerade für kleine Unternehmen können sie zu einem Hindernis werden und eine Patentierung unwirtschaftlich erscheinen lassen330. x Neben diesen quantifizierbaren Einflüssen können mögliche Nachteile einer Patentierung in Form von 2SSRUWXQLWlWVNRVWHQ entstehen. Diese treten insbesondere im Zusammenhang mit Umgehungserfindungen bzw. Imitationen auf. Häufig ist anzunehmen, dass Umgehungserfindungen erst durch die Veröffentlichung der technischen Merkmale einer Erfindung in der Patentanmeldung ermöglicht bzw. angestoßen werden. Ferner ist nicht auszuschließen, dass vor allem bei einer (zu frühen) Patentierung durch die Patentaktivitäten potenzielle Konkurrenten frühzeitig auf ein vermeintlich attraktives Technologiefeld aufmerksam werden331. Eine Studie von Mansfield hat ergeben, dass die Aufwendungen zur Imitation produktbezogener Erfindungen häufig weniger als zwei Drittel der ursprünglichen Entwicklungszeit und Entwicklungskosten ausmachen332. Ist also der erzielbare Wettbewerbsvorsprung durch einen ausgeprägten, vorhandenen Stand der Technik und ein relativ geringes Harhoff/Reitzig, ZfB 5/2001, S. 509 (513). Die Kosten der Anmeldung und Aufrechterhaltung sind folgenden Schriften zu entnehmen: PatKostG (Gesetz über die Kosten des Deutschen Patent- und Markenamtes und des Bundespatentgerichts, Patentkostengesetz); Gebührenordnung der Europäischen Patentorganisation; Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (Patentzusammenarbeitsvertrag). 330 Persönliche Mitteilung von Herrn Simon Horoz (Dipl.-Ing., Fachgebiete Maschinenbau und Verfahrenstechnik, IMG Innovations-Management GmbH) am 10.08.2005. 331 Hussinger, Is Silence Golden? Patents versus Secrecy at the Firm Level, S. 1, 22. 332 Mansfield, in: Griliches (Hrsg.), R&D, Patents and Productivity, S. 127 (142 f.). 328 329
6.1 Erfindungsbewertung
151
Maß an erfinderischer Tätigkeit als gering einzustufen, stellt sich die Frage, ob die mit Kosten verbundene Patentierung tatsächlich gerechtfertigt ist333. x Gegebenfalls ist zu erwägen, ob eine schnelle Markteinführung ohne Patentschutz die Profitabilität steigern kann. In Form einer KLWDQGUXQ6WUDWHJLH kann eventuell der strategische Nutzen durch eine schnelle Gewinnabschöpfung und einer entsprechend frühen Desinvestition voll ausgenutzt werden. x Unsicherheiten bezüglich der Wahrscheinlichkeit der Durchsetzbarkeit und der Verletzbarkeit einer potenziellen Patentierung ergeben die UHFKWOLFKHQ5LVLNHQ. Die rechtlichen Risiken schlagen sich hauptsächlich in möglichen Prozesskosten und der Gefahr von Einschränkungen des Schutzbereichs nieder und sind darüber hinaus von der Verfolgbarkeit von Verletzungen des zukünftigen Patentes abhängig. Prozesskosten im Zusammenhang mit Einsprüchen oder Nichtigkeitsklagen orientieren sich an dem Streitwert. Hierbei sind entstehende Anwaltskosten in jedem Fall, die Gerichtskosten nur im Fall einer Niederlage zu entrichten. Jedoch nicht nur die Kosten eines möglichen Rechtsstreits korrespondieren mit dem Wert der Streitsache, sondern es hat sich außerdem gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit von Verletzungsprozessen mit dem Wert der Patente steigt334. Da aber gerade dieser Wert momentan ermittelt werden soll und zum momentanen Bewertungszeitpunkt noch eine Reihe wertbeeinflussender Entscheidungen, wie zum Beispiel über den Umfang des beanspruchten Schutzes, getroffen bzw. mittels dieser Bewertung unterstützt werden sollen, ist es zu diesem Zeitpunkt nicht sinnvoll, die rechtlichen Risiken in Form eines Risikoabschlags auf den geschätzten Erfindungswert zu berücksichtigen. Es wird vielmehr empfohlen, die zwei Grenzfälle maximalen und minimalen rechtlichen Risikos zu betrachten (vgl. unten folgende „Anmerkung“). Der erwartete Gewinn aus einer Patentierung ergibt sich aus einer Gegenüberstellung des erwarteten Nutzens und der erwarteten Kosten335. Unter Zuhilfenahme der oben diskutierten Aspekte ist die zu bewertende Erfindung einer betriebswirtschaftlichen Marktanalyse zu unterziehen. Hierbei ist vor allem darauf zu achten, ob überhaupt ein relevanter Markt vorhanden ist, wie groß dieser ist und mit welchen Absatzzahlen gerechnet werden kann. Unsicherheiten über die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Verwertung Hussinger, Is Silence Golden? Patents versus Secrecy at the Firm Level, S. 1; Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 344. 334 Cremers, Determinants of Patent Litigation in Germany, S. 18. 335 Harhoff/Reitzig, ZfB 5/2001, S. 509 (515). 333
152
6 Modulares Bewertungskonzept
werden in Höhe der geschätzten Absatzzahlen berücksichtigt336. So können die erwarteten Einzahlungsüberschüsse (der erwartete Gewinn) aus der Patentierung der Erfindung bestimmt werden. Anmerkung: Die Tatsache, dass bei der Festlegung des Schutzumfanges eines Patentes Wahlmöglichkeiten bestehen, die durch ihre unmittelbaren Auswirkungen auf das rechtliche Risiko bewertungsrelevant sind, hat in der Praxis zu einer Bewertungsmethode geführt, die diese Optionen in vereinfachter Art und Weise berücksichtigt. So wird die Ermittlung von erwarteten Einzahlungsüberschüssen für zwei Extremfälle vorgenommen. Zunächst wird der minimale Schutzbereich angenommen. Die Wahrscheinlichkeit der Erteilung und die Wahrscheinlichkeit, dass das Patent alle Rechtsstreitigkeiten unbeschadet übersteht, wird auf eins gesetzt. Unter Berücksichtigung der erwarteten Laufzeit und technologischer Unsicherheiten wird ein Wert für das Patent bestimmt. Analog wird in einem zweiten Gedankenexperiment dieser Wert bei maximalem Schutzumfang angegeben. In diesem Fall müssen die Wahrscheinlichkeit der Erteilung und der Aufrechterhaltung des Patentes in gewünschter Form sowie mögliche Einschränkungen des Schutzumfanges mitgeschätzt werden. So werden durch die Schätzung von Experten zwei Grenzwerte für die erwarteten Einzahlungsüberschüsse bestimmt. Eine Patentierung der Erfindung ist genau dann sinnvoll, wenn mindestens einer dieser Grenzwerte positiv ist337. 6.1.4 Zusammenfassung Die Erfindungsbewertung erfolgt aus dem Zusammenspiel von allgemeinen Aussagen, die mit Hilfe des Technologieportfolios bzw. des Lebenszykluskonzeptes getroffen werden können und dem Versuch, den erwarteten Gewinn aus einer Patentierung mithilfe einer Gesamtschau von Marktumfeld, Kosten-Nutzen-Überlegungen und einer Technologiebetrachtung abzuschätzen. Eine derartige auf Schätzungen aufbauende Bewertung wird für Erfindungen als ausreichend erachtet. Eine exakte monetäre Wertbestimmung ist in der Regel in diesem Stadium nicht erforderlich. Die ErfindungsbePersönliche Mitteilung von Herrn Simon Horoz (Dipl.-Ing., Fachgebiete Maschinenbau und Verfahrenstechnik, IMG Innovations-Management GmbH) am 10.08.2005. 337 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 161. 336
6.2 Patentbewertung
153
wertung dient der globalen Abschätzung der Erfolgsaussichten und hilft bei der strategischen Ausrichtung der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und des Patentierverhaltens eines Unternehmens. Aus Gründen des Umfangs konnte nicht auf alle Aspekte der Erfindungsbewertung eingegangen werden. Hier ist vor allem noch auf die ausführlichen Darstellungen Reitzigs338 über Patente als Realoptionen zur exklusiven Nutzung von Erfindungen zu verweisen, in denen auf die Wertbeeinflussung des Entscheidungs- und Patentierungsprozesses selbst eingegangen wird. Zu betonen ist, dass es sich bei der Bewertung lediglich um eine Momentaufnahme handeln kann. Durch die Einflüsse, die durch den Anmelder selbst im Anmeldungsverfahren auf den resultierenden Wert eines Patentes ausgeübt werden und durch die ständig veränderte Informationslage, kann es erforderlich sein, zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Bewertung der Erfindung bzw. der Patentanmeldung vorzunehmen.
6.2 Patentbewertung Dieses Kapitel verfolgt das Ziel, das für die Bewertung von Patenten notwendige Wissen zu vermitteln und die relevanten Bewertungsmethoden zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck wird im folgenden Abschnitt zunächst ein Überblick über das Bewertungskonzept gegeben und dabei Bezug zu dem in Kap. 5 vorgestellten Grobkonzept genommen. Anschließend wird in Abschn. 6.2.2 das Bewertungskonzept in seinen einzelnen Ablaufschritten detailliert und praxisorientiert vorgestellt. 6.2.1 Überblick Die qualifizierte Bewertung von Patenten erfordert eine sorgfältig strukturierte Vorgehensweise, um alle relevanten Kontextbedingungen und individuellen Anforderungen des Bewertungsobjektes zu erfassen. Diese Struktur wird in Abb. 6.8 dargestellt und im Folgenden einführend erläutert. Die Zeit bzw. der Bewertungszeitpunkt hat als zentrale Variable erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung eines Bewertungskonzeptes für Patente. Insofern ist zu Beginn jeder Bewertung eine Situationsbestimmung vorzunehmen, die der Dynamik der Patentbewertung Rechnung trägt.
338
Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 34-55.
154
6 Modulares Bewertungskonzept
Geldwert
patentinduzierter Umsatz
prognostizierter Umsatz
Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des prognostizierten Umsatzes
Risiko der Bewertung -
Wirtschaftliches Risiko Technisches Risiko Rechtliches Risiko
Auswahl der Bewertungsmethoden muss immer für die konkrete Situation bestimmt werden
Unternehmensinterne Daten
Marktdaten
Anforderungs-/ Informationsstruktur
Situationsbestimmung
-
Bewertungszeitpunkt Bewertungsanlass Technologiefeld Umgebungsbedingungen usw.
Abb. 6.8. Vorgehensweise bei der Bewertung von Patenten
Mit der Zeit verändern sich eine Reihe bewertungsrelevanter Variablen wie Bewertungsanlässe, Informationslage, Risikostruktur und weitere, sich aus dem sachlichen Kontext des Patentes ergebende Faktoren. Die Ergebnisse der Situationsbestimmung, die wiederum zu unterschiedlichen Zeitpunkten in das Bewertungsverfahren einfließen können, spiegeln jeweils eine Momentaufnahme der relevanten Faktoren wider. Während Bewertungsanlass und Informationslage in Form einer Anforderungs- bzw. Informationsstruktur direkte Auswirkungen auf die zur Bewertung nutzbaren Daten und damit auch auf die Ausgestaltung des konkreten Bewertungsvorgangs haben, fließen Erkenntnisse über den sachlichen Kontext eines Patentes, wie zum Beispiel die Zugehörigkeit zu einem definierten Technologiefeld, unmittelbar in die Bewertung ein. Die Risikostruktur, die sich aus der konkreten Bewertungssituation ergibt, wird erst zu einem relativ späten Zeitpunkt der Bewertung relevant. Sie bestimmt die Wahrscheinlichkeit, dass der ermittelte Wert tatsächlich realisiert wird.
6.2 Patentbewertung
155
Wurden die Bewertungsmethoden durch die beschriebene Vorgehensweise ausgewählt, wird der monetäre Wert des Patentes über den patentinduzierten Umsatz ermittelt. 6.2.2 Einzelschritte der Patentbewertung Situationsbestimmung
Bei der Situationsbestimmung geht es zum einen um die Schaffung der notwendigen Vorraussetzungen zur Auswahl geeigneter Bewertungsmethoden. Zum anderen können schon an diesem Punkt weitere, zu einem späteren Zeitpunkt relevante Aspekte erfasst werden. Es ist sinnvoll, bereits zu Beginn der Bewertung einen möglichst vollständigen Überblick über das zu beurteilende Objekt zu gewinnen. Dementsprechend sind im Stadium der Situationsbestimmung folgende Sachverhalte zu erfassen. Bewertungszeitpunkt
Der Bewertungszeitpunkt ist die zentrale Variable der Situation. Er definiert sich über das Alter des zu bewertenden Patentes. Handelt es sich um ein sehr junges Patent, liegen häufig nicht mehr Informationen als zum Zeitpunkt einer Erfindungsbewertung vor339. Im Gegensatz dazu stehen bei etablierten und bereits wirtschaftlich realisierten Patenten erheblich mehr und zuverlässigere Daten für die Abschätzung zukünftiger Gewinnerwartungen zur Verfügung. Der Bewertungszeitpunkt steht folglich in einem engen Zusammenhang mit der Quantität und der Qualität der verfügbaren Informationsbasis. Darüber hinaus treten zu unterschiedlichen Bewertungszeitpunkten verschiedene Bewertungsanlässe in den Vordergrund, die mit individuellen Anforderungen an die Bewertung verknüpft sind. Diese Zusammenhänge werden in den folgenden Ausführungen zur Situationsbestimmung verdeutlicht. Bewertungsanlass
Die Ausgestaltung der Patentbewertung ist nicht nur von den verfügbaren Informationen abhängig, sondern auch von dem Anlass oder dem Ziel der Bewertung. Bewertungsanlässe werden dann bewertungsrelevant, wenn sich aus ihnen spezifische Anforderungen an die Bewertung ergeben340. Generell 339
Mit der Ausnahme, dass das Risiko der Nichterteilung wegfällt und somit die rechtlichen Risiken verringert sind. 340 Menninger/Kunowski, DStR 28/2003, S. 1180 (1182).
156
6 Modulares Bewertungskonzept
ist hier zwischen der Bewertung zu internen und zu externen Zwecken zu differenzieren. So können beispielsweise an die Bewertung zu unternehmensinternen Controlling- oder Informationszwecken geringere Anforderungen an die Objektivität geknüpft sein als an die Bewertung zu Veräußerungs- oder Bilanzierungszwecken. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich zwischen der Umwelt- und der Unternehmensdimension des Patentwertes zu unterscheiden. Die Umweltdimension wird allein durch Faktoren bestimmt, die unabhängig vom Unternehmen durch den Markt oder die Technologie vorgegeben sind. Demgegenüber werden in dem unternehmensdefinierten Patentwert zusätzlich diejenigen wertrelevanten Effekte aggregiert, die sich aus der Einbindung in das spezielle Unternehmen ergeben. Dies können zum Beispiel dominierende ideelle Werte des Patentes für das Unternehmen oder auch Synergieeffekte mit anderen unternehmensinternen Patenten sein341.
Bewertungsanlässe
Interne Bewertungsanlässe - Informationszwecke - Controllingzwecke - Strategische Fragestellungen
Externe Bewertungsanlässe - Bilanzierung (Basel II, IAS) - Kreditsicherung - Schadensberechnung in Verletzungsfällen - Lizenzvergabe
Rückwirkungen auf die zu verwendende Informationsbasis Unternehmensdefinierter Patentwert
Markt- und technologiedefinierter Patentwert
Abb. 6.9. Interne und externe Bewertungsanlässe
341
In ähnlicher Form bei Hofinger, Harvard Business Manager, 1/1999, S. 101 (103 ff.).
6.2 Patentbewertung
157
Aus einem konkreten Bewertungsanlass ergeben sich demnach zwei Konsequenzen: Zum einen können aus der Unterscheidung zwischen internen und externen Bewertungsanlässen ungleiche Anforderungen an die Objektivität der Bewertung und somit auch an die zu verwendende Informationsbasis resultieren, zum anderen sind bei der Bewertung zu unternehmensinternen Zwecken gegebenenfalls zusätzliche Werteinflussfaktoren zu berücksichtigen, die jedoch schwer zu quantifizieren sind. Technologiefeld des Bewertungsobjektes
Informationen über das Technologiefeld, dem die patentierte Technik zuzuordnen ist, werden ebenso wie die Risikostruktur erst in einer späteren Phase der Bewertung benötigt. Da aber auch sie zu einer Situationsbestimmung eines Patentes gehören, sollen sie aus Gründen der Vollständigkeit schon an dieser Stelle erfasst werden. Die Abgrenzung von Technologiefeldern muss nicht mit der Einteilung der internationalen Patentklassifikation übereinstimmen. Die Bildung von Technologiefeldern hat sich an Gemeinsamkeiten der zugehörigen Techniken zu orientieren. Es ist besonders darauf zu achten, dass ein angemessenes Aggregationsniveau für die Zusammenfassung einzelner Technologien zu einem gemeinsamen Technologiefeld gefunden wird342. Durch die Identifizierung des Technologiefeldes wird die spätere Bewertung von Patenten anhand ihrer Stellung im Technologie- bzw. Patentportfolio unterstützt. Risikostruktur
Das Risiko einer Bewertung ergibt sich aus der Unvollständigkeit und der Unsicherheit der zum Bewertungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen über die zukünftige Entwicklung. Mit dem Alter eines Patentes verändert sich die aus rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Elementen bestehende Risikostruktur einer Bewertung. In einem frühen Stadium des Patentlebenszyklus ist das Risiko einer Fehlprognose prinzipiell höher als zu einem späteren Zeitpunkt343. Das rechtliche Risiko existiert aufgrund der potenziellen Verletzbarkeit und unsicheren rechtlichen Durchsetzbarkeit von Patenten344. Technische Pfeiffer/Metze/Schneider u.a., Technologie-Portfolio zum Management strategischer Zukunftsgeschäftsfelder, S. 82. 343 Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (841). 344 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 55. 342
158
6 Modulares Bewertungskonzept
Risiken ergeben sich aufgrund der Gefahr der Verdrängung durch technologischen Fortschritt oder unerwarteter Entwicklungssprünge. Das wirtschaftliche Risiko entsteht allgemein durch Unsicherheiten bezüglich der künftigen Marktentwicklung (vgl. Abschn. 5.2.3). Die einzelnen Risikoelemente werden an unterschiedlichen Stellen des Bewertungskonzeptes berücksichtigt. So fließen das wirtschaftliche und das technische Risiko direkt in die Bewertung ein und werden dementsprechend im Zusammenhang mit dem konkreten Bewertungsvorgang relevant. Rechtliche Risiken sind vergleichsweise schwierig zu quantifizieren und werden deswegen in einem besonderen Bewertungsschritt berücksichtigt (vgl. Abschn. 7.2.3). In der Übersicht in Abb. 6.8 ist dieses Vorgehen durch das Feld Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des prognostizierten Umsatzes gekennzeichnet. Anforderungs- und Informationsstruktur
Im nächsten Schritt ist aus der Situationsbestimmung die Anforderungsund Informationsstruktur der Bewertung abzuleiten. Die Informationsstruktur bestimmt, auf welche Unternehmens- und Marktdaten grundsätzlich für eine Bewertung zurückgegriffen werden kann. Die verfügbaren Daten wiederum sind als Limitierung der Art und der Zuverlässigkeit potenzieller Bewertungsansätze zu verstehen. Aus der Anforderungsstruktur, die hauptsächlich durch den Bewertungsanlass bestimmt wird, resultiert dann eine zusätzliche Einschränkung der verwertbaren Informationen und des zu wählenden Bewertungsansatzes. Die Informationsstruktur kann durch folgende Fragestellungen ermittelt werden: x Wie alt ist das zu bewertende Patent? x Welche Kenntnisse liegen bezüglich des Wettbewerbsumfeldes vor? x Kann auf konkrete interne Absatz- oder Umsatzzahlen aus der bisherigen Verwertung des Patentes zurückgegriffen werden? x Stehen Marktdaten vergleichbarer Patente zur Verfügung? In analoger Weise sind die Anforderungen an die Bewertung zu ermitteln: x x x x
Erfolgt die Bewertung zu internen oder externen Zwecken? Welcher konkrete Bewertungsanlass liegt vor? Welcher Grad an Objektivität wird der Bewertung zugrunde gelegt? Auf welche Daten kann bzw. darf die Bewertung gestützt werden?
Die Art und Weise in der die Situationsbestimmung in die Informationsund Anforderungsstruktur einfließt und inwiefern die Anforderungsstruktur die tatsächlich verwertbaren Daten bestimmt, stellt Abb. 6.10 noch einmal im Überblick dar.
6.2 Patentbewertung
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Situation - Bewertungszeitpunkt - Bewertungsanlass
Informationsstruktur - Unternehmensinterne Daten - Marktdaten
Unternehmensinterne Daten
Anforderungsstruktur - interner/externer Bewertungsanlass - konkreter Bewertungsanlass
Marktdaten
Für die Bewertung zur Verfügung stehende Datenbasis
Abb. 6.10. Verknüpfung der Situationsbestimmung mit der Informations- und Anforderungsstruktur
6.2.3 Bewertungsmodule In diesem Kapitel werden die möglichen Module einer Patentbewertung aufgezeigt, die entsprechend der zuvor definierten Informations- und Anforderungsstruktur zu einem Bewertungskonzept zusammengesetzt werden können. Dieses Vorgehen ermöglicht eine flexible Anpassung der Bewertung an verschiedene Bewertungssituationen. Innerhalb der einzelnen Module werden benötigte Informationen und mögliche Anwendungsoptionen aufgezeigt. Die Beschreibung der einzelnen Module konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die Fragestellungen, die im Rahmen der Bewertung von Patenten im engeren Sinne anfallen. Die aus anderen Bereichen wie zum Beispiel der Finanzwirtschaft oder der Statistik herangezogenen Methoden werden nur in einem für das Verständnis erforderlichem Umfang erläutert. Im Weiteren wird auf die vertiefende Fachliteratur verwiesen. Modul 1: Technologieportfolio/Technologielebenszykluskonzept
Die Möglichkeiten der Erfindungsbewertung mittels des Technologieportfolios bzw. des Technologielebenszykluskonzeptes wurden in Abschn. 6.1.2 ausführlich beschrieben. In analoger Weise lässt sich auch eine qualitative Bewertung der zukünftigen Potenziale von Patenten vornehmen. Dieses
160
6 Modulares Bewertungskonzept
Bewertungsmodul ist vor allem bei der Bewertung jüngerer Patente eine sinnvolle Ergänzung zu dem noch folgenden Bewertungsmodul, da ermittelte Werte anhand der Stellung der Patente im Technologieportfolio einer Validierung unterzogen werden können. Insbesondere ist es möglich, aufgrund der Lebenszyklusphase einer Technologie Rückschlüsse auf verbleibende Verwertungspotenziale des Patentes zu ziehen und somit die verbleibende wirtschaftliche Nutzungsdauer einzugrenzen. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer stellt die Teilmenge der maximalen Patentlaufzeit von 20 Jahren dar, in der das Patent wirtschaftlich verwertet werden kann345. Empirische Studien von Schankerman und Pakes haben gezeigt, dass nur eine geringe Anzahl von Patenten über ihre gesamte Laufzeit aufrechterhalten wird. Dies wird darauf zurückgeführt, dass der Grenznutzen durch die Aufrechterhaltung des Patentes mit der Zeit stetig abnimmt346. Die Abschätzung der zum Bewertungszeitpunkt noch verbleibenden wirtschaftlichen Nutzungsdauer stellt somit einen zentralen Punkt der Patentbewertung dar347. Ausgehend von der durchschnittlichen Laufzeit europäischer Patente von zwölf Jahren, die nach Goddar348 in der Regel identisch mit der Nutzungsdauer ist, können anhand des Technologielebenszykluskonzeptes und des Technologieportfolios gegebenenfalls Korrekturen dieses Durchschnittswertes nach oben oder unten vorgenommen werden349. Modul 2: Kapitalwertorientierte Patentbewertung
Eine sachgerechte Erfassung des monetären Wertes von Patenten muss sich an den zukünftig mit ihnen erzielbaren Gewinnen orientieren. Da es sich bei einem Patentwert stets um eine Momentaufnahme handelt, gilt es, die zukünftigen patentinduzierten Cashflows zu prognostizieren und auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren350. Durch die Berücksichtigung möglicher technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Risiken kann ein um spezifische Umgebungsbedingungen bereinigter Patentwert ermittelt werden. Ein großer Vorteil eines derartigen kapitalwertorientierten Ansatzes besteht in der Anpassungsfähigkeit an verschiedene Betrachtungswinkel, aus Cockburn, Assessing the Value of a Patent: Things to bear in Mind, http://www.wipo.int/sme/en/documents/valuing_patents.htm (vom 1.08.2005). 346 Schankerman/Pakes, The Economic Journal Dezember 1996, S. 1052 (1054). 347 Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (842). 348 Goddar, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 12/1995, S. 357 (363). 349 Himmel/Mussler, ifo-Schnelldienst 7/2005, S. 26 (30). 350 Stolberg, Bewertung, Controlling und Bilanzierung von Patenten und Marken, S. 10; Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (844). 345
6.2 Patentbewertung
161
der eine Bewertung vorgenommen werden kann. Somit können durch unterschiedliche Ausprägungen der einzelnen Bewertungsschritte Bewertungen zu unterschiedlichen Zwecken mit ein und derselben Basismethode durchgeführt werden351. Im Folgenden werden die einzelnen Module der kapitalwertorientierten Patentbewertung vorgestellt. Bestimmung des patentinduzierten Umsatzes
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Darstellung und Erhebung des patentinduzierten Umsatzes, das heißt auf den Umsatzanteil eines Produktes bzw. einer Produktvariante, der sich aus dem zu bewertenden Patent ergibt. Insofern wird vorausgesetzt, dass grundsätzlich Umsatzdaten oder Umsatzprognosen des dem Patent zuzurechnenden Produktes vorliegen. Dabei kommen sowohl unternehmensinterne Umsatzdaten der Vergangenheit (bei bereits realisierten Patenten) als auch vergleichende bzw. prognostizierende Marktdaten in Frage. Von einer Diskussion über die Methodik zur Erhebung von Umsatzdaten und Prognosen wird hier abgesehen. Um die zukünftigen Gewinne aus der Verwertung eines Patentes bestimmen zu können, müssen die an den Patentbesitz gebundenen Umsatzerwartungen bestimmt werden352. Schwierigkeiten können sich hierbei aus der Zurechenbarkeit von Umsätzen auf ein einzelnes Patent ergeben353. Häufig stimmen zu bewertendes Patent und vermarktbares Produkt nicht vollkommen überein. Größtenteils werden durch (patentgeschützte) Innovationen lediglich Verbesserungen bisheriger Produkte bewirkt oder einzelne Komponenten verändert. Es muss also eine Möglichkeit gefunden werden, den wertsteigernden Beitrag eines Patentes zu separieren. Hierfür sind grundsätzlich zwei Alternativen denkbar. Für den Fall, dass das Patent eine einzelne, separierbare Produktkomponente betrifft, ist das Verhältnis dieser Produktkomponente zu dem Gesamtprodukt zu ermitteln354. Entscheidend ist hierbei, „…dass als Bezugsgröße ein solcher Teil einer handelsfähigen Gesamtvorrichtung gewählt wird, der durch die Erfindung noch geprägt wird“355. Anschließend kann Himmel/Mussler, ifo-Schnelldienst 7/2005, S. 26 (28). Menninger/Kunowski, DStR 28/2003, S. 1180 (1183). 353 Fischer, Technologie und Wettbewerbsvorteile, S. 64 f. 354 Persönliche Mitteilung von Herrn Simon Horoz (Dipl.-Ing., Fachgebiete Maschinenbau und Verfahrenstechnik, IMG Innovations-Management GmbH) am 10.08.2005. 355 Goddar, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 12/1995, S. 357 (363). 351 352
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6 Modulares Bewertungskonzept
dann zum Beispiel anhand der Herstellungskosten ein Faktor ermittelt werden, durch den der Anteil des Patentes am Gesamtumsatz des entsprechenden Produktes gekennzeichnet ist. Beispiel: Das zu bewertende Patent betrifft Abstimmungskondensatoren, die in Fernsehern eingesetzt werden. Angenommen, die Herstellungskosten des Fernsehers betragen 200 FKGFGU-QPFGPUCVQTUYGTFGPOKV DG\KHHGTV Das Verhältnis ergibt sich also zu 0,025 (2,5%). Näherungsweise wird angenommen, dass 2,5% des Gesamtumsatzes mit dem Fernseher auf den Kondensator zurückgeführt werden können. Im zweiten Fall, wenn durch die patentierte Technik eine grundlegende Verbesserung eines bestehenden Produktes bewirkt wird, stellt sich die Ermittlung des patentinduzierten Anteils schwieriger dar. Es muss der Versuch unternommen werden, den durch die Verbesserung erzielten Zusatznutzen zu quantifizieren. Hierzu stellt die Conjoint-Analyse ein geeignetes Verfahren dar. Durch ihre Fähigkeit, „…die Bedeutung einzelner Produktmerkmale für das Zustandekommen der Gesamtpräferenz zu ermitteln“, kann mittels der Conjoint-Analyse die Wertbeeinflussung durch ein Patent bei Produktmodifikationen ermittelt werden356. Anhand eines kurzen Einblicks in die Methodik der Conjoint-Analyse soll folgend ihre Eignung zur Ermittlung des patentinduzierten Umsatzes verdeutlicht werden. Bezüglich einer detaillierteren Beschreibung des Ablaufs und der Berechnungen einer Conjoint-Analyse wird auf die einschlägige Literatur verwiesen357. Ziel der Conjoint-Analyse im Patentbewertungsprozess ist es, festzustellen, welcher zusätzliche Umsatz durch eine von einem Patent bewirkte Produktveränderung erzielt wird. Dieser zusätzliche Umsatz ergibt sich aufgrund eines höheren erzielbaren Verkaufspreises für das neue Produkt. Dem Grundgedanken der Conjoint-Analyse liegt zugrunde, dass sich der Gesamtnutzen eines Produktes aus der Addition der Teilnutzen einzelner produktbestimmender Merkmale ergibt358. Dabei wird der Teilnutzen einzelner Merkmale nicht durch ihre separate Bewertung ermittelt, sondern Hahn, Conjoint- und Discrete Choice-Analyse als Verfahren zur Abb. von Präferenzstrukturen und Produktauswahlentscheidungen, S. 44. 357 Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung; Schubert, Entwicklung von Konzepten für Produktinnovationen mittels Conjoint-Analyse; Hahn, Conjoint- und Discrete Choice-Analyse als Verfahren zur Abb. von Präferenzstrukturen und Produktauswahlentscheidungen. 358 Schubert, Entwicklung von Konzepten für Produktinnovationen mittels Conjoint-Analyse, S. 144. 356
6.2 Patentbewertung
163
durch die empirische Erhebung von globalen Urteilen über die multiattributiven Alternativen, die sich aus den verschiedenen Ausprägungen der Merkmale ergeben. Aus diesen Gesamturteilen werden anschließend die Teilnutzenwerte der einzelnen Merkmale mittels statistischer Berechnungen und unter Zuhilfenahme statistischer Software errechnet. Die Conjoint-Analyse ermöglicht somit, relativ einfach ermittelbare Gesamturteile zu dekomponieren und in ihre Einzelaspekte zu zerlegen359. Um den patentinduzierten Umsatz eines Produktes auf diese Weise zu ermitteln, müssen verschiedene Ausprägungen der Merkmale Preis und Patentwirkung zu fiktiven Produkten kombiniert und potenziellen Käufern zur Bewertung vorgelegt werden. Anhand der ermittelten Globalurteile werden die Präferenzen für die einzelnen Merkmalsausprägungen ermittelt. Aus den Nutzenwerten für die unterschiedlichen Ausprägungen des Merkmals Preis lässt sich mit Hilfe der linearen Regressionsanalyse eine Regressionsgleichung ableiten, die eine Monetarisierung der Nutzenwerte erlaubt360. Durch eine Gegenüberstellung von zwei Produkten, von den eines das Merkmal Patentwirkung besitzt und das andere nicht, lässt sich der Wert der Patentwirkung ermitteln. Ausgehend von der Annahme, dass bei gleichem Preis das Produkt mit Patentwirkung bevorzugt wird und diese Präferenz mit steigendem Preis abnimmt, kann ein monetärer Wert des Merkmals Patentwirkung abgeleitet werden. Beispiel: Das zu bewertende Patent betrifft so genannte Babyschalen, die zur Sicherung von Kleinkindern in Autos und zum Tragen außerhalb verwendet werden können. Das Merkmal „Patentwirkung“ besteht in der Trennbarkeit dieser Konstruktion in eine äußere, im Auto verbleibende Schale, und eine zum Tarnsport herausnehmbare innere Schale. Der Vorteil dieser Trennbarkeit ergibt sich durch eine erhebliche Gewichtsreduktion der zum Tragen verwendeten Schale bei Beibehaltung aller sicherheitsrelevanten Merkmale in der äußeren Schale. Die Ausprägungen des Merkmals Patentwirkung sind also „trennbar“ und „nicht trennbar“. 359 360
Kroeber-Riel/Weinberg, Konsumentenverhalten, S. 312. Die lineare Regressionsanalyse stellt ein statistisches Verfahren dar, bei dem der Zusammenhang zwischen metrisch skalierten Variablen durch die Anpassung einer linearen Funktion an die Wertekombinationen zweier oder mehrerer Variablen beschrieben wird. Dabei wird es insbesondere möglich, die abhängige aus der bzw. den unabhängigen Variablen zu prognostizieren. Backhaus/ Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, S. 58.
164
6 Modulares Bewertungskonzept
Durch die Kombination verschiedener Preise mit diesen Merkmalen können fiktive Produkte entwickelt werden, die relevanten Kundengruppen zur Bewertung vorgelegt werden. Als Bewertung der fiktiven Produkte wird eine Präferenzskala (z. B. von „1 = Kauf sehr wahrscheinlich“ bis „5 = Kauf sehr unwahrscheinlich“) gewählt. Anschließend werden die erhobenen Daten einer statistischen Bewertung unterzogen und somit die einzelnen Nutzenwerte der Merkmalsausprägungen ermittelt. Durch eine Regressionsanalyse (Formel (6.2)) der Nutzenwerte bezüglich des Merkmals „Preis“ erhält man eine Regressionsgleichung der Form „Nutzen = a * Preis + b“. Mit ihrer Hilfe kann durch die Gegenüberstellung der Nutzenwerte von trennbaren und nicht trennbaren Babyschalen der Wert der Trennbarkeit ermittelt werden: Formel (6.2): !
nP 'P ntrennbar n p nnicht trennbar Einsetzen der Regressionsgleichung !
a ( p 'p) b ntrennbar a p b nnicht trennbar
'p
nnicht trennbar ntrennbar a
ntrennbar/nicht_trennbar = Nutzen361 der trennbaren/nicht trennbaren Babyschale der Marke M nM = Teilnutzen der Marke M = Teilnutzen des Preises p (+ Preisaufschlag 'p ) n p ( 'p ) 'p = Preisaufschlag a und b Regressionskoeffizienten Der ermittelte Anteilswert des Patentes am Gesamtprodukt ist als ein nutzenausgleichender Preisaufschlag zu verstehen. Er stellt den maximalen Preisaufschlag dar, den Kunden für ein Produkt mit dem Merkmal Patentwirkung zu zahlen bereit sind. Bei Erhebung des vollen Preisaufschlages,
361
Da hier eine Betrachtung des Gesamtmarktes durchgeführt wird, sind die Durchschnittsnutzenwerte über alle Befragten heranzuziehen.
6.2 Patentbewertung
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würde sich eine Pattsituation einstellen, bei der für den Verbraucher kein besonderer Kaufanreiz vorläge. Die Untergrenze für einen Preisaufschlag ergibt sich durch die zusätzlichen Herstellungskosten der Integration einer patentierten Technik in das Produkt, die aus zusätzlichem Material- und Personalaufwand entstehen362. Der patentinduzierte Umsatzgewinn liegt zwischen diesen beiden Extremwerten. Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes
Der Kapitalisierungszinssatz, mit dem die erwarteten zukünftigen patentinduzierten Cashflows auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren sind, sollte „…sowohl den Zeitwert des Geldes als auch das Risiko der patentspezifischen Cashflows (Risikoprämie) berücksichtigen“363. Es ist also zuerst ein durchschnittlicher branchenüblicher Kapitalkostensatz zu ermitteln, der anschließend mit einem von den Eigenschaften des zu bewertenden Patentes abhängigen Risikoaufschlag versehen wird. Die Ermittlung des Kapitalkostensatzes erfolgt mittels des Capital Asset Pricing Models (CAPM), das die Kapitalkosten als Summe des risikolosen Marktzinssatzes und einer branchenabhängigen Risikoprämie darstellt364. Da in der Realität jedoch keine risikolosen Anleihen existieren, wird ersatzweise auf den Zinssatz langfristiger Bundesanleihen mit entsprechender Laufzeit zurückgegriffen365. Die branchenabhängige Risikoprämie setzt sich aus der mit dem E-Faktor gewichteten Differenz aus der durchschnittlichen Marktrendite und dem risikolosen Zinssatz zusammen. Der E-Faktor ist ein Ausdruck für das Verhältnis zwischen Branchenrisiko und allgemeinem Marktrisiko. Die durchschnittlichen Kapitalkosten ermitteln sich demnach nach Formel (24)366: Formel (6.3):
iR rm
kd
iR E rm iR
= =
risikoloser Marktzinssatz durchschnittliche Marktrendite
Gräfer, Buchführung und Jahresabschlüsse: Arbeitsunterlage BWL im Grundstudium, S. 105 f. 363 Himmel/Mussler, ifo-Schnelldienst 7/2005, S. 26 (30). 364 Gräfer/Beike/Scheld, Finanzierung, S. 345 ff. 365 Eidel, Moderne Verfahren der Unternehmensbewertung und Performance-Messung, S. 287. 366 Gräfer/Beike/Scheld, Finanzierung, S. 351. 362
166
6 Modulares Bewertungskonzept
Die durchschnittliche Marktrendite kann aus den Durchschnittswerten des Deutschen Aktien-Index (DAX) abgeleitet werden. Die Ausführungen zur Ermittlung eines Kapitalkostenzinssatzes beschränken sich im Rahmen dieser Arbeit auf einen für das Verständnis der Zusammenhänge nötigen Umfang. Weitere Einzelheiten finden sich in der Literatur zur Finanzwirtschaft und Kapitalmarkttheorie, auf die hiermit verwiesen wird367. Im Zentrum des Interesses steht hier die Quantifizierung der Risikostruktur einer Patentbewertung in Form einer Risikoprämie. Es ist die bereits mehrfach angeführte Unterscheidung von wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Risiken vorzunehmen. Wirtschaftliche Risiken werden durch die fundierte Prognose des zu erwartenden Umsatzes und durch den Kapitalkostensatz in ausreichender Form berücksichtigt. Bezüglich der Bedeutung technischer Risiken ist zwischen unterschiedlichen Lebenszyklusphasen, in denen sich ein Patent befindet, zu unterscheiden. Wie weiter oben bereits ausgeführt wurde, nehmen die Unsicherheiten über die technologische Entwicklung mit zunehmendem Alter des Patentes ab. Bei älteren Patenten besteht in der Regel keine Unsicherheit mehr bezüglich der Realisierbarkeit der patentierten Technologie oder ihrer Integrierbarkeit in bestehende Herstellungsprozesse bzw. Produkte. Diesbezüglich besteht also kein technisches Risiko. Das Risiko der Substitution durch neue Technologien hingegen steht in einem mittelbaren Zusammenhang mit dem Alter des Patentes. Die Gefahr, dass eine patentierte Technologie durch technologische Fortschritte überholt und somit obsolet wird, kann mithilfe des Technologieportfolios bewertet werden. Ist das Patent einem attraktivem Technologiefeld zuzuordnen, ist das Substitutionsrisiko aufgrund des noch hohen strategischen Wettbewerbspotenzials der Technologie in Verbindung mit dem schon fortgeschrittenen Alter des Patentes als gering bzw. sogar vernachlässigbar einzustufen. Diese Zusammenhänge werden dadurch bestätigt, dass zwei Drittel aller Patente, die ein Alter von mehr als acht Jahren erreicht haben, bis zum Ende Ihrer maximalen Laufzeit verlängert werden368. Die Sinnhaftigkeit dieser Verlängerungsentscheidungen vorausgesetzt, konnten diese Patente während ihrer gesamten Laufzeit wirtschaftlich verwertet werden und wurden somit auch nicht von neuen Technologien verdrängt. Zum Beispiel Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung; Gräfer/ Beike/Scheld, Finanzierung. 368 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 57 f. 367
6.2 Patentbewertung
167
Es ist also fallbezogen zu erwägen, ob die Unsicherheiten über eine potenzielle Substitution noch derart groß sind, dass sie durch einen (gemäßigten) Risikoaufschlag auf den Kapitalkostensatz berücksichtigt werden müssen. Dieser muss sich an der noch verbleibenden maximalen Restlaufzeit des Patentes, der Stellung der betreffenden Technologie im Technologieportfolio bzw. auf der Technologielebenszykluskurve und einer Gesamteinschätzung des Marktumfeldes orientieren. Darüber hinaus kann die Vorgehensweise zur Quantifizierung technischer Risiken bei jüngeren Patenten als Anhaltspunkt dienen. Bestehen erhebliche Unsicherheiten bezüglich der technischen Realisierbarkeit und der Integrierbarkeit der Technik in bestehende Herstellungsprozesse bzw. Produkte wie es bei sehr jungen Patenten der Fall ist, muss ein entsprechender Prozentsatz als Risikoprämie auf den Kapitalkostensatz aufgeschlagen werden369. Das anfänglich sehr hohe Risiko begründet sich darin, dass der Anmelde- bzw. Erteilungszeitpunkt je nach Technologiebereich für ein Patent häufig vor der Realisierung des Endproduktes liegt und somit die noch zu überwindenden Hürden nicht vollständig abgeschätzt werden können370. Darüber hinaus ist das Risiko durch Substitution bei sehr jungen Patenten schwer abzuschätzen. Selbst wenn die patentierte Technik im Technologieportfolio einer attraktiven Technologie zuzuordnen ist, kann die zukünftige Bedeutung der Technologie nur in groben Zügen anhand des Lebenszykluskonzeptes abgeschätzt werden. Da das technische Risiko junger Patente durch eine Vielzahl schwer bezifferbarer Einflüsse bestimmt wird, muss eine näherungsweise Quantifizierung des technischen Risikos vorgenommen werden. Vereinfachend kann dies durch eine Gegenüberstellung der maximalen Laufzeit und der durchschnittlichen Patentlaufzeit erreicht werden. Die durchschnittliche Laufzeit für deutsche und europäische Patente beträgt zwölf Jahre, die maximale zwanzig Jahre371. Im Folgenden wird das technische Risiko durch einen Cashflow-Abbruch nach zwölf anstatt nach den maximal möglichen zwanzig Jahren simuliert. Abzustellen ist hierbei auf das bereits erlangte Alter des Patentes. Soll mit dieser Methode beispielsweise ein vier Jahre altes Patent372 bewertet werden, ist von einer durchschnittlichen Restlaufzeit von acht Jahren Himmel/Mussler, ifo-Schnelldienst 7/2005, S. 26 (30). Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 54. 371 Goddar, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 12/1995, S. 357 (363). 372 Die durchschnittliche Zeit von der Anmeldung bis zur Erteilung eines Patentes beträgt in Europa ca. vier Jahre (vgl. Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 57). Aus diesem Grund wurde das Alter von vier Jahren als Beispiel für ein junges Patent ausgewählt. 369 370
168
6 Modulares Bewertungskonzept
und einer maximalen von sechzehn auszugehen. Durch eine wertmäßige Gleichsetzung der ohne Risikoaufschlag ermittelten Umsatzbarwerte über acht Jahre mit den mit Risikoaufschlag diskontierten Umsatzbarwerten über sechzehn Jahre, lässt sich der prozentuale Aufschlag itech für das technische Risiko ermitteln. Der so ermittelte Risikoaufschlag stellt eine gute Annährung an die Realität dar. Der Kapitalisierungszinssatz ergibt sich aus der Summe der durchschnittlichen Kapitalkosten kd und des technischen Risikoaufschlages itech. Einbeziehung des rechtlichen Risikos
Das rechtliche Risiko wird hier im Rahmen der Kapitalwertorientierten Patentbewertung separat berücksichtigt. Eine Einbeziehung analog zum technologischen Risiko durch einen Zinsaufschlag auf den Kapitalisierungszinssatz in Form einer Risikoprämie wird dem Wesen des rechtlichen Risikos nicht gerecht. Generell können Patente nur dann belastbar bewertet werden, wenn ihre Rechtsbeständigkeit vorausgesetzt wird. Da dies aber gerade bei jüngeren Patenten nicht immer möglich ist, muss eine Differenzierung von Patenten anhand ihres Alters vorgenommen werden. Bestehen noch Unsicherheiten an der Rechtsbeständigkeit, muss ein Weg gefunden werden, die Wahrscheinlichkeit und den Umfang eines drohenden Rechtsverlustes abzuschätzen. Im Hinblick auf die einzelnen rechtlichen Risikofaktoren verändert sich die Zusammensetzung des rechtlichen Risikos außerdem kontinuierlich. Der Risikofaktor der Nichterteilung entfällt bei Patenten als Bewertungsobjekt jedoch vollständig. Ab einem definierten Patentalter können rechtliche Risiken als vernachlässigbar angesehen werden. Die Gründe hierfür werden im Folgenden kurz erläutert. Das Risiko von Einsprüchen und Nichtigkeitsklagen kann ab einem bestimmten Alter auf den Wert Null gesetzt werden, unter der Voraussetzung, dass kein Einspruchsverfahren und keine Nichtigkeitsklage mehr läuft. Nach Erteilung eines Patentes besteht lediglich eine dreimonatige Einspruchsfrist, § 59 PatG. Wird diese nicht wahrgenommen, ergibt sich aus Sicht des Patentinhabers noch die Gefahr einer Nichtigkeitsklage. Jedoch ist mit diesen in der Regel auch nur in einem relativ engen Zeitraum nach der Patenterteilung zu rechnen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass betroffene Konkurrenten auf der einen Seite bemüht sein werden, die Einspruchsfrist zu wahren, um den Weg einer kostenintensiven Nichtigkeitsklage zu vermeiden373. Auf der anderen Seite werden Nichtigkeitsklagen im 373
Wagner/Thieler, Wegweiser für den Erfinder, S. 119.
6.2 Patentbewertung
169
Allgemeinen zeitnah nach der Erteilung des Patentes erhoben, da der Klagende bemüht sein wird, die Benachteiligung, die er durch das Patent erfährt, so gering wie möglich zu halten374. Bezugnehmend auf die Ergebnisse einer Auswertung Reitzigs sind acht Jahre nach Anmeldung eines Patentes alle anhängigen Verfahren, inklusiver eventueller Verletzungsstreitigkeiten, abgeschlossen375. In der Konsequenz lasten Patenten ab einem Alter von acht Jahren keine besonderen rechtlichen Risiken mehr an. Einspruchsverfahren und Verletzungsprozesse sind in der Regel entweder abgeschlossen oder es ist nicht mehr mit ihnen zu rechnen. Auch bezüglich der Abhängigkeit von anderen Patentrechten besteht zu diesem Zeitpunkt keine nennenswerte Unsicherheit mehr. Eventuell zu leistende Lizenzzahlungen an Dritte können eindeutig quantifiziert und als patentinduzierte Kosten bei der Patentwertermittlung berücksichtigt werden. Ist ein entsprechendes Verfahren zum Bewertungszeitpunkt jedoch noch anhängig, muss ein Risikoabschlag, der sich an der Erfolgswahrscheinlichkeit des Einspruches oder der Nichtigkeitsklage orientiert, auf den Patentwert erhoben werden. Schwieriger stellt sich die Quantifizierung der rechtlichen Risiken bei verhältnismäßig jungen Patenten dar. Sie können durch eine der spezifischen Situation angepassten Schätzung ermittelt werden. Besonders hervorzuheben ist hier die Tatsache, dass die Einspruchswahrscheinlichkeit und die Gefahr in einen Verletzungsprozess verwickelt zu werden, mit dem erwarteten Patentwert steigen376. Dieser wiederum steht in enger Verbindung zur Qualität des Patentes, die sich unter anderem in dem Maß der zugrunde liegenden erfinderischen Tätigkeit und in der Zahl der technischen Vorzüge widerspiegelt. Auch für die Ermittlung des Risikos aus Umgehungserfindungen oder Abhängigkeiten von Konkurrenzpatenten kann keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. Es wird empfohlen, durch eine gründliche Abwägung der einzelnen Risikokomponenten und unter Heranziehung von Expertenurteilen377 einen prozentualen Risikoabschlag auf den zuvor ermittelten Patentwert zu erheben. Dieser Abschlag muss sowohl die Eintrittswahr-
Persönliche Mitteilung von Herrn Roland Wellmeier (Abt. Recht und Patente, KSB Aktiengesellschaft) am13.04.2005. 375 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 57. 376 Reitzig, Die Bewertung von Patentrechten, S. 55. 377 So ist es zum Beispiel sinnvoll, die technischen Schwierigkeiten der Umgehbarkeit eines Patentes von Experten des jeweiligen Fachgebietes beurteilen zu lassen. 374
170
6 Modulares Bewertungskonzept
scheinlichkeiten als auch die möglichen Konsequenzen der rechtlichen Risiken berücksichtigen. Unter Umständen ist die Berücksichtigung des rechtlichen Risikos durch einen Wertabschlag mit einer erheblichen Verzerrung der Realität verbunden. Es ist zu erwägen, das rechtliche Risiko in Form von Wahrscheinlichkeitswerten für das Eintreten des ermittelten Patentwertes zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise wird der Eigenart rechtlicher Risiken junger Patente, dass sie auch zu einem Totalausfall des Patentwertes führen können, besser gerecht. Patentwertermittlung mittels pateninduzierter Umsatzrendite
Der allgemeine Patentwert ergibt sich aus den auf den Bewertungsstichtag diskontierten patentinduzierten Nettoumsätzen. Der tatsächliche Patentwert aus Sicht des Patentinhabers ist der wertmäßige Anteil dieser Nettoumsätze, der ihm aufgrund der Besitzstellung als Gewinn zufließt. Dieser Anteil kann in Form einer patentinduzierten Umsatzrendite erfasst werden. Diese ergibt sich aus dem Verhältnis des patentinduzierten Gewinns zu den Nettoumsätzen, die mit dem Produkt erzielt werden, das das Patent enthält. Die Einführung einer patentinduzierten Umsatzrendite eröffnet an diesem Punkt der Bewertung die Möglichkeit, verschiedene Bewertungsperspektiven zu berücksichtigen. Soll der Patentwert aus Sicht des selbst verwertenden Unternehmens ermittelt werden, ergibt sich die patentinduzierte Umsatzrendite aus dem Verhältnis des patentinduzierten Gewinns zum Gesamtumsatz. Der patentinduzierte Gewinn ergibt sich aus der Differenz der patentinduzierten Umsatzsteigerung und der patentinduzierten zusätzlichen Herstellungskosten. Durch eine derartige Ermittlung der patentinduzierten Umsatzrendite fließen unternehmensspezifische Faktoren in den Patentwert ein. Es kann angenommen werden, dass sich zusätzliche Aufwendungen aus der Integration des Patentes in ein vermarktbares Produkt nicht unabhängig von dem ausführenden Unternehmen ergeben. Somit kann ein derartig ermittelter Patentwert nur als Patentwert für das individuelle Unternehmen interpretiert werden. Da es aus verschiedenen, schon dargelegten Anlässen aber auch erforderlich sein kann, einen von der Einbindung in ein spezielles Unternehmen unabhängigen Patentwert zu ermitteln, muss ein Weg gefunden werden, die patentinduzierte Umsatzrendite unternehmensunabhängig zu erfassen. Diese sollte den Marktwert des Patentes widerspiegeln. Zur Erreichung dieses Zieles wird empfohlen, branchenübliche Lizenzsätze als unabhängige Umsatzrenditen heranzuziehen. Ein derartiges Vorgehen deckt sich mit der Interpretation von Lizenzraten als aus Inhabersicht durchschnittlich am Markt erzielbarer Renditen aus
6.3 Patentportfoliobewertung
171
der externen Verwertung eines Patentes. Diese Lizenzraten entstehen unabhängig von den Unternehmen, die im Besitz des Patentes sind. Somit bilden branchenübliche Lizenzraten eine gute Möglichkeit, den unternehmensunabhängigen Patentwert abzubilden. Zur Bestimmung von branchenüblichen Lizenzraten kann auf die in den Vergütungsrichtlinien für Arbeitnehmererfindungen angegebenen branchenüblichen durchschnittlichen Lizenzraten und Anpassungskriterien zurückgegriffen werden378.
6.3 Patentportfoliobewertung In technologiebezogenen Patentportfolios (vgl. Anwendungsteil Abschn. 7.3) wird die Gesamtpatentposition eines Unternehmens dargestellt. Sie stellt eine Unterform des Technologieportfolios dar, das im Rahmen der Erfindungsbewertung ausführlich besprochen worden ist. In Abgrenzung zu Technologieportfolios werden die Portfoliodimensionen Technologieattraktivität und Ressourcenstärke jedoch ausschließlich anhand von Patentkennzahlen ermittelt. Hierdurch sollen die in Technologieportfolios zwangsläufig einfließenden subjektiven Werturteile vermieden und damit ein objektiverer Ansatz zur Bewertung der Technologiepositionen eines Unternehmens erreicht werden. Die Technologieattraktivität wird durch einen Vergleich der durchschnittlichen Wachstumsraten der letzten vier Jahre mit denen der letzten sechzehn Jahre ermittelt. Die relative Patentposition ergibt sich aus dem zahlenmäßigen Verhältnis der unternehmenseigenen Patente zu denen des stärksten Wettbewerbers379. Anhand eines derartigen Patentportfolios kann eine technologiebezogene Bewertung des Patentbestandes eines Unternehmens vorgenommen werden. Aus den bekannten Normstrategien für die Felder eines Portfolios können Handlungsempfehlungen für die zukünftige Patentstrategie abgeleitet werden. Der Nachteil dieser Patentportfolio-Darstellung liegt allerdings in der ausschließlichen Berücksichtigung der Attraktivität der patentierten Technologien und in der Quantität der Patente in den jeweiligen Technologiebereichen. In der Darstellungsform des Patentbestandes erfolgt keine Berücksichtigung der Qualität der Patente. Die Bewertung des Patentbestandes eines Unternehmens sollte jedoch auch qualitative Aspekte berücksichtigen. Es muss eine Möglichkeit zur Bewertung von Patentbeständen gefunden o.V., Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen, http://transparent.com/gesetze/rlarberf.html vom 31.07.2005. 379 Brockhoff, Forschung und Entwicklung, S. 167. 378
172
6 Modulares Bewertungskonzept
werden, die sowohl die Qualität als auch die Quantität der Patente berücksichtigt und darüber hinaus die generelle Attraktivität der bearbeiteten Technologiefelder in die Bewertung mit einbezieht. Auch der Bezug zum Wettbewerbsumfeld sollte nicht verloren gehen. Eine unternehmensbezogene Patentportfolio-Darstellung, die die Qualität der Patente eines Unternehmens einbezieht, zeigt Abb. 6.11. Anhand der Dimensionen Patentqualität und Patentaktivität können Vergleiche zwischen verschiedenen Unternehmen gezogen werden.
Selektive Anmelder
hoch niedrig
Patentqualität
qualitativ hochwertiger Patente
Aktive Anmelder qualitativ hochwertiger Patente (Technologieführer)
Inaktive
Aktive
Anmelder
Anmelder
qualitativ
qualitativ
minderwertiger
minderwertiger
Patente
Patente
niedrig
hoch
Patentaktivität Abb. 6.11. Unternehmensbezogenes Patentportfolio (nach Ernst)
Die Patentqualität eines Unternehmens wird mithilfe eines auf Ernst zurückgehenden multiplen Qualitätsindexes ermittelt380. Dieser stellt sich formal dar zu
380
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 271 ff.
6.3 Patentportfoliobewertung
173
Formel (6.4): PQi
H
¦ RPKih h 1
und
RPKih
PQi RPK ih PK ih h i
PK ih § I · 1 ¨ ¦ PKih ¸ ©i 1 ¹ I
= Qualität der Patentposition des i-ten Unternehmens = Relative Ausprägung der jeweiligen Patentkennzahl h im Unternehmen i = Ausprägung des i-ten Unternehmens bezüglich der h-ten Patentkennzahl = Ausprägung des i-ten Unternehmens bezüglich der h-ten Patentkennzahl = 1, 2,…I Unternehmen
Die folgenden Patentkennzahlen, die zur Ermittlung des Qualitätsindexes herangezogen werden, beziehen sich auf die Unternehmensebene.381 x Erteilungsquote: Die Erteilungsquote stellt den Anteil erteilter Patente an den Patentanmeldungen dar. Im Prüfverfahren befindliche Patente werden hierbei nicht berücksichtigt. x Gültigkeitsquote: Die Gültigkeitsquote stellt den Anteil gültiger Patente an den erteilten Patenten dar. x Zitierquote: Die Zitierquote drückt aus, wie oft die Patente eines Unternehmens im Durchschnitt in nachfolgenden Patentschriften anderer Anmelder zitiert werden. x US-Quote: Anteil der in den USA erteilten Patente an den gesamten Patentanmeldungen des Unternehmens.
381
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 55, 208, 272.
174
6 Modulares Bewertungskonzept
x Relative europäische Patentaktivität: Die relative europäische Patentaktivität eines Unternehmens ergibt sich aus dem Verhältnis der Anzahl der Patentanmeldungen des betrachteten Unternehmens beim Europäischen Patentamt (EPA) zu der mittleren Anzahl der Anmeldungen aller Unternehmen beim EPA. Die Patentaktivität eines Unternehmens bezieht die Patentanmeldungen des jeweiligen Unternehmens auf die durchschnittliche Anzahl der Patentanmeldungen der im Portfolio betrachteten Unternehmen382. Bestehen bei den zu vergleichenden Unternehmen erhebliche Größenunterschiede, so können diese durch die Ermittlung der relativen Patentaktivität pro Beschäftigten ausgeglichen werden. Anhand einer derartigen Portfolio-Darstellung können die betrachteten Unternehmen hinsichtlich ihrer Aktivität in aktive und inaktive bzw. selektive Anmelder und hinsichtlich der erreichten Patentqualität in Anmelder qualitativ hochwertiger und Anmelder qualitativ minderwertiger Patente unterschieden werden (vgl. Abb. 6.11). Den in den jeweiligen Quadranten platzierten Unternehmen können verschiedene Patentstrategien zugeordnet werden. Auf diese soll im Rahmen der weiteren Ausführungen jedoch nicht explizit eingegangen werden383. Hier wird vielmehr das Ziel verfolgt, die beiden unterschiedlichen Konzeptionen von Patentportfolios so aneinander anzupassen, dass eine umfassende Bewertung des Patentbestandes eines Unternehmens vorgenommen werden kann. Hierbei wird die Eigenart von Portfolio-Darstellungen ausgenutzt, dass in ihnen beliebige, abgegrenzte Einheiten abgebildet und miteinander verglichen werden können384. Deswegen wird die zuvor beschriebene Portfolio-Version auf Technologiefelder als Bezugseinheit übertragen. Dabei ist darauf zu achten, das die Abgrenzungen der Technologiefelder identisch mit denen des parallel zu erstellenden technologieorientierten Patentportfolios sind. Somit werden identische Technologiefelder in unterschiedlichen Portfolios dargestellt. Die Ermittlung der Patentqualität und der Patentaktivität können dabei direkt von der Unternehmensebene auf die Technologiefeldebene übertragen werden. Statt des Unternehmens müssen lediglich die einzelnen Technologiefelder als Bezugebene gewählt werden. Somit wird eine Einordnung der einzelnen Technologiefelder anhand der Dimensionen Patentqualität und Patentaktivität möglich. Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 207. 383 Vgl. zu genaueren Ausführungen Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S. 214 ff. 384 Pleschak/Sabisch, Innovationsmanagement, S. 66 382
6.3 Patentportfoliobewertung
175
Als Ergebnis dieser Vorgehensweise können ein und dieselben Technologiefelder anhand folgender Kriterien bewertet werden: x Attraktivität als Ausdruck für verbleibendes Potenzial zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen. x Relative Patentstärke des Unternehmens in diesem Technologiefeld. x Realisierte Patentqualität des Unternehmens in einem Technologiefeld. x Patentaktivität des Unternehmens in einem Technologiefeld.
mittel niedrig
mittel
hoch
Relative Patentposition
hoch
TF 2
Patentqualität
TF 3
TF 3 TF 2
TF 4
niedrig
hoch
TF 1
TF 1
TF 4
niedrig
Technologieattraktivität
Darüber hinaus wird bezüglich der Bewertung der Gesamtpatentsituation eines Unternehmens nicht nur eine Bewertung der relativen Patentstärke im Verhältnis zum Wettbewerb möglich, sondern es kann durch die Einbeziehung der Patentqualität in die Betrachtung auch eine Aussage über den Beitrag der Patente zum Unternehmenserfolg getroffen werden385. Die Bewertungsmöglichkeiten sollen anhand der fiktiven Beispielportfolios in Abb. 6.12 verdeutlicht werden. Es ist ersichtlich, dass das betrachtete Unternehmen bezüglich der Technologiefelder TF1, TF2 und TF3 als aktiver Anmelder hochwertiger Patente qualifiziert werden kann. Außerdem weisen diese Technologiefelder eine mittlere bis hohe Attraktivität auf und das Unternehmen hat eine verhältnismäßig hohe relative Patentstärke in den betreffenden Technologiefeldern erreicht.
niedrig
hoch
Patentaktivität
Abb. 6.12. Integrierende Patentportfoliobetrachtung
385
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung, S.
176
6 Modulares Bewertungskonzept
Hieraus kann einerseits geschlossen werden, dass bezüglich dieser Technologiefelder die richtige Strategie verfolgt wird, da mit hoher Aktivität und Qualität in Erfolg versprechenden Technologiefelder investiert wird. Auf der anderen Seite kann aus der hohen Qualität der Patente und der hohen Attraktivität der bearbeiteten Technologiefelder auf einen hohen momentanen und auch zukünftigen Wert der betroffenen Patente für das Unternehmen geschlossen werden. Sie leisten und werden auch in Zukunft einen verhältnismäßig hohen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Anders stellt sich die Situation bezüglich des Technologiefeldes TF4 dar. Hier weist das Unternehmen eine selektive Patentstrategie auf. Es meldet wenige aber qualitativ hochwertige Patente an. Das Technologiefeld 4 weist eine hohe Attraktivität auf, das Unternehmen hat jedoch wegen seiner geringen Aktivität nur eine geringe relative Patentstärke im Vergleich zum Wettbewerb. Das Unternehmen sollte erwägen, seine Aktivität in diesem Technologiefeld zu erhöhen, um so einen Ausbau der Patentstärke zu erreichen, der langfristig erforderlich sein wird, um die hohe Qualität der Patente erhalten und in einen Beitrag zum Unternehmenserfolg umsetzen zu können. In der Gesamtbetrachtung ist das Patentportfolio als sehr wertvoll einzustufen, da ausschließlich attraktive Technologiefelder mit überwiegend hoher Aktivität und Qualität bearbeitet werden. Aufgrund der Objektivität der zur Erfassung der Dimensionen herangezogenen Kennzahlen, stellt die vorgestellte integrierende Patentportfoliobetrachtung nicht nur eine geeignete Möglichkeit zur Bewertung der Gesamtpatentsituation eines Unternehmens dar. Sie kann darüber hinaus für eine Überprüfung der für Einzelpatente ermittelten Werte genutzt werden. Somit kann zum Beispiel ein hoher Patentwert dadurch bestätigt werden, dass das betreffende Patent einem attraktiven Technologiefeld zugeordnet werden kann, in dem das Unternehmen eine durchschnittlich sehr hohe Patentqualität erreicht. Anderseits können aber auch Widersprüche aufgedeckt werden. So wäre eine hohe Bewertung eines Patentes zum Beispiel dann auf Richtigkeit zu überprüfen, wenn es in den Portfolios einem unattraktiven Technologiefeld mit einer geringen Patentqualität zuzuordnen wäre.
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Die Bewertung von Patenten als immaterielle Vermögensgegenstände stellt nicht erst seit der zunehmenden Bedeutung internationaler Bilanzierungsvorschriften für deutsche Unternehmen ein Thema großer und zunehmender Bedeutung dar. Problematisch gestaltet sich insbesondere die Bewertung zu einem frühen Zeitpunkt, da diesbezügliche Überlegungen zwangsläufig mit großen Unsicherheiten verbunden sind. Außerdem hängt der Wert eines Schutzrechtes entscheidend von seiner Verwertung ab. Das vorgestellte Konzept zur Bewertung von Patentrechten und dessen modulare Konkretisierung wird im Folgenden anhand von zwei Praxisbeispielen umgesetzt. In Abschn. 7.1 wird mit den zur Verfügung stehenden Methoden ein einzelnes Patent bewertet. In Abschn. 7.2 finden einzelne Methoden zur Bewertung eines Patentportfolios ihre Anwendung.
7.1 Patentbewertung Das zu diskutierende Patent stellt eine Innovation für Babyschalen, also Sitze zum Transport von Kleinkindern in Kraftfahrzeugen und zum Tragen außerhalb dar. Einerseits wird hier ein möglichst objektiver Wert zu ermitteln sein, der weitgehend unabhängig von der konkreten Situation des Patentinhabers und der Perspektive der Bewertung dem Patent zugeordnet werden kann – es erfolgt also eine externe Beurteilung. Angenommen wird dabei, dass es sich beim Patentinhaber um ein branchenfremdes kleines oder mittelständisches Unternehmen handelt, da dadurch eine vom möglicherweise vorhandenen Patentportfolio und den genauen Gegebenheiten des Unternehmens abstrahierende Bewertung möglich ist. Dabei ist festzuhalten, dass dieses Patent nur in Verbindung mit dem darin behandelten Produkt gesehen werden kann, da der Patentwert eng mit den Marktchancen des Letzteren verknüpft ist. Im Einzelnen wird zur Lösung der formulierten Problemstellung folgendermaßen zu verfahren sein: Zunächst werden einige theoretische Grundlagen erarbeitet, indem sowohl die generelle Herangehensweise an das Problem geklärt, als auch instrumentelle Fragen behandelt werden, die von
178
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
grundsätzlicher Bedeutung für die gesamte Vorgehensweise bei der Bewertung sind. Danach kann die Bewertung durchgeführt werden, wobei, ausgehend von einer detaillierten Marktbetrachtung für die auf dem Patent beruhenden Produkte und einer Analyse der rechtlichen Situation, der Patentwert durch eine integrative Betrachtung verschiedener Werteinflussfaktoren hergeleitet wird. 7.1.1 Auswahl und Anpassung der Bewertungsmethode Zunächst werden die grundlegenden Methoden erarbeitet, welche dann im Anschluss daran Anwendung finden. Dazu wird zunächst eine für die Problemstellung geeignete Bewertungsmethode ausgewählt und angepasst. Wie sich zeigen wird, ist ein statistisches Verfahren, die Conjoint Analyse, sowohl für die Patentbewertung als auch -verwertung von zentraler Bedeutung, weshalb diese hier detailliert dargestellt werden wird. In der Literatur ist eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden zur Bewertung von technischen Schutzrechten aufgeführt. Dabei wird deutlich, dass sich diese grundsätzlich in die klassischen Verfahren der kosten-, der markt- und der gewinn- oder ertragsorientierten Methoden einteilen lassen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche so genannte neuere Verfahren bzw. solche aus anderen Bereichen wie dem der Marken- oder der Unternehmensbewertung. Diese Verfahren werden im Wesentlichen nach dem Zweck der Bewertung eingesetzt. Aufgabe und Ziel dieser Arbeit ist jedoch, dem Schutzrecht einen möglichst exakten und validen monetären Wert unabhängig von der Sichtweise des Betrachters zuzuordnen. Um dies zu gewährleisten, ist es zweckmäßig, zunächst die zu be- und verwertende Innovation in knapper Form darzustellen, um von dieser ausgehend eine zielführende Methodik auswählen und entwickeln zu können. Beim Betrachtungsgegenstand handelt es sich um eine Patentschrift bezüglich einer Babyschale zum Transport und zur Befestigung in einem Kraftfahrzeug386. Kinder von 0 bis 18 Monaten werden dabei für die Beförderung im Auto zusammen mit der Schale entgegen der Fahrtrichtung mit einem Sicherheitsgurt auf einem Fahrzeugsitz fixiert. Nach dem Lösen des Gurtes kann die Schale mithilfe des Tragebügels zum Transport des Babys außerhalb des Autos verwendet werden. Gängige Babyschalen bestehen dabei aus einer festen, einteiligen Kunststoffschale, die aufgrund der Sicherheitsanforderungen im Fahrzeug bezüglich ihrer Stabilität und Festigkeit ein Eigengewicht von ca. 4 bis 6 kg aufweist. In Verbindung mit dem Körpergewicht des Kindes kann dies beim Transport für den Träger 386
Ein Auszug der Patentschrift befindet sich in Anhang 1.
7.1 Patentbewertung
179
durch den erforderlichen Kraftaufwand auf Dauer zu gesundheitlichen Problemen führen und stellt zudem eine Minderung des Komforts im Umgang mit der Schale dar. Die zu bewertende Innovation beschreibt nun eine zweiteilige Babytrageschale, bei der die massive äußere Schale, die alle relevanten Sicherheitsmerkmale beinhaltet, im Auto bleiben kann. Das Kind wird dabei in einer leichteren Innenschale mit weniger als 3 kg Eigengewicht getragen. Für die Beförderung im Kraftfahrzeug liegen beide Schalen formschlüssig ineinander und werden mittels einer Führung und eines Verschlusssystems fest miteinander verbunden. Der Fokus des Patents liegt neben der im Vordergrund stehenden Gewichtsreduktion der Trageschale auf einer einfachen Handhabung bei der Verbindung und Trennung der beiden Einzelschalen, wobei trotzdem die gleiche Sicherheit wie bei einer herkömmlichen Schale geboten werden soll. Sämtliche weiteren Ausgestaltungsmerkmale entsprechen denen herkömmlicher Babytrageschalen387. Detaillierte Informationen des das Patent innehabenden Unternehmens bzw. des Entwicklers stehen zur Bewertung nicht zur Verfügung. Insbesondere die kostenorientierten Verfahren erscheinen deshalb ungeeignet, da präzise Angaben zu angefallenen tatsächlichen oder fiktiven Kosten, die im Zusammenhang mit dem Patent entstehen bzw. entstanden sind, fehlen. Des Weiteren ist festzustellen, dass kostenorientierte Verfahren rechtliche Wertfaktoren und wesentliche Marktgegebenheiten weitestgehend außer Betracht lassen388 und zudem kein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Patentwert und den Patentkosten besteht389. Der Aussagewert dieser Methode ist somit begrenzt und der dadurch ermittelte Patentwert muss als regelmäßig zu niedrig eingestuft werden. Stehen jedoch detaillierte Kostengrößen zur Verfügung, so kann eine derartige Bewertung als erster Richtwert und untere Schwelle für einen Wertansatz der Patentschrift dienen. Die so genannten marktorientierten Verfahren, welche auf Analogieschlüssen zwischen dem zu bewertenden Patent und bereits aus der ex post Betrachtung heraus quantifizierten und gehandelten Patentschriften basieren, liefern in der Praxis häufig gute Bewertungsergebnisse. Das Anwenden einer solchen Methode ist jedoch eng an gewisse Voraussetzungen geknüpft. Dazu zählen insbesondere die Vergleichbarkeit der Patentschriften und der Zugang zu den genauen Daten des Verkaufs des betrachteten Vergleichspatents. Zudem müssen Industrie- und Marktgegebenheiten überein387
Im Folgenden werden die Begriffe Kindersitz und Babyschale äquivalent zur Bezeichnung Babytrageschale verwendet. Gemeint sind stets Trageschalen für Kleinkinder zwischen 0 und 18 Monaten. 388 Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (846). 389 Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (843).
180
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
stimmen bzw. exakt angepasst werden. Dass Patente aber zumeist im Verbund mit anderen immateriellen Vermögensgegenständen am Markt gehandelt werden, die vorliegende Patentschrift jedoch eigenständig bewertet werden soll, erschwert die Anwendung eines marktorientierten Verfahrens zusätzlich. Um nun dennoch ein geeignetes Bewertungsverfahren bestimmen zu können, soll von der Beschaffenheit des Patentbetrachtungsgegenstandes ausgegangen werden. Dabei lassen sich technische Innovationen generell in Produkt- und Verfahrensneuerungen einteilen. Ist es für Verfahrensinnovationen im Allgemeinen schwierig, künftige, mit der Innovation verbundene Zahlungsströme zu schätzen, so ist dies hingegen für Produktneuerungen grundsätzlich sehr gut möglich, so dass eine Bewertung mithilfe von ertragsorientierten Verfahren angemessen erscheint. Bei der vorliegenden Patentschrift handelt es sich um eine Produktinnovation, wobei für herkömmliche Varianten des Produktes, die einteiligen Babytrageschalen, ein bereits etablierter, beobachtbarer Markt besteht. Im Folgenden soll nun also eine auf den ertragswertorientierten Verfahren aufbauende Methode entwickelt und angewendet werden, welche aus patentspezifischen Zahlungen einen auf den Bewertungszeitpunkt diskontierten Barwert bestimmt. Ein Vorteil einer solchen dynamischen, auch Discounted Cash Flow (DCF)oder Kapitalwertmethode genannten Betrachtung, ist die Berücksichtigung des Zeitwertes des Geldes, also der Frage, wann entsprechende Einnahmen anfallen. Werden positive Zahlungsströme erst in zukünftigen Perioden erwartet, auch wenn sie dann zudem risikobehafteter sind, so wird diesem mittels der Diskontierung des Betrages Rechnung getragen. Des Weiteren basieren ertragsorientierte Betrachtungen auf den Gegebenheiten der realen Markt- und Konkurrenzsituation. Deshalb ist diese Methode in der Bewertungspraxis weit verbreitet und zählt insbesondere für ex ante Betrachtungen zu den gesichertsten Verfahren. Den sich hieraus ergebenden Patentwerten bescheinigt Rings eine vergleichsweise hohe Validität390. Als vorrangiges Problem dieser Verfahrensart wird im Allgemeinen die schwierige eindeutige Zurechenbarkeit der erwarteten Erträge zum Patent angeführt, was auf die zahlreichen Faktoren und Wechselbeziehungen zu anderen Einflussfaktoren zurückzuführen ist. Dies soll mit einem geeigneten Messverfahren für die erwarteten Cash Flows gelöst werden, welches im an diesen Abschnitt anschließenden Teil vorgestellt und erarbeitet wird. Ziel ist dabei, die patentinduzierten Erträge möglichst zuverlässig von denen beispielsweise durch den Markennamen und andere Faktoren generierten Erträgen zu separieren.
390
Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (845).
7.1 Patentbewertung
181
Merkmal der Discounted Cash Flow Methode als ertragswertorientiertes Verfahren ist jedoch auch, dass sie lediglich quantitative Werteinflussgrößen berücksichtigt. Dies gilt für den Fall, dass sie als einzige Bewertungsmethode zugrunde gelegt wird. Insbesondere durch die so genannten neueren Bewertungsmethoden, welche ebenfalls in vorangegangenen Kapiteln dieses Buches dargestellt wurden, ist es möglich, auch qualitative Aspekte zu berücksichtigen. Unter qualitativen Werteinflussfaktoren sollen hier Nutzen und Risiken des Patents verstanden werden, die nicht unmittelbar in eine monetäre Größe überführt werden können391. Allen voran sind dies rechtliche Risiken in Verbindung mit der Rechtsbeständigkeit der Patentschrift, des Schutzumfangs und des Patentumfeldes. Aus technologischer Perspektive ist das Risiko des technischen Fortschritts besonders zu beachten, da ein Substitut mit entsprechenden Merkmalen die vorliegende Produktinnovation vor Ablauf der maximalen Schutzdauer vom Markt verdrängen könnte. Weiterhin werden unter qualitativen Aspekten nicht quantifizierbare Größen wie die Motivationsfunktion für die Mitarbeiter und der Imagezuwachs für das das Patent innehabende Unternehmen verstanden. Die letztgenannten Aspekte fallen deshalb unter den Gesichtspunkt der Patentverwertung, wohingegen die genannten rechtlichen und technologischen qualitativen Einflussfaktoren durch eine Integration geeigneter Bestandteile der neueren Bewertungsmethoden in das zur Anwendung kommende ertragswertorientierte Verfahren in den Patentwert einfließen werden. Als solche neuere Bewertungsmethoden sind hier vor allem die PortfolioAnalyse, das Patentaudit, die Lebenszyklusanalyse und die Nutzwertanalyse zu nennen, welche zum Teil bereits im Rahmen des modularen Bewertungskonzeptes in Kap. 6 dargestellt wurden. Zwar fließen in diese Verfahren qualitative Einflussfaktoren direkt mit ein, aus ihnen ist aber zumeist kein unmittelbarer monetärer Wert errechenbar. Vielmehr resultiert aus diesen Methoden im Allgemeinen eine Rangfolge (z. B. beim Patentportfolio) oder es können aus der Patentbewertung lediglich Normstrategien abgeleitet werden (Nutzwertanalyse). Ist das Ziel jedoch die Bestimmung eines konkreten monetären Wertes, so sollten die aufgeführten Verfahren nicht unabhängig von, sondern vielmehr als Ergänzung zu quantitativen Verfahren verwendet werden. Genau dies soll hier erreicht werden. Deshalb wird bei der Bewertung des Patentes, zunächst zwischen der Marktseite und der rechtlichen Seite 391
Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (847), abweichend wird in vorliegender Arbeit das Risiko Technischer Alternativlösungen jedoch als qualitative Größe betrachtet, da sich aus möglichen Substitutionsprodukten unseres Erachtens nicht unmittelbar eine monetäre Größe ableiten lässt.
182
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
des Patentes bzw. des Patentumfeldes unterschieden. Anschließend wird versucht werden beide Sichtweisen schlüssig zu integrieren. Am Ende der Bewertung soll ein monetärer Wert für das Patent abgeleitet und diesem eine Eintrittswahrscheinlichkeit zugeordnet werden. Basis der marktseitigen Bewertung ist, wie bereits kurz dargestellt, die Discounted Cash Flow Methode (DCF) als ertrags- bzw. gewinnorientiertes Verfahren. Diese summiert die von der Produktinnovation unmittelbar generierten Erträge über die Patentlaufzeit auf und diskontiert sie auf den Bewertungszeitpunkt. Grundlage hierfür ist die aus der Investitionsrechnung bekannte Berechnungsformel für den Net Present Value oder Nettobarwert392. Formel (7.1):
C0
n
¦ Et At t 0
C0 At Et i n t
= = = = = =
1 t
1 i
Nettobarwert Auszahlungen der Periode t Einzahlungen der Periode t Diskontierungszinssatz Anzahl der betrachteten Perioden einzelne Perioden von 0 bis n
Damit kann zunächst der heutige Wert des gesamten mit dem Patent zu erzielenden Umsatzes berechnet werden, wobei davor eine Prognose der jährlichen Umsätze nötig ist, die wiederum auf detaillierten Marktkenntnissen beruhen muss. Deshalb soll eine mehrstufige Untersuchung des hier relevanten Marktes für Babytrageschalen durchgeführt werden, die insbesondere eine breit angelegte Kundenbefragung beinhaltet, um dann mit Hilfe eines auf gängigen Analyseverfahren beruhenden selbst erarbeiteten Modells zur Marktsimulation die Umsätze zu prognostizieren. Dabei wird genau auf die realen Marktverhältnisse eingegangen und zudem die Bewertung bereits unter Beachtung der späteren Verwertungsmöglichkeiten durchgeführt. Die Erweiterung des zunächst einperiodigen Modells zu einem die gesamten zukünftigen Cash Flows schätzenden mehrperiodigen Modell erfolgt dann unter Berücksichtigung sowohl der zukünftigen Marktveränderungen als auch des zu erwartenden Lebenszyklus des Patentes, wobei insbesondere das technologische Risiko einer Verdrängung des 392
Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 61.
7.1 Patentbewertung
183
Patentes durch eine neuartige Technologie als qualitative Werteinflussgröße in Form eines Risikoaufschlages auf den Diskontierungssatz berücksichtigt werden kann. In einer Weiterentwicklung dieses deterministischen Modells unter expliziter Berücksichtigung der vorhandenen Unsicherheit der Höhe und Zeitpunkte der geschätzten Cash Flows wird anschließend eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Umsatzwerte abgeleitet. Mit dieser Vorgehensweise, die ähnlich im Risikomanagement Anwendung findet393, wird es möglich, für den zuvor ermittelten patentinduzierten Umsatz anzugeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit dieser tatsächlich zu erwarten ist. Die rechtliche Seite der Bewertung wird sich insbesondere mit der Rechtsbeständigkeit des Patentes selbst und mit dessen Umfeld befassen. Diese ebenfalls qualitativen Aspekte werden zunächst quantifiziert und über prozentuale und absolute Risikoabschläge394 in das Gesamtmodell integriert. In der dann folgenden Zusammenführung aller relevanten Aspekte wird vom patentinduzierten Umsatz unter Berücksichtigung aller relevanten Risiken und Kosten auf den patentinduzierten Gewinn395 geschlossen. Obwohl der Gewinn noch von der gewählten Verwertungsstrategie abhängt, soll für seine Ermittlung eine verallgemeinerte Formel entwickelt werden, in der dann nur noch geringfügige Anpassungen für die einzelnen Strategien nötig sind: Grundsätzlich ist dabei zu unterscheiden zwischen Fremd-, Eigenverwertung und Mischformen aus diesen. Bei der Fremdverwertung ist folgende Differenzierung zu beachten: x einfache Lizenzierung x ausschließliche Lizenzierung, also Lizenzvergabe nur an genau einen Hersteller und x Verkauf
Hölscher/Elfgen (Hrsg.), Herausforderung Risikomanagement. Identifikation, Bewertung und Steuerung industrieller Risiken, S. 10. 394 Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (841). 395 Der Begriff „Gewinn“ wird hier in einer weiten Bedeutung verwendet: Grundsätzlich werden dem hier verwendeten Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung entsprechend Zahlungsmittelüberschüsse berechnet. Allerdings soll der gerade im juristischen Sprachgebrauch üblichen Verwendung der Begriffe „Kosten“ (z. B. Prozesskosten) etc. Rechnung getragen werden, so dass die verschiedenen Stromgrößen des Rechnungswesens hier weitgehend synonym verwendet werden. 393
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Jedoch sind die daraus resultierenden Patentwerte in Anlehnung an die Methode der Lizenzanalogie396 ineinander überführbar, wenn angenommen wird, dass ein potentieller Käufer genau den Preis für das Patent zu zahlen bereit wäre, den er ansonsten für die Lizenznahme aufbringen müsste397. Bei der Eigenverwertung dagegen fällt keine Lizenzgebühr an, sondern es kann ein Teil des Umsatzes als Gewinn verbucht werden, nämlich der Teil, der nach Abzug aller Kosten für den Patentinhaber übrig bleibt. Bei gegebenem Umsatz kann dieser jedoch ebenfalls als Prozentwert vom Umsatz angegeben werden, nämlich als Umsatzrendite. Damit liegt ein einheitliches Gewinnermittlungsverfahren vor, bei dem für alle relevanten Verwertungsmöglichkeiten der Gewinn über eine verallgemeinerte Umsatzrendite aus dem Umsatz berechnet werden kann. Eben diese Verallgemeinerung ermöglicht die hier vorgeschlagene einheitliche Vorgehensweise der sukzessiven Berechnung von Umsatz, Kosten und Risiken und schließlich Gewinn. Dieser Gewinn aber kann direkt als Patentwert betrachtet werden, da er genau den Zahlungsmittelüberschuss darstellt, den der Patentinhaber insgesamt aus dem Patent zu erwarten hat. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um eine einmalige Einzahlung (bei Verkauf), den Erhalt einer Gebühr auf den patentinduzierten Umsatz (bei Lizenzierung) oder die Erwirtschaftung von Überschüssen durch Produktion und Verkauf von auf dem Patent beruhenden Produkten (bei Eigenverwertung) handelt, so dass also ein einheitliches Vorgehen zur Bewertung von Eigen- und Fremdverwertung angewandt werden kann. Erst am Ende der Bewertung muss eine endgültige Entscheidung zugunsten einer Strategie (-empfehlung) erfolgen. Die Mischformen, Kooperation und Franchising, schließlich lassen sich dabei, was die Bewertung angeht, auf die Grundformen zurückführen, so dass für sie ebenfalls keine gesonderte Betrachtung nötig wird.
Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (845). Diese wird hier nicht als eigenständige Methode eingestuft, da sie grundsätzlich nicht eigenständig angewandt werden kann, sondern nur aufbauend auf „echte“ Bewertungsverfahren. Jedoch ist der Grundgedanke nützlich, um den Patentwert für verschiedene Verwertungsstrategien zu ermitteln. 397 Genauer sind allerdings noch Risikoüberlegungen zu berücksichtigen, da bei Verkauf ein fester Wert realisiert wird, während bei einer Lizenzierung grundsätzlich das Risiko eines geringeren Wertes, aber auch die Chance eines höheren besteht. Daher sind Abweichungen in der Zahlungsbereitschaft denkbar, hängen aber letztendlich von der Risikoeinstellung von Käufer und Verkäufer ab. Solche individuelle Eigenschaften der Vertragspartner können hier jedoch nicht berücksichtig werden, da keine Informationen darüber vorliegen. Daher soll keine diesbezügliche Wertanpassung vorgesehen werden. 396
7.1 Patentbewertung
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Dies sei zunächst eine erste grobe Skizze des Bewertungsmodells. Im Folgenden soll nun ein geeignetes Messverfahren für die Zahlungsströme beschrieben werden, das die Grundlage der Marktuntersuchung bildet. 7.1.2 Die Conjoint Analyse als Messverfahren Grundsätzlich kann sich bei einer Produktinnovation die Neuerung auf vielerlei Aspekte des Produkts beziehen. Beispielsweise wäre ein völlig neuer, mit bisherigen Produkten nicht vergleichbarer Gegenstand denkbar. Bei vorliegendem Patent jedoch liegt ein klarer Zusatznutzen vor. Durch die Innovation, statt einer kompakten nun zwei trennbare Schalen vorzusehen, wird eine signifikante Gewichtsreduktion der Trageschale erreicht. Anstatt wie bisher sämtliche für den Straßenverkehr notwendigen Sicherheitsmerkmale, wie den Seitenaufprallschutz, ständig mittragen zu müssen, können diese den überwiegenden Teil des Sitzgesamtgewichts ausmachenden Komponenten in einer äußeren Schale im Auto belassen werden. Der zu bewertende Zusatznutzen, der im Folgenden mit „Trennbarkeit“ bezeichnet werden soll, besteht also in einer Verringerung des Gewichts der eigentlichen Trageschale um ca. 30 bis über 50%398. Da die beschriebene Trageschale ansonsten sämtliche gängigen Merkmale der entsprechenden herkömmlichen Schalen aufweist, gilt es, die Trennbarkeit als Kundennutzen möglichst exakt zu messen, um ihn in eine monetäre Größe überführen zu können. Es wird sich zeigen, dass die Conjoint Analyse eine Methode ist, die für die Messung und Bewertung dieses patentinduzierten Nutzen durch ihre Modelleigenschaften optimal geeignet ist und deshalb bei vorliegender Aufgabenstellung verwendet werden wird399. Damit kann dem Problem der ertragswertorientierten Verfahren, dass Erträge im Allgemeinen schwer dem Patent zurechenbar sind, entgegengewirkt werden. So findet dieses Verfahren auch Anwendung beim Ansatz von Herp400, bei welchem für die Markenbewertung im Rahmen der ertragswertorientierten Verfahren die von der Marke induzierten Erträge separiert werden müssen. Auch stellt nach Böcker die Conjoint Anayse „ohne Zweifel diejenige Form der Präferenzanalyse dar, die die höchste praktische Relevanz gefunden hat“. Dies sei darauf zurückzuführen, dass mittels dieses Verfahrens „direkt umsetzbare Informationen abgeleitet werden, … und dass … Conjoint Analysen 398
Siehe Auszug aus Patentschrift in Anhang 1. Die Conjoint Analyse wird ebenfalls von Neuburger als Instrument zur Bewertung von Patenten genutzt. 400 Kranz, in: Meffert/Burmann/Koers (Hrsg.), Markenmanagement, S. 429 (442). 399
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
vergleichsweise genaue Prognosen erlauben“401. Mit den folgenden Abschnitten sollen die Grundlagen dieser Analysemethode dargestellt und wesentliche Implikationen für die durchzuführende Marktstudie gewonnen werden. Grundlagen und Einordnung in die multivariaten Analysemethoden
Die Conjoint Analyse (CA) oder auch Conjoint-Measurement genannt, errechnet durch mathematisch-statistische Iterations- und Simulationsverfahren auf Basis empirisch erhobener Gesamtnutzenwerte den Beitrag einzelner Merkmale zum Gesamtnutzen und kann deshalb als Verfahren zur Messung psychologischer Werturteile eingestuft werden402. Da sich von dem durch Befragung ermittelten Gesamtnutzen (beispielsweise für verschiedene Modelle von Babyschalen) auf den Wertbeitrag einzelner Komponenten (wie dem der Trennbarkeit oder dem des Markennamens) schließen lässt, spricht man von einem dekompositionellen Verfahren. Modellannahme ist dabei, dass sich der Gesamtnutzen eines Produktes additiv aus den Teilnutzenwerten der betrachteten Merkmale zusammensetzt. Wird also beispielsweise das Design eines Kindersitzes als weniger ansprechend wahrgenommen, so könnte dies durch die vorteilhaftere Ausprägung eines anderen Merkmals, wie ein niedrigerer Preis oder eine einfachere Handhabung, kompensiert werden. Prinzipiell wird bei der CA folgendermaßen vorgegangen: Durch Festlegung von Produkteigenschaften und ihren jeweiligen Ausprägungen ergeben sich durch deren Kombination fiktive Produkte, die auch Stimuli genannt werden. In einem einfachen Beispielfall wären bei Babyschalen die Eigenschaften Sicherheitsstandard und Sonnendach mit den Ausprägungen „hoch“ und „niedrig“ bzw. „vorhanden“ und „nicht vorhanden“ denkbar. Durch Kombination der verschiedenen Ausprägungen ergäben sich vier fiktive Produkte: x x x x
Produkt A: niedriger Sicherheitsstandard, Sonnendach nicht vorhanden Produkt B: niedriger Sicherheitsstandard, Sonnendach vorhanden Produkt C: hoher Sicherheitsstandard, Sonnendach nicht vorhanden Produkt D: hoher Sicherheitsstandard, Sonnendach vorhanden
Diese fiktiven Produkte werden einer Auskunftsperson vorgelegt, welche entsprechend ihrer subjektiven Nutzenpräferenz ein Werturteil abgeben 401
Schubert, Entwicklung von Konzepten für Produktinnovationen mittels Conjoint-Analyse, S. 133-134. 402 Schubert, Entwicklung von Konzepten für Produktinnovationen mittels Conjoint-Analyse, S. 132.
7.1 Patentbewertung
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soll. Dabei besteht die Möglichkeit, die Produkte der Präferenz nach ordnen oder jeden Stimuli für sich auf einer Präferenzskala bewerten zu lassen. Während die befragte Person also je nach gewählter Methode ordinale (bei der Rangordnung) bzw. metrische403 (bei der direkten Präferenzzuordnung) Gesamtnutzenurteile abgibt, errechnet die CA hieraus in beiden Fällen metrische Teilnutzenwerte. Aus obigem Beispiel kann also die Wichtigkeit der Merkmale „Sicherheitsstandard“ und „Sonnendach“ für jede Auskunftsperson abgeleitet werden. Da jedoch in der Regel die Präferenzstruktur einer ganzen Gruppe von Personen, z. B. eines bestimmten Marktes, von Interesse ist, werden die individuellen Teilnutzenwerte aggregiert. Die CA kann somit in folgende Ablaufschritte gegliedert werden: x Datenerhebung – Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen – Erhebungsdesign – Bewertung und Stimuli x Datenauswertung – Schätzung der Nutzwerte – Aggregation der Nutzwerte In den weiteren Betrachtungen werden insbesondere die ersten drei zur Datenerhebung gehörenden Schritte des Verfahrens näher erläutert und die jeweiligen Implikationen für die durchzuführende Untersuchung festgehalten. Die Ablaufschritte, welche zur Datenauswertung zählen, werden im Rahmen der Auswertung der hier durchgeführten empirischen Studie erläutert. Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen
Erster wesentlicher Schritt bei der Datenerhebung ist die Überlegung, welche Eigenschaften mit welchen jeweiligen Ausprägungen404 vorzusehen sind. Dazu sind einige Anforderungen zu beachten, um einerseits den Modellgegebenheiten der Conjoint Analyse gerecht zu werden und um andererseits möglichst effizient qualitativ hochwertige und nutzbringende Daten zu erhalten. Sattler405 formuliert hierfür u. A. folgende Anforderungen:
Eine umfassende Darstellung der Skalenniveaus befindet sich in Fahrmeir/ Künstler/Pigeot u.a., Statistik: der Weg zur Datenanalyse, S. 16–18. 404 Eine weitergehende Betrachtung von Merkmalen und möglichen Ausprägungsarten findet sich in Neubauer/Bellgardt/Behr, Statistische Methoden: ausgewählte Kapitel für Wirtschaftswissenschaftler, S. 11–12. 405 Sattler, Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 81–82. 403
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
x Die ausgewählten Merkmale sollten aus Kundensicht eine bestimmte Mindestbedeutung aufweisen, sie müssen also für die Kaufentscheidung relevant sein. x Die Merkmale müssen redundanzfrei, also unabhängig sein406. x Weiterhin müssen die gewählten Eigenschaften vom Produzenten beeinflussbar sein. Backhaus407 weist zusätzlich auf folgende Anforderungen hin: x Modellannahme ist, dass sich die Gesamtbeurteilung aus der Addition der Einzelbeurteilungen der gegenseitig substituierbaren Merkmalsausprägungen ergibt. Die Merkmale müssen folglich in einer kompensatorischen Beziehung zueinander stehen, es darf sich somit nicht um Ausschluss- oder so genannte K.O.-Kriterien handeln. x Weiterhin ist zu beachten, dass sowohl die Anzahl der Merkmale wie die ihrer möglichen Ausprägungen begrenzt werden muss, da der Befragungsaufwand mit der Zahl der Eigenschaften und ihrer Ausprägungen exponentiell anwächst. Da die Auswahl der Eigenschaften entscheidenden Einfluss auf die Validität der späteren Untersuchungsergebnisse hat, sollen obige Anforderungen beachtet bzw. in einer Voruntersuchung überprüft werden. Erhebungsdesign
Mit dem Erhebungsdesign werden Art und Anzahl der Stimuli festgelegt. In der dabei meist bevorzugten und auch hier zur Anwendung kommenden Profilmethode408 bestehen die fiktiven Produkte aus der Kombination je
406
Gemeint ist hier, dass die Bewertung der Ausprägung einer Eigenschaft nicht durch die Ausprägung einer anderen Eigenschaft beeinflusst wird. Dies würde dem additiven Modell der CA widersprechen. Beispiel für eine Modellverletzung wäre in diesem Zusammenhang die Wahl der Eigenschaften „Sicherheitsstandard“ und „Stabilität“ der Babyschale, da beide Merkmale nicht unabhängig voneinander sind. 407 Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivarate Analysemethoden, S. 548–549; Dort findet sich zudem eine ausführliche Diskussion der Anforderungen, auf die zugunsten einer kompakteren Darstellung verzichtet wird. 408 Auf die Beschreibung der ebenfalls möglichen so genannten Zwei-Faktorenmethode, welche lediglich eine Vereinfachung der Profilmethode darstellt, soll zugunsten einer kompakteren Darstellung verzichtet werden. Eine ausführliche Diskussion dieser und der Profilmethode findet sich in Backhaus/Erichson/ Plinke u.a., Multivarate Analysemethoden, S. 553 ff.
7.1 Patentbewertung
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einer Ausprägung aller Eigenschaften, womit ein hoher Realitätsbezug gewährleistet werden kann. Bei steigender Zahl der Merkmale und ihrer Ausprägungen wächst jedoch die Anzahl der zu beurteilenden Stimuli stark an, weshalb dieses Problem durch Auswahl einer Teilmenge aller möglichen fiktiven Produkte gemildert werden muss. Ziel der Untersuchung ist es, über möglichst viele Eigenschaften eines Produktes Erkenntnisse zu erlangen. Würde man sich jedoch beispielsweise für fünf Merkmale mit jeweils drei Ausprägungen entscheiden, so würden sich bei einem vollständigen Design bereits (3 u 3 u 3 u 3 u 3 oder 35 =) 243 zu beurteilende Stimuli ergeben. Da eine Befragung dieses Umfangs nicht sinnvoll zu realisieren wäre, greift man auf ein so genanntes reduziertes oder fraktioniertes Design409 zurück. Dabei ist es das Ziel, aus allen theoretisch möglichen Stimuli eine Teilmenge derart auszuwählen, dass die Gesamtmenge aller Stimuli möglichst gut repräsentiert410 wird. Das Verfahren zur Erstellung eines reduzierten Designs hängt von der Art des vollständigen Designs ab. Stimmt die Zahl der Ausprägungen für alle Merkmale überein, so nennt man dies ein symmetrisches Design und kann es auf Basis des lateinischen Quadrats reduzieren411. Obwohl im Allgemeinen kein symmetrisches, sondern ein asymmetrisches Design vorliegt, ist der Grundgedanke der Designreduktion dennoch dem des lateinischen Quadrats ähnlich. So auch beim Algorithmus412 des für die Datenauswertung verwenSattler, Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 105. Da die Conjoint-Analyse bereits durch ihre Modellannahmen Interaktionen zwischen verschiedenen Eigenschaften ausschließt, wäre ein vollständiges Design ohnehin nicht erforderlich. Denn anhand weniger Kombinationen lässt sich mittels dieser Annahmen somit auf alle denkbaren schließen. 411 Hat man beispielsweise drei Eigenschaften mit jeweils drei Ausprägungen, so hätte man bei einem vollständigen Design 27 Stimuli. Das entsprechend reduzierte Design wird als lateinisches Quadrat bezeichnet. Bei diesem Verfahren werden aus den 27 Stimuli neun derart ausgewählt, dass jede Ausprägung eines Merkmals genau einmal mit jeder Ausprägung eines anderen Merkmals vorkommt. Jede Merkmalsausprägung ist also anstatt neunmal lediglich dreimal im Design vorhanden. Ausführlicher in Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivarate Analysemethoden, S. 553 ff. 412 Dieser generiert im Wesentlichen zunächst symmetrische Designs für jede Eigenschaftsausprägung. Beispielsweise werden 3 u 3 u 2 Merkmalsausprägungen zu 3 u 3 u 3 Ausprägungen symmetrisiert. Nach dem Prinzip des lateinischen Quadrates werden anschließend so genannte orthogonale Pläne erzeugt. Schließlich werden die bei der Symmetrisierung hinzugenommenen Merkmalsausprägungen unter Beibehaltung der Orthogonalität durch tatsächlich vorhandene Merkmalsausprägungen ersetzt. 409 410
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deten Statistik-Softwaretools JMP, welcher so genannte orthogonale Designs (Orthogonal Arrays) generiert. Dies entspricht dem stärkst möglich reduzierten Design, welches idealtypisch ohne Informationsverlust gegenüber dem vollständigen Design einhergeht. Getroffene Modellannahmen über die Unabhängigkeit der Merkmale können im Rahmen der Auswertung durch Korrelationsüberprüfung der reduzierten zu den vollständigen Stimuli auf ihre Validität hin überprüft werden. Somit können also die notwendigen Eigenschaften des Produktes untersucht werden, wobei der Aufwand für die Auskunftspersonen in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden kann. Dennoch ist darauf zu achten, dass die Zahl der bei der Befragung verwendbaren Stimuli insbesondere von der Motivation und der Informationsverarbeitungskapazität der Auskunftspersonen abhängt413. Im Rahmen eines Pretests sollte deshalb untersucht werden, in welcher Form und Anzahl die fiktiven Produkte präsentiert werden können, um möglichst aussagekräftige Beurteilungsergebnisse zu erlangen. Bewertung der Stimuli
Nachdem zuvor das Erhebungsdesign festgelegt wurde, wird nun im nächsten und letzten Ablaufschritt der Datenerhebung die Art der Bewertung der Stimuli bestimmt. Häufig angewandt wird das Verfahren der Rangreihung. Dabei soll die Auskunftsperson die fiktiven Produkte ihrer Präferenz nach ordnen, wobei die Conjoint Analyse aus dieser Rangfolge die Teilnutzenwerte bestimmt. Eine weitere Möglichkeit der Bewertung der Stimuli, welche bei der durchzuführenden Untersuchung auch angewandt werden soll, ist die Beurteilung jedes Stimulus mithilfe einer Präferenzskala414. Vorteil dieses Vorgehens ist, dass nicht sämtliche fiktiven Produkte von dem Befragten miteinander verglichen und sortiert werden müssen, sondern dass jedes für sich beurteilt werden kann. Die Entscheidungssituation ist für den Beurteilenden somit weniger komplex. Weiterhin beinhalten die Nutzenurteile bei einer entsprechenden Skala mehr Informationsgehalt als bei einer Reihung. Insgesamt liegt damit nun eine grundsätzliche Methodik für die Be- und Verwertung vor, und es wurde mit der Vorstellung der Conjoint Analyse eine wichtige instrumentelle Grundlage geschaffen. Im folgenden Kapitel sollen diese theoretischen Grundlagen nun zur Anwendung gelangen. 413 414
Sattler, Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 104. Denkbar wäre zum Beispiel eine Skala entsprechend den Schulnoten von 1 („sehr gut“ oder „Kauf sehr wahrscheinlich“) bis 6 („schlecht“ oder „Kauf sehr unwahrscheinlich“).
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7.1.3 Bewertung des Patents Die eigentliche Patentbewertung erfolgt nun in drei Schritten. In einer marktseitigen Betrachtung werden die mit dem Patent in Verbindung stehenden Zahlungsströme prognostiziert und zunächst durch das Markt- und das technologische Risiko modifiziert. Die Berücksichtigung rechtlicher Werteinflussfaktoren geschieht im zweiten Schritt der Bewertung. Im abschließenden dritten Schritt werden die beiden zentralen Sichtweisen, die marktseitige und die rechtlichte Sicht, zusammengeführt, um schließlich einen monetären Wert für die Patentschrift zu erhalten. Marktbetrachtung
Bei der marktseitigen Betrachtung stehen zunächst die Datengewinnung und deren Auswertung im Vordergrund. Darauf aufbauend soll ein Modell entwickelt werden, das es ermöglicht, aus den gewonnenen und verdichteten Daten Marktentwicklungen und daraus resultierende Zahlungsströme abschätzen zu können. Untersuchung des Baybyschalenmarktes
Zwei wesentliche Aspekte bei der Datengewinnung sind zum einen, dass die Erhebung mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen durchführbar sein muss, und zum anderen, dass sie möglichst aussagekräftige Daten liefern soll. Um dies gewährleisten zu können, wird eine dreistufige Marktuntersuchung durchgeführt werden, bevor in einer vierten Stufe die gewonnenen Daten ausgewertet werden. Die erste Untersuchungsstufe beinhaltet eine Produkt-, Markt- und Herstellerrecherche, insbesondere durch Befragung in Fachgeschäften sowie im Internet. In einer zweiten Stufe wird mithilfe der erlangten Erkenntnisse bereits ein vorläufiger Fragebogen entwickelt und bei Zielpersonen getestet werden. Die Ergebnisse dieses Pretests werden Grundlage für die Erstellung des endgültigen Fragebogens und die Durchführung der Datenerhebung in der dritten Untersuchungsstufe sein. Marktuntersuchung:
1.Stufe: Produkt- und Marktrecherche 2.Stufe: Pretest für den Fragebogen 3.Stufe: Marktbefragung 4.Stufe: Datenauswertung
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
1.Stufe: Marktvoruntersuchung
Um einen raschen Ein- und Überblick über die für das Patent relevante Branche zu gewinnen, wurde zunächst Verkaufspersonal in Fachgeschäften für Kindersitze und Babyschalen befragt415. Dort ist eine Multiplikatorwirkung in Bezug auf Branchen- und Produkterfahrung gegenüber Kunden bzw. Käufern der Babytrageschalen zu vermuten. Die Ergebnisse stellen sich wie folgt dar: Es handelt sich um einen vergleichsweise konservativen, stabilen Markt mit etablierten Anbietern. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es sich bei Babytrageschalen um ein Produkt handelt, welches unmittelbar die Sicherheit der Kleinkinder berührt. Eltern vertrauen überwiegend auf langjährig bewährte Markenartikel, die einerseits durch Präsenz im Alltag bekannt sind und zum anderen durch Erfahrungsaustausch unter jungen bzw. werdenden Eltern weitergegeben werden. Zusätzlich ist im Rahmen der Sitzsicherheit das Abschneiden der Babyschalenmodelle in unabhängigen und renommierten Tests für den überwiegenden Teil der Kundschaft kaufentscheidend. Genannt wurden in diesem Zusammenhang Tests der Automobilclubs ADAC und ÖAMTC, sowie der Stiftung Warentest. Weitere Kriterien sind der Preis und das Gewicht von Babyschalen, welches je nach Ausgestaltung der Sicherheitsmerkmale wie bereits beschrieben etwa 4 bis 6 kg beträgt. Da man zumeist nicht auf die zusätzliches Gewicht mit sich bringenden Sicherheitsmerkmale verzichten will, wird das höhere Gewicht in Kauf genommen. Es wurde jedoch deutlich, dass das Tragegewicht von vielen Kunden erfragt wird. Bereits mit deutlich geringerer Wichtigkeit folgen die Eigenschaften der einfachen Handhabbarkeit und des Designs der Sitze. Von den am Markt bisher vertretenen Babyschalen lassen sich generell zwei Kategorien unterscheiden. Die höherwertigen Modelle liegen in der Preisklasse von 120 bis 150 Diese sind wesentlich robuster gefertigt und bieten alle gängigen Sicherheitsmerkmale, insbesondere den Seitenaufprallschutz und eine besondere Kopfstütze, die entsprechend dem Wachstum des Babys verstellbar ist und dessen Kopf besser fixiert. Standard in dieser Kategorie ist zudem ein Drei-Punkt-Gurt, der zusätzliche Sicherheit bietet. Da neben der Kopfstütze in der Regel auch der Gurt höhenverstellbar ist, ermöglichen diese Sitze eine längere Verwendung als solche der niedrigeren Preiskategorie. Produkte dieser höherwertigen Kategorie
415
Eine Auflistung der Adressen der besuchten Fachgeschäfte befindet sich in Anhang 2.
7.1 Patentbewertung
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werden mehrheitlich von den beiden Herstellern Britax-Römer416 aus Deutschland, und Maxi-Cosi aus den Niederlanden hergestellt417. Gemäß Schätzungen des Verkaufspersonals und anhand der Produktpräsenz in den Fachgeschäften kann auf einen Marktanteil der beiden Hersteller Römer und Maxi-Cosi bzw. des höherwertigen Segments überhaupt von etwa 60 bis 80% geschlossen werden. Dies wird jedoch in der weiteren Untersuchung überprüft werden. Die zweite Kategorie von Babyschalen kann als preisgünstig und schlichter gefertigt bezeichnet werden. Sie liegen in der Preisspanne von 60 bis 90 WPF DKGVGP YGPKIG 5KEJGTJGKVUOGTMOCNG YQFWTEJ KJT 'KIGngewicht auch nur etwa 4 kg beträgt. Diese Kategorie wird von einer Vielzahl kleinerer Hersteller bedient418. So sind dies beispielsweise Bébé, Bimbo, Eurokids oder Kiddy. Einige Anbieter können nicht eindeutig zugeordnet werden. Sie bieten sowohl Sitze im niedrigeren, als auch im höheren Preissegment an. Auch in ihrer Marktpräsenz liegen sie zwischen Römer und Maxi-Cosi einerseits und den zahlreichen weniger gängigen Marken andererseits. Als solcher wurde unter anderem der Hersteller Storchenmühle identifiziert. Eine wichtige Schlussfolgerung aus den bisherigen Erkenntnissen ist, dass der durch das Patent ermöglichte Zusatznutzen aus mehreren Gründen lediglich für Babytrageschalen der höherwertigen Kategorie sinnvoll erscheint. Zunächst ist anzunehmen, dass Käufer, die auf wesentliche Sicherheitsmerkmale verzichten und sich für ein kostengünstiges Modell entscheiden, für den Zusatznutzen „Trennbarkeit“ keinen Preisaufschlag zu zahlen bereit wären. Die zweite Überlegung bei dieser Schlussfolgerung ist, dass die schlichteren Modelle ohnehin wesentlich leichter als die robusten, höherwertigen Babyschalen sind. Ein Einbau des doppelschaligen Systems würde ihr Gewicht zwar ebenfalls verringern, aber bei weitem nicht so signifikant wie bei den Schalen mit bis zu 6 kg. Eine Umsetzung
416
Im Folgenden als „Römer“ bezeichnet. Eine relativ neue Entwicklung im Bereich Kindersitze ist das so genannte Isofix-System. Dies ist ein weltweit genormter Standard, bei dem an der Karosserie des PKW im Rücksitzbereich eine Verankerung für Kindersitze montiert wird. Kindersitze, die eine entsprechende Vorrichtung besitzen, können starr mit der Karosserie verbunden werden und bieten im Falle eines Crashs dadurch erhöhte Sicherheit. Der erste und bisher einzige Hersteller in Deutschland, der diesen Standard anbietet, ist Römer. Eine weitere Innovation auf dem Markt für Kindersitze, der 5-Punkt-Gurt, wurde ebenfalls vom Hersteller Römer zuerst angeboten. Maxi-Cosi zieht mit dessen Einführung zurzeit nach. 418 Eine Auflistung sämtlicher bekannter Hersteller von Babyschalen in Deutschland befindet sich in Anhang 3. 417
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der Innovation der Patentschrift kann bereits an dieser Stelle in der zuerst beschriebenen höherwertigen Produktkategorie empfohlen werden. Die Marktrecherche nach einer mit der zu bewertenden Trennbarkeit annähernd vergleichbaren Technologie ergab lediglich das System des USHerstellers Graco, welches als Schnellfixiersystem bezeichnet wird. Dort verbleibt ebenfalls eine Vorrichtung im PKW, an der die eigentliche Trageschale schnell durch Einrasten fixiert werden kann, ohne vergleichsweise umständlich die Schale mit dem Gurt des PKW befestigen zu müssen. Zusatznutzen dieses Systems ist aber ausschließlich die einfachere und schnellere Handhabung, nicht jedoch der Nutzen der vorliegenden Patentschrift, nämlich die Gewichtreduktion der eigentlichen Trageschale. Somit kann festgehalten werden, dass von Seite des Marktes in Deutschland kein System mit vergleichbarem Zweck präsent ist. Nachdem bei dieser ersten Befragung wichtige Erkenntnisse für das Verständnis des Marktes gewonnen werden konnten, sollen diese nun durch Literatur- und Internetrecherche vertieft werden. Rechtliche Grundlage für die Pflicht zur Benutzung von speziellen Sitzen für Babys und Kinder ist § 21 Abs. 1a StVO419. Dies hat in den letzten Jahren zu Verwendungsquoten für Babyschalen von über 97% geführt420. Da exakte Mengen- und Umsatzangaben für Babytrageschalen in Deutschland nicht zugänglich waren, wird der Gesamtmarkt421 für dieses Produkt mittels weiterer Daten bei Ermittlung der Cash Flows geschätzt bzw. für die interessierenden Folgeperioden prognostiziert werden. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Quote von gebraucht verwendeten Babyschalen von zurzeit etwa 68%422 und die Entwicklung der Geburtenrate in der Bundesrepublik Deutschland von etwa 900.000 im Jahre 1990 auf 723.000 im Jahre 2002423.
419
Hierin wird vorgeschrieben, dass Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr in Kraftfahrzeugen nur mitgenommen werden dürfen, wenn amtlich genehmigte und für das Kind geeignete Rückhalteeinrichtungen verwendet werden. 420 Kindersitze in Europa, InterConnection Consulting Group, http://www.interconnectionconsulting.com/de/Automobil/ KindersitzeKinderwagen/Presse/Presseaussendung_Kindersitze_in_Europa_ 2003.htm vom 31.01.2005. 421 Betrachtet wird in vorliegender Arbeit durchweg nur der deutsche Markt, da das betrachtete Patent auch lediglich für diesen angemeldet ist. 422 Kindersitze in Europa, InterConnection Consulting Group, http://www.interconnectionconsuting.com/de/Automobil/ KindersitzeKinderwagen/Presse/Presseaussendung_Kindersitze_in_Europa_ 2003.htm vom 31.01.2005. 423 Bialek, Handelsblatt Nr.102 vom 28.05.03, S. 17.
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Eine weitere wichtige Erkenntnis für die Bewertung wie auch für die spätere Verwertung, ist insbesondere, dass sowohl von der relativ hohen Second-Hand-Quote bei Babyschalen als auch von der in Deutschland rückgängigen Geburtenrate starker Druck auf den Gesamtmarkt ausgeübt werden. 2. Stufe: Pretest
In der folgenden zweiten Untersuchungsstufe sollen die bisher gewonnenen Erkenntnisse genutzt werden, um einen Testfragebogen zu entwickeln, der sowohl den Modellbesonderheiten der Conjoint Analyse Rechnung trägt, als auch die Marktgegebenheiten widerspiegelt. Ziel dabei ist wiederum, Erkenntnisse für den bei der eigentlichen Hauptbefragung zu verwendenden Fragebogen zu erhalten. Am Anfang steht dabei die Überlegung, welcher Kreis von Personen befragt werden soll, um möglichst verlässliche Beurteilungen gewinnen zu können. Die Gestaltung des Bogens sollte sich dann bezüglich Komplexität und Darstellung an dem beurteilenden Personenkreis und an der Befragungssituation orientieren. Als optimal für die Beurteilung der fiktiven Produkte sind dabei junge oder werdende Eltern anzusehen, die den Kaufinformations- und Entscheidungsprozess des betrachteten Produkts möglichst kürzlich hinter sich haben oder dieser unmittelbar bevorsteht424. Als bevorzugte Befragungsorte wurden deshalb insbesondere Mutter- bzw. Eltern-Kind-Kurse, Spielgruppen und ähnliche Kurse, aber auch Kindergärten und Kindertagesstätten festgelegt. Bei der Erläuterung der Grundlagen der CA wurde deutlich, dass gerade die Auswahl der zur Beschreibung der fiktiven Produkte verwendeten Eigenschaften und deren Ausprägungen wesentlich für die Güte und Aussagefähigkeit des gesamten Verfahrens sind, weshalb in Frage kommende Merkmale nach diesem Gesichtspunkt auf ihre Tauglichkeit für die Befragung hin überprüft wurden. So wurde neben dem Merkmal von zentralem Interesse, der Trennbarkeit der Schale, insbesondere der Preis425 mitberücksichtigt, nicht nur um 424
Neben der Erfahrung mit Babyschalen sind zudem die Motivierbarkeit für die Beschäftigung mit der Thematik Kindersicherheit und -wohlbefinden ganz allgemein für ein engagiertes Ausfüllen der Fragebögen sehr nützlich. 425 Die Preisstufen werden mit 120 GPVURTGEJGPF FGP CO /CTMV beobachteten Preisen des höherwertigen Segments ausgewählt. Der Preis von 200 CNU XKGTVG #WURT¼IWPI YKTF DGYWUUV KP FKGUGT *ÑJG HGUVIGUGV\V WO FKG Reaktion der Kunden für den Fall zu untersuchen, dass der Aufpreis für den Patentzusatznutzen die bisherige Preisspanne deutlich überschreitet.
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dessen Beitrag zum empfundenen Gesamtproduktnutzen zu ermitteln. Vielmehr wird ein statistisches Verfahren erarbeitet werden, dass es nach Anwendung der CA ermöglichen wird, durch Gegenüberstellen der aggregierten Teilnutzenwerte der Trennbarkeit einen der tatsächlichen Kundenpräferenzen adäquaten Preis zuzuordnen. Weiterhin wird die Herstellermarke in das Erhebungsdesign mit aufgenommen, was zudem bereits Erkenntnisse für die Patentverwertung bringen wird. Neben Marken426 des hier interessierenden höherwertigen Segments wird „Babymax“ mit aufgenommen. Dies ist kein existierendes Unternehmen. Der Name wurde frei erfunden, um für die realen Marken einen Bezugspunkt, gewissermaßen einen „natürlichen Nullpunkt“ zu generieren. Der Vergleich der Beurteilung von „Babymax“ mit den tatsächlichen Marken wird Rückschlüsse auf deren Bedeutung in der Wahrnehmung der Kunden und bei der Kaufentscheidung liefern. Weitere Merkmale können aufgrund der Modellannahmen der CA nicht im Erhebungsdesign berücksichtigt werden, bzw. würden den Befragungsrahmen sprengen. So scheidet die „Schalensicherheit“ definitionsgemäß aus, da es sich im betrachteten Segment um ein Ausschlusskriterium handelt, ebenso wie das Testergebnis, welches nicht unmittelbar vom Hersteller beeinflussbar ist427. Es werden für den Pretest428 also die Eigenschaften Herstellermarke mit den Ausprägungen Römer, Maxi-Cosi, Storchenmühle und Babymax, der Preis mit jeweils den Varianten 120, 130, 145 und 200 FKG2CVGPVKPPQXation mit „trennbar“ und „nicht trennbar“ und das Merkmal Sonnendach429, welches ebenfalls lediglich die Ausprägungen „vorhanden“ bzw. „nicht vorhanden“ hat, aufgenommen. Ein vollständiges Design hätte folglich 64 Stimuli (4 u 4 u 2 u 2). Der Algorithmus, welcher beim Pretest zum Einsatz kommt, reduziert das Design auf sechzehn Stimuli. Darüber hinaus 426
Mit Nennung der beiden Marken Römer und Maxi-Cosi wird nicht nur bereits ein Großteil des Gesamtmarktes abgedeckt, sondern insbesondere auch der für den Zusatznutzen Trennbarkeit wichtige höherwertige Markt von Babyschalen. Storchenmühle wird als Stellvertreter der als Mittelgruppe identifizierten Hersteller verwendet. 427 Zudem ist bereits vor der eigentlichen Befragung fest davon auszugehen, dass ein neues Produkt mit der Innovation Trennbarkeit ohne die entsprechend im Hochpreissegment gängigen Sicherheitsmerkmale und ein gutes bis sehr gutes Testergebnis auf dem Markt ohnehin kaum nennenswerte Absatzchancen hätte. 428 Die Darstellung des Pretest-Fragebogens befindet sich in Anhang 4. 429 Obwohl dies kein zentrales Merkmal ist, soll es mit in das Erhebungsdesign genommen werden, weil sich unter Umständen bei einem späteren direkten Vergleich der Teilnutzenwerte interessante Parallelen zum Zusatznutzen Trennbarkeit ergeben könnten.
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werden jedoch zwei weitere Teststimuli generiert, welche man als Holdouts bezeichnet. Diese dienen der Überprüfung der Validität der Messung, wohingegen aus den sechzehn Stimuli des reduzierten Designs die Teilnutzenwerte für die Merkmalsausprägungen errechnet werden. Da es sich um ein additives Modell handelt, kann die Summe der Teilnutzenwerte für die Merkmalsausprägungen der beiden Holdouts mit der tatsächlichen Beurteilung dieser durch den Befragten verglichen werden. Das Messverfahren ist also umso exakter, je näher der Prognosewert für den Gesamtnutzen der beiden Holdouts an deren tatsächlicher Beurteilung ist. Bezüglich der Bewertung der Stimuli wurde, wie bei den methodischen Grundlagen erläutert, die Präferenzskala wegen ihrer Aussagefähigkeit und der Handhabung für die Auskunftsperson ausgewählt und die Stufenzahl auf sieben festgelegt430. Über die zu bewertenden fiktiven Produkte für die CA selbst wurden einige weitere Aspekte in die Erhebung integriert. Die Fragen nach der Dauer des Informationsprozesses für den Kauf von Babyschalen, nach den bekannten Herstellernamen und der prinzipiellen Zugehörigkeit des Befragten zu den identifizierten Segmenten Premium- oder einfachere Sitze bzw. Neukäufer oder Benutzer einer gebrauchten Schale, dienen der Überprüfung und Verfeinerung der bisher gewonnenen Markterkenntnisse. Während die Frage nach dem Wohnort bzw. der Postleitzahl zur Überprüfung der Repräsentativität der Studie herangezogen werden soll, zielt die Frage nach bevorzugten Distributionskanälen bereits auf die Verwertungsstrategie ab, ebenso wie die Angaben zum Alter, der Kinderzahl und dem zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommen431. Nach Erstellung des Fragebogens wurde der eigentliche Pretest durch Befragung junger Eltern verschiedener Spielgruppen durchgeführt. Insgesamt ist der Fragebogen durchweg positiv und interessiert aufgenommen worden, was sehr wichtig für Qualität und zu erwartende Rücklaufquote bei der späteren Hauptuntersuchung ist. Es haben sich jedoch auch einige Ansatzpunkte zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Fragebogens ergeben. So ist zunächst festzustellen, dass einige Befragte mit der vergleichsweise großen Zahl von achtzehn fiktiven Produkten und den für die 430
Eine ungerade Zahl von Beurteilungsstufen ist meist sinnvoll, da die Skala hierdurch eine Mitte aufweist. Der Beurteiler kann von der mittleren, neutralen Stufe seine Präferenz symmetrisch bis zu den Extrembeurteilungen 1 für „sehr unwahrscheinlich“ und 7 für „sehr wahrscheinlich“ anwenden. 431 Dieses wurde nicht direkt abgefragt, sondern vielmehr in Form einer Klassenabfrage, da die Bereitschaft der Befragten, sich in grob definierte Einkommensklassen einzuordnen, im Allgemeinen als höher einzuschätzen ist als die, ihr genaues Einkommen preiszugeben. Darüber hinaus wurde versucht, die angesprochene Auskunftsbereitschaft zu erhöhen, indem die persönlichen Fragen ans Ende des Fragebogens gestellt wurden.
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Beurteilung mit einzubeziehenden Merkmalen überfordert waren. Vereinzelte Unklarheiten bezogen sich weiterhin auf den eigentlichen Nutzen der Innovation. 3. Stufe: Marktumfrage
In der nun abschließenden dritten Stufe der Marktuntersuchung wurden die Erkenntnisse aus dem Pretest verwendet, um den endgültigen Fragebogen zu entwickeln. Nach dessen Erstellung wurde die Befragung durchgeführt. Zunächst sollen kurz die Veränderungen vom Fragebogen des Pretests zur Endversion erläutert werden. Um die Komplexität der Beurteilungssituation reduzieren zu können, wurde auf das nicht zwingend notwendige Merkmal des Sonnendachs verzichtet. Da somit auch zwei Merkmalsausprägungen wegfielen, konnte das Design auf acht Stimuli und zwei Holdouts reduziert werden. Bei der Eigenschaft Preis wurden dessen Ausprägungen an realere und psychologische Preisstufen von 119, 129, 149 und 209 CPIGRCUUV>5CEJXGrhalt, dass mit der neuen Produkteigenschaft Trennbarkeit des Sitzes in zwei Einzelschalen eine Gewichtsreduktion beim Tragen des Babys einhergeht, wurde noch deutlicher herausgestellt432. Aus statistischen Gründen sind zwei Versionen des Fragebogens433 erstellt worden, die sich lediglich in der Reihenfolge der zu bewertenden fiktiven Produkte unterscheiden434. Weitere Vorüberlegungen zur Datenerhebung beziehen sich auf die Gewährleistung einer möglichst hohen Repräsentativität der Befragten für den Gesamtmarkt der Babytrageschalen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zunächst die Anzahl der Befragten insgesamt. So wird häufig ab einer Zahl von 100 Befragten von Repräsentativität gesprochen435, wobei bei eher heterogenen Gruppen aus Sicherheitsüberlegungen heraus 150–200 Befragungen notwendig und in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit 432
Zudem wurde nochmals formuliert, dass bei den Kriterien wie Sicherheit und Testergebnis, welche aus Modellannahmen der Conjoint-Analyse heraus nicht in das Design mit aufgenommen wurden, von gleichwertiger und gestesteter Sicherheit auszugehen ist. Auch die optische Gestaltung des Fragebogens wurde hinsichtlich des Aspekts der schnelleren und einfacheren Erfassung der wesentlichen Sachverhalte hin verbessert. 433 In Anhang 5 befindet sich eine Version des endgültigen Fragebogens. 434 Überlegung ist hierbei, dass die Reihenfolge, wie der Beurteiler die Stimuli bewertet, möglicherweise einen Einfluss auf das jeweilige Beurteilungsergebnis haben könnte. Um systematische Verzerrungen dieser Art auszuschließen, wurde den Auskunftspersonen eine von zwei verschiedenen, jeweils zufällig generierten Anordnungen der Stimuli zur Beurteilung vorgelegt. 435 Vgl. auch Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivarate Analysemethoden, S. 364.
7.1 Patentbewertung
199
und Ressourcen als ausreichend erscheinen. Zudem sollte es das Ziel der Befragung sein, auch unterschiedliche Regionen436 innerhalb Deutschlands, welche strukturell möglichst verschieden aufgebaut sind, abzudecken. Die Befragung selbst wurde nun in entsprechend erwähnten Gruppen bzw. Kursen und Kindergärten bzw. Kindertagesstätten durchgeführt437. Es konnten dabei mit Regionen in und um Kaiserslautern, im Saarland, im nördlichen und südlichen Baden-Württemberg sowie im Raum München bezüglich der Vorüberlegungen zur Repräsentativität sehr verschiedenartige Räume abgedeckt werden. Die sich ergebende Gesamtzahl der ausgefüllten bzw. beantworteten Fragebögen beläuft sich auf 209 Stück. Bei etwa 1.200 verteilten Bögen438 entspricht dies einer durchschnittlichen Rücklaufquote von etwa 17%. Als problematisch im Hinblick auf die erhobenen Daten selbst hat sich im Nachhinein die Frage nach dem verfügbaren Haushaltseinkommen erwiesen. Obwohl die Befragung anonym durchgeführt und das Einkommen lediglich in groben Klassen abgefragt wurde, dürfte dies der allgemeinen Rückmeldung zufolge doch dazu geführt haben, dass die Rücklaufquote hierdurch insgesamt reduziert wurde. Ein entsprechender Hinweis im Fragebogen, dass diese Angabe optional ist, hätte den Befragungsaufwand vermutlich merklich gesenkt. 4. Stufe: Datenauswertung
Nach Abschluss der Datenerhebung wurden in der vierten Stufe der Marktuntersuchung die Fragebögen unter Verwendung von Microsoft (MS) Excel sowie der Statistik-Software JMP von SAS Institute Inc. in der Version 5.1 ausgewertet. In diesem Kapitel wird, getrennt nach den verschiedenen eingesetzten statistischen Methoden, beschrieben, wie die erhobenen Daten analysiert wurden und welche Erkenntnisse daraus gezogen werden können. Die
436
Unterschiede in der Nutzenpräferenz der Kunden könnten sich beispielsweise in Abhängigkeit des Wohnorts in Großstadtnähe bzw. in ländlicher Region oder des zur Verfügung stehenden Einkommens ergeben. Auch dies soll im Rahmen der Befragung ermittelt werden. 52 Eine Auflistung der zur Befragung besuchten Einrichtungen befindet sich in Anhang 2. 438 In den Kursen und Gruppen der Volkshochschule wurden die Bögen dabei direkt an die Eltern verteilt, bei den Kindergärten meist an das dortige Betreuungspersonal gegeben, welche es dann an die Eltern überreicht und wieder gesammelt haben. In einigen wenigen Fällen wurde der Bogen per Email verschickt und entsprechend online ausgefüllt.
200
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Verwendung der einzelnen Erkenntnisse für die weitere Analyse folgt dann in späteren Kapiteln. Auswertung der Daten
Zunächst wurden die Daten zur Conjoint Analyse ausgewertet. Mit Hilfe von JMP konnten für jede Versuchsperson die Teilnutzen der verschiedenen Merkmalsausprägungen errechnet werden439. Formel (7.2): nij
1
¦
N x N OA
¦
Nx
XOA(ij )
xXOA
1 XOA
xXOA
mit: N OA nij X XOA XOA(ij) Nx
= Teilnutzen der Merkmalsausprägung i (aus der Menge I) des Merkmals j (aus der Menge J) (z. B. Teilnutzen von „trennbar“ bei Merkmal „Trennbarkeit“) = Menge der Kombinationen x aus Merkmalsausprägungen j der Merkmale i, wobei |X|, die Mächtigkeit der Menge X, hier 32 beträgt (|X| = i |J| = 4 u 4 u 2) = Menge der Kombinationen im Orthogonal Array, wobei die Mächtigkeit hier 8 beträgt = Menge derjenigen Kombinationen im Orthogonal Array, die beim Merkmal j die Ausprägung i aufweisen = Angegebener Präferenzwert für die Kombination x
Dabei wird also der Mittelwert der angegebenen Präferenzwerte gebildet, um dann für jede Merkmalsausprägung die Differenz zum Mittelwert der Präferenzwerte derjenigen Stimuli zu bilden, die genau diese Merkmalsausprägung enthalten. Dadurch ergeben sich Werte, die angeben, inwieweit eine Merkmalsausprägung positiv oder negativ zu den Präferenzurteilen beigetragen hat.
439
Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 558 f.
7.1 Patentbewertung
201
In diese Analyse wurden allerdings nicht alle Stimuli einbezogen, sondern nur diejenigen acht, die oben als Orthogonal Array (XOA) bestimmt wurden, um dann aus deren Präferenzwerten (bei annahmegemäßer Vernachlässigung jeglicher Interaktionen zwischen den Merkmalen) auf die aller Kombinationen schließen zu können. Danach wurden, ebenfalls mit JMP, diese Teilnutzen zum vorhergesagten Gesamtnutzen einer Merkmalskombination, also eines (theoretischen) Produktes, verknüpft440. Formel (7.3): N *x
N OA ¦ nij ( x ) j
N *x
= Vorhergesagter Nutzen (Präferenz) der Kombination x
N OA nij(x)
= Mittelwert der Präferenz (gemäß obiger Formel) = Teilnutzen der für x zutreffenden Merkmalsausprägung i des Merkmals j
Diese Ergebnisse wurden zuerst für eine Validitätsprüfung der Conjoint Analyse benutzt: Die tatsächlich in den Fragebögen angegebenen Präferenzwerte wurden mit den errechneten verglichen, wobei diese Analyse sich nun auch auf die beiden Stimuli bezog, die nicht für die Berechnung der Nutzenwerte herangezogen wurden, also die Holdouts. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die Berechnungsergebnisse an davon unabhängigen tatsächlichen Präferenzwerten zu spiegeln. Somit ließen sich zwei Validitätskriterien prüfen, nämlich die interne und die externe Validität441: x Die interne Validität der Ergebnisse bedeutet die Widerspruchsfreiheit innerhalb des Modells. Sie kann durch die Korrelation442 (UOA) der tatsächlichen (Nx) und der errechneten, also vorhergesagten Präferenzwerte ( N *x ) für die Kombinationen (x) des Orthogonal Array (XOA) gemessen werden.
440
Dies geschieht, wie oben erwähnt, nach einem additiven Modell, das außer den Teilnutzen der Merkmalsausprägungen noch den Mittelwert der Präferenz enthält. (Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 558). 441 Ähnliche Definitionen für interne und externe Validität finden sich bei Sattler, Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 216–232. 442 Verwendet wurde der Bravais-Pearson-Korrelationskoeffizient, der Werte zwischen –1 (perfekt negativ korreliert) und +1 (perfekt positiv korreliert) annehmen kann. (Bamberg/Baur, Statistik, S. 36–37).
202
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Formel (7.4):
UOA
* N x NOA ¦ N x* NOA
xXOA
2
* ¦ N x NOA ¦ N *x NOA
xXOA
2
xXOA
wobei * N OA
NOA
* ) und die tatsächliDas heißt, die Mittelwerte über die errechneten ( NOA chen Gesamtnutzenwerte ( NOA ) sind gleich, was unmittelbar durch die Berechnungsvorschrift der errechneten Werte bedingt ist. Diese Korrelation beträgt für alle Versuchspersonen Eins, so dass also eine perfekte interne Validität gegeben ist.
x Zur Prüfung der externen Validität des Conjoint Modells ist es nötig, die Ergebnisse der Berechnungen mit Daten zu vergleichen, die keinen Einfluss auf das Zustandekommen der Berechnung hatten, also hier die errechneten ( N *x ) mit den tatsächlichen Präferenzwerten (Nx) der Holdouts. x Formel (7.5):
U HO
¦ N *x NOA N x N HO
xX HO
2
¦ N *x NOA ¦ N x N HO
xX HO
XHO N HO nij(x)
2
xX HO
Menge der Holdouts , also der zur Validierung in den Fragebogen aufgenommenen Kombinationen x, hier mit |X|=2 Mittelwert der Präferenz bezüglich der Holdouts Teilnutzen der für x zutreffenden Merkmalsausprägung i des Merkmals j
Für diese Korrelation (UHO) ergibt sich ein Durchschnittswert von 0,57, bei der Interpretation dieses Wertes ist jedoch zu beachten, dass als Korrelationswerte für die einzelnen Versuchspersonen hier nur +1 und –1 in
7.1 Patentbewertung
203
Betracht kommen, da nur je zwei Bewertungen verglichen werden. Aufgrund des sogar dennoch bei 0,57 liegenden Wertes wird daher von einer ausreichenden externen Validität ausgegangen443. Die bisher verwendeten Teilnutzenwerte der einzelnen Personen sind grundsätzlich nur für Einzelanalysen geeignet. Um die Ergebnisse aggregieren zu können, müssen sie zunächst normiert werden444: Formel (7.6): nij*
nijT ¦ maxi nijT j
wobei nijT
nij min i nij
Dadurch wird nicht nur jeweils der Nutzen der am niedrigsten bewerteten Ausprägung eines Merkmals auf Null gesetzt, bzw. der Abstand aller Ausprägungspräferenzen zu ihrem jeweiligen Minimalwert berechnet (transformierter Teilnutzen nTij), sondern es erfolgt zusätzlich eine Normierung auf den Bereich zwischen Null und Eins (normierter Teilnutzen n*ij). Dadurch werden Unterschiede zwischen den einzelnen Personen sowohl bezüglich der absoluten Bewertungshöhe als auch bezüglich der absoluten Bewertungsspannweite ausgeglichen. Damit interessieren nur noch die relativen Bewertungen der einzelnen Ausprägungen bzw. der einzelnen Merkmale. Gleichzeitig erlauben die so errechneten normierten Teilnutzenwerte eine Aussage zur relativen Wichtigkeit der verschiedenen Merkmale für die Präferenzentscheidung. Diese ist für jedes Merkmal definiert als relative Spannweite der Teilnutzenwerte, also als Spannweite der Teilnutzenwerte dieses Merkmals bezogen auf die Summe der entsprechenden Spannweiten aller Merkmale:
443
So kann auch bei einem Korrelationskoeffizient von größer 0,4 bereits von einem hohen Signifikanzniveau gesprochen werden. (Backhaus/Erichson/ Plinke u. a., Multivarate Analysemethoden, S. 273 f.). 444 Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S.566 ff.
204
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Formel (7.7): Wj
max i nij min i nij ¦ maxi nij mini nij j
Wj
=
relative Wichtigkeit des Merkmals j
Sie stimmt daher genau mit dem Maximum der normierten Teilnutzenwerte eines Merkmals überein445 und gibt an, zu welchem Anteil die Gesamtpräferenz auf die einzelnen Merkmale zurückzuführen ist446. Durch Mittelwertbildung447 ergeben sich für die Gesamtheit der Befragten relative Wichtigkeiten von 36,8% für das Merkmal „Marke“, 37,0% für „Preis“ und 26,2% für „Trennbarkeit“. Betrachtet man die relativen Wichtigkeiten für die einzelnen Versuchspersonen, lassen sich noch weitere Informationen gewinnen. So ist es möglich zu prüfen, ob sich Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen448 zeigen, aus denen Stichproben erhoben wurden, um damit ex post die Stichprobenauswahl zu überprüfen bzw. gegebenenfalls eine Gewichtung der Stichproben vorzunehmen, um den deutschen Markt besser abzubilden. Als Methode bietet sich dafür die Analysis of Variance (ANOVA, Varianzanalyse449) an, die mit JMP durchgeführt werden kann. Bei dieser wird durch Vergleich der Varianzen verschiedener Verteilungen (hier der Wichtigkeitswerte in einer bestimmten Region) die Nullhypothese H0: „Die zugrunde liegenden Verteilungen sind gleich.“ gegen die Alternativhypothese H1: „Die zugrunde liegenden Verteilungen sind unterschiedlich.“ 445
Für dieses wird ebenfalls der maximale Teilnutzen (nämlich der ursprüngliche Teilnutzen der „besten“ Ausprägung) um den minimalen Teilnutzen vermindert (Abstand zu „Null-Präferenz“), um diesen Wert dann durch die Summe der transformierten Teilnutzenmaxima zu vermindern. 446 Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 567. 447 Hier ist zu beachten, dass zunächst die Wichtigkeit für jeden Befragten bestimmt und darüber dann der Mittelwert bestimmt wird. Bei der umgekehrten Vorgehensweise würden die relativen Wichtigkeiten des „Durchschnittsbefragten“ ermittelt anstatt die durchschnittliche Wichtigkeit über alle Befragten, was keinen Sinn ergeben würde. 448 Als Regionen wurden dabei fünf Postleitzahlenbereiche sowie ein Sammelbereich für nicht einzuordnende Postleitzahlen festgelegt: Saarland, Großraum Kaiserslautern, Großraum München, Südliches Baden-Württemberg, Nördliches Baden-Württemberg, Sonstige. 449 Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 118 ff.
7.1 Patentbewertung
205
getestet, wobei hier ein Signifikanzniveau (D-Level) von 10% gewählt wird450. Falls die Fehlerwahrscheinlichkeit (p-Wert) unter dieser Schranke liegt, kann die Nullhypothese zugunsten der Alternativhypothese verworfen, also ein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Tatsächlich ergeben sich für alle drei Merkmale Unterschiede in den Regionen. Allerdings können diese Unterschiede nicht streng interpretiert werden, da die meisten Verteilungen der Wichtigkeit in den Regionen laut dem ShapiroWilks-Test451, der mit JMP durchgeführt wurde, nicht normalverteilt sind. Damit relativieren sich die ANOVA-Ergebnisse bis hin zur Nichtanwendbarkeit452. Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Regionen können also nicht nachgewiesen werden und sollen daher auch im Interesse einer einfacheren Analyse vernachlässigt werden453. Daher werden die Regionen gleich behandelt und auf eine Gewichtung verzichtet. Im Folgenden wird daher davon ausgegangen, dass die gezogene Stichprobe den deutschen Markt für Babyschalen bezüglich der interessierenden, also der abgefragten, Eigenschaften bzw. Einstellungen sowohl qualitativ als auch quantitativ angemessen repräsentiert. Damit ist es nun auch möglich, durch Aggregation der berechneten normierten Teilnutzenwerte Aussagen über den Gesamtmarkt zu treffen. Diese Aggregation geschieht mittels einfacher arithmetischer Mittelwertbildung. 450
Dieses Signifikanzniveau ist im Allgemeinen üblich, wobei aus den am weitesten verbreiteten Werten, 0,1, 0,05 und 0,01 (Bamberg/Baur, Statistik, S. 180), in anbetracht von Kosten und Nutzen der Aussagen der größte ausgewählt wurde: Hier kommt es nicht auf höchste Genauigkeitsanforderungen an, da die Folgen eines Fehlers erster Art, also der unberechtigten Ablehnung der Nullhypothese (Bamberg/Bauer, Statistik, S. 181), im Gegensatz etwa zu vergebenen Chancen durch Fehler zweiter Art, nicht als so viel höher eingeschätzt werden, dass, wie etwa bei Tests in der Medizin, auf höchste Genauigkeit zu bestehen wäre. Mit demselben Argument und aus dem Bestreben eines einheitlichen Vorgehens heraus wird die Signifikanzschranke von 0,1 in der gesamten Arbeit eingesetzt. 451 Hier wird die Nullhypothese H : „Es liegt eine Normalverteilung vor.“ gegen 0 die Alternativhypothese H1: „Es liegt keine Normalverteilung vor.“ getestet. Es müssen also die Fehlerwahrscheinlichkeiten (p-Werte) über dem Sicherheitsniveau (hier 10%) liegen, damit von einer Normalverteilung ausgegangen werden kann. Näheres zum Shapiro-Wilks-Test findet sich in: Janssen/Laatz, Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows, S. 204 ff. 452 Zwar erfordert die ANOVA keine perfekte Normalverteilung, doch müssten die Daten wenigstens näherungsweise normalverteilt sein (Bamberg/Baur, Statistik, S. 198). Die Gültigkeit dieser Voraussetzung ist jedoch hier zu verneinen. 453 Die durchschnittlichen Wichtigkeiten der Merkmale in den einzelnen Regionen sowie die erwähnten p-Werte bzgl. der Normalitätstests und der ANOVAs finden sich in Anhang 6.
206
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis Marke
Preis
Trennbarkeit
Römer
0,2133
119
0,2551
Trenbar
0,1628
MaxiCosi
0,2499
129
0,1958
nicht trennbar
0,0991
Storchenmühle Babymax
0,1522 0,1088
149 209
0,1679 0,1173
Abb. 7.1. Normierte Teilnutzenwerte im Durchschnitt über alle Befragten
Es zeigt sich, wie aus Abb. 7.1 ersichtlich, dass die Präferenzen bezüglich der Richtung des Anstiegs oder Abfalls den Erwartungen entsprechen, da sowohl niedrige Preise den Vorzug haben gegenüber hohen, trennbare Babyschalen gegenüber nicht trennbaren, als auch renommierte Marken (Römer, Maxi-Cosi) gegenüber weniger renommierten (Storchenmühle) bzw. völlig unbekannten (Babymax als Phantasiename). Die Ergebnisse zur Markenpräferenz können noch mit den Antworten auf die Frage nach der Markenkenntnis verglichen werden. Dabei zeigt sich an den Nennungen, wie in Abb. 7.2 zu sehen, dass die vermutete Dominanz der Marken Römer und Maxi-Cosi ebenso zutrifft wie eine relativ starke Position von Storchenmühle, wohingegen alle anderen Marken, trotz sichtbarer Unterschiede untereinander, insgesamt abgeschlagen sind. Zu beachten ist dabei, dass diese Daten sich auf das Awareness Set454 der befragten Personen als Kollektiv, bzw. der von ihnen repräsentierten Gesamtheit der potentiellen Käufer von Babyschalen beziehen, also auf die Menge der ihnen bekannten Marken. Grundsätzlich prüft die Frage dabei sogar den Marken-Recall455, also die (in diesem Fall ungestützte) Markenerinnerung. Allerdings ist zu beachten, dass drei der Marken, wenn auch nur auf der Rückseite des Fragebogens, genannt werden, also eine Verfälschung der Ergebnisse bewirken könnten. Diese Verfälschung kann allerdings nur in Richtung einer weniger strengen Interpretation, nämlich als MarkenRecognition456 anstatt Recall, wirken, da die relativ geringe Anzahl von fünf „Babymax“-Nennungen als Prüfkriterium zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten entweder keine Korrektur anhand der vorgegebenen Kotler/Bliemel, Marketing Management: Analyse, Planung und Verwirklichung, S. 356. 455 Keller, Strategic Brand Management: Building, Measuring and Managing Brand Equity, S. 455 f. 456 Keller, Strategic Brand Management: Building, Measuring and Managing Brand Equity, S. 454 f. 454
7.1 Patentbewertung
207
180
100,00%
150
80,00%
120
60,00%
90 40,00%
60
20,00%
30
0,00%
S M Rö to a m rc x er he iC nm os üh i C le h C icc on o c R ord ec a H ro B au ab c ym k B a éb N x é an C ia on f O ort sa E nn ve n B flo ab o B Ki o ab dd y y S ta r H TS H Gr ap a py co C ar
0
Nennungen
Anteil kumuliert
Abb. 7.2. Häufigkeitsverteilung der Markennennungen und ABC-Analyse457
Marken vorgenommen, oder zumindest dabei nur ihnen bekannte Marken ergänzt hat. Damit ist relativierend nur zu berücksichtigen, dass für Römer, Maxi-Cosi und Storchenmühle die Wiedererkennung, für alle anderen Marken aber die ungestützte Erinnerung abgefragt wurde. Zwar wurde diese Gefahr bei der Fragestellung erkannt, eine alternative Frageformulierung, die sich rein auf die Wiedererkennung hätte beziehen müssen, hätte aber wiederum andere Nachteile458 mit sich gebracht und wurde daher nicht gewählt. Durch Betrachtung der kumulierten Anteile in Abb. 7.2 lässt sich nun auch ex post die Markenwahl für die Befragung überprüfen: Es zeigt sich, dass die drei bekanntesten Marken zusammen etwa 85%, also in der Tat einen Großteil der Markennennungen auf sich vereinigen. Mit Hilfe einer ebenfalls auf den kumulierten Wahrscheinlichkeiten beruhenden ABC-Analyse459 kann weiterhin eine Klassifikation der Marken in drei Gruppen vorgenommen werden: Aufgrund ihres klaren Abstandes sind Römer und Maxi-Cosi mit zusammen rund 62% der Nennungen als A-Marken zu klassifizieren. Als B-Marke tritt hier zwar auf den ersten Blick 457
Drei der Marken sind nicht eigenständig, nämlich Baboo (gehört zu Concord), Baby-Star (Römer), Happy Car (Storchenmühle). Sie wurden hier jedoch in die Markenstatistik aufgenommen, da sie von den Probanden offenbar auch als Marken wahrgenommen wurden, d.h. das auf sie entfallende Markenimage kommt eben nicht den Muttermarken zugute, weshalb sich eine Zusammenfassung verbietet. 458 Zu nennen sind vor allem mangelnde Kenntnis aller möglicherweise relevanten Marken sowie das Ziel, den Fragebogen möglichst kompakt zu halten und nicht mit noch mehr „Ankreuzfragen“ zu überfrachten. 459 Corsten, Produktionswirtschaft, S. 403 f.
208
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
0,30
normierter Nutzen
0,25
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00 0,00
50,00
100,00
150,00
200,00
250,00
Preis
Abb. 7.3. Preis-Nutzen-Funktion
nur Storchenmühle mit weiteren 21% der Nennungen auf, jedoch muss hier der oben erwähnte relativierende Effekt, nämlich die Erwähnung dieser Marke in der Conjoint Analyse, berücksichtigt werden. In Anbetracht der ansonsten über diesen Markt gewonnenen Erkenntnisse kann hier von einer B-Gruppe ausgegangen werden, die außer Storchenmühle zumindest noch Chicco und Concord enthält (mit dann insgesamt 30% der Nennungen). Alle anderen Marken, von denen keine mehr als 2% der Nennungen aufweist und die (inklusive „Babymax“ als nicht existenter Marke) zusammen nur auf 8% der Nennungen kommen, sollen als C-Marken bezeichnet werden. Außer den Ergebnissen zu den Marken sind insbesondere die Teilnutzenberechnungen bezüglich der Preise interessant, da sie eine Monetarisierung der Nutzenwerte erlauben. Dafür ist zunächst, wie in Abb. 7.3 dargestellt, die Preis-Nutzen-Funktion zu betrachten, die sich durch die Gegenüberstellung der Preise und der für sie im Durchschnitt angegebenen (normierten) Teilnutzenwerte ergibt. Für die quantitative Untersuchung dieses Zusammenhangs wurde eine lineare Regressionsanalyse460 mit JMP durchgeführt461. 460
Bei diesem statistischen Verfahren wird der Zusammenhang zwischen metrisch skalierten Variablen durch die Anpassung einer linearen Funktion an die Wertekombinationen zweier (oder mehrerer) Variablen beschrieben. Damit wird es insbesondere möglich, die abhängige Variable aus der (bzw. den) unabhängigen Variablen zu prognostizieren. Näheres zur linearen Regression findet sich bei Bamberg/Bauer, Statistik, S. 42 ff.
7.1 Patentbewertung
209
Als Regressionsgleichung ergibt sich damit462: Formel (7.8):
Nutzen a Preis b a
= 0,38204701 (1/
b = –0,0013071
Wobei R2 = 0,84107874463 Mit dieser Preis-Nutzen-Funktion ist es insbesondere möglich, den Wert der Trennbarkeit für die Kunden464 zu bestimmen. Dabei liegt die folgende Vorstellung zugrunde465: Die Kunden bewerten „trennbar“ höher als „nicht trennbar“, zahlen aber lieber einen niedrigen als einen hohen Preis. Nun vergleicht man in einem Gedankenexperiment zwei identische Babyschalen miteinander, von denen aber die eine trennbar, die andere nicht trennbar ist. Bei gleichem Preis würde die trennbare bevorzugt. Wenn man nun aber den Preis der trennbaren erhöht, dann vermindert sich der Nutzenvorteil der trennbaren Babyschale. Bei weiterer Preiserhöhung muss irgendwann ein Punkt kommen, an dem beide Schalen gleich präferiert werden,
461
Es wurde ebenfalls eine exponentielle Regression, also eine Transformation der abhängigen Variablen durch natürliche Logarithmierung, nach der Gleichung Nutzen = ea*Preis+b durchgeführt. Da sich aber damit bei der Vorhersagegenauigkeit kaum Vorteile ergeben hätten, wurde die flexibler handhabbare lineare Regression weiterverfolgt. Die Monetarisierung des Nutzens wäre im Übrigen mit der exponentiellen Regression nur simulativ möglich gewesen. Die Ergebnisse beider Regressionen sowie die Fehlerwahrscheinlichkeiten und tatsächlichen Abweichungen finden sich in Anhang 7. 462 Die Regressionskoeffizienten, Achsenabschnitt und Steigung der anzupassenden Gerade, ergeben sich aus der Minimierung der Summe der quadratischen Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Wert der abhängigen Variable zu den gegebenen Werten der unabhängigen Variablen. Backhaus/ Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 58. 463 Das Bestimmtheitsmaß R2 gibt an, welcher Anteil der Variation der abhängigen Variablen (hier Nutzen) durch die Variation der unabhängigen Variablen (hier Preis) erklärt werden kann (Backhaus/Erichson/Plinke u. a., Multivariate Analysemethoden, S. 66), wobei dieser Anteil hier also etwa bei 84% liegt. 464 Betrachtet wird hier der durch die Befragten repräsentierte Kreis der potentiellen Kunden. 465 Vgl. ähnlich Kolvenbach/Krieg/Felten, in: Gustafsson/Huber, Conjoint Measurement, S. 508 f.
210
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
die Kunden also indifferent wären466. Den Preisaufschlag der trennbaren gegenüber der nicht trennbaren Babyschale kann man nun als Wert der Trennbarkeit interpretieren, da dieser Preis genau den Vorteil der Trennbarkeit kompensiert, ihn damit also aufwiegen muss. Formal lässt sich dieser Zusammenhang folgendermaßen ausdrücken: Formel (7.9):
1 Q Q 0
S
'S
Q
S
!
Q
'S
! WUHQQEDU
Q
Q
QLFKW
_
WUHQQEDU
D
Q
S
Q Q S
! WUHQQEDU
_ WUHQQEDU
Q Q Q !
WUHQQEDU
QLFKW
0
WUHQQEDU
D ( S 'S ) E Q 'S
1
WUHQQEDU
QLFKW
QLFKW
_ WUHQQEDU
_ WUHQQEDU
D SEQ
QLFKW
_ WUHQQEDU
0,09912339 0,16282506 | 49 0,0013071 1
mit den oben angegebenen Regressionskoeffizienten a und b sowie Ntrennbar/nicht trennbar = Nutzen467 der trennbaren/nicht trennbaren Babyschale der Marke M nM = Teilnutzen der Marke M = Teilnutzen des Preises p (+Preisaufschlag 'S ) Q S ( 'S ) Konkret ergibt sich hier also ein Wert der Trennbarkeit von etwa 49
466
Es wäre ein Szenario denkbar, in dem ein solcher Punkt nicht (im relevanten Preisrahmen) erreicht wird, nämlich wenn der Nutzenvorteil der Trennbarkeit so groß wäre, dass im betrachteten Preisbereich kein Aufwiegen möglich wäre. Die Trennbarkeit würde dann zwar noch nicht als unbezahlbar gelten, wäre aber sicher mehr wert als der maximal angenommene Preisunterschied. Dieser Fall ist hier jedoch nicht relevant. 467 Da hier eine Betrachtung des Gesamtmarktes durchgeführt wird, sind die Durchschnittsnutzenwerte über alle Befragten heranzuziehen.
7.1 Patentbewertung
211
Schätzung der Marktgröße
Neben den Erkenntnissen aus der Conjoint Analyse können aus der Auswertung der erhobenen Marktstichprobe noch weitere Aussagen über den Babyschalenmarkt in Deutschland abgeleitet werden: Insbesondere kann nun endgültig die Größe des hier interessierenden Marktes abgeschätzt werden. Dafür wird der Anteil der Kunden, die eine neue Babyschale des oberen Preissegmentes kaufen würden, am mengenmäßig bekannten Babyschalenmarkt geschätzt. Die diesbezüglichen Daten der Stichprobe zeigt Abb. 7.4. Die Ergebnisse bezüglich des Anteils neuer Babyschalen können zunächst mit den Ergebnissen aus der dargestellten Voruntersuchung verglichen werden: Nach dieser beträgt der Anteil der neuen Babyschalen lediglich 32% am Gesamtmarkt. Das heißt also, dass dieser Anteil durch die Befragung allein (38,5%) überschätzt worden wäre. Jedoch wird die Größenordnung offenbar richtig abgeschätzt, weshalb für den Anteil der hochpreisigen Produkte, für die sonst keinerlei quantitative Anhaltspunkte vorliegen, die Ergebnisse der Umfrage als Abschätzung herangezogen werden: Der Anteil von 76,6% der Befragten, die eine hochpreisige Schale kaufen würden, deckt sich dabei mit den Erwartungen aus den Marktuntersuchungen im Vorfeld der Studie. Auch stimmen die Daten von der Größenordnung her mit den Ergebnissen der Untersuchung zum Awareness Set überein, da der hier vorhergesagte Anteil in den Bereich fällt, der durch den Anteil an den Markennennungen der (beiden teuersten) A-Marken und der A- zusammen mit den B-Marken liegt, also zwischen 62% und 92%. Insgesamt kann hier folglich von einem Marktanteil der neuen hochpreisigen Babyschalen von 24,5%468 an den gesamten jährlich benötigten Babyschalen ausgegangen werden. Kategorie
Neu/ gebraucht
neu gebraucht Summe
Hochpreisig
Preisgünstig
Summe
61
18
79
29,8%
8,8%
38,5%
96
30
126
46,8%
14,6%
61,5%
157
48
205
76,6%
23,4%
100,0%
Abb. 7.4. Marktabgrenzung469 468
24,5% = 76,6% * 32%. Der Anteil berechnet sich also aus der multiplikativen Verknüpfung der beiden relevanten Anteilszahlen.
212
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Analyse der Vertriebspräferenzen
Die Präferenzdaten zu den verschiedenen Vertriebswegen wurden mit Hilfe der Intervallschätzung, also mit Konfidenzintervallen zum Sicherheitsniveau von 90%, analysiert. Die Ergebnisse zeigt Abb. 7.5. Die Vertriebswege sind dabei nach absteigender durchschnittlicher Präferenz sortiert, allerdings sind nicht alle Unterschiede statistisch signifikant: Gelb markierte Felder geben Überschneidungen mit dem Konfidenzintervall des nächst höher bewerteten Vertriebsweges, blau markierte mit dem des nächst niedriger bewerteten an. In diesen Fällen liegt bei einer Fehlerwahrscheinlichkeit von etwa470 10% kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den betroffenen Vertriebswegen vor. Insgesamt ergeben sich damit drei Gruppen von Vertriebswegen, die sich untereinander klar in den Präferenzangaben unterscheiden. Diese Gruppen sind in Abb. 7.5 durch unterschiedliche Schattierung gekennzeichnet. Clusteranalyse
Um die Befragten in mehrere Gruppen aufzuteilen, die in sich eine größere Homogenität aufweisen als die Gesamtmenge der Befragten, wurde mit Hilfe von JMP eine Clusteranalyse durchgeführt. Bei diesem Verfahren werden zunächst die Befragten hinsichtlich der betrachteten Merkmale miteinander verglichen, um solche, die einander ähneln zu Gruppen zusammenzufassen471. Diese Zusammenfassung folgt dabei einem Fusionierungsalgorithmus, wobei unter der Vielzahl der möglichen Verfahren hier die weit verbreitete Ward-Methode, eine agglomerative (also von feinster Zersplitterung ausgehend zusammenfassende), hierarchische (nicht durch Austausch von „Objekten“, sondern durch Gruppierung Cluster suchende) 469
Die Anzahl der Befragten ist in der Abb. als 205 anstatt 209 angegeben, da 4 Personen diesbezüglich keine Angaben gemacht haben und daher nicht zum Gesamtmarkt (100%) gerechnet werden dürfen. 470 Konfidenzintervalle geben einen Bereich an, in den ein Schätzwert mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (Sicherheitsniveau, Komplement des Signifikanzniveaus) fällt. Dies ist hier Zielführender als etwa eine reine Punktschätzung, da sich damit einfach prüfen lässt, ob signifikante Unterschiede zwischen den Präferenzdaten der einzelnen Vertriebswege bestehen. Damit erübrigt sich die Durchführung formaler Signifikanztests. Näheres zu Konfidenzintervallen findet sich in Bamberg/Baur, Statistik, S. 161 ff., zu Signifikanztests in Bamberg/Baur, Statistik, S. 173 ff. Es kann keine genaue Angabe gemacht werden, da die Präferenzdaten nicht normalverteilt sind, also auch nicht auf eine Normalverteilung der Grundgesamtheit geschlossen werden kann. Dennoch gelten die Aussagen approximativ (Bamberg/Baur, Statistik, S. 161, 166). 471 Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 481 f.
7.1 Patentbewertung
Fachhändler
Spielwarenhandel
Autozubehör
Spezialkatalog
Hersteller-Homepage
Internet-Babywarenhandel
Allgemeiner Katalog
Online-Auktion
Supermarkt
213
Obergrenze
5 , 6 3 4 7
Mittelwert
5 , 3 7 9 8
Untergrenze
5 , 1 2 4 9
Obergrenze
3 , 7 9 9 1
Mittelwert
3 , 5 5 2 9
Untergrenze
3 , 3 0 6 7
Obergrenze
3 , 5 3 7 2
Mittelwert
3 , 3 0 7 7
Untergrenze
3 , 0 7 8 2
Obergrenze
3 , 5 1 0 7
Mittelwert
3 , 2 5 9 6
Untergrenze
3 , 0 0 8 5
Obergrenze
2 , 9 3 7 3
Mittelwert
2 , 7 1 1 5
Untergrenze
2 , 4 8 5 8
Obergrenze
2 , 7 3 1 5
Mittelwert
2 , 5 0 4 8
Untergrenze
2 , 2 7 8 1
Obergrenze
2 , 6 7 2 5
Mittelwert
2 , 4 8 0 8
Untergrenze
2 , 2 8 9 0
Obergrenze
2 , 5 3 5 0
Mittelwert
2 , 3 0 7 7
Untergrenze
2 , 0 8 0 4
Obergrenze
2 , 1 9 2 0
Mittelwert
2 , 0 0 9 6
Untergrenze
1 , 8 2 7 2
Abb. 7.5. Präferenzangaben zu Vertriebswegen
214
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Methode472 ausgewählt wurde, da diese sich für den vorliegenden Fall anbietet473. Konkret wurden die Befragten hier nach den sich aus der Conjoint Analyse ergebenden Kriterien „relative Wichtigkeit des Preises“ und „relative Wichtigkeit der Trennbarkeit“, sowie den demographischen Merkmalen Alter, Kinderzahl und Preis in drei474 Gruppen eingeteilt475, wobei Cluster 1 zweiundvierzig Befragte enthält, Cluster 2 vierundvierzig und Cluster 3 einundachtzig476. Diese Gruppen wurden anschließend hinsichtlich verschiedener Merkmale miteinander verglichen, um festzustellen, inwiefern sie statistisch signifikante Unterschiede zum Alpha-Level 10% zeigen: Für die nominal skalierten Merkmale wurden dazu Chi-Quadrat-Tests477 durchgeführt, für die metrisch skalierten dagegen Varianzanalysen478. Abbildung 7.6 zeigt die Ergebnisse unter Angabe der jeweiligen Fehlerwahrscheinlichkeit Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 499 f. Da die wesentlichen Annahmen (unter anderem: nur metrisch skalierte Variablen, keine Korrelationen etc.) hier erfüllt sind, sollte sie „sehr gute“ Ergebnisse liefern. Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 516 f. 474 Die Clusteranzahl wurde nach der „Elbow“-Methode ausgewählt: Danach wird ein Heterogenitätsmaß betrachtet, das mit zunehmender Clusteranzahl abnimmt. Diejenige Clusterzahl, bei der ein starker in einen schwachen Abfall übergeht, bietet sich als sinnvolle Wahl an. Zusätzlich musste eine Abwägung zwischen einer handhabbaren Clusterzahl einerseits und einer möglichst hohen Homogenität innerhalb der Cluster andererseits stattfinden, was zu einer Entscheidung für drei Cluster führte (Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 523 f.). 475 Eine Clusteranalyse unter Betrachtung der relativen Wichtigkeiten aus der Conjoint Analyse wird auch bei Sattler (Sattler, Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 192 f.) durchgeführt. Hier werden zusätzlich demographische Variablen einbezogen, um die Segmente besser beschreiben zu können. Dennoch wurden nicht alle Variablen in die Clusterung einbezogen, da zuerst die wichtigsten Unterschiede zur Geltung kommen sollten, während die anderen Merkmale nur ex post zur Beschreibung herangezogen wurden. 476 Die Gesamtzahl beträgt hier nur 167, da Befragte, die zu einem der in die Clusterung einbezogenen Attribute keine Angaben gemacht hatten, nicht einsortiert werden konnten. Die Gesamtzahl stellt sich vor allem deshalb relativ niedrig dar, weil viele Befragte keine Angaben zu ihrem Einkommen gemacht haben. 477 Der Chi-Quardat-Test testet die Nullhypothese der statistischen Unabhängigkeit zweier nominal skalierter Variabler gegen die Alternativhypothese der statistischen Abhängigkeit. Dadurch kann ein Zusammenhang zwischen den Variablen nachgewiesen werden (Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 229 ff.). Die p-Werte werden hier mit Hilfe von JMP nach der Maximum-Likelihood-Methode berechnet (Bamberg/Baur, Statistik, S. 200). 478 Die oben bereits erwähnte Annahme der näherungsweisen Normalverteilung wurde bei allen hier untersuchten Merkmalen als erfüllt angesehen. 472 473
7.1 Patentbewertung Cluster 1
Cluster 2
Cluster 3
215
p-werte
Information Bisher
(keine Unterschiede nachweisbar)
0,732
Information Noch
(keine Unterschiede nachweisbar)
0,505
Expertise
„Informierte“
„Uninformierte“
„Experten“
0,000
Kategorie
„Eher Preisgünstiger“
„Eher Hochpreisiger“
„Hochpreisigste“
0,065
Neu/gebraucht Fachhändler
keine Unterschiede nachweisbar 5,3571
4,7273
5,6173
0,190 0,098
Spielwaren
(keine Unterschiede nachweisbar)
0,298
Autozubehör
(keine Unterschiede nachweisbar)
0,694
Online-Auktion
(keine Unterschiede nachweisbar)
0,522
Hersteller-Homepage Internet-Babywarenhandel Allgemeiner Katalog
1,9286
2,6818
2,8148
keine Unterschiede nachweisbar 2,4762
2,7955
2,0741
0,073 0,167 0,050
Spezialkatalog
(keine Unterschiede nachweisbar)
0,315
Supermarkt
(keine Unterschiede nachweisbar)
0,283
Wichtigkeit Marke
(keine Unterschiede nachweisbar)
0,342
Wichtigkeit Preis
0,5146
0,4405
0,2603
0,000
Wichtigkeit Trennbarkeit
0,1530
0,1756
0,3743
0,000
Alter
37,1905
25,6818
33,5062
0,000
Kinderzahl
2,3095
1,0682
1,4568
0,000
Einkommen
3,4286
1,6364
2,8395
0,000
Abb. 7.6. Clustervergleich
216
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Mosaic Plot aus JPM Cluster vs. Expertise
Uniformierte
Mosaic Plot aus JPM Cluster vs. Kategorie
Preisgünstig
Informierte
Experten
hochpreisig
1
2
3
1
2
3
Abb. 7.7. Vergleich der Cluster
(p-Wert), wobei die gelbe Unterlegung andeutet, hinsichtlich welcher Attribute signifikante Unterschiede nachgewiesen werden konnten. Die nominal skalierten Variablen, bei denen signifikante Unterschiede nachgewiesen werden konnten, wurden in der obigen Abb. genutzt, um den Clustern entsprechende (ordinal skalierte) Attribute zuzuweisen, die sich aus den folgenden Verteilungen479 ergeben: Erst durch diese Zuordnung von Rängen gemäß den Verteilungen der nominal skalierten Variablen ist es möglich, für diese, ebenso wie für die metrisch skalierten, in Abb. 7.7 anzudeuten, welcher Cluster jeweils welchen Rang bezüglich eines Attributes einnimmt: Die schwarze Unterlegung steht für die höchste Ausprägung, die graue für die mittlere und die weiße für die niedrigste. Konkret bedeutet dies etwa für das Attribut „Expertise“, dass die Befragten in Cluster 3 relativ gesehen als „Experten“ bezeichnet werden, während Cluster 1 nur als „informiert“, Cluster 2 sogar als „uninformiert“ zu bezeichnen wäre. Bei den metrischen Attributen, etwa dem Einkommen, lässt sich erkennen, dass Cluster 1 unter den Befragten das höchste, Cluster 3 ein mittleres und Cluster 2 das niedrigste Durchschnitteinkommen aufweist.
479
Die mit JMP generierten „mosaic plots“ geben an, wie viele Befragte in den einzelnen Clustern den jeweiligen „Gruppen“ (gemäß ihren Ausprägungen bezüglich der betrachteten Merkmale) zuzuordnen sind. Die Attribute zur Expertise ergeben sich aus den Markennennungen: „Experten“ (insgesamt 35 Befragte) kennen wenigstens vier real existierende Marken, „Informierte“ (insgesamt 130 Befragte) wenigstens zwei. „Uninformierte“ (insgesamt 44 Befragte) dagegen kennen weniger als zwei real existierende Marken, oder geben an, (die nicht existierende Marke) „Babymax“ zu kennen.
7.1 Patentbewertung
217
Modell zur Umsatzschätzung
Nachdem im vorigen Abschnitt insbesondere die Daten der Conjoint Analyse dahingehend analysiert wurden, welchen Nutzen die Befragten – jeder einzelne bzw. alle in ihrer Gesamtheit – mit den verschiedenen Eigenschaften einer Babyschale verbinden und wie diese sich zum Gesamtnutzen eines solchen Produktes zusammensetzen, muss nun gemäß dem Ziel, eine Bewertung des vorliegendes Patentes anhand des zu erwartenden Markterfolges durchzuführen, ein Modell entwickelt werden, das konkrete Marktvorhersagen ermöglicht. Konkret soll der durch das Patent ermöglichte Umsatz geschätzt werden, um darauf aufbauend später den Gewinn und damit den Ertragswert des betrachteten Patents abzuleiten. Im Einzelnen wird das Modell zur Umsatzschätzung in drei Schritten entwickelt: Zunächst wird ein deterministisches, einperiodiges Grundmodell erarbeitet, mit dem sich die Marktverhältnisse für verschiedene Situationen prognostizieren lassen, so dass es möglich wird, aus diesen Szenarien eine Auswahl für ein der weiteren Bewertung zu Grunde zu legendes sowie weitere alternativ zu betrachtende Szenarien zu treffen. Danach wird das Modell erweitert, um eine mehrperiodige Betrachtung durchführen zu können, mit der eine Umsatzberechnung für den gesamten relevanten Zeitraum möglich wird. Am Ende wird die Unsicherheit der zuvor getroffenen Annahmen explizit betrachtet, um im Rahmen einer stochastischen Modellerweiterung Wahrscheinlichkeitsaussagen zu treffen. Grundmodell zur Marktsimulation
Das hier zu erarbeitende Modell beruht grundsätzlich auf der Idee, dass von den in der Conjoint Analyse ermittelten Nutzenwerten von Produkten480 auf deren zu erwartenden Marktanteil geschlossen werden kann. Zusammen mit der bereits ermittelten Marktgröße lassen sich diese Marktanteilswerte dann nutzen, um den Umsatz der betreffenden Produkte zu berechnen. Zunächst muss im Folgenden unter verschiedenen Möglichen eine Methode zur Bestimmung des Marktanteils ausgewählt werden. Danach können Planszenarien festgelegt und verglichen werden, um eine Auswahl zu treffen und die weiteren Bewertungsschritte zielgerichtet durchführen zu können. 480
Im Folgenden sollen Kombinationen von Merkmalsausprägungen bezüglich der betrachteten Merkmale Marke, Preis und Trennbarkeit vereinfachend als „Produkte“ oder „Modelle“ bezeichnet werden, wenn es sich dabei auch nicht immer um reale, sondern teilweise lediglich um fiktive, also theoretisch denkbare Produkte handelt.
218
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Methodenauswahl
Für die Marktanteilsschätzung werden in der Literatur verschiedene Methoden vorgeschlagen481, die jeweils in zwei Schritten vorgehen, nämlich durch die Übersetzung von Nutzen in Kaufwahrscheinlichkeit und die Aggregation der Individualdaten der Befragten zu Marktdaten. Unterschiedlich ist dabei jedoch die Reihenfolge dieser beiden Schritte, so dass sich die Methoden zwei Klassen zuordnen lassen: x Auf Individualbetrachtungen basierende Methoden analysieren die Markenwahl jedes einzelnen Befragten, um die Einzelaussagen dann durch Kumulation zu Marktaussagen zu verdichten. Vorteilhaft ist bei diesen Methoden die Tatsache, dass sie durch eine Einzelbetrachtung die Situation jedes Befragten gesondert analysieren, diese also genau zur Kenntnis nehmen. Ein Nachteil ist allerdings darin zu sehen, dass die Arbeit mit den einzelnen Nutzenwerten umständlicher ist, was die Verwendung in weitergehenden Berechnungen erschwert. x Am Gesamtmarkt ansetzende Methoden aggregieren zuerst die (normierten) Teilnutzen der einzelnen Befragten, um dann von den durchschnittlichen Teilnutzenwerten auf die zu erwartenden Marktanteile zu schließen. Dem Vorteil der guten Handhabbarkeit steht bei diesen Methoden der Nachteil eines Informationsverlustes auf Grund der Durchschnittsbildung entgegen. Gleichzeitig kann dieser Effekt aber auch Vorteile bringen: Durch Mittelwertbildung können sich „Ausreißer“ in den Präferenzangaben gegenseitig ausgleichen482. Ein weiteres Kriterium zu Unterscheidung der in der Literatur diskutierten Methoden stellt die grundsätzliche Art der Übersetzung von Nutzen in Kaufwahrscheinlichkeit dar: x An das Mehrheitswahlrecht erinnernde Methoden oder „First Choice“Modelle483 ordnen dem Produkt mit dem höchsten Nutzen eine Kaufwahrscheinlichkeit von 100% zu, so dass, wie die auf den Verlierer entfallenBackhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 584; Sattler, Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 158; Sönke/ Brockhoff, Die Gültigkeit der Ergebnisse eines Testmarktsimulators bei unterschiedlichen Daten und Auswertungsmethoden, S. 192. 482 Dies ist als Tendenzaussage zu verstehen, da offenbar auch eine Verstärkung möglich wäre. Statistisch gesehen wird es aber zu einer Abschwächung kommen. 483 Sönke/Brockhoff, Die Gültigkeit der Ergebnisse eines Testmarktsimulators bei unterschiedlichen Daten und Auswertungsmethoden, S. 201, Sattler, Herkunftsund Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 157 f.; Schubert, Entwicklung von Konzepten für Produktinnovationen mittels Conjoint-Analyse, S. 245. 481
7.1 Patentbewertung
219
den „Stimmen“ bei parlamentarischen Systemen mit Mehrheitswahlrecht, sämtliche Nutzenwerte der nicht präferierten Produkte in ihrer genauen Höhe unbeachtet bleiben. Da sich bei Anwendung dieser Übersetzungsart auf durchschnittliche Nutzenwerte zwangsläufig niemals sinnvolle Ergebnisse ergäben – es würden stets Monopolmärkte vorhergesagt – bleibt diese Übersetzungsart auf die Methoden beschränkt, die an Individualbetrachtungen ansetzen. Doch selbst bei diesen besteht die Gefahr, dass diese Methode die Marktanteile führender Marken bzw. Produkte überschätzt, da kleinere Käufergruppen, die andere Produkte kaufen würden, möglicherweise nicht in der Menge der Befragten vertreten sind. Formal ergibt sich bei dieser Methode der Marktanteil (MA) eines Produktes (x0 als Element der Menge der relevanten Produkte X) als Anteil der Personen (p) aus der Menge der Befragten (P), die diesem den größten Nutzen (Nxp) beimessen: Formel (7.10):
Z[ S ¦ S 3 0
0$[
Z [0 S
1 falls gilt: 1 [0 S
0
3 max [ 1 [S
0 sonst
x An das Verhältniswahlrecht erinnernde Methoden dagegen berücksichtigen die genaue Höhe der Präferenz für alle relevanten Produkte, wobei der Zusammenhang zwischen Nutzen(-anteil) und Marktanteil auf unterschiedliche Art und Weise hergestellt werden kann. Die größte Bedeutung haben jedoch die lineare und die exponentielle Abb.: - Bei der linearen Abb. wird jedem Produkt (x0) der Marktanteil (MA) zugeordnet, der dem Anteil seines Nutzens (N) an der Nutzensumme der relevanten Produkte (Menge X) entspricht484:
484
Sönke/Brockhoff, Die Gültigkeit der Ergebnisse eines Testmarktsimulators bei unterschiedlichen Daten und Auswertungsmethoden, S. 201.
220
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Formel (7.11):
0$[0
1 [0
¦ 1[
[ ;
– Bei der exponentiellen Abb. (Logit-Modell) dagegen wird jedem Produkt (x0) der Marktanteil (MA) zugeordnet, der dem Anteil seines exponentiellen Nutzens (N) an der Summe der exponentiellen Nutzen der relevanten Produkte (Menge X) entspricht485: Formel (7.12):
0$[0
H
1 [0
H1 ¦ [ ;
[
e steht dabei für die Eulersche Zahl 2,718281828…. Obwohl diese Übersetzungsart grundsätzlich bei beiden oben dargestellten Methoden Anwendung finden könnte, wird sie vor allem angewandt, um den Marktanteil ausgehend von durchschnittlichen Nutzenwerten zu prognostizieren486. Eine Ursache dafür könnte in der erwähnten schlechteren Handhabbarkeit der Individualdaten liegen, die sich im gegebenen Fall der Existenz einer Alternativvorgehensweise schwer rechtfertigen lässt. Bei dieser Methode ergibt sich das Problem, dass kleine Marktanteile überschätzt werden können487, da Produkten von Null verschiedene Kaufwahrscheinlichkeiten zugewiesen werden, denen zwar ein Nutzen zugebilligt wird, die sich aber nur selten gegen die Marktführer durchsetzen könnten. Dies kann im Ergebnis zu zersplitterten Märkten führen. Abbildung 7.8 zeigt zusammenfassend die verschiedenen Möglichkeiten der Marktanteilsermittlung sowie die Vor- und Nachteile der Ermittlungsarten und Betrachtungsebenen. Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 584; Kolvenbach/Krieg/Felten, Evaluating Brand Value, S. 507. 486 So z. B. bei Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden. Die alternative Vorgehensweise findet sich etwa bei Sönke/Brockhoff, Die Gültigkeit der Ergebnisse eines Testmarktsimulators bei unterschiedlichen Daten und Auswertungsmethoden, S. 201. 487 Sönke/Brockhoff, Die Gültigkeit der Ergebnisse eines Testmarktsimulators bei unterschiedlichen Daten und Auswertungsmethoden, S. 211. 485
7.1 Patentbewertung Betrachtungsebene Ermittlungsart
„Mehrheitswahlrecht“
Individuen
(2)
221
Gesamtmarkt
Vorteile
Nachteile
Nicht sinnvoll
- Entspricht Tatsache, dass Produkt tatsächlich gegenüber allen anderen präferiert werden muss, um gekauft zu werden
- Nur für Individualbetrachtung sinnvoll; - Information wird nur z. T. genutzt (Maximumbildung); - Möglichkeit der Überschätzung großer Marktanteile
- Für beide Betrachtungsebenen möglich; - Berücksichtigt gesamte verfügbare Information (alle Nutzenwerte)
- Möglichkeit der Überschätzung kleiner Marktanteile
„Verhältniswahlrecht“
Sinnvoll, aber umständlich
Vorteile
Genaue Berücksichtigung individueller Präferenzen
Einfache Handhabung; Ausgleich von „Ausreißern“
Nachteile
Aufwendige Handhabung
Informationsverlust durch Durchschnittsbildung
(1)
Abb. 7.8. Arten der Marktanteilsermittlung aus dem Produkt
Um die für das vorliegende Problem am besten geeignete Methode auszuwählen, wurde zunächst eine experimentelle Marktsimulation durchgeführt, bei der es weniger auf die genaue Darstellung der realen Marktsituation ankam, als vielmehr darauf, das Verhalten der Methoden auszuloten. Wegen der Irrelevanz der genauen Ausgestaltung dieser Beispiele für die weiteren Betrachtungen sollen hier nur die Erkenntnisse aus diesen Experimenten wiedergegeben werden488. Getestet wurden dabei die beiden in der Abb. mit (1) bzw. (2) bezeichneten Methoden, die in der Literatur auch als die Gebräuchlichsten bezeichnet werden489:
488 489
Für die genauen Daten sei auf Anhang 8 verwiesen. Backhaus/Erichson/Plinke u.a., Multivariate Analysemethoden, S. 584; Sattler, Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 158.
222
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
(1) Die Marktanteile wurden ausgehend von den durchschnittlichen (normierten) Teilnutzenwerten berechnet und zwar nach dem linearen Ansatz (1) und nach dem exponentiellen Ansatz (1*). (2) Die Marktanteile wurden berechnet als Anteil derjenigen Personen, die das jeweilige Produkt auswählen würden. Es stellte sich heraus, dass Methode (2) erwartungsgemäß eine starke und die tatsächlichen Verhältnisse offenbar überschätzende Dominanz der Marktführer prognostizierte. (1*) hingegen führte zur stärksten Marktzersplitterung im Sinne einer Nivellierung der Marktanteile. Methode (1) bewegte sich zwischen diesen Extremen mit zu erwartender Nähe zu Methode (1*). Insgesamt wurde Methode (1) als die Plausibelste befunden und daher für die weiteren Betrachtungen ausgewählt. Szenarienfestlegung:
Ein Problem bei allen denkbaren Arten der Marktanteilsermittlung besteht nun aber noch darin, dass sämtliche relevanten Produkte auf einem Markt berücksichtigt werden müssen, die einen Anteil des Marktes bekommen könnten. Dies liegt formal daran, dass der berechnete Marktanteil sich als Anteil des Nutzens eines Produktes an der Nutzensumme (bei Betrachtung des Gesamtmarktes, also der Gesamtheit der Befragten) bzw. durch Vergleich desselben mit allen anderen Produktnutzen auf dem Markt (bei individueller Betrachtung) ergibt. Folglich sind immer alle relevanten Produktnutzen in die Berechnung einzubeziehen. Auch von der Anschauung her ergibt sich diese Konsequenz, da der Marktanteil eines Produktes nie isoliert von Konkurrenzprodukten bestimmt werden kann, wenn diese – und das ist definitionsgemäß der Fall – in einer Konkurrenzbeziehung zueinander stehen. Daher ist es vor jeder Marktanteilsberechnung nötig, die Marktbedingungen im Sinne der relevanten Produkte festzulegen. Dies beinhaltet die konsistente Modellierung einerseits des aktuellen Marktes, andererseits der zukünftigen trennbaren Babyschalen als Marktangebote. Für letztere werden mehrere Szenarien betrachtet werden, um daraus das Erfolg versprechendste auszuwählen. Hierbei kann es jedoch noch nicht um die Entwicklung einer kompletten Strategie gehen, sondern vielmehr steht die Bestimmung eines wahrscheinlichen Szenarios im Vordergrund, das dann der Wertberechnung zugrunde gelegt werden kann. Aufgrund der hier getroffenen Auswahl an „Musterprodukten“, nämlich einer Stimulizusammenstellung in der Conjoint Analyse derart, dass, wie im Folgenden noch näher erörtert, die für die Betrachtung relevanten Markengruppen ebenso abgedeckt werden wie die interessierende Preisspanne, ist es möglich, eine Vereinfachung bei der Szenariengestaltung vorzuneh-
7.1 Patentbewertung
223
men: Es müssen nicht alle Produkte erfasst werden, sondern es kann vielmehr mit Produktklassen gearbeitet werden, die durch die hier betrachteten Merkmale (Marke, Preis, Trennbarkeit) charakterisiert sind. Ziel der Zusammenstellung ist dabei zunächst die möglichst realistische Abb. des tatsächlichen Marktes490. x Hinsichtlich der Marke wird auf die oben vorgenommene ABC-Analyse zurückgegriffen, deren hier relevante Aussagen noch einmal akzentuierend in Abb. 7.9 dargestellt sind: A-Marken: „Spitzenmarken“ – Römer – Maxi-Cosi
B-Marken: „Mittelgruppe“ – Storchenmühle – Chicco – Concord
– – – – …
C-Marken: „No-Names“ Recaro Hauck Babymax (als Eigenmarke) Nania
Abb. 7.9. Markengruppen491
Im folgenden Simulationsmarkt sollen „Römer“ und „Maxi-Cosi“ als „Spitzenmarken“ jeweils als eigene Klassen betrachtet werden, da dies aufgrund ihres Marktanteils und Bekanntheitsgrades gerechtfertigt erscheint. Die dritte in der Conjoint Analyse erfasste Marke Storchenmühle soll dagegen nicht als eigenständige Klasse, sondern zusammen mit den anderen B-Marken, Chicco und Concord, als „Mittelgruppe“ berücksichtigt werden. Die übrigen Marken (C-Marken) bilden hingegen die Markenklasse der „No-Names“. Als „Mustermarken“ der letzten beiden Klassen werden im Folgenden dennoch aus Gründen der Anschaulichkeit weiterhin die aus der Conjoint Analyse bekannten Bezeichnungen „Storchenmühle“ und „Babymax“, nunmehr aber als beispielhafte Vertreter ihrer jeweiligen Klassen verwendet. x Hinsichtlich des Preises sind verschiedene Klassen von Bedeutung, wobei die vier in der Conjoint Analyse berücksichtigten Preise als nicht ausreichend zu erachten sind, um den gesamten realen Markt (geschweige denn später zusätzlich zu betrachtende trennbare Produkte) zu modellieren. Vielmehr sind weitere Preisstufen dazwischen einzuführen, Vgl. die Aussagen zur MarktAbb. bei Sattler, Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozess, S. 204. 491 Hier wurden die nicht eigenständigen Marken nicht mehr aufgeführt, da sie als potentielle Hersteller nicht in Frage kommen. 490
224
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
wobei sich dadurch allerdings das Problem der Nutzenzuordnung ergibt: Anders als für die ursprünglichen Preisstufen existieren für Zwischenpreise zunächst keine Informationen über den Nutzen, den die potentiellen Kunden diesen beimessen würden. Hier kann allerdings auf die beschriebene Regressionsanalyse zurückgegriffen werden, durch die eben ein solcher Zusammenhang zwischen Preis und Nutzen hergestellt wurde, der nun zur Prognose des Nutzens beliebiger Preise herangezogen werden kann: Indem der Preis als kontinuierliche Variable interpretiert wird, kann jeder beliebigen Ausprägung oder Zwischenstufe ein Nutzen zugeordnet werden. Zu beachten ist hierbei lediglich, dass die Vorhersage nur aus Daten des Preisbereichs zwischen 119 und 209 GTOKVVGNV wurde, daher also nicht für alle denkbaren, sondern nur für in dieser Spanne enthaltene Preise angewandt werden kann. Dies stellt aber aus folgenden Gründen keine substanzielle Einschränkung des Modells dar: – Im Preisbereich unterhalb von 119 UKPF FGT\GKV MGKPG /QFGNNG FGT hier interessierenden Babyschalenkategorie („hochpreisig“) enthalten. Durch die Einführung trennbarer Modelle werden sich die Produkte höchstens verteuern, so dass auch danach dieser Preisbereich ohne Bedeutung bleiben wird. – Derzeit liegen die teuersten Modelle stets unter 150 und der Marktwert der „Trennbarkeit“ wurde oben als etwa 49 berechnet. Daher ist nicht davon auszugehen, dass Preise jenseits von 209 relevant werden. – Bezüglich des Merkmals „Trennbarkeit“ werden, wie in der Conjoint Analyse, die Klassen „trennbare“ und „nicht trennbare“ Babyschalen unterschieden. – Als relevante Modelle des aktuellen Marktes wurden aufgrund der vorgenommenen Marktbeobachtungen die Folgenden festgelegt: Marke Römer Römer Römer Römer Maxi-Cosi Maxi-Cosi Maxi-Cosi Maxi-Cosi Storchenmühle Storchenmühle Babymax
Preis 125 129 135 139 125 129 135 139 119 129 119
Trennbarkeit nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar nicht trennbar
Abb. 7.10. Modellierung der aktuellen Marktsituation
7.1 Patentbewertung
225
Die Idee der Produktklassen ist dabei so zu interpretieren, dass jede der angegebenen Kombinationen von Merkmalsausprägungen („Produkte“) nun für alle auf dem Markt angebotenen Modelle steht, die x unter die gleiche Marke bzw. Markenklasse fallen – damit sind also sämtliche Untermarken bzw. Marken der gleichen Klasse erfasst; x ungefähr den gleichen Preis haben – hier ist aufgrund der Kardinalskaliertheit des Merkmals „Preis“ eine ungefähre Übereinstimmung ausreichend, da kleine Preisänderungen gemäß der stetigen Regressionsfunktion nur zu kleinen Nutzenänderungen führen; x die gleiche Ausprägung bezüglich des Merkmals „Trennbarkeit“ aufweisen. Durch die vorgenommene Modellauswahl für die Marktsimulation wird dabei der unterschiedlich breiten Modellpalette Rechnung getragen, indem die beiden „Spitzenmarken“ Römer und Maxi-Cosi mit jeweils vier Modellklassen berücksichtigt werden, während die „Mittelgruppe“ nur zwei, die „No-Names“ nur eine Modellklasse aufweist. Basierend auf der so festgelegten Marktsituation kann nun der Marktanteil jeder Produktklasse (nach der oben beschriebenen Methode (1)) berechnet werden492. Dadurch ergeben sich Marktanteile von insgesamt 36,6% für „Römer“, 39,2% für „Maxi-Cosi“, 16,5% für „Storchenmühle“ und 7,6% für „Babymax“. Diese Ergebnisse können angesichts der derzeitigen Marktsituation als plausibel angesehen werden493. Auf die gleiche Art lassen sich nun verschiedene Szenarien unter Einbeziehung trennbarer Babyschalen betrachten, um daraus Schlüsse bezüglich der sinnvollsten Verwendung des vorliegenden Patentes zu ziehen. Dabei sollen für jedes Szenario die folgenden Kriterien überprüft werden: x Marktanteil: Dieser wird einerseits auf Plausibilität hin überprüft, denn die Marktanteilsverschiebungen, sowohl zwischen den Marken als auch hin zu trennbaren Schalen, müssen realistisch erscheinen. Andererseits wird es aber auch für eventuelle Argumente gegenüber Lizenznehmern interessant sein, welche Marktanteilszugewinne versprochen werden können.
492
Einen Auszug aus der verwendeten MS Excel-Tabelle, mit der die Simulation durchgeführt wurde, zeigt Anhang 9. 493 Ein interessanter Vergleich bietet sich mit den oben angesprochenen Experimenten zur Methodenauswahl an: Bei diesen wurde ebenfalls unter anderem versucht, die aktuelle Marktsituation abzubilden, wenn auch nur mit den vier Preisen aus der Umfrage. Die Ergebnisse waren dabei aber sehr ähnlich zu den hier erhaltenen (siehe Anhang 9).
226
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
x Stückzahl: Diese berechnen sich durch die multiplikative Verknüpfung der Marktanteile mit dem Marktvolumen, das 24,5% des für 2006 (ein mögliches Startjahr der Produktion) 672.105 Stück umfassenden Gesamtmarktes, also 164.666 beträgt. Die Stückzahlen könnten vor allem für die kleineren Hersteller von Interesse sein wegen der nötigen Kapazitäten, die teilweise erst aufgebaut werden müssten. x Umsatz: Für jedes Szenario wird durch Multiplikation der Stückzahlen mit den verschiedenen Preisen einerseits der Umsatz berechnet, der auf die trennbaren Babyschalen entfällt, da dieser aufgrund seiner entscheidenden Bedeutung für den Wert des vorliegenden Patentes als Zielkriterium bei der Szenarienwahl anzusehen ist. Andererseits sind jedoch auch die Umsätze zu berechnen, die die jeweiligen Hersteller derselben machen bzw. hinzugewinnen können. Zunächst ist jedoch noch die Preissetzung grundsätzlich zu betrachten, da, anders als für das Szenario „Aktuelle Marktsituation“, für Szenarien mit trennbaren Modellen keine preislichen Anhaltspunkte aus der Praxis vorliegen. Hier kann auf die Erkenntnisse bezüglich des „Wertes der Trennbarkeit“ zurückgegriffen werden, der oben zu 49 DGTGEJPGVYurde. Die Berechnung als nutzenausgleichender Preisaufschlag auf das trennbare Produkt legt dabei eine Interpretation als maximal vertretbarer Preisaufschlag nahe, den die Kunden akzeptieren würden. Das bedeutet beispielsweise im Falle der Substitution eines vorhandenen Modells494 durch ein trennbares, um 49 VGWTGTGU FCUU FCU PGWG – ceteris paribus, also ohne sonstige Marktveränderungen – den gleichen Marktanteil bekäme wie das alte Modell. Eine solche Einführung zum höchsten vertretbaren Preis, also eine Skimming- oder Marktabschöpfungsstrategie495 würde aber nicht nur den Verzicht auf mögliche Marktanteilszugewinne bedeuten, sondern wäre zudem riskant, da es für die Kunden keinerlei Anreiz gäbe, das neue Produkt eher zu kaufen als ein vergleichbares altes. Das heißt, die Kunden wären gegenüber einem dem alten vergleichbaren Produkt – insbesondere eines anderen Herstellers – lediglich indifferent. Außerdem handelte es sich auch im Fragebogen nur um hypothetische Fragen nach der Präferenz für noch nicht existente Produkte. Es könnte gerade in diesem sicherheitsrelevanten Bereich, in dem die Qualität gerade der Sicherheitsmerkmale für den Einzelnen schwer einschätzbar ist, in der Realität durchaus zu vorsichtigerem Verhalten kommen. Erfolgversprechender erscheint daher ein 494
Hier wird der Einfachheit halber von Modell gesprochen, obwohl weiterhin nur Modellklassen berücksichtigt werden. 495 Kotler/Bliemel, Marketing Management, S. 820.
7.1 Patentbewertung
227
niedrigerer Preis, der den Kunden einen Anreiz gibt, das neue Produkt auch tatsächlich zu kaufen. Dieser Preis sollte sich – auch aufgrund des Vorsichtsprinzips in Verbindung mit dem Aspekt eventueller Ungenauigkeiten der Vorhersage – nicht zu nahe an der oberen Grenze für den möglichen Preisaufschlag bewegen. Für die Feststellung der möglichen Spanne für den Preisaufschlag ist neben der oberen Grenze jedoch noch eine untere Grenze von Bedeutung. Hierbei handelt es sich allgemein um die zusätzlichen Selbstkosten durch die Trennbarkeit, wobei diese sich zum größten Teil in zusätzlichen Herstellungskosten niederschlagen werden496. Als Anhaltspunkt bezüglich der Höhe dieser Zusatzkosten kann hier auf eine Schätzung des Patentanmelders zurückgegriffen werden, der diese mit 13 XGTCPUEJNCIV YQDGK GT einen Bereich von 10 bis 20 H×TTGCNKUVKUEJJ¼NV497.Trotz der naturgemäßen Ungenauigkeit einer solchen Schätzung, allein schon aufgrund der nötigen Umlage fixer Kosten498 soll diese Schätzung mangels genauerer Informationen den folgenden Überlegungen als Schätzwert der gesamten zusätzlichen Stückkosten zugrunde gelegt werden. Insgesamt ergibt sich somit eine Preisspanne der Trennbarkeit bzw. eine Spanne für den Preisaufschlag zwischen 13 und 49 YQDGK FGT Ienaue Preisaufschlag innerhalb dieser Spanne für jedes Szenario individuell festzulegen ist. Im Folgenden sollen die verschiedenen Szenarien im Einzelnen vorgestellt werden, die alle neben den Produkten des oben modellierten aktuellen Marktes noch verschiedene trennbare enthalten. Welche dies sind, und welcher Umsatz499 sich jeweils für den Gesamtmarkt sowie für die trennbaren Babyschalen ergibt, zeigt Abb. 7.11, die in der Folge näher beschrieben wird. Das Ziel der folgenden Betrachtung ist dabei die Auswahl der sinnvollsten Strategie für die Patentbewertung, das heißt, es soll hier lediglich herausgefunden werden, auf welche realistische Art mit dem Patent der größte Wert generiert werden kann, um darauf aufbauend die genaue Patentbewertung durchzuführen.
Troßmann, in: Corsten/Reiß (Hrsg.), Betriebswirtschaftslehre, S. 305 (331). Persönliche Mitteilung von Herrn Schäfer (Ansprechpartner von Seiten des Patentinhabers) vom 30.11.2004. 498 Troßmann, in: Corsten/Reiß (Hrsg.), Betriebswirtschaftslehre, S. 305 (332). 499 Hier und in den weiteren Betrachtungen ist stets der insgesamt zu erzielende Umsatz gemeint, welcher neben den Umsätzen für die einzelnen Hersteller noch die Handelsspanne und die Umsatzsteuer enthält. 496 497
228
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis Aktuell
21.344.147
0
Römer billig
21.770.208
2.305.866
Römer mittel
21.902.837
2.397.697
Römer teuer
22.029.105
2.482.997
Maxi-Cosi billig
21.795.841
2.444.591
Maxi-Cosi mittel
21.937.338
2.545.764
Maxi-Cosi teuer
22.072.549
2.640.483
Storchenmühle
21.665.447
2.029.638
No-Name
21.522.914
1.790.301
Abb. 7.11. Szenarienübersicht
Zunächst sollen Szenarien betrachtet werden, in denen die trennbaren Babyschalen unter einer der beiden „Spitzenmarken“, Römer und MaxiCosi, vertrieben werden. Für diese sind jeweils verschiedene Möglichkeiten für den Preisaufschlag denkbar, die im Folgenden verglichen werden sollen. Zuerst werden für Römer drei Szenarien entworfen, in denen jeweils ein trennbares Modell zusätzlich zum aktuellen Leistungsprogramm angeboten werden soll. Der Preisaufschlag des trennbaren Modells wird dabei im unteren, mittleren bzw. oberen Bereich der möglichen Spanne angesetzt, wobei der Bezugspunkt stets im bisher teuersten Produkt liegt, da die Einführung eines Zusatznutzens, ohne hier weitergehende Betrachtungen dazu anstellen zu müssen, bei den Premiumprodukten am sinnvollsten und am wahrscheinlichsten erscheint500. Dies führt zu den Szenarien „Römer billig“, „Römer mittel“ und „Römer teuer“. Beispielhaft sind die vollständigen Ergebnisse dieser Szenarien in der Abb. 7.13 festgehalten. Wie diese zeigt, ergeben sich sowohl qualitativ (z. B. Verlauf des Marktanteils in Abhängigkeit vom Preisaufschlag) als auch quantitativ (z. B. Höhe des Marktanteils mit trennbaren Babyschalen) plausible Werte. Bezüglich des Umsatzes mit trennbaren Babyschalen erkennt man zudem, dass die Unterschiede zwischen den drei Varianten relativ gering ausfallen (jeweils weniger als 4% Abweichung von der mittleren Variante), so dass auf eine Optimierung im Sinne der notwendigen Wahl des größten Umsatzes verzichtet werden kann. Vielmehr wird die 500
Die Sinnhaftigkeit ergibt sich insbesondere aus Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft der Kunden, da diejenigen am ehesten bereit sind, mehr zu zahlen für einen Zusatznutzen, die bereits die teuersten und damit regelmäßig am besten ausgestatteten Produkte kaufen.
7.1 Patentbewertung
Produktpreis ( )
229
Aufpreis für Trennbarkeit ( )
Höchstpreis aus Kundensicht
188
+49
„Römer teuer“
179
+40
„Römer mittel“
169
+30
„Römer billig“
159
+20
Mindestpreis für Kostendeckung
152
+13
bisher teuerstes Produkt
139
+0
Abb. 7.12. Preisfestlegung für „Römer“
mittlere Variante für die weiteren Betrachtungen ausgewählt, da diese in Anbetracht der gegebenen Preisspanne als sinnvoll erachtet wird und da die Unterschiede zu den anderen Varianten so gering sind, dass es für den hier vorliegenden Bewertungszweck daher keinen signifikanten Unterschied machen würde. Genauere Überlegungen zur Preisfindung können an dieser Stelle unterbleiben. Analoge Überlegungen wie für Römer können aufgrund der ausgeprägten Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Marken auch für Maxi-Cosi angestellt werden, wobei insbesondere die gleichen Preise anzusetzen sind. Wie aus Abb. 7.13 oben ersichtlich, ergeben sich ähnliche Ergebnisse wie für „Römer“, so dass ebenso verfahren und ein Preis von 169 CPIGPQmmen werden kann501.
501
Die detaillierten Ergebnisse für alle letztlich relevanten Szenarien finden sich in Anhang 10. Hier wurde jedoch aus Platzgründen und, da sich keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse daraus ergeben hätten, von einer Darstellung abgesehen. Dort finden sich daneben auch die Ergebnisse der kombinierten Szenarien, also derer, in denen mehrere Hersteller trennbare Produkte vertreiben. An dieser Stelle geht es aber in erster Linie um die Entwicklung einer Bewertungsgrundlage in Form einer wahrscheinlichen Strategie, so dass die Betrachtung einfacher Szenarien ausreicht: Es ist nicht anzunehmen, dass gleich mehrere Hersteller bzw. Herstellergruppen eine Lizenz nehmen wollen. Daher kann es an dieser Stelle auch dahingestellt bleiben, ob eine einfache oder ausschließliche Lizenz erteilt wird.
230
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Szenario
Gesamt
Trennbar Römer
MaxiCosi
Storchenmühle
Babymax
Marktanteil
100,0%
0,0%
36,6%
39,2%
16,5%
7,6%
Stückzahl
164.666
0
60.328
64.549
27.237
12.552
Umsatz (
21.344.147
0
3.375.501
1.493.637
Marktanteil
100,0%
8,8%
42,2%
35,7%
15,1%
7,0%
„RöStückmer billig“ zahl
164.666
14.502
69.517
58.864
24.838
11.446
Umsatz (
21.770.208
2.305.866
3.078.216
1.362.091
Marktanteil
100,0%
8,6%
42,1%
35,8%
15,1%
7,0%
Stückzahl
164.666
14.188
69.318
58.988
24.890
11.470
Umsatz (
21.902.837
2.397.697
3.084.668
1.364.946
Marktanteil
100,0%
8,4%
42,0%
35,9%
15,1%
7,0%
„RöStückmer teuer“ zahl
164.666
13.871
69.117
59.111
24.943
11.494
Umsatz 22.029.105 (
2.482.997
3.091.147
1.367.813
„Aktuell“
„Römer mittel“
7.958.911 8.516.098
9.563.827 7.766.075
9.670.871 7.782.352
9.771.447 7.798.699
Abb. 7.13. Szenarien für „Römer“
Für die „Mittelgruppe“ um Storchenmühle sowie für die „No-Names“ soll nur jeweils ein Szenario betrachtet werden, da hier in Anbetracht der derzeitigen Marktsituation mit relativ wenigen Modellen auch bei eventuellen
7.1 Patentbewertung
231
neuen Produkten von geringeren Preisspielräumen auszugehen ist502. Der Preisaufschlag müsste hier aufgrund der geringeren Markenbekanntheit und der dadurch auch schwierigeren Aussichten, ein neues System durchzusetzen, geringer ausfallen als bei den „Spitzenmarken“, so dass hier jeweils nur 25 Preisaufschlag angesetzt werden, wodurch sich Preise von 154 für „Storchenmühle“ und 144 für „Babymax“ ergeben. Wiederum sind die wichtigsten Ergebnisse, insbesondere der mit trennbaren Produkten erzielte Umsatz (vgl. Abb. 7.13) ersichtlich. Zusammenfassend lässt sich der Übersicht in Abb. 7.13 entnehmen, dass der größte lizenzierbare Umsatz beim Vertrieb trennbarer Babyschalen durch Maxi-Cosi anfallen würde, allerdings etwa gleichauf mit Römer (etwa 150.000 weniger). Die „Mittelgruppe“ und die „No-Names“ dagegen folgen erst mit größerem Abstand von über 500.000 bzw. über 700.000 Ohne den Details der Verwertungsstrategie vorzugreifen, die die hier angestellten Überlegungen genauer überprüfen wird, können an dieser Stelle die beiden letzteren Möglichkeiten aus finanzieller Sicht für eine Lizenzierung, die wahrscheinlich Gewinne etwa proportional zum Umsatz bedeuten würde, bereits ausgeschlossen werden. Unter den „Spitzenmarken“ ist aufgrund der etwa gleichen Umsätze und in Anbetracht der Ergebnisse der Voruntersuchung Römer der Vorzug zu geben, da bei diesem Hersteller in Anbetracht seiner bisherigen Strategie sowie seiner auch hier festgestellten Position als „Verfolger“ hinter dem Marktführer „Maxi-Cosi“ eine größere Innovationsbereitschaft zu erwarten ist. Daher soll hier angenommen werden, dass von Seiten des Patentinhabers versucht wird, vorrangig Römer als Hersteller trennbarer Produkte, also als Lizenznehmer des vorliegenden Patentes zu gewinnen. Eine weitere Möglichkeit stellt die Eigenfertigung dar. Hierfür kann allerdings die Umsatzschätzung der „No-Names“ verwendet werden, da eine Eigenfertigung, unter der Annahme, dass kein Markenname gekauft oder lizenziert wird503, den Auftritt als unbekannter Hersteller auf diesem Markt bedeuten würde. Hinsichtlich der Umsatzschätzung ist also hier, wie auch im Folgenden, diesbezüglich keine gesonderte Betrachtung nötig. 502
Hier wird also die strenge Annahme der Conjoint Analyse, dass keine Interaktionen zwischen den Merkmalen von Produkten existieren, der Wirklichkeit angenähert, indem anerkannt wird, dass es sehr wohl einen Unterschied machen kann, wer eine solche neue Technologie anbietet. 503 Diese Möglichkeiten sollen hier nicht gesondert betrachtet werden. Einerseits würde sich die Gewinnschätzung sehr schwierig gestalten mangels Anhaltspunkten zur Kostenschätzung. Andererseits wären die bisherigen Hersteller im Sinne der eigenen Kapazitätsauslastung und Markenpolitik wahrscheinlich nicht willens, ihre Markennamen zur Verfügung zu stellen.
232
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass nun ein Modell vorliegt, mit dem der Babyschalenmarkt für sämtliche relevanten Szenarien simuliert werden kann, um insbesondere den Marktanteil der trennbaren Produkte zu bestimmen. Dieses bildet die Grundlage für eine ertragsorientierte Patentbewertung, da es, wie gerade vorgeführt, zusammen mit den zuvor bestimmten Daten zur Marktgröße eine Berechnung des zu erwartenden patentinduzierten Umsatzes ermöglicht. Mehrperiodige Betrachtung
Um das im vorigen Kapitel entwickelte Einperiodenmodell auf mehrere Perioden auszudehnen, ist zunächst der Zeitwert des Geldes einzuarbeiten, was über einen Kapitalkostensatz geschehen wird. Danach können die oben eingeführten einperiodigen Szenarien auf den interessierenden Betrachtungszeitraum ausgedehnt werden, um den jeweils resultierenden Umsatzbarwert zu berechnen. Am Ende ist noch das technologische Risiko in Form eines Zinsaufschlages einzuarbeiten, um mit dem resultierenden Kalkulationszinssatz schließlich zu endgültigen Umsatzwerten zu gelangen. Berechnung des Kapitalkostensatzes
Bei der Betrachtung von Zahlungsströmen, die sich über mehrere Jahre erstrecken, also bei mehrperiodigen Betrachtungen, wie sie vor allem im Rahmen der Investitionsrechnung üblich sind, ergibt sich grundsätzlich das Problem, dass Zahlungen in verschiedenen Jahren unterschiedlichen Wert haben (Zeitwert des Geldes). Die Berücksichtigung dieser Tatsache muss durch eine Diskontierung der Zahlungen erfolgen, bei der letztere auf einen einheitlichen Zeitpunkt, gewöhnlich den Beginn der betrachteten Zahlungsreihe, bezogen und dadurch vergleichbar und insbesondere addierbar werden504. Bei dieser Abzinsung stellt sich generell die Frage, welche Höhe der dazu verwendete Diskontierungszinssatz haben sollte. Dazu ist es notwendig zu betrachten, welche Aspekte mit in den Zinssatz einfließen, welche Risiken dieser also erfassen soll. Unabhängig von der Art der betrachteten Investition ist dazu zunächst das allgemeine Geschäfts- und Marktrisiko zu betrachten und zu quantifizieren. Für die Berücksichtigung des Geschäfts- und Marktrisikos sind dabei die in der Kapitalmarkttheorie weit verbreiteten Ansätze des Capital Asset Pricing Model (CAPM) oder die Arbitrage Pricing Theory (APT) denkbar, deren Eignung im Anschluss untersucht werden soll. Das technologische 504
Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 58.
7.1 Patentbewertung
233
Risiko soll dann nach Berücksichtigung der Struktur der Cash Flows auf den durch eines der beiden Verfahren ermittelten Kapitalkostensatz aufgeschlagen werden. Die auf Ross zurückgehende Arbitrage Pricing Theory ist, wie das CAPM ein gleichgewichtstheoretischer Ansatz innerhalb der Kapitalmarkttheorie, um Höhe und Einflussfaktoren der Risikoprämie zu bestimmen505. Dabei ermöglicht es die APT, einzelne Risikokomponenten differenziert zu betrachten. Diese mehrdimensionale Analyse der Risikoquellen setzt jedoch voraus, dass die einzelnen Risikokomponenten exakt bewertet werden können506, was bei vorliegender Investitionsentscheidung nicht gegeben ist. Das von Sharpe, Lintner und Mossin entwickelte Capital Asset Pricing Model hingegen ist ein marktorientierter und somit objektiver Ansatz zur Berücksichtigung des Risikos bei Investitionsentscheidungen507. Es ermöglicht die systematische Einbeziehung des Risikos, ohne Annahmen über die konkrete Risikoneigung des Investors treffen zu müssen. In diesem Modell ergibt sich die Risikoprämie einer Branche, im vorliegenden Fall die der Produzenten von Kindersitzen, als multiplikative Verknüpfung des Marktpreises für die Risiken mit dem individuellen Risikoprofil der Branche. Dabei wird das Branchenrisikoprofil durch den so genannten -Faktor ausgedrückt, welcher sich aus dem Quotient aus der Kovarianz zwischen der Rendite der Branche und des Gesamtmarktportefeuilles und der Varianz des Gesamtmarktportefeuilles errechnet508. Basis der Betrachtungen im CAPM ist also der Vergleich der Volatilität der Aktien der betrachteten Branche mit der Gesamtmarktvolatilität. Zwar werden die Unternehmen, die Kindersitze produzieren, selbst nicht an den Kapitalmärkten gehandelt, da es sich nicht um Aktiengesellschaften sondern überwiegend um GmbHs handelt. Es kann jedoch hier auf ein Vergleichsportfolio, bestehend aus Firmentiteln der Automobil- und Automobilzubehörindustrie, zurückgegriffen werden, da der Absatz von Kinderautositzen stark mit dem Absatz bzw. den Neuzulassungen von PKW korreliert509. Im Folgenden soll nun also der Kapitalkostensatz auf Grundlage des CAPM bestimmt werden. Dabei begründen Modigliani und Miller im so Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 229. Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 23 und S. 289. 507 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 119 ff. 508 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 229. 509 Kindersitze in Europa, InterConnection Consulting Group, http://www.interconnectionconsulting.com/de/Automobil/ KindersitzeKinderwagen/Presse/Presseaussendung_Kindersitze_in_Europa_ 2003.htm vom 31.01.2005. 505 506
234
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
genannten Separationstheorem, dass der Kapitalkostensatz für eine Investition unabhängig von der Finanzierung zu sehen ist510 (Separation von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen). Die Kapitalstruktur bzw. der Verschuldungsgrad, also das finanzwirtschaftliche Risiko eines Unternehmens, haben demnach keinen Einfluss auf das hier zu betrachtende leistungswirtschaftliche Risiko. Es kann im Weiteren von einem einheitlichen, durchschnittlichen Kapitalkostensatz511 ausgegangen werden. Dieser ergibt sich zunächst ohne Berücksichtigung des technologischen Risikos damit nach Formel (38). Formel (7.13):
UG rd
iR rM
= = = =
L 5 E U0 L5
Durchschnittlicher Kapitalkostensatz Beta-Faktor Risikoloser Marktzinssatz Durchschnittliche Marktrendite
Der Diskontierungszinssatz besteht also aus einer risikolosen Komponente zuzüglich der Überrendite des Marktes, welche noch mit dem das Branchenrisikoprofil abbildenden Beta-Faktor gewichtet wird. Nun folgend sollen die einzelnen Bestandteile des Kapitalkostensatzes für die patentinduzierte Zahlungsreihe schrittweise bestimmt und schließlich verrechnet werden. Bezüglich der risikolosen Komponente wird dabei auf den Zinssatz aktueller Bundesanleihen512 entsprechender Laufzeit513 zurückgegriffen, welcher zurzeit 3,75% beträgt. Die durchschnittliche Marktrendite rM wurde durch
Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 22. Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 280. 512 o.V., Emission von Bundesanleihen, Bundesobligationen, Bundesschatzanweisungen und unverzinslichen Schatzanweisungen des Bundes seit 1999 (chronologisch), Deutsche Bundesbank vom 05.01.2005. Emissionstitel: 3,75% BundAnleihe von 2004 (2015) -Aufstockung-; ISN//WKN: DE0001135267//113526. 513 Der Zinssatz von Titeln mit 10-jähriger Laufzeit ist dem 20-jähriger Anleihen, was der maximalen Patentlaufzeit entspricht, sehr ähnlich. Aufgrund der Verfügbarkeit der entsprechenden Daten wird hier und bei den folgenden Renditebetrachtungen von einer 10-jährigen Laufzeit ausgegangen. 510 511
7.1 Patentbewertung
235
exponentielle Glättung514 der jeweils zehnjährigen Renditen des Deutschen Aktien Index (DAX)515 über die vergangenen dreißig Jahre errechnet. Es ergab sich eine durchschnittliche, geglättete Rendite von 9,65%. Der bereits dargestellte -Faktor stellt innerhalb des Kapitalkostensatzes die Gewichtung der Überrendite dar. Ist er größer als 1, so bedeutet dies, dass die betrachtete Branche volatiler als der Gesamtmarkt ist. Ist dieser Faktor hingegen entsprechend kleiner als 1, so ist die Schwankungsbreite des Branchenportefeuilles geringer als die des Marktes und in der Folge der Kapitalkostensatz niedriger. Berechnet wird der -Faktor wie folgt516: Formel (7.14):
EL Ei Ri R m
&29 5L , 5P 9$5 5P
= Beta-Faktor des betrachteten Branchenportefeuille i = Durchschnittliche Rendite des Portefeuille i = Durchschnittliche Marktrendite
Wie eingangs bei den grundsätzlichen Überlegungen zum CAPM diskutiert, liegen für die Herstellerunternehmen der Babyschalen selbst keine Marktrenditen vor, es kann jedoch, wie bereits erwähnt, auf ein Vergleichsportfolio der entsprechenden Branche, welcher die Hersteller der Sitze zuzuordnen sind, zurückgegriffen werden. Gewählt wurde dazu der DJ Euro STOXX Automobiles & Parts Index517. Für die darin repräsentierten europäischen Firmen der Automobilindustrie und der Zulieferer dieser Branche wurden die Beta-Faktoren der Unternehmen entsprechend ihres Kapitalisierungsanteils am Gesamtindex gemittelt518, was zu einem -Faktor
514
Die dazu verwendete Formel einschließlich der zugrunde liegenden Renditen befindet sich im Anhang 11 dieser Arbeit. Als Glättungsfaktor wird üblicherweise ein Wert zwischen 0,05 und 0,25 festgelegt (Hansmann, in: Corsten (Hrsg.), Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, S. 806 (808)). Hier erscheint angesichts der relativ hohen Schwankungsbreite der Zeitreihenwerte ein Glättungsparameter von 0,2 als angebracht. 515 o.V., DAX-Renditedreieck 1.Hj.2004, Deutsches Aktieninstitut e.V. vom 26.01.2005. 516 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 280. 517 o.V., Component Data for sector indexes, STOXX Limited vom 26.01.2005. 518 Die vollständige Berechnung, welche mittels MS Excel durchgeführt wurde, befindet sich in Anhang 12.
236
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
von 0,9727 geführt hat. Somit lässt sich der Kapitalkostensatz gemäß obiger Formel berechnen. Formel (7.15):
UG
3,75% 0,9727 9,65% 3,75% 9,49%
Es ergibt sich also Kapitalkostensatz von 9,49%. Bildung mehrperiodiger Szenarien
Die Erkenntnisse zum Zeitwert des Geldes lassen sich nun dafür nutzen, das oben entwickelte Einperiodenmodell auf mehrere Perioden auszudehnen. Dafür muss ein Technologie-Lebenszyklus519 des vorliegenden Patents vorhergesagt werden, der sich an gängigen Mustern orientieren kann520: Zunächst wird ein Anstieg des Umsatzes (hier im Sinne des Marktanteils) erfolgen, der sich in den Phasen Einführung und Wachstum vollzieht. Dann wird es zu einer Sättigungsphase kommen, in der der Marktanteil konstant bleibt. Schließlich wird das Patent, wie jedes andere, irgendwann obsolet werden oder auslaufen. Dieser Lebenszyklus kann hier modelliert werden, indem zusätzlich zu dem bereits angenommenen Bewertungsszenario, bei dem Römer die Babyschalen in den Markt einführt, ein Folgeszenario festgelegt wird, das einerseits wünschenswert, andererseits aber auch realistisch sein muss. Dabei werden lediglich die ersten Jahre nach Markteinführung genau betrachtet, wohingegen für die Folgejahre eine gleich bleibende Situation unterstellt wird. Dieses Vorgehen, das etwa in der Unternehmensbewertung üblich ist521, berücksichtigt die große Unsicherheit von Zahlungen, die weit in der Zukunft liegen, indem es die sichereren Zahlungen durch konstante Cash Flows extrapoliert. Dies bietet sich auch hier an, da es schwierig wäre, detaillierte Aussagen über den Markt nach mehreren Jahren zu treffen. Zwar handelt es sich um einen relativ stabilen Markt, jedoch dürfte gerade die Einführung der hier betrachteten Technologie zu einigen Verwerfungen
Kotler/Bliemel, Marketing Management, S. 572 ff. Die Lebenszyklusanalyse ist zwar nur bedingt zur konkreten Prognose etwa von Umsatzverläufen geeignet (Meffert, Marketing, S. 459 (464), jedoch kann sie hier als konzeptioneller Rahmen für die weiteren Überlegungen dienen, da sie ein geschlossenes Modell darstellt, das, wie hier angebracht, verschiedene Phasen der Nachfrageentwicklung beschreibt. 521 Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 233. 519 520
7.1 Patentbewertung
237
führen, deren Ausgang noch nicht absehbar ist. Konkret erscheint hier ein Zeitraum von fünf Jahren als angebracht. Berücksichtigt werden kann jedoch die Entwicklung der Gesamtmarktgröße durch den in der Marktvoruntersuchung festgestellten Geburtenrückgang. Dabei ergibt die Entwicklung der Geburtenrate von 900.000 im Jahre 1990 auf 723.000 im Jahre 2002 einen mittleren jährlichen Rückgang von 1,81%, was auf die Betrachtungsperioden extrapoliert werden kann522. In dem betrachteten Fünf-Jahres-Zeitraum wird dabei wie oben erläutert voraussichtlich zunächst Römer in die Fertigung und den Vertrieb trennbarer Babyschalen einsteigen. Maxi-Cosi hat sich in der Vergangenheit als weniger innovativ erwiesen als Römer, wird sich aber angesichts der vorhergesagten deutlichen Umsatzverschiebungen nicht auf Dauer der neuen Technologie verschließen können, will es nicht dauerhaft als Marktführer verdrängt werden. Ein Markteintritt im vierten Jahr nach der Einführung, also mit drei Jahren Zeitverzögerung erscheint plausibel. Die B- und C-Marken werden sich am Anfang wohl zurückhalten, da es für Hersteller, die sich ohnehin eher durch ihren niedrigen Preis differenzieren, nicht sinnvoll erscheint, die etablierten „Spitzenmarken“ durch einen Zusatznutzen herauszufordern. Vielmehr dürften sie abwarten, wie sich die neue Technologie entwickelt, um sie erst dann selbst zu übernehmen, wenn sie dadurch ihre Marktanteile ernsthaft gefährdet sehen, sich der anfängliche Zusatznutzen oder Point of Difference also zu einem Muss oder Point of Parity523 auf diesem Markt entwickelt hat. Da dies einige Zeit dauern dürfte, unter anderem auch, da sich die Produkte erst nach einiger Zeit auf dem, das Bewusstsein vieler Kunden bestimmenden, Gebrauchtmarkt durchsetzen werden, wird hier mit einem Markteintritt von Anbietern wie Storchenmühle oder gar „No-Names“ nicht vor dem fünften Jahr nach Einführung, also aufgrund der Beschränkung der Betrachtung auf die ersten fünf Jahre, effektiv nicht während der Patentlaufzeit, gerechnet. Eine Veranschaulichung dieses Verlaufs, bei dem die trennbaren Produkte einen Marktanteil von 8,6% in den ersten drei Jahren bzw. von 16,3% ab dem vierten Jahr bekommen werden, findet sich in der linken Spalte von Abb. 7.14 („Einfache Lizenzierung“). Die damit erzielbaren Umsätze, die noch von der jeweiligen Marktgröße in den einzelnen Jahren abhängen, wurden, ebenso wie für die folgenden Szenarien, mit MS – Excel berechnet.
522
Die vollständige Extrapolation und die resultierenden Marktvolumina der einzelnen Jahre finden sich in Anhang 13. 523 Keller, Strategic Brand Management, S. 74.
238
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Jahr "Einfache Lizenzierung"
"Exklusive Lizenzierung"
"Eigenverwertung"
2006
Römer 169
Römer 169
Babymax 144
2007
Römer 169
Römer 169
Babymax 144
2008
Römer 169
Römer 169
Babymax 144
2009
Römer 169 Maxi-Cosi 169
Römer 169
Babymax 144
2010
Römer 169 Maxi-Cosi 169
Römer 169
Babymax 144
2011
Römer 169 Maxi-Cosi 169
Römer 169
Babymax 144
…
…
2025
Römer 169 Maxi-Cosi 169
… Römer 169
… Babymax 144
Abb. 7.14. Mehrperiodige Szenarien
Da das Szenario „Einfache Lizenzierung“ als Ausdehnung des oben entwickelten Einperiodenszenarios als wahrscheinlichstes anzusehen ist, soll es im Folgenden als Referenzszenario verstanden werden, für das die Bewertung in erster Linie durchgeführt wird524. Daneben sind zwei andere wichtige Szenarien zu betrachten, die insbesondere als Alternativen in Betracht kommen. Einerseits bestünde die Möglichkeit, eine ausschließliche Lizenz an Römer zu vergeben, wie in der mittleren Spalte von Abb. 7.14, „Umsatz trennbar Exklusive Lizenzierung“ dargestellt. Damit würden also nur Umsätze trennbarer Babyschalen von einem Hersteller mit einem Marktanteil der trennbaren Produkte von insgesamt 8,6% anfallen.
524
Die Richtigkeit dieser Wahl auch unter Gewinnaspekten wird zwar nach der vollständigen Bewertung noch zu prüfen sein, jedoch soll aufgrund der bisherigen Erkenntnisse an dieser Stelle von seiner Optimalität im Sinne der sinnvollsten Lösung ausgegangen werden.
7.1 Patentbewertung
239
Weiterhin ist noch das Szenario „Eigenfertigung“ unter dem Namen „Babymax“ (oder einem anderen nicht bereits existenten Namen) zu betrachten, da es möglich wäre, dass dies einen höheren Gewinn verspricht, was später untersucht werden soll. Den Verlauf für dieses Szenario zeigt die rechte Spalte in Abb. 7.14 („Umsatz trennbar Eigenfertigung“). Berücksichtigung des technologischen Risikos
Allerdings würde die Betrachtung des so gebildeten Szenarios in dieser Form bedeuten, dass der Lebenszyklus des vorliegenden Patents sicher durch Auslaufen nach zwanzig Jahren enden wird. Dies kann aber nicht sicher angenommen werden, sondern es ist vielmehr das Risiko eines früheren Abklingens der Lebenszykluskurve zu berücksichtigen, das insbesondere525 durch eine Substitution der hier betrachteten Technologie bewirkt werden könnte. Dieses technologische Risiko soll nun durch einen Aufschlag auf den ermittelten Kapitalkostensatz abgebildet werden. Dieser Zinsaufschlag mindert den Barwert der Zahlungsreihe und stellt somit einen Abschlag für das Risiko dar, dass durch weitere technische Innovationen eine Gewichtsreduktion der Trageschale auch auf anderem Wege als dem der Trennbarkeit erreicht werden könnte und in der Folge die patentinduzierten Cash Flows gemindert werden oder gänzlich abbrechen. Zunächst ist zu betrachten, auf welche Weise eine Substitution des vorliegenden Patents möglich wäre. Da das Prinzip, durch Trennbarkeit der Schale einen großen Teil des Gesamtgewichts des Sitzes im PKW belassen zu können, bereits durch die Patentschrift geschützt wird, müsste man durch technische Neuerungen das Gewicht der Gesamtschale erheblich reduzieren. Dies wäre insbesondere durch Fortschritte in der Materialforschung denkbar. Zu diesem Zweck wurde die Meinung eines Experten auf dem Gebiet Kunststoff und Polymermischungen, Professor J. Karger-Kocsis526, eingeholt. Demnach wäre die Aufgabe, das Gewicht einer Babyschale erheblich zu reduzieren, kosteneffizient lediglich mit so genannten Kunststoffschäumen zu realisieren. Da diese jedoch momentan und auf absehbare Zeit nicht den hohen, für die Kinderautositze erforderlichen Sicherheits525
Eine grundlegende Veränderung der Kundenbedürfnisse im Sinne einer Geringschätzung des leichteren Tragegewichts von Babyschalen, die ebenfalls ein Abklingen der Nachfrage nach trennbaren Babyschalen bewirken könnte, ist nicht zu erwarten und kann daher vernachlässigt werden. 526 Persönliche Mitteilung von Herrn Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Karger-Kocsis (Institut für Verbundwerkstoffe GmbH) vom 16.12.2004.
240
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
und Stabilitätsanforderungen genügen können, kann von dieser Seite zumindest kein konkretes, quantifizierbares Risiko abgeleitet werden. Das Risiko der Patentsubstitution soll deshalb anhand der durchschnittlichen effektiven Patentlaufzeit quantifiziert und in einen Risikoaufschlag überführt werden. Die durchschnittliche Patentlaufzeit beträgt für deutsche und europäische Patente etwa zwölf Jahre527, wobei jedoch bis zum Beginn des Betrachtungszeitraums 2006 bereits ein Jahr der Patentlaufzeit vergangen sein wird, so dass das beschriebene Referenzszenario betrachtet und der technologische Risikozuschlag so festgelegt wird, dass eine elfjährige Zahlungsreihe ohne Risikoaufschlag wertmäßig einer entsprechenden risikobehafteten neunzehnjährigen Zahlungsreihe entspricht. Es wird das Substitutionsrisiko folglich über einen Cash Flow-Abbruch der zuvor geschätzten Zahlungsreihe bereits nach elf statt den noch maximal möglichen neunzehn Jahren modelliert528. Die wertmäßige Gleichheit der beiden Barwerte stellt sich bei einem technologischen Risikoaufschlag, welcher als itech bezeichnet werden soll, von 4,05% ein. Der zuvor ermittelte Kapitalkostensatz rd von 9,49% kann durch Addition somit in einen Kalkulationszinssatz rd’ von 13,54% überführt werden. Dadurch ist es möglich, in den Szenarien weiterhin von bis zu neunzehn Perioden auszugehen, wobei das kontinuierlich vorhandene Risiko einer Verdrängung der doppelschaligen Sitze über die Diskontierungsgröße berücksichtigt wurde. Mit diesem endgültigen Kalkulationszinssatz kann nun der verbarwertete Umsatz über die nächsten neunzehn Jahre für die drei betrachteten Szenarien angegeben werden:
Szenario Verbarwerteter Umsatz
„Einfache Lizenzie-
„Exklusive Lizen-
rung“
zierung“
22.773.319
14.629.449
„Eigenverwertung“
10.923.448
Abb. 7.15. Verbarwerteter Umsatz mit trennbaren Produkten Berücksichtigung der Unsicherheit
Nachdem in den letzten beiden Kapiteln zuerst ein deterministisches Einperiodenmodell zur Umsatzschätzung entwickelt und dieses dann auf mehrere 527 528
Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (842). Die Berechnung hierzu musste mittels einer Simulation in MS Excel durchgeführt werden, da eine geschlossene Berechnung des Aufschlages nicht möglich ist.
7.1 Patentbewertung
241
Perioden ausgedehnt wurde, sollen in diesem Kapitel nun weitergehende Betrachtungen zur Eintrittswahrscheinlichkeit des errechneten Umsatzes angestellt werden. Dafür wird ein stochastisches Mehrperiodenmodell erzeugt. Während die obigen Betrachtungen im Sinne eines deterministischen Modells einen bestimmten Verlauf der Durchsetzung der hier betrachteten Technologie (durch Lizenznahme) voraussetzten, um davon ausgehend den für das vorliegende Patent relevanten Umsatz zu schätzen, soll nun der Tatsache Rechnung getragen werden, dass diese Verläufe mit Unsicherheiten behaftet sind. Konkret sollen den verschiedenen denkbaren Situationen Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden, um daraus eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Umsätze zu generieren. Während die Umsatzprognosen für die einzelnen Szenarien dabei mangels Anhaltspunkten für Variationen als sicher angenommen werden, ergibt sich der stochastische Charakter des zu entwickelnden Modells aus der Tatsache, dass nicht sicher ist, welche Hersteller sich dafür entscheiden trennbare Produkte anzubieten, also eine Lizenz zu nehmen. In Anbetracht der Einschätzung der Hersteller aus der Voruntersuchung lassen sich jedoch für die verschiedenen Markengruppen Wahrscheinlichkeiten schätzen, mit denen sie ein trennbares Modell in ihr Programm aufnehmen werden. Damit wird hier also von Risikosituationen ausgegangen, bei denen, im Gegensatz zu Situationen der Ungewissheit, Eintrittswahrscheinlichkeiten für die verschiedenen möglichen Ereignisse angegeben werden können529, wenn dies auch hier lediglich subjektiv zugeordnete Wahrscheinlichkeiten sein können. Daher bietet sich das Verfahren der Risikoanalyse an, mit dem sich eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der interessierenden Größe, hier des verbarwerteten Umsatzes, generieren lässt, indem alle dafür relevanten Wahrscheinlichkeitsverteilungen, hier die für die Lizenznahmen der einzelnen Hersteller, in ihrem Zusammenwirken betrachtet werden530. Wie dies im Einzelnen geschieht, soll im Folgenden gezeigt werden, wobei weiterhin besonderes Augenmerk auf das Szenario „Einfache Lizenzierung“ gelegt wird, da vor allem für dieses letztlich eine Eintrittswahrscheinlichkeit angegeben werden soll. Dafür werden, abgesehen von der oben bereits vorgenommenen Beschränkung des Betrachtungszeitraumes auf fünf Jahre mit anschließender unveränderter Fortsetzung, folgende Annahmen getroffen:
529 530
Ossadnik, in: Corsten/Reiß (Hrsg.), Betriebswirtschaftslehre, S. 127 (142). Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 121.
242
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
x Es werden die bereits beschriebenen vier Gruppen von Herstellern betrachtet, also „Römer“, „Maxi-Cosi“, „Storchenmühle“ und „Babymax“, wobei sich jeweils nur die Gruppe als Ganzes für oder gegen eine Lizenznahme entscheiden kann. Dies stellt bei den beiden erstgenannten ohnehin kein Problem dar, da es sich um Einzelhersteller handelt. Bei den anderen kann die Annahme einerseits damit begründet werden, dass im Falle der Entscheidung eines Herstellers für die Trennbarkeit andere vergleichbare schnell nachziehen werden, da diese wahrscheinlich in engem Wettbewerb miteinander stehen. Andererseits kann argumentiert werden, dass, sollte dies nicht der Fall sein, der betreffende Hersteller wahrscheinlich in der Lage wäre, deutliche Marktanteilszugewinne zu Lasten der anderen vergleichbaren Hersteller zu erreichen. x Die Produktions- bzw. Lizenzierungsentscheidungen können jährlich getroffen werden, so dass also vereinfachend von einheitlichen Entscheidungszeitpunkten jedes Jahr ausgegangen wird. Dies sollte keine zu große Einschränkung der Realitätsnähe des Modells darstellen, insbesondere da ohnehin von Zeitspannen zwischen der Entscheidung zur Produktion und dem eigentlichen Produktionsstart (wenigstens in der Größenordnung von Monaten) auszugehen ist. Es handelt sich also nicht um derart kurzfristige Vorgänge, dass ein engeres Raster vonnöten wäre. Eine zu erwähnende Folge dieser Annahme ist jedoch, dass bei strenger Interpretation für jedes Jahr simultane Entscheidungen der Hersteller vorausgesetzt werden. Allerdings würde sich das Modell auch mit einer schnellen Imitation innerhalb eines Jahres, ermöglicht etwa durch geeignete Frühwarnsysteme mancher Hersteller, durchaus vertragen, da ohnehin Unterschiede im Produktionsstart von weniger als einem Jahr vernachlässigt werden. Insofern macht diese Ungenauigkeit das Modell gleichzeitig robuster. x Die Wahrscheinlichkeit eines Anbieters für den Markteintritt ist abhängig von genau zwei Faktoren: – welches Jahr nach der Vorstellung des Patents betrachtet wird, also der Frage, wie lange das Patent bereits zur Lizenzierung angeboten wird und – der Tatsache, ob bereits ein Anbieter trennbare Produkte anbietet. x Wenn ein Anbieter einmal beschlossen hat, trennbare Produkte herzustellen, wird er für die interessierende Zeit an der Entscheidung festhalten. Es werden also effektiv nicht Produktions-, sondern nur Einstiegswahrscheinlichkeiten betrachtet, wobei alle Ausstiegswahrscheinlichkeiten auf Null gesetzt werden. x Es wird der oben berechnete Diskontierungszins benutzt, um sowohl den Zeitwert des Geldes, als auch die relevanten Risiken zu berücksichtigen.
7.1 Patentbewertung
243
x Es wird zunächst von Patentverlängerungsentscheidungen abgesehen, da diese die ohnehin schon sehr komplexe Berechnung noch weiter verkompliziert hätten. Es wird also von der vollen Patentlaufzeit ausgegangen, was an späterer Stelle noch zu überprüfen sein wird. Im Einzelnen wurden die in Abb. 7.16 angegebenen Wahrscheinlichkeitswerte für die einzelnen genau betrachteten Jahre, jeweils für den Einstieg als erster Hersteller bzw. als Nachzügler531, angenommen. Für jedes Jahr lässt sich also ein wahrscheinlichkeitsbewerteter „Ereignisbaum“532 für die Entscheidungen der vier Hersteller angeben, wie es die folgende Abb. 7.17 zeigt. Aus diesen Bäumen lassen sich zwecks kompakterer Beschreibung binäre Quadrupel ableiten, die die jährlichen Szenarien Jahr nach Vorstellung
Römer
Maxi-Cosi
Storchenmühle
No-Names
1 (als erster)
60%
15%
2%
2%
1 (als Nachzügler)
70%
30%
5%
5%
2 (als erster)
55%
10%
1%
1%
2 (als Nachzügler)
70%
30%
5%
5%
3 (als erster)
55%
10%
1%
1%
3 (als Nachzügler)
85%
55%
10%
10%
4 (als erster)
55%
10%
1%
1%
4 (als Nachzügler)
90%
70%
30%
30%
5 (als erster)
55%
10%
1%
1%
5 (als Nachzügler)
85%
85%
55%
55%
Abb. 7.16. Wahrscheinlichkeiten für Lizenznahme. 531
Die Zeile „1 (als Nachzügler)“ wurde nur der Vollständigkeit halber aufgenommen, wird allerdings für die eigentliche Berechnung nicht relevant, da definitionsgemäß im ersten möglichen Produktionsjahr kein Hersteller Nachzügler sein kann. 532 Hierbei handelt es sich nicht um einen tatsächlichen Ereignisbaum in dem Sinne, dass sequentielle Entscheidungen getroffen werden, sondern es erfolgen annahmegemäß parallele Entscheidungen der Hersteller. Dennoch wurde diese Darstellung gewählt, da sich damit anschaulich das Zustandekommen der „Produktionsentscheidungskombinationen“ und vor allem die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten für die Jahresszenarien oder Situationen erklären lassen.
244
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
des Grundmodells (die jetzt in Abgrenzung zu den mehrperiodigen Szenarien als Situationen bezeichnet werden sollen) also die Lizenzierungs- oder Produktionsentscheidungen bezüglich trennbarer Babyschalen der vier Hersteller, in der Reihenfolge der Baumknoten, symbolisieren.
0 0 0,85
Maxi-Cosi 0
0,15 1
0,4
Storchenmühle
0 0,98 0,02 1
Babymax
Storchenmühle
0 0,98 0,02 1
Babymax
Babymax
Babymax
Römer 0,6 1
0 0,85
Maxi-Cosi
0,15 1
Storchenmühle
0 0,98 0,02 1
Babymax
Storchenmühle
0 0,98 0,02 1
Babymax
Babymax
Babymax
1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
Situation Wahrscheinlichkeit 33,00% 0,66% 0,66% 0,98 0010 0,02 0,01% 0011 5,76% 0,98 0100 0,02 0,12% 0101 0,12% 0,98 0110 0,02 0,00% 0111 48,98% 0,98 1000 0,02 1,00% 1001 1,00% 0,98 1010 0,02 1011 0,02% 8,64% 0,98 1100 0,02 0,18% 1101 0,18% 0,98 1110 0,02 1111 0,00% 0,98 0000 0,02 0001
Römer Maxi-Cosi Storchen- Babymax mühle
Abb. 7.17. Ereignisbaum für Situation des ersten Jahres533
Der hervorgehobene Pfad zeigt dabei die Anfangsentscheidungen der Hersteller für das Szenario „Einfache Lizenzierung“, wobei sich die Wahrscheinlichkeit für die betreffende Situation („nur Römer produziert trennbare Modelle“, „1000“) aus der Multiplikation der zu dieser Situation führenden Einzelwahrscheinlichkeiten ergibt, also 0,6 u 0,85 u 0,98 u 0,98 = 0,4898 = 48,98%. Die Berechnung der Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Umsätze gestaltet sich nun folgendermaßen: Zunächst werden die einzelnen möglichen Szenarien generiert, wobei darunter hier Pfade durch den in Abb. 7.18 auszugsweise angedeuteten Ereignisbaum der möglichen Situationen über den Prognosezeitraum (also die ersten fünf Jahre der Patentlaufzeit) zu verstehen sind.
533
Für die eigentlichen Wahrscheinlichkeitsberechnungen wurden nicht solche Bäume verwendet, sondern bedingte Formeln in MS Excel.
7.1 Patentbewertung -DKU 33,00%
0,66%
-DKU
-DKU
-DKU
-DKU
245
-DKU Pfadwahrscheinlichkeiten: 100,00%
0,66%
36,45% 63,75%
48,98%
34,30%
20,25%
0,78%
0,96%
0,71%
0,00%
100,00%
Abb. 7.18. Verlaufsbaum für Wahrscheinlichkeitsbetrachtung534
In jedem Knoten dieses Baumes haben die vier Hersteller also die Möglichkeit, sich für einen Einstieg in die neue Technologie (1) oder dagegen (0) zu entscheiden, so dass sich die verschiedenen gerade hergeleiteten Situationen ergeben können. Ein Entscheidungspfad oder Szenario ergibt sich, indem man den Verlaufsbaum von links nach rechts durchläuft, indem in jedem Jahr die passende Produktionsentscheidungskombination betrachtet wird. Speziell für das hier betrachtete Referenzszenario „Einfache Lizenzierung“ ist der betreffende Pfad in Abb. 7.18 hervorgehoben: Im ersten bis vierten Jahr produziert nur Römer trennbare Babyschalen (1000), ab dem vierten Jahr dagegen Römer und Maxi-Cosi (1100). Insgesamt handelt es sich dabei um 1296535 solcher Pfade, die mit Hilfe von MS Excel, wenn auch weitgehend manuell, generiert werden müssen.
534
Als Beispiel für die Berechnung der im Baum angegebenen Wahrscheinlichkeiten sei der Fall „0000“, also „kein Hersteller produziert trennbare Modelle“, im ersten Jahr betrachtet: Hier ergibt sich die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario aus dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten der vier Hersteller, sich gegen die Produktion zu entscheiden, mit den in der ersten Zeile der Abb. 7.25 angegebenen Wahrscheinlichkeiten als (1-0,6) u (1-0,15) u (1-0,02) u (1-0,02) = 0,326536. In der Abb. wurden die Werte der Übersichtlichkeit halber nur auf zwei Stellen genau angegeben, während in der eigentlichen Rechnung aufgrund der großen Anzahl von Werten genauer gerechnet werden musste. 535 Zu beachten ist dabei vor allem die Annahme, dass kein Hersteller eine begonnene Lizenznahme aufgeben würde. Damit reduziert sich nämlich die Anzahl der Pfade von 2^(4 u 5) = 1.048.576.
246
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Diesen Pfaden lassen sich wiederum Wahrscheinlichkeiten zuordnen, indem die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Situationen auf dem entsprechenden „Weg“ durch den Baum miteinander multipliziert werden. Für das Referenzszenario errechnet sich damit die Wahrscheinlichkeit als: 48,98% u 63,75% u 36,45% u 34,30% u 20,25% = 0,78%. Außerdem kann jedem dieser Pfade der jeweils zutreffende verbarwertete Umsatz mit trennbaren Produkten zugeordnet werden, der sich als Summe aus den betreffenden Umsätzen der verschiedenen Hersteller in den einzelnen Jahren ergibt. Am Ende werden die Umsätze der einzelnen Pfade mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten absteigend sortiert, um dann die Wahrscheinlichkeiten zu kumulieren. Daraus ergibt sich die folgende invertierte kumulierte Wahrscheinlichkeitsverteilung, die man auch als „Risikoprofil“536 bezeichnen kann:
Abb. 7.19. „Risikoprofil“ der Umsätze 536
Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 127. Im Risikomanagement wird der Begriff „Risiko“ meist negativ verstanden im Sinne eines möglichen Schadens oder einer ungünstigen Zielverfehlung. (Hölscher/Elfgen, Herausforderung Risikomanagement, S. 5 f.). Hier dagegen wird nicht ein Schaden, sondern mit dem Umsatz eine positiv mit der Zielgröße (Patentwert) korrelierte Größe betrachtet, weshalb auch gegenüber der üblichen Darstellung die Abszisse invertiert werden muss. Daher wird der Begriff „Risikoprofil“ hier in Anführungszeichen gesetzt.
7.1 Patentbewertung
247
Daran lässt sich ablesen, dass dem oben als Verlauf für das Szenario „Einfache Lizenzierung“ betrachteten Pfad eine kumulierte Wahrscheinlichkeit von 92% zugeordnet ist. Dies bedeutet, dass ein Umsatz von mindestens 22.773.319 OKV GKPGT 9CJTUEJGKPNKEJMGKV von mindestens 92% eintreten wird537. Im Gegensatz zur einfachen ist für die ausschließliche Lizenzierung eine etwas andere Betrachtung anzustellen: Die Wahrscheinlichkeit, dass etwa Römer eine ausschließliche Lizenz nehmen wird, ist sicherlich höher einzuschätzen als die Wahrscheinlichkeit für die einfache Lizenz, da in letzterem Fall die Gefahr besteht, dass der eigene Umsatz durch andere Lizenznehmer geschmälert wird. Hier erscheint eine Wahrscheinlichkeit von etwa 70%538 angemessen. Dies würde bedeuten, dass bei einer Strategie, die auf ausschließliche Lizenzierung an Römer setzt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% ein Umsatz mit trennbaren Babyschalen von 14.629.449 Grreicht wird. Zu beachten ist hierbei, dass dies der maximal mögliche Wert für dieses Szenario ist, wohingegen der Umsatz bei einfacher Lizenzierung durchaus auch deutlich höher liegen könnte, nämlich falls Maxi-Cosi früher bzw. Storchenmühle oder Babymax überhaupt einsteigen würden. Schließlich ist noch die Eigenverwertung zu betrachten, die als Ausweichmöglichkeit angesehen werden kann: Selbst wenn kein Lizenznehmer gefunden werden kann, also insbesondere das hier betrachtete Lizenzierungsszenario nicht eintrifft, bliebe immer noch die Möglichkeit der Eigenfertigung. Möglich wäre aber auch, wie oben bereits erwähnt, auch, dass dies sogar einen höheren Gewinn verspricht, was später untersucht werden soll. Für dieses Szenario kann festgehalten werden, dass ein Wert von 10.923.448 GTTGKEJV YKTF FGT PKEJV XQP FGP 'PVUEJGKFWPIGP FGT verschiedenen Hersteller abhängt, damit also hinsichtlich des hier aufgestellten Modells als sicher zu bezeichnen ist539. Damit ist festzuhalten, dass aus den mit der Marktuntersuchung gewonnenen Daten mittels eines von der Einperiodenbetrachtung ausgehend entwickelten Mehrperiodenmodells Umsätze für verschiedene Szenarien 537
Die Vorgehensweise, einen Wert mit der betreffenden Mindesteintrittswahrscheinlichkeit anzugeben findet sich etwa bei Schierenbeck, Ertragsorientiertes Bankmanagement, S. 15 im Rahmen von Überlegungen zum Value at Risk. 538 Dieser Wahrscheinlichkeitswert ergibt sich, anders als derjenige für die Einfache Lizenzierung nicht aus einer Berechnung, sondern direkt aus der angenommenen Wahrscheinlichkeit von Römer, eine ausschließliche Lizenz im ersten Jahr zu nehmen, da damit alle möglichen Pfade durch den entsprechenden Baum erfasst werden. 539 Aus diesem Grund weist das oben angegebene „Risikoprofil“ auch einen Sprung bei 10.923.448 CWHFCCNNG9GTVGWPVGTJCNDFKGUGU9GTVGUCWHFKGUGP Minimalwert gesetzt werden können.
248
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
berechnet werden konnten. Auch ist es gelungen, durch ein stochastisches Verfahren die Unsicherheit der Höhe und Zeitpunkte der prognostizierten Zahlungsströme zu antizipieren, um damit Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen zu können. Dadurch wurden neben quantitativen Werteinflussgrößen auch bereits qualitative, insbesondere Risikofaktoren, für den Patentwert berücksichtigt. Weitere, mit dem rechtlichen Patentumfeld in Verbindung stehende Werteinflussfaktoren müssen jedoch noch gesondert untersucht werden, um den eigentlichen Patentwert ableiten zu können. Rechtliche Betrachtung
In diesem Kapitel wird zunächst die Bedeutung der rechtlichen Betrachtung bei der Patentbewertung erläutert, hierzu werden die wertbeeinflussenden rechtlichen Risiko- und Kostenfaktoren vorgestellt. Danach wird das genaue Vorgehen zur Quantifizierung der einzelnen rechtlichen Risikofaktoren beschrieben und die relevanten Kostenfaktoren ermittelt. Identifikation rechtlicher Werteinflussfaktoren
Bei der Patentbewertung ist es unbedingt notwendig, neben den wertbeeinflussenden Faktoren des Marktes, die aus den Marktgegebenheiten herrühren, wie z. B. Marktgröße, Marktwachstum, Absatzchancen und Konkurrenzaktivitäten, die wertbeeinflussenden rechtlichen Faktoren insbesondere die Rechtsbeständigkeit, zu berücksichtigen. Der ermittelte Marktwert eines Patents kann durch rechtliche Unzulänglichkeiten, wie z. B. die fehlende Patentierfähigkeit des Patents, geschmälert werden, im Extremfall sogar auf Null fallen. Zu den Unsicherheiten in den ermittelten Marktdaten treten also noch solche hinzu, die durch die rechtliche Situation des Patents verursacht werden. Während die Marktdaten durch statistische Methoden relativ genau eingeschätzt werden können, sind die rechtlichen Faktoren meist nicht mit objektiven Instrumenten zu erfassen, sondern bedürfen einer subjektiven Einschätzung. Dabei bestehen Probleme in der wertmäßigen Zurechnung, der schlechten Objektivierbarkeit von Wertbestandteilen und Risiken in der Bewertung540. Im Folgenden sollen die verschiedenen rechtlich relevanten, wertbeeinflussenden Faktoren für das vorliegende Patent in Form von Risiken und Kosten betrachtet werden.
540
Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (841).
7.1 Patentbewertung
249
Risiko der Patentierfähigkeit
Aus rechtlicher Sicht ist die Patentierfähigkeit einer Erfindung bzw. Innovation durch die drei bereits in Kap. 6 erwähnten Haupterfordernisse: x Neuheit: „Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag … der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind“, § 3 Abs. 1 PatG. x Erfinderische Tätigkeit: „Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt“, § 4 PatG. x Gewerbliche Anwendbarkeit: „Eine Erfindung gilt als gewerblich anwendbar, wenn ihr Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann“, § 5 Abs. 1 PatG. definiert. Bis eine Erfindung den Patentstatus erlangt, muss diese das Patenterteilungsverfahren überstehen, in dem die Patentanmeldung umfangreichen Prüfungen unterzogen wird. Als erstes wird jede Anmeldung einer Offensichtlichkeitsprüfung unterzogen, die der Untersuchung der Anmeldung auf Einhaltung der geforderten Formvorschriften dient. Mit der Anmeldung, spätestens aber nach sieben Jahren, kann ein Prüfungsantrag gestellt werden, bei dem die Anmeldung auf die drei Haupterfordernisse überprüft wird541. Die Recherche des Patentamtes auf Einhaltung dieser Erfordernisse erfolgt zu 80–90% in Patentschriften542. Werden die Haupterfordernisse nicht erfüllt, so ist die Patentfähigkeit der Anmeldung ganz oder nur teilweise gefährdet und eine Bewertung des Patents wird hinfällig. Risiko der nachträglichen Löschung des Patents
Nach erfolgreicher Prüfung wird das Patent erteilt und in der Patentrolle veröffentlicht. Innerhalb von drei Monaten nach der amtlichen Patenterteilung besteht für jeden die Möglichkeit Einspruch gegen die Erteilung zu erheben. Nach Ablauf der dreimonatigen Frist kann nur noch eine Nichtigkeitsklage erhoben werden, die bei Erfolg zur Löschung des Patents führt. Es kann von jedermann und zu jeder Zeit eine Nichtigkeitsklage erhoben werden, was aber nur selten geschieht und wenn dann meist als Reaktion auf eine Verletzungsklage. Die Zahl der nichtig erklärten Patente ist äußerst
541 542
Ilzhöfer, Patent-, Marken- und Urheberrecht, S. 47. http://www.patentinformation.de vom 31.01.2005.
250
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
gering543. Die Wahrscheinlichkeit eines Einspruchs oder einer Nichtigkeitsklage hängt vom Schutzbereich und dessen Auslegung ab. Ein Patent enthält eine bestimmte Anzahl von Ansprüchen, die in Haupt-, Neben- und Unteransprüche gegliedert sind. Der Schutzbereich wird zwar nach § 14 PatG544 durch den Inhalt der Patentansprüche festgelegt, der Inhalt der Ansprüche ist jedoch auslegungsfähig. Aufgrund dieser Auslegungsfähigkeit kommt es zu Unsicherheiten hinsichtlich der Erteilung eines Patents und zudem besteht jederzeit die Gefahr von Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren. Je größer der Schutzbereich ist, desto größer ist tendenziell der wirtschaftliche Wert des Patents, aber umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Erfindung wegen eines Mangels hinsichtlich der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit an der Prüfung durch das Patentamt scheitert, oder nach der Erteilung aufgrund von Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren nicht aufrechterhalten werden kann545. Durch diese rechtlichen Rahmenbedingungen ist die Rechtsposition eines Patents immer gefährdet. Die Rechtsposition ist definiert durch den Status eines Patents, den es im Patenterteilungsverfahren hat. Diese fortwährende Unsicherheit stellt ein Risiko für die Patentbewertung dar, das weder ausgeschlossen noch objektiv bewertet werden kann. Risiko der Abhängigkeit von anderen Patenten
Erfindungen basieren oft auf früheren geistigen Leistungen und stellen Weiterentwicklungen dar. Hierbei ist bei der Patentierung darauf zu achten, dass der Schutzbereich vorhergehender Patente nicht berührt oder gar verletzt wird. Dies liegt vor, wenn ein jüngerer Patentgegenstand ganz oder teilweise in den Schutzbereich eines älteren Patents fällt, was zur Abhängigkeit des jüngeren Patents führt. In diesem Fall ist bei der Verwertung des jüngeren Patentgegenstandes eventuell die Zustimmung des Inhabers des älteren Patents in Form von Lizenzen einzuholen546, denn „das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung zu benutzen…“, § 9 PatG. In solch einem Fall schmälern die Lizenzen den möglichen Ertrag und somit stellt die Abhängigkeit eines Patents eine wichtige wertrelevante Größe dar.
Pagenberg, Grundzüge des deutschen Patentrechts, S. 34. § 14 PatG: „Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.“ 545 Kloyer, Zeitschrift für Planung, 13/2002, S. 303 (307). 546 Ilzhöfer, Patent-, Marken- und Urheberrecht, S. 74. 543 544
7.1 Patentbewertung
251
Risiko der Umgehbarkeit
Eine weitere wichtige Größe ist die Umgehbarkeit der Patentlösung. Die Umgehbarkeit bezeichnet die Möglichkeiten, die vorhandene Patentlösung aufgrund rechtlicher Lücken in den Schutzansprüchen zu umgehen und das dem Patent zugrunde liegende Problem auf die gleiche Art und Weise zu lösen, ohne die Patentansprüche zu verletzen547. Die Gefahr von Umgehungslösungen besteht darin, dass der durch das Patent mögliche Wettbewerbsvorteil geschmälert wird oder sogar vollständig erlischt. Wenn also Umgehungslösungen existieren oder denkbar sind, muss sich dies im Patentwert widerspiegeln548. Patenterhaltungskosten
Um das Patent länger als zwei Jahre aufrechtzuerhalten, müssen jährliche Gebühren, so genannte Patenterhaltungsgebühren, entrichtet werden. Diese sind bei der Feststellung des Patentwerts einzubeziehen. Die progressiv ansteigenden Gebühren stellen eine exakt zu messende Zahlungsreihe dar, die direkt berücksichtigt werden kann. Kosten der Patentverteidigung bei Patentverletzung
In der Marktwirtschaft kommt es immer wieder bei der Suche nach Wettbewerbsvorteilen zu Produktpiraterie549 und Patentverletzungen550. Um das eigene Patent zu schützen, müssen der Markt und die Branche permanent überwacht werden551. Werden Verletzungen des eigenen Patents aufgedeckt, sind Verletzungsklagen seitens des Patentinhabers vonnöten. Aus diesem Grunde sind die Risiken von Prozesskosten bei Patentverletzungsprozessen im Patentwert zu berücksichtigen. Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (847). Das Risiko der Umgehbarkeit wird hier also von dem technologischen Risiko einer vollständigen Verdrängung abgegrenzt, welches in der Marktbetrachtung bereits berücksichtigt wurde. 549 „Unter Produktpiraterie versteht man das skrupellose Verletzen von Schutzrechten anderer durch unrechtmäßiges Kopieren der Produkte, Marken, Muster, Bilder oder irgendwelchen anderen Dingen, für die ein Schutzrecht besteht.“ Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, S. 175. 550 Unter Verletzung versteht man das Benutzen eines Schutzrechtes ohne Befugnis des Schutzrechtsinhabers. Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, S. 175. 551 Die Überwachungskosten sind aufgrund der später zu treffenden Lizenzvereinbarungen, durch die der Lizenznehmer wegen seiner Marktnähe verpflichtet wird, die Überwachung von Patentverletzungen zu übernehmen, in den Kosten der Patentverletzungsrisiken nicht zu berücksichtigen. 547 548
252
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Rechtsposition, zusammengesetzt aus dem Risiko der Patentierfähigkeit und dem Risiko der nachträglichen Löschung des Patents, die Abhängigkeit von Schutzrechten Dritter, die Umgehbarkeit der Patentlösung, die Patenterhaltungskosten und die Kosten in Verletzungsfällen die wichtigsten wertbeeinflussenden Faktoren bei der rechtlichen Bewertung eines Patents sind. Rechtliche Beurteilung des Patents
Im Folgenden werden grundsätzliche Überlegungen zur Berücksichtigung der qualitativen rechtlichen Risikofaktoren und der Rechtskosten im Patentwert dargelegt, wozu zunächst die Berechnung des Patentwerts kurz dargestellt wird und danach die einzelnen Komponenten, die auf die rechtlichen Faktoren Einfluss haben, aufgezeigt werden. Um das Patent in einem Gesamtrahmen übersichtlich darstellen zu können, wird ein qualitatives Klassifikationsmodell vorgestellt, welches die Grundlage der späteren Quantifizierung der Risikofaktoren bildet. Darauf folgend wird dann die Patentrecherche und die Klassifikation der als relevant erachteten Patente beschrieben und durchgeführt. In den letzten drei Abschnitten dieses Kapitels werden dann schließlich die rechtlichen Risikofaktoren quantifiziert und die Rechtskosten berechnet. Methodische Überlegungen
Das Ziel der rechtlichen Bewertung ist es, möglichst genau die Rechtsrisiken zu erfassen und zu quantifizieren um diese in einem prozentualen Abschlag mit dem marktseitig bestimmten vorläufigen Patentwert verrechnen zu können. Dieser ergibt sich aus der Anwendung einer noch zu ermittelnden verallgemeinerten Umsatzrendite auf den verbarwerteten Umsatzerlös. Das Prozessrisiko sowie die Patenterhaltungskosten, also die Rechtskosten, gehen, im Gegensatz zu den anderen Faktoren, direkt als monetäre Abschläge in den Patentwert ein. Wie sich die rechtlichen Werteinflussgrößen auf den Patentwert auswirken, wird in Abb. 7.20 dargestellt. Der gesamte rechtliche Risikoabschlag setzt sich additiv aus den prozentualen Risikofaktoren rechtliche Position, Abhängigkeit und Umgehungslösungen zusammen. Dazu muss jeder Risikofaktor einzeln für sich bewertet werden. Die Schwierigkeit dabei ist, dass die Risikofaktoren subjektiv bewertet werden müssen und daher keine von der jeweiligen Situation und der bewertenden Person unabhängige allgemeingültige Bewertungsmethode vorhanden ist552. Um dennoch zu einem relativ genauen 552
Rings, GRUR 10/2000, S. 839.
7.1 Patentbewertung
253
Abb. 7.20. Berücksichtigung der rechtlichen Werteinflussgrößen im Patentwert
Wert zu gelangen, ist eine umfangreiche Recherche des Patentumfeldes und des Standes der Technik notwendig, zusätzlich sind statistische Daten zu Prozesskosten und Verletzungsrisiken sowie Gebühren der Patenterhaltung zu ermitteln. x Für die Rechtsposition sollte dabei vor allem der Stand der Technik, der Erteilungsstatus und die Patentaktivität Dritter auf diesem Gebiet untersucht werden; x Für die Abhängigkeit ist vor allem auf etwaige drohende Lizenzzahlungen, die aus möglichen Verletzungen der Schutzbereiche anderer Patente durch das vorliegende Patent herrühren, zu achten; x Für die Umgehungslösungen sind wiederum der Stand der Technik und nahe liegende Lösungsmöglichkeiten die aus den rechtlichen Lücken der Schutzansprüche resultieren, zu betrachten; x Für die Prozessrisiken sind statistische Daten zu ermitteln; x Patenterhaltungskosten ergeben sich direkt aus den zu zahlenden Pauschalgebühren. Angelehnt an die von Unternehmen zur Bewertung ihrer Patente herangezogene Patentportfolioanalyse, wird hier die Idee der Einteilung der
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
verschiedenen Patente in Klassen zur Aufstellung einer Rangreihe aufgegriffen und für die vorliegende Aufgabenstellung modifiziert553. Dabei wird ein Klassifizierungsschaubild entwickelt, welches einen Überblick über das Patentumfeld des vorliegenden Rechtschutzes und eine Einordnung des Patents in dieses erlaubt. Dies erleichtert nachfolgend die Einschätzung der rechtlichen Risikofaktoren. Um nach der umfangreichen Recherche die Datenvielfalt und -menge für die wertrelevanten Risikofaktoren adäquat zu erfassen und für die Analyse übersichtlich abzubilden, bietet sich folgende Klassifizierung der als relevant erachteten Patente an: A: Allgemeine, für das zu bewertende Patent rechtlich gesehen irrelevante Patente, die jedoch demselben Patentgebiet zuzuordnen sind; B: Patente, die eine Abhängigkeit des zu bewertenden Patents bedingen; C: Patente, die die Rechtsposition des vorliegenden Patents gefährden; D: Patente, die Alternativlösungen bzw. Umgehungslösungen von Konkurrenten ermöglichen, d. h. Patente, die den gleichen Nutzen liefern, wie das zu untersuchende Patent. Durch diese Klassifizierung lässt sich ein anschauliches Abbild des Patentumfeldes auf dem für das zu bewertende Patent relevanten Gebiet darstellen. Dazu werden nun die vier Klassen in einem Koordinatensystem abgebildet, welches als Abszisse die Patentbreite und als Ordinate die Patenttiefe enthält. Das zu bewertende Patent wird dann darüber gelegt und mit eingeordnet, wie in Abb. 7.21 ersichtlich ist. Die Patentbreite stellt dabei die vorhandenen unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten in Form von Patenten für das relevante technische Gebiet dar. Während sich ganz links die einfachsten Entwicklungen und Erfindungen befinden, steigen der Erfindungsgrad und die Komplexität nach rechts hin an. So würde sich ein Fahrrad aus herkömmlichem Stahl ganz links befinden, während ein Fahrrad aus dem wesentlich leichteren Material Carbon weit rechts einzuordnen wäre. Die Patenttiefe stellt den Grad des Nutzens durch die Erfindung dar. Je weiter oben sich ein Patent befindet, desto größer ist der durch dieses Patent erbrachte mögliche Nutzen. So würde sich z. B. ein Fahrrad ohne jegliche Zusatzkomponenten ganz unten befinden, während ein Fahrrad mit Gangschaltung, Stoßdämpfern und Scheibenbremsen weit oben einzuordnen wäre. Die Klassifizierung resultiert aus Einzelvergleichen des zu bewertenden mit den recherchierten Patenten. Die Vergleiche stützen sich dabei auf die Ansprüche, in erster Linie auf den Hauptanspruch, gefolgt von den sonstigen Ansprüchen und zudem auf die Zeichnungen und die Beschreibungen der Patentschriften. Der Kreis in der Mitte steht für das zu bewertende 553
Faix, IO-Management 5/2000, S. 44.
7.1 Patentbewertung
255
Abb. 7.21. Klassifizierungsschaubild
Patent. Die Fläche des Kreises ergibt sich aus dem gesamten Schutzbereich des Patents. Die weiteren Flächen ergeben sich ebenfalls aus den Schutzbereichen der klassifizierten Patente, es sind dabei Überlappungen möglich. Der Kreis liegt vollständig in der Fläche der C-Klasse. Dies soll verdeutlichen, dass die eventuell vorhandenen C-Patente die Rechtsposition des zu bewertenden Patents gefährden. Die Überlappung der B-Klasse mit dem Schutzbereich des zu bewertenden Patents soll die Abhängigkeit des vorliegenden Patents oder einzelner Ansprüche des Patents vom Schutzbereich anderer Patente verdeutlichen. Dieses Schaubild, die Klassifizierung der Patente und die Einordnung des zu bewertenden Patents in das Schaubild, bilden die Grundlage für die anschließende Einschätzung und prozentuale Bewertung der drei qualitativen rechtlichen Risikofaktoren. Da nicht alle Risikofaktoren notwendigerweise auftreten müssen, können manche Klassen leer verbleiben. Das Klassifizierungsschaubild soll eine Gesamtübersicht des Patentumfeldes des zu bewertenden Patents liefern und als Entscheidungsvorbereitung dienen. Patentrecherche und -klassifikation
Es gibt eine Vielzahl von Recherchemöglichkeiten und -strategien. Der Erfinder kann dabei selbst recherchieren (Eigenrecherche) oder einen Patentanwalt bzw. ein Rechercheinstitut554 gegen Entgelt beauftragen. Die Recherchemöglichkeiten erstrecken sich dabei über die Auslegestellen des 554
Anschriften ausgewählter Rechercheinstitute siehe z. B. Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, S. 19.
256
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Abb. 7.22. Einordnung in Internationale Patentklassifizierung am Beispiel des Betrachteten Beispielpatents
DPMA, die technischen Informationszentren sowie die Patentinformationszentren, wo sämtliche patentamtlichen Schriften zur Verfügung stehen. Zudem bestehen Recherchemöglichkeiten im Internet auf den Websites des DPMA, in Online-Datenbanken wie DEPATISnet, in CD-ROM Archiven oder auch durch telefonische Recherchen555. Die einfachsten, zielgerichteten Recherchemöglichkeiten bieten dabei CD-ROM Archive und Online-Datenbanken, welche sowohl die Patente der Patentinformationszentren sowie der technischen Informationszentren beinhalten556. Nachteil von CD-ROM Archiven und telefonischen Recherchen ist jedoch, dass sie mit finanziellen Aufwendungen verbunden und, im Falle von CD-ROM Archiven, nicht aktuell sind. Deshalb wurde in dieser Arbeit die Recherche insbesondere auf Online-Datenbanken konzentriert. Diese erfolgte auf der Website des DPMA und in der Online-Datenbank des DEPATISnet. Bei der Recherche erwies sich folgendes Vorgehen als angebracht. Ausgehend von dem Titel des zu bewertenden Patents ist zunächst die internationale Klassifizierungsgruppe (IPC) herauszufinden. Die Schritte dazu sind in Abb. 7.22 dargestellt557. Die für das zu bewertende Patent relevanten Klassen sind B60 N2/26 und B60N2/28. In diesen Klassen erfolgte der Hauptteil der Recherche, wobei sie nahezu komplett durchsucht wurden. Zunächst einmal wurde mit Stichworten durchforscht um anschließend zur Absicherung den gesamten in ihnen vorhandene Bestand an Patenten zu betrachten. Die erste Auswahl geschah nach dem Wortlaut der angezeigten Patenttitel, Gebrauchsmustertitel und Telefonnummern für Telefonrecherche siehe u.a. Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, S. 21. 556 Wichtige Patentdatenbanken siehe z. B. Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, S. 25 ff. 557 http://depatisnet.dpma.de/ipc/index.html vom 23.11.2005. 555
7.1 Patentbewertung
257
Offenlegungsschriftentitel558. Diese wurden eingehender untersucht und unter Beachtung der Zeichnungen und der Ansprüche auf Relevanz geprüft. Danach verblieb eine engere Auswahl. Nach der Klassenrecherche wurde die komplette Datenbank mit Stichworten durchsucht, die sich auf den Patenttitel, auf den Hauptanspruch und auf wichtige Unteransprüche, wie die Kopfstütze, den Gurt, den Tragebügel oder das Sonnenverdeck bezogen. Die Recherche erstreckte sich dabei auf nationale und internationale Patente sowie bei für relevant erachteten Patenten auf die in diesen aufgeführten Entgegenhaltungen und Zitationen anderer Patente. Während dieser Online-Recherche wurden nahezu 3000 Patentschriften betrachtet, aus denen letztlich achtzehn zur näheren Untersuchung ausgewählt wurden559. Diese achtzehn Schutzrechte, die in Anhang 14 aufgelistet sind, stellen keine vollständige Sammlung aller zum weiteren Patentumfeld gehörigen Patente dar. Vielmehr sollen sie lediglich das engere Patentumfeld skizzieren, also diejenigen Patente, die bei der Beurteilung der rechtlichen Risiken tatsächlich eine Rolle spielen, und die verschiedenen Möglichkeiten der Patentaktivitäten auf dem Gebiet der Babyschalen zum Transport von Kleinkindern im Kraftfahrzeug aufzeigen. Die meisten recherchierten Patente sind dabei der A-Klasse zuzurechnen. Zur Verdeutlichung kann hier beispielhaft das Patent DE 4031718 herangezogen werden. Dieses Patent beschreibt einen Kindersicherheitssitz, der auf einem Untergestell im Auto befestigt wird. Wie jedoch aus den Patentansprüchen ersichtlich wird, berühren diese die Ansprüche des zu bewertenden Patents nicht. Folglich hat diese Innovation keine Auswirkungen auf die drei rechtlichen Risikofaktoren für das zu bewertende Patent. Außer den rechtlich irrelevanten A-Patenten wurden bei der Recherche auch einige Patente gefunden, die eine Abhängigkeit des zu bewerteten Patents bedingen könnten. Diese werden als B-Patente klassifiziert. Beispielhaft können hier solche aufgeführt werden, die einen Tragebügel/ -griff, ein Gurtsystem, eine Kopfstütze oder ein Sonnenverdeck beschreiben, die aus den Unteransprüchen 10, 11, 13 und 14 als Zusatzkomponenten für die Babyschale benötigt werden und für die möglicherweise Lizenzen erworben werden müssen. Das Patent DE 4408002 für einen neuartigen Tragebügel kann hier als Beispiel genannt werden. Für die C-Klasse relevante Patente, die für das zu bewertende Patent hinsichtlich der Patenterteilung am bedrohlichsten wären, wurden nicht 558
Wenn im Folgenden von Patenten gesprochen wird, so werden Patente, Gebrauchsmuster sowie Offenlegungsschriften gemeint, weil diese Formen alle zum Stand der Technik gehören und zudem potenzielle Patente darstellen. 559 Sämtliche aufgefundenen und als relevant erachteten Patente und die dazugehörige Klassifikation sind in Anhang 14 aufgeführt.
258
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
gefunden. Das als Entgegenhaltung interessanteste Patent stellt das amerikanische bereits abgelaufene Patent US 3596986 aus dem Jahre 1970 dar. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass hier nicht die Idee der Zweischaligkeit zur Gewichtsreduktion während des Tragens im Vordergrund steht, sondern lediglich der schematische Aufbau einer Babyschale patentiert ist. Daher verbleibt die C-Klasse leer. Patente der D-Klasse, die Alternativ- und Umgehungslösungen darstellen und daher dem zu bewertenden Patent Marktanteile streitig machen könnten, sind ebenfalls im Rahmen der Recherche nicht gefunden worden. Es existieren zwar Erfindungen, die zunächst augenscheinlich ähnliche Lösungen bieten und auch aus zwei zusammensetzbaren Komponenten bestehen, wie z. B. in der Offenlegungsschrift DE 19805331 oder in der Patenschrift DE 19756757 beschrieben. Diese bieten aber einen vollständig anderen Nutzen als das zu bewertende Patent, nämlich den der Kostenersparnis, da die Sitze für mehrere Alterskategorien von Kindern geeignet sind. Deshalb sind diese Erfindungen nicht mit der zu bewertenden Innovation zu vergleichen, somit verbleibt die D-Klasse hier ebenfalls leer. Quantifizierung der Rechtsrisiken
Ausgehend von der Klassifizierung erfolgt nun die Quantifizierung und additive Verknüpfung der drei Risikofaktoren Rechtsposition, Abhängigkeit von Schutzrechten Dritter und Umgehbarkeit der Patentlösung, die sich wiederum jeweils aus den bereits genannten Komponenten zusammensetzen. Den ersten zu bewertenden Risikofaktor stellt die Rechtsposition dar, die sich aus den drei Komponenten Stand der Technik, Erteilungsstatus und Patentaktivitäten Dritter zusammensetzt. Das zu bewertende Patent hat die Offensichtlichkeitsprüfung bestanden und befindet sich zurzeit im Prüfungsverfahren. Eine Erfindung, die noch kein Patent ist, ist mit dem Risiko behaftet, dass durch einen bereits bekannten Stand der Technik560 die Patentierfähigkeit dieser Erfindung erlischt. Ausgehend von den Statistiken des DPMA wird festgestellt, dass ungefähr nur ca. 56% aller Patentanmeldungen mit Prüfungsantrag das Prüfungsverfahren überstehen und zum Patent werden561. Somit ist eine Erfindung, welche sich noch im Prüfungs560
Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Siehe § 3 Abs. 1 PatG. 561 o. V. Jahresbericht 2003, DPMA, insbesondere Tab. 1.3 Spalte 4 in Verbindung mit Tab. 1.4 Spalte 1, S. 107.
7.1 Patentbewertung
259
verfahren befindet, wegen diesem Risikos geringer zu bewerten, als ein bereits erteiltes Patent. Ausgehend von der ausführlichen Recherche zum Stand der Technik ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass für das zu bewertende Patent ein die Patentierfähigkeit der zu bewertenden Erfindung gefährdender Stand der Technik existiert. Dies wird hinsichtlich der Gefahr aus bestehenden Patenten durch die leere C-Klasse ersichtlich. Auszuschließen ist die Existenz solcher Patente jedoch nicht, weil trotz der umfangreichen Recherche Patentanmeldungen existieren können, die zwar noch nicht offen gelegt worden sind, aber bereits vor dem Anmeldetag des zu bewertenden Patents eingereicht wurden und damit zum Stand der Technik gehören562. Ausgehend von einem „absoluten“ Neuheitsbegriff, können auch lange Zeit zurückliegende Veröffentlichungen existieren, die „bereits in Vergessenheit geraten“ und möglicherweise nie zur Ausführung gekommen sind563. Zudem besteht die Gefahr, dass ein relevanter Stand der Technik auf andere Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, z. B. auf Messen, in Fachzeitschriften oder durch sonstige Medien, von der hier keine Kenntnis genommen werden konnte. Dies ist aber als unwahrscheinlich einzustufen, was die Befragung des Verkaufspersonals in entsprechenden Geschäften, die Recherche der Produkttests der Stiftung Warentest und die Überprüfung der Produktpaletten der auf dem Gebiet der Babyschalen tätigen Unternehmen (Römer, Maxi-Cosi usw.) bestätigt. Durch die rege Patentaktivität auf dem Gebiet der Babyschalen besteht die Wahrscheinlichkeit, dass das zu bewertende Patent wegen seines großen Nutzens von den Konkurrenten angegriffen wird. Da ein Erfolg des Angriffs nicht nur von der Neuheit und der gewerblichen Anwendbarkeit abhängt, sondern auch von der erfinderischen Tätigkeit und die Beurteilung dieser der Willkür der Auslegung unterliegt, muss mit Einsprüchen und Nichtigkeitsklagen gerechnet werden. Damit kann eine hundertprozentige Erfolgswahrscheinlichkeit der Patenterteilung nicht angenommen werden. Zusammenfassend kann aufgrund dieser Unsicherheiten ein zehnprozentiger Abschlag auf den Patentwert angesetzt werden564. Den zweiten Risikofaktor stellt die Abhängigkeit des zu bewertenden von anderen Patenten dar. Ein Patent bedeutet nicht gleichzeitig, von der darin geschützten Erfindung ohne weiteres Gebrauch machen zu können. Zunächst muss festgestellt werden, ob das zu bewertende Patent nicht unter das Schutzrecht eines Dritten fällt und eventuell die Zustimmung von 562
Patentanmeldungen werden erst nach 18 Monaten offen gelegt, siehe § 31 Abs. Nr. 2 PatG. 563 Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 99. 564 Aufgrund fehlender Modelle und Erfahrungswerte zur Quantifizierung der rechtlichen Risiken erfolgt hier eine subjektive Einschätzung des Abschlags.
260
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
diesem in Form von Lizenzen eingeholt werden muss565. Bei dem vorliegenden Patent kann festgestellt werden, dass der Hauptanspruch keinen Gebrauch macht von bereits vorliegenden und patentierten Erfindungen und somit für den Hauptanspruch keine Lizenz eingeholt werden muss. Bei den Unteransprüchen 10, 11, 13, 14, die nahe liegende Zusatzkomponenten der Babyschale beschreiben und den Schutzbereich der vorliegenden Erfindung ausdehnen, liegt eine Situation vor, bei der je nach Verwerter und seinen Präferenzen eine eventuelle Abhängigkeit entstehen könnte. Aus der nichtleeren B-Klasse wird ersichtlich, dass Patente existieren, die eine Abhängigkeit des vorliegenden Patents bei diesen Unteransprüchen bedingen könnten. Jedoch ist diese Abhängigkeit keine zwingende, denn die B-Patente stellen neuartige Ausführungsformen von bereits bekannten Komponenten dar. Da es aber diese Zusatzkomponenten bereits in patentfreien Ausführungsformen gibt, wofür kein Dritter zu entgelten ist, sind Lizenzen für diese Zusatzkomponenten nicht erforderlich. Somit sind grundsätzlich, zur Realisierung des eigentlichen durch das vorliegende Patent angebotenen Nutzens, keine Lizenzen einzuholen. Der Risikofaktor der Abhängigkeit wird damit mit Null Prozent bewertet. Den dritten Risikofaktor stellt die Umgehbarkeit des zu bewertenden Patents dar. Bei der umfangreichen Recherche zum Stand der Technik und den Patentaktivitäten der Konkurrenten wurden keine ähnlichen Lösungen, welche also den gleichen Nutzen bieten wie das zu bewertende Patent, gefunden. Daher ist die D-Klasse leer geblieben. Bei der Auslegung des Hauptanspruchs des Patents, der wie folgt lautet: „Das Erzeugnis Babyschale…ist dadurch gekennzeichnet, dass die Babyschale aus mindestens einer inneren und einer äußeren Schale aufgebaut ist, die trennbar voneinander sind.“, können aufgrund der eindeutigen Definition keine rechtlichen Schutzlücken festgestellt werden. Die sehr einfache, aber entscheidende Idee der Zweischaligkeit zur Gewichtsreduktion kann in näherer Zukunft wahrscheinlich nicht ohne weiteres umgangen werden und bildet die Basis für weitere Erfindungen. Aufgrund der subjektiven Auslegbarkeit des Schutzanspruches wird jedoch der Risikofaktor der Umgehbarkeit ungleich Null mit fünf Prozent bewertet. Nach dieser Abschätzung kann festgestellt werden, wie sich die Risikofaktoren Rechtsposition und Umgehbarkeit quantitativ auf die Bewertung auswirken. Setzt man die Abschläge additiv zusammen, so ergibt sich ein gesamter Wertabschlag von 15%. Der marktseitig festgestellte mögliche Patentwert ist also um fünfzehn Prozent zu reduzieren, um die rechtlichen qualitativen Risiken adäquat abzubilden.
565
Däbritz, Patente, S. 1.
7.1 Patentbewertung
261
Abschätzung der Rechtskosten
Als Rechtskosten sind Prozess- und Patenterhaltungskosten zu berücksichtigen, welche in den nun folgenden Abschnitten untersucht werden. Prozesskosten
Der monetäre Wert der Prozessrisiken setzt sich aus den erwarteten Kosten der ggf. zu führenden Verletzungsprozessen, die zum Schutze des Patents gegen Produktpiraterie und Patentverletzungen nötig sind, zusammen. Aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich der Verletzungswahrscheinlichkeit, dem Zeitpunkt der Verletzung und der Erfolgsaussichten in etwaigen Verletzungsprozessen wird versucht, die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Erfolgsausichten eines Verletzungsstreites mit Hilfe statistischer Daten abzuschätzen. Ausgehend von den Statistiken der Patent- und Gebrauchsmusterverfahren in der Bundesrepublik Deutschland nach Stauder wird festgestellt, dass jährlich 0,1% der aufrechterhaltenen Patente in Verletzungsprozesse verwickelt werden566. Bei einer zugrunde gelegten durchschnittlichen Lebensdauer von zwölf Jahren ergibt sich insgesamt eine 1,2 prozentige Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Verletzungsprozesses567. Somit wird mangels anderweitiger Anhaltspunkte auch bei dem zu bewertenden Patent von einer 1,2 prozentigen Wahrscheinlichkeit eines Verletzungsstreites ausgegangen. Kommt es zu einem Prozess, fallen folgende Kosten an: Rechtsanwaltsgebühren, Gutachtergebühren und Gerichtsgebühren. Zusätzlich ist in der Praxis meist ein Patentanwalt erforderlich, der in der gleichen Größenordnung wie ein Rechtsanwalt zu entlohnen ist. Dabei kann nicht von einer pauschalen Kostenfestsetzung ausgegangen werden. Die Kosten hängen generell vom festgesetzten Streitwert und der Instanz ab568. Der Streitwert wird mittels eines pauschalen Wertansatzes durch das Gericht festgelegt569. Der Kläger gibt aber praktisch mit der Klageerhebung den Streitwert an570. Stauder, Patent- und Gebrauchsmusterverletzungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien, S. 21. 567 Die gesamte Wahrscheinlichkeit errechnet sich unter der Annahme der Ereignisunabhängigkeit als Summe der Einzelwahrscheinlichkeiten, also hier als 12u 0,1%. Keine Rolle spielt hierbei der Zeitpunkt des Verwertungsbeginns, da es theoretisch schon ab dem Anmeldezeitpunkt zu Patentverletzungen kommen könnte. 568 Hier wird aufgrund der nicht vorhandenen Prozesskostenveränderung bei unterschiedlichen Patentwerten von dem in Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, S. 199 angegebenen durchschnittlichen Patentwert von 357.904 CWUIGICPIGP 569 Rings, GRUR 10/2000, S. 839 (840). 570 Schramm/Wiedemann, Der Patentverletzungsprozess, S. 329. 566
262
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
3/250 Prozesseintritt
1 2/5 Niederlage
1. Instanz: Landgericht
3/5 Gewinn
5/6 1/3 Niederlage
2. Instanz: Oberlandesgericht
2/3 Gewinn
1/2 1/2 Niederlage
3. Instanz: Bundesgerichtshof
1/2 Gewinn
Abb. 7.23. Eintrittswahrscheinlichkeiten (Aufgrund der fehlenden statistischen Daten, auf welche Parteien sich die Einsprüche verteilen, wird hier angenommen, dass nur der Patentinhaber Einspruch gegen eine Entscheidung einlegt. Somit muss die gesamt Wahrscheinlichkeit eines Einspruchs auf die Wahrscheinlichkeit des Einspruchs des Patentinhabers umgerechnet werden. (1/3 = 2/5 u X ; X = Wahrscheinlichkeit des Einspruchs des Patentinhabers)
Da eine erste Entscheidung des zuständigen Landgerichts durch Einsprüche gegen gefällte Urteile bis in zum Bundesgerichtshofs571 gelangen kann, ist darauf zu achten, dass die Kosten einer nächst höheren Instanz höher liegen als die der untergeordneten Instanz. Aus Statistiken geht dabei hervor, dass ein Drittel aller Fälle der Landgerichte einer nächst höheren Entscheidung nämlich der des Oberlandesgerichts bedürfen, und dass ein Sechstel aller Entscheidungen des Oberlandesgerichts nochmals vom Bundesgerichtshof überprüft werden572. Die Gutachterkosten fallen in der Regel nur in der ersten Instanz an. Da die aggregierten Kosten von der unterlegenen Partei aufgebracht werden müssen, die Patentanwaltskosten jedoch in jedem Fall von der jeweiligen Partei selbst zu tragen sind, ist teilweise eine Berücksichtigung der Erfolgswahrscheinlichkeiten in den 571
Die hier betrachteten Instanzen stellen sich wie folgt dar; Erste Instanz: Landgericht (LG), Zweite Instanz: Oberlandesgericht (OLG), Dritte Instanz: Bundesgerichtshof (BGH). 572 Stauder, Patent- und Gebrauchsmusterverletzungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien, S. 23.
7.1 Patentbewertung
263
jeweiligen Instanzen notwendig. Zur Errechnung der Prozesschancen wurden wiederum Statistiken herangezogen, aus denen sich die folgenden Erfolgswahrscheinlichkeiten für den Verletzungskläger ergeben: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger seine Ansprüche durchzusetzen kann, liegen auf Landesgerichtsebene etwa bei 3:2, bei den Oberlandesgerichten bei ca. 2:1 und beim BGH bei ungefähr 1:1573. Diese Quoten sind naturgemäß mit Vorsicht zu behandeln und stellen lediglich einen Anhaltspunkt dar, da sie etwas verallgemeinernd sind und nicht die Rechtslage im Einzelfall berücksichtigen können. Veranschaulicht werden die Wahrscheinlichkeiten in Abb. 7.23. Erwartungswert der Prozesskosten
Ausgehend von den dargestellten Größen wird unter Zuhilfenahme von statistischen Instrumenten zur Risikoberechnung der Erwartungswert der Prozesskosten bestimmt. Die daraus entwickelte mathematische Formel stellt sich wie folgt dar: Formel (7.16):
(:
3 3$1 1 3$ 1 *. 1 2 3$ 1 3$ 2 ½ 15 9 ° 5 ° ° ° (1: ® 1 3$ 1 3$ 2 *. 1 *. 2 1 3$1 3$ 2 3$ 3 ¾ 18 36 ° ° °¯ 1 36 3$1 3$ 2 3$3 *. 1 *. 2 *. 3 °¿
EW ENW PA GK Index
= = = =
Erwartungswert Eintrittswahrscheinlichkeit eines Verletzungsprozesses Patentanwaltskosten Patentanwaltskosten Gerichtskosten [Rechtsanwaltskosten + Gerichtsgebühren + Gutachtergebühren (nur in der Ersten Instanz)] = Instanz
Der Erwartungswert für die gesamten Prozesskosten setzt sich zusammen aus den in der jeweiligen Instanz zu zahlenden Prozessaufwendungen multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit eines Prozesses. Die anfallenden Kosten aus einem Prozess errechnen sich aus den unabhängig vom Prozessausgang zu zahlenden Patentanwaltskosten574 und den im Falle einer Stauder, Patent- und Gebrauchsmusterverletzungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien, S. 24. 574 Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, S. 199. 573
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Niederlage zu bezahlenden Gerichtskosten575. Ausgehend von den bereits erwähnten Erfolgswahrscheinlichkeiten und der Verteilung der Fälle auf die verschiedenen Instanzen und den im Anhang 15 dargelegten Anwaltskosten und Gerichtsgebühren ergibt sich als Erwartungswert für die Prozesskosten ein Betrag in Höhe von 178 576. Dabei ist allerdings noch zu berücksichtigen, dass die Prozesskosten, wenn auch nur mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 1,2%, bis zu 107.357 DGVTCIGP MÑPPVGP )WVCEJVGTMQUVGP )GTKEJVUMQUVGP 2CVGPtanwaltskosten über alle drei Instanzen). Unberührt davon sind ggf. Prozessrückstellungen aufgrund der Passivierungspflicht gem. § 249 Abs. I HGB für diese ungewissen Verbindlichkeiten zu bilden. Diese sind jedoch nicht zahlungswirksam und bleiben deshalb hier außer Betracht. Patenterhaltungskosten
Für die Aufrechterhaltung von Patenten und die daraus resultierenden Rechte ist ab dem dritten Jahr jährlich eine Gebühr zu entrichten, § 17 Abs. 1, PatG. Diese Jahresgebühren steigen progressiv von 70 im dritten Jahr auf 1940 im zwanzigsten Jahr an. Eine genaue Übersicht findet sich in Abb. 7.24. Patentjahr
1
2
3
4
5
6
7
Gebühr
–
–
70
70
90
130
180
Patentjahr
8
9
10
11
12
13
14
Gebühr
240
290
350
470
620
760
910
Patentjahr
15
16
17
18
19
20
Gebühr
1060
1230
1310
1590
1760
1940
Abb. 7.24. Patenterhaltungsgebühren in -QUVGPOGTMDNCVVFGU&2/# http://www.dpma.de/formulare/allgemein.html#nr1) 575
Unter einer Niederlage vor Gericht wird hier die Niederlage vor der höchsten Instanz, in der der Kläger sich befunden hat, verstanden. 576 Bei dieser Rechnung wurde der Zeitwert des Geldes vernachlässigt, da dieser Wert bereits im Vergleich zum gesamten Patentwert vernachlässigbar erscheint. Da mithin hier das technologische Risiko nicht als Zinsaufschlag berücksichtigt wird, ist von einer Patentlaufzeit von zwölf Jahren auszugehen.
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
265
Angesichts des progressiven Anwachsens der Gebühren ist im Allgemeinen anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse seitens des Patentinhabers die optimale Nutzungsdauer zu ermitteln. Bei dem zu bewertenden Patent ergibt sich jedoch aus der Marktanalyse ein prognostizierter Umsatzerlös von mehreren Millionen RTQ,CJT&CFKGUG7OUCV\GTNÑUGWPFFKGFCTCWU erfolgenden Gewinne bei weitem die Patenterhaltungsgebühren übersteigen, ist die maximale Nutzungsdauer gem. § 16 Abs. 1, PatG von zwanzig Jahren als optimal anzusehen. Die Erhaltungskosten, die den Patentwert schmälern, ergeben sich also nach folgender Formel: Formel (7.17):
3(.
20
¦ L
PEK JPG i
3
-3* (1 0,1354) 1 L
= Patenterhaltungskosten = Jahrespatentgebühren = Jahr
Die Höhe der Kosten berechnet sich durch die Abzinsung der einzelnen jährlichen Zahlungen auf den jetzigen Zeitpunkt. Als Abzinsungsfaktor ist hier ebenfalls der bereits in Abschn. 7.1.3 berechnete Kalkulationszinssatz von 13,54% anzuwenden577. Damit ergibt sich für die volle Laufzeit von zwanzig Jahren ein Wertabschlag von 2.044 H×TFKG2CVGPVGTJCltung578.
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung Nachdem im den vorherigen Kapiteln die Erfindungs- und Patentanalyse anhand praktischer Beispiele dargestellt wurden, hat dieser Abschnitt die praktische Anwendung der Portfolioanalysemethoden zum Inhalt. Ziel ist es, die vorgestellten Ansätze zur Nutzung und Auswertung von Patentin577
Durch die Anwendung dieses vollen Kalkulationszinssatzes inklusive Aufschlag für das technologische Substitutionsrisiko ist hier auch die Berücksichtigung der Patenterhaltungskosten für die volle Laufzeit von zwanzig Jahren gerechtfertigt, da die mögliche Laufzeitverkürzung bereits antizipiert ist. 578 Für die umfassenden Recherchen zur Bewertung des Erfindungsobjektes „Babyschale“ gilt unser besonderer Dank den Seminarteilnehmern Herrn Martin Gerster, Herrn Joachim Jeßberger, Herrn Waldemar Schock und Herrn Michael Zürn.
266
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
formationen für die strategische Planung anzuwenden. Ein wesentlicher Augenmerk liegt dabei auf der kritischen Verwendung der theoretischen Erkenntnisse. Zum einen werden die Vorteile der ausgewählten Vorgehensweise herausgearbeitet und auf die Aussagekraft der Ergebnisse bezogen. Zum anderen lässt die Durchführung auftretende Problemfelder erkennen und zeigt Wege zur Verbesserung auf. Als Untersuchungsobjekt dient der Patentbestand – das Portfolio – einer GmbH für Verbundwerkstoffe. Mit Hilfe der in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Kennzahlen und Methoden werden die Patentaktivitäten der Verbundwerkstoff-GmbH (V-GmbH) untersucht. Wie schon in der theoretischen Ausarbeitung wird ausgehend von einer unternehmensinternen Analyse der bisherigen Patentanmeldungen das Patentierverhalten der V-GmbH im Vergleich zum Technologie- und Wettbewerbsumfeld betrachtet. Die aus den Patentdaten zu gewinnenden, auf die strategische Planung bezogenen Informationen werden gesammelt und durch geeignete Darstellungsformen wie der Portfolio-Analyse grafisch aufbereitet. Im ersten Unterkapitel wird das Unternehmen kurz vorgestellt. Die Besonderheiten des Unternehmensumfeldes werden erläutert und in Bezug zu den Patentinformationen gesetzt. Mit der Vorstellung wird gleichzeitig ein Einstieg in das auch in den Patenten ständig wiederkehrende Thema der polymeren Verbundwerkstoffe vollzogen. Es ist zu bemerken, dass die im Rahmen dieses Beispiels behandelte Patentanalyse ausschließlich auf Patentdaten zurückgreift. Hinsichtlich ihrer Durchführung sind keine detaillierten Kenntnisse über das Unternehmen von Nöten. Ausschließlich zum besseren Verständnis des patentierten technischen Wissens und um dem Leser einen besseren Überblick zu verschaffen, wird an dieser Stelle kurz auf das Unternehmen und das technische Umfeld eingegangen. Im darauf folgenden Abschnitten beginnt die eigentliche Analyse. Es wird sich dabei nach einer Vier-Phasen-Methode vorgegangen. Von der Definitionsphase bis zur Beurteilungs- und Empfehlungsphase werden alle theoretischen Erkenntnisse für die Patentanalyse der V-GmbH angewandt. Eine Vielzahl von Patentinformationen wird erarbeitet und abschließend im Rahmen der Patent-Portfolio-Analysen verdichtet und ausgewertet. Wie zuvor in der Theorie werden die drei Bereiche unternehmensinterne, wettbewerbsbezogene und technologiebezogene Patentanalyse unterschieden. Die jeweiligen Chancen und Probleme, zum einen auf das Patentierverhalten des Unternehmens und zum anderen auf die Patentanalyse an sich bezogen, werden herausgearbeitet.
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
267
7.2.1 Das untersuchte Unternehmen In diesem Abschnitt wird zum einen das Unternehmen, dessen Patentbestand im Folgenden analysiert wird, kurz vorgestellt. Zum anderen werden die im Hinblick auf die Patentanalyse bestehenden Besonderheiten kritisch betrachtet. Dies ist hilfreich, um die erarbeiteten Ergebnisse einordnen zu können und falsche Rückschlüsse zu vermeiden. Die Unternehmensform und die Aufgaben und Ziele nehmen keinen Einfluss auf die Durchführung einer patentstatistischen Analyse. Bei der Auswertung und Beurteilung der erarbeiteten Kennwerte und Zeitreihen ist es jedoch für die Qualität der Rückschlüsse und Handlungsempfehlungen für die strategische Analyse von Bedeutung, in welcher Branche, in welchem Auftrag und mit welchen Zielen ein Unternehmen agiert und Forschung und Entwicklung betreibt. In der untersuchten GmbH sind über 100 Wissenschaftler und Angestellte mit der Erforschung und Weiterentwicklung von Verbundwerkstoffen auf Basis polymerer Matrixsysteme für unterschiedlichste Anwendungen und Anwendungsmöglichkeiten beschäftigt. Die drei Hauptforschungsabteilungen des Forschungsinstitutes sind Berechnung und Konstruktion, Werkstoffwissenschaft und Verarbeitungstechnik. Dabei bezieht sich die prozessorientierte Betrachtung der Wertschöpfungskette auf alle Bereiche von der Grundlagenforschung bis zum Bauteil. Die Forschungsarbeiten werden durch öffentliche Mittelgeber unterstützt, oft auch interdisziplinär im Verbund mit Partnern aus Hochschule und Industrie bearbeitet oder in direkter Kooperation mit einem Industriepartner finanziert. Es bleibt festzuhalten, dass die V-GmbH sich ausschließlich auf Forschung und Entwicklung modernster Technologien aus dem Bereich polymere Verbundwerkstoffe konzentriert. Im Sinne der materialrechtlichen Patentvoraussetzungen sind damit in der Regel alle Punkte erfüllt. Eine hohe Patentaktivität wäre somit zu erwarten. Durch die projektbezogene Zusammenarbeit, die sowohl mit öffentlichen Mittelgebern als auch mit Partnern aus der Industrie stattfindet, ist jedoch damit zu rechnen, dass beispielsweise Grundlagenerfindungen im öffentlichen Auftrag bzw. Innovationen in Zusammenarbeit mit Unternehmen nicht direkt durch das Institut angemeldet werden, sondern entweder direkt veröffentlicht oder durch das beteiligte Unternehmen gesichert werden. Bedingt durch das Forschungsfeld „Verbundwerkstoffe“ wird ein Großteil der Patente sich mit Verfahren zur Herstellung und Optimierung von Verbundwerkstoffen befassen. Im Gegensatz zu reinen Erzeugnispatenten ergibt sich hieraus die Schwierigkeit, bei der Einordnung und Beurteilung der Patentaktivitäten im Verhältnis zum Wettbewerbsumfeld, dieses Umfeld oder einzelne Konkurrenten zu identifizieren. Während man zu einem bestimmten Patentportfolio bezüglich eines einzelnen oder mehrerer Pro-
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
dukte z. B. Küchenmaschinen sehr leicht den Wettbewerb und die Konkurrenten abgrenzen kann, um Stärken und Schwächen in Relation zum Umfeld zu betrachten, kann sich das bei hochkomplexen Verfahrenspatenten als äußerst schwierig herausstellen. Wettbewerber und Konkurrenten variieren höchst wahrscheinlich von Projekt zu Projekt. Um eine Einordnung vorzunehmen muss in diesem Fall auf andere Methoden zurückgegriffen werden. 7.2.2 Die Definitionsphase In seiner Erläuterung der Methodik einer strategischen Patentanalyse schreibt Faix zu Beginn, dass gerade bei der Analyse von Patentinformationen eine gewisse Elastizität im Ablauf dringend notwendig ist. Je nach Unternehmensumfeld und Fragestellung sind aufgrund der Vielfalt und Komplexität der zu recherchierenden Informationen flexible Reaktionen auf der Grundlage kreativen Handelns erforderlich. Oft ergeben sich erst mit dem Fortschreiten der Analyse Probleme und Fragen, für die neue Lösungswege gesucht werden müssen579. Gerade im Umfeld der V-GmbH, die als Forschungsinstitut weitgehend unabhängig von konkreten Märkten und Produkten Forschung und Entwicklung betreibt, ist ein besonderes Maß an Elastizität und Flexibilität gefragt. Mit dem Ziel, die aus der Literatur gewonnenen Erkenntnisse umfassend durch eine praktische Anwendung zu bewerten, werden daher die inhaltlichen Informationsziele und Anforderungen der Patentanalyse im Rahmen der Definitionsphase sehr breit formuliert. Zur Durchführung der Patentanalyse wurde bewusst auf eine unternehmensseitige Unterstützung verzichtet, um das Potential einer ausschließlich auf Patentinformationen aufbauenden Analyse besser beurteilen zu können. Eine Informationsbasis bezüglich des Patentierverhaltens war somit vor Analysebeginn nicht vorhanden. Dies hat entscheidenden Einfluss auf die Definitionsphase der Analyse. Wie in Abschn. 4.3 erläutert wird die Analyse in einen unternehmensinternen und einen unternehmensexternen Teil unterteilt. Der Informationsbedarf für die unternehmensinterne Patentanalyse beginnt mit den grundlegenden Ausführungen zum Patentbestand. Dazu gehört die Anzahl der Patentanmeldungen und ihre technologische Einordnung, die zeitliche Verteilung und geographische Ausbreitung, die Zahl erteilter Patente, die durchschnittliche Laufzeit, die Art der Zitationen und sonstige aus den Patentschriften ableitbare Informationen. Die Daten werden für alle Patente ohne zeitliche oder geographi579
Faix, Patente im strategischen Marketing, S. 159.
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
269
sche Einschränkungen recherchiert. Ziel der Betrachtung der auf den genannten Informationen aufbauenden Patentkennzahlen ist es, einen ersten Eindruck der Patentaktivität der V-GmbH zu erhalten und die entsprechenden Daten für den folgenden Vergleich zu erarbeiten. Zur Einordnung des Patentierverhaltens ist eine Ausweitung des Betrachtungsgegenstandes auf unternehmensexterne Informationen notwendig. Die unternehmensexterne Analyse teilt sich in einen unternehmensbezogenen und einen technologiebezogenen Teil auf. Ziel der unternehmensbezogenen Patentanalyse ist es, mögliche Konkurrenten ausfindig zu machen, deren Patentierverhalten mit der V-GmbH sowohl auf Unternehmensebene als auch in Teilbereichen zu vergleichen ist und somit Aussagen über Stärken und Schwächen der V-GmbH zu erhalten. Die Suche nach Konkurrenten wird aufgrund der weiter oben genannten Schwierigkeiten nicht nur auf technologische Übereinstimmungen im Rahmen der Patentaktivitäten bezogen, sondern auch auf bezüglich der Struktur und Organisation vergleichbare Forschungsinstitute ausgeweitet. Die Wahrscheinlichkeit Konkurrenten der V-GmbH für die Stärken-Schwächen-Analyse allein aufgrund von Patentinformationen zu identifizieren wird als gering eingestuft. Daher ist in diesem Zusammenhang die Nutzung weiterer Quellen erforderlich. Um den Rechercheaufwand zu reduzieren, wird der zeitliche Rahmen der Patentanalyse der Konkurrenten auf Patente beschränkt, die nach dem 01.01.1980 angemeldet wurden. Damit wird einerseits die Vergleichbarkeit der Daten gesichert, und zum anderen ausreichend Spielraum zur Datenerfassung gewährt. Der geographische Schwerpunkt liegt auf Deutschland, internationale Patentdaten werden jedoch ebenfalls so weit wie möglich berücksichtigt. Die technologiebezogene Patentanalyse der unternehmensexternen Patentdaten konzentriert sich nicht auf die Analyse direkter Wettbewerber, sondern untersucht unabhängig von der Herkunft der Patentaktivitäten die betroffenen Technologiefelder. Sie hat das Ziel Technologien auf ihre Chancen und Risiken hin zu untersuchen. Die Technologien, die der V-GmbH ein möglichst hohes Erfolgspotential zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen versprechen, sollen identifiziert werden. Die herausgearbeiteten Technologiefelder des Patent-Portfolios der V-GmbH werden dazu bezüglich ihrer Attraktivität analysiert und bewertet. Hauptaugenmerk wird dafür auf die zeitliche Entwicklung der Patentaktivitäten in Anlehnung an den Technologielebenszyklus gelegt. Die zu erwartenden Schwierigkeiten hinsichtlich eines typischerweise breit gefächerten, projektbezogenen Patentbestandes werden durch patentstatistische Annahmen, wie bspw. die vereinfachende Einordnung und Betrachtung der Technologiefelder gemäß der Patentklassifikation IPC, bewältigt. Eine Ausdehnung der technologiebezogenen Analyse auf die Suche nach potentiellen Forschungsfeldern, die zu den Kernkompetenzen der V-GmbH gehören könnten, wird aufgrund der später erläuterten
270
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
eingeschränkten Recherchemöglichkeiten verzichtet. Ideen und Vorschläge werden nur erwähnt, wenn sie innerhalb der geplanten Analyse in Erscheinung treten. Abschließend wird auf die methodischen Grundsatzüberlegungen eingegangen werden. Abgesehen von der Suche nach direkten Konkurrenten der V-GmbH werden alle weiteren Fragestellungen ausschließlich mithilfe von Patentinformationen behandelt. Für die Patentrecherchen stehen die öffentlich zugänglichen Patentdatenbanken der Patentämter zur Verfügung. Die Hauptquelle ist die Online-Datenbank DEPATIS des Deutschen Patentund Markenamts. Sie wird, wenn notwendig, ergänzt durch die Datenbanken des Europäischen Patentamts (Espacenet), des Patentamtes der USA und des Japanischen Patentamtes. Auf eine Nutzung von indexierten Datenbanken, die weit mehr Möglichkeiten der Patentrecherche gerade in Bezug auf Technologiefelder und Zitationen bereitstellen, kann in dieser Arbeit nicht zurückgegriffen werden. Die benötigten Informationen werden durch Datenbankabfragen über die Suchmasken der genannten OnlineDatenbanken in Handarbeit beschafft. Die Aufbereitung erfolgt ebenfalls manuell, unterstützt durch die Standardfunktionen des Tabellenkalkulationsprogramms Microsoft Excel. 7.2.3 Die Entscheidungsphase Wie in Abschn. 4.4.2 erläutert, ist die Festlegung des Analysefeldes Hauptinhalt dieser Phase. Im Rahmen der unternehmensinternen Patentanalyse betrifft das Analysefeld alle durch Patentrecherchen auffindbaren Patentaktivitäten der V-GmbH. Im Vorfeld konnte in Expertengesprächen geklärt werden, dass alle angemeldeten Patente auch in Deutschland als Schutzrecht angemeldet sind. Daher wird zur Recherche des Patentbestands die Online-Datenbank des Deutschen Patent- und Markenamts DEPATIS verwendet. Ausschlaggebend dafür ist die übersichtliche, in deutscher Sprache verfasste Benutzeroberfläche und die detaillierte Patentklassifizierung DEKLA. Um die verfahrenrechtlichen Ereignisse zu inspizieren, wird die Datenbank DPINFO herangezogen. Im nächsten Schritt werden die in den Patentschriften und Verfahrensunterlagen der V-Patente enthaltenen Informationen untersucht. Die statistischen Inhalte vom Aktenzeichen bis zu den Zitationen werden tabellarisch zusammengefasst, die aus Abschn. 4.1 bekannten Kennzahlen gebildet und eine erste Bewertung vorgenommen. Neben der Totalbetrachtung der gesamten Unternehmung befasst sich die Analyse mit der Einordnung der Erfindungen in Gruppen. Hauptkriterium sind dabei die betroffenen Technologiefelder. Eine Orientierungsmöglichkeit hinsichtlich der Einordnung stellt das Patentklassifikationssystem
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
271
der IPC bzw. DEKLA dar. Es wird darüber hinaus geprüft, inwiefern die Patentklassen mit den tatsächlichen Patentinhalten übereinstimmen und ob es innerhalb der Klassifizierung zu Unklarheiten und Überschneidungen kommt. Ziel ist es, die erarbeiteten Technologiefelder in einer zweidimensionalen Matrix mit den Achsen Patentaktivität und Patentqualität zur besseren Übersicht abzubilden. Im Hinblick auf die strategische Unternehmensplanung ist diese Darstellung in Form einer Portfolio-Analyse die Grundlage für einen einprägsamen Vergleich des abgebildeten Ist-Zustands des Patentierverhaltens einzelner Bereiche mit den Zielen und Bedeutungen dieser Technologiefelder aus strategischer Unternehmenssicht. Das Analysefeld der externen, unternehmensbezogenen Patentanalyse ist in zwei Bereiche zu untergliedern. In einem ersten Schritt sind ähnliche Unternehmen und Institute für den anschließenden Vergleich zu identifizieren. Dies geschieht zum einen durch Betrachtung der Patentanmelder von Patenten, die in den gleichen Patenklassifikationen anzutreffen sind, wie die Patente der V-GmbH. Zum anderen wird über eine Stichwortsuche versucht, Patente und deren Anmelder ausfindig zu machen, die in den entsprechenden Technologiefeldern aktiv sind. Bei der Durchsicht der Ergebnisse dieser Datenbankabfragen ist ein Augenmerk auf eventuell neue, ergänzende Technologiefelder zur Anwendung und Verwertung der Patente des betrachteten Unternehmens zu richten. Sowohl die Stichwortsuche als auch die Betrachtung der Einzelpatente in den gesuchten Patentklassifikationen sind nicht bis ins kleinste Detail vorzuplanen, sondern basieren zu erheblichen Teilen auf kreativem, intelligentem Handeln und ständigem Reagieren auf neue Informationen. Die gefundenen Konkurrenzunternehmen werden mit den durch weitere Quellen, wie Internet-Auftritte, gewonnenen Erkenntnissen verglichen. Zur folgenden Vergleichsanalyse werden nur die Wettbewerber herangezogen, die der kritischen Prüfung der Zugehörigkeit standhalten, um die Fehlerquelle in diesem frühen Stadium der Stärken-Schwächen-Analyse so gering wie möglich zu halten. Sind die für einen Vergleich zu betrachtenden Unternehmen identifiziert, so kann mit der Gewinnung ihrer Patentdaten begonnen werden. Diese orientiert sich an den gleichen Zielen wie die unternehmensinterne Analyse der V-GmbH. Die statistischen Patentinformationen werden zusammengetragen und tabellarisch erfasst. Die zu bildenden Kennwerte werden anschließend mit denen der V-GmbH verglichen und bewertet. Bei der Berechnung der Kennwerte ist auf die zeitliche Übereinstimmung der Patentdaten zu achten oder gegebenenfalls der Faktor Zeit mit einzuberechnen. Es werden ferner nur die Patentaktivitäten berücksichtigt, die den entsprechenden Technologiefeldern bzw. Patentklassifikationen angehören. Die externe unternehmensbezogene Patentanalyse führt abschließend zu einer Identifikation und Bewertung der Stärken und Schwächen des
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Patentierverhaltens der V-GmbH. Als Darstellungsform ist die einfache Gegenüberstellung zu wählen. Im Rahmen der externen, technologiebezogenen Patentanalyse umfasst das Analysefeld die zeitlich und geographisch unbegrenzte Betrachtung aller Patentaktivitäten in den einzelnen Technologiefeldern. Es wird der zeitliche Verlauf der Patentanmeldungen ermittelt und abgebildet und auf Grundlage des Patentlebenszyklus eingeordnet und bewertet. Die dadurch abgeleitete Attraktivität der Technologiefelder wird in der abschließenden Ergebnisdarstellung in Form einer Portfolio-Analyse die Einteilung der y-Achse widerspiegeln. Die x-Achse wird über der Qualität als Verknüpfung unterschiedlicher Kennzahlen abgebildet. Eine genaue Auswahl der Kennzahl wird erst im Verlauf der Datenerhebung bestimmt. Dies soll eine frühzeitige Versteifung auf Patentdaten, in deren Recherche noch Probleme auftreten können, vermeiden. Neben der Nutzung als Größe zur Einteilung der Patente und Technologiefelder in die Portfolio-Analyse können durch die Lebenszyklusbetrachtung direkte Aussagen über die Chancen und Risiken der einzelnen Technologiefelder getroffen werden. Die zeitliche Betrachtung ist nur durch den Umfang der Datenbanken begrenzt. Die Datenbank des DPMA hält Patentschriften bis 1987 zur Online-Recherche bereit. Um jedoch weltweite technologische Entwicklungen zu betrachten, werden zusätzlich weitere Patentdatenbanken genutzt. 7.2.4 Die Durchführungsphase Die Durchführungsphase richtet sich nach der zuvor gewählten Dreiteilung der Patentanalyse in den unternehmensinternen, den externen unternehmens-bezogenen und den externen technologiebezogenen Bereich. Im Folgenden werden die einzelnen Arbeitsschritte und Zwischenergebnisse beschrieben und erläutert. Unternehmensinterne Patentanalyse: Der Patentbestand der V-GmbH
Zur Ermittlung des Patentbestands der V-GmbH werden mithilfe der Patentdatenbank DEPATIS online unter www.depatisnet.de alle durch die V-GmbH angemeldeten Patentrechte recherchiert. Sofort tritt dabei ein erstes Problem im Umgang mit der Suchmaske auf. Die Suchanfrage bezüglich des Anmelders führt nur dann zu Ergebnissen, wenn der korrekte Name des Unternehmens, der auch in der Patentanmeldung genutzt wurde, eingegeben wird. So führt die Suche nach „V-GmbH“ zu einem einzigen Ergebnis. Durch Ansehen der Patentschrift erfährt man den eingetragenen Namen. Er lautet „Verbundwerkstoff-GmbH“ und eingegeben als Suche
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
273
erhält man 49 Dokumente. Die Abfrage der DEPATIS Datenbank hält sich also genau an die eingegebenen Parameter. Unterschiedliche Schreibweisen oder Ähnliches führen zu keinem Ergebnis. Im Gegensatz zu kommerziellen indexierten Datenbanken, wie beispielsweise dem Derwent Patent Index, gibt es keine Hilfen, die einem Firmennamen die entsprechenden Patenteintragungen zuordnen. Die Suche nach Anmeldern bei DEPATIS ermittelt alle vorhandenen Patentdokumente, d. h. für ein Patent werden sowohl die Anmeldeschrift als auch die Offenlegungsschriften und Schriften der Patentfamilie angegeben. Um die tatsächliche Zahl der Innovationen zu erhalten, ist das Ergebnis um diese Doppelnennungen zu bereinigen. Von den 49 gefundenen Schriften bleibt somit die absolute Anzahl von 32 Innovationen, die auf den Namen der V-GmbH angemeldet sind. Die Patentinformationen dieser Anmeldungen wurden in eine Excel-Tabelle eingegeben, aus der im Folgenden einzelne wichtige Teile grafisch aufbereitet wiedergegeben werden. Die Erstanmeldung aller Patente erfolgte in Deutschland. Die 12-monatige Prioritätsfrist wurde in den Fällen, in denen sie benötigt wurde, bis zur letzten Woche ausgereizt. Für fünf Erstanmeldungen wurde als Vertreter ein Patentanwalt eingesetzt. Nur ein Patentanwalt wurde zweimal mit einer Vertretung betraut. Eine dauerhafte patentrechtliche Betreuung bei der Erstanmeldung ist demnach nicht auszumachen. In den Patentschriften ist mit Ausnahme von einem Dokument die V-GmbH immer als alleiniger Patentanmelder genannt. In 32 Patentanmeldungen sind 96 Zitationen festgehalten, sieben davon beziehen sich nicht auf Patentschriften sondern auf wissenschaftliche Literatur. Im Durchschnitt fallen 3 Zitationen auf eine Patentschrift. Betrachtet man die erteilten und im Verfahren befindlichen Patentschriften, so liegt der Schnitt bei 3,45, schaut man nur auf die erteilten Schutzrechte sind es 4,5 Zitationen je Dokument. Thematisch beschäftigen sich die Patente mit Erfindungen rund um polymere Verbundwerkstoffe, dem Forschungsgebiet der V-GmbH. Anhand der Patentklassifikation ist festzustellen, dass die eingetragenen Hauptklassen die Sektionen B (Arbeitsverfahren, Transportieren), C (Chemie, Hüttenwesen), D (Textilien, Papier), F (Maschinenbau) und G (Physik) umspannen. Auf den ersten Blick sind keine aufeinander aufbauenden Patente, Sperrpatente oder ähnliche Verbindungen unter den Schutzrechten zu entdecken. Allein von den Patentklassifikationen ausgegangen weist die Patentaktivität auf ein projektbezogenes Anmeldeverfahren hin, ohne schwerpunktorientiert einzelne Kernkompetenzen auch über Patente abzusichern und auszubauen. Die Patentklasse B 29 C ist mit 13 Nennungen die häufigste Hauptklasse. Sie beinhaltet Innovationen zum Thema Arbeitsverfahren, Formgebung, Verarbeitung von Kunststoffen sowie Formen und Verbinden von Kunststoffen. Zusammen mit den Nebenklassen werden 21
274
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
$QJHPHOGHW Hauptkl.
Hauptkl.
15 (47%)
23
5 (36%)
*HVDPW
% & '
(UWHLOW
Haupt- und Nebenkl.
Haupt- und Nebenkl.
7
B 29 C
12 (37%)
21
4 (28%)
5
B 32 B
2 (6%)
4
1 (7%)
2
C 08
8 (25%)
13
3 (21%)
4
5 (16%)
8
2 (14%)
2
3 (9%)
4
0
0
4 (13%)
5
3 (21%)
3
2 (6%)
3
1 (7%)
1
D 04
)XQG* G 01 N
Abb. 7.25. Die Verteilung der Patentanmeldungen auf die IPC Klassen
Patente dieser Klasse zugeordnet. Die zweithäufigste Hauptklasse ist C 08 mit 8 Patenten. Sie wird weiter unterteilt in C 08 F, C 08 L und C 08 J. Mit Überschneidungen in den Nebenklassen der Patente zählt man 13 Schriften, die diesen Kategorien zugeordnet werden. Die Konzentrationsquote beträgt auf alle Patentanmeldungen bezogen 0,39 und für die erteilten Patente 0,65. Abbildung 7.25 zeigt die Anteile der einzelnen Klassen im Überblick. Es wird unterschieden in angemeldete und erteilte Patente. Aufgrund von Überschneidungen und Mehrfachnennungen der IPC Zugehörigkeit im Rahmen der Nebenklassen, werden die Anteile nur für die Hauptklassen angegeben. Die Patente sind zum einen nach dem ersten Buchstaben der Patentklassifikation sortiert. Zum anderen werden besonders oft zugeordnete Sektionen, wie z. B. B 29 C mit dargestellt. Betrachtet man die Patentschriften genauer, insbesondere die Ansprüche, können die Patente thematisch geordnet werden. Es wurde folgende Unterteilung gewählt: Unter den 32 Anmeldungen befinden sich 15 Verfahrenspatente hinsichtlich Umformen und Herstellen von Verbundwerkstoffen, 9 Patente für neue Materialien, 5 Patente bezüglich Anlagen oder Bauteile und 3 Patente, die Messinstrumente und Verfahren beinhalten. Die Verfahrenspatente kann man weiter unterteilen in Verfahren zum Umformen von faserverstärkten Matrixwerkstoffen und Herstellen dieser Stoffe (Anzahl: 11) und Verbesserungspatente für Herstellungsverfahren bzw. Erfindungen, in denen trickreiche Erkenntnisse zum Tragen kommen (Anzahl: 4). Ein Beispiel für erstere ist die Herstellung von Prepregs in Patent DE 197 34 417, für letztere Patent DE 100 12 378 mit einem Verfahren zur Anhaftung und zum Ablegen von faserverstärkten Thermoplastbändern auf einer Werkzeugplattform. Die Patente für neue Materialien sind weiter zu untergliedern in Materialmischungen aus Matrix und
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
,QWHUQH (UWHLOW $QJHPHOGHW $NWLYLWlW 3DWHQWDQPHOGXQJHQLQVJHVDPW
275
,QWHUQH $NWLYLWlW
32
100%
14
100%
Verarbeitungsverfahren
11
34%
3
21%
Verfahrensverbesserung
4
13%
3
21%
Mischung
6
19%
3
21%
Verbund
3
9%
1
8%
%DXWHLO$QODJH
5
16%
3
21%
0HVVLQVWUXPHQW
3
9%
1
8%
9HUIDKUHQ 0DWHULDO
Abb. 7.26. Technologiefelder und das Interne Aktivitätsprofil
Füllstoffen, meist Nanopartikel, und neuen Materialien durch Faserverbund. In Patent DE 103 29 228 wird ein neuer Nanokomposit-Werkstoff mit verbesserter Verschleißfestigkeit geschützt. Patent DE 199 32 842 enthält die Beschreibung eines durch einen löslichen Mantel geschützten Kohlenstofffasernähgarns, der im Rahmen des maschinellen Nähvorgangs robuster ist. Abbildung 7.26 fasst die Erkenntnisse nochmals zusammen. Gleichzeitig wird das interne Aktivitätsprofil zahlenmäßig erfasst und mit angegeben. Durch die Nutzung der Datenbank DPInfo unter https://dpinfo.dpma.de des Deutschen Patent- und Markenamts können die Verfahrensstände der einzelnen Patentrechte herausgefunden werden. Alle verfahrensrechtlichen Eintragungen werden hier festgehalten. Die Patentkennzeichen müssen einzeln eingegeben werden. Auf zwei bis drei Seiten erfährt man dann den Stand des Verfahrens. Die Durchsicht der 32 Anmeldungen ergab, dass letztlich nur 14 Anträge der V-GmbH durchgekommen sind und diesen das Schutzrecht erteilt wurde. Die Kennzahl Erteilungsquote beträgt demnach 0,44. Nach Stand vom 13. Februar 2005 waren noch 13 Patentrechte aktiv. Patent DE 197 42 314 wurde nach sechseinhalb Jahren am 1. April 2004 aufgegeben. Die Gründe für eine Nichterteilung sind nur bedingt aus den Verfahrensdaten zu entnehmen. In zwei Fällen wurde kein Prüfungsantrag gestellt, was zu einer automatischen Ablehnung führt. Vier Anmeldungen wurden vorzeitig durch die V-GmbH zurückgenommen, in einem Fall wurde durch nicht geleistete Zahlung der Gebühr vor Beendigung des Prüfverfahrens das Verfahren unterbrochen. Bei fünf Patenten kam es im
276
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Rahmen der Prüfung zu einer Zurückweisung des Antrages. Insgesamt steht bei sechs Patenten die endgültige Prüfung noch aus. Die Prüfquote beträgt damit 19 %. Die Zahl der in der Anmeldung enthaltenen Ansprüche liegt zwischen 1 und 20, im Mittel enthält eine Patentanmeldung der V-GmbH 8,75 Ansprüche. Der Schnitt der erteilten Patente liegt bei 7,8. Je Patent sind bis zu vier Erfinder eingetragen. Die aktivsten Erfinder in der V-GmbH sind an fünf Patenten beteiligt. Zehn Anmeldungen besitzen nur einen einzelnen Erfinder. Insgesamt sind 40 Wissenschaftler in den Patentschriften festgehalten. Wie bereits erwähnt, sind die Erstanmeldungen alle am DPMA durchgeführt worden. Darüber hinaus weisen fünf Patente weitergehende, internationale Schutzrechtsanmeldungen auf. Es handelt sich um 4 PCT Verfahren, also weltweite Anmeldungen, und einem für Europa und die USA angemeldeten Patent. Die Auslandsquote beträgt für alle angemeldeten Patente 5/32, das heißt bei 5 der 32 Patentanmeldungen wurde das Schutzrecht auch für andere Länder angestrebt. Bezogen auf die erteilten und im Verfahren befindlichen Patente beträgt die Auslandsquote 4/20. Die durchschnittliche Familiengröße aller laufender Schutzrechte ist 5,3. Dieser Wert wird maßgeblich durch die Patentfamilie mit der Priorität aus Patent DE 199 52 443 geprägt. Dieses weltweite PCT Schutzrecht wirkt auf 56 Länder. Es ist das einzige international aktive Patentrecht der V-GmbH. Unternehmensexterne Patentanalyse: Das Wettbewerbsumfeld der V-GmbH
Zur patentbasierten Analyse des Wettbewerbsumfeldes der V-GmbH wird im ersten Schritt die Experten-Suchmaske der DEPATIS Datenbank verwendet. Sie hat den Vorteil gegenüber anderen Datenbanken, dass Rechtsund Linkstrunkierungen580 im Rahmen der Volltextsuche genutzt werden können und Zeiträume eingrenzbar sind. Zunächst wird durch die Eingabe unterschiedlicher Suchbegriffe aus dem Forschungsgebiet und einer unternehmensorientierten Durchsicht der Ergebnisse versucht, potentielle Wettbewerber zu identifizieren. Da der deutsche Markt eine große Bedeutung besitzt und internationale Unternehmen, um einen Patentschutz zu genießen, die Anmeldung in die jeweilige Landessprache übersetzen müssen, sind die äußeren Umstände zum Erreichen von verwertbaren Ergebnissen gegeben. Die Eingabe des Titelsuchbegriffs „Verbundwerkstoff“ mit Rechtstrunkierung (in Form eines Fragezeichen am Ende des Begriffs) und der zeitlichen Einschränkung Anmeldedatum größer als 1. Jan. 1990 führt zu 3264 580
Unter einer Strunkierung versteht man das Anfügen eines Fragezeichens in der Suchmaske zur Verallgemeinerung der Suche.
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
277
Ergebnissen. Eine Eingrenzung auf Patente mit dem Ländercode DE führt zu 988 Patentschriften. Vorausgesetzt, dass der Großteil der deutschen Anmelder direkt beim DPMA anmeldet, kann man auf eine international geprägte Forschungslandschaft schließen. Bei der Durchsicht der Patentlisten fallen die Firmen JSR Corporation, BASF, Bayer und Japan Science & Tech. Corp. durch eine hohe Patentaktivität und thematisch passende Patenttitel auf. Es ist bekannt, dass japanische Unternehmen ein im Mittel aktiveres Patentierverhalten besitzen als z. B. europäische Firmen. Durch weiterführende Internet-Recherchen wurde herausgefunden, dass der JSR Corporation Ende 2004 4345 Mitarbeiter angehörten. Nach 1990 sind 1120 Patentdokumente der JSR Corporation in der Datenbank DEPATIS vorhanden. Somit stehen einem Dokument 3,8 Mitarbeiter gegenüber. Das Verhältnis der V-GmbH beträgt etwa 3,4. Bei allen genannten Unternehmen handelt es sich um selbst produzierende produktorientierte Firmen, die nicht, wie die V-GmbH, ihren Umsatz über reine Forschungsaktivitäten erwirtschaften. Sie sind für einen direkten Vergleich zur Stärken-Schwächen-Analyse nur bedingt zu gebrauchen. Im weiteren Verlauf der Stichwortrecherche fällt auf, dass die Ergebnislisten nur zu einem geringen Teil mit den gewünschten Bereichen übereinstimmen. Oft sind nur wenige passende Patente in den umfangreichen Rechercheergebnissen enthalten. Recherchiert wurden die Begriffe Faser, Kunststoff, faserverstärkt, Sandwich, Polymer, Nanokomposit, Prepregs u. A.. Zwischen 36 und 4138 Ergebnisse wurden je nach Kombination und Schreibweise erhalten. Eine weitere Einschränkung führte meist zu keinem zufriedenstellenden Resultat. Trotz weitreichender Variationen hinsichtlich der Begriffe und ihrer Kombinationen ist die Identifikation von Konkurrenten und Wettbewerbern des Forschungsinstituts durch eine stichwortbasierte Patentrecherche sehr schwierig. Die Qualität der Ergebnisse ist zu gering, um daraus Rückschlüsse auf das Wettbewerbsumfeld ziehen zu können. Die Möglichkeit indexierter Datenbanken, nicht den Patenttext sondern auch extra angelegte Syntax-Stichwortverzeichnisse zur Suche zu nutzen, würde an dieser Stelle weiterhelfen. Ob jedoch allein dadurch ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht werden kann, ist fraglich. Da es sich bei den Patenten der betrachteten GmbH um hochspezialisierte Innovationen handelt, sind nur wenig zusammenhängende Patente ausfindig zu machen. Eine indexierte Datenbank verringert den Suchaufwand und erhöht die Ergebnisqualität. In diesem Fall gestaltet sich aber die stichwortbasierte Suche schwierig. Die in den Patentschriften genutzten Begriffe sind entweder sehr speziell (Suchbegriff: „Faserbündelimprägnierung“ – 1 Patent der V-GmbH) oder führen kombiniert zu sehr vielen unpassenden Schriften (Suchbegriffe: „Faser?“ und „imprägnier?“ – 446 Patentdokumente). Hinzu kommt, dass die V-GmbH nicht für einen speziellen
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Markt oder ein Produkt erfindet, sondern im Rahmen von einzelnen Projekten Forschung betreibt. Die Anzahl miteinander verbundener Patente ist wie im Patentbestand zu sehen, eher gering. Im Gegensatz zu anderen Beispielen, in denen Patente einem bestimmten Produkt oder Markt zugeordnet werden können, gestaltet sich die patentbasierte Suche nach Wettbewerbern mit Hilfe von Stichwörtern sehr schwierig. Eine Patentrecherche arbeitet mit statistischen, also überwiegend quantitativen Mitteln. Die Konkurrenten, die ein ähnliches Patentierverhalten an den Tag legen und nur vereinzelt anmelden, können nur selten gefunden werden. Aus einer einzelnen Patentanmeldung eines Konkurrenten unter mehreren hundert oder tausend Patenten in diesem Bereich kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen direkten Wettbewerber handelt. Aufgrund der hoch spezifischen, auftragsorientierten Forschungsaktivitäten ist jedoch nicht mit einem massiven Patentaufgebot eines Konkurrenten innerhalb eines Spezialgebiets bzw. Fachbegriffs der V-GmbH zu rechnen. Die Durchsicht der Patente lässt einzelne Treffer meist großer Unternehmen wie Bayer oder BASF zum Vorschein treten. Diese Unternehmen sind für eine patentbasierte Stärken- und Schwächen-Analyse nur bedingt geeignet. Neben der Suche über Stichwörter können die IPC-Klassen der V-Patentschriften nach ähnlichen Innovationen durchsucht werden, um mögliche Wettbewerber auszumachen. Auch Kombinationen von IPC Klassen und Stichwörtern als Suchvorgabe wurden angewendet. Am Beispiel der Patentklassen des Verfahrenspatentes Nr. 3 mit dem Aktenzeichen DE 199 44 164 wird die Vorgehensweise im Folgenden erläutert. Das Patent beschäftigt sich mit einer Verfahrenslösung zum schnelleren Umformen faserverstärkter Kunststoffplatinen. Die Patentklassifikation dieser Schrift lautet B 29 C 70/00. Innerhalb der Sektion B 29 C 70 gibt es in der Datenbank DEPATIS 12217 Patentdokumente, in der Untersektion B 29 C 70/00 sind es 1354. Beschränkt man die Suche auf die Hauptklasse, erhält man immer noch 403 Ergebnisse, davon wurden 376 nach dem 1. Januar 1990 angemeldet. Die Durchsicht der aktuellsten Schriften zeigt schnell, dass mit den Schwerpunkten Automobil- und Luftfahrtindustrie viele bauteilbezogene Verfahrenspatente Inhalt dieser Klasse sind. Rein auf eine Verfahrensverbesserung im Stil der V-Patente ausgerichtete Patentschriften sind nicht zu entdecken. Schränkt man die Suche auf in Deutschland angemeldete Patente ein, sind noch 161 Dokumente zu finden. Dies zeigt wiederum die starke internationale Ausrichtung, da über die Hälfte aller Schutzrechte im Ausland angemeldet wurden und ihre Wirkung erst dann auf Deutschland ausgeweitet wurde. Kombiniert man nun die IPC Klasse mit einem passenden Begriff aus der Patentschrift Nr. 3 der V-GmbH, so grenzt man zwar die Ergebnisliste ein, das grundlegende Problem kann jedoch nicht gelöst werden. Die wenigen
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inhaltlich vergleichbaren Patentschriften befassen sich mit produktorientierten Verfahren aus dem Geschäftsfeld des Anmelders. Sowohl auf der Seite des Anmelders als auch auf der Seite der V-GmbH handelt es sich meist um Einzelpatente. Ein Forschungsinstitut, das ähnlich spezialisiert im Auftrag von Firmen erfindet, ist andererseits anhand der Patentdaten nicht zu ermitteln. Mit der kombinierten Suche wurden die Begriffe „umform“, „Kunststoffplatine“, „Organoblech“, „faser?“ und „reißen“ verwendet. Die Ergebnisse variierten von genau einem gefundenen Patent (umform?) bis zu 52 Patente (faser?). Das Unternehmen mit den meisten Dokumenten in dieser Anfrage war das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrttechnik mit 3 Patentschriften. Die nicht zufriedenstellenden Ergebnisse der auf Stichworten und IPCKlassen basierenden Patentanalyse wurden durch eine einfache Befragung eines Verantwortlichen der V-GmbH ersetzt. Das Interview brachte drei zumindest in Teilbereichen konkurrierende Institute zum Vorschein, die im Rahmen der Patentanalyse noch nicht in Erscheinung getreten waren. Dabei handelt es sich um das Center for Composite Materials der Universität von Delaware, das Institut für Kunststoffverarbeitung IKV der RWTH Aachen und den Lehrstuhl für Kunststofftechnik der Universität NürnbergErlangen. Weiterführende Online-Recherchen haben ergeben, dass sich die Größe der Institute zwischen 50 und 140 Mitarbeitern bewegt. Damit sind sie mit der V-GmbH größenmäßig vergleichbar. Dem Center for Composite Materials CCM konnten keine Patente direkt zugeordnet werden. Das CCM meldet die Patente entweder über die Universität Delaware unter dem Anmeldernamen „Univ. Delaware“, direkt unter dem Namen des Erfinders oder aber, was sehr unwahrscheinlich ist, unter einem unbekannt gebliebenen Namen. Im Fall des CCM stoßen die Patentdatenbanken an ihre Grenzen. Es ist davon auszugehen, dass die Patentanmeldungen über die Universität Delaware laufen. Aber selbst eine Durchsicht dieser Patente lässt eine eindeutige Zuordnung nicht zu, da mehrere Fakultäten mit dem Institut zusammenarbeiten. Die Universität Delaware ist in 340 Patentdokumenten der Datenbank des DPMA eingetragen. davon fallen 28 in die entsprechenden IPC Klassen. Inhaltlich weichen sie jedoch stark von den V-Patenten ab. Unter dem Namen „Institut für Kunststoffverarbeitung RWTH Aachen“ ist beim DPMA ein einziges Patent für ein Messinstrument eingetragen. Auf den Namen „Vereinigung zur Förderung des Instituts für Kunststoffverarbeitung in Industrie und Handwerk an der Rheinisch-Westfälischen RWTH Aachen e.V.“ sind zwei weitere Patente angemeldet. Von einem Patentbestand oder Patentportfolio ist hier jedoch nicht zu sprechen. Für einen patentbasierten Vergleich sind die Daten nur zu groben Aussagen zu gebrauchen. Der Lehrstuhl für Kunststofftechnik der Universität Nürnberg-
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7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Erlangen ist in den Patentdatenbanken gar nicht vertreten. Auch eine genauere Durchsicht der Patente der Universität Nürnberg-Erlangen brachte keine Ergebnisse. Genauso wenig führte eine Suche nach den Mitarbeitern des Lehrstuhls als Erfinder zu einem Resultat. Diese Erkenntnisse passen zu den Untersuchungen des Patentierverhaltens anderer Forschungsinstitute aus dem Bereich Kunststoffe. Bei Stichproben kam es regelmäßig vor, dass keine Patente gefunden werden konnten. Ein nicht genanntes, aber in den Patentdatenbanken aufzufindendes Forschungsunternehmen ist das „Thüringische Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e.V.“ (TITK). Das Institut mit etwa 110 Mitarbeiter steht mit seinem Namen auf 227 Patentdokumenten in der Datenbank DEPATIS. Dabei sind dies sich nicht notgedrungen einzelne Erfindungen sondern alle beim DPMA vorliegenden Dokumente samt Patentfamilien, Offenlegungsschriften usw. Wenn es sich auch nicht um einen direkten Konkurrenten handelt, so sind dennoch beachtlich viele Patente in gleichen Klassen eingeordnet. Abbildung 7.27 gibt einen Überblick. Die Recherche umfasst die Patentanmeldungen der TITK seit 1992.
*HVDPW $XVODQGVDQPHOGXQJHQ %
7,7.H9
9*PE+
17 (11%)
15 (47%)
B 29 C
10 (6%)
12 (37%)
B 32 B
1 (0%)
2 (6%)
56 (36%)
8 (25%)
44 (28%)
8 (25%)
72 (46%)
5 (16%)
8 (5%)
3 (9%)
2 (1%)
2 (6%)
7 (5%)
2 (6%)
6 (4%)
2 (6%)
& C 08
' D 04
)$ * G 01 N
Abb. 7.27. Patentaktivitäten nach IPC-Patentklassen von TITK und V-GmbH
Weitere durch Internet Recherchen ermittelte und thematisch ähnliche Forschungsunternehmen sind das „Institut für neue Materialien (INM)“ aus Saarbrücken und das „Institut für Polymerforschung (IPF)“ in Dresden. In Abb. 7.28 sind einige Daten der V-GmbH, des TITK und dieser beiden Institute zusammengefasst.
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
0LW 3DWHQW GRNX 3DWGRN $XVODQG 86 DUEHLWHU PHQWH
(3
:2
281
$NWZHUW 4XDO ZHUW
9*PE+
90
49
6
2
1
3
0,5
0,12
7,7.H9
110
227
62
3
16
18
2,1
0,21
,10
200
359
259
46
27
16
1,8
0,48
,3)
330
181
90
2
18
2
0,5
0,31
Abb. 7.28. Vergleich der Forschungsinstitute anhand von Kennzahlen des Patentierverhaltens
Sie werden für die unternehmensbezogene Portfolio-Analyse benötigt. Die Zahl der Beschäftigten wurde den jeweiligen Internet-Seiten entnommen. Die Patentanmeldungen und die Auslandsquote stammen vom DPMA, die europäischen sowie US amerikanischen Werte von den jeweiligen Patentämtern. Unter Patentdokumente ist die Anzahl der Patentschriften zu verstehen, die bei der Suche nach dem Anmelder von der Datenbank DEPATIS angezeigt werden. Die Patentdokumente Ausland fassen alle nicht mit DE beginnenden Veröffentlichungsnummern zusammen. Die Spalte US nennt die Anzahl der Dokumente, die vom USPTO für den Anmelder wiedergegeben werden. Die Spalten EP und WO beziffern die Ergebnisse der Suche nach den Anmeldern mit der Datenbank Espacenet des Europäischen Patentamts. Der Aktivitätswert in der vorletzten Spalte berechnet sich aus dem Verhältnis der Patentdokumente zu der Anzahl der Mitarbeiter. Der Qualitätswert wurde in Anlehnung an den für die Patent-Portfolio-Analyse vorgeschlagenen Wert von Ernst ermittelt581. Da jedoch die Kennzahlen Erteilungsquote, Gültigkeitsquote und Zitierquote nicht recherchierbar waren, wurde eine eigene Qualitätskennzahl basierend auf den Auslandsanmeldungen verwendet. Sie wird durch das arithmetische Mittel des Anteils der Patentdokumente Ausland an den Patentdokumenten (3. Spalte in Abb. 7.28) und des Anteils der Summe US + EU + WO (4. + 5. + 6. Spalte in Abb. 7.28) an den Patentdokumenten gebildet.
581
Ernst, Patentinformationen für die strategische Planung von Forschung und Entwicklung.
282
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Unternehmensexterne Patentanalyse: Die technologische Entwicklung im Umfeld der V-GmbH
Nachdem sowohl der Ist-Zustand als auch die Wettbewerbsanalyse durchgeführt wurden, fehlt für die abschließende Darstellung in Form einer Portfolio-Matrix nur noch eine Bewertung der Technologieattraktivität. Wie zuvor schon erläutert, werden dafür die Technologiefelder aufgrund ihrer Patentaktivität eingeordnet. Auf der Grundlage des Lebenszykluskonzeptes erfolgt anhand der Zuwachs- oder Abgangszahlen der jährlichen Patentanmeldungen eine Einordnung hinsichtlich der Attraktivität. Je größer die relative mittlere Patentwachstumsrate (RWA) ist, desto attraktiver ist das Technologiefeld. Die RWA wird ermittelt durch das Verhältnis des durchschnittlichen Wachstums der Patentanmeldungen (WAft,) in einem Technologiefeld zum durchschnittlichen Wachstum der Patentanmeldungen aller betrachteter Technologiefelder (WAFt). Untersucht werden die im vorigen Abschnitt zur Einordnung der V-Patentaktivitäten ausgewählten IPC-Klassen. Die 32 Patentanmeldungen der V-GmbH sind 31 verschiedenen Hauptklassen zugeordnet. D. h. nur zwei Patentanmeldungen gehören der gleichen Klasse an. Zur Gruppierung der Technologiefelder und anschließenden Untersuchung ihrer Entwicklung werden die Klassen (Buchstabe und Zahl, z. B. B 29) und Unterklassen (Buchstabe, Zahl und Buchstabe, z. B. B 29 C) der IPC-Klassifikation genutzt. Zum einen werden alle in Abb. 7.25 bereits genannten IPC Klassen der V-Patente untersucht. Ergänzt werden diese Patentklassen durch die häufigsten Hauptklassen der Patente des Thüringischen Institutes für Textil- und Kunststoff-Forschung e.V. Die unternehmensbezogene Wettbewerbsanalyse des vorigen Kapitels hat gezeigt, dass dieses Institut geeignet scheint, um einen patentbasierten Vergleich durchzuführen. Dafür werden zunächst die jährlichen Patentanmeldungen der einzelnen Klassen und Unterklassen recherchiert und erfasst. Das durchschnittliche Wachstum der Patentanmeldungen je Klasse (WA) wird anschließend berechnet und dann die relative mittlere Patentwachstumsrate (RWA) gebildet. Abbildung 7.29 gibt die Kennzahlen der Technologiefelder tabellarisch wieder. Die Recherche der IPC-Klassifikation wurde auf zwei Arten durchgeführt. Einmal so, dass nur innerhalb der Hauptklasse gesucht wurde. Die zweite Methode weitete die Ermittlung der Anzahl der Patentanmeldungen auf die Nebenklassen aus. Diese Unterscheidung wurde getroffen, um etwaige Veränderungen in der Zuordnung der Patente durch die Patentprüfer zu berücksichtigen. Jedes Patent wird nur einer Hauptklasse zugeordnet. Da es thematisch sehr häufig zu Überschneidungen kommt, können zusätzlich Neben-klassen in die Patentschrift eingetragen werden. Dementsprechend werden zwischen 40 und 60% zusätzliche Patente bei der Auswei-
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
*HVDPW %& %% :$QXU +DXSWNO :$ +DXSW XQG 1HEHQNO 5:$QXU +DXSWNO 5:$ +DXSW XQG 1HEHQNO
283
&
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0,977
1,039
0,986
0,945
0,99
0,963
0,997
0,999
0,985
1,028
0,993
0,944
1,011
0,968
1,007
1
0,984
1,046
0,993
0,952
0,997
0,97
1,005
1
0,985
1,028
0,994
0,944
1,011
0,968
1,007
Abb. 7.29. Durchschnittliche (WA) und Relative mittlere Patentwachstumsraten (RWA) der Technologiefelder
tung der Suche auf beide Suchfelder gefunden. Für die Portfolio-Analyse werden die Werte für Haupt- und Nebenklasse verwendet. Von ihnen wird angenommen, dass sie die Entwicklung deutlicher und qualitativ besser wiedergeben. In Abb. 7.30 sind die Werte der später verwendeten relativen mittleren Patentwachstumsraten grafisch dargestellt. Die Werte schwanken zwischen 0,944 und 1,028. Das attraktivste Technologiefeld aufgrund der höchsten Wachstumsrate ist die Klasse B 32 B. In ihr findet man Patente zum Thema „Schichtkörper, d. h. aus Ebenen oder gewölbten Schichten, z. B. mit zell- oder wabenförmiger Form, aufgebaute Erzeugnisse“582. Das zweitstärkste Technologiefeld ist die Klasse D 04, hierunter sind u. A. Patente bezüglich der Herstellung von Textilien zu finden, die zur Verstärkung von Matrixwerkstoffen genutzt werden. Die beiden schwächsten, also in der Zahl der Anmeldungen am stärksten nachgebenden Patentklassen sind die Klassen D 01 mit einer RWA von 0,944 und D 06 mit einer RWA von 0,968. Hierbei handelt es sich um Patente, die sich mit der Behandlung von Textilien und flexiblen Materialien beschäftigen (D 06), oder natürliche und künstliche Fasern betreffen (D 01).
582
vgl. DEKLA (IPC) Patentklassifizierung, www.dpma.de.
284
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis 1,04 1,02
5:$
1 0,98 0,96 0,94 0,92 0,9 Gesamt B 29 C B 32 B
C 08
D 01
D 04
D 06
G 01
,3&.ODVVHQ
Abb. 7.30. Grafische Darstellung der Attraktivitätskennzahl RWA
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Aussagekraft einer technologie-orientierte Patentanalyse stark von der Möglichkeit abhängt, einen gegebenen Patentbestand sinnvoll in Technologiefelder einzuteilen. Das Patent-Portfolio der V-GmbH beinhaltet fast ausschließlich Einzelpatente. Es ist weder eine konkrete Produktorientierung noch eine vorrangige Verbindung der Patente zu bestimmten IPC-Klassen zu erkennen. Dadurch wird die Unterteilung in Technologiefelder und technologische Richtungen sehr schwer. Die Konsequenz wäre eine Einzelbewertung aller Patente, die jedoch in den Bereich der Patentbewertung fällt und im Rahmen der strategischen Planung wenig sinnvoll ist. Im Fall der V-GmbH wurde letztendlich die IPC-Klassifikation genutzt, um Patentgruppen zu bilden. Diese starke Abstraktion führt zwar zu einem Ergebnis, die Qualität ist jedoch als nicht zu hoch zu bewerten. Dadurch, dass Patente auf der Ebene von Klassen zusammengefasst werden mussten, die hunderte von Unterklassen und Sektionen beinhalten, kann eine technologische Zusammengehörigkeit in keiner Weise garantiert werden. Damit gehen die teilweise stark positiven Entwicklungen einzelner Technologien in der Gesamtheit unter. Jedoch gibt es keine andere Möglichkeit, die einzelnen zusammenhanglosen Patente zu gruppieren. 7.2.5 Die Beurteilungs- und Empfehlungsphase Alle wesentlichen, das Patentierverhalten und den Patentbestand der V-GmbH betreffenden Daten wurden in der Durchführungsphase gesammelt
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
285
und erfasst. In diesem Kapitel werden nun die Informationen aufbereitet und verdichtet. Als Darstellungsform wird u. A. die Portfolio-Analyse genutzt, die in Abschn. 4.4 erläutert wurde. In diesem Abschnitt wird daher nur auf die Inhalte der Analyse und die ableitbaren Handlungsempfehlungen eingegangen. Ein weiterer Aspekt dieses abschließenden Kapitels ist die kritische Beurteilung der durchgeführten Patentanalyse des Patentbestands der V-GmbH. Erkannte Chancen und weiterführende Ideen sind deshalb ebenso Inhalt dieses Abschnittes wie auch die Nennung der aufgekommenen Probleme und möglicher Lösungsansätze. Aus der Ermittlung des Patentbestandes der V-GmbH wurde eine Reihe von Erkenntnissen gewonnen. Vor dem Hintergrund, dass Patente einem Unternehmen umfassende Wettbewerbsvorteile verschaffen können und zum Unternehmenserfolg beitragen, ist positiv zu vermerken, dass die Patentaktivität der V-GmbH über die letzten 15 Jahre betrachtet zugenommen hat. In Abb. 7.31 sind als Säulen die jährlichen Patentanmeldungen und als Polygon die kumulierte Patentanmeldungen über der Zeit aufgetragen. Zu Beginn der 90er gab es Jahre ohne jegliche Erfindertätigkeit, seit 1996 werden jedoch jährlich Patentschriften zur Anmeldung gebracht. Im Jahr 1999 waren es 6 Patente, die angemeldet wurden. Das Patentportfolio der V-GmbH kann erst hinsichtlich Stärken und Schwächen beurteilt werden, wenn es im Vergleich zu anderen Unternehmen im Wettbewerbsumfeld betrachtet wird. Die projektbezogene
3DWHQWDQPHOGXQJHQ
35 30 25 20 15 10 5 0 ´91 ´92 ´93 ´94 ´95 ´96 ´97 ´98 ´99 ´00 ´01 ´02 ´03
-DKU Abb. 7.31. Die jährlichen (Säulen) und kumulierten (Graph) Patentanmeldungen der V-GmbH.
286
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
Forschungsarbeit der V-GmbH ermöglicht dem Unternehmen einerseits ein breites Betätigungsfeld, sorgt aber auf der anderen Seite für ein unzusammenhängendes, schwer vergleichbares Patentportfolio. Für die Patentanalyse bedeutet dies, dass es sehr schwierig ist, durch eine reine Patentrecherche direkte Konkurrenten zu bestimmen. Durch die hinzugezogene Befragung eines leitenden Angestellten der V-GmbH wurden schließlich drei Konkurrenten ausgemacht. Da deren Patentbestand jedoch nicht vorhanden bzw. nicht recherchierbar war, konnten diese Unternehmen im Rahmen der patentbasierten Stärken-Schwächen-Analyse auch nur begrenzt verwendet werden. Eine ergänzende, auf das Forschungsgebiet Kunststoffe ausgerichtete Internet-Recherche brachte dann drei vergleichbare Institute zum Vorschein, die auch einen eigenen Patentbestand besitzen. Ihre Eignung für einen direkten Vergleich basiert darüber hinaus auf dem gemeinsamen Betätigungsfeld, den Kunststoffen, und auf der ähnlichen Organisationsstruktur in Form eines reinen Forschungsinstitutes. 4XDOLWlWGHU3DWHQWSRVLWLRQHQ
0,5
INM IPF 0,3
TITK
VIVW GmbH
IKV 0 0
1
2
UHODWLYH3DWHQWDNWLYLWlW
Abb. 7.32. Unternehmensbezogene Patent-Portfolio-Analyse.
Der patentorientierte Vergleich, dargestellt in der unternehmensbezogenen Portfolio-Analyse in Abb. 7.32, ordnet das Patentierverhalten der V-GmbH in den unteren linken Quadranten ein. Gemäß des Ansatzes von Brockhoff und Ernst spiegelt dies eine Patentstrategie wider, die geprägt ist durch „Inaktive Anmelder qualitativ minderwertiger Patente“. Sowohl die Patentaktivität als auch die Patentqualität, gemessen an den Auslandsanmel-
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
287
dungen, fällt im Vergleich zu den ausgewählten Unternehmen sehr gering aus. Die zuvor ermittelte, schwache Erteilungsquote von nur 44%, die in den Kennzahlen nicht berücksichtigt werden konnte, unterstreicht die Einschätzung. Jedoch müssen diese Aussagen mit Vorsicht behandelt werden. Die Einordnung ist neben der Art der Kennzahl vor allem von der Wahl der Bezugsunternehmen abhängig. Es handelt sich bei diesen um das Institut für neue Materialien in Saarbrücken (INM), das Thüringische Institut für Textilund Kunststoff-Forschung (TITK), das Institut für Polymerforschung in Dresden (IPF) und das Institut für Kunststoffverarbeitung der RWTH Aachen (IKV). Von diesen Unternehmen wurde nur das IKV als direkter Wettbewerber der betrachteten Unternehmung benannt. Betrachtet man das Patentierverhalten der V-GmbH im Vergleich zum IKV, so zeigt sich ein anderes Bild. Gemäß der generischen Patentstrategien von Brockhoff und Ernst gehört die V-GmbH dann zu den „Aktiven Anmeldern qualitativ hochwertiger Patente“, da die Einordnung sich immer am Mittel der untersuchten Unternehmen orientiert. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sowohl die Aktivität als auch die Qualität der Patente verbesserungsfähig sind. Neben der reinen Aktivität und Qualität der Patente ist vor allem die technologische Ausrichtung des Patentierverhaltens von Bedeutung. Wie bereits erwähnt, ist durch die projektorientierten Forschungstätigkeiten der V-GmbH kein einheitliches Patentportfolio vorhanden. Sicherlich drehen sich alle Erfindungen im weitesten Sinn um Verbundwerkstoffe, sie umfassen jedoch eine verhältnismäßig große Zahl von Teilgebieten innerhalb des sehr breiten Hauptthemas. So gehören sowohl Herstellungsverfahren und Umformverfahren von Verbundwerkstoffen als auch Bauteile, Materialmischungen, Verbundbauweisen und neue Messinstrumente zu den insgesamt 32 Erfindungen. Einen Nachteil bedeutet dies zunächst nur für die technologiebezogene Patentrecherche. Einerseits ist so eine produkt- oder marktorientierte Technologieprognose nicht durchführbar. Andererseits ist im Sinne einer strategischen Betrachtung die einzelne Bewertung von Patentrechten und den zugehörigen Technologiefeldern unzweckmäßig. Eine Gruppierung konnte somit nur über die IPC-Klassifikation stattfinden, was zu qualitativen Einbußen der Aussagekraft führen kann. Die Beurteilung der technologischen Potentiale geschieht über die Kennzahl der relativen Wachstumsrate der Patentanmeldungen in einem Technologiefeld. Über sie wird die sog. Technologieattraktivität ermittelt. In Abb. 7.33 ist eine technologiebezogene Patent-Portfolio-Analyse graphisch dargestellt. In ihr sind verschiedene Kennzahlen enthalten. Das interne Aktivitätsprofil wird durch die Größe der Kreise dargestellt, deren Flächen proportional zum Anteil des Technologiefeldes an den gesamten Patentanmeldungen sind. Auf der Ordinate wird die Technologieattraktivität abgetragen.
288
7 Patentbewertungsmethoden in der Praxis
7HFKQRORJLHDWWUDNWLYLWlW V-GmbH IVW
1,5
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UHODWLYH3DWHQWSRVLWLRQ
Abb. 7.33. Technologiebezogene Patent-Portfolio-Analyse
Über die relative Patentposition auf der Abszisse, kann wie in Abb. 7.33, ein Vergleich von Unternehmen durchgeführt werden. Sie gibt das Verhältnis der Patentanmeldungen der Unternehmen zueinander oder zum Durchschnitt über alle Unternehmen an. Die Patente der V-GmbH wurden für diese Analyse in sechs Bereiche unterteilt. Die über den Zeitraum 1990 bis 2001 ermittelten relativen Patentwachstumsraten liegen zwischen 0,94 und 1,28. Alle betrachteten Technologiefelder zusammen haben sich bezüglich der Anmeldezahlen tendenziell so gut wie nicht verändert. Die Patentwachstumsrate beträgt 0,999. Der Anteil der drei wachsenden Technologiefelder B 32 B, D 04 und G 01 an den gesamten Patentaktivitäten der V-GmbH ist etwa 30%. Im Vergleich zum TITK sind die Schwerpunkte des Patentierverhaltens der V-GmbH zukunftsträchtiger verteilt. Nur etwa 8% der Patentanmeldungen betreffen Technologiefelder die sich relativ im Wachstum befinden und damit attraktiver erscheinen. Es bleibt festzuhalten, dass in dem technologiebezogenen Vergleich zum TITK die betrachtete Forschungseinrichtung trotz überwiegend schwächerer Patentposition deutlich ausgeglichener und zukunftsorientierter abschneidet. Basierend auf der durchgeführten Patentanalyse können abschließend folgende patentbezogene strategische Handlungsempfehlungen für die V-GmbH festgehalten werden. Der zunehmenden Bedeutung von Patenten
7.2 Beispiel zur Patentportfoliobewertung
289
für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen wird grundsätzlich Rechnung getragen. Die Patentaktivitäten der V-GmbH nehmen in den letzten Jahren zu. Um unnötigen Aufwand zu vermeiden und das Potential der Patentrechte besser zu nutzen, ist eine stärkere Einbeziehung der Patentaktivitäten in die strategische Planung und umgekehrt sinnvoll und notwendig. Aus der geringen Erteilungsquote ist abzulesen, dass Defizite bezüglich der grundlegenden Aufgaben des Patentmanagements bestehen. Somit werden unnötig Kosten verursacht und Kapazitäten gebunden. Zum einen muss die Bedeutung von Patenten für die V-GmbH klar kommuniziert werden, um darauf aufbauend die Anstrengungen, ein Patentrecht zu erlangen gezielt einzusetzen. Dazu gehört es vor allem, eine Patentanmeldung gründlicher vorzubereiten und den Weg zur Erteilung zu ebnen. Über den Stand der Technik muss man im Unternehmen so informiert sein, dass in Bezug auf die Neuheit der Erfindung bereits im Unternehmen eine nahezu sichere Einschätzung erfolgt. Dies spart frühzeitig unnötigen weiterführenden Aufwand und damit Kosten. Die Ergebnisse der Patentanalyse lassen vermuten, dass die technologische Ausrichtung der V-GmbH stark projektgebunden ist. Die Aktivitäten gehen in vielen Technologiefeldern sehr stark ins Detail. Aus strategischer Sicht ist daher abzuwägen, in wiefern stärkere Zusammenhänge geschaffen werden können um Synergieeffekte zu nutzen. Zusätzlich ist zu überlegen, ob beim Auf- und Ausbau von Kompetenzen die Möglichkeit von Technologieprognosen durch Patentinformationen einbezogen werden. Zumindest als zusätzliche Informationsquelle und Entscheidungshilfe kann eine Patentanalyse hilfreich sein. Hier ist es jedoch wahrscheinlich, dass die hohe fachliche Kompetenz der Wissenschaftler zu wesentlich exakteren und gesicherteren Aussagen bezüglich zukünftiger Entwicklungen führt als eine Patentanalyse. Die geringe Erteilungsquote einerseits und die im Vergleich zu anderen Instituten niedrige Aktivität und Qualität im Patentierverhalten erweckt den Anschein, dass das ganze Potential hinsichtlich der Erlangung und Verwertung von Schutzrechten in der V-GmbH bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Neben der strategischen Einbindung in Entscheidungsprozesse ist daher auch eine organisatorische operative Struktur gefordert. Die Ernennung eines oder mehrerer Patentbeauftragten, die enge Zusammenarbeit mit einem Patentanwalt oder Patentinformationszentrum, die Einberufung von regelmäßigen Treffen zum Thema Patente oder gar der Aufbau einer, in die Geschäftsprozesse integrierten Patentabteilung u. ä. können im Rahmen des Patentmanagements nützliche Impulse setzen. Eine konkrete Ausgestaltung kann jedoch nur im Kontext der Unternehmenssituation unter Einbeziehung aller relevanten Informationen geschehen.
8 Schlussbetrachtung
Schl uss betrac htung
8.1 Zusammenfassung Das vorliegende Handbuch hat zum Ziel, einen praxisorientierten Leitfaden zur Patentbewertung zu entwickeln. Ausgehend von der Zeit als zentraler Variablen ergab sich dabei die Notwendigkeit eines dreiteiligen Bewertungskonzeptes, das auf die unterschiedlichen Bewertungskontexte von Erfindungen, Patenten und Patentportfolios ausgelegt ist. Für jedes Bewertungsobjekt wurden geeignete Bewertungsmethoden identifiziert, die zur Erreichung eines möglichst breiten Anwendungsspektrums einer modulationsfähigen Ausgestaltung unterworfen wurden. Die zur Erfindungsbewertung herangezogenen Module „Patentfähigkeit“, „Technologieportfolio/Technologielebenszykluskonzept“ und „Kosten-Nutzen-Abschätzung“ folgen als logische Konsequenz ihrer zeitlichen Relevanz. Die wirtschaftlichen Erfolgspotenziale einer Erfindung wurden anhand des Moduls „Technologieportfolio/Technologielebenszykluskonzept“ sachgerecht und in einem für die Erfindungsbewertung ausreichendem Umfang abgeschätzt. Aufgrund der Übertragbarkeit der hier gewonnenen Kenntnisse auf die spätere Patentbewertung, wurde die Leistungsfähigkeit dieses Moduls ausführlich dargestellt. Die abschließende Diskussion der Kosten-Nutzen-Aspekte ermöglichte eine weitere Konkretisierung der Erfindungsbewertung. Für die Bewertung von Patenten konnte ein kontextsensitives Bewertungskonzept entwickelt werden, in der die aus Unternehmenssicht relevanten Einflusskriterien einer komplexen Urteilsfindung Berücksichtigung finden. Durch die Integration der Situationsbestimmung und der daraus resultierenden Anforderungs- und Informationsstruktur in das Bewertungskonzept, wurde dem Anspruch dieser Arbeit, eine möglichst umfassende Anleitung zur Patentbewertung zu geben, Rechnung getragen. Das Modul „Technologieportfolio/Technologielebenszykluskonzept“ wurde an die Erkenntnisse aus der Erfindungsbewertung angelehnt und um zusätzliche Möglichkeiten bezüglich der Patentbewertung erweitert. Das
292
8 Schlussbetrachtung
zweite Modul „Kapitalwertorientierte Patentbewertung“ wurde aus einer Vielzahl existierender Bewertungsansätze aufgrund seiner Flexibilität ausgewählt. Die hier vorgenommene Zerlegung des Moduls in einzelne Ablaufschritte stellt die Realisierung eines breiten Anwendungsspektrum sicher. Im dritten Teil des Bewertungskonzeptes wurden gängige Portfolio-Darstellungen in einer integrierten Patentportfolio-Betrachtung zusammengeführt. Durch die Einführung einer einheitlichen Bezugseinheit konnten technologische, quantitative und qualitative Aspekte der Patentportfoliobewertung in einem Bewertungsschritt abgebildet werden. Neben den Bewertungsmöglichkeiten des Gesamtpatentbestandes eines Unternehmens wurden auch die Verifizierungspotenziale für einzelne Patentwerte anhand des integrierten Patentportfolios aufgezeigt.
8.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis Mit der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, einen Kompromiss aus der für die Gewährleistung von Anwendungsvielfalt erforderlichen Abstraktion und der für die Praktikabilität nötigen Einbeziehung spezifischer Bewertungssituationen zu finden. Die hier getroffene Auswahl und Ausgestaltung relevanter Bewertungsansätze bietet eine anwenderorientierte Grundlage, um fundierte Managemententscheidungen im Umgang mit Patenten zu unterstützen. Während die immense Bedeutung von Patenten als immaterielle Vermögensgegenstände auch von mittelständischen Unternehmen zunehmend erkannt wird, bestehen bezüglich ihrer Bewertung häufig erhebliche Unsicherheiten. Das vorliegende Bewertungskonzept kann zu einer Reduzierung dieser Unsicherheiten beitragen. Unternehmen sehen sich mehr denn je einem verschärften technologischen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt. Die Ursachen dafür liegen in einem zunehmend hart umkämpften Umfeld gesättigter und technologisch (nahezu) ausgereifter Märkte, der hohen Geschwindigkeit technischen Fortschritts, der Schnelllebigkeit sich wandelnder Konsumentenbedürfnisse und der daraus resultierenden Verkürzung von Produktlebenszyklen. Unter diesen Umständen tritt die strategische Bedeutung von Patenten vermehrt in den Vordergrund unternehmerischen Handelns. Allein die kontinuierlich steigende Zahl an Patentanmeldungen spiegelt bereits ihren hohen Stellenwert für den Unternehmenserfolg wider. Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu erstaunlich, dass Patente in zahlreichen Fällen wirtschaftlich nicht optimal genutzt werden. Umfragen unter amerikanischen Unternehmen haben beispielsweise ergeben,
8.3 Ausblick
293
dass 1998 durchschnittlich rund 35% der patentierten Technologien von Unternehmen nicht wirtschaftlich verwertet wurden583. Um eine optimale Ausschöpfung der unternehmenseigenen Ertragspotenziale sicherzustellen und mögliche Fehlentscheidungen zu minimieren, bedarf es einer fundierten Steuerung sämtlicher Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen. Dabei bietet ein professionelles Patentmanagement eine entscheidende Grundlage für wirtschaftlichen Erfolge. Insbesondere bei mittelständischen Unternehmen ohne eine eigene Patentabteilung ist davon auszugehen, dass die Bewertung von Erfindungen und Patenten zu den zentralen Management-Herausforderungen mit Optimierungspotenzialen zählt. Die hier entwickelten Bewertungsmodule und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen stellen unmittelbar anwendbare Hilfestellungen für die Unternehmenspraxis dar. Von hohem Nutzen ist dabei die Positionierung der bereits realisierten und geplanten Unternehmensleistungen im zweidimensionalen Raum eines Technologieportfolios. Die Aufnahme des Ist-Zustandes kann dabei gezielt zur Identifikation von Stärken und Schwächen sowie der Bestimmung von Chancen und Risiken herangezogen werden. Insbesondere Industrieunternehmen forschungsintensiver Branchen sollten in regelmäßigen Abständen ihre Marktstellung auf Basis einer umfangreichen Patent- und Erfindungsbewertung überprüfen. Durch die Patentbewertung erfolgt eine Generierung von Wissen. Dieses Wissen gilt es zu einem eigenständigen Wettbewerbsvorteil auszubauen und so die Bewertung der eigenen Patente und Erfindungen zu einem kritischen Erfolgsfaktor im Verdrängungswettbewerb zu erheben.
8.3 Ausblick Aus Unternehmenssicht kann ein professionelles Patentmanagement als Schnittstellenfunktion zwischen Forschung und Entwicklung auf der einen und dem strategischen Produkt- bzw. Marketingmanagements auf der anderen Seite aufgefasst werden. Bereits aus dieser Betrachtungsweise lassen sich für die Patentbewertung im Rahmen eines professionellen Patentmanagements zukünftige (bislang kaum berücksichtigte) Anforderungen ableiten, die hier abschließend lediglich angedeutet werden sollen. Aufgrund gesättigter Kundenbedürfnisse – gepaart mit einem zunehmenden Überangebot gleichwertiger Produkte und einer kaum noch zu überblickenden technologischen Innovationsflut – steht immer häufiger 583
Rivette/Kline, Harvard Business Manager 4/2000, S. 28 (29).
294
8 Schlussbetrachtung
nicht mehr der funktionale Grundnutzen eines Produktes, sondern sein emotionaler Zusatznutzen im Vordergrund der Kaufentscheidung. Es ist davon auszugehen, dass diese sich wandelnden Wettbewerbsbedingungen zukünftig auch verstärkten Einfluss auf die strategische Unternehmensführung haben werden. Technologischer Fortschritt wird sich zwangsläufig den Anforderungen aktueller und zukünftiger Konsumentenbedürfnisse anpassen. Somit ist absehbar, dass auch die Bewertung von Patenten und Erfindungen eine stärkere Berücksichtigung des durch die Instrumentarien eines professionellen Marketingmanagements vermittelten emotionalen Zusatznutzen eines Produktes erfahren wird. Daneben können Erkenntnisse des Marketingmanagements gezielt eingesetzt werden, um beispielsweise die anhand einer Patentbewertung identifizierten Schwächen oder Risiken positiv zu beeinflussen. So ist anzunehmen, dass die Art der Vermarktung und die Ausgestaltung der im Rahmen des Marketing-Mix zur Verfügung stehenden Mittel erheblichen Einfluss auf den nachgestellten Wert eines Patentes haben kann. Unter diesen Voraussetzungen können auch Bewertungen unternehmenseigener Forschungserrungenschaften vorgenommen bzw. angestrebt werden, die nicht mehr den Status eines aktiven Patentes erfüllen. Aus diesen Überlegungen ergeben sich Implikationen für die wissenschaftliche Forschung. So ist mit einer zunehmenden Vernetzung verschiedenster Fachdisziplinen zu rechnen, um auch weiterhin dem Anspruch ganzheitlicher Bewertungsansätze gerecht zu werden.
Anhang Anhang 1: Produktbeschreibung des betrachteten Patentbewertungsobjektes
2IIHQOHJXQJVVFKULIW
296
Anhang
Anhang 2: Verzeichnis der Befragungsorte Orte der Marktvoruntersuchung: x Fachgeschäft für Baby- und Kinderartikel: Babyfant, Denisstr. 31, 67663 Kaiserslautern x Fachgeschäft für Baby- und Kinderartikel: Happy Baby Fachmarkt, Merkurstr. 13a, 67663 Kaiserslautern x Spielwarengeschäft: Toys “R“ US, Merkurstr. 62, 67663 Kaiserslautern Orte des Pretests und der Hauptbefragung: x Kindergarten Herz Mariä, Rockentalstr. 40, 66386 St. Ingbert x Kindergarten Innenstadt Südwest, Humboldtstr. 31-35, 67655 Kaiserslautern x Kindergarten Innenstadt Südwest, Trippstadter Str. 5, 67663 Kaiserslautern x Kindergarten St. Hildegard, Gabelsbergstr., 66386 St. Ingbert x Kindergarten Uni-Wohnstadt, Davenportplatz 50, 67663 Kaiserslautern x Kindergarten Uni-Wohnstadt, Konrad-Adenauer-Str. 31, 67663 Kaiserslautern x Kinderhort Innenstadt Nordost, Mannheimer Str. 33, 67655 Kaiserslautern x Kinderkrippe Kleine Mäuse, Frühlingstr. 17, 83022 Rosenheim x Pfarrei Wiederkunft Christi, Kinderhort & Kindergarten Barbara Strell, Heubergstr. 23, 83059 Kolbermoor x Volkshochschule Kaiserslautern, Kanalstr. 3, 67655 Kaiserslautern
Anhang 3: Verzeichnis der Babyschalenhersteller Bobsy, Votex GmbH, An der Trift 67,63303 Dreiech Bodyguard, Hauck GmbH & Co. KG, Frohnlacher Str. 8, 242 Sonnefeld Carli Super, Carl Stahl GmbH, 89539 Herbrechtingen Chicco, Chicco Babyausstattung GmbH, Borsigstr. 1-3, 63126 Dietzenbach x Concord, Concord GmbH, Industriestr. 25, 95346 Stadtsteinach x Dremfa, Dremefa, NL-6980 AA Doesburg x Tochterunternehmen: Bobob, Gabel
x x x x
Anhang 3: Verzeichnis der Babyschalenhersteller
x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
297
Eurokids, Eurokids GmbH, Leutenberger Straße 36, 07343 Wurzbach Graco, Graco Deutschland, An der Trift 63, 63303 Dreieich Tochterunternehmen: Klippan HTS, HTS GmbH, 30860 Laatzen IWH, IWH Distribution Sarl, 14, Grand Rue, F-67220 Maisonsgoutte Jané, Thosi Spielwaren, Mondelanger Str. 14, 63505 Langenselbold Kiddy, Kiddy GmbH, Fuhrmannstr. 6, 95030 Hof Kidsimsitz, Osann GmbH Kids im sitz, Gewerbestr. 22, 78244 Gottmadingen Tochterunternehmen: Team Tex Maxi-Cosi, Dorel Deutschland, Augustinusstr. 11 D, 50226 Frechen Tochterunternehmen: Bébé Perego, Peg GmbH, Rudolf-Diesel-Str. 6, 85221 Dachau Play, Pol. Ind. Riera de Caldes, Ronda Boada Vell. 6, E-08184 PalauSolitá i Plegamans Profox, Inter-Union, Rheinstr. 34 a, 76811 Landau Recaro, Recaro GmbH & Co., Stuttgarter Str. 73, 73230 Kirchheim/Teck Römer, Britax Römer Ki.-Sich. GmbH, Blaubeurer Str. 71, 89077 Ulm Sandini, Sandini GmbH, 89243 Senden Storchenmühle, Storchenmühle GmbH, Guttenbergstr. 14, 95352 Marktleugast Wavo, Wavo GbR, Werner-von-Siemens-Str. 7, 78239 Rielasingen Tochterunternehmen: Bimbo
298
Anhang
Anhang 4: Pretest Fragebogen
,QQRYDWLRQHQEHL%DE\VFKDOHQ /LHEH]XNQIWLJH 0WWHUXQG9lWHU im Rahmen eines wissenschaftlichen Seminars an der Technischen Universität Kaiserslautern führen wir eine Studie zu Babyschalen durch. Es geht also um Kindersitze für Babys, die zum Transport im Auto und zum Tragen geeignet sind. Sie würden uns bei diesem Projekt sehr helfen, wenn Sie die folgenden Fragen beantworten könnten.
'DIUP|FKWHQZLU6LHELWWHQVLFKYRU]XVWHOOHQIDOOVGLHVQLFKWRKQHKLQGHU)DOOLVW GDVV6LHLQQDKHU =XNXQIWHLQ.LQGHUZDUWHQXQGGDIUHLQH%DE\VFKDOHNDXIHQPVVHQ 9LHOHQ'DQN Wie lange haben Sie sich schon über Babyschalen informiert?
___ Stunden
Wie viel Zeit planen Sie noch dafür zu verwenden?
___ Stunden
Welche Babyschalen-Marken kennen Sie? ____________________________________________ _______________________________________________________________________________ Derzeit gibt es Babyschalen in zwei Kategorien: Solche für ca. 40-80 . Die teureren (Marken-)Artikel bieten mehr Sicherheit und Komfort.
und solche für ca. 120-140
___ Ich würde derzeit eher eines der preisgünstigeren (etwas leichteren) Modelle kaufen. ___ Ich würde derzeit eher eines der hochpreisigeren Modelle kaufen.
Haben Sie vor, eine neue Babyschale zu kaufen, oder werden Sie eine gebrauchte kaufen bzw. weiterbenutzen? ___ Ich werde eine neue Babyschale kaufen. ___ Ich werde eine gebrauchte Babyschale kaufen bzw. weiterbenutzen. Bitte geben Sie nun an, mit welcher Wahrscheinlichkeit Sie eine Babyschale über die folgenden Wege kaufen würden: Unwahrscheinlich
Wahrscheinlich
Fachhändler, z.B. Happy Baby
1
2
3
4
5
6
7
Spielwarengeschäft, z.B. Toys R Us
1
2
3
4
5
6
7
Autozubehörgeschäft, z.B. ATU
1
2
3
4
5
6
7
Ebay
1
2
3
4
5
6
7
Hersteller-Homepage
1
2
3
4
5
6
7
Internet-Babywarenhandel
1
2
3
4
5
6
7
Allgemeiner Katalog
1
2
3
4
5
6
7
Spezialkatalog
1
2
3
4
5
6
7
Supermarkt
1
2
3
4
5
6
7
Anhang 4: Pretest Fragebogen
299
300
Anhang
Anhang 5: Endgültiger Fragebogen
,QQRYDWLRQHQEHL%DE\VFKDOHQ /LHEH]XNQIWLJH 0WWHUXQG9lWHU im Rahmen eines wissenschaftlichen Seminars an der Technischen Universität Kaiserslautern führen wir eine Studie zu Babyschalen durch. Es geht also um Kindersitze für Babys, die zum Transport im Auto und zum Tragen geeignet sind. Sie würden uns bei diesem Projekt sehr helfen, wenn Sie die folgenden Fragen beantworten könnten. Selbstverständlich werden die von Ihnen gemachten Angaben vertraulich behandelt und lediglich im Rahmen dieses Projektes an der Universität verwendet.
'DIUP|FKWHQZLU6LHELWWHQVLFKYRU]XVWHOOHQIDOOVGLHVQLFKWRKQHKLQGHU)DOOLVW GDVV6LHLQQDKHU =XNXQIWHLQ.LQGHUZDUWHQXQGGDIUHLQH%DE\VFKDOHNDXIHQPVVHQ 9LHOHQ'DQN Wie lange haben Sie sich in etwa schon über Babyschalen informiert?
___ Stunden
Wie viel Zeit planen Sie in etwa noch dafür zu verwenden?
___ Stunden
Welche Babyschalen Marken kennen Sie? ________________________________________________ __________________________________________________________________________________ Derzeit gibt es Babyschalen in zwei Kategorien: Solche für ca. 40-80 und solche für ca. 120-140 Die teureren (Marken- )Artikel bieten mehr Sicherheit und Komfort. ___ Ich würde derzeit eher eines der preisgünstigeren (etwas leichteren) Modelle kaufen. ___ Ich würde derzeit eher eines der hochpreisigeren Modelle kaufen.
Haben Sie vor, eine neue Babyschale zu kaufen, oder werden Sie eine gebrauchte kaufen bzw. weiterbenutzen? ___ Ich werde eine neue Babyschale kaufen. ___ Ich werde eine gebrauchte Babyschale kaufen bzw. weiterbenutzen. Bitte geben Sie nun an, mit welcher Wahrscheinlichkeit Sie eine Babyschale über die folgenden Wege kaufen würden: Unwahr Wahr scheinlich
scheinlich
Fachhändler, z.B. Happy Baby
1
2
3
4
5
6
7
Spielwarengesch äft, z.B. Toys R Us
1
2
3
4
5
6
7
Autozubeh örgeschäft, z.B. ATU
1
2
3
4
5
6
7
Online-Auktion, z.B. Ebay
1
2
3
4
5
6
7
Hersteller -Homepage
1
2
3
4
5
6
7
Internet -Babywarenhandel
1
2
3
4
5
6
7
Allgemeiner Katalog
1
2
3
4
5
6
7
Spezial katalog
1
2
3
4
5
6
7
Supermarkt
1
2
3
4
5
6
7
- Bitte wenden -
Anhang 5: Endgültiger Fragebogen
301
302
Anhang
Anhang 6: Regionenvergleich Wichtigkeit: Mittelwerte Region Marke Preis Trennbarkeit 1 35,43% 42,41% 22,16% Sonstige 2 34,39% 41,05% 24,56% Saarland 3 36,17% 33,06% 30,76% Großraum Kaiserslautern 4 46,57% 39,14% 14,28% Großraum München 5 34,51% 44,25% 21,24% Südliches Baden-Württemberg 6 45,89% 34,54% 19,58% Nördliches Baden-Württemberg ANOVA p-Werte: 0,0704 0,0033 0,0111
p-Werte zu Shapiro-Wilks-Test Region Marke Preis Trennbarkeit 1 0,4319 0,0779 0,0737 2 0,0054 0,0072 0,0000 3 0,0043 0,0000 0,0000 4 0,2422 0,4465 0,6840 5 0,0646 0,3617 0,0524 6 0,3458 0,9851 0,2431
Sonstige Saarland Großraum Kaiserslautern Großraum München Südliches Baden-Württemberg Nördliches Baden-Württemberg
Als Signifikanzniveau wurde Alpha=10% festgelegt. Bei den gelb markierten Feldern handelt es sich um signifikante p-Werte, bei denen also nicht von einer Normalverteilung ausgegangen werden kann.
Anhang 7: Regressionsanalyse
303
Anhang 7: Regressionsanalyse Tatsächlich Preis 119 129 149 209 linear b a
Normierter Nutzen 0,255091699 0,195792957 0,167942265 0,117282786 Nutzen=a*Preis+b 0,38204701 -0,0013071
exponentiell: Nutzen=e^(b+a*Preis) b -0,5599989 a -0,0077296
Lineare Regression Exponentielle Regression Relative Schätzwert für Relative Schätzwert für normierten Nutzen Abweichung* normierten Nutzen Abweichung* 0,22650211 -11% 0,227678371 -11% 0,21343111 9% 0,210742704 8% 0,18728911 12% 0,180556903 8% 0,10886311 -7% 0,113553033 -3% R
2
0,84107874
R
2
0,92203341
* Die relative Abweichung ergibt sich jeweils aus der Differenz des nach der Regressionsanalyse geschätzten Wertes und des tatsächlichen Wertes, bezogen auf den tatsächlichen Wert.
304
Anhang
Anhang 8: Experimente zu Methoden der Marktsimulation
Marke Römer Römer Römer Römer Römer Römer Römer Römer Maxi-Cosi Maxi-Cosi Maxi-Cosi Maxi-Cosi Maxi-Cosi Maxi-Cosi Maxi-Cosi Maxi-Cosi Storchenmühle Storchenmühle Storchenmühle Storchenmühle Storchenmühle Storchenmühle Storchenmühle Storchenmühle Babymax Babymax Babymax Babymax Babymax Babymax Babymax Babymax
Sz.1 aktuell Meth.1* Meth.2
Sz.2 Römer Standard Meth.1 Meth.1* Meth.2
Preis Trennbarkeit Meth.1 119 trennbar 119 nicht trennbar 12,24% 11,69% 15,79% 10,95% 10,49% 11,00% 129 trennbar 129 nicht trennbar 10,96% 11,02% 8,61% 9,81% 9,89% 6,22% 149 trennbar 10,50% 10,25% 32,54% 149 nicht trennbar 10,36% 10,72% 13,40% 9,27% 9,62% 1,44% 209 trennbar 209 nicht trennbar 119 trennbar 119 nicht trennbar 13,02% 12,13% 27,27% 11,66% 10,88% 25,36% 129 trennbar 129 nicht trennbar 11,74% 11,43% 2,87% 10,51% 10,26% 1,91% 149 trennbar 149 nicht trennbar 11,14% 11,12% 10,53% 9,97% 9,98% 1,44% 209 trennbar 209 nicht trennbar 119 trennbar 119 nicht trennbar 10,92% 11,00% 9,57% 9,77% 9,87% 9,09% 129 trennbar 129 nicht trennbar 9,64% 10,37% 4,31% 8,63% 9,30% 3,83% 149 trennbar 149 nicht trennbar 209 trennbar 209 nicht trennbar 119 trennbar 119 nicht trennbar 9,98% 10,53% 7,66% 8,93% 9,45% 7,18% 129 trennbar 129 nicht trennbar 149 trennbar 149 nicht trennbar 209 trennbar 209 nicht trennbar Gesamtmarktanteil 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% Marktanteil trennbare 0,00% 0,00% 0,00% 10,50% 10,25% 32,54% Römer 33,55% 33,43% 37,80% 40,53% 40,25% 51,20% Maxi-Cosi 35,91% 34,67% 40,67% 32,14% 31,12% 28,71% Storchenmühle 20,56% 21,37% 13,88% 18,40% 19,18% 12,92% 9,98% 10,53% 7,66% 8,93% 9,45% 7,18% Babymax
164666 Fall:
1
2
…
1
1
1
2
2
2
Trennbarkeit
Nutzen
0
1100
…
MA
SZ
U
MA
SZ
U
Römer
125
nicht trennbar
0,5311
1
1
…
9,3%
15346
1918296
7,8%
12842
1605302
Röme
129
nicht trennbar
0,5259
1
1
…
9,2%
15195
1960193
7,7%
12716
1640363
Röme
135
nicht trennbar
0,5180
1
1
...
9,1%
14969
2020773
7,6%
12526
1691059
Röme
139
nicht trennbar
0,5128
1
1
…
9,0%
14818
2059649
7,5%
12400
1723591
Röme
159
trennbar
0,5504
0
0
…
Röme
169
trennbar
0,5373
0
0
...
7,9%
12992
2195661
Röme
179
trennbat
0,5242
0
0
…
Röme
188
trennbat
0,5125
0
0
…
MaxiCosi
125
nicht trennbar
0,5676
1
1
…
10,0%
16402
2050206
8,3%
13726
1715689
MaxiCosi
129
nicht trennbar
0,5624
1
1
…
9,9%
16251
2096324
8,3%
13599
1754283
MaxiCosi
135
nicht trennbat
0,5546
1
1
…
9,7%
16024
2163235
8,1%
13409
1810277
MaxiCosi
139
nicht trennbar
0,5493
1
1
…
9,6%
15873
2206332
8,1%
13283
1846342
MaxiCosi
159
trennbat
0,5869
0
0
…
MaxiCosi
169
trennbar
0,5738
0
0
…
8,4%
13875
2344904
MaxiCosi
179
trennbar
0,5608
0
0
…
MaxiCosi
188
trennbat
0,5490
0
0
…
Storchenmühle
119
nicht trennbar
0,4779
1
1
…
8,4%
13807
1643074
7,0%
11555
1374986
Storchenmühle
129
nicht trennbar
0,4648
1
1
…
8,2%
13430
1732427
6,8%
11238
1449760
305
Preis
Anhang 9: Umsetzung des Grundmodells zur Marktsimulation
Marke
Anhang 9: Umsetzung des Grundmodells zur Marktsimulation
Gesamtstückzahl:
Preis
Trennbarkeit
Nutzen 0
1100
…
MA
SZ
U
MA
SZ
U
7,6%
12552
1493637
6,4%
10504
1249932
306
Marke
… 135
nicht trennbar
0,4569
0
0
…
Storchenmühle
139
nicht trennbar
0,4517
0
0
…
Storchenmühle
154
trennbar
0,4958
0
0
…
Storchenmühle
159
trennbar
0,4893
0
0
…
Storchenmühle
164
trennbar
0,4827
0
0
…
Storchenmühle
169
trennbar
0,4762
0
0
…
Babymax
119
nicht trennbar
0,4344
1
1
…
Babymax
123
nicht trennbar
0,4292
0
0
…
Babymax
129
nicht trennbar
0,4213
0
0
…
Babymax
135
nicht trennbar
0,4135
0
0
…
Babymax
135
trennbar
0,4772
0
0
…
Babymax
144
trennbar
0,4654
0
0
…
Babymax
154
trennbar
0,4523
0
0
…
Babymax
159
trennbar
0,4458
0
0
…
6,8
…
Gesamt
Nutzensumme 5,7
Anhang
Storchenmühle
100,0%
164666
21344147
100,0%
164666
22402149
Trennbar
0,0%
0
0
16,3%
26867
4540565
Römer
56,6%
60328
7958911
38,5%
63477
8855977
MaxiCosi
39,2%
64549
8516098
41,2%
67892
9471494
Storchenmühle
16,5%
27237
3375501
13,8%
22793
2824746
7,6%
12552
1493637
6,4%
10504
1249932
Babymax 0
1100
Szenarien
Ergebnisse
Anhang 10: Ergebnisübersicht zu Szenarien des Grundmodells
307
Anhang 10: Ergebnisübersicht zu Szenarien des Grundmodells
Szenario Aktuell
Trennbar: Keine
R
Römer 169
MC
Maxi-Cosi 169
S
Storchenmühle 154
No-Name
Babymax 144
R+MC
Römer 159
Maxi-Cosi 159
R+S
Römer 159
Storchenmühle 154
Marktanteil
R+B
Römer 159
Babymax 144
Umsatz Marktanteil Umsatz
MC+S
Maxi-Cosi 159
Storchenmühle 154
Marktanteil
MC+B
Maxi-Cosi 159
Babymax 144
Umsatz Marktanteil Umsatz
S+B
Storchenmühle 154
Babymax 144
Marktanteil
R+MC+S
Römer 159
Maxi-Cosi 159
Storchenmühle 154
Marktanteil
R+MC+B
Römer 159
Maxi-Cosi 159
Babymax 144
Umsatz Marktanteil Umsatz
R+S+B
Römer 159
Storchenmühle 154
Babymax 144
Marktanteil
MC+S+B
Maxi-Cosi 159
Storchenmühle 154
Babymax 144
Maxi-Cosi 159
Storchenmühle 154
Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz
Umsatz
Umsatz Marktanteil Umsatz Alle
Römer 159
Babymax 144
Marktanteil Umsatz
Aktuell R MC S No-Name R+MC R+S R+B MC+S MC+B S+B R+MC+S R+MC+B R+S+B MC+S+B Alle
Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz Marktanteil Umsatz
144
154
Römer (t)
MaxiCosi
MaxiCosi (t)
Storchenm.
Storchenm. (t) Babymax
Babymax (t)
gesamt
trennbar
gesamt
trennbar
gesamt
trennbar
gesamt
trennbar
gesamt
trennbar
100,00% 21344147 100,00% 21902837 100,00% 21937338 100,00% 21665447 100,00% 21522914 100,00% 22402149 100,00% 22157346 100,00% 22028471 100,00% 22187946 100,00% 22059908 100,00% 21808453 100,00% 22602782 100,00% 22458932 100,00% 22257867 100,00% 22285992 100,00% 22669204
0,00% 0 8,60% 2397697 9,10% 2545764 8,00% 2029638 7,60% 1790301 16,30% 4540565 15,30% 4088752 15,00% 3877942 15,80% 4216848 15,40% 4007758 14,40% 3544827 22,00% 5953372 21,70% 5766977 20,80% 5357675 21,20% 5471123 26,70% 7016925
36,60% 7958911 42,10% 9670871 33,30% 7230826 33,70% 7321898 33,90% 7357995 38,50% 8855977 39,00% 8958615 39,20% 8999239 30,80% 6701152 31,00% 6731375 31,30% 6810232 35,90% 8254967 36,10% 8289448 36,50% 8379308 28,90% 6270012 33,80% 7760578
0,00% 0 8,60% 2397697 0,00% 0 0,00% 0 0,00% 0 7,90% 2195661 8,00% 2221108 8,00% 2231180 0,00% 0 0,00% 0 0,00% 0 7,40% 2046653 7,40% 2055202 7,50% 2077481 0,00% 0 6,90% 1924079
39,20% 8516098 35,80% 7782352 44,80% 10282805 36,10% 7834488 36,20% 7873112 41,20% 9471494 33,20% 7209185 33,30% 7241877 41,50% 9529567 41,70% 9572546 33,50% 7287002 38,40% 8828713 38,60% 8865591 31,00% 6743005 38,80% 8916451 36,10% 8299962
0,00% 0 0,00% 0 9,10% 2545764 0,00% 0 0,00% 0 8,40% 2344904 0,00% 0 0,00% 0 8,5%0 2359281 8,50% 2669922 0,00% 0 7,90% 2185768 7,90% 2194898 0,00% 0 7,90% 2207489 7,40% 2054862
16,50% 2275501 15,10% 3084668 15,00% 3066708 23,20% 5134971 15,30% 3120642 13,80% 2824746 21,40% 4725127 14,10% 2870441 21,30% 4699631 14,00% 2854883 21,60% 4776131 19,70% 4353996 13,00% 2644043 20,00% 4419578 19,90% 4397265 18,50% 4093236
0,00% 0 0,00% 0 0,00% 0 8,00% 2029638 0,00% 0 0,00% 0 7,40% 1867644 0,00% 0 7,30% 1857566 0,00% 0 7,40% 1887803 6,80% 1720951 0,00% 0 6,90% 1746873 6,90% 1738054 6,40% 1617884
7,60% 1493637 7,00% 1364946 6,90% 1356999 7,00% 1374090 14,60% 3171165 6,40% 1249932 6,50% 1264418 13,40% 2916914 6,40% 1257595 13,40% 2901104 13,50% 2935089 5,90% 1165105 12,40% 2686850 12,50% 2715976 12,40% 2702264 11,60% 2515428
0,00% 0 0,00% 0 0,00% 0 0,00% 0 7,60% 1790301 0,00% 0 0,00% 0 6,90% 1646762 0,00% 0 6,90% 1637836 7,00% 1657023 0,00% 0 6,40% 1516878 6,50% 1533321 6,40% 1525580 6,00% 1420101
Anhang
Szenario
169
Römer
308
169 Gesamtmarkt 164666
Anhang 11: Ermittlung der Marktrendite mittels exponentieller Glättung
Anhang 11: Ermittlung der Marktrendite mittels exponentieller Glättung
309
310
Anhang
Anhang 12: Berechnung des Beta-Faktors n
E
¦ Gi Ei i 1
E = gewichtetes Branchen-Beta n = Gesamtzahl der betrachteten Unternehmen Ei = Beta-Faktor des Unternehmens i Gi = Gewichtungsfaktor des Unternehmens i in dem betrachteten Index &RPSDQ\1DPH >GDWDDVRI@
DAIMLERCHRYSLER RENAULT BMW AG PEUGEOT VOLKSWAGEN MICHELIN B CONTINENTAL PORSCHE PREF FIAT TOMKINS VOLKSWAGEN PREF GKN VALEO AUTOLIV INC SWED DEP BMW AG PREF TRELLEBORG AB B NOKIAN RENKAAT GEORG FISCHER FAURECIA FIAT RNC FIAT PREF
:HLJKWLQJ %HWD)DFWRUV 672;;70, IRU(XUR (XUR=RQH 672;; $XWRPRELOHV $XWRPRELOHV 3DUWV 3DUWV GD\V 30,31% 1,117498 12,60% 0,998537 11,36% 0,959412 8,33% 0,883336 7,57% 0,923853 7,01% 0,857883 7,00% 0,998631 4,23% 1,031492 3,40% 0,714392 2,65% 0,763025 2,15% 0,780989 1,33% 0,967286 1,01% 0,200382 0,41% 0,523253 0,35% 0,556537 0,30% 0,574847 'XUFKVFKQLWWOLFKHV
*HZLFKWHWHV 0,338713644 0,125815662 0,108989203 0,073581889 0,069935672 0,060137598 0,06990417 0,043632112 0,024289328 0,020220163 0,016791264 0,012864904 0,002023858 0,002145337 0,00194788 0,001724541 0,972717224
Anhang 13: Marktentwicklung
311
Anhang 13: Marktentwicklung Anz. Geburten- Anteil Anzahl Anteil Anzahl Jahr Geburten rückgang Autofahrer Babyschalen hochpreisig, neu hochpreisig, neu 1990 900.000 1,81% 100% 900.000 24,50% 220.500 1991 883.725 1,81% 100% 883.725 24,50% 216.513 1992 867.744 1,81% 100% 867.744 24,50% 212.597 1993 852.053 1,81% 100% 852.053 24,50% 208.753 1994 836.645 1,81% 100% 836.645 24,50% 204.978 1995 821.515 1,81% 100% 821.515 24,50% 201.271 1996 806.660 1,81% 100% 806.660 24,50% 197.632 1997 792.073 1,81% 100% 792.073 24,50% 194.058 1998 777.749 1,81% 100% 777.749 24,50% 190.549 1999 763.685 1,81% 100% 763.685 24,50% 187.103 2000 749.875 1,81% 100% 749.875 24,50% 183.719 2001 736.315 1,81% 100% 736.315 24,50% 180.397 2002 723.000 1,81% 100% 723.000 24,50% 177.135 2003 709.926 1,81% 100% 709.926 24,50% 173.932 2004 697.088 1,81% 100% 697.088 24,50% 170.787 2005 684.482 1,81% 100% 684.482 24,50% 167.698 2006 672.105 1,81% 100% 672.105 24,50% 164.666 2007 659.951 1,81% 100% 659.951 24,50% 161.688 2008 648.017 1,81% 100% 648.017 24,50% 158.764 2009 636.298 1,81% 100% 636.298 24,50% 155.893 2010 624.792 1,81% 100% 624.792 24,50% 153.074 2011 613.494 1,81% 100% 613.494 24,50% 150.306 2012 602.400 1,81% 100% 602.400 24,50% 147.588 2013 591.506 1,81% 100% 591.506 24,50% 144.919 2014 580.810 1,81% 100% 580.810 24,50% 142.298 2015 570.307 1,81% 100% 570.307 24,50% 139.725 2016 559.994 1,81% 100% 559.994 24,50% 137.199 2017 549.867 1,81% 100% 549.867 24,50% 134.718 2018 539.924 1,81% 100% 539.924 24,50% 132.281 2019 530.160 1,81% 100% 530.160 24,50% 129.889 2020 520.573 1,81% 100% 520.573 24,50% 127.540 2021 511.160 1,81% 100% 511.160 24,50% 125.234 2022 501.916 1,81% 100% 501.916 24,50% 122.969 2023 492.840 1,81% 100% 492.840 24,50% 120.746 2024 483.928 1,81% 100% 483.928 24,50% 118.562 2025 475.177 1,81% 100% 475.177 24,50% 116.418 2026 466.584 1,81% 100% 466.584 24,50% 114.313 2027 458.147 1,81% 100% 458.147 24,50% 112.246 2028 449.862 1,81% 100% 449.862 24,50% 110.216 441.727 24,50% 108.223 2029 441.727 1,81% 100% Bezüglich des Anteils der Autofahrer an den Eltern Neugeborener wurde mangels genauerer Informationen auf einen Abschlag verzichtet, da dieser als vernachlässigbar angesehen wird.
312
Anhang
Anhang 14: Auszüge aus dem Patentumfeld Schrift Gbm 29513603 Gbm 20205152 Gbm 20308464 Gbm 29821570 Gbm 9014736 OF 10108415 OF 19527351 OF 19805331 OF 19841035 P 19756757 P 4031718 P 4208599 P 4328625 P 4408002 EP 0295838 EP 1188605 EP 1378192 EP 1418085 US 3596986
Klasse B B A B B A A A B A A B A B B B B A
Notiz
Aus der Patentfamilie JP 03139445
Als Entgegenhaltung interessant
Anhang 15: Prozesskosten
313
Anhang 15: Prozesskosten Verletzungsstreit, Streitwert: 357.904 (Quelle: Rebel, Gewerbliche Schutzrechte, Gutachtergebühren: 10.225 S. 199) I. Landgericht (LG) 1. Anwaltskosten
10/10 Prozeßg. §§ 31 I Nr. 1, 11 BRAGO 10/10 Verhandlungsg. §§ 31 I Nr. 2, 11 BRAGO Gebühren für beide Parteien
2.538,27 2.538,27 5.076,53 10.153,06
2. Gerichtsgebühren
3,0 Verfahrensgebühr §§ 11 u. 12b GKG Summe LG
6.780,61 6.780,61 16.933,67
II. Oberlandesgericht (OLG) 1. Anwaltskosten
13/10 Prozeßg. §§ 31 I Nr. 1, 11 BRAGO 13/10 Verhandlungsg. §§ 31 I Nr. 2, 11 BRAGO Gebühren für beide Parteien
3.300 3.300 6.600 13.200
2. Gerichtsgebühren
4,5 Verfahrensgebühr §§ 11 u. 12b GKG Summe OLG
10.170,92 10.170,92 23.370,92
314
Anhang
III. Bundesgerichtshof (BGH) 1. Anwaltskosten
20/10 Prozeßg. §§ 31 I Nr. 1, 11 BRAGO 20/10 Verhandlungsg. §§ 31 I Nr. 2, 11 BRAGO
5.076,53 5.076,53 10.153,06
Gebühren für beide Parteien
20.306,12
2. Gerichtsgebühren
6,5 Verfahrensgebühr §§ 11 u. 12b GKG Summe BGH
14.691,33 14.691,33 34.997,45
Gesamtrisiko
75.302,04
Quelle: Rebel, S. 200
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Kurzbiografien
Professor Dr. jur. Dr. rer. pol. Jürgen Ensthaler Jahrgang 1952, Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen. Wirtschaftswissenschaften in Braunschweig und Göttingen. Promotion zum Dr. jur. in Göttingen 1982; Promotion zum Dr. rer. pol. in Braunschweig 1984; Habilitation (Rechtswissenschaft; Arbeit zum Gewerblichen Rechtsschutz) in Göttingen 1990/91. Bis 2005 Professor für Zivil- und Wirtschaftsrecht an der Technischen Universität Kaiserslautern; ab 2006 Professor für Unternehmens-, Wirtschafts-, und Technikrecht an der TU Berlin. Richter am OLG. Zahlreiche Veröffentlichungen auf den Gebieten Handels- und Gesellschaftsrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Kartellrecht und Europarecht. Mitherausgeber des in der K&R-Schriftenreihe erschienenen Werkes „Handbuch Urheberrecht und Internet“ und Herausgeber des Lehrbuchs zum Gewerblichen Rechtsschutz im Springer Verlag. Einschlägige Forschungsprojekte unter anderem für die europäische Kommission, Aufbau der Patentdatenbank für die europäische Kommission, Entwicklung von Help-Desks für die Patentdatenbank der Europäischen Kommission, 1997 Aufnahme in die Liste der Experten zum Patentrecht bei der Europäischen Kommission. Mitglied der DFG-Forschergruppe „Patentmanagement“ – Gemeinschaftsprojekt unter Beteiligung von fünf Universitäten. Patentrechtsprojekte gemeinsam mit Patentanwälten der chemischen Industrie.
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Kai Strübbe Jahrgang 1977, studierte Wirtschaftsingenieurwesen, technische Fachrichtung Maschinenwesen, an der Technischen Universität Kaiserslautern. Seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Zivil- und Wirtschaftsrecht an der Technischen Universität Kaiserslautern. Promoviert über Fragen des Technikrechts. Insbesondere ist er in der von mehreren Universitäten getragenen interdisziplinären Projektgruppe zu betriebswirtschaftlichem Nutzen und rechtlichen Grenzen des Patentmanagements tätig. Als Wirtschaftsingenieur in den gemeinsam mit der chemischen Industrie
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Kurzbiografien
durchgeführten Patentprojekten ist er darauf spezialisiert, die Bewertungsmethoden mit den patentrechtlichen Anforderungen zusammenzubringen. Mitherausgeber des Buches „Gestaltung von Aufsichtssystemen im Produktsicherheitsrecht“ als Ergebnis einer Forschungsstudie für das BMWA (heute BMWi).
Sachverzeichnis
ABC-Analyse 207 Abschreibung 23, 24, 28 Abschreibungsverfahren 25 Außerplanmäßige Abschreibung 23, 26 Planmäßige Abschreibung 23 Aggregation 205 Aktivierung 22, 23, 24, 27 Aktivierungswahlrecht 24, 26 Aktivierungspflicht 23 Aktivitätskennzahlen Anzahl der Patentanmelder 74 Patentanmeldungen 66 allgemeine Lizenzbereitschaft 39 allgemeines Geschäfts- und Marktrisiko 232 Allianz 59 Analyse der Risikoquellen 233 Anmeldetag 11, 15, 30 Anmeldungskosten 150 Anschaffungskosten 23, 25 Anspornungstheorie 10 Antrag auf Prüfung 18 Antrag auf vorläufige internationale Prüfung 20 Anwaltskosten 151, 264 Anwendungsfelder 88 Anwendungspotenzial 142 Arbeitnehmererfindung 171 Arbitrage Pricing Theory (APT) 232, 233 Aufbau eines Bewertungskonzeptes 113 Aufbau und Methodik einer Patentanalyse 97 Beurteilungs- und Empfehlungsphase 104
Definitionsphase 99 Durchführungsphase 103 Entscheidungsphase 100 Aufgabenfelder des Patentmanagements Berichtswesen 58 strategische Verankerung 59 unternehmerische Verankerung 59 Aufrechterhaltung 18, 38, 152 Aufrechterhaltungskosten 150 Grenznutzen 160 Auslandsquote 85 Barwert 28 Barwertmethode 78, 79 Ermittlung des Barwertes 25 Umsatzbarwert 168 Basistechnologien 133 Bedeutung des Patents für das Unternehmen 35 Begründung des Patentwesens 6 Belohnungstheorie 10 betriebswirtschaftliche Marktanalyse 151 Beurteilungsphase 284 Bewertung des Patents Abschätzung der Rechtskosten 261 Analyse der Vertriebspräferenzen 212 Auswertung der Daten 200 Berechnung des Kapitalkostensatzes 232 Berücksichtigung der Unsicherheit 240
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Sachverzeichnis
Berücksichtigung des technologischen Risikos 239 Bildung mehrperiodiger Szenarien 236 Clusteranalyse 212 Datenauswertung 199 Erwartungswert der Prozesskosten 263 Grundmodell zur Marktsimulation 217 Identifikation rechtlicher Werteinflussfaktoren 248 Kosten der Patentverteidigung bei Patentverletzung 251 Marktbetrachtung 191 Marktumfrage 198 Marktuntersuchung 191 Marktvoruntersuchung 192 Mehrperiodige Betrachtung 232 Methodenauswahl 218 Methodische Überlegungen 252 Modell zur Umsatzschätzung 217 Patenterhaltungskosten 251, 264 Patentrecherche und -klassifikation 255 Pretest 195 Prozesskosten 261 Quantifizierung der Rechtsrisiken 258 Rechtliche Betrachtung 248 Rechtliche Beurteilung des Patents 252 Risiko der Abhängigkeit von anderen Patenten 250 Risiko der nachträglichen Löschung des Patents 249 Risiko der Patentierfähigkeit 249 Risiko der Umgehbarkeit 251 Schätzung der Marktgröße 211 Szenarienfestlegung 222 Untersuchung des Babyschalenmarktes 191 Bewertung von Patentrechten 21 Bewertungsanlass 115, 135, 154, 155, 157, 158 Bewertungsgegenstand 114
Bewertungsmethode 113, 114, 115, 118, 123, 152, 153, 155, 178, 291 Discounted Cash Flow 180 ertragsorientierte Verfahren 180 Kapitalwertmethode 180 kostenorientierte Verfahren 179 marktorientierte Verfahren 179 Bewertungsmodule 159 Bewertungsrisiken 118 Bewertungsstruktur 114 Bewertungszeitpunkt 135, 147, 149, 151, 153, 155, 157, 160, 169 Bilanzierung nach HGB 22 Eigene Patente 22 Erworbene Patente 23 Folgebewertung 23 Bilanzierung nach IAS/IFRS 24 Eigene Patente 24 Erworbene Patente 24 Folgebewertung 25 Bilanzierung nach US – GAAP 26 Eigene Patente 26 Erworbene Patente 27 Folgebewertung 28 Branchenrisiko 165 Buchwert 23, 29 Capital Asset Pricing Model (CAPM) 165, 232, 233 Cash Flow 165, 236 Cash Flow-Abbruch 167 expected Cash Flow 25, 28 patentspezifischer Cash Flow 165 zukünftiger patentinduzierter Cash Flow 160 Clusteranalyse 212 Conjoint Analyse 162, 185, 201, 217 Bewertung der Stimuli 190 Eigenschaften 187 Einordnung in die multivariaten Analysemethoden 186 Erhebungsdesign 188 Präferenzskala 190 Current Impact Index (CII) 81
Sachverzeichnis Darstellung und Auswertung der Ergebnisse einer Patentanalyse 105 Definitionsphase 268 dekompositionelles Verfahren 186 Desinvestition 148, 151 Desinvestitionstrategie 147 Discounted Cash Flow 180, 182 Diskontierung der Zahlungen 232 Diskontierungszinssatz 232, 234 Dominanz (dominance) 87 Durchführungsphase 272 Eigentumstheorie 10 Eigenzitat 88 Einfache Lizenzierung 238 Einzelschritte der Patentbewertung 155 Empfehlungsphase 284 Entscheidungsphase 270 Erfindung 29, 116, 119 Erfindungsbewertung 123 Erhaltungsinvestition 148 Erteilungsquote 173 ertragsorientiertes Verfahren 180 Erwerb durch Tausch 23, 28 experimentelle Marktsimulation 221 Externes Aktivitätsprofil 71 Familiengröße 65, 67, 77, 84, 85, 94 durchschnittliche 86 fraktioniertes Design 189 Fremdzitat 88 Gebrauchsmuster 257 Gebrauchsmusterrecht 8 Gebrauchtmarkt 237 Geheimhaltung 7, 43, 114 Gemeinkosten 24 Fertigungsgemeinkosten 27 Gerichtskosten 151, 264 Gesamtmarkt 194, 198, 205, 218, 227 Gesamtmarktgröße Entwicklung 237
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Gesamtmarktportefeuille 233 Gesamtmarktvolatilität 233 Gesamtnutzen 162, 186, 197, 201, 217 Gesamtnutzenurteil 187 Gesamtnutzenwert 186, 202 Gesamtproduktnutzen 196 gewerbliche Schutzrechte 8 Gewinn patentinduzierter 170 Gewinnermittlungsverfahren 184 Grenznutzen 160 Grundbegriffe 10 Anspornungstheorie 10 Belohnungstheorie 10 Eigentumstheorie 10 Offenbarungstheorie 11 Grundnutzen 294 Gültigkeitsquote 173 Gutachten 23 Gutachterkosten 262 Herstellungskosten 24, 25 patentinduzierte zusätzliche 170 Historische Entwicklung des Patentwesens 6 immaterieller Vermögensgegenstand 2, 22, 24, 25, 292 nicht aktivierbarer 28 immaterieller Vermögensgegenstand 22 immaterieller Vermögenswert 22, 23 immaterielles Wirtschaftsgut 113 Implikationen für die Unternehmenspraxis 292 Individualdaten Aggregation 218 Informationen 117 Informationsfunktion 56 Inländervorteil 84 Innovationsbereitschaft 231 Innovationsmanagement 52, 57 Innovationspotential 93 Innovationsprozess 125
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Sachverzeichnis
Innovationsquelle 58 Innovationsrendite 130 International Accounting Standards (IAS) 21, 24, 25, 26, 27, 29 International Financial Reporting Standards (IFRS) 21, 24, 26, 27, 29 Internationale Regelungen 19 internationales Patent 257 internes Aktivitätsprofil 70 Investition 37, 147, 232, 234 Investitionsentscheidung 79, 233 Investitionsfelder 146 Investitionsplanung 144 Investitionsrechnung 182, 232 Investitionssumme 79 Jahresgebühr 17, 146, 150, 264 Kalkulationszinssatz 240, 265 Kapitalisierungszinssatz 165 Kapitalkosten 165 Kapitalkostensatz 165
durchschnittlicher 234 Kapitalkostenzinssatz 166 Kapitalmarkt 58 Kapitalmarkttheorie 232 Kapitalwertmethode 180 Kennzahl 88, 94, 97, 102, 176, 269, 270, 287 US-Quote 173 absolut 85 Anteil der Eigenzitate 88 Anteil der Fremdzitate 88 Auslandsquote 85 Citation Performance Ratio (CPR) 83 Current Impact Index (CII) 81 Dominanz (dominance) 87 Erteilungsquote 173, 275 Familiengröße 84 Gültigkeitsquote 173 Patentaktivität 36 Patentlaufzeit 79 Patentzitat 80 Qualitätskennzahl 79
relative europäische Patentaktivität 173 relative Wachstumsrate der Patentanmeldungen 287 Technologiestärke 81, 82 technologische Zyklusdauer (technological cycle time, TCT) 87 Wissenschaftsbindung (science linkage, SL) 88 Zitierquote 81, 173 Kennzahlen 64 Aktivitätskennzahlen 66 Qualitätskennzahlen 76 Verbindungskennzahlen 86 Kennziffer 58 Know-how-Schutz 44 Konkurrenzsituation 180 Konzentrationsquote 274 Kosten-Nutzen-Abschätzung 3, 148, 149, 291 Kosten-Nutzen-Abwägung 120 Kosten-Nutzen-Analyse 265 Kosten-Nutzen-Relation 58 Kosten-Nutzen-Verhältnis 149 kostenorientiertes Verfahren 179 Kundennutzen 185 Lebenszyklus 96, 236 zu erwartender 182 lineare Regressionsanalyse 208 Lizenz 39, 58, 91 ausschließliche Lizenz 39 beschränkte Lizenz 39 Exklusivlizenz 39 gemischte Lizenz 39 Know-How-Lizenz 39 Patentlizenz 39 Lizenzarten 39 Lizenzgeber 39 Lizenzgebühr 39, 40 Lizenzierung 36, 38, 40, 41 Lizenzierung und Verkauf der Patentrechte 38 Lizenzierungspolitik 39
Sachverzeichnis Lizenznehmer 39 Lizenzvertrag 39 Markt aktiver 26 aktueller 224, 227 beobachtbarer 180 etablierter 180 lukrativer 130 realer 223 relevanter 129 wenig erschlossener 130 Marktanalyse betriebswirtschaftliche 151 Marktanteil 219, 222, 225, 232, 236 berechneter 222 prognostizierter 220 Verlauf des 228 zu erwartenden 217, 218 Marktanteil-Marktwachstum-Matrix 106 Marktanteilsberechnung 222 Marktanteilsermittlung 222 Marktanteilsschätzung 218 Marktanteilsverschiebung 225 Marktanteilswert 217 Marktanteilszugewinn 225, 242 Marktbedingung 222 Marktbeobachtung fair value Ansetzung 28 Marktbetrachtung 178, 191 Marktchance 58, 177 Marktdaten 117, 158, 161 Aggregation der Individualdaten zu 218 Marktdiffusion 139 Markteinführung erfolgreiche 138 schnelle 151 Markteintritt 91, 150, 237, 242 Markteintrittsbarriere 75, 150 Marktentwicklung 158, 191 Markterfahrungen 121 Markterfolg Vorhersagbarkeit 138 Marktführer 222
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Marktgebiet Sicherung des 38 Marktgegebenheit 179, 248 Marktgröße Schätzung der 211 Marktinformationen 119 Marktkenntniss 182 marktorientiertes Verfahren 179 Marktpotential 61, 133, 138 finanzielles 74 vermutetes 74 Marktpräsenz 193 Marktrecherche 191, 194 Marktreife 1 Marktrendite durchschnittliche 165, 234 Marktrisiko 191 allgmeines 165 Marktsegment Erschließungsmöglichkeit 130 Marktseite des Patentes/Patentumfeldes 181 marktseitige Betrachtung 191 marktseitige Bewertung 182 Marktsimulation 182, 217, 225 experimentelle 221 Grundmodell zur 217 Marktsituation 180, 225, 230 reale 221 Marktstellung überprüfen 293 Marktstichprobe 211 Marktstrategie 94 Marktstudie 186 Marktumfeld 152 Marktumfrage 198 Marktuntersuchung 191, 198, 199 dreistufige 191 Marktveränderungen 139 zukünftige 182 Marktverhältnisse 182 Marktvolumen potentielles 37 Marktvorhersage 217 Marktvoruntersuchung 192, 237
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Sachverzeichnis
Marktwert 116, 170, 248 repräsentativer 28 Marktzersplitterung 222 Marktzinssatz risikoloser 165 Materialrechtliche Voraussetzungen 11 Methodenauswahl 218 Modell zur Umsatzschätzung 217 Modulares Bewertungskonzept 123 Monetarisierung der Nutzenwerte 208 Monopol 1, 5, 6, 37 Monopolmarkt 219 Monopolstellung 7 Motivationsfunktion 181 Nachanmeldung 17 Net Present Value 182 Nettobarwert 182 neuere Bewertungsmethode 181 Neuheit 11, 12, 13, 20, 77, 80, 125, 127, 129, 249, 250, 259, 289 Neuheitsprüfung 11, 125 Neuheitsrecherche 125, 126 Nutzen 11, 38, 51, 128, 129, 149, 164, 181, 194, 198, 203, 217, 218, 224, 254, 259, 260, 293 erwarteter 149, 151 Kostenersparnis 258 monetärer 24 patentinduzierter 185 potentieller 220 Prognose des 224 realer 135 strategischer 149, 151 Übersetzung in Kaufwahrscheinlichkeit 218 wirtschaftlicher 28 Nutzenänderung 225 Nutzenanteil Zusammenhang mit Marktanteil 219 Nutzenpräferenz subjektive 186 Nutzensumme 219, 222
Nutzenurteil 190 Nutzenvorteil 209 Nutzenwert 163, 164, 201, 217, 218, 219 Monetarisierung des 208 Nutzenzuordnung 224 Nutzenzuwachs 24, 25 Offenbarung und der Aufbau deutscher Patentschriften 14 Offenbarungstheorie 11 Offenlegung 18 Offenlegungsfrist 17 Offenlegungstag 15 zu frühe Offenlegung 42 Offensichtlichkeitsprüfung 17, 249 ökonomischer Qualitätsindikator 84 Opportunitätskosten 150 orthogonales Design 190 pateninduzierte Umsatzrendite 170 Patent 30, 117, 119 Patent Cooperation Treaty PCT 8, 19, 20, 48, 276 PCT-Anmeldung 20 Patentabteilung 42, 59, 145, 149, 289, 293 Patentaktivität 1, 35, 47, 48, 50, 51, 52, 55, 63, 70, 76, 79, 83, 84, 93, 95, 101, 108, 109, 139, 150, 172, 173, 174, 253, 258, 259, 260, 267, 269, 271, 273, 282, 286, 289 Betrachtungszeit der 95 branchenbezogene 50 Differenzierung 77 internationale Ebene 50 Ist-Zustand 91 Konkurrenzanalyse 89 relative 68, 94, 109, 174 relative europäische 173 zeitliche Entwicklung 269 zeitliche Veränderung 91 Patentaktivitätserfassung 76 Patentalter 64, 79, 168
Sachverzeichnis Patentanalyse 63 unternehmensexterne 89 unternehmensinterne 89 Patentanmeldung 2, 24, 29, 30, 37, 43, 47, 65, 66, 77, 78, 85, 95, 109, 124, 139, 150, 153, 173, 249, 258, 259 europäische Patentanmeldung 150 internationale Patentanmeldung 19, 109, 150 relative Anzahl 68 Patentanmeldungen am Deutschen Patentamt 47 Patentbewertung 153, 177 Anforderungs- und Informationsstruktur 158 Risikostruktur 157 Situationsbestimmung 155 Technologiefeld des Bewertungsobjektes 157 Patentbewertungsmethoden in der Praxis 177 Patentende 78 Patenterhaltungskosten 251, 252, 253, 264 Patenterteilung 19, 35, 77, 78, 91, 138, 168, 259 Antrag 14 Einspruch Dritter 18, 249 Tag der 15 Voraussetzungen 11 Patenterteilungsbeschluss 18 Patenterteilungsverfahren 249 Patentfähigkeit 16, 124, 125, 291 gefährdete 249 materielle 18 Patentfähigkeit der Erfindung 124 Ableitung erster Erkentnisse über Potenziale und Risiken einer Erfindung 128 Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit 127 Gewerbliche Anwendbarkeit 128 Neuheitsprüfung 125 patentinduzierter Umsatz 161
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Patentkennzahl Konzentration 138 Zahl der Patentanmeldungen 138 Patentkosten 179 Patentlaufzeit 78 Patentleistung 109 Patentmanagement 1, 3, 52, 53, 58, 59, 289, 293 Aufgabenfelder des 58 Ziele und Aufgaben 57 Patentportfolio 31, 117, 120 Patentportfoliobewertung 171 Patentportfoliobewertung am Beispiel 265 Patentpotential 67 Patentqualität 108, 109, 172, 174, 175, 176, 271, 286 Patentstrategien 59 Patentverletzung 42, 251, 261 Kosten der Patentverteidigung 251 Patentverletzungsprozess 251 Patentwert immaterieller 64 Patentzusammenarbeitsvertrag 19 Point of Difference 237 Point of Parity 237 Portfolio-Ansatz 106 Anwendung des PortfolioAnsatzes 107 Patent-Portfolio-Analyse auf Unternehmensebene 108 Technologiebezogene PatentPortfolio-Analyse 110 Präferenzen 206 Präferenzskala 190 Preis-Nutzen-Funktion 208, 209 Prioritätsfrist 17, 19, 20, 273 Produktklasse 223 Produktpiraterie 251 Profilmethode 188 Prozesskosten 151, 251 Erwartungswert 263 Prozessrisiko 252 Prüfbericht 20 Prüfung 249
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Sachverzeichnis
Prüfungsantrag 249 Frist 20 Prüfungsbescheid 18 Prüfungsquote 65 Prüfungsverfahren 18, 20, 80 Qualität der Erfindung technologische und ökonomische 83 qualitativer Werteinflussfaktor 181 Qualitätskennzahlen Auslandsanmeldungen 84 Patenterteilung 77 Patentlaufzeit 78 Patentzitate 80 quantitative Werteinflussgröße 181 rechtliche Seite des Patentes/Patentumfeldes 181 rechtliche Seite der Bewertung 183 rechtliche Risikofaktoren 252 rechtliche Vorschriften 21 rechtliches Risiko 168 Rechtskosten 252, 261 reduziertes Design 189 relative mittlere Patentwachstumsrate 282 relative Patentposition 33 Reputationsfunktion 41 Ressourcenstärke 131, 134, 135 Risiko 46, 77, 119, 130, 232 Risiko der Abhängigkeit von anderen Patenten 250 Risiko der nachträglichen Löschung des Patents 249 Risiko der Patentierfähigkeit 249 Risiko der Substitution 166 Risiko der Umgehbarkeit 251 Risikoabschlag 151 risikoadjustierter Zinssatz 25 Risikoanalyse 241 Risikoberechnung 263 Risikofaktor 118, 119, 258
der Abhängigkeit 260 der Umgehbarkeit 260 risikoloser Zinssatz 165
Risikomanagement 183 Risikoprämie 165, 166 Risikoprofil der Branche 233 Risikostruktur 119, 120, 148, 154, 157 Rückwärtszitation 80 Schlüsseltechnologien 133 Schrittmachertechnologie 132, 142 Schutz vor Nachahmung 37 Schutzbereich 12, 14, 250, 255 Gefahr der Einschränkung des 151 minimaler 152 Verletzung 253 Schutzfunktion 35, 42, 56 technologische 56 Schutzrechtsverletzung 37 Schutzumfang 117, 124, 152, 181 Einschränkungen 152 maximaler 152 Segmentierung 101 Selbstkosten 227 Separationstheorem 234 Simulationsmarkt 223 Sonderkosten der Fertigung 27 Stand der Technik 11, 12, 14, 17, 18, 125, 127, 130, 149, 249, 253, 258, 289 Statute of Monopolies 6 strategische Planung 55 strategisches Management 53 Systematisierung der Patentkennzahlen 65 Tauschpatent 40 Täuschungsfunktion 41 technisches Risiko 137, 233 Technologie im Desinvestitionsfeld 146 Technologieattraktivität 33, 131, 132, 135 Technologielebenszyklus 95, 236 Technologien der Investitionsfelder 146
Sachverzeichnis Technologieportfolio und Technologielebenszykluskonzept 130 Auswirkungen auf das KostenLeistungs-Verhältnis der Produkte 138 Aufstellung des Technologieportfolios und Ableitung einer Bewertung 145 Bestimmung der Ressourcenstärke 143 Bestimmung der Technologieattraktivität 135 Breite der Einsatzgebiete 137 Konzentration 140 Patentanmeldungen 139 Praktische Anwendung 135 Technisches Risiko 136 Theorie 130 Typ der Entwicklungsanforderungen 138 Vohersagbarkeit des Markterfolgs 138 Technologieprognose markt-/produktorientierte 287 Technologiestrategie 94 Ausrichtung der 94 technologische Zyklusdauer 87 technologisches Risiko 191, 239 Teilnutzen 162, 200, 201, 218 normierter 203 transformierter 203 Teilnutzenberechnung 208 Teilnutzenwert 163, 186, 187, 190, 196, 197, 203, 208 durchschnittlicher 218 metrischer 187 normierter 203, 204, 205, 222 Trennbarkeit 224 Überrendite 234 Umgehungserfindung 150, 169 Umgehungslösung 251, 253 Umgehungsschwierigkeit 130, 149 Umsatzschätzung Modell zur 217
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Umsatzsteigerung patentinduzierte 170 Ungewissheit 241 United States – Generally Accepted Accounting Principles (US – GAAP) 21, 26, 27 Unternehmen-Produkt-MarktBeziehung 105 Unternehmensbewertung 117, 178, 236 Unternehmenserwerb 25 Unternehmensexterne Patentanalyse 92, 93, 276 Technologiebezogene Patentanalyse 93, 95 Unternehmensinterne Patentanalyse 90, 272 Unternehmensstrategie 57, 97 Unternehmensübernahme 23, 28 Unternehmensvergleich 68 unternehmerische Verwertung von Patentrechten 36 unternehmerisches Patentierverhalten 46 US-Quote 173 Validitätsprüfung 201 externe Validität 202 interne Validität 201 Verfahrensablauf 16 Verfahrenspatente 13 Verfahrensrechtliche Grundlagen 16 Vergleichsanalyse 271 Vergleichspartner 73 Vergleichspatent 179 Vergleichsportfolio 233, 235 Verkauf der Patentrechte 38, 41 Vermarktung 120, 294 Vermögenswert 26, 113 Verwertung der Patente 91 Vollkosten 27 vorgeschriebene Aktivitäten Anmeldung des Patentes 66 Stellung des Prüfungsantrags 66
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Sachverzeichnis
Vorprüfung 19 Vorwärtszitation 81 Werthaltigkeitsprüfung impairment test 29 Wirtschaftliches Risiko 166 Wissenschaftsbindung (science linkage, SL) 88 Wissenstransfer 43, 44
Zeitwert 23, 29, 165, 180, 232, 236, 242 Zitationskennzahl 83 Zitierquote 173 Zusatznutzen 138, 162, 185, 193, 194, 228, 237 emotionaler 294 Point of Difference 237 zu bewertender 185