Dr. Ralph Scheuss ist internationaler Wettbewerbsstratege aus St. Gallen. Seine Tätigkeit als Management Consultant füh...
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Dr. Ralph Scheuss ist internationaler Wettbewerbsstratege aus St. Gallen. Seine Tätigkeit als Management Consultant führt ihn in die aggressivsten Businesszonen der Welt, wo er mit seinem Netzwerk Strategien und Geschäftsimpulse für mehr Innovation, mehr Dynamik und mehr Wachstum entwickelt. Er besitzt drei akademische Abschlüsse der Universität St. Gallen und vertiefte sein Knowhow an amerikanischen Universitäten. Ralph Scheuss veröffentlichte mehrere Bücher, u.a. 2007 bei Campus Der Sprung des Drachen. (www.scheuss.com)
Ralph Scheuss
Handbuch der Strategien 220 Konzepte der weltbesten Vordenker
Campus Verlag Frankfurt/New York
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-593-38712-3
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright © 2008 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln Satz: Publikations Atelier, Dreieich Druck und Bindung: Druckhaus »Thomas Müntzer«, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Strategie-Safari: Pfade durch das Dickicht . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
Strategie: Weniger als man denkt, mehr als man glaubt . . . . . . . . . . Strategische Navigation: Von der Zukunft aus die Gegenwart lenken Strategie-Evolution: Professionalisierung des strategischen Denkens . Strategieschulen: Denkansätze und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . Strategie-Tableau: Für jeden Zweck das Passende . . . . . . . . . . . . .
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16 21 24 29 33
Strategie-Basics: Inhalte und Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
Strategisches Fundament: Die grundlegenden Werthaltungen . . Strategische Ebenen: Die drei Ebenen des strategischen Fokus . Strategische Analyse: Die richtigen Fragen stellen . . . . . . . . . . Strategische Planung: Methodik des strategischen Arbeitens . . Strategische Ziele: Shareholder Value oder Stakeholder Value? Strategic Intent: Zukunftsentwurf oder -anpassung? . . . . . . . . Strategisches Fenster: Genügsamkeit in der Komfortzone . . . .
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34 35 37 39 42 43 46
Strategie-Titanen: Klassiker der Königsdisziplin . . . . . . . . . . . . .
49
Great Man: Mit Leadern auf Erfolgskurs . . . . . . . . . . . Militär und Business: Zwei Welten strategischen Denkens Sun Tzu: Denn wahrhaft siegt, wer nicht kämpft . . . . . . Clausewitz: Strategie als Zweck und als Ziel . . . . . . . . . Napoleon Bonaparte: Unkonventionell und schnell . . . . Mao Zedong: Mit Guerilla-Strategie zum Erfolg . . . . . . Jack Welch: Inspiration vom »Super-Manager« . . . . . . . Strategeme: Weglaufen als beste Strategie . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
49 51 52 54 55 56 58 60
Inhalt
5
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Marktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats . . . . . . . . . . . .
62
Die »4P«-Strategien: Auf der Marktbearbeitungsklaviatur spielen Die »7P«-Strategien: Erweiterung der Instrumente zur Marktbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die »4C«-Strategien: Wenn der Kunde ins Zentrum rückt . . . . . . Produktlebenszyklus: Idealtypische Strategieempfehlungen . . . . . Profit Pools: Erfolgsbecken ausloten und erschließen . . . . . . . . . Strategisches Manövrieren: Taktieren gegenüber der Konkurrenz .
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62
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63 65 66 71 73
Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater . . . . . . . . . . . .
77
PIMS: Welche Erfolgsfaktoren bringen Gewinn? . . . . . . . . . . . . . . Erfahrungseffekte: Wenn »Big« auch »Beautiful« bedeutet . . . . . . . Boston-Portfolio: Fragezeichen, Sterne, Cash-Kühe und arme Hunde McKinsey-Portfolio: Geschäfte im Wettbewerb um produktive Mittel ADL-Portfolio: Strategien im Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . .
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77 79 82 86 89
Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft . . . . . . . . . .
92
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Wachstumsstrategien: Wenn mehr besser ist . . . . . . . . . . . . . . . . Wachstumskurv evolutionär und revolutionär: Das Greiner-Modell Wachstum mit Basisstrategien: Die Anstoff-Matrix . . . . . . . . . . . Wachstum durch Expansion: Entlang der Wurzel . . . . . . . . . . . . . Wachstum in versteckten Feldern: Die Hidden Assets bearbeiten . . Wachstum durch Diversifikation: Neue Felder bestellen . . . . . . . . Wachstum durch Multiplikation: Sub-Contracting, Lizenzierung, Franchising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wachstum durch Vernetzung: Allianzen, Joint Ventures, Mergers & Acquisitions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wachstum durch leicht übersehbares »Kleinzeugs«: »Long-Tail«Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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92 95 98 103 106 107
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Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger . . . . . . 117 Wettbewerbsthemen: Auf der Suche nach nachhaltigem Vorteil . . . . . . Wettbewerbsthemen: Auf der Suche nach attraktivem Vorteil . . . . . . . Strategische Gruppen: Positionierung im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . Porters »Fünf-Kräfte-Modell«: Die Intensität des Wettbewerbs erfassen und gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Handbuch der Strategien
117 120 123 124
Porters Strategiematrix: Generische Strategien für den Wettbewerbsvorsprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Porters »Wertkette«: Dem Wettbewerbsvorteil auf der Spur . . . . . . . . 132 Outpacing: Wie man Konkurrenten überholt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen . . . . . . . . 139 Kernkompetenzen: Strategische Fähigkeiten für nachhaltigen Erfolg . . . 139 Baummodell: Die strategischen Wurzeln des Geschäfts . . . . . . . . . . . . 143 Kernkompetenzen-Portfolio: Auf dem Weg zur Kompetenzführerschaft . . 145 Dynamic Capabilities: Strategische Fähigkeiten für den rasanten Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Koppelung der Strategieansätze: Verknüpfung von Wettbewerbs- und Ressourcenstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs . . 155 Japanische Strategien: Bringt die Marktstrategie den Erfolg? . . »7S«-Modell: Erfolgsfaktoren der Spitzenunternehmen . . . . . . Ohmaes »3C«: Das strategische Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . Theorie »Z«: Japanischer Stil des Doing Business . . . . . . . . . Toyota Management System: Wenn »gut« einfach zu wenig ist Hoshin Kanri: Strategie mit der Kompassnadel . . . . . . . . . . . Bootstrapping: Grenzenloses Business, grenzenloses Lernen . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155 157 163 166 167 172 175
Schlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform . . . . . . 178 Deming-Zyklus: Wenn Qualität nie zum Ergebnis wird . . . . . . . Benchmarking: Von den Besten lernen oder die Besten überholen Reengineering: Radikalkur für mehr Effizienz . . . . . . . . . . . . . Lean Management: Führen nach dem ökonomischen Prinzip . . . Geschäftsprozessmanagement: Vom Schlankheitsdenken zum Management der Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178 . . . . . 180 . . . . . 182 . . . . . 186 . . . . .
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189
Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos . . . . 193 Geschäftsdynamik: Neue Welt, neues Denken . . . . . . . . . . . . . . . . Strategische Frühaufklärung: Gestern Prognosen, heute Überraschungen Strategische Wendepunkte: Die Paranoiden werden gewinnen . . . . . Veränderungsdynamik: Zu viel ist schädlich . . . . . . . . . . . . . . . . .
193 . . 195 . . 198 . . 200 . .
Inhalt
7
Timing-Strategien: Der frühe Vogel fängt den Wurm, aber … . . . . Systemische Strategie: Gestalten und Lenken von Komplexität . . . . FAST-Ansatz: Strategie in dualer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . Strategisches Lernen: Auf der Suche nach Durchblick . . . . . . . . . . Strategische Fitness: Ideallinie zwischen Bürokratie- und Chaosfalle Bricoler: Strategie im Bastelmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patching: Strategische Geschmeidigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategischer Wandel: Wenn das Ende zum Anfang wird . . . . . . . .
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201 204 209 212 216 220 222 225
Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten . 229 Innovation: Mehr als nur eine gute Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schumpeter: Innovation als kreative Zerstörung . . . . . . . . . . . . . . Kondratieff-Zyklen: Die lange Welle reiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skunk Works: Brutkästen der Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hype-Zyklus: Die Bugwelle der Aufmerksamkeit für Innovationen . . Innovationsmuster: Kleine Schritte oder große Sprünge . . . . . . . . . . S-Kurve: Grundmuster der Innovationsdynamik . . . . . . . . . . . . . . Innovationsdynamik: Zusammenhang von Produkt- und Prozessinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innovationsgewinn: Wer profitiert von einer Innovation? . . . . . . . . Technologische Innovation: Die Kluft fehlender Akzeptanz überspringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Disruptive Innovation: Wenn Spitzenleistungen zum Problem werden Open Innovation: Strategie der Demokratisierung innovativer Prozesse Innovationstypen: Pioniere versus Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . Innovationsarchitektur: Teile versus Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsmodellinnovation: Ein neues strategisches Herz . . . . . . . .
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229 232 233 235 238 240 244
245 . . 247
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248 252 256 262 264 266
Kooperative Strategien: Wertschöpfung im Win-win-Format . . . . 269 Kooperation: Wertschöpfung dank Partnerships . . . Spieltheorie: Von Nullsummen- und Win-win-Spielen Wertnetze: Jeder sein Bestes zum Wohl des Ganzen . PARTS-Modell: Kooperativ konkurrieren . . . . . . . . Parenting: Mutter-Tochter-Beziehungen . . . . . . . . .
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269 271 272 275 277
»Glokale« Strategien: Strategien einer offenen Welt . . . . . . . . . . . 279 Internationalisierungsstrategien: Grenzen überwinden . . . . . . . . . . . . 279 Outsourcing-Strategien: »Schwächen« verkaufen . . . . . . . . . . . . . . . . 283 8
Handbuch der Strategien
Flache Strategien: Globales Orchestrieren der Geschäfte . . . . . . . . . . . 284 Boden der Pyramide: Strategien für die prosperierenden Märkte der Dritten Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Wertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen . . 289 Werte: Herzstück des Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Value Disciplines: Strategische Disziplinen der Wertschöpfung . Value Migration: Den Wanderungen der Wertschöpfung folgen Wertschöpfungsarchitektur: Chancen an der Branchengrenze . Value Innovation: Strategie in roten und blauen Ozeanen . . . .
289 291 . . . . . . 293 . . . . . . 295 . . . . . . 298 . . . . . . . . . . . .
Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren . . . . . . 308 Cluetrain-Manifest: Revolutionärer Thesenanschlag? . . . . . . . . . One to one: Customer-Relationship-Strategien . . . . . . . . . . . . . Loyalitätsstrategien: Sind »alte« oder »neue« Kunden attraktiver? Mass Customizing: Die Zwischenstufe der Choiceboards . . . . . . Mindshare-Strategien: Wenn’s an Aufmerksamkeit fehlt . . . . . . . User Experience Strategy: Wenn Strategie zur Inszenierung wird . Information Rules: Gefangen im Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . .
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308 309 312 314 315 318 320
»Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Hyper-Wettbewerb: Die Brutalisierung des Geschäfts . . . . . . Strategie als Revolution: Der radikale Sprung nach vorn . . . . Wilde Strategien: Machen Strategien in turbulenter Zeit Sinn? Schwarmintelligenz: Strategie als Set simpler Regeln . . . . . . . Agilität: Strategie als »aktives Warten« . . . . . . . . . . . . . . . . Strategien für Freaks: »Business not as usual« . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325 329 333 335 339 342
Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs . . . . . . . . . 346
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346 347 348 354 355 358
Inhalt
9
Strategieimplementierung: Wie aus Absichten Ergebnisse werden . . . MbO: Das Grundformat der Strategieumsetzung . . . . . . . . . . . . . . Balanced Scorecards: Ausgewogen strategisch steuern . . . . . . . . . . Strategy Maps: Landkarte für Strategien im Alltag . . . . . . . . . . . . . Strategic Alignment: Der Weg zum strategiefokussierten Unternehmen Regenerationsfähigkeit: Was Spitzenfirmen besonders machen . . . . .
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Strategiekritik: Warum Strategie nicht funktioniert, aber notwendig ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Strategische Praxis: Zwischen Lust und Frust . . . . . . . . . . . . Geschäftsparadigma: Den wahren Gegner kennen . . . . . . . . . Strategie-Rezepte: Wundermittel für den Erfolg? . . . . . . . . . . Das Ende strategischer Regentänze: Strategie für Revolutionäre
363 364 . . . . . . 365 . . . . . . 368 . . . . . .
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Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
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Handbuch der Strategien
Vorwort
Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel. Paul Watzlawick
Der Strategiebegriff ist schillernd. Selbst Lexika widersprechen sich in ihren Definitionen. Manchmal ist nur »Wichtiges« gemeint, dann wieder langfristiges, planvolles Handeln oder Chefsache. Strategie ist scheinbar das Gegenteil von »aus dem Bauch heraus« handeln. Es geht darum, den zukünftigen Erfolg (so gut es geht) vorwegzuplanen, um die Entwicklung des Unternehmens, eines Produkts, einer Kampagne oder einer Restrukturierung zu steuern. Wer nicht weiß, wohin er will, wird sein Ziel kaum je erreichen, auch wenn er mit doppelter Anstrengung daran arbeitet. Wer nicht weiß, welche Ziele er verfolgt, erkennt weder Fortschritt noch Rückschritt. Strategien sind die Denk- und Handlungswerkzeuge, mit denen man seinen Erfolgspfad in die Zukunft gestaltet. Strategie und Management gehören eng zusammen. Es sind zwei Seiten derselben Medaille. Ohne Management bleibt Strategie bestenfalls eine clevere Idee. Umsetzung ist nur durch effektives Management möglich. Professionelles Management ist die optimale Nutzung des Vorhandenen. Die Strategie bündelt die Kräfte hingegen auf das Mögliche, um die Durchschlagskraft zu stärken. Strategie und Management zusammen führen Absichten in Resultate über. Strategisches Management ist immer noch eine »unreife« Wissenschaft. Es gibt kaum dominante Theorien und erstaunlich wenig Konsens unter Wissenschaftlern und Führungskräften, was wohl die ideale Strategie für eine bestimmte Konstellation sei. Der Leser findet diese Idealstrategie auch in diesem Buch nicht. Doch dafür erhält er eine enorme Fülle an strategischen Ideen, Konzepten und Impulsen. All dies vergrößert den Lösungsraum für attraktive Strategien. Das vorliegende Handbuch bietet eine aktuelle Tour d’Horizon durch die Welt des modernen strategischen Managements. Es wirft dabei einen Blick sowohl in die wissenschaftliche Welt der Forschung und Lehre wie auch in die praktische Welt der Führungskräfte und Berater. Es wird auch beleuchtet, welche strategischen Denkansätze in bestimmten wirtschaftlichen Perioden vorVorwort
11
herrschten. Doch der Schwerpunkt des Handbuchs liegt auf dem aktuellen Stand der Strategiediskussion, ihren Denkansätzen und methodischen Schlüsselkonzepten. Studiert man das Feld des strategischen Managements, so findet man zwei grundsätzliche Welten. Die einen konzentrieren sich auf die Suche und das Verkünden von Rezepten, wie man ein Business erfolgreich gestaltet und entwickelt. Sie sagen, was man wann, warum und in welcher Form zu tun hat. Diese Vertreter fokussieren sich auf Instrumente, Checklisten, Schemen und Handlungsanleitungen. Sie nähren die Illusion, dass man mit Plänen, Konzepten, Methoden und »Strategien« die Herausforderungen und das Marktgeschehen »in den Griff bekommt«. Die anderen hingegen konzentrieren sich eher auf die Werkzeuge des strategischen Denkens und Handelns selber, um das Verständnis für die Wirkungszusammenhänge durch eine gezielte Reflexion strategischer Themen zu schärfen. Sie erkennen daraus Chancen- und Gefahrenfelder, entwerfen attraktive Zukunftsmodelle, schaffen innovative Ansätze für neue Produkte, Prozesse oder Strukturen oder kreieren unkonventionelle Geschäftsimpulse zur Sicherung ihres zukünftigen Geschäfts. Dieses Buch bietet vor allem der zweiten Strategiebetrachtung Raum. Die heutige Businesswelt ist alles andere als simpel. »Simple« Lösungen oder »sichere« Erfolgskonzepte sind in turbulenten Zeiten gefährlich. Gefragt sind heute weniger »pfannenfertige« Lösungen als professionelle strategische Fragestellungen, die das kreative Erkunden attraktiver Businessoptionen anregen. In diesem Sinn präsentiert das vorliegende Buch eine Fülle strategischer Themen. Vorsicht ist im Umgang mit den dargestellten Ideen, Konzepten und Strategieempfehlungen geboten, da die meisten von ihnen »kontextblind« sind. Das heißt, sie wurden nicht für ein spezifisches Unternehmen, für eine spezifische Geschäftskonstellation oder für einen spezifischen Zeitpunkt entwickelt. Diese strategischen Ideen und Konzepte können daher nicht eins zu eins für die Problemlösung im eigenen Geschäft kopiert werden. Strategiefindung ist kein »Copy-Paste«-Akt, sondern bedarf einer engagierten, kreativen Denkleistung. Die vielen besprochenen Ideen, Konzepte und Strategien sind aber hervorragend als Impulse für Führungskräfte und zum Überdenken des eigenen Geschäftsmodells geeignet. Gewinnen ist in erster Linie eine Frage des Vorsprungs im Kopf und damit der Auseinandersetzung mit kreativen, unkonventionellen oder bewährten Ideen, die für neue Situationen auch neu zu interpretieren sind. Strategien sind nicht immer logisch und rational, sondern oft paradox und absurd. Zudem ist es riskant, auf diesem Gebiet Erfahrungen zu sammeln. Viele der Entscheidungen sind für das Unternehmen fundamental und zukunftsgestaltend. Mut, Risikofreude und Engagement können aber sehr gewinnbringend sein. Sie gehören immer auch zum Thema »Strategie«. Wie konnte es die einst noch kleine japanische Firma Honda mit ihren kleinen 12
Handbuch der Strategien
Fahrzeugen wagen, die gigantischen amerikanischen Autokonzerne anzugreifen? Wie konnte sich Body Shop zu einem globalen Brand und attraktiven Franchisekonzept mausern, obwohl die ausgebildete Lehrerin Anita Roddick im britischen Brighton eigentlich nur den Umsatz ihres eher schlecht als recht laufenden Hotel- und Restaurantbetriebs auffrischen wollte? Strategien sind auch, und dies ist in einer globalen Wirtschaftswelt besonders wichtig, vom kulturellen Hintergrund geprägt. So herrschte über Jahrzehnte in westlichen Unternehmen die Strategiedoktrin, dass zwischen Produktqualität und Preisgestaltung eine Art Ausschließlichkeit bestehe. Unternehmen müssen in dieser Denkhaltung entscheiden, entweder innovativer Premiumhersteller mit entsprechend höheren Kostenstrukturen oder Volumenhersteller mit eher mäßigen Qualitäten zu niedrigen Preisen zu sein. Doch die Erfolge der asiatischen Strategen verwerfen dieses Entweder-oder-Denken. Sie haben uns mit ihren preiswerten und hervorragenden Angeboten Besseres gelehrt. Strategien lassen sich daher nicht einfach in andere Kulturgebiete transferieren. Strategien funktionieren nicht wie Softwareprogramme, denn nur engagierte Menschen erwecken sie zum Leben. »Gute« Strategien erkennt man erst im Nachhinein. Ihnen vorausgegangen ist aber oft ein über das Konventionelle hinausgehendes Denken. Dies gilt für Erfolgsstorys wie Ikea, Apple, Microsoft, Dell, Amazon, Google, Nike, McDonald’s, Harrod’s, Bionade, Nokia oder Swatch gleichermaßen. Strategie hat damit auch sehr viel mit der »Geschäftsanschauung« zu tun und nicht nur mit Schemen, Regeln, Techniken und Vorgehensschritten. Fragt man, was eigentlich »Strategie« ist, so bekommt man so viele Antworten, wie man Wissenschaftler oder Führungskräfte befragt. Gängige Definitionen sind »eine Vision der Zukunft«, »das bessere Geschäftsmodell«, »die Verknüpfung von internen Fähigkeiten mit den Chancen des Marktes«, »die Neuerfindung des Geschäfts«, »unsere Kernkompetenzen zur Bewältigung der Herausforderungen«, »die gemeinsam getragene Vorstellung der Geschäftszukunft« oder einfach »die Hingabe zum Geschäft«. Wer hat recht? Alle Aussagen tragen eine ihrer vielen Facetten in sich. Die Managementcrew steht schon seit Jahren unter einem gewaltigen »Etikettenstress« in Fragen der Strategiefindung und Strategieumsetzung. Was müssen Unternehmen heute nicht alles tun, um ihre »Professionalität« zu belegen. Ein erfolgsorientiertes Management lässt es sich nicht nehmen, die »neuesten« Managementkonzepte sofort zu applizieren. Was tun sie? Sie »entzücken ihre Kunden mit One-to-one-Management«, »setzen auf nachhaltige Qualität dank Kanban und Six Sigma«, »engagieren ihre Mitarbeiter durch Empowerment«, »organisieren flexibel und situativ mit Projekttools«, »restrukturieren radikal zur Effizienzsteigerung«, »zerstückeln ihre Wertschöpfungskette mit Outsourcing«, »verstärken ihren Marktauftritt dank Kooperationen zur Ausschöpfung von Synergien«, »erfinden sich immer wieder neu«, »nutzen Best Practices und Vorwort
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Benchmarking, um aufzuholen« oder »setzen auf ein radikales Innovationsmanagement ihrer Produkte, Prozesse, Strukturen und Technologien«. Doch bringt es diese »Aktionitits« wirklich? – Wohl kaum. Andere Führungskräfte leiden unter der hohen Dynamik der Veränderungen. Ihr Lösungsansatz ist Widerstand und Ablehnung. Sie sträuben sich gegen das Neue und behaupten lautstark, dass die neuesten Strategieansätze nichts als alter Wein in neuen Schläuchen seien. Dies mag wohl hie und da zutreffen, gilt aber bestimmt nicht für das Gros der neuen Ideen. Wir begehen eben gerne den Fehler, präsentierte Strategien nur oberflächlich zu betrachten. Doch Strategie ist Denkwerkzeug. Wer wirklich profitieren will, sollte die Gedanken hinter der Schlagwortfassade suchen. Viele der neuen strategischen Konzepte sind bei genauerer Betrachtung weder Wortspielereien noch knackige Etiketten zu banalen Sachverhalten, sondern Denkwerkzeuge, um die Komplexität der rasanten Geschäftsdynamik »griffiger« zu fassen. Strategie wurde über Jahrzehnte hinweg entweder als der Gral für erfolgreichere Geschäfte hochgejubelt oder als Wolkenschieben für schöneres Wetter verteufelt. Beides ist unproduktiv. Manch eine Führungskraft spricht frustriert und despektierlich vom »Visionszeugs«, »Strategietheater« oder »noch mal ’ne Übung«. Doch wer sich mit dem Gedankengut des strategischen Managements auseinandersetzt, hält ein leistungsfähiges Instrument der Zukunftsgestaltung in den Händen. Er befasst sich mit dem Fundament seines Geschäfts: mit Produkten, Kunden, Märkten, Innovation, Wachstum, Wettbewerb und mit dessen Positionierung und Profilierung in der Businesslandschaft. Wichtig ist, dass man das »Big Picture« der sich rasant verändernden Geschäftswelt erfasst und dies für seine eigene, praktische Führungsaufgabe zu nutzen weiß. Management heißt Resultate erzeugen. Das Handbuch der Strategien will keinen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung des theoretischen strategischen Managements liefern, sondern dem interessierten Praktiker eine Menü-Übersicht zum aktuellen Stand des strategischen Managements bieten. Dabei erfüllt das Handbuch eine Brückenfunktion zwischen den zum Teil äußerst komplexen Überlegungen strategischer Theorien und den konkreten Anforderungen der praktischen Problemlöser. Mögen viele diese Brücke nutzen.
Dank Ein Buch ist, wie ein strategischer Plan, das Ende eines intensiven Prozesses. Viele haben mich auf diesem interessanten Weg begleitet und mir bei manchem Streckenabschnitt wertvolle Impulse mitgegeben. Hierfür bedanke ich 14
Handbuch der Strategien
mich herzlich bei den Professoren der Universität St. Gallen, Professor Dr. Cuno Pümpin und Professor Dr. Dr. h.c. Hans Ulrich, die beide in mir das innere Feuer für dieses faszinierende Thema entfachten. Der eine öffnete mir die Türen zur Strategie über das Marketingmanagement und sein Konzept der Erfolgspositionen. Mit dem anderen konnte ich das Thema des strategischen Managements in turbulenten Geschäftskonstellationen unter einer ganzheitlichen, integralen Perspektive diskutieren. Ebenso danke ich meinen amerikanischen Lehrern. Professor Dr. William Ouchi (University of California, Los Angeles) schärfte mir den Blick für die strategischen Erfolgsrezepte der japanischen Herausforderer. Professor Dr. Larry Greiner (University of Southern California, Los Angeles) zeigte mir, dass Strategien, Strukturen und Prozesse ihre zerstörerischen Kräfte in sich selbst tragen und Unternehmen so immer wieder evolutionäre und revolutionäre Phasen durchlaufen. Der Kommunikationswissenschaftler Professor Dr. Paul Watzlawick (Palo Alto Gruppe, Stanford) brachte in interessanten Diskussionen meine Vorstellung der objektiven Erkenntnis ins Wanken, indem er überzeugend darlegte, dass jede Form der Erkenntnis grundsätzlich subjektiv ist. Last but not least wies Professor Dr. Warren G. Bennis (University of Southern California, Los Angeles) mich darauf hin, dass Strategien weniger von Managern realisiert als von echten Leadern inspiriert und getragen werden. Keinen minderen Anteil an dem anregenden Pfad durch die Welt des strategischen Denkens und Handeln haben die vielen Führungskräfte, die ich im Rahmen von spannenden Strategie-, Change- und Dynamisierungsprozessen begleiten durfte. Sie zeigten, dass nicht die Instrumente, Methoden, Systeme oder Strukturen die wichtigsten Komponenten des strategischen Managements darstellen, sondern dass es das Know-how, die Herzen und das Engagement der Beteiligten sind. Am Gelingen dieses Buchs hat auch der Campus Verlag einen entscheidenden Anteil. Die Campus-Crew, allen voran Herr Dr. Rainer Linnemann, hat sich des Titels mit einer höchst professionellen und freundschaftlichen Sorgfalt angenommen, die das Selbstverständliche übertrifft. Für diese gute Zusammenarbeit bedanke ich mich. Ralph Scheuss Los Angeles und St. Gallen
Vorwort
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Strategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
Die wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin, dass man neue Länder sucht, sondern dass man neue Augen hat. Marcel Proust
Strategie: Weniger als man denkt, mehr als man glaubt Nicht nur in der Geschäftswelt, sondern auch in der Kriegsführung, beim Fußball, beim Golf oder beim Formel-1-Rennen spielt Strategie eine unverkennbare Rolle. Geht es bei Strategien immer ums Gewinnen? Will man mit einer Strategie einen Gegner austricksen? Bestimmt nicht. Eine Firmenstrategie, die sich nur auf den Gegner konzentriert, wird kaum einen längerfristigen Bestand haben. Natürlich dreht sich das strategische Denken auch um die Positionierung in der Wettbewerbslandschaft oder um das Erringen eines nachhaltigen Vorsprungs. Doch der Wesensunterschied zu Sport, Militär oder Spiel ist der Wettbewerb selbst. Geschäfte betreibt man nicht gegen Wettbewerber, sondern für Kunden. Sie müssen bereit sein, für angebotene oder erbrachte Leistungen zu bezahlen. Die Gewinner in Markt und Wettbewerb werden von ihren Kunden tagtäglich durch das Kaufen ihrer Produkte gekürt. Erfolgreiche Unternehmen zielen nicht darauf ab, ihre »Gegner« zu überrunden, sondern ihren Kunden einen attraktiveren »Value for Money« zu bieten. Das Ziel einer Strategie ist es, einen substanziellen Ertrag zu erwirtschaften, um sich die Mittel für Fortbestand und Wachstum zu sichern. Dazu braucht man zufriedene Kunden. Die etymologische Wurzel des Begriffs »Strategie« liegt im Griechischen. »Strategòs« heißt Allgemeinherrschaft und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: »stratos« steht für Armee, Heer oder Volksmenge und »-agein« für Führen, Treiben oder in Bewegung setzen. »Strategòs« bezeichnete im antiken Griechenland circa 550 vor Christus einen Heeresführer. Besonders zu beachten ist, dass der »Strategòs« nicht nur ein cleverer Stratege, also ein cleverer Denker ist, der es versteht, seine Ressourcen optimal für seinen Zweck zu nutzen, sondern jemand, der vorwärtstreibt, anfeuert, begeistert und eine Organisation in Bewegung setzt. Strategien werden entwickelt und umgesetzt, um Zielsetzungen durchzusetzen, um vorhandene Mittel (Ressourcen) zweckmäßig einzusetzen und 16
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um den Entscheidungsspielraum der Beteiligten auf die Ziele auszurichten. Der griechische Begriff wandelte sich im Lauf der Zeit von der Funktion zur Beschreibung der Fähigkeiten der Feldherrentätigkeit. Die militärische Strategie, so wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts verstanden wurde, ist die Lehre von der Auseinandersetzung mit dem Gegner und der Führung der eigenen Truppenbestände. Die strategische Kriegslehre heckt keine detaillierten Schlachtpläne aus, sondern legt die Grundregeln des Verhaltens in der Auseinandersetzung fest. Erst sehr viel später kam der Begriff in der Politik vor, wo er die Kunst der Staatsführung umschrieb. In die Betriebswirtschaftslehre fand der Strategiebegriff Anfang der 40er Jahre in den Arbeiten zur Spieltheorie von John von Neumann und Oskar Morgenstern Eingang. Unter einer Strategie versteht man das Streben nach einem für das Ganze bedeutenden Ziel in einer längerfristigen Optik. Die Strategie setzt daher wichtige Zielsetzungen, die Taktik hingegen bestimmt Wege und Maßnahmen, um kurzfristigere Zwischenziele zu erreichen. Eine Strategie ist somit der wichtige »Fahrplan in die Zukunft«, der das Muster des Handelns mitbestimmt. Häufig wird vor allem im allgemeinen Sprachgebrauch der Plan mit der Strategie verwechselt. Ein Plan ist ein Produkt des strategischen Managements, nicht aber sein Inhalt. In der strategischen Planung steht die Analyse, das heißt das detaillierte Auseinandernehmen von Problemen, im Zentrum, während beim strategischen Denken genau der umgekehrte Denkprozess gefordert ist, nämlich das synthetische Denken, welches die Teile zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt. Der Entwurf der Geschäfte und die Positionierung des Unternehmens in Zukunft sind sein Inhalt. Eine Strategie umfasst die folgenden Elemente: • Sie ist auf die Entwicklung des Unternehmens und seiner Geschäfte aus• • • • •
gerichtet. Sie hat einen längerfristigen Charakter und ist zukunftsorientiert. Sie bestimmt die Positionierung und den Fokus der Aktivitäten. Sie legt die Ressourcen fest und nutzt und pflegt diese. Sie ist abhängig von Werten, Erwartungen und Machtkonstellationen. Sie ist nachhaltig, das heißt, sie wird in der Regel nicht von Einzelereignissen beeinflusst.
Eine Strategie ist das Verstehen des Geschäfts in seiner heutigen Ausgangslage, der Entwurf einer attraktiven Geschäftszukunft und der Pfad, welcher das Unternehmen in die Zukunft führt. Für die beiden deutschen Wirtschaftswissenschaftler Horst Steinmann und Georg Schreyögg beantwortet eine Strategie drei Fragen:1 1. In welchen Geschäftsfeldern ist das Unternehmen tätig? 2. Wie wird der Wettbewerb in diesen Geschäften bestritten? Strategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
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3. Worin besteht unsere längerfristige Kompetenzbasis für Geschäftserfolg? Der Harvard-Strategie-Professor Michael Porter sieht eine Strategie als »eine in sich stimmige Anordnung von Aktivitäten, die ein Unternehmen von seinen Konkurrenten unterscheidet«.2 Damit rückt er von der Planbarkeit des Tuns als Wesensmerkmal ab und streicht die Differenzierung von anderen Unternehmen sowie das Erreichen von Wettbewerbsvorteilen heraus. Porter unterscheidet zwischen dem Operativen (operational effectiveness) und der Strategie in Bezug auf deren Zweck. Das Operative ist darauf orientiert, ähnliche vergleichbare Leistungen besser als die Konkurrenten zu erfüllen, also produktiver, effizienter, rascher, einfacher und schneller zu sein. Doch dies genügt für nachhaltigen Erfolg keineswegs. Die Strategie hingegen fokussiert sich darauf, unterschiedliche Leistungen auf unterschiedliche Art für den Kunden zu erbringen. Henry Mintzberg, der prominente Management- und Strategieprofessor der McGill University in Toronto, gilt als Querdenker, wenn es um Managementfragen geht. So anerkennt er zwar, dass rational geplante Strategien von Unternehmen entworfen und verfolgt werden. Doch bei Weitem nicht alle Unternehmen können ihre Erfolge der Vergangenheit auf strategische Pläne zurückführen. Auch emergente (plötzlich auftretende) strategische Aktionen, die nirgends festgehalten wurden und sich sozusagen aus der Entscheidungssituation heraus spontan entfalteten, sind für die strategische Unternehmensentwicklung prägend und erfolgskritisch. »Strategie« ist für Mintzberg daher nicht in einem einzigen Inhalt zu fassen. Er definiert Strategie mit seinen »fünf P«:3 1. Eine Strategie kann ein »Plan« sein, der die Zukunft des Unternehmens mit einer klaren Handlungsabsicht definiert. Die Strategie legt die Ziele und Wege zu ihrer Erreichung fest. Ob diese Absichten je zu Resultaten werden, lässt sich erst im Rückblick feststellen. 2. Strategie ist auch ein Muster (»Pattern«), welches sich aus dem längerfristigen Verhalten in einer retrospektiven Betrachtung ergibt. Die Strategie umfasst dann alle Entscheidungs- und Verhaltensmuster, welche zu dieser Positionierung führten. 3. Strategie ist aber auch die »Position« selber, die ein Unternehmen im Wettbewerbs- und Marktumfeld einnimmt. Erfolgreiche Unternehmen suchen immer wieder nach attraktiven Markt- und Wettbewerbskonstellationen, die es strategisch zu erschließen gilt. 4. Eine Strategie ist für Mintzberg aber auch die übergeordnete »Perspektive«, die erschließt, wie das Geschäft und das Umfeld zu interpretieren sind. 5. Und zuletzt haben Strategien den Charakter einer List, eines Tricks (»Ploy«) oder einer Masche, um attackierende Wettbewerber auszumanövrieren. 18
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Henry Mintzberg vergleicht eine Strategie mit dem Segeln: Das Boot steuert, nutzt Winde, wird durch Strömungen abgetrieben, hat mit der Wetterlage zu kämpfen und muss dementsprechend immer wieder seine Segel setzen und sein Ruder anpassen. Das Segelboot ist das Unternehmen. Sein Kurs ist die Strategie der Firma. Der Kapitän legt nicht nur den idealen Kurs fest und steuert das Boot, sondern nutzt Kartenmaterial, Logbuch, Sextant, GPS, Radar und andere technische Geräte, um seinen Standort und die Richtung während der Reise zu bestimmen. Die Attraktivität des Marktes entspricht dem Wind. Je mehr er bläst, umso einfacher lassen sich die Ziele erreichen. Es ist aber nicht der Wind, der den Kurs bestimmt, sondern das Setzen der Segel. Sie sind die strategischen Entscheidungen. Das Mintzberg-Verständnis des Strategiethemas ist dynamisch. Er verlässt die überkommene Vorstellung, dass das Topmanagement am Tisch sitzt, seine langfristigen geschäftlichen Zielsetzungen formuliert, entsprechende strategische Weisungen für seine Führungskräfte und Mitarbeitenden erlässt, den Befehl zur Ausführung gibt und dann hofft, dass die Resultate wunschgemäß erreicht werden. Die dynamische Strategiebetrachtung entspricht viel eher dem geschäftlichen Alltag, wo auch der nachhaltige Erfolg oft in vielen kleineren Entscheidungen liegt. Mintzberg unterscheidet verschiedene Strategieformen:4 Die realisierte Strategie (realized strategy) ist das Ergebnis aus einer von der Führungscrew beabsichtigten Strategie (intended strategy), von der sie aber tatsächlich nur einen Teil bewusst verwirklicht (deliberate strategy), und der sich aus dem tagtäglichen Geschäftsverlauf ergebenden Strategiemuster (emergent strategy). Seine Strategiebegriffe zeigt Abbildung 1. Quer- und Vordenker sprechen davon, dass wir uns an der Schwelle zu einem revolutionären Wandel befinden, und ziehen Bilanz. Dies hat auch Auswirkungen auf das Strategieverständnis. Gary Hamel, internationaler Strategie-Wissenschaftler und Topberater, bringt dies auf dem Punkt, wenn er schreibt:5 »Das Zeitalter des Fortschritts hatte voller Hoffnungen begonnen und endet nun beängstigend … Uns war im Business die Erlösung von der Langeweile versprochen worden – wir bekamen die Fabrik der Angestellten. Uns war die Selbstbestimmung versprochen worden – wir bekamen Hochglanzbroschüren zur Unternehmenspolitik. Man versprach uns, zu einem lohnenden Ziel beizutragen – wir erhielten die Tyrannei der Quartalsziele. Uns lockte aktive Beteiligung – wir bekamen endlose Meetings, deren Form die Inhalte zermalmte. Statt eines Ventils für unsere Kreativität bekamen wir Reengineering. Wir wurden ständig als Mitarbeiter bezeichnet, waren aber so entbehrlich wie verschlissene Maschinen. Das Zeitalter des Fortschritts hat die physische Belastung reduziert, aber dafür unseren Geist betäubt. Wir stehen heute an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter: dem Zeitalter der Revolution.« Diese Geschäftsrevolution fordert Strategien, die den Wandel provozieStrategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
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ren; Strategien, welche die Gegenwart verändern und nicht nur optimieren; Strategien, welche die Spielregeln hinterfragen; Strategien, die auf Querdenker und unbequeme Geister setzen; Strategien, welche Energien schaffen und nicht lähmen, und Strategien, welche das Business in einem veränderten Licht sehen. Abbildung 1: Mintzbergs Strategiebegriffe
bewusste Strategie beabsichtigte Strategie
realisierte Strategie
nicht realisierte Strategie spontane Strategie
Die Herausforderungen des strategischen Managements sind somit umrissen: Die strategische Führung hat die Aufgabe, zukunftssichernde Entscheidungen zu treffen und weichenstellende Maßnahmen zu lancieren. Doch wie lässt sich dies in unserer hoch komplexen und dynamischen Businesswelt bewerkstelligen? Die widersprüchlichen Trendentwicklungen, die ungewisse Prognostizierbarkeit von Marktentwicklungen, das schwer abschätzbare Wettbewerberverhalten oder das hohe Risiko von neu lancierten Produkten machen die hohe Komplexität der Aufgabenstellung deutlich. Das Vorhersagen der Businesszukunft ist heute weitgehend unmöglich. Das strategische Management kann weder die notwendige Transparenz bieten noch die Eintrittswahrscheinlichkeit von Prognosen verbessern. Die Auseinandersetzung mit strategischen Fragestellungen bietet einen wirkungsvollen Denkrahmen, um die Komplexität und Dynamik einzufangen. Zudem verfügt zeitgemäßes strategisches Denken und Handeln über eine leistungsfähige Werkzeugbox, um die zentralen Führungsfragen für erfolgreiches Business zu identifizieren, sie zu strukturieren, Handlungsalternativen zu entwerfen und abzuwägen, Grundsatzentscheidungen zu treffen und in das Unternehmen hineinzutragen. Strategisches Management setzt einen wirkungsvollen Lernprozess in Gang, indem man gedanklich die 20
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geschäftliche Zukunft vorwegnimmt, Ziele fixiert und kommuniziert und durch die tatsächliche Entwicklung weitere Erkenntnisse für die nächsten Entscheidungen gewinnt. Strategisches Management ist daher auch ein Lernprozess, der sich als »gelenkte Evolution«6 versteht. Scannt man durch die Welt der Strategiedefinitionen, erkennt man, dass das Thema des »Strategischen« verschiedenes heißen kann. Eine Strategie ist ein dynamisch skizziertes Zukunftsbild des eigenen Geschäfts in den Köpfen der Führungskräfte, welches man im Alltag zu realisieren sucht. Dieses Idealbild zeigt Chancen, Kundenwünsche, ein Design der Organisation, Potenziale in bestehenden und neuen Märkten sowie Wege zu deren Erschließung. Strategien sind etwas Ganzheitliches, sie setzen Einzelheiten, Komponenten, Aussagen oder Ergebnisse wieder zu einem »Big Picture« zusammen. »Gute« Strategien skizzieren schärfere, aussagekräftigere und chancenreichere Zukunftsbilder als schlechte. Sie erkennen die Zusammenhänge differenzierter, wodurch sie an den Regeln des Geschäfts rütteln können. Wirklich bahnbrechende Strategien, wie sie Ikea, Apple, Microsoft, Google oder Starbucks verfolgen, setzen an den »Rules of the Game« an und verändern die Geschäftslandschaft.
Strategische Navigation: Von der Zukunft aus die Gegenwart lenken Strategisches Management ist die Königsdisziplin der Unternehmensführung, da es sich mit dem Wesen der Geschäftstätigkeit selbst auseinandersetzt. Seine Fragen lauten: Welche Geschäfte betreiben wir heute und in Zukunft? Das strategische Management sichert und gestaltet aktiv die Zukunft eines Unternehmens und seiner Geschäfte. Im Zentrum stehen daher nicht die Ergebnisse der Geschäfte selber, sondern deren nachhaltige Zukunftstauglichkeit. Strategisches Management ist Kunst, Handwerk und Wissenschaft zugleich. Kunst in dem Sinne, dass in die strategische Arbeit viel Kreativität, Intuition, Glück und Herzblut einfließen. Handwerk in dem Sinne, dass professionelles Verständnis, methodische Vorgehenskenntnisse, Verfahren und Instrumente genutzt werden, und Wissenschaft in dem Sinne, dass Strategien in einer wissenschaftlichen Perspektive erforscht werden. Strategisches Management ist die Navigation des Unternehmens aus heutiger Perspektive in eine potenziell attraktivere Zukunft. Hierzu ist eine Fülle von zukunftsbezogenen Entscheidungen zu treffen. Diese sind in vielfacher Hinsicht für die Führungscrew hoch komplexe Problemstellungen. Warum? Ein wesentlicher Grund ist, dass sich strategische Probleme nicht mit zukünfStrategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
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tigen Entscheidungen befassen, sondern mit zukünftigen Effekten von heute getroffenen Entscheidungen. Sie beantworten die Frage: Was ist heute zu tun, um morgen erfolgreich zu sein? Die strategische Entscheidungssituation ist aber auch noch in weiteren Aspekten spezifisch:7 • Prognoseproblem
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Die Zukunft kann mit keiner Methode oder Technik vorgesagt werden, trotzdem sind aber heute Entscheidungen zu treffen, die das Morgen gestalten. Komplexitätsproblem Es ist für Führungskräfte unmöglich, den Überblick über das gesamte Unternehmens- und Umweltgeschehen zu haben. Eine der großen Schwierigkeiten im strategischen Denken besteht darin, die Komplexität der Ereignisse zu reduzieren, ohne dabei ihren Charakter zu zerstören. Widersprüchlichkeitsproblem Viele Daten, Informationen, Prognosen oder Meinungen widersprechen sich und lassen sich kaum logisch nachvollziehen. Auch strategische Entscheidungen müssen nicht zwingend logisch-rational sein. Mehrdeutigkeitsproblem Die Interpretation von Geschehnissen, Verhaltensweisen oder Daten ist je nach Standpunkt mit unterschiedlichen Bedeutungen belegt. Zerlegbarkeitsproblem (Analyse) Viele Probleme lassen sich nicht in lösbare Teilaspekte aufsplittern. Ein Mehr an Analyse muss nicht zu einem Mehr an Erkenntnis führen, da oft die Zusammenhänge verloren gehen. Dynamikproblem Das Geschehen auf den Märkten und im Unternehmen selbst ist nonstop im Fluss. Während man ein Problem eingehend studiert, auswertet oder löst, kann es sich schon wieder verändert haben.
Doch auf welche Orientierungsgrößen konzentriert sich das strategische Management? Viele Führungskräfte meinen, dass mit einer »smarten Strategie« ein Gewinnsprung erzielt werden kann. Dies ist eher ein Business-Coup als eine Strategie. Nicht die bekannten, klassischen Erfolgsgrößen wie Gewinn, Deckungsbeitrag, ROI (Return on Investment) oder andere Renditekennzahlen stehen im Blickpunkt des strategischen Interesses, sondern die strategischen Lenkungsgrößen für zukünftiges Geschäft, welche ihrerseits eben diese finanziellen Kennzahlen im Voraus steuern. Nicht der Erfolg von heute interessiert, sondern was morgen möglich ist. Gesteuert werden somit strategische Erfolgspotenziale, die eine valable Aussicht auf nachhaltige wirtschaftliche Vorteile gestatten. 22
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Orientierungsgröße für das strategische Management ist daher das strategische Erfolgspotenzial (nach Gälweiler 2005) oder die strategische Erfolgsposition (nach Pümpin/Amann 2005). Beide Begriffe werden im weiteren Verlauf synonym verwendet. Das strategische Erfolgspotenzial bezeichnet alle geschaffenen Kompetenzen und Fähigkeiten eines Unternehmens, aus denen in Zukunft der Erfolg resultieren soll. Sie sollen es dem Unternehmen erlauben, im Vergleich zur Konkurrenz überdurchschnittliche Resultate (wie Umsatz, Marktanteil, Gewinn, Deckungsbeitrag, Cashflow) zu erzielen. Strategische Erfolgspotenziale dienen daher im Gegensatz zu den klassischen Messgrößen zur Vorsteuerung der Erträge von morgen (vergleiche Abbildung 2). Diese Erfolgspotenziale sind die Quellen für die in Zukunft zu erwartenden Erträge. Somit steht nicht die Erzielung oder Maximierung des heutigen Gewinns oder die Sicherstellung permanenter Liquidität im Zentrum, sondern die »Vorsteu-
Abbildung 2: Führungsebenen und Steuerungsgrößen des strategischen Managements
.ORMATIVES¬-ANAGEMENT -ANAGEMENT¬DER¬w#ORPORATE¬#ULTUREi »Auf fundamentalen Werten bauen.« 4HEMEN¬IM¬&OKUS 6ISION ¬7ERTHALTUNGEN ¬.ORMEN ¬+ULTUR ¬$ESIGN ¬#ORPORATE¬)DENTITY ¬ 5SANCEN ¬'ESCHËFTSREGELN ¬3TIL¬DES¬$OING¬"USINESS ¬3ELBSTVERSTËNDNIS
3TRATEGISCHES¬-ANAGEMENT -ANAGEMENT¬DER¬w%RFOLGSPOTENZIALEi »Die Zukunft des Erfolgs sichern.« 4HEMEN¬IM¬&OKUS +ERNKOMPETENZEN ¬7ETTBEWERBSVORTEILE ¬¬0RODUKTE-ËRKTE "USINESSES¬w'ESCHËFTEi ¬0OSITIONIERUNG¬IM¬7ETTBEWERB ¬ STRATEGISCHE¬'RUPPEN ¬'ESCHËFTSPROZESSE ¬'ESCHËFTSMODELLE ¬ STRATEGISCHE¬7ETTBEWERBSREGELN ¬6ALUE¬-ANAGEMENT¬
/PERATIVES¬-ANAGEMENT -ANAGEMENT¬DES¬w%RFOLGSi »Das aktuelle Geschäft effektiv und effizient erfüllen.« 4HEMEN¬IM¬&OKUS #ASHFLOW ¬$ECKUNGSBEITRËGE ¬2ENDITEN :EITBEDARF ¬5MSËTZE ¬+OSTEN ¬6OLUMEN ¬ 0ROJEKTE ¬:IELE2ESULTATE
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erung« der für das Unternehmen zentralen Erfolgsgrößen von morgen. Nicht der Erfolg selbst, sondern der Aufbau, die Sicherung und die Ausschöpfung attraktiver Erfolgsquellen zählen. Diese Erfolgsquellen können auf der Ressourcenseite, das heißt im Unternehmen selbst, oder auf der Marktseite vorhanden sein. Für den Praktiker und Lehrer Aloys Gälweiler8 ist ein Erfolgspotenzial nicht nur eine Unternehmensstärke oder eine Kernkompetenz, sondern »das gesamte Gefüge aller jeweils produkt- und marktspezifischen erfolgsrelevanten Voraussetzungen, die spätestens dann vorhanden sein müssen, wenn es um die Erfolgsrealisierung geht«. In dieser Betrachtung ist strategisches Management auf den Aufbau, die Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen ausgerichtet. Der von Cuno Pümpin kreierte Begriff Strategische Erfolgsposition (SEP) wird hier synonym zu Erfolgspotenzial verwendet.9 Eine strategische Erfolgsposition ist eine Fähigkeit, die es einem Unternehmen erlaubt, längerfristig überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen.
Strategie-Evolution: Professionalisierung des strategischen Denkens Bereits im Jahr 1912 bot die Harvard University den weltweit ersten Kurs zum Thema »Business Policy« an. Dies gilt als die Geburtsstunde des strategischen Managements. Selbstverständlich ist das Thema Strategie aber so alt wie die Menschheit selbst. Menschen haben sich schon immer Ziele gesetzt und die für sie wichtigen Anliegen mit Nachdruck verfolgt. Schon die Urmenschen mussten sich im harten Wettbewerb behaupten, standen sie doch in Konkurrenz mit anderen Clans und wilden Tieren um dieselbe Beute. Cleverness und List waren schon damals strategisch erfolgreicher als Faustkeil und Speer. Das systematische Studium moderner Unternehmen und ihrer strategischen Ausrichtung wurde erst spät wissenschaftlich entdeckt. Und noch viel später, erst in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, begannen die ersten großen US-Konzerne wie General Motors, General Electric oder AT&T, eigene strategische Abteilungen zu etablieren. Der Durchbruch des strategischen Managements kam in der Aufbruchphase nach dem Zweiten Weltkrieg. In den rasanten Wachstumsperioden der Nachkriegsjahre und den darauf folgenden Konsumwellen wurden strategische Fragen zu einem immer bedeutenderen Thema für die Unternehmensführung. Die Entwicklung des strategischen Denkens und Handelns der neueren Geschichte erfolgte in folgenden Phasen: 24
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1. Phase der »finanziellen Planung und Budgetierung« In den 50er Jahren sahen sich Unternehmen einem stabilen Geschäftsverlauf und überschaubaren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegenüber. Dies ist die Phase des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Führung nutzte das Instrumentarium der finanziellen Planung und Budgetierung, um den Geschäftsverlauf zu steuern. Dies waren die ersten Schritte, das Unternehmen nicht nur aus der Retrospektive (und aus dem »Bauchgefühl« heraus) in die Zukunft zu führen. Der »Blick nach hinten« in die Vergangenheit genügte nicht mehr für eine optimale Steuerung der finanziellen, materiellen und personellen Mittel. Die Finanzinstrumente mit ihrer Soll/Ist-Planung halfen, finanzielle Größen wie Erlöse, Kosten und Mittelbedarf für die nächste Rechnungsperiode vorauszukalkulieren. 2. Phase der »Langfristplanung« In den 60er Jahren herrschte ein enormer Wachstumsboom. Diese stabile Aufwärtsphase prägte die Wirtschaft über Jahre. Die Ansprüche und Anforderungen der Kunden an Unternehmen wuchsen im Gleichschritt mit dem Wohlstand. So wurden auch die Konsumgewohnheiten immer differenzierter und komplexer. Grundsätzlich verlief aber die wirtschaftliche Entwicklung linear, so dass Markt- und Geschäftsentwicklungen »extrapoliert« werden konnten. Extrapolation heißt, die Entwicklung der Zukunft auf der Basis der vergangenen Entwicklungen fortzuschreiben. Die Steuerung des Unternehmens bedurfte in dieser Phase einer langfristig orientierten, mehrjährigen Planung, um Kapazitäten, Finanzen und andere Ressourcen für die kommenden (meist fünf bis zehn) Jahre zu sichern. 3. Phase der »strategischen Planung« In den 70er und Anfang der 80er Jahre schockte die Ölkrise die Wirtschaft und zeigte, wie fragil die Entwicklungen waren. So mussten auch die strategischen Steuerungsinstrumente wegen der neuen Instabilität nachhaltig überdacht werden. Die 70er Jahre waren die Phase auftretender Turbulenzen, Umbrüche, Konjunkturschwankungen und technologischer Sprünge. All dies erschwerte die Planungsarbeit für die Optimierung des Geschäfts. Die Steuerungsfähigkeit konnte durch eine längerfristige Fortschreibung der Vergangenheit in die Zukunft (Extrapolation) zu wenig gewährleistet werden. Einerseits galt es, längerfristige Ziele anzusteuern, um auch größere Investments zu realisieren, und andererseits war es notwendig, kurzfristig flexibel und situativ auf Markt- und Kundenveränderungen zu reagieren. Die strategische Planung richtete ihren Blick daher vor allem auf die Umwelt- und Marktentwicklungen. Chancen und Risiken sollten frühzeitig entdeckt und in die strategischen Überlegungen einbezogen werden. So wurden neue Verfahren entwickelt: Portfolio-Methodik, Szenariotechnik und Langfristplanung. Auch die Strukturen der Unternehmen wurden immer komplexer und vielStrategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
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schichtiger. In der Zeit waren divisionale Strukturen und Matrixorganisation in aller Munde. Durch divisionale Strukturen konnten spezifische Angebote für bestimmte Teilmarktsegmente entwickelt werden. Die Planung und die Organisationsstruktur wurden darauf ausgerichtet, spezifische Kundenwünsche zu befriedigen. Die Unternehmensstrategie folgte dieser Entwicklung und wurde nach dem »Puppe-in-der-Puppe-Prinzip« durch Marktsegmentstrategien, sogenannte strategische Geschäftsfelder, ergänzt. 4. Phase des »strategischen Managements« Ende der 80er und in den 90er Jahren verschärfte sich der Wettbewerb auf einer globalen Skala rasant und führte in vielen Segmenten zu einem harschen Verdrängungswettbewerb. Unternehmen mussten sich stärker um ihre Profilierung im Markt kümmern. Differenzierung war das Losungswort der Stunde. Dies konnte nur durch den Aufbau und die Nutzung unternehmensspezifischer Kernkompetenzen bewerkstelligt werden. So waren Firmen in der Lage, in gleichen Märkten ihre Wettbewerbsvorteile differenziert auszuspielen. Parallel dazu erlebten Marktforschung- und Prognoseinstitute einen Boom.10 Sie halfen durch Kundenbefragungen und -beobachtungen mit, möglichst frühzeitig zu erkennen, was Kunden wirklich wünschen. Trendbetrachtungen wie diejenigen von Alvin Toffler (Der Zukunftsschock), Herman Kahn (The Coming Boom) und John Naisbitt (Megatrends) wurden zu Kultbüchern für strategisch interessierte Führungskräfte. Aber auch in anderen Feldern der strategischen Arbeit wurden in dieser ungewissen Periode neue Denkansätze, Konzepte und Instrumente entwickelt. Vor allem der von Professor Hans Ulrich begründete St. Galler Ansatz der vernetzenden, integrierenden Managementlehre warf ein bis dahin ungewohntes, mehrdimensionales Licht auf die Bereiche Management, Mitarbeiterführung und Strategie. Er gestattete es, mit Dynamik und Komplexität umzugehen. In dieser Ära hatten die Unternehmen auch einen großen Bedarf an zeitgemäßem, professionellem Know-how zur Unternehmensführung. Dies führte zu einem weltweiten Boom im Strategie-Consulting, welches einerseits theoretische Einsichten, Instrumente und Methoden praxistauglich machte und anderseits selbst wiederum wichtige Impulse an die Strategie- und Managementlehre gab. Doch mitten in der Strategie-Euphorie merkte man, dass nicht die Formulierung der Strategie die größte Herausforderung war, sondern vielmehr deren praktische Umsetzung. Denn erst wenn möglichst alle Mitarbeiter die strategischen Absichten »verinnerlicht« haben, das heißt am »gleichen Strang« und »in die gleiche Richtung ziehen«, entfaltet das Unternehmen den notwendigen strategischen Schub in Markt und Wettbewerb. 5. Phase der »strategischen Initiativen« Wie die obigen Phasen zeigen, bestimmt die Entwicklung der Märkte und des generellen geschäftlichen Umfelds das strategische Denken. Es ist da26
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mit ein Reflex auf die strategischen Herausforderungen, welche das Management in dieser Periode zu lösen hat. Die Businessturbulenzen sind im letzen Jahrzehnt nicht weniger geworden. Die Globalisierung, die Öffnung und Deregulierung vieler Märkte und insbesondere auch der Boom der Informations- und Kommunikationstechnologien sind wesentliche Treiber dieser Dynamik. Scott McNealy, Chairman und Mitgründer der Sun Microsystems Computer in Kalifornien, brachte das aktuelle Strategieverständnis auf der Application Developer Conference 2006 in Kalifornien auf den Punkt. In unserer wilden und global tickenden Businesswelt habe das traditionelle Planungsverständnis ausgedient. Planungshorizonte von zehn Jahren machen für viele Geschäftssituationen keinen Sinn mehr, ja selbst Fünf-Jahres-Rhythmen sind für viele strategische Absichten fragwürdig. Strategie ist nicht mehr eine Frage des Zeithorizonts, sondern der Themen. Auch der Strategieexperte Igor H. Ansoff,11 der wesentliche Grundlagen des modernen Strategiekonzepts entwarf, empfahl schon Mitte der 80er Jahre für eine Businessära mit hohen Diskontinuitäten (Brüchen) und Turbulenzen ein »Strategic Issue Management« (Management strategisch relevanter Themen). Dieses konzentriert sich besonders auf die Wahrnehmung und Handhabung von Chancen und Risiken, die sich aus »schwachen Signalen« und Trendentwicklungen ergeben. Selbstverständlich sind die strategischen Methoden und Instrumente nicht wertlos geworden. Ganz im Gegenteil. Doch ihre Zweckmäßigkeit und ihr Einsatz müssen differenzierter im Lichte der neueren umwälzenden Entwicklungen interpretiert werden. • Die exorbitant boomende New Economy ist kläglich kollabiert, wodurch
auch viele Investitionen in neue Geschäftsstrategien und Technologien Schiffbruch erlitten. Viel Kapital wurde in der Zeit der Jahrtausendwende verbrannt. In dieser (strategisch) äußerst innovativen Phase entstanden viele zukunftsträchtige Geschäftsmodelle, die aber durch den Börsenkollaps zerstört wurden. Nun erleben einige in Form des Web 2.0 eine Renaissance. • Der Terroranschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 in New York erschütterte nicht nur die USA, sondern auch die weltweiten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Das internationale Beziehungsgeflecht ist labiler geworden. Durch die Gegenreaktion des Westens auf die Anschläge und Terrordrohungen existieren globale Unsicherheiten, welche der Einmarsch der alliierten Streitkräfte in Afghanistan und der Irakkrieg noch weiter verschärften. Der gesamte Mittlere Osten mit seinen wichtigen Rohstoffquellen ist zu einem äußerst instabilen Faktor geworden (Israel, Libanon, Iran). Strategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
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• Neu auftretende Krankheiten wie beispielsweise SARS, Mad Cow Dis-
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ease oder das Vogelgrippe-Virus H5N1 führen immer wieder zu Risiken und Ängsten, welche die Geschäftsbasis rund um den Globus schlagartig verändern könnten. Die Zerbrechlichkeit unserer natürlichen Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen verdeutlicht sich tagtäglich in der Medienberichterstattung. Dies führt zu globalen Rettungsinitiativen auf supranationaler Ebene, welche nachhaltige Konsequenzen auf die Art und Weise des »Doing Business« in Zukunft haben werden. Ganze Industrien entstehen neu, bestehende Wirtschaftszweige, wie beispielsweise die Automobilindustrie, erleben einen fundamentalen Umbruch. Auch die begrenzte Verfügbarkeit beziehungsweise die Endlichkeit vieler Rohstoffe wird zu einem strategischen Engpassfaktor. Neue Global Players betreten das internationale Geschäftsparkett mit beachtlichem Erfolg. Indien, Brasilien, China oder Russland verschärfen den Wettbewerb um Kunden, Finanzen, Know-how und Ressourcen radikal. Dies fordert auch Opfer bei Arbeitsplätzen in den westlichen Industrienationen. Managementskandale rund um den Globus verursachen eine Negativpresse (Worldcom, Parmalat, Enron, Siemens, VW), welche dem Ansehen der Geschäftswelt in den Augen der breiten Massen stark schadet. Die weltweite Übertragungsgeschwindigkeit von Ereignissen (Aktienkurse, Währungen, Rohstoffpreise) steigt durch die globale Vernetzung und Kommunikation rasant.
Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends sind Unsicherheit und Ungewissheit ein fester Bestandteil der Führung und der Strategiefindung geworden. Die Globalität unseres Business ist heute ein Faktum. Viele Geschäftsprozesse sind weltweit miteinander entwicklungs-, produktionstechnisch, finanziell und know-how-mäßig engmaschig verknüpft. Selbst Ursprungsbezeichnungen wie »Made in Germany«, »Made in Switzerland« oder »Made in EU« verlieren ihren einstigen hohen Stellenwert. Wie schweizerisch ist Nestlé? Wie deutsch die Deutsche Bank? Nicht nur die großen Konzerne verstehen sich als Global Player, sondern auch viele mittelständische Unternehmen sind weltoffen und betreiben internationale Geschäfte. Für große Unternehmen ist ein »Made by Audi« oder »Designed by Apple in California» heute wichtiger geworden als eine länderbezogene Ursprungsbezeichnung. Produkte werden in Europa geplant, in Asien mit Rohstoffen aus Afrika hergestellt und von amerikanischen Fondsgesellschaften finanziert. Die offene, global vernetzte Wirtschaft restrukturiert sich weltweit. Damit verschieben sich aber auch die tektonischen Platten der 28
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Wirtschaftsmacht sukzessive, aber stetig. Die Vorrangstellung der westlichen Geschäftswelt, angeführt von den USA, verliert gegenüber den rasant aufholenden Emerging Markets Südamerikas und Asiens. In einem derart turbulenten Umfeld bekommt auch das strategische Management neue Akzente: globale Strategien, Outsourcing, Offshoring, multikulturelles Management, Netzwerkmanagement, dynamische Kernkompetenzen, Geschäftsprozessvernetzung oder die strategische Sicherung zentraler Geschäftsressourcen werden zu aktuellen Themen.
Strategieschulen: Denkansätze und Perspektiven Mintzberg, Ahlstrand und Lampel haben zehn Schulen des strategischen Denkens klassiert.12 Diese Schulen zeigen, dass das strategische Denken stark vom konzeptionellen Bezugsrahmen im Kopf desjenigen abhängt, welcher die Strategie entwickelt. Alle verschiedenen Betrachtungsweisen haben ihre Berechtigung. Sie alle weisen auf spezifische Schwerpunkte hin, wodurch aber immer wieder andere Aspekte verloren gehen. Den zehn Schulen fehlt eine ganzheitliche Sichtweise. Trotzdem ergeben sie zusammen betrachtet eine interessante Tour d’Horizon zu den strategierelevanten Themen und Ansätzen. 1. Designschule: Strategie als bewusster, konzeptioneller Prozess Diese Betrachtung vertritt die Ansicht, dass sich die besten Strategien in einem konzeptionellen, logischen Prozess Schritt für Schritt entwickeln lassen. Dafür wurden Strategiemodelle13 und Vorgehens-Checklisten entworfen. Die interne Situation des Unternehmens wird mit der externen Situation der Umwelt (und der Märkte) verglichen. Dieses Spannungsfeld zeigt Chancen und Gefahren. Die Geschäftsleitung formuliert dann in einem weiteren Schritt ihre Strategien im Rahmen eines logischen Vorgehens. Die Strategie versucht, die internen Fähigkeiten eines Unternehmens mit den Chancen der Umwelt in Einklang zu bringen. Diese Vorstellung war bis in die 70er Jahre aktuell und ist es in vielen Unternehmen noch heute. Vor allem die Beratergilde hat viele Vorgehensschemen der Strategieentwicklung und Strategiedurchsetzung entwickelt und vermarktet. 2. Planungsschule: Strategie als formale Planung Die Strategien sind das Ergebnis eines umfassenden und fest durchstrukturierten Planungsprozesses.14 Die Planungsschule ist mit der Designschule verwandt. Sie empfiehlt, bei der Strategieentwicklung einem methodisch strukturierten Entscheidungsprozedere zu folgen. Die Planer liefern eine Schritt-für-Schritt-Methodik mit klaren Arbeitspaketen, die von der SituaStrategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
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tionsanalyse, Strategieformulierung, Strategieumsetzung bis zum strategischen Controlling führen. Der Prozess der Strategieentwicklung wird durch ein Arsenal an Methoden und Verfahren unterstützt. In der Unternehmenspraxis findet sich dieses Vorgehen häufig. 3. Positionierungsschule: Strategie als Positionierung Eine Strategie muss sich nach dieser Auffassung auf die Marktpositionierung konzentrieren. Daher steht die Entwicklung der Branche im Zentrum der Überlegungen. Bei diesem marktorientierten Ansatz, der stark auf den Arbeiten von Michael Porter von der Harvard University beruht, fragt sich der Stratege, wie man seine Stellung innerhalb einer attraktiven Branche oder in einem spezifischen Markt verbessern kann. Diese Art der Strategieentwicklung ist wettbewerbsorientiert. Sie sucht nach Ansätzen, wie man die Konkurrenz überholt und abwehrt. Hierzu bietet die Positionierungsschule auch klare Strategiealternativen an. Firmen können sich durch die drei Strategieoptionen15 – Kostenführerschaft, Differenzierung oder Fokussierung – positionieren. Die Positionierungsschule zeichnet sich dadurch aus, dass sie das strategische Verhalten auf umfangreiche Analysen stützt. Sie wird auch als Marktdoktrin (market based strategy) bezeichnet. Dieser Strategieansatz geht davon aus, dass die Attraktivität einer Branche ausschlaggebend für den Erfolg eines Geschäfts ist. Die Struktur des Marktes bestimmt das Verhalten des Unternehmens. Das erfolgreiche Unternehmen muss die folgenden drei Fragen beantworten: • Welche Branchen oder Märkte sind besonders attraktiv? Welcher Markt
bietet die attraktivsten Renditen? • Wie positioniere ich mich am besten in diesen Märkten? Nutze ich die
Kostenführerschaftstrategie mit den geringsten Kosten und besten Angebotspreisen, die Differenzierungsstrategie als Spezialitätenanbieter oder fokussiere ich mich auf Nischen in diesem Geschäft? • Wie kann ich für andere Unternehmen die Eintrittsbarrieren in den Markt erhöhen, um meine eigene Stellung zu stärken? 4. Unternehmerische Schule: Strategie als Vision Die Vision einer starken Führungskraft gibt der Unternehmensentwicklung Richtung und Energie. Dieser Ansatz steht im krassen Gegensatz zur Planungsschule. Er lehnt umfassende Analysen ab und betont dafür Intuition, persönliches Engagement und Durchsetzungskraft. Vor allem Startups, kleinere und mittlere Unternehmen oder Nischenakteure basieren ihre Strategie auf einer »smarten Geschäftsidee« und engagiertem Unternehmertum.16 Der Erfolg vieler Unternehmer oder CEOs mit starken Visionen bestätigt den Ansatz dieser Schule. 30
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5. Kognitionsschule: Strategie als Denkübung Diese Schule untersucht, wie Führungskräfte Informationen verarbeiten und daraus ihre Schlüsse zur Beantwortung strategischer Fragen ziehen. Die Strategen entwickeln Modelle, Bezugsrahmen und Diagramme, um die geistigen Denkprozesse zu veranschaulichen.17 Der Verstand des Strategen entscheidet in dieser Optik über den Erfolg oder Misserfolg einer Strategie. Entschieden wird meistens logisch-rational und klar kalkuliert. Dies ist ein neuerer Ansatz der Strategiebetrachtung, der aber für die Praxis bisher wenige nutzbringende Erkenntnisse brachte. 6. Lernschule: Strategie als Lernprozess Dieser lernorientierte Ansatz betrachtet die Unternehmensentwicklung in einer längerfristigen Optik.18 Dabei wird untersucht, was funktioniert, was nicht und welche Schlussfolgerungen das Management daraus gezogen hat. Die Lernschule sucht nach den Lessons learned, also nach den Einsichten für die Zukunft und nach Lernfortschritten. Hierzu gehört auch der Aufbau von Kernkompetenzen, den besonderen Fertigkeiten und Fähigkeiten eines Unternehmens. Diese erlauben, einen Vorsprung vor Konkurrenten zu erringen. Lernen findet im gesamten Unternehmen statt und nicht nur im Kopf des CEO. Man spricht auch vom organisatorischen oder institutionellen Lernen. Das Lernen zeigt sich in den Routinen, die das Unternehmen zu seiner Aufgabenerfüllung nutzt. Diese Schule geht davon aus, dass erfolgreiche Unternehmen einen Know-how- (und Howto-)Vorsprung haben, der ihnen einen Wettbewerbsvorteil ermöglicht. Daher muss das kollektive Wissen auch systematisiert und auf breiter Basis wiederum allen zur Verfügung stehen. So kann wirkungsvoll auf Veränderungen in Markt und Wettbewerb reagiert werden. 7. Machtschule: Strategie als Macht zur Durchsetzung Strategie muss im Unternehmen nach innen und nach außen durchgesetzt werden. Diese Schule konzentriert sich daher auf die Verhandlungsund Machtprozesse.19 Diese Denkschule hat keine große Bedeutung erlangt. 8. Kulturschule: Strategie als kollektiver Prozess Die Kulturschule sieht die Strategiebildung als einen sozialen Prozess des gegenseitigen Austauschs.20 Durch Kommunikation einigt man sich auf einen gemeinsamen Weg. Mittels Sozialisation (Anpassung des Individuums an das Kollektiv) lernt der Einzelne die Grundvorstellungen des Unternehmen, seines Geschäfts, der Branche und des Marktes kennen. Die Strategie ist die gemeinsame Perspektive der Zukunft für das Business. Dadurch werden firmenspezifische Kernkompetenzen aufgebaut und Ressourcen genutzt, um Wettbewerbsvorteile zu etablieren. Diese Schule heißt auch ressourcenbasierte Sichtweise der Strategie (resource-based view). Strategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
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Die Ressourcen-Sichtweise verkörpert im Gegensatz zur Marktdoktrin eine unternehmensinterne Betrachtung. Das Unternehmen baut selbst Wettbewerbsvorteile auf. Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kompetenzen sowie alle verfügbaren Mittel (Ressourcen) führen bei einem geschickten Einsatz zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Zentral ist die Definition des Begriffs der Kernkompetenzen oder Ressourcen. Darunter werden alle materiellen und immateriellen »Besitztümer« des Unternehmens verstanden, die zur Realisation von Strategien beitragen. Diese Ressourcen sollten möglichst schwer kopierbar und limitiert verfügbar sein, um so die Wettbewerbsposition abzusichern. Ist dies nicht der Fall, können sich Konkurrenten ebenfalls rasch entsprechende Kompetenzen aufbauen und die eigenen Vorteile wieder zunichte machen. 9. Ökologische Schule: Strategie als Reaktion Wie verändert sich das Umfeld? Welche Konsequenzen hat dies für die Strategiefindung? Das Management wird in diesem Ansatz als eher passiv und reaktiv betrachtet. Die strategische Führung reagiert auf die Entwicklungen in Markt und Wettbewerb.21 Es gibt keinen besten Weg, um ein Unternehmen zu führen, sondern alles ist von der jeweiligen Situation abhängig. Diese Schule nutzt die Evolutionstheorien für ihre Interpretationen des Unternehmensgeschehens (zum Beispiel natürliche Selektion oder Nischenbesetzung). Auch diese Schule hat nur eine geringe Bedeutung erlangt. 10. Konfigurationsschule: Strategie als ideales Muster Für jede Situation in Markt und Wettbewerb sowie in der Entwicklungsdynamik eines Unternehmens gibt es eine ideale Konstellation.22 Eine generell gültige Strategie existiert nicht; sie muss immer zu einem bestimmten Muster aus Eigenschaften, Situationen und Handlungsformen passen. In dieser Schule werden die Ansätze der anderen Schulen eingebaut. Eine Start-up-Strategie passt nicht zu einem Großkonzern, der global agiert. So sucht diese Schule nach ganzheitlichen Konfigurationen (Formen), die zueinander passen. Strategie ist damit ein Prozess der Überführung eines Unternehmens von einem Modell zum anderen. Große Bedeutung erlangte vor allem die Positionierungsschule, deren Vertreter meist um die Harvard University zu finden sind. Auch die Kulturschule, welche sich eher dem Denken der Chicago University verpflichtet fühlt, hat viele Anhänger. Die Positionierungsschule ist auch bekannt unter der Bezeichnung Marktdoktrin (market-based view of strategy). Und die Kulturschule wird auch ressourcenorientierte Strategieschule (resource-based view of strategy) genannt. Beide Betrachtungen sind komplementär und können daher kombiniert werden. 32
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Strategie-Tableau: Für jeden Zweck das Passende Das Strategie-Tableau gibt eine Übersicht zu den aktuellen strategischen Perspektiven, die in Wissenschaft, Beratung und Praxis diskutiert und eingesetzt werden. Einen »golden Strategiepfad«, der in jeder Geschäftslage automatisch zum Erfolg führt, gibt es nicht und wird es nie geben. Aufgrund der immensen Komplexität und Vielfalt von Ereignissen, Konstellationen und Akteuren ist eine perfekte strategische Lösung nie möglich. Das Strategie-Tableau verschafft als Zusammenstellung einen raschen Überblick über mögliche alternative strategische Pfade. Jede gute Strategie muss zur Entscheidungssituation passen. Strategische Impulse können sowohl den Inhalt als auch das Vorgehen nachhaltig verbessern. Das strategische Tableau bietet einen Impulsrahmen, der für Strategiediskussionen zur Erweiterung des Geschäftsspektrums genutzt werden kann. Die einzelnen Strategien werden in den Folgekapiteln vertieft in ihren Grundzügen umrissen (vergleiche Abbildung 3). Abbildung 3: Strategisches Tableau
Marktstrategien
Asiatische Strategien
Schlankmacherstrategien
Normstrategien
Wachstumsstrategien
Dynamische Strategien
Strategisches Tableau
Wettbewerbsstrategien
Ressourcenstrategien
Innovationsstrategien
Kooperative Strategien
Beziehungsstrategien
»Glokale« Strategien
Wertstrategien
»Verrückte« Strategien
Strategie-Safari: Pfade durch das Dickicht
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Strategie-Basics: Inhalte und Vorgehen
Die größte Schwierigkeit der Welt besteht nicht darin, Leute zu bewegen, neue Ideen anzunehmen, sondern alte zu vergessen. Tom Peters
Strategisches Fundament: Die grundlegenden Werthaltungen Das Fundament jeder Strategiearbeit sind die Werthaltungen der Führungskräfte, Unternehmer, Eigentümer und Mitarbeitenden eines Unternehmens. Die Unternehmenskultur ist das ideologische Raster, in welches das Umwelt- und Unternehmensgeschehen eingeordnet wird. Diese Werthaltungen beeinflussen die Wahrnehmung, die Entscheidungsfindung und Realisierung von Maßnahmen. Häufig veröffentlichen die Unternehmen aufwändig wichtige Werte in Leitbildern, Führungsgrundsätzen oder Corporate-Identity-Dokumenten. Die grundlegenden Werthaltungen, Einstellungen und Überzeugungen bezeichnet der St. Galler Managementprofessor Hans Ulrich auch als Managementphilosophie.23 In welchen Basisdokumenten lässt sich diese Managementphilosophie entdecken? • Leitbild – Wie präsentiert sich das Unternehmen ganzheitlich?
Das Leitbild ist eine kurze Zusammenfassung der langfristigen Zielvorstellung eines Unternehmens. Es skizziert, mit welchen grundsätzlichen Strategien die Unternehmensziele erreicht werden sollen. Da es ein allgemein öffentliches Papier ist, können seine Maximen von allen Interessierten auch überprüft werden. Dadurch hat das Leitbild den Charakter eines »Grundgesetzes oder einer Verfassung« für das Unternehmen. Leitbilder wurden durch das Vordringen der angelsächsischen Begriffe Vision und Mission in den letzten Jahren verdrängt. Vor allem das »Mission Statement« hat in vielen Unternehmen seine Stellung eingenommen. • Vision – Wohin soll sich das Unternehmen entwickeln? Die Vision skizziert, wo sich das Unternehmen in den kommenden Jahren sieht. Es ist eine Idealvorstellung der Zukunft des Unternehmens, die es anzustreben gilt. 34
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• Mission – Wem dient das Unternehmen? Welche Leistung erbringt es?
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Die Mission umschreibt den Zweck des Unternehmens und damit sein Wesen. Sie soll ein Orientierungspunkt oder eine Richtschnur für das Handeln aller Mitarbeiter sein. Sie gibt den Mitarbeitenden Sinn für ihr Tun. Eine Mission legt dar, was das Unternehmen ist, was es tut und wofür es steht. Werthaltungen – Wofür stehen wir ein? Die Werte zeigen, welche »Leidenschaft« ein Unternehmen hat und wie es Empathie, Wärme, Verständnis und Vertrauen schafft. Sie sind seine Ansichten und Überzeugungen. Führungsgrundsätze – Nach welchen Prinzipien führen wir beziehungsweise arbeiten wir zusammen? Die Führungsgrundsätze beschreiben die Richtlinien der Führung und die Regeln für die Zusammenarbeit unter den Mitarbeitenden. Identität – Wer sind wir? Die Corporate Identity (Unternehmensidentität) repräsentiert die Ganzheit aller Eigenschaften eines Unternehmens. Sie beruht auf der Vorstellung, dass Unternehmen wie Personen wahrgenommen werden und selber auch handlungsfähig sind. Doch da sie geschaffene Gebilde sind, müssen sie eine Identität bekommen. Es ist vor allem die Aufgabe der Unternehmenskommunikation, diese Persönlichkeit nach außen zu tragen und für ihre einheitliche, ganzheitliche Wahrnehmung zu sorgen. Die Identität soll den einzigartigen Charakter des Unternehmens profilieren. Motto – Was gilt? Das Motto bringt einen Leitgedanken des Unternehmens auf den Punkt. Es ist knapp formuliert. Manche Unternehmen nutzen das Motto zur Motivation der Mitarbeiter in Form eines dynamisierenden Slogans oder »Schlachtrufs«.
All diese Aussagen und Dokumente bilden das Fundament für die konkrete Strategieentwicklung. Doch in veröffentlichter Form sind sie eher »Motivationsaufhänger« und/oder »Imagegestalter« für Mitarbeitende, Geschäftspartner und Kunden. Sie skizzieren einen anzustrebenden Idealzustand. Eine Strategie dagegen ist real, konkret und griffig.
Strategische Ebenen: Die drei Ebenen des strategischen Fokus Die Unternehmensstrategie (Corporate Strategy) ist die alles übergreifende strategische Ausrichtung eines Unternehmens. Sie befasst sich unter anderem Strategie-Basics: Inhalte und Vorgehen
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mit der Positionierung, der Profilierung, der Vernetzung mit Partnern, der Ausrichtung auf bestimmte Branchen und Märkte. Ihre Kernfrage ist, welche Geschäfte überhaupt betrieben werden. Die Business-Strategie (Business Strategy, Geschäftsfeldstrategie) ist produkt-/marktbezogen. Ihr Blickfeld ist das konkrete Geschäft für bestimmte Zielgruppen oder Marktsegmente. Hier spielt die Konkurrenzsituation für strategische Überlegungen eine wichtige Rolle. Daher muss sie folgende Fragen beantworten: Welche Geschäfte führen wir? Wie erringen wir nachhaltige Wettbewerbsvorteile gegenüber den anderen Anbietern in diesen Geschäftsfeldern? Und wie können wir dem Kunden einen möglichst hohen Wert mit unseren Produkten und Dienstleistungen bieten? Unter einem Geschäftsfeld wird eine Produkt-Markt-Kombination verstanden. Werden die strategischen Geschäftsfelder auch in der Organisationsstruktur des Unternehmens verankert, so nennt man diese organisatorischen Einheiten strategische Geschäftseinheiten (SGE). Der Strategiebegriff wird heute (fast schon) inflationär genutzt. So entwickelt und verfolgt praktisch jeder organisatorische Bereich seine eigene »Funktionsstrategie«. Man findet Marketingstrategien, Finanzstrategien, Forschungs- und Entwicklungsstrategien, Logistikstrategien oder Personalstrategien. Sie alle konzentrieren sich auf zeitlich terminierte, meist kurzoder mittelfristige Planungen für eine Abteilung. Alle organisatorischen Bereiche leisten ihre Beiträge zur übergeordneten Stoßrichtung und verfolgen daraus abgeleitet wichtige spezifische Zielsetzungen und umfassende Maßnahmen. Alle funktionalen Strategien haben sich aber konsequent an der übergeordneten Unternehmens- und der Businessstrategie auszurichten, da sie aus der Gesamtperspektive betrachtet jeweils nur ein Mittel zu deren Umsetzung darstellen. Häufig taucht auch der Begriff der »operativen Strategie« auf, was eigentlich ein Widerspruch in sich selbst ist, da sich »operativ« auf das tagtägliche Geschäft bezieht und »strategisch« die wichtigen, längerfristigen Entscheidungsthemen anspricht. Der Begriff macht aber durchaus Sinn: Er ist durch den »Management-by-Objectives (MbO)«-Ansatz von Peter Ferdinand Drucker, einem der bedeutendsten Managementdenker, Berater und Universitätsprofessoren für Management, entstanden. Das MbO bricht Strategien, welche für organisatorische Einheiten formuliert werden, auf die einzelnen Leistungsträger, also die Mitarbeiter, herunter. Mitarbeiter vereinbaren ihre Beiträge zu den für sie relevanten übergeordneten Zielsetzungen zusammen mit ihren Vorgesetzten. Durch den MbO-Prozess, der das gesamte Unternehmen entlang der Weisungslinie (line of command) durchzieht, werden Strategien praktisch umsetzbar und durch Führungskräfte und Mitarbeiter realisierbar. Strategien werden so operationalisiert. 36
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Strategische Analyse: Die richtigen Fragen stellen Ausgangslage jeder strategischen Arbeit ist eine umfassende Innen- und Außenbetrachtung, die durch eine Unternehmensanalyse und Umfeldanalyse erfolgt. Ein Unternehmen, das sich mit dem Thema seiner strategischen Positionierung in Markt und Wettbewerb sowie mit der Gestaltung seiner längerfristigen Zukunft befasst, hat seine Stärken und Schwächen zu beurteilen. Ebenso notwendig ist der Blick nach außen, in die Entwicklung der Beschaffungs-, Absatz- und Substitutionsmärkte, sowie die Interpretation von politischen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen für die eigene Geschäftstätigkeit. Die Harvard Business School entwickelte für die strategische Analyse den »SWOT«-Bezugsrahmen, der eine weite Verbreitung erlangt hat.24 Die SWOT-Analyse versteht die Strategie als das Ergebnis von Überlegungen in vier Bereichen: 1. Auf welchen Stärken (S für Strengths) kann die Strategie aufsetzen? 2. Welche Schwächen (W für Weaknesses) wirken für die strategischen Absichten hemmend? 3. Welche attraktiven Chancen (O für Opportunities) bieten sich? 4. Welche Gefahren (T für Threats) könnten den Strategieerfolg behindern oder völlig verhindern? Selbstverständlich sind hier auch die Werthaltungen und Interessen des Managements zu klären, da sie für die Beurteilung maßgeblich sind. Dieses Basiswerkzeug zur Bestimmung der strategischen Ausgangslage bietet auf eine einfache Art eine übersichtliche Zusammenstellung der firmeninternen Stärken/ Schwächen und der firmenexternen Chancen/Gefahren (siehe Abbildung 4). Bei der Umfeldanalyse werden Marktentwicklungen, aber auch rechtliche, gesellschaftliche, technologische oder ökologische Trends für die Geschäfte des eigenen Unternehmens identifiziert und von der Führungscrew bewertet. Die Unternehmensanalyse beruht auf einer Selbsteinschätzung der eigenen Strategien, Strukturen, Systeme und Prozesse. Als Beurteilungsmaßstab werden die eigenen Leistungen mit denjenigen der Konkurrenz verglichen, so dass eine »objektivere Einschätzung« gewährleistet ist. Nachdem die interne und die externe Dimension beurteilt wurden, stellt sich die strategische Frage, welche Stärken zu welchen Umfeldchancen passen oder wie Stärken genutzt werden können, um Gefahren zu begegnen. Die SWOT-Analyse ist ein offenes, unstrukturiertes Verfahren, das heißt, es gibt weder feste Rasterschemen mit abzuhakenden Inhalten noch feste Ablaufroutinen, geschweige denn Empfehlungen für eine Priorisierung der Stärken oder Chancen oder gar eine Methodik zur Ableitung von Maßnahmen. Der Erfolg der strategischen Analyse ist von der professionellen Vorbereitung, Strategie-Basics: Inhalte und Vorgehen
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Abbildung 4: SWOT-Analyseraster
INTERN
POSITIV
NEGATIV
Stärken
Schwächen
(S – Strengths)
(W – Weaknesses)
Welches sind die Quellen des heutigen Erfolgs?
Was behindert weiteren Erfolg heute?
Welches sind die Quellen des Erfolgs von morgen?
Wodurch könnte unser Erfolg in Zukunft behindert werden?
EXTERN
Wettbewerbsvorteile Chancen
Gefahren
(O – Opportunities)
(T – Threats)
Welche Geschäftschancen stehen offen?
Welche Entwicklungen können unseren Erfolg behindern?
Auf welche Trends setzt unser Business?
Was machen Konkurrenten?
einem firmenspezifischen Themenraster, klaren Fragestellungen und Einschätzungsregeln sowie einer professionellen organisierten Durchführung abhängig. Die strategische Zukunftsgestaltung einzig und alleine auf der SWOT-Analyse aufzubauen ist heute überholt. Es darf nicht übersehen werden, dass die strategische Analyse ein wichtiger Schritt im gesamten Prozess des strategischen Managements ist. Wer es verpasst, die Einschätzung der Gegenwart und der Zukunft professionell und realitätsnah zu erfassen, vergibt Chancen und reduziert die »Treffergenauigkeit« der Strategie. Die strategische Analyse muss offen, direkt, umfassend, trendbezogen, kunden- und wettbewerbsorientiert sowie vor allem selbstkritisch und möglichst ungeschminkt erfolgen. Die Zeit der SWOT-Analyse ist die Zeit des »Reality Checks« für das Unternehmen. Je differenzierter die strategische Analyse erfolgt, umso treffender lassen sich die strategischen Zielsetzungen, Initiativen und Aktionen justieren. 38
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In den Anfängen des strategischen Managements konzentrierten sich die »Strategen« vor allem auf die Beseitigung der Schwächen eines Unternehmens. Es herrscht auch heute noch in manchen Unternehmen eine wahre Sucht nach »Selbstkasteiung«. So werden Schwächen gesammelt und mit umfassenden Maßnahmenkatalogen angereichert, um die Situation zu verbessern. Doch Verbesserungen führen nicht zu Fortschritten, sondern immer nur zu einem Mitziehen mit einer Norm oder einem Status quo. Die Energien und Ressourcen des Managements und der Beschäftigten sind in der veränderungsintensiven Geschäftsära effizienter und effektiver zu nutzen. Einerseits sind die Geschäftschancen verstärkt ins Zentrum der Aktivitäten zu stellen, und andererseits sind vorhandene Stärken weiter auszubauen. Erst dann kommen die Schwächen ins Spiel. Es sind nur diejenigen Schwächen anzugehen, die hinderlich auf dem Weg in die Zukunft sind.
Einschätzung Die SWOT-Analyse ist ein älteres Instrument der strategischen Führung. Hier bieten sich aktuellere, leistungsfähigere und weitaus differenziertere Bezugsrahmen für die Analyse und die Positionierung des Geschäfts an.25 Das Orientierungsraster des St. Galler Managementmodells liefert nicht nur eine umfassende interne und externe Betrachtung des Unternehmensgeschehens, sondern setzt zudem noch die einzelnen Aspekte in einen Beziehungszusammenhang. Eine strategische Analyse anhand dieses integrierenden Modells ist führungsnah und entscheidungsorientiert. Ein leistungsfähiges und bewährtes Instrument der strategischen Positionierung bietet auch Michael Porters »Fünf-Kräfte-Modell« der Branchen- und Marktanalyse.
Strategische Planung: Methodik des strategischen Arbeitens Viele Wissenschaftler, Berater und Unternehmensplaner haben zu diesem Thema eine Unmenge an Vorgehensschemen und Phasenmodellen entwickelt, welche die Planungsschritte skizzieren. Diese Phasen, thematischen Bausteine und Schrittfolgen sollen dem Führungsteam helfen, einen strategischen Plan oder eine professionelle »Unternehmens- oder Business-Strategie« zu entwerfen. Zudem kann anhand derartiger Vorgehensmodelle der oft langwierige, iterative (das heißt mehrfach zu durchlaufende) Prozess einfacher gesteuert werden. Doch was ist strategische Planung? Die strategische Planung ist ein Managementinstrument. Sonst nichts. Sie sollte nicht mit dem strategischen Strategie-Basics: Inhalte und Vorgehen
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Management verwechselt werden, welches sich auf die nachhaltige erfolgreiche Lenkung und Gestaltung der Unternehmenszukunft ausrichtet. Dessen Themen sind das Geschäftsmodell, die Wettbewerbsvorteile und die Ressourcen. Die strategische Planung hat nur den Zweck, die Planungsarbeit in einem Unternehmen zu vereinfachen. Sie dient dazu, die Aufgabenstellungen zu bestimmen und zu koordinieren. Sie stellt sicher, dass Beschäftigte an verschiedenen organisatorischen Stellen auch gleichgerichtet tätig sind und dass die strategischen Fortschritte systematisch festgestellt werden können. Nur so kann eine strategische Absicht realisiert werden. Praktisch jeder Strategieprofessor und jeder Strategieberater präsentiert in seinen Publikationen seine selbst entwickelte »optimale« Strategiemethodik. Doch für das Entwerfen und Realisieren einer idealen Strategie kann aufgrund der komplexen Entscheidungsthematik kein allgemein gültiges Rezeptbuch entwickelt werden. Betrachtet man aber die vielen Vorgehensvorschläge nebeneinander, so verwischen sich die Unterschiede rasch, und man stellt fest, dass die Begriffsetiketten immer wieder gleiche Inhalte benennen. Welche Phasen lassen sich bei der strategischen Planung grundsätzlich unterscheiden (vergleiche Abbildung 5)? 1. Phase der »Strategischen Ausgangslage« In dieser Phase werden die Daten und Informationen zur Strategieentwicklung zusammengetragen und interpretiert. Es ist die Zeit, in der man seine strategischen Leistungen mit denen der Konkurrenten vergleicht, aber auch mit den Anforderungen und Wünschen der Kunden. Zudem müssen Trendentwicklungen und Zukunftsperspektiven für das eigene zukünftige Handeln interpretiert werden. Häufig genutzte Instrumente sind die SWOTAnalyse oder Porters »Fünf-Kräfte-Schema«. 2. Phase der »Strategieformulierung« Die Phase der Strategieformulierung befasst sich mit der Frage: »Was tun wir in Anbetracht der Ausgangslage?« Hier werden die strategischen Schlussfolgerungen aus der strategischen Ausgangslage, der Bewertung der eigenen Positionierung im Markt, den unerschlossenen Kundenwünschen und dem Konkurrenzverhalten gezogen. Ziel ist, möglichst attraktive Geschäftschancen zu entdecken und die Zukunftstauglichkeit des bestehenden, laufenden Geschäftsmodells zu überprüfen. Zudem werden mögliche Risiken und sich abzeichnende Gefahren beurteilt. All diese Informationen führen dann zur Festlegung der strategischen Stoßrichtung und der strategischen Zielsetzungen. 3. Phase der »Strategieimplementierung« (Umsetzung, Realisierung) Die nächste Phase des Strategieprozesses konzentriert sich auf die Umlegung der strategischen Absichten und Vorgaben in das Unternehmen hinein. Dies 40
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erfordert ein Verteilen oder Herunterbrechen strategischer Ziele auf die organisatorischen Einheiten. Die Umsetzung der Strategie geschieht mithilfe von Programmen, Initiativen, Budgets, Maßnahmenplänen und viel Kommunikation. In dieser Phase werden die notwendigen Ressourcen (Personal, Maschinen, Zeit, Finanzen) bestimmten Projekten, konkreten Geschäften und organisatorischen Einheiten zugeordnet. In einem weiteren Schritt werden diese Ziele dann auch mit Projektteams oder durch individuelle Zielvereinbarungen mit Schlüsselführungskräften (Management by Objectives) vereinbart. Strategieimplementierung umfasst damit die gesamte Steuerung und Führung des Unternehmens über Managementsysteme. Zu diesen gehören Umfeldmonitoring, Controlling, Fortschrittskontrollen, Benchmarking (Vergleiche mit anderen), Best Practices (Lernen von anderen), Planungen, Budgetierung, Zielvereinbarungen oder auch das Training der Betroffenen. 4. Phase der »Strategie-Updates« (Aktualisierung, Evaluation, Strategierevision) In dieser Phase werden die erreichten Meilensteine auf einer strategischen Roadmap festgehalten, um festzuhalten, inwieweit die Zielsetzungen erreicht wurden. Dabei registriert man interne Fortschritte, vergleicht sich mit der Konkurrenz, stellt den Stand bei der Marktbearbeitung fest und fragt sich, wie das Geschäftsmodell noch leistungsfähiger gestaltet werden könnte. Betrachtet man den Planungsprozess zirkulär, so beginnt hier das gesamte Strategieprozedere erneut. Neue Chancen in den Märkten werden einbezogen, Geschäftsszenarien interpretiert, allfällige Risiken eingeschätzt und strategische Ziele aktualisiert.26
Abbildung 5: Strategiemodell der Harvard University27
&ORMULIERUNG
5MSETZUNG
%NTSCHEIDEN WAS¬ES¬ZU¬TUN¬GIBT
&ESTSTELLBARE¬2ESULTATE¬ ERBRINGEN
37/4å!NALYSE 3TËRKEN3CHWËCHEN ¬UND¬#HANCEN'EFAHREN
3TRATEGIETRANSFER ÄBERSETZUNG¬DER¬:IELE!KTIONEN AUF¬ORGANISATORISCHE¬%INHEITEN
7ERTEBESTIMMUNG 0ERSÚNLICHE¬7ERTHALTUNGEN %RWARTUNGEN¬DER¬&àHRUNGSCREW 3TAKEHOLDERå%RWARTUNGEN 7ERTE¬DER¬)NTERESSENGRUPPEN AUS¬DEM¬5MFELD
3TRATEGIE 3TRATEGISCHE¬/PTIONEN !BSICHTEN ¬)NITIATIVEN ¬ 0ROJEKTE¬UNDODER¬ !KTIONEN
-ANAGEMENTSYSTEME !USRICHTUNG¬DER¬)NFORMATIONSå !NREIZå¬UND¬&àHRUNGSSYSTEME 3TRATEGISCHE¬&àHRUNG IM¬'ESCHËFTSALLTAG¬ ORGANISATORISCH ¬PERSONELL FINANZIELL¬ETC
#ONTROLLING "ESTIMMEN ¬WO¬MAN¬STEHT¬UND¬ WELCHE¬&ORTSCHRITTE¬ERZIELT¬ WURDEN
Strategie-Basics: Inhalte und Vorgehen
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Strategische Ziele: Shareholder Value oder Stakeholder Value? Shareholder Value Es gibt wohl kaum eine strategische Zielgröße, die seit den 80er Jahren so viel Aufmerksamkeit bekommen hat wie der Shareholder Value. Diskussionen über seinen Stellenwert im Bereich der strategischen Führung werden heute noch immer kontrovers in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft geführt. Wörtlich heißt Shareholder Value »Aktionärswert« (Aktionärsvermögen, Unternehmenswert, Marktkapitalisierung). Er ist, etwas präziser formuliert, der Marktwert des Eigenkapitals eines Unternehmens. Mathematisch umfasst der Shareholder Value die Summe aller diskontierten Zahlungsströme (Eingänge/Ausgänge) abzüglich des Fremdkapitalwerts. Zum gleichen Ergebnis kommt man, indem man alle gegenwärtigen und zukünftigen Gewinne und Ausschüttungen aufaddiert. Dieser Wert wird von Führungskräften, Investoren und Finanzfachleuten als einer der ganz zentralen Schlüsselindikatoren für den Erfolg des Managements interpretiert. Eine erfolgreiche Führung erhöht den Aktien- beziehungsweise Unternehmenswert und kann so einfach auf eine einzige Zielgröße (Aktienrendite) reduziert werden. Insbesondere die Vertreter des Value-based Managements fordern, dass sich die Führung bei all ihren Aktivitäten mit Nachdruck um die Interessen der Anteilseigner kümmert. Der Shareholder Value klärt sehr einfach den Unterschied zwischen rentablen und unrentablen Geschäften. Damit hat er auch eine einfache strategische Handlungsregel: Geschäfte, die den Shareholder Value reduzieren, sind abzustoßen, Geschäfte, die ihn erhöhen, sind zu fördern. Die Unternehmensstrategie muss daher in dieser Perspektive einzig und allein auf die Erhöhung des Marktwerts des Eigenkapitals ausgerichtet werden. Alfred Rappaport, der das Konzept in den 80er Jahren als Leitstern für eine professionelle Unternehmensführung propagierte, fordert, dass die Dividenden (oder der Aktienkurs) die Kosten für das Fremdkapital übertreffen müssen. Der Eigentümer eines Unternehmens geht höhere Risiken ein als derjenige, der in festverzinsliche Anlagewerte (wie zum Beispiel Bonds) investiert. Wird dies nicht besonders entschädigt, so wäre es sinnvoller, seine investierten Mittel abzuziehen und im Kapitalmarkt über die Banken anzulegen, anstatt sich im Geschäft aufzureiben. Vor allem wegen dieser radikalen Interpretation des Shareholder Value und manch einer brachialen Aktion von Finanzjongleuren zu seiner Maximierung ist das Konzept in breiten Kreisen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in 42
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Verruf geraten. Finanzspezialisten haben Unternehmen nach dem ShareholderValue-Konzept28 in radikaler Weise bis in deren feinste Verästelungen hinein getrimmt. Sie suchen kurzfristige Höchstrenditen, was natürlich auf Kosten der längerfristigen Substanz eines Unternehmens geht. Diese für das Unternehmen oft schmerzhaften Radikalaktionen führen im Extremfall zur Auflösung ganzer Abteilungen, zur Knebelung der Zulieferer, zur Unterlassung notwendiger Investitionen, zur Reduktion von Forschungs- und Entwicklungsbudgets oder zur Veräußerung von später benötigten Substanzwerten für Erweiterungen und Wachstum. Ein nur nach dem Shareholder Value geführtes Unternehmen verspielt durch derartig radikale Aktionen allzu schnell seine strategische Zukunft.
Stakeholder Value Eine Alternative zum sehr eng definierten Shareholder Value ist der StakeholderAnsatz (Anspruchsgruppen-Ansatz).29 »Stakeholder« sind Kreise, die an der längerfristigen Entwicklung des Unternehmens interessiert sind. Hierzu gehören Anspruchsgruppen wie Mitarbeiter, Kapitalgeber, Lieferanten, Handelspartner, Gewerkschaften oder Kunden, aber auch die Kommune oder der Staat. Ein Unternehmen erbringt spezifische Beiträge für diese verschiedenen Anspruchsgruppen, wenn es langfristig prosperieren will. Die strategische Ausrichtung konzentriert sich nicht nur auf die Interessen der Eigentümer oder Anteilseigner, sondern trägt den multiplen Ansprüchen in seinem Umfeld Rechnung. Das strategische Management muss es verstehen, die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen in Einklang mit der Geschäftsentwicklung zu bringen. Dies bedingt eine längerfristige und umsichtige Führung, welche in Harmonie mit dem sozialen, ökonomischen, technologischen und ökologischen Umfeld steht.
Strategic Intent: Zukunftsentwurf oder -anpassung? Strategischer Fit: Wenn alles zusammenpasst Für den Strategieexperten Igor H. Ansoff ist es aufgrund seiner Forschungsergebnisse eine Erfolgsvoraussetzung, die zentralen Komponenten eines Unternehmens auf die strategische Ausrichtung zu koordinieren. Passt die Strukturseite des Unternehmens nicht zur Strategie, dann ist eine wirkungsvolle Strategie-Basics: Inhalte und Vorgehen
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Umsetzung ausgeschlossen. Dasselbe gilt auch für die Kulturseite. Stehen die Führungskräfte und Mitarbeitenden nicht hinter den groben strategischen Zielen, dann wird eine erfolgreiche Umsetzung schwierig werden. Ansoff spricht in diesem Zusammenhang von einem »unternehmensinternen strategischen Fit« (internal strategic fit) als Erfolgsvoraussetzung für eine effektive Strategieumsetzung. Dieser interne Fit allein genügt für den nachhaltigen Strategieerfolg noch nicht. Aber die Voraussetzung ist zumindest seitens des Unternehmens grundsätzlich gegeben. Was fehlt? Die Strategie muss selbstverständlich auch zu ihrem Umfeld passen und im Markt entsprechende Wirkungen entfalten. Beim »unternehmensexternen strategischen Fit« wird die Abstimmung der Strategie mit dem Markt und dem allgemeinen Umfeld angesprochen. Nach der Auffassung von Ansoff muss daher eine Strategie »doppelt passen«. Sie muss mit dem Unternehmen, seinen Werten, Auffassungen und Werthaltungen ebenso stimmig sein wie mit seiner Aufbau- und Ablauforganisation und mit den vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten. Das Wichtigste aber ist, dass die Strategie zu den Kunden, den Märkten und dem allgemeinen Umfeld des Unternehmens passt. Viele Führungskräfte fokussieren bei der Strategiefindung auf den »strategischen Fit«, sie spüren attraktive Geschäftschancen im Markt auf und achten darauf, dass diese zu den eigenen Stärken, Fähigkeiten und Ressourcen passen. Beim »strategischen Fit« werden die Unternehmensfähigkeiten mit den Marktentwicklungen in Einklang gebracht. Dieses Vorgehen und die Art der Betrachtung sind oft richtig und für viele Marktkonstellationen auch ausreichend. Vor allem Unternehmen, die in relativ ruhigen Wachstumsmärkten agieren, entwickeln ihre Kompetenzen synchron zu den Anforderungen der Marktdynamik.
Strategisches Dehnen: Über das Heute hinwegdenken Doch in zappeligen, sich rasch verändernden Märkten, in denen ein wilder, aggressiver Wettbewerb herrscht, ist ein Umdenken notwendig. Was heißt »strategisch« dann? Strategie bekommt symbolisch gesprochen den Charakter eines »Gummibands«. In dynamischen Konstellationen heißt strategisches Denken, über das heutige Business hinauszudenken. Man muss sich bei strategischen Fragestellungen mit alternativen Entwicklungsmodellen für sein Geschäft auseinandersetzen. Was könnte alles eintreten? Welche Zukunftsoptionen hat unser Business? Dies sind einige der Fragen, bei denen Hamel und Prahalad vom »strategischen Dehnen« (strategic stretch) sprechen. Dies ist nichts anderes als das Denken über das Tagtägliche, das Gewohnte und das Bekannte hinaus. 44
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Eine Strategie muss sich in dieser Vorstellung des »Strategic Stretch« nicht an den heute vorhandenen Möglichkeiten, den jetzigen Stärken, nutzbaren Fähigkeiten und vorliegenden Ressourcen orientieren. All dies würde das strategische Denken nur behindern. »Dehnt« man die Strategievorstellung, so muss das Alltägliche, Gewohnte und Übliche übersprungen werden. Nur so wird das Denkresultat innovativ und zukunftsgestaltend sein. Toyota, Sony, IBM, Canon oder British Airways sind Erfolgsbeispiele für Unternehmen, die über das Normale in ihrer Branche hinwegdachten. Sie alle haben sich von innen heraus engagiert verändert und neue Positionen im Wettbewerb zu ihren Gunsten eingenommen. Ihr Strategic Stretch entfachte zudem eine hohe innere Motivation der Führungscrew und der Mitarbeitenden. So waren sie in der Lage, etablierte Wettbewerber von ihren dominanten Positionen zu verdrängen. Ihre Unkonventionalität und ihre innere Schubkraft schafften es, Marktleader zu überholen, auch wenn diese über größere finanzielle Mittel verfügten. Sie suchten nach innovativen Wegen, wie sie ihre hoch gesteckten Zielsetzungen trotz ihrer schwächeren Marktstellung erreichen können. Hamel und Prahalad sprechen von strategischer Hebelwirkung (strategic leverage), da die Strategie dazu führt, dass die notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten rechtzeitig etabliert werden.30 Das Unternehmen muss sich also nicht nur an seine Märkte und sein Umfeld anpassen (»Fit«), sondern auch neuere Entwicklungen, Trends und Innovationen aufgreifen, strategisch »vorausdenken« (»Stretch«) und seine Fähigkeiten und Ressourcen im Sinne der neuen strategischen Ambition nutzen (»Leverage«).
Strategic Intent: Die Zukunft herausfordernd skizzieren Mit dem Konzept des »Strategic Intent« (strategischer Entwurf, strategische Absicht) schlagen die Strategieexperten vor, eine radikale Vision für das Geschäft zu entwerfen.31 Diese soll eine Zukunft des Geschäfts skizzieren, wie sie heute für das Unternehmen noch nicht existiert. Der »Strategic Intent« soll ein großer Schritt in die Zukunft für das Business sein. Dies zwingt das Management und die Entscheidungsträger, über ihren Geschäftsalltag und das Gewohnte hinauszudenken. Diese Vision soll wie ein ehrgeiziger, unwiderstehlicher Traum wirken, der den eigenen Antrieb stärkt und beflügelt. So entsteht eine innere, strategisch orientierte Motivation, die emotionale und intellektuelle Kräfte freisetzt. Das Konzept des »Strategic Intent« führt die zu bunten Imagebroschüren verkommenen Vision und Mission Statements vieler Unternehmen wieder zurück auf ihren Wesenskern. Ihre Aussagen müssen »knackig« und »griffig« sein, damit sie eine Richtschnur für das Führungsteam sind. Die beiden StrateStrategie-Basics: Inhalte und Vorgehen
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gen legen damit den Finger auf eine der »Wunden« des strategischen Managements, welches allzu leicht zu einem zwar wichtig genommenen, aber strategisch unbedeutenden Ritual verkommt. In manchem Unternehmen ist die Prozedur der Strategieentwicklung wichtiger geworden als sein Inhalt. Zudem zeigen die beiden, dass in der Führungsarbeit ein wesentlicher Unterschied gemacht werden muss zwischen der »Führung des heutigen Business« und der »Führung des zukünftigen Business«. Beide verfolgen nicht dieselben Zielgrößen und haben unterschiedliche Regeln. Die Führung des heutigen Geschäfts hat eine deutlich höhere Entscheidungsfrequenz und lenkt das Unternehmensgeschehen flexibel in die nahe Zukunft. Hier bewegt sich das Geschäft in meist kleineren Schritten und nutzt die bestehenden Chancen und die vorhandenen Kernkompetenzen. Die Zukunftsstrategie auf der anderen Seite ist keine zeitliche Verlängerung der Gegenwart, sondern eine eigenständige strategische Perspektive, die einen markanten Schritt für das Unternehmen, seine Führungskräfte und Mitarbeiter bedeutet. Hierzu finden strategische Anpassungen eher in größeren, dafür selteneren Schritten statt. Der visionäre strategische Wurf wirkt aber auch rückbezüglich, sozusagen aus der Zukunft ins Heute, wodurch das Unternehmen sukzessive auf den neuen Kurs einlenkt.
Strategisches Fenster: Genügsamkeit in der Komfortzone Menschen lieben ihre Gewohnheiten und Routinen. Führungskräfte machen davon keine Ausnahme, vor allem dann, wenn sie mit ihren Strategien erfolgreich unterwegs sind. »Was soll man schon ändern, wenn’s gut läuft?« ist eine gefährliche strategische Aussage. Gerade wenn man sich in der Komfortzone befindet, kann eine derartige Aussage geschäftsgefährdend sein. Langfristiger und nachhaltiger Erfolg führt zu einer strategischen Bequemlichkeit, da man glaubt, aus einer Position des Siegers jederzeit rasch handeln zu können. Die Schweizer Uhrenindustrie ist ein Musterbeispiel, wie Veränderungen zwar erkannt, ihre negativen Konsequenzen aber von den Führungskräften, die es sich in der strategischen Komfortzone bequem gemacht hatten, heruntergespielt wurden. Diese Fehlinterpretation führte in den 70er Jahren fast zum Kollaps der gesamten Schweizer Uhrenindustrie. Billige Digitalzeitmesser aus Fernost überschwemmten in der »Quarzkrise« die Welt, obwohl das Patent zuerst den Schweizern angeboten wurde. Das gesamte damalige Geschäftsmodell der schweizerischen Mechanikuhren wurde durch die Japaner revolutioniert. 46
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Diese strategische Bequemlichkeit in der Komfortzone zeigte auch der amerikanische Kodak-Konzern. Seine marktbeherrschende Stellung im Filmbusiness gehört der Vergangenheit an. Viel zu lange wollte die Kodak-Geschäftsleitung nicht begreifen, dass Filmrollen und Papierbilder ihre einstige Bedeutung hinter sich haben. »Bits und Bytes können doch Papierbilder nicht ersetzen!«, dachten sich die Entscheider. Doch das analoge Fotobusiness schrumpfte bis zur Marginalie, und Kodak verpasste den boomenden Markt des digitalen Fotogeschäfts über eine lange Strecke hinweg. Die strategische Blindheit aufgrund (vermeintlicher) Stärke behindert die Suche nach Neuem und würgt selbstreflektierende, selbstkritische und kreative Ideen ab. Sie bremst die Bereitschaft für den Wandel. Der einstige Chefstratege von General Electric und Professor für strategisches Management, Noel Tichy, empfiehlt daher, dass man sich zwangsmäßig und periodisch der ungeschminkten Realität und Komplexität der Ereignisse stellen muss.32 Jeder Trend oder jede Entwicklung einer geschäftsnahen Branche muss von verschiedenen Seiten professionell durchleuchtet und auf die strategische Bedeutung hin untersucht werden: von einer produktions- und entwicklungstechnischen, einer politischen und ressourcenbezogenen sowie von einer unternehmenskulturellen Seite. Der strategische Wandel ist sozusagen von innen heraus zu provozieren. Die strategische Führung ist kein einmaliger Akt, bei dem man einen strategischen Plan entwirft und sich dann um dessen Realisierung kümmert. Steht eine Strategie, so kann diese ohne laufende Weiterentwicklung nicht über Jahre verfolgt werden, da sich im heutigen dynamischen Geschäftsfeld viel zu viele Aspekte zu schnell und zu fundamental verändern. Je nach Markt, Konkurrenzsituation und Geschäft unterliegen Strategien einem permanenten Zerfall (strategic decay).33 Sie müssen immer wieder in Bezug auf ihre Aktualität und Relevanz hinterfragt werden. Zudem ist der Stress des Tagesgeschäfts für viele Führungskräfte derartig hoch, dass die wichtigen, aber längerfristigen und daher leicht verschiebbaren Strategiethemen gerne liegenbleiben. Sie werden in einen »ruhigeren Zeitraum« vertagt. So laufen strategische Themen Gefahr, von der Realität überholt zu werden. Gary Hamel, einer der führenden Strategieexperten, Berater und ehemaliger Professor der London Business School, ist in seinen Arbeiten diesem strategischen Zerfall auf der Spur. Der Zerfall von Strategien führt seines Erachtens dazu, dass suboptimale, nicht mehr passende oder gar obsolete Strategien zu lange in Unternehmen gültig bleiben. Daher sollte das Management immer auf der Suche nach veralteten strategischen Zielsetzungen und Maßnahmen sein. Jede noch so brillante Geschäftsidee unterliegt der Alterung, welche dann nicht nur zu schlechten Geschäftsergebnissen führt, sondern auch Ressourcen (Personen, Zeit, Material, Finanzen) suboptimal nutzt. Strategie-Basics: Inhalte und Vorgehen
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Um dem strategischen Zerfall entgegenzutreten, empfiehlt der Strategieexperte Gary Hamel, drei Fragen zu beantworten. Sie gestatten es dem Management, das »Ablaufdatum« einer Strategie festzustellen:34 1. Trotzt die Strategie den aktuellen Herausforderungen der Wettbewerber, indem sie auf eigene nachhaltig wirksame Wettbewerbsvorteile setzt? Ist sie immer noch die Basis für außerordentliche finanzielle Erfolge? 2. Sinkt die Aktualität und Bedeutung der Strategie aufgrund eines neuen politischen, sozialen, technologischen oder ökologischen Prozesses? 3. Verlangsamt sich die positive Entwicklung der eigenen Schlüsselkennzahlen, die den strategischen Fortschritt messen (key performance metrics)? Werden alle drei Fragen mit »ja« beantwortet, ist das Ablaufdatum überschritten. Dann wird es höchste Zeit für eine umfassende Strategierevision oder ein Strategie-Updating. Somit ist jede Strategie nur für eine bestimmte Zeitperiode »passend«. Derek Abell, Strategieexperte und Professor am IMD, einer führenden Business School im schweizerischen Lausanne, spricht in diesem Zusammenhang vom »strategischen Fenster« (strategic window). Dieses strategische Fenster öffnet man bei der Lancierung und schließt es wieder, wenn die Strategie veraltet und nicht mehr griffig genug ist.35 Somit hat jede strategische Aussage ihren spezifischen Gültigkeitswert. Das richtige strategische Timing ist ein Merkmal effektiver Strategien. Viele Firmen begehen die Nachlässigkeit, ihre Strategien nicht radikal genug zu aktualisieren und damit auch den idealen Exit-Zeitpunkt zu verpassen. Dieser bestimmt, wann das Management idealerweise das strategische Fenster wieder schließen sollte. Jede gute Militärstrategie zeichnet sich gerade auch dadurch aus, dass eine Exit-Strategie schon beim Kriegseintritt vorliegt. Die amerikanische Bush-Administration wurde für das Fehlen von Exit-Strategien in der AfghanistanAuseinandersetzung und im Irakkrieg heftig kritisiert. Auch für Geschäftsfeldstrategien sind die Bedingungen für allfällige Exits oder Ausstiege zu formulieren. Diese halten fest, wann und wie man sich aus einem Markt oder einem Business zurückzieht. Häufig werden die vorhandenen Aktiva dann an Wettbewerber verkauft, wenig profitable Produkte aufgegeben, Geschäfte eingestellt oder noch aktuelle Marken weiterveräußert. Derek Abell stellte fest, dass die strategischen Fenster in der Regel zu lange offen bleiben, wodurch Mittel nicht optimal genutzt werden. Ein strategisches Fenster wird in erster Linie durch die aktuellen Geschäftschancen und das Konkurrenzverhalten bestimmt. Abells Überlegungen führten dazu, dass moderne Planungssysteme jede strategische Absicht, Initiative oder Maßnahme mit einem »provisorischen geplanten Ablaufdatum« (planned obsolescence) versehen. 48
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Strategie-Titanen: Klassiker der Königsdisziplin
Ein echter Führer handelt mit Hoffnung. Napoleon Bonaparte
Wo findet man am besten strategische Inspiration für seine Arbeit, beim Hunnenkönig Attila oder beim heiligen Franz von Assisi? Analysiert man die Logik der Strategie besser beim Poker, Sport, Schach oder im Bereich der Kriegsführung? Von allen großen historischen Figuren der Kriegsführung, wie zum Beispiel Alexander dem Großen, Julius Caesar, Hannibal, Achilles, Dschingis Khan oder Winston Churchill, sind strategische Handlungsprinzipien überliefert, die immer wieder über Neuauflagen ihren Weg in die Zukunft finden. Aber auch Kapitäne der Wirtschaft, wie beispielsweise Ferdinand Porsche, Henry Ford, Bill Gates (Microsoft), Steve Jobs (Apple), Jack Welch (GE), John D. Rockefeller (US-Industrieller – Eisenbahnen), Andrew Grove (Intel), Richard Branson (Virgin), Ferdinand Piëch (VW) oder Anita Roddick (Body Shop), haben ihre Führungserkenntnisse in treffende Mottos gegossen. Diese leben immer wieder in Reden, Bucheinleitungen oder als Motivationsimpulse in Jahreskalendern auf. Doch welche strategischen Einsichten bieten sie?
Great Man: Mit Leadern auf Erfolgskurs Das Thema der »idealen Führungskraft« ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Schon immer waren die Menschen auf der Suche nach Leadern und Vorbildern für eigenes Verhalten. Wirft man einen Blick zurück, findet man große Galerien voller Büsten verehrter Persönlichkeiten. Sie alle spielten in ihrer Zeit als Katalysatoren eine wesentliche Rolle und hinterließen ihre Spuren in der Geschichte der Menschheit. Denken wir an Alexander den Großen, an den Apachen-Häuptling Cochise, an Mao Zedong in China, Napoleon in Europa, Kim Il Sung in Nordkorea, Ho Chi Minh in Vietnam oder auch an den inspirierenden Leader Nelson Mandela oder die Not lindernde Mutter Theresa aus Kalkutta oder an die eiserne Lady, Margret Thatcher aus Großbritannien. Strategie-Titanen: Klassiker der Königsdisziplin
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Der schottische Geschichtsschreiber Thomas Carlyle prägte im 19. Jahrhundert mit seiner Aussage, dass die Geschichte nichts anderes als eine Biografie »Großer Männer« sei, das Denken über große Strategen und ihre erfolgreichen Strategien.36 Erst der Zweite Weltkrieg drängte diese Theorie des »Great Man« in den Hintergrund. Trotzdem sind aber die Ansichten zur überragenden Rolle »Großer Männer« nie verschwunden. Sind denn große Strategen wirklich auch »großartige Männer«? Die klassische Führungslehre sieht den Leader selber als die zentrale Quelle, die den strategischen Erfolg maßgeblich bestimmt. Im Sinn des Historikers Thomas Carlyle ist ein wirklicher Leader ein »Great Man«, der großartige Spiritus Rector des strategischen, nachhaltigen Erfolgs. Er alleine inszeniert und realisiert durch sein Wirken den Vorsprung. Er nutzt die Chancen und wendet Gefahren ab. Und er gibt den Dingen auch in ausweglos scheinenden Situationen wieder Sinn und Richtung. Was charakterisiert diesen Führungstyp? Salopp ausgedrückt: »Er hat’s eben, und die anderen haben es eben nicht.« Doch was haben die großen Führer, was den anderen fehlt?37 In jahrzehntelangen Forschungen suchte man nach diesen dominanten Eigenschaften und Fähigkeiten starker Persönlichkeiten. Gefunden wurde vieles, erklärt aber wenig. Die Forscher entdeckten zum Beispiel Leadership-Faktoren wie Körpergröße, Dominanzverhalten, Anpassungsfähigkeit, Wendigkeit, Sympathie, Willensstärke, Extraversion, Intelligenz, Körpergewicht, Originalität, Charisma, Macht, Hingabe, Entschlusskraft, Maskulinität und Fleiß. Doch erklären diese Eigenschaftsfaktoren wirklich, was eine Person zu einem echten Leader macht? Nein, denn für all diese Eigenschaftsfaktoren lassen sich im Nu auch erfolgreiche Gegenbeispiele finden. Peter Drucker, führender Vordenker des modernen Managements, ist hingegen der Überzeugung, dass Spitzenkräfte in Unternehmen, Verwaltungen und anderen Organisationen keine bestimmten Charaktereigenschaften benötigen, um ihr Business mit Erfolg zu führen.38 Laut seinen Überlegungen und Beobachtungen beruht erfolgreiches Management auf acht ehernen Verhaltensprinzipien: 1. Erfolgreiche Führungskräfte fragen sich, was getan werden muss. 2. Erfolgreiche Führungskräfte fragen sich, was gut und richtig für das Unternehmen ist. 3. Erfolgreiche Führungskräfte schmieden Aktionspläne. 4. Erfolgreiche Führungskräfte übernehmen die Verantwortung für ihre Entscheidungen. 5. Erfolgreiche Führungskräfte stellen sicher, dass die Kommunikation stimmt. 6. Erfolgreiche Führungskräfte konzentrieren sich mehr auf Chancen als auf Risiken. 50
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7. Erfolgreiche Führungskräfte führen effektive Meetings durch. 8. Erfolgreiche Führungskräfte denken und sprechen in der Wir-Form und nicht in der Ich-Form. Der Great-Man-Ansatz hat heute ausgedient. Er ist nicht nur semantisch männerzentriert, sondern wird auch durch die erfolgreiche Alltagspraxis vieler Führungspersönlichkeiten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft widerlegt. Der weltweit anerkannte Leadership-Experte Warren Bennis der University of Southern California hat sich sein ganzes Arbeitsleben wissenschaftlich mit dem Leaderhip-Thema auseinandergesetzt. Seine Erkenntnisse zeigen, dass erfolgreiche Führung nicht angeboren ist, sondern vielmehr eine erlern- und trainierbare Disziplin darstellt. Jeder kann seine Leadership-Qualitäten fördern und professionalisieren. Führung findet in den unterschiedlichsten Konstellationen statt und lässt sich daher nie auf einen formelhaften Nenner spezifischer persönlicher Eigenschaften bringen. In Unternehmen ist zudem der Entwurf von Visionen und von Zielsetzungen, aber auch die Umsetzung strategischer Absichten im Arbeitsalltag ein gemeinschaftliches Unterfangen. Situationen, Probleme, Lösungen, Personen und das Timing müssen zusammenpassen, um den Erfolg zu bewirken. Ein »Great Man«, der immer wieder das Zepter schwingt, kann für manche Konstellationen eine Idealbesetzung sein, aber in vielen anderen ein Desaster bewirken. Eigenschaften, die in einer bestimmten spezifischen Situation entscheidend sind, können in einer anderen vollkommen belanglos, ja sogar kontraproduktiv sein. Schon die Fülle der eigenschaftsorientierten Ansätze und die unzählbaren Interpretationen zum Thema »ideale Führung« zeigen, dass die Eigenschaftstheorien gescheitert sind.39 Fredmund Malik, St. Galler Experte in Leadership-Fragen, bringt es auf den Punkt, wenn er bemerkt, dass die ideale Führungskraft heute weder antiker Feldherr, intelligenter Physik-Nobelpreisträger, redegewandter Fernseh-Showmaster noch eine Kreuzung aus alledem ist.40 Erfolgreiche Führungskräfte sind Personen, die in einem Unternehmen oder als Mitglied eines Teams effektiv dafür sorgen, dass Ziele gesetzt und mit Engagement weiterverfolgt werden, so dass die notwendigen Ergebnisse eintreten. Erfolgreiche Führer kümmern sich um Resultate.
Militär und Business: Zwei Welten strategischen Denkens Militärische Grundsätze finden sich nicht nur in vielen betriebswirtschaftlichen Bezeichnungen, sondern auch in geschäftsstrategischen Überlegungen. Militärisches Strategiedenken findet immer wieder seinen Weg in die GeStrategie-Titanen: Klassiker der Königsdisziplin
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schäftswelt und vice versa. Begriffe wie »im Konkurrenzkampf«, »Märkte erobern«, »Kunden überlisten und binden« sind einige Beispiele dafür. Doch passen Militär- und Geschäftsstrategien zusammen? Militär und Geschäftswelt sind zwei verschiedene Disziplinen. Die Militärstrategien haben ihren Zweck im Gewinnen von Territorien, die Geschäftsstrategien hingegen konzentrieren sich auf das Gewinnen von Marktpositionen. Aufs Gewinnen sind beide aus, aber in vollkommen unterschiedlichen Konstellationen. Militärische Aktionen erfolgen meistens unfreiwillig und unter Zwang. Ihre Absicht ist die »Unterwerfung« oder »Unschädlichmachung« des Feindes mit allen Mitteln. Gewinne des einen gehen dabei immer auf Kosten des anderen. Auch der Mitteleinsatz ist mit demjenigen der Geschäftswelt nicht zu vergleichen. Business ist freiwillig und unternehmerisch. Die Gewinne des einen erfolgen nicht direkt auf Kosten des anderen. Beim Business geht es nicht darum, einen Konkurrenten auszustechen, sondern Märkte und Kunden zu gewinnen und längerfristig zu bedienen. Diese Überlegungen zeigen, dass sich Militär- und Business-Strategie fundamental unterscheiden. Trotzdem spielen in beiden Welten Management, Führung und die Nutzung von strategischen Absichten eine wichtige Rolle für den Erfolg. Daher können beide Disziplinen durchaus auf einer konzeptionellen Ebene voneinander profitieren, weniger aber auf einer operativen. Ihre Wesensunterschiede gilt es aber immer zu beachten. Vor allem in den 80er Jahren waren Strategieansätze von Militärdenkern en vogue. Die Buchtitel hierzu explodierten, und die Werke von Sun Tzu, Mao Zedong oder Clausewitz wurden zu Bestsellern für Führungskräfte. Selbst heute ist ihr Absatz immer noch erstaunlich. Welche Impulse geben sie der strategischen Führung?
Sun Tzu: Denn wahrhaft siegt, wer nicht kämpft Mao Zedong war ein großer Liebhaber der Lehren des Sun Tzu, und auch Napoleon Bonaparte soll die Werke des chinesischen Meisters der Kriegsführung eingehend studiert haben. Sun Tzu (544 v. Chr. – 496 v. Chr.), chinesischer General, Militärdenker und Kriegsführer, gilt als Klassiker der Strategielehre. Sein mittlerweile über 2 000 Jahre altes Buch Die Kunst des Krieges ist bis zum heutigen Tag eines der bedeutendsten Strategiewerke. Sun Tzu ist eine historische Person, doch über das wirkliche Leben des Meisters weiß man sehr wenig. Er war Heerführer der Truppen im Staate Wu und leitete mit großem Erfolg eine Reihe von Feldzügen. Berichtet wird von einer Schlacht im 52
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Reich Chu, bei der er mit seinen 30 000 Kriegern gegen eine zehnfache Übermacht einen glamourösen Sieg errang. Das Buch Die Kunst des Krieges von Sun Tzu umfasst dreizehn Kapitel, in denen er unter anderem über Strategie, Kriegsführung, Angriff, Taktik, Energieeinsatz, Stärken/Schwächen, Manöver und den Einsatz von Spionen referiert.41 All dies sind Themen, die durchaus auch in einem zeitgemäßen Lehrbuch des strategischen Managements vorkommen können. Nimmt man die Aussagen Sun Tzus wörtlich, so ist deren Aktualität nach zweieinhalb Jahrtausenden verblasst. Sie sind auch mit der modernen Kriegsführung kaum mehr vereinbar. Doch interpretiert man seine Prinzipien und Lehrsätze sinngemäß, sind viele seiner Aussagen zeitlos. Auch heute werden daher Sun Tzus Lehren an Militärakademien und Business Schools rund um den Globus weitergegeben. Der in den letzten Jahren aktuelle strategische Grundsatz des »First Mover Advantage« – also der Vorsprung des Vorreiters einer cleveren Geschäftsidee, der den ersten Schritt vor der Konkurrenz wagt, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern – fußt auf Sun Tzus Lehre. Vor allem in den hitzigen Internet-Boomjahren um die Jahrtausendwende wurde dieses Strategieprinzip für viele Start-ups zum ehernen Credo hochstilisiert. Wer eine neue Technologie entwickelte oder eine smarte Geschäftsidee erfand, suchte sich Kapitalgeber, überzeugte diese mit dem Sun-Tzu-Grundsatz und lancierte sein Konzept mit großem Pomp im Markt. Damit wurden neue und oft noch unausgegorene Geschäftsmodelle zur Realisierung freigegeben, ohne zu wissen, wie das neue Business überhaupt ticken sollte. Die Lehren des Sun Tzu sind sehr wettbewerbsorientiert. Sun Tzu ist aber nicht auf Konfrontation aus, sondern eher konfliktscheu. Er legt bei seinen Strategieempfehlungen großen Wert darauf, direkte Auseinandersetzungen so weit wie möglich zu vermeiden. Konflikte und Kriege treiben den Staat und das Volk nach seiner Ansicht in den Ruin. Bekannt ist vor allem seine Aussage: »Die größte Leistung der Kriegsführung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne Kampf zu brechen.« Sun Tzu setzt darauf, die Strategie des Gegners mit allen verfügbaren Mitteln abzuwenden, seine Bündnisse mit Dritten aufzubrechen und erst in der letzten Konsequenz zu kämpfen. Für Sun Tzu ist derjenige der wahre Sieger, der nicht kämpft. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum vor allem auch Partisanenkämpfer rund um den Globus seine Werke eingehend studieren. Selbst in den amerikanischen Militärakademien findet Sun Tzus Gedankengut nach den Desastern der letzten Kriege wieder aufmerksames Gehör. Der chinesische Präsident Hu Jintao konnte sich die pikante Geste bei seinem offiziellen Staatsbesuch am 19. April 2006 in den USA nicht verkneifen, eine seidenbestickte Sun-Tzu-Ausgabe als Geschenk für Präsident George W. Bush mitzubringen … denn in Wahrheit siegt, wer nicht kämpft. 42 Strategie-Titanen: Klassiker der Königsdisziplin
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Clausewitz: Strategie als Zweck und als Ziel Der deutsche Militärstratege und preußische General Carl von Clausewitz (1780 – 1831) verfasste eines der bedeutendsten Werke zur Kriegsführung schlechthin. Sein Werk Vom Kriege erläutert das Wesen der Strategie, besonders ihren dynamischen und ungewissen Charakter. In den unsicheren Zeiten des Krieges hat nur derjenige Erfolg, der auf strategische Prinzipien setzt, diese aber flexibel in der Praxis anwendet, also weder doktrinär noch rezepthaft oder stur vorgeht. Clausewitz wurde schon von Eisenhower, Kissinger, Lenin und vielen anderen Persönlichkeiten eingehend studiert und immer wieder rezitiert. Selbst die amerikanische Harvard University führt in ihrem Lehrplan einen Kurs zur Militärstrategie von Carl von Clausewitz, um das strategische Denken der Business-Studenten zu trainieren. Auch das amerikanische Beratungsunternehmen Boston Consulting Group veröffentlichte ein Buch zum Einsatz der strategischen Gedanken von Clausewitz für das Geschäftsleben.43 Clausewitz schrieb sein Werk in einer Epoche, die mit unserer heutigen Geschäftswelt vergleichbar ist. Nach der Französischen Revolution herrschte eine Ära des Chaos, des Umbruchs, der Unsicherheit und der raschen Vergänglichkeit. Entscheide mussten mit großem Risiko und unter hoher Ungewissheit getroffen werden. Überlieferte Patentrezepte gab es damals keine. Und auch von Clausewitz konnte keine einfachen Regeln anbieten. Aber seine Grundsätze, wie zum Beispiel »Konzentriere dich auf das Wesentliche«, haben keinen Zeitwert. Sie sind heute so aktuell wie damals. Feldzüge lassen sich für von Clausewitz nur zu einem sehr geringen Grad planen, da zu viele unkalkulierbare Ereignisse auftreten und Absichten zunichte machen. Die Wirklichkeit des Krieges ist durch »Friktionen« bestimmt, das heißt durch viele unvorhersehbare große und kleine Schwierigkeiten, welche die Realisierung einer geplanten Strategie behindern. Trotzdem darf der überragende Zweck aller Anstrengungen nie aus den Augen verloren werden. Ein Krieg ist nie Selbstzweck, sondern immer nur eine Fortsetzung der politischen Absicht mit anderen Mitteln.44 Clausewitz analysierte eingehend die Auseinandersetzungen seiner Zeit. So entwickelt er das Konzept von Zweck, Ziel und Mittel. Jeder Krieg muss einem wichtigen, notwendigen Zweck (Absicht) folgen, der von der Politik zu bestimmen ist. Um diesen zu erfüllen, sind strategische militärische Zielsetzungen festzulegen und mit entsprechenden Mitteln zu erreichen. Damit führt von Clausewitz eine wichtige Unterscheidung zwischen Zweck und Ziel ein. Der Zweck gibt dem strategischen Ganzen seinen Sinn und seine Stoßrichtung. Die Zielsetzungen hingegen sind die konkreten anzustrebenden Ergebnisse. Ziele ändern sich im Verlauf immer wieder, der Zweck ist viel beständiger. Im Business bestimmen zum Beispiel der Return on Investment, Deckungsbeiträge 54
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oder Umsatzziele nicht den Zweck des strategischen Handelns. Viele Führungskräfte schenken dieser strategisch wichtigen Zweckdefinition wenig Beachtung. Die Formulierung einer »Vision« und einer »Mission« sind die Führungsinstrumente dazu.
Napoleon Bonaparte: Unkonventionell und schnell Napoleon Bonaparte wurde 1769 auf Korsika geboren, ein Jahr nach dem Verkauf der Insel von Genua an Frankreich. Sein Vater war ein bekannter Unabhängigkeitskämpfer Korsikas. Schon mit 16 Jahren erhielt Bonaparte sein Offizierspatent in Frankreich. Neben dem Militär interessierten ihn vor allem die Literatur, die Schriftstellerei und später die Politik. Als Verfasser des Code Civil schuf er ein Gesetzeswerk, das heute noch Gültigkeit hat. Napoleon verstarb einsam in der Verbannung auf St. Helena 1821. Napoleon Bonaparte gehört zu den großen Strategen seiner Zeit. Er überraschte seine Gegenspieler, indem er Konventionen erkannte und diese zum Erstaunen seiner Gegner kurzerhand brach. Seine Einheiten organisierte er relativ autonom, damit sie selber und flexibel ihre Entscheidungen treffen und umsetzen konnten. Mit besonderer Vorliebe attackierte er die Logistikketten seiner Gegner, was manche Schlacht hinfällig werden ließ. Aber Napoleon wurde besonders wegen seiner Blitzfeldzüge gefürchtet. (Diese napoleonische Idee übernahm Adolf Hitler als »Blitzkrieg« in sein Strategierepertoire.) Voraussetzung für den Erfolg dieser Strategie der Überraschung war, dass die napoleonischen Truppen schneller marschierten. Napoleon nahm auch weniger Rücksicht auf Verluste, sondern drängte darauf, rasch Erfolge zu erzielen. Während einer Schlacht beobachte er das Geschehen immer genauestens. So suchte er unentwegt nach Schwachstellen in der gegnerischen Strategie, Aufstellung und Ausführung. Erkannte er eine Chance, zögerte er nicht im Geringsten. Er griff mit seinen Truppen schnell und massiv an, um einen fulminanten Durchbruch zu erzielen. So sagte er, dass es mit dem Krieg wie mit der Belagerung einer Festung sei. Man muss sein Feuer auf ein und denselben Punkt konzentrieren. Nachdem die Bresche geschlagen und das Gleichgewicht gestört ist, ergibt sich alles Übrige wie von selbst. Napoleon Bonaparte setzte auf folgende strategische Prinzipien: 45 • Prinzip der Genauigkeit
Es gilt, mögliche Konsequenzen vorherzusehen. Dazu muss man alle Ressourcen nutzen und jegliche Informationsquellen anzapfen. Nach genauer Analyse entsteht ein exakter Plan. Strategie-Titanen: Klassiker der Königsdisziplin
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• Prinzip der Flexibilität
Kein Plan und keine Vorgehensweise sind unverrückbar. Die Zielsetzungen sind klar und gegeben, die Umsetzung aber muss situativ flexibel gehandhabt werden. • Prinzip der Geschwindigkeit Die Wahrscheinlichkeit eines Vorteils wird durch Geschwindigkeit drastisch erhöht. Wer rasch handelt, gewinnt. Der Überraschungseffekt ist wichtig. • Prinzip der Einfachheit Instruktionen müssen klar, verständlich, ausführbar und daher simpel sein. Es dürfen keine Missverständnisse bei der Ausführung auftreten. • Prinzip des kühlen Kopfs In allen negativen, aber auch positiven Situationen ist ein kühler Kopf zu bewahren. Die Konstellationen können sich rasch ändern. Diese strategischen Prinzipien ergeben auch in der heutigen Geschäftslandschaft durchaus einen Sinn.
Mao Zedong: Mit Guerilla-Strategie zum Erfolg Mao Zedong oder Mao Tse-tung, einer der großen kommunistischen Vordenker und Revolutionäre, lebte von 1893 bis 1976. Er setzte konsequent auf die Strategien des Guerillakampfes im chinesischen Aufstand gegen das Kaiserregime. Mao organisierte kleine mobile Kampfgruppen, lockte die Gegner in unbekanntes Terrain und überfiel sie dort gnadenlos. Maos Strategie war es, seine Feinde durch eine demonstrative Brutalität zu entmutigen. So versetzte er sie, wo immer möglich, in Angst und Schrecken. Er verleitete seine Anhänger zu Gräueltaten, damit es für sie kein Zurück mehr geben konnte. Ebenso forderte Mao die Denunziation und Selbstanklage seiner Genossen. Der Genosse Mao Zedong fasste seine Worte als Vorsitzender in der kleinen roten »Mao-Bibel« zusammen, welche die chinesische Regierung 1966 veröffentlichte. Die gesamte Auflage wird auf weit über eine Milliarde geschätzt. Aus einer Geschäftsperspektive interpretiert liefert Mao Einsichten in die Regeln der Guerilla-Strategie. Die Guerilla-Strategie baut ihren Erfolg auf wendige Einsätze mit geringen Mitteln auf. Überraschungseffekte, Angriffe aus dem Hinterhalt oder auch »unfaire« Praktiken sind zur Sicherung eines eigenen Vorsprungs legitim. Vor allem im Marketing konnte sich das »Guerilla Marketing« etablieren, welches auf ungewöhnliche Aktionen zur Erreichung großer Effekte zielt.46 Guerilla Marketing ist überraschend, wendig, einfach und vor allem anders. 56
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Es soll durch Unberechenbarkeit, Frechheit, Unverfrorenheit und Vorwitzigkeit eine hohe Aufmerksamkeit erzeugen. Selbst etablierte Unternehmen wie beispielsweise BMW, Mini, Mercedes, Burger King, Google oder Nike nutzen heute diese Form der Marktbearbeitung, um ihre Marken zu dynamisieren. Guerilla Marketing wurde aber ursprünglich insbesondere für Unternehmen mit kleinen Marketingbudgets entwickelt, um mit jedem eingesetzten Euro ein Maximum an Markteffekten herauszuholen. Die Grundlage vieler Maßnahmen basiert nicht auf Studien und Marktforschung, sondern auf psychologischen Erkenntnissen des menschlichen Verhaltens. Was zeichnet das Guerilla Marketing aus? Es scheut keine Attacken gegen die Konkurrenz, nutzt vergleichende Werbung (im gesetzlichen Rahmen), wirbt Schlüsselmitarbeiter von Wettbewerbern ab, bildet Zweckallianzen, um Gegner zu überrunden, bietet überraschende Preisreduktionen und dergleichen mehr. Vor allem aber setzt Guerilla Marketing auf Flexibilität und ein laufendes Austesten seiner Aktionen. Was funktioniert, wird weiterverfolgt, was nicht, wird rasch wieder verworfen. Ein Guerilla Marketer scheut sich nicht vor einem Rückzieher (vergleiche Abbildung 6).
Abbildung 6: Guerilla-Strategien im Business
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Jack Welch: Inspiration vom »Super-Manager« Jack Welch gilt weltweit als einer der herausragenden Business-Leader.47 Er wird schon zu seinen Lebzeiten als »Legende« gehandelt. Welch führte den Weltkonzern General Electric (GE) von 1981 bis 2001 und war insgesamt 40 Jahre für das Unternehmen in verschiedenen Funktionen tätig. Während seiner Amtszeit erhöhte er die Marktkapitalisierung des Unternehmens um die gewaltige Summe von 400 Milliarden US-Dollar. Jack Welch startete nach dem Studium als Jungingenieur seine Karriere bei GE und blieb dem Unternehmen während seines ganzen Geschäftslebens treu. In den 80er Jahren unterwarf er GE einer Radikalkur, die einen massiven Personalabbau beinhaltete. Dank dieser Radikalkur und dank der strategischen Neuausrichtung schaffte er den Turnaround für GE. Jack Welch gilt als zupackend, direkt, ungeschminkt und für einen Top Executive fast kumpelhaft. 1980 zählte der GE-Personalbestand 411 000 Mitarbeitende und schon Ende 1985 nur noch 299 000. In derselben Phase erhöhte GE aber seinen Marktwert um ein Vielfaches. Den industrielastigen, verstaubten und schwerfälligen Konzern gestaltete Welch zu einem wendigen Mischkonzern um, der auf attraktive Geschäftsfelder wie zum Beispiel Financial Services setzte. Diesen enormen Wandel konnte Jack Welch nur durch engagiertes Leadership als Motivationschampion und Visionär bewirken. Als er 1980 das Amt des CEO übernahm, erwirtschaftete GE knapp 27 Milliarden US-Dollar. 2001, bei der Übergabe an seinen Nachfolger Jeff Immelt, war der Umsatz auf fast 130 Milliarden US-Dollar geklettert. Seine Leistungsausweise als Führungskraft und Stratege sind beeindruckend. Jack Welch praktizierte einen Führungsstil, der Mitarbeitende bewegt und auf höchste Professionalität setzt. Er empfand sich nicht als der »Super-Manager«, sondern erwartete von seiner Führungscrew in den verschiedenen Geschäftszweigen und Tochtergesellschaften ebenfalls eine Spitzenperformance und ein engagiertes Leadership. Um dies sicherzustellen, entwickelte er die Idee seiner häufig kontrovers diskutierten »Vitalitätskurve« (vitality curve), die er zur Bewertung der Qualitäten seiner Führungskräfte konzernweit einsetzte. Alle Führungskräfte werden dabei in einem einfachen ABC-Schema klassiert. Die A-Player sind seine Top-Leistungsträger, die B-Player erbringen akzeptabel gute Leistungen für den Konzern, und die C-Player »sollte man am besten gehen lassen«. Die Vitalitätskurve teilt alle führenden Leistungsträger in 20 Prozent A-Player, 70 Prozent B-Player und 10 Prozent C-Player ein. Die drei Führungstypen haben gemäß dem Vitalitätsansatz folgende Eigenschaften: • A-Player
Die A-Player besitzen »E4-Leadership«-Eigenschaften. (E4 ist eine Abkürzung für: Energy – sie setzen auf Motivation von innen 58
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heraus; Energizer – sie können andere begeistern und zum Handeln motivieren; Edge – sie sind mutig, herausfordernd und wettbewerbsorientiert; Execution – sie liefern erkennbare und messbare Resultate.) Diese Führungskräfte entwickeln strategisch wichtige Visionen für ihren Geschäftsbereich. Sie sind engagiert, dynamisch und vorwärtstreibend. Die A-Typen verstehen es, ihre überragenden Ideen in sichtbare Ergebnisse zu überführen. Sie entwickeln Strategien und erwecken diese zum Leben. APlayer treiben das Unternehmen in die Zukunft. • B-Player Diese Gruppe von Führungskräften ist für die Strategieumsetzung sehr wichtig. Sie wirken als Multiplikatoren, auch wenn sie weniger »visionär« sind. Die B-Player sind die tragenden Säulen des Geschäfts und stabilisieren. • C-Player Die C-Player behindern hingegen den Fortschritt für ihren Geschäftsbereich. Sie »kosten« mehr Energien, als sie produzieren. Daher empfiehlt Jack Welch, diese Führungsgruppe möglichst von dannen ziehen zu lassen und sie durch neue Kräfte zu ersetzen. Der Erfolg von GE mit diesem radikalen Leadership-Selektionssystem gibt Jack Welch recht. Vor allem in der Unternehmensberatungsszene ist das Welch-Modell sehr häufig in der »Up or out Policy« anzutreffen. Entweder schaffen es Jungberater rasch, die hausinterne Karriereleiter emporzusteigen, oder sie tun gut daran, rechtzeitig aus eigenen Stücken abzuspringen. Auch andere große (vor allem amerikanische) Firmen wie Motorola, Microsoft, Sun Microsystems, Cisco, aber auch Siemens und Infineon haben auf diese Rankings gesetzt. Die meisten Konzerne haben sich aber von diesem brachialen Führungsansatz wieder verabschiedet. Von vielen Praktikern und Wissenschaftlern wurde das »2070-10-Modell« der Vitality Curve aus ganz verschiedenen Gründen heftig kritisiert. Unbestritten ist, dass diese Art der Führungs- und Mitarbeiterselektion zu einer »Dog-eat-Dog« Kultur führt. Diese Führungs- und Unternehmenskultur setzt viel zu wenig auf Kooperation, Teamarbeit und eine partnerschaftliche Lösung der Probleme. Zudem sind die Kosten einer dauernden Personalumwälzung gravierend hoch, ohne dass interne Fortschritte erzielt werden. Diese Mittel könnten effektiver zum Beispiel in eine geschäftsbezogene Weiterentwicklung und Schulung investiert werden. Der Rankingansatz der Führungsentwicklung steht außerdem in einem diametralen Gegensatz zum erfolgreichen japanischen Management. Dieses schenkt dem Langfristaspekt der Zusammenarbeit und der intensiven Pflege der Unternehmenskultur eine große Beachtung. Positiv bewertet werden muss hingegen, dass jeder Mitarbeitende seine Beurteilung auf eine einfache Weise klar erkennen und entsprechende persönliche Maßnahmen für sein eigenes Handeln ergreifen kann. Strategie-Titanen: Klassiker der Königsdisziplin
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Das renommierte Fortune Magazine setzte sich in einer Ausgabe mit dem Titel »Sorry, Jack!« mit den strategischen Erfolgsregeln des »Super-Managers« Jack Welch auseinander.48 Bis vor kurzem war Jack Welch vor allem in den USA der Inbegriff einer erfolgreichen, professionellen Führung. Doch das Fortune Magazine stellte fest, dass sich die Zeiten mittlerweile grundlegend geändert haben. Die Globalisierung, die verschärfte Wettbewerbsdynamik, die volatilen Märkte, die fordernden Kunden und die neuen Technologien prägen die Geschäftslandschaft. So hat das Magazin führende CEOs weltweit tätiger Konzerne, aber auch Jack Welch selber interviewt, um herauszufinden, welche der Regeln dringend aktualisiert werden müssten.49 Das Heft konstatierte, dass die Ära des globalen, hoch dynamischen Wettbewerbs ein Set frischer, angepasster Erfolgsregeln dringend benötige. Abbildung 7 stellt die neuen und alten Regeln für Geschäftserfolg zusammen. Abbildung 7: Die Erfolgsregeln der Ära von Jack Welch und die der nächsten Ära
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Strategeme: Weglaufen als beste Strategie Ein Strategem ist eine List oder ein Trick im privaten, militärischen, beruflichen oder betrieblichen Umfeld. Strategie und Strategem sind nicht zu verwechselnde, trotzdem aber verwandte Begriffe. Vor allem im asiatischen Raum 60
Handbuch der Strategien
bilden Strategeme gerne die Essenz von Strategien. Ein Strategem ist das überraschende Moment oder die clevere Idee für den nachhaltigen Vorsprung vor der Konkurrenz. In China werden Strategeme seit Jahrhunderten überliefert und gelehrt. Sie genießen einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert und sind nach wie vor aktuell. Das Aushecken, Anwenden, aber auch das Durchschauen einer List wird sehr geachtet. Ein wirklich kompetenter Leader muss fähig sein, Strategeme zu nutzen. In China gelten Strategeme auch als die »Geheimnisse der geschickten Kriegsführung«. Doch so geheim, wie sie einst waren, sind diese Prinzipien der List heute auch nicht mehr. Die 36 Strategeme, welche General Tan Dao Ji (ca. 400 nach Christus) zugeschrieben werden, gehören heute zum allgemeinen Lehrstoff an den chinesischen Volksschulen.50 Sie sind gruppiert in 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Prinzipien, um den Vorsprung auszubauen, Prinzipien, die den Umgang mit zwei gleich starken Kräften regeln, Prinzipien für den direkten Angriff, Prinzipien, um den Angreifer zu verwirren, Prinzipien, die helfen, Terrain zu gewinnen, Prinzipien, wenn man selber im Nachteil ist.
Doch das überragende Prinzip aller Strategeme ist die Flexibilität in ihrer Handhabung. Bekannt ist vor allem das 36. Strategem: »Weglaufen ist die beste Methode.« Wenn alle anderen Strategeme versagen, dann ist Weglaufen angesagt. Sich ergeben wäre eine Niederlage, einen Vergleich anzustreben bedeutet eine »halbe« Niederlage. Nur mit Weglaufen erhält man sich die Chance, doch noch einen Weg zum Gewinnen zu finden. Strategeme können auch als universell einsetzbare Muster des strategischen (kompetitiven) Denkens interpretiert werden. Sie sollen das Denken und Handeln auf die Erringung eines Vorsprungs gegenüber den Konkurrenten konzentrieren. Auch in Indien und im arabischen Raum spielen Strategeme schon seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle in Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. In der westlichen Tradition hingegen werden List, Täuschung oder gar Tricks wenig geschätzt. Selbst in der Kriegsführung gelten List und Betrug als verwerflich. Diese unterschiedlichen kulturellen Werte führen natürlich dazu, dass sich westliche Führungskräfte in Verhandlungen mit ihren asiatischen Partnern manchmal schwertun.
Strategie-Titanen: Klassiker der Königsdisziplin
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Marktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats
Wie ich pleite ging? – Zuerst Schritt für Schritt, dann plötzlich total. Ernest Hemingway
Die »4P«-Strategien: Auf der Marktbearbeitungsklaviatur spielen Marktstrategien haben ihren Ursprung im Marketing. Ihnen gemeinsam ist, dass weniger die Produktentwicklung als die Vermarktung und die Erschließung attraktiver Kundensegmente sowie die Gewinnung von Neukunden interessieren. Der auf die Marktbearbeitung und Markterschließung ausgerichtete Teil der Unternehmensstrategie ist die Marketingstrategie. Sie hat den Zweck, Angebote zu vermarkten, Kunden zu gewinnen, Marken zu etablieren, Produkte zu distribuieren sowie die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden zu gestalten. Dem strategischen Marketing kommt aber auch die Aufgabe zu, das Unternehmen beziehungsweise das Geschäft gegenüber der Konkurrenz zu profilieren und das gesamte Angebot kompetitiv erfolgreich zu gestalten. Dies ist die Aufgabe der »4P«. Die Marketingstrategie ist der clevere Mix der klassischen vier »P«, wie sie schon in den 60er Jahren vom Harvard-Marketingprofessor Jerome McCarthy propagiert und in den Publikationen des Marketingexperten Philip Kotler verbreitet wurde.51 Je nach Zielmarkt und Marktsegment werden diese vier Strategiebausteine zielgruppengerecht ausgerichtet und durch eine Fülle von Maßnahmen gestützt. Welche vier »P« stehen zur Verfügung? 1. »Produkt«-Baustein: Produktstrategie Das traditionelle Marketingdenken geht von der Regel aus: »Gute Produkte verkaufen sich von selbst.« Doch schlechte Produkte gehören heute immer mehr der Vergangenheit an. Gute Produkte, viel zu viele gute Produkte füllen die Regale. Diese voneinander zu differenzieren, ist eine zentrale Herausforderung für das Marketing. Unter diesen Baustein fallen unter anderem die folgenden Themen, die es für den Kunden maßgeschneidert zu 62
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gestalten gilt: Funktionalität der Produkte, Produktdifferenzierung, Einsatz- und Nutzungsbereiche, Design, Qualitätsniveaus, Verpackungsformen, Markengestaltung, Service, Support, Garantien. 2. »Preis«-Baustein: Preisstrategie Bei diesem Baustein drehen sich die marketingstrategischen Entscheidungen um das Thema »Pricing« (Preisgestaltung). Hierunter fallen Themen wie Listenpreise, Rabattstaffelungen, psychologische Preisgestaltung, Sonderdiscounts, Aktionen, Finanzierungen, Leasingoptionen und dergleichen mehr. 3. »Platzierung«-Baustein (place): Distributionsstrategie Dieser Gestaltungsbaustein beantwortet die Frage: »Ist das Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort und in der richtigen Menge verfügbar?« Hierzu gehören Themen wie Standortwahl, Vertriebspartnerschaften, Logistik, Handelspolitik, Vertriebskanäle, Marktabdeckung, Servicestellen, aber auch die virtuelle Platzierung im Internet. 4. »Promotion«-Baustein: Promotionsstrategie Promotionselemente sind: Werbung, Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations), Verkauf, Direktverkauf, Mundpropaganda, Internetpromotion, Point-of-Sales-Aktionen sowie die Mediagestaltung. Diese »4P«-Typologie ist bestimmt der weltweit bekannteste und am häufigsten genutzte Ansatz für ein professionelles Marketing.
Die »7P«-Strategien: Erweiterung der Instrumente zur Marktbearbeitung Im Lauf der Entwicklung der Marketinglehre sind immer wieder Versuche unternommen worden, diese vier grundstrategischen Bausteine des MarketingMix auszubauen. In der Praxis findet man heute den erweiterten MarketingMix der »7P«, welcher von den Marketingexperten Bernard Booms und Mary Bitner entwickelt wurde.52 Dieser Ansatz ist vor allem für Unternehmen der Dienstleistungsbranche von Bedeutung. Neben den oben dargestellten »4P«Bausteinen werden weiter die folgenden strategisch wichtigen Themenbausteine eingeführt: 5. »People«-Baustein (Mitarbeiter) Bei Dienstleistungen wird die Leistung durch die Mitarbeiter erstellt. Ihr Service ist damit ein »Teil« des Angebots. Die Friseurin, der Concierge, der Handwerker vom Schlüsseldienst, die Bedienung in der Bar oder der Chauffeur des Reisebusses haben einen direkten und wesentlichen Einfluss auf die Marktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats
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Gestaltung und Wahrnehmung der Leistung durch den Kunden. Auch dieser Leistungsteil ist aktiv zu gestalten. 6. »Prozess«-Baustein (process) Abwicklungen, Prozeduren oder Organisationsabläufe vereinfachen oder verkomplizieren. Die für den Kunden effektive und für das Unternehmen effiziente Gestaltung von Prozessen gehört zu jedem professionellen Marketing-Mix. 7. »Physisches-Umfeld«-Baustein (physical evidence) Das Umfeld, in dem eine Dienstleistung erbracht wird, beeinflusst die Wahrnehmung und das Erleben der Leistung. Dieses physische Umfeld lässt sich so gestalten, dass sich die Zufriedenheit der Kunden erhöht. Neue Ansätze gehen hier nochmals einen Schritt weiter. Der Kunde soll nicht nur zufrieden sein, sondern das Unternehmen sollte durch seine Leistungen und Angebote die Kunden begeistern. Daher gehört die Gestaltung von faszinierenden Erfahrungen auch zu dieser Marketingkomponente. Der Marketingexperte Philip Kotler empfiehlt zwei grundsätzliche Strategiepfade im Marketing, um die Ertragslage zu verbessern. Diese beiden Ansätze basieren auf den Strategiealternativen von Michael Porter von der Harvard University. • Ertragssteigerung durch Kostensenkung (denominator management)
Diese Strategie der Ertragsverbesserung setzt an der Kosten- und Effizienzseite des Unternehmensgeschehens an und nutzt die folgenden Maßnahmen: – Automatisierung – Standardisierung – Normierung – Sortimentsstraffung – Reengineering – Rationalisierung – Outsourcing • Ertragssteigerung durch Wertschöpfung (numerator management) Hier stehen die Differenzierung und die Ertragsseite des Unternehmensgeschehens im Fokus. Die folgenden Maßnahmen tragen zur Ertragssteigerung bei: – Wertsteigerung des Angebots durch Innovation – Wertsteigerung des Angebots durch Qualität – Premium-Strategie (Hochpreispolitik) – Entwicklung von Zusatzangeboten (vor allem auch im Servicebereich) – Bearbeitung neuer Märkte oder Marktsegmente – Erschließung von Nischen 64
Handbuch der Strategien
– Mass Customization – Personalisierung – Branding
Die »4C«-Strategien: Wenn der Kunde ins Zentrum rückt Das marktstrategische Konzept der »4P« ist wegen seiner Einfachheit in der Praxis vieler großer und kleiner Unternehmen weit verbreitet. Doch im Zeitalter offener, transparenter und virtueller Märkte ist eine Umkehr der Denklogik notwendig. Früher stand auf dem Banner der Marketer die Verkaufsorientierung, heute die Kundenorientierung.53 Dies bedeutet im Denken eine Kehrtwendung um 180 Grad. Statt der Frage »Wie bringe ich die Produkte an den Kunden?« steht nun die Frage »Wie begeistere ich oder fasziniere ich den Kunden für unsere Angebote?« im Vordergrund. Hier lösen nun die »4C« das bekannte Konzept der »4P« ab. Nicht die neuen Kürzel oder Bezeichnungen machen die Stärke des neuen Ansatzes aus, sondern die völlige Umdrehung der Betrachtung: Weg vom »Verkaufen« hin zur Betrachtung des Geschäftsbeziehung durch die Augen des Kunden selbst. Was steckt hinter den neuen Kürzeln? 1. »Customer Value« statt »Produktstrategie« (Wert des Produkts für den Kunden) Abklärung, was der Kunde wirklich will, was er braucht, worauf er verzichten kann. Produktentwicklung in Zusammenarbeit mit dem Kunden. Betrachtung, in welchem Umfeld der Kunde die Produkte nutzt. 2. »Cost to the Customer« statt »Preisstrategie« (»Kosten« für Kunden) Welche »Kosten« (oder besser Aufwendungen) entstehen dem Kunden beim Kauf des Produkts beziehungsweise bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung neben dem Produktpreis? Zum Beispiel: Welchen Weg muss der Kunde bis zum Point of Sales zurücklegen? Wie lange muss er auf einen Parkplatz warten? Wie aufwändig ist das Zahlungssystem für den Kunden? Benötigt der Kunde Vorkenntnisse, um das Produkt zu nutzen? Muss er das Produkt zuerst selber zusammensetzen? Welche Informationen muss er sich beschaffen? 3. »Convenience« statt »Distributionsstrategie« (Bequemlichkeit für den Kunden) Wie einfach macht es der Anbieter dem Kunden, seine Produkte beziehungsweise seinen Service zu nutzen: 24/7-Hotlines, Parkplätze, 0800er Telefonnummern, Internetsupport, Servicekonzepte? Wie erreicht der Anbieter den Marktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats
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Kunden rascher? Wie erreicht der Kunde den Anbieter schneller und bequemer? Wie kann der Einkaufsprozess möglichst angenehm gestaltet werden? 4. »Communication« statt »Promotionsstrategie« (Kommunikation) Ist die Kommunikation speziell, eindeutig und zum Angebot passend? Wird in der Sprache des Kunden gesprochen? Spricht man über Nutzen und Funktionen statt über technische Eigenschaften? Angestrebt wird ein Dialog mit dem Kunden (Dialogmarketing).
Produktlebenszyklus: Idealtypische Strategieempfehlungen Jeder biologische Organismus folgt einem Entwicklungszyklus. Folgen auch Produkte in ihrer Marktentwicklung dieser natürlichen Gesetzmäßigkeit? Die betriebswirtschaftliche Theorie geht davon aus, dass sich Produkte und Dienstleistungen umsatz- und ertragsmäßig entlang einer Sequenz von Stadien in einem »Lebenszyklus« (life cycle management) entwickeln. Der Harvard-Professor Theodore Levitt hat den Produktlebenszyklus zu einem der klassischen Strategiewerkzeug gestaltet. Produkte entwickeln sich nach seinem Konzept von der Einführungsphase über die Wachstumsphase und Reifephase bis zur Degenerationsphase ganz in Analogie zu Lebewesen. Die Phasen unterscheiden sich typisch voneinander durch eine spezifische Markt- und Wettbewerbssituation, eine dazu passende Marktstrategie und durch die finanziell zu erwartenden Ergebnisse. Doch Vorsicht, die Vorstellung, dass sich Absatz-, Umsatz- und Gewinnentwicklung entlang eines dynamischen Lebenszykluspfads entwickeln, ist naiv. Der Produktabsatz folgt keiner inneren Entwicklungsdynamik wie lebende Organismen. Das Produktlebenszyklus-Modell ist zwar sehr einfach nachvollziehbar, führt aber in der Praxis häufig zu Missverständnissen, Fehlentscheiden und Irritationen. Produkte können in jeder Phase stecken und durch entsprechende Strategien auch wieder von der einen in die andere überführt werden. Der klassische Produktlebenszyklus beschreibt den phasenartigen Entwicklungspfad eines Produkts am Markt von seinem Markteintritt bis zu seiner Herausnahme.54 Verschiedene Faktoren beeinflussen seine Dynamik. Eine große Rolle spielen dabei der Technologie- und Innovationszyklus sowie der Marktzyklus, der die Nachfragedynamik beschreibt. Auch die Verfügbarkeit von Substitutionsgütern wirkt sich auf den Verlauf der Kurve des Produktlebenszyklus aus (vergleiche Abbildung 8). Je nachdem, in welcher Absatz- oder Umsatzphase sich das Produkt oder die angebotene Dienstleistung befindet, 66
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sind spezifische Strategien einzusetzen, um das Beste für das Unternehmen herauszuholen. Die Phase im Lebenszyklus bestimmt die Preis-, Sortiments-, Technologie- und Marketingpolitik eines Unternehmens. 1. Markteinführung – Der Unternehmer (oft ein Pionierunternehmer) führt eine Marktneuheit ein. – Die ersten Kunden sind Early Adopters, das heißt Konsumpioniere. – Das Absatzwachstum erfolgt langsam ansteigend. – Marktbearbeitungsmaßnahmen (wie Werbung) sind sehr wichtig. – Das Preisniveau für eine Innovation kann entweder hoch angesetzt (skimming pricing) oder ein lockender Einführungspreis (penetration pricing) sein. Das »Skimming Pricing« erzielt zwar höhere Gewinne, führt aber zu einem längeren Diffusionsprozess und beinhaltet ein höheres Floprisiko. Das »Penetration Pricing« hingegen setzt darauf, rasch große Absatzvolumen zu erreichen und damit Märkte zu besetzen, doch dies erfordert eine höhere Kapitalbindung und führt zu einem höheren Wettbewerbsdruck. – Die Gewinnsituation ist aufgrund der hohen Marktbearbeitungskosten eher negativ. – Der Cashflow ist daher negativ. 2. Wachstumsphase – Der Unternehmer, der ein Produkt imitiert, steigt in diese Phase ein. – Die Kunden sind am Produkt sehr interessiert, und es entwickelt sich zu einem Renner. – Das Absatzwachstum ist steigend. – Die Werbung wird eher unterstützend eingesetzt, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. – Das Produkt rutscht in die Gewinnzone. – Der Cashflow wächst überproportional. 3. Reife- und Sättigungsphase – Auch konservative Hersteller interessieren sich für dieses Produkt. – Das Produkt wird von der breiten Masse gekauft. – Der Absatz ist nur noch schwach steigend, die Konkurrenz verschärft sich. – Nun werden Produktdifferenzierungen notwendig, um das Produkt attraktiv zu halten. – Die Preise beginnen zu bröckeln. – Der Umsatz steigt noch schwach, doch die Gewinne sinken. – Der Cashflow nimmt ab. Marktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats
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– Weitere Wettbewerber betreten den Markt. – Nun kauft auch eine späte Mehrheit das Produkt. – Die Werbung muss intensiviert werden, um die Marktposition zu sichern. – Es beginnt sich ein Preiskampf zu entwickeln. Die Margen sinken. – Das Produkt rutscht in Massenmärkte ab. – Der Cashflow sinkt weiter. 4. Degenerationsphase – Es entwickeln sich neue Produkte oder Substitutionsangebote. – Nur noch wenige Nachzügler kaufen das Produkt. – Der Absatz schrumpft, und der Markt wird nicht mehr als attraktiv bewertet. – Die Umsätze und die Gewinne schrumpfen. – Das Produkt wird vom Markt genommen. Bei der Markteinführung von Produkten und Dienstleistungen lassen sich zwei Strategietypen der Preisgestaltung unterscheiden. Bei der »Abschöpfungsstrategie« (skimming strategy) wird das Angebot zuerst mit einem relativ hohen Preis in den Markt eingeführt und dieser dann sukzessive zur GeschäftsbeleAbbildung 8: Produktlebenszyklus – Strategische Stoßrichtungen s¬2àCKWËRTSPOSITIONIERUNG s¬0OSITIONIERUNG¬DURCH¬(ERAUSLÚSEN
3TRATEGIE¬DER¬ GETARNTEN 0OSITIONIERUNG
2EIFE 3ËTTIGUNG 7ACHSTUM $EGENERATION
%INFàHRUNG 'RUNDPRODUKT¬OFFERIEREN¬ $IFFERENZIERUNGSSTRATEGIE
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0RODUKVERSIONEN ¬ :USATZSERVICES¬BIETEN
-ARKEN¬DIVERSIFIZIEREN ¬ 6ERSIONEN ¬-ODELLE¬ +OSTENFàHRERSCHAFT
SCHWACHE¬-ODELLE¬VOM¬-ARKT¬ NEHMEN¬+OSTENFàHRERSCHAFT ¬ &OKUSSTRATEGIE¬$EVESTIEREN
+OSTEN¬PLUS¬-ARGE
0REISGESTALTUNG¬ZUR¬ 'EWINNUNG¬VON¬ -ARKTANTEILEN
0REISGESTALTUNG¬IM¬ 2AHMEN¬DER¬ 7ETTBEWERBER
0REISNACHLËSSE ¬2ABATTE ¬ w0AKETE¬SCHNàRENi
!UFMERKSAMKEIT¬GEWINNEN
-ASSENMARKT BEARBEITEN "REITENWIRKUNG
-ARKENDIFFERENZEN¬ HERAUSSTREICHEN
2EDUKTION¬DER¬ -ARKTBEARBEITUNG ¬UM¬ -ITTEL¬ZU¬SPAREN
6ERKAUFSANREIZE ¬0ROMOTIONS
6ERKAUFSANREIZE¬EHER¬ REDUZIEREN
6ERKAUFSANREIZE¬BIETEN ¬ UM¬-ARKENWECHSEL¬ZU¬ BEGàNSTIGEN
6ERKAUFSANREIZE¬REDUZIEREN
5MSËTZE¬GERING¬ HOHE¬+OSTEN¬PRO¬+UNDE¬ 'EWINNSITUATION¬NEGATIV¬ +UNDEN¬w%ARLY¬!DOPTERSi¬ +ONKURRENZ¬EHER¬WENIG
7ACHSTUM¬ANSTEIGEND¬ ¬+OSTEN¬PRO¬+UNDE¬ 'EWINNE¬WACHSEND¬ +UNDEN¬FRàHE¬ -EHRHEIT¬+ONKURRENZ¬ WËCHST
!BSATZ¬AUF¬HÚCHSTEM¬ .IVEAU¬NIEDRIGE¬+OSTEN¬ PRO¬+UNDE¬'EWINNE¬ HOCH¬+UNDEN¬-ITTE¬ +ONKURRENZ¬HOCH
!BSATZ¬SCHRUMPFEND¬+OSTEN¬ PRO¬+UNDE¬GERING¬ 'EWINNE¬SINKEND¬ +UNDEN¬.ACHZàGLER¬ +ONKURRENZ¬EHER¬FALLEND
Handbuch der Strategien
bung reduziert. Eine Abschöpfungsstrategie empfiehlt sich vor allem dann, wenn das Angebot eine echte Innovation darstellt oder durch starke Alleinstellungsmerkmale gekennzeichnet ist. Die Preisgestaltung bei der Lancierung des Apple iPod ist eine klassische Abschöpfung, um hohe Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Marktsegmente, die bereit sind, für die Innovation mehr zu bezahlen, sollen »abgeschöpft« werden. Die »Penetrationsstrategie« (penetration strategy) verfolgt hingegen das Ziel, möglichst rasch hohe Absatzvolumen zu erzielen. Daher sind die Preise anfänglich niedrig, um die Marktdurchdringung zu forcieren. Das Ziel ist weniger die Realisierung hoher Margen als die Besetzung von Märkten. Produkte oder Angebote müssen sich nicht entlang des Lebenszyklus entwickeln. Das Management und professionelle Marketing hat hier durchaus die Möglichkeit der Geschäftsbeeinflussung. Youngme Yoon, Professor für Marketing an der Harvard Business School, empfiehlt drei unkonventionelle Strategien.55 Diese sollen vor allem Produkten in der Einführungsphase deutlich mehr Schub für mehr Wachstum verleihen oder Produkten, die sich schon in der Sättigungsphase befinden, erneut einen Kick geben und sie »reanimieren«. Welche Neupositionierungsstrategien bieten sich? 1. »Strategie der getarnten Positionierung« Neue oder junge Produkte leiden oft daran, dass viele Kunden dem Angebot noch zu wenig trauen. Die Strategie der getarnten Positionierung versucht, die wahre Natur der neuen Angebote zu tarnen. Die fehlende Kundenakzeptanz soll durch eine phasenweise Markteinführung überwunden werden. Vor allem technologische Produkte, welche unter den Vorurteilen »noch nicht ausgereift« oder »noch viel zu kompliziert« leiden, eignen sich für diesen Ansatz. So führte Sony seine Playstation als einfach bedienbares Spielgerät ein, obwohl es schon von Anfang an als ein leistungsfähiges Kommunikationstool (Videotelefon) entwickelt worden war. Schrittweise soll das Produkt durch neue Versionen im Markt etabliert werden, bis die angepeilte Positionierung erreicht wird. 2. »Strategie der Rückwärtspositionierung« Produkte in der Reifephase sind oft mit viel zu vielen Funktionen überfrachtet. Es ist daher eine erfolgreiche Strategie, reife Produkte wieder auf das Wesentliche zu reduzieren. Diese Angebote kann man auch mit einem Zusatznutzen kombinieren, um ihre Attraktivität zu steigern. Die Rückwärtspositionierung eignet sich für Banken oder Versicherungsdienstleistungen, aber auch im Produktgeschäft. Beim erfolgreichen Möbelhändler Ikea werden ganz bewusst Produkt- und Serviceleistungen reduziert und mit einem neuen Zusatznutzen kombiniert. So bietet Ikea als Zusatznutzen zum Beispiel eine große Sortimentsbreite neben dem klassischen MöbelMarktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats
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angebot, Restaurants, Kinderbetreuung und ein unkonventionelles, frisches und junges Image. Dies half Ikea, sich in einem reifen Markt neu zu positionieren. 3. »Strategie der Positionierung durch Herauslösen« Beim »Herauslösen« werden Angebote der Reifephase wieder in die Wachstumsphase zurückgeführt. Herauslösen heißt in diesem Zusammenhang, dass Angebote in neuen Märkten positioniert werden, dabei aber die Marketing-Mix-Komponenten nicht gleich belassen werden. Durch die Veränderung des Angebots (Design, Preis, Vertrieb oder Kommunikation) lassen sich neue Kundensegmente erschließen. Die Swatch-Uhr hatte deshalb so viel Erfolg, weil sie die »Uhr« als solche neu als Modeaccessoire präsentierte. Anstatt immer noch mehr oder noch kompliziertere Uhren zu entwickeln, wurde bewusst vereinfacht, unkonventionell gestaltet und in einer kecken Art kommuniziert.
Einschätzung Es ist mit Nachdruck festzuhalten, dass sich Produkte nicht nach einem festen Lebenszyklus entwickeln, wie häufig in Marketinglehrbüchern und von Beratern festgestellt wird. Produkte können schon bei ihrer Markteinführung floppen (zum Beispiel Fanta Mandarine), nur kurzlebig als Modeartikel boomen (etwa Plateausohlenschuhe) oder erfolgreiche Dauerbrenner sein (zum Beispiel Aspirin, Tempo-Taschentücher, Nivea Creme). Ein Produkt »lebt« nicht, sondern entwickelt sich in wechselnden Markt- und Wettbewerbskonstellationen weiter. Oder es wird von Konkurrenzangeboten ins Abseits gestellt. Erst ex post lässt sich mit Bestimmtheit feststellen, in welcher »Lebensphase« ein Angebot sich gerade befunden hat. Eine Prognosekraft hat der Produktlebenszyklus daher nicht. Das grafisch-didaktische Konzept folgt keiner Gesetzmäßigkeit, das heißt, es ist nicht so, dass sich Wachstumsprodukte automatisch in eine Reifephase »weiterentwickeln«. Jeder strategische und marketingmäßige Eingriff verändert die Positionierung auf der Lebenszyklusachse wiederum aktiv. Selbst zwischen den einzelnen Phasen gibt es keine allgemein akzeptierten Abgrenzungskriterien. Je nachdem, wie bei komplexeren Angeboten das »Produkt« oder das »Geschäftsfeld« definiert wird, ändert sich die Zuordnung. Auch die Anzahl der Phasen ist je nach Autor oder Berater unterschiedlich: Häufig liegt sie zwischen drei und sechs Phasen. Und trotzdem: Das Lebenszykluskonzept ist in der Praxis weit verbreitet und gehört auch in der Lehre zum Grundrüstzeug eines jeden Studenten. Die Lebenszyklustheorie bietet praktische strategisch-taktische Einsichten, wenn man die Grenzen des Modells kennt und beachtet. 70
Handbuch der Strategien
Profit Pools: Erfolgsbecken ausloten und erschließen Der Profit-Pool-Strategieansatz (Gewinnquellen) von Orit Gadiesh und James L. Gilbert, beide Berater bei Bain & Company, wirft ein neues Licht auf das Thema der Geschäftssteuerung.56 »Profit Pools« sind Quellen für Gewinn. Dieses strategische Instrument soll den Blick der Führungskräfte vom Umsatz auf die Gewinne lenken. Die beiden Berater haben festgestellt, dass Führungskräfte eher umsatzorientiert als gewinnorientiert denken, entscheiden und handeln. Die beiden setzen bei ihren strategischen Überlegungen zur Geschäftsbelebung nicht an den Kernkompetenzen oder der Marktpositionierung an, sondern direkt an den überlebenswichtigen Wurzeln für jedes Geschäft: am Gewinn. Sie empfehlen, sich bei der Analyse der Geschäfte auf das Wachstum der Gewinne zu fokussieren anstatt auf das Wachstum der Umsätze. Letztlich lebt das Business nicht von hohen Umsätzen, sondern von hohen Gewinnen beziehungsweise einem positiven Cashflow. Warum orientieren sich Geschäftsleitungen und führende Manager so stark am Umsatzwachstum? Die klassische Strategielehre orientiert sich am Grundsatz: Je größer die Marktanteile, umso größer sind in der Regel auch die finanziellen Erfolge. Daher sind Führungskräfte daraufhin orientiert, Marktanteile zu erringen. Die Konsequenz daraus ist aber, dass dabei der positive Cashflow aus den Augen verloren werden kann. Doch diese Feststellung macht noch nicht die Stärke des Ansatzes der beiden Praktiker aus. Sie empfehlen nicht nur, die Gewinnquellen im eigenen Haus zu erkunden, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Auch vor- und nachgelagerte Stufen werden auf ihre Gewinnträchtigkeit hin durchleuchtet. Die Betrachtung schließt ebenso die Gewinnsituation von Lieferanten, Händlern, Logistikpartnern oder Serviceunternehmen mit ein. So werden die finanziellen Erfolgsbecken (»Profit Pools«) in der gesamten Branche analysiert. Unter einem »Profit Pool« versteht man den Gesamtgewinn, der entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktentstehung bis zum Kunden erwirtschaftet wird. Die Sammlung und Analyse sowohl der Erlöse als auch der Gewinne einer gesamten Branche gestatten so äußerst interessante strategische Überlegungen. Die Profit-Pool-Betrachtung verfolgt das Ziel, profitable und weniger profitable Stufen der Wertschöpfung zu entdecken und strategische Schlussfolgerungen für das eigene Business zu ziehen. Betrachtet man beispielsweise die Automobilbranche, so werden sämtliche Umsätze und Gewinne der Hersteller, der Neu- und Gebrauchtwagenhändler, der Versicherer, der Leasinggesellschaften, der Banken bis hin zu den Treibstofflieferanten in die Betrachtung mit einbezogen. Für jedes dieser wertschöpfenden Unternehmen werden die entsprechenden Umsatz- und GewinnpositiMarktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats
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onen gesammelt und entlang der gesamten Leistungserstellungskette gegliedert. Der höchsten Umsatzerlöse erzielen im Autobusiness die Hersteller und Händler selbst. Sie erwirtschaften rund 60 Prozent der gesamten Umsätze entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wirft man aber nun einen Blick auf die Gewinnbeiträge, dann fallen sowohl die Hersteller als auch die Händler deutlich ab. Im Autobusiness haben die Leasing- und Versicherungsgeschäfte die deutlich attraktiveren Gewinnquellen unter Kontrolle. Die Profitabilität im Kernbusiness der Autoindustrie hingegen ist dementsprechend eher unterdurchschnittlich. Die Profit-Pool-Analyse hilft mit, den Blick auf die gewinnattraktiven Geschäfte eines Business und einer Branche zu richten. Die offenkundige Frage ist, wie das eigene Geschäftsmodell erweitert werden könnte, um von den attraktiveren Gewinnquellen auch zu profitieren (vergleiche Abbildung 9). Abbildung 9: »Profit Pools«
Marge des Geschäfts
LeasingBusiness Werkstattgeschäft Neuwagenhandel Vermietung Versicherung
AutomobilHersteller Gebrauchtwagenhandel
Ersatzhandel
100 % der Wertschöpfung
Einschätzung Durch die Profit-Pool-Betrachtung lassen sich attraktive Gewinn- und Umsatzquellen in geschäftsnahen Feldern identifizieren. Die Profit-Pool-Methode ist konzeptionell einfach, in der Praxis sind aber die Gewinnquellen entlang der gesamten Wertschöpfung nicht immer leicht erschließbar. So kann je nach Zielgruppe, Vertriebskanal, Produktkategorie oder geografischem Markt das Gewinnpotenzial erheblich schwanken. Trotzdem ist es sinnvoll, das Absatz- und Umsatzdenken durch ein forciertes Gewinndenken zu ergänzen. Dies ermöglicht es, das eigene Business innerhalb der Branche neu gewinnorientierter zu auszurichten. Dank der Profit-Pool-Analyse kann sich das Unternehmen auch überle72
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gen, in attraktivere Gewinnfelder einzusteigen, eigene Bereiche zu veräußern oder zu restrukturieren oder zumindest das eigene Geschäftsmodell radikal zu hinterfragen.
Strategisches Manövrieren: Taktieren gegenüber der Konkurrenz Neben der Strategieentwicklung und der Strategiedurchsetzung ist auch das aktive strategische Verhalten oder Manövrieren eine wichtige Erfolgskomponente. Durch »strategisches Manövrieren« versucht das Unternehmen, sich selbst, seine Geschäftsfelder, seine Produkte oder seine Marken in eine möglichst optimale Ausgangslage gegenüber den anderen Wettbewerbern zu bringen. Nach der Wettbewerbsstärke der Konkurrenten und deren Angebote kann ein Unternehmen grundsätzlich vier verschiedene Positionen einnehmen. Je nach der eigenen Marktstärke werden bestimmte Verhaltensmuster von Marktführern, Herausforderern, Nischenbesetzern und Mitläufern erkennbar. Abbildung 10 zeigt diese Manövrieroptionen im Überblick. In Anlehnung an Kotler, Keller, Bliemel sind folgende Positionen wichtig: 1. Der »Marktführer« Die Marktführer (market leaders) können ein dominantes Markt- und Konkurrenzverhalten zeigen, da sie die wesentlichen Spielregeln des Geschäfts definieren. Marktführer besitzen den größten Marktanteil. Sie gehen bei der Änderung von Preisen und Konditionen voran, lancieren oft neue Produkte, bieten mehrere Produktvarianten, führen ein starkes Vertriebsnetz und sind sehr aktiv in der Marktbearbeitung engagiert. Hieraus ergeben sich die folgenden drei Richtungen, um das eigene dominante Geschäft auszubauen: – Erweiterung des Gesamtmarktes durch die Suche nach neuen Nutzern (Marktexpansion), durch die Erhöhung der Verwendungsmöglichkeiten (Angebotsvariationen) oder durch die Steigerung der Verwendungsmenge (vermehrte Anlässe und größere Mengen). – Sicherung der bestehenden Marktanteile durch Errichtung von Zugangsbarrieren in den Markt, durch laufende Neuerungen und Angebotsverbesserungen in kurzen Phasen, durch rasche Marktausdehnung oder durch Konzentration auf Bereiche, in denen das Unternehmen unschlagbar ist. – Ausdehnung des bestehenden Marktanteils durch Expansion in neue geografische Märkte oder das Bedienen neuer Zielgruppen. Marktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats
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2. Der »Herausforderer« Herausforderer (challengers; auch Verfolger) versuchen, die Position des Marktführers anzugreifen und sie ihm streitig zu machen. Meistens sind derartige Unternehmen aggressiver in ihrem Marktverhalten. Sie positionieren sich bewusst als Verfolger, der Besseres oder Günstigeres zu bieten hat. Avis versucht dies zum Beispiel im Autovermietungsgeschäft gegenüber dem Marktleader Hertz mit dem Slogan »We try harder«. Meistens sind Herausforderer die unkonventionelleren, innovativeren Anbieter, die dem Kunden einen höheren Nutzwert bieten. Herausforderer sind auch Guerilla-Taktiken im Marketing nicht abgeneigt, um den Marktführer zu reizen. Herausforderer entwickeln öfters auch besonders prestigeträchtige Lösungen, um Kunden zu überzeugen, dass sie in ihren Geschäftskompetenzen mit dem Marktleader mithalten können. So präsentierte Audi beispielsweise mit seinem R8-Modell einen Sportwagen der Superklasse. Der R8 ist ein Roadster, der von der Fachpresse als »Porsche-Killer« gefeiert wurde. Bei einer derartigen Spitzenpositionierung einzelner Angebote geht es strategisch nicht darum, einen hohen Return on Investment zu erwirtschaften, sondern sich auf Augenhöhe mit dem Marktleader zu präsentieren, um so einen eigenen, möglichst nachhaltig wirkenden Imagegewinn zu erzielen. 3. Der »Mitläufer« Mitläufer, auch Trittbrettfahrer (me-too companies) genannt, sparen sich die Kosten der Forschung und Entwicklung. Haben Verfolger keine Chancen gegenüber dem Marktführer, entwickeln sie sich häufig einen Schritt zurück und werden zu Mitläufern. Der Harvard-Professor Theodore Levitt zeigt in seinem Artikel »Innovative Imitation«, dass auch eine bewusste Kopierstrategie durchaus dieselben Erfolge haben kann wie eine Strategie der Produktinnovation.57 Die Chancen der Mitläuferstrategie liegen in der straffen, flexiblen und kostengünstigen Produktion, um wirklich nachhaltig günstig anbieten zu können. Mitläufer bieten aber oft auch Produkte mit nur leichten Verbesserungen oder Abwandlungen (adaptions) zu etwas höheren Preisen. Durch ein genaues Studium der Kundenwünsche und des Kundenverhaltens können sie sehr erfolgreich sein. Reine Mitläufer, die ausschließlich kopieren, bezeichnet man als »Copy-Cats«. 4. Der »Nischenbesetzer« Nischenbesetzer (niche players) fokussieren sich nur auf Teilmärkte des Geschäfts. Sie wollen bewusst nicht »allen alles« bieten, sondern setzen auf ihre überragende Kompetenz und Spezialisierung im Vergleich zu den anderen Anbietern. Neue Marktteilnehmer nutzen die Inflexibilität der etablierten Unternehmen zu ihrem Vorteil, indem sie Nischen ausmachen und besetzen. Möglichkeiten zur Spezialisierung gibt es viele: Sie können sich auf nur einen Teil des gesamten Angebots konzentrieren, sich nur auf bestimmte 74
Handbuch der Strategien
Handelsstufen ausrichten (Logistiker, Rohstofflieferanten, Händler), nur große oder kleine Kunden bedienen oder sich im Qualitätsbereich und Service hervortun. Abbildung 10: Strategien der Marktführer, Herausforderer, Nischenbesetzer und Mitläufer direkt konkurrieren
Kopieren & rasch agieren
»More for Less« bieten
Innovationsführerschaft
Produkte abwandeln
Strategien für
Strategien für
Herausforderer GuerillaAktionen nutzen
Mitläufer Sympathie- & Imageförderung
Neukunden gewinnen
aggressive Marktkommunikation
auf Teilsegmente fokussieren Sicherung der Flanken des Business
Kompetenzführerschaft
Strategien für
Spezialisierungsvorteil nutzen Strategien für
Marktführer Kundenbestände sichern
agile Strukturen und Prozesse Preishits und Rabatte bieten
Marktpositionen sichern Marktzutritt erschweren
Kostenkontrolle, Effizienz
Nischenbesetzer dominante Marktpositionierung
Innovationsvorsprung
Zielgruppen»Bindung«
hohe Produkt- & Servicequalität Top-Image & Top-Preise
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Die folgenden strategischen Manöver sind zur Stärkung der eigenen Stellung im Markt- und Konkurrenzumfeld möglich: • Manöver des Ausweichens
Durch das Ausweichen versucht ein Unternehmen, seine eigene Position in der Wettbewerbslandschaft zu verbessern, indem man sich auf Nischenfelder fokussiert. In diesen »relativ geschützten« Zonen strebt es dann aber eine möglichst dominante Stellung an. Ausweichmanöver eignen sich vor allem für Nischenplayer. Um im großen amerikanischen Markt Fuß zu fassen, haben beispielsweise deutsche Unternehmen der Maschinenindustrie häufig mit Erfolg das »Ausweichen« gegenüber den großen heimischen Volumenanbietern verfolgt. • Manöver des Nachfolgens Vor allem Mitläufer praktizieren diesen Manöveransatz. Sie übernehmen die Standards der Marktführer und »schwimmen mit«, indem sie keine außerordentlichen Besonderheiten bieten. Die eigenen Wettbewerbsvorteile sind sehr gering, und die eigene Wettbewerbsposition ist schwach. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt einzig darin, dass die Konkurrenten kaum GegenMarktstrategien: Von Cash-Cows und Copy-Cats
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attacken lancieren, so dass Zeit gewonnen werden kann, um eigene Stärken aufzubauen und das eigene Angebot zu differenzieren. • Manöver des Angreifens Hat das Unternehmen durch seine Größe oder durch ein attraktives Angebot (zum Beispiel eine Innovation) eine verteidigbare Marktstellung erreicht, kann es seine Konkurrenz attackieren und versuchen, Marktanteile zu erobern. • Manöver des Verdrängens Der wohl häufigste Ansatz sind Verdrängungsmanöver, um die eigene Position zu behaupten und gegenüber Angreifern abzusichern. Das Ziel der Verdrängung sind weniger die Konkurrenten als die vermehrte Ausrichtung auf Kunden und Absatzmittler. Das Unternehmen möchte sich durch sein Leistungsangebot und seine Erscheinung von den anderen Anbietern absetzen. • Manöver des Kooperierens Es kann durchaus sinnvoll sein, mit einem Konkurrenzunternehmen in einigen geschäftlichen Aspekten zu kooperieren. Dadurch wird die Stellung der kooperierenden Firmen gegenüber anderen Wettbewerbern gestärkt.
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Handbuch der Strategien
Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
Wenn eine Strategie nicht auf eine Schreibmaschinenseite passt, ist es keine. Costas Markides
PIMS: Welche Erfolgsfaktoren bringen Gewinn? Strategische Ideen und strategische Empfehlungen gibt es viele, doch welche Strategien sind wirklich erfolgreich? Welche strategischen Maßnahmen führen zu mehr Gewinn, mehr Wachstum oder einem höheren Marktanteil? Dies sind Fragestellungen, für die sich das PIMS-Programm interessiert.58 Das Kürzel PIMS steht für »Profit Impact of Market Strategies«. Die PIMS-Studien sammeln Daten von konkreten Geschäften zum Geschäftsumfeld, zur Wettbewerbssituation, zum Produktionsprozess, zu Budgetthemen, zu strategischen Absichten und zu den erzielten operativen Ergebnissen. Das Projekt wurde schon in den 60er Jahren bei der amerikanischen General Electric (GE) initiiert, dann in den 70er Jahren vom Management Science Institute der Harvard University übernommen und später an das American Strategic Planning Institute ausgelagert. Heute setzen die PIMS Associates, eine private Organisation mit Sitz in London, die interessanten Studien fort. Wie kam es zu PIMS? Die Führungskräfte von General Electric fragten sich, warum manche ihrer Geschäftsfelder profitabler als andere waren. Sie wollten ergründen, mit welchen Strategien sie die Performance von Geschäften aktiv steuern konnten. Sinnvollerweise debattierten sie nicht nur über die Frage nach der idealen Strategie, sondern packten das Thema empirisch an. Sie fassten alle relevanten Daten eines spezifischen Geschäfts in einer Datenbank zusammen und verglichen diese mit anderen. Zu jedem Geschäft (strategic business unit) wurde eine Menge an Informationen gesammelt, zum Beispiel in welcher Marktsituation es operierte, mit welchen Produkten es dort auftrat und welche ganz konkreten spezifischen Strategien eingesetzt wurden. Finanzielle Performancekennzahlen, vor allem aber der ROI (Return on Investment – Gewinn pro Einheit gebundenes Kapital) ergänzten all diese Informationen. So wurden im Lauf der Zeit Tausende strategische Geschäfte (auch anderer Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
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Unternehmen) in einem neutralisierten Format zusammengetragen, um echte »Marktgesetze« zu identifizieren. Die PIMS-Datenbank ist nun in der Lage, konkrete Strategieempfehlungen spezifiziert für einzelne Wirtschaftszweige und Industrien abzugeben. Die heute aktuelle Datenbank umfasst über 3 000 Geschäftsfelder von rund 500 Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen. Aus den etwa 500 erfassten Variablen, den Einflussfaktoren für Erfolg, haben die PIMS-Forscher vier Hauptfaktoren identifiziert, die mit dem Return on Investment (ROI) als Messgröße für den Erfolg einer Strategie besonders stark korrelieren. Für den Erfolg eines Geschäfts sind danach besonders wichtig: seine strategische Position, das Marktumfeld, die Position im Lebenszyklus eines Produkts sowie seine Kapital- und operative Struktur. Als wichtigster Erfolgsfaktor erwies sich die strategische Position. Sie wird durch den relativen Marktanteil, die relative Qualität und den relativen Preis definiert. Der Zusatz »relativ« heißt »im Vergleich zur Konkurrenz«. Die PIMS-Studie identifiziert nun über 50 Schlüsselfaktoren, die für die Entwicklung des Gewinns (ROI) eine maßgebliche Rolle spielen. Sie zusammen erklären etwa 70 Prozent des Return on Investment eines Geschäfts. Die PIMSErgebnisse lassen sich übersichtsmäßig folgendermaßen zusammenfassen: • Attraktivität des Marktes (zum Beispiel Marktwachstum): Je höher die At-
traktivität des Marktes, desto tendenziell größer ist die Gewinnmarge. • Stärke der Position im Wettbewerb (zum Beispiel Marktanteil): Je höher
•
•
• •
der relative Marktanteil (im Vergleich zur Konkurrenz), desto tendenziell größer ist die Gewinnmarge. Intensität der Investitionen (zum Beispiel Kapazitätsauslastung): Je höher die Kapazitätsauslastung, umso besser entwickelt sich tendenziell die Gewinnmarge. Produktivität (zum Beispiel Wertschöpfung pro Mitarbeiter): Je höher die Wertschöpfung pro Mitarbeiter, umso besser entwickelt sich tendenziell die Gewinnmarge. Qualität eines Produkts: Je höher die Qualität eines Produkts (aus der Sicht des Kunden), desto größer ist tendenziell die Gewinnmarge. Grad der Integration (zum Beispiel eigene Wertschöpfung zu Gesamtumsatz): Je höher die eigene Wertschöpfung, desto größer ist tendenziell die Gewinnmarge.
Einschätzung Das PIMS-Konzept wird von der akademischen und praktischen Seite kritisiert. Im Kreuzfeuer der Diskussion stehen drei Punkte: die Datenqualität, die Methodik 78
Handbuch der Strategien
und die Strategieempfehlungen. Sehr viele der wichtigen Variablen der PIMS-Datenbank lassen sich nicht objektiv erheben. Wie kann beispielsweise die Produktqualität in Zahlen alleine bewertet werden? Die Betrachtung erfolgt zudem nur kurzfristig, und eine echte kausale Beziehung zwischen den Faktoren ist oft nicht plausibel. Zudem führt die Aggregation der Datenmengen (Aufaddierung von Einzelwerten) zu einer unscharfen Durchschnittsbildung, die ihren Aussagegehalt verliert. Weiterhin drückt sich der Erfolg einer Strategie nicht immer nur in einer Verbesserung des Return on Investment (ROI) aus. Hinzu kommt, dass auch zwischen den Variablen und auch zwischen verschiedenen Geschäften gegenseitige Synergiebeziehungen bestehen, welche sich datenmäßig nicht auseinanderdividieren lassen. Bestimmt wäre es ideal, wenn sich Strategien und ihre finanziellen Erfolge mit harten Datenmethoden »quantitativ« erfassen ließen. Doch die Komplexität des Geschäfts ist schier grenzenlos, weshalb das Unterfangen scheitern muss. Die Vielfalt der Möglichkeiten zur Lancierung eines Produkts in verschiedenen Marktsituationen ist theoretisch und praktisch enorm und kann daher kaum mit statistischen Verfahren erfasst werden. Erfolgreiches strategisches Management ist kein mathematisch-statistischer Akt, sondern hat sehr viel mit Intuition und dem Nutzen noch unscharfer Chancen zu tun. Erfolgreiche Strategien basieren daher oft auf einem »gutem Riecher«, »Bauchgefühl« oder »Give it a try« (Versuch’s doch einfach mal!). Spontane Aktionen, die einen günstigen Moment nutzen, können das Geschäft beflügeln. Für smartes Unternehmertum gibt es (zum Glück) noch keine Methoden oder Datenbanken, die automatisch zum Erfolg führen!
Erfahrungseffekte: Wenn »Big« auch »Beautiful« bedeutet Die Erfahrungskurve ist ein betriebswirtschaftliches Basiskonzept, welches schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts im amerikanischen Flugzeugbau entwickelt wurde. Die Erfahrungskurve beschreibt den Zusammenhang zwischen Absatzerfolg und Produktionskosten. Sie bringt die Kostenentwicklung mit den kumulierten Produktionsmengen (= Erfahrung) in Beziehung. Der Erfahrungskurveneffekt besagt: »Mit jeder Verdoppelung der kumulierten Erfahrung sinken die (inflationsbereinigten) Kosten der Wertschöpfung (Stückkosten minus Materialkosten) konstant zwischen 20 und 30 Prozent.« Der Erfahrungseffekt ist somit der prozentuale Wert einer potenziellen Kosteneinsparung. Je nach Branche und Produkt sind diese Einsparungseffekte Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
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unterschiedlich. Der Erfahrungskurveneffekt ist deshalb auch keine betriebswirtschaftliche »Gesetzmäßigkeit«, sondern viel eher ein Indikator für das Senkungspotenzial der Stückkosten. Er demonstriert, wie die Stückkosten (konstant) sinken, wenn sich die Produktionsmenge verdoppelt. Viele empirische Untersuchungen belegen diesen Zusammenhang. Diese Kostenvorteile tauchen aber bei einer Vergrößerung der Absatzmenge nicht automatisch auf, sondern existieren nur »potenziell«. Das Management muss sich diese Kostenreduktion durch entsprechende effizienzsteigernde Maßnahmen immer wieder erarbeiten. Wer auf Kostenvorteile bei seinen Strategien setzt, sollte sich die »Erfahrungskurveneffekte«, auch »Skaleneffekte« genannt, zunutze machen. Die Erfahrungskurve hat sich im strategischen Management einen festen Platz erobert. Mit ihrer Hilfe werden folgende Fragestellungen untersucht: Wie hoch ist das eigene Potenzial der Kostensenkung? Wie ist die Kostensituation der Konkurrenten zu beurteilen? Wo könnte man den Preis bei einem neuen Produkt im Vergleich zur Konkurrenz ansetzen? Wie werden sich die Preise in den kommenden Absatzperioden tendenziell entwickeln? Dieses auf den ersten Blick kompliziert erscheinende Konzept kann auf das Sprichwort »Übung macht den Meister« reduziert werden. Die strategische Empfehlung, die sich aus dem Erfahrungseffekt ergibt, heißt: »Gewinne möglichst rasch Marktanteile, um durch die größere Absatzmenge deine internen Stückkosten zu drücken, was Wettbewerbsvorteile auf der Kosten- und Preisseite etabliert.« Unternehmen mit größeren Absatzvolumen haben (potenzielle) Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren absatzmäßig kleineren Konkurrenten. Je größer die relative Erfahrung (= mengenmäßiger Absatz oder [relativer] Marktanteil im Vergleich zur Konkurrenz), umso größer ist der Effekt dieser potenziellen Kostenvorteile. Die sinkenden Kosten haben ihre Ursachen in folgenden Aspekten: • effizienteres Arbeiten der Mitarbeitenden • Standardisierung, Spezialisierung und Verbesserung der Techniken und
Methoden • technologische Fortschritte (Automatisierung, Normierung, Prozess-
innovation) • Beschleunigung der Organisationsprozesse und Vereinfachung der
Organisationsstruktur • Vereinfachung der Produktgestaltung • Vereinfachung im Aufbau und Ablauf der Wertschöpfungskette
Der Erfahrungseffekt wurde für die strategische Arbeit durch die Boston Consulting Group »entdeckt«. Daher wird er oft auch »Boston-Effekt« genannt. Bruce D. Henderson (1915 – 1992), einer der Gründerväter der international 80
Handbuch der Strategien
tätigen Beratergruppe, propagierte die Bedeutung des Erfahrungseffektes für die strategische Führung schon in den Sechzigern.59 Die BCG-Berater empfahlen ihren Klienten im Rahmen von Strategieprojekten, sich möglichst rasch Skaleneffekte nutzbar zu machen, um ihre Kosten herunterzufahren. Dadurch können sie günstigere Preise als die Konkurrenz anbieten, weiterhin aber auch attraktive Margen erwirtschaften und wiederum neue Kunden hinzugewinnen. Unternehmen können so wachsen und von ihrer zunehmenden Größe profitieren. Die höheren Absatzvolumen führen zu höheren Marktanteilen und dies wiederum zu höherer Profitabilität. Der strategische Vorteil gegenüber der Konkurrenz wird mit einer strikten Wachstumsstrategie erreicht, die auf der Nutzung der Kostensenkungseffekte beruht. Nach Meinung der BCG-Berater zeichnen sich erfolgreiche Strategien durch eine Fokussierung auf Marktdominanz aus. Erfolgreiche Unternehmen wachsen schneller als ihre Konkurrenten und schöpfen die Kostensenkungseffekte konsequent aus. Können Unternehmen in ihren Marktsegmenten keine Führungsrolle übernehmen, also hohe Marktanteile erringen, so empfehlen die Berater, sich aus diesen zurückziehen. Es ist dann besser, seine Ressourcen auf Geschäfte zu konzentrieren, bei denen sich eher eine marktdominante Stellung erreichen lässt. Strategische Konsequenzen aus dem Effekt der Erfahrungskurve sind: • Konzentriere dich auf Geschäfte, in denen du Mengenvorteile nutzen
kannst. • Strebe die Position des Marktführers an, denn nur er hat die größten
Kostensenkungspotenziale und kann dadurch die Preisgestaltung diktieren. • Investiere in Geschäftsfelder, welche die größten Mengenvolumen zulassen. • Nutze rasch die eigene Preispolitik, um Kostenvorteile durchzusetzen.
Preissenkungen behindern die Ertragsentwicklung der Konkurrenten und verhindern zunehmend weitere Markteintritte.
Einschätzung Die einseitig am Effekt der Erfahrungskurve ausgerichtete Strategiebetrachtung gilt heute als überholt. Wir wissen, dass sich auch andere Strategiepfade (zum Beispiel Qualitätsstrategien, Innovationsstrategien, Nischenstrategien) äußerst erfolgreich bewähren. Die Einsicht, dass nur die Strategie der Kostenführerschaft zu Erfolgen führt, ist nicht nur zu eng betrachtet, sondern im Zeitalter des globalen Business sogar über weite Strecken falsch. Selbst Kostenführerstrategien basieren heute nicht mehr auf dem Erfahrungskurveneffekt allein. Relative Kostenvorteile erreicht man nicht mehr nur durch ein forciertes Wachstum der eigenen kumulierten AbsatzNormstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
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mengen, sondern zum Beispiel auch durch ein cleveres Outsourcing der Produktionsvolumen an Standorte mit »unschlagbaren« Kostenstrukturen. So werden beispielsweise China, Indien oder andere Länder mit verfügbarem Know-how und leistungsfähiger Infrastruktur zu echten Kostendämpfern im Bereich der Herstellungskosten. Es sollte auch nicht übersehen werden, dass durch die Gewinnung weiterer Marktanteile die Kosten immer nur potenziell sinken. Verfolgt das Management nicht äußerst engagiert jede Kostensenkungschance, stellen sich die erhofften Einsparungseffekte nicht ein. Marktanteile beliebig ausweiten zu können ist ein Wunschdenken. Keine Marketing- und Verkaufsaktion bleibt ohne Gegenreaktion der Konkurrenz. Kunden kaufen nicht beliebig immer weiter, sondern erwarten heute nachhaltige Produktverbesserungen oder Innovationen. Dies verändert die Kostenstrukturen erneut und macht pures Marktanteilsdenken entlang der Erfahrungskurve obsolet.
Boston-Portfolio: Fragezeichen, Sterne, Cash-Kühe und arme Hunde Die Portfolioanalyse gehört seit den 70er Jahren zum festen Bestandteil des strategischen Managements. Sie richtet ihr Augenmerk auf die strategische Position der verschiedenen Geschäfte eines Unternehmens in einer ganzheitlichen Optik mithilfe der Portfoliotechnik. Ein Portfolio (oder auch Portefeuille) bezeichnet in der Finanzwirtschaft ein Wertpapierdepot oder eine Zusammensetzung verschiedener Vermögensanlagen. Dieser Begriff wurde von den Business-Strategen übernommen, um die Zusammensetzung der Geschäfte eines Unternehmens strategisch und ganzheitlich zu beurteilen. Ein Strategieportfolio zeigt die verschiedenen Geschäfte (oder Produkte) eines Unternehmens in ihrem gegenseitigen Zusammenhang.60 Mittels Portfolios werden aber auch die Quellen für Erfolg und Vorsprung der Geschäfte nicht mehr nur einzeln beurteilt, sondern auch integriert betrachtet. Welche Überlegung steckt dahinter? Letztlich ringen alle Geschäfte eines Unternehmens um dieselben Investitionsmittel und Ressourcen, wie Mitarbeiter, Kapital, Zeit, Aufmerksamkeit. Daher sollten alle Geschäfte auch miteinander in ihrer Ganzheit betrachtet und strategisch geführt werden. Um Fehlallokationen zu vermeiden, das heißt einzelne Geschäfte gegenüber anderen durch die Zuwendung von besonderen Mitteln zu bevorzugen, obwohl es nicht sinnvoll ist, sind Portfolios ein leistungsfähiges ausgleichendes Instrument. Mittlerweile existieren unzählige Portfoliobetrachtungen, weil sie sehr komplexe Sachverhalte auf eine einfache 82
Handbuch der Strategien
Weise darstellen. Alle Portfolios haben den Zweck, in Form einfacher »Geschäftslandkarten« zu zeigen, welche Geschäfte besonders lukrativ sind, um diese vermehrt durch die Zuwendung von Ressourcen, Geld, Mitarbeitern und Aufmerksamkeit zu stärken und im Gegenzug unattraktive Geschäfte abzubauen. Das von der Boston Consulting Group zusammen mit General Electric (GE) entwickelte Strategieinstrument, die »Marktanteils-/Marktwachstums-Portfoliomatrix«, gehört zu den Klassikern. Sie wird auch einfacher als »Boston-Matrix«, »BCG-Portfolio« oder als »Produkt/Markt-Portfolio« bezeichnet. Bei der Boston-Matrix werden die verschiedenen Geschäfte eines Unternehmens anhand der beiden Bewertungskriterien »relativer Marktanteil« und »Marktwachstum« eingeschätzt. Diese Einschätzung beruht also auf zwei Fragen: 1. Wie rasch wächst der Markt und wie attraktiv ist er daher? 2. Welchen relativen Marktanteil konnte das Geschäft erobern, also wie stark ist seine Marktstellung? Der relative Marktanteil ist Ausdruck für die Stärke der Wettbewerbsposition eines Geschäfts im Vergleich zur Konkurrenz. Das Marktwachstum steht für die Marktsicht und ist ein Indikator für die Marktattraktivität (vergleiche Abbildung 11).
hoch niedrig
Marktwachstum in %
Abbildung 11: Boston-Portfoliomatrix
»Fragezeichen«
»Stars«
(Des)Investitions strategie
Wachstums strategie
»Arme Hunde«
»CashCows«
Devestitions strategie
Abschöpfungs strategie
niedrig
hoch
relativer Marktanteil (relativ = im Verhältnis zur Konkurrenz)
Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
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Wie die PIMS-Ergebnisse empirisch zeigen und auch die Erfahrungskurve darlegt, korrelieren die Kriterien Marktwachstum und Marktanteil stark mit der Rentabilität eines Geschäfts. Je größer das Marktwachstum und je größer der Marktanteil, umso höher ist die Rentabilität eines Geschäfts. Die verschiedenen Geschäfte werden in Form von Streu- oder Blasendiagrammen dargestellt. Das »Marktwachstum« wird auf der Ordinaten (Senkrechten) skizziert und der »relative Marktanteil« auf der Abszisse (Vertikalen) dargestellt. Unternehmen, die im Vergleich zur Konkurrenz einen höheren Absatz realisieren können, gewinnen an Erfahrung und können Kostenvorteile nutzen. Der relative Marktanteil berechnet sich aus folgender Formel: eigener Marktanteil in Beziehung zum Marktanteil des stärksten Konkurrenten. Das Marktwachstum beurteilen Branchenkenner. Die Produkte oder Geschäftsfelder eines Unternehmens werden anhand ihrer Werte vier Bereichen zugeordnet. Für jeden der vier Quadranten stellt das Konzept Normstrategien bereit, die grundsätzlich gültige Strategiehinweise geben. Der typische Lebenszyklus eines Produkts läuft vom »Fragezeichen« über »Star« zur »Cash-Cow« hin zum »Poor Dog«. Es kann aber durchaus sein, dass Produkte in der Praxis nicht diesem logischen Entwicklungspfad folgen. Produktkopien zum Beispiel überspringen oft die »Phase des Fragezeichens«. Die vier Normstrategien des Boston-Portfolios sind: 1. »Fragezeichen«-Geschäfte: (Des-)Investitionsstrategie Die Fragezeichen-Geschäfte (Question Marks) werden auch Nachwuchsprodukte, Newcomer oder Babys genannt. Sie haben ein hohes Wachstumspotenzial, aber noch eine geringe Marktstellung. Geschäftseinheiten mit einem niedrigen relativen Marktanteil in rasch wachsenden Märkten benötigen hohe Finanzmittel. Sie werfen aber aufgrund ihrer schwachen Wettbewerbsposition nur wenig Cashmittel ab. Die meisten Geschäfte starten in dieser Kategorie. Strategieempfehlung: Für Geschäfte in diesem Segment sind befristete Einzelstrategien zu entwerfen. Die Märkte sind attraktiv, die Marktstellung muss aber rasant verbessert werden. Dies lässt sich durch umfassende Marketingmaßnahmen erreichen. Bei diesen Geschäften sollte in die Marktbearbeitung investiert werden. Auch könnte der Preis reduziert werden, um Volumen zu schaffen, sofern er immer noch über den variablen Kosten liegt. Preisstaffelungen mit Rabattsystemen bieten sich auch an. Ebenso ist die Verkaufsfront zu aktivieren und zu stärken. 2. »Star«-Geschäfte: Wachstumsstrategie Star-Geschäfte sind äußerst attraktiv, da sie die Zukunft des Geschäfts sichern. Sie haben eine starke Marktstellung, und zwar in Märkten mit hohen Wachstumsraten. 84
Handbuch der Strategien
Geschäftseinheiten mit hohem relativem Marktanteil in rasch wachsenden Märkten beanspruchen große finanzielle Mittel, um ihr Wachstum voranzutreiben. Die Stars haben aber eine starke Marktposition, welche die Investitionen rechtfertigt, da auch hohe Gewinne zu erwarten sind. Ein »Star« ist ein Marktführer in einem Wachstumsmarkt. Es ist jedoch damit noch nicht automatisch gesagt, dass er auch einen positiven Cashflow erwirtschaftet. Derartige Star-Geschäfte sollten sich zu Cash-Kühen entwickeln, die man »melken« kann. Strategieempfehlung: Die Stoßrichtung für Stars heißt: Position halten und ausbauen! Eine Möglichkeit ist die Verstärkung der Verkaufsaktivitäten und der Kundenpflege (Kundenbindung). Eine Preispolitik mit Mengenrabatten kann einen Beitrag zur Festigung leisten. Ebenso bietet sich die Kooperation mit Vertriebspartnern an, um die Volumen zu steigern. 3. »Cash-Cow«-Geschäfte: Abschöpfungsstrategie Die Cash-Cows (auch Melkkühe) produzieren in der Regel hohe Cashflows. Ihr Lebenszyklus neigt sich aber langsam dem Ende zu. Hier ist daher eine Abschöpfungsstrategie (market skimming) empfehlenswert. Geschäftseinheiten mit einem hohen relativen Marktanteil in langsam wachsenden Märkten erzeugen einen positiven Cashflow, welcher zur Finanzierung anderer Geschäfte genutzt werden kann. Eine Milchkuh erhöht die Liquidität des Unternehmens. Strategieempfehlung: Die Grundstrategie lautet: »Position halten!« Dies bedeutet regelmäßige Verkaufsanstrengungen durch Marktimpulse, Maßnahmen zur Kundenpflege und -betreuung, Abschluss von Service-Agreements und dergleichen mehr. Die Ertragskunden können hier durchaus individueller gepflegt werden. Interessant ist es, Folgegeschäfte mit den bestehenden Kunden zu etablieren. 4. »Arme-Hunde«-Geschäfte: Desinvestitionsstrategie (Rückzugsstrategie) Arme Hunde (poor dogs) sind Auslaufmodelle, die mit großer Aufmerksamkeit zu führen und rechtzeitig vom Markt zu nehmen sind, sobald sie verlustbringend werden. Geschäftseinheiten mit einem niedrigen Marktanteil in langsam wachsenden Märkten benötigen nur beschränkte finanzielle Mittel. Aufgrund ihrer schwachen Marktposition sind sie aber gefährliche Cashfallen, und es stellt sich die Frage, ob man Geschäfte dieser Kategorie weiterführen soll. Strategieempfehlung: Die Stoßrichtung für ein Dog-Business heißt: »selektiver Rückzug«. Der Aufwand ist zu minimieren, und teure persönliche Vertriebsaktionen sind auf indirekte, das heißt günstigere Vertriebswege (Telefon, Internet) umzustellen. Produkte sind im Bundling (in Paketen) anzubieten und im Verkaufsprozess zu standardisieren. Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
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Das Portfolio eines Unternehmens sollte möglichst ausgeglichen sein, das heißt, die einzelnen Geschäfte stützen sich gegenseitig finanziell. Ein Fragezeichen-Geschäft kann nur expandieren, wenn genügend finanzielle Mittel durch Cash-Cow-Geschäfte erwirtschaftet werden. Die Überlegungen zum Produktlebenszyklus sind hier ebenfalls zu beachten.
Einschätzung Die Boston-Matrix stand schon früh in der Kritik, weil nur zwei Faktoren zur strategischen Steuerung des gesamten Geschäfts Beachtung finden. Auch ist die ursächliche Beziehung zwischen Marktanteil und Rentabilität nicht eindeutig, da die Gewinnung zusätzlicher Marktanteile Investitionsmittel erfordert. Viele Märkte unserer Tage haben das Problem, dass sie sich rückläufig entwickeln. Gerade für derartige Fälle bietet der klassische Boston-Portfolioansatz keine Empfehlungen. Weiterhin ist das Marktwachstum keine gegebene Größe, sondern kann auch vom Unternehmen mit aggressiven Marketingmaßnahmen selber beeinflusst werden.
McKinsey-Portfolio: Geschäfte im Wettbewerb um produktive Mittel Auch andere weltweit tätige Beratungsunternehmen haben ihre eigenen Portfolio-Strategien entwickelt. Es gehörte in den 70er und 80er Jahren fast schon zum »Consulting Chic«, den Kunden seine firmeneigenen Portfoliomatrices im Rahmen von Strategieprojekten anzubieten. So hat auch die Beratungsgesellschaft McKinsey auf der Basis wichtiger Erfahrungen mit dem US-Konzern General Electric (GE) die »Marktattraktivitäts-/Wettbewerbsstärken-Portfoliomatrix« entwickelt. Dieses Instrument wird auch als »McKinsey-Matrix«, »GE-Portfolio«, »GE Business Screen«, »Multifaktorenportfolio« oder »Neun-Felder-Matrix« bezeichnet. Das McKinsey-Portfolio hat sich in der Praxis weit verbreitet. Es ist deshalb so häufig anzutreffen, weil es sich für eine Vielzahl von strategischen Betrachtungen einsetzen lässt und zudem äußerst variabel, vielseitig und adaptierbar ist. Die McKinsey-Matrix ist eine deutliche Weiterentwicklung der BostonMatrix. Sie vermeidet vor allem deren grundlegende Schwächen: Das McKinsey-Portfolio bezieht sowohl quantitative als auch qualitative Erfolgsfaktoren für die Beurteilung von Geschäften und für die Empfehlung strategischer Handlungsanweisungen ein. Die Portfolioberechnung erfolgt nach dem bewährten System der Nutzwertanalyse. Die Geschäftsportfolios lassen sich auch 86
Handbuch der Strategien
vielseitig einsetzen. Sie werden in der Praxis für die strategischen Geschäftseinheiten (SGE), Tochterfirmen, Produktgruppen oder einzelne Produkte erstellt. Zu beachten ist, dass für das gewählte Analyseobjekt eine eigenständige Strategie formuliert werden kann. Die beiden Dimensionen der Matrix sind wie bei der Boston-Matrix in eine Außensicht (extern, Umwelt, Attraktivität des Marktes) und in eine Innensicht (intern, Unternehmen, eigene Stärke) unterteilt:61 Die externe Dimension (Umfeld-/Marktbeurteilung) bezeichnet man als Marktattraktivität. Sie beruht auf einer Vielzahl von Faktoren, für die kein festgelegter Katalog vorgegeben ist. Je nach Business und Markt werden die für die Attraktivität eines Marktes entscheidenden Größen aufgespürt, einzeln bewertet und zu einem Indikator verwoben. Welche Erfolgsfaktoren machen einen Markt attraktiv? Hier einige Beispiele: Ein Markt wird umso attraktiver, je größer und schneller er wächst, je größer seine Profitabilität ist, je größer das Marktpotenzial eingeschätzt wird, je eher er schutzfähig ist, je weniger Konkurrenten sich im Markt tummeln, je niedriger die Transparenz der Kunden zum Geschäft ist, je kleiner die Einstiegsinvestitionen sind, je leichter Hürden für Konkurrenten aufgebaut werden können, je stabiler der Markt konjunkturell ist und je niedriger der Innovationsdruck ist. Die interne oder firmenorientierte Dimension der Beurteilung ist die relative Wettbewerbsstärke. Auch sie setzt sich aus vielen Einzelbetrachtungen zusammen. Die Wettbewerbsstärke eines Business im Vergleich zu den Konkurrenten nimmt zu, wenn das Unternehmen einen hohen Marktanteil erreicht hat, über starke finanzielle Mittel verfügt, Vorteile im Know-how aufweist, über eine starke Marke verfügt, Preisvorteile ausspielen kann, aus Kundensicht ein Qualitätsanbieter ist, Innovationen bieten oder Standortvorteile für Produktion und Vertrieb nutzen kann. Die Beurteilung der verschiedenen Faktoren erfolgt durch Experten, Führungskräfte oder gemischte Strategieteams, die Punktwerte vergeben. Zudem gewichten sie alle Einzelfaktoren nach ihrer Bedeutung für das Unternehmen. Die Punktwerte werden mit den Gewichtungen multipliziert, woraus sich der Nutzwertindikator errechnet. Aus all dem wird dann pro Geschäftsfeld je ein Indikator für die Marktattraktivität sowie für die relative Wettbewerbsstärke vergeben. Diese beiden Indikatoren lassen sich in die Portfoliomatrix eintragen. Dies positioniert das Geschäft in seinem Gesamtkontext (vergleiche Abbildung 12). Die jeweilige Position der Geschäfte eines Unternehmens in der NeunFelder-Matrix gestattet es, für generelle Geschäfte normierte strategische Empfehlungen abzugeben. Alle Geschäfte eines Portfolios konkurrieren um finanzielle, personelle, technologische Mittel eines Unternehmens. So werden manche Geschäfte abgebaut, um die Mittel in andere attraktivere Geschäfte zu Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
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Abbildung 12: McKinsey-Matrix »Position ausbauen« • Investition in Erhaltung der
suchen; Akquisitionen erwägen
Marktstellung
• Rückzug aus Geschäften mit Schwäche
• selektiv Stärken aufbauen • Geschäftskonzept stärken
für langfristiges Wachstum
mittel
»Expansion oder Ernten«
»Selektion, Gewinnorientierung«
• Suche risikoarme Expansion • Minimiere Investition • Rationalisieren, spezialisieren
»Devestieren« niedrig
Marktattraktivität
hoch
»selektiv ausbauen« • Spezialisieren, differenzieren, Nischen
• Verkaufen zum Zeitpunkt des höchsten Geschäftswerts
• Fixkosten abbauen • Investments reduzieren
schwach
• Wachstumssegmente suchen, angehen; spezialisieren
• Investiere in Geschäfte mit hohen Margen (Selektion)
»Gewinnorientierung« • Erhalte rentable Geschäfte; Rest absetzen
• Produktlinie straffen • Investments minimieren
mittel
»Position verteidigen« • Investieren auf verkraftbarem Expansionspfad
• Stärken erhalten/ausbauen • Investitionen tätigen
»selektiv ausbauen« • Investiere in attraktive Segmente
• Steigere Produktivität für Rentabilität
»Schwerpunktverlagerung« • Kurzfristig abschöpfen, Cashflow optimieren
• Position halten • Position gegen Wettbewerber verteidigen
stark
Wettbewerbsstärke
reinvestieren. Die McKinsey-Matrix beantwortet folgende Fragen: Welche Geschäfte sollen gefördert werden? Welche Geschäfte sind zu halten? Welche Geschäfte sind zu ernten oder abzustoßen? Die grundsätzlichen (generischen) Empfehlungen sind: 1. »Expandieren«: Wachstumsstrategien verfolgen – starke Geschäfte in attraktiven Märkten – durchschnittliche Geschäfte in attraktiven Märkten – schwache Geschäfte in durchschnittlichen Märkten 2. »Auswählen«: Haltestrategien verfolgen – durchschnittliche Geschäfte in durchschnittlichen Märkten – starke Geschäfte in schwachen Märkten – schwache Geschäfte in attraktiven Märkten 3. »Abschöpfen«: Erntestrategien verfolgen – schwache Geschäfte in unattraktiven Märkten – durchschnittliche Geschäfte in unattraktiven Märkten – schwache Geschäfte in durchschnittlichen Märkten
Einschätzung Das McKinsey-Portfolio ist ein großer Schritt in Richtung Praktikabilität und Verbreiterung der Beurteilungsbasis gegenüber der Boston-Matrix. Das Portfolio eignet sich hervorragend für Strategiediskussionen, bei denen verschiedene Ge88
Handbuch der Strategien
schäfte eines Unternehmens nach denselben Kriterien und ganzheitlich beurteilt werden. Die normierten Strategieempfehlungen hingegen sollten nur als »interessante Hinweise« verstanden werden. Auch hier gilt in Analogie zur Boston-Matrix, dass sich eine erfolgreiche Unternehmensstrategie nicht »automatisch« durch die Anwendung eines Verfahrens, einer Methode oder einer Technik rechnerisch kalkulieren oder verwerfen lässt. Auch die vielen zu diesem strategischen Instrumentarium existierenden Softwareapplikationen sind nichts als Hilfsmittel, um das Aufspüren von attraktiven Strategien zu veranschaulichen und den komplexen Erstellungsprozess zu vereinfachen. Einer der Hauptnachteile der McKinsey-Matrix ist, dass sie die Beziehungen zwischen den verschiedenen Geschäften eines Unternehmens weglässt und die spezifischen Kernkompetenzen, das heißt die besonderen Fähigkeiten des Unternehmens oder einer Geschäftseinheit, unberücksichtigt lässt.
ADL-Portfolio: Strategien im Produktlebenszyklus Der Portfolioansatz der Arthur D. Little (ADL) Beratungsgesellschaft, der ältesten aller großen Consultingfirmen überhaupt, baut den Produktlebenszyklus in die strategischen Überlegungen seiner Portfolios mit ein.62 Die »ADLStrategiematrix« ist eine Reaktion des internationalen Beratungshauses auf die »Portfolioinflation« der Boston Consulting Group, McKinsey und anderen. Die führenden global aktiven Consultingfirmen müssen in Methoden, Konzepten und Strategietableaus mit der Konkurrenz mitziehen, um ihre Professionalität zu unterstreichen. Die Berater belegen ihr State-of-the-Art-Know-how im Management strategischer Empfehlungen durch die Entwicklung von Werkzeugen mit eigenem Branding. Vorteilhaft bei dieser Entwicklung ist, dass immer wieder spezifische, strategisch wichtige Aspekte Eingang in das strategische Denken finden. Beim ADL-Portfolio werden die relative Wettbewerbsposition auf der einen Matrixachse und die Phasen des Lebenszyklus auf der anderen repräsentiert (vergleiche Abbildung 13). Es beurteilt, wie stark sich ein Geschäft in seiner jeweiligen Entwicklungsphase im Markt darstellt. Die Wettbewerbsposition oder Marktstellung kann als schwach, mäßig, günstig, stark oder dominant kategorisiert werden. Die Phasen seines Lebenszyklus sind die Phase der Markteinführung, Phase des Wachstums, Phase der Reife oder Phase der Sättigung. Daraus ergibt sich eine »5x4«-Tabelle mit 20 Feldern, von denen jedes eine strategische Empfehlung abgibt. Der ADL-Stratege muss auf der Suche nach der »idealen« Strategie verschiedene Kriterien durchleuchten: Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
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• Welche Geschäfte stehen gleichartigen Konkurrenten gegenüber? • Welche Preisniveaus herrschen, und wie flexibel ist unsere Möglichkeit der • • • •
Preisgestaltung? Welche Kundensegmente (Märkte) werden angesprochen? Welche Qualitäts- und Serviceniveaus bestehen? Wie leicht lassen sich die Geschäfte durch andere Angebote substituieren? Lassen sich die Geschäfte in einer Exit-Strategie noch liquidieren (Desinvestment)?
Einführung
Wachstum
Reife & Sättigung
Degene ration
dominant
Marktanteile gewinnen
Investieren, Marktstellung ausbauen
Position halten, mindestens Branchenwachs tum halten
Position halten
stark
intensives Marktwachstum anstreben; Markt Investitionen
Marktanteile halten, Positionen ausbauen, Investieren
Positionen halten, Branchenwachs tum halten
Position halten, Ernten
günstig
selektive Gewinnung von Marktanteilen
schrittweise Position verbessern
minimale Investments zum Halten der Position
Ernten, Reduzierung der Investments, Abschöpfen
mäßig
selektive Gewinnung von Marktanteilen
Suche nach Nischen
Suchen nach Nischen, Reduktion der Investments
Devestition, Liquidation
schwach
Wettbewerbsposition
Abbildung 13: ADL-Portfolio: Marktpositionen im Lebenszyklus
Sprung nach vorn oder Aufgabe des Business
nachhaltige Verbesserung der Position; Aufgabe
Devestition, Liquidation
Devestition, Liquidation
Einschätzung Arthur D. Little kommt das Verdienst zu, die Lebenszyklusbetrachtung für strategische Entscheidungen über die zukünftige Beurteilung von Geschäften propagiert zu haben. Fragen zur Positionierung eines Geschäfts in seiner dynamischen Entwicklung werden sonst gerne vernachlässigt. Strategiediskussionen durchleuchten das Thema des Lebenszyklus von Geschäften oft zu wenig, wodurch man sich Chancen entgehen lässt oder allfällige Gefahren übersieht. 90
Handbuch der Strategien
Doch auch der Lebenszyklusportfolio-Ansatz hat seine Grenzen: Die Lebenszyklusphase lässt sich nur äußerst vage prognostizieren. Zudem können eigene Marketingaktionen und diejenigen der Konkurrenten den Lebenszyklusverlauf von Geschäften deutlich beeinflussen. Da Standard-Produktlebenszyklen nicht existieren, sind auch die Übergänge von der einen zur anderen Phase nicht eindeutig bestimmbar. Somit ist eine schlüssige Zuordnung der Geschäfte in ihre jeweiligen Lebenszyklusphasen nur vage möglich. Trotzdem lohnen sich Lebenszyklusbetrachtungen, da sie dazu anregen, möglichen Abschwächungen der Geschäftsdynamik frühzeitig gegenzusteuern. Betrachtet man aber die Normstrategien der ADL-Matrix genauer, so sind diese für den praktischen, konkreten Einsatz zu wenig griffig. (Für die Interpretation und Umsetzung benötigt man ja dann eben den Consultant.)
Normstrategien: Aus der Rezeptkiste der Berater
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Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
Wir kündigen drei Produktneuheiten pro Tag an. Können Sie sich an eine erinnern? Mark Hurd, CEO Hewlett-Packard
Wachstumsstrategien: Wenn mehr besser ist In den boomenden 70er Jahren konzentrierte sich das strategische Management stark auf die Themen Unternehmensgröße, Marktmacht, Wachstum sowie auf die Zusammensetzung der verschiedenen Geschäfte eines Unternehmens. Vor allem die PIMS-Studien (Profit Impact of Marketing Strategies) zeigten unmissverständlich: Je größer der Marktanteil eines Business, desto größer ist seine potenzielle Profitrate. Angeregt durch diese strategische Erkenntnis war der Run auf Marktanteile entfacht. Wachstum wurde zum Geschäftscredo vieler Unternehmen. Hohe Absatzvolumen resultieren in größeren Marktanteilen, wodurch »Skaleneffekte« (economies of scale) wirksam werden. Größere Absatzvolumen sind daher gleichbedeutend mit potenziell sinkenden Stückkosten, was sich wiederum positiv auf die Kalkulation und Preisgestaltung auswirkt. Günstige Preise beleben ihrerseits wiederum den Absatz, wodurch sich die Wachstumsspirale weiter nach oben dreht. Doch wenn diese Rechnung ohne die Reaktionen der Konkurrenten gemacht wird, expandieren auch die produktiven Kapazitäten, ohne dass die Kundennachfrage mithält. Die Folge sind Märkte mit hohen Angebotsüberschüssen. Heute lassen sich derartige Märkte in vielen Branchen (zum Beispiel Automobilbusiness) weltweit finden. Dies führt zu Verdrängungswettbewerb, Kostendruck, Effizienzdruck, Margendruck, Preisdruck und Beschäftigungsdruck. Nach Jahren der Kostensenkung, Effizienzsteigerung und Restrukturierung rutscht das Thema Wachstum wieder verstärkt ins Zentrum des strategischen Managements.63 Praktisch jedes Unternehmen verfolgt das Ziel, »gesund« zu wachsen. Doch was heißt das? Wachstum kann dann als betriebswirtschaftlich »gesund« bezeichnet werden, wenn das Ergebnis der Wachstumsanstrengungen nicht nur eine Umsatzerweiterung mit sich bringt, sondern auch (zumindest) zeitnah die Profitabilität gestärkt wird. Profitables Wachstum ist die Ba92
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sis für einen langfristigen Erfolg im Wettbewerb. Wachstumsstrategien bedeuten immer Investitionen in neue Ressourcen, um die Wertschöpfung zu steigern. Dieses »Wachstum mit Ziel« unterscheidet sich deutlich vom häufig zu beobachtenden »Wachstum um jeden Preis«. Wachstum ist die Kraft, die das längerfristige Überleben der Firma sichert, Kapital anzieht, neue Arbeitsplätze schafft, Aktionäre erfreut und die Wettbewerber überrundet. Doch jedes Wachstum hat neben dem quantitativen auch einen qualitativen Aspekt. Quantitatives Wachstum ist reines Mengenwachstum, also die Zunahme von Absatz, Umsatz oder Marktanteilen. Qualitatives Wachstum bedeutet hingegen Lernen, Know-how-Gewinn und persönlichen Fortschritt. Das langfristige Wachstum (und nicht der kurzfristige Gewinn) ist der zentrale Faktor für steigende Aktienkurse. Wachstum steigert den Unternehmenswert. Wachstumsstrategien setzen am bestehenden Business an und nutzen die Chancen, die sich in den Märkten und im Wettbewerb auftun. Daher sind die folgenden Fragen bei der Diskussion einer Wachstumsstrategie zu beantworten: • Wie kann die Wettbewerbsposition im Stammgeschäft forciert werden? • Wie präsentiert sich die längerfristige Attraktivität des Kernmarktes? • Wie kann das bisher noch zu wenig ausgeschöpfte Potenzial bearbeitet wer-
den? • Welche neuen Geschäfte sind möglich? • Welche Synergien (Verbundeffekte) sind nutzbar? • Mit welchen Hindernissen und Barrieren ist in den neuen Marktfeldern zu
rechnen? Die amerikanische Beratungsgesellschaft A. T. Kearney hat in einer globalen Studie etwa 25 000 Firmen über ein Dutzend Jahre hinweg untersucht. Die ausgewählten Unternehmen machen etwa 98 Prozent der Weltmarktkapitalisierung aus. Dabei stellten die Berater Folgendes fest: 1. Wachstum ist in jeder Industrie und Branche feststellbar. 2. Wachstum findet in jeder geografischen Region und jeder Nation statt. 3. Wachstum gibt es in jeder Phase des Konjunkturzyklus. Auch wenn man häufiger die Klagen der Verlierer hört, so lassen sich immer auch Gewinnerunternehmen ausmachen – und dies in jeder Branche! Damit belegen die Berater, dass es de facto keine »reifen« Industrien gibt, die dem Untergang ausgeliefert sind. Diese umfassende Langzeitstudie präsentiert interessante Ergebnisse zum Thema Wachstum:64 • Die Berater stellen fest, dass 87 Prozent des erfolgreichen Wachstums von den
Unternehmen »selbst induziert« werden, also von innen heraus erfolgen und Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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nicht aus Marktimpulsen stammen. Das Management hat es also selber in der Hand, das Unternehmen auf einen Wachstumskurs zu trimmen. Es gibt keine spezifischen Lebenszyklen von Industrien. Alle studierten Wirtschaftszweige teilten in ihrer Entwicklung ein ähnliches Muster mit den Phasen Marktdefinition, Wachstum, Fokussierung und Partnerschaft. In jeder Phase lassen sich immer wieder Gewinner ausmachen. Der Shareholder Value basiert weniger auf dem Gewinn, den ein Unternehmen kurzfristig erzielt, als auf der nachhaltigen Entwicklung des Wachstums seines Geschäfts in einer längerfristigen Perspektive. Die Berater identifizierten interne und externe Wachstumstreiber: Die interne Dynamik resultierte aus differenzierten Preismodellen, Sortimentsgestaltungen, Innovationen, Neukundengewinnung, Bestandeskundenpflege oder Cross-Selling, die externe Dynamik aus Partnerschaften, Kooperationen oder Übernahmen. Mergers & Acquisitions (Zusammenschlüsse und Firmenkäufe) schützen ein Unternehmen zudem vor der Übernahme durch Dritte.
Unternehmen haben verschiedene interne und externe Handlungsoptionen, um ihr Wachstum zu forcieren (Abbildung 14). Beim internen (organischen) Wachstum werden die internen Fähigkeiten und Möglichkeiten für mehr Geschäft ausgeschöpft. Hier bieten sich Cross-Selling, Neukundenmanagement, Preismanagement und Innovationen an. Das Unternehmen kann sich auch in neue Märkte wagen und mit neuen Produkten oder Services wachsen. Das »organische Wachstum« erfolgt aus dem Unternehmen selbst heraus und ist meistens nur längerfristig erreichbar. Im Zentrum steht dabei die Stärkung der Vertriebsleistung. Andererseits kann das Management aber auch auf unternehmensfremdes (anorganisches) Wachstum setzen. Die Wachstumsziele des »anorganischen Wachstums« werden durch Akquisitionen (Zukäufe) und Fusionen, aber auch Kooperationen mit anderen Marktpartnern erreicht. Vor allem Konzerne akquirieren zur Beschleunigung ihres Wachstums Drittfirmen. Dies gestattet Wachstumssprünge, um Positionen zu besetzen. Doch wie die Beispiele von BMW mit Rover/Landrover oder Daimler-Benz mit Chrysler zeigen, bergen diese Mergers auch sehr hohe Risiken. Bei jeder Expansionsstrategie muss das Management folgende Fragen kritisch diskutieren: • Ist größer für unser Business auch besser?
Größe hat im Business unbestritten ihre Vorteile. Dies gilt aber nicht generell. Es kann durchaus eine leistungsfähige Strategie sein, eine Nische zu besetzen und sich auf diese zu konzentrieren. • Bringt Größe unserem Unternehmen, unseren Geschäften und unseren Marken eine Imageverbesserung? 94
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Bekannte Unternehmen haben es vor allem in der Vermarktung leichter. Doch mit einer Wachstumsstrategie wird in vielen Fällen auch die Konkurrenz aufgescheucht, was häufig zu Auseinandersetzungen führt. • Wachsen wir durch eine Markterweiterung? Welche Marktsegmente sind noch attraktiv und unbearbeitet? Wie interessant sind ausländische Märkte? Wie groß ist das noch offene Marktpotenzial? Wann ist die Sättigung erreicht? • Wachsen wir durch eine Produkterweiterung? Welche Produktneuerungen stehen an? Wie können Zusatzleistungen geboten werden? Können interessante Firmen übernommen werden, welche die Produktpalette komplettieren? • Wachsen wir durch Diversifikation? Welche Märkte sind attraktiv? Kann das Unternehmen sich in neue Geschäftsfelder hineinbewegen? Lassen sich Synergien zwischen neuen und bestehenden Geschäften ausschöpfen? Abbildung 14: Eine Kollektion von Wachstumsstrategien 3TRATEGIEN¬DES 7ACHSTUMS¬RUND¬UMS +ERNGESCHËFT
0RODUKTå-ARKTå 3TRATEGIEN
w%XPANSION ENTLANG¬DER 7URZELi -ARKTå DURCHDRINGUNG
0RODUKTå ENTWICKLUNG
3TRATEGIE DER w(IDDEN¬!SSETSi
6ERNETZUNGSå STRATEGIEN
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,ICENSINGå STRATEGIE -ARKTå ENTWICKLUNG
w,ONGå4AILiå 3TRATEGIE
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3TRATEGIEN¬FàR¬7ACHSTUM¬UND¬%XPANSION
Wachstum evolutionär und revolutionär: Das Greiner-Modell Larry E. Greiner, Professor für Organization Development der University of Southern California in Los Angeles, hat sich mit den längerfristigen Wachstumspfaden von Unternehmen auseinandergesetzt.65 Dabei stellte er fest, dass Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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Unternehmen sechs Stadien der Entwicklung durchlaufen. Strategien, Strukturen und Systeme, welche die Unternehmen nutzen, müssen zu jedem Entwicklungsstadium passen, wenn sie erfolgreich den nächsten Schritt in Richtung Expansion unternehmen wollen. Die »Greiner-Kurve« kann als ein praktisches Modell (growth-phases-model) genutzt werden, um das Unternehmen auf seinem Entwicklungsverlauf zu beurteilen. Abbildung 15 zeigt die Wachstumsdynamik in evolutionären und revolutionären Phasen.
Abbildung 15: Larry Greiners Entwicklungsmodell
Wachstum durch Koordination
Wachstum durch Vernetzung
Wachstum durch Delegation
Wachstum durch besondere Organisation, Vernetzung und durch Partnerships
Wachstum durch Führung
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Wachstum durch Kreativität
Führungskrise
Autonomiekrise
Kontrollkrise
Bürokratiekrise
Wachstumskrise
Krise durch???
Greiner unterscheidet die folgenden Stufen der Entwicklung eines Unternehmens: 1. Wachstum durch Kreativität Merkmale dieser Phase sind: Start-up-Unternehmen, unternehmerische Entscheidungsfindung, formlose Kommunikation, hohes Engagement der Mitarbeitenden, hohe Identifikation mit den Absichten, viel Arbeit bei niedrigen Erträgen. Das Ende dieser Phase wird durch eine Führungskrise eingeleitet. 2. Wachstum durch Führung Merkmale dieser Phase sind: nachhaltiges Wachstum, Etablierung erster Führungssysteme (Buchhaltung, Personal, Kapitalmanagement, Budgetie96
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rung, Planung, Motivationsanreize). Das Ende dieser Phase ist die Autonomiekrise. Wachstum durch Delegation Merkmale dieser Phase sind: dezentralisierte Strukturen, operative Verantwortlichkeiten, Profit-Centers, Cost-Centers, finanzielle Anreize, periodische Strategiekoordination, das Topmanagement handelt nach dem Management by Exception (in Ausnahmefällen), formelles Berichts- und Kommunikationswesen. Das Ende dieser Phase ist die Kontrollkrise. Wachstum durch Koordination Merkmale dieser Phase sind: Bildung von Produktgruppen (oder strategischen Geschäftsfeldern), strategische Planungssysteme, Zentralisierung der Supportbereiche (Personal, Planung, Finanzen), Verantwortung der Führungskräfte in den Geschäftseinheiten für den Return on Investment (ROI), Motivation durch Beteiligung am Gewinn. Das Ende dieser Phase ist die Bürokratiekrise. Wachstum durch Vernetzung Merkmale dieser Phase sind: Suche nach neuen Wegen der Zusammenarbeit, Projektmanagement durchzieht das Geschehen, Teamaktivitäten nehmen zu, Matrixorganisation, Vereinfachung der Kontrollen, Informationssysteme bekommen einen wichtigen Stellenwert, Anreize für Teamverhalten. Das Ende dieser Phase ist die interne Wachstumskrise. Wachstum durch besondere Organisationsformen Diese Entwicklung gilt für Holdings, Fusionen oder ganze Netzwerke von Unternehmen.
Das Greiner-Modell der Unternehmensentwicklung ist aufgrund seiner Einfachheit und Plausibilität zu einem Klassiker im Bereich der Systementwicklung geworden. Greiner liefert zwei wertvolle Beiträge für die Praxis: Erstens zeigt er, dass in jeder Phase der Unternehmensentwicklung unterschiedliche Arten der Führungskompetenzen zum Erfolg führen. In seinem Ansatz müssen Führung, Systeme, Kultur und Prozesse zur Entwicklungsphase passen. Es gibt keine Lösungen, die immer passen und immer funktionieren. Und zweitens sind gerade auch die gefundenen Lösungen oft wieder die Probleme der nächsten Stufe, welche überwunden werden müssen. Die Lösung trägt den Kern des Problems immer in sich. Daher durchlaufen Firmen in ihrer Wachstumsentwicklung Phasen der evolutionären (ruhigen, stetigen) Entwicklung und Phasen der revolutionären (wilden, konfliktreichen, unstetigen) Entwicklung. Die revolutionären Phasen führen zum Sprung in eine Weiterentwicklung auf höherer Stufe oder zwingen zur Aufgabe des Herkömmlichen. Das Greiner-Modell kann zur Antizipation von potenziellen Krisen und für ihre Bewältigung genutzt werden. Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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Wachstum mit Basisstrategien: Die Ansoff-Matrix Harry Igor Ansoff (1918 – 2002), studierter Mathematiker, Ingenieur und Wirtschaftsprofessor, wurde im russischen Wladiwostok geboren. Er emigrierte mit seiner Familie nach New York, wo er auch sein Mathematik- und Ingenieurstudium abschloss. Während des Zweiten Weltkriegs diente Ansoff in der US Naval Reserve als Beziehungsoffizier zur russischen Marine. In dieser Zeit machte er seine ersten »strategischen Erfahrungen«. Daneben dozierte Ansoff an der US Naval Academy. Nach Kriegsende startete Ansoff seine Karriere zuerst als Geschäftsmann. Ansoff arbeitete bei der RAND Corporation und der Lockheed Aircraft Corporation, wo er die Unternehmensplanung leitete. Anschließend wechselte er in die Wissenschaft als Professor für Business. Ansoff unterrichtete an führenden amerikanischen Universitäten wie der Carnegie Mellon, der Vanderbilt und der International University San Diego Management und Business. Längere Zeit lehrte er auch am Brüsseler European Institute for Advanced Studies in Management. Im Bereich der Strategie wurde Igor Ansoff vor allem durch seine Forschungen in drei wichtigen Feldern bekannt: Er entwickelte das Konzept der »Umfeldturbulenz« und ihrer Auswirkung auf die Entwicklung von Strategien, den »Realtime-Strategieansatz« zur Beschleunigung der Reaktionszeiten und die allen Marketingstudenten bekannte Ansoff-Matrix. Heute gilt er als einer der Väter des modernen strategischen Managements dank seinem Grundlagenwerk von 1965, Corporate Strategy.66 Die Ansoff-Matrix oder auch Produkt/Markt-Wachstumsmatrix ist eine einfache, praktische Vier-Felder-Tabelle, welche die vier strategischen Basisstrategien für Wachstum skizziert. Sie eignet sich als gedankliches Spielbrett, um produkt/markt-strategische Stoßrichtungen zu diskutieren, zu planen oder zu entwickeln (vergleiche Abbildung 16). Welche strategischen Wachstumsalternativen empfiehlt Ansoff? 1. Strategie der Marktdurchdringung oder Marktpenetration: mit bestehenden Produkten bestehende Märkte durchdringen Die Kombination »bestehende Produkte/bestehende Märkte« fokussiert darauf, die bestehenden Märkte mit dem bestehenden Sortiment vertiefter und systematischer zu durchdringen. Bei dieser Stoßrichtung steht das Hinzugewinnen von Marktanteilen im Zentrum. Möglichkeiten dazu sind, Marktanteile der Konkurrenz zu erobern, potenzielle Käufergruppen anzusprechen, welche noch nicht zu den Kunden zählen, oder den Umsatz mit den bestehenden Kunden zu erhöhen. Die Wachstumschancen dieser Strategieoption sind meist begrenzt, da viele Märkte gesättigt sind und die Kon98
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kurrenz ihre Marktposition nicht kampflos aufgibt. Ansoffs Untersuchungen haben gezeigt, dass die Marktpenetration die erfolgversprechendste beziehungsweise am wenigsten riskante Wachstumsstrategie darstellt. Maßnahmen der Marktdurchdringungsstrategie sind: – – – – – – –
Vergrößerung des Standort- oder Vertriebsnetzes Intensivierung von Werbeaktionen Kundenbindungsaktionen, Kundenloyalitätsprogramme Angebote von Zusatzverkäufen, Up-Selling Kundenrückgewinnungsaktionen Intensivierung des Verkaufs durch Anreize oder Trainings Aktionen zur Konkurrenzverdrängung (zum Beispiel Rabattaktionen, Eventmarketing) – Steigerung der Nutzungsmöglichkeiten des Produkts Beispiel: 2005 lancierte Nestlé mit großem Marketingengagement die Schokoladenmarke Cailler neu, welche schon seit 1929 zum Konzern gehört. Die neuen Verpackungen und die neuen Geschmacksrichtungen sollten den Absatz der Marke steigern. Allerdings lehnten die Kunden die aufwändige und wenig umweltfreundliche Verpackung ab. 2. Strategie der Produktentwicklung: mit neuen Produkten bestehende Märkte bearbeiten Es liegt nahe, die Kombination »neue Produkte/bestehende Märkte« zu wählen, wenn Innovationen oder Produktvarianten entwickelt wurden. Dadurch wird das Sortiment aktualisiert. Unternehmen versuchen mit der Produktentwicklungsstrategie, die Bedürfnisse ihrer bestehenden Kundschaft mit neuen Produkten zu befriedigen. Diese Strategievariante hält das Unternehmen und seine Geschäfte wettbewerbsfähig. Die Erfolgsrisiken sind deutlich höher als diejenigen der Marktpenetration. Bei der Produktentwicklung stehen daher Innovation und Differenzierung im Zentrum. Maßnahmen der Produktentwicklungsstrategie sind: – Erhöhung der Innovationen, Forschung & Entwicklung – Lizenzierung – Unbundling: Einzelverkauf bisher zusammen angebotener Produkte/ Services – Produktaustausch (Handel) Beispiel: 1997 entwickelte Nestlé das neuartige System »Nespresso« für Kaffee in Einwegkapseln, welches den Kaffeegeschmack entscheidend verbessert, zudem eine breite Geschmacksvielfalt bietet und die Convenience (Bequemlichkeit) der Kaffeezubereitung deutlich steigert. Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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3. Strategie der Marktentwicklung: mit bestehenden Produkten neue Märkte erschließen »Bestehende Produkte/neue Märkte« bietet sich an, wenn Märkte durchdrungen sind und offene Marktpotenziale in anderen Regionen oder bei anderen Zielgruppen erschlossen werden können. Diese Strategie lässt sich relativ rasch vollziehen, da die Erfahrungen schon aus dem Kernmarkt vorliegen. Ein Beispiel für die Marktentwicklungsstrategie ist die Positionierung des Red Bull ähnlichen Sportdrinks Lucozade: Entwickelt wurde das Produkt als Energiespender für Kranke. GlaxoSmithKline vertrieb das Produkt dann weiter im Jugendmarkt mit Erfolg. Und nun werden verschiedenste Produktversionen für professionelle Sportler angeboten. So werden mit demselben Produkt sukzessiv neue Marktsegmente erfolgreich erschlossen. Spezielle Formen der Marktentwicklung sind daher die Marktsegmentierung und die Internationalisierung (oder Globalisierung). Maßnahmen der Marktentwicklungsstrategie sind: – ausländische Märkte: Internationalisierung – neue Marktsegmente: Zielgruppenwahl – neue Einsatzgebiete für die Produkte Beispiel: Nachdem Nestlé sein Schlüsselprodukt, den Nescafé, am 1. April 1938 das erste Mal auf dem Schweizer Markt angeboten hatte, folgt schon bald darauf der Export nach Frankreich, Großbritannien und in die USA. 4. Strategie der Diversifikation: mit neuen Produkten neue Märkte erobern Als besonders risikoreich gilt die Diversifikationsstrategie: Neue Märkte mit neuen Produkten zu erobern ist riskant, da weder Markt- noch Produkterfahrungen vorliegen. Beispiel: 1977 akquirierte Nestlé das texanische Pharmaunternehmen Alcon Laboratories und erweiterte damit sein Geschäft um Produkte für die Augenpflege. Die Berater der Beraterfirma Bain & Company haben 2 600 Unternehmen bei der Umsetzung der klassischen Wachstumsstrategien analysiert.67 Sie identifizierten dabei folgendes Aufwand-Nutzen-Verhältnis für die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Strategie: • Bei der Marktdurchdringungsstrategie lag die Erfolgswahrscheinlichkeit bei
einem Verhältnis von 50:50. • Bei der Produktentwicklungsstrategie lag die Erfolgswahrscheinlichkeit bei 100
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einem Verhältnis von 1:5 und einem Ressourceneinsatz des Achtfachen der Marktdurchdringungsstrategie. • Bei der Marktentwicklungsstrategie lag die Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem Verhältnis von 1:3 und einem Ressourceneinsatz des Vierfachen der Marktdurchdringungsstrategie. • Bei der Diversifikationsstrategie lag die Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem Verhältnis von 1:20 und einem Ressourceneinsatz des Zwölf- bis Sechzehnfachen der Marktdurchdringungsstrategie. Dies belegt, dass die Verfolgung einer Diversifikationsstrategie heikel, riskant und aufwändig ist. Doch meistens nutzen Unternehmen die verschiedenen Wachstumsstrategien in Kombination, wie das folgende Beispiel zeigt. Die amerikanische Schuhfirma Crocs Inc. aus Colorado landete mit ihren bunten Plastik-Clogs einen Verkaufshit. Die gelochten Slipper sind kunterbunt, bequem, praktisch, günstig und auffällig. Die »Crocs«, wie sie genannt werden, sind nur etwa 20 Gramm leicht und erobern die Freizeitschuhmärkte rund um den Globus. Trendsetter und Hollywood-Promis haben den Boom der früher als Gartenschuhe und »Plastiklatschen« verrufenen Schuhe angeheizt. Mittlerweile sind sie zu einem Hingucker-Accessoire geworden. Die Schuhe werden in den USA von Designern gestaltet und in der Nähe von Shanghai in riesigen Mengen hergestellt. Allein das Unternehmen Crocs Inc. ordert pro Monat fünf Millionen Paar. Mindestens ebenso viele »Fakes«, also Kopien, überschwemmen die Märkte rund um die Welt. Sie kommen aus Thailand, Vietnam, Spanien oder Russland. Das Original geht für rund 30 Euro über den Ladentisch, die Kopie wird an den Badestränden für etwa 4 Euro feilgeboten. Doch was haben Crocs mit der Ansoff-Matrix zu tun? Sehr viel. Der Umsatz der Crocs Inc. explodierte in den letzten Jahren gewaltig. Im Jahr 2005 wurden 109 Millionen US-Dollar erwirtschaftet, 2006 lag der Verkaufsumsatz schon bei 354 Millionen US-Dollar und 2007 bei 820 Millionen US-Dollar. Um derartige Verkaufszahlen zu erreichen, zu halten oder gar auszubauen, müssen robuste Wachstumsstrategien kombiniert werden. Zuerst fokussierte sich Crocs auf die Durchdringung der Heimmärkte (USA/Kanada), um seine Marktstellung rasch zu festigen. Anschließend wurden attraktive Märkte im Ausland angepackt, um auch dort die Märkte einen Schritt schneller als die Konkurrenz zu besetzen. Die Hauptstoßrichtung dieser Marktentwicklungsstrategie führte Crocs nach Europa wegen der guten Marge. Doch alle entwickelten Märkte waren rasch gesättigt. Dies zwang das Unternehmen, seine Produktpalette im Rahmen der Produktenwicklungsstrategie parallel weiterzuentwickeln. So wurden Stiefel-Crocs, Mammut-Crocs (mit Plüschfutter für den Winter), Off-Road-Crocs (mit robusten Sohlen), AllWachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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Terrain-Crocs, Disney-Crocs für Kinder, Crocs-Flip-Flops und viele weitere Variationen entwickelt. Selbst dies genügte nicht, um den Umsatzboom weiter anzuheizen. Crocs kaufte sehr rasch mit seinen erwirtschafteten Mitteln weitere Firmen hinzu, die eine schrittweise Diversifikation gestatteten. So werden nun auch Crocs-Schmuck (Jibbitz genannt) zum Anhaften an die Schuhe, Crocs-Socken und -Stulpen, -T-Shirts, -Taschen, -Rucksäcke, -Brillen, -Knieschoner, -Caps und vieles mehr vermarktet. Das alles soll die Markenbildung stärken und die drohende Gefahr eines stichflammenartigen Modegags abwenden. Die gekauften Firmen sollen auch das Risiko eines längerfristigen Flops bannen und das Geschäft auf eine breitere Basis stellen. Die Firma Fury bearbeitet den Hockeymarkt mit Sportkleidung und -geräten, das Unternehmen Ocean-Minded konzentriert sich auf das Business mit Surfern und Strandfreaks. Und das Unternehmen Bite bietet Golfern und Wanderern das ideale Schuhwerk und Zubehör. Das Beispiel der Crocs zeigt, dass die vier Ansoff’schen Strategiealternativen nicht getrennt verfolgt werden müssen, sondern sich durchaus kombinieren und phasenweise nacheinander schalten lassen können.
Konzept der »Strategischen Lücke« Auch das Konzept der »strategischen Lücke« (strategic gap analysis) geht auf H. Igor Ansoff zurück. Die strategische Lückenbetrachtung ist ein grafisches Hilfsmittel zur Identifizierung strategischer Lücken zwischen verschiedenen strategischen Alternativen und der zu erwartenden Entwicklung des bestehenden Geschäfts.68 Die Grundfrage zur Entdeckung einer »strategischen Lücke« lautet: Wie entwickelt sich unser heutiges Geschäftsmodell in Zukunft unter Beibehaltung der geltenden Unternehmenspolitik weiter? Die Antwort darauf zeigt sich in der Basiskurve. Die Folgefragen, um einen Ziel- beziehungsweise Sollwert zu erlangen, sind: Wie könnte sich unser Geschäft entfalten, wenn wir auf die Strategien der Marktdurchdringung, Produktentwicklung, Marktentwicklung beziehungsweise der Diversifikation setzen? Die vier besprochenen Grundstrategien der Ansoff-Matrix wirken sozusagen als »Lückenfüller«. Abbildung 16 zeigt eine schematische Darstellung der strategischen Lückenanalyse. Das Verfahren lässt sich in der Praxis nicht mathematisch exakt durchführen, da alle Daten auf Einschätzungen beruhen. Es ist aber ein Instrument, um die strategische Diskussion im Strategieteam auf den Punkt zu bringen und Alternativen aufzuzeigen. Die »Lückenbetrachtung« weist auf die längerfristige Geschäftsbetrachtung hin. Sie führt zu Überlegungen, die darstellen, wie sich das eigene Geschäftsmodell im Zeitablauf »abnutzt«, und belegt, dass neue strategische 102
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Impulse angebracht sind. Zudem gibt das Instrument mit den Ansoff-Strategien bereits eine erste Hilfestellung, was man zur Belebung des Geschäfts unternehmen kann. Die strategische Lückenbetrachtung hat aber den Nachteil, dass sie sich auf die bestehenden Geschäfte eines Unternehmens konzentriert. Wichtig ist daher ergänzend, sich auch für neue Geschäftsmodelle grundsätzlich zu öffnen. Die Praktiker müssen sich bei der Anwendung bewusst sein, dass die strategische Lückenbetrachtung die Geschäftsdaten aus der Vergangenheit in die Zukunft »extrapoliert«, das heißt aus heutiger Sicht Entwicklungsverläufe fortschreibt. Dies ist aber in dynamischen, von Brüchen gekennzeichneten Geschäftsphasen methodisch kritisch. Nichtsdestotrotz ist die Betrachtung und Diskussion »strategischer Lücken« meistens ein anregender Baustein bei Strategiediskussionen.
Umsatz/Ertrag
Abbildung 16: Strategische Lücken und Ansoff-Strategien
3TRATEGISCHE ,àCKEN
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!NSOFFå3TRATEGIEN¬ZUM 3CHLIEEN¬DER¬STRATEGISCHEN¬,àCKEN 7ACHSTUM¬MITTELS¬ $IVERSIFIKATIONSSTRATEGIE
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7ACHSTUM¬MITTELS¬ 0RODUKTENTWICKLUNGSSTRATEGIE
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OHNE¬WEITERE¬-ANAHMEN
Zeithorizont
Wachstum durch Expansion: Entlang der Wurzel Nur wenigen Unternehmen gelingt eine Expansion über ihr Kerngeschäft hinaus. Neue Geschäftsfelder zu erschließen und zu erobern ist ein riskantes Unterfangen. Das zentrale strategische Prinzip, dass man sich zuerst in einem klar definierten Markt eine herausragende Stellung aufbauen sollte, bevor Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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man sich in neue Ventures begibt, gilt uneingeschränkt. Diese Marktkompetenz ist dann die Ausgangslage, sozusagen das Sprungbrett, für die nächsten Wachstumsschritte. Die Expansion in neue Geschäftsfelder gelingt besser, wenn sie nahe beim Kerngeschäft liegen.69 Daher gilt, wer wachsen will, sollte sich, ausgehend vom Kern des bisherigen Geschäfts schrittweise weiterentwickeln. Die erfolgreichste Basis für Expansionschancen bietet das bestehende Geschäft, welches man für neue Geschäftsimpulse genau unter die Lupe nehmen sollte. »Über 70 Prozent der Firmen prognostizieren eine Performance, die sie nie erreichen. Nur eine von zehn Firmen erreicht ein gewinnträchtiges, nachhaltiges Wachstum. Und während diese zehn Prozent dramatische Gewinne einholen (…), fahren die anderen mit ihrer Unterdurchschnittlichkeit fort«, schreibt Chris Zook, Berater und Autor von Bain & Company zum Thema Diversifikation und Wachstumsstrategie. Unternehmen streben nach Expansion. Doch wie? Chris Zook hat sich intensiv mit dem Wachstumsthema auseinandergesetzt. Er untersuchte zusammen mit der Beratungsfirma Bain & Company die Wachstumsmuster von über 2 000 Unternehmen weltweit empirisch. Zudem interviewte er die CEOs der 25 Spitzenperformer seiner untersuchten Unternehmen zu ihren verfolgten Strategien. Seine Erkenntnisse auf den Punkt gebracht lauten: »Entwickle dich entlang deinem Kerngeschäft!« Erfolgreiche Expansionsstrategien zeigen folgende Eigenschaften: • Sie setzen auf das ganze Potenzial des Kerngeschäfts, • sie expandieren entlang des Kerngeschäfts und • erweitern damit gleichzeitig auch das Geschäftsmodell des Kerngeschäfts.
All dies heißt nichts anderes, als dass die bestehende Erfolgsformel erweitert oder in anderen Geschäftsfeldern repliziert wird. Was einmal funktionierte, soll auch in (leicht) angepasster Form wieder funktionieren. Der zentrale Erfolgsfaktor für Wachstum ist das eigene Business. Der Erfolg eines nächsten strategischen Schritts nimmt mit der Entfernung zum bestehenden Herzstück des Geschäftsmodells sukzessive ab. Zook zeigt, dass Unternehmen, die ihr Kerngeschäft erfolgreich neu definieren, davor meistens verschiedene Sequenzen von schrittweisen Geschäftserweiterungen in die neue Strategierichtung vorgenommen hatten und jeden dieser Schritte erfolgreich realisierten. Ein großer, radikaler Sprung in ein neues und damit unbekanntes Geschäftsfeld ist selten gewinnträchtig. Wie kann man entlang des Kerngeschäfts wachsen? Ausgangspunkt ist ein erfolgreiches, gut funktionierendes Geschäftsmodell für die Wertschöpfung. Dieses lässt sich in verschiedenen Richtungen ausbauen. So kann die Wert104
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kette in vor- oder nachgelagerte Stufen ausgedehnt werden. Der Diamantenhändler DeBeers verlängert seine Wertschöpfungskette, indem er mit DeBeers Diamond in den Einzelhandel vorstößt. Eine andere Möglichkeit ist, neue Produkte und Services mit demselben Geschäftsmodell wie bisher zu entwickeln. Der Farbenspezialist Clariant verfolgt diesen Ansatz mit seinem Clariant Color Design Center, wo Firmenkunden zusammen mit dem Unternehmen Farbinnovationen für Produkte und Verpackungen entwickeln. Weiterhin kann das Geschäft ausgeweitet werden, indem neue Vertriebswege eingesetzt werden. Die Vertriebskooperation des deutschen Versicherers Axa mit Tchibo gestattet es, Versicherungsprodukte über ein Retailnetz an neue Zielgruppen erfolgreich zu vertreiben. Neue Kundengruppen können mit den bestehenden Produkten angegangen werden. Oder das Unternehmen betritt einen sogenannten White Space (leerer Raum), das heißt einen bisher noch unbearbeiteten Markt mit neuen Produkten. White-Space-Wachstum entspricht einer Diversifikation. So diversifizierte General Electric in den letzten Jahren sehr stark in den Finanzdienstleistungsbereich (GE Finance) und in den attraktiven Medizinalsektor (GE Medical). Abbildung 17 zeigt weitere Wachstumsoptionen entlang der Wurzeln, ausgehend vom erfolgreichen Geschäftskern.
Abbildung 17: Wachstum entlang der Wurzel Vertriebskanäle Internet Partner
lokal international global
.EUE $ISTRIBUTION
.EUE 'EOGRAFIE
Vorwärtsintegration Rückwärtsintegration Geschäftsprozess-Redesign
.EUE 7ERTSCHÚPFUNGSMODELLE
+ERNGESCHËFT¬%XPANSION w7ACHSTUM¬ENTLANG¬DER¬7URZELi .EUE +UNDENSEGMENTE
andere Kundengruppen neue Kundendefinition Mikro-/Makrosegmentierung
.EUE 6ERWENDUNG
neue Funktionen Komplemente neue Nutzen
.EUE 0RODUKTE
Produkterweiterung Produktinnovationen Produktpakete
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Wachstum in versteckten Feldern: Die Hidden Assets bearbeiten Unternehmen besitzen in vielen Fällen »Hidden Assets«, das heißt Kapazitäten, Fähigkeiten, Know-how oder Einsichten, die sie bisher kaum für ihre Geschäfte nutzten. Wo befinden sich diese »versteckten Aktivposten«? Unternehmen verfügen über Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie zur Abwicklung ihres laufenden Geschäfts kaum brauchen, sie unterhalten attraktive Geschäftsbeziehungen, die man auch für andere, weitere Aktivitäten nutzen könnte, oder sie besitzen mehr Kunden-Know-how, als sie einsetzen. Ein Beispiel, wie derartige »Hidden Assets« erfolgreich genutzt werden, liefert die einstige Mergers & Acquisitions-Abteilung von General Electric. Die Abteilung tätigte über 170 Firmenakquisitionen über eine Periode von zehn Jahren hinweg. Dies belegt die hohe Kompetenz im Dealmaking. Das Management erkannte dies, formte daraus die sehr erfolgreiche »GE Capital«. Sie realisiert nun als eigenständiges Unternehmen professionelle Finanzierungs-, Investment- und Bankinggeschäfte. Zum Gesamterfolg der GE trägt GE Capital heute bereits etwa die Hälfte bei. Ein weiteres Beispiel für die Nutzung versteckter Fähigkeiten bietet Nokia, das über ein ansehnliches Kundenwissen im indischen Markt verfügte. Durch die Bündelung dieses Knowhows war das Unternehmen sehr rasch in der Lage, ein spezifisches, äußerst günstiges, mehrsprachentaugliches Handy auf den Markt zu werfen, welches genau die Wünsche seiner Zielgruppe traf. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, bevor man ein Geschäftsmodell grundlegend weiterentwickelt? Die Basis sollte immer ein erfolgreiches Kerngeschäft sein, welches die notwendigen Mittel für die Expansion bereitstellt. Im ersten Schritt wagt man sich dann in ein verwandtes Geschäftsfeld (adjacencies), welches mit hoher Wahrscheinlichkeit ein stabiles Wachstum verspricht und zudem das Potenzial für eine Marktführerschaft mitbringt. Ebenfalls muss mit der Geschäftserweiterung der Managementprozess skalierbar (erweiterbar) sein, denn ohne eine engagierte Führung lässt sich eine Expansion kaum bewerkstelligen. Das Thema Wachstum hat viel mit den Themen Aufmerksamkeit oder Sensitivität zu tun. Es geht darum, realistische Chancen rasch zu erkennen und zuzupacken, wenn die Zeit für das Venture reif ist. Kommen Chancen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Ressourcen zusammen, dann steht der Expansion nichts im Weg. Die Berater Zook und Allen empfehlen Unternehmen daher, einen Katalog von zehn Checkpunkten zu beachten, um die strategische Sensitivität des Managements zu schärfen:70 1. Welches ist das profitabelste Kerngeschäft all unserer Geschäfte? Gewinnt es weiter oder flacht es ab? 106
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2. An welche Grenzen stößt dieses Geschäft? Wie verändern sich diese in der Zukunft? 3. Tauchen neue Wettbewerber auf? Könnten diese (auch Randanbieter) das Kerngeschäft gefährden? 4. Lassen sich »Hidden Assets« (ungenutzte interne Potenziale) geschäftlich nutzen? 5. Welche verwandten Geschäfte könnten (potenziell) angegangen werden? Womit ließe sich noch weiterer Umsatz erzielen? 6. Wie beurteilen wir die Geschäftszukunft unserer Branche? Was heißt dies für die längerfristige Geschäftsausrichtung? 7. Wie kann das Geschäftsvolumen gesteigert werden? Durch internes Wachstum entlang der Wurzeln? Durch externes Wachstum in neuen Märkten? Durch Mergers oder Akquisitionen? 8. Lassen sich neue Geschäftsmodelle im Umfeld unserer Geschäftstätigkeit entdecken? Wie verändern diese die Businesslandschaft? Gibt es neue Wettbewerber? Gibt es neue Kundensegmente? Gibt es neue Technologien? Entstehen daraus neue Chancen für unser Geschäft? 9. Welche Veränderungen können wir organisatorisch-kulturell verkraften? Sind Wandel und Stabilität im Gleichgewicht? 10. Welche sind die zentralen strategischen Prinzipien für unsere Zukunft, die wir bei allen strategischen und operativen Entscheiden beachten sollten? Die periodische Auseinandersetzung mit diesen fundamentalen Fragen für Wachstum schärft die strategische Aufmerksamkeit und sensibilisiert das Unternehmen für strategische Chancen.
Wachstum durch Diversifikation: Neue Felder bestellen Diversifikation ist »risky« Business: Der Erfolg mit neuen Produkten in neuen Marktkonstellationen ist keine Selbstverständlichkeit. H. Igor Ansoff unterscheidet verschiedene Arten, wie Unternehmen diversifizieren können:71 1. Horizontale Diversifikation Bei der horizontalen Diversifikation nimmt ein Unternehmen ein Produkt derselben Wirtschaftsstufe in sein Sortiment auf. Die Produktpalette wird innerhalb des bestehenden Marktes erweitert. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen dem neuen und dem bisherigen Angebot. Ein Beispiel aus dem Automobilbau verdeutlicht den Inhalt: Ein Pkw-Hersteller nimmt die Lkw-Produktion in sein Sortiment auf. Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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2. Vertikale Diversifikation Bei der vertikalen Diversifikation wird die Leistungstiefe ausgedehnt oder die Produktpalette auf vor- oder nachgelagerte Wirtschaftsstufen erweitert. Neben dem klassischen Produktangebot werden beispielsweise Serviceleistungen oder Zubehörteile angeboten. Oder ein Restaurant betreibt einen Bauernhof zur Produktion von hochwertigem, natürlichem Qualitätsfleisch. 3. Laterale Diversifikation Bei der lateralen Diversifikation dringt das Unternehmen in bisher fremde Marktsegmente ein. Es besteht kein Zusammenhang zwischen den neuen und bisherigen Geschäftsfeldern. Tabakkonzerne diversifizieren zum Beispiel in den Nahrungsmittelsektor oder betreiben Restaurantketten. 4. Konzentrische Diversifikation Eine konzentrische Diversifikation liegt vor, wenn ein Unternehmen mehrere Geschäftsfelder betreibt, die auf denselben Kernkompetenzen aufbauen. Das Unternehmen sucht nach Wachstumsfeldern in Bereichen, in denen es über besonderes Know-how oder besondere Stärken und Kompetenzen verfügt. Neue Produkte werden auf neuen Märkten durch die Ausnutzung bestehender Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen entwickelt. So können auch Managementfähigkeiten von einer Industrie in eine andere transferiert werden. 5. Konglomerate-Diversifikation Die verschiedenen Geschäftsfelder in einem Konglomerat haben keine Anknüpfungspunkte zum bestehenden Geschäft. In der Vergangenheit waren Konglomerate nicht besonders erfolgreich, da Geschäfte ohne jeglichen Zusammenhang miteinander kombiniert wurden. Warum verfolgen Unternehmen eine Diversifikationsstrategie? Hierfür lassen sich mehrere Gründe anführen: Dank einer Diversifikation können attraktive Geschäftsfelder angegangen beziehungsweise die Risiken des eigenen Geschäfts besser verteilt werden. Man möchte sozusagen nicht »alle Eier in einen einzigen Korb« legen. Stagniert ein Geschäft, so kann man es abstoßen oder durch ein anderes attraktiveres Geschäft ablösen. Die Geschäftstätigkeit ähnelt aus einer übergeordneten Perspektive dem finanziellen Management von Portfolioanlagen, wo man in lukrative Anlagen investiert und aus unattraktiven relativ rasch wieder aussteigt. Diese Tätigkeit üben Private-Equity-Unternehmen professionell aus. Selbstverständlich möchte das Unternehmen von der Wachstumsdynamik boomender Märkte profitieren und damit eine Sättigung in eigenen Geschäftsfeldern kompensieren. Gründe für Diversifikationen sind neben attraktiven Renditen die Nutzung von Synergien oder die Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. 108
Handbuch der Strategien
Optimal strategisch diversifizieren Dem Thema der Diversifikationsstrategien wird in der betriebswirtschaftlichen Forschung ein breiter Raum gewidmet, und alle möglichen Formen werden entwickelt und untersucht. Doch es herrscht keine Einigkeit darüber, inwieweit sich eine diversifizierende Strategie für Unternehmen wirklich lohnt. L. E. Palich, L. B. Cardinal und C. C. Miller haben zusammenfassend die Forschungsergebnisse der letzten 30 Jahre auf diesem Gebiet interpretiert.72 Interessant ist, dass die Forscher auch nicht feststellen konnten, dass die Konzentration auf ein Kerngeschäft eine grundsätzlich überlegene Strategie darstellt, die höhere Gewinne realisiert. Unternehmen aber, die rund um ihr angestammtes Geschäft oder rund um ihre Kernfähigkeiten diversifizieren, können in der Regel ihre Profitabilität merklich steigern. Eine breite Diversifikation in bisher unbekannte Geschäfte, also eine echte Diversifikation, hingegen reduziert die Profitabilität. Ein Blick in die Wirtschaft belegt dies: Die britische EasyGroup ist ein Beispiel für eine Firma, die erfolgreich diversifizierte. So betreibt die Gruppe heute eine Fluglinie, Kreuzfahrtschiffe, Kinos, Buslinien, Jobvermittlungen, Pizzakurierdienste, Uhren- und Musikverkauf, Vermietung von Büroräumlichkeiten und vieles andere mehr. Das Unternehmen ist in sehr verschiedenen Geschäftsfeldern tätig, spielt aber überall so weit wie möglich seine Kernkompetenz als »Surplus Manager« aus. Diese Strategie kann man als konzentrisch diversifizierend bezeichnen. Überall, wo es darum geht, Überkapazitäten durch geschickte variable Preisstrategien in einem Billigmarktsegment zu vertreiben, spielt EasyGroup sein professionelles Know-how aus. Auch wenn die verschiedenen Geschäfte auf den ersten Blick eher nach wilder Expansion aussehen, fußt das Geschäftsmodell in jedem Bereich auf den hauseigenen Kernkompetenzen. Ebenso ist die deutsche Haniel Unternehmensgruppe mit ihrer Diversifikationsstrategie erfolgreich für die Zukunft positioniert. Die Gruppe ist in über 40 Ländern mit ihren Unternehmensbereichen Celesio (Pharmahandel), Takkt (B2B-Versandhandel für Büro-, Betriebs- und Lagerausstattung), ELG (Handel und Aufbereitung von Rohstoffen für die Edelstahlindustrie), HTS (Waschraumhygiene) oder Xella (Baustoffe) aktiv. Auch hier scheinen die Geschäftsbereiche auf den ersten Blick ohne Kontext, doch bei genauerem Hinsehen wird die Strategie deutlich. Alle Geschäfte zeichnen sich durch eine führende Stellung in ihren jeweiligen Marktsegmenten und hohe Ertragsmargen aus. Zudem hat Haniel sehr großes internes Know-how in der finanziellen Führung und dem Kauf und Verkauf von Unternehmen. Eine wilde Diversifikation im Sinne eines Konglomerats hingegen ist profitmäßig suboptimal. Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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Wachstum durch Multiplikation: Sub-Contracting, Lizenzierung, Franchising Unter »Sub-Contracting« versteht man einen Leistungs- oder Liefervertrag, der eine ganzheitliche Aufgabe an ein drittes Unternehmen delegiert. Sub-Contracting erlebt einen wahren Boom. Warum? Das Sub-Contracting gestattet es Firmen, sich voll auf ihre eigenen Kernfähigkeiten zu konzentrieren und alle anderen Leistungen weiter an professionelle Geschäftspartner zu vergeben. Diese Strategie steigert gleichzeitig ihre Flexibilität im Verbund. Immer wichtigere Bausteine oder Komponenten eines umfassenden Produkts werden an Dritte ausgelagert. Ein umfassendes Sub-Contracting findet sich vor allem in den Bereichen Werkstoffe, Verfahrenstechnik und Fertigungstechnik, aber auch in der Softwareindustrie. In der Maschinen- und Automobilindustrie übernehmen Zulieferer ganze Komponenten der Prozess- und Wertschöpfungskette. Die Zulieferer selber stehen unter einem hohen Konkurrenzdruck. Ihre Herausforderungen liegen daher in der Bewältigung immer kürzer werdender Entwicklungszyklen, einer hohen Innovationsdynamik und eines permanenten Kostendrucks. Bereits mehr als die Hälfte aller technologischen Innovationen werden heute von Zulieferern entwickelt. Sie sind in vielen Branchen mittlerweile sogar zu den Innovationstreibern geworden. Die innovativen Lösungen von Bosch, ZF Friedrichshafen oder Continental belegen dies eindrücklich. Lizenzierung fokussiert sich auf die Steuerung des Einsatzes von Nutzungsrechten. Sie wird vor allem in der Softwarebrache eingesetzt. Eine Software erwirbt man nicht, sondern nur die Lizenz, also die Berechtigung, diese zu nutzen. Beim Franchising bekommt ein unabhängiger selbstständiger Unternehmer eine umfassende Lizenz für ein vollständiges, meist auf den Vertrieb von Produkten oder Dienstleistungen ausgerichtetes ganzheitliches Geschäftssystem. Der deutsche Begriff »Konzessionsverkauf« hat sich nicht eingebürgert. Durch Franchising bekommt der Franchisenehmer vom Franchisegeber das Recht, ein erprobtes, standardisiertes Business in Eigenregie, aber unter strenger Kontrolle von Qualitätsvorgaben zu führen. Die beiden Vertragspartner bleiben rechtlich selbstständige Unternehmen. Doch der Franchisenehmer muss sein Geschäft nach den Weisungen des Franchisegebers führen und diesem umfassende Einsichtsrechte einräumen. Dafür erhält er ein bewährtes, meist sehr erfolgreiches Geschäftsmodell, darf Warenzeichen und Warenmuster nutzen und hat in vielen Fällen einen Gebietsschutz. Ein typisches Franchisingmerkmal ist die intensive Betreuung durch den Franchisegeber über eine längere Zeitspanne. Bekannt wurde das System durch die Erfolgsstorys von Starbucks, McDonald’s, Kamps, Bang & Olufsen, Benetton, Edeka, Obi, Phone House, 110
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Fressnapf, Ulla Popken oder auch Body Shop. Das Franchising ist ein ideales Multiplikationskonzept für Wachstum, wenn das Kernsystem des Business erfolgreich angelegt ist.73 Die Vertriebskooperation ist auf den Verkauf, die Organisation und Lenkung einer Außendienstorganisation und die Warenverteilung spezialisiert.
Wachstum durch Vernetzung: Allianzen, Joint Ventures, Mergers & Acquisitions »Strategische Allianzen« (strategic alliance) sind eine häufige Form kooperativer Strategien für mehr Wachstum.74 Sie sind eine der am raschesten wachsenden Organisationsformen und finden sich mittlerweile quer durch alle Wirtschaftszweige. Allianzen basieren meistens auf vertraglichen Abmachungen bis hin zu umfassenden gemeinsamen oder gegenseitigen Investments. Die Allianz bedingt einen Austausch beziehungsweise eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen oder Know-how zwischen meistens rechtlich unabhängigen Unternehmen. Sie wird deshalb als »strategisch« bezeichnet, weil die gemeinsamen Zielsetzungen für alle Partner eine hohe Bedeutung für ihre längerfristige Geschäftsentwicklung haben. Strategische Allianzen sind besonders erfolgreich, wenn beide Partner Nutzen aus den zusammengelegten Kräften ziehen können. Bei strategischen Allianzen stimmen sich Unternehmen in für sie wichtigen strategischen Fragen ab und treten koordiniert auf dem Markt auf. Oft stehen sich die Beteiligten als Konkurrenten gegenüber, verfolgen aber in bestimmten Fragen gemeinsame Interessen. Jedes beteiligte Unternehmen bringt einen Part ein. So bilden sie zusammen eine Wertschöpfungsgemeinschaft. Strategische Partnerschaften kommen bei Unternehmen vor, die auf demselben Markt operieren oder auch auf unterschiedlichen Märkten (diagonale Allianzen) tätig sind. Die Motive für strategische Allianzen sind vielfältig: • gemeinsame, analoge strategische Zielsetzungen, • Ausschöpfung von Marktpotenzialen, Ausbau der Marktstellung, Ver-
besserung der Marktdurchdringung, • Verbesserung der Produktentwicklung und Innovation, • Expansion in fremde, neue Märkte, • Zugang zu Technologie, Innovationen, Know-how oder finanziellen
Ressourcen, • Beschleunigung der Zyklen für Forschung und Entwicklung, Produktion,
Information, Logistik, Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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• Ausschöpfung von Kostenvorteilen, freien Kapazitäten und Nutzung von
Lerneffekten, • spekulative, investive Motive.
Strategische Allianzen tragen eine hohe Rate des Misslingens in sich. Über die Hälfte aller strategischen Allianzen scheitern an den längerfristig auseinanderdriftenden Erwartungen. Gemeinsam gesteckte Zielsetzungen werden nicht oder nur sehr ungenügend erreicht, da jedes einzelne Mitglied zu wenig hinter den gemeinsamen Projektzielen steht. Eine weitere Ursache des Scheiterns ist die hohe Selbstständigkeit der beteiligten Partner sowie der Umstand, dass die »Partner« eigentlich Konkurrenten sind. Weitere Nachteile ergeben sich für die Partner aus der oft intransparenten Erfolgsmessung, der Gefahr des Knowhow-Abflusses, dem hohen Abstimmungsbedarf untereinander und den Verschiebung der Interessen bei längerfristig angelegten Partnerschaften. Erfolgreich sind eher Forschungsallianzen, die zwischen Unternehmen und Universitäten oder staatlichen Organisationen eingerichtet werden. Bekannt sind vor allem die strategischen Allianzen in der Luftfahrtindustrie, wie Star Alliance, Skyteam oder Oneworld, welche etabliert wurden, um dem wilden Wettbewerb mit vereinten Kräften zu trotzen. Diese drei großen Gruppierungen teilen sich heute rund 60 Prozent des weltweiten Fluggeschäfts untereinander auf. Aber auch in der Soft- und Hardwareindustrie finden sich viele funktionierende Allianzen: Der Netzwerkausrüster Cisco Systems ist strategische Partnerschaften mit den Beratungsfirmen Accenture und Cap Gemini, den Hardwareunternehmen HP Hewlett-Packard, Intel, Motorola, Fujitsu und IBM sowie mit den Softwarefirmen Microsoft und Wipro eingegangen, um sein Leistungspaket auszubauen. Joint Ventures sind Partnerschaften, bei denen die rechtliche Selbstständigkeit der Partner im Mittelpunkt steht. Die Unternehmen haben die für sie wichtigen strategischen Themen untereinander koordiniert, behalten ihre rechtliche Autonomie oder gründen zusammen ein Gemeinschaftsunternehmen. 1984 vereinbarten Daewoo und General Motors, Kleinfahrzeuge in Südkorea zu bauen. Beide Unternehmen investierten hierzu 100 Millionen US-Dollar in ein 50/50-Joint-Venture. Das operative Geschäft führten die Südkoreaner, die strategische Positionierung und Produktpolitik die Amerikaner. GM wollte seine Stellung im asiatischen Markt ausbauen. Die Südkoreaner sahen in der Kooperation eine Möglichkeit, um das Managementhandwerk und das Know-how im Automobilbau rasch zu erlernen. 1987 wurde Südkorea eine Demokratie, was als Nebeneffekt dazu führte, dass die Mitarbeiter höhere Löhne forderten. In der Folge wurde es für General Motors günstiger, Opel-Modelle in Deutschland zu fertigen. Hinzu kamen die vielen Qualitätsprobleme und die aufwändige Betreuung. Aber auch Dae112
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woo war seinerseits frustriert: Die Amerikaner galten als arrogant. Daewoo beklagte sich, dass ihnen GM untersagte, in amerikanische und osteuropäische Märkte vorzudringen. So brach 1992 das Joint Venture auseinander. Daewoo kaufte die GM-Anteile zurück. 2002 kaufte GM im Rahmen seiner neuen globalen Strategie das gesamte Daewoo-Unternehmen, um es in seinen Konzern zu integrieren. Dies ist eine typische Entwicklung eines Joint Ventures. Yves Doz und Gary Hamel weisen bei der Untersuchung derartiger Partnerschaften zwischen westlichen und asiatischen Unternehmen auf die Problematik des »Outlearning« (rascher Lernen) hin.75 Die asiatischen Partner setzen das Kopieren und Lernen ganz oben auf ihre Zielagenda. Der wirtschaftliche Erfolg ist für sie weit weniger interessant, als möglichst viel vom ausländischen Partner zu lernen. Dabei interessiert alles, nicht nur Produktentwicklung, Forschung, Design oder Produktion, sondern vielmehr auch die Art und Weise des »Doing Business«. Doz und Hamel empfehlen daher, jede Form der Allianz selber auch als »Lernfeld« zu nutzen, um Fähigkeiten zu vertiefen, auszuweiten oder weiterzuentwickeln. Ist der Lernprozess nicht mehr produktiv, verwandelt sich die Kooperation immer mehr in Richtung Konkurrenz. Beteiligungen (acquisitions) haben meistens nur ein finanzielles Interesse. Dabei kann es sich um eine Mehrheitsbeteiligung oder Minderheitsbeteiligung handeln. Die Mehrheitsbeteiligung wird abrechnungstechnisch konsolidiert, das heißt rechnungsmäßig zusammengeführt. So entsteht eine Firmengruppe beziehungsweise ein Konzern. Unter einer Fusion (merger) oder einer »Unternehmensverbindung« versteht man eine Vereinigung von zwei oder mehreren Unternehmen zu einer neuen, umfassenden Wirtschaftseinheit. Mergers haben zum Ziel, die Marktposition der beteiligten Firmen nachhaltig zu stärken. Dies soll durch mehr Wachstum und eine erhöhte Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Vor allem in forschungsintensiven Wirtschaftszweigen wie in der Pharmabranche fusionieren Unternehmen, um die Forschungs- und Marktrisiken auf mehrere Partner zu verteilen. Interessant sind Zusammenschlüsse vor allem für die folgenden Funktionsbereiche: 1. Vertrieb Durch eine gemeinsame Vertriebsorganisation und koordinierte Marketingmaßnahmen sollen die Absatzmöglichkeiten verbessert werden. 2. Finanzen – Forschung und Entwicklung Großprojekte übersteigen oft die Kapazität eines einzelnen Unternehmens. Durch Kooperationen lassen sich umfassende Projekte gemeinsam realisieren. Beispiel hierfür ist die Entwicklung einer Hybridantriebslösung unter den Automobilkonzernen BMW, Mercedes und GM. Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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3. Produktion Typisierung, Normierung, Automatisierung und Standardisierung sollen dazu beitragen, die Effizienz der Produktion zu heben, wodurch sich Kosteneinsparungen realisieren lassen. 4. Beschaffung Stärkung der Verhandlungsmacht durch gemeinsames Auftreten am Beschaffungsmarkt, um günstigere Konditionen auszuhandeln. Beispiele hierfür sind die Einkaufsgenossenschaften im Handel oder die Einkaufsplattformen in der Automobilindustrie.
Wachstum durch leicht übersehbares »Kleinzeugs«: »Long-Tail«-Strategie Das »Long-Tail-Prinzip« dreht das Pareto-Prinzip um. Beim »Pareto-Prinzip« interessieren vor allem die großen A-, B-, C-Positionen, und der Rest ist vernachlässigbar. Nicht beim »Long Tail«. Hier geht es nicht um die dominanten Faktoren, sondern um die vielen kleinen »Restposten«. Es ist die Wachstumsstrategie des »Kleinzeugs«. Die These des Long Tail lautet: »Vergiss die 80/20-Regel für den Erfolg (vor allem in der neuen digitalen Geschäftswelt) und kümmere dich um den Kleinkram!« Jeder Student der Betriebswirtschaft lernt in den ersten Semestern, dass viele Unternehmen mit 20 Prozent ihrer Produkte rund 80 Prozent ihres Umsatzvolumens (und Gewinns) bestreiten. Doch in der Online-Economy sind auch andere Strategien erfolgreich: Bis zu 98 Prozent der Angebote (Rattenschwanz) können durchaus Nebenprodukte mit geringem Absatzvolumen sein. Doch dies heißt noch nicht, dass sie geschäftlich unattraktiv sein müssen. Ein Beispiel für ein »Long-Tail«-Unternehmen ist Amazon mit seinem gigantischen Produktsortiment und den zum Teil sehr geringen Absatzvolumina pro Kategorie. »Long Tail« ist eine viel beachtete Theorie des amerikanischen Journalisten Chris Anderson des Wired Magazine.76 Auch Anbieter einer immensen Anzahl von Nischenprodukten mit Kleinstumsätzen oder von Ladenhüterprodukten können sehr erfolgreich sein und ansehnliche Gewinne schreiben. Die strategisch relevante Aussage des »langen dünnen Endes« heißt also: Auch mit Dingen, die nur selten jemand will, lässt sich richtig Geld verdienen. In konventionellen Ladengeschäften muss sich der Produktumschlag sehr rasch drehen, das heißt, für Ladenhüter gibt es keinen Platz. Das Investment in den teueren Verkaufsplatz und in die Schulung und Betreuung des Verkaufspersonals ist viel zu hoch. Also wirft man das Produkt aus dem Sortiment. Doch die neuen 114
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kostengünstigen Informations- und Kommunikationstechnologien gestatten es, auch »Kleinigkeiten« anzubieten. Ein weiterer Umstand kommt dem »Long Tail« entgegen: Unter den Hit- und Bestsellerprodukten herrscht oft ein erbitterter Wettbewerb, der die Margen schmelzen lässt. Im Internet aber kostet der Warenplatz für Ladenhüter praktisch nichts, und Liebhaber sind gerne bereit, für das, was sie schon lange überall gesucht haben, einen höheren Preis zu bezahlen. Gemäß Anderson fußt das Long-Tail-Phänomen auf drei zentralen Effekten, die alle durch das Internet ermöglicht werden: 1. auf der Demokratisierung der Produktionsmittel, indem jeder seinen Internetanschluss und PC nutzen kann, 2. auf der Demokratisierung der Vermarktung und des Vertriebs, indem jeder ohne Schwierigkeiten seinen Shop eröffnen kann, und 3. auf der Koppelung von Angebot und Nachfrage über Suchmaschinen, Empfehlungsseiten und große Shopping-Portale wie Amazon oder eBay, die alle die Suchkosten reduzieren (vergleiche Abbildung 18). Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Eric Brynjolfsson, Direktor der MIT Sloan School of Management und des MIT Center for Digital Business, untersuchte das Phänomen des »langen, dünnen Endes« am Beispiel des Buchmarktes.77 Eine durchschnittlich gut sortierte Buchhandlung führt heute einen Bestand von etwa 40 000 bis 100 000 Titeln. Der virtuelle Buchhändler Amazon hingegen bietet ein Sortiment von weiteren drei Millionen Titeln. Amazon bietet Bestseller und Long-Tail-Nischenbücher zusammen an. Der MIT-Professor stellte fest, dass die Long-Tail-Umsätze bei Amazon rund 40 Prozent des Gesamtvolumens und daher einen ganz zentralen Baustein für die Tragfähigkeit des gesamten Geschäftsmodells ausmachen. Nischenprodukte sind für Umsatz und Gewinn nicht wegzudenken. 2005 stieg in den USA die Zahl der veröffentlichen Musikalben um etwa 40 Prozent. Dies war nur möglich, da heute jeder Künstler auch selbst zum Produzenten und Marketer werden kann.78 Das Internet macht es möglich. Auf der Website MySpace wurden im selben Jahr über 300 000 Musiktitel zum kostenlosen Download angeboten. Aber auch in anderen Bereichen produzieren Menschen Produkte und Dienstleistungen jenseits von Shoppingcentern, Verkaufsshops und Handwerksbuden. Das Internet bietet neue Chancen und eröffnet neue strategische Spielregeln für Erfolg. So zerfallen Massenmärkte sukzessive, und Nischenmärkte finden ihren Platz im virtuellen Raum. Das Internet ist für derartige »Randangebote« der ideale Vermarktungskanal. eBay, iTunes und Amazon sind Erfolgsstorys, wo nicht nur die Blockbuster reißenden Absatz finden, sondern vor allem auch Spezialitäten, Exoten und Angebote, die nie auf den Bestsellerlisten erscheinen, ihre Liebhaber finden. Wachstumsstrategien: Getrimmt auf mehr Geschäft
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Mit vielen »grauen« Produkten lässt sich oft sogar ein höherer Gesamtumsatz erzielen als mit den Angebotshits, da der raue Wind des Wettbewerbs sie kaum erreicht.
Popularität/Umsatzbeiträge
Abbildung 18: Die Strategie des »Long Tail«
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Produktanzahl – Versionen – Optionen
Die Theorie des »Long Tail« findet mittlerweile auch Anwendung in anderen Wissensgebieten, wie beispielsweise in der Militärstrategie. Dort kommt die Idee bei der Erklärung des terroristischen Kampfes gegenüber traditionellen Armeen zum Einsatz.
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Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
Der Kern einer Strategie besteht darin, Geschäftstätigkeiten anders als die Konkurrenz auszuführen. Michael Porter
Wettbewerbsthemen: Auf der Suche nach nachhaltigem Vorteil Wettbewerbsvorteile können ganz verschiedene Quellen haben. Im Folgenden werden einige der strategisch bedeutsamen Schlüsselkonzepte ökonomischer Effekte dargestellt. 1. Skalenvorteile: »Economies of Scale« oder das Streben nach größeren Volumen Die Skalenvorteile (auch: Mengenvorteile, Skalenerträge) haben ihren Ursprung in der Produktionstheorie. Sie liefern eine Aussage zur Effizienz der Herstellung und besagen Folgendes: Eine Erhöhung der Produktionsmenge reduziert (in einer längerfristigen Perspektive betrachtet) die Kosten pro hergestelltem Stück. Je größer das Unternehmen (beziehungsweise sein Herstellungsvolumen) ist, umso geringer sind die anteiligen Fixkosten je hergestellter Einheit. Bei positiven Skaleneffekten kann ein Unternehmen mit einem Kapitaleinsatz von zwei Millionen Euro mehr produzieren als zwei Unternehmen mit einem Kapitaleinsatz von je einer Million Euro. Ursachen, die diesen Effekt unterstützen, sind: – günstigere Einkaufskonditionen bei Volumenbestellungen, – verbessertes Know-how der Führungskräfte und der Mitarbeiter bei ihren Arbeiten (Lerneffekte), – günstigere Kapitalkosten (Zinsen) bei größeren Investitionen, – höhere Marketingwirksamkeit pro Produkt. Größere Unternehmen verfügen somit tendenziell über einen Wettbewerbsvorteil. Die Skaleneffekte fördern die Entwicklung der Massenproduktion. Daher werden die Economies of Scale auch als Gesetz der MassenprodukWettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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tion bezeichnet: Die gesamten Fixkosten werden auf eine größere Produktionsmenge verteilt. Unternehmen, welche eine Kostenführerstrategie anstreben, nutzen diese Skaleneffekte systematisch und haben dadurch einen höheren Spielraum für Preissenkungen (oder höhere Margen). 2. Verbundvorteile: »Economies of Scope« oder das Aufspüren von Synergiefeldern Neben den Economies of Scale spielen die Economies of Scope eine zentrale Rolle für die Effizienz. »Scope« heißt auf Deutsch Reichweite, Breite, Umfang oder Gebiet und beschreibt die Synergieeffekte, die sich Unternehmen bei den Gemeinkosten durch ein breiteres Produktspektrum verschaffen. Economies of Scope setzen an der Kosteneffizienz an und beschreiben Kostensynergien. Verbundvorteile treten auf, wenn die parallele Produktion verschiedener Güter in einem Unternehmen zu Kostenvorteilen führt, da die Gebäude, Produktionsmittel oder Abläufe optimaler genutzt werden. McDonald’s brutzelt Hamburger und frittiert Chicken McNuggets in derselben Produktionsstätte. Das Unternehmen kann Produkte zusammen günstiger herstellen als die Hamburger-Bude um die Ecke oder der Hühnerbrater in der nächsten Straße. McDonald’s nutzt Verbundeffekte (Grill, Kühlsysteme, Personal, Theken) für beide Herstellungsprozesse gemeinsam. Economies of Scope sprechen den optimalen Herstellungs- oder Aufgabenumfang eines Geschäfts an und geben Hinweise für produktive Kooperationen oder Zusammenschlüsse von Unternehmen. Synergieeffekte sind ein heikles Thema für die Strategiefindung. Synergien sind oft schwierig zu identifizieren und meist noch schwieriger auszuschöpfen. Viele Unternehmen haben schon auf die Karte »Synergien ausschöpfen« gesetzt und sind dabei jämmerlich gescheitert. Eines der Paradebeispiele hierzu liefert die (ehemalige) Fusion von Mercedes-Benz mit Chrysler zu DaimerChrysler, wo das Management Synergieeffekte beschwor und danach die schmerzhafte Rückführung zu Einzelunternehmen im Jahr 2007 vollziehen musste. 3. Zeitvorteile: »Economies of Speed« oder Geschwindigkeitsvorteile Die Economies of Speed sprechen den wichtigen Wettbewerbsfaktor »Zeit« an. Zeitvorteile umfassen zwei Aspekte: Erstens die Vorteile in der Wahl des idealen Zeitpunkts (wie Pünktlichkeit, Timing, Zuverlässigkeit) und zweitens des idealen Zeitraums (wie Durchlaufzeiten, Abwicklungszeiten, Reaktionszeiten). Economies of Speed werden dann genutzt, wenn die notwendigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt und möglichst effizient ausgeführt werden. Gerade Geschwindigkeitsvorteile sollten im Rahmen der Strategiediskussion in Unternehmen alleine auf der Agendaliste stehen, da sie in der 118
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heutigen Wirtschaft zu einem Schlüsselerfolgsfaktor geworden sind. Ein besonderer Aspekt der Economies of Speed ist das »Time-to-Market«. Hierunter wird die Zeitspanne von der Entwicklung eines Produkts bis zu seiner Marktreife verstanden. In der Time-to-Market-Periode entstehen dem Unternehmen zwar Kosten, aber keine Umsätze. Diese Phase ist daher möglichst knapp zu halten, um sich einen Wettbewerbsvorteil bei der Einführung von Innovationen zu sichern. 4. Wissensvorteile: »Economies of Know-how« Durch Erfahrung und Lernen verbessern sich die Economies of Knowhow, so dass sich daraus sogar Wettbewerbsvorteile durch eine verbesserte Effizienz ableiten lassen. Toyota hat sich systematisch Wettbewerbsvorteile im Sinne der Economies of Know-how im Bereich der Hybridtechnologie über die letzten Jahre hinweg aufgebaut. Viele Fehler in der Entwicklung und Produktion, die Konkurrenten noch vor sich haben, muss das Unternehmen aufgrund seines überragenden Know-hows nicht mehr machen. Heute ist das Unternehmen Spitzenanbieter umweltfreundlicher Fahrzeugtechnologien und -systeme und hält einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung. 5. Fertigkeitsvorteile: »Economies of Skills« Durch ein hohes Engagement im Bereich der Qualitätssicherung, des Mitarbeitertrainings sowie durch den Einbezug der Mitarbeitenden in die Entscheidungsfindung bei der Gestaltung und Organisation ihrer eigenen Arbeitsprozesse werden Vorteile im Bereich der Fertigkeiten aufgebaut, welche sich nicht so leicht von anderen Unternehmen kopieren lassen. Auch hier ist der japanische Toyota-Konzern weltführend. Das Unternehmen steht nicht nur an der Spitze der internationalen Hitlisten für Qualität, sondern auch bei den Zufriedenheitsrankings der Kunden. Bei seinen Fahrzeugen treten nur sehr wenige Mängel im Vergleich zu Konkurrenten auf. 6. Lernvorteile: »Economies of Learning« Lern- oder Übungsvorteile bringen Einsparungen der Durchschnittskosten. Sie können durch gut trainierte, professionelle Mitarbeiter, die Reduktion von Ausschuss, verbesserte Arbeitskoordination, Beschleunigung der Herstellung oder durch laufend verbesserte Abläufe erreicht werden. 7. Kompetenzvorteile: »Economies of Competence« Wettbewerbsvorteile entstehen auch durch tiefes oder breites Know-how. Dadurch wird die Innovationskraft erhöht, was den Fortschritt beschleunigt und die Kosten senken kann. Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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8. »Pareto-Prinzip«: Prinzip der Hebelwirkung Das »Pareto-Prinzip« oder das »80/20-Gesetz« formuliert, dass 80 Prozent der Effekte von 20 Prozent der Ursachen ausgelöst werden. Viele Aufgaben lassen sich mit einem Mitteleinsatz von rund 20 Prozent erledigen, so dass etwa 80 Prozent der Probleme gelöst sind. Der Qualitätsmanagementexperte Joseph M. Juran benannte diesen Effekt nach dem italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto, der beobachtete, dass 80 Prozent des Einkommens in Italien von 20 Prozent der Bevölkerung erwirtschaftet werden. Jurans Pareto-Regel ist eine Daumenregel, die häufig im Bereich des Marketings, des Qualitätsmanagements und in der Computerwissenschaft angewendet wird. So findet man Aussagen wie: 20 Prozent der Wissenschaftler produzieren 80 Prozent der Forschungsergebnisse oder 20 Prozent der Kriminellen verursachen 80 Prozent der Straftaten.
Wettbewerbsthemen: Auf der Suche nach attraktivem Vorteil In den 60er und 70er Jahren traten in vielen Geschäften erste Sättigungserscheinungen auf. Dies führte auf der Angebotsseite zu Kapazitätsüberschüssen und auf der Nachfrageseite zu anspruchsvolleren Kunden. Die Folge war eine massive Verschärfung der Wettbewerbssituation. Die Nachkriegszeit, die ein phänomenales Wirtschaftswachstum beschied, fand ihr Ende. Viele Kunden suchten nicht mehr nur danach, ihren »Grundbedarf« zu decken, sondern wendeten sich attraktiveren Angeboten zu. Dies erforderte von vielen Unternehmen ein radikales Umdenken. Das »Primat der Herstellung« wurde durch das »Primat des Absatzes« abgelöst: Wer erfolgreich sein wollte, musste marktund kundenorientiert denken. Das moderne Marketing war geboren. Der Markt bestimmte, was herzustellen war. Diese verstärkte Marktorientierung fand auch in der Strategielehre ihren Widerhall. So rückten Theorien, Ideen und Konzepte in den Vordergrund, die ihren Blick auf dynamische Märkte legten. Verstanden Unternehmen die Signale ihrer Kunden und schnürten dazu passende Angebote, so war ihnen der Erfolg sicher. Der Harvard-Professor Michael Porter leistete im Feld der Markt- und Wettbewerbsstrategien Pionierarbeit.79 Er wurde zum prominenten Vertreter des »marktorientierten Ansatzes« (market-view based strategy) der modernen Wettbewerbstheorie. Wettbewerb findet sich überall, in unserem Leben und in der Natur. Er ist der wesentliche Treiber für Fortschritt, Evolution und Innovation. Letztlich dreht sich der Wettbewerb immer darum, andere von ihren »attraktiven Plätzen« zu vertreiben.80 Die Wettbewerbsstrategie thematisiert daher zwei Fragen: 120
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• Welches sind die attraktiven Geschäftsfelder? • Wie kann man in diesen Märkten eine attraktive Position erringen?
Die Wettbewerbsstrategie kümmert sich daher um die Rivalität attraktiver Marktanteile. Je nach strategischem Thema, welches die Dynamik auf den Märkten bestimmt, lassen sich verschiedene Wettbewerbsformen feststellen. Es ist nicht das einzelne Unternehmen, das die Wettbewerbsregeln und die strategischen Themen definiert, sondern das Zusammenspiel der Wettbewerber innerhalb einer Branche. Im Folgenden sind einige dieser strategischen Wettbewerbsthemen umrissen. Alle Themen streben danach, zu nachhaltigen Vorteilen im Wettbewerb zu führen (vergleiche Abbildung 19). 1. Innovationswettbewerb: Wer hat das attraktivste Produkt? Innovationen, die vom Markt positiv aufgenommen werden, sind in einer komfortablen Lage, da sie einen höheren Preis realisieren können. 2. Qualitätswettbewerb: Wer bietet die beste Qualität? Produkte mit einem hohen Qualitätsanspruch und -image können ebenfalls attraktive Margen realisieren. 3. Leistungswettbewerb: Wer bietet das Produkt mit der besten Performance? Beim Leistungswettbewerb spielt der Preis eine untergeordnete Rolle. Es ist bedeutsam, dass die Güter entsprechende Leistungen erbringen und man das Produkt dringend benötigt. Dies kann bei technischen Produkten, Geräten und Maschinen der Fall sein. 4. Preis- und Konditionenwettbewerb: Wer bietet die attraktivsten Preise und höchsten Rabatte? Entscheidendes Kaufkriterium sind Preise, Konditionen oder Rabatte. Dies ist vor allem bei Gütern der Fall, die sich kaum voneinander differenzieren und so zu »Commoditys« verfallen. Auch hochwertige Güter wie Laptops, Radios, Fernsehgeräte oder Handys verkommen ohne permanente Innovation zu einem »Massengut«. 5. Wertwettbewerb: Wer bietet den besten Gegenwert für den Preis? Value-for-Money ist eine der häufigsten Wettbewerbsformen. Vor allem Kunden in entwickelten Wirtschaften kaufen nicht nur nach dem Preis, sondern stark nach dem Gegenwert, den sie für das eingesetzte Geld bekommen. 6. Verfügbarkeitswettbewerb Das Hauptkriterium hier ist, dass das Gut verfügbar ist. Diese Form des Wettbewerbs findet sich vor allem bei Rohstoffen und lässt bei Knappheiten die Preise emporschnellen. Aber Verknappungen können auch marketingmäßig künstlich erzeugt werden. So war das iPhone von Apple bei der Lancierung nur beschränkt erhältlich, die Nachfrage überstieg das Angebot bei weitem. Der Hersteller musste sogar die Anzahl der Geräte je Kauf auf zwei limitieren. Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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Abbildung 19: Wettbewerbsvorteile
PartnerVorteile
GeschäftsprozessVorteile RessourcenVorteile
Verbund- EffizienzVorteile Vorteile
Wettbewerbsvorteile GeschäftsmodellVorteile
KnowhowVorteile
Kunden-Vorteile MarktVorteile
ProduktVorteile ServiceVorteile
Welches das wirklich »entscheidende Thema« für den Wettbewerbserfolg eines Unternehmens ist, darüber streiten sich die Experten. So kann auch die marktorientierte Wettbewerbsstrategie von Michael Porter als »dogmatisch« bezeichnet werden. Eine Doktrin ist ein mehr oder weniger einheitliches System wissenschaftlicher Ansichten, Meinungen, Methoden und Prinzipien mit dem Anspruch auf »generelle Gültigkeit«. Eine Doktrin kann auch als Fixierung auf ein Programm oder als eine zu einem Glaubenssystem gefestigte Meinung bezeichnet werden. Doktrinäre Ansichten finden sich im Feld des strategischen Managements viele, da sich das Gebiet aufgrund seiner immensen Vielfalt nur sehr schwer empirisch erforschen lässt. Besonders die verschiedenen amerikanisch geprägten Denkansätze zur Wettbewerbsstrategie nehmen, vielleicht etwas über122
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zeichnet dargestellt, den Charakter von »Glaubenskriegen« an. Die Anhänger einer Lehre verteidigen mit großem Eifer und hohem wissenschaftlichem Engagement ihre Ansichten. Dies nutzt den zum Entscheiden und Handeln gezwungenen Führungskräften aber wenig, da der Gelehrtenstreit keinen praktischen Nutzen für den Geschäftsalltag abwirft. Praktiker interessieren sich dafür, welche Themen in Strategieprozessen relevant und welche Strategiepfade erfolgversprechend sind. Für die Anhänger der »Industrial Economics« ist die Attraktivität eines Marktes für den Erfolg des Unternehmens eine ganz zentrale Größe. Eine der wichtigsten Entscheidungen ist daher die Wahl eines renditeträchtigen Marktes. Für den Einstieg in ein neues Business, und dies ist unbestritten, ist die Attraktivität des Marktes oder der Branche äußerst erfolgskritisch. Attraktive Märkte mit hohen Geschäftspotenzialen, interessanten Gewinnaussichten und hohen Wachstumsraten führen zu besseren Geschäftsergebnissen. Vergleicht man die Profitabilität (Kapitalrendite) verschiedener Branchen, so zeigen sich enorme Unterschiede. In der Periode von 1992 bis 2006 hat Michael Porter verschiedene Industriezweige in den USA in Bezug auf ihre Kapitalrenditen (ROIC – Return on Invested Capital) untersucht.81 So konnte die Softdrinkbranche eine Rendite von über 37 Prozent, die Kosmetik rund 28 Prozent, die Autoreifenherstellung circa 19 Prozent, aber die Hotelbranche nur etwa 10 Prozent und das Airline-Geschäft nur knappe 6 Prozent erzielen. Damit wird die überragende Wahl der richtigen Branche für strategische Überlegungen und den gesamten Geschäftserfolg offensichtlich. Wer sich in unattraktiven Branchen tummelt, hat es schwerer, eine attraktive Rendite mit seinen Geschäften zu erzielen. Die Industrieökonomen empfehlen in diesen Situationen, neue Investitionen lieber in anderen, attraktiveren Geschäftsfeldern zu tätigen.
Strategische Gruppen: Positionierung im Wettbewerb Strategisch bedeutsam ist die Beobachtung der Konkurrenz, um das eigene Wettbewerbs- und Marktverhalten darauf auszurichten. Nicht nur die Marktsegmente und Kundengruppen sind für das strategische Verhalten von Unternehmen relevant. Frühzeitig sind die Manöver der Konkurrenten in die eigenen strategischen Überlegungen einzubringen. Konkurrenten sind Unternehmen, die sich in derselben Branche mit vergleichbaren Leistungen um gleiche Kundengruppen kümmern. Hier spricht man von einer »strategischen Gruppe«.82 Diese Unternehmen verhalten sich strategisch ähnlich. Die BeobWettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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achtung des Konkurrenzverhaltens ist auch bei der Abklärung der Erfolgschancen der eigenen strategischen Absichten wichtig, um Gegenreaktionen vorwegnehmen zu können. Die Analyse strategischer Gruppen verdeutlicht die strategischen Absichten der Konkurrenten, was vor allem beim Einstieg in neue Märkte oder bei der Lancierung neuer Angebote wichtig ist. Innerhalb einer Branche verhalten sich nicht alle Firmen gleich. Strategisch relevant sind aber diejenigen, welche ähnliche wettbewerbsstrategische Absichten verfolgen. Unternehmen einer strategischen Gruppe stehen vor denselben Herausforderungen und bearbeiten strategisch und managementmäßig ähnliche Problemstellungen. So gehören Maserati, Porsche und Lotus derselben strategischen Gruppe der Hochleistungs-Automobilhersteller an. Sie sind daher oft auch in der gleichen Weise von denselben Ereignissen, wie von staatlichen Eingriffen oder Veränderungen in den Märkten, betroffen. Der Wettbewerb innerhalb einer strategischen Gruppe ist intensiver als derjenige zwischen verschiedenen strategischen Gruppen. Strategische Gruppen können auch über die Art ihrer Eintritts- oder Austrittsbarrieren charakterisiert werden. Sind diese hoch, so ist der Wechsel für ein Unternehmen von einer Gruppe in eine andere schwierig oder kaum zu vollziehen. Michael Porter spricht hier von Mobilitätsbarrieren in der Branche. Je höhere Mobilitätsbarrieren in einer strategischen Gruppe aufgebaut werden können, umso höher ist das Gewinnpotenzial der einzelnen Unternehmen der Gruppe. Obwohl bei der Analyse nur zwei Dimensionen betrachtet werden, ist das Instrument leistungsfähig. So können Mobilitätsbarrieren festgestellt, Randgruppen identifiziert, Trends erfasst und Reaktionsmuster diskutiert werden.
Porters »Fünf-Kräfte-Modell«: Die Intensität des Wettbewerbs erfassen und gestalten Die Marktdoktrin (market-based view) propagiert, die optimale Wahl einer Strategie zur Erringung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen einerseits auf der Basis der Attraktivität eines Marktes oder der Branche sowie andererseits aufgrund der eigenen Stellung im Wettbewerb zu treffen. Sie basiert auf der Industrieökonomik (industrial economics), die den Wettbewerbserfolg von Unternehmen damit erklärt, dass es erfolgreichen Unternehmen gelingt, Marktbarrieren gegen den Eintritt potenzieller neuer Wettbewerber zu errichten. Andere Wettbewerber sind möglichst von den attraktiven Geschäften zu vertreiben oder am Einstieg in diese Geschäfte zu hindern. Schafft man dies, 124
Handbuch der Strategien
können sich die Gewinnerunternehmen in einem einigermaßen geschützten Umfeld tummeln. Doch wie errichtet man Marktbarrieren gegen Angreifer? Marktbarrieren können auf besonders niedrigen Produktionskosten (zum Beispiel Skaleneffekten) beruhen, indem die etablierten Unternehmen eine Preisführerschaft anstreben. Aber auch eine hohe Innovationskraft, starke Marken oder hohe Qualitäten können der Grund sein, ein bestimmtes Geschäftsfeld nicht anzugreifen. Der Eintritt in dieses Geschäft wäre zu aufwändig, zu teuer und zu wenig aussichtsreich. Es ist das Ziel der Wettbewerbsstrategie, einen Markt, eine Branche oder ein Geschäftsfeld auszuwählen, in dem nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufgebaut und gesichert werden können. Wer Erfolg haben will, muss sich daher mit großer Aufmerksamkeit an den Bedürfnissen der Kunden orientieren, Marktentwicklungen genau beobachten und im Wettbewerb den besseren Kundenvorteil bieten.
Abbildung 20: »Fünf Porter-Kräfte« − Wettbewerbsintensität nach Michael Porter 83
Markteintrittsbarrieren
Marktmacht der Lieferanten
Rivalität in der Branche
Marktmacht der Kunden
Verfügbarkeit von Substitutionsgütern
Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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Wettbewerbsvorteile entstehen durch eine clevere Positionierung eines Angebots in einer geschäftsmäßig attraktiven Branche oder strategischen Gruppe. Eine Branche sind Unternehmen, welche unter sich Substitutionsprodukte anbieten. Ihre Angebote sind also für Kunden grundsätzlich austauschbar. Die Zusammensetzung der Branche definiert die Wettbewerbsintensität, welche ihrerseits durch fünf Wettbewerbskräfte beeinflusst wird. Abbildung 20 skizziert diese auch als »Fünf Porter-Kräfte« bekannten Faktoren. Sie bestimmen zusammen das Ausmaß der Rivalität, die in einer Branche oder auf einem Markt herrscht. Die Intensität des Wettbewerbs ist nach Michael Porter daher das Ergebnis aus der Rivalität zwischen den bestehenden Anbietern, der Bedrohung des eigenen Geschäfts durch Newcomer (zum Beispiel Start-up-Firmen), der Bedrohung durch mögliche Substitutionsanbieter, die vom Kunden als eine echte Alternative betrachtet werden könnten, sowie durch den Verhandlungsdruck, den Lieferanten und Abnehmer aufbauen. So ist zum Beispiel die Wettbewerbsintensität im Geschäftsbereich der Personal Computer sehr hoch. Dieser Wettbewerbsdruck schmälert die Gewinne aller Anbieter. Andere Märkte hingegen haben noch angenehmere Wettbewerbsverhältnisse. In den Branchen Pflanzenschutzmittel, Gentechnik oder Managementausbildung sind zum Beispiel die Gewinnmargen für alle Anbieter noch relativ attraktiv. Das »Fünf-Kräfte-Modell« von Michael Porter eignet sich hervorragend, um die Wettbewerbslandschaft des eigenen Geschäfts zu ergründen und um attraktive Märkte oder Branchen zu entdecken. Zudem zeigt es, wo und wie Barrieren gegen Herausforderer aufgebaut werden können, um sich Märkte (zumindest vorübergehend) zu sichern.
Porters Strategiematrix: Generische Strategien für den Wettbewerbsvorsprung Der Harvard-Professor Michael Porter entwickelte generische, das heißt allgemeingültige Wettbewerbsstrategien, die es Unternehmen erlauben, eine gewinnbringende Position im Wettbewerb zu erringen. Er leistete mit seinen Forschungen einen Beitrag zur Erklärung der unterschiedlichen Erfolgspositionen zwischen Unternehmen. Warum sind manche Unternehmen erfolgreicher als andere? Porter geht davon aus, dass Unternehmen nur dann Wettbewerbsvorteile erzielen können, wenn sie sich konsequent für eine der strategischen Basisstrategien entscheiden. Für seine Überlegungen sind zwei Fragen zu beantworten: Wie attraktiv ist die Branche, das Geschäftsfeld oder der Markt? Zur Beantwortung dieser Frage der Branchenattraktivität dient das »Fünf-Kräfte126
Handbuch der Strategien
Modell«. Und die zweite Frage lautet: Wie kann unser Unternehmen einen relativen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu den Konkurrenten aufbauen? Hierzu bietet Michael Porter die »Matrix der Wettbewerbsstrategie« als Instrument (auch »Porter-Strategie-Matrix« genannt) an. Abbildung 21 skizziert die Porter-Strategie-Matrix.84 Abbildung 21: »Porter-Strategien« − Grundverhaltensweisen
Strategie der Kostenführerschaft
Strategie der Differenzierung
Kostenvorsprung
Singularität aus Kostensicht
Strategie der Fokussierung auf Teilsegmente des Marktes mit Kostenschwerpunkt
mit Differenzierungsschwerpunkt
Unternehmen haben drei Optionen, sich im Markt mit Erfolg zu positionieren: entweder durch Kostenführerschaft (auch Kostenminimierungsstrategie) oder durch Leistungsführerschaft (auch Differenzierungsstrategie, Produktdifferenzierungsstrategie). Eine dritte kombinierte Variante bildet die Fokusstrategie (auch Marktfokusstrategie). Sie zielt darauf ab, das Produktangebot lediglich in einem Teil des Marktes anzubieten. Dabei stehen dann wiederum die beiden strategischen Varianten zwischen Kostenführer und Differenzierung offen. Die »Strategie der Kostenführerschaft« will den Wettbewerbsvorteil aufgrund einer hervorragenden Kostenposition aufbauen. Günstigere Herstellungskosten als die Konkurrenz gestatten es, den Kunden die Vorteile in Form von attraktiveren Preisen weiterzugeben. Die Margen können in einer derartigen Strategie aber trotzdem günstig gestaltet werden. Wer die Preisführerschaft anstrebt, muss immer auch Kostenführer sein, da sonst die Margen nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Preisstrategien bedingen hervorragende Kostenstrategien. Die KostenWettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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führerschaft sollte ebenfalls größere Produktionsvolumen nach sich ziehen, wodurch sich aufgrund von Erfahrungseffekten (Skaleneffekte, Rationalisierung, Anlagenoptimierung) weitere günstigere Kostenpositionen ergeben. Ein Beispiel für Kostenführerstrategien bieten die Low-Cost-Airlines wie Ryanair, easyJet, JetBlue oder Air Berlin. Das Management dieser Unternehmen konzentriert sich mit aller Kraft auf die radikale Senkung der Gesamtkosten. So werden Zusatz- und Nebenleistungen gestrichen oder gesondert verrechnet, Produktionsprozesse optimiert, Lohnstrukturen gesenkt oder das Vertriebsnetz reduziert. Angeflogen werden günstige Nebenflughäfen, die Tickets werden nicht mehr physisch, sondern nur noch elektronisch ausgestellt, die Telefonberatung extra verrechnet, heiße Mahlzeiten verkauft und Gepäckzuschläge erhoben. Die Strategie der Kostenführerschaft heißt, dass sich ein Unternehmen als Kostenleader positioniert. Ideal ist, wenn es zum Billigproduzenten der Branche avanciert. Somit entwickelt es sich zum Volumenanbieter und baut seinen Erfolg auf der degressiven Kurve sinkender Stückkosten auf. Die Kostenführerstrategie bedingt folgende Fähigkeiten und Ressourcen: • hohe Investitionen für Verfahrensoptimierungen, • nachhaltige Innovationen in Forschung, Entwicklung und Produktion, • Effizienzsteigerung, Standardisierung, Normierung, Optimierung, Automa-
tion, • Gestaltung einfacherer Produkte, die sich für Massenmärkte eignen.
Die Strategie der Differenzierung verfolgt den umgekehrten Weg. Die Angebote sollen in erster Linie nicht günstiger, sondern besser als diejenigen der Konkurrenten sein. Die angebotenen Leistungen sollten Funktionen oder Merkmale umfassen, welche den Konkurrenten fehlen. Das Produkt muss möglichst »einzigartig« werden und aus dem generellen Marktangebot herausragen. Angepeilt werden anspruchsvollere Kundengruppen, die bereit sind, für diese Mehrleistungen einen Aufpreis zu bezahlen. Markenartikler, aber auch Automobilfirmen setzen auf diese Strategie der Differenzierung. Sie bieten eine Fülle an Zusatzleistungen, um sich von den Angeboten der Konkurrenten abzusetzen. Differenzierer streben nach Einzigartigkeit durch den Aufbau von Alleinstellungsmerkmalen. Die Strategie der Differenzierung setzt auf die folgenden Fähigkeiten und Ressourcen: • • • • • •
hohe Kompetenz in der Markterkundung, professionelle Vermarktung und differenziertes Marketing, Innovation in Produktentwicklung und Kundenansprache, Spezialisten-Performance, hohes Qualitätsimage, professioneller Vertrieb,
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Handbuch der Strategien
• Beratungs- und Servicekompetenz, • engagiertes Management der Marken (Branding).
Die Strategie der Fokussierung oder Konzentration setzt auf Schwerpunktbildung. Sie unterscheidet sich von den obigen beiden Grundstrategien dadurch, dass sich Firmen auf ein ihnen lukrativ erscheinendes Teilsegment eines Marktes ausrichten. Dort kann sich das Unternehmen dann erneut entweder als Kostenführer oder Leistungsführer positionieren. In der Praxis findet man die reine Form der Kostenführerstrategie mit Fokus auf Kosten, Effizienz und Effektivität und auf der anderen Seite die reine Form der Differenzierungsstrategie mit Fokus auf Qualität, Innovation und Service selten. Es besteht ein strategischer »Trade-off« (Austauschverhältnis) zwischen den beiden Strategieansätzen. Wer es nicht schafft, sich eindeutig und nachhaltig in der einen oder anderen Strategiealternative zu positionieren, der gerät nach Michael Porter in eine problematische Zwischenlage. Diese bezeichnet er treffend als »Zwischen-den-Stühlen«-Position (stuck-in-the-middle position). Abbildung 22 zeigt die »Zwischen-den-Stühlen«-Position. Sie wird durch die sogenannte U-Kurve verdeutlicht: Unternehmen mit geringen Marktanteilen entwickeln sich durch laufende Differenzierung zu Spezialisten. Und Un-
Rendite (ROI)
Abbildung 22: »Zwischen-den-Stühlen«-Position
Qualitätsführer Marktnischen Spezialisierungsstrategie
Kostenführer Massenmarkt Volumengeschäftstrategie
»Zwischen-den-Stühlen-Position«
relativer Marktanteil (relativ = im Verhältnis zur Konkurrenz)
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ternehmen mit großen Marktanteilen entwickeln sich zu Generalisten, das heißt, sie setzen auf Standardisierung ihrer Prozesse und eine hohe Effizienz, die günstige Kosten garantiert. Beide Positionen können in Bezug auf die Rentabilität sehr attraktiv sein. Unattraktiv und gefährlich hingegen ist es, sich in der »unklaren« Mitte zu positionieren. Mittelmäßige Marktpositionen, mittelmäßige Marktanteile ohne eindeutige Differenzierung führen zu einer signifikant schlechteren Rentabilität. Derartige Unternehmen sind oft zu groß für die Spezialisierung und zu klein für eine großvolumige Standardisierung. Warenhäuser stecken in dieser gefährlichen »Stuck-in-the-Middle«-Position, da sie von ihren Kunden weder als besonders hochwertig noch als günstig erlebt werden. Sie liegen im Clinch mit den hoch spezialisierten Fachgeschäften mit tiefem Sortiment und kompetenter Beratung und den Discountern mit ihren günstigen Angeboten. Auch die modernen Fachabteilungskonzepte, wie Galeria von Kaufhof oder KaDeWe von Karstadt, brachten keinen großen Fortschritt in der Wettbewerbspositionierung. In Anlehnung an die generischen Strategien von Michael Porter finden sich in der Unternehmenslandschaft die folgenden Strategietypen: 1. »Pionier-Strategien« »Pioniere« spezialisieren sich auf Neuerscheinungen und Innovationen. Sie verstehen sich als Nischenanbieter und investieren daher stark in Forschung, Entwicklung, Marketing, Beratung und Kundenservice. Ihre Wettbewerbsvorteile sind meist zeitlich begrenzt, denn sie locken rasch Nachahmer an, welche die Neuentwicklungen kopieren. Meist können diese Pionierfirmen aber während einer kurzen Periode attraktive (überproportionale) Margen bei ihren Kunden durchsetzen, da sie eine zeitliche Alleinstellung innehaben. Beispiele für Unternehmen, die eine Pionier- oder Nischenstrategie realisieren, sind Red Bull (erfolgreicher Erfrischungsgetränkehersteller aus Österreich), Porsche (Automobil) oder Bose (amerikanischer Produzent von Soundsystemen). 2. »Nachahmerstrategien« »Nachahmer« verfolgen Pionierunternehmen und übernehmen deren Entwicklungen, um sie massenproduktionstauglich zu machen. Nachahmer optimieren meistens die Produktionsprozesse. Sie bedienen Massenmärkte, haben niedrigere Kosten und können daher auch günstigere Preise als die Pioniere anbieten. Ihre Investments erfolgen vorwiegend in die Optimierung der Produktion und der Distribution. Microsoft konnte seine überragende Marktstellung vor allem durch die Übernahme und Vervielfältigung von Innovationen erreichen, die durch andere Unternehmen entwickelt wurden. Die Stärke des Unternehmens liegt daher in seinem leistungsfähigen Distributionssystem. 130
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3. »Kostenführerstrategien« Die strategische Stoßrichtung eines »Kostenführers« liegt in der Minimierung seiner Kostenstrukturen. Dadurch ist er in der Lage, zum Preisleader zu avancieren. Je nach Branche können die Quellen für den Kostenvorsprung unterschiedlich sein: vorteilhafter Einkauf, Zugang zu Ressourcen, eigene Technologien oder volumenbedingte Kostendegression. Der Wettbewerbsvorteil liegt in den niedrigen Kosten und den trotzdem noch attraktiven Margen. Die Handelsriese Aldi setzt auf die Kostenführerstrategie und verfolgt ein dementsprechend striktes Kostenmanagement in allen Aspekten. Auch Billigairlines wie Ryanair, easyJet, AirBerlin in Europa, aber auch die asiatischen Billigfluglinien Air Arabia, die indische Air Deccan oder die südostasiatische Tiger Airways operieren nach diesem Geschäftsmodell. 4. »Strategie der Kundenfokussierung« »Kundenfokussierte Unternehmen« erbringen ihre Leistungen spezialisiert für eine bestimmte attraktiv erscheinende Zielgruppe. Ihre Angebote und Dienstleistungen richten sie speziell auf ihre angepeilte Kundschaft aus. Imagegestaltung, Kommunikation, Qualität und Service sind Faktoren, in welche sie stark investieren. Sie verfolgen das Ziel, ihre Kunden möglichst fest an sich zu »binden« oder mit ihren Leistungen zu faszinieren. Der Onlinehändler Amazon ist ein Beispiel für ein kundenfokussiertes Unternehmen.
Aktualität des Strategieansatzes von Michael Porter Der Ansatz der Porter’schen Wettbewerbsstrategie versucht, ein Unternehmen oder Business optimal in einer Branche zu positionieren. Die Wettbewerbsvorteile ergeben sich durch die Wahl der Branche und der Wettbewerbsposition. Der Wettbewerb ist für Porter eine Art »War of Position«, ein Kampf um Positionen. Seine Theorie stammt aus den 70er und 80er Jahren. Doch die Businesslandschaft hat sich zwischenzeitlich massiv verändert. Etablierte, große Unternehmen mit einst starker Marktposition wurden durch kleine, wendige Anbieter auf das Schärfste herausgefordert oder gar überholt. Die Struktur von Märkten und Branchen kann daher heute nicht mehr als stabil angesehen werden. Innovative Strategien führen zu Veränderungen in den Märkten selber und definieren deren Grenzen neu. Im dynamischen Marktumfeld wird der Wettbewerb dann zu einem »War of Movement«, zu einem Kampf um Agilität. Der Erfolg liegt in der Antizipation von Markttrends und der raschen Anpassung an neue, veränderte Situationen. Die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Ressourcen und Kernkompetenzen optimal zu nutzen, ist der Schlüssel für den Erfolg. Die Ressourcenperspektive widmet sich diesem strategischen Ansatz eingehend. Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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Einschätzung Porters Strategiematrix wurde von den Wirtschaftswissenschaftlern heftig kritisiert. Die Gründe dafür liegen im methodischen Ansatz, in der großenteils fehlenden empirischen Begründung und in ihrer klaren Ausrichtung auf die Marktattraktivität als bestimmende Größe für den Geschäftserfolg. In der heutigen Zeit, in der Digitalisierung, Globalisierung und Deregulierung wesentliche Triebkräfte für die Gestaltung von Märkten geworden sind, hat Porters Ansatz nicht ausgedient, aber seine zentrale Rolle im Rahmen der Strategieentwicklung verloren. Sein Ansatz der Branchenanalyse mit den »Five Forces« ist aber ein taugliches Instrument, welches für den praktischen Einsatz mit leichten Anpassungen strategierelevante Aussagen gestattet. Es darf ja nicht vergessen werden, dass seine Theorie zentrale wirtschaftliche Grundgesetze der Mikroökonomie auf den Punkt bringt und grafisch veranschaulicht. Diese Gesetzmäßigkeiten bleiben aktuell. Zudem sind für Michael Porter die Kostenführerschaft und die Leistungsführerschaft alternative Strategieoptionen. Eine Kombination sieht er nicht vor. Es gibt aber Unternehmen, wie zum Beispiel Ikea, Zara oder Benetton, die es durch ein geschicktes Marketing geschafft haben, sich als Differenzierer zu positionieren und gleichzeitig im Massengeschäft mit relativ günstigen Preisen zu punkten. Heute sind gerade derartige »Kombi-Strategien« besonders interessant: Auf der geschäftsinternen Seite setzt das Management auf die Kostenführerschaft und Strategie der Volumenanbieter, und auf der Marktseite positioniert man sich als Differenzierer. Trotzdem ist es für ein Unternehmen immer noch unabdingbar, sich über seine grundsätzliche Positionierung im Markt klare Gedanken im Sinne Michael Porters zu machen. Folgende Fragen sind zeitlos: Welches sind unsere attraktiven Märkte? Und welche besonderen Vorteile bieten wir diesen Kunden gegenüber unseren Wettbewerbern zu Sicherung unserer Unternehmenszukunft?
Porters »Wertkette«: Dem Wettbewerbsvorteil auf der Spur Die »Wertkette« dient dazu, kosten- und leistungsbeeinflussende Aktivitäten eines Unternehmens zu systematisieren. Wertaktivitäten werden ausgeführt, um ein Produkt beziehungsweise eine Dienstleistung zu schaffen. Anhand der Wertkette (value chain) werden die Unternehmensaktivitäten in primäre und unterstützende Arbeiten eingeteilt, um sie strategisch zu beurteilen. Primäre Aktivitäten (auch: Kernprozesse) sind wertschöpfende Tätigkeiten, die einen direkten Bezug zum Produkt haben und somit zum ökonomischen Ergebnis des Unternehmens beitragen. Zu ihnen gehören Einkauf, Logistik, Produk132
Handbuch der Strategien
tion, Vertrieb und Kundendienst. Die unterstützenden Aktivitäten oder Supportprozesse hingegen haben keinen direkten Bezug zu den hergestellten Produkten und Dienstleistungen. Doch ohne diese könnten auch die wertschöpfenden Arbeiten nicht erfüllt werden. Zu ihnen gehören Aufgabenbereiche wie Personal, Recht, Informatik, Rechnungswesen oder Controlling. Abbildung 23 zeigt den Aufbau einer Wertkette.85
Abbildung 23: Wertkette (Grundstruktur) Infrastruktur: Geschäftsführung, Controlling, Planung wi Ge
Human Resources (Personalwirtschaft)
n an
sp
nn
Technologieentwicklung: Forschung – Entwicklung
e
Beschaffung: Disposition, Administration, Bewertung
Marketing Vertrieb Kundenservice
Ge
Absatzlogistik
AfterSales
ne
an
sp
Produktion
wi nn
Eingangslogistik
Die Wertkette ist ein Hilfsmittel, die strategisch relevanten Tätigkeiten eines Unternehmens systematisch zu erfassen, um strategische Wettbewerbsvorteile zu identifizieren. Sie hilft mit, sich auf den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen zu fokussieren. Jede Wertkette setzt sich aus den Wertaktivitäten und der Gewinnspanne zusammen. Die Gewinnspanne ist die Differenz zwischen dem erzielten Ertrag und allen für die Wertschöpfung entstandenen Kosten. Ein Wettbewerbsvorteil kann nur dann entstehen, wenn die erbrachte Leistung einen besonderen Wert für den Kunden darstellt. Kostenvorteile ergeben sich durch eine Reduktion der Aufwendungen für einzelne Aktivitäten in der Wertkette oder durch die Neukonfigurierung der Bausteine einer Wertkette. Durch die Analyse der Kostenstruktur eines Business lassen sich strategisch interessante Fragen beantworten: Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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• Wie hoch sind die Kostenanteile einzelner Tätigkeiten? • Sind diese Aktivitäten in dieser Form notwendig, um dem Kunden einen
Mehrwert zu bieten? • Sind alle Aktivitäten branchenüblich, oder führen sie zu einem Wett-
bewerbsvorteil für den Kunden? • Ist die Wertkette auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet? Erkennen
die Kunden die Besonderheit der Wertschöpfung? • Wie sind die Wertketten mit den vorgelagerten oder nachgelagerten
Geschäftspartnern verknüpft, um Kosten zu senken oder um zu differenzieren? Die Wertkette ist vor allem für die Strategie der Kostenführerschaft zentral. Mit ihr bekommen die Kostenstrukturen einen strategischen Charakter. Es kann festgestellt werden, ob die Mittel effizient genutzt werden und ob die Kunden die einzelnen Komponenten der Wertschöpfung überhaupt wahrnehmen. Auch bei der Differenzierungsstrategie ist die Value-Chain-Analyse hilfreich. Sie weist auf Aktivitäten hin, durch die sich das Business von der Konkurrenz abgrenzen kann. Eine qualitativ höherwertige oder innovativere Leistung im Vergleich zur Konkurrenz anzubieten lohnt sich nur, wenn die Zusatzmarge auch über den Differenzierungskosten liegt und der Kunde die Zusatzleistung schätzt.
Einschätzung In der Praxis ist die »strategische Wertkettenanalyse« ein aufwändiges Unterfangen. Sie erfordert einen erheblichen methodischen und zeitlichen Aufwand. Ein Hauptproblem ist, dass die operative Kostenbetrachtung, welche durch klassische Verfahren der Kostenrechnung vorliegt, selten mit der strategischen Sichtweise übereinstimmt. Die bestehenden Rechnungen müssen daher mit großem Aufwand in eine Aktivitätskosten- oder Prozesskostenrechnung überführt werden. In vielen Fällen lohnt sich dieser Aufwand nicht. Trotzdem ist die Wertkette für strategische Überlegungen nicht nutzlos. Die Frage, ob Aktivitäten zur Erhöhung des Wertes eines Angebots für den Kunden beitragen und sich damit auch überdurchschnittliche Margen einfahren lassen, ist auch ohne umfassende, detaillierte Kostenanalysen möglich und wertvoll. Zudem kann es sich lohnen, die Wertketten vor- und nachgelagerter Geschäftspartner in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei fragt man sich, wie sich über die gesamte Wertschöpfungskette (supply chain) hinweg Kosten einsparen lassen, um gemeinsame Kostenvorteile zu realisieren, oder wie sich gemeinsam Differenzierungsmerkmale nutzen lassen, um Qualitäts- oder Innovationsvorteile auszuspielen. Diese Fragen führen zu Wertnetzen (value nets). 134
Handbuch der Strategien
Outpacing: Wie man Konkurrenten überholt Egal ob Mountainbike, Schokoriegel, Turnschuhe, Federhalter, T-Shirt oder Pizza, sie alle gibt es jeweils in einer günstigen und in einer exklusiven Version. Selbst bei Industriegütern findet man immer öfter, ganz ähnlich wie bei den Konsumgütern, No-Name-Angebote und Premiummarken gleichzeitig. Outpacing-Strategien sind »Strategien für Vorsprung«, welche im Gegensatz zu den umfassenden drei Strategiealternativen von Michael Porter stehen. Outpacing heißt auf Deutsch »überholend« oder »hinter sich lassend«. Die Outpacing-Strategien werden auch als »hybride Wettbewerbsstrategien« bezeichnet, da sie Preis- oder Kostenführerschaftstrategie mit einer Differenzierungsstrategie kombinieren.86 Ihr Ziel ist eine Rentabilitätssteigerung durch die Minimierung von Kosten einerseits und zugleich durch die Verbesserung des Angebots durch erhöhte Qualität oder Innovation (vergleiche Abbildung 24).
hoch tief
Differenzierungsposition
Abbildung 24: Outpacing
Differenzierung
OutpacingStrategie (Hybrid-Strategie)
»Zwischen den Stühlen«
Kostenführer
hoch
tief
Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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Durch einen »Strategiewechsel« (strategy shift) wechselt das Unternehmen von einer Strategiealternative zu einer anderen. Jede Strategie hat einen optimalen Zeithorizont und ist nicht für immer fest gegeben. Gerade im Bereich der Outpacing-Strategie gehören Strategiewechsel zur Absicht. Dabei wird die Kostenkomponente eines Geschäftsfelds zeitlich von der Differenzierungskomponente getrennt und sequenziell angegangen. Zuerst kann für eine bestimmte Zeit die Differenzierungsstrategie eingesetzt werden, um sich von anderen Anbietern abzuheben. Hat dies Erfolg, wechselt man in der kommenden Periode ins Volumengeschäft. Dies heißt, man verfolgt dann eine konsequente Kostensenkungs- und Effizienzstrategie, um dadurch den Konkurrenten die Kalkulationsbasis zu verderben oder um neue Kundengruppen anzusprechen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche »hybride Wettbewerbsstrategie« liefert Sony bei seinem Walkman-Geschäft. Zuerst hat das Unternehmen seine Position als Innovationsleader (Differenzierungsstrategie) gefestigt. Die Geräte wurden exklusiv und teuer positioniert. Sukzessive hat Sony aber einen Strategiewechsel in Richtung Volumenanbieter vollzogen, da immer mehr Nachahmer auf dem Markt auftauchten und das Geschäft durch günstige Kopien herausforderten. So hat sich Sony dann im Folgeschritt einer konsequenten Kostensenkungsstrategie verpflichtet. Diese beabsichtigte, durch eine hohe Standardisierung und ein striktes Kostenmanagement Skaleneffekte bei höheren Volumen auszuschöpfen. Sony konnte günstigere und attraktive Topmodelle zugleich anbieten, bei denen die Margen aber immer noch sehr interessant waren. Den Konkurrenten wurden ihre eigenen Kalkulationen dadurch verdorben. Auch Apple wird bei der längerfristigen Vermarktung des iPod und iPhone eine derartige hybride Strategie verfolgen müssen. Statt zuerst auf Innovationen zu setzen, kann man auch zuerst auf Kostensenkungen bauen und dann sein Angebot durch Innovationen differenzieren. Toyota hat so beispielsweise die deutschen Premiumhersteller BMW, Mercedes und Audi über Jahre als »Kopiervorlage« (oder besser »Benchmark«) genutzt. Aber schon sehr rasch stiegen die Japaner ins globale Autogeschäft ein, um rasch hohe Produktionsvolumen zu erreichen. So ließen sich Kostendegressionseffekte ausschöpfen. Erst nach der Etablierung in den Zielmärkten wechselte Toyota sukzessive wieder auf die margenträchtige Differenzierungsschiene. Toyota lanciert nun technologische Innovationen und etablierte die Premiummarke Lexus, um die Konkurrenz mit ihrer Outpacing-Strategie zu überrunden. Die chinesischen Automobilhersteller haben viel von den japanischen Strategien gelernt. Sie verfolgen nun ebenfalls eine derartige Outpacing-Strategie mit ihrem Eintritt in die automobilen Weltmärkte. 136
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Die hybride Strategie kann auch eine simultane Kombination der beiden Strategien umfassen. Statt eine der beiden Porter’schen Strategien nach der anderen zu verfolgen, setzt das Management auf eine geschickte Kombination von Kosten-/Preisstrategien und Differenzierungsstrategien. Andree Fleck hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München die hybriden Kombinationen untersucht und folgende strategischen Pfade vorgeschlagen:87 Die »hybride Varietätsstrategie« nutzt gemeinsame Inputs (wie zum Beispiel Know-how, Produktionskapazitäten, Plattformen), um die durchschnittlichen Stückkosten bei einer Ausweitung des Absatzvolumens zu senken. Durch das Suchen nach Synergiefeldern kann eine Differenzierung auch positive Kosteneffekte zeigen. Automobilunternehmen setzen immer mehr auf die Differenzierungsstrategie statt auf große Volumen und Kostenführeransätze, da sie mit den ausländischen Produktionsfaktoren nur schwer mithalten können. Durch die gemeinsame Nutzung gleicher Grundplattformen können auch zwischen den Modellen Produktivitäts- und Kosteneffekte genutzt werden. Der Golf von Volkswagen wird so in verschiedenen Karosserievariationen angeboten, die alle auf der grundsätzlich gleichen Plattform beruhen. Dazu gehören der Golf in allen Formen, der Jetta, Bora, Corrado, Scirocco, New Beetle, Touran, Country bis hin zum Offroad-SUV Tiguan. Aber auch andere Marken des Konzerns nutzen dieselbe Plattform, zum Beispiel der Audi TT, der A3 oder der Seat Toledo. Auch ein »Total Quality Management System (TQM)« führt zu Kostensenkungen. Hier werden Kosten- und Qualitätsabsichten simultan angestrebt. Vor allem die japanischen Autohersteller nutzen TQM und Methoden der kontinuierlichen Verbesserung (Kaizen), um sich Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten zu verschaffen. Hier spricht man von einer hybriden Qualitätsstrategie. Last but not least ist die »hybride Innovationsstrategie« eine leistungsfähige Strategie für sich rasch ändernde Marktkonstellationen. Sie will möglichst die Entwicklungszeit von Innovationen komprimieren, um rascher als Mitkonkurrenten Neuerungen und Produktverbesserungen auf den Markt zu bringen. Die Forschungs- und Entwicklungskosten sollen dabei vor allem von den Lerneffekten vergangener Innovationszyklen profitieren und so kosteneffizient geführt werden. Die Stoßrichtungen der Outpacing-Strategien können sich auch nur kurzfristig überlagern oder abwechseln. So verfolgt McDonald’s grundsätzlich eine kostenorientierte Strategie. Trotzdem werden immer wieder strategische Initiativen gestartet, um sich von den Konkurrenten Pizza Hut, Wendy oder Burger King über die Qualität oder Innovation abzuheben. Die Grundsatzstrategie wird aber dadurch nicht infrage gestellt. Wettbewerbsstrategien: Besser, größer, schneller, billiger
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Einschätzung In einer längerfristigen Perspektive setzt sich in dynamischen Märkten vor allem derjenige durch, der entweder ausgehend von einem hohen Produktnutzen oder ausgehend von niedrigen Kosten Angebote offeriert, die nicht nur die Wünsche der Kunden perfekt treffen, sondern auch dem Hersteller attraktive Margen aufgrund effizienter Produktionsstrukturen bescheren. Erreicht wird dies durch eine clevere Strategiefindung, die sich auch einer dynamischen Betrachtung des gesamten strategischen Umsetzungsprozesses widmet. Wenn sich alternative Chancen bieten, müssen Strategiewechsel nicht nur erlaubt sein, sondern sogar dringend angepackt werden. Die Dynamik der heutigen Märkte fordert eine flexible Handhabung der strategischen Orientierung. Dies stellt hohe Anforderungen an das Management und an die Mitarbeiter im Umgang mit Flexibilität und Change. Zudem kann ein zu häufiger Strategiewechsel auch die Kunden »überfordern«, da damit in der Regel auch ein Imagewechsel verknüpft ist.
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Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
Heutzutage ist im Business nicht der »Return on Investment« das Wichtigste, sondern der »Return on Imagination«. Gary Hamel
Kernkompetenzen: Strategische Fähigkeiten für nachhaltigen Erfolg Seit dem Anfang der 90er Jahre kann man von einem Paradigmenwechsel im strategischen Management sprechen. Die Perspektive, worauf erfolgreiche Wertschöpfungsprozesse basieren, hat sich grundlegend gewandelt. Etwa zur selben Zeit, als Henry Mintzberg, Strategie-Professor und Managementexperte, die Rolle des strategischen Managements kritisch unter die Lupe nahm, wurde mit der Veröffentlichung von Wettlauf um die Zukunft von Gary Hamel und C. K. Prahalad die Strategiedisziplin neu belebt.88 Der Denkansatz der beiden Forscher knüpft nicht an den marktorientierten Überlegungen Michael Porters an, sondern an der ressourcenorientierten Strategietheorie. Der Harvard-Professor Michael Porter betrachtet das Strategiethema aus der Sicht der Industrieökonomie. Für ihn ist die Wahl der idealen Strategie eine Konsequenz aus der Attraktivität der Märkte und der Ausprägung der eigenen Wettbewerbskonstellation durch die fünf branchengestaltenden Kräfte (vergleiche Porters »Fünf-Kräfte-Modell«). Der ressourcenorientierte Blick auf das Strategiegeschehen hingegen knüpft beim einzelnen Unternehmen selbst an. Er betrachtet ein Unternehmen als eine Kollektion von Ressourcen, welche erst das unternehmerische Handeln ermöglichen. Je nachdem, wie das Management diese Ressourcen strategisch nutzt, entstehen mehr oder weniger leistungsfähige Kapazitäten und Fähigkeiten. Die unternehmensspezifischen Ressourcen lassen sich nicht leicht von konkurrierenden Drittanbietern kopieren. Sie sind daher die Quelle der Wettbewerbsfähigkeit. Ein erfolgreiches Unternehmen geht folglich denjenigen Geschäften nach, für die es »außerordentliche« Fähigkeiten und Kapazitäten im Vergleich zur Konkurrenz aufbringt. Damit ist es in der Lage, seinen Kunden besonders werthaltige Angebote zu bieten. Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
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Der Strategiefachmann Cuno Pümpin, Professor der Universität St. Gallen, wies schon in den 80er Jahren mit dem Konzept der »Strategischen Erfolgsposition« (SEP) auf die zentrale Bedeutung der Kernkompetenzen für den strategischen Vorsprung hin.89 Eine »Strategische Erfolgsposition« umfasst besondere Fähigkeiten, die es einem Unternehmen erlauben, im Vergleich zu seiner Konkurrenz längerfristig überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Eine »SEP« ist nicht nur eine strategisch zentrale Quelle für den Unternehmenserfolg, sondern ebenfalls ein Gestaltungsmittel der Unternehmensführung. Mithilfe der SEP kann die strategische Ausrichtung des Unternehmens bestimmt werden. SEP können auf das Marktpotenzial, auf das Technologiepotenzial, das Humanpotenzial, das Übernahmepotenzial, das Restrukturierungspotenzial, das Beschaffungspotenzial, das Kooperationspotenzial, das Kostensenkungspotenzial oder auf das Finanzierungspotenzial hin orientiert sein. Diese Auflistung zeigt, wo überall die besonderen Fähigkeiten identifiziert und zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen ausgebaut werden können. Wenige andere Managementdenker haben seit den Arbeiten von Michael Porter die Strategiediskussion derart angeregt wie die beiden Managementexperten Gary Hamel und C. K. Prahalad. Gary Hamel arbeitete vor seiner akademischen Karriere in einer Krankenhausverwaltung. Diesen Job gab er auf, um ein MBA-Studium in Angriff zu nehmen. Durch die Begegnung mit dem aus Indien stammenden Strategielehrer C. K. Prahalad an der University of Michigan wurde er vom Thema derart fasziniert, dass er sein angestammtes Berufsfeld verließ. Als Strategieberater, Professor der London Business School und Research Fellow der Harvard University gehört er heute zu den prominentesten Vertretern des strategischen Denkens. In einem aktuellen Ranking der weltbesten Managementexperten belegt C. K. Prahalad den Spitzenplatz, und Gary Hamel steht auf Platz 5.90 Das Management der Kernkompetenzen von Prahalad/Hamel ist einer der beachtenswertesten Fortschritte im Bereich des strategischen Managements seit Michael Porters wettbewerbsstrategischen Arbeiten in den 80er Jahren. Die beiden Strategieforscher legen den strategischen Fokus weg von Marktanteil und Marktattraktivität auf die Kernkompetenzen und nutzbaren Ressourcen eines Unternehmens. Der Kernkompetenzen-Ansatz kehrt das klassische Strategieverständnis um: Porter blickt auf die Märkte und dann sozusagen »von außen nach innen«. Prahalad/Hamel hingegen bauen ihren Wettbewerbsvorteil über die Kernkompetenzen »von innen nach außen« auf. Ein Geschäft kann überdurchschnittliche Gewinne realisieren, wenn es nachhaltige Wettbewerbsvorteile gegenüber seinen Konkurrenten nutzen kann. Diese Vorteile haben ihre Quellen in den »Kernkompetenzen«. C. K. Prahalad und Gary Hamel definieren eine Kernkompetenz als eine besondere Fähigkeit, die es einem Unternehmen erlaubt, dem Kunden durch 140
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seine Angebote einen wesentlichen Nutzen zu bieten. Diese Kernfähigkeiten bezeichnen sie auch als das »kollektive Wissen« eines Unternehmens, welches im Gegensatz zu den materiellen Aktiva im Zeitablauf seinen Wert nicht verliert. Durch Erfahrung und Lernen kann sein Wert sogar noch weiter ausgebaut werden. Ihre These ist, dass derjenige, der eine führende Position im Wettbewerb anstrebt, nachhaltig spezifische Kernkompetenzen aufbauen muss. Diese firmenspezifischen Fähigkeiten können in den verschiedensten Bereichen unternehmerischer Tätigkeit liegen. Wie manifestieren sich derartige Kernkompetenzen in der Unternehmenspraxis? Der Erfolg von Ryanair liegt zum Beispiel in seiner Fähigkeit zur Optimierung der Streckennetze und dem flexiblen Flugzeugeinsatz im Vertriebsmodell. Toyotas besondere Fähigkeiten liegen in seinem hoch effizienten Produktivitäts- und in seinem kundenorientierten Qualitätsmanagementsystem. Den Kunden wird dadurch nicht nur ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis geboten, sondern auch eine hohe Zuverlässigkeit und Wertbeständigkeit garantiert. Statt von Kernkompetenzen sprechen neuere Ansätze auch von »Ressourcen«. Diese umfassen alle »materiellen Ressourcen« (auch tangible Ressourcen genannt), wie alle Positionen des Umlauf- und Anlagevermögens. Sie bestimmen die zur Verfügung stehenden Kapazitäten für die Unternehmensleistung. Die materiellen Ressourcen haben einen wesentlichen Nachteil: Sie sind leicht durch Wettbewerber kopier- oder substituierbar. Daher sind die materiellen Ressourcen aus wettbewerbsstrategischer Sicht eher vernachlässigbar. Doch die »immateriellen Ressourcen« (auch intangible Ressourcen) spielen eine zentrale Rolle für den Erfolg. Zu ihnen zählen die Verfügungsrechte, wie Patente, Copyrights, Pläne, Ideen, Lizenzen, Geschäftsgeheimnisse oder das Image des Unternehmens. Ebenfalls zu den immateriellen Ressourcen gehören die »spezifischen Fähigkeiten« (skills) sowie das Know-how aller Mitarbeitenden. Die dritte Ressourcenkategorie stellen die »finanziellen Ressourcen« wie die Liquidität, die noch nicht beanspruchte Fremdkapitalkapazität oder die Eigenfinanzierung oder das Risikokapital dar. Die Managementsysteme, Organisationsstrukturen, Informations-, Kommunikations- und Controllingsysteme gehören zur vierten Kategorie der »organisatorischen Ressourcen«. David J. Collis und Cynthia A. Montgomery haben in einem viel beachteten Artikel in der Harvard Business Review mit dem Thema »Der Wettbewerb über Ressourcen« fünf wichtige Eigenschaften identifiziert, mit denen ein Unternehmen den strategischen Wert der Ressourcen für seine Geschäftstätigkeit beurteilen kann:91 1. Imitierbarkeit: Sind die Kernkompetenzen wirklich einzigartig? Wie schwer lassen sich die Fähigkeiten und Ressourcen von Konkurrenten kopieren? Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
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2. Dauerhaftigkeit: Wie rasch veralten unsere Fähigkeiten und Ressourcen? Wie rasch sind sie abzuschreiben? Könnten sie auch in anderen Geschäftsfeldern genutzt werden? 3. Nutzbarkeit: Welchen Wertbeitrag schöpfen wir aus unseren Ressourcen? Welche Bedeutung haben die Fähigkeiten und Ressourcen für die Kunden? Leisten die Ressourcen einen Beitrag zur Steigerung des Kundennutzens? 4. Substituierbarkeit: Lassen sich unsere Fähigkeiten durch andere Fähigkeiten oder Ressourcen ersetzen? Haben unsere Kernkompetenzen einen gewissen Kopierschutz (zumindest) für eine bestimmte Zeit? 5. Vergleichbarkeit im Wettbewerbsumfeld: Sind unsere eigenen Kernkompetenzen (Fähigkeiten, Fertigkeiten) wirklich nachhaltig besser als diejenigen der Konkurrenten? Sind die angebotenen Nutzenwerte für die Kunden erkennbar höher als diejenigen der Konkurrenten? (Die Kernkompetenzen sind nicht intern, sondern im Vergleich mit den anderen Anbietern zu beurteilen.) Erst wenn all diese Fragen positiv beantwortet werden können, kann man von nachhaltigen, besonderen Kernkompetenzen und außerordentlichen Ressourcen sprechen. Damit wird klar, dass nicht jede »Stärke« eines Unternehmens auch gleichzeitig eine Kernkompetenz darstellt. Der Versandhändler Land’s End bietet seinen Kunden zum Beispiel eine lebenslange Garantie für seine Produkte. Jederzeit können bei Land’s End bestellte Teile wie Hemden, Hosen, Gürtel oder Taschen zurückgegeben werden, ohne dass Gründe (»no questions asked«) angegeben werden müssen. Diese ungewöhnliche Garantieleistung ist im Vergleich zu den Serviceversprechen der Konkurrenz eine echte Stärke, aber keine Kernkompetenz. Diese Sondergarantien sind über einen längeren Zeitraum von Land’s End nicht verteidigbar. Sie könnten von Wettbewerbern rasch und einfach imitiert werden. Eine Kernkompetenz (core competency) liegt erst dann vor, wenn sich das Unternehmen diese bestimmte Fähigkeit in einzigartiger Weise zu eigen macht, um sie für seine Wertschöpfung zu nutzen. Kernkompetenzen sind diejenigen unternehmensspezifischen Fähigkeiten, auf denen der Erfolg beruht. Sie werden in einem Prozess der kontinuierlichen Verbesserung sukzessive weiter gestärkt (oder umgestaltet). Das Kernkompetenzen-Konzept fordert, dass sich Unternehmen bei ihren Strategien auf diese ureigenen besonderen Fähigkeiten konzentrieren und sie nachhaltig für ihren Wettbewerbsvorteil ausspielen. Unternehmen mit erkennbaren Kernkompetenzen sind zum Beispiel Apple im PC-Bereich mit seinem herausragenden User Interface und Human Information Design. Die Automarke Audi setzt auf ihre Kernkompetenzen im Bereich der Quattro- und TDi-Technologie. 142
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Die besonderen, herausragenden Fähigkeiten und die außerordentlichen verfügbaren Mittel sind die Quelle für Wettbewerbsvorteile. Für den nachhaltigen Erfolg sind daher zwei Elemente von Bedeutung: Erstens ist es wichtig, über eine bessere Ressourcenausstattung als die Konkurrenten zu verfügen. Zweitens ist entscheidend, dass diese Mittel effektiver und effizienter genutzt werden. Die Strategiefindung konzentriert sich auf die optimale Nutzung der Mittel und betont mit Nachdruck die Stärkung eigener Fähigkeiten. Der Ressourcen-Ansatz hat den Vorteil, dass er die vorhandenen Potenziale für strategische Ziele zu nutzen sucht. Das Spektrum an Kernkompetenzen zeigt dem Management die von innen heraus gegebenen Möglichkeiten und Grenzen für Geschäfte auf. Der Ansatz der Kernkompetenzen hat auch in der Managementpraxis und Unternehmensberatung vor allem durch die Popularisierung von Hamel und Prahalad eine hohe Bekanntheit bekommen. Dieser ressourcenorientierte Strategieansatz schafft strategische Freiräume, indem jedes Unternehmen sich auf seine eigenen ganz besonderen Stärken konzentrieren und sich immer weiter spezialisieren kann.92 So gehört mittlerweile die Diskussion über »Kernkompetenzen« zu den grundlegenden strategischen Themen auf jeder Chefetage.
Baummodell: Die strategischen Wurzeln des Geschäfts C. K. Prahalad und Gary Hamel zeigen die Beziehung zwischen den Kernkompetenzen und den Produkten, Geschäften oder Geschäftseinheiten anhand der Metapher des Baums (vergleiche Abbildung 25). Die Wurzeln, von denen sich der Baum ernährt, sind seine Kernkompetenzen. Sie bilden die Quellen des Erfolgs. Der Stamm stellt Kernprodukte oder Kernprozesse dar, und die Äste entsprechen den strategischen Geschäftseinheiten. Die Blätter oder Früchte sind in dieser Sichtweise die Endprodukte. Die Kernkompetenzen haben einen längerfristigen Zeithorizont als die Orientierung an Produkten und Dienstleistungen. Im Wettbewerb entscheiden in einer längeren Sicht nicht die angebotenen Produkte und Geschäfte über nachhaltigen Erfolg, sondern das ihnen zugrunde liegende Geschäftswissen mit seinen Lernprozessen.93 Die beiden Strategieforscher haben den Kernkompetenzen-Ansatz durch ein intensives Studium der japanischen Industrie und ihrer Erfolge im Westen gewonnen. Canon hat sich beispielsweise über viele Jahrzehnte hinweg ein enormes Potenzial an Know-how, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich der Feinmechanik, Feinoptik, Bildbearbeitung und Mikroelektronik aufgebaut. Diese Kernkompetenzen oder dieses »kollektive Know-how« sind die GeRessourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
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Abbildung 25: Baummodell der Kernkompetenzen "EISPIEL 6OLKSWAGEN 'OLF ¬44 ¬0ASSAT !!! ¬1 1 4IGUAN ¬#AYENNE 67 ¬!UDI ¬3EAT 3KODA ¬0ORSCHE
!NTRIEBE "AUGRUPPEN
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3TRATEGIC¬"USINESS¬5NIT
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+ERNPRODUKTE
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+ERNPROZESSE
0OOL¬DER¬+ERNKOMPETENZEN
schäftswurzeln für die erfolgreiche Herstellung von Kopiergeräten, Druckern, Scannern, Multifunktionsgeräten und hochwertigen Fotoapparaten. Sony hat sich strategisch der Miniaturisierung verpflichtet. So konnte das Unternehmen innovative Produkte wie den Walkman, CD-Spieler, Mini-Notebooks oder Mini-Disks entwickeln. Honda konzentriert sein besonderes Know-how und seine Ressourcen rund um das Thema Triebwerke. Das Unternehmen ist heute Weltmarktführer für Motoren aller Art. So stellt Honda jährlich Antriebsmotoren für über 17 Millionen Motorräder, vier Millionen Automobile sowie eine hohe Anzahl an Rasenmähern, Booten, Schneemobilen, Generatoren und Flugzeuge her. Das Kernkompetenzen-Konzept besagt, dass sich Unternehmen auf ihre spezifischen Fähigkeiten konzentrieren und diese im Wettbewerb strategisch ausspielen. Eine Kernkompetenz der Volkswagengruppe ist ihre Plattformstrategie, welche sie mit großem Erfolg konsequent weiterentwickelt. Dank der cleveren Abstimmung der Fertigungstechnologie können die verschiedenen Marken VW, Skoda, Audi, Seat und (neu auch) Porsche ihre Modelle auf wenigen grundlegend identischen Plattformen herstellen. Die Kernprodukte, hier die Baugruppen, verbinden die VW-Kompetenz mit den Endprodukten. Diese Kernkompetenzen führen zu einer kostengünstigeren Produktion, aber auch zu Qualitätsverbesserungen, zur Individualisierung von Modellen, zu einer hohen Modellflexibilität sowie zur Verkürzung der Entwicklungs- und Montagezeiten. 144
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Kernkompetenzen-Portfolio: Auf dem Weg zur Kompetenzführerschaft Die klassische Strategielehre versteht ein Unternehmen als ein Portfolio (Bündel, Sammlung) von Geschäften, welches anhand der Marktattraktivität und der Wettbewerbsstärke beurteilt wird. Ein Unternehmen lässt sich aber auch als ein Portfolio von Kernkompetenzen verstehen.94 Dabei liegt es nahe, die beiden Dimensionen »Markteffektivität« und »Kompetenzführerschaft« zu betrachten. Wie erkennt man diese Kernkompetenzen? Das unternehmensspezifische Wissen und Können ist die Grundlage für die zukünftigen Kernkompetenzen. In den folgenden Bereichen lassen sich die eigenen »Spitzenfähigkeiten« erkennen: • Schlüsselbereiche oder Schlüsselpersonen: Lassen sich Schlüsselpersonen,
ohne die das Business praktisch undenkbar wäre, identifizieren? Können Bereiche zusammengeführt werden, um die Kompetenzen zu steigern? Welche Geschäftsprozesse sind einzigartig und für das Geschäft erfolgskritisch? • Angebotserfolge: Welche Fähigkeiten stecken hinter den Erfolgsprodukten? Welche Problemprodukte hat das Unternehmen, und wie stehen die Erfolgsfähigkeiten dazu? Wie können erfolgreiche Fähigkeiten weiter verstärkt werden? Warum sind einzelne Produkte ein Hit? • Außenwahrnehmung (Selbstbild versus Fremdbild): Wofür steht das Unternehmen? Wofür stehen seine Produkte, seine Mitarbeiter, seine Marken? Welches Image hat das Unternehmen bei Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern und Geschäftspartnern? Was traut man dem Unternehmen, dem Management, den Produkten besonders zu? • Benchmarking-Vergleiche: Wie steht das Unternehmen im Vergleich zu Spitzenanbietern der Branche da? Wo sind besondere, herausragende Fähigkeiten vorhanden? Wo bestehen Defizite, wo Besonderheiten? Die »Markteffektivität« untersucht, wie stark die verschiedenen Kompetenzen eines Unternehmens (oder Geschäftsfelds) zum wahrnehmbaren Kundennutzen einen Beitrag leisten. Die »Kompetenzführerschaft« bezieht sich auf den Entwicklungsstand einer Kompetenz im Vergleich zu den anderen Anbietern. Diese Dimension zeigt den eigentlichen Vorsprung. Durch Kombination der beiden Dimensionen lassen sich die folgenden vier Kompetenzfelder ableiten (vergleiche Abbildung 26): 1. Basiskompetenzen Diese werden auch von anderen Wettbewerbern beherrscht. Sie schaffen daher keine Wettbewerbsvorteile im Kundennutzen. Basiskompetenzen bilden die Grundlage, um überhaupt in einem bestimmten Geschäftsfeld tätig zu sein, und gelten daher auch als Branchenstandards. Basiskompetenzen Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
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sind auch Marktzutrittsbarrieren für allfällige Newcomer aus anderen Geschäftsbereichen, die sich zuerst dieses Know-how aneignen müssen. 2. Schlüsselkompetenzen Mit Schlüsselkompetenzen wird ein wesentlicher Beitrag zum Kundennutzen erzielt. Schlüsselkompetenzen lassen sich meist über eine gewisse Zeit hinweg imitieren. Somit holen Konkurrenten rasch auf und machen allfällige Wettbewerbsvorteile nichtig. Viele Innovationen im technischen Bereich fallen in diese Kategorie. 3. Kernkompetenzenpotenziale Ein Unternehmen hat zwar hohe Kompetenzen, kann diese aber noch nicht in einen Kundennutzen umlegen. Daher sind diese Kernkompetenzen auch nur »potenziell« vorhanden. Hohe Kenntnisse im Bereich der Grundlagenforschung sind für ein Unternehmen zwar interessant, aber nicht hinreichend für den Erfolg. Ein Wettbewerbsvorteil lässt sich mit ihnen nicht erschließen. 4. Kernkompetenzen Kernkompetenzen sind schließlich die herausragenden, unternehmensspezifischen Fähigkeiten, die zu einem hohen differenzierbaren Nutzen für den Kunden beitragen. Die Konkurrenten verfügen über kein vergleichbares Know-how (oder zumindest nicht im gleichen Ausmaß). Kernkompetenzen schaffen nachhaltige Vorteile im Wettbewerb und führen zu höheren Erträgen. Wie lassen sich Kernkompetenzen entdecken, weiterentwickeln und nutzen? Es gibt kein Patentrezept für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Kernkompetenzen. Oft sind sie eng mit Schlüsselpersonen oder Schlüsselorganisationsbereichen eines Unternehmens verbunden. Um nicht dem eigenen Wunschdenken zu unterliegen, sollten Außenstehende wie Kunden, Lieferanten oder Berater hinzugezogen werden, welche oft die »besonderen Fähigkeiten« treffender erkennen können. Diese Kernkompetenzen gilt es auch längerfristig weiter zu pflegen, um den Vorsprung dynamisch zu erhalten. Kernkompetenzen sind auch kompetitiv zu entwickeln, die gleichen Fähigkeiten und Stärken wie die Konkurrenten zu haben führt kaum zu einem Wettbewerbsvorteil. Basiskompetenzen sind eher Kandidaten für Outsourcing. Was alle können, muss man nicht zwingend selber machen. Dies lässt sich auch an Dritte (mit höherer Kompetenz) auslagern. Da sich diese Unternehmen auf ein spezifisches Thema konzentrieren, können sie höhere Kompetenzen bieten. Kernkompetenzen sind immer marktbezogen aufzubauen. Letztlich entscheidet nicht die Konkurrenz über das Sein oder Nichtsein, sondern immer nur die Kunden. Die besonderen Fähigkeiten müssen sich daher an den Wünschen der Kunden orientieren. Der Kundennutzen bestimmt den Wert einerKompetenz. Zudem müssen die Kunden die besonderen Fähigkeiten und Res146
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hoch
Schlüsselkompetenz
Kernkompetenz
tief
Marktattraktivität
Abbildung 26: Das Kernkompetenz-Portfolio
BasisKompetenz
Potenzielle Kernkompetenz
tief
hoch
Kompetenzstärke im Wettbewerbsvergleich sourcen erkennen können. Nur so sind sie bereit, dafür auch mehr zu bezahlen. Die Marktdynamik ist daher sehr genau zu beobachten. Entsprechend sind die Kernkompetenzen weiterzuentwickeln. Die eigenen Kernkompetenzen lassen sich auch durch Partnerships und Netzwerke ausbauen.
Dynamic Capabilities: Strategische Fähigkeiten für den rasanten Wandel Das Umfeld der Unternehmen hat sich in den letzten Jahren deutlich dynamisiert. Treiber sind insbesondere die Informations- und Kommunikationstechnologien, die rasant wachsenden Ökonomien der BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China), die Deregulierung einst geschützter Märkte und die Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
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fortschreitende Globalisierung der Geschäftswelt. Viele Führungskräfte spüren diese Businessdynamik in ihrem Alltag bei der Beantwortung strategischer Fragen. Die Verschärfung des Wettbewerbs erhöht den »Strategiestress«: Welche ist die richtige Strategie? Macht die Strategieformulierung in einer Zeit des wilden Umbruchs überhaupt Sinn? Wie kann die Leistungsfähigkeit der Strategiearbeit »griffiger« gestaltet werden? Die »absorbierenden Kapazitäten« (absorptive capacity) eines Unternehmens spielen im Umgang mit dem strategisch relevanten Wandel eine wichtige Rolle.95 Wie gut kann ein Unternehmen mit den Veränderungen umgehen? Wie schnell werden Veränderungen erkannt? Wie viel Veränderung kann verkraftet werden? Wie rasch können neue Herausforderungen aufgegriffen werden? Die absorbierenden Kapazitäten beschreiben die Fähigkeit eines Unternehmens, auf der Grundlage des bestehenden Wissens Veränderungen rasch zu erkennen und das benötigte Handlungswissen zu entwickeln. So können Veränderungen strategisch und operativ aufgefangen werden. Die revolutionären, technologisch bedingten Veränderungen in der Fotoindustrie zeigen, wie radikal Umbruchphasen für ein Unternehmen heute sein können. Das Zeitfenster für die strategische Anpassung schließt sich rasch. Viele etablierte Hersteller der analogen Fotografie, wie Kodak, Agfa, Illford und Fuji, zeigten eine überraschende Schwerfälligkeit im Umgang mit den neuen digitalen Technologien. Aber auch bei den Kameraherstellern (wie Canon, Olympus, Leica, Pentax, Konika, Minolta) kamen einige Unternehmen ins Trudeln. Diese neue disruptive Technologie hat nicht nur das Wesen des Geschäfts verändert, sondern auch die gesamte Branche restrukturiert. Neue Player wie Sony, Sandisk, Sanyo sind im Markt mit Erfolg aufgetaucht. Andere konnten den Wandel nicht absorbieren und sind gestrauchelt. Der Ansatz der »dynamischen Fähigkeiten« (dynamic capabilities) wird noch konkreter.96 Dieser untersucht nicht nur die vorhanden Kompetenzen für die Anpassung an Wandel, sondern interessiert sich für die »geistigen« Fähigkeiten eines Unternehmens, um seine Aktivitäten und die eigenen Ressourcen rasch umzubauen. Was charakterisiert ein »agiles« Unternehmen? Ein agiles Unternehmen setzt zur Bewältigung des Wandels auf seine »dynamische Fähigkeiten«. Dies umfasst drei Aktivitätsfelder: 1. rasches Erkennen des relevanten Wandels, 2. rasches konsequentes Formulieren einer strategischen Antwort und last but not least 3. rasches Entwickeln der benötigten »organisatorischen Routinen«. Überlegene Ressourcen führen nicht zwingend zu überlegenen Kompetenzen in einer Zeit hoher Dynamik. Von den verschiedenen Ressourcenformen sind für die strategische Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit in erster Linie die »organisatorischen Routinen« erfolgskritisch. Sie umfassen Entscheidungs-, Lenkungs-, Controlling-, Koordinations- und Lernprozesse. Je besser ein Unternehmen sich um diese zentralen »geistigen« Prozesse kümmert, umso höher wird seine Reaktionsgeschwindigkeit gegenüber Wettbewerbern. Die dynamischen 148
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Fähigkeiten fokussieren die organisatorischen Routinen, welche das »Knowhow« und »How-to« in einem Unternehmen bündeln. Kurz: Unternehmen müssen rasch lernen können, um ihr eigenes Verhalten dem Wandel anzupassen beziehungsweise um den Wandel aktiv selbst mitzugestalten. Die organisatorischen Routinen lassen sich durch Standardisierung, Normierung oder Schulung leicht intern multiplizieren. Die erfolgreichen Franchisingsysteme von McDonald’s oder Starbucks sind Beispiele für solche leistungsfähigen, anpassungsfähigen Erfolgsroutinen. Für eine erfolgreiche Zukunftssicherung im Wettbewerb sind derartige Fähigkeiten, welche die Strategie mit dem Alltagsgeschäft für die Mitarbeitenden verknüpfen, entscheidend. Teece, Pisano und Shuen definieren diese dynamischen Fähigkeiten folgendermaßen: Sie umfassen alle Fähigkeiten eines Unternehmens, interne und externe Kompetenzen zu vernetzen, neu zu bilden oder zu rekonfigurieren, um sich auf schnell ändernde Verhältnisse einzustellen. Dynamische Fähigkeiten sind daher das Wissen aller Mitarbeitenden, welches das Unternehmen rasch aktivieren kann, um seine Wettbewerbsvorteile auch in sich ändernden Verhältnissen zu sichern. Diesen Lernprozessen im Unternehmen ist durch das Management besondere Beachtung zu schenken. Neben der Aktivierung des notwendigen Wissens gehört auch die Fähigkeit dazu, die benötigte Ressourcenbasis zweckmäßig umzugestalten. Der Ansatz der dynamischen Fähigkeiten (auch dynamische Kompetenzen genannt) betrachtet das Zusammenspielen von Prozessen, Methoden und Personen, um rasch neue Fähigkeiten aufzubauen. Durch die Pflege der dynamischen Fähigkeiten kann das Unternehmen rasch neue Innovationsroutinen, also neue Handlungsmuster, im Bedarfsfall entwerfen. Die dynamischen Fähigkeiten stecken im Know-how (Fachwissen), in den Handlungsroutinen (Abläufen, Prozessen) sowie in den Beziehungen der Mitarbeitenden (Zusammenarbeitsformen, Organisation). Zu beachten ist, dass die organisatorischen Fähigkeiten von den Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten einzelner Personen unabhängig sind. Da Personen das Unternehmen immer wieder verlassen, sind diese Lern- und Wissensprozesse im Unternehmen zu verankern. Sie gehören dann zum »Know-how«- und »How-to«-Schatz des Unternehmens. Wer in einem dynamischen Umfeld bestehen und erfolgreich sein will, muss daher die folgenden drei zentralen Kompetenzen für Wandel und Anpassung etablieren: 1. Wahrnehmungskompetenzen (Know-how, Prozesse, Methoden) • Etablierung professioneller Systeme zum »Scanning« (Durchsicht möglicher relevanter Trends im Umfeld des Geschäfts), »Monitoring« (Weiterverfolgen einzelner Entwicklungstrends) und »Scouting« (konkrete themenbezogene Informationsbeschaffung).97 • Organisatorische Fähigkeit zum raschen Erkennen von Veränderungen Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
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zum Beispiel durch technologische, wettbewerbsbezogene oder kundenseitige Informationsbeschaffung. Organisatorische Fähigkeit zur Frühaufklärung auf verschiedenen Führungsebenen, wie etwa operativ, taktisch-strategisch oder in verschiedenen Organisationseinheiten, Ländergesellschaften, Tochtergesellschaften oder Partnerfirmen. Organisatorische Fähigkeit zur Erkennung »schwacher Signale« und zum Trend-Scouting. Mitwirkung in »Vernetzungsaktivitäten« (boundary spanning), um die Umweltdynamik zu erfassen: Analyse von Zeitschriften, Messebesuchen, Konferenzen, Kundenbefragungen, Marktforschungsstudien, Partnerships, Verbänden und dergleichen mehr. Organisatorische Fähigkeit zur Vernetzung der Informationen zu einem »Big Picture«.
2. Entscheidungskompetenzen (Know-how, Prozesse, Methoden) • Einrichtung und Nutzung eines vernetzt funktionierenden Informationsund Kommunikationssystems (top-down/bottom-up). • Etablierung einer professionellen Problemlösungsroutine (und Entscheidungsmethodik: »Wie fällen wir wichtige Entscheidungen?«). • Organisatorische Fähigkeit zum Umgang mit widersprüchlichen Informationen. • Organisatorische Fähigkeit zur Entwicklung alternativer Szenarios für die Zukunft (»Welche Zukunft wählen wir?«). • Organisatorische Fähigkeit zur Hinterfragung der firmeneigenen Denklogik (Denk-/Handlungsmuster). • Organisatorische Fähigkeit zur Abschätzung möglicher Auswirkungen von Ereignissen (Impact-Analyse: »Was wäre, wenn …?«). 3. Durchsetzungs-/Umsetzungskompetenzen (Know-how, Prozesse, Methoden, Systeme, Verfahren) • Etablierung von Managementsystemen zur raschen Umsetzung von Entscheidungen. • Etablierung von Informations- und Kommunikationssystemen zur Situationsdarstellung, zum Wandel und zur Veränderung. • Etablierung von Systemen zum Umgang mit dem Widerstand gegen Wandel (Change-Management-Systeme). • Etablierung von Handlungsstrukturen und -prozessen (Organisation). • Organisatorische Lernkompetenz (Lernen, Multiplikation von Erkenntnissen, Ablage von Wissen, Nutzung von Know-how). • Entwicklung von Arbeitsprozessen und -routinen. • Schulungen »on« und »off the Job« (Trainings). 150
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• Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP). • Gestaltung einer lernorientierten Unternehmenskultur.
Der neuere Strategieansatz der »Dynamic Capabilities« zeigt, dass es wichtig ist, nicht nur eine strategische Stoßrichtung zu entwerfen, die der Unternehmensentwicklung Richtung gibt, sondern vor allem darauf zu achten, dass die Führungs-, Kommunikations- und Arbeitssysteme den dynamischen Anforderungen entsprechen. Das Konzept der dynamischen Fähigkeiten hat seinen Ursprung in der Ressourcen-Perspektive, welche auf die Kernkompetenzen zur Erringung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen setzt.98 Erfolg haben vor allem diejenigen Unternehmen, die rasch und wirkungsvoll in der Lage sind, ihre Ressourcen zu rekonfigurieren. Durch die Neugestaltung der Ressourcen sollen rasch neue, benötigte Kompetenzen agil entfaltet werden. Dabei geht es nicht um das Nachziehen mit der Konkurrenz, sondern vielmehr darum, selber clevere Lösungen zu entwerfen oder selber neue Spielregeln für Erfolg zu setzen. Der Zeit- und Innovationswettbewerb wird so für das Unternehmen weniger zu einer Bedrohung, sondern eröffnet neue Chancen für eine gestaltbare erfolgreiche Zukunft. In der Telekommunikation zeigen Herausforderer-Unternehmen, wie stark sie die traditionellen Anbieter durch ihr Verhalten unter Druck setzen. Im Bereich der Festnetztelefonie, aber auch bei alternativen Geschäftsmodellen (zum Beispiel Skype) verlieren die alten Unternehmen nicht nur Marktanteile, sondern haben deutliche Einbußen in Ertrag und Gewinn hinzunehmen. Der chinesische Angreifer Huawei ist ein Beispiel eines Unternehmens, das enorm dynamisch unterwegs ist, sich durch eine hohe Agilität auszeichnet, sehr rasch lernt und mit großem Engagement auf Entwicklung und Forschung setzt. Es belegt auch, wie rasch Unternehmen in der Lage sind, durch eine Kopierstrategie aufzuholen und dann aber mit Eigenentwicklungen ihr eigenes Geschäft nachhaltig weiter nach vorne zu treiben. Das Unternehmen beschäftigt etwa 20 000 Forscher und Entwickler, welche die Angebote von morgen entwerfen. Damit übertrifft das Unternehmen manchen universitären Forschungsbetrieb. Noch vor wenigen Jahren war die chinesische Firma kaum Brancheninsidern ein Begriff, heute spielt sie schon in der Top-Liga auf einer globalen Basis mit. Der chinesische Newcomer verweist traditionelle Unternehmen (zum Beispiel Siemens, Cisco, Lucent) in die Defensive: Die Lucent-Alcatel- und Nokia-Siemens-Zusammenschlüsse sind ein Beleg dafür. Die amerikanische Cisco hingegen hat es geschafft, sich weiterhin auf diesem aggressiven Markt der Ausrüster zu behaupten, indem sie auf rasche, dynamische Innovationsroutinen setzte. Rasche Lernzyklen und eine dynamische Ressourcengestaltung sind Cisco-Merkmale. Mit dem rasanten Wandel mitzuhalten, ist für Cisco nur möglich, da es zudem ein dynamisches Managementsystem etabliert hat, bei dem auch vorgelagerte und Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
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nachgelagerte Partner in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Managementsysteme wie zum Beispiel das Cisco ERP-System schließen Partner sämtlicher Stufen der Wertschöpfung in die Steuerung- und Koordination sowie in die strategische und operative Planung mit ein. Bestell-, Bestands-, Produktions-, Lieferungs- und Kundenanfragen werden alle über ein umfassendes Informations- und Steuerungssystem in Echtzeit abgewickelt. So kann Cisco Chancen und Risiken rascher erkennen, verarbeiten, nutzen und umsetzen als seine Konkurrenten. Zudem lernt es als Zentrum dieses Netzwerks sehr rasch, wie sich die Geschäftskonstellationen verändern. In Zeiten des Hyper-Wettbewerbs sind nicht nur innovative Ideen der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg, sondern auch die Strukturen und Systeme der Führung selber. In einer schnelllebigen Geschäftswelt sind daher die dynamischen Kernkompetenzen und Ressourcen der Schlüssel zur Fortschrittsfähigkeit eines Unternehmens. Dynamische Fähigkeiten sind die entscheidenden Voraussetzungen für den Erfolg im Wettbewerb und fördern die Agilität der Anpassung. Die Art und Weise, wie Informationen aufbereitet und weitergeleitet, Entscheidungen vorbereitet und getroffen, die Kommunikation organisiert oder das Unternehmen strukturiert wird, beeinflusst seine Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig. Um in einer dynamischen Marktkonstellation erfolgreich zu sein, sind zusammenfassend folgende dynamischen Fähigkeiten notwendig: 1. schnelles Lernen durch die Mitarbeitenden und Führungskräfte, 2. der rasche Aufbau neuer strategischer Fähigkeiten, wie neues Wissen, neue Technologien und aktuelles Know-how über Kunden, Wettbewerber und Märkte, sowie 3. die Anpassung der vorhandenen Mittel, Strukturen, Strategien und Systeme an die neue Konstellation. Das Unternehmen muss schnell neue Routinen etablieren, um mit den Veränderungen umzugehen. Hierzu gehören zum Beispiel Prozesse der Produktentwicklung, Prozesse zum Aufspüren attraktiver neuer Allianzen oder Prozesse zur Beschleunigung der strategischen Entscheidungsfindung. Die zentrale Fähigkeit ist die »Lernfähigkeit« (learning capability), welche auch durch Allianzen oder Akquisitionen beschleunigt werden kann. Diese bringen dem Unternehmen neue Fertigkeiten oder Fähigkeiten, die es zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen nutzen kann. Die dynamischen Fähigkeiten können auch als Wandlungsfähigkeit oder Erneuerungsfähigkeit eines Business beschrieben werden. Wandlungsfähige Unternehmen sind in der Lage, die Marktturbulenzen für sich zu nutzen. Sie sehen im Wandel eher die Chancen und weniger die Bedrohungen. Dynamische Unternehmen richten ihre Führungsstrukturen auf die neuen Konstellationen aus, adaptieren ihre Planungs- und Steuerungsprozesse, setzen auf Lernprozesse in der eigenen Organisation, bauen flexible Informationssysteme, entwickeln die Human Resources mit großem Engagement weiter, sind fähig, ihre Strukturen, Prozesse und Ressourcen relativ rasch umzugestalten, und gehen offen auf 152
Handbuch der Strategien
Partnerschaften zu.99 Somit wird die »Wandlungsfähigkeit« selber zu einer zentralen Ressource für den strategischen Erfolg eines Unternehmens. Die strategische Architektur ist darauf auszurichten, die Innovationsfähigkeit zu stärken, die Organisation flexibel zu gestalten und die Lernfähigkeit auszubauen.
Koppelung der Strategieansätze: Verknüpfung von Wettbewerbs- und Ressourcenstrategie Die Wettbewerbsstrategie oder Marktdoktrin denkt von »außen nach innen«, die Ressourcendoktrin hingegen »von innen nach außen«. Aus diesen beiden Grundperspektiven haben sich zwei Strategieschulen etabliert: die marktorientierte Strategieschule (market-based view of strategy), die in der Tradition des Harvard-Professors Michael Porter steht, und die ressourcenbasierte Strategieschule (resource-based view of strategy), welche sich dem Denkansatz der Strategieexperten C. K. Prahalad und Gary Hamel verpflichtet fühlt. In der »reinen« Strategielehre werden die einen oder anderen Argumentationsscharmützel mit Vehemenz ausgefochten, um festzustellen, wer wohl »recht« hat. Doch all dies ist für den Praktiker, der vor strategischen Fragen und Entscheidungen steht, nicht besonders hilfreich. Es bestätigt, dass die Wissenschaft keine »generell« funktionierenden Strategien präsentieren kann, die in jeder Situation zum gewünschten Erfolg führen. Trotzdem sind beide Betrachtungsweisen auch in der Praxis von Wert. Beide Strategieansätze zeigen auf zentrale Themen, durch deren Beachtung sich das Unternehmen nachhaltige Wettbewerbsvorteile verschaffen kann. Darum loht sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit den beiden strategischen Perspektiven auch für den praktischen Strategen. Sowohl die Attraktivität der Märkte, die Marktstellung in diesen Märkten als auch die eigenen Kernkompetenzen sowie die zentralen dynamischen, spezifischen Ressourcen sind strategische Schlüssel für den nachhaltigen Erfolg eines Geschäfts. Sie alle sind in jedem professionellen Strategieprozess zu beachten. Die beiden Auffassungen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (Marktdoktrin und Ressourcendoktrin) lassen sich kombinieren, da sie sich gegenseitig ergänzen. Abbildung 27 bringt beide Sichtweisen zusammen. Die Marktsicht analysiert die aktuelle Erfolgsposition eines Geschäfts anhand der »Fünf Porter-Kräfte«. Die Kernkompetenzen werden anhand ihrer Existenz beurteilt. Die vier Felder ergeben folgende strategische Alternativen:100 • Move or quit (Bewege dich oder verlasse das Feld)
In dieser unattraktiven Situation ohne eigene Kernkompetenzen sollte das Feld geräumt werden, oder man muss nachhaltig seine Position verbessern. Hierzu kann man auch mit Partnern zusammenarbeiten. Ressourcenstrategien: Spitze dank Kernkompetenzen
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• Search for new markets (Suche nach neuen Märkten)
Kernkompetenzen in unattraktiven Märkten aufzubauen und zu halten ist suboptimal. Es ist nach möglichen anderen Anwendungsfeldern für das Know-how zu suchen, und entsprechende Produkte sind zu entwickeln. • Build up competencies (Bau neue Kompetenzen auf) In attraktiven Marktkonstellationen keine Kernkompetenzen zu haben führt zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen. Kodak hat beispielsweise den digitalen Boom beim Fotografieren falsch interpretiert und (fast) verpasst. Das Unternehmen glaubte fest und zu lange an seine uneinnehmbare Vorreiterrolle im analogen Business. Doch dieses Wettbewerbsspiel wird heute gar nicht mehr »gespielt«! Die Firma betrachtete den digitalen Markt als unbedeutend und für Professionals unwichtig. Kodak musste verlorenes Terrain durch den Aufbau und Zukauf von »organisatorischen Kompetenzen« (Know-how/How-to) wettmachen. Auch die Führungscrew musste ausgewechselt werden, um das Überleben des Unternehmens zu sichern. • Stay on top (Verteidige die Spitzenposition) Unternehmen in dieser idealen Lage müssen ihre hervorragende Stellung verteidigen. VW und Ford bauten bis Ende 1998 gemeinsam den Ford Galaxy und den VW Sharan. VW kündigte diese an und für sich sehr erfolgreiche, positive Partnerschaft aber auf, um sich bei der Entwicklungstechnik von Dieselmotoren nicht in die Karten schauen zu lassen.
HOCH TIEF
Marktattraktivität
Abbildung 27: Wettbewerbs- und Ressourcensicht in Kombination
%NTWICKLE¬RASCH +OMPETENZEN IN¬DIESEM¬ 'ESCHËFTSFELD
"AUE¬DIE 3PITZENPOSITION NACHHALTIG WEITER¬AUS
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3UCHE NACH¬ANDEREN ATTRAKTIVEN -ARKTFELDERN
NICHT¬VERFàGBAR
VERFàGBAR
Kernkompetenz
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Handbuch der Strategien
Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
Einen Fehler zu machen und ihn nicht zu korrigieren, das erst ist wirklich ein Fehler. Konfuzius
Japanische Strategien: Bringt die Marktstrategie den Erfolg? Nicht erst im Zug fortschreitender Globalisierung gehören asiatische Unternehmen aus Japan, Südkorea oder Taiwan zur Weltspitze. Schon in den 70er Jahren haben einige japanische Konzerne die westliche Geschäftswelt im Wettbewerb um die Gunst des Kunden herausgefordert. Eine Industrie nach der anderen geriet unter erheblichen Druck durch die zuverlässigen und günstigen Angebote aus dem fernen Osten. Einige der aufstrebenden Konzerne Japans und Koreas haben ihre einstigen »Vorbilder« in Europa und den USA an Größe und Ertragskraft mittlerweile überrundet. Gegen Ende der 70er Jahre staunte die westliche Geschäftswelt, wie erfolgreich sich die japanischen Unternehmen weltweit positionierten. Zuerst wurden die Newcomer mit ihren Produkten im holprigen Design belächelt. Doch dann waren viele Führungskräfte überrascht, mit welch nachhaltiger Qualität und zu welch attraktiven Preisen die Herausforderer immer mehr neue Kunden gewannen. In vielen Industrien und Wirtschaftszweigen nahmen die Japaner den westlichen Konkurrenten erhebliche Marktanteile ab. Zuerst geriet die Schwerindustrie unter Druck, dann der Schiffsbau, ihm folgten die Automobilindustrie, die Uhrenindustrie, die Elektronikindustrie, die Film- und Kameraindustrie, um nur einige zu nennen. Auf der Unternehmensebene betrachtet erkennt man diese Verlagerung von West nach Ost deutlich. Einige der westlichen Anbieter mussten in der Folge ihre Tore für immer schließen oder wurden übernommen. • Hersteller von Negativfilmen
Fujifilm, Konica gegen Agfa, Illford und Kodak • Hersteller von Automobilen Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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Toyota, Honda, Mitsubishi, Nissan gegen deutsche und amerikanische Hersteller Hersteller von Motorrädern und Rollern Suzuki, Yamaha, Honda gegen Sachs, Zündapp, Puch, Kreidler Hersteller von Uhren und Zeitmessern Casio, Citizen, Seiko gegen Omega, Tissot, Zenith, Longines und Rolex Hersteller optischer Geräte und Fotoapparate Canon, Nikon, Pentax, Minolta gegen Leica, Voigtländer, Praktika, Rollei Hersteller von Baumaschinen Komatsu, Hitachi gegen Case, Hanomag, Deere, Caterpillar Hersteller von Konsumelektronik TDK, JVC, Roland, Toshiba, Kenwood, Matushita, Sony, NEC gegen Grundig, Zenith, Sennheiser, Metz, Schneider
Die japanischen Herausforderer brachten die westlichen Unternehmen arg in Bedrängnis. Es erstaunt daher nicht, dass westliche Führungskräfte und wissenschaftliche Businessdenker sich für die »Geheimnisse der japanischen Strategien« interessierten. Doch der japanische Erfolg beruhte nicht etwa auf strategischen Tricks oder geheimen Strategien, sondern auf einem professionellen, am Detail orientierten und nachhaltigen Management sowie auf sorgfältiger Beobachtung und enormem Engagement der Beteiligten. Welche Erfolgsfaktoren erklären den japanischen Erfolg? Viele Studien haben in den letzten Jahrzehnten den Erfolg der »Tiger-« und »Drachenstaaten« untersucht. Aus ihnen lassen sich folgende Faktoren zusammentragen: 1. Strategie und Führung sind langfristiger orientiert als im Westen. 2. Die Unternehmenskultur zeichnet sich durch eine umfassende Loyalität gegenüber dem Unternehmen und gegenüber dem Management aus. 3. Die Mitarbeitenden haben eine hohe Arbeitsmoral und ein starkes Pflichterfüllungsbewusstsein. 4. Die asiatischen Strategien zeichnen sich durch eine hohe Ausnutzung von Skaleneffekten durch rasche internationale Expansion (Multiplikation) aus. 5. Die Kostenstrukturen sind günstiger. Die Gründe hierfür liegen in geringeren Kosten für die Produktionsfaktoren, aber auch in einer unaufhörlichen Orientierung der Führung auf das Thema »Effizienz«. 6. Ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor ist das Zusammenspiel von Unternehmen, staatlichen Organisationen und Verbänden, die alle in dieselbe Richtung zielen. Auch die asiatischen Gesellschaften sind sehr wirtschaftsorientiert und unternehmensfreundlich. 7. Die Angebote setzen weniger auf innovative Spitzenleistungen, sondern eher auf günstige Gesamtangebote und auf Bewährtes in beständiger Qualität. 156
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8. Die Führung und die Mitarbeitenden sind »erfolgshungrig« und persönlich gewillt, heute für ein besseres Morgen auch einen Verzicht hinzunehmen. Einer der zentralen Erfolgsfaktoren ist bis heute das sehr hohe Qualitätsniveau japanischer Produkte. Die Industrie lancierte in den 50er und 60er Jahren in Japan immer wieder umfassende Qualitätsinitiativen, die auf den Konzepten des amerikanischen Qualitätsexperten W. Edwards Deming beruhten. Deming gilt als der Begründer des »Total Quality Management«. In Japan genießt er seit Jahren einen Kultstatus. In den USA hingegen wurde W. Edwards Deming erst in seinen späten Lebensjahren »entdeckt«. Erstaunlich ist, dass die japanischen Kostenstrukturen in den 80er Jahren über denjenigen amerikanischer Firmen lagen. Die günstigen Produktionsfaktoren können damit den japanischen Erfolg nicht erklären. Dieser Sachverhalt regte zu weiteren Studien an. Vor allem die global tätigen Unternehmensberatungen engagierten sich sehr in diesen vergleichenden Untersuchungen.
»7S«-Modell: Erfolgsfaktoren der Spitzenunternehmen Richard Pascale und Anthony Athos untersuchten die japanische Erfolgsstory. Sie hielten ihre Ergebnisse in The Art of Japanese Management fest. Zusammen mit ihren beiden McKinsey-Kollegen Tom Peters und Robert Waterman, die sich westlichen Erfolgsunternehmen zuwandten, kamen sie zum Schluss, dass der Schlüssel des Erfolgs japanischer Unternehmen nicht im strategischen Fokus liege, sondern in den zur Strategie passenden Managementpraktiken. Dies gilt gemäß ihren Ergebnissen auch für westliche Unternehmen. Ein »Mix« von Faktoren führt zum wirtschaftlichen Erfolg.101 Dieses Erfolgsfaktorenschema nannten die beiden Forscherteams »7S«-Modell. In der Folge wurde dieses einfache und praktisch sehr nützliche Instrument von der Beratungsfirma McKinsey in ihre internationale Beratungstätigkeit integriert. Seitdem hat sich die Bezeichnung »McKinsey-7S-Modell« oder »Glückliches Atom« (»happy atom«) etabliert. Abbildung 28 zeigt das »7S«Schema. Die Atome des »7S«-Modells zeigen die Erfolgskomponenten, auf welche die untersuchten Top-Unternehmen setzten. Diese Firmen sind erfolgreicher, weil sich ihr Management um die harmonische Förderung aller sieben Komponenten kümmert. Doch das 7S-Schema erklärt nicht nur den Erfolg der Spitzenunternehmen. Es kann auch als Gestaltungsvorlage für das Management dienen. So kann das »7S«-Modell als Checkliste eingesetzt werden, um die Professionalität der Unternehmensführung zu beurteilen. Das Modell weist Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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Abbildung 28: Das »McKinsey-7S-Modell«
STRUCTURE Struktur
STRATEGY
SYSTEMS
Strategie
Systeme
SHARED VALUES Geteilte Werte
SKILLS
STYLE
Fertigkeiten
Stil des Hauses
STAFF Personal
eindrücklich und prägnant darauf hin, dass strategisches Management nicht mit der Formulierung strategischer Absichten beendet ist, sondern dass die eigentlichen Aufgaben damit erst beginnen. Was steht hinter den Begriffen des »7S«-Modells? 1. »Shared Values« (gemeinsame Werte) Diese Kategorie fasst alle Werthaltungen und Erwartungen zusammen, die von Führungskräften und Mitarbeitern getragen werden. Erfolgsunternehmen setzen auf gemeinsame Werte. Sie pflegen diese aktiv. Die Werthaltungen können auch mit »Unité de Doctrine« übersetzt werden. Diese Wertvorstellungen bestimmen grundlegend, wie sich das Unternehmen selbst versteht, wie die Mitarbeitenden geachtet werden, wie im Unternehmen miteinander umgegangen wird oder wie die Firma ihre Rolle in der Businesswelt interpretiert. 2. »Strategy« (Strategie) Das Thema Strategie befasst sich mit der zukünftigen Stoßrichtung des Unternehmens. Strategie ist die Auswahl der Geschäfte, auf denen das Unternehmen seine Zukunft baut. Hier werden Wettbewerbsvorteile definiert und Wertschöpfungsprozesse gestaltet. Zu diesem Themenblock gehört auch die Kommunikation der Strategie nach innen und außen. Folgende 158
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Fragestellungen müssen gelöst werden: Wie lautet die strategische Stoßrichtung des Unternehmens? Wie sollen die strategischen Zielsetzungen erreicht werden? Wie begegnet man der Konkurrenz? In welchen Bereichen werden Kooperationen gesucht oder abgelehnt? Welche Rolle haben die Kunden im Unternehmen? Wie wird die Strategie immer wieder aktualisiert? »Structure« (Struktur) Die Organisationsstruktur (Aufbaustruktur) bestimmt die Hierarchie und das Machtgefüge. Sie regelt die Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten. Diese Strukturen können für die Strategieumsetzung fördernd oder behindernd sein. Strukturen schaffen Klarheiten, grenzen aber auch ein. Folgende Fragestellungen gehören in diesen Themenbereich: Wie ist das Unternehmen gegliedert? Was regeln die Strukturen, was nicht? Wie koordinieren sich die Abteilungen und Departements untereinander? Wie geschieht die Zusammenarbeit? Wer wirkt an der Strategieentwicklung mit? Wie richten sich die organisatorischen Einheiten auf die strategischen Vorgaben aus? Wie laufen die Kommunikations- und Entscheidungswege im Unternehmen? Wie passen die Strukturen zu den anderen »7S«-Punkten? »Systems« (Systeme) Hierzu gehören Arbeitsprozeduren, -routinen, -abläufe sowie der Informationsfluss und die Lenkungssysteme der Führung. Folgende Fragestellungen sind zu beachten: Welche Systeme unterstützen die Führungsarbeit (Finanzsysteme, Human-Resources-Systeme, Kommunikationssysteme, IT-Systeme)? Welche Steuerungs- und Kontrollsysteme werden genutzt? Wie passen diese Systeme zur den anderen »7S«-Elementen? »Skills« (Fähigkeiten, Know-how) Skills sind die spezifischen Fähigkeiten (Kernkompetenzen) des Unternehmens. Was kann das Unternehmen besonders gut? Wofür ist es bekannt? Auf welche Stärken und besonderen Fähigkeiten baut der Erfolg des Unternehmens auf? Existieren Skill-Gaps (Fähigkeitslücken)? Wie aktuell ist das Know-how der Mitarbeiter und Führungskräfte im Bereich ihrer Tätigkeiten und in Fragen der Führung? Welche Kompetenzen und welches Know-how gilt es für die Zukunft aufzubauen? »Staff« (Mitarbeiter, Personal, Human Resources) Staff bezieht sich auf die personellen Ressourcen des Unternehmens: Welche Stellen oder organisatorischen Einheiten müssen geschaffen werden? Welche Talente werden in Zukunft benötigt? Existieren offene Positionen? Welche Projekte sind anzupacken und zu lancieren? »Style« (Stil, Kultur) Dieser Themenblock umfasst die kulturelle Dimension des Unternehmensgeschehens. Folgende Fragen sind zu beantworten: Wie partizipativ arbeitet das Managementteam? Wie behandelt man einander? Welcher Führungsstil Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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wird gepflegt, und wie adäquat ist dieser für die Strategieumsetzung? Wie ist die Unternehmenskultur geprägt? Welche Kulturelemente sind für die Zukunftsbewältigung förderlich oder hinderlich? Wie geht das Unternehmen mit Veränderungen um? Wie werden Konflikte gelöst? Manche der Schlüsselfaktoren, wie beispielsweise Strategie, Struktur oder auch Systeme, lassen sich in relativ kurzer Zeit verändern und neuen Situationen anpassen. Die anderen Erfolgskomponenten sind hingegen eher längerfristig orientiert. Sie können nur mit größerem Engagement adaptiert werden. Gerade diese »schwerfälligen« Faktoren sind interessant, da sie von Konkurrenten nicht leicht kopiert werden können. Style, Skills und Staff bilden daher besonders wichtige Quellen für nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Peters und Waterman haben ihre Forschungsergebnisse im Buch Auf der Suche nach Spitzenleistungen zusammengetragen. Es ist bis heute sehr erfolgreich. Das Buch wurde in den ersten vier Jahren über drei Millionen Mal verkauft und hat bis heute die Zehn-Millionen-Absatzmarke weit hinter sich gelassen. Erstaunlich ist, dass von den 43 untersuchten Unternehmen (unter anderem HP, Intel, Johnson & Johnson, 3M, Marriott, McDonald’s, Disney, Boeing, Exxon, DuPont) eigentlich nur zwei nach einer längeren Zeit zu schweren »Ausrutschern« (Atari, Wang Labs) wurden. Die Top-Unternehmen haben andere ihrer eigenen Branche in ihrer Performance deutlich überrundet. Hätte man im Oktober 1982 bei der Präsentation des Buches 10 000 US-Dollar in die untersuchten Spitzenfirmen investiert, hätte man nach 20 Jahren 140 050 US-Dollar sein eigen nennen können! Hätte man damals die gleiche Summe in die Unternehmen des Dow-Jones-Index gesteckt, so wären es nur 85 500 US-Dollar geworden. Das »7S«-Modell der McKinsey-Berater hilft, ein Unternehmen wirkungsvoll und ganzheitlich zu gestalten. Es richtet den Fokus des Managements nicht nur auf die Strategie, sondern zeigt auf anschauliche Weise, dass der Erfolg von vielen Faktoren abhängt. Die »7S«-Bausteine sind Gedankenstützen für eine ganzheitliche Unternehmensführung. Sie erinnern das Management immer wieder daran, dass die einzelnen Erfolgskomponenten auch untereinander abzustimmen sind. Manager der obersten Führungsebene müssen sich um alle sieben Komponenten kümmern, wenn sie mit ihrem Unternehmen nachhaltig erfolgreich agieren wollen. Über den Zeitablauf hinweg verändert sich die Relevanz der einzelnen Bausteine. Mal ist der eine Faktor in der Führungsarbeit besonders aktuell, dann wieder ein anderer. Verändert man den einen, so sind auch die anderen wieder abzustimmen. Das Modell eignet sich auch für strategische Stärken-Schwächen-Betrachtungen oder für das Management von Wandelprozessen. Dabei gilt es nicht nur, die sieben »S«-Faktoren zu durchleuchten, sondern besonders aufschlussreich sind die Beziehungen unter 160
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den Bausteinen und ihre gegenseitige Abstimmung. Erst die »Gleichgerichtetheit« der acht Komponenten schafft den gewünschten strategischen Schub. In der Praxis findet das »7S«-Modell Einsatz in folgenden Situationen: • bei umfassenden Restrukturierungen, • im Rahmen von Change-Prozessen, • bei der Neuausrichtung der Strategie und ihren Konsequenzen für das
Unternehmen, • bei Mergers- und Akquisitionsprojekten zur gegenseitigen Abstimmung
der Unternehmen, • bei der Beurteilung der Unternehmens-, Strategie- und Managementsitua-
tion durch Strategen oder Berater. Das Excellence-Projekt von McKinsey war ursprünglich nicht als Publikationsvorhaben konzipiert, sondern nur eine Studie des Büros in San Francisco, welches den Erfolg der weltweit tätigen Spitzenkonzerne ergründen wollte. Die Berater flogen rund um den Globus, beobachteten Geschäftspraktiken und sprachen mit erfolgreichen Firmenchefs, Experten und Forschern, um »Spitzenleistungen« zu ergründen. 1979 lud der Münchener Ableger von McKinsey den Berater Tom Peters ein, um der Firma Siemens seine Studienergebnisse zu präsentieren. Peters erarbeitete für diesen Anlass eine umfassende PowerPointPräsentation von über 700 Folien (für eine Zwei-Tage-Präsentation). Doch der Aufwand lohnte sich im Nachhinein. Die Präsentation war ein so durchschlagender Erfolg, dass sogar PepsiCo in Atlanta auf Tom Peters aufmerksam wurde. Die Geschäftsleitung wollte unbedingt die Forschungsergebnisse aus erster Hand hören. Doch das Management von PepsiCo konnte dafür nicht zwei volle Tage opfern. So war Peters gezwungen, seine Themen auf den Punkt zu bringen. Er organisierte daher seine vielen Einzelerkenntnisse in acht zentrale Thesen für erfolgreiches Management.102 Was zeichnet erfolgreiche Unternehmen wirklich aus? 1. Primat des Handelns oder: Probieren geht über Studieren Die bestgeführten Unternehmen sind schnell, agil und effektiv. Sie verfügen über wendige Einsatzgruppen, die auch über Organisationsgrenzen hinweg aktiv werden, um auftretende Chancen oder Probleme konsequent anzupacken. Sie setzen auf Experimente, um zu sehen, wie Märkte, Kunden und Konkurrenten reagieren, und um auch aus allfälligen Fehlern zu lernen. 2. Nähe zum Kunden oder: Der Kunde ist König Die Spitzenfirmen sind geradezu davon besessen, ihre Kunden rundum zufriedenzustellen, ja sogar die Erwartungen der Kunden durch ihre Leistungen zu übertreffen. Qualität, Zuverlässigkeit und Service haben einen sehr hohen Stellenwert für Führungskräfte und die Mitarbeitenden. Diese UnterAsiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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nehmen orientieren sich stark an den Wünschen ihrer Kunden und weniger an der Minimierung von Kosten oder der Führerschaft im Technologiebereich. Freiraum für Unternehmertum oder: Jeder ist (Mit-)Unternehmer Die Mitarbeiter werden bei Innovationsanliegen unterstützt. Die Unternehmenskultur fördert das Experimentieren und Suchen nach neuen Ideen. Produktivität durch Menschen oder: Nur persönliches Engagement bewegt Unternehmen Exzellente Unternehmen setzten weniger auf Technologie und Systeme als auf engagierte Mitarbeiter. Sie haben Respekt vor dem Einzelnen. Daher fördern sie die Eigeninitiative. Hierzu unterstützen sie ihre Mitarbeiter durch Weiterbildung und Trainings. Sichtbar gelebtes Wertesystem oder: Wir tun, was wir sagen Die Erfolgsunternehmen setzen auf eine intensive interne Kommunikation. Sie haben ein klares Werteprofil, einen Katalog von Leitsätzen und Prinzipien. Es ist ihnen wichtig, dass auch ihre Mitarbeiter diese Werte stützen. Bindung ans Kerngeschäft oder: Schuster, bleib bei deinen Leisten Die Erfolgreichen halten sich an ihre Kernkompetenzen. Sie wissen, was sie perfekt beherrschen, und hüten sich davor, Hansdampf in allen Gassen zu werden. Bei der Expansion versuchen sie diese Kernkompetenzen zu multiplizieren. Einfacher flexibler Aufbau oder: Bürokratie minimieren, Freiräume maximieren Organisation ist wichtig, aber nur so viel wie notwendig. Ein Zuviel bremst und verhindert. Abläufe, Regeln und Prozeduren müssen möglichst einfach gestaltet sein und wenige Managementebenen betreffen. Straff-lockere Führung oder: Nur so viel Führung wie nötig, so wenig Kontrolle wie möglich Spitzenunternehmen sind streng und stur in ihren Werten und Zielen, schaffen aber Freiräume für Mitarbeiter, um sich zu entfalten.
Viele der Erkenntnisse klingen wie Binsenweisheiten des zeitgemäßen Managements. Doch die Umsetzung dieser Grundsätze ist kein Selbstläufer. Auch heute noch, nach rund 25 Jahren, sind die Erkenntnisse der Studie so relevant wie bei ihrer Erhebung.
Einschätzung Das »7S«-Modell ist einfach, praktisch und plausibel. Es eignet sich hervorragend als analytischer Bezugsrahmen, um eine Unternehmenssituation zu untersuchen. Seine besondere Stärke ist, dass nicht nur harte Faktoren Eingang in die Betrach162
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tung finden, sondern auch weiche Faktoren eine ganzheitliche Sicht garantieren. Gerade bei Restrukturierungen, Change-Projekten oder Strategieänderungen konzentrieren sich viele Führungskräfte viel zu stark auf die harten »S«, das heißt auf Strategien, Strukturen und Systeme. Doch die Betrachtungen von Peters/Waterman belegen, dass erfolgreiche Unternehmen vor allem auch der »Soft Side of Management« eine sehr große Bedeutung beimessen. Sie kümmern sich mit großem Engagement um Faktoren wie Werte, Fähigkeiten, Kultur, Stil und Personal. Veränderungen, Neuerungen oder Innovationen gilt es zuerst zu verstehen, zu akzeptieren, bevor sie von den Mitarbeitern mit Engagement verfolgt werden. Als Beispiel für die enorme Bedeutung weicher Faktoren dient die Fusion von DaimlerChrysler. Die beiden Kulturen konnten nie zusammengeführt werden.
Ohmaes »3C«: Das strategische Dreieck Die Arbeiten von Kenichi Ohmae sind aus zwei Gründen für Strategen wichtig. Erstens bringen seine Erläuterungen der westlichen Führungskraft interessante Einsichten, wie das asiatische (speziell das japanische) Management funktioniert. Dabei räumt Ohmae mit einigen westlichen Fehlmeinungen und Halbweisheiten auf. In den Köpfen vieler westlicher Führungskräfte haben sich oft nur vage Vorstellungen eingeprägt, wie beispielsweise die treu ergebenen Mitarbeiter, die jeden Morgen inbrünstig die Firmenhymne anstimmen. Der Fokus der Arbeiten von Ohmae liegt auf dem japanischen strategischen Denken. Dieses orientiert sich am lebenslangen Lernen und am gemeinschaftlichen Handeln. Zweitens befasste sich Kenichi Ohmae schon sehr früh mit den strategischen Auswirkungen der wachsenden Globalisierung.103 Für den Berater Kenichi Ohmae müssen strategische Zielsetzungen nicht zwingend rational sein. Sie ergeben in ihrer Gesamtheit auch kein logisches Bild. Die globale Businesswelt funktioniert nicht rational. Neue Risiken, neue Chancen eröffnen immer wieder neue attraktive strategische Pfade. Erfolg lebt von Spontaneität und Überraschungseffekten. Daher lehnt Ohmae die Nutzung logischer Verfahren (wie beispielsweise die Systemanalyse) oder computergestützter Strategieentwicklungsprogramme generell ab. Strategie ist für ihn ein kreativer, synthetischer (zusammensetzender) Akt. Zu viel Analyse führt zur Paralyse und verwischt spontane Geschäftsideen. Eine Strategie lässt sich nicht logisch aus der Analyse ableiten. Kenichi Ohmae ist überzeugt, dass nur das menschliches Gehirn in der Lage ist, mit Spontaneität, Komplexität, Ungewissheit und Paradoxie wirkungsvoll umzugehen. Es ist erstaunlich, dass japanische Unternehmen keine großen »strategischen Planungsabteilungen« unterhalten. Sie beschäftigen nur wenige HausstrateAsiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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gen. Diese haben aber umfassende Informationskompetenzen, um sich intensiv mit dem Geschäft in seiner Ganzheit zu befassen. Die Strategen studieren die Geschäftsstoßsrichtungen der Konkurrenten, die Entwicklung globaler Trends und die sich immer wieder wandelnden Wünsche der Kunden. Im Zentrum der strategischen Betrachtung stehen aber immer der Kunde und das Umfeld, in dem er lebt und arbeitet. Kenichi Ohmae ist der ehemalige Büroleiter der Beratungsfirma McKinsey & Company in Tokio. Zur Unterstützung des strategischen Denkens entwickelte er ein einfaches Schema, um die strategischen Schlüsselthemen für nachhaltigen Erfolg anzupacken. Sein Modell, welches auch das »strategische Dreieck« (strategic triangle) genannt wird, umfasst die folgenden »3C«-Komponenten: 1. »Kunden«: Die Kunden (Customers) bringen dem Unternehmen die Umsätze. 2. »Konkurrenten«: Die Wettbewerber (Competition) streiten sich alle um dieselben Umsätze. Sie versuchen sich gegenseitig zu verdrängen. Identifiziert werden alle Herausforderer. 3. »Unternehmen«: Das eigene Unternehmen (Company), welches die Leistungen für den Kunden erbringt. Das strategische Denken spielt sich immer in diesem »3C«-Dreieck ab. Die drei Eckpunkte sind voneinander abhängig. Ändert der Kunde sein Verhalten, betrifft dies die anderen beiden Komponenten direkt. Ändert die Konkurrenz ihre Strategie, hat dies ebenfalls Effekte für die beiden anderen. In Anlehnung an dieses »3C«-Modell unterscheidet der japanische Experte die folgenden Strategien: 1. Unternehmensbasierte Strategien Unternehmensstrategien zielen darauf, die Fähigkeiten, Kompetenzen und Stärken des Unternehmens nachhaltig auszubauen, um (zumindest) in Teilbereichen Wettbewerbsvorteile zu sichern. Gemäß Ohmae muss ein Unternehmen nicht in jedem Bereich eine Leaderposition innehaben, um im Markt seinen Erfolg ausspielen zu können. Die japanischen Konzerne belegen dies durch ihre erfolgreichen Angebote seit Jahren. Besonders wichtig ist aber immer das Thema der Kostensenkung, da sich dies sowohl positiv für Kunden als auch positiv auf die Gewinnsituation auswirkt. Sämtliche betrieblichen Prozesse müssen immer wieder detailliert auf Effizienz und Effektivität hin untersucht werden. Der Erfolg des asiatischen Ansatzes liegt nicht in radikalen Kostensenkungsaktionen, sondern in kleinen, konsequenten und fortlaufenden Schritten der Effizienzsteigerung. Fragestellungen für die Geschäftsführung sind: Wie können wir uns nochmals weiter 164
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verbessern? Welche Stärken bauen wir noch weiter aus? Wo können wir weitere Kosten einsparen? Wie kann die Effizienz nochmals gesteigert werden? 2. Kundenbasierte Strategien Kunden sind die Basis jeglicher Geschäftstätigkeit. Sie gehören ins Zentrum jeder strategischen Überlegung. Ein erfolgreiches Management setzt das Kundeninteresse immer über das Aktionärsinteresse. Nur diese Betrachtung sichert die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit des erfolgreichen Geschäftsmodells. Besonders bedeutungsvoll für den Wettbewerb sind die Strategien der Kunden- und Marktsegmentierung. Sie gestatten es, das Geschäft und den Markt »anders« als Konkurrenten anzugehen. Folgende strategische Fragen gehören in diesen Bereich: Welche Kunden bedienen wir? In welcher Intensität, mit welchen Angeboten, über welche Vertriebskanäle? Positionieren wir uns als Nischenanbieter oder als Massenanbieter? Wie können wir uns weiter in den Angeboten differenzieren? Kann der Markt in einer unüblichen Weise segmentiert werden? Wie strukturiert die Konkurrenz das Geschäft, wie können wir uns davon abheben? Was würde die Kunden besonders faszinieren? Was können wir ihnen Außerordentliches bieten? 3. Wettbewerbsbasierte Strategien Wettbewerbsbasierte Strategien verstärken die Unterschiede zu Konkurrenten. Bei einer Wettbewerbsstrategie sucht man nach Differenzierungen, Abgrenzungen und Besonderheiten. Fragestellungen des Managements sind: Wodurch können wir uns von Dritten abheben? Wie werden wir besonders gesehen? Wie können das Image und die Marke zur Abgrenzung von den Konkurrenten genutzt werden? Kenichi Ohmae, der in Japan auch »Mr. Strategy« genannt wird, ist der Meinung, dass westliche (vor allem amerikanische) Firmen sich viel zu stark auf die wettbewerbsbasierten Strategien konzentrieren. Die japanischen Unternehmen denken eher im strategischen »3C«-Dreieck. In Japan gilt die Erfolgsgleichung »hito kane mono« oder »Personen, Geld, Sachen (Anlagekapital)«. Als erfolgreich gilt, wer alle drei kritischen Mittel in eine harmonische Ordnung bringt. Dabei ist ein einseitiger Überschuss genauso unerwünscht wie ein einseitiger Mangel. Wenn ein Unternehmen beispielsweise über zu hohe Geldmittel verfügt, ohne dass clevere Mitarbeiter und Führungskräfte diese Gelder sinnvoll investieren, bedeutet dies einen unnötigen Überfluss. Dies ist negativ. Zu viele Führungskräfte ohne genügend finanzielle Mittel müssen auf der anderen Seite viel zu viel Energie aufbringen, um an die investiven Mittel heranzukommen. Sie verschleudern damit ihre wertvolle Zeit und ihre persönlichen Kräfte. Das Management muss sich zuerst um den Aufbau und die Entwicklung seiner Talente (hito) kümmern und Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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erst dann um die verfügbaren Mittel (mono), wie Fabriken, Maschinen, Technologien, Prozesse oder Informationen. Erst wenn sich aus diesen beiden ersten Faktoren genügend frische Ideen, Projekte oder Innovationen ergeben, sind die notwendigen Geldmittel (kane) zuzuteilen.
Theorie »Z«: Japanischer Stil des Doing Business Die Theorie »Z« wurde von William Ouchi, Professor für Unternehmensstrategie an der University of California in Los Angeles, entwickelt.104 Er erforschte globale Managementstile und setzte diese mit dem Erfolg von Unternehmen in Beziehung. So identifizierte Ouchi drei Typen von Unternehmen. Als »Typ A« bezeichnet er den amerikanischen, als »Typ J« den japanischen Managementstil. Als besonders erfolgreich erwiesen sich aber in seinen Untersuchungen Firmen des »Typs Z«, die man als Synthese aus »A« und »J« interpretieren kann. »Typ-A«-Unternehmen sind individualistisch, das heißt, der Einzelne steht im Zentrum. Sie basieren auf dem »Hire & Fire«-Prinzip, sind kurzfristig orientiert, setzen rasch erreichbare Ziele, kontrollieren ihre Mitarbeiter häufig und bieten in der Regel Karrierepfade, die sich in denselben Wissensfeldern bewegen. »Typ J«-Unternehmen hingegen sind gemeinschaftlich orientiert. Sie streben mit den Mitarbeitern eine intensivere Beziehung an. Daher bieten diese Unternehmen eine langfristige Beschäftigung mit eher langsamen Karriereschritten, sie beurteilen wenig, sondern fördern viel, und nutzen implizite Kontrollmechanismen über Teams. Sie setzen auf funktionsübergreifende Karrieren, um gegenseitige Lernprozesse noch weiter zu fördern. William Ouchi geht von der Annahme aus, dass ein intensiver Mitarbeitereinbezug zu mehr Erfolg, mehr Verständnis, mehr Motivation, mehr Identifikation und mehr Einsatz für die Interessen des Unternehmens führt. Aus dem »Ich« soll ein »Wir« werden. Ouchi propagiert daher insbesondere für den Strategieprozess eine Theorie »Z«. Diese fordert, engagierte Mitarbeitende schon frühzeitig in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Ihre Leistungen sind öffentlich anzuerkennen. Es sind ihnen interessante, herausfordernde Karriereperspektiven zu bieten. Zudem sollte allen Mitarbeitenden ein hoher Respekt als Person entgegengebracht werden. Auch längerfristig gesicherte Arbeitsplätze verpflichten Mitarbeitende, sich mehr für das Unternehmen und seine Ziele einzusetzen. »Z« lehnt sich an die von Douglas McGregor entwickelten Führungsphilosophien »X« und »Y« und die jeweiligen Menschenbilder an. Bei der Theorie »X« geht man davon aus, dass Menschen faul und bequem sind. Daher sind sie durch äußere Anreize zu motivieren. Die »Y«-Vorstellung hingeben be166
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trachtet den Menschen als engagiert, ehrgeizig und zielstrebig. Zur Arbeit motiviert sich der Mensch von innen heraus, da er sich so persönlich weiterentwickelt. In der Theorie »Z« von William Ouchi sucht der Mensch längerfristige, produktive Beziehungen. Er fühlt sich so für seine Rolle im Rahmen des Ganzen verantwortlich. Der Mitarbeitende bringt sein ganzes Engagement für das Business ein, wenn man ihn auch längerfristig einbringt. Ouchis Verdienst ist es, frühzeitig auf die zentrale Bedeutung der Unternehmenskultur für den Strategieprozess hingewiesen zu haben. Die Unternehmenskultur ist für Ouchi ein integraler und notwendiger Bestandteil jeder strategischen Überlegung. Sie begrenzt oder beflügelt die Entfaltung von Strategien. Die positiven, produktiven Effekte einer starken Mitarbeiterorientierung sieht William Ouchi im erstaunlichen Erfolg vieler japanischer Unternehmen bestätigt. Es ist weniger die clevere Strategie an sich, sondern vor allem das große Engagement der Führungskräfte und Mitarbeitenden, sich für die strategischen Absichten des Unternehmens einzusetzen. Diese mitarbeiterachtende Unternehmenskultur führt zu einem engagierten »Sich-Kümmern« um die vielen erfolgskritischen Kleinigkeiten, die erst in ihrer Summe den Erfolg begründen. Die Mitarbeiterorientierung beziehungsweise der Mitarbeitereinbezug führt zu einem höheren persönlichen Engagement, zu einem verstärkten Mitdenken und Mitgestalten, zu mehr Ideenreichtum und attraktiveren Lösungsvorschlägen, zu einer persönlichen Selbstverpflichtung sowie zu einem längerfristigen Interesse des Mitarbeiters am Schicksal »seines« Geschäfts. Ouchis Beitrag ist kein rein strategischer Ansatz, sondern eher eine praxisorientierte Managementphilosophie im Umgang mit Strategien. Smarte Strategien auf dem Papier nützen eher wenig. Es sind immer Menschen, die ihnen Leben einhauchen. Strategien bewegen nichts, wenn sie nicht den Mitarbeitenden persönlich einbeziehen. Viele asiatische, vor allem aber die japanischen Success-Storys zeigen, wie nachhaltig personenorientierte Führungsansätze in der Alltagspraxis sind. Seit Jahren sind viele japanische Unternehmen weltweit konsequent und kontinuierlich auf ihrem Pfad in eine erfolgreiche Zukunft unterwegs. Auch im Bereich der Innovationen werden durch gemeinsame Anstrengungen vieler Mitarbeitender enorme Leistungen erbracht.
Toyota Management System: Wenn »gut« einfach zu wenig ist Dieser Abschnitt skizziert einzelne Bausteine des japanischen Managements am Beispiel des weltweit sehr erfolgreichen Unternehmens Toyota. Entscheidend für den Erfolg ist weniger das Set der Methoden und Vorgehensweisen, Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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sondern vielmehr die dem ganzen Verhalten zugrunde liegende Qualitäts-, Kunden- und Effizienzstrategie des Unternehmens. Toyota hat sich dem Qualitätsmanagement als strategischem Vorteil verschrieben und dieses zu einem zentralen Erfolgsmodell weiterentwickelt. Noch in den 60er Jahren war Toyota ein nationaler Anbieter von Automobilen im fernen Japan. Heute verkauft das Unternehmen mehr Fahrzeuge als jeder andere Autokonzern dieser Welt. Kein Wunder also, dass sich viele Führungskräfte und Wirtschaftsexperten für die Quellen dieses enormen Erfolgs interessieren. So pilgern Führungskräfte aus der ganzen Welt nach Toyota-City, um zu sehen, wie die Themen Qualität, Effizienz und Kundenorientierung vom Topmanagement bis zu den Mitarbeitenden in den Produktionsstraßen ganzheitlich umgesetzt werden. Der Erfolg von Toyota fußt nicht in einer besonders cleveren Produkt- und Markenstrategie, sondern vielmehr im Engagement aller Beteiligten bei der Umsetzung der strategischen Absichten. Toyota belegt eindrücklich, dass eine gute strategische Idee allein noch nicht genügt, um zu gewinnen. Derjenige besetzt den Vorsprung, der es versteht, seine strategischen Absichten mit fokussiertem Engagement im Alltag in Resultate umzusetzen. Das »Toyota Management System« ist mit den Namen Taiichi Ohno und Eiji Toyoda verknüpft. Die beiden haben entsprechende Maßnahmen bereits in den 60er und 70er Jahren lanciert.105 Sie gelten als die Begründer der »Kaizen«-Bewegung, der Methoden des »Kanban« und des »Just-in-Time« sowie des »Toyota Management Systems« (TMS). Ausgangspunkt für die grundsätzliche radikale Neupositionierung waren damals die schlechten Qualitäten, hohen Defektraten und enormen Produktionsausschüsse im Vergleich zur westlichen Konkurrenz. Dieser missliche Zustand gefährdete die Existenz des Unternehmens. Die Lösungen der schlechten Qualitäts- und Produktionsverhältnisse entdeckten die beiden in den amerikanischen Qualitätsansätzen. Die Japaner übernahmen diese Kernideen und perfektionierten sie nachhaltig. Ohno und Toyoda setzten auf eine »kontinuierliche Veränderung zum immer Besseren« durch Qualitätsinitiativen, Restrukturierungsprojekte und Effizienzsteigerungssysteme. Welche Ideen stehen hinter dem Erfolg des Toyota-Ansatzes? 1. »Totale« Kundenorientierung Kundenorientiertes Management auf allen Stufen des Unternehmens. Der Kunde allein ist der ultimative Maßstab für betriebliche Entscheidungen und Aktivitäten. Er muss die Anstrengung einer Verbesserung erkennen und honorieren. 2. »Totale« Qualitätsorientierung Qualität geht weit über das Produkt hinaus. Qualität müssen alle Mitarbeitenden auf allen Stufen des Unternehmens durch ihre Sorgfalt garantieren. Jeder kann hierzu einen Beitrag leisten. Qualität ist auch nicht das Ergebnis, 168
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sondern ein dauerhafter, nie endender Prozess. Eine ständig weiter reichende Verbesserung ist immer möglich. Ein »gut genug« existiert nicht. Zudem findet man Qualität nicht nur in den Produkten, sondern ebenso im Service oder anderen Dienstleistungen. Qualität lässt sich auch nicht auf Vorrat produzieren. Sie ist immer wieder tagtäglich neu zu sichern. Nur messbare Kriterien gestatten ein erfolgreiches Management der Qualität, welches Fortschritte erzielt. 3. »Totale« Effizienzorientierung Angestrebt wird eine fehlerfreie Produktion. Ausschuss, Verschleiß oder Defekte sind verpönt. Es wird hergestellt, was wirklich benötigt wird. Zwischenlager sind so weit als möglich zu vermeiden. Mit hoher Priorität werden Fehler untersucht. Ein Fehler ist kein Problem, wenn er ergründet und gelöst wird. Die Effizienz konzentriert sich auf Produktivität, Materialhandhabung und auf die Minimierung der Durchlaufzeiten. 4. »Totale« Mitarbeiterorientierung Alle können zur kontinuierlichen Verbesserung von Produkten und Prozessen beitragen. Dies gilt auch für den Führungsjob. Für die Führung bedingt dies eine klare Kommunikation über Ziele, Normen, Standards, Abweichungen und Maßnahmen. Gestützt wird das Führungssystem durch eine intensive Schulung und laufende Trainings. Das »Toyota Management System« fußt auf langfristigen strategischen Zielsetzungen (vergleiche Abbildung 29). Dies gilt auch, wenn kurzfristige Interessen darunter leiden. Die Entscheidungsfindung ist konsensorientiert und bezieht möglichst alle Betroffenen in die Lösungsfindung mit ein. Viele Augen sehen mehr, daher sind auch viele Meinungen willkommen. Ideen erweitern das Spektrum erfolgreicher Lösungen. Asiatische Entscheidungsprozesse sind daher oft langwierig und aufwändig. Die Umsetzung hingegen erfolgt konsequent und rasch. Alle benötigten Informationen sind vor Ort einzuholen. Das Wissen zu einer Situation muss aus der Situation selbst kommen, das heißt nichts anderes als: aus erster Hand stammen. Aufgaben werden daher an den »Ort des Geschehens« delegiert, um Probleme nahe der Wirklichkeit zu lösen. Teams erfüllen ihre Aufgaben weitgehend autonom. Jedes Mitglied bringt seine Qualifikation und sein persönliches Engagement in die Gesamtarbeit ein. Es wird von jedem Einzelnen erwartet, dass er aktiv zur Problemlösung und Aufgabenerfüllung beiträgt. Der »Human Factor« ist der Schlüssel für den Erfolg der Wertschöpfung. Daher wird den Mitarbeitenden besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dies umfasst die Personalpolitik, die Gestaltung der Unternehmenspolitik, die Informations- und Kommunikationspolitik, die Arbeitsplatzgestaltung, die Art und Weise der Führung und vor allem die Qualifikationsengagements. MitarAsiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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Abbildung 29: Toyota Management System
Nutzen für den Kunden
fehlerfrei – schnell – kostengünstig
Kundenorientierte Aktivitäten Materialfluss nach dem Just-in-TimePrinzip (Input-Optimierung)
Mitarbeitermitwirkung Prozesse synchronisieren Prozesse normieren Prozesse standardisieren Fehler vermeiden aus Fehlern lernen Mitarbeitende trainieren
Automatisierung Roboterisierung intelligente Vernetzung der Informationsund Technologiesysteme
»In Pursuit of Perfection« Kontinuierliche Verbesserung in Richtung Perfektion
beiter dürfen nicht nur Spezialisten sein, sondern müssen in der Lage sein, Aufgaben ganzheitlich zu erfüllen. Sie müssen im Team universell einsetzbar sein. Jeder Facharbeiter sollte zum Beispiel die Reparatur von Maschinen, die Qualitätskontrolle, die Materialbeschaffung, die Einsatzplanung oder die Detaillierung von Arbeitsprozessen beherrschen. Bausteine des Toyota-Management- und Produktionssystems: • Kanban: Der effektive Verbrauch bestimmt die Beschaffung
Kanban ist ein Verfahren der Produktionssteuerung, welches sich am Verbrauch orientiert. Die einzelnen Produktionsstellen beeinflussen damit den Materialfluss. Anstelle einer zentralen Produktionsplanung werden die Materialflüsse vor Ort entschieden und geordert. Nur wenn wirklich neues Material benötigt wird, wird der Zulieferer aufgefordert. So können die Lagerhaltung und die Kapitalbindung deutlich reduziert werden. • Just-in-Time: Alles zu seiner rechten Zeit Verwandt ist auch das »Just-in-Time«-Prinzip der Produktion. Es ist eine bedarfs- oder fertigungssynchrone Herstellungsstrategie. Die Zulieferer müssen sich verpflichten, innerhalb einer bestimmten Vorlaufzeit liefern zu 170
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können. So wird am Produktionsort nur gerade so viel Material gelagert, dass die Herstellung aufrechterhalten werden kann. • Kaizen: Auf dem ewigen Weg zum Besseren »Kaizen« vertritt die Auffassung, dass selbst große Erfolge ihre Ursache nicht zwingend in großen innovativen Sprüngen haben müssen. So lassen sich große Distanzen auch mit kleinen Schritten überwinden. Also können auch im Business viele kleine Schritte in die gewünschte Richtung zum beabsichtigten Erfolg führen. Ein kontinuierlicher, nie endender Innovationsprozess bringt erstaunliche Fortschritte. Im deutschsprachigen Raum wird Kaizen mit »kontinuierlicher Verbesserungsprozess« (KVP) übersetzt. Das Wort Kaizen setzt sich aus zwei Elementen zusammen: »Kai« heißt »verändern« und »Zen« »das Gute«. Das von Taiichi Ohno, dem einstigen Produktionsleiter bei Toyota, entwickelte Managementkonzept bedeutet daher »zum Guten verändern«. Die Philosophie ist so einfach wie wirksam: 1. Nur gute Prozesse liefern gute Ergebnisse. 2. Schwächen im Produkt zeigen Schwächen im Prozess. 3. Prozessverbesserung führt zu einer Produktverbesserung. 4. Es gibt keinen Tag ohne Verbesserungen. Kaizen wird in Japan als sichtbare Veränderung verstanden. Gerade die Marken Toyota, Scion und Lexus demonstrieren dies der weltweiten Automobilindustrie auf beeindruckende Art und Weise immer wieder. Das Firmenmotto von Lexus heißt beispielsweise »In Relentless Pursuit of Perfection«. Man kann Kaizen nicht treffender definieren als »die unaufhörliche Suche nach dem Perfekten«. So haben es Toyota und andere japanische Hersteller in verschieden Industriezweigen geschafft, in kleinen, aber äußerst konsequenten Schritten ihre Wettbewerbsvorteile weltweit auszubauen. Sie optimieren tagtäglich ihre Kosten, ihre Zeitbudgets, ihre Produktivitäten sowie die Qualität von Produkten und Prozessen. Bei Kaizen werden die Qualität des Produkts und die Qualität des Prozesses gleichermaßen verbessert. Alle Mitarbeiter auf allen Stufen sind aufgefordert, immer wieder Vorschläge zur Verbesserung einzureichen. Daraus entwickelt sich eine Spirale des Lernens und des kontinuierlichen Fortschritts. Dies verbessert nicht nur, sondern entwirft auch Innovationen für den Kunden. So haben sich die Japaner beispielsweise im Bau hybrider Fahrzeuge einen mehrjährigen strategischen Vorsprung erarbeitet. • Kampf gegen die Verschwendung: Synchronisation, Standardisierung, Mitarbeiterqualifikation Jede Arbeit setzt sich aus Wertschöpfung und Verschwendung zusammen. Das eine Element ist zu fördern, das andere auszumerzen. Verschwendung kann verschiedene Ursachen haben: Ausschuss, zu hohe Lagerhaltung, zu häufige Transportbewegungen, Wartezeiten, Ineffizienzen oder Überproduktion. Doch wie funktioniert dieser Kampf gegen »Verschwendung«? Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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Auch hier gibt der Kunde den Takt vor. Er synchronisiert das Geschehen. Ganz nach dem Kanban-System wird die Produktion vom Ergebnis her rückwärts aufgezogen und durchorganisiert. Die Qualifizierung der Mitarbeiter ist ein permanenter Prozess. Sie muss so weit erfolgen, dass die Mitarbeitenden in der Lage sind, auftretende Probleme selber zu erkennen, passende Methoden zu deren Lösung selber anzuwenden und notwendige Maßnahmen selber zu ergreifen. Dies vermeidet nicht Fehler, aber erhöht die Agilität am Ort des Geschehens. Die japanischen Management- und Produktionsmethoden können heute von westlichen Unternehmen nicht mehr unberücksichtigt bleiben. Das »Toyota Management System« ist weltweit eine wichtige Benchmark in der Automobilbranche, die von vielen Firmen zu erreichen versucht wird. Aber auch andere Wirtschaftszweige können aus dem System wertvolle Impulse für die eigene Arbeit gewinnen. Eine einfache Übertragung der Konzepte, also ein bloßes Kopieren, ist aufgrund der soziokulturellen Unterschiede nicht empfehlenswert. Aber damit belegt das japanische System nochmals, wie nachhaltig und dominant Wettbewerbsvorteile sind, die auf strategisch relevanten Kernkompetenzen im Bereich des Lernens, Wissens, Problemlösens und Entscheidens beruhen. Die Prinzipien können übernommen werden, müssen aber für das eigene Unternehmen und seine Herausforderungen spezifisch interpretiert werden.
Hoshin Kanri: Strategie mit der Kompassnadel Hoshin Kanri (»Planen mit der Kompassnadel«) ist ein firmenumfassendes Planungs- und Steuerungssystem, bei dem alle Mitarbeitenden und Führungskräfte in einen zyklischen Prozess der Zielvereinbarung und Zielverfolgung eingebunden werden. Diese Art der Strategieplanung und Strategieumsetzung wird in Japan von den Unternehmen Nippon Denso, Bridgestone Tire, Komatsu, Matsushita, Canon, Toyota und vielen anderen genutzt. Die Bausteine des Hoshin-Kanri-Strategieprozesses fußen auf dem Qualitätsmanagementzyklus von W. Edwards Deming, dem Divisionalisierungsprinzip (Abteilungsbildung) des einstigen Firmenchefs Alfred A. Sloan von General Motors und dem Management-by-Objectives-System des Managementdenkers Peter Drucker. Hoshin Kanri hat seine Wurzeln daher in den USA. Der Hoshin-Kanri-Strategieprozess wurde in den 80er Jahren von der Japanese Association of Standards entwickelt und propagiert, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu heben. Erstaunlicherweise fand das Manage172
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mentsystem in der Folge seinen Weg wieder zurück in die USA.106 Große Unternehmen wie Hewlett-Packard (HP), Procter & Gamble (P&G) oder Xerox entwickelten ihre hauseigenen strategischen Managementsysteme basierend auf den japanischen Hoshin-Kanri-Erkenntnissen. Auch heute werden langfristige Planungs- und Strategieprozesse in vielen Unternehmen rund um den Globus mit Hoshin Kanri gesteuert, strategische Stoßrichtungen erarbeitet, grundlegende Werthaltungen (Mission, Vision) abgestimmt sowie unternehmensweite Verbesserungs- oder Innovationsprojekte gelenkt. Was ist Hoshin Kanri? Das Managementsystem könnte man mit »Integrale Strategielancierung« oder als »Management by Strategy« übersetzen. Das Topmanagement formuliert klar verständliche, wichtige Unternehmensziele, die dann an alle Bereiche ausgegeben werden. Diese obersten Zielsetzungen heißen auch »Nordsterne«, da sie für alle Bereiche als nicht verhandelbar gelten und damit »gesetzt« sind. Diese Ziele sind für das Unternehmen besonders wichtig und müssen daher unbedingt erreicht werden. »Nordsterne« sind der Ausgangspunkt für alle Planungsprozesse, die dann kaskadenartig über die gesamte Organisationsstruktur von oben nach unten auf alle Abteilungen adaptiert werden. Diese zentralen Vorgaben richten Führungskräfte und Mitarbeitende auf die überragenden Herausforderungen und strategischen Projekte aus, die für das gesamte Unternehmen eine hohe Priorität haben. Im Gegensatz zu westlichen Verfahren, wie beispielsweise dem »Management by Objectives«, widmet Hoshin Kanri viel Zeit der Erkenntnisgewinnung und intensiven Kommunikation auf allen Führungsebenen. Der Ausgangspunkt der Ausrichtung einer Abteilung auf die obersten Zielsetzungen startet beispielsweise mit der Phase »Understanding our Mess«, also mit Diskussionen, Einsichten und Schlussfolgerungen darüber, wo die Abteilung jetzt gerade steht, was die Geschäftsleitung mit ihren neuen Initiativen detailliert will, was die Abteilung dazu an Ergebnissen beitragen könnte, was bisher funktioniert hat und wo nachhaltige Probleme aufgetreten sind. Hoshin Kanri umfasst die nachstehenden Arbeitsphasen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Definition des »Nordsterns« (Strategische Schwerpunkte) Entwicklung eines Plans (Jahresplanung) Ausführung des Plans (Planrealisierung) Beobachtung der Planausführung (Controlling) Lösung auftretender Schwierigkeiten (Ad-hoc-Management) Verbesserung des Planungsprozesses (Metaplanung)
Der Erfolg vieler japanischer Unternehmen hat seine Wurzeln nicht nur in den vielen Qualitätsmethoden, -verfahren und -konzepten. Der Erfolg liegt auch im Einsatz des Hoshin-Kanri-Managementsystems mit großem Engagement. Dies hilft Jahr für Jahr, das gesamte Unternehmen auf die zentralen HerausforAsiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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derungen auszurichten und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. So werden in zyklischen Abständen alle Führungskräfte auf die wirklich wichtigen Zielsetzungen auf sämtlichen Führungsebenen »ausgerichtet«. Die »Unité de Doctrine« wird durch Hoshin Kanri in eine »Unité d’Action« transformiert. Dies gibt dem Unternehmensgeschehen nicht nur Richtung, sondern auch noch den notwendigen Schub. Hoshin Kanri funktioniert auf zwei Ebenen: 1. Ebene der »Strategischen Schlüsselzielsetzungen« Strategisch wichtige Schlüsselziele (»Breakthrough Objectives«: Durchbruchsziele) werden meist für eine mehrjährige Dauer bis zu deren Erfüllung beibehalten. Schlüsselziele können bedeutende Marktziele, Produktziele, Vertriebsziele, Innovationsziele, Technologieziele oder Ziele sein, welche Schlüsselprozesse neu gestalten. 2. Ebene der »Operativen Zielsetzungen« Auf dieser Ebene werden die (unterjährigen, jährlichen) Zielsetzungen formuliert und abgestimmt, welche wichtige, aktuelle Herausforderungen für die kommenden Monate bedeuten. Das operative Geschäft soll auf die längerfristigen »Nordsterne« hin orientiert werden. Jede Einheit formuliert die Vorgaben in ihre konkreten »Beiträge« zur Erreichung der Vorgaben um. Dadurch werden »Nordsterne« griffig, kontrollierbar und erfüllbar. Die Bereiche untereinander stimmen ihre jeweiligen Zielsetzungen in Koordinationsmeetings ab. Jeder Planungszyklus beinhaltet bei Hoshin Kanri immer auch seine eigene Verbesserung. Jedes Jahr kann auch Hoshin Kanri um einen Tick leistungsfähiger gestaltet werden.
Einschätzung Hoshin Kanri ist ein bewährtes Verfahren der Strategieentwicklung und Strategieimplementierung, das sowohl in großen, komplexen Unternehmen als auch in einer einfacheren Konzeption von mittleren Unternehmen eingesetzt werden kann. Hoshin Kanri richtet das gesamte Unternehmen mit allen Abteilungen auf die zentralen strategischen Themen, Initiativen oder Programme aus. Die große Stärke des Verfahrens liegt aber in seiner formalisierten Kommunikation, das heißt das Managementssystem forciert intensive Gespräche unter den Führungskräften verschiedener Ebenen und mit ihren Mitarbeitenden. Damit erzeugt das HoshinKanri-Managementsystem Ausrichtung, Initiative, Engagement, Orientierung und Mitwirkung. Durch die Überlappung der Durchführung verknüpft es organisatorische Bereiche und überwindet »Grabenbrüche« in der Stategierealisierung. Dank der Verpflichtung, Beiträge zu liefern, verpflichten sich die Einzelnen, den Prozess zu unterstützen. Und durch seine Regelmäßigkeit fördert es das strategische Lernen zu Inhalt und Prozess. Nachteilig ist in der heutigen Zeit rascher Verände174
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rungen, dass die strategisch notwendige Flexibilität des Handelns durch das relativ ritualisierte Verfahren gebremst werden kann.
Bootstrapping: Grenzenloses Business, grenzenloses Lernen Der Korrespondent der New York Times und Autor Thomas Friedman hat die Metapher der »flachen Welt« für unsere globalisierte Geschäfts- und Lebenswelt geprägt.107 Thomas Friedman ist der Ansicht, dass sich das Business rund um den Globus dank der Globalisierung vereinfacht hat, da sich Unternehmen an ähnlichen Prinzipien orientieren. »Vereinfacht« heißt in diesem Kontext, dass nicht mehr nur Staaten oder große Konzerne, sondern mittlerweile auch kleine und mittlere Unternehmen oder gar Individuen zu Akteuren der Globalisierung werden können. Dies heißt auch, dass in zunehmendem Maße sich der Einzelne auf dem Weltarbeitsmarkt behaupten muss. Selbst ein Nachhilfelehrer muss sich dem Onlineangebot eines virtuellen Tutors stellen. Die flache Welt revolutioniert unsere Vorstellung von Business. Sie führt zu neuen Angeboten, zu Offshoring und Outsourcing bis hin zu einer Reorganisation der Wertschöpfungsketten und globalen Partnernetzwerke von Unternehmen. Offene Märkte, überall verfügbares Know-how, Rendite suchendes Kapital, kostengünstige logistische Systeme und ein steigendes Bildungsniveau in vielen sich entwickelnden Regionen führen dazu, dass sich die Lebens- und Geschäftswelt neu ordnet. Diese gewaltigen Umbrüche werden von vielen gesellschaftlichen Kreisen als Bedrohung empfunden. Doch es gibt auch eine positive Seite, sie eröffnet auch neue Geschäftschancen für viele Menschen auf dieser Welt. Ein Beispiel für grenzenloses Business in einer flachen Welt bietet die chinesische Stadt Chongqing. Nur wenige westliche Führungskräfte können die Stadt im Herzen Chinas per Anhieb auf der Landkarte zeigen. Doch Chongqing ist mit 31 Millionen Einwohnern nicht nur die größte Stadt im chinesischen Riesenreich, sondern auch auf der ganzen Welt. Chongqing ist das Herz der chinesischen Motorradindustrie. In der Stadt wird man den Eindruck nicht los, dass die Stadt vom »Motorradvirus« erfasst wurde. So hat sich in Chongqing ein innovatives Geschäftssystem etabliert, das man als »lokal vernetzte Modularisierung« bezeichnen kann.108 Viele kleine Zulieferer, die nur lose miteinander verbunden sind, bilden ein enorm leistungsfähiges Businessnetzwerk, welches sich mit enormer Geschwindigkeit an neue Auflagen oder Situationen anpassen kann. Dieses Netz ist in der Lage, selber Motorräder in rasender Geschwindigkeit nach den Wünschen der Abnehmer zu entwickeln. Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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Die Produktionskapazitäten sind enorm flexibel und anpassungsfähig, da viele Klein- und Familienbetriebe für die Herstellung verantwortlich sind. Im Zentrum dieses umfassenden Geschäftsnetzes agieren die Motorradbauer Dachangjiang, Longxin oder Zongshen. Die drei Großen der Szene orchestrieren die vielen kleinen Anbieter für ihren Produktionsbedarf. Diese drei privatwirtschaftlichen Unternehmen stehen in Konkurrenz zu den großen der Branche, wie Honda, Yamaha oder Suzuki. Die Ausländer haben sich in China als Joint Ventures etabliert. Die Global Player hingegen sind die großen Vorbilder der lokalen Branche. Ihre Geschäftsarchitektur wird von den Chinesen als Lernvorlage benutzt und im nächsten Schritt ganz nach Notwendigkeit rasch adaptiert. So haben die Chinesen das Bauen von Motorrädern durch das Outsourcing kompletter Module an Subunternehmen entwickelt. Die chinesischen Hersteller entwerfen beispielsweise keine detaillierten Konstruktionsskizzen von den zu bauenden Motorrädern, sondern sie beschreiben nur zentrale Schlüsselkomponenten eines Motorrads. Die großen Drei bestimmen nur die Hauptparameter der Motorradperformance. Diese Grobskizzen und Beschreibungen geben sie an ihre Zulieferer. Diese sind frei, innerhalb der definierten Eckwerte innovativen Lösungen und Budgets vorzuschlagen. So organisiert sich das Netzwerk immer wieder selbst. Es bietet eine schier unendliche Palette an Kreativität, Innovation und Agilität. Diese selbst-organisierende Motorradentwicklung führt dazu, dass die chinesischen Firmen deutlich rascher als ihre ausländischen Vorbilder wachsen. Nun drängen die Motorradbauer von Chongqing auch ins Ausland. So sind chinesische Motorräder nicht nur in Süd- und Südostasien, sondern mittlerweile in Südamerika und vielen Ländern Afrikas anzutreffen. China besetzt heute einen Weltmarktanteil von über 50 Prozent am globalen Motorrad-Kuchen. Der Effekt auf die ausländischen Konkurrenten ist fatal: Allein in Vietnam hat zum Beispiel Honda 90 Prozent seines Geschäftsvolumens verloren. Im Land mussten Werke geschlossen werden. Dieses kleine Globalisierungsbeispiel zeigt, dass die neuen Herausforderer nicht nur rasch lernen und kopieren, sondern auch neue Wettbewerbs- und Wertschöpfungssysteme mit Erfolg etablieren. Diesen dynamischen Entwicklungspfad bezeichnet man als »Bootstrapping« (Stiefelschlaufe).109 Bootstrapping heißt sinngemäß übersetzt »sich am eigenen Schopf aus dem Schlamm ziehen«. Führungskräfte in den aufstrebenden Nationen sind ungeduldig und möchten so rasch wie möglich mit dem Westen mithalten. Doch ihr Know-how und ihre Mittel sind meistens beschränkt. Trotzdem fürchten sie sich nicht, selbst Weltklasseunternehmen in ihrer Existenz direkt herauszufordern. Ihre ungenügenden Mittel machen sie durch Beweglichkeit, Engagement und Kreativität wett. Wie funktioniert »Bootstrapping«? Derartige Unternehmen, die sich selber am Schopf aus der Vergangenheit in die Zukunft ziehen, sind meistens konsequent auf Erfolg 176
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programmiert. Für sie gibt es nur ein radikales Vorwärts, um die Zukunft zu gewinnen. Sie können nur gewinnen, oder sie gehen unter. Das Management setzt auf hohe Flexibilität und rasches Lernen, das heißt Lernen von anderen Wettbewerbern, Lernen von Lieferanten, Lernen von Kunden und Lernen aus den eigenen Fehlern. Kopieren, wo immer möglich, heißt die Devise. Obwohl sie die westlichen Standards kennen, setzen sie in ihrem Alltagsgeschäft nur auf diese, wenn sich Vorteile daraus ergeben. Für sie zählt nur der Fortschritt, die Mittel, Verfahren oder Methoden sind egal. Sie streben gar nicht danach, »perfekt« zu sein. Sie suchen den Fortschritt im Hier und Jetzt. Sie wissen, dass sie nur dank ihres Veränderungswillens und ihrer Lernfähigkeit im wilden Wettbewerb auf den Weltmärkten bestehen können. Und dies muss rasch erfolgen. Bootstrapping hat zwei strategische Komponenten, die den Fortschritt erzwingen: innere Dynamik und engagiertes Lernen.
Einschätzung Lässt sich die »Bootstrapping-Strategie« im Westen anwenden? Bestimmt ist Bootstrapping ein idealer Ansatz für sich entwickelnde Wirtschaften. Doch müssen wir wirklich immer »machbare« Strategien entwerfen? Aus einer kreativen und innovativen Perspektive kann man durchaus auch strategisch wilde Ideen entwickeln, welche den Rahmen der heutigen Vorstellungskraft sprengen. Gerade die aufstrebenden asiatischen Unternehmen zeigen, dass man seine strategischen Absichten nicht zwingend in einem großen Sprung erreichen muss. Aber im Kopf sollten die Zukunftsvorstellungen einen radikalen Wurf darstellen. Bootstrapping nimmt auf Gegebenheiten, Konventionen und Usancen wenig Rücksicht. Bootstrapping sucht nach Wegen, vorhandene Defizite durch smarte Lösungen wettzumachen. Zudem setzt Bootstrapping auf kurzfristige Lernzyklen, die schnell Erkenntnisse bringen und den Fortschritt beschleunigen. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass heute fünf der zehn größten Unternehmen der Welt aus dem »Entwicklungsland« China stammen? Die westlichen Industrienationen werden längerfristig nicht mehr das Epizentrum für Innovation allein sein. Innovation findet global statt. Dies gilt nicht nur auf der Ebene der Produkte und Dienstleistungen, sondern zunehmend auch auf der Ebene des Managements und der Geschäftsmodelle. Neue Businesskonzepte und unkonventionelle Organisationsformen werden überall auf der Welt entwickelt. Diese wiederum können auch Impulse für die Gestaltung von Strategien, Strukturen und Prozessen für Unternehmen im Westen bieten. Produktinnovationen sind nicht die einzige Form der Innovation. Das Thema »Innovation« muss im Westen breiter angegangen werden: Innovation im Produzieren, Organisieren, Weiterbilden, Einstellen, Einkaufen, Vermarkten und vor allem auch Innovation im Denken und Handeln. Asiatische Strategien: Kontinuierlich und konsequent unterwegs
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Schlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform
Hast du einmal Erfolg, ist es Zufall. Hast du zweimal Erfolg, ist es Glück. Hast du dreimal Erfolg, ist es Strategie. Sprichwort
Deming-Zyklus: Wenn Qualität nie zum Ergebnis wird William Edwards Deming gilt als Pionier des Qualitätsmanagements. Schon in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts propagierte er das Qualitätsthema in den USA. Er forderte eine maßgeblich höhere Qualität bei amerikanischen Produkten. Doch in den enormen Wachstumsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg interessierte sich kaum jemand für seine Postulate, da Volumenengpässe dringender zu beheben waren. Auch W. E. Deming erging es wie vielen Vordenkern: Er wurde im eigenen Land oft überhört. Doch die japanische Wirtschaft hatte ein offenes Ohr für die Themen des Qualitätsfanatikers. Wer meint, die Japaner hätten das Managementthema »Qualität« erfunden, täuscht sich. Doch die Japaner setzten nicht nur auf die Einsichten, Methoden und Prinzipien des Qualitätsmanagements. Sie sahen die Ideen von Deming nicht als bloße Managementmethode, sondern entwickelten eine umfassende Qualitätsphilosophie. Diese bauten sie im Lauf der Jahre sogar global zu einem nationalen Markenzeichen aus. So wurden schon in den 50er Jahren Unternehmen mit Qualitätspreisen ausgezeichnet. Diese Entwicklung führte die japanische Industrie in vielen Bereichen Schritt für Schritt an die heutige Weltspitze und verhalf ihr zu einem nur sehr schwer nachzuahmenden Wettbewerbsvorteil. Als die japanische Industrie ihre großen Erfolge mit qualitativ hochstehenden, werthaltigen und dennoch preisgünstigen Produkten weltweit feierte, wurde Deming auch im Westen »entdeckt«. Der amerikanische Fernsehsender NBC startete eine TV-Serie mit dem aufrüttelnden Titel If Japan Can … Why Can’t We? Diese Breitenwirkung ließ viele Führungskräfte, wenn auch spät, erwachen. Doch schon waren erhebliche Marktanteile der amerikanischen Konsumgüterindustrie an die qualitätsbesessenen Japaner verloren gegangen. 178
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Besonders bekannt ist der Qualitätszyklus »P – D – C – A«. P (Plan) besagt, dass jeder Prozess vor seiner Durchführung genau zu planen ist; D (Do für Durchführen) fordert, dass der Prozess gemäß der erstellten Planung umzusetzen ist; C (Check für Kontrollieren) steht für eine Überwachung des Prozesses und des Ergebnisses in Form von Soll/Ist-Abweichungen. In der letzten Phase A (Act für Aktionen ergreifen) werden die Fehlerquellen beseitigt, wodurch der Zyklus wieder von Neuem beginnt. Deming kommt das Verdienst zu, das Unternehmensgeschehen als Prozess zu verstehen (vergleiche Abbildung 30). Abbildung 30: Struktur versus Prozess
Identifikation der wettbewerbskritischen Geschäftsprozesse
Durchführung der Prozess-Analyse
STRUKTURDENKEN Entwicklung der Soll-Struktur der Prozesse
Umsetzen der Soll-Lösung
PROZESSDENKEN Controlling: Soll-/Ist-Vergleich
Sogar die amerikanische Regierung engagierte sich mit nationalen Initiativen, um die Wirtschaft für das herausfordernde Thema im globalen Wettbewerb zu stärken. Der damalige Secretary of Commerce, Malcom Baldridge, entwickelte ein »Belohnungs- und Anreizprogramm« (incentive program) für Unternehmen, die sich höchsten Qualitätsanforderungen unterwarfen. Der »Baldridge Award« ist eine noch bis heute verliehene prestigeträchtige Auszeichnung, die jährlich große Aufmerksamkeit erhält. Sie ist der Business-Oscar für TopquaSchlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform
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lität. Die Europäische Union folgte dem amerikanischen Vorbild und entwickelte das EFQM-Modell für Excellence. 110 Auch die European Foundation for Quality Management vergibt jährlich einen Qualitätspreis. In Deutschland wird ganz im selben Sinn der »Ludwig-Erhard-Preis« für Qualität verliehen. Wissenschaftliche Studien in den USA belegen, dass Unternehmen, die sich einer systematischen Qualitätsphilosophie verpflichten, höhere Umsätze, höhere Gewinne, höhere Produktivitäten, höheres Wachstum und eine höhere Aktienperformance erwirtschaften als ihre durchschnittlichen Wettbewerber.111 Dies ist Grund genug, sich mit dem Thema auch aus einer strategischen Sicht auseinanderzusetzen.
Benchmarking: Von den Besten lernen oder die Besten überholen Der Computer- und Kopiergerätehersteller Xerox befand sich Ende der 70er Jahre in einer tiefen Krise. Seine Wettbewerbsposition verschlechterte sich dramatisch. Nicht nur hausgemachte Probleme führten das Unternehmen an den Rand des Abgrunds, sondern auch die aggressive japanische Konkurrenz erhöhte den Druck. Vor allem der Elektronikkonzern Canon bot qualitativ hochwertige Kopiergeräte zu verblüffend günstigeren Preisen. »Wie kann das möglich sein?«, fragte sich das Management. Was lag da näher, als sich ein Canon-Gerät zu kaufen und dieses in allen seinen Einzelteilen zu analysieren? Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in einem weiteren Schritt auf die hauseigenen Wertschöpfungsprozesse transferiert. Xerox stellte fest, dass seine zentralen Probleme im Qualitätsmanagement, in der Produktion selbst sowie in Vertrieb und Logistik lagen. Diese Vergleichsstudie war die Geburtsstunde des »Benchmarking«. Mittlerweile gehört Benchmarking zum methodischen Arsenal vieler Unternehmen rund um den Globus. Benchmarking (»mit einer Norm vergleichen«) ist eine Managementmethode, welche nicht nur im Rahmen von Projekten zur Steigerung der Effizienz genutzt wird, sondern vor allem im Bereich der Strategiefindung eine wichtige Stellung einnimmt.112 »Benchmarks« stehen für Referenzwerte im Vergleich zur Konkurrenz. Unternehmen bestimmen beim Benchmarkingprozess die »Klassenbesten« für das jeweilig interessierende Thema. Diese »Best-Practice«-Unternehmen werden dann genau unter die Lupe genommen, um daraus Schlussfolgerungen für das eigene Business zu ziehen. Benchmarking ist ein Vergleich von ausgesuchten Schlüsselelementen des eigenen Geschäfts mit einem Industriestandard oder mit einem bestimmten Konkurrenzunternehmen, welches ähnliche Strukturen aufweist. Durch den Vergleich nach 180
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außen schärft sich der Blick nach innen. Die Auswahl des Vergleichsunternehmens ist beim Benchmarking entscheidend. Wählt man einen zu großen, zu leistungsfähigen Referenzpartner in einer nicht analog funktionierenden Branche, kann dies leicht zu einer Fehleinschätzung der eigenen Performance führen. Was macht Benchmarking im Business so leistungsfähig? In erster Linie beschleunigen Unternehmen dank professionellem Benchmarking ihre internen Lernprozesse. Sie gewinnen sehr rasch, problembezogen und kompetent neues, praktikables Wissen. Das Benchmarking muss ganz und gar nicht auf einer weltweiten Skala realisiert werden. Je nach Fragestellung können schon andere Betrachtungsperspektiven für neue Impulse ergiebig sein. In der Praxis lassen sich unterschiedliche Benchmarkingformen finden: 1. Benchmarking innerhalb des eigenen Unternehmens Diese Form ist geeignet für diversifizierte Unternehmen oder Unternehmen mit Tochtergesellschaften. Hier können Funktionsbereiche untereinander verglichen werden. 2. Benchmarking mit Wettbewerbern Die Vergleiche finden mit Konkurrenten statt, um sich im Wettbewerbsumfeld positionieren zu können. Diese Form birgt die Gefahr des Kopierens von Lösungen. 3. Benchmarking mit Branchenfremden Hier wirkt das Benchmarking als Impulsgeber. Es zeigt, was andere in fremden Wirtschaftszweigen machen. Lösungen können nicht direkt übernommen, sie müssen adaptiert werden. 4. Benchmarking in Gruppen In der Praxis bilden Unternehmen, die Benchmarking betreiben, oft eine Gemeinschaft, um sich gegenseitig auch längerfristig Informationen über Geschäftsinterna zur Verfügung zu stellen. Durch die längerfristige Orientierung wird dem Umgang mit den sensitiven Informationen ein höheres Vertrauen entgegengebracht. 5. Technologisches Benchmarking Beim technologischen Benchmarking steht die technische Kompetenz und Ausrüstung im Zentrum der Betrachtung. 6. Prozessbenchmarking Dieses Benchmarking vergleicht die Geschäftsprozesse. Informations-, Produktions-, Verkaufs-, Lern-, Forschungs- oder Innovationsprozesse können zu einem Benchmarkingprojekt erkoren werden. Bei »Best Practices« (bestes Verfahren, bestes Erfolgsrezept; Vergleich mit den besten Praktiken anderer Unternehmen) werden die besten Firmen in die Analyse mit einbezogen. Will ein Unternehmen zum Beispiel einen neuen Herstellungsprozess etablieren oder ein logistisches Verteilerzentrum erstellen, so Schlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform
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sucht man zuerst nach den besten Lösungen, die heute schon im Einsatz sind. Es macht wenig Sinn, das »Rad neu zu erfinden«. Was existiert, ist eine ideale Vorlage für die eigenen Lösungen. Oft ist es aufwändig und schwierig, die weltweit Besten zu identifizieren. In derartigen Fällen begrenzt man die Untersuchung auf erfolgreiche Unternehmen. Dann spricht man von »Good Practices«, den erfolgreichen Vorbildern. Die MIT-Kommission zur Stärkung der amerikanischen Wettbewerbsfähigkeit empfiehlt eine umfassende Optik, die sich nicht nur auf die Vergleiche von Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen konzentriert.113 Sie empfiehlt sieben Best-Practice-Prinzipien, damit Unternehmen rasch und kompetent Neues von anderen lernen können: 1. mehrere kontinuierliche Verbesserungsprozesse gleichzeitig anstreben, zum Beispiel in den Bereichen Kosten, Qualität, Service und Innovation; 2. organisatorische Grenzen zwischen Abteilungen und Departementen niederreißen; 3. Managementebenen kürzen und Hierarchien flacher gestalten; 4. neue Technologien frühzeitig und intelligent nutzen; 5. globale Überlegungen und Vergleiche anstellen; 6. enge Beziehungen mit Lieferanten und mit Kunden pflegen; 7. Fähigkeiten der Mitarbeitenden durch Trainings steigern.
Einschätzung Benchmarking und Best Practice sind sehr leistungsfähige Methoden in der Praxis. Doch vielfach wird übersehen, dass »Best Practice« nicht auch »Best Strategy« heißt. Best Practice verbessert die Effizienz eines Prozesses oder liefert Impulse zur Verbesserung. Aber es ist kein Instrument zur strategischen Entscheidungsfindung. Hier kann der Herdentrieb sogar gefährlich werden. Ein Unternehmen, das seine Vorbilder kopiert, verfolgt keine eigene Strategie. Es schließt immer »eine Entscheidungsrunde« zu spät zu seinen vorbildlichen Konkurrenten auf. Je mehr letztlich alle dasselbe Wettbewerbsspiel spielen, umso mehr drückt dies auf die Margen.
Reengineering: Radikalkur für mehr Effizienz In den letzten Jahren haben viele Unternehmen die Beseitigung von Ineffizienzen zum wichtigsten Ziel erklärt. So wurden verschiedenste strategische Initiativen lanciert, um die Unternehmen wendiger und schlanker zu gestalten. 182
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Firmen unterzogen sich dem »Reengineering«, der »Restrukturierung«, dem »Downsizing«, dem »Enterprise Resource Planning (ERP)«, dem »Rightsizing«, dem »Multi-Channelling« oder dem »Customer Relationship Management«. Alle diese Ansätze verfolgen nur ein Ziel: »mehr durch weniger« zu erreichen. Mehr Effizienz, schlankere Strukturen, beschleunigte Prozesse sollen nicht nur den Einsatz der Ressourcen optimieren, sondern auch die Wendigkeit am Markt und gegenüber Wettbewerbern erhöhen. Strategien entfalten dann ihre volle Wirkung, wenn das Unternehmen darauf vorbereitet ist. Insbesondere sind neben unternehmenskulturellen Aspekten vor allem Effizienz-, Struktur- und Prozessthemen immer weiter zu optimieren. Optimierte Geschäftsprozesse bringen auch eine neue Strategie erst richtig zum Tragen. Sie geben ihr den notwendigen Schub. Geschäftsprozesse sind die Bahnen, in denen sich die Strategieumsetzung überhaupt erst entwickeln kann. So erfordern neue Strategieansätze oft ein Redsign der Geschäftsprozesse (business process redesign, BPR). Dieses »Businessprozess-Redesign« wird oft in die Schublade der knallharten, radikalen Kostensenkungsprogramme geschoben. Doch das stimmt nicht ganz. Obwohl Reengineering in der Geschäftspraxis häufig zur Legitimierung eines massiven Stellenabbaus missbraucht wurde, sind seine Ideen, Prinzipien und Methoden sinnvoll eingesetzt wertvoll. Doch was ist Business Process Reengineering überhaupt? Im Sommer 1990 erschien in der Harvard Business Review ein Artikel von Michael Hammer, der damals Professor an der Harvard University war. Der Titel lautete »Reengineering Work: Don’t Automate, Obliterate« (Automatisiere nicht, sondern streiche weg).114 Der Harvard-Artikel hatte große Resonanz, da in dieser Zeit viele Unternehmen vor großen Wettbewerbsherausforderungen gegenüber der asiatischen Konkurrenz standen. Sie suchten nach Wegen, um ihre Kosten durch Automatisation, Normierung oder Standardisierung zu senken. Michael Hammer sah jedoch das Problem nicht in der mangelnden Automatisierung, sondern in der Organisation der Abläufe. Er empfahl daher, dass sich das Management besser mit der Frage befassen sollte, welche Geschäftsprozesse überhaupt unabdingbar sind und wie man den Gesamtprozess optimieren könnte. Reengineering »bedeutet, die konventionellen Weisheiten und tradierten Annahmen der Vergangenheit über Bord zu werfen; (…) eine neue Struktur für die Unternehmensprozesse zu finden, die den Strukturen vergangener Zeiten wenig oder gar nicht ähnelt; (…) im Grunde geht es um die Umkehr der industriellen Revolution; (…) die Tradition zählt nicht mehr, Business Reengineering ist ein neuer Anfang.«115 Das Business Reengineering ist ein Managementinstrument zur Restrukturierung von Unternehmen oder Teilen davon. Ausgangslage des Business Reengineering ist die radikale Überprüfung sämtlicher Geschäftsabläufe am Reißbrett in Bezug auf ihre Effizienz, ihren Schlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform
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Nutzenbeitrag für den Kunden und ihren sonstigen Effekte. Das Verfahren startet mit einem leeren Blatt Papier. So werden bestehende Abläufe durch diesen »Grüne-Wiese-Ansatz« grundsätzlich infrage gestellt. Jeder Prozess muss seine Existenz rechtfertigen. Das Management stellt sich die Frage: »Wie würden wir diesen Prozess gestalten, wenn wir das Unternehmen heute neu gründen würden?« Das Verfahren ist enorm leistungsfähig, da es nicht einzelne Prozesse herausgreift, sondern das Unternehmen ganzheitlich betrachtet. Für viele Führungskräfte ist Business Reengineering zudem ein Erkenntnisgewinn für die tagtägliche und strategische Führungsarbeit. So wird die übliche Betrachtung in statischen funktionalen »Silos« (wie beispielsweise Marketing, Produktion, Forschung) überwunden. Neu ist die wirklichkeitsnähere Betrachtung des Geschehens in einer dynamischen Prozessperspektive. Schlüsselprozesse und Kernkompetenzen können leicht identifiziert, ausgebaut und verstärkt werden, um die Differenzierung und Leistungsfähigkeit des Unternehmens im Wettbewerb zu fördern. Die Reengineering-Bewegung fußt auf zwei Quellen. Die erste ist die japanische Qualitätsbewegung, die stark auf schlanke, flexible und Just-in-TimeProzesse setzt. Die zweite ist die amerikanische Vorstellung, Unternehmen komplett von A bis Z grundsätzlich in einer radikalen Weise neu zu gestalten. Das Reengineering hat gerade deshalb viel Kritik einstecken müssen. Es sei ein Verfahren, das nicht den Menschen ins Zentrum stelle, sondern die Effizienz. Doch dies stimmt nur bedingt. • Reengineering ist an und für sich weder »gut« noch »schlecht«, sondern es
sind die Führungskräfte, die es positiv oder negativ anwenden. • Setzt man Reengineering professionell ein, so kann es − zumindest über eine
begrenzte Zeitspanne hinweg − die Effizienz des Unternehmensgeschehens deutlich steigern. Dadurch verbessert sich auch seine »Zukunftstauglichkeit«. • Reengineering kümmert sich nicht um strategische Fragestellungen und bedarf daher strategischer Aussagen im Vorfeld, die dem ganzen Geschehen die notwendige Richtung geben. Erst die Strategie gibt den Einspar- und Effizienzanstrengungen einen Sinn und Zweck. Hier setzt die Kritik an, dass ohne Einbezug der strategischen Rahmenbedingungen bei umfassenden Projekten allzu leicht zentrale Kernkompetenzen für die Zukunft »wegrationalisiert« werden. So kann Reengineering für das Unternehmen zu einem schmerzvollen strategischen Aderlass führen. Ausgangspunkt der effizienzsteigernden Aktivitäten ist die Wertschöpfungskette des Geschäfts. Hier werden sämtliche Aktivitäten einzeln und nacheinander kritisch durchleuchtet, auf ihren Beitrag zum Kundennutzen und auf ihre Produktivität hin untersucht. 184
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Einschätzung Die von Michael Hammer und James Champy propagierte »Revolution« des Business Process Reengineering wurde in vielen Unternehmen zu einem Misserfolg, weil die strategischen Grundlagen nicht gegeben waren, die Unternehmenskultur zu wenig integriert war und die mittleren Führungskräfte sowie die Mitarbeiterschaft zu wenig aufgeklärt, trainiert und einbezogen wurden. Mit Verfahren lassen sich Menschen nicht instrumentalisieren. Da bleiben Flops nicht aus. Unternehmen handeln eher evolutionär, Radikalkuren führen gerne zu offenen Konflikten und Widerständen. Zudem macht das Business Reengineering oft vor der Topmanagementetage halt, was für den Gesamtprozess nicht besonders förderlich ist. Das Reengineering von Champy und Hammer empfiehlt eine »Strategie des Bombenwurfs«, um Unternehmen einer Schlankheits- und Verjüngungskur zu unterziehen. Diese steht im krassen Gegensatz zur sanften Vorgehensweisen der kleinen Schritte. Die Effekte in Unternehmen sind ähnlich wie bei radikalen Abmagerungskuren auf der persönlichen Ebene. Die großen Mühen und Anstrengungen lohnen sich in Anbetracht der negativen Effekte kaum. Statt wie bei den japanischen Verfahren der Optimierung von Qualität, Kosten, Effizienz und Innovation geht der amerikanische Ansatz brachial vor. Dabei werden viel Substanz, Kultur, Erfahrung, aber auch finanzielle Werte zerstört. Oft verfolgt das Management die Absicht, ein »Downsizing« zu realisieren, das heißt das Unternehmensgeschehen auf das Notwendigste zu reduzieren. Alles, was einmal entwickelt und gestaltet wurde, gilt plötzlich nichts mehr. Sämtliche Prozesse sind »Tabula rasa« auf »ungültig« gestellt. Dieser rücksichtslose, brutale Ansatz stößt daher in seiner reinen Form in der Praxis auf verständliche Widerstände seitens der Belegschaft, aber auch seitens des Managements. Auch in der Wissenschaft scheiden sich die Geister beim Thema Reengineering über Wert und Unsinn. Trotzdem erhält Reengineering das Prädikat »wertvoll«. Warum? Der Ansatz setzt nicht notwendigerweise am Bekannten, Traditionellen, Erfahrenen und Erfolgsgewohnten an. Der Vergangenheit wird nicht schon von Anbeginn an gehuldigt. Das Business Process Reengineering unterstützt das wertfreie und konsequente Denken, um ein Unternehmen wieder schlank und rank zum Erfolg zu führen. Dabei geht auch der Kunde nicht leer aus. Die Überlegungen der Geschäftsprozesse müssen an seinen Nutzen ansetzen. »Was will der Kunde wirklich? Wie erbringen wir für den Kunden die Leistungen effizient?« sind zentrale Themen. In den Zeiten des enormen Wandels unserer Geschäftswelt zählen vergangene Erfolgsmuster nur beschränkt. Sie daher als gegeben zu betrachten ist fahrlässig. Wilde Zeiten diskontieren Erfolgsregeln und Erfolgsprozesse rasch, das heißt, man muss Erfahrungen relativ rascher »abschreiben« als unter ruhigeren, stabileren Verhältnissen. Oder zumindest immer wieder kritisch hinterfragen. Dies ist per se nichts Verwerfliches. Die daraus resultierenden Maßnahmen müssen Schlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform
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aber noch lange nicht brachial umgesetzt werden. Das Denken soll radikal sein, das Handeln hingegen maßvoll. Es ist sinnvoller, die Optik auf ein »Rightsizing« statt auf ein radikales »Downsizing« zu lenken. Die »Strategie des Bombenwurfs« ist durch die Methode der kleinen Schritte zu ergänzen. Die japanische Industrie hat dies exemplarisch vorgemacht. Erfahrungen der Praxis zeigen, dass vor allem diejenigen Vorgehensweisen erfolgreich sind, bei denen kontinuierliche Verbesserungsschritte mit umfassenderen Veränderungsinitiativen gekoppelt werden. Der kontinuierliche Prozess verbessert in erster Linie Bestehendes, das radikale Vorgehen regt mehr zu innovativen Vorgehensweisen und Lösungen an. Tom Peters, der amerikanische Managementexperte, bemerkte auf einer Managementkonferenz in diesem Sinn lakonisch: »Wollen Sie mit Ihrem Unternehmen wirklich Erfolg haben, dann müssen Sie es in der heutigen Zeit mindestens alle fünf Jahre radikal neu erfinden.«116
Lean Management: Führen nach dem ökonomischen Prinzip Der amerikanische Ingenieur Frederick Winslow Taylor (1856 – 1915) steigerte zu Beginn der Industriellen Revolution durch sein Prinzip der Arbeitsteilung die Effizienz der menschlichen Arbeitsleistung gewaltig. Was steckt hinter seinem »Scientific Management« oder auch »Taylorismus« genannten Ansatz? Frederick W. Taylor verfolgte die Idee, Produktivitätssteigerungen durch eine aufgabenmäßige Arbeitsteilung zu erreichen, ohne die physische Belastung seiner Mitarbeiter anzuheben. Er studierte die einzelnen Arbeitsschritte in einem Produktionsprozess minutiös. Aufgrund der Analyse leitete er methodische Grundsätze ab: Aufgaben sind in möglichst kleine, homogene Arbeitsschritte aufzuteilen. Die Qualifikation der Mitarbeitenden ist genau auf die Arbeitsschritte zu spezialisieren. Der Akkordlohn verstärkt die individuelle Leistungsbereitschaft und wirkt als materielles Anreizsystem. Zudem etablierte er ein umfassendes System der »wissenschaftlichen Betriebsführung« (scientific management), indem er das gesamte Geschehen in einem Betrieb statistisch zu erfassen suchte. Er war bestrebt, den Gesamtprozess sukzessive effizienter zu gestalten. Taylor kommt das Verdienst zu, nicht nur die Arbeitsteilung auf eine industrielle Basis gestellt zu haben, sondern das Unternehmen auch in der Form von Prozessen zu verstehen. Das zeitgemäße »Lean Management« knüpft an die Überlegungen von Frederick W. Taylor an. Dabei steht »lean« für fit, schlank, athletisch und wendig. Das »Schlanke Management« hat seinen Ursprung in den 60er Jah186
Handbuch der Strategien
ren in der japanischen Industrie. Dieses Schlankheitsdenken orientiert sich an den verschiedenen Prozessen eines Unternehmens. Dabei werden die einzelnen Tätigkeiten und Arbeitsvorgänge detailliert untersucht, um Verschwendung, Überschuss und Ineffizienz aufzudecken. Lean Management zielt aber nicht nur auf die Senkung der Kosten. Heute steht das Gewinnen von Zeitvorteilen ebenso im Zentrum. Wichtig ist auch, dass die einzelnen Prozesse dem Kunden einen erkennbaren Mehrwert bieten. Richtet man das Unternehmensgeschehen nur an Effizienzkriterien aus, führt dies zwar immer zu schlankeren Prozessen und sinkenden Kosten, doch das Verständnis für den Gesamtprozess geht unter. Theoretisch kann die Effizienzsteigerung immer weiter getrieben werden, bis sich das Unternehmen »zu Tode spart«. Doch genügt es wirklich, Effizienzführer zu sein, um im Wettbewerb die Nase vorne zu haben? Nein. Beim japanischen Management hat der Kunde die höchste Priorität, und die Effizienz steht immer erst auf Platz zwei. Die Effizienz im Unternehmen wird kontinuierlich weiter verbessert, aber immer nur so weit, um dem Kunden die erforderliche Qualität zu einem kompetitiven Preis bieten zu können. Effizienz muss kundenfokussiert sein. Ein erfolgreiches Lean Management soll den Kosten-Nutzen-Wert für den Kunden verbessern. Lean Management schafft Werte für Kunden mit möglichst geringer Verschwendung. Westliche Führungskräfte gehen (fälschlicherweise) gerne davon aus, dass zwischen Produktivität, Zeitbedarf und Qualität ein konkurrierendes Verhältnis existiert. Das heißt, dass ein Mehr an Qualität nur bei höheren Kosten, längeren Durchlaufzeiten oder einer niedrigeren Produktivität zu erzielen ist. Lean Management hingegen betrachtet die Erfolgsfaktoren Produktivität und Qualität nicht als gegensätzlich, sondern als komplementär. Lean Management hat sich zu einem umfassenden Führungssystem gemausert. Sein Ursprung basiert auf dem Toyota Management System von Toyoda Sakichi (1894 – 1952), dessen Botschaft es war, den Menschen ins Zentrum bei der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zu stellen. Ein Kernmerkmal des Lean Management ist es daher, bestehende Strukturen, Prozesse, Tätigkeiten oder Verhaltensweisen immer wieder durch die Mitarbeitenden selbst auf ihren Sinn und auf ihre Effizienz hinterfragen zu lassen. Damit werden nicht nur die Durchlaufzeiten, Losgrößen, Fehlerraten, Liefermengen und Kosten reduziert, sondern auch die Organisationsstruktur kontinuierlich effizienter gestaltet. Lean Management beabsichtigt, flache Hierarchien zu etablieren und den »Kosten-Nutzen-Wert« in tagtägliche Einscheidungen einzubeziehen. Die Basis des Lean Management ist das »Lean Thinking«. Danach ist bei jedem Vorgang die Frage nach effizienten Alternativen zu stellen: Könnte man diesen Schritt günstiger oder effizienter gestalten, um denselben Nutzen zu erreichen? Schlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform
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Aufgrund der wachsenden japanischen Herausforderung für die US-Industrie lancierte das Massachusetts Institute of Technology (MIT) 1985 ein umfassendes Forschungsprogramm.117 Dieses sollte den amerikanischen Marktanteilsverlusten, insbesondere in der Automobilindustrie, auf den Grund gehen. Das International Motor Vehicle Program (IMVP) analysierte etwa 100 Montagewerke in 17 verschiedenen Ländern. Die Ergebnisse der forschenden Ökonomen James P. Womack, Daniel T. Jones und Daniel Ross wurden in einem Buch im Jahr 1990 publiziert. Sie rüttelten die westliche Industrie wach. Die Studie bescheinigt den asiatischen Herstellern einen klaren strategischen Vorsprung im Wettbewerb im Bereich der Fertigungstechnologie. Die japanischen Autobauer sind Produktivitäts- und Qualitätsleader. Dieser Bericht wird als die Geburtsstunde der weltweiten Lean-Management-Bewegung angesehen. Heute konzentriert sich Lean Management nicht nur auf die Fertigung von Gütern. Das Konzept bezieht auch andere Funktionen wie Beschaffung, Vertrieb, Forschung, Entwicklung, Design oder gar administrative Bereiche mit ein. Es ist ein integratives Managementkonzept und eine Managementphilosophie zugleich. In neueren Konzepten werden auch Wertschöpfungsprozesse außerhalb des Unternehmens (zum Beispiel von Lieferanten) einbezogen. So wird Lean Management zu einem umfassenden Ansatz. Der Erfolg des Managementkonzepts liegt nicht in seinen Methoden und Instrumenten, wie Teamarbeitsformen, »Simultaneous Engineering«, »Just-in-Time«, »Kaizen«, TQM und vielem mehr, sondern im Zusammenspiel dieser Komponenten mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens auf Kundenorientierung, Effizienz und Effektivität. Die Strategie des Lean Management setzt auf folgende Elemente: • schlanke Herstellung, schlanke Forschung und Entwicklung, schlanke Ad-
ministration … sowie schlanke Führung, Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen, Optimierung sämtlicher Geschäftsprozesse eines Unternehmens, unternehmensweite Orientierung an den Nutzen der Kunden, kontinuierliche Verbesserungsprozesse (in Sinne des Kaizen), dezentrale Strukturen für flache Hierarchien, offene Information, intensive Kommunikation, unternehmensweite Motivation und persönliches Engagement für das Ganze, • umfassende, breite und permanente Weiterbildung (lebenslanges Lernen), • enge Zusammenarbeit mit den Partnern innerhalb und außerhalb des Unternehmens. • • • • • • •
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Geschäftsprozessmanagement: Vom Schlankheitsdenken zum Management der Wertschöpfung Dank des rasanten Fortschritts und der gestiegenen Leistungsfähigkeit der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien dynamisieren sich ebenfalls die Instrumente der Unternehmensführung. Diese erlauben es der Geschäftsleitung, rascher und umfassender vernetzte Informationen zum Unternehmensgeschehen für wichtige Entscheidungen zusammenzuführen. In modernen Unternehmen wird die strategische Flexibilität stark durch die Leistungsfähigkeit der Informationstechnik bestimmt. Ein Beispiel veranschaulicht diese Beziehung: Fusionen von Unternehmen sind oft dem Untergang geweiht, weil ihre Daten-, Informations-, Kommunikations- und Applikationsstrukturen nicht zusammenpassen. So können noch so ideale synergistische Strategien aufgrund von IT-Konflikten kaum realisiert werden. Die Unternehmen finden keine gemeinsame Daten- und Informationsbasis. Sie stehen nicht auf demselben Fundament. Bei der Fusion der KLM mit der Air France spielte die IT ebenfalls eine entscheidende Rolle. Kundenservice ist im Airline-Business der wichtigste Wettbewerbsfaktor. In der Flugbranche sind viele Servicekonzepte informatikgestützt (zum Beispiel die Meilenbonusprogramme). Diese beiden großen Airlines hatten aber das Glück, bei der internen Gestaltung ihrer jeweiligen Geschäftsprozesse dieselben Applikationen, dieselben Methoden und dieselben IT-Tools zu nutzen. Dies erlaubt (zumindest) auf der IT-Seite des Geschäfts eine gemeinsame Sprache, was das Zusammenwachsen enorm erleichtert. Nun können die Geschäftsprozesse der beiden Airlines in relativ kurzer Zeit zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Das vereinte »Geschäftsprozessmanagement« trägt nun erheblich dazu bei, die definierten gemeinsamen strategischen Absichten zu realisieren, sich konsequent an den Wünschen der Kunden auszurichten und das neue Unternehmen auf Effizienz zu trimmen. Die IT-Systeme werden so zu einem zentralen Hebel, um die kundenorientierte Strategie zum Erfolg zu führen. Viele Unternehmen leiden unter unklaren Zielvorgaben, kennen ihre Erfolgsfaktoren im Markt zu wenig und haben unklare Vorstellungen davon, was ihre Kunden wirklich von ihnen wünschen. Dementsprechend ungeklärt sind ihre Angebotskonzepte. Dies sind Defizite im Bereich der Strategie oder Effektivität (»Die richtigen Dinge tun«). Aber auch im Bereich der Performance und Produktivität sind Defizite feststellbar. Anzeichen hierfür sind hohe Kapitalkosten, Beanstandungen von Kunden, Lieferengpässe, zu lange Durchlaufzeiten oder hohe Lagerbestände. Dies alles drückt auf die Effizienz (»Die Dinge richtig tun«). Das »Geschäftsprozessmanagement« geht die Effektivitäts- und Effizienzprobleme ganzheitlich gemeinsam an. So werden Unternehmensstrategie und Businessprozesse miteinander verknüpft. Schlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform
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Die leistungsfähige informatorische Steuerung des Unternehmens erlaubt auch fließende Strategie- und Organisationsformen, die sich direkt und konsequent am Kunden orientieren. Die Stärke der neuen Managementsysteme der Unternehmenssteuerung liegt in ihrer Vernetzung von Einzelkomponenten zu einem interaktiven Ganzen. Diese integrierten, strategiebezogenen Managementsysteme verweben den Informations-, Kommunikations-, Material- und Geldfluss geschäftsprozessbezogen miteinander. Sie gestatten es sogar, externe Unternehmen in einen Geschäftsprozess einzubinden. Daraus entstehen globale Wertschöpfungsnetzwerke, welche die Fähigkeit zur flexiblen Anpassung in sich tragen. Doch was sind »Geschäftsprozesse«? Ein Geschäftsprozess ist eine Folge von Aktivitäten zur Erzielung eines ökonomischen Ergebnisses. Geschäftsprozesse sind eng mit »Projekten« verwandt. Projekte haben aber eher den Charakter der Einmaligkeit, Geschäftsprozesse hingegen werden häufig durchlaufen. Die Geschäftsprozessbetrachtung liegt »quer« zur traditionellen Organisationsstruktur eines Unternehmens, welche Aufgaben in relativ in sich abgekapselte Funktionsbereiche packt. Geschäftsprozesse zeigen, wer bei einem Ablauf welche Funktionen erfüllt, um eine Leistung zu erbringen. Der Prozess beschreibt das Zusammenwirken von Personen, Material, Informationen und Entscheidungen im Zeitablauf. Geschäftsprozesse sind eine zusammengehörende Kette von Tätigkeiten, deren Ziel es ist, eine Leistung beziehungsweise einen Wert zu erschaffen, die oder der von einem internen oder externen Kunden nachgefragt wird. Das »Business Process Management« (BPM), auch Geschäftsprozessmanagement (GPM) genannt, ist ein integriertes, IT-gestütztes Führungskonzept, welches viele der bisher besprochenen Konzepte in sich vereint.118 Bei der »Geschäftsprozessmodellierung« werden die einzelnen Geschäftsprozesse von der Wirklichkeit abstrahiert und dann heute unter Zuhilfenahme professioneller, leistungsfähiger Computerprogramme modelliert (vergleiche Abbildung 31). Seine zentrale Fragestellung lautet: »Wer macht was, wann, wie, womit und mit wem?« Jeder Geschäftsprozess setzt bei einer Leistung für einen (internen oder externen) Kunden an, weshalb man auch vom »Kundenprozess« spricht. Die Prozesskette unterliegt der Optimierung in Bezug auf Zeit, Kosten, Effizienz und Werthaltigkeit für den Kunden. So sollen überflüssige Abläufe und Aktivitäten vermieden, artverwandte Tätigkeiten gebündelt, nicht »wertschaffende« Aufgaben ausgelagert, manuelle Abläufe automatisiert und Zuständigkeiten geklärt werden. Durch diese Geschäftsprozesse entstehen ökonomische Werte in effizienter Weise. Das Geschäftsprozessmanagement fragt sich auf einer strategischen Ebene: »Was ist unsere Geschäft? Wo liegt unsere Wertschöpfung? Welche Kernprozesse benötigen wir dafür?« Auf einer operativen Ebene kümmert es sich um die Frage: »Wie erstellen wir unsere Produkte? Wie steu190
Handbuch der Strategien
Abbildung 31: Geschäftsprozessmanagement 7IE¬GESTALTEN¬WIR¬UNSERE 7ERTSCHÚPFUNG
"USINESSMODELL
#USTOMER¬2ELATIONSHIP ¬-ANAGEMENT
'ESCHËFTSPROZESSE
$URCH¬WELCHE¬0ROZESSE¬ ERSTELLEN¬WIR¬UNSERE !NGEBOTE
7ELCHE¬2ESSOURCEN BENÚTIGEN¬WIR
3TRATEGISCHE 'ESTALTUNGSEBENE
3TRATEGIE +ERNKOMPETENZEN
3UPPLY¬#HAIN¬-ANAGEMENT
0ROZESSMODELLIERUNG
0ROZESSMANAGEMENT 2EENGINEERING
E"USINESS +NOWåHOW
/RGANISATION !NLAGEN
&INANZEN
)NFORMATIK
-ITARBEITER
2ESSOURCENå MANAGEMENT
'ROUPWARE "USINESS¬%XCELLENCE¬%&1-
7IE¬STEUERN¬WIR¬DAS OPERATIVE¬'ESCHËFT
+AIZEN 3YSTEME
%20
+ENNZAHLEN
7IE¬STEUERN¬UND¬VERBESSERN WIR¬DAS¬"USINESS
"ALANCED 3CORECARD
4RAINING
.ORMEN -)3¬å¬#OCKPIT
7ORKFLOW
7ORKFLOWå -ANAGEMENT
3CORECARDS
"USINESSå#ONTROLLING ¬¬)NFOMANAGEMENT
ern wir das operative Geschäft? Wie kann das Geschäft effizienter gestaltet werden?« Mitarbeiter bekommen in der Sichtweise des Geschäftsprozessmanagements nicht mehr nur die Verantwortung für Aufgabenpakete, sondern für ganze Prozesse oder Prozessketten. Dadurch wird der Entscheidungs- und Handlungsspielraum für den Einzelnen vergrößert und seine Sichtweise des Geschehens verbessert. Es wäre aber falsch zu glauben, dass die hierarchische Struktur (Organisationsstruktur) durch das Prozessmanagement abgelöst wird. Die autoritären, funktionalen Strukturen behalten weiterhin ihren Zweck, werden aber ergänzt. So kann das Management sozusagen das Beste aus zwei Welten nutzen. Prozessbezogene Teams erhöhen die Wendigkeit hinsichtlich Marktveränderungen und Kundenwünschen. Die funktionale Hierarchie kümmert sich um die Leitungsstrukturen, die strategische Ausrichtung des Geschäfts und um deren Umsetzung.
Einschätzung Aufgrund seiner umfassenden Effekte für die Agilität, Anpassungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit von Unternehmen ist das Business Process Management weit mehr als nur eine technologische Modeerscheinung. Informations- und Kommunikationstechnologien (Hard- und Software) werden damit zu strategischen Erfolgstreibern. Wer informations- und kommunikationstechnisch nicht über leistungsfähige Instrumente verfügt, wird kaum professionell in der Lage sein, Schlankmacherstrategien: Schlank und rank in Bestform
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bestimmte Strategien zu verfolgen. Um die Wertkette (Value Chain) zu restrukturieren, bedarf es zeitgemäßer Instrumente und flexibel analysierbarer und umstrukturierbarer Datenbestände. Die strategische Intelligenz und strategische Wendigkeit werden im viel beschworenen Informationszeitalter immer mehr technologiegetrieben. Damit gehört das »Business Process Management« auf die Agenda der Geschäftsleitung. Noch allzu häufig wird die Thematik an die Verantwortlichen im Informatikbereich abgeschoben. Doch Business Process Management ist eine Konvergenz aus Informations- und Kommunikationstechnologie in Verbindung mit dem strategisch wichtigen Geschäftsmodell. Und damit trifft Business Process Management das Herzstück des Geschäfts und hat strategische Bedeutung.
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Handbuch der Strategien
Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
Der Dumme hält Ordnung. Das Genie beherrscht das Chaos. Sprichwort
Geschäftsdynamik: Neue Welt, neues Denken Intensiver Wandel gestaltet die Geschäftswelt permanent. Märkte schrumpfen, wachsen, verändern oder verschieben sich. Doch Veränderung an sich ist nichts Neues. Auch wenn man alte Managementliteratur durchblättert, taucht das Thema immer wieder auf. Anpassung und Change waren schon immer zentrale Führungsthemen, denn erfolgreiches Geschäft und Innovation bedeuten Fortschritt. Doch die Situation hat sich in den letzten Jahren verschärft. Die Veränderungsraten beunruhigen und verunsichern Führungskräfte, Mitarbeitende, Politiker und Kunden gleichermaßen. Die Wandeldynamik ist oft so groß, dass die Zeit für Anpassungen in Unternehmen zu fehlen scheint. Es ist nicht mehr immer möglich, sich auf jede neue Marktkonstellation in idealer Weise einzustellen. Alle Unternehmen und alle Branchen sind vom Wandel betroffen. Kleine und mittlere Unternehmen sind diesen Veränderungen, Überraschungen und Ungewissheiten ebenso ausgesetzt wie global agierende Konzerne. Die Dynamik macht auch vor Landesgrenzen nicht Halt. Viele Ansätze des strategischen Managements verlieren in diesen dynamischen Situationen ihre Wirksamkeit, da sie aus einer anderen Zeit stammen. Die klassischen Praktiken und Prozedere der Strategieentwicklung und -realisierung stoßen in den letzten Jahren an ihre Grenzen. Vieles wird von Führungskräften oft nur noch als Ritual empfunden. Es macht daher immer weniger Sinn, Strategien »top-down« zu entwickeln, Strategien »langfristig« nach einem festen Zehn-Jahres-Muster auszulegen, Strategien als einen »idealen Endzustand« zu definieren, Wertsysteme als »Unité de Doctrine« zu verabschieden oder Pläne »akribisch und zentral« zu entwerfen. Einer »vorgedruckten« Landkarte in einem sich ständig verändernden Terrain zu folgen kann ein gefährliches Unterfangen sein. Der Strategieexperte Gary Hamel stellte fest, dass die Dynamik der Geschäftswelt weitaus höher ist, als es Unternehmen bisher gelungen ist, ihre inDynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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terne Dynamik darauf auszurichten.119 Es ist daher klar, dass auch Managementmethoden, Strategien und Führungssysteme sich an dieser oft auch wild erscheinenden Dynamik zu orientieren haben. Doch bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass es eigentlich weniger die Verfahren, Methoden oder Instrumente sind, die angepasst werden müssen, als vielmehr das strategische Denken. Überholte Vorstellungen trüben den Blick auf die Dynamik. Die strategische Perspektive sollte sich den Veränderungen im Gleichschritt anpassen. Das Strategieverständnis ist einem »Reality Check« zu unterziehen und selbst zu hinterfragen. Ein neues strategisches Denken wird notwendig. Dieses neue Denken sucht nach unkonventionellen, neuen Impulsen in anderen wissenschaftlichen Feldern. Vor allem die Allgemeine Systemtheorie, Kybernetik, Chaostheorie und Spezialgebiete aus wissenschaftlichen Disziplinen wie der Neurologie, Wetterkunde oder Biologie werden für den »Reality Check« strategischer Themen herangezogen. Viele der neuen Ideen fußen auf dem Konzept der Selbstorganisation und der Vorstellung, dass das Management nicht alles logisch-rational vorherbestimmen kann, um den geschäftlichen Erfolg sicherzustellen. Eine der zentralen Konsequenzen aus der gestiegenen Beschleunigung der Umfelddynamik ist es daher, die Taktrate der eigenen Geschäftstätigkeit zu erhöhen (vergleiche Abbildung 32). Damit ist nicht eine wilde »Aktionitis« gemeint. Dies würde zu einer Überforderung, Überlastung und letztlich ins
Dynamik
Abbildung 32: Erhöhung der strategischen Taktrate
Umfelddynamik Strategiedynamik Strukturdynamik heute
gestern Zeitachse
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Handbuch der Strategien
Chaos führen. »Aktionitis« ist das Gegenteil von Strategie. Charles H. Fine, Professor für Management am MIT in Cambridge, hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich die interne Taktrate (clockspeed) in Unternehmen erhöhen lässt. 120 Er empfiehlt, sich auf drei Felder zu fokussieren: 1. auf die Produkttechnologie, 2. auf die Prozesstechnologie und 3. auf den Managementprozess selber. Dabei hat er festgestellt, dass die ersten beiden Bereiche sich relativ rasch an die Markt-, Wettbewerbs- und Kundendynamik anpassen. Der dritte Bereich hinkt aber in Unternehmen gerne hinterher. Strategien werden spät angepasst, alte Strategien oft zu spät für ungültig erklärt, Entscheidungswege und Organisationsstrukturen zu langsam adaptiert. Neue strategische Konsequenzen müssen zur Folge haben, dass bisherige strategische Regeln, Praktiken und Geschäftsroutinen aktiv außer Kraft gesetzt werden. Sie sind abzubauen. Unternehmen müssen sich nicht nur darauf ausrichten, immer wieder Neues »zu erlernen«, sondern darauf bedacht sein, auch engagiert zu »entlernen« (unlearning). Nur so kann alter, die Zukunft hemmender Verhaltensballast entsorgt werden. Dies schafft Freiräume und Kapazitäten für Neues.121
Strategische Frühaufklärung: Gestern Prognosen, heute Überraschungen Das Gebiet der strategischen Frühaufklärung wurde maßgeblich durch die Arbeiten des »Vaters des strategischen Managements« H. Igor Ansoff begründet. Frühaufklärung will sogenannte Schwache Signale (weak signals) im Umfeld eines Geschäfts identifizieren und mögliche Konsequenzen für den weiteren Geschäftsverlauf interpretieren. Für den Begriff der »Schwachen Signale« existiert keine allgemein anerkannte Definition. Doch welche Idee verbirgt sich dahinter? Schwache Signale sind Trendinformationen, die für das Business relevant sind. Das Hauptproblem der »Weak Signals« ist, dass man eigentlich immer erst retrospektiv mit Bestimmtheit weiß, ob der Trend auch eine Zukunft hat und ob er für das Geschäft relevant ist. Doch schwache Trendsignale lassen sich zwar nicht genau, aber trotzdem »in groben Umrissen« erkennen. Schwache Signale sind Ereignisse, Geschehnisse oder Faktoren, die sich plötzlich oder in einem überraschenden Ausmaß ändern. Durch diese Veränderung könnten diese daher auch für das Geschäft in naher oder fernerer Zukunft bedeutsam werden. Die Interpretation Schwacher Signale ist nie eindeutig und lässt immer mehrere alternative Entwicklungen offen. Ihre Quellen können Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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Statistiken, Kennzahlen, Prognosen, Studien, Trendbeobachtungen, aber auch nur Gespräche unter Führungskräften, Meinungen von Experten, Firmenbesuche, Ideen oder Stellungnahmen in der Fachpresse sein. Jedes Business muss, um zukunftsfähig zu sein, ein für seine Belange angepasstes System der »strategischen Frühaufklärung« entwickeln. Nur so kann es feststellen, wo neue attraktive Geschäftschancen oder potenzielle Gefahren liegen können. Folgende drei Verfahren werden in der Praxis zur Erkundung der Zukunft eingesetzt. Beim »Scanning« werden die Markt- und Umfeldinformationen systematisch in periodischen Abständen gecheckt, gesichtet und verdichtet. Das Umfeld des Unternehmens wird sozusagen systematisch mittels vorgegebener Raster durchkämmt. Das »Monitoring« hingegen geht unsystematischer und punktueller bei der Zukunftserforschung vor. Es verfolgt konkrete Fragestellungen. Dies bietet den Vorteil, Erkenntnisse und Einsichten in einer reichhaltigen Form zu liefern. So nutzen viele Unternehmen zuerst ein grobes Scanning, bei dem »Schwache Signale« identifiziert werden. Diese werden dann in einem Folgeschritt vertiefter analysiert und interpretiert. Einen dritten Weg beschreitet das »Trend-Scouting«. Seine Idee heißt: »Die Zukunft liegt auf der Straße, man muss nur wissen wo.« Bei diesem Ansatz der Zukunftsforschung begeben sich die Forscher (oft Anthropologen) direkt ins Geschehen, das für ein Business interessant ist. Die Zukunftsforscher werden zum Teil des Marktgeschehens. Sie beobachten Kunden in ihrem Verhalten ganz direkt und persönlich, sie begleiten Kunden und erleben zusammen mit ihnen Kaufprozesse, sie verwenden die Produkte gemeinsam mit den Kunden oder Nutzern oder sie helfen bei der Entsorgung des Produkts mit. Aus diesem direkten Kontakt gewinnen sie sehr tiefe Einsichten zur Gegenwart, aus der sich aber auch Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen für die Zukunft ableiten lassen. In Unternehmen können die folgenden Typen der strategischen Frühaufklärung genutzt werden:122 • Strategische Frühaufklärung der ersten Generation (frühe 70er Jahre):
Kennzahlensysteme Kennzahlen zur Entwicklung des Unternehmens oder eines Geschäftsfeldes, die (häufig) in die Zukunft extrapoliert (fortgeschrieben) oder hochgerechnet werden. • Strategische Frühaufklärung der zweiten Generation (späte 70er Jahre): Operative Früherkennung Indikatorensysteme und Schemata zur Identifikation und Analyse von Chancen und Gefahren. 196
Handbuch der Strategien
• Strategische Frühaufklärung der dritten Generation (80er Jahre): Strate-
gische Früherkennung Professionelle Chancen- und Gefahrenanalysen sowie Suche nach schwachen Signalen. • Strategische Frühaufklärung der vierten Generation (90er Jahre): Strategische Frühaufklärung Integrative und vernetzte Ansätze, welche die zukünftige Umfeldentwicklung prognostizieren und Maßnahmen ableiten. • Strategische Frühaufklärung der fünften Generation (ab 2000 bis dato): »Strategisches Futuring« Modernste Verfahren, die sich mit der Entwicklung der Zukunft befassen, nutzen selbstverständlich auch Modelle, Verfahren und Techniken der Generationen I bis IV. Sie setzen aber auch auf Verfahren, welche alternativ mögliche »Zukünfte« (futuring) entwerfen. In unserer global vernetzten Geschäftswelt, die mit Ungewissheit und Überraschung nicht geizt, macht es Sinn, sich aktiv mit »denkbaren Zukunftswelten« für das eigene Business auseinanderzusetzen (vergleiche Abbildung 33). Dieses »Strategische Futuring« hat seine Wurzeln in der Szenariotechnik, dem politischen Road Mapping, der Delphi-Befragung (von Experten), aber auch in Welt des Science-Fiction.123
Abbildung 33: Strategische Aufklärung -ARKTAUFKLËRUNG
w"IG¬0ICTUREi
)NNOVATIONSAUFKLËRUNG
+UNDENERFORSCHUNG
:UKUNFTSSKIZZEN
)DEENSUCHE
3ZENARIOå TECHNIKEN
+ONKURRENZå ANALYSEN
&OKUSå GRUPPEN )NTERVIEWS 5SERå4AGEBàCHER ,EADå5SERå %INBEZUG
"EFRAGUNGEN %THNOGRAFIE
%XPERIENCEå $ESIGN +UNDENSZENARIOS
#OMMUNITIES ,EADå-ARKETå 3UBå#ULTURES "EOBACHTUNG ¬¬¬¬¬¬¬¬¬¬¬3OCIAL¬.ETWORKS 4RENDå 2EPORTING
4RENDå-ETAå "OARDS
&UTUREå ,ABS
3YSTEMå$YNAMICS
2OAD¬-APPING
$EPHIå:UKUNFTSENTWàRFE :UKUNFTSå BILDER
37/4
.EWSå#LIPPINGS "RANCHENå ENTWICKLUNGEN
%THNOå 2ESEARCH
0ATENTå#HECKS
4ECHNOå)NNOå 3COUTING
%RFAHRUNGSKURVEN "ENCHMARKING 3å+URVEN
&UTURING 3IMULATIONEN
Greifen wir als Beispiel die »Wild Cards« heraus: Wild Cards sind Karten, auf denen strategisch bedeutsame Störereignisse beschrieben werden, die wie in Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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einem Monopoly-Spiel bei der Strategiearbeit ausgespielt werden. Die Teilnehmer diskutieren dann die möglichen Effekte und Konsequenzen für das eigene Geschäft aus heutiger Sicht. Wild Cards gehen Trendbrüchen, Diskontinuitäten und Überraschungen nach. Die Fragestellung lautet: »Wie verändert sich unser Businessumfeld, wenn das Wahnsinnsereignis XY eintreten würde? Was heißt dies für die Zukunft unseres Geschäfts?« Sich mit derartigen »wilden« Ereignissen zu befassen schärft das strategische Denken, hinterfragt die gewohnte Sicht der Dinge und bringt so das zementierte Weltbild ins Wanken. Eine »Wild Card« muss nicht eintreten. Dies ist allen bewusst. Wichtig ist aber, dass man auf derartige »wilde« Ereignisse gedanklich und strategisch vorbereitet ist. Der Zweck des »Futuring« ist daher nicht die Prognose der Zukunft, sondern der Umgang mit ihr. Auch wenn Genauigkeit nicht möglich ist, so lässt sich die Zukunft trotzdem erkennen und gestalten.
Strategische Wendepunkte: Die Paranoiden werden gewinnen Das Time Magazin nannte Andrew Grove den »besten Manager der Welt«, setzte ihn auf die Titelseite und widmete ihm mehrere Artikel. Wer ist Andrew S. Grove? Grove ist einer der Mitbegründer des Chip-Giganten Intel. Er ist eine der angesehensten Führungspersönlichkeiten in den Vereinigten Staaten. Andrew Grove hat seine persönlichen Wurzeln in Ungarn. Seine Heimat verließ er nach dem missglückten Volksaufstand Ende 1956 und emigrierte in die USA. Dort studierte er an der University of California in Berkeley Ingenieurwissenschaften. Kurz nach seinem Abschluss wurde er der dritte Mitarbeiter der noch jungen Intel Corporation, die er später als CEO und Chairman führte. Intel ist heute der weltgrößte Chiphersteller, eines der Top-five-Unternehmen der USA und ein Spitzenperformer der »Fortune 500«. Andrew S. Grove schreibt Bücher, Artikel und Kolumnen zu aktuellen Fragen der Unternehmensführung und des strategischen Managements.124 Breite Beachtung fand sein unkonventionelles Buch mit dem Titel Only the Paranoid Survive. In einer verrückten Geschäftswelt, so die These des Buches, werden nur »Verrückte« wirklich große Erfolge erzielen. Denn Verrückte denken kritisch, vorsichtig, überlegt, radikal, unkonventionell und stellen selbst den Status quo infrage. Wichtig ist, dass das Management sich mit den grundlegenden treibenden Kräften seines Geschäfts engagiert auseinandersetzt, um daraus die strategischen Konsequenzen zu ziehen. Brachiale Geschäftstreiber nennt Andrew Grove »10x-Faktoren«. »10x« sind Ereignisse im Umfeld, die das bisher gewohnte Geschäft fundamental 198
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erschüttern. »10x« sind besonders heikel, da sie die Geschäftsregeln grundlegend ändern. »10x« steht dabei symbolhaft für »um das Zehnfache«. Einige Beispiele veranschaulichen die »10x«-Idee: Wird der Ton im Stummfilmbusiness eingeführt, werden davon alle Filmproduzenten, aber auch alle Schauspieler betroffen. Alte, einst gefeierte Stummfilmgrößen verschwinden, weil ihre krächzenden Stimmen nicht zum neuen Medium passen. Neue Spielregeln beleben das Business, und neue Anbieter bekommen ihre Chancen. Kommt ein großer Supermarkt in ein kleines Dorf, erschüttert dies die bestehenden Handelsstrukturen in einem weiten Umkreis. Die erste Onlinebank beunruhigte das Bankwesen. Amazon lehrte den Buchhandel nicht nur in den USA das Fürchten. Derartige »10x«-Erschütterungen zwingen Unternehmen zum radikalen Umdenken. Sie müssen sich in kurzen Phasen auf den Wandel einstellen und ihre bisherigen Strategien hinterfragen. Diese strategisch riskanten Situationen bezeichnet Andrew Grove als »Strategic Inflection Points (SIP)«, als »strategische Wendepunkte«. Für das Management sind diese strategischen Wendepunkte gefährliche Zonen. Grove vergleicht sie mit dem ruhigen Auge des Taifuns. Darin herrscht eine trügerische Stille: es ist die Ruhe vor dem stürmischen Chaos. In diesen Situationen muss entschieden werden, obwohl noch sehr viele Unbekannte vorhanden sind. Verpasst man diese Entscheidungszone, so hat man im Wettbewerb der neuen Ordnung schlechte Karten. Strategische Wendepunkte sind für das Management äußerst heikel und riskant. »Ist das Schlimmste schon vorüber? Sollen wir uns schon ändern? Ist es zu früh? Sind wir schon zu spät dran? Kommen diese Trends wirklich so dramatisch? Müssen wir wirklich radikale Maßnahmen ergreifen?« sind Fragen, die sich in diesen Situationen dem Management stellen. Strategische Wendepunkte zu verpassen kann für ein Unternehmen den Untergang oder zumindest einen massiven Rückschritt bedeuten. Es ist daher eine vordringliche Aufgabe, sich in der strategischen Führung mit den strategischen Wendepunkten für die verschiedenen eigenen Geschäfte intensiv zu befassen. Wendepunkte treten ein, wenn das bisherige strategische Modell nur noch harzig zu funktionieren scheint, sich neue Chancen oder Gefahren auftun oder sich plötzlich erfolgreichere Wettbewerber im Markt bewähren. Dies sind Indizien für eine strategische Wende. Beginnt sich das Bild der bestehenden Strategie aufzulösen, so ist ein strategischer Wendepunkt erreicht. Das bestehende Wertschöpfungsmodell ist dann zu erneuern. Strategische Wendepunkte sind Chancenpunkte, die durch ein »unkonventionelles«, alles radikal hinterfragendes Denken zu erschließen sind. Wer an der alten, bisher mit Erfolg praktizierten Strategie klebt, riskiert es, diese Chancen für den Aufschwung zu verpassen. Daher ist in derartigen Situationen ein paranoides Denken gefragt. Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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Wo findet man derartige Wendepunkte? Geschäftschancen ergeben sich in der Veränderung des Wettbewerbs, in der Veränderung des Kundenverhaltens, in der Veränderung der Marktstruktur, in der Veränderung von Komplementärangeboten oder durch Regulierung, Deregulierung oder technologische Innovationen.
Veränderungsdynamik: Zu viel ist schädlich Ein Sprichwort sagt: »Wer stehen bleibt, wird überholt.« Dieses Sprichwort gilt in der dynamischen Businesswelt von heute mehr als je zuvor. Und trotzdem, auch das Gegenteil beinhaltet einen Kern der Wahrheit: Veränderungen allein garantieren noch keinen Erfolg. Auch Unternehmen, die sich den neuen Herausforderungen anpassen, verzeichnen Misserfolge. Untersucht man diese Fälle des Scheiterns, stellt man eine Gemeinsamkeit fest. Unternehmen, die sich allzu häufig ändern, bauen eine innere Wandelresistenz auf. Zu viele aufeinanderfolgende Change-Projekte führen zu Unsicherheiten bei den Führungskräften und Mitarbeitenden. Es ist auch ein Indikator, der die Unsicherheit des Managements in Bezug auf seine strategische Ausrichtung ausdrückt. Führungskräfte lassen sich oft viel zu leicht von einem neuen Führungskonzept überzeugen und rennen dann bei mäßigem Erfolg enttäuscht zum nächsten. So wird ein Total Quality Management im Unternehmen lanciert, dann Six Sigma angestrebt, dann ein Corporate Culture Management praktiziert, anschließend folgen Kostensenkungen mit Reengineering und ein Business Process Redesign und so weiter. Folgt eine »Wunderwaffe« der nächsten, können die Betroffen den wirklichen »Schlüssel für den Erfolg« nicht mehr erkennen. Die persönliche Anpassung wird sinnlos, da Warten und Aussitzen zur besten Lösung für den Einzelnen wird. Die Entscheidungsträger strapazieren damit die Wandlungsfähigkeit ihres Unternehmens übermäßig. Führungskräfte und Mitarbeitende suchen immer wieder nach Stabilität, nicht nach Veränderungen nonstop. Die neuere Strategieforschung rät daher, den »Phasen der radikalen Veränderung« ganz bewusst »Phasen der dynamischen Stabilität« folgen zu lassen. Erfolgreiches Veränderungsmanagement ist deshalb ein Management der dynamischen Stabilität, bei dem nicht alles unter die Räder kommen darf. Um sich anzupassen oder um einen neuen Kurs einzuschlagen, muss das Unternehmen nicht neu erfunden werden. Was weiterhin funktioniert, sollte sorgfältig weitergeführt und als solches deklariert werden. Veränderung muss aber trotzdem zu einem dauerhaften Thema werden. Die betriebswirtschaftlichen Forschungen zeigen, dass Veränderungen in kleinen Schritten erfolgreicher sind 200
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als eine Häufung radikaler Veränderungswellen.125 Es findet sich in jeder Organisation immer etwas, was auch in Zukunft weiter Bestand haben kann. Drei Veränderungsstrategien führen zu einer dynamischen, produktiven Stabilität: 126 1. Veränderungsstrategie des Tüftelns (tinkering strategy) In vielen Unternehmen muss bei Change-Projekten nicht alles neu erfunden werden. Häufig wird zu viel über Bord geworden. Vielfach lassen sich bei genauerem Hinsehen schon »Keimlinge des Neuen« finden, an denen man weiter »herumtüfteln« sollte. Diese Keimlinge sind zum Wachsen zu bringen. An diesen lässt sich das Neue festmachen und der Wandel aufsetzen. So können einzelne Keime der Veränderung in kleinen Dosen an verschiedenen Stellen der Organisation realisiert werden. 2. Veränderungsstrategie des Improvisierens (kludging strategy) Führungskräfte müssen sich vermehrt wieder trauen zu improvisieren. Improvisieren hat nichts mit Unprofessionalität zu tun, ganz im Gegenteil. Auch die Meister der Improvisation, die großen Jazz-Legenden, sind hoch professionelle Musiker, die aber nicht jedes Musikstück bis ins Detail planen, sondern nur das Wesen des Stücks im Kopf, Herz und Bauch haben. Je nach Publikum improvisieren sie dann ihre Tunes. So entstehen Neues und Veränderung ohne große Ankündigung. 3. Phasenstrategie der Beschleunigung und der Beruhigung (pacing strategy) Es ist nicht zu viel auf einmal zu ändern. Die Phasen sollten klar erkennbar sein. Es gibt Phasen der dynamischen Ruhe und Phasen der radikalen Veränderung. Beide brauchen jeweils ihren Abschluss. Alle Mitarbeitenden und Führungskräfte benötigen in Zeiten radikalen Wandels immer wieder stabile Verhältnisse, um Veränderungen mittragen zu können. Jedes Veränderungsmanagement muss diese Phasen frühzeitig konzipieren und kommunizieren.
Timing-Strategien: Der frühe Vogel fängt den Wurm, aber … Heute verändern sich die Marktkonstellationen sehr rasch. Oft tauchen neue Herausforderer mit unerwarteten Innovationen auf. Für Führungskräfte und Strategen stellt sich dann die Frage, ob man sich als Innovationsleader positionieren oder möglichst rasch den Innovationen der Konkurrenz folgen soll. Ein »First Mover« ist ein Unternehmen, welches als Erstes einen neuen Markt betritt und sich dadurch erhebliche Wettbewerbsvorteile erhofft. »First Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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Mover«-Vorteile können von den nachfolgenden Unternehmen nicht leicht wettgemacht werden. Sie setzen auf das Strategiemotto: »Der frühe Vogel frisst den Wurm!« Die Markt-Ersten warten nicht darauf, bis ein Produkt perfektioniert ist, sondern besetzen möglichst rasch ein Marktfeld, um es für sich zu erobern. Ein früher Markteintritt kann dazu führen, dass ein Unternehmen seine Marktstellung besonders rasch ausweiten kann. Vor allem in den Internet-Boom/Doom-Jahren um die Jahrtausendwende war dieser strategische Timingansatz in aller Munde. Junge Start-ups wollten mit ihren kreativen Weblösungen durch einen (meist überhasteten) Markteintritt ihre Stellung gegenüber anderen Konkurrenten festigen. Sie hofften darauf, dass ihre Lösungen sich zu Standards entwickeln würden. Auf welche strategischen Vorteile setzt der »First Mover«? Pioniere können meist für eine kurzfristige Zeitspanne eine monopolartige Stellung innerhalb einer bestimmten Zielgruppe erringen. Dies verschafft ihnen die Möglichkeit, überproportional hohe Preise für ihre Angebote durchzusetzen. Doch in der Praxis lassen sich diese (erhofften) Preisvorteile schwer durchsetzen. Die Vorteile dieser strategischen Stoßrichtung sind Skaleneffekte durch günstigere Produktion, Besetzung kritischer Ressourcen, Imagevorteile bei den Kunden, starke Markenbildung und eine breitere Kundenbasis für Anschlussgeschäfte. Doch »First Mover« gehen auch ein erhebliches Risiko ein. Apple lancierte beispielsweise in den 90er Jahren seinen bahnbrechenden Newton, einen Minicomputer mit Handschrifterkennung, der seiner Zeit weit voraus war. Aber der Markt war noch nicht bereit für diese neue Technologie. Das Unternehmen erwirtschaftete massive Verluste. Oft haben auch die »Follower« (Nachfolger) nicht zu unterschätzende Vorteile, indem sie aus den Fehlern der Pioniere lernen. Amazon war nicht der Erste im Markt, sondern Nachfolger. Auch Google war nicht »First Mover«. Altavista bot als Erstes eine leistungsfähige Internet-Suchmaschine, doch Google war wesentlich geschickter im Ausbau seiner Marktstellung. Das Marktrisiko der Nachfolger ist deutlich geringer, denn sie wissen genau, was Kunden schätzen. Auch in der Konzeption und Gestaltung des Geschäfts können viele Fehler entstehen, diese umgehen Nachfolger. Sie folgen daher dem Strategiemotto: »… denn der erste Wurm wird gefressen!« Die Strategiewissenschaftler Costas Markides und Paul Geroski argumentieren, dass es vor allem für größere Unternehmen nicht sinnvoll ist, eine »First-Mover«-Strategie zu verfolgen.127 Für etablierte Unternehmen ist es oft interessanter, dem Innovationsleader auf den Fersen zu folgen. Große Unternehmen verfügen meist weder über die Kultur noch über die Strukturen und Prozesse, um neue Märkte mit kreativen, innovativen Produkten auf unkonventionelle Art zu bearbeiten. Dafür haben die dominanten Unternehmen aber bewährte Prozedere der Multiplikation, um nachhaltiger und dominanter auf 202
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dem Markt aufzutreten, als es die Pioniere tun können. Ein Beispiel für diese Überlegungen ist IBM, die flugs der innovativen Apple mit Personal Computern in den neu geschaffenen Markt folgte. IBM war nie so innovativ wie Apple, wusste aber perfekt, wie man Märkte skaliert und dominiert. Das strategische Timing für die Lancierung einer Strategie ist wesentlich von den vorliegenden Markt- und Wettbewerbsbedingungen abhängig. Erst eine detaillierte Untersuchung dieser Konstellationen führt zur Entscheidung, ob sich das Unternehmen als »First Mover« oder als »Follower« in das Business wagen soll. T. J. Gerpott hat hierfür ein Schema (vergleiche Abbildung 34) entwickelt, welches die wichtigen strategischen Entscheidungskriterien aufzeigt.128 Dieses »Timingschema« bezieht sowohl Markt- als auch Wettbewerbskriterien in die Betrachtung mit ein. Abbildung 34: »First Mover«, »Follower« • Der Kunde erkennt die First
• Der Kunde schätzt besonders die Vorteile des »Late Movers«, wie Sicherheit, Fehlerreduktion, Preisvorteile.
• Bei den Kunden lassen sich
• Die Pionierlösung kann weiter
PIONIER
»Switching Costs« etablieren.
verbessert oder mit einem Zusatznutzen versehen werden.
• Der Kunde ist bereit, für den Zusatznutzen (Innovations Leadership) einen Aufpreis zu bezahlen.
• Der FirstMover verfügt über
genügende Ressourcen, um seinen Vorsprung auch kraftvoll zu vermarkten.
• Der FirstMover kann seinen
Vorsprung über eine längere Zeitphase im Markt ausspielen, um einen attraktiven »Return on Investment« zu erwirtschaften.
• Der FirstMover kann
Markteintrittsbarrieren etablieren, um nachfolgende Anbieter zu bremsen.
»FirstMover«Strategie
• Lerneffekte im Markt können für
Optimales Timing für den Markteintritt
die Produktentwicklung bzw. Vermarktung genutzt werden.
• Preisvorteile durch Volumen
produktion, hohe Effizienz und Standardisierung können dem Kunden weitergegeben werden.
• Angebote lassen sich auf die Kundenanforderungen ausrichten.
• Marktnischen (außerhalb der
Marktbarrieren) können erschlossen werden. Bisher vernachlässigte Marktsegmente können angegangen werden.
NACHFOLGER
MoverVorteile und schätzt diese besonders.
»Follower«Strategie
Einschätzung Die »First-Mover«-Strategie bietet einige Vorteile wie Vorsprung in der Gewinnung neuer Marktkenntnisse, Abstecken von Marktpositionen, Schutzfrist vor Preiskämpfen, Etablierung von Bekanntheit, Image und Marke, Vorsprung durch Skaleneffekte, Chancen für Patente und Lizenzen, Festlegung von Standards, Imagevorteile im Markt, Sicherung von Distributionskanälen, Aufbau von Know-how und dergleichen mehr. Der Pionier versucht durch seinen frühen Markteintritt höhere Preise durchzusetzen, um eine »Pionierrente« abzuschöpfen. Doch diese StrateDynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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gie ist mit erheblichen internen und externen Risiken behaftet: hohe Produktentwicklungsinvestitionen, hohe Investments in die Erschließung von Märkten, Gefahr der Erleichterung des Markteintritts für Nachfolger, hohes Risiko der falschen Geschäftseinschätzung und Zielgruppenwahl, Gefahren durch innovativere Angebote der Nachfolger und hohe Akzeptanzrisiken. »Follower« können diesen Risiken aus dem Weg gehen. Sie haben dafür aber auch nicht die Vorteile materieller und imagemäßiger Pioniergewinne. Empirisch zeigt sich, dass vor allem die »Fast Second«, die schnellen Zweiten, sehr erfolgreich sind. Wer aber zu lange auf den idealen Zeitpunkt für den Markteintritt wartet (»Late Mover«), verspielt seine Chancen gänzlich.
Systemische Strategie: Gestalten und Lenken von Komplexität Das konventionelle Managementdenken geht davon aus, dass der Erfolg eines Unternehmens durch Stabilität und Ordnung erreicht wird. Das Unternehmen muss einen »Fit« (idealen passenden Zustand) zwischen seinen internen Stärken und den Chancen in seinem Umfeld erreichen. Doch die moderne systemische Strategiebetrachtung vertritt die gegenteilige Auffassung, dass gerade Instabilität, Unordnung, Spannung und Konflikte den Charakter erfolgreicher, innovativer Unternehmen treffender beschreiben. Kreativität und Innovation entstehen in inspirierenden, herausfordernden und ungewissen Konstellationen, weniger in straff organisierten Bürokratien. So ziehen Strategen nun auch die Komplexitäts-, System- und Chaostheorie für ihre Überlegungen heran. Die Kybernetik als die Lehre der »Steuermannskunst« befasst sich mit den Zusammenhängen und Wirkungsprinzipien komplexer, adaptiver Systeme. Führungskräfte sind in einer systemischen Betrachtungsweise »Kybernetiker«, also »Steuerleute«. Was versteht man unter dem Begriff »komplexe Systeme«? Komplexe Systeme entziehen sich unserem Vorstellungs- und Gestaltungsvermögen.129 Sie sind durch eine Reihe von Eigenschaften charakterisiert: Sie verhalten sich nicht linear, das heißt, selbst kleine Änderungen können zu unerwarteten Ergebnissen führen. Das Verhalten eines Systems ergibt sich aus einer Reihe von Wechselwirkungen von firmeninternen und -externen Elementen. Komplexe Systeme sind offen, sie stehen also in regem Austausch mit ihrer Umgebung. Sie besitzen innere Fähigkeiten zur Selbstgestaltung und Selbststabilisierung, das heißt, sie sind lern- und anpassungsfähig. Eine Gruppe von Spatzen ist genauso ein komplex-adaptives System wie die Arbeitsgruppe einer Produktionsstraße, wie das System der Börse, ein Ameisenstaat oder eine politische Partei. Sie alle bestehen aus einer Vielzahl von Elementen, die miteinan204
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der in Beziehungen stehen. Das effektive Zusammenwirken der Teile lässt sich nicht exakt vorhersagen. Wer daher die Funktionsweise komplexer Systeme verstehen will, benötigt einen Ansatz, der Komplexität zulässt und nicht durch Vereinfachung im Keim erstickt. Das systemorientierte Management bietet diese ganzheitliche Sichtweise. Zentrales Konzept der systemischen Strategie ist das »Navigieren«. Ein einfaches Steuerungs- oder Navigationssystem ist der Thermostat, der die Wärme einer Wohnung reguliert. Er misst die Raumtemperatur mit einem Sensor und vergleicht diese mit einem Vorgabewert. Besteht eine Diskrepanz, gibt der Thermostat einen entsprechenden Impuls an die Heizung zur Erhöhung oder Reduktion der Temperatur. Sie wird ein- oder ausgeschaltet. Der Thermostat erhält wiederum ein Feedback zu den Effekten dieser Einstellung. So regelt der Thermostat durch Einpendeln die Raumtemperatur ganz wie vorgegeben. Dieses kleine Beispiel zeigt die dynamische und vernetzende Betrachtungsweise des systemischen Ansatzes. Er betrachtet mehrere Elemente, stellt sie in eine gegenseitige Beziehung und beobachtet deren dynamische Effekte. Dieser vernetzende Denkansatz der Systemwissenschaft fand rasche Verbreitung in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie in den Wirtschaftswissenschaften (durch Stafford Beer), in der Biologie (durch Humberto Maturana und Francisco Varela), in der Anthropologie und Psychologie (durch Gregory Bateson, Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld, Paul Watzlawick) oder in der Soziologie (durch Niklas Luhmann). Die Wissenschaft der Steuermannskunst ist selbstverständlich auch für das Management »komplexer, adaptiver sozialer Systeme«, also für Unternehmen interessant. Diese Perspektive strebt danach, das Unternehmensgeschehen in seiner Ganzheitlichkeit, Vernetzung und Dynamik zu erfassen. Die systemorientierte Managementlehre der Universität St. Gallen hat aus der kybernetischsystemischen Denkwelt wertvolle Einsichten zur Lenkung, Gestaltung und Entwicklung von Unternehmen, zum Prozess der Entscheidungsfindung und zum Wissenschaftsverständnis der Managementlehre entwickelt. Einige der grundlegenden Ansichten in knapper Form sind: 1. Unternehmensführung ist mehr als Menschenführung. Management gestaltet komplexe Systeme in einem dynamischen Umfeld. Personen, Beziehungen, Absichten, Probleme, Lösungen, Strukturen und Situationen bilden eine Ganzheit. 2. Management betrifft nicht nur die Unternehmensspitze, sondern alle Führungskräfte lenken, gestalten und entwickeln aktiv Teilsysteme. Diese wirken wiederum zusammen zu einem Ganzen. 3. Wird ein Teil des Systems verändert, hat dies Konsequenzen für das Gesamte. (Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.) Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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4. Management ist der Umgang mit komplexen Situationen bei unvollkommener Information. Dies hat Konsequenzen für die Führungsarbeit und Entscheidungsfindung: – Problemstellungen und Situationen sind mehrdimensional zu betrachten. – Sie sind durch ein »vernetztes Denken« zu ergründen. – Das Handeln des gesamten Unternehmens muss sich an übergeordneten (normativen) Grundsätzen (Strategien, Erfolgspotenziale, Mission) orientieren. – Eine Führungskraft, egal in welcher Position im Unternehmen, kann nicht alles perfekt lenken und steuern, sondern dem System nur entsprechende Impulse geben. Ideal ist, wenn diese die Selbstorganisationskraft des Systems nutzen. Management ist der Umgang mit Komplexität. Management beabsichtigt, das Verhalten eines komplexen Systems in eine gewünschte Richtung zu lenken, so dass Ziele erreicht werden können. Doch erst die Wirkungen von Entscheidungen und Handlungen, also die Reaktionen und Effekte zeigen, wie das System in seiner Ganzheit funktioniert. Komplexe Probleme, komplexe Situationen oder komplexe Organisationen lassen sich somit nicht umfassend beherrschen, sondern nur in ihrer Gestaltung und Entwicklung beeinflussen. Wirkungsvolles Management setzt daher nicht auf die Reduktion der Komplexität durch Vereinfachung, sondern auf das umfassende Verstehen der komplexen Zusammenhänge. »Perfektes« Management, das für jegliche Situation das perfekte Rezept zur Hand hat, kann es nicht geben. Jedes Unternehmen muss sich sein eigenes, individuell »passendes« Managementsystem entwerfen, gestalten und weiterentwickeln, um erfolgreich die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Doch wie funktioniert dies? Komplexe natürliche Systeme, wie Wälder, Pflanzen oder Seen, haben eine innere Fähigkeit zur Selbstgestaltung und Selbstentwicklung. Von Menschen geschaffene soziale Systeme (zum Beispiel Arbeitsgruppen, Unternehmen) haben diese innewohnende Zukunftskompetenz nicht. Ihre Fähigkeit zur Anpassung, Veränderung oder Reorganisation muss in das System hineinorganisiert werden. Die Strategie des systemorientierten Managements zur Lenkung, Gestaltung und Entwicklung komplexer Systeme folgt daher dem Grundsatz »Organisiere zur Stärkung der selbstorganisierenden Kräfte«. Strategien, Strukturen oder Prozesse sind daher so zu gestalten, dass sie sich von sich aus weiter in die gewünschte Richtung entwickeln können.130 Strategie ist aus der systemischen (und entscheidungstheoretischen) Perspektive ein informationsverarbeitender Prozess. Führungskräfte verarbeiten Informationen, lösen Problemstellungen und treffen Entscheidungen. Das systemische Management fordert, Probleme möglichst in ihrer Vielschichtigkeit 206
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und Ganzheit anzugehen. Auch komplexe Situationen sind nicht durch ständige verfeinernde Analysen zu reduzieren, denn damit vermindert sich auch die Reichhaltigkeit der Informationen. Das Abbild der Wirklichkeit wird zu grobkörnig. Die Entwicklung einer Strategie ist ein komplexer Problemlösungsprozess. Dieser erfordert ein vernetzendes Denken zur Komplexitätsbewältigung. Die Forderung nach einer breiten Komplexitätserfassung setzt auf eine ganzheitliche, vernetzende Denkweise, eine Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven, die auch die Dynamik der Entwicklung einbezieht. Strategieentwicklung heißt, die Situation von verschiedenen Standpunkten aus zu beleuchten, um so ein möglichst ganzheitliches Bild der »Wirklichkeit« zu skizzieren. Das Strategiethema als solches ist daher nicht gegeben, sondern muss im Problemlösungsprozess »entdeckt« werden. Die Methodik des vernetzten Denkens nach dem St. Galler Ansatz umfasst sechs Schritte, die zwar linear dargestellt werden, aber selbst als mehrfach zu durchlaufender Prozess zu verstehen sind. Die folgenden Schritte fallen an:131 1. Was ist überhaupt das zu lösende Problem? Wie präsentiert sich die Ausgangslage? Problemabgrenzung und Zielbestimmung zur Erstellung eines »Abbilds der Realität«. 2. Wie funktioniert das System? Welche Komponenten bestimmen das System, und was hängt womit zusammen? Analysieren des Wirkungsnetzwerks durch Identifizieren der Beziehungen und Intensitäten der Beeinflussung. 3. Welche möglichen Lösungswege können beschritten werden, und welche Chancen bieten diese? Erfassen und Interpretieren der Potenziale für Chancen oder Risiken (zum Beispiel anhand möglicher Szenarien, Querverbindungen oder Vernetzungen). 4. Was lässt sich überhaupt verändern, lenken und steuern? Worauf haben wir Einfluss? Worauf nicht? Erarbeitung von Steuerungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. 5. Was gibt es aufgrund der Erkenntnisse nun zu tun? Wer kann wie zum Fortschritt beitragen? Planung der konkreten Eingriffe und Prüfung ihrer Wirkungen und Nebeneffekte. 6. Wie wird was wann realisiert? Wer macht mit und trägt was bei? Implementierung (Umsetzung) der entwickelten Strategie im Alltag. Der deutsche Psychologieprofessor Dietrich Dörner der Universität Bamberg befasst sich als Forschungsschwerpunkt mit komplexen Entscheidungssituationen.132 Dabei hat er vor allem das Verhalten der Entscheidungsträger beobDynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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achtet. Er stellt fest, dass unsere Gehirne in komplexen, vernetzten und dynamisch sich ändernden Situationen rasch an ihr Limit stoßen. Entscheider konzentrieren sich bei komplexen Problemen zu intensiv auf einzelne »Knoten«. Sie verlieren gerne den Blick für das Netzwerk als Ganzheit. Sie übersehen das Systemgesetz, dass man nicht ein einzelnes Element verändern kann, ohne im selben Zug das Verhalten des Gesamtsystems zu beeinflussen. In seinen Studien zum menschlichen Problemlösungsverhaltens stellt Dörner fest, dass die Versuchspersonen eine Neigung zum isolierenden Ursache-Wirkungs-Denken, eine Tendenz zum Unterbewerten der Beziehungen zwischen den Elementen und eine Tendenz zur Unterschätzung der Dynamik des Systems zeigen. Die Entscheider setzen also zu stark auf das lineare Denken (Ursache/Wirkung). So werden zum Beispiel zirkuläre, exponentielle oder rückbezügliche Vorgänge kaum beachtet und Neben- und Fernwirkungen kaum festgestellt. Die Versuchspersonen entwickeln ein »Reparaturdienstverhalten«, bei dem aktiv nach Missständen gesucht wird. Der Entscheider glaubt, Einzelheiten einfacher in den Griff zu bekommen. Dies führt zu einem strategischen Verhalten des »Löcher-Stopfens«. Der Stratege verliert dabei das »Big Picture«, welches ausschlaggebend für eine ganzheitliche Entwicklung ist.
Einschätzung Der systemische Strategieansatz liefert kaum griffige Strategieempfehlungen, die in bestimmten Situationen zum Erfolg führen. Dafür bietet der Ansatz eine ganzheitlich vernetzende Sichtweise von Unternehmen, Wettbewerb, Markt, Management und Strategie. Er bietet zudem Denkwerkzeuge im Umgang mit Komplexität, Ungewissheit und Dynamik. Viele unserer Vorstellungen zur Strategiewelt haben ihre Wurzeln in der Zeit der industriellen Revolution, also in Zeiten relativer Stabilität. Sie passen daher oft eher schlecht als recht in unsere dynamische Businessära. Doch Gesellschaft und Wirtschaft sind im Umbruch; sie verändern sich oft überraschend schnell und radikal. Dies zeitigt auch Konsequenzen für unser Denken über Strukturen, Prozesse, Systeme und Strategien. Komplexe Systeme haben ihre eigenen Funktionsmechanismen und Verhaltensweisen und benötigen daher ein differenziertes Management- und Strategieverständnis. Die systemische Strategiebetrachtung raubt dem herkömmlichen strategischen Management die Illusion, für jedes Unternehmen, in jeder Markt- oder Wettbewerbssituation die passende Strategie zur Verfügung stellen zu können. Komplexe Systeme, wie Unternehmen es sind, lassen sich nur schwer gezielt so steuern, dass die Effekte wie erwartet auftreten.133 Das Management von komplexen Systemen gleicht daher mehr einem Beeinflussen als einem konkreten Steuern. Es ist die zentrale Aufgabe der Führungskräfte, das Unternehmen für die Veränderungen in Markt und Wettbewerb »fit« zu erhalten. Doch diese »Fitness« 208
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heißt nicht, dass Unternehmen, Märkte und Wettbewerbssituation aufeinander abzustimmen sind. Sie bedeutet vielmehr, dass sich das System seine Ressourcen und seine Fähigkeiten so aufbaut, dass es möglichst agil und damit zukunftsfähig bleibt.
FAST-Ansatz: Strategie in dualer Perspektive Die Strategieberater John Hagel (McKinsey) und John Seely Brown (Palo Alto Research Center, Xerox) argumentieren, dass sich das Wesen des strategischen Managements nachhaltig durch die Effekte der Globalisierung verändert. Bisher hat jede Wirtschaftsepoche ihre spezifischen Erfolgsstrategien entwickelt, die Unternehmen besondere Vorteile verschafften. Auch wenn die bekannten Strategien, Theorien, Konzepte oder Instrumente nach wie vor ihre Berechtigung haben, so sind viele von ihnen für andere Konstellationen entwickelt worden. Diese strategischen Konzepte sind in der heutigen globalisierten Geschäftswelt wenig wirkungsvoll. Die beiden Managementdenker fordern daher eine angepasste strategische Betrachtungsweise für unsere Zeit. In einer zappeligen Wirtschaftswelt gibt es für Hagel und Brown nur einen einzigen Erfolgsfaktor, auf den Unternehmen (noch) setzen können, um sich im Wettlauf um die Zukunft einen attraktiven Platz zu sichern. Sie nennen diesen fundamentalen Erfolgsfaktor die »beschleunigte Fähigkeit, Ressourcen zu bilden« (accelerated capability building). Das Management und das Unternehmen müssen in der Lage sein, die im jeweiligen Zeitpunkt benötigten Fertigkeiten und Fähigkeiten rasch aufzubauen und diese dann kurzfristig ökonomisch auszuschöpfen. Sie fordern, dass Führungskräfte in strategischen Fragen ihre Kurzsichtigkeit auf Quartals- oder Semesterziele überwinden und sich mit Engagement auf die wirklich erfolgskritischen Fundamente für Erfolg ausrichten. Sie müssen sich um die benötigten Fähigkeiten, Fertigkeiten und einsetzbaren Mitteln kümmern. Dies entspricht den Empfehlungen der ressourcenorientierten Strategiedoktrin. Doch die beiden gehen noch einen Schritt weiter. Nicht nur die Verfügbarkeit der Ressourcen ist für den Erfolg wichtig, sondern auch die Fähigkeit, diese jeweils rasch auf neue Marktkonstellationen wirkungsvoll auszurichten. Es ist also weniger wichtig, worüber man alles verfügt und was man hat, sondern wie man es für Neues situationsgerecht nutzen kann. Die Agilität wird damit zum entscheidenden strategischen Faktor. Wettbewerbsvorteile bleiben immer der zentrale Schlüssel für den Erfolg am Markt. Wer etwas Besonderes zu bieten hat, ist im Wettlauf um die Zukunft vorne mit dabei. Doch wo finden sich die Quellen für Vorsprung? Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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1. Vorteile im Sinn des klassischen strategischen Vorsprungs Die traditionellen Quellen für Wettbewerbsvorteile sind wichtig, erodieren aber rasch. Gute Konzepte, Ideen und Produkte werden rasend schnell rund um den Globus kopiert, neue Technologien diffundieren rasch, und substanzielle Wettbewerbsvorteile lassen sich kaum noch über einen längeren Zeitraum etablieren. Trotzdem sind neue Produkte, Dienstleistungen oder Technologien immer eine Quelle für Vorsprung. Permanente Innovation bleibt daher ein zentrales Thema für Vorsprung. 2. Vorteile der Peripherie (des Denkens und Arbeitens) Der Erfolg von morgen hat aber in den seltensten Fällen seine Wurzeln im Erfolg von heute. »Periphere Geschäfte« oder »Randgeschäfte« sind für das Unternehmen, auch wenn sie oft nur einen Bruchteil des Gesamtumsatzes abdecken, interessante Quellen für Innovationen und für die nächste Generation von Angeboten. Randgeschäfte können ein Indikator für neue Bedürfnisse sein. Innovative Angebote geben den Entscheidungsträgern Hinweise, welche Ressourcen, Fähigkeiten und Fertigkeiten in Zukunft benötigt werden. Es ist die Aufgabe des Managements, derartige periphere Geschäfte auf ihre Zukunftstauglichkeit abzuklopfen. Hagel und Brown nennen dieses Prinzip treffend »The edge is becoming the core«. Der Begriff der »Peripherie« ist weit zu fassen. Sie liegt in den Grenzen des heutigen Unternehmens, in den Grenzen der heutigen Angebotspalette, in den Grenzen der heutigen Branche, in den Grenzen der heute bedienten Zielgruppen oder in den Grenzen der heutigen Geografie. Hagel und Brown empfehlen dem Management, Strategien nach dem »FASTStrategy«-Ansatz anzugehen (vergleiche Abbildung 35). 134 Dieser behebt das Dilemma, in dem sich viele Führungskräfte sehen. Einerseits ist ihnen völlig klar, dass Strategien für ihr Unternehmen erfolgskritisch sind. Sie haben andererseits negative Erfahrungen mit dem Strategieprozess selber gemacht. In vielen Fällen ist ihnen Strategiemethodik zu umfassend und zu wenig effektiv. Zudem sind auch in einer kurzfristigeren Zeitspanne oft wichtige strategische Entscheidungen zu treffen. Der FAST-Strategy-Ansatz setzt daher auf zwei zeitliche Horizonte. Die Entwicklung einer Strategie hat nicht sequenziell, das heißt zuerst langfristig und dann daraus abgeleitet kurz-/mittelfristig zu erfolgen. Im gleichen Schritt können beide Zeitrahmen parallel verfolgt werden. FAST ist ein Kürzel für folgende Themen: 1. »Focus« (konzentrieren): sich strategisch auf die (neuen) Schlüsselaktivitäten ausrichten Der längerfristige Blick richtet sich auf die Schlüsselaktivitäten. Die Fragen lauten: »Welchen Märkten steht unser Geschäft in fünf bis zehn Jahren gegenüber? Und welche Fähigkeiten müssen wir bis dahin aufgebaut 210
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haben, um die notwendigen Werte in diesen Märkten erwirtschaften zu können?« Ein Beispiel soll diesen Ansatz verdeutlichen: In den 70er Jahren kam Bill Gates zu dem Schluss, dass sich das Computerbusiness in Zukunft von den Mainframes auf das Personal Computing verlagern würde. Wer also erfolgreich sein wollte, musste das »Desktop-Business« unter Kontrolle haben. Hierzu waren andere, neue spezifische Fähigkeiten notwendig. Der Zeithorizont liegt zwischen fünf und zehn Jahren, je nach Business. 2. »Accelerate«: Schub für das längerfristige Ziel schaffen Die kurzfristige Optik fokussiert sich auf die kommenden sechs bis zwölf Monate. In dieser Zeitphase liegt der Schwerpunkt auf »Accelerate« (»beschleunigen«), das heißt, Initiativen oder Projekte haben Vorfahrt, die dem Erreichen des längerfristigen Ziels zusätzlichen Schwung geben. 3. »Strengthen«: Stärken der Fähigkeiten Gleichzeitig muss sich das Management fragen, welche Hindernisse die Entwicklung in die Zukunft verlangsamen beziehungsweise welche Stärken intensiv zu fördern sind, damit sich das Business noch rascher in die gewünschte Richtung entwickeln kann. 4. »Tie together«: Fixieren Die gefundenen Lösungen sind zu fixieren, sobald sich die gewünschten Effekte einstellen, und in eine geschäftliche Routine überzuführen. Hierzu dienen Kennzahlen, die eine detailliertere Steuerung erlauben.
Abbildung 35: Die »FAST«-Strategie »5 bis 10 Jahre«Horizont
»1 bis 5 Jahre«Horizont
»6 bis 12 Monate«Horizont
F A S T
Focus Geschäftsfokus
Accelerate Beschleunige!
Strengthen Verstärke!
Tie Verknüpfe!
Engagement - Energie - Effort
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Schlüsselfragen des »FAST«-Ansatzes lauten: • Hat das obere Management eine gemeinsam getragene Vorstellung, wie
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sich die Märkte in fünf bis zehn Jahren entwickeln werden und wie sich dies auf das Unternehmen auswirkt? Ist dieses Zukunftsbild allen Führungskräften und Mitarbeitenden in der notwendigen Detaillierung bekannt? Liefern die wichtigsten Initiativen und Projekte, die in der nächsten Zeit angegangen werden, einen Beitrag zur Einhaltung der übergeordneten Richtung? Werden Hindernisse auf dem Weg in die Zukunft auch kurzfristig erkannt und angepackt, um die Entwicklung zu beschleunigen? Existieren Meilensteine, die erkennen lassen, dass sich auch in kurzbeziehungsweise mittelfristiger Zeit Fortschritte in Richtung längerfristiges Ziel ergeben?
Einschätzung Den FAST-Strategieansatz kann man als Zusammenfassung der modernen Strategielehre verstehen. Das Konzept selbst bietet kaum neue Impulse. Doch interessant und vielversprechend ist seine duale Strategieentwicklung: Mit »schielendem Blick«, das heißt unter zwei zeitlichen Perspektiven strategische Überlegungen anzustellen gestattet reichhaltige Erkenntnisse für die Zukunftssicherung und Geschäftsentfaltung.
Strategisches Lernen: Auf der Suche nach Durchblick Am Anfang des 21. Jahrhundert hat sich der Produktionsfaktor Wissen, getrieben durch die Informations- und Kommunikationstechnologien, endgültig als Werttreiber neben Arbeit, Boden und Kapital etabliert. Der Wissensarbeiter steht strategisch im Fokus des Interesses, da er die wichtigen Werte für die Zukunft schafft. Seine Kreativität und seine Leistungsfähigkeit sind zu einem wesentlichen Faktor für die Zukunftssicherung geworden. Schlüsselarbeitskräfte treiben das Geschäft. Die Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft hat sich zur Wissensgesellschaft entfaltet, in der Know-how zu einem ganz entscheidenden Wettbewerbsfaktor in vielen Geschäftsbereichen geworden ist. Die künftige Leistungs- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen hängt immer mehr davon ab, inwieweit es einem Unternehmen gelingt, aus neuem Wissen neue ökonomische 212
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Werte zu schaffen. Daher muss das Wissen von Unternehmen und von Mitarbeitenden auf allen Stufen gefördert und nutzbar gemacht werden. Hier setzt das »Wissensmanagement« an. Doch Wissensmanagement ist eine schwierige Disziplin, vor allem da Wissen ein immaterieller, ja flüchtiger Faktor ist. Das aktuellste und wertvollste Wissen lagert nicht in Schubladen oder Ordnern, sondern in den Köpfen der Mitarbeitenden (implizites Wissen), und verlässt jeden Abend das Unternehmen. Elektronische Datenbanken, Dokumente, Bibliotheken, Pläne, Skizzen und dergleichen sind zwar vorhanden, haben aber weitaus weniger Wert für die Zukunftsgestaltung. Schon manch ein Unternehmen hat existenzielle Probleme bekommen, weil plötzlich Schlüssel-Know-how-Träger gekündigt haben. Wagt man einen Blick zurück, so stellt man fest, dass Wissensmanagement eigentlich schon immer die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunftsgestaltung war. In den 80er Jahren untersuchte der Chefplaner der Erdölfirma Shell, Arie de Geus, mit einer Expertengruppe die Frage, warum eigentlich so wenige Unternehmen ihren 50. Jahrestag erleben.135 Nur wenige Firmen sind über eine lange Zeitspanne hinweg erfolgreich. Seine Studie zur Langlebigkeit von Unternehmen konzentrierte sich auf Firmen, die rund 100 Jahre überlebten. Untersucht wurden in seiner Studie 30 Firmen aus Nordamerika, Europa und Japan. Darunter befanden sich zum Beispiel die schwedische Stora, eine im 13. Jahrhundert gegründete Papierfirma, die japanische Sumitomo-Gruppe, die über 400 Jahre erfolgreich wirtschaftete, und die britische Glasfirma Pilkington, deren Geschichte sich bis auf das Jahr 1820 zurückverfolgen lässt. Arie de Geus und sein Forscherteam kamen zu dem Schluss, dass die durchschnittliche Lebensdauer von Unternehmen deutlich kürzer war als potenziell möglich. Dies erstaunte. Sie berechneten eine durchschnittliche Lebenserwartung für Unternehmen der Nordhalbkugel: Diese liegt bei knapp 20 Jahren. Unternehmen könnten diese Spanne nochmals um etwa 20 bis 30 Jahre aufgrund der Marktgegebenheiten verlängern. Die zweite Erkenntnis der ShellStudie war, dass länger lebende Unternehmen vor allem Meister im Umgang mit Wandel sind. Sie beherrschen das »Change Management« hervorragend. Die Stora-Geschichte muss man sich konkret vor Augen führen: Das Unternehmen überdauerte das düstere Mittelalter, durchlebte die frischen Ideen der Reformation, überstand die Kriegswirren des Dreißigjährigen Krieges, passte sich der Industriellen Revolution an und überdauerte die beiden Weltkriege im 20. Jahrhunderts. Was ist das Stora-Erfolgsrezept? Das Unternehmen war für die meiste Zeit seiner Geschichte abhängig von Läufern, Reitern und Schiffen sowie später von Telefonapparaten, Flugzeugen und elektronischen Netzwerken. Kommunikation mit der Umwelt war immer ein wichtiger Aspekt für die Unternehmensführung. Man beobachtete das Umweltgeschehen genau und war bereit, auch radikale Schritte zu realisieren. So war die Firma in der KupDynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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ferherstellung, Holzwirtschaft, Papierherstellung, Eisenhochöfen-, Wasserkraftwerke- und Chemiebranche tätig. Die Forscher der Shell-Studie waren erstaunt, dass die hervorragenden langfristig erfolgreichen Unternehmen ähnliche gemeinsame Eigenschaften aufwiesen: 1. Konservatives Finanzmanagement Diese Unternehmen gehen sorgfältig mit ihrem Kapital um. Sie sind traditionell in ihrem Finanzgebaren, indem sie ihr Wachstum aus sich heraus finanzieren. Sie setzen die Mittel so ein, dass sie sich eine hohe Handlungsflexibilität erhalten. 2. Sensitivität für das Umfeld Sie erkunden ihr Geschäftsumfeld genauestens. Sie gehen nicht davon aus, dass sie bereits alles aufgrund ihrer großen Erfahrung aus der Vergangenheit wissen, sondern wollen Märkte, Wettbewerber und Marktkonstellationen neu ergründen. »Lernen« ist der Schlüssel zum Erfolg bei ihrem strategischen Konzept. 3. Kohäsion durch eine gemeinsame Identität Die langfristig erfolgreichen Unternehmen schafften es, aus ihren Mitarbeitenden eine Community zu bilden, die sich mit dem Unternehmen und dessen Schicksal identifiziert. Die Unternehmenskultur ist ein zentraler Faktor, der intensiv gepflegt wird. 4. Toleranz für neue Ideen Die Erfolgsunternehmen zeigten auch eine hohe Bereitschaft, neue Ideen auszuprobieren. Sie geben ihren Mitarbeitern immer wieder Freiräume für Experimente. Sie suchen nach Partnerschaften, um gemeinsam mit Dritten neue Pfade zu beschreiten und daraus Neues zu lernen. Arie de Geus bezeichnet diese Spitzenunternehmen als »Living Companies«: lebendige Unternehmen. Diese stellt er den »ökonomischen Unternehmen« gegenüber, für die in erster Linie die Quartalsergebnisse zählen. Unternehmen müssen trotz hoher Turbulenzen und rascher Veränderungen einen langfristigen Horizont für ihre Entwicklung anpeilen. De Geus ist der Überzeugung, dass Unternehmen vor allem deshalb scheitern, weil sie sich zu stark auf die Erreichung kurzfristiger Ziele fokussieren und sich viel zu wenig engagiert um ihre Unternehmenskultur (Community) kümmern. Diese Communitys sind für den langfristigen Erfolg nicht zu unterschätzen. Sie und nur sie haben die Fähigkeit, sich den Veränderungen und neuen Konstellationen anzupassen. Wissensfortschritte durch Lernen können immer nur Menschen leisten. Doch wie lernen diese Communitys? Hier kann die Evolutionsforschung einen Beitrag zur Klärung der Frage bieten. Der Evolutionswissenschaftler und 214
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Molekularbiologe Alan C. Wilson der University of California Berkeley hat die Lernfähigkeit von Lebewesen im Kollektiv im Zug ihrer Evolution erforscht. Für eine erfolgreiche Anpassung durch kollektive Lernprozesse müssen in der Natur drei Bedingungen erfüllt sein: 1. Eine erfolgreich lernende Spezies muss sich frei bewegen können. Sie muss ihr Umfeld in Herden oder Gemeinschaften erkunden. Die Spezies, die sich nur innerhalb eines isolierten Territoriums auseinandersetzt, hat deutlich geringere Erfolgschancen in der Anpassung. 2. Die Mitglieder der Spezies müssen zudem die Freiheit genießen, neue Verhaltensweisen und Fertigkeiten zu testen. Wenn diese Tests nutzenstiftend sind, dann müssen diese neuen Handlungen ins Verhaltensrepertoire aufgenommen werden können. 3. Die Mitglieder der Spezies müssen untereinander eine intensive Kommunikation pflegen, um die erfolgreichen neuen Fertigkeiten und Verhaltensmuster vom Einzelnen auf die Gemeinschaft zu transferieren. Alan Wilson belegt seine These mit einer Beobachtung, die er bei Vögeln in England gemacht hat. So lernten Meisen, Milchflaschen mit ihren Schnäbeln zu öffnen, um an den Inhalt zu kommen. Rotkehlchen hingegen, die im Wettbewerb um dieselben Ressourcen im gleichen Lebensraum stehen, schafften dies nicht. Warum nicht? Meisen leben in Gruppen und pflegen eine äußerst intensive Interaktion. So geben sie neue Verhaltensweisen untereinander weiter. Sie beobachten einander und kopieren erfolgreiche Verhaltensweisen sofort. Rotkehlchen hingegen sind Einzelgänger, die in festen Revieren leben. Auch sie kommunizieren, aber nur, um ihre Artgenossen aus ihren Revieren zu vertreiben. Die Folge dieses Verhaltens: Sie passen sich nur sehr langsam an Neues an.
Einschätzung Die Fähigkeit von Unternehmen und Individuen, auf diese Art zu lernen, ist strategisch für die Gestaltung der Zukunft wichtig. Einzig durch die Fähigkeit des Lernens wird das System Unternehmen längerfristig »lebens- und damit zukunftsfähig«. Lebendige Unternehmen lernen aktiv und engagiert, passen sich an, probieren und experimentieren, um zu wachsen. Sie setzen auf die Weiterentwicklung des Faktors Know-how und nicht nur auf das Wachstum ihres Kapitals. Die Quelle ihrer langfristigen strategischen Stärke liegt damit in ihrer Anpassungsfähigkeit und weniger in den Ressourcen allein. Welche strategischen Hinweise gibt die Shell-Studie? Top-Führungskräfte müssen weniger selbst in das Geschehen direkt eingreifen, sondern besser ihren Schlüsselpersonen Freiräume erschließen, in denen sie frei experimentieren können. Dies ist die Quelle für Innovationen. Sie sollten weiterhin unkonventionellen Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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Meinungen und Ansichten gegenüber offen sein. Toleranz für andere Meinungen und andere Verhaltensweisen ist ein wichtiges Merkmal erfolgreicher Unternehmensführung. Toleranz führt dazu, dass sie mehr zu sehen, mehr zu hören und mehr zu spüren bekommen. Zudem sind Gremien zu schaffen, um Führungskräfte für einen Ideenaustausch zur Zukunft des Geschäfts zusammenzubringen. Hierzu gehören selbstverständlich auch Impulse von außen, die dann gemeinsam für das eigene Geschäft verarbeitet werden. In einer dynamischen, fließenden Geschäftswelt ist das aktive Steuern von sozialen Lernprozessen ein wichtiger Faktor zur Sicherung des Unternehmenserfolgs.
Strategische Fitness: Ideallinie zwischen Bürokratieund Chaosfalle Die konventionelle Strategieauffassung setzt auf Ordnung. Diese Vorstellung passt zu (relativ) ruhigen, beständigen Zeiten sehr gut. Doch in einer fluktuierenden Geschäftswelt kann ein Zuviel an Ordnung, Planung, Struktur, Regelung und Disziplin das Gesamtsystem erstarren lassen. Aber auch ein Laisserfaire, Improvisieren oder spontanes Reagieren hat seine negative Seite: das vollkommene Chaos. Unternehmen entwickeln sich daher produktiv zwischen den beiden Extremen »Ordnung« und »Chaos«, also zwischen Geplantem und Spontanem. So gesehen wird Management zu einem Balanceakt zwischen Bewahrung vor der Erstarrung und Bewahrung vor dem Auseinanderlaufen. Unternehmen haben eine innere Tendenz, sich zu Bürokratien zu entwickeln. Im Lauf ihrer Entwicklung häufen sie immer mehr Regeln an, die ihr Verhalten ordnen und einschränken. So organisieren beispielsweise etablierte Firmen mit Akribie das Parken der Dienstwagen, die Zuordnung der Chefbüros, die Spesenabrechungen bei Dienstreisen oder den Einkauf von Schreibund Bürowaren. Zentrale Herausforderungen bleiben dafür schon mal auf der Strecke. Jedes Unternehmen muss sich von Zeit zu Zeit die radikale Frage nach seiner »Fitness« und inneren Dynamik stellen. So sollte sich jedes Unternehmen periodisch entrümpeln, damit nicht zu viel Stabilität zu einer Reduktion von Agilität führt. Dies gilt insbesondere für das Wissen über das »Funktionieren« des eigenen Unternehmens und der Märkte. Unkonventionelle Denker und Impulsgeber können derartige »verkrustete« Vorstellungen von Zeit zu Zeit immer wieder mal herausfordern. Seit den 80er Jahren begannen Strategieforscher und Managementberater, die Erkenntnisse aus der Komplexitäts- und Chaostheorie in die Strategielehre einzubauen. So kamen sie zu dem Schluss, dass Unternehmen von einer statischen Strategieentwicklung zu einer dynamischen, fließenden Strategiearbeit 216
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übergehen sollten. Beim klassischen, eher statischen Ansatz stehen die Analysetätigkeit wie auch der mechanische Einsatz strategischer Verfahren und Methoden (zum Beispiel Portfolioanalyse) im Zentrum. Beim dynamisch-systemischen Ansatz stehen die Wirkungszusammenhänge und die laufende Gestaltung des Strategieprozesses im Zentrum der Betrachtung. Die Grundlagen der Komplexitäts- und Chaostheorie werden hier nicht skizziert.136 Doch der strategisch-systemische Ansatz geht davon aus, dass Unternehmen, die sich in der Grenzzone zwischen »Stabilität« und »Chaos« bewegen, am besten zu einer flexiblen Anpassung an radikale Veränderungen fähig sind.137 Unternehmen mit hoher innerer Dynamik und großen Freiräumen haben das größte Potenzial, sich strategisch neu zu erfinden. Abbildung 36 gibt hierzu einen Einblick.
Abbildung 36: Strategie zwischen Chaos und Ordnung
unstrukturiert unvorhersagbar spontan kreativ mehrdeutig asynchron ungewiss
»Anarchiefalle«
Zone des Chaos
strukturiert vorhersagbar geordnet verordnet eindeutig synchron gewiss
Strategisches Management als »Balancieren«
Brich die Regeln!
»Bürokratiefalle«
Zone der Ordnung Folge den Regeln!
Spannungsbogen der Dynamik
Versucht das Management, der Wandeldynamik mit mehr Ordnung und mehr Regeln zu begegnen, so bewegt sich das Unternehmen in Richtung »Bürokratiefalle«, was zu einer Erstarrung statt zu einer Flexibilisierung führt. Auf der anderen Seite führt aber ein Nichtstun oder Laufenlassen zur Führungs- und Richtungslosigkeit. Dies wird mit »Chaosfalle« umschrieben. Die StrategieProfessorin der Stanford University Kathleen Eisenhardt und die ehemalige McKinsey-Beraterin Shona Brown beschreiben, dass Unternehmen strategisch am effektivsten arbeiten, wenn sie sich »am Rande des Chaos« bewegen. Das heißt, das Management sorgt für eine dynamische Balance zwischen einer für Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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Stabilität sorgenden Struktur und der für Innovationen notwendigen Unordnung.138 Ein erfolgreiches Management positioniert sich daher zwischen diesen Extrempositionen und sucht nach »Spannungen«. Ungereimtheiten, Neuigkeiten, Paradoxien, Herausforderungen oder Konflikte beleben die Suche nach innovativen Lösungen und führen zum Fortschritt. In der Chaostheorie bezeichnet man diesen Spannungszustand als »Rand des Chaos«. Wie kann der Spannungszustand in Unternehmen erhöht werden? • Durch eine adaptive Unternehmenskultur
Das Management etabliert eine offene Unternehmenskultur, die der Veränderung und dem Wandel positiv gegenübersteht. Hierzu werden bewusst Handlungsfreiräume geschaffen. • Durch wenige Kernstrukturen Im Unternehmen gelten für bestimmte Themen feste Spielregeln der Zusammenarbeit, klare Prioritäten, klare Zeitvorgaben und Performance-Indikatoren. Diese werden auch als »frozen components« bezeichnet, das heißt als unverrückbare Eckwerte der Führung. Sie sind klar fixiert und gelten für alle. Diese eingefrorenen Führungskomponenten sind aber sehr wenige an der Zahl. Alles Weitere ist offen, unstrukturiert, möglich und wird toleriert. • Durch intensive Kommunikation in Echtzeit Das Unternehmen wird wendiger, wenn es seine Kommunikation von oben nach unten und in umgekehrter Richtung ausbaut. Eine beschleunigte, unkomplizierte und möglichst freie Kommunikation lässt Fluktuationen, Sprünge, Diskontinuitäten und Muster, die irgendwo im Unternehmen auftauchen, rascher vom Management erkennen. So können auch die Reaktionszeiten verkürzt werden. Unternehmen, die sich in wilden, aber innovativen Grenzzonen befinden, können mit traditionellen Strategieverfahren wenig anfangen, da ihre Prozesse, Methoden und Verfahren viel zu aufwändig, zeitraubend und kompliziert wären. Brown und Eisenhardt schlagen daher ein an die komplexen chaotischen Situationen angepasstes strategisches Vorgehen vor. Ihre Erkenntnisse haben die beiden in Fallstudien, Projekten und Interviews mit Führungskräften gewonnen: 1. In dynamischen Verhältnissen sollte sich das Managementteam in kurzfristigen Abständen für strategische Fragenstellungen treffen. Strategieteams, die nur in längerfristigen periodischen Intervallen derartige zentrale Fragen behandeln, sind im Nachteil, da ihre Reaktionszeiten größer und ihr Anpassungsbedarf höher ist. Bei diesen Meetings geht es darum, ein möglichst umfassendes Verständnis der »Wirklichkeit« bei allen Beteiligten zu entwickeln. Gemeinsam wird (immer wieder) erkundet, wie das »Business tickt« und worauf man setzt. 218
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2. Strategische Themen sind nicht exklusiv dem Topmanagement vorbehalten. Die Wirklichkeit erfasst das gesamte Unternehmen an allen »Ecken und Enden«. Daher sind auch andere relevante Schlüsselpersonen oder Teams mit spezifischen strategischen Fragen und Aufgaben zu betreuen. Diese können für ihre Arbeiten klassische Methoden der Analyse und Entscheidungsvorbereitung, aber auch unkonventionellere Methoden wie Szenariotechnik, Wild Cards, Rollenspiele, Best Practices oder anderes nutzen. 3. Erfolgreiche Führungskräfte setzen darauf, dass Entscheidungsprozesse in Gang gehalten werden. Sie drängen nicht auf rasche Entscheidungen, die den Problemlösungsprozess beenden. Dies ist nicht damit zu verwechseln, Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben. Dies würde Warten und Nichtstun bedeuten. Im Gegensatz dazu müssen mit großem Engagement Märkte, Konkurrenten, Kunden oder Geschäftsmodelle beobachtet, untersucht und auf neue Geschäftschancen abgeklopft werden. Durch die kurzfristigen Sitzungsintervalle der Strategieteams werden Chancen oder Risiken von den Entscheidungsträgern rechtzeitig erkannt und rascher genutzt. Der Strategieprozess wird so fließend. 4. Strategieteams arbeiten dann am besten, wenn sie von einer gemeinsamen Vision oder Mission getragen werden und dieselben längerfristigen Zielsetzungen verfolgen. Wettbewerb im Team ist hinderlich und führt dazu, dass Informationen und ihre Interpretationen nicht mehr frei fließen. Welche Grundsätze und Elemente prägen eine derartige flexible, dynamisch fließende Strategieentwicklung am Rande des Chaos? 1. Strategie ist ein lebendes System, welches nicht aus einem einzigen Wurf bestehen kann, sondern kontinuierlich entwickelt werden muss. Daher ist Strategie ein permanentes Thema. 2. Eine gute Strategie beinhaltet strategische Optionen, welche Freiräume und Flexibilität zulassen. Derartige Optionen haben einen Zeitwert. Sie sind immer wieder neu zu entwerfen. 3. Strategische Innovationen sollten in Form von Experimenten oder in kleinem Maßstab in Form von Projekten getestet werden. Eine Strategie hat immer nur eine zeitlich befristete Gültigkeit. Veränderungen bringen neue Chancen und erfordern neue Strategien. 4. Erfahrungen und Neues sind zu verkoppeln. Erfahrungen sind wichtig, passen aber oft nicht mehr zur aktuellen Konstellation. Lösungen aus Erfahrung können gefährlich werden. Nur auf Neues zu setzen ist aber ebenso fahrlässig, da jegliche Erfahrung fehlt und sich nicht immer alles komplett neu entwickelt. Beides zusammen hingegen bietet ein fruchtbares Spannungsfeld. Dementsprechend ist die Personalzusammensetzung zu organisieren. Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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5. Ausgangspunkt der Strategie ist die Gegenwart, der Ist-Zustand, und nicht ein wünschbarer Zustand in ferner Zukunft. Strategische Entscheidungen sind heute und nicht in der Zukunft zu fällen. Denn wer weiß schon, wie sich die Zukunft entwickeln wird? Strategie setzt auf die heutigen Chancen für morgen. 6. Nur wenige Regeln bestimmen das Geschehen. Ähnlich wie nur ganz wenige Regeln den komplexen Vogelflug in einem Schwarm bestimmen, bestimmen wenige Geschäftsregeln oder -prioritäten das strategische Geschehen. Strategien sind kurz, eindeutig und prägnant. 7. Der »Rand des Chaos« beinhaltet Überraschungen, denn das Management kann nicht alles unter Kontrolle halten, und Unerwartetes taucht immer wieder plötzlich auf. Dies sind interessante Impulse für weitere strategische Diskussionen. Auch Fehler gehören zum Chaos. Doch aus Fehlern kann man lernen und Einsichten gewinnen.
Einschätzung Die dynamischen Strategieansätze sind keine eigentlichen Strategietools, sondern vielmehr Denkansätze, wie strategische Fragen in dynamischen Konstellationen anzupacken sind. Sie zeigen, dass Strategieentwicklung im Top-down-Verfahren nicht für alle Situationen das geeignete Mittel ist. Will man durch die Strategieentwicklung auch die Reichhaltigkeit der Informationen und Wahrnehmung stärken, die Geschwindigkeit der Reaktionen beschleunigen, die Innovationskraft des Geschäfts forcieren, dann sind die dynamischen Strategieansätze erfolgreicher. Charakteristisch bei ihnen ist, dass der Inhalt und das Ergebnis der Strategie weniger bedeutungsvoll für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens sind als der kontinuierliche Strategieprozess selbst. Dieser Strategieprozess ist bei genauem Hinsehen ein »Lernprozess«. Der Gegensatz aller klassischen Strategieansätze ist die Kluft zwischen Planung einerseits und Implementierung (Ausführung) andererseits. Diese Kluft verwischt sich in den neueren dynamischen Strategien. Die Strategieumsetzung besteht nicht allein aus der Durchführung des Geplanten, sondern schließt die Erkenntnisgewinnung für den nächsten Schritt bereits wieder mit ein.
Bricoler: Strategie im Bastelmodus Basteln und Business − passt das zusammen? Strategieentwicklung kann auch im Bastelmodus zum Erfolg führen. Basteln ist Aufgabe, Hobby und Spiel zugleich. 220
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In Frankreich versteht man den Begriff umfassender. Unter »bricoler« versteht man nicht nur das Basteln, sondern zudem auch »etwas reparieren« oder »aus dem Vorhandenen etwas sinnvolles Neues erschaffen«. Der französische Ethnologe Claude Levi-Strauss führte den Bricoler-Begriff in die Wissenschaft der Anthropologie ein.139 Levi-Strauss beobachtete Eingeborene in fremden Ländern, wie sie aus vorhandenen einfachen Müllteilen sehr praktisch nutzbare Werkzeuge herstellten. Dieses Problemlösungsverhalten bezeichnet der Völkerkundler Levi-Strauss als »Bricolage«. Ein »Bricoleur« (franz. für Bastler) nutzt also das Vorhandene auf eine unkonventionelle, innovative Art, um Sinnvolles herzustellen. Wer bastelt, nutzt Vorhandenes über seinen bisherigen Zweck hinaus auf, um Neues zu erschaffen. Ein Bricoleur ist ganz und gar nicht unprofessionell. Er hat jedoch nur sehr einfache Ressourcen in seinem Zugriff. Er weiß durchaus, dass es bessere Materialien und perfektere Lösungswege gibt, aber sie stehen ihm im Moment nicht zur Verfügung. Um trotzdem zum Ziel zu gelangen, kompensiert er den materiellen Engpass mit seiner Kreativität. So setzt er sein großes kreatives Potenzial frei und nutzt Methoden, Verfahren und Mittel auf eine unkonventionelle Weise. Der Bastler kombiniert Ungewohntes zu für ihn passenden Lösungen, um seinem Ziel etwas näher zu kommen. Eine »Bricoleur-Strategie« kann auch im Business erfolgreich sein.140 Erinnern wir uns an den Vietnamkrieg, wo eine überlegene französische Armee (mit ihren geplanten Strategien) und die noch professionellere amerikanische Armee (auch mit geplanten Strategien) am enormen Willen, kreativen Geist und innovativen »Bricoleur-Ansatz« der Vietnamesen gescheitert sind. Guerilla-Strategien fußen auf dem Ansatz des kreativen Bastelns. Dass nicht jede Management- und jede Geschäftssituation für das Prozedere der logisch-rationalen Planung und Strategiefindung geeignet sind, leuchtet spontan ein. Dies gilt auch umgekehrt für das »strategische Basteln«. Vor allem Geschäfte, die in hoch dynamischen Märkten und Wettbewerbskonstellationen tätig sind, setzen auf die »bastelnde« Strategiefindung. Entscheidungen zu strategischen Themen werden durchaus an den »Ort des Geschehens« delegiert. Auch ein »strategischer Bastler« nutzt, was ihm gerade hier und jetzt zur Verfügung steht. Er baut nicht lange Kernkompetenzen auf, sondern arbeitet mit den Stärken, die er nutzen kann. Er ist zielorientiert und praktisch-kreativ veranlagt. Den Bricoleur interessiert nicht die »perfekte« Lösung, sondern die »passendste«, die er in vernünftiger Zeit realisieren kann. In diesem Sinn ist »Bricolage« das pure Gegenteil einer logisch-rationalen, klassischen strategischen Unternehmensplanung. In der klassischen Planung denkt man voraus, erstellt mit großem Aufwand eine Auslegeordnung (Sandkasten) und wägt dann systematisch die Chancen und Risiken verschiedener Alternativen gegeneinander ab. Jemand, der plant, kann auch seinen RessourcenbeDynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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darf in mehreren Planungsrunden vorausbestimmen. Ein Planer handelt idealerweise erst dann, wenn sein Problemlösungsprozess abgeschlossen ist. Denken und Handeln sind phasenweise getrennt. Nicht so beim Bastler. Er denkt, während er handelt. Dieses Vorgehen erlaubt ihm ein rasches Agieren, denn er will die Gunst der Sekunde für sich nutzen. Ein Bricoleur ist zielorientiert und resultatbesessen. Er handelt spontan und nicht immer nach demselben Muster, anstatt alles vorher auf dem Papier logisch zu entwerfen und zu durchdenken.
Einschätzung Der Bricoleur-Ansatz eignet sich vor allem für innovative, neue Geschäftsmodelle. Start-up-Unternehmen und starke Unternehmertypen erarbeiten ihre Strategien in diesem Bastelmodus. Er gestattet eine permanente Änderung und Anpassung, ist aber nicht ziellos. Sobald das Business aber eine bestimmte Größe erreicht hat, muss eine Strategie weit mehr erfüllen, als clevere Ideen und spontane Aktionen zu liefern. Dann sind andere Strategiekonzepte adäquater und leistungsfähiger.
Patching: Strategische Geschmeidigkeit Die Standford-Professorin Kathleen M. Eisenhardt sowie die Ex-McKinseyBeraterin und Google-Topmanagerin Shona L. Brown gehen in ihren Arbeiten einen Schritt über den Bricoleur-Ansatz hinaus. Sie empfehlen Unternehmen, die sich in hoch wandlungsfähigen, flexibel handelnden Märkten bewegen, ein »Strategic Patching«.141 »Flicken« als Managementstrategie? Auf Deutsch heißt »Flicken« Näharbeit oder das Reparieren von Kleidungsstücken. Doch der englische Begriff »Patching« hat neben dem Flicken von Kleidungsstücken, bei dem man ein kleines Stoffquadrat über das Loch näht, noch eine weitere Bedeutung. Sie hat ihren Ursprung in der Welt der Informatik. Dort versteht man unter einem »Patch« ein kleines Computerprogramm, welches, einmal gestartet, für sich allein autonom Fehler in umfassenden Applikationen behebt. Ein »Patch« ist ein kleines Software-Update. »Patching« (auf Deutsch etwas zusammenstückeln, etwas neu gruppieren; einfügen; Flickwerk oder Flickarbeit, Updates) ist eine Vorgehensweise der Strategieentwicklung, bei der Strategien auf die dynamischen Anforderungen der sich verändernden Markt- und Wettbewerbsentwicklung aktualisiert werden. »Strategic Patching« bedeutet, dass sich spezialisierte, relativ autonome Geschäftseinheiten selbst um die Anpassung ihrer strategischen Ausrichtung 222
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im Detail kümmern. Sie koordinieren sich selber nach außen mit ihrem Umfeld und nach innen mit den anderen Geschäftsfeldern des Unternehmens in relativ kurzen zeitlichen Intervallen. »Patching« wirft einen unkonventionellen Blick auf die Strategien, Strukturen und Prozesse eines Unternehmens, indem es diese als etwas Vorläufiges, Vergängliches, Dynamisches oder Instabiles betrachtet. Das verantwortliche Management eines Geschäfts »repariert« oder »aktualisiert« sozusagen seinen strategischen Kurs immer wieder gemäß den aktuellen Herausforderungen. Die große strategische Linie bleibt, kleinere Anpassungen werden aber spontan entworfen. Dynamische Geschäfte bestimmen die Strategie direkt, weniger Strukturen und Prozesse. Nichts gilt für die Ewigkeit. Alles kann zur Disposition gestellt werden. Anstatt umfassende, längerfristige Strategien zu entwerfen, propagieren die Strategieexperten Eisenhardt und Brown, viele kleinere strategische Schritte auf der Ebene der Geschäftseinheiten zu unternehmen. Diese Geschäftsstrategien werden durch »Patches« laufend weitergeschrieben (aber nicht umgeschrieben!). Diese eine Strategie aktualisierenden Schritte können durchaus umfassende Themen angehen, wie die Aufspaltung, Erweiterung, Verlegung, Vereinigung oder sogar die Aufgabe von Geschäften. Die Markt- und Wettbewerbsdynamik bestimmt die Dynamik der strategischen Anpassung. Strategien einer Kommandozentrale lehnen die beiden Expertinnen in Zeiten hoher Dynamik und Umbrüche ab. Die Managementmodelle des Industriezeitalters passen den beiden Strategieexpertinnen nicht. Sie können den dynamischen Herausforderungen der globalisierten Geschäftswelt, in der Agilität, Dynamik und Flexibilität zentrale Erfolgstreiber darstellen, kaum gerecht werden. »Patching« bedingt Führungskräfte mit hoher Eigenverantwortung, hoher Professionalität, starker Individualität, engagierter Kreativität und unablässigem Willen, Neues dazuzulernen. Sie müssen auch im Strategiethema Professionals sein. Es ist die Aufgabe des Topmanagements, die übergeordnete Vision beizusteuern und die strategischen Updates laufend untereinander zu koordinieren. Strategien verlieren beim »Patching« ihren zeitlichen festen Horizont. Es gibt keine Strategien mit Dauer, keine Strategien für fünf oder zehn Jahre und keine Strategien mit einem Verfallsdatum. Das heißt nicht, dass die Führungscrew keine längerfristige Optik zur Geschäftsentwicklung hat. Im Gegenteil. Die strategische Ausrichtung des Geschäfts findet nur nicht mehr in erkennbaren Analyse- und Planungsphasen statt, sondern wird zu einem »Running Issue«, einem Dauerthema, für das Management. Vor allem in temporeichen und wettbewerbsintensiven Märkten mit hoher Volatilität machen längerfristige Planungen mit fixen Zielsetzungen und klaren Maßnahmenpaketen oft nur wenig Sinn. Strategische Rituale haben hier keinen Platz. Die organisatoDynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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rischen Strukturen müssen flexibel änderbar und im Lichte der neuen Gegebenheiten reorganisierbar sein. Dies verlangt vom Management − und den Mitarbeitenden − einen »geschmeidigen« Umgang mit Strategien, Strukturen und Prozessen. Je einfacher und anpassungsfähiger Strukturen und Prozesse sind und je weniger Aufwand zu ihrer Installation notwendig ist, umso eher werden sie eingesetzt. Nicht die Steigerung der Effizienz oder Produktivität ist die oberste Entscheidungsmaxime, sondern die Stärkung der strategischen Wendigkeit. Die beiden Strategieexpertinnen geben folgende Handlungsanleitungen für ihr »Patching«: • Reagiere rasch ohne aufwändiges Taktieren, um Zeitvorteile zu nutzen. • Entwickle für jede strategische Entscheidung mehrere Alternativen, um
die Entscheidungsqualität zu verbessern. • Teste strategische Entscheidungen. Etabliere kleinere Versuchsreihen,
um Geschäfte in ihrer Funktionsweise zu verstehen. Lerne aus den Entscheidungen, und gib diese Grundsätze weiter. • Schreibe ein »Patching«-Drehbuch zur Entwicklung des Geschäfts, anstatt lange im Voraus zu planen. Das Drehbuch ist wie ein Logbuch auf einem Schiff. Es zeigt den strategischen Kurs. • Improvisiere, um Unsicherheiten und Ungewissheiten zu überbrücken. Handle im Sinn der strategischen Idee, auch wenn konkrete Aktionsempfehlungen fehlen. • Denke und handle immer mit der Abwägung von Chancen und Risiken im Kopf. »Strategisches Patching« wendet sich vom klassischen Strategieansatz radikal ab, bei dem man eine verteidigungsfähige Position und Marktdominanz erringen will. Nicht das Erreichen einer konkreten Zielposition ist wichtig, sondern das dynamische Positionieren des Geschäfts im Wettbewerb und in den Märkten.142 Flexible, wendige Prozesse aufzubauen ist weitaus wichtiger für den Erfolg, als eine »Marktposition« zu erobern und diese dann zu verteidigen.
Einschätzung »Patching« ist für sogenannte High Velocity Markets, also hoch dynamische Marktkonstellationen gedacht. Es eignet sich nicht für Unternehmen in ruhigeren Marktsituationen. Als Voraussetzung für »Patching« empfehlen Eisenhardt und Brown, möglichst autonome Geschäftseinheiten zu bilden, ein wirkungsvolles Controlling zu etablieren, ein unternehmensweit einheitliches Vergütungssystem zu schaffen und professionelle Führungskräfte zu engagieren, welche vor der hohen Rate der Veränderungen nicht zurückschrecken. 224
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Strategischer Wandel: Wenn das Ende zum Anfang wird Das Thema des »strategischen Wandels« setzt nicht an der Strategieentwicklung, sondern an deren Umsetzung an. Es geht nicht um die Veränderung einer Strategie, sondern um die Änderung der Tätigkeiten aufgrund einer neuen strategischen Ausrichtung. Unternehmen und Führungskräfte sind ähnlich im Verhalten, wenn grundlegende Richtungsänderungen anstehen. Beide benötigen relativ viel Zeit, um von einem alten Kurs auf einen neuen umzuschwenken. Ist eine formale Unternehmensstrategie entwickelt und von den notwendigen Firmengremien akzeptiert, wird häufig schon die nächste »Strategie« fällig. Es lohnt sich daher, sich mit dem Thema des strategischen Wandels (strategic change) zu befassen. Beim »strategischen Wandel« fragt man, wie eine neue strategische Stoßrichtung lanciert werden kann. Wandelzeiten sind heikle Managementphasen, da das bisherige Geschäft noch (zumindest teilweise) weitergeführt werden muss und sukzessive schon das neue Business gestartet wird. Altes (und damit oft auch einst Bewährtes) muss über Bord geworfen werden. Neues Knowhow und neue Verhaltensweisen, die sich noch nicht bewährt haben, sind zu erlernen. In dieser schwierige Umbruchphase des »Strategic Change« sind Polaritäten zu managen: Mitarbeiterinteressen gegenüber strategischen Interessen, Standardaktivitäten gegenüber neuen Aktivitäten, Kundenzufriedenheit gegenüber Mitarbeiterzufriedenheit und dergleichen mehr. Jeder Veränderungsprozess in Unternehmen (und in anderen sozialen Systemen) durchläuft die vom deutschen Psychologen und Professor der Cornell University Kurt Lewin identifizierten drei Wandelphasen. Sein anschauliches Modell hat sich als Standard zur Betrachtung von Phänomenen des »sozialen Wandels« etabliert. Auch wenn das einfache Modell die komplexe Problematik verharmlost, bietet es eine praktische Anleitung, um mit strategischen Veränderungen umzugehen. Kurt Lewin nannte die aufeinanderfolgenden drei Phasen eines Wandelprozesses anschaulich »Unfreeze« (auftauen), »Transition« (Übergang) und »Refreeze« (gefrieren, wieder einfrieren).143 In der Auftauphase wird die Veränderung vorbereitet und geplant, Betroffene sind in den Prozess einzubeziehen. Zudem wird eine Zeit des Übergangs bestimmt. In der Übergangsphase werden die Veränderungen dann eingeführt und der Wandelschritt vollzogen. Und in der Gefrierphase wird die Veränderung stabilisiert, indem sie in den Alltag überführt, also zur Routine wird. Mittlerweile wurden für strategische Wandelprozesse leistungsfähige Interventionsmethoden und -verfahren entwickelt, um die heikle Phase des Wandels und der Instabilität möglichst kurz zu halten. Der strategische Wandel will dem Unternehmen einen Kick und Schub in eine neue, strateDynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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gische Ära geben. Werden diese Übergänge von einer alten in eine neue Ära nicht professionell gehandhabt, können negative Effekte auftreten: die Mitarbeiter sind demotiviert, die Kunden unzufrieden oder die Führungskräfte frustriert. Häufig versanden Veränderungsprozesse, da ein neues Denken und neues Verhalten nicht per Dekret verordnet werden kann. Doch ein wichtiges Prinzip des Wandelmanagements setzt auf die Formel »Mache die Betroffenen zu Beteiligten«. Durch intensive Information und Kommunikation wird die Bereitschaft zur Veränderung vergrößert. Es gibt immer auch Fälle, wo der Wandel von Führungskräften und Mitarbeitern, die am »Bewährten« hängen, boykottiert wird. Dies bremst den Veränderungsprozess. Für umfassende Strategieänderungen, die einen radikalen Wandel im Unternehmen bedeuten, werden heute erfolgreich Großgruppeninterventionen lanciert.144 Den verschiedenen Ansätzen ist gemeinsam, dass alle Betroffenen zusammen in einen großen Raum geladen werden, so dass sie die »neue Ära« gemeinsam starten. Die Interventionen setzten zudem auf eine intensive Kommunikation unter allen Beteiligten. Zu den Teilnehmern an derartigen Interventionen gehören nicht nur Führungskräfte und Mitarbeitende, sondern ebenso Lieferanten, Partner oder Kunden. Großgruppen können einen Umfang von mehreren 1 000 Personen erreichen. Welches sind die häufigsten Interventionen? • »World-Café-Methode« zur Stärkung von Werthaltungen und Ideengewin-
nung Diese Methode führt ihre Wurzeln auf die Zeit zurück, als die Menschen noch gemeinsam rund um die Feuerstellen saßen und Themen diskutierten, die alle interessierten und bewegten.145 Auch die Französische Revolution wurde weitgehend in Kaffeehäusern von Intellektuellen und Rebellen gegen das bestehende Regime konzipiert. Diese Idee wird durch die World-CaféMethode für strategischen Wandel übernommen. Vier bis fünf Personen diskutieren an Kaffeetischen konkrete Fragestellungen. Durch Rotation und die Diskussion von spezifischen Fragestellungen entsteht eine Vernetzung, die einen umfassenden, kollektiven Ideenaustausch garantiert. Dies stärkt das gegenseitige Verständnis. Maßnahmen, Aktionen oder vertiefende Strategien gemeinsam zu entwickeln ist weniger das Ziel dieser Methode. Doch Meinungsströmungen können erkannt werden. • »Zukunftskonferenzen« zur Einigung auf gemeinsame Ziele Dieses Verfahren ist auch als Future Search bekannt.146 Dabei entwickelt die Großgruppe (circa ab 150 Teilnehmer) gemeinsame Visionen von der Zukunft des Unternehmens oder eines Geschäfts. Sie engagiert sich in mehrtägigen Workshoprunden für die Planung einer gemeinsamen Zukunft. 226
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• »Real Time Strategic Change« (RTSC) zur Aktivierung der Mitarbeitenden
Die Real Time Strategic Change Conference ist eine Methodik der Veränderung für Großgruppen, deren Ziel es ist, die Neuorientierung in Einklang mit den Absichten und Zielen der Führungskräfte und Mitarbeiter zu bringen.147 Sie wird bei Fusionen, neuen Strategien oder bei der Etablierung neuer Geschäftsfelder angewandt. Bei dieser Methode stehen die Zielsetzungen und Strategien selbst nicht zur Disposition. Der Fokus liegt auf der gemeinsamen Umsetzung des neuen Weges. Hier werden über mehrere Tage in variablen Gruppenzusammensetzungen konkrete Maßnahmen und Aktionen erarbeitet. • »Open Space« zur Ideengewinnung für Ziele und Maßnahmen Dieses Verfahren eignet sich als Ideengeber zur Strategieentwicklung, wenn sich das Unternehmen in einer sehr schwierigen, komplexen Lage befindet und Lösungsansätze unklar vorliegen.148 Viele Menschen in einem Raum restrukturieren die Problemstellung und vernetzen ihr Know-how, um eine Lösung zu entwerfen. Bei einer Open-Space-Sitzung existieren weder eine Agenda noch klare Vorgaben. Es werden ein Marktplatz der Ideen simuliert und im Lauf des gemeinsamen Arbeitens sukzessive Themen konkretisiert. • »Appreciative Inquiry« zur Offenlegung von positiven Potenzialen Die Appreciative Inquiry (wertschätzende Erkundung) möchte Positives verstärken.149 Das Verfahren setzt auf das Strategieprinzip »Stärke deine Stärken«. Auch hier arbeiten in unterschiedlichen Zusammensetzungen Mitarbeitende an der Entdeckung von positiven Aspekten der Unternehmung, um daraus gemeinsam einen Aktionsplan zu entwickeln, um die Stärken weiter auszubauen. Dieses Verfahren soll positive Kraft zur Veränderung schaffen. John Kotter, Professor an der Harvard Business School, interessiert sich in seinen Arbeiten für umfassende strategische Veränderungsvorhaben.150 Er hat eine Reihe von Erfolgsfaktoren identifiziert, um die Veränderungsprozesse möglichst effizient und effektiv in die gewünschte Richtung zu lenken. So soll möglichst frühzeitig ein Bewusstsein für die hohe Dringlichkeit des Wandels kommuniziert werden. Es sind die Promotoren des Wandels auszumachen. Diese müssen dann miteinander vernetzt werden, um sich gegenseitig zu stärken. Eine Vision muss der strategischen Veränderung Richtung und Ziel geben. Anfänglich sind die Veränderungen eher in kleinen Schritten zu planen und anzugehen, um möglichst rasch Erfolge als Belege vorzeigen zu können. Auf diese erfolgreichen Veränderungen sind die nächsten Verbesserungen aufzubauen. Die Lösungsschritte sind dann Schritt für Schritt in Routinen zu überführen, um das Unternehmen wieder zu stabilisieren. Dynamische Strategien: Business an der Grenze des Chaos
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Einschätzung Eine Strategie endet nicht mit ihrer Formulierung im Kopf oder auf dem Papier. Damit fängt die strategische Arbeit eigentlich erst an. Denn jede Strategie wird nur an ihren Ergebnissen gemessen, und diese erbringen nur Führungskräfte und Mitarbeiter. Daher ist das Management des strategischen Wandels für die erfolgreiche Umsetzung ein wichtiger nächster Schritt.
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Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
Reihen Sie so viele Postkutschen, wie sie wollen, aneinander; Sie werden nie eine Eisenbahn erhalten. Joseph A. Schumpeter
Innovation: Mehr als nur eine gute Idee Eine Innovationsstudie von Unternehmen aus Amerika, Europa, Japan und Australien zeigt, dass diejenigen Unternehmen ertragsstark sind, die den maßgeblichen Teil ihres Cashflows mit Innovationen erwirtschaften.151 So konnten Firmen, die ihr Geschäft zu 80 Prozent mit neuen Produkten bestreiten, die Marktkapitalisierung in einer Periode von fünf Jahren verdoppeln. Doch werden die Innovationsinvestitionen wirksam investiert? Die globale Studie der Beratungsunternehmung Booz Allen Hamilton »Innovation 1000« liefert hierzu eine Antwort: »Zumindest teilweise.«152 Innovation ist einer der wichtigsten strategischen Hebel, um dem immer härter werdenden Wettbewerb zu begegnen. Investitionen in Innovation müssten daher die angepeilten Resultate bringen. Doch viele Projekte erfüllen die Erwartungen nicht oder nur schlecht. Nur wenige Innovationen führen zum erhofften Wachstumsschub. Warum? Viele unserer Vorstellungen zum Thema Innovationsstrategie sind überholt. Aber nicht nur ein Umdenken tut not, sondern auch die erzielten Resultate sprudeln oft viel zu spät. Damit geraten Unternehmen in eine Zwickmühle, denn die Erntezeiten verdichten sich durch die Verkürzung der Produktlebenszyklen. Woher kommen Innovationen? Die Impulse für Innovationen lassen sich in »Push-« (Treiber) und »Pull-Quellen« (Zug) unterscheiden.153 Führt neues, allgemein zugängliches Know-how oder eine neue Erkenntnis zu einer Erneuerung, spricht man von einem »Technology Push«, entwickelt das Marketing eine neue Idee, dann liegt ein »Marketing Push« vor. Auch die öffentliche Hand gestaltet durch ihre Gesetzgebung und Impulse innovative Prozesse. Ein Beispiel dafür ist der Solartechnologieschub in Deutschland aufgrund der veränderten Gesetzgebung und der staatlichen Subventionen. Dies ist ein »Public Push«. Aber auch Kunden können durch ihre veränderten Einstellungen, ErInnovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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wartungen oder Verhaltensweisen innovative Impulse bewirken. In diesem Fall liegt ein »Market Pull« vor. Innovationen machen aus guten Ideen handelbare Waren und beflügeln das Wachstum. Das Thema wird heute in der betriebswirtschaftlichen Forschung intensiv untersucht. Dabei stehen die folgenden Themen im Zentrum: • • • • •
Was sind echte Innovationen? Wie werden Innovationen entwickelt? Wie können Märkte mit neuen Angeboten bearbeitet werden? Wie reagieren Kunden auf Innovationen? Wie lassen sich Marktpositionen mit Innovationen verteidigen?
Innovationen sind zentral für jedes Unternehmen, um seine Marktstellung zu behaupten und seine Zukunftsfähigkeit zu sichern. Das Thema der Innovation ist strategisch, da Innovationen den Wettbewerb verändern. Zudem unterliegt selbst das Herzstück des Geschäfts, das Geschäftsmodell, von Zeit zu Zeit der Erneuerung. »Innovation« ist daher der Prozess, um neue Produkte, neue Dienstleistungen auf den Markt zu bringen, die Effizienz der internen Geschäftsprozesse zu steigern oder um das Geschäftsmodell selber neu zu entwerfen. Selbst der sonst stark auf die Marktattraktivität setzende Strategieexperte der Harvard Business School, Michael Porter, bemerkt zum Thema: »Der einzige Weg zum Wettbewerbsvorteil führt heute über die Innovation.«154 Innovation ist einer der am häufigsten genutzten Businessbegriffe schlechthin. Doch zugleich ist Innovation auch ein schillernder Begriff, der, ganz ähnlich wie der Strategiebegriff, ein Spektrum an Interpretationen zulässt. Für einige Autoren ist eine Innovation eine smarte Idee, für andere schlicht nur ein gutes Produkt, dritte erkennen darin den kreativen Akt selbst und manche ganz einfach etwas, womit man viel Geld verdient. Häufig hört man, dass eine Innovation etwas Neuartiges oder anderes ist. Einige Experten betonen den kreativen Aspekt; andere hingegen legen das Gewicht auf die kommerzielle Umsetzung der neuartigen Idee in Form eines Angebots. Fasst man die Diskussionen der klassischen Neuerungsforschung zusammen, so kann man Innovation mit der Formel »Innovation = kreative Idee + Implementierung« auf den Punkt bringen. Diese Betrachtung heißt dann Folgendes: Erstens, je mehr Ideen, umso besser. Zweitens, Selektion einiger Ideen für die Weiterbearbeitung. Drittens, vermarktbare Produkte oder Dienstleistungen aus den Ideen entwickeln, und viertens, verkaufen. Doch neuere Ansätze nehmen von dieser Formel Abschied. Sie wollen die Effektivität (Wirksamkeit) des Innovationsprozesses nachhaltig steigern. Und tatsächlich sind Strategie und Innovation im Kern sehr eng miteinander verwandt. Bei der Strategie fokussiert man die Positionierung des Business im 230
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Markt (aus der Sicht der Kunden und gegenüber Wettbewerbern). Beim Thema der (Produkt-)Innovation will man eben diese Positionierung aktualisieren und weiter ausbauen. Jede erfolgreiche Innovation berührt daher das Geschäftsmodell und die Ertragsmechanik. Innovation folgt treffender der Erfolgsformel »Innovation = Bedürfnis + Lösung«. Echte Innovationen erzielen in den Köpfen der Kunden einen »Nutzenvorteil« gegenüber den bisher bekannten Lösungen. Sie setzen an einem echten Kundenbedürfnis an, werden für einen konkreten Markt zugeschnitten und führen zu Mehrgeschäft. Einzig und allein der Kunde ist der Maßstab für den Erfolg einer Investition.155 Alle Unternehmen realisieren ihre Innovationsprojekte »kundenorientiert«. Doch was heißt dies in der Praxis konkret? In der klassischen Perspektive werden Kunden in Interviews nach ihren Wünschen und Bedürfnissen befragt, oder ihr Verhalten wird von Marktforschungsprofis studiert. Und trotz dieser »Kundennähe« bringen die entwickelten Lösungen nicht das benötigte Kundenverständnis. Neuere Ansätze gehen einen Schritt auf den Kunden zu. Sie überschreiten die Grenze zum Kunden selber. Kunden werden eingeladen, am wertschöpfenden Innovationsprozess aktiv mitzuwirken. Die »Booz-AllenHamilton«-Studie zeigt, dass Unternehmen, die gemeinsam mit ihren Kunden Neuerungen oder Weiterentwicklungen erschaffen, eine doppelt so hohe Gesamtkapitalrendite erwirtschaften wie die anderen. Sich mit dem Thema »Strategie der Innovation« auseinanderzusetzen lohnt sich. Häufig findet sich in der Unternehmenspraxis die Unterscheidung zwischen Produkt- und Prozessinnovation. »Produktinnovationen« sind markt- und kundengerichtet. Sie bezeichnen die Entwicklung neuer Angebote oder verbesserter Qualitäten. »Prozessinnovationen« streben eine Verbesserung der betrieblichen Prozesse zur Erhöhung von Effizienz und Effektivität an. Einige Autoren zum Thema Innovation trennen begrifflich zwischen Erfindung (»Invention«) und Innovation. »Erfindungen« sind keine Innovationen. Sie bedeuten einen technischen Fortschritt, müssen aber nicht zu einem Markterfolg führen. Innovationen hingegen bedingen diesen. Im Zentrum der Innovationsforschung steht der Prozess der Entwicklung und Vermarktung neuer Angebotsideen. Die Adaptions- und Diffusionsforschung kümmert sich um die Frage, wie der Markt diese Innovation akzeptiert und aufnimmt.
Der Innovationsprozess Der Prozess, um zu Neuerungen zu gelangen, wird in Wissenschaft und Praxis in Phasen unterteilt.156 Die Kategorisierung ist aber eigentlich mit dem Prozess der Produktentwicklung (und auch mit jedem Entscheidungsprozedere) identisch: Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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1. 2. 3. 4.
Phase der Ideenfindung Phase der Ideenbewertung Phase der Entwicklung Phase der Implementierung
Realistischer ist, wenn man diesen Innovationsprozess als einen Kreis versteht, in dessen Zentrum der Kunde steht. Bei Prozessinnovationen bleiben die Phasen bestehen, aber das Thema der Effizienzgewinnung rückt ins Zentrum. Schlüsselfrage der Entwicklung einer Produktinnovation ist die »Value Proposition« (Wertversprechen, Nutzenversprechen) für den Kunden. Der Innovationsprozess muss daher die folgenden vier Nutzenfragen beantworten: • Welchen Nutzenzuwachs (Mehrwert) erkennt der Kunde, Nutzer oder Ab-
nehmer? (Wer zieht einen Vorteil daraus?) • Welchen Vorteil erkennen wir? (Was bringt uns die Innovation über-
haupt?) • Welchen Wertvorsprung gegenüber der Konkurrenz bieten wir? • Wie effizient können wir die Innovation realisieren?
Schumpeter: Innovation als kreative Zerstörung Innovation ist nicht erst in unserer heutigen Geschäftswelt ein aktuelles Thema. Der Österreicher Joseph A. Schumpeter, der an den Universitäten Bonn und Harvard lehrte, sprach schon Ende der 30er Jahre von der zentralen Bedeutung der Innovationsdynamik für die Ökonomie. Durch seine Studien popularisierte Schumpeter Begriffe wie »Innovation« oder »kreative Zerstörung«.157 Auslöser der »schöpferischen Zerstörung« sind Innovationen. In der Wirtschaft ist das Bessere immer der Feind des Guten. Jede ökonomische Entwicklung baut auf diesem Prozess der schöpferischen Zerstörung auf, welche dazu führt, dass alte Strukturen untergehen, um neuen Platz zu geben. Die Marktwirtschaft ist anderen Wirtschaftssystemen gerade durch diese innere Erneuerungskraft überlegen. Kreative Pioniere tragen die Kraft der Zerstörung, aber auch der Erneuerung in sich. Innovationen beseitigen wirkungsvoll veraltete Lösungen und brechen inneffiziente Strukturen auf. Schumpeter setzte daher auf die schöpferischen Kräfte des einzelnen Unternehmers, den er als Gegensatz zu den bürokratischen, schwerfälligen großen Unternehmen verstand. Aber auch die Großen haben ihre Vorteile im Prozess der Innovation. Sie verfügen über die notwendigen Ressourcen, um besonders talentiertes Personal anzuziehen. Mit ihrer Marktkraft können sie dann die Neuerungen sehr rasch in die Märkte bringen. 232
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Durch die Globalisierung und den Boom des Internets hat die Theorie Joseph A. Schumpeters eine Renaissance erlebt, da beide Entwicklungen die »zerstörerischen Kräfte« sichtbar machen. Der Wandel zur Servicegesellschaft, die zunehmende elektronische Vernetzung, der Wegfall internationaler Handelshemmnisse und die wachsende Computerisierung des Geschäftsalltags restrukturieren viele Branchen in einer grundlegenden Weise. Zudem gründeten in der Internet-Boomphase der Jahrtausendwende viele Jungunternehmer Start-up-Ventures, die dem schöpferischen Ideal von Schumpeters Unternehmertum sehr nahekamen. Joseph A. Schumpeter kommt das Verdienst zu, als Erster auf die hohe Bedeutung der Innovation für die Volkswirtschaft, das Unternehmen und den Entrepreneur hingewiesen zu haben. Zudem wurde durch seine Arbeiten der Begriff »Innovation« in den allgemeinen Sprachgebrauch überführt. Die Überlegungen Schumpeters wurden nie empirisch bestätigt, was viele Forscher zu weiteren Studien anregte.
Kondratieff-Zyklen: Die lange Welle reiten 1926 publizierte der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratieff (auch Kondratiev, Kondratjew) seine Theorie der zyklischen Wirtschaftsentwicklung in der deutschen Zeitschrift Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. Sie trägt den Titel »Die langen Wellen der Konjunktur«. Kondratieff interpretierte mehrjährige Konjunkturdaten aus Deutschland, Frankreich, England und den USA. Er stellte fest, dass die konjunkturellen Fluktuationen von großen, langen Wellenbewegungen überlagert wurden. Diese Wellenzyklen dauerten jeweils zwischen 30 und 60 Jahre. Erstaunlich ist, dass sie auch ähnliche Verlaufsmuster zeigen. Die etwas länger dauernde Aufstiegsphase, in der sich eher eine positive konjunkturelle Dynamik entfaltet, wird von einer kürzeren Abwärtsphase mit rezessivem Konjunkturverlauf abgelöst. In Zeiten des Aufschwungs erkannte Kondratieff wichtige Entdeckungen und Erfindungen, welche die positive Dynamik treiben. Diese eine Entwicklung unterstützenden Technologien nannte er »Basisinnovationen«. Wie kommt es zu diesen »langen Wellen«? Ein neuer Zyklus beginnt mit der Unzufriedenheit über existierende Lösungen. Aber auch die Entdeckung neuer, attraktiver Basistechnologien kann einen neuen Aufschwung bedeuten. Neue Technologien führen zum Umdenken und zum Suchen nach neuen Lösungen für Bekanntes. Diese kreative Phase bringt eine Vielzahl an nutzbaren Innovationen hervor, von denen sich die eine oder andere auf breiter Basis Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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durchsetzt. Die Basisinnovationen verändern die Struktur der Wirtschaft. Der wachsende Wohlstand auf Basis der neuen Innovationen stabilisiert die wachsenden, neuen Strukturen, was über eine längere Zeit gesehen wiederum selbst zum Problem wird. Eine Dampfmaschine, die einen mechanischen Webstuhl antrieb, war anfänglich um einen Faktor 200 leistungsfähiger als das bekannte Spinnrad. So konnten Textilien um einen x-fachen Faktor günstiger hergestellt werden. Diese revolutionäre Basisinnovation löste einen gewaltigen Boom aus, da die Nachfrage nach günstigen Textilien explodierte. Durch die wachsende Produktivität konnten die Unternehmensgewinne nachhaltig gesteigert werden. Damit wurden die Investitionen in Forschung und Entwicklung finanziert. Doch auch die Dampftechnologie war nicht problemfrei. Der Transport von Kohle, Erzen und Industriegütern verteuerte sich zunehmend, was eine Phase des ökonomischen Abschwungs zu Folge hatte. England war durch die effiziente Nutzung von Stahl und Kohle zur Weltmacht geworden. Doch als Deutschland und die USA auf die Elektrizität und Chemie als Basisinnovationen setzten, gab England seine veraltete, ineffiziente Technologie immer noch nicht auf. Das Land verlor seine Vorrangstellung und geriet ins Hintertreffen. Der Ökonom Joseph A. Schumpeter bezog sich auf die Theorie der langen Wellen von Kondratieff. Er bezeichnete diesen Sachverhalt zu Ehren seines Entdeckers als »Kondratieff-Zyklen«. Abbildung 37 zeigt die Kondratieff-Zyklen und die sie treibenden Basisinnovationen. Über die den Trend unterstützende Innovationstechnologie des sechsten Kondratieff-Zyklus herrscht keine Einigkeit. Was könnte sich zur nächsten Boomtechnologie nach dem Informationszeitalter entwickeln? Kandidaten für kommende Basisinnovationen gibt es bereits einige: Nanotechnologie, Kernfusionsenergie, Biotechnologie, regenerative Energien (Energiespar-Innovationen, Solartechnik, optische Technologien) oder Treiber aus dem Pharma- und Medizinbereich.
Abbildung 37: Kondratieff-Zyklen und Basisinnovationen Zentrales Thema
BasisInnovation
Bekleidung
Transport Industrialisierung
1
2
3
4
5
Wasserkraft Textilwirtschaft Eisenindustrie
Dampfmaschine Eisenbahn Stahlindustrie
Elektrizität Chemie Otto/Diesel-Motoren
Petro-Chemie Elektronik Luftverkehr
IT – Internet Bio-, Nano-, Medtech
ca. 40 Jahre
ca. 30 Jahre
ca. 60 Jahre
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ca. 55 Jahre
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Massenkonsum
ca. 50 Jahre
Mobilität
Globalisierung Kommunikation
? ca. 2020
Die Kondratieff-Theorie ist deshalb so interessant, weil sie nicht nur eine ökonomische Dynamik beschreibt, sondern einen gesellschaftlichen Vorgang darstellt. Die gesellschaftliche Entwicklung konzentriert sich auf die optimale Nutzung der Basisinnovation. Es bilden sich neue, angepasste Infrastrukturen, neue Inhalte für die Bildung, neue unterstützende Technologien, neue Verhaltensweisen und vieles mehr heraus. Ob die Kondratieff-Zyklen sich wirklich nach einem regelmäßigen Muster zwischen 30 und 60 Jahren einpendeln, wird die Zukunft beweisen. Ein symmetrisch sinuskurvenartiger Verlauf gesellschaftlicher und ökonomischer Entwicklung ist jedoch zu bezweifeln. Doch dies ist nicht der relevante Punkt der Theorie der langen Wellen. Strategisch interessant ist, dass zentrale Basisinnovationen unzweifelhaft gewaltige, längerfristige Wachstumstreiber darstellen und damit entscheidende Impulse für die strategische Positionierung vieler Geschäfte geben.
Skunk Works: Brutkästen der Innovation Als »Skunk Works« (wörtlich: Stinktier-Werke) bezeichnet man unabhängige (oft geheime) Entwicklungsabteilungen (auch: black projects) in Unternehmen, in denen hochkarätige, aus verschiedenen Fachdisziplinen zusammengesetzte Teams über für das Unternehmen wichtigen Innovationsprojekten brüten. Tom Peters und Nancy Austin propagieren in ihrem Buch Leistung aus Leidenschaft derartige »Skunk Works«, um einem Innovationsprojekt den notwendigen Stellenwert einzuräumen.158 Skunk Works zeichnen sich durch innovative, rasch handelnde Teams aus, die sich an den Randbereichen von Unternehmen mit den Produktideen der Zukunft befassen. Da diese Organisationseinheiten nicht in der regulären Organisationsstruktur integriert sind, verfügen sie über große (Narren-) Freiheiten. Selbstverständlich verfügen diese Innovationseinheiten über außerordentliche Kompetenzen. Sie können rasch und unkonventionell, oft sogar ohne Wissen des Mutterunternehmens beziehungsweise mit stillschweigender Billigung handeln. Der Begriff der Skunk Works hat seinen Ursprung in den Konstruktionsabteilungen der amerikanischen Lockheed-Martin-Flugzeugwerke, die Flugzeugprojekte für die US Airforce entwickelten. Die erste Skunk-Work-Abteilung soll in der Nähe einer stinkenden Kunststofffabrik untergebracht gewesen sein. (Dies war wohl der Grund für die Namensgebung.) Während des Zweiten Weltkriegs erfuhr das amerikanische Militär, dass seine deutschen Gegenspieler ein neuartiges Kampfflugzeug, den Düsenjäger, entwickelt hatten. Die Amerikaner konnten diesem Flieger nichts Ebenbürtiges entgegensetzen. Dies Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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forderte das amerikanische Verteidigungsministerium heraus. So wandte sich die Behörde an Lockheed Martin. Eine auserlesene Entwickler-Gruppe wurde etabliert. Sie wurde sofort örtlich isoliert, um möglichst keinen Kontakt zu dem Rest des Unternehmens zuzulassen. Der Gruppe wurden alle vorstellbaren Freiheiten bewilligt. Die hoch qualifizierten Ingenieure entwickelten in ihrer Abgeschiedenheit in 143 Tagen einen amerikanischen Prototyp eines neuen Kampfjets mit Düsenantrieb. Diese Methode der raschen, radikalen Innovation in Brutstätten machte Schule. Die Skunk-Works-Methode gilt als sehr erfolgreich bis in unsere Tage. Führende Unternehmen wie IBM, HP oder 3M griffen diese Methode für ihre eigenen Innovationsprojekte auf. Auch moderne Industrie- und Technologieparks fußen auf der Skunk-Works-Idee. Sie bewähren sich vor allem dann, wenn sich die bestehende Organisation eines Unternehmens stark auf Effizienz, Routine, Abläufe oder Optimierung konzentrieren muss und die außerordentlichen Aufträge der Entwickler nicht verkraften kann. In solchen Situationen wären Neuentwicklungen nichts als höchst unwillkommene »Störungen« des normalen Betriebs. Die beiden Managementprofessoren Charles O’Reilly und Michael Tushman der Harvard Business School empfehlen, in extrem wichtigen Situationen besondere Innovationseinheiten einzurichten, die sich eigenverantwortlich und autonom um ihre Aufgabe kümmern.159 Wichtig ist, dass die konventionellen und unkonventionellen organisatorischen Einheiten offen und direkt miteinander kommunizieren, damit die Neuerungen auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgreich in das bestehende Unternehmen überführt werden können. Findet dieser Austausch nicht statt, entstehen Konflikte, die erheblich Zeit und Energien kosten. Innovationsprozesse in größeren Unternehmen stellen eine besondere Herausforderung für das Management dar. Neue Geschäfte konkurrieren mit bestehenden Geschäften um die Zuteilung von Ressourcen. Dies hat zur Folge, dass häufig die neuen innovativen Ventures auf der Strecke bleiben, da sie mit höheren Risiken belastet sind. Die Innovations- und Strategieexperten Vijay Gonindarajan und Chris Trimble, beide Professoren am Center for Global Leadership der Dartmouth Tuck School of Business, empfehlen daher eine ausgewogene Innovationslogik.160 Diese balanciert bestehendes und neues Business aus. • Vergiss, was das bestehende Geschäft erfolgreich gemacht hat
Innovative Geschäfte sollen sich ihrer Logik nach nicht am bestehenden Geschäft orientieren und damit hinderliche Praktiken über Bord werfen. Wer mit konventionellem Denken an neue Geschäfte herangeht, zerstört wertvolle Geschäftsimpulse. Wie »vergisst« man? Der Einbezug von neuen 236
Handbuch der Strategien
Projektmitarbeitern hilft, seien dies neue Talente oder externe Berater. Aber auch die Vergabe von Aufgaben an kritische, engagierte Mitarbeitende, die Entwicklung neuer Maßstäbe für gut/schlecht oder neue Vorgaben, was Erfolg für dieses Innovationsprojekt tatsächlich heißt, unterstützen das Neue. • Leihe Ressourcen aus dem Stammgeschäft Innovationen gedeihen nicht auf der grünen Wiese. Wenn sie entwickelt sind und sich in Testphasen bewiesen haben, sind möglichst rasch Ressourcen aus dem Stammgeschäft in die Innovation zu überführen, um ihr den notwenigen Schub im Markt zu verleihen. • Lerne so rasch als möglich neue Regeln Es ist von Anfang an zu beobachten, wie sich das neue Geschäft entwickelt, was es fördert, was es hemmt, wie Kunden reagieren, wie der Wettbewerb sich positioniert. Dieses sensitive Beobachten führt zu gewinnbringenden Lernprozessen, welche für die Innovation weiter genutzt werden können. Gute Ideen sind die Grundlage eines jeden Business. Henry Ford hatte mit der Idee der Massenproduktion seines Modell T ein geniales Geschäftskonzept. Er revolutionierte die damalige Automobilindustrie. Doch nicht jede Idee wird zur Innovation und automatisch zum Geschäftserfolg. Andy Morrison vom britischen Hanley Management College untersuchte innovative Unternehmen in der Studie »Corporate Innovation – Going Beyond Innovation«. Er stellte die Frage: Wann wird aus guten »Ideen« wirklich ein Erfolg? Die Hanley-Managementstudie bringt fünf interessante Erfolgsfaktoren ans Licht:161 1. Eine innovative Idee muss die Probleme der Kunden lösen und nicht diejenigen von Technikern, Ingenieuren oder Forschern. 2. Die innovative Idee und ihre Erfinder/Entwickler müssen möglichst lange zusammenbleiben. Viele Unternehmen begehen den Fehler, dass sie die Erfinder/Entwickler zu rasch von ihren Ideen trennen. Die neue Geschäfts-, Produkt- oder Prozessidee wird zu früh in bestehende Organisationsabteilungen transferiert. Gute Ideen werden in der Organisation ihrer Ganzheitlichkeit beraubt. Sie »verkümmern« und »verelenden«. 3. Neuerungen brauchen eine besondere Berücksichtigung in Strategien, Plänen, Budgets und Programmen. Viele Innovationen gehen im jährlichen Kampf um Budgets und Ressourcen gegenüber konventionellen Vorhaben unter. 4. Vielfach werden die eigenen Fähigkeiten der Umsetzung einer guten Idee überschätzt. Es lohnt sich, frühzeitig daran zu denken, mit welchen Partnern zusammen die Innovation (eventuell besser) angegangen werden sollte. 5. Frühzeitig sind Netzwerke zu knüpfen, welche die gute Idee unterstützen. Diese politischen Netzwerke helfen intern, dem Innovationsprojekt den Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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notwendigen Schub zu verschaffen. Sie zeigen auch, dass sogar Dritte an die Idee glauben.
Hype-Zyklus: Die Bugwelle der Aufmerksamkeit für Innovationen Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Informationsrevolution beschworen, die im Internet-Hype kulminierte. Doch mit der platzenden »Dotcom-Blase« an den Börsen fand sie schon bald ihr jähes Ende. Der globale Börsencrash wischte das Thema Internet aber nicht vom Tisch. Im Gegenteil, die Entwicklungen um das Web 2.0 belegen dies. Doch es ist mittlerweile leiser um das Thema geworden. Innovationen rund ums und mit dem Internet werden seriöser bearbeitet als in den wilden Zeiten des Hypes. Die Internettechnologie (und alles, was mit ihr zusammenhängt) hat die Art und Weise im Umgang mit Information und Kommunikation im privaten und geschäftlichen Umfeld grundlegend verändert. Heute sind der Nutzen und die Effektivität der direkten, vernetzten Verfügbarkeit von Information und Kommunikation unbestritten. Grundsätzlich durchläuft jede neue Technologie bei ihrer Einführung einen »Hype-Zyklus«, wie wir ihn von der Entwicklung des Internets her kennen. Die Beraterin des renommierten amerikanischen IT-Forschungsunternehmens Gartner Jackie Fenn hat diese Dynamik untersucht. Der »Hype« ist die Bugwelle der Aufmerksamkeit, welche die Innovation durch Verstärkung in Medien und Gesellschaft zu einer überdimensionierten Welle anschwellen lässt.162 Dies gibt der weiteren Experimentierfreude nochmals einen Schub, wodurch auch viele nützliche Innovationen erschaffen werden. Auch das Internet hat aus heutiger Sicht erfolgreiche, radikal neue Geschäftsmodelle wie eBay, Amazon, Google oder die virtuellen Zusammenarbeitsplattformen zwischen Unternehmen geschaffen, die heute kaum mehr wegzudenken sind. Ein »Hype« ist daher weder gut noch schlecht, sondern eine normale Entwicklungsphase, die praktisch von jeder neuen Technologieinnovation durchlaufen wird. Die Y-Achse des Hype-Zyklus skizziert die Dynamik der Aufmerksamkeit, die einer neuen Technologie entgegengebracht wird. Die X-Achse zeigt die Zeitachse (siehe Abbildung 38). Anfänglich steigt die Kurve der Aufmerksamkeit explosionsartig an, wobei sie nach dem Überschreiten eines Maximums ebenso rasch wieder in sich zusammensackt. Doch dann steigt die Aufmerksamkeitskurve erneut, jetzt aber stetig und längerfristig. Ein klassischer HypeZyklus durchwandert in seiner Entwicklung die folgenden fünf Phasen: 238
Handbuch der Strategien
1. die »technologische Neuerung« (Auslöser, Durchbruch, Innovation, Projektstart), die auf ein beachtliches Interesse und eine hohe Aufmerksamkeit stößt, 2. die »Spitze überzogener Erwartungen«, welche durch hohen übertriebenen Enthusiasmus geprägt ist, 3. das »Tal der Tränen«, in dem sich eine Enttäuschung an die andere reiht und das Thema von vielen als gescheitert interpretiert wird, 4. die »Phase der späten Einsicht«, in der die Technologievorteile verstanden und zunehmend genutzt werden, und 5. das »Plateau der Leistungsfähigkeit«, auf dem sich die Technologie auf breiter Basis behauptet und sich ein allgemeiner Standard entfaltet.
Abbildung 38: Hype-Zyklus
Entwicklungsdynamik der öffentlichen Aufmerksamkeit
»Hype-Woge«
reguläre Entwicklung
»Bugwelle« überzogener Erwartungen produktive Nutzung Web 2.0
Voice over IP
ePaper TelePräsenz
mobile Spracherkennung
Web-Services FirmenBlogs
Ernüchterung Bezahlung per Mobiltelefon
Grid Computing RFID
DNA-Computing
Smartphones
Wikis
Zeitachse
Einschätzung In einem Hype-Zyklus ist die strategische Bewertung einer Innovation für das Management äußerst schwierig. Die »Bugwelle« ist schwer interpretierbar. Soll die neue Technologie für die Entwicklung eigener Innovationen adaptiert werden oder nicht? Setzt sich diese Technologie durch oder wird sie zum Flop? Die Entscheidungsträger stehen vor dem Dilemma, entweder einen wichtigen Trend zu verpassen und damit neue (vielleicht attraktive) Geschäftschancen zu vergeben oder viel Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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zu früh, viel zu riskant Investitionen aufs Spiel zu setzen. Im letzteren Fall würden eventuell in anderen Geschäftsfeldern dringend benötigte Mittel ergebnislos »verbrannt«.
Innovationsmuster: Kleine Schritte oder große Sprünge »Inkrementale Innovation«: Emsig in kleinen Schritten vorwärts Fortschritt ist in unseren Köpfen programmiert. Wir sind immer auf der Suche nach Möglichkeiten, Dinge oder Prozesse zu verbessern, leistungsfähiger zu gestalten oder einfacher zu lösen. Schritt für Schritt verbessern wir das Bestehende. James Brian Quinn hat nach einem generellen Muster für erfolgreiche Innovationsprozesse in Unternehmen geforscht.163 Doch dieses konnte er in seinen Studien nicht entdecken. Von der Geschäftsleitung geplante und initiierte Innovationsprozesse, die große Erfolge erzielen, trifft man in der Praxis selten. James B. Quinn stellte fest, dass viele erfolgreiche Veränderungsimpulse keinem logischen Pfad von »oben nach unten« folgen, sondern überall entstehen. Wertvolle Impulse für Veränderungen, für innovative Produkte oder für die Erneuerung der Geschäftsprozesse sind nicht an das obere Management gebunden. Initiativen entstehen somit überall. Strategien und Innovationen werden zwar geplant, aber häufig nicht logisch-rational realisiert. Sie wachsen im Prozess des Arbeitens spontan. Es ist also nicht, wie oft geglaubt, die Unternehmensspitze, von der die innovativen (und strategischen) Sprünge ausgehen. Das gängige Vorgehen, welches die meisten Unternehmen im Rahmen von Innovationsprozessen verfolgen, bezeichnet er als logischen Inkrementalismus oder als »schrittweises, spontanes Vorgehen des Sich-Durchwurstelns«. Welche Rolle hat das Management beim inkrementalen Innovationsprozess? Die Geschäftsleitung handelt als Coach, der strategische Initiativen unterstützt, umlenkt oder bremst. So ist es wichtig, dass sich die Geschäftsleitung dieser wichtigen verstärkenden oder bremsenden Rolle zur Zukunftsgestaltung bewusst ist. Es sollte daher ein Führungssystem etabliert werden, das entsprechende Innovationsinitiativen unternehmensweit identifiziert, um so die Weiterentwicklung zu sichern. Die Vorgehensweise der kleinen Schritte, die durch das Management koordiniert werden, ist sehr leistungsfähig. Trotzdem reicht diese Form der Verbesserung nicht aus, um im Wettbewerb einen wirklichen Vorsprung zu etablieren. 240
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»Radikale Innovation«: Auf der Suche nach großen Sprüngen Abbildung 39: Innovationstypen Inkrementale Innovationsstrategie
Radikale Innovationsstrategie
Projekt fokus
eher kurzfristige Optik auf die kommenden 6, 12 oder 24 Monate; Fokus: Kosten oder Produktverbesserung
eher längerfristige Optik auf die kommenden 5 bis 10 Jahre Fokus: Neuproduktentwicklung, neue Geschäftsprozesse, neue Geschäftsmodellierung
Verlauf, Gewissheit
bekannt, kontinuierlich, logisch, geringe Ungewissheit
unbekannt, sprunghaft, hohe Ungewissheit, bruchstückhaft
Geschäfts bezug
Entwicklung bezogen auf bestehendes Geschäftsmodell, um aktuell zu bleiben
Entwicklung bezogen auf noch unbekanntes, zu entwickelndes Geschäftsmodell, um Wettbewerbs/ Marktposition zu verbessern
Organi sation
verankert in bestehender Organisation, formaler Prozess
Schlüsselentwickler kommen und gehen, bereichsübergreifend, intern und extern; Projektorganisation
Ressourcen
setzt auf bekanntes Wissen und nutzt bekannte Vorgehensweisen und Methoden
entwickelt Lernprozesse, baut neue Fähigkeiten auf, entwickelt neuartige Ressourcen
Modell vorstellung
in (kleinen) Schritten
in (großen) Sprüngen
Die Märkte und Wettbewerber erfordern heute eine höhere Innovationsdynamik, wenn man sich als Innovationspionier positionieren möchte. Einige Managementkonzepte der industriellen Ära wie beispielsweise Hierarchie, Arbeitsteilung, Qualitätskontrolle, Überwachung, Controlling, Planung oder Effizienzsteigerung sind für innovative Prozesse hinderlich. Ein Innovationsschub erfordert Experimentierfreude, spielerische Kreativität, Imagination und spontane Organisationsformen für die Entwickler. Unternehmen müssen daher diese erforschenden, spielerischen Aktivitäten zulassen, da sie die Quellen für sprunghafte Fortschritte sind (vergleiche Abbildung 39). Radikale Innovationen geben sich mit Verbesserungen des Status quo nicht zufrieden. Eine »radikale Innovation« ist kein Reparaturdienstverhalten und kein nächster Verbesserungsschritt. Sie kümmert sich nicht um die nächsten logischen Schritte einer Entwicklung oder um graduelle Verfeinerungen. Radikale Innovationen sind auf der Suche nach Sprüngen, Brüchen Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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oder einer Zäsur. Ihr Inhalt sind neue Produktlinien, die Erschließung neuer Märkte, sprunghafte Verbesserungen der Geschäftsprozesse oder neue Geschäftsmodelle.164 Es ist riskant und heikel, radikale Innovationen anzugehen. Ihre Floprate ist hoch. Ihr Erfolg ist aber durchschlagend. Eines der Hauptprobleme ist, über eine längere Zeitdauer einem zukünftigen Geschäftsprojekt genügend Ressourcen zuzuordnen, obwohl kurzfristig keinerlei Erträge zu erwarten sind. Constantinos D. Charitou und Constantinos C. Markides, beides Strategieexperten der London Business School, haben sich aus einer Wettbewerbsperspektive mit radikalen Innovationen auseinandergesetzt. Sie erforschten, wie die traditionellen, oft branchenführenden Unternehmen sich gegenüber innovativen Herausforderern verhalten. Hierzu haben sie etwa 100 Unternehmen untersucht und dabei folgende strategische Verhaltensmuster festgestellt: • Bleibe auf dein traditionelles Geschäft fokussiert.
Traditionsfirmen warten erst einmal ab und verfolgen weiterhin ihren konventionellen Geschäftspfad. Sie beobachten, wie sich die Herausforderer im Markt behaupten und wie die Kunden reagieren. • Ignoriere die Innovation – dies ist nicht unser Business. Da die Herausforderer oft andere Zielgruppen in anderen Preissegmenten bedienen (zum Beispiel Billigairlines im Vergleich zu den Traditionsgesellschaften), findet man das Geschäftsmodell nicht besonders attraktiv. Traditionsfirmen haben die Tendenz, Innovationen abzulehnen. • Schlage zurück und sei radikaler! Haben die Herausforderer jedoch einen nachhaltigen Erfolg, so kommt plötzlich der Zeitpunkt, zu dem auch Traditionsunternehmen auf das innovative Geschäftsmodell einschwenken. Doch meistens etablieren sie dafür spezielle Geschäftsbereiche oder Tochterfirmen. Für diese relativ selbstständigen Einheiten ist es leichter, sich wie die Herausforderer zu verhalten. • Ausnahme: Spiele beide Spiele! Eine mit Vorsicht anzugehende Anpassungsstrategie ist es, beide »Spielvarianten« unter einem Dach anzubieten. Die wichtigen Unterschiede zwischen Alt und Neu verschwimmen für den Kunden. Trotzdem lässt sich diese Strategie mit einem entsprechend großen Marketingsupport realisieren. Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Strategie sind Versicherungsgesellschaften, die einen In-House-Telefonverkauf zu günstigeren Konditionen anbieten. Guy Kawasaki, der erste Marketingchef des innovativen Apple Inc., Venture Capitalist und Autor mehrerer Bücher zum Thema Innovation, hat viel beachtete »Wahrheiten« zur Kunst des Umgangs mit radikalen Innovationen zusammengetragen.165 242
Handbuch der Strategien
• Springe heute schon auf die nächste Kurve der Entwicklung!
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Wer nachhaltigen Vorsprung sucht, findet diesen selten auf derselben technologischen Entwicklungsstufe, auf der sich auch die Wettbewerber bewegen. Vermarkte das Imperfekte! Wer auf die perfekte Innovation wartet, wird es nie schaffen. Perfektion gibt es nicht. Auch viele neue Fahrzeuge werden erst von den Kunden auf Herz und Nieren getestet. Wichtig ist es, Märkte mit Innovationen zu besetzen. Verbessere nonstop! Imperfekt können Innovationen nur am Anfang sein, danach müssen sie eine führende Position einnehmen, sonst ist der Vorsprung weg. Doch die Innovationen können fortlaufend weiterentwickelt werden. Polarisiere mit deinen Angeboten! Die Innovation soll zu reden geben. Eine bessere Promotion gibt es nicht. Zudem ist es falsch, ein Produkt zu entwickeln, welches für jede Zielgruppe das richtige ist. Dies gibt es nicht. Nur einzelne Kundensegmente können mit dem innovativen Angebot zufrieden sein. Von dort aus ist die Lösung weiter zu differenzieren und zu multiplizieren. Reiße Hindernisse nieder! Innovative Lösungen sind, entgegen einer landläufigen Meinung, nicht einfach zu vermarkten. Sie müssen gegen die vorhandenen Lösungen bestehen. Der Status quo ist träge. Erst wenn man die Nutzer dazu bringt, das Produkt zu testen, fallen die Mauern. Lass hundert Blüten blühen! Die Kunden alleine bestimmen, wie das Produkt oder die neue Lösung verwendet wird. Sie geben Anregungen zur Weiterentwicklung und für weitere Nutzungsanwendungen. Der Kosmetikkonzern Avon entwickelte eine neue Hautcreme für geschmeidigere Haut. Doch die Kunden nutzten sie als Insektenschutzmittel. Avon stieg daraufhin sofort in diesen neuen Markt ein. Make happy! (Mach Kunden zufrieden!) Dies ist das einzige Ziel der innovativen Entwicklung. Es geht dabei weniger um den technologischen Fortschritt an und für sich, sondern vielmehr um zufriedene und glückliche Kunden.
Einschätzung Der Innovationsfokus ist kulturell geprägt. Westliche Unternehmer setzen vermehrt auf die Produkt- und Serviceinnovationen. Ihre asiatischen Kollegen hingegen konzentrieren sich auf die Verbesserung der Prozesse und die Gestaltung der Effizienz. Bei uns im Westen werden große Anstrengungen unternommen und Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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enorme Mittel investiert, um den »innovativen Big Bang« zu entdecken, das heißt ein ultimatives Knüller-Produkt zu finden, auf das der Markt schon immer gewartet hat. Doch Innovation hat auch noch viele andere Chancen zu bieten. Vor allem die Innovation in Prozessen und Geschäftsmodellen schafft nachhaltige Vorteile. Die Erfolge des japanischen Managements, wodurch Toyota, Canon, Matushita und andere Konzerne zu Weltklasseunternehmen wurden, belegen diesen Ansatz. Westliche Manager erwarten von Innovationen einen Sprung nach vorne. Asiaten hingegen sind auch mit kleinen Fortschritten zufrieden. Damit lassen sich ebenfalls große Distanzen überwinden. Nur wenige Unternehmen haben ihre wirtschaftlichen Erfolge in großen Sprüngen erzielt. Dell, Apple, Inditex (ZaraMode) und Starbucks sind jeder für sich spezifische Beispiele für Unternehmen, denen innovative Würfe gelungen sind. Doch die meisten Unternehmen müssen sich mit kleineren, aber letztlich nicht minder erfolgreichen Innovationsschritten begnügen.
S-Kurve: Grundmuster der Innovationsdynamik Die »S-Kurve« ist ein häufig eingesetztes wissenschaftliches Konzept, welches einen Entwicklungsverlauf darstellt. Ursprünglich wurden S-Kurven in der Mathematik entwickelt, dann wanderte die Vorstellung des S-Verlaufs in die Physik, Biologie, Volkswirtschaftslehre und weiter in die Innovationsforschung. Entwicklungsverläufe lassen sich in der Form eines S-Verlaufs interpretieren. So kann beispielsweise die S-Kurve die Entwicklung eines Embryos ebenso wie die Wachstumsdynamik von Virenstämmen beschreiben. Im Innovationsmanagement zeigt die S-Kurve den »prinzipiellen« Entwicklungsverlauf einer Neuerung in den Phasen Entwicklung, Wachstum, Reife und Degeneration. Die S-Kurve entspricht daher auch dem Phasenverlauf eines Produktlebenszyklus. Für jede Phase können »prinzipielle« strategische Empfehlungen gegeben werden. Die Unternehmensberatung Arthur D. Little hat eine Klassifikation der Innovationsdynamik vorgelegt (vergleiche Abbildung 40):166 »Schrittmachertechnologien« (pacing technologies) stecken noch in der Entwicklungsphase und sind sehr riskant, doch sie haben das Potenzial, den ganzen Geschäftszweig aufzumischen. »Schlüsseltechnologien« (key technologies) beeinflussen die gegenwärtige Wettbewerbsposition des Unternehmens nachhaltig. Sie sind die Träger seines Fortschritts. Werden Technologien zu »Basistechnologien«, sind ihre Vorsprungspotenziale zermalmt, da sie von den meisten Anbietern genutzt werden. Sie haben ihr Differenzierungsmerkmal verloren. 244
Handbuch der Strategien
Abbildung 40: Die S-Kurve der Innovation
Leistungsfähigkeit
Basistechnologien
Schlüsseltechnologien
Schrittmachertechnologien
Technologie-Lebenszyklus
Die S-Kurven sind hilfreich zur Analyse technologischer Innovationszyklen. Es ist nützlich festzustellen, auf welcher Entwicklungsstufe sich eine Innovation befindet, da je nach Phase spezifische strategische Verhaltensweisen angebracht sind. Zudem existieren in der Unternehmenspraxis meist mehrere konkurrierende Technologien oder Innovationen gleichzeitig, die aber einen unterschiedlichen Entwicklungsverlauf zeigen. Es ist wichtig, die Innovationsdynamik verschiedener Vorhaben aus Gründen der Mittelzu- und -abflüsse auszubalancieren. Durch das Studium der S-Kurven kann festgestellt werden, wann »die Zeit reif ist«, um von einer technologischen Lösung auf die nächste zu springen. Kann die Leistungsfähigkeit nicht mehr deutlich gesteigert werden, ist es Zeit, sich nach neuen technologischen Lösungen umzusehen.
Innovationsdynamik: Zusammenhang von Produktund Prozessinnovation Die Harvard-Professoren William J. Abernathy und James M. Utterback befassen sich mit der Fragestellung, wann Unternehmen eher »Prozessinnovationen« beziehungsweise wann sie eher »Produktinnovationen« vorantreiben Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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sollen.167 Die Entscheidung für den einen oder anderen Innovationspfad bedeutet eine strategische Weichenstellung, da die vorhandenen Fähigkeiten, Mittel und finanziellen Ressourcen sorgfältig dem einen oder anderen Pfad zugewiesen werden. Die empirischen Untersuchungsergebnisse belegen, dass es sich bei der Entscheidung weniger um eine Frage des »Entweder-oder« als um ein »Sowohl-als-auch« handelt. Beide innovativen Bereiche sind für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend. Einerseits müssen neue Produkte dem Geschäft Impulse geben, andererseits sind immer wieder Effizienzsteigerungen notwendig. Abernathy und Utterback betrachten das Thema der Innovation aus einer dynamischen Perspektive entlang der gesamten Entwicklung, was interessante Erkenntnisse liefert. Dass Produktinnovationen wichtige Treiber für das Wachstum sind, steht außer Frage. Mit zunehmender Dauer im Marktverlauf einer Innovation wird aber der Herstellungsprozess selbst immer bedeutsamer. So wird die Verbesserung des Herstellungsprozesses bedeutsamer für den finanziellen Erfolg als das Weiterentwickeln der Produkte. Warum? Die beiden Forscher sehen die Ursache darin, dass sich der Spielraum für weitere und immer noch weitere Produktverbesserungen im Verlauf des Produktlebenszyklus verengt. Die Fortschritte in der Forschung und Entwicklung nehmen mit zunehmendem Alter des Produkts ab. Dies heißt nichts anderes, als dass entweder die Aufwendungen für weitere Innovationen steigen oder die zusätzlichen Fortschritte immer geringer ausfallen. Die Innovationsexperten empfehlen daher, sich dann auf die innovative Verbesserung der Prozesse zu konzentrieren. Dies steigert die Renditen weiter. Diese Effizienzsteigerungen im Prozessbereich verbessern die Profitsituation. Sie sind ebenfalls – neben der Produktinnovation – ein zentraler Faktor zur Festigung der Position im Wettbewerb. Doch dieses Umschwenken vom Produkt auf den Prozess geschieht nicht ganz freiwillig: Die Konkurrenz verschärft zunehmend den Druck zur Rationalisierung. Auftretende Billiganbieter bieten den Kunden preisgünstige Alternativen. Zudem sind nicht alle Kunden immer nur an den innovativen Verbesserungen interessiert, sondern wünschen sich auch günstigere Angebote. So führt kein Weg an der Effizienzsteigerung zur Senkung der Kosten vorbei. Vor allem im Bereich der Premiumprodukte spielt daher nicht nur die »Produktinnovation« eine zentrale Rolle, sondern auch die »Prozessinnovation«. Investitionen zur Steigerung der Produktivität und Kostensenkung sind daher nicht zu vernachlässigen. Wer diesem Aspekt zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, vergrößert seine Preisdiskrepanz zur Billigkonkurrenz. So kann es durchaus vorkommen, dass die psychologische Wertbeimessung durch die Kunden (»value for money«) den Preisaufschlag für das innovative Premiumangebot nicht mehr rechtfertigt. Abbildung 41 zeigt den Zusammenhang zwischen Produkt- und Prozessinnovation. 246
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Abbildung 41: Prozess- und Produktinnovation im Verlauf
Innovationsintensität
»Dominantes Design«
Produkt-Innovation
Prozess-Innovation
Zeitablauf
Innovationsgewinn: Wer profitiert von einer Innovation? »Lohnen sich Innovationen für denjenigen, der sie entwickelt?«, fragte sich David J. Teece, Professor an der University of California Berkeley, bei seinen Innovationsstudien. Das »Teece-Modell« kann eingesetzt werden, um zu entscheiden, ob sich bestimmte Innovationen strategisch lohnen oder ob man die guten Ideen besser an Dritte weiterverkaufen sollte.168 In seinen Überlegungen fragte er, wer zu den Gewinnern der Innovation gehört. Bei seinen Studien fand Teece, dass zwei Faktoren diese Frage signifikant beeinflussen. Der erste Faktor ist die »Imitationsgefahr« (imitability) der Innovation. Die Imitationsgefahr geht der Frage nach, wie rasch und einfach sich die Neuerung durch Wettbewerber duplizieren lässt. Dies kann ein identisches Produktangebot, ein Substitutionsprodukt oder das Kopieren des Innovationsprozederes betreffen. »Welche Teile der Innovation lassen sich kopieren? Wie schnell wird kopiert? Wird nur der Innovationsprozess kopiert oder die Lösung?« sind einige Fragen, die sich hier stellen. Doch dem Imitieren ist der Erfinder/Entwickler nicht völlig ausgeliefert. Als Gegenmaßnahme kann er Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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seine Innovationen mit den Immaterialgüterrechten (Lizenzen, Copyrights, Patente) absichern. Die geheime oder vertrauliche Behandlung der komplexen Entwicklungsroutinen und des internen Geschäftswissens ist eine weitere Möglichkeit. Zu beachten ist, dass es sich aufgrund der immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen in einzelnen Branchen oft nicht mehr lohnt, Patente anzumelden, da die administrativen Sicherungsverfahren viel zu aufwändig und langwierig sind. Der zweite Faktor, der den Profit einer Innovation nachhaltig beeinflusst, sind die »komplementären Ressourcen«. Diese ergänzenden Fähigkeiten, Fertigkeiten oder finanziellen Mittel sind für die Markteinführung, Kommerzialisierung und für die Anfeuerung des Marktwachstums notwendig. Ein Beispiel aus dem amerikanischen Softdrink-Business zeigt die Rolle der komplementären Ressourcen. RC Cola war die erste Firma, die ein Diät-Colagetränk auf den Markt brachte. Doch RC Cola konnte sich von den Marktleadern nicht schützen. Die Imitatoren Coca-Cola und Pepsi stürzten sich auf die gelungene Produktidee. Die beiden Cola-Riesen verfügten über ein gewaltigeres Arsenal an komplementären Ressourcen im Vergleich zu RC Cola. So nutzten die Imitatoren ihre starken Marken, ihre Distributionskanäle, ihr professionelles Marketing, die Kraft bestehender strategischer Allianzen, die vorhandenen Kundenbeziehungen und ihre ganze Marktkraft, um »ihre« Innovation in den Markt zu drücken. Der Verlierer der Innovation war RC Cola. Er blieb auf der Strecke …
Einschätzung Um wirklich von einer Innovation strategisch zu profitieren, sind nicht nur deren Neuigkeitsgrad und deren Beitrag zur Erhöhung des Kundennutzens abzuklären, sondern vor allem auch deren Imitieranfälligkeit sowie die komplementären Ressourcen der potenziellen Konkurrenten.
Technologische Innovation: Die Kluft fehlender Akzeptanz überspringen Geoffrey A. Moore, Hightechberater im Silicon Valley, interessiert sich für das strategische Verhalten von Firmen in schnelllebigen Märkten, die durch ein enormes Wachstum gekennzeichnet sind.169 Wie kann es ein Unternehmen in rasenden Wachstumssituationen schaffen, möglichst rasch die Marktführerschaft zu erobern? Derartig schnell wachsende Märkte finden sich zum Beispiel in der Hightechbranche oder auch im Internet-Business. Diese Markt248
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konstellationen haben komprimierte Produktlebenszyklen und wachsen mit hoher Geschwindigkeit von einem Nischenmarkt zu einem Massenmarkt. Geoffrey A. Moore baut seine Überlegungen auf der »Theorie der Innovationsdiffusion« auf. Sie untersucht, warum und wie rasch technologische Neuerungen von den Kunden akzeptiert werden. Die Diffusionsforschung untersucht beispielsweise die Dauer der Akzeptanz von Neuerungen durch die Kunden, wie diejenige von Armbanduhren, Personal Computern, mobilen Telefonapparaten, Tomatensaucen, Videogames, Opernmusik oder Sushi in verschiedenen Kulturen. Das Diffusionsmodell wurde schon 1962 vom Soziologen Everett M. Rogers, Professor der Stanford University und der University of Southern California, entworfen. Es geht davon aus, dass Innovationen sich entlang eines glockenförmigen Verlaufs im Markt verbreiten.170 Diesen Glockenverlauf unterteilte Rogers aufgrund der Forschungsergebnisse folgendermaßen: 1. »Innovators« (Innovatoren, Enthusiasten, Techies, Freaks): 2,5 Prozent Die Innovatoren haben Freude am Neuen schlechthin. Sie besitzen immer das neueste Handy, die aktuellste Digitalkamera und den aktuellsten MP3Player. Sie entscheiden, was cool, hot oder out ist. Das Marktpotenzial dieser Gruppe ist relativ klein, aber sie sind als Beeinflusserszene bedeutungsvoll. 2. »Early Adopters« (frühe Übernehmer, Visionäre): 13,5 Prozent Die frühen Produktnutzer erkennen den Vorteil der Technologie oder Innovation. Sie sind bereit, dafür auch einen höheren Preis zu bezahlen. 3. »Early Majority« (frühe Mehrheit, Pragmatiker): 34 Prozent Die Pragmatiker öffnen die Tore in den Massenmarkt. Sie warten zuerst einmal ab, wie sich etwas entwickelt, bevor sie es sich anschaffen. Sie müssen überzeugt werden, dass die Neuerung einen Vorteil gegenüber dem Bestehenden bringt. Sie wollen keine Risiken eingehen, setzen daher gerne auf bekannte Marken, etablierte Unternehmen und auf Verbessertes statt auf Revolutionäres. 4. »Late Majority« (späte Mehrheit, Konservative): 34 Prozent Die Konservativen kaufen, wenn die Neuerung preisgünstiger geworden ist und eine breite Verbreitung erreicht hat. Wenn alle etwas haben, kann es ja nicht schlecht sein. 5. »Laggards« (Nachzügler, Skeptiker): 16 Prozent Dann gibt es noch die ewigen Skeptiker, die nicht an die Neuerung glauben. Sie kritisieren gerne und beschwören die guten alten Zeiten. Abbildung 42 stellt die Glockenkurve der Diffusion von Innovationen grafisch dar. Was bestimmt, ob eine Innovation rasch zum Erfolg wird? Hierzu gibt Rogers eine Reihe von Antworten: Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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• Die Innovation bringt einen relativen Vorsprung, das heißt, sie wird als
Fortschritt gegenüber bestehenden Lösungen betrachtet. • Die Innovation ist einfach, das heißt, ihre Idee wird rasch verstanden und
ist einfach nutzbar. • Die Innovation ist kompatibel, das heißt, sie passt zu den Vorstellungen
und bisherigen Erfahrungen des Kunden. • Mit der Innovation kann leicht experimentiert werden, das heißt, sie lässt
sich leicht nachvollziehen. • Die Innovation ist beobachtbar, das heißt, auch Dritte erkennen den Fortschritt.
relative Häufigkeit
Abbildung 42: Akzeptanz von Innovationen
Pragmatiker
Konservative
Kaufe, was alle haben.
Abwarten, bis es günstig wird.
Visionäre Vorne mit dabei sein.
Skeptiker Brauchen wir das wirklich?
Enthusiasten Versuch‘s mal.
2,5 %
13,5 %
34 %
Kluft der Akzeptanz
34 %
16 %
Zeitpunkt der Annahme
Doch Geoffrey A. Moore erkannte, dass diese »Glockenentwicklung« für Hightechprodukte und -lösungen nicht im Sinne Everett Rogers verläuft. Er entdeckte eine Kluft im Anstieg der Kurve. Bei Hightechinnovationen entsteht diese »Kluft« (»chasm«) der Akzeptanz zwischen den frühen Übernehmern, den Enthusiasten, Visionären und Technologiefans auf der einen Seite und der frühen Mehrheit oder den technologischen Pragmatikern auf der anderen Seite (vergleiche Abbildung 42). Wie kommt es zu diesem Graben, der oft ein Überspringen des Geschäftserfolgs von einem Nischenmarkt zu einem Massenmarkt verhindert? Die Ursa250
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che liegt in den unterschiedlichen Erwartungen der beiden Kundengruppen an eine neue Technologie. Die Enthusiasten, Freaks oder Visionäre haben Freude an technologischen Spielereien. Sie sind an »Gags« interessiert und erfreuen sich am Besonderen, Außerordentlichen und Neuen. Die Pragmatiker auf der anderen Seite der Kluft schätzen derartige Gags weniger. Diese Kluft der Innovationen ist aus strategischer Sicht gefährlich. Immer wieder verpassen es Unternehmen, vor allem im Hightechbereich, ihre Strategien auf das Überspringen dieser Kluft auszulegen. Wer den Sprung nicht schafft, bleibt in der Nische sitzen und verpasst das große Geschäft. Nischenplayer gehen oft in einer späteren Phase in ihren kleinen, anspruchsvollen Teilmärkten unter. Sie schaffen es nicht, den hohen Ansprüchen der Kunden mit immer weiteren Neuerungen gerecht zu werden. Technologische Entwicklungen müssen, wenn sie einen Durchbruch im Breitengeschäft haben wollen, ihre strategische Positionierung sowie die Marketing-, Distributions- und Preisstrategie auf eine frühe pragmatische Mehrheit ausrichten, nachdem sie bei den innovativeren Zielgruppen bereits eine erfolgreiche Positionierung erreichen konnten. Dies gilt auch für Start-up-Unternehmen. Wer keine Brücke zur Überwindung des Grabens baut, stürzt ab. Wie kann man eine Brücke bauen? 1. Fokussierung auf ein Kerngeschäft und Aufbau einer starken Position bei den Early Adopters. 2. Abklären, wie die »Brücke« aussehen soll: Größe, Art, Nutzenstiftung, Value Proposition im Marktsegment der Early Majority. 3. Das Angebot zu 100 Prozent fertigstellen, so dass die Risiken für die Zielgruppe minimiert sind. 4. Ein Paket schnüren, bei dem die Risiken durch Zusatz- oder Nebenleistungen reduziert sind, und dann rasch im Markt multiplizieren. Intensiv mit der Zielgruppe kommunizieren.
Einschätzung Hervorzuheben ist, dass sich Geoffrey A. Moore insbesondere mit technologischen Innovationen (vorwiegend im Hightechbusiness) befasst. Das Problem der strategischen Innovationskluft herrscht speziell in diesem Segment. Geoffrey fordert in seinen Arbeiten immer wieder, dass Unternehmen, die einen Durchbruch feiern wollen, auf eine »First-Mover«-Strategie setzen sollten. Doch dieser Ansatz, dass der Erste, der einen Markt besetzt, auch besonders erfolgreich sein soll, ist strategisch umstritten. Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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Disruptive Innovation: Wenn Spitzenleistungen zum Problem werden Der Beitrag von Clayton M. Christensen zur disruptiven oder »zerstörenden« Innovation ist einer der wichtigsten theoretischen Ansätze der letzten Dekade im Innovationsmanagement. Dies zeigt sich daran, dass schon kurz nach der Veröffentlichung seines Werks The Innovator’s Dilemma der Begriff nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Praxis Verwendung fand.171 Die »kontinuierliche Innovation«, das heißt das stetige Weiterentwickeln oder Verbessern von Produkten und Prozessen, beherrschen viele Unternehmen bestens. In vielen Branchen konzentrieren sich die führenden Anbieter auf die laufende Verbesserung ihrer Angebote für ihre immer anspruchsvoller werdende Kundschaft. Doch dabei übersehen selbst Innovationsführer eine wichtige Dimension ihres Geschäfts. Nicht alle Kunden sind an verbesserten Lösungen interessiert. Zudem sind viele Innovationen technologiegetrieben statt kundenorientiert. Selbst Spitzenanbieter richten sich aufgrund des Wettbewerbsdrucks an Konkurrenzprodukten aus, anstatt die wirklichen Bedürfnisse der Kunden zum Maßstab für ihre Entwicklungen zu nehmen. Der Wettbewerbsdruck zur Differenzierung führt dazu, dass Unternehmen ihre Angebote mit Hochdruck weiterentwickeln. Doch im Gleichschritt damit werden die Angebote für die Kunden zunehmend komplexer. Manchen Unternehmen gelingt es, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, indem sie diese dominante Industrielogik durchbrechen. Besonders strategisch gefährlich sind daher diese »zerstörerischen« Innovationen. Warum? Sie bieten dem Kunden genau das, was er sucht. Doch dies muss nicht unbedingt eine anspruchsvollere, komplexere Lösung sein. Eine »zerstörerische« Innovation kann das Angebot wieder einfacher und günstiger gestalten. Häufig sind es Unternehmen außerhalb der Branche, welche derartige unkonventionelle Lösungen bieten. Beispiele für »zerstörerische« Innovationen, die ganze Branchen neu definierten, sind: elektrisches Licht/ Petroleumbeleuchtung, Kupferdraht/Glasfaserdraht, Schreibmaschine/Textverarbeitung. Clayton M. Christensen hat festgestellt, dass gerade Innovationsleader den Sprung in neue »zerstörerische« Innovationen häufig verpassen. Neben ökonomischen Gründen wie zu hohen Fixkosten, dem Verpassen der neuen Entwicklungskompetenz oder einer zu starken Vermarktungsorientierung sieht Christensen vor allem psychologische Ursachen wie Arroganz, Bürokratie, Erfolgsgewöhnung, Bestandsdenken oder Kurzfristorientierung. Vorsicht, die Kernkompetenzen eines Unternehmens können zu seinen größten Feinden werden, wenn Wandel angesagt ist. Christensen spricht daher vom »Innovationsdilemma«. Hervorragende Unternehmen verlieren ihre 252
Handbuch der Strategien
Marktführerschaft, wenn sie mit bahnbrechenden, neuen oder radikal vereinfachenden Technologien (Innovationen) konfrontiert werden. Ein Beispiel für ein Erfolgsunternehmen, das an sich selbst scheiterte, ist die in Konkurs geratene amerikanische Firma Polaroid. Sie verpasste den Wechsel von der Sofortbild-Fotografie in die digitale Ära. Das einstige Spitzenunternehmen schaffte es nicht, sich selbst zu »häuten«, seine nicht mehr gefragten Kernkompetenzen beiseite zu legen, sich neu zu besinnen und auszurichten sowie noch aus einer Position der Stärke heraus auf die neue Technologie zu setzen. An der Automobilindustrie lassen sich die Überlegungen von Christensen vertiefen. Jeder Fahrzeuganbieter ist bestrebt, sich durch innovative Technologien, das Design der Fahrzeuge und durch Neuerungen im Bereich komplexer Komponenten (wie Beleuchtung, Bremsen, Antrieb, Getriebe) gegenüber seinen Konkurrenten zu differenzieren. Die Hersteller lancieren hierzu Forschungs- und Entwicklungsprojekte (vor allem im technischen Bereich), auf deren Ergebnis kein Kunde gewartet hat. So wurde das Automatikgetriebe immer weiter entwickelt, obwohl das System seit Jahrzehnten bestens funktionierte. Viergang-Automaten gelten heute als rückständig, fünf Gänge waren bis vor kurzem Standard, sechs Gänge sind heute das Maß der Dinge. Mercedes brachte vor kurzem die Siebengang-Automatik als Errungenschaft auf den Markt, die dann kurzerhand von Toyota/Lexus mit der Achtgang-Automatik übertrumpft wurde. Und auf die Neungang-Schaltung wartet höchstwahrscheinlich auch niemand. Jeder weitere Automatikgang bedeutet für die Unternehmen aber einen enormen Forschungs-, Entwicklungs-, Produktions- und natürlich auch Kostenaufwand. Derartige »Pseudoinnovationen« lassen sich in verschiedenen Industrien leicht finden. Die Elektro- und Hybridfahrzeuge hingegen setzen auf die CVT-Getriebetechnologie, welche völlig schaltfrei funktioniert. Diese Technologie läuft auf einer kostengünstigeren und eigenen Innovationskurve (vergleiche Abbildung 43). Christensen spricht in diesem Zusammenhang vom »innovativen Überschießen« der angebotenen Funktionen gegenüber den Bedürfnissen des Marktes (overshooting the market). Wer nutzt schon die ganze Funktionalität des Navigations- und Multimediasystems im Fahrzeug? Wer kann sämtliche Optionen des Mobiltelefons, der Digitalkamera, des Videogeräts oder der TVStation bedienen? Manche Kunden sind durchaus mit weniger zufrieden. Vor allem etablierte Unternehmen, die dem harschen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind, fallen in die »Overshooting-Falle«. Dieses Überschießen ist strategisch gefährlich, denn der Markt wird so reif für neue oder einfachere Angebote am unteren Ende der Skala. So konnte der Mobiltelefonhersteller Nokia einen überraschenden Markterfolg durch »einen Schritt zurück« erzielen. Die Firma konzentrierte sich bei ihren InnovationsInnovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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anstrengungen einmal nicht auf den Ausbau der Handyfunktionen. Das Unternehmen wollte der Konkurrenz am »unteren Ende« Paroli bieten. So wurden besonders einfache Modelle zu besonders günstigen Preisen entwickelt, die sich bestens verkauften. Die Funktionalität wurde zusammen mit den Kunden entwickelt. Doch nicht allen Unternehmen gelingt dieser Spagat zwischen Topmodellen und einfachen Basisprodukten.
Marktperformance
Abbildung 43: Das Modell der »disruptiven« Innovation
RADIKALåDISRUPTIVE )NNOVATION ANSPRUCHSVOLL
+ORRIDOR¬DER +UNDENå ANFORDERUNGEN
3TANDARDå INNOVATION
ANSPRUCHSLOS
Zeitachse
Die einfacheren, nicht mehr von den Spitzenanbietern erschlossenen Marktsegmente sind ein attraktiver Magnet für clevere Newcomer. Sie fokussieren sich speziell auf diese »liegengelassenen« Nischen. Spitzenanbieter schaffen ein Geschäftsvakuum, welches findige Unternehmen mit simplen Lösungen anzieht. Diese Innovatoren »von unten nach oben« finden zudem häufig einen relativ geschützten Wettbewerbsraum vor. Die etablierten, dominanten Anbieter halten sich in ihrem Geschäftsmodell nämlich selbst gefangen. Sie können nicht rasch ihr bewährtes und jahrelang aufgebautes Wertschöpfungsmodell über den Haufen werfen. Die Marktleader haben sich über eine längere Entwicklungszeit zu dem hochgearbeitet, was sie heute sind: zum Topanbieter. Diese Position wollen sie nicht einfach aufgeben. Als Spitzenanbieter sind sie konsequenterweise meist Hochpreisanbieter. Aufgrund ihrer etablierten Strukturen sind sie in vielen Fällen gar nicht in der Lage, in günstigeren Markt- und 254
Handbuch der Strategien
Kundensegmenten zu konkurrieren. Die etablierten Anbieter haben sich aber selber (durch ihre hohen Kernkompentenzen) in diese Entwicklungsbredouille gebracht. Die Strategien der etablierten Unternehmen bezeichnet der Harvard-Professor Christensen als »nachhaltig«, diejenigen der Markteinsteiger als »zerstörend, trennend, quer liegend oder durcheinanderbringend« (disruptive). Nachhaltige, kontinuierliche oder erhaltende Technologien/Innovationen verbessern die Leistungsfähigkeit der bestehenden Angebote. Die disruptiven, diskontinuierlichen oder störenden Innovationen hingegen bieten ihren Kunden ein neues Nutzenversprechen (value proposition). Sie bieten ihnen aber genau den Nutzen, den sie bei den etablierten Produkten vermissen. Oft spricht das »zerstörerische« Angebot auch preissensitive Kundengruppen an, was den Newcomer rasch wachsen lässt. Das Newcomer-Geschäftsmodell untergräbt das bisherige Businessgefüge einer Branche. Derartige zerstörerische Technologien oder Innovationen bringen den existierenden Status quo ins Wanken. Die Newcomer haben zwei strategische Ansatzpunkte für ihren Angriff: Sie können sich einerseits auf Kundensegmente konzentrieren, die von den Spitzenanbietern vernachlässigt werden. Hier bieten sich zum Beispiel günstige Einstiegs- oder Basismodelle an, um im Markt Fuß zu fassen. Andererseits können aber auch die Topkunden direkt im Visier der Neuen stehen. Durch das Overshooting des klassischen Anbieters suchen die Kunden nach weniger komplexen Lösungen. Sie wollen das kaufen, was sie wirklich benötigen. Wie können etablierte Unternehmen auf die disruptiven Innovationen reagieren? Welche Optionen bieten sich?172 • Suche unausgeschöpfte Marktpotenziale am unteren Ende
Gibt es Kundensegmente, die am unteren Ende des Marktes ein genügend attraktives Geschäftspotenzial bieten? Welche Funktionen könnten weggelassen werden, um das Angebot deutlich günstiger zu gestalten? Welche Minimum-Performance ist für das Marktsegment am unteren Ende interessant? Welche Margen lassen sich dort erwirtschaften? • Suche neue, noch nicht erschlossene Marktpotenziale Existieren größere Zielgruppenpotenziale, die bisher aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenssituation nicht in der Lage waren, ein bestimmtes Produkt oder einen bestimmten Service zu nutzen, obwohl sie ein Bedürfnis dafür hätten? • Suche noch nicht erschlossene Aktivitäten beim Kunden Könnten bestimmte Zielgruppen, die noch nicht erschlossen wurden, gewisse Aktivitäten leichter, kostengünstiger oder effektiver realisieren, wenn sie unsere Angebote zur Verfügung hätten? Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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Einschätzung Etablierte Unternehmen und Spitzenanbieter müssen auf die geschäftszerstörenden Innovationen immer gefasst sein. Topunternehmen, die ihre Marktstellung ihrer Technologieführerschaft zu verdanken haben, sind potenziell sehr gefährdet. Aufgrund ihrer Tendenz zum »Overengineering« (Überentwicklung) und der permanenten Jagd nach immer höherer technischer Raffinesse bleiben die wirklichen Kundenwünsche oft auf der Strecke. Topanbieter übersehen gerne die Chancen, die sich dann für disruptive Anbieter ergeben. Der Ansatz der disruptiven Innovation bietet strategisch wichtige Einsichten in die Marktdynamik, die für jeden Anbieter zu beachten sind. Innovation müssen nicht immer nur im Premium-Segment lanciert werden. Vor allem die Märkte am unteren Ende bieten auch für einfache, aber kundenorientierte Innovationen ein attraktives Potenzial. Auf einer globalen Skala betrachtet gilt dies verstärkt.
Open Innovation: Strategie der Demokratisierung innovativer Prozesse Henry Chesbrough, Professor der University of California Berkeley, führte das Konzept der »Open Innovation« ein.173 Er bezeichnet damit die Erweiterung des Innovationsprozesses von Unternehmen auf Kreise, die außerhalb des Unternehmens liegen. Man spricht hier auch von »interaktiver Wertschöpfung«. Open Innovation macht den letzten fehlenden Schritt zur Entwicklung von Innovationen: den direkten Schritt zum Kunden oder zum Nutzer (user). Durch Open Innovation sollen die Kadenz (Häufigkeit) und die Qualität von Innovationen maßgeblich verbessert werden. Die Grundidee lehnt sich an das in der Softwareentwicklung weit verbreitete »Open-Source«-Modell (zum Beispiel Linux) an. Die verschärfte Wettbewerbsdynamik mit ihren Herausforderungen für Unternehmen führt zu einem Umdenken bei der Suche nach innovativen Lösungen. Die Kritik am herkömmlichen Innovationsansatz lautet: zu aufwändig, zu kostenintensiv, zu langatmig, zu kundenfern. Daraus entwickeln sich neue innovative, unkonventionelle Strategien für den Prozess der Wertschöpfung. Das Unternehmen will den riskanten Innovationsprozess nicht mehr allein (im stillen Entwickler-Kämmerlein) realisieren. Externe Forscher, Studierende, Experten und vor allem »Heavy Users« (intensive Produktnutzer) werden in den Entwicklungsprozess miteinbezogen. Neu an diesem Ansatz ist, dass sich Kunden selbst am Wertschöpfungsprozess für »ihre« Unternehmen engagieren. Bestimmte Kundengruppen verstehen sich heute nicht mehr nur 256
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als passive Konsumenten. Sie empfehlen sich aktiv beim Unternehmen als Wertschöpfungspartner. Kunden entwickeln, analysieren, gestalten, forschen und produzieren engagiert mit. So bestimmen Kunden selbst den Fortschritt der von ihnen gekauften Produkte. Patricia Seybold, Expertin für kundenorientierte Strategieentwicklung und Customer Relationship Management, nennt dieses Phänomen »Outside Innovation« oder »Customer Innovation«.174 Der Kunde ist der Ausgangs- und Angelpunkt für Neuerungen.
»Co-Creation«: Interaktive Wertschöpfung Der Strategieexperte C. K. Prahalad und der Marketingexperte V. Ramaswamy betrachten die Outside Innovation als Revolution der Wertschöpfung. Wertschöpfung ist nicht mehr allein Sache des Unternehmens, sondern Kunden übernehmen Teile dieses zentralen betrieblichen Prozesses. Doch der Begriff der Outside Innovation bringt die Idee nicht ganz auf den Punkt. Innovationen werden nicht außerhalb des Unternehmens, sondern gemeinsam von Unternehmen und Kunden entwickelt. Die beiden Forscher führten daher den treffenderen Begriff der »Co-Creation« (gemeinsame Kreation) ein. Der Ansatz der Co-Creation ist nicht mit der Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen (Marktsegmentierung) oder mit Initiativen zur intensiven Kundenorientierung (Customer Care) zu verwechseln. Bei der Co-Creation werden die Kunden direkt zu Problemlösern. Die Kunden und das Unternehmen definieren gemeinsam die zu entwickelnden ökonomischen Werte. Der Ansatz der Co-Creation will die ganzheitliche Kundenerfahrung bei wichtigen Entscheidungen einbeziehen. »Was gefällt, was nicht? Was funktioniert, was könnte besser sein? Wie geht der Kunde mit dem Produkt im Alltag um? Wofür wird es sonst auch noch eingesetzt? Wie ist das Lebensumfeld und die Situation, wenn das Produkt genutzt wird?«, sind einige der Fragen, die im Prozess der Co-Creation auftauchen. Welche Gründe führen zur Co-Creation? Warum öffnen Unternehmen ihr Herzstück des Business? Prahalad und Ramaswamy sehen folgende Ursachen: wachsende Deregulierung, Wettbewerber aus den Emerging Markets, Konvergenz von Technologie und Kommunikation, zunehmende weltweite Vernetzung der Geschäftswelt und kritischere Kunden. Die Kunden von heute sind so informiert, vernetzt, aktiv und global orientiert wie nie zuvor.175 Sie wissen bestens, was es wo zu welchem Preis auf diesem Globus gibt. Unternehmen passen sich dieser Entwicklung an. Sie fragmentieren ihre Wertschöpfungsketten, wie dies vor wenigen Jahren noch unmöglich schien. So können Unternehmen durch die neuen Technologien heute die physische (Geschäftsoperationen) und die virtuelle Seite ihres Geschäfts (Managementprozesse) voneinander Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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trennen. Dies gestattet es, sie einzeln zu optimieren. Beispiele hierfür sind das Outsourcing operativer Geschäftsprozesse oder Prozesse der Co-Creation. Im Amateurfunk ist die partnerschaftliche Weiterentwicklung von Angeboten zwischen User und Entwickler üblich. Amateurfunker sind Professionals. Sie tauschen ihr Know-how rund um den Globus mit Kollegen und Firmen aus. Ein anderes Beispiel für Co-Creation ist Wikipedia. Wikipedia wird von seinen Lesern tagtäglich mit aktuellem Wissen versorgt und immer wieder weiter aktuell gehalten. Auch die virtuellen Lebens- und Arbeitswelten von »Second Life« entwickeln sich rasant. Nur die Kunden gestalten diesen »Lebensraum«. Jeden Tag wird so die digitale »Wirklichkeit« durch das persönliche Engagement von rund 22 500 Arbeitsstunden seiner Fans weiter ausgebaut.
»Crowd Sourcing«: Die Ideen der Massen Das amerikanische Trendmagazin Wired fasst das Phänomen der Outside Innovation in den Begriff des »Crowd Sourcing«.176 Crowd Sourcing hat aber einen etwas anderen Schwerpunkt als Co-Creation. Es steht für Ideengewinnung bei der unbekannten, großen Masse. Crowd Sourcing wird gerne mit Outsourcing verwechselt. Beim Outsourcing werden spezifische Unternehmensaufgaben aktiv an Dritte ausgelagert. Beim Crowd Sourcing hingegen werden intelligente und kreative Prozesse an Kunden und interessierte Kreise ausgelagert. Eine Schar engagierter, cleverer Amateure beteiligt sich freiwillig an Forschungs- und Entwicklungsvorhaben oder liefert Informationen, um das Angebot erst zu dem zu machen, was es eigentlich sein sollte. Beispiele für Crowd Sourcing findet man häufig im Bereich der Webangebote: FaceBook, iStockPhoto, YouTube, Amazon und eBay sind prominente Vertreter. Auch hier handelt es sich um interaktive Wertschöpfungsprozesse zwischen Unternehmen und Kunden. Andere Begriffe, die für dieses Phänomen genutzt werden, sind: »Open Innovation«, »Kollektive Intelligenz« oder »Schwarmintelligenz«. Der Kontext, in dem diese Begriffe eingesetzt werden, ist jeweils spezifisch, die Kernidee aber dieselbe. Immer handelt es sich um das Zusammenspiel unternehmensinterner und -externer Kreise zur Erstellung eines ökonomischen Mehrwerts. Aufgaben, die bisher von den Mitarbeitenden eines Unternehmens erfüllt wurden, werden durch ein Netzwerk von Kunden und Nutzern angepackt. Die Aufgabenstellung kann eine Innovation sein, aber auch nur operative Tätigkeiten umfassen. Amazon ist als Buchladen vor allem deshalb interessant, weil Autoren ihre Bücher beschreiben und Kunden ihre persönlichen Meinungen kundtun. Der Nutzwert für den Kunden des Amazon-Angebots entsteht so interaktiv zwischen Firma und Nutzer. 258
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»Sticky Information«: Das Know-how am Ort des Geschehens Oft ist es für Unternehmen sehr schwierig, an die benötigten Kunden- oder Erfahrungsinformationen heranzukommen, da die Information eng mit der Situation verknüpft ist. Marktforschung ist in vielen Fällen zu weit weg vom Kunden und von der Situation, wo das Produkt genutzt wird. Am reichhaltigsten und aufschlussreichsten sind Erfahrungsinformationen, die am »Ort des Geschehens« erhoben werden. Eric von Hippel hat hierfür den Begriff der »Sticky Information« (klebrige Information) geprägt. So wissen Windsurfer oder Wellenreiter am besten, wie das Gerät für ihren Sport beschaffen sein sollte. Ihre Meinungen und Erfahrungen sprudeln am Strand beim Getöse gigantischer Wellen am besten. Nur die »Heavy Users« (intensiven Nutzer) kennen »ihre« ideale Ausrüstung, die es für eine Maximierung des Erlebnisses braucht. Derartiges Insiderwissen »klebt« an Personen und an Situationen. Marktforschungslabors können diese Sticky Information bei ihren Untersuchungen nicht reproduzieren und auch kaum mit Interviews in einem sterilen Büro ergründen. Zahlen, Fakten und Verhaltensweisen lassen sich leicht vom Kunden zum Unternehmen transferieren, das Erfahrungs- und Bedürfniswissen hingegen nicht. Daher ist es am besten, wenn Unternehmen »Gesandte« in derartige Nutzer-Communitys entsenden, um möglichst reichhaltiges Erfahrungswissen im Umgang mit den eigenen Produkten und Dienstleistungen zu erhalten. Die Nutzung dieser Sticky Information, die sich in den Köpfen und Herzen der Kunden sowie am Ort des Geschehens befindet, ist für den Innovationsprozess bedeutsam. Die Rolle des Kunden bei der Neuentwicklung von Innovationen ist eher gering einzuschätzen, hingegen extrem wertvoll bei der Produktverbesserung und Produkterweiterung.
»User Innovation«: Wenn Kunden entwickeln Die Studien von Eric von Hippel, Ökonomie-Professor an der Sloan School of Management des MIT, richten sich auf das Phänomen der interaktiven Wertschöpfung und Innovation.177 Sie revolutionieren die Suche nach Neuerungen für viele Unternehmen. Seine Forschungsergebnisse belegen, dass die Produkt- und Servicenutzer äußerst leistungsfähige Innovatoren sind. Von Hippel und sein Team beobachteten zum Beispiel die Windsurferszene an den Traumstränden dieser Erde. Sie stellten fest, dass die Hersteller von Surfbrettern und technischem Gerät sehr eng mit den Surf-Freaks »zusammenarbeiten«. Viel mehr noch, Surfer und Hersteller bilden zusammen eine »Research Community«, welche sich engagiert um die Professionalisierung des Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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Surfens kümmert. Den Wissensfortschritt im Bereich des Surfens entwickeln Kunden und Ausrüster in enger Zusammenarbeit.178 Wenn Anwender sich selber um den Fortschritt ihrer eigenen Produkte und Dienstleistungen kümmern, spricht man von »User Innovation«. User Innovation findet man in vielen Bereichen: Mountainbiker, Skater, Bergsteiger, Outdoor-Begeisterte oder Taucher geben den Herstellern wertvolle Tipps, wie sich bestehende Produkte verbessern oder neue Ideen umsetzen lassen. In der Softwarebranche ist Linux mit seinem »Open-Source«-Ansatz erfolgreich unterwegs, wo Zigtausende Programmierer rund um die ganze Welt verteilt die Computersprache und praktische Anwendungen ständig weiterentwickeln. Linux fordert mit seinen kostenlosen Lösungen sogar den Marktleader Microsoft heraus. Beispiele finden sich aber auch in der Petroleumindustrie, wo Explorationsgeräte und -verfahren von Nutzern und Herstellern gemeinsam entwickelt werden. Das Unternehmen Treadless in Chicago zeigt beispielhaft, wie die interaktive Wertschöpfung funktioniert. Die beiden Gründer Jake Nickell und Jacob DeHart gründeten im Jahr 2000 mit 1 000 US-Dollar das Unternehmen. Das New Venture hat seinen Umsatz mittlerweile jedes Jahr vervierfacht. Die Firma verkauft ein einfaches Produkt: bunt bedruckte T-Shirts. Doch die Ideen für die T-Shirt-Designs entwickeln keine Designer, sondern eine Community mit unendlich sprudelnden kreativen Lösungen. Die Kunden skizzieren, was sie tragen wollen. Diese Designs werden dann auf der Treadless-Website zur öffentlichen Bewertung Woche für Woche ausgeschrieben. Und wiederum leisten die Kunden ihren Beitrag. Sie wählen diejenigen Designs, die ihnen am besten gefallen. Das Unternehmen designt nicht, entwickelt nicht und entscheidet nicht, was es herstellt. Die von den Kunden auserkorenen Topdesigns gehen in Produktion. Die »Designer« bekommen einen kleinen Cashbonus und einen Einkaufsgutschein für ihre Bemühungen. Das Geschäft von Treadless läuft derartig gut, dass mittlerweile knapp 50 Arbeitsplätze geschaffen und weitere Produktlinien, zum Beispiel eine Kinderlinie und TypeTees (Schriftzeichenlinie), entwickelt wurden. Im August 2007 etablierte die Firma sogar einen eigenen Retailstore in Chicago, um die Marke zu stärken. Die Firmengründer haben dieses erfolgreiche Geschäftsmodell auf andere Felder multipliziert (zum Beispiel Krawatten). Das Konzept ist nicht nur innovativ, sondern genial. Die Kunden entwickeln das, was ihnen gefällt oder was sie sich wünschen. Dieser »Do-it-yourself«-Innovationsmodus steht nicht nur für spielerische Entwicklung, sondern für echtes Business. Entwicklungsflops, bei denen am Kundenbedürfnis vorbeientwickelt wird, sind hier praktisch ausgeschlossen. Im Jahr 2006 wurden für über 6 Millionen US-Dollar T-Shirts verkauft, und 2007 sind es sogar mehr als 20 Millionen. Damit verkauft Treadless über 80 000 T-Shirts pro Monat. 260
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»Lead-User«-Methode als Innovationstreiber Das traditionelle, herstellerbezogene Innovationsmuster lautet: Der Hersteller betreibt Marktforschung und entdeckt ein Bedürfnis des Anwenders oder seiner Kunden. Dann setzt er seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Gang, die er während des gesamten Innovationsprozesses vorfinanziert. Hat er eine geeignete, marktfähige Lösung gefunden, patentiert er diese und verkauft sie an die Kunden. Doch das kundenzentrierte oder, wie sich Eric von Hippel ausdrückt, das »demokratisierte Innovationsmuster« steht dazu im völligen Gegensatz: »Vorreiter« (lead users) erneuern Angebote selber, da sie ihre eigenen Bedürfnisse erfüllen möchten. Sie tun dies oft sogar auf ihre eigenen Kosten und ohne Entschädigung. Ihre innovativen Lösungen stellen sie den interessierten Firmen kostenlos zur Verfügung, damit diese die für sie passenden Angebote entwickeln.
Abbildung 44: Lead Users und Innovationsakzeptanz
relative Häufigkeit
Pragmatiker Konservative
Visionäre
Skeptiker
Lead User Experten – Pilotkunden …kreieren Ideen. …evaluieren Konzepte. …testen Prototypen.
Zeitpunkt der Annahme
»Lead Users« sind die absoluten Vorreiter, die Fans, die Spitzenanwender oder die einen Trend anführenden Kunden.179 Sie haben Bedürfnisse, die einen allgemeinen Bedarf vorausahnen lassen. Doch warum machen Lead Users beim Innovationsprozess mit? – Sie erwarten einen persönlichen Nutzen durch die eigenen Entwicklungen. Dieser liegt aber nicht in der Absicht, »fette Gewinne« Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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zu erzielen. Sie möchten ein komplexes Problem praktisch in den Griff bekommen. Von einer Lead-User-Innovation spricht man, wenn sich der Entwickler einen persönlichen Nutzen von der innovativen Lösung verspricht (vergleiche Abbildung 44). Der Lead User ist selbstmotiviert und engagiert sich aus Eigenantrieb. Eine Untersuchung zur Effektivität der Lead-User-Methode hat ergeben, dass das Verfahren über achtmal erfolgreicher nutzbare Ideen produziert als herkömmliche Innovationsansätze. Aus strategischer Sicht ist interessant, dass sich ein System der arbeitsteiligen Wertschöpfung etabliert, bei dem das Unternehmen selber nicht mehr den gesamten Wertschöpfungsprozess unter Kontrolle hat.180 Es bestehen in interaktiven Wertschöpfungskonstellationen oft nicht einmal vertragliche Vereinbarungen über die Entwicklungsaktivitäten oder die Nutzung der Erkenntnisse. Alle Beteiligten sind relativ autonom, unabhängig und entscheiden selbst, wie intensiv sie sich gegenseitig binden wollen.
Einschätzung Strategisch spielen Lead-User-Innovationen im Bereich der Open Innovation eine zentrale Rolle. Unternehmen nutzten aktiv das Know-how, Erfahrungspotenzial und Engagement ihrer Kunden für ihren Innovationsprozess. So können Unternehmen reichhaltige Ideenquellen außerhalb ihrer Grenzen erschließen. Eine treffendere Quelle für Hintergrund- und Bedürfniswissen lässt sich nicht erschließen. Marktforschung und Marktbeobachtung produzieren immer nur eine externe Sicht auf das Kundengeschehen. Zudem sind ihre Instrumente in vielen Fällen künstlich und laborartig. Erst der direkte Einbezug der Kunden in den Innovationsprozess offenbart die spezifischen Kundenbedürfnisse und -wünsche.
Innovationstypen: Pioniere versus Multiplikatoren Paul Geroski und Costas Markides, zwei Management-Professoren der London Business School, untersuchten praktische Innovationsprozesse in Firmen.181 Dabei identifizierten sie zwei strategisch alternative Typen von Innovatoren: »Pioniere« und »Multiplikatoren«. Sie sprechen in Anlehnung an die Zeit großer Eroberungen auch von den »Kolonialisten« (colonizers) und von den »Konsolidierern« (consolidators). Pioniere sind kreativ bei der Entdeckung innovativer, neuer Ideen für Produkte oder Geschäfte. Sie erfinden, kreieren Neues und haben eine gute Nase dafür, was Kunden sich jetzt gerade wünschen. Sie entdecken und entwickeln innovative Angebote für ihre Kunden. Diese Kolonialisten sind meistens En262
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trepreneurs, Tüftler oder Start-up-Unternehmer. Sie lehnen Bürokratie, Administration, Routinen und straffe Organisation ab. Dafür suchen sie das Außergewöhnliche, Unkonventionelle und verstehen sich als Rebellen. Kolonialisten sind gerne schillernde, dominante, faszinierende Persönlichkeiten. Businesspioniere sind zwar kreativ, aber weniger professionell bei der Multiplikation ihrer Lösung in den Markt. Sie können ihre cleveren Businesskonzepte zwar entwerfen, aber nicht in einem größeren Maßstab ausdehnen. Die zweite Kategorie, die Multiplikatoren oder Konsolidierer, sind ebenfalls innovativ, aber nicht im Entwerfen neuer Produkt- oder Geschäftsideen. Sie verbessern auch keine Geschäftsprozesse. Ihre Innovationskraft liegt im Entwerfen skalierbarer Geschäftsmodelle. Multiplikatoren schaffen es, smarte Innovationen in großen Dimensionen in verschiedenen Märkten zu platzieren. Der Softwaregigant Microsoft ist ein konsolidierendes, multiplizierendes Unternehmen. Sein Geschäftsmodell beruht auf der Integration guter Geschäftsideen von Dritten. Die meisten Produkte, angefangen von MS DOS über den Internet Explorer bis hin zu den aktuellen Gaming-Produkten, wurden von »Pionieren« entwickelt und von Microsoft meisterlich rund um den Globus multipliziert. Unternehmen, die in beiden Feldern erfolgreich sind, so haben die Forschungsarbeiten gezeigt, gibt es weniger häufig. Markides und Geroski sprechen dann von Unternehmen, die mit »beiden Händen« gekonnt agieren (ambidextrous organizations). Apple ist ein derartiges Unternehmen, welches sowohl auf der Pionierseite als auch auf der Vervielfältigungsseite sehr erfolgreich ist.
Einschätzung Welche strategische Konsequenz ergibt sich aus den beiden Innovationstypen? Jedes Unternehmen sollte sich genau beobachten und feststellen, in welchem Bereich seine strategische Innovationskompetenz liegt. Ist das Unternehmen ein Produktpionier, ein Prozessinnovator oder ein Geschäftsmodellmultiplikator? Steht die Positionierung fest, ist eine jeweilige Komplettierung in die andere Innovationsrichtung zu überlegen. Der Geschäftsmodellmultiplikator ist auf Produktinnovatoren angewiesen und umgekehrt. Doch diese »Komplettierung« muss nicht immer zwingend unter einem einzigen Dach erfolgen. Viele Unternehmen machen den Fehler, alles selber machen zu wollen. Vor allem die Multiplikatoren sollten, anstatt große Forschungsabteilungen aufzubauen, sich darauf konzentrieren, attraktive Geschäftsideen und -modelle aufzuspüren und diese dann mit ihren multiplikativen Kompetenzen auf eine breite Basis zu stellen. Dies kann durch die Übernahme von Lizenzen, Akquisition, Integration, Nachahmung oder durch die Übernahme von Mitarbeitern erfolgen. Analoges gilt für Pioniere. Sie sollten sich auf ihre Kernkompetenz des Entwickelns konzentrieren. Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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Innovationsarchitektur: Teile versus Logik Technologische Neuerungen folgen im Schumpeter’schen Sinn einem dynamischen Verlauf von Aufbau und Zerstörung. Mit diesem Auf und Ab schwingt ein Know-how-Zuwachs und -Abbau mit. Neues Wissen ensteht und einst wichtiges Wissen veraltet. Mit diesen Wissensprozessen haben sich die beiden Innovationsforscherinnen Rebecca M. Henderson vom Massachusetts Institute of Technology und Kim B. Clark von der Harvard University befasst. Die beiden werfen einen interessanten Blick auf das Thema der Innovation. Sie fragen sich, warum es etablierte, erfolgreiche Unternehmen in vielen Fällen nicht schaffen, innovative Produkte auf den Markt zu bringen, obwohl sie über das notwendige Know-how dazu verfügen würden. Beispiele findet man viele, die zeigen, wie erfolgsgewohnte, innovative Unternehmen es verpassen, attraktive Neuerungen in ihr Geschäft einzubauen. So versäumte beispielsweise Motorola den Trend zu Multifunktionshandys oder die Schweizer Uhrenindustrie den Trend zur billigen Elektronikuhr. Henderson und Clark unterscheiden verschiedene Arten von Innovationen (vergleiche Abbildung 45):182 • »Inkrementale Innovationen« (inkremental = in kleinen Schritten)
Diese Innovationen der kleinen Schritte knüpfen am vorhandenen technologischen Know-how an. Sie bauen auf vorhandene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Mitteln. Diese Form der Innovation ist die häufigste. Sie findet sich praktisch in jedem Unternehmen des Industrie- und Dienstleistungssektors. Überall dort, wo Produkte verbessert oder die Produktivität erhöht werden, findet eine Innovation in kleinen Schritten statt. Diese kleinen Innovationsschritte verändern weder die Gestaltungslogik des Produkts noch der Verfahren, noch haben sie einen Einfluss auf die Branche oder Industriestruktur. Die Verbesserung der Performance von Katalysatoren bei Automobilen ist ein Beispiel für diese Kategorie. • »Modulare Innovationen« (auch: »Technologische Innovation«) Technologische Innovationen basieren auf neuem Know-how, sie lassen aber die »dominante Produktlogik« (dominant design) eines Angebots intakt. Das Mobiltelefon ist ein Beispiel für eine technologische oder modulare Innovation. Das Innenleben des Handys ist eine technische Neuerung, die Funktionalität des Geräts für den Benutzer bleibt aber praktisch gleich wie bei den Festnetztelefonen. • »Architektonische Innovationen« (auch: »Strategische Innovationen«) Die architektonischen Innovationen sind strategisch interessant. Diese rekonfigurieren das »dominante Grundmuster« bestehender Angebote, ohne aber die eingesetzte Technologie zu verändern. Was heißt das? Das genutzte Wissen und die eingesetzte Technologie bleiben gleich, die Lösung hingegen ist 264
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für den Kunden »neuartig«. Unter einer architektonischen Innovation verstehen Henderson und Clark weder eine radikale Innovation noch eine Erneuerung in kleinen Schritten, sondern die Erneuerung eines Angebots durch eine neue Kombination seiner Komponenten. Durch die Veränderung der »Architektur« eines Produkts beziehungsweise einer Dienstleistung entsteht eine Innovation. Architektonische Innovationen können etablierte Marktführer sehr unter Anpassungsdruck setzen. Sie heißen deshalb »architektonisch«, weil die Komponenten einer Leistung zusammen neu komponiert werden, technisch aber eigentlich keinen Fortschritt bedeuten. Ein Beispiel sind die von der japanischen Elektronikfirma Canon entwickelten Heimkopiergeräte für den Massenmarkt. Damit begründeten die Japaner eine neue Produktkategorie (unter der Nutzung bestehenden Wissens). Canon erschloss sich dadurch weltweit attraktive Marktpotenziale. Diesen Massenmarkt hat der Branchenführer der Xerographie, die amerikanische Xerox, verschlafen. Obwohl das Unternehmen über das entsprechende technologische und marktmäßige Know-how verfügte, nutzte es seine Fähigkeiten zu wenig. Erst zu spät versuchte Xerox durch großen finanziellen Aufwand, ein Mini-Kopiergerät zu entwickeln. Doch Xerox schaffte es nach acht Jahren großer Anstrengungen nicht mehr, sich im Massenmarkt erfolgreich zu positionieren. Warum? Die Ursache liegt im Unvermögen vieler etablierter Unternehmen, sich von ihren »dominanten Geschäftsmustern« (dominant designs) abzukoppeln. Bei Xerox lautete das dominante Geschäftsmuster in den Köpfen der Führungskräfte und Entwickler: »Wir sind die Weltmeister im Segment der Großkopierer.« Das interessantere Geschäft wurde (mental) beiseite geschoben. • »Radikale Innovationen« Radikale Innovationen setzen auf neue Technologien und bedingen eine Änderung des dominanten Grundmusters eines Produkts oder einer Dienstleistung. Die neuen elektronischen Medien (wie für Nachrichten, Sport), aber auch Nylonstrümpfe oder die Antibabypille sind Beispiele für radikale Innovationen. Sie ändern die Geschäftsmodelle der Firmen und sind für Kunden neu. Henderson und Clark fanden heraus, dass es strategisch wichtig ist zu unterscheiden, was eigentlich erneuert wird. Werden einzelne Komponenten eines Produkts oder Prozesses verbessert, oder wird das »dominante Grundmuster« des Produkts erneuert? Ersteres ist eine Frage des technologischen Fortschritts, das Zweite hingegen eine Frage des Fortschritts im Entwicklungsdenken selbst. Interessant ist vor allem der zweite Teil. Denn hier wird das konventionelle, vorherrschende Lösungsmuster selbst hinterfragt. Dieses »dominante Design« (dominantes Lösungsmuster) ist in den Köpfen der Entwickler, aber auch der Kunden eingeprägt. Alle wissen, wie »eine Lösung zu sein« hat. Nach der EntInnovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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wicklung einer Innovation etabliert sich in der Branche und im Markt dieses dominante Lösungsmuster. Das »dominante Design« in den Köpfen regelt, wie das Produkt auszusehen hat, zu gebrauchen ist oder funktionieren muss. Seit dem Modell T von Henry Ford im Jahr 1908 hat sich am »Grundmuster« eines Automobils wenig geändert. Ein Auto könnte beispielsweise ohne große Schwierigkeiten mit einem Joystick statt mit einem Lenkrad gelenkt werden. Für praktisch alle Produktgattungen existieren derartige »dominant designs« (dominierende Vorstellungen) in den Köpfen der Hersteller und Kunden. So wissen wir, wie ein Handy, eine Mikrowelle, ein Fahrrad, eine Computermaus oder ein Kugelschreiber auszusehen und zu funktionieren hat.183 Diese dominanten Grundmuster wurden von niemandem je vorgegeben. Sie müssen auch nicht besser als andere Lösungen sein. Sie sind nur in die Konvention übergegangen. Diese dominanten Gestaltungsmuster offenbaren eine attraktive Quelle für fundamentale, strategische Innovationen.
ZERSTÚREND¬n¬àBERWINDEND VERGRÚERND
Komponentenwissen
Abbildung 45: Innovationsarchitektur
MODULARE )NNOVATION
RADIKALE )NNOVATION
Innovation einzelner Komponenten der Lösung
grundlegend neuer Ansatz der Lösung und der Lösungsentwicklung
INKREMENTALE (schrittweise)
)NNOVATION¬DER¬ w!RCHITEKTURi
)NNOVATION
Innovation der Lösungslogik
HERKÚMMLICH
ZERSTÚREND¬n¬àBERWINDEND
»Dominantes Design«
Geschäftsmodellinnovation: Ein neues strategisches Herz Im Start-up-Boom der 90er Jahre hat sich der Begriff des »Geschäftsmodells« etabliert. Das Geschäftsmodell umfasst die prägnante Beschreibung der Ge266
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schäftsabsicht, die konkrete Darstellung der Geschäftsstrategien und die Skizzierung der Wertschöpfungsprozesse. Jedes Geschäftsmodell wird zudem mit einem Kosten-Ertrags-Modell unterlegt. Dies liefert die Entscheidungsgrundlagen für Finanzierung und Investments. Interessierte Investoren begründen damit ihr finanzielles Engagement und beurteilen die Attraktivität des Business im Vergleich zu anderen. Die radikalste Form einer Innovation ist die Erneuerung des Geschäftsmodells. Das Herzstück des Geschäfts steht dabei zur Disposition. Eine »Geschäftsmodellinnovation« ist daher eine Art Metamorphose für das Unternehmen. Das bisherige Business »häutet« sich sozusagen in ein neues Geschäftsfeld. Heute konkurrieren Unternehmen nicht mehr nur auf der Ebene der Produkte, Services oder Geschäftsprozesse, sondern letztlich auf der Ebene der Geschäftsmodelle. Was beinhaltet ein professionelles Geschäftsmodell? In Anlehnung an die Ökonomen Dodo zu Knyphausen-Aufsess und Yves Meinhardt besteht ein professionelles Geschäftsmodell aus drei Komponenten:184 1. aus einer Darstellung der »Produkt-Markt-Kombinationen« und dem »Nutzenversprechen« für die Kunden (value proposition), 2. aus einer Darstellung der »Architektur der Wertschöpfungsprozesse«, 3. aus einer Darstellung der »finanziellen Ertragsmechanik«. Die Produkt-Markt-Kombinationen umschreiben die verschiedenen Geschäfte, die das Unternehmen tätigt. Die Wertschöpfungsaktivitäten skizzieren die Wertschöpfungskette mit ihren verschiedenen Geschäftsprozessen und den daran beteiligten Geschäftspartnern. Und last but not least zeigt die Ertragsmechanik als dritte Komponente, welche finanziellen Transaktionen mit den Kunden Umsätze und Erträge erwirtschaften. Zudem legt das Geschäftsmodell offen, wie ein besonderer Kundennutzen und haltbare Wettbewerbsvorteile aufgebaut werden. Das Geschäftsmodell zeigt, wie das Business funktioniert und welchen Nutzen die Kunden und andere Partner aus der Geschäftsverbindung erwarten können. Der Harvard-Professor Henry Chesbrough fordert, dass ein professionelles Geschäftsmodell die folgenden Fragen beantworten sollte:185 • Welcher Kundennutzen (value proposition) wird geboten?
Dies umfasst eine Umschreibung des Kundenproblems, die Erläuterung des Produkts oder der Dienstleistung und die Erklärung des Nutzens und Werts der Leistung für den Kunden. • Welche Marktsegmente werden bedient? Hier sind die Zielgruppen und entsprechenden Märkte zu definieren. Ebenfalls gehört eine Bestimmung der Marktgrößen dazu. Innovationsstrategien: Von großen Sprüngen und kleinen Schritten
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• Wie gestaltet sich die Wertschöpfung?
Eine geschäftsspezifische Wertkette muss entwickelt werden. Sie soll aufzeigen, in welchen Prozessen welche Werte geschaffen werden. • Wie funktionieren die Ertragsmechanismen (Kostenstrukturen, Zielmargen)? Es ist aufzuzeigen, wie Umsätze und Erträge erzielt werden sollen. Die Kostenstrukturen, die Margen und die Geschäftsentwicklung gehören dazu. • Wie gestaltet sich das Wertschöpfungsnetzwerk (der »Value Partnerships«)? Mit zum »Value Network« gehört die Darstellung der Konkurrenten, der Lieferanten, Kunden und Partner. Diese Marktpartner sind im Zusammenhang mit der eigenen Positionierung darzustellen. • Welche Wettbewerbsstrategie wird verfolgt? Wie kann das Business einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erzielen und auch längerfristig verteidigen? Welche Wettbewerbsstrategie verfolgt das Business: Kostenführerschaft, Differenzierung oder Nischenplayer? Eine Geschäftsmodellinnovation ist eine Erneuerung des Geschäfts selber. Dabei wird das Geschäft in seiner Logik im Vergleich zu konventionellen Geschäftsmodellen innerhalb der Branche neu gestaltet. Apple, Body Shop, easyJet, Skype, Ikea, Dell, Amazon oder eBay sind Firmen, die mit ihren Geschäftsmodellen die klassischen Anbieter in ihren jeweiligen Branchen herausgefordert haben. Geschäftsmodellinnovationen sind immer strategische Innovationen. Sie verändern die Geschäftslogik der Branche und den Wettbewerb nachhaltig. Das Geschäftsmodell selbst ist keine Strategie, aber dessen Veränderung zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils, zur nachhaltigen Differenzierung gegenüber Konkurrenten oder zur Verbesserung der eigenen Marktposition. In Anlehnung an die Terminologie von Clayton M. Christensen, der eine Innovation dann als »disruptiv«, das heißt radikal verändernd, zerstörerisch oder revolutionär bezeichnet, wenn sie die Regeln des Wettbewerbs verändert, sind Geschäftsmodellinnovationen ebenfalls »disruptive Innovationen«. In der Airline-Industrie haben die Budget Carrier die traditionellen Fluggesellschaften nicht mit technologischen Innovationen auf der Produkt- oder Prozessseite herausgefordert, sondern durch eine bis dahin nicht praktizierte Logik des Geschäfts.
Einschätzung Die Innovationsstudie »Global CEO Study« von IBM zeigt, dass sich die erfolgreichen Outperformer weder im Bereich der Produkt- oder Serviceinnovationen noch im Bereich der Prozessinnovationen finden lassen, sondern im anspruchsvollen Feld der Geschäftsmodellinnovation.186 Strategische relevante Geschäftsmodellinnovationen sind selten, da sie die Wettbewerbsregeln einer Branche grundlegend verändern oder gar einen neuen Geschäftstyp begründen.
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Handbuch der Strategien
Kooperative Strategien: Wertschöpfung im Win-win-Format
Löse keine Probleme, suche Chancen. Peter Drucker
Kooperation: Wertschöpfung dank Partnerships Der Wettbewerb hat sich in den letzten Jahren auf einer globalen Skala verschärft. Dieser erhöhte Geschäftsdruck führte dazu, dass sich Unternehmen mit großem Engagement gegenseitig zu verdrängen suchten. Doch Verdrängungswettbewerb ist nicht die einzige Lösung. Die harschen Wettbewerbsbedingungen bewirken auch Gegenteiliges: Konkurrenten rücken zusammen, um im Verbund den Herausforderungen zu begegnen. Eine erhöhte Konkurrenzsituation führt zu einer Verschärfung des Wettbewerbs, begünstigt aber auch eine höhere Neigung zur Kooperation. »Konkurrieren« und »Kooperieren« sind beides sehr nützliche Strategiepfade im Hyper-Wettbewerb. Vor allem die Elektronikindustrie durchlebt eine starke »Devertikalisierung«. Es wird für die großen Technologiekonzerne immer schwieriger, allein den Herausforderungen des Wettbewerbs zu begegnen. Globale Anbieter, Preisdruck, Kostendruck, Margendruck, Innovationsdruck, Time-to-MarketDruck sind einige Indikatoren für den scharfen strategischen Wandel. Um diesem Druck etwas auszuweichen, schließen sich Unternehmen zu größeren Einheiten zusammen. So können sie gemeinsam Innovationen entwickeln, Technologien nutzen, Know-how austauschen oder Märkte bearbeiten. Der Wettbewerb verlagert sich somit auf eine zusätzlich Ebene: weg vom »Unternehmen gegen Unternehmen« hin zum »Netzwerk gegen Netzwerk«. Der harte, oft die Existenz bedrohende Wettbewerb führt zu Partnerschaften, bei denen sich jedes Unternehmen mit Nachdruck auf seine Kernkompetenzen konzentriert. So werden Lösungen für den Kunden nicht mehr aus einer Hand angeboten, sondern von einem Partnerverbund entwickelt. Derartige strategische Verbundlösungen sind nicht nur für große, global tätige Unternehmen interessant. Sie bieten kleinen und mittleren Unternehmen neue Chancen, um ihre oft beschränkten Kompetenzen gegenseitig zu komplettieren. Durch diese Partnerschaften werden Innovations-, Forschungs- und EntKooperative Strategien: Wertschöpfung im Win-win-Format
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wicklungs-, Herstellungs- und Vermarktungsprozesse neu definiert. Dies verändert aber auch die Managementebene durch die Neugestaltung der Entscheidungs-, Informations- und Know-how-Prozesse für jedes Unternehmen im Verbund. Die »kooperativen Strategien« sind nicht selbstlos. Unternehmen, die auf diese kooperative Karte setzen, können sich ganz verschiedene Vorteile sichern. Hier einige Beispiele: • Ressourcenvorteile – Zugang zu neuen Technologien – Verschmelzen von Technologien – Optimierung der Kapazitäten • Know-how-Vorteile – Pooling des Wissens, der Forschung und Entwicklung – Austausch von Personalressourcen (zum Beispiel Spezialisten) • Risikovorteile – Pooling von Risiken (Innovation, Markt, Entwicklung, Finanzierung) – Erweiterung der Angebotspalette – Schutz vor Übernahmen • Angebotsvorteile – Erhöhung des Mehrwerts der Angebote – Bündelung von Kompetenzen • Kostenvorteile – Reduzierung der Prozesskosten – Effizienzvorteile durch Prozessstraffung – Bündelung von gemeinsamen Aktivitäten – Abbau von Doppelaktivitäten – Outsourcing von Nebenaktivitäten • Zeitvorteile – höhere Reaktionsgeschwindigkeit im Verbund – rascherer Marktzutritt – beschleunigte Innovations- und Entwicklungszyklen – parallele Erledigung von Aufgaben • Marktvorteile – Globalisierung, Internationalisierung – Überwindung von Marktzutrittsbarrieren – Markterschließung – Zugang zu neuen Zielgruppen
»Networking« ist nicht nur für Führungskräfte eine interessante Methode, um ihr Beziehungsgeflecht zu vergrößern. Es gehört längst auch zum Strategiearsenal von Geschäften. Ein Beispiel für ein derartiges »Business Networking« 270
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liefert die Geschäftseinheit »Personal Healthcare« von Philips, welche mit über 300 Partnern kooperiert.187 Derartige umfassende Netzwerkkonstellationen bedingen eine Änderung in der strategischen Optik: Die strategischen Absichten können nicht mehr alleine, sondern nur noch im Verbund erreicht werden. Derartige Geschäftsnetzwerke lassen sich über Verträge, durch finanzielle Kontrolle (in Dominanzverhältnissen) und/oder durch gegenseitiges Vertrauen erhalten. Doch in jeder Kooperation steckt immer ein Beziehungsrisiko, das nicht abgesichert werden kann. Kathrin Harrigan, Strategie-Professorin der Harvard University, untersuchte in einer breit angelegten Studie den Erfolg von kooperativen Strategien.188 Sie stellte fest, dass nur 45 Prozent der Unternehmen mit ihren Partnerschaften erfolgreich waren. 60 Prozent der untersuchten Firmen hielten an ihrer Partnerschaft über vier Jahre fest, und nach zehn Jahren hatten sich 86 Prozent der Kooperationen aufgelöst. Interessanterweise scheitern die meisten Kooperationen weder an der Strategieformulierung noch an der Strategieumsetzung, sondern an den sozialen Problemen, die sich durch Mehrdeutigkeit, Unstimmigkeit, Verlust von gegenseitigem Vertrauen und die unterschiedlichen Unternehmenskulturen ergeben.
Spieltheorie: Von Nullsummen- und Win-win-Spielen Die Wissenschaft des strategischen Denkens ist die Spieltheorie. Die Professoren Adam Brandenburger, Harvard University, und Barry Nalebuff, Yale University, setzen auf die Spieltheorie, um die Phänomene des kooperativen und konkurrierenden Verhaltens für das Feld der Geschäftsstrategien nutzbar zu machen.189 Ihre Einsichten basieren auf der Theorie der mathematischen »Nicht-Nullsummenspiele«. Bei einem »Nullsummenspiel« gibt es keine Mehrwerte. Bei einem »Nicht-Nullsummenspiel« hingegen verbessern alle Spieler ihre Positionen. Diese Spielform wird daher auch als »Win-win«- oder »Positivsummenspiel« bezeichnet. Der spieltheoretische Ansatz hat durch die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises einen starken Auftrieb in den Wirtschaftswissenschaften bekommen, welcher 2007 den drei Spieltheoretikern Leonid Hurwicz, Eric Maskin und Roger Myerson zugesprochen wurde. Bereits 1994 waren John Nash, John Harsanyi und der Deutsche Reinhard Selten für ihre spieltheoretischen Arbeiten mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Entscheidungsträger in Unternehmen neigen schnell dazu, das Verhalten von Akteuren in »Nullsummenspiele« zu fassen. Gewinnt der eine, verliert der andere oder umgekehrt. Dies entspricht dem (gewohnten) Verhalten im VerKooperative Strategien: Wertschöpfung im Win-win-Format
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drängungswettbewerb. Doch es wäre falsch zu glauben, dass erfolgreiche Unternehmen immer nur auf Kosten anderer gewinnen. Der Geschäftserfolg liegt nicht im Siegen, sondern in der Steigerung des Kundennutzens, im erfolgreichen Sichern der Geschäftszukunft und in der Erhöhung der Profitabilität. Doch das sportliche »Besser-sein-Wollen-als-andere« ist fest in unserer Geschäftskultur verankert. Nullsummenspiele verheißen nichts Gutes für Beziehungen. Sie provozieren Auseinandersetzungen, Konflikt oder Krieg. Die kompetitiven Strategien lassen keinen Raum für gemeinsames Wachsen. Spieler haben aber auch andere Optionen. Sie können drei Rollen einnehmen: Entweder sind sie Konkurrenten oder Partner. Zudem sind auch beide Rollen in Kombination denkbar. Brandenburger und Nalebuff haben für die Kombinationsvariante den treffenden Kunstbegriff »Koopetition« (co-opetition) geschaffen. Diese anschauliche Wortschöpfung setzt sich aus den englischen Begriffen »cooperation« (Zusammenarbeit) und »competition« (Wettbewerb) zusammen. Koopetition drückt die Dualität einer wettbewerbsorientierten und einer partnerschaftlichen Beziehung zur Steigerung der gemeinsamen Wettbewerbsfähigkeit aus. Das »Koopetitionsmodell« von Brandenburger und Nalebuff überwindet die eingeengte Sichtweise des klassischen Wettbewerbsmodells, welches auf Verdrängung zielt. Das Koopetitonsmodell offeriert ein strategisches Analyseraster, welcher den Wettbewerb aus einer kooperativen Sicht zu beurteilen hilft. Das klassische Wettbewerbsmodell von Michael Porter mit seinem »FünfKräfte-Modell« wird zur Analyse von Märkten und Branchen in der Praxis vielfach für die strategische Planung genutzt. Doch dieses Modell hat einen blinden Fleck: Es ist rein konkurrenzorientiert. Konkurrenten, Zulieferer oder andere Marktteilnehmer werden als Bedrohung für das eigene Geschäft und die eigene Profitabilität interpretiert. Diese gilt es vom Geschäft fernzuhalten, abzuwehren oder zu bremsen. Kooperationspartner spielen in der klassischen Wertschöpfungskette keine Rolle. Doch in Zeiten des verschärften Wettbewerbs ist auch ein Blick auf kooperative Strategieformen notwendig.
Wertnetze: Jeder sein Bestes zum Wohl des Ganzen Unternehmen, die sich in hoch dynamischen, aggressiven Märkten bewegen, erkennen, dass sie nicht jede Komponente der Wertschöpfungskette mit Erfolg verteidigen können. In vielen Branchen ist es für ein einzelnes Unternehmen heute nur noch schwer möglich, entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine echte Spitzenstellung durchzuhalten. Immer wieder tauchen neue Konkurrenten auf, die sich auf einzelnen Feldern spezialisieren, höhere Kern272
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kompetenzen entwickeln und den Kunden spezifischere Vorteile bieten. Strategisch ist es durchaus sinnvoll, die Wertschöpfungsprozesse verschiedener Anbieter umfassend abzustimmen. Das Grundprinzip dabei lautet: »Jeder bietet sein Bestes zum Wohl des Verbunds.« Unter diesem Motto lagern Firmen einzelne Bausteine ihrer Wertschöpfung an Dritte aus. Dadurch verringern sie die Leistungstiefe und werden zu »flacheren Unternehmen«. Durch die Verknüpfung der Wertketten entstehen »Wertschöpfungsnetzwerke« oder »Value Nets«. Ein »Wertnetz« (Value Net) ist ein schematisches Diagramm, welches die Akteure und ihre Rollen in einer Wettbewerbssituation identifiziert (siehe Abbildung 46).190 Dargestellt werden auf der horizontalen Achse die Kunden und die Lieferanten. Dies symbolisiert die Wertschöpfungskette. Zu den Partnern bestehen direkte geschäftliche Beziehungen. Auf der vertikalen Achse hingegen werden potenzielle Zusammenarbeitspartner skizziert. Hierunter fallen die Konkurrenten, welche in der Lage sind, das eigene Angebot zu substituieren. Diese können aber auch eine kooperative Rolle einnehmen. Ebenso gehören Komplementäre auf die Ebene der potenziellen Partner. Komplementäre verfügen über Beiträge, welche das eigene Angebot attraktiver gestalten, das heißt ihm einen Nutzenimpuls (Added Value) verleihen. Im heutigen Wettbewerb
Abbildung 46: »Value Network« – Wertnetz und Wettbewerb
3UBSTITUTIONSå ANBIETER 7ETTBEWERBER
.ULLå SUMMENå SPIEL
, I E F E R A N T
2OHSTOFFE 'ELD !RBEIT
EIGENES "USINESS 5NTERNEHMEN
'ELD 7AREN 0RODUKTE $IENSTE
+ U N D E
7INåWINå 3PIEL
+OMPLEMENTËR ,EISTUNGSERGËNZER
Kooperative Strategien: Wertschöpfung im Win-win-Format
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sind nicht nur günstige Kostenstrukturen eine Quelle für Vorsprung, sondern ebenfalls innovative Lösungen. Sie lassen sich im Verbund einfach, schnell und oft kostengünstig erreichen. Durch die Analyse des Wertnetzes eines Geschäfts kann das Unternehmen herausfinden, wo sich attraktive »Value Partnerships« bilden ließen. Dabei ist zu beachten, dass die Marktteilnehmer unterschiedliche Rollen im Markt gleichzeitig spielen können. »Value-Net«-Themen sind in hohem Maße strategisch, da sie das Unternehmen in eine bestehende oder neue Konstellation einbinden. Folgende Fragen tauchen für die Entscheidungsträger auf, deren Antworten das Geschäft für Jahre verpflichten können: Welche Partner sind für unsere Anliegen komplementär? Welche Rolle spielen wir in diesem Netzwerk? Wer sind die anderen Key Player? Haben die Partner einen Durchgriff auf unsere Kunden beziehungsweise wir auf deren Kunden? • In welchen Gebieten ist eine Informations- und Know-how-Öffnung notwendig? • In welchen Gebieten bleiben wir proprietär? • Welche Intensitätsgrade der Zusammenarbeit streben wir an? • • • •
Intel ist ein Unternehmen, dessen Management stark in »Komplementen« denkt. Warum? Zusammen mit Partnern ist das Unternehmen bestrebt, seinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten auszubauen und zu sichern. Der amerikanische Markt für Video Conferencing wurde von Intel gemeinsam mit Telefongesellschaften und dem Computerhersteller HewlettPackard angepackt. Auch der Flugzeughersteller Boeing handelt »kooperativ«. Das Unternehmen steht in einem erbitterten Wettbewerb mit Airbus und anderen kleineren Herstellern. Boeing lagert wichtige Komponenten seiner Produktion, seiner Forschung und Entwicklung an Partnerfirmen rund um den Globus aus. Mit dem Boeing Dreamliner will das Unternehmen einen neuen Maßstab im Luftverkehr setzen. Er soll besser, billiger, bequemer, schneller und sparsamer sein als alle anderen Flugzeuge. Neue Werkstoffe, neues Design, neue Elektronik und besonders sparsame Triebwerke läuten eine neue Runde im Wettbewerb ein. Dieser große Schritt in die Zukunft ließ sich nur durch das Zusammenwirken von über 70 Zulieferunternehmen bewerkstelligen. Die hoch spezialisierten Partnerfirmen bringen ihre Fachkompetenz schon in der Forschungs- und Entwicklungsphase ein. Boeing koordiniert vom amerikanischen Seattle aus das kooperative Netzwerk rund um den Globus. Die Konzernzentrale fügt die Lösungen zu einem funktionierenden Ganzen zusammen. Aber auch im Luftverkehr selber haben sich kooperative und kompetitive Formen des Wettbewerbs etabliert. Star Alliance, 274
Handbuch der Strategien
One World oder SkyTeam sind Zusammenschlüsse unter Konkurrenten zum gemeinsamen Nutzen. Viele Innovationen kommen heute nicht mehr von den großen Automobilherstellern selber, sondern aus dem Wertschöpfungsnetzwerk. Die Autohersteller konzentrieren sich auf ihre Kernfähigkeiten, also auf Design, Branding, Vertrieb, Service und Fertigung. Die engagierten und innovativen Zulieferer bieten automobile Innovationen in vorgefertigten, abgestimmten Komponentenbausteinen an. Die Zulieferer und die Automobilfirmen entwickeln gemeinsam das Produkt in einem Wertnetz weiter. Dieses kooperative strategische Verhalten nützt allen: die Automarken können sich durch Innovationen differenzieren, und die Zulieferer sichern sich ihre Absatzvolumina. Rund vier Fünftel der Innovationen im Automobilgeschäft haben ihre Quelle heute schon im Wertnetz. So kristallisieren sich eigentliche Innovations- und Know-how-Netzwerke heraus, die gemeinsam Mehrwerte schaffen. Sie gestalten den Fortschritt im Automobilbau gemeinsam, um ihre Wettbewerbspositionen global zu festigen. Für den Verbund von Geschäften und Unternehmen zu Wertschöpfungsnetzwerken werden auch Begriffe wie »Business Webs«, »X-Webs«, »Synergy Webs« oder »Added Value Webs« verwendet.191
PARTS-Modell: Kooperativ konkurrieren Die Spieltheoretiker und Strategieexperten Adam Brandenburger (Harvard University) und Berry Nalebuff (Yale University) empfehlen Führungskräften, sich nicht nur innerhalb des existierenden Spielfeldes zu bewegen, sondern sich selbst aktiv um die Gestaltung der Spielregeln zu kümmern.192 Dies erfordert einen Blick über den Tellerrand des eigenen Geschäfts hinaus. Im Business sind die bekannten Rollen der Akteure nie fest vorgegeben. Sie lassen sich von den autonomen Firmen jederzeit ändern. Die klassische Unterscheidung in Gewinner oder Verlierer, in Freund oder Feind lässt sich mit den Betrachtungen der Spieltheorie überwinden. Strategie muss nicht zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung führen. Business heißt nicht Krieg: Lieferanten müssen nicht geknebelt, Konkurrenten nicht plattgemacht und Kunden nicht gebunden werden, um wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Brandenburger und Nalebuff fordern, das strategische Denken den Herausforderungen des Hyper-Wettbewerbs anzupassen. Nur so können wirklich alle Chancen für Vorsprung ausgeschöpft werden. Ereignisse im Business sind nicht nur in Chancen und Gefahren zu kategorisieren. Sie können immer auch Ergänzungen zum eigenen Business bieten. Der Schlüssel für Erfolg kann durchaus in Formen der Zusammenarbeit liegen. GeschäftspotenKooperative Strategien: Wertschöpfung im Win-win-Format
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ziale ergeben sich immer auch in Form von Ergänzung der eigenen Angebote durch die Leistungen Dritter. Die strategische Regel dazu heißt etwas paradox formuliert: »Kooperativ konkurrieren!« Die Strategen Brandenburger und Nalebuff empfehlen im Umgang mit den kooperativen Strategien ihr »PARTS-Modell«. Es hilft bei der Beantwortung der Frage, wie sich die Regeln eines bestehenden Spiels selbst ändern lassen. Das PARTS-Modell ist eine Checkliste für Strategiediskussionen, welche die wichtigen Kernfragen für die Analyse von Value Nets aufzeigt. Will man die traditionelle Wettbewerbskonstellation verändern, so bieten sich auch die Elemente des PARTS-Modells an. 1. »Players«: Wer sind die Spieler? Lassen sich neue Player einbringen? In diesem Baustein geht es darum, möglichst alle infrage kommenden Spieler zu identifizieren. Dabei sind selbstverständlich auch alle Konkurrenten miteinzubeziehen. Aus dieser Liste sind mögliche Partner zu wählen. Frühzeitig muss man sich auch mit der Frage befassen, wie sich das gesamte Wettbewerbsspiel durch die neuen Kooperationen ändert: beispielsweise durch das Einbringen neuer Kundengruppen, neuer Vertriebspartner, neuer Lieferanten oder neuer Komplementäre. 2. »Added Values«: Welche Mehrwerte bringt die Kooperation? Lassen sich neue Mehrwerte realisieren? Welcher Mehrwert soll für das Unternehmen und die Kunden aus der Zusammenarbeit resultieren? Wie kann dieser Added Value noch vergrößert werden? Wie kann unser eigener Mehrwert gesteigert werden? Wie können die Mehrwerte der anderen Marktpartner erhöht werden? 3. »Rules«: Welche Regeln gelten in der Zusammenarbeit? Die Regeln der Zusammenarbeit sind frühzeitig mit den Partnern zu fixieren. Wer hat die Macht, bestehende oder neue Regeln zu ändern? Wer kann die Regeln aufheben? Welche Spielregeln in der Branche nutzen dem Business? Welche behindern das Geschäft? Mit welchem Partner lassen sich die Regeln verändern? 4. »Tactics«: Welche Auffassungen haben die Teilnehmer zum Spiel? Welche Taktiken einzelner Teilnehmer können das ganze Unterfangen gefährden? Wer verfolgt welche Interessen, wer unterstützt oder wer behindert? Wie nehmen die anderen Teilnehmer das Spiel wahr? Wie transparent ist das Spiel? Wie können wir unsere Rolle im Spiel stärken? 5. »Scope«: Wo endet das Spiel? Hier werden folgende Fragen angegangen: Welchen Umfang hat die Zusammenarbeit? Wo endet die Gemeinsamkeit? Müssen die Grenzen verschoben werden? Kann ein anderes Spiel begonnen werden? Wie langfristig denken wir? 276
Handbuch der Strategien
Einschätzung Der Ansatz der »Koopetition« bietet ungewohnte Einsichten in das Wesen des Wettbewerbs. Diese Betrachtung kann neue interessante Geschäftschancen, aber auch potenzielle Gefahren aufzeigen. Firmen, die eine Koopetitionsstrategie formulieren, sollten folgende Schritte thematisieren: • Skizzieren des Wertnetzes für die eigenen Geschäfte, • Abklärung möglicher Chancen für mögliche Kooperationspartner unter den Konkurrenten, • Suche nach Geschäftspartnern im Bereich komplementärer Angebote, • Suche und Bestimmung des Mehrwertes (Added Values) der Zusammenarbeit, • Bestimmung, wer welche Interessen in die Zusammenarbeit einbringt, • Abklärung der Auswirkungen der kooperierenden Geschäftskonstellation für den Wettbewerb und für die Erträge, • Abklärung der Auswirkungen auf die Konkurrenten.
Parenting: Mutter-Tochter-Beziehungen Die britischen Professoren Michel Goold, Andrew Campbell und Marcus Alexander des Ashridge Strategic Management Centre in London führten über zehn Jahre eine Studie zum Thema der Strategiehierarchie durch.193 Sie untersuchten größere Multibusinessunternehmen in Nordamerika, Japan und Europa und fragten sich, welcher wertmäßige Zusammenhang zwischen den Geschäftsstrategien und der übergeordneten Unternehmensstrategie besteht. »Hat das Gesamtunternehmen einen höheren ökonomischen Wert als die Summe seiner Geschäfte? Schaffen die übergeordneten Strategien einen Mehrwert oder zerstören sie ihn?«, fragten sie sich. Dafür kalkulierten sie den Wert der einzelnen Geschäftsfelder, Geschäftseinheiten oder Tochterfirmen und verglichen die Summe mit dem Gesamtwert des Unternehmens. Zu ihrer Überraschung fanden sie in rund der Hälfte der untersuchten Fälle, dass die Summe der Teile höher bewertet war. Woran lag das? Die Größe des Konzerns spielte ebenso wenig eine Rolle wie die Diversität der verschiedenen Geschäftsmodelle. Sie stellten fest, dass diejenigen Unternehmen einen höheren gruppenweiten Mehrwert erzielten, die auch eine kohärente Gesamtstrategie verfolgten. Die Ashridge-Berater empfehlen daher dem Multibusinessunternehmen, einen sogenannten elterlichen Vorteil (parenting advantage) aufzubauen. Das Mutterunternehmen koordiniert die Geschäftsentwicklung der Geschäfte und Kooperative Strategien: Wertschöpfung im Win-win-Format
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steuert selber Synergien schaffende Kompetenzen bei. Die »Mutter« hat dann natürlich entsprechende Kernkompetenzen aufzubauen und dafür zu sorgen, dass die beiden Einheiten auch wirklich voneinander profitieren, indem sie effizient und effektiv zusammenarbeiten. Versteht die »Mutter« zu wenig vom operativen Business oder kann sie zu wenig professionelle Unterstützung bieten, entfällt auch der Synergie-Mehrwert. Abbildung 47 zeigt die »Corporate-Parenting«-Matrix, welche die Beziehungen zwischen der Gruppenstrategie und den Strategien der Geschäftseinheiten aufzeigt. Wertoptimal ist das »Stammlandgeschäft«, da die »Tochter« über Entwicklungspotenziale verfügt, die von der »Mutter« aktiv unterstützt werden können. In »Ballastsituationen« bestehen für die »Mutter« kaum Ansatzpunkte, mit dieser Geschäftseinheit einen Mehrwert zu erwirtschaften, obwohl das Know-how zum Business vorhanden und die Produktpalette der Einheit gut ist. In der Situation der »Wertfalle« verfügt die Geschäftseinheit zwar über Geschäftspotenziale, doch der »Mutter« gehen das Know-how und Verständnis für das Geschäft ab. Daraus kann keine fruchtbare Zusammenarbeit und Synergie entstehen. Im Segment »Fremde« bestehen zwischen der »Mutter« und der »Tochter« weder nutzbare Synergien noch sonstige gegenseitige Kompetenzen oder Ressourcen, um voneinander zu profitieren.
hoch
Ballastgeschäfte
Stammlandgeschäfte
tief
Strategiesynergien zwischen Mutter/Tochter
Abbildung 47: »Corporate-Parenting«-Matrix
»Fremde«
Wertfalle
tief
hoch
!
Fähigkeitssynergien zwischen Mutter/Tochter 278
Handbuch der Strategien
»Glokale« Strategien: Strategien einer offenen Welt
Globalisierung beginnt nicht mit Exportquoten. Sie beginnt in den Köpfen der Manager. Roland Berger, deutscher Unternehmensberater
Internationalisierungsstrategien: Grenzen überwinden Die Globalisierung der Wirtschaft ist nicht mehr wegzudenken. Sie verändert weltweit die Strukturen für erfolgreiche Geschäfte. Somit kommt der globalen Dimension für mehr Unternehmen denn je eine strategische Bedeutung zu. Welche Auswirkungen hat die globale Öffnung der Märkte aus einer strategischen Sicht? • Der schärfste Konkurrent muss nicht mehr aus der anderen Stadt, einem
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Nachbarland oder aus bekannten westlichen Regionen kommen, sondern kann Tausende von Kilometern weit entfernt auf einem anderen Kontinent sein Geschäft betreiben und trotzdem die gleichen Zielgruppen bedienen. Die globale Vernetzung der Arbeitsteilung und Spezialisierung wird weiter fortschreiten. Dies verstärkt den Trend zu grenzüberschreitenden Wertschöpfungsnetzwerken. Der Kampf um Rohstoffe wird zu einem herausfordernden Thema für alle Unternehmen rund um den Globus. Damit wächst auch die Bedeutung der Umweltthematik. Der nationale Druck auf die Kostenstrukturen und die Sozialsysteme bleibt erhalten. Know-how und Spezialwissen veralten durch das »globale Imitieren« rascher denn je. Der zentrale Erfolgsfaktor im globalen Wettbewerb heißt »Köpfchen«. Damit ist Kreativitäts- und Innovationskraft nicht nur für die Produktentwicklung gemeint, sondern ebenfalls für die Gestaltung der Strukturen, der Prozesse, der Marktbearbeitung, der Personalführung und Ähnliches. Die Unternehmensgröße ist nicht der ausschlaggebende Faktor für Erfolg. Vor allem die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien be»Glokale« Strategien: Strategien einer offenen Welt
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günstigen kleinere Unternehmen und deren Vernetzung. Dies gilt selbstverständlich auch für Unternehmen in unseren Regionen. Westliche Unternehmen haben einen Vorteil, da sie oft über genügend Kapital und ein spezialisiertes Know-how verfügen, welches sie jetzt für ihre (Re-)Positionierung in der sich ändernden Geschäftslandschaft nutzen können. Das Überangebot an Waren wird weiter zunehmen, womit Differenzierung und Spezialisierung weiterhin ein zentrales strategisches Thema bleiben. Da in anderen Ländern aber mit anderen (meist günstigeren) Faktorkosten gearbeitet wird, bleibt auch das Kostenthema ein Dauerbrenner. So heißt die Erfolgsformel nicht mehr »Differenzierung oder Kostenführerschaft«, sondern »Differenzierung und Kostenführerschaft«. Beides ist unter einen Hut zu bringen. Nicht alle Produkte sind für die Globalisierung geeignet. Lokale und kulturelle Unterschiede sind zu berücksichtigen. Ebenfalls werden Mergers & Acquisitions rund um den Globus zunehmen, wodurch die internationale Verflechtung weiter fortschreitet.
Unter »Internationalisierung« wird die Übertragung ökonomischer Aktivitäten über nationale Grenzen hinweg verstanden. »Globalisierung« ist die Veränderung der Weltwirtschaft, die zu vermehrten länderübergreifenden Transaktionen führt. Produkte, Ressourcen, Technologien und Kapitalien werden weltweit ausgetauscht. Die Effekte der Globalisierung sind wirtschaftlich, sozial, kulturell und ökologisch. Warum suchen Unternehmen Geschäftstätigkeiten über Grenzen hinweg? Welche Nutzen erwarten sie? Eine globale oder internationale Strategie kann den Wettbewerbsvorteil ausbauen. Dieser kann in folgenden Feldern entstehen: 1. Vorsprung dank verstärkter Effizienz – – – –
Nutzung von Volumeneffekten Nutzung von Synergien Verlängerung der Produktlebenszyklen Erhöhung der Flexibilität
2. Vorsprung dank strategischer Positionierung – frühzeitige Marktbesetzung – Finanzierungsausgleich zwischen Ländern – Transferpreise
3. Vorsprung dank Risikoverteilung – Diversifizierung von finanziellen oder länderbezogenen Risiken – Diversifizierung von operativen Risiken
4. Vorsprung durch Lerneffekte – Lernen auf der Ebene der Kundenwünsche und des Marketings 280
Handbuch der Strategien
– Lernen durch Entwicklungs- oder Forschungspartnerschaften
5. Vorsprung durch Skaleneffekte – Ausschöpfung größerer Marktvolumen – Realisierung größerer Produktionsvolumen – Synergien durch Multiplikation
6. Vorsprung durch Image – Image als internationales Unternehmen – internationale Kundschaft – Steigerung des Markenwertes
Sein Geschäft weltweit zu öffnen ist in einer globalen Wirtschaft, bei der Kapital, Waren und Informationen relativ frei fließen, nicht mehr nur für große Unternehmen eine strategische Überlegung wert. Durch die Internationalisierung lassen sich Absatzengpässe überwinden, Produktionsbereiche kostengünstig auslagern, Risiken streuen, Fertigungskapazitäten auslasten und attraktive neue Marktchancen nutzen. Welche Treiber begünstigen diese Entwicklung? 1. Triebkräfte auf der Kostenseite – – – –
Verfügbarkeit von zentralen Ressourcen Kostenunterschiede Volumenproduktion Transportkosten
2. Triebkräfte auf der Marktseite – – – –
Kundenbedürfnisse global tätige Kunden global operierende Vertriebskanäle Marketing-Multiplizierung
3. Triebkräfte auf der Wettbewerberseite – globale Wettbewerber – Kreuzsubventionierung von Geschäften
4. Triebkräfte auf der Seite der Rahmenbedingungen – – – –
nationale Steuern technische Standards nationale Marktregulierungen Handelspolitik
Nach der Auffassung des in Indien aufgewachsenen Strategieexperten der London Business School, Sumantra Ghoshal, sind Großunternehmen die wichtigsten sozialen und ökonomischen Institutionen der Moderne. Sie gestalten den ökonomischen Fortschritt international maßgeblich mit. Zusammen mit Christopher Bartlett, Professor der Harvard Business School, erforschte er die »Glokale« Strategien: Strategien einer offenen Welt
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Strategien der Internationalisierung.194 Die beiden Wirtschaftswissenschaftler stellten fest, dass Unternehmen trotz gleicher Ausgangslage den Sprung vom nationalen zum internationalen Unternehmen sehr unterschiedlich bewältigen. Mit diesen Erkenntnissen haben sie die folgende Typologie der »Internationalisierungsstrategien« entworfen. 1. Die internationale Strategie Die Auslandsaktivitäten sind eine Erweiterung der nationalen Aktivitäten. Die Zentrale hält die Fäden der Geschäftsentwicklung direkt selber in der Hand. Der Vorteil der Internationalisierung ist der Transfer von Kompetenzen auf neue lokale Märkte. Viele kleinere und mittlere, aber auch große Unternehmen wählen dieses Modell als Einstieg in die Internationalisierung. 2. Die multinationale Strategie Das Management betrachtet die verschiedenen Auslandsaktivitäten als Portfolio unabhängiger Geschäftsfelder. Die Tochterunternehmen sind relativ autonom. Viele der lokalen Entscheidungen werden vor Ort in den ausländischen Einheiten getroffen. Ein umfassendes Controlling (insbesondere Finanzkontrolle) koordiniert die ausländischen Aktivitäten. Die Auslandsniederlassungen suchen vor allem nach interessanten Marktchancen. Das multinationale Unternehmen passt sich den lokalen Gegebenheiten an und richtet seine Strategie und Produktangebote auf die nationalen Märkte aus. Philips operierte in den 70er Jahren nach diesem Muster. 3. Die globale Strategie Globale Unternehmen zeichnen sich durch ein globales Denken aus. Sie sind an mehreren Standorten um den Globus verteilt vertreten. Für das Management spielen Landesgrenzen grundsätzlich keine geschäftliche Rolle mehr. Die Auslandsgeschäfte sind Brückenköpfe, die den offenen Marktzugang bieten. Sie planen und organisieren die gesamten Geschäftsaktivitäten über die Landesgrenzen hinweg. Die Auslandsniederlassungen entwickeln die Strategievorgaben zusammen mit der Zentrale. Im globalen Unternehmen werden Skaleneffekte und Standortvorteile konsequent genutzt. Nestlé ist ein Beispiel für diesen Strategietyp der Internationalisierung. 4. Die transnationale Strategie Das transnationale Unternehmen hat seinen nationalen Kern verloren, es operiert gänzlich auf einer globalen Basis. Die Entscheidungsfindung findet dezentral statt. Personen, Produkte, Ressourcen und Informationen fließen frei zwischen den nationalen Geschäftsstellen hin und her. Die Aktivitäten werden weltweit koordiniert. Das transnationale Unternehmen integriert die Vorteile der anderen Strategieformen je nach Bedarf. Hier werden Skaleneffekte und Standortvorteile genutzt, Marktstrategien lokalisiert und 282
Handbuch der Strategien
globale Synergien ausgeschöpft. Die großen globalen Pharmakonzerne operieren nach diesem Muster.
Einschätzung Eine Strategieentwicklung, ohne das Thema »globallokal« zu berücksichtigen, ist heute unvollständig. Einerseits nehmen die Herausforderungen auf den Heimmärkten durch internationale Wettbewerber zu, und andererseits bieten andere Regionen auf dieser Welt nicht nur günstige Produktionsfaktoren, sondern auch attraktive Marktchancen. Zudem lassen sich interessante Partnerschaften auf einer globalen Ebene etablieren. Werden diese Positionen nicht rechtzeitig besetzt, gehen andere Wettbewerber diese Beziehungen ein und blockieren sie über Jahre.
Outsourcing-Strategien: »Schwächen« verkaufen Die Globalisierung wächst in enormen Schritten. Rund um den Globus lagern Unternehmen vermehrt einzelne ihrer Aktivitäten in fremde Länder aus. Sie tun dies, um von attraktiven Produktionsfaktoren und Standortkosten zu profitieren oder um sich prominent in großen Absatzmärkten zu positionieren. Werden Tätigkeiten von Unternehmen an Drittfirmen über vertragliche Vereinbarungen ausgelagert, spricht man von »Outsourcing« (Auslagerung). Welche Gründe führen zu einem Outsourcing? Durch die Auslagerung will sich das Unternehmen auf sein Kerngeschäft konzentrieren, einen Mangel an Fachkräften und Spezialisten überwinden, rascher auf Marktanforderungen reagieren, die eigenen Geschäftsprozesse vereinfachen oder die Komplexität des eigenen Geschäfts reduzieren. (Nicht zu verwechseln mit dem Begriff des Outsourcing ist das »Offshoring«. Beim Offshoring werden Geschäfte oder Tätigkeiten ins Ausland verlagert. Das Outsourcing muss nicht länderübergreifend erfolgen.) Ursprünglich ist Outsourcing ein Konzept der Informatik. Aufgrund der hohen Komplexität und enormen Veränderungsdynamik haben Unternehmen den Rechnereinsatz und dessen Bewirtschaftung an dafür spezialisierte Unternehmen abgegeben. Daraufhin verfolgte die Textilindustrie zur Kostensenkung ebenfalls diese Strategie. Mittlerweile findet Outsourcing nicht nur in den Funktionsbereichen Produktion und Entwicklung statt, sondern zunehmend in servicenahen und wissensintensiven Bereichen. Wenn umfassende Produktionsaufgaben an Geschäftspartner ausgelagert werden, hat dies eine Reduktion der Fertigungstiefe zur Folge. »Glokale« Strategien: Strategien einer offenen Welt
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Als strategische Gründe für ein Outsourcing von Geschäftsprozessen lassen sich Kostensenkung, Steigerung der eigenen Flexibilität, Mangel an Know-how, Konzentration auf eigene Kernkompetenzen, Nutzung weiterer Produktionskapazitäten, Kostenklarheit, Beschleunigung der Geschäftsprozesse oder die Vermeidung eigener Investitionen in den Ausbau der Kapazitäten anführen. Durch Outsourcing soll sich jedes Unternehmen auf seine eigenen besonderen Stärken und Fähigkeiten, also auf seine Kernkompetenzen, fokussieren. Seine Zukunftsentwicklung soll dort stattfinden, wo es im Vergleich zu seinen Wettbewerbern führend ist. Alle anderen Geschäftsprozesse können (zumindest theoretisch) an professionelle Dritte ausgelagert werden. Durch den Outsourcingprozess steigt die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung und Kompetenz. Betrachtet man die gesamte Lieferkette eines Angebots vom Einkauf bis zur Lieferung und die daran beteiligten Unternehmen, spricht man auch von der »Supply Chain« (Lieferkette, Wertkette). Mit dem »Supply Chain Management« versuchen Unternehmen, ihre strategische Stellung durch eine erhöhte Effizienz und Effektivität zu stärken.195 Die einzelnen Aufgaben entlang der Liefer- und Produktionskette werden (idealerweise) von demjenigen Partner erbracht, der die effizientesten Strukturen und Prozesse zur Verfügung stellt. Diese Kette kann von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktentsorgung und dem Recycling reichen. Die Leistungen entlang der Wertkette werden von verschiedenen, aber selbstständigen Unternehmen erbracht. Das Outsourcing führt zu immer komplexeren und international verwobenen Liefernetzwerken. Da verschiedene Unternehmen einen Beitrag zur Wertschöpfung des Angebots liefern, spricht man von einem »Wertschöpfungsnetzwerk« (value network).
Flache Strategien: Globales Orchestrieren der Geschäfte Einer der einflussreichsten Befürworter der Globalisierung, der Kolumnist der New York Times Thomas L. Friedman, propagiert den Begriff der »flachen Welt«.196 In einer »flachen Welt« streben die geschäftlich relevanten Unterschiede rund um den Globus gegen null. Das heißt, dass nationale Spezialitäten immer weniger für den Erfolg eine Rolle spielen. Friedman argumentiert, dass die Globalisierung in den letzten Jahren in eine neue Phase getreten sei, indem nun kleinere Unternehmen oder selbst Individuen auf dem globalen Parkett handeln können. Damit betont er die Chancen der Globalisierung, die in den letzten Jahren eine gewaltige Verbesserung der Einkommens- und Vermögenssituation von Millionen Menschen rund um den Globus bewirkt hat. 284
Handbuch der Strategien
Wie hat man Erfolg in dieser flachen Welt? Nicht einzelne Strategien wie Outsourcing oder Supply Chain Management bringen einen nachhaltigen Vorsprung, sondern das globale Denken. Outsourcing beschleunigt zwar den Trend zur Globalisierung, da viele Geschäftsprozesse nach Übersee ausgelagert werden. Aber auch der umgekehrte Prozess zeigt Wirkung. Unternehmen verstärken ihre Kernkompetenzen, spezifischen Fähigkeiten und Spezialisierung. Diese bieten sie auch anderen Unternehmen an. Hieraus entwickelt sich gleichermaßen ein »Insourcing«. Beim Insourcing werden bisher fremde Tätigkeiten in die eigene Wertschöpfung übernommen. Der Logistiker UPS bringt nicht mehr nur Pakete von A nach B, sondern übernimmt auch konkrete Zusatzaufgaben für seine Kunden. So repariert UPS für Toshiba Computergeräte oder liefert Teigrohlinge für die amerikanische Pizzakette Papa Johns aus. Die Kompetenzen, Fähigkeiten und Ressourcen der Unternehmen restrukturieren sich global in Form des Aus- beziehungsweise Einlagerns. Durch das »strategische Orchestrieren« von Wertschöpfungskomponenten lassen sich neue Geschäftsfelder besetzen. Dieser Prozess der Wertschöpfungsvernetzung findet auf einer globalen Skala statt. Firmen der flachen Welt müssen ihre strategischen Kompetenzen im Orchestrieren von Wertschöpfungsbausteinen finden. Was heißt das konkret? Ein global denkendes Unternehmen sollte sich als Netzwerk verstehen. Dabei muss ihm von Anfang an klar sein, dass es nicht mehr den gesamten Wertschöpfungsprozess mit Erfolg längerfristig unter Kontrolle haben kann. Niemand kann »Weltmeister« in allen Aktivitätsschritten der Wertschöpfung sein. Wichtig ist, dass man sich mit Spitzenpartnern zusammenfindet, um durch die vernetzten Beiträge ein für den Kunden attraktives Gesamtangebot bereitzustellen. Zwei Unternehmen derselben Branche mögen wohl vordergründig Konkurrenten sein, doch beide nutzen verschiedene Lieferketten, die sich rund um den Globus spannen können. Diese verschiedenen »Wertschöpfungsnetze« (Value Nets) bestimmen ihren Erfolg im Wettbewerb ganz massiv. Die Wahl der Partner hat eine zentrale strategische Bedeutung. Die »Führung von Netzwerken« ist von der Führung von Tochtergesellschaften oder Franchiseunternehmen klar zu unterscheiden. Dominante Führungsverhältnisse spielen hier keine Rolle. Gegenseitiges Vertrauen, klare Spielregeln, unterstützendes Training sowie Zertifizierung und professionelles Controlling sind die wesentlichen Erfolgskomponenten für die Zusammenarbeit. Jeder der Netzwerkpartner ist ein autonomes Unternehmen. In derartigen Konstellationen darf daher nicht übersehen werden, dass jeder immer auf der Suche nach der für ihn besten Lösung ist. Wertschöpfungsnetzwerke werden nicht für die Ewigkeit geknüpft, sondern müssen sich im Wettbewerb für die Beteiligten bewähren. »Glokale« Strategien: Strategien einer offenen Welt
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Li & Fung ist höchstwahrscheinlich eines der größten Unternehmen weltweit, das kaum jemand kennt.197 Das Handelshaus mit Sitz in Hongkong arbeitet mit knapp 8 000 Lieferanten in rund 40 Ländern zusammen. Die Bezeichnung Handelshaus ist irreführend, aber historisch bedingt. Das Unternehmen ist ein hersteller- und länderübergreifendes Netzwerkunternehmen, welches nicht nur Waren beschafft und liefert, sondern auch über seine Netzkontakte nach Wunsch des Auftraggebers herstellt. Li & Fung übernimmt von der Produktgestaltung über die Entwicklung und Qualitätssicherung bis hin zur Herstellungsüberwachung und Lieferung sämtliche Schritte der Wertschöpfung. Das Unternehmen stellt selber keine Waren her, hat aber über seine Netzwerkpartner Zugriff auf ein Produktionspotenzial von rund einer Million Mitarbeitern. Li & Fung gilt als Musterbeispiel eines »Geschäftsorchestrators«. Es erwirtschaftet einen Umsatz von rund 7 Milliarden US-Dollar. Weiß das Unternehmen, was sein Kunde wünscht, sucht es in Windeseile die benötigten Kompetenzen in seinem Netzwerk auf der ganzen Welt zusammen. Zu seinen Kunden zählen Unternehmen wie KarstadtQuelle, Marks & Spencer, Esprit, Coca-Cola, Walt Disney, Abercrombie & Fitch, Toys R Us oder Nike. Durch die Auslagerung an Li & Fung soll KarstadtQuelle rund eine halbe Milliarde Euro an Betriebskapital sparen. Gleichzeitig ist der »Business Orchestrator« in Asien in der Lage, dem Unternehmen pro Jahr zwölf Kollektionen für die Marken Karstadt, Quelle und Neckermann termingerecht bereitzustellen. Interessant ist, dass Li & Fung nicht nur Aufträge entgegennimmt, sondern selber aktiv mitentwickelt. Die Firma schlägt alternative Materialien oder alternative Geschäftsprozesse vor, um das gewünschte Produkt noch rascher und kostengünstiger in den notwendigen Volumen herzustellen. Ein derartiger »Orchestrator« ermöglicht es den Unternehmen, sich auf ihre Spezialisierung und Kernkompetenzen zu konzentrieren. Nachteilig ist natürlich, dass die internationale Verflechtung des eigenen Geschäfts damit steigt und die Abhängigkeit von Dritten rasant wächst.
Boden der Pyramide: Strategien für die prosperierenden Märkte der Dritten Welt Die Märkte am unteren Ende der globalen Einkommens- und Vermögenspyramide werden von vielen westlichen Unternehmen sträflich vernachlässigt. Gerade diese Märkte aber sind im Aufbruch, da sich die Einkommenssituation vieler Drittweltländer in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Milliarden von Menschen besitzen zusammen betrachtet eine gigantische Kaufkraft und sind auf der Suche nach attraktiven Angeboten. Für diese Kunden sind aber 286
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unsere oft anspruchsvollen, hoch differenzierten Produkte mit ihren vielen Funktionen nicht nur zu komplex, sondern auch in ihrem Alltag kaum zu gebrauchen. Selbstverständlich sind sie auch zu teuer. Märkte am unteren Ende der Pyramide suchen nach Einsteigerprodukten. Vor allem die indischen und chinesischen Unternehmer haben in diesem Geschäftssegment ihre Chancen erkannt. Ohne große Anpassungen können sie ihre eher simplen Produkte aus den jeweiligen Heimatländern in Drittweltmärkten mit großem Erfolg absetzen. Einfache Waschmaschinen, Heizungen, Klimageräte oder Mobiltelefone, die in Entwicklungsregionen Asiens, Afrikas und Südamerikas abgesetzt werden, sind Beispiele dafür. Doch aufgrund der großen Marktvolumen sind diese Marktkonstellationen ebenfalls für westliche Firmen interessant. Vor allem auch deshalb, weil die Innovationsraten deutlich niedriger und die Produktlebenszyklen noch längerfristig ausgelegt sind. Zudem werden heute Marken etabliert, die später bei der Entwicklung zu komplexeren Märkten unabdingbar für den Erfolg sind. Die Bearbeitung dieser Märkte am unteren Ende der Pyramide ist aber nicht ganz einfach. Die Zielgruppe der Wenigverdienenden ist anspruchsvoll und »wertorientiert«. Preise und Leistungen zwischen alternativen Angeboten werden genau verglichen und das Pro und Contra abgewogen. Einsteigerkunden müssen sich im Vergleich zu anderen Kundengruppen stärker vor einem Fehlkauf hüten. Ein Vorteil dieser Zielgruppe aus westlicher Sicht ist ihre hohe Markenorientiertheit. Der Stratege C. K. Prahalad schätzt, dass die »Basis der Pyramide« ein Marktpotenzial von rund fünf Milliarden Menschen umfasst.198 Diese interessanten Geschäftspotenziale sind bisher auf den Radarschirmen vieler Marktstrategen untergegangen. Für diese Kundengruppen wurden weder Produkte oder Services noch spezifische Marktstrategien entwickelt. Zudem machen westliche Firmen, die diesen Markt bearbeiten, gerne einen Denkfehler. Sie bieten »ältere« oder »einfachere« Versionen heimischer Angebote an. Doch diese treffen die Wünsche der Konsumenten meist eher schlecht als recht. Prahalad empfiehlt, spezifische Angebote zu entwickeln. Die »aufstrebenden Märkte« (»Emerging Markets«) sind längerfristig attraktiv. Es lohnt sich daher, rechtzeitig Marken und Strukturen zu etablieren. Vergleicht man zum Beispiel die Anzahl der Mobiltelefone, die Anzahl der Fernsehgeräte oder die Anzahl der Radiogeräte, die in diesen Marktsegmenten weltweit abgenommen werden, so gehören sie zu den Spitzenmärkten. Große Unternehmen wie beispielsweise Nokia, Philips, Motorola oder Axa Versicherungen entwickeln nicht nur spezifische Strategien für die globalen Wachstumsmärkte am unteren Ende der Pyramide, sondern erforschen die Rahmenbedingungen für Erfolg. Sie tun dies zusammen mit Anthropologen und Verhaltensforschern. Prahalad und Hart zeigen, dass nicht die Preisgestal»Glokale« Strategien: Strategien einer offenen Welt
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tung der zentrale Erfolgshebel ist, um in diesen Märkten zu den Gewinnern zu gehören. Wichtig ist, Marktpositionen mit starken Marken frühzeitig zu besetzen, die Erwartungen der Kunden zu lenken, Distributionssysteme aufzubauen, Finanzierungslösungen anzubieten und auf einfache, nutzenstiftende Innovationen von unten nach oben zu setzen. Sie geben folgende Empfehlungen, um die Basis der Pyramide strategisch anzugehen: • Die Preis-Leistungs-Relation muss einen »Quantensprung« günstiger sein
als in den gewohnten Verhältnissen im Westen. • Die Distribution muss landwirtschaftliche, aber auch dicht besiedelte Regi-
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onen erreichen. Der Distributionsprozess ist zu vereinfachen, so dass leicht Mitarbeiter gewonnen werden können. Es ist auf eine hohe Ökofreundlichkeit der Angebote zu achten. Neue und alte Technologien sind aus Kostengründen zu kombinieren. Die Produktentwicklung soll »universell« erfolgen. Sie muss über Länder, Kulturen, Sprachräume transportierbar sein. Das Produktdesign muss radikal einfach sein. Modernes Design zeigt den Fortschritt und wird besonders geschätzt. Die Produktion erfolgt idealerweise ebenfalls in den Absatzregionen. Die tagtägliche Nutzung sowie der Produkteinsatz sind zu erforschen. Vielfach werden die Lösungen in »feindlichen« Umgebungen (Feuchtgebiete, Wüsten, Staub, Geräusche, Blackouts) genutzt. Marketing hat einen Lehrauftrag zu erfüllen. Angebote müssen genau erklärt werden. Angebote sind auf das Notwendigste zu vereinfachen.
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Handbuch der Strategien
Wertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
Ich mache eigentlich immer das, was ich nicht kann, um etwas dazuzulernen. Pablo Picasso
Werte: Herzstück des Geschäfts Kundennutzen, Kundenwert und Value Proposition Der »Kundennutzen« (customer value, customer utility) ist der vom Kunden persönlich wahrgenommene Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung. Der Kunde entscheidet sich unter vergleichbaren Angeboten für dasjenige, von dem er annimmt, dass es ihm den höchsten persönlichen Nutzwert bietet. Der Kundennutzen ist ein subjektives Konzept. Dieser für die strategische Ausrichtung wichtige Begriff ist nicht mit dem »Kundenwert« zu verwechseln. Der Kundenwert (customer lifetime value) bezeichnet den ökonomischen Wert einer Kundenbeziehung über den gesamten Lebenszyklus der Beziehung hinweg. Technisch gesprochen entspricht er dem Deckungsbeitrag des Kunden während der gesamten Beziehungsdauer, diskontiert auf den heutigen Tag. Der Kundenwert ist eine in Geldgrößen ausgedrückte betriebswirtschaftliche Kennzahl, die den »ökonomischen Wert« einer Kundenbeziehung umschreibt. Der Kundennutzen hingegen ist die umgekehrte Betrachtung: Welchen Wert hat das Angebot für Kunden? Hierzu gehören objektive Größen wie Preise und Rabatte, aber auch viele subjektive Bewertungsgrößen wie Image, Freude, Faszination, Glück oder Sympathie. Eng verwandt mit dem Schlüsselbegriff des Kundennutzens ist das »Nutzenversprechen« (value proposition, auch Wertversprechen) eines Unternehmens oder einer Marke. Es beschreibt den Nutzen, den das Unternehmen dem Kunden garantiert. Seine Bestimmung und Definition gehören zum Herzstück der Strategie eines Geschäfts. Zunehmend an Bedeutung gewinnt der Begriff der »Kundenerfahrung« (customer experience). Diese umfasst alle persönlichen Erfahrungen, die ein Wertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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Kunde mit dem Produkt, einer Dienstleistung, einer Marke oder einem Unternehmen macht. Die Kundenerfahrung beeinflusst, wie der Kunde die Marke, das Unternehmen oder das Produkt wahrnimmt.
Wertschöpfungsprozesse: Werte erstellen Das Rückgrat der Strategie ist die »Wertschöpfungskette«. Sie ist Wesenselement des Geschäftsmodells. Auf der permanenten Suche nach attraktiven Geschäftsmöglichkeiten erweitern Unternehmen ihre Wertschöpfungskette nach vorne, nach hinten, aber auch nach rechts und links in andere Wirtschaftszweige hinein. Die traditionelle Wertschöpfung beginnt beim Einkauf, reicht über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Diese Betrachtungsweise geht zurück auf die Verfahrensabläufe der industriellen Produktion. Arbeitsteilung und Standardisierung unterstützen dieses lineare Modell. Heute hingegen startet man die Betrachtung der Wertschöpfungskette beim Kunden und seinen Wünschen (vergleiche Abbildung 48).
Abbildung 48: Wertschöpfung – traditionell und zeitgemäß KLASSISCHE¬7ERTSCHÚPFUNGSKETTE
&IRMA
0RODUKTå ENTWICKLUNG
¬¬¬¬¬0RODUKTION
¬¬¬-ARKETING
/PEN¬)NNOVATION
¬¬6ERTRIEB ¬¬6ERKAUF
¬¬¬3ERVICE
+UNDE
INDIVIDUALISIERTE 0RODUKTION
+UNDE +UNDENDIALOG¬¬ 3ERVICE
$IALOGMARKETING
PERSONALISIERTER¬ -ULTIKANALVERTRIEB
7ERTSCHÚPFUNGSKETTE¬NACH¬DEM¬#Oå#REATIONå!NSATZ
Henry Ford, der findige Gründer der Automobilfirma Ford, führte die Fließbandfertigung ein. Er integrierte im Lauf ihrer Entwicklung möglichst alle 290
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Wertschöpfungsstufen im Automobilbau. Sein Ziel war die totale Kontrolle über sämtliche Produktionsstufen. Dies ging in der Geschichte des Unternehmens so weit, dass die Ford Motor Company zeitweilig Gummiplantagen, Kraftwerke und Stahlwerke betrieb. Der Ford-Konzern reihte im Lauf seiner Entwicklung eine Wertschöpfungskette an die andere. Die Massenmarktstrategie begünstigte diese Entwicklung. So sollten die Kunden mit möglichst kostengünstigen, standardisierten Produkten in großen Volumen bedient werden. Doch eine derartige, nur auf den Massenmarkt ausgerichtete Strategie hat im Zeitalter der anspruchsvollen Kunden ihren Zenit überschritten. Die Wertschöpfung schafft Mehrwerte für den Kunden. Doch diese Mehrwerte müssen den Bedürfnissen des Kunden entsprechen. In einer sich rasch ändernden Geschäftswelt sind diese Mehrwerte aber »flüchtig«, da die Konkurrenz immer wieder mit attraktiveren Angeboten kontert und sich die Bedürfnisse der Kunden wandeln. Der Wettbewerbsvorteil wandert somit immer weiter weg von der eigentlichen Produktebene auf die Ebene des Geschäftsmodells. Die »Wertschöpfungskette« ist die Summe aller Aktivitäten, welche den Nutzwert für den Kunden steigern. Teile der Wertschöpfungskette sind unter der Kontrolle des Unternehmens, andere wie beispielsweise Vorleistungen oder Warendistribution entziehen sich ihm. Doch in eine Gesamtbetrachtung sind auch diese einzubeziehen. Die Wertkreation kann innerhalb des Unternehmens, durch die Ausdehnung der Wertkette auf die vor- beziehungsweise nachgelagerten Stufen oder durch eine Vernetzung von Wertschöpfungsstufen sogar über Unternehmen hinweg erfolgen.
Value Disciplines: Strategische Disziplinen der Wertschöpfung Warum schaffen es manche Unternehmen, dass Kunden von ihren Produkten oder Services begeistert sind, während andere nonstop Kostensenkungsprogramme lancieren müssen, um im Wettbewerb zu überleben? Wieso funktionieren manche Unternehmen wie perfekte Uhrwerke, während andere immer wieder in operative Krisen fallen? Die Antworten hierzu geben die amerikanischen Businessberater Michael Treacy und Fred Wiserma. Sie setzen bei der Strategieentwicklung auf das »Konzept der Nutzendisziplinen« (value disciplines, auch value proposition genannt). »Wertdisziplinen« heißen drei Leadershipstrategien, mit denen sich Unternehmen von ihren Konkurrenten absetzen können. Diese drei Strategiepfade Wertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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basieren auf dem Studium der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse. Die beiden Berater stellen fest, dass Kunden drei Arten von »Nutzenkonzepten« (value disciplines) schätzen: Die einen suchen in erster Linie die »günstigste Gesamtkostenlösung« (best total cost solution), die anderen die »Spitzenlösung mit den besten Produkteigenschaften« (best product features) und die dritten die für sie ganz persönlich »beste Gesamtlösung« (best total customer solution), die genau ihren Wünschen entspricht. Kunden, welche sich zum Beispiel für die günstigste Lösung entscheiden, wollen eine rasche, unkomplizierte Lieferung und beanspruchen wenig Service. Sie wenden sich Unternehmen zu, die ihre Spitzenleistungen in der operativen Leistungserstellung haben. Wer aber das innovativste Top-Produkt besitzen will, ist bereit, hierfür einen Premiumpreis zu bezahlen. Seine Wahl wird daher auf ein Unternehmen fallen, welches sich durch seine hohe Innovationskraft auszeichnet. Derartige Unternehmen positionieren sich als Produktführer. Kunden, die hingegen maßgeschneiderte Lösungen suchen, wählen Unternehmen, die in der Lage sind, ihre Angebote zu personalisieren, individualisieren und mit entsprechend intensivem Service auszustatten. Die Berater haben festgestellt, dass Firmen leicht in die Falle des »Alles-füralle-sein-zu-Wollen« tappen. Die Stärke der Nutzendisziplinen ist es, sich klar auf die Führerschaft in einer dieser Disziplinen auszurichten. Aus diesen drei Nutzenkonzepten der Kunden ergeben sich drei strategische Ansätze der Wertschöpfung, die alle beim Kunden und seinen Wünschen ansetzen. 1. Wertdisziplin der operativen Exzellenz Diese Firmen setzen auf eine relativ gute Qualität zu fairen Preisen. Sie sind keine Innovationsführer, sondern beobachten das Marktgeschehen genau und setzen auf die Erfolgsfaktoren im Volumengeschäft. In ihren Prozessen suchen sie nach hoher Effizienz und Kostenoptimierung. Beispiele für Unternehmen, die mit Nachdruck auf diesen wertschöpfenden Ansatz setzen, sind: Toyota, Billigairlines, Wal-Mart, Aldi, Hertz. 2. Wertdisziplin der Produktführerschaft Diese Kategorie von Unternehmen sieht sich als Innovatoren und Markenführer. Sie experimentieren mit neuen Lösungen und Produkten. Sie faszinieren ihre Kunden immer wieder aufs Neue. Beispiele für Unternehmen, die auf Produktführerschaft setzen, sind: BMW, Audi, Body Shop, Philips, Nike, 3M, Gillette. 3. Wertdisziplin der Kundennähe Die Zufriedenheit des Kunden ist das oberste Ziel dieser Unternehmen. Für ihn machen sie das Unmögliche möglich. Sie möchten ihre Kunden genau 292
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kennen und investieren daher viel in Markterkundung. Sie schenken auch dem Kundenservice große Beachtung. Beispiele für Unternehmen, die auf eine enge Kundenbeziehungen setzen: Four Seasons Hotels, Ritz-CarltonGruppe, Amazon, McKinsey Consulting, Roland Berger Consultants, SAP. Das Modell der Wertdisziplinen ist ähnlich den drei generischen Strategien von Michael Porter (Kostenführerschaft, Differenzierung, Fokussierung). Doch im Gegensatz zum Porter-Modell haben sich Unternehmen auf eine der Disziplinen mit hoher Priorität zu konzentrieren, dabei aber die anderen Felder nicht vollkommen zu vernachlässigen. So sollte jedes Unternehmen einerseits eine Leadership-Disziplin verfolgen und zugleich bei den anderen beiden Disziplinen mit den Konkurrenten mitziehen können.
Value Migration: Den Wanderungen der Wertschöpfung folgen Automobilkonzerne betreiben Bankgeschäfte und Hotelketten steigen ins Catering-Business ein. Banken stoßen ins Versicherungsgeschäft vor, Versicherungen ins Bankengeschäft, Nahrungsmittelkonzerne mutieren in Richtung Pharma und Medizin durch die Lancierung von Functional Food. Die traditionellen Branchengrenzen verlieren an Trennschärfe. Das »Verwischen von Branchengrenzen« nennt man »Business Migration« oder »Value Migration« (»Geschäftsmigration«). Was treibt diese Entwicklung? Erster Grund ist die unentwegte Suche der Unternehmen nach attraktiven Geschäftsmodellen zur Abrundung oder Erweiterung ihres eigenen Business. Der Experte auf dem Gebiet der Value Migration, der Unternehmensberater Adrian J. Slywotzky, bezeichnet dies als Suche nach attraktiven »Gewinnmustern« (Profit Pattern) in angrenzenden, nahen Branchen.199 Zweiter Grund ist die Dynamik der sich rasch ändernden Kundenanforderungen und -wünsche. Produkte, Dienstleistungen, aber auch Geschäftsmodelle unterliegen einem Lebenszyklus. Sie altern und werden obsolet. Unternehmen sind daher zur periodischen »Aktualisierung« (Business Update) oder zur »Neuerfindung« (Business Upgrade) ihres Geschäftsmodells gezwungen. Der Prozess der »Geschäftsmigration« folgt den attraktiven Geschäftsmodellen. Entdeckt man Branchen, deren Geschäfte höhere Renditen abwerfen, lohnt es sich zu überlegen, ob sich das eigene Geschäft in dieses attraktive Feld hineinentwickeln könnte. Es wäre unter Umständen auch möglich, Geschäftsbausteine aus den attraktiven Branchen zu übernehmen. Wertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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In jeder Branche finden sich Unternehmen, die sehr erfolgreich unterwegs sind. Diese können als Vorbilder für Überlegungen zum Geschäftsmodell herbeigezogen werden. Welche Formen der Geschäftsmigration finden sich? 1. Wertverschiebungen von Branche zu Branche Unternehmen suchen möglichst ertragsattraktive Branchen. Sie versuchen, sich in diese attraktiven Märkte hineinzuentwickeln. Der IBM-Konzern ist ein Beispiel für eine gelungene Geschäftsmigration. Das Unternehmen hat sich vom führenden Hardwarehersteller zu einem der führenden IT-Software- und Beratungsunternehmen entwickelt. Der CEO Lou Gerster baute den gesamten IBM-Konzern um. Heute werden Kunden keine »Kisten« (Computer) mehr ausgeliefert, sondern sie bekommen maßgeschneiderte informationstechnologische Problemlösungen. 2. Wertverschiebungen von Unternehmen zu Unternehmen Unternehmen suchen nach ertragreicheren Konkurrenzlösungen in ihrer angestammten Branche. Dementsprechend passen sie dann ihre eigene Wertschöpfungskette an. Nespresso hat ein sensationell gewinnträchtiges Erfolgsmodell für das Kapselsystem-Kaffeegeschäft erfunden. Dies ist Vorbild für Konkurrenten, die Geschäftskomponenten in Teilen zu integrieren versuchen. 3. Wertverschiebungen von Geschäft zu Geschäft Unternehmen erweitern ihre Wertschöpfungskette um einzelne attraktive Geschäftsbausteine. So vergrößern Informatikberatungsgesellschaften ihr Leistungsspektrum durch die Übernahme des IT-Outsourcing-Geschäfts. Sie erbringen damit nicht mehr nur Beratungsservices, sondern auch umfassende IT-Abwicklungsdienste. Eine »horizontale« Business Migration erfolgt dann, wenn vor- beziehungsweise nachgelagerte Bereiche der Wertschöpfungskette aus fremden Branchen integriert werden. Bietet beispielsweise ein Hotel einen eigenen Autovermietservice an, so ist dies eine horizontale Business Migration. Bei einer »vertikalen« Business Migration stößt das Unternehmen in fremde Branchen vor, die nicht zu seinem Geschäftssystem gehören. Das Hotel bietet zum Beispiel seinen Gästen fremde Leistungen wie Yoga, Weindegustationsausflüge oder Kosmetikkurse an. Unter einer »Product Migration« werden Produkteigenschaften verschiedener bisher selbstständiger Angebote gekreuzt. Ein Beispiel sind die Crossover-Modelle der Automobilindustrie. Ein Van ist eine Kombination aus Limousine, Kombi und Transporter. Der Mercedes CL kreuzt eine Limousine mit einem Coupé und der BMW X6 einen Geländewagen mit einem Sportwagen zu einem »Sport Activity Vehicle«. Bei der »Value Migration« werden Verschiebungen im Unternehmenswert zwischen Unternehmen innerhalb einer Branche untersucht. So wurde in den 294
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80er Jahren innerhalb der Computerbranche eine Wertverschiebung von den Hardwareherstellern zu den Softwarefirmen und Netzwerkherstellern festgestellt. Bei strategischen Betrachtungen lohnt es sich, sich nicht nur auf die eigene Wertschöpfungskette zu konzentrieren, sondern den Blickwinkel zu erweitern und geschäftsnahe Wertschöpfungsstufen mit unter die Lupe zu nehmen.
Wertschöpfungsarchitektur: Chancen an der Branchengrenze In der rasanten Veränderungsdynamik von heute ist das lineare Wertschöpfungsdenken ungenügend, um sich im Wettbewerb längerfristig Vorteile zu verschaffen. Es wird immer wieder einzelne Anbieter geben, die für ihre Kunden noch treffendere Lösungen entwickeln. Dies gilt in der globalen Automobilindustrie genauso. Dort fordern vor allem die asiatischen Hersteller die westlichen Anbieter heraus. Die Asiaten sind in der Lage, durch eine Verknüpfung ihrer firmenübergreifenden Wertketten rasch und flexibel auf Marktwünsche zu reagieren. Was liegt daher näher, als die Wertketten über Industrien zu verweben und mit Akquisitionen und Fusionen dem verstärkten Preis- und Innovationsdruck entgegenzutreten? Wertschöpfungsketten lassen sich zur Verbesserung der Flexibilität und zur Erhöhung des Kundennutzens verknüpfen. Durch diesen Prozess ändert sich die Wettbewerbslandschaft. Unternehmen konkurrieren nicht mehr nur innerhalb einer Branche und entlang einer Wertkette, sondern über ihre angestammten Branchengrenzen hinweg. Es entsteht ein Wettbewerb auf mehreren Ebenen, nämlich um Funktionen und Features, um Services, um Effizienz und um die leistungsfähigste Wertschöpfung. Tankstellen verkaufen nicht mehr nur Treibstoffe, sondern sind zu wichtigen Handelsunternehmen im Food- und Non-Food-Bereich geworden. Die Tante-Emma-Läden kehren in Form von gut sortierten Supermärkten an der Tankstelle zurück. Shell ist mittlerweile der größte Würstchenverkäufer Europas. Firmen gliedern ihre Fertigungsprozesse aus, Buchhaltungen werden ausgelagert, und selbst unterstützende Funktionen wie das Personalwesen werden in Teilen oder gänzlich an Dritte vergeben. Dafür nehmen sie auf der anderen Seite auch interessante Geschäftsbausteine in ihre eigene Wertschöpfung auf. So brechen traditionelle Liefer- und Wertschöpfungsketten auseinander. Das Internet ist ein wichtiger Treiber dieser Entwicklung, aber nicht der einzige. Die Beziehungen, die zwischen Unternehmen, Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und Vertriebspartnern bestehen, entfalten sich neu. In manchen FälWertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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len lösen sich diese auf oder restrukturieren sich. Vor allem Beziehungen, welche durch Informationen zusammengehalten werden, gruppieren sich neu. So wird manch eine Handelsstufe aufgelöst, weil sich der Kunde aufgrund der gewonnenen Markttransparenz direkt an den Hersteller wenden kann. Hier spricht man von »Disintermediation«, da die Zwischenrolle des Handels mit seinen Funktionen überbrückt wird. Philip Evans und Thomas Wurster, beide Berater der Boston Consulting Group, bezeichnen das Phänomen der Wertschöpfungsrestrukturierung als »Dekonstruktion«.200 Darunter verstehen sie den Umbau traditioneller Business-Strukturen, deren Auflösung und Neugruppierung. Unternehmen rekonfigurieren ihre Wertschöpfungskette und damit ihre Leistungen für den Kunden neu. Statt von Dekonstruktion spricht man auch von »Unbundling« (Entpacken) beziehungsweise »Rebundling« (Zusammenschnüren). Ein Beispiel für die Dekonstruktion einer Branche ist die Computerindustrie. In Zeiten der Mainframe-Computer mit ihren komplexen proprietären Systemen wurden alle Rechnerbausteine von den führenden Herstellern wie IBM oder Fujitsu hergestellt und als komplette Lösung angeboten. Heute existieren auf allen Stufen der Wertschöpfung Unternehmen, welche eine weltweit dominierende Stellung einnehmen. Jede Stufe wird nun von einem Key Player dominiert: Microsoft im Bereich der Betriebssysteme und Büroapplikationen oder Intel im Bereich der Mikroprozessoren. Die Dekonstruktion folgt einem das eigene Business übersteigenden strategischen Denken: Statt möglichst alles zu kontrollieren, geht man kompetente Partnerschaften ein, um die eigene Leistung für den Kunden aufzuwerten. Wer zu den Spitzenunternehmen gehören will, muss rundum Spitzenleistungen bieten. Dies ist aber kaum in allen Komponenten entlang der hauseigenen Wertschöpfungskette möglich. Die Auslagerung von Aufgaben, in denen man nicht Spitze ist, kann die Gesamtleistung nachhaltig verbessern. Die Dekonstruktion des Geschäfts erfordert es, sich in Partnerships und Netzwerken rund um Kernkompetenzen und Schlüsselfähigkeiten zu organisieren. Der Verbund soll die eigenen Stärken erhöhen. Der Begriff der »Wertschöpfungsarchitektur« weist auf den Umstand hin, dass Unternehmen nicht mehr nur eigene Wertschöpfungsketten betreiben, sondern sich auch Werte in Netzwerkstrukturen schaffen. Strategen verhalten sich eher wie Architekten, die Komponenten von Fähigkeiten und Ressourcen zur Steigerung der Effizienz oder des Kundennutzens bündeln. Ziel ist dabei, dem Kunden ein höheres Wertangebot als die Konkurrenz zu bieten. So wandern Geschäfte zwischen klassischen Industriegrenzen hin und her, wodurch sich auch neue Märkte bilden. Der deutsche Unternehmensberater der Boston Consulting Group Dieter Heuskel identifiziert vier unterschiedliche Architekturen, mit denen sich Un296
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ternehmen erfolgreich im Wettbewerb dekonstruierter Wertschöpfungsketten behaupten (vergleiche Abbildung 49):201 1. »Schichtenspezialisten« (layer players) Spezialisten fokussieren auf eine oder mehrere Stufen in der Wertschöpfungskette, die auch branchenübergreifend sein können. Meistens lösen sie einzelne Elemente aus einer Wertschöpfungskette heraus, auf die sie sich dann besonders konzentrieren. Durch Größenvorteile, einen Know-howVorsprung oder entsprechende Eigentumsrechte (Patente) etablieren sie sich über Industriegrenzen hinweg. Sie funktionieren wie Solisten, die einzelne Elemente der Wertschöpfungskette mit hoher Virtuosität kostengünstig, effizient und kundenorientiert erfüllen. Sie bieten ihre Angebote über mehrere Branchen hinweg an. Beispiel: EDV- oder Reinigungsdienste konzentrieren sich auf ihre spezifischen Kernkompetenzen. Was die einen Unternehmen wegen Ineffizienz auslagern, wird für die anderen durch Aggregation ein attraktives Business. 2. »Pioniere« (market makers) Pioniere ergänzen vorhandene Wertschöpfungsketten. Sie übersetzen unbefriedigte Kundenbedürfnisse in eine bisher noch nicht vorhandene Wertschöpfungstätigkeit, wodurch sie einen neuen Markt schaffen. Beispiel: Leasingunternehmen, Reservierungssystem Sabre, Bloomberg Financial Information Services, Internetplattformen wie eBay 3. »Orchestratoren« (orchestrators) Orchestratoren konzentrieren sich auf eine oder mehrere Stufen der Wertschöpfung, die sie koordinieren. Sie steuern ganze Unternehmensnetzwerke, ohne dass sie Kompetenzen in allen Bereichen haben müssen. Beispiel: Adidas, Puma oder Nike sind Unternehmen, die ihre Herstellungsprozesse komplett an Drittfirmen ausgelagert haben. Sie haben sich zu virtuellen Unternehmen entwickelt. Doch sie steuern die gesamte Wertschöpfungsentwicklung zentral und orchestrieren die Wertschöpfungsbeiträge ihrer Geschäftspartner. 4. »Integratoren« (integrators) Integratoren führen die gesamte Wertschöpfungskette, um die Transaktionskosten zwischen den einzelnen Stufen zu reduzieren. Sie möchten den Gesamtprozess unter ihre Kontrolle bringen. Beispiel: Die russische Gazprom kontrolliert den kompletten Erdgasprozess von der Förderung bis zum Endverbraucher. Strategische Überlegungen zur Architektur der Wertschöpfung ermöglichen es Firmen, attraktive Chancenpotenziale zu entdecken, die sie durch die Bildung neuer Kompetenzen und durch Diversifikation besetzen können. Dies erforWertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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dert ein Überschreiten ihrer bisherigen Branchengrenzen und ein Verlassen bekannter strategischer Pfade, dafür werden neue attraktivere Wachstumspotenziale erschlossen.
Abbildung 49: Architektur der Wertschöpfung klassische Wertschöpfung integriertes Unternehmen
vernetzte Wertschöpfung koordinierte Wertschöpfungsarchitektur
fokussierte Wertschöpfung spezialisierte Wertschöpfungsarchitektur
Value Innovation: Strategie in roten und blauen Ozeanen Die beiden Professoren für strategisches Management der Eliteuniversität INSEAD in Fontainebleau und Singapur, Kim W. Chan und Renée Mauborgne, stellen die orthodoxe Strategielehre des marktorientierten Ansatzes von Michael Porter und den ressourcenbasierten Strategieansatz von Hamel und Prahalad aufgrund ihrer Untersuchungen infrage.202 Nach den beiden bestimmt weder die Branche den Erfolg, noch konnten sie Unternehmen ausmachen, deren langfristige Wertschöpfung allein auf ihren besonderen Ressourcen (Kernkompetenzen) basierte. Für sie begründen Unternehmen eine erfolgreiche Wertschöpfung auf einer Folge »strategischer Schritte«. Was meinen sie damit? – Das Verhalten der Unternehmen bei der 298
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Konzeption und Umsetzung der Geschäftsideen ist erfolgskritisch. Jeder strategische Schritt hat Gewinner, Verlierer und Überlebende zur Folge. Ein Beispiel klärt ihre Überlegung: Das von Henry Ford lancierte Modell T im Jahr 1908 ließ die Automobilbranche blühen. Die Pferdefuhrwerk-Fabrikanten hingegen sahen schweren Zeiten entgegen. Ford erreichte in den USA einen Marktanteil von 60 Prozent. Doch der nächste strategische Schritt von General Motors im Jahr 1924 überrundete Ford. Statt des Einfarbenautos kreierte GM einen neuen Marktraum durch seine Lifestyleautos in bunten Farben, mit verschiedenen Modellen und durch verschiedene Motorisierungen. GMs Marktanteil sprang von 20 auf 50 Prozent, derjenige von Ford kollabierte auf 20 Prozentpunkte. Ford musste sich in dieser Phase wieder »neu« erfinden. Jeder der strategischen Schritte bot den Kunden massive Nutzeninnovationen. Sie bekamen mehr für ihr Geld und damit deutlich leistungsfähigere Angebote. Aber auch die Autobranche profitierte von diesen strategischen Schritten. Jeder Schritt vergrößerte den Marktraum der Branche gewaltig. Konzentriert man sich in der Strategiefindung also nur auf seine eigene Branche oder seine eigenen herausragenden Stärken, verpasst man wachstumsintensive Geschäftschancen. Die beiden Strategiedenker empfehlen daher dem Management, Ausschau nach möglichen »Nutzeninnovationen« für den Kunden zu halten. Dann sind daraus entsprechende strategische Schritte zu lancieren. Doch wo findet man diese gewinn- und geschäftsträchtigen Nutzeninnovationen? In den »blauen Ozeanen«, lautet ihre Antwort. Ein blauer Ozean ist ein Markt, in dem bisher noch niemand Geschäfte tätigte. Hier sind die Wettbewerbsbedingungen ideal, da sich keine Konkurrenten tummeln, die einem das Geschäft vermiesen. Es gibt aber auch die »roten Ozeane«. Hier wütet das »Business as usual«, das heißt ein wilder, halsbrecherischer Wettbewerbskampf, bei dem viel zu viele Anbieter um die Gunst der Kunden buhlen. Die Professoren Kim und Mauborgne empfehlen dem Management, sich auf die Suche nach den blauen Ozeanen zu machen. Die Devise für blaue Ozeane lautet: »Schaffe innovative Markträume, in denen die Angebote den Kunden (und Nicht-Kunden) einen wirklich differenzierbaren Mehrwert bieten.« Die beiden Professoren haben 150 strategische Muster in 30 verschiedenen Branchen über die Zeitspanne von 1880 bis 2000 untersucht. Was stellten sie fest? Wirklich erfolgreiche Geschäftsmodelle entwickeln sich vornehmlich in diesen blauen Ozeanen. In mit Konkurrenten überfüllten Markträumen sind Spitzenresultate kaum erzielbar. Der tosende Wettbewerb macht gute Angebote, interessante Margen und andere strategische Vorteile rasch zunichte. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Anstatt sich im Videogame-Geschäft auf das Kopf-an-Kopf-Rennen mit immer noch schnelleren Prozessoren und aggressiveren Spielen einzulassen, hat Nintendo seine Strategie refokussiert. DaWertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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bei orientiert sich die Firma neu an unbearbeiteten Kundensegmenten, die noch nicht zur »Gamer Community« gehören. Als besonders attraktive Zielgruppen wurden Frauen und Spieler in reiferem Alter identifiziert. Nintendo übertrifft mittlerweile die Umsätze seiner schärfsten Konkurrenten, Microsoft und Sony, deutlich. Das Geschäft in diesem blauen Ozean der nicht professionellen Spieler brummt. Damit hat Nintendo eine Nutzen- oder Wertinnovation lanciert, um den Marktraum zu erobern. Bei der Strategie der Erschließung blauer Ozeane dreht sich die strategische Stoßrichtung nicht um die Erringung von Wettbewerbsvorteilen, sondern um die Entwicklung von Nutzeninnovationen. Es geht also nicht darum, Konkurrenten zu schlagen oder zu überholen, sondern darum, dem Kunden einen höheren Nutzengewinn gegenüber alternativen Angeboten zu bieten. Die Innovation zielt nicht auf die Verbesserung technischer Neuerungen oder auf das Bieten irgendwelcher Zusatznutzen. Fokussiert wird auf das Herzstück des Geschäftsmodells, das »Kundenversprechen« selbst. Damit kritisieren die beiden Autoren direkt den Wettbewerbsansatz von Michael Porter. Die roten Ozeane beschreiben seinen Ansatz. In diesen roten (»blutgetränkten«) Ozeanen versuchen Unternehmen, ihre Konkurrenten durch eine Fülle von Maßnahmen auszustechen. Sie lassen sich durch das Verhalten der Wettbewerber in ihrer Branche konditionieren. Ihre Strategie ist, »besser«, »schneller«, »billiger« oder »anders« zu sein. Alle verfolgen dasselbe, auch wenn alle differenzieren. Märkte werden so immer enger und umkämpfter. Produkte entwickeln sich zur kaum mehr unterscheidbaren Massenware. Die Forscher haben in ihren Studien herausgefunden, dass von den 108 untersuchten Unternehmen 86 Prozent ihre Produktpalette weiterentwickelt haben, also der Strategie einer schrittweisen »Line Extension« gefolgt sind.203 Diese neuen, erweiterten Produkte und Services brachten zwar 62 Prozent des gesamten Umsatzes, aber nur 39 Prozent des gesamten Gewinns. Diejenigen hingegen, die es schafften, neue Markträume zu erschließen, also radikal neue Angebote auf neue Märkte zu werfen, erwirtschafteten damit zwar nur 38 Prozent des Umsatzes, aber 61 Prozent ihres Gesamtgewinns. Unternehmen mit »blauen« Strategien erzeugen eine neue Nachfrage. Pointiert gesprochen: Die Konkurrenz wird in blauen Ozeanen irrelevant. Sie existiert eigentlich (zumindest für eine bestimmte Zeit) gar nicht. Verschiedene Pfade erschließen neue Markträume. So können vollkommen neue Märkte aufgezogen werden. Dies haben zum Beispiel Google oder eBay getan. Doch derartige fundamentale Chancen finden sich nicht häufig. Wichtig für etablierte Firmen ist es, die Grenzen der eigenen Branche nach Chancenfeldern abzuklopfen. Aus dieser Betrachtung heraus haben sich viele attraktive Geschäftsmodelle entwickelt: Mobiltelefone, Express-Paketservices, Kabel300
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fernsehen, Mutual Funds. Fokussiert werden vor allem diejenigen Kundengruppen, die sich (noch) nicht für das Angebot entschieden haben. Der Wettbewerb im Markt der Golfschläger ist hart umkämpft. Doch Callaway schaffte es, einen blauen Ozean zu etablieren: Das Unternehmen erforschte, warum sich viele Interessierte letztlich doch nicht für den Golfsport begeistern konnten. Sie fanden eine Gemeinsamkeit unter den Befragten: Sie empfanden es als frustrierend und peinlich, den Ball nicht einmal zu treffen. Die professionellen Golfschläger sind für Anfänger zu klein, um ohne großes Training Auge, Hand und Schwung zu koordinieren. Callaway brachte darauf die »Big Bertha« auf den Markt, einen Club mit extra großem Kopf, wodurch der Einstieg ins Golfspiel leichter erfolgte. »Big Bertha« findet reißenden Absatz, und zwar nicht nur bei Neukunden, sondern erstaunlicherweise auch bei den bisherigen Spielern. Innovationen sollten nicht nur auf der Angebotsseite vorangetrieben werden. Sie müssen auch auf der Nachfrageseite erfolgen. Nutzeninnovationen sind der Kern einer Blue-Ocean-Strategie, indem sie den Kampf um Differenzierung oder Kostenführerschaft aushebeln. Sie schaffen höhere Werte für Kunden (und natürlich für das Unternehmen). Damit bricht der Blue-OceanStrategieansatz mit den klassischen Wettbewerbsregeln. Welche Empfehlungen ergeben sich daraus? • Konkurriere nicht in bereits bestehenden Marktsegmenten!
Suche nach Marktfeldern, die noch nicht von Wettbewerbern besetzt sind. • Versuche nicht, die Konkurrenz zu schlagen!
Mache die Konkurrenz im Wettbewerb irrelevant. • Schöpfe nicht nur das vorhandene Nachfragepotenzial aus!
Suche nach neuen, unentdeckten Potenzialen und erobere diese. • Konkurriere nicht auf der Qualität-Kosten-Achse, wo die Alternative
»hochwertig« oder »billig« heißt! Knack diese Alternative auf und biete anderes. • Richte nicht das gesamte Unternehmen auf die Alternative Differenzierung oder Kostenführerschaft aus! Verfolge beide strategische Stoßrichtungen simultan. Kurz und bündig formuliert: Mach nicht das, was alle tun. Brich mit den Schulweisheiten der Strategielehre, um neue Chancen durch anderes Denken zu erschließen. Suche nach neuen Teichen, um zu fischen, anstatt in bestehenden Gewässern um die Fischbestände zu streiten. Die Blue-Ocean-Strategie überwindet die Aussagen der klassischen Strategielehre (zumindest teilweise). Erfolgreiche Unternehmen halten sich nicht an die »Gesetze« einer Branche, sondern sie versuchen, vom Kunden zu lernen. Sie erschaffen Märkte. Sie erschließen diese neuen blauen Ozeane. So hat Ikea Wertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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den Möbelverkauf revolutioniert, indem es bewusst auf Transport und Montage der Möbel verzichtete. Zudem haben die findigen Schweden erkannt, dass Kunden beim Besuch eines Möbelgeschäfts eher ein Shoppingerlebnis suchen als neue Möbelstücke. So wurde die Ikea-Ausstellung um das Gastronomieangebot erweitert, das Kinderparadies eingerichtet und das Sortiment um Accessoires und Lifestyleprodukte erweitert. Der Blue-Ocean-Strategieansatz gibt sich mit graduellen Verbesserungen der Marktstellung oder der Produktangebote nicht zufrieden. »Nasenspitzenvorteile« werden von den Wettbewerbern rasch zunichte gemacht. Die Lösung liegt in der Erschließung neuer Kundennutzen. Ausgangspunkt für alle strategischen Überlegungen sind daher weniger die Wettbewerbsposition oder die besonderen Ressourcen, sondern vor allem unerschlossene Wünsche der Kunden. Diese sind anzupacken, auch wenn sie die traditionellen Branchengrenzen überschreiten.
Die drei Merkmale erfolgreicher Strategien Wirkungsvolle Strategien sind an drei Kennzeichen erkennbar: 1. Klarer, prägnanter Fokus Wirkungsvolle Strategien sind einfach. Sie konzentrieren sich auf wenige, aber ganz wichtige Faktoren. Die erfolgreiche amerikanische Fluglinie Southwest fokussiert nur auf die Faktoren Service, Schnelligkeit und häufige Verbindungen von Punkt zu Punkt. Dies macht sie gegenüber den Konkurrenten einzigartig. Andere klassische Strategiekomponenten wie Lounges, Platzwahl, Klassen oder Verpflegung interessieren die Firma nicht. 2. Erkennbare Einzigartigkeit Die Strategie muss aus der Sicht des Kunden einzigartig sein. Diese Alleinstellung soll er beim Einkauf erkennen. 3. Überzeugender Slogan Southwest Airlines hat den Slogan, der die Strategie auf den Punkt bringt: »Schnelligkeit des Flugzeugs zum Preis des Autos.« Diese Aussage ist der Maßstab für die Gestaltung des Fluggeschäfts.
Chancenfelder: Das Management strategischer Konturen Kim und Mauborgne schlagen sechs Pfade (six path framework) vor, um neue Markträume zu etablieren. Statt auf »Angriff« setzen sie auf »Ausweichen«. Neue Märkte sollen geschaffen werden, um deutliche Wettbewerbsvorteile zu 302
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erringen. In diesen haben Unternehmen (zumindest für eine bestimmte Zeitspanne) ihre Ruhe für ein nachhaltiges Geschäft. Somit wird die Auseinandersetzung in Richtung Differenzierung oder Kostensenkung hinfällig. Wie findet man solche Räume? 1. Suche nach Chancen in substituierenden Branchen Unternehmen konkurrieren auch gegen Anbieter von Produkten und Dienstleistungen, welche das eigene Angebot substituieren. So stehen zum Beispiel die Fluggesellschaften nicht nur untereinander im Wettbewerb, sondern gegenüber der Bahn, der Schifffahrt, den Busreisen und dem Auto. Durch die Analyse dieser Substitute können neue Wertinnovationen im eigenen Geschäftsmodell entdeckt werden. 2. Suche nach Chancen in strategischen Gruppen Auch die strategischen Gruppen einer Branche, das heißt von Unternehmen, die sich im Wettbewerb strategisch ähnlich positionieren, können Inspirationen für eine Innovation der Wertschöpfung geben. BMW positioniert sich klar im Feld der Premiumanbieter im Automobilbau und setzt daher zusammen mit anderen Wettbewerbern (zum Beispiel Audi, Mercedes) auf Innovation, Hightech, Spitzendesign und eine Hochpreispolitik. Aber auch günstigere Preissegmente bieten attraktive Markt- und Wachstumschancen, doch dort haben sich andere Anbieter schon positioniert und kämpfen erbittert um Marktanteile. Verknüpft man aber für den Kunden wichtige Entscheidungskriterien aus dem einen und anderen Segment, so führt dies zum sehr erfolgreichen Mini. 3. Suche nach Chancen entlang der Kundenkette In diesem Suchfeld stehen die bestehenden Kundengruppen im Fokus. Wie könnten sie noch besser, das heißt mit noch differenzierteren Lösungen bedient werden? Der Ansatz empfiehlt, dass man sich vor allem auf die Wünsche einzelner, spezifischer Kundengruppen ausrichtet und deren Wünsche zu erschließen sucht. 4. Suche nach Chancen in komplementären Angeboten Wertinnovationen lassen sich auch entdecken, indem man das Kundenverhalten ganzheitlich untersucht. Welche vorgezogenen beziehungsweise welche nachgelagerten Leistungen bezieht der Kunde, wenn er unsere Leistung nutzt? Bucht man eine Flugreise, benötigt man oft einen Weitertransport, ein Hotel, einen Mietwagen, Reiseliteratur und dergleichen mehr. So lassen sich Vor- und Folgeangebote miteinander zu Paketen schnüren. 5. Suche nach Chancen in der Kundenwahrnehmung Wertinnovationen können auch entwickelt werden, indem man die Kundenwahrnehmung untersucht und durch sein Angebot zu verändern sucht. So sind die traditionellen Uhrenhersteller auf Handwerkskunst, KompliWertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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ziertheit der Technik und teure Materialien ausgerichtet. Die Swatch hingegen positioniert sich anders, indem sie aus der Uhr ein modisches Accessoire macht. 6. Suche nach Chancen durch Trendgestaltung Unternehmen können auch durch eine frühzeitige Wahrnehmung und Umsetzung von Trends neue Markträume erschließen. Die »Karte des Kundennutzens« (buyer utility map) soll Führungskräfte beim Auffinden dieser neuen Geschäftsideen unterstützen. Den Kunden sollen in den unterschiedlichen Stadien der Produkterfahrung jeweils spezifische Nutzen (utilities) geboten werden. Derartige Nutzen können sein: Steigerung der Effizienz für den Kunden, Verbesserung des vereinfachten Umgangs mit dem Produkt, Erhöhung der Bequemlichkeit, Reduzierung möglicher Risiken, Steigerung des Fun- oder des Imagewertes oder die Verminderung der Umweltschädlichkeit von Angeboten. Abbildung 50 zeigt das leistungsfähige strategische Instrument der Kundennutzenkarte.
Abbildung 50: Die Kundennutzenkarte für strategische Impulse Kundennutzenkarte
beim Einkauf
bei Lieferung
bei Nutzung
bei Erweiterung
beim Unterhalt
bei Entsorgung
mehr Produktivität für den Kunden erhöhte Einfachheit für den Kunden erhöhte Convenience für den Kunden reduzierte Risiken für den Kunden
Felder zur Erschließung neuer Markträume
erhöhter Fun- oder Imagenutzen für den Kunden erhöhte Umweltfreundlichkeit
Bei der Suche nach blauen Ozeanen spielen die »strategischen Konturen« eines Business (strategy canvas) oder die »Wertkurve« eine zentrale Rolle zur Nutzeninnovation. Die Wertkurve ist ein diagnostisches Instrument und ein strategisches Hilfsmittel zugleich. Sie stellt das »Nutzenmuster« eines Angebots gra304
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fisch dar (strategische Kontur). Damit zeigt sie auch die Chancen für mögliche Nutzenerweiterungen. Auf der horizontalen Achse werden die wettbewerbsentscheidenden Faktoren aus der Kundenperspektive aufgelistet. Die vertikale Achse zeigt nur die Stärke der Ausprägung eines Faktors (vergleiche Abbildung 51).
Abbildung 51: Strategische Konturen (Nutzenmuster) – Beispiel aus der Autobranche
Bedeutung und Nutzenmuster
hoch
Hybridfahrzeug
Zonen der strategischen Repositionierung Sportwagen
niedrig
Preis
Drehmoment
Design
PSStärke
EnergieEffizienz
Integrierte Reichweite Software-Intelligenz
Erfolgskriterien
Auf dem Weg zum blauen Ozean Welche Schritte sind zur Entwicklung einer Blue-Ocean-Strategie notwendig? • Zuerst erstellt man für ein bestimmtes Business, einen Markt oder eine Bran-
che eine »Wertkurve«. Es lassen sich mehrere strategische Konturen für unterschiedliche Geschäfte darstellen. Bedeutend sind die Kernfaktoren, welche das Business zum Erfolg machen. Diese müssen aus Kundensicht formuliert werden. Auf der Wertkurve werden aktuelle und potenzielle Wettbewerber ebenfalls skizziert. Dies verdeutlicht die unterschiedlichen strategischen Positionierungen. Die Wertkurven innerhalb einer strategischen Gruppe gleichen sich meistens sehr und werden daher durch eine einzige Kurve dargestellt. Wertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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• Aus der Interpretation der Kontur der Wertkurven lassen sich »strategische
Positionierungen« erschließen. Hierbei sind vor allem die Ausprägungen der Kernfaktoren entscheidend. Durch die Veränderungen dieser Kernfaktoren verändert sich auch das strategische Gesicht der eigenen Wertkurve im Vergleich zu derjenigen der anderen Anbieter. Diese Kernelemente können in vier Richtungen angepasst werden (vergleiche Abbildung 52): – Wertinnovation durch Eliminierung: Kernfaktoren können weggelassen werden. – Wertinnovation durch Reduzierung: Kernfaktoren können radikal gekürzt werden. – Wertinnovation durch Steigerung: Kernfaktoren können über den Branchenstandard gehoben werden. – Wertinnovation durch Kreierung: Neue Wertelemente können hinzugefügt werden. Abbildung 52: Steuerung der Wertinnovation (Wertkurve) Reduziere! Was könnten wir unter dem Branchenstandard anbieten?
E l i m i n i e r e !
Welche Faktoren sollten weggelassen werden, auch wenn die Branche dies noch nie gesehen hat?
Kreation von NutzenInnovationen
Welche Faktoren sollten angeboten werden, auch wenn die Branche dies noch nie gesehen hat?
E r s c h a f f e !
Was könnten wir über dem Branchenstandard anbieten?
Erhöhe!
Erfolgreiche Strategien entwickeln sich für Kim und Mauborgne nicht in dominanten Branchen oder dominanten Unternehmen, sondern sind kontinuier306
Handbuch der Strategien
lich im Fluss. Ganze Industrien blühen auf, während andere ihren Zenit überschreiten und untergehen. Boombranchen der letzten Jahre waren die Computerindustrie, Softwareindustrie, Mobiltelefone oder das Kaffeegeschäft von Starbucks. In den 70er Jahren war noch keine dieser Industrien ein nennenswerter Erfolgsfaktor. In seiner Strategieperspektive besteht die Herausforderung für das Management darin, unerschlossene Geschäftsfelder zu erkunden. Neue Boommärkte und Boomindustrien gilt es zu entdecken. Strategien sollen nicht das »verfeinern«, was existiert, sondern dazu motivieren, blaue Ozeane zu erobern.
Einschätzung »Kämpfe nicht, sondern erneuere das Geschäft!« ist eine verlockende Metapher. Sie ist bestimmt für viele gestresste Unternehmer und Führungskräfte reizvoll. Manch einer kommt beim Studium der Blue-Ocean-Strategie ins Träumen. Er sieht sein Schiff »Unternehmen« schon auf beschaulicher Fahrt durch das ruhige Gewässer des endlosen blauen Ozeans. Diese Vorstellung ist attraktiv, aber strategisch für die meisten Unternehmen nicht hinreichend. Bestimmt stellt die BlueOcean-Strategie ein ergänzendes Instrumentenset für die Strategiearbeit zur Verfügung, doch damit lässt sich der strategische Bedarf eines Unternehmens nicht abdecken. Firmen operieren selten auf der grünen Wiese und können sich komplett in die paradiesische Welt eines blauen Ozeans retten. Die bestehenden Märkte und bestehenden Geschäfte bleiben dabei liegen. Hierzu liefert das Konzept von Kim und Mauborgne kaum Aussagen. Aber auch diese Geschäfte erwirtschaften einen wichtigen Cashflowbeitrag, auf welchen das Unternehmen angewiesen ist. Vor allem die Fahrt durch den stürmischen roten Ozean bedarf ebenfalls einer cleveren strategischen Ausrichtung, wenn man nicht in den Wogen untergehen will. Hier müssen Geschäfte weiter gepflegt und weiterentwickelt werden, damit Positionen nicht verloren gehen. Für Unternehmen aber, die auf der Suche nach der Weiterentwicklung ihrer Geschäfte auf einer breiten Basis sind und sich vor allem für Innovationen in neuen Geschäftsfeldern interessieren, ist der Ansatz sehr leistungsfähig.
Wertstrategien: Auf der Suche nach frischen Geschäftsquellen
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Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
The customer is the mother of all dictators. Jonas Ridderstrale, Kjell Nordström
Cluetrain-Manifest: Revolutionärer Thesenanschlag? Das »Cluetrain-Manifest« ist ein Papier, welches in 95 Thesen das neue direkte Verhältnis von Unternehmen und Kunden im Zeitalter der Transparenz beschreibt.204 Vorbild für den Thesenanschlag (im Internet und in Buchform) waren Martin Luthers 95 Thesen, die das Zeitalter der Reformation einläuteten. In unserer hochtechnologischen und IT-getriebenen Welt prangert das Manifest die zentrale Schwachstelle in vielen strategischen Überlegungen an: Wo bleibt der Mensch? Was tun Unternehmen für ihre Kunden? Basiert Fortschritt nur auf technischer Revolution? Was hat der Mensch als Konsument von den neuen Entwicklungen? Ist alles immer nur ökonomisch zu betrachten? Echte Revolutionen, so die Cluetrain-Thesen, gehen immer vom Menschen aus. Vor allem jetzt, da er neue leistungsfähige Mittel zur Verfügung hat, um die offene, global vernetzte Welt zu interpretieren. Der Kunde hat nie die Position des »Königs« in den Strategien der Firmen innegehabt, doch nun wird er zum »Diktator«, der über das Sein oder Nichtsein von Unternehmen mitentscheidet. Einige Thesen aus dem Cluetrain-Manifest lauten: • Märkte sind Gespräche. • Märkte bestehen aus Menschen, nicht aus demografischen Daten. • Es gibt keine Geheimnisse. Der vernetzte Markt weiß mehr als die Unter-
nehmen über ihre eigenen Produkte. Und egal, ob die Nachricht gut oder schlecht ist, die Kunden erzählen es jedem. • Wir Kunden möchten Einblick in eure Unternehmensinformationen, in eure Pläne und Strategien, eure besten Gedanken und euer echtes Wissen. Mit einer Vierfarbbroschüre … geben wir uns nicht zufrieden. Die neuen vernetzenden Informationstechnologien geben dem Kunden die Machtinstrumente an die Hand, sich zu informieren, Alternativen zu er308
Handbuch der Strategien
gründen und sich zu organisieren. So kann sich eine »Gegenbewegung« zum gewinnfixierten Marktsystem entwickeln. Strategien, die Kunden und Märkte manipulieren, werden leichter erkennbar. Kunden sind nicht mehr nur auf die Informationen von Unternehmen und News Agencies angewiesen. Sie haben heute mehr Transparenz denn je per Mausklick verfügbar. So können sie Werbebotschaften auf Produkten, in Prospekten oder anderen Medien überprüfen und rasch Erfahrungen mit Produkten, Marken und Unternehmen untereinander austauschen. »Authentizität« (Echtheit, Glaubwürdigkeit) gewinnt an enormer Bedeutung. Unternehmen als »diffuse Gegenüber« bekommen ein Gesicht. Der Kunde versteht sich als Geschäftspartner und nicht mehr als manipulierbares Konsumvieh. Das CluetrainManifest fordert von den Unternehmen Klarheit, Offenheit und Durchsichtigkeit. Wo Transparenz herrscht, werden Unklarheiten beseitigt und Fehler rasch entdeckt. Dieses Manifest der Kunden zeigt, dass sie nach Beziehungen suchen. Sie suchen den Dialog untereinander. Und sie möchten mit dem Unternehmen einen Dialog über Produkte, Services, Marken und Prozesse führen. Doch nicht nur die Kunden sind an einer Beziehung zu »ihren« Unternehmen interessiert. Auch die Unternehmen können von den Kunden etwas für die Gestaltung ihrer Angebote lernen. Es ist daher heute keine Seltenheit mehr, dass Unternehmen führende Kunden auch zu ihren hausinternen Strategiemeetings einladen und um ihre Mitwirkung bitten.
One to one: Customer-Relationship-Strategien Das Kundenverhalten individualisiert sich. Der Kunde wird emanzipierter. Hierbei unterstützen ihn die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, aber auch die Verschärfung der Konkurrenz durch Globalisierung und Deregulierung. Mit der wachsenden Emanzipierung der Kunden sinkt die Macht der Unternehmen. Kunden wissen, was es wo zu welchen Konditionen gibt und was »State of the Art« bei Produkten und Dienstleistungen heißt. Zudem haben sich die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden weiter individualisiert. Sie geben sich immer weniger mit standardisierten Lösungen und Angeboten zufrieden. Kunden möchten auch selbst aktiv an der Gestaltung »ihrer« Produkte mitwirken. Die Angebote entwickeln sich daher in Richtung Einzigartigkeit und Individualität. Dieser Trend hat strategische Implikationen: Die Marktbearbeitung wird für Unternehmen viel aufwändiger und das Lancieren von neuen Angeboten riskanter. Unternehmen suchen nach Wegen, die Distanz zwischen Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
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sich und den Kunden zu verringern, um rascher zu erkennen, wie sich die Bedürfnisse ändern, und um die Kunden für Anschlussgeschäfte näher an sich zu »binden«. Auch die Unternehmenskommunikation ist im Wandel. Der Monolog wird vom Dialog mit dem Kunden abgelöst. Daraus hat sich das »One-to-one«Marketing entwickelt, welches auf eine möglichst personalisierte Kundenansprache setzt.205 Dies hat Auswirkungen auf die Entwicklung und Gestaltung von Produkten. Die Kundenorientierung beziehungsweise der Kundeneinbezug führt produktionsseitig zum »Mass Customizing«, der »maßgeschneiderten« Produktion. Das »Customer Relationship Management« oder »CRM« setzt an den Chancen der Informations- und Kommunikationstechnologien auf. Es will die Beziehung zwischen dem Kunden und dem Unternehmen vertiefen, intensivieren und längerfristig pflegen. Das Ideal für das Unternehmen ist eine »Partnerschaft für die Zukunft«. Um dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden, müssen Unternehmen ihre Prozesse und Strukturen auf die Bedürfnisse der Kunden ausrichten und entsprechende Serviceleistungen bieten. Messgröße dieser Aktivitäten ist die Kundenzufriedenheit. CRM ist in Unternehmen rund um den Globus en vogue. Dies zeigt, wie wichtig das Thema für Unternehmen heute geworden ist. Durch die Verschärfung des Wettbewerbs und die gestiegene Kundenmacht sind sich Firmen bewusst, dass sich ihre Strategien nicht nur an der Gewinnung von Neukunden orientieren können. Es ist auch ökonomisch sinnvoll, sich mit großem Engagement um die bestehende Kundschaft zu kümmern. Die Akquisition eines Neukunden wird um ein Vielfaches aufwändiger als die Pflege der Beziehung zu einem Bestandskunden beurteilt. Der Begriff des Customer Relationship Management (CRM; Kundenbeziehungsmanagement) wird vielfältig interpretiert.206 Einige sehen im CRM nichts als eine kundenbezogene Informationstechnologie, also eine Software. Andere betrachten CRM aus der Sicht einer kundenfokussierten Organisationsgestaltung, wieder andere sehen in CRM eine Strategie des Marketings und für einige ist CRM eine Frage der strategischen Ausrichtung des Unternehmensgeschehens auf den Kunden. Ein umfassendes CRM-Verständnis umfasst alle genannten Aspekte. Damit kann man CRM als eine informationsgestützte Unternehmensstrategie bezeichnen, die darauf ausgerichtet ist, die Kundenzufriedenheit ganzheitlich zu optimieren, um längerfristig höhere Umsätze und eine bessere Profitabilität zu erwirtschaften. Das Customer Relationship Management durchdringt das ganze Unternehmensgefüge und richtet nicht nur Marketing und Verkauf auf die Anliegen der Kunden aus, sondern auch die Produktion, Logis310
Handbuch der Strategien
tik, Forschung, Entwicklung … und das Management. Damit reicht das CRM von der strategischen Kundensegmentierung bis hin zum operativen Contact-Center-Outsourcing und der kundenorientierten Mitarbeiterbelohnung und -motivation. Es umfasst Aktionen zur Neukundengewinnung, Bestandskundenpflege und zur Kundenrückgewinnung. Umfassende Anstrengungen werden lanciert, um die Akquisitionskosten eines Kunden zu senken, dessen Profitabilität zu steigern, den Gewinn pro Kunde durch Cross-Selling (Verkauf weiterer Produkte) und Up-Selling (Entwicklung höherwertiger Angebote) zu erhöhen oder um ihn längerfristig durch ein Beziehungsmanagement zu »binden«. Die CRM-Software ist dabei nur ein Mittel zum Zweck. Sie führt die Kunden- und Prozessdaten zusammen, so dass sämtliche Kommunikationskanäle mit dem Kunden (wie Telefon, Fax, Web, Verkauf) ihre Informationen aus derselben Quelle schöpfen. Durch die Datenbank- und Netzwerktechnologien können heute jederzeit und überall aktuelle Kundendaten erfasst, verarbeitet oder bereitgestellt werden. Auch die statistischen Analysesysteme und ihre grafische Aufbereitung haben enorme Fortschritte gemacht. Der Schlüssel für ein umfassendes CRM liegt in der Einrichtung eines »Data Warehouse«, wo alle kundenbezogenen Daten zusammenfließen und mit den Firmendaten verknüpft werden können. Ein Data Warehouse gestattet es, Key Accounts (Topkunden) festzustellen, Kundenprofile zu erstellen, eine integrierte Multichannel-Kommunikation zu ermöglichen, Loyalitäts- und Incentiveprogramme zu lancieren oder umfassende Marketingaktionen maßgeschneidert zu konzipieren.
Einschätzung CRM in der einen oder anderen Form nutzt jedes Unternehmen. Ohne Orientierung auf die Kundenwünsche und -bedürfnisse ist kein erfolgreiches Business denkbar. Es ist das Verdienst des CRM-Ansatzes, den Kunden wieder ins Zentrum der strategischen Ausrichtung des Geschäfts zu holen und damit alle relevanten Aktivitäten, Projekte, Informationen, Strukturen und Prozesse auf eine Verbesserung des Nutzens für den Kunden auszurichten. Besonders bedeutend ist dabei, dass Unternehmen zwischen wichtigen und weniger wichtigen Kunden zu unterscheiden lernen. Durch den CRM-Ansatz fokussieren sich das Management und die Mitarbeitenden wieder auf die Kernbasis des Geschäfts: auf Kunden und Märkte. Gleichzeitig werden bei einem umfassenden CRM die Abläufe rationalisiert und die Daten- beziehungsweise Informationsbasis professionalisiert.
Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
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Loyalitätsstrategien: Sind »alte« oder »neue« Kunden attraktiver? Kundenbindungs- oder Loyalitätsstrategien sind in Zeiten des Verdrängungswettbewerbs hoch im Kurs. Durch die Kundenbindungsaktionen sollen Wachstums-, Gewinn- und Stabilitätseffekte erzielt werden.207 Der Fokus der Marktbearbeitung liegt bei vielen Unternehmen mehr auf der Festigung der Kundenbindung als auf der Neukundengewinnung. Dieser strategische Ansatz geht davon aus, dass es längerfristig möglich ist, über die Ausrichtung auf die Erhöhung des Kundennutzens, die Verbesserung der Kundenzufriedenheit und die Erhöhung der Kundenbindung einen höheren Umsatz und Gewinn zu erzielen. Die Schlussfolgerung der Loyalitätsstrategen heißt: »Kümmere dich besonders intensiv um deinen Kundenbestand.« Die beiden Forscher Werner Reinartz (Universität zu Köln) und V. Kumar (INSEAD) haben Kundenloyalitätsstrategien empirisch erforscht und in einem viel beachteten Artikel in der Harvard Business Review publiziert.208 Sie stellten fest, dass Bestandskunden nicht, wie vielfach angenommen, die profitableren Kunden sind. Ihre Studien bringen daher überraschende Ergebnisse ans Licht: • Zwischen dem »Customer Lifetime Value«, das heißt einem über eine
bestimmte Beziehungsdauer erzielten Umsatz, und der Profitabilität eines Kunden besteht nicht immer eine positive Korrelation. • Kurzfristig und langfristig mit dem Unternehmen verbundene Kunden können gleich profitabel sein. Wissenschaftlich signifikante Unterschiede sind nicht auszumachen. • Die Servicekosten für langfristig mit dem Unternehmen verbundene Kunden (Betreuungsaufwand) sind nicht notwendigerweise niedriger als bei anderen Kundengruppen. • Längerfristig loyale Kunden bezahlen nicht unbedingt höhere Preise als andere Kunden. Die beiden Forscher widerlegen damit die in der Praxis vorherrschende Meinung, dass vor allem die Bestandskunden attraktiv für Umsatz- und Gewinnentwicklung sind. Festzuhalten ist, dass sich die Untersuchungen von W. Reinartz und V. Kumar ausschließlich auf Kunden beziehen, die keine Rahmenverträge oder Kontrakte für Einkaufsbindungen unterzeichnet haben. Sie haben Daten von 16 000 Privat- und Firmenkunden von vier Unternehmen in verschiedenen Branchen (Lebensmittelkette, Versandhandel, Direktbank, Hightech-Serviceunternehmen) untersucht. Die Ergebnisse können nicht einfach auf andere Branchen übertragen werden, zeigen aber trotzdem, dass das Thema »neuer« oder »alter« Kunde differenziert angegangen werden muss. 312
Handbuch der Strategien
Reinartz und Kumar haben ein »Loyalitätsportfolio« entwickelt, welches die Kunden nach Loyalität und Profitabilität segmentiert sowie differenzierte strategische Empfehlungen gibt (vergleiche Abbildung 53). Auf der X-Achse wird die Beziehungsdauer dargestellt und auf der Y-Achse die Profitabilität. Kunden, die zwar eine hohe Profitabilität haben, aber stark zum Wechsel ihrer Lieferanten tendieren, bezeichnen sie als »Schmetterlinge«. Kunden, die eine lange Beziehungsdauer zu ihrem Lieferanten suchen, nennen sie »Kletten«. »Wahre Freunde« sind solche mit hoher Profitabilität und hohem Interesse an einer dauerhaften Beziehung. Und »Fremde« sind diejenigen mit niedrigem Beziehungsinteresse und niedriger Profitabilität.
hoch tief
Profitabilität des Kunden
Abbildung 53: Loyalitätsportfolio
Schmetterlinge
Wahre Freunde
Ernte so lange wie möglich; investiere mit Vorsicht
Kommuniziere im Dialog und langfristig, begeistere immer wieder; investiere nachhaltig
Fremde
Kletten
Investiere nicht, achte auf den Profit bei jeder einzelnen Transaktion
Achte auf die Größe des Segments, investiere mit Vorsicht, kontrolliere Kosten und Erträge
kurzfristig
langfristig
Loyalität des Kunden
Einschätzung Auch wenn sich die jeweiligen Loyalitätspositionierungen nur schwer errechnen lassen, gibt die Darstellung interessante Hinweise: Es lohnt sich nicht immer, aus allen Neukunden langfristige Bestandskunden machen zu wollen. Und je nach Kundentyp sind spezifische Maßnahmen in der Kundenpflege, Kundenbetreuung und Kundenbindung anzustreben. Es kann daher profitabler sein, Geschäfte mit bestimmten Bestandskunden nicht besonders zu forcieren, um damit die Gewinnsituation nicht zu verschlechtern. Neugeschäfte oder Bestandsgeschäfte sind Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
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strategisch auszubalancieren und die Mittel, die jeweils für die Bearbeitung freigegeben werden, differenziert zu überlegen.
Mass Customizing: Die Zwischenstufe der Choiceboards Auch in der Produktion hat die Atomisierung der Märkte in Richtung »Individualisierung« nachhaltige Konsequenzen. Die Nachfrage fordert eine möglichst individualisierte Entwicklung und Produktion. Das »Mass Customizing« kümmert sich um diese Fragestellung. Mass Customizing (auch Mass Customization) wird mit »individualisierter Massenfertigung« übersetzt.209 Der Begriff setzt sich aus den beiden Worten »Massenfertigung« (für alle) und »Maßfertigung« (für einen) zusammen. Wörtlich übersetzt könnte man Mass Customizing daher als »massengeschneidert« bezeichnen. Es ist ein Fertigungskonzept mit strategischen Implikationen, da es eine flexible und gleichzeitig hochgradige Kundenorientierung bedeutet. Das Konzept verknüpft Eigenschaften der Einzelfertigung mit Eigenschaften der Massenfertigung, um dem steigenden Bedürfnis der Kunden nach mehr Individualität und Personalisierung entgegenzukommen. Maßfertigung und Massenfertigung waren bisher Konzepte, die sich gegenseitig ausschlossen. Dank Mass Customizing sind Unternehmen in der Lage, zumindest innerhalb eines bestimmten Rahmens individuelle Wünsche und Bedürfnisse der Kunden abzudecken, ohne dass sie dabei auf die kostensenkenden und effizienzsteigernden Effekte der Automatisierung und Massenproduktion verzichten müssen. Das Konzept versucht somit die strategischen Konzepte der Kostenstrategie und der Differenzierungsstrategie unter einen Hut zu bekommen. Mass Customizing basiert auf der Standardisierung der Bauteile, die sich zu einem individuellen Endprodukt zusammenstellen lassen. Die gegenläufigen »Economies of Scale« (Massenfertigung) und »Economies of Scope« (Vielfalt) lassen sich (mit Abstrichen) gleichzeitig erreichen. Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Mass Customizing sind flexible Fertigungssysteme und computergestützte Fertigungstechniken. Der Prozess der Herstellung muss ein »Builtto-Order« gestatten, ohne dass die Kosten für die steigende Komplexität die erzielbaren Erträge der Individualisierung auffressen. Beim Mass Customizing werden die aus Kundensicht entscheidenden Produktmerkmale modularisiert, so dass er seine Bausteine individuell zusammenstellen kann. Ein Merkmal des Mass Customizing sind die sogenannten Choiceboards (Auswahlkarten). Diese finden sich in Form von Personalisierungseingaben auf Websites oder auch in den Preislisten der Automobilherstel314
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ler, wo »Pakete« im Zubehörbereich wählbar sind. Die meisten Autofirmen bieten auf ihren Websites zum Beispiel einen »Car Configurator«, mit dem Kunden sich ihr ideales Wunschfahrzeug zusammenstellen können. Oder auf der Website von Nike (www.nikeid.com) kann der Kunde Farbe, Form, Muster, Größe und Sohlentyp für sein eigenes »Unikat« eines Sportschuhs über die Choiceboards selber bestimmen und herstellen lassen.
Mindshare-Strategien: Wenn’s an Aufmerksamkeit fehlt Die Vertreter der »Attention Economics« (Aufmerksamkeitsökonomie) betrachten die Aufmerksamkeit des Kunden als ein knappes Gut. Diese hat daher einen ökonomischen Wert. In unserer Lebens- und Geschäftswelt, in der wir mit Informationen aller Art bombardiert werden, ist das Ausblenden von Unwichtigem eine wertvolle Strategie für den Kunden, um den Überblick zu bewahren. Der Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften Professor Herbert Simon, der an der University of California Berkeley dozierte, war einer der Ersten, der das Thema der »Aufmerksamkeitsknappheit« thematisierte.210 So schreibt er: »In einer informationsreichen Welt bedeutet der Reichtum an Information den Mangel an etwas anderem, nämlich eine Knappheit von dem, was die Information selbst verbraucht. Was sie verbraucht, ist offensichtlich: die Aufmerksamkeit der Empfänger. Daher schafft der Informationsüberfluss eine Aufmerksamkeitsarmut und das Bedürfnis, diese effizient auf den Überfluss der Informationsquellen zu verteilen.« Heute leben und arbeiten wir in einer Ära der »Informationsüberflutung« (information overload). Nicht nur die Menge an Information ist gewaltig gestiegen, sondern auch deren Reichhaltigkeit und die Formen ihrer Darbietung. Neben den klassischen Informationsmedien spielen heute Blogs, Podcasts, Foto-, Slide- und Video-Communitys eine immer größere Rolle für die Informationsgewinnung. Daher erstaunt es nicht, dass in der letzten Dekade das Thema der Aufmerksamkeitsknappheit durch die Informationslawine des World Wide Web auch für Strategen interessant geworden ist. Der Mangel an Aufmerksamkeit in den Märkten hat sich durch dieses schier uferlose Informationsangebot weiter verschärft. Die Überlegungen hinter dem Konzept der Aufmerksamkeitsökonomie sind einfach: Eine informationsreiche beziehungsweise aufmerksamkeitsarme Wirtschaft unterstützt die Entwicklung von Marktplätzen, wo Kunden und Unternehmen auch Güter oder Dienstleistungen gegen Aufmerksamkeit tauschen. Das ultimative Ziel jedes Unternehmens ist es aber trotzdem, Güter zu verkaufen. Doch dieser Verkaufsakt muss nicht sofort und nicht direkt Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
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sein. Zeitungen bieten Newsfeeds im Austausch für Aufmerksamkeit für Werbebanner an, oder Google offeriert Suchfunktionen im Austausch gegen bezahlte Links. Die Gewinnung von Aufmerksamkeit hat oberste strategische Priorität für ein Business, ein Produkt, einen Service oder eine Marke.211 Beispielsweise kommen die klassischen Porter-Strategien der Differenzierung, Kostenführerschaft oder Fokussierung gar nicht erst zum Zug, wenn die Kunden das Angebot nicht wahrnehmen. Die Strategien gehen buchstäblich in der Informationsflut unter (vergleiche Abbildung 54). Potenzielle Kunden sind daher zuallererst zu Interessierten zu machen. Hierzu lassen sich mehrere strategische Alternativen verfolgen.
Abbildung 54: Aufmerksamkeitsstrategie Branding
Design
Co-Creation
Emotionalisierung
Limitierung, Versionierung
Aufmerksamkeitsstrategie
Inszenierung
Clan-Bildung
Was heißt dies für die Marktbearbeitung? • »Aufmerksamkeitsmanagement«
Das Aufmerksamkeitsmanagement kümmert sich um die Dynamik der Beachtung. Kunden sollen wachsam, hellhörig und interessiert für ein Angebot werden und bleiben. Dies kann durch folgende Mechanismen erreicht werden: – Laufende kleine Veränderungen und deren Kommunikation halten die Aufmerksamkeit wach und das Interesse am Angebot aufrecht. Der iPod existiert nun schon in der sechsten Generation. Er wurde mit kleinen Verbesserungen immer wieder »neu« lanciert. – Durch das Bieten von Ein- und Ausstiegspunkten haben Kunden immer wieder die Möglichkeit, in das Angebot einzusteigen. So bieten zum Beispiel erfolgreiche Filme Serien oder Sequels. 316
Handbuch der Strategien
– Um die Aufmerksamkeit lebendig zu erhalten, ist eine aktive Kommunikation beziehungsweise ein Dialog mit den Kunden notwendig (zum Beispiel über Blogs, Communitys, Wettbewerbe). • »Blockbuster-Strategie« Blockbuster sind nicht nur im Bereich der Filme, Musik-CDs und Bücher wahre Geschäftsrenner, sie existieren auch bei Produkten wie den Nassrasierern von Gillette, dem Razr-Handy von Motorola oder den Viagra-Pillen von Pfizer. Bei einer Blockbuster-Strategie investiert das Unternehmen vor allem in die Aufmerksamkeitsgewinnung durch die Nutzung der Economies of Scale und Economies of Scope. In großem Volumen wird das Produkt möglichst rasch auf allen Märkten mit hohem Aufmerksamkeitswert vermarktet. Die clevere Vernetzung mit anderen Angeboten fördert die Aufmerksamkeit noch weiter. Häufig werden im Marketing zur Imageaufladung Künstler oder Filmstars eingesetzt. Derartige Blockbuster-Strategien setzen voraus, dass das Angebot von sich aus eine hohe Attraktivität hat, kurzfristig keine Konkurrenz zu fürchten hat und sich rasch in viele Marktsegmente vervielfältigen lässt. Blockbuster sind eher kurzfristig orientiert. Es herrscht eine Art Hysterie, die dazu führt, dass man ein bestimmtes Produkt haben muss, bevor es andere haben. Sobald ein Blockbuster seinen Neuigkeitscharakter verloren hat und zum Mainstream geworden ist, verpuffen seine Effekte. • »Lovemark-Strategie« Marken spielen eine zentrale Rolle zur Aktivierung von Aufmerksamkeit und von Emotionalität beim Kunden. Der Geschäftsführer der Werbeagentur Saatchi & Saatchi, Kevin Roberts, bezeichnet Brands (Marken) mit hohem Aufmerksamkeits- und Beziehungswert als Lovemarks. »Die Forschungen weisen darauf hin, dass Marken, die ihre Kunden emotional faszinieren, zwischen 20 und 200 Prozent höhere Preise fordern können als ihre Wettbewerber und zudem auch höhere Volumen absetzen«, bemerkt das Businessmagazin Fast Company. Marken mit einer hohen Aufmerksamkeit und einer großen emotionalen Ausstrahlung sind zum Beispiel McDonald’s, Mini, Apple, Google, Ikea, Gucci, Versace, Mondavi, Lego, Illy, Rolex, Ferrari, Brembo, Nike oder Adidas. Ein Lovemark ist daher eine »Supermarke«, die nicht nur eine hohe Beachtung bei den Kunden findet, sondern zudem in der Lage ist, Sympathiewerte aufzubauen und dadurch die Kundenbindung zu verstärken. Lovemarks lassen sich über drei Wege erreichen:212 – Durch »Geheimnisse« (mystery), das heißt großartige Geschichten zur Marke oder über Mythen, Ikonen oder Inspirationen. Ein Beispiel hierzu ist Coca-Cola mit dem Geheimnis des vom Apotheker John Stith Pemberton 1886 entwickelten Rezepts. Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
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– Durch »Sensualität« (sensuality), das heißt über Soundeffekte, Geruch, Geschmack oder andere Empfindungen. Body Shop oder Harley-Davidson setzen darauf. – Durch »Intimität« (intimacy), das heißt Hingabe, private Information oder Passion. Popstars halten beispielsweise ihre »Marken« durch Einblicke in ihre Lebenssphäre aktuell. • Guerilla-Strategie Die Guerilla-Strategie im Marketing will einen hohen Aufmerksamkeitswert erzeugen. Guerilla-Strategien setzen auf unkonventionelle Methoden, um mit kleinem Einsatz ein Maximum an Effekten zu erzielen.213 Abbildung 6 gibt einen Einblick in einige der Guerilla-Strategien.
User Experience Strategy: Wenn Strategie zur Inszenierung wird Die Managementberater Joseph B. Pine und James H. Gilmore skizzieren ein Bild unserer Konsumwelt, welche sich in weiten Teilen zur »Erlebnisökonomie« (Erfahrungsökonomie, experience economy) entwickelt hat.214 In dieser Charakterisierung unserer Businesswelt kommt zum Ausdruck, dass dem »Erlebniswert« einer Leistung eine strategische Bedeutung zukommt. Durch die Mitgestaltung des Kunden an der Zusammenstellung »seines Produkts« oder »seiner Dienstleistung« erhöht sich der Zufriedenheitswert. Doch dies alleine genügt in der Erfahrungsökonomie nicht. Der Kunde kauft sich eigentlich keine Produkte, um diese zu besitzen, sondern um mit ihnen seine Absichten oder Träume zu realisieren. Hier können Unternehmen noch einiges mehr an Personalisierung und Individualisierung bieten. Warum kostet eine Tasse Kaffee bei Starbucks das X-fache einer Tasse im Kaffeehaus um die Ecke? »Ganz klar«, würden die beiden amerikanischen Berater Joseph Pine und James Gilmore bemerken, »weil dem Kunden ein Mehrwert in Form von Lifestyle, Identität und Erlebnis geboten wird.« Strategien, die sich nur um die Positionierung im Wettbewerb, um Kostenführerschaft oder Qualitätsführerschaft bemühen, sind zu wenig griffig, da sie vom Kunden kaum erfasst werden. Erfolgreiche Strategien kümmern sich daher nicht nur um Fragen der Positionierung oder Kernkompetenzen, sondern um die Schaffung von Erlebnissen, persönlichen Erfahrungen und Begeisterung.215 Kunden suchen heute keine »guten« Produkte mehr. Diese finden sie überall. Sie suchen nach mehr. Unternehmen bieten daher ihren Kunden nicht nur Produkte und Dienstleistungen, sondern Erlebnisse, die den Charakter ihrer Angebote unterstreichen. »Erfahrungen« werden damit zu Teilen der Wertschöp318
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fung und selbst zu einem ökonomischen Gut. Der mögliche Preis eines Angebots hängt maßgeblich von seinem Erlebniswert ab. Beispiele für die Erlebnisinszenierungen rund um Produktwelten gibt es viele. So bietet Mercedes Expeditionen mit seinen Geländewagen (ML-, G-, GL-, GLK-Klassen) nach Tansania, Australien oder in die Mongolei an, um die Geländetauglichkeit und den »Abenteuercharakter« seiner Produkte zu inszenieren. Museen bieten die »Museums Night«, bei der kostenlos die ganze Familie das Erlebnis Museum genießen kann und vielleicht auf den Geschmack kommt, einmal eine Ausstellung zu normalen Öffnungszeiten zu besuchen. Die amerikanische Bekleidungsfirma Tommy Bahama vertreibt lockere Sommerbekleidung für Damen und Herren. Sie inszeniert den Insellebensstil in ihren Geschäften, die alle aussehen, als wären sie vom Strand von Barbados in die Shopping Mall um die Ecke transferiert worden. Die Bekleidung alleine bringt noch zu wenig Erlebniswert. Zusätzlich werden beruhigende Inselmusik, Sonnenkosmetika und in eigenen Bars coole Drinks geboten. Das Ganze wird wie in einem Theater inszeniert, um die Marke und das Angebot mit Assoziationen zu verweben. Dies differenziert nicht nur die eigenen Angebote
Abbildung 55: Erlebnisaufladung (Experience Management)
Aufnahme von Wissen
Unterhaltung
Bildung/ Kurse
Passivität
Aktivität
Ästhetik/ Design
Alltagsflucht
Mitwirkung Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
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von denjenigen der Konkurrenz, sondern schafft auch noch eine emotionale Beziehung zum Kunden und erhöht den Aufmerksamkeitswert des eigenen Angebots. So bietet die US-Army Jugendlichen eine Website mit Internetspielen an, um sie für den Militärjob zu begeistern. FAO Schwarz, das bekannte Spielwarengeschäft in New York, hat eine Spielwiese für Kinder eingerichtet, wo sie die zum Kauf verfügbaren Puppen und Spielgeräte erleben können. Ein Hersteller mobiler Grillstationen, Weber, betreibt Restaurants, in denen das gesamte Menü mit den bekannten Kugelgrills hergestellt wird. Natürlich können die Gäste den Köchen über die Schulter blicken und Grillerfahrungen austauschen. Wie lassen sich Angebote wertmäßig für den Kunden aufladen? Gilmore und Pine empfehlen vier Felder, um den Erlebniswert zu erhöhen (siehe Abbildung 55).
Information Rules: Gefangen im Angebot Die Umwälzungen, welche die Informations- und Kommunikationstechnologien bringen, sind für die Strategiefindung bedeutsam: Sie haben die Globalisierung nachhaltig beschleunigt und den Konsumenten deutlich mehr Transparenz und Macht gebracht. Durch sie können sich Kunden rasch untereinander austauschen und über ihre Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen diskutieren. Der Fundus des per Mausklick zur Verfügung stehenden Wissens ist gewaltig. Das Internet hat auch die Art und Weise des Arbeitens in und zwischen Unternehmen verändert. Viele dieser Entwicklungen führten dazu, dass sich die Intensität des Wettbewerbs nachhaltig verschärft hat. Viele Produkte, ja selbst ganze Unternehmen sind virtualisiert, das heißt nur noch als Bits und Bytes existent. Diese Veränderungen haben Implikationen für das strategische Management: • »Markttransparenz«
Durch das Internet vereinfacht sich die Suche nach Informationen, und die Vergleichbarkeit von Angeboten wird maßgeblich erleichtert. Es wird für Unternehmen daher schwieriger, sich rein imagemäßig oder informationsmäßig zu differenzieren. Dies drückt auf die Margen. • »Eintrittsbarrieren« Der Zugang zu Geschäften und Märkten ist in vielen Branchen einfacher geworden. Eintrittsbarrieren fallen weg. Virtuelle Unternehmen lassen sich ohne große Anfangsinvestitionen etablieren. 320
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• »Intermediation«
Handelsstufen zwischen Produzenten und Konsumenten restrukturieren sich in der Internetwelt. Alte klassische Handelsformen werden teilweise durch neue virtuelle ersetzt. Dell ist ein Musterbeispiel hierfür. Der Kunde konfiguriert seinen gewünschten PC selber auf der Website von Dell und kauft ihn auch direkt dort. Sämtliche Zwischenstufen des Handels, wie zum Beispiel das Computerfachgeschäft, und Zwischenhändler wie Importeure entfallen. Dadurch kann Dell die Geräte günstig anbieten, da es die Margen der Zwischenstufen durch ein virtuelles Geschäftsmodell ersetzt. In diesem konkreten Fall spricht man von »Disintermediation«. So restrukturieren sich ganze Produktions- und Lieferketten neu. • »Reach & Richness« »Das Internet überwindet die Trennung von Richness und Reach und schafft dadurch neue Chancen«, behaupten die Boston-Consulting-Berater und Internetökonomie-Experten Philip Evans und Thomas Wurster.216 Unter »Richness« versteht man die Reichhaltigkeit von Informationen, Dienstleistungen und Interaktionen. Der Begriff der Reichhaltigkeit ist weit zu fassen und lässt sich auch mit der Produktdifferenzierung vergleichen. Umfang, Qualität und Individualität eines Angebots gehören dazu. Unter »Reach« versteht man die Erreichbarkeit von größeren Kundengruppen, den Zugang zu Vertriebswegen, die räumliche Nähe zum Kunden oder einer Vielzahl von
Reichhaltigkeit (Richness)
Abbildung 56: »Reach« und »Richness«
Internet Web-Information
Fernsehen Zeitungen Zeitschriften Bücher
Reichweite (Reach) Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
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Individuen. Zwischen beiden besteht traditionell ein Trade-off, das heißt eine »Entweder-oder-Beziehung«: Je persönlicher und maßgeschneiderter ein Service angeboten wird, umso weniger Personen können damit bedient werden. Massenmärkte hingegen sind aus einer Informationsperspektive betrachtet keine reichhaltigen Märkte, sondern eher einfach und standardisiert (vergleiche Abbildung 56). Doch das Internet gestattet nun, dass auch Massenmärkte mit maßgeschneiderten, reichhaltigen Informationen und Services bedient werden. So können beispielsweise auch Banken ihren Webkunden Service- und Finanzlösungen ganz nach Wunsch offerieren. • »Virtualisierung« Das Internet ermöglicht es, traditionelle physische Produkte zu virtualisieren oder neue, rein digitale Produkte zu lancieren. Zeitungen können physisch, aber auch nur virtuell gekauft und gelesen werden. Für beides lassen sich Geschäftsmodelle entwerfen. Doch die Virtualisierung macht nicht beim Produkt und Service Halt. Sie kann auch ganze Unternehmen oder Teile davon erfassen. Amerikanische Großkliniken lagern so Krankenberichte oder die Auswertung von komplexen Röntgenbilderserien via Internet an kostengünstigere Spezialärzte nach Indien aus. Hier hilft die Virtualisierung der Patientendaten dem Outsourcing. Die Informations- und Kommunikationsökonomie hat strategische Konsequenzen und erfordert von den Unternehmen, bei ihrer Strategiebildung neue Erfolgsfaktoren zu beachten.217 Abbildung 57 zeigt eine Übersicht der Erfolgsfaktoren im Internetzeitalter.
Abbildung 57: Erfolgsfaktoren
Agilität
Wandelfähigkeit
Networking
Kundeneinbezug
Business Webs Branding
Mass Customization Emotionalisierung
Individualisierung
Coopetition Kernkompetenzen Aufmerksamkeit Kommunikation
Co-Creation
Erfolgsfaktoren im Zeitalter des Internet 322
Handbuch der Strategien
Infotech-Strategien: Auch für andere Branchen eine Überlegung wert Der Chefökonom der Webfirma Google und frühere Rektor der University of California Berkeley, Hal Varian, und sein Wissenschaftskollege Professor Carl Shapiro haben sich in ihren Arbeiten mit den ökonomischen Effekten der New Economy auseinandergesetzt. Sie haben schon vor dem großen Internet-Hype darauf verwiesen, dass diese Epoche in vielen Aspekten einzigartig, in den ihr zugrunde liegenden ökonomischen Spielregeln aber nach den Prinzipien der freien Marktwirtschaft abläuft. Sie beschäftigten sich vor allem mit den Informationsgütern und ihrem spezifischen Wertschöpfungscharakter. Ihre Aussagen sind daher für Unternehmen der Hightech- und Informationstechnologiebranche strategisch interessant, können aber auch anderen Branchen strategische Impulse geben. • »Versioning«: Differenzierungsstrategie durch Angebots- und Preisgestaltung
Die Softwareindustrie arbeitet stark mit »Versionen« (versioning). Jede Applikation hat eine Versionsbezeichnung (wie Word Version 5.3). Durch diese »Versionierung« können immer wieder neue Produktgenerationen angeboten werden. Dies regt zu Neukäufen an. Zudem sind die Produktkäufe bei den Herstellern oder Vertreibern zu registrieren. So kennen die Firmen ihre Kunden und bekommen wertvolle Informationen für ihre Vermarktungsstrategien. Neben diesem Ansatz lassen sich auch Softwareangebote (aber auch Produktangebote in anderen Sektoren) in Paketen zu differenzierten Preisen anbieten. Ein Beispiel für eine derartige Bundling-Strategie (Bündelungsstrategie) ist das Microsoft-Office-Paket. • Lock-in-Strategie (einschließen, einfangen, anketten) Bei Softwareapplikationen und Betriebssystemen werden die Anwender durch proprietäre Lösungen (das heißt firmenspezifische Lösungen) gefangen. Kunden, die zum Beispiel ein Microsoft-Betriebssystem nutzen, können nur dafür programmierte Software verwenden. Sie sind von der Macintosh-Computerwelt der Firma Apple ausgeschlossen. So sichern sich Unternehmen ihre eigenen Marktsegmente und lassen ihre Kunden nicht einfach zur Konkurrenz wechseln. Doch ein Wechsel ist bei einem Lock-in nicht ausgeschlossen, aber er muss gut kalkuliert sein, da »Switching Costs« (»Wechselkosten«) in beachtlicher Größenordnung entstehen. Wer von einem Betriebssystem auf ein anderes wechselt, muss sich nicht nur die neuen Softwarepakete kaufen, sondern auch noch die Hardware austauschen. Dies ist noch nicht alles: Er muss zudem auch die Anwendungen neu erlernen und riskieren, dass bestehende Datenfiles nicht mehr geöffnet werden können. Diese Lock-in- (und Lock-out-) Thematik ist nicht nur bei Beziehungsstrategien: Wenn Kunden die Gewinner küren
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Soft- und Hardware strategisch relevant.218 Auch Hotelketten und Fluggesellschaften vergeben mit ihren Kundenkarten Bonuspunkte, die nur innerhalb ihrer eigenen Geschäftswelt einen baren Wert darstellen. Solche beabsichtigten Kosten entstehen zum Beispiel auch beim Wechsel von Telefonnummern, von Bankkonten oder dem Wechsel von einer Universität zu einer anderen. Lock-in- beziehungsweise »Switching-Cost«-Strategien binden den Kunden gegen seinen Willen in den eigenen Geschäftswelten. Dies kann zwar Folgegeschäfte sichern, kann aber auch frustrieren und verärgern, da sich der Kunde zusehends seiner reduzierten Wahlmöglichkeiten bewusst wird.
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»Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
Wenn dir jemand erzählt, deine Idee sei verrückt – hör nicht auf ihn, mach weiter. Michael Dell
Hyper-Wettbewerb: Die Brutalisierung des Geschäfts In früheren stabileren Wirtschaftsphasen wurden Strategien entwickelt, welche einem Unternehmen längerfristig einen Wettbewerbsvorteil sichern konnten. Doch diese Zeiten sind heute für viele Unternehmen vorbei. Der Wettbewerb ist zu einem mit harten Bandagen geführten Verdrängungswettbewerb geworden, in dem sich Konstellationen überraschend ändern. Manche Führungskräfte sehen den Wettbewerb als einen Kampf ums wirtschaftliche Überleben. Die »Goldene Strategie«, welche auf Dauer einen Wettbewerbsvorsprung sichert, gibt es nicht. Der Wettbewerb entwickelt sich zum »Hyper-Wettbewerb«, einem »über dem gewohnten Maß liegenden« Konkurrenzkampf, bei dem sich das Geschäftsumfeld äußerst dynamisch entfaltet. Errungene Wettbewerbsvorteile verblassen durch das Nachziehen der Konkurrenten sehr rasch und müssen mit Hochdruck immer wieder neu aufgebaut werden, um Positionen festigen zu können.219 Daher müssen Unternehmen ihre Wettbewerbsvorteile sehr rasch und konsequent ausspielen, da diese durch die rivalisierenden Aktionen der Konkurrenten rasch erodieren. Abbildung 58 skizziert die Unterschiede zwischen dem traditionellen Wettbewerb und dem Hyper-Wettbewerb. Richard d’Aveni, Professor der Amos Tuck School of Business an der Dartmouth University, hat sich intensiv mit den Bedingungen des Hyper-Wettbewerbs auseinandergesetzt.220 Er hat festgestellt, dass vor allem die Technologiedynamik, flexible Produktionstechniken und die globale Öffnung der Märkte zu einer Verschärfung der Wettbewerbsintensität rund um den Globus führen. Dieser Hyper-Wettbewerb erodiert die Vorteile im Business rasch, so dass das Zeitfenster zum Ernten einer Strategie immer kürzer wird. Klassische strategische Stoßrichtungen wie die Kostenführerschaft, die Differenzierung »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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Abbildung 58: Traditioneller und Hyper-Wettbewerb
klassischer Wettbewerb
Hyper-Wettbewerb
Fokus
auf das Verhalten der aktuellen und potenziellen Wettbewerber
auf das Verhalten der Kunden, das Umfeld der Produktnutzung und andere Erfolgsunternehmen
Marktregeln
Spielen nach gängigen, bekannten Regeln des Marktgeschehens
Suche nach innovativen, unkonventionellen Spielregeln und neuen Opportunitäten
Innovation
Innovation in erster Linie durch Produkterneuerung oder Produktverbesserung
Innovation in erster Linie durch Erneuerung des Geschäftsmodells und der Wertschöpfung
Strategie
Erreichung von Vorteilen gegenüber den Wettbewerbern; nachhaltige Vorteile
Erreichung von Wertvorteilen beim Kunden (»Vorsprung in den Köpfen«); temporäre Vorteile im Wettbewerb
Offenheit
ganzheitliche Kontrolle der Wertschöpfungskette
Vernetzung mit den besten Bausteinanbietern einer Wertschöpfungskette
Ressourcen
prioritär: Kapital und Größe
prioritär: Know-how, Kreativität, Vernetzung
StrategieThemen
primär: Chancen, Gefahren, Stärken, Schwächen, Effizienz, Marktanteile
primär: Nutzen für Kunden, Innovationen, Positionierung, Profilierung, Aufmerksamkeit, Branding, Design, Agilität
oder die Fokussierung erweisen sich als zu aufwändig, zu langfristig angelegt und können auch kaum über einen längeren Zeitraum durchgehalten werden. Das traditionelle Verständnis des Wettbewerbs vernachlässigt die dynamische Sichtweise. Im traditionellen Ansatz entwickeln Unternehmen einen strategischen Wettbewerbsvorteil, den sie dann im Lauf ihrer Geschäftstätigkeit auszuschöpfen versuchen. Doch in einer Welt des Hyper-Wettbewerbs können nachhaltige strategische Wettbewerbsvorteile nur in einer relativ kurzen Phase ausgespielt werden. Das Unternehmen muss sich daher rechtzeitig damit befassen, immer wieder neue Vorteile aufzubauen und zu lancieren. Die einstige Computerfirma DEC ist ein Beispiel: In den Jahren 1977 bis 1982 hatte sich das Unternehmen nur auf seine VAX-Minicomputerlinie konzentriert, um in dieser Welt Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Dabei hatte das Management übersehen, dass mittlerweile der PC-Markt deutlich größere Zukunftschancen bot. So verpasste das Unternehmen den rechtzeitigen Umstieg. D’Aveni schlägt für Situationen des Hyper-Wettbewerbs vor, vier »Wettbewerbsarenen« genau unter die Lupe zu nehmen, um Chancen für attraktive Geschäfte zu entdecken. Der Wettbewerb spitzt sich in jeder Arena zu und springt dann weiter in die nächste Arena, wo die Auseinandersetzungen wiederum ihren Lauf nehmen. So konzentrieren sich Firmen zuerst auf die Themen Qualität und Kosten, bis sie alle strategischen Aktionsoptionen ausge326
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schöpft haben. Dann wenden sie sich dem nächsten Wettbewerbsschauplatz zu. So werden diese Arenen durchlaufen: 1. Wettbewerbsarena »Kosten und Qualität« Hier findet der Wettbewerb um die Gunst der Kunden statt. Der »Wertvorteil« besteht im höheren subjektiven Nutzen und klar erkennbaren Mehrwert für den Kunden. Kunden sind nicht auf der Suche nach dem billigsten Angebot, sondern nach der besten Lösung zum günstigsten Preis. Sie denken in Werten und Nutzen, vergleichen und handeln entsprechend. 2. Wettbewerbsarena »Know-how« Sind alle Möglichkeiten des Kosten- und Qualitätswettbewerbs ausgeschöpft, wenden sich Unternehmen dem Know-how-Wettbewerb zu. Sie versuchen sich durch Forschung und Entwicklung im Bereich der Innovationen zu übertrumpfen. 3. Wettbewerbsarena »Hochburgen« (Barrieren, Hindernisse) In der kommenden Runde der Wettbewerbsverschärfung errichten sie Eintrittsbarrieren, um fremde Wettbewerber von den Märkten fernzuhalten. 4. Wettbewerbsarena »Finanzmacht« Letztlich nutzen Wettbewerber ihre finanziellen Ressourcen, um kleinere, lästige Konkurrenten zu übernehmen. In Phasen des Hyper-Wettbewerbs sind vor allem diejenigen Unternehmen erfolgreich, welche die Fähigkeiten zur Agilität entwickelt haben. Dies verlangt eine große Nähe zu den Märkten und zu den Kunden. D’Aveni bemerkt hierzu: »Statt nach dauerhaften Wettbewerbsvorteilen zu suchen, konzentrieren sich Strategen im neuen Wettbewerbsumfeld nun auf den Aufbau einer Reihe temporärer Vorteile. Statt Stabilität und Gleichgewicht wird nun die Erschütterung des Status quo zum strategischen Ziel.«221 Das innovative Unternehmen ist nicht von seiner Position im Wettbewerbsumfeld abhängig, sondern verfügt aus sich heraus über die innovative Kraft zur Weiterentwicklung. Dies ermöglicht es, sich veränderten Situationen rasch anzupassen, neu auftretende Chancen aufzugreifen und in kurzer Zeit zu nutzen. Aber auch Gefahren, die am Horizont auftauchen, werden einbezogen. So schreibt das innovative Unternehmen die Regeln für Erfolg in einem Akt der »schöpferischen Zerstörung« selber mit. Kreativität, Know-how und Expertenwissen werden zu wichtigen Treibern der wirtschaftlichen Entwicklung. Viele Unternehmen halten ihren Wettbewerbsvorsprung nur, da sie intern über ein hohes kreatives Potenzial verfügen. Sie setzen dieses für einen Know-howVorsprung ein. Diese wissensintensiven Unternehmen nutzen vor allem moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, Daten- und Wissensbanken, aber auch originelle Formen der Zusammenarbeit und Organisation, um ihren Vorsprung zu halten beziehungsweise auszubauen. »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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Befindet sich ein Business im Hyper-Wettbewerb, so empfiehlt d’Aveni radikale strategische Maßnahmen. Wer sich eine (temporäre) Erfolgsnische aufbauen will, muss Märkte und Konkurrenten »erschüttern«. Erfolgreiche Strategien müssen Überraschungseffekte erzeugen und die Gegenwart ins Wanken bringen. D’Aveni bietet hierfür einen dynamischen Strategieansatz an, den er auch als »7S« bezeichnet. Seine »7S-Schlüsselelemente« für wilde Zeiten sind: 1. »Die überlegene Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden und anderer Interessengruppen« (Superior Stakeholder Satisfaction) Die Kunden gilt es rundherum besser zu behandeln, als dies die Konkurrenten tun. Hierzu ist eine besondere Nähe zu den Kunden zu etablieren, um ihre Wünsche und Bedürfnisse möglichst rasch und differenziert zu erfassen. 2. »Strategisches Wahrsagen« (Strategic Soothsaying) Unternehmen müssen vorausdenken. Kunden sind nicht immer in der Lage zu äußern, was sie als Nächstes wünschen. Zum strategischen Wahrsagen gehört ein umfassendes Trendmonitoring ebenso wie eine dezidierte Beobachtung der Technologieentwicklung oder des Konkurrenzverhaltens. 3. »Positionierung im Markt als agiler Wettbewerber« (Speed) Unternehmen kümmern sich bei ihren strategischen Überlegungen zu wenig um die Beschleunigung ihrer Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Gerade in der schnelllebigen Ära des Hyper-Wettbewerbs kommt der Wendigkeit und Schnelligkeit eine große Bedeutung für den Wettbewerbsvorsprung zu. 4. »Nutzung von Überraschungseffekten« (Surprise) Überraschungseffekte liegen dem Wettbewerbsstrategen d’Aveni sehr am Herzen, und er propagiert diese als zentralen Ansatz, um einen Vorsprung zu etablieren. Sie tragen zur Verunsicherung der Konkurrenz bei und erhöhen die eigene Wachsamkeit. 5. »Änderung der gewohnten Spielregeln« (Shifting the Rules of Competition) Gewohnheiten sind zu hinterfragen. Dies schafft Freiräume im Denken für neue Ansätze. Spielregeln sind ein fruchtbares Feld für Innovationen. 6. »Signalisieren der strategischen Absichten« (Signaling Strategic Intent) Hierunter wird die Ankündigung neuer strategischer Absichten verstanden. Hyper-Wettbewerber nutzten derartige Kommunikationen strategisch, um Positionen frühzeitig zu besetzen und um Konkurrenten ein Schnippchen zu schlagen. 7. »Simultane und sequenzielle strategische Vorstöße« (Simultaneous and Sequential Thrusts) Durch derartige Vorstöße sollen Konkurrenten verwirrt, gereizt oder gelähmt werden. 328
Handbuch der Strategien
Einschätzung Dem Ansatz von d’Aveni kommt das Verdienst zu, dass er das Thema des HyperWettbewerbs ins Zentrum seiner strategischen Betrachtungen stellt. Das Portfoliodenken mit seinen Normstrategien, Matrices und Kästchen genügt in der heutigen wilden Wirtschaft kaum mehr. Ein an die neuen Realitäten angepasstes strategisches Denken ist notwendig. Durch den Hyper-Wettbewerbsansatz wird das gesamte strategische Arsenal in einem veränderten Licht gesehen: Geschwindigkeit, Agilität und Kreativität bekommen einen zentralen Stellenwert bei der Lösung strategischer Fragestellungen in Zeiten des aggressiven Wettbewerbs. Doch die brutalisierende Optik von d’Aveni ist zu stark auf das »Ärgern« der Konkurrenz hin ausgerichtet. Das Ziel jeder guten Strategie ist für d’Aveni, die Wettbewerbsvorteile der Konkurrenten zu vernichten. Hierzu bietet er auch List und Tücke, empfiehlt gezielte Täuschungsmanöver oder ein aktives Schlechtmachen der Konkurrenz. Business wird zur kämpferischen Auseinandersetzung und führt zur Eskalation. Das Motto seines Arbeitens scheint »Kill or be killed« zu lauten. Sein Arsenal an strategischen Maßnahmen findet er im Reich der Spionage, der Terrorbekämpfung, der psychologischen Kriegsführung und im Partisanenkampf. Es kann auch in einem noch so aggressiven Hyper-Wettbewerb nicht darum gehen, sich mit den Konkurrenten auf Manöver und Scharmützel einzulassen. Dies ist unproduktiv, gefährlich und realitätsfern. Der Erfolg eines Geschäfts liegt einzig und allein beim Kunden. Bei seiner Zufriedenheit. Bei seiner Faszination von Marke, Produkt und Service. Nur der Kunde ist auch für Unternehmen und Geschäfte in wilden Marktkonstellationen der Schlüssel für temporäre Wettbewerbsvorteile.
Strategie als Revolution: Der radikale Sprung nach vorn Die Strategiespezialisten Gary Hamel und C. K. Prahalad propagieren in neueren Veröffentlichungen »radikale« Innovationen, um im Wettlauf um die Zukunft vorne mit dabei zu sein. Auf vielen Chefetagen wird dem Thema »Innovation« in Ansprachen, strategischen Absichten und auch in konkreten Projekten gehuldigt. Doch die Radikalität des Innovationsanspruchs wird zu wenig beachtet: Radikale Strategien sind mehr als bloßes Innovationsmanagement. Es ist nicht im Sinn der beiden amerikanischen Strategieexperten, dass das Management nur Forschungs- und Entwicklungsbudgets aufstockt, Marktforschungsprojekte lanciert oder das Design bestehender Produktangebote attraktiver gestaltet. »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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Die beiden fordern Unternehmen (oder je nachdem auch ganze Branchen) auf, sich buchstäblich »zu häuten«. Sie sollen ihr Business »neu erfinden«. Erfolg in Zeiten des Hyper-Wettbewerbs fußt auf dem Wechselspiel von Erneuern und Zerstören. In dem Buch Das revolutionäre Unternehmen geht Gary Hamel sogar noch einen weiteren Schritt in Richtung Radikalität. Er stellt dabei selbst die Businesskonventionen einer Branche zur Disposition. Sein Motto lautet: »Wer Regeln bricht, gewinnt.« Hamel und Prahalad üben harsche Kritik am Strategieprozess. Dabei kritisieren sie nicht das Konzept selbst, sondern die Strategiearbeit, wie sie in vielen Unternehmen regelmäßig exerziert wird. In vielen Unternehmen ist »Strategie« zu einem Ritual verkommen. Zudem wird die Komplexität des Business von den Planern und Führungskräften gerne versimplifiziert. Diese Reduktion zerstört die Reichhaltigkeit der strategischen Chancen. Auch heute noch sind zu viele Planungen eine Fortschreibung (Extrapolation) der Vergangenheit in die Zukunft. In vielen Fällen ist das Management zu stark an Geschäften der Gegenwart interessiert und vergibt sich damit attraktive Chancen der Zukunft. Betrachtet man die Teilnehmer am Strategieprozess, so hat das Ganze immer noch etwas Elitäres. Es wirken vielfach nur Mitglieder des Aufsichtsrats und der Geschäftsleitung mit. Dies reduziert die Nähe zum Geschäft, zum Praktikablen, zum Wettbewerb und zum Kunden. Geht es um Fragen der Strategieumsetzung, so hört man bei Praktikern immer wieder, dass der Widerstand der Mitarbeiter das größte Hindernis darstellt. Warum? Das Thema »Strategischer Wandel« wurde in vielen Unternehmen schon zu oft für Reorganisationen, Umstrukturierungen und Effizienzsteigerungsprogramme missbraucht. Dies führt dazu, dass viele Mitarbeiter veränderungsmüde und veränderungsresistent geworden sind. Viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahren mit großem Engagement den Themen Effizienzsteigerung und Optimierung des bestehenden Geschäftsmodells gewidmet.222 Doch strategisch ist dieses Verhalten nicht. Hätte sich die deutsche BASF immer nur auf das Verbessern ihres Farbenbusiness konzentriert, wäre daraus nie ein erfolgreicher und moderner HighChem-Konzern geworden. Viel zu viele Unternehmen putzen immer noch ihr Küchensilber der vergangenen erfolgreichen Zeiten. Wer nur das bestehende Geschäft optimiert, verpasst neue Chancen. Die Chancen für Wachstum durch Innovation bleiben auf der Strecke. Nur Innovation ist ein nachhaltiger Wachstumstreiber. Best Practices, Benchmarking, aber auch Messen und Unternehmensberater führen zu einer strategischen Konvergenz, da immer wieder die gleichen Vorbilder und die gleichen Rezepte weitergereicht werden. In diesem Prozess entstehen Geschäfts- und Branchendogmen, die sich alle (auch rund um den Glo330
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bus) erstaunlich gleichen. Die Folge ist, dass sich dann auch die Strategien vieler Unternehmen annähern. Erfolgsrezepte mit extravaganten Geschäftsideen finden sich kaum. Je ähnlicher Geschäftsmodelle konzeptionell sind, umso mehr bewegen sich auch ihre Gewinnspannen aufeinander zu. Was ist die Konsequenz? Auch die Preise und Margen konvergieren auf einem niedrigen Niveau. Gary Hamel empfiehlt daher radikal, sich das Gegenteil von Empfehlungen der Berater und Planer als strategisch nächsten Schritt zu überlegen. Setzt man auf das Thema der Innovation, dann sind Produkt- und Technikinnovationen nur erste Schritte. Sie bedeuten aber in der Regel keinen Strategiewandel. Der Wettbewerb findet nicht nur auf Produktebene, sondern immer mehr zwischen Geschäftsmodellen statt. Wer hat die smarteren Geschäftskonzepte? Die »Geschäftsmodellinnovation« ist die Domäne der Herausforderer und Newcomer. Ihr strategischer Ansatz ist nicht der frontale Angriff, sondern viel eher die smarte Umgehung des Bekannten. Gerade dies macht sie auch für etablierte Unternehmen so gefährlich. Das echte Thema der Strategie ist für Gary Hamel daher: »… nicht die Gegenwart gegen die Zukunft, sondern das Orthodoxe gegen das wilde Denken.«223 Doch wie bringt man das Thema »Strategie« wieder in Schwung? Hamel propagiert einen »frischen« Ansatz, der auch besser zu den heutigen Herausforderungen der hohen Dynamik und Aggressivität passt:224 • Strategie heißt neugierig nachforschen, wie das Business, die Märkte und
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die Kunden heute »ticken«. Hierbei sind Trendbrüche interessanter als Entwicklungen. Strategie heißt nicht, das gleiche Business intensiver fortzusetzen, sondern das heutige Business zu expandieren. Strategie muss zukunftsorientiert sein, das heißt, es geht darum, die Zukunft des Geschäfts zu sichern. Strategie und Innovation sind eng miteinander zu verweben. Strategie ist kein exklusives Thema für die Chefetage, sondern sollte breite Kreise miteinbeziehen. Eine professionelle Strategieentwicklung ist nach dem Gegenstromprinzip zu entfalten: von oben und von unten. Strategie entwirft neue Perspektiven für das Business in der Zukunft. Strategie muss offen für Überraschungen und Veränderungen sein. Strategie denkt in Kernkompetenzen und weniger in aktuellen Geschäften. Strategie heißt daher »Schöpfung« und »Revolution«.
Gary Hamel schlägt drei innovative Pfade vor, um Strategien radikal und revolutionär zu entwerfen. Beim ersten Pfad fokussiert er auf das Angebot, beim zweiten auf die Grenzen des Marktes und beim dritten auf Grenzen der Branche. »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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1. »Sprengen der Produktgrenzen« Hier stellt sich die Frage: Wie kann das Marktangebot radikal aufgewertet werden? Idealerweise bietet sich hier zum Beispiel die Nutzung einer neuen Technologie an, durch die das Angebot entweder massiv leistungsfähiger oder für den Kunden massiv preisgünstiger wird. Der Nutzwert des Produkts oder der Dienstleistung muss für den Kunden deutlich gesteigert werden. 2. »Sprengen der Marktgrenzen« Die Fragestellung lautet hier: Wie kann der Marktraum radikal erweitert werden? Die Zielgruppendefinition muss aufgeweicht werden, um das Marktpotenzial auszuweiten. Anstatt Märkte immer weiter zu splittern und durch Differenzierung zu verkleinern, geht man hier bewusst den umgekehrten Weg. 3. »Sprengen der Branchengrenzen« Auch die Branchengrenzen sind nicht fest gegeben. Die Frage lautet: Wie kann das Gesamtangebot radikal aufgewertet werden, indem die Grenzen der konventionellen Branchengrenze überschritten werden? Betrachtet man die Wertschöpfungsketten branchennaher Unternehmen, lassen sich durch Kombination einzelner Komponenten attraktive Geschäftsmodelle entwerfen.
Abbildung 59: Pfad für eine revolutionäre Strategieentwicklung
Pfad der revolutionären Strategie-Entwicklung Warum eigentlich? Was gilt im eigenen Business als feste Tradition? Was würden Mitglieder des Unternehmens »nie« ändern?
Warum eigentlich nicht anders als andere? Welche Regeln herrschen in unserer Branche vor? Was würden Branchenvertreter »nie« ändern?
Ergeben sich Geschäftschancen aus »Neuem«? Gibt es neue Technologien? Gibt es neue Kundenverhaltensweisen? Treten neue Wettbewerber auf? Öffnen sich neue Märkte?
Ergeben sich Geschäftschancen aus »Kernkompetenzen«? Auf welchen besonderen Fähigkeiten und Ressourcen baut unser Geschäft auf? Welche Geschäfte könnte man damit auch noch (potenziell) angehen?
Ergeben sich Geschäftschancen aus »Dehnung«? Welche nahe liegenden Branchen tangieren unser Geschäft? Wie könnte die eigene Wertschöpfung effizienter gestaltet, erweitert oder durch Vernetzung von neuen Aktivitäten erhöht werden?
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Das Management, welches als Erstes die Tür zur Zukunft aufstößt, legt die Regeln fest, nach denen dann auch die Konkurrenz spielen muss. Dieses Thema vertieft Gary Hamel folgendermaßen: »Schau in irgendeine Branche, und du entdeckst drei Arten von Unternehmen. Zuerst gibt es diejenigen, welche die Regeln entwerfen (rule makers). Es sind die Herausforderer, welche die Branche begründen. (…) Dann folgen diejenigen, welche nach diesen Regeln spielen (rule takers). Es sind die Unternehmen, die den Industrielords ihre Ehre erweisen. (…) Und dann gibt es diejenigen, welche die Regeln neu schreiben. Dies sind die Regelbrecher (rule breakers). Sie kümmern sich weder um Konventionen, noch haben sie Respekt für das Bestehende. Sie werfen die industrielle Ordnung über den Haufen. Dies sind die Unerzogenen, die Radikalen, die Branchenrevolutionäre.«225 Abbildung 59 skizziert den Vorgehenspfad einer revolutionären Strategieentwicklung.
Wilde Strategien: Machen Strategien in turbulenter Zeit Sinn? In wilden, sich rasch und unerwartet ändernden Geschäftszeiten stellt sich die Frage, ob Unternehmen überhaupt noch eine Strategie benötigen. Kann man den Erfolg planen? Ist nicht ein spontanes Handeln die passendere Methode? Stellen wir uns vor, im tiefen Dschungel verloren zu sein. Hilft in dieser Lage eine Strategie weiter? Bestimmt. Wer strategisch denkt, interpretiert sein Umfeld, sucht nach Informationen, entwirft Handlungsalternativen und bewertet diese anhand von erwarteten Erfolgschancen. Das Schlechteste wäre spontaner Aktionismus oder Trübsal zu blasen. Strategische Entscheidungen basieren auf der Analyse des Umfelds; auch wenn nur wenig erkannt werden kann, so lassen sich Richtungen ausmachen, Hell und Dunkel erkennen oder Geräusche wahrnehmen. Ungewissheit darf nicht lähmen. Strategische Entscheidungen fällen heißt, mit den verfügbaren Informationen auszukommen, unter Unsicherheit und mit Risiko zu entscheiden. Nach den ersten Schritten wird die Informationslage immer besser, aktueller und reichhaltiger. Im Gleichschritt lassen sich auch die Strategie verfeinern und die Maßnahmen differenzierter gestalten. Strategisches Denken und Handeln ist ein kontinuierlicher Lernprozess. In unserer modernen Geschäftswelt liegen die Quellen für Wettbewerbsvorteile nur noch selten im Kapital oder in den physischen Mitteln, sondern im Know-how, also in den Köpfen der Mitarbeitenden und der Führungscrew. Daher spricht man auch von der wissensbasierten Ökonomie. »Köpfchen« ist die Quelle für Wettbewerbsvorteile. »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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Manch ein Unternehmen teilt dieselben Lieferanten mit seinen Konkurrenten, baut mit denselben Komponenten, nutzt vergleichbare Organisationsstrukturen, strebt dieselben Ziele an und fragt dieselben Berater um Rat. Kein Wunder also, dass alle zu denselben strategischen Konsequenzen gelangen. Erfolg liegt nicht in den Informationen, sondern in den Schlussfolgerungen, die man daraus zieht. Die »Informationsverarbeitung« führt zum Vorsprung. Die Art und Weise, wie Unternehmen Informationen sammeln, verarbeiten und Entscheidungsprozesse organisieren, wird damit zu einem zentralen Faktor im Wettbewerb. Führungskräfte konzentrieren sich in ihrem Denken zu stark auf das Konkurrenzverhalten. Dabei gehen wichtige Signale aus dem Markt oder gar aus dem Unternehmen unter. Eine erfolgreiche Strategiefindung fokussiert nicht auf das Verhalten der Konkurrenz, sondern auf die Spielregeln des Business. Es geht nicht darum, besser als andere zu werden, sondern darum, das »Spiel des Wettbewerbs« zu verändern. Constantinos Costas Markides, Professor für strategische und internationale Unternehmensführung an der London Business School, hat sich in seinen Arbeiten darauf konzentriert, die Innovatoren einer Branche zu untersuchen.226 Er fragte sich, wie Spitzenunternehmen mit der Informationsgewinnung und Entscheidungsfindung umgehen. Haben weniger erfolgreiche Firmen dieselben Informationen zur Hand? Warum diese Unterschiede im strategischen Verhalten? Was zeichnet die Erfolgreichen aus? Top-Performer haben ein strategisches Erfolgsmuster entworfen, mit dem sie sich vom Rest der Branche absetzen. Sie faszinieren ihre Kunden. Doch diese Erfolgsstrategien werden auch wieder zur strategischen Falle. Im Rahmen ihrer Zukunftsgestaltung steht weniger die Erneuerung als die Weiterentwicklung des bestehenden Geschäftsmodells in ihrem Fokus. Motorola, der Hightech-Gigant aus den USA, ist dafür ein typisches Beispiel. Das Unternehmen konnte mit den rasenden technologischen Innovationen im Markt der mobilen Telefone nicht mithalten. Der Anschluss war verloren. Die europäische und asiatische Konkurrenz bombardierte den Markt mit Innovationen, vor allem in Form neuer Funktionalitäten. Eine Positionierung als »Innovation Leader« war für Motorola ausgeschlossen. So schwenkte das Unternehmen seinen Fokus auf eine neue Wettbewerbsarena: Design. Das schicke ultraflache Razr-Handy wurde zu einem »Killerprodukt«, das einen riesigen Erfolg brachte. Doch diese Spitzenposition konnte nur über wenige Jahre besetzt werden, da die Konkurrenten blitzartig zur Stelle waren. Nun versucht Motorola »krampfhaft«, seine Design-Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. So wurde das Razr-2 lanciert. Doch mittlerweile setzen andere führende Konkurrenten wie Blackberry, Samsung oder Apple mit dem iPhone Standards. Die eigene (einst so erfolgreiche) Strategie zu »kannibalisieren«, kommt für Motorola kaum infrage. Doch genau dies wäre der richtige Ansatz. 334
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Für Unternehmen in erfolgreichen Situationen schlägt Costas Markides ein doppeltes Vorgehen bei der Strategieentwicklung vor: Einerseits müssen Unternehmen in der Umsetzung ihrer bisherigen Erfolgsstrategie effektiver und effizienter werden.227 Aber zugleich sollten sie sich schon sehr früh um die »Next Success Strategy« kümmern. Diese sollte aber ihr Fundament auf den Stärken des Unternehmens bauen. Auch wenn Konkurrenten das Thema des Wettbewerbs verändern, zwingt dies strategisch nicht zur Anpassung. Strategisch muss man sich nicht auf jedes Spiel einlassen. Die Themen des Wettbewerbs sind nicht »gottgegeben«, sondern eine Frage der Innovationskraft der Marktteilnehmer. Swatch ist ein Beispiel dafür, dass man, um erfolgreich zu sein, nicht mit den Wettbewerbern mithalten muss. In den 70er Jahren basierte die Schweizer Uhrenindustrie auf der Handwerkskunst der schweizerischen Uhrmacher. Doch dann wurde von den japanischen Herausforderern (Casio, Seiko) der Wettbewerb radikal neu definiert. Eine erfolgreiche Uhr war damals ein digitaler Zeitmesser mit möglichst vielen Funktionen zu einem günstigen Preis. Doch Swatch spielte nur bedingt mit. Statt bei dem Thema Preis und Funktionen mithalten zu wollen, definierte Swatch die Uhr als modisches Accessoire um. Stil, Design und Vielfalt waren die Faktoren für den neuen Erfolg. Das strategische Management hat daher zwei für den Erfolg ganz fundamentale Aufgaben parallel anzupacken: 1. Steuerung des aktuellen Geschäfts und Entwicklung des zukünftigen Geschäfts. Hier geht es um eine rasche, konsequente und effiziente Realisierung der laufenden Strategie. Das Geschäft soll möglichst optimal in der Wettbewerbslandschaft positioniert werden. Laufende Geschäftsroutinen sind zu verfeinern. Dabei sollte auch die zukünftige Geschäftsabsicht präsent sein, um sich Optionen nicht zu verbauen. 2. Zudem muss sich die Führungscrew mit dem Geschäft von morgen und übermorgen auseinandersetzen. Dies umfasst die Suche nach attraktiven Märkten und innovativen Geschäften mit Wachstumsimpulsen. Die beiden Strategie-Professoren Julian Birkinshaw, London Business School, und Cristina Gibson, University of California Irvine, verwenden für diese »strategische Doppelfunktion« den Namen »Ambidexterity«, »Beidhändigkeit«.228
Schwarmintelligenz: Strategie als Set simpler Regeln Die neuere strategische Managementlehre sucht in den verschiedensten Disziplinen nach neuen Ideen, Impulsen und Denkansätzen, um die Erkenntnisse »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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im Umgang mit komplexen, dynamischen Systemen zu verbessern. Dabei wird Strategie immer weniger als das Festlegen konkreter, geschäftsbestimmender Zielsetzungen verstanden. Im Blickfeld steht die Stärkung der nachhaltigen Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und seiner Geschäfte. So werden auch Forschungen zu Ameisenkolonien, Fisch-, Vogel- und Bienenschwärmen in die neuere Strategielehre einbezogen. Diese sind Gegenstand der »Schwarmtheorie«.229 Schwärme sind dem Individuum übergeordnete »Superorganismen«, die ihr Verhalten durch die einzelnen Individuen provozieren. Ein Schwarm handelt zweckgerichtet und quasi-intelligent, und zwar losgelöst von den Handlungen des einzelnen Individuums. Soziale Wesen »funktionieren« somit auch ohne hierarchische Strukturen und ohne direkte Anweisungen zweckmäßig. Sie benötigen keine »Chefs«, die vorgeben, wie sich Einzelmitglieder zu verhalten haben. Das Schwarmhandeln ist selbstorganisiert, selbstkoordiniert und das Ergebnis der intensiven gegenseitigen Kommunikation. Die einzelnen Mitglieder einer Kolonie stimmen sich untereinander ab. Schwarmintelligenz ist damit eine kollektive Intelligenz. Sie ist ein »emergentes Phänomen«, das heißt, sie entsteht spontan, ohne Organisation und ohne Führung. Der »Superorganismus« fußt auf den intelligenten Handlungen der Einzelnen und deren Interaktionen untereinander. Bienen kommunizieren über den Schwänzeltanz, Ameisen über Pheromone. Auch wenn diese Kommunikationsprozesse einfach erscheinen (wie zum Beispiel das Schlagen mit der Schwanzflosse eines Fisches im Schwarm), so sind sie doch äußerst wirksam für das Gesamtsystem. Strategieentwicklung, die dem Ansatz der Schwarmintelligenz folgt, setzt auf das dezentral verstreute Wissen und vernetzt dieses, um die »kollektive Intelligenz« für strategische Fragestellungen zu nutzen. Zudem sollen ganz nach dem Verhalten der Schwärme Eingriffe nur mit sehr wenigen simplen Regeln erfolgen. Diese geben der Gesamtentwicklung Richtung und fördern die Anpassungsfähigkeit des Einzelnen. Die Stanford-Professorin Kathleen Eisenhardt und der Strategie-Professor der London Business School Donald Sull sprechen ganz im Sinne der Erkenntnisse des Verhaltens von Schwärmen von »Strategie als Set simpler Regeln« (strategy as simple rules).230 Strategien, die einen hohen Grad an Anpassungsfähigkeit haben sollen, dürfen nicht zu einem beengenden Korsett für die Handelnden werden. Eine Strategie hat nicht die Funktion, das Geschehen detailliert durchzuorganisieren, sondern die Zukunft ganzheitlich zu gestalten. Doch dies ist nicht alles. Zudem schafft die Strategie Freiräume für das Verhalten des Einzelnen, der sich schnell an die notwendigen vielen kleineren und größeren Veränderungen anzupassen versteht. So lassen sich neue Chancen sehr rasch identifizieren, rasch beurteilen und rasch strategische Konsequenzen 336
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ableiten. Nur so kann ein erfolgreiches Chancenmanagement in Zeiten des Hyper-Wettbewerbs effektiv betrieben werden. Dieses Set an simplen Regeln gibt Richtung, ohne die Veränderung selbst zu behindern. Diese »simplen strategischen Regeln« sind weder allgemein, beliebig noch vage zu formulieren, sondern spezifisch, eindeutig und griffig. Nur so können sich Führungskräfte und Mitarbeitende daran in ihrem turbulenten Alltag orientieren. Unternehmen wie Vodafone, Cemex, Sun Microsystems, Yahoo oder Google planen keine umfassenden Strategien mehr im konventionellen Sinn. Statt aufwändige Strategien zu formulieren, ihre optimale Marktpositionierung zu bestimmen oder hervorragende Kernkompetenzen aufzubauen, setzen sie auf wenige, strategisch signifikante »Schlüsselprozesse«. Diese richten sie auf attraktive Chancenfelder aus. Schlüsselprozesse können beispielsweise Verfahren der »raschen Innovation« (speed innovation), der unkonventionellen Besetzung von Märkten oder das Eingehen von wertsteigernden Partnerschaften sein. Diese Schlüsselprozesse basieren meistens nicht auf fundierten strategischen Erklärungen, sondern auf einfachen, aber geschäftsrelevanten Daumenregeln. Der führende Anbieter von Netzwerkgeräten und -software, Cisco Systems, hat beispielsweise eine einfache Regel für seine Akquisitionen definiert. Das Unternehmen ist an Firmen mit sehr hoher Ingenieurskompetenz interessiert. Diese dürfen nicht mehr als 75 Mitarbeitende beschäftigen, und 75 Prozent der Mitarbeitenden müssten ausgebildete Ingenieure sein. Das ist alles. Oder Intel vergibt seine Produktionskapazitäten anhand der Bruttomargen seiner Produkte. So treiben die Geschäfte die Kapazitäten vorwärts. Welche »simplen Strategieregeln«, die sich auf Schlüsselprozesse konzentrieren, können ergriffen werden? Einige Beispiele zeigen mögliche Formate simpler Strategieregeln: • »Funktionsregeln«: Wie funktioniert’s? (How-to Rules)
Diese Regeln bestimmen die Art und Weise, wie unternehmerische Prozesse spezifisch gestaltet sind. Was macht die eigenen Prozesse im Vergleich zu den anderen Anbietern so einzigartig? Wie spielen die einzelnen Einheiten im Unternehmen oder zwischen Unternehmen zusammen? Beispiel: Die japanische Akamai ist für ihren exzellenten Kundenservice bekannt. Wie ist dieser gestaltet? Jedes Serviceteam hat einen technischen Experten zur Verfügung, der Spezialfragen schon beim ersten Telefonanruf beantworten kann. Die gesamte Forschungs- und Entwicklungscrew wird im Rotationsverfahren in den Kundenservice eingespannt. • »Chancenregeln«: Chancenspektrum (Boundary-Spanning Rules) Diese Regeln legen fest, in welchem Rahmen Chancen wahrgenommen werden können. Wie erkennen wir in unserem Unternehmen neue Geschäftschancen? Wie erkennen wir, was draußen läuft? »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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Beispiel: Viele Unternehmen haben Prozesse organisiert, um Geschäftstrends an verschiedenen Stellen der Organisation zu identifizieren, und verknüpfen diese Prozesse mit dem strategischen Entscheidungsprozess. • »Prioritätsregeln«: Was ist uns wichtig? (Priority Rules) Anstatt umfassende Ziele zu formulieren, ist es dynamischen Verhältnissen angepasster, Prioritäten zu setzen. Diese geben den Führungskräften für ihre Entscheidungsfindung klarere, aber flexible Spielräume. Prioritäten sind auch hilfreich bei der Bildung eine Rangreihenfolge der möglichen Opportunitäten. • »Timingregeln«: Wann und wie lange? (Timing-Rules) Diese Regeln legen Zeitspannen fest, um bestimmte Projekte und Chancen anzupacken. Beispiel: Nortel hat Regeln zur Produktentwicklung. So darf die Entwicklungszeit für die Neuproduktentwicklung nicht mehr als 18 Monate betragen. Die Entwicklungsteams müssen bei jedem Entwicklungsprojekt abklären, wann die verbesserte Lösung dem Hauptkunden ausgeliefert werden muss, um rascher als die Konkurrenz zu handeln. • »Ausstiegsregeln«: Wann verlassen wir das Feld? (Exit Rules) Dieses Regelset legt fest, wann man sich von Projekten oder Geschäften verabschiedet. Wann werden Projekte beendet, auch wenn sie die Resultate noch nicht erbracht haben? Wann werden Geschäfte abgebrochen, wenn sie die Erwartungen noch nicht erfüllt haben? Wann werden Märkte verlassen, wenn die Zielsetzungen nicht erfüllt werden konnten?
Einschätzung Wer meint, dass durch die Nutzung der Schwarmtheorie im strategischen Management automatisch bessere, treffendere Business-Strategien entwickelt werden können, irrt. Wenn viele das Gleiche tun, wird es deshalb noch lange nicht besser, zutreffender oder smarter. Was viele tun, muss nicht richtig sein. Es wird immer Einzelne geben, die klüger als Teams sind und überraschende kreative Würfe hervorbringen. Trotzdem geben die Ideen der Schwarmintelligenz dem strategischen Arbeiten Impulse, sie setzen auf weniger detaillierte Vorgaben, auf die Selbstorganisationskräfte des Systems, auf den Einbezug vieler und das Engagement des Einzelnen, auf die Dynamisierung des gesamten Unternehmensgeschehens, auf die rasche Nutzung auftretender Chancen, auf Experimentieren und Lernen sowie auf intensive Kommunikation zu strategischen Themen des Geschäfts. Es sind nicht möglichst viele Personen in Strategieprozesse einzubeziehen, sondern vor allem diejenigen Personen, die vom Thema betroffen sind und echte Beiträge liefern können. Sie haben ein Interesse an Lösungen, haben sich meist 338
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mit der Thematik schon auseinandergesetzt und liefern einen Beitrag zum Fortschritt. Der Einbezug möglichst vieler lohnt sich aber vor allem für zwei Prozesse der Wissensgewinnung: • Erstens für das sogenannte »Sense Making« (Sinnfindung), das heißt für die Interpretation von Situationen oder einer zukünftigen Entwicklung. Mehr Augen sehen mehr. Mehr Ohren hören mehr. Reichhaltigere Informationen liefern ein reichhaltigeres Bild der Gegenwart und zeigen differenzierte Perspektiven der Zukunft. • Zweitens für den »Creative Input«, das heißt für die Entwicklung möglichst vieler Ideen. Die Qualität innovativer Lösungen ist abhängig von der Quantität der Ideen. Die konkrete vertiefte Entwicklung einer Idee zu einer strategischen Absicht, die detaillierte Problemlösung also, ist aber besser in kleineren Expertenteams aufgehoben. Auch die Entscheidungsfindung im Problemlösungsprozess kann im betrieblichen Umfeld nur schlecht einem »Schwarm« überlassen werden.
Agilität: Strategie als »aktives Warten« Erfolgreiche Unternehmen setzen auf Glück. Doch Glück ist zu wichtig, als dass man es dem Zufall überlassen könnte. Unternehmen, die in hochgradig wilden, unvorhersagbaren Marktkonstellationen tätig sind, setzen auf eine Strategie des »aktiven Wartens«. Wer aber nur auf seine Chance wartet, setzt auf Zufall. Doch wer das Glück herausfordern will, nutzt diese Wartephase aktiv und engagiert. Er scannt sein Umfeld, beobachtet Kunden in ihrem Verhalten, beurteilt das Verhalten der Konkurrenten und baut innere Stärken auf, um im richtigen Moment agieren zu können. Donald N. Sull, Professor an der London Business School, empfiehlt »strategisches Warten« (strategic waiting) als eine wichtige strategische Handlungsalternative für Unternehmen, die in hoch dynamischen Märkten unterwegs sind.231 Diese Wartezeit ist geeignet, die oft ungewisse Situation genauer abzuklären. Sie erlaubt es, das Geschehen mit zumindest etwas Distanz ganzheitlicher zu interpretieren. Strategisches Warten dient auch dazu, neue Handlungsalternativen zu entwerfen und diese zumindest gedanklich zu testen. Ein Unternehmer oder ein CEO wird oft mit einem Kapitän verglichen, der ein Schiff durch die offene See lenkt. Er steht auf dem Deck bei herrlichem Wetter, wo er mit seinem Teleskop den Rand des Horizonts nach Chancen und Gefahren absucht. Je nach seinen Erkenntnissen setzt er dann seine Segel für »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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den richtigen Kurs. Doch ist dieses Bild realistisch? In vielen Märkten herrschen heute »neblige Verhältnisse«, die ein genaues Erkennen und ein längerfristiges Prognostizieren der Geschäftsentwicklung unmöglich machen. Ein Unternehmen durch derartig schwierige Verhältnisse zu steuern gleicht viel eher einem Autorennen bei schlechten Sichtverhältnissen. Die eigene Geschwindigkeit in die Zukunft ist hoch, auch die Konkurrenten sind rasend schnell unterwegs. Aussagen darüber, was nach der nächsten Kurve wohl auf den Fahrer zukommen wird, sind oft kaum möglich. Doch dies ist nicht alles negativ zu bewerten. Neue, unbekannte und unvorhersehbare Situationen schaffen immer wieder neue Chancen. So stagnieren beispielsweise die Automobilmärkte in den meisten westlichen Industrienationen, doch in den führenden Schwellenländern, wie in China, Indien, Russland oder Brasilien, boomt das Geschäft. Die Mittelschicht wächst dort enorm durch ein steigendes verfügbares Einkommen, das Kreditwesen etabliert sich, und die notwendige Infrastruktur für Verkehr und Logistik ist vorhanden. Vor ein paar Jahren konnte man sich diese gigantischen neuen Marktpotenziale kaum vorstellen. Das Gleiche lässt sich im Automobilgeschäft beim Thema Klimawandel sagen. Viele Automobilhersteller sehen es als Bedrohung für ihr Business, doch eigentlich eröffnen sich dadurch neue Herausforderungen und neue Chancen. Hier kommt nun das Thema des richtigen Timings ins Spiel. Agiert man zu früh, bezahlt man ein hohes Lehrgeld, kommt man zu spät, »beißen einen die Hunde«. Das heißt, man verpasst die Gestaltungsfreiheiten der First Movers. Auf der Differenzierungsschiene muss schon mehr geboten werden, und auch mit den Preisen (und Kosten) muss man mithalten können. Zu früh und zu spät sind also gefährliche Ansätze. In dieser Zwickmühle kommt das »aktive Warten« ins Spiel. Führungskräfte stehen oft unter dem Druck, rasch auf Ereignisse reagieren zu müssen. Dieser Druck kommt von Anteilseignern, anderen Führungskräften, den Mitarbeitenden und manchmal auch von Kunden oder Lieferanten. Doch gerade in wilden Marktkonstellationen ist strategisches Warten oft die beste strategische Reaktion. Doch Warten heißt nicht, dass man die Zeit untätig verstreichen lässt. Was kann in einer Phase des »aktiven Wartens« (active waiting strategy) getan werden? Donald N. Sull, der sich in seiner Forschung vor allem mit Strategien für Unternehmen, die in ungewissen, fluktuierenden Märkten arbeiten, beschäftigt, gibt folgende Empfehlungen:232 1. Kennen Sie Ihre Vision, aber halten Sie diese »unscharf«. Donald Sull rät davon ab, eine detaillierte Vision der Businesszukunft zu skizzieren, da dies Alternativen zu einem frühen Zeitpunkt ausschließt, 340
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Führungskräfte unter Zugzwang setzt und zudem Gefahr läuft, rasch obsolet zu werden. Zu detaillierte und langfristig orientierte Zielsetzungen verunsichern Mitarbeitende und Geschäftspartner. Eine grob skizzierte Vision ist in hoch dynamischen Marktkonstellationen daher leistungsfähiger, da sie ein flexibles Manövrieren erlaubt. Setzen Sie sich engagiert mit Entwicklungen auseinander. Er empfiehlt, sich in einer Phase des strategischen Wartens engagiert mit der Zukunftsentwicklung auseinanderzusetzen. Eine derartige Zeitspanne muss genutzt werden, um mit Ideen und Lösungen zu experimentieren, um zu sehen, wie Kunden, Wettbewerber und Märkte reagieren. All dies verbessert das Lernen der Beteiligten und zeigt, wie das Business wirklich »tickt«. Entwickeln Sie Handlungsreserven. Ebenso ist es wichtig, sich eine »Kriegskasse« für Eventualitäten rechtzeitig zu sichern. Diese ermöglicht das Experimentieren und vorsichtige Manövrieren auch in Ausnahmesituationen. Rekognoszieren Sie. (Reconnaissance) Rekognoszieren ist ein Begriff, der aus der Militärwelt stammt. Der Begriff heißt »aufklären, erkunden, ausspähen, das Gelände begehen oder auskundschaften«. Der Dynamik des geschäftlichen Umfelds muss im ganzen Unternehmen nachgespürt werden. Es wäre daher falsch, die Mitarbeiter und Führungskräfte von der Umweltdynamik abzuschirmen. Sie alle sind – jeweils für ihre Verantwortungsfelder – in die Auseinandersetzung mit der Zukunft einzubeziehen. Dies schafft auch die notwendige Sensitivität für Neues, Unbekanntes und ebnet den Weg für einen raschen Wandel von innen heraus, indem es das Verständnis der Situation verbessert. Halten Sie die Crew einsatzbereit. Die Phase des strategischen Wartens kann nicht ewig dauern. Ist die Zeit für ein Engagement reif, so gilt es rasch, konsequent und mit allen Mitteln zu agieren, um die Chancen zu nutzen. Doch dies ist nur möglich, wenn auch die Mitarbeitenden für die Veränderung und das Neue bereit sind. Hierzu gehört auch der Aufbau von neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten, um mit Veränderungen und Wandel umgehen zu können. Kündigen Sie den Wandel an. Wenn das Timing stimmt oder die Zeit reif ist, um die neuen Chancen zu ergreifen, dann ist es notwendig, den Schritt offen im Unternehmen zu verkünden. Dies gibt Richtung, setzt Energien frei und beschleunigt das Agieren des Unternehmens im Markt.
Für den Erfolg ist nicht die Reaktionsgeschwindigkeit das entscheidende Kriterium, sondern vielmehr das richtige Timing. Und dies erfordert Zeit. »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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Strategien für Freaks: »Business not as usual« Ein kleiner Test. Prüfen Sie, »ob es wehtut, wenn Sie sich Ihren Wettbewerbsvorteil auf die Zehen fallen lassen. Ist dies der Fall, sollten Sie sich dringend Gedanken über Innovationen machen. Denn alles, was wehtut, besteht aus zu viel Material und zu wenig Wissen.«233 Dies sind typische Aussagen der beiden schwedischen Business-Professoren Kjell Nordström und Jonas Ridderstrale. Die beiden machten sich auf den Weg, traditionelle Vorstellungen zu Management und Strategie durcheinanderzuwirbeln. Die zwei Schweden passen so gar nicht ins Bild von klassischen Betriebswirtschaftsprofessoren. Sie tragen Glatze, schwarze Lederbekleidung wie Harley-Davidson-Fahrer und markante Brillen auf der Nase. Sie wirken wie Fremdkörper in den ehrwürdigen Hallen einer Universität, und man vermutet sie eher mit einem Drink in der Hand in einer Heavy-Metal-Bar. Doch Ridderstrale und Nordström dozieren an der Stockholm School of Economics. Nordström am Institute of International Business und Ridderstrale am Centre for Advanced Studies in Leadership. Die beiden belegen in ihren Vorträgen und Vorlesungen mit einer Fülle von Beispielen, dass sich die Geschäftswelt in den letzten Jahren in vielen Aspekten grundlegend geändert hat. Ihr skizziertes Bild lässt nur einen Schluss zu: Wer sich nicht radikal ändert und weiterhin am Bekannten und Gewohnten klebt, wird es in Zukunft sehr schwer haben. Ändert sich die Geschäftswelt, gelten auch veränderte Regeln und Strategien des Gewinnens. Das »Business as usual« hat ausgedient. Mit alten Regeln in der neuen Welt gewinnen zu wollen ist zum Scheitern verurteilt. Konventionelles schafft keinen Vorsprung, keine Differenzierung und keine Nachhaltigkeit in den Köpfen der Kunden. Erfolgreiche Unternehmen wie Apple, Body Shop, Porsche, Rolex oder Starbucks machen dies in ihren jeweiligen Märkten vor. Die Kunden kaufen nicht nur die Produkte dieser Starunternehmen, sondern sie sind sogar erklärte Fans der Marken. Diese Unternehmen setzen Zeichen und folgen nicht dem Konventionellen. Ihre Stärken sind Intuition, Kreativität sowie eine enge, vor allem auch emotionale Beziehung zu ihren Kunden. Das oberste Ziel des Strebens muss es sein, ein einzigartiges Wertangebot für den Kunden zu schaffen. Hierfür sind entsprechende Kernkompetenzen zu entwickeln. Der Rohstoff für nachhaltigen Geschäftserfolg und Vorsprung in die Zukunft sind weder Kapital- noch Marktmacht, sondern nur frische Ideen. Sie alleine bringen Erfolg und definieren merkliche Unterschiede in den Köpfen der Kunden. Rentable Geschäfte finden sich in smarten Markt- und Positionierungsnischen. In den Massenmärkten schrumpfen Umsätze und Margen, da Kunden konkurrierende Angebote leicht gegeneinander ausspielen können und sie aufgrund der gestiegenen Transparenz genau wissen, wer was besser und/oder 342
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billiger bietet. Die Kunden haben die Macht auf ihrer Seite und entscheiden mit ihrer Kaufkraft über die Zukunft von Unternehmen. Das »To be or not to be« liegt in der Hand des Kunden, ihn gilt es zu faszinieren. Um den kreativen Ideenfluss anzuheizen, lassen sich Unternehmen auch nicht mehr wie gewohnt strukturieren. Die Zukunft gehört der »Funky Inc.«, das heißt dem unkonventionellen und »flippigen« Unternehmen, bei dem nicht mehr alles logisch-rational begründet und belegt werden muss. Derartige Unternehmen blühen durch Veränderungen, Neuerungen und Herausforderungen auf. Sie suchen den Wandel und surfen auf einer Welle des Paradoxen, Unkonventionellen oder Unbekannten. Das, was alle wissen, das Konventionelle, interessiert nicht mehr, sondern erforscht werden neue Chancen, neue Ideen, neue Herausforderungen und neue Risiken. Statik heißt Rückschritt, Dynamik bringt Fortschritt. Bewegung, Beschleunigung und Tempo gehören zu den positiven Eigenschaften, die es durch das Management zu fördern gilt. Die beiden schwedischen Professoren betrachten Kernkompetenzen zwar als bedeutungsvoll, aber nicht mehr als ausreichend für den Erfolg. Ganz in Anlehnung an die neuesten Erkenntnisse der Strategielehre setzen sie vielmehr auf die Lernfähigkeit, die Kreativität und die Change-Fähigkeit.234 Sie legen weniger Wert auf die klassischen Kernkompetenzen (core competencies) als auf »Schlüsselpersonen« (core competents), die in der Lage sind, auf der Welle des Wandels zu surfen. Dies sind Professionals mit hohem Know-how, die Zusammenhänge erkennen, unkonventionell Probleme anpacken, lösungsorientiert sind und mit Paradoxie oder Komplexität umgehen können. Diese Schlüsselpersonen sind vor allem für den Strategieprozess wesentlich. Sie suchen nach neuen Optionen, loten Grenzen aus, halten Ausschau nach wertsteigernden Partnerships, lancieren Projekte zur Zukunftsgestaltung, sind nah an den Trendentwicklungen des Marktes und gehen auch noch unbekannte Risiken ein, wenn sie Chancen erkennen. Diese Schlüsselpersonen sind aus der Sicht der beiden Professoren daher viel effektiver in der Sicherung der Businesszukunft als »Kernkompetenzen«. Nur smarte, engagierte Personen kreieren neue Lösungen, die das Geschäft nach vorne bringen. Diese Talente faszinieren, begeistern und motivieren. Die beiden erachten die klassische Wettbewerbsstrategie als einen Pfad, der heute für viele Unternehmen ins Nichts führt, da alle dieselbe strategische Ausrichtung verfolgen. Die Erfolgsfaktoren erodieren zudem rasend schnell, da Kopierer, Trittbrettfahrer und Gleichdenker blitzartig Verbesserungen und Neuerungen übernehmen. Damit zermalmen sie jeden Vorsprung im Nu. Das klassische Modell des integrierten Unternehmens hat ausgedient. Wer früher Schuhe verkaufte, stellte diese auch her. Dies ist heute bei Nike, Adidas oder Timberland nicht mehr der Fall. Diese Firmen entwerfen Produkte und »Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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lassen diese irgendwo rund um den Globus von kompetenten Produzenten für ihre internationalen Märkte herstellen. Firmen zerlegen ihre Wertschöpfungsketten, rekombinieren Komponenten und setzen diese wieder ganz nach Bedarf zusammen. Sie suchen nach Wegen, mit anderen Anbietern, Konkurrenten, Komplementären und Kunden zusammenzuarbeiten. Strategieentwicklung wird zu einem Workout, bei dem das Geschäftsmodell zur Schaffung eines »überragenden Wertangebots« für den Kunden im Zentrum steht. Kreative strategische Antworten sind zu den folgenden vier Fragen zu finden:235 1. Wertangebot für Kunden: Was tun wir für welche Kunden? Wie bieten wir ihnen einen außerordentlichen Nutzen? 2. Kernkompetenzen: Welche Dinge von Weltklasse können wir selbst herstellen? 3. Komplementärkompetenzen: Was können unsere Weltklassepartner besser als wir selbst? Wie verteilen wir die Aktivitäten zur Nutzensteigerung für den Kunden? 4. Zukunftsoptionen: Welches Wachstumspotenzial existiert, und wo ist es zu finden? Wie erschließen wir es? Die beiden schwedischen Businessexperten erkennen drei strategische Typen von Geschäftsmodellen, mit denen sich Unternehmen erfolgreich im Markt positionieren können. Unternehmen haben die Möglichkeit, sich auf das Businesskonzept, die Kunden oder auf bestimmte strategische Fähigkeiten zu fokussieren. Je nachdem unterscheiden die Professoren drei Strategietypen, die sich aber durchaus auch kombinieren lassen: 1. »Konzeptstrategien«: Fokus auf das Geschäftskonzept Beispiele erfolgreicher Konzeptspezialisten sind Dell und Ikea. Dell lässt seine Computer von den Kunden konfigurieren und die Teile von Dritten zusammenbasteln. Die Komponentenhersteller bieten ihre Teile auf einer firmeninternen Plattform an, so dass Dell immer optimale Leistungen zu optimalen Preisen kaufen kann. Ein wichtiger Zusatzeffekt ist, dass Dell durch dieses Geschäftsmodell auf eine große kostspielige Lagerhaltung verzichten kann. Auch Ikea spannt den Kunden in sein Geschäftsmodell ein. Früher haben Möbelfirmen die Möbel geliefert und zusammengebaut, Ikea überlässt dies dem Kunden. Ebenso koordiniert Ikea die Herstellung und Lieferung weltweit wie eine Spinne in ihrem Netzwerk. 2. »Beziehungsstrategien«: Fokus auf den Kunden Diese Unternehmen richten sich darauf aus, den »Kunden zu besitzen«. Sie faszinieren und begeistern ihre Kunden. Die Scala in Mailand oder die Metropolitan Opera in New York besitzen ihre Kunden genauso wie Harley344
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Davidson oder Red Bull. Aber auch Unternehmen wie Google, Yahoo, eBay oder Amazon bieten Informationen gegen Kundenorientierung. Je mehr man ihre Services nutzt, umso besser »lernen einen die Firmen kennen« und bieten dementsprechend maßgeschneiderte Lösungen an. 3. »Fähigkeitsstrategien«: Fokus auf die Kernkompetenzen Diese Unternehmen konzentrieren sich darauf, bestimmte Prozesse oder Technologien mit hoher Kompetenz zu beherrschen. Ein Beispiel eines Unternehmens, welches sich als Fähigkeitsspezialist positioniert, ist die asiatische Flextronics, die rundum Lösungen in den Bereichen Design, Herstellung und Logistik anbietet. Dieses Unternehmen stellt »produktive Leistungen« für Unternehmen wie Apple (Mac Computer), Microsoft (Xbox), Cisco (Routers), HP (Drucker), Palm (PDA) oder SonyEricsson (Handys) bereit. Das Unternehmen betreibt über 80 Produktionsstätten in rund 30 Ländern. Fähigkeitsspezialisten sind beispielsweise aber auch Consultingfirmen wie McKinsey, Arthur D. Little oder Accenture. Sie finden sich allen Branchen zurecht und basieren ihr Geschäftsmodell auf die hohen Kompetenzen und Fähigkeiten ihrer Spezialisten.
Einschätzung Aktuelle Studien belegen, dass unkonventionelles, radikales Denken im Business zum Erfolg führt. So zeigt die CEO-Studie 2006 von IBM, dass sich nicht Produktinnovationen oder Geschäftsprozessinnovationen am meisten lohnen, sondern dass die operative Rendite im Bereich der strategischen Innovation deutlich am größten ist.236 Unternehmen, die sich (von Zeit zu Zeit) neu fokussieren, restrukturieren oder ihre Geschäftsperspektive erweitern, haben den größten Erfolg. »Freakiges« Denken kann einen Beitrag leisten, sein bisheriges strategisches Denkmodell aufzubrechen und für Neuerungen zu öffnen. Abgesehen von einem hohen Unterhaltungswert und einem erfrischend provozierenden Denkansatz liefern die Darstellungen der beiden Schweden aber kaum konkrete, strategisch relevante Handlungsempfehlungen.
»Verrückte« Strategien: Die neuen Wilden
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Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
Die ganze Schwierigkeit besteht darin, den Grundsätzen, welche man sich gemacht hat, in der Ausführung treu zu bleiben. Carl Philipp Gottfried von Clausewitz
Strategieimplementierung: Wie aus Absichten Ergebnisse werden In diesem Abschnitt werden Managementsysteme skizziert, die sich weniger um die Suche nach der attraktivsten strategischen Ausrichtung kümmern, sondern ihren Schwerpunkt auf die Umsetzung der strategischen Absichten legen. Der Formulierung von Strategien zur Sicherung der Unternehmenszukunft wird sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft seit Jahren große Aufmerksamkeit gewidmet. Dieser Sachverhalt ist erstaunlich, da sich in der Praxis vor allem die Umsetzung der strategischen Absicht als die größere Hürde erweist.237 Nur ein relativ geringer Bruchteil der entwickelten Strategien wird wie beabsichtigt realisiert. »Strategieimplementierung« umfasst alle Aufgaben, Tätigkeiten, Programme, Projekte, Initiativen und Aktivitäten in einem Unternehmen, die dazu dienen, die strategischen Vorgaben in Resultate umzusetzen. Strategie ist in erster Linie ein Denkprozess, Umsetzung hingegen ein Handlungsprozess. Für den Erfolg benötigt man beides. Die Strategieentwicklung ist für viele Unternehmen ein aufwändiges Unterfangen, an dessen Ende ein Schriftstück steht, welches die zentralen strategischen Aussagen enthält. Doch mit der Formulierung des Strategiepapiers hat sich verhaltensmäßig noch gar nichts geändert. Eine schriftlich formulierte Strategie ist nicht das Ende eines professionellen Strategieprozesses, sondern allenfalls ein wichtiger Zwischenschritt. Mit dem Strategiepapier beginnt die strategische Führungsarbeit. Die Absichten sind in den Geschäftsalltag zu überführen. Hierzu sind Maßnahmen zu lancieren, Aufträge zu erteilen, Mitarbeitende zu schulen und zu motivieren sowie Ergebnisse mit Zielsetzungen zu vergleichen. Die Umsetzungsphase ist heikel, da viele Führungskräfte dazu neigen, nach der aufwändigen Strategie346
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entwicklungsübung nun (endlich) wieder zum bekannten Alltag zurückzukehren. Aktenberge, Termine und Mitarbeiterwünsche drängen zu einem »Business as usual«. Doch dieses sollte durch die Strategie geprägt sein. Sie soll zum neuen Fels in der Brandung des Alltäglichen werden. Sie muss Zeichen der Veränderung setzen und Wege für die Realisation aufzeigen. Warum funktioniert in der Praxis die Strategieumsetzung schlecht? Die Führungskräfte werden gut in der strategischen Planungsarbeit trainiert, aber die Umsetzungsarbeit kommt zu kurz.238 Zudem vertreten viele TopFührungskräfte die irrige Meinung, die Strategieumsetzung sei die Aufgabe des mittleren Managements. Ein weiteres Problem ist bestimmt, dass die Umsetzungsarbeiten zeitlich und arbeitsmäßig deutlich mehr Aufwand als die Strategieformulierung benötigen. Eine strategische Absicht lässt sich in der Regel nicht mit einer konkreten Maßnahme umsetzen, sondern erfordert eine Vielzahl von Arbeiten.
MbO: Das Grundformat der Strategieumsetzung Um den Transfer der Strategie in das Alltagshandeln zu vereinfachen, sind verschiedene Managementsysteme entwickelt worden, die aber alle in der einen oder anderen Ausprägung auf das »Management-by-Objectives-System« (»MbO«) von Peter Drucker bauen.239 MbO ist kein bloßes Prinzip zur Führung von Mitarbeitenden, wie viele der anderen »Management-by-…«-Techniken, sondern ein umfassendes »ZielBeitrags-System«, welches das gesamte Unternehmen durchziehen sollte. Das MbO hat eine Art Brückenfunktion. Es koppelt die institutionellen Ziele des Geschäfts oder des Unternehmens, wie beispielsweise die Aussagen der Business-Strategie, mit den individuellen Zielen der Schlüsselpersonen. Nicht Unternehmen realisieren strategische oder operative Ziele, sondern immer nur Führungskräfte und Mitarbeitende. Nur Menschen »produzieren« aus Absichten Ergebnisse. Wie funktioniert diese Koppelungsfunktion zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden? Führungskräfte formulieren ihre persönlichen Beiträge, die sie zur Erreichung der strategischen Ziele mit ihrem Team leisten können. Diese umfassen die Beiträge der Führungskraft selber sowie die Beiträge, welche die Mitarbeitenden eines Verantwortungsbereichs liefern können. Durch den Transfer der Strategien auf eine individuelle Ebene werden strategische Aussagen realisierbar, das heißt konkret messbar, steuerbar und überprüfbar. Durch das MbO bleiben Strategien nicht im Olymp der Absichten und Wünsche hängen, sondern werden auf Bereiche, Abteilungen und Individuen Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
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verteilt. Mitarbeitende tragen durch das MbO zu den übergeordneten Zielsetzungen bei und machen damit Strategien operativ wirksam.
Balanced Scorecards: Ausgewogen strategisch steuern Auch das populäre Managementsystem der »Balanced Scorecard« ist im Sinn der von Peter Drucker entwickelten Überlegungen zur Strategieumsetzung aufgebaut. Das Balanced-Scorecard-System findet auch im deutschsprachigen Raum eine immer größere Verbreitung. Es wird daher im Folgenden stellvertretend auch für andere Ansätze skizziert. Die Balanced Scorecard verdankt ihren Bekanntheitsgrad einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen der Professoren Robert S. Kaplan, Harvard Business School, und David P. Norton, Präsident der BSC Collaborative Inc. und Unternehmensberater bei der Palladium Group in Boston.240 Im Jahr 1988 bekam die Beratungsfirma KPMG Peat Marwick von Apple Computer den Auftrag, die unternehmerischen Schlüsselprozesse zu identifizieren und für diese jeweils eine systematische Performancemessung zu entwickeln. Apple wollte von einer rein finanziellen Steuerung seines Unternehmens abkommen. In der Folge wurde eine Forschungsgruppe gebildet, die aus Experten der Harvard Business School (unter der Leitung von Professor Robert S. Kaplan), Beratern der KPMG sowie aus Führungskräften von weiteren zwölf amerikanischen Großunternehmen bestand. Diese Gruppe verfolgte den Projektauftrag, einen allgemein einsetzbaren, mehrdimensionalen Bezugsrahmen zur Leistungsmessung zu entwerfen. Der übliche, aber enge Fokus auf den Shareholder Value, also nur auf die finanziellen Ergebnisse, sollte dadurch überwunden werden. Aus diesen Erkenntnissen entstand in der Folge die Balanced Scorecard, die heute zu den führenden Managementsystemen der Strategieimplementierung gehört. Die Balanced Scorecard ist ein mehrdimensionales Führungssystem, welches die strategischen Ziele in vier Perspektiven formuliert. Nicht nur »Finanzen«, sondern auch »Kunden«, »Prozesse« und »Ressourcen« werden mit einbezogen. Ganz im Gegensatz zu weichen Zielformulierungen, wie zum Beispiel Leitbilder oder visionäre Vorgaben, setzt die Balanced Scorecard auf Griffigkeit und Messbarkeit. Ziele, Kenngrößen oder Maßnahmen müssen praktisch umsetzbar, steuerbar und erfassbar sein. Der Blick der Führungsarbeit soll aber von rein finanziellen Größen wie beispielsweise dem Return on Investment weg auf eine umfassendere Sicht des Geschehens gelenkt werden. 348
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Wieso werden gerade diese vier Themenfelder so intensiv für die Strategieumsetzung beleuchtet? Dass die finanziellen Ergebnisse zentral sind, liegt auf der Hand. Doch sich nur auf diese finanziellen Messgrößen und Kennzahlen zu verlassen ist ungenügend. Sie bilden das Unternehmensgeschehen zu wenig ab. Die wichtigste Größe der Vorsteuerung des finanziellen Erfolgs ist der Markterfolg. Nur zufriedene Kunden stellen die notwendigen finanziellen Zahlungsströme bereit. Der Markterfolg basiert seinerseits wiederum auf abgestimmten, effizienten betrieblichen Prozessen. Hierzu zählen zum Beispiel Beschaffung, Entwicklung, Produktion, Logistik und Vertrieb. Diese Prozesse ihrerseits beruhen auf den professionellen Fähigkeiten der Mitarbeiter und den vorhandenen Ressourcen. So werden die verschiedenen Geschäftsbereiche mit dem finanziellen Ergebnis und der strategischen Absicht verwoben. Aus diesem Grund heißt das Balanced-Scorecard-Führungssystem »ausgewogen« (balanced), da es nicht nur auf den hergebrachten, klassischen finanziellen Kennzahlensystemen zur Geschäftssteuerung basiert. »Scorecards« sind die bekannten Anzeigetafeln in Sportarenen, welche dem Publikum die Punktwertungen signalisieren. Welche Inhalte stehen hinter den vier Schlüsselperspektiven der Balanced Scorecard? 1. »Finanzperspektive« (financial focus) Die Finanzperspektive belegt, ob die Strategie und ihre Umsetzung den vorgesehenen wirtschaftlichen Erfolg bringen oder nicht. Die Zielgrößen in diesem Bereich sind die bekannten Finanzkennzahlen. Sie beantwortet folgende Frage: Welche finanziellen Gesamtziele verfolgen wir? Welchen Beitrag leistet die Strategie in Bezug auf wichtige finanzielle Kenngrößen wie Rentabilität, Wachstum oder Risiko? Beispiele für finanzielle Zielsetzungen können sein: – die Kapitalrendite steigern – liquide Mittel vergrößern – höhere Preise durchsetzen – Rentabilität einzelner Geschäfte erhöhen – finanzielle Unabhängigkeit des Unternehmens sichern – den Konzernwert steigern 2. »Kundenperspektive« (customer focus) Die Kundenperspektive vernetzt das Unternehmen nach außen. Vor allem die Kundenzufriedenheit und der Marktanteil stehen hier als Zielgrößen im Zentrum. Die Kernfrage lautet: Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
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Bei welchen Kundengruppen und in welchen Märkten müssen wir erfolgreich sein, um die angestrebten finanziellen Ziele verwirklichen? Welchen Beitrag bringt die Strategie in Bezug auf die Wertsteigerung für den Kunden oder bei der Differenzierung im Vergleich zur Konkurrenz für den Kunden? Beispiele für Kundenziele (Marktauftritt, Marktpositionierung) sind: – Image und Markenbekanntheit steigern – Neukundengewinnung forcieren – Bestandskunden für Zusatzleistungen gewinnen – Marktposition im Jugendmarkt verdoppeln – Kundenservice verstärken – Reklamationen senken 3. »Prozessperspektive« (process focus) Die Prozessperspektive richtet das Augenmerk auf die internen Strukturen und Prozesse des Unternehmens. Die Zielgrößen sind in erster Linie Effizienz und Bearbeitungszeiten. Die wichtigste Kernfrage lautet: In welchen Prozessen müssen wir Wettbewerbsvorteile erzielen, um bei den Kunden erfolgreich zu sein? Welche Konsequenzen zeigt die Strategie für die Gestaltung der Prozesse? Müssen neue Prozesse etabliert oder bestehende Prozesse reorganisiert werden? Ziele im Prozessbereich sind zum Beispiel: – Innovationsprozesse beschleunigen – Vertriebsnetz verdichten – Marketingsupport für den Außendienst verstärken – Logistiksystem vereinfachen 4. »Lern- und Ressourcenperspektive« (learning and resource focus) Die Ressourcenperspektive interessiert sich für Fähigkeiten, Kompetenzen und die vorhandenen Mittel. Hier stellt sich die Frage nach der Leistungsfähigkeit des Personalwesens, der Informationssysteme oder des Innovationsmanagements ebenso wie nach der Entwicklung der vorhandenen Fähigkeiten der Mitarbeiter. Die Frage hierzu lautet: Welche Fähigkeiten und Ressourcen benötigen wir, um Wettbewerbsvorteile in den Schlüsselprozessen zu erzielen? Welche Ressourcen können genutzt werden? Welche sind neu aufzubauen? Welche Fähigkeiten werden benötigt? Wie kann Lernen, Wandel und Innovation gefördert werden? Beispiele für Zielsetzung in diesem Bereich können sein: 350
Handbuch der Strategien
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Führungskräfte nachhaltig im Strategiebereich schulen Mitarbeitende bei der kontinuierlichen Verbesserung unterstützen Serviceorientierung im Unternehmen verankern Innovationsdynamik steigern Talentmanagementsystem einführen
Die Balanced Scorecard ist ein umfassendes, strategiebezogenes System der Verhaltenssteuerung, welches am eigentlichen Geschäftsmodell ansetzt. Sie benötigt als Vorgabe eine formulierte Strategie. Diese ist der Angelpunkt für alle Aktivitäten. Die Balanced Scorecard richtet das Verhalten der Mitarbeitenden und Führungskräfte auf die Strategie aus (Alignment). Im Lauf der Jahre hat sich das Konzept immer weiter verfeinert. Mittlerweile erfüllt die Balanced Scorecard wichtige Funktionen: Sie präzisiert strategische Zielsetzungen, bricht Aussagen auf verschiedene organisatorische Einheiten herunter und ermöglicht eine professionelle, zyklische Kontrolle des Strategiefortschritts. Die Balanced Scorecard ist somit ein leistungsfähiges, umfassendes System der strategischen Führung eines Unternehmens und seiner verschiedenen Geschäfte. Das starre Steuerungs- und Kontrollsystem der monatlichen, quartalsweisen und jährlichen Kennzahlenanalysen wird zwar nicht überwunden, aber deutlich wertvoller genutzt. Die Checks sollen nicht nur einen Blick in den Rückspiegel erlauben, sondern auch in die Zukunft gerichtet zeigen, wie die geschäftstreibenden Faktoren und Maßnahmen das Geschäft gestalten. Eine Balanced Scorecard kann für das gesamte Unternehmen oder auch nur für eine Geschäftseinheit erstellt werden. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass die Vision und die Strategie für die Einheit formuliert vorliegen. Die Vision umschreibt das langfristig angestrebte Entwicklungsziel, die Strategie umfasst die anzugehende Stoßrichtung, um die Vision zu erreichen. Die Umsetzung erfolgt in einem der Organisationsstruktur folgenden »kaskadenartigen Top-down-Prozess«. Jede organisatorische Einheit liefert ihren Beitrag zur Umsetzung der Strategie. Für jede der vier Perspektiven wird ausgehend von der Strategie eine beschränkte Anzahl konkreter Ziele, Messgrößen und Maßnahmen abgeleitet. Ziele im Sinn der Balanced Scorecard sind angestrebte Zustände. Messgrößen umfassen Indikatoren, die einen Fortschritt erkennen lassen, und Maßnahmen sind konkrete Vorhaben, Projekte oder Programme, welche der Zielerfüllung dienen. Abbildung 60 skizziert den Aufbau der Balanced Scorecard. Ursprünglich war die Balanced Scorecard als Alternative zur rein finanziellen Geschäftsbeurteilung gedacht, doch in neueren Publikationen weisen Kaplan/Norton darauf hin, dass sie auch als ein integrales Instrument zur strategischen Führung leistungsfähig ist. Ihr Hauptvorteil liegt in der griffigen Formulierung von Zielsetzungen, die sich leicht verständlich kommunizieren Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
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lassen. Dies erleichtert die Konsensfindung in der Führungsriege. Im Rahmen der Balanced-Scorecard-Bearbeitung kann es durchaus sein, dass Themen auftauchen, die bei der Strategie nicht bedacht wurden. Diese weißen Flecken müssen nachbearbeitet werden. So hilft die Balanced Scorecard auch mit, die Strategiegriffigkeit im Geschäftsalltag zu erhöhen. Die Balanced Scorecard wird meistens nicht nur abteilungsintern entwickelt, sondern auch mit anderen relevanten Unternehmensbereichen vernetzt. Dies ermöglicht Veränderungsprozesse über das gesamte Unternehmensgeschehen. Der Prozess geht davon aus, dass möglichst viele Betroffene miteinbezogen werden, um die Akzeptanz und Relevanz der Strategie zu verbessern.
Abbildung 60: Aufbau der Balanced Scorecard (BSC)
Finanz-Ebene Welchen finanziellen Erfolg erwarten wir?
Kunden-Ebene Was bieten wir unseren Kunden?
Vision & Strategie Welche Vision und Strategie trägt unser Business?
Prozess-Ebene Welche Geschäftsprozesse benötigen wir und wie gestalten wir diese effizient?
Lern-/Ressourcen-Ebene Wie fördern wir das Lernen und das Entwicklungspotenzial des Geschäfts?
Die Balanced Scorecard als »mehrdimensionales Performance-Managementsystem« hat die traditionelle auf Finanzkennzahlen basierte Steuerung des Unternehmensgeschehens nachhaltig verändert und in vielen Unternehmen abgelöst. Auch wenn man andere Führungssysteme nutzt, so herrscht heute Einigkeit darüber, dass die Führung eines Geschäfts aufgrund rein finanzieller Kennzahlen zu kurz greift und wesentliche Aspekte vernachlässigt. Eine Untersuchung der Beratungsfirma Horváth & Partners241 zeigt, dass rund vier Fünftel aller deutschen Unternehmen eine Balanced Scorecard im Rahmen ihrer strategischen Steuerung in der einen oder anderen Form einsetzen. Das Managementsystem der Balanced Scorecard eignet sich in der Praxis für folgende Aktivitäten: • zur Formulierung und Klärung der Geschäftsstrategien, • als Diskussionsgrundlage zur Konsensfindung, 352
Handbuch der Strategien
• zur Verknüpfung von strategischen mit operativen Zielsetzungen innerhalb • • • •
der Organisationsstruktur, zur Lancierung und Ausrichtung strategischer Initiativen, zur Überprüfung und Bewertung des strategischen Fortschritts, zur Koordination der Aktivitäten über organisatorische Grenzen hinweg, zur Verbesserung des Strategieprozesses innerhalb des Unternehmens.
Einschätzung Der zentrale Vorteil des Balanced-Scorecard-Ansatzes ist die konsequente Umsetzungsorientierung. Das gesamte System will möglichst rasch und konkret messbare Resultate erreichen. Vorteilhaft ist, dass Strategieentwicklung und Strategieumsetzung im gleichen Führungssystem Platz finden. Es findet kein logischer oder vorgehensmäßiger Bruch zwischen den beiden statt, der allzu leicht den Untergang guter strategischer Ideen bedeuten kann. Nicht zu unterschätzen ist auch der Vorteil der Mehrdimensionalität des Führungssystems. Nicht nur die finanziellen Kenngrößen stehen im Zentrum der Führung, sondern viele wichtige, das finanzielle Ergebnis vorsteuernde Faktoren. Gewarnt werden muss aber vor einer »mechanischen Anwendung« der Balanced Scorecard. Viele Unternehmen kümmern sich viel zu intensiv um ihren Instrumentenkasten anstatt um seine professionelle Anwendung. Nicht die lehrbuchhafte Nutzung des Instruments entscheidet über seine Wirksamkeit, sondern einzig und allein das daraus resultierende Handeln. So können »hauseigene« Programme zur Strategieumsetzung in der Praxis ebenso leistungsfähig sein wie das umfassende Instrumentenset der Balanced Scorecard. Die Balanced Scorecard ist ein flexibles Instrumentarium, das grundsätzlich für die Strategieentwicklung und -umsetzung in jedem Business – auch unabhängig von seiner Größe – wirkungsvoll nutzbar ist. Als dogmatisch zu bewerten ist aber die Konzentration auf die vier Perspektiven des Unternehmensgeschehens. Dies kommt daher, dass nicht zu viele Dimensionen den Blick für das Wesentliche trüben sollen und für jede Perspektive rund fünf Ziele formuliert werden. So landet man rasch bei einem Katalog von 20 und mehr Zielen, die in den meisten Fällen dann nicht mehr sinnvoll realisiert werden können. Um dem Topmanagement den Überblick über das Zielsystem des Unternehmens zu gewährleisten, haben führende Softwarehäuser wie beispielsweise SAP ganzheitliche, auf dem Balanced-Scorecard-System beruhende Managementcockpits entwickelt. Das System ist ein generisches Modell, das heißt, es will immer, für jeden Unternehmenstyp und in jeder Situation das richtige Führungsinstrumentarium sein. Gibt es dies überhaupt? Kaum. Gerade die starke Komplexitätsreduktion ist seine größte Schwäche. Warum sollen gerade diese vier Perspektiven die relevanten für Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
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ein Unternehmen sein? Zudem fehlt eine dynamische Betrachtungsweise völlig. Ziele werden heruntergebrochen, auch wenn sie unrealistisch sind, einfach nur, weil das Verfahren dies so »easy« gestattet. Aufgrund der einfachen Methodik und der starren Schematik geht das Denken über Inhalte und den Sinn und Zweck allzu leicht unter. In der Praxis besteht die Tendenz, die Zielableitung mit viel zu vielen Zielsetzungen zu überfrachten.
Strategy Maps: Landkarte für Strategien im Alltag Zentrales Instrument der Balanced Scorecard ist das »Ursache-Wirkungs-Diagramm« (Strategy Map).242 Durch dieses werden die verschiedenen Ziele und Maßnahmen der einzelnen Perspektiven miteinander logisch verbunden. So führt die Balanced-Scorecard-Logik sozusagen automatisch durch die vier Ebenen Finanzen, Kunden, Prozesse und Ressourcen/Mitarbeiter. Diese Wirkungszusammenhänge lassen sich auch für die Strategie selbst skizzieren. Die Visualisierung der Balanced Scorecard nennt man »Strategy Maps« oder »strategische Landkarten«.
Abbildung 61: »Strategische Landkarte« nach dem BSC-System 3TRATEGIE
-ARKTANTEIL¬STEIGERN
1UALITËTEN VERBESSERN
/NEå3TOPå 3HOPPING
,IEFERZEIT VERKàRZEN
!USWAHL VERGRÚERN
$URCHLAUFZEITEN VERKàRZEN
!USSCHUSS REDUZIEREN
0ERSONALKOSTEN REDUZIEREN
MODULARE¬0RODUKTION EINRICHTEN
,ERNå2ESSOURCENå%BENE
3PEZIALISTEN SUCHEN
-ITARBEITER 0ROJEKTARBEIT TRAINIEREN
-ITARBEITERå ZUFRIEDENHEIT VERBESSERN
&INANZå%BENE
2/) VERBESSERN
)NLANDå5MSATZ STEIGERN
+UNDENå%BENE
3ERVICENETZ AUFBAUEN
0ROZESSå%BENE
+APITALKOSTEN ABBAUEN
)NFORMATION INTENSIVIEREN
!SSETå-ANAGEMENT AUFBAUEN
Diese veranschaulichen die Strategie schematisch, wodurch Information und Kommunikation erleichtert sowie Lerneffekte gefördert werden. Die Beiträge zu den grundstrategischen Zielen können von den Führungskräften einfacher, 354
Handbuch der Strategien
prägnanter und rascher erkannt und formuliert werden. Vision und Strategie werden durch die Überleitung in strategische Initiativen auf eine operative, praktikable Ebene heruntergebrochen, indem das Ziel in Aufgabenpakete zerlegt wird. Auch Defizite und Lücken im Strategiebereich werden durch diese strategischen Karten ersichtlich. Strategische Landkarten operationalisieren die Strategie auf eine sehr effiziente, prägnante Weise. Abbildung 61 zeigt ein Beispiel einer Strategielandkarte und Strategietabelle. Anstelle dieser Landkarte lassen sich die Zusammenhänge aber auch in reiner Textform präsentieren.
Einschätzung Strategy Maps werden von den Autoren und vielen Beratungsunternehmen als »Anleitung zum Erfolg« oder als »Masterplan zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile« vermarktet. Diese Marketingetiketten sind übertrieben. Die Strategielandkarten sind nichts anderes als vereinfachende grafische Veranschaulichungen von Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer schon schriftlich formulierten Strategie. Sie sind mit den von Tony Buzan propagierten »Mind Maps«243 zu vergleichen, folgen aber nicht deren logisch einwandfreier Syntax.
Strategic Alignment: Der Weg zum strategiefokussierten Unternehmen Kaplan und Norton verfolgen mit ihren Arbeiten das Ziel, die oft abstrakt formulierten strategischen Stoßrichtungen praktisch im Geschäftsalltag zu verankern.244 Das Alltagshandeln muss konsequent auf die strategischen Ziele ausgerichtet sein, um die Schubkraft des Unternehmens im Wettbewerb zu steigern und das Business effizient in die gewünschte Richtung zu lenken. In ihren Forschungsarbeiten zur Balanced Scorecard befragten sie daher TopFührungskräfte, wie sie die beiden Themen »Strategie« und »Geschäftsperformance« in ihrer Führungsarbeit zusammenbringen. Zwei Begriffe sind dabei besonders häufig aufgetaucht: »Alignment« und »Focus«. Mit »Alignment« sprechen die Führungskräfte ihre Bemühungen an, die strategische Ausrichtung des Alltagsgeschäfts zu stärken, und mit »Focus« meinen sie die engagierte Kommunikation über die wesentlichen strategischen Themen. Kaplan und Norton gaben daher einer ihrer Buchveröffentlichungen den Titel Strategic Alignment. Unter der »strategischen Ausrichtung« (strategic alignment) verstehen sie die Orientierung des Unternehmens auf die strateStrategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
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gischen Absichten. Alles ist auf die Strategie auszurichten: Strukturen, Prozesse, Kultur, Steuerungsgrößen und Führungssysteme. Dies ist der Kern der Führungsarbeit. Führungskräfte können eine Strategie nicht alleine umsetzen. Change wird nicht per Knopfdruck realisiert. Ein erfolgreicher Wandel hängt an den persönlichen Beiträgen der Führungskräfte und der Mitarbeiter. Hierzu muss die breite Unternehmensvision auch zur spezifischeren Vision der Mitarbeitenden werden. Das Neue soll motivieren und Chancen bieten. Die Führung muss es durch die Förderung einer offenen, engagierten und geschäftsnahen Unternehmenskultur schaffen, dass die Mitarbeitenden das Unternehmen als »ihr« Unternehmen ansehen. Nur dies schafft eine gemeinsame Identität und setzt die notwendigen Energien für die Veränderung frei. Schade, dass das negative Verhalten einiger »schwarzer Schafe« im Management in den letzten Jahren viel gegenseitiges Vertrauen zerschlagen hat. Die Vision einer »gemeinsam getragenen Zukunft« ist ein gewaltiger Treiber für die Veränderungsfähigkeit eines Unternehmens. Ein Beispiel aus dem Tierreich mag die Wirkung einer gemeinsamen Fokussierung verdeutlichen: Jeder einzelne Vogel, der in einem Gänseschwarm mit seinen Flügeln schlägt, bewirkt einen Auftrieb für den ihm nachfolgenden Vogel. So schaffen es Gänse im Schwarm, 71 Prozent weiter zu fliegen, als wenn der Vogel alleine unterwegs ist. Gerade erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Lage sind, diesen Schub zu produzieren. Das Management schafft es, eine gemeinsam getragene strategische Orientierung zu etablieren. Die beiden Wissenschaftler haben fünf Prinzipien entwickelt, die zu einem »strategiefokussierten Unternehmen« (strategy focused enterprise) führen. 1. »Mobilisieren«: Die Strategie ist zu operationalisieren Die Führungskräfte müssen die strategischen Absichten in die logische Arbeitsstruktur des Unternehmens übersetzen. Nur so werden kritische Ziele, Maßnahmen und Messgrößen von den Mitarbeitenden in ihrem Alltag erkenn- und erfüllbar. Dies kann durch die Skizzierung von Strategy Maps oder die Entwicklung von Balanced Scorecards erfolgen. 2. »Transferieren«: Die Strategie ist auf das gesamte Unternehmen auszurichten Ein Unternehmen ist ein komplexes Gebilde mit verschiedenen organisatorischen Einheiten, die oft nach ihren eigenen Vorgaben ticken oder gar ihre eigenen »Strategien« verfolgen. Diese funktionalen »Silos« führen aus strategischer Optik gerne ein Eigenleben. Doch wenn das Unternehmen wirklich mehr als die Summe seiner Teile sein will, muss es diese Silobildung überwinden. Dies ist Führungsarbeit. Hierin liegt ein großes Potenzial für die Schubkraft und das Ausschöpfen interner Synergien. 356
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Die zentralen Einheiten (wie Personal, Weiterbildung, IT, Einkauf) müssen sich ihrer unterstützenden Funktion zur Zielerreichung bewusst sein. Sie können mit den funktionalen Bereichen oder den Geschäftsbereichen Service- und Supportvereinbarungen schließen, welche mithelfen, die strategischen Projekte oder Initiativen zu unterstützen. Das Thema der Strategieausrichtung (Alignment) umfasst auch die Partner des Unternehmens, wie Lieferanten, Händler, Joint Ventures oder Outsourcingpartner. 3. »Ausrichten«: Die Strategie ist jedermanns Angelegenheit Erfolgreiche Führungskräfte nutzen die vielen Ideen von allen Mitarbeitenden für mehr Geschäft oder zur Verbesserung des Ablaufs. Jeder kann einen Beitrag zur Zukunftssicherung in seinem Job leisten. Norton/Kaplan sprechen von der Strategie als »Everyone’s Everyday Job«. Voraussetzung dafür ist aber eine verständliche Kommunikation der strategischen Ausrichtung, um die Sensibilität für das Thema zu stärken. Strategie lässt sich nicht dirigieren, sondern bedarf der Erläuterung in gegenseitiger Kommunikation. Hierzu gehört die Schulung, um neue Kompetenzen zu entwickeln, ebenso wie die Ausrichtung des Vergütungssystems auf die Zielerreichung hin. 4. »Motivieren«: Die Strategie ist ein permanentes Thema Die meisten Unternehmen denken und handeln in Monats- und Quartalsrhythmen. Budgets und operative Pläne dirigieren ein kurzfristiges Verhalten. Dies macht durchaus Sinn. Doch es genügt nicht. Nur Kennzahlen zu interpretieren, Soll-Ist-Abweichungen festzustellen und Kurzfristaktionen abzuleiten vernachlässigt die strategische Dimension. Strategie darf nicht nur einmal jährlich stattfinden. Jedes Zielerreichungsmeeting ist ohne Thematisierung der strategischen Inhalte auf einem Auge blind. 5. »Führen«: Die Strategie muss die Führung für den Wandel bereit machen Die wichtigste Voraussetzung für die Umsetzung der strategischen Absichten ist die Führungsarbeit selber. Die Führung darf daher die strategischen Ziele auch im Trubel des geschäftlichen Alltags nicht aus den Augen verlieren. Wandel und Veränderungen geben die Chance, die Richtung zu wechseln und auf die Strategie hin zu orientieren. Hierzu sind die Kräfte im eigenen Führungsbereich zu mobilisieren. Die Notwendigkeit der Veränderung muss allen klar sein, sie müssen deren Dringlichkeit erkennen und Unterstützung erhalten.
Einschätzung Das Strategy Alignment ist ein leistungsfähiges und praktisch bewährtes System zur Strategieumsetzung und des strategischen Controllings. Es ist weniger zur Formulierung innovativer Strategien geeignet. Doch es konzentriert sich auf die Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
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zentrale Schwäche, dass gute strategische Absichten oft nicht den Weg in den Alltag finden.
Regenerationsfähigkeit: Was Spitzenfirmen besonders machen Die Strategiebücher von Beratern und Wissenschaftlern sind vollgepackt mit Erfolgsstorys, welche ihre jeweiligen Empfehlungen untermauern. Doch all diese Gewinnergeschichten werden instrumental genutzt. Das heißt, sie nützen dem Autor bei der Erklärung seiner These, aber nicht unbedingt dem ratsuchenden Unternehmen. Viele der Erfolgsgeschichten werden zur Theorie »passend« gemacht, anstatt dass strategische Hypothesen professionell in der Realität empirisch getestet werden. Das heißt, dass sich der Erfolg eines Business nicht »wegen einer Theorie«, sondern eher »trotz einer Theorie« eingestellt hat. Zudem werden viele Success-Storys bewusst oder unbewusst zurechtgebogen, so dass sich daraus eine logische, abgerundete »Strategieempfehlung« ergibt. Doch was funktioniert schon »logisch-rational« in unserer heutigen Geschäftswelt? Vieles, was als geplant, beabsichtigt und strategisch erscheint, hat sich im Lauf der Geschäftsentwicklung in vielen kleinen Alltagsentscheidungen »einfach so« ergeben. Wirkliche Unternehmenserfolge basieren selten auf einem großen strategischen Wurf, sondern in den meisten Fällen auf unablässigen Anstrengungen der Führungskräfte und dem Engagement vieler Mitarbeitender. James Collins, Ex-McKinsey-Berater, und Jerry Porras, Professor an der Stanford University, haben eine interessante mehrjährige Studie zum Thema Strategie und Erfolg lanciert.245 Die Forscher stellten sich die Frage: »Was unterscheidet Spitzenunternehmen von sehr guten Unternehmen?« Hierzu haben sie 18 Unternehmen identifiziert, die über Jahrzehnte einen Erfolgskurs mit einer außerordentlichen Performance belegen konnten. Diese Topliga wurde mit den jeweils zweiten der entsprechenden Branche verglichen, also mit Unternehmen, die ebenfalls einen beachtlichen Erfolgsausweis nachwiesen. Diese Referenzfirmen waren ganz und gar nicht erfolglos im Business unterwegs, sondern bewiesen ihre große Kompetenz mit sehr guten Ergebnissen, auch über viele Jahre hinweg. Das durchschnittliche Gründungsdatum der untersuchten Unternehmen war 1897. Seit diesem Stichjahr untersuchten die beiden Forscher die Gilde der Topunternehmen in einer Langzeitperformancestudie über rund 100 Jahre hinweg. Die 18 »Besten der Besten« aus dieser Studie bezeichneten die Forscher als »visionäre Unternehmen«. Visionäre Firmen sind Branchenführer und in ihren 358
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Geschäftsergebnissen Top-Performer. Die Konkurrenz richtet sich in ihrem Verhalten auf diese Spitzenreiter aus. Sie dienen oft auch als Vorbilder für Best Practice oder Benchmarking. Abbildung 62 stellt die visionären Unternehmen zusammen. Hätte man 1926 einen US-Dollar in die Gruppe dieser visionären Unternehmen investiert, so wären daraus Ende 1990 6 556 US-Dollar geworden. Ein Investment in den Dow Jones hätte bloße 455 US-Dollar erbracht, und die Gruppe der Topreferenzen (jeweils die Zweiten der Branche) hätte nur 955 US-Dollar erzielt. Die visionären Unternehmen waren also in ihrer Return-on-Investment-Performance 665 Prozent leistungsfähiger als die »visionsärmeren« Unternehmen und sogar 1 530 Prozent besser als der allgemeine Markt.
Abbildung 62: Liga der Spitzenunternehmen
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Warum sind visionäre Unternehmen so außerordentlich erfolgreich? Wie sichern sich diese Unternehmen den langfristigen Erfolg? • Visionäre Unternehmen verstehen sich nicht – wie man meinen könnte –
als Produktinnovatoren, sondern als »Organisationsinnovatoren«. Taten stehen für sie zuoberst auf der Liste. • Sie setzen nicht auf eine visionäre Geschäftsspitze, sondern fördern bei ihren Führungskräften und Mitarbeitenden engagiertes Denken und Handeln, um das Geschäft vorwärtszutreiben. • Für sie gibt es keine Gegensätze. Sie versuchen nicht entweder das eine oder das andere zu erreichen, sondern streben möglichst beide Ziele zusammen an. Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
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• Die Firmen wollen »authentisch« sein. Echtheit ist wichtig. Sie machen
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nicht jede Managementmode mit, sondern verfolgen ihren Stil konsequent weiter. Hierzu formulieren sie auch eine klare Mission. Ihre Strategie ist nicht von einzelnen Führungskräften abhängig, sondern sie versuchen, möglichst viele von den Absichten zu begeistern. Sie haben das Gefühl, »elitär« zu sein. Diesen Vorsprung sichern sie sich durch ein großes Engagement im Bereich der Weiterbildung. Ihre Zielsetzungen sind anspruchsvoll und hoch gesteckt. Sie schaffen Freiräume für Experimente, um Neues auszuprobieren. Die Führungsinstrumente integrieren sie zu einem Ganzen, das heißt, sie koordinieren Strategien, Planungen, Programme, Projekte, aber auch Werte. Sie konzentrieren sich auch auf (scheinbare) Kleinigkeiten, die ihren Erfolg belegen.
Den beiden Forschern fiel auf, dass diese Firmen ihren Zweck nicht darin sahen, den Shareholder Value (Aktionärsvermögen) unablässig zu vergrößern, sondern strategische Ziele setzten, die man als eine »längerfristige Geschäftsideologie« bezeichnen könnte. Ganz im Gegensatz zur klassischen Doktrin der Business Schools ist für diese Spitzenfirmen nicht die Gewinnmaximierung das oberste Ziel ihres Handelns. Sie fühlen sich durch und durch von ihrer Geschäftsidee beseelt. Diese Idee motiviert Führungskräfte und Mitarbeitende nachhaltig, setzt kreative und inspirierende Kräfte frei und gibt allen das Gefühl, sich für etwas Sinnvolles einzusetzen. Eine finanzielle Zielsetzung könnte eine derartige Breitenwirkung nie entfalten. Doch die Geschäftsideologie motiviert nicht nur, sie gibt auch Schub und Richtung für die Gestaltung der Zukunft. Die Unternehmen der Topliga bewahren ihre ideologischen Kernwerte und stimulieren gleichzeitig ihre Entwicklung. Erstaunlich ist, dass diese Spitzenfirmen weder brillantere, charismatischere, kreativere oder cleverere Strategen als alle anderen Unternehmen waren. Doch sie besitzen die Fähigkeit, komplexe Geschäftszusammenhänge auf einen einfachen Punkt zu bringen. Daraus leiten Collins und Porras folgende drei strategische Gestaltungsprinzipien ab: 1. Unternehmensidee vor Produktidee (englisches Motto: Clock building, not time telling) Nicht das Erbringen der Leistung steht im Zentrum, sondern das Etablieren eines stabilen, robusten Systems zur Leistungserstellung. Mitarbeitende und Führungskräfte sind eher an einer das Alltagsbusiness überragenden Geschäftsidee orientiert als an den Produktideen selber. 2. Wider die Tyrannei des Entweder-oder (englisches Motto: No tyranny of the »or«) 360
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Die Topunternehmen sind bestrebt, widersprüchliche Zielsetzungen unter einen Hut zu bringen. Sie setzen auf Kostensenkung, Qualitätssteigerung und Innovation gleichzeitig. Sie leben dem »Sowohl-als-auch« nach anstatt dem »Entweder-oder«. Eine reine Lehre gibt es nicht. Business muss Kompromisse eingehen. 3. Kernwerte statt Profitorientierung (englisches Motto: More than profits: preserve the core, stimulate progress) Die Fixierung auf den Gewinn greift zu kurz. Eine Kernideologie zeigt umfassendere Wirkungen. Doch auch das krampfhafte Festhalten an einer Kernideologie wäre falsch. Sie muss die Fähigkeit zur Anpassung an Neues in sich tragen, aber ohne ihre eigene Linie aufzugeben. Um diese strategischen Gestaltungsprinzipien umzusetzen, bieten die beiden Autoren folgende fünf Methoden an: 1. Konzept des »BHAG« (BHAG = Big Hairy Audacious Goals) Auffallend ist, dass sich die Spitzenunternehmen äußerst anspruchsvollen Zielsetzungen widmen. »BHAG« sind »große«, »haarige« und »kühne, etwas unverfrorene« Zielsetzungen. Sie streben nach oft verwegenen, riskanten, gewagten Zielen. So verfolgte beispielsweise Nike in den 60er Jahren das Ziel »Crush Adidas«, Honda in den 70er Jahren »Yamaha Wo Tsubusu«, was übersetzt heißt »Wir zermalmen, quetschen und schlachten Yamaha«, oder die Stanford-Universität in den 40er Jahren »Wir werden die Harvard-Universität des Westens«. Derartige Zielsetzungen sind von Leidenschaft, Gefühl und Überzeugung geprägt. Sie beleben die Vorstellungskraft der Mitarbeiter und sind daher oft einfacher fassbar als gewöhnliche technisch-abstrakte Zielsetzungen der Geschäftsleitungen. 2. Konzept der »Kult-Kultur« (cult-like cultures) Unternehmen sollten ihre Kultur beachten und pflegen. Google ist ein aktuelles Beispiel für ein Unternehmen, welches mittels Architektur, Einrichtung, Führungsprinzipien, Arbeitsstil und Personalwahl seine kulturelle Geschäftsdimension zeigt. 3. Konzept der »Ideenumwälzung« (Try a lot of stuff, keep what works) Mehr Ideen sind besser als wenige. Diese Ideen- und Meinungsvielfalt gilt es zu fördern und vor allem auch zuzulassen. So werden neue Ideen auch gehört und in Entscheidungsprozessen einbezogen. 4. Konzept der »Führung von innen« (home-grown management) Unternehmen sollten ihre Führungscrew von innen entwickeln und nur in seltenen Fällen Top-Positionen von außen besetzen. Nur so kann sich eine Strategie im Alltag: Mit der Strategiekarte unterwegs
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produktive längerfristige Ideologie (die aber auch zum Wandel fähig sein muss) entwickeln. 5. Konzept der »kontinuierlichen Verbesserung« (Good enough never is) Ganz im Sinne der asiatischen Orientierung auf die kontinuierliche Verbesserung existiert ein »gut« für Spitzenunternehmen nicht, sondern immer nur ein »besser«. Die Spitzenunternehmen setzen auf ihre ganz spezifische Kernideologie, die ihr Wesen charakterisiert. Auch wenn sich ihre Strategien und Taktiken immer wieder den Notwendigkeiten des Marktes, der Kunden oder der Wettbewerber anpassen, leben sie ihr Wertesystem. Diese überdauernden Prinzipien sind vor allem für die Führungskräfte und Mitarbeitenden ein Fixstern in Zeiten hoher Veränderungen. Derartige Unternehmen sind »built to last«, das heißt, sie bauen Grundstrukturen, die den Wogen der Veränderung im Business standhalten. Konzentriert sich ein Unternehmen nur auf Aktionen wie Kostensenkung, Restrukturierung und kurzfristige Gewinnmaximierung, so ist auch die Einstellung der Mitarbeitenden dem Unternehmen gegenüber eine völlig andere. Konträr anders funktionieren Start-ups oder viele internetbasierte Unternehmen, die von Anfang an auf Strukturen, Prozesse und Systeme bauen, die man als »Wegwerforganisation« mit »Wegwerfstrategien« bezeichnen kann. Diese Unternehmen sind in der Sprache von James Collins »built to flip«, also nur für den Moment gebaut.246 Sie haben eine Aufgabe wie den Start-up zu erfüllen, sind nur Mittel zum Zweck und werden nach Erledigung rekonfiguriert. Dies gilt auch für die strategische Grundhaltung der Führungscrew, die sich jederzeit markt- oder eignerbezogen verändern kann. Derartige Konstellationen eigenen sich nur für die kurze Zeit des Aufbaus, sind aber dann in feste »Built-to-last«-Strukturen zu überführen. Damit wird deutlich, dass eine clevere Strategie für nachhaltigen Erfolg zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist. Die Strategie muss von den Führungskräften und Mitarbeitenden mit Engagement getragen werden. Die Unternehmenskultur soll dem Ganzen den notwendigen Schub verleihen. Erfolg oder Misserfolg ist von vielen Faktoren abhängig. Die größten strategischen Fehler sind aber keine Folge davon, dass das Management strategisch relevante Entwicklungen und Chancen im Markt oder im weiteren Umfeld verpasst. Das Hauptproblem ist, dass die Führungscrew kulturellen Aspekten und »ideologischen Themen« zu wenig Beachtung schenkt.
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Strategiekritik: Warum Strategie nicht funktioniert, aber notwendig ist
Die Fähigkeit, schneller als die Konkurrenz zu lernen, ist vielleicht der einzig wirkliche Wettbewerbsvorteil der Zukunft. Arie de Geus
Strategische Praxis: Zwischen Lust und Frust Das amerikanische Businessmagazin Fortune berichtet, dass nur etwa 10 Prozent der Strategien erfolgreich von Unternehmen in der Geschäftspraxis umgesetzt werden.247 Dies ist erstaunlich wenig. Der gerne mit seinen Thesen provozierende Managementexperte Tom Peters bemerkt dazu lakonisch, dass die Einschätzung der Zeitschrift sogar »enorm überrissen« sei. Dies wirft ein Licht auf den Zustand des heute praktizierten strategischen Managements. Viele wagen sich mit großer Freude an das Thema, sind aber von seinen Resultaten enttäuscht. Die strategische Planung büßte in manch einem Unternehmen viel von ihrem Image als »Schlüssel für bahnbrechenden Erfolg« ein. Eigentlich erstaunt dies nicht, wenn man bedenkt, wie »wolkenartig« der Begriff der »Strategie« definiert wird. Wir wissen zwar intuitiv, was eine Strategie ist, doch »griffig« fassen lässt sie sich nur schlecht. Jeder Autor hat hierfür seine eigene Definition zur Hand. Auch die Wissenschaft und die professionelle Beratung haben uneinheitliche Vorstellungen. Wenn man das Gebiet genauer durchforstet, so entdeckt man, dass man für viele strategische Empfehlungen im Nu ein Gegenrezept findet. Hier stellt sich nun die Frage: Wieso kommen wir im Business doch nicht ohne Strategien aus? Management heißt, heute Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Der Job des Managers lässt ihm keine andere Wahl, als die Zukunft seines Geschäftsumfelds zu antizipieren, sich zu überlegen, mit welchen Angeboten er seine Kunden faszinieren könnte, wie er die oft widersprüchlichen Interessen verschiedener Gruppen ausbalanciert und wie er seinen Mix aus kurz- und langfristigen Zielen optimiert. Hierbei hilft ihm die Strategie, da sie seinem Denken und Handeln Richtung gibt. Strategisches Denken führt dazu, dass die eigenen Fähigkeiten und Stärken erkannt, attraktive Chancen und potenzielle Risiken abgeschätzt und HandStrategiekritik: Warum Strategie nicht funktioniert, aber notwendig ist
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lungsalternativen beurteilt werden. All dies verbessert den Entscheidungsprozess. Die einzige Alternative hierzu wäre ein »Sich-Durchwursteln«.
Geschäftsparadigma: Den wahren Gegner kennen Nicht die aggressiven Konkurrenten sind die Verhinderer einer attraktiven Strategie. Es ist auch nicht der Staat mit seiner Steuer- und Standortpolitik oder irgendwelche schwerfälligen Verbandsstrukturen. Den wahren Gegner einer Strategie tragen wir unseren Köpfen herum. Es ist das »Paradigma«. Der Wissenschaftstheoretiker Thomas Samuel Kuhn versteht unter einem »Paradigma« ein vorherrschendes Denkmuster, welches das Handeln lenkt.248 Dieses bestimmt die Art der Fragen, die zugelassen werden, wie Sachverhalte definiert und Ereignisse interpretiert werden. In der Praxis spricht man in diesem Zusammenhang oft auch von Betriebsblindheit. Die Managementlehre verwendet hierfür den Begriff der »dominanten Geschäftslogik«, die das Denken in gewohnte Bahnen lenkt und Ereignisse in bekannten Mustern erscheinen lässt. Die dominanten Denkmuster führen zu dominanten Handlungsmustern. Wie kommt es dazu? Menschen streben nach Konsens und Harmonie in der Gemeinschaft. Der Psychologe Irving Janis spricht in diesem Zusammenhang von »Groupthink« (Gruppendenken).249 Die eigene Meinung wird immer ein Stück weit an die vermutete Gruppenmeinung angepasst. Dies kann zu Konstellationen führen, bei denen die Gruppe einen Sachverhalt positiv bewertet, die einzelnen Mitglieder aber zum umgekehrten Schluss kommen würden. Die dominante Geschäftslogik250 und der Druck der Gruppe verengen den Spielraum des individuellen Denkens wie auch das Spektrum möglicher Ideen und Lösungen. Die Kreativität wird reduziert, und die Gruppe neigt dazu, bekannte, akzeptierte Entscheidungsregeln anzuwenden. Das Ergebnis dieses Prozesses ist offensichtlich: Tendenz zum Konventionellen, zur Durchschnittslösung und zum »Herdenverhalten«. Dominante Denkmuster finden sich überall, wo Menschen zusammen sind: in der Familie, in der Projektgruppe, in Verbänden, in der Branche, in der Geschäftsleitung und im Aufsichtsrat. Charismatische Persönlichkeiten oder eine engagierte Führungscrew setzen Standards des Denkens und Verhaltens, etablieren Regeln und Routinen des »Doing Business around here«, die sich zu Dogmen für das ganze Unternehmen entfalten. Je erfolgreicher ein Unternehmen, umso tiefer setzt sich dieses Denkmuster in den Köpfen fest. Die Lern- und Wissenschaftstheorie zeigt, dass wir uns immer wieder in unserem individuellen und sozialen Verhalten auf derartige Denk- und Handlungsmuster ausrichten. Wir nehmen überall ein Stück dieser Muster aus Fa364
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milie, Freundeskreis, Verein, Unternehmen, Kirche oder aus unserer Nation mit. Erfolgreiche Regeln haben aber auch etwas Gutes: sie funktionieren meistens. Damit erleichtern sie unser Handeln im Alltag. Aber sie funktionieren eben nur meistens. Und in Zeiten hektischer Turbulenzen und gravierender Veränderungen greifen diese Rezepte weniger gut und weniger lange. Das Geschäftsparadigma ist die größte Hürde für die Kreation innovativer Strategien. Dieser »Gegner« in unseren Köpfen muss von Strategen erkannt werden, um Chancen für gedankliche Auswege aus dem gewohnten Muster zu finden. Paradigmen haben einen weiteren Nachteil: Sie sind so ansteckend wie Viren. Neue Mitarbeiter sind oft noch nicht durch die vorherrschenden Ansichten kontaminiert. Sie denken und handeln daher frei nach ihrer eigenen Logik. Doch dabei ecken sie immer wieder unliebsam an, bis sie durch die soziale Anpassung zu »Normalos« werden. Erfolgreiche Unternehmer sind sich dessen bewusst. Von Steve Jobs, dem Gründer und CEO der Apple Inc., stammt das Bekenntnis: »Im Business sind Routine und Dogma meine größten Feinde.« Und die engagierte, unkonventionelle deutsche Unternehmerin Beate Uhse merkt an: »Nicht die eingespielte, harmonische Routinearbeit bringt ein Unternehmen nach vorne.«251 Richtig. Es ist das offene, freie, radikale, strategische Querdenken. Dieses Denken, welches die blinden Flecken des Gewohnten durchbricht, wird durch den Abbau von Arroganz und Herrschaftswissen ermöglicht. Hierfür sind die notwendigen Konstellationen zu schaffen, die zulassen, dass in Strategieprozessen auch die Geschäftsdogmen selbst zur Disposition stehen. Wie können derartige Konstellationen entworfen werden? Es empfiehlt sich, möglichst unterschiedliche Sichtweisen auf das strategische Themenfeld zu werfen. Bei der Gestaltung der Zukunft darf es keine Tabuzonen geben. Hierzu können Kunden, Mitarbeitende, Berater, Trendforscher, Designer, Lieferanten oder andere kritische Außenstehende für bestimmte Fragestellungen in den Strategieprozess einbezogen werden.
Strategie-Rezepte: Wundermittel für den Erfolg? Die Reise durch die Strategielandschaft hat gezeigt, dass es viele Hebel gibt, die mehr oder minder wirksam zum Erfolg führen. Doch diese Hebel eignen sich oft nur in bestimmten Unternehmens- und Marktkonstellationen. Eines steht fest: Eine generell gültige Erfolgsstrategie ist bis dato nicht gefunden. Es ist fraglich, ob es diese angesichts der immensen Komplexität des Business und der Märkte überhaupt gibt. Strategisches Management ist keine Rezeptlehre. Strategiekritik: Warum Strategie nicht funktioniert, aber notwendig ist
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Es zeigt aber, welche Themen für Unternehmer und Führungskräfte zur Zukunftsgestaltung wichtig sind. Viele verfolgen eine Strategie und versagen trotzdem. Warum? Dies kann vielseitige Ursachen haben: • Die Führungskräfte verfügen nur über ein lückenhaftes Strategieverständ-
nis. • Sie unterlassen es, ein »Feu sacré« zu entfachen, denn eine Strategie ist im-
mer nur so wirksam wie das Engagement der Beteiligten. • Strategien bringen oft nicht die erwarteten Resultate, weil »heroische Ma-
nager« am Werk sind. Woran erkennt man diese Managementhelden? Henry Mintzberg bemerkt hierzu: Derartige Führungskräfte ignorieren das heute bestehende, gewachsene Unternehmen. Sie wollen komplett am Neuen ansetzen und radikal »alles« ändern. Helden treten gerne dramatisch auf, setzen überzogene Ziele, suchen aufmerksamkeitserregende Deals und möchten das Unternehmen nachhaltig vergrößern. Sie sind mehr an der Gegenwart und weniger an der langfristigen Zukunft interessiert. Helden hören auch eher auf Berater als auf Insider. Sie fördern die Veränderung an allen Ecken und Enden des Unternehmens, sind risikofreudig und lieben das Reorganisieren. Zudem ist der Aktienkurs für sie der Maßstab für ihre persönliche Performance. Sie arbeiten nach dem Prinzip »Cash and run« (Kassiere und hau ab!). Helden missachten die Kultur und Geschichte des Unternehmens. Ein derartiges Management führt zu Pleiten, Pech und Pannen. Es ruiniert die Fundamente des Unternehmens. Daher fordert der Managementexperte Henry Mintzberg im Bereich der Ausbildung von Führungskräften und Strategen ein radikales Umdenken. • Die wichtigste Aufgabe einer Führungskraft ist die Überführung einer Strategie in konkrete, sichtbare, spürbare und messbare Resultate. Strategische Ziele finden ihren Sinn in Ergebnissen. Dem Aspekt der Umsetzung strategischer Absichten wird gerne zu wenig Beachtung geschenkt. Die Formulierung von strategischen Zielen und Absichten ist wohl ein sehr wichtiger Schritt für den Erfolg eines Unternehmens, aber alleine nicht ausreichend. Jede Strategie bleibt ohne eine darauf ausgerichtete Führung, funktionierende Managementsysteme und engagierte Detailarbeit im Alltag Wunschdenken. • Generell wird kritisiert, dass sich die Strategiearbeit zu stark auf die Analyse konzentriert und sich zu wenig um die Synthese kümmert.252 Es ist leichter, Datenberge zu analysieren, anstatt neue Geschäftsideen zu entwerfen. Die vielen Schemen, Verfahren und Tabellen faszinieren den Betrachter. Und schon ist er vom Virus der »Analysitis« infiziert. Zudem haben viele Planer die Tendenz, quantitativen Hard Facts eine höhere Bedeutung beizu366
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messen als den weicheren Daten wie Meinungen, Ansichten, Vorstellungen oder Ideen. Strategie lebt aber gerade von diesen Ideen und Impulsen. Strategie ist nicht nur Analyse, sondern vor allem ein schöpferischer Akt. Planer kümmern sich um Methoden und Instrumente statt um Inhalte, Themen oder Herausforderungen. Die Methodenfixierung kann das strategische Denken einengen. Nachteilig ist, dass sich in vielen Unternehmen nur ein auserkorenes Gremium mit dem »Big Picture« der Zukunft auseinandersetzen darf. Die anderen müssen sich mit strategischen Bruchstücken zufriedengeben. Sie bekommen Pläne, Meilensteine, Programme oder Führungsziele »zum Umsetzen«. Wird hier das mögliche Potenzial genutzt? Strategiemeetings finden in den meisten Unternehmen an festen Jahresterminen statt. Treten unerwartete Ereignisse im Markt oder durch das Verhalten der Wettbewerber auf, passt dies nicht zum logischen Planungszyklus. So werden wichtige Strategiethemen, wenn es sich nicht gerade um bedrohliche Ereignisse handelt, auf die geplanten Meetings verschoben. Ein so verstandenes Planungsprozedere führt geradewegs in eine »unternehmerische Arteriosklerose«. Negativ wirkt sich die Ausrichtung auf die Spitzenunternehmen der Branche aus. Es ist zwar richtig und wichtig, die Branchengeschehnisse im Auge zu behalten, aber clevere Geschäftsideen lassen sich auch in anderen Branchen finden. Diese sind sinnvoll zu transferieren. Branchen-Benchmarking unterstützt das Aufholen, Innovationsleader-Benchmarking das Überholen. »Wichtigkeit« und »Dringlichkeit« sind nicht strategisch. Wichtige Verkaufsziele, wichtige Personalziele, wichtige Beschaffungsziele sind nicht zwingend strategisch. Strategie sucht das Übergreifende, nach dem springenden Punkt, dem großen Zusammenhang, dem nächsten entscheidenden Schritt. Untersuchungen zeigen, dass nur 40 Prozent der mittleren Führungskräfte und weniger als 5 Prozent der Mitarbeiter die Vision ihres Unternehmens verstehen. Wird denn eine Strategie nur für den kreditgebenden Banker entwickelt? In vielen Unternehmen sind die Zielsetzungen und das Entlohnungssystem nicht oder nur schwach vernetzt. Anreize haben nur selten einen strategischen Bezug. Diese sind mit den Quartals-, Semester- oder Jahresergebnissen verknüpft anstatt mit längerfristigen strategischen Zielsetzungen. Nur 50 Prozent der oberen Führungskräfte, 20 Prozent des mittleren Managements und nur 10 Prozent der Mitarbeiter haben strategiebezogene Anreize. Die Ressourcenzuteilung erfolgt in den wenigsten Fällen strategiebezogen. Meistens werden die »lautstärksten« und nicht die strategischen Bereiche vorrangig mit Ressourcen bedacht. Strategiekritik: Warum Strategie nicht funktioniert, aber notwendig ist
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• Die Kommunikation im Unternehmen ist oft zu stark auf das laufende Ge-
schäft ausgerichtet und weniger auf strategische Fortschritte. 45 Prozent der Führungskräfte wenden keine Zeit für strategische Fragen auf. 85 Prozent setzen für strategische Themen weniger als eine Stunde pro Monat ein.253 Die obigen Erkenntnisse belegen, dass man mit operativen Instrumenten den strategischen Fortschritt eher schlecht als recht führen kann.
Das Ende strategischer Regentänze: Strategie für Revolutionäre Viele der Planungs- und Strategie-Events, die in Unternehmen alljährlich stattfinden, sind mit einem Regentanz der Eingeborenen am Ende der Trockenzeit vergleichbar.254 Sie sind zum Ritual verkommen. Jeder Regen, der später einmal fallen wird, belegt dann natürlich den perfekten Tanz der Ausführenden. Doch Tanzen und Wetter sind voneinander unabhängige Ereignisse. Praktiker müssen sich bewusst sein, dass sie nicht das Tanzen verbessern sollten, sondern ihr Verständnis der komplexen Wetterzusammenhänge. Auch die Beratergilde kümmert sich in erster Linie um die Tanzakrobatik, um die Huldigung aufwändiger Prozedere und weniger um die Vorhersage der Wetterkonstellationen. Gary Hamel und C. K. Prahalad empfehlen in Wettlauf um die Zukunft, dass Führungskräfte sich weniger um ihre jährlichen Strategierituale kümmern sollten.255 Mehr Engagement ist dem strategischen Denken (strategizing) zu widmen. Der Strategieexperte Gary Hamel hat diese Idee weiterentwickelt. Strategie ist als »radikale Geschäftsinnovation« zu verstehen. Das heißt, auch kritische Themen, Grenzbereiche, Unkonventionelles und Radikales müssen auf den Tisch. Um dem Strategischen wieder mehr Gewicht zu geben, hat Gary Hamel zehn Prinzipien für ein neues Strategieverständnis erarbeitet.256 1. Strategien müssen wirklich »strategisch« sein. Strategieprozesse dürfen nicht »routinisiert« werden; sie müssen sich vor allem mit dem Neuen, Unerwarteten und Veränderten auseinandersetzen. 2. Strategien müssen subversiv sein. Strategisches Denken rüttelt an den Grundfesten des Business. Dieses »Rütteln« ist die Voraussetzung für revolutionäre Ideen. 3. Erfahrung ist ein schlechter Ratgeber für die Zukunft. Erfolgreiche Erfahrungen sind für die Zukunftsgestaltung gefährlich. Was gestern noch galt, kann strategisch morgen schon obsolet sein. Vor allem 368
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langgediente Führungskräfte auf den oberen Hierarchieetagen verteidigen gerne vehement die heute existierende Geschäftsordnung. Revolutionäre sind gefragt. Wer frisches Denken in den Strategieprozess einbringen will, sollte auf der Suche nach Querdenkern, Nonkonformisten, Impulsgebern und Visionären sein. In jedem Unternehmen finden sich derartige Personen, die sich für einen Wandel einsetzen. Die Beteiligung der Betroffenen ist anzustreben. Immer wieder hört man, dass Individuen den Wandel scheuen. Dem ist nicht so. Sie möchten nur verstehen, wohin die strategische Reise in die Zukunft gehen soll, warum Veränderungen gerade jetzt notwendig sind und welchen Beitrag sie leisten können. Kommunikation zu strategischen Themen ist ein Wesensmerkmal erfolgreicher Strategieumsetzung. Die Strategieentwicklung ist zu demokratisieren. Strategien sollten nicht in einem kleinen professionellen Zirkel erfolgen. Je mehr Ideen zusammenkommen, umso fruchtbarer und reichhaltiger wird die Strategieentwicklung. Strategieaktivisten sind gesucht. Nicht nur die oberste Geschäftsleitung hat sich um die Realisierung von Strategien zu kümmern. Dies ist zentrale Aufgabe jeder Führungskraft. Auch die Mitarbeiter sollten wichtige strategische Absichten kennen, um im Geschäftsalltag entsprechend zu agieren. Vielfalt ist »Gold« wert. Innovation entsteht durch eine neue Sicht des Bekannten. Je mehr neue Sichtweisen der Dinge und Sachverhalte zusammenkommen, umso innovativere Prozesse entfalten sich. Die Strategieentwicklung hat »top down« und »bottom up« zu erfolgen. Sowohl von oben nach unten als auch von unten nach oben sollten die Situationsbeurteilungen und strategischen Ideen fließen. Das Ende kann nicht der Ausgangspunkt sein. Es kann nicht von Anfang an klar sein, welche Lösungen gefunden werden. Die strategischen Ergebnisse müssen auch nicht allen Führungskräften passen, sondern verfolgen nur den einzigen Zweck, das Business vorwärtszubringen.
Die beiden McKinsey-Berater Lowell L. Bryan und Claudia I. Joyce bemerken in ihrem aktuellen Buch richtigerweise, dass die Unternehmenszukunft in erster Linie durch die »Mobilisierung der Köpfe« erfolgt.257 Die bessere Geschäftsidee schlägt die gute. Erfolg im Wettbewerb ist zu einem »Brain Game« geworden, einem Spiel um das cleverere Geschäftskonzept. Um aus einem normalen Geschäft ein »Smart Business« zu machen, kann das strategische Strategiekritik: Warum Strategie nicht funktioniert, aber notwendig ist
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Management einen nachhaltigen Beitrag leisten. Ideen, Vorschläge, Erkenntnisse und Impulse bietet es hierzu viele. Fertige Rezepte wenige. Abschließend kann hier nur nochmals betont werden, dass der Businesserfolg (fast immer) eintrifft, wenn es dem Management gelingt, nicht nur die Köpfe zu mobilisieren, sondern auch die Hände und Herzen der Mitarbeitenden.
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Anmerkungen
1 vgl. auch Steinmann, Horst; Schreyögg (2005). 2 vgl. Porter, Michael E. (1999), S. 15 ff. 3 vgl. Mintzberg, Henry; Lampel, Joseph B.; Quinn, James B.; Ghoshal, Sumantra (2002), S. 12 ff. 4 vgl. Mintzberg, Henry; Waters, J. A. (1985), S. 257 ff., und Mintzberg, H.; Ahlstrand, B.; Lampel, J. (1998). 5 vgl. Hamel, Gary (2000), S. 34. 6 vgl. Kirsch, Werner (1997), S. 290 ff. 7 vgl. hierzu auch Müller-Stewens, Günter; Lechner, Christoph (2001), S. 13. 8 vgl. Gälweiler, Aloys (2005), S. 26; auch: Bleicher, Knut (2004); sowie Malik, Fredmund (1996), S. 180 ff. 9 vgl. Pümpin, Cuno; Amann, Wolfgang (2005), S. 28; auch Welge, Martin K.; AlLaham, Andreas (2007). 10 vgl. Toffler, Alvin (1983); Toffler, Alvin (1987); Kahn, Herman (1983); Naisbitt, John (1988); auch Ulrich, Hans (2001). 11 vgl. Ansoff, Igor H. (1984), S. 462 ff. 12 vgl. Mintzberg, H.; Ahlstrand, B.; Lampel, J. (1998); und auch: Mintzberg, H.; Lampel, J. (2003). 13 vgl. Andrews, Kenneth (1987). 14 vgl. Ansoff, H. Igor (1965). 15 vgl. Porter, Michael E. (1996), S. 61 ff. 16 vgl. Peters, Thomas J.; Waterman, Robert H. (1982). 17 vgl. Bogner, William C.; Thomas, Howard (1993), S. 51 ff. 18 vgl. Quinn, James (1980). 19 vgl. Pettigrew, Andrew; Whittington, Richard; Thomas, Howard (2006). 20 vgl. Black, Richard J. (2003). 21 vgl. Hannan, Michael T.; Freeman, John (1989). 22 vgl. Mintzberg, Henry (1983). 23 vgl. Ulrich, Hans (1984), S. 312. 24 vgl. Simon, Herrmann; von der Gathen, Andreas (2002). 25 vgl. Rüegg-Stürm, Johannes (2003); vgl. auch Bleicher, Knut (2004); vgl. Porter, Michael (2008), S. 78 ff. 26 vgl. zur Strategieaktualisierung auch: Scheuss, Ralph (2008). 27 vgl. Andrews, K. R. (1987), S. 21.
Anmerkungen
371
28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58
372
vgl. Rappaport, Alfred (1998); vgl. kritisch auch: Kennedy, Allan A. (2001). vgl. Carroll, A. B.; Buchholtz, A. K. (2002). vgl. Hamel, Gary; Prahalad, C. K. (1993), S. 75 ff. vgl. Hamel, Gary (1996), S. 69 ff. vgl. Tichy, Noel (1983). vgl. Hamel, Gary; Välikangas, Liisa (2003). vgl. Hamel, Gary (2002); vgl. Scheuss, Ralph (2008). vgl. Abell, Derek F. (1978), S. 21 – 28; vgl. auch Boone, Louis E.; Kurtz, David L. (2005), S. 48. vgl. Hirsch, E. D.; Kett, J. F.; Trefil, J. (Ed.) (2002). vgl. Seidel, Eberhard; Jung, Rüdiger; Redel, Wolfgang (1988). vgl. hierzu Harvard Businessmanager (Edition), »Die besten Ideen von Peter F. Drucker – Wegweisende Beiträge des Managementvordenkers zu Personalführung, Organisation und zur Rolle von Unternehmen in der Wissensgesellschaft«, in: Manager Magazin, Ausgabe 3/2006. vgl. u. a.: Bennis, Warren G. (1994). vgl. Malik, Fredmund (2006). vgl. Sun Tzu (2007). vgl. Bartsch, Bernhard (2006). vgl. von Ghyczy, Tiha; von Oetinger, Bolko; Bassford, Christopher (2001); von Oetinger, Bolko (2003). vgl. Clausewitz, Carl von (2003). vgl. Manas, Jerry (2006). vgl. Levinson, Jay Conrad (2008). vgl. hierzu Welch, Jack; Welch, Suzy (2005); Welch, Jack; Welch, Suzy; Pelz, Michaela (2007); Welch, Jack; Byrne, John A. (2003). vgl. Morris, Betsy (2006). unter ihnen John Chambers von Cisco, Nevill Isdell von Coca-Cola, Art Levinson von Genentech und Anne Mulcahy von Xerox. vgl. hierzu auch: Senger, Haro von (2007); Senger, Haro von (2006). vgl. Perreault Jr., William D.; McCarthy, E. Jerome; Cannon, Joseph P. (2006); und vor allem auch Kotler, Philip; Keller, Kevin Lane (2007). vgl. Bitner, Mary Jo; Booms, Bernard H. (1981); vgl. auch Aaker, David A. (2007). vgl. Lauterborn, Robert (1990), S. 26 ff.; vgl. Schultz, Don E.; Tannenbaum, Stanley; Lauterborn, Robert F. (1996); vgl. hierzu auch Scheuss, Ralph (2008). vgl. hierzu Kotler, Philip; Armstrong, Gary; Saunders, John (2006). vgl. Yoon, Youngme (2005), S. 52 ff. vgl. Gadiesch, O.; Gilbert, J. (1998), S. 141 ff.; vgl. auch www.bain.com vgl. Levitt, Theodore (2006), S. 1 ff. vgl. Buzzel, R.; Gale, B. (1987); Mintzberg, H.; Ahlstrand, B.; Lampel, J. L. (1998); Tellis, G.; Golder, P. (1996); vgl. Neubauer, F. F. (1999); vgl. auch Beratungsanbieter www.pimsonline.com, Malik MZSG – PIMS® – Profit Impact of Market Strategy, und Malik Fredmund (1987), S. 53 – 60.
Handbuch der Strategien
59 vgl. auch: www.bcg.de/bcg/klassiker/index.jsp 60 vgl. auch Hinterhuber, Hans H. (1992). 61 vgl. Schneider, Dietram (2005); Baum, Heinz-Georg; Coenenberg, Adolf G.; Günther, Thomas (2006). 62 vgl. Channon, Derek F. (Ed.) (1999), S. 158 ff.; vgl. Egan, Colin; Thomas, Michael J. (1998), S. 89 ff.; vgl. auch Sommerlatte, Tom; Walsch, Ian S. (1993), S. 322 ff. 63 vgl. Hutzschenreuter, Thomas (2006). 64 vgl. A. T. Kearney Consultants: www.growth-excellence.com 65 vgl. Greiner, Larry E. (1994), S. 322 ff. 66 vgl. Ansoff, H. Igor (1999). 67 vgl. auch Pepels, Werner (1998), S. 110 ff. 68 vgl. hierzu auch Meffert, Heribert (2000), S. 246; vgl. Kreikebaum, Hartmut (1997), S. 134. 69 vgl. Zook, Chris (2004); vgl. Zook, Chris (2007). 70 vgl. Zook, Chris; Allan, James (2001). 71 vgl. Ansoff, Igor; Lindsey, Linda; Beach, Stephen (1990). 72 vgl. Palich, L. E.; Cardinal, L. B.; Miller, C. C. (2000), S. 155 ff. 73 vgl. auch www.franchiseportal.de 74 vgl. Underhill, Tim (1996); vgl. auch Hamel, Gary; Doz, Yves L.; Prahalad, C. K. (1989), S. 139 ff. 75 vgl. Doz, Yves L.; Hamel, Gary (1998). 76 vgl. Anderson, Chris (2007). 77 vgl. Brynjolfsson, Erik; Hu, Jeffrey Yu; Smith, Michael D. (2006), S. 67 ff. 78 vgl. Pohl, Gerrit (2006) 79 vgl. Porter, Michael E. (1999). 80 in Anlehnung an Yip, George (2003), S. 171. 81 vgl. Porter, Michael (2008), S. 83. 82 vgl. vor allem Kapitel 3 in Porter, Michael E. (1999). 83 vgl. Porter, Michael (2008), S. 78 ff. 84 vgl. Porter, Michael E. (1999), vgl. auch Burgess, G. H. (1989). 85 Beachte: Die Value Chain (Wertkette) ist nicht mit der Supply Chain (Wertschöpfungskette) zu verwechseln. Die Supply Chain wird auch als Liefer- oder Versorgungskette bezeichnet. Diese fasst die Wertbeiträge aller Komponenten eines Produkts von der Idee bis zu seiner Vermarktung über alle Stufen der Wertschöpfung über verschiedene Unternehmen zusammen. Die Value Chain hingegen betrachtet die Wert- und Kostenkomponenten in nur einem einzigen Unternehmen (vgl. www.supply-chain.org). 86 vgl. insbesondere auch Gilbert, X.; Strebel, P. (1991), S. 28 ff.; vgl. auch Scheuss, Ralph (2007); vgl. auch Müller-Stewens, Günter; Lechner, Christoph (2001), S. 201 ff. 87 vgl. Fleck, Andree (1995). 88 vgl. insbesondere Hamel, Gary; Prahalad, C. K. (1995). 89 vgl. Pümpin, Cuno (2005); vgl. auch Pümpin, Cuno; Geilinger, Hans (1988).
Anmerkungen
373
90 vgl. thinkers50.com 91 vgl. Collis, David J.; Montgomery, Cynthia A. (1995), S. 118 ff. 92 vgl. Pfeffer, Jeffrey; Salancik, Gerald R. (1978); und Prahalad, C. K.; Hamel, Gary (1990). 93 Prahalad, C. K.; Hamel, Gary (1990), S. 79 ff.; Hamel, Gary; Prahalad, C. K. (1995); vgl. auch die Überlegungen von Pümpin, Cuno; Amann, Wolfgang (2005). 94 vgl. Barney, J. B. (1991), S. 99 ff.; vgl. auch Marquardt, Gernot (2002); vgl. Krüger, Wilfried; Homp, Christian (1997). 95 vgl. Cohen, W.; Levinthal, D. (1990), S. 128 ff.; vgl. dazu auch Zahara, S. A.; George, G. (2002), S. 185 ff. 96 vgl. Teece, D. J.; Pisano, G.; Shuen, A. (1997), S. 509 ff.; vgl. auch Helfat, Constance E.; Finkelstein, Sydney; Mitchell, Will; Peteraf, Margret; Singh, Habir; Teece, David; Winter, Sidney G. (2007). 97 vgl. hierzu auch die Arbeiten von Krystek, U.; Müller-Stewens, G. (1993), Burmeister, K.; Neef, A.; Albert, B.; Glockner, H. (2002); Gomez, Peter; Probst, G. J. B. (2002). 98 vgl. auch Eisenhardt, K. M.; Martin, J. A. (2000), S. 368 ff.; vgl. Möhlenbruch, Dirk; von Wichert, Gesa (2007). 99 vgl. auch Proff, Heike (2007). 100 vgl. Werner, Hartmut (1996), S. 23 ff.; Werner, Hartmut (2007). 101 vgl. Pascale, Richard; Athos, Anthony (1991); vgl. Peters, Tom; Waterman, R. (1982). 102 vgl. Peters, Tom; Waterman, Robert H. (2003). 103 vgl. Ohmae, Kenichi (1991); Ohmae, Kenichi (2005). 104 vgl. Ouchi, William (1993). 105 vgl. Ohno, Taiichi (2005); vgl. auch Masaaki, Imai (2007). 106 vgl. Dennis, Pascal (2006); Jusko, Jill (2007), S. 29 ff.; vgl. die Ausführungen von Jochum, Eduard (1999). 107 vgl. Friedman, Thomas L. (2006). 108 vgl. auch Brown, John Seely; Hagel, John III (2005), S. 35 ff. 109 vgl. Rodriguez, Giovanni, »Can we all get along?«, in: Gelf Magazine-Weblink: Gelf Magazine Can We All Get Along?; vgl. auch Hagel, John III; Brown, John Seely (2005), S. 5 f. 110 vgl. hierzu Deutsche Gesellschaft für Qualität, www.dgq.de; European Foundation for Quality Management, www.efqm.org; Swiss Association for Quality, www.saq. ch; Austrian Foundation for Quality Management: www.qualityaustria.at. 111 vgl. Hendricks, K. B.; Singhal, V. R. (2000), S. 234 ff. 112 vgl. hierzu auch die Überlegungen von Farni, R.; Völker, R.; Bodmer, Ch. (2002). 113 vgl. Dertouzos, Michael L.; Lester, Richard K.; Solow, Robert M. (1989). 114 vgl. Hammer, Michael (1990), S. 104 ff.; und insbesondere vgl. Hammer, Michael; Champy, James (1994). 115 vgl. Hammer, Michael; Champy, James (1994), S. 70. 116 vgl. Peters, Tom, HSM World Innovation Forum, 24. Mai 2006; vgl. auch Osterloh, M.; Frost, J. (1996).
374
Handbuch der Strategien
117 vgl. Womack, James P.; Jones, Daniel T.; Roos, Daniel (1991); vgl. auch Womack, James P.; Jones, Daniel T. (2004); vgl. Glahn, Richard; May, Constantin (2007). 118 vgl. insbesondere Kagermann, Henning; Österle, Hubert (2006); vgl. Chopra, Sunil; Meindl, Peter (2001). 119 vgl. Hamel, Gary (2007). 120 vgl. Fine, Charles H. (1999). 121 vgl. Bettis, Richard A.; Prahalad, C. K. (1995), S. 5 ff. 122 vgl. für Frühaufklärung der 1. bis 4. Generation: Krystek, Ulrich; Müller-Stewens, Günter (1993). 123 vgl. hierzu die Instrumente der Zukunftsforschung: www.wfs.org (World Future Society); Cornish, Edward (2005); vgl. zu Wild Cards weiterführend: Steinmüller, Angela; Steinmüller, Karlheinz (2004). 124 vgl. Grove, Andrew S. (1997). 125 vgl. Abrahamson, Eric (2000), S. 95 ff. 126 vgl. McGahan, Anita M. (2004). 127 vgl. Markides, Constantinos C.; Geroski, Paul A. (2005). 128 in Anlehnung an Gerpott, Torsten J. (1999), S. 202 ff. 129 vgl. vor allem Stacey, Ralph D. (1992); Stacey, Ralph D. (2007), S. 195 ff. 130 vgl. weiterführend die Überlegungen von Malik, Fredmund (2006). 131 in Anlehnung an: Gomez, Peter; Probst, Gilbert J. B. (1995); vgl. auch Ulrich, Hans; Probst, Gilbert J. B. (1988); und vor allem auch Vester, Frederic (2002). 132 vgl. Dörner, Dietrich (2003). 133 vgl. hierzu auch die Überlegungen von Malik, Fredmund (2006). 134 vgl. auch Harvard Business School, Working Knowledge for Business Leaders, http://hbswk.hbs.edu; vgl. weiterführend auch www.johnhagel.com 135 vgl. de Geus, Arie (2002). 136 vgl. hierzu auch Malik, Fredmund (2006); oder auch Stacey, Ralph D. (1992); Stacey, Ralph D. (2007). 137 vgl. Brown, Shona; Eisenhardt, Kathleen (1998). 138 vgl. Brown, Shona; Eisenhardt, Kathleen (1998). 139 vgl. Lévi-Strauss, Claude (1973). 140 vgl. auch Lehner, Johannes M. (2003). 141 vgl. Brown, Shona; Eisenhardt, Kathleen (1998). 142 vgl. auch Deuringer, Christian (2000). 143 vgl. Lewin, Kurt (1947), S. 5 ff. 144 vgl. zu Bonsen, Matthias; Herzog, Isis (1999), S. 81 ff.; zu Bonsen, Matthias (2007), S. 91 ff. 145 vgl. www.theworldcafe.com; Brown, Juanita; Isaacs, David (2005). 146 vgl. Weisbord, Marvin; Janoff, Sandra; MacNeish, Jack (2007); Weisbord, Marvin; Janoff, Sandra (2000). 147 vgl. Dannemiller Tyson Associates (2000). 148 vgl. Owen, Harrison (1997). 149 vgl. Cooperrider, David L.; Whithney, Diana (2005).
Anmerkungen
375
150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178
179 180 181 182
376
vgl. Kotter, John (1996). vgl. IBM (2006). vgl. Jaruzelski, Barry; Dehoff, Kevin (2007), S. 47 ff. vgl. Hauser, John; Tellis, Gerard J.; Griffin, Abbie (2006), S. 687 ff.; vgl. Tushman, Michael L. (Ed.) (2004). vgl. Porter, Michael (Ed.) (2000), S. 244. vgl. Scheuss, Ralph (2007), S. 72 ff. vgl. Hughes, G. D., Chafin, D. C. (1996), S. 89 ff. vgl. Schumpeter, Joseph A. (1997); vgl. Nefiodow, Leo A. (1996); vgl. Schäfer, Annette (2008). vgl. Peters, Tom; Austin, Nancy (1993). vgl. Tushman, Michael L.; O’Reilly, Charles A. (2002). vgl. Govindarajan, Vijay; Trimble, Chris (2006); vgl. auch Govindarajan, Vijay; Trimble, Chris (2005), S. 20 ff. vgl. Morrison, Andy (2004). vgl. Honsel, Gregor (2006). vgl. Quinn, James Brian (1998), S. 96 ff. vgl. Leifer, Richard; McDermott, Christopher M.; Colarelli O’Connor, Gina; Peters, Lois S.; Rice, Marc; Veryzer, Robert W. (2000). vgl. Kawasaki, Guy (2004). vgl. Sommerlatte, T.; Walsh, S. J. (1993), S. 298 ff. vgl. Utterback, James M. (1996); Abernathy, William J.; Utterback, James M. (1978), S. 40 ff.; Utterback, James M.; Abernathy, William J. (1975), S. 639 ff. vgl. Teece, David J. (1998), S. 55 ff.; Teece, David J. (2006), S. 1131 ff. vgl. Moore, Geoffrey A. (2006); Moore, Geoffrey A. (2005). vgl. Rogers, Everett M. (2003). vgl. Christensen, Clayton M. (1997); und vgl. Christensen, Clayton M.; Kaufman, Stephen P.; Shih, Willy C. (2008), S. 98 ff. vgl. Christiansen, C.; Overdorf, T. (2000), S. 67 ff. vgl. Chesbrough, Henry W. (2003); vgl. auch Gassmann, Oliver; Enkel, Ellen (2006), S. 132 ff. vgl. auch Seybold, Patricia B. (2006). vgl. Prahalad, C. K.; Ramaswamy, Venkat (2004). vgl. Howe, Jeff (2006); auch Runge, Thomas (2007), S. 132 ff. vgl. Hippel, Eric von (1994), S. 429 ff. vgl. Hippel, Eric von; Thomke, Stefan; Sonnak, Mary (1999), S. 47 ff.; Lilien, Garry; Morrison, Pamela; Searls, Kathleen; Sonnack, Mary; Hippel, Eric von (2002), S. 1042 ff.; Hippel, Eric von (2005). vgl. Lilien, Gary L.; Morrison, Pamela D.; Searls, Kathleen; Sonnack, Mary; Hippel, Eric von (2002), S. 1042 ff. vgl. Reichwald, Ralph; Piller, Frank T. (2006). vgl. Markides, Constantinos Costas; Geroski, Paul A. (2005), S. 48 ff. vgl. Henderson, Rebecca M.; Clark, Kim B. (1990), S. 9 ff.; vgl. auch Abernathy, W. J.; Clark, K. B. (1985), S. 3 ff.
Handbuch der Strategien
183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215
vgl. Anderson, Philip; Tushman, Michael L. (1991), S. 26 ff. vgl. zu Knyphausen-Aufsess, Dodo; Meinhardt, Yves (2002). vgl. Chesbrough, Henry William (2003). vgl. IBM (2006). vgl. Hoffmann, Werner; Wratschko, Katharina (2005). vgl. Harrigan, Kathrin Ruth (1988), S. 205 ff.; vgl. Bleicher, Knut (1992), S. 267 ff. vgl. Brandenburger, Adam M.; Nalebuff, Barry J. (1996); Dixit, Avinash K.; Nalebuff, Barry J. (1993); Dixit, Avinash K.; Nalebuff, Barry J. (2008). vgl. Bovet, David; Martha, Joseph (2000). vgl. Tapscott, D.; Ticoll, D.; Lowy, A. (2000). vgl. Brandenburger, Adam M.; Nalebuff, Barry J. (1996); Dixit, Avinash K.; Nalebuff, Barry J. (1993); Dixit, Avinash K., Nalebuff, Barry J. (2008). vgl. Goold, Michael; Campbell, Andrew; Alexander, Marcus (1994); vgl. auch Proff, Heike (2006). vgl. auch Bartlett, Christopher A.; Ghoshal, Sumantra (2002); auch: Prahalad, C. K.; Doz, Yves L. (1987). vgl. auch Werner, Hartmut (2007). vgl. Friedman, Thomas L. (2006). vgl. Fung, Victor K.; Fung, William K.; Wind, Yoram (Jerry) (2008). vgl. Prahalad, C. K.; Hart, Stuart L. (2002); auch Prahalad, C. K.; Fruehauf, Harvey C. (2006). vgl. Slywotzky, Adrian J. (1996); Slywotzky, Adrian J. (1999); Slywotzky, Adrian J. (2008); vgl. auch Scheuss, Ralph (2008). vgl. Evans, Philip; Wurster, Thomas S. (2000). vgl. Heuskel, Dieter (1999). vgl. hierzu: Kim, W. Chan; Mauborgne, Renée (2005); Kim, W. Chan; Mauborgne, Renée (2002), S. 76 ff. vgl. hierzu: Kim, W. Chan; Mauborgne, Renée (2005), S. 7. vgl. Locke, Christopher; Levine, Rick; Searls, Doc; Weinberger, David (2000). vgl. Peppers, Don; Rogers, Martha (2005). vgl. Peelen, Ed (2005); und vor allem Bruhn, Manfred; Homburg, Christian (2005); Bruhn, Manfred (2007); vgl. Rapp, Reinhold (2005). in Anlehnung an: Diller, H. (1995). vgl. Reinartz, Werner; Kumar, V. (2002), S. 4 ff. vgl. Pine, B. Joseph (1993); vgl. auch Gilmore, James H.; Pine, B. Joseph (2007). vgl. Simon, Herbert A. (1971), S. 40 f. vgl. Davenport, Thomas H.; Beck, John C. (2002); vgl. hierzu auch Scheuss, Ralph (2008). vgl. Tischler, Linda (2004), S. 64 ff.; vgl. auch www.lovemarks.com; vgl. Robers, Kevin (2004). vgl. Levinson, Jay Conrad; Godin, Seth (1996). vgl. auch Pine, B. Joseph; Gilmore, James H. (2000). vgl. Gilmore, James H.; Pine, B. Joseph (2007).
Anmerkungen
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216 vgl. Evans, Philip; Wurster, Thomas S. (2000). 217 vgl. Shapiro, Carl; Varian, Hal R. (1999). 218 vgl. zu den Lock-in-Strategien auch Hax, Arnoldo C.; Wilde, Dean L.; Thurow, Lester (2001). 219 vgl. zum Thema Hyper-Wettbewerb auch Scheuss, Ralph (2008), S. 38 ff. 220 vgl. D’Aveni, Richard A. (1994); D’Aveni, Richard A. (2001); oder D’Aveni, Richard A.; Günther, Robert (2007). 221 vgl. D’Aveni, Richard A.; Günther, Robert (1995), S. 26. 222 vgl. Hamel, Gary (2002); Bernhut, Stephen (2001), S. 37 ff. 223 vgl. Hamel, Gary (2002), S. 134. 224 vgl. Hamel, Gary (2002); Bernhut, Stephen (2001), S. 37 ff. 225 vgl. Hamel, Gary; Prahalad, C. K. (1994), S. 271; vgl. Hamel, Gary (2002), S. 11 (eigene Übersetzung). 226 vgl. Markides, Constantinos Costas (2006). 227 vgl. Markides, Constantinos Costas (2006), S. 99 ff. 228 vgl. Birkinshaw, Julian; Gibson, Cristina (2004), S. 47 ff. 229 vgl. Bonabeau, Eric; Meyer, Christopher (2001), S. 107 ff.; vgl. auch Miller, Peter (2007). 230 vgl. Eisenhardt, Kathleen; Sull, Donald (2001), S. 107 ff. 231 vgl. Sull, Donald N. (2005). 232 vgl. Sull, Donald N. (2005). 233 vgl. Ridderstrale, Jonas; Nordström, Kjell A. (2001), S. 29. 234 vgl. Ridderstrale, Jonas; Nordström, Kjell A. (2001); vgl. Ridderstrale, Jonas; Nordström, Kjell A. (2005). 235 vgl. Ridderstrale, Jonas; Nordström, Kjell A. (2005), S. 213 ff. 236 vgl. IBM Global Business Services (2006). 237 vgl. Charan, Ram; Colvin, Geoffrey (1999), S. 69 ff. 238 vgl. Hrebiniak, L. G. (2005). 239 vgl. vor allem zum MBO-Konzept: Drucker, Peter F. (2006); und Drucker, Peter F. (1993). 240 vgl. Kaplan, Robert S.; Norton, David P. (2008), S. 62 ff.; Kaplan, Robert S.; Norton, David P. (1996); Kaplan, Robert S.; Norton, David P.; Steffens, Dirk (2004); sowie Kaplan, R.; Norton, D. (2001); vgl. auch Friedag, Herwig R.; Schmidt, Walter (2004). 241 vgl. Horváth & Partners (2005). 242 vgl. zur kritischen Beurteilung der Strategy Maps: Haeseler, Herbert R.; Hörmann, Franz (2005). 243 vgl. Buzan, Tony; Lötscher, Susanne (2005). 244 vgl. Kaplan, Robert S.; Norton, David P. (2001); und Kaplan, Robert S.; Norton, David P. (2006); sowie die Überlegungen von Venkatraman, N.; Henderson, John C.; Oldach, Scott (1993), S. 139 ff. 245 vgl. Collins, James; Porras, Jerry (2003); vgl. Emery, Stewart; Thompson, Mark; Porras, Jerry (2007). 246 vgl. Collins, James (2000).
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Handbuch der Strategien
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Handbuch der Strategien
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»3C«-Modell 164 »3C«-Dreieck 164f. »4C«-Strategie 65 3M 160, 236, 292 4P-Strategie 62 7P-Strategie 63 7S-Modell 157f., 160-162 7S-Schlüsselelemente 328 10x 198f. 10x-Faktoren 198 20-70-10-Modell 59 80/20-Gesetz/80/20-Regel 114, 120 Abell, Derek 48 Abercrombie & Fitch 286 Abernathy, William J. 245f. Ablaufdatum, provisorisch geplantes (planned obsolecence) 48 Abschöpfungsstrategie (skimming strategy) 68f., 85 Accelerate 211 Adaptions- und Diffusionsforschung 231 Added Value Webs 275 Adidas 297, 317, 343, 361 ADL-Portfolio 89f. ADL-Strategiematrix 89, 91 Agilität 131, 151f., 172, 176, 191, 209, 216, 223, 322, 326f., 329, 339 Ahlstrand 29 Air Arabia 131 Air Berlin 128 Air Deccan 131 Air France 189 Akamai 337 Akzeptanz 69, 248-250, 352 Akzeptanz, Kluft der 250 Alcatel 151 Alcon Laboratories 100 Aldi 131, 292 Alexander, Marcus 277 Alignment 351, 355, 357
Allianzen, strategische (strategic alliance) 111f., 248 Altavista 202 Amazon 13, 114f, 131, 199, 202, 238, 258, 268, 293, 345 Ambidexterity (Beidhändigkeit) 335 Amos Tuck School of Business 325 Analyse, strategische 37-39 Anderson, Chris 114f. Ansatz – des kreativen Bastelns 221 –, marktorientierter (market-view based strategy) 30, 120, 298 Ansoff, Igor Harry 27, 43, 44, 98f., 102, 107, 195, Ansoff-Matrix 98, 101f. Ansoff-Strategien 103 A-Player 58 Apple 13, 21, 28, 49, 69, 121, 136, 142, 202f., 242, 244, 263, 268, 317, 323, 334, 342, 345, 348, 365 Appreciative Inquiry 227, »Arme-Hunde«-Geschäfte 85 Arteriosklerose, unternehmerische 367 Ashridge Strategic Management Centre 277 AT&T 24 Athos, Anthony 157 Atom, Glückliches (happy atom) 157 Attention Economics (Aufmerksamkeitsökonomie) 315 Audi 28, 74, 136f., 142, 144, 292, 303 Aufklärung, strategische 197 Aufmerksamkeitsmanagement 316 Aufmerksamkeitsökonomie 315 Aufmerksamkeitsstrategie 316 Ausgangslage, strategische 37, 40 Ausrichtung, strategische (strategic alignment) 24, 188, 222, 225, 307, 310f., 346, 355, 357 Ausstiegsregeln (Exit Rules) 338 Austin, Nancy 235
Register
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Authentizität 309 Avis 74 Avon 243 Axa Versicherungen 105, 287 Bahama, Tommy 319 Bain & Company 71, 100, 104 Balanced Scorecard (BSC) 348f., 351-356, 384 Balanced-Scorecard-Ansatz 353 Baldridge Award 179 Baldridge, Malcolm 179 Ballastsituationen 278 Bartlett, Christopher 281 BASF 330 Basisinnovation 233-235 Basiskompetenzen 145f. Basistechnologien 233, 244f. Bastelmodus 220, 222 Basteln, strategisches 221 Bateson, Gregory 205 Baummodell 143f. BCG-Portfolio 83 Beer, Stafford 205 Benchmarking 14, 41, 145, 180-182, 330, 359, 367 Benchmarkingformen 181 Benetton 110, 132 Bennis, Warren G. 15, 51 »beschleunigte Fähigkeit, Ressourcen zu bilden« (accelerate capability building) 209 Beschleunigung und Beruhigung, Phasenstrategie der (pacing strategy) 201 Best Practice 13, 41, 180-182, 219, 330, 359 Best product features 292 Best total costumer solution 292 Best total cost solution 292 Best-Practice-Prinzipien 182 Best-Practice 180 Beteiligungen (acquisitions) 113 Beziehungsstrategien 33, 308f., 311, 313, 315, 317, 319, 321, 323, 344 »BHAG«, Konzept des 361 Big Bang, innovativer 244 Big Bertha 301 Big Picture 14, 21, 150, 208, 367 Bitner, Mary 63 Blitzfeldzug 55 Blockbuster-Strategie 317 Blue-Ocean-Strategie 301f., 305, 307 BMW 57, 94, 113, 136, 292, 294, 303
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Body Shop 13, 49, 111, 268, 292, 318, 342 Boeing 160, 274 Bombenwurfs, Strategie des 185f. Bonaparte, Napoleon 49, 52, 55 Booms, Bernhard 63 Bootstrapping (Stiefelschlaufe) 175-177 Bootstrapping-Strategie 177 Booz Allen Hamilton 229 Bosch 110 Bose 130 Boston Consulting Group 54, 80, 83, 89, 296 Boston-Effekt 80 Boston-Matrix 83, 86-89 Boston-Portfolio 82-84, 86 Boston-Portfoliomatrix 83 B-Player 58f. Brain Game 369 Branchengrenzen 293, 295, 298, 302, 332 Branchengrenzen, Verwischen von (Buisness Migration) 293 Branchenrevolutionäre 333 Brandenburger, Adam 271f., 275f. Breakthrough Objectives 174 BRIC-Länder 147 Bricoler 220f. Bricoleur-Strategie 220 British Airways 45 Brown, John Seely 209f. Brown, Shona 217, 222-224 Bryan, Lowell L. 369 Brynjolfsson, Eric 115 BSC Collaborative Inc. 348 Budgetierung 25, 41, 96 Built to flip 362 Built to last 362 Built-to-Order 314 Bürokratiefalle 217 Business Migration, horizontale 294 Business Networking 270 Business Policy 24 Business Process Management 190-192 Business Reengineering 183-185 Business Update 293 Business Upgrade 293 Business Webs 275, 322 Businessprozess-Redesign (business process redesign, BRP) 183, 200 Business-Strategie (Business Strategy, Geschäftsfeldstrategie) 36, 39, 52, 338, 347 Buzan, Tony 355 Cailler 99
Callaway 301 Campbell, Andrew 277 Canon 45, 143, 148, 156, 172, 180, 244, 265 Cardinal 109 Carlyle, Thomas 50 »Cash and run« 366 Cash-Cow 63, 83-85 »Cash-Cow«-Geschäfte 85f. Celesio 109 Cemex 337 Center for Global Leadership 236 Centre for Advanced Studies in Leadership 342 CEO-Studie 2006 345 Champy, James 185 Chan, Kim W. 298 Chancenregeln (Boundary-Spanning Rules) 337 Change Management 150, 213, 383 Change-Fähigkeit 343 Chaos 54, 193, 199, 216-220 Chaosfalle 216f. Charitou, Constantinos D. 242 Chesbrough, Henry 256, 267 Choiceboards 314f. Chongqing 175f. Christensen, Clayton M. 252f., 255, 268 Chrysler 94, 118 Cisco 59, 112, 151f. 337, 345, 372 Clariant 105 Clark, Kim B. 264f. Clausewitz, Carl von 52, 54, 346 Clockspeed 195 Cluetrain-Manifest 308f. Coca-Cola 248, 286, 317, 372 Co-Creation 257f., 316, 322 Collins, James 358, 360, 362 Collis, David J. 141 Communication 66 Continental 110 Convenience 65, 99, 304 Copy-Cats 62, 74 »Corporate-Parenting«-Matrix 278 Cost to the Customer 65 C-Player 58f. Creative Input 339 Crocs Inc. 101 Crowd Sourcing 258 Customer Innovation 257 Customer Lifetime Value 289, 312 Customer Relationship Management (CRM) 183, 257, 310
Customer Value 65, 289 Customer-Relationship-Strategien 309 Dachangjiang 176 Daewoo 112f. Daimler-Benz 94 Dartmouth Tuck School of Business 236 Dartmouth University 325 Data Warehouse 311 D’Aveni, Richard 325-329 DeBeers 105 DEC 326 Dehnen, strategisches (strategic stretch) 44f. Dekonstruktion 296 Dell 321, 325, 344, Deming, Wiliam Edwards 157, 172, 178f. Demokratisierung innovativer Prozesse 256 Denken, paranoides 199 Denken, strategisches 12, 15, 17, 20, 22, 24, 29, 44, 51, 140, 163f., 194, 271, 296, 329, 333, 363, 368 Denkwelt, kybernetisch-systemische 205 Design, dominantes 247, 265f. Designschule 29 Desinvestitionsstrategie (Rückzugsstrategie) 85 Devertikalisierung 269 Diffusion, Glockenkurve der 249 Diffusionsmodell 249 Disintermediation 296, 321 Diversifikation –, horizontale 107 –, konzentrische 108 –, laterale 108 –, vertikale 108 Diversifikationsstrategie 100f., 108f. Doppelfunktion, strategische 335 Dörner, Dietrich 207f. Dotcom-Blase 238 Downsizing 183, 185f. Doz, Yves 113 Dreieck, strategisches (strategic triangle) 163f. Dringlichkeit 227, 357, 367 Drucker, Peter Ferdinand 36, 50, 172, 269, 347f. Dynamic Capabilities 147f., 151 »E4-Leadership«-Eigenschaften 58 Early Adopters 67, 249, 251 Early Majority 249, 251 EasyGroup 109 easyJet 128, 131, 268
Register
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eBay 115, 238, 258, 268, 297, 300, 345 Ebenen, strategische 35 Economies of Scale 92, 117f., 314, 317 Economies of Scope 118, 314, 317 Effektivität 129, 145, 164, 188f., 230f., 238, 262, 284 EFQM-Modell 180 Eintrittsbarrieren 30, 125, 320, 327 Eisenhardt, Kathleen M. 217f., 222-224, 336 ELG 109 Enterprise Resource Planning (ERP) 183 Erfahrungseffekte 79-81, 128 Erfahrungskurve 79-82, 84 Erfahrungskurveneffekt 80f. Erfahrungsökonomie (experience economy) 318 Erfindungen 231, 233, 237, 247, 293 Erfolgsbecken (Profit Pool) 71 Erfolgsfaktor 77f., 86f., 104, 156f., 187, 189, 209, 227, 237, 279, 292, 307, 322, 343 Erfolgspotenzial, strategisches 22-24 Erfolgsregeln 60, 185 Erlebnisaufladung (Experience Management) 319 Erlebnisinszenierung 319 Erlebnisökonomie 318 Erlebniswert 318-320 Erneuerungsfähigkeit 152 Erntestrategie 88 Ertragsmechanik 231, 267 Ertragssteigerung – durch Kostensenkung (denominator management) 64 – durch Wertschöpfung (numerator management) 64 Esprit 286 European Foundation for Quality Management 180 Evans, Philip 296, 321 Evolution, gelenkte 21 Excellence-Projekt 11 FaceBook 258 Fähigkeiten –, besondere 89, 140-142, 146, 159, 332 –, dynamische (dynamic capabilities) 147152 –, spezifische (skills) 141, 158-160 –, strategische 139, 147, 344 Fähigkeitsstrategien 345 FAO Schwarz 320 FAST-Strategy 210
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Handbuch der Strategien
FAST-Ansatz 209 Fenster, strategisches (strategic window) 46, 48 Fertigkeitsvorteil (Economies of Skills) 119 Feu sacré 366 Finanzperspektive (financial focus) 349 Fine, Charles H. 195 »First Mover« 53, 202f., 251, 340 »First Mover Advantage« 53 «First-Mover«-Strategie 202f., 251 »Fünf P« 18 Fit 45, 204 Fit, strategischer 43f. Fitness, strategische 216 Fleck, Andree 137 Fleck, blinder 272, 365 Flextronics 345 Focus 210f., 355 Foerster, Heinz von 205 Fokussierung, Strategie der 127, 129 Fokusstrategie 127 Follower (Nachfolger) 202-204 Ford 154, 290f., 299 Ford Motor Company 291 Ford, Henry 49, 237, 290, 299 Fortune Magazine 60 Four Seasons Hotel 293 Fragezeichen-Geschäfte 84, 86 Franchising 110f., 149 Fremde 278, 313 Freunde, wahre 313 Friedman, Thomas L. 175, 284 Friktion 54 Frühaufklärung, strategische 195-197 Früherkennung, strategische 197 »Führung von innen«, Konzept der (homegrown management) 361 Führung von Netzwerken 285 Führungsebene 23, 150, 160, 173f. Führungsgrundsätze 34f. Führungskraft, ideale 49, 51 Führungssystem 96, 169, 187, 194, 240, 348f., 352f., 356 Fujitsu 112, 296 Fünf Porter-Kräfte 125f., 153 Fünf-Kräfte-Modell/Fünf-Kräfte-Schema 39f., 124, 126, 139, 272 Funktionsregeln (How-to Rules) 337 Funktionsstrategie 36 Fusion 94, 97, 113, 118, 163, 189, 227, 295 Futuring, strategisches 197
Gadiesh, Orit 71 Galeria 130 Gälweiler, Aloys 23f. Gamer Community 300 Gazprom 297 GE Business Screen 86 GE Capital 106 General Electric (GE) 24, 47, 58, 77, 83, 86, 105f. General Motors (GM) 24, 112, 172, 299 GE-Portfolio 86 Geroski, Paul 202, 262f. Gerpott, Torsten J. 203 Gerster, Lou 294 Geschäfte, periphere 210 Geschäftsdogmen 365 Geschäftsdynamik 14, 91, 193 Geschäftseinheiten, strategische (SGE) 36, 87, 143 Geschäftslogik, dominante 268, 364 Geschäftsmigration (Value Migration) 293f. Geschäftsmodellinnovation 266-268, 331 Geschäftsmuster, dominantes (dominant design) 264-266 Geschäftsparadigma 364 Geschäftsprozess 28, 105, 122, 145, 179, 181, 183, 185, 188-190, 230, 240, 242, 258, 263, 267, 283-286, 352 Geschäftsprozessmanagement (GPM) 189191 Geus, Arie de 213f., 363 Gewinnmuster (Profit Pattern) 293 Ghoshal, Sumantra 281 Gibson, Cristina 335 Gilbert, James L. 71 Gillette 292, 317 Gilmore, James H. 318, 320 Glasersfeld, Ernst von 205 Global CEO Study 268 Global Player 28, 176 Globalisierung 27, 60, 100, 132, 148, 155, 163, 175f., 209, 233f., 270, 279f., 283285, 309, 320 Gonindarajan, Vijay 236 Good Practices 182 Google 13, 21, 57, 202, 222, 238, 300, 316f., 323, 337, 345, 361 Goold, Michel 277 Great Man 49-51 Greiner, Larry E. 15, 96f. Greiner-Kurve 96 Greiner-Modell 95, 97 Großgruppenintervention 226
Groupthink (Gruppdenken) 364 Grove, Andrew 49, 198f. growth-phases-model 96 Gruppen, strategische 123f., 303 Guerilla Marketing 56f., Guerilla-Strategie 56f., 221, 318 Guerilla-Taktik 74 Hagel, John 209f. Haltestrategie 88 Hamel, Gary 19, 44f., 47f., 113, 139f., 143, 153, 193, 298, 329-331, 333, 368 Hammer, Michael 183, 185 Haniel 109 Hanley Management College 237 Hanley-Managementstudie 237 Harley-Davidson 318, 342 Harrigan, Kathrin 271 Harsanyi, John 271 Harvard Business Review 141, 183, 312 Harvard Business School 37, 69, 227, 230, 236, 281, 348 Harvard University 24, 30, 32, 41, 54, 64, 77, 140, 183, 264, 271, 275 Heavy Users (intensive Produktnutzer) 256, 259 Hebelwirkung, strategische (strategic leverage) 45, 120 Henderson, Bruce D. 80 Henderson, Rebecca M. 264f. Herausforderer (challengers) 15, 73-75, 126, 151, 155f., 164, 176, 201, 242, 331, 333, 335 Herdenverhalten 364 Hertz 74, 292 Heuskel, Dieter 296 Hewlett-Packard (HP) 92, 112, 173, 274 Hidden assets 106f., 394 High Velocity Markets 224 Hippel, Eric von 259, 261 »hito kane mono« 165 Honda 12, 144, 156, 176, 361 Horváth & Partners 352 HTS 109 Huawei 151 Human Factor 169 Hurwicz, Leonid 271 Hyperwettbewerb 152, 269, 275, 325-330, 337 Hype-Zyklus 238f. IBM 45, 112, 203, 236, 268, 294, 296, 345 Ideenumwälzung, Konzept der (Try a lot of stuff, keep what works) 361
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Identität 35, 214, 318, 356 Ikea 13, 21, 69f., 132, 268, 301f., 317, 344 IMD 48 Imitationsgefahr (imitability) 247 Impact-Analyse 150 Inditex 244 Industrieökonomik (industrial economics) 123f. Information Rules 320 Informationsüberflutung (information overload) 315 Informationsverarbeitung 334 Infotech-Strategien 323 Initiativen, strategische 137, 182, 240, 355 Innovation –, architektonische 264f. –, disruptive 252, 255f., 268 –, inkrementale 240, 264 –, kontinuierliche 241, 252 –, modulare 264 –, radikale 241f., 265 –, technologische 110, 136, 200, 245, 248, 251, 264, 268, 334 –, zerstörerische 252, 255, 268 »Innovation 1000« 229 Innovationsarchitektur 264, 266 Innovationsdilemma 252 Innovationsdynamik 110, 232, 241, 244f., 351 Innovationsfokus 243 Innovationsgewinn 247 Innovationslogik 236 Innovationsmuster, demokratisierte 261 Innovationsprozess 171, 181, 230-232, 236, 240, 247, 256, 259, 261f., 350 Innovationsroutinen 149, 151 Innovationsstrategie 33, 81, 137, 229 Innovationstypen 241, 262f. Innovationswettbewerb 121, 151 Innovators 249 INSEAD 298, 312 Insiderwissen 259 Insourcing 285 Institute of International Business 342 Integratoren (integrators) 297 Intel 49, 112, 160, 198, 274, 296, 337 Intelligenz –, kollektive 258, 336 –, strategische 192 Intermediation 321 International Motor Vehicle Program (IMVP) 188 Internationalisierungsstrategien 279, 282
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Handbuch der Strategien
Internet-Hype 238, 323 Internetzeitalter, Erfolgsfaktoren im 322 Internationalisierung 100, 270, 280-282 Investitionsstrategie 84 iStock-Photo 258 Janis, Irving 364 JetBlue 128 Ji, Tan Dao 61 Jobs, Steve 49, 365 Joint Ventures 111-113, 176, 357 Jones, Daniel T. 188 Joyce, Claudia I. 369 Juran, Joseph M. 120 Just-in-Time 168, 170, 184, 188 KaDeWe 130 Kahn, Herman 26 Kaizen 137, 168, 171, 188 Kanban 13, 168, 170, 172 Kanri, Hoshin 172-174 Kapazitäten, absorbierende (absorptive capacity) 148 Kaplan, Robert S. 348, 351, 355, 357 KarstadtQuelle 286 Karte des Kundennutzens (buyer utility map) 304 Kawasaki, Guy 242 Kearney, A. T. 93 Kerngeschäft 103f., 106f., 109, 162, 251, 283 Kernkompetenzen (core competencies) 13, 24, 26, 29, 31, 46, 71, 89, 108f., 131, 139-147, 149, 151-154, 159, 162, 172, 184, 188, 221, 252, 263, 269, 278, 284286, 296-298, 318, 322, 331f., 337, 342-345 Kernkompetenz-Portfolio 147 Kolonialisten (colonizers) 262f. Kletten 313 KLM 189 Kondratieff, Nicolai 233-235 Know-how 15, 26, 28, 31, 82, 87, 89, 93, 106, 108f., 111f., 117, 119, 137, 141, 143f., 146, 149f., 152, 154, 159, 175f., 203, 212f., 215, 227, 229, 258f., 262, 264f., 269f., 274f., 278-280, 284, 297, 326f., 333, 343 Knyphausen-Aufsess, Dodo zu 267 Kodak 47, 148, 154f. Kognitionsschule 31 Kombi-Strategien 132 Kompetenzführerschaft 75, 145 Kompetenzvorteile (Economies of Competence) 119
Komplexität 79, 163, 204-208, 216, 283, 314, 330, 343, 365 Komplexitäts- und Chaostheorie 216f. Kognitionsschule 31 Konglomerate-Diversifikation 108 »Konkurrieren« 269 Konsolidierer (consolidators) 262f. Kondratieff-Zyklen 233-235 Konturen, strategische 305 Konvergenz, strategische 330 Konzeptstrategien 344 »Kooperieren« 269 Koopetition (co-opetition) 272, 277 Koopetitionsmodell 272 »Köpfchen« 279, 333 Köpfe, Mobilisierung der 369 Kostenführerschaft 30, 81, 127f., 132, 134f., 268, 280, 293, 301, 316, 318, 325 Kostenführerstrategie 81, 118, 128f., 131 Kostenminimierungsstrategie 127 Kotler, Philip 62, 64, 73 Kotter, John 227 KPMG Peat Marwick 348 Kräfte, zerstörerische 15, 233 Kreativität 19, 21, 96, 176, 204, 212, 221, 223, 241, 279, 326f., 329, 342f., 364 Kuhn, Thomas Samuel 364 »Kult-Kultur«, Konzept der (cult-like cultures) 361 Kulturschule 31f. Kumar, V. 312f. Kundenbindungsaktion 99, 312 Kundenbindungsstrategien 312 Kundenerfahrung (customer experience) 257, 289f. Kundenloyalitätsstrategien 312 Kundennutzen (customer value, customer utility) 65, 142, 145f., 184, 248, 267, 272, 289, 295f., 302, 304, 312 Kundennutzenkarte 304 Kundenorientierung (customer care) 65, 168, 188, 257, 310, 314, 345 Kundenperspektive (customer focus) 305, 349 Kundenprozess 190 Kundenwert (customer lifetime value) 289, 312 Kybernetik 194, 204, 388 Laggards (Nachzügler, Skeptiker) 249 Lampel, Joseph B. 29 Land’s End 142 Landkarten, strategische 354f.
Langfristplanung 25 Late Majority 249 Leader 15, 49f., 58, 61, 334 Leadership 50f., 58f., 236, 291, 293, 342 Lead-User-Innovationen 262 Lead-User-Methode 262 Lean Management 186-188 Lean Thinking 187 Leistungsführerschaft 127, 132 Leistungswettbewerb 121 Leitbild 34, 348 Lern- und Ressourcenperspektive (learning and resource focus) 350 Lernen –, institutionelles 31 –, organisatorisches 31 –, strategisches 174, 212 Lernfähigkeit (learning capability) 152f., 177, 215, 343 Lernprozess 20f., 31, 113, 143, 148f., 152, 166, 181, 215, 216, 220, 237, 333 –, kollektiver 215 Lernschule 31 Lernvorteile (Economies of Learning) 119 Levi-Strauss, Claude 221 Levitt, Theodore 66, 74 Lewin, Kurt 225 Lexus 136, 171, 253 Li & Fung 286 Liefernetzwerk 284 life cycle management 66 Line Extensio 300 Linux 256, 260 Little, Arthur D. 89f., 244, 345 Living Companies 214 Lockheed Aircraft Corporation (LockheedMartin-Flugzeugwerke) 98, 235f. Lock-in-Strategie 323 London Business School 47, 140, 242, 262, 281, 334-226, 339 »Long Tail« 114-116 »Long-Tail«-Strategie 114 Longxin 176 Lösungsmuster, dominantes 265f. Lovemark-Strategie 317 Loyalitätsportfolio 313 Loyalitätsstrategien 312 Lucent 151 Lücken, strategische 102f. Lucozade 100 Ludwig-Erhard-Preis 180 Luhmann, Niklas 205 Machtschule 31
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Malik, Fredmund 51 Management – by Objectives (MbO) 36, 41, 172f., 347 – der dynamischen Stabilität 200 –, schlankes 186 –, strategisches 11. 20f., 24, 47, 79, 158, 217, 298, 365 Managementlehre, systemorientierte 205 Managementphilosophie 34, 167, 188 Managementsysteme 41, 141, 150-152, 173f., 190, 206, 346-348, 352, 366 Manager, heroische 366 Manöver – des Angreifens 76 – des Ausweichens 75 – des Kooperierens 76 – des Nachfolgens 75 – des Verdrängens 76 Manövrieren, strategisches 73 Market Pull 230 Market-based view of strategy 32, 153 Marketing Push 229 Markides, Constantinos C. 77, 202, 242, 262f., 334f. Marks&Spencer 286 Marktanteils-/Marktwachstums-Portfoliomatrix 83 Marktattraktivitäts-/WettbewerbsstärkenPortfoliomatrix 86 Marktbarrieren 124f. Marktdoktrin (market-based view) 30, 32, 124, 153 Märkte, aufstrebende (Emerging Markets) 29, 257, 287 Markteffektivität 145 Marktfokusstrategie 127 Marktführer (market leaders) 73-75, 81, 85, 106, 144, 248, 253, 265 Marktgesetze 78 Marktgrenzen 332 Marktpenetration 98f. Markträume 299f., 300, 302, 304 Marktstrategie 33, 62f., 65-67, 69, 71, 73, 75, 155, 282, 287, 291 Markttransparenz 296, 320 Maskin, Eric 271 Mass Customizing 310, 314 Massachusetts Institute of Technology (MIT) 188, 264 Massenfertigung, individualisierte 314 Maßfertigung 314 Maturana, Humberto 205 Matushita 156, 244
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Mauborgne, Renée 298f., 302, 306f. McCarthy, Jerome 62 McDonald’s 13, 110, 118, 137, 149, 160, 317 McGregor, Douglas 166 McKinsey 157, 160f., 164, 209, 217, 222, 293, 345, 358, 369 – 7S-Modell 157f. – Matrix 86, 88f. – Portfolio 86, 88 McNealy, Scott 27 Meinhardt, Yves 267 Mercedes-Benz 118 Methode der kleinen Schritte 186 Metropolitan Opera 344 Microsoft 13, 21, 49, 59, 112, 130, 260, 263, 296, 300, 323, 345 Militärstrategie 48, 52, 54, 116 Miller 109 Mind Maps 355 Mindshare-Strategien 315 Mintzberg, Henry 18-20, 29, 366 Mission 34f., 45, 55, 172, 206, 219, 360 MIT Center for Digital Business 115 MIT Sloan School of Management 115, 259 Mitläufer 73-75 Modell T 237, 266, 299 Monitoring 149, 196 Montgomery, Cynthia A. 141 Moore, Geoffrey A. 248-251 Morgenstern, Oskar 17 Morrison, Andy 237 Motorola 59, 112, 264, 287, 317, 334 Motto 35, 49, 171, 202, 273, 329f., 360f. Move or quit 153 Multi-Channelling 183 Multifaktorenportfolio 86 Multiplikatoren 59, 262f. Myerson, Roger 271 MySpace 115 Nachahmerstrategien 130 Naisbitt, John 26 Nalebuff, Barry 271f., 275f. Nash, John 271 Navigation, strategische 21 »Navigieren« 205 Nescafé 100 Nespresso 99, 294 Nestlé 28, 99f., 282 Networking 270, 322 Neuerungen, Akzeptanz von 249
Neumann, John von 17 Neun-Felder-Matrix 86f. Newcomer 84, 126, 146, 151, 155, 254f, 331 Next Success Strategy 335 Nicht-Nullsummenspiele 271 Nike 13, 57, 286, 292, 297, 315, 317, 343, 361 Nintendo 299f. Nischenbesetzer (niche players) 73-75 Nokia 13, 106, 151, 253, 287 Nordsterne 173f. Nordström, Kjell 308, 342 Normstrategie 33, 77, 79, 81, 83-85, 87, 89, 91, 329 Nortel 338 Norton, David P. 348, 351, 355, 357 Nullsummenspiele 271f. Nutzendisziplinen, Konzept der (value disciplines) 291f. Nutzenmuster 304f. Nutzenversprechen (value proposition) 232, 255, 267, 289 O’Reilly, Charles 236 Offshoring 29, 175, 283 Ohmae, Kenichi 163-165 Ohno, Taiichi 168, 171 Ökonomie, wissensbasierte 333 One to one 13, 309f. One World 275 Open Innovation 256, 258, 262 Open Space 227 Open-Source-Modell 256, 260 Orchestratoren (orchestrators) 286, 297 Orchestrieren, strategisches 285 Ordnung 165, 193, 199, 204, 216-218, 221, 323, 333, 369 Organisationsinnovator 359 Ouchi, William 15, 166f. Outlearning 113 Outpacing 135 Outpacing-Strategien 135-137 Outside Innovation 257f. Overengineering 256 Overshooting the market 253, 255 Overshooting-Falle 253 Ozean, blauer 298-301, 304f. Ozean, roter 300, 307 P − D − C − A 179 Palich 109 Palladium Group 348
Palo Alto Research Center 209 Papa Johns 285 Paradigma 364 Parenting 277f. Pareto, Vilfredo 120 Pareto-Prinzip 114, 120 PARTS-Modell 275f. Pascale, Richard 157 Patches 223 Patching 222-224 Penetrationsstrategie (penetration strategy) 69 Penetration Pricing 67 PepsiCo 161 Performance-Managementsystem, mehrdimensionales 352 Peters, Tom 34, 157, 160f., 163, 186, 235, 363 Pfizer 317 Philips 271, 282, 287, 292 Pilkington 213 PIMS (Profit Impact of Market Strategies) 77-79, 84, 92 PIMS associates 77 Pine, Joseph B. 318, 320 Pioniere (market makers) 130, 202f., 232, 262f., 297 Pionier-Strategien 130 Pisano, G. 149 Planung –, finanzielle 25 –, strategische 17, 25, 29, 39f., 48, 97, 172, 221, 272, 347, 363 Planungsschule 29f. Polaroid 253 Poor dogs 85 Porras, Jerry 358, 360 Porsche 49, 74, 124, 130, 144, 342 Porter, Michael 30, 39f., 64, 117, 120, 122132, 135, 139f., 153, 230, 272, 293, 298, 300, 316 Porter-Strategien 18, 126f., 137 Portfolio (Portefeuille) 82f. Portfolioanalyse 82, 217 Positionierungsschule 30, 32 Positivsummenspiel 271 Prahalad, C. K. 44f., 139f., 143, 153, 257, 287, 298, 329f., 368 Preis- und Konditionswettbewerb 121 Primat – der Herstellung 120 – des Absatzes 120 Prinzip, ökonomisches 186
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Prinzipien, strategische 49, 53-56, 61, 103, 107, 227, 368 Prioritätsregeln (Priority Rules) 338 Procter & Gamble (P&G) 173 Product Migration 294 Produkt/Markt-Portfolio 83 Produkt/Markt-Wachstumsmatrix 98 Produktdifferenzierungsstrategie 127 Produktentwicklung 62, 65, 99f., 102, 111, 113, 128, 152, 204, 231, 279, 288, 338 Produktgrenzen 332 Produktinnovation 74, 105, 177, 231f., 245-247 Produktion, maßgeschneiderte 62, 292, 294, 310f., 322, 345 Produktlebenszyklus 68, 70, 86, 89, 244, 246 Produktlebenszyklus-Modell 66 Produkt-Markt-Kombination 36, 267 Profit Pools 71f. Promotoren des Wandels 227 Prozessinnovation 80, 231f., 245f., 268, 345 Prozessperspektive (process focus) 184, 350 Public Push 229 Puma 297 Pümpin, Cuno 15, 23f., 140 Puppe-in-der-Puppe-Prinzip 26 Pyramide –, Basis der 287 –, Boden der 286 Qualität 13, 51, 58, 63, 64, 75, 78, 81, 87, 90, 93, 108, 110, 112, 119, 121, 125, 128, 129, 131, 134f, 137, 141, 144, 155f, 160, 168, 170f, 178–188, 224, 231, 241, 256, 286, 292, 301, 318, 321, 327, 339, 361 Qualitätsstrategie, hybride 81, 137 Qualitätsmanagement 120, 141, 168, 178 Qualitätswettbewerb 121 Qualitätszyklus 179 Quinn, James Brian, 240 Ramaswamy V. 257 RAND Corporation 98 »Rand des Chaos« 218, 220 Randgeschäfte 210 Rappaport, Alfred 42 RC Cola 248 Reach & Richness 321 Reaktionsgeschwindigkeit 148, 270, 341 Realtime-Strategieansatz 98
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Handbuch der Strategien
Real Time Strategic Change (RTSC) 227 Reality Check 38 Rebundling 296 Red Bull 100, 130, 345 Reengineering 19, 64, 182-185, 200 Refreeze 225 Regenerationsfähigkeit 358 Reinartz, Werner 312f. resource-based view of strategy 32, 153 Ressourcen 16, 17, 24, 25, 28f, 31, 39, 41, 44f, 47, 55, 81–83, 93, 101, 106, 111, 122, 128, 128, 131, 139, 140– 144, 148f, 151–154, 159, 183, 202, 209, 210, 215, 221, 232, 236, 237, 242, 246, 248, 270, 278, 280–285, 296, 298, 302, 326, 327, 332, 348–350, 352, 354, 367 –, immaterielle 141 –, intangible 141 –, komplementäre –, materielle 141 –, tangible 141 Ressourcenbasierte Strategieschule 32, 143 Ressourcenstrategie 33, 139–144 Restrukturierung 11, 92, 140, 161, 163, 168, 183, 296, 362 Ridderstrale, Jonas 308, 342 Rightsizing 183, 186 Ritz-Carlton-Gruppe 293 Roberts, Kevin 317 Rogers, Everett M. 249f ROI (Return in Investment) 22, 77–79, 97, 123, 129 ROIC (Return on Invested Capital) 123 Roland Berger Consultants 293 Rolex 342, 156, 317 Ross, Daniel 188 Running Issue 223 Ryanair 128, 131, 141 Saatchi&Saatchi 317 Sakichi, Toyoda 187 SAP 293, 353, Scanning 149, 196 Schichtenspezialisten (layer players) 297 Schlankmacherstrategien 33, 178-192 Schlüsselkompetenzen 146f. Schlüsselpersonen (core competents) 145f., 215, 219, 343, 347 Schlüsselprozess 174, 184, 337, 348, 350 Schlüsseltechnologien (key technologies) 244f. Schmetterlinge 313 Schreyögg, Georg 17
Schritte, strategische 104, 223, 240-244, 298-300, Schrittmachertechnologien (pacing technologies) 244f. Schule –, ökologische 32 –, unternehmerische 30 Schumpeter, Joseph A. 229, 232-234, 264 Schwarmintelligenz 258, 335f., 338 Schwarmtheorie 336, 338 Schwerpunktbildung 129 Scientific Management 186 Scorecards 348f., 356 Scouting 149f., 196 Sechs Pfade (six path framework) 302 Second Life 258 Selten, Reinhard 271 Sense Making 339 Servicekosten 312 Seybold, Patricia 312 Shapiro, Carl 323 Shared Values 158 Shareholder Value 42f., 94, 349, 360 Shell 213, 295 Shell-Studie 213-215 Shuen 149 Sichtweise, ressourcenbasierte (resource-based view) 31f., 153 Siemens 28, 59, 151, 161 Signale, schwache (weak signals) 195f. Silos 194, 356 Simon, Herbert 315 Simultaneous Engineering 188 Six Sigma 13, 200 Skaleneffekte (economies of scale) 80f., 92, 117f., 128, 136, 156, 202, 281f. Skalenvorteile (Economies of Scale) 117 Skill-Gaps 159 Skills 119, 141, 159f. Skimming Pricing 67 Skunk Works 235f. Skunk-Works-Methode 236 S-Kurve 244f. S-Kurve der Innovation 245 Skype 151, 268 Skyteam 112, 275 Sloan School of Management 115, 259 Sloan, Alfred A. 172 Slywotzky, Adrian J. 293 Smart Business 369 Sony 45, 69, 136, 144, 149, 156, 300, 345 Southwest 302 Sozialisation 31
Spannungen 218 Spieltheoretischer Ansatz 271 Spieltheorie 17, 271, 275 Spitzenfähigkeiten 145 Spitzenleistungen 156, 160f., 252, 292, 296 St. Galler Ansatz 26, 207 Stabilität 107, 200f., 204, 206, 216f., 218, 312, 327 Staff 158-160 Stakeholder Value 42f. Stal Alliance 274 Stammlandgeschäft 278 Stanford University 15, 217, 222, 249, 336, 358, 361 Star Alliance 112, 274 Starbucks 21, 110, 149, 244, 307, 318, 342 Star-Geschäfte 84 Start-ups 53, 202, 362 Stay on top 154 Steinmann, Horst 17 Steuermannskunst, Wissenschaft der 205 Steuerungsgröße 23, 356 Sticky Information 259 Stockholm School of Economics 342 Stora 213 Strategeme 60, 61 Strategic decay 47 Strategic Inflection Points (SIP) 199 »Strategic Intent« 43, 45, 328 Strategic Issue Management 27 Strategic Patching 222 Strategie – als Revolution 329 –, asiatische 33, 155-177 – der Differenzierung 26, 30, 67, 99, 127-130, 135-137, 314, 316, 323 – der Diversifikation 95, 100-102, 104f., 107-109, 181, 290, 297 – der geplanten Positionierung 69f. – der Innovation 231-248 – der Kostenführerschaft 30, 81, 127f., 132, 134, 135, 268 – der Kundenfokussierung 131 – der Marktdurchdringung 98-102 – der Marktentwicklung 98-102, 111 – der Positionierung durch Herauslösen 70 – der Produktentwicklung 99-102 – der Rückwärtspositionierung 69 –, dynamische 19, 33, 193-228 –, flache 284 –, generische 126 –, globale 29, 282
Register
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–, glokale 33, 279-288 –, goldene 33, 325 –, internationale 280, 282 –, japanische 136, 155-157, 163 –, kooperative 33, 111, 269-278 –, mit der Kompassnadel 172 –, multinationale 282 –, operative 36 –, systemische 204-208 –, transnationale 282 –, verrückte 33, 325-345 –, wilde 333 Strategiedefinition 21 Strategieentwicklung, revolutionäre 332f. Strategieform 19, 272, 282 Strategieformulierung 30, 40, 148, 271, 347 Strategieimplementierung, 40, 174, 346 Strategiekarte 346 Strategiekritik 363 Strategielancierung, integrale 173 Strategiematrix 89, 132 Strategiemodell 29, 41 Strategien für Vorsprung 135 Strategieportfolio 82 Strategieregeln, simple 337 Strategie-Rezepte 365 Strategieschule 32, 153 –, marktorientierte (market-based view of strategy) 153 Strategie-Tableau 33 Strategie-Titan 49 Strategie-Update 41 Strategiewechsel (strategy shift) 136 Strategisch-systemischer Ansatz 217 »Strategische Erfolgsposition« (SEP) 23, 24, 140 »Strategische Lücke«, Konzept der (strategic gap analysis) 102 Strategòs 16 Strategy – Alignment 355, 357 – Maps 354–356 Strategien, dynamische 33, 193 Strengthen 211 Structure 158f. Style 158–160 Sub-Contracting 110 Sull, Donald N. 336, 339, 340 Sumitomo-Gruppe 213 Sun Microsystems Computer 27 Sun Tzu 52f.
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Handbuch der Strategien
Superorganismen 336 Supply Chain 134, 284f. – Management 284f. Surf-Freaks 259 Swatch 13, 70, 304, 335 Switching-Cost-Strategien 324 SWOT 37-40 Synergy 275 Systeme, komplexe 204f., 208 Systems 159 Taktrate 194f. –, strategische 194 Taylor, Frederick Winslow 186 Taylorismus 186 Technology Push 229 Teece, David J. 149, 247 Teece-Modell 247 Theorie Z 166f. Theorie X 166 Theorie Y 166f. Tichy, Noel 47 Tie together 211 Tiger Airways 131 Tiger- und Drachenstaaten 156 Timberland 343 Time Magazin 198 Time-to-Market 119, 269 Timing 48, 51, 118, 203, 340f. Timingregeln (Timing Rules) 338 Timing-Strategien 201 Toffler, Alvin 26 Top-Performer 334, 359 Toshiba 156, 285 Total Quality Management System (TQM) 137, 157, 180, 188, 200 Toyoda, Eiji 168 Toyota 45, 119, 136, 141, 156, 167f., 171f., 244, 253, 292 Toyota Management System (TMS) 167– 170, 172, 187 Toyota-Konzern 119 Toys R Us 286 Trade-off 129, 322 Transition 225 Treacy, Michael 291 Treadless 260 Trend-Scouting 150, 196 Trimble, Chris 236 Trittbrettfahrer (me-too companies) 74, 343 Tse-tung, Mao 56 Tushman, Michael 236 Typ A 59, 166
Typ J 166 Typ Z 166 Uhrenindustrie, Schweizer 46, 155, 264, 335 Ulrich, Hans 15, 26, 34 Umfeldturbulenz 98 Unbundling 99, 296 Unfreeze 225 Unité d’ Action 174 Unité de Doctrine 158, 174, 193 Universität – Bamberg 207 – Bonn 232 – Köln 312 – München 137 – St. Gallen 140, 205 University – of California Berkeley 198, 215, 247, 256, 315, 323 – of California Irvine 335 – of Michigan 140 – of Southern California 15, 51, 95, 249 Unternehmen –, revolutionäre 330 –, strategiefokussierte (strategy focused enterprise) 355f. –, visionäre 358f. Unternehmensstrategie (Corporate Strategy) 35 »Up or out Policy« 59 UPS 285 US Airforce 235 US-Army 320 User Experience Strategy 318 User Innovation 259f., 262 Utterback, James M. 245f. Value – Disciplines 291f. – for money 16, 121, 246 – Innovation 298 – Migration 293f. – Network 268, 273, 284 – Proposition 232, 251, 255, 267, 289, 291 Value-based Management 42 Value-Chain-Analyse 134 Varian, Hal 323 Varietätsstrategie, hybride 137 Veränderungsdynamik 200, 283, 295 Veränderungsmanagement 200f. Veränderungsstrategie
– des Improvisierens (kludging strategy) 201 – des Tüftelns (tinkering strategy) 201 Veränderungswellen 201 Verbesserungsprozess, kontinuierlicher (KVP) 151, 171 Verbundvorteile (Ecomoies of Scope) 118 Verdrängungswettbewerb 26, 92, 269, 312, 325 Verfügbarkeitswettbewerb 121 Verhaltensprinzipien, acht eherne 50 Vernetzungsaktivitäten (boundary spanning) 150 Verschwendung 171, 187 Versioning 323 Vertikale Diversifikation 108 Virtualisierung 322 Vision 13, 30, 34, 45, 51, 55, 219, 223, 226f., 340f., 351, 355f., 367 Vitalitätskurve (vitally curve) 58 Vodafone 337 Volkswagen (VW) 137 Vorreiter (lead users) 261 Wachstum – durch Diversifikation 95, 107 – durch Expansion 103 – durch «Kleinzeugs« 114 – durch Multiplikation 110, 281 – durch Vernetzung 97, 111 – entlang der Wurzel 103, 105 – in versteckten Feldern 106 Wachstumsstrategie 33, 81, 84, 88, 92f., 95, 97, 99-101, 114 Wahrnehmungskompetenzen 149 Wal-Mart 292 Walt Disney 286 Wandel, strategischer (strategic change) 225, 227 Wandelprozess 160, 225 Wandlungsfähigkeit 152f., 200 War – of Movement 131 – of Position 131 Warten –, aktives 339 –, strategisches (strategic waiting) 339 Waterman, Robert 157, 160, 163 Watzlawick, Paul 11, 15, 205 Weber 320 Webs 275, 322 Wegwerfstrategien 362
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Welch, Jack 49, 58-60 Welt, flache 175, 284f. Wendepunkte, strategische 198-200 Wendigkeit, strategische 148, 192 Wertdisziplinen 291, 293 Werte 34f., 61, 84, 158, 162f., 185, 187, 190, 211-213, 257, 268, 289f., 296, 301, 360 Wertfalle 278 Werthaltung 34f., 37, 44, 158, 173, 226 Wertinnovation 300, 306 Wertkette (value chain) 132-134, 192, 268, 284, 291, 295 Wertkurve 304-306 Wertnetz (value net) 273, 275 Wertschöpfung –, Architektur der –, interaktive 256f., 259f., 297f. Wertschöpfungsaktivitäten 267 Wertschöpfungskette (supply chain) 13, 71f., 80, 105, 110, 134, 184, 267, 272f., 290f., 294-297, 326 Wertschöpfungsmodell 199, 254 Wertschöpfungsnetzwerk (value network) 268, 275, 284 Wertschöpfungsprozesse 139, 158, 180, 188, 258, 267, 273, 290 Wertschöpfungsrestrukturierung 296 Wertschöpfungsstufen 291, 295 Wertstrategien 33, 289 Wertversprechen 232, 289 Wettbewerb (competition) 121 Wettbewerbsarenen 326 Wettbewerbsstrategie 120-122, 125, 127, 131, 136, 153, 165, 268, 343 Wettbewerbsvorteile 26, 31f., 36, 38, 40, 48, 75, 80, 117, 119, 122, 125f., 130f., 133, 137, 140, 143, 145f., 149, 153, 158, 160, 164, 171f., 201, 209f., 252, 267, 302, 325f., 329, 333, 350, 355 White Space 105
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Wichtigkeit 367 Wikipedia 258 Wild Cards 197f., 219 Wilson, Alan C. 215 Win-win-Spiel 271 Wiserma, Fred 291 Wissen, kollektives 31, 141 Wissensgesellschaft 212 Wissensmanagement 213 Wissensvorteile (Economies of Know-how) 119 Womack, James P. 188 World-Café-Methode 226 Wurster, Thomas 296, 321 Xella 109 Xerox 173, 180, 265 X-Webs 275 Yahoo 337, 345 Yale University 271 Yamaha 156, 176, 361 Yoon, Youngme 69 YouTube 258 Zara 132 Zedong, Mao 49, 52, 56 Zeitfenster 148, 325 Zeitvorteile (Economies of Speed) 118 Zerstörung, kreative 232 ZF Friedrichshafen 110 Ziele, strategische 41f., 44, 347f., 354, 360, 366 Zielsetzungen, operative 174, 353 Zongshen 176 Zook, Chris 104, 106 Zukunftskonferenz 226 Zusammenarbeit (cooperation) 272 »Zwischen-den-Stühlen«-Position (stuck-inthe-middle position) 129 zyklische Wirtschaftsentwicklung, Theorie der 233