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0, denn nach G. PEANO existiert z.B. eine stetige Abbildung von [0,1] auf [0,1]2, eine sog. PeanoKurve (s. z.B. G. PEANO, Math. Ann. 36, 157-160 (1890); D. HILBERT, Math. Ann. 38, 459-460 (1891); F. HAUSDORFF [1], S. 369 ff.; W. SIERPINSKI [1], S. 52-66; s. auch W. SIERPINSKI [1], S. 99-119, wo auf S. 116-117 ein Versehen von HILBERT korrigiert wird). Von H. HAHN und S. MAZURKIEWICZ (1888-1945) wurde sogar gezeigt: Eine Menge M E jRP ist genau dann stetiges Bild des Einheitsintervalls, wenn M kompakt, zusammenhängend und lokal zusammenhängend ist (s. H. HAHN [2], S. 164 ff.). - Eine Peano-Kurve ist aber niemals einfach. Eine einfache Kurve" : [a, b] ~ jR2 nennt man einen Jordan-Bogen; ist ,,(a) = ,,(b) und ,,1 [a, c] einfach für alle a < c < b, so heißt" eine (geschlossene) Jordan-Kurve. Ein JordanBogen ist also das homöomorphe (d.h. das bijektive und in beiden Richtungen stetige) Bild eines kompakten Intervalls; eine Jordan-Kurve ist das homöomorphe Bild einer Kreislinie. Es gibt Jordan-Bögen und Jordan-Kurven" mit A2 ([,,]) > O. Auf diese bemerkenswerte Tatsache weist erstmals H. LEBESGUE in seiner These ([1], S. 219) hin. Entsprechende Beispiele findet man bei H. LEBESGUE ([4]' S. 29-35), W.F. OSGOOD (1864-1943; s. Trans. Am. Math. Soc. 4,107-112 (1903)), F. HAUSDORFF ([1], S. 374 f.) und bei J.R. KLINE (Amer. Math. Monthly 49, 281-286 (1942)). K. KNOPP (1882-1957) verdankt man ein Beispiel eines Jordan-Bogens " : [a, b] ~ jR2, so daß für jeden Teilbogen gilt: A2 ([" 1 [e, d]]) > 0 (a::; e < d ::; b); s. Arch. Math. Phys. (3) 26, 109 f. (1917). Bezüglich neuerer Literatur über einfache Jordan-Bögen positiven Flächenmaßes s. H. SAGAN [1]' chap. VIII und K. STROMBERG, S. TSENG: Simple plane ares of positive area, Expo. Math. 12,31-52 (1994). Notwendige und hinreichende Bedingungen dafür, daß eine kompakte Menge M C jR2 Teilmenge der Spur eines Jordan-Bogens ist, werden von R.L. MooRE und J .R. KLINE (Ann. Math. (2) 20, 218-223 (1918-1919)) angegeben. - Jordan-Bögen" : [a, b] ~ 0 dienen in der Theorie der Approximation im Komplexen zur Konstruktion eines Kompaktums K c a, so gilt hß(A) = o. Es gibt also ein eindeutig bestimmtes 8(A) 2:: 0, so daß ha:(A) = 0 für a > 8(A) und ha:(A) = 00 für a < 8(A); dieses 8(A) heißt die Hausdorff-Dimension von A. a) Für jedes A c IRP gilt 8(A) :::; p.
A#
b) Für jedes A c IRP mit 0 gilt 8(A) = p. c) Für jede einfache rektifizierbare Kurve 'Y ist 8(['Y]) = 1. (Es gibt jedoch stetige Funktionen / : [0, 1] ---+ IR, deren Graph die Hausdorff-Dimension 2 hat; s. P. WINGREN: Concerning a real-valued continuous /unction on the interval [0,1] with graph 0/ Hausdorff dimension 2, L'Enseignement Math., 11. Ser., 41, 103-110 (1995) und Y.-Y. LIU: A /unction whose graph is 0/ dimension 1 and has locally an infinite one-dimensional Hausdorff measure, C.R. Acad. Sei., Paris, Sero I 332, 19-23 (2001).) d) Für An cX (n E N) ist 8(U~=lAn) = sup{8(An ): n E N}. e) Für jede abzählbare Menge A C X ist 8(A) = O. f) Ist A c IRP , 8(A) = 0, so gilt AP(A) = o. g) Für das Cantorsche Diskontinuum 0 C [0,1] gilt 8(0) =log2/log3. h) Zu jedem a E]O, 1[ existiert eine Menge A C [0,1] mit < ha:(A) < 00, d.h. mit 8(A) = a (F. HAUSDORFF, Math. Ann. 79, 157-179 (1919)). i) Das Einheitsquadrat Qo = [0,1]2 werde in 9 Teilquadrate der Kantenlänge 1/3 unterteilt. Man entferne aus Qo die vier Teilquadrate, die an die mittleren Drittel der Kanten von Qo angrenzen, so daß als Restmenge 5 abgeschlossene Teilquadrate der Kantenlänge 1/3 übrigbleiben, die an den Eckpunkten des zentralen Teilquadrats zusammenhängen. Induktiv entstehe Qn+l aus Qn, indem man auf jedes der 5n Teilquadrate von Qn entsprechend denselben Tilgungsprozeß anwendet wie auf Qo; Q:= n~=oQn. Zeigen Sie: 8(Q) = log5/log3.
°
9.4. Ist 'Y : [a, b] A E ~I[a,b].
---+
IRP eine einfache rektifizierbare Kurve, so ist h 1 ('Y(A)) = A(l(A)) für alle
9.5. Übertragen Sie die Ergebnisse des Abschnitts 3 auf (stetige) Kurven 1 : [a, b] 9.6. Für jede rektifizierbare Kurve 'Y : [a, b] ---+ IRP ist ha:(['Y]) = AP(['Y]) = 0, falls p 2:: 2. (Hinweise: Lemma 9.7 und Satz 111.2.9.)
°
---+
X.
für alle a > 1, und es gilt
Kapitel 111 Meßbare Funktionen «Pour passer de la definition de l'integrale d'apres Cauchy-Riemann a celle que j'ai donnee, il suffit de remplacer les divisions de l'intervalle de variation de la variable par les divisions de l'intervalle de variation de la fonction.»l (H. LEBESGUE [7], S. 71) Meßbare Funktionen sind für die Integrationstheorie von entscheidender Bedeutung, da als Integranden nur meßbare Funktionen vorkommen. Um den Begriff der Meßbarkeit von funktionen zu motivieren, erinnern wir kurz an den Begriff des Riemann-Integrals und stellen ihm die Ideen gegenüber, die Lebesgue zur Einführung seines Integralbegriffs dienen. Wir betrachten eine beschränkte nicht-negative Funktion 1 : [a, b] ~ JR (a, b E JR, a < b). Zentrales Problem der Integralrechnung ist die Frage nach dem Flächeninhalt der Ordinatenmenge 0(/) := {(x, y)t E JR2 : a ::; x ::; b, 0 ::; y ::; I(x)}. Nach B. RIEMANN hat folgender Ansatz zur Lösung dieses Problems weite Verbreitung gefunden: Wir betrachten Zerlegungen Z : a = Xo < Xl < X2 < ... < X n = b des Intervalls [a, b] und schachteln die Ordinatenmenge 0(/) von außen dadurch ein, daß wir 1 im Intervall [Xj-1, Xj] durch das entsprechende Supremum von 1 ersetzen. Der Flächeninhalt dieser oberen Approximation des gesuchten Flächeninhalts ist gleich der Obersumme
0(/, Z) :=
L
(sup{/(x) :
Xj-1 ::; x::; Xj})· (Xj -
Xj-1) •
j=l
Dual dazu definieren wir eine untere Approximation durch die Untersumme U(/, Z) :=
L
(inf{/(x) :
Xj-1 ::; X ::; Xj}) . (Xj -
Xj-1) .
j=l
Nun ziehen wir das Unterintegral von
jb f(x) dx
:=
1
sup{U(f, Z) : Z Zerlegung von [a, b]}
-a
zur unteren und das Oberintegral -b
j /(x) dx
:= inf{O(f;
Z) : Z Zerlegung von [a, b]}
----------1 Um von der Integraldefinition nach Cauchy-Riemann zu derjenigen überzugehen, die ich gegeben habe, genügt es, die Unterteilungen des Definitionsintervalls der Funktion zu ersetzen durch Unterteilungen des Intervalls, in dem die Werte der Funktion liegen.
II!. Meßbare Funktionen
84
zur oberen Approximation des gesuchten Flächeninhalts heran. Die Funktion f heißt Riemannintegrierbar über [a, b], wenn das Oberintegral von f mit dem Unterintegral übereinstimmt, und dann heißt
1 b
a
!
-b
f{x) dx:=
f{x) dx a
=
!
b
f{x) dx
-=-a
das sog. "eigentliche" Riemann-Integralvon f über [a, b]. Geometrisch dient dieses Integral zur Definition des Flächeninhalts der Ordinatenmenge von f. - Verzichtet man auf die Forderung der Nichtnegativität von f, so bleibt die obige Definition des Integrals unberührt, nur die geometrische Interpretation lautet dann: Das Riemann-Integral mißt den mit Vorzeichen versehenen Flächeninhalt zwischen der "Kurve" Y = f(x) und der x-Achse, wobei die Flächen oberhalb der x-Achse positiv und unterhalb der x-Achse negativ zu zählen sind. - Aus Gründen der historischen Korrektheit bemerken wir, daß RIEMANN selbst diesen Integralbegriff in seiner Göttinger Habilitationsschrift 1854 nicht mit Hilfe von Ober- und Untersummen sondern mit Hilfe von Zwischensummen L7=1 f(~j)(xj - Xj-I) (Xj-I::; ~j ::; Xj , j = 1, ... , n) einführt. Die zur Riemannschen Definition äquivalente Definition mit Hilfe von Ober- und Untersummen wird 1875 gleichzeitig unabhängig von J.K. THOMAE (1840-1921), G. ASCOLl (1843-1896), P. DU BOIS-REYMOND (1831-1889), H.J.S. SMITH (1826-1883) und G. DARBOUX (1842-1917) angegeben; die Begriffe "Oberintegral" und "Unterintegral" werden erst 1881 von V. VOLTERRA (1860-1940) eingeführt. Betrachten wir die obige Konstruktion des Riemannschen Integrals, so fällt auf, daß im ganzen Ansatz gar keine Rücksicht genommen wird auf den Graphen von f. Benutzt werden willkürliche Zerlegungen Z, die in keiner Weise an den Graphen von f "angepaßt" zu sein brauchen, und diese können durchaus zu schlechten Approximationsergebnissen führen. Diese Beobachtung veranlaßt H. LEBESGUE, anstelle der Unterteilung der Abszissenachse eine Unterteilung der Ordinatenachse vorzunehmen, um auf diese Weise eine bessere Anpassung an den Verlauf des Graphen von f zu erzielen: Es seien etwa 0 ::; f < M(M > 0) und Y : 0 == Yo < YI < ... < Yn = M eine Unterteilung von [0, M]. Dann kann man den Flächeninhalt der Ordinatenmenge von f von unten approximieren durch die Lebesguesche Untersumme n-l UL(f, Y) := LYjA({x E [a, b] : Yj ::; f(x) < Yj+l}) j=O und von oben durch die entsprechende Lebesguesche Obersumme
n-l OL(f,Y):= LYj+l A({X E [a,b]: Yj::; f(x) j=O
< Yj+l}) ,
vor aus 9 e set z t , daß alle Mengen f- 1 ([Yj, Yj+d) = {x E [a, b] : Yj ::; f(x) < Yj+l} (j == 0, ... , n - 1) Lebesgue-meßbar sind. Funktionen mit dieser Eigenschaft nennt LEBESGUE ([2], S. 127) meßbare Funktionen. Es zeigt sich nun, daß praktisch alle Funktionen, mit denen man es in der Analysis üblicherweise zu tun hat, wirklich meßbar sind. Zum Beispiel sind alle stetigen Funktionen meßbar, und Limites von punktweise konvergenten Folgen meßbarer Funktionen sind meßbar. Für beschränkte meßbare Funktionen ist es nun leicht, die Lebesguesche Integraldefinition anzugeben: Ist nämlich E > 0 und die Unterteilung Y so fein, daß für den "Feinheitsgrad " von Y gilt maxj=o,... ,n-l(Yj+l - Yj) < E, so ist ersichtlich OL(f, Y) - UL(f, Y) < E(b - a). Läßt man nun Y eine Folge (y(k)) k'21 von Zerlegungen mit gegen 0 strebendem Feinheitsgrad durchlaufen, so konvergiert die zugehörige Folge der Lebesgueschen Ober- und Untersummen gegen einen gemeinsamen Grenzwert, der nicht abhängt von der Auswahl der Folge (y(k)) k'21; dieser Grenzwert heißt das Lebesgue-Integral von f. Existiert das eigentliche Riemann-Integral von
f,
so auch das Lebesgue-Integral, und beide haben denselben Wert. Daher ist es legitim,
§ 1. Meßbare Abbildungen und Bildmaße
85
J:
auch das Lebesgue-Integral in der Form f(x) dx zu schreiben. - Dieser Zugang zum Integralbegriff wird 1901 von H. LEBESGUE in einer Note in den C.R. Acad. Sei. Paris 132, 1-3 (1901) vorgeschlagen; er hat sich heute in mannigfachen äquivalenten Formulierungen allgemein durchgesetzt. In einem Vortrag zieht LEBESGUE 1926 folgenden sehr anschaulichen Vergleich zwischen seinem Integralbegriff und dem Riemann-Integral (s. LEBESGUE [2], S. 358, [7], S. 72): «On peut dire encore qu'avec le procede de Riemann ... on operait ... comme le ferait un commer
§ 2.
Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes
Der Flächeninhalt einer meßbaren ebenen Punktmenge ändert sich nicht, wenn man die Menge einer beliebigen Drehung oder Verschiebung unterwirft. Diese als Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes bezeichnete fundamentale Eigenschaft des Flächeninhalts ist bereits seit ältester Zeit bekannt. Ganz klar ausgesprochen wird die Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes von LEBESGUE in seiner These, wo bei der Formulierung des Maßproblems gefordert wird ([1]' S. 208): «Deux ensembles egaux ont meme mesure.» 4 Wir werden im folgenden die Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes beweisen und allgemeiner das Verhalten des Lebesgue-Maßes bei beliebigen invertierbaren affinen Abbildungen untersuchen. 1. Translationsinvarianz des Lebesgue-Maßes. Für a E IRP heißt t a : IRP -t IRP , ta(x) :== x + a (x E IRP) die Translation um a. Für B c IRP setzen WIr
B + a :== ta(B) == {x + a : x E B} , B - a :== t_a(B) == {x - a : x E B} . Mit ßP :== API~P bezeichnen wir stets das Lebesgue-Borelsche Maß und mit AP : s:,p -t JR das Lebesgue-Maß. 2.1 Satz. Das Lebesgue-Borelsche Maß ßP und das Lebesgue-Maß AP sind translationsinvariant; d. h.: Für alle a E IRP ist die Translation t a : IRP -t W sowohl ~P -~P -meßbar als auch s:,p -s:,p -meßbar, und es gilt t a (ßP) == ßP , t a(A P) == AP,o es ist also AP(B + a) == AP(B) für alle B E s:,p , a E IRP .
Beweis. Die Translation t a ist stetig, also ~P-~P-meßbar. Daher ist ta(ßP) sinnvoll. Für alle c, d E W mit e :S d ist t~I (]e, d]) ==]e - a, d - a], also ta(ßP)(]e, d]) == ßP(]e, d]). Die a-endlichen Maße ta(ßP) und ßP stimmen also auf dem Halbring JP überein, und Korollar 11.5.7 liefert ta(ßP) == ßP. Die Aussage über AP folgt nun aus Aufgabe 1.2. D Das Lebesgue-Maß ist sogar das einzige translationsinvariante Maß f1 auf s:,P, das der Normierungsbedingung f1(]0, l]P) == 1 genügt: 2.2 Satz. Ist f1 ein translationsinvariantes Maß 1, so ist f1 == ßP (bzw. f1 == AP). 4 Je
zwei kongruente Mengen haben gleiches Maß.
auf~P
(bzw. s:,P) mit f1(]0, 1JP) ==
111. Meßbare Funktionen
90
Beweis. Für nl," ., np E N betrachten wir das Gitter der Punkte (k 1 /nl"'" kp/np)t (O:s k j < nj für j == 1, ... ,p) und verschieben das Intervall Ilf=I]O, I/ni] um jeden dieser Gitterpunkte. Das ergibt die disjunkte Vereinigung
]0, I]P
==
u (fI] 0, ~J + (~> ...,~p y) . z=1
O~kj O. Dann ist nach (2.2)
d.h. (2.3) gilt auch für "diagonales" g mit lauter positiven Diagonalelementen. (,) Es seien nun g E GL (JRP) beliebig und g* der adjungierte Endomorphismus von g. Zur positiv definiten Abbildung gg* gibt es eine orthogonale Abbildung v und eine positiv definite "diagonale" Abbildung d, so daß gg* == vd 2 v* (s. KOECHER [1]' S. 195). Die Abbildung w :== d-lv*g ist orthogonal und g == vdw. Hier gilt offenbar I det gj == det d. Daher liefert die Transitivität der Bildung des 0 Bildmaßes nach (a) und (ß) die Behauptung (2.3). Ist feine bijektive affine Abbildung, so auch die Umkehrabbildung wir können Satz 2.5 auf f- l statt f anwenden. Dann folgt:
f- l , und
2.6 Korollar. Es sei f : JRP -+ JRP eine bijektive affine Abbildung. Dann ist für jedes A E 93 P (bzw. ~P) auch f(A) E 93 P (bzw. ~P) und
.,\P(f(A)) == I det fl ,,\P(A) . 2.7 Beispiel. Das von den Vektoren al, ... ,ap E JRP aufgespannte Parallelotop
hat das Volumen
Beweis. Sind al,"" ap linear abhängig, so liegt P in einer Hyperebene, und die Behauptung folgt aus Beispiel 11.4.6. Sind al, ... ,ap linear unabhängig, so ist die Matrix M == (al,' .. , ap ) invertierbar, P == M([O, l[P), und Korollar 2.6 0 liefert das Gewünschte. Bezeichnen wir mit G == MiM == ((aj, ak) )j,k=l,... ,p die Gramsche Matrix von al,' .. , ap , so können wir die obige Formel auch in der Form
,,\P(P) == (det G)1/2 schreiben (vgl.
KOECHER
[1], S. 171).
3. Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes. Eine affine Abbildung f : JRP -+ JRP von der Form f(x) == u(x)+a (x E JRP) mit a E JRP und orthogonalem u : JRP -+ JRP heißt eine Bewegung. Bekanntlich ist f genau dann eine Bewegung, wenn für alle x, y E JRP gilt IIf(x) - f(y)11 == Ilx - ylI (s. z.B. KOECHER [1]' S. 173). Für jede Bewegung f ist I det fl == 1. Daher enthält Satz 2.5 als Spezialfall die sog. Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes: 2.8 Korollar. Die Maße ßP und .,\P sind bewegungsinvariant; d.h.: Jede Bewegung f : JRP -+ JRP ist sowohl 93 P-93 P-meßbar als auch ~P -~P -meßbar, und es gilt: f (ßP) == ßP , f (.,\P) == .,\P .
§ 2. Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes
93
Da mit fauch f- 1 eine Bewegung ist, erhalten wir: Ist f eine Bewegung und A E ~P (bzw. ,CP), so ist auch f(A) E ~P (bzw. ,CP) und AP(f(A)) = AP(A). Zusammenfassend stellen wir fest, daß )...P : ..cP ---+ ~ "fast" eine Lösung des in Kap. I, § 1 formulierten Maßproblems ist. Einziger "Mangel" dieser Lösung ist nur, daß der Definitionsbereich von )...P nicht ganz Sf!(lRP) ist. (Das werden wir in § 3 zeigen.) Die Frage, ob es bewegungsinvariante echte (Maß-)Fortsetzungen von )...P gibt, wurde schon 1935 von E. SZPILRAJN (der später seinen Namen zu E. MARCZEWSKI (1907-1976) änderte) positiventschieden (Fundam. Math. 25,551-558 (1935)). Man hat sogar die Existenz bewegungsinvarianter Fortsetzungen von)...P mit sehr "großen" Definitionsbereichen nachgewiesen. Um das zu präzisieren, führen wir folgende Begriffe ein: Ein Maßraum (X, 2{, J.L) heißt separabel, wenn es eine abzählbare Menge Q: c 2{ gibt mit der Eigenschaft, daß zu jedem A E 2{ und € > ein C E Q: existiert mit J.L(A 6. C) < €. Ist K, eine Kardinalzahl, so heißt der Maßraum (X, 2{, J.L) vom Gewicht K" wenn K, die kleinste Kardinalzahl ist, zu der eine Menge Q: c 2{ existiert mit IQ:I = K" so daß zu jedem A E 2{ und € > ein C E Q: existiert mit J.L(A 6. C) < €. Nun hat S. KAKUTANI (1911-2004) (Proe. Imperial Acad. Japan 20,115-119 (1944)) eine Fortsetzung des Lebesgueschen Maßes)... vom Gewicht 2' (c = Kardinalzahl von lR) konstruiert, und K. KODAIRA (1915-1997) und S. KAKUTANI (Ann. Math., 11. Ser., 52, 574-579 (1950)) haben die Existenz einer translationsinvarianten Fortsetzung von)... vom Gewicht c nachgewiesen. S. KAKUTANI und J.C. OXTOBY (1910-1991) (Ann. Math., 11. Ser., 52, 580-590 (1950)) haben sogar eine bewegungsinvariante Fortsetzung von)... vom Gewicht 2' konstruiert. Insbesondere gibt es also bewegungsinvariante nicht separable Fortsetzungen des Lebesgueschen Maßes. Nach E. HEWITT und K.A. Ross ([1], § 16) gelten entsprechende Resultate für kompakte metrisierbare topologische Gruppen (versehen mit dem Haarsehen Maß) und für nicht diskrete lokal-kompakte abelsche topologische Gruppen (Math. Ann. 160,171-194 (1965)). Die Existenz bewegungsinvarianter Fortsetzungen von )...P veranlaßte W. SIERPINSKI 1936 zu der naheliegenden Frage, ob es eine maximale bewegungsinvariante Fortsetzung von )...P zu einem Maß gibt. Eine endgültige Antwort auf diese schwierige Frage wurde erst 1985 von K. CIESIELSKI und A. PELC (Fundam. Math. 125, 1-10 (1985)) gegeben: Es gibt keine maximale bewegungsinvariante Fortsetzung von )...p. Wir haben oben die Frage diskutiert, inwieweit das Lebesgue-Maß das einzige (durch J.L([O,l]P) = 1) normierte translationsinvariante Maß auf ..cp ist. Man kann auch fragen, ob )...P der einzige normierte translationsinvariante Inhalt auf ..cp ist. Die Antwort ist negativ: Setzt man J.L(A) := )"'P(A) für beschränktes A E ..cp und J.L(A) := 00 für alle unbeschränkten Mengen A E ..cp , so ist J.L ein bewegungsinvarianter normierter Inhalt auf ..cp mit J.L =1= )...p. Diese Feststellung veranlaßte S. RUZIEWICZ zu folgender raffinierteren Frage (s. S. BANAcH [1], S. 67): Gibt es einen normierten bewegungsinvarianten Inhalt J.L auf dem Ring ..cI: der beschränkten Lebesgue-meßbaren Teilmengen des lRP mit J.L =1= )...PI..cI:? Entsprechend kann man für die (p - l)-Sphäre Sp-l := {x E lRP : Ilxll = I} (p ~ 2) die Frage nach der Existenz normierter rotationsinvarianter Inhalte J.L stellen, die vom "natürlichen" Lebesgue-Borelschen Maß (s. Aufgabe 2.7) verschieden sind. Bezüglich der Existenz solcher sog. Ruziewicz-Inhalte J.L sind bemerkenswerte Resultate erzielt worden: Schon S. BANAcH ([1], S. 66 ff.) bewies, daß auf lR 1 , lR 2 , SI Ruziewicz-Inhalte existieren (s. auch S. WAGON [2]). Für p ~ 3 existieren hingegen keine Ruziewicz-Inhalte auf Sp-l. Dieser Satz wurde für p ~ 5 bewiesen von G.A. MARGULIS (1946- ) (Monatsh. Math. 90, 233-235 (1980)) und von D. SULLIVAN (Bull. Am. Math. Soc., New Ser., 4, 121-123 (1981)). Für p = 3,4 stammt das Resultat von V.G. DRINFEL'D (Funct. Anal. App118, 245-246 (1984)); der Beweis stützt sich auf die Jacquet-Langlandssche Theorie der automorphen Formen auf GL 2 • Für die euklidischen Räume lRP mit p ~ 3 bewies G.A. MARGULIS (Ergodie Theory Dyn. Syst. 2, 383-396 (1982)), daß keine Ruziewicz-Inhalte auf..cI: (p ~ 3) existieren. Eine ausführliche Diskussion der hier angesprochenen Probleme findet man bei S. WAGON [2] und bei P. DE LA HARPE und A. VALETTE (Asterisque 175 (1989)). Eine gut zugängliche Lösung des Problems von RUZIEWICZ gibt P. SARNAK: Some applications of modular forms. Cambridge: Cambridge University Press 1990. Ein weiteres mit Fragen der Bewegungsinvarianz zusammenhängendes klassisches Problem ist das Tarskische Problem der Quadratur des Kreises (Fundam. Math. 7, 381 (1925)):
°
°
II!. Meßbare Funktionen
94
Kann man eine (abgeschlossene) Kreisscheibe und ein Quadrat im IR2 von gleichem Flächeninhalt in endlich viele disjunkte paarweise kongruente Mengen zerlegen? Von diesem Problem schrieb P. ERDÖS (1913-1996): "If it were my problem I would offer $ 1000 for it - a very, very nice question, possibly very difficult." Das Tarskische Problem wurde erst unlängst von M. LACZKOVICH (J. reine angew. Math. 404, 77-117 (1990)) positiv entschieden, und zwar konnte LACZKOVICH sogar zeigen, daß man bereits nur mit Translationen als Bewegungen auskommt. Das Tarskische Problem ist hingegen nach wie vor offen, wenn man Zerlegungen in endlich viele disjunkte paarweise kongruente meßbare Mengen verlangt. Einen Überblick über die Lösung des Tarskischen Problems findet man bei R.J. GARDNER und S. WAGON (Notices Am. Math. Soc. 36, No. 10, 1338-1343 (1989)). Kürzlich hat M. LACZKOVICH (J. London Math. Soc. (2) 46, 58-64 (1992)) sogar gezeigt: Sind A, B c IRP zwei beschränkte konvexe Mengen mit ,\P(A) == ,\P(B) > 0, so kann man A derart in endlich viele disjunkte Teilmengen Al, ... ' An zerlegen, daß man nach Ausübung geeigneter Translationen auf Al, ... , An eine disjunkte Zerlegung von B erhält. Über Fragen, die mit der Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes zusammenhängen, unterrichtet ein nützlicher Überblicksartikel von K. CIESIELSKI (Math. IntelI. 11, No. 2, 54-58 (1989)). 4. Das p-dimensionale äußere Hausdorff-Maß. Es seien h p das p-dimensionale äußere Hausdorff-Maß im IRP und 'TJP das äußere Lebesgue-Maß.
2.9 Satz (F. HAUSDORFF 1919). Es gibt eine Konstante K,p E]O, 00[, so daß
Wegen der Bewegungsinvarianz des äußeren Hausdorff-Maßes bringt dieser Satz die Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes besonders deutlich zum Ausdruck. - Die Konstante K,p werden wir in Satz V.1.16 bestimmen.
Beweis von Satz 2.9. Es seien 8 > 0, W :==]0, l]p. Durch Unterteilung der Kanten von W in n halboffene Teilintervalle der Länge l/n erhalten wir eine Zerlegung von W in n P Teilwürfel, die alle den Durchmesser -IP/n haben. Wählen wir nun n > -IP/8, so liefert GI. (11.9.21) hp,o (W) ~ pp/2, also hp(W) ~ pp/2 < 00. Ist andererseits (A n )n2:1 eine Überdeckung von W mit dn :== d(A n ) ~ 8 (n E N), so wählen wir eine abgeschlossene Kugel K n vom Radius d n mit An C K n und erhalten 1 == ,\P(W) ~ L
n=l
,\P(Kn ) == ,\P(KI(O)) L d~ , n=l
also hp(W) 2: (,\P(KI(O)))-l > O. Damit ist K,p :== (hp(W))-1 E]O, 00[, und das Maß K,phplQ3P (s. Satz 11.9.3) ist normiert und translationsinvariant. Nach Satz 2.2 ist also K,p hplQ3P == ßP. Ist nun A C IRP , 8 > 0, so gibt es zu jedem n E N eine offene Überdeckung (Unk)k>l von A mit d(Unk ) ~ 8 (k E N) und ~
1
L(d(Unk))P ~ hp,o(A) + -;; . k=l Für M :== n~=l U~l Unk E Q3P gilt nun A C Mund
also hp,o(A) == hp,o(M). Zu 8n == l/n wählen wir nun eine Borel-Menge Mn ~ A mit hp,l/n(A) == hp,l/n(Mn ) und setzen B :== n~=l Mn· Dann gilt B E Q3P und B ~ A. Sei nun 8 > O. Wir wählen n E N so groß, daß l/n < 8 und erhalten
§ 2. Bewegungsinvarianz des Lebesgue-Maßes
95
d.h. hp(B) == hp(A). Für jedes A C IRP ist also
hp(A) == inf{hp(B) : B E
~p
, B ::) A} ,
und ebenso ist
7]P(A) == inf{7]P(B) : B
E ~p
, B
~
A}.
Da Kph p und 7]P auf allen Borel-Mengen übereinstimmen, folgt die Behauptung.
o
Der obige Beweis von Satz 2.9 benutzt nur das Verhalten des Lebesgueschen Maßes unter Translationen und unter Homothetien x r--t ax (x E IRP ; a > 0). Damit erhalten wir einen weiteren Beweis von Korollar 2.8.
Aufgaben. 2.1. a) Im Anschluß an GI. (2.2) läßt sich der Beweis von Satz 2.5 alternativ wie folgt zu Ende führen: Die Abbildung c : GL (IRP) --+ IR x (IR x :== IR \ {O}) ist ein Homomorphismus. Daher gibt es nach einem bekannten Satz aus der linearen Algebra (s. z.B. KOECHER [1], S. 119) einen Homomorphismus rp : IR x --+ IR x , so daß c(g) == rp(det g) für alle 9 E GL (W). Bestimmen Sie rp, indem Sie c(g) für die linearen Abbildungen der Form (Xl, ... ,X p)t r--t (axl,X2, ... ,Xp)t (a > 0), (Xl, ... ,Xp)t r--t (-Xl,X2, ... ,Xp)t berechnen. b) Führen Sie einen weiteren Beweis von (2.3) mit Hilfe einer Zerlegung von 9 in ein Produkt von Elementarmatrizen (s. z.B. KOECHER [1]' S. 87). 2.2. Es seien al, ... , ap > 0 und E das Ellipsoid
E :== {x E IRP : xi / ai
+
+ x;/a; < I} .
Zeigen Sie: Eist Borel-meßbar und AP(E) == al wird in Beispiel V.lo8 berechnet.)
apAP(K l (O)). (Bemerkung: AP(K l (O))
2.3. Betrachten Sie alle Parallelogramme, die eine vorgegebene Ellipse in der Ebene umfassen und mit jeder Seite berühren. Welche dieser Parallelogramme haben den kleinsten Flächeninhalt? 2.4. Für alle A, B E ~P mit AP(A) < 00 oder AP(B) < 00 gilt limx--+o AP(A n (B + x)) == AP(A n B). Die Endlichkeitsvoraussetzung ist nicht entbehrlich. (Bemerkung: Siehe auch Beispiel IV.3.14.)
2.5. Sind A,B E ~P, AP(A) > 0, AP(B) > 0, so enthält A + B :== {x + y : x E A, Y E B} ein Intervall. (Bemerkung: Diese Aussage besitzt eine Verallgemeinerung für lokal-kompakte topologische Gruppen; s. A. BECK et al., Proc. Am. Math. Soc. 9, 648-652 (1953).) 2.6. a) Ist G C IRP eine additive Untergruppe des IRP mit G E ~P , AP(G) > 0, so gilt G == IRP. b) Nach a) ist jede Lebesgue-meßbare additive Untergruppe G ~ IRP eine AP-Nullmenge. Eine solche Untergruppe kann durchaus gleichrnächtig zu IR sein, wie das folgende Beispiel (Fall p == 1) lehrt: Es sei G die von den Zahlen I:~=o a n 10- n! (an E {O, 1, ... , 9} für alle n 2: 0) erzeugte additive Untergruppe von IR. Dann ist G gleichrnächtig zu IR, G ist eine AI -Nullmenge, und G ist von erster Bairescher Kategorie.
2.7. Für n 2: 2 seien sn-l :== {x E IRn :
Ilxll
== I} die (n - l)-Sphäre und
mn :== ~nlsn-l
==
~(sn-l).
a) Es gibt ein endliches Maß /-Ln i= 0 auf mn , das in bezug auf die orthogonale Gruppe O(n) invariant ist (d.h. f(/-Ln) == /-Ln für alle f E O(n)). b) Jedes endliche o (2)-invariante Maß auf m2 ist ein nicht-negatives Vielfaches von /-L2. (D.h.: /-L2 ist das Haarsche Maß auf der kompakten multiplikativen Gruppe SI == {z E C : Iz I == I}. - Es ist auch jedes endliche O(n)-invariante Maß auf mn ein nicht-negatives Vielfaches von /-Ln; das folgt z.B. aus Korollar VIII.3.26.) 2.8. Es gibt ein translationsinvariantes Maß /-L : ~1 --+
JR, welches nicht bewegungsinvariant ist
96
II!. Meßbare Funktionen
(d.h. welches nicht invariant ist bez. der Spiegelung a : lR ~ lR, a(x) == -x (x E lR)). (Bemerkung: Nach Korollar 2.4, 2.8 ist jedes translationsinvariante Maß 1/ auf ~1 mit 1/([0,1]) < 00 bewegungsinvariant. - Hinweise: Konstruieren Sie eine Borel-Menge C c [0,1], so daß für jede Folge (an)nEN reeller Zahlen gilt a(C) ct- UnEN(C + an), und definieren Sie JL(A) :== 0, falls zu A E ~1 eine Folge (an)nEN reeller Zahlen existiert mit A c UnEN(C + an), und JL(A) :== 00 anderenfalls. Die Menge C aller x E [0, 1], die eine Entwicklung zur Basis 4 haben, in der die Ziffer 2 nicht vorkommt, leistet das Verlangte.) 2.9. Ist (X, 2t, JL) a-endlich und hat 2t einen abzählbaren Erzeuger, so sind (X, 2t, JL) und (X, 21., it) separabel. Insbesondere sind (lRP, ~P, ßP) und (lRP, ~P, AP) separabel. 2.10. Für jede konvexe Menge A c lRP mit 0 EA gilt A== U~2 (1 A, also AP(A) == AP(A). Das liefert einen weiteren Beweis für Korollar 11.7.8 und Satz 11.7.7.
i)
2.11. Ist al, ... , ap E lRP eine Basis des JRP, so heißen r :== Zal EB ... EB Zap ein Gitter im lRP, al, . .. , ap eine Z-Basis von rund
P:== {Alal + ... Apap : 0::; Aj < 1, j == 1, ... ,p} ein Fundamentalparallelotop von r. P ist ein Vertretersystem der Nebenklassen aus lRP Ir. a) AP(P) hat unabhängig von der Wahl der Z-Basis von r stets denselben Wert, und dieser ist gleich I det( al, ... ,ap) I· b) Für R ~ 00 gilt
I{x Er: Ilxll : : ; R}I = AP~~~~)) W + O(W- 1 )
.
(Zur Erinnerung: Sind j, 9 : [a, oo[~ ce zwei Funktionen, so bedeutet "j(t) == O(g(t)) für t ~ 00" definitionsgemäß, daß Ij(t)1 ::; Clg(t)1 für alle t 2: to mit geeignetem C > 0, to 2: a.) c) Es seien M E ~P und AP(Mn (M + g)) == 0 für alle gEr, 9 -# O. Dann ist AP(M) ::; AP(P). d) Ist K c lRP eine kompakte Menge mit AP(K) 2: AP(P), so gibt es x, y E K, x -# y mit x - y E r (H.F. BLICHFELD (1914)). e) Aussage d) wird schon für p == 1 falsch, wenn "kompakt" durch "abgeschlossen" ersetzt wird. f) Es sei C c lRP eine kompakte, konvexe und bez. 0 symmetrische (d.h x E C ===} -x E C) Menge mit AP(C) 2: 2PAP(P). Dann gibt es ein x E C n r mit x -# 0 (Gitterpunktsatz von H. MINKOWSKI (1896)). (Hinweis: d).)
§ 3.
Existenz nicht meßbarer Mengen
1. Nicht Lebesgue-meßbare Mengen und Unlösbarkeit des Maßproblems. Zum Nachweis der Existenz nicht Lebesgue-meßbarer Teilmengen des JRP benutzen wir folgenden Ansatz, der auf G. VITALI ([1]' S. 231-235) zurückgeht: Wir nennen x, y E JRP äquivalent genau dann, wenn x - y E Q! ist. Damit ist eine Äquivalenzrelation auf JRP erklärt. Die zugehörigen Äquivalenzklassen sind genau die Nebenklassen der additiven Gruppe JRP nach der Untergruppe Q!. Nach dem sog. A uswahlaxiom5 der Mengenlehre können wir aus jeder Äqui5 Auswahlaxiom.
Ist 9J1 eine nicht-leere Menge von nicht-leeren Mengen, so existiert eine
§ 3. Existenz nicht meßbarer Mengen
97
valenzklasse ein Element (einen Vertreter) auswählen und die Menge M dieser Vertreter betrachten.
3.1 Satz (VITALI 1905). Für jedes Vertretersystem M von KfP /~ gilt M Insbesondere ist ,ep~~(JRP).
tt ,ep.
Beweis. Angenommen, es sei M E ,ep. Wäre AP(M) > 0, so wäre nach Satz 11.7.6 die Menge M - M eine Umgebung von 0, enthielte also ein Element r E ~ mit r =I- 0 im Widerspruch zur Wahl von M. Daher folgt AP(M) == 0, also auch ).l (M + r) == 0 für alle r E ~. Das heißt aber: IR? == UrEQP (M + r) ist als abzählbare Vereinigung Lebesguescher Nullmengen selbst eine Lebesguesche D Nullmenge: Widerspruch!
tt
Satz 3.1 läßt die Möglichkeit offen, daß vielleicht nur deshalb M ,ep ist, weil der Definitionsbereich von )'l ungeschickterweise zu eng gewählt wurde. Das ist aber nicht der Fall, wie der folgende Satz 3.2 lehrt.
3.2 Satz. Es seien G eine abzählbare dichte additive Untergruppe von JRP und Mein Vertretersystem von JRP / G. Ferner sei JL : 2( -+ JR ein bez. G translationsinvariantes Maß auf der a-Algebra 2( über IR? , wobei ~P C 2(, JLI~P == AP. Dann ist M 2(, und es gibt keine Menge A E 2(, A c M mit JL(A) > O.
tt
Beweis. Angenommen, es sei M E 2(. Da G dicht ist im IR? , gibt es eine Basis gl,' .. , gp des IR? mit gl,' .. , gp E G. Wir betrachten das Gitter r == 7lg1 EB ... EB 7lgp und das zugehörige Fundamentalparallelotop P :== {A 1 gl
+ ... + Apgp : 0 :s;
Aj < 1 für j == 1, ... ,p} .
Die Menge L :== Ul'Er( -I + (M n (I + P))) c P ist ein Vertretersystem von JRP / G, und da 2( bez. G translationsinvariant ist und ,ep umfaßt, folgt L E 2(. Wir führen dies zum Widerspruch: Wegen der Translationsinvarianz von JL und JL l,ep == AP ist zunächst
00
== JL(JRP) == JL
(U
(g
+ L))
==
gEG
L
JL(g
+ L)
gEG
==
L
JL(L) ,
gEG
also sicher JL( L) > O. Andererseits ist G n P abzählbar unendlich, und mit 2P :== {2x : x E P} gilt
L gEGnp
JL(L) ==
L gEGnp
JL(g
+ L)
== JL (
U
(g
+ L)) :s;
JL(2P) == AP(2P)
0 existiert. D
3.3 Satz von Vitali (1905). Das Maßproblem ist unlösbar. Funktion f : 9J1-t UAE9J1 A, so daß f(A) E A für alle A E 9J1. - Intuitiv gesprochen, bewirkt ein solches f die simultane Auswahl eines Elements aus jeder der Mengen von 9J1.
98
111. Meßbare Funktionen
Beweis. Angenommen, es sei /.1 : ~(JRP) -+ lR ein bewegungsinvariantes Maß mit /.1([0, 1JP) == 1. Dann liefert Korollar 2.4: /.11'cP == )'.,P. Nun wählen wir in Satz 3.2 G :== QP und erhalten M tt ~(JRP), was absurd ist. D
3.4 Satz. Jede Menge A meßbare Teilmenge.
c JRP
mit 1]P(A) > 0 enthält eine nicht Lebesgue-
Beweis. Ist Mein Vertretersystem von JRP /QP, so liefert die a-Subadditivität des äußeren Maßes:
1]P(A) :::;
L
1]P(A n (M
+ r))
.
rEQP
Nach Satz 3.2 gilt für alle r E QP mit An(M +r) E'cP notwendig )'l(An(M + == O. Wären also alle Mengen A n (M + r) (r E QP) Lebesgue-meßbar, so wäre 1]P(A) == 0 im Widerspruch zur Annahme. Folglich gibt es ein r E QP, so daß An (M + r) tt ,Cp. D
r))
Der Beweis der Existenz nicht Lebesgue-meßbarer Teilmengen des IRP beruht ganz wesentlich auf dem Auswahlaxiom, das erstmals 1904 von E. ZERMELO (1871-1953) ausgesprochen wurde. Das Auswahlaxiom war in der Entstehungsphase der axiomatischen Mengenlehre heftig umstritten, ähnlich wie z.B. das Parallelenaxiom in der Geometrie lange Gegenstand kontroverser Diskussionen war. Erst 1963 hat P.J. COHEN (1934-2007) bewiesen, daß das Auswahlaxiom von den übrigen Axiomen der Zermelo-Fraenkelschen Mengenlehre (ZF) unabhängig ist. H. LEBESGUE fand die Konstruktion nicht Lebesgue-meßbarer Mengen mit Hilfe des Auswahlaxioms wenig überzeugend. In einem Brief vom 16.2.1907 schrieb er an VITALI: «Ce mode de raisonnement idealiste n'a pas, a mes yeux, grand valeur... »6 Noch 1928 schrieb LEBESGUE in der zweiten Ausgabe seiner Lef.;ons sur l'inüf-gration [6] auf S. 114: «Je ne sais pas si l'on peut definir, ni meme s'il existe d'autres ensembles que les ensembles mesurables... Quant a la question de l'existence d'ensembles non mesurables, elle n'a guere fait de progres depuis la premiere edition de ce livre. Toutefois cette existence est certaine pour ceux qui admettent un certain mode de raisonnement base sur ce que l'on a appele l' axiome de Zermelo».7 Eine ähnlich distanzierte Haltung zum Auswahlaxiom nahm E. BOREL ein. Er bezog in vielen Artikeln, die im dritten Band seiner (Euvres gesammlt sind, zu Grundlagenfragen der Mengenlehre Stellung, und in einer kurzen Note ((Euvres, Tome 4, S. 2409) bemerkte er 1923 lakonisch: «Le probleme de la construction effective d'ensembles non mesurables, sans 1'emploi de l'axiome de M. ZERMELO, reste ouvert.»8 Dieses Problem wurde erst wesentlich später gelöst, als es gelang zu zeigen: Ohne Gebrauch des Auswahlaxioms ist es prinzipiell unmöglich, die Existenz einer nicht Lebesgue-meßbaren Teilmenge von IR nachzuweisen. Genauer hat R. SOLOVAY (Ann. Math., 11. Ser., 92, 1-56 (1970)) bewiesen: Wenn es ein Modell von ZF gibt, in dem eine unerreichbare Kardinalzahl existiert, so gibt es auch ein Modell von ZF, in dem eine schwache Form des Auswahlaxioms, das sog. Prinzip der abhängigen Wahlen, gilt und in dem jede Teilmenge von IR Lebesguemeßbar ist. Dabei heißt eine Kardinalzahl K, unerreichbar, wenn jedes Produkt TItEl Xl. von 6Diese idealistische Art der Beweisführung hat in meinen Augen keinen großen Wert... 7Ich weiß weder, ob man andere als meßbare Mengen definieren kann, noch ob solche Mengen existieren... Was die Frage nach der Existenz nicht meßbarer Mengen betrifft, hat es seit der ersten Ausgabe dieses Buches keinen Fortschritt gegeben. Jedenfalls ist diese Existenz gesichert für diejenigen, die eine gewisse Art der Beweisführung anerkennen, die auf dem sog. Axiom von Zermelo beruht. 8Das Problem der effektiven Konstruktion nicht meßbarer Mengen ohne Benutzung des Axioms von Herrn Zermelo bleibt offen.
§ 3. Existenz nicht meßbarer Mengen
99
Mengen X" mit IX"I < '" und mit einer Indexmenge 1 einer Mächtigkeit 111 < '" selbst eine Mächtigkeit< '" hat. Die Existenz einer unerreichbaren Kardinalzahl ist in ZF nicht beweisbar. Viele Logiker glauben, daß die Annahme der Existenz einer unerreichbaren Kardinalzahl mit ZF konsistent ist; ein Beweis dafür steht allerdings noch aus. Wenn man also bereit ist, das Auswahlaxiom aufzugeben - wozu wir wie die weitaus meisten Mathematiker natürlich nicht bereit sind (!) - so ist es konsistent anzunehmen, daß jede Teilmenge von lR Lebesgue-meßbar ist. (Dabei wird vorausgesetzt, daß die Annahme der Existenz einer unerreichbaren Kardinalzahl mit ZF konsistent ist.) Das Ziel der Untersuchungen von SOLOVAY war natürlich nicht, den Satz 3.1 von VITALI als falsch zu verwerfen; vielmehr sollte die Notwendigkeit des Auswahlaxioms für den Beweis der Existenz nicht Lebesgue-meßbarer Teilmengen von lR erkannt werden. SOLOVAY schreibt: "Of course, the axiom of choice is true, and so there are non-measurable sets." Einen gut lesbaren Überblick über die Konsequenzen der üblichen mengentheoretischen Axiome für die Lebesguesche Maßtheorie bieten J.M. BRIGGS und T. SCHAFFTER: Measure and cardinality, Amer. Math. Monthly 86, 852-855 (1979). Über die Geschichte des Auswahlaxioms kann man sich mit Hilfe von G.H. MOORE [1] umfassend informieren. Im Anschluß an SOLOVAY wurden namentlich von S. SHELAH (1945- ) weitere tiefliegende Resultate über das Maßproblem erzielt; s. J. STERN: Le probleme de la mesure, Asterisque 121-122, 325-346 (1985); J. RAISONNIER: A mathematical proo/ 0/ S. Shelah's theorem on the measure problem and related results, Isr. J. Math. 48, 48-56 (1984). 2. Kurzbiographie von G. VITALI. GUISEPPE VITALI wurde am 26.8.1875 in Ravenna geboren; er starb am 29.2.1932 in Bologna. VITALI besuchte das Gymnasium in Ravenna und studierte 1895-96 in Bologna u.a. bei F. ENRIQUES (1871-1946) und C. ARZELA (1847-1917), anschließend 1897-98 in Pisa u.a. bei L. BIANCHI (1856-1928) und U. DINI (1845-1918). In Pisa schloß er eine dauerhafte Freundschaft mit seinem Mitstudenten G. FUBINI (1879-1943). VITALI war von 1899-1901 Assistent bei U. DINI und habilitierte sich 1902 an der Scuola Normale Superiore in Pisa. Aus wirtschaftlichen Gründen arbeitete er von 1904-1922 als Lehrer in Genua, anschließend als Professor 1922-25 in Modena, 1925-1930 in Padua, ab 1930 in Bologna. VITALI ist einer der Schöpfer der modernen Theorie der reellen Funktionen. Er führte 1904 den Begriff der absolut stetigen Funktion ein, der für den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung von zentraler Bedeutung ist. Ferner wies er die Existenz nicht Lebesguemeßbarer Teilmengen von lR nach, und er führte den wichtigen Begriff der Vitalischen Überdeckung ein, für den er den Vitalischen Überdeckungssatz VII.4.2 bewies. Mit seinem Namen verbunden sind der Konvergenzsatz von VITALI VI.5.6 und ein Konvergenzsatz für Folgen holomorpher Funktionen. Da VITALI geraume Zeit in wissenschaftlicher Isolation arbeitete, überschneidet sich sein Werk z. T. mit Resultaten anderer Mathematiker, namentlich mit dem Werk von H. LEBESGUE (s. hierzu den Brief von LEBESGUE in VITALIs Opere, S. 457-460).
3. Weitere Beispiele nicht Lebesgue-meßbarer Mengen. 3.5 Beispiel. Es sei Beine Hamel-Basis von lR, d.h. eine Basis des Q- Vektorraums lR. Die Existenz einer solchen Basis zeigt man üblicherweise mit Hilfe des sog. Zornschen Lemmas; s. z.B. W. GREUB: Linear algebra. 4th ed. BerlinHeidelberg-New York: Springer-Verlag 1975. Jede Lebesgue-meßbare HamelBasis von lR ist eine Lebesguesche Nullmenge (W. SIERPINSKI [1], S. 323). (Beweis. Angenommen, es sei B E ..c eine Hamel-Basis von lR mit A(B) > O. Nach Satz 11.7.6 gibt es ein c > 0 mit] - c, c[c B - B. Ist nun a E Bund r E Q, 0 < ra < c, so gibt es b, c E B mit b - c = ra. Wegen b i= c widerspricht
111. Meßbare Funktionen
100
das der linearen Unabhängigkeit von B über Q. 0) Man kann zeigen, daß Lebesgue-meßbare Hamel-Basen von lR vom Maße 0 existieren und daß nicht Lebesgue-meßbare Hamel-Basen von lR ebenfalls existieren (s. z.B. H. HAHN und A. ROSENTHAL [1], S. 101-102). Es ist auch bekannt, daß keine Hamel-Basis von lR eine Borel-Menge ist (s. loc. cit., S. 102). Aber unabhängig von diesen Aussagen ergibt sich bereits allein aus der Existenz einer Hamel-Basis von lR die Existenz einer nicht Lebesgue-meßbaren Teilmenge von lR: Es seien Beine Hamel-Basis von lR , a E Bund M := Span (B \ {a}), d.h.
M:=
{t
rkbk :
n
E N,
rl,'"
,rn E Q, bl ,.·· ,bn E B \
{al} .
k=l
Dann ist M nicht Lebesgue-meßbar (W. SIERPINSKI [1], S. 324). (Beweis: Ist M Lebesgue-meßbar, so ist lR die disjunkte Vereinigung der abzählbar vielen Mengen M + ra (r E Q), die alle Lebesgue-meßbar sind und das Maß A(M) haben. Daher ist A(M) > 0, und nach Satz 11.7.6 gibt es ein c > 0, so daß ra E M - M = M für alle r E Q , 0 < Irl < c: Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit von B über Q! 0) Ebenso sieht man: Ist Beine HamelBasis von lR und A =1= 0 eine abzählbare Teilmenge von B, so ist Span (B \ A) eine nicht Lebesgue-meßbare Teilmenge von lR. 3.6 Beispiel. Wir definieren eine Relation M auf IR: Für reelle x, y gelte (x, y) E M genau dann, wenn Ix - Yl = 3k für geeignetes k E Z. Sind x, y E IR, so nennen wir eine Folge (xo, Xl),"" (Xn-l' x n ) E M mit Xo = X, Xn = Y einen Weg der Länge n von x nach y. Einen Weg mit Xo = Xn nennen wir eine Zyklus. - Ist (xo, Xl)," ., (Xn-l' x n ) ein Zyklus, so gilt Xv = Xv-l + ~v3kv mit ~v = ±1 und k v E Z (v = 1, ... , n). Wegen Xo = Xn folgt ~13kl + ... + ~n3kn = 0, also auch für jedes N E N ~13kl+N
+ ... + ~n3kn+N = 0 .
Für hinreichend großes N sind hier alle Exponenten positiv, d.h. es liegt eine Summe von lauter ungeraden ganzen Zahlen vor. Da die Summe verschwindet, muß die Anzahl der Summanden gerade sein. Ergebnis: Es gibt in M keinen Zyklus ungerader Länge. Wir führen nun eine Äquivalenzrelation Rein: (x, y) E R genau dann, wenn es einen Weg gibt von x nach y. Es seien V ein Vertretersystem der Äquivalenzklassen von Rund U
.-
U{x E IR: U{x E IR:
es gibt einen Weg ungerader Länge von x nach a} ,
aEV
G
.-
es gibt einen Weg gerader Länge von x nach a} .
aEV
Dann ist GnU = 0, da es keinen Zyklus ungerader Länge gibt, und G u U = IR. Für alle x E IR gilt (x,x ± 3 k ) E M, also G ± 3 k cU, U ± 3 k C G (k E Z). Wäre nun G E~, so auch U E ~ und .-\(G) > 0, .-\(U) > O. Nach Satz 11.7.6 gibt es ein 8 > 0 mit G n (G + t) =I 0 für D alle t E IR mit Itl < 8: Widerspruch zu G + 3k C U (k E Z) , GnU = 0! 4. Existenz nicht meßbarer Mengen für Lebesgue-Stieltjessche Maße. Zerlegt man die wachsende rechtsseitig stetige Funktion F : IR ~ IR gemäß Satz 11.2.4 in F = G + H mit einer Sprungfunktion G und einer wachsenden stetigen Funktion H, so ist 2{p = 2{ H , 2{c = ~(IR) (Aufgabe 11.4.4), so daß wir uns auf die Diskussion der a-Algebren 2{p für wachsendes stetiges F beschränken können. Für konstantes Fist 2{ p = q:J (IR); für alle nicht konstanten stetigen wachsenden Funktionen F : IR ~ IR gilt hingegen 2{p ~ ~(IR); mehr noch:
101
§ 3. Existenz nicht meßbarer Mengen
3.7 Satz. Es gibt eine Menge B C ffi., so daß für jede nicht konstante stetige wachsende Funktion F : ffi. -t ffi. gilt B t/:. 2l p . Der Beweis dieses Satzes erfordert einige Vorbereitungen. 3.8 Lelllllla. Zu jeder überabzählbaren Gö-Menge A C ffi. gibt es eine nirgends dichte abgeschlossene Teilmenge C C A mit A( C) = 0, so daß eine stetige surjektive Abbildung f : C -t [0, 1] existiert.
Beweis. Es sei K C A die Menge aller Kondensationspunkte von A, d.h. die Menge aller a E A mit der Eigenschaft, daß für jede Umgebung U von a die Menge U n A überabzählbar ist. Dann ist K i- (/) und K enthält keine isolierten Punkte, d.h. K ist perfekt. Wir schreiben nun A = n~=l G n mit offenen G n C ffi. (n E N) und führen folgende Konstruktion vom Cantorschen Typ durch: Es seien K o, K l C ffi. zwei disjunkte abgeschlossene
Intervalle mit Länge :::; ~, so daß Ko nK i- (/) , Kl nK i- (/) , K o U K l C GI. Sind für n E N die 2n disjunkten abgeschlossenen Intervalle Ki1, ...,i n (i l , ... , in E {O, I}) mit Länge:::; 3- n schon erklärt, so daß das Innere jedes dieser Intervalle mit K einen nicht-leeren Durchschnitt hat und so daß alle Ki1, ...,i n in G n enthalten sind, so wählen wir K i1 ,...,i n ,i n+ 1 (i n + l E {O, I}) als disjunkte abgeschlossene Intervalle mit Länge:::; 3- n - l , so daß Kn Ki1, ...in,i n+ 1i- (/) und K i1 ,... ,i n ,i n+ 1 C G n + 1 n K i1 ,... ,i n ' Da K C A keine isolierten Punkte enthält, ist die induktive Konstruktion möglich, und wir setzen
C:=
n u
K·Zl,···,Zn . .
n=l il ,... ,i n E{O,l}
Dann ist C eine nirgends dichte perfekte Teilmenge von A. Für jedes n E N gilt A(C) :::; (2/3)n, also ist A( C) = 0. Zu jedem x E C gibt es eine eindeutig bestimmte Folge (in)n>l E {O, l}N mit x E Ki1, ...,i n für alle n E N, und die Zuordnung x r-+ f(x) := L~=l i n 2- n E [O~ 1] definiert eine Surjektion von C auf [0,1]. Für x,x' E C n Ki1, ...,i n ist If(x) - f(x')1 :::; 2- n , also ist f auch stetig. 0 3.9 Lelllllla. Die Menge aller überabzählbaren abgeschlossenen Teilmengen von ffi. ist gleichmächtig zu IR. Beweis. Die Menge aller offenen Teilintervalle von IR mit rationalen Eckpunkten ist abzählbar, und jede offene Teilmenge von ffi. ist Vereinigung offener Intervalle mit rationalen Eckpunkten. Daher gibt es höchstens c (= Kardinalzahl von ffi.) offene Teilmengen von ffi., also auch höchstens c abgeschlossene Teilmengen von IR. Andererseits gibt es mindestens c überabzählbare abgeschlossene Teilmengen von IR. Nach dem Satz von SCHRÖDER und BERNSTEIN (s. E. HEWITT, K. STROMBERG [1], (4.7)) folgt die Behauptung. 0
Für den Beweis des folgenden Satzes von F. BERNSTEIN (1878-1956) benötigen wir den Wohlordnungssatz: Ist M eine Menge und,,:::;" eine Relation auf M, so heißt,,:::;" eine Ordnung auf M, falls für alle a, b, c E M gilt: (i) a :::; a (Reflexivität), (ii) a :::; bund b :::; a ===} a = b (Antisymmetrie) und (iii) a :::; bund b :::; c ===} a :::; c (Transitivität). Dabei wird nicht verlangt, daß je zwei Elemente von M vergleichbar sind, d.h. daß für alle a, b E M gilt a :::; b oder b :::; a. (Daher benutzen manche Autoren statt des Namens Ordnung den Namen Halbordnung.) Eine Ordnung heißt eine Wohlordnung, wenn jede nicht-leere Teilmenge A von M ein kleinstes Element besitzt (d.h wenn ein a E A existiert mit a :::; x für alle x E A). Zum Beispiel ist die Menge N mit der üblichen Relation ,,:::;" eine wohlgeordnete Menge; IR mit der üblichen Relation ,,:::;" ist dagegen nicht wohlgeordnet. In einer wohlgeordneten Menge M sind je zwei Elemente a, b vergleichbar, denn {a, b} c M hat ein kleinstes Element. Die Bedeutung des Begriffs der Wohlordnung beruht auf dem sog. Wohlordnungssatz, der schon von G. CANTOR vermutet und von E. ZERMELO bewiesen wurde.
Wohlordnungssatz (E. ZERMELO 1904). Auf jeder Menge existiert eine Wohlordnung.
102
111. Meßbare Funktionen
Es ist bekannt, daß der Wohlordnungssatz auf der Basis der Axiome von ZF äquivalent ist zum Auswahlaxiom. Zum Beispiel folgt aus dem Wohlordnungssatz, daß auf ~ eine Wohlordnung existiert; man kann aber keine Wohlordnung von ~ "explizit angeben". (Literatur: G.H. MOORE [1].) 3.10 Satz (F. BERNSTEIN 1908).9 Es gibt eine Menge B mit jeder überabzählbaren abgeschlossenen Teilmenge von hat.
c ~
~,
so daß sowohl B als auch BC einen nicht-leeren Durchschnitt
Beweis. Nach dem Wohlordnungssatz und Lemma 3.9 läßt sich die Menge:F aller überabzählbaren abgeschlossenen Teilmengen von ~ indizieren mit Hilfe der Ordinalzahlen< TJ, wobei TJ die kleinste Ordinalzahl mit c Vorgängern ist: :F == {Fa: a < 1]}. Wir denken uns eine feste Wohlordnung auf ~ gegeben; diese induziert vermöge Restriktion auf jedem Element von :F eine Wohlordnung. Jede abgeschlossene Teilmenge von ~ ist ein GfJ. Daher hat jedes F E :F nach Lemma 3.8 die Mächtigkeit c. Es seien aI, bI die beiden (im Sinne der zugrundeliegenden Wohlordnung) kleinsten Elemente von F I , a2, b2 die beiden kleinsten von aI, bI verschiedenen Elemente von F 2, und so fort: Ist a < 1] und sind aß, bß für alle Ordinalzahlen ß < a bereits definiert, so seien aa, ba die beiden kleinsten Elemente von Fa \ Uß 0, und die Menge T aller t
E ~ mit A
+t
== A sei dicht in
~.
9F. BERNSTEIN: Zur Theorie der trigonometrischen Reihe, Sitzungsber. der Kgl. Sächsischen Akad. Wiss. Leipzig, Math.-Phys. Kl. 60, 325-338 (1908).
§ 4. Meßbare numerische Funktionen a) Für jedes Intervall I c ~ gilt 1](A n I) b) Ist A E ~, so ist A(AC) = O.
103
= A(I).
3.5. Es sei A gleich der Menge M aus Beispiel 3.5 oder gleich einer der Mengen G, U aus Beispiel 3.6. Für jedes Intervall I C ~ gilt 1](A n I) = 1](AC n I) = A(I). 3.6. Konstruieren Sie eine nicht meßbare Funktion
f : (JR,~) -+
(TI{, ~),
deren Betrag Borel-
meßbar ist. ~
3.7. Die Abbildung f
-+
~2 ,
f(x) .- (x,O)t
(x E
ist ~1_~2-meßbar, aber nicht
TI{)
~1_~2-meßbar.
3.8. Es seien C das Cantorsche Diskontinuum, F die Cantorsche Funktion und ~, f(x) := !(x
+ F(x)) (x
E ~).
a) f(C) ist eine nirgends dichte perfekte Teilmenge von [0,1] mit A(f(C)) = b) Es gibt eine Menge A E ~ mit f(A) ~ ~. c) Es gibt eine stetige streng wachsende Funktion 9 :
TI{
-+
TI{
f
~-+
!.
und eine Menge B E
~
mit
g-l (B) ~ ~. (Diese Schlußweise liefert die Existenz von nicht Borelschen Lebesgue-meßbaren
Teilmengen von d) Sind g, h :
~
ohne die früher benutzte Mächtigkeitsbetrachtung. )
(TI{,~)
(JR,~)
-+
sein. Es können sogar {x E sein.
TI{ :
meßbar, so braucht go h : (~,~) -+ (~,~) nicht meßbar zu g(x) #- O} eine A-Nullmenge und h stetig und streng wachsend
3.9. Zeigen Sie: Die Menge C aus dem Beweis von Lemma 3.8 ist dem Cantorschen Diskontinuum homöomorph (d.h. es gibt eine stetige Bijektion von C auf das Cantorsche Diskontinuum, deren Umkehrabbildung ebenfalls stetig ist). 3.10. Jedes A E
~P
mit AP(A)
> 0 enthält
ein N E
~P
, AP(N) = 0 mit N
rv
~.
3.11. Es sei ~ die Menge aller Teilmengen von TI{, deren Rand eine Lebesguesche Nullmenge ist. Dann ist O"(~) gleich der von den Jordan-meßbaren Teilmengen von TI{ erzeugten
O"-Algebra, und es gilt: ~~O"(~)~~. (Hinweise: (5:= {G D. A: G,A c ~,Goffen ,Amager} ist eine O"-Algebra über TI{ mit O"(~) C (5 n ~. Ist nun M C TI{ ein Vertretersystem von TI{/Q, so gilt nach Aufgabe 11.8.2: M N E
Q),
so auch M E
(5,
= Au N,
wobei A mager, A(N)
und es wäre M
= G D. B,G
= O.
Hier ist A E
Q) \~.
offen, B mager, wobei G
Wäre
#- 0 nach
Wahl von M. Da G ein Intervall enthält, existiert ein 8 > 0, so daß (x + M) nM#- 0 für alle x E TI{, lxi< 8: Widerspruch zur Wahl von M. Es folgt: N E ~ \ (5, also Q) n ~~~.) 3.12. Ist Beine Hamel-Basis von
~,
so ist die von B erzeugte additive Untergruppe G C
nicht Lebesgue-meßbar.
§ 4.
Meßbare numerische Funktionen «Lebesgue introduisit l'espece des fonctions mesurables. Le progres etait immense. Car le passage a la limite ... d'une suite de fonctions mesurables donne encore une fonction mesurable.... Des lors, toutes les fonctions rencontrees dans
~
II!. Meßbare Funktionen
104 les problemes de l'Analyse sont mesurables.»lo (A.
DENJOY
in
LEBESGUE
[1]'
S.69)
1. Rechnen in ~, Topologie von~. Für die Zwecke der Integrationstheorie ist es bequem, nicht nur meßbare Funktionen f : (X, 2l) ---+ (~, ~) zu betrachten, sondern auch Funktionen mit Werten in lR :== ~ U { - ( X ) , +oo}. Zunächst legen wir die Regeln für den Umgang mit den Elementen (X) == +00 und -(X) fest. Anordnung und Absolutbetrag werden von ~ auf IR fortgesetzt vermöge -(X) < a < +00 für alle a E lR, 1001 == I - 001 == 00. Damit sind die Begriffe max, min, sup, inf für Teilmengen von IR in natürlicher Weise sinnvoll. Jede nicht-leere Teilmenge M c lR hat ein Supremum in IR; dieses ist das übliche Supremum, falls M durch eine reelle Zahl nach oben beschränkt ist, und sonst ist sup M == 00. Addition, Subtraktion und Multiplikation werden - soweit möglich - vermöge Stetigkeit im Sinne der sogleich einzuführenden Topologie erklärt:
a + (±oo) :== (±oo) + a :== ±oo für a E lR , a - (±oo) :== -(±oo) + a :== =Foo für a E lR , (X)
+ (X)
:==
(X) ,
-(X)
+ (-(X))
a . (±oo) :== (±oo) . a :== {
(±oo) :== =Foo , ±oo , falls a E]O, 00] , =Foo , falls a E [-(X), O[ . :==
-(X) , -
Diese natürlichen Definitionen werden ergänzt durch die willkürlichen Festlegungen o. (±oo) :== (±oo) ·0 :== 0 , (X) - (X) :== -(X) + (X) :== 0 . Die Definition 0 . (X) :== 0 ist die einzig angemessene Festlegung, wie WIr In der Integrationstheorie und bei der Diskussion der Produktmaße sehen werden. Somit sind Summe, Differenz und Produkt je zweier Elemente von lR erklärt. Die für reelle Zahlen bekannten Rechenregeln gelten nur mit Einschränkungen für das Rechnen in lR. Zum Beispiel sind die Addition und die Multiplikation auf IR zwar kommutativ, aber nicht assoziativ. Das Distributivgesetz gilt nicht für die Rechenoperationen auf lR. Dagegen ist die Restriktion der Addition auf ]- 00, +00] assoziativ, und auch die Einschränkung der Addition auf [-(X), +oo[ ist assoziativ, so daß z.B. für ak E] - 00, +00] die Summenschreibweise L~=l ak sinnvoll ist. Definitionsgemäß sei die Menge der Intervalle Ja, 00] (a E lR) eine Umgebungsbasis von (X) in lR, und die Menge der Intervalle [-(X), a[ (a E lR) sei eine Umgebungsbasis von -(X) in IR. Für a E lR sei wie üblich {Ja - c , a + c[: c > O} eine Umgebungsbasis. Eine Menge V c lR heißt eine Umgebung von x E IR, wenn es eine Menge U aus der betr. Umgebungsbasis von x gibt mit U c V. Eine Menge A c lR heißt offen, wenn A Umgebung jedes Punktes x E A ist. Ersichtlich ist lOLebesgue führte die Klasse der meßbaren Funktionen ein. Der Fortschritt war ungeheuer. Denn der Übergang zum Grenzwert... einer Folge meßbarer Funktionen ergibt wieder eine meßbare Funktion. ... Seitdem sind alle Funktionen, auf die man bei Problemen aus der Analysis gestoßen ist, meßbar.
105
§ 4. Meßbare numerische Funktionen
eine Menge A c JR genau dann offen, wenn AnJR offen in JR ist und wenn im Falle +00 E A (bzw. -00 E A) ein a E JR existiert mit Ja, ooJ C A (bzw. [-00, a[cA). Damit ist R ein kompakter topologischer Raum, und JR ist eine offene und dichte Teilmenge von R. - Nun sind die Begriffe Konvergenz und Stetigkeit in R sinnvoll. Bekannte Schreibweisen wie limn-too an , limx-too f (x) , limx--+_ oo f (x) lassen sich nun auch im Sinne der Topologie von IR auffassen als Limites bei Annäherung an +00 E R bzw. -00 E R. Viele Sätze aus der Analysis gelten sinngemäß für R; z.B.: Jede monotone Folge in IR konvergiert. Jede Folge in R hat einen Häufungswert, denn IR ist kompakt. Für jede Folge (a n )n2: 1 in IR sind der Limes superior und der Limes inferior in IR erklärt vermöge lim an == lim (sup{ak : k 2: n}), n--+oo
n-too
lim an == lim (inf{ak : k 2: n}) , n--+oo n--+oo
und dieses sind der größte bzw. kleinste Häufungswert von (a n )n2: 1 in R. Die Folge (a n )n2:1 konvergiert genau dann in IR, wenn ihr Limes superior gleich ihrem Limes inferior ist, und in diesem Falle gilt limn--+ oo an == lim an == lim an' n-too n--+oo Diese Ausführungen über Zahlenfolgen gelten sinngemäß auch für die punktweise Konvergenz von Folgen von Funktionen fn : X -+ IR (n E N). Die a-Algebra ~ :== ~(R) der Boreischen Teilmengen von R ist nach Definition die von den offenen Teilmengen von IR erzeugte a-Algebra. Man erkennt: ~ ==
{B
U
E :B
E ~ ,
E c {-oo, +00}} ;
insbesondere ist ~IJR == ~. (Letzteres ist auch klar nach Korollar 1.4.6.) 2. Meßbare numerische Funktionen. Es sei in § 4 stets (X, 21) ein Meßraum. Zur Unterscheidung von den reellwertigen Funktionen auf X nennen wir die Funktionen f : X -+ IR numerische Funktionen. Eine numerische Funktion heiße meßbar, wenn sie 21-~-meßbar ist. Für reellwertiges f ist die 21-~-Meßbarkeit gleichbedeutend mit der 21-~-Meßbarkeit. 4.1 Beispiel. Für A c X und a E JR, a wenn A meßbar ist.
-I- 0 ist a . XA
genau dann meßbar,
Die folgende abkürzende Schreibweise paßt zwar nicht zum üblichen Gebrauch der Mengenklammern, ist aber so suggestiv, daß keine Mißverständnisse zu befürchten sind: Für f, g : X -+ IR und a, ß E IR setzen wir
{f > a}:== {a < f}:== {x EX: f(x) > a} == f-l(Ja,ooJ); entsprechend sind {f < a}, {f::; a}, {f 2: a}, {f == a}, {f -I- a}, {a < f::; ß}, {f < g}, {f ::; g}, {f -I- g}, {f == g}, {a < f, g > ß} usw. definiert. 4.2 Satz. Für jede numerische Funktion f : (X,2t) -+ Bedingungen a)-e) äquivalent: a) f ist meßbar. b) Für alle a E JR ist {f > a} E 21.
(IR, ~)
sind folgende
106
II!. Meßbare Funktionen
c) Für alle a d) Für alle a e) Für alle a
ist {i 2: a} E 2l. ist {i < a} E 2l. E lR ist {i :::; a} E 2l. E lR
E lR
Beweis. Jedes der Mengensysteme {]a, 00] : a E lR} , {[a, 00] : a E lR} , E lR} , {[-oo,a] : a E JR} ist ein Erzeuger der a-Algebra Q3 (Aufgabe 4.3). Daher ist die Behauptung klar nach Satz 1.3. D
{[-oo,a[: a
4.3 Satz. Für jede Folge (in)n?:.1 meßbarer numerischer Funktionen aui X sind SUPn>l in, infn>l in, lim in, lim in meßbar. Insbesondere ist limn--+ oo in meßn--+oo n--+oo bar, jalls dieser Limes (in JR) existiert. Beweis. Die Funktionen SUPn>l in und infn2: 1 in sind meßbar nach Satz 4.2, da für jedes a E lR gilt { su Pin :::; n2:1
a} = nUn
S;
a} E
n=l
Ql,
{inf in 2: n2:1
a} = nUn;:;> a}
E Ql.
n=l
Hieraus folgen die Meßbarkeit von lim in == inf (su p ik) , lim in == sup (inf in) n--+oo n2:1 k2: n n--+oo n2: l k2:n und von limn--+ oo in, falls der letztere Limes in lR existiert.
D
Wenden wir Satz 4.3 an auf die Folge i1,"" in, in, in,' .. , so folgt:
4.4 Korollar. Sind i1, ... , in : (X,2l) -+ (JR, Q3) meßbare numerische Funktionen, so sind auch max(il" .. , in) und min(i1,"" in) meßbar. Die Meßbarkeit vektorwertiger Funktionen läßt sich mit Hilfe der Meßbarkeit der Koordinatenfunktionen charakterisieren:
4.5 Satz. Eine Funktion i == (il" .. , ip)t : (X,2l) -+ (W, Q3P) ist genau dann meßbar, wenn alle Koordinatenjunktionen i1," ., i p : (X,2l) -+ (JR, Q3) meßbar sind. Beweis. Die Projektionsabbildungen prj : lRP -+ lR, prj(x) :== Xj für x == (Xl, ... , Xp)t E lRP , sind stetig, also Borel-meßbar. Ist also i meßbar, so sind auch alle ij == prj i (j == 1, ... ,p) meßbar. Sind umgekehrt i1,"" i p meßbar und Ja, b] E JP, a == (al,"" ap)t , b == (bI,"" bp)t, so ist i- 1(]a, b]) == n~=l i j- 1(]aj, bj ]) E 2l. Da JP die a-Algebra Q3P erzeugt, folgt die Behauptung nach Satz 1.3. D 0
ce == lR2 mit der a-Algebra Q32 aus und erhalten aus Satz 4.5: Korollar. Eine komplexwertige Funktion i : (X,2l) -+ (ce, Q32) ist genau
Wir statten
4.6 dann meßbar, wenn Rei und Im i meßbar sind.
Die Bildung von Linearkombinationen und Produkten meßbarer numerischer Funktionen liefert stets wieder meßbare numerische Funktionen:
§ 4. Meßbare numerische Funktionen 4.7 Satz. Sind f, g : (X, 2l) ~ af
+ ßg,
107
(lR, ~)
meßbar und a, ß E :IR, so sind auch
f . g, Ifl meßbar.
Beweis. Es seien zunächst f, g : X ~ JR reellwertig. Dann ist h : X ~ JR2, h(x) :== (f(x),g(x))t (x E X) nach Satz 4.5 meßbar. Die Funktionen s,p: JR2 ~ JR, S(XI,X2):== Xl +X2,P(XI,X2):== XI'X2 ((XI,X2)t E JR2) sind stetig, also Borel-meßbar. Daher sind f + g == so h, f . g == po h nach Satz 1.5 meßbar. Sind nun f, g : X ~ lR meßbare numerische Funktionen, so sind fn, gn : X ~ JR, fn:== max(-n,min(f,n)) , gn:== max(-n,min(g,n)) (n E N) nach Korollar 4.4 meßbar. Nach dem soeben Bewiesenen sind fn + gn und fn . gn (n E N) meßbar, also sind auch f + g == limn-too(fn + gn) , f· g == limn-too fn' gn meßbar. Da die konstanten Funktionen a bzw. ß meßbar sind, sind auch af und ßg meßbar und folglich auch af + ßg. Speziell ist - f meßbar und damit auch Ifl == max(f, - f)·
D
4.8 Korollar. Sind f, g : (X, 2l) ~ (C, ~2) meßbar und a, ß E C, so sind auch af
+ ßg,
f . g,
Ifl
meßbar.
Beweis. Klar nach Korollar 4.6 und Satz 4.7.
D
4.9 Korollar. Sind f, g : (X, 2l) ~
O}, {f ~ g} == {g- f 2: O}, {f == g} == {f - g ~ O} n {f - g 2: O}, {f # g} == {f - g < O} U {f - g > O} folgt die
Behauptung sogleich aus der Meßbarkeit von Für jede numerische Funktion f : X
~
f -
g und g -
f.
D
JR sind der Positivteil
f+ :== max(f, 0)
und der Negativteil f- :== max( - f, 0) == (- f)+ (2: O!)
erklärt, und es gilt f == f+ - f- , Ifl == f+
+ f-
.
4.10 Korollar. Eine numerische Funktion f : (X, 2t) ~
(lR, ~) ist genau dann meßbar, wenn ihr Positivteil f+ und ihr Negativteil f- meßbar sind.
Beweis. Ist f meßbar, so auch - f, und damit auch f+, f- nach Korollar 4.4. - Umgekehrt ist f == f+ - f- nach Satz 4.7 meßbar, wenn f+ und f- meßbar sind. D
4.11 Korollar. Eine komplexwertige Funktion f : (X, 2t) ~ (C, ~2) ist genau dann meßbar, wenn (Ref)+, (Ref)-, (Im f)+, (Im f)- meßbar sind. Beweis. Klar nach Korollar 4.6, 4.10.
D
108
II!. Meßbare Funktionen
3. Approximation durch Treppenfunktionen. Für die in Kap. IV zu entwickelnde Integrationstheorie ist die Möglichkeit der Approximation meßbarer Funktionen durch Treppenfunktionen von entscheidender Bedeutung. 4.12 Definition. Eine meßbare Funktion f : (X,2l) --t (JR, Q3), die nur endlich viele verschiedene (reelle) Werte annimmt, heißt eine (2l-) Treppenfunktion. Es seien T die Menge der (2l-)Treppenfunktionen auf X und T+ die Menge der nicht-negativen Funktionen aus T. Ersichtlich ist Tein Vektorraum über JR, und für f, 9 E T gilt f . 9 E T, max(f,g) E T, min(f,g) E T, Ifl E T. Für f,g E T+ und 0: 2: 0 sind auch o:f E T+ und f + 9 E T+ , f . 9 E T+. Ist f E T und f(X) == {0:1,"" O:m} mit verschiedenen 0:1,"" O:m E JR, so sind die Mengen A j :== f-l({O:j}) E 2l (j == 1, ... ,m) disjunkt und f == ~7=1 O:jXAj' Sind umgekehrt ßl,'" ,ßn E JR (nicht notwendig verschieden) und BI, ... ,Bn E 2l (nicht notwendig disjunkt), so ist n
g:== LßjXBj E T, j=1 und für
ßI, ... ,ßn 2:
0 ist 9 E T+.
Wir bezeichnen mit M die Menge der meßbaren numerischen Funktionen --t (JR, Q3) und mit M+ die Menge der nicht-negativen Funktionen aus M. Folgender Satz ist für die spätere Integraldefinition von entscheidender Bedeutung:
f : (X,2l)
4.13 Satz. Für eine nicht-negative numerische Funktion f auf X gilt f E M+ genau dann, wenn es eine Folge (U n )n2:1 von Funktionen aus T+ gibt mit Un t f.
Beweis. Jeder Limes einer wachsenden Folge von Funktionen aus T+ liegt in M+ (Satz 4.3). - Ist umgekehrt f E M+ und n E N, so sei ._ Aj,n .-
j { 2n {
< j+l} f"ur J. -- 0 , ... , n . 2n - 1 , - f < 2"7l
{f 2: n} für j
==
n . 2n
.
Die Mengen Aj,n(j == 0, ... ,n . 2n ) sind disjunkt, liegen in 2l, und es ist X == . n2n j=O Aj,n. Daher gIlt n2 n . U n :== '"""" L XA - E T+ , L...t 2n J,n j=O
U
und (u n )n2: 1 ist wachsend: Nach Definition ist nämlich Aj,n die disjunkte Vereinigung von A 2j ,n+l und A 2j +1,n+l für j == 0, ... ,n . 2n - 1, und A n2 n,n ist die disjunkte Vereinigung der Mengen A j ,n+l (j == n . 2n+1, ... , (n + 1 )2 n+1 - 1) und A(n+l)2 n+ 1 ,n+l' Daher ist Un+l 2: Uno Ist nun x E X und f(x) == 00, so gilt un(x) == n t 00 == f(x), während für f(x) < 00 und n > f(x) gilt un(x) ~ f(x) < un(x) + 2- n . Insgesamt folgt Un t f. 0
§ 4. Meßbare numerische Funktionen
109
4.14 Korollar. a) Zu jeder beschränkten Q!-meßbaren Funktion f : X -+ lR gibt es eine wachsende Folge (U n )n2:1 von Treppenjunktionen, die gleichmäßig gegen f konvergiert. b) Zu jeder nach unten beschränkten meßbaren Funktion f : X -+] - 00, +00] gibt es eine wachsende Folge von Funktionen U n E T (n E N) mit U n t f. c) Zu jedem f E M gibt es eine Folge von Funktionen V n E T mit V n -+ f. Beweis. a) und b) sind klar nach dem Beweis von Satz 4.13, und c) ergibt sich durch Anwendung von Satz 4.13 auf f+ und f-. D 4. Abzählbar erzeugte Meßräume. Zwei Meßräume (X, 2t), (Y,523) heißen isomorph, wenn es eine meßbare Bijektion f : (X,2t) -+ (Y, ~) gibt, so daß auch f- 1 : (Y,523) -+ (X,2t) meßbar ist; eine solche Abbildung f heißt dann ein meßbarer Isomorphismus. Ziel der folgenden Überlegungen ist Satz 4.17, in dem die Isomorphieklassen der Meßräume (A, 523 1 IA) (A c ~) durch einfache Bedingungen charakterisiert werden. Zunächst einige Vorbereitungen: Man sagt, ein Mengensystem ~ c ~(X) trennt die Punkte von X, wenn zu allen x, y E X mit x f. y ein A E ~ existiert mit XA(X) i= XA(y). Ein Meßraum (X,2t) heißt separiert, wenn 2t die Punkte von X trennt. 4.15 Lemma. Ein Mengensystem (X, o-(~)) separiert ist.
~
c
~(X)
trennt die Punkte von X genau dann, wenn
Beweis. Angenommen, ~ trennt die Punkte von X nicht. Dann gibt es x, y EX, x f. y, so daß für alle A E ~ entweder gilt x, y E A oder x, y E AC. Nun ist l in ~ mit Un>l An == X, Un>l B n == Y, so ist auch ~ * ~ == {E x F : E E ~, F E ~} ein Erzeuger von 21 ® ~~ Speziell ist 21 * ~ ein Erzeuger von 2l ®~.
5.4 Korollar (Transitivität der Bildung von Initial-a-Algebren). Unter den Voraussetzungen von Satz 5.2 seien für jedes ~ E I eine Indexmenge Ku M eßräume (Zt1K' Q:t,K) und Abbildungen gt,K : ~ ---+ ZtK (/'l; E KJ gegeben, und es sei ~t == I(gt,K : /'l; E KJ. Dann gilt:
I(gtK ft : ~ EI, /'l; 0
E K t ) ==
I(ft : ~
E
I) ;
Diagramm: X ~ (~, ~J ~ (ZtK' Q:t,K) . Beweis. ~t :== UKEK g;;/ (Q:tK) erzeugt ~t, also ist UtEI ft- 1 (~J ein Erzeuger von I(ft : ~ E I). Andererseits ist UtElft-l(~t) == UtEIUKEK (gtK o ft)-l(Q:tK) auch 0 ein Erzeuger von I(gtK ft : ~ EI, /'l; E KJ. L
L
0
5.5 Beispiele. a) In Beispiel 5.1 c) sei I == UKEK I K mit disjunkten I K (/'l; E K). Im Sinne der natürlichen Identifizierung von TIKEK (TItEl", X t ) mit TItEl X t gilt
114
II!. Meßbare Funktionen
dann
QSJ (QSJ 2t K,EK
t)
==
tEIK.
QSJ 2t
t
(Assoziativität der Produktbildung) .
tEl
b) Faktorisierung über das Produkt: In der Situation des Satzes 5.2 versehen wir Y :== TItEl ~ mit der a-Algebra ~ :== ®tEI93t und betrachten die Abbildung f : X ---+ Y, f(x) :== (ft(X))tEI (x E X). Bezeichnen wir mit pr t : Y ---+ ~ die i-te Projektion, so ist ft == pr t f (i E I), und Korollar 5.4 ergibt: I(f) == I(ft : i E I). Jede Initial-a-Algebra läßt sich also bereits als Initial-a-Algebra bezüglich einer einzigen Abbildung darstellen. 0
5.6 Satz. Sind in der Situation von Satz 5.2 (Z, Q:) ein weiterer Meßraum und g : Z ---+ X eine Abbildung, so ist 9 : (Z, Q:) ---+ (X,I(ft : i EI)) genau dann meßbar, wenn alle Abbildungen ft 9 : (Z, Q:) ---+ (~, 93J (i E I) meßbar sind. 0
Beweis. Nach Korollar 5.4 ist die Inklusion I(g) ft 9 (i E I) gleichbedeutend.
c Q:
mit der Meßbarkeit aller 0
0
5.7 Beispiel. Sind (Xt ,2tJ (i E I) Meßräume, X :== TItEl X o 2t :== ®tEI2tt' (Z, Q:) ein Meßraum und 9 : Z ---+ X eine Abbildung, so ist 9 : (Z, Q:) ---+ (X,2t) genau dann meßbar, wenn alle prtog: (Z,Q:) ---+ (Xt ,2tJ (i E I) meßbar sind. - Wir wählen spezielle g: Dazu seien X t i=- 0 für alle i E I und at E X t fest gewählt. Für K c I definieren wir eine Einbettung jK : TIK,EK XK, ---+ TItEl X t vermöge jK((XK,)K,EK) :== (Xt)tEI, wobei Xt :== at für alle i E 1\ K. Dann ist pr t ojK für i E I \ K gleich der konstanten Abbildung a t , und für i E K ist pr t jK gleich der Projektion von TIK,EK XK, auf die i-te Koordinate. Daher ist jK ®K,EK 2tK,-®tEI 2t t -meßbar. Für M C TItEl X t nennen wir 0
jiJAEI\K' Entsprechend heißt für f : X ---+ Y die Abbildung
f ojK :
rr
XK, ---+ Y , (XK,)K,EK r---+ f((xt)tEI) mit Xt :== at für
i
E
1\ K
K,EK der Schnitt von f durch (aA)AEI\K oder die partielle Abbildung von f bei "festgehaltenen " Koordinaten X A == a A (,,\ E 1\ K). Die Meßbarkeit von jK impliziert nun:
5.8 Korollar. Sind (X t , 2tJ (i E I) nicht-leere Meßräume, so ist jeder Schnitt einer ® tEl 2t t -meßbaren Menge M C TItEl X t meßbar, und für jeden Meßraum (Y, 93) ist jeder Schnitt einer ®tEI 2t t -~-meßbaren Abbildung f : TItEl X t ---+ Y wiederum meßbar. 2. Borel-Mengen topologischer Produkte. Sind (X t , 'T t ) (i E I) topologische Räume, so trägt X :== TItEl X t die Produkttopologie 'T. Diese ist die gröbste
§ 5. Produkt-a-Algebren
115
Topologie auf X, bezüglich welcher alle Projektionen prl, : X ~ Xl, (i E I) stetig sind. Eine Menge A c X ist also genau dann offen, wenn zu jedem x == (XI,)I,EI E A eine endliche Menge E c I und Umgebungen U"" von x"" in X"" (f;; E E) existieren, so daß IT""EK U"" x ITI,EI\K Xl, c A. Zur Topologie 'I gehört die a-Algebra a('I) == ~(X) der Borel-Mengen von X. Andererseits ist X mit der Produkt-a-Algebra ®I,EI ~(XI,) der Borel-Mengen der Xl, ausgestattet. Die Projektionen prl, : X ~ Xl, (i E I) sind stetig, also Borel-meßbar, und es folgt: ~(X) => ®I,EI ~(XJ; d.h.: 5.9 Satz. Ist (X, 'I) das topologische Produkt der topologischen Räume (X o 'II,) (i E I), so gilt: ~(X) => ®I,EI ~(XI,)'
In der Inklusion des Satzes 5.9 steht nicht notwendig das Gleichheitszeichen, und zwar nicht einmal für das Produkt nur zweier topologischer Räume (s. Aufgabe 5.3 und Bemerkung 5.16). Der folgende Satz 5.10 enthält ein einfaches Kriterium für die Gültigkeit des Gleichheitszeichens. 5.10 Satz. Es sei (X, 'I) das topologische Produkt abzählbar vieler topologischer Räume (X k, 'I k) (k 2: 1), und es sei angenommen, daß alle (X k ,'I k ) (k 2: 1) eine abzählbare Basis der Topologie haben. Dann gilt:
~(X) ==
® ~(Xk) . k2:: 1
Beweis. Ist
mk eine abzählbare Basis von 'I k, so bilden die Mengen pr;11 (Vk1 ) n E N, Vkv E mkv für v == 1, ... , n) eine abzählbare Basis m
... n pr;:(Vkn ) (n
von 'I. Offenbar ist m c ®k>1 ~(Xk), und jede Menge aus 'I ist abzählbare Vereinigung von Mengen aus W. Daher ist 'I C ®k>1 ~(Xk), und es folgt die Behauptung. D 5.11 Bemerkung. Ein topologischer Raum E heißt ein Lindeläf-Raum, wenn jede offene Überdeckung von E eine abzählbare Teilüberdeckung hat, und E heißt erblich Lindeläfsch,
wenn jeder Teilraum von E ein Lindelöf-Raum ist. Jeder topologische Raum mit abzählbarer Basis ist erblich Lindelöfsch. In Verallgemeinerung von Satz 5.10 gilt Q3(X) == Q9LEI Q3(X L), falls (X, 'T) erblich Lindelöfsch ist. Zum Beweis wende man Aufgabe 5.4 an auf die Subbasis ~ von
'T, die aus allen Mengen der Form ITLEI
~ (~E
'TL für alle tEl und ~ == XL für alle
tEl mit höchstens endlich vielen Ausnahmen) besteht.
Satz 5.10 liefert unmittelbar das folgende Korollar 5.12. Dabei vereinbaren wir als Bezeichnung: Für X c IRP sei ~~ :== ~PIX. 5.12 Korollar. Für X
c IRP,
Y
c IRq
gilt ~~ ® ~~ == ~~+xqy; speziell ist
~P == ~1 ® ... ® ~1 •
3. Meßbarkeit der Diagonalen. 5.13 Beispiel. Es seien (X, 2l) , (Y, Q3), (Z,
e:)
Meßräume, und es sei
D,z :== {(x, x) : x E Z} E
e: 'Si e: ;
116
III. Meßbare Funktionen
Z heißt die Diagonale von Z × Z. Ferner seien f : (X, A) → (Z, C) , g : (Y, B) → (Z, C) meßbar. Die Abbildung F : X × Y → Z × Z , F (x, y) := (f (x), g(y)) (x ∈ X , y ∈ Y ) ist nach Satz 5.6 meßbar. Es folgt: {(x, y) ∈ X × Y : f (x) = g(y)} = F −1 (Z ) ∈ A ⊗ B . ur den Graphen G(f ) jeder meßbaren Im Spezialfall (Z, C) = (Y, B) , g = idY erhalten wir: F¨ Abbildung f : (X, A) → (Y, B) gilt G(f ) := {(x, f (x)) : x ∈ X} ∈ A ⊗ B , vorausgesetzt, daß Y ∈ B ⊗ B. Da Y gleich dem Graphen von idY ist, liefert umgekehrt die Meßbarkeit von G(f ) f¨ ur alle meßbaren f auch die Relation Y ∈ B ⊗ B. – N¨ utzliche Kriterien f¨ ur die Meßbarkeit der Diagonalen enth¨ alt der n¨ achste Satz. 5.14 Satz. F¨ ur jeden Meßraum (X, A) sind folgende Aussagen a)–d) ¨aquivalent: a) Es gibt eine abz¨ahlbare Menge E ⊂ A, die die Punkte von X trennt. b) Es gibt eine Menge M ⊂ [0, 1] und eine meßbare Bijektion f : (X, A) → (M, B1 |M ). c) X = {(x, x) : x ∈ X} ∈ A ⊗ A. d) Es gibt eine abz¨ahlbar erzeugte σ-Algebra C ⊂ A mit {x} ∈ C f¨ ur alle x ∈ X. ∞ Beweis. a) =⇒ b): Trennt E = {An : n ∈ N} ⊂ A die Punkte von X, so ist f := n=1 3−n χAn eine meßbare Injektion von X in [0, 1]; das zeigt man wie in den Beweisen der S¨ atze 4.16, 4.17. b) =⇒ c): Nach Beispiel 5.13 gilt f¨ ur jede gem¨ aß b) gew¨ ahlte meßbare Bijektion f : X → M : {(x, y) ∈ X × X : f (x) = f (y)} ∈ A ⊗ A . Wegen der Injektivit¨at von f ist aber letztere Menge gleich X . c) =⇒ d): Wegen X ∈ A ⊗ A gibt es eine abz¨ ahlbare Menge E ⊂ A, so daß X ∈ σ(E ∗ E) (s. Aufgabe I.4.2). Wegen σ(E ∗ E) = σ(E) ⊗ σ(E) liefert Korollar 5.8: {x} ∈ σ(E) f¨ ur alle x ∈ X. d) =⇒ a): Klar nach Lemma 4.15. 2 5.15 Korollar. Ist (X, A) ein Meßraum mit X ∈ A ⊗ A, so gilt |X| ≤ |R|. Beweis. Nach Satz 5.14, d) ist |X| ≤ |C|, und Aufgabe I.6.5 liefert |C| ≤ |R|.
2
5.16 Bemerkung. Es sei (X, T) ein Hausdorff-Raum. Dann ist X abgeschlossen in X × X, also X ∈ B(X × X). Gilt nun B(X × X) = B(X) ⊗ B(X), so folgt nach Korollar 5.15: |X| ≤ |R|. F¨ ur jeden Hausdorff-Raum X mit |X| > |R| gilt also B(X × X) ⊃ = B(X) ⊗ B(X).
Aι ) , (Yι , B aume, fι : Xι → Yι Aufgaben 5.1. Es seien (Xι , ι ) (ι ∈ I) nicht-leere Meßr¨ Abbildungen. Die Funktion f : X → Y , f ((x ) ) := (f (x ))ι∈I ist genau dann ι ι ι ι∈I ι ι ι∈I ι∈I ι∈I Aι ι∈I Bι -meßbar, wenn alle fι : (Xι , Aι ) → (Yι , Bι ) (ι ∈ I) meßbar sind. 5.2. Es seien (Xι , Aι ) Meßr¨ aume, Aι ⊂ Xι , Aι = ∅ (ι ∈ I). Ist ι∈I Aι ∈ ι∈I Aι , so gilt Aι ∈ Aι (ι ∈ I). Unter welcher Zusatzvoraussetzung gilt die Umkehrung? 5.3. Es seien T die gew¨ ohnliche Topologie von R und Tr die rechtsseitige Topologie“, die ” von den Intervallen [a, b[ (a, b ∈ R , a < b) erzeugt wird. a) Die R¨ aume (R, T) , (R, Tr ) haben die gleichen Borel-Mengen. (Hinweis: Kelley [1], S. 58, J, (d).) b) F¨ ur die Produkttopologie T2r von Tr mit sich selbst gilt: B(R2 , T2r ) ⊃ = B(R, Tr ) ⊗ B(R, Tr ). 5.4. Ist (X, T) ein erblich Lindel¨ ofscher topologischer Raum und V eine Subbasis von T, so ist σ(V) = B(X).
§ 5. Produkt-a-Algebren
117
5.5. a) Ist C(Y) die Menge aller stetigen reellwertigen Funktionen auf dem metrischen Raum Y, so gilt: ~(Y) = I(f : f E C(Y)). b) Es seien (X,2t) ein Meßraum, Y ein metrischer Raum und fn : X ~ Y (n E N) eine Folge meßbarer Funktionen, die punktweise gegen f : X ~ Y konvergiere. Dann ist f 2t-~(Y) meßbar. (Hinweis: Satz 5.6. - Bemerkung: Von Y wird nur gebraucht, daß jedes abgeschlossene A c Y von der Form A = g-l( {O}) mit geeignetem 9 E C(Y) ist. Nach ENGELKING [1], S. 69, 1.5.19 ist letztere Bedingung für einen Tl-Raum Y gleichbedeutend damit, daß Y vollständig normal ist, d.h. daß Y normal ist und daß jede abgeschlossene Teilmenge von Y eine G 8Menge ist.) 5.6. Es seien X ein topologischer Raum mit abzählbarer Basis (Un)n>l und (Y, d) ein metrischer Raum. Dann ist ~(X x Y) = ~(X) Q9 ~(Y). (Hinweis: Für offenes U c X x Y und n, k E N seien Vn,k die Menge der y E Y mit Un x K(y, c U und Wn,k die Vereinigung der K(y, mit y E Vn,k. Dann ist U = Un,k~l Un X Wn,k E ~(X) Q9 ~(Y).)
i)
i)
5.7 Faktorisierungssatz. Trägt X die Initial-a-Algebra bez. t : X ~ (Y, ~), so ist eine Funktion f : X ~ (lR, ~l) genau dann t-I(~)-meßbar, wenn es eine meßbare Funktion 9 : (Y,~) ~ (lR,~I) gibt mit f = gote (Hinweis: Für alle x,y E X mit t(x) = t(y) ist f(x) = f(y). Daher existiert eine Funktion 9 : t(X) ~ lR mit f = gote Aufgabe 4.15 liefert das Gewünschte.)
Analog zum Begriff der Finaltopologie werden in den folgenden Aufgaben Final-a-Algebren diskutiert. Dabei unterstellen wir folgende Voraussetzungen und Bezeichnungen: Es seien (X~, 2t~) (t E I) Meßräume, X eine Menge und f~ : X~ ~ X (t EI). 5.8. Es gibt eine bezüglich mengentheoretischer Inklusion größte a-Algebra 2t auf X, in bezug auf welche alle f~ (t E I) meßbar sind, und zwar ist
2t = :F(f~ : tEl) := n{A
c X : f~-I(A)
E 2t~}
.
~EI
F(f~
: tEl) heißt die Final-a-Algebra auf X bez.
(f~)~EI.
5.9. Ist (Y, ~) ein weiterer Meßraum, so ist 9 : X ~ Y genau dann wenn alle 9 0 f~ : (X~, 2t~) ~ (Y,~) (t E I) meßbar sind.
F(f~
:t
E I)-~-meßbar,
5.10. Für jedes tEl sei K~ eine weitere Indexmenge, und es seien Meßräume (~~, ~~~) (t E I, K E K~) gegeben mit Abbildungen g~~ : ~~ ~ X~, so daß 2t~ = F(g~~ : K, E K~) (t EI). Dann gilt:
Diagramm:
(Transitivität der Bildung der Final-a-Algebra). 5.11. Es sei S:= {(t,x) : tEl, x E X~} die "disjunkte Vereinigung der X~ (t E I)", und für q~ : X~ ~ S , q~(x) := (t, x) (t EI, x E X~) die kanonische Einbettung. Wird S mit der Final-a-Algebra F(q~ : tEl) versehen, und setzt man f : S ~ X , f((t, x)) := f~(x) (t E I , x E X~), so gilt: F(f~ : tEl) = F(f). (D.h.: Jede Final-a-Algebra läßt sich bereits als Final-a-Algebra bez. einer einzigen Abbildung darstellen.)
tEl sei
5.12. Es seien (X,2t) , (Y,~) Meßräume und f : (X, 2t) ~ (Y, ~) meßbar. Ferner seien R := {(x, y) E X x X : f(x) = f(y)} die durch f induzierte Äquivalenzrelation, q : X ~ XI R die kanonische Abbildung, welche jedem Element von X seine Äquivalenzklasse mod R zuordnet, 9 : XI R ~ f(X) die durch f induzierte Bijektion, die jedem Element von XI R das eindeutig bestimmte Bild eines seiner Repräsentanten zuordnet, und j : f(X) ~ Y die kanonische
118
111. Meßbare Funktionen
Inklusionsabbildung. Dann sind in der kanonischen Faktorisierung
(X,2l)
~
Ij
ql (X/R,F(q)) alle Abbildungen meßbar.
(Y,~)
~
(f(X), ~lf(X))
Kapitel IV Das Lebesgue-Integral «Le progres essentiel obtenu par MM. Borel et Lebesgue dans la theorie de la mesure, est d'avoir realise l'additivite au sens camplet. Toute la superieurite de leur theorie vient de la. Il importe toutefois de dire que la premiere idee de cette theorie revient
a M.
Borel. L'reuvre propre de M. Lebesgue ne commence
qu'avec les integrales definies.»l
(eH. DE LA VALLEE POUSSIN
[1]' S. 17)
Bei der Einführung des Integralbegriffs folgen wir einem Weg, der im wesentlichen von W.H. YOUNG vorgeschlagen wurde und der sich auf die Benutzung monotoner Folgen stützt. Dieser Zugang zeichnet sich dadurch aus, daß von vornherein auch unbeschränkte Funktionen und Maßräume unendlichen Maßes ohne jeden Mehraufwand einbezogen werden, und die konstruktive Integraldefinition liefert automatisch für viele Aussagen einen effizienten Beweisansatz. Die Brücke zur ursprünglichen Definition von Lebesgue schlagen wir in Aufgabe 3.1. Wir legen für das ganze Kapitel IV folgende Voraussetzungen und Bezeichnungen fest: (X, 2l, JL) sei ein Maßraum; Meßbarkeit von Funktionen f : X ---+ JR bzw. f : X ---+ C ist stets in bezug auf die a-Algebra 2l zu verstehen. M sei die Menge der meßbaren numerischen Funktionen f : X ---+ JR und M+ die Menge der nicht-negativen Funktionen aus M. Weiter seien T die Menge der (reellwertigen) Treppenfunktionen und T+ die Menge der nicht-negativen Funktionen aus T.
1 Der wesentliche Fortschritt, der in der Maßtheorie von den Herren Borel und Lebesgue erzielt wurde, besteht darin, die Bedeutung der (J-Additivität erkannt zu haben. Die ganze Überlegenheit ihrer Theorie kommt daher. Es ist jedoch wichtig festzustellen, daß die erste Idee dieser Theorie von Herrn Borel stammt. Das eigentliche Werk von Herrn Lebesgue beginnt erst bei den bestimmten Integralen.
120
§ 1.
IV. Das Lebesgue-Integral
Integration von Treppenfunktionen "Starting from such simple integrals the whole theory of integration follows by the Method of Monotone Sequences." (W.H.
YOUNG:
On integration ..., Proc.
London Math. Soc. (2) 13, 109-150 (1914))
Bei der Einführung des Integralbegriffs gehen wir in drei Schritten vor: Zunächst definieren wir in § 1 das Integral für nicht-negative Treppenfunktionen, dehnen dann in § 2 mit Hilfe monotoner Folgen die Definition aus auf beliebige Funktionen aus M+ und führen anschließend in § 3 den Integralbegriff für integrierbare Funktionen zurück auf den Integralbegriff für Funktionen aus M+.
f
E
==
L CYjXAj == L
1.1 Lemma. Die Funktion
f
T+ habe die Darstellungen
m
n
j=I
k=I
m
n
j=I
k=I
L CYjJ1(Aj ) == L
ßkXBk
ßkJ1(B k ) .
Beweis. Mit A m+ I :== BI, . .. , A m+n :== B n sei ~ die Menge aller Durchschnitte n Mi, wobei Mi E {Ai' Ai} für alle i == 1, ... ,m + n. Je zwei verschiedene Mengen aus ~ sind disjunkt, denn für geeignetes i ist die eine enthalten in Ai, die andere in Ai. Jedes Ai (i == 1, ... , m + n) ist gleich der Vereinigung aller Elemente von ~ mit Mi == Ai. Sind nun Cl, ... , C r die verschiedenen Elemente von ~, so hat f genau eine Darstellung f == L:~=I flXCt mit fI, . .. , fr ~ 0, und aus Symmetriegründen genügt es zu zeigen, daß
nZ:i
m
L CYjJ1(Aj ) == L j=I
flJ1(C l ).
1=1
Nach Definition gilt nun für alle I == 1, ... , r:
j=l, ... ,rn: GtCAj
und es folgt:
~
'Y1J1(C1) =
~ (j~t=.=, ~c~
(Xj) J1(C1) =
t
(Xj
1=2" J1(C
1)
~c~
=
t
(XjJ1(A j ) ,
denn jedes A j ist gleich der disjunkten Vereinigung der in A j enthaltenen Cl. D
§ 1. Integration von Treppenfunktionen
121
Nun ist folgende Definition sinnvoll, denn sie hängt nicht ab von der Auswahl der Darstellung von 1. 1.2 Definition. Für 1 E T+ , 2l heißt
f
1 == L7=1 ajXAj mit al,""
f dp,;=
x
das (j1-)Integral von
f:OW(A
j )
am
2:: 0, Al, . .. , Am
E
(E [0,00])
j=l
1 (über X).
Das Integralzeichen wurde 1675 von G.W.
LEIBNIZ
(1646-1716) eingeführt. Es stellt ein
stilisiertes "S" dar und soll an "Summe" erinnern. Das Wort Integral (von lat. integer = ganz, vollständig) wurde von JOHANN BERNOULLI (1667-1748) geprägt und erscheint erstmals 1690 im Druck in einer Arbeit von JAKOB BERNOULLI (1654-1705).
1.3 Folgerungen. a) Für alle A E 2l ist
L XA dp, = p,(A). b) Für alle
1,g E T+
und a,ß E JR, a,ß 2:: 0 gilt
L(af+ßg)dP,=a Lfdp,+ß Lgdp,. c) Für alle
1, 9
E
T+ mit 1 ::; 9 gilt L f dp,::; Lg dp,.
Beweis. a) und b) sind klar (wegen Lemma 1.1). c) Es ist 9 == 1 + (g - 1), und hier ist 9 - 1 E T+. Daher folgt nach b)
L g dp, = L f dp, + L (g - f) dp,
~L
f dp, .
o Bisher wurde in Kap. IV nur die endliche Additivität von j1 benutzt. Die Ergebnisse aus § 1 gelten daher sinngemäß auch für Inhalte auf Algebren anstelle von Maßen. Erst von § 2 an wird die a-Additivität von j1 eine entscheidende Rolle spielen.
Aufgaben. 1.1. Für alle
l
f
dp
f
E
T+ gilt:
= sup {t(inf{J(X) : x E Bd) . p(Bk) : BI, .. ·,Bn E ~ disjunkt, inf {t(suP{J(X) : x E Cd)' p(Cd : Cl,'''' Cn E
k01 Bk = X }
~ disjunkt, kQ C
k
=X }
.
122
IV. Das Lebesgue-Integral
1.2. Für jedes
f
E
T+ ist J-lf : 2l-+ ffi:, J-lf(A)
:==
Ix f· XA dJ-l ein Maß auf 2l.
1.3. Es seien 0 < al < ... < an die (endlich vielen) verschiedenen positiven Werte, die f E T+ annimmt; ao :== O. Dann gilt:
§ 2.
Integration nicht-negativer meßbarer Funktionen "(1) The function whose integral is required is approached as limiting function by discontinuous functions, whose integrals are already known... (2) The mode in which the limiting function is approached is by means of monotone sequences of these functions, and it is shown that, whatever monotone sequence of functions of the elementary type in question be employed, the limit of their integrals is necessarily the same." (W.H.
YOUNG
[1])
1. Definition des Integrals. Nach dem Vorgehen von W.H. YOUNG erweitern wir den Integralbegriff durch Bildung monotoner Limites von Funktionen aus T+: ZU jedem f E M+ gibt es nach Satz 111.4.13 eine Folge (Un)n>l in T+ mit U n t f (n --+ CX»), und es bietet sich die Definition -
rf
Jx
r
dfL:= lim
n---+ooJx
Un
dfL
an. Diese Definition erweist sich als sinnvoll, denn sie hängt nicht ab von der speziellen Auswahl der Folge (u n )n2: l ' Der Nachweis der Unabhängigkeit von der speziellen Auswahl beruht auf folgendem Satz:
2.1 Satz. Für jede wachsende Folge (U n )n2:1 von Funktionen aus T+ und jedes v E T+ mit v :S limn---+ oo U n gilt
r
Jx
r
v dJ-l:S lim n---+oo x
J
Un
dJ-l .
Beweis. Es sei v == E7=1 ajXA j mit al,"" a m 2: 0 und disjunkten Al, . .. , Am E 2L Für festes ß > 1 und n E N setzen wir B n :== {ßu n 2: v} (E 2t). Ist nun x E X und v(x) == 0, so ist x E B n für alle n E N. Im Falle v(x) > 0 ist limk---+oo ßUk(X) > v(x), also x E B n für alle hinreichend großen n E N. Es folgt: B n t X, und nach Definition von B n ist ßU n 2: v . XB n • Die Stetigkeit des Maßes von unten impliziert daher
Ix
m
v dfL
=
m
I>l!jfL(A j ) j=l
=
1~ I>~jfL(Aj n Bnl j=l
r
r
lim v· XB n dfL:S; lim ß undfL n---+oo J x n---+oo J x Der Grenzübergang ß t 1 liefert die Behauptung.
= ß lim
r undfL.
n---+oo J x
D
§ 2. Integration nicht-negativer meßbarer Funktionen
123
Bemerkung. Der Beweis von Satz 2.1 benutzt die a-Additivität von JL in Form der Stetigkeit des Maßes von unten. Die a-Additivität von JL ist sogar gleichbedeutend mit der Gültigkeit der Aussage von Satz 2.1, d.h.: Gilt Satz 2.1 für den Inhalt JL auf 21, so ist JL ein Maß. (Zum Beweis gelte A, An E 21 (n E N) und An t A. Wendet man die Voraussetzung an auf U n :== XA n , v :== XA, so folgt JL(A) :S limn -7oo JL(A n ). Die umgekehrte Ungleichung ist klar. D) 2.2 Korollar. Sind (u n )n2: 1 , (v n )n2: 1 zwei wachsende Folgen von Funktionen aus T+ mit limn -7oo U n == limn -7oo vn , so gilt
r
lim
Jx
n-7OO
~
dp,
=
lim n-7OO
r
Jx
dp, .
Vn
Vk
:S limn -7oo u n , also nach Satz 2.1
Jrx
Vk
Beweis. Für alle k E N ist
und für k
Un
dp,::; lim n-7OO
Jrx
dp, ,
Un
00 ergibt sich
lim k-7OO
r
Jx Vk dJL:S
lim n-7OO
r
Jx U n dJL .
Aus Symmetriegründen folgt die Behauptung.
D
2.3 Definition. Es seien f E M+ und (u n )n2: 1 eine Folge von Funktionen aus T+ mit U n t f· Dann heißt das von der Auswahl der Folge (u n )n2: 1 unabhängige Element
rf
dp,:= lim
Jx
n-7OO
r
Jx
Un
(E [0,00])
dp,
das (JL-)Integral von f (über X). Schreibt man u E T+ als Limes der konstanten Folge U n :== U (n E N), so erhellt, daß Definition 2.3 für Treppenfunktionen denselben Integralwert liefert wie Defintion 1.2. - Die Folgerungen 1.3 gelten entsprechend (beachte: 0'00 == 0): 2.4 Folgerungen. a) Für alle
i b) Für alle
(o;f
f, g E M+ und a, ß E
+ ßg) dp, =
0;
i
f dp,
+ß
i
[0,00] gilt
g dp, .
f, g E M+ mit f :S g gilt
i
f dp,::;
i
g dp, .
Beweis. a) Es seien zunächst 0 :S a < 00 und E T+ , aU n t a f, und es folgt
U
n E T+ , U n
t f. Dann ist
aU n
Jrx o;f dp, =
lim n-7OO
Jrx o;Un dp, =
lim n-7OO
0;
Jrx Un dp, = Jrx f 0;
dp, .
124
IV. Das Lebesgue-Integral
Ist a == 00, so setzen wir A :== {f > O} und haben n . XA
r
Jx
00.
f d
t
00 . f, also
0, falls tL (A) == 0 , 00, falls tL (A) > 0 .
== {
tL
Ist nun tL(A) > 0 und An :== {f > ~} (n E N), so gibt es wegen An t A ein n E N mit tL(A n ) > 0, und es folgt (nach Satz 2.1) Ix f dtL 2: Ix ~XAn dtL > 0, also 00 . Ix f dtL == 00. Ist dagegen tL(A) == 0, und U E T+, U ::; f, so ist {u > O} c A und daher Ix u dtL == 0, folglich auch Ix f dtL == O. Ergebnis: Ix af dtL == a Ix f dtL für alle a E [0,00]. Nun ist nur noch Ix(f + g) dtL == Ix f dtL + Ix 9 dtL zu zeigen. Dazu wählen wir U n , V n E T+ mit U n t f , V n t g. Dann gilt U n + V n t f + g, und Folgerung 1.3 b) liefert
n-+oo
Jrx (u + v
lim
n
lim
n-+oo
b) Es ist 9 ==
n)
n
Jrx U
dll
+
dll
lim n-+oo
f + (g - f), wobei
Jrx V
n
dll
=
Jrx f
dll
+
r
J.x~
9 dll .
9 - f E M+, und a) ergibt
o 2.5 Korollar. Für alle
Ix f Beweis. Für alle
U E
Ix f
f
dll
E
M+ gilt
= sup
T+ mit
{Ix
U ::;
dll ::;> sup
U
dll : U E T+ , u::::;
f} .
f gilt Ix f dtL 2: Ix U dtL, also
{Ix
U
dll : U E T+ ,
U ::::;
f} .
Die umgekehrte Ungleichung ist auf Grund der Integraldefinition evident. 2.6 Satz. Für
f
E
M+ gilt
Ix f
dll
=0
genau dann, wenn {f > O} eine tL-Nullmenge ist. Beweis. Für A:== {f > O} und An :== {f >~} (n E N) gilt An Es sei zunächst Ix f dtL == O. Aus ~XAn ::; f folgt dann
t A.-
0
§ 2. Integration nicht-negativer meßbarer Funktionen
125
d.h. JL(A n ) == 0 (n E N). Wegen An t A ist daher JL(A) == O. Ist umgekehrt JL(A) == 0, so folgt aus i S ooXA nach Folgerung 2.4 0::::
also
Ix f
iI
dJl ::::
00 .
i
XA dJl
=
0,
o.
dJL ==
o
2. Der Satz von der monotonen Konvergenz. Der folgende Satz von der monotonen Konvergenz von B. LEVI (1875-1961) zählt zu den wichtigsten Konvergenzsätzen der Integrationstheorie. Bemerkenswert ist, daß dieser Satz für beliebige wachsende Folgen aus M+ gilt, wobei unendliche Werte durchaus zugelassen sind. Diese Tatsache ist wesentlicher Grund für die Betrachtung meßbarer numerischer Funktionen auf X, die den Wert 00 annehmen dürfen, und für die Integraldefinition, in welcher auch der Wert 00 des Integrals zugelassen wird.
2.7 Satz von der monotonen Konvergenz (B. wachsende Folge (in)n?) von Funktionen aus M+ gilt
LEVI
1906)2. Für jede
fn) dJL == lim r in dJL. lxr (lim n-+oo n-+oo lx Beweis. Zunächst ist f :== limn -+ oo fn dJL und daher
E
Ix fk dJL S Ix f
lim k-+oo
lxr I
k
M+. Für alle k
dJl::::
lxr I
E
N ist fk S f, also
dJl .
Zum Beweis der umgekehrten Ungleichung sei u E T+ , U S f. Für ß > 1 setzen wir B n :== {ßin 2: u} und erhalten: B n E 2(, B n t X und ßin 2: u· XB n • Hier gilt u . XB n E T+ und u . XB n t u. Nun impliziert Satz 2.1:
lim r u· XB lxr u dJl:::: n-+ool x und da
n
dJl ::::
In dJl , n-+oolr x
ß· lim
ß > 1 beliebig ist, folgt weiter lim r In dJl. lxru dJl:::: n-+oo lx
Korollar 2.5 liefert nun die Behauptung.
o
Ohne die Voraussetzung der Monotonie wird die Aussage des Satzes von der monotonen Konvergenz falsch; Beispiel: Es seien (X, 2(, JL) :== (IR, ~l, ßl) und in :== ~X[o,n]. Dann konvergiert (in)nEN auf ganz JR gleichmäßig gegen 0, aber die Folge der Integrale IrR. fn dßl == 1 konvergiert nicht gegen O. 2B. LEVI: Sopra l'integrazione delle serie, Rend. Reale Inst. Lombardo di Sei. e Lett., Sero 11, 39, 775-780 (1906); H. LEBESGUE: Brief an M. FRECHET, 4.1. 1906, Rev. Hist. Sei. 34, 149-169 (1981); H. LEBESGUE [2], S. 115.
126
IV. Das Lebesgue-Integral
2.8 Korollar. Für jede Folge (fn)n?:) von Funktionen aus M+ gilt
Beweis. Anwendung des Satzes von der monotonen Konvergenz auf die Folge der Teilsummen der Reihe L~=l fn; dabei ist die Additivität des Integrals auf M+ zu beachten. D 2.9 Beispiel. Es seien X :== N, 2t:== s,p(N) und f-L das Zählmaß auf 2t. Dann ist M+ gleich der Menge aller Funktionen f : N -+ [0,00]. Wir zeigen: Für alle f E M+ ist
Beweis: Mit gn :== f(n) . X{n} E M+ ist f == L~=l gn, also nach Korollar 2.8
Ix
Ix
Nach Folgerung 2.4, a) ist aber gn df-L == f(n) X{n}df-L == f(n). D Es seien weiter fn: N -+ [0,00] (n E N) und fn(k) ==: ank (n,k E N). Dann liefert Korollar 2.8: Für alle ank E [0,00] (n, k E N) gilt
3. Kurzbiographie von B. LEVI. BEPPO LEVI wurde am 14.5.1875 in Turin geboren, studierte 1892-1896 Mathematik an der Universität seiner Heimatstadt u.a. bei G. PEANO und V. VOLTERRA und promovierte 1896 bei C. SEGRE (1863-1924) mit seiner Arbeit über ein Thema aus der algebraischen Geometrie. Er wirkte bis 1899 als Assistent am Lehrstuhl für projektive und deskriptive Geometrie, anschließend wurde er Professor an der Technischen Hochschule Piacenza (1901) und den Universitäten Cagliari (1906), Parma (1910) und Bologna (1928), wo er 1951 emeritiert wurde. Wegen seiner jüdischen Abstammung diskriminiert, emigrierte LEVI 1939 mit seiner Familie nach Argentinien, wo er an der Universität Rosario eine neue Wirkungsstätte (1939-1961) fand. Er starb am 28.8.1961 in Rosario. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen von B. LEVI sind vielseitig: Er begann mit Arbeiten zur algebraischen Geometrie, beteiligte sich an der Diskussion um das Auswahlaxiom und lieferte Beiträge zur Mengenlehre und zur Lebesgueschen Integrationstheorie. In der Geometrie publizierte er über projektive Geometrie und den absoluten Differentialkalkül, in der Physik über Quantenmechanik, in der Zahlentheorie über die arithmetische Theorie ternärer kubischer Formen, in der reellen Analysis über partielle Differentialgleichungen und das Dirichletsche Prinzip und in der Funktionentheorie über elliptische Funktionen. F. RIESZ (Zur Theorie des Hilbertschen Raumes, Acta Sci. Math. Szeged 7, 34-38 (1934-35)) benutzte eine von B. LEVI für das Dirichletsche Prinzip schon 1906 verwendete Schlußweise und bewies den Projektionssatz: Ist U ein abgeschlossener Unterraum des Hilbertraumes H, so hat jedes fEH genau eine Zerlegung der Form f == 9 + h mit 9 EU, h -l U. Dieser Satz wird bisweilen auch nach B. LEVI benannt und ist die geometrische Grundlage für den Darstellungssatz von F. RIESZ für stetige lineare Funktionale auf einem Hilbert-Raum. Der Beweis
§ 2. Integration nicht-negativer meßbarer Funktionen
127
des Projektionssatzes beruht auf der Ungleichung von B. LEVI: Ist U ein Untervektorraum des euklidischen oder unitären Vektorraums V und hat x E V von U den Abstand d, so gilt für alle u, v EU: Besondere Verdienste erwarb sich B.
auch als Organisator (Begründung mathematischer
LEVI
Zeitschriften in Argentinien), akademischer Lehrer und Lehrbuchautor.
4. Maße mit Dichten. Als weitere Anwendung des Satzes von der monotonen Konvergenz zeigen wir, wie sich mit Hilfe nicht-negativer meßbarer Funktionen Maße mit Dichten konstruieren lassen. 2.10 Satz. Für jedes f E M+ ist f 8 f-l : 2l ~
(f 8 p,)(A)
:=
L
f . XA
IR,
dp,
(A E 2l)
ein Maß auf 2l, das sog. Maß mit der Dichte f in bezug auf f-l. Beweis. Zum Nachweis der (j-Additivität sei A == U~=l An mit disjunkten An E 2l (n E N). Dann ist f· XA == I:~=1 f· XA n , und Korollar 2.8 ergibt sogleich die Behauptung. 0
2.11 Korollar. Für jedes f E M + ist f 8 f-l "stetig (( in bezug auf f-l in folgendem Sinne: Für alle A E 2l mit f-l(A) == 0 gilt f 8 f-l(A) == O. Beweis. Ist A E 2l eine f-l-Nullmenge, so ist auch {f . XA > O} eine f-l-Nullmenge, und die Behauptung folgt aus Satz 2.6. 0
2.12 Satz. Für alle f, g E M+ gilt:
L
f
d(g 8 p,)
=
L
(j . g) dp,.
Insbesondere ist f 8 (g 8 f-l) == (f . g) 8 f-l. Beweis. Nach Definition von g 8 f-l gilt die erste Gleichung für alle f == XA (A E 2l), also auch für alle f E T+. Ist nun f E M+ beliebig, so wählen wir eine Folge von Funktionen U n E T+ (n E N) mit U n t f und erhalten
Jrx f
d(g 8 p,)
= lim n-+oo
Jrx U n d(g 8
p,) = lim n-+oo
Jrx (un° g) dp, = Jrx (j . g) dp, ;
die letzte Gleichung folgt aus dem Satz von der monotonen Konvergenz. - Die zweite Aussage folgt aus der ersten durch Ersetzen von f durch f . XA (A E 2l).
o
Aufgaben. 2.1. Sind (J-ln)nEN eine Folge von Maßen auf 2l mit J-ln N) mit In t I, so gilt:
lim n--+oo
r
r
Jx In dJ-ln == Jx I
dJ-l .
t J-l und I, In
E
M+ (n E
128
IV. Das Lebesgue-Integral
(Hinweis: Es ist bequem, die Behauptung zunächst im Fall
f
==
fn
(n E N) zu beweisen.)
2.2. Sind (J-Ln)n?-1 eine Folge von Maßen auf 2l und J-L :== L~=1 J-Ln, so gilt für alle
/, 1 dJL = X
2.3. Ist f E M+ und
Ix f
dJ-L
0: J-L( {f > c}) < 00.
2.4. Es seien An E 2l (n E N) und B m die Menge der x E X, die in mindestens m der Mengen An liegen (m E N). Dann ist B m E 2l und mJ-L(B m ) ::; L~=1 J-L(A n ).· 2.5. a) Für alle
f
E
M+ gilt:
Ix 1 dJL =
sup
{~(inf{/(x) : x E Ad)JL(A n E N, k) :
Al, ... ,An
E
Qldisjunkt, X =
ÜAk} . k=1
b) Bleibt Aussage a) richtig, wenn man anstelle endlicher Zerlegungen von X abzählbare Zerlegungen zugrundelegt ? 2.6. Es seien (X, 2l, J-L) :== (IR,~, -\I~), (r n )n>1 eine Abzählung von Q, An :==]r n , r n + n- 3 [ und f:== L~=1 n· XA n ' a) IrR f dA < 00 und -\({f == oo}) == O. b) Die Abzählung (r n )n?-1 läßt sich so wählen, daß für jedes Intervall 1 C IR mit -\(1) > 0 gilt:
i
c) Es gibt ein a-endliches Maß 1/ : ~ -+ positiver Länge, während 1/( {a})
§ 3.
2
XI . 1
IR,
d)"
= 00 .
so daß 1/(1) ==
00
für jedes Intervall 1 C IR von
== 0 für alle a E IR.
Integrierbare Funktionen "When we come to consider unbounded functions no fresh difficulty arises in the application of our original principle, provided always we consider ... the two
12 whose difference is fand whose sum is the modulus On the new theory 01 integration, Proc. Roy. Soc. London, Sero A, 88, 170~178 (1913))
positive functions f1 and of f." (W.H.
YOUNG:
1. Integrierbare Funktionen. In einem dritten und letzten Konstruktionsschritt dehnen wir den Integralbegriff aus auf geeignete meßbare Funktionen. Dabei wird gleich der Fall komplexwertiger Funktionen mit erfaßt. Wir legen folgende Bezeichnungen fest: Es seien lK == IR oder ce versehen mit der a-Algebra Q3 (lK) == Q3 bzw. Q32 und
JK :== JR oder ce
versehen mit der a-Algebra
23
:== Q3 bzw. Q32 .
129
§ 3. Integrierbare Funktionen
Für jede Funktion f : X ~ JK sind der Realteil Ref und der Imaginärteil Im f erklärt; für JK == lR ist Ref :== f , Im f :== 0 zu setzen. f : (X, 2l) ~ (JK, Q)) ist genau dann meßbar, wenn alle Positiv- und Negativteile (Ref)±, (Im f)± meßbar sind.
3.1 Definition. Eine Funktion f : X ~ JK heißt (M-)integrierbar (über X), wenn f meßbar ist und wenn die vier Integrale (3.1) alle endlich sind, und dann heißt die reelle bzw. komplexe Zahl (3.2)
Ix
i dp, :=
das (M-)Integral von M).
f (über
Ix
(Re1) + dp, -
+i
Ix
Ix
(Reit dp,
(Im 1)+ dp, - i
l
(Im 1)- dp,
X) oder das Lebesgue-Integral von
f (über
X bez.
Wenn die Deutlichkeit eine klare Kennzeichnung der Integrationsvariablen erfordert, schreiben wir ausführlicher
Eine Funktion f E M+ ist genau dann integrierbar, wenn ihr M-Integral über X endlich ist, und das Integral (3.2) stimmt dann mit der früheren Begriffsbildung überein. Eine Funktion f : X ~ lR ist genau dann integrierbar, wenn f meßbar ist und wenn die M-Integrale von f+ und f- über X endlich sind, und dann ist
(3.3) Eine Funktion f : X ~ ce ist genau dann integrierbar, wenn Ref und Im f integrierbar sind, und dann gilt
(3.4)
Natürlich kann man mit (3.3) und den Konventionen aus Kap. 111, § 4, 1 für jedes meßbare f : X ~ lR ein Integral definieren, bei dem ±oo als Werte des Integrals zugelassen sind. Ein so allgemeiner Integralbegriff ist jedoch wenig zweckmäßig, da die üblichen Rechenregeln nicht richtig sind. Gelegentlich wird bei uns aber der Fall eine Rolle spielen, daß auf der rechten Seite von (3.3) höchstens ein Term unendlich wird:
IV. Das Lebesgue-Integral
130
3.2 Definition. Eine Funktion f : X ---t :IR heißt quasiintegrierbar genau dann, wenn f meßbar ist und wenn mindestens eines der Integrale f+ dJ-L, f- dJ-L endlich ist, und dann heißt
Ix
Ix
(3.5) das (J-L-)lntegral von f (über X). Insbesondere ist jedes f E M+ quasiintegrierbar, und der Integralwert (3.5) stimmt mit der früheren Definition überein. 3.3 Satz. Für jede Funktion f : X ---t Jk. sind folgende Aussagen a)-f) äquivalent: a) fist integrierbar. b) Ref und Im f sind integrierbar. c) (Ref)± und (Im f)± sind integrierbar. d) Es gibt integrierbare Funktionen p, q, r, s E M+ mit f ~ p - q + i(r - s). e) f ist meßbar, und es gibt ein integrierbares g E M+ mit Ifl ~ g. f) f ist meßbar und If I integrierbar. Eine Funktion g 2: 0 mit Ifl ~ g heißt eine Majorante von Ifl. Die Äquivalenz von a) und e) besagt: Eine Funktion f : X ---t Jk. ist genau dann integrierbar, wenn sie meßbar ist und wenn Ifl eine integrierbare Majorante hat. Beweis von Satz 3.3. Die Äquivalenz von a)-c) ist klar, ebenso "c) ===} d)". Zum Nachweis von "d) ===} e)" setzen wir g :~ p + q + r + s. Weiter ist "e) ===} f)" klar, denn Ifl ist meßbar und aus Ifl ~ g mit integrierbarem g E M+ folgt die Integrierbarkeit von Ifl. Die Implikation "f) ===} a)" ist ebenfalls klar, denn f ist meßbar, und (Ref)± , (Im f)± E M+ haben alle die integrierbare Majorante Ifl, sind also selbst integrierbar. D In Satz 3.3, f) ist die Bedingung der Meßbarkeit von f nicht entbehrlich. (Beispiel: Es seien (X, 2t, J-L) ~ (:IR,~,A), Ac [0,1], A tf-~, B:~ [0,1] \A, f:~ XA - XB· Dann ist Ifl ~ X[O,l] integrierbar, aber f ist nicht meßbar, also auch nicht integrierbar.) 3.4 Korollar. Für jedes integrierbare f : X ---t Nullmenge.
lR ist {Ifl
~
oo} eine J-L-
Beweis. A :~ {Ifl ~ oo} ist meßbar und 00 . XA ~ Ifl, also gilt nach Folgerung 2.4: 00 . J-L(A) ~ 00 . XA dJ-L ~ Ifl dJ-L < 00, d.h. J-L(A) ~ o. D
Ix
Ix
3.5 Korollar. Sind f, g : X ---t :IR integrierbar, so sind auch max(f, g) und min(f, g) integrierbar. Beweis. max(f, g) und min(f, g) sind meßbar und werden betragsmäßig durch Ifl + Igl majorisiert. D
§ 3. Integrierbare Funktionen
131
2. Linearität und Monotonie des Integrals. 3.6 Satz. Sind f, g : X -+ integrierbar und
Jk. integrierbar und
a, ß E JK, so ist auch
af + ßg
Beweis. Wir zeigen die Behauptung in drei Schritten. Dabei sind für numerische Funktionen f, g die imaginären Terme gleich 0 zu setzen. (i) Ist f == p - q + i(r - s) mit integrierbaren p, q, r, s E M+, so ist
Begründung: Aus Ref == (Ref)+-(Ref)- == p-q folgt q+(Ref)+ == p+(Ref)-, und die Additivität des Integrals auf M+ liefert
Hier sind alle Terme endlich, also ist
und mit der entsprechenden Gleichung für den Imaginärteil folgt (i). (ii) f + g ist integrierbar, und es gilt
+ g)
J)f
dp,
=
Ix
f dp,
+
Ix
g dp, .
+ (Reg)+ , q :== (Ref)- + (Reg)- , r :== (Imf)+ + + (Img)- sind integrierbare Funktionen aus M+ mit s). Daher ist f + g nach Satz 3.3, d) integrierbar, und (i)
Begründung: p :== (Ref)+
(Img)+, s
f +g
:==
(Imf)-
== P - q + i(r -
liefert:
Ix Cf + Ix
g) dp,
=
Ix
(Re/)+ dp, +
+i
Ix
Ix
f dp, +
Ix
q dp, + i
(Reg)+ dp, -
(Imf)+ dp, + i
Ix
Ix
p dp, -
Ix
Ix Ix
r dp, - i
(Re/)- dp, -
(Img)+ dp, - i
Ix
Ix
af dp, = a
Ix
s dp,
Ix
(Reg)- dp,
(Im/)- dp, - i
g dp, . -
(iii) af ist integrierbar und
Ix
f dp, .
Ix
(Img)- dp,
132
IV. Das Lebesgue-Integral
Begründung: af ist integrierbar, denn af ist meßbar, und lafl == lallfl ist nach Folgerung 2.4 integrierbar. Da für komplexwertiges f die Gleichung
klar ist, genügt es nun wegen (ii) (!) zu zeigen: Für alle integrierbaren Funktionen f : X -t JR und alle a E IR gilt
Ix al
dJL
=
a
Ix I
dJL .
Für a 2:: 0 ist (af)+ == af+ , (af)- == af-, und die Behauptung folgt aus der positiven Homogenität des Integrals auf M+. Für a < 0 ist dagegen (af)+ == lalf- , (af)- == lalf+, also
Ix al
dJL
= lai
(Ix r
Ix r
dJL -
dJL)
=a
Ix I
dJL .
o 3.7 Satz. Sind
f, g : X
Ix I Beweis. Wegen g- df-l, also
Ix
Ix I
=
dJL
-t IR quasiintegrierbar und
dJL:S;
Ix
dJL -
g, so gilt:
9 dJL (Monotonie des Integrals).
f+ ::; g+, f- 2:: g-
Ix r
f ::;
Ix r
ist
dJL:S;
Ix f+ df-l
Ix
9 + dJL -
::;
Ix
Ix g+ df-l, Ix f- df-l 9 - dJL
=
Ix
>
9 dJL .
o 3.8 Satz. Ist
f :X
-t
K
integrierbar, so gilt
I
Ix I
Beweis. Wir wählen ein ( E l[{,
dJLI
:s;
Ix 1I1
dJL.
1(1 == 1 mit
Hier ist die linke Seite reell, also auch die rechte Seite, und es folgt:
I
Ix I
dJLI
= Re
Ix
(f dJL
=
Ix
Re((J) dJL:S;
Ix 1I1
dJL.
o 3. Der Raum [}. Die Menge der integrierbaren numerischen Funktionen auf X ist bez. der punktweisen Verknüpfung kein Vektorraum, wenn es eine nicht-leere f-l-Nullmenge gibt. Daher definieren wir:
§ 3. Integrierbare Funktionen
133
3.9 Definition. [} :== ,Cl(J1) :== ,Cl (X, baren Funktionen mit Werten in lK.
2(,
J1) bezeichne die Menge der integrier-
Bevor wir erste grundlegende Eigenschaften von ,Cl aussprechen, erinnern wir an folgende Begriffe: Ist V ein Vektorraum über lK, so heißt 11 . 11 : V ~ JR eine Halbnorm auf V, falls für alle x, y E V und a E lK gilt: (i) Ilxll 2:: 0, (ii) Ilaxll == lalllxii, (iii) Ilx + yll ::; Ilxll + Ilyll (Dreiecksungleichung); V heißt dann ein halbnormierter Vektorraum. In jedem halbnormierten Vektorraum ist 11011 == (nach (ii)). Gilt Ilxll == nur für x == 0, so heißen 11 . 11 eine Norm und V ein normierter Vektorraum. Jede Halbnorm induziert vermöge d : V x V ~ JR, d(x,y) :== Ilx - yll (x,y E V) eine Halbmetrik auf V (s. Aufgabe 11.1.6); ist I1 . 11 sogar eine Norm, so ist d eine Metrik auf V. Insbesondere ist jeder halbnormierte Vektorraum ein topologischer Raum, und der Begriff der stetigen Funktion
o} eine Nullmenge ist. Gibt es also eine nicht-leere Nullmenge A E 2(, so ist I :== XA E ,Cl, I -=I- 0, aber 111111 == 0.) Weiter ist 1 eine positive Linearform auf ,Cl, und die Stetigkeit von 1 ergibt sich aus ,Cl.
11 (1) -
1(10)1
=
I
Ix
(1 - io) dJlI
~
Ix li - iol
dJl
= Ili - iolh (1, io
E .cl). D
Wir werden in Kapitel VI den Raum ,Cl in allgemeinerem Rahmen genauer untersuchen und beweisen, daß ,Cl vollständig ist.
3.11 Satz. Für jede beschränkte und meßbare Funktion I : X J1 ( {I -=I- o}) < 00 gilt I E ,C 1 .
~
Beweis. Ist 111::; a, so ist a· X{f#O} eine integrierbare Majorante von
lK mit
111.
D
4. Stetige Funktionen mit kompaktem Träger. Für eine Funktion I : JRP ~ lK heißt Tr I :== {x E JRP : I (x) -=I- o} der Träger von I. Nach Definition ist Tr I stets abgeschlossen. Ist a f/:- Tr I, so gibt es eine ganze Umgebung U von
IV. Das Lebesgue-Integral
134
a mit IIU == O. Eine Funktion I : lW ---+ IK hat genau dann einen kompakten Träger, wenn es eine kompakte Teilmenge K c JRP (z.B. eine abgeschlossene Kugel mit hinreichend großem Radius) gibt mit IIKc == O. Es bezeichnen C(lW) die Menge der stetigen Funktionen I : lW ---+ IK, Cc(JRP) die Menge der I E C(lW) mit kompaktem Träger und C~(lW) die Menge der beliebig oft differenzierbaren Funktionen aus Cc(JRP). 3.12 Satz. Zu jedem I E .cI (JRP, ~P, ,XP) und jedem c > 0 gibt es ein 9 E Cc(lW) mit 11I - glll < c; d.h.: Cc(lW) liegt dicht in .cI (JRP, ~P, ,XP).
Beweis. Nach Satz 3.11 ist Cc(lW) c .cI (lW , ~P, ,XP). - Gemäß der Definition des Integrals gibt es zu jedem c > 0 eine integrierbare Treppenfunktion u mit 1II ulll < c, U == "E]=ID:jXA j mit D:l, ... ,D:n E IK und A 1 , •.. ,An E ~P, 'xP(A j ) < (X) für j == 1, ... , n. Wegen der Dreiecksungleichung genügt es also zu zeigen: Zu jedem A E ~P mit 'xP(A) < (X) und jedem 8 > 0 gibt es ein h E Cc(lW) mit
IlxA - hilI< 8. Zum Beweis dieser Aussage wählen wir zunächst n E N so groß, daß für :== An [-n,n]P gilt )l(A) :::; 'xP(B) + 8/2, also IlxA - xBI!I :::; 8/2. Zu B wählen wir ein Kompaktum K und eine beschränkte offene Menge U mit K C B CU, 'xP(U\K) < 8/2 (s. Korollar 11.7.2). Es kann gleich K -I 0 angenommen werden, denn sonst leistet schon h == 0 das Verlangte. Das Kompaktum K hat von der abgeschlossenen Menge UC einen Abstand d(UC, K) > O. Die Funktion h : JRP ---+ JR, h(x) :== 1 - min(l, d(x, K)/d(UC, K)) ist also sinnvoll, stetig, hlK == 1 , hlUc == 0, also ist Tr h als abgeschlossene Teilmenge des Kompaktums V auch kompakt, d.h. h E Cc(JRP). Nach Konstruktion gilt IlxB - hilI:::; IIXu XKlll < 8/2, also IlxA - hilI< 8. D
B
Bekanntlich existiert zu jedem Kompaktum K C JRP und jeder offenen Menge K eine Funktion h E C~(JRP) mit 0 :::; h :::; 1 , hlK == 1 , hlUc == 0 (s. z.B. W. WALTER: Analysis 11, S. 262). Wählen wir im vorangehenden Beweis eine solche Funktion h, so erhalten wir (vgl. auch Korollar V.3.8):
U
~
3.13 Korollar. C~(lW) liegt dicht in
.cI (JRP, ~P, ,XP).
Satz 3.12 und Korollar 3.13 gelten entsprechend für alle Lebesgue-Stieltjesschen Maße. Satz 3.12 ermöglicht eine elegante Lösung der Aufgabe 111.2.4: 3.14 Beispiel. Für alle A, B E
~P
mit AP(A)
lim AP(A n (B
t---+O
< 00 oder AP(B)
0 gibt es nach Satz 3.12 ein r.p E Cc(I~P) mit IlxB - r.pll! < c, und wir erhalten für
t E ffi.P: I,\P(A n B) - ,\P(A n (B
+ t))1 = I
Lp XA(X)(XB(X) - XB(X - t)) d'\P(x) I
: :; J]Rp r IXB(X) - XB(X - t)1 dAP(X) : :; J]Rp r IXB - r.pldAP + JITI?P( Ir.p(x) - r.p(x -
t)ldAP(X) + (
JITI?P
Ir.p(x - t) - XB(X - t)ldAP(X).
§ 3. Integrierbare Funktionen
135
Wegen der Translationsinvarianz des Lebesgueschen Maßes sind das erste und das letzte Integral auf der rechten Seite gleich, und es folgt:
IAP(A
n B) -
AP(A n (B
+ t))1
~ 2c
+ IlRP ll irgendeine (!) streng monoton wachsende Folge natürlicher Zahlen und In: [0, 1] -+ C, 1
In(x) :== -
n
n
L
e21riakX
(x E [0,1]).
k=l
Dann konvergiert (fn)n?-l A-f.ü. gegen O. (Hinweis: Es ist
und für m 2 ::; n ::; (m
+ 1)2
gilt
4.4. Für x E [0,1] sei x L~=l dn(x) ·2- n (dn(x) E {0,1} für alle n E N) die dyadische Entwicklung von x, wobei wir die nicht abbrechende Entwicklung von x wählen,
wenn x eine abbrechende und eine nicht abbrechende Entwicklung hat. Ziel der folgenden Aufgabe ist es zu zeigen, daß für A-fast alle x E [0,1] die Folge (dn(X))n?-1 "asymptotisch ebensoviele Nullen wie Einsen" enthält. Diese Aussage läßt sich folgendermaßen präzisieren: Wir nennen mit
E.
([4], S. 1055-1079) die Zahl x E [0,1] normal, falls
BOREL
lim n -+ oo ~I{k: 1 ::; k ::; n, dk(x) == 1}1 == ~. Ziel ist es nun zu zeigen: A-fast alle x E [0,1] sind normal. Dieses Resultat hat eine sehr anschauliche wahrscheinlichkeitstheoretische Deutung: Man stelle sich eine Münze vor, die auf einer Seite eine ,,0" und auf der anderen Seite eine ,,1" trägt. Die Folge (dn(X))n?-1 (d.h. den Punkt x) kann man dann auffassen als Ergebnisfolge unendlich vieler Münzwürfe. Bei einer idealen Münze wird man erwarten, daß bei "praktisch allen" solchen Ergebnisfolgen die Zahlen ,,0" und"l" asymptotisch mit gleicher Häufigkeit auftreten. Das ist das sog. starke Gesetz der großen Zahlen von E. BOREL ([4]' S. 1055-1079). Für den Beweis führen wir leicht modifizierte Bezeichnungen ein: Es seien fk(X) :== 2(d k (x) - ~) und F n :== ~(fl + ... + In). Wir haben zu zeigen, daß limn --+ oo F n == 0 A-f.Ü. auf [0,1]. Das kann in folgenden Schritten geschehen: l a) Für alle j, k E N ist fj Ik dA == ~jk.
Ia Ia
n
b) Für alle E N ist F~ dA == ~. c) limn -+ oo F n 2(X) == 0 für A-fast alle x E [0,1]. (Hinweis: Aufgabe 4.1.) d) Für k
< 1 ::;
l
m gilt
IFll ::; mkk + IFkl.
Folgern Sie: lim n -+ oo Fn == 0 A-f.Ü. auf [0,1].
Aufgabe 4.5. Es sei (X, 2t, ji,) die Vervollständigung von (X, Qt, J-l). Eine Funktion I : X -+ t ist genau dann ji,-integrierbar, wenn eine J-l-integrierbare Funktion 9 : X -+ t existiert mit
I == 9 J-l-f.ü., und dann gilt: grierbare Funktionen?
Ix I
dji, ==
Ix 9 dJ-l. Gilt das Entsprechende auch für quasiinte-
144
IV. Das Lebesgue-Integral
§ 5.
Konvergenzsätze «Si des fonctions positives, bornees sommables: 11(X), 12(X), ... tendent vers une fonction bornee ou non I (x) et si In (x) dx reste, quel que soit n, inferieur a un nombre fixe, la fonction I (x) est integrable, et I' on a:
J:
J: I(x) dx :::;
liminf
J: In(x) dx.»6
(P. FATOU: Series trigonometriques et series de Taylor, Acta Math. 30, 335-400 (1906), insbes. S. 375) «Si des fonctions sommables In forment une suite convergente et sont toutes,
en valeur absolue, inferieures a une fonction sommable positive F, la limite I des In est sommable et son integrale est la limite de l'integrale de In.» 7 (H. LEBESGUE [2], S. 199)
1. Das Lemma von FATOU. Das Lebesguesche Integral zeichnet sich gegenüber dem Riemannschen besonders dadurch aus, daß wesentlich bessere Konvergenzsätze gelten. Als wichtiges Resultat haben wir schon den Satz von der monotonen Konvergenz kennengelernt, der besagt:
Das folgende sog. Lemma von P. FATOU (1878-1929) enthält eine Verallgemeinerung des Satzes von der monotonen Konvergenz für Folgen von Funktionen aus M+, die nicht notwendig konvergieren.
5.1 Lemma von P. Fatou (1906). Für jede Folge von Funktionen In E E N) gilt:
M+ (n
r lim in dp, ::; lim Jr in dp,.
JX
n---+oo
n---+oo
X
Beweis. Zunächst ist I :== lim In E M+ und für gn :== infk>n Ik E M+ gilt
gn t
I·
n---+oo
-
Der Satz von der monotonen Konvergenz liefert daher:
lim n---+oo
Für alle k 2:
rgn dp, = Jxr i dp, .
JX
n ist aber gn :::; Ik und daher Ix gn d/l> :::; infk~n Ix Ik d/l>, also
6Wenn eine Folge positiver, beschränkter, integrierbarer Funktionen 11 (x), 12 (x), . .. gegen eine beschränkte oder unbeschränkte Funktion I (x) konvergiert und wenn die Integrale In(x) dx für alle n unterhalb einer festen Schranke bleiben, dann ist die Funktion I(x)
J:
integrierbar, und es gilt:
J:ba I (x) dx
:::; lim inf
n-+oo
J:ba In (x) dx.
7Wenn die integrierbaren Funktionen In eine konvergente Folge bilden und alle betragsmäßig unterhalb einer positiven integrierbaren Funktion F bleiben, so ist der Limes I der In integrierbar und sein Integral ist der Limes der Integrale der In.
145
§ 5. Konvergenzsätze
D
2. Kurzbiographie von P. FATOU. PIERRE FATOU wurde am 28.02.1878 in Lorient (Frank-
reich) geboren; er starb am 09.08.1929 in Pornichet. FATOU studierte von 1898-1900 in Paris an der Ecole Normale Superieure, wo er über E. BOREL und H. LEBESGUE die neuesten Fortschritte der Theorie der reellen Funktionen kennenlernte. Ermutigt durch das Interesse seines Freundes H. LEBESGUE, «qui n'a cesse de s'interesser
a mes
recherches et dont les conseils
m'ont ete fort utiles», verfaßte FATOU seine Dissertation Series trigonometriques et series de Taylor, Acta Math. 30, 335-400 (1906). Ziel dieser Arbeit war es zu zeigen, welche Vorteile die Lebesgue-Borelsche Theorie des Maßes und die Theorie des Lebesgue-Integrals für die
Theorie der Fourier-Reihen und für die Funktionentheorie bieten. Ein berühmtes Ergebnis dieser Arbeit ist der sog. Satz von FATOU VI.2.35: Ist die Potenzreihe f(z) == L~=o anz n für Izi < 1 konvergent und beschränkt, so existiert für )...-fast alle 'P E [0,27rJ der "radiale" Limes limr -71- f(rei'P). - Rückblickend ist festzustellen, daß die Dissertation von FATOU und die Arbeiten von LEBESGUE über trigonometrische Reihen der harmonischen Analysis neue Horizonte eröffnet haben, deren Erforschung bis in die Gegenwart andauert. Dabei ist das Lemma von FATOU ein äußerst nützliches Hilfsmittel. - Ab 1901 wirkte FATOU am Observatorium in Paris. Neben astronomischen Arbeiten lieferte er vielerlei mathematische Arbeiten u.a. über
Differentialgleichungssysteme, numerische Verfahren und Funktionalgleichungen.
3. Der Satz von der majorisierten Konvergenz. Der folgende Satz von der majorisierten Konvergenz von H. LEBESGUE [2]' S. 199 ist wohl neben dem Satz von der monotonen Konvergenz der am häufigsten benutzte Konvergenzsatz. Bemerkenswert ist die Allgemeinheit des Resultats: Der Fall tL(X) == 00 ist durchaus zugelassen. Die Folge (In)n?.1 braucht nur punktweise gegen I zu konvergieren. Dagegen wird im üblichen Konvergenzsatz für Riemann-Integrale vorausgesetzt, daß die Funktionen In auf einem kompakten Intervall [a, b] C :IR definiert sind und gleichmäßig auf [a, b] gegen die Grenzfunktion i konvergieren. Wesentliche Voraussetzung im Satz von der majorisierten Konvergenz ist die Forderung der Existenz einer integrierbaren Majorante g E M+ der Folge
(In)n'2 1 : 5.2 Satz von der majorisierten Konvergenz (H. LEBESGUE 1910). Die Funktionen i, in : X ~ Jk. (n E N) seien meßbar, und es gelte limn --+ oo in == I tL-f· ü. Ferner gebe es eine integrierbare Funktion g E M+, so daß für alle n E N gilt Ilnl ~ g tL-f.ü. Dann sind I und alle In (n E N) integrierbar, und es gilt
JX In dJi = J{X 1 dJi
lim { n--+oo
und
lim { n--+oo
Beweis. Nach Korollar 4.3 sind
J
i
X
Iin - 11 dJi = 0 .
und alle
in
(n E N) integrierbar. Wir können
146
IV. Das Lebesgue-Integral
nach § 4 ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, daß f, 9 und alle fn (n E N) überall Werte in IK haben und daß überall gilt limn --+ oo fn == f , Ifnl :::; 9 (n E N). Dann ist gn :== Ifl + 9 -Ifn - fl E M+ (n E N), und das Lemma von FATOU liefert:
r(Ijl + g) rgn Jx
dJL
Jx
::::: lim
r gn = r(Iil + g) Jx
=
dJL
n--+oo
Hier ist das Integral von Ifl Wegen
dJL
lim
Jx n--+oo
+ 9 endlich.
dJL- lim n--+oo
r lin - il
Jx
Daher folgt: limn --+ oo
dJL.
fx Ifn - fl dJ-1 == o.
ergibt das die Behauptung.
D
Das folgende Beispiel enthält eine bemerkenswerte Verschärfung eines für stetig differenzierbare Funktionen für das Riemann-Integral wohlbekannten Satzes. 5.3 Beispiel (H.
f'
[1], S. 235). f : [a, b] ~ IK sei differenzierbar und Lebesgue-integrierbar über [a, b] und
LEBESGUE
beschränkt. Dann ist
f'
!ab l' dA = i(b) -
i(a) .
(Warnung: f' braucht nicht Riemann-integrierbar zu sein! Auf diese Möglichkeit hat zuerst V. VOLTERRA (Giorn. di mat. (1) 19,333-337 (1881)) aufmerksam gemacht. Ein Beispiel dafür findet man bei ROOIJ und SCHIKHOF [1], S. 80-83.) Beweis. Im folgenden kann ohne Beschränkung der Allgemeinheit angenommen werden, daß f : JR ~ IK differenzierbar ist und f' (x) M für alle x E JR mit geeignetem M > o. Mit gn(x) :== n (f (x +~) - f(x)) (x E JR, n E N) gilt f' == limn --+ oo gn· Daher ist f' meßbar, denn gn ist stetig, also ist f' über [a, b] Lebesgue-integrierbar. Nach dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung ist Ign(x) I == If'(~n) I :::; M mit geeignetem ~n E]X, x + ~ [, also ist die Konstante M eine über [a, b] integrierbare Majorante der Folge (gn)nEN. Der Satz von der maj orisierten Konvergenz liefert: 1
j
I
b b
1'(x) dx = lim Jr gn(x) dx.
a
n--+oo
Wegen der Stetigkeit von fist F(x) :== Aufgabe 3.8), und es folgt:
a
fax f(t) dt differenzierbar mit F' == f (s.
!ab gn (x) dx = n !ab (i (x + ~) - i(x))
dx
n(F(b+~) -F(b)) -n(F(a+~) ~
n--+oo
:::;
F'(b) - F'(a)
==
f(b) - f(a) .
-F(a))
147
§ 5. Konvergenzsätze
Durch Anwendung des Satzes von der majorisierten Konvergenz auf die Folge der Teilsummen der Reihe E~=l fk erhalten wir:
5.4 Korollar. Die Funktionen f, fn : X ~ TI{ seien meßbar, und es gebe eine integrierbare Funktion g E M+, so daß für alle n E Ngilt I E~=l fk I ::; g M-f. ü., und es sei f ==
E%:l fk
M-f.Ü. Dann sind f und alle fn integrierbar, und es gilt
5.5 Korollar. Sei f : X ~ ]I{ integrierbar über A E 2t und A == U~=l An mit An E 2t (n E N) , M(A j n A k ) == 0 für alle j, k E N, j #- k. Dann gilt:
Beweis. Nach § 4 kann gleich ohne Beschränkung der Allgemeinheit angenommen werden, daß A die disjunkte Vereinigung der An ist und daß f - XA überall endlich ist. Dann ist f -XA == E~=l f· XA n , und g :== Ifl- XA ist eine integrierbare Majorante der Folge der Teilsummen. Korollar 5.4 ergibt die Behauptung. 0
4. Von einem Parameter abhängige Integrale. 5.6 Satz (Stetige Abhängigkeit des Integrals von einem Parameter). Es seien T ein metrischer Raum und f : T x X ~ IK habe folgende Eigenschaften: a) Für alle t E T ist f(t, -) E r}. b) Für M-fast alle x E X ist f(-,x): T ~ IK stetig im Punkt t o E T. c) Es gibt eine Umgebung U von t o und eine integrierbare Funktion g E M+, so daß für alle t E U gilt: If(t, -)1::; g M-f.Ü. 8 Dann ist die Funktion F : T ~ IK,
F(t):=
L
f(t, x) df.t(x)
(t E T)
stetig im Punkte t o E T, und auch die Abbildung : T ~ r} , (t) :== f(t, -) E r} (t E T) ist stetig in t o E T. Beweis. Es sei (t n )n2: 1 eine Folge von Punkten aus U mit limn - Hx) t n == t o. Dann ergibt eine Anwendung des Satzes von der majorisierten Konvergenz auf die 0 Folge der Funktionen fn :== f(t n , -) (n E N) sogleich die Behauptung.
5.7 Satz (Differentiation unter dem Integralzeichen). Es seien I ein Intervall, t o E I, und f : I x X ~ IK habe folgende Eigenschaften: a) Für alle tEl gilt f(t,·) Er}. b) Die partielle Ableitung ~{ (t o, x) existiert für alle x EX. 8Die Vereinigung der Nullmengen Nt := {If(t, ·)1 zu sein.
> g} (t
c IR
E U) braucht keine Nullmenge
148
IV. Das Lebesgue-Integral
c) Es gibt eine Umgebung U von t o und eine integrierbare Funktion 9 so daß für alle t E UnI, t #- t o gilt I f(t,
=
x~ ~(to, x) I ~ g(x)
Dann ist die Funktion F : I
~
F(t)
:=
E M+,
fL-f.ü. 9
JK,
Ix
f(t, x) dfL(X)
(t E 1)
im Punkte t o (ggf. einseitig) differenzierbar, ~{ (t o, .) ist integrierbar, und es gilt
Zusatz. Die Aussage dieses Satzes bleibt bestehen, wenn man die Voraussetzungen b), c) ersetzt durch: b*) Es gibt ein 8 > 0, so daß die partielle Ableitung ~{ (t, x) (x E X) für alle t E U :==]t o - 8, t o + fJ[ nI existiert. c*) Es gibt eine integrierbare Funktion 9 E M+, so daß für alle t E U und x E X gilt:
1~~(t,x)1 ~g(x). Beweis. Es sei (t n )n2:1 eine Folge in U mit limn --+ oo t n == t o , t n #- t o für alle n E N. Eine Anwendung des Satzes von der majorisierten Konvergenz auf fn :== (f(t n ,·) - f(t o, ·))/(tn - t o) (n E N) liefert unter den Voraussetzungen a)-c) sogleich die Behauptung. - Zum Beweis des Zusatzes wenden wir 'den Mittelwertsatz der Differentialrechnung an und erhalten zu jedem n E N und x E X ein (i.a. von x abhängiges!) t~ E U, so daß
Ifn(x)1 =
I~ (t~,x)1 ~ g(x)
(x E X).
Wieder ergibt der Satz von der majorisierten Konvergenz das Gewünschte.
D
5.8 Satz (Holomorphe Abhängigkeit des Integrals von einem komplexen Parameter). Es sei G c ce offen, und f : G x X ~ ce habe folgende Eigenschaften: a) f(z,·) E [} für alle z E G. b) Für alle x E X ist f(·,x) : G ~ ce holomorph. c) Zu jeder kompakten Kreisscheibe K c G gibt es eine integrierbare Funktion gK E M+, so daß für alle z E K gilt: If(z, ·)1::; gK Jl-f.ü. Dann ist die Funktion F : G ~ ce,
F(z)
:=
Ix
f(z,x) dfL(X)
(z
E
G)
9Die Vereinigung der Ausnahme-Nullmengen braucht keine Nullmenge zu sein.
§ 5. Konvergenzsätze
149
holomorph, für alle ganzen n
2 0 ist ~:! (z, .) integrierbar über X, und es gilt: (z
E
G) .
Beweis. Es seien a E G und r > 0 so klein, daß K :== K 2r (a) C G. Für alle z E K 2r (a) ist dann nach der Cauchyschen Integralformel für Kreisscheiben
J(z,x) =
r
~ 21rz
J 8K2r(a)
J((,x) d(, (- Z
wobei das Kurvenintegral im Riemannschen Sinn zu verstehen ist (s. Grundwissen-Band Funktionentheorie I von R. REMMERT). Für alle z, W E Kr (a) , z #- W ist also F(z)-F(w) ==
z- w
I f_ Jx
21ri
r J8 K 2r(a) (( -
J((,x) d(dJ-1(x). z)(( - w)
Es sei nun (Wk)k~l eine Folge in Kr(a) mit limk--+oo Wk == Z, Wk und 1 f((,x) CPk (z, x) :== ( )( ) d(. 21ri 8K2r(a) ( - Z ( - Wk
1
#- z
für alle k
Dann ist cpk(Z,') == (Z-Wk)-l(f(z, .)- f(Wk' .)) meßbar, genügt der Abschätzung
Icpk(Z, ·)1
~
2
-gK(') r
j1-f.ü.,
und es gilt wegen der gleichmäßigen Konvergenz des Integranden im Kurvenintegral . 1 f((,x) 8f 11m cpk(Z, x) == - . (( pd( = -8 (z, x) ; k--+oo 21rZ 8K2r(a) - Z Z
1
die zweite Gleichheit beruht hier auf der Cauchyschen Integralformel für die Ableitung ~: (0, x). Der Satz von der majorisierten Konvergenz liefert nun die Behauptung für n == 1. Eine Fortsetzung dieser Schlußweise liefert unter Benutzung der Cauchyschen Integralformel für die höheren Ableitungen die Behauptung in vollem Umfang. D Eine vertiefte Diskussion der Differentiation eines Integrals nach einem komplexen Parameter findet man bei MATTNER [2].
Ix
5. Der Satz von SCHEFFE. Sind f, fn (n E N) integrierbar und gilt Ifn Ildj1 ~ 0 (n ~ (0), so folgt auch I x lndj1 ~ I x l dj1 , denn IJylndj1I dj11 ~ Iin - I1 dj1. Der Satz von H. SCHEFFE (1907-1977)10 gibt eine hinreichende Bedingung für die umgekehrte Implikation.
Ix
Ix
lOH. SCHEFFE: A useful convergence theorem for probability distributions, Ann. Math. Stat. 18, 434-438 (1947).
150
IV. Das Lebesgue-Integral
5.9 Satz von Scheffe (1947). Die Funktionen
I, In
E
M+ (n
E
N) seien
integrierbar, und es gelte
lim In n~oo
r
= I fl-f.ü.,
lim In dfl n~ooJx
=
Jxr I dfl.
Dann gilt:
Beweis. Das Lemma von
liefert:
FATOU
lim (in + I Jxr n~oo
-00 und fn 2: f p-f.ü. (n E N), so gilt:
r
Jx
lim n-+oo
fn
rf
dp ::; lim n-+oo Jx
n
dp .
IR seien meßbar
und f
§ 6. Riemann-Integral und b) Ist
Ix I
dJ.-l
-00 bzw. I dJ.-l < 00 nicht verzichten kann und daß im Satz von der majorisierten Konvergenz die Bedingung der Existenz einer integrierbaren Majorante auch im Falle J.-l(X) < 00 nicht durch die schwächere Bedingung SUPnEN IlnldJ.-l < 00 ersetzt werden kann.
Ix
5.5. Es seien I, In : X -+ ll{ meßbar, a E IR, Ilnl ~ a J.-l-f.ü., und es gelte fn -+ I J.-l-f.ü. auf 00. Zeigen Sie:
X , J.-l(X)
l J.-l-integrierbarer Funktionen In : X -+ ll{ konvergiere J.-l-f.ü. gleichmäßig (d.h im Komple~ent einer geeigneten J.-l-Nullmenge gleichmäßig) gegen die meßbare Funktion I : X -+ K Dann ist I integrierbar, und es gilt: lim
r IIn -
n---+(X)}x
I I dJ.-l == 0, lim
r In dJ.-l == r I dJ.-l .
n---+(X)}x}x
5.7. Es sei SJ ein Halbring, der 21 erzeuge, und J.-lISJ sei a-endlich. Ferner sei I : X -+ teine
IA
integrierbare Funktion mit der Eigenschaft, daß I dJ.-l == 0 für alle A E SJ mit J.-l(A) < 00. Zeigen Sie: f == 0 J.-l-f.ü. Gilt die Aussage entsprechend für quasiintegrierbare Funktionen? 5.8. Es seien I c IR ein Intervall, a E I und I : I -+ ll{ Lebesgue-integrierbar mit für alle x E I. Dann ist 1==0 'x-f.ü. (H. LEBESGUE (1904), G. VITALI (1905)). 5.9. Konstruieren Sie eine positive stetige Funktion fa (j. ,Cl (,X) für alle a > O.
§ 6.
I : IR --+
I: f(t) dt
== 0
IR mit limlxl---+(X) f(x) == 0, so daß
Riernann-Integral und Lebesgue-Integral «Pour qu 'une fonction bornee f(x) soit integrable, il faut et il suffit que l'ensemble de ses points de discontinuite soit de mesure nulle.»l1 (H. LEBESGUE [2], S. 45)
1. Eigentliches Riemann-Integral und Lebesgue-Integral. Jede eigentlich Riemann-integrierbare Funktion ist Lebesgue-integrierbar, und die Integralwerte stimmen überein. Im folgenden Satz von H. LEBESGUE (1904), der unabhängig von G. VITALI (1904) bewiesen wurde, werden die Riemann-integrierbaren Funktionen genau charakterisiert. Vorläufer dieses Satzes stammen von B. RIEMANN und von P. DU BOIS-REYMOND; s. dazu H. LEBESGUE [6], S. 26-29. 6.1 Satz. Eine beschränkte Funktion f : [a, b] -t TI{ (a, b E JRP, a < b) ist genau dann Riemann-integrierbar, wenn die Menge ihrer Unstetigkeitsstellen 11 Dafür, daß eine beschränkte Funktion f(x) [Riemann-]integrierbar ist, ist notwendig und hinreichend, daß die Menge ihrer Unstetigkeitsstellen vom Maß Null ist.
152
IV. Das Lebesgue-Integral
eine AP-Nullmenge ist, und dann stimmt das Riemann-Integral von j mit dem Lebesgue-Integral überein. Beweis. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann TI{ == JR angenommen werden. Für j == 1, ... , p zerlegen wir [aj, bj ] in die 2n disjunkten Teilintervalle [aj, aj + (b j - aj)2- n], ]aj + (b j - aj)2- n , aj + (b j - aj)2- n+ 1], ... , ]b j - (b j aj )2- n , bj ] und erhalten durch Bildung cartesischer Produkte eine Zerlegung von [a, b] in 2np disjunkte Intervalle I nk (k == 1, ... ,2np ). Mit an,k :== inf{j(x) : x E ln,k} , ßn,k :== sup{j(x) : x E ln,k} bilden wir die Treppenfunktionen gn, h n : [a, b] -+ JR, deren Wert auf In,k gleich an,k bzw. ßn,k ist. Dann ist (gn)n?.1 wachsend, (h n )n?.1 fallend, gn :S j :S h n , und np
1
2
gn dA P ==
[a,b]
L an,k AP(In,k) ==: Un k=l
ist die Riemannsche Untersumme zur Zerlegung (In,k)k=1,... ,2 np und
I
2 np
hn dA P ==
[a,b]
L
ßn,k AP(In,k) ==: On
k=l
die entsprechende Riemannsche Obersumme. Ist nun j Riemann-integrierbar, so ist limn --+ oo Un == limn --+ oo On. Die Funktionen 9 :== limn --+ oo gn und h :== limn --+ oo h n sind Borel-meßbar und beschränkt, also Lebesgue-integrierbar über [a, b], und der Satz von der majorisierten Konvergenz liefert:
1
[a,b]
b 9 d)''p = lim Un = (R-) r f(x) dx = lim On = Ja
n--+oo
n--+oo
1
[a,b]
h dAP
,
wobei der Zusatz ,,(R-)" andeutet, daß es sich um ein Riemann-Integral handelt. Aus ~a,b](h - g)dA P == 0 folgt nun mit Satz 2.6: h == 9 AP-f.ü., also j == 9 AP-f.Ü., denn es ist 9 :S j :S h. Da AP die Vervollständigung von ßP ist, lehrt Aufgabe 4.5: j ist AP-integrierbar über [a, b] und
1
[a,b]
jdAP==l gd).'p=(R-) rbf(X)dx. [a,b] Ja
Bezeichnen D die Menge der Unstetigkeitsstellen von j und R die Menge der Randpunkte aller In,k (n E N, k == 1, ... , 2np ), so ist DeR U {g < h} eine AP - Nullmenge. Ist umgekehrt Deine AP-Nullmenge, so ist 9 == h AP-f.ü., denn {g < h} c D. Der Satz von der majorisierten Konvergenz liefert also zusammen mit Satz 4.2: lim Un == n--+oo
1
[a,b]
9 dA P ==
1
[a,b]
h dA P == lim On, n--+oo
§ 6. Riemann-Integral und Lebesgue-Integral
1 ist
d.h.
153
o
Riemann-integrierbar.
Satz 6.1 gilt entsprechend für jede beschränkte Funktion f : M -t TI{, die auf einer Jordan-meßbaren Menge M C W definiert ist, denn eine beschränkte Menge M C JRP ist genau dann Jordan-meßbar, wenn ihr Rand eine JordanNullmenge ist (vgl. W. WALTER: Analysis 11, S. 234-235).
6.2 Beispiele. a) Für x E [0,1] sei l(x) :== 1, falls x rational und l(x) :== 0, falls x irrational ist. Die Funktion 1 ist das bekannte Beispiel von DIRICHLET ([1]' S. 132) einer nicht Riemann-integrierbaren Funktion. Da 1 überall unstetig ist, ist auch nach Satz 6.1 evident, daß 1 nicht Riemann-integrierbar ist. Andererseits ist 1 als charakteristische Funktion der Boreischen Nullmenge Qn [0, 1] 1 Lebesgue-integrierbar mit fo 1 dA == 0. falls b) Für x E [0,1] sei l(x) :== 0, falls x irrational ist, und l(x) :== x E [0,1] n Q die Bruchdarstellung x == ~ mit minimalen ganzen p 2: 0, q 2: 1 hat. Die Menge Q n [0,1] der Unstetigkeitsstellen von 1 ist eine A-Nullmenge, 1 1 Aalso ist 1 Riemann-integrierbar mit (R-) fo l(x) dx == fo f dA == 0, da 1 == f.ü. c) Es seien C C [0, 1] das Cantorsche Diskontinuum und Ace , A ~ ~ 1 . Dann ist 1 :== XA I[0,1] auf [0,1] \ C stetig, d.h. die Unstetigkeitsstellen von 1 bilden eine Lebesguesche Nullmenge. Daher ist 1 Riemann-integrierbar mit 1 1 (R-) fo l(x) dx == fo 1 dA == 0, da 1 == A-f.ü. Eine Riemann-integrierbare Funktion braucht also nicht Borel-meßbar zu sein. d) Ist K c [0,1] eine nirgends dichte perfekte Menge mit A1 (K) > (s. Aufgabe 11.8.1), so ist 1 :== XK A1 -integrierbar, und 1 stimmt nicht A1 -f.ü. mit einer Riemann-integrierbaren Funktion überein.
*'
°
°
°
In Verallgemeinerung von Satz 6.1 bewies W.H.
YOUNG
(Proc. London Math. Soc. (2)
13, 109-150 (1914)): Es sei f : [a, b] ~ IR beschränkt und 9 : [a, b]
-t
IR monoton wachsend
und auf Ja, b[ rechtsseitig stetig. Dann existiert das Riemann-Stieltjes-Integral
f:
f{x) dg{x)
genau dann, wenn die Menge der Unstetigkeitsstellen von f eine Ag -Nullmenge ist, und dann
f:
gilt: f{x) dg{x) == ~a,b] f dA g. Der Beweis von Satz 6.1 läßt dies leicht erkennen, wenn man zur Zerlegung von Ja, b[ nur Stetigkeitspunkte von 9 benutzt.
2. Uneigentliches Riemann-Integral und Lebesgue-Integral. 6.3 Satz. Ist I C JR ein Intervall und 1 : I -t TI{ Riemann-integrierbar über jedes kompakte Teilintervall von I, so ist 1 genau dann Lebesgue-integrierbar über I, wenn 111 uneigentlich Riemann-integrierbar ist über I, und dann stimmt das uneigentliche Riemann-Integral von 1 über I mit dem Lebesgue-Integral überein.
Beweis. Es seien I ==]a, b[ mit -00 ::; a < b ::; 00 und a < an < bn < b, an -ta, bn t b. Dann ist 1 == limn --+ oo 1 . X[an,b n ] nach Satz 6.1 Lebesgue-meßbar. Weiter gilt nach Satz 6.1 und dem Satz von der monotonen Konvergenz: (6.1)
lim (R-) n--+oo
ibn If(x)1 dx = J111· an
lim
n--+oo
I
X[an,b n ] dA ==
J
Ifl dA.
I
154
IV. Das Lebesgue-Integral
Ist nun 1II uneigentlich Riemann-integrierbar über I, so ist die linke Seite dieser Gleichung endlich, also ist 1II und damit auch I Lebesgue-integrierbar über I. - Ist umgekehrt I Lebesgue-integrierbar über I, so ist die rechte Seite von (6.1) endlich und 1I1 über I uneigentlich Riemann-integrierbar. Ist 1II uneigentlich Riemann-integrierbar über I, so liefert Satz 6.1 in Verbindung mit dem Satz von der majorisierten Konvergenz:
(R_)jb f(x) dx = lim (R_)jb a
n
f(x) dx
an
n-+oo
= lim!l' X[an,b n ] dA ==!I dA. n-+oo
I
I
Im Falle eines halboffenen Intervalls I schließt man ebenso.
D
6.4 Beispiel. Das uneigentliche Riemann-Integral (R-)
(6.2)
(OO sin x
Jo
x
dx
existiert: Für 0 < a < b liefert eine partielle Integration
I
j
b
sin x dx I == I [- cos x] b
a
X
X
a
_jb CO~ x dx I :s ~a+b~ + jb d~ = ~a , a
X
aX
und das Cauchy-Kriterium ergibt die Konvergenz von (6.2). Aber I sinx/xl ist nicht über ]0, oo[ uneigentlich Riemann-integrierbar, denn
l
1r
(n+l)1r
I sin x I dx ~ X
L n
1 (k)
+1
k=l
l(k+l)1r
I sin x I dx 7r
k1r
2
=-
7r
1 L -~ k+ n
k=l
00 .
1
Daher ist x r-+ sin x/x nicht über ]0, oo[ Lebesgue-integrierbar. - Ebenso sieht oo man: Das Integral Jo sin x / X O dx existiert für 0: :s 0 weder als uneigentliches Riemann- noch als Lebesgue-Integral, für 0 < 0: :s 1 als uneigentliches RiemannIntegral, aber nicht als Lebesgue-Integral, für 1 < 0: < 2 als absolut konvergentes uneigentliches Riemann-Integral, also auch als Lebesgue-Integral und für 0: 2: 2 wegen des Verhaltens bei 0 weder als Riemann- noch als Lebesgue-Integral.
6.5 Die Gammafunktion. Für x > 0 existiert das Eulersche Integral
(6.3) als absolut konvergentes uneigentliches Riemann-Integral, also auch als LebesgueIntegral. Zum Beweis seien 0 < 0: < ß < 00 und x E [0:, ß]. Dann ist
o < tx-1e- t :S tß-1e- t :S
M e- t / 2 für alle t 2: 1
mit geeignetem M > O. Da die Funktion g :]0, oo[~ lR, für 0 < t :S 1 , M e- t / 2 für t > 1
to-l
g( t):==
{
§ 6. Riemann-Integral und Lebesgue-Integral
155
uneigentlich Riemann-integrierbar ist, existiert (6.3) als absolut konvergentes uneigentliches Riemann-Integral. Die Funktion r : ]0, oo[~ :IR heißt die Gammafunktion. Mit partieller Integration beweist man die Funktionalgleichung
r(x + 1) == x r(x)
(x > 0) .
Wegen r(l) == 1 ist also r(n + 1) == n! für alle ganzen n 2: o. Ist Xo > 0 und wählen wir 0 < a < Xo < ß < 00, so sind für die Umgebung U ==]a, ß[ von Xo die Voraussetzungen von Satz 5.6 erfüllt, und wir erkennen: Die Gamma/unktion ist stetig. Differenzieren wir den Integranden in (6.3) k-mal nach x, so erhalten wir:
ak
8x k tx-1e- t = (log t)k tx-1e- t
,
und für alle x E [a, ß] hat diese Funktion die integrierbare Majorante Ilogtlkg(t). Der Satz von der Differentiation unter dem Integralzeichen liefert nun sukzessive: Die Gamma/unktion ist beliebig oft differenzierbar, und für alle k 2: 0 gilt:
1
00
r(k)(X) =
(6.4)
(logt)k e-1e- t dt
(x > 0) .
Wegen 10g(1 + x) ::; x (x > -1) ist (1 - t/n)n ::; e- t für 0 ::; t ::; n, und der Satz von der majorisierten Konvergenz (integrierbare Majorante: g) liefert für x> 0:
r(x)
{OO tx-1e- t dt == lim {OO t x - 1 (1 _ } 0
n-+oo } 0
lim n-+oo
{n (1- !)n t xJo n
1
!)
n
X0n
n] , [
(t) dt
dt.
Das letzte Integral bestimmen wir durch sukzessive partielle Integrationen und erhalten die Gaußsehe Darstellung der Gamma/unktion: x
r(x) == lim
(6.5)
n-+oo
Für x (6.6)
==
,
n n.
x(x + 1) ..... (x
+ n)
.
~ liefert (6.5) zusammen mit der Wallisschen Formel
r (~)
== J7f ,
d.h.
(6.7) was wir noch auf verschiedenen anderen Wegen herleiten werden. Da für x E ce und t > 0 gilt ItXI == t Rex , lassen sich die obigen Aussagen unmittelbar auf komplexe x mit Rex> 0 ausdehnen, d.h. (6.3)-(6.5) gelten für
156
IV. Das Lebesgue-Integral
x E C, Rex> O. - Die Holomorphie der Gamma/unktion und GI. (6.4) lassen sich für Re x > 0 auch mühelos mit Satz 5.8 beweisen. Bringt man in der Gaußschen Darstellung den Faktor n! in den Nenner und fügt Faktoren exp( -z/k) ein, so erhält man für Rez > 0 _. exp (z (logn - L:~=l i)) r (z ) - n~oo 11m Z ITk=l n ( 1 + f ) exp ( -f ) ' Hier stellt z IT~l (1 + z/k) exp( -z/k) eine ganze Funktion von z E C dar mit den Nullstellen 0, -1, -2, , und der Limes limn~oo (logn - L:~=ll/k) existiert und ist gleich -'Y, wobei 'Y = 0,5772 die Eulersche Konstante ist (s. Grundwissen-Band Funktionentheorie 11 von R. REMMERT). Das liefert die meromorphe Fortsetzbarkeit der Gammafunktion in die ganze komplexe Ebene und die Weierstraßsehe Produktdarstellung:
_1_ r(z)
(6.8)
= ze"!z
fi
n=l
(1 + ~) n
e-~
(z E
C) .
Insbesondere ist r- 1 eine ganze Funktion, und rist nullstellenfrei in C. Wegen der Funktionalgleichung folgt aus (6.8)
rr (1 + ~)
r(z)r(l - z)
= z
rr 00
(
1-
n=l
(s. z.B. R.
rr (1 - ~)
0 0 0 0
1
---- z (-z)r(z)r( -z) - n=l
:22) =;:1
n
e- z / n
n=l
n
ez / n
sin 1rZ
loe. eit.), also
REMMERT,
r(z)r(l- z)
(6.9)
1r
= -.-. SIn 1rZ
Hieraus folgt erneut: r (~) = ~.
3. Mittelwertsätze der Integralrechnung. 6.6 Erster Mittelwertsatz der Integralrechnung. Es seien 1 : [a, b] ~ IR Lebesgueintegrierbar, 1 ~ 0 und 9 : [a, b] ~ IR stetig. Dann gibt es ein E [a, b], so daß
t
f(x)g(x) dx = g(e)
t
e
f(x) dx.
Beweis. Mit a = min{g(x) : x E [a, b]} und ß := max{g(x) : x E [a, b]} erhält man durch Integration der Ungleichung al ::; Ig ::; ß/: Cl
O. Dann gibt es ein 8 > 0, so daß I/(x)ldx < c für alle u, v E [a, b] mit 0 ::; v - u < 8 (s. Aufgabe 3.7). Ist nun
J:
§ 6. Riemann-Integral und Lebesgue-Integral
157
Z : a = Xo < Xl < ... < Xn = beine Zerlegung von [a, b] mit J-l(Z) := max{xk+l - Xk : k 0, ... , n - 1} < 8, so ist wegen der Monotonie von 9
I
J: f(x)g(x) dx - L~=l g(Xk) J:
k_ k 1
::; L~=l (g(Xk-l) - g(Xk))
J:
Für S(Z) := L~=l g(Xk)
k_ k 1
J::_
1
f(x) dxl ::;
J:
If(x)l(g(x) - g(Xk)) dx
k_ k 1
If(x)1 dx ::; c(g(a) - g(b)).
f(x) dx gilt also: Durchläuft Z eine Folge z(n) von Zerlegungen
mit J-l(z(n)) ~ 0, so gilt: lim s(z(n)) n---too Die Funktion F : [a, b] ~ IR, F(x) = Abelscher partieller Summation folgt:
L g(xk)(F(Xk) -
jb
=
f(x)g(x) dx.
a
Jax f(t)
dt (x E [a, b]) ist stetig (Aufgabe 3.8). Mit
n-l
n
S(Z) =
L~=l
=
F(Xk-l)) =
k=l
L F(Xk)(g(Xk) -
g(Xk+l))
+ F(b)g(b).
k=l
Wir setzen a := min{F(x) : a ::; x ::; b}, ß:= max{F(x) : a ::; x ::; b} und erhalten
+ F(b)g(b)
a(g(a) - g(b))
::; S(Z) ::; ß(g(a) - g(b))
+ F(b)g(b).
Hier lassen wir Z eine Folge (z(n))n~l mit J-l(z(n)) ~ 0 durchlaufen; das ergibt für n ---t
a(g(a) - g(b)) Es gibt also ein
'f}
E
+ F(b)g(b)
= F(~)
f(x)g(x) dx
~ ß(g(a) -
g(b))
+ F(b)g(b).
[a, ß] mit [
und da 'fJ
~[
00:
f(x)g(x) dx = TJ(g(a) - g(b))
+ F(b)g(b) ,
ist mit geeignetem ~ E [a, b] (Zwischenwertsatz), folgt die Behauptung.
6.8 Korollar. Ist in der Situation des Satzes 6.7 die Funktion 9 [a, b], so daß
~ E
[
f(x)g(x) dx = gral
t
0
2:: 0 Jallend, so gibt es ein
f(x) dx.
Beweis. Man wende Satz 6.7 auf 9 :== 9 . X[a,b[ an.
o
6.9 Beispiel. Für jede monotone Funktion 9 : [0, oo[~ IR mit limx---too g(x) == 0 existiert das trigonometrische Integral
1
00
0 gilt:
6.7. Für alle x,y E 0, Rey
{1
tx-1
Ja
(-1)n
00
l+t y dt=
~x+ny'
(Warum konvergiert die Reihe auf der rechten Seite?) 6.8. Prüfen Sie, ob das folgende Integral als uneigentliches Riemann-Integral oder als LebesgueIntegral existiert, und zeigen Sie:
(OO 1 - cos t d _ 1r
Ja 6.9. Für s
~ t -
> 0 gilt
1
00
a
1I
4" - "2
2 og .
dx h 1/ = 2f(s + 1)L(s) , cos x s
wobei f die Gammafunktion bezeichnet und L (s) = l:~= 1 ( -1 ) n / (2n + 1) s . 6.10. Für alle x E lR gilt:
sintx -:---h /2 dt = 1r tanh 1rX •
1
00
Sin t
a
(Anleitung: Das Integral läßt sich in Gestalt einer unendlichen Reihe auswerten. Diese bestimmt man durch Fourier-Entwicklung der 21r-periodischen Funktion fa : lR ~ 0)
+ 1) = s r(s)
(s > 0). 1 6.17. a) Der Raum Span {XI: I E JP} liegt dicht in .c (,\P). b) Ist I c IR ein Intervall und f : I ~ JK Lebesgue-integrierbar, so gilt: die Funktionalgleichung der Gamma/unktion: r(s
lim jf(x)e itx dx
Itl--+oo
I
=0
(Lemma von RIEMANN-LEBESGUE).
6.18. Die Funktion
1=
00
ua(t) :=
o
t -z--z cosaxdx t +x
(a, t > 0)
genügt der Differentialgleichung u~ aZu a (wiederholte Differentiation unter dem Integralzeichen und partielle Integration). Daher ist ua(t) = ae at + ße- at mit geeigneten a, ß E IR. Für a ~ 00 konvergiert ua(t) gegen 0 (Lemma von RIEMANN-LEBESGUE), und für a ~ +0 hat U a (t) den Limes 1r /2. Daher gilt:
1
00
o
t -')--z cos ax dx t.. + x
1r
= - e -at (a,t > 0). 2
Bestimmen Sie durch eine weitere Differentiation unter dem Integralzeichen das uneigentliche Riemann-Integral
(R-)
x
1
00
1r
-Z--Z sin ax dx t +x
o
(Hinweis: Beim letzten Schritt wähle man T
=-
2
e- at
(a,t
> 0).
> 0 und differenziere zunächst im Integral über
]0, T] unter dem Integralzeichen. Den Rest kann man nach partieller Integration abschätzen. - Fortsetzung: Aufgabe V.2.13.) 6.19. Es seien (a n )n2: 1 eine Folge positiver reeller Zahlen mit L~=l an 10g(1 + 1/ an)
< 00 und
(b n )n2: 1 eine beliebige Folge reeller Zahlen. Dann konvergiert die Reihe L~=l an/Ix - bnl
f.ü. auf IR. (Hinweise: Es gilt lim n--+ oo an = O. Man setze fn(x) := an/Ix - bnl für an S
(nl~~ An) = O. Für jedes R f.ü. auf IR.) 1
,\1_
bnl
f. an/Ix - bnl} gilt L~=l ,\1 (An) < 00 und > 0 gilt nun I~ L~=l f n d'\ 1 < 00, also konvergiert L~=l f n
und fn(x) = 0 sonst. Mit An = {x : fn(x) ,\
Ix -
Kapitel V Produktmaße, Satz von Fubini und Transformationsformel «Le procede dont je fais usage, est fonde sur la propriete connue des integrales doubles, d'etre independantes de l'ordre dans lequelles deux integrations sont effectuees.... la justice exige aussi d'attribuer a EULER la premiere idee de faire servir la propriete enoncee des integrales doubles definies simples.»1
(DIRICHLET
a l'evaluation
des integrales
[1], S. 111)
Das folgende Kapitel ist vornehmlich der Diskussion "mehrfacher" Integrale gewidmet. Zentrale Sätze sind der Satz von FUBINI und die Transformationsformel. Der Satz von FUBINI gestattet die Reduktion mehrfacher Integrale auf einfache. Die Transformationsformel ist das p-dimensionale Analogon der Substitutionsregel für das Riemann-Integral. Im folgenden Kapitel seien (X, 2l, J-l) , (Y, 93, v) zwei Maßräume, M(X, 2l) , M(Y, 93) , M(X x Y, 2(093) die Mengen der meßbaren numerischen Funktionen auf X, Y bzw. X x Y und M+( ... ) die Menge der nicht-negativen Funktionen aus M( .. .).
§ 1.
Prod uktlllaße "Man kann in dem Raume X x Y ein Maß einführen, so daß Mengen von der Gestalt Mx N meßbar sind, und zwar das Maß j.L(M)v(N) haben (dabei bedeuten Mund N meßbare Untermengen von X resp. Y), ... " (ULAM [1], S. 40)
1Das Verfahren, welches ich benutze, beruht auf der bekannten Eigenschaft von Doppelintegralen, unabhängig von der Reihenfolge der Integrationen zu sein.... die Gerechtigkeit gebietet es zudem, EULER die erste Idee zur Benutzung der genannten Eigenschaft der Doppelintegrale zur Auswertung von einfachen bestimmten Integralen zuzuschreiben.
V. Produktmaße
164
1. Produkt-a-Algebren. Wir wollen ein "Produktmaß" p auf X x Y definieren, so daß für alle A E 2(, B E ~ gilt: p(A x B) == fL(A) v(B) (elementargeometrische Motivation: Flächeninhalt eines Rechtecks == Länge· Breite). Als Definitionsbereich für ein solches Maß p bietet sich die von 2(
* ~ == {A
x B : A E 2(, B E ~}
erzeugte Produkt-a-Algebra
an. Aus Korollar 111.5.8 wissen wir:
1.1 Lemma. Ist M E
2( 0 ~,
so ist jeder Schnitt
M a . - {y E Y : (a, y) E M} Mb.- {xEX:(x,b)EM}
(a E X), (bEY)
meßbar, d.h. M a E ~,Mb E 2t, und für jeden Meßraum (Z, l konvergiert gegen Null (!). Diskutieren Sie das Monotonieverhalten dieser Folge und besti~men Sie die Dimension n, für welche Vn (1) maximal ist. Für welches n 2: 2 ist das Verhältnis des Volumens von Kr(O) zum Volumen des die Kugel umgebenden Würfels (Kantenlänge 2r) maximal? b) Die (Potenz-)Reihe L~=l Vn(r) konvergiert für alle r > 0; insbesondere ist (Vn (r))n2::1 für jedes r > 0 eine Nullfolge (!). c) Die Reihe L~=l n(n+l)/2Vn (r) konvergiert genau für 0 < r < (27re)-1/2.
174
V. Produktmaße
1.8 Volumen von Rotationskörpern. Es sei / : [a, b] -+ [0, oo[ Borel-meßbar und
K :== {(x, y, z)t
E IR3
:
x E [a, b], y2
+ Z2
::; (/(X))2}
der durch Rotation der Ordinatenmenge von / um die x-Achse entstehende Rotationskörper. Dann ist K Borel-meßbar, und es gilt:
1.9. Es seien 0 < r ::; R. Durch Rotation der Kreisscheibe Kr((O, R)) um die x-Achse im IR3 erhält man einen Torus T. Zeigen Sie: ,X3 (T) ==
(J.
KEPLER
21r 2 r 2 R
(1571-1630): Nova stereometria doliorum vinariorum, Linz 1615).
1.10. "Wenn in einen Würfel ein Zylinder eingeschrieben wird, der die Grundflächen in den gegenstehenden Quadraten hat und mit der Zylinderfläche die übrigen vier Ebenen berührt, und ferner in denselben Würfel ein zweiter Zylinder eingeschrieben wird, der die Grundflächen in zwei anderen Quadraten hat und mit der Zylinderfläche die vier übrigen Ebenen berührt, so wird der von den Zylinderflächen eingeschlossene Körper, der in beiden Zylindern enthalten ist, [dem Volumen nach] 2/3 des ganzen Würfels sein." (ARCHIMEDES; s. J.L. HEIBERG, H.G. ZEUTHEN: Eine neue Schrift des Archimedes, BibI. Math., 3. Folge, Bd. 7, 321-363 (1907).) b) "Wenn in ein rechtstehendes Prisma [d.h. in einen Quader] mit quadratischen Grundflächen ein Zylinder eingeschrieben wird, dessen Grundflächen in den gegenstehenden Quadraten liegen und dessen krumme Oberfläche die 4 übrigen Rechtecke berührt, und durch den Mittelpunkt des Kreises, der Grundfläche des Zylinders ist, und eine Seite des gegenstehenden Quadrats eine Ebene gelegt wird, so wird der Körper, der durch diese Ebene [vom Zylinder] abgeschnitten wird, [dem Volumen nach] 1/6 des ganzen Prismas sein." (ARCHIMEDES, Ioc. cit. ) 1.11. Bestimmen Sie mit Hilfe des Cavalierischen Prinzips das Volumen eines sphärischen Rings, der als Restkörper übrigbleibt, wenn man in eine Kugel ein zylindrisches Loch bohrt, so daß die Zylinderachse ein Durchmesser der Kugel ist. Alle sphärischen Ringe gleicher Höhe haben gleiches Volumen (unabhängig von den Radien der Kugel und des Zylinders). (Hinweis: Benutzen Sie als Vergleichskörper eine Kugel, deren Durchmesser gleich der Höhe des Rings ist.) 1.12. Für f : X -+ [0, oo[ bezeichne 0(/) :== {(x, y) E X x IR : 0 ::; y < /(x)} die Ordinatenmenge von /, und für / : X -+ IR sei 9(/) :== {(x, /(x)) E X x IR : x E X} der Graph von /. Ferner sei (Y, 93, v) :== (IR, 93 1 , ß1), und p sei definiert wie in Satz 1.3. Dann gilt: a) / E M+(X, 2l) ~ 0(/) E 2l ® 93 1. (Hinweise: ,,===}": g(x, y) :== /(x) - y : X x IR -+ 1R ist 2l ® 931_~-meßbar. ,,~": Schnittbildung.) b) dJ-L == p(O(/)) für alle / E M+(X,2l). (Bemerkung: Diese Aussage eröffnet eine alternative Möglichkeit zur Definition des Integrals mit Hilfe des Produktmaßes der Ordinatenmenge.) c) Ist / : X -+ IR 2l-93 1-meßbar, so ist 9(/) E 2l ® 93 1 und p(9(/)) == O. (Bemerkung: Für Funktionen / : IR -+ IR ist auch bekannt: Ist 9(/) E 93 2 , so ist / Borel-meßbar, und ist 9(/) E 121 ® 93 1, so ist / Lebesgue-meßbar; s. Amer. Math. Monthly 81, 1125-1126 (1974).) d) Ist J-L a-endlich und / E M+(X, 2l), so gilt:
Ix /
L>O J.L( {f > t}) dt , a 1.13. Ist K
mit
/Ix - ylI
c IRP
LX) J.L( {f > t}) t',,-l dt
(a > 0) .
eine kompakte konvexe Menge mit 'xP(K) 2:: 'xP(K 1 / 2 (0)), so gibt es x, y E K
== 1. (Hinweis: Satz 1.15.)
§ 2. Der Satz von
§ 2.
175
FUBINI
Der Satz von
FUBINI
«Se f(x, y) euna funzione di due variabili x, y, limitata 0 illimitata, integrabile in un'area r deI piano (x, y), allora si ha sempre:
Ir
f(x,y) da
=
! ! dy
f(x,y) dx
=
! ! dx
f(x,y) dy,
quando con d(J" si intenda l'elemento d'area di r.» (G. FUBINI: Sugli integrali multipli, Rend. R. Accad. dei Lincei, Sero 5a, 16,608-614 (1907))5
1. Der Satz von FUBINI. Die Integration in bezug auf das Produktmaß f1 @ v zweier a-endlicher Maße f1, v kann als iterierte Integration in bezug auf die einzelnen Variablen durchgeführt werden. Dies ist der wesentliche Inhalt des folgenden Satzes von G. FUBINI, der zu den am häufigsten benutzten Sätzen der Integrationstheorie gehört, denn "eine geschickte Vertauschung der Integrationsreihenfolge ist oft die halbe Mathematik", wie ein Bonmot von K. JÖRGENS (1926-1974) besagt. 2.1 Satz von G. Fubini (1907). Es seien f1, va-endlich. Dann gilt: a) Für jedes f E M+(X x Y,2l ®~) sind die durch
X f-----+ [f(X, y) dv(y)
(bzw. y f-----+
Ix f(x, y) dJ1(x))
auf X (bzw. Y) definierten nicht-negativen numerischen Funktionen 2l-meßbar (bzw. ~-meßbar), und es gilt:
(2.1)
IxxY f dJ10 v
b) Ist f : X x Y -+ alle x E X und
=
Ix ([ f(x, y) dV(y)) dJ1(x) [ (Ix f(x,y) dJ1 (X)) dv(y).
K f1 ® v-integrierbar,
so ist f(x, .) v-integrierbar für f1-fast
A :== {x EX: f(x, .) ist nicht v-integrierbar} E 2(; ebenso ist
f (', y)
f1-integrierbar für v-fast alle y E Y und
B :== {y E Y : f
(', y)
ist nicht f1-integrierbar} E ~ .
5Ist f(x, y) eine beschränkte oder unbeschränkte Funktion zweier Variablen x, y, die über eine Fläche r der (x, y)-Ebene integrierbar ist, so gilt stets:
Ir
f(x,y) da
=
! ! dy
wobei unter d(J" das Flächenelement von
r
f(x,y) dx
=
! ! dx
zu verstehen ist.
f(x,y) dy,
176
V. Produktmaße
Die Funktionen
x
f------+
[f(X, y) dv(y)
bzw.
y f------+
Ix
f(x, y) d/1(x)
sind J-l-integrierbar über Ac bzw. v-integrierbar über BC, und es gilt:
(2.2)
IxxY f d/1Q9 v
=
ic ([
lc (Ix c) Ist f : X x Y ---+ TI{
2(
f(x, y) dV(y)) d/1(x) f(x, y) d/1(X)) dv(y).
0 fJ3-meßbar und eines der Integrale
(2.3)
IxxY Ifl d/1Q9v, Ix ([ If(x,Y)ldV(Y)) d/1(x) , [(Ix If(x,Y)ld/1(X)) dv(y) endlich, so sind alle drei Integrale endlich und gleich, fist J-l 0 v-integrierbar, und es gelten die Aussagen unter b).
2.2 Bemerkung. Es seien N E 2t eine J-l-Nullmenge und 9 : NC ---+ TI{ integrierbar. Dann setzt man
J-l-
wobei g : X ---+ TI{ irgendeine 2t-meßbare Fortsetzung von g auf X ist. Diese erweiterte Integraldefinition ist sinnvoll, denn sie hängt nicht ab von der Auswahl von g, und sie stimmt für auf ganz X definierte Funktionen g mit der bisherigen Definition überein. Im Sinne der erweiterten Integraldefinition schreibt man die Formel (2.2) meist in der Gestalt
(2.4)
IxxY f d/1Q9 v
=
Ix ([
f(x, y) dV(Y)) d/1(x)
[ (Ix f(x, y) d/1(X)) dv(y). Entsprechendes gilt für nicht-negative meßbare Funktionen, die nur fast überall definiert sind. Beweis des Satzes von FUBINI. a) Für alle M E 2t 0 fJ3 ist Mx E fJ3 (x EX), r--+ v(Mx ) :=: XM(X, y) dv(y) ist 2t-meßbar, und nach (1.6) ist
die Funktion
x
Jy
Aus Symmetriegründen gilt dies entsprechend mit vertauschten Rollen für J-l und v. Das liefert a) für alle f :=: XM (M E 2( 0 fJ3), also gilt a) auch für alle f E T+(X x Y,2t 0 fJ3).
§ 2. Der Satz von
177
FUBINI
Ist nun f E M+(X x Y, Qt ® ~), so gibt es eine Folge von Funktionen fn E T+(X x Y, Qt ®~) (n 2:: 1) mit fn t f. Für alle x E X ist f(x,·) E M+(Y, ~) (Lemma 1.1), fn(x,·) E T+(Y, ~), und es gilt fn(x,·) t f(x, .). Nach der Integraldefinition gilt also für alle x EX:
[fn(X, y) dv(y) t [f(X, y) dv(y) .
(2.5)
Hier steht auf der linken Seite eine Folge Qt-meßbarer Funktionen von x E X. Daher ist die rechte Seite in Abhängigkeit von x E X ebenfalls Qt-meßbar, und wir erhalten:
r
JXXY
f dp, (9 v = lim
r
n-+ooJxXY
fn dp, (9 v
(Integraldefinition)
Jx Jyr fn(x,y) dV(y)) dJ.L(x)
== lim { ( n-+oo
== {
Jx
=
(lim Jyr fn(x,y) dV(y)) dJ.L(x)
(Aussage a) gilt für T+) (monotone Konvergenz)
n-+oo
Ix ([ f(x, y) dV(y)) dp,(x)
(nach (2.5)).
Entsprechend argumentiert man bei vertauschten Rollen für J.L und v. b) Mit f ist auch Ifl integrierbar bez. J.L ® v, und a) liefert:
Ix ([ If(x, y)1 dV(y)) dp,(x) Ixxy Ifl dp, =
(9
v
0)
-00
gebraucht. Die hier auftretende Dichte der Gaußsehen Normalverteilung ziert neben dem Porträt von C.F. GAUSS (1777-1855) die Vorderseite der 1989 erschienenen Banknote über 10 DM. - Der obige Beweis von (2.10) wurde von P.S. LAPLACE (1749-1827) im Jahre 1778 angegeben; s. Memoire sur les probabilites, CEuvres completes de LAPLACE, tome 9, S. 447-448, Paris 1893. Das Integral (2.10) wurde erstmals 1730 von L. EULER bestimmt (s. Opera omnia, Ser. 1, Vol. 14, S. 11 oder Mechanica, Vol. 1, Opera omnia, Ser. 11, Vol. 1, S. 100 und Opera omnia, Ser. IV A, Vol. 2, S. 40-41.)
2.7 Zusammenhang zwischen Betafunktion und Gammafunktion. Für x, y > 0 existiert das Integral
1 1
(2.11)
B(x, y):=
t x- 1 (1 - t)y-l dt
als absolut konvergentes uneigentliches Riemann-Integral, also auch als LebesgueIntegral; B : ]0, 00[2-+ ]R heißt die Eulersche Betafunktion. Diese steht in einem einfachen Zusammenhang mit der Gammafunktion (s. GI. (IV.6.3)). Zur Herleitung dieses Zusammenhangs multiplizieren wir die Integrale r(x), r(y) (x, y > 0) und substituieren im inneren Integral u == v - t:
r(x) r(y)
=
100 (100 100 (/00 r
y t x- 1 u - 1 e- t- u dU) dt t x- 1 (v _
W- 1 e-
XM(t, v)t X - 1 (v -
V
dV) dt
W- 1 e-
V
dß2(t, v) ,
J]O,00[2
wobei M :== {(t,v) E ]R2 : v > t > O}. Nach Vertauschung der Integrationsreihenfolge (Integrand nicht-negativ!) ergibt sich:
r(x)r(y) =
100 (lV
=
w x- 1 (1 - W)y-l dw ) v x +y- 1 e- V dv
100 (11
V
t x- 1 (v - t)y-l dt) e- dv =
B(x, y) r(x + y) ,
2 ,
§ 2. Der Satz von
183
FUBINI
also (2.12)
B(
) == f(x) f(y) x,y
f(x+y)
(x,y > 0).
Wegen It Z I == t Rez (t > 0, Z E C) ist (2.11) auch für alle komplexen x, y mit Rex,Rey > 0 sinnvoll. Wir wenden nun Satz 2.1, c) und b) an und erkennen: Gl. (2.12) gilt einsehl. Beweis für alle x, y E C mit Rex, Rey > O. Für x == y == ~ liefert (2.12) (Substitution: t == u 2 )
= r\-!(1-t)-!dt=2 ( ( r(~))2 2 Jo Jo
du =7r, ~
und wir erhalten erneut (s. GI. (IV.6.6)) (2.13) was mit (2.10) gleichbedeutend ist. - Wählen wir in (2.12) speziell y == I-x, 0 < x < 1, so liefert die Substitution u == (1 - t)-1 - 1:
f(x) f(l - x) = B(x,l - x) = {'X> u
Jo
1
1 ux-1
1 1
x 1 -
1+U
du
v-x
--du+ --dv ol+u ol+v
(v == U -1 ). Hier entwickeln wir (1 + u) -1 bzw. (1 + v) -1 in die geometrische Reihe und erhalten wegen majorisierter Konvergenz für 0 < x < 1: (2.14)
f(X)f(l-x)=I:(-l)n +I: n=O
x+n
n=O
(-l)n
=
n+l-x
f
n=-oo
(-l)n. x+n
Für x ~ kann man hier die rechte Seite mit Hilfe der Leibnizschen Reihe auswerten und erhält wieder (2.13). Auf der rechten Seite von (2.14) steht die bekannte Partialbruchentwicklung der Funktion 7r/ sin7rx, und wir erhalten erneut (vgl. GI. (IV.6.9)) (2.14)
7r f(x)f(l-x)==-.-
(O<x 0 hinreichend klein). Wir bezeichnen mit 8Ke (z) den positiv orientierten Rand von Ke(z) und setzen u :== Reg, v :== Img, ( == ~ + i'T}. Dann liefert (2.21): (2.21)
!
r
_1 I(() d( _ _ 1 I(() d( 27ri -y(-z 27riJ8Ke (z)(-z
Hier läßt sich der Integrand auf der rechten Seite ausdrücken durch die Wirtinger-Ableitung 8g18( :== ~(g~ + i9 17 ) == ~(u~ + iv~ + iU 17 - v 17 ), und da ( H (( - Z)-l holomorph ist in D \ {z}, ist 8g18( == 2~i (( - z)-18118(. Für c ~ +0 konvergiert
~
[
!(() d(
27rz J8K e (z) ~
= ~ [27r f(z + ce it ) dt 27r Ja
- Z
gegen I(z). Damit liefert (2.22) für c -t +0 die Pompeiusche Formel (2.22)
I(z)
==~! 27rZ
I(() d(-.!. Z 7r
-y ( -
r 8118(z dß2(~,'T}),
JG
(-
benannt nach dem rumänischen Analytiker D. POMPEIU (1873-1954). Für komplex differenzierbares I ist 81 I 8( == 0, und (2.23) impliziert die Cauchysche Integralformel (2.23)
I(z) ==
~! 27rZ
I(() d(;
-y ( -
dabei ist nach wie vor z im Inneren von '"Y gelegen.
z
§ 2. Der Satz von
FUBINI
187
5. Kurzbiographien von G. FUBINI und L. TONELLI. GUIDO FUBINI wurde am 19. Januar 1879 in Venedig geboren. Er war ein brillanter Schüler und Student. Im Alter von 17 Jahren nahm er 1896 sein Studium an der Scuola Normale Superiore in Pisa auf. Die folgende formende Periode seines Lebens wurde wesentlich durch seine Lehrer L. BIANCHI, U. DINI und E. BERTINI (1846-1933) bestimmt. Seine Dissertation (1900) über den Cliffordschen Parallelismus in elliptischen Räumen gewann rasch an Publizität, da ihre Ergebnisse schon 1902 in BIANCHIS bekanntes Buch über Differentialgeometrie aufgenommen wurden. FUBINI verbrachte nach der Promotion ein weiteres Jahr in Pisa und vollendete seine Habilitationsschrift über harmonische Funktionen auf Räumen konstanter Krümmung. Ende 1901 wurde er Lehrbeauftragter an der Universität Catania (mit nur 22 Jahren), und bereits wenig später war er bei der Bewerbung um eine Professorenstelle an derselben Universität erfolgreich. Nach einer Zwischenstation in Genua wurde FUBINI 1908 Professor für mathematische Analysis am Polytechnikum in Turin; gleichzeitig wirkte er als Lehrbeauftragter für höhere Analysis an der Universität Turin, bis er 1938 infolge der von der faschistischen Regierung erlassenen Rassengesetze in den Ruhestand versetzt wurde. FUBINI folgte 1939 einem Ruf an das Institute for Advanced Study in Princeton, N.J. und emigrierte mit seiner Familie in die USA. Trotz seiner schon schlechten Gesundheit setze er seine Lehrtätigkeit an der New York University fort. Er starb am 6. Juni 1943 in New York. - Gegen Ende seines Lebens fügte FUBINI seinem Namen offiziell den Nachnamen seiner Ehefrau ANNA GHIRON hinzu und nannte sich GUIDO FUBINI GHIRON. FUBINI war ein höchst fruchtbarer, vielseitiger und scharfsinniger Mathematiker. Seine Arbeitsgebiete stehen weitgehend in der Tradition der italienischen Mathematiker des 18. und 19. Jahrhunderts: Reelle Analysis, insbesondere Differentialgleichungen, partielle Differentialgleichungen, Variationsrechnung, das Dirichletsche Prinzip; Differentialgeometrie, insbesondere Riemannsche Räume, nichteuklidische Räume, Lie-Gruppen, das Riemann-Helmholtzsche Problem, projektive Differentialgeometrie; diskontinuierliche Gruppen und automorphe Funktionen; mathematische Physik und Ingenieurmathematik. - Neben "dem" Satz von FUBINI hat FUBINI folgenden bemerkenswerten Satz aus der Theorie der reellen Funktionen bewiesen (s. Korollar VII.4.7): Ist F = L:~=1 in eine konvergente Reihe von monoton wachsenden Funktionen in : [a, b] -+ IR (n E N), so darf man diese Reihe A-f.Ü. gliedweise differenzieren, d.h. es ist F ' = L:~=1 i~ A-f.Ü. (Nach einem Satz von LEBESGUE ist jede monotone Funktion A-f.ü. differenzierbar.) - Die wichtigsten der fast 200 Arbeiten aus FUBINIS Feder sind in den Opere scelte, Vol. 1-3 (Roma: Cremonese 1957) gesammelt. Besonderes Gewicht haben auch seine Lehrbücher. Viele Generationen von Studenten studierten FUBINIS Lezioni di Analisi (Turin 1913) und die zugehörige Aufgabensammlung. Die gemeinsam mit E. eECH (1893-1960) verfaßte Monographie über projektive Differentialgeometrie gilt als Klassiker auf diesem Gebiet. FUBINIS Monographie (1908) über diskontinuierliche Gruppen und automorphe Funktionen ist ein umfangreiches Werk, das zahlreiche neue Resultate des Autors enthält; noch 1954 bezeichnet B. SEGRE (1903-1977) in seinem Nachruf auf FUBINI dieses Buch als "noch heute maßgebend über diesen Gegenstand". LEONIDA TONELLI wurde am 19. April 1885 in Gallipoli (unweit Lecce, Süditalien) geboren. Mit 17 Jahren schrieb er sich 1902 in Bologna ein zum Studium der Ingenieurwissenschaften. Unter dem Einfluß seiner Lehrer C. ARZELA und S. PINCHERLE (1853-1936), die bald die außergewöhnliche Begabung des jungen Mannes erkannten, wechselte er das Studienfach und wandte sich der reinen Mathematik zu. Im Jahre 1906 legte TONELLI seine Dissertation über die Approximation durch Tschebyschew-Polynome vor, wurde rasch Assistent an der Universität Bologna und erhielt 1910 die sog. "freie Dozentur" für infinitesimale Analysis. Die weitere akademische Laufbahn führte ihn als Lehrbeauftragten bzw. Ordinarius (ab 1917) an die Universitäten Cagliari (1913), Parma (1914) und Bologna (1922). Im Jahre 1930, als sein wissenschaftliches Ansehen seinen Gipfel erreicht hatte, wurde TONELLI an die Scuola Normale Superiore di Pisa berufen, um die große wissenschaftliche Tradition dieser Institution fortzusetzen. An der Universität Pisa hatte Tonelli den Lehrstuhl für infinitesimale Analysis inne und den Lehrauftrag für höhere Analysis; an der Scuola Normale Superiore hielt er zusätzliche Vorlesungen, die seine Lehrveranstaltungen an der Universität ergänzen
188
V. Produktmaße
und den Hörern den Weg zu eigener mathematischer Forschung ebnen sollten. Die inhaltlich und didaktisch meisterlichen Vorlesungen TONELLIS übten auf das Auditorium eine große Anziehungskraft aus; es wird berichtet, die Studenten seien den Darlegungen des «Maestro insuperabile» in «religioso silenzio» gefolgt. 9 Gegen die damalige faschistische Regierung Italiens hegte TONELLI eine offene Feindschaft. Im Herbst 1939 wurde er an die Universität Rom berufen, setzte aber zusätzlich seine Arbeit in Pisa fort, um seine Schüler an der Scuola Normale Superiore nicht im Stich zu lassen, und kehrte 3 Jahre später ganz nach Pisa zurück. Besondere Verdienste erwarb er sich während seiner langen Amtszeit als Direktor des mathematischen Instituts der Universität Pisa. In der schwierigen Periode nach dem September 1943, als Pisa und die ehrwürdige Scuola Normale von deutschen Truppen besetzt waren, gelang es TONELLI als Direktor der Scuola in Zusammenarbeit mit Schülern und Kollegen, die Institution vor Schaden zu bewahren und die wertvollen Sammlungen und die unschätzbar wertvolle Bibliothek zu retten. - L. TONELLI starb am 12. März 1946 in Pisa. Er war hochgeehrt als Mitglied zahlreicher Akademien und wissenschaftlicher Vereinigungen und Träger mehrerer bedeutender wissenschaftlicher Preise und Auszeichnungen. TONELLI schrieb rund 150 Arbeiten vornehmlich über Themen aus der reellen Analysis, insbesondere über Funktionen reeller Variablen, analytische Funktionen, trigonometrische Reihen, gewöhnliche Differentialgleichungen, Funktionalgleichungen, Variationsrechnung, das Dirichletsche Prinzip und das Plateausche Problem. Seine Arbeiten haben wesentlich mit dazu beigetragen, dem Lebesgue-Integral allgemeine Verbreitung zu verschaffen. Zum Beispiel erkannte TONELLI in der absoluten Stetigkeit der Komponenten von 'Y die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß die Länge L(,) der stetigen und rektifizierbaren Kurve 'Y durch das Lebesgue-Integral 1I,'(t)1I dt gegeben wird (s. Satz VII.4.22). Weiter lieferte er analoge Untersuchungen zum Problem der Quadratur gekrümmter Flächen. Sein Beitrag zum Satz von FUBINI (-TONELLI) ist von bleibendem Wert. Bemerkenswert sind die Arbeiten von TONELLI zur Approximation reeller Funktionen einer oder mehrerer Variablen. Von TONELLI stammt ein Zugang zur Lebesgueschen Integrationstheorie, der die vorherige Entwicklung des Lebesgue-Maßes entbehrlich macht. Der Theorie der trigonometrischen Reihen widmete er über 10 Arbeiten und die wichtige Monographie Serie trigonometriche (Bologna: Zanichelli 1928), die in systematischer und vollständiger Weise den Stand dieser Theorie von 1928 widerspiegelt. - Die bedeutendsten Arbeiten von TONELLI liegen auf dem Gebiet der Variationsrechnung. Ausgehend von der Feststellung, daß die in der Variationsrechnung betrachteten Funktionale im allgemeinen unstetig sind, bemerkte er die Halbstetigkeit dieser Funktionale, und unter systematischer Verwendung der Lebesgueschen Integrationstheorie und der Methoden der Funktionalanalysis eröffnete er mit seiner «metodo diretto» einen neuen Zugang zu den Extremalproblemen. Als wichtige Anwendungsbeispiele behandelte er z.B. isoperimetrische Probleme und die klassischen Probleme von DIRICHLET und PLATEAU. Seine große zweibändige Monographie Fondamenti di Calcolo delle Variazioni (Bologna: Zanichelli 1921, 1923) hat auf die weitere Entwicklung dieses Gebiets einen nachhaltigen Einfluß ausgeübt. Die wichtigsten Arbeiten von TONELLI sind in den Opere seelte, Vol. 1-4 (Roma: Cremonese 1960) gesammelt.
J:
Aufgaben. 2.1. Es sei fo:(x, y) :== x· y/(x 2 + y2 + 1)0: (x, Y E IR). Bestimmen Sie alle a E IR,
J~: (J~: fo:(x, y) dX) dy und ß2-integrierbar über IR2 ?
für welche die iterierten Integrale existieren. Für welche a ist
f
0:
J~: (J~: fo:(x, y) dy) dx
2.2. Prüfen Sie, welche der Integrale
[ ( [ !(X,Y)dX) dy, [ ( [ !(x,Y)dY) dx, j!dß2 9Mit Blick auf heute bisweilen anzutreffende Verhältnisse kann der Verf. ein ,,0 tempora, o mores!" nicht unterdrücken.
§ 2. Der Satz von
189
FUBINI
(I ==]0,1[2) für die folgenden Funktionen existieren und übereinstimmen. a) f(x, y) == (x - y)/(x + y)3 für x, y > O. b) f(x, y) == /y ((x 2 - y2)2/(x 2 + y2)2) für x, y > o. 22n für 2- n < x ~ 2- n + l , 2- n < y ~ 2- n + l , n E N, c) f(x, y) :== _2 2n + l für 2- n- 1 < x ~ 2- n , 2- n < y ~ 2- n + l , n E N, { o sonst.
-Ix
2.3. Bestimmen Sie alle stetigen Funktionen 9 : [0, oo[~ [0,00[, so daß
r
g(xy) dß2(X, y) < 00.
i[O,l] x [l,oo[
2.4. Es sei f : ffi.2 ~ ffi., f(x, y) :== 1 für x E (Q, f(x, y) :== 2y für x ~ (Q. Welches der Integrale
[ ( [ f(X,Y)dX) dy, [ ( [ f(x,Y)d Y) dx existiert als iteriertes Riemann-Integral bzw. iteriertes ßl-Integral? Ist integrierbar? 2.5. Es seien f : [0, oo[~ [O,oo[ ßl-integrierbar und 9 ßl-integrierbar über [O,oo[? 2.6. Die Funktion
f : [0, oo[~
g(x) :==
J; f(t) dt
f
über [0,1]2
ß2-
(x 2: 0). Wann ist
ffi. sei stetig, die uneigentlichen Riemann-Integrale
1
00
1
00
f(t) logt dt,
f(t) dt
seien (nicht notwendig absolut) konvergent, und es gelte: Jo f(t) dt == O. Dann gilt für alle a,b > 0: OO
Im Spezialfall f(t) == ae-at - ße- ßt (a, ß
> 0) hat die rechte Seite den Wert logß/a (G.H.
HARDY).
2.7. Mit M :== {(x, y)t E ffi.2 : x
< y, Y > O} gilt:
Lye-~(xOd) dß2(X,y) = ~ 2.8 Partielle Integration.
f, 9 : [a, b]
F(x) := [ Dann gilt:
l
~
(1 + h) Vif.
IK. seien ,Al-integrierbar, und für x E [a, b] sei
f(t) dt, G(x) :=
l
x g(t) dt.
b
F(x)g(x)dx = F(b)G(b) - [f(X)G(X)dX.
(Hinweis: Anwendung des Satzes von FUBINI auf (x, y) r-+ f(y) g(x) XE(X, y) mit E == {(x, y) E [a, b]2 : y < x}.) 2.9 Cauchy-Schwarzsche Ungleichung. Es seien f,9 : X ~ IK. meßbar und If1 2 ,191 2 E .cl. Zeigen Sie mit Hilfe des Satzes von FUBINI durch Betrachtung der Funktion (x, y) r-+ If(x)g(x)f(y)g(y)1 die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung:
190
V. Produktmaße
(Hinweis: Ist J-l nicht a-endlich, so verschwinden fund 9 außerhalb einer meßbaren Menge a-endlichen Maßes.) 2.10. Es seien M C IR2 offen und f : M --+ IR zweimal stetig partiell differenzierbar. Zeigen Sie mit Hilfe des Satzes von FUBINI:
(Hinweis: Schließen Sie indirekt und integrieren Sie die Differenz von rechter und linker Seite über ein geeignetes hinreichend kleines Quadrat.) 2.11. Für jedes R also gilt
> 0 ist die Funktion (x, y)
r--+ e- XY sinx ß2-integrierbar über ]0, R[x]O,
sinx {(X) ( (R Jo{R -xdx == Jo Jo eBestimmen Sie durch Grenzübergang R --+
00
xy
sinx dx
)
00[,
dy.
das uneigentliche Riemann-Integral
(R-) {(X) sinx dx == ~ Jo x 2 und folgern Sie:
{(X) 1- ~osx dx
Jo
x
==
~, {(X) 2
Jo
(SinX)2 dx ==
x
~. 2
(Bemerkung: Das letzte Integral wird im Beweis des Satzes von WIENER-IKEHARA benötigt, der die Basis für den WIENERschen Beweis des Primzahlsatzes ist.) 2.12. a) Für 1 a == r(a)-l
x-
< Rea < 2 existiert das Lebesgue-Integral
Jo
oo
e-txt a - l dt
Jooo sinx/x
a dx. Setzen Sie hier und zeigen Sie mit Hilfe des Satzes von FUBINI:
((X) sinx dx _
Jo
xa
-
1f
2r(a) sin 1fa/2 .
GI. (*) gilt für 0 < Rea < 2, wenn man die linke Seite als uneigentliches Riemann-Integral auffaßt. b) Benutzen Sie die Methode aus a) zur Bestimmung der Integrale F(t):==
00 1 0
e
-tx
COS X Xl / 2
dx, G(t):==
100 0
e
-tx
.
sln x Xl / 2
dx
(t > 0)
und folgern Sie durch Grenzübergang t --+ +0:
{(X) COS x
(R-)
Jo
x l / 2 dx == (R-)
fIT
((X) sin x
Jo
Xl/2 dx ==
V"2 .
(Fresnelsche Integrale; vgI. Aufgabe 4.3). 2.13. Schreiben Sie X-I sin ax == des Satzes von FUBINI:
{(X)
Jo
J; cos ax da und folgern Sie aus Aufgabe IV.6.18 mit Hilfe
sinax dx == ~(1 _ e- at ) x(t 2 + x 2 ) 2t 2
(a,t > 0).
2.14. Ist V ein Vektorraum von Funktionen f : X --+ IK, Wein Vektorraum von Funktionen 9 : Y --+ IK, so bezeichne V ® W das Tensorprodukt von V und W, d.h. den Vektorraum
aller endlichen Summen von Funktionen der Form (x, y) r--+ f ® g(x, y) :== f(x) g(y) (f E V, 9 E W; x E X, Y E Y). Zeigen Sie: Sind J-l, va-endlich und liegt V dicht in LI (X, 2l, J-l), W dicht in LI (Y, Q3, v), so liegt V ® W dicht in Ll(X x Y,2l ® Q3, J-l ® v). Insbesondere liegt LI (J-l) ® LI (v) dicht in LI (J-l ® v). (Bemerkung: Dieser Sachverhalt motiviert die Schreibweise
§ 3. Faltung und Fourier-Transformation des Produktmaßes mit dem Zeichen ,,0" für das Tensorprodukt.) 2.15. Es seien A, B E ~P, ßP(A) < 00, ßP(B) < 00 und f(t) :== ßP(A n (B Dann ist f : II~F ~ lR gleichmäßig stetig, und es gilt:
r
J~P
f dßP
==
191
+ t))
(t E lRF).
ßP(A) ßP(B) .
Ist ßP(A) > 0, ßP(B) > 0, so enthält A - B einen inneren Punkt. (Hinweise: Die gleichmäßige Stetigkeit zeigt man wie in Beispiel IV.3.14. Ferner stellt man f als Integral einer charakteristischen Funktion dar und wendet den Satz von FUBINI an. Wegen {f > O} c A - B enthält A - B einen inneren Punkt, falls ßP(A)ßP(B) > 0; vgI. Aufgabe 111.2.5. - Die Aussagen gelten sinngemäß mit ~P, AP statt ~P, ßP.) 2.16. Kugelvolumen im lRP • Alternativ zu Beispiel 1.8 läßt sich das Volumen Vp(R) == ßP(KR(O)) einer Kugel im lRP vom Radius R > 0 folgendermaßen bestimmen: Für r > 0 sei
Dann gilt nach Korollar 111.2.6
Beweisen Sie zunächst mit Hilfe des Satzes von Fubini für die Laplace-Transformierte
(t > 0). Bestimmen Sie anschließend Fp(t) mit Hilfe von (*) zu Fp(t) == Vp(1)f (~ + 1) t- p/ 2- 1 (t > 0), und folgern Sie durch Vergleich der Resultate
die Identität Fp(t) == 1rp/2t-p/2-1 die GI. (1.6).
§ 3.
Faltung und Fourier-TransforIllation
1. Integration in bezug auf Bildmaße. Im folgenden seien (X, 2l, M) ein Maßraum, (Y,93) ein Meßraum und t : X ~ Y eine meßbare Abbildung. Nach Satz 111.1.7 ist das Bildmaß t(M) : 93 ~ JR erklärt durch
Die Integration einer Funktion f : Y ~ JK über Y bez. t(M) läßt sich wie folgt auf die Integration von fot über X bez. f1 zurückführen:
3.1 Allgemeine Transformationsformel. Für alle f E M+(Y, 93) ist
(3.1) Eine 93-meßbare Funktion f : Y ~ JK ist genau dann t(f1)-integrierbar über Y, wenn fot f1-integrierbar ist über X, und dann gilt (3.1).
192
V. Produktmaße
Beweis. Für alle f E M+(Y, ist nun zunächst
~)
ist fot E M+(X, 2l). - Im Falle f
~)
[XB dt(p,)
= p,(C 1 (B)) =
1
Xt- 1 (B) dp,
=
== XB (B
E
1
XB ot dp,.
Daher gilt (3.1) für alle f == XB (B E ~) und mithin auch für alle f E T+(Y, ~). - Ist nun f E M+(Y, ~), so wählen wir eine Folge von Funktionen U n E T+(Y, ~) mit U n t f und erhalten nach dem schon Bewiesenen
Jyr f
dt(p,) = lim n-+oo
Jyr U n dt(p,) =
lim n-+oo
Jrx unot dp, = Jrx fot dp"
denn für die Funktionen U n t E T+ (X, 2l) gilt U n t t fot. Die zweite Aussage folgt unmittelbar durch Anwendung der ersten auf (Ref)±, (Im f)±. 0 0
0
3.2 Korollar. Es seien t : JRP -+ JRP eine bijektive affine Abbildung und f E M+(W, ~P) oder f : JRP -+ Jf{ )"P-integrierbar. Dann gilt
(3.2)
r fdAP=ldettl J~Pr fotdAP.
J~P
Beweis. Nach Satz 111.2.5 ist t ~P-~P-meßbar und t(A P ) == I det tl- 1 AP • Satz 3.1 liefert daher sogleich die Behauptung. 0 Insbesondere ist das AP - Integral über W translations- und spiegelungsinvariant. 3.3 Beispiel. Es seien (X, 2l, J-l) ein Maßraum und 9 : X -+ JR eine meßbare Funktion mit J-l(g-I(Ja, bJ)) < 00 für alle a, b E JR. Dann wird das Bildmaß 9 (J-l) : ~ 1 -+ JR durch eine wachsende rechtsseitig stetige Funktion F : JR -+ IR beschrieben. Wir wählen in Satz 3.1 (Y, ~) :== (JR, ~1) , t :== g, f == id : IR -+ IR und erhalten: Ist zusätzlich 9 2:: 0 oder 9 E [,1 (J-l), so gilt:
rgdp,= J-oo r Jx
oo
xdF(x).
Ist allgemeiner f : IR -+ JR eine Borel-meßbare Funktion und f 2:: 0 oder fog E 1 (J-l), so gilt
[,
Von dieser Möglichkeit der Transformation des J-l-Integrals in ein LebesgueStieltjes-Integral wird in der Wahrscheinlichkeitstheorie Gebrauch gemacht. 2. Transformation von Maßen mit Dichten. Es seien (X, 2l, J-l) , (Y, ~) und t : X -+ Y wie oben und 9 E M+(Y, ~). Dann läßt sich das Maß mit der Dichte 9 bez. t(J-l) wie folgt als Bildmaß bez. t darstellen: 3.4 Satz. Für alle 9 E M+(Y, ~) gilt: 9 8 t(J-l)
== t((got)
8 J-l) .
§ 3. Faltung und Fourier-Transformation
193
Beweis. Nach (3.1) gilt für alle B E 93:
(g 8 t(J1))(B) =
=
Ix
Xt- 1 (B)
i XB . •
9 dt(J1) =
J)XB' g) ot dJ1
(got) dJ1 = ((got) 8 J1)(r 1 (B)) = (t((got) 8 J1))(B). D
3.5 Korollar. Ist t : X ---t Y ein meßbarer Isomorphismus, so gilt für alle h E M+(X, 2t): t(h 8 J-l) == (hot-I) 8 t(J-l) . Beweis: klar nach Satz 3.4 mit 9 :== hot-I.
D
3. Die Faltung auf .c1CIl.~.p, 93 P,ßP). Für I,g E .c1(ßP) ist die Funktion 0, so daß IDkg(u) - Dkg(v)1 < c für alle u, v E JRP mit Ilu - vii< 8. Bezeichnet ek den k-ten Einheitsvektor des JRP, so gilt also für 0 #- t E JR, Itl < 8 und x E JRP:
I~(j * g(x + tek) =
II f(Y)~ p
f
* g(x)) -
(j
* Dkg)(x)1
fat (Dkg(x - Y + sek) - Dkg(x - y)) ds dßP(y) I ~
Ellflll .
Daher ist 1 * 9 in x partiell differenzierbar mit Dk(1 * g) == 1 * (Dkg), und diese Funktion ist offenbar stetig (Aufgabe 3.1). Eine Fortsetzung dieser Schlußweise D liefert die Behauptung. Nun können wir leicht einen weiteren Beweis für Korollar IV.3.13 angeben:
3.8 Korollar. C~(JRP) liegt dicht in [}(ßP). Beweis. Für n E N sei k n
wobei
Cn
:
JRP -+ JR,
> 0 so gewählt sei, daß IIknl/I
== 1. Dann ist k n E C~(JRP), Tr k n ==
K 1 jn(0). Ist nun 1 E [,l(ßP) und c > 0, so gibt es ein R > 0, so daß für 9 :== I· XKR(O) gilt 111 - glll < c/2. Nach Lemma 3.6 ist IIk n * 9 - glll < c/2 für alle n 2:: no(c), also 111 - kn * glll < c für alle n 2:: no(c). Hier ist kn * 9 E COO(JRP) (Satz 3.7), und da 9 und k n einen kompakten Träger haben, ist auch der Träger von k n * 9 kompakt. D
4. Die Fourier-Transformation. Im folgenden legen wir in den Definitionen des Raumes [,1 und der Faltung * anstelle von ßP das Maß
zugrunde. Diese Umnormierung hat zur Folge, daß am Ende die Formel des Fourierschen Umkehrsatzes besonders einprägsam wird. Für komplexwertiges 1 E [, 1 (J1p) heißen j, j : JRP -+ C,
j(t):=
r e-i(t,x) f(x) dJ-lp(x)
JJRP
die Fourier- Transformierte von 1 und
(t
E
JRP)
196
V. Produktmaße
die inverse Fourier-Transformierte von f. Hier bezeichnet (t, x) == L~=l tjXj das Skalarprodukt von t, x E JR.P. (Der Name von j wird später durch den Fourierschen Umkehrsatz motiviert.) Die C-lineare Abbildung, die jedem f E [}(J-lp) seine Fourier-Transformierte] zuordnet, heißt die Fourier- Transformation. Sie ist benannt nach dem französischen Mathematiker, mathematischen Physiker, Administrator und «secretaire perpetuel~ der Academie des Sciences J EAN BAPTISTE JOSEPH FOURIER (1768-1830). 3.9 Satz. Für f, 9 E [}(J-lp) gilt: a) ] E C(W), 1]1 :S 111111 und limlltll-+oo ](t) == o. b)(f*g)A==].g. c) Für fa(x) :== f(a + x) (a E JRP) und (Mrf)(x) :== rPf(rx) (r > 0) gilt:
1a(t)
ei(a,t) ](t) ,
(Mrf)A(t)
] (~t) ,
(e-i(a,x) f) A
(])a .
d) Ist a == (a1, ... ,ap ) mit ganzen a1, ... ,ap 2: 0 und f E c1al(W),xßf E für 0 :S ß :S a, so gilt für 0 :S ß :S a:
.cl (J-lp)
nß]
== (-i)IßI (x ß f)A
.
Beweis. a) Nach Satz IV.5.6 ist] stetig. Die Ungleichung Ferner ist nach Korollar 3.2 für t E W, t #- 0
j(t) =
1]1
:S IIfll1 ist klar.
kp e-i(t,x1f(x)dflp(X) = - kp e-i(t,x1f (x+ 11~12t) dflp(X) ,
und es folgt:
2Ij(t)1 :s;
kp If(x) - f (X + 11~12t) Idflp(X)
--t 0 für
Iltll
--t
00.
(Dies ist ein alternativer Beweis des Lemmas von RIEMANN-LEBESGUE; s. Aufgabe IV.6.17.) b) Wegen (3.3) ist nach dem Satz von FUBINI
kp e-i(t,xI (kp f(y)g(x - y) dflP(Y)) dflp(X)
(f
* g)/\(t) =
=
kp (kp e-i(t,x-YI g(x - y) dflP(X)) e-i(t,YI f(y) dflp(y) = j(t)fj(t) .
c) ist klar nach Korollar 3.2. d) folgt durch sukzessive Anwendung von Satz IV.5.7. 3.10 Korollar. Es gibt kein k E
.cl (J-lp).
.cl (J-lp) ,
so daß k
* f ==
D
f j.ü. für alle f
E
§ 3. Faltung und Fourier-Transformation
197
Beweis. Gibt es ein solches k, so ist k] == ] für alle f E [,1 (J1p). Hier wählen wir f(x) == exp( -llxl1 2 /2). Dann ist] == f nach Aufgabe IV.6.13 oder IV.6.15, und es folgt k == 1: Widerspruch, denn als Fourier-Transformierte einer Funktion D aus [,l(J1p) müßte k im Unendlichen verschwinden (Satz 3.9, a)).
3.11 Fourierseher Umkehrsatz. Sind f E [,l(J1p) und] E [,l(J1p), so gilt:
f
== (]) v
f. ü.
Beweis. Für die Funktion
rr p
(3.4)
kn(x)
:==
(21f)p/2
max(O, n - n2lxjl)
(x
E
JRP)
j=l
gilt nach Aufgabe 3.2:
rr P
kn(t)
(3.5)
==
j=l
(sin t j /2n) 2 t j /2n
(
tEW
)
und (kn)V == kn. Der Grundgedanke des Beweises ist nun: Die Behauptung kann für die "approximative Einheit" (kn)n>l durch Rechnung verifiziert werden und ergibt sich dann folgendermaßen allge~ein: Wegen kn] E [,1 (J1p) ist nach dem Satz von FUBINI
(3.6)
(knj)V(x) =
r ei(x,t)kn(t) j(t) d{.tp(t)
JJRp
Lp I(z) (Lp ei(t,x~z) kn(t) d{.tp(t)) d{.tp(z) = 1 * kn(x).
=
Für n ---+ CX) gilt hier nach dem Satz von der majorisierten Konvergenz: Ilk n ] ]/11 ---+ O. Daher konvergiert die Folge der Funktionen (kn])V gleichmäßig gegen (j)V (Satz 3.9, a)). Andererseits gilt Lemma 3.6 ebenso mit J1p statt ßP, und da Ilkn ll l == 1 ist bez. J1p, erhalten wir: Ilkn * f - fllr ---+ o. Für alle R > 0 ist daher nach (3.6)
r
JKR(O) = !im
I(})V - I1 d{.tp = lim
n--+oo
und es folgt
f
n--+oo
r
JKR(O)
l(knj)V -
I1 d{.tp
r
!im Ilf * kn - 1111 = 0, JKR(O) 1I * kn - I1 d{.tp 0 gibt es also ein 0, so daß Ig(x) - g(O)1 < c für alle x E Ko(O). Wir benutzen nun die kn aus (3.4) und wählen no so groß, daß Tr k n C Ko(O) für alle n 2: no; dann ist
für alle n 2: no. Daher ist
Andererseits ist g * k n E LI (J1p) und (g * k n )/\ == fJk n E LI (J1p) , denn fJ ist als Fourier-Transformierte beschränkt und kn E .cl (J1p). Der Umkehrsatz ergibt daher wegen der Stetigkeit von g * k n : (3.8) Nun liefert eine Anwendung des Lemmas von
FATOU
wegen limn - Hx) kn == 1:
§ 3. Faltung und Fourier-Transformation
199
Da hier die rechte Seite endlich ist, gilt 1]1 2 E .cl (f-lp). Wir können nun wegen o :::; kn :::; 1 in der letzten Formelzeile den Satz von der majorisierten Konvergenz anwenden, statt "lim" überall "lim" schreiben und die Ungleichheit zur Gleichung verschärfen. 0 Aus (3.7) folgt sogleich eine Formel, deren Analogon für den Fall der FourierReihen zuerst von MARC-ANTOINE PARSEVAL (1755-1836) angegeben wurde. IO 3.14 Parsevalsehe Formel. Sind f,g E .cl(f-lp) und f2,g2 E .cl(f-lp), so gilt:
rf g
(3.9)
J~P
dJLp
=
r {g
J~P
dJLp .
Beweis. Wegen
o
liefert (3.7) sogleich die Behauptung. 3.15 Beispiele. a) Für f(x) == e- a1xl (x E IR; a > 0) ist ](t) t 2 ) (t E IR). Daher gilt nach (3.9) für a, b > 0:
+00 dt == ~ -00 (a 2 +t 2)(b2 +t 2) 2ab
1
1+
1
-00
Im Jahre 1932 publizierte kenswerten SatzlI:
e-(a+b)lxl dx ==
-00
b) Für f(x) == X]-a,a[(x) (a > 0) ist ](t) (3.9) liefert für a, b > 0: +00
00
t
1r ab(a+b)·
== _(21r)-1/22(sinat)/t (t
sin at sin bt d -
---2--
== (21r)-1/22a/(a 2+
. ( b)
t - 1rmln a,
NORBERT WIENER
E
IR), und
.
(1894-1964) folgenden bemer-
3.16 Satz von Wiener (1932). Für f E .cl(f-lp) liegt Span {fa: a E JRP} genau dann dicht in .cl (f-lp) , wenn] nullstellenfrei ist.
Die Notwendigkeit der Bedingung ist wie folgt leicht einzusehen: Angenommen, es gibt ein t o E IRP mit ](t o) == 0, so daß Span {fa: a E IRP} dicht liegt in .cl (f-lp). lOPARSEVAL DES CHENES, M.-A.: Memoire sur les series et sur l'integration complete d'une equation aux differences partielles lineaires du second ordre, a coefficiens constans, Memoires presentes a l'Institut des Sciences, Lettres et Arts, par divers savans, et lus dans ses assemblees, Sciences mathe et phys. (savans etrangers) 1, 638-648 (1806). 11 N. WIENER: Tauberian theorems, Ann. Math. 33, 1-100 (1932); Collected Works, Val. 11, 519-618, Cambridge, Mass.: MIT Press 1979.
V. Produktmaße
200
Dann gibt es zu jedem 9 E [}(Mp) und c > 0 endlich viele Al, ... , An E C und aI,"" an E JRP mit I/g - L7=I Ajfaj III < c. Wegen ia(t) == ei(a,t) j(t) verschwinden die Fourier-Transformierten von fal' ... ,fan an der Stelle t o, und da für alle h E .cI(Mp) gilt Ihl :::; IlhllI, müßte für alle 9 E .cI(M) gelten: g(t o) == 0: Widerspruch, denn für g(x) == exp( -llxl1 2 /2) ist g == 9 nullstellenfrei. - Der Beweis der Hinlängliehkeit der angegebenen Bedingung liegt wesentlich tiefer; s. z.B. H. REITER: Classieal harmonie analysis and loeally eompaet groups, London: Oxford University Press 1968, S. 8-9 oder K. CHANDRASEKHARAN: Classieal Fourier transforms, Berlin: Springer-Verlag 1989, S. 70-73. Benutzt man den Satz von FUBINI in der Version des Satzes 2.4, so lassen sich die Ergebnisse dieses Paragraphen über Faltung und Fourier-Transformation sinngemäß auch alle mit (27r)-P/2 AP anstelle von (27r)-P/2ßP == Mp aussprechen.
Aufgaben 3.1. Ist eine der Funktionen I, 9 E .cl (J-lp) beschränkt, so ist 1 * 9 gleichmäßig stetig auf IRP. Sind I, gELl (J-lp) beide unbeschränkt, so braucht 1 * 9 nicht stetig zu sein. 3.2. a) Für
l in lR. (Hinweise: Die Menge M der x E lR, für welche g(x) :== limn~oo exp(ianx) existiert~ist eine additive Gruppe. Nach dem Satz von STEINHAUS ist M == lR. Eine Betrachtung von
rf(x)g(x) dx == n~oo lim r f(x) exp(ianx) dx JIR
JIR lehrt, daß punkte?)
(an)n~l
§ 4.
Die Transformationsformel
beschränkt ist. Warum hat
(an)n~l
(f
E
.cl (lR))
keine zwei verschiedenen Häufungs-
" ... nanciscimur
quae est formula generalis pro integrali transformando. Quam formulam pro duabus et tribus variabilibus eodem fere tempore Eulerus et Lagrange invenerunt, sed ille paullo prius. Et haec formula egregie analogiam differentialis et Determinantis functionalis declarat."12 (C.G.J. JACOBI: De Determinantibus functionalibus, Gesammelte Werke, Bd. 111, S. 438) 12 ... erhalten wir
J
UBfBf1 ... Bfn ==
J (""
Bf Bf1 Bfn) U L.-- ± Bx . BX1 ... BX n
welches die allgemeine Transformationsformel für das Integral ist. Euler und Lagrange haben diese Formel für zwei und drei Variable fast gleichzeitig gefunden, aber jener ein wenig eher. Diese Formel macht in vorzüglicher Weise die Analogie zwischen der Ableitung und der Funktionaldeterminante deutlich. ("In Jacobi's Aufsatze ist nicht beachtet, dass bei der Transformation der Integrale immer nur der absolute Werth der Functionaldeterminante eine Rolle spielt ... ", bemerkt L. KRONECKER in seinen Vorlesungen über die Theorie der einfachen und der vielfachen Integrale, Leipzig: Teubner 1894 auf S. 235.)
202
V. Produktmaße
1. Die Transformationsformel. In Kap. 111 haben wir für jede bijektive affine Abbildung t : lRP -+ lRP die Bildmaße t(ßP), t(AP) bestimmt:
(4.1)
t(ßP) == Idet tl- l ßP, t(AP) == Idet tl- l AP .
Wesentliches Ziel dieses Paragraphen wird es sein, diese Ergebnisse durch einen Approximationsprozeß auf beliebige bijektive stetig differenzierbare Transformationen t mit nullstellenfreier Funktionaldeterminante auszudehnen. Zunächst erinnern wir an folgende Sachverhalte: Es seien X c :w offen und t : X -+ :w stetig differenzierbar, t == (tl,"" tp)t (Spaltenvektor). Mit D j :== 8 / 8xj (j == 1, ... ,p) ist dann
Dlt l , ... ,Dpt l ) Dt :== (Dlt, ... ,Dpt) = = : : ( Dltp , , Dptp die Funktionalmatrix von t. Bekanntlich besteht folgender Zusammenhang zwischen dem Nichtverschwinden der Funktionaldeterminante det Dt und der lokalen Bijektivität von t: Ist a E X und det((Dt)(a)) # 0, so vermittelt t einen CI-Diffeomorphismus einer offenen Umgebung U c X von a auf eine offene Umgebung V von f(a); d.h. tlU : U -+ V ist bijektiv, stetig differenzierbar, und die Umkehrabbildung (tIU)-1 : V -+ U ist ebenfalls stetig differenzierbar (s. W. WALTER: Analysis 11, S. 118 ff.). Die Funktionalmatrix der Umkehrabbildung ist dann nach der Kettenregel gegeben durch
(D(tIU)-I)(t(X)) == ((Dt)(X))-1
(x
E
U).
Ist also det Dt nullstellenfrei auf X, so ist Y :== t(X) eine offene Teilmenge des lRP. Weiter folgt: Ist t : X -+ Y eine bijektive stetig differenzierbare Abbildung der offenen Menge X c :w auf die offene Menge Y c lRP, so ist t genau dann ein CI-Diffeomorphismus, wenn det Dt nullstellenfrei ist auf X. - Man beachte, daß für p 2: 2 aus der Nullstellenfreiheit der Funktionaldeterminante einer stetig differenzierbaren Abbildung t von X auf Y nicht die Bijektivität von t folgt, wie das Beispiel der Polarkoordinatenabbildung t :]0, oo[ xlR -+ lR2 \ {O}, t(r, 0 hinreichend klein). Es sei nun E > O. Dann existiert ein 8 > 0, so daß (4.24)
II(Dt)(x) - (Dt)(a) 11
0 beliebig ist, folgt die Behauptung.
2
4.9 Korollar. Es seien X ⊂ Rp offen, t : X → Rp stetig differenzierbar, C die Menge der kritischen Punkte von t, und t|(X \ C) sei injektiv. Eine ˆ ist genau dann λp -integrierbar u Funktion f : t(X) → K ¨ber t(X), wenn t(X) p f ◦ t | det Dt| λX -integrierbar ist u ¨ber X, und dann gilt: f dλp = f ◦ t | det Dt| dλp . t(X)
X
Beweis. t(C) ist als abz¨ahlbare Vereinigung kompakter Mengen Borelsch, t(X \ C) ist offen, also ist t(X) ∈ Bp . – Nach Korollar 4.4 gilt die Behauptung mit X \ C und t(X \ C) anstelle von X, t(X), und der Satz von Sard liefert das Gew¨ unschte. 2 Bemerkungen. a) Auch f¨ ur injektive stetig differenzierbare Abbildungen t : X → Rp braucht die Menge der kritischen Punkte von t keine Nullmenge zu sein. Ein Beispiel f¨ ur p = 1 findet man bei K. Floret (1941–2002) [1], S. 330, 17.15. b) Ist X ⊂ Rp offen und t : X → Rp stetig und injektiv, so ist nach einem tiefliegenden Satz von L.E.J. Brouwer (1881–1966)14 das Bild t(X) offen und t : X → t(X) ein Hom¨ oomorphismus. 14 L.E.J. Brouwer: Beweis der Invarianz der Dimensionenzahl, Math. Ann. 70, 161–165 (1911); s. auch J.T. Schwartz: Nonlinear functional analysis, New York–London–Paris: Gordon & Breach 1969, S. 77 f.
§ 4. Die Transformationsformel
211
3. Verallgemeinerte Transformationsformel. Ist t : X ~ Y nicht global, sondern nur lokal bijektiv, so zerlegen wir X in abzählbar viele disjunkte Mengen, auf denen jeweils t injektiv ist, wenden auf jeden dieser Teile die Transformationsformel an und fassen alles wieder unter einem Integralzeichen zusammen. Zusätzlich eliminieren wir mit Hilfe des Satzes von SARD die Voraussetzung der Nullstellenfreiheit von det Dt.
4.10 Verallgemeinerte Transformationsformel. Es seien X C lRP offen, t : X ~ JRP stetig differenzierbar, Y :== t(X) und C die Menge der kritischen Punkte von t. Für y E Y sei N(y) E [0,00] die Anzahl der x E X \ C mit t(x) == y. Dann ist N E M+(Y, Q3t), und für alle f E M+(Y, Q3t) gilt:
(4.26)
[NfdßP= [fotldetDtldßP.
Für Borel-meßbares f : Y ~ 1k ist N f genau dann ßP -integrierbar über Y, wenn fot I det Dtl über X ßP -integrierbar ist, und dann gilt (4.26). Entsprechendes gilt für Lebesgue-meßbare Funktionen anstelle Borel-meßbarer. Beweis. Es seien zunächst det Dt nullstellenfrei und K C X kompakt. Zu jedem E K wählen wir offene Umgebungen Ux von x und Vx von t(x), so daß tlUx : Ux ~ Vx ein C 1 -Diffeomorphismus ist. Es existieren endlich viele xl, . . . ,Xm E K, so daß K C U7=1 UXj • Die Mengen Al :== UX1 n K, A 2 :== (UX2 n K) \ Al, ... , Am :== (UXrn nK) \U7=--;.1 A j sind disjunkte Borel-Mengen mit U7=1 A j == K. Ist nun f E M+(Y, Q3t), so addieren wir die GI. (4.18) mit A == A j (j == 1, ... , m) und erhalten
x
(4.27)
r
Jt(K)
NKfdßP=
r fotldetDtldßP,
JK
wobei NK(y) == 2:::7=1 Xt(Aj)(y) die (endliche) Anzahl der x E K mit t(x) == y bezeichnet. Ersichtlich ist N K E M + (Y, Q3t ). - Wir wählen nun eine Folge kompakter Mengen K n C X mit K n t X. Dann gilt: t(Kn ) t Y und N Kn t N. Daher ist N E M+ (Y, Q3t), und GI. (4.27) mit K n statt K liefert für n ~ 00 die GI. (4.26) für alle f E M+(Y, Q3t). Dies ergibt die Behauptung für Borel-meßbare Funktionen, falls det Dt nullstellenfrei ist. Nach Korollar 4.4 gilt Entsprechendes für Lebesgue-meßbares f. Ist nun det Dt nicht notwendig nullstellenfrei, so gilt GI. (4.26) nach dem oben Bewiesenen mit X \ C statt X und t(X \ C) statt Y. Da Y \ t(X \ C) C t(C) nach dem Satz von SARD eine Nullmenge ist, folgt die Behauptung in vollem 0 Umfang. Noch allgemeinere Versionen der Transformationsformel findet man bei H. FEDERER [1], S. 243 ff., W. RUDIN [1], S. 153 f. und P. HAJLASZ: Change of variables formula under minimal assumptions, Colloq. Math. 64, 93-101 (1993).
4. Transformation von Maßen mit Dichten bez. AP. Eine Modifikation des Beweises der verallgemeinerten Transformationsformel 4.10 ergibt einen Transformationssatz für Dichten.
V. Produktmaße
212
4.11 Transformationssatz für Dichten. Es seien X c W offen, t : X ~ JRP stetig differenzierbar mit nullstellenfreier Funktionaldeterminante, Y :== t(X) und g E M+(X, Q3~). Dann ist h : Y ~ [0,00],
:=" ~
h(y)
XEt-
1 ({y})
g(x) I det Dt(x) I
(y E Y)
Borel-meßbar, und es gilt: t(g8ß~)==h8ß~.
(4.28)
Entsprechendes gilt für Lebesgue-meßbare Dichten g mit A~, A~ anstelle von ß~,ß~·
Beweis. Es seien K,Uj :== Uxj,A j (j == 1, ... ,m) wie im Beweis des Satzes 4.10. Für B E Q3~ und j == 1, ... , m gilt dann: XB otd(g8
L J
=
ß~) = L(XBot). gdß~ J
r Jt(Aj)
.go(tIUj)-l·ldetD(tIUj)-lldß~.
XB
Die Summation über j == 1, ... , m ergibt:
r XBotd(g8ß~)= Jt(K) r XB"hKdß~
(4.29)
JK
mit der Borel-meßbaren Funktion h K
:
Y
~
[0,00],
m
hK(y) ==
L Xt(Aj)(Y) . (go (tIUj)-l . I det D(tIUj)-ll)(y) j=l
L xEt- 1 ( {y} )nK
g(x) I det Dt(x) I .
Wir wählen nun eine Folge kompakter Mengen K n C X mit K n erhalten aus (4.29) mit K == K n durch Grenzübergang
Ix
XB t d(g 8 0
In der Situation des Transformationssatzes 4.11 gilt für alle [
f . h dß~
X und
ß~) = [XB' h dß~ , o
und das ist nach Satz 3.1 gleichbedeutend mit (4.28).
(4.30)
t
=
Ix
f
E
M+(Y, Q3~):
fot· g dß~ .
Für Borel-meßbares f : Y ~ t ist f . h genau dann ßP-integrierbar über Y, wenn fot· g über X ßP-integrierbar ist, und dann gilt (4.30).
213
§ 4. Die Transformationsformel
5. Der Brouwersche Fixpunktsatz. Mit Hilfe des in der Transformationsformel auftretenden Integrals können wir einen Beweis des Brouwerschen Fixpunktsatzes führen. 4.12 Brouwerscher Fixpunktsatz.l 5 Jede stetige Abbildung der abgeschlossenen Einheitskugel W c ffi.P in sich hat einen Fixpunkt. Beweis. Wir zeigen zunächst: Gilt der Satz für alle C(X) -Funktionen 9 : ffi.P --+ W, so gilt er allgemein. Begründung: Es sei I : W --+ W stetig. Wir setzen I vermöge I(x) := 1(llxll- 1x) (Ilxii > 1) zu einer stetigen Funktion I : ffi.P --+ W fort und wählen eine Folge von C~-Funktionen k n : ffi.P --+ ffi., so daß kn 2:: 0, J]Rp kn(x) dx = 1, Tr kn C K 1jn (0). Die Funktionen In := I * k n (komponentenweise Faltung bez. ßP) sind nach Satz 3.7 beliebig oft differenzierbar, und es gilt für alle x E ffi.P
Il/n(x)11 = max (ln(x),v) = max((/,v) * kn(x)) vEJB'J' vE~
::; 1.
Für alle n E N, x E ffi.P gilt weiter
l(x)11 = max (In(x) vEJB'J'
Illn(x) -
= max vEJB'J'
r
}]Rp
- I(x), v)
(/(y) - I(x), v) kn(x - y) dy ::;
11/(y) - l(x)ll.
sup YEK1/n(x)
Daher konvergiert (In)n?-l auf W gleichmäßig gegen I. Nach Voraussetzung hat nun jedes In einen Fixpunkt Xn E W. Da W kompakt ist, kann (ggf. nach Übergang zu einer geeigneten Teilfolge) gleich angenommen werden, daß X n --+ Xo E W. Die gleichmäßige Konvergenz von (In)n?-l auf W gegen I liefert dann I(xo) = Xo, d.h. I hat den Fixpunkt xo. Es bleibt zu zeigen, daß jede C(X)-Funktion 9 : ffi.P --+ Weinen Fixpunkt hat. Wir schließen indirekt und nehmen an, 9 habe keinen Fixpunkt. Die Funktion g).(x) := x - Ag(X) (x E IRP, A E [0,1]) hat nun folgende Eigenschaften: Für 0 ::; A < 1, x E Sp-1 ist
Ilg).(x)11 2::
1-
Allg(x)11 2::
1 - A > 0,
g(x)11 > 0
(x E lffiP).
und für A = 1 ist
Ilg).(x)1I = Ilx -
Die stetige Funktion (x, A) ~ g).(x) hat daher auf dem Kompaktum K := (Sp-1 x [0,1]) U (W x {I}) ein positives Minimum. Es gibt also ein 8 E]O, 1[, so daß Ilg).(x)11 > 8 für alle (X,A) E K. Es sei nun rp E C~(ffi.P),rp 2:: 0, Trrp C K15(O),JK,s(O) rpdßP = I,B:= K 1(0). Wir betrachten die Funktion h : [0, 1] --+ ffi.,
h(>') :=
1
'{J0g\ detDg\ dßP
Dann ist h stetig und
h(O) =
(O:S >. :S 1).
1
'{JdßP = 1, h(1) = 0,
denn gl (x) 1- K 15 (0) für alle x E W . Andererseits ist h in ]0, 1[ differenzierbar, und wir werden im restlichen Teil des Beweises zeigen, daß h' (A) = 0 ist für 0 < A < 1, was einen Widerspruch ergibt. Im folgenden sei 0 < A < 1. (Die Anwendung der Kettenregel für Funktionen mehrerer Variablen setzt einen offenen Definitionsbereich voraus.) Dann ist
(4.31)
h'(>')
=
1((D'{J)og\)g~
detDg\dßP
+
1
'{J0g>.
d~ (detDg\)dß P ,
15L.E. BROUWER: Über Abbildung von Mannigfaltigkeiten, Math. Ann. 71, 97-115 und S. 598 (1912); Berichtigung, Math. Ann. 82, 286 (1921).
V. Produktmaße
214
wobei der Strich stets die Ableitung nach'x bezeichnet. Ist nun A('x) == (ajk('x)) eine (p xp)Matrix von differenzierbaren Funktionen ajk :]0,1[-0 IR, ak == (alk,"" apk)t die k-te Spalte von A(-\), so gilt (4.32)
d~ det A(A) = det(a~, a2,···, a p ) + det(aI, a;, a3,· .. ap ) + ... p
+det(al, ... ,ap-l,a~) ==
L
a}k('x)äjk('x) == SpurA'('x)A('x) ,
j,k=l wobei A('x) == (äjk(,X))t die Komplementärmatrix von A('x) bezeichnet und äjk('x) == (_l)j+k det A jk (,X), wobei A jk (,X) durch Streichen der j-ten Zeile und k-ten Spalte aus A('x) entsteht. Das zweite Integral auf der rechten Seite von (4.31) ist also gleich
i =
'P 0 g>.
d~ det Dg>. dßP =
i
'P 0 g>. Spur
(Dg~)(Dg>.)~dßP
t 1<pog>.(Dk(g~)j)(Dg>.)jkdßP.
j,k=l
B
Hier bezeichnen (g~)j die j-te Koordinate von g~ und (Dg)..)jk das Element in der j-ten Zeile und k-ten Spalte von (Dg)..t'"'. Im letzten Integral integrieren wir partiell in bezug auf die Variable Xk und wälzen die Differentiation von Dk(g~)j auf die übrigen Faktoren ab. Da der Integrand nach Wahl von K,8 einen kompakten Träger in B hat, treten keine Randbeiträge auf, und wir haben
+
i
<pog>.
(g~)j Dk(Dg>.)jk dßP )
.
Nach dem Entwicklungssatz ist L~=l Dk(g)..)i (Dg)..)jk == 8ij det Dg).., also ist die erste Summe auf der rechten Seite von (4.33) gleich dem ersten Integral auf der rechten Seite von (4.31). Das ergibt:
-i
<po g>. div (Dg>.)~g~ dßP ,
wobei die spaltenweise zu bildende Divergenz von (Dg)..)'" ein Zeilenvektor ist, der mit dem Spaltenvektor g~ zu multiplizieren ist. Nach dem folgenden Lemma ist nun div (Dg)..)'" == 0, also ist h' (,X) == 0, und die Behauptung ist bewiesen. 0 4.13 Lemma von J ACOBI. Ist U so gilt
c IRP
offen und 9 : U -0 IRP zweimal stetig differenzierbar,
div (Dg)'" == 0,
215
§ 4. Die Transformationsformel
wobei die k-te Koordinate des Zeilenvektors auf der linken Seite gleich der Divergenz des k-ten Spaltenvektors der Komplementärmatrix (D g) rv von D 9 ist. Beweis. Bezeichnet L ij die Determinante der (p - 1)-reihigen Matrix, die aus Dg durch Streichen der i-ten Zeile und der j-ten Spalte entsteht, so ist (Dg)rv == (( -l)i+ j Lij)t. Aus Symmetriegründen genügt es daher zu zeigen, daß die erste Koordinate von div (Dg)rv verschwindet, d.h. wir haben zu zeigen:
~ 1+' ~(-1) J j=1
a ax ,L 1j ==0. J
Mit h :== (g2, ... , gp)t : U --+ ffi;.p-l ist L 1j == det(D 1h, ... , D j - 1h, D j + 1h, ... , Dph). Wir bezeichnen für i i- j mit Cij die Determinante der (p - l)-reihigen Matrix, deren erste Spalte gleich DiDjh ist, während die übrigen Spalten gleich D 1h, ... , Dph (im Sinne wachsender Indizes) sind, wobei die Spalten Dih und Djh auszulassen sind; C ii :== O. Dann ist nach (4.32)
mit
Cij
== 1 für i
< j, Cii
== 0 und
Cij
== -1 für i
p
> j. Das ergibt: P
j L(-1)I+ D j L 1j == L (-l)i+jcijCij. j=1 i,j=1
Die rechte Summe ist invariant bei Vertauschung der Summationsindizes i, j. Andererseits ist == -Cji, C ij == C ji , so daß die rechte Seite bei Vertauschung von i und j das Vorzeichen wechselt. Daher verschwindet die rechte Seite, und das war zu zeigen. D
Cij
Der tiefere Grund für die Konstanz der Funktion h aus dem Beweis des Brouwerschen Fixpunktsatzes ist die Homotopieinvarianz des Abbildungsgrads; s. H. LEINFELDER und C. SIMADER: The Brouwer fixed point theorem and the transformation rule for multiple integrals via homotopy arguments, Expo. Math. 4, 349-355 (1983). In dieser Arbeit wird auch gezeigt, wie die Argumente aus dem obigen Beweis des Brouwerschen Fixpunktsatzes zu einem Beweis der Transformationsformel ausgestaltet werden können. Eine Teilmenge Ades topologischen Raums X heißt ein Retrakt von X, wenn es eine stetige Abbildung f : X --+ A mit flA == idA gibt; eine solche Abbildung f heißt dann eine Retraktion von X auf A. 4.14 Korollar. Sp-l ist kein Retrakt von lffiP. Beweis. Gäbe es eine Retraktion f von lffiP auf Sp-l, so wäre - feine fixpunktfreie stetige Abbildung von IffiP in sich: Widerspruch zum Brouwerschen Fixpunktsatz! D
Eine stetige Abbildung f : X --+ X eines topologischen Raums X in sich heißt nullhomotop ("stetig in eine konstante Abbildung deformierbar"), wenn es eine stetige Abbildung F : X x [O,lJ --+ X und ein a E X gibt mit F(x,O) == f(x) (x E X) und F(x, 1) == a (x EX). Eine solche Abbildung F heißt dann eine Nullhomotopie. 4.15 Korollar. Die Identität von Sp-l ist nicht nullhomotop. Beweis. Gäbe es eine Nullhomotopie F : Sp-l x [O,lJ --+ Sp-l von idsp-l, so wäre f : IffiP --+ SP-1, f(AX) := F(x, 1 - A) (x E SP-1, 0 :::; A :::; 1) wohldefiniert (!) und eine Retraktion von IffiP auf Sp-l: Widerspruch zu Korollar 4.14! D
Aufgaben. 4.1. Es seien X C ffi;.P offen und konvex und t : X --+ ffi;.P stetig differenzierbar und (Dt)(c) : ffi;.P --+ ffi;.P (c E X) positiv definit. Dann ist t injektiv. (Hinweis: Sind a, b E X, t(a) ==
v.
216 t(b), so wende man für festes Y E W auf die Funktion
+ 'x(b -
(t(a
,X t-+
Produktmaße
a)), y)
(-8
0) .
Da G(t) > 0 ist, lassen sich F(t) und G(t) explizit bestimmen. Folgern Sie durch Grenzübergang t -1- +0:
1
00
(R-)
1
Vi
00
2
cosx dx
=
(R-)
2
sinx dx
=
(Fresnelsche Integrale). 4.4. a) Es seien al, ... , a p Borel-meßbar. Dann gilt:
> 0, Y
:=
{y E ~P
:
y > 0, YI + ... +
r f(Yl + ... + yp)y~,-1 ..... y;p-l dßP(y) = r(al) +
Jy
f(al
YP
r(ap )
+ ap )
< 1} und f :]0,1[-1- [0,00]
t
Jo
f(U)UUl+ ...+up-l du,
und diese Gleichung gilt auch, falls f :]0,1[-1- JK Borel-meßbar ist und eines der beiden Integrale existiert. (Hinweis: Benutzen Sie zur iterativen Berechnung des Integrals die Transformation t: X -1- Y,t(x) := (XI, ... ,Xp-2,Xp-IXp,Xp-I(1- xp))t, wobei X = {x E RP : x > 0, Xl + ... + Xp-l < 1, xp < 1}.) Ist zusätzlich ap+l > 0, so gilt:
r (1 _ (YI + ... + Yp)Y~P+I-Iyfl-1 ..... y~p-l dßP(y) =
Jy
f(al) f(al +
f(ap+I)
+ ap+l)
(DIRICHLET [1]' S. 383 ff., [2], S. 375 ff.). b) Sind aI, ... ,ap,al, ... ,ap,ßI, ... ,ßp > 0 und Z:= {z E ~p : z > 0, (zl/al)QI + ... + (zp/ap)Qp < 1},pj:= ßj/aj (j == 1, ... ,p), so gilt unter entsprechenden Voraussetzungen an f: f((zl/all u l + ... + (zp/ap)up)z~d ..... zgp-l dßP(z)
i
= a~' al
P
ag r(Pl) a p f(PI +
r(pp)
t
+ pp) Jo
f(u)uP1 +...+pp-l du.
c) Das Volumen des p-dimensionalen Ellipsoids E(al, ... ,ap):== {x E ~p : (xI/al)2 (x p / ap )2 < 1} beträgt
+ ... +
217
§ 4. Die Transformationsformel speziell ist
ßP(Kr(O)) ==
4.5. Unter entsprechenden Voraussetzungen an
!
f( XlI/al
X
(J.L.
RAABE,
+ ... + X pl/ap) dßP( X ) ==
f(al
Jrp/2 (P ) rP. 2" + 1
f
f
gilt für ab ... ,ap
+ 1)· ... · f(a p) + 1)
f(
al
+ ... + a p
> 0, X ==]0, oo[P:
1°
00
f( ) al+··.+ap-l d r r
r
J. reine angew. Math. 28, 19-27 (1844)).
4.6. Für Res> p/2 existiert das Integral
1p(s):==
r (1 + IlxI1 2)-S dßP(x) ,
J~P
und es ist
Ip(s) = h Mit I l (s) == ftf
(s -
(s - p; 1)
Ip-ds).
~) /f(s) ergibt sich daher
1p(s) == Jrp/2f (s -
~) /f(s).
(Alternativen: Polarkoordinaten oder Aufgabe 4.5.) 4.7. Es seien B E ~P,ßP(B) < 00, und für festes a E ~'p+l mit ap+l mit der Basis B und der Spitze a, d.h. K == {-\(b, 0) + (1 - -\)a : K E ~p+l und ßP+l (K) == ap+l ßP(B) . p+1
>
°
sei K der Kegel
°:: ; -\ : :; 1, bEB}. Dann ist
4.8. Für n 2: 1 sei E n :== {x E lRn : Ilxll ]O,oo[xEp-l,Y :==]O,oo[xW-l,t: X -t Y,
< I}. - Es seien nun p 2: 2 und X .-
t(r,x) :== r((1-llxI1 2)1/2,x)
(r
> O,X
E Ep-
l ).
Dann ist tein Cl-Diffeomorphismusmit detDt(r,x) == r P- l (1_llxI1 2)-1/2. Ist F :]O,oo[-t Borel-meßbar und F(r)r P - l über ]0, oo[ ßl-integrierbar, so gilt:
t
Insbesondere resultiert für F == X]O,l[
und für F(r) == exp( -r 2 ):
ßP(Ep) ==
f
Jrp/2 (P ) . 2"
+
1
4.9. Sind a > O,ß > O,a+ß < p und x,y E lRP,x i= y, so ist die Funktion z ~ Ilx-zlla-PllzyIIß-P ßP-integrierbar über lRP, und es gibt eine nur von a, ß, p abhängige Konstante Ca,ß, so daß Ilx - zlla-Pllz - yIIß-P dßP(z) == Ca,ßllx _ y!!a+ ß- p .
r
J~P
(Bemerkung: Ca,ß == Jr P/ 2f(a/2)f(ß/2)f((p - a - ß)/2)/(f((p - a)/2)f((p - ß)/2)f((a + ß)/2)); s. N. DU PLESSIS: An introduction to potential theory, Edinburgh: Oliver & Boyd 1970, S. 71 ff. oder N.S. LANDKOF: Foundations 0/ modern potential theory, Berlin-Heidelberg-New
218
V. Produktmaße
York: Springer-Verlag 1972, S. 44.) 4.10. Es sei t : IRP \ {O} -+]0, oo[xS P-l, t(x) := = Pp 0 wp, wobei
(lIxII, IIxll- 1x)
(x E IRP, x
i-
0). Dann ist
t(ßP)
JArr P-
1dß1(r) für A E '1)P
]0,00['
pßP({ax: 0 < a::; 1,x E B}) für B E
~P,B C
Sp-1.
4.11. Für r ~ 0 sei Kr := {z E C : Izl < r}. Es seien R > 0 und f, 9 : KR -+ C holomorphe Funktionen mit den Taylorreihen f(z) = L~=oanzn,g(z) = L~=obnzn (an,b n E C für n ~ 0, Izi < R). a) Für 0 ::; r < R gilt:
b) Für 0 ::; r ::; Rist
1 1/1
2
dß2
= 1r
f
n=O
Kr
~a:l: r2n +2 ,
und sind If1 2, Igl 2 ß2-integrierbar über KR, so gilt die Formel unter a) für 0 ::; r ::; R. c) Ist f injektiv, so gilt:
ß2(f(Kr )) =
1f
L
nla n l 2r 2n
(0::; r ::; R).
n=l Bezeichnet SR die Menge aller holomorphen und injektiven Abbildungen f(O) = 0, f'(O) = 1, so gilt
f : KR -+
C mit
und das Infimum wird genau dann angenommen, wenn f(z) = z. d) Ist f(z) = 1 + L~=l anz n für Izi < R holomorph und 0 < r < R,
so hat f in Kr eine Nullstelle. (Hinweis: Ist f in Kr nullstellenfrei, so hat f auf Kr eine "holomorphe Quadratwurzel" 9 mit g(O) = 1, f = g2. Wie beginnt die Potenzreihe von 9 um O?) e) Wie lautet das Analogon von a) für Funktionen f, g, die in einem Kreisring D(r, R) := {z E C : r < Izi < R} (0::; r < R) holomorph sind? f) Ist f in D(O, R) holomorph, 0 < r < Rund fD(O,r) Ifl 2 dß2 < 00, so hat f in 0 eine hebbare Singularität. 4.12. Es seien JE := {z E C : Izi < I}, G die Gruppe der Abbildungen z f---+ (az + ß)/(ßz + a) (a, ß E C, lal 2 -IßI 2 = 1). (In der Funktionentheorie wird gezeigt, daß G gleich der Gruppe aller biholomorphen Abbildungen von JE auf sich ist; s. z.B. R. REMMERT: Funktionentheorie I, 4. Auf!. Berlin-Heidelberg-New York: Springer-Verlag 1995). a) Das Maß J-l mit der Dichte 4(1 - IzI 2)-2 bez. ßi ist G-invariant, d.h. es ist g(J-l) = J-l für alle 9 E G. b) Bezeichnet SI die Einheitskreislinie, so operiert G auf X := JE x SI vermöge
g(z,():= (g(z), (g'(z)/lg'(z)l)
((z,() E X,g E G).
Es bezeichne w das durch w( {ei
0 und q :== (1 - l/p)-l( E]l, oo[). Eine zweimalige Anwendung der Hölderschen Ungleichung ergibt: (1.15)
Ix I! +
glP dp,
0 ist, liefert eine Division von (1.15) durch (Np(f + g))pjq die Behauptung. D 3H. MINKOWSKI:
Geometrie der Zahlen, Leipzig: B.G. Teubner 1910, S. 116, (4).
§ 1. Die Ungleichungen von
JENSEN, HÖLDER
und MINKOWSKI
225
1.9 Beispiel. Wählt man J-l gleich dem Zählmaß auf N, so liefert (1.14) die Minkowskische Ungleichung für Reihen: Für X n , Yn E J[{ (n E N),l :::; p < 00 gilt: 00
(1.17) (
~ IX n + Ynl P
1.10 Satz. Sind f, 9 : X ~
l/p
)
0 fest) hat die Ableitung 1/J'(t) == (a/p)(a + t)-1/p-l(t 1/p- 1 - a1/P- 1), ist also für 0 :::; t :::; a fallend, für t 2: a wachsend, und hat in a ein absolutes Minimum. Daher ist
(a + b)l/P :::; 21 / p - 1 (a 1/P + b1/P) für alle a, b E [0,00] , also
(i
Ifl PdM +
und (1.18) ergibt (1.19).
i
IglP dM) l/p
~2
1
/ P-
1
(Np(j)
+ Np(g)) , o
4. Historische Anmerkungen. Für endliche Summen geht die Cauchy-Schwarzsche Un-
gleichung (1.13) mit p == q == 2 zurück auf A.L. CAUCHY: Cours d'analyse de l'Ecole Royale Polytechnique, Ire partie. Analyse algebrique. Paris: Imprimerie Royale 1821, S. 455 (Nachdruck: Darmstadt: Wiss. Buchges. 1968; deutsche Ausg.: Algebraische Analysis, Berlin: Verlag von Julius Springer 1885). Im gleichen Werk führt CAUCHY auf S. 457 ff. einen kunstvollen elementaren Beweis der Ungleichung (1.7) zwischen dem geometrischen und dem arithmetischen Mittel. Die Ungleichung (1.12) für Integrale stammt von V.J. BUNJAKOWSKI 4: Bur
quelques inegalites concernant les integrales ordinaires et les integrales aux differences finies, Memoires de l'Acad. de St.-Petersbourg (VII) 1 (1859), No. 9 und von H.A. SCHWARZ 5: Über ein die Flächen kleinsten Flächeninhalts betreffendes Problem der Variationsrechnung, Acta Soc. scient. Fenn. 15, 315-362 (1885) (== Mathematische Abhandlungen I, 223-269, insbes. S. 4Geb. 1804, Doktorand von CAUCHY (1825), Professor an der St. Petersburger Universität (1846-1880), gemeinsam mit M.W. ÜSTROGADSKI (1801-1862) Wegbereiter der russischen mathematischen Schule unter P.L. TSCHEBYSCHEW (1821-1894), gest. 1889 in St. Petersburg. 5Geb. 1843, Studium in Berlin bei K. WEIERSTRASS, L. KRONECKER und E.E. KUMMER, Professor in Zürich, Göttingen und Berlin (1892-1917), Arbeiten zur Theorie der Minimalflächen und konformen Abbildung, gest. 1921 in Berlin.
226
VI. Konvergenzbegriffe der Maß- und Integrationstheorie
251).
O. HÖLDER (1859-1937)6 wendet erstmals systematisch die Eigenschaft der Konvexität zum Beweis von Ungleichungen an: Erz benutzt die Konkavität des Logarithmus zum Beweis der Ungleichung (1.7) zwischen dem geometrischen und dem arithmetischen Mittel, und er benutzt die Konvexität von tP(p
>
1) zum Beweis der Ungleichung (1.13), die seither seinen
Namen trägt, aber schon ein Jahr früher von L.J. ROGERS (An extension of a certain theorem in inequalities, Messenger of Math. 17, 145-150 (1888)) gefunden wurde. H. MINKOWSKI 7 beweist die Ungleichung (1.17) im Jahre 1896 im Rahmen seiner berühmten Untersuchungen zur Geometrie der Zahlen. Die außerordentliche Bedeutung der Minkowskischen Ungleichung als Dreiecksungleichung in einem Funktionenraum wird wohl erstmals von F. RIESZ klar herausgestellt; er gibt auch einen eleganten elementaren Beweis der Ungleichungen von HÖLDER und MINKOWSKI (s. F. RIESZ [1], S. 519-521). J.L.W.V. JENSEN 8 (Bur les fonctions convexes... , Acta Math. 30, 175-193 (1906)) benutzt in systematischer Weise den Begriff der Konvexität zur Herleitung wichtiger klassischer Ungleichungen. Insbesondere beweist er die Ungleichung (1.2) in Integralform. In einem Nachtrag zu seiner Arbeit räumt JENSEN ein, daß ein Teil seiner Resultate von HÖLDER vorweggenommen wurde.
Aufgaben. 1.1. Sind I, J c IR Intervalle und
O. Dann gibt es ein no(c), so daß Ilfz- fmllp < c für alle l, m 2 no(c). Eine Anwendung des Lemmas von FATOU auf die Folge (Ifnk - fmIP)k~l ergibt: Für alle m 2 no(c) ist
und es folgt die Behauptung für 1 :S p < 00. Im Fall 0 < p < 1 genügt 11 . II~ der Dreiecksungleichung, und die obigen Schlüsse liefern bei Ersetzung von 11 . IIp durch 11 . II~ die Behauptung. Es seien nun p == 00 und (fn)n~l eine Cauchy-Folge in L oo . Dann ist 00
N :==
00
U{Ifnl > Ilfnlloo} U {Ifm U
n=l
fnl > IIfm - fnlloo}
m,n=l
eine Nullmenge, und für alle x E Ne gilt
Ifm(x) - fn(x)1 :S
Ilfm -
fnlloo
(m,n E N).
Daher konvergiert (fn)n>l auf Ne gleichmäßig gegen f :== limn-+ oo XNc· fn E L oo . Insbesondere ist f E LeX) und limn-+ oo 11 f n - f 11 00 == o. D Ein vollständiger normierter Vektorraum heißt ein Banach-Raum. Aus Satz 2.5 resultiert unmittelbar folgende Version des Satzes von RIESZ-FISCHER: 2.6 Korollar. Für 1 :S p :S 00 ist LP ein Banach-Raum, und für 0 < p < 1 ist LP ein vollständiger metrischer Raum. Dem obigen Beweis des Satzes von RIESZ-FISCHER entnehmen wir mit WEYL (1885-1955) folgendes Resultat.
HER-
MANN
2.7 Korollar (H. WEYL 1909).12 Es sei 0 < p :S 00. a) Zu jeder Cauchy-Folge (fn)n~l in L P gibt es eine Teilfolge (fnk )k~l und ein f E L P, so daß fnk -+ f J1,-f·ü. b) Konvergiert die Folge (fn)n~l in LP gegen f E L P, so existiert eine Teilfolge (fnk)k~l' die J1,-f·ü. gegen f konvergiert.
Beweis. a) ist im Beweis des Satzes von RIESZ-FISCHER enthalten. b) (fn)n>l ist eine Cauchy-Folge in L P. Nach dem Beweis des Satzes von RIESZFISCHER gibt es ein g E L P mit Ilfn - gllp -t 0 und eine Teilfolge (fnk )k~l' die J1,-f.ü. gegen g konvergiert. Wegen Ilfn - flip -t 0 ist aber f == g J1,-f.ü. D 12H. WEYL: Über die Konvergenz von Reihen, die nach Orthogonalfunktionen fortschreiten, Math. Ann. 67, 225-245 (1909) (== Gesammelte Abhandlungen I, S. 154-174).
§ 2. Die Räume V und der Satz von
233
RIESZ-FISCHER
2.8 Beispiel. Für p == 00 ist Korollar 2.7 trivial, denn Konvergenz in [,00 ist äquivalent mit gleichmäßiger Konvergenz auf dem Komplement einer geeigneten Nullmenge. Ist aber < p < 00, so braucht die Folge (fn)n'2 1 in der Situation des Korollars 2.7 nicht punktweise f.ü. zu konvergieren, wie das folgende Beispiel lehrt: Es seien X == [0,1], 2l :== ~1:-, tL == ßl. Wir zählen die Intervalle [0,1], [o,~], [~, 1], [0, ~], [~, ~], [~, 1]' [0, ~], ... ab zu einer Folge von Intervallen In (n 2 1). Dann gibt es zu jedem x E X unendlich viele n E N mit x E In und unendlich viele n E N mit x ~ In' Die Folge der Funktionen fn :== Xl n (n E N) divergiert daher in jedem Punkt x EX. Andererseits gilt für 0 < p < 00
°
d.h. (fn)n'21 konvergiert in jedem [,P(tL) (0 < p < (0) gegen Null. - Im Einklang mit Korollar 2.7 macht man sich leicht klar, daß man auf vielerlei Weisen Teilfolgen (fnk)k>l von (fn)n>l auswählen kann mit fnk -t 0 tL-f.ü. -
2.9 Beispiel. Jede Cauchy-Folge (fn)n'2 1 in ['P (0 < p :::; (0) ist beschränkt in dem Sinne, daß die Folge (1Ifnllp)n'21 in lR beschränkt ist (s. Aufgabe 2.1). Mit Blick auf Korollar 2.7 liegt es nahe zu fragen, ob jede beschränkte Folge von Funktionen aus ['P eine fast überall konvergente Teilfolge hat. Die Antwort ist negativ: Es seien (X, 2l, tL) wie in Beispiel 2.8 und fn(x) :== exp(21rinx). Dann ist Ilfnllp == 1 für alle n E N und 0 < p :::; 00. Angenommen, es gebe eine streng monoton wachsende Folge (nk) k'2 1 natürlicher Zahlen und eine (ohne Beschränkung der Allgemeinheit gleich Borel-meßbare) Funktion f : X -t JK mit fnk -t f f.ü. Offenbar gilt
und der Satz von der majorisierten Konvergenz liefert
(k -t (0). Daher ist f == 0 f.ü. im Widerspruch zu Ifnk I == 1. Für p
#-
p' bestehen im allgemeinen keine Inklusionsbeziehungen zwischen
['P und [,P', und die entsprechenden Konvergenzbegriffe sind nicht generell ver-
gleichbar. Für tL(X)
0 gibt es eine endliche Menge E c I und Elemente Aj E (j E E), so daß 111 - LjEE Ajej 11 < c. Nach dem Satz von der besten Approximation gilt daher für jede endliche Menge J mit E c J c I: TI{
11I -
L
(I, ej) ejll
::;
1II -
jEJ
b) =? c): Für jede endliche Menge E das Skalarprodukt
I (f,g)
~L
(f,ej) (ej,g) I =
cI
1/ f -
JEE
\
c) =? d): klar. d) =? a): Für jede endliche Menge E
11I -
L
L
Ajejll < c.
JEE
ist nach der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung für
L
(f,ej)ej,g)
JEE
cI
I::;
111 -
L
(/,ej)ejllllgll·
JEE
ist nach (2.1)
(I, ej) ejl12 == 11/11 2 -
JEE
L
I (I, ej) 12 .
JEE
b) =? f): klar. f) =? e): Ist (ej)jEI nicht maximal, so existiert ein
I
E
H,1I/11 == 1 mit (/,ej) == 0 für alle
j E I im Widerspruch zu f).
I
H, und es gilt (/,ej) == (g,ej) für alle I EH -:F g. Das widerspricht e), da sich (ej)jEI um 1II - gll-l(1 - g) erweitern läßt. 0
e) =? b): Für jedes
E
H ist g:== LjEI(/,ej)ej
E
j E I (Besselsche Ungleichung 2.17 und Korollar 2.18). Gilt b) nicht, so gibt es ein
mit
I
Ist nun (ej)jEI (1 C Z)14 ein Orthonormalsystem in L 2 (J-l) , so liefert Korollar 2.18 die Rieszsche Version 9 des Satzes von RIESZ-FISCHER: 2.20 Satz (F. RIESZ 1907). Ist (ej)jEI ein Orthonormalsystem in L 2 (J-l) und aj E TI{ (j E 1), so ist LjEI laj 2 < 00 die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß es ein f E L 2 (J-l) gibt mit (f, ej) == aj für alle j EI. 1
VI. Konvergenzbegriffe der Maß- und Integrationstheorie
238
Sind (H 1 , (., ·)1) und (H2 , \-, ·)2) zwei Hilbert-Räume, so heißt eine bijektive (u, v E H 1) lineare Abbildung
0, so daß 11 h - }Ib ~ 8 für alle fELl n L 2 . Zu h gibt es ein g E C~(IRm) mit Ilh - gl12 < 8/2. Offenbar ist aber gELl n L 2 (vgl. Aufgabe V.3.5, b)). Nach dem Fourierschen Umkehrsatz ist daher g == (g)V == (g)/\ E M: Widerspruch! D
2.34 Korollar. Für jedes
f
E L 2 und a
> 0, t
E lRm sind
sinnvoll, und es gilt:
lim a--+oo
Ilua - }112 == 0,
lim a--+oo
Ilva - fl12
== O.
Beweis. Wegen f . X[-a,a]rn E LI n L 2 ist U a == (f . X[-a,a]rn)/\ sinnvoll, und es gilt wegen der Isometrie der Fourier-Transformation:
Die zweite Aussage folgt ebenso.
D
8. Der Satz von FATOU über Potenzreihen. Der Satz von RIESZ-FISCHER ist die Grundlage für den folgenden Beweis eines berühmten Satzes von FATOU über Potenzreihen. 2.35 Satz von FATOU. Ist die Potenzreihe f(z) :== I:~=o anz n für Izi < 1 konvergent und beschränkt, so existiert der "radiale" Limes limr--+I-o f (reit) für AI-fast alle t E [0, 27r]. Beweis. Für 0 < r < 1 konvergiert die Potenzreihe auf dem Kreis vom Radius r gleichmäßig, also gilt:
Da dieser Ausdruck in Abhängigkeit von r beschränkt ist, konvergiert I:~=o an 2 . Nach dem Satz von RIESZ-FISCHER konvergiert daher die Reihe I:~=o ane int I
1
§ 2. Die Räume V und der Satz von
RIESZ-FISCHER
245
im quadratischen Mittel gegen eine Funktion g E L 2 ([0, 2nD, also konvergiert die Reihe auch im (ersten) Mittel gegen g (Satz 2.10). Nach einem berühmten Satz von LEBESGUE 20 über Fourier-Reihen ist daher die obige Reihe AI _ fast überall (C, l)-summierbar gegen g, d.h. die Folge der arithmetischen Mittel an :== (so+ ... +sn)/(n+1) der Teilsummen sn(t) :== I:~=o akeikt konvergiert AI _ fast überall gegen g. Aber jede (C, l)-summierbare Reihe ist Abel-summierbar mit gleichem Grenzwert,21 d.h. es gilt 00
lim '"""" anrneint == g(t) für Al-fast alle t E [0, 2n] .
r~l-O
L..J n=O
o 9. Historische Anmerkungen. Schon 1880 stößt A. HARNACK bei seinen Untersuchungen zur Theorie der Fourier-Reihen (Math. Ann. 17, 123-132 (1880)) auf den Begriff der Konvergenz im quadratischen Mittel. Er stellt fest, daß die Folge der Fourier-Koeffizienten einer (im Riemannschen Sinn uneigentlich) quadratisch integrierbaren Funktion im Raum l2 (Z) liegt, und er interpretiert diese Beobachtung dahingehend, daß die Folge der Teilsummen der betr. Fourier-Reihe eine Gauchy-Folge für die Konvergenz im quadratischen Mittel ist. Das führt ihn zu dem wichtigen Satz: Die Fourier-Reihe jeder quadratisch integrierbaren Funktion f konvergiert im quadratischen Mittel gegen f (vgl. Korollar 2.24). Damit gibt er dem Begriff der "Darstellung" einer Funktion durch ihre Fourier-Reihe eine völlig neue Bedeutung. Da der Raum der im Riemannschen Sinn uneigentlich quadratisch integrierbaren Funktionen aber unvollständig ist bez. der Konvergenz im quadratischen Mittel, können die Harnackschen Untersuchungen nicht zu so einem abschließenden Resultat wie Korollar 2.23 führen. Erst der Lebesguesche Integralbegriff ermöglicht hier eine befriedigende L 2 _Theorie der Fourier-Reihen. Es ist in der Geschichte der Mathematik öfter zu beobachten, daß wichtige Sachverhalte geradezu zwangsläufig von mehreren Autoren unabhängig entdeckt werden, wenn die Zeit dazu reif ist. Ein Beispiel dafür ist die fast gleichzeitige Entdeckung des Lebesgueschen Integralbegriffs durch LEBESGUE, VITALI und YOUNG zu Beginn des 20. Jh. Besonders frappant ist die Gleichzeitigkeit der Entdeckung des Satzes von RIESZ-FISCHER, denn beide Autoren veröffentlichen den Satz im gleichen Jahr im gleichen Band der gleichen Zeitschrift G.R. Aead. Sei., Paris 144 (1907), und zwar F. RIESZ auf S. 615-619, E. FISCHER auf S. 10221024. Ausgehend von der Integralgleichungstheorie gibt F. RIESZ dem Resultat die Form des Satzes 2.20 (für das Lebesgue-Maß), während E. FISCHER das Ergebnis in der eleganten Version des Satzes 2.5 (für das Lebesgue-Maß und p = 2) ausspricht. FISCHER zeigt auch, daß die Rieszsche Fassung des Satzes leicht aus seiner "Vollständigkeitsversion" folgt. Wenig später beweist F. RIESZ auch die Vollständigkeit der Räume LP(J-l) (s. [1], S. 405 und S. 460). Dagegen läßt Korollar 2.24 nur eine teilweise Ausdehnung auf die Räume LP([O, 1]) zu (s. F. HAUSDORFF: Eine Ausdehnung des Parsevalsehen Satzes über Fourierreihen, Math. Z. 16, 163-169 (1923)). Implizit wird mit dem Satz von RIESZ-FISCHER auch die Frage nach dem "richtigen" Integralbegriff beantwortet, denn der Lebesguesche Integralbegriff führt in natürlicher Weise zu den vollständigen Funktionenräumen L P(J-l), während die entsprechend mit dem Riemann-Integral definierten Räume unvollständig sind. Aus diesem Grunde haben die Arbeiten von RIESZ und FISCHER wesentlich den Weg zur allgemeinen Annahme des Lebesgueschen Integralbegriffs geebnet. - Einen kurzen Bericht aus berufener Feder über die Geschichte und die Bedeutung des Satzes von RIESZ-FISCHER findet man bei F. RIESZ [1], S. 327 f. 20LEBESGUE [8], S. 94 oder A. ZYGMUND: Trigonometrie series, 2nd ed., Vol. I, S. 90. Cambridge University Press 1959. 21 ZYGMUND, loe. cit., S. 80.
246
VI. Konvergenzbegriffe der Maß- und Integrationstheorie
Der oben angegebene klassische Beweis von Satz 2.5 geht zurück auf H. WEYL. 12 Insbesondere bemerkt WEYL, daß jede Cauchy-Folge in [,2 (fL) eine f. ü. konvergente Teilfolge hat. Dieses Resultat spricht er in einer verschärften Form aus, auf die wir noch in Korollar 4.8 zurückkommen. - Eine vertiefte Untersuchung der historischen Entwicklung findet man bei MEDVEDEV [1] und bei KAHANE und LEMARIE-RIEUSSET [1]. 10. Kurzbiographien von F. RIESZ und E. FISCHER. FRIEDRICH RIESZ (RIESZ FRIGYES) wurde am 22. Januar 1880 in Raab (damals Donaumonarchie Österreich-Ungarn, heute Györ, Ungarn) geboren. Nach dem Abitur nahm er 1897 ein Ingenieurstudium am Eidgenössischen Polytechnikum (der heutigen ETH) Zürich auf, wechselte aber bald über zum Studium der Mathematik, das er an den Universitäten Budapest und Göttingen fortsetzte und 1902 mit der Promotion in Budapest abschloß. Die auf Ungarisch verfaßte Dissertation über ein Thema aus der projektiven Geometrie fand kaum Beachtung. Nach der Promotion setzte RIESZ sein Studium in Paris und in Göttingen (WS 1903/04) fort, wo er Lehrveranstaltungen von HILBERT und MINKOWSKI besuchte und später enge Freundschaft mit E. SCHMIDT und H. WEYL schloß. Der lebendige Kontakt mit Göttingen und Paris, den damaligen Zentren der aufkommenden Funktionalanalysis, mit HILBERT und seinen Schülern und LEBESGUE, FRECHET und HADAMARD (1865-1963), war für die späteren wissenschaftlichen Erfolge von RIESZ von größter Bedeutung. - Nach Erlangung des Lehrerdiploms war RIESZ ab 1904 in Leutschau (ungar. Löcse, heute Levoca, Slowakei) und ab 1908 in Budapest als Oberschullehrer tätig. Während dieser Zeit gelangen ihm fundamentale Entdeckungen. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen wurde er im Jahre 1912 zum außerordentlichen, ab 1914 zum ordentlichen Professor an der Universität Klausenburg (jetzt Cluj-Napoca, Rumänien) ernannt. Nach 1918 setzte er seine Tätigkeit provisorisch in Budapest fort, bis 1920 die Universität Klausenburg nach Szeged (Ungarn) verlagert wurde. Unter schwierigen äußeren Bedingungen gelang es F. RIESZ gemeinsam mit A. HAAR (1885-1933) in Szeged ein mathematisches Zentrum von internationalem Rang zu schaffen mit einer angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift, den Acta Scientiarum Mathematicarum. Nach einer langen Spanne fruchtbarer Arbeit in Szeged (1920-1946) folgte RIESZ einem Ruf an die Universität Budapest, wo er die letzten 10 Jahre seines Lebens verbrachte und am 28.2.1956 starb. Zu den zahlreichen akademischen Ehrungen, die F. RIESZ zuteil wurden, zählt die Ehrendoktorwürde der Pariser Sorbonne. Die mathematischen Abhandlungen von F. RIESZ sind in den zwei umfangreichen Bänden seiner Gesammelten Arbeiten (Budapest 1960) bequem zugänglich. Seine Darstellung ist durchweg von mustergültiger Klarheit und von sicherem Blick für das Wesentliche geprägt. Seine Arbeitsgebiete umfassen Topologie, Theorie der reellen Funktionen, harmonische und subharmonische Funktionen, Funktionalanalysis, Ergodentheorie und Geometrie. Außer dem Satz von RIESZ-FISCHER sind mit seinem Namen zahlreiche Darstellungssätze von grundlegender Bedeutung verbunden. So bewies er 1909 den Darstellungssatz von RIESZ für stetige Linearformen auf C([a, b]) durch Stieltjessche Integrale. Von ihm stammt der Darstellungssatz für stetige Linearformen auf L 2 ([a, b]) oder einem Hilbert-Raum und der Satz von der Darstellung stetiger Linearformen auf LP durch Elemente von L q (1::; p < 00, 1/ p + 1/ q == 1). F. RIESZ führt 1922 den Begriff der subharmonischen Funktion ein, mit dessen Hilfe O. PERRON (1880-1975) im Jahre 1923 eine überraschend einfache Behandlung des Dirichletschen Problems gelingt, welche die Grundlage bildet für die Klassifikation der Riemannschen Flächen und den wohl einfachsten Beweis des Uniformisierungssatzes. Für subharmonische Funktionen beweist F. RIESZ einen Darstellungssatz, der besagt, daß sich jede solche Funktion lokal als logarithmisches Potential plus einer harmonischen Funktion schreiben läßt. Die Analysis verdankt F. RIESZ die Begriffe der starken und schwachen Konvergenz, der Konvergenz nach Maß und viele wichtige Konvergenzsätze (s. §§ 4,5). In der Funktionalanalysis liefert er wichtige Beiträge zur Theorie der Integralgleichungen und zur Spektraltheorie sowohl der kompakten als auch der beschränkten oder unbeschränkten linearen Operatoren (Spektralsatz für unbeschränkte selbstadjungierte Operatoren). Die Ler;ons d'analyse fonctionnelle (Budapest 1952) von F. RIESZ und B. SZÖKEFALVI-NAGY (1913-1998) sind eine klassische Darstellung des Gebiets von bleibendem Wert. - Von bleibendem Wert ist auch der unübertroffen kurze und elegante Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes von L. FEJER (1880-1959) und F.
§ 2. Die Räume LP und der Satz von
247
RIESZ-FISCHER
RIESZ (Acta Sci. Math. 1,241-242 (1922/23)), der in fast allen Lehrbüchern der Funktionentheorie zu finden ist. Gemeinsam mit seinem 6 Jahre jüngeren Bruder MARCEL (1886-1969, Professor an der Universität Lund) beweist F. RIESZ 1916 den merkwürdigen tiefliegenden Satz von F. und M. RIESZ: Ist J-L ein komplexes Maß auf [0, 2rr] mit
Jar
21r
so existiert ein I E
.cl ([0, 2rr])
e-intdJ-L(t) = 0 für alle ganzen n < 0, mit J-L
= 18,,\1.
ERNST FISCHER wurde am 12.7.1875 in Wien geboren, studierte 1894-99 Mathematik an den Universitäten Wien und Berlin und promovierte 1899 bei F. MERTENS (1840-1927) in Wien. Nach weiteren Studien bei H. MINKOWSKI in Zürich und Göttingen wurde FISCHER 1904 Privatdozent, 1910 außerordentlicher Professor an der technischen Hochschule Brünn (tschechisch Brno) und 1911 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen. Nach dem Kriegsdienst (1915-1918) folgte er 1920 einem Ruf an die 1919 wiedergegründete Universität zu Köln. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde ab 1937 die Entlassung des "Halbjuden" FISCHER betrieben. Der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln konnte bewirken, daß FISCHER im Unterschied zu vielen seiner Kollegen nicht sofort entlassen sondern "nur" vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde. FISCHER erhielt 1938 eine von HITLER ausgefertigte Urkunde, in der er von seinen amtlichen Pflichten entbunden und in der ihm "für seine akademische Wirksamkeit und die dem deutschen Volk geleisteten treuen Dienste" der Dank ausgesprochen wurde. 22 Noch 1941 erhielt er das Treuedienstabzeichen in Silber für seine Dienstzeit. Dennoch gelangte 1944 sein Name auf die Liste derer, gegen die noch in letzter Stunde die Verfolgung aufgenommen werden sollte. FISCHER konnte sich aber mit seiner Familie außerhalb Kölns für den Rest der Kriegszeit verstecken. Trotz seines vorgerückten Alters stellte er sich sofort nach Kriegsende der Universität zur Verfügung und nahm schon im WS 1945/46 seine Lehrtätigkeit an der zerstörten Alma mater wieder auf. Er hielt seine letzte Vorlesung ein Semester vor seinem Tode am 14.11.1954 in Köln. Zu den bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen FISCHERS zählen seine Einführung des Begriffs der Konvergenz im quadratischen Mittel, sein Beweis der Vollständigkeit von L 2 , die Minimax-Charakterisierung der Eigenwerte selbstadjungierter linearer Abbildungen (s. E. FISCHER: Über quadratische Formen mit reellen Koeffizienten, Monatsh. Math. Phys. 16, 234-249 (1905)) und seine Beiträge zur Algebra und Gruppentheorie. Schon früh erkannte er die Entwicklungsmöglichkeiten der modernen Algebra und übte als Hochschullehrer in seiner Erlanger Zeit auf EMMY NOETHER (1882-1935) prägenden Einfluß aus (s. A. DICK: Emmy
Noether, 1882-1935. Boston-Basel-Stuttgart: Birkhäuser 1981). Aufgaben. 2.1. Für jede Cauchy-Folge (In)n?-l in.c in IR;. beschränkt.
p
(0
< P :S
00)
ist die Folge
(1I/nllp)n?-l
2.2. LOO(J-L) ist eine Banach-Algebra. 2.3. Bezeichnet ji die Vervollständigung von J-L, so sind für 0 LP(ji) (norm-)isomorph.
< p :S
00
die Räume LP(J-L) und
2.4. Es seien 0 < p,p' :S 00 und In E .cP(J-L) n .c p' (J-L) (n ~ 1). a) Konvergiert (In)n?-l in .cP(J-L) gegen I E .cP(J-L) und in .c p' (J-L) gegen g E .c p' (J-L), so ist I = 9 J-L-f.ü. 22Zitat nach F. GOLCZEWSKI: Kölner Universitätslehrer und der Nationalsozialismus, Köln-Wien: Böhlau Verlag 1988, S. 130-131.
248
VI. Konvergenzbegriffe der Maß- und Integrationstheorie l
b) Konvergiert (!n)n?l in ['P(J-t), so braucht (In)n?l in [,p (J-t) nicht zu konvergieren. 2.5. Folgende Bedingungen a)-c) sind äquivalent: a) Es gibt 0 < P < p' < 00, so daß LP(J-t) C LP' (J-t).
b) inf{J-t(A) : A E 2t,J-t(A) > O} > O. c) Für alle 0 < P < p' < 00 gilt LP(J-t)
C
LP' (J-t).
(Hinweise: a) =} b): Nach dem Satz vom abgeschlossenen Graphen ist die Inklusionsabbildung LP(J-t) -+ LP' (J-t) stetig. b) =} c): Für I E LP(J-t) gilt J-t({1/1 > n}) -+ 0, also ist I f.ü. beschränkt. ) 2.6. Folgende Bedingungen sind äquivalent: a) Es gibt 0 < P < p' < 00, so daß LP(J-t) => LP' (J-t). b) sup{J-t(A) : A E 2t, J-t(A) < oo} < 00. c) Für alle 0 < P < p' < 00 gilt LP(J-t) => LP' (J-t).
2.7. Es seien 1 :::; p, q :::; 00, l/p + l/q == 1, und die Folge der Funktionen In E ['P konvergiere im p-ten Mittel gegen I E ['P, gn E [,q konvergiere im q-ten Mittel gegen 9 E [,q. Dann konvergiert (Ingn)n?l im Mittel gegen fg E [,1. 2.8. a) Ein halbmetrischer Raum (R, d) ist nicht separabel genau dann, wenn eine überabzählbare Menge A C R und ein E > 0 existieren, so daß d(x, y) ~ E für alle x, y E A, x =I y. (Hinweis: Nach dem Zornschen Lemma hat das System 2t n aller Teilmengen B C R mit d(x, y) ~ l/n für alle x, y E B, x =I y ein maximales Element An· Betrachten Sie U~=l An') b) Für a, b E ffi.m, a < b ist der Raum L OO (ß[::,b]) nicht separabel. 2.9. Ist I Lebesgue-integrierbar über [a, b] C ffi., so existiert zu jedem E > 0 ein 8 > 0, so daß für jede Zerlegung a == Xo < Xl < ... < Xn == b von [a, b] mit maxi Xk - Xk-1 : k == 1, ... , n} < 8 gilt:
t
I
If(t)1 dt -
a
t Il k=l
x •
f(t) dtll < E.
Xk-l
2.10. Ist J-t nicht o--endlich, so braucht L~(J-t) nicht ordnungsvollständig zu sein. 2.11. Eine Menge M C L~ heißt nach oben gerichtet, wenn zu allen u,v E Mein wEM existiert mit w ~ u, w ~ v. - Es seien 0 < P < 00 und M C L~ eine nicht-leere nach oben gerichtete Menge nicht-negativer Elemente. Zeigen Sie: M ist nach oben beschränkt genau dann, wenn sup{llullp : u E M} < 00, und dann gilt 11 supMllp == sup{llull p : u E M}. 2.12. Es seien (X, 2t, J-t) und (Y,~, v) o--endliche Maßräume. Für I E L 2 (J-t) und 9 E L 2 (v) definiert I®g(x,y):== I(x)g(y) (x E X,y E Y) ein Element I®g E L 2 (J-t®v). Sind (ej)jEJ und (lk)kEK Orthonormalsysteme in L 2 (J-t) bzw. L 2 (v), so ist (ej ® Ik)(j,k)EJxK ein Orthonormalsystem, und sind (ej)jEJ und (lk)kEK vollständig, so auch (ej ® Ik)(j,k)EJxK' 2.13. Die Funktion I E [,2([0,1]) sei stetig im Intervall J C [0,1], und die Folge der Teilsummen Sn :== Llkl:::;n j(k)ek (n E N) der Fourier-Reihe von I konvergiere auf J gleichmäßig. Dann ist I(t) == lim n -+ oo sn(t) für alle t E J. 2.14. Ist F : ffi.m -+ C in allen Koordinaten periodisch mod 1 und über [O,l]m Lebesgueintegrierbar, so heißt
F(l):==
r
F(x)e- 27ri (l,x) dx
(1 E zm)
1[0,1]rn
der I-te Fourier-Koeffizient von odisch mod 1, so gilt:
I.
F(x) ==
Zeigen Sie: Ist F E C 2m (ffi.m ) in allen Koordinaten peri-
L lEZ rn
wobei die Reihe absolut konvergiert.
F(1)e 27ri (l,x)
(x E ffi.m),
§ 2. Die Räume LP und der Satz von 2.15. Für
I
249
RIESZ-FISCHER
E S(JRm) (s. Aufgabe V.3.5) sei
F(x) ==
L
I(x
+ k)
(x
E
zm) .
kEZ m
Dann ist F E Coo (JRm) in allen Koordinaten periodisch mod 1, und es ist F(l) == j(1) (1 E zm), wobei (abweichend von der früheren Normierung)
j(x):== (
JRm
die Fourier-Transformierte von
L
I
I(x
l(y)e- 21ri (X,y) dy
bezeichnet. Aufgabe 2.14 liefert:
+ k)
==
kEZ m
L
j(1)e 21ri (1,x)
(x
E
JRm);
lEZ m
insbesondere gilt die Poissonsche Summenformel
L
I(k) ==
kEZ m
L
j(1).
lEZ m
Wendet man die Poissonsche Summenformel an auf IN(X) :== I(Nx) (N E N) anstelle von I, so konvergiert die linke Seite für N -+ 00 gegen 1(0), während die rechte gegen (j)V (0) konvergiert , wobei j (x) == j (- x ). Hieraus folgt der Fouriersche Umkehrsatz I == (j) v. (Dieser kurze Beweis des Fouriersehen Umkehrsatzes für schnell fallende Funktionen stammt von A. ROBERT: A short proof of the Fourier inversion formula, Proc. Am. Math. Soc. 59,287-288 (1976).)
2.16. Es seien G c ce offen und 0 < P < 00. a) Ist I : G -+ ce holomorph und a E G, r > 0, Kr(a)
c
G, so gilt:
(Hinweise: Die Behauptung folgt aus der Ungleichung
Für p 2:: 1 folgt (*) aus der Cauchyschen Integralformel zusammen mit Satz 2.10. Schwieriger ist der Fall 0 < P < 00: Offenbar genügt der Beweis von (*) für a == 0, p == 1. Ist I nullstellenfrei in K 1 (0), so gibt es eine in K 1 (0) holomorphe Fixierung von IP, und die Cauchysche Integralformel liefert (*). Eventuell vorhandene Nullstellen von I lassen sich mit Hilfe geeigneter Automorphismen z H (z - a)/(l - az) (lai< 1, a fest) der Einheitskreisscheibe abspalten. ) b) Die Menge HP der holomorphen Funktionen I : G -+ ce mit
IIfll p
:= ( [
Ifl P dß2) l/p < 00
ist für p 2 1 ein Banach-Raum mit der Norm
11 . IIp
und für 0
0 gilt:
b) Ist limn-too J.L (U~=l {Ifn+k - fn I 2: E}) == 0 für alle E > 0, so ist (fn)n?) eine Cauchy-Folge für die Konvergenz J.L-f.ü. c) Sind (fn)n?) eine Cauchy-Folge für die Konvergenz J.L-f.ü. und A E 2t, J.L(A) < 00, so gilt für alle E > 0:
Speziell gilt für J.L(X) < genau dann, wenn
00:
(fn)n?) ist Cauchy-Folge für die Konvergenz J.L-f.ü.
2. Fast gleichmäßige Konvergenz. Eine Folge von Funktionen fn : X ~ lK heißt fast gleichmäßig konvergent, wenn zu jedem 8 > 0 ein A E 2t mit J.L(A) < 8 existiert, so daß die Folge (fn I AC)n21 gleichmäßig konvergiert. Fast gleichmäßige Konvergenz bedeutet also gleichmäßige Konvergenz im Komplement geeigneter Mengen beliebig kleinen (i.a. positiven) Maßes. Um Verwechselungen mit der J.L-f.ü. gleichmäßigen Konvergenz zu vermeiden, werden wir anstelle von J.L-f.ü. gleichmäßiger Konvergenz im folgenden bevorzugt von Konvergenz in LOO(J.L) sprechen. 3.4 Lemma. Konvergiert die Folge der meßbaren Funktionen fn : X ~ IK fast gleichmäßig, so gibt es eine meßbare Funktion f : X ~ IK, so daß fn ~ f J.L-f.ü.
Beweis. Zu 8 == l/k (k E N) existiert eine Menge A k E 2t mit J.L(A k ) < l/k, so daß (fn I AAJn21 gleichmäßig konvergiert. Die Menge A :== n%:l A k E 2t ist eine J.L-Nullmenge, und für alle x E Ac konvergiert (fn(x))n21 gegen die meßbare Funktion f(x) :== limn-too fn(X)XAc(X) (x EX). 0
252
VI. Konvergenzbegriffe der Maß- und Integrationstheorie
Fast gleichmäßige Konvergenz einer Folge meßbarer Funktionen impliziert also die Konvergenz j.L-f.ü. Der folgende Satz von DMITRI F JODOROWITSCH JEGOROW (1869-1931 )24 liefert für j.L(X) < CX) die umgekehrte Implikation. 3.5 Satz von Jegorow (1911). Ist j.L(X) < CX) und konvergiert die Folge der meßbaren Funktionen fn : X ---+ JK j.L-fast überall gegen die meßbare Funktion f : X ---+ JK, so konvergiert (fn)n?) fast gleichmäßig gegen f·
Beweis. Nach Satz 3.1, c) gilt für alle
E
> 0:
Ist nun 8 > 0 fest gewählt, so existiert zu jedem k E Nein nk E N, so daß für
gilt: j.L(B k ) < 8 . 2- k . Die Menge A :== U~=l Bk ist meßbar mit j.L(A) < 8, und für alle x E AC, k 2: 1 gilt x tf- Bk, also
Ifj(x) - f(x)1 S
1
k
für allej 2: nk·
Daher konvergiert (fn I AC)n2: 1 gleichmäßig gegen f I AC.
o
Bemerkung. Der Satz von JEGOROW gilt entsprechend', falls f und die fn Werte in einem metrischen Raum haben (vgl. Aufgabe 4.5). 3.6 Beispiel. Für den Maßraum ([0, 1[, ~~,l['ß[O,l[) konvergiert die Folge der Funktionen fn(x) :== x n (x E [0,1[) zwar punktweise gegen 0, aber nicht gleichmäßig. Für jedes 0 < 8 < 1 ist aber die Konvergenz auf [0,1-8] gleichmäßig, d.h. (fn)n>l konvergiert fast gleichmäßig gegen 0 (in Übereinstimmung mit dem Satz von JEGOROW). 3. Kurzbiographie von D.F. JEGOROW. DMITRI FJODOROWITSCH JEGOROW wurde am 22.12.1869 in Moskau geboren. Nach dem Schulabschluß (1887) studierte er an der Universität Moskau mit glänzendem Erfolg Mathematik und erhielt auf Grund seines hervorragenden Abschlußzeugnisses (1891) ein staatliches Stipendium zur Vorbereitung auf eine Laufbahn als Hochschullehrer. Der Ernennung zum Privatdozenten (1894) und der Verteidigung der Dissertation (1901) folgte auf Vorschlag der Universität Moskau ein dreisemestriger Studienaufenthalt in Berlin, Paris und Göttingen (1902-1903); anschließend wurde JEGOROW zum Professor am Institut für reine Mathematik der Universität Moskau ernannt. Als Prorektor der Universität, Direktor des Forschungsinstituts für Mathematik und Mechanik (1921-1930), Präsident der Moskauer Mathematischen Gesellschaft (1923-1930) und korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR war JEGOROW eine der führenden Persönlichkeiten im mathematischen Leben Moskaus. Gemeinsam mit seinem Schüler N.N. 24Betonung der Vornamen auf der ersten Silbe, beim Nachnamen auf der zweiten (mit offenem ,,0"). Der Name JEGOROW wird oft in der engl. Transskription "EGOROV" oder in der frz. "EGOROFF" angegeben.
253
§ 4. Konvergenz nach Maß
LUSIN (1883-1950), der als begeisternder akademischer Lehrer eine große Anziehungskraft auf hochbegabte Studenten ausübte, war er der Begründer der berühmten Moskauer Schule der Theorie der reellen Funktionen, aus der zahlreiche der angesehensten Mathematiker der Sowjetunion hervorgingen. JEGOROW war in den klassischen akademischen Traditionen fest verankert. Nach der Revolution gelang es ihm auf Grund seines hohen Ansehens einige Zeit, "seine" Schule vor unqualifizierter politischer Einflußnahme zu schützen. Zur Zeit der stalinistischen Säuberungen nahm der politische Druck auf JEGOROW in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre deutlich zu. Die widerliche Kampagne kulminierte in dem öffentlichen Vorwurf der "Sabotage" in der Zeitschrift Bolschewik (No. 2 (1931)). Wenig später wurde JEGOROW unter dem Vorwurf der "Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären Organisation" verhaftet; er starb am 10.9.1931 nach einem Hungerstreik in der Verbannung in Kasan. Während seines Studienaufenthalts in Paris hörte JEGOROW die berühmte Vorlesung von LEBESGUE über Integrationstheorie, und er war einer der ersten, die die Bedeutung des Lebesgue-Integrals für die Analysis erkannten. Beeinflußt durch H. WEYL 12 , der den Begriff der fast gleichmäßigen Konvergenz unter dem Namen wesentlich-gleichmäßige Konvergenz eingeführt hatte, bewies JEGOROW dann 1911 den mit seinem Namen verbundenen Satz. Das war der Beginn der "Moskauer Schule". Zur Historie des Satzes von JEGOROW bemerkt L. TONELLI (Opere I, S. 421), daß das Resultat im wesentlichen bereits 1910 von C. SEVERINI bewiesen wurde. - Die wichtigsten weiteren mathematischen Arbeitsgebiete von JEGOROW waren Differentialgeometrie, Variationsrechnung, Theorie der Integralgleichungen und Zahlentheorie. Aufgaben. 3.1. a) Es seien j.1 a-endlich, I, In : X ~ IK meßbar, und es gelte In ~ I j.1-f.ü. Dann gibt es Mengen A k E 2l (k E N) mit j.1(X \ U~l A k ) == 0, so daß für jedes k E N die Folge (InIAk)n>l gleichmäßig konvergiert (N. LUSIN). b) Aussage a) ;ird ohne die Voraussetzung der a-Endlichkeit von j.1 falsch. 3.2. Definieren Sie den Begriff einer Cauchy-Folge für die fast gleichmäßige Konvergenz und zeigen Sie, daß jede solche Folge fast gleichmäßig konvergiert. 3.3. Sind I, g, In E .cl und gilt In ~ I j.1-f.ü., Ilnl ::; g j.1-f.Ü., so konvergiert (In)n>l fast gleichmäßig gegen I. 3.4. Es seien j.1(X) < 00 und I, In : X ~ IK meßbar. Die Folge (In)n>l konvergiert fast gleichmäßig gegen I genau dann, wenn für jedes c > 0 gilt:
lim j.1 ( n-+oo 3.5. Es seien j.1(X)
< 00 und In : X
Ü{I!k - f I 2: d) == 0 .
k=n
~
IK meßbar. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
a) Es gibt eine f.ü. gegen Null konvergente Teilfolge (Ink)k?l von (In)n?l' b) Es gibt reelle an ~ 0 (n ~ 1) mit lim an n-+oo konvergiert.
§ 4.
> 0, so daß die Reihe 2: n=1 anln f.ü. absolut 00
Konvergenz nach Maß «Soient
11 (x), 12 (x), ... ,/(x)
des fonctions mesurables, definies sur l'ensemble
E; c etant une quantite positive quelconque, nous designons par m(n, c) la me-
sure d'ensemble [1/(x) - In(x)1 > c]; alors nous dirons que la suite [In(x)] tend en mesure vers la fonction I (x), si, quelque petite que soit la quantite c, on a lim n -+ oo m(n, c) == 0.»25 (F. RIESZ [1], S. 396)
VI. Konvergenzbegriffe der Maß- und Integrationstheorie
254
1. Konvergenz nach Maß und lokal nach Maß. Mit F. RIESZ ([1], S. 396) führen wir den Begriff der Konvergenz nach Maß wie folgt ein. 4.1 Definition. Die Funktionen I, In : X ----t lK (n E N) seien meßbar. Man sagt, die Folge (In)n?l konvergiert nach Maß gegen f, falls für jedes c > 0 gilt: lim JL ({ 11n
n---+oo
-
I I 2:
c}) == 0 ;
Schreibweise: In ----t f n.M. Ferner sagt man, die Folge (In)n?l konvergiert lokal nach Maß gegen I, falls für jedes c > 0 und alle A E 2( mit JL(A) < (X) gilt: lim JL ({ If n
n---+oo
Schreibweise: In
----t
-
11 2: c} n A)
== 0 ;
I lokal n.M.
Ist z.B. (X, 2(, JL) == (IR, ~1, ßl), so konvergiert die Folge der Funktionen In :== X]n,n+l[ lokal n.M. gegen 0, aber nicht n.M. gegen O. 4.2 Folgerungen. Die Funktionen I, In, g, gn : X ----t lK (n E N) seien meßbar. a) Konvergiert (In)n?l nach Maß gegen I und nach Maß gegen g, so ist I == 9 JLf.ü. Konvergiert (In)n?l lokal nach Maß gegen I und lokal nach Maß gegen g, so ist I == 9 lokal JL-f.ü., d.h. für alle A E 2( mit JL(A) < (X) gilt f· XA == g. XA JL-f.ü. b) Aus In ----t I n.M. und gn ----t g n.M. folgt In + gn ----t I + g n.M. und ain ----t al n.M. (0: E lK). Entsprechendes gilt für die Konvergenz lokal n.M.
Beweis. a) Für alle k E N gilt
Da hier die rechte Seite für n ----t (X) gegen 0 konvergiert, ist {lI - gl 2: l/k} eine Nullmenge, also ist auch {I =I- g} == U~l{II - gl 2: l/k} eine Nullmenge. b) klar wegen {1(In + gn) - (I + g)1 2: c} C {iln - 11 2: c/2} U {Ign - gl 2: c/2}.
o 4.3 Satz (F. RIESZ 1910).26 Es gelte 0 < P S (n ----t (0). Dann konvergiert In ----t I n.M.
00,
I, In E LP und
IIIn -
Illp
----t
o
Beweis. Der Fall p == (X) ist klar, denn Konvergenz in L oo bedeutet gleichmäßige Konvergenz im Komplement einer Nullmenge. Für 0 < p < (X) folgt die Behauptung aus
J-l( {[in - i[ ;::: c}) ::;
Ix
[Un - J)/c[P dJ-l = c-PI[in -
ill~ -+ o.
0
25 Es seien 11 (x), 12 (x), ... , I (x) auf der Menge E definierte meßbare Funktionen. Ist c irgendeine positive Zahl, so bezeichnen wir mit m(n, c) das Maß der Menge {li - Inl > c}. Dann sagen wir, daß die Folge (In)n>l nach Maß gegen die Funktion I konvergiert, wenn für jedes c > 0 gilt lim n --+ oo m(n, c) == 0.26F. RIESZ [1], S. 396.
255
§ 4. Konvergenz nach Maß
4.4 Satz. Sind i, in : X -+ ]I{ meßbar und konvergiert (in)n?) fast gleichmäßig gegen i, so gilt in -+ i n.M.
Beweis. Zu jedem 8 > 0 existiert ein A E Q( mit {l(A) < 6, so daß (in I AC)n>1 gleichmäßig gegen i I AC konvergiert. Daher existiert zu jedem c > 0 ein no (c) E N, so daß {Iin - il ~ c} c A für alle n ~ no(c). 0 4.5 Satz (H. LEBESGUE).27 Sind i, in : X -+ ]I{ meßbare Funktionen mit in -+ i {l-f.ü., so gilt in -+ i lokal n.M. Ist insbesondere {l(X) < 00, so gilt in -+ i n.M.
Beweis: klar nach Satz 4.4 und dem Satz von bequem mit Satz 3.1, c) schließen.)
JEGOROW.
(Man kann auch 0
Umgekehrt braucht eine n.M. konvergente Folge nicht punktweise f.ü. oder gar fast gleichmäßig zu konvergieren: Die Folge in Beispiel 2.8 konvergiert in J:P, also nach Satz 4.3 auch n.M., aber sie konvergiert nicht punktweise. Wir werden aber zeigen, daß jede n.M. konvergente Folge eine f.ü. konvergente (sogar eine fast gleichmäßig konvergente) Teilfolge besitzt. Der Beweis läßt sich bequem im Rahmen einer Diskussion von Cauchy-Folgen für die Konvergenz n.M. erbringen. 2. Cauchy-Folgen für die Konvergenz nach Maß. Eine Folge meßbarer Funktionen in : X -+ ]I{ heißt eine Cauchy-Folge für die Konvergenz n.M., falls zu jedem c > 0 ein no (c) E N existiert, so daß für alle m, n E no (c) gilt
Offenbar ist jede Cauchy-Folge in J:P eine Cauchy-Folge für die Konvergenz n.M. (s. Beweis von Satz 4.3). Wegen
{Iim - inl ~ c}
C
{Iim - il ~ c/2} u {li - inl ~ c/2}
ist jede nach Maß konvergente Folge eine Cauchy-Folge für die Konvergenz n.M. Die Umkehrung dieser Aussage liefert Korollar 4.10. 4.6 Satz. Bilden die meßbaren Funktionen in : X -+ ]I{ eine Cauchy-Folge für die Konvergenz n.M., so gibt es eine Teilfolge (ink)k'21' die fast gleichmäßig gegen eine meßbare Funktion i : X -+ ]I{ konvergiert.
Beweis. Zu jedem k E N gibt es ein nk E N, so daß nk < nk+l (k {l( {Iim - inl ~ 2- k })
:s;
~
1) und
2- k für alle m, n ~ nk .
Es seien A k :== {Iink+l - ink 1~ 2- k }, B[ :== U~[ A k und 6 > O. Dann gibt es ein m E N mit {l(B m ) < 6, und für alle x E B~ und 1 > k > m gilt [-1
linz(X) - ink(X)1
:s;
L
linj+l(X) - inj(x)l:S; 21- k
j=k
27Nach F.
RIESZ
[1]' S. 396 stammt dieser Satz von H.
LEBESGUE.
:s;
2- m .
VI. Konvergenzbegriffe der Maß- und Integrationstheorie
256
Daher konvergiert (!nk I B~)k?) gleichmäßig, und es folgt die Behauptung.
D
4.7 Satz. Konvergieren die meßbaren Funktionen !n : X ---+ JK n.M. gegen die meßbare Funktion! : X ---+ JK, so gibt es eine Teilfolge (!nk)k?l, die fast gleichmäßig gegen! konvergiert. Beweis. Nach Satz 4.6 konvergiert eine geeignete Teilfolge (!nk )k?l fast gleichmäßig gegen eine meßbare Funktion 9 : X ---+ JK. Da (!nk)k?l auch n.M. gegen 9 konvergiert (Satz 4.4), ist 9 == ! f.ü. D
4.8 Korollar (H. WEYL 1909).12 Es sei 0 < p < 00. a) Zu jeder Cauchy-Folge (!n)n?l in L P gibt es eine Teilfolge (!nk)k?l und ein ! E L P , so daß (!nk )k>l fast gleichmäßig gegen! konvergiert. b) Konvergiert (!n)n?~ in L P gegen! E L P , so gibt es eine Teilfolge (!nk)k?l, die fast gleichmäßig gegen! konvergiert. Beweis. a) (!n)n?l konvergiert nach dem Satz von RIESZ-FISCHER gegen ein E L P , und die Sätze 4.3,4.7 liefern a). Zugleich wird Aussage b) klar. D
f
4.9 Korollar (F. RIESZ 1910).25 a) Bilden die meßbaren Funktionen!n : X ---+ JK eine Cauchy-Folge für die Konvergenz n.M., so gibt es eine Teilfolge (!nk)k?l, die J-l-f.ü. gegen eine meßbare Funktion! : X ---+ JK konvergiert. b) Konvergieren die meßbaren Funktionen !n : X ---+ JK n.M. gegen die meßbare Funktion! : X ---+ JK, so gibt es eine Teilfolge (!nk)k?l, die J-l-f.ü. gegen! konvergiert. Beweis: klar nach Satz 4.6, 4.7.
D
4.10 Korollar (F. RIESZ 1910).28 Die meßbaren Funktionen fn : X ---+ JK bilden eine Cauchy-Folge für die Konvergenz nach Maß genau dann, wenn es eine meßbare Funktion! : X ---+ JK gibt mit ! n ---+ ! n. M. Beweis. Wir haben bereits bemerkt, daß jede n.M. konvergente Folge eine Cauchy-Folge für die Konvergenz nach Maß ist. - Ist umgekehrt (!n)n?l eine Cauchy-Folge für die Konvergenz n.M., so existiert eine Teilfolge (fnk)k?l, die fast gleichmäßig gegen eine meßbare Funktion! : X ---+ JK konvergiert (Satz 4.6). Nach Satz 4.4 konvergiert (!nk)k?l auch n.M. gegen !. Wegen
konvergiert daher auch (!n)n?l n.M. gegen!.
D
3. Vergleich der Konvergenzbegriffe. Wir sammeln die wesentlichen Beziehungen zwischen dem Konvergenzbegriffen in einem Schema. Dabei gelten die Implikationen ,,===}" unter der Zusatzvoraussetzung J-l(X) < 00. 28F. RIESZ
[1], S. 397.
§ 4. Konvergenz nach Maß Gleichmäßige Konvergenz
===}
257
f.ü. gleichmäßige Konvergenz (== Konvergenz in L OO )
===}
fast gleichmäßige
===}
4.4
Konvergenz in L P
Konvergenz n.M.
Konvergenz
nn Punktweise Konvergenz
===}
nn
3.5
Konvergenz J-l-f.ü.
~
Konvergenz lokal n.M.
Besonders interessant sind hier noch Zusatzbedingungen, die zusammen mit der Konvergenz J-l-f.ü. oder der Konvergenz (lokal) n.M. die Konvergenz in L P implizieren. Zum Beispiel liefert der Satz von der majorisierten Konvergenz sofort: Ist 0 < p < 00, konvergieren die Funktionen In E L P J-l-f.ü. gegen die meßbare Funktion I : X -t JK, und gibt es ein g E L P mit I/nl 9 J-l-f.ü., so gilt I E L P und Illn - Illp -t O. Weitere Aussagen dieses Typs werden wir in § 5 kennenlernen.
s
Die folgenden Beispiele ergänzen die Aussagen des Schemas.
4.11 Beispiele. a) Ist 0 < p < 00, J-l(X) < 00, In E L P und gilt In -t 0 J-lI.ü., so braucht (In)n>l nicht in L P zu konvergieren: Wählt man (X, 2l, J-l) == 2 ([0, 1]' ~[Ü,lJ' ß~,lJ)' In ~== n /P XJÜ,1/nJ, so gilt: In -t 0, In E L P , aber Illnll~ == n, d.h. (In)n>l ist nicht einmal beschränkt in L P • b) Ist 0 p < 00, In E L P und konvergiert (In)n?.1 gleichmäßig gegen 0, so braucht (In)n>l nicht in L P zu konvergieren, lalls J-l(X) == 00. Als Beispiel wählen wir (X,2l,J-l) == (JR,~l,ßl) und In :== n- 1X[Ü,2 n J. Dann konvergiert (In)n?.1 gleichmäßig gegen 0, aber wegen Illnll~ == n-P 2n ist (In)n?.1 nicht einmal beschränkt in L P • c) Eine n.M. konvergente Folge braucht nicht f. ü. zu konvergieren: s. Beispiel 2.8. d) Ist J-l(X) == 00 und konvergiert (In)n?.1 punktweise überall und nach Maß und in jedem L P (0 < p < (0) gegen 0, so braucht (In)n>l nicht fast gleichmäßig gegen 0 zu konvergieren: Wählt man (X, 2l, J-l) == (JR, ful, ßl) und In :== X[n,n+l/n], so gilt In -t 0, In -t 0 n.M., Illnllp -t 0, aber für jedes n E N und 0 < E < 1 ist
.
O. Es gibt eine Teilfolge gk :== fnk (k 2: 1), so daß j1 ({ gk - f 2: E}) ---t lim j1 ({ f n - f 2: E}) . I
1
1
1
k---+oon---+oo
Nach Voraussetzung hat (gk)k21 eine Teilfolge (gkJl21, die fast gleichmäßig gegen f konvergiert. Nach Satz 4.4 konvergiert j1( {Igk l - fl 2: E}) für l ---+ 00 gegen 0, also ist lim j1 ({ f n - f ~ E}) == O. 0 1
I
n---+oo
4.13 Korollar. Sind f, fn : X ---+ JK meßbar, so gilt: Konvergiert (fn)n21 n.M. gegen f, so hat jede Teilfolge von (fn)n21 eine j1-f.ü. gegen f konvergente Teilfolge. Für j1(X) < 00 gilt auch die umgekehrte Implikation.
Beweis: klar nach Satz 4.12 und dem Satz von
o
JEGOROW.
4.14 Satz. Sind j1 a-endlich und f, fn : X ---+ JK meßbar, so gilt: Konvergiert fn ---+ f lokal n.M., so hat (fn)n2 1 eine f.ü. gegen f konvergente Teilfolge.
Beweis. Es gelte fn ---+ f lokal n.M. Wir wählen A k E Ql mit A k t X, j1(A k ) < (k E N). Nach Korollar 4.13 existiert eine Teilfolge (fln)n2 1, so daß (fln I A 1)n2 1 f.ü. gegen f I Al konvergiert. Ebenso hat (fln)n21 eine Teilfolge (f2n)n21, so daß (f2n I A 2)n>1 f.ü. gegen f I A 2 konvergiert usw. Die Diagonalfolge (fnn)n>l aller dieser Folgen (fkn)n21 (k E N) konvergiert f.ü. gegen f. 0 00
4.15 Korollar. Sind j1 a-endlich und f, fn : X ---+ JK meßbar, so gilt: (fn)n21 konvergiert lokal n.M. gegen f genau dann, wenn jede Teilfolge von (fn)n?l eine f. ü. gegen f konvergente Teilfolge hat.
Beweis. Die Notwendigkeit der Teilfolgenbedingung ist klar nach Satz 4.14. Die 0 Umkehrung folgt aus Satz 4.12 und dem Satz von JEGOROW.
Aufgaben. 4.1. Sind In, I : X -+ 1K meßbar, konvergiert (/n)n>l nach Maß gegen ist (In)n?l eine Cauchy-Folge für die fast gleichmäßige Konvergenz, so gilt In -+ gleichmäßig.
4.2. Sind J-L lT-endlich, In, n.M., so ist I == 9 J-L-f.ü.
I, 9
: X -+
TI(
meßbar und gilt
In -+ I
lokal n.M.,
In -+
I I
und fast
9 lokal
4.3. Konvergiert die Folge der meßbaren Funktionen In: X -+ 1K lokal n.M. gegen die meßbare Funktion I : X -+ TI( und ist cp : 1K -+ TI( stetig, so konvergiert (CPOln)n?l lokal n.M. gegen cp 01. Die entsprechende Aussage für die Konvergenz n.M. ist falsch. 4.4. Es sei M der Vektorraum der meßbaren Funktionen
I : X -+
IK.
§ 5. Konvergenz in a) Ist p(X)
0, so daß Iv(A) I ::; a für alle A E 2l. b) Erfüllt r.p : 2l --+ IR die Bedingungen aus Definition 1.1, wobei (iii) abgeschwächt wird zur endlichen Additivität (r.p(A U B) == r.p(A) + r.p(B) für alle disjunkten A, B E 2l), so heißt r.p ein signierter Inhalt auf 2l; dabei braucht 2l nur ein Ring über X zu sein. Ist r.p(2l) C IR:., so heißt r.p endlich. Zeigen Sie: Ein endlicher signierter Inhalt braucht nicht beschränkt zu sein. Ein endlicher (J"-additiver signierter Inhalt braucht keine Fortsetzung zu einem signierten Maß zu haben. (Hinweis: Es seien 2l die von den einelementigen Teilmengen einer überabzählbaren Menge X erzeugte Algebra und r.p(A) :== lAI, falls A endlich ist, und r.p(A) :== -IAcI, falls Ac endlich ist.) 1.6. Es sei r.p : 2l --+ IR ein signierter Inhalt auf der Algebra 2l über X. a) Ist r.p nach oben oder unten beschränkt, so sind r.p+, r.p- : 2l -+ IR,
.-
sup{r.p(B): B C A, B E 2l}, -inf{r.p(B): Be A,B E 2l}
zwei Inhalte, von denen mindestens einer endlich (und damit beschränkt) ist, und es gilt r.p == r.p+ - r.p-. Diese Zerlegung ist minimal in folgendem Sinne: Sind p, (J" : 2l -+ IR zwei Inhalte, von denen einer endlich ist, und gilt r.p == P - (J", so ist r.p+ ::; p, r.p- ::; (J". b) Ist r.p (J"-additiv und nach oben oder unten beschränkt, so sind r.p+ und r.p- Prämaße. c) r.p gestattet genau dann eine Fortsetzung zu einem signierten Maß auf (J"(2l), wenn r.p (J"additiv und nach oben oder unten beschränkt ist. 1.7. Eine Abbildung v : 2l -+ C heißt ein komplexes Maß, wenn für jede Folge disjunkter Mengen An E 2l (n 2: 1) gilt: v (U~=l An) == L~=l v(A n ). - Es sei v ein komplexes Maß.
278
VII. Absolute Stetigkeit
Die Variation
Iv I von v wird definiert durch
Id(A) := sup
{~IV(Aj)1 : An
E 2l disjunkt
(j 2: l),A =
g
Aj } .
Eine Menge A E 2l heißt eine v-Nullmenge, falls v(B) = 0 für alle B E 2l, B C A. a) v ist genau dann ein komplexes Maß, wenn Rev, Im v endliche signierte Maße sind. b) Aufgabe 1.1 gilt sinngemäß für komplexe Maße. c) ist das kleinste positive Maß J-L auf 2l, so daß Iv(A)1 S; J-L(A) für alle A E 2l.
lvi
lvi (X)
(v E
ein komplexes Maß; v heißt das komplexe Maß mit der Dichte 1 bez. v; Schreibweise: v = Zeigen Sie: = 1118 /-l.
18/-l.
d) Der Vektorraum Mc(2l) der komplexen Maße auf2l ist bez. der Norm IIvll := Mc(2l)) ein komplexer Banach-Raum. 1.8. Ist (X, 2l, J-L) ein Maßraum und
1 : X ---+ C
v(A) :=
L!
integrierbar, so ist v : 2l ---+ C,
dp
(A E 2l)
lvi
Iv I Ipl;
1.9. Zwei komplexe Maße v, p auf2l heißen zueinander singulär, falls ..1 Schreibweise: v ..1 p. -Sind v, p komplexe Maße auf 2l, so sind folgende Aussagen äquivalent: a) v ..1 p; b) IIv + pli = Ilvll + Ilpll und IIv - pli = IIvll + IIpll; c) IIv + pli + IIv - pli = 2(lIvli + IIpll)· 1.10. Ist
1 : [a, b] ---+
IR eine Funktion, so heißt
Var(f; [a, b]) := sup
{~ 1!(Xk) -
!(xk-Ill : a = Xo < Xl < ... < Xn
=
b, n
E N}
die Totalvariation von 1 über [a, b], und 1 heißt von beschränkter Variation über [a, b], falls Var(l; [a, bJ) < 00. Entsprechend nennt man das Supremum der Menge aller Summen n
L max(l(xk) -
I(Xk-I), 0), a
= Xo < Xl < ... < Xn = b
k=l
die positive Variation Var+ (I; [a, bJ) und das Supremum der Menge aller Summen n
- L min(l(xk) -
I(Xk-I), 0), a
= Xo < Xl < ... < Xn = b
k=l
die negative Variation Var- (I; [a, bJ) von 1 über [a, b]. a) Für a < c < bist Var(l; [a, bJ) = Var(l; [a, cJ) + Var(l; [c, bJ). Entsprechendes gilt für Var+ und Var-. b) Die Menge BV (a, b) der Funktionen 1 : [a, b] ---+ IR von beschränkter Variation ist ein Vektorraum über IR. c) Jede monotone und jede Lipschitz-stetige Funktion 1 : [a, b] ---+ IR sind von beschränkter Variation. - Ist r.p : [a, b] ---+ IR Lebesgue-integrierbar, so ist I(x) := r.p(t) dt (a S; X S; b) von beschränkter Variation. d) Für alle 1 E BV (a, b) gilt:
J:
I(b) - I(a) Var(l; [a, bJ)
Var+ (I; [a, b])
+ Var- (I; [a, b]) .
1 E BV(a, b) ist Differenz monotoner Funktionen; genauer gilt: Die Funktionen := Var+(I; [a,xJ),t-(x) := Var-(I; [a,xJ) sind monoton wachsend mit 1 = I(a) +t+-
e) Jedes
t+(x)
Var+ (I; [a, bJ) - Var- (I; [a, bJ) ,
§ 2. Satz von
RADON-NIKODYM
und Lebesguescher Zerlegungssatz
279
t-. Diese Darstellung von f als Differenz zweier wachsender Funktionen heißt Minimalzerlegung von f, denn sie ist minimal in folgendem Sinne: Ist f == 9 - h mit wachsenden Funktionen g, h : [a, b] -+ IR, so sind 9 - t+ und h - t- wachsend. (Bemerkung: Wegen der Analogie dieser von C. JORDAN entdeckten Zerlegung zur Darstellung (*) v == v+ - v- nennt man (*) die Jordan-Zerlegung von v; s. auch h).) f) Ist f E BV (a, b), so hat f höchstens abzählbar viele Unstetigkeitsstellen und in jedem x E [a, b] einen rechtsseitigen und einen linksseitigen Grenzwert. g) Sind f,t+,t- wie in e), so gilt für kein x E [a,b[ zugleich t+(x + 0) - t+(x) > 0 und t- (x + 0) - t- (x) > O. Entsprechendes gilt für die linksseitigen Grenzwerte. Daher ist f in x E [a, b] genau dann (rechts- bzw. linksseitig) stetig, wenn t+ und t- in x (rechts- bzw. linksseitig) stetig sind, und das ist genau dann der Fall, wenn t == t+ + t- in x (rechts- bzw. linksseitig) stetig ist. Insbesondere ist f E BV(a, b) genau dann stetig, wenn die Komponenten der Minimalzerlegung von f stetig sind. h) Ist f E BV(a, b) auf Ja, b[ rechtsseitig stetig, so definieren t+, t- gemäß Kap. 11 zwei endliche Maße p, (J" auf Qt :== ~1 I [a, b]. Zeigen Sie: Für das endliche signierte Maß v :== p - (J" auf Qt gilt v+ == p, v- == (J", d.h. der Minimalzerlegung von f entspricht die Jordan-Zerlegung von v. i) Jedes f E BV(a, b) läßt sich schreiben als f == s + 9 mit der Sprung/unktion s E BV(a, b), s(a) :== 0,
s(x) :== f(a
+ 0) -
f(a)
+
L
(f(u
+ 0) -
f(u - 0))
+ (f(x)
- f(x - 0))
(a < x :::; b),
a ein 8 > 0 existiert, so daß Iv(A)1 < E für alle A E 21. mit 1J.1I(A) < 8. (RADON [1], S. 1319.)
°
2.2. Es seien J.1 ein endliches signiertes Maß, v ein signierter Inhalt auf 21., und für jede Folge (A n )n2: 1 von Mengen aus 21. mit 1J.11 (An) -t gelte v(A n ) -t 0. Dann ist v ein signiertes Maß auf 21..
°
2.3. Es seien (X, 21., J.1), (Y,~, v) Maßräume, 1 : X -t Y meßbar und j1, v die Vervollständigungen von J.1 bzw. v. Zeigen Sie: Aus 1(J.1) « v folgt 1(j1) « v. (Vgl. Aufgabe II1.1.2.) 2.4. Es seien J.1 ein a-endliches Maß und v, p signierte Maße auf 21.. a) Aus v« J.1 folgt av« J.1 (a E lR) und d(av)/dJ.1 == a(dv/dJ.1) J.1-f.ü. b) Nehmen v und p beide den Wert +00 oder beide den Wert -00 nicht an, so ist v falls v « J.1 und p « J.1, und dann gilt: d(v + p) / dJ.1 == dv / dJ.1 + dp / dJ.1 J.1-f. ü. c) Ist v ein a-endliches Maß mit p « v, v « J.1, so gilt die "Kettenregel"
dp dv -dvdJ.1 d) Ist v ein a-endliches Maß mit v
«
J.1 und J.1
:: =
(~~
J.1-f.ü.
«
r
+ p« J.1,
v, so ist dv/dM =I
°
J.1-f.ü. und
1
/l-f.ü.
2.5 In welchen der folgenden Beispiele existiert eine Lebesguesche Zerlegung von v bez. J.1? a) 21. == ~l 1[0, 1] , J.1 == Zählmaß, v == ßl 121.. b) 21. == ~l 1[0,1], J.1 == ßl 121., v == Zählmaß. c) 21. == ~l 1[0,1], M C [0,1], J.1(A) :== Anzahl der Elemente von AnM, v(A) :== Anzahl der Elemente von A n Me (A E 21.). (Hinweis: Unterscheiden Sie die Fälle M E 21. und M ~ 21..) d) 21. == ~21 [0,1]2, J.1(A) :== LXE[O,l] ßl(A x ), v(A) :== LYE[O,l] ßl(AY) (A E 21.). 2.6. Sind J.1 ein a-endliches Maß, v ein a-endliches signiertes Maß auf 21., so gilt v 1. J.1 genau dann, wenn kein signiertes Maß p i 0 existiert mit I pi:::; I v I, p « J.1. 2.7. Sind v, p signierte oder komplexe Maße auf 21., so sind folgende Aussagen äquivalent:
a) v« p; b) (Rev)± «p, (Imp)± «p; c) d)
lvi « p; lvi « Ipl·
2.8. Sind J.1, v signierte oder komplexe Maße auf 21., und hat v eine Lebesguesche Zerlegung v == p + a, p « J.1, a 1. J.1, so hat die Lebesguesche Zerlegung == +
lvi
lvi Ipl lai·
2.9. Ist v : 21. -t 1R ein endliches signiertes Maß, so gibt es eine Ivl-integrierbare Funktion 9 : X -t lR, I9 I == 1, so daß v == 9 8 I v
I·
2.10. Ist v ein komplexes Maß auf 21., so seien p :== Rev, a :== Im v und .c~(v) :== .c~(p+)
n .c~(p-) n .c~(a+) n .c~(a-).
Für 1 E .c~(v) sei
r 1 dv:== Jxr 1 dp+ - Jxr 1 dp- + i Jxr 1 da+ - i Jxr 1 da- .
Jx
VII. Absolute Stetigkeit
288
2.11. Es seien /1 ein (T-endliches Maß und v ein komplexes Maß auf 21. mit v « /1. Dann existiert eine /1-f.ü. eindeutig bestimmte Dichte 9 E I:,~(/1) mit v == 9 8 /1. Für meßbares 1 : X -+ C gilt f E I:,~(v) genau dann, wenn Ig E I:,~(/1), und dann gilt
Ix fdv = Ix fgdJ1.. 2.12. a) Ist v : 21. -+ C ein komplexes Maß, so gibt es eine meßbare Funktion 9 : X -+ C mit Igl == 1, so daß v == 9 (Bemerkung: In Analogie zur Polarkoordinatendarstellung komplexer Zahlen nennt man diese Darstellung die polare Zerlegung von v.) b) Für alle 1 E I:,~(v) gilt
81vl.
IIx f dvl ::; Ix Ifl dlvl·
2.13. Es seien (X j , 21. j ,/1j) ein (T-endlicher Maßraum und Vj ein (T-endliches Maß auf 21. j mit der Lebesgueschen Zerlegung Vj == Pj + (Tj, Pj « /1j, (Tj .l- /1j (j == 1, 2). Dann hat VI Q9 v2
bez. /11
Q9
/12 die Lebesguesche Zerlegung VI
+ P2 Q9 (Tl + (Tl Q9 (T2
Q9
v2 == P + (T mit P :== PI
Q9
P2
«
J-L1
Q9
/12 und
-+ IR bez. J-Lj (j == 1, 2), so hat PI Q9 P2 bez. /11 Q9 /12 die Dichte 11 Q9 12(X1, X2) :== 11 (Xl) ·/2(X2) (Xj E X j , j == 1, 2). (T :== PI
Q9
(T2
.l- /11 Q9 /12' Hat Pj die Dichte Ij : X j
2.14. Ist (/1n)n?l eine Folge (T-endlicher Maße auf 21., so existiert ein (T-endliches Maß J-L auf 21., so daß J-Ln « /1 für alle n E N. 2.15. Ist P ein Maß auf 21. und M E 21., so sei PM(A) :== p(AnM) (A E 21.). - Es seien nun /1, v zwei (T-endliche Maße auf 21.. Dann existiert eine Zerlegung X == S U E (S, E E 21., Sn E == 0),
so daß gilt: /1 == /1s + /1E, V == Vs + VE, Vs .l- /1s, VE « /1E und /1E für (T-endliche signierte Maße /1, v. (Hinweis: Nach dem Satz von
«
VE. Entsprechendes gilt
RADON-NIKODYM
gibt es
I,g E M+, so daß /1 == 187,V == g87, wobei 7:== /1+v. Die Mengen S:== {I == O}U{g == O}
und E :== Sc leisten das Verlangte.)
§ 3.
Der DualrauIll von LP (1
< P < 00)
1. Der Dualraum von V(J-L) (1::; P < (0). Ist (V, 11·11) ein Banach-Raum über JK, so heißt
V' :== {cp : cp : V -+ JK linear und stetig} der (stetige) Dualraum von V. Bez. der Norm
11 cpll :== sup{ Icp(x) 1: x
E V,
Ilxll ::; I}
ist auch V' ein Banach-Raum. Für viele funktionalanalytische Untersuchungen ist die genaue Kenntnis von V' eine wesentliche Voraussetzung. Im folgenden sei stets (X, 2(, J-L) ein Maßraum. Es ist unser Ziel, mit Hilfe des Satzes von RADON-NIKODYM zu zeigen, daß der Dualraum des Banach-Raums V(J-L) (1::; P < (0) (zumindest für a-endliches J-L) zu Lq(J-L) normisomorph ist. Dabei ist q E]l, 00] gemäß 1 1
-+-==1 P q
festgelegt. Diese Bezeichnung wird im folgenden stillschweigend beibehalten.
§ 3. Der Dualraum von V
(1::; p < 00)
289
3.1 Lemma. Für jedes 9 E Lq ist 0 seien E a :== {igl :::; a} und
fa(x)
:=
xEJx)lg(x)lq-l . {
i-( x )/1 g(x )1
für g(x) -I- 0, für g(x): o.
Dann ist fa E Loo, und (3.1) ergibt
also:
(la Iglq dJi) l/q :::; 11'l/J11
für alle a > 0 .
Für a -+ 00 liefert nun der Satz von der monotonen Konvergenz die Beziehung (3.2) und zusätzlich IIgllq :::; 111/J11· Damit ist die Behauptung für /L(X) < 00 bewiesen. (2) Die Behauptung gilt für a-endliche Maße /L. Begründung: Wir wählen eine Folge von Mengen X n E 2l mit X n t X, J.-L(Xn ) < 00 und setzen 2ln :== 211 X n , /Ln :== J.-L l2ln . Der Raum LP(J.-Ln) läßt sich vermöge
als Unterraum von LP auffassen. Dann ist 1/Jn :== 1/J I LP(/Ln) eine stetige Linearform auf LP(/Ln) , und nach (1) existiert ein gn E Lq(Xn ), so daß
'l/Jn(f) =
r fgn dJin
JXn
für alle f E LP(Jin) .
VII. Absolute Stetigkeit
292
Da gn {ln-f.ü. eindeutig bestimmt ist, kann gn ohne Beschränkung der Allgemeinheit gleich so gewählt werden, daß gn+l I X n == gn. Dann ist die Definition g(x) :== gn(x) für x E Xn,n E N sinnvoll, und 9 ist meßbar. Nach (1) ist IIgnllq:S; II'l/Jnll :s; 1I'l/J11, und der Grenzübergang n -+ 00 liefert wegen monotoner Konvergenz: 9 E Lq, IIgllq :s; 11'l/J1I· Für alle f E V(J-ln) ist
und da U~=l V({ln) dicht liegt in V({l), folgt (2). (3) Die Behauptung gilt für beliebige Maße {l, falls 1 < p < 00. Begründung: Für A E 2t fassen wir L~ :== V(A, 2t I A, J-li (2t I A)) als Unterraum von V auf und setzen 'l/JA :== 'l/J I L~. Bezeichnet nun 6 die Menge aller Elemente von 2t, die bez. {l a-endliches Maß haben, so existiert nach (2) zu jedem A E 6 genau ein gA E L~, so daß 'l/JA(f) == JA fgA dJ-lA für alle f E L~ und lI'l/JAIi == IIgAllq. Für disjunkte A, B E 6 ist (3.3) denn wegen der Eindeutigkeit von gA, gB, gAUB ist gAUB und aus 1 < q < 00 folgt:
II'l/JAuBllq Nach (3.3) ist lI'l/JAII Offenbar ist
== IlgAuBII~ == IIgAII~
:s; II'l/JBII CY
:==
+ IlgBII~ ==
II'l/JAllq
für alle A, B E 2t mit A
:s;
sup{II'l/JAIi : A E 6}
IA == gA, gAUB I B
==
gB,
+ II'l/JBllq .
c B.
1I'l/J1I
l in 6 mit II'l/Jsn 11 -+ CY. Ersichtlich ist S .U~=l Sn E 6 und lI'l/JslI == CY. Nach (2) existiert ein 9 E L~, so daß (3.4)
'ljJs(J) = lfgdP,
fürallefE L1·
Wegen (3.3) folgt aus lI'l/Jsll == CY, daß 'l/JB\S == 0 für alle B E 6. Für jedes f E V ist nun B :== {f # O} E 6, denn B n :== {Ifl > 1/n} t Bund J-l(B n ) :s; Ilnfll~ < 00. Daher ist 'l/J(xscf) == 'l/JB\s(f I (B \ S)) == 0, und (3.4) liefert
'ljJ(J) = 'ljJ(xsf)
+ 'ljJ(Xscf) = 'ljJs(J IS) =
l
fgdp, =
Ix
fgdp, = cpg(J). D
Für p == 1 und nicht a -endliches {l ist
n die kleinste natürliche Zahl mit In I z -I- 0. Dann ist also )",(1) ::; rZ-1 < 2)..,(Iz), folglich beträgt der Abstand des Punktes x vom Mittelpunkt von I z höchstens )..,(1) + ~)"'(Iz) < 5)"'(Iz)/2. Bezeichnet nun J k das abgeschlossene Intervall mit )..,(Jk ) == 5)..,(Ik ), das denselben Mittelpunkt lOVITALI
[1], S. 257 ff.
VII. Absolute Stetigkeit
298
hat wie I k , so ist x E J z und daher
TI
(A \Qh) ~ k~l )'(Jk)= 5 kEl ).(h)
l I k ) haben wir das folgende Korollar im Fall TJ(A) < 00 bewiesen.
O. Damit
o
4.3 Korollar. Ist Feine Vitali- Überdeckung von A C lR, so existiert ezne abzählbare Familie (Ik)k~l disjunkter Intervalle aus F, so daß
Beweis. Für n E Z ist F n :== {I E F: I C]n,n + 1[} eine Vitali-Überdeckung von An :== An]n, n + 1[. Wegen TJ(A n ) < 00 existiert nach dem vorangehenden Beweis eine abzählbare Familie (Jnk )k>l disjunkter Intervalle aus F n mit TJ (An \ Uk>l J nk ) == 0, und (Jnk)nEZ,k~l ist-eine abzählbare Familie disjunkter Mengen aus F mit
o 4.4 Bemerkung. Der Überdeckungssatz von Vitali und Korollar 4.3 gelten offenbar sinngemäß im ~P, falls :F nur Würfel (Quader mit lauter gleich langen Kanten) enthält. Dagegen sind diese Aussagen nicht unverändert richtig, wenn man als Elemente von :F beliebige Quader zuläßt (s. BANACH [1], S. 90 ff.). Allgemeinere Versionen des Vitalischen Satzes für das Lebesgue-Maß im
~p
findet man bei BANACH [1], S. 90 ff., KAMKE [1], S. 82 ff., SAKS [2]'
S. 109 ff., L. MEJLBRO, F. TOPS0E: Apreeise Vitali theorem for Lebesgue measure, Math. Ann. 230, 183-193 (1977), O. J0RSBOE, L. MEJLBRO, F. TOPS0E: Some Vitali theorems for Lebesgue measure, Math. Scand. 48, 259-285 (1981).
2. Differenzierbarkeit monotoner Funktionen A-f.ü. Ist I c lR ein Intervall und f : I -+ lR, so werden die rechten (bzw. linken) oberen und unteren Ableitungszahlen von f in x E I definiert durch
._ -r
h~~O
f(x
+ h) h
f(x)
D+f(x):=!im f(x '
h---++O
+ h) -
f(x) ,
h
-1' f(x) - f(x - h) D f( ).== l' f(x) - f(x - h) h , - x. 1m . h-++O h
~m+O h ---,
Hier sind lim und lim in
JR zu
bilden. Gehört der linke (bzw. rechte) Eckpunkt
von I zu I, so sind dort nur die rechten (bzw. linken) oberen und unteren Ableitungszahlen erklärt. Offenbar ist stets D+ f 2: D+f und D- f 2: D-f, und f
§ 4. Absolut stetige Funktionen auf ~
299
ist in x E I differenzierbar genau dann, wenn im Punkte x alle Ableitungszahlen endlich und gleich sind. - Ist f Borel- (bzw. Lebesgue- )meßbar, so sind alle Ableitungszahlen von f Borel- (bzw. Lebesgue-)meßbar (Aufgabe 4.2). 4.5 Satz (H. LEBESGUE 1904)11. Ist f : [a, b] -+ ~ monoton wachsend, so ist f A-f·ü. auf [a, b] differenzierbar. Setzt man f'(x) :== 0 für alle x E [a, b], in denen f nicht differenzierbar ist, so ist f' E .cl ([a, b]) und
l l'( b
x) dx ::; f (b) - f (a) .
(4.3)
Beweis. Wir zeigen zunächst, daß die Menge aller x E]a,b[ mit D+f(x) > D-f(x) eine A-Nullmenge ist. Zu diesem Zweck genügt es zu beweisen: Für alle r, s E Q, r < s ist
Ar,s
:==
{x E]a, b[: D+ f(x) > s > r > D-f(x)}
eine A-Nullmenge. Dazu setzen wir 12 a :== 1](Ar,s) ~ O. Wir wählen ein c > 0 und eine offene Menge mit Ja, b[=:> U =:> Ar,s und A(U) < a + c. Zu jedem x E Ar,s existiert ein h > 0, so daß [x - h,x] c U und f(x) - f(x - h) < rho Das System aller dieser Intervalle ist eine Vitali-Überdeckung von Ar,s. Nach dem Überdeckungssatz von VITALI existieren daher endlich viele disjunkte Im == [x m - hm, xm] C U (m == 1, ... ,p), so daß 1] (Ar,s \ U~=l Im) < c und
(4.4)
'j;;(J(Xm) - f(x m - hm)) < r
Weiter ist jedes Y
[y, Y + k]
Cl
Elm
nAr,s (m
'j;;
== 1, ...
hm = TA
(01
Im) < r(o: + E).
,p) linker Eckpunkt eines Intervalls
+ k) - f(y) > sk. Das System aller dieser Intervalle ist eine Vitali-Überdeckung von Ar,s n U~=l Im. Nach dem Überdeckungssatz von VITALI gibt es endlich viele disjunkte J n == [Yn, Yn + k n ] (n == 1, ... , q) m,
so daß f(y
unter diesen Intervallen, so daß
11 LEBESGUE [2], S. 144 beweist den Satz für stetige f. Der Fall unstetiger monotoner Funktionen wird behandelt von W.H. YOUNG, G.C. YOUNG: On the existence 01 a differential coefficient, Proc. London Math. Soc. (2) 9, 325-335 (1911), W.H. YOUNG: On lunctions 01 bounded variation, Quarterly J. Math. 42, 54-85 (1911) und von H. LEBESGUE [6], S. 186-188. 12Nach Aufgabe 4.2 ist Ar,s eine Borel-Menge, so daß wir ß(Ar,s) statt "7(A r,s) schreiben dürften.
VII. Absolute Stetigkeit
300
Nun ist jedes der Intervalle J n in einem Im enthalten, und summieren wir bei festem m über alle n mit J n C Im, so ergibt sich
n:JnClrn
denn
f
ist wachsend. Summieren wir nun über alle m == 1, ... ,p, so folgt q
p
+ kn) -
L(f(Yn
f(Yn)) ::; L(f(x m )
f(x m
-
-
h m )),
m=1
n=1
und (4.4), (4.5) liefern s(a - 2c) < r(a + c). Dies gilt für alle c > 0, und aus r < s, a 2: 0 folgt a == 0, d.h. Ar,s ist eine A-Nullmenge. Eine Anwendung des soeben Bewiesenen auf -f(a + b - x) (x E [a,bJ) anstelle von f liefert: D- f ::; D+f A-f.ü., und insgesamt erhalten wir:
Die vier Ableitungszahlen sind also A-f.ü. gleich, d.h. g(x) :== limh--+o(f(x + h) - f(x))/h existiert A-f.ü. als Limes in lR. (Daß g A-f.ü. endlich und damit f A-f.ü. differenzierbar ist, wird sich gleich zeigen.) Wir definieren g(x) :== 0 für alle x, für welche der obige Limes nicht in lR existiert. Für x 2: b setzen wir f(x) :== f(b) und bilden
9n(X)
:=
n (f (x
+~) - f(X))
(x E [a,b]).
Dann gilt gn -t g A-f.ü., d.h. g ist Lebesgue-meßbar. Da f monoton wächst, ist gn 2: 0, und eine Anwendung des Lemmas von Fatou ergibt lim n--+oo
lim n----+oo
I
a
b 9n(X) dx = !im
n--+oo
nI
b (f
a
(x + ~) - f(X)) dx n
(n lb+~ f(x) dx - nla+~ f(x) dX)
lim (f(b) - n n--+oo
a
b
la+~ f(X)dX)
::; f(b) - f(a) .
a
Damit ist g A-integrierbar und insbesondere A-f.ü. endlich. Daher ist differenzierbar, und es gilt (4.3).
f
A-f.Ü. D
4.6 Korollar (H. LEBESGUE 1904)11. Jede Funktion von beschränkter Variation ist A-f. ü. differenzierbar.
Beweis. Nach Aufgabe 1.10 ist jedes f E BV(a, b) darstellbar als Differenz D monotoner Funktionen. Ein elementarer Beweis der Differenzierbarkeit monotoner Funktionen A-f.ü., der nicht den Überdeckungssatz von
VITALI
benutzt, stammt von F.
RIESZ
([1], S. 250-263; s. auch
§ 4. Absolut stetige Funktionen auf lR
301
RIESZ-Sz.-NAGY [1], S. 3-7). RIESZ beweist den Satz nur für stetige monotone Funktionen und bemerkt, daß die Argumentation auf unstetige monotone Funktionen ausgedehnt werden kann. Eine Ausarbeitung dieser Bemerkung findet man bei M. HEINS: Selected topics in the
classical theory 0/ /unctions 0/ a complex variable. New York: Holt, Rinehart and Winston 1962, S. 141-145. - Ein weiterer elementarer Beweis des Lebesgueschen Satzes stammt von G. LETTA: Une demonstration elementaire du theoreme de Lebesgue ... , L'Enseignement Math. (2) 16, 177-184 (1970).
4.7 Korollar (G. FUBINI 1915)13. Ist (fn)n>l eine Folge monoton wachsender (bez. fallender) Funktionen auf [a,b], so daß-die Reihe F(x):== L~=lfn(x) für alle x E [a, b] konvergiert, so gilt 00
(4.6)
p' ==
L f~
A-f·ü.
n=l Beweis (nach F. RIESZ [1]' S. 269). Ohne Beschränkung der Allgemeinheit seien gleich alle f n wachsend und f n(a) == 0 (sonst ersetzen wir f n durch f n - f n(a)). Für Fn :== L~=l fk gilt nun Fn t F, und da alle auftretenden Funktionen monoton wachsend sind, gilt nach Satz 4.5 für alle n ~ 1 (4.7) Insbesondere konvergiert L~=l f~ A-f.Ü. Zum Nachweis von (4.6) brauchen wir wegen (4.7) nur zu zeigen, daß für eine geeignete Teilfolge (Fnk )k>l gilt: F' F~k --t 0 A-f.ü. Dazu wählen wir die nk so groß, daß F(b) - Fnk(b) < 2- k , und setzen gk(X) :== F(x) - Fnk (x) (x E [a, bJ). Dann ist gk monoton wachsend, o :::; gk :::; 2- k , und wir können die obigen Betrachtungen auf die gk anstelle der fn anwenden. Dann folgt: L~l g~ konvergiert A-f.ü., insbesondere gilt g~ == F' - P~k --t 0 A-f.ü., und das war zu zeigen. D
4.8 Beispiele. a) Für die Cantorsche Funktion F (Beispiel 11.8.7) ist P' == 0 A-f.ü. Daher steht in Ungleichung (4.3) nicht notwendig das Gleichheitszeichen (!). Nach Korollar 4.7 gilt für die Funktion G aus Beispiel 11.8.8: G' == 0 A-f.ü. Es gibt also streng monoton wachsende, stetige Funktionen auf lR, deren Ableitung A-f. ü. verschwindet. (Aber: Ist f : lR --t lR überall differenzierbar mit f' == 0, so ist f konstant; s. auch Satz 4.13.) b) Für jede Sprungfunktion H : lR --t lR (s. Kap. 11, § 2, 2.) ist nach Korollar 4.7 H' == 0 A-f.ü. 3. Der Dichtesatz. Ein Punkt x E lR heißt ein Dichtepunkt der (nicht notwendig meßbaren) Menge A C lR, falls gilt lim 1](A n [x - h, x + hJ) == 1 . 2h
h--++O
13G. FUBINI: Bulla derivazione per serie, Rend. Acad. Lincei Roma 24,204-206 (1915) (== Opere seelte, Vol. 111, S. 90-92. Roma: Edizioni Cremonese 1962).
VII. Absolute Stetigkeit
302
Es bezeichne D(A) die Menge der Dichtepunkte von A.
4.9 Dichtesatz (H. LEBESGUE 1904). Ist A c IR eine beliebige Menge, so sind A-fast alle Punkte von A Dichtepunkte, d.h. es gilt 1](A \ D(A)) == O.
Beweis (nach F. RIESZ [1]' S. 270). Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann angenommen werden, daß A beschränkt ist. Wir wählen eine Folge (Un )n21 beschränkter offener Mengen Un =:) A mit 1](Un ) S 1](A) + 2- n (n ~ 1) und setzen f(x) :== 1](An] -
00,
x]), fn(x) :== A(Unn] -
00,
x])
(x
E
IR) .
Dann ist gn :== fn - f monoton wachsend, denn sind I, J c IR disjunkte Intervalle, so ist 1](P U Q) == 1](P) + 1]( Q) für alle P c I, Q c J. Daher gilt o S gn S 2- n, und nach Korollar 4.7 konvergiert E~=l g~ A-f.ü., insbesondere gilt g~ -+ 0 A-f.ü. Ist aber x E A, so ist x E Un für alle n und f~(x) == 1, denn Un ist offen. Daher ist f'(x) == 1 für A-fast alle x E A, d.h. A-fast alle x E A sind Dichtepunkte, 1](A \ D(A)) == o. 0
4.10 Korollar (H. A(A ß D(A)) == o.
LEBESGUE
1904). Für alle A E
~1
ist D(A)
E ~1
und
Beweis. Nach dem Dichtesatz ist 1](A \ D(A)) == O. Für alle A E ~1 ist aber D(A) c D(AC)C, also D(A) \ A c Ac \ D(AC). Der Dichtesatz mit Ac statt A liefert 1](D(A) \ A) == 0, insgesamt also 1](A ß D(A)) == o. Daher ist D(A) E ~1 und A(A ß D(A)) == o. 0 H. LEBESGUE ([2]' S. 139-140, S. 164 und S. 231) beweist den Dichtesatz für meßbare Mengen. Einen elementaren Beweis des Satzes für beliebige Mengen und ausführliche Literaturangaben findet man bei W. SIERPINSKI ([1], S. 489-493).
4. Absolut stetige Funktionen auf IR. Der bekannte Hauptsatz der Differentialund Integralrechnung (für das Riemann-Integral) besagt: Ist f : [a, b] -+ IR stetig, so hat feine Stammfunktion, und zwar ist
F (x) :=
l
x
(a:S: x
f (t) dt
:s: b)
eine Stammfunktion von f (d.h. F ist differenzierbar mit F' == f). Je zwei Stammfunktionen von f unterscheiden sich höchstens um eine additive Konstante. Ist G irgendeine Stammfunktion von f, so gilt:
G(b) - G(a) =
l
b
f(t) dt.
Ziel dieses Abschnitts ist eine Version dieses Satzes für das Lebesgue-Integral. Als Warnung bemerken wir gleich, daß die angestrebte Gleichung
F(b) - F(a) =
l
b
F'(x) dx
§ 4. Absolut stetige Funktionen auf JR
303
nach Beispiel 4.8 schon für stetige monotone F nicht uneingeschränkt richtig ist. Der Schlüssel zur Lösung des Problems ist der folgende Begriff. 4.11 Definition (G. VITALI 1905)14. Eine Funktion F : [a, b] -+ absolut stetig, wenn zu jedem c > 0 ein 8 > 0 existiert, so daß
]I{
heißt
n
L
IF(ßk) - F(Qk)1 < c
k=l
für alle a ~ Q1 < ß1 ~ Q2 < ß2 :S ... :S Qn < ßn ~ b mit ~~=1 (ßk - Qk) < 8. 4.12 Folgerungen. a) Jede absolut stetige Funktion ist stetig. Die Cantorsche Funktion F : [0,1] -+ JR (Beispiel 11.8.7) ist stetig, aber nicht absolut stetig. b) Jede absolut stetige Funktion F : [a, b] -+ ]I{ ist von beschränkter Variation (s. Aufgabe 1.10). Insbesondere ist jede absolut stetige Funktion A-f.ü. differenzierbar. Beweis. a) Zum Beweis der zweiten Aussage sei 8 > O. Wir wählen die Qj, ßj als die Eckpunkte der Intervalle Kn,j (j == 1, ... ,2 n+1) mit hinreichend großem 2n + 1 • • n, so daß ~j=l (ßj - Qj) < 8 (s. Kap. 11, §8, 1.). Dann 1st F 1m Intervall [ßj, Qj+1] (j == 1, ... ,2 n+1 - 1) konstant, also
L
IF(ßk) - F(Qk)1 == F(l) - F(O) == 1.
k=l
b) Wir wählen das zu c :== 1 gehörige 8 zerlegen [a, b] gemäß a == Xo < Xl < ... < < 8. Dann ist Var(F; [Xk-1, XkJ) < 1 für k
> 0, setzen n :== (b - a)/8 + 1 und Xn == b in n Intervalle gleicher Länge == 1, ... , n, also
n
Var(F; [a, bJ) ==
L Var(F; [Xk-1, XkJ) < n. k=l
Nach Korollar 4.6 ist F A-f.ü. differenzierbar.
o
4.13 Satz (G. VITALI 1905)15. Jede absolut stetige Funktion F : [a,b] -+ mit F ' == 0 A-f. ü. ist konstant.
]I{
Beweis. Es seien a < c < b,c > 0 und A:== {x E [a,c[: F'(x) == O}. Zu jedem x E A existieren beliebig kleine h > 0 mit x + h < c, so daß IF(x + h) F(x) I < eh. Das System aller dieser Intervalle [x, x + h] (x E A) ist eine VitaliÜberdeckung von A. Wählen wir nun zum vorgegebenen e > 0 ein 8 > 0 gemäß
Definition 4.11, so existieren nach dem Überdeckungssatz von VITALI endlich viele disjunkte Intervalle I k :== [Xk' Xk + h k] (Xk E A, h k > 0, Yk :== Xk + h k < c,k == 1, ... ,n), so daß (4.8) 14VITALI 15VITALI
[1], S. 207. [1], S. 215 f.
VII. Absolute Stetigkeit
304
und 11 (A \ U~=l I k ) < 6. Wir denken uns die Xk, Yk der Größe nach geordnet:
Yo :== a
Xl < YI
~
~
X2 < Y2
~
Xn < Yn
~
...
~
c ==: Xn+l .
Dann ist also L:~=O(Xk+1 - Yk) < 8 und mithin L:~=o IF(Xk+l) - F(Yk)1 < c. Wegen (4.8) ergibt das n
IF(c) - F(a) I =
n
IL
(F(XkH) - F(Yk)) +
k=O
L
(F(Yk) - F(Xk)) I < E(C - a + 1) .
k=l
Da c > 0 beliebig ist, folgt F( c) == F(a) für a < c < b, also ist F konstant.
0
4.14 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung für das Lebesgue-Integral (H. LEBESGUE (1904), G. VITALI (1905))16. a) Ist f : [a, b] -t Jk Lebesgue-integrierbar, so ist
1 x
F(x)
:=
(a::; x ::; b)
f(t) dt
absolut stetig, und es gilt F' == f A-f. ü. b) Ist F : [a, b] -t ]I{ absolut stetig und setzt man F' (x) :== 0 für alle x E [a, b], in denen F nicht differenzierbar ist, so ist F' Lebesgue-integrierbar über [a, b], und es gilt
1 x
F(x) - F(a)
=
(a::; x ::; b) .
F'(t) dt
Beweis. a) Nach Aufgabe IV.3.7 gibt es zu jedem c > 0 ein 6 > 0, so daß für alle A E )21 mit A(A) < 8 gilt JA Ifl dA < c. Daher ist F absolut stetig, insbesondere ist F A-f.ü. differenzierbar (Folgerung 4.12, b)). Wir beweisen die GI. F' == f A-f.ü. zunächst in dem Fall, daß f beschränkt ist: Sei etwa If(x)1 ~ M (x E [a, bJ). Wir setzen f(x) :== f(b) für alle x 2 bund
( ( 1) - F(x) ) =
fn(x):= n F x+;
Dann ist Ifnl ~ M für alle n E N und majorisierten Konvergenz liefert nun für a lim
n---+oo
n
Jx(x+I/n f(t)dt
(a::; x::; b).
fn
-t F' A-f.ü. Der Satz von der
~
~
c
b:
jC fn(x) dx = lim n je (F (x + ~) - F(X)) dx a
n---+oo
1~~ (n [cHln F(x) dx -
n
a
n1 a
1/n
+
F(x) dX)
1 c
F(c) - F(a) = -------16LEBESGUE [2], S. 145 und
458-459.
f(x) dx,
S. 175-182, [6], S. 183 und S. 188;
VITALI
[1], S. 205 ff. und S.
§ 4. Absolut stetige Funktionen auf :IR
305
denn F ist stetig. (Hier wird die klassische Version des Hauptsatzes der Differentialund Integralrechnung für stetige Integranden benutzt.) Damit erhalten wir
l
C
(F' (x) - f (x)) dx = 0 für a :; c :; b,
und nach Aufgabe IV.5.8 ist F' == f A-f.ü. Nun sei f : [a, b] --+ Jk A-integrierbar, aber nicht notwendig beschränkt. Wir können gleich annehmen, daß f 2: 0 ist, und setzen gn :== min(n, f),
Nach dem schon Bewiesenen ist Fn A-f.ü. differenzierbar mit Die Funktion G n ist wachsend, also A-f.ü. differenzierbar mit Insgesamt erhalten wir F' == F~ + G~ 2: gn A-f.ü. Daher ist
F' 2:
(4.9) und folglich
l
b
F'(x) dx ?:
l
f
F~ == G~
gn A-f.ü.
> 0 A-f.ü.
A-f.ü.
b
fex) dx = F(b) - F(a) .
Da F wachsend ist, gilt hier nach Satz 4.5 das Gleichheitszeichen, also I:(F'(x)f(x)) dx == 0, und (4.9) impliziert F' == f A-f.ü. b) F ist als absolut stetige Funktion von beschränkter Variation und daher Linearkombination monotoner Funktionen (Aufgabe 1.10). Die Ableitungen dieser monotonen Komponenten sind nach Satz 4.5 A-integrierbar, also ist F' E 1 ([a, bJ). Setzen wir G(x) :== F'(t) dt (a S x sb), so ist G nach a) absolut stetig mit G' == F' A-f.ü. Die Funktion G - F ist daher absolut stetig mit (G - F)' == 0 A-f.ü., also ist G - F konstant (Satz 4.13). Daher ist
.c
I:
F(x) - F(a) = G(x) - G(a) =
l
x
F'(t) dt
(a:; x :; b). o
Aus Hauptsatz 4.14, b) folgt unmittelbar: Ist f : [a, b] --+ :IR absolut stetig und f' 2: 0 A-f·ü., so ist f wachsend. Eine Funktion F : [a, b] --+ 1K heißt ein unbestimmtes Integral, wenn· eine Lebesgue-integrierbare Funktion f : [a, b] --+ Jk existiert, so daß
F(x) = F(a) +
l
x
f(t) dt
(a:; x :; b) .
Nun folgt aus dem Hauptsatz 4.14 unmittelbar:
VII. Absolute Stetigkeit
306
4.15 Korollar (G. VITALI 1905)17. Eine Funktion F : [a, b] -t dann ein unbestimmtes Integral, wenn F absolut stetig ist.
]I{
ist genau
Die Regel von der partiellen Integration (s. Aufgabe V.2.8) läßt sich jetzt so aussprechen:
4.16 Partielle Integration. Sind f, 9 : [a, b] -t
lb
[fg]~ -
J'(x)g(x) dx =
lb
]I{
absolut stetig, so gilt:
f(x)g'(x) dx.
4.17 Korollar (H. LEBESGUE 1906)18. Ist f : [a, b] -t so gilt für A-fast alle x E]a, b[:
11
11
I ~ (f (x + t) + f (x - t)) - f (x) I dt
o.
h--t+O h
0
h
0,
lim -h
lim h--t+O h
Lebesgue-integrierbar,
If(x ± t) - f(x)1 dt
(4.10) (4.11 )
]I{
0
Beweis. Es sei A c ]I{ eine abzählbare dichte Menge. Nach dem Hauptsatz 4.14 gilt für alle 0: E A und A-fast alle x E]a, b[
i Jor If(x ± t) - al dt = If(x) - al· h--t+O h
(4.12)
lim
Bezeichnen wir mit E n die Nullmenge der x E]a, b[, für welche (4.12) nicht gilt, so ist E :== UnEA E n eine Nullmenge. Es seien x E]a, b[\E und E > O. Dann existiert ein 0: E A mit If(x) - 0:1 < E /2. Nun ist
11
h
h
If(x ± t) - f(x)1 dt
0
11
s -h
0
h
If(x ± t) -
11
0:1 dt + -
h
h
If(x) -
0:1 dt,
0
und hier ist das zweite Integral auf der rechten Seite< E /2, das erste konvergiert wegen (4.12) für h -t +0 gegen If(x) - 0:1 < E/2. Damit folgt (4.10), und (4.11) ist klar nach (4.10). D Man nennt x E]a,b[ einen Lebesgue-Punkt, falls (4.11) gilt. Daher können wir sagen: Ist f : [a, b] -t ]I{ Lebesgue-integrierbar, so sind A-fast alle x E [a, b] Lebesgue-Punkte. Auf diese Aussage stützt sich der Beweis eines sehr allgemeinen Konvergenzsatzes von LEBESGUE ([8], S. 59) über Fourier-Reihen.
5. Lebesguesche Zerlegung Lebesgue-Stieltjesscher Maße. Ist F : JR -t JR wachsend und rechtsseitig stetig, so sei !JF : Q)1 -t i: das zugehörige LebesgueStieltjessche Maß auf Q)1 (s. Beispiel 11.4.7). Im folgenden Abschnitt seien alle Lebesgue-Stieltjesschen Maße auf Q)1 definiert. 17VITALI
[1], S. 207 ff. [8], S. 13.
18LEBESGUE
§ 4. Absolut stetige Funktionen auf JR
307
Der Zerlegung F == Fe + F d der wachsenden, rechtsseitig stetigen Funktion F : JR -+ JR in eine wachsende, stetige Funktion Fe und eine wachsende, rechtsseitig stetige Sprungfunktion Fd gemäß Satz 11.2.4 entspricht die (eindeutig bestimmte) Zerlegung J.LF == J.Le + J.Ld von J.LF in den atomlosen ("stetig verteilten") Anteil Me und den rein atomaren Anteil Md (s. Aufgabe 11.6.3). Bezeichnet U die (abzählbare) Menge der Unstetigkeitsstellen von F, so ist (4.13)
J.Ld(E) ==
L
(F(x) - F(x - 0))
(E E
Q.)1).
xEUnE
Nach Korollar 4.7 ist F~ == 0 f. ü., und offenbar ist J.Ld 1- ß. Ziel der folgenden Überlegungen ist die Zerlegung von J.Le in einen bez. ß absolut stetigen und einen singulären Anteil. Dazu definieren wir:
4.18 Definition. Eine Funktion F : J -+ :IR heißt absolut stetig im Intervall J c JR, wenn F I [a, b] absolut stetig ist für alle [a, b] C J, und F heißt singulär, falls F stetig und wachsend ist und F ' == 0 ß-f.ü. 4.19 Satz. Ist F : JR -+ JR wachsend und rechtsseitig stetig, so ist J.LF genau dann, wenn F absolut stetig ist, und dann gilt J.LF == F ' 8 ß.
« ß
Beweis. Ist F absolut stetig, so setzen wir F'(x) :== 0 für alle x E JR, in denen F nicht differenzierbar ist. Dann gilt nach Hauptsatz 4.14 für alle a < b
!LF(]a, b]) = F(b) - F(a) =
l
b
F'(t) dt.
Die Maße J.LF und F ' 8 ß stimmen auf J überein, sind also nach dem Eindeutigkeitssatz gleich. Ist umgekehrt J.LF « ß, so gibt es eine Borel-meßbare Funktion g : JR -+ [0,00[, so daß J.LF == 9 8 ß, und es gilt
F(x) - F(a) = !LF(]a,x]) =
l
x
g(t)dt
für alle a, x E JR, x 2: a. Daher ist F nach Hauptsatz 4.14 absolut stetig (und F ' == 9 ß-f.ü.). D
4.20 Satz. Eine wachsende, stetige Funktion F : JR -+ JR ist singulär genau dann, wenn J.LF atomlos ist und MF 1- ß· Beweis. Es sei zunächst F singulär. Damit ist F stetig, also MF atomlos (Beispiel 11.4.7). Weiter sei J.LF == P + (]" die Lebesguesche Zerlegung von J.LF bez. ß, wobei p « ß und (]" 1- ß. ZU p, (]" existieren wachsende, stetige Funktionen G, H : JR -+ JR mit p == J.Lc, (]" == J.LH, so daß F == G + H, und aus F ' == 0 ß-f.ü. folgt G' == H ' == 0 ß-f.ü. Das Maß p hat eine Dichte 9 bez. ß, und es ist
G(x) - G(a)
=
p(]a, x])
=
l
x
g(t) dt
VII. Absolute Stetigkeit
308
für alle a, x E lR, a ~ x. Daher ist nach Hauptsatz 4.14 9 == G' == 0 ß-f.ü., also p == 0, /-lF == (5, /-lF -.l ß· Nun sei umgekehrt /-lF -.l ß. Das Maß p :== F ' 8 ß ist absolut stetig bez. ß, und für alle a < b ist nach Satz 4.5
J'LF(]a, b]) = F(b) - F( a)
21
b
F I (x) dx = p(]a, b]) .
Nach dem Vergleichssatz 11.5.8 ist daher p ~ /-lF, und Aufgabe 2.6 liefert p == 0, also F ' == 0 ß-f.ü. D
4.21 Lebesgue-Zerlegung von /-lF (H. LEBESGUE 1904)19. Zu jeder wachsenden rechtsseitig stetigen Funktion F : lR ~ lR existieren eine Zerlegung (4.14)
F == F abs
+ F sing + F d
in wachsende rechtsseitig stetige Funktionen und dazu eine Zerlegung (4.15 )
/-lF == /-labs
+ /-lsing + /-ld
von /-lF in Maße auf p,1, so daß gilt: a) F abs ist absolut stetig, /-labs « ß, /-labs == F ' 8 ß· b) F sing ist singulär, /-lsing -.l ß,F;ing == 0 ß-f.ü.
c) Fd ist eine Sprungfunktion, F~ == 0 ß-f.ü., und für alle E E p,1 gilt (4.13). d) /-lF == /-le + /-ld ist die eindeutig bestimmte Zerlegung von /-lF in den atomlosen Anteil /-le == /-labs + /-lsing und den rein atomaren Anteil /-ld· e) Legt man die Normierungen F abs (0) == F sing (0) == 0 zugrunde, so sind die Zerlegungen (4.14), (4.15) eindeutig bestimmt. Beweis. Wir zerlegen wie oben F == Fe + F d , /-lF == /-le + /-ld und weiter /-le == /-labs + /-lsing, /-labs « ß, /-lsing -.l ß (Lebesguesche Zerlegung). Die Maße /-labs, /-lsing werden beschrieben durch wachsende stetige Funktionen F abs bzw. F sing die wir so wählen können, daß (4.14) gilt. Wegen F;ing == F~ == 0 ß-f.ü. ist F~bs == F ' ß- f. ü., und a )-d) sind nach dem obigen klar. Aussage e) ist nun leicht zu sehen. D
Eine vertiefte Darstellung der Differentiation von Maßen auf dem IRP und auf allgemeineren Räumen findet man bei COHN [1], EVANS und GARIEPY [1]' FEDERER [1], HAHN und ROSENTHAL [1]' KÖLZOW [1], RUDIN [1], SAKS [2], SHILOV und GUREVICH [1], WHEEDEN und ZYGMUND [1], ZAANEN [2]. 6. Rektifizierbare Kurven. Eine (stetige) Kurve ~ : [a, b] ---+ IRP ist genau dann rektifizierbar, wenn alle Koordinatenfunktionen ~1, ... , ~P von beschränkter Variation sind. Insbesondere existiert für jede rektifizierbare Kurve f.ü. die Ableitung ~'(t) (t E [a, b]). Es seien ~ rektifizierbar, L(~) die Bogenlänge von ~ und l(t) :== L(~ I [a, t]) (a::; t ::; b). Ist ~ sogar stückweise stetig differenzierbar, so ist bekanntlich L(~) == 1I~'(t)11 dt. Der folgende Satz von L. TONELLI enthält eine einfache notwendige und hinreichende Bedingung für die Gültigkeit dieser Gleichung.
f:
19LEBESGUE [2]' S. 144 f. und S. 232 ff.
§ 4. Absolut stetige Funktionen auf :IR
309
4.22 Satz (L. TONELLI 1908)20. Ist l' : [a, b] --+ JRP eine rektijizierbare stetige Kurve, so gilt: a) 111"11 ist Lebesgue-integrierbar und
L(')') 2>
(4.16)
[1I')"(t)11 dt.
b) Das Gleichheitszeichen gilt in (4.16) genau dann, wenn alle Koordinaten/unktionen von l' absolut stetig sind. Beweis. a) Die Funktion l(t) :== L(1' I [a, t]) (a:S; t :s; b) ist monoton wachsend, also f.ü. differenzierbar. Bezeichnet nun E die Menge der t E [a, b], in denen 1 und alle 1'1,···, 1'p differenzierbar sind, so gilt für alle t o E E: l'(to) == lim l(t) -l(to) > lim 1I1'(t) -1'(to)11 == 1I1"(to)ll. t~t() t - to - t~t() It - tol Nach Satz 4.5 ist also 111"11 integrierbar, und es gilt (4.16). b) Nach Aufgabe 4.11 sind 1'1, ... ,1'p absolut stetig genau dann, wenn 1 absolut stetig ist. Gilt nun in (4.16) das Gleichheitszeichen, so ist
= [II')"(S)II ds
l(t)
(a::; t ::; b),
also ist 1 absolut stetig. - Seien nun umgekehrt 1 absolut stetig und a == to b, l in j{ mit K n t A. Daher gilt J1(Kn ) t J1(A); insbesondere folgt (1.1). f) Sei A E ~. Dann ist Ac von innen regulär. Wegen J1(X) < 00 ist daher A von außen regulär. lSohn des gleichnamigen Mathematikers A.A. MARKOFF (1856-1922), nach dem die Markoffschen Prozesse und die Markoffschen Ketten benannt sind.
§ 1. Borel-Maße, Radon-Maße, Regularität
315
g) Nach b) hat K eine offene Umgebung U mit J-L(U) < 00. Da J-L von innen regulär ist, existiert zu E > eine kompakte Menge LeU \ K mit J-L( L) > J-L(U \ K) - E. Nun ist V :== U \ L eine offene Umgebung von K mit
°
J-L(V)
==
J-L(U) - J-L(L) :::; J-L(U) - J-L(U \ K) +
E
==
J-L(K) + E.
o Nach Folgerung 1.2, c) und d) kann man in der Definition der Radon-Maße die Forderung der lokalen Endlichkeit von J-L ersetzen durch die Forderung der Endlichkeit von J-L auf R, falls X lokal-kompakt ist oder dem ersten Abzählbarkeitsaxiom genügt. Ohne Zusatzbedingungen ist eine solche Ersetzung unzulässig (s. Beispiel 1.3, f)).
1.3 Beispiele. a) Die Borel-Maße und die Radon-Maße auf ~p sind genau die Lebesgue-Stieltjesschen Maße (s. Kap. 11, § 7, insbes. Aufgabe 11.7.5). Die Regularität der Lebesgue-Stieltjesschen Maße wird im folgenden in Korollar 1.11, Korollar 1.12 und in Satz 1.16 erneut bewiesen. b) Das Zählmaß auf 93 (X) ist genau dann lokal-endlich, wenn X diskret ist. Für diskretes X ist das Zählmaß ein reguläres Borel-Maß. c) Ist (J-LJtEI eine Familie von innen regulärer Maße auf 2l => 93(X), so ist J-L :== ~tEI J-Lt von innen regulär (Beweis zur Übung). Ist also (J-LJtEI eine Familie von Radon-Maßen auf 93(X) und J-L :== ~tEI J-Lt lokal-endlich, so ist J-L ein RadonMaß. d) Es seien J-L : 2l ~ [0,00] ein Maß, 2l => ~,A E 2l und J-LA : 2l ~ [0,00], J-LA(B) :== J-L(A n B) (B E 2l). Ist J-L lokal-endlich, so auch J-LA, und ist J-L von innen regulär, so auch J-LA. Ist insbesondere J-L ein Radon-Maß, so auch J-LA (A E 93). e) Ein von außen reguläres Borel-Maß braucht nicht von innen regulär zu sein: Es sei X == JR versehen mit der Topologie D, die von allen halboffenen Intervallen [a, b[ (a, b E JR, a < b) erzeugt wird. Offenbar ist D echt feiner als die übliche ("euklidische") Topologie '1'1 auf JR; dennoch ist 93( (X, D)) == ~1. Das Maß ß1 ist sowohl bez. '1'1 als auch bez. D ein von außen reguläres Borel-Maß, und bez. '1'1 ist ß1 auch von innen regulär. In bezug auf D gilt zwar für alle A E ~1
aber ß1 ist nicht von innen regulär, denn jede bez. D kompakte Teilmenge von JR ist abzählbar (Beweis zur Übung). f) Ein von innen reguläres Maß braucht nicht lokal-endlich und nicht von außen regulär zu sein: Es seien '1'1, '1'2 die üblichen ("euklidischen") Topologien auf]R1 bzw. JR2, X :== JR2 und D das System aller Teilmengen U c X mit Ux , UY E '1'1 für alle x, y E JR. (Wie früher ist Ux == {y : (x, y) EU}, UY == {x : (x, y) EU}.) Dann ist D eine Topologie auf X mit D => '1'2; insbesondere ist D Hausdorffsch. Das System 2l aller Teilmengen A c X mit A x , AY E 93 1 für alle x, y E JR ist eine a-Algebra mit 2l => D, also gilt 93(X) c 2l. Auf 2l definieren wir vermöge
J-L(A)
:==
Lß (A 1
x EIE.
x)
+ Lß 1 (AY) yEIR
(A E 2l)
VIII. Maße auf topologischen Räumen
316
ein Maß. Ist U E D eine Umgebung von (x, y) E X, so gibt es ein 6 > 0 mit {x}x]y - 6,y + 6[C U, und zu jedem t E]Y - 6,y + 6[ gibt es ein Ct > 0, so daß ]x - Ct, x + cd x {t} C U. Daher ist JL(U) == 00, d.h. jede nicht-leere D-offene Menge hat unendliches Maß, JL ist nicht lokal-endlich. Die Diagonale D :== {(x, x) : x E IR} ist 'T2 -abgeschlossen, also auch D-abgeschlossen, und es ist JL(D) == O. Für jedes offene U =:> D ist aber JL(U) == 00, d.h. D und damit JL ist nicht von außen regulär. (Es gibt keine nicht-leere von außen reguläre Menge A E 2( mit JL(A) < 00.) Wir behaupten: Eine Menge M C X ist kompakt (bez. D) genau dann, wenn es endliche Mengen E, F c IR und kompakte K(x), L(y) C IR (x E E, y E F) gibt, so daß M == U{x} x K(x) u L(y) x {y}.
U
xEE
yEF
Begründung: Daß jede Menge der angegebenen Gestalt kompakt ist (bez. D), sieht man leicht. - Umgekehrt: Ist M C X kompakt bez. D, so ist M kompakt bez. '1'2, also ist M C IR2 beschränkt und 'T2 -abgeschlossen. Daher sind alle Schnitte Mx, MY C IR kompakt, und wir müssen nur noch zeigen, daß M in der Vereinigung endlich vieler achsenparalleler Geraden enthalten ist. Wäre das nicht der Fall, so gäbe es eine Folge von verschiedenen Punkten Zn E M (n 2: 1), so daß A :== {zn : n E N} mit jeder achsenparallelen Geraden höchstens einen Punkt gemeinsam hat. Dasselbe gilt dann für jede Teilmenge von A. Daher ist A abgeschlossen und diskret, also als Teilmenge des Kompaktums M endlich: Widerspruch! - Es folgt: D ist echt feiner als 'T2 . Für alle M E R ist offenbar JL(M) < 00, und nach c) ist JL von innen regulär. (Dieses Beispiel geht zurück auf FREMLIN [2], S. 104 f.) g) Ein von außen reguläres, endliches Maß auf einem metrisierbaren Raum braucht nicht von innen regulär zu sein: Eine leichte Modifikation des Beweises von Satz 111.3.10 lehrt: Es gibt eine "Bernstein-Menge" X C [0,1], so daß sowohl X als auch [0,1] \ X mit jeder überabzählbaren kompakten Menge K C [0,1] einen nicht-leeren Durchschnitt hat. Nach dem Argument des Beweises von Satz 111.3.7 ist X ~1 und
tt
(1.3)
sup{ß1(K) : K C X, K kompakt} == sup{ß1(L): L C [0,1] \ X, L kompakt}
== 0.
Wir zeigen:
r/(X)
==
inf{ß1(U) : U =:> X, U offen in IR}
== 1 .
Zur Begründung sei U =:> X, U offen in IR. Dann ist [0,1] \ U eine kompakte Teilmenge von [0,1] \ X, also ß1([0, 1] \ U) == 0, d.h. ß1(U) 2: ß1([0, 1] n U) == 1. Da die Ungleichung ,,~ 1" klar ist, folgt die Behauptung. Wir versehen X mit der Spurtopologie 'T :== 'Tl I X; dann ist ~(X) == ~l IX. Offenbar ist 7] :== 7]1 I s,p(X) ein äußeres Maß. Wir zeigen, daß alle Mengen aus ~(X) 7]-meßbar sind: Dazu seien A E 'T und Q C X. Es gibt ein U E 'Tl mit A == X n U, und wir erhalten
§ 1. Borel-Maße, Radon-Maße, Regularität
317
denn U ist 1]1-meßbar. Folglich ist A E 2t11' also auch ~(X) C 2t1]; JL :== 1]1 ~(X) ist ein endliches Borel-Maß, und JL ist von außen regulär, denn für alle A c X ist
1](A) < inf{1](V): A c V, V E ~} < inf{1]I(U): A c U, U offen in lR} Daher gilt auch für alle A E
JL(A)
==
==
1](A).
~(X):
sup{JL(F) : F
c A, F
~-abgeschlossen}
.
Aber JL ist nach (1.3) nicht von innen regulär, also kein Radon-Maß.
2. Regularitätssätze. Auf vielen wichtigen Hausdorff-Räumen ist jedes endliche Borel-Maß automatisch regulär. Den Beweisen einiger Aussagen dieses Typs legen wir folgendes Regularitätslemma zugrunde. 1.4 Regularitätslemma. Für jedes endliche Maß JL auf einer a-Algebra 2t :=>
~
ist 9lJl :== {A E 2t : A JL-regulär}
ein a-Ring. Beweis. Wir führen den Beweis in zwei Schritten. (1) Für alle A,B E 9tJl gilt AUB,AnB,A \B E 9tJl. Begründung: Zu jedem E > 0 gibt es kompakte K, L und offene U, V, so daß K c A c U, LeB c V und JL(U \ K) + JL(V \ L) < E. Nun sind K U L kompakt, U U V offen, K U L c A U B c U U V und (U U V) \ (K U L) c (U \ K) U (V \ L), also JL((U U V) \ (K U L)) < E, und es folgt: Au B E 9tJl. Wegen (U n V) \ (K n L) c (U \ K) U (V \ L) folgt ebenso: A n B E 9tJl. Weiter ist A \ B == A \ (A n B), so daß wir beim Nachweis von A \ B E 9tJl gleich B c A voraussetzen können. Dann dürfen wir aber (ggf. nach den Ersetzungen K ~ K U L, V ~ U n V) auch gleich LeK und V c U annehmen und erhalten: K \ V c A \ B c U \ L, K \ V ist kompakt, U \ L offen und (U \ L) \ (K \ V)
==
((U \ L) \ K)
U
((U \ L) n V)
==
(U \ K)
U
(V \ L),
also JL((U \ L) \ (K \ V))
0 existieren K n E n, Un E D mit K n C An C Un und JL(Un \Kn ) < E2- n (n E N). Wegen 2:~=1 JL(A n ) == JL (U~=1 An) :::; JL(X) < 00 und JL(Un ) :::; JL(A n ) + E2- n (n E N) ist 2:~=1 JL(Un ) < 00. Daher existiert ein N E N, so daß 2:~N+l JL(Un ) < E. Nun sind K :== U:=1 K n kompakt, U :== U~=1 Un offen, K C U~=1 An C U und JL(U \ K) :::; 2::=1 JL(Un \ K n) + 2:~=N+l JL(Un) < 2E. Daher ist U~=1 An E 9tJl. Nach (1), (2) ist 9tJl ein a-Ring. D
1.5 Regularitätssatz. Ist JL : ~ ~ [O,oo[ ein endliches Borel-Maß, und sind alle V E D von innen regulär, so ist JL regulär.
VIII. Maße auf topologischen Räumen
318 Beweis. Wegen D
c
91Jl liefert das Regularitätslemma 1.4 die Behauptung.
D
1.6 Korollar. Ist jede offene Teilmenge von X (J"-kompakt, so ist jedes endliche Borel-Maß auf X regulär. Beweis. Folgerung 1.2, e) und Regularitätssatz 1.5 ergeben die Behauptung. D
3. Moderate Borel-Maße. Im folgenden wollen wir die Voraussetzung der Endlichkeit von f.-l im Regularitätssatz 1.5 und in Korollar 1.6 abschwächen. Dabei leistet der von N. BOURBAKI [5], S. 21 eingeführte Begriff des moderaten Maßes gute Dienste. 1.7 Definition. Ein Borel-Maß heißt moderat, wenn X die Vereinigung einer Folge offener Mengen endlichen Maßes ist. 1.8 Folgerungen. a) Jedes moderate Borel-Maß ist (J"-endlich, und jedes von außen reguläre (J"-endliche Borel-Maß ist moderat. (Dagegen braucht ein nur (J"-endliches Borel-Maß nicht moderat zu sein, wie die Beispiele von BOURBAKI [5], S. 101, exercice 8 und bei GARDNER und PFEFFER [1]' S. 1016 f., 12.6 oder 12.7 lehren.) b) Ist X (J"-kompakt, so ist jedes Borel-Maß auf X moderat (Folgerung 1.2, b)). c) Jedes Borel-Maß auf einem Hausdorff-Raum mit abzählbarer Basis ist moderat. Begründung: Sei meine abzählbare Basis von X. Wir zeigen: Auch e :== {V E m : f.-l(V) < oo} ist eine Basis von X. Zum Beweis seien U E D und x E U. Nach Voraussetzung hat x eine offene Umgebung W mit f.-l(W) < 00, und es gibt ein V E Q1 mit x E V c UnW. Offenbar ist V E me, d.h. Q1e ist eine Basis von X. Insbesondere ist f.-l moderat, da Q1e abzählbar ist. -
m
1.9 Satz. Ist f.-l ein moderates Borel-Maß auf ~(X) mit der Eigenschaft, daß jedes offene V C X mit f.-l(V) < 00 von innen regulär ist, so ist f.-l regulär. Insbesondere ist jedes moderate Radon-Maß auf ~(X) regulär. Beweis. Es sei (G n)n2: 1 eine Folge offener Mengen endlichen Maßes mit U~=l G n == X. Die Maße f.-ln :== f.-ll ~(Gn) (n E N) sind nach dem Regularitätssatz 1.5 regulär. Es seien nun A E ~(X) und An :== A n G n (n E N). Dann existiert zu jedem E > 0 ein offenes Un mit An C Un C Gn und f.-l(Un \ An) == f.-ln(Un \ An) < E2- n (n E N). Daher ist U :== U~=l Un offen, U ~ A und f.-l(U \ A) ::; E~=l f.-l(Un \ An) < E, folglich ist f.-l von außen regulär. - Weiter seien a < f.-l(A)
und N E N so groß, daß
E :=
p,
(U~=l
Ak)
~ a > O.
Zu jedem j = 1, ... , N exi-
stiert ein kompaktes K j C A j mit f.-l( A j \ K j ) == f.-lj (A j \ K j )
l eine abzählbare Basis von Y und I die Menge der n E N, zu denen ein x E X existiert mit -f(Vn ) C U x ' Zu jedem n E I wählen wir ein festes X n E X mit f(Vn ) C U Xn ' Dann ist (UXn)nEI eine Überdeckung von X, denn ist x E X und y E f-l({X}), so gibt es ein n E N mit y E Vn C f- 1 (Ux ), und dann ist x E f(Vn ) C UXn ' (3) Ist J-L ein Borel-Maß auf dem Suslin-Raum X, so ist jede offene Menge G C X mit J-L( G) < 00 von innen regulär. Begründung: Ist f wie unter (2), so der offene Teilraum f-l(G) C Y nach A.22 polnisch. Daher ist G ein Suslin-Raum. Nach (1) ist das endliche Borel-Maß J-LG :== J-L I ~(G) regulär, also ist G von innen regulär. Aus Satz 1.9 und (2), (3) folgt nun die Behauptung des Satzes. 0 Bezüglich vertiefter Darstellungen der Theorie der Suslin-Räume verweisen wir auf folgende Literatur: BEHRENDS [1], S. 236 ff., BOURBAKI [7], Chap. IX, § 6, COHN [1], S. 261 ff., CHRISTENSEN [1], DELLACHERIE [1], DELLACHERIE und MEYER [1], Chap. 111, 1., HAHN [2]' Kapitel V, HAUSDORFF [2], HOFFMANN-JORGENSEN [1], KURATOWSKI [1]' LUSIN [1], PARTHASARATHY [1]' S. 15-22, ROGERS, JAYNE u.a. [1], SAKS [2]' S. 47 ff., SCHWARTZ [1], Chapter 11, SRIVASTAVA [1].
Historische Notiz. Die Suslin-Räume sind benannt nach M.J. SUSLIN (1894-1919), einem der zahlreichen hochbegabten Schüler von N.N. LUSIN (1883-1950). In der einzigen zu seinen Lebzeiten veröffentlichten mathematischen Arbeit (M. SOUSLIN: Sur une definition des en-
sembles mesurables B sans nombres transfinis, C.R. Acad. Sci., Paris 164, 88-91 (1917)) zeigt SUSLIN mit Hilfe der Theorie der analytischen Mengen, daß stetige Bilder Borelscher Mengen nicht Borelsch zu sein brauchen. Damit korrigiert er einen Fehler von LEBESGUE und gibt einen wesentlichen Anstoß für die weitere Entwicklung der Theorie der analytischen Mengen und der sog. deskriptiven Mengenlehre. - SUSLIN starb schon 1919 während der schweren
§ 1. Borel-Maße, Radon-Maße, Regularität
323
Zeiten im Gefolge der russischen Revolution an einer Typhusepidemie. Über Leben und Werk von M.J. SUSLIN unterrichten die Biographien von V.I. IGOSHIN [1]' [2] sowie ein Artikel von
G.G. LORENTZ [1].
6. Der Satz von LUSIN. Der Satz von LUSIN stellt eine verblüffend enge Beziehung her zwischen Borel-Meßbarkeit und Stetigkeit. 1.18 Satz von Lusin (1912).3 Es seien X, Y Hausdorff-Räume, Y habe eine abzählbare Basis, f-1 sei ein a-endliches reguläres Borel-Maß auf ~(X) und f : X -+ Y. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: a) Es gibt eine Borel-meßbare Funktion g : X -+ Y mit f == 9 f-1-f.ü. b) Zu jedem offenen U c X mit f-1(U) < 00 und jedem 8 > 0 gibt es ein Kompaktum K c U mit f-1(U \ K) < 8, so daß f I K stetig ist (bez. der Spurtopologie von X auf K). c) Zu jedem A E ~(X) mit J-l(A) < 00 und jedem 8 > 0 gibt es ein Kompaktum K c A mit f-1(A \ K) < 8, so daß f I K stetig ist. d) Zu jedem K ompaktum TeX und jedem 6 > 0 gibt es ein K ompaktum K c T mit J-l(T \ K) < 8, so daß f I K stetig ist.
Bemerkungen. a) Die Voraussetzungen bez. J-l sind z.B. dann erfüllt, wenn (i) J-l ein moderates Radon-Maß ist (Satz 1.9) oder (ii) X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum mit abzählbarer Basis ist und f-1 ein Borel-Maß (Korollar 1.12) oder (iii) X ein a-kompakter Hausdorff-Raum ist und f-1 ein Radon-Maß (Korollar 1.13) oder (iv) X ein polnischer Raum ist und J-l ein Borel-Maß (Satz 1.16 von ULAM). b) Die Implikationen a) =* b) ~ c) ~ d) gelten auch ohne die Voraussetzung der a-Endlichkeit von J-l. Beweis. a) =* b): Es kann gleich U == X, J-l(X)
l eine abzählbare Basis von Y, so gibt es wegen der Regularität von J-l zu jed~m n E Nein K n E Jl und ein Vn E D mit K n C g-l(Bn ) C Vn und J-l(Vn \ K n ) < 6 . 2-(n+l). Daher ist V :== U~=l (Vn \ K n ) offen mit f-1(V) < 6/2, und h :== 9 I VC ist stetig, wie folgende Betrachtung lehrt: Für alle n E N ist
Vn n V C== K n n V Cc g-l(Bn ) n V C== h- 1 (B n )
C
Vn n V C,
d.h. h- 1 (B n ) == Vn n VC ist offen in Vc. Daher ist h stetig. Es sei weiter N E ~(X) eine J-l-Nullmenge mit f I NC == 9 I NC. Wir benutzen ein weiteres Mal die Regularität von J-l und wählen ein kompaktes K C (VUN)C mit J-l( (V U N)C \ K) < 8/2. Dann ist f-1(K C) ::; f-1(V U N)
+ f-1((V U N)C \
K) < 6,
und f I K == 9 I K == h I K ist wegen K C VC stetig. b) =* c): Es sei A E ~(X),f-1(A) < 00. Dann existieren ein offenes U =:> A und 3N. LUSIN: Bur les proprietes des fonctions mesurables, C.R. Acad. Sci. Paris 154, 16881690 (1912).
324
VIII. Maße auf topologischen Räumen
ein kompaktes K c A mit JL(U \ K) < 6/2. Nach b) gibt es ein Kompaktum LeU mit JL(U \ L) < 6/2, so daß f I L stetig ist. Nun ist K n L c A ein Kompaktum mit JL(A \ (K n L)) ::; JL(A \ K) + JL(A \ L) < 6, und f I K n List stetig. c) =? d): klar. d) =? c): Sind A E ~(X), JL(A) < 00 und 6 > 0, so existiert ein Kompaktum T c A mit JL(A \ T) < 6/2. Zu T wählen wir nach d) ein Kompakturn K c T mit JL(T \ K) < 6/2, so daß f I K stetig ist. Dann leistet K das Verlangte. c) =? a): Es sei X == U~=l An mit disjunkten An E ~(X), JL(A n ) < 00 (n E N). Zu jedem JEN existiert ein Kompaktum K nj C An mit JL(A n \ K nj ) < l/j, so daß f I K nj stetig ist. Ersichtlich ist L :== Un,jEN K nj eine a-kompakte Menge mit JL(A n \ L) == 0, d.h. N :== LC ist eine BoreIsche Nullmenge. Ist nun F C Y abgeschlossen, so ist (f I L)-l(F) == Un,jEN(f I K nj )-l(F) a-kompakt, also BoreIseh. Daher ist f I L Borel-meßbar. Wählen wir nun ein festes bEY und setzen g I LC :== b, g I L :== f I L, so ist g : X ~ Y eine Borel-meßbare Funktion, die JL-f.ü. mit f übereinstimmt. D 1.19 Korollar. Es seien X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum, JL ein reguläres Borel-Maß auf ~(X) und f : X ~ JK eine Funktion, die JL-f.ü. mit einer Borel-meßbaren Funktion übereinstimmt. Dann gibt es zu jeder offenen Menge U C X mit JL(U) < 00 und jedem 6 > 0 ein
1(h)
==
1(1) + 1(g) 2 Mo(K) + Mo(L) .
Daher ist Mo(K U L) 2 Mo(K) + Mo(L). (KO) Nach Lemma 2.1 existiert zu K E Rund 8 > 0 ein
1
E
Ce(X) mit
§ 2. Der Darstellungssatz von F. Riesz
331
f ≥ χK und I(f ) ≤ μ0 (K) + δ. Offenbar ist U := {f > 1/(1 + δ)} eine offene Umgebung von K. F¨ ur jedes kompakte L ⊂ U ist (1 + δ)f ≥ χL und daher μ0 (L) ≤ (1 + δ)I(f ) ≤ (1 + δ)(μ0 (K) + δ) . W¨ahlen wir von vornherein δ so klein, daß δ(μ0 (K) + δ + 1) < ε, so folgt (KO). 2 2.3 Lemma. Es seien X ein Hausdorff-Raum und μ0 : K → [0, ∞[ eine Mengenfunktion mit den Eigenschaften (K.1)–(K.3), (KO) aus Lemma 2.2. Dann gen¨ugt μ0 folgender S t r a f f h e i t s b e d i n g u n g: (S) F¨ur alle K, L ∈ K mit K ⊂ L ist μ0 (L) − μ0 (K) = sup{μ0(C) : C ⊂ L \ K , C ∈ K} . Beweis. F¨ ur alle kompakten C ⊂ L \ K ist K ∪ C ⊂ L, K ∩ C = ∅, also μ0 (K) + μ0 (C) ≤ μ0 (L) (nach (K.1) und (K.3)). Daher braucht unter (S) nur noch ≤“ bewiesen zu werden. Dazu sei ε > 0. Dann existiert nach (KO) eine ” offene Umgebung U von K, so daß (2.4)
ur alle H ⊂ U, H ∈ K . μ0 (H) ≤ μ0 (K) + ε f¨
Nun ist L ⊂ K c ∪U, und hier sind K c , U offen. Wir zeigen zun¨achst: Es existieren undung: Die Mengen kompakte Mengen C ⊂ K c , D ⊂ U, so daß C ∪D = L. Begr¨ L \ K c = K und L \ U sind disjunkte kompakte Mengen im Hausdorff-Raum (!) X, haben also disjunkte offene Umgebungen V, W : K ⊂ V, L \ U ⊂ W, V ∩ W = ∅ . Nun sind C := L \ V, D := L \ W kompakt, C ⊂ L \ K ⊂ K c , D ⊂ U, C ∪ D = (L \ V ) ∪ (L \ W ) = L \ (V ∩ W ) = L , also leisten C, D das Gew¨ unschte. Mit den obigen Mengen C, D ist nun μ0 (L) ≤ μ0 (C) + μ0 (D) (wegen (K.2)), also folgt nach (2.4) μ0 (C) ≥ μ0 (L) − μ0 (D) ≥ μ0 (L) − μ0 (K) − ε . 2 Ohne R¨ uckgriff auf das Funktional I werden wir im folgenden Fortsetzungssatz zeigen, daß sich jede Mengenfunktion μ0 : K → [0, ∞[ mit der Eigenschaft (S) zu einem von innen regul¨aren Maß μ auf B fortsetzen l¨aßt. Geh¨ort μ0 gem¨aß (2.3) zu einer positiven Linearform I : Cc (X) → K, wobei X ein lokalkompakter Hausdorff-Raum ist, so werden wir in Abschnitt 3. zeigen, daß μ die gew¨ unschte Darstellung von I leistet. – In der Literatur gibt es verschiedene Varianten des Fortsetzungssatzes 2.4. Die ¨alteste Version stammt wohl von G.
332
VIII. Maße auf topologischen Räumen
(1915-2006) [1]' S. 207 ff. und [2], S. 158 ff., insbes. S. 164 f.; s. auch [1], S. 62, MEYER [1], S. 42 ff. und DELLACHERIE-MEYER [1], S. 82 ff. CHOQUET benutzt die Bedingung (KO) anstelle von (8); eine etwas allgemeinere, aber ähnliche Fassung steht bei BOURBAKI [1], S. 163 ff. Die folgende Formulierung des Fortsetzungssatzes mit (8) anstelle von (KO) stammt von KISYNSKI [1]; vgl. auch BERG-CHRISTENSEN-RESSEL [1]. Bezüglich neuerer Resultate verweisen wir auf ANGER-PORTENIER [1], POLLARD-ToPS0E [1], TOPS0E [1], [2] und KÖNIG [1]-[9]. In diesen Arbeiten wird in allgemeinerem Rahmen gezeigt, daß eine Straffheitsbedingung vom Typ (S) im wesentlichen notwendig und hinreichend für die Fortsetzbarkeit zu einem Maß ist. CHOQUET
SCHWARTZ
2.4 Fortsetzungssatz. Es seien X ein Hausdorff-Raum und J..Lo : Jt --t [O,oo[ eine Mengenfunktion mit der Eigenschaft (S). Dann gestattet J..Lo genau eine Fortsetzung zu einem von innen regulären Maß J..L : ~ --t [0, 00], und zwar gilt für alle A E ~
J..L(A) == sup{J..Lo(K) : K c A, K E Jt} .
(2.5)
Beweis (nach KISYNSKI [1]). Wenn J..Lo überhaupt eine Fortsetzung zu einem von innen regulären Maß J..L gestattet, so ist diese durch (2.5) gegeben. Damit ist die Eindeutigkeit klar und auch der Ansatz für den Existenzbeweis: Für beliebiges A c X setzen wir
J..L(A) :== sup{J..Lo(K) : K c A, K E Jt} .
(2.6)
Die Eigenschaft (8) impliziert (K.l)-(K.3). Nach (K.l) ist J..L I Jt == J..Lo, und es ist zu zeigen, daß J..L I ~ ein Maß ist. Dabei orientieren wir uns am Beweis des Fortsetzungssatzes 11.4.5, müssen jedoch beachten, daß das äußere Maß in GI. (11.4.6) durch ein Infimum definiert wird, J..L in (2.6) aber durch ein Supremum. Diese Bemerkung mag als Motivation dafür dienen, daß wir jetzt im Analogon der Meßbarkeitsdefinition das Ungleichungszeichen umzukehren haben. Dementsprechend definieren wir für beliebiges Q c X
und Ql:==
n
Qtc·
CEi{
Zum Beweis des Satzes werden wir zeigen: Qt ist eine a-Algebra, Qt
=:) ~,
und
J..L IQt ist ein Maß. Sei FeX abgeschlossen und C E Jt. Dann gilt nach (8)
J..L(C) - J..L(C n F) == J..Lo(C) - J..Lo(C n F) == sup{J..Lo(D): D C C \ F, D E Jt} == J..L(C \ F), also F E Qlc für alle C E Jt, d.h. F E Ql. Wenn wir Ql als a-Algebra erkannt haben, so folgt hieraus ~ C Ql.
§ 2. Der Darstellungssatz von F.
333
RIESZ
Es bleibt zu zeigen: 2l ist eine a-Algebra und J-l12l ein Maß. Zunächst ist
J-l(0) == 0 (nach (K.3»). Weiter ist 0 E 2l, und für alle A E 2l ist auch Ac E 2l. Es seien weiter A, B c X, A n B == 0. Ist J-l(A) == (X) oder J-l(B) == 00, so ist J-l(A U B) == (X) (wegen (2.6)), und die Ungleichung (2.7) ist richtig. Seien nun J-l(A), J-l(B) < R,K c A,L c B mit
J-l(A)
+ J-l(B) -
E
(X)
und
E
>
o.
Dann existieren K, L E
< J-lo(K) + J-lo(L) J-lo(K
U
L)
(nach (K.3»)
< J-l(A U B), und (2.7) gilt ebenfalls. Ist nun (A n )n2::1 eine Folge disjunkter Teilmengen von X, so folgt mit (2.7) induktiv für alle n E N
und daher
(2.8) Zunl Abschluß des Beweises brauchen wir daher nur noch zu zeigen: 00
(2.9)
Für jede Folge von Mengen E n E 2l (n E N) ist
UE
n E
2l und
n=l
Zum Beweis seien CER und c > o. Nach Definition von 2l und J-l gibt es zu jedem n E N kompakte Mengen An C C n E n, B n C C \ E n, so daß
Für alle n E N sind (Al U ... U An-I) n An und (BI n ... n B n- l ) U B n disjunkte kompakte Teilmengen von C. ll Daher gilt für alle n ~ 1:
-2- nE :::; J-lo(A n ) + J-lo(B n ) - J-lo(C) :::; J-lo(A n ) + J-lo(B n ) - J-lo( (Al U ... U An-I) n An) -J-lo((B l n n B n- l ) U B n ) (nach (K.l), (K.3») J-l(A n \ (Al U U An-I)) - J-l((B l n ... n B n- l ) \ B n ) (nach (8») J-lo(A l U U An) - J-lo(A l U U An-I) +J-lo(Bl n n B n ) - J-lo(B l n n B n- l ) (nach (8»). 11 Für
n == 1 ist BI
n ... n B n -
1
== C zu setzen.
VIII. Maße auf topologischen Räumen
334
Summiert man diese Ungleichungen über n == 1, ... ,N, so folgt ll (2.10)
J-lo(A I U ... U AN)
+ J-lo(B I n ... n B N )
N
~ J-lo(C) -
L
2- n c > J-lo(C) - c.
n=l
Nach (8) gibt es ein D E J{ mit D C BI \ n~=l B n , so daß (2.11) Da D n n~=l B n == 0 ist und D, B n (n E N) kompakt sind, ist D n n:=l B n == 0 für alle N ~ No mit geeignetem No E N. Daher liefern (K.3) und (K.l) zusammen mit (2.11)
für alle N ~ No, und nach (K.2) und (2.10), (2.12) folgt
(2.13)
~ 110(An) + 110 (0 B n)
~
110
(Q
An)
+ 110
(0
Bn) > 110(C) - 2E
(N ~ No). Wegen Al U ... U AN C C n U~=l E n , n~=l B n C C \ U~=l E n folgt aus (2.13), da c > 0 beliebig ist:
und wegen An
C
C
n E n liefert
(2.13)
(2.15) Aus (2.14) folgt U~=l E n E 2lc für alle C E J{, d.h. U~=l E n E 2l, und (2.15) ergibt
Damit ist (2.9) bewiesen.
o
§ 2. Der Darstellungssatz von F.
335
RIESZ
3. Der Darstellungssatz von F. RIESZ für lokal-kompakte Räume 2.5 Darstellungssatz von F. Riesz (1909) .12 Es seien X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum und 1 : Cc(X) ---t ]I{ eine positive Linearform. Dann existiert genau ein Radon-Maß /-L : 93 ---t [0,00], so daß
1(j) =
(2.16)
Ix f
djL
(j E Cc(X)) ,
und zwar ist
(2.17) (2.18)
/-L(K) /-L(A)
inf{1(f): f E Cc(X),f ~ XK} (K ER),
sup{/-L(K): K c A,K
E
R} (A
E
93).
Beweis. Eindeutigkeit: Es sei /-L ein Radon-Maß auf ~ mit (2.16). Wir brauchen nur (2.17) zu beweisen, und da für jedes K E Rund f E Cc(X) mit f ~ XK offenbar 1(f) ~ /-L(K) ist, bleibt unter (2.17) nur ,,~" zu zeigen. Dazu seien K E R, E > o. Nach Folgerung 1.2, g) gibt es eine offene Umgebung U von K mit /-L(U) :S /-L(K) + E, und nach Lemma 2.1 existiert ein f E Cc(X) mit XK :S f :S Xu· Nun folgt:
und die Eindeutigkeit ist bewiesen. Existenz: Wir definieren /-L durch (2.17), (2.18). Nach Abschnitt 2. ist /-L ein von innen reguläres Maß. Da X lokal-kompakt ist, ist /-L auch lokal-endlich (Folgerung 1.2,c)), d.h. /-L ist ein Radon-Maß. Es bleibt zu zeigen, daß (2.16) gilt, und dabei darf gleich f ~ 0 angenommen werden. Wir führen den Beweis in zwei Schritten:
(1) Für alle f
E C:(X) ist 1(f) ~
Ix f df1.
Begründung: Es sei u == L7=1 ajXAj (al,".' a m > 0, Al, .. . , Am E 93 disjunkt) eine nicht-negative Treppenfunktion mit u :S f. Alle A j (j == 1, ... ,m) sind im kompakten Träger von f enthalten, haben also endliches Maß. Zu vorgegebenem o < E < min(al' , a m ) existieren daher kompakte K j C A j mit f1(A j ) - E :S /-L(Kj ) (j == 1, , m). Die disjunkten kompakten K j haben disjunkte offene Umgebungen Uj (j == 1, ... , m), und Uj kann gleich als Teilmenge der offenen Umgebung {f > aj - E} von K j gewählt werden. Wir wählen zu jedem j == 1, ... , mein CPj E Cc(X) mit XKj :S CPj :S XUj· Dann ist m
9 :== L(aj - E)cpj E C:(X) , 9 :S
j=l 12 F. RIESZ
[1]' S. 400-402 und S. 490-495.
f
336
VIII. Maße auf topologischen Räumen
und daher m
m
l(f) 2 l(g) == L(aj - E)I( 0 existieren daher ein K E n und ein 8 > 0, so daß 11(f)1 < E für alle f E U8,K(0) n B. Ist insbesondere 0 :::; f :::; 1 und f K == 0, so ist f E U8,K(0) nB und daher 11(f)1 < E. Daß es unter der Voraussetzung der Darstellbarkeit von I nur ein darstellenD des Radon-Maß gibt, haben wir schon oben (nach (2.20)) gesehen. 1
Ix
1
1
Die Äquivalenz der Aussagen a), b) des Darstellungssatzes 2.12 bedeutet: Wird I(Xx) durch J1 dargestellt, so wird l(f) für alle f E Cb(X) durch j1 dargestellt gemäß (2.25). In Aufgabe 2.7 lernen wir ein Beispiel einer positiven Linearform I : Cb(X) -+ ]I{ kennen, die nicht durch das zugehörige Radon-Maß J1 dargestellt wird. Aus Aufgabe 2.7 folgt: Ein vollständig regulärer HausdorffRaum X ist genau dann kompakt, wenn jede positive Linearform I : Cb(X) -+ ]I{ durch ein Radon-Maß J1 darstellbar ist gemäß (2.25). - Bedingung d) von Darstellungssatz 2.12 geht zurück auf VARADARAJAN [1]; bez. weiterer Details s. BADRIKIAN [1] und WHEELER [1].
VIII. Maße auf topologischen Räumen
342
Satz 2.12 gilt sinngemäß, wenn die positive Linearform I auf ganz C(X) (X vollständig regulär) definiert ist. Zum Beweis dieser Aussage benötigen wir folgendes Lemma: 2.13 Lemma. Sind X ein vollständig regulärer Hausdorff-Raum, I : C(X) -+ ]I{ eine positive Linearform, f E C+(X) und fn :== min(n, f) (n E N), so gibt es ein no E N, so daß I(f) == I(fn) für alle n ~ no. Sind insbesondere I, J : C(X) -+ ]I{ zwei positive Linearform, die auf Cb(X) übereinstimmen, so ist I == J.
Beweis. Für jede Wahl reeller An > 0 ist g :== 2:~=1 An(f - fn) E C+(X), denn die Reihe ist lokal eine endliche Summe. Aus 2:~=1 An(f - fn) ::; 9 folgt 2:~=1 An(I(f) - I(fn)) ::; I(g) für alle N E N. Daher konvergiert die Reihe 2:~=1 An(I(f) - I(fn)), insbesondere gilt: An(I(f) - I(fn)) -+ 0 (n -+ (0). Da dies für jede Wahl der An zutrifft, gibt es ein no E N mit I(f) == I(fn) für alle n ~ no. D 2.14 Darstellungssatz von F. RIESZ für C(X). Ist X vollständig regulär, so gilt Darstellungssatz 2.12 entsprechend für positive Linearformen I : C(X) -+ ]I{, wenn man überall Cb(X) durch C(X) ersetzt.
Beweis. Zur Einschränkung I I Cb(X) gehört ein endliches Radon-Maß J-l gemäß (2.22), (2.23), und nach Lemma 2.11 gilt (2.24). Wir zeigen zunächst, daß sogar
i
(2.26) Dazu seien
f
E
I dJl :s; 1(1)
(I
E
C+ (X)) .
C+(X) und fn, no wie in Lemma 2.13. Dann ist nach (2.24)
i
In dJl :s; 1(1n) = 1(1)
(n;::: no) ,
und wegen fn t f liefert der Satz von der monotonen Konvergenz die Ungleichung (2.26). Insbesondere folgt C(X) C [}(J-l). Nach Darstellungssatz 2.12 sind die Aussagen a)-d) dieses Satzes äquivalent. Zum Beweis von Darstellungssatz 2.14 brauchen wir nur noch zu zeigen, daß aus (2.25) folgt (2.27)
1(1) =
i
I dJl
(I
Das ist aber klar nach Lemma 2.13 mit J(f) :==
E C(X)) .
Ix f dJ-l
(f E C(X)).
D
Bemerkung. Ist X lokal-kompakt und abzählbar kompakt, so ist C(X) == Cb(X); ist X überdies nicht kompakt, so gibt es nach Aufgabe 2.7 eine positive Linearform I : C(X) ~ JK, die nicht durch das zugehörige J-L dargestellt wird. - Folgender Raum X hat die genannten
Eigenschaften: Es seien ßN die Stone-Cech-Kompaktifizierung von N (s. Aufgabe 2.7) und
a
E
(ßN) \N. Dann ist X :== (ßN) \ {al lokal-kompakt und abzählbar kompakt (s.
ENGELKING
[1], 3.10.18), aber X ist als dichte echte Teilmenge von ßN nicht kompakt. Wie oben bemerkt, ist ein vollständig regulärer Hausdorff-Raum X genau dann kompakt,
§ 2. Der Darstellungssatz von F.
343
RIESZ
wenn jede positive Linearform auf Cb(X) durch ihr Radon-Maß dargestellt wird. Dagegen gibt es sehr wohl nicht kompakte vollständig reguläre Räume X, für welche jede positive Linearform auf C(X) durch ihr Radon-Maß dargestellt wird; z.B. hat jeder O"-kompakte lokalkompakte Hausdorff-Raum diese Eigenschaft (s. Darstellungssatz 2.19, b)).
5. Träger von Maßen. Im Hinblick auf Darstellungssatz 2.14 stellen wir die Frage, für welche Radon-Maße /-1 die Inklusion C(X) C L I (/-1) gilt. Wir werden zeigen: Ist X ein a-kompakter, lokal-kompakter Hausdorff-Raum, so gilt C(X) C L I (/-1) genau dann, wenn /-1 einen kompakten Träger hat (Lemma 2.16). Dabei ist der Träger eines Radon-Maßes /-1 definiert als das Komplement der größten offenen /-1- Nullmenge. Daß diese Definition sinnvoll ist, folgt aus Lemma 2.15. 2.15 Lemma. Sind X ein Hausdorff-Raum, /-1 ein Radon-Maß auf Q3 und (UJLEJ eine (nicht notwendig abzählbare) Familie offener /-1-Nullmengen, so ist /-1(ULEJ UJ == O.
Beweis. Sei K C ULEJ UL kompakt. Dann existieren endlich viele il,' .. , in E I mit K C U~=l ULv ' folglich ist /-1(K) == O. Da /-1 von innen regulär ist, folgt /-1(ULEJ UJ == O. D Nach Lemma 2.15 ist die Vereinigung V aller offenen /-1-Nullmengen eines Radon-Maßes /-1 eine /-1-Nullmenge, und offenbar ist V die (bez. mengentheoretischer Inklusion) größte offene /-1-Nullmenge. Das Komplement von V nennt man den Träger von /-1: Tr /-1 :== V C • Offensichtlich ist Tr /-1 abgeschlossen. Für a E X gilt a E Tr /-1 genau dann, wenn für jede offene Umgebung U von a gilt /-1(U) > O. Sind f,g E C+(X) (oder auch nur f,g E M+(X, Q3)) und f I Tr /-1 == gl Tr /-1, so ist f == g /-1-f.ü . und daher
Diese Gleichung gilt auch für alle f, gELl (/-1) mit f I Tr /-1 == g I Tr /-1. Ist Tr /-1 kompakt, so sind alle f E C(X) /-1-integrierbar. Lemma 2.16 enthält eine teilweise Umkehrung dieser Aussage.
2.16 Lemma. Es seien X ein a-kompakter, lokal-kompakter Hausdorff-Raum und /-1 ein Radon-Maß auf Q3, so daß C(X) C L I (/-1). Dann ist Tr /-1 kompakt.
Beweis. Wir wählen eine aufsteigende Folge (Kj )j'21 in R mit K j
t
X, K j CKj+1
(j 2 1). Angenommen, Tr /-1 ist nicht kompakt. Dann gibt es eine Folge 1 S; nl < n2 < ... natürlicher Zahlen und aj E Tr /-1, so daß aj E K nj + 1 \ K nj (j 2 1). Zur Vereinfachung der Notation kann gleich angenommen werden, daß aj E (Kj+l
\Kj ) nTr /-1. Zu aj existiert ein mit (2.16), und /-1> wird durch (2.17), (2.18) festgelegt. Offenbar stimmt /-1> mit dem durch (2.22), (2.23) definierten Radon-Maß überein, also gilt C(X) c 1 (/-1» (Darstellungssatz 2.14). Ist nun 1 stetig bez. 'Ic , so gibt es ein K E .R und ein a > 0, so daß 11(1) I :::; alliliK (I E C(X)). Daher erfüllt 1 die Bedingung c) von Darstellungssatz 2.12, und Darstellungssatz 2.14 liefert (2.28). - Wir zeigen, daß Tr /-1> kompakt ist: Dazu seien L c KC ein Kompaktum und
kompakt. Ist umgekehrt /-1> irgendein Radon-Maß mit kompaktem Träger, so ist C(X) C 1 (/-1», und (2.28) definiert eine positive Linearform 1 : C(X) ~ lK, die stetig ist bez. 'Ic . b) Ist X a-kompakt, so existiert nach Lemma 2.18 ein T E .R, so daß 1(1) == 0 für alle 1 E C(X) mit 1 T == O. Es seien V eine kompakte Umgebung von T und
0 ein K E R und ein U E D existieren, so daß K c A c U und lvi (U \ K) < c. Mit Mreg(~) bezeichnen wir die Menge der regulären signierten (bzw. komplexen) Maße v : ~ -+ IK. 2.22 Folgerungen. a) Mreg(~) ist ein Banach-Raum bez. der Norm
Ilvll .-
Ivl(X). b) Ist v : ~ -+ lR ein signiertes Maß, so sind folgende Aussagen äquivalent: (i) v ist regulär. (ii) v+, v- sind regulär. (iii) I v I ist regulär. Ist v ein komplexes Maß, so sind äquivalent: (i) v ist regulär. (ii) p :== Rev, (j :== Im v sind regulär. (iii) p+, p-, (j+, (j- sind regulär. (iv) I v I ist regulär. Beweis. a) Wir zeigen, daß Mreg(~) ein abgeschlossener Unterraum des BanachRaums M(~) ist: Dazu sei (Vn)n~l eine Folge in Mreg(~), die gegen v E M(~) konvergiert. Es seien A E ~,c > o. Dann ist IIvn - vii< c/2 für alle hinreichend großen n. Wir wählen ein solches n fest aus, und zu v n ,A,c/2 (statt c) wählen wir K, U gemäß Definition 2.21. Dann ist
lvi (U \
K) ~
Iv -
Vn
I(U \
K)
+
IVn
I(U \
K) ~
Ilvn
c
-
vii + 2 < c.
b) Im reellen Fall sind die Implikationen (i) :::} (iii) :::} (ii) :::} (i) klar, im komplexen Fall schließt man (i) :::} (iv) :::} (ii) :::} (iv) :::} (iii) :::} (i). - Im komplexen Fall heißt v == p+ - p- + i((j+ - (j-) die Jordan-Zerlegung von v. D Ist v ein signiertes Maß, so setzt man .cl(v) :== .cl(v+) n .cl(v-) und
Für ein komplexes Maß v sind p :== Rev, (j :== Im v endliche signierte Maße, und man setzt .cl (v) :== .cl (p) n .cl ((j) und
Ix f
dv:=
Ix f
dp + i
Ix f
da
(J E
.c 1 (v)).
§ 2. Der Darstellungssatz von F.
347
RIESZ
Ix
Sei v E M(~): Dann ist XBdv == v(B) (B E Q3), also ist für jede Linearkombination u der Funktionen XB!, ... ,XB (BI' ... ' B n E Q3 disjunkt) n
[L
udv!
S;
L
luldlvl·
Jede beschränkte meßbare Funktion 1 : X Funktionen u obigen Typs, und es folgt
L
I f dvl
(2.29)
S;
~ JI{
ist gleichmäßiger Limes von
L
Ifldlvl ;
speziell ist
[L
(2.30)
f dv[
Ilflloollvll·
S;
Im folgenden legen wir einen lokal-kompakten Hausdorff-Raum X zugrunde und betrachten den Raum Co(X) der stetigen Funktionen 1 : X ~ JI{, die im Unendlichen verschwinden. Unser Ziel ist eine Beschreibung des Dualraums Cb(X) von (Co(X), 11.11(0). 2.23 Satz. Es sei X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum. Dann ist
: M reg (Q3) ----+ Cb(X) , (2.31)
~ Ilglloo} eine nicht-leere offene Menge, folglich existieren endlich viele Xl, ... ,Xm E G mit Tr f c U:=l Xk V, also ist f ~ 2(llfII00/llgII00) 2::=1 go L(X;l).
V
:==
Daher gilt eine Ungleichung des Typs m
(3.2)
f ~ LCkgoL(X;l)
k=l
mit Xl,'·' ,Xm E G,Cl,· . . ,Cm ~ O,m E N.
VIII. Maße auf topologischen Räumen
358
Für jede positive linksinvariante Linearform J : Cc ( G) ---+ JK, J =1= 0 folgt aus (3.2): J(f) :s; L:=l CkJ(g), d.h. L:=l Ck 2 J(f)IJ(g)· Das führt uns zur Betrachtung folgenden Ausdrucks: Es sei (f : g) das Infimum aller Summen L:=l Ck von Koeffizienten Cl, ... ,Cm , die in Ungleichungen des Typs (3.2) vorkommen. Das Funktional (f : g) (f,g E C:(G),g =1= 0) hat folgende Eigenschaften:
(3.3) (3.4) (3.5) (3.6) (3.7) (3.8)
(f oL(y) (>"f (f1 + f2 (f (f
(f : g) (y E G), : g) >"(f : g) (>.. 2 0) , : g) : g) < (f1 : g) + (f2 : g) (f1,f2 E C:(G)) , : g) > Ilflloo/llglloo , : h) < (f : g) (g : h) (h E C:(G), h =1= 0) , 1
(h : f)
< (1:g) < (1:h) (h : g) -
(f,g,h
E
C:(G) \ {O}).
Begründung: (3.3)-(3.5) sind auf Grund der Definition von (f : g) evident. Zum Beweis von (3.6) gehen wir aus von (3.2) und erhalten Ilflloo :s; L~l ckllglloo, also L:=l Ck 2 Ilflloo/llglloo. Damit folgt (3.6); insbesondere ist (f : g) > 0, falls zusätzlich f #- 0 ist. Zur Begündung von (3.7) seien Xl,"" Xm E G und Cl, ... , Cm 2 0 gemäß (3.2) gewählt und entsprechend Y1,···, Yn E G, d1, ... ,dn 2 0 zu g, h, so daß 9 :s; L~=l dzh L( yz 1). Schätzt man die rechte Seite von (3.2) mit Hilfe der letzten Ungleichung ab, so folgt: f :s; L:=l L~=l ckd zhoL((Xkyz)-l), also (f : h) :s; L:=l Ck L~=l dz, und die Infimumbildung auf der rechten Seite liefert (3.7). (3.8) folgt sogleich aus (3.7). Dabei ist zu beachten, daß die Nenner positiv sind, da f, g, h =1= o. Die weitere Beweisidee ist nun, den Träger von 9 auf den Punkt e schrumpfen zu lassen. Um dabei (f : g) unter Kontrolle zu halten, liegt im Hinblick auf (3.8) folgende Quotientenbildung nahe: Wir wählen für den Rest des Beweises G), fo =1= 0 und bilden eine feste Vergleichsfunktion fo E 0
C:(
19 (1) :=
(~::~)
(1, 9 E C:(G), 9
-# 0).
(Die Wahl der Funktion fo wird am Ende des Existenzbeweises bewirken, daß die Linearform 1 der Normierungsbedingung l(fo) == 1 genügt.) Die GIn. (3.3)(3.5) ergeben nun:
(3.9)
19 (f oL(y)) 19 (>"f)
(3.10) (3.11 )
19 (f1
und (3.8) liefert (3.12)
+ f2)
..19 (f) 19 (f1)
(y
E G) ,
(>.. 2 0) ,
+ 19 (f2)
(f1, f2
E
C:(G)) ,
§ 3. Das Haarsche Maß
359
Wir fassen I g (l) als Näherungswert für das zu konstruierende 1(1) auf und stellen fest: Die Eigenschaften (3.9), (3.10) sind bereits passend, aber (3.11) ist zum Beweis der angestrebten Additivität von I unzureichend. Daher beweisen wir eine Ungleichung in umgekehrter Richtung:
(3.13) Zu allen 11,12
E
C:(G) und c > 0 gibt es ein V I g (11)
lür alle 9
E
C: (G), 9
=1=
E
U, so daß
+ I g (12) ::; I g (11 + 12) + c
0 mit Tr 9
C
V.
C:
Begründung: Zu K :== Tr (11 + 12) wählen wir ein h E (G) mit h I K == 1 und setzen F :== 11 + 12 + 6h, wobei 6 > 0 so klein sei, daß 26(h : 10) < c/ 2. Für j == 1, 2 setzen wir r.p j (x) :== Ij (x) / F (x), falls x E {F > O}, und r.pj(x) :== 0, falls x E KC. Dann sind r.p1, r.p2 wohldefiniert, da K c {F > O} und r.p1 (x) == r.p2 (x) == 0 für alle x E {F > O} n KC. Ferner sind die Funktionen r.p1, r.p2 stetig, da sie auf den offenen Mengen {F > O} und KC stetig sind. Daher gilt: r.p1, r.p2 E C:(G),O ::; r.p1 + r.p2 ::; 1 und Fr.pj == Ij (j == 1,2). Die Funktionen r.p1, r.p2 sind nach Satz 3.8 links-gleichmäßig stetig. Wählen wir also o < TJ < ~ so klein, daß 2TJ(11 + 12: 10) < c/2, so existiert ein V EU, so daß Ir.p j (x) - r.p j (xv) I < TJ für alle x E G, v E V, j == 1, 2. Es seien nun 9 E C:(G), 9 =1= 0, Tr 9 C V und Xl,· .. , Xm E G, Cl, ... , Cm ~ 0, so daß (vgl. (3.2)) m
F::; LCkgoL(X;l). k=l
(3.14) Ist hier goL(X;l )(x) TJ (j == 1, 2), also
=1=
0, so gilt x E Xk V, und für diese x ist r.pj(x) ::; r.pj(Xk)
+
m
Ij(x)
==
r.pj(x)F(x) ::; L Ck(r.pj(Xk) k=l
+ TJ)g(X;l X) (x
E G;j ==
1,2).
Eine Addition der hieraus resultierenden Ungleichungen für (11 : g), (12 : g) führt unter Berücksichtigung von r.p1 + r.p2 ::; 1 auf m
(11 : g)
m
+ (12 : g) ::; L Ck(r.p1(Xk) + r.p2(Xk) + 2TJ) ::; L ck(l + 2TJ)· k=l
k=l
Wegen (3.14) und (3.10), (3.11) können wir daher schließen:
(11 : g) + (12 : g) ::; (F: g)(l + 2TJ) ::; ((11 + 12 : g) I g (11) + I g (12) ::; (lg (11 + 12) + 61g (h))(1 + 2TJ)·
+ 6(h: g))(l + 2TJ),
Hier ist nach (3.12) und der Wahl von 6, TJ
2TJlg (11 + 12) < 2TJ(11 + 12 : 10) < c /2 , 81g (h)(1 + 2TJ) ::; 26(h: 10) < c/2, und (3.13) ist bewiesen. -
VIII. Maße auf topologischen Räumen
360
Zum Abschluß des Existenzbeweises betrachten wir den Produktraum X :==
TI! [Uo1:f) ' (J : 10)]' wobei die Produktbildung über alle 1 E
C: (G), 1 i 0 erstreckt wird. Nach dem Satz von TYCHONOFF (1906-) ist X bez. der Produkttopologie kompakt, und nach (3.12) ist 19 E X für alle 9 E C:(X), 9 i= o. Der oben angedeutete Prozeß des "Zusammenziehens" des Trägers von 9 auf den Punkt e läßt sich nun mit Hilfe eines Kompaktheitsarguments folgendermaßen streng fassen: Für V E II sei F(V) der Abschluß der Menge {1g : 9 E (G), 9 i= 0, Tr 9 C V} in X. Sind VI, ... , Vn E ll, so ist F(V1) n ... n F(Vn ) == F(V1 n ... n Vn ), also hat das System der Mengen F(V) (V E ll) die endliche Durchschnittseigenschaft. Wegen der Kompaktheit von X ist daher der Durchschnitt der Mengen F(V) (V E ll) nicht leer; sei 1 E F(V) für alle V E U. Nach Definition der Produkttopologie gibt es zu allen f1, ... ,fn E C:(G) \ {O},n E N,c > 0 und V E U ein 9 E (G), 9 i= 0 mit Tr 9 C V, so daß
C:
C:
11(fj) - 19 (fj) I < c für alle j
== 1, ... , n.
Aus dieser Approximationseigenschaft und (3.9)-(3.13) erhellt, daß 1 : C:( G) \ {O} ~]O, oo[ folgende Eigenschaften hat (f, f1, f2 E C:(G) \ {O}): (3.15) (3.16) (3.17) (3.18)
1(f oL(y)) 1(>"f) 1(f1 + f2) 1
(fa: f)
1(f) (y E G), >..1(f) (>.. > 0) , 1(f1) + 1(f2) ,
< 1(f) :::; (f : fo) .
Daher gestattet 1 eine kanonische Fortsetzung zu einer linksinvarianten positiven Linearform 1 : Cc(G) ~ JK, und nach (3.18) ist 1 i= o. (Wegen (3.6) und der Definition von (fa: fo) ist (fa: fo) == 1; folglich ist 1(fo) == 1 nach (3.18).) Damit ist der Existenzbeweis beendet. Eindeutigkeit: Es seien J : C c ( G) ~ JK ein linkes Haar-Integral und f, 9 E C:(G), 9 i= o. Aus (3.2) folgt J(f) :::; ~;:=1 CkJ(g), also
(3.19)
J(f) :::; (f : g)J(g).
Hier ist notwendig J(g) i= 0, denn sonst wäre nach (3.19) J(f) == 0 für alle f E C:(G), d.h. J == 0: Widerspruch! Es seien weiter f E C:(G),c > O. Dann existiert ein U E ll, so daß If(x) f(y)1 < c für alle x, y E G mit x- 1y E U, denn f ist links-gleichmäßig stetig (Satz 3.8). Es sei ferner 9 E C:(G),g i= 0 mit Trg C U, so daß 9 symmetrisch ist in dem Sinne, daß g(x) == g(x- 1) (x E G). Für festes x E G betrachten wir die Funktion G ~ lR,y H f(y)g(y-1 X ). Wir bezeichnen diese Funktion im folgenden kurz mit f(y)g(y-1 X ), wobei y die "freie" Variable und x ein "festes" Element von G bedeuten. Für y-l x ~ U ist g(y-1 X ) == 0, und für y-1 x E U ist f(y) 2: f(x) - c. Daher ist wegen der Symmetrie von 9
J(f(y)g(y-1 X )) > (f(x) - c)J(g(y-1 X )) == (f(x) - c)J(g(x- 1y)) == (f(x) - c)J(g) ,
§ 3. Das Haarsche Maß
361
denn J ist linksinvariant, also
f(x) - c ~ J(f(y)g(y-lx))/J(g)
(3.20)
(x
E
G).
Die Funktion g ist rechts-gleichmäßig stetig. Zu vorgegebenem TJ > 0 gibt es daher ein offenes W E II mit Ig(y) - g(z)1 < TJ für alle y, z E G mit yz-l E W. Zur Menge K :== Tr (f + fo) existieren endlich viele Yl, ... , Yn E G und 0, und 'Pk(X):= 0, falls 'l/J(x) = 0, so sind 'P1, ... ,'Pn stetig (!) und leisten das Verlangte.
°:: ;
VIII. Maße auf topologischen Räumen
362
und wählen U von Anfang an so klein, daß zusätzlich Ih(x) - h(y)1 < E* für alle x, y E G mit x-ly E U. Dann gilt (3.22) auch für h, h*, E* anstelle von f, h, E, und zwar für alle symmetrischen 9 E C;;(G),g -I- 0 mit Trg C U; d.h.
(h : g)
< 2E*(h*: g) + J(h)j J(g)
:s: ~ ~~: ; ~~ + J(h)j J(g) :s: ~(h : g) + J(h)j J(g) ; beim letzten Schritt wird (3.7) benutzt. Insgesamt ist (h : g)J(g) S 2J(h), und (3.24) liefert
J(f)
I g (1) ~ 4c:J(h) + J(1o) .
(3.25)
Nach (3.23), (3.25) gibt es zu jedem fJ > 0 eine Umgebung V E ll, so daß IIg(f)-J(f)/J(fo)1 < fJ für alle symmetrischen 9 E C;;(G),g =I- 0 mit Trg C V. Daher ist J(f) / J(fo) eindeutig bestimmt. D Der obige kunstvolle, aber technisch diffizile Beweis der Eindeutigkeit eines linken Haarschen Maßes (nach A. WEIL [2]) zeichnet sich dadurch aus, daß nur sehr elementare Hilfsmittel verwendet werden und daß am Ende die Konvergenz der Quotienten I g(f) gegen ein linkes Haar-Integral quantitativ nachgewiesen wird. Wesentlich kürzere Eindeutigkeitsbeweise (mit Hilfe des Satzes von FuBINI) findet man z.B. bei BOURBAKI [4]' FLORET [1]' 13.5.3, LOOMIS [1] und RUDIN
[2].
Wendet man Satz 3.11 auf die zu G entgegengesetzte Gruppe G opp an, so folgt: Es gibt eine nicht-triviale rechtsinvariante positive Linearform J : C c(G) -t l[{ und J ist bis auf einen positiven Faktor eindeutig bestimmt; J heißt ein rechtes Haar-Integral auf Cc(G). - Im Anschluß an (3.19) haben wir gesehen: Ist I : Cc(G) -t l[{ ein linkes (oder rechtes) Haar-Integral, so ist I(f) > 0 für alle f E C;;(G), f =I- O. 3.12 Satz (A. HAAR (1932), J. v. NEUMANN (1936), A. WEIL (1936)). Ist G eine lokal-kompakte Hausdorffsche topologische Gruppe, so gibt es ein linksinvariantes Radon-Maß J-l : ~(G) -t [0,00], J-l =I- 0, und J-l ist bis auf einen positiven Faktor eindeutig bestimmt; J-l heißt ein linkes Haar-Maß auf G.
Beweis. Die Behauptung folgt sofort aus Satz 3.11 und Lemma 3.9.
D
Durch Anwendung von Satz 3.12 auf die Gruppe G opp folgen wieder Existenz und Eindeutigkeit (bis auf einen positiven Faktor) eines nicht-trivialen rechtsinvarianten Radon-Maßes v : ~(G) -t [0,00]; v heißt ein rechtes Haar-Maß auf G. - Ist J-l ein linkes Haar-Maß auf G, so hat J-l folgende Eigenschaften:
(i) J-l(aB)
== J-l(B)
(a E G, B E ~(G));
(ii) J-l(K) < 00 für alle kompakten K C G; (iii) J-l(B) == sup{Jl(K) : K
C
B, K kompakt}
(iv) J-l(U) > 0 für jede offene Menge U
C
G, U
(B
-I- 0;
E ~(G));
§ 3. Das Haarsehe Maß
363
(v) 0 < /-l(U) < 00 für jede relativ kompakte offene Menge U c G.
Begründung: (i)-(iii) sind klar, da /-l ein linksinvariantes Radon-Maß ist. Zum Beweis von (iv) nehmen wir an, es sei U i= 0 offen, /-l(U) == O. Ist K c G kompakt, so existieren endlich viele Xl,' .. , X n E G mit K C U7=1 xjU, folglich ist /-l( K) == O. Da /-l von innen regulär ist, folgt /-l == 0: Widerspruch, denn als 0 linkes Haar-Maß ist /-l i= O. - (v) folgt aus (ii) und (iv). Für ein rechtes Haar-Maß v ist (i) zu ersetzen durch (i') v(Ba) == v(B) (a E G, B E ~(G)); die übrigen Bedingungen (ii)-(v) gelten entsprechend mit v statt /-l. (x
Ist f : G ~ lK eine Funktion, so setzen wir f* : G ~ lK,f*(x) :== f(x- l ) E G). Dann ist (foL(a))* == f*oR(a- I ), (foR(a))* == f*oL(a- l ) (a E G).
3.13 Satz. Es sei G eine lokal-kompakte Hausdorffsche topologische Gruppe. a) Ist I : Cc(G) ~ lK ein linkes (bzw. rechtes) Haar-Integral, so ist 1* : Cc(G) ~ lK,I*(f) :== l(f*) (f E Cc(G)) ein rechtes (bzw. linkes) Haar-Integral. b) Ist /-l : ~(G) ~ [0,00] ein linkes (bzw. rechtes) Haar-Maß, so ist /-l* : ~(G) ~ [0,00], /-l*(B) :== /-l(B- I ) (B E ~(G)) ein rechtes (bzw. linkes) HaarMaß· c) Gehört /-l zu I im Sinne von Lemma 3.9, so gehört /-l* zu 1*.
Den einfachen Beweis überlassen wir dem Leser (vgl. Aufgabe 3.14). Dabei ist zu beachten: Die Abbildung f J---t f* ist ein Isomorphismus von C c ( G) auf sich, und die Abbildung B J---t B- I ist eine Bijektion von ~(G) auf sich. 3.14 Beispiele. a) Die Menge aller Matrizen A == (~i) (x, y E JR, x i= 0) bildet eine abgeschlossene Untergruppe H von GL (2, JR). Beschreiben wir die Elemente A E H durch die entsprechenden Zahlenpaare (x, y) E JRx xJR (JR x :== JR\ {O}), so erhalten wir die lokal-kompakte Hausdorffsche topologische Gruppe G == JRx x JR mit der Multiplikation (x, y) (u, v) == (xu, xv + y), dem Einselement (1,0) und der Inversenbildung (x, y)-l == (X-I, -x-Iy). (Algebraisch ist G das sog. semidirekte Produkt der multiplikativen Gruppe JR x , deren Elemente via Multiplikation als Automorphismen auf der additiven Gruppe (JR, +) operieren, mit der additiven Gruppe JR. Man kann G auch auffassen als die Gruppe der bijektiven affinen Abbildungen (a,b): JR ~ JR,t J---t at+b (a,b E JR,a i= 0).) Offenbar ist
ein linkes Haar-Integral auf Cc(G), denn für (a,b) E G ist IdetDL(a,b)1 == a 2 , und die Transformationsformel ergibt die Linksinvarianz. Nach Satz 3.13 definiert I*(f) :== l(f*) (f E Cc(G)) ein rechtes Haar-Integral auf Cc(G). Da die Transformation t(x, y) :== (x-I, -x-Iy) die Funktionaldeterminante (detDt)(x,y) == x- 3 hat, ergibt die Transformationsformel
1*(1) =
L
f(x-
1
~~X-ly) dß2(X, y) =
Lf(~IY)
dß2(X, y) .
VIII. Maße auf topologischen Räumen
364
(Die Rechtsinvarianz von 1* läßt sich auch an der letzten Integraldarstellung leicht mit Hilfe der Transformationsformel nachprüfen.) 1* ist offenbar kein positives Vielfaches von I, d.h. I ist nicht rechtsinvariant. G ist wohl das einfachste Beispiel einer lokal-kompakten Hausdorffschen topologischen Gruppe, für welche die linken und die rechten Haar-Integrale wesentlich verschieden sind. Auffälligerweise besitzt die Gruppe GL (2, JR) ein invariantes Haar-Integral (Beispiel 3.10,e)), die abgeschlossene Untergruppe H c GL (2, JR) aber nicht. b) Es sei JHIx die (nicht abelsche) multiplikative Gruppe der von Null verschiedenen Quaternionen x == a+ßi+,j +8k (a,ß",8 E JR,i 2 == j2 == k 2 == -l,ij == - ji == k, jk == -kj == i, ki == -ik == j), versehen mit der von JR4 induzierten Topologie. Für x E JHI sei N(x) :== a 2 + ß2 +,2 + 82 die Norm von x. Bekanntlich ist N(xy) == N(x)N(y) (x, y E JHI). Für a E JHIx ist I det DL(a)1 == (N(a))2. Daher ist
I(J)
:=
lx (~gj)2dß4(X)
(J
E
Cc(JHI
X ))
ein linkes Haar-Integral auf Cc(lHI X ), und I ist wegen I det DR(a)1 == (N(a))2 (a E JHIX) auch rechtsinvariant. Historische Anmerkungen. Die Invarianzeigenschaften der Haarschen Maße auf ~p , ~x , SI
und auf endlichen Gruppen sind seit langem wohlbekannt, aber erst mit der allgemeinen Akzeptanz des Gruppenbegriffs wird der strukturelle Begriff der Linksinvarianz klar. Das kommt erstmals 1897 in einer fundamentalen Arbeit von A. HURWITZ (1859-1919) zum Ausdruck, in der HURWITZ Haarsche Integrale für die orthogonale Gruppe SO(n) und die unitäre Gruppe SU (n) bestimmt und für die Erzeugung von Invarianten durch Integration nutzbar macht. Zusätzlich betont HURWITZ "die allgemeine Anwendbarkeit des Prinzipes, die Invarianten einer kontinuierlichen Gruppe durch Integration zu erzeugen," d.h. er weist auf die Existenz eines Haarschen Maßes für jede Lie-Gruppe hin. Erst von 1924 an wird der Wert dieser Untersuchungen in den Arbeiten von 1. SCHUR (1875-1941) und H. WEYL über die Darstellungstheorie kompakter Lie-Gruppen deutlich (Orthogonalitäts- und Vollständigkeitssatz für die Charaktere irreduzibler Darstellungen, explizite Bestimmung der Charaktere). Diese Untersuchungen gipfeln in dem berühmten Satz von F. PETER (1899-1949) und H. WEYL; dieser ist ein vollkommenes Analogon des aus der Darstellungstheorie der endlichen Gruppen bekannten Satzes von der Zerlegung der regulären Darstellung in ihre irreduziblen Komponenten (s. H. WEYL, Gesammelte Abhandlungen, Bd. 11, 111). Mit der Begründung der allgemeinen Theorie der topologischen Gruppen durch O. SCHREIER (1901-1929) und F. LEJA17 wird die allgemeine Frage nach der Existenz linksinvarianter Maße auf topologischen Gruppen aufgeworfen. Dabei muß man sich vergegenwärtigen, daß sich in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts die angemessenen allgemeinen Begriffe in Topologie und Maßtheorie noch in statu nascendi befinden. In dieser Situation ist der Beweis der Existenz eines linksinvarianten Maßes auf jeder lokal-kompakten Hausdorffschen Gruppe mit abzählbarer Basis 18 durch A. HAAR ein aufsehenerregendes Ereignis für die Fachwelt (s. 17 O. SCHREIER: Abstrakte kontinuierliche Gruppen, Abh. Math. Sem. Univ. Hamburg 4, 15-32 (1925); F. LEJA: Bur la notion du groupe abstrait topologique, Fund. Math. 9, 37-44 (1927). 18Die Metrisierbarkeit Hausdorffscher topologischer Gruppen mit abzählbarer Umgebungsbasis von e wurde 1936 fast gleichzeitig und unabhängig gezeigt von GARRETT BIRKHOFF
§ 3. Das Haarsehe Maß
365
z.B. A. WEIL [1], S. 534). HAAR veröffentlicht seinen Satz zuerst 1932 aus Anlaß seiner Wahl zum korr. Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften auf Ungarisch (HAAR [1], S. 579-599) und im folgenden Jahr auf Deutsch in den Ann. of Math. (2) 34, 147-169 (1933) (HAAR [1], S. 600-622). Die Beweismethode von HAAR haben wir oben bereits angedeutet; hierzu schreiben SEGAL und KUNZE [1]' S. 188: "...either a great deal of optimism, or genius, is required to expect that a countably additive measure could really be obtained in this way. Haar supplied the genius, and the remarkable affinity between the theory of groups and integration shown by this result is indeed one of the authentie natural wonders of mathematics." HAAR selbst eröffnet den Reigen eindrucksvoller Anwendungen seines Satzes mit einer Ausdehnung der Theorie von PETER-WEYL auf beliebige kompakte topologische Gruppen mit abzählbarer Basis. Eine weitere spektakuläre Anwendung ist die positive Lösung des berühmten fünften Hilbertschen Problems für kompakte Gruppen durch J. VON NEUMANN 1933 ([3], S. 366-386). Dabei geht es um folgendes: In seinem berühmten Vortrag Mathematische Probleme formuliert D. HILBERT auf dem Internationalen Mathematiker-Kongreß zu Paris 1900 als fünftes Problem die Frage, "inwieweit der Liesche Begrifj der kontinuierlichen Transjormationsgruppe auch ohne Annahme der Difjerenzierbarkeit der Funktionen unserer Untersuchung zugänglich ist. " Auf topologische Gruppen spezialisiert ist dies die Frage, ob bei einer lokal euklidischen topologischen Gruppe aus der Stetigkeit der Gruppenoperationen bereits folgt, daß die Gruppenoperationen lokal in geeigneten Koordinatensystemen durch reellanalytische Funktionen beschrieben werden können, d.h. daß die Gruppe eine Lie-Gruppe ist. Die vollständige Lösung dieses Problems erstreckt sich über einen längeren Zeitraum: Nach v. NEUMANNs Behandlung der kompakten Gruppen gelingt L.S. PONTRJAGIN 1934 die Lösung für abelsche lokal-kompakte Gruppen, und erst 1952 erhalten A. GLEASON (1921-2008), D. MONTGOMERY (1909-1992) und L. ZIPPIN (1905-1995) die endgültige Lösung des Problems für beliebige lokal-kompakte Gruppen (s. MONTGOMERy-ZIPPIN [1]). Schon 1933 führt S. BANACH das Haarsche Maß in die Lehrbuchliteratur ein, und zwar in einem Anhang im Buch von S. SAKS ([1], S. 264-272; [2], S. 314-319, erneut abgedruckt in BANACH [1], S. 239-245). Dabei kombiniert BANACH den Beweisansatz von HAAR mit der Theorie der sog. Banach-Limiten, aber er beschränkt sich nicht auf den Fall lokal-kompakter topologischer Gruppen mit abzählbarer Basis, sondern er geht gleich axiomatisch vor und zeigt die Existenz eines invarianten Maßes auf lokal-kompakten metrisierbaren separablen topologisehen Räumen, für deren Teilmengen ein geeigneter Begriff von Kongruenz erklärt ist. Für eine wirksame Nutzung des Haarsehen Maßes ist nicht nur seine Existenz, sondern ganz wesentlich auch seine Eindeutigkeit maßgeblich. Diese wird für kompakte Gruppen 1934 bewiesen von J. VON NEUMANN ([3], S. 445-453); der Beweis für beliebige lokal-kompakte Gruppen (mit abzählbarer Basis) erfordert ganz andere Methoden und gelingt v. NEUMANN erst 1936 ([5], S. 91-104). Gleichzeitig beweist A. WEIL die Existenz und Eindeutigkeit des Haarschen Maßes für beliebige lokal-kompakte Hausdorffsche topologische Gruppen ohne irgendwelche Abzählbarkeitsvoraussetzungen (s. WEIL [1], S. 132, S. 141 f. und [2]). WEIL gewinnt auch eine Bedingung für die Existenz eines relativ invarianten Maßes auf einem homogenen Raum, und er zeigt, daß die Existenz eines"vernünftigen" linksinvarianten Maßes in gewissem Sinne für die lokal-kompakten Gruppen charakteristisch ist ([2]' S. 140 ff.). Dieses Ergebnis wird auf bemerkenswerte Weise abgerundet durch J .e. OXTOBY [2]' der zeigt: Ist (1911-1996), S. KAKUTANI (1911-2004) und L.S. PONTRJAGIN (1908-1988) (s. A. WEIL [1], S. 537).
VIII. Maße auf topologischen Räumen
366
G eine überabzählbare vollständig metrisierbare topologische Gruppe, so existiert ein linksinvariantes Maß I-t : ~(G) ~ [0,00], das nicht nur die Werte 0 und 00 annimmt, und I-t ist genau dann lokal-endlich, wenn G lokal-kompakt ist. Auch S. KAKUTANI [2], [3] macht darauf aufmerksam, daß die Konstruktion von HAAR auf alle lokal-kompakten Hausdorffschen Gruppen ausgedehnt werden kann, und er beweist die Eindeutigkeit des Haarschen Maßes. Der konstruktive Existenz- und Eindeutigkeitsbeweis für das Haarsche Maß von H. CARTAN (1904-2008) [1] ist dadurch ausgezeichnet, daß er keinen Gebrauch vom Auswahlaxiom der Mengenlehre macht; s. auch ALFSEN [1]. Für eine ausführliche Darstellung der Theorie des Haar-Maßes und seiner Anwendungen auf die harmonische Analyse auf Gruppen verweisen wir auf BOURBAKI [4], HEWITT-Ross [1], LOOMIS [1], NACHBIN [1], REITER [1], RUDIN [2], SCHEMPP-DRESELER [1] und WEIL [2].
4. Anwendungen des Haar-Maßes. Im ganzen Abschnitt 4. seien G eine lokal-kompakte Hausdorffsche topologische Gruppe, I ein linksinvariantes HaarIntegral auf Cc(G) und J.L das zugehörige Haar-Maß auf ~(G). 3.15 Satz. a) G ist diskret genau dann, wenn J.L( {e}) > O. b) G ist kompakt genau dann, wenn J.L(G) < 00. Beweis. a) Ist G diskret, so ist J.L ein positives Vielfaches des Zählmaßes, also J.L({ e}) > o. - Ist umgekehrt J.L({ e}) == a > 0, so ist J.L({ a}) == a für alle a E G wegen der Linksinvarianz von J.L. Daher ist jede kompakte Teilmenge K c G endlich, denn J.L(K) < 00. Da G Hausdorffsch und lokal-kompakt ist, ist also G diskret. b) Für kompaktes G ist natürlich J.L(G) < 00. - Umgekehrt: Seien J.L(G) < 00 und V eine kompakte Umgebung von e. Sind Xl, ... ,Xn E G, so daß Xj V n Xk V == 0 für j =1= k, so ist nJ.L(V) == J.L(xIV U ... U xnV) ~ J.L(G) , also n ~ J.L(G)/J.L(V). Wir können daher ein maximales n E N wählen, zu dem Xl, ... ,Xn E G existieren, so daß XjV n xkV == 0 (j =1= k). Ist dann X E G, so existiert ein k E {I, ,n} mit XVnXk V =1= 0. Daher liegt X in einer der kompakten Mengen I , XnVV- I , folglich ist G kompakt. Xl VV- , 0
Für kompaktes G kann man also das Haar-Maß von G normieren zu J.L(G) == 1, und dann ist J.L eindeutig bestimmt. Für a E G ist 1a : Cc(G) --+ OC,1a(f) :== 1(foR(a)) (f E Cc(G)) eine nichttriviale linksinvariante positive Linearform, denn für alle X E G ist 1a(f 0 L(x)) == 1((f L(x)) R(a)) == 1((f R(a)) L(x)) == 1(f oR(a)) == 1a(f). Da I bis auf einen positiven Faktor eindeutig bestimmt ist, gibt es ein ß(a) > 0, so daß 0
(3.26)
0
0
1(f oR(a))
0
==
ß(a)1(f)
(f E Cc(G), a E G) .
Die Funktion ß : G --+]0,00[, a r--+ ß(a) heißt die modulare Funktion von G. Da I bis auf einen positiven Faktor eindeutig bestimmt ist, hängt ß nur von G ab, nicht aber von der speziellen Auswahl von I. Ist ß == 1, so heißt G unimodular. Offenbar ist ß == 1 genau dann, wenn I invariant ist. Insbesondere ist jede abelsche (lokal-kompakte Hausdorffsche topologische) und jede diskrete Gruppe unimodular.
§ 3. Das Haarsche Maß
367
Bezeichnet J-1a das Haar-Maß zu 1a, so gilt nach (2.17) für jedes Kompaktum KcG: inf{la (f) : f E Cc(G), f ~ XK} == ß(a)J-1(K) inf{l(f oR(a)) : f E Cc(G), f ~ XK} inf{l(g): 9 E Cc(G),g ~ XKa- l J-1(Ka- 1) == (R(a))(J-1))(K) , und daher folgt nach (2.18) und Aufgabe 1.10: (3.27) (R(a)(J-1))(B) == J-1(Ba- 1) == ß(a)J-1(B)
(a
}
E
G, B E ~(G)).
3.16 Satz. Jede kompakte Hausdorffsche topologische Gruppe ist unimodular.
Beweis: klar nach (3.26) mit f == 1 (oder (3.27) mit B == G).
o
3.17 Satz. Die modulare Funktion ß : G --t]O,oo[ ist ein stetiger Homomorphismus von G in die multiplikative Gruppe ]0,00[.
Beweis. Wir wählen ein f x,y E G:
E
C:(G) mit l(f)
== 1. Dann liefert (3.26) für alle
ß(xy) == l(f oR(xy)) == 1((f oR(x)) oR(y)) == ß(y)l(f oR(x)) == ß(x)ß(y) . Es seien weiter K eine kompakte Umgebung von Tr fund E > O. Dann gibt es eine kompakte Umgebung V von e, so daß If(x) - f(xv)1 < E für alle x E G, v E V und (Tr f) . V c K (Lemma 3.6). Daher ist für alle v E V
11 - ß(v)1 =
Il
(J(x) - f(xv))dj.L(x) 1:::; Ej.L(K) ,
denn der Integrand verschwindet auf KC. Die Funktion ß ist also an der Stelle e stetig und wegen der Homomorphie und Positivität überall. 0 3.18 Satz. Für das rechtsinvariante Haar-Integral 1* aus Satz 3.13 gilt 1* (f) == I (ß f)
(3.28)
(f E C c ( G)) ,
und für das entsprechende rechtsinvariante Haar-Maß J-1*: J-1*(A) == ß 8 J-1(A)
(3.29)
(A
E ~(G)).
Beweis. Die nicht-triviale positive Linearform f t---+ I(ßf) (f E Cc ( G)) ist rechtsinvariant, denn I(ß· (foR(a))) == ß(a)-11((ßf)oR(a)) == I(ßf) nach (3.26). Daher gibt es ein a > 0, so daß 1*(f) == a1(ßf) (f E Cc(G)). Es folgt weiter: I(ßf) == 1*( (ßf)*) == 1*(ß -1 f*) == a1(f*) == a1*(f), also a 2 == 1, d.h. a == 1, denn a > o. Wir zeigen (3.29) zunächst für kompaktes K c G: Es seien L eine kompakte Umgebung von K,E > 0 und M :== maxß I L. Dann gibt es ein f E Cc(G), so daß 0 S f 1, f I K == 1, Tr f c L und 0 S l(f) - J-1(K) < E/M. Daher ist
s
VIII. Maße auf topologischen Räumen
368
o ::; 1(/::"f) - /::,. 0 Jl(K)
[
/::"f dJl - /::,. 0 Jl(K)
?JL\K /::"f dJl ::; M(I(f) -
Jl(K))
0, so daß JeudJ-l > Q. Wegen der inneren Regularität von J-l kann gleich angenommen werden, daß Al,.'" An kompakt sind, und mit K :== A j gilt dann: J-l*(K) == ~ 8 J-l(K) 2: Je u dJ-l > D:. Daher ist J-l*(A) 2: ~ 8 J-l(A). D
U7=1
GI. (3.27) liefert in Verbindung mit der allgemeinen Transformationsformel V.3.1
(3.30)
k
f(xa) dJl(x) = /::,.(a)
k
f(x) dJl(x)
während (3.29) impliziert
(3.31)
k
f(x-1)/::,.(x) dJl(x) =
Diese Gleichungen gelten für alle meßbaren Linksinvarianz von J-l bedeutet dagegen:
(a E G) ,
k
f 2:
f(x) dJl(x).
0 und für alle
f
E
J21(J-l). Die
(3.32) Ist insbesondere G unimodular, so folgt für die genannten
(3.33)
f
und alle a E G:
kf(ax)dJl(x) = kf(xa)dJl(x) = kf(X-1)dJl(X) = kfdJl.
5. Invariante und relativ invariante Maße auf Restklassenräumen. Für den ganzen Abschnitt 5. vereinbaren wir folgende Voraussetzungen und Bezeichnungen: Es seien G eine lokal-kompakte Hausdorffsche topologische Gruppe mit neutralem Element e, Le(s),Re(s) die Links- bzw. Rechtstranslation um s E G, I e ein linkes Haar-Integral auf C c ( G), J-le das zugehörige linke Haar-Maß und ~e die modulare Funktion von G. Ferner sei H eine abgeschlossene Untergruppe von G. Dann ist auch H eine lokal-kompakte Hausdorffsche topologische Gruppe, und die Daten LH(t), RH(t) (t EH), I H, J-lH, ~H sind sinnvoll. Wir versehen die Menge G / Haller Linksrestklassen sH (s E G) mit der Quotiententopologie; das ist die feinste Topologie auf G / H, welche die Quotientenabbildung q : G -+ G / H, q( s) :== sH (s E G) stetig macht. Eine Menge M C G/H ist genau dann offen, wenn q-I(M) offen ist in G. Dann ist eine Abbildung f : G / H -+ Y in irgendeinen topologischen Raum Y genau dann
§ 3. Das Haarsche Maß
369
stetig, wenn 1 0 q : G ---t Y stetig ist. Die Quotientenabbildung q ist auch offen, denn für offenes U c G ist q-l(q(U)) == UH offen in G (Lemma 3.4, c)), d.h. q(U) ist offen in G/ H. Wir zeigen: G / H ist Hausdorffsch. Begründung: Für jedes a E G ist aH abgeschlossen in G, also (aH)e offen in G, also {aHle offen in G/ H, folglich {aH} abgeschlossen in G/ H. Sind nun a, bEG, aH =1= bH, so existiert eine offene symmetrische Umgebung V von e mit bH ~ q(V 2 a). Dann sind q(Va), q(Vb) disjunkte offene Umgebungen von aH bzw. bH. - Da q kompakte Umgebungen von a E G auf kompakte Umgebungen von aH E G/H abbildet, ist G / H ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum. 3.19 Lemma. Zu jedem K ompaktum LeG/ H gibt es ein K ompaktum K
cG
mit q(K) == L. Beweis. Es sei V eine relativ kompakte offene Umgebung von e. Dann existieren endlich viele SI,.'.' Sn E G, SO daß L C q(Vs 1 )U ...Uq(Vs n ) == q(Vs 1 U...UVs n ). Daher ist K :== (V SI U ... U 17sn) n q-l (L) eine kompakte Teilmenge von G mit q(K) == L.
0
Für jedes s E G ist die Linkstranslation L( s) : G/ H ---t G/ H, L( s) (aH) :== E G) stetig, denn L( s) 0 q == q 0 L c (s). Da L(S-I) stetig ist und zu L( s) invers, ist L( s) ein Homöomorphismus.
saH (a
1 E Ce(G), s E G definiert die Zuordnung t H) ein Element von Ce(H), und IH : G ---t lK,
3.20 Lemma. Für jedes
I(st) (t
E
(3.34)
fH(S)
:=
i
f(st) d/lH(t)
f--7
(s E G)
ist eine stetige Funktion mit fH(SU) == IH(S)
(3.35)
(s
E
G, u
E
H).
Daher definiert 1H eine stetige Funktion I~ : G/ H ---t lK mit I~ q == 1H, und I~ hat einen kompakten Träger. Die lineare Abbildung Ce(G) ---t Ce(G / H), 1 f--7 I~ ist surjektiv, und es gilt: 0
(3.36)
(loLc(u))~
(3.37)
(1 R c (u))~ 0
I~ L (U )
(u E G) , ~H(u)l~ (u E H). 0
Beweis. Für s E G ist Cc(G) -+ IK,
(j) und stellen fest: q> (3.42)
:=
1
/l -1 f dJla
(j
E
Cc ( G))
#- 0 ist eine positive Linearform mit
1
/l-1(joL a (8))dJla
q>(foLc(s))
/l( 8)
1
(/l -1 f) L a (8) dJla = /l( 8) (j) , 0
denn J-lc ist linksinvariant bez. G. Wir wollen nun die gesuchte Linearform I mit Hilfe des folgenden Diagramms einführen, in dem ,,~" die Surjektion aus Lemma 3.20 bezeichnet:
Offenbar existiert genau dann eine lineare Abbildung I, die dieses Diagramm kommutativ macht, wenn der Kern der linearen Abbildung ,,~" im Kern von q> enthalten ist. Wir zeigen daher folgende Zwischenbehauptung: Ist f E C c ( G) und f~ == 0, so ist q>(f) == O. Zur Begründung seien f E Cc ( G) und f~ == 0, d.h.
i
f(8t)dJlH(t) = 0 (8
E
G).
VIII. Maße auf topologischen Räumen
372 Nach (3.31) bedeutet dies:
Für alle g E Cc ( G) ist daher
Hier dürfen wir nach Aufgabe 2.13 die Reihenfolge der Integrationen vertauschen:
i
tlH(t) (lg(s)tl-1(s)f(sr1)dMC(S)) dMH(t) = O.
Im inneren Integral führen wir die Substitution s wegen (3.30) und der Voraussetzung (3.39):
f---t
st durch und erhalten
und eine nochmalige Vertauschung der Integrationsreihenfolge ergibt (3.43) Diese Gleichung gilt für alle 9 E Cc(G). Nun wählen wir ein spezielles g: Da G / H ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum ist, gibt es ein g E C c ( G / H) mit gl q(Tr f) == 1, und zu g gibt es nach Lemma 3.20 ein 9 E Cc(G) mit gP == g. Für dieses 9 gilt nach Konstruktion
i
g(st)dMH(t) = 1 (s E Tr f) ,
und aus (3.43) folgt:
l
f(s)tl-1(s)dMc(S) = 0,
d.h. ip(f) == O. Damit ist die obige Zwischenbehauptung bewiesen. Es gibt also eine Linearform I : C c ( G / H) kommutativ macht, und zwar ist
~
JK, die das obige Diagramm
(3.44) Nach Lemma 3.20 ist I nicht-trivial und positiv, und wegen (3.42) ist
d.h. I ist relativ invariant mit modularer Funktion ß. GI. (3.39) ist also hinreichend für die Existenz einer Linearform I mit den genannten Eigenschaften. -
§ 3. Das Haarsche Maß
373
Zum Beweis der Eindeutigkeitsaussage seien 11 , 12 zwei nicht-triviale positive relativ invariante Linearformen auf Cc ( G/ H) und J 1 , J 2 : Cc ( G) -t JK, J k (f) ::=: Ik((ßf)P) (f E Cc(G),k:=: 1,2). Wir haben oben bereits gesehen, daß J 1 ,J2 linke Haar-Integrale auf C c ( G) sind. Daher gibt es ein a > mit J 1 :=: aJ2 • Für alle f E Cc(G) ist also I 1(fP) :=: J1(ß~lf) :=: aJ2(ß~lf) :=: aI2(fP), und die Surjektivität der Abbildung "P" ergibt das Gewünschte. D
°
Es gelte (3.39) und I : Cc ( G/ H) -t JK sei eine nicht-triviale positive relativ invariante Linearform. Dann existiert nach dem Darstellungssatz von F. RIESZ 2.5 genau ein Radon-Maß j1: ~(G/H) --+ [0,00] mit
1(J)= (
(3.45)
fdfi
(JECc(G/H)).
JG/H
Wegen der allgemeinen Transformationsformel V.3.1 ist für alle a E G
t:..(a)I(J)
= l(JoL(a)) = {
foL(a)dfi
JG/H
= (
fd(L(a)(fi)) ,
JG/H
und da auch L(a)(j1) ein Radon-Maß ist, ist J-l relativ invariant in dem Sinne, daß L(a) (J-l) :=: ß (a) J-l für alle a E G. Umgekehrt entspricht jedem relativ invarianten Radon-Maß J-l gemäß (3.45) eine nicht-triviale positive relativ invariante Linearform I. Beschreiben wir I durch J-l, so ist (3.44) gleich der 3.22 Formel von A. Weil (1936). Es sei ß : G -t]0, oo[ ein stetiger Homomorphismus, und es gelte (3.39). Dann existiert bis auf einen positiven Faktor genau ein nicht-triviales relativ invariantes Radon-Maß J-l : ~(G / H) --+ [0,00], und bei geeigneter Normierung von J-l gilt die W eil s c h e F 0 r m e I (3.46)
l/H (if(st)dfiH(t)) dfi(sH)
=l
t:..~lfdfiG
(J E Cc(G)) ,
wobei das innere Integral über H als Element von C c ( G/ H) aufzufassen ist.
3.23 Korollar. Es seien H ein abgeschlossener Normalteiler von G und J-lG/H ein linkes Haar-Maß auf G / H. Gibt man zwei der linken Haar-Maße J-lG, J-lH, J-lG / H vor, so gibt es genau eine Fixierung des dritten, so daß die W eil sche Formel
gilt. Ferner ist ßG I H unimodular.
:=:
ßH
,o
ist insbesondere G unimodular, so ist auch H
Beweis. J-lG/H ist ein nicht-triviales linksinvariantes Radon-Maß auf G/ H, also existiert ein nicht-triviales Radon-Maß J-l obigen Typs mit ß :=: 1. Nach (3.39) ist ßG I H :=: ßH. Ferner ist J-l nach Satz 3.21 ein positives Vielfaches von J-lG/H, und (3.46) ergibt die Behauptung. D
VIII. Maße auf topologischen Räumen
374
3.24 Korollar. Eine nicht-triviale positive invariante Linearform I: Cc(G/H) -t IK existiert genau dann, wenn ~H == ~c I H, und dann ist I bis auf einen
positiven Faktor eindeutig bestimmt. Beweis: klar nach Satz 3.21.
D
3.25 Korollar. Ist G unimodular, so existiert eine nicht-triviale positive invariante Linearform I : Cc(G/ H) -t IK genau dann, wenn auch H unimodular ist, und dann ist I bis auf einen positiven Faktor eindeutig bestimmt.
Beweis: klar nach Satz 3.21.
D
3.26 Korollar. Ist G kompakt, so existiert eine und bis auf einen positiven Faktor genau eine nicht-triviale positive invariante Linearform I : C c(G / H) -t IK.
Beweis. Als abgeschlossene Untergruppe von G ist auch H kompakt, und nach Satz 3.16 sind G und H unimodular. Daher liefert Korollar 3.25 die Behauptung. D
Für die Existenzaussage von Korollar 3.26 gibt es folgenden einfachen zweiten Beweis: Es seien G kompakt und f E C(G / H). Dann definiert die Zuordnung s H f(sH) (s E G) ein Element von C(G), und I(f) :== fc f(sH)dJLc(s) (f E C(G / H)) leistet das Verlangte. D Bemerkung. 1. SEGAL (Invariant measures on locally compact spaces, J. Indian Math. Soc. 13, 105-130 (1949)) beweist einen Existenz- und Eindeutigkeitssatz für positive invariante Linearformen auf Cc(X), wobei X ein lokal-kompakter uniformer Raum ist, auf dem eine gleichmäßig gleichstetige Gruppe von uniformen Isomorphismen operiert. Dieses Resultat findet man auch bei SEGAL-KuNZE [1]' S. 187; s. auch FEDERER, S. 121 ff. - Man kann die Frage nach der Existenz eines invarianten Maßes auf G/ H auch unmittelbar mit der Beweismethode des Satz 3.11 behandeln; das geschieht bei J. PONCET: Une classe d'espaces homogenes possedant une mesure invariante, C.R. Acad. Sei. Paris 238, 553-554 (1954).
Beispiel 3.27: Haar-Integral auf SL (2, JR). Die Matrizen M == (~~) der Gruppe G :== SL (2, JR) operieren auf der oberen Halbebene JHI :== {z == x + iy : x, y E JR,Y > O} vermöge z H M(z) :== (az + b)/cz + d), denn für z == x + iy E JHI ist Im M(z) == Y/lcz + dl 2 > 0, d.h. M(z) E JHI. Für alle M, N E G, z E JHI ist (MN)(z) == M(N(z)).20 Ist z == x + iy E JHI, so setzen wir Pz
._ (VY x/VY) 0 1/ VY
.-
E
G.
Dann ist P z (i) == z. Daher operiert G transitiv auf JHI, d.h. zu allen z, w E JHI gibt es ein M E G mit M(z) == w; z.B. leistet M :== Pw P z- 1 das Verlangte. Die Fixgruppe des Punktes i in G ist die Gruppe K :== SO(2) der Matrizen 20Bekanntlich sind die Abbildungen des Typs Z H M(z) mit M E G genau die konformen Abbildungen von IHI auf sich; s. z.B. R. REMMERT: Funktionentheorie I, 4. Aufl. BerlinHeidelberg-New York: Springer-Verlag 1995, S. 213.
§ 3. Das Haarsche Maß K
:==
375
(c?s~ -sin~)
0 there exists a compact K e such that for every measure J.L E 91
J.L(91- K e )
:::;
c ."
(Yu.V.
PROKHOROV 2 ,
S. 158)
Im folgenden untersuchen wir die Konvergenz von Folgen und die Kompaktheit von Mengen von endlichen Maßen auf topologischen Räumen. Dieses Thema ist außerordentlich vielschichtig: Man kann an den zugrundeliegenden topologisehen Raum verschiedenartige Forderungen stellen, unterschiedliche a-Algebren bieten sich als Definitionsbereiche für die betrachteten Maße an, verschiedene Klassen stetiger Funktionen können als Testfunktionen dienen, und verschiedene Regularitätsbegriffe kommen in Betracht. Das ergibt eine reiche Palette
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
379
fein abgestuften Sätzen, die wir hier nur beispielhaft behandeln können, über die aber BOGACHEV [1], [2] ausführlich berichtet. Um einige zentrale Sätze möglichst einprägsam aussprechen zu können, verabreden wir - soweit nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird - für den ganzen § 4 folgende Voraussetzungen und Bezeichnungen: Es seien (X, d) ein metrischer Raum und ~ = ~(X) die a-Algebra der BoreIschen Teilmengen von X. Ferner seien C(X) der Raum der stetigen Funktionen 1 : X ~ lK, Cb(X) der Raum der beschränkten Funktionen aus C(X) und Cc(X) der Raum der stetigen Funktionen 1 : X ~ lK mit kompaktem Träger. Für 1 E Cb(X) sei 11/1100 := sup{l/(x)1 : x E X} . Mit
M+(~)
bezeichnen wir die Menge der
end I ich e n
Maße J-l : ~
~
[0,00[, und für J-l E M+(~) sei 11J-l11:= J-l(X). Fundamental ist im folgenden der Begriff der schwachen Konvergenz: Eine Folge von Maßen J-ln E M+(~) heißt schwach konvergent gegen J-l E M+(~), wenn für alle 1 E Cb(X) gilt:
r
lim f dJLn = n~ooJx
Jxrf dJL .
Im Portmanteau- Theorem wird dieser Begriff charakterisiert mit Hilfe des Konvergenzverhaltens der Folgen (J-ln(M))n?l (M c X abgeschlossen bzw. offen bzw. Borelsch). Die schwache Konvergenz von Folgen von endlichen Maßen auf lR läßt sich über das Konvergenzverhalten der entsprechenden Folgen von Verteilungsfunktionen charakterisieren und führt zum klassischen Konvergenzsatz von HELLy-BRAY. Der berühmte Auswahlsatz von HELLY wirft allgemein die Frage auf, unter welchen Bedingungen eine Folge oder Menge von Maßen aus M+(~) eine schwach konvergente Teilfolge hat (Analogon des Satzes von BOLZANOWEIERSTRASS). Für polnische Räume X gibt der Satz von PROCHOROV hierauf eine abschließende Antwort: Eine Menge M c M+(~) ist relativ folgenkompakt genau dann, wenn sie straff und beschränkt ist. Die Prochorov-Metrik ermöglicht es schließlich, die schwache Konvergenz auch als Konvergenz bezüglich einer Metrik auf M+(~) aufzufassen. Ist X ein polnischer Raum, so ist M+(~) bezüglich der Prochorov-Metrik ein polnischer Raum. 1. Eine Regularitätseigenschaft endlicher Maße auf metrischen Räumen. 4.1 Satz. Ist J-l ein endliches Maß auf ~ (X metrischer Raum), so ist jedes B E ~ in folgendem Sinne abgeschlossen-regulär: Zu jedem c > 0 gibt es eine offene Menge U ~ B und eine abgeschlossene Menge A c B mit J-l(U \ A) < c. Beweis. Analog zum Beweis des Regularitätslemmas 1.4 betrachten wir das System 9t aller abgeschlossen-regulären Borel-Mengen B c X und zeigen zunächst:
VIII. Maße auf topologischen Räumen
380
9\ ist eine a-Algebra: Offenbar ist 0 E 9\. Sind nun B E ~,c > 0 und U :=) B :=) A, U offen, A abgeschlossen, f.-l(U \ A) < c, so gilt UC c BC c Ac, UC ist abgeschlossen, Ac offen, U \ A = Ac \ UC, also f.-l(AC \ UC) < c. Daher ist 9\ abgeschlossen bez. der Komplementbildung. Sind weiter (Bn)n>1 eine Folge von Mengen aus 9\ und c > 0, so gibt es zu jedem n E N ein offenes Un :=) B n und ein abgeschlossenes An C B n mit f.-l(Un \ An) < c2- n - 1. Dann ist U := U::1 Un eine offene Obermenge von B := U~=1 B n, C := U~=1 An ist eine Fa- Teilmenge von B, und es gilt f.-l(U \ C) < c/2. Da f.-l endlich ist, gibt es ein N E N, so daß für die abgeschlossene Menge A := U~=1 An gilt f.-l( C \ A) < c/2, und es folgt: f.-l(U \ A) < c. Daher ist B E 9\, und 9\ ist als a-Algebra erkannt. Zum Abschluß des Beweises zeigen wir: 9\ enthält alle offenen Teilmengen von X: Ist G C X offen, so ist G eine Fa-Menge (Aufgabe 1.6.1), d.h. es gibt eine wachsende Folge abgeschlossener Mengen Fn C X (n E N) mit F n i G. Ist weiter c > 0, so gibt es wegen der Endlichkeit von f.-l ein N E N mit f.-l( G \ FN ) < c, und U := G, A := F N leisten das Gewünschte. D
4.2 Definition. Ein Maß f.-l E M+(~) heißt straff (engl. tight), wenn zu jedem c > 0 ein Kompaktum K C X existiert mit f.-l(KC) < c. 4.3 Korollar. Ist in der Situation des Satzes regulär, d.h. f.-l ist ein Radon-Maß·
4.1
das Maß f.-l straff, so ist f.-l
Beweis. Es seien B E ~ und c > O. Dann gibt es ein offenes U :=) B und ein abgeschlossenes A C B mit f.-l(U \ A) < c/2, und nach Voraussetzung gibt es ein Kompaktum K C X mit f.-l(KC) < c/2. Daher ist f.-l(U \ (A n K)) < c. D
Ist nun X sogar ein polnischer Raum (d.h. ein vollständig metrisierbarer Raum mit abzählbarer Basis, s. Anhang A.22), so haben wir im ersten Beweisschritt des Satzes 1.16 von ULAM gerade gezeigt, daß jedes f.-l E M+(~) straff ist. Zusammen mit diesem wichtigen Beweisschritt, den wir im folgenden noch zweimal benutzen werden, liefern die obigen Argumente für endliche Maße auf polnischen Räumen gerade die Regularitätsaussage des Satzes von Ulam.
2. Schwache und vage Konvergenz von Folgen von Maßen. Es seien f.-l, f.-ln(n E N) endliche Maße auf der a-Algebra 2( über der Menge X. Wollen wir den Begriff der Konvergenz "f.-ln ---+ f.-l" definieren, so drängt sich zunächst der folgende Versuch einer Definition auf: (f.-ln)n~1 konvergiert gegen f.-l, wenn für alle A E 2( gilt:
(4.1)
lim f.-ln(A) n~oo
= f.-l(A) .
Dieser Versuch ist aber zu verwerfen, denn dieser Konvergenzbegriff ist für viele Zwecke (namentlich in der Wahrscheinlichkeitstheorie) zu restriktiv, wie das folgende Beispiel zeigt.
4.4 Beispiel. Auf (IR, 23 1 ) betrachten wir die Maße Mn(B) := XB (~) ,f.-l(B) := XB(O) (B E ~1, n E N). Intuitiv erscheint es als durchaus naheliegend, daß die Folge der Massenverteilungen f.-ln, bei welchen eine Einheitsmasse im Punkt ~
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
381
plaziert ist, für n ---+ 00 gegen die Massenverteilung /-L mit der Einheitsmasse im Nullpunkt konvergiert. Diese intuitive Vorstellung widerspricht aber (4.1), denn für A =] - 00,0], A = {O}, A =]0, oo[ ist (4.1) offenbar nicht erfüllt. Betrachten wir die Massenverteilung, bei der in den Punkten kin (1 ~ k ~ n) jeweils die Masse ~ plaziert ist (d.h. /-Ln(B):= ~ E~=lXB (~) für B E ~l,n E N), so ist plausibel, daß (/-Ln)n?l gegen X[O,l] 8 ßl konvergiert. Es ist aber z.B. /-Ln([O, 1] \ Q) = 0, während ßl([O, 1] \ Q) = 1 ist, so daß auch hier die Bedingung (4.1) verletzt ist. Um zu einer geeigneten Abschwächung von (4.1) zu gelangen, die den intuitiven Vorstellungen des Beispiels 4.4 gerecht wird, beachten wir: (4.1) ist äquivalent zu der Forderung: Für jedes f E ,COO(X, 2t, /-L) gilt
lim { I dp,n = { I dp, . n--+ooJx Jx
(4.2)
(Der Beweis der Implikation ,,(4.1) => (4.2)" genügt für den Fall f 2: 0, und dann liefert eine Approximation durch 'freppenfunktionen das Gewünschte.) Wenn wir nun im Falle eines topologischen Raums X die Bedingung (4.2) nur für spezielle Klassen stetiger Funktionen fordern, so erhalten wir als interessante Konvergenzbegriffe die schwache Konvergenz und die vage Konvergenz.
4.5 Definition. Es seien X ein metrischer Raum und /-Ln, /-L E M+(~) (n E N). Dann heißt (/-Ln)n?l schwach konvergent gegen /J, wenn für alle f E Cb(X) gilt lim { I dp,n = ( I dp, ; n--+ooJx Jx
(4.3) Schreibweise: /-Ln ~ /J.
Der Buchstabe" w" bedeutet hier "weakly". - Offenbar existieren die Integrale unter (4.3), denn die Integranden sind meßbar und beschränkt, und die Maße sind alle endlich. Die in Beispiel 4.4 angegebenen Folgen (/-Ln)n?l konvergieren schwach gegen das jeweilige /-L. Unter den Gegebenheiten der Definition 4.5 betrachten wir das signierte Maß /-Ln - /-L, bezeichnen seine Variation mit I/-Ln -/JI (s. Abschnitt VII.1.3) und seine
Totalvariation mit
II/Jn - /JII =
/-LI (X)
I/-Ln -
(s. Abschnitt VII.1.5). Dann gilt nach Aufgabe VII.2.12 für alle
I
L L I dp,n -
I dp,1
O. Die schwache Topologie ist Hausdorffsch, denn nach dem folgenden Satz 4.6 gibt es zu verschiedenen Maßen JL, v E M+(~) ein f E Cb(X) mit € = f dJL f dvl > 0, und dann ist Uj;c(JL) n Uj;c(v) = 0. Insbesondere ist der Limes einer schwach konvergenten Folge endlicher Maße eindeutig bestimmt.
Ix
Ix
!I Ix
Ix
4.6 Satz. Sind JL, v zwei endliche Borel-Maße auf dem metrischen Raum X, so
daß
lld/l= lldV für alle f E Cb(X), so gilt JL = v. Beweis. Für
0 =1= A c X
und x E X bezeichnen wir mit
d(x,A):= inf{d(x,y): y E A} den Abstand des Punktes x von A. -
Es seien nun U C X offen, n E N und
fn(x) := min(l, nd(x, U
C ))
(x E X) ,
falls U =1= X, und fn := 1, falls U = X. Dann ist fn E Cb(X), und es gilt fn i Xu, also (monotone Konvergenz)
/l(U) = lim
n-HX>
r
JX In d/l =
lim n---+oo
r
JX In dl/ = I/(U) .
Daher stimmen JL und v auf allen offenen Teilmengen von X überein, also auch auf allen abgeschlossenen Mengen, denn JL und v sind endlich und JL(X) = v(X). Nach Satz 4.1 folgt nun die Behauptung. 0 Für lokal-kompakte Hausdorff-Räume X bietet sich folgende Variante der Definition 4.5 an:
4.7 Definition. Sind X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum und JL, JLn(n E N) Radon-Maße auf ~(X), so heißt (JLn)n~l vage konvergent gegen JL, wenn für alle f E Cc(X) gilt
r
r
lim I d/l = I d/l . n---+ooJx Jx n
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
383
Dieser Begriff wird von BOURBAKI [1] und BAUER [1]' [2] eingehend untersucht. Die vage Konvergenz wird beschrieben durch die vage Topologie auf der Menge der Radon-Maße; dieses ist die gröbste Topologie, bez. welcher alle Abbildungen /L
f------t
L
f d/L
(j E Cc(X))
stetig sind. Eine Umgebungsbasis des Radon-Maßes J-Lo bez. der vagen Topologie wird gebildet vom System aller Mengen von Radon-Maßen J-L mit
L LIi
I Ii d/L -
d/LOI < c
für alle j
= 1, ... , n ,
wobei 11, ... , In E Cc(X), n E N, c > O. - Nach dem Darstellungssatz 2.5 von F. RIESZ ist der Limes einer vage konvergenten Folge von Radon-Maßen eindeutig bestimmt. Zwischen vager und schwacher Konvergenz von Folgen endlicher Maße besteht z.B. im Falle (X, ~) == (lR, ~1) ein wesentlicher Unterschied: Gilt J-Ln ~ J-L, so kann man in (4.3) f == 1 wählen und erhält: J-Ln(X) -+ J-L(X) (n -+ (0), d.h. "es geht keine Masse verloren". Wählen wir dagegen J-Ln(B) :== XB(n) (B E ~1, n E N), so konvergiert die Folge (J-Ln)n2::1 vage gegen J-L == 0, aber es ist J-Ln (lR) == 1 (n E N), während J-L(lR) == 0 ist, d.h. in diesem Beispiel "geht bei der vagen Konvergenz von (J-Ln)n2::1 gegen J-L sämtliche Masse verloren". Im folgenden werden wir uns bevorzugt mit schwacher Konvergenz von endlichen Maßen auf metrischen Räumen beschäftigen; die vage Konvergenz kommt namentlich in Abschnitt 4 zum Zuge. Der Begriff der schwachen Konvergenz hängt folgendermaßen mit den in Kapitel VI studierten Konvergenzbegriffen zusammen: 4.8 Satz. Es seien (Y, l eine Teilfolge von (fn)n>l. Nach Satz VI.4.13 gibt es eine Teilfolge (fnk 1 )l>l, die v-f.ü. gegen f konvergie~t. Nun konvergiert (gofnk 1 )l>l v-f.ü. gegen gof, 9 ist beschränkt, und v ist endlich. Daher liefert der Satz von der majorisierten Konvergenz zusammen mit der allgemeinen Transformationsformel V.3.1 für l -+ 00:
ig
d/Lnkz
=
i
[gO fnkz dv ---+ [gO f dv = gd/L ,
VIII. Maße auf topologischen Räumen
384
d.h. J-1 nk l ~ J-1. Wir haben damit gezeigt: Jede Teilfolge von (J-1n)n?.1 hat eine schwach gegen J-1 konvergente Teilfolge. Hieraus folgt aber die schwache Konvergenz J-1n ~ J-1, denn wäre (J-1n)n21 nicht schwach konvergent gegen J-1, so gäbe es ein g E Cb(JR) , ein c > 0 und eine Teilfolge (J-1 nk)k21 von J-1, so daß (4.5) für alle k E N. Nach dem oben Bewiesenen hat aber (J-1 nk)k>l eine schwach gegen J-1 konvergente Teilfolge im Widerspruch zu (4.5). Es folgt: J-1n ~ J-1. Die zweite Behauptung folgt aus Satz VI.4.5. D Ist in der Situation des Satzes 4.8 das Maß v ein Wahrscheinlichkeitsmaß (d.h. v(Y) == 1), so nennt man eine meßbare Funktion f : Y ~ JR eine (reellwertige) Zufallsgröße und das Bildmaß f(v) die Verteilung von f. Statt von "Konvergenz nach Maß" spricht man dann von "Konvergenz nach Wahrscheinlichkeit" und anstelle von schwacher Konvergenz spricht man von Verteilungskonvergenz. Im Sinne dieser Terminologie besagt Satz 4.8: Jede nach Wahrscheinlichkeit konvergente Folge von Zufallsgrößen ist verteilungskonvergent (mit gleichem Limes).
3. Das Portmanteau-Theorem. Es seien X ein metrischer Raum, J-1n, J-l E M+(~) (n E N), und es gelte J-1n ~ J-l. Wählen wir in (4.3) speziell f == 1, so folgt lim J-1n(X) == J-1(X) . n---+oo
Andererseits wissen wir aus Beispiel 4.4, daß die GI. limn ---+ oo J-1n(B) == J-1(B) nicht uneingeschränkt für alle Borel-Mengen B c X richtig sein kann. Die genauere Analyse lehrt, daß hier das Verhalten von J-l auf dem Rande von B entscheidend ist.
4.9 Definition. Ist J-1 ein Borel-Maß auf dem topologischen Raum X, so heißt eine Menge B E ~(X) J-1-randlos, wenn der Rand aB :== ist.
B\ Beine J-1-Nullmenge
Das folgende sog. Portmanteau- Theorem 21 gibt nun eine Reihe von Bedingungen an, die zur schwachen Konvergenz J-1n ~ J-1 äquivalent sind. Dieses Theorem läßt sich bis in die Anfänge der topologischen Maßtheorie zurückverfolgen (s.
A.D.
ALEXANDROFF
[1]).
21 Das eng!. Wort portmanteau bezeichnet einen Lederkoffer oder Mantelsack zum Transport von Kleidung auf Reisen. Im ü"b.ertragenden Sinn bedeutet Portmanteau- Theorem hier einen Satz, der Hilfsmittel enthält, die man zum Weiterkommen braucht. - In der zweiten Aufl. des Klassikers BILLINGSLEY [2J wird in diesem Zusammenhang eine berüchtigte Arbeit von JEANPIERRE PORTMANTEAU zitiert. Neuere historische Forschungen sollen ergeben haben, daß es sich hierbei um einen Abkömmling des weit verzweigten frz. Adelshauses der Portemanteau de Bourbaki handelt. Allerdings besteht noch Unklarheit in bezug auf den Vornamen; es könnte sich durchaus auch um Jean oder Andre oder Henri handeln; auch Nicolas scheint den Satz zu kennen.
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
385
4.10 Portmanteau-Theorem. Es seien X ein metrischer Raum und Mn, M E M+(93) (n E N). Dann sind folgende Aussagen äquivalent: a) Mn ~ M· b) Für jede gleichmäßig stetige, beschränkte Funktion f : X ~ JR gilt lim n-7OO }
rf
dfLn
X
rf
=
dfL .
} X
c) Es ist limn -7oo Mn(X) == M(X), und für jede abgeschlossene Menge A c X gilt lim Mn(A) ::; M(A) . n-7OO
d) Es ist limn -7oo Mn(X) == M(X), und für jede offene Menge U
c X gilt
lim Mn(U) 2: M(U) . n-700
e) Für jede M-randlose Borel-Menge B c X gilt lim Mn(B) == M(B) .
n-7OO
Beweis. a) =:} b): trivial. b) =:} c): Wählt man in b) f == 1, so folgt zunächst: Mn(X) ~ M(X). Sei A c X abgeschlossen: Für A == f/J ist nichts zu tun. Sei A #- f/J und c > O. Die Menge
Um
:=
{X EX: d(x, A) < ~}
(m
E
N)
ist eine offene Obermenge von A und Um t A, denn A ist abgeschlossen. Wir wählen k E N so groß, daß M(Uk ) < M(A) + c. Die Funktion f : X ~ JR, f(x) :== max(l - kd(x, A), 0) (x E X) ist offenbar beschränkt und gleichmäßig stetig, denn für alle x, y E X ist Id(x, A) - d(y, A)I ::; d(x, y). Nach Voraussetzung gilt daher lim n-7OO }
und wegen XA ::;
f ::;
rf X
rf
dfLn
=
Um
rf
}
x
dfL ,
XUk resultiert
lim fLn(A)
:s;
n-7OO
n-7OO }
X
dfLn
::; M(Uk )::; M(A)
=
rf
} X
dfL
+c .
Da dies für alle c > 0 gilt, folgt Aussage c). c) {==::} d): klar (Komplementbildung). d) =:} e): Mit d) gilt auch c). Sei B E 93, M(ßB) == O. Dann ist M(B) == M(B) == M(B), also folgt aus d) und c):
M(B)
M(B)
t}) dt ,
und Entsprechendes gilt für Mn statt M. Wegen der Stetigkeit von f ist 22 ö{f > t} C {f == t}, und zufolge der Endlichkeit von Mgibt es eine abzählbare Menge C C lR, so daß M( {f == t}) == 0 für alle t E lR \ C. Daher ist {f > t} für alle t E lR \ C eine M-randlose Menge, und nach e) folgt mit Hilfe des Satzes von der majorisierten Konvergenz für n ~ 00
1
M
IxfdP,n =
P,n({f > t})dt
1 M
-+
p,({f > t}) dt = Ix f dp, . o
Im Portmanteau-Theorem ist unter c) und d) die Bedingung "Mn(X) ~ M(X)" nicht entbehrlich, denn die übrigen Bedingungen unter c) bleiben z.B. richtig, wenn man unter die Folge (Mn)n>l unendlich oft das Maß 0 "mischt", aber dabei bleibt a) nicht notwendig richtig. - Die Aufgaben 4.6, 4.7 enthalten Ergänzungen zum Portmanteau-Theorem.
4. Schwache Konvergenz von Verteilungsfunktionen und die Sätze von HELLy-BRAY und HELLY. Jedem Wahrscheinlichkeitsmaß M: ~1 ~ [0,1] haben wir in Abschnitt 11.5.3 seine Verteilungsfunktion F : lR ~ lR, (4.6)
F(x)
:==
M(] - 00, xJ)
(x
E
lR)
zugeordnet. Allgemeiner definieren wir jetzt für jedes endliche Maß M : ~1 ~ [0, oo[ eine Verteilungsfunktion F vermöge (4.6), und wir nennen auch alle Funktionen F + c (c E lR) Verteilungsfunktionen von M(vgl. Korollar 11.2.3). Ohne apriori ein Maß vorgegeben zu haben, verstehen wir im folgenden unter einer Verteilungsfunktion jede wachsende, rechtsseitig stetige, beschränkte Funktion F : lR ~ lR; jedes solche F definiert vermöge
M(]a, bJ) :== F(b) - F(a)
(a < b)
ein endliches Maß M : ~1 ~ [0,00[. Ist Feine Verteilungsfunktion, so setzen wir (4.7)
IIFII :== lim (F(x) - F( -x)) . X-tOO
22Die Inklusion kann echt sein (z.B. im Fall eines diskreten Raums).
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
387
Wie in Abschnitt 11.2.2 nennen wir zwei Verteilungsfunktionen F, G : JR ~ JR äquivalent, wenn F - G konstant ist, und bezeichnen mit [F] die Äquivalenzklasse von F. Dann gilt wie in Abschnitt 11.5.3: Die Zuordnung J-L f-+ [F] definiert eine Bijektion zwischen der Menge der endlichen Maße auf ~1 und der Menge der Äquivalenzklassen von Verteilungsfunktionen F : JR ~ JR; dabei gilt (4.8)
IIJ-LII == IIFII .
4.11 Definition. Die Folge der Verteilungsfunktionen F n : JR ~ JR (n E N) heißt vage konvergent gegen die Verteilungsfunktion F : JR ~ JR, falls für alle Stetigkeitspunkte x E JR von F gilt: lim Fn(x) == F(x) . n---+oo Gilt zusätzlich IIFnl1 ~ IIFII (n ~ (0), so heißt (Fn )n>l schwach konvergent gegen F; Schreibweise: Fn ~ F. -
Der Limes jeder vage konvergenten Folge (Fn )n21 von Verteilungsfunktionen ist eindeutig bestimmt: Sind nämlich F, G Verteilungsfunktionen und konvergiert (Fn )n2 1 vage gegen F und gegen G, so ist F(x) == G(x) für alle x E JR, in denen Fund G beide stetig sind. Da Fund G als monotone Funktionen je höchstens abzählbar viele Unstetigkeitsstellen haben, ist die Menge der gemeinsamen Stetigkeitspunkte von Fund G dicht in JR, und die rechtsseitige Stetigkeit von Fund G impliziert F == G. Aus der vagen Konvergenz der Verteilungsfunktionen Fn gegen die Verteilungsfunktion F folgt nicht notwendig IIFnl1 ~ IIFII: Ist z.B. F o irgendeine nicht konstante Verteilungsfunktion und Fn(x) :== Fo(x + n) (x E JR,n E N), so konvergiert (Fn )n21 vage gegen die konstante Verteilungsfunktion F :== limt---+oo Fo(t), aber es ist IIFnll == IIFol1 > 0 und IIFII == O. Bei der vagen Konvergenz von Verteilungsfunktionen kann also (ähnlich wie bei der vagen Konvergenz von Maßen) "Masse verlorengehen" .
4.12 Satz. Es seien J-Ln (n E N), J-L endliche Maße auf ~1 mit zugehörigen Verteilungsfunktionen Fn , F : JR ~ JR. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: a) J-Ln ~ J-L. b) Mit geeigneten Konstanten Cn E JR (n E N) gilt Fn - Cn ~ F (n ~ (0). Beweis. a) =} b): Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, daß Fn,F gemäß (4.6) festgelegt sind. Aus J-Ln ~ J-L folgt zunächst IIJ-Lnll ~ IIJ-LII, und mit (4.8) ergibt sich IIFnl1 ~ IIFII· Aus J-Ln ~ J-L folgt ferner die vage Konvergenz von (Fn )n2 1 gegen F mit Hilfe der Implikation "a) =} e)" des Portmanteau-Theorems. Dabei ist zu beachten, daß das Intervall] - 00, x] genau dann J-L-randlos ist, wenn x ein Stetigkeitspunkt von F ist, denn nach Beispiel 11.4.7 ist J-L( {x}) == F(x) - F(x - 0). b) =} a): Wir zeigen, daß Aussage d) des Portmanteau-Theorems erfüllt ist. Zunächst gilt: J-Ln(X) == IIFnll ~ IIFII == J-L(X). Sei ferner U c JR offen. Ist
388
VIII. Maße auf topologischen Räumen
U == 0, so ist nichts zu tun; sei U #- 0 und c > o. Dann ist U eine abzählbare Vereinigung disjunkter, nicht-leerer, offener Intervalle I j C IR (j ~ 1), und es gibt ein N E N mit
Zu jedem j == 1, ... , N können wir ein Intervall der Form ]aj, bj ] C I j wählen mit
JL(]aj, bj ]) > JL( I j ) - E2- j -
1
(aj < bj )
.
(Das folgt aus der Beziehung JL(]a, ß[) == F(ß - 0) - F( a) (s. Beispiel 11.4.7) und der rechtsseitigen Stetigkeit von F.) Dabei können wir zusätzlich die aj, bj (j == 1, ... ,N) als Stetigkeitspunkte von F wählen. Dann folgt:
N
N
lim "(Fn(bj ) - Fn(aj)) == L(F(bj ) - F(aj))
n-.+oo
L....J j=l
j=l
d.h. es ist limn-.+ooJLn(U) ~ JL(U). Die Implikation "d) Theorems ergibt nun die Behauptung.
=}
a)" des Portmanteau0
4.13 Satz von HELLy-BRAY. Konvergiert die Folge der Verteilungsfunktionen F n : IR ~ IR schwach gegen die Verteilungsfunktion F : IR ~ IR, so gilt für jedes g E
Cb(IR):
r
r
!im gdFn == gdF . n-.+oo}m:. }m:.
Beweis. Nach Satz 4.12 konvergiert die Folge der endlichen Maße JLn : ~l ~ [0,00[, die den F n entsprechen, schwach gegen das endliche Maß JL : ~l ~ [0,00[, das zu F gehört. 0 4.14 Satz von HELLy-BRAY. Konvergiert die Folge der Verteilungsfunktionen Fn : IR ~ IR vage gegen die Verteilungsfunktion F : IR ~ IR, so gilt für jedes g E Cc(IR):
r
r
lim gdFn == gdF . n-.+oo}m:. }m:.
Beweis. Es sei g
E
Cc(IR). Wir wählen Stetigkeitspunkte a, b von F mit Tr g
C
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit [a
+ 1, b - 1]
389
und setzen für x E IR, n E N:
Fn(a) für x 5: a , Fn(x) für a5:x5:b, Fn(b) für x ? b , F(a) für x 5: a , F(x) für a5:x5:b, F(b) für x ? b .
{ {
Gn(x) .-
G(x)
-
Dann sind Gn , G Verteilungsfunktionen mit Gn 0 G, denn für alle Stetigkeitspunkte x E IR von G gilt limn -+ oo Gn(x) == G(x), und zusätzlich gilt IIGn l1 == Fn(b) - Fn(a) -+ F(b) - F(a) == IIGII (n -+ (0). Nach Satz 4.13 folgt daher lim {gdG n == { gdG . Jrnz. Jrnz.
n-+oo
Wegen Tr 9
C
[a + 1, b - 1] ist aber
1
=
9 dGn
1
9 dFn ,
1 1 9 dG
=
9 dF ,
und es folgt die Behauptung.
D
4.15 Satz. Sind F, Fn : IR -+ IR
(n E N) Verteilungsfunktionen, so sind folgende Aussagen äquivalent: a) Es gibt Konstanten Cn E IR, so daß (Fn - Cn )n>l vage gegen F konvergiert. b) Für jedes 9 E Cc(IR) gilt lim n-+oo
r
Jrnz.
9 dFn
=
r
Jrnz.
9 dF .
Beweis. a) =} b): Satz 4.14 von HELLy-BRAY. b) =} a): Es seien a, b E IR Stetigkeitspunkte von F, a < b, E > 0, a + E < b - E, und E sei so gewählt, daß auch a ± E, b ± E Stetigkeitspunkte sind von F. Ferner sei g€ E Cc(IR) definiert durch
g€ ( X )
.== .
0 für x ~ [a, b] , E-1 (x - a) für a 5: x 5: a + E , 1 fu··r a+E_x_ < < b -E, { E-1 (b - x) für b - E 5: x 5: b .
Dann ist wegen Voraussetzung b) F(b - s) - F(a
= lim n-+oo
+ s) ::;
1
g,dF
lim (Fn(b) Jrg,dFn ::; n-+oo rnz.
Fn(a)) .
VIII. Maße auf topologischen Räumen
390
Läßt man hier c eine Nullfolge von Werten Ck durchlaufen, so daß alle Punkte + Ck, b - Ck Stetigkeitspunkte sind von F, so erhalten wir
a
F(b) - F(a) ~ lim (Fn(b) - Fn(a)) . n---+oo
Wenden wir die gleiche Schlußweise an auf die Funktion he E Cc(IR),
h ( ). == e X
•
0 - (a - c)) 1 c- 1(b + C - x)
C-1 (x
{
für für für für
x tf- [a - c, b + c] , a- C~ x ~ a, a ~ x ~ b, b ~ x ~ b+ C ,
so folgt
= ~ hedF < F(b + E) - F(a - E) , also: lim (Fn(b) - Fn(a)) ~ F(b) - F(a) .
n---+oo
Damit haben wir gezeigt: Für alle Stetigkeitspunkte a, b E IR von F gilt lim (Fn(b) - Fn(a)) == F(b) - F(a) .
n---+oo
(Hier brauchen wir die Voraussetzung a < b nicht mehr.) Wählen wir nun irgendeinen Stetigkeitspunkt ao von F und setzen Cn :== Fn(ao) - F(ao), so besagt die letzte Gleichung: Für alle Stetigkeitspunkte x E IR von F gilt lim (Fn(x) - cn ) == F(x) ,
n---+oo
und das war gerade zu zeigen.
D
Die Sätze 4.12 und 4.15 lehren, daß die schwache bzw. vage Konvergenz der (ggf. um geeignete Konstanten abgeänderten) Verteilungsfunktionen gerade der schwachen bzw. vagen Konvergenz der zugehörigen Maße entspricht. 4.16 Auswahlsatz von HELLY (1912). a) Jede gleichmäßig beschränkte Folge von Verteilungsfunktionen Fn : IR ---t IR hat eine vage konvergente Teilfolge. b) Jede beschränkte Folge (J-Ln)n?.1 von Maßen auf fJ31 hat eine vage konvergente Teilfolge.
Beweis. a) Die Folge (Fn )n?.1 heißt gleichmäßig beschränkt, wenn es ein M > 0 gibt, so daß IFn(x) I ~ M für alle x E IR, n E N. Wir beweisen die Behauptung mit Hilfe des Cantorschen Diagonalverfahrens. Dazu sei (rj)j?l eine Abzählung von Q. Die Folge (Fn (r1) )n?l ist beschränkt, hat also nach dem Satz von BOLZANO-WEIERSTRASS eine konvergente Teilfolge (F1n (r1))n?1. Nun ist die
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
391
Folge (F1n (r2))n>1 beschränkt, hat also eine konvergente Teilfolge (F2n (r2))n>1' usw. Die k-te Thilfolge (Fkn(rk))n?) konvergiert, und da (Fkn ) eine TeilfoIge aller zuvor gewählten Teilfolgen (Fjn )n?.1 (j == 1, ... , k - 1) ist, konvergiert (Fkn (rj))n2::1 für alle j == 1, ... , k. Nehmen wir nun aus dem Schema der Fkn die "Diagonalfolge" der (Fnn )n2::1' so ist (Fnn (rj))n2::j eine Teilfolge von (Fjn (rj))n2:: 1' also konvergiert (Fnn (rj))n2::1 für jedes JEN. Wir gehen zur üblichen Notation für Teilfolgen über und stellen fest: Es gibt eine Teilfolge (Fnk )k2::1 von (Fn )n2:: 1 und eine Funktion G : Q ---+ IR, so daß für alle r E Q .
lim Fnk(r) == G(r) k-+oo
Offenbar ist die Funktion G : Q ---+ IR wachsend. Setzen wir nun für x E IR
F(x):== inf{G(r): r
E
Q,r > x},
so ist F rechtsseitig stetig, wachsend und beschränkt, d.h. F ist eine Verteilungsfunktion. Zum Abschluß des Beweises zeigen wir: (Fnk )k2::1 konvergiert vage gegen F. Dazu seien x E IR ein Stetigkeitspunkt von Fund c > O. Dann gibt es ein 8 > 0, so daß
F(x) - c < F(y)
~
F(z) < F(x)
für alle y, z mit x - 8 < Y < x < z < x y < S < x < z < t < x + 8, so daß
F(x) - c < F(y)
~
G(s)
~
+ 8.
+c
Zu y, z gibt es s, t E Q mit
G(t) < F(x)
+c
.
Wegen der Monotonie der F nk folgt hieraus:
F(x)-c
0 frei wählbar ist, erhalten wir: limk-+oo Fnk (x) == F(x). b) Die Folge (J1n)n>l heißt beschränkt, wenn die Folge (11J1nll)n>l beschränkt ist. Ordnen wir J1n gemäß (4.6) seine Verteilungsfunktion Fn zu, s~ ist die Folge (Fn )n2:: 1 gleichmäßig beschränkt, hat also nach a) eine Teilfolge (Fnk )k2:: 1, die vage gegen eine Verteilungsfunktion F konvergiert. Nach dem Satz 4.14 von HELLy-BRAY konvergiert dann (J1 nk)k2:: 1 vage gegen das zur Verteilungsfunktion F gehörige Maß J1. D
Bemerkungen, historische Notizen. Der Satz 4.13 von HELLy-BRAY gilt auch bei Integration über ein kompaktes Intervall [a, b], falls nur die Folge der rechtsseitig stetigen wachsenden Funktionen Fn : [a, b] ---+ IR an allen Stetigkeitspunkten von F gegen die rechtsseitig stetige wachsende Funktion F : [a, b] ---+ IR konvergiert und F in a und b stetig ist (s. LOEVE [1]). Ferner gelten die Sätze von HELLY und HELLy-BRAY sinngemäß auch für Funktionen F n von gleichmäßig beschränkter Variation (s. NATANSON [1]). - BRAY (1889-1978)
VIII. Maße auf topologischen Räumen
392
(s. [1]) veröffentlicht seine Ergebnisse über Stieltjessche Integrale 1919 offenbar ohne zu wissen, daß HELLY (1884-1943) die Sätze 4.13, 4.14 und den wichtigen Auswahlsatz 4.16 schon 1912 als technische Hilfsmittel in einer Arbeit (s. HELLY [1]) entwickelte, die im Keim grundlegende Prinzipien der Funktionalanalysis enthält (Satz von BANACH-STEINHAUS, Satz von HAHN-BANACH). Eine Würdigung des dornenreichen Lebensweges und der wissenschaftlichen Leistungen von EDUARD HELLY findet man im Artikel von P .L. BUTZER et al.: EDUARD HELLY (1884-1943). Jahresber. Dtsch. Math.-Ver. 82, 128151 (1980). Die Sätze von HELLy-BRAY und HELLY spielen insbesondere in der Wahrscheinlichkeitstheorie in der Theorie der charakteristischen Funktionen (Fourier-Transformierten von Wahrscheinlichkeitsmaßen) eine bedeutende Rolle. Der Begriff der schwachen Konvergenz von (signierten) Maßen wird implizit im Jahre 1911 eingeführt von F. RIESZ ([2]' S. 798-827) in einer Arbeit, die sich mit dem Beweis und mit Anwendungen des Darstellungssatzes von F. RIESZ für stetige Linearformen auf C[a, b] durch Stieltjessche Integrale (d.h. signierte Maße auf [a, b]) beschäftigt. Dort werden auf S. 814 Linearformen des Typs f N f(x) dam(x) betrachtet, wobei die Totalvariationen der Funktionen a m (m ~ 1) gleichmäßig beschränkt sind. RIESZ zeigt dann mit Hilfe des Cantorschen Diagonalverfahrens, daß die Folge (am)m~l eine schwach konvergente Teilfolge hat. Damit beweist RIESZ de facto den Auswahlsatz von HELLY, aber er spricht den Satz nicht als selbständiges Resultat aus, da seine Untersuchung andere Ziele verfolgt. Auf der Grundlage des Satzes von HELLY könnten wir nun die schwach relativ folgenkompakten Teilfolgen von M+ (~1) charakterisieren, doch stellen wir das zurück, da wir im nächsten Abschnitt mit dem Satz von PROCHOROV 2 ein wesentlich allgemeineres Resultat kennenlernen werden. Auch im Beweis des Satzes von PROCHOROV spielt das Cantorsche Diagonalverfahren eine tragende Rolle.
J:
5. Der Satz von PROCHOROV 2 • Im ganzen Abschnitt 5 seien (X, d) ein metrischer Raum und
~
==
~(X).
4.17 Definition. Eine Menge M c M+(~) heißt (schwach) relativ Jolgenkompakt, wenn jede Folge von Elementen aus M eine schwach konvergente Teilfolge besitzt, d.h. wenn zu jeder Folge von Elementen J-ln E M (n ~ 1) eine Teilfolge (J-lnk)k~l und ein J-l E M+(~) existieren mit J-lnk ~ J-l. Offenbar ist jede relativ folgenkompakte Menge M c M+(~) beschränkt in dem Sinne, daß {11J-l11 : J-l E M} beschränkt ist. Im Satz von PROCHOROV werden die relativ folgenkompakten Teilmengen von M+(~) mit Hilfe des Begriffs der Straffheit charakterisiert. 4.18 Definition. Eine Menge M c M+(~) (X metrischer Raum) heißt (gleichmäßig) straff, wenn zu jedem c > 0 ein Kompaktum K c X existiert, so daß
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
J-L(KC) < c für alle J-L E M. Eine Folge (J-Ln)n"2 1 von Elementen aus (gleichmäßig) straff, wenn die Menge {J-Ln : n E N} straff ist.
393 M+(~)
heißt
4.19 Beispiel. Es seien (X,~) :== (IR, Q31) und J-La(B) :== XB(a) (a E IR, B E Q31). Dann ist die Menge {J-Ln : n E N} nicht straff, aber {J-Lln : n E N} ist straff. Für beliebiges A c IR gilt: {J-La : a E A} ist straff genau dann, wenn A beschränkt ist. Eine straffe Menge M c M+(Q3) braucht nicht beschränkt zu sein. (Beispiel: Man nehme auf IR ein Borel-Maß J-L =I- 0 mit kompaktem Träger und setze
M:=={aJ-L:a>O}.) 4.20 Satz (PROCHOROV 2 1956). Ist X ein polnischer Raum (d. h. ein vollständig metrisierbarer Raum mit abzählbarer Basis), so ist jede relativ folgenkompakte Menge M C M+(Q3) straff und beschränkt. Da trivialerweise jede einelementige Teilmenge von M+ (Q3) relativ folgenkompakt ist, erweist sich der Satz 1.16 von ULAM im Fall eines endlichen Maßes J-L als Spezialfall von Satz 4.20. In der Tat wiederholt das wesentliche Argument im Beweis des Satzes 4.20 gerade die Schlußweise des schwierigsten Schrittes im Beweis des Satzes 1.16 von ULAM. Beweis von Satz 4.20. Oben wurde bereits bemerkt, daß jede relativ folgenkompakte Menge M C M+(~) beschränkt ist. - Zum Nachweis der Straffheit zeigen wir zunächst:
(A)
Ist (Uk )k>l eine wachsende Folge offener Teilmengen von X mit Uk>l Uk == X, so gibt es zu jedem c > 0 ein m E N, so daß J-L(U~) < c für alle ii E M.
Begründung: Wäre die Aussage (A) falsch, so gäbe es eine solche Folge (Uk)k"21 und ein c > 0 mit der Eigenschaft, daß man zu jedem k E Nein J-Lk E M finden könnte mit J-Lk(Uk) 2: c. Die Folge (J-Lk)k"21 hätte nach Voraussetzung eine schwach konvergente Teilfolge. Wegen der Monotonie der Folge (Uk)k"21 dürften wir gleich ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, daß bereits die ursprüngliche Folge (fLk)k"21 schwach konvergiert: J-Lk ~ J-L. Nach dem Portmanteau-Theorem könnten wir dann schließen: Für alle k E N ist
Da aber J-L endlich ist und Uk .t 0, erhalten wir einen Widerspruch, und (A) ist bewiesen. Zum Beweis der Straffheit von M sei nun c > O. Wir wählen eine in X dichte Folge (Xj)j"21 und setzen bei festem n E N k
Unk
:==
UK~(Xj)
j=l
(k
E
N) .
VIII. Maße auf topologischen Räumen
394
Dann konvergiert die Folge (Unk)k?) wachsend gegen X, und nach (A) gibt es zu jedem n E Nein k n E N, so daß
a jortiori ist also
Die gleichen Argumente wie im Beweis des Satzes 1.16 von ULAM lehren nun: K :== n~=l Unkn ist kompakt und JL(KC) < c für alle JL E M. Daher ist M straff. 0
4.21 Korollar. Jede schwach konvergente Folge von Maßen JLn E 1) ist straff (und beschränkt).
M+(~P)
(n 2:
Beweis. Ist (JLn)n?) schwach konvergent, so ist M :== {JLn : n E N} relativ 0 folgenkompakt, und Satz 4.20 liefert die Behauptung.
In Satz 4.20 gilt auch die umgekehrte Implikation, und zwar für beliebige metrische Räume. Das ist die beweistechnisch "schwierigere Hälfte" des Satzes 4.23 von PROCHOROV, während Satz 4.20 als die "einfachere Hälfte" anzusehen ist. Bei Anwendungen des Satzes von PROCHOROV kommt meist die folgende "schwierigere Hälfte" zum Zuge:
4.22 Satz (PROCHOROV 2 1956). Ist X ein metrischer Raum, so ist jede straffe und beschränkte Menge M c M+(~) relativ jolgenkompakt. Beweis (nach BILLINGSLEY [3] und [2]' second ed.). Es sei (JLn)n'2 1 eine Folge von Elementen aus M. Zur Konstruktion einer schwach konvergenten Teilfolge von (JLn)n>l benutzen wir folgenden Ansatz: D~ (JLn)n'21 straff ist, gibt es eine wachsende Folge kompakter Mengen Km C X (m E N), so daß
(4.9)
f-ln(K':,.)
O,a E D). Ist nun U C X offen und x E UnL, so wählen wir ein c > 0 mit Kc(x) C U, danach ein a E D mit d(x, a) < c/2 und ein r E Q mit d(x, a) < r < c/2. Dann gilt für die Kugel B :== Kr(a) E .R : x E B c B c Kc(x) c U. Mit V bezeichnen wir die Menge aller endlichen Vereinigungen von Durchschnitten des Typs B n Km(B E .R, m E N) einschließlich der leeren Vereinigung 0. Die Menge V ist abzählbar, und alle Mengen aus V sind kompakt. Für jedes m E N ist .R eine offene Überdeckung von Km, also gibt es eine
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
395
endliche Teilüberdeckung BI,' .. , B r E .R von Km' Trivialerweise bilden dann auch die Mengen BI n Km, ... ,Br n Km E 1) eine Überdeckung von Km, und da 1) abgeschlossen ist bez. der Bildung endlicher Vereinigungen, erhalten wir: Km E 1) für alle m E N. Wie im Beweis des Auswahlsatzes 4.16 von HELLY benutzen wir nun das Cantorsche Diagonalverfahren und wählen eine Teilfolge (J1 nk )k?1 von (J1n), so daß der Limes
v(D)
(4.10)
:== lim
k-+oo
J1 nk (D)
für alle D E 1) existiert. (Die Konstruktion verläuft hier wie folgt: Sei (D j )j?1 eine Abzählung von 1). Die Folge (J1n(D 1))n?1 ist nach Voraussetzung beschränkt (!), hat also eine konvergente Teilfolge (J11k(D 1))k?1' Ebenso ist (J11k(D 2))k?1 beschränkt, hat also eine konvergente Teilfolge (J12k(D 2))k?l, usw. Die Folge (J1lk(D j ))k?1 konvergiert nach Konstruktion für alle j == 1, ... , I. Daher konvergiert die Diagonalfolge (J1kk(Dj ))k?l für alle JEN, denn (J1kk(Dj )k?j ist Teilfolge der konvergenten Folge (J1jk(Dj ))k?l' - Wir kehren zur üblichen Bezeichnung für Teilfolgen zurück und bezeichnen die Diagonalfolge mit (J1 nk) k?l) . Das wesentliche Ziel des folgenden Beweises ist nun die Konstruktion eines Maßes J1 auf ~(X), so daß für alle offenen U c X gilt: (4.11 )
J1(U)
==
sup{v(D) : D
E 1),
D c U} .
Wenn wir ein solches J1 konstruiert haben, können wir den Beweis folgendermaßen rasch zu Ende führen: Sei U C X offen. Für jedes D E 1), D c U ist
also nach (4.11)
J1(U) :::; lim J1 nk (U) .
(4.12)
k-+oo
Insbesondere ist J1 endlich, denn M ist nach Voraussetzung beschränkt. Ferner gilt wegen Km E 1) (m E N) folgende Ungleichungskette:
J1(X)
sup v(D) ~ sup v(Km) DED
mEN
sup ( lim J1 n k (Km)) k-+oo
mEN
> sup mEN
(lim fLnk(X) k-+oo
~) m
lim J1 n k (X) . k-+oo Zusammen mit (4.12) ergibt sich J1(X) == limk-+oo J1 nk (X), und wegen (4.12) liefert das Portmanteau-Theorem die schwache Konvergenz J1 nk ~ J1. Damit bleibt nur noch ein Maß J1 auf ~(X) zu konstruieren mit (4.11).
VIII. Maße auf topologischen Räumen
396
Zur Konstruktion eines solchen J-l gehen wir ähnlich vor wie im Beweis des Fortsetzungssatzes 2.4 und bemerken vorab folgende trivialen Eigenschaften von v: Für alle D I , D 2 E V gilt (4.13)
v(D I )
(4.14)
v(D I U D 2 )
(4.15)
v(D I U D 2 )
< v(D 2 )
o. Dann gibt es offene Un => Mn mit p(Un ) :S 'TJ(Mn ) + E ·2- n (n E N), und wir können mit (3) abschätzen: 00
00
< LP(Un):S L'TJ(Mn) +E. n=l
Dies gilt für alle
E
n=l
> 0, also folgt (4). -
(5) Jedes abgeschlossene A
C
X ist 'TJ-meßbar.
Begründung: Wir müssen zeigen, daß für alle Q C X gilt (4.18) Das zeigen wir zunächst für den Fall einer offenen Menge Q == U c X: Dazu sei E > O. Wir wählen ein D C UnAc (==offen (!)),D E V mit v(D) ~ p(UnAC)-E. Weiter wählen wir ein E c UnDc (== offen 0)), E E V mit v(E) ~ p(UnDC)-E.
VIII. Maße auf topologischen Räumen
398
Da D, E disjunkte Mengen aus 1) sind mit D u E c U folgern wir aus (4.15), (4.13), (4.17) wegen UnDc ~ UnA:
p(U) > v(D U E) == v(D) + v(E) > p(U n AC) + p(U n D C) - 2E > 7](U n A) + p(U n AC) - 2E . Da hier E > 0 beliebig klein sein darf, gilt (4.18) für offenes Q == U. Ist nun Q C X beliebig, so wählen wir zu E > 0 ein offenes U 7](Q) 2:: 7](U) - E und erhalten nach dem soeben Bewiesenen
7](Q) > 7](U) - E 2:: 7](U n A) + 7](U n AC) > 7](QnA)+7](QnAC)-E,
~
Q mit
E
und es folgt die Behauptung (5). -
D
4.23 Satz von PROCHOROV 2 (1956). Ist X ein polnischer Raum, so ist eine Menge M C M+(Q3) genau dann relativ folgenkompakt, wenn sie straff und beschränkt ist. Beweis. Satz 4.20 und Satz 4.22.
D
Da insbesondere der Raum lRP polnisch ist, liefert der Satz von folgende Ergänzung zum Auswahlsatz von HELLY.
PROCHOROV
4.24 Korollar. Ist /-Ln E M+ (Q3P) (n 2:: 1), so gilt: Die Folge (/-Ln)n?) ist genau dann straff und beschränkt, wenn jede Teilfolge von (/-Ln)n?) eine schwach konvergente Teilfolge hat. Beweis. Ist (/-Ln)n21 straff und beschränkt, so hat jede Teilfolge von (/-Ln)n21 nach Satz 4.22 eine schwach konvergente Teilfolge. Umgekehrt: Erfüllt (/-Ln)n>l die angegebene Teilfolgenbedingung, so ist M :== {/-Ln: n E N} relativ folge~ kompakt. Daher ist M und damit (/-Ln)n2 1 nach Satz 4.20 straff und beschränkt. D
Mit Hilfe von Satz 4.12 läßt sich die Aussage des Satzes 4.24 auch in Termen von Verteilungsfunktionen formulieren. 6. Die Laplace-Transformation. Ist /-L ein endliches Borel-Maß auf [0,00[, so heißt L : [0,00[-+ lR,
1
00
L(s) :=
e- SX dJl(x)
(s?: 0)
die (einseitige) Laplace- Transformierte von /-L. Offenbar ist L wohldefiniert, stetig und beschränkt, denn für s 2:: 0 ist
o ~ L(s)
~
L(O)
==
II/-LII ;
399
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit ferner gilt nach Satz IV.5.6 lim L (s) == /L ( {O}) .
s-too
Die Funktion L ist monoton fallend, und L ist gleichmäßig stetig auf [0,00[, denn für 0 ::; s ::; t gilt
1
00
o < L(s) - L(t) =
1
00
Oik 2': O,k E Z).
Speziell ist L" (s) 2 0 für s > 0, d.h. L ist konvex. Eine auf einem Intervall I c :IR erklärte Funktion F : I -+]0, oo[ heißt bekanntlich logarithmisch konvex, falls log F konvex ist, d.h. wenn
für alle x, y E 1,0 < A < 1. Nach GI. (VI.1.6) ist jede logarithmisch konvexe Funktion konvex. Wir zeigen: Ist /L i= 0 ein endliches Borel-Maß auf [0,00[, so ist die Laplace- Transformierte L von /L logarithmisch konvex. Zum Beweis seien s, t 2 0 und 0 < A < 1. Wir wenden die Höldersche Ungleichung an mit p :== A- 1 , q :== (1 - A)-l (p, q > 1,p-l + q-l == 1) und erhalten
L(>'s + (1 - >.)t) =
0)
e
r
und erhalten nach dem Satz von FUBINI
(4.19)
Die Funktion L ist als punktweiser Limes stetiger Funktionen Borel-meßbar, ferner nach Voraussetzung stetig in 0, also in einem Intervall [0, b] beschränkt (b > 0 geeignet). Zu jedem E > 0 gibt es daher ein r E]O, b], so daß
11°
T
(4.20)
r
(L(O) - L(s)) ds < -E . e
Nun gilt Ln(O)-Ln(s) --t L(O)-L(s) (n ---t (0), und diese Konvergenz wird auf [0, b] majorisiert durch eine geeignete Konstante, denn 0 :::; Ln (s) :::; Ln (0) (0:::; S :::; b) und Ln (0) ---t L (0) (n ---t (0). Nach dem Satz von der maj orisierten Konvergenz gibt es daher zu jedem E > 0 ein no E N, so daß für r gemäß (4.20) und alle n 2:: no gilt
11°
T
-
r
(Ln (0) - Ln (s)) ds < -E . e
Nach (4.19) ist nun f.Ln([r- , oo[) < E für alle n 2:: no, und wählen wir a > r- I hinreichend groß, um auch noch f.LI, ... ,f.Lno-1 zu erfassen, so können wir schließen: Zu jedem E > 0 gibt es ein a > 0, so daß f.Ln([O, a]C) < E für alle n E N. Daher ist (f.Ln)n?:) straff und wegen IIf.Lnll == Ln(O) --t L(O) auch beschränkt. Nach Satz 4.22 gibt es ein endliches Borel-Maß f.L auf [0, oo[ und eine Teilfolge f.Lnk ~ f.L (k ----t (0). Wir zeigen, daß bereits die "ganze" Folge (f.Ln)n?.1 schwach gegen f.L konvergiert: Dazu seien 1 E Cb([O,oo[) und M > 0 so beschaffen, daß 1111100 :::; M. Ferner sei M gleich so groß gewählt, daß auch 11f.L11 :::; Mund IIf.Lnll :::; M für alle n E N. Sei nun E > 0 und fJ :== E/(4M + 1). Da (f.Ln)n>1 straff ist, gibt es ein a > 0, so daß f.L([0, a]C) < fJ und f.Ln([O, a]C) < 8 für alle ~ E N. Zu a wählen wir ein h E Cc([O,oo[) mit h I [0, a + 1] == 1,0 :::; h :::; 1 und approximieren die Funktion h . 1 E Cc([O,oo[) durch eine Linearkombination der Funktionen es : [O,oo[---t IR, es (x) :== e- SX (x 2:: 0; s > 0): Offenbar bilden die Linearkombinationen der Funktionen es (s > 0) mit komplexen Koeffizienten eine l
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
401
Unteralgebra Ader C-Algebra Co([O,oo[) der stetigen Funktionen auf [0,00[, die im Unendlichen verschwinden, und A hat folgende Eigenschaften: (i) Für alle f E A ist 1 E A. (ii) A trennt die Punkte von [0,00[. (iii) Zu jedem x 2: 0 gibt es ein f E A mit f(x) =1= o. Nach einem Korollar zum Satz von STONE-WEIERSTRASS (s. z.B. SEMADENI [1]' S. 116,7.3.9.) liegt A daher dicht in Co([O, oo[) bez. der Supremumsnorm, d.h.: Es gibt eine Linearkombination g der Funktionen es (s > 0) (mit reellen Koeffizienten), so daß Ilhf - glloo < 6. Nun ist für alle n E N
11
00
f
dJtn -
11
0 setzen wir Ac :== 0, falls A == 0 und
Ac .- {x EX: es gibt ein y E A mit d(x,y) < c} {xEX:d(x,A) 0, 'Tl > 0 und b(J-L, v) < c, 6(v, p) < 'Tl. Dann gilt für alle A E 93 J-L(A)
< v(Ac) + c < p((AcY7) + c + 'Tl < p(Ac+ 17 ) + c + 'Tl ,
und aus Symmetriegründen ist auch
also b (J-L, p) :::; c ungleichung
+ 'Tl.
Die Infimumbildung bez. c und 'Tl liefert nun die Dreiecks-
D
4.30 Lemma. Es seien J-L, v E M+(93), c > 0 und
(4.22)
für alle B
E
93. Dann gilt für alle C
E
93
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit Beweis. Für beliebige B, C
c
403
X gilt:
(4.23) Begründung: Die Inklusion B c (CE)C ist gleichbedeutend mit "x t/:. CE für alle x E B", und das ist gleichbedeutend mit "d(x,y) ~ E für alle x E B,y E C". Die letzte Bedingung ist symmetrisch in B, C, also folgt (4.23). Es seien nun C E ~,E > 0, und für alle B E ~ gelte (4.22). Wir wählen speziell B == (CE)C und erhalten wegen (4.23)
M(C E)
IIMII- M((CE)C) == IIMII - M(B) > IIMII - v(B E v IIMII - II l + v((BE)C) - E > v(C) + IIMII- Ilvll - E • E
)
-
o
Damit ist die Behauptung bewiesen. 4.31 Korollar. Sind (4.24)
8(M, v)
M, v E
M+(~) und
IIMII
==
IIvll,
so gilt
inf{E > 0 : M(A) ::; v(A E) + E für alle A E ~} E == inf{E > 0 : v(A) ::; M(A ) + E für alle A E ~} .
o
Beweis. Definition 4.28 und Lemma 4.30.
4.32 Beispiel. Für a E X und B E ~ sei Ma(B) :== XB(a) (Einheitsmasse in a). Dann gilt für alle a,b EX: (4.25) Beweis. Nach (4.24) ist
8(Ma, Mb) == inf{E > 0 : XA(a) ::; XAe(b)
+ E für
alle A E ~} .
Für beliebiges A E ~ ist XA (a) ::; 1, daher ist zunächst 8(Ma, Mb) ::; 1. Ist weiter > d(a, b), so gilt für jedes A E ~
E
(4.26) denn für a t/:. A ist diese Ungleichung trivialerweise richtig, und für a E A ist b E AE, und (4.26) ist ebenfalls richtig. Damit haben wir gezeigt: Für alle a, b E X ist (4.27) Umgekehrt: Ist d(a, b) ~ 1 und 0 < verletzt, d.h. es gilt (4.28)
E
< 1, A
:==
{al, so ist b t/:. AE und (4.26) ist
VIII. Maße auf topologischen Räumen
404
Ist hingegen d( a, b) < 1, so wählen wir wieder A == {a}, und für 0 < c ::; d( a, b) ist b t/:- Ac, Ungleichung (4.26) ist verletzt, d.h. (4.28) gilt auch in diesem Fall. 0 Aus (4.27), (4.28) folgt nun (4.25). Offenbar ist min(l, d) eine Metrik auf X, die dieselbe Topologie definiert wie d. Beispiel 4.32 liefert folgendes 4.33 Korollar. Die Abbildung X 3 a t-+ fLa E M+(~) (fLa(B):== XB(a) für a E X,B E ~) definiert eine isometrische Injektion von (X,min(l,d)) in (M+(~), 8).
4.34 Satz. Sind fL, fLn E M+(~) (n E N) und gilt 8(fLn, fL) -t 0 (n -t (0), so folgt: fLn ~ fL· Beweis. Wir wählen eine monotone Nullfolge (Cn)n~1 positiver reeller Zahlen mit 8(fLn, fL) < Cn (n 2: 1). Für alle A E ~ gilt dann
(4.29) Ist speziell A
c
X abgeschlossen, so gilt Ac n
-J..
A, und (4.29) liefert für n -t
00:
speziell ist limn-Hx)fLn(X) ::; fL(X). - Ungleichung (4.29) gilt entsprechend bei Vertauschung der Rollen von fL und fLn, und das bedeutet für A == X
also n---too Insgesamt haben wir damit gezeigt: Für jedes abgeschlossene A c X ist limn---toofLn(A) ::; fL(A), und es gilt fL(X) == limn---too fLn(X). Das PortmanteauTheorem liefert nun die Behauptung. 0 Für separable metrische Räume gilt in Satz 4.34 auch die umgekehrte Implikation: 4.35 Satz (PROCHOROV 2 1956). Sind X ein separabler metrischer Raum und fL,fLn E M+(~) (n E N), so gilt für n -t 00: fLn ~ fL ~ 8(fLn, fL) ~ 0 .
Beweis. ~: Satz 4.34. Es seien (Xj )j~1 eine in X dichte Folge und C > O. Die Mengen BI :== K c/ 2(XI), B 2 :== K c/ 2(X2) \ BI, ... ,Bn+ I :== K c/ 2(x n+I) \ (BI U ... U B n) (n 2: 1) sind paarweise disjunkt, haben alle höchstens den Durchmesser c, und es ist =}:
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
405
x == U:=1 B n· Wir wählen ein k E N mit JL(Uj>k B j ) < c und bezeichnen mit mdas endliche System der offenen Mengen (B jl U ... U Bjrn)c, wobei 1 ::; jl < j2 < ... < jm ::; k. Nach Voraussetzung ist limn-tooJLn(U) 2: JL(U) für jede offene Menge U C X (Portmanteau-Theorem). Da m endlich ist, gibt es also ein no E N, so daß JLn(V) > JL(V) - c für alle n 2: no und alle V E m. Ist nun A E Q3, so seien B jl , ... ,Bjrn (1::; j1 < j2 < ... < jm ::; k) diejenigen unter den Mengen BI, .. . , Bk, die mit A einen nicht-leeren Durchschnitt haben, und V :== (Bh U ... U Bjrn)c. Dann ist V C A 2c, und für alle n 2: no gilt: JL(A)
< JL(V) + JL
(U
Bj )
::;
JL(V)
+c
J>k
< JLn(V) + 2c
::; JLn(A 2C)
+ 2c .
Nach Lemma 4.30 folgt hieraus für alle n 2: no und alle B E Q3 2
JLn(B) ::; JL(B c)
+ 2c + IIJLnl1
-
IIJLII .
Wegen JLn ~ JL gilt aber IIJLnll -+ IIJLII, und durch hinreichend große Wahl von no können wir zusätzlich erreichen, daß IIJLnll- IIJLII ::; c für alle n 2: no. Insgesamt ergibt das für alle A E Q3 und alle n 2: no die Ungleichungen
JL(A) ::; JLn(A 3C)
+ 3c ,
JLn(A) ::; JL(A 3C)
+ 3c , o
d.h. für alle n 2: no ist 5(JLn, JL) ::; 3c.
4.36 Korollar. Ist (X, d) ein separabler metrischer Raum, so ist eine Menge M C M+ (Q3) genau dann relativ jolgenkompakt (im Sinne der Definition 4.17), wenn Mals Teilmenge des metrischen Raums (M+(Q3), 5) relativ kompakt ist.
Beweis. Bekanntlich ist ein metrischer Raum R genau dann kompakt, wenn jede Folge von Elementen aus R eine konvergente Teilfolge hat. Die Behauptung folgt daher aus Satz 4.35, denn nach Satz 4.35 ist M genau dann relativ folgenkompakt, wenn jede Folge von Elementen aus Meine bez. der Prochorov-Metrik 5 konvergente Teilfolge hat, und das ist genau dann der Fall, wenn jede Folge von Elementen aus M (Abschluß von M in (M+(Q3), 5)) eine konvergente Teilfolge h~. D 4.37 Satz. Der metrische Raum (X, d) ist genau dann separabel, wenn (M+(Q3), 5) separabel ist.
Beweis. Da jeder Unterraum eines separablen metrischen Raums separabel ist, folgt die Separabilität von (X, d) aus der von (M+(Q3), 5) (Korollar 4.33). - Es sei nun umgekehrt (X, d) separabel, und c > 0 und die Folge (B j )j'2 1 seien wie im Beweis von Satz 4.35. Für a E X sei JLa(B) :== XB(a) (B E Q3). Wir lassen die leeren Mengen unter den B j weg und nehmen (nach eventueller Umindizierung) gleich an, daß B j =I- 0 für j 2: 1. Für jedes j 2: 1 wählen wir ein aj E B j und setzen
Mc
:==
{trjf.laj : n E N,rj J=l
E
Q,rj :::: 0
für j
= 1, .. . ,n} .
VIII. Maße auf topologischen Räumen
406
Offenbar ist Me abzählbar. Wir zeigen: Zu jedem f.L E M+(SJ3) gibt es ein E Me mit 6(f.L, v) :::; 3c. Begründung: Zunächst wählen wir k E N so groß,
v
daß Jl
(Uj>k
Bj )
J-lmo (X) - 21] (nach (4.30)) > J-lm(X) - 31] , denn wegen m ~ mo ist 8(J-lm, J-lmo) < 1], also (4.32) Zusammen ergibt sich aus (4.30), (4.31): Für alle m ~ 1 ist
Dies wenden wir an mit E • 2- n anstelle von E, wählen p == ~ können folgern: Zu jedem n E N gibt es ein k n E N, so daß
(n
E
N) und
für alle m E N. Wie im Beweis des Satzes 1.16 von ULAM folgt nun die Straffheit von (J-lm)m>l. - Die Beschränktheit ist klar nach (4.32). Sei nun umg~kehrt (M+(~), 8) ein polnischer Raum. Dann ist (X, d) separabel (Satz 4.37), und nach Korollar 4.33 ist nur noch zu zeigen, daß das Bild von X unter der Einbettung X :3 a t--+ J-la E M+(~) abgeschlossen ist. Wegen der Separabilität von X sind in M+(~) schwache Konvergenz und Konvergenz bez. der Prochorov-Metrik gleichbedeutend (Satz 4.35). Daher genügt es zum Nachweis der Abgeschlossenheit des Bildes von X, wenn wir zeigen: Ist (an)n>l eine Folge von Elementen aus X, und gibt es ein J-l E M+(~) mit J-la ~ J-l, so-gibt es ein a E X mit J-l == J-la. Begründung: Die Mengen A k :== {am : m ~ k} (k ~ 1) A :== n~=l An. bilden eine fallende Folge abgeschlossener Mengen mit A k Nach dem Portmanteau-Theorem ist für alle k E N n
+
also Wir zeigen weiter, daß A genau ein Element enthält: Angenommen, es gibt a, b E A mit a =1= b. Wir wählen 0 < E < ~d(a, b) und setzen f(x) :== max(l E-1d(x, Kc(a)), 0) (x E X); dann ist f E Cb(X) und f I Kc(a) == 1, f I Kc(b) ==
VIII. Maße auf topologischen Räumen
408
o. Nach Definition von A gibt es Teilfolgen (ank)k>l, (amk)k>l mit ank Kc(a)
(k E N), amk ---+ b, amk E Kc(b)
Ix f
dfta nk
=1,
(k E N)~ Daher gilt
Ix f dfta~k =
0 (k
E
---+ a, ank
E
N) .
Dies widerspricht offenbar der Konvergenz
Ix f
dfta n
----+
Ix f
dft
(n --t 00) .
Die Menge A enthält also höchstens ein Element, und da A wegen JL(A) == 1 1 folgt nicht leer ist, gibt es ein a E X mit A == {a}. Wegen JL(A) == JL(X) 0 nun: JL == JLa. Aufgaben. 4.1. Es seien (Y,~, v) ein endlicher Maßraum, (X, d) ein separabler (!) metrischer Raum und I, In : Y -+ X (n E N) meßbare Funktionen mit In -+ I n.M. (s. Aufgabe VI.4.5). Ferner seien J-L :== I(v), J-Ln :== In(v) die zugehörigen Bildmaße. Dann gilt: JLn ~ J-L. Insbesondere gilt J-Ln ~ J-L, falls In -+ I v-f. ü. 4.2. Sind (Y,~, v) ein endlicher Maßraum, (X, d) ein metrischer Raum, In : Y -+ X (n E N) meßbar, JLn :== In(v) (n E N) und a E X, J-La(B) :== XB(a) (B E ~) und gilt J-Ln ~ J-La, so gilt In -+ a n.M. (Warum ist hier - im Gegensatz zu Aufgabe 4.1 - der Begriff der Konvergenz In -+ a n.M. auch ohne die Voraussetzung der Separabilität von (X, d) sinnvoll?)
4.3. Es seien J-L,J-Ln (n E N) endliche Maße auf der (j-Algebra Ql über der Menge X. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: a) Für alle A E Ql gilt limn --+ oo JLn(A) == J-L(A). b) Für alle I E ~oo (X, Ql, J-L) gilt lim /, I dJLn == /, I dJ-L . n--+oo X X
4.4. Es seien X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum und JL, JLn (n E N) endliche Radon-Maße auf ~(X). Die Folge (J-Ln)n>l heiße schwach konvergent gegen J-L (kurz: J-Ln ~ JL), wenn für alle I E Cb(X) die GI. (4.3fgilt. Zeigen Sie: a) Der Limes einer schwach konvergenten Folge endlicher Radon-Maße ist eindeutig bestimmt. b) Die Folge (J-Ln)n>l konvergiert genau dann schwach gegen J-L, wenn (J-Ln)n>l vage gegen J-L konvergiert und li~n--+oo J-Ln(X) == J-L(X) ist. 4.5. Ist J-L ein Borel-Maß auf dem topologischen Raum X, so bilden die J-L-randlosen Teilmengen von X eine Algebra, aber nicht notwendig eine (j-Algebra. M+(~) (n E N). Dann sind folgende Aussagen a)-d) äquivalent: a) JLn ~ JL. b) Für jede J-L-randlose abgeschlossene Menge A c X ist lim n--+ oo J-Ln(A) == J-L(A). c) Für jede J-L-randlose offene Menge U c X ist lim n--+ oo JLn(U) == J-L(U). d) Für jede offene Menge U c X ist limn--+ooJ-Ln(U) 2: J-L(U), und für jede abgeschlossene Menge A c X ist limn--+ooJ-Ln(A) :::; J-L(A).
4.6. Es seien X ein metrischer Raum und J-L, J-Ln E
4.7. Ist (X, d) ein metrischer Raum, so heißt eine Funktion I : X -+ IR Lipschitz-stetig genau dann, wenn es eine Konstante C 2: 0 gibt, so daß für alle x, y E X gilt: I/(x)- l(y)1 :::; Cd(x, y). Sind weiter J-L,J-Ln E M+(~) (n E N), so sind folgende Aussagen äquivalent:
§ 4. Schwache Konvergenz und schwache Kompaktheit
409
a) J-ln ~ J-l. b) Für jede gleichmäßig stetige Funktion 1 E Cb(X) gilt limn --+ oo c) Für jede Lipschitz-stetige Funktion 1 E Cb(X) gilt lim n --+ oo
Ix 1 dJ-ln == Ix 1 dJ-l. Ix 1 dJ-ln == Ix 1 dJ-l.
4.8. Sind (X, d) ein metrischer Raum und J-l, v E M+(~), so sind folgende Aussagen äquivalent: a) J-l == v. b) Für jede gleichmäßig stetige Funktion 1 E C b(X) ist 1 dJ-l == 1 dv. c) Für jede Lipschitz-stetige Funktion 1 E Cb(X) ist 1 dJ-l == 1 dv.
Ix
Ix
Ix
Ix
4.9. Es sei (Fn )n2 1 eine gleichmäßig beschränkte Folge von Verteilungsfunktionen auf IR, und es gebe eine abzählbare Menge C c IR und eine Funktion G : IR \ C ---+ IR, so daß Fn(x) ---+ G(x) (n ---+ 00) für alle x E IR\ C. Dann gibt es eine Verteilungsfunktion F : IR ---+ IR, so daß (Fn )n2: 1 vage gegen F konvergiert. 4.10. Ist (X, d) ein polnischer Raum, so ist jede schwach konvergente Folge von Maßen aus M+(~) straff und beschränkt. 4.11. Es seien X, Y metrische Räume, J-ln ~ J-l. Dann gilt I(J-ln) ~ I(J-l)·
1:X
---+ Y stetig und J-l, J-ln E M+(~) (n E N) mit
4.12. Eine Folge (J-ln)n>l endlicher Borel-Maße auf [O,oo[ ist straff genau dann, wenn es eine monoton wachsende Funktion 1 : [0,00[---+ [O,oo[ gibt mit I(x) ---+ 00 (x ---+ 00) und 00 SUPnEN 10 1 dJ-ln < 00. 4.13. Es seien (X,d) ein metrischer Raum und für J-l,J-ln E M+(~) (n E N) gelte J-ln ~ J-l. Dann gilt für jede nicht-negative stetige Funktion 1 : X ---+ [0,00[:
lim n--+oo
r1
Jx
dJ-ln
~
r1
Jx
dJ-l .
(Hinweis: Für jedes m E N ist min(/,n) E Cb(X) und min(/,n)
t I.)
4.14. Es seien (Y, Q:, v) ein endlicher Maßraum, (X, d) ein separabler (!) metrischer Raum, I, 9 : Y ---+ X zwei meßbare Abbildungen und I(v), g(v) die zugehörigen Bildmaße auf ~(X). Ferner bezeichne p die Halbmetrik aus Aufgabe VI.4.5, d.h.
p (I, g) == inf{c
~
0 : v ({ d (I, g)
> c}) ::; c} .
Dann besteht zwischen p und der Prochorov-Metrik 8 folgende Beziehung: 8(/(v), g(v)) ::; p(/, g) .
Anhang A Topologische Räume Im folgenden stellen wir ohne Beweise einige Begriffe und Sachverhalte aus der Topologie zusammen. Bei Bedarf sind die Lehrbücher von BOURBAKI [6], [7], DUGUNDJI [1], ENGELKING [1], KELLEY [1], V. QUERENBURG [1] und SCHUBERT [1] zuverlässige Ratgeber.
A.l. Ein topologischer Raum (X, D) ist eine Menge X versehen mit einem System D von Teilmengen von X, so daß folgende Axiome erfüllt sind: (0.1) Jede Vereinigung von Mengen aus D gehört zu D; 0 E D. (0.2) Jeder endliche Durchschnitt von Mengen aus D gehört zu D; X E D. Die Elemente x E X heißen Punkte, die Elemente von D heißen die offenen Mengen von X, und D heißt die Topologie von X. Speziell ist ~(X) eine Topologie auf X, die sog. diskrete Topologie. Ist (X, d) ein metrischer (oder halbmetrischer) Raum und D das System aller Mengen V C X mit der Eigenschaft, daß zu jedem a E V ein c > 0 existiert mit K e(a) C V, so ist D eine Topologie auf X. In diesem Sinne ist jeder (halb- )metrische Raum ein topologischer Raum. - Im folgenden sei stets (X, D) ein topologischer Raum, soweit nichts anderes gesagt ist.
A.2. Sind a E X, V C X, so heißt V eine Umgebung von a, wenn es ein U E D gibt mit a E U C V;U(a) :== {V C X : V Umgebung von a} heißt der Umgebungsfilter von a. X heißt separiert oder ein Hausdorff-Raum, wenn zu allen a, b E X, a -# b Umgebungen U von a, V von b existieren mit U n V == 0 (Hausdorffsches Trennungsaxiom). Jeder metrische Raum ist ein Hausdorff-Raum. - Sind A, V c X, so heißt V eine Umgebung von A, wenn ein U E D existiert mit A c U c V. (Man beachte: Bei dieser Terminologie brauchen die Umgebungen keine offenen Mengen zu sein.)
A.3. Eine Menge Q) c D heißt eine Basis von D, wenn jedes A E D Vereinigung (nicht notwendig abzählbar vieler) Mengen aus Q) ist. Eine Menge mC U( a) heißt eine Umgebungsbasis von a, wenn zu jedem U E U(a) ein V E mexistiert mit V C U. Zum Beispiel bilden die Mengen Ke(a) (c > 0) eine Umgebungsbasis von a im (halb-)metrischen Raum (X,d), und die Mengen Ke(a) (a E X, c > 0) bilden eine Basis der Topologie von (X, d). - Der Raum (X, D) genügt dem ersten Abzählbarkeitsaxiom, wenn jedes a E X eine abzählbare Umgebungsbasis hat. Jeder (halb- )metrische Raum genügt dem ersten Abzählbarkeitsaxiom. - (X, D) erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom, wenn Deine abzählbare Basis hat. A.4. Eine Menge A C X heißt abgeschlossen, wenn Ac offen ist. Jeder Durchschnitt abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen; X ist abgeschlossen. Jede endliche Vereinigung abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen; 0 ist abgeschlossen. Zu jedem A C X gibt es eine bez. mengentheoretischer Inklusion kleinste abgeschlossene Menge F mit F ::J A, nämlich den
411
A. Topologische Räume
Durchschnitt aller abgeschlossenen Teilmengen von X, die A umfassen. Diese Menge F heißt die abgeschlossene Hülle von A und wird mit A bezeichnet. Die Punkte b E A heißen die Berührungspunkte von A. Es gilt b E A genau dann, wenn U n A i= f/J für alle U E U(b). Ist sogar U n (A \ {b}) i= f/J für alle U E U( b), so heißt b ein Häufungspunkt von A. - Sind A, B C X, so heißt A dicht in B, falls B c A. X heißt separabel, wenn X eine abzählbare dichte Teilmenge hat. Jeder topologische Raum, der dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom genügt, ist separabel. Jeder separable (halb- )metrische Raum genügt dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom. A.5. Zu jedem A
c
X gibt es eine größte offene Teilmenge U
c
A, nämlich die Vereinigung
aller offenen Teilmengen von A. Diese Menge U heißt der offene Kern von A und wird mit
A
bezeichnet. Die Punkte x EA heißen innere Punkte von A. Es gilt (A)C == Ac. A.6. Ist Y c X, so ist D I Y :== {U n Y : U E D} eine Topologie auf Y, die Spurtopologie oder Relativtopologie von D auf Y. (Y, D I Y) heißt ein Teilraum von (X, D).
A.7. Sind X, Y topologische Räume und I : X -t Y eine Abbildung, so heißt I stetig in a E X, falls zu jeder Umgebung V von I(a) eine Umgebung U von a existiert, so daß I(U) C V. Die Abbildung I : X -t Y heißt stetig, wenn sie in jedem Punkt a E X stetig ist. Kompositionen stetiger Abbildungen sind stetig. Eine Abbildung I : X -t Y ist genau dann stetig, wenn 1- 1 (V) offen ist in X für jede offene Menge V C Y. I : X -t Y heißt eine topologische Abbildung oder ein Homöomorphismus, wenn I bijektiv ist und wenn I : X -t Y und 1-1 : Y -t X beide stetig sind. Existiert ein Homöomorphismus I : X -t Y, so heißen X und Y homöomorph.
A.8. Sind 6 und '1' zwei Topologien auf der gleichen Menge X, so heißt 6 feiner als '1' (und '1' gröber als 6), falls '1' C 6. A.9. Sind (X, 6), (Y, '1') topologische Räume, so gibt es eine gröbste Topologie D auf X x Y, welche die kanonischen Projektionen prx : X x Y -t X, (x, y) H X und pry : X x Y -t Y, (x, y) H Y stetig macht; D heißt die Produkttopologie von 6 und '1' und (X x Y, D) das topologische Produkt von (X,6) und (Y, '1'). Die Mengen U x V (U E 6, V E '1') bilden eine Basis von D. Eine Abbildung 9 : (Z,9'\) -t (X X Y, D) ist genau dann stetig, wenn prx 0 9 und pry 0 9 stetig sind. Entsprechendes gilt für Produkte endlich vieler topologischer Räume. A.I0. Ein System U offener Teilmengen von X heißt eine offene Überdeckung von A C X, falls A C UU EU U. Eine Teilmenge 'I der Überdeckung U von A heißt eine Teilüberdeckung, falls 'I eine Überdeckung von A ist. X heißt kompakt, wenn jede offene Überdeckung von X eine endliche Teilüberdeckung hat. Eine Menge A C X heißt kompakt, wenn der Teilraum (A, DIA) kompakt ist, und A heißt relativ kompakt, wenn A kompakt ist. (Viele Autoren verlangen von einem kompakten topologischen Raum zusätzlich, daß das Hausdorffsche Trennungsaxiom erfüllt ist, und nennen die im obigen Sinne kompakten Räume "quasikompakt" .) Jede abgeschlossene Teilmenge eines kompakten Raums ist kompakt. Jede kompakte Teilmenge eines Hausdorff-Raums ist abgeschlossen.
A.ll. Eine Familie ~ von Teilmengen von X hat die endliche Durchschnittseigenschaft, wenn jeder endliche Durchschnitt von Mengen aus ~ nicht-leer ist. X ist kompakt genau dann, wenn für jede Familie ~ abgeschlossener Teilmengen von X, welche die endliche Durchschnittseigenschaft hat, der Durchschnitt aller Mengen aus ~ nicht-leer ist. A.12. Es sei I : X -t Y eine Abbildung von X in den topologischen Raum Y. Ist I stetig und K C X kompakt, so ist I(K) eine kompakte Teilmenge von Y. - I heißt offen (bzw. abgeschlossen), wenn für jede offene (bzw. abgeschlossene) Menge A C X die Bildmenge I(A) offen (bzw. abgeschlossen) in Y ist. Ist X kompakt, so ist jede stetige Abbildung I : X -t Y in einen Hausdorff-Raum Y abgeschlossen. Daher ist jede stetige bijektive Abbildung eines kompakten Raums X auf einen Hausdorff-Raum Y ein Homöomorphismus.
412
A. Topologische Räume
A.13. Eine Folge (Xn)n~l in X heißt konvergent gegen a E X, wenn zu jedem U E ll(a) ein no E N existiert, so daß X n E U für alle n 2:: no. Der Punkt a E X heißt ein Häufungswert von (x n )n2: 1 ' wenn es zu jeder Umgebung U von a unendlich viele n E N gibt mit X n E U. A.14. X heißt abzählbar kompakt, wenn jede abzählbare offene Überdeckung von X eine endliche Teilüberdeckung hat. X ist abzählbar kompakt genau dann, wenn jede Folge in X einen Häufungswert hat. Ist (X, d) eine halbmetrischer Raum, so sind folgende Aussagen äquivalent: (i) X ist kompakt. (ii) X ist abzählbar kompakt. (iii) Jede Folge in X hat eine konvergente Teilfolge. Jede stetige Funktion auf einem abzählbar kompakten Raum ist beschränkt und nimmt ihr Maximum und ihr Minimum an. A.15. Es seien I eine Indexmenge und ((Xl,' Dl,))l,EI eine Familie topologischer Räume. Das cartesische Produkt X :== ITl,EI Xl, ist definiert als Menge aller Abbildungen x : I --t Ul,EI Xl,' so daß Xl, :== x(t) E Xl, für alle tEl; Schreibweise: x == (Xl,)l,EI. Sind alle Xl, f 0(t EI), so ist X f 0 (Auswahlaxiom). Das System aller Mengen der Form ITl,EI Ul, ' zu denen eine endliche Menge E C I existiert, so daß U l, E D für alle tEE und U l, == Xl, für alle tEl \ E, bildet die Basis einer Topologie D auf X, der Produkttopologie der D l, (t E I). Dieses ist die gröbste Topologie auf X, die alle Projektionen pr K : X --t XK,prK((xl,)l,EI) :== xK(K, E I) stetig macht. Alle prK(K, E I) sind offene Abbildungen. Satz von Tychonoff (1935): Sind alle (Xl,' Dl,)(t E I) kompakt, so ist (X, D) kompakt. l,
A.16. X heißt regulär, wenn für jedes a E X die abgeschlossenen Umgebungen von a eine Umgebungsbasis von a bilden. X heißt vollständig regulär, wenn es zu jedem a E X und jeder abgeschlossenen Menge FeX mit a ~ F eine stetige Funktion f : X --t [0,1] gibt mit f(a) == 0, f I F == 1. X heißt normal, wenn es zuje zwei abgeschlossenen Mengen A, B C X mit An B == 0 Umgebungen U von A und V von B gibt mit U n V == 0. Jeder vollständig reguläre Raum ist regulär. Jeder kompakte Hausdorff-Raum ist normal. Jeder (halb-)metrische Raum ist normal und vollständig regulär. A.17. X heißt lokal-kompakt, wenn jedes a E X eine kompakte Umgebung hat. (Viele Autoren verlangen von einem lokal-kompakten Raum zusätzlich, daß das Hausdorffsche Trennungsaxiom erfüllt ist; wir folgen hier KELLEY [1] mit der Terminologie.) Ist X lokal-kompakt und Hausdorffsch oder regulär, so bilden für jedes a E X die abgeschlossenen und kompakten Umgebungen von a eine Umgebungsbasis. Insbesondere ist jeder lokal-kompakte Hausdorff-Raum regulär. A.18. Es seien X ein Hausdorff-Raum, w ~ X,X .- X U {w} und D .- D U {X \ K K C X kompakt }. Dann ist (X,.o) ein kompakter topologischer Raum, und (X,D) ist ein Teilraum von (X, D). Ist X nicht kompakt, so ist X ein offener dichter Teilraum von X. X ist Hausdorffsch genau dann, wenn X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum ist. (X, .0) heißt die Alexandroff-Kompaktijizierung von (X, D). A.19. Es sei X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum. X heißt a-kompakt oder abzählbar im Unendlichen, wenn X darstellbar ist als abzählbare Vereinigung kompakter Mengen. Folgende Aussagen sind äquivalent: (i) X ist a-kompakt. (ii) w E X hat eine abzählbare Umgebungsbasis. (iii) Es gibt eine Folge offener relativ kompakter Mengen Un C X(n E N) mit Un C Un + 1 (n E N) und U~=l Un == X. A.20. Urysohnsches Lemma. X ist normal genau dann, wenn es zu je zwei disjunkten abgeschlossenen Mengen A, B c X eine stetige Funktion f : X --t [0,1] gibt mit f I A == 0, f I B == 1. Insbesondere ist jeder normale Hausdorff-Raum vollständig regulär. Es folgt: Jeder lokal-kompakte Hausdorff-Raum ist vollständig regulär, denn er ist Teilraum seiner kompakten, also normalen, also vollständig regulären Alexandroff-Kompaktifizierung, und jeder Teilraum eines vollständig regulären Raums ist vollständig regulär.
A. Topologische Räume
413
A.21. Metrisationssätze. Ist X ein Hausdorff-Raum mit abzählbarer Basis, so sind folgende Aussagen äquivalent: (i) X ist vollständig regulär. (ii) X ist regulär. (iii) X ist normal. (iv) X ist metrisierbar. Ein kompakter Hausdorff-Raum ist genau dann metrisierbar, wenn er eine abzählbare Basis hat. Ist X ein lokal-kompakter Hausdorff-Raum, so sind folgende Aussagen äquivalent: (i) X hat eine abzählbare Basis. (ii) X ist metrisierbar. (iii) X ist metrisierbar und a--kompakt. A.22. X heißt vollständig metrisierbar, wenn es eine Metrik d auf X gibt, welche die Topologie von X definiert, so daß (X, d) ein vollständiger metrischer Raum ist. (Warnung: Ist (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, so kann es durchaus eine andere Metrik d' auf X geben, welche ebenfalls die auf X vorhandene Topologie definiert, so daß (X, d') unvollständig ist.) Ein vollständig metrisierbarer Raum mit abzählbarer Basis heißt ein polnischer Raum. (Ein metrischer Raum hat genau dann eine abzählbare Basis, wenn er separabel ist.) Jeder separable Banach-Raum ist polnisch; insbesondere ist IRn ein polnischer Raum. Jeder kompakte metrisierbare Raum ist polnisch, d.h. jeder kompakte Hausdorff-Raum mit abzählbarer Basis ist polnisch. Jeder abgeschlossene und jeder offene Unterraum eines polnischen Raums ist polnisch. Das Produkt höchstens abzählbar vieler polnischer Räume ist polnisch. Jeder lokal-kompakte Hausdorff-Raum X mit abzählbarer Basis ist polnisch, denn er ist offener
X. - Ein Teilraum A eines polnischen Raums X ist genau dann polnisch, wenn A eine Gl Man' und ß :== 'Y + 1 leistet das Verlangte. Das von den natürlIchen Zahlen her bekannte Prinzip der vollständigen Induktion gestattet eine naheliegende Ausdehnung auf Ordinalzahlen. Speziell für die Menge I besagt das Prinzip der transfiniten Induktion: Es sei E(a) eine Aussage, die für alle a E I sinnvoll ist, und es gelte: (i) E(O) ist richtig.
415
B. Transfinite Induktion (ii) Aus E(a) folgt E(a + 1) (a EI). (iii) Ist, eine Limeszahl, und gilt E(a) für alle a Dann gilt E(a) für alle a E I.
< " so gilt auch E(,).
Beweis. Ist die Menge der a E I, für welche E(a) falsch ist, nicht-leer, so enthält sie ein kleinstes Element ,. Wegen (i) ist, > 0, und nach (ii) hat, keinen Vorgänger, ist also eine 0 Limeszahl. Da aber E(a) für alle a < , richtig ist, ergibt sich ein Widerspruch zu (iii). Das Prinzip der transfiniten Induktion gilt sinngemäß für jede wohlgeordnete Menge, nicht nur für die Menge I. Ähnlich wie man im Bereich der natürlichen Zahlen induktiv definieren kann, besteht auch in wohlgeordneten Mengen wie z.B. I die Möglichkeit der Definition durch
transfinite Induktion, von der wir in Kap. I, § 4 und in Kap. 111, § 3 Gebrauch machen. Literatur: DUDLEY [1], A.3, HAHN [2], Kap. I, § 7, HALMOS [2]' HEWITT-STROMBERG [1], sect. 4; s. auch die Beiträge von THIELE in EICHHORN-THIELE [1] und von KOEPKE in BRIESKORN
[1]'
DEISER
[1].
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C(IRP), Cc(IRP), C~(IRP) 134 f.ü. == fast überall 140 (R-) f(x) dx 152 Q(® ~ 164 Ma,M b 164 j1® v 167,351 EB Q(j 170 j11 ® ... ® j1n 170 f * g Faltung 193 Dkg == Og/8Xk, Da g, x a 194 j1p == (21r) -p/2 ßP 195 1, fV 195 S(IRP) 200 Dt == (8ti/ 8Xk) 202 IITII202 ß~ == ßP I ~~,'\~ == ,\P I ~~ 203 Np(f), Noo(f) 223 L P == L P (j1), L oo 229, 230 Ilfll p , Ilflloo 229, 230 LP == LP (j1) 230 (f, g) 235 n.M. == nach Maß 254 fn ~ f 263 v+, v-, 272,278 v ..1 p 273 Ilvll == Ivl(X) 275 v «j1 279 dv/dj1 282 Co(IRm) 295 D+ f, D+f, D- f, D-f 298 D,
J:
7=1
lvi
A
8A == A\ 384 Fn ~ F 387 5(j1, v) 402 U(a) 410
A,A 411
Sachverzeichnis Abbildung, abgeschlossene 411 -, affine 91 f. -, meßbare 86 -, offene 411 -, orthogonale 91 -, partielle 45, 114 -, stetige 411 -, topologische 411 Abbildungsgrad 215 abgeschlossene Hülle 411 - Menge 410 Abhängigkeit, stetige 147 -, holomorphe 148 Ableitung 282 Ableitungszahlen 298 absolut stetig (für Funktionen) 303, 307 absolut stetig (für Maße) 279 abzählbar 13 - erzeugter Meßraum 109 - im Unendlichen 412 - kompakt 412 - unendlich 13 Abzählbarkeitsaxiom, erstes 410 -, zweites 410 Additivität, abzählbare 27 -, endliche 27 Alexandroff-Kompaktifizierung 412 Algebra 11 -, erzeugte 16 analytische Menge 87, 322 äquivalent 39, 45 Atom 65, 88 atomlos 65 äußeres Lebesgue-Maß 55 - Maß 51 Auswahlaxiom 96, 98 f. Auswahlsatz von HELLY 390 Auswertungshomomorphismus 296 Bairesche Klasse 158 - Menge 338 Banach-Algebra 194, 234 Banach-Verband 241 Berührungspunkt 411 beschränkte Folge in L P 233 Betafunktion 182 f. Bewegungsinvarianz 78,89,92 Bildmaß 87 Bogenlänge 78 Borel-Maß 313 - -, moderates 318
Borel-Menge 17 f. Borel-meßbar 86 Brouwerscher Fixpunktsatz 213 Cantorsche Funktion 73 f. Cantorsches Diskontinuum 70 cartesisches Produkt 412 Cauchy-Folge für die Konvergenz nach Maß 255 - - in L P, LP 231 Cauchy-Schwarzsche Ungleichung 189, 224 Cauchyscher Integralsatz 186 Cavalierisches Prinzip 169 C 1 _Diffeomorphismus 202 Darstellungssatz von F. RIESZ 281 Darstellungssatz von F. RIESZ für -
Cc(X) 335 Co(X) 338 Cb(X) 340 C(X) 342, 344 - Cb(X) 349
b-Ring 14 Diagonale 115 f. dicht 411 Dichte 127 Dichtepunkt 301 Dichtesatz 302 Differentiation unter dem Integral 147 Differenzenoperatoren 44 Differenzierbarkeit monotoner Funktionen 299, 301 disjunkt 7 Diskontinuum, Cantorsches 70 Dualitätsprinzip 7 Dualraum 288 -, von LP 290 Durchschnittseigenschaft, endliche 411 durchschnittsstabil 18, 24 dyadische Entwicklung 143 Dynkin-System 24, 60 - -, erzeugtes 25 Eindeutigkeitssatz 60 Entwicklung, dyadische 143 -, triadische 71 Erzeuger 16, 86 -, minimaler 109 1]-meßbar 51 f.
430 fallend 9 f. Faltung 193, 296 fast gleichmäßig 251 fast überall 140 Filter 35 Final-o--Algebra 117 Folge, beschränkte in L P 233 -, konvergente 412 Fortsetzungssatz 53, 332 - für meßbare Funktionen 111 Fourier-Koeffizient 238 Fourier-Transformation 195, 238 Fourierscher Umkehrsatz 197, 235, 249 F(j-Menge 26, 67, 69 Funktion, absolut stetige 303, 307 -, Cantorsche 73, 301 -, charakteristische 10 -, integrierbare 129f. -, konvexe 220 -, meßbare 84, 86, 105 ff. - mit kompaktem Träger 133, 328 -, modulare 366, 370 -, numerische 105 ff. -, quasiintegrierbare 130 -, singuläre 307 - von beschränkter Variation 278, 300 Funktionaldeterminante 202 Gammafunktion 154 -, Gaußsche Darstellung 155 -, Weierstraßsche Darstellung 156 Gaußsche Normalverteilung 182 Gaußscher Integralsatz 185 geordneter Vektorraum 240 Gitter 96 Gitterpunktsatz von MINKOWSKI 96 gleichgradig integrierbar 262 Gramsche Matrix 92 Graph 116 Gö-Menge 26, 67, 69 Haar-Integral, linkes 357 - -, rechtes 362 Haar-Maß 91 - -, linkes 362 - -, rechtes 362 Hahn-Zerlegung 271 Hahnscher Zerlegungssatz 271 Halbmetrik 133 Halbnorm 133 Halbordnung 101 Halbring 20 Hamel-Basis 99f., 103 Häufungspunkt 411
Sachverzeichnis Häufungswert 412 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung - für das Lebesgue-Integral 304 - für das Riemann-Integral 302 Hausdorff-Dimension 82 Hausdorff-Maß 78, 94 Hausdorff-Raum 410 Hilbert-Raum 235 Hilbertscher Folgenraum 235 Häldersche Ungleichung 223, 228 holomorphe Abhängigkeit des Integrals 148 Homäomorphismus 411 Hülle, abgeschlossene 411 Indikatorfunktion 10 Induktion, transfinite 17, 414 f. Inhalt 27 -, auf J 37 -, endlicher 28 -, signierter 277 -, Stieltjesscher 34, 37, 46 -, von innen regulärer 43 Inhaltsproblem 4 Initial-o--Algebra 112 Injektivität der Fourier-Transformation 197, 239 innerer Punkt 411 Integral 121, 123, 129 f., 135, 177 -, Haarsches 357 -, unbestimmtes 305 Integration über meßbare Teilmengen 135 -, partielle 189, 306 integrierbare Funktion 129 f. - Majorante 130, 145 invariante Linearform 355, 370 invariantes Maß 355 isomorph 109 Isomorphiesatz 238 Isomorphismus, meßbarer 109 Jensensche Ungleichung 221 J ordan-Bogen 80 - -Kurve 80 - -Maß 13, 15, 69 f. - -meßbar 13, 15, 69 f. - -Zerlegung 273, 279, 346 Jordanscher Zerlegungssatz 273 Kategorie, von erster 15 Kern, offener 411 Klasse, kompakte 43
431
Sachverzeichnis -, monotone 23 - -, erzeugte 23 kompakt 411 konvergente Folge 412 Konvergenz, fast gleichmäßige 251 - im Mittel 231 - im p-ten Mittel 231 - im quadratischen Mittel 231 - in L P 261 - lokal nach Maß 254 - nach Maß 254 -, schwache 263 f. 381, 387 -, vage 382, 387 - von Folgen von Mengen 9 Konvergenzbegriffe, Vergleich 257 Konvergenzsatz von VITALI 262 konvexe Funktion 220 - Menge 68 Korrespondenzsatz 61 kritischer Wert 209 Kugelvolumen 168, 170, 191 Kurve, einfache 79 -, rektifizierbare 78, 308 f. -, stetige 78 Ladungsverteilung 270 Lebesgue-Borelsches Maß 55, 65, 89 ff. Lebesgue-Integral 84, 129, 135 f., 151 f. Lebesgue-Maß 55,65, 66ff., 89ff. -, äußeres 55 Lebesgue-meßbar 55,58,67 Lebesgue-Punkt 306 Lebesgue-Stieltjessches Maß 56, 65, 88 Lebesgue-Stieltjessches Prämaß 39, 48 Lebesgue-Zerlegung 285 - - von J-lF 308 Lebesguesche Nullmenge 55, 68 Lebesguesche Obersumme 84 Lebesguesche Untersumme 84 Lebesguescher Zerlegungssatz 285 Lebesguesches Prämaß 39, 43 Lemma von FATOU 144, 150 - - JACOBI 214 - - RIEMANN-LEBESGUE 162, 196 Limes 9 - inferior 8 f. - superior 8 Limeszahl 414 Lindeläf-Raum 115 Linearform, invariante 355, 370 -,linksinvariante 354 -, multiplikative 293 -, positive 328 -, rechtsinvariante 355 -, relativ invariante 370 linkes Haar-Integral 357
- Haar-Maß 362 links-gleichmäßig stetig 354 linksinvariante Linearform 354 linksinvariantes Maß 354 Linksrestklasse 368 Linkstranslation 90, 352, 369 lokal-endliches Maß 313 Lusinsche Vermutung 325 mager 15,29 Majorante, integrierbare 130, 145 Maß 28 -, äußeres 51 -, Haarsches 91, 356, 362 -, invariantes 355 -, komplexes 277f. -, Lebesgue-Borelsches 55, 65, 89 ff. -, Lebesgue-Stieltjessches 56, 65, 88 -, linksinvariantes 354 -, lokal-endliches 313 - mit Dichte 127,270 -, rechtsinvariantes 355 -, signiertes 269 -, translationsinvariantes 89 ff. -, vollständiges 63 Massenverteilung 41 Maßproblem 3, 5, 97 Maßraum 28, 85 -, lokalisierbarer 292 -, separabler 93 -, vollständiger 63 -, zerlegbarer 283 Menge, abgeschlossene 410 -, analytische 87, 322 -, Boreische 17 f. -, dichte 411 -, konvexe 68 -, magere 15, 29 -, meßbare 85 -, negative 271 -, nicht meßbare 96 ff. -, nirgends dichte 13, 71 -, offene 410 -, perfekte 71 -, positive 271 -, Suslinsche 87, 322 meßbar 51 f., 58 meßbare Menge 85 meßbarer Raum 85 Meßbarkeit konvexer Mengen 68 Meßraum 85 -, abzählbar erzeugter 109 -, separierter 109 Metrisationssätze 413 metrisches äußeres Maß 76 Minimalzerlegung 279, 348 f.
432 Minkowskische Ungleichung 224 Mittelwertsatz der Differentialrechnung 205 Mittelwertsätze der Integralrechnung 156 moderat 318 modulare Funktion 366, 370 monotone Klasse 23 Monotonie 28, 51 j1-Atom 65 j1-fast überall 140 j1-Nullmenge 32 Negativteil 107 nicht meßbare Menge 96 ff. nirgends dicht 13, 71 Norm 133 normale Zahl 143 Normalverteilung 182 Normisomorphismus 290 Nullhomotopie 215 Nullmenge 32, 271, 277 -, Lebesguesche 55, 68 -, lokale 295 Oberintegral 83 Obersumme 83 -, Lebesguesche 84 offene Menge 410 - Überdeckung 411 offener Kern 411 Operationstreue 8 Ordinalzahl 17, 414 Ordinalzahlen, abzählbare 414 -, überabzählbare 414 Ordnung 101 ordnungsvollständig 241 Orthonormalsystem 236 -, vollständiges 237 paarweise disjunkt 7 ParsevaIsche Formel 199 - Gleichung 237, 239, 245 Partialbruchentwicklung 183 partielle Abbildung 45, 114 - Integration 189, 306 Partition der Eins 361 Partition, meßbare 280 Peano-Kurve 80 perfekte Menge 71 Poinssonsche Summenformel 249 polare Zerlegung 288 Polarkoordinaten 207 f. polnischer Raum 320, 413 Pompeiusche Formel 186 positive Linearform 328 Positivteil 107
Sachverzeichnis Prämaß 28 - auf J 38 -, Lebesguesches 39, 43 -, Lebesgue-Stieltjessches 39, 48 Prinzip der guten Mengen 19, 25 Produkt, cartesisches 412 Produktmaß 167 Produkt-O"-Algebra 112, 164 Produkttopologie 114,412 Quadratur des Kreises, Tarskische 93 quasiintegrierbare Funktion 130 quasikompakt 411 Radon-Maß 313 Rand 384 randlos 384 Raum -, kompakter 411 -, lokal-kompakter 412 -, meßbarer 85 -, metrisierbarer 413 -, normaler 412 -, polnischer 320, 413 -, regulärer 412 -, Rieszscher 240 -, separabler 411 -, O"-kompakter 412 -, topologischer 410 -, vollständig metrisierbarer 413 -, vollständig regulärer 412 rechtes Haar-Integral 362 - Haar-Maß 362 rechts-gleichmäßig stetig 354 rechtsinvariante Linearform 355 rechtsinvariantes Maß 355 rechtsseitig stetig 38, 47 Rechtstranslation 352 regulär 313, 337, 346 -, von innen 313 -, von außen 313, 327 Regularitätslemma 317 Regularitätssatz 317 rein atomar 65 rektifizierbare Kurve 78, 308 relativ invariante Linearform 370 relativ kompakt 411 Relativtopologie 411 Retrakt 215 Riemann-Integral, eigentliches 151 f. -, uneigentliches 153 Riemann-integrierbar 84 Rieszscher Raum 240 Ring 11, 12 -, erzeugter 16, 22 Rotationskörper 174 Ruziewicz-Inhalt 93
Sachverzeichnis Satz von - - BAIRE 30, 75, 88 - - BANACH 4 - - BANACH und TARSKI 5, 6 - - BOREL-LEBESGUE 37, 39 - - CARLESON 239 f. - - der besten Approximation 236 - - der majorisierten Konvergenz 145 - - der Minimalzerlegung 348 - - der monotonen Konvergenz 125 - - FATOU 244 - - FUBINI 175, 179 - - HAAR-V.NEUMANN-WEIL 357 - - HAUSDORFF 4 - - HEINE-BoREL 38f. - - HELLY-BRAY 388 - - JEGOROW 252 - - LEVI 125 - - LUSIN 323 - - MEYER 322 - - PLANCHEREL 198, 244 - - PRATT 260 - - PROCHOROV 398 - - RADON-NIKODYM 281 - - RADON-RIESZ 265 - - RIESZ-FISCHER 231 - - SARD 209 - - SCHEFFE 150 - - STEINHAUS 68 - - STONE-WEIERSTRASS 295, 351, 401 - - TYCHONOFF 412 - - ULAM 320, 380, 393 f., 407 - - VITALI 5, 97, 262, 303f. - - WEIL 370 - - WIENER 199 Schnitt 114, 164, 169 schwache Konvergenz 263 f., 381, 387 Schwankung 111 separabler Raum 242, 411 a-additiv 27 a-Additivität 27, 32 a-Algebra 13 -, erzeugte 16, 23 a-endlich 59, 271 a-Ring 13 -, erzeugter 16, 23 a-Subadditivität 31, 51 signierter Inhalt 277 signiertes Maß 269 - -, endliches 271 - -, a-endliches 271 singulär 273, 278 singuläre Funktion 307 Sinusprodukt 156
433 Skalarprodukt in L 2 235 Spiegelungsinvarianz 192 Sprungfunktion 40 Spur einer Kurve 79 Spur-a-Algebra 15, 20 Spur-a-Ring 15 Spurtopologie 411 Stammfunktion 2 starkes Gesetz der großen Zahlen 143 Steiner-Symmetrisierung 172 stetig 86, 411 stetige Abhängigkeit des Integrals 147 Stetigkeit 86, 411 - von oben 32 - von unten 32 Stone-Cech-Kompaktifizierung 342, 344, 350 straff 340, 380, 392 f. Straffheitsbedingung 331 Stützgerade 221 Subadditivität 31 Substitutionsregel 310 Subtraktivität 31 Summenformel, Poissonsche 249 Suslin-Menge 87, 322 Suslin-Raum 322 r-stetig 327 Topologie 410 - der kompakten Konvergenz 344 -, feinere 411 -, gröbere 411 topologische Gruppe 352 - -, entgegengesetzte 354 topologischer Raum 410 topologisches Produkt 411 Torus 174 Totalvariation 275 Träger einer Funktion 133, 328 - eines Radon-Maßes 343 f. transfinite Induktion 414 f. Transformationsformel 203 f. -, allgemeine 191 - für Maße für Dichten 192, 212 -, verallgemeinerte 211 Translationsinvarianz 89 ff. trennen, Punkte 109 Treppenfunktion 108, 120 triadische Entwicklung 71 Überdeckung, offene 411 Überdeckungssatz von VITALI 171, 297 Ultrafilter 36 Umgebung 410
434 Umgebungsbasis 410 Umordnungssatz, großer 29, 181 unbestimmtes Integral 305 Ungleichung, Besselsche 236 -, Cauchy-Schwarzsche 189,224 -, Höldersche 223, 228 -, Jensensche 221 -, Minkowskische 224 unimodulare Gruppe 366 Unlösbarkeit des Inhaltsproblems 4 - - Maßproblems 5, 97 Unterintegral 83 Untersumme 83 -, Lebesguesche 84 Urysohnsches Lemma 412 vage Konvergenz 382, 387 Variation 272, 278 -, beschränkte 278 -, negative 272, 278 -, positive 272, 278 Vektorraum, geordneter 240 -, halbnormierter 133 -, normierter 133 vereinigungsstabil 18 Vergleichssatz 61 Vertauschbarkeit der Integrationsreihenfolge 178 Verteilungsfunktion 61 f., 386 Vervollständigung 63 f. Vitali-Überdeckung 297 vollständig, Maß 63 -, Maßraum 63 -, Orthonormalsystem 236 Vollständigkeit des trigonometrischen Systems 238 Vollständigkeitsrelation 237, 239 Vorgänger 414 wachsend 9, 46 Wahrscheinlichkeitsmaß 61 f., 386 Weilsche Formel 373 Wohlordnung 101 Wohlordnungssatz 101, 414 Zählmaß 29 Zornsches Lemma 287 Zwischensumme 84
Sachverzeichnis