Harald Pechlaner / Elisabeth Fischer / Monika Bachinger (Hrsg.) Kooperative Kernkompetenzen
GABLER RESEARCH Entrepreneurial Management und Standortentwicklung – Perspektiven für Unternehmen und Destinationen Herausgegeben von Prof. Dr. Thomas Bieger, Universität St. Gallen Prof. Dr. Edgar Kreilkamp, Leuphana Universität Lüneburg Prof. Dr. Josef Mazanec, Wirtschaftsuniversität Wien Prof. Dr. Harald Pechlaner, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Die Publikationen der Reihe behandeln die unternehmerische Orientierung des Managements von Unternehmen und Standorten. Regionen, Destinationen und Standorte stellen hierbei sowohl Wettbewerbseinheiten als auch den räumlichen Kontext für die Gestaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmungen dar.
Harald Pechlaner / Elisabeth Fischer Monika Bachinger (Hrsg.)
Kooperative Kernkompetenzen Management von Netzwerken in Regionen und Destinationen
RESEARCH
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1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2555-8
Vorwort der Herausgeber In den letzten Jahren wurden Regionen und touristische Destinationen zunehmend mit verschärften globalen Wettbewerbsbedingungen konfrontiert. Um sich in Zukunft im globalen Wettbewerb behaupten zu können, sind regionale Einheiten und Destinationen heute mehr und mehr gefordert das Potential interorganisationaler Wertschöpfungssysteme und -netzwerke effektiver und effizienter auszuschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit durch die Entwicklung und das Management dynamischer Kompetenzen auf der Ebene des Netzwerks als Grundlage für die Differenzierung und Positionierung am Markt nachhaltig zu stärken. Im Allgemeinen gewinnen im Zuge der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen kompetenzorientierte Unternehmenskooperationen und Netzwerke und deren strategisches Management zunehmend an Bedeutung. In der strategischen Managementforschung hat sich die ressourcenorientierte Theorie daher von der stark nach innen gerichteten Perspektive bei der Betrachtung der unternehmerischen Erfolgsfaktoren zunehmend nach außen geöffnet. Die jüngste Strömung der ressourcenorientierten Theorie, der Relational View, sieht den Erfolg des Unternehmens in dessen interorganisationalen Beziehungen, genauer in der Spezifität der Beziehungen und der Einbettung des Unternehmens im wertschöpfungsorientierten sowie im sozialen Netzwerk. Nach den Kernkompetenzen, die in den 90er Jahren von Prahalad und Hamel (1990) geprägt wurden, prägt diese jüngste Strömung der kompetenzorientierten Theorie den Begriff der kooperativen Kernkompetenzen. Kooperative Kernkompetenzen sind auf der interorganisationalen Netzwerkebene angesiedelt und entstehen auf der Basis dynamischer Synergien und netzwerkübergreifender Leistungs- und Lernprozesse. Sie setzen sich aus den integrierten unternehmensspezifischen organisationalen Kompetenzen, den netzwerkübergreifenden Leistungsprozessen sowie den sich aus den interorganisationalen Interaktionen ergebenden Interdependenzen zusammen. Kooperative Kernkompetenzen in Netzwerken gilt es im Rahmen des Managementzyklus von Seiten des Netzwerkmanagements zu identifizieren, zu entwickeln, zu integrieren, zu nutzen und schließlich auf neue Märkte zu transferieren, um deren Potential als nachhaltige Wettbewerbsvorteile von Wertschöpfungsnetzwerken zu nutzen. Vor allem gilt es die erzielten Kompetenzvorteile vor Mitbewerbern zu schützen. Das professionelle Management kooperativer Kernkompetenzen stellt für
Vorwort
Standorte, Regionen und die touristischen Destinationen ein großes Potential zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dar. Die strategische Denkschule des Relational View sowie die Strategie der Konzentration auf die kooperativen Kernkompetenzen haben für das strategische Management interorganisationaler regionaler Wertschöpfungsnetzwerke – wie es auch die touristische Destination darstellt – einen hohen Erklärungsgehalt. Gemeinsam mit Experten des Strategischen Kompetenz-Managements, der Netzwerkökonomie und des Netzwerkmanagements soll die Anwendung der kompetenzorientierten Strategie der kooperativen Kernkompetenzen auf Regionen und Destinationen sowie deren Management diskutiert werden.
Eichstätt und Ingolstadt, im November 2010 Harald Pechlaner Elisabeth Fischer Monika Bachinger
Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber......................................................................................v Inhaltsverzeichnis ..............................................................................................vii
Teil I – Theoretische Grundlagen Elisabeth Fischer und Harald Pechlaner Das Management kooperativer Kernkompetenzen als Strategie zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Destination........................................11 Jörg Freiling Kooperative Kernkompetenzen aus Sicht des Competence-based View............39 Monika Bachinger und Harald Pechlaner Regionale Kernkompetenzen - Ein netzwerkbasierter Definitionsansatz...........57 Stephan Duschek und René Niethammer Durch kooperative Ressourcenvorteile raus aus der Krise und rein in die Weltspitze der Automobilindustrie................................................................63
Teil II – Zu den einzelnen Schritten des Kompetenzmanagementzyklus Identifikation Elisabeth Fischer Die Identifikation der kooperativen Kernkompetenzen am Beispiel der „Gesundheits- und Wellness“- Destination Bayern..........................................111
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung Roberta Capello Spatial ransfer of nowledge - Preconditions of ollective earning
rocesses.........................................................................................................145 Roland Scherer und Manfred Walser Regionalentwicklung – Wissensmanagement und informelles Lernen............171 Reinhard Boltin und Joachim Rossbroich Perspektiven der kollektiven Kompetenzentwicklung – Anforderungen und Umsetzung des IT-gestützten Transfers von Wissensinhalten und Kompetenzen in Netzwerken...........................................................................189
Nutzung Lukas Siller und Kurt Matzler Wie Netzwerke die nachhaltige Entwicklung einer Region und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit als Tourismusdestination fördern - Fünf Hypothesen am Beispiel des Kulturtourismus in einer alpinen Region...............................205 Harald Bolsinger und Reinhard Boltin Angewandte Wissenstechnologie in der Kooperationspraxis Kundeninnovation durch Selbstorganisation von Netzwerkakteure .............235
Die Herausgeber und Autoren.................................................. 255
Das Management kooperativer Kernkompetenzen als Strategie zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Destination Elisabeth Fischer/Harald Pechlaner
Inhaltsverzeichnis 1.
Strategien des kompetenzorientierten Destinationsmanagements......12
2.
Erfolgskomponenten aus kompetenz- und relationalorientierter Perspektive für das Destinationsmanagement ....................................13
3.
Kooperative Kernkompetenzen im touristischen Wertschöpfungsnetzwerk ...................................................................15
3.1
Inputbasis ...........................................................................................16
3.2
Ressourcenbasis .................................................................................16
3.3
Die Destination als Kompetenzbündel ...............................................17
4.
Herausforderungen und Voraussetzungen für das Destinationsmanagement....................................................................21
5.
Der Managementzyklus......................................................................24
5.1
Identifikation kooperativer Kernkompetenzen...................................25
5.2
Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen ....................................25
5.3
Integration kooperativer Kernkompetenzen.......................................28
5.4
Nutzung kooperativer Kernkompetenzen...........................................30
5.5
Transfer kooperativer Kernkompetenzen ...........................................31
6.
Implikationen .....................................................................................34
7.
Literaturverzeichnis............................................................................36
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1.
Elisabeth Fischer/Harald Pechlaner
Strategien des kompetenzorientierten Destinationsmanagements
Der Tourismus ist traditionell standortgebunden und stark von der geografischen Lage, den naturräumlichen Gegebenheiten sowie der vorhandenen Infrastruktur abhängig (vgl. Smeral, 1998). Diese Faktoren wurden lange als die wesentlichen Determinanten des Erfolgs einer Destination betrachtet. Allerdings beruht der Erfolg der touristischen Destination nach der kompetenzorientierten Theorie nicht allein auf der Ausstattung mit Inputfaktoren und Ressourcen. Der kompetenzorientierten Betrachtung entsprechend, erklärt die Ressourcenausstattung nur einen Teil der Unterschiede der Wettbewerbsvorteile der touristischen Akteure einer Destination. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Destination zu verstehen, muss mehr berücksichtigt werden als lediglich die Basiselemente der komparativen Vorteile (vgl. Ritchie/Crouch, 2003). Aus der kompetenzorientierten Perspektive des Competence-based View (vgl. Teece et al., 1997; Rasche, 1994; Freiling, 2001) sind für den Wettbewerbserfolg weniger die Qualität und die Anzahl der Ressourcen, sondern vielmehr die Kompetenzen zur Nutzung der Ressourcen und deren Zuführung zum Markt entscheidend. Das touristische Destinationsprodukt wird von verschiedenen Leistungsträgern am Standort gemeinsam produziert: „Destinations as amalgans of tourism products, offering an integrated experience to customers“(Buhalis, 2000, S. 97). Destinationsprodukte können somit als regionale Wertschöpfungsnetzwerke betrachtet werden, zu welchen die Unternehmen am Standort der Destination mit ihren Ressourcen, Kompetenzen und Produkten, die der Gast nachfragt, beitragen (vgl. Pechlaner/Fischer, 2007). Um kompetenzorientierte Wettbewerbsvorteile auf der Ebene der Destination zu erklären, greift damit der Competence-based View zu kurz und die noch jüngere Strömung der kompetenzorientierten Theorie, die netzwerkorientierte Perspektive des Relational View (Dyer/Singh, 1998; Duschek, 2004), muss zur Erklärung kompetenzorientierter Wettbewerbsvorteile des Netzwerks herangezogen werden. Die netzwerkorientierte Perspektive zur Erklärung kompetenzorientierter Vorteile betrachtet die spezifischen interorganisationalen Beziehungen als Erfolgsfaktor. Dem Destinationsmanagement und dessen Akteuren stehen nach der netzwerkorientierten Perspektive der kompetenzorientierten Theorie zwei strategische Optionen zur Verfügung (vgl. Duschek, 1998): Zum einen die kooperative Spezialisierung durch die langfristige Nutzung der Kompetenzen von Kooperationspartnern und zum anderen die Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen auf der Ebene des Netzwerks. Bei der kooperativen Spezialisierung schließen
Das Management kooperativer Kernkompetenzen
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sich die Akteure, deren Leistungen für die Produktion des Destinationsproduktes notwendig sind, zu einem Produktionsnetzwerk zusammen und gestalten durch die Kombination und Organisation der komplementären Leistungen der regionalen Anbieter ein spezifisches und schwer zu imitierendes Destinationsprodukt. Dagegen ist es bei der Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen das Ziel, zusätzlich auf der Netzwerkebene kollektive Kompetenzen zu entwickeln, die strategisch wertvoll sind und zu überdurchschnittlichen nachhaltigen Erfolgen auf der Netzwerkebene im Vergleich zu anderen Destinationen führen. Kooperative Kernkompetenzen dienen als systematisch gebündelte Kombination unternehmensspezifischer Kompetenzen der individuellen Unternehmen auf der Ebene des Netzwerks der Destination nicht nur als Grundlage zur Entwicklung einer Vielzahl von Produktlinien. Dadurch, dass sie schwer zu imitieren sind, von den Gästen wertgeschätzt werden und den Zugang zu neuen Märkten ermöglichen, tragen sie zum langfristigen Erfolg der Destination im dynamischen Wettbewerbsumfeld bei. Die Aufgabe des strategischen Destinationsmanagements ist es dabei, das strategisch relevante Kompetenzbündel, die kooperativen Kernkompetenzen der Destination zu zuerkennen, aufzubauen, zu nutzen, zu entwickeln und zu erhalten (vgl. Fischer, 2009). In diesem Beitrag wird die Strategie der Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen der Destination für das Destinationsmanagement vorgestellt. Im Folgenden werden kurz die Erfolgsfaktoren aus kompetenz- und netzwerkorientierter Perspektive für das Destinationsmanagement dargestellt und anschließend auf die kooperativen Kernkompetenzen im Wertschöpfungsnetzwerk der Destination eingegangen. Es werden die Herausforderungen und Voraussetzungen für das Destinationsmanagement dargestellt und im Anschluss der Managementzyklus für die Entwicklung der kooperativen Kernkompetenzen der Destination ausgeführt. Schließlich werden Implikationen für das Management der kooperativen Kernkompetenzen der Destination abgeleitet. 2.
Erfolgskomponenten aus kompetenz- und relationalorientierter Perspektive für das Destinationsmanagement
Kompetenzen stellen einen Teilbereich der Ressourcen eines Netzwerks bzw. einer Unternehmung dar. Sie entstehen als kollektives Handeln auf der Basis der Nutzung der Ressourcen und Inputgüter, welches sich aus der Perspektive des
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Netzwerks auf der interorganisationalen Ebene abspielt und „(…) darauf beruht, verfügbare Inputgüter in auf Marktanforderungen ausgerichtete Prozesse so zu kombinieren, dass dadurch ein Sich-bewähren-können gegenüber der Marktseite gewährleistet wird“ (Freiling, 2001, S. 27). Kernkompetenzen sind jene Kompetenzen, die zudem einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Sie werden auch als das Derivat der Kompetenzen bezeichnet (vgl. Rasche, 1994) und sind strategisch besonders relevant, nachdem sie einen hohen Kundennutzen haben, schwer zu imitieren sind und den Zugang zu neuen Märkten ermöglichen (vgl. Hamel/Prahalad, 1995). Sie stehen im Fokus des kompetenzorientierten Managements. Kompetenzorientierte Wettbewerbsvorteile können dabei sowohl auf der Mikroebene des Unternehmens als auch auf der Mesoebene, der Ebene des Destinationsnetzwerks, entstehen. Während kompetenzorientierte Vorteile auf der Mikroebene durch die unterschiedlichen organisationalen Kompetenzen der Ressourcennutzung entstehen, werden nach dem Relational View kompetenzorientierte Erfolgsunterschiede aufgrund der kollektiven Ressourcenverarbeitung durch spezifische interorganisationale Netzwerkvorteile erklärt. Daher kommt hier sowohl der Competence-based View auf der Mikroebene als auch der Relational View auf der Mesoebene zur Anwendung. Um Unterschiede erfolgreicher Destinationen zu erklären, müssen die entscheidenden Erfolgsfaktoren in der Verarbeitung der Ressourcen auf der Mikro- und Mesoebene des Destinationswertschöpfungsnetzwerks betrachtet werden (siehe Abbildung 1). Kooperative Kernkompetenzen entstehen auf der Mesoebene des Netzwerks (vgl. Duschek, 1998). Als Quellen dieser relationaler Renten können die netzwerkspezifischen Ressourcen, wissensteilende Routinen, komplementäre Ressourcen und Kompetenzen, sowie effektive Steuerungsmechanismen betrachtet werden (vgl. Dyer/Singh, 1998). Dazu zählen das existierende Netzwerk komplementärer Partner, der Erfolg der einzelnen Partner, die mit entsprechenden Kompetenzen touristisch in Wert gesetzten Ressourcen, die getätigten destinationsspezifischen Investitionen auf der Ebene des Unternehmens und der Ebene des Netzwerks und die destinationsspezifischen Routinen bzw. Kompetenzen, sowie die implementierten Steuerungsmechanismen der Destination (vgl. Fischer, 2009). Diese Faktoren bilden nach dem Competence-based und dem Relational View die Basis für die Entwicklung und das Management kooperativer Kernkompetenzen. Im Fokus der Strategie zur Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen steht die dauerhafte, interdependente Verknüpfung von internen und externen Kompetenzen der Netzwerkpartner, um einzigartige Wettbe-
Das Management kooperativer Kernkompetenzen
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Relational View
Competence based View
werbsvorteile zwischen den Netzwerkunternehmen zu schaffen, die jeweils unabhängig von den Netzwerkpartnern nur schwer genutzt werden können (vgl. Duschek, 1998).
Ressourcenmerkmale
Ressourcennutzung durch Kompetenzen
Erfolg
Strategie & Organisation Interorganisationale Beziehung Netzwerkpartner
netzwerkspezifische Ressourcen, Routinen, Koordination, Steuerungsmechanismen
Erfolg
Mikroebene Unternehmen
Mesoebene Destination
Abb. 1: Erfolgskomponenten aus kompetenz- und relationaler Perspektive für das Destinationsmanagement Quelle: Fischer, 2009, S. 139, in Anlehnung an Schulz, in: Freiling, 2001, S. 40
Im Folgenden werden die kooperativen Kernkompetenzen im touristischen Wertschöpfungsnetzwerk dargestellt. 3.
Kooperative Kernkompetenzen im touristischen Wertschöpfungsnetzwerk
Aus kompetenzorientierter Perspektive werden die Destination als differenziertes regionales Produkt und die Wertschöpfungselemente als Komponenten einer Ressourcenbasis betrachtet (vgl. Oystein, 1996). Produkte sind Resultate des Umgangs mit Inputgütern und Ressourcen (vgl. Prahalad/Hamel, 1990). Kompetenzen sind Prozesse, die Inputgüter und Ressourcen zu Produkten umwandeln und diese dem Markt zuführen. Die Inputbasis ist im weitesten Sinne der Bezugsrahmen der Kompetenzbildung.
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3.1 Inputbasis
Der Standort der Destination bietet natürlich vorkommende und vererbte räumliche Inputfaktoren, die für den Tourismus von Bedeutung sind. Als kompetenzbildende Faktoren bietet die Inputbasis, die sich aus der Struktur des Standortes ergibt, qualifizierende Faktoren als Rahmenbedingungen (Natur, Infrastruktur etc.), unterstützende Faktoren für die touristische In-Wert-Setzung (z.B. unterstützende Dienstleistungen), sowie touristisch produktive Akteure (z. B. Attraktionspunkte) und externe Partner (vgl. Fischer, 2009). Die Struktur des Standortes stellt die Rahmenbedingungen für das kompetenzbildende Wertschöpfungssystem der Destination und deren Entwicklungsperspektive dar. Nach dem Konzept der Pfadabhängigkeit (vgl. Penrose, 1959; Cohen/Levinthal, 1990) bestimmen frühere Investitionen, die Historie und das Repertoire an Routinen das zukünftige Verhalten der Unternehmen. Die Pfadabhängigkeit besagt, dass die gegenwärtige Situation des Standortes durch Entwicklungen in der Vergangenheit geprägt ist und die Gegenwart wiederum die zukünftige Entwicklung beeinflusst. Bei der Potenzialbestimmung der Kompetenzentwicklung der Destination gilt es eventuelle Pfadabhängigkeiten der Standortentwicklung zu berücksichtigen. Die Analyse der Pfadabhängigkeit und der Entwicklung des Marktes ist notwendig, um bei der Strategieformulierung zur Entwicklung der Kompetenz- und Ressourcenbasis die Dynamik der Kompetenzen zu berücksichtigen. Die Inputfaktoren stellen in dieser Form jedoch noch keine destinationsspezifischen Ressourcen dar.
3.2 Ressourcenbasis
Um zu einem differenzierenden Faktor der Destination zu werden, müssen die Inputfaktoren zu Ressourcen entwickelt werden. Um Ressourcen handelt es sich aus kompetenzorientierter Perspektive erst: „… wenn (in Märkten beschaffbare) Inputgüter durch Veredelungsprozesse zu unternehmenseigenen Merkmalen für Wettbewerbsfähigkeit weiterentwickelt worden sind und die Möglichkeit besteht, Rivalen von der Nutzung dieser Ressourcen in nachhaltiger Weise auszuschließen“ (Freiling, 2001, S. 22). Für den Veredelungsprozess muss berücksichtigt werden, dass die Destination ein Wertschöpfungsnetzwerk darstellt. Für Ressourcen der Destination wird vorausgesetzt, dass durch den Veredelungsprozess Rivalen von deren Nutzung ausgeschlossen werden können und die Ressourcen in ihrer Anwendung – aus der Perspektive der Destinationsebene – destinations- bzw. netzwerkspezifisch werden (vgl. Fischer, 2009, S. 144). Damit
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Kooperationen im Wertschöpfungsnetzwerk zu Ressourcen bzw. Wettbewerbsvorteilen aus der Perspektive des Relational View werden, müssen sich diese von üblichen Marktbeziehungen unterscheiden. Außerdem müssen diese durch netzwerkspezifische Investitionen, Austausch von substantiellem Wissen, Kombination komplementärer Ressourcen, die zur Entwicklung differenzierter Produkte beitragen, sowie durch geringe Transaktionskosten und effektive Steuerungsmechanismen spezifisch veredelt werden (vgl. Dyer/Singh, 1998). Erst durch die spezifische Integration im Wertschöpfungsnetzwerk der Destination wird der Attraktionspunkt bzw. der komplementäre Inputfaktor zur Ressource des Destinationsnetzwerks und kann zum Erfolg auf der Mesoebene des Netzwerks beitragen. Der Anbieter des Attraktionspunktes bringt dafür seine Ressourcen und unternehmensspezifische Prozesse bzw. Kompetenzen so im Destinationsnetzwerk ein, dass diese durch die Integration von den Netzwerkpartnern spezifisch genutzt werden und andere von deren Nutzung ausgeschlossen werden können. Destinationsspezifische Ressourcen des Destinationsnetzwerks stehen in ihrer Nutzung ausschließlich den Mitgliedern des Destinationsnetzwerks zur Verfügung. Hier ist das koordinierende Destinationsmanagement der Tourismusorganisation gefordert, entsprechende Steuerungsmechanismen im Destinationsnetzwerk einzuführen, damit Dritte von der Nutzung der Ressourcen ausgeschlossen werden können und opportunistischem Verhalten unter den Akteuren entgegengewirkt werden kann. Eine gemeinsame Ressourcenbasis und destinationsspezifische Kooperationsbeziehungen ermöglichen es dem Destinationsnetzwerk und dessen Management schließlich, kooperative Kernkompetenzen zu entwickeln, die zum langfristigen Erfolg der Destination beitragen. Die Ressourcenbasis stellt ein Bündel netzwerkspezifischer Kompetenzen dar.
3.3 Die Destination als Kompetenzbündel
Bei der Darstellung der netzwerkspezifischen Prozesse und Routinen spielen zwei Aggregationsebenen eine Rolle: die des individuellen Leistungsträgers bzw. Unternehmens sowie jene der kollektiven Ebene des Wertschöpfungsnetzwerks. Die Destination stellt damit ein Bündel von integrierten unternehmensspezi-fischen und netzwerkübergreifenden Kompetenzen dar. Die individuellen Akteure und Unternehmen sind mit bestimmten Leistungen, d.h. den unternehmensspezifischen Prozessen, im Wertschöpfungsnetzwerk integriert. Die integrierten Akteure sind als Kompetenzträger der Destination zu
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betrachten. Mit den unterschiedlichen primären Aktivitäten bzw. Kompetenzen (Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung etc.) (vgl. Sainaghi, 2006) tragen sie zur Wertschöpfung der Destinationsprodukte bei (siehe Abbildung 2). Strategisch besonders relevant zur Erzielung netzwerkspezifischer kompetenzorientierter Vorteile sind komplementäre Leistungen, d. h. wenn die Verknüpfung mit komplementären Ressourcen eines anderen Unternehmens benötigt wird, um mit den unternehmensspezifischen Kompetenzen Renten zu generieren. Sie stellen die Basisanforderungen für die Verbindung der Ressourcen innerhalb einer Netzwerkpartnerschaft. Bei der Integration der einzelnen Attraktionspunkte bzw. Dienstleistungen in das bestehende Angebot des Destinationsprodukts spielt die strategische Kompatibilität eine Rolle. Die zu integrierenden Leistungen müssen mit dem bestehenden Angebot der Destination und deren Entwicklungsstrategie kompatibel sein. Schließlich ist für eine erfolgreiche Kombination der Ressourcen der Kooperationspartner, neben der strategischen Kompatibilität der Ressourcen der Kooperationspartner, ein Minimum an organisationaler und kultureller Kompatibilität gefragt, damit funktionale und strategische Ressourcen gemeinsam genutzt werden können (vgl. Dyer/Singh, 1998). Für eine erfolgreiche Integration müssen wissensteilende Routinen aufgebaut werden. Um Wissen effektiv transferieren zu können, ist für die Akteure der Destination die partnerspezifische absorptive Kapazität der integrierten Partner – die Fähigkeit, externe Wissensressourcen zu erkennen, diese aufzunehmen und entsprechend zu verarbeiten – entscheidend. Schließlich hängt die Kompetenz des Netzwerkpartners von den Anreizen ab, den Partner dazu zu ermutigen, transparent zu sein, Wissen zu transferieren und nicht opportunistisch das akquirierte Wissen des Partners auszunutzen. Die Kompetenz besteht dabei darin, von dem geteilten Wissen zu profitieren. (vgl. Dyer/Singh 1998). Eine Aufgabe, die dem Destinationsmanagement zukommt. Die kollektive Ebene des Netzwerks tritt dabei in Form der fokalen Unternehmung, d. h. der koordinierenden Tourismusorganisation bzw. des Destinationsmanagements, in Erscheinung. Das koordinierende Destinationsmanagement trägt mit primären sowie unterstützenden übergreifenden Prozessen bzw. wertschöpfenden Aktivitäten zur Ressourcenbasis der Destination bei (vgl. Sainaghi, 2006):
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Als primäre Aktivitäten gelten vor allem die Produktentwicklung sowie das Marketing der Destination. Diese werden meist aufgrund der externen Effekte, dem Trittbrettfahrer-Phänomen, der hohen Initiierungsinvestitionen und den unsicheren finanziellen Einnahmen durch das Destinationsmanagement gesteuert. Diese primären Prozesse stellen wichtige Steuerungsmechanismen dar, um die Wettbewerbsvorteile der lokalen Unternehmen zu verbessern, indem sie wichtige Parameter für die Positionierung der einzelnen Produkte der Destination verkörpern. Unterstützende Aktivitäten, wie z. B. kollektive Dienstleistungen, ermöglichen es, eine konstante Kommunikation zwischen den Akteuren zu entwickeln, ermutigen zu Qualitätsverbesserungen und generieren neue Informationen, die zur Planung von Bedeutung sind und den Zugang neuer Aktivitäten ermöglichen. Diese netzwerkübergreifenden Prozesse können die Bemühungen der Tourismusorganisation indirekt erweitern und den kritischen und kontinuierlichen Dialog mit den Akteuren in der Destination festigen und zusammenhalten. Diese Prozesse sind in dieser Beziehung von wesentlicher Bedeutung und unterstützen diesen Entwicklungsprozess in der Destination.
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Elisabeth Fischer/Harald Pechlaner Unternehmensnetzwerk: To U U
U
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U
U
U
U ….. Individuelles Unternehmen, Leistungsträger, Akteure To ….Tourismusorganisation, Fokale Unternehmung Marktführende Kompetenzträger Standard Kompetenzträger
Wertschöpfung des Destinationsproduktes
n akt io Attr
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Marketing
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Markt/Gast
Systemische Effekte Wertsegment
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Aktivitäten
Konfigurationsmanagement des Destinationsproduktes
Primäre Aktivitäten Unterstützende Aktivitäten
Nachhaltiges Umweltmanagement Generelle Destinationsplanung & -design Kollektive Dienstleistungen (Information, internes Marketing, Training, etc.) Infrastruktur Komparative Vorteile
Abb. 2: Die kompetenzorientierte Wertschöpfung des Destinationsproduktes Quelle: Fischer, 2009. S. 150
Das Wertschöpfungsnetzwerk der Destination kann je nach Anzahl der Kernprodukte der Destination mehrere Produktionsnetzwerke beinhalten. Jedes Destinationsprodukt bildet ein Subnetzwerk mit einem spezifischen Wertefächer1
1
Die wertschöpfende Logik der Destination besteht in der Verknüpfung komplementärer Leistungsträger, der Simultanität von Produktion und Konsum sowie in der horizontalen Verlinkung der Produktion. Der Wertschöpfungsprozess der Destination lässt sich daher nicht sehr gut anhand des Kettenmodels mit der sequentiellen Abfolge von Produktion und Konsum darstellen. Um der Wertschöpfungsarchitektur der Wertschöpfung der Destination gerecht zu werden, wird hier die Konfigurationslogik des Wertnetzwerks mit dem Wertschöpfungsfächer nach Flagestad/Hope (2001) verwendet.
Das Management kooperativer Kernkompetenzen
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der primären Wertschöpfungsaktivitäten bzw. -prozesse im Wertschöpfungsnetzwerk der Destination. Die differenzierenden Produktausprägungen des Destinationsproduktes entstehen dadurch, dass die einzelnen Kompetenzträger bzw. Attraktionen als Ressourcen im Netzwerk der Destination integriert werden. Darunter befinden sich u. U. marktführende Akteure, die selbst starke Kompetenzen besitzen, aber auch Akteure im Standardbereich mit weniger spezifischen Kompetenzen. Es ist die spezifische Kombination der unterschiedlichen Kompetenzträger, die dem Destinationsprodukt am Ende seine differenzierende Ausprägung verleiht. Starke Kompetenzträger können bei der Kompetenzentwicklung in einem interorganisationalen Netzwerk eine bedeutende Rolle als Leitbetrieb oder Impulsgeber für andere Partner einnehmen. Es ist die Aufgabe des Destinationsmanagements, die einzelnen Kompetenzträger im Destinationsmanagement entsprechend zu kombinieren, d. h. die passenden Partner für das Netzwerk zu suchen und diese für die Beteiligung zu gewinnen. Zur Ressourcenbasis gehören die integrierten unternehmensspezifischen Prozesse bzw. Leistungen und Ressourcen, mit welchen sich die Akteure am Netzwerk beteiligen, und die netzwerkspezifischen übergreifenden Prozesse des Destinationsmanagements. Daneben zählen auch die systemischen Effekte, die sich aus der Struktur, der Interaktion und der Organisation des regionalen Wertschöpfungssystems ergeben, zur Ressourcenbasis. Schließlich bilden sich auf Basis des gemeinsamen Ressourcenpools durch Interaktionen der Netzwerkbeziehungen, die sich durch die gemeinsamen Geschäftsaktivitäten und den Austausch von substantiellem Wissen ergeben, über die Zeit Routinen bzw. interorganisationale destinationsübergreifende kooperative Kompetenzen (vgl. Duschek, 2004; Dyer/Singh, 1998). Die Entstehung destinationsspezifischer interorganisationaler Routinen hängt dabei wesentlich von der Intensität und Qualität der Netzwerkbeziehungen ab. Aus destinationsspezifischen, strategisch relevanten Routinen und Prozessen können schließlich kooperative Kernkompetenzen entstehen, die zu überdurchschnittlichen Erfolgen der Destination führen. 4.
Herausforderungen und Voraussetzungen für das Destinationsmanagement
Das Destinationsmanagement hat vor allem mit fehlenden Zugriffs- bzw. Kontrollrechten aufgrund fehlender Eigentumsrechte gegenüber den individuellen Unternehmen sowie öffentlichen Gütern zu kämpfen.
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Elisabeth Fischer/Harald Pechlaner
Im Tourismus machen einen großen Teil des Destinationsproduktes öffentliche und kollektive Güter aus, die für jeden zugänglich sind. Auch nach der Integration im Wertschöpfungssystem bleiben diese weiterhin für externe Akteure zugänglich (z. B. Museum, Natur). Öffentliche Güter können nur zu destinationsspezifischen Ressourcen werden, wenn das Netzwerk im Vergleich zu Dritten diese effizienter und spezifischer nutzen kann. Hier müssen spezifische Kooperationen zur Integration verhandelt werden. Das Destinationsmanagement ist gefordert, effektive Koordinations- und Steuerungsprozesse zu etablieren, um den Netzwerkteilnehmern einen Vorteil gegenüber externen Akteuren einzuräumen. Ein kohärentes Destinationsnetzwerk mit einem koordinierenden Destinationsmanagement bringt damit zunehmende Kontrolle über die Inputgüter, die sich aus öffentlich zugänglichen Beständen (Kultur, Natur etc.) ergeben. Damit wird das öffentliche Gut zur Ressource des Destinationsnetzwerks (vgl. Fischer, 2009). Zudem hat das Destinationsmanagement als fokales Unternehmen des Netzwerks mit fehlenden Zugriffs- und Kontrollrechten den integrierten individuellen Unternehmen gegenüber zu kämpfen. Die individuellen Unternehmen, die sich mit ihren Kompetenzen und Ressourcen am Netzwerk beteiligen, stehen nicht im Eigentum bzw. unter der Kontrolle des Destinationsmanagements. Die individuellen Unternehmen bringen die Inputgüter freiwillig ein. Das bloße „Mitmachen“ am Netzwerk allein garantiert noch nicht, dass diese Leistungen und Kompetenzen nicht auch z. B. anderen Mitgliedern rivalisierender Wertschöpfungssysteme zur Verfügung stehen, wenn das Unternehmen an mehreren Netzwerken beteiligt ist – was im Tourismus durchaus üblich ist. Beispielsweise haben Hoteliers in der Regel Kooperationen mit mehreren Vertriebs- und Marketingpartnern. Erst wenn der Akteur nicht nur „mitmacht“, sondern auch für die aktive Beteiligung und netzwerkspezifische Veredelung seiner eingebrachten Leistungen bereit ist, d. h. netzwerkspezifische Investitionen tätigt oder gar spezifische Produkte entwickelt, trifft das Kriterium der Destinationsspezifität im Sinne der „Interfirm relation asset specifity“ (Dyer/Singh, 1998, S. 662) zu und Rivalen können von der Nutzung ausgeschlossen werden. Erst durch die spezifische Kooperation werden die Leistungen zu Ressourcen und es entstehen Zugriffsrechte. Die Art der Integration und Interaktion spielt hier eine wesentliche Rolle. Dafür ist von Seiten des Destinationsmanagements eine hohe Integrationsund Überzeugungskraft gefordert.
Das Management kooperativer Kernkompetenzen
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An dieser Stelle spielen die netzwerkübergreifenden Prozesse und Routinen für das Destinationsmanagement eine zentrale Rolle. Sie sind für den Integrationsprozess und die Entstehung der kooperativen Kernkompetenzen von zentraler Bedeutung, da das Destinationsmanagement über diese Prozesse auf die unternehmensspezifischen Prozesse der Akteure Einfluss nehmen kann. Über die unterstützenden Prozesse hat die Tourismusorganisation die Möglichkeit, die Quellen der Inputfaktoren der Destination, die außerhalb ihrer Verfügung stehen, zu beeinflussen und zu modifizieren (vgl. Sainaghi, 2006). Schließlich ist ein gewisser Grad der Kontrolle des Destinationsmanagements und die Machtbalance zwischen dem Netzwerkmanagement und dem individuellen Unternehmen Voraussetzung für ein erfolgreiches Management der kooperativen Kernkompetenzen. Diese hängen wesentlich vom Integrationsgrad der Akteure in den netzwerkübergreifenden Routinen ab. Daher ist eine hohe Kompatibilität der strategischen Interessen der dahinter stehenden einzelnen Akteure notwendig. Nachdem ein destinationsspezifischer Ressourcenpool die Voraussetzung für die Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen darstellt, ist ein gewisser Entwicklungsgrad des Wertschöpfungsnetzwerks der Destination notwendig. Um den Herausforderungen gewachsen zu sein, muss das Destinationsmanagement über spezifische Metamanagementkompetenzen verfügen. Durch diese ist es dem Destinationsmanagement möglich, die Steuerung und Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen zu übernehmen. Dem Destinationsmanagement kommen die Aufgaben der Identifikation, die Formulierung einer Entwicklungsstrategie sowie die Steuerung der Entwicklung des Netzwerks zu. Ziel ist es, die Entwicklung der kooperativen Kernkompetenzen zu leiten. Um die kooperative Kompetenzentwicklung steuern zu können, muss die Tourismusorganisation eine zentrale Stellung als kollektiver Wissensspeicher und Informationsvermittler sowie Impulsgeber zur Sicherung des Bestands der systemischen Effekte übernehmen. Für das Management ist es daher unabdingbar, die Beziehung und das Zusammenspiel zwischen den kompetenzbildenden Faktoren in der Destination, die zur Entwicklung destinationsübergreifender Routinen bzw. Kompetenzen und damit zu deren Wettbewerbsfähigkeit beitragen, zu verstehen. Dafür muss das Destinationsmanagement nach Hinterhuber/Stahl (2000) über eine entsprechende Reflexionskapazität und permanente Rückkoppelungsmechanismen verfügen, damit die Steuerung der Entwicklung von kooperativen Kernkompetenzen im Destinationsnetzwerk möglich ist. Die Reflexionskapazität setzt sich aus folgenden aufeinander aufbauenden Kompetenzen zusammen:
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die epistemische Kompetenz: Das Destinationsmanagement muss über das entsprechende touristische Fachwissen verfügen. die heuristische Kompetenz: Diese Kompetenz ist das Erfahrungswissen bei den spezifischen Lösungen von Problemen der Destination. Hierfür gibt es kein allgemeines Wissen, das Destinationsmanagement braucht hier die Erfahrung. die relationale Kompetenz: Die Kompetenz, die unterschiedlichen Akteure im System der Destination zusammen zu bringen und zu vernetzen. die reputative Kompetenz: Diese ergibt sich aus dem vertrauensvollen Umgang mit den Akteuren in der Destination. die integrative Kompetenz: Die Integrationskompetenz, die richtigen unternehmensspezifischen Kompetenzen der einzelnen Akteure zu einer übergreifenden Gesamtheit zusammen zu führen.
Das Destinationsmanagement benötigt damit einen bestimmten Reifegrad, bis sich diese Kompetenzen entwickelt haben, um im Destinationsnetzwerk kooperative Kernkompetenzen entwickeln zu können. Diese Kompetenzen können als die notwendigen Metakompetenzen des Netzwerks, vergleichbar mit den dynamic capabilities nach Teece et al. (1997) und den Metakompetenzen nach Krüger/Homp (1997), betrachtet werden. Diese Kompetenzen sind notwendig, um Veränderungsprozesse in Gang zu setzen, die zur Entwicklung der kooperativen Kernkompetenzen beitragen. Sie sind die Voraussetzungen, die das Destinationsmanagement für ein erfolgreiches Management kooperativer Kernkompetenzen mitbringen muss.
5.
Der Managementzyklus
Für die Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen muss das Destinationsmanagement gemeinsam mit den Kompetenzträgern bzw. Netzwerkpartnern destinationsübergreifende Routinen bzw. Kompetenzen und Lernprozesse entwickeln. Dafür muss das Destinationsmanagement an der Entwicklung des Wertschöpfungsnetzwerks arbeiten, um langfristig durch Koordination und mit entsprechenden Steuerungsmechanismen starke Beziehungen zwischen den Netzwerkpartnern aufzubauen und deren Kontinuität zu gewährleisten. Schließlich ist es die Aufgabe des Destinationsmanagements eine Strategie für das
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Management und die Entwicklung der kooperativen Kernkompetenzen zu definieren. Es gilt die kooperativen Kernkompetenzen zu identifizieren, weiterzuentwickeln, zu integrieren, zu nutzen und deren Transfer auf neue Märkte zu gewährleisten. Zudem muss deren Schutz durch das Management gegeben sein. In Anlehnung an Krüger/Homp (1997) lässt sich für das kompetenzorientierte Destinationsmanagement folgender Managementzyklus ableiten (vgl. Fischer, 2009):
5.1 Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
In einem ersten Schritt gilt es die bestehenden kooperativen Kernkompetenzen zu identifizieren. Der Prozess zur Identifikation der kooperativen Kernkompetenzen beinhaltet folgende Schritte (in Anlehnung an Grant, 1991): Zuerst werden die bestehenden Kompetenzen und Ressourcenbasis des Netzwerks identifiziert und klassifiziert. Es werden die Kompetenzstärken und -schwächen im Vergleich zur Konkurrenz sowie die Pfadabhängigkeiten der Destination bestimmt. Dazu zählt auch die Analyse der bestehenden Inputbasis des Standortes, d.h. der derzeitigen Struktur des Standortes. Auf deren Basis gilt es, die bestehenden kooperativen Kernkompetenzen der Destination zu bestimmen. Dafür wird unter den bestehenden Kompetenzen das Bündel der erfolgsentscheidenden Kompetenzen identifiziert, die Verfügungs- und Kontrollrechte zugeordnet, die Position der Entwicklung des Wertschöpfungssystems bestimmt sowie das Potenzial als nachhaltige kompetenzorientierte Wettbewerbsvorteile anhand der Merkmale der Kernkompetenzen überprüft. Schließlich werden bestehende und potenzielle kooperative Kernkompetenzen sowie Kompetenzstandards und -lücken (vgl. Hinterhuber, 2004) identifiziert. Relevant für den weiteren internen Entwicklungsprozess sind die bestehenden und potenziellen Kernkompetenzen. Diese gilt es intern weiter zu entwickeln (vgl. Hinterhuber et. al., 1997).
5.2 Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen
Nach der Identifikation der Kernkompetenzen kann die Strategie für deren weitere Verarbeitung formuliert werden. Um die bestehenden kooperativen Kernkompetenzen des Destinationsnetzwerks zukunftsorientiert weiterentwickeln zu können, muss das differenzierende Potenzial der Inputbasis des Standortes und die Chancen durch die Entwicklung der Märkte ausgeschöpft werden. Je nach Bedarf der neuen Märkte, kann bei der Entwicklung zwischen Festi-
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Elisabeth Fischer/Harald Pechlaner
gung, Verbesserung und Ausbau der bestehenden Kompetenzen sowie der Neuentwicklung von Kompetenzen unterschieden werden (vgl. Krüger/Homp, 1997). Neben der Orientierung an der Grundstrategie der Destination sowie der strategischen Architektur der Destination und den Gegebenheiten des Standortes, kann das Instrument der Kompetenzagenda für den Kompetenzaufbau (vgl. Hamel/Prahalad, 1995) hilfreich sein, um die strategischen Ziele für die Akquisition und Entwicklung von Kompetenzen festzulegen. In der Matrix der Kompetenzagenda werden die bestehenden und potenziellen Kernkompetenzen den bestehenden oder erst neu zu schaffenden Märkten gegenübergestellt. Aus der Matrix ergeben sich vier Grundstrategien zur Kompetenzentwicklung, die jeweils unterschiedliche Chancen bzw. Erfolgswahrscheinlichkeiten erwarten lassen (siehe Abb.3):
Kernkompetenz
neu
Hervorragende Position
Mega Chancen
Welche neuen KernKompetenzen müssen aufgebaut werden, um die Position in den aktuellen Märkten zu halten?
Welche neuen KernKompetenzen müssen aufgebaut werden, um auf den attraktiven Märkten künftig erfolgreich zu sein?
Lücken füllen
Weiße Flecken
Welche Chancen bieten die bestehenden KernKompetenzen in bestehenden Geschäftsfeldern?
Auf welchen Märkten kann mit den gegenwärtigen KernKompetenzen KundenZufriedenheit geschaffen werden?
bestehend bestehend
neu Markt
Abb. 3: Kompetenzagenda Quelle: Hamel/Prahalad,1995, S. 341.
-
Herausragende Position: Das Destinationsmanagement hat sich die Frage zu stellen, welche neuen Kompetenzen aufgebaut werden müssen, um die
Das Management kooperativer Kernkompetenzen
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-
-
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Position der Destination auf den bestehenden Märkten zu festigen und auszubauen. Hintergrund ist dabei, dass bestehende aktuelle Kernkompetenzen erhalten bleiben müssen und bei den potentiellen Kernkompetenzen das hohe Entwicklungspotential genutzt werden muss. Zudem gilt es zu eruieren, ob es neue Kompetenzen und Entwicklungen gibt, welche die gegenwärtigen Kompetenzen obsolet machen. Lücken füllen: Die weitere Entwicklung und der Aufbau bestehender kooperativer Kernkompetenzen ist eine zentrale Aufgabe des Destinationsmanagements. Hier gilt es die Chancen der bestehenden Kernkompetenzen in bestehenden Geschäftsfeldern kritisch zu hinterfragen und darauf hin zu analysieren, wie der Anwendungsbereich vorhandener Kompetenzen erweitert werden kann, um die unternehmerische Position auf den bestehenden Märkten zu stärken. Ziel des Destinationsmanagements ist es, dafür innerhalb des Wertschöpfungssystems starke Beziehungen zwischen den Akteuren zu fördern, um kollektive Lernprozesse zu unterstützen. Damit sich kooperative Kompetenzen durch kooperative Lernprozesse entwickeln und in den Produktionsprozessen der individuellen Akteure zum Nutzen der Gäste umgesetzt werden können, sind ein fortgeschrittener Entwicklungsgrad des Wertschöpfungssystems des Netzwerks sowie die absorptive Kapazität der Teilnehmer gefordert. Dazu ist es notwendig, die Partner zu koordinieren und Impulse zur funktionalen und sozialen Interaktion zu geben, um damit kollektive Lernprozesse in der Destination anzukurbeln. Weiße Flecken: Schließlich kann das Destinationsmanagement mit den bestehenden kooperativen Kernkompetenzen produkt- und marktbezogene Chancen nutzen, die außerhalb der bestehenden Märkte liegen. Es gilt zu eruieren, welche neuen Produktmärkte mit den bestehenden Kompetenzen erschlossen werden können. Mega Chancen: Wenn besonders attraktive Märkte eine Chance darstellen, die keine Überschneidungen mit der gegenwärtigen Marktposition der Destination und deren aktuellen Kompetenzen aufweisen, kann sich für das Destinationsmanagement eine neue Aufgabe ergeben. Diese besteht darin, Kompetenzen zu entwickeln, die noch nicht umgesetzt bzw. hervorragend beherrscht werden, aber ein hohes Potenzial besitzen. Hier kann über gezielte Akquisition und Partnerschaften schrittweise die notwendige Kompetenz verschafft und dessen potentielle Anwendung erlernt werden. Dies bedeutet, dass potenzielle differenzierende Inputgüter touristisch in Wert gesetzt werden, um diese im nächsten Schritt mittels spezifischer Kooperationen im
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Elisabeth Fischer/Harald Pechlaner
Destinationsnetzwerk integrieren zu können. Hier gilt es, durch entsprechende Maßnahmen diese kompatiblen und komplementären Inputfaktoren und Kompetenzen des Standortes bei der touristischen In-Wert-Setzung ihrer Leistungen zu unterstützen. Gegebenenfalls können auch Kompetenzen außerhalb des Standortes für das Netzwerk interessant sein. Die Orientierung am Gast sowie an der Inputbasis des Standortes ist hier von Bedeutung. Das Destinationsmanagement muss, an der Nachfrage des Gastes orientiert, komplementäre externe Inputfaktoren suchen und „akquirieren“. D.h., das Destinationsmanagement muss potenzielle Netzwerkpartner für die destinationsspezifische Kompetenzbildung finden. Die Orientierung am Gast bei der Suche nach kompatiblen und komplementären Partnern ist wichtig, nachdem dieser über seinen Bewegungsraum letztendlich die Größe der Destination bestimmt. Da dabei mit den bestehenden Kompetenzen keine Überschneidung besteht, ist hier mit großer Vorsicht heranzugehen, nachdem man hier über keine Kompetenzbasis verfügt. Die Anforderungen des Marktes müssen daher immer mit der Wirklichkeit des Standortes abgestimmt werden. Zur Bestimmung der potenziellen Inputfaktoren müssen die Standortstruktur der Destination und deren Pfadabhängigkeiten analysiert werden. Sie bestimmen hier die wesentlichen Rahmenbedingungen. 5.3 Integration kooperativer Kernkompetenzen
Die touristisch in Wert gesetzten Inputfaktoren gilt es durch kooperative Initiativen als destinationsspezifische Ressourcen zu erschließen, damit sie zur Entwicklung spezifischer destinationsübergreifender Kompetenzen beitragen können. Die im Inputbereich geschaffenen Voraussetzungen müssen integriert und in Marktleistungen, die den Wettbewerbern gegenüber überlegen sind, umgesetzt werden. Dafür müssen die entsprechenden Kompetenzträger im Wertschöpfungsnetzwerk spezifisch integriert und koordiniert werden. Die Möglichkeit zur Ausschöpfung des touristischen Potenzials der Region nimmt durch die Integration und Kombination der wertschöpfenden Leistungen der unterschiedlichen Akteure zu. Durch die Reflexionskapazität des Destinationsmanagements und die absorptive Kapazität der Mitglieder des Destinationsnetzwerks können komplementäre Ressourcen und Kompetenzen spezifisch integriert, koordiniert und verwertet werden. So werden die kompetenzorientierten Wettbewerbsvorteile in marktfähige Produkte verarbeitet. Das Destinationsmanagement muss die Anreiz- und Koordinationsinstrumente derart gestalten, dass alle wertstei-
Das Management kooperativer Kernkompetenzen
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gernden Leistungsträger und Anbieter sich am Wertschöpfungsnetzwerk der Destination entsprechend beteiligen und die erforderlichen netzwerkspezifischen Beiträge bzw. Investitionen leisten. Kooperative Kernkompetenzen verlangen eine hohe netzwerkorientierte Spezialisierung der Ressourcen. Die Investitionen der Akteure müssen dafür an der Strategie und den Produkten des Destinationsnetzwerks ausgerichtet werden, um die Kompatibilität zu fördern. Nur wenn durch die Beteiligung am Netzwerk ein gemeinsamer Ressourcenpool entsteht, können sich auf dessen Basis kooperative Routinen und Kernkompetenzen entwickeln. Schließlich müssen die Akteure den Nutzen bzw. die Erlöse internalisieren können. Dies wird durch die Implementierung von Steuerungsmechanismen möglich. Sie bewerkstelligen, dass die aus der Beteiligung am Netzwerk resultierenden Erlöse von den Mitgliedern des Netzwerks internalisiert sowie die netzwerkspezifischen Ressourcen genutzt und erfolgreich dem Markt zugeführt werden können. Zugleich müssen entsprechende Kontrollmechanismen implementiert werden, die opportunistisches Verhalten verhindern. Zudem gilt es, die partnerspezifische absorptive Kapazität der einzelnen Partner zu optimieren. Für das Destinationsmanagement ist es vor allem von Interesse zu wissen, welche Strategie die einzelnen touristisch produktiven Akteure in der Destination verfolgen und zu welchem Grad diese im Destinationsnetzwerk integriert sind bzw. sein möchten. Akteure, die mit der Kooperation ausschließlich den Aufbau und die Entwicklung der unternehmenseigenen Kernkompetenzen verfolgen, betrachten die Zusammenarbeit aus einer atomistischen Perspektive. Dieser Akteur wird sich darum bemühen, den Input der Kooperationspartner zu internalisieren und konzentriert sich auf die Generierung der Gewinne auf Unternehmensebene. Am Ende wird diese Strategie zu einer Kooperation führen, in welcher die Partner einander Zugang zu strategisch irrelevanten Ressourcen und damit weniger wertvollen Ressourcen geben. Diese Akteure sind nicht in der Lage, den Nutzen der Kooperation außerhalb der Unternehmensgrenzen zu erkennen. Die Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen verlangt jedoch eine netzwerkorientierte Perspektive des Akteurs. Netzwerkorientierte Akteure verfolgen die Generierung relationaler Gewinne, die aufgrund von Investitionen in interorganisationale Ressourcen entstehen, die auf der Ebene des Netzwerks gemeinsam produziert werden und die Produktivität aller Netzwerkteilnehmer steigern. Die Strategie netzwerkorientierter Unternehmen ist es, wertvolles unternehmensspe-
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zifisches Wissen und Kompetenzen mit den Netzwerkpartnern zu teilen, um im Gegenzug Zugang zu deren wertvollen Ressourcen zu erhalten. Dies ist sinnvoll, wenn der erwartete Wert der zu kombinierenden Ressource des Partners den zu erwartenden Verlust der Vorteile durch die Weitergabe an Konkurrenten übersteigt (vgl. Dyer/Singh, 1998). Während über die atomistische Perspektive die unternehmensspezifische Produktivität durch Internalisierung gesteigert wird, steigert die netzwerkorientierte Perspektive durch kooperative Spezialisierung die Produktivität aller Netzwerkpartner. Abhängig davon, welche Perspektive der Akteur mit seinem strategischen Interesse für die Kooperation einnimmt – eine atomistische oder eine netzwerkorientierte Perspektive –, kann ein inkonsistentes Verständnis des zugrunde liegenden Austauschprozesses interorganisationaler Beziehungen entstehen. Die Kompatibilität der strategischen Interessen der Akteure, sowie eine miteinander vereinbare Organisation und Kultur sind wesentlich für eine erfolgreiche Integration im Wertschöpfungsnetzwerk. Für die Integrationsbestrebungen gilt es daher zu prüfen, ob ein touristischer Akteur eine netzwerkorientierte Perspektive der Kooperation einnimmt. Es kann durchaus auch ein netzwerkorientierter Unternehmer unternehmensspezifische Kernkompetenzen aufbauen. Je nachdem, ob der Akteur die Zusammenarbeit aus atomistischer oder netzwerkorientierter Perspektive betrachtet, zeigt er ein unterschiedliches Interesse und Engagement für die Aktivitäten des Destinationsnetzwerks. Die ist außerdem auch noch davon abhängig, welche netzwerkorientierte Strategie – die kooperative Spezialisierung oder die Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen – er bevorzugt. Im negativen Fall kommt es zu einem Interessenskonflikt zwischen den Akteuren und der Destination.
5.4 Nutzung kooperativer Kernkompetenzen
Erst der erfolgreich touristisch in Wert gesetzte, im bestehenden Angebot integrierte und dem Markt zugeführte Nutzenfaktor stellt für die Destination einen Wettbewerbsvorteil dar. Die Destination ist gefordert, die Inputfaktoren und Ressourcen so zu kombinieren, zu bündeln und daraus destinationsübergreifende Kompetenzen zu entwickeln und zu nutzen, dass die kombinierten Produkte den Wettbewerbern überlegen sind. Unterschiedliche spezielle Kompetenzträger müssen mit mehr standardisierten Ressourcen und Fähigkeiten kombiniert werden, um eigene differenzierte Produktangebote zu kreieren. Es gilt, standortspezifische differenzierende Inputfaktoren im Netzwerk zu integ-
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rieren und mit anderen kompatiblen und komplementären destinationsspezifischen Ressourcen zu bündeln, um damit Produkte mit unterschiedlichen Produktausprägungen anzubieten. Am Ende werden komplementäre Standardelemente der touristischen Suprastruktur und Attraktionen mit den Kompetenzen einzigartiger Unternehmen, d. h. jener, die in ihrem Bereich besser sind als die Konkurrenten und meist den Markt dominieren, kombiniert und ergeben im Gesamten durch die spezifische Kooperation differenzierte Produktangebote. Integrierte Leistungsträger, die mit den organisationalen Kernkompetenzen und damit mit nachhaltigem wertschöpfendem Effekt zum Destinationsprodukt beitragen, sind strategisch besonders relevant und tragen zu spezifischen Produktausprägungen bei. So können spezifische Produktelemente einen Beitrag zur Entwicklung gut differenzierter Produkte leisten. Attraktionspunkte und Suprastrukturen mit keinen oder wenig spezifischen Charakteristika bzw. Elementen können über die spezifische Art und Weise der Kooperation zur Differenzierung beitragen. Bei der Nutzung gilt es, das im Kollektiv Gelernte und die im Kollektiv entwickelten Kernkompetenzen auch bei der Bündelung zu marktorientierten Produkten entsprechend zu nutzen. Das Destinationsmanagement ist hier gefordert, die Umsetzung des Gelernten zu unterstützen und zu fördern. Erst wenn kooperative Kompetenzen genutzt und über Produktkombinationen dem Markt zugeführt werden, handelt es sich um kooperative Kernkompetenzen. Zudem muss das Destinationsmanagement darauf achten, bei der Koordination der Nutzung kooperativer Kernkompetenzen gefährliche „Kernrigiditäten“ (vgl. Leonard-Barton, 1992) zu vermeiden. Diese negative Wirkung kann entstehen, wenn Kernkompetenzen durch entsprechende Umweltentwicklungen an Wert verlieren. Werden Kernkompetenzen nicht laufend hinterfragt, besteht das Risiko, eine Starrheit zu entwickeln und damit Opfer seines eigenen Erfolgs zu werden. Um dem entgegenzuwirken, ist die Orientierung an der dynamischen Markt-entwicklung von großer Bedeutung.
5.5 Transfer kooperativer Kernkompetenzen
Um eine nachhaltige wettbewerbsfähige Position der Destination auf Basis der kooperativen Kernkompetenzen auf- und auszubauen, ist es die Aufgabe des Destinationsmanagements, das Potenzial in Abstimmung mit der Marktentwicklung und der Strategie des Destinationsnetzwerks zu ermitteln und die identifizierte Kompetenzbasis entsprechend weiterzuentwickeln. Die kontinuier-
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liche Weiterentwicklung der Kompetenzbasis durch entsprechende unterstützende Wertschöpfungsprozesse stellt stets einen zentralen Bestandteil des kompetenzorientierten Destinationsmanagements dar, vor allem der Transfer der Kernkompetenzen auf neue Märkte, Geschäftsfelder und andere Produkte und Dienstleistungen. Dafür benötigt das Destinationsmanagement den gewissen „Industrievorausblick“ (vgl. Hamel/Prahalad, 1995), um sich zukünftige Verwendungen vorhandener oder im Entstehen befindlicher Fähigkeiten vorzustellen, und den Transfer der kooperativen Kernkompetenzen zum richtigen Zeitpunkt in andere Geschäftsfelder und auf andere Produkte und Dienstleistungen anzuregen. Zudem müssen für die Nachhaltigkeit der kompetenzorientierten Erfolge der Destination entsprechende externe Lernprozesse, die z. B. Beziehungen der fokalen Unternehmung mit externen Kontaktnetzwerken fördern, angeregt werden, um neue Marktzugänge und Anwendungsfelder für die kooperativen Kompetenzen der Destination ausfindig und zugänglich zu machen. Damit wird vermieden, durch die Konzentration auf das eigene Netzwerk den Blick für die Veränderungen des Wettbewerbsumfeldes zu verlieren. Auch hier gilt es, durch Impulse der Produktentwicklung die Akteure dazu anzuregen, das im Kollektiv Gelernte auf neue Märkte anzuwenden. In der folgenden Abbildung 4 sind die wichtigsten Schritte des kompetenzorientierten Managementzyklus kooperativer Kernkompetenzen zusammenfassend dargestellt.
KernkompetenzManagementZyklus
- Nutzung der integrierten Kompetenzen durch Bündelung zu Produkten - Koordination der Kompetenzen - Nutzung der integrierten Kompetenzen zur Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen - Unterstützung bei der Umsetzung des Gelernten bei der Bündelung zu Produkten - Wissen (interner Akteure und externer Berater) sammeln, speichern und den Partnern zur Verfügung stellen - Vermeidung von Kernrigiditäten
Nutzung
- Unterstützung bei der Umsetzung des im kollektiv Gelernten auf neuen Märkten - Marktentwicklung beobachten (Industrievoraussicht) - Verknüpfende Beziehungen zu externen Beratern aufbauen - Kontinuität der Weiterentwicklung der kooperativen Kernkompetenzen gewährleisten
Transfer
Integration
- Suche passender Partner - Unterstützung der touristischen In-Wert-Setzung potentieller Inputfaktoren - Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen: dauerhafte und kontinuierliche Beziehungen zwischen den Akteuren stärken und kollektive Lernprozesse anregen: a) Partner koordinieren und Impulse zur funktionalen Interaktion geben b) Impulse zur sozialen Interaktion und zum kollektiven Lernen geben
Entwicklung
- Anreizsysteme zur Netzwerkbeteiligung sowie netzwerkspezifische Investitionen zu tätigen - Kontrollmechanismen: Vermeidung von opportunistischem Verhalten, Internalisierung externer Effekte - Förderung partnerspezifischer absorptiver Kapazität
- Identifikation und Klassifizierung der bestehenden Ressourcen und Kompetenzen - Identifikation der bestehenden kooperativen Kernkompetenzen - Bestimmung der Strategie des Destinationsnetzwerks
Identifikation
Das Management kooperativer Kernkompetenzen 33
Abb. 4: Der Managementzyklus kooperativer Kernkompetenzen der Destination
Quelle: Fischer (2009) S. 189, in Anlehnung an Krüger/Homp (1997), S. 93.
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Schließlich gilt es die wertvollen kooperativen Kernkompetenzen zu schützen und zu verteidigen. Die Spezifität der Ressourcen und Kompetenzen, welche durch die Integration im Netzwerk der Destination entsteht, sowie die spezifische Kombination und Bündelung haben bereits eine isolierende Wirkung und schützen vor Imitation und Replikation der Produkte der Destination sowie der erfolgsentscheidenden Kompetenzen und Ressourcen durch konkurrierende Destinationen. Dennoch muss das Destinationsmanagement je nach Situation spezifische interorganisationale Isolationsmechanismen (vgl. Dyer/Singh, 1998) entwickeln und deren isolierender Elemente aktivieren, um die Wettbewerbsvorteile, die durch die destinationsspezifischen kooperativen Kernkompetenzen entstehen, langfristig zu sichern und Dritte von deren Nutzung auszuschließen. 6.
Implikationen
In diesem Beitrag wurde das Management kooperativer Kernkompetenzen als Strategie zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Destination vorgeschlagen. Dafür wurden die Erfolgsfaktoren aus der kompetenz- und netzwerkorientierten Perspektive für das Destinationsmanagement dargestellt und die kooperativen Kernkompetenzen im touristischen Wertschöpfungsnetzwerk beleuchtet. Schließlich wurden die Herausforderungen und Voraussetzungen für das Destinationsmanagement behandelt, bevor der Zyklus für das Management kooperativer Kernkompetenzen für Destinationen vorgestellt wurde. Es lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass das Management kooperativer Kernkompetenzen für Destinationen einen anspruchsvollen Managementansatz darstellt, der einige Rahmenbedingungen voraussetzt. Das Destinationsmanagement muss über bestimmte Reflexionskapazitäten verfügen und das Wertschöpfungsnetzwerk der Destination mit dessen Akteuren und Organisation einen hohen Entwicklungsgrad erreicht haben, damit überhaupt kooperative Kernkompetenzen entwickelt werden können. Das Destinationsmanagement, welches sich für die Strategie der Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Destination entschieden hat, muss einen stetigen Entwicklungsprozess vorantreiben, an welchem sich die Akteure als aktive Netzwerkpartner der Destination beteiligen müssen. Dafür muss die bewusste Entscheidung für die kollektive Entwicklung von netzwerkübergreifenden Kompetenzen und die strategische Kompatibilität von den einzelnen Netzwerkmitgliedern gegeben sein. Der
Das Management kooperativer Kernkompetenzen
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Prozess der Entwicklung dieser komplexen Form der Kompetenzen verlangt von allen Beteiligten eine netzwerkorientierte Perspektive, sowie auf die Destination spezifisch abgestimmte Investitionen. Es muss die Bereitschaft vorhanden sein, wirtschaftlich wertvolles Wissen und Ideen untereinander auszutauschen. Neben klaren gemeinsamen Regeln wird von allen Netzwerkpartnern das Durchhaltevermögen notwendig sein, diesen Prozess ständig in Gang zu setzen und aufrechtzuerhalten. Schließlich müssen sowohl die Akteure als auch das Management im Sinne einer absorptiven Kapazität in der Lage sein, die Impulse aus dem interorganisationalen Austausch zu erkennen, aufzunehmen und im eigenen Handeln und Denken umzusetzen, um kollektives Lernen zu ermöglichen. Durch kollektives Lernen entstehen schließlich netzwerkübergreifende kooperative Kompetenzen. Der Managementansatz der kooperativen Kernkompetenzen verlangt pro-aktives Handeln der Akteure. Das Destinationsmanagement ist gefordert, den Entwicklungsprozess aufrechtzuerhalten. Erreicht wird dies durch die Bereitstellung wertvollen Wissens für die Schaffung eines hohen Kundennutzens für den Endkunden und entsprechende Impulse. Es ist zu vermuten, dass ein längerer Vorlaufprozesses notwendig ist, bis die ersten „Früchte“ des Erfolgs geerntet werden können. Wenn jedoch die Hürden der Entwicklung derartiger interorganisationaler Kompetenzen genommen sind, können nach dem Relational View überdurchschnittliche Erfolge erzielt und im Wettbewerb ein entscheidender Vorsprung gegenüber konkurrierenden Destinationen erreicht werden. Damit stellt der Managementansatz der kooperativen Kernkompetenzen für Destinationen eine sehr anspruchsvolle, aber auch sehr viel versprechende Strategie zur Steigerung der Wettbewerbsvorteile dar, die allerdings nicht für alle Destinationen geeignet ist. Wenn die notwendigen Voraussetzungen erfüllt werden, hat sich das Destinationsmanagement bereits wertvolle Wettbewerbsvorteile erarbeitet, nachdem davon ausgegangen werden kann, dass allein der Prozess der Entwicklung des Wertschöpfungssystems und der Sensibilisierung der Akteure der Destination für eine netzwerkorientierte Perspektive bereits Erfolge für die Destination und das Destinationsprodukt mit sich bringt.
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7.
Elisabeth Fischer/Harald Pechlaner
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Kooperative Kernkompetenzen aus Sicht des Competence-based View Jörg Freiling
Inhaltsverzeichnis 1
Problemstellung..................................................................................40
2
Kooperative Kernkompetenzen und die Koordinations herausforderung touristischer Destinationen......................................42
3
Entstehung und Nutzung von kooperativen Kernkompetenzen .........48
3.1
Kompetenzebene ................................................................................48
3.2
Abstimmung der Kompetenzebene mit anderen Tiefenschichten: „To the Bottom Alignment“ ..............................................................51
3.3
Abstimmung mit den Oberflächenschichten: „To the Top Alignment“ ....................................................................52
4
Ausblick .............................................................................................53
5
Literaturverzeichnis............................................................................55
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1.
Jörg Freiling
Problemstellung
Der alljährliche Urlaub erinnert uns daran, dass die Urlauber vor Ort nicht nur ein stimmiges Angebot erwarten, sondern auch eine intakte Infrastruktur und eine „Urlaubsatmosphäre“, die zum Reisezweck passt. Bereits eine unangenehme An- bzw. Abreise oder eine störende Baustelle, spätestens aber eine schwankende und als zu niedrig empfundene Dienstleistungsqualität in der Urlaubsdestination lassen Zweifel aufkommen, ob die Urlaubsreise faktisch die „schönste Zeit“ im betreffenden Jahr gewesen ist. Die Urlauber sind in ihrer Beurteilung aufgrund eines zumeist hohen Involvements sehr aufmerksam und in vielen Fällen auch fordernd-kritisch. Was bedeutet diese recht grob nachgezeichnete Ausgangssituation der touristischen Nachfrager aus Anbietersicht? Die Folgen sind recht weitreichend und lassen sich hier ebenfalls nur skizzieren:
-
-
Der einzelne Anbieter muss eine Leistung auf hohem Dienstleistungsniveau erbringen und dabei den Kunden so in seine Prozesse und seine Ausstattung integrieren, dass dem Nachfrager nicht nur sachlich Rechnung getragen wird, sondern der Kunde auch auf emotionaler Seite sich angenehm bedient fühlt. Die Kundenintegration in die Potenziale und Prozesse des Anbieters (Engelhardt/Freiling, 1995) ist dabei dem Dienstleistungscharakter geschuldet und führt zu persönlichen und zum nicht unerheblichen Teil auch medial vermittelten Kontakten zwischen Anbieter und Kunde. Diese Interaktion geht mit den so genannten „Moments of Truth“ (Carlzon, 1987) einher, die anbieterseitig gekonnt beherrscht müssen. Der Nachfrager nimmt eine Leistung als geschlossenes Produkt wahr, die nicht mehr zwingend nur von einem einzelnen Tourismus-Anbieter erbracht wird bzw. werden kann. Vielmehr müssen sich bestimmte Leistungen unterschiedlicher Anbieter zusammenfügen, was im Regelfall eine Abstimmung entlang der touristischen Wertschöpfungskette erfordert. So erwarten etwa Ski-Fahrer ein „Pisten-Ambiente“, zu dem die Liftbetreiber und der Pistendienst ebenso beitragen wie die Gastronomiebetriebe auf der Piste bzw. an den Berg- und Talstationen oder auch die Einzelhändler, Parkplatzbetreiber oder der Sportartikelverleih im unmittelbaren Einzugsgebiet der Piste. Insofern müssen mehrere einzelne Dienstleistungen zu einem an den Kundenwünschen orientierten, integrativen Gesamtansatz zusammengeführt werden. Hierfür wird auch der Begriff der System-Dienstleistung benutzt (Georgi/Bömmels, 2007).
Kooperative Kernkompetenzen aus Sicht des Competence-based View
-
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In touristischen Destinationen ist aufgrund der oben beschriebenen Nachfragesituation überdies davon auszugehen, dass eine Abstimmung örtlicher Leistungsträger im touristischen Bereich allein nicht ausreichend ist. Vielmehr wird die touristische Kernleistung von Sekundärleistungen flankiert, die ebenso auf das Urlaubserlebnis des Nachfragers Einfluss nehmen und die Kundenbindung an die Region maßgeblich mitbestimmen kann. Hierzu gehören beispielhaft Faktoren wie das äußere Erscheinungsbild der Destination selbst, die Einstellung der ansässigen Bevölkerung zum Tourismus ebenso wie Aspekte der Verkehrsanbindung durch Abstimmung mit logistischen Dienstleistern oder eine auf die Belange der Destination abgestimmte Infrastruktur (z.B. Krankenhäuser und ärztliche Pflegeleistungen in SkiRegionen, Rettungsdienste). Maßnahmen zum Aufbau einer gemeinsamen Identität einer Tourismus-Region setzen hier an. Die autonome Provinz Südtirol in Italien ist mit seinen Urlaubsregionen (aber z.B. auch seinen landwirtschaftlichen Produkten) ein Beispiel für ein auf mehreren Ebenen ansetzendes Konzept zur Herausbildung einer gemeinsamen regionalen Markenidentität. Diese Dachmarken-Identität wird kommunikativ umgesetzt und dient darüber der Stärkung des Markenimages. Der Auftritt wirkt als Bezugsrahmen und Ankerpunkt für die zahlreichen Urlaubsregionen, die unter dem Slogan „Die Magie der Vielfalt“ und der optisch umgesetzten Silhouette der Dolomiten auftreten. Neben diesem gewollten oder auch ungewollten Verbund mehrerer komplementärer Anbieter in einer touristischen Destination gilt es, einem Phänomen zu begegnen, welches in der Literatur als „Co-opetition“ beschrieben worden ist (Brandenburger/Nalebuff, 1995): die Überlagerung kooperativer und kompetitiver Beziehungen. In einer touristischen Destination sind bei weitem nicht nur komplementäre Leistungsanbieter zur Kooperation zu bewegen, sondern auch Betriebe, die in einer ausgeprägten Konkurrenzbeziehung zueinander stehen. Die Rivalität unter Gastronomen oder unter Beherbergungsbetrieben ist nur ein Beispiel für den Wettbewerb, der auch bei engerer Kopplung und stark ausgeprägten gemeinsamen Interessen weiterhin besteht.
Anhand dieser Einblicke wird deutlich, dass touristische Destinationen vor einer besonderen Koordinationsherausforderung stehen, die Abstimmungen auf mehreren Ebenen verlangt. In den nachfolgenden Abschnitten werden die Implikationen näher beleuchtet. Dabei werden interorganisationale Kompetenzen
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Jörg Freiling
der beteiligten Anbieter als zentraler Orientierungspunkt zur Bewältigung der Koordinationsherausforderungen betrachtet. Vor diesem Hintergrund ergibt sich folgende Frage: Was sind kooperative Kernkompetenzen, wie entstehen sie und wie lassen sie sich zum Zwecke anbieter- und destinationsbezogener Wettbewerbsvorteile nutzen? Die Beantwortung der Frage erfolgt theoriebasiert unter Bezug auf den Competence-based View (z.B. Freiling, 2004). Dem Phänomen kooperativer Kernkompetenzen entsprechend, stellt die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung hierfür die Grundlage dar, die wiederum Bestandteil der Marktprozesstheorie ist. 2.
Kooperative Kernkompetenzen und die Koordinationsherausforderung touristischer Destinationen
Wo muss die Unternehmensführung einzelner touristischer Dienstleister und – auf übergreifender Ebene – das Management ganzer Destinationen ansetzen, um den oben bereits kurz skizzierten Koordinationsherausforderungen zu entsprechen? Aufbauend auf Krüger (1994) lässt sich eine Systematik organisationaler Schichten identifizieren, die sowohl zur Führung einzelner Betriebe als auch ganzer Wertschöpfungsnetzwerke geeignet ist. In leichter Modifizierung des Ansatzes von Krüger (1994) lassen sich grob Oberflächen- und Tiefenstrukturen einer Organisation trennen (Knyphausen, 1993; Kutschker, 1997), die in Abbildung 1 aufgeführt sind. Die Oberflächenstrukturen lassen sich grob in zwei Bereiche trennen: die ausführungs- und die steuerungsbezogenen Handlungsmuster. Erstere betreffen die Prozesse und formalen Strukturen, letztere die Ziele und die Strategie auf den unterschiedlichen Handlungsebenen der betreffenden Organisation. Es ist offensichtlich, dass sich die Koordination in und von touristischen Destinationen in konkreten Prozessabläufen manifestieren muss. Durch sie werden Standardprozeduren festgelegt und personelle Verantwortlichkeiten benannt. Diese Koordinationsherausforderung erlangt dadurch ihre Komplexität, dass bedingt durch die individuellen Anforderungen der touristischen Nachfrager nicht immer voraus geplant werden kann, welche Dienstleister in welcher Form zusammenarbeiten müssen. Dann wird vor allem das Management der Schnittstellen zwischen den Leistungsträgern zum Problem, das anbieterseitig kooperativ oder/und unter Einbeziehung des Kunden gelöst werden kann.
Kooperative Kernkompetenzen aus Sicht des Competence-based View
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ausführungsbezogene Handlungsmuster (Aufbau-, Ablauforganisation, Systeme)
steuerungsbezogene Handlungsmuster (Strategie/strategische Architektur)
wertschöpfendes Handlungspotenzial (Ressourcen, Kompetenzen)
sinnstiftendes Handlungspotenzial (Werte, Überzeugungen, Führungslogiken)
Organisationales Beharrungsvermögen
Abb.1: Das organisationale Schichtenmodell Quelle: Freiling 2006, S. 147
Mit Blick auf die Ziele und Strategien (steuerungsbezogene Handlungsmuster) ist festzustellen, dass zusätzlich zu den Festlegungen im einzelnen TourismusBetrieb Abstimmungen auf Destinationsebene erforderlich sind. Dabei kann sich – wie das Beispiel Südtirol zeigt – die Destinationsebene aus mehreren Unterebenen zusammensetzen. So tritt Südtirol als Dachmarke und Gesamtregion auf. Gleichfalls formieren sich aber z.B. auch die Ski- bzw. Sommerurlaubsgebiete und verdeutlichen ihre Vorzüge. Ähnliches gilt auch für die einzelnen Städte und Gemeinden auf unterster Ebene. Besonders wichtige Festlegungen betreffen hierbei die grundlegende Strategische Positionierung entlang der wichtigsten Wettbewerbsdimensionen (Porter 1996) zur Definition und Umsetzung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile, ein damit verbundenes Maßnahmenprogramm sowie die Definition grundlegender und konkreter Ziele, wobei die Konkretisierung nicht zuletzt den wichtigen Bereich der Dienstleistungsqualität betrifft. In diesem Zusammenhang sind in jüngster Zeit zahlreiche Qualitätsinitiativen entstanden, um regionsweise Serviceziele festzulegen und Qualitäts-
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standards zu setzen. Das nachfolgende Fenster beschreibt ein derartiges System, welches auf die Verleihung von Qualitätssiegeln zielt. Es handelt sich dabei um das deutsche Bundesland Bremen.
Hintergrund Im Land Bremen wurde im engen Zusammenschluss von Einrichtungen des touristischen Standortmarketings, Kammern, Verbänden und Wissenschaftlern zusammen mit Pilotbetrieben der Freizeit- und Tourismusbranche ein speziell auf die Bedürfnisse dieser Branche ausgerichtetes Qualitätssiegel – das „Q-Siegel für ServiceQualität BremenBremerhaven“ – entwickelt. Ziele Primäres Ziel der Initiative „ServiceQualität BremenBremerhaven“ ist die nachhaltige und kontinuierliche Verbesserung der Servicequalität von Dienstleistern der Tourismusbranche. Das Qualitätssiegel ist nicht primär ein Marketing-instrument. Es ist vor allem eine Auszeichnung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Ideen und Engagement Qualitätsverbesserungen anstoßen und ServiceQualität im Betrieb leben. Im Idealfall soll das verliehene Siegel dem Gast die zuvor erlebte gute Servicequalität bestätigen. Im Einzelnen werden folgende Ziele mit der „ServiceQualität BremenBremerhaven“ verfolgt: (1) landesweit die Qualität nachhaltig und schrittweise verbessern, (2) einen einheitlichen Qualitätsstandard kreieren, fördern und kommunizieren, (3) Steigerung des Qualitätsbewusstseins, (4) Verbesserung der Kundenfreundlichkeit und (5) Verbesserung des Preis-/LeistungsVerhältnisses. Inhalte/Anforderungen Das Siegel wird für eine Dauer von drei Jahren an Betriebe vergeben, die nachgewiesen haben, dass sie dauerhaft und mit System an ihrer Servicequalität arbeiten. Dabei wurde „ServiceQualität BremenBremerhaven“ als 3Stufen-Modell konzipiert. Unternehmen können sich an die Anforderungen eines Qualitätsmanagements herantasten und selber entscheiden, wie weit sie den Qualitätsweg gehen möchten: Stufe I - Servicequalität begeistert entwickeln und leben, Basis ist die Selbsteinschätzung des Betriebs.
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Stufe II - Qualität nachhaltig sichern, prüfen und bewerten, Schwerpunkt ist die Führungsqualität, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Basis ist eine Fremdeinschätzung. Stufe III - Aufbauend auf den Stufen I und II erfolgt die Einführung eines umfangreichen Qualitäts-Management-Systems (TQM) im gesamten Betrieb.
Durch die beiden Ebenen, die der Oberflächenstruktur zugerechnet werden können, erfolgt die Feinsteuerung von Organisationen. Ihre Grundausrichtung und ihr Handlungspotenzial werden jedoch zu erheblichen Teilen im Bereich der organisationalen Tiefenstruktur festgelegt. Sie lässt sich gemäß Abbildung 1 ebenfalls in zwei Ebenen aufteilen: die wertschöpfenden und die sinnstiftenden Handlungspotenziale. Zu den Erstgenannten zählen die Kompetenzen, die in diesem Beitrag im Vordergrund stehen. Kompetenzen stellen ein Handlungspotenzial dar, welches auf Wissen beruht und in wiederholbarer, gekonnter und nicht zufälliger Weise die betrieblichen Potenziale zu aktivieren und in Richtung eines wettbewerbsfähigen Outputs zu transformieren vermag. Um ihrer Steuerungsfunktion in verlässlicher, vorhersagbarer Weise nachzukommen, greifen die Kompetenzen einer Organisation auf eingeübte Handlungspraktiken und Routinen zurück, die der informalen Struktur zuzuordnen sind (Freiling et al., 2008). Sie führen zu einem aufeinander abgestimmten Verhalten der Mitglieder einer Organisation im Sinne der kompetenzbasierten Unternehmungstheorie. Im weiteren Verlauf dieses Papiers werden Kompetenzen in den Mittelpunkt rücken, die das koordinierte Zusammenwirken mehrerer TourismusBetriebe einer Destination zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks thematisieren. Hierbei handelt es sich dann nicht mehr um organisationale, sondern um interorganisationale oder auch relationale (kooperative) Kompetenzen. Schließlich bewirken die sinnstiftenden Handlungspotenziale die Vermittlung einer gemeinsamen Identität der Organisationsteilnehmer und die Herausbildung gemeinsam geteilter Werte. Sie prägen daher in maßgeblicher Weise die Organisationskultur und das damit verbundene gelebte Verhalten in Organisationen, das vom intendierten Verhalten des Managements deutlich abweichen kann. Für touristische Destinationen gilt es, eine Regionalidentität zu entwickeln und mit Inhalt zu füllen, welche die marktrelevanten Besonderheiten einer Region, zu der sich die Anbieter einheitlich oder mehrheitlich bekennen, in den Mittelpunkt rückt.
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Die vier Ebenen lassen erstens die Vielfalt der Koordinationsanforderungen erkennen. Zweitens wird durch Abbildung 1 verdeutlicht, dass sich die Ebenen durch den Grad organisationaler Trägheit deutlich unterscheiden. Während sich formale Strukturen oftmals recht schnell ändern lassen, gilt für sinnstiftende Werte und die Organisationskultur das Gegenteil. Für die Auseinandersetzung um kooperative Kernkompetenzen lässt sich darauf aufbauend bereits festhalten, dass deren Entwicklung einen zeitintensiven Prozess darstellt, der vom Ergebnis her nur in Grenzen planbar und dessen nachträgliche Richtungskorrektur mit erheblichen Problemen des Lernens und „Entlernens“ verbunden ist. Was aber sind nun kooperative oder auch relationale Kernkompetenzen im Kontext der hier relevanten Managementtheorie? Voranzustellen ist den Ausführungen, dass die oben geführte Diskussion um die vier Schichten von Organisationen verwendet werden kann, um das Kompetenzverständnis zu vertiefen. Offenkundig stehen alle vier Schichten nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind zum Teil eng miteinander verzahnt. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Rolle von organisationalen Kompetenzen bestimmen. Entwicklung und Nutzung wird unterstützt und kanalisiert durch das Wertesystem, wobei die Ziele und die damit verbundene Strategie sich ebenfalls als richtungsgebend erweisen. Umgekehrt nimmt die Verfügbarkeit von Kompetenzen Einfluss auf Ziele und Strategien, da durch Kompetenzen der Möglichkeitsraum bestimmt wird. Kompetenzen nehmen in besonderer Weise Einfluss auf die Aufbau- und Ablaufstrukturen, da sie deren wirkungsvolle Nutzung maßgeblich bestimmen. Die kompetenzbezogenen Zusammenhänge zwischen den organisationalen Schichten sind im nachfolgenden Abschnitt gesondert zu behandeln, wenn es um den Aufbau und die Nutzung kooperativer Kompetenzen touristischer Destinationen geht. Kooperative Kernkompetenzen betreffen das organisationsübergreifende Zusammenwirken von Individuen und/oder Gruppen im Sinne der oben beschriebenen Kompetenzdefinition. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der interorganisationalen Abstimmung zur Erreichung eines kollektiven Wettbewerbsvorteils im Netzwerkkontext (Freiling, 2005) und dem Management der Kooperationsbeziehungen (Aufbau, Stabilisierung, Vertiefung, Abbruch) zur Erreichung der Ziele eines Unternehmens (Sydow et al., 2003). Im Folgenden wird hier die erstgenannte Auffassung, die Netzwerkperspektive, weiterverfolgt. Mit Blick speziell auf Kernkompetenzen (Hamel/Prahalad, 1994) ist festzustellen, dass sie als die Grundlage nachhaltiger Wettbewerbsvorteile angesehen
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werden. Insofern müssen Kompetenzen, um als Kernkompetenzen gelten zu können, der betreffenden Organisation bzw. hier Destination die Grundlage eine gegenüber der relevanten Konkurrenz nicht unmittelbar imitier- oder substituierbare marktrelevante Alleinstellung im Potenzialbereich verleihen. Dabei verfügen Kernkompetenzen über die Eigenschaften, erstens ein komplexes Koordinationsproblem wiederholbar lösen zu können und zweitens auf Wissensbeständen und -strukturen zu beruhen, die innerhalb einer Gruppe oder einer Organisation (bzw. hier einer Destination) transferiert werden können, sich jedoch einer Diffusion an Dritte entziehen. Eine solche Kernkompetenz darf nicht als statisches Gebilde verstanden werden (ähnlich Teece et al., 1997). Der Grund ist darin zu sehen, dass Kompetenzen zu den sog. „generativen Potenzialen“ zählen (Moldaschl, 2005), die sich – im Gegensatz zu endlichen und regenerierbaren Potenzialen – durch Gebrauch anreichern. In diesem Sinne wird mit jeder Nutzung von Kompetenzen neues Wissen produziert, von den handelnden Menschen verarbeitet und in die informalen Abläufe überführt. So lernt das Personal in Tourismus-Betrieben durch jeden Kundenkontakt. Abläufe werden flüssiger, einstudierter und können mit hohem Beherrschungsniveau nahezu unbewusst und perfekt gekonnt ablaufen. Es handelt sich bei Kompetenzen somit um ein Immer-wieder-Können (Ortmann, 2008) und ein damit verbundenes erfahrungsbasiertes Besserwerden. Auf diese Weise passt sich auch die Kompetenz über die Zeit hinweg den sich wandelnden Rahmenbedingungen an und kann darüber hinaus – gerade im Falle von Kernkompetenzen dazu beitragen, dass die Rahmenbedingungen nach eigenen Vorstellungen gestaltet werden. Kompetenzen stellen einen Teilbereich der Ressourcen eines Netzwerks bzw. einer Unternehmung dar. Sie entstehen als kollektives Handeln auf der Basis der Nutzung der Ressourcen und Inputgüter, welches sich aus der Perspektive des Netzwerks auf der interorganisationalen Ebene abspielt und „(…) darauf beruht, verfügbare Inputgüter in auf Marktanforderungen ausgerichtete Prozesse so zu kombinieren, dass dadurch ein Sich-bewähren-können gegenüber der Marktseite gewährleistet wird“ (Freiling, 2001, S. 27). Kernkompetenzen sind jene Kompetenzen, die zudem einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Sie werden auch als das Derivat der Kompetenzen bezeichnet (Rasche, 1994) und sind strategisch besonders relevant, nachdem sie einen hohen Kundennutzen haben, schwer zu imitieren sind und den Zugang zu neuen Märkten ermöglichen (Hamel/ Prahalad, 1995). Sie stehen im Fokus des kompetenzorientierten Managements.
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3.
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Entstehung und Nutzung von kooperativen Kernkompetenzen
Kooperative Kernkompetenzen zeigen Wirkung auf zweierlei Bezugsebenen: Erstens verschaffen sie dem Netzwerk, hier speziell der touristischen Destination, eine nachhaltige Alleinstellung durch ihren singulären Einfluss. Zweitens stärken sie auch die Wettbewerbskraft des einzelnen (Tourismus-) Betriebs, der dem Netzwerk angehört. Was aber steht hinter diesen Kompetenzen und wie entstehen sie? In Abbildung 1 wurde auf die Zuordnung von Kompetenzen im Gefüge der organisationalen Schichten hingewiesen. Es lässt sich grob feststellen, dass die sinnstiftenden Handlungspotenziale maßgeblich die Voraussetzungen schaffen, um Kompetenzen entwickeln zu können. Die Nutzung vorhandener Kompetenzen hingegen betrifft maßgeblich die Oberflächenstrukturen (Ziele, Strategie, Prozesse, Strukturen). Insofern muss das Management von Kernkompetenzen neben den Aufgaben im Bereich der Kompetenzentwicklung und -nutzung sowohl in einen Abstimmungsprozess mit den tiefer liegenden Organisationselementen eintreten, als auch die Abstimmung mit den Oberflächenstrukturen berücksichtigen. Entlang dieser drei Aufgabenkontexte orientiert sich die weitere Vorgehensweise innerhalb dieses Abschnitts.
3.1 Kompetenzebene
Kompetenzen stützen sich auf strukturiertes Wissen und die damit verbundenen Wissensträger, durch welche die verfügbaren Potenziale der strategischen Bezugseinheit (hier: das organisationale Netzwerk einer touristischen Destination) zielbezogen aktiviert werden. Folgende Konstrukte helfen zu verstehen, woraus sich Kompetenzen rekrutieren: die Verbunde/Kopplungen im Potenzialgefüge (die sog. „interconnectedness of assets“) und die soziale Komplexität („social complexity“) der Beziehungen der beteiligten Menschen (zu den Begriffen: Dierickx/Cool, 1989). Beide Konstrukte sind nebst ihrer Implikationen für kooperative Kernkompetenzen von Destinationen nachfolgend vorzustellen. Die Interconnectedness of Assets betrifft Kopplungen unterschiedlichster Art zwischen den Potenzialen der Netzwerkakteure. Hier gilt es, die touristischen Fazilitäten der Tourismusbetriebe und der touristischen Sekundärorganisationen aufeinander abzustimmen. Dies beinhaltet die Herstellung einer Anschlussfähigkeit der touristischen Potenziale mehrerer Anbieter in technischer und organisatorischer Hinsicht unter Berücksichtigung der Vermittlung hinreichen-
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der Informationen für das Personal aller beteiligten Betriebe. Die Abstimmung schließt in Tourismus-Destinationen vor allem auch kapazitative Aspekte ein, die sich z.B. in harmonisierten Öffnungszeiten niederschlagen. Die Interconnectedness betrifft zwar alle Potenziale touristischer Destinationen, in besonderer Weise aber die Verknüpfung dezentraler Wissensbestände. Als besonders wichtiger Wissensspeicher in Organisationen sind die sog. Routinen zu verstehen. Routinen gehören der informalen Struktur an und beinhalten eine im Grundsatz geregelte Abfolge von Arbeitsschritten zur Bewältigung von Aufgaben, die seitens der Ausführenden unter Nutzung ihres Erfahrungswissens zur Anwendung gelangt. Routinen vermitteln dabei einen Handlungsrahmen, der Orientierung stiftet und den Prozessen Berechenbarkeit verleiht. Sie sind aber nicht durchweg als starre Programmierungen im Sinne von Nelson und Winter (1982) zu interpretieren, die den Ausführenden keinen Handlungsspielraum offenlassen. Es ist zwar durchaus möglich, Abläufe in diesem Sinne anzulegen. Das Routinenverständnis greift aber auch weiter und gibt dem Personal damit die Möglichkeit, sich an neuartige und unerwartete Situationen durch Nutzung des eigenen und des von anderen Mitarbeitern vermittelten Erfahrungswissens anzupassen. Pentland und Rueter (1994) verstehen sie daher auch als „grammars of action“, die – ähnlich wie die Grammatik einer Sprache – den Anwendern System und Orientierung verschafft, aber bei der Ausführung zahlreiche Möglichkeiten lässt. Diese Routinen aufzubauen und durch tägliche Anwendung, aber auch gezieltes Training, eine effiziente Nutzung zu bewirken, ist eine der Kernaufgaben touristischer Destinationen. Durch interorganisationale Routinen besteht daher die Möglichkeit, auch bei infolge von Kapazitätsschwankungen häufig wechselndem Personal in touristischen Wertketten die Nutzung der Potenziale berechenbar und kundenorientiert zu organisieren. Es ist daher eine zentrale Aufgabe im Kernkompetenz-Management von TourismusDestinationen, die Grundmuster von Routinen zu definieren und den damit verbundenen Transfer von Wissen entlang der einzelnen Prozessschritte und der einbezogenen Leistungsträger zu fördern. Diese Aufgabe betrifft die Netzwerkebene ebenso wie jeden einzelnen Betrieb der Leistungskette. Die soziale Komplexität betrifft das Zusammenwirken der handelnden Menschen in touristischen Netzwerken. Eine organisationale Kompetenz ist dadurch gekennzeichnet, dass sie von mehreren handelnden Personen getragen wird. Insofern muss das Personal der Tourismus-Dienstleister erstens von den Möglichkeiten und Grenzen anderer Mitarbeiter Kenntnis erlangen und zweitens in der Lage sein, zielgerichtet mit ihnen zusammenzuarbeiten. Insofern sind hier
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sowohl Wissens- als auch Fähigkeitsaspekte betroffen, die das Human- und vor allem das Sozialkapital (Bourdieu, 1983) der Handelnden betreffen. In jüngerer Zeit hat mit der Auseinandersetzung um das transaktive Wissen eine Diskussion stattgefunden (Oelsnitz/Busch, 2007), die exakt an dieser Stelle ansetzt. Transaktives Wissen stellt die Kenntnis der Wissensbestände und Fähigkeiten einer Person über seine Bezugspersonen dar. So ist es für Mitarbeiter in touristischen Destinationen wichtig, dem Gast auf Anfrage Hinweise geben zu können, wen er am Ort etwa für Autoreparaturen, bei Gesundheitsproblemen und im Falle von Ausflügen ansprechen kann. Dies erfordert entsprechendes Wissen, wobei das transaktive Wissen in folgende Arten unterschieden werden kann (Oelsnitz/Busch, 2007): Fach-, kategoriales, persönliches, auf Charaktereigenschaften bezogenes und Netzwerkwissen über Andere. Je stärker dieses transaktive Wissen unter den Mitarbeitern der Anbieter in einer Destination verteilt ist, desto besser sind die Voraussetzungen eines kohärenten Auftretens. Die soziale Komplexität ist zunächst als ein Faktor zu verstehen, welcher die Koordination unter den Leistungsträgern erschwert. Je besser es aber gelingt, die sozialen Beziehungen intern zu durchschauen und zum Zwecke kompetenten Handelns zu nutzen, desto besser sind die Voraussetzungen, durch die gekonnte Beherrschung dieses sozialen Netzwerks eine hohe Leistungsfähigkeit zu erreichen und zugleich eine wirksame Imitationsbarriere gegenüber Konkurrenten zu schaffen. So nehmen die Urlauber in den touristischen Destinationen die Abstimmung der Leistungsträger am Urlaubsort in den meisten Fällen wahr. Gerade dieses Miteinander, die Qualität der Kontakte zwischen Kunden und Mit-arbeitern, aber auch die oftmals für den Kunden sichtbaren Kontakte unter den Leistungsträgern einer Destination können zu einer Differenzierung im Wett-bewerb führen, die durch die Verankerung in der Tiefenstruktur des Netzwerks schwer zu kopieren ist. In diesem Zusammenhang tritt auch die Fähigkeit der einzelnen Mitarbeiter unterschiedlicher Anbieter in einer Destination in den Vordergrund, mit anderen Personen zu kooperieren. Diesbezügliche Fähigkeiten mögen von Person zu Person differieren, allerdings liegt auch hier durch Abstimmungsmaßnahmen und Trainings auf Destinationsebene ein Differenzierungspotenzial.
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3.2 Abstimmung der Kompetenzebene mit anderen Tiefenschichten: „To the Bottom Alignment“
Eine Kernkompetenz entfaltet dann eine bessere Wirkung, wenn sie in einem bestimmten „organisationalen Ambiente“ (Freiling et al., 2008) zum Einsatz gelangt, welches Mitarbeiter motiviert, ihre eigenen Möglichkeiten umfangreich zur Entfaltung zu bringen. Diese leistungsfördernde Umgebung wird in besonderer Weise durch die Organisationskultur mit geschaffen. Orientiert man sich an dem Kulturverständnis von Schein (2004), so lassen sich drei Schichten voneinander trennen: (1) der kulturelle Kern der Basisannahmen, die von der Organisation (hier: der Destination) als selbstverständlich angenommen werden und impliziter Natur sind, (2) die geäußerten Werte und Verhaltensregeln sowie (3) die Artefakte, welche die Kultur repräsentieren (z.B. Geschichten um die Region, Zeichen). Es ist für viele touristische Destinationen kennzeichnend, dass sie über Eigenschaften verfügen, die zur Herausbildung einer kollektiven Kultur genutzt werden können. Hierzu können Naturgegebenheiten zählen, die auf Touristen und vor allem Einheimische in starker Weise prägend wirken (so z.B. die Verbundenheit der heimischen Bevölkerung mit der Landschaft). Daneben sind Faktoren des Zusammenlebens der Bevölkerung in besonderer Weise kulturbildend bzw. -verstärkend. Auf das Beispiel Südtirol zurückkommend, wären hier z.B. soziale Ereignisse wie Törggelen zu denken. Auch werden bestimmte Destinationen bzw. touristische Regionen häufig mit verhaltensrelevanten Attributen in Verbindung gebracht (so z.B. die „Tiroler Gemütlichkeit“). Wenngleich die Organisationskultur zu den Phänomenen zählt, die sich einem gezielten Management zumindest teilweise entziehen können, so wird doch ersichtlich, dass die Entwicklung und Entfaltung von kooperativen Kompetenzen, die auf das gemeinsame Handeln von Menschen unterschiedlicher Anbieter zurückzuführen sind, von der Kultur maßgeblich beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund gilt es aus Sicht der Destination, kulturbasierte Prozesse anzustoßen, die zur Herausbildung einer Standortidentität führen. Eine derartige Identität, die von einer großen Mehrheit der heimischen Bevölkerung der Destination geteilt wird, schafft die sinnstiftenden und damit motivierenden Voraussetzungen der Kompetenzentstehung und -weiterentwicklung. Neben den damit verbundenen Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft wird damit zugleich ein Korridor für die strategische Entwicklungsrichtung (Positionierung) vorgegeben.
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3.3 Abstimmung mit den Oberflächenschichten: „To the Top Alignment“
Die Abstimmung mit den Oberflächenstrukturen setzt auf diesen Grundlagen an. Bei der Ziel- und Strategieformulierung sind die destinationsbezogenen Kernattribute und Kompetenzen ebenso rahmengebend wie die marktlichen Chancen. Im Bereich der Oberflächenstrukturen steht damit auch die Abstimmung zwischen den Möglichkeiten der Destination und den Anforderungen der Zielkunden und deren Bedienung im Vordergrund. Entsprechend konkret müssen daher auch Voraussetzungen geschaffen werden, um den Touristen in die Dienstleistungsprozesse der Destination einzubinden und in den oben beschriebenen „Moments of Truth“ zu gewährleisten, dass die vorhandene Kompetenz im Einzelfall zur Kundenzufriedenheit und schlussendlich zur Bindung attraktiver Zielkunden an die Destination führt. Die den kooperativen Kompetenzen zu Grunde liegenden Routinen als Element der informalen Strukturen müssen hier ihre formale Entsprechung finden. Dies bedeutet eine Grobdefinition des Ablaufs bestimmter touristischer Leistungserstellungsprozesse, um den betroffenen Mitarbeitern eine Vorstellung zu vermitteln, wie im Falle bestimmter Kundenwünsche zu verfahren ist. Die Grobstrukturierung der Abläufe muss den Dienstleistungscharakteristika Rechnung tragen, was im vorliegenden Fall vor allem impliziert, die Kundenintegration zu planen. So ist zwischen Leistungserstellungsprozessen zu trennen,
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-
die unter aktiver Mitwirkung des Kunden erfolgen (z.B. Fahrt in Schleppliften), die zwar keine aktive Mitwirkung des Kunden erfordern, wohl aber vom Kunden beobachtet werden können (z.B. die Pistenpräparierung durch Spezialfahrzeuge), und jenen, die vom Kunden nicht beobachtet werden können.
Letztgenannte Prozesse gehören dem Backstage-, erstgenannte dem FrontstageBereich an. Die Trennung zumindest in die drei o.g. Rubriken ist aufgrund der unterschiedlichen Kundeneinbeziehung und der damit in Verbindung stehenden akquisitorischen Wirkungen erforderlich. Zur adäquaten und kompetenten Bedienung des Kunden im Sinne eines Immer-wieder-Könnens sind die Abläufe grob zu spezifizieren, um dem Servicepersonal seine Rolle und seine Aufgaben zu verdeutlichen. Die Spezifikationen können Qualitäts-, Zeit- und Kostenstandards umfassen, was in Abhängigkeit der Prozessziele zu entscheiden ist.
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Ebenso müssen Prozessverantwortlichkeiten definiert werden, die zu klaren personellen Zuständigkeiten führen. Als Planungsinstrument hat sich in diesem Zusammenhang die von Shostack (1987) entwickelte Blueprinting-Technik von Dienstleistungsprozessen bewährt, die zwischenzeitlich – unter anderem bezüglich der o.g. Bezugsebenen – maßgeblich weiterentwickelt worden ist (Fließ, 2009). Durch das Bewusstsein um derartige Blueprints und das ständige Arbeiten des Personals entlang dieser Prozessstrukturen wird zugleich ein Beitrag zur Internalisierung geleistet, der Routinen prägt und verstetigt sowie die Kompetenzentwicklung fördert. 4.
Ausblick
Dieser Beitrag hat sich im Schwerpunkt mit der Perspektive der touristischen Destinationen beschäftigt. Zurückkommend auf das Phänomen „Co-opetition“, mag diese Sichtweise auf den ersten Blick verkürzt wirken. Ist es wirklich realistisch, bei der Entwicklung und Nutzung von Kernkompetenzen davon auszugehen, dass touristische Anbieter einer Destination ein derart ausgeprägtes überbetriebliches Denken an den Tag legen? Die Antwort ist in dieser Allgemeinheit kaum zu geben. Entscheidender ist jedoch der Punkt, dass das Ausmaß einzelbetrieblicher Vorteile direkt von den Wettbewerbsvorteilen und damit auch von den Kernkompetenzen einer Region abhängt. Wenn dies jedoch der Fall ist, so kann ein Beitrag jedes einzelnen Tourismus-Betriebs zur Stärkung der Destination ökonomisch (und auch gesellschaftlich) betrachtet höchst sinnvoll sein. Unabhängig davon ist mit Blick auf das der jeweiligen Betrachtung zu Grunde liegende Menschenbild die Frage zu stellen, ob und wie weit einzelne Betriebe bereit sind, sich in den Dienst des Kollektivs zu stellen. Es dürfte unzweifelhaft so sein, dass die Spanne der Tourismus-Anbieter einer Destination von ausgeprägten Promotoren bis hin zu „Trittbrettfahrern“ reicht – Letztere mit der Absicht, unter Zurückhaltung eigenen Einsatzes möglichst umfangreich von den Errungenschaften des Kollektivs zu profitieren (das sog. „Shirking“). Dieser Punkt wirft Fragen nach der netzwerkbezogenen Governance auf. Destinationen stellen Netzwerke aus Anbietern dar, die nur zum Teil durch formale Monitoring-Systeme gesteuert werden können. Wie die Auseinandersetzung um die Standortidentität und die damit verbundene Kultur hat deutlich werden lassen, können informale Steuerungsmechanismen zu einer Grundausrichtung beitragen, die bei der Erschaffung kooperativer Kernkompetenzen von Destinationen förderlich ist. Es bedarf zum Zwecke des „Finetunings“ aber ergänzender An-
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sätze. Die in Abschnitt 2 beschriebene Qualitätsinitiative stellt eine Möglichkeit dar, die des- tinationsbezogen zu verfeinern ist. Eingeordnet in das System von Kooperations- und Netzwerktypen im Sinne von Astley und Fombrun (1983), sind touristische Destinationen tendenziell im Übergangsbereich zwischen den „Agglomerations“ und den „Organisms“ anzusiedeln (Abbildung 2): Viele zum Teil komplementäre, zum Teil substitutive Anbieter der touristischen Wertschöpfungskette treten zusammen, deren Beziehungen untereinander oft indirekter, manchmal aber auch direkter Natur sind. Dies impliziert den Einsatz mehrerer Governance-Instrumente, unter denen Normen, auf das Profil des Netzwerks zugeschnittene formale Mechanismen, zum Einsatz gelangen.
interorganisationale Beziehungen
direkt
„Confederation“
„Conjugation“
• • • •
• • •
wenige Partner ähnliche Partner kollusive Partnerschaften informelle Koordination
•
wenige Partner unähnliche Partner Geschäftsbeziehungen und Joint Ventures Koordination auf Basis von Verträgen und Rechtsnormen
„Agglomeration“
„Organism“
• • •
viele Partner
• • • •
•
formale Koordination
ähnliche Partner Kartelle und Genossenschaften
viele Partner unähnliche Partner offene Netzwerke normative Koordination
indirekt kommensalistisch Art der Interdependenz
Abb. 2: Kooperationstypen im Sinne von Astley und Fombrun Quelle: Astley/Fombrun, 1983, S. 560
symbiotisch
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5.
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Literaturverzeichnis
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Regionale Kernkompetenzen - Ein netzwerkbasierter Definitionsansatz Monika Bachinger/Harald Pechlaner
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung ...........................................................................................58
2
Was ist eine Region? ..........................................................................60
2.1
Der Raumbegriff ...............................................................................61
2.2
Regionskonzepte ...............................................................................63
2.3
Die Region als Netzwerk...................................................................66
3
Was sind Kernkompetenzen? .............................................................69
3.1
Der Relational View ..........................................................................70
3.2
Der Ansatz kooperativer Kernkompetenzen.......................................71
4
Regionale Kernkompetenzen – eine Annäherung ..............................72
4.1
Konzeptionelle Ansätze zur Beschreibung regionaler Kernkompetenzen .............................................................................73
4.2
Sozialkapital als regionale Kernkompetenz .......................................76 4.2.1
Elemente von Sozialkapital .........................................................76
4.2.2
Kernkompetenzqualitäten von Sozialkapital ...............................80
4.3
Definitionsversuch .............................................................................83
5
Ausblick .............................................................................................84
6
Literaturverzeichnis............................................................................86
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Monika Bachinger/Harald Pechlaner
Zusammenfassung Angesichts eines zunehmend intensiven Wettbewerbs um staatliche und private Investitionen besteht die Frage, auf welche Weise sich Regionen in Zukunft positionieren können. Ausgehend vom Resource-Based-View ergänzt dieser Beitrag bestehende konzeptionelle Überlegungen zur Begriffsbestimmung von regionalen Kernkompetenzen. Regionen werden als multiplexe Netzwerke definiert. Für die Regionsbildung werden das Handeln und die Wahrnehmung regionaler Akteure als ausschlaggebend betrachtet. Es zeigt sich, dass der Begriff der kooperativen Kernkompetenzen enger als in ökonomischen Netzwerken zu definieren ist. Im Wesentlichen konzentriert er sich auf in einer Region entstehende Kompetenzen, die in unterschiedlichen thematischen Kontexten genutzt werden können. Diese netzwerkgenerischen Kompetenzen lassen sich als Sozialkapitalstrukturen konkretisieren. Key Words: Regionale Kernkompetenzen, Regionsbegriff, multiplexe Netzwerke, Sozialkapital. 1.
Einleitung
Regionen gewinnen an Bedeutung (Weichhart, 2000; Priddat, 2006; Scherer, 2005; Bieger/Scherer, 2003; Kohno et al., 2000, Meyer, 1999). Dies lässt sich in unterschiedlichen Kontexten zeigen (Altemeyer-Bartscher, 2009: 27ff). Im politischen Diskurs wird die nationalstaatliche Ebene immer häufiger von überstaatlichen Arrangements ausgehebelt (Kohno et al., 2000: 8). Besonders deutlich wird dies bei der europäischen Strukturpolitik, die sich im Rahmen von EFRE dezidiert auf die regionale Ebene bezieht. In der ökonomischen Diskussion erhalten Regionen als Standorte besondere Aufmerksamkeit. Global aufgestellte Unternehmen halten diejenigen Standorte aufrecht, an denen die höchste Produktivität der eingesetzten Ressourcen erreicht wird (Bieger/Scherer, 2003: 11). Neben harten Standortfaktoren spielen immer häufiger immaterielle Vorteile aufgrund von räumlicher Agglomeration eine Rolle. Besondere Aufmerksamkeit erhält regional lokalisiertes, stilles Wissen (Johansson/Karlsson, 2009: 239; Maskell/Malmberg, 1999: 171). Nicht zuletzt erfahren Regionen auch in soziokultureller Hinsicht eine Aufwertung. Sie stellen diejenige „Projektionsfläche“ (Weichhart, 1999: 81) zur Verfügung, auf der im Gegenzug zur globalen „Ver-
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massung“ (Werlen, 2009: 109) raumbezogene Identität entstehen kann (Weichhart, 2000: 55). Mit dem Bedeutungsgewinn der regionalen Ebene hat sich ihr Wettbewerb verschärft (Poon, 2000; Beaty/Friedrich, 2000). In ökonomischer Hinsicht geht es um Produktivitätsvorteile, die Unternehmen in bestimmten Regionen realisieren können. Wettbewerbsfähige Regionen sind dadurch gekennzeichnet, dass „die dort erzeugten Güter entweder besonders gefragt sind und deshalb besser bezahlt werden oder, bei durchschnittlicher Wertschätzung und Qualität, zumindest billiger herzustellen sind“ (Reichart, 1999: 170). Ziel von regionaler Entwicklung ist die Steigerung der ökonomischen Wertschöpfung. Dies kann gemäß neo-klassischer Überlegungen durch die Vergrößerung des regionalen Kapitalstocks, der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte sowie deren Qualifikation, aber auch über technische Fortschritte erreicht werden (Armstrong/Taylor, 2000: 72). Die Institutionenökonomie ergänzt diese Bild durch die Betrachtung von Transaktionskosten und externen Agglomerationseffekten. Regionale Konzentration von wirtschaftlichen Aktivitäten erscheint vorteilhaft, wenn sie Transaktionen betreffen, die besonders unsicher sind, unregelmäßig auftreten und auf persönlicher Interaktion der Geschäftspartner beruhen (Pike et al., 2006: 87). Regionen können für diese Aktivitäten ein Umfeld bieten, dass Transaktionskosten senkt und zu positiven Externalitäten führt, z.B. einem besonders großen, qualifizierten Arbeitsmarkt, spezialisierte Zulieferer oder dem Übergang von technischem Wissen. Wissens-Spill-Over (Fischer, 2006; DeBondt, 1997) profitieren nicht nur von institutionellen Arrangements wie z.B. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden oder formalen Regelungen in Form von Gesetzen und Vorschriften. Ihnen kommt ein informelles Umfeld entgegen, dass über sozialen Routinen, Normen und Traditionen gegenseitiges Lernen fördert (Nahapiet/Ghoshal, 1998). Sozio-kulturelle Faktoren erhalten besondere Bedeutung für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen (Lawson/Lorenz, 1999: 309). Gemeint sind MilieuStrukturen, die sich in regional begrenzten Einheiten ausbilden und geprägt sind von „a specific external „image“ and internal „representation“ and sense of belonging, which enhance the local innovative capability through synergetic and collective learning processes“ (Camagni, 1991: 3). Dieses Milieu stellt einen individuellen Vermögenswert einer Region dar, denn es entsteht aus historischen und kulturellen Prozessen, die andernorts nicht in gleicher Art und Weise gegeben sind (Colletis/Pecqueur, 1994: 17). In ähnlicher Weise argumentiert Vanhaverbeke (2001: 104): Aus seiner Sicht hängt der Erfolg einer Region an sozio-
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ökonomischen Faktoren, z.B. der regionalen Wertestruktur (Unternehmertum als Wert), sowie an organisatorischen Rahmbedingungen der regionalen Interaktion (Stärke der internen Kommunikation). Anstelle den Bedürfnissen der regionalen Nachfrage bestmöglich nachzukommen, werden immer häufiger regionale Stärken zur Basis von Wettbewerbsstrategien gemacht: „Definition of possible growth strategies for each region, city or territory must necessarily rely on local assets and potentials and their full – and wise – exploitation“ (Camagni, 2009: 119). Im Mittelpunkt des Interesses stehen diejenigen Ressourcen einer Region, die den Aufbau und Erhalt einer besonders nachhaltigen Wettbewerbsposition erlauben. Kurz gesagt: die regionalen Kernkompetenzen (Vanhaverbeke, 2001; Lorenzen, 2001; Lawson, 1999; Maskell/Malmberg, 1999; Foss, 1996). Im vorliegenden Beitrag wird versucht, ausgehend vom Ansatz des Resource-Based-View die charakteristischen Wesenszüge einer regionalen Kernkompetenz herauszuarbeiten. Dafür ist es notwendig zu klären, in welchem Rahmen sich regionale Kernkompetenzen entwickeln können. Hierzu wird der Begriff „Region“ problematisiert und schließlich einer Netzwerk-Definition zugeführt. Sodann werden netzwerkbasierte, kooperative Kernkompetenzen als Ausgangsbasis genutzt, um besondere Anforderungen an regionale Kernkompetenzen zu formulieren. Hierbei spielt das Konzept des Sozialkapitals eine besondere Rolle. 2.
Was ist eine Region?
Der Begriff der „Region“ ist nicht klar bestimmt. Selbst die Geographie als „Wissenschaft von den räumlichen Strukturen und Strukturmustern“ (Wirth, 1979: 60) kennt keinen einheitlichen Regionsbegriff. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass Regionen als räumliche Konstrukte von der Diskussion um Raumqualitäten abhängen. Die Art und Weise, wie Räume entstehen und abgegrenzt werden, ist innerhalb des Faches Gegenstand kontroverser Auseinandersetzung (Weichhart, 2008: 61ff; Werlen, 2007: 72ff). Es liegen unterschiedliche Raumkonzepte vor. Hierzu gehören homogene, funktionale und normative Raumdefinitionen (Boesch, 1989) ebenso, wie wahrnehmungs- und identitätsbasierte (Blotevogel, 1996) oder handlungszentrierte Ansätze (Werlen, 1999b). Im Folgenden werden die aktuell diskutierten Raumkonzeptionen vorgestellt und darauf aufbauend das diesem Beitrag zugrundeliegende Regionsverständnis erarbeitet.
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2.1 Der Raumbegriff
Weichhart unterscheidet sechs Raumqualitäten, die einen unterschiedlichen Abstraktionsgrad aufweisen. Der Raum1 ist als „Teilbereich der Erdoberfläche“ (2008: 78) zu verstehen. Er bezeichnet eine vage abgegrenzte Gegend, ohne das explizite Kriterien für die Regionsbildung festgelegt sind. Diese werden pragmatisch gesetzt und führen zu Bezeichnungen wie „Mittelmeerraum“ – eher als „flächenmäßige Adressangabe“ (Weichhart, 1999: 76) denn als genaue Raumbeschreibung. Die zweite Raumkonzeption (Raum2) ist als gedankliches Gebäude zu verstehen. Er bleibt übrig, wenn man alle Gegenstände und Subjekte aus dem Raum1 entfernt, also beispielsweise aus einer Gebirgsregion das Gebirge. Er ist gleichsam ein Containerraum, der für sich alleine keine Aussagekraft aufweist. Ähnlich abstrakt ist der Raum3: er entfaltet sich über die Beziehungen zwischen beliebigen Gegenständen oder Akteuren. Er ist nicht materiell, sondern eher strukturell zu verstehen. In ihm wird aus der Perspektive des Betrachters die Lage unterschiedlicher Dinge im Raum zueinander geordnet. Daraus ergibt sich eine Ordnungsstruktur. Sind von dieser Ordnung ausschließlich physisch-materielle Dinge und Körper betroffen, so führt dies zum Konzept des Raums4. Dieser Raum entsteht als abstrakt gedachte Anordnung mehrer Objekte. Aus deren Lagebeziehung zueinander lassen sich Strukturen und räumliche Muster ableiten. Der Raum stellt das Referenzsystem (Boesch, 1989: 87) dar. Er ist kein eigenständiges Untersuchungsobjekt, sondern wird zur Eigenschaft von physisch-materiellen Gegenständen. In diesem Sinne kann man auch von Räumlichkeit (als Eigenschaft) sprechen (Weichhart, 2008: 79).
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Raum3 Ordnungsstruktur, z.B. Karte, Gradnetz, aber auch Farbenraum, sozialer Raum
Raum1 Erdraumausschnitt (Gebirgsraum, Mittelmeerraum) El Pr liptis oje ch kti ve on rk
Raum1e
erlebter Raum
Raum2 Raum als eigenständige ontologische Struktur, Containerraum
ürz te
Raum4 Lagerungsqualität der Körperwelt Räumlichkeit als Attribut der Dinge
Raum5 Raum als a priori der Wahrnehmung
Abb. 1: Der Raum als Metapher Quelle: vereinfacht nach Weichhart, 1998:85
Relationen können im Raum objektiv gegeben sein, oder subjektiv wahrgenommen werden. Von der faktischen Beschaffenheit eines Raumes ist die Raumwahrnehmung durch die handelnden Subjekte zu unterscheiden. Raumwahrnehmungen sind die Basis für die Handlungen der Akteure. Besondere Bedeutung hat dabei die subjektiv wahrgenommene Nähe oder Distanz. Boesch (1989) unterscheidet die funktionale Distanz als Erreichbarkeit (in Zeiteinheiten) von der ökonomischen Distanz, welche Transportkosten darstellt und in Geldeinheiten gemessen wird und von der affektiven, bzw. kognitiven Distanz, bei der die Nähe und Vertrautheit zwischen Akteuren betrachtet wird, wobei sie über ausgetauschtes Verhalten und Information operationalisiert wird. Hieraus lassen sich zwei weitere Raumqualitäten nach Weichhart (1998) ableiten. Zunächst der Raum1e. Dies ist der erlebte, der subjektiv wahrgenommene Raum. Er entsteht in engem Bezug zu einem konkreten Ort als Teil der Erdoberfläche. Die dort vorhandenen Gegebenheiten der Natur, wie Berge und Seen, aber auch kulturellen Einrichtungen wie Sprache oder Tradition eines Landstrichs, sowie
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die soziale Interaktion wird von den Subjekten eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Sie beurteilen und werten materielle und immaterielle Raumeigenschaften und schaffen damit ihre individuellen, subjektiv gefärbten Interpretationen der Realität. Der erlebte Raum ist somit ein kognitives bzw. soziales Konstrukt (Weichhart, 1999: 82). Er ist nicht objektiv gegeben, sondern entsteht durch die Wahrnehmung und Bedeutungszuweisung der Akteure (Backhaus/Müller, 2006: 18). Ebenso verhält es sich mit dem Raum5, der im Sinne von Kants Raumkonzeption zu verstehen ist. Er ist „eine Form der Anschauung, mit deren Hilfe Wahrnehmungsinhalte organisiert werden. „Raum“ ist […] kein Gegenstand und auch keine bloße Vorstellung, sondern – wie die Zeit – eine Bedingung oder Weise der Gegenstandswahrnehmung“ (Weichhart, 2008: 84). Wichtig ist in diesem Kontext festzuhalten, dass „Raum“ nicht eindimensional ist. Er kann anhand von physisch-materiellen Gegebenheiten bzw. durch deren Verhältnis zueinander definiert werden oder auf Basis von subjektiver Wahrnehmung und Identifikation entstehen.
2.2 Regionskonzepte
Regionen können anhand von unterschiedlichen Kriterien bestimmt werden. Häufig spielen das Homogenitätsprinzip, das Funktionalprinzip und das Verwaltungsprinzip eine Rolle (Bathelt/Glückler, 2003: 44ff). Letzteres grenzt Regionen entlang von politisch-administrativen Einflussbereichen ab. Es geht um Planungsregionen, Regierungsbezirke, Bundesländer etc. Innerhalb ihrer Grenzen gelten besondere Gesetze und Vorschriften. Insofern handelt es sich um eine normative Regionsbildung. Zugleich werden im Rahmen dieser Regionen statistische Daten erhoben, was in vielen Fällen zur pragmatischen Abgrenzung von Untersuchungsgebieten entlang dieser politisch-administrativen Regionen führt (vgl. Peitsch, 2005: 7ff; Marx, 2002: 20ff). „Region“ wird als Ebene zwischen Kommune und Zentralstaat verstanden, die „eine politische Vertretung [hat], die durch Wahlen des Regionalrates gewährleistet wird, oder falls dieser nicht vorhanden ist, durch eine Vereinigung oder Gebietskörperschaft, die von Lokalgemeinschaften auf unmittelbar unterstellter Ebene gegründet wurde“ (Ivanisin, 2004: 46). Allerdings gibt es auch Regionen, die Staaten überspannen bzw. zwischenstaatlich angelegt sind (Maier/Tödtling, 1996: 15ff). Demgegenüber werden Regionen im Rahmen des Homogenitätsprinzips entlang von Gemeinsamkeiten und Differenzen hinsichtlich ihrer physischen, kulturellen, wirtschaftlichen oder politischen Eigenschaften abgegrenzt.
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Beaty/Friedrich (2000: 7) nennen fünf Kriterien zur Regionsbildung. Darunter fallen die flächenmäßige Größe, die physische und naturräumliche Beschaffenheit, die wirtschaftliche Struktur und der Entwicklungsgrad der Ökonomie, sowie das Beziehungsgeflecht zwischen regionalen Akteuren. Welche Kriterien jedoch im Rahmen des Homogenitätsprinzips herangezogen werden, ist nicht festgelegt. Deren Auswahl scheint vielmehr am jeweiligen Forschungsziel bzw. Erkenntnisinteresse ausgerichtet zu sein. Dies zeigt u.a. folgende Definition, die im Vergleich zu Beaty/Friedrich einen umfassenderen Kriterienkatalog beinhaltet: „the term region refers to an area of considerable size which has a substantial degree of internal unity or homogeneity and which differs in significant respects from adjoining areas. […] Some regions are distinguished on a physical basis; others have a cultural, economic, social or political basis…” (Wheeler, 1975: 4). Das Funktionalitätsprinzip wiederum führt zu Regionen, welche die zur Erreichung eines Zieles notwendigen Beziehungen umfassen. Die Betonung liegt auf „Ziel“ und „Beziehung“. Häufig werden die Ziele der Daseinsgrundvorsorge zur Regionsabgrenzung herangezogen (Werlen, 2000: 176ff). Individuen bewerten ihre räumliche Umgebung hinsichtlich der sechs Funktionen Arbeiten, sich Versorgen, sich Bilden, sich Erholen, Verkehren und Wohnen. Je nachdem welche Wertvorstellungen zugrunde liegen, bilden sie bestimmte räumliche Handlungsmuster aus. Sie gestalten ihre Umgebung durch die Art und Weise, wie sie arbeiten, sich erholen oder wohnen. Allerdings sind die Daseinsgrundfunktionen nur eine möglich Art, Regionen vor dem Hintergrund von funktionalen Beziehungen darzustellen. Grundsätzlich ist offen, welcher Art diese Beziehungen sind. Sie können wirtschaftlicher Natur sein (Input-Output-Rechnung), individuell-persönlicher oder sozialer Art. Immer geht es jedoch um Verflechtungsbeziehungen, also im Grund um Netzwerke, anhand derer Regionen gebildet werden. Diese sind dynamisch zu begreifen. Denn sowohl die bestehende Verflechtungsstruktur wie auch die Zielvorstellungen der Akteure können sich im Laufe der Zeit ändern (Boesch, 1989: 60). Auf welche Weise Akteure handeln bzw. Netzwerke bilden und wie sich deren Handlungen räumlich manifestieren, erklärt Werlen (1999a; 1999b; 2000; 2007; 2009). Er kommt zu drei „Typen alltäglicher Regionalisierungen“ (2009: 110). Der erste Typ ist die produktiv-konsumtive Regionalisierung. Dort steht die Analyse von Produktions- und Konsumsystemen der Wirtschaft im Mittelpunkt. Sie fußt auf zweckrationalem Handeln und auf räumlichen Fakten im Sinne von kartographischen Repräsentationen des Raumes. Als zweiten Typ führt er die
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normativ-politische Regionalisierung ein, innerhalb derer die Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Sphäre, aber auch ethnische, geschlechts- und altersspezifische Raumbildungen betrachtet werden können. Dieser Typ der Regionalisierung basiert auf normorientiertem Handeln, bzw. auf Mechanismen der Kontrolle und Macht. Ergebnis sind Territorialisierungen, im Rahmen derer gesellschaftliche Standards mit bestimmten Orten und Objekten verbunden werden. Und drittens die informativ-signifikante Regionalisierung. Hierbei geht es zum einen um die Analyse von Prozessen des Sich-Informierens, wobei insbesondere der Unterschied zwischen „face-to-face“ und Formen des körperlosen, virtuellen Informationsaustausches erfasst wird. Zum anderen werden diejenigen Mechanismen der symbolischen Aneignung analysiert, die zur Entstehung einer sinnhaften, (inter-)subjektiven sozial-kulturellen Welt führen. Bei diesem Typ geht es um Wahrnehmung, Identität und um verständigungsorientierte Handlungen (Werlen, 2000: 321ff). Wesentlich ist festzuhalten, dass im Grunde – gemäß Werlen– alle Regionstypen, insbesondere auch die politisch-administrative Region, vor dem Hintergrund subjektiven Handelns entstehen. Sie sind Ergebnis von (zweckrationaler, norm- oder verständigungsorientierter) Interaktion und Kommunikation. Es ist nicht notwendig, Regionen eindimensional, z.B. entlang der Administrativregion festzulegen. Vielmehr gelingt es, über das Bild des Netzwerks ganz unterschiedliche Regionstypen abzubilden. Netzwerke konstituieren sowohl die politische Region, als auch die Wahrnehmungs- und Identitätsregion oder die funktionale Wirtschaftsregion – je nachdem welche Zielsetzungen die interagierenden Subjekte verfolgen. „Die“ Region mit festen Grenzen gibt es nicht. Es gibt eine Vielzahl an Regionen, die teilweise überlappend an physisch-materiellen Orten festgemacht werden. Im Wesentlichen sind sie sozial und kommunikativ bestimmt, weshalb es Sinn macht von „Virtuellen Regionen“ (Herrschel, 2009) oder „networked territories“ (Cabus/Vanhaverbeke, 2006) zu sprechen. Wenn das Netzwerk eine geeignete Struktur zur Untersuchung von Regionen dargestellt, so besteht die Frage, welche Netzwerkeigenschaften und -prozesse einen Raum besonders wettbewerbsfähig machen. Eine Frage, die auf netzwerkbasierte Kernkompetenzen verweist. Um den Zusammenhang zwischen Netzwerk, Region und Kernkompetenz darstellen zu können, sollen zunächst typische Eigenschaften eine Netzwerks erklärt und auf die Region angewandt werden.
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2.3 Die Region als Netzwerk
Von der empirischen Netzwerkforschung aus betrachtet können Netzwerke zurückgeführt werden auf Netzwerkknoten und die Beziehungen zwischen ihnen. Graphisch dargestellt erscheinen die Knoten als Punkte und die zwischen ihnen bestehenden Relationen als Linien (Jansen, 2006: 91). Netzwerkknoten können sowohl einzelne Individuen, als auch Organisationskollektive, z.B. Gruppen, Abteilungen oder ganze Unternehmungen umfassen (Mack, 2003: 49). Trans-aktionsbeziehungen können materiell oder immateriell gestaltet sein. Während erstere als Gütertausch via Kauf oder Geschenk zu verstehen sind, fallen in letztere Gruppe Kommunikations-, Gefühls- oder Machtbeziehungen (Jansen 2006:59). Darauf aufbauend lassen sich inhaltlich unterschiedliche Netzwerktypen identifizieren. Möglich sind beispielsweise Informations-, Macht-, Vertrauens- und Transaktionsnetzwerke, die kumulativ aufeinander aufbauen und eine tendenziell steigende Bindungsintensität aufweisen (Renz, 1998: 269). Wesentlich für die Steuerung von Netzwerken ist, dass sie wettbewerbliche wie auch kooperative Wesenszüge in sich vereinen. Sie werden daher auch als Mischform zwischen Markt und Hierarchie verstanden (Mayntz, 1993). Netzwerke bringen ihre eigenen Interaktions- und Beziehungsmuster im Sinne von Netzwerk-Routinen hervor (Sargl, 2003: 83). Neben Kosteneinsparungen können diese vor allem zu einer erhöhten Innovationskraft der Netzwerkpartner führen. Nicht zuletzt ist jedoch wichtig zu verstehen, dass die Abgrenzung von Netzwerken ebenso wie die Identifikation von relevanten Knoten und Kanten vom Forschungsinteresse determiniert wird (Ivanisin, 2006: 133). Regionale Netzwerke sind aus einem regionalökonomischen Kontext als Cluster (Porter, 1990), Industriedistrikte (Becattini, 1992) oder Kreative Milieus (Aydalot, 1989; Camagni, 1991) bekannt. Ihre Besonderheit liegt darin, dass die Netzwerkknoten in räumlicher Nähe zueinander liegen: „Regionale Netzwerke bestehen aus kleineren und mittleren Unternehmungen und zeichnen sich im Gegensatz zu strategischen, oft international orientierten Unternehmungsnetzwerken durch eine räumliche Agglomeration […] aus.“ (Sydow, 2006: 397). Räumliche Nähe ermöglicht persönliche Interaktion. In regionalen Netzwerken ist daher ein reger Wissensaustausch zwischen den Akteuren zu erwarten, der sich insbesondere auch auf stille Wissensbestandteile bezieht, die nicht dokumentiert werden können (Perraton/Tarrant, 2007: 359; Maskell/Malmberg, 1999: 171). Dabei ist die Interaktionsintensität zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern nicht immer gleich. Regionale Netzwerke weisen aufgrund der Nähe ihrer Mitglieder die Besonderheit auf, dass es latente und aktivierte Netz-
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werkregionen gibt. Aktive Partner tragen unter Einsatz eigener Ressourcen zu einem gemeinsamen Netzwerkziel bei. Latente Mitglieder hingegen sind locker, aber verbindlicher als in einer Marktbeziehung eingebunden und stellen „die Basis für den Aufbau aktiver Netzwerke dar“ (Raich, 2006: 196). Zudem sind regionale Netzwerke häufig polyzentrisch strukturiert und weisen kein eindeutiges Steuerungszentrum auf (Hinterhuber/Stahl, 1996: 92). Steuernde Wirkung entfaltet vielmehr ein gemeinsamer politisch-gesellschaftlicher Koordinationsrahmen, der von geteilten Werthaltungen und Normen determiniert ist. Zudem werden der Mentalität, dem Kommunikationsverhalten sowie der regionale Identität der Akteure erklärende Kraft für Netzwerkprozesse zugeschrieben (Maillat, 1995; Piore/Sabel, 1984). Regionale Netzwerke können neben den ökonomischen auch andere Ziele verfolgen. Sie sind in gesellschaftlichen, politischen oder sozialen Handlungsfeldern zu erwarten (vlg. Bruch-Krumbein/Hochmuth, 2000: 55). Im Rahmen einer Region sind mehrere Netzwerke vorhanden, die unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und in unterschiedlichen Handlungsbereichen (Wirtschaft, Gesellschaft/Politik oder Umwelt) wirksam werden. Die Akteure, die diese Netzwerke bilden, sind nicht immer unterschiedlich. Vielmehr unterhalten sie multiplexe Beziehungen, wobei Multiplexität das „Ausmaß der Mehrfachbeziehungen zu den gleichen Personen“ (Jansen, 2006: 83) meint. Der Wirtschaftspartner im ökonomischen Netzwerk tritt gleichzeitig im Kirchenvorstand oder im lokalen Fußballverein in Erscheinung. Regionen als Gesamtsystem können verstanden werden als „Summe von einer Vielzahl autonomer, dezentral wirkender, wenngleich miteinander verknüpfter kleiner Netzwerke […], die gerade durch die Spezialisierung auf die jeweiligen Handlungskompetenzen und – erfordernisse ihre Wirksamkeit entfalten“ (Adrian, 2003: 65).
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Externe Rahmenbedingungen und Einflüsse
Kollektives Wissen
Gesellschaft
Normen, Werte
Sprache, Kultur
Politik
REGION Umwelt/Natur
Wirtschaft
Externe Rahmenbedingungen und Einflüsse
Interaktionsroutinen Multiplexe Knoten Quelle: in Anlehnung an Lukesch/Payer 2005:4
Abb. 2: Die Region als System aus Teilnetzwerken Quelle: In Anlehnung an Lukesch/Payer, 2005 :4
Positive Effekte für die Entwicklung einer Region ergeben sich vor allem dann, wenn ein großer Teil der potenziellen Akteure latent zur Verfügung stehen bzw. auf kurzem Wege für konkrete Projekte aktiviert werden können. Zudem ist vorteilhaft, wenn die Teilnetzwerke symbiotisch zusammenwirken, bzw. wenn sie Wissen und Erfahrung teilen: „Regions scoring highly in innovative capability have the ability of exploit resources from various fields: ethnic and religious groups, sports clubs, economic interest groups etc.” (Tura/ Harmaakorpi, 2005: 1120). Dieser Prozess des Zusammenwirkens zwischen Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wird dadurch erschwert, dass die Akteure aus unterschiedlichen Handlungszusammenhängen stammen: „Each subsystem follows ist own specific modes of coordination and governance, using their spedific ‚languages’. Thus, it is quite an intercultural challenge to bring those different subsystems together, to create mtutual trust and space for common action” (Lukesch/Payer, 2005: 4). Allerdings führen die Multiplexität der Akteursbeziehungen in einer Region und darüber hinaus ihre gemeinsame Geschichte, Kultur
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und Identität dazu, dass die Interaktion zwischen den Partnern nicht von Null weg neu organisiert werden muss. Vielmehr können sie auf einen regionalen Bestand an Steuerungsmechanismen zurückgreifen, welche die Zusammenarbeit erleichtern. Insofern weisen Regionen eine wettbewerbsrelevante Qualität auf, die sich auf die Koordination zwischen den Partnern bezieht, die aus sonst unverbundenen Branchen, Sektoren oder Gesellschaftsbereichen stammen. Dies führt zum nächsten Abschnitt der regionalen Kernkompetenzen. 3.
Was sind Kernkompetenzen?
Der Begriff der Kernkompetenzen ist der ressourcenorientierten Sichtweise der Managementlehre (Wernerfelt, 1984; Dierickx/Cool, 1989; Prahalad/Hamel, 1990; Barney, 1991; Grant, 1991; Freiling, 2005) zuzuordnen. Dort werden im Gegensatz zu marktorientierte Strategien unternehmensspezifische Ressourcen und Kompetenzen für die Erklärung von Wettbewerbsvorteilen herangezogen. Unternehmen werden als individuelle „Ressourcenbündel“ verstanden (Penrose, 1959: 25; Barney, 1991: 103ff), die sich in ihrer Faktorausstattung unterscheiden. Die Unterschiede entstehen durch unternehmensindividuelle Pfadabhängigkeiten bei der Schaffung der Ressourcenbestände: indem ein Unternehmen bestimmte komplexe Verhaltensweisen praktiziert, entwickeln sich über die Zeit hinweg Routinen, in denen auf einzigartige Weise Ressourcen generiert und eingesetzt werden (Nelson/Winter, 1982). Der Ressourcenbegriff ist dabei sehr weit gefasst: „By a resource is meant anything which clube be thought of as a strengths of weakness of a given firm“ (Wernerfelt, 1984: 172). Unterschieden werden können materielle und immaterielle Ressourcen (Hall, 1994: 151ff), wobei personengebundene, immaterielle Ressourcen als Fähigkeiten oder „skills“ bezeichnet werden. Hinzu treten organisationale, immaterielle Ressourcen – die Routinen. Sie sind „regular and predictable patterns of activity“ (Grant, 1991: 122). Diese können statisch und dynamisch ausgelegt sein. Dynamische Routinen ermöglichen dem Unternehmen eine Anpassung seiner Fähigkeiten an veränderte Umweltbedingungen (Teece et al., 1997). Materielle wie immaterielle Ressourcen können zu spezifischen Bündeln aggregiert werden. Dies führt zur Entstehung von Kompetenzen: „a capability is the capacity for a team of resources to perform some tasks or activity“ (Grant, 1991: 119). Besonders interessant für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit sind nun jene Kompetenzen, die eine hohe Beständigkeit aufweisen. Sie werden als Kernkompetenzen (Prahalad/Hamel, 1990) bezeichnet. Verbindet man den Gedanken
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der Kernkompetenzen mit dem Netzwerkansatz des vorliegenden Beitrags, so rücken der Relational View und die kooperativen Kernkompetenzen ins Blickfeld.
3.1 Der Relational View
Der Relational View (Dyer/Singh, 1998; Duschek, 2002; Fischer 2009) konzentriert sich auf Unternehmensbeziehungen als Quelle von Wettbewerbsvorteilen (Dyer/Singh, 1998: 661). Diese Perspektive geht davon aus, dass Organisationen offene Systeme sind, die in Austausch mit der Umwelt stehen. Um zu überleben, müssen sie auf Ressourcen aus anderen Organisationen zurückgreifen (Pfeffer/Salancik, 1978). Dabei geht es nicht um die Aufgabe der eigenen Vorteile, sondern um deren gewinnbringende Ergänzung durch Kombination mit den Ressourcen der Netzwerkpartner (Freiling, 2005: 71). Dies gelingt im Netzwerk entweder durch Produktivitätssteigerungen aufgrund einer Spezialisierung der Partner, durch gegenseitigen Wissensaustausch und damit verbunden einem gemeinsamen Lernen, durch die Kombination von knappen und komplementären Ressourcen zwischen den Partnern und nicht zuletzt aufgrund sinkender Transaktionskosten vor dem Hintergrund einer effektiven Netzwerksteuerung. (Fischer, 2009: 123; Dyer/Singh, 1998: 663). Die in die Netzwerkbeziehungen eingebrachten Ressourcen sind „idiosyncratic“ (Dyer/Sing, 1998: 661). Sie können vom Wettbewerb kaum imitiert werden, da von außen entweder nicht zu erkennen ist, welche Netzwerkprozesse die Wettbewerbsvorteile generieren oder aber diese Prozesse nicht in gleicher Weise repliziert werden können, da die eingesetzten Ressourcen Multiplikatoreffekte untereinander aufweisen oder aber von Wettbewerbern am Markt nicht zu beschaffen sind. Dabei leistet die netzwerkspezifische Governance einen wesentlichen Beitrag zur Nicht-Imitierbarkeit: sie basiert auf Vertrauen und Reputation – beides Qualitäten, für deren Entstehung Zeit vonnöten ist (Cohen/Fields, 2000: 189). Insgesamt können vier Prozesse unterschieden werden, welche zur Entstehung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen (Dierickx/Cool, 1989): Neben der angesprochenen Verwobenheit der Ressourcen untereinander und der Intransparenz der zugrundeliegenden Prozesse und Routinen sind Größeneffekte zu nennen. Je höher die Ausstattung mit bestimmten Ressourcen oder Kompetenzen, desto leichter fällt deren weiterer Aufbau. Im regionalen Kontext spricht man von externen Größeneffekten oder Agglomerationseffekten: ein speziali-
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sierter Arbeitsmarkt zieht passende Firmen an, was zu einem weiteren Zufluss entsprechender Arbeitskräften führt (Johansson/Karlsson, 2009: 248). Andererseits spielt der Zeitfaktor eine Rolle. Wie beim Vertrauen angesprochen, bedarf die Entwicklung von Beziehungen und der darin enthaltenen Prozesse Zeit. Wettbewerber können diesen Entwicklungsprozess nicht abkürzen, d.h. Vorsprünge nicht ausgleichen. Das Beispiel des englischen Rasens sei hier in Erinnerung gerufen (Dierickx/Cool, 1989: 1507). Für den einzelnen Netzwerkpartner bedeutet das erstens, dass die im Netzwerk eingesetzten Investitionen nicht auf andere Kooperationen übertragen werden können. Sie entsprechen „sunk costs“ (Genosko, 1999). Je spezifischer diese Investitionen sind, desto höher ist die Aussicht auf beziehungsbasierte Wettbewerbsvorteile. Zweitens impliziert es, dass netzwerkbasierte Wettbewerbsvorteile Ergebnis des Netzwerkens sind. Durch einen Partner alleine können sie nicht realisiert werden (Dyer/Singh, 1998: 662).
3.2 Der Ansatz kooperativer Kernkompetenzen
Netzwerke führen zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Wesentlich sind dafür „assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowlegde controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness” (Barney, 1991: 101). Gemeint sind besondere Fähigkeiten und Prozesse eines Unternehmens, die dessen Wettbewerbsfähigkeit steigern, gleichzeitig aber vom Wettbewerb nicht ohne Weiteres imitiert werden können. Sie werden als Kernkompetenzen bezeichnet und sind dadurch charakterisiert, dass sie einen hohen Kundennutzen am Markt stiften und auf einer Vielzahl von Märkten anwendbar sind. Zudem tragen sie zur Differenzierung von den Wettbewerbern bei und generieren einen nachhaltigen Kompetenzvorsprung dadurch, dass sie nur schwer imitierbar oder substituierbar sind (Prahalad/Hamel, 1990). Insofern können Kernkompetenzen abgegrenzt werden als „integrierte und durch organisatorische Lernprozesse koordinierte Gesamtheiten von Know-How, Technologien, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für den Kunden erkennbar und wichtig sind, gegenüber den Konkurrenten einmalig sind, nur schwer imitierbar sind und potentiell den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten öffnen“ (Duschek, 2002: 108). Meist fußen Kernkompetenzen auf intangiblen Ressourcen, weshalb sie nur schwer zu erfassen sind. Hinweise auf deren Existenz erhält man vor allem, wenn man die
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Organisationsstruktur des Unternehmens im Sinne von Prozessen und Kommunikationsstrukturen untersucht (Fischer, 2009: 48). Aus der Netzwerkperspektive führt die Kombination von Ressourcen durch netzwerkeigene Routinen und Prozesse zum Entstehen von Kompetenzen, auf die alle Netzwerkmitglieder zugreifen können - von deren Nutzung jedoch Außenstehende ausgeschlossen sind. Erfüllen diese die genannten Merkmale von Kernkompetenzen, so handelt es sich um netzwerkbasierte bzw. kooperative Kernkompetenzen (Duschek, 2002; Fischer, 2009). Sie sind zu verstehen als a) funktionsbereichsübergreifende Lern- und Synergieprozesse bei den einzelnen Netzwerkpartnern, b) netzwerkspezifische Routinen zwischen den Netzwerkpartnern und c) interdependentes Zusammenwirken dieser beiden Ebenen (Fischer, 2009: 150f). Wesentlich für die Ausbildung von kooperativen Kernkompetenzen ist die Integrationsfähigkeit des Netzwerkes bzw. dessen Fähigkeit, unterschiedliche Stärken der Netzwerkpartner zu bündeln, flexibel zusammenzusetzen und auf dem Markt zu positionieren. Dies gelingt über „high order resources“ (Jarratt, 2004: 295) bzw. Metakompetenzen (Freiling et al., 2008: 1152). Gemeint sind damit sozial komplexe, vernetzte, tangible und intagible Ressourcen – vor allem die Fähigkeit der Netzwerkpartner zum Beziehungslernen, zur Beziehungsorientierung und zum Aufbau von beziehungsorientierten Infrastrukturen. Dafür spielen formale, vertragliche wie auch informale, psychologische Prozesse eine Rolle (Ring/Van de Ven, 1994: 97). Unterstützt werden diese Prozesse durch die Nähe der Interaktionspartner – sei es räumliche, kognitive, organisatorische, soziale oder institutionelle Nähe (Boschma, 2005: 19). Auf diese Weise rücken regionale bzw. standortabhängige Faktoren in den Mittelpunkt des Interesses. 4.
Regionale Kernkompetenzen – eine Annäherung
Der Region als multidimensionales Konstrukt bietet die Basis, vor deren Hintergrund Netzwerkpartner interagieren. Die Qualität dieser Basis wird von regionalen Kernkompetenzen bestimmt. Diese sind als immaterielle, personenunabhängige Ressourcen und Routinen zu verstehen, auf die ein bestimmter Kreis an Akteuren zugreifen kann, während andere ausgeschlossen sind. Die Akteure sind dabei in regionale Netzwerke eingebunden, die sich überlappend auf bestimmte Orte und Gegenden beziehen. In Abgrenzung zum Begriff der kooperativen Kernkompetenzen handelt es sich jedoch nicht um die von den Partnern in
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die Netzwerke eingebrachten Stärken, sondern lediglich um die im Netzwerk selbst generierten Ressourcen bzw. Routinen. Diese stehen allen (Teil- Netzwerken der Region zur Nutzung offen und sind nicht an die Präsenz eines bestimmten Netzwerkpartners gebunden. Insofern handelt es sich um öffentliche – jedoch zumindest halböffentliche Güter der Region (Foss, 1996: 3; Maskell/Malmberg, 1999: 175f). Im Folgenden werden Eigenschaften von regionalen Kernkompetenzen detailliert erläutert. Ausgangspunkt sind bestehende konzeptionelle Ansätze.
4.1 Konzeptionelle Ansätze zur Beschreibung regionaler Kernkompetenzen
Bekannt sind positive regionale Effekte vor allem über die Diskussion um „untraded interdependencies“ (Storper, 1995: 207) innerhalb der Wirtschaftsgeographie. Die Übertragung des Kernkompetenzansatzes auf Regionen ist bisher allerdings nur in wenigen Arbeiten gelungen. Zu nennen sind Foss (1996), Lawson (1999), Lawson/Lorenz (1999), Maskell/Malmberg (1999), Lorenzen (2001) und Vanhaverbeke (2001). Allen Ansätzen ist gemein, dass sie regionale Strukturen und Prozesse als Rahmenbedingung verstehen, innerhalb derer Unternehmen eine besondere Wettbewerbsfähigkeit entfalten können. Insofern wird eines der oben angesprochenen regionalen Teilnetzwerke, nämlich das ökonomische, betrachtet. Foss bezeichnet diese Rahmenbedingungen als „highorder capabilities“ (1996: 3) oder „system capabilities“ (ebenda: 13). Sie gehen über die Grenzen des einzelnen Unternehmens hinaus und bezeichnen Ressourcen bzw. Fähigkeiten, die an regionale Gegebenheiten gebunden sind. Zu ihnen zählt das Wissen regionaler Akteure um zusammenhängende Wertschöpfungsprozesse. Anders als singulär aufgestellte Akteure, die nur ihre eigenen internen Produktionsprozesse überblicken, können regional verwurzelte Unternehmen durch enge Kontakte mit Partnern entlang ihrer Wertschöpfungsprozesse auf einen größeren Informationszusammenhang zurückgreifen. Dies unterstützt die Kooperation und die Realisierung von netzwerkspezifischen Vorteilen. Aber auch spezifische „organising principles“ (Foss, 1996: 7) von Regionen, die auf gemeinsamen Verhaltensweisen basieren, spielen eine Rolle. Ebenso die spezifische regionale Struktur, welche die Interaktion – vor allem die Lernroutinen der Akteure steuert. Hinzu treten klassische Agglomerationseffekte wie der Zugriff auf spezialisierte Faktormärkte und die Nutzung gemeinsamer technischer Standards. Die Bedeutung von regionalen Kompetenzen für den Erfolg von Unternehmen steht für Foss außer Frage: „firms that did not rely on some resources or
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capabilities that had a distinct national or regional stamp, would be close to foot-loose“ (1996: 7). Ähnlich argumentieren Lawson (1999) und Lawson/Lorenz (1999). Sie betonen allerdings die soziale Komponente von regionalen Kompetenzen. Unternehmen können vor allem dadurch Wettbewerbsvorteile verwirklichen, indem sie auf regionale Strukturen der sozialen Interaktion zurückgreifen. Diese soziale Struktur beinhaltet Regeln, Beziehungen und Positionen. Entsprechend werden Sozialsysteme als „ensemble of networked, internally related positions with their associates rules and practices (Lawson, 1999: 156) verstanden. Unternehmen sind Teil des regionalen Sozialsystems. Auf diese Weise sind sie eingebunden in eine spezifische Interaktionsstruktur. Nach Lawson verkörpert diese Interaktionsstruktur die regionale Kernkompetenz. Sie findet ihren Ausdruck in spezifischen Beziehungsroutinen, die eine gemeinsame Sprache und Kultur umfassen (Lawons/Lorenzen, 1999: 309). Indem Unternehmen auf sie zurückgreifen, können Effizienz- oder Effektivitätsvorteile realisiert werden. Besonders bedeutsam sind sie jedoch für das organisationsübergreifende Lernen, denn über sie ist stilles Wissen transferierbar (Lawson/Lorenzen, 1999: 311). Dabei fördern spezifische regionale Strukturen unterschiedliche Interaktionsformen. Sie begründen Unterschiede in der Art und Weise, wie Unternehmen interagieren. Insofern sind sie wettbewerbsrelevant (Lawson, 1999: 160). Regionale Lernprozesse stehen auch bei Lorenzen (2001) im Mittelpunkt der Ausführungen. Aus seiner Sicht leisten die regionale Wissensbasis und die dort verwurzelten Muster der Wissensgenerierung einen wesentlichen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Wie diese ausgeprägt sind, hängt von den spezifischen institutionellen Rahmenbedingungen in der Region ab. Gemeint sind damit sowohl formale Institutionen wie Universitäten oder Lokalverwaltungen, als auch informelle Charakteristika. Diese umfassen beispielsweise Netzwerkroutinen zwischen Unternehmen, aber auch gesellschaftliche Normen, welche das Entstehen von Vertrauen und damit Koordination ermöglichen (Lorenzen, 2001: 165). Vanhaverbeke (2001) schließlich definiert regionale Kompetenzen über ihre Fähigkeit, Mehrwerte für Kunden in einem Leistungserstellungsprozess zu generieren. Entscheidend ist dabei, dass Wettbewerbssituationen nicht mehr zwischen einzelnen Unternehmen betrachtet werden, sondern zwischen Angeboten (Vanhaverbeke, 2001: 100). Um attraktive Angebote zur Verfügung zu stellen, kommt Unternehmensnetzwerken eine immer höhere Bedeutung zu.
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Angebotsorientierte, wertgenerierende Netzwerke sind dabei nicht mit Clustern gleichzusetzen. Vielmehr umfassen sie Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Zudem setzen sie sich aus einer höheren Anzahl an (kleinen und mittleren) Betrieben zusammen, was eine weitreichende strategische Anpassung der Partner aneinander erfordert. Die Region setzt für diese Anpassung die Rahmenbedingungen: „the competitive advantage of these firms is based on a few firm characteristics that are partly the result of the social and cultural context in which they are embedded” (Vanhaverbeke, 2001: 104). Nicht zuletzt sind diese Überlegungen durch den Ansatz von Maskell/Malmberg (1999) zu ergänzen, der jedoch nur indirekt auf den Resource-Based-View Bezug nimmt. Im Unterschied zu den anderen zählen sie explizit materielle Ressourcen zu den „localised capabilities“ (Maskell/Malmberg, 1999: 173). Gemeint sind die Infrastruktur und die baulichen Einrichtungen der Region, ebenso wie deren natürlichen Ressourcen. Diese werden wiederum ergänzt durch regionale Institutionen, worunter insbesondere Regeln, Praktiken, Gewohnheiten, Traditionen und Konventionen, aber auch der Unternehmergeist, die moralischen Überzeugungen sowie die politische Tradition fallen. Des Weiteren erhält das in einer Region verfügbare Wissen bzw. die spezifischen regionalen Fähigkeiten eine besondere Bedeutung. Maskell/Malmberg gehen davon aus, dass die genannten regionalen Kompetenzen zur Entstehung von regionalem Wissen beitragen und dieses wiederum die Kompetenzen verstärken: „The relations of causality between localised capabilities and localised knowledge creation function both ways and form a decisive element in the formation of the competitive advantage…“ (1999: 173). Zusammenfassend ist festzuhalten: einerseits werden als regionale Kompetenzen Agglomerationseffekte, z.B. das Vorhandensein eines spezialisierten Arbeitsmarktes, genannt. Auf der anderen Seite geht es um regionales Wissen. Insbesondere um Wissen bezüglich der Interaktion mit anderen, regionalen Akteuren. An diesem Punkt tritt die Struktur von regionaler Interaktion ins Blickfeld. Sie ist das Fundament, vor deren Hintergrund die regionale Interaktion stattfindet. Dabei ist die Struktur zu verstehen als spezifisches (räumliches) Muster der Interaktion, aber auch als die inhaltliche Ausgestaltung dieser Interaktion. Insofern sind Beziehungsroutinen und deren normative, bzw. soziale Grundlage angesprochen. Regionale Kernkompetenzen sind in sozialen Strukturen und deren Wertebasis zu finden. Dies führt zum Konzept des sozialen Kapitals.
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4.2 Sozialkapital als regionale Kernkompetenz
Der Zusammenhang zwischen Sozialkapital und dem Resource-Based-View ist nicht neu. Neben den oben genannten Ansätzen, die überwiegend aus der Ökonomie stammen, hat auch die Soziologie den Ressourcenbezug von Sozialkapital herausgestellt. Beispielsweise Nahapiet/Goshal, die Sozialkapital als „sum of the actual and potential resources embedded within, available through, and derived from the network of relationships possessed by an indiviudal or social unit“ (1998: 243) verstehen. Mehr noch auf die Qualität der Ressourcen fokussiert, aber dennoch mit Parallelen zum Resource-Based-View formulieren Adler/Kwon: „Social Capital is the goodwill available to indiviudals or groups. Its source lies in the structure and conten of the actor’s social relations. Its effects flow form the infomration, influence, and solidarity it makes available to the actor” (2002: 23). Ebenso haben Bourdieu (1985), Portes (1998), Coleman (1988) oder in einem aktuellen Kontext Kriesi (2007) Sozialkapital als Ressource dargestellt. Am intensivsten hat sich jedoch Lin (2001a; 2001b; 2003) mit Sozialkapital als Ressource auseinandergesetzt und eine „Social Resources Theory“ (1992) entwickelt. Er versteht Sozialkapital als „resources embedded in a social structure that are accessed and/or mobilized in purposive actions“ (Lin, 2003: 29).
4.2.1
Elemente von Sozialkapital
Die am meisten zitierte, ressourcenorientierte Definition von Sozialkapital findet sich bei Bourdieu. Er versteht Sozialkapital als „the aggregate of the actual or potential resources which are linked to possession of a durable network of more or less institutionalized relationships of mutual acquaintance of recognition.“ (Bourdieu, 1985: 243). Dabei gibt es grundsätzlich zwei Ansätze, um Sozialkapital zu untersuchen: die Ebene des Individuums, die durch die Analyse von Ego-Netzwerken abgebildet wird und die Ebene des Gesamt-Netzwerks. Man unterscheidet damit die ego-zentrierte von der sozio-zentrierten Betrachtungsebene (Putnam, 2000; Lesser, 2000; Lin, 2001b; Adler/Kwon, 2000). Fokussiert man den Akteur, so sind dessen Eigenschaften, aber auch die Eigenschaften von dessen Beziehungen von Interesse. Bei der Netzwerkperspektive ist die relative Position eines Individuums im Netzwerk für dessen Sozialkapitalbestand ausschlaggebend.
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Die Unterscheidung in individuelles und kollektives Sozialkapital kann durch die Betrachtung der Stärke der Beziehungen weiter differenziert werden. Die Stärke der Beziehungen wurde von Granovetter als “comination of the amount of time, the emotional intensity, the intimacy (mutual confiding), and the reciprocal servcies which characterize the tie” (1973: 1361) beschrieben. Starke Beziehungen bringen den Partnern Vorteile (Rowley et al., 2000: 371): sie ermöglichen den Austausch von Information, die hohe Qualität aufweist und den Austausch von stillem Wissen. Zudem ermöglichen sie die Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen, Reziprozität und damit verbunden von Situationen, in denen alle Beteiligten Nutzen aus der Zusammenarbeit ziehen können. Schwache Bindungen hingegen ermöglichen den Zugang zu heterogener, neuer Information: „A weak tie can be beneficial, because it is more likely to embed an actor in (or provide access to) divergent regions of the network“ (Rowley et al., 2000: 371). Starke und schwache Bindungen führen zu unterschiedlichen Netzwerkstrukturen. Offene Netzwerke sind dadurch gekennzeichnet, dass nicht jeder mit allen anderen Netzwerkmitgliedern verbunden ist, sondern sich vielmehr Teilnetzwerke ergeben, die schwach oder unverbunden nebeneinander stehen (Burt, 2001; Lin, 2001a). Nach Granovetter (1973) sind diese offenen Strukturen gekennzeichnet von losen Verbindungen zu einer Vielzahl an unterschiedlichen Partnern, zu denen schwache Bindungen aufrecht erhalten werden (bridging links). Akteure in losen Netzwerken sind Informationsbroker (brokerage). Sie verfügen im Gegensatz zu Akteuren in dichten, geschlossenen Netzwerken über eine hohes Maß an nicht-redundanter Information. Im Kontrast dazu steht der Gedanke des Sozialkapitals in geschlossenen Netzwerken. Diese Netzwerke weisen nach Coleman (1988) einen hohen Grad der Kohärenz zwischen den Mitgliedern auf, welche sie von ihrer Umwelt trennt: „membership in the group is based on a clear demarcation“ (Lin, 2001a: 10). Geschlossene Netze sind gekennzeichnet von einer hohen Dichte, d.h. ein großer Anteil der potenziell möglichen Netzwerkverbindungen ist auch tatsächlich realisiert. Jedes Netzwerkmitglied steht im besten Fall mit jedem anderen in Verbindung (bonding links). Der Grad an redundanten Beziehungen im Hinblick auf den Informationsfluss zwischen den Mitgliedern ist hoch. Dies erleichtert Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten und damit das Entstehen von Vertrauen zwischen den Netzwerkmitgliedern (Franzen/Pointner, 2007: 69). Damit sind einige Aussagen über die Elemente von Sozialkapital angesprochen. Die meisten Definitionen von Sozialkapital beinhalten zwei Grundaussagen
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(Diekmann, 2007: 52): 1) Sozialkapital ergibt sich aus der Zugehörigkeit von Individuen zu Netzwerken (Organisationen, Unternehmen, Regionen) und 2) diese Netzwerke sind gekennzeichnet von gemeinsamen Werten und Überzeugungen, wobei es vor allem um Vertrauen und Reziprozität geht. Diesen Punkten hinzugefügt werden kann die Ressourcensicht. Denn über Sozialkapital werden Akteure 3) in die Lage versetzt, zur Erreichung ihrer Ziele auf Ressourcen zuzugreifen, die in ihrem Netzwerk verfügbar sind (Burt, 2001; Lin, 2001; Portes, 1998; Coleman, 1988). Nach Nahapiet/Ghoshal (1998) sind drei verschiedene Bausteine von Sozialkapital zu unterscheiden: die strukturelle, die kognitive und die relationale Dimension. Besondere Erwähnung finden dort die Netzwerkstruktur, die gemeinsame Sprache von Netzwerkakteuren, sowie ihr Vertrauen und die zugrundeliegenden Normen. Die Struktur eines Netzwerkes im Sinne von dessen Offenheit oder Zentralität hat direkte Auswirkung auf das Verhalten und die Einstellung der Netzwerkmitglieder. Ist das Netzwerk offen und fragmentiert und dessen Beziehungen schwach, kann man davon ausgehen, dass der Zusammenhalt der Netzwerkmitglieder gering ist. Eigenschaften wie eine gemeinsame Netzwerkidentität oder –kultur werden sich nur schwerlich ausbilden können. In geschlossenen Netzwerken mit starken Beziehungen hingegen ist eine Angleichung der Akteure und damit ein höheres Maß an Solidarität, Commitment oder Loyalität zu erwarten (Lin, 2001b). Eine gemeinsame Sprache und geteilte Symbole und Mythen führen zur Ausbildung einer Netzwerkidentität. Identität als „source of meaning and experience“ (Castells, 1997: 6) führt dazu, dass die Akteure gemeinsamen Vorstellungs- und Handlungsräume entwickeln (Maillat, 1995; Piore/Sabel, 1984). Die beteiligten Individuen fühlen sich im Sinne Granovetters (1985) in einem sozialen Raum eingebettet, der ihre (Selbst-)Wahrnehmungen prägt. Dabei muss unterstrichen werden, dass Identität kein Faktum darstellt, sondern ein diskontinuierlicher Prozess ist, in dem Identitätskrisen keine Seltenheit darstellen. Wesentlich für die Entstehung der Identität eines Netzwerkes ist die Notwendigkeit, sich im Wettbewerb von Konkurrenten abzugrenzen. D.h. durch die Differenzierung von ähnlichen Organisationen schärft sich die eigene Identität. Bei Unternehmensnetzwerken kann dies insbesondere durch Spezialisierung und Fokussierung auf Kernkompetenzen erfolgen (Bellmann/Hippe, 1996: 126). Vertrauen besitzt für die Funktionsfähigkeit von Netzwerkbeziehungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung (Wirtz, 2000: 107). „Vertrauen reduziert
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Komplexität, erhöht die Quantität und Qualität ausgetauschter Information und baut Ängste ab. Es fördert Offenheit und Kooperation, erleichtert nonkonformes Gruppenverhalten, beflügelt die Problemlösungsfähigkeit im Team durch intensives Geben und Nehmen, es steigert Arbeitsmotivation und Leistung und vermindert Stress, indem das persönliche Wohlbefinden und die Belastbarkeit steigen“ (Pribilla, 2000: 7). Vertrauen kann Unsicherheiten, die aufgrund von Informationsdefiziten oder –unterschieden zwischen den Netzwerkpartnern entstehen, ausgleichen (Hippe, 1996: 46). Es bildet die Grundlage für die Herausbildung einer Wertegemeinschaft. Von Vertrauen abzuleiten ist die Norm der Reziprozität. Reziprozität meint, dass Unterstützung in einem Netzwerk gegenseitig funktioniert, auch wenn dies zeitversetzt eintritt. Ein Netzwerkmitglied kann von der Unterstützung seiner Partner ausgehen, wenn er zuvor ebenfalls für sie eingetreten ist. Allerdings ist auch möglich, dass die Gegenleistung nicht direkt von demjenigen erbracht wird, der die ursprüngliche Leistung empfangen hat. Der Gebende kann durch die soziale Gemeinschaft insgesamt entlohnt werden und zwar in Form von Status, Reputation oder Prestige (Kriesi, 2007: 26f). Hinzu tritt als weiteres Element von Sozialkapital das kollektive Wissen einer Region (Lesser, 2000). Konzeptionell ist es vergleichbar mit organisationalem Wissen. Dieses ist nicht allein die Summe des Wissens der Organisationsmitglieder. Nelson/Winter (1982: 63) stellen fest: „the possession of technical ‚knowledge’ is an attribute of the firm as a whole, as an organized entity, and is not reducible to what any single individual knows, or even to any simple aggregation of the various competencies and capabilities of all the varous individuals, equipments and installations of the firm“. Das Wissen von Unternehmen ist demnach in die organisationalen Strukturen eingebettet (Nahapiet/Ghoshal, 1998: 246). Es ist Netzwerkwissen und entsteht durch die Interaktion der Organisationsmitglieder entlang der existierenden Netzwerkstrukturen und gültigen normativen Verhaltensvorgaben, also entlang von Sozialkapitalstrukturen. Sozialkapital wird daher auch als Komplementärressource für Wissen bezeichnet. Es befähigt die Mitglieder eines Netzwerkes – im vorliegenden Fall eines regionalen Netzwerkes - ihre Wissensbestände zusammen zu führen und neues Wissen zu entwickeln: „In einem Netzwerk sozialer Beziehungen werden also nicht nur einzelne Wissensressourcen der Akteure getauscht, sondern durch die interaktiven Beziehungen ermergiert Wissen und es entstehen neue Ressourcen, die den Akteuren für ihre Handlungsoptionen zur Verfügung stehen“ (Fuchs, 2006: 79).
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D.h. Sozialkapital in Form von stabilen, vertrauenswürdigen Beziehungen ist Voraussetzung dafür, dass Wissen als netzwerkgenerische Ressource entsteht. Besondere Bedeutung für die regionale Interaktion scheint Wissen zu haben, das sich auf die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren bezieht. Matthiesen (2004: 69ff) identifiziert sieben Wissensarten, von denen das Führungswissen, welches sich auf Kenntnisse über informelle Kooperationsstrategien bezieht, das Milieuwissen, das lokale Wissen und das Reflexionswissen regionale Bezüge aufweisen. Das Milieuwissen bedeutet, dass Akteure über Ablaufe und Zusammenhänge in ihrem regionalen Netzwerk informiert sind. Das lokale Wissen bezieht sich auf die Fähigkeit, sachbezogenes Produktwissen regionalspezifisch anwenden zu können. Es trägt in starkem Maße zur Selbstorganisationsfähigkeit des regionalen Netzwerks bei. Moderiert werden alle diese Wissensarten vom Reflexionswissen. Damit ist das Wissen um die eigene Position im Netzwerk, um eigene Stärken und Schwächen sowie um die eigenen Wissensbestände gemeint. Einige Bestandteile dieser Wissensarten liegen implizit vor. D.h. es handelt sich um Erfahrungswissen, dass an bestimmte Situationen oder Handlungsabfolgen gebunden ist und davon getrennt kaum erklärt werden kann. Explizites Wissen hingegen umfasst Kenntnisse, die kodifiziert sind. Sie können getrennt vom Wissensträger weiterkommuniziert werden (Polanyi, 1958; Nonaka, 1994).
4.2.2
Kernkompetenzqualitäten von Sozialkapital
Nach den zitierten Definitionsansätzen erscheint Sozialkapital zunächst als Ressource. Dass es sich um eine Fähigkeit im Sinne einer Kompetenz handelt zeigen Tura/Harmaakorpi (2005). Sie stellen einen Zusammenhang zwischen der „regional innovative capability“ (2005: 1112f) und dem Sozialkapital einer Region her. Unter regionaler Innovationsfähigkeit verstehen sie „the ability of the regional innovation networks to exploit and renew existing resource configurations in order to create a sustainable competitive advantage“ (2005 :1114). Sozialkapital trägt zur Entstehung dieser Fähigkeit bei, weil es die Effizienz kollektiver Aktivität und vor allem kollektiven Lernens erhöht (Nahapiet/Goshal, 1998: 245). Es stellt denjenigen Mechanismus dar, über den individuelle Akteure ihre spezifischen Ressourcen und Kompetenzen kombinieren können – und dies auch dürfen: „social capital can be understood as a ‚licence’ to use and develop this capability… Every member of the network may have a higbh innovative capability individually; but without anyone ‚licensed’ to com-
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bine, organize and use the individual resources and capabilities of the other members, one cannot speak about the innovative capability of the network“ (Tura/Harmaakorpi, 2005: 1119). Die spezifische Position eines Akteurs in einem Netzwerk verleiht ihm einen bestimmten Status und eröffnet Kontakte, die er zu seiner Unterstützung mobilisieren kann. Sozialkapital birgt insofern Chancen. Es ist die Fähigkeit, etwas in sozialen Netzwerken bewirken zu können. Damit ist es eher einer Kompetenz als eine Ressource – oder eine „capability-like resource“ (Tura/ Harmaakorpi, 2005: 1116).
Innovative Capability Recognition of environmental changes
INNOVATION NETWORK
Mobilization of social capital
Social Capital
Intellectual capital
Economic capital
Physical capital
Actors of the network
Abb.3: Sozialkapital als Grundlage zur Ressourcenmobilisierung in Netzwerken. Quelle: Tura/Haarmarkorpi 2005:1119
Ob diese Kompetenz tatsächlich eine Kernkompetenz ist, zeigt die Überprüfung der Kernkompetenzeigenschaften nach Barney (2002: 173). Demnach muss Sozialkapital wertvoll, spezifisch, schwer zu imitieren sein und auf andere Märkte übertragen werden können. Die Werthaltigkeit von Sozialkapital lässt sich aufgrund seiner positiven Effekte belegen: Zu unterscheiden sind Effekte, die aufgrund der Schließung eines Netzwerkes (closure) auftreten und solche, die durch das Überbrücken von strukturellen Löchern (brokerage) realisiert
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werden können. Die Vorteile der closure liegen vor allem in geringeren Koordinationskosten und einem geringeren Risiko, das mit Beziehungen einhergeht – aber auch in einer gemeinsamen Reputation, die sich das Netzwerk nach außen hin aufbaut (Walker et al,. 2000: 229). Lockere Netzwerke bieten mittels der Überbrückung von Lücken die Möglichkeit schneller an Informationen zu gelangen, die die eigene Marktposition oder die eigenen Produktionsprozesse betreffen. Insofern wird es möglich, Veränderungen schneller wahrzunehmen und schneller auf diese zu reagieren (Kale et al., 2000: 233). Grundsätzlich erleichtert Sozialkapital die Kooperation zwischen Individuen und leistet damit einen Beitrag dafür, dass Ziele schneller erreicht werden können: Seine Vorteile sind „informelle, offene Kommunikation, Risikoreduktion, Kontrollkostensenkung, Vertragsergänzung und besserer Zugang zu Finanzkapital“ (Fritz, 2009: 200). Sozialkapital ist darüber hinaus spezifisch. Es entsteht in der gleichen Art und Weise nur in dem einen, betrachteten Netzwerk. Seine Auswirkung hängt von Faktoren wie der spezifischen Akteurskombination, deren Verinnerlichung von gesellschaftlichen Normen sowie deren Ressourcenausstattung ab. Sozialkapital kann kein zweites Mal gleich wirken (Diewald/Lüdicke, 2007: 13f). Aus ähnlichen Gründen ist es schwer zu imitieren. Um zu funktionieren, bedarf es der direkten oder zumindest indirekten (über einen gemeinsamen Bekannten) persönlichen Interaktion. Insofern steht es meist nur für Mitglieder einer Gemeinschaft, die häufig räumlich in erreichbarer Nähe zu finden sind, zur Verfügung. Maskell/Malmberg (1999) und Foss (1996) weisen zudem darauf hin, dass sich Sozialkapital entlang des von Dierickx/Cool (1989) skizzierten Entstehungsprozesses von Kernkompetenzen entwickelt. Über die zugrundeliegenden Vertrauens- und Reputationsprozesse entsteht es zeitgebunden. Wettbewerber können zeitliche Vorsprünge nicht ohne Weiteres ausgleichen. Zudem fördert eine Grundausstattung an Sozialkapital weitere Interaktion und damit einen weiteren Ausbau von Sozialkapital im Netzwerk. Ähnlich wie Wissen ist es eine Ressource, die sich bei deren Einsatz nicht verzehrt (Adler/Kwon, 2002: 21ff). Drittens kann aufgrund des Zusammenwirkens unterschiedlicher Faktoren, nicht zweifelsfrei identifiziert werden, welcher Faktor welche Wirkung des Sozialkapitals verursacht. Imitation ist daher kaum möglich. Bleibt die Prüfung der Übertragbarkeit von Sozialkapital auf andere Märkte. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Sozialkapital zielorientiert entsteht und nur innerhalb des für dessen Einsatz gedachten Handlungsrahmens Wirkungen entfaltet. Insofern ist der Wert von sozialen Beziehungen an die
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spezifischen Zielen und Rahmenbedingungen gebunden, die ein Akteur verfolgt (Adler/Kwon, 2002: 18). Allerdings gibt es auch Beispiele für Sozialkapital, welches auf andere Kontexte übertragen wurde. Dies zeigt Lin (2003) anhand der Interdependenz von Macht, Autorität und Wohlstand als Ressourcen, die in politischen, gesellschaftlichen oder ökonomischen Kontexten entstehen, sich aber gegenseitig in ihrer Entstehung beeinflussen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass das soziale Milieu einer Region Grundlage für eine ganze Reihe unterschiedlicher Netzwerke sein kann, die verschiedene Märkte bedienen. Zusammengefasst ist Sozialkapital sowohl wertvoll, als auch spezifisch, schwer zu imitierten und kann auf unterschiedlichen Märkten wirken. Insofern kann es als Kernkompetenz bezeichnet werden.
4.3 Definitionsversuch
Regionen sind komplexe Gebilde (Engert et al., 2009: 3ff). Sie sind weniger geographische Gebilde, sondern Handlungskontexte, die von den Beziehungen der Akteure im Raum (Weichhart, 2008) geprägt sind. Werlen (2007) kommt vor diesem Hintergrund zu drei Handlungsebenen bzw. in seinen Worten „Regionalisierungen“: der normativ-konsumtiven Regionalisierung, der produktivkonsumtiven Regionalisierung und der informativ-signifikativen Regionalisierung. Jede dieser Regionalisierungen wird durch das Handeln der Akteure bestimmt. Handeln führt dazu, dass ein Akteur mit einem anderen oder einem Objekt in Beziehung tritt. Regionen erscheinen daher als Netzwerke. Diese können sich dadurch, dass sie an bestimmten beobachtbaren, physischmateriellen Gegebenheiten festgemacht werden, überlappen. Eine Definition von regionalen Kernkompetenzen muss die Netzwerkstruktur von Regionen, deren kognitive bzw. symbolische Natur und die unterschiedliche Handlungsorientierung, die ihrer Konstitution zugrunde liegen, in Betracht ziehen. Geht man von einer Netzwerkstruktur aus, so sind Kernkompetenzen als Netzwerkkompetenzen zu verstehen. Dies führt zum Relational View (Dyer/Singh, 1998) und zum Ansatz der kooperativen Kernkompetenzen (Duschek, 2002; Fischer, 2009). Im Unterschied zu ökonomischen Netzwerken, aus deren Betrachtung diese beiden Konzepte stammen, geht es in Regionen erstens jedoch nicht nur um wirtschaftliche Zielsetzungen, sondern um gesellschaftliche, politische, kulturelle oder ökologische. Zudem werden nicht die aktiven, zielorien-
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tierten Kooperationen, die ganz konkrete Angebote für den Markt herstellen betrachtet. Vielmehr interessieren die Rahmenbedingungen, welche zu diesen aktivierten Netzwerken führen. Die Eigenschaften des latenten Netzwerk-Pools, insbesondere in Form von Interaktionsroutinen stehen im Mittelpunkt. In diesem Sinne wird die Definition der Kooperativen Kernkompetenzen eingeschränkt auf Kompetenzen, die im Netzwerk selbst entstehen – also netzwerkgenerische Ressourcen sind. Diese Ressourcen stehen allen thematischen Teilnetzwerken der Region als Grundlage zur Verfügung. Besondere Chancen ergeben sie dann, wenn Akteure in mehreren Teilnetzwerken engagiert sind, d.h. multiplexe Beziehungen unterhalten. Eine Definition von regionalen Kernkompetenzen muss im Auge behalten, dass es um die Eigenschaften des latenten Netzwerkpools geht, die alle Teilnetzwerken beeinflussen und die multiplexe Beziehungen als Chance für die Regionalentwicklung ermöglichen. Sozialkapital kann als diese Eigenschaft des latenten Netzwerkpools verstanden werden. Es hat Kernkompetenzqualität und steht als kollektives Gut allen regionalen Akteuren zur Verfügung. Es besteht aus Beziehungsstrukturen, Vertrauen, Normen insbesondere der Reziprozität sowie kognitiven Elementen, wie einer gemeinsamen Sprache und Symbolik. Außerdem ist davon auszugehen, dass in einer Region gemeinsames, kollektives Wissen existiert, das die Interaktion erleichtert. Eine Definition von regionalen Kernkompetenzen kann daher auf den strukturellen, kognitiven und relationalen Elementen von Sozialkapital aufbauen. Insgesamt ergeben sich damit folgende Definitionsbestandteile: Netzwerk, unterschiedliche Handlungskontexte, latenter Netzwerkpool, Multiplexität, strukturelle/kognitive/relationale Merkmale. Verbindet man diese Bausteine zu einem sinnvollen Ganzen, so könnte formuliert werden: Unter einer regionalen Kernkompetenz sind die strukturellen, kognitiven und relationalen Merkmale eines latenten Netzwerkpools zu verstehen, durch die sich dessen Mitglieder multiplex zur Erreichung unterschiedlicher Ziele in verschiedenen Handlungskontexten zusammenschließen können. 5.
Ausblick
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Definition von regionalen Kernkompetenzen. Er greift dabei auf konzeptionelle Ansätze zurück, die vielfach noch nicht abschließend festgelegt sind. So ist der Raum- und Regionsbe-
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riff eine „ungelöste Grundfrage“ (Weichhart, 1999: 75) der Geographie. Auch die Diskussion um Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen wird lebhaft geführt: „to make the resource-based view more useful we need to map the space of resources in more detail.“ (Wernerfelt, 1995: 172). Gleiches gilt für das Konzept des Sozialkapitals. Dort wird eine kontroverse Diskussion auf mehreren Ebenen geführt: bezieht sich Sozialkapital auf ein Kollektiv oder auf einzelne Akteure? Entsteht Sozialkapital in engen oder in lockeren Beziehungen? Ist es Gegenstand von kompetitiven oder kooperativen Beziehungen? Wirkt Sozialkapital in einer Gruppe oder darüber hinaus? (vgl. Putnam, 2000). Insofern weisen alle in diesem Beitrag verarbeiteten Theoriestränge in sich Unschärfen auf. Das Ziel kann es deshalb nicht sein, eine abschließende Begriffsbestimmung vorzulegen. Der Beitrag ist vielmehr als Impuls zur Diskussion gedacht. Er versucht, aufbauend auf Arbeiten, die Sozialkapital bereits in die Nähe des Resource Based View stellten, Bezüge zwischen Region, Netzwerk und kollektiver Kernkompetenz herzustellen. Offen bleiben dabei insbesondere drei Fragen. Erstens: Sozialkapital wurde von Camprubí/Guia/Comas (2008) in den Kontext der „absorptive capacity“ (Cohen/Levinthal, 1990) gestellt. Die „absorptive capacity“ wird selbst als Kernkompetenz betrachtet (Nahapiet/Ghoshal, 1998). Was bedeutet dies für die Kernkompetenzqualität von Sozialkapital? Bilden beide zusammen die Kernkompetenz aus oder sind mit beiden Konzepten ähnliche Ideen formuliert, allerdings aus unterschiedlichen Perspektiven? Zweitens: Wissen wurde als regionales, kollektives Wissen in die Kategorie der kognitiven Elemente von Sozialkapital aufgenommen. Andernorts wird Wissen als Resultat von Sozialkapital dargestellt (Adler/Kwon, 2000: 102). Allerdings wird auch Vertrauen als Quelle oder Ursache von Sozialkapital konzipiert: „Some see trust as a source of social capital, some see it as a form of social capital, and some see it as a collective asset resulting from social capital” (Adler/Kwon 2002:26). Sind in diesem Sinne alle Bausteine von Sozialkapital wirklich auch Bausteine oder doch eher Effekte? Und drittens: Das Sozialkapitalkonzept umfasst nach Nahapiet/Ghoshal (1998) auch relationale Elemente, wie z.B. die Identifikation der Mitglieder mit dem Netzwerk. Über Gruppenprozesse im Netzwerk kann Identität entstehen, die nach Weichhart (1990) zudem Raumbezug aufweisen kann. Kann Identität Kernkompetenz sein? Oder allgemeiner formuliert: sind alle Bausteine des Sozialkapitalkonzept nach Nahapiet/Ghoshal (1998) kernkompetenzfähig? Oder müssen Einschränkungen formuliert werden? Diese Fragen eröffnen ein ergiebiges Feld für weitere Forschung.
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Durch kooperative Ressourcenvorteile raus aus der Krise und rein in die Weltspitze der Automobilindustrie Stephan Duschek/René Niethammer
Inhaltsverzeichnis 1.
Prolog .................................................................................................94
2.
Renault und Nissan: Zwei Automobilhersteller auf dem Weg nach unten ..........................................................................................96
3.
Eine Partnerschaft auf dem Weg nach oben: Die Quellen des Allianzerfolgs aus der Perspektive des Relational View ....................98
3.1
Partnerspezifische Komplementarität von Ressourcen ......................98
3.2
Partnerspezifische Investitionen.......................................................100
3.3
Partnerspezifische Institutionen des Wissensaustausch....................103
3.4
Partnerspezifische Kontroll- und Steuerungsstrukturen...................104
4.
Erst am Anfang und doch schon fest vernetzt: Die Zweischneidigkeit der Mechanismen dauerhafter Allianzvorteile ...........105
5.
Kumulative Ressourcenvernetzung..................................................106
6.
Unteilbarkeit von Ressourcen ..........................................................107
7.
Literaturverzeichnis..........................................................................108
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Stephan Duschek/René Niethammer
Vorwort Die Renault-Nissan Allianz hat einen atemberaubenden Aufstieg hinter sich. Bei der Gründung der Allianz 1999 war sich die Fachwelt einig, dass aus zwei allenfalls mittelmäßig erfolgreichen Automobilherstellern niemals eine erfolgreiche Kooperation hervorgehen könne. Renault-Nissan strafte jedoch alle Lügen und ist heute fest unter den Top Vier der Welt etabliert. Wie war dieser Aufstieg möglich? Wir entschlüsseln mithilfe des Relational View, dem jüngsten Ansatz des strategischen Managements, die Quellen und Mechanismen des Wettbewerbserfolgs der Renault-Nissan Allianz. Die aktuelle Wirtschaftskrise könnte große Unternehmen vor ähnliche Schwierigkeiten stellen, vor denen Renault und Nissan im Vorfeld ihrer Kooperation standen. Krisen sind zwar meist mühevoll zu bewältigen, aber keine unüberwindbare Barriere. Im Gegenteil, Krisen können sogar erhebliche Wachstums-Chancen implizieren, wie es die RenaultNissan Allianz anschaulich zeigt. 1.
Prolog
Zurzeit dreht sich in der Automobilindustrie alles um die Weltwirtschaftskrise. Gerade die Probleme in der Automobilindustrie sind jedoch auch hausgemacht und haben sich bereits vor der Immobilienkrise in den USA angedeutet. Nicht zuletzt trugen etwa eine Reihe von wenig erfolgreichen und sogar gescheiterten Kooperationen und Unternehmenszusammenschlüssen der Automobilhersteller (und Systemlieferanten) ihren Anteil zur aktuellen Krise bei. Dass es jedoch auch anders geht, das zeigt die Renault-Nissan Allianz. Und anders meint in diesem Kontext, eine Krise und die damit einhergehenden Schwierigkeiten als gemeinsame Überlebens- und darüber hinausgreifende Wachstumschance zu nutzen. In nur einer halben Dekade stürmte die Partnerschaft zwischen Renault und Nissan aus der Tiefe einer die Existenz der Einzelunternehmen bedrohenden Krise unter die Top Vier der internationalen Automobilhersteller und hat sich dort inzwischen fest etabliert. Tatsächlich ist es noch nicht lange her, dass man bei Nissan von den immensen Schulden fast erdrückt wurde, Renaults Jahresergebnis erstmalig negativ war und sich nur schleppend erholte (vgl. Abb.1) und beide Unternehmen immer mehr Marktanteile auf ihren angestammten Märkten verloren. Diese Situation war alles andere als eine gute Ausgangslage für eine erfolgreiche Partnerschaft, aber beide Unternehmen waren sich einig, dass man aus der jeweiligen Misere
Kooperative Ressourcenvorteile in der Automobilindustrie
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nicht mehr allein herauskäme. Nicht von ungefähr wurde die Partnerschaft anfänglich gern auch als „the marriage of the poor“ oder als „alliance of the weak“ belächelt (Yoshino/Fagan, 2003: 4). Diese Zeiten sind vorbei. Heute lacht keiner mehr über die Renault-Nissan Allianz. Insbesondere nicht vor dem Hintergrund erst kürzlich gescheiterter Elefantenhochzeiten und der Unvermeidbarkeit, in der aktuellen Krise in der Automobil- und Automobilzuliefererindustrie noch näher zusammenrücken zu müssen. Renault und Nissan haben es vorgemacht; sie sind von zwei angeschlagenen Riesen zu einem erstarkten Paar auf dem Parkett der Automobilgiganten geworden (vgl. Abb. 1.): „In fact, there is no mass-market automaker which can now claim a higher profit margin than Nissan-Renault“ (Heller/Fujimoto/Mercer, 2005: 16). Beide Unternehmen schreiben wieder schwarze Zahlen und gemeinsam – besser gesagt: nur gemeinsam – haben sie auch das Potenzial, die augenblickliche globale Talsohle zu überstehen (vgl. Kantzensteiner, 2009: 47-54). Wie aber ist dieser wundersame Aufstieg zu erklären und was können hieraus für Implikationen für die kriselnde Industrie gezogen werden?
Abb. 1: Jahresergebnisse von Renault und Nissan im Zeitraum 1995-2007 Quelle: Renault Nissan Deutschland AG
Wir haben uns den Aufstieg der Renault-Nissan Allianz genauer angeschaut und entschlüsselt. Hierzu haben wir uns öffentlich zugänglicher Daten, Fachzeitschriften, Artikel und Fallstudien bedient.1 Zur systematischen Erklärung und
1 Wir danken ausdrücklich Marc Curtis, Ingmar Mieß und Andreas Stolpe, die im Kontext einer Lehrveranstaltung mit einem der Verfasser an der Freien Universität Berlin an der Sammlung und
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Strukturierung des Erfolgspotenzials, wollten wir einen Ansatz wählen, der sich ausdrücklich auf die wesentlichen Eckpfeiler der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen im Rahmen von Kooperationen konzentriert. Allerdings sind diese Ansätze bisher rar. Die besonders in Frage kommenden Konzepte des strategischen Managements sind bislang eher auf die Erklärung der Generierung von Wettbewerbsvorteilen aus der Perspektive einer Einzelunternehmung ausgerichtet und greifen deshalb zu kurz. Eine Ausnahme stellt allerdings der jüngste Zweig des strategischen Managements dar, der „Relational View“ (vgl. Dyer/Singh, 1998). Dieser Ansatz verortet erstmalig im Rahmen des strategischen Managements die Quellen von Wettbewerbsvorteilen ausdrücklich in kooperativen Beziehungen – und genau dort liegen auch die Grundlagen des Erfolgs der Renault-Nissan Allianz. Aufgrund der Neuigkeit des Relational View fehlt es aber bisher an Beispielen und Bestätigungen aus der Praxis.2 Wir wollen mit unserem Fallbeispiel der Renault-Nissan Allianz diese Lücke schließen und zugleich die Relevanz des Relational View zur Erklärung kooperativer Wettbewerbsvorteile aufzeigen. Parallel soll diese Analyse auch eine Überlebens- und Wachstumsperspektive für durch die aktuelle Wirtschaftskrise kränkelnde Unternehmen öffnen. 2.
Renault und Nissan: Zwei Automobilhersteller auf dem Weg nach unten
Seit Beginn der 1990er Jahre sanken die Gewinnmargen des französischen Automobilherstellers Renault kontinuierlich. 85% der Automobile verkaufte Renault auf dem europäischen Markt, der aufgrund der sich erhöhenden Wettbewerbsintensität immer umkämpfter wurde. Trotz innovativer Modelle und Designs verlor Renault zusehends an Boden. Allein 1996 wurde ein Verlust von € 800 Millionen gemacht. Die Präsenz von Renault außerhalb Europas war nach dem Rückzug aus dem US-amerikanischen Markt 1987 noch stärker gesunken als ohnehin schon. Ebenfalls ein Außenseiter war Renault auf dem asiatischen Markt, einem Markt, der für Automobilhersteller gleichwohl immer interessanter wurde. 1998 verkaufte Renault nur knapp 2500 Automobile in Japan. Einzig eine Kooperation mit einem anderen Hersteller galt hinter vorgehaltener Hand
Erschließung der öffentlich zugänglichen Daten sowie Vorarbeiten zu einer ersten Version dieses Beitrags mitgewirkt haben. 2 Vgl. als Ausnahme Dyer, J.H./Nobeoka, K. (2000): Creating and Managing a High-Performance Knowledge-Sharing Network: The Toyota case. In: Strategic Management Journal 21, Special Issue, March, S. 345-367.
Kooperative Ressourcenvorteile in der Automobilindustrie
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als Überlebenschance bzw. Schutz vor einer feindlichen Übernahme (vgl. Diem, 1999: 59; Yoshino/Fagan, .3). In Europa bot sich nach einer unglücklichen Liaison mit Volvo indes keine sinnvolle Partnerschaft mehr an und in den USA schienen mögliche Partner zu übermächtig. Während Renault jedoch mehr oder weniger nur angeschlagen taumelte, wurde der japanische Automobilproduzent Nissan Mitte der 1990er Jahre schon angezählt – der Knock-out schien nur noch eine Frage der Zeit. Nissan litt aufgrund von ca. $ 20 Mrd. Verbindlichkeiten unter massivem Druck der Banken und kämpfte trotz der bekanntermaßen hohen Qualität der Automobile seit längerem mit sinkenden Anteilen auf dem japanischen Markt. Verursacht wurden diese Probleme u.a. durch die eher „biederen“ Designs der Modelle, erhebliche Überkapazitäten, eine geringe Anzahl modellübergreifender Bauteile und Plattformen sowie zu hohe Zuliefer- und Produktionskosten. Nissan war schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem internationalen Partner, gleichwohl sprachen die puren Fakten nicht gerade für Nissan als einen Wunschkandidaten. Daimler-Chrysler, der Partner der ersten Wahl von Nissan, entschied sich etwa gegen eine Zusammenarbeit mit dem scheinbar unrettbar verschuldeten japanischen Konzern. Unter diesen wenig rosigen Bedingungen setzten sich nun Renault und Nissan Ende der 1990er Jahre zusammen und unterzeichneten nach einer kurzen Phase des Kennenlernens am 27. März 1999 in Tokio eine gegenseitige Beteiligungsvereinbarung. Im Laufe der folgenden Jahre erwarb Renault insgesamt 44,4 % der Anteile von Nissan und Nissan 15 % von Renault. Überdies gründeten sie als rechtlichen Rahmen die Renault-Nissan B.V., die beiden Partnern zu gleichen Teilen gehört. Gleichwohl legten die Beteiligungsvereinbarung sowie der rechtliche Rahmen nur den formellen Grundstein für eine Zusammenarbeit und sicherten zugleich vor feindlichen Übernahmen ab. Das organisationale Gerüst der Kooperation hingegen sollte ein ausgeklügeltes Beziehungsmanagement etwa in Joint Ventures und gemeinsamen Arbeitsgruppen darstellen, das nicht nur auf der gegenseitigen Nutzung der Stärken des jeweils andern Partners aufbaute, sondern auch die kooperative Entwicklung beziehungsspezifischer Wettbewerbsvorteile zum Ziel hatte – und zwar zum Vorteil beider Partner. Vereinbart wurde eine intensive Zusammenarbeit, die von einem gemeinsamen Einkauf über kooperative Produktion bis hin zur gemeinsamen Forschung & Entwicklung von zentralen Bauteilen und Plattformen reichen sollte, um nur einige Funktionen zu nennen – ohne indes die Identität und Nationalität der
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Stephan Duschek/René Niethammer
beiden Einzelmarken aufzugeben. Zweifelsfrei ambitionierte Ziele, die durch eine grundlegende Unsicherheit zusätzlich belastet schienen: Bislang war es in der Automobilindustrie noch nicht gelungen, eine derartig intensive Koexistenz im Spannungsfeld von Autonomie und Kooperation erfolgreich zu gestalten. 3.
Eine Partnerschaft auf dem Weg nach oben: Die Quellen des Allianzerfolgs aus der Perspektive des Relational View
Aus kompetenzorientierter Perspektive wird die Destination als differenziertes regionales Produkt und die Wertschöpfungselemente als Komponenten einer Ressourcenbasis betrachtet (vgl. Oystein, 1996). Produkte sind Resultate des Umgangs mit Inputgütern und Ressourcen (vgl. Prahalad/Hamel, 1990). Kompetenzen sind Prozesse, die Inputgüter und Ressourcen zu Produkten umwandeln und diese dem Markt zuführen. Die Inputbasis ist im weitesten Sinne der Bezugsrahmen der Kompetenzbildung. 3.1 Partnerspezifische Komplementarität von Ressourcen
Gute und sich gleichzeitig ergänzende Partner sind knapp. Das gilt nicht zuletzt auch in der Automobilbranche. Insbesondere bei der Renault-Nissan Allianz wurde allerdings in der Fachwelt stark bezweifelt, dass sich zwei gute Partner zusammengefunden hatten. Dem damaligen VW-Chef Ferdinand Pïech wird etwa der auf die Renault-Nissan Allianz gemünzte Satz nachgesagt, dass „aus zwei Maultieren niemals ein Vollblüter hervorgeht“ (Rumpelt, 2005: 16). Dass DaimlerChrysler Nissan Ende der 1990er Jahre einen Laufpass gab, schien ein weiteres Indiz für diese Annahme. Überdies hatte Renault gerade erst leidige Kooperationserfahrungen mit Volvo gesammelt. Die Kooperation zwischen Renault und Nissan stand also unter keinem guten Stern. Doch das war trügerisch: Ob nämlich ein möglicher Partner für einen anderen eine ideale Ergänzung ist, das ist nicht einfach etwa an Finanzkennzahlen abzulesen, sondern stets nur im ganz konkreten Einzellfall und insbesondere unter Berücksichtigung strategischer Passung erkennbar; es ist eine Frage von partnerspezifischen strategischen Ergänzungsmöglichkeiten. Während sich DaimlerChrysler noch gegen eine intensive Zusammenarbeit mit Nissan entschied, da der deutschamerikanische Autohersteller in einer möglichen Allianz mit Nissan nur das Risiko des „putting $ 5 billion into a steel container and throwing it into the ocean“ (Yoshino/Fagan: 4) sah, fand Renault kurze Zeit später in Nissan den
Kooperative Ressourcenvorteile in der Automobilindustrie
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idealen Partner. Renault und Nissan entdeckten in einer gemeinsamen Partnerschaft das Potenzial für diverse chancenreiche Synergie- und Ergänzungsmöglichkeiten, die u.a. auf eine gemeinsame Nutzung und Entwicklung komplementärer Plattformen, Technologien und Märkte abzielten. Nun wäre es aber zu einfach anzunehmen, dass DaimlerChrysler zu kurz gedacht und folglich falsch entschieden hat. Eher ist es so, dass Renault eben jenen im Volksmund besagten Deckel anzubieten hatte, der ganz genau auf den Topf von Nissan passte. Oder anders ausgedrückt: Eine partnerspezifische Komplementarität von strategischen Ressourcen und Zielen ist die erste unabdingbare Quelle von Wettbewerbsvorteilen einer Kooperation, die auch die Anzahl viabler Partner definiert und letztlich stark einschränkt.3 Renault und Nissan ergänzten einander von Anfang an derart ideal, dass Schwächen des einen durch ausgewiesene Stärken des anderen überkompensiert werden konnten: Renaults Fähigkeiten liegen etwa in einem optimierten Kostenmanagement im Bereich der Teilebeschaffung und einem innovativen/modernen Design der Modelle, während Nissan genau hier Probleme hatte. Nissan auf der anderen Seite hat ganz erhebliche Kompetenzen im Bereich der Entwicklung, Konstruktion und Herstellung und ist zudem auf dem mittel- und nordamerikanischen Markt präsent, während Renault eher Probleme in der Qualität der Bauteile und der Fertigung hatte und insbesondere in Mittel- und Nordamerika schwach vertreten war. Diese komplementären partnerspezifischen Stärken und Schwächen wurden in der Renault-Nissan Allianz gezielt und unmittelbar nach Vertragsabschluss pro aktiv angegangen und aus den Synergiepotenzialen nachhaltige Wettbewerbsvorteile generiert. Renault nutzt beispielsweise seit 2000 zur Produktion des Renault Scénic das Produktionswerk von Nissan in Cuernavaca (Mexiko), während der Nissan Pick-Up im Gegenzug in Renaults brasilianischem Werk in Curitiba vom Band läuft. Die Vorteile für beide Partner liegen auf der Hand: Durch die gestiegene Produktion an dem mexikanischen Standort konnte die Kapazitätsauslastung des Werks von ca. 55 % auf nahezu 100 % gesteigert werden. Darüber hinaus ermöglicht die gemeinsame Nutzung dieser Betriebsstätte Renault einen schnellen Eintritt in den mexikanischen Markt und das mit erheblich geringeren Investitionskosten als im Alleingang. Aber auch in Europa, wie etwa in Barcelona, produzieren beide Unternehmen unter einem 3
Im Relational View wird die hier eingeflossene „Knappheit an Partnern“ als eine Barriere der Imitation gesondert hervorgehoben (vgl. Dyer/Singh a.a.O.: 672 f.). Wir sind der Ansicht, dass diese Barriere zumindest in unserem Fall nur einen spezifischen Aspekt der partnerspezifischen Komplementarität von Ressourcen beleuchtet.
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Dach. Und auch dort stellen sich bedeutsame Vorteile ein: Während andere OEMs in Europa mit Überkapazitäten zu kämpfen haben, steht die RenaultNissan Allianz mit einer 95 % Auslastung nahezu perfekt da (vgl. O.V 2005: 20). 3.2 Partnerspezifische Investitionen
Wenn man sich diese Vorteile genauer ansieht, so stellt man fest, dass Renault und Nissan nicht einfach nur Wettbewerbsvorteile durch die Nutzung schon vorhandener komplementärer Ressourcenausstattungen erzielen, sondern indem sie bewusst gemeinsam in spezifische Märkte, Produkte, Technologien und Fähigkeiten investieren und diese damit weiter entwickeln bzw. ganz neu kreieren. Diese partnerspezifischen Investitionen sind eine weitere und somit zweite wesentliche Grundlage des kooperativen Erfolges der Allianz. Beispielsweise investierten beide Automobilhersteller 2001 $ 232 Millionen in den Bau eines ersten gemeinsam geplanten Werks auf dem brasilianischen Industriekomplex von Renault in Curitiba. Bei differenzierter Betrachtung zog allerdings auch die gemeinsame Nutzung bestehender Werke sehr schnell beziehungsspezifische Investitionen nach sich. Damit etwa im mexikanischen Cuernavaca neben den Modellen von Nissan auch die ersten Renault Scénic nach nur 16 Monaten vom Band gehen konnten, bedurfte es zahlreicher Investitionen, um etwa Umstellungen und Anpassungen der Förder- und Fertigungsanlagen vorzunehmen. Nicht selten erfordern nämlich standortspezifische Investitionen zugleich auch Investitionen in gemeinsame Technologien. Vielleicht das wichtigste Beispiel für derartige technologiespezifische Investitionen ist die gemeinsame Entwicklung und hiermit induzierte Reduktion der kosten- und entwicklungsintensiven Plattformen für diverse Modelle beider Partner. Anfänglich hatten beide Partner zusammen 33 Plattformen für ihre Fahrzeuge. Inzwischen ist die Anzahl auf 25 zusammengeschrumpft (vgl. Rumpelt, 2005: 16) und 2005 machten die 5 volumenstärksten Plattformen 70 % der Gesamtproduktion aus (vgl. O.V, 2005: 20). Darunter befinden sich eine Plattform für Kleinwagen, die sich der Nissan Micra und der Renault Clio teilen sowie eine Plattform für Mittelklassemodelle für den Renault Leguna und den Nissan Primera. Das Ziel der Allianz ist, im Jahr 2010 nur noch 10-15 gemeinsame Plattformen zu nutzen (vgl. ebenda). Mindestens so beeindruckend sind die Resultate der technologiespezifischen Investitionen in die Entwicklung gemeinsamer Motorenbaureihen, die dazu führten, dass von ursprünglich 27 schon 2004 nur noch 8 Motorenfamilien benötigt wurden.
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Letztlich sind diese standort- und technologiespezifischen Investitionen sehr eng miteinander verzahnt und überdies nur möglich, indem zusätzlich in die Entwicklung und das Erlernen neuer Ablaufketten und Verfahren investiert wird, denn „common platforms must be produced with identical processes“ und diese hängen wiederum davon ab „whether we can use the same powertrains and assemble them following identical installation processes“ (Weernik, 2001: 12), wie ein Manager von Renault hervorhebt. Um dies zu gewährleisten, sind so genannte humankapitalspezifische Investitionen notwendig, die darauf abstellen, dass eine veränderte Produktion oder auch ein Wandel des Beschaffungsmanagements alte Routinen und Prozesse zum Teil obsolet macht und das Erlernen und Umsetzen neuer auf die Zusammenarbeit abgestimmter Abläufe erfordert. Gerade diese Veränderungen erforderten ganz erhebliche Investitionen, Abstimmungen und Neuausrichtungen auf beiden Seiten der Allianz. Das wohl bemerkenswerteste Beispiel hierfür findet sich im Bereich der (strategischen) Beschaffung: Im Frühjahr 2001 wurde die „Renault-Nissan Purchasing Organization“ (RNPO) als gemeinsames 50/50 Joint Venture gegründet. Zentrales Ziel dieser Organisation war es, die schnell voranschreitende gemeinsame Produktion über eine gebündelte Beschaffung zu straffen und effizienter zu gestalten. Hiermit eng gekoppelt war das Bestreben, Nissan schnellstmöglich aus der finanziellen Krise zu führen, indem die bisher aufgeblasene und immens kostenintensive Teilebeschaffung radikal verschlankt und zugleich Renaults unbefriedigendes Qualitätsmanagement von Grund auf restrukturiert wurde. Als Ausgangsstrategie diente nicht zuletzt auch hier die konsequente Umsetzung komplementärer Fähigkeiten und Prozesse der beiden Partner, konkret Renaults kosteneffizientes Beschaffungssystem und Nissans exquisites Qualitätsmanagement. Beides wurde über RNPO für die spezifischen Bedürfnisse der Allianz rejustiert. Die Durchsetzung und Implementierung neuer und gemeinsamer Standards in der Beschaffung und der Qualitätssicherung war und ist indes alles andere als ein leichtes Geschäft. Sie verlangte von beiden Seiten der Kooperation ein Abweichen von traditionellen und etablierten Prozessen und Erlernen neuer, unbekannter Standards. Das drückte sich z.B. in einer veränderten Gestaltung der etablierten Beziehungsmuster zu Lieferanten aus, wie der CEO von RNPO zu berichten weiß, denn „when we say common suppliers, it means common standards. We can only choose the supplier together if we agree on everything – including quality“ (Yoshino/Fagan 2003: 8). Renault etwa war bestrebt, die Anzahl der gemeinsam beschafften Teile möglichst hoch anzusetzen, um über
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Größenvorteile und Verhandlungsmacht Kosten zu reduzieren. Diese primär kostenorientierte bzw. kaufmännische Vorgehensweise, die bei Renault bisher üblich war, ging jedoch mitunter zu Lasten der Qualität der zugelieferten Teile. Insbesondere widersprach sie jedoch fundamental dem eher ingenieurs- und entwicklungsorientierten Beschaffungsansatz von Nissan, der auf engen Beziehungen und Kapitalverflechtungen in einem großen japanischen Zuliefernetzwerk aufbaute. Um nun im Rahmen der Renault-Nissan Allianz zugleich Kosten zu senken und die Qualität zu erhöhen, mussten folglich beide Partner Zugeständnisse machen. Insbesondere Nissans Konzessionen waren tief greifend und schmerzhaft: Auf der Grundlage der kostenorientierten Beschaffungsstandards von Renault wurde ein auf das japanische Zuliefersystem angepasstes „valuefor-money“ System entwickelt, das eine deutliche Reduzierung der Anzahl der bisherigen Zulieferer um mehr als 50 % vorsah und die Zielpreisverhandlungen zurück in die Hände von Nissan gab. Zugleich sollten jedoch zu einer Handvoll verbliebener Zulieferer weiterhin enge produktbezogene Beziehungen und kooperative Preisverhandlungen beibehalten werden, die für die Gewährleistung der hohen Qualität komplexer und innovativer Bauteile essentiell erscheinen. (vgl. Diem, 2001: 35). So hart die Einschnitte auch waren, der Erfolg gibt dem neuen, gemeinsamen System Recht und ist überwältigend. Geplant war anfänglich, über RNPO 30 % der Beschaffung der Allianz abzuwickeln. Schon 2002 wurden jedoch 43 %, und ein Jahr später gar 70 % der Beschaffung über RNPO geleistet, was im Jahr 2004 einem Umfang von $ 33 Mrd. entsprach (vgl. O.V, 2006: 3). Heute sparen die Allianzpartner durch das gemeinsame Joint Venture RNPO pro Jahr allein im Einkauf $ 1,4 Mrd (vgl. Dalan, 2005). Zugleich ist die Qualität der zugelieferten Bauteile und Module erheblich gestiegen, was nicht zuletzt der Übernahme wesentlicher Qualitätssicherungsstandards von Nissan in die gemeinsamen Beschaffungsprozesse zuzuschreiben ist. Die nachhaltige Adaption Nissans Praktiken zur Sicherung der Qualität durch Renault ist umfassend und spiegelt sich nicht nur in der Beschaffung wider, sondern auch in der Fertigung: „Quality systems at each of the group’s 34 assembly and component centres are now almost identical with those employed throughout Nissan“ (Glover, 2006: 9). Ein Überdenken sämtlicher Prozesse gerade in der Fertigung von Renault war auch dringend angebracht. Während Nissan in der britischen Produktionsstätte Sunderland im Jahr 2000 umgerechnet 101 Automobile pro Mitarbeiter fertigte, schaffte Renault in seiner produktivsten Anlage gerade einmal 77 Stück (vgl. Yoshino/Fagan: 8). Der kooperati-
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onsinduzierte Wandel der Produktionsprozesse bei Renault ging geradezu einher mit einem Pilgerzug von Renault-Mitarbeitern durch die Fertigungsstätten von Nissan und intensiven Schulungen dieser Mitarbeiter durch Beschäftigte von Nissan auch in den Werken von Renault. Die Inhalte zahlreicher neuer Fertigungspraktiken schienen zum Teil banal, basierten jedoch auf bei Renault bisher nicht bekannten „standard operating papers“, in denen optimierte manuelle Montagetätigkeiten exakt beschrieben wurden. Diese ausgeklügelten und explizierten Standardisierungen aller Abläufe ermöglichten eine umfassende und gut kontrollierbare Optimierung sämtlicher manueller Tätigkeiten und letztlich eine erhebliche Reduktion des montagebedingten Produktionssausfalls. Derartige Standards sind inzwischen an der Tagesordnung auch in den Produktionshallen von Renault. 3.3 Partnerspezifische Institutionen des Wissensaustauschs
Um die genannten Verbesserungen und Umstellungen zwischen den beiden Partnern möglichst reibungslos durchführen zu können, bedarf es auf die spezifische Beziehung abgestimmte Routinen und Gremien des Austauschs von Wissen, die die dritte Quelle von Kooperationsvorteilen in der Allianz zum Ausdruck bringt. Typische partnerspezifische Institutionen des Wissensaustauschs sind etwa die direkt im März 1999 gebildeten „Cross-Company Teams“ (CCTs), die partnerübergreifend Synergien in den zentralen Funktionsbereichen und Märkten aufspüren sollten, um sie dann in Gemeinschaftsprojekten kosteneffizient umzusetzen. Die CCTs waren anfänglich mit ca. 500 Mitarbeitern aus den Linen besetzt und widmeten je nach Position 20 - 80 % ihrer Arbeitszeit den Gemeinschaftsprojekten. Im Rahmen der Arbeit der CCTs entdeckte Synergien wurden etwa im Bereich der Forschung & Entwicklung erfolgreich gemeinsam umgesetzt, so dass die Gefahr von „Doppelentwicklungen“ vermieden werden konnte. Hierdurch gelang es der Renault-Nissan Allianz im Jahr 2004, ein gemeinschaftlich entwickeltes Navigations- und Kommunikationssystem zu produzieren, das heute u.a. im Nissan Pathfinder und im Renault Laguna eingesetzt wird. (vgl. O.V, 2005c: 27). Eine ganz spezifische Institution um den Austausch von best practices zwischen den beiden Partnern zu fördern ist das „Alliance Business Way Program“. Dieses Programm dient im Wesentlichen der institutionalisierten Ermöglichung und Förderung des schulungsbezogenen Mitarbeiteraustauschs. Ein Ziel dieses Programms ist es, den Mitarbeitern gezielt Einblicke in die jeweilige Kultur und die
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spezifischen Arbeitsweisen zu ermöglichen, um vor Ort erlernte Prozesse besser zu verstehen und letztlich für die Partnerorganisation übertragbar zu machen. Überdies werden in diesem Programm für gemeinsam besetzte Organisationen, wie etwa die CCTs, spezifische teambildende Routinen vermittelt und generiert, die im Anschluss den Wissensaustausch in zukünftigen Gemeinschaftsprojekten erleichtern helfen. Diese beiden Strategien zum Wissensaustausch förderten die Zusammenarbeit auf Mitarbeiterebene der beiden Unternehmen Renault und Nissan und initiieren damit ein wachstumsorientiertes Gemeinschaftsgefühl, das sicherlich ein maßgeblicher Grundstein für den nachhaltigen Erfolg der Renault-Nissan Allianz ist. 3.4 Partnerspezifische Kontroll- und Steuerungsstrukturen
Ein wesentlicher Garant des Erfolges innerhalb der Allianz, wie etwa in den CCTs, ist die Transparenz und Informalität der Entscheidungsprozesse, die einen offenen Informationsaustausch zwischen den Partnern erst gewährleisten, wie Carlos Ghosn, der heutige CEO der Allianz, explizit hervorhebt (vgl. Yoshino/Fagan: 5). Zweifelsfrei sind Verträge oder die gegenseitige Beteiligung der beiden Allianzpartner wichtige und effektive Mechanismen, um sich innerhalb der Beziehung aufeinander einzulassen oder sich gegenseitig abzusichern. Formelle Mechanismen sind aber nur ein Weg der Kontrolle und Steuerung innerhalb der Kooperation. Damit die Mitarbeiter z.B. in den CCTs aber faktisch effizient zusammenarbeiten, um wettbewerbsrelevantes Wissen auszutauschen, sich also zu „öffnen“ bereit sind, bedurfte es informeller Steuerungsmechanismen, wie Vertrauen oder „Goodwill“. Innerhalb der Führungsetagen der Renault-Nissan Allianz war man sich von vornherein darüber bewusst, schnellstmöglich ein Zeichen der Bereitschaft einer vertrauensvollen Zusammenarbeit setzen zu müssen. Als deutliches Zeichen dieses Willens entschied sich Nissan unmittelbar nach der Vertragsunterzeichnung 1999 bei der Planung eines neuen Kleinwagens, voll und ganz auf ein neues Plattformmodell von Renault zu setzen, somit den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und den Willen deutlich zu signalisieren. „This brave decision was very important since it happened rapidly and contributed to the success of the Renault-Nissan alliance“(Douion, 2002: 5), wie ein Mitglied des “Board of Directors” der Allianz zu berichten weiß. Die Wirkung auf das Verhalten der Mitarbeiter war phänomenal und nachhaltig. Es setzte innerhalb der Allianz nicht einfach eine Kultur des Gebens und Nehmens
Kooperative Ressourcenvorteile in der Automobilindustrie
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in Gang, sondern, wie Toshiyuki Shiga, Nissans COO es nennt, eine Allianzkultur des „give and give“. „Although lacking any historical core of corporate behavior, both sides give liberally of resources, time, and information. […] we were repeatedly struck by the willingness of Renault and Nissans executives to offer more than what their partner expected“ (Gomes/Korine/Masclef, 2002: 10). 4.
Erst am Anfang und doch schon fest vernetzt: Die Zweischneidigkeit der Mechanismen dauerhafter Allianzvorteile
Renault und Nissan haben schon große Erfolge durch ihre gemeinsame Allianz gefeiert. Es ist schwer vorstellbar, dass eine unabhängige Entwicklung der beiden Automobilhersteller auch nur annähernd die gleichen Erfolgstorys geschrieben hätte. Das Potenzial der Allianz ist jedoch noch lang nicht ausgeschöpft. Die vier dargestellten Quellen des Allianzerfolges sind nur der Grundstein einer dauerhaft erfolgreichen Partnerschaft. Viele Projekte des RenaultNissan Erfolgsmodells werden erst in den nächsten Jahren ihre volle Reife entfalten. Das gilt ganz besonders etwa für die gemeinsame Plattformpolitik, aber auch für zukünftige Beschaffungen für das immer stärker zusammen wachsende Produktangebot in vielen Funktionen und Märkten. Und genau diese relationalen Vorteile, die sich nicht zuletzt auch in der Reduzierung von Kosten ausdrücken, gilt es natürlich insbesondere in der aktuellen Krise der Automobilindustrie gezielt auszubauen. Dafür, dass die Allianz auch dauerhaft Wettbewerbsvorteile erzielt, sorgen neben einer Fortentwicklung der Quellen des Allianzerfolges ganz spezielle Mechanismen, die beide Partner fest miteinander verknüpfen – und zwar so einzigartig, dass Konkurrenten es schwer haben werden, identische Prozesse auf den Weg zu bringen. Speziell zwei derartige Mechanismen, die Hand in Hand mit den vier Quellen für einen anhaltenden Wettbewerbserfolg der Renault-Nissan Allianz sorgen, haben wir ebenfalls auf der Grundlage des Relational View eruieren können (vgl. Abb. 2).4 Diese Mechanismen sollten aber zugleich zur
4 Dyer/Singh (a.a.O., 671 ff.) machen prinzipiell vier Mechanismen aus, die das Potenzial haben, Wettbewerbsvorteile dauerhaft abzusichern. Neben den beiden von uns im Fallbeispiel feststellbaren Mechanismen werden dort noch die „Knappheit an Partnern“ (s. aber oben) sowie die „Institutionelle Umwelt“ aufgeführt.
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Vorsicht mahnen: Wie so oft produziert auch hier der Sonnenschein seine Schattenseiten gleich mit.
Abb. 2: Quellen und Mechanismen des Allianzerfolges Quelle: Eigene Quelle
5.
Kumulative Ressourcenvernetzung
Gemeinsam haben Renault und Nissan inzwischen eine große Anzahl von Investitionen vorgenommen. Erste Schritte waren etwa die oben dargestellten Investitionen in Produktionsstätten des jeweiligen Partners oder die Nutzung einer Plattform des Partners. Diese anfänglichen Investitionen zogen jedoch weitere Investitionen nach sich, da sich neue Potenziale auftaten, Vertrauen in die Zuverlässigkeit und das Vermögen des Partners erkennbar waren und somit weitere Investitionen kalkulierbar und anstrebenswert erscheinen ließen. Gemeinsame Produktionswerke, Fertigungsanlagen, Plattformen, Motorenentwicklungen usw. waren und sind das Resultat. Im Laufe der Zeit hat sich eine kumulative Ressourcenvernetzung innerhalb der Allianz entwickelt. Diese Entwicklung war eine logische Konsequenz des gewollten Zusammenwachsens der beiden Partner und ein Garant des dauerhaften Erfolges der Partnerschaft. Sie stellt deshalb einen wesentlichen Mechanismus anhaltender Ressourcenvorteile der Allianz dar. Aber Vorsicht: Eine derartige zunehmende und intensive Vernetzung zahlreicher wettbewerbszentraler Bereiche ist weder per se ein Erfolgsgarant von Kooperationen im Allgemeinen noch in der Automobilbranche im Speziellen. Was bei der Renault-Nissan Allianz seit Jahren hervorragend funkti-
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oniert, kann bei anderen ebenso schnell und dauerhaft in den Abgrund führen. Die Renault-Nissan Allianz war von vornherein durch ein optimal ineinander greifendes Stärken- und Schwächenprofil sowie einander ergänzende Märkte gekennzeichnet. Überdies hat sich sehr schnell eine einzigartige Allianzkultur des gegenseitigen Vertrauens gebildet. Beide Partner waren bereit und fähig, überall dort, wo es strategisch sinnvoll schien, bleibend wettbewerbsrelevante Ressourcen fest miteinander zu verweben – in weiten Teilen sogar bis zur Ressourcenunteilbarkeit. 6.
Unteilbarkeit von Ressourcen
Diese Unteilbarkeit von Ressourcen innerhalb der Allianz stellt den zweiten Mechanismus dauerhafter Wettbewerbsvorteile dar. Gerade dieser Mechanismus macht aber auch die Zweischneidigkeit der erfolgreichen, eng verwobenen Allianz von Renault und Nissan deutlich. Sie birgt zugleich das Potenzial allianzspezifische Wettbewerbsvorteile dauerhaft zu stellen und bedingt einen Verlust an Flexibilität und Eigenständigkeit der beiden Partner. Renault und Nissan haben es gleichwohl bisher geschafft, ihre Eigenständigkeit in Bezug auf die Darstellung und Wahrnehmung ihrer Markenidentitäten aufrechtzuerhalten. Die beiden Automobilhersteller sind sich einig, dass es eine entscheidende Frage für den zukünftigen Erfolg der Allianz sein wird, wie weit das Zusammenwachsen wesentlicher Ressourcen noch getrieben werden kann, ohne die spezifischen Identitäten der beiden Partner zu gefährden. Bei allen künftigen Schwierigkeiten sollten sich die Partner jedoch eins stets in Erinnerung rufen: Allein waren sie zwei taumelnde Riesen, die jetzt gemeinsam nicht nur gekonnt auftanzen, sondern inzwischen auch den Takt des Tanzes mitbestimmen. Unternehmen, die sich aktuell in Schwierigkeiten durch die Wirtschaftskrise sehen, können durch vergleichbare Allianzen mit einem komplementären Partner die Tiefe der Krise überleben und daraus gestärkt hervorgehen. Der Erfolg der Renault-Nissan Allianz basiert maßgeblich auf einem optimalen StärkenSchwächen-Profil und den daraus generierten Produktionsvorteilen und Produktinnovationen. Um diese Chancen – gerade im Vergleich zu früheren gescheiterten Kooperationen – für beide Seiten gewinnbringend zu nutzen, bedurfte es indes einer stimmigen sozialen bzw. kulturellen Grundlage, die im Rahmen der Allianz zu einer aufbruchorientierten Unternehmenskultur ausgebaut wurde und letztlich eine nachhaltige Gemeinschaft innerhalb der Allianz über alle Hierarchien hinweg fundamentiert. Das nun macht aber abschließend eins deut-
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lich: Eine Orientierung am „reinen Zahlenwerk“ etwa als Ausgangsbasis der strategischen Kooperationsentscheidung ist eine wenig verlässliche Größe zur Einschätzung des Potenzials der Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen bzw. relationaler Wettbewerbsvorteile – auch und gerade in finanziellen Krisensituationen. 7.
Literaturverzeichnis
Dalan, M. (2005): Erfolgsformel 180: Wie Nissan und Renault die Wende gelang und was das Auto-Doppel in den nächsten Jahren erwartet. In: Die Welt, 30. April. Diem, W. (1999): OEM Profile: Renault SA. In: Supplement to Ward’s Auto World. Diem, W. (2001): Renault-Nissan: Pooling Power. In: Automotive Engineer, Mai 2001. Douion, G. (2002): Behind the Scenes of the Renault-Nissan Alliance. Discussion Paper of Les Amis de l’École de Paris. Duschek, S. (2004): Inter-firm resources and sustained competitive advantage. In: Management Revue 15 (1), S. 53-73. Dyer, J.H./Singh, H. (1998): The Relational View: Cooperative Strategy and Sources of Interorganizational Competitive Advantage. In: Academy of Management Review 23 (4), S. 660-679. Glover, M. (2006): Renault Adopts Nissan’s Ideas to Raise its Quality. In: Automotive Engineer, Januar. Gomes, P.-Y./Korine, H./Masclef, O. (2002): Generating Cooperative Behavior Between the Unacquainted: A Case Study of the Renault/Nissan Alliance Formation Process. Working Paper. Heller, D.A./Fujimoto, T./Mercer, G. (2005): The Long-Term Value of M&A Activity to Enhance Organizational Learning: Findings from the Automobile Industry. MMRC Discussion Paper No.52, University of Tokyo. Katzensteiner, T. (2009): Smarte Ideen. In Wirtschaftswoche, Nr. 10, 2.3.2009, S. 47-54. O.V. (2005a): Im Fokus: Renault-Nissan: Strikte Plattformdiät. In: AutomobilProduktion, Januar. O.V. (2005b): Renault-Nissan Alliance, December 2005. O.V. (2006): Renault and Nissan: Forging a Global Alliance that is Greater than the Sum of its Parts. In: Cisco Systems: Customer Case Study. Rumpelt, T. (2005): Im Fokus: Renault-Nissan: Die Musterschüler. In: AutomobilProduktion Oktober 2005. Weernink, W.O. (2001): Renault, Nissan look for more opportunities to share. In: Automotive News Europe 6 (3). Yoshino, M.Y./Fagan, P.L. (2003): The Renault-Nissan Alliance. In: Harvard Business School Press, Boston, MA, Case 9-303-023.
Die Identifikation der kooperativen Kernkompetenzen am Beispiel der „Gesundheits- und Wellness“-Destination Bayern Elisabeth Fischer
Inhaltsverzeichnis 1.
Einleitung .........................................................................................112
2.
Kompetenzbildende Faktoren und Kriterien der kooperativen Kernkompetenzen ............................................................................112
3.
Probleme bei der Identifikation........................................................115
4.
Der Analyserahmen ..........................................................................117
5.
Die empirische Studie ......................................................................123
5.1
Orientierungsphase...........................................................................123
5.2
Bestandsaufnahme............................................................................126
5.3
Bewertungsphase..............................................................................126
5.4
Ergebnisphase ..................................................................................130
5.4.1 Lokalisierung der Wettbewerbsvorteile$30 5.4.2 Beitrag zu einem hohen Kundennutzen 133 5.4.3 Identifikation netzwerkspezifischer Ressourcen$35 5.4.4 Organisation interorganisationaler Routinen$% 5.4.5 Transferierbarkeit auf andere Märkte139
6.
Implikationen ...................................................................................140
7.
Literaturverzeichnis..........................................................................141
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
112
1.
Elisabeth Fischer
Einleitung
Damit ein Kernkompetenzmanagement im Sinne einer Gestaltungsaufgabe durchgeführt werden kann, bedarf es der Identifikation, der Integration, der Nutzung und der Entwicklung von Kernkompetenzen. Dafür müssen jedoch zuerst die Kernkompetenzen identifiziert werden, um darauf aufbauend eine Strategie sowie Maßnahmen zu deren Nutzung, Weiterentwicklung und Schutz formulieren zu können. Die Identifikation von kooperativen Kernkompetenzen ist ein wesentlicher Baustein für das Kompetenzmanagement und Startpunkt im Zyklus des Managementprozesses der Kernkompetenzen (vgl. Krüger/Homp, 1997). Sie ist die Voraussetzung, um kooperative Kernkompetenzen managen zu können. Zur Identifikation der Kernkompetenzen wurde in den vergangenen Jahren eine Reihe von Methoden und Techniken mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber auch begrifflichen Widersprüchen entwickelt (vgl. Bouncken, 2000). Der Fokus der gängigen Methoden liegt jedoch auf der Ebene des individuellen Unternehmens. Im Fokus dieses Beitrags steht die Frage, wie kooperative Kernkompetenzen in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken, wie es die touristische Destination darstellt, identifiziert werden können. Hier wird ein Analyserahmen (vgl. Fischer, 2009) mit entsprechenden Instrumentarien, basierend auf aktuellen Methoden zur Identifikation von Kernkompetenzen, für die Destination vorgestellt. Dafür werden im Folgenden zuerst die kooperativen Kernkompetenzen im touristischen Wertschöpfungsnetzwerk dargestellt und definiert sowie auf die Probleme bei der Identifikation von kooperativen Kernkompetenzen hingewiesen, die es zu berücksichtigen gilt. Schließlich wird am Beispiel der „Gesundheit und Wellness“- Destination Bayern der Analyserahmen zur Identifikation der kooperativern Kernkompetenzen vorgestellt und angewendet. Der Beitrag wird mit Implikationen aus der empirischen Studie abgeschlossen 2.
Kompetenzbildende Faktoren und Kriterien der kooperativen Kernkompetenzen
Für die Identifikation von kooperativen Kernkompetenzen ist das Verständnis für die kompetenzbildenden Faktoren und Kriterien der kooperativen Kernkompetenzen notwendig. Daher werden diese im Folgenden für das Destinationswertschöpfungsnetzwerk kurz dargestellt.
Struktur des Wertschöpfungssystems
Inputbasis
Unternehmensspezifische Prozesse
Kapital- und Wissensbestände, Lieferanten, Arbeitsmarkt, etc.
Unterstützende Faktoren
Unternehmen 2
Tourismusorganisation Destinationsmanagement
- Wettbewerbsvorteile - Schwer zu imitieren - Hoher Kundennutzen - Zugang zu neuen Märkten
Touristisch produktive Akteure
Kernelemente/ Attraktionen
Unternehmen 1
Interdependentes Zusammenwirken Integrierte Kernelemente/Attraktionen
Destinationsspezifisch: - in ihrer Anwendung im Netzwerk spezifisch genutzt - Ausschluss Dritter
Ressourcenbasis
interorganisationale Routinen
Netzwerkübergreifende Prozesse
Kooperative Kernkompetenzen
Natur, Kultur, Infrastruktur, etc.
Qualifizierende Faktoren
Unternehmen 3
- Netzwerkspezifische Investitionen - Austausch substantiellen Wissens - Komplementäre Ressourcen - Effektive Steuerungsmechanismen
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen 113
Abb. 1: Kompetenzbildende Faktoren kooperativer Kernkompetenzen
Quelle: in Anlehnung an Fischer, 2009: 168
Im Fokus stehen organisationale Kompetenzen. Kompetenzen stellen auf die Fähigkeit einer Unternehmung ab, erstens Ressourcen einer sinnvollen Nutzung zuzuführen und zweitens das vorhandene Wirkungspotential auszuschöpfen. Kernkompetenzen sind spezielle Kompetenzen, die einen Wettbewerbsvorteil darstellen und zu einer nachhaltig überdurchschnittlichen Rentabilität beitragen
114
Elisabeth Fischer
(vgl. Rasche, 2004; Freiling, 2001). Kooperative Kernkompetenzen sind das Ergebnis kooperativer Beziehungen und in Kooperationen eingebundener Ressourcen und Kompetenzen (vgl. Duschek, 1998; Dyer/Singh, 1998). Im weitesten Sinne trägt zu den kompetenzbildenden Faktoren der Destination die Inputbasis mit den qualifizierenden Faktoren als Rahmenbedingungen, den unterstützenden Faktoren für die touristische In-Wert-Setzung sowie den touristisch produktiven Akteuren als Kernelemente zur Kompetenzbildung der Destination bei. Sie stellen potenzialbestimmende Faktoren für die Erweiterung der Kompetenzen dar (siehe Abbildung 1). Die kompetenzbildenden Faktoren im engeren Sinne und die Quelle der kooperativen Kernkompetenzen sind jedoch die netzwerkspezifische Ressourcenbasis, die sich aus den spezifisch integrierten und veredelten Inputfaktoren des Destinationsnetzwerks zusammensetzt. Als destinationsspezifische Ressourcen im engeren Sinne können daher die integrierten unternehmensspezifischen Prozesse bzw. die Leistungen und Ressourcen, mit welchen sich die Akteure am Netzwerk beteiligen, die netzwerkspezifischen übergreifenden Prozesse des Destinationsmanagements und die Routinen zwischen den Leistungsakteuren sowie die systemischen Effekte, die sich aus der Struktur, der Interaktion und der Organisation des regionalen Wertschöpfungssystems ergeben, betrachtet werden. Die systemischen Effekte stellen das interdependente Zusammenwirken dar (vgl. Fischer, 2009; Duschek, 1998). Diese drei Dimensionen stellen die kompetenzbildenden Elemente kooperativer Kernkompetenzen im engeren Sinne dar. Kooperative Kernkompetenzen zeichnen sich durch bestimmte differenzierende Merkmale aus. Um eine Basis für kooperative Kernkompetenzen darzustellen, müssen die eingebrachten Leistungen zur Ressourcenbasis zählen und die Kriterien der netzwerkspezifischen Veredelung und dass Dritte von der Nutzung ausgeschlossen werden können, erfüllen. Schließlich sind auf der Ebene des Destinationsnetzwerks die netzwerkspezifischen Prozesse differenziert zu betrachten. Nicht alle kooperativen Kompetenzen tragen gleichermaßen zum Erfolg der Destination bei. Viele funktionale Kompetenzen sind in der Destination notwendig, um überhaupt im Markt bestehen zu können, ohne die Merkmale für strategisch besonders relevante Kompetenzen aufweisen zu können. Abhängig von der strategischen Relevanz ist zwischen einer kooperativen Kompetenz und einer kooperativen Kernkompetenz zu differenzieren. Das Kriterium des Wettbewerbsvorteils ist für die Unterscheidung von Kernkompetenzen von Bedeutung. Damit Destinationen im Wettbe-
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
115
werb langfristig bestehen können, müssen sie Wettbewerbsvorteile bieten, die für den Kunden einen hohen Nutzen darstellen, sie von anderen Destinationen differenzieren und schwer imitierbar machen. Darüber hinaus ist für die Nachhaltigkeit des Erfolges entscheidend, dass die kooperativen Kernkompetenzen dynamisch sind, d. h. nach den Marktbedürfnissen entsprechend weiterentwickelt und auf neue Märkte angewandt werden. Kooperative Kernkompetenzen stellen damit ein durch Lernprozesse optimiertes Bündel verschiedener Unternehmens- und netzwerkspezifischer Kompetenzen bzw. Prozesse und systemischer Effekte dar, das für die Gäste einen hohen Nutzen schafft, einem hohen Imitationsschutz unterliegt und den Zugang zu neuen Märkten ermöglicht (vgl. Dyer/Singh, 1998). Dieses strategisch relevante Bündel an kooperativen Kompetenzen gilt es zu identifizieren, damit das Destinationsmanagement die Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen gezielt managen und steuern kann. 3.
Probleme bei der Identifikation
Problematisch bei der Identifikation der Kernkompetenzen ist die Erfordernis des hohen Kundennutzens, da die Wertschätzung des Kunden erst durch den Unternehmenserfolg mittels einer Ex-post-Analyse zuverlässig festgestellt werden kann. Damit lassen sich Kernkompetenzen nur ex post bestimmen. Für erfolgreiche Produkte kann implizit ein hoher Kundennutzen angenommen werden und durch Kundenbefragungen validiert werden. Somit kann der Kundennutzen als Merkmal bei der retrospektiven Analyse der erfolgsbestimmenden Faktoren der Kernkompetenzen berücksichtigt werden. Sollen Kernkompetenzen prognostiziert werden, so kann der Kundennutzen nur als Zielvorstellung berücksichtigt werden (vgl. Bouncken, 2000). Ein weiteres Problem stellt die Tatsache dar, dass Kernkompetenzen zu den intangiblen Ressourcen zählen, die sich nur schwer direkt erheben lassen. Sie sind wenig sichtbar in bestimmte Kontexte eingebettet und in ihren Wirkungen schlecht zurechenbar, sodass einerseits eine schwierige Imitierbarkeit seitens der Konkurrenz bewirkt wird, aber auch andererseits die Identifikation der Kernkompetenzen erschwert wird (vgl. ebd). Schließlich gilt es bei der Identifikation der Kernkompetenzen zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Planungsebenen integriert sind und diese beim Identifikationsprozess entsprechend berücksichtigt werden müssen (vgl. Freiling,
116
Elisabeth Fischer
1998). Die Ressourcen und Kompetenzen befinden sich auf einer anderen Planungsebene als den Geschäftseinheiten. Vor allem im Hinblick auf die Analyse interorganisationaler Kompetenzen verschärft sich diese Problematik. Das Management der Kernkompetenzen ist ein wichtiger Entscheidungsbereich des strategischen Destinationsmanagements, der aber mit den Planungsebenen der einzelnen Leistungsträger verknüpft werden muss. Vor allem die Abstimmung der Investitionen und Vorgehensweise innerhalb des Netzwerks ist notwendig. Dies gestaltet sich durch die eingeschränkte Verfügungs- und Kontrollrechte des Destinationsmanagements über die Leistungen der Leistungsträger äußerst schwierig und verlangt viel Überzeugungskraft sowie starkes Commitment der Akteure zur Destination (siehe dazu auch den Beitrag von Fischer/Pechlaner in dieser Publikation). Nachdem hier kurz die wichtigsten kritischen Punkte des Identifikationsprozesses dargestellt wurden, werden für den Identifikationsprozess folgende Anforderungen festgehalten: Die Bestandsaufnahme muss einen dynamischen Charakter haben und die Entstehung und Entwicklung der Fähigkeiten sowie die mögliche Entfaltung derselben beinhalten. Der Fokus ist damit auf die bestehende Kompetenzbasis, die Kompetenzlücken im Hinblick auf die Verhältnisse der bestehenden Märkte sowie die zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten der vorhandenen Kompetenzen, die kurzfristig geschlossen werden können, gerichtet (vgl. Freiling, 1998). Der Prozess zur Identifikation der kooperativen Kernkompetenzen für das Destinationsmanagement beinhaltet im ersten Schritt die Identifikation und Klassifizierung der bestehenden Kompetenzen und Ressourcenbasis des Netzwerks und in einem zweiten Schritt die Identifikation der bestehenden kooperativen Kernkompetenzen der Destination. Hier wird im Folgenden ein Analyserahmen aus Instrumenten der Kompetenzund Ressourcenanalyse und den traditionellen Analysemethoden der strategischen Planung vorgeschlagen, der es ermöglicht, die kooperativen Kernkompetenzen der Destination zu identifizieren.
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
4.
117
Der Analyserahmen
Kernkompetenzen sowie die Ressourcen und Fähigkeiten, auf welchen sie beruhen, sind grundsätzlich in den Strukturen und Prozessen der Unternehmung bzw. des Netzwerks zu finden und dort verankert. Zur Identifikation muss ein methodisches Vorgehen sichergestellt sein, damit keine Informationen übersehen werden (vgl. Krüger/Homp, 1997; Edge et al., 1995). Für die Identifikation der kooperativen Kernkompetenzen können Instrumente oder Teile davon, die ursprünglich für die Untersuchungsebene des Unternehmens entwickelt worden sind, kombiniert werden und in leicht modifizierter Art auf der Ebene des interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerks angewendet werden. Für den ganzheitlichen Analyserahmen (vgl. Fischer, 2009) für das Wertschöpfungsnetzwerks der Destination werden die Methoden oder Teile davon neu kombiniert, leicht modifiziert und in eine Reihenfolge gebracht. Der Analyserahmen wird in eine Orientierungs-, eine Bestandsaufnahme- sowie eine Bewertungs- und Ergebnisphase geteilt (siehe Abbildung 2):
- Prozessanalyse (Prozessprofil) -Kompetenzorientierte Wertkettenanalyse -Analyse firmenspezifische Erfolgsgeschichte -Indikatoren zur Analyse der Inputbasis
- Kompetenzorientierte Wertkettenanalyse - VRIO Probe - Skill Mapping - Bewertung der Interdependenzen mittels Indikatoren der Entwicklung des Netzwerks
-Skill Cluster Analyse -Skill Mapping -Kompetenz-Portfolio -Analyse des Entwicklungsgrads und organisationalen Voraussetzungen
Schritt 2 -Identifikation und Klassifizierung der Wertschöpfungsprozesse bzw. Kompetenzen des Netzwerks - Analyse der Inputbasis - Pfade des Destinationsnetzwerks, Zukunftstrends
Schritt 3 -Bewertung der Input- und Outputfaktoren (Qualität und Anwendung) - Bewertung der Prozessen (Beherrschung, Anwendung, netzwerkspezifische Investitionen und Veredelung, interorganisationale Routinen) - Beitrag externe Kooperationen - Bewertung der Interdependenzen
Schritt 4 -Identifikation der Kompetenzbündel -Lokalisierung der Wettbewerbsvorteile im Netzwerk -Identifikation der Ressourcen des Netzwerks -Festlegung der kooperativen Kernkompetenzen -Analyse Entwicklungsgrad des Netzwerks, organisationale Voraussetzungen
Analyse der Wertschöpfungsarchitektur
Schritt 1 -Abgrenzung des Netzwerks -Analyse Wertschöpfungsstruktur - Identifikation der Akteure und Produkte - Organisation und Destinationsmanagement
Abb. 2: Der Analyserahmen
Quelle: Fischer, 2009: 243 Quantitative Auswertung, Workshop mit Schlüsselpersonen
Quantitative Befragung der Akteure
Qualitative Interviews mit Schlüsselpersonen
Explorative Interviews, Sekundärrecherche
118 Elisabeth Fischer
Orientierungsphase
Bestandsaufnahme
Bewertungsphase
Ergebnisphase
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
-
-
-
-
119
Orientierungsphase: Zu Beginn der Identifikationsphase steht die Analyse der Wertschöpfungsarchitektur, um eine Orientierung über die Struktur des Wertschöpfungsnetzwerks, dessen Akteure und dessen Management zu gewinnen. Dazu eignen sich explorative Interviews sowie eine Sekundärrecherche. Bestandsaufnahme: Anschließend ist es notwendig, die einzelnen Prozesse bzw. Fähigkeiten, die zur Wertschöpfung beitragen, zu definieren. Es werden qualitative Interviews mit Schlüsselpersonen des Netzwerks durchgeführt und nach der Prozess- und der kompetenzorientierten Wertkettenanalyse nach Krüger/Homp (1997) ausgewertet. Zudem gilt es, die Inputbasis sowie die dynamischen Entwicklungen der Destination und deren Kompetenzen zu analysieren. Die Betrachtung der unternehmensspezifischen Erfolgsgeschichte nach Nasner (1998) gibt der Analyse einen dynamischen Charakter und erlaubt es, die Pfadabhängigkeiten zu berücksichtigen. Bewertungsphase: In der Bewertungsphase werden die kompetenzbildenden Faktoren und Prozesse nach den Kriterien der kooperativen Kernkompetenzen durch die Netzwerkmitglieder im Rahmen einer quantitativen Befragung bewertet. Zum Destinationsprodukt trägt eine Vielzahl von Unternehmen mit ihren Kompetenzen und Leistungen bei. Hier kommt es schließlich darauf an, eine netzwerkweite Bilanz der kompetenzorientierten Wettbewerbsvorteile zu ziehen. Für den Fragebogen wurden zur Bewertung der Kriterien eine Reihe von Indikatoren entwickelt, wie die Beherrschung und Anwendung der Prozesse sowie den Grad der netzwerkspezifischen Investitionen und Veredelung zur Identifikation interorganisationaler Routinen (siehe dazu Tabelle 1). Zudem sind der Beitrag externer Kooperationen sowie die Bewertung der Interdependenzen zum Grad der Netzwerkentwicklung Gegenstand dieser Analysephase. Der Aufbau des entwickelten Fragebogens orientiert sich nach der kompetenzorientierten Wertkettenanalyse (vgl. Krüger/Homp, 1997), der VRIO-Probe (vgl. Barney, 2002), dem Skill-Mapping (vgl. Edge et a., 1995) sowie der Bewertung von Indikatoren zur Analyse der Entwicklung des Netzwerks. Ergebnisphase: Mit der Ergebnisphase werden schließlich die kooperativen Kernkompetenzen identifiziert. Mit der Skill-Cluster-Analyse (vgl. Edge et al., 1995) lassen sich im Destinationsnetzwerk Cluster mit gemeinsamen Kompetenzbün-
120
Elisabeth Fischer
deln identifizieren. Diese werden mit dem Skill-Mapping auf Wettbewerbsvorteile in den verschiedenen Bereichen analysiert. Schließlich sind die lokalisierten Wettbewerbsvorteile nach der Erfüllung des Kriteriums der Netzwerkspezifität zu prüfen. Mithilfe des Kompetenz-Portfolios (vgl. Hinterhuber, 2004) gilt es zu definieren, ob es sich bei den Leistungen und Wettbewerbsvorteilen der einzelnen Netzwerkpartner lediglich um Inputfaktoren oder auch tatsächlich um Ressourcen des Netzwerks handelt. Schließlich kann erst von kooperativen Kernkompetenzen gesprochen werden, wenn interorganisationale Routinen existieren, diese auf andere Märkte transferierbar sind und ein bestimmter Entwicklungsgrad des Wertschöpfungsnetzwerks erreicht ist. Flankierend dazu können die bestehenden organisationalen Voraussetzungen und die Interdependenzen als Indikatoren des Entwicklungsgrades des Netzwerks betrachtet werden.
Trägt der Prozess zu einem Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz bei?
Trägt der Prozess zu einem hohen Kundennutzen bei?
Sind die integrierten Leistungen bzw. Kompetenzen netzwerkspezifisch veredelt? Investieren sie (nicht nur monetär) netzspezifisch? Können Dritte von der Nutzung ausgeschlossen werden?
Wettbewerbsvorteil
Hoher Kundennutzen
Netzwerkspezifisch (Schwer zu imitieren)
Sind die integrierten Leistungen bzw. Kompetenzen netzwerkspezifisch veredelt? Investieren sie (nicht nur
Indirekte Frage
Kriterium
1 = Sehr wenig, 2 = Wenig, 3 = Mittel, 4 = Viel, 5 = Sehr viel Gar nicht
Nutzen Sie bestimmte Möglichkeiten, um spezifisch in das Netzwerk zu investieren (Weiterempfehlung, Leben der Philosophie, Entwicklung spezifischer Produkte etc.)? Nutzen sie die unterstützenden Leistungen der fokalen Unternehmung?
1 = Sehr wenig, 2 = Wenig, 3 = Mittel, 4 = Viel, 5 = Sehr viel
Wie viel davon benötigen Sie für die Erstellung der Produkte bzw. Angebote?
1 = Sehr gering, 2 = Unterdurchschnittlich, 3 = Durchschnittlich, 4 = Überdurchschnittlich, 5 = Erstklassig,
Wie stark beherrschen Sie den Prozess?
Direkte Frage
Grad der Nutzung
Grad der Anwendung
Stärke der Beherrschung
Indikator
Sehr hoch
Sehr hoch
Sehr hoch
Voraussetzung
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen 121
Existieren interorganisationale Aktivitäten?
Wie stark ist das Netzwerk entwickelt?
Sind sie auf verschiedene Märkte transferierbar?
Interorganisationale Routinen
Interdependenzen
Transferierbarkeit auf Märkte
Tab. 1: Kriterien zur Bewertung der identifizierten Prozesse Quelle: Fischer, 2009:. 233 Abgleichung mit Zukunftstrends
Wie hoch ist Bedeutung der Prozesse für zukunftsträchtige Märkte?
1 = Trifft gar nicht zu, 2 = Trifft eher nicht zu, 3 = Vielleicht, 4 = Trifft eher zu, 5 = Trifft voll zu,
Treten Indikatoren als Zeichen für Interdependenzen auf?
1 = Sehr wenig, 2 = Wenig, 3 = Mittel, 4 = Viel, 5 = Sehr viel Gar nicht
Beteiligung an den interorganisationalen Aktivitäten des Netzwerks?
Bedeutung für zukünftige Märkte
Voraussetzungen für Interdependenzen, die sich aus der Interaktion ergeben
Grad der Nutzung
Sehr hoch
Sehr hoch
Sehr hoch = Hoher Integrationsgrad
122 Elisabeth Fischer
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
123
Der hier vorgestellte Analyserahmen wurde in der folgenden Studie zur Identifikation der kooperativen Kernkompetenzen der Gesundheit- und Wellnessdestination Bayern angewendet. 5.
Die empirische Studie
Ziel der im Sommer 2008 durchgeführten Studie war es, die kooperativen Kernkompetenzen des Wertschöpfungsnetzwerks der Gesundheits- und Wellnessdestination Bayern anhand des entwickelten Analyserahmens zu erheben. Ausgangspunkt der Analyse ist die BAYERN TOURISMUS Marketing GmbH (kurz: by.TM), die Tourismusorganisation Bayerns und damit fokale Unternehmung im Destinationsnetzwerk. Die by.TM führt WellVital als Dachmarke für Gesundheits- und Wellnessurlaub in Bayern. Die Marke WellVital wurde 2002 von der by.TM in einem gemeinsamen Projekt mit dem Bayerischen Heilbäderverband (BHV) und des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (BHG) gegründet. Zielsetzung von WellVital ist es, Bayern als Wellness- und Gesundheitsdestination durch die Schaffung einer bayerischen Qualitätsmarke zu profilieren. Das Markenkonzept ermöglicht den Akteuren mit relativ knappen Marketingmitteln mittels eines vernetzten Kommunikationsansatzes und der indirekten Nutzung der Vertriebsstrukturen der by.TM die Erzielung einer großen Reichweite am Markt. Hinter der Marke stehen ein zuständiger Produktmanager bei der by.TM und ein Netzwerk an ausgewählten Partnerbetrieben, -orten und Zulieferern, die gemeinsam als Produkt-Subnetzwerk betrachtet werden können. WellVital besitzt damit ein eigenes Produktionsnetzwerk, eine eigene Wertschöpfungsstruktur und damit das Potential eigener kooperativer Kernkompetenzen.
5.1 Orientierungsphase
In der Orientierungsphase wurden drei explorative Interviews geführt, um die Wertschöpfungsstruktur des Destinationsnetzwerks WellVital zu analysieren. Im Wertschöpfungsnetzwerk von WellVital übernimmt die by.TM das zentrale strategische Destinationsmanagement. Die Akteure schließen sich durch das Markenkonzept WellVital mit einer planmäßigen Strategie zusammen und werden von der Produktmanagerin der by.TM zentral koordiniert. Damit besteht ein strategisches Netzwerk mit klaren gemeinsamen Zielen, formalen Strukturen
124
Elisabeth Fischer
und einer klaren Rollenverteilung. Destinationsprodukte, welche vom Wertschöpfungsnetzwerk WellVital produziert werden, sind die Gesundheits- und Wellnessaufenthalte in den WellVital-Hotels und WellVital-Orten. Jeder Markenpartner stellt ein spezielles WellVital-Produkt dar und bietet spezifische Angebote am Markt. Die Partner bringen mit der Partnerschaft ihre Leistungen in das Wertschöpfungsnetzwerk ein und müssen zudem einen jährlichen Mitgliedsbetrag sowie eine einmalige Aufnahmegebühr für die Aufnahmeprüfung bezahlen.1 Im Gegenzug dazu werden die Akteure als Markenpartner von WellVital von der by.TM beworben. Sie können die Marke WellVital für ihre eigenen Marketingmaßnahmen nutzen und sich laufend an den von der by.TM organisierten Marketingmaßnahmen beteiligen. Die primären Wertschöpfungsaktivitäten setzen sich damit folgendermaßen zusammen: Im operativen Bereich der Produktmarke WellVital bietet das Produktmanagement der by.TM die Marketingkompetenzen für die Vermarktungsaktivitäten. Die zu vermarktenden Leistungen in den Bereichen Beherbergung, Ernährung, Bewegung, Entspannung, Gesundheit/Prävention und Unterhaltung müssen jedoch von den Hotels und Orten eingebracht werden. Die WellVitalHotels und WellVital-Orte produzieren am Ende das Produkt, welches von der by.TM vermarktet wird. Ein bedeutender Teil der operativen Marketingleistungen ist die Qualitätssicherung der by.TM. Zur Sicherstellung der Umsetzung werden die Qualitätskriterien bei den Partnern alle drei Jahre durch externe Prüferinnen überprüft. Im sekundären Wertschöpfungsbereich spielen neben dem strategischen Markenmanagement die unterstützenden Aktivitäten des Produktmanagements der by.TM eine wichtige Rolle. Die Markenpartner werden von der by.TM mit entsprechenden Maßnahmen unterstützt, z. B. erhalten die Partner jährlich ein Marketingpaket sowie ein WellVital-ABC als Anregung zur Produktentwicklung. Zudem organisiert das Produktmanagement Weiterbildungsseminare für die Mitglieder. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Wertschöpfungsstruktur der Marke.
1
Vgl. Wellvital Gut gebucht! Maßnahmen & Informationen für Ihr Marketing 2007, Stand 8/2006.
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
125
O H
H H
O
H
H ... 145 Hotels O … 40 Orte
O
H
it/ ndhe Gesu ent ion Präv ng ltu ha
ter Un
Pr entowdukt ickl ung Marketing, Qualität
Ernähru ng Be he rbe rgu ng
Markt/Gast
g un eg w Be
Systemische Effekte Interdependenzen
Entsp
g annun
Aktivitäten
Unterstützung bei der Produktentwicklung
Primäre, operative Aktivitäten Unterstützende Aktivitäten
WellVital Markenpartner Paket Kollektive Dienstleistungen (Information, internes Marketing, etc.) Weiterbildung
Abb. 3: Wertschöpfungsstruktur der Marke WellVital Quelle: Fischer, 2009: 252
Heute zählt die Marke WellVital ca. 185 Partner (40 Orte und 145 Hotels)2. Die integrierten Kompetenzträger des Wertschöpfungsnetzwerks sind neben der by.TM im primären Wertschöpfungsbereich die WellVital-Hotels und WellVitalOrte sowie der BHV und BHG als Netzwerkpartner. Als weitere integrierte Kompetenzträger können neben dem Produktmanagement der by.TM die exter-
2
Auskunft Produktmanagement WellVital, November 2007.
126
Elisabeth Fischer
nen Prüferinnen der by.TM sowie externe Kooperationspartner identifiziert werden. Mit diesem Vorwissen war es möglich, die Schlüsselpersonen für die qualitative Phase der Bestandaufnahme auszuwählen.
5.2 Bestandsaufnahme
Die Phase der Bestandaufnahme, mit dem Ziel die einzelnen Prozesse die zur Wertschöpfung beitragen zu definieren, bildet den qualitativen Teil der Analyse der kooperativen Kernkompetenzen. Entsprechend der Wertschöpfungsstruktur der Marke WellVital konnten Schlüsselpersonen als Interviewpartner für die Phase der Bestandsaufnahme ausgewählt werden. Die insgesamt 23 ausgewählten Schlüsselpersonen wurden in qualitativen Experteninterviews zu den bestehenden Prozessen bzw. Kompetenzen des Wertschöpfungsnetzwerks, der Inputbasis und der Entwicklungsgeschichte und -perspektive des Gesundheits- und Wellnesstourismus in Bayern befragt. Die Auswertung erfolgte nach der qualitative Inhaltsanalyse (vgl. Mayring, 1997), um schließlich die erfolgskritischen Wertschöpfungsprozesse des Destinationsnetzwerks WellVital zu identifizieren. In dieser Phase wurden die wertschöpfenden Prozesse des Destinationsnetzwerks definiert, die von den Markenpartnern und der fokalen Unternehmung im Netzwerk eingebracht werden.
5.3 Bewertungsphase
Im Zentrum der Bewertungsphase steht die Bewertung der in der Phase der Bestandsaufnahme identifizierten Prozesse. Für die Phase der Bewertung der Prozesse und Faktoren wurde auf der Basis der qualitativ erhobenen Prozesse und Faktoren ein standardisierter Fragebogen entwickelt. Die im Vorfeld erhobenen Prozesse und Faktoren werden darin anhand der in Tabelle 1 beschriebenen Kriterien quantitativ bewertet, um zu analysieren, ob es sich um Prozesse handelt, die zu einer kooperativen Kernkompetenz beitragen. Der Aufbau des Fragebogens zur Bewertung der Prozesse gestaltet sich nach den in Tabelle 2 dargestellten Befragungsblöcken, Kriterien und Ratingskalen. Aufgrund der Unterschiede in den Wertschöpfungsprozessen wurde für die Orte und die Hotels jeweils ein eigener Fragebogen erstellt. Der Teil zu den Prozessen der by.TM war jedoch bei beiden identisch, wie Tabelle 2 zeigt.
1 = Sehr wenig, 2 = Wenig, 3 = Mittel, 4 = Viel, 5 = Sehr viel Spielt keine Rolle
Wie viel wird integriert?
1 = Schlecht, 2 = Unter-durchschnittlich, 3 = Durch-schnittlich, 4 = Überdurchschnittlich, 5 = Erstklassig, Nicht vorhanden
Qualität
1 = Sehr wenig, 2 = Wenig, 3 = Mittel, 4 = Viel, 5 = Sehr viel Spielt keine Rolle
Wie viel wird benötigt?
Ernährung (5 Items), Bewegung (2 Items), Gesundheit/Prävention (6 Items), Entspannung (2 Items), Beauty, Unterhaltung, Betreuung & Beratung (jeweils 1 Item), Infrastruktur (2 Items);
Standortfaktoren (10 Items)
Qualität
Standort
Verfügbare Leistungen (Kriterien WellVital)
Klassifizierung, Typ des Standortes, Hintergrund, Thema Kur/Wellness/Gesundheit, Angebotsschwerpunkte, Strategische Ausrichtung, sonst. Angebotsgruppen
Häufigkeiten
Einführung
1 = Schlecht, 2 = Unter-durchschnittlich, 3 = Durch-schnittlich, 4 = Überdurchschnittlich, 5 = Erstklassig, Nicht vorhanden
Items Hotels
Skalen
Dimensionen
Beherbergung (1 Item), Ernährung (5 Items), Bewegung (2 Items), Gesundheit/Prävention (6 Items), Entspannung (2 Items), Beauty, Unterhaltung, Betreuung & Beratung (jeweils 1 Item)
Standortfaktoren (9 Items)
Typ des Ortes, Thema Kur/Wellness/ Gesundheit, Angebotsschwerpunkte, Leitbetriebe, Strategische Ausrichtung, sonst. Angebotsgruppen
Items Orte
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen 127
WellVital Partnerschaft
Externe Kooperationen
Kompetenzen der Organisation
Häufigkeiten
1 = Sehr wenig, 2 = Wenig, 3 = Mittel, 4 = Viel, 5 = Sehr viel Spielt keine Rolle
Herkunft & Beitrag zu Produkten
1 = Sehr wenig, 2 = Wenig, 3 = Mittel, 4 = Viel, 5 = Sehr viel Spielt keine Rolle
Wie viel wird benötigt?
1 = Sehr gering, 2 = Unterdurchschnittlich, 3 = Durch-schnittlich, 4 = Über-durchschnittlich, 5 = Erstklassig, Trifft nicht zu
Beherrschung
6 Items
Konzeptionell (3 Items), Koordination des Angebotes (5 Items), Produktentwicklung (5 Items), Verknüpfung Umfeld mit dem Angebot (4 Items), Marketing (3 Items), Weiterentwicklung (9 Items);
Motiv (8 Items), Dauer, Anteil Buchungen, Stellenwert, Mitglied bleiben, Positiv/Negativ
12 Items
Konzeptionell (3 Items), Umfeldgestaltung (3 Items), Produktgestaltung (4 Items), Angebot (3 Items), Gästebetreuung (3 Items), Atmosphäre (2 Items), Verknüpfung Umfeld mit dem Angebot (5 Items), Marketing & Vertrieb (4 Items), Weiterentwicklung (8 Items);
128 Elisabeth Fischer
Tab. 2: Aufbau des Fragebogens der Bewertungsphase
Quelle: Fischer, 2009: 274 Erfolg des Betriebs bzw. des Ortes Nächtigungen, Betten, Umsatz, Umsatz Wellness, Mitarbeiter, Auslastung, Schulungen, Gästebefragungen, Auszeichnungen
Häufigkeiten
Daten zum Betrieb
Nächtigungen, Marketingbudget, Mitarbeiter, Personal Marketing, Beherbergungsinfrastruktur, Schulungen, Gästebefragungen, Auszeichnungen
Indikatoren für Interdependenzen, Entwicklung des Wertschöpfungsnetzwerks (10 Items)
Nutzung der unterstützenden Leistungen und Möglichkeiten netzwerkspezifischer Investitionen (12 Items)
Operative Prozesse (Marketing & Management, Vertrieb, Qualitätsmanagement) (13 Items), Unterstützende Prozesse (5 Items), Steuerung (1 Item);
1 = Kein Erfolg,,2 = Wenig Erfolg, 3 = Mittel, 4 = Erfolgreich, 5 = Sehr erfolgreich
1 = Trifft gar nicht zu, 2 = Trifft eher nicht zu, 3 = Vielleicht, 4 = Trifft eher zu, 5 = Trifft voll zu,
Zutreffend
1 = Sehr wenig, 2 = Wenig, 3 = Mittel, 4 = Viel, 5 = Sehr viel Gar nicht
Nutzung
1 = Sehr unwichtig, 2 = Unwichtig, 3 = Weder noch, 4 = Wichtig, 5 = Sehr wichtig, Spielt keine Rolle
Bedeutung
1 = Sehr gering, 2 = Unterdurchschnittlich, 3 = Durch-schnittlich, 4 = Über-durchschnittlich, 5 = Erstklassig, Trifft nicht zu
Beherrschung
Erfolg
WellVital Kompetenzen by.TM
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen 129
130
Elisabeth Fischer
Für die quantitative Befragung wurde ein Pretest des Fragebogens mit jeweils sechs Orten und sechs Hotels durchgeführt. Der Fragebogen wurde schließlich in einer Vollerhebung an die aktuellen Partner von WellVital (N = 185) versandt. Der Rücklauf betrug insgesamt 30,8 % (n = 59).3 Nachdem die Bewertung durch die Netzwerkpartner erfolgt ist, kann in die Ergebnisphase des Analyserahmens übergegangen werden. Im Folgenden werden Teile der Ergebnisse auf dem Weg zur Identifikation der kooperativen Kernkompetenzen dargestellt.
5.4 Ergebnisphase
Für die statistische Auswertung wurden in einem ersten Schritt die zahlreichen Items und einzelnen Prozesse zu Wertschöpfungsprozessfaktoren reduziert. Dafür sollte eine Faktorenanalyse (vgl. Diehl/Staufenbiel 2007) für die einzelnen Prozessdimensionen durchgeführt werden (vgl. Janssen/Laatz 1998). Für jeden Prozessfaktor wurden zwei Faktoren gebildet. Ein Faktor stellt dar, wie stark der Prozess beherrscht wird (Stärke der Beherrschung) – der andere Faktor, wie viel von diesem Prozess bzw. der Kompetenz für die Erstellung der Produkte benötigt wird (Anwendungsgrad).4 Nun galt es als erstes Kriterium die Wettbewerbsvorteile zu identifizieren und zu lokalisieren.
5.4.1
Lokalisierung der Wettbewerbsvorteile
Um dafür die homogenen Bündel bzw. Kombinationen von hervorragenden Kompetenzen, die zur Erstellung der Produkte angewendet werden, zu identifizieren, wurde die Skill-Cluster-Analyse durchgeführt. Mit der hierarchischen Clusteranalyse (vgl. Janssen/Laatz 1998) wurde auf Basis der Faktoren der Anwendung der Kernprozesse sowie des Beitrags der externen Kooperationen zur Erstellung der Produkte Cluster gebildet. Als Ergebnis konnten unter den Hotels und den Orten jeweils zwei in sich homogene Gruppen identifiziert werden, die sich im Hinblick auf die Bündelung
3 Genauer betrachtet, sendeten 26,2 % der Hotels (n = 38) und 52,5 % der Orte (n = 21) den Fragebogen ausgefüllt zurück. 4 Um die Güte und die Validität der Faktoren der Wertschöpfungsprozesse zu testen, wurde eine Reliabilitätsanalyse mit Cronbachs Alpha-Koeffizient (Diehl/Staufenbiel, 2007: 581ff; Bortz, 1999: 543) und ein T-Test bei einer Stichprobe (Diehl/Staufenbiel, 2007: 174ff, Janssen/Laatz, 1998: 295) durchgeführt. Die gebildeten Faktoren der Kernprozesse konnten als statistisch reliabel und valide geprüft werden.
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
131
der Prozesse, die wie Ressourcen zu Produkten umgewandelt und dem Markt zugeführt werden, wesentlich unterschieden. Ein vergleichender Blick auf die Merkmale und die strategische Ausrichtung der Hotels der jeweiligen Gruppen ließ bereits erkennen, dass unter den Hotels ein Cluster 1 als „echte Wellnessund Gesundheitshotels“ bezeichnet werden kann, da diese Hotels eine größere gewachsene Gesundheitskompetenz besitzen, sich offensichtlich auf das Angebot im touristischen Wellness- und Gesundheitsmarkt spezialisiert haben und dieses ihr Kerngeschäft darstellt. Im Vergleich deutet das Cluster 2 auf „Mee-too“-Betriebe hin, für die neben Wellness andere strategische Themen (Tagungen, Kinder und Familien, Natur) eine größere Rolle spielen. Im Gegensatz zum ersten Cluster sind hier keine gewachsenen Gesundheitskompetenzen zu erkennen, der Schwerpunkt dieser Betriebe liegt in einem anderen Kerngeschäft. Wellness und Gesundheit werden als Zusatznutzen angeboten. Um nun die Kompetenzbündel, die hervorragend beherrscht werden und damit zu den kooperativen Kernkompetenzen beitragen können, zu identifizieren und lokalisieren, wurde im Folgenden für die Cluster im Vergleich ein SkillMapping der unternehmensspezifischen Prozesse durchgeführt. Mithilfe des Skill-Mapping können nun die Kernprozesse identifiziert werden. Für das SkillMapping werden, als Ergebnisse auf die Frage nach der Stärke der Beherrschung der Prozesse, die Mittelwerte5 der beiden Hotel-Cluster im Vergleich dargestellt. Nach Edge et al. (1995) sind jene Prozesse als Stärken zu bewerten, die einen Wert zwischen 4 und 5 haben. Das Skill-Mapping der unternehmensspezifischen Prozesse der Hotels ließ klar erkennen, dass das Kompetenzbündel des Cluster 1, der „echten Wellness- und Gesundheitshotels“, jenes Kompetenzbündel im WellVital-Netzwerk mit den besonders starken und hervorragenden Fähigkeiten darstellt. Cluster 1 beherrscht die Kernprozesse und kann damit zum Wettbewerbsvorteil des Destinationsnetzwerks beitragen. Die „Mee-too“Hotels von Cluster 2 liegen in der Beherrschung aller Wertschöpfungsprozesse unter dem Durchschnitt der Hotels des Netzwerks. Cluster 2 trägt damit nicht zu den Wettbewerbsvorteilen des Destinationsnetzwerks bei. Nachdem die hervorragenden Kompetenzbündel unter den Hotels identifiziert und auch die Wettbewerbsvorteile dieser Netz-
5 Es wurde eine fünfstufige Ratingskala verwenden: 1 = Sehr gering, 2 = Unterdurchschnittlich, 3 = Durchschnittlich, 4 = Überdurchschnittlich, 5 = Erstklassig.
132
Elisabeth Fischer
werkpartner lokalisiert wurden, werden diese Analysen auch für die Orte durchgeführt. Auch bei den Orten konnten mit der Skill-Cluster-Analyse ebenfalls zwei Gruppen identifiziert werden, die sich in der Verarbeitung und Marktzuführung der Ressourcen und Produkte unterscheiden. Hier kann zum einen von „zukunftsorientierten Kurorten mit touristischen Kompetenzen“ und zum anderen von „Orten mit geringerer Gesundheitskompetenz bzw. starker Orientierung am Kur- und Gesundheitswesen“ gesprochen werden. Die erste Gruppe von Orten setzt sich aus prädikatisierten Kurorten mit einer hohen gewachsenen Gesundheitskompetenz zusammen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine zukunftsorientierte Perspektive im Sinne einer Orientierung weg von der staatlichen Kur hin zum Gesundheitstourismus haben. Es lässt sich daraus schließen, dass diese Orte bereits eine touristische Ausrichtung besitzen und touristische Kompetenzen entwickelt haben. Das zweite Cluster setzt sich dagegen einerseits aus jenen Orten mit einer geringeren gewachsenen Gesundheitskompetenz, an welchen die klassische Kur keine Rolle spielt, zusammen – und hat andererseits jene Kurorte dabei, die sich noch stark am Kur- und Gesundheitswesen und weniger am Gesundheitstourismus orientieren. Die Analyse der Beherrschung der Prozesse mit dem Skill-Mapping zeigt, dass die Orte im Vergleich zu den Hotels kaum bzw. keine Wettbewerbsvorteile besitzen. Die Schwäche der Orte liegt darin, dass sie die touristischen Wertschöpfungsprozesse nur in einem durchschnittlichen Rahmen beherrschen. Die Detailanalyse des Skill-Mapping zeigt, dass Cluster 1 der „zukunftsorientierten Kurorte mit touristischen Kompetenzen“ jenes Kompetenzbündel mit den relativ stärkeren Fähigkeiten im Vergleich zu Cluster 2 besitzt. Sie besitzen wie Cluster 2 kaum Wettbewerbsvorteile, aber es lassen sich vereinzelt Fähigkeiten identifizieren, die den Wert 4 erreichen bzw. übersteigen und damit Kernprozesse darstellen, die zu Wettbewerbsvorteilen des Destinationsnetzwerks beitragen können. Cluster 1, die „zukunftsorientierten Kurorte mit touristischen Kompetenzen“ beherrscht die im Vorfeld identifizierten erfolgskritischen Prozesse grundsätzlich besser als Cluster 2. Damit wurden die Kompetenzbündel mit den Wettbewerbsvorteilen unter den Orten und den Hotels identifiziert. Diese können im Folgenden auf die restlichen Kriterien überprüft werden.
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
5.4.2
133
Beitrag zu einem hohen Kundennutzen
Allein aufgrund der Stärke der Beherrschung der Kompetenzen können noch keine Aussagen zu den kooperativen Kernkompetenzen getroffen werden. Es gilt nun, die unternehmensspezifischen Prozesse von Cluster 1, den echten Wellness- und Gesundheitshotels, auf das zweite Kriterium hin zu prüfen – den hohen Kundennutzen. Dieser wird über den Indikator „Grad der Anwendung“ erhoben (siehe Tabelle 1). Nur hervorragend beherrschte Kernkompetenzen, die auch Anwendung bei der Produktion erfolgreicher Produkte finden, können am Ende zu einem hohen Kundennutzen und damit schließlich zu kooperativen Kernkompetenzen beitragen. Dieses weitere Kriterium lässt sich mithilfe des adaptierten KompetenzPortfolios nach Hinterhuber (2004) analysieren. Zur weiteren Analyse werden die unternehmensspezifischen Prozesse in einer zweidimensionalen Matrix eingetragen. So kann für die einzelnen Kompetenzen die ermittelte Kompetenzstärke dem Anwendungsgrad gegenübergestellt und entsprechend im Portfolio positioniert (siehe Abbildung 4) werden. Die unternehmensspezifischen Kompetenzen können im Portfolio in vier Quadranten positioniert werden: -
-
-
Kompetenzstandards unten links: Dies sind Kompetenzen, die nicht gut beherrscht und auch nicht stark angewendet werden, häufig aber für den normalen Geschäftsbetrieb notwendig sind. Kompetenz-Gaps oben links: Dies sind Kompetenzen deren Bedarf groß ist und stark vom Kunden nachgefragt werden, deren Beherrschung aber zu wünschen übrig lässt. Hier herrscht Verbesserungspotential. Kompetenzpotentiale unten rechts: Diese werden sehr gut beherrscht, aber noch nicht angewendet. Und schließlich oben rechts die aktuellen organisationalen Kernkompetenzen, die hervorragend beherrscht und auch stark angewendet werden.
Für die unternehmensspezifischen organisationalen Prozesse des Cluster 1 der Hotels (Faktoren 1-8) lässt sich feststellen, dass diese Kompetenzbündel nicht nur zu einem Wettbewerbsvorteil, sondern durch den hohen Grad der Anwendung auch zu einem hohen Kundennutzen beitragen. Diese Bündel bilden damit die aktuellen organisationalen Kernkompetenzen der „echten Wellness- und Gesundheits-Hotels“ von Cluster 1.
13+
&'*&
Die Prozesse der Orte (Faktoren 10, 11, 12 und 14) liegen aggregiert betrachtet alle im durchschnittlichen Bereich der Beherrschung. Damit lassen sich auf den ersten Blick keine organisationalen Kernkompetenzen bei den Orten identifizieren.
Sehr viel
Allerdings ist an dieser Stelle noch nicht klar, ob es sich bei dem Kompetenzbündel der Hotels auch tatsächlich um netzwerkspezifische Ressourcen handelt.
5 1 7
Anwendung/ Nutzung
8
4
11 12
2
4 5
14
6
3
10
13
Mittel
9
3 3 Durchschnittlich
4
5
Stärke der Beherrschung
Erstklassig
Unternehmensspezifische Prozesse Hotels Neztwerkspezifische Prozesse Perspektive Hotels Unternehmensspezifische Prozesse Orte Netzwerkspezifische Prozesse Perspektive Orte
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
135
Mittelwert Stärke Anwendung/ Nutzung Bereich kooperative Kernkompetenzen 1 Gestaltung einer Atmosphäre (usp. Hotels) 2 Fähigkeiten beim Angebot (usp. Hotels)
4,61
4,70
4,46
4,44
3 Produktgestaltung (usp. Hotels)
4,33 4,27
4,19 4,37
4 Verknüpfung des Umfelds mit dem Angebot (usp. Hotels) 5 Konzeptionelle Fähigkeiten (usp. Hotels)
4,25
4,32
6 Umfeldgestaltung (usp. Hotels)
4,22
4,27
7 Marketing & Vertrieb (usp. Hotels)
4,13
4,31
8 Weiterentwicklung im Bereich Wellness & Gesundheit (usp. Hotels)
4,04
4,22
Standards 9 Netzwerkspezifische Prozesse Perspektive Hotels
3,658
3,207
10 Weiterentwicklung der Destination (usp. Orte)
3,675
3,921
11 Verknüpfung des Umfelds mit dem Angebot (usp. Orte)
3,643
3,917
12 Produktentwicklung und Vermarktung (usp. Orte)
3,622
3,890
13 Netzwerkspezifische Prozesse Perspektive Ort
3,434
3,423
Gaps/Lücken 14 Koordination des Angebotes (usp. Orte)
3,686
4,195
Abb. 4: Gesamtbetrachtung der Prozesse Quelle: Fischer, 2009: 316.
5.4.3
Identifikation netzwerkspezifischer Ressourcen
Um von netzwerk- bzw. destinationsspezifischen Ressourcen sprechen zu können, müssen diese spezifisch im Netzwerk integriert sein; es muss die Möglichkeit bestehen, Dritte von deren Nutzung auszuschließen. Bei den unternehmensspezifischen operativen Prozessen der Orte und Hotels kann damit erst von netzwerkspezifischen Prozessen gesprochen werden, wenn es sich um „spezifische“ veredelte Leistungen und Investitionen handelt. D. h., wenn die eingebrachten Leistungen und Prozesse auf diese Art und Weise nur von WellVital und dessen Partnern genutzt werden können. Ein WellVital-Partner hat die Möglichkeit, seine Prozesse und Leistungen durch die Nutzung der unterstützenden Leistungen der by.TM netzwerkspezifisch zu veredeln, indem beispielsweise das Markenpartnerpaket genutzt wird oder die Anregungen des WellVital-ABCs zur Produktentwicklung angenommen werden
136
Elisabeth Fischer
etc. Zudem können auch netzwerkorientierte Aktivitäten die Leistungen der Partner netzwerkspezifisch gestalten, z. B. indem die Philosophie gelebt wird, an die Gäste die Marke empfohlen wird etc. Netzwerkspezifische bzw. WellVital-spezifisch veredelte Leistungen können dann nur über WellVital angeboten werden, d. h., Dritte können von deren Nutzung ausgeschlossen werden. Hotels und Orte sind üblicherweise bei mehreren Marken- bzw. Produktangebotsgruppen Mitglied. Durch die netzwerkspezifische Veredelung der Leistung, d. h. die Nutzung der unterstützenden Leistungen der by.TM, und netzwerkspezifischen Investitionen können Dritte – auch andere Angebotsgruppen – von der Nutzung dieser Leistungen ausgeschlossen werden. Der Partner leistet dann einen WellVital-spezifischen Betrag – er kann als netzwerkspezifische Ressourcen bezeichnet werden und für das Destinationsnetzwerk einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Erst diese Leistungen sind schwer zu imitieren. Damit die auf der unternehmensspezifischen Ebene identifizierten Wettbewerbsvorteile zu den Ressourcen des Netzwerks zählen, müssen daher die Nutzung der netzwerkspezifischen Prozesse des Destinationsmanagements und die netzspezifischen Investitionen in einem hohen Bereich bewertet sein (Ausprägung 4-5). Die Darstellung der netzwerkspezifischen Prozesse im Portfolio soll zeigen, ob es sich bei den organisationalen Kernkompetenzen der Hotels – jenen, die hervorragend beherrscht werden und mit denen stark gearbeitet wird – auch um netzwerkspezifische Ressourcen handelt. Die Netzwerkpartner können die Prozesse hervorragend beherrschen, diese stark bei den Produkten anwenden und über organisationale Kernkompetenzen verfügen. Um netzwerkspezifische Ressourcen handelt es sich jedoch erst, wenn diese durch die starke Nutzung unterstützender Prozesse des Destinationsmanagements netzwerkspezifisch veredelt werden. Lediglich wenn die netzwerkspezifischen Prozesse in der oberen Hälfte der Matrix (Werte zwischen 4 und 5) positioniert sind, kann von netzwerkspezifischen Ressourcen gesprochen werden, da angenommen werden kann, dass durch die hohe Nutzung der unterstützenden Prozesse die unternehmensspezifischen Prozesse entsprechend netzwerkspezifisch veredelt wurden. Es treffen die Kriterien „netzwerkspezifisch“, „hoher Kundennutzen“ und „Wettbewerbsvorteil“ zu. Zur Darstellung der netzwerkspezifischen Prozesse und Aktivitäten der Netzwerkpartner wurden für diese Portfolio-Matrix zwei neue Faktoren aggregiert:
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
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Stärke der Beherrschung netzwerkspezifischer Prozesse: Die Prozesse der by.TM stellen netzwerkspezifische Prozesse dar, da diese Prozesse des Produktmanagements ausschließlich für das Destinationsnetzwerk WellVital durchgeführt werden und damit Dritte von deren Nutzung ausgeschlossen werden können. Für die Stärke der Beherrschung der netzwerkspezifischen Prozesse aus der Perspektive der Hotels und der Orte wurde daher jeweils ein Gesamtfaktor über den Mittelwert der operativen und unterstützenden Prozesse des Destinationsmanagements gebildet. Dieser Faktor bildet jeweils aus der Sicht der Hotels bzw. der Orte die Stärke der Beherrschung der gesamten netzwerkspezifischen Prozesse des Destinationsnetzwerks ab. Grad der Nutzung netzwerkspezifischer Investitionen: Dem Faktor zur Stärke der Beherrschung wird die Beteiligung der Netzwerkpartner durch netzwerkspezifische Investitionen und die Nutzung unterstützender Prozesse gegenübergestellt. Dieser Faktor wurde über die Mittelwerte der Nutzung der beiden Prozessfaktoren der unterstützenden Prozesse gebildet. Der Faktor soll Aufschluss darüber geben, ob die unternehmensspezifischen Leistungen und Prozesse der Netzwerkpartner durch die Nutzung der weiter oben dargestellten unterstützenden Prozesse der by.TM netzwerkspezifisch veredelt werden. Es soll analysiert werden, ob sich die Netzwerkpartner mit netzwerkspezifischen Investitionen beteiligen und so deren Wettbewerbsvorteile auf der Ebene des Netzwerks einbringen.
Abbildung 4 zeigt das Ergebnis der Analyse der netzwerkspezifischen Veredelung. Faktor 13 und 9 zeigen, dass sich die Orte und Hotels nicht stark an den netzwerkspezifischen Prozessen beteiligen und sich diese nicht in der oberen Hälfte der Matrix befinden. Damit kann aus der Analyse abgeleitet werden, dass die unternehmensspezifischen Leistungen der im WellVital-Netzwerk integrierten Netzwerkpartner zu wenig spezifisch veredelt sind. Aufgrund des geringen Beteiligungsgrades der Partner bei den Aktivitäten von WellVital handelt es sich um keine „spezifisch“ integrierten Leistungen. Diese Leistungen sind damit auch für Dritte zugänglich bzw. können auch von anderen Angebotsgruppen in derselben Art und Weise angeboten werden. Damit handelt es sich um keine spezifischen Wettbewerbsvorteile auf der Ebene des Netzwerks WellVital. Bei den unternehmensspezifischen, hervorragenden Leistungen der Netzwerkpartner handelt es sich damit um keine netzwerkspezifischen Ressourcen. Für das Destinationsnetzwerk kann es sich hier nur um „potenzielle“ Wettbewerbsvorteile handeln. Sie stellen komplementäre und kompatible Inputgüter des Desti-
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nationsnetzwerks WellVital dar, aber keine Ressourcen im Sinne der ressourcenorientierten Theorie. Die unternehmensspezifischen operativen Prozesse der Netzwerkpartner fungieren damit als Basis für potenzielle kooperative Kernkompetenzen, tragen aber nicht zu aktuellen kooperativen Kernkompetenzen bei. Im Folgenden werden dennoch die letzten beiden Prozessschritte der Ergebnisphase des Analyserahmens beschrieben.
5.4.4
Organisation interorganisationaler Routinen
Um von kooperativen Kernkompetenzen sprechen zu können, müssen die unternehmensspezifischen Prozesse mehr als übliche Ressourcen des Netzwerks darstellen. Zudem müssen interorganisationale Routinen bestehen, sodass sich auf deren Basis netzwerkübergreifende Kompetenzen entwickeln können. Kooperative Kernkompetenzen sind nur vorhanden, wenn neben der hohen Nutzung netzwerkspezifischer Prozesse auch deren hohe Beherrschung auf die Existenz von interorganisationalen Routinen hinweist. Kooperative Kernkompetenzen liegen damit nur vor, wenn die netzwerkspezifischen Prozesse des Destinationsmanagements im rechten oberen Quadranten liegen. Eine starke Nutzung interorganisationaler unterstützender Prozesse und deren starke Beherrschung weist auf die Existenz von interorganisationalen Routinen hin. Wenn über die netzwerkspezifischen Prozesse kooperative Kernkompetenzen definiert werden, stellen die unternehmensspezifischen Prozesse, die hervorragend beherrscht werden und mit einem hohen Anwendungsgrad dem Kriterium „hoher Kundennutzen“ entsprechen (rechter oberer Quadrant), für das Destinationsnetzwerk einen Wettbewerbsvorteil dar und tragen zur Differenzierung des Destinationsproduktes bei. Aber auch unternehmensspezifische Standardkompetenzen und potenzielle organisationale Kernkompetenzen tragen zur kooperativen Kernkompetenz bei – vorausgesetzt, die netzwerkspezifischen Prozesse des Destinationsmanagements befinden sich in der oberen Hälfte der Matrix, d. h., die unternehmensspezifischen Prozesse sind netzwerkspezifisch veredelt und stellen Ressourcen des Netzwerks dar. Bei der Interpretation der Matrix ist damit von der Position der netzwerkspezifischen Prozesse des Destinationsmanagements auszugehen. Abbildung 4 stellt das Ergebnis der Portfolio-Analyse der gesamten Prozesse des Destinationsnetzwerks von WellVital dar. Von kooperativen Kernkompeten-
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
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zen kann erst gesprochen werden, wenn sich die netzwerkspezifischen Prozesse mit den netzwerkübergreifenden Aktivitäten im rechten oberen Quadranten befinden. Solange dies nicht der Fall ist, kann von den unternehmensspezifischen Prozessen in diesem Bereich nur von potenziellen kooperativen Kernkompetenzen gesprochen werden. Sie bilden dann Vorteile für die Akteure, aber nicht für das Destinationsnetzwerk Wellvital. Könnten netzwerkspezifische Prozesse im rechten oberen Quadranten identifiziert werden, gilt es schließlich das Bündel von Kompetenzen auf das letzte Kriterium, die Transferierbarkeit auf andere Märkte zu prüfen.
5.4.5
Transferierbarkeit auf andere Märkte
Dem Kriterium der Transferierbarkeit auf andere Märkte gilt es zu entsprechen, um die Nachhaltigkeit der Kernkompetenzen zu gewährleisten. Erst wenn sich die netzwerkspezifischen Kompetenzen auf andere Märkte übertragen lassen, handelt es sich wirklich um kooperative Kernkompetenzen. Die Transferierbarkeit der kooperativen Kompetenzen des Netzwerks lässt sich über die Bedeutung der Kompetenzen für zukünftige Märkte bewerten. Diese Bewertung kann anhand der Analyse der im Rahmen der Phase der Bestandsaufnahme erhobenen Zukunftstrends und zukünftigen Marktentwicklungen vorgenommen werden. Für die Transferierbarkeit der kooperativen Kompetenzen auf andere Märkte sind zudem die Metakompetenzen des Destinationsmanagements von wesentlicher Bedeutung. Schließlich ist der Entwicklungsgrad des Wertschöpfungsnetzwerks zu bestimmen, der zusätzlich auf die Existenz interorganisationaler Routinen hinweisen kann und die existierenden Interdependenzen identifiziert. Um genauere Aussagen zur Entwicklung des Destinationsnetzwerks treffen zu können, müssten weitere Indikatoren als Voraussetzung für das Bestehen bestimmter Interdependenzen, die sich aus dem interorganisationalen Zusammenwirken ergeben, analysiert werden. Interdependenzen repräsentieren die dritte Dimension der kooperativen Kernkompetenzen. Mit diesen letzten Analyseschritten sind alle Kriterien überprüft und der Prozess der Identifikation von kooperativen Kernkompetenzen abgeschlossen. Auf Basis der Ergebnisse lassen sich entsprechende strategische Implikationen für das Destinationsmanagement ableiten. Das Destinationsmanagement kann mit Hilfe der Analyseergebnisse eine Strategie zur Entwicklung potentieller beziehungsweise den Ausbau und den Erhalt aktueller kooperativer Kernkompetenzen
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formulieren. Im Rahmen dieser Studie konnten für die Gesundheits- und Wellnessdestination Bayern keine kooperativen Kernkompetenzen, sondern lediglich potentielle kooperative Kernkompetenzen unter den Hotels identifiziert werden. Für den angewendeten Analyserahmen können hier im Folgenden Implikationen ableitet werden. 6.
Implikationen
Die Zielsetzung dieses Beitrags war es, einen Analyserahmen aus ausgewählten Instrumenten sowie ein System von Indikatoren zur Ermittlung von kooperativen Kernkompetenzen der Destination als interorganisationales Wertschöpfungsnetzwerk am Beispiel der Wellness- und Gesundheitsdestination Bayern auf dessen Operationalisierbarkeit zu testen. Auch wenn für die Wellness- und Gesundheitsdestination Bayern nur potentielle kooperative Kernkompetenzen identifiziert werden konnten, hat sich der Analyserahmen in der Studie als praktikabel und operationalisierbar erwiesen, um die kooperativen Kernkompetenzen einer Destination zu erheben. Die Analyse hat es ermöglicht, strategische Implikationen für das Destinationsmanagement zur Entwicklung von kooperativen Kernkompetenzen abzuleiten. Es ist gelungen, auf Basis der Ergebnisse eine Strategie für das Management der kooperativen Kernkompetenzen zu entwickeln. Dennoch haben sich einige Schwachstellen gezeigt und lassen den weiteren Forschungsbedarf erkennen. So stand im quantitativen Teil die subjektive Bewertung der Kompetenzen durch die Netzwerkmitglieder im Fokus. Im Hinblick auf die quantitative Bewertung ist die subjektive Selbsteinschätzung der Akteure bei der Bewertung der Kompetenzstärke im Vergleich zur Konkurrenz als kritisch festzuhalten. Es ist fraglich, ob sich hier die Netzwerkakteure ehrlich und realistisch selbst einschätzen können. Idealerweise werden die Ergebnisse mit Konkurrenzanalysen ergänzt und tatsächliche Wettbewerbsvorteile verifiziert. Hier kommt das zu Beginn erwähnte Problem der Kompetenzmessung zu tragen, nachdem es schwierig ist, die Fähigkeiten, die hinter einem Produkt stehen, und nicht nur die Produktattribute selbst zu messen. Es ist fraglich, ob der notwendige Zugang zu den Konkurrenten gegeben ist, um deren Fähigkeit zu analysieren – allerdings bestätigt dies wiederum die schwere Imitierbarkeit der Kompetenzen.
Die Identifikation kooperativer Kernkompetenzen
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Zudem sind weitere Forschungen nach objektiven Indikatoren zur Kompetenzentwicklung der Akteure einer Destination notwendig, um die Objektivität der Bewertung zu gewährleisten. Schließlich ist anzumerken, dass der Bewertungsfragebogen sehr lang und ausführlich ist. Es müsste an einer weiteren Vereinfachung der Befragung geforscht werden. Abschließend gilt es festzuhalten, dass der Analyserahmen einen ersten Ansatz zur Erhebung der kooperativen Kernkompetenzen der Destination darstellt. Es bedarf jedoch noch weiteren Forschungsaufwands, um das Analyseinstrumentarium zu optimieren. Zudem sollten die Ergebnisse der Analyse stets in Zusammenhang mit objektiven Indikatoren des Destinationserfolgs interpretiert und betrachtet werden. Ergänzende Analysen mithilfe von Kundenbefragungen und der Wettbewerbanalyse sind notwendig, um die Ergebnisse zum Kundennutzen sowie die Beherrschung der Fähigkeiten zu verifizieren und die Objektivität zu erhöhen. Trotz der erwähnten Einschränkungen stellt das Instrumentarium, wie die Analyse zeigt, bereits eine gelungene Orientierung zur Formulierung einer fundierten kompetenzorientierten Strategie der Destinationsentwicklung dar. 7.
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Spatial Transfer of Knowledge - Preconditions for Collective Learning Processes Roberta Capello
Inhaltsverzeichnis 1.
Introduction ......................................................................................146
2.
Space as a Source of Knowledge Creation: The cognitive Approach ..........................................................................................147
3.
Territorial Preconditions for Collective Knowledge ........................150
4.
Collective Learning and Knowledge Facilitators .............................156
4.1
A Conceptualization and Testable Assumptions..............................156
4.2
An empirical Analysis: Science Parks and Collective Learning Processes.......................................................................... 161
5.
Conclusion........................................................................................166
6.
Literature$
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1.
Roberta Capello
Introduction
Innovation, or in more modern terms the smart use of advanced knowledge, is regarded as one of the key drivers of economic growth in the knowledge-driven society. Competitiveness of nations and regions is increasingly considered to be dependent on the capacity of economic systems to acquire effective and tailormade knowledge and to accumulate it over time in order to gain a relative advantage with respect to their rivals. The central importance of innovation and knowledge is also evidenced by important policy choices and strategies by national and supra-national governments, with the well-known Lisbon agenda on the EU’s ambition to become a leading knowledge region as an example. Knowledge is broadly recognized as a strategic handle for high economic and technological performance. As a result, since the 1980s, when the neoclassical paradigm of technological innovation as “manna from heaven” was abandoned, economists and scientists in general put much effort into understanding the elements that explain innovation determinants in economic systems. Regional studies on innovation diffusion and regional growth are no exception in this respect. Many theoretical and empirical investigations have been made over time in order to highlight the local elements that facilitate innovation and knowledge accumulation. An abundance of scientific contributions has emerged; they all agree on the fact that knowledge generates higher factor productivity and higher economic performance, but differ in terms of the nature of the determinants that explain the different regional innovative capacities and, especially, they differ on the role played by space in fostering regional innovation. The different interpretative approaches of innovation and local growth can be distinguished according to the determinants that explain the different degrees of regional innovation, namely (Capello, 2009): a sectoral/functional approach which foresees innovation as the result of the presence of innovative sectors or functions, that spill over knowledge in the area they are localized. In this approach, physical proximity among actors facilitates the exchange of tacit knowledge; a structural approach that interprets regional innovation as the result of the presence of structural elements in a region that make the area prone to innovation; more recently, a cognitive approach, that interprets innovation as the result of the presence of collective learning processes and socialization to the risk of innovation (i.e. territorialized relations among subjects operating in geographical and social proximity) and of the existence of rules, codes and norms
Spatial Transfer of Knowledge
147
of behaviour which (i) facilitate cooperation among actors and therefore the socialization of knowledge and (ii) assist economic actors (individual people, firms and local institutions) to develop organizational forms which support interactive learning processes. These approaches developed simultaneously. Within their own conceptual pattern, they found ways to evolve, co-exist and interact, remaining however quite different under many respects: in terms of local determinants explaining innovation, of elements driving the path to innovation, of patterns from innovation to growth, of the role of space in determining local innovation patterns. Especially the last approach, the so-called cognitive approach, is the most modern and intriguing one, since it highlights the socio-economic preconditions for knowledge creation in the territory. This way of learning leads to collective learning, i.e. a process that spills over the boundaries of the firm and affects all actors of the local economy in a collective way. In this work we first present what is called a cognitive approach to knowledge creation (sec. 2) in order to prepare the ground for a more in-depth analysis of the spatial preconditions for collective learning processes (sec. 3). In sec. 4.1 we claim that – under certain territorial conditions – the efficiency of actors, like science parks, created with the aim of stimulating and generating knowledge, depends on their capacity to generate the preconditions that allow collective learning processes to take place. Further, we present an empirical analysis on the effectiveness of science parks in producing knowledge when supporting collective learning processes in two Italian local areas (sec. 4.2). Some concluding remarks are presented in sec. 5. 2.
Space as a Source of Knowledge Creation: The ognitive Approach
A modern reflection of the knowledge creation processes exists, developed during the middle of the eighties and reinforced in the present period, in which a relation-based approach to knowledge creation concentrates on the identification of a cognitive capability explaining regional innovation and knowledge creation (Foray, 2000). The cognitive capability is defined as the ability to manage information in order to identify and solve problems, or, more precisely in the economic sphere, the ability to transform information and inventions into innovation and productivity increases, through co-operative or market interaction. The learning region is identified as the place where such cognitive proc-
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esses play a crucial role, combining existing but dispersed know-how, interpretations of market needs, information flows with intellectual artifacts such as theories and models and allowing exchange of experiences and co-operation (Lundvall/Johnson, 1994). Especially in contexts characterized by a plurality of agents – like cities or industrial districts - knowledge evolution “is not the result of individual efforts in R&D within individual firms, but rather the combination of complementary capacities and of widespread interactive learning processes, which involve many ‘customers’ and ‘suppliers’ along a well-defined filière or supply chain” (Cappellin, 2003a: 307). This approach is very different from the previous approaches to innovation creation. Before the cognitive approach, a sector-based approach or a functionbased approach was used, which was focused on an invention-innovation short circuit taking place inside individual firms (or their territories) operating on advanced sectors. R&D facilities are strictly linked to production facilities, while firms tend to cluster inside high-tech districts in order to take advantage of all sorts of proximity externalities. In the function-based approach, a sort of division of labour is operating between R&D/higher education facilities on the one hand and innovative firms on the other. Their interaction produces academic spin-off or knowledge spillover flowing from the former to the latter (Acs et al., 1994; Audretsch/Feldman, 1996; Anselin et al., 2000). In the structural approach, once structural elements are present (education, human capital, entrepreneurial activities), the existing knowledge is easily turned into commercialized innovation. In the cognitive approach, attention is focused mainly at the regional/local level on the construction of knowledge through cooperative learning processes, nourished by spatial proximity (atmosphere effects), network relations (longdistance, selective relationships), interaction, creativity and recombination capability. A collective learning process of this kind was first hypothesized by the GREMI group (Camagni, 1991 and 2004; Perrin, 1995) and subsequently widely adopted as a sound theoretical concept for the interpretation of knowledge-based development and innovation (Keeble/Wilkinson, 1999 and 2000; Capello, 1999a; Cappellin, 2003a; Tödtling/Kaufmann, 2001; Cooke et al., 2000). Relatedness between economic activities in terms of shared competences is an effective knowledge transfer recently highlighted by the evolutionary economic geography (Boschma/Frenken, 2007; Lambooy, 2004).
Spatial Transfer of Knowledge
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The cognitive approach gives space to a more direct role. Knowledge streams and information channels are investigated and clearly embedded in the territorial structure of an area through: -
-
the huge mobility of professionals and skilled labour – between firms but internally to the local labour market defined by the district or the city, where this mobility is maximal, and the intense co-operative relations among local actors, in particular customersupplier relationships in production, design, research and, finally, knowledge creation.
The role of space in creating knowledge becomes clear: abstract space becomes real territory, relational space, where functional and hierarchical, economic and social interactions take place and are embedded into geographical space. The local milieu – a territory identified by both geographical proximity (agglomeration economies, district economies) and cognitive proximity (shared behavioural codes, common culture, mutual trust and sense of belonging) – supplies the socio-economic and geographical substrate on which collective learning processes can be incorporated (Camagni/Capello, 2002). A territory, a milieu, becomes therefore a cognitive engine and possibly an innovation place: its characteristics enhance interaction and co-operation, reduce uncertainty (especially concerning the behaviour of competitors and partners), reduce information asymmetries (therefore reducing mutual suspicion among partners) and reduce probability of opportunistic behaviour under the threat of social sanctioning (Camagni, 1991 and 2004). All these elements are confirmed by many regional economics schools (Bellet et al., 1993; Rallet/Torre, 1995; Cappellin, 2003b). The previous discussion of the role of territorial variables and the centrality of local conditions should not be taken as suggesting a return to an anti-historical localism or territorial autarchy. On the contrary, local milieux should be perfectly accessible, open and receptive to external flows of information, knowledge, technologies, organizational and cognitive models, and always be ready to recombine local knowledge and external knowledge anew. In order to understand why it was referred to the importance of local territories, the ubiquity of production factors has to be mentioned: today, some relevant production factors like financial capital, general information, consolidated technologies and codified knowledge are readily available virtually everywhere. According to this, the
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ability to organize these pervasive factors into continuously innovative production processes and products is by no means pervasive and generalized, but exists selectively only in some places where tacit knowledge is continuously created, exchanged and utilized and business ideas find their way to real markets. 3.
Territorial Preconditions for ollective Knowledge
As mentioned in the previous section, the main feature of the cognitive approach is that space becomes a source of knowledge creation, since it embeds channels of knowledge transfer. This concept is now rooted in many approaches to regional innovation and growth, but finds its roots in the milieu innovator theory of the eighties (Camagani, 1991). In the milieu innovator theory, the functions of generating and cumulating knowledge over time are performed in large firms by their R&D departments, and they are facilitated by internal diversification and complexity. A small firm finds the same functions in a highly specialized territory, as explained below. Learning in a milieu takes place in a spontaneous and socialized manner within the local labour market through forms of stable and enduring collaboration between customers and suppliers based on loyalty and trust. These relations produce a codified and tacit transfer of knowledge between customers and suppliers which triggers processes of incremental innovation and specific technological trajectories. Relations in the local labour market likewise perform an important role in the local production system because high turnover of skilled labour within the area and scant external mobility cross-fertilize knowledge among firms and upgrade workers’ skills. Finally, firm spin-offs – independent firms created by workers previously employed by a local firm – also participate in the knowledge socialization process. The accumulation of knowledge in large firms is ensured by the presence of R&D departments. It is permanent because large firms are long-lived and develop their own internal capabilities and cultures. By contrast, small firms have very short life-cycles, with the consequence that they are unable to develop a solid stock of firm-specific knowledge. This difficulty is remedied by the milieu and by the relations within it, which guarantee continuity of knowledge through labour market stability, high people mobility within the area, and stable relations between customers and suppliers.
Spatial Transfer of Knowledge
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In the milieu innovator theory, therefore, collective learning is the territorial counterpart of the learning that takes place within firms. In large firms, knowledge and information are transferred via internal functional interaction among the R&D, production, marketing and strategic planning departments.1 In milieux, and in local small firms systems, this function is performed by the already-mentioned high level of people mobility, by intense innovative interactions between customers and suppliers and by firm spin-offs (Table 1). Contexts channels Firms
Preconditions
R&D functions
Continuity
Functional interaction
Dynamic synergies INTERNAL LEARNING
Tacit transfer of knowledge
Territory
Low mobility of the labour force outside the milieu
High mobility of the labour force within the milieu COLLECTIVE LEARNING
Stable linkages with suppliers and customers
Cooperation for innovation with suppliers and customers Local spin-offs
Networking
Stability as a consequence of the complexity of strategic alliances
Transfer of knowledge via cooperation
LEARNING THROUGH NETWORKING
Table 1: Preconditions and channels for learning processes in innovative milieux Source: Camagni/Capello, 2002. 1 Since the concept of collective learning was first formulated by the GREMI group (see Camagni, 1991), it has been used by numerous other authors. See Capello, 1999a; Keeble and Wilkinson, 1999 and 2000; Lawson and Lorenz, 1999. On the concept of cognitive dimension of agglomeration economies, see Cappellin, 2003a.
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The milieu theory flanks these channels of learning available to firms with a third and complementary one: learning through ‘network cooperation’ (Table 1). Through strategic alliances and/or non-equity cooperation agreements, firms acquire some of the strategic assets that they require externally, thus avoiding the costs of developing them internally. This knowledge-acquisition process stands midway between internal learning and collective learning. The firm comes into contact with the outside but still maintains a set of selected and targeted relationships during this process. This form of learning assumes an important role in milieu innovator theory because it permits local knowledge, which is produced by the cooperation socialized and collective processes liable to isolation and lock-in, to enrich and innovate itself. Only through external firms which ensure an influx of new knowledge can a milieu avoid death by entropic uniformity. The theoreticians of the milieu innovator interpret the growth of small firms areas with this conceptual tool, among them the Marshallian industrial district. However, collective learning is not the only dynamic advantage generated for local firms by the milieu with its assets of relational capital. A further factor facilitating firms’ innovative capacity is reduction of the uncertainty that accompanies innovative processes. In large firms, the functions of informationgathering, the codification of knowledge and the selection of decision-making routines, which are geared to reducing static and dynamic uncertainty, are performed by the R&D department or the planning unit. In the case of a milieu innovator, they are undertaken in socialized and collective manner by the milieu itself, in which information rapidly circulates because of geographical and collective proximity (Camagni, 1991). Finally, the reduction of the costs of ex-ante coordination among decisionmaking units and the facilitation of ‘collective action’ (undertaken to furnish collective goods or simply to integrate private investment decisions), are a further element enhancing the innovative process in a milieu. Such coordination generally suffers from the availability of limited and costly information, and from the possible existence of opportunistic behaviour. The presence of the milieu reduces these costs because it enables information to circulate more easily; it facilitates the taking of coordinated decisions through proximity and social homogeneity/cohesion while it discourages opportunistic behaviour by fostering trust and threatening social sanctions. This last social/psychological element is crucial: it derives from the sharing of common values and of similar codes of behaviour and it acts positively by developing trust and loyalty. Con-
Spatial Transfer of Knowledge
153
versely, it develops rapid processes of isolation and punishment for opportunistic behaviour.2 This externality is an element which occurs in the local environment at the same level of those more traditional elements of static efficiency, such as the industrial atmosphere and the external economies associated with a clustering of small firms: it is independent from a conscious cooperative will by single actors while its exploitation is set apart from an explicit strategy of each single local actor when some preconditions are met. In this sense, it is a collective element rather than a cooperative one. The existence of these external economies explains higher factor productivity of firms located in milieux rather than elsewhere. Collective learning provides local firms with positive external effects on factor productivity. In particular, the capacity of firms to innovate, in the form of patents, R&D expenditures and expenses for R&D activity in general, are influenced by the know-how present at the local level, i.e. managerial, organizational and scientific knowledge, which accumulates locally thanks to a cross-fertilization process of innovative ideas. An increasingly popular idea developed in the literature on local innovative systems is that local know-how is a necessary but not sufficient condition for a local firm to be innovative. Local firms’ capacity to innovate relies also on external know-how, which can be achieved by developing national and international networking with firms located outside the local area (Camagni, 1991). If this is the case, capital productivity should then be influenced by know-how both internal and external to the firm. Regarding labour productivity, the labour market is the most direct way in which labour force productivity can be influenced. Firms in milieux have the possibility to recrute high quality labour force, which embodies expertise and knowledge accumulated over time in other local firms. As mentioned before, the stability of the labour market guarantees continuity over time in the process of collecting knowledge. However, labour productivity is also affected by elements of knowledge transfer over space, like spin-off and high labour force turnover, which leads to a local circulation of know-how.
2
This recalls the theory of the Marshallian industrial district and the role performed by social and cultural homogeneity in producing forms of transaction regulation which deter opportunistic behaviour. See Camagni/Rabellotti, 1997; Arrighetti et al., 2001.
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In recent years, econometric empirical analyses have corroborated the theory. In the case of three milieux in Italy, a production function was estimated using data collected at individual firm level in which efficiency parameters of the production factors were connected to (Capello, 1999b):
-
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labour: effects of collective learning, these being identified in the intensity of local spin-offs and appreciation of the stability and quality of the local labour market; intangible capital: effects of ‘industrial atmosphere’ and collective learning, these being identified in the importance to the individual firm of specialized knowledge internal to the local area and the lesser importance of acquiring knowledge from outside.
The results showed that labour productivity is subject to increasing returns (given the small average size of firms) which are substantially reinforced by the presence of collective learning processes. Conversely, (intangible) capital productivity is subject to decreasing returns, but is greatly augmented by an increase in the appreciation and use of local specialized knowledge (Fig. 1).3
3
For details on the methodology used see Capello, 1999b. After this pioneering study, subsequent analyses have also examined the effect of collective learning and the local atmosphere on the innovation activity of firms.
Spatial Transfer of Knowledge
Fig.1: Collective learning and factor productivity Source: Capello, 1999b.
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4.
Roberta Capello
Collective Learning and Knowledge Facilitators
4.1 A Conceptualization and 7estable Assumptions
Given the vital role attributed to knowledge in explaining the competitiveness of local economies, a certain number of normative interventions have been focused on the implementation of local knowledge creators or knowledge facilitators, mainly identified in the so called science parks or, in their simpler version, business innovation centres. The expression science park covers a large variety of research centres and innovation incubators. In general terms, a science park is defined as a geographical area in which firms, universities and research centres have a common location in order to exploit proximity advantages, knowledge spillovers and dynamic agglomeration economies. Examples of these kind of science parks are the American success stories of Silicon Valley and Stanford Research Park, replicated in Europe for example in the Sophia Antipolis Park in France and the Cambridge Science Park in Great Britain. However, very different types of institutional entity can be included under the generic label of Science Park, such as private/public institutions created with the aim of encouraging the formation and growth of innovative (generally sciencebased) businesses and actively engaging in transfers of technology or business skills to a customer organisation (Colombo/Delmastro, 2002). A Science Park of this kind is not necessarily located in a particular geographical area, but is represented by a formal institution running research activities and hosting research laboratories. Innovation and Technological Centres can be included within this category. Finally, a third typology of Science Parks is represented by public/private institutions whose sole aim is to act as an intermediary between knowledge creators (e.g. universities, research centres) and knowledge users. In this case, most of the literature refers to Business Innovation Centres (BIC)4. The deep differences in the nature of Science Parks explain the large variety of functions that they may develop with regard to:
4 BICs have been set up by the European Union through DG XVI with the aim of supporting the conversion of technological knowledge into commercial knowledge and the creation of new firms.
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the diffusion and transfer of advanced technologies (e.g. best practice) among firms, sectors and regions, and support to the creative adoption of traditional innovation (a knowledge transfer function); the creation of radical innovation, aiming at contributing to a shift in the technological frontier (a knowledge creation function); the creation of a scientific environment, where firms accrue the benefits of being close (geographical proximity) to different sources of knowledge (a seedbed function); the creation of new technology-based firms (NTBFs), through spin-off processes where scientists move from research laboratories to privately-owned research activities (an incubator function for new firms).
A science park, regarded as a real-estate investment in a given geographical area, where R&D laboratories of public and private firms, research centres and universities are hosted, performs in principle all of the above functions, with the exception of the knowledge transfer function (Fig. 2). A different and opposite case is represented by a science park which does not host research activities; here the most important function is knowledge transfer. Science and research parks, such as innovation centres, which host incubator functions and R&D laboratories, are generally able to fulfil most functions, although with more limited expected performance than ‘geographical’ science parks. We maintain that measurements of science park effectiveness should take into account their peculiarities. For example, it would be misleading and wrong to measure the ability of a science park which does not host any R&D activity according to its ability to create new knowledge, or be a seedbed for innovation. A word of caution has to be sounded however. Although many science parks do not host or run R&D activities, they can still play a strategic role in supporting firms’ competitiveness by fostering firms’ capacity for innovation, processes imitating and adopting best practice. According to a cognitive approach, science parks can play a strategic role in the innovative performance of firms by supporting, stimulating and increasing the number of channels through which knowledge develops and cumulates at a local level. In other words, Science Parks can play a very important role in enabling and reinforcing spontaneous mechanisms of collective learning (Capello and Morrison, 2005). In doing this, they would indirectly foster the innovative activity and performance of local firms.
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Knowledge transfer function Public/private institutions with no internal R&D activities such as BICs
Public/private institutions hosting R&D, such as Innovation Centres
Geographical areas devoted to host R&D laboratories, like Sophia Antipolis
Seedbed function
Incubator function for new firms
Fig. 2: Typology and functions of science parks. Source: Capello/Morrison, 2005.
Many empirical analyses have been devoted to the measurement of the efficiency and effectiveness of Science Parks in the creation of knowledge (Monk et al, 1988; Westhead/Batstone, 1998; Del Mastro/Colombo, 2002; Lofsten/Lindelof, 2002). A recent study attempted to see whether, under certain territorial conditions (presence of small and medium firms; presence of a certain level of relational capital) the effectiveness of science parks in creating knowledge at the local level depends on their ability to support and foster direct, but more importantly indirect channels, i.e. all socialized processes of knowledge creation and diffusion. In other words, science parks should be able to participate in processes of: -
creating both vertical and horizontal stable linkages among firms, both at the local and international level; helping the transparency and information of the local labour market; giving support to spin-off activities.
Spatial Transfer of Knowledge
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Fig. 3 reports the role science parks may theoretically play in supporting local relational activities, on the one hand and external trans-territorial networks, on the other. Different combinations of the two give rise to different learning trajectories, namely: Role of Science Parks in generating external networking for innovative activities
‘Learning through
´Collective
networking’
learning’
‘No learning through Science Parks’
‘Localised collective learning’
Role of Science Parks in generating local relationships for innovative activities Fig.3: The role of Science Parks in learning processes: possible alternatives Source: Capello/Morrison, 2005.
-
-
-
a network learning trajectory, when science parks are able to strengthen relationships between local actors and agents outside the area through which new and advanced knowledge can be acquired by local firms; a localised collective learning trajectory, when, conversely, science parks support solid and long lasting relationships among local actors, both vertically and horizontally. In this way, knowledge will accumulate in a socialised (collective) way around a well defined technological trajectory, giving rise to what industrial economists call localised learning. Firms will search for new technological solutions around well-known technological and geographical boundaries if no new and radical knowledge is inserted locally; a collective learning trajectory, when science parks are able to strengthen both local and external relationships. In such a case, socialised learning
160
-
Roberta Capello
processes also encompass new technological solutions which drive towards paradigmatic change in technological trajectories brought into the area and shared among local actors; a no-learning trajectory through science parks, when science parks do not play any role either supporting local relationships or external networking.
In our understanding, the effectiveness of science parks can be defined as their ability to enter into and support socialised processes of knowledge creation. The greater their capacity to have an active role in collective learning processes – by supporting channels of local knowledge transfer, such as relationships among local actors and by enhancing long distance relationships – the greater their effectiveness. When science parks play a role in localised collective learning processes, they risk helping firms’ competitiveness only in the short term, but do not help local actors to avoid lock-in mechanisms or to jump to more advanced technological trajectories, which would assure long-term competitiveness. On the contrary, when science parks only act on networking processes of learning, they neglect the innovation transfer function and are thus not actively involved in socialised mechanisms of knowledge diffusion. From what just said, we expect the innovative capacity of local firms to be influenced by the active involvement of science parks in socialised processes of local knowledge diffusion and in networking activities. This general statement is true under certain conditions. The first one we refer to is firm size. As theorised before, socialised processes of knowledge diffusion are important mainly for small firms, while in large enterprises, large-scale R&D functions and engineering departments act as information storage agents and select decisionmaking routines, because they are long-term units. Instead, in small firms the innovation search function does not exist due to diseconomies of scale and the unpredictable and relatively short life of small firms. It is in this type of productive system that knowledge accumulates in a socialised way (e.g. in the local labour market and in the network of local customers and suppliers) (Camagni, 1995). Another important element which helps to assure the effectiveness of science parks is the degree of relational capital existing in the area. This stems from a strong sense of belonging and a highly developed capacity for cooperation which is typical of institutions and agents with similar culture (Capello/Faggian, 2005). In areas where this attitude is absent, the chances of a science park developing local cooperation is expected to be very limited. In areas where rela-
Spatial Transfer of Knowledge
161
tional capital is very intense and functions efficiently, science parks risk having a superfluous role. Last, but not least, a third important condition under which science parks play an active role in socialised processes of knowledge creation/diffusion is the reactive capacity of firms. As has been widely suggested by the literature, a firm’s capacity to exploit new knowledge depends to a significant extent on the level of prior related knowledge stored within the firm, which enables the value of new information to be recognised, assimilated and applied for commercial purposes. These abilities collectively constitute what has been labelled as absorptive capacity (Cohen and Levinthal, 1990) and more recently reinterpreted in terms of knowledge-relatedness in order to take account of technological diversification processes occurring within firms (Breschi et al., 2003).
4.2 An empirical Analysis: Science Parks and collective Learning Processes
An empirical analysis was carried out to prove the above mentioned theoretical assumptions in two areas where science parks operate, namely Pisa and Genova. In the Pisa area we selected firms from a variety of science parks5. A sample of tenant firms was investigated along a vast array of dimensions.6 For this purpose we elaborated a questionnaire covering the following areas7: -
measures of a firm’s characteristics: year of establishment, number of employees, a variety of indicators of economic performance (e.g. sales, exports), competitive position, knowledge base, etc;
5 The special agency of the Pisa Chamber of Commerce, the local Innovation Relay Centre (IRC), the Technological Pole of Navacchio, the technological centre “Firenze Tecnologia”, the CNA (National Confederation of Micro-entrepreneurs) of Firenze and the technological centre CPR (Centro Pisa Ricerche). 6 The sample was selected by the CPR and the Engineering Faculty of the University of Genova using the list provided by PS. It is worth stressing that we used the term clients for firms included in those lists. Hence, contrary to common usage, we also use the term client to define firms that do not operate in the science park precinct, or that may have sporadic contacts with the science park. This is due to the specific features of the knowledge facilitators investigated in this survey. 7
The questionnaire has been built according to the guidelines proposed by the Oslo manual and the CIS (Community Innovation Survey) (OECD-EUROSTAT, Proposed guidelines for collecting and interpreting technological innovation data - Oslo Manual, OECD, Paris, 1997).
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-
-
-
-
-
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measures of a firm’s innovative behaviour: input (R&D expenditure; licences) and output (patents, percentage of firm’s turnover related to product and process innovation) as indicators of innovation; measures of milieu and networking learning processes: information about the importance of local and external knowledge sources (e.g. competitors, providers, clients, universities, knowledge facilitators, etc), which contributed to recent product and process innovations; measures of science park effectiveness: the role of science parks in connecting clients with relevant actors for developing the innovation (e.g. local and external competitors, providers, clients, universities, knowledge facilitators, etc); measures of relational capabilities: the percentage of relationships with local actors, in particular with customers and providers and their contribution in terms of relevant knowledge; the characteristics of the local labour market; measures of a firm’s linkages with science parks: frequency, typology of information/knowledge accessed through science parks, obstacles to knowledge acquisition, etc.
The survey was conducted over a period of three months covering 160 firms equally distributed between the two areas Genova and Pisa (80 firms each)8. A large number of firms belong to high-tech sectors, although each geographic area presents some peculiarities. For example, we observed that sampled firms from Genova are skewed towards old economy sectors (e.g. oil, metal products, machinery), whereas in Pisa the majority of firms falls into the high-skill service sector. Instead, as far as size is concerned, few differences emerge: the vast majority are small or medium-sized firms and most were established in the last two decades. Among many empirical exercises, a cluster analysis was conducted in order to highlight homogeneous groups of firms presenting heterogeneous behaviours to be singled out. Hence, it allows identification of those groups of firms assuming coherent behaviour with respect to our research assumptions. Four main clusters are identified in our analysis (Table 2):
8
Data were collected by the Centro Pisa Ricerche (CPR) and by the Engineering Faculty of the University of Genova. Questionnaires were submitted through face-to-face interviews with firms’ technical staff and owners. The survey was administered during November, 2003 and January, 2004.
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-
-
-
-
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The first group includes firms specialised in traditional sectors with networking behaviour: this cluster is characterised by low innovative performance and large firms operating in scale intensive or supplier dominated sectors. External linkages, either developed directly or mediated by science parks, appear to be the main channel for accessing knowledge. Although they benefit from the gate-keeping function of science parks, their innovative capacity is poor. The second group is populated by innovative firms with networking and milieu behaviours: this cluster matches almost exactly with sample mean values. It includes small innovative firms operating in both high tech and traditional sectors. Local and external networks of linkages with knowledge sources fuel learning mechanisms. Science parks play a relevant role in strengthening these relationships, in particular those at local level. The third group contains firms characterised by weak innovative performance coupled with weak local and external linkages: this cluster identifies a group of firms which is isolated with respect to both local and external sources of innovation. Their knowledge base is also poor, preventing them from seeking and absorbing complementary technological inputs. In addition, their poor ability and propensity to relate with the external environment may prevent them from benefiting from Science Parks services. Firms within this cluster are equally distributed over the two areas (Genova and Pisa) and represent almost half our sample. In the last group we have small dynamic firms specialised in high tech sectors and with milieu and networking behaviours: firms within this cluster define a small group of highly innovative firms specialised in ICT. They have entered a virtuous learning trajectory, where internal competencies enable them to establish fruitful linkages with local and external sources of knowledge. In addition, they do not ignore the importance of knowledge facilitators; they have in fact established strong connections with science parks, exploiting more than any other cluster the bridging and networking functions provided by science parks.
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Clusters**
1
2
3
4
Mean
Size (1 large firms, 0 small firms)
74.3
28.9
0
13.3
24.4
Product Innovation
31.4
52.6
30.6
73.3
40
Absorptive Capacity
20.0
44.7
33.3
60.0
35.6
Relational capital
17.1
44.7
31.9
60.0
34.4
Science Park bridging function
8.7
31.4
14.8
80.0
25.4
Science Park networking function
13.0
14.3
0
33.3
9.7
Local relational capital
0
100
0
100
33.1
External relational capital
40
0
0
100
18.1
Science Park bridging function for Smes
5.7
26.3
11.1
73.3
19.4
Science Park networking function for Smes 14.3
13.2
5.6
46.7
13.1
Science Park bridging function for high AC 2.9 firms
21.1
8.3
46.7
13.8
Science Park networking function for high 2.9 AC firms
10.5
0
26.7
5.6
Firm location (GE=0; PI=1)
28.6
65.8
45.8
80
50
others
5.9
2.6
1.4
0
2.5
specialised suppliers
5.9
2.6
5.6
26.7
6.9
supplier dominated
17.6
10.5
13.9
6.7
13.2
scale intensive
41.2
31.6
29.2
0
29.6
science based
8.8
10.5
11.1
6.7
10.1
low skill services
2.9
2.6
1.4
6.7
2.5
high skill services
17.6
39.5
37.5
53.3
35.2
38
72
15
160
Sectors*
Number of observations within each cluster 35
*we introduce additional classes to the Pavitt taxonomy (Pavitt, 1984). **percentage of positive answers. In italics values well below the mean; in bold values well above the mean +sample mean value. Table 2: Cluster analysis result. Source: Capello/Morrison, 2005.
Spatial Transfer of Knowledge
165
These results confirm our research propositions for a subset of sample firms. As Table 2 clearly shows, a group of small firms (cluster 4) has higher relational and absorptive capacity, accompanied by a strong innovative performance and stable linkages with science parks. These firms are inserted into a fast learning path9. We may conclude that our research propositions related to science park involvement in knowledge processes are satisfied for at least a small, but significant, subset of firms. Fig. 4 sums up the main findings: the vertical and horizontal axes represent the science park networking and bridging functions, our four clusters are depicted according to the role science parks play in each of them. Clusters 2 and 4 clearly identify those firms following a collective learning trajectory. Interestingly, in this case we can observe a positive relation between the role of science parks in supporting local and external linkages and firm’s characteristics – small firms with strong relational capital, a high absorptive capacity and a high degree of innovativeness. Cluster 1 identifies a group of large firms that benefit from the networking function of science parks, though they are not inserted in collective learning processes. In conclusion, cluster 3 identifies a group of firms with a passive learning behaviour. It includes firms having extremely low innovative performance coupled with a poor knowledge base. In this case, science parks fail to enhance any learning processes. This passive behaviour is somehow a by-product of firmspecific factors, such as low relational capital, coupled with low internal competencies, which also reduce their ability to search for external knowledge inputs. In these cases, science parks seem unable to provide feasible alternatives and fail to implement effective measures or design appropriate services for solving firms’ needs.
9
We are aware that we cannot infer any causal links from this analysis.
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SP networking function 35% cluster 4 30%
25%
20% cluster 1 15%
cluster 2
Mean 10% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
5% cluster 3 SP bridging function 0%
Fig. 4. Different learning trajectories sustained by science parks. Source: Capello and Morrison, 2005
5.
Conclusion
The aim of the paper was to present some reflections on the main preconditions for a collective learning to occur at the local level, following the milieu innovator theory. The reflections started from the analysis of the existing literature on the knowledge-based economy and on the new cognitive approach recently developed, which puts much emphasis on the importance of interaction, integration and synergy as the preconditions for knowledge creation in SMEs areas. In particular, the cognitive approach to knowledge creation builds upon a concept of space that goes beyond the simple geographical proximity and calls for the need of a cognitive proximity: abstract space becomes territory, a territory identified by both geographical and cognitive proximity (shared behavioural codes, common culture, mutual trust and sense of belonging) (Camagni/Capello, 2009). Only through this approach, space becomes a source of knowledge creation, since it supplies the socio-economic and geographical substrate on which collective learning processes can be incorporated. A territory becomes therefore a cognitive engine and possibly an innovation place: its characteristics enhance
Spatial Transfer of Knowledge
167
interaction and co-operation, reduce uncertainty, information asymmetries and probability of opportunistic behaviour under the threat of social sanctioning. All this provides a theoretical justification for explaining why a territory, more than another, is endogenously able to learn and grow through innovation. The paper went a step further in this analysis by claiming that even for knowledge creators, like science parks, their effectiveness to transfer and create knowledge at the local level heavily depends on their capacity to act on the preconditions for collective knowledge creation. This paper presented an empirical analysis, which provided prima facie evidence on the role of two science parks in creating relationships among local actors and showed that firms’ characteristics are key determinants in explaining science parks effectiveness. These results have policy implications. Overall, it clearly emerges that science parks are far from being easy policy instruments for promoting innovation activities. Science parks in principle should have the aim of making firms aware of their technological needs and scan the environment in order to find solutions for those needs. However, it could be the case that such intervention is superfluous, so that local firms just would have satisfied their technological needs, independently from public intervention. This entails that public money has been misallocated and suggests that policy makers, more broadly the stakeholders and promoters of science park initiatives, should carefully interact with the potential beneficiaries and monitor their needs and consequently identify the specific kind of services which could match the local demand. All in all, any intervention to promote science parks should take very carefully into account the characteristics of the area where they are supposed to be settled and to operate, as well as the needs of potential customers. Only by tailoring their functions and mission to local needs can they be effective tools of innovation policy and local economic development. 6.
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Regionalentwicklung - Wissensmanagement und informelles Lernen Roland Scherer/Manfred Walser
Inhaltsverzeichnis 1.
Einleitung .........................................................................................172
2.
Paradigmenwechsel in der Regionalwissenschaft ............................172
3.
Wissen und Lernen...........................................................................176
4.
Das Wissenssystem Region ..............................................................180
5.
Informelles Lernen in der regionalen Entwicklung..........................183
6.
Literaturverzeichnis..........................................................................186
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Roland Scherer/Manfred Walser
Einleitung
Die Region hat in den vergangenen Jahren auch im Bereich der staatlichen Wirtschaftspolitik einen großen Bedeutungsgewinn zu verzeichnen. Dies ist vor allem darin begründet, dass sich die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Regionen mit enormen Herausforderungen konfrontiert sieht: Die Europäische Integration und ihre Einbettung in globalisierte Wirtschafts- und Entscheidungszusammenhänge führen zu ökonomische Restrukturierungs- und Verlagerungsprozessen, von denen auch einzelne Regionen betroffen sind. Sie werden in zunehmenden Maß mit intraindustriellen Handelsbeziehungen und einer internationalen Vernetzung bereits auf der Ebene der Produktion konfrontiert. Es gibt eine ganze Reihe schnell wachsender Märkte und den enormen Einfluss der Finanzmärkte, die durch das globale Informations- und Kommunikationsnetzwerk zusammengehalten werden. Dies hat zur Folge, dass Regionen als Wirtschaftsstandorte nun zueinander in zunehmender Konkurrenz um mobile und immobile Ressourcen stehen. Zu diesen ökonomischen Rahmenbedingungen gesellen sich zusätzliche Herausforderungen im sozialen und ökologischen Bereich (demographischer Wandel, Migration, soziale und regionale Kohäsion, Flächenverbrauch und Klimawandel etc.). Es besteht heute Einigkeit darin, dass Regionen und Standorte sich in dieser sich schnell verändernden Welt nur dann positiv entwickeln können, wenn sie sich laufend an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen und dabei ihr "Wissen" als Entwicklungsressource begreifen und entsprechend nutzen können. 2.
Paradigmenwechsel in der Regionalwissenschaft
Die Regionalwissenschaft beschäftigt sich schon seit langem mit der Frage, wie sich Regionen als Standorte entwickeln und welches die Faktoren sind, die den Erfolg einer Region – empirisch gestützt – erklären können. Dazu gibt es in den Wirtschaftswissenschaften verschiedene, teilweise auch widersprüchliche Theorieansätze. Neben neoklassischen Modellen (zusammenfassend z.B. Schätzl, 1992) oder Polarisationstheorien und deren Weiterentwicklungen zu ZentrumPeripherie- Modellen (vgl. Maier/Tödtling/Trippl, 2006) wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine ganze Reihe neuer Ansätze entwickelt: Netzwerke erleichtern den Austausch von Wissen und den Zugang zu Märkten (Theorie regionaler Produktionssysteme - Priore/Sabel, 1984, Netzwerktheorie – Grabher, 1993). Innovative Milieus kombinieren räumliche Nähe mit funktionalen Beziehungen (Theorie der kreativen Milieus - GREMI, Maillat, 1996) und die
Regionalentwicklung - Wissensmanagement und informelles Lernen
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Qualität der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsakteuren und anderen institutionellen Akteuren beeinflusst die Qualität der Netzwerke (Theorie der 'Institutional Thickness' - Amin/Thrift, 1995) und verringert die Transaktionskosten (Theorie der 'Untraded Interdependencies' – Storper, 1995). Außerdem korreliert das soziale Kapital einer Region generell mit ihrer ökonomischen Entwicklung (Sozialkapitaltheorien – Putnam, 2000). Dabei geraten immer mehr Faktoren in das Blickfeld, die eigentlich die Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen erklären und auf die räumliche Entwicklung übertragen wurden. Der Wettbewerb zwischen Unternehmen ist geprägt von Technologie und Konkurrenz, von Know-how und der Entwicklung und Verbreitung von Kompetenzen. Die Regionalwissenschaften haben diese betriebswirtschaftliche Sicht adaptiert und für ihren Forschungsgegenstand nutzbar gemacht. Thierstein/Walser (2000) sahen bereits vor mehreren Jahren einen dreifachen Paradigmenwechsel in der Regionalwissenschaft:
-
-
Der theoretische Blickwinkel wechselt von einer exogenen zu einer endogenen Sicht. Die Theorien verändern ihre Orientierung weg von den Produktionsfaktoren im engen Sinn hin zu einer Orientierung auf interaktive Zusammenhänge zwischen Institutionen bzw. Akteuren. Der Schwerpunkt der Theorien verlagert sich von einer statischen Sicht auf die Standortfaktoren hin zu Entwicklungsprozessen.
Dieser letztgenannte Paradigmenwechsel ist auch erkennbar, wenn die wichtigsten regionalwirtschaftlichen Theorien in ihrer historischen Entwicklung betrachtet werden. Wie in der Abbildung 1 dargestellt, zeigt sich, dass die klassischen Standorttheorien, die sich primär auf die sogenannten 'harten' Standortfaktoren bezogen haben, um dynamische und prozessorientierte Standorttheorien ergänzt werden müssen. Dabei muss aber angemerkt werden, dass diese 'neuen' Ansätze der Standorttheorie die 'klassischen' Ansätze nicht ersetzen, sondern ergänzen.
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Roland Scherer/Manfred Walser
traditionelle Standortfaktoren: Verkehrslage Steuern Arbeitsmarkt
dynamische Standortfaktoren: Milieus
+
Cluster Forschungszentren
Prozess Faktoren: emotionale Bindung
+
interne Machtstrukturen Interne Lernprozesse
Abb. 1: Wandel der Standorttheorien Quelle: Bieger/Scherer, 2003.
Diese Ausführungen über die aktuellen regionalwissenschaftlichen Diskussionen zeigen deutlich, dass es heute nicht mehr die zentrale und umfassende Regionaltheorie gibt. Es müssen vielmehr eine Reihe von unterschiedlichen theoretischen Ansätzen herangezogen werden, mit denen sich der Erfolg von Regionen und Standorten erklären lässt und aus denen dann konkrete Handlungsanforderungen für eine Regionalförderung abgeleitet werden können. In der internationalen Diskussion werden insbesondere fünf theoretische Konzepte genannt, die im Zusammenhang mit der Bedeutung von Wissen und Lernen für die regionale Entwicklung von besonderer Relevanz sind:
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-
Die neuen "Wachstumspol"-Konzepte leiten sich aus den ursprünglichen polarisationstheoretischen Ansätzen von Perroux (1950), Myrdal (1957) und Hirschmann (1958) ab. Sie gehen davon aus, das Wachstumspole Orte sind, an denen durch diverse Verflechtungen eine Entwicklungsdynamik in Gang gesetzt wird und diese zu einem (wirtschaftlichen) Wachstum führen kann (z.B. Lasuén, 1973; Schätzel, 1992). Eine entsprechende Konzentration der Regionalförderung auf derartige Orte würde dann zu spürbaren Impulsen für die wirtschaftliche Entwicklung führen. Das Konzept "Lernende Region" (z.B. Butzin, 1996; Florida, 1995; Stahl, 1994; Thierstein/Schedler/Bieger, 2000): Es betont die Bedeutung des Wis-
Regionalentwicklung - Wissensmanagement und informelles Lernen
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sens, der Qualifizierung und des Kompetenzerwerbs als Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region. Der "Sozialkapitalansatz" (z.B. Putnam, 1993) betont die Beziehungen zwischen Menschen als Ressource auch für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region bzw. einer Gemeinde. Er richtet den Blick auf die individuellen Kontaktnetze innerhalb einer Region und zeigt auf, wie daraus Solidarität und Engagement für öffentliche Aufgaben entstehen (können). Konzepte der endogenen Regionalentwicklung (z. B. Hahne, 1985; zur Genese Lukesch, 2007) beinhalten eine Rückbesinnung auf regionale Ressourcen und Fähigkeiten und zeigen die Notwendigkeit auf, diese zu nutzen, um Entwicklungsimpulse und Ideen zu generieren. Der Bewahrung der regionalen Identität kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Im Gegensatz zu den früheren Ansätzen der endogenen Regionalentwicklung, wie sie in den 1980er Jahren diskutiert wurden, wird heute die Notwendigkeit der Erzielung von Exporterlösen durch die Nutzung der endogenen Potenziale als zentrale Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum angesehen. Das Konzept des "Capacity Building" geht davon aus, dass gesellschaftliche Veränderung ein komplexer Prozess ist, in dem Menschen in unterschiedlichen Rollen und Organisationen versuchen, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen effizient und wirkungsvoll zu gestalten (vgl. UNDP o.J.). Durch "Capacity Building" entwickeln sie die Fähigkeit ("Capacity"), ihre eigenen Ziele zu erreichen. Durch gezielte Maßnahmen, u. a. durch den Aufbau entsprechender Institutionen, will man sowohl das organisationale als auch das individuelle Wissen, das in einer Region existiert, gezielt für die (wirtschaftliche) Entwicklung nutzen.
In all diesen theoretischen Konzepten, aus denen sich konkrete Anforderungen für eine erfolgreiche Entwicklung von Standorten ableiten lassen, kommt dem Bereich Wissen eine besondere Bedeutung zu. Wissen stellt die zentrale Ressource dar, die langfristig für den (wirtschaftlichen) Erfolg einer Region verantwortlich ist. Erfolgreiche Regionen sind heute die, denen es am besten gelingt, das vorhandene Wissen gezielt für die eigene Entwicklung nutzen zu können. D.h., die Lernfähigkeit einer Region wird damit zum zentralen Erfolgsfaktor ihrer zukünftigen Entwicklung (vgl. Scherer, 2006). Die Lernfähigkeit bezieht sich darauf, dass Standorte in der Lage sein müssen, sich den veränderten regionalen und globalen Rahmenbedingungen laufend anzupassen, indem sie ihre Wirtschaftsstruktur ständig neu konfigurieren. Ziel ist es dabei ihre
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Roland Scherer/Manfred Walser
Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (vgl. Florida, 1995). Die Schaffung von Wissen und der Austausch dieses Wissens werden damit zu zentralen Erfolgsfaktoren eines Standorts. 3.
Wissen und Lernen
Ähnlich wie in Unternehmen wird das Potential „Wissen“ bei der Regionalentwicklung in der Regel nicht effizient genutzt. Standorte und Regionen wissen oft nicht, was sie wissen, welches Wissen sie benötigen und wo sie dieses erhalten können. Gleichzeitig wird häufig nicht bedacht, dass ein einmal erworbenes Wissen kein „wertbeständiges“ Gut ist und einer Halbwertszeit unterliegt. So schätzt Schüppel (1996) diese Halbwertszeit (also die Zeit, bis nur noch 50% des Wissens aktuell und gültig ist) bei technologischem und statistischem Wissen auf 1-2 Jahre, die von Hochschulwissen auf 5 Jahre. Regionen und Standorte sind deshalb - wie Unternehmen - gefordert, ein ständiges Wissensmanagement zu betreiben. Nur dadurch können sie lernfähig bleiben und auf die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen reagieren. In der Betriebswirtschaft wird seit Mitte der 1990er Jahre intensiv über die Anforderungen für betriebliche Wissenssysteme und betriebliches Wissensmanagement diskutiert. Dabei wird, wie in der folgenden Abbildung dargestellt, zwischen zwei Formen von Wissen unterschieden (vgl. Nonaka/Takeuchi, 1997): Auf der einen Seite explicit knowlegde, d.h. Wissen, das in Form von Artikeln, Daten, Checklisten, Handlungsanweisungen etc. gespeichert und weitergegeben werden kann. Dieses Wissen ist heute dank der neuen Informationstechnologien oft weltweit ubiquitär vorhanden. Auf der anderen Seite gibt es tacit knowledge, d.h. das Wissen einzelner Personen, das erst durch Auseinandersetzungen mit konkreten Aufgaben und Problemen erworben wird. Dieses Wissen ist - wenn überhaupt - nur sehr aufwändig explizierbar und wird überwiegend durch konkrete Erfahrungen und durch Begegnungen einzelner Individuen weiter gegeben.
Regionalentwicklung - Wissensmanagement und informelles Lernen
Merkmal
Implizites Wissen
Explizites Wissen
Kontextbin-
Gebunden an sensorische Erfahrung
Gebunden an intellektuelle Erfah-
dung Übertragung
177
rung Gemeinsame Anwendung von
Kommunikation von Wissen
Wissen Explizierung
Aneignung
Aufwendiger Prozess der Externali-
Dokumentation in Zahlen, Texten,
sierung
Bildern
Durch gemeinsame Praxis
Durch gemeinsames Lernen
Abb. 2: Grundformen des Wissens Quelle: nach Willke, 1998.
Eine anschauliche Operationalisierung der verschiedenen Stufen der Wissensverarbeitung liefert Georg von Krogh (1995). Er unterscheidet die Stufen Identifizierung von Wissen, Entwicklung und Kodierung von Wissen, Kompetenzbildung und Innovationsmanagement. In der ersten Stufe der Identifizierung von Wissen geht es darum, explicit und tacit knowledge zu identifizieren. In einem zweiten Schritt geht es darum, dieses Wissen zu entwickeln, mit anderen zu teilen und in einer geeigneten Form transferierbar zu machen. Durch die Auseinandersetzung mit konkreten Problemstellungen und Anwendungen werden dann - aufbauend auf dem identifizierten und bereitgestellten Wissen - Kompetenzen gebildet. Kompetenzen in diesem Sinne können nicht einfach von anderen Unternehmen gekauft werden. Sie entstehen erst, indem eine Verbindung von Personen mit spezifischem Wissen, Routinen, aber auch Einrichtungen, Installationen und Informatiksystemen eine effiziente Bewältigung bestimmter Aufgaben ermöglicht. Die Umsetzung dieses Wissen und dieser neuen Kompetenzen ist die eigentliche Innovation, die zu konkreten Veränderungen und Handlungen führt. Knowledge-Management erstreckt sich deshalb nicht nur auf die Bereitstellung von Informationsgrundlagen oder auf die Schaffung von neuem Wissen, sondern stellt ein umfassendes Wissenssystem dar, das von der Identifizierung relevanten Wissens bis hin zur konkreten Innovation reicht. Es stellt sich nun die Frage, wie die Lernprozesse aussehen, die Ziel des Wissensmanagements sind. Back u.a. (2001) definieren Lernen im Zusammenhang mit explizitem und implizitem Wissen sehr grundlegend: "Wenn man die Einteilung nach implizitem und explizitem Wissen nimmt, ist Lernen in erster Linie
178
Roland Scherer/Manfred Walser
das Überführen von explizitem Wissen in implizites Wissen. Es ist der Vorgang, der bei Personen eine «innere» Veränderung verursacht, einen mehr oder weniger dauerhaften Zuwachs von Kompetenzen und Fähigkeit". Dieser Vorgang setzt aber einen bewussten oder unbewussten Entscheid des "Wissenswollen" voraus: "Wissen entsteht erst dann, wenn ein erkennendes Subjekt mittels einer Frage, eines Wissenwollens, in die Welt hineinlangt und das, was zu seiner Frage passt, aus ihr herauszieht" (Mosimann, 2004). Grob vereinfacht stellt "Wissen" damit den Inhalt dar, der über das "Lernen" als der konkreten Aktivität vermittelt wird. Diese Aktivität verdient eine genauere Betrachtung. Entsprechend der Unterscheidung der Europäischen Gemeinschaft (2001) lassen sich drei unterschiedliche Arten von Lernformen unterscheiden:
-
-
-
Formales Lernen ist Lernen, das üblicherweise in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung stattfindet. Es ist in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung strukturiert und führt zu einer Zertifizierung. Formales Lernen ist aus der Sicht des Lernenden zielgerichtet. Nicht formales Lernen ist Lernen, das nicht in Bildungs- oder Berufsbildungseinrichtungen stattfindet und üblicherweise auch nicht zur Zertifizierung führt. Gleichwohl ist es systematisch in Bezug auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel und ebenfalls aus Sicht der Lernenden zielgerichtet. Informelles Lernen ist Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit stattfindet. Es kann zielgerichtet sein, ist jedoch oft vom Lernenden nicht beabsichtigt oder beiläufig. Dabei kann man noch zwischen informellem Lernen und informeller Bildung unterscheiden. Informelle Bildung findet dann statt, wenn von professionellem Personal Lernsituationen gestaltet werden, ohne dass dabei ein festgelegter Lehrplan zum Einsatz kommt.
Welche Lernformen sind für die regionale Entwicklung nun konkret von Bedeutung. Um diese Frage beantworten zu können greifen wir hier auf vier grundlegende Leitfragen zurück, die von Willke (1998: 46) im Zusammenhang mit organisationalem Lernen formuliert wurden: (1) Was ist zu lernen? (2) Wozu lernen? (3) Wie gelingt lernen? und (4) Welche Qualität des Lernens? Bereits bei der ersten Frage, nach dem konkreten Lerninhalt, zeigt sich, dass Lernen in der Regionalentwicklung grundsätzlich zwei Zielrichtungen haben kann. Zum Einen können Lerninhalte vermittelt werden, die einzelnen Akteuren
Regionalentwicklung - Wissensmanagement und informelles Lernen
179
helfen, konkrete (unternehmerische) Aktivitäten erfolgreich durchzuführen, durch die direkt ein Beitrag zur Wertschöpfung und damit zur wirtschaftlichen Entwicklung geleistet wird. Zum Anderen können Lerninhalte vermittelt werden, durch die regionale Akteure darin befähigt werden, Projekte und Maßnahmen zu initiieren und zu begleiten, durch die andere Akteure einen Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung leisten können. Diese Differenzierung bei den Lerninhalten führt dazu, dass auf der regionalen Ebene möglicherweise zwei getrennte Lernprozesse durchgeführt werden müssen, da in jedem dieser Prozesse unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Auch die Frage nach dem "Wozu des Lernens" muss für jeden Prozess anders beantwortet werden. Im einen Fall geht es primär darum, (unternehmerische) Maßnahmen durchzuführen, die direkt auf eine Erhöhung der regionalen Wertschöpfung zielen. Im anderen Fall geht es dagegen eher darum, dass die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Region verbessert wird und dass im Sinne eines Empowerment andere Akteure zu eigenem wirtschaftlichen Handeln motiviert werden. Sowohl die Art des Lernens als auch die Qualität des Lernens muss darum für beide Lernprozesse sehr unterschiedlich sein. In beiden Bereichen kommt dem informellen Lernen dabei eine besondere Bedeutung zu, da nur dieses in der Lage ist, auch das implizite Wissen für den Lernprozess zu nutzen. Informelles Lernen findet im Alltag statt und beruht auf persönlichen Erfahrungen, Diskursen und Interaktionen. Es ist selbstgesteuert, d.h. man kann eine hohe Motivation und damit „Lernbereitschaft“ des Einzelnen und einen hohen Anwendungsbezug des Wissens voraussetzen. Informell eignen wir uns verschiedene Arten von Wissen an: Fachwissen, Orientierungswissen, prozedurales, auf Fertigkeiten bezogenes Wissen, aber auch soziale Kompetenz und Gestaltungskompetenz. (AG 'Informelles Lernen', 2005; Walser, 2006). Diese Art des Lernens findet nun Eingang in bildungspolitische Debatten. Die Europäische Kommission (1996) beispielsweise propagiert die Förderung von Schlüsselkompetenzen durch informelles Lernen und arbeitet an Zertifizierungsmodi für “informal and prior learning”. In einigen europäischen Ländern gibt es bereits Anerkennungsprozeduren, die auch bisher eher versteckte beruflich relevante Kompetenzen transparent werden lassen (Overwien, 2009). Vergleicht man quantitative Untersuchungen zum informellen Lernen, so werden zwischen 45% und knapp 90% allen beruflich relevanten Wissens informell erlernt - die Zahlen variieren je nachdem, ob die Untersuchungen sich auf informelles Lernen am Arbeitsplatz beschränken oder alle informellen Lernvorgänge des täglichen Lebens beinhalten (Rohs, 2009). Dies zeigt jedoch, dass das informelle
180
Roland Scherer/Manfred Walser
Lernen eine bisher deutlich unterschätzte Form des Lernens ist, die in Fragen eines Wissensmanagements stärker thematisiert werden muss. 4.
Das Wissenssystem Region
Für den Bereich der Regionalentwicklung stellt sich nun die Frage, welches denn die für die wirtschaftliche Entwicklung relevanten Wissensakteure sind, und damit wie sich das regionale Wissenssystem als Träger des Wissensmanagements zusammensetzt. Grundsätzlich setzt ein Systembegriff voraus, dass verschiedene Teile aufeinander so stark Bezug nehmen und voneinander abhängen, dass sie ein – geschlossenes oder offenes – System bilden. Spricht man nun im Lichte einer wissensbasierten Ökonomie von einem Wissenssystem, so verhilft Bourdieu (1983) insofern zur Klärung, dass das „ökonomische Kapital“ nicht nur durch das „Wissenskapital“ ergänzt wird, sondern auch durch das „Beziehungskapital“ mit dem dazu angemessenen Organisationstyp des Netzwerkes. Ein Wissenssystem stellt damit ein "offenes soziales System dar, dessen Mitglieder funktional miteinander vernetzt und voneinander abhängig sind und das durch Wissens-Austauschbeziehungen seiner Mitglieder definiert wird" (Schnell/Held/Scherer, 2005). Ein Wissenssystem setzt sich dabei aus verschiedenen Personen und Institutionen zusammen, welche Träger von Wissen bezüglich einem spezifischen System (z.B. Landwirtschaft, Regionalentwicklung, Finanzplatz) sind. Akteure aus Wirtschaft, Politik und Staat, wie auch aus Zivilgesellschaft, Kultur, Bildung und Wissenschaft, sind solche Wissensträger. Sie bilden – ob bewusst oder unbewusst – ein informelles Wissenssystem, das durch gemeinsame bzw. sich überlagernde Interessenlagen und Aufgabenbereiche zusammengehalten wird, wie es beispielsweise die Regionalentwicklung darstellt. Innerhalb dieses regionalen Wissenssystems können Akteure identifiziert werden, die dem formalen Regionsgefüge an sich eher passiv gegenüber stehen. Als Unternehmer, Touristiker, Gemeinden, NGO’s oder Privatpersonen sind sie Nutzer bzw. Nutznießer derjenigen Funktionsträger, die aktiv die Geschicke des regionalen Verbunds strategisch und operativ gestalten. Abbildung 3 zeigt am Beispiel der Situation in der Schweiz, dass das Wissenssystem Regionalentwicklung die „endogenen“ Kräfte einer Region, die die eigentlichen Träger der regionalen Wissensbasis darstellen, ebenso umfasst wie die regionalen Akteure, die Unterstützungs- und Förderungsaufgaben für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region übernehmen.
Regionalentwicklung - Wissensmanagement und informelles Lernen
Abb. 3: Akteure Wissenssystems Regionalentwicklung Quelle: Schnell/Held/Scherer 2006
181
182
Roland Scherer/Manfred Walser
Es stellt sich nun die Frage, wie das Wissen einer Region gezielt für die (wirtschaftliche) Entwicklung dieser genutzt werden kann. Die wissenschaftliche Diskussion differenziert heute drei verschiedene Ansätze für lernende Regionen, je nachdem, welche Perspektive die vorherrschende ist (Schläger-Zirklik, 2003):
-
-
-
Aus der Perspektive des Humankapitals stehen die qualifizierte Arbeitskraft und deren individuelle Lernprozesse im Mittelpunkt der Überlegungen. Aufgabe der Region ist unter anderem die Koordination und Vernetzung von Bildungsangeboten ('learning by coordinating'). Bei einem eher innovationsorientierten Ansatz steht die betriebliche Innovation bis hin zu regionalen Kompetenzclustern an erster Stelle. Hier sieht die Region ihre Aufgabe beispielsweise in der Förderung von Unternehmenskooperationen, in der Bereitstellung von F&E- Kapazitäten und Transferstellen ('learning by interacting'). Ein dritter Ansatz ist Milieu-orientiert und hat die gesamte regionale Dynamik zum Ziel. Regionale Aktivitäten beziehen nicht-ökonomische Akteure ein und reichen bis zur Erarbeitung regionaler Entwicklungskonzepte, partizipativen Planungen und verschiedenen Moderationsfunktionen ('learning by networking').
Betrachtet man diese verschiedenen Konzepte, so liegt der Fokus der gewählten "Lernstrategien" meist bei formalisierten Lernprozessen und -inhalten. Zwar wird in den meisten Konzepten immer wieder auf die Notwendigkeit der Vermittlung von Tacit Knowledge und auf die Bedeutung von informellen Lernprozessen eingegangen. Es zeigt sich aber, dass derartige informelle Lernprozesse im Rahmen von regionalen Entwicklungsprozessen bislang wenig zielgerichtet strukturiert sind und auch kaum bewusst reflektiert werden. Dies erstaunt, da heute in der Regionalwissenschaft weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass es gerade der Bereich des Tacit Knowledge ist, aus dem die wichtigsten Impulse für die regionale Entwicklung resultieren und dass dieses Tacit Knowledge überwiegend informal erlernt wird. Für die Regionalentwicklung ergibt sich daraus die Herausforderung, Lernprozesse zu initiieren, die verschiedene Formen von Lernprozessen integrieren und gewährleisten, dass auch das Tacit Knowledge entsprechend für die (wirtschaftliche) Entwicklung einer Region genutzt werden kann.
Regionalentwicklung - Wissensmanagement und informelles Lernen
5.
183
Informelles Lernen in der regionalen Entwicklung
Am Beispiel des Wissenssystems Regionalentwicklung Schweiz wird im Folgenden aufgezeigt, wie in einem konkreten Fall versucht wird, informelle Lernprozesse zu initiieren, die speziell auf die Nutzung des impliziten Wissens für die Regionalentwicklung ausgerichtet sind. Der Aufbau eines derartigen Wissenssystems Regionalentwicklung ist in der Ausrichtung 3 des Bundesgesetzes zur Regionalpolitik vorgesehen und als Supportstrategie für die gesamte Regionalpolitik in der Schweiz gedacht. Das Wissenssystem Regionalentwicklung Schweiz richtet sich dabei primär an die Akteure, die Regionalentwicklungsprozesse initiieren und begleiten sollen und nicht an einzelne Unternehmen, die wirtschaftliche Projekte selbst durchführen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Zielsetzung, dass das in der Schweiz bei den Akteuren des Wissenssystems Regionalentwicklung vorhandene explizite und implizite Wissen gezielt genutzt und ausgetauscht wird. In der folgenden Abbildung ist dargestellt, welche Lernziele und -inhalte durch das System vermittelt werden sollen. Darin wird deutlich, dass es hier sehr stark auch um den Austausch von implizitem Wissen geht und dass dies primär über den persönlichen Kontakt der Akteure in informellen Lernprozessen geht.
Wissen generieren
Regionalentwicklung reg. Wertschöpfungsproz.
Standards/ Methoden
Wissen tauschen und teilen
Schnittstellen
Netzwerkmanagement
Innovation
Abb. 4: Lernziele und -inhalte des Wissenssystems Regionalentwicklung Schweiz Quelle: Schnell/Scherer/Held, 2005.
Seit Anfang 2008 wird in der Schweiz unter dem Titel regiosuisse ein derartiges Wissenssystem der Regionalentwicklung aufgebaut. Der Aufbau dieses Wis-
184
Roland Scherer/Manfred Walser
senssystems ist substanzieller Bestandteil des 2008 in Kraft getretenen Bundesgesetzes zur Neuen Regionalpolitik (NRP). Träger des Wissenssystems ist das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, also das Wirtschaftsministerium der Schweiz. Betreut wird es durch ein privates Unternehmen bzw. ein Konsortium aus verschiedenen Unternehmen, das für den gesamten Betrieb verantwortlich ist. Ausgehend von den Erfahrungen bei Wissensmanagement in Unternehmen beinhaltet das Wissenssystem drei Wissens-Strategien (vgl.Schnell/Held/Scherer, 2005: 39). Zwei Strategien orientieren sich primär auf das Verhalten von Men schen, eine auf die Technik:
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-
Mobilisieren und Vernetzen: Die Hauptschwierigkeit besteht heute einerseits darin, dass das Wissen, vor allem auch das personengebundene, implizite Wissen unzureichend geteilt und ausgetauscht wird. Dies liegt an unzureichenden Plattformen, Methoden und den Austausch hemmenden Kulturen. Andererseits ist – vor dem Hintergrund grösserer Umwälzungen in Gesellschaft und Wirtschaft – der Bedarf nach neuem, für die Regionalentwicklung neu aufbereitetem Wissen zunehmend bedeutsam. Dafür stehen Instrumente im Vordergrund, die das Teilen und Austauschen von Wissen zwischen Menschen bzw. Erzeugen von Wissen notwendigerweise unterstützen. Qualifizierung: Wissen muss über Kompetenzbildung zu innovativem Handeln in den Regionen führen. Deshalb sollen die bisherigen Aktivitäten zur Qualifizierung durch Weiterbildung fortgesetzt und entsprechend neuer Bedürfnisse bzw. Anforderungen weiterentwickelt werden (z.B. Kreativitätstraining, Selbstreflexions-Methoden, Weiterbildung). Wissens-Infrastruktur: Neben der Fokussierung auf die Menschen soll das in Sprache fassbare Wissen, das explizite Wissen, über technische Infrastruktur austauschbar gemacht werden: Wissen soweit aufbereiten, übersetzen, kategorisieren, so dass die im Dienste der Regionalentwicklung Handelnden explizites Wissen holen können, unabhängig wo man ist, aber auch Wissen einbringen können. Moderne technische Lösungen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) stehen im Vordergrund. Es wird ein Wissens-Portal Regionalentwicklung mit breiter Funktionalität vorgeschlagen.
In der folgenden Abbildung sind die Elemente des Wissenssystems Regionalentwicklung entsprechend diesen Strategien dargestellt.
Regionalentwicklung - Wissensmanagement und informelles Lernen
185
über Menschen:
über Menschen:
über Technik:
Mobilisier en + Ver net zen
Q ualifizier en
W issensInfr ast r ukt ur
NNetzwerk-Management etzwerk-Management • Pr aktiker -Gem. • Int er essen-Gem.
• Pr akt iker -Gem.
• For schungsN etzwer k
• For schungsN et zwer k
• W issen t eilen & aust auschen
W issen Æ Kompet enz Æ
W issens-Por tal
• Inter essen-Gem.
• N eues W issen
Innovat ion
„ RegionenGoogle“
W issen aufar beit en bzw. br ingen und holen
Abb. 5: Elemente des Wissenssystems Regionalentwicklung Schweiz Quelle: Schnell/Held/Scherer, 2005: 40.
Hier zeigt sich nochmals, dass es sich nicht um ein primär technisches System handelt, sondern um ein System in dem Menschen und der Austausch von Menschen im Mittelpunkt steht. Informelles Lernen findet vor allem in den beiden Elementen "Praktiker-Gemeinschaften" und "Interessen-Gemeinschaften" statt. Diese zielen explizit darauf, bei regionalen Akteuren vorhandenes implizites Wissen durch - unterschiedliche stark gesteuerte - Austauschprozesse an andere Akteure weiterzugeben. Die Elemente "Qualifizierung" und "Wissensportal" stellen dagegen eher nicht-formale Lernformen dar bzw. dienen der Weitergabe von explizitem Wissen. Mit dem Element "Forschungsnetzwerk" soll möglicherweise neues Wissen generiert werden, für das sich in den anderen Elementen ein entsprechender Wissensbedarf identifizieren lässt. Das gesamte Wissenssystem Regionalentwicklung kann aber - genau wie jedes andere Wissenssystem auch - nicht ohne ein entsprechendes Netzwerkmanagement funktionieren. Es benötigt hier Wissensnetzwerker, die im direkten Kontakt den Austausch des Wissens innerhalb des Systems managen, die die verschiedenen Akteure miteinander in Kontakt bringen und die damit die informellen Lernprozesse erst ermöglichen. Die Erfahrungen aus den Wissensmanagementsystemen aus Unternehmen zeigen deutlich, dass diese Funktion nicht durch elektronische Wissenssysteme ersetzt werden können.
1
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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Mittelpunkt des Wissenssystems Regionalentwicklung Schweiz die Leitidee des informellen Lernens steht. In einer bislang - zumindest in Europa - einzigartigen Art und Weise wird hier von staatlicher Seite ein entsprechendes "Lernsystems" aufgebaut und über einen längeren Zeitraum (2008-2015) mit ausreichend finanziellen Ressourcen ausgestattet. Es bleibt zu beobachten, ob durch dieses Wissens- und damit Lernsystem eine tatsächliche "Verbesserung" in der regionalen Entwicklung der ländlichen Räume ausgelöst wird. 6.
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Perspektiven der kollektiven Kompetenzentwicklung Anforderungen und Umsetzung des IT-gestützten Transfers von Wissensinhalten und Kompetenzen in Netzwerken Reinhard Boltin/Joachim Rossbroich
Inhaltsverzeichnis 1.
Vorbemerkungen ..............................................................................190
2.
Wissenstechnologie für „lernende Regionen“..................................191
2.1
INKOBA® Wissenshorizonte ..........................................................192
2.2
IT-gestützter Wissens- und Kompetenztransfer................................193
2.3
Technologieanforderungen...............................................................194
2.4
Technologiebeschreibung.................................................................196
2.5
Methodenbeschreibung ....................................................................197 2.5.1
INKOBA® Konservierungsmethode .......................................197
2.5.2
INKOBA® Inbound-Outbound Methode ................................198
2.5.3
Einführungsmethodik ...............................................................199
3.
Ausblick ...........................................................................................201
4.
Literaturverzeichnis..........................................................................202
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
190
1.
Reinhard Boltin/Joachim Rossbroich
Vorbemerkungen
Im Rahmen der Globalisierung gewinnt regionale Selbstorganisation an Bedeutung. Regionen müssen sich als „lernende Regionen“ in einer nationalen und transnationalen (europäischen und globalen) Umwelt verstehen und hier systemische Wettbewerbsfähigkeit entwickeln. Dazu gehört ein regionales Wissensund Kompetenzmanagement, das nur durch Entwicklung einer regionalen Wissenskultur und Wissensorganisation, sowie einer angemessenen Wissenstechnologie möglich wird. Diese drei Komponenten stützen sich gegenseitig und sind für eine „lernende Region“ unverzichtbar.
-
-
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Es muss eine regionale Lern-, Kommunikations- und Wissenskultur entwickelt und gepflegt werden, in der die Entwicklungs- und Zukunftsziele der Region offen thematisiert und transparent gemacht werden und alle regionalen Akteure als potentielle Kooperationspartner, Mitdenker und Mitgestalter einbezogen werden. Nur im Rahmen dieser zielorientierten, Sinn und Bindung, Loyalität und Verantwortung stiftenden Wissenskultur kann eine effiziente regionale Wissensorganisation aufgebaut werden, die (unter Bedingungen von information overload) das für die Region relevante Wissen zielorientiert selektiert und formatiert, Kommunikation und Wissensflüsse zwischen den involvierten Akteuren optimiert und ihnen damit hilft, das Wissen auch in ihren Köpfen angemessen zu strukturieren, kreativ zu bearbeiten und weiter zu entwickeln. Wissensorganisation kann nur gelingen, wenn sie durch eine angemessene Wissenstechnologie unterstützt wird, die drei Leistungen erbringen sollte: sie muss die Arbeit mit dem Wissen (wissensgestützte Arbeit), seine Verfügbarkeit und Nutzung für die Region erleichtern und beschleunigen, zweitens sollte sie die Arbeit am Wissen (Wissensarbeit), nämlich seine kontinuierliche Speicherung, Um- und Neustrukturierung sowie Vermehrung im Interesse der Region ermöglichen, also eine Art regionales (digitales) Gedächtnis aufbauen. Schließlich sollte eine angemessene Wissenstechnologie die individuelle Kompetenzentwicklung der involvierten Akteure unterstützen und damit (durch diese hindurch) eine regionale kollektive Kompetenz aufund ausbauen. Während die erste Leistungsanforderung an Wissenstechnologie von vielen Anbietern mehr oder weniger erfüllt wird, stellen regionale
Perspektiven der kollektiven Kompetenzentwicklung
191
Gedächtnisbildung und Kompetenzentwicklung größere Herausforderungen dar. Im Rahmen dieser Anforderungen an ein regionales Wissensmanagement konzentriert sich unser Beitrag auf die individuelle und kollektive Kompetenzentwicklung und stellt eine Wissenstechnologie vor, die diese wirkungsvoll unterstützen kann (vgl. Boltin et al., 2008). Aus der bisherigen Praxiserfahrung lässt sich festhalten,
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... dass bei der kollektiven Kompetenzentwicklung Prozesse der inneren und äußeren Wissensorganisation zu berücksichtigen sind. ... dass Prozesse der inneren Wissensorganisation den individuellen Flickenteppich des Gewussten permanent verändern. ... dass Prozesse der inneren Wissensorganisation von außen stimulierbar, aber von innen auf Motivation und Antrieb angewiesen sind. ... dass bei der kollektiven Kompetenzentwicklung mit dem Abgleich von Wissensgut Motivation und Antrieb entstehen kann. ... dass funktional verarbeitetes und anwendungsorientiert strukturiertes Wissensgut für die Effizienz von Wissensorganisation und Wissenstechnologie von Bedeutung ist.
Diesbezügliche Erfahrungen und Erkenntnisse sind bei der Entwicklung der Wissenstechnologie, die im Folgenden umrissen wird, berücksichtigt worden. 2.
Wissenstechnologie für „lernende Regionen“
Die meisten der in der Praxis anzutreffenden Unterstützungssysteme für Wissensorganisation sind nicht auf die Entkopplung von Wissens- und Kompetenzprozessen hin entwickelt. Das bedeutet, sie sind in der Anwendung starr und setzen eher Kompetenz voraus als diese zu entwickeln. Sie können zwar Information speichern, bereitstellen oder verarbeiten, machen diese aber nicht gezielt und getrennt für die Wissensprozesse auf der einen und die Kompetenzprozesse auf der anderen Seite verfügbar. Andere Systeme wiederum setzen weniger Kompetenz voraus, über-
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Reinhard Boltin/Joachim Rossbroich
nehmen für den Akteur aus seiner Sicht undurchschaubare Prozesse, wodurch wiederum nicht wirklich die Kompetenzentwicklung stimuliert wird. Für wissenstechnologische Anwendungen, gemeint sind hier zum Beispiel Portale, Computer Cockpits oder SharePoint-Anwendungen usw., wurde im Zuge der Entwicklung der INKOBA® Inbound-Outbound-Methode eine Taxonomie also ein Ordnungsrahmen und eine Terminologie für die Speicherung und Konservierung von Wissensgut - entwickelt, der im folgenden Text grob und dann jeweils in Kundenprojekten fallspezifisch und detailliert erläutert wird. Konservierung von Wissensgut meint dabei eine unter INKOBA® entwickelte praktische Methode zur Formatierung von Wissensgut mit gedächtnisentlastender Wirkung.
2.1 INKOBA® Wissenshorizonte
In Abb. 1 ist ein in der Breite geschlossenes und in der Tiefe offenes System von Ordnungsbegriffen für die Wissensorganisation, ein Modell der Wissenshorizonte, dargestellt. Durch die einfach zu handhabende Struktur kann Komplexität anwenderspezifisch reduziert und für den Wissenstransfer feingliedrig kanalisiert werden. Das Besondere an diesem Modell ist die inhaltlich-funktionale Aufteilung der sieben Wissenshorizonte und ihre anwendungsorientierte Struktur, hier in der Darstellung als Mühlenflügel. Die inhaltlich-funktionale Aufteilung hilft Wissensgut grob in das Wahrgenommene, das Erfahrene, das Gewusste, das Abgeglichene, das Produktive, das Distributive und das Genutzte zu unterteilen. Die anwendungsorientierte Struktur wurde für die INKOBA® InboundOutbound-Methode entwickelt. Im Kern wird bei dieser Methode Wissensgut in drei Gruppen unterschieden. Inbound-, Prozess- und Outboundwissen. Die Horizonte H1 bis H3 umfassen Wissensgut des Inboundwissens, die Horizonte H5 bis H7 das Outboundwissen und im Horizont H4 wird nur abgeglichenes Wissensgut organisiert. Üblicherweise sind das finale Dokumente aus dem Projektmanagement, Protokolle, abgestimmte Auftragsunterlagen und natürlich evaluiertes Wissen der Wissenschaft.
Perspektiven der kollektiven Kompetenzentwicklung
193
Abb.1: Wissenshorizonte der INKOBA® Wissenstechnologie Quelle: Eigene Darstellung.
Im konkreten Anwendungsfall der Wissenstechnologie wird der Begriffsrahmen (Abb. 1) genutzt, um das jeweilige Wissensgut zu spezifizieren.
2.2 IT-gestützter Wissens- und Kompetenztransfer
Mit den nachfolgenden Anforderungsempfehlungen möchten wir Mut zu neuen Projekten machen und Akteuren, kooperierenden Einheiten und dem Netzwerkmanagement Orientierung und eine kleine Starthilfe geben. Vor Einführung einer Wissenstechnologie sollte grundsätzlich Folgendes klar sein: -
-
Wissenstechnologie ist n i c h t Informationstechnologie, sie bestimmt aber wesentlich die Architektur, die Verwendung und den Inhalt von Ressourcen der informationstechnischen Infrastruktur. Wissenstechnologie ist auch n i c h t Wissenstechnik, die aus jenem Bereich der Computerwissenschaft stammt, der versucht hat, den Computer intelligenter zu machen und deswegen mit dem provozierenden Namen „Künstliche Intelligenz“ versehen worden ist.
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Wissenstechnologie ist k e i n e Elektronik (Hardware) und k e i n Service (Webanwendung). Unter Wissenstechnologie verstehen wir Konzepte IT-gestützter Lösungen für die ziel- und ergebnisbestimmte Unterstützung von Kompetenz- und Wissensprozessen im persönlichen, aber auch intra- oder interorganisationalen Gebrauch. Aus wissenstechnologischen Konzepten entstehen individuelle IT-gestützte Werkzeuge mit dem Ziel, strategische und operative Exzellenz zu erreichen. Für die individuelle oder kollektive Kompetenzentwicklung kommen spezielle Methoden wie zum Beispiel die INKOBA® Inbound-OutboundMethode oder die INKOBA® Konservierungsmethode zur Anwendung. Computer-Cockpits unterstützen die Entwicklung. Grundsätzlich gehen erfolgversprechende Konzepte der Wissenstechnologie von einer gedanklichen Trennung (Entkopplung) von Wissens- und Kompetenzprozessen aus. Typischerweise wird bei der professionellen Konzeptumsetzung der Aufgabenstellung entsprechend spezielles Know-how der jeweiligen Einzelprozesse im Rahmen eines Projektmanagements entsprechend der initialisierten Aufgabenstellung integriert. Ausgangsprodukte für die Einführung einer Wissenstechnologie sind rollenoder aufgabenspezifische, anwenderfreundliche, vorstrukturierte und vorkonfigurierte Computer Cockpits, deren Struktur und Ausstattung nach und nach verfeinert bzw. komplettiert wird. Die Einführung einer Wissenstechnologie ist eine typische Projektmanagementaufgabe. Sie erfordert vom Projektteam spezielles Fachwissen sowie Fähigkeiten zur Projektplanung, Projektleitung und Projektumsetzung.
2.3 Technologieanforderungen
Zur wissenstechnologischen Integration von Werkzeugen (Toolsets), sowie zur optimalen Anwendung geeigneter Methoden werden für die Umsetzung der Wissenstechnologie sogenannte Cockpit Controller benötigt. Abb. 2 zeigt die Systemarchitektur eines Softwareproduktes, wie es in der Praxis für INKOBA® Computer Cockpits verwendet wird.
Perspektiven der kollektiven Kompetenzentwicklung
203
Abb.2: Informationstechnische Anforderungen – Systemarchitektur Quelle: Eigene Darstellung.
Zur Herstellung, Vorstrukturierung und Vorkonfiguration von Cockpit Controllern sind verschiedene am Markt verfügbare Technologien geeignet. Sie können zum Beispiel als eigenständige Softwareanwendung, als Webservice oder als vorstrukturierte Content- oder Workflowplattform lokal oder verteilt aufgebaut werden. Im einfachsten Fall, der gleichzeitig in der Anschaffung und im Betrieb kostengünstig ist, kann das Programm Mikrosoft Office 2007 Excel verwendet werden. Damit Wissenstechnologie effizient zur kollektiven Kompetenzentwicklung beitragen kann, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
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A: Persönlich und übersichtlich gestalteter Cockpit-Desktop (Main Page) B: Einstellungsoption für Terminologie und Wortauswahl zur individuellen Anpassung C: Integriertes Präsentationsmodul für den aktuellen Konfigurationsstatus D: Permanentlink zu diversen Konservierungssystemen für notwendiges Wissensgut E: Arbeitsbereich für strategisches Geschehen mit Inboundknowledge F: Arbeitsbereich für operatives Geschehen mit modularer Prozessunterstützung
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-
Reinhard Boltin/Joachim Rossbroich
G: Arbeitsbereich für strategisches Geschehen mit Outboundknowledge.
Wichtig für Entscheider sind die Kosten, Fragen der Wartung, des Datenschutzes, der Datensicherheit sowie die Handhabbarkeit der Computer Cockpits für den Einzelnen, das Netzwerk und das Netzwerkmanagement. Für den IT-gestützten Transfer von Wissensinhalt und Kompetenz kommt außerdem der Nutzerverwaltung eine besondere Rolle zu. Sich dafür ergebende Anforderungen müssen im Rahmen der Projektvorbereitung festgelegt werden. Auch hier gilt es, das Prinzip der gedanklichen Entkopplung von Kompetenzund Wissensprozessen als Anforderung zu berücksichtigen.
2.4 Technologiebeschreibung Abb. 3 zeigt einen Bildschirmabzug eines Computer Cockpits, das im Prozess der Arbeit eingesetzt und darüber hinaus zur kollektiven Kompetenzentwicklung verwendet wird. Transferiert wird bei diesem Anwendungsbeispiel Wissensgut zwischen Akteuren der Entwicklung, des Marketings und der Geschäftsführung. Abb.3: Bildschirmabzug eines Computer Cockpits – Main Page
Desktopservice x x x x x x
Einstellen Präsentieren Konservieren Vorbereiten Bearbeiten Nachbereiten
Permanentlinks x x x x
Interne Konsolen Lokale Dateien Lokales Netzwerk Intranet
x Internet
Quelle: Eigene Darstellung.
Perspektiven der kollektiven Kompetenzentwicklung
197
Der Cockpit Controller wird den Beteiligten im beispielgebenden Anwendungsfall über ein Terminalsystem zugänglich gemacht. Damit steht ihnen (1) das im Cockpit konfigurierte Toolset, (2) die für die Qualitätssicherung bedeutsamen Dokumente, (3) die häufig verwendeten Favoriten (Services, Webpages, Webplattformen oder eigene Server im Firmen-Webspace), (4) ein oder mehrere Systeme zur Konservierung von Wissensgut, (5) ein Ticketingsystem für vorund nachgelagerte Wissensarbeit (erreichbar über „vorbereiten“ und „nachbereiten“) sowie (6) ein besonderes Navigationssystem für die Prozessunterstützung zur Verfügung, welches unter „bearbeiten“ erreicht wird. Der Transfer von Wissensgut erfolgt zum einen über ein integriertes Ticketingsystem und zum andern über die ständige Anpassung des Cockpits. Die Anpassung erfolgt durch die Benutzer selbst und wird von einem Coach unterstützt. Nützliches Wissensgut wird konserviert, Toolsets werden optimiert, Regeln zur Navigation und bedingte Formatierungsregeln werden konfiguriert. Die Kompetenzentwicklung wird vom Computer Cockpit methodisch dadurch unterstützt, dass die Gestaltung der im Punkt 3 beschriebenen äußeren Wissensorganisation die innere Wissensorganisation stimuliert. 2.5 Methodenbeschreibung 2.5.1
INKOBA® Konservierungsmethode
Wissensgut zu konservieren bedeutet nicht nur einen Wissensinhalt, so wie er geschrieben steht oder gesprochen wurde, zu speichern, sondern ihn so zu formatieren, zu ändern, zu ergänzen und ihn in eine Struktur einzubinden, dass er erstens schnell wieder gefunden werden kann und zweitens der Leser durch das gewählte Format bzw. hinterlegte Anmerkungen zielführend im Sinne seiner Kompetenzentwicklung (Verbesserung der inneren Wissensorganisation) und im Sinne erfolgreicher Wissensarbeit stimuliert wird. Belegungsbeispiel für Permanentlinks (grau abgestufte Rechtecke)
konservieren
Abb.4: Bildschirmausschnitt für die Aktivität „konservieren“ Quelle: Eigene Darstellung.
• Verzeichnissystem: z. B. Projektordner • Semantische Netzwerke: z. B. Maind map • Frames:z. B. Syncro|DNX oder Contentmanagementsystem
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Reinhard Boltin/Joachim Rossbroich
Das IT-gestützte Suchen in beliebigen Ressourcen der IT-Infrastruktur führt in den meisten Fällen auch zum gewünschten Ergebnis, hat aber mit Blick auf Kompetenzentwicklung und Verbesserung der inneren Wissensorganisation nur einen geringen Wert. Deshalb empfehlen wir besonders für kooperierende Einheiten einen gemeinsamen Konservierungsprozess zu etablieren. Mit einem geringen Zusatzaufwand für Coaching lässt sich für jeden Anwendungsfall die passende Konservierungsmethode finden. Für die kollektive Kompetenzentwicklung ist dabei der kommunikative Abgleich der angewandten Konservierungsmethode wichtig, weil dadurch der spezielle inhaltliche und strategische Fokus, zum Beispiel der für die Region oder Destination, spezifiziert wird.
2.5.2
INKOBA® Inbound-Outbound Methode
Die INKOBA® Inbound-Outbound-Methode (kurz, die IO-Methode) beschreibt eine IT-gestützte Vorgehensweise für Perspektiven individueller und kollektiver Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit. Dazu ist der Einsatz von Computer Cockpits erforderlich, die Mindestanforderungen, wie sie in der Technologieanforderungen/-beschreibung (Punkt 4.1 und 4.2) kurz vorgestellt wurden, erfüllen müssen. Während im Falle kollektiver Nutzung alle Teilnehmer die Berechtigung besitzen, dasselbe Computer Cockpit zu benutzen, verwendet zur individuellen Kompetenzentwicklung jeder Akteur sein eigenes Computer Cockpit. Diese Regelung schließt jedoch nicht aus, dass ein Akteur, der in verschiedenen Rollen tätig ist, auch mehrere Computer Cockpits einsetzen kann und die IOMethode für seine individuelle Kompetenzentwicklung in unterschiedlichen Szenarien mit unterschiedlichen Zielen mehrfach anwendet. Der Kern der IO-Methode basiert auf einem einfachen Strukturmodell für den allgemeinen Prozess der Arbeit. Es verdeutlicht den Zusammenhang und die Abgrenzung zwischen strategischen und operativen Aktivitäten und Zielen. Abb. 5 zeigt das prinzipielle Prozessschema.
Perspektiven der kollektiven Kompetenzentwicklung
199
Operative Zielachse Bei diesem Modell lassen sich zwei Perspektiven für die methodische Unterstützung im Prozess der
=
Arbeit erkennen. -
Unterstützung der operativen Ziele
-
Unterstützung der strategischen Ziele
*&
Strategische Zielachse Abb. 5: Modell für den allgemeinen Prozess der Arbeit Quelle: Eigene Darstellung.
Die IO-Methode wird zyklisch angewendet und bewirkt, dass (1) vom Anwender oder der Anwendergruppe strategische und operative Ziele, soweit vorhanden und definiert, ständig im Auge behalten werden können, dass (2) strategisch wichtiges Wissensgut in Form von Tickets1 getrennt nach „Vorbereitungswissen“ (Inbound) und „Nachbereitungswissen (Outbound) für die Ausübung von Wissensarbeit bereitgestellt und verwaltet wird, dass (3) operativ wichtiges Wissensgut regelbasiert zum Beispiel in Form von Dokumenten, Workflows oder einfach durch das Einblenden von verfügbaren Tools oder Webservices zur Nutzung freigegeben werden.
2.5.3
Einführungsmethodik
Um im Rahmen regionaler Wissenskultur und Wissensorganisation mit der vorgestellten Wissenstechnologie kollektive Kompetenzentwicklung zu ermöglichen, ist netzwerkbasiertes Projektmanagement erforderlich.
1
In ihrer Gültigkeit zeitlich begrenzte und schriftlich fixierte Informationen, die zum einen vorgegebenen Wissenshorizonten (siehe auch Abschnitt 3 Wissensorganisation) zugeordnet sind und zum anderen durch ihre Wortgestaltung etwas über einen Gegenstand oder einen Sachverhalt aussagen.
200
Reinhard Boltin/Joachim Rossbroich
Das damit beauftragte Projektteam übernimmt dabei zwei Arbeitspakete – erstens die Einführung der Wissenstechnologie und zweitens das Coaching der Akteure bis zur selbstverständlichen Ingebrauchnahme der vorstrukturierten und vorkonfigurierten Computer Cockpits. Bei der Entwicklung des Einführungskonzeptes ist zur Erarbeitung und Bestimmung der jeweils spezifischen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen ein Audit erforderlich. Hier werden in Interviews grundlegende Daten ermittelt. Vor dem Audit ist mit den Beteiligten eine Kick-Off-Veranstaltung durchzuführen, in der die Ziele und die Vorgehensweise erläutert und diskutiert wird. Die informationstechnische Einführung der Computer Cockpits für die kollektive Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit kann zum Beispiel nach dem in Abb. 6 dargestellten Ablauf erfolgen:
Abb. 6: Prozessschema für die Implementierung von Computer Cockpits Quelle: Eigene Darstellung.
Perspektiven der kollektiven Kompetenzentwicklung
201
Mit moderner Informationstechnologie kann der Anschaffungs- oder Nutzungspreis pro Computer Cockpit bzw. pro Zugang zu einem Computer Cockpit sehr niedrig gehalten werden. Der Projektaufwand ergibt sich bei der Einführung der Wissenstechnologie hauptsächlich aus der Coachingleistung bis zur selbstverständlichen Ingebrauchnahme. Dieser Zeitpunkt ist auch abhängig davon, wie es gelingt, den wissenskulturellen und wissensorganisatorischen Rahmen zu setzen. Für diesen Prozess kann unter Umständen zusätzliche Fachberatung für den Erfolg des Projektes nützlich sein. 3.
Ausblick
Zusammenfassend kann festgestellt werden,
-
-
-
-
-
dass Wissenstechnologie unter Berücksichtigung grundlegender Zusammenhänge hinsichtlich der Wissenskultur und der Wissensorganisation gute Perspektiven für die individuelle und kollektive Kompetenzentwicklung in Regionen und Destinationen bietet. dass die Anforderungen an die Informationstechnik (Technologieanforderungen) dann sehr gering sind, wenn ein Konzept angewendet wird, bei dem die Entkopplung von Wissens- und Kompetenzprozessen ein durchgängiges Prinzip darstellt. dass der praktische Umgang mit Produkten der Wissenstechnologie wie zum Beispiel die Handhabung von Computer Cockpits powerd by INKOBA® keinen besonderen Schulungsaufwand bedarf, weil alle Funktionen hinreichend über die Anwendung eingeführter Produkte (zum Beispiel Mikrosoft Office 2007) möglich sind. dass die Anwendung spezieller Methoden, wie zur Konservierung von Wissensgut oder zur Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit (IOMethode), nur mit entsprechendem Coaching möglich ist, weil das Know how hierzu zum Teil erst auf Grund eines Audits entsteht. dass die Einführung einer Wissenstechnologie zur kollektiven Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit ein typisches Projektmanagement voraussetzt.
202
Reinhard Boltin/Joachim Rossbroich
Die hier vorgestellten neuen Technologien und Methoden kollektiver Wissensund Kompetenzerzeugung und -entwicklung können regionale Selbstorganisation und regionales Lernen wirkungsvoll unterstützen und damit zum Ausbau regionaler Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Dabei kann und muss die Wissenstechnologie für die spezifischen regionalen Anforderungen formatiert werden und in den Aufbau einer regionalen Wissenskultur und Wissensorganisation eingebettet werden. Eine „Alleinganginvestition“ in Technologie, Kultur oder Organisation würde für die kollektive Kompetenzentwicklung nur geringe oder keine positiven Effekte hervorbringen. 4.
Literaturverzeichnis
Bolsinger, H. J. & R. Boltin (2008): Angewandte Wissenstechnologie in der Kooperationspraxis: Kundenprozessinnovation durch Selbstorganisation von Netzwerkakteuren. Boltin, R., H. J. Bolsinger & J. Rossbroch (2008): INKOBA® Produkte, Konzepte, Lösungen. - In: www.inkoba.info. Boltin, R., H. J. Bolsinger & J. Rossbroch (2008): Handzettelsammlung zum Thema Wissenstechnologie und Computer Cockpits. - In: www.inkoba.info. Boltin, R. & J. Rossbroich (2008): Denkgewohnheiten sind veränderbar INKOBA® Inbound-Outbound-Methode.
Wie Netzwerke die nachhaltige Entwicklung einer Region und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit als Tourismusdestination fördern - Fünf Hypothesen am Beispiel des Kulturtourismus in einer alpinen Region Lukas Siller/Kurt Matzler
Inhaltsverzeichnis 1.
Einleitung .........................................................................................206
2.
Relational View und Netzwerkgedanke ...........................................207
2.1
Netzwerke in touristischen Regionen...............................................208
2.2
Netzwerke als Kernkompetenzen.....................................................213
3.
Empirische Studie ............................................................................214
4.
Regionale Netzwerke im Bereich Kultur und Tourismus.................215
4.1
Probleme ..........................................................................................216 4.1.1
Netzwerke..................................................................................218
4.1.2
Kommunikation nach außen......................................................220
4.1.3
Qualitätssicherung .....................................................................222
4.1.4
Kommunikation nach innen ......................................................223
4.2
Kausalmodel und Hypothesen..........................................................225
5.
Fazit..................................................................................................229
6.
Literaturverzeichnis..........................................................................231
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
206
1.
Lukas Siller/Kurt Matzler
Einleitung
Die jüngste Strategieperspektive, die sich aus einer ressourcenorientierten Sichtweise des Strategischen Managements heraus entwickelt hat, wird als relationale Sichtweise bezeichnet. Dabei werden inter- und intraorganisationale Netzwerke als Bezugsrahmen für die Erforschung von Wettbewerbsvorteilen herangezogen. Auch für touristische Destinationen spielt der Netzwerkgedanke eine wesentliche Rolle. Dienstleistungsnetzwerke sind nämlich jene Wertschöpfungssysteme, die zur Bereitstellung touristischer Angebote benötigt werden. Eine optimale Kooperation zwischen den einzelnen Akteuren stellt deshalb einen entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit einer Tourismusregion dar. Ziel einer Destination muss es deshalb sein, die einzelnen Akteure in einem Netzwerk dergestalt zu organisieren, dass die Nutzung der Ressourcen und Kompetenzen im Abgleich mit den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen der Stakeholder erfolgt. Die dadurch begünstigte nachhaltige Entwicklung in einer Region bildet gleichzeitig die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit als Tourismusdestination. Am Beispiel eines Netzwerkes im Bereich Kultur und Tourismus in alpinen Destinationen soll dieser Beitrag aufzeigen, wie es durch die Zusammenarbeit von Akteuren und der Vernetzung kultureller Ressourcen und spezifischer Kompetenzen möglich ist, eine sog. kooperative Kernkompetenz zu entwickeln. Die Ausführungen zeigen, wie diese Kernkompetenz, die nur in Zusammenarbeit entstehen kann, nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Tourismusdestinationen fördert, sondern vielmehr auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit aufbaut. Diese Behauptung wird durch Hypothesen untermauert, die auf der Basis von 38 Experteninterviews mit Personen aus den Bereichen Kultur, Tourismus, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik abgeleitet werden. Durch die Auswertung des Datenmaterials mit dem Analysetool GABEK/WinRelan ergeben sich begriffliche Assoziationsnetze sowie Kausalnetz-Graphiken, die die Ist-Situation zum Forschungsgegenstand beschreiben und die Wirkungszusammenhänge einzelner Variablen darstellen.
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
2.
207
Relational View und Netzwerkgedanke
Ausgangspunkt für den Netzwerkgedanken bilden Perspektiven, die aus der Disziplin des Strategischen Managements stammen. Die Sichtweisen der „Market-based view“ (Porter, 1990) und der „Resource-based view“ (Barney, 1986; Barney, 1991; Dierickx/Cool, 1989; Hall, 1992; Prahalad/Hamel, 1990; Wernerfelt, 1984) werden als impulsgebende Perspektiven bzw. Theorien in der Erforschung der Quellen langfristiger Wettbewerbsvorteile angesehen. Während die Marktorientierung aus den Theorien der Industrieökonomik entspringt und den Markt und die darin wirkenden Kräfte als entscheidend für den Erfolg begreift, wird die Ressourcenperspektive als Antithese dazu betrachtet, bei der die internen Ressourcen und Fähigkeiten einer Unternehmung als ausschlaggebende Faktoren für den Wettbewerbserfolg ausgemacht werden (Grant, 2008). Davon ausgehend haben sich weitere Strategiesichtweisen entwickelt, wie bspw. der „Competence-based view“, der die Kernkompetenzen einer Unternehmung in den Mittelpunkt stellt (Freiling, 2004; Freiling et al., 2008; Prahalad/Hamel, 1990), ein „Dynamic-capability-Ansatz“, der spezielle Fähigkeiten einer Unternehmung und deren Mitarbeitern als entscheidend ansieht (Teece et al., 1997; Winter, 2003), oder der „Knowledge-based view“, der wiederum Wissen als die zentrale Ressource darstellt (Grant, 1996; Nonaka, 1994). Jüngste Weiterentwicklung stellt der „Relational view“ dar (Duschek, 2004; Dyer/Singh, 1998; Gulati, 1999), der die Einbindung von Ressourcen in ein Netzwerk aus Organisationen und deren kooperative Nutzung als wettbewerbsentscheidend ansieht. Wettbewerbsvorteile entstehen dabei durch die Kooperation von Unternehmungen, die in Konkurrenz zu anderen Netzwerk-Organisationen stehen und durch die Generierung relationaler Renten, die erst durch die Kooperation mit Partnerunternehmen ermöglicht werden (Dyer/Singh, 1998). Hierbei können zwei Arten von Renten bzw. supranormaler Gewinne unterschieden werden (Kogut, 2000):
-
Burt-Renten, die von unstabiler Natur sind und das Ergebnis aus einer egoistischen und einseitigen Ausnutzung einer Partnerschaft darstellt; Coleman-Renten, die durch Stabilität entstehen und auf vertrauensvollen Interaktionen von Partnern beruhen.
208
Lukas Siller/Kurt Matzler
Diese dauerhaften Wettbewerbsvorteile gehen nach Dyer und Singh (1998) auf Investitionen in netzwerkspezifische Ressourcen, interorganisationalem Wissensaustausch, einer ergänzten Ressourcenausstattung und einer insgesamt effektiveren Führungsstruktur zurück. Auch kann durch die Kooperation in Netzwerken ein größerer Gesamtoutput erzielt werden, die Marktstellung weiter verbessert und flexibler auf Schwankungen in Angebot und Nachfrage reagiert werden, was eine Risikoreduktion zur Folge hat (Stahl/Friedrich von den Eichen, 2005). Hinzu kommt die Förderung von Innovationen, was das Überleben von Organisationen sichert (Brass et al., 2004). Negativ auf das Betriebsergebnis wirken sich Netzwerke dann aus, wenn die Abhängigkeit zu den Partnern zu stark wird (Sydow, 2006). Opportunistisches Verhalten (Killich, 2007) oder das bewusste Abwälzen von Risiken auf Dritte stellt existenzielle Bedrohungen für eine Organisation dar (Stahl/Friedrich von den Eichen, 2005) und kann im Falle eines „Outlearning“ einer Organisation den Verlust der Einzigartigkeit zur Folge haben (Hamel, 1991; Well, 2001). Vertrauen ist aus diesem Grund eine zentrale Voraussetzung für das Funktionieren von Kooperationen (Brass et al., 2004; Das/Teng, 1998; Duschek, 2003). Bei hierarchischen Netzwerken kann es zu einer nur teilweisen Systembeherrschung kommen, was sich wiederum in Kompetenzverlusten bemerkbar macht (Sydow, 2006). Auch kann bspw. bei Clustern – Porter (1990) definiert den Begriff als geografisch konzentrierte Unternehmungen und Institutionen, die miteinander vernetzt sind – ein sog. „Lock-in-Effekt"' auftreten, der aufgrund einer zu starken Fokussierung auf lokale Verbindungen eine Vernachlässigung der Bindungen mit externen Organisationen zur Folge hat; bei zu starker Spezialisierung kann dies negative Auswirkungen auf die Flexibilität einer Organisation haben (Schramm-Klein, 2005).
2.1 Netzwerke in touristischen Regionen
Da es nahezu unendlich viele Möglichkeiten gibt, wie Netzwerke typologisiert werden können, wird aus diesem Grund auf die detaillierten Ausführungen zur Typenbildung auf Sydow (2006) verwiesen. Regionale Netzwerkorganisationen stellen somit einen möglichen Netzwerktypus dar und sind vor allem aus der Tourismuslehre bekannt. Die touristische Dienstleistungskette stellt bspw. eine als Netzwerk strukturierte Organisation dar, weshalb es eines Zusammenspieles
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
209
einzelner Akteure innerhalb einer Destination bedarf, um eine touristische Dienstleistung bereitstellen zu können (Bieger, 2008). Wie in Abbildung 1 skizziert, können diese Prozesse in Anlehnung an die Wertekette von Porter (2004) als Wertschöpfungssystem gesehen werden. (Bieger, 2008).
Abb. 1: Die Dienstleistungskette im Tourismus Quelle: in Anlehnung an Bieger, 2008.
Die Destination orientiert sich somit an einzelnen Prozessen zur Erstellung der Dienstleistung für den Kunden, wodurch ein Unternehmen die Ressourcen, welche in der Dienstleistungskette eingebettet sind, vom jeweils vorgelagerten Unternehmen bezieht, sie weiterentwickelt und dem Produkt dadurch weiteren Wert zuführt (Bieger, 2008). Flagestad und Hope (2001) sehen die Dienstleistungserstellung umgekehrt nicht als abhängige Prozesse aus der Sicht der Nachfrager, sondern aus der Anbieterperspektive; demnach gleicht das Destinationssystem eher einem Wertschöpfungsfächer, bei dem die Einzelaktivitäten als gleichbedeutend und vernetzt angesehen werden und einer operativen und strategischen Ebene zugeteilt werden können:
-
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Auf operativer Ebene schließen sich jene Akteure einer primären Aktivitätsstufe zusammen (private Unternehmen und öffentliche Dienstleister), die für den Wertetransfer zum Touristen zuständig sind; diese tragen gleichzeitig zum Mehrwert der Umwelt eines touristischen Produktes bei (natürliche, kulturelle und soziale); Auf strategischer Ebene werden dem Netzwerk je nach Art des touristischen Dienstleistungsproduktes Akteure hinzugefügt und das Dienstleistungspro-
210
Lukas Siller/Kurt Matzler
dukt dementsprechend konfiguriert; auch wird für eine gesamte nachhaltige Entwicklung Sorge getragen. Einer nachhaltigen Entwicklung – im Sinne einer wirtschaftlichen, als auch ökologischen, sozialen, kulturellen und politischen Nachhaltigkeit – wird auch im Modell von Ritchie und Crouch (2003) ein hoher Stellenwert beigemessen. Nachhaltigkeit wird dabei zu jenem Erfolgsfaktor, der die Wettbewerbsfähigkeit einer Destination sicherstellt: “To be competitive, a destination's development for tourism must be sustainable not just economically, and not just ecologically, but socially, culturally and politically as well“ (Ritchie und Crouch, 2000). Insgesamt neun Hauptkomponenten werden evidenziert, wobei im Folgenden auf einzelne Punkte näher eingegangen wird. Zum einen sind nämlich komparative Wettbewerbsvorteile für den Erfolg einer Destination ausschlaggebend; diese können als die Ressourcenausstattung einer Region bezeichnet werden und schließen bspw. physische, finanzielle Ressourcen, Human- und Wissensressourcen, Kultur und Geschichte ein. Kompetitive Wettbewerbsvorteile hingegen sind die Effektivität und Effizienz, mit der eine Destination Ressourcen einsetzt und verteilt. Kernressourcen und Attraktionen gelten als die Hauptmotive der Gäste für den Besuch in einer Region, bspw. Physiographie, Kultur, Geschichte, touristische Suprastruktur usw. Unterstützende Faktoren und Ressourcen sind bspw. die physischen Infrastrukturen, Gastfreundschaft, unternehmerische Bemühungen der Tourismustreibenden, die politische Unterstützung, oder ausgebildetes Personal. Durch eine Destinationspolitik mit Planung und Entwicklung sollen die Erreichung wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer und anderer Ziele erreicht werden und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit einer Region und die Lebensqualität der Einheimischen erhöht werden. Das Destinationsmanagement ist hierbei für die Implementierung der ausgearbeiteten Strategien verantwortlich und stellt die Effektivität der Organisation und des Marketing sicher; zudem sichert das Management einen definierten Qualitätsstandard zur Zufriedenheit der Gäste, verteilt Informationen, ist für die Fort- und Ausbildung des Personals zuständig, gewährleistet einen ausgeglichenen Finanzhaushalt, bemüht sich um ein effektives Gästemanagement, überwacht die Ressourcen und gewährleistet ein eventuelles Krisenmanagement (Goeldner/Ritchie, 2009; Ritchie/Crouch, 2003).
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
211
Da in einer Region viele Kernressourcen, wie bspw. Landschaft, Gewässer, Strände, Museen, historische Bauten, aber auch intangible Ressourcen wie die Gastfreundschaft oder die Marke einer Destination, als Güter bezeichnet werden, die in „öffentlichem Besitz“ sind, gibt es eine Vielzahl an Interessensgruppen (Scott et al., 2008). Die größte Herausforderung für das Strategische Management einer touristischen Destination ist es somit, die Interessen aller Bezugsgruppen einer Region zu identifizieren, in Einklang zu bringen und dabei insgesamt nicht an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren (Murphy/Murphy, 2004). Unterschiedliche Zielvorstellungen bedürfen deshalb einer Koordination, weshalb ein Interessensausgleich als erfolgskritisch angesehen wird (Pechlaner, 2003; Zentes et al., 2005). Diese Interessen, die Organisationen zur Kooperation bewegen, lassen sich mit Motiven wie dem Zugang zu Ressourcen (bspw. Informationen, Zugang zu Märkten, Technologie), der Ausräumung von Unsicherheiten, oder der Erreichung kollektiver Ziele näher umschreiben (Brass et al., 2004; Galaskiewicz, 1985). Grundsätzlich ist es möglich zwei Arten von Kooperations-Modellen zu unterscheiden, die an den beiden Enden eines Kontinuums angesiedelt sind und wodurch Netzwerke in einer Destination eingeordnet werden können (Flagestad/ Hope, 2001; Stokes, 2008):
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Beim Corporate-Modell agiert das Destinationsmanagement einem gewinnorientierten Unternehmen ähnlich und vernetzt durch Verträge oder Akquisition die benötigten Partner zur Angebotsgestaltung. Eine Destination orientiert sich hierbei primär an den Touristen und orientiert sich in der Produktgestaltung an Prozessen. In der Theorie wird die Destination wie eine Unternehmung von einer Organisation an der Spitze gemanagt (DMO). Einem Community-Modell folgend, ist die DMO hauptsächlich für Marketing-Funktionen zuständig und wird als tourismuspolitische Instanz, die nicht gewinnorientiert handelt, angesehen; die Planung und die Entscheidungen werden durch die Zusammenarbeit mit den Stakeholdern und durch zahlreiche Kompromisse ausgehandelt. Dieses Stakeholdernetz ist dezentral organisiert, wobei keiner der Partner eine dominante Stellung innerhalb der Destination innehat. Das Management der Destination sieht sich auch mit Themen wie einer nachhaltigen Entwicklung der Umwelt konfrontiert.
212
Lukas Siller/Kurt Matzler
Tourismus kann in einem Community Modell also nur dann funktionieren, wenn Kooperation und Kommunikation mit einer Vielzahl von Sektoren in Gesellschaft und Wirtschaft geschieht: Es bedarf aus diesem Grund der Zusammenarbeit mit politischen Vertretern, des Technologie-, Finanz-, Bildungs- und Gesundheitssektors, der Unterhaltungs- und Transportindustrie sowie der Umweltbewegungen; hieraus folgt wiederum, dass eine gute Tourismuspolitik nur durch den Zusammenschluss in Netzwerken erfolgen kann (Goeldner/Ritchie, 2009). Netzwerke in der Tourismuspolitik vereinen nach der Auffassung von Dredge und Pforr (2008) die Anliegen von drei unterschiedlichen Typen touristischer Kooperationen:
-
-
Netzwerke, die sich mit gesellschaftsbezogenen Themen beschäftigen (bspw. Macht, Einfluss und Gleichheit); Netzwerke, die sich mit Themen der Wirtschaft auseinandersetzen (bspw. Entwicklung von Business-Cluster, Entwicklung von Produktpaketen, kooperatives Marketing); Netzwerke, die Themen der Natur und Umwelt als Gegenstand haben (bspw. Umwelt- und Gewässerschutz, Forstwirtschaft).
Demnach gilt es für das Management einer touristischen Region die drei Bereiche der Nachhaltigkeit – nach Freyer (2006) sind dies ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit – zu vereinen: “[...] policy networks that successfully embrace and integrate multiple substantive issues (e.g. business, community and environmental issues) and effectively work with government to facilitate good tourism management are more likely to represent good tourism governance” (Dredge/Pforr, 2008). Dredge und Pforr (2008) erachten es als notwendig, die Beziehungen innerhalb einer Struktur mit zu gestalten und durch Strategien in der Kommunikation die Informationsweitergabe und damit auch die Akkumulierung von Wissen zu fördern.
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
213
2.2 Netzwerke als Kernkompetenzen
Der Kernkompetenzen-Ansatz geht auf Prahalad und Hamel (1990) zurück und beschreibt „[...] integrierte und durch organisationale Lernprozesse koordinierte Gesamtheiten von Technologien, Know-how, Prozessen und Einstellungen, die für den Kunden erkennbar wertvoll sind, gegenüber der Konkurrenz einmalig sind, schwer imitierbar sind und potentiell den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten eröffnen“ (Hinterhuber, 2004). Kernkompetenzen stellen eine besondere Form von Netzwerkressourcen dar und dienen nicht nur als Medium zum Aufbau von Netzwerken, sondern sind gleichsam auch das Ergebnis einer Netzwerkstruktur (Duschek, 2001; Sydow et al., 2003). Im Zusammenhang mit Netzwerken wird oftmals der Begriff der „kooperativen Kernkompetenzen“ gebraucht, die durch Netzwerkbeziehungen entstehen und die kooperative Nutzung externer Ressourcen und Kompetenzen meint, wodurch es gelingt die fehlenden eigenen Ressourcen und Kompetenzen zu kompensieren und schon vorhandene weiter auszubauen (Duschek, 2001). Für die Erkennung dieser komplementären Ressourcen und für ihre Verknüpfung mit Kompetenzen ist das Vorhandensein einer Kooperationskompetenz – oder nach Dyer und Singh (1998) „relational capability“ – im Sinne der Erkennung und Bündelung vorhandener Einzelkompetenzen und Ressourcen, notwendig (von der Oelsnitz, 2005). Cohen und Levinthal (1990) nennen diese Fähigkeit „absorptive capacity“, wodurch eine Organisation befähigt wird, Ressourcen als wertvoll zu erkennen, zu bündeln und zu veredeln. Für eine touristische Region bedeutet dies, jene Fähigkeiten zu entwickeln, durch die nach Oelsnitz (2005) komplementäre Ressourcen der Netzwerkpartner erkannt und zu einem nutzenstiftenden Endprodukt zusammengefügt werden können: Dies entspricht gleichzeitig der absorptiven Fähigkeit, durch die einzelne Attraktionspunkte als wertvoll erkannt und in einem Netzwerk in Wert gesetzt werden können (Pechlaner/Fischer, 2007).
214
3.
Lukas Siller/Kurt Matzler
Empirische Studie
Ausgehend von den Aussagen einer relationalen Sichtweise, wonach Netzwerke die Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen stärken (Dyer/Singh, 1998) und gemäß den Ausführungen von Ritchie und Crouch (2003) sowie Dredge und Pforr (2008), wonach Wettbewerbsfähigkeit mit der nachhaltigen Entwicklung einer Destination in Verbindung steht, soll untersucht werden, wie durch die Generierung einer kooperativen Kompetenz im Tourismus die nachhaltige Entwicklung einer Region gefördert und wie dadurch die Wettbewerbsfähigkeit als Tourismusdestination gesteigert werden kann. Netzwerke im Bereich Kultur und Tourismus stellen aus diesem Grund ein geeignetes Forschungsobjekt dar, da Kultur und tangible (bspw. Denkmäler, historische Bauten, Museen) wie intangible kulturelle Ressourcen (Sprache, Traditionen, kulturelle Identität) als wichtige Attraktionspunkte bzw. Kernressourcen einer Region gelten (McKercher/du Cros, 2002; Ritchie/Crouch, 2003) und andererseits Tourismusdestinationen als Netzwerkorganisationen betrachtet werden müssen (Bieger, 2008; Dredge/Pforr, 2008; Flagestad/Hope, 2001). In der vorliegenden Studie wird im Besonderen auch die Kooperation zwischen Tourismuseinrichtungen und Kulturinstitutionen genauer untersucht. Anbieterseitige Netzwerke in einem kulturell motivierten Tourismus scheinen als bisweilen nicht analysierte Objekte als Forschungslücken auf und eine qualitative Forschungsmethode erweist sich hierfür als besonders geeignet zur Erkenntnisgewinnung (Sherry, 2004). Eisenhardt (1989) empfiehlt bei qualitativen Methoden mit wenig Vorwissen in das Feld zu gehen, da vordefinierte theoretische Perspektiven oder Annahmen die Ergebnisse beeinflussen und einschränken; dieser Empfehlung wird der Forschungsstil der Grounded-Theory gerecht, bei dem die Realität als Grundlage zur Theorie- bzw. Hypothesenbildung verwendet wird (Glaser/Strauss, 1967). Im Zeitraum zwischen Juli und November 2007 wurden 38 Experten im Bereich Kultur und Tourismus interviewt, wobei das Erfahrungswissen möglichst vieler Stakeholder-Typen (bspw. Tourismusindustrie, öffentlicher Sektor, nicht gewinnorientierte Unternehmen, Wirtschaft, Medien (Swaarbrooke, 2005)) sowie Akteure der kulturtouristischen Anbieterseite (bspw. des Objekt-, Gebiets-, Ensemble-, Ereignis-, Gastronomie- und Sozio-Kulturtourismus (Jätzold, 1993)) Berücksichtigung fanden.
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
215
Die Gespräche folgten einem leitfadengestützten Interview mit offenen Fragen (bspw.: Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff „Kulturtourismus“ hören? Was zieht einen Touristen an? Welches sind die Probleme bei Netzwerken im Kulturtourismus?), wodurch verhindert wurde, dass durch suggestive Fragestellungen die Antworten zu begrenzt, bzw. auf nur wenige Zusammenhänge reduziert werden; auf diese Weise wurde versucht, die Komplexität eines möglichst breiten Ausschnittes der sozialen Wirklichkeit einzufangen (Zelger/Oberprantacher, 2003). Die Interviews wurden nach der Methode GABEK ausgewertet, die es durch die Analysesoftware WinRelan ermöglicht, das erhobene Datenmaterial systematisch auszuwerten und die textlichen Beziehungen graphisch darzustellen (Zelger, 2000). Als Ergebnis der Auswertung mit GABEK werden Assoziationsgraphen und Kausalnetzgraphiken generiert. Netzwerkgraphen stellen die gedanklichen Verbindungen bestimmter Begriffe dar, die häufiger als andere Begriffe (die Häufigkeit/Relevanz wird auch durch die Breite der Verbindungslinien dargestellt) mit ausgewählten Themen in Verbindung gebracht werden; diese immer wiederkehrenden Zusammenhänge zwischen Wissenselementen gehören nach der Meinung der Interviewpersonen zusammen und müssen bei Fragestellungen bzw. bei Problemen in bestimmten Themenbereichen mit berücksichtigt werden. Kausale Zusammenhänge werden durch Pfeildiagramme dargestellt, die die Wirkungsbeziehungen zwischen positiven und negativen Maßnahmen, Zielen und Rahmenbedingungen repräsentieren (Zelger et al., 2008). 4.
Regionale Netzwerke im Bereich Kultur und Tourismus
Werden die dreifach verbundenen Assoziationen mit dem Begriff „Zusammenarbeit“ (als Synonym zum Begriff „Netzwerk“) graphisch dargestellt, so ergibt sich eine komplexe und aufgrund der Vielzahl an Begriffen (127) wenig übersichtliche Graphik, die in dieser Form keine Rückschlüsse zulässt (siehe Abbildung 2).
216
Lukas Siller/Kurt Matzler Zusammenarbeit_keine Südtirol_Marketing_Gesellschaf Angebot t Zielsetzungen Ausbildung Austausch WipptalWirtschaft Bauten_historische w ichtig_sein Begeisterung w ertvoll_sein Besitz_privater Werbung_machen Besucherzahlen_hohe Weiterentw icklung Bozen Prospekte Brixen von_Oben_bestimmen Bündelung Kultur Burgen_&_Schlösser Vermittlung Bürgermeister Vermarktung
Card-Systeme
Kräf te
Destination
Verbindung
Diskussion
organisieren
Ef fizienz
Veranstaltungen
Einbindung
Vereine
Einheimische
Museion
Ereignisse_kulturelle
Traditionen
erf olgreich_sein
Touristiker
Europa
Tourismusvereine
Fachleute
informieren
Fachw issen
Touriseum
Fachzeitschrif ten
Landesamt_f ür_Kultur
f alsch_sein
f unktionieren_nicht
Stadt
Themenbereiche
f unktionieren
Synergien
funktionieren_gut
Archäologiemuseum
Toblach
Südtirol
Gäste
Subventionen
Gastronomie
Zusammenarbeit Sterzing
Geld_verdienen
Festivals
Gemeinden
Sponsoring
grenzüberschreitend_sein
Koordination
Hotels
Sichtbarkeit
Ideen
Schulen
Ideen_entw ickeln
Schloss_Sigmundskron
im_Anfang_begriff en
Schenna
Tourismus
Regionalentw icklung
Inhalte
Region
Initiativen
Qualität_hohe
Institutionen
von_Unten_entstehen
Interesse
Projekte
international
Programm
Jazz
Produkte
Jazzfestival
Probleme
Kommunikation
Potentiale
Kontakte Politik
Sponsoren
Persönlichkeiten
Kosteneinsparung
Personalmangel Universität verbessern verstärken_müssen Kulturtourismus Organisationsstruktur off en_sein Kulturveranstalter notw endig_sein Künstler nach_Innen_gerichtet_sein Tourcard TransArt Landesämter Museen Landesmuseen möglich_sein Landesverw altung Mittel_f inanzielle Landschaf t Mittel_fehlende Landw irtschaf t MeranMenschen Marketing Maßnahmen
Abb. 2: Assoziationsgraphik „Zusammenarbeit“ Quelle: Eigene Darstellung.
Reduziert man die Komplexität der Graphik durch Auflistung von Begriffen mit mindestens zehnfacher Verbindung so wird ersichtlich, dass das Themenfeld „Probleme“ als jenes mit den meisten Verbindungen (18) in den Vordergrund tritt. Aus diesem Grund bedarf es einer genaueren Analyse in diesem Punkt.
4.1 Probleme
Der Datensatz gibt nun exakte Auskünfte darüber, welches die Probleme in der Zusammenarbeit im Bereich Kultur und Tourismus sind. Die wichtigsten Themen – sie sind durch mindestens sieben Verbindungssätze miteinander verbunden – lassen sich über die Assoziationsgraphik in Abbildung 3 darstellen.
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
217
zeitliche Planung Kommunikation
Vermarktung
Probleme
Zusammenarbeit
Einheimische
hohe Qualität
Abb. 3: Assoziationsgraphik „Probleme“ Quelle: Eigene Darstellung-
Wurden die Experten also zu den Problemen im Kulturtourismus befragt, tauchen Themen wie „einheimische Bevölkerung“, „Qualität“, „Marketingmaßnahmen“ oder „Kooperation“ auf. Erste Ableitungen lassen sich in den folgenden vier Punkten treffen, die mit Beispielsätzen aus dem Datensatz hinterlegt werden: 1) Netzwerke werden als wichtig für die Weiterentwicklung erachtet, Probleme liegen aber vor allem in der Kooperation der unterschiedlichen Partner vor, weshalb es einer Verbesserung dieser Zusammenarbeit bedarf: Deswegen wird da eine Zusammenarbeit relativ schwierig sein, was aber absolut notwendig wäre. Also ich sehe einfach die Zielkonflikte, die da sind, die Rivalitäten sind das Hauptproblem (Dd4). 2) Die Vermarktung der kulturellen Angebote ist mit Problemen behaftet, die vor allem dadurch gegeben sind, dass die Kommunikation nach außen nicht oder nur schlecht erfolgt und dass dies oftmals mit der zeitlichen Planung der kulturellen Angebote zusammenhängt: Was haben wir noch für welche Probleme? Die zeitliche Abstimmung, die Programme kommen zu spät. Wir leiden z.B. darunter, dass die Veranstaltung X bis
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Lukas Siller/Kurt Matzler
heute kein Programm im Internet hat für das Jahr 2007. Das macht es natürlich auch sehr schwer in der Vermittlung oder in der Kommunikation nach außen. Ich glaube, das sind so die Hauptschwierigkeiten, die wir so haben (Bf9). 3) Probleme im Bereich des kulturellen Tourismus sind auch im Zusammenhang mit der Qualität bzw. der Vielfalt des Angebotes zu sehen, die es gilt zu optimieren: Wir haben alles, es gibt kein Kaff, das keine Feste macht. Jede Fraktion hat etwas, ich bin ja auch im Landesbeirat für Kultur und wir sind dabei, das alles ein wenig zu redimensionieren. [...] Jeder Verein tut was er kann, die Qualität muss aber bei gewissen Sachen verbessert werden (Pe5). 4) Auch die einheimische Bevölkerung wird im Zusammenhang mit der Frage nach Problemen genannt. Der Grund dafür ist vor allem auf das fehlende kulturelle Bewusstsein zurückzuführen: Aber Kulturtourismus wird noch sehr lang keine große Rolle spielen, weil wir noch viel zu wenig Kultur in uns haben. Das ist sehr schwer, das dauert mehrere Generationen, dass wir uns wieder unserer Kultur bewusst werden. Weil das kann man ja nicht erzwingen, dieses Bewusstsein über die Kultur. Das muss einem ja Freude machen (Qv8). Diese vier Punkte sollen in den folgenden Abschnitten durch die Assoziationsgraphiken weiter ausgeführt und anhand repräsentativer Aussagen untermauert werden.
4.1.1
Netzwerke
Die befragten Experten verbinden mit dem Begriff „Zusammenarbeit“ eine große Anzahl an Begriffen und Themen. Aus diesem Grund werden in Abbildung 4 nur jene aufgeführt, denen durch ihre fünffachen Verbindungen eine höhere Relevanz beigemessen werden kann.
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
Burgen & Schlösser
Schulen
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Marketing Synergien
Tourismusvereine
Card-Systeme
erfolgreich sein
Kulturveranstalter
Landesämter
Sponsoring
Landesverw altung
Qualität hohe
Werbung machen Kommunikation
Festivals
Zusammenarbeit
informieren
Hotels
Bündelung Gemeinden
Potentiale
Wirtschaft Marketing Gesellschaft
Kräfte Politik
Ausbildung
Ideen entw ickeln funktionieren nicht
Museen Landw irtschaft
organisieren
Abb. 4: Assoziationsgraphik „Zusammenarbeit“ Quelle: Eigene Darstellung.
Auf der linken Seite befinden sich die möglichen Partner, die für eine Zusammenarbeit im Bereich Kultur und Tourismus berücksichtigt werden müssen. Hierbei wird die Kooperation mit Politik, Wirtschaft, der öffentlichen Verwaltung (Gemeinden, Landesverwaltung, Landesämter), dem Tourismus (Tourismusvereine, touristische Marketing Gesellschaften), Kulturveranstaltern und mit Schulen angedacht, sowie die Einbindung kultureller Attraktionen (Festivals, Burgen und Schlösser, Museen), der Landwirtschaft, der touristischen Suprastruktur (bspw. Hotels) und technologischer Lösungen in die Angebotsgestaltung angedeutet. Ziel sollte es sein, einen Mehrwert für alle Akteure zu generieren: Wenn das nicht mehr stimmig ist, dass man hier in einer Landschaft, in der man lebt, versucht die internen Kreisläufe zu fördern und die Bereiche untereinander so zu vernetzen, dass alle davon profitieren, dann kann das nicht funktionieren [...] (Gr6). Schwierigkeiten in einer Zusammenarbeit ergeben sich aber besonders durch die unterschiedlichen Zielvorstellungen der Netzwerkpartner, wodurch Kooperationen oft nicht wunschgemäß funktionieren; dies wird durch die Aussage eines Tourismustreibenden deutlich, der über den Partner „Kultur“ sagt:
220
Lukas Siller/Kurt Matzler
Was mir im Netzwerk fehlt ist die Klarheit. Die Grundsatzfrage ist: "Bin ich daran interessiert, dass eine Tourismusorganisation mir Leute bringt? Oder mir die Buchungsabwicklung leichter macht? Ja, ich will mehr Gäste oder mehr Eintritte“ (Kz4). Auf der rechten Seite der Graphik finden sich vermehrt positive Attribute (mit Ausnahme von „funktionieren nicht“) zum Thema von Netzwerken im kulturtouristischen Umfeld. Durch funktionierende Kooperationen werden Gedanken verbunden, wie das Bündeln von Kräften, die Nutzung von Synergien, die Ausschöpfung von Potentialen und insgesamt eine Steigerung des Erfolges; dies könnte durch die verbesserte Kommunikation nach außen (Werbung machen, Marketing, Informationsweitergabe), durch die Steigerung von Qualität, einer verbesserten Ausbildung von Fachkräften, Optimierung in der Organisation, Förderung von Innovation durch die Entwicklung neuer Ideen und positiven Auswirkungen auf das Sponsoring durch Unternehmen möglich gemacht werden. Allgemein ausgedrückt wird mit einer Kooperation der Akteure eine Steigerung der Effektivität einer Organisation sowie die Einsparung von Ressourcen assoziiert. Dies wird durch folgende verallgemeinerte Äußerung ausgedrückt: Die Frage ist, was ich will mit dem Netzwerk. Was ist das Ziel des Netzwerkes? Brauche ich das überhaupt? Ich glaube schon. Man könnte sich sehr viele Ressourcen sparen. Ich sehe das aus einer praktischen Sicht (Ng1).
4.1.2
Kommunikation nach außen
Ressourcen könnten vor allem durch Verbesserungen in der Kommunikation eingespart werden, wobei Zusammenarbeit im Marketing sowie Kooperationen in der Programmerstellung wichtige Themen in diesem Kontext darstellen (siehe Abbildung 5). Die Relevanz dieser Aspekte ist durch die fünffachen Verbindungen der Begriffe gegeben.
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
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Abstimmung zeitliche Planung
Vermarktung
großes Angebot
Kommunikation
Marketing
informieren
Werbung machen Zusammenarbeit
Abb. 5: Assoziationsgraphik „Kommunikation“ Quelle: Eigene Darstellung.
Kommunikation kann hierbei als die Summe von Marketingmaßnahmen interpretiert werden, die die Aufmerksamkeit für ein bestimmtes kulturelles Angebot erhöhen; „Werbung machen“, „Marketing“, „Vermarktung“ und „informieren“ werden dabei mit Kommunikation nach außen zusammengefasst, wobei mehrfach kritisch angemerkt wird, dass diese verbessert werden muss : Wenn ich Hand anlegen könnte, dann würde ich die Kommunikation verbessern. D.h. wenn ich den Touristen erreichen will, dann muss ich einen Kanal finden um den Touristen ganz klar und einfach mitzuteilen, was in der Region kulturell passiert (Nd1). Zusammenarbeit und die Bildung von Netzwerken wird als wichtig und notwendig für eine verbesserte Vermarktung der Angebote angesehen: […] Für einen Kulturveranstalter muss es über Netzwerke und Partnerschaften möglich sein, stärker aufzutreten, finanziell, und Synergien im Marketing und in der Kommunikation zu erlangen und damit auch gegenüber der Politik stärker auftreten zu können (Rw6). Das Problem in der Vermarktung ist ein zu großes Angebot, das auch durch zeitliche Überschneidungen nicht richtig nach außen kommuniziert werden
222
Lukas Siller/Kurt Matzler
kann. Abstimmung im Sinne einer zeitlichen Koordination des Angebotes ist deshalb von Nöten: Die Leute wollen ein konkretes Programm. Hier ist erstmals die Kommunikation zu verbessern, dass man weiß, wo was passiert. Und nicht erst ein Monat im Voraus, sondern... die Planung muss besser gemacht werden, im Vorfeld (Bq8).
4.1.3
Qualitätssicherung
In Bezug auf Qualität werden ebenfalls mindestens fünffache Verbindungen (d.h. jeder Zusammenhang ist durch mindestens fünf Aussagen verbunden) zur Dokumentation der Problemstellung herangezogen. Abbildung 6 stellt diese Assoziationen graphisch dar.
Nische
Subventionen anziehend sein
Kommunikation Zusammenarbeit
großes Angebot
hohe Qualität Gastronomie
Feste
Lokales
kulturelle Ereignisse
Jazzfestival
Musik Konzerte
Museen
Abb. 6: Assoziationsgraphik „Qualität“ Quelle: Eigene Darstellung.
Qualität wird einerseits in Bezug auf das kulturelle Angebot (Feste, kulturelle Ereignisse, Musik, Konzerte, Museen, Jazzfestival, Lokales, Gastronomie) gesehen. Produktbezogene Qualitätsstandards bedeuten für die Tourismusdesti-
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
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nation gleichsam, sich aufgrund der Differenzierung in einen Nischenmarkt begeben zu müssen: [...] um da heute wieder einzusteigen in diese Form des Kulturtourismus, bräuchte man sehr viel Geld, das wir nie haben werden. Und deshalb bin ich der Meinung, wir müssen die letzten Nischen füllen und diese Nischen eben mit first-class Produkten betreiben. Dann könnte das [Kulturtourismus] auch funktionieren (Ia6). Subventionen sind einerseits wichtig für die Aufrechterhaltung von Qualität, jedoch werden Förderungen oft ungezielt verteilt, was Auswirkungen auf die Vielfalt bzw. die Qualität des Angebotes haben kann: Bisher war ein Wildwuchs aufgrund von viel Geld, aufgrund von einer guten aber ungezielten Förderung, wo es allen recht gut gegangen ist, wo viele Produkte von guter Qualität entstanden sind, aber auch viele von minderer oder mittlerer Qualität entstanden sind. Es braucht die Fähigkeit zu unterscheiden, was ist top, was ist weiter unten und was ist „nicht bestanden“ (Qe8). Das zu große Angebot kann nicht klar kommuniziert werden und steht deshalb in Verbindung mit der Kommunikation der Vermarktung: Vom Angebot her, sollte man 5-6 Highlights noch besser profilieren d.h. noch mehr investieren in Qualität und in Kommunikation. Die Events sind vorhanden, vielleicht sogar zu viele (Re4). Werden allerdings Qualitätsstandards verfolgt und diese dementsprechend kommuniziert, so wird damit die Attraktivität der Region, die Möglichkeit Gäste anzuziehen, verbunden: Ich versuche Leute herzuziehen, auch weil ich durch Marketing und durch die unterschiedlichen Locations Situationen schaffe; aber dann muss es auch immer so sein, dass die Qualität passt (Qh2).
4.1.4
Kommunikation nach innen
Die einheimische Bevölkerung wird besonders mit „kulturellem Bewusstsein“ assoziiert (achtfache Verbindung) und mit der Notwendigkeit, Kultur „bewusst zu machen“ (fünffache Verbindung). Abbildung 7 zeigt die häufigsten gedanklichen Verbindungen zu diesen beiden Begriffen (mindestens dreifach verbunden).
224
Lukas Siller/Kurt Matzler
Hintergrundinformationen
Einheimische
kulturelle Ressourcen
Bescheid w issen
sich auskennen
kulturelles Bew usstsein
bew usst machen
Vermittlung
Natur
Wissen
noch einmal kommen
Identität
Abb. 7: Assoziationsgraphik „Einheimische“ Quelle: Eigene Darstellung-
Die Assoziationen auf der linken Seite der Graphik zeigen, dass mit „kulturellem Bewusstsein“ vor allem das Hintergrundwissen gemeint ist, bzw. die Aneignung von Wissen über die Kultur einer Region. Die einheimische Bevölkerung sollte vereinfacht gesagt „sich in der Region auskennen“. Im Zusammenhang mit kulturellem Bewusstsein stehen die Identität der einheimischen Bevölkerung und die damit verbundene Vermittlung (im Sinne einer Kommunikation nach außen) dieser Kultur: Wenn ich etwas weiß, dann kann ich das dem Touristen bringen, dann kann ich auch guten Kulturtourismus machen. Sobald ich das selber nicht weiß, dann kann ich es auch nicht vermitteln. Dann sind das einfach x-beliebige Steige und Berge (Ln4). Auch werden mit kulturellem Bewusstsein die Bindung der Gäste an eine Region, sowie die Natur mehrfach assoziativ verknüpft: Wenn der Gast merkt, was er hier alles zu sehen hat, dann sagt er: "Das habe ich gesehen, das habe ich gesehen, das habe ich noch nicht gesehen. Das möchte ich das nächste Mal sehen." [...] Dann sagt er: "Da muss ich noch einmal her, weil ich ja nur die Hälfte gesehen habe" (Ou2).
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
225
Das ist genau der Punkt. Wir selber sind die Natur. Wir sind ein Stück Natur und Kultur. Bis uns das nicht nur im Kopf, bis wir das nicht im Bauch richtig spüren, werden wir nicht die Möglichkeit haben, das zu vermitteln. Und da beginnt dann unsere Identität (As1). Betont wird in diesem Kontext oftmals, dass es notwendig ist, der einheimischen Bevölkerung kulturelles Hintergrundwissen zu vermitteln, bzw. Informationen zu den vorhandenen kulturellen Attraktionen und Ressourcen zukommen zu lassen, was als Kommunikation nach innen zusammengefasst wird: Beispiel St. Ulrich: [...] Dort hat man vor zwei Jahren im roten Sandstein Fische gefunden, wirklich perfekt. Die sind jetzt in Bearbeitung in Amerika in einem geologischen Institut. Der Fachmann, der die bearbeitet, sagt, dass es bisher nur zwei Stellen auf der Welt gibt, wo man die gefunden hat. Die dritte Stelle ist hier vor Ort. Das ist eine super Werbung. Das muss ich aber bewusst machen. Das wissen nicht einmal die Einheimischen (Jw7).
4.2 Kausalmodel und Hypothesen
Die folgende Kausalgraphik zeigt die Ein- und Auswirkungen der einzelnen Parameter bzw. die Art, wie sich die einzelnen Variablen gegenseitig beeinflussen. Ausgangspunkt stellen die Begriffe „Netzwerk“ und „Zusammenarbeit“ (rechteckige Variablen) dar. Aus Abbildung 8 ist ersichtlich, dass Netzwerke für einen kulturell motivierten Tourismus besonders hinsichtlich dreier Aspekte positive Folgewirkungen (sechseckige Variablen) haben können: A) Sozial: Sie bewirken eine stärkere Identität der Einheimischen; B) Ökologisch: Sie fördern den schonenden Umgang mit der Natur; C) Ökonomisch: Sie steigern die Anziehungskraft einer Region. Die Kausalgraphik ist somit ein Modell, das den Zusammenhang zwischen Netzwerken, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit (abgek. NWN-Modell) erklärt; dies lässt sich aus den anknüpfenden Ausführungen und den daraus resultierenden Hypothesen ableiten.
226
Lukas Siller/Kurt Matzler
hohe Qualität
Vermarktung
Zusammenarbeit
zeitliche Planung
Kommunikation
informieren
anziehend sein
Natur
Identität
Vermittlung
kulturelles Bew usstsein
Abb. 8: Das NWN-Modell einer Region Quelle: Eigene Darstellung.
Ad A) Betrachtet man den Kreislauf zwischen Netzwerke, Kommunikation, informieren, kulturellem Bewusstsein und Identität, so lässt sich behaupten, dass durch Kooperationen die Kommunikation nach innen und die Informationstätigkeit gesteigert werden kann: Es gibt jetzt kein so typisches Netzwerk im Kulturbereich, es gibt auch keinen Kulturkanal in dem Sinne, wo man alles über die Kultur in Südtirol erfährt. Gebündelt, aus einer verlässlichen Stelle, soweit ich informiert bin (Nc7). Durch einen Zuwachs an Informationen aber wird das kulturelle Bewusstsein gefördert, was sich wiederum positiv auf die kulturelle Identität auswirkt: Und dann würde ich schauen, dass jeder Gastwirt einmal einen Kurs macht, damit er weiß, woher die Ladiner kommen und wie die Dolomiten entstanden sind. Und dass das unsere St. Katharina Kirche ist und dass die im 15. JH. geboren wurde. Und dass jeder Einwohner sich informieren sollte, welche Kirche das ist, damit er das eben besser vermitteln kann (Au7).
Nachhaltige Entwicklung einer Region durch Netzwerke
227
Kooperationen tragen dadurch zu einer sozial nachhaltigen Entwicklung bei; dies lässt sich mit der folgenden ersten Hypothese festhalten. Hypothese 1: Regionale Netzwerke im Bereich Kultur und Tourismus fördern eine sozial nachhaltige Entwicklung. Ad B) Die Stärkung des kulturellen Bewusstseins wirkt sich direkt positiv auf den Umgang mit natürlichen Ressourcen (Natur) aus: Also spüren wir es einfach zu wenig. Wir spüren die Identität zu wenig, weil wir die Natur zu wenig spüren. Natürlich auch umgekehrt. Zu wenig kulturelles Bewusstsein schlägt sich auf die Natur aus (As4). Zudem trägt kulturelles Bewusstsein/Identität zur artgerechten Vermittlung von Kultur bei, was wiederum einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen nach sich zieht: Aber ich denke, wenn man den Kulturtourismus nachhaltig und authentisch vermitteln will, dann hat das sehr viel mit Kulturlandschaft zu tun [...] (Eh6). Daraus lässt sich eine zweite Hypothese ableiten: Hypothese 2: Kulturelle Identität wirkt sich positiv auf eine ökologisch nachhaltige Entwicklung aus. Ad C) Durch Netzwerke im Bereich Kultur und Tourismus ist es einerseits möglich, die Vermarktung des kulturellen Angebotes zu verbessern und durch Kommunikation nach innen (bzw. durch Abstimmung und Koordination) auch qualitativ zu steuern. Dazu ist der Kreislauf zwischen Kommunikation, zeitlicher Planung und Vermarktung zu betrachten. Hinter den kausalen Verbindungen stehen folgende Äußerungen, die beispielhaft ausgewählt wurden und einen Hinweis darauf liefern: Was es nicht gibt, glaube ich, ist ein Netzwerk, wo die Informationen zum kulturellen Angebot zusammenkommen. Ich glaube da bearbeitet jeder selbst sein Programm (Nf4). Die Region als sonniges Weinland, das kann man auch 2008/09 kommunizieren, aber wenn die Touristiker kein konkretes Programm haben vom Festival X, das
228
Lukas Siller/Kurt Matzler
sie bei der Messe 2008 vorstellen wollen, für Ende 2009, dann wird’s schwierig (Dy1). Damit man es vermarkten kann, muss man es mindestens ein Jahr vorher wissen, sonst kann ich es nicht vermarkten. Aber es ist nicht möglich, oder nur sehr schwer. Wenn mich jemand anruft und mich bittet ihm bei der Vermarktung zu helfen, wenn er in drei Monaten etwas veranstalten wird, muss ich ihm absagen und darauf hinweisen, in einem Jahr wiederzukommen (Bp3). Dieser Kreislauf bestehend aus Zusammenarbeit, Verbesserungen in Kommunikation, zeitlicher Planung und Vermarktung zielt darauf ab, Leute verstärkt auf das kulturelle Angebot aufmerksam zu machen und anzuziehen. Kooperationen haben allerdings auch direkte positive Auswirkungen auf die Qualität, was sich wiederum auf eine gesteigerte Attraktivität (anziehend sein) einer Region auswirkt. Dies wird durch folgende Aussagen belegt: Wenn die Tourismusorganisation im Stande ist [...] Partner auszusuchen und versucht, mit denen den Netzwerkgedanken weiterzuspinnen, dann kann das in zehn Jahren ein Plus an Qualität bringen, die auch nach innen strahlt (Ea3). Qualität steigern, das spezielle Umfeld, das die Region hat herausstreichen [...] und dadurch hätte man dann eine starke Anziehungskraft (Ga6). Zwar lassen sich durch die Aussagen keine Rückschlüsse daraus ziehen, ob sich „Qualität“ auf den Leistungserstellungsprozess durch die touristische Wertekette, oder auf die kulturellen Angebote bezieht, jedoch lässt sich eine dritte Hypothese in Bezug auf die Attraktivität des Reiseziels und somit auch zur ökonomischen Nachhaltigkeit ableiten. Hypothese 3: Regionale Netzwerke im Bereich Kultur und Tourismus fördern eine wirtschaftlich nachhaltige Entwicklung. Eine weitere Hypothese lässt sich im Hinblick auf das kulturelle Bewusstsein und der Natur machen: Durch die Beziehung zwischen Identität und Kommunikation/Vermittlung wird deutlich, dass durch die Stärkung der Identität die Anziehungskraft der Region durch verbesserte Kommunikation mit dem Gast gesteigert wird, weshalb positive wirtschaftliche Folgewirkungen zu erwarten sind:
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Ich glaube es lockt einen Touristen an, wenn wir selber, wir Einwohner, unsere Identität mit der Kultur stärken und wenn wir das in uns spüren, also unsere Identität damit verstärken, dann haben wir, und nur dann haben wir die Möglichkeit, das zu vermitteln (Ar3). Zum anderen bewirkt die Aneignung von kulturellem Wissen beim Gast eine Bindung mit einer bestimmten Destination, was folgende Aussage untermauert: Kultur kann eigentlich sehr binden, glaube ich. Wenn ich über etwas Bescheid weiß, dann komme ich auch gerne wieder, wenn ich bspw. über Sterzing Bescheid weiß, dass hier die Fugger gelebt haben und die Pfarrkirche so groß ist, weil sie so reich gewesen sind (Lv5). Des Weiteren wirkt sich eine intakte Natur direkt auf die Anziehungskraft als touristische Destination aus: Ich glaube auch die Kulturlandschaft ist ein großer Anziehungspunkt, dass es eben auch noch ländliche Siedlungen gibt, wo die Natur auch noch einen Platz hat. Wo man nicht alles verbaut bis zum letzten Quadratmeter und wo nicht alles zersiedelt wird (Jo3). Hypothese 4: Soziale und ökologische Nachhaltigkeit wirken sich positiv auf die Attraktivität einer Destination aus. Abschließend und die vier Hypothesen zusammenfassend kann also die Behauptung aufgestellt werden, dass durch regionale Netzwerke im Bereich Kultur und Tourismus sowohl soziale und ökologische, als auch wirtschaftliche Ziele verwirklicht werden können, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit als Tourismusdestination gesteigert wird. Hypothese 5: Regionale Netzwerke im Bereich Kultur und Tourismus wirken sich durch nachhaltiges Management positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit einer Destination aus. 5.
Fazit
Dieser Beitrag zeigt auf, dass ein regionales Netzwerk als eine Art „Werkzeug“ etabliert werden kann, um den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen für eine Tou-
230
Lukas Siller/Kurt Matzler
rismusdestination (gemessen an der Attraktivität einer Destination für die Besucher) zu gewährleisten, bzw. um die Entwicklung ökologischer und sozialer sowie ökonomischer Nachhaltigkeit in einer Region (gemessen am schonenden Umgang mit den Ressourcen und an einer Stärkung regionaler Identität, die sich wiederum auf die Attraktivität der Region auswirken) sicherzustellen. Des Weiteren konnte veranschaulicht werden, dass zu diesem Zweck ein Netzwerk im Bereich Kultur und Tourismus vor allem die drei Aufgaben Vermarktung des Angebotes (Verbesserung der Kommunikation nach außen), Qualitätssicherung (Koordinationsmaßnahmen zur effizienten Planung und Sicherstellung der Qualität des kulturellen Angebotes) sowie regionale Identitätsbildung (Stärkung des kulturellen Bewusstseins durch Kommunikation nach innen) erfüllen muss. Dies hat gleichzeitig die Verwirklichung von Zielen im Bezug auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zur Folge. Das NWN-Modell lässt sich demnach den Community-Modellen im Tourismus zuordnen, die eine nachhaltige Regionalentwicklung (Ritchie und Crouch, 2003) und die Einbindung möglichst vieler Interessensgruppen in ein Netzwerk (Dredge und Pforr, 2008, Flagestad und Hope, 2001) als grundlegende Voraussetzungen für wettbewerbsfähige Destinationen ansehen. Beim Aufbau eines Netzwerkes im Bereich Kultur und Tourismus wird die Einbindung möglichst vieler Bezugsgruppen sowie die Berücksichtigung der Interessen der Stakeholder in Planungs- und Entscheidungsprozessen als wesentlich erachtet. Vor allem aber muss der Einbezug der einheimischen Bevölkerung stärker in den Vordergrund gestellt werden: Besondere Wichtigkeit wird dabei der Weitergabe von – in kultureller Hinsicht relevanter – Informationen und der Kommunikation nach innen beigemessen. Regionale Netzwerke können wiederum nur mit Hilfe einer sog. „Kooperationskompetenz“ (Dyer und Singh, 1998, Pechlaner und Fischer, 2007, von der Oelsnitz, 2005) aufgebaut werden. Diese ist bisweilen in der untersuchten Region nicht vorhanden, was die Aussagen über fehlende und nicht funktionierende Netzwerke belegen. Durch das Fehlen dieser Kooperationskompetenz wird der Prozess der Identifizierung und Bewertung strategischer Ressourcen (tangible und intangible kulturelle Ressourcen) und der Bündelung von Kompetenzen (Marketing, Qualitäts-, Informationsmanagement) unterbunden, was die Bildung einer kooperativen Kernkompetenz verhindert. Potentiale zum Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit durch ein nachhaltiges Management können im geschilderten Fallbeispiel folglich nicht ausgeschöpft werden.
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Literaturverzeichnis
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Angewandte Wissenstechnologie in der Kooperationspraxis - Kundenprozessinnovation durch Selbstorganisation von Netzwerkakteuren Harald Bolsinger/Reinhard Boltin
„Nur im engen Bereich, wo sich genügend kennen und schätzen lernen, können die Menschen zu einer leistungsfähigen Wirtschaftsdemokratie zusammengeführt werden“ Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 18661
Inhaltsverzeichnis 1
Prolegomena.....................................................................................236
2
Kundenbedürfnisse als Basis von Leistungsbündeln .......................236
2.1
Kategorisierung von Kundenanforderungen ....................................237
2.2
Folgerungen für die Praxis der Leistungsbündelung........................240
3
Analyse des Kundenproblemlösungsprozesses ................................242
4
Vierschritt der Leistungsbündelung .................................................246
5
Rolle der Wissenstechnologie im Kreativprozess ............................249
6
Zusammenfassung und Ausblick......................................................250
7
Literaturverzeichnis..........................................................................251
1
Raiffeisen, F.W. 1887, S. 2
H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
236
1.
Harald Bolsinger/Reinhard Boltin
Prolegomena
Kernkompetenzorientierte Unternehmensnetzwerke benötigen ein gemeinsames dauerhaft gültiges Ziel ihrer Zusammenarbeit, um das Momentum ihrer Kooperationsbemühungen auch langfristig aufrechtzuerhalten. Dafür eignet sich insbesondere die Beschäftigung mit der Existenzgrundlage, die allen Unternehmen gemein ist: dem Kunden mit seinen individuellen Bedürfnissen. Fragestellungen rund um den Kunden führen weit über die in Kooperationen oft stark vertretenen Überlegungen zur gemeinschaftlichen Steigerung von Kosteneffizienz hinaus. Die immer wiederkehrende Integration von Fragen nach konkretem Kooperationshandeln auf Basis von gemeinsam bedienten Kundengruppen kann wesentlich dazu beitragen, dass Unternehmensnetzwerke das in ihnen steckende innovatorische Potenzial sichtbar entfalten. Die für das Netzwerk wichtigste Frage lautet dann: „Welche Kombination von im Unternehmensnetzwerk verfügbaren Leistungen findet bei der Zielkundengruppe Absatzchancen?“ Das unternehmerische Ziel des Netzwerkes ist bei dieser Fragestellung die gemeinschaftliche Erschließung von neuen Kundengruppen, die im unternehmerischen Alleingang nicht zu bewältigen wäre. Die Institutionalisierung eines auf den Kunden ausgerichteten Innovationsprozesses, an dem alle Kooperationsmitglieder teilnehmen und von dem alle Kooperationsmitglieder individuell nutznießen können, wird zum Katalysator für die Agilität des kernkompetenzorientierten Unternehmensnetzwerkes. Welche Vorgehensweise eignet sich zur vernetzten Generierung von Kundenprozessinnovationen und zur Bündelung von unternehmerischen Einzelleistungen? Wie kann eine einfach zu praktizierende Methodik zur Anregung der kundenzentrierten Kombination von Kernkompetenzen aussehen? Welche Besonderheiten sind in der Kooperationspraxis zu beachten? Diese Fragen werden im Folgenden mit einem konkreten Vorschlag beispielhaft für den B2C-Bereich für die Kooperationspraxis beantwortet. 2.
Kundenbedürfnisse als Basis von Leistungsbündeln
Kundennutzen und Kundenbedürfnisse sind nicht linear ableitbar und schwer zu messen (Hertel/Neff/Virt, 2000: 218). Im Fall wirklich innovativer Neuentwürfe und bei Bedürfnissen aus implizitem Wissen der Kunden scheitern nahezu alle Konzepte der klassischen Marktforschung. Auch bei Überlegungen zur sinnvollen Bündelung von Leistungen sind die klassischen Methoden der Marktfor-
Angewandte Wissenstechnologie in der Kooperationspraxis
237
schung nur unterstützend sinnvoll, etwa bei der Prüfung, ob ein bereits erdachtes Leistungsbündel einen Markt finden kann und wenn ja, zu welchem Preis es abzusetzen ist. Um dem Problem zu begegnen, bietet sich eine proaktive Integration einzelner Kunden in den Innovationsprozess selbst an (Reichwald/Ihl/Seifert, 2004: 4). Nicht mehr die Erhebung von Kundenbedürfnissen mittels ausgeklügelter Marktforschungsmethoden steht dann im Mittelpunkt der Überlegungen, sondern der aktive Einbezug von Kunden in den Innovationsprozess. Auf die innovative Leistungsbündelung übertragen bedeutet das, über die aktive Beteiligung einzelner Kunden herauszufinden, welche Leistungen diese vor, während und nach einer bereits in Anspruch genommenen Leistung im Zusammenhang mit dieser Leistung nachgefragt haben oder potenziell nachfragen würden.
2.1 Kategorisierung von Kundenanforderungen
Ein wichtiger Schritt im Kooperationsentwicklungsprozess ist die Harmonisierung von Aussagen über Kundenwünsche aus den einzelnen Unternehmen. Es ist darzustellen, welche Anspruchsniveaus der Kunden durch einzelne Leistungen einer Gesamtproblemlösung erfüllt werden, um eine Auswahl von Leistungen treffen zu können, die unbedingt im kooperativ geschnürten Gesamtpaket enthalten sein müssen und welche nur optional sind. Die wichtigsten Fragen bezüglich des vom Kunden verlangten Anspruchsniveaus zielen auf die Kernbedürfnisse des Kunden ab (Nasner, 2004: 82; Essig/Eidel, 2000: 80). Es ist zu fragen, welches die Wertkomponenten eines Produktes oder einer Dienstleistung darstellen, welcher Nutzen am wichtigsten für den Kunden ist und wofür er letztendlich tatsächlich zu bezahlen bereit ist (Hamel/Prahalad, 1995: 310). Diese Überlegung ist auch auf Ebene der Leistungsbündelung zur Gesamtproblemlösung anzustellen. Um eine am Markt tatsächlich Erfolg versprechende Leistungskombination anbieten zu können, sind mindestens die Leistungen zu kombinieren, die den jeweiligen Anforderungen seitens der Kunden ausreichend gerecht werden und die am wichtigsten für den Kundenproblemlösungsprozess beziehungsweise für sein übergeordnetes Bedürfnis sind. Dazu bietet sich die Evaluation und Kategorisierung von Anforderungen mit Hilfe des bewährten Modells von Kano an (Kano, 1984: 39 ff.; Kano, 1993: 12 ff.; Hinterhuber/Handlbauer /Matzler, 1997: 83 ff.; Horváth/Partner, 2001: 109 ff.; Jeschke, 2001: 734 ff.; Hungenberg, 2004: 174 f).
238
Harald Bolsinger/Reinhard Boltin
Auch wenn das Kano-Modell ursprünglich für das Kundenzufriedenheitsmanagement entwickelt wurde, lassen sich daraus Überlegungen für unsere Bedürfnisperspektive und die Bündelung von Leistungen ableiten. Kanos Modell setzt sich mit den Verhältnissen von Kundenerwartungen und Zufriedenheit auseinander und unterscheidet im Wesentlichen Basisanforderungen, Leistungsanforderungen und Begeisterungsanforderungen, wie in Abbildung 1 dargestellt.
-
-
Basisanforderungen (essentials): Basisanforderungen werden vom Kunden als selbstverständlich empfunden und nicht explizit geäußert. Kunden können durch die Erfüllung von Basisanforderungen nicht begeistert werden. Eine aktive Bewerbung von Basisanforderungen würde Befremden auslösen. Demgegenüber kommt es zu hoher Unzufriedenheit, wenn Basisanforderungen nur unzureichend erfüllt werden. Als Beispiel für eine Basisanforderung dient das Klingeln eines Weckers. Es ist selbstverständlich, dass ein Wecker klingeln kann. Erst nachdem das Klingeln ausbleibt, fällt es dem Kunden auf, der geweckt werden wollte. Eine besonders intensive Erfüllung von Basisanforderungen trägt kaum zu wachsender Kundenzufriedenheit bei, obwohl es bei mangelhafter Erfüllung derartiger Anforderungen zu massiver Unzufriedenheit kommt. Die Befriedigung von Basisanforderungen kann demnach nur den negativen Wertebereich einer Zufriedenheitsskala betreffen. Leistungsanforderungen (variancers): Leistungsanforderungen haben explizit maßgeblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Kunden. Die Zufriedenheit des Kunden steigt unter ceteris-paribus-Betrachtung proportional mit dem Erfüllungsgrad der Leistung. Als Beispiele lassen sich die Höchstgeschwindigkeit oder der Durchschnittsverbrauch eines Kraftfahrzeuges nennen, aber auch Preis- und verschiedene Serviceaspekte. Im Unterschied zu den vom Kunden nicht explizit artikulierten Basisanforderungen verlangt der Kunde ausdrücklich die Erfüllung von Leistungsanforderungen. Leistungsanforderungen spannen den gesamten Wertebereich einer Zufriedenheitsskala von sehr unzufrieden bis hin zu sehr zufrieden auf und eignen sich deswegen zur gezielten Gestaltung des Kundenzufriedenheitsausmaßes.
- nicht erwartet - nicht ausgesprochen - nicht bewusst
Kundenzufriedenheit
-
selbstverständlich nicht ausgesprochen kaum noch bewusst
-
Erfüllungsgrad der Forderungen
erwartet ausgesprochen bewusst
Angewandte Wissenstechnologie in der Kooperationspraxis
Abb. 1: Kano-Modell
Quelle: In Anlehnung an Jeschke, 2001: 735.
2%>
240
-
-
Harald Bolsinger/Reinhard Boltin
Begeisterungsanforderungen (satisfier): Begeisterungselemente werden bei einer Kaufentscheidung im Vorfeld nicht explizit berücksichtigt, sondern sie beeinflussen das subjektive Empfinden bei der Kaufentscheidung. Es handelt sich um latent vorhandene Anforderungen, die vom Kunden oft nicht artikuliert oder formuliert werden können. Dazu gehören Imagefragen oder das Angebot von Zusatzleistungen, die der Kunde nicht erwartet hätte oder die zuvor nicht vereinbart wurden und die ihn deswegen besonders begeistern. Aufgrund der oftmals vorherrschenden Unmöglichkeit, derartige Elemente im Voraus auszudrücken, resultiert aus der Abwesenheit dieser Elemente keine Unzufriedenheit. Durch die Erfüllung von Begeisterungsanforderungen kann hingegen a posteriori ein besonders hohes Zufriedenheitsniveau beim Kunden erreicht werden, so dass Begeisterungselemente nur den positiven Wertebereich einer Zufriedenheitsskala betreffen. Indifferenzanforderungen (equals): Kunden stehen Indifferenzanforderungen gleichgültig gegenüber und werden ebenso wie Begeisterungsanforderungen a priori nicht erwartet. Eine besonders gute oder schlechte Erfüllung derartiger Leistungsmerkmale hat kaum Wirkung auf die Zufriedenheit. Als Beispiel ist hier die Benutzerfreundlichkeit einer Betriebsanleitung eines ohnehin selbsterklärenden Produktes zu nennen. Aufgrund der Irrelevanz für die Kundenzufriedenheit werden Indifferenzanforderungen ausgeblendet.
2.2 Folgerungen für die Praxis der Leistungsbündelung
Die Strukturierung von Einzelleistungen nach Kanos Modell erlaubt es, diese so zu verknüpfen, dass die Kombination bestimmten Kundenanforderungen gezielt entspricht.2 Eine undifferenzierte Erfüllung von Kundenbedürfnissen würde Effizienzüberlegungen ausblenden. Eine Orientierung an den Erwartungen der Kunden ermöglicht die Beeinflussung der Kundenzufriedenheit und damit das Wiederkauf- und Empfehlungsverhalten der Kunden. Die Steigerung der Kundenzufriedenheit ins Unermessliche führt in eine betriebswirtschaftliche Sackgasse. Stattdessen ist die ertragsoptimierte Steuerung der Zufriedenheit über die vollständige Erfüllung von Basisanforderungen, die Erfüllung der wichtigsten Leistungsanforderungen und dem eventuellen Einbau einiger
2
Eine Anleitung zur Anwendung der Kano-Methode /Matzler/Sauerwein, 1996: 117 ff. und Jeschke, 2001: 735 f.
liefern
Bailom/Hinterhuber
Angewandte Wissenstechnologie in der Kooperationspraxis
241
Begeisterungselemente zur Differenzierung von Wettbewerbernempfehlenswert. Darüber hinaus bietet die Kategorisierung vonEinzelleistungen entsprechend dem Modell von Noriaki Kano Anhaltspunkte zur Präsentation der Lösung des Gesamtproblems gegenüber dem Kunden. Verknüpfung der Basisleistungen, Darstellung von Freiheitsgraden bei den Leistungsanforderungen und Aufzeigen von Nebenleistungen alsBegeisterungs elemente bilden die Gesamtproblem-lösung für den Kundennachvollzieh bar ab. Bei der Analyse stehen im Modell folgende Fragen imVordergrund:
-
Welche Basisanforderungen werden von den Kooperationsmitgliedern gemeinsam ausreichend erfüllt? Welche Leistungsanforderungen sind nutzbringend ausbaubar? Von welchen zusätzlichen Begeisterungselementen ist eine positive Wirkung auf die Nachfrage nach der Gesamtleistung zu erwarten?
Eine Gesamtproblemlösung kann nur dann erfolgreich angeboten werden, wenn sämtliche Basisanforderungen über den ganzen Kundenproblemlösungsprozess hinweg erfüllbar sind. Die Analyse eines Kundenproblemlösungsprozesses hat demnach lückenlos abzubilden, welche Leistungen in welcher Reihenfolge notwendig sind, um das betrachtete Kundenproblem vollständig und optimal zu lösen. Der Erfolg eines dynamischen Netzwerkes hängt aus Sicht des Kunden eng mit allen Einzelleistungen der beteiligten Kooperationspartner zusammen (Spintig, 2003: 2). Bestehen im Ressourcenpool Lücken bezüglich der Erfüllung von Basisanforderungen eines Problemlösungsprozesses, die nicht zu schließen sind, ist an diesen Stellen ein Schnitt im Gesamtangebot zu machen. Es ist dann zu prüfen, ob stattdessen eine Teilproblemlösung zu vermarkten ist, oder ob der vorhandene Ressourcenpool die sinnvolle Realisation einer erkannten Innovation durch die kernkompetenzorientierte Bündelung von Leistungen total verhindert. Ist die Abbildung eines Problemlösungsprozesses mit allen Basisanforderungen möglich, sind die Leistungsanforderungen dem jeweiligen Markt entsprechend anzupassen. Begeisterungselemente als nicht unbedingt notwendige Elemente sind so einzubauen, dass diese im Leistungsbündel vom Kunden optional beansprucht werden können. Das „sichtbar machen“ von zusätzlichen Möglichkeiten im Kundenproblemlösungsprozess kann damit die Kundenzufriedenheit steigern, erhöht das Gesamtimage der Kooperationspartner hinsicht-
242
Harald Bolsinger/Reinhard Boltin
lich Innovationsfähigkeit und schöpft das Cross-selling-Potenzial systematisch aus. 3.
Analyse des Kundenproblemlösungsprozesses
Die Ausrichtung an spezifischen Kundenproblemlösungsprozessen trägt dazu bei, dass projektbezogene und innovative Arbeit in dynamischen Netzwerken ermöglicht wird. Damit sorgt die Betrachtung von Kundenproblemlösungsprozessen für die Thematisierung von kooperativen Einzelfragen zwischen exakt identifizierbaren Partnern (Hock, 2005: 255). Zur Generierung von neuen Geschäftsideen ist es ratsam, direkt an der Beziehung zum Kunden und dessen Bedürfnissen anzusetzen. Dadurch wird Kreativität für neuartige Lösungen stimuliert und demzufolge der Problemlösungsraum weiter aufgespannt. Gleichzeitig lässt sich durch die strenge Ausrichtung am Kundenprozess die Mannigfaltigkeit der Problemlösungen auf einem bewältigbaren Niveau halten (Österle, 2004: 83). Während der Diskussion über die Möglichkeiten, einen bestimmten Kundenproblemlösungsprozess gemeinsam umfassend zu bedienen, evolviert das konkrete Kooperationsprojekt, ohne dass die Partner vielleicht vorab bereits aktiv eine Zusammenarbeit geplant haben. Aus der Analyse des Kundenproblemlösungsprozesses lassen sich die einzelnen Kundenbedürfnisse und Kundenanforderungen ableiten. Zur Erkennung von nachgefragten Leistungen im Kundenprozess und zum Verständnis des Kundenproblemlösungsprozesses existieren verschiedene Ansätze.3 Ziel ist es, alle geschäftlich relevanten Aktivitäten, die der Kunde ausführt und bei denen er Leistungen von Unternehmen nachfragt, zu erfassen, zu dokumentieren und zu strukturieren. Aufgrund seines hohen Detaillierungsgrades ist vor allem der Ansatz von Ives geeignet, um Kundenprozesse umfassend zu identifizieren. Ives nutzt eine systematische Sicht auf die Aktivitäten von Kunden rund um verschiedene Unternehmensleistungen. Anhand des Customer Service Life Cycle (CSLC) werden die Aktivitäten des Kunden verschiedenen Stadien im Kundenproblemlösungsprozess zugeordnet (Ives/Learmonth, 1984: 1197 ff.; Ives/Mason, 1990: 52 ff.; Ives/Rane/Sainani, 1999). Der CSLC stellt einen idealisierten Kreislauf von Prozessen dar, die der Kunde beim Erwerb von Leistungen durchlaufen kann (Reichmayr, 2002: 178). Nicht 3
Beispiele: Customer Service Life Cycle (Ives/Learmonth, 1984: 1197 ff.), Customer Activity Cycle (Vandermerwe, 2000: 31 ff.), Relationship Life Cycle (White, 2001: 1 ff.)
Angewandte Wissenstechnologie in der Kooperationspraxis
243
alle Stufen der Abfolge im CSLC sind für jede Branche und jedes spezifische Kundenproblem relevant. In manchen Fällen werden auch noch weitere Stufen benötigt (Ives/Rane/Sainani, 1999). Der Kreislauf liefert aber grundsätzlich wertvolle Hinweise bei der Analyse von Kundenprozessen, indem er für die Analyse notwendige Fragen vermittelt. Ein spezifischer CSLC beinhaltet alle Aufgaben eines Kunden, für die er Leistungen eines Anbieters benötigt (Fleisch, 2001: 19). Zu Beginn des Prozesses stellt der Kunde ein Bedürfnis bei sich fest und erörtert die notwendigen Charakteristika einer Leistung zur Begegnung dieses Bedürfnisses. Der Kunde erwirbt die Leistung oder das Produkt, besitzt und tritt in die Nutzungsphase ein. Irgendwann wird das Produkt oder die Leistung zurückgegeben, beziehungsweise die Nutzung beendet, entsorgt oder das Eigentum geht anderweitig unter (Cenfetelli/Benbasat, 2002: 696). Der CSLC unterscheidet folgende Phasen (Ives/Willinger, 1999: 3; Piccoli/Spalding/Ives, 2001: 38 ff.):
-
-
-
Requirements (establish requirements, specify): In der ersten Phase kommt es zur Bedürfnisbegründung für eine Leistung oder ein Produkt. Bereits die Bedürfnisbegründung kann durch anbieterseitige Unterstützung gefördert und dem Kunden erleichtert werden, indem Kaufvorschläge erfolgen, die zum vermeintlichen Profil eines Kunden passen. Ist das Bedürfnis begründet, versucht der Kunde, die angestrebte Leistung oder das gewünschte Produkt in den jeweiligen Eigenschaften näher zu bestimmen. Acquisition (select source, order, authorize/pay for, acquire, test/accept): Ist die Entscheidung für eine bestimmte Leistung gefallen, geht der Kundenprozess in die Erwerbsphase über. In dieser Phase überlegt der Kunde, woher er seine gewünschte Leistung beziehen soll. Ist diese Entscheidung beispielsweise nach einem Preisvergleich gefallen, erfolgen eine Bestellung beziehungsweise der Kauf und die Bezahlung. Spätestens nachdem das Eigentum am Produkt übergegangen ist, erfolgt die Prüfung, ob es allen Anforderungen aus der vorhergehenden Phase tatsächlich gerecht wird. Ownership (integrate, monitor, upgrade, maintain): Während der eigentlichen Nutzungsphase der Leistung oder des Produktes passt der Kunde dieses in seine bestehende Umwelt ein. Er nimmt seine Nutzungsrechte wahr, indem er den Zugang zur erworbenen Leistung oder dem erworbenen Produkt Dritten gegenüber beschränkt oder die Nutzung überwacht. Ist die bestehende Leistung nicht mehr ausreichend, um die Bedürfnisse des Kunden
244
-
Harald Bolsinger/Reinhard Boltin
zufrieden zu stellen, sucht er eventuell nach einer Möglichkeit zum Upgrade. Auch Wartungs- und Reparaturarbeiten fallen in diese Phase. Retirement (transfer or dispose, account for): In der Phase des Rückzugs von der Leistung oder dem Produkt sucht der Kunde nach Möglichkeiten der Weitergabe oder Optionen, um das Produkt anderweitig abzusetzen. Im Extremfall wird das Produkt weggeworfen. Informationen über das bisherige Nutzungsverhalten oder die Art und das Ausmaß von Nutzenstiftung durch die Leistung beziehungsweise das Produkt helfen bei der Entscheidung zu einem Anschlusskauf. In dieser Phase bestehen anbieterseits die größten Anknüpfungspunkte für ein Neugeschäft, weswegen die Unterstützung des Kunden bei der Entsorgung oder dem Weiterverkauf von Produkten ebenfalls Sinn macht.
Abb. 2: Customer Service Life Cycle Quelle: Eigene Darstellung.
Der CSLC-Ansatz nimmt eine top-down-Perspektive ein, indem gefragt wird, was für den Kunden in den einzelnen Phasen seines Problemlösungsprozesses
Angewandte Wissenstechnologie in der Kooperationspraxis
245
getan werden kann, bevor Lösungen entwickelt werden (Cenfetelli/Benbasat, 2002). So trivial der CSLC anmutet, ist er doch ein mächtiges Werkzeug, um die gesamte Kaufsituation eines Kunden zu untersuchen, ohne dabei zu vernachlässigen, dass der Kundenproblemlösungsprozess nicht mit dem Kaufakt endet. Um kundenrelevante Problemlösungsprozesse unter Anwendung des CSLC zu identifizieren und weiter zu entwickeln, ist eine interaktive Kundenbeziehung notwendig, welche Besonderheiten in den einzelnen Phasen aufzudecken hilft. Die interaktive Kundenbeziehung wird benötigt, um Informationen über die Kundenbedürfnisse durch laufende Studien vertiefen und zukünftige Entwicklungen der Bedürfnisstrukturen antizipieren zu können (Prahalad/Ramaswamy, 2000: 65 ff). Durch die häufigere Interaktion mit dem Kunden erlangen Unternehmen spezifisches Wissen, das ihr Geschäftspotenzial erweitert (Österle/ Cäsar/Legner, 2005: 216). Auch wenn der CSLC einen hohen Detaillierungsgrad eines Kundenproblemlösungsprozesses zulässt, ist eine wesentlich grobkörnigere Darstellung für das Finden von ersten Ansätzen für eine Zusammenarbeit zwischen den Kooperationsmitgliedern ausreichend. Eine genaue Detailbetrachtung ist in einzelnen dynamischen Netzwerken anzusiedeln, um den Kundenproblemlösungsprozess perfekt abzubilden. Fragen nach der Unterstützung des Kunden bei der Kaufabwicklung und weitere Randthemen sind bei der Suche nach kundenorientierten Kooperationsmöglichkeiten vorerst weniger relevant. Die erste Grobbetrachtung fokussiert auf branchenübergreifende Leistungssysteme oder integrierte Problemlösungsprozesse rund um ein intuitiv gewähltes Oberthema. Die Abbildung eines Problemlösungsprozesses kann sich dabei nicht auf die Betrachtungsperspektive der CSLC-Analyse beschränken, sondern ist in einem kreativen Prozess gemeinschaftlich zu erarbeiten. Die Eingangsgrößen für diesen kreativen Prozess werden jedoch von den Einzelunternehmen anhand des Denkens in Kundenproblemlösungsprozessen rund um ihre eigene Kernleistung erbracht. Bei der Analyse des einzelnen CSLC ergründen die Kooperationsmitglieder, welche Aufgaben erfüllt werden müssen, um ein bestimmtes Kundenproblem zu lösen und welche Zusammenhänge zwischen den selbst angebotenen Leistungen und Leistungen Dritter bestehen. Da die Analyse bereits bei der Bedürfnisbegründung und nicht erst bei der Kaufentscheidung beginnt, ist es möglich, Informationen über Aufgaben eines auf höherer Ebene anzusiedelnden Kundenproblemlösungsprozesses zu erhal-
246
Harald Bolsinger/Reinhard Boltin
ten, die das Bedürfnis nach einer bestimmten Leistung geweckt haben. Ein weiterer Vorteil aus der CSLC-Analyse ergibt sich aus der Betrachtung von Umständen jenseits des Kaufaktes. Anhand dieser Analysen werden Rückwärtsverkettungen und Vorwärtsverkettungen erkennbar. Diese Verkettungen können zu einem übergeordneten Kundenproblemlösungsprozess zusammengeführt werden. Die Detailanalysen über Kunden der einzelnen Mitglieder eines Unternehmensnetzwerkes führen demnach zu den Zusammenhängen rund um ein originäres Kundenbedürfnis, die durchaus für völlig unterschiedliche Branchen bislang unentdeckte Ansatzpunkte zur Zusammenarbeit ergeben können. 4.
Vierschritt der Leistungsbündelung
Begünstigend für eine funktionierende Kooperation ist die Bündelung möglichst verschiedenartiger Leistungen, weil das Konkurrenzausmaß zwischen den Partnern dadurch gering ist und Vertrauen schneller wachsen kann (Behrens, 2000: 164). Zwischenbetriebliche Konkurrenz lässt sich zwar auf Geschäftsfelder gerichtet, auf Betriebsfunktionen bezogen und auch projektspezifisch durchaus „domestizieren“ (Ringle, 2003: 9). Man geht dabei aber potenziellen Problemen schon im Vorfeld aus dem Weg, wenn bei der Konfiguration dynamischer Netzwerke vorwiegend nach komplementären Kompetenzen gesucht wird. Innovative Leistungsbündelung erfordert eine mehrstufige Kombination von Leistungen (Kombination von Leistungen zu Leistungsbündeln und anschließende Kombination der Leistungsbündel zu Gesamtproblemlösungen auf Ebene originärer Kundenbedürfnisse) und basiert auf der oben beschriebenen Darstellung von Leistungsverkettungen. Zu Beginn werden die Kundenanforderungen an eine Einzelleistung ermittelt. Dies geschieht in erster Linie selbstverantwortlich im Einzelunternehmen. Diese Information ist für das Einzelunternehmen höchst relevant, da sie wesentlich dazu beiträgt, dessen Kernkompetenz weiter zu stärken. Das Einzelunternehmen bringt diese Informationen erst im konkreten Kooperationsfall in ein dynamisches Netzwerk ein, ohne sie für alle anderen Plattformmitglieder zwingend offenlegen zu müssen.
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Im ersten Schritt ist die Einzelunternehmung gefordert, Anschlussleistungen seiner Kunden zu erheben. Anschlussleistungen können Vorwärts- oder Rückwärtsverkettungen darstellen oder aber ergänzende Leistungen, die zu-
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sätzlich zum Angebot des Einzelunternehmens nachgefragt werden. Aus den Informationen der einzelnen Unternehmen über oft genannte Anschlussleistungen ist ein Leistungsnetz abbildbar, auf dessen Basis sinnvoll kooperativ bedienbare Kundenproblemlösungsprozesse erkannt werden können. Der zweite Schritt liegt in der Aggregation der einzelnen Leistungsverkettungsinformationen. Alle Leistungen im Problemlösungsprozess eines Kunden, die unmittelbar vor, während oder nach der durch die Einzelunternehmung erbrachten Leistung nachgefragt werden, sind aggregiert darzustellen. Der dritte Schritt bildet einen möglichen Weg durch das Leistungsnetz ab, der ein Kundenproblem umfassend zu lösen in der Lage ist. Ein Abgleich mit den im konkreten Ressourcenpool vorhandenen Kernkompetenzen zeigt auf, ob ohne die Akquise von weiteren Kompetenzen alle notwendigen Leistungen direkt erbracht werden können. Bei der Suche nach einem Weg wird berücksichtigt, welcher Anforderungskategorie nach Kano die jeweiligen Leistungen zuzuordnen sind. Die notwendigen „essentials“ für den Kundenproblemlösungsprozess müssen dabei lückenlos aneinander anschließen. Aus einem dieser zahlreichen potenziellen Wege lässt sich im letzten Schritt ein konkretes dynamisches Netzwerk ableiten.
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1. Teilketten der CSLC-Analyse aus Sicht der einzelnen Mitgliedsunternehmen
Kernleistung
Anschlussleistung
2. Aggregation der Teilketten zu einem Leistungsnetz
3. Identifikation eines möglichen Kundenproblemlösungsprozesses und Abgleich mit der vorhandenen Mitgliederbasis
4. Konfiguration eines dynamischen Netzwerkes auf Basis der Anforderungskategorien von Kano
Abb. 3: Vierschritt kundenorientierte Leistungsbündelung Quelle: Eigene Darstellung.
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Rolle der Wissenstechnologie im Kreativprozess
Der vorgestellte Prozess erfordert von allen Beteiligten ein hohes Maß an kreativer Kompetenz zur Schaffung neuartiger Lösungen auf Basis vorhandener Leistungsbausteine. Das Wissen über die eigenen Kernkompetenzen sowie die Leistungen der Netzwerkakteure, kombiniert mit Kooperationskompetenz im Kreativprozess, bestimmt maßgeblich die Potenzialrealisierung im Unternehmensnetzwerk. Die Reflexion eigener und fremder Stärken und die Organisation des Wissens über diese Stärken ist dauerhaft zu institutionalisieren, um den Output kreativer Kundenprozessinnovationen langfristig sicherzustellen. Bislang verfügbare Methoden des Wissensmanagements und der Wissensorganisation stoßen in der Kooperationspraxis schnell an ihre Grenzen. Nicht zuletzt wegen der schwer abbild- und organisierbaren individuellen Geistestätigkeit, die zur Generierung und kreativen Nutzung des benötigten Wissens erforderlich ist. Die individuellen Denkschemata, Bewertungsmuster und für Einzelakteure sinnstiftenden Überlegungen unterschiedlicher Netzwerkakteure lassen sich in der Praxis nicht in ein Prokrustresbett vordefinierter Kategorien pressen. Der Faktor Mensch verhindert mechanisches und automatisiertes Kooperationshandeln auf Basis vermeintlicher ökonomischer Vorteile und ist gleichzeitig das wertvollste Asset im Netzwerk. Derzeit im Wissensmanagement eingesetzte ITTools und Methoden können schwerlich die notwendige unternehmensübergreifende Wissensorganisation und -entwicklung leisten, auch wenn vereinzelte Ansätze sinnvolle Unterstützung beim Teilen und Verteilen von Wissensgütern bieten. Das hohe Maß an notwendiger intelligenter Selbstorganisation im Kreativprozess, welches in symbiotischen Netzwerken das Netzwerkmanagement ergänzen und im besten Fall ersetzen muss, wird durch heute bestehende Werkzeuge weder abgebildet noch praktisch einsetzbar unterstützt. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass das vorgestellte bestechend einfache Kooperationsmodell in der Praxis an der Komplexität der Aufgaben oder der fehlenden Kompetenz der Akteure scheitert, indem der Möglichkeitenraum so weit aufgespannt wird, dass er für den menschlichen Geist – den „gesunden unternehmerischen Sachverstand“– nicht mehr fassbar wird. Je mehr Netzwerkakteure im Spiel sind, desto mehr Potenzialität entsteht im Netzwerk. Gleichzeitig steigt aber mit zunehmender Zahl von Netzwerkakteuren die Komplexität bei der Findung und Beurteilung von gemeinsamen Chancen. Übliche Tools wie z.B. interorganisationale Workflowsysteme, Dokumentenmanagementsysteme, CRM-Systeme, Datawarehouse-Lösungen, Wikis, Projektmana-
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gementsysteme usw. sind nicht geeignet um den für den Erfolg wesentlichsten Kernprozess abzubilden: die kreative Selbstorganisation auf Basis von Kooperationskompetenz und dem Wissen über eigene Stärken und über kombinierte Stärken möglicher Partner, welche die Partner womöglich selbst noch gar nicht erkannt haben. Für diesen Kernprozess ist eine neuartige Wissenstechnologie notwendig, die auf Basis von Komplexitätsreduktion und Eigenorganisation beteiligte Netzwerkakteure hinsichtlich der einfachen Verwaltung von Expertisen, der kontextbezogenen Bereitstellung von normativem, strategischem und operativem Wissensgut und der Einbettung und kontextbezogenen Steuerung von üblichen IT-Tools unterstützt. Die dafür eingesetzte Technologie muss der Individualität der einzelnen Akteure Rechnung tragen und personen- oder rollenspezifisch konfigurierbar sein, um dem jeweiligen Akteur als integriertes Entscheidungs-, Kompetenzentwicklungs- und Umsetzungssystem dienen zu können. Die Darstellung fachübergreifender Sichtweisen, die Unterstützung priorisierender Entscheidungsfindung und kreativer Problemlösungen ist dabei ebenso wesentlich wie die Sicherstellung von hoher Netzwerkproduktivität durch Anschlussfähigkeit an die Denkunterstützungssysteme weiterer beteiligter Netzwerkakteure.4 6.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Institutionalisierung eines auf den Kunden ausgerichteten Innovationsprozesses, an dem alle Kooperationsmitglieder teilnehmen, ist mit einer bestechend einfachen Methodik möglich. Die dauerhafte Suche nach neuen Möglichkeiten, Kundenprozessinnovationen auf Basis der im Unternehmensnetzwerk vorhandenen Kernkompetenzen zu generieren, stellt sicher, dass die Kooperationspraxis Anreize für die Einzelunternehmen enthält, sich aktiv ins Kooperationsgeschehen einzubringen. Eine Verbindung der traditionellen Werkzeuge KanoKategorisierung und CSLC-Analyse zur Leistungsbündelung in vier einfachen Schritten ist extrem anschaulich. Die bestechende Einfachheit der dargestellten Methode erleichtert es allen potenziellen Kooperationspartnern eines Unternehmensnetzwerkes Sinn und Zweck von möglichem Kooperationshandeln zu vermitteln. Durch die gemeinschaftliche Ausrichtung am Kunden bleiben betriebswirtschaftliche Kernziele, wie beispielsweise die Steigerung des unter-
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Siehe dazu den Beitrag Boltin/Bolsinger 2009 im vorliegenden Buch.
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nehmensindividuellen Umsatzes und das Finden neuer Absatzchancen, dauerhaft im Blick. Die Entscheidung zu kooperativem Verhalten bleibt dennoch eine Willensleistung (Rissbacher/Stahl, 2003: 132), erfordert Kooperationskompetenz und laufende Entwicklung und Transfer von netzwerkbezogenem spezifischem Wissen. Kooperation in der modellhaft vorgestellten Methodik muss eingeübt werden und in die unternehmensalltäglichen Prozesse integriert sein. Kleineren und mittleren Unternehmen mit regionalen Fühlungsvorteilen wird das tendenziell leichter gelingen als Großunternehmen, da sie auf eine vertraute Welt zahlreicher, persönlicher Beziehungen mit Entscheidern anderer Unternehmen zurückgreifen können. Da sich Netzwerkarbeit nicht nur auf Kommunikation, Information und weiche Beziehungsfaktoren beziehen kann, sind kundenorientierte Projekte der Kern eines dauerhaft stabilen Verbundes, weil diese über abstrakte Vereinbarungen hinausgehen und eine gemeinsame konkrete Zielsetzung vermitteln. Unerlässliche Nebenbedingung erfolgreichen Kooperationshandelns ist die laufende Entwicklung und der Transfer von Wissen und Kompetenz. Dem Einsatz einer komplexitätsreduzierenden und praktisch anwendbaren Wissenstechnologie kommt eine wichtige Rolle zu. Dabei kommt es auf unterstützende Systeme an, die intelligente Selbstorganisation im Kreativitätsprozess ermöglichen. In einem derartigen Umfeld ist das Leitbild des erfolgreichen Unternehmers vom „homo oeconomico-cooperativus“ geprägt. Es steht dann nicht mehr das individualistische Handeln aufgrund eigenzentrierter Ziele im Vordergrund, sondern die Verfolgung von Eigeninteressen geht Hand in Hand mit solidarischem Handeln zum Nutzen aller Beteiligten: Kooperationspartner und Kunden. 7.
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Die Herausgeber und Autoren Monika Bachinger Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Tourismus und Zentrum für Entrepeneurship der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
[email protected] Dipl.-Kfm. Dr. Harald J. Bolsinger INKOBA ®
[email protected] Dipl.-Ing. Reinhard Boltin INKOBA ®
[email protected] Prof. Dr. Roberta Capello Department of Management, Economics and Industrial Engineering (DIG) Politecnico di Milano
[email protected] Prof. Dr. Stephan Duschek Inhaber der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisationstheorie an der Helmut Schmidt Universität Hamburg
[email protected] Dr. Elisabeth Fischer Camao AG
[email protected] H. Pechlaner et al. (Hrsg.), Kooperative Kernkompetenzen , DOI 10.1007/978-3-8349-6536-3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Herausgeber und Autoren
Prof. Dr. Jörg Freiling Inhaber des Lehrstuhls für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship der Universität Bremen
[email protected] Prof. Dr. Kurt Matzler Inhaber der Professur für Unternehmensführung, Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck
[email protected] Dr. René M. Niethammer Leiter Competence-Center „Innovationsmanagement“ der TMG Stuttgart GmbH
[email protected] Prof. Dr. Harald Pechlaner Inhaber des Lehrstuhls Tourismus und Leiter des Zentrums für Entrepeneurship der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
[email protected] Dr. Joachim Rossbroich INKOBA ®
[email protected] [email protected] Dr. Roland Scherer Leiter der Abteilung Regionalwirtschaft, Institut für Öffentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universität St.Gallen
[email protected] ?@@ JN@ Q57
Dr. Lukas Siller Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck
[email protected] Dipl. Verw. Manfred Walser Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universtität St. Gallen
[email protected]