Walter Benjamin Gesammelte Schriften VI Herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser
Suhrkamp
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Walter Benjamin Gesammelte Schriften VI Herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser
Suhrkamp
Die Editionsarbeiten wurden durch die Stiftung Volkswagenwerk, die Fritz Thyssen Stiftung und die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur ermöglicht. Die vorliegende Ausgabe ist text- und seitenidentisch mit Band VI der gebundenen Ausgabe der Gesammelten Schriften Walter Benjamins.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie http://dnb.ddb.de suhrkamp taschenbuch wissenschaft 936 Erste Auflage 1991 © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1985 Suhrkamp Taschenbuch Verlag Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Druck: Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden Printed in Germany Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt ISBN 3-p8-28n6-X 3 4 5 6 7 8 - 09 08 07 06 05 04
Inhaltsübersicht SECHSTER BAND
Fragmente vermischten Inhalts . . . . . . . . . Zur Sprachphilosophie und Erkenntniskritik Zur Moral und Anthropologie . . . . . . . . Zur Geschichtsphilosophie, Historik und Politik Zur Ästhetik .. . . . . . . . Charakteristiken und Kritiken Zur Literaturkritik . . . . . Zu Grenzgebieten. . . . . . Betrachtungen und Notizen Autobiographische Schriften . Lebensläufe . . . . . . . . . Aufzeichnungen 1906-1932. Berliner Chronik . . . . . . Aufzeichnungen 1933-1939.
Anhang Wandkalender der »Literarischen Welt« für 19 2 7 . Protokolle zu Drogenversuchen . . . . . . . . . Memorandum zu der Zeitschrift »Krisis und Kritik«
545 55 8 619
Anmerkungen der Herausgeber. . . . . . . . . . . Alphabetisches Verzeichnis der Fragmente vermischten Inhalts. . . . . . Inhaltsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
623 82 9 834
Fragmente vermischten Inhalts
Zur Sprachphilosophie und Erkenntniskritik
DAS URTEIL DER BEZEICHNUNG
Als Beispiel eines Urteils der Bezeichnung diene das Urteil a bezeichnet die Seite BC eines Dreiecks. Über das Subjekt a dieses Urteils ist Folgendes zu bemerken: Es bedeutet einen lautlich und schriftlich fixierbaren Komplex, nicht aber den ersten Buchstaben des Alphabets, mit dem es vielmehr lediglich übereinstimmt. Auf Grund dieser seiner Bedeutung kann dies Subjekt unter der Voraussetzung seiner Identität nicht Subjekt in irgend einem andem Urteil sein, das mit dem ersten in irgend einem logischen Zusammenhang steht. Denn in einem etwaigen Urteil a gleich 52 ist das Subjekt ein anderes als in dem vorgenannten Urteil. Dies erhellt daraus, daß in dem ersten Urteil a ein lautlich und schriftlich fixiertes Zeichen, im zweiten aber die Seite BC eines Dreiecks bedeutet. - Dergestalt ist also die logische Struktur des Subjekts im Urteil der Bezeichnung prinzipiell verschieden von der Subjektsstruktur in den übrigen Urteilen. In diesen letzten nämlich kann nur ein Subjekt, welches identisch auch Subjekt anderer Urteile die in einem möglichen logischen Zusammenhang mit diesem stehen, prinzipiell sein kann, vorkommen. - Eine Prädikation, in welche das Subjekt gestellt wird und die die Copula »bezeichnet« ausdrückt ( ,> ist in den Urteilen der Bezeichnung anders als in den übrigen. Die Kategorie der Bezeichnung ist völlig von allen andern auf die eine Prädikation sich gründen kann, also etwa von der der Substanz, Causalität u.s.f. verschieden und zwar in dem Sinne, daß Bezeichnungsurteile daher niemals logische Beziehungen untereinander oder mit andern Urteilen eingehen können. Dies übersieht Russell in seinem Paradoxon, dessen Auflösung sich folgendermaßen gestaltet: Russell bezeichnet ein Wort, dem man seine Bedeutung als Prädikat beilegen kann (in welchem Sinne dies gemeint sein könne, bleibt dahingestellt) als prädikabel. Er bezeichnet ein Wort bei dem dies nicht der Fall ist als imprädikabel. Im Urteil ausgedrückt müßte diese Bezeichnung lauten: Prädikabel bezeichnet das Prädikat eines Urteils welches aus-
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Fragmente vermischten Inhalts
sagt, daß einem Wort seine eigne Bedeutung als Prädikat beigelegt werden könne. Imprädikabel bezeichnet das Prädikat ..... nicht beigelegt werden könne. Die Subjekte in diesen beiden Urteilen sind Zeichen, d. h. sie bedeuten nichts als lautlich und schriftlich fixierte Komplexe. Als Zeichen können diese Komplexe nur in den genannten Urteilen als Subjekte auftreten; ein anderes Prädikat als das dort genannte Prädikat der Bezeichnung kann ihnen nicht beigelegt werden. Bildet man etwa das Urteil: Imprädikabel ist prädikabel oder imprädikabel, welches dem Russellschen Paradoxon zugrunde liegt, so bedeutet in ihm das Subjekt: das Urteil (» ) einem Wort kann seine eigne Bedeutung nicht beigelegt werden ( « ) und da dieses Subjekt ein Urteil und kein Wort ist, so erweist sich das Urteil welches dem Russellschen Paradoxon zugrunde liegt als falsch, bzw. sinnnlos da es dem Subjekt einen Begriff disparater Ordnung prädiziert. Die besondere logische Struktur des Urteils der Bezeichnung muß sich auch mit Beziehung auf das Prädikat exponieren lassen. D. h. die logische Struktur des Terminus »bezeichnet« muß auch unmittelbar und nicht wie oben mit Rücksicht auf das Subjekt formulierbar sein. Von den Urteilen der Bezeichnung sind die der Bedeutung durchaus zu unterscheiden. In ihrer Sphäre gehen die logischen Untersuchungen überhaupt vor. Die essentielle Logizität eines Urteils kommt nicht in der Formulierung »Es ist wahr, daß ... « zum Vorschein, sondern in der Umformung ins Bedeutungsurteil (»)S ist P bedeutet, daß S P ist( «). Die uneigentliche Bedeutung, die Bezeichnung ist, ist von der eigentlichen zu unterscheiden. S ist P bezeichnet nicht, sondern bedeutet, daß S P ist. »Imprädikabel« bezeichnet das Prädikat eines bestimmten Urteils, »unnahbar« aber bedeutet etwas. Woher diese Verschiedenheit der Worte. In der Bedeutung liegt Repräsentation vor, in der (Bezeichnung) nicht. Die Logik fragt in ihren Problemen nicht nach dem Recht, sondern nach der Bedeutung dieses Rechts. Was bedeutet es, daß ich so schließen darf (oder warum darf ich so schließen? , nicht: darf ich so schließen?) Was bedeutet Identität. Die Logik also analysiert auf Urteile der Bedeutung hin. Die Sprache beruht mit auf Bedeutung, sie wäre nichts wenn sie
Zur Sprachphilosophie und Erkenntniskritik
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(nicht) auch Bedeutung hätte. Hier ist in diesem doppelten Vorkommen von Bedeutung in der Logik auf die sprachliche Natur der Erkenntnis, welche in der Sprachphilosophie geklärt wird, keimhaft (ErI) und andeutend hingewiesen. LÖSUNGSVERSUCH DES RUSSELLSCHEN PARADOXONS Einem Zeichen kann nichts prädiziert werden. Das Urteil, in dem eine Bedeutung einem Zeichen zugeordnet wird, ist kein prädizierendes. Russell verwechselt Bedeutungs- und Prädikatsurteil. (fr 2)
DER GRUND der intentionalen Unmittelbarkeit, die jedem Bedeutenden, also zunächst dem Worte, eignet, ist der Name in ihm. Das Verhältnis von Wort, Name und Gegenstand der Intention ist folgendes: I) weder das Wort noch der Name ist identisch mit dem Gegenst(and) der Intention 2) der Name ist etwas (ein Element) am Gegenstand der Intention selbst, was sich aus ihm herauslöst; daher ist der Name nicht zufällig 3) das Wort ist nicht der Name, jedoch kommt im Wort der Name, gebunden an andere Elemente oder an ein andres Element (welche? welches? Zeichen?) vor. Das Verhältnis des Zeichens zu den genannten drei Begriffen: 4) das Zeichen bezeichnet nicht den Gegenstand der Intention und nichts am Gegenstand der Intention (-) folglich 5) das Zeichen bezeichnet nicht den Namen als welcher etwas am Gegenstand der Intention ist (Vielleicht gibt es Zeichen von Namen, dies wären jedoch Zeichen im uneigentlichen Sinn, Symbole) 6) das Zeichen bezeichnet das Wort, d. h. das unmittelbar jedoch nicht notwendig (wie der Name) auf den Gegenstand der Intention Hindeutende. Diese Verhältnisse des Zeichens zu den genannten Begriffen bleiben davon unberührt, ob im Wort der Name an ein Zeichen oder an ein andres Element gebunden ist. Eigentümliche Natur des Namens, kraft welcher dieser im Wort gebunden vorkommen kann. Symbole sind nicht echte Zeichen, sind nicht einmal als Zeichen von
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Namen sinnvoll zu bezeichnen, sondern sind Annexe zu Namen, Namen zweiter Ordnung, d.h. solche die nicht in der Lautsprache bestehen, in welcher die Namen erster Ordnung beruhen. (Schwächste Abartung der Symbole, der Namen zweiter Ordnung: Wappen) unmittelbar und rein Intentio prima Der reine Name (bezieht sich auf die substancia oder das Wesen. Ist jedoch nicht bedeutend, sondern etwas an der Sache selbst, was sich auf ihr Wesen bezieht)
unmittelbar und unrein Intentio secunda Das bedeutende Wort (enthält den Namen gebunden, bezieht sich undeutlich auf das Wesen)
mittelbar Intentio tertia Das bloße Zeichen (bezieht sich auf das Bedeutende) Anm. Begriffe sind keine Intentionen, sondern Gegenstände von Intentionen, sofern sie mit einem gewissen erkenntnistheoretischen Stellungsindex versehen sind. Dieser letzte kann ausnahmslos in jedem Falle sowohl vorhanden sein wie auch fehlen. Wir denken (neben andern Gegenständen) bisweilen Begriffe, jedoch niemals denken wir in Begriffen, sondern in Intentionen.
Im Urteil: Dieser Satz gehört der Mathematik an bezeichnet das Subjekt »dieser Satz« keinen allgemeinen Begriff (wie etwa »Satz« es tut), sondern etwas Singuläres. Entweder ist also »dieser Satz« (als das Urteilssubjekt) kein Begriff, oder aber es gibt nicht nur Allgemeines, sondern auch Singuläres kennzeichnende Begriffe. Im ersten Fall müßte man zur Annahme von Bedeutetem schreiten, (dem) keine Begriffe zuzuordnen wären; nämlich de( m) als singulären bedeute (te) n Gegen (stand). Riehl erkennt Singuläres kennzeichnende Begriffe an ( . )
Zur Sprachphilosophie und Erkenntniskritik
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Auffallend daß alle Logiker mit der Auffassung der Worte als Zeichen sogleich bei der Hand, während die Sprachtheoretiker dies garnicht zugeben. Bedeutung und Begriff einerseits, Wort und sprachliches Zeichen andrerseits werden bei Riehl (Beiträge zur Logik (I I., p) 3) synonym gebraucht. Zwei Begriffe sind - wie Riehl richtig ausführt - niemals identisch. So ist z. B. der Begriff des gleichseitigen Dreiecks mit dem Begriff des gleichwinkligen Dreiecks nicht identisch. Das Urteil Das gleichseitige Dreieck ist gleichwinklig läßt sich also nicht in der Form aussprechen: Der Begriff des gleichseitigen Dreiecks ist der Begriff des gleichwinkligen. Das gleichseitige Dreieck als Begriff hat überhaupt nichts mit dem gleichwinkligen als Begriff zu tun. I Der Gegenstand: II Der Begriff III Das Wesen (reiner Name) IV Das Wort V Das Zeichen
Dreieck Dreieck Dreieck Dreieck ~
Das Urteil bezieht sich auf den Gegenstand durch den Begriff. Am Begriff wird zum Zwecke der Erkennbarkeit des Gegenstandes die Identifikation vorgenommen. Ich meine: »diesen Tisch« Dieser Tisch ist das Gemein te Dieser Tisch ist aus Holz
Mist S M istP
S ist nicht P Das Gemeinte bedeutet: I) Der Gegenstand auf den sich das Meinen bezieht 2) Der Gegenstand, den das Meinen in eben dieser Beziehung hervorbringt (man könnte ihn etwa die Meinheit nennen)
'*
Die Beziehung des Begriffs zum Gegenstand ist keine intentionale, sondern ein Abstammungsverhältnis; der Begriff stammt vom Ge-
Fragmente vermischten Inhalts genstand ab; ist mit ihm verwandt. Er ist ein verwandter Gegenstand. Die Begriffe sind diejenigen Gegenstände, welche die Aussagen über Urgegenstärtde vorbereiten. Diese Aussagen selbst erfolgen in Urteilen, nicht in Begriffen. Die Begriffe sind im Urteil aufgehoben. (Urteile sind auch nicht Intentionen, sondern Gegenstände, Sätze an sich.) Beziehungen zwischen Begriffen sind niemals Gegenstand von Urteilen, sondern nur von Definitionen. (fr 3 )
I 11 III IV V VI
DER GEGENSTAND
Der Begriff Das Wesen Das Wort Der Name Das Zeichen
Dreieck Dreieck Dreieck Dreieck Dreieck L::.
Zu VI Das Zeichen bezieht sich niemals auf den Gegenstand, weil ihm keine Intention einwohnt, der Gegenstand aber nur der Intention erreichbar ist. Das Zeichen bezieht sich niemals notwendig auf das Bezeichnete; es bezieht sich also nicht auf den Gegenstand, weil dieser nur der notwendigen, innerlichen intentio sich erschließt. Das Zeichen bezieht sich auf das den Gegenstand Bedeutende; es bezeichnet das den Gegenstand Bedeutende, also etwa das Wort »Dreieck« oder auch die mathematische Zeichnung des Dreiecks (die mathematischen Gegenstände werden nämlich nicht durch Worte allein bedeutet). Zu V Den Namen »Dreieck« gibt es ebensowenig, wie es überhaupt Namen für die allermeisten Gegenstände in der Sprache gibt. Diese kennt nur Wörter für sie, in welchen die Namen verborgen liegen. Kraft des Namens haben die Wörter ihre Intention auf den Gegenstand; sie haben durch den Namen an ihm teil(.) Der Name ist in ihnen nicht rein, sondern an ein Zeichen gebunden (s. unter IV). Der Name ist das Analogon der Erkenntnis des Gegenstandes im Gegenstande selbst. Der Gegenstand zerlegt sich in Name und Wesen. Der Name ist überwesentlich, er bezeichnet das Verhältnis des Gegenstandes zu seinem Wesen. (?) Zu IV Mitteilung, Symbol, Zeichen und Name im Wort. Aus diesen vier Elementen ist das Wort zu konstruieren.
Zur Sprachphilosophie und Erkenntniskritik Wort ist ein Sprachelement von unvergleichlicher Einfachheit und von höchster Bedeutung. Die Theorie des Begriffs hat zur Grundlage zu machen, daß das Wort dessen Basis in irgend einem Sinne ist. Von hier aus wachsen dem Begriff außerordentliche Kräfte, höchst bedeutende Beziehungen seiner logischen Funktion zur Metaphysik zu. Das Urteil kann jene elementare Bedeutung im metaphysischen Zusammenhang, die der Begriff durch die Basis des Wortes hat, in dieser Weise (wenngleich vielleicht auf einem ganz andern Plan) nicht erlangen, weil der Satz, der seine Basis ist, nicht in so unvergleichlicher Eindeutigkeit geprägt liegt. Im Wort liegt »Wahrheit« (,) im Begriff intentio oder allenfalls Erkenntnis, Wahrheit keinesfalls. (fr 4) DAS SKELETI DES WORTES Es ist eine Intention auf »Tisch« n möglich, aber auch eine Intention auf das Wort ohne Vorstellung: » - Tisch -« (Übrigens Schulfall einer intentionalen Umstellung) (.) Skelett des Wortes. Ausdruckslos im Maximum ist die postulierte aber ungefundene Bedeutung im nur virtuellen Wortbild. Ausdrücklich im Maximum ist der empirisch sich vordrängende, grinsende Bedeutungsschein, der auf dem Lautbild beruht. Schwächung der symbolischen und mitteilenden Kraft im W ortskelett. (Das Wort grinst) (fes)
Es IST SELTSAM, daß bei mehrfachem Hinsehen auf ein Wort unter Umständen sich die Intention auf seine Bedeutung verliert, um einer andern, der Intention auf das, was man das Wortskelett mit Grund nennen kann, Platz zu machen. [Zeichenmäßig kann man das Skelett eines beliebigen Wortes z. B. des Wortes» Turm« folgendermaßen bezeichnen: » - Turm -«.] Die sprachlichen Gebilde, so auch das Wort, teilen eine Mitteilbarkeit mit und symbolisieren eine Nicht-Mitteilbarkeit. Ein Wort teilt also nicht die Sache mit, die es scheinbar bezeichnet; sondern dasjenige, was es in Wahrheit bedeutet. So bezeichnet das Wort »Turm« nicht etwa »einen« Turm, und ebensowenig »den« Turm, sondern es bedeutet etwas und zwar ohne es zu bezeichnen. Das Wort» Turm« bedeutet etwas, das heißt nichts anderes als es teilt
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Fragmente vermischten Inhalts
etwas mit. Wenn ich etwas bezeichne, so teile ich es nicht mit, abstrahiere vielmehr überhaupt von seiner Mitteilbarkeit, um es einem andern Zusammenhang einzureihen. Wenn ich die drei Ecken des Dreiecks mit ABC bezeichne, so bedeuten diese Buchstaben nicht die Dreiecksecken, d. h. sie teilen sie nicht mit. Das genaue Verhältnis von Bedeutung und Bezeichnung bleibt zu untersuchen. Man wird vermuten dürfen, daß es Inhalte, Gegenstände gibt, denen es wesentlich ist, überhaupt nicht bezeichnet, sondern nur bedeutet werden zu können, z. B. Gott, das Leben, die Sehnsucht. Höchst problematisch ist, ob es auch Gegenstände gibt, für die das Gegenteil zutrifft, die nur bezeichnet, nicht aber bedeutet werden können? Höchst wahrscheinlich gibt es solche nicht, da die Möglichkeit der Bezeichnung eines Gegenstandes auf seiner Bedeutbarkeit beruhen dürfte. Wenn man nun sagt, das Wort »Turm« bedeutet »Turm« (nicht!: bezeichnet» Turm«) so meint man damit zweierlei, weil die Bedeutung nur unter zwei Bedingungen besteht, deren Erfüllung diese ermöglicht. Man meint erstens, daß das Wort »Turm« etwas mitteilt, zweitens daß es etwas symbolisiert, weder das Mitgeteilte, noch das Symbolisierte selbst sind aber» Turm«, »Turm« ist einzig und allein das Bedeutete. Das Wort» Turm« teilt erstens eine Mitteilbarkeit seiner selbst mit. Es teilt als Wort mit, daß es mitteilbar ist, und dieses »es« ist ein geistiges Wesen. Es ist etwas (U)rsprüngliches und ein Wort teilt also mit, daß ein bestimmtes, ursprüngliches geistiges Wesen mitteil bar ist. Damit allein aber bedeutet es noch nichts. Es teilt zwar etwas mit, etwas ganz (B) estimmtes und Endgültiges, nämlich eine Mitteilbarkeit, dasjenige aber von dem es die Mitteilbarkeit mitteilt, teilt es selbst nicht mit, das bedeutet es. Und um den Gegenstand seiner Bedeutung zu bestimmen, bedarf es also einer ( fr 6) andern virtus im Wort als der mitteilenden.
WENN sich in einer Region nur eine Existenz präsentiert in einer bloßen Hindeutung, so ist jene Hindeutung nicht ein Symbol, sondern ein Zeichen. Wenn sich in ihr ein Sinn gesättigt erfüllt in einer bloßen Hindeutung, so ist jene Hindeutung ein Symbol. 1 wie die vulgäre Sprachtheorie meint
Zur Sprachphilosophie und Erkenntniskritik Graphik - Sprache Gibt es in jener Region einen Sinn, welcher sich erfüllt mit der bloßen Hindeutung auf denselben? Ein Symbol bezeichnet einen Sinn innerhalb einer Region, welcher sich bis zur Sättigung erfüllt durch die bloße Hindeutung auf denselben. Die Sprache liegt über jener Sphäre (Wahrheit) in welcher sich der Sinn ihrer Hindeutung erfüllt. (Schöpferisches Verhälmis?) Wie ist der Symbolische Charakter des Systems hinsichtlich der absoluten Welt der Sprache möglich? Worin besteht der symbolische Charakter des Systems ( ?) (fr 7) ÜBER DAS RÄTSEL UND DAS GEHEIMNIS
Das Rätsel entsteht da, wo mit Nachdruck eine Intention darauf sich regt, ein Gebild oder einen Vorfall, der nichts Sonderbares oder schlechterdings überhaupt garnichts zu enthalten scheint, der symbolisch-bedeutenden Sphäre anzunähern. Da nun im Kern des Symbols das Geheimnis steht, so wird man versuchen, jenem Gebild oder Vorfall eine »geheimnisvolle« Seite abzugewinnen. Dieser Versuch aber ist - gegenüber »profanen« Gegenständen in einem engern Sinn - verurteilt, sein Ziel nie zu erreichen. Wenn er deren geheimnisvolle Seite in einer Darstellung einzufangen sucht, welche sich auf sie als das Rätsel auf seine Lösung bezieht, so bricht der Schein des Geheimnisses nur solange nicht, als die Lösung aussteht. Er ist m. a. W., da die Lösung objektiv feststeht, nur subjektiv. Objektiv ist allein jene Intention auf das Geheimnis, das Unlösbare im Gebild oder Vorfall, welche zuletzt enttäuscht wird. Dennoch wird sie nicht ganz enttäuscht, sofern es für jenen subjektiven Schein des Geheimnisses von Gebild oder Vorfall allerdings doch zuletzt einen objektiven Grund gibt. Nur liegt der nicht darin, daß Gebild oder Vorfall Geheimnis wären, sondern darin, daß sie(,) wie alles Seiende, am Geheimnis Anteil haben, ein Anteil (,) der niemals beim (P)rofanen zu selbständiger Existenz zu bringen ist, sondern immer in Gebundenheit steht: im Rätsel an die Lösung - im Wort an die Bedeutung. Denn eben als Wort steht alles Seiende aus der symbolischen Kraft des Wortes im Stande des Geheimnisses, und das »Rätselwort« ist in einem für das Wesen des Rätsels konsti-
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Fragmente vermischten Inhalts
tutiven Doppelsinn nicht nur dessen Lösung, als Vereitelung(,) sondern Intention, (nämlich) zugleich auch deren Bedingung, deren Grundlage und die »Erlösung« der versteckten Intention aufs Unlösbare in ihm. Weil nämlich imWort, welches als solches schon »Rätselwort« ist, ein symbolischer(,) jenseits des in ihm mitgeteilten gründender Kern, das Symbol einer Nicht-Mitteilbarkeit ruht. Lösen ließen sich daher viele Rätsel durch das bloße Bild, erlösen aber nur durch das Wort. - Vielleicht sind für diesen Sachverhalt bezeichnender als Rätsel, welche, wie Buchstabenrätsel, Homonymen, Silbenrätsel u. dgl. schon vom Worte im Bau der Aufgabe ausgehen und die zum Teil wohl relativ jung sein mögen, solche(,) welche, wie Rätsel primitiver Völker stets oder oft, von Sachverhalten ausgehen, welche als solche noch nicht im Wort zu stehen brauchen. Nach denen die Frage gelöst aber nur werden kann im Worte, das in seiner ganzen Unmittelbarkeit hereinbrechend umso kräftiger der versteckten Intention des Rätsels zur Erlösung verhilft. Geheimnis vermag (e) ben sich letzten Endes nur in Akten durch das Lebendige, das sie vollzieht, zu denken, nicht aber in Dingen. Woraus folgt, daß sich das Symbol, welches ein Geheimnis ist, nur in einem Akt aus dem Lebendigen, das vollzieht beruhend denken läßt. Diese(s) Lebendige ist immer Gott(.) Die Namengebung des Adam an die Tiere in der Genesis richtet sich gegen die mythische Auffassung des Namens als eines Rätsels, das zu raten aufgegeben wird, wie z. B. in der »Regentrude« von (Theodor) Storm und sonst in Märchen es vorkommt. Der jüdische Name (der hebräische) ist ein Geheimnis. S. Wolfgang Schultz: Rätsel (aus dem hellenischen Kulturkreise. Gesammelt und bearbeitet, 2 Tle., Berlin 19°9-1912) (fr 8)
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Zur Sprachphilosophie und Erkenntniskritik DAS WORT
/
bedeutet einen bestimmten Lautkomplex
schattig
Dreisilbig (A)
Imprädikabel
"-
bezeichnet das P bestimmter Urteile
/
bedeutet Dreisilbig
"-
bezeichnet (nichts)
/
bedeutet schattig
"-bezeichnet (nichts)
Das Zeichen Dreisilbig (B)
/
bed(eutet) einen Lautkomplex
"-
bez(eichnet) das P best( immter) U (rteile)
Imprädikabel ist Imprädikabel oder Prädikabel Dreisilbig ist Dreisilbig
/
"-
bedeutet bezeichnet daß Imprä(nichts, da es dem Wesen dikabel Imprädikabel eines Zeichens zuwioder Prädikabel ist. derläuft(,) Also etwas eine(?) UrFalsches. teilsform (an) Denn ein bejene(?) abzustimmter geben) Lautkomplex ist weder das P eines U (rteils) welches aussagt, daß, noch da(ß) nicht einem Wort seine eigne Bedeutung als P beigelegt werden kann.! Man kann auch den Beweis umkehren und das »Imprädikabel« und "Prädikabel. des Prädikats ihren Bedeutungen nach d.i. als bloße Lautkomplexe auffassen, immer aber muß man entweder S oder P so verstehen, sonst müßte das U die Form haben ( :) Imprädikabellautet Imprädikabel oder Prädikabel(,) und dies Urteil ist ebenfalls falsch.
/
"-
bedeutet bezeichnet das Zei- (wieder nichts) chen »Dreis(ilbig).., welches das P eines best(immten) U bezeichnet, hat diejenige lautkomplexliche Eigentümlichkeit, welche im Worte Dreisilbig bedeutet wird.! Oder (xx) umkehrt wie oben durchstrichen (.) Jedoch nicht: Dreisilbig lautet Dreis (ilbig.)
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Fragmente vermischten Inhalts
Das Urteil Dreisilbig ist dreisilbig (oder nicht-dreisilbig) ist im Gegensatz zu »Imprädikabel ist Prädikabel od(er) Imprädikabel« sinnvoll weil das Zeichen dreisilbig ein Attribut aus der Sphäre der Zeichen bedeutet, das Zeichen Imprädikabel dagegen ein Attribut aus der Sphäre der Urteile. Imprädika(be)l bezeichnet das und das Imprädikabel ist fünfeckig(?) Identisches Subjekt(,) jedoch keine logische Beziehung dazwischen. Identität des Subjekts nur in der Sphäre der Zeichen, in welcher keine log. Bez. zu stiften BC folglich einfasind. Doch log. Bez(.): BC bezeichnet ( ?) cher(? ) Das Zeichen Dreisilbig ist nicht dasselbe wie das Wort »Dreisilbig« (.) Dieses hat die Intention auf die Bedeutung, jenes nicht. Der lautschriftliche Komplex ist in der Tat nur ein Zeichen, nicht für Dreisilbig, sondern für das Wort, welches kraft ursprünglicher Intention Dreisilbig bedeutet. Das Wort ist nun eben nicht Zeichen, sondern das Bezeichnete, und nicht die Bedeutung, sondern das Bedeutende, was eben das Zeichen mangels seiner intentionalen Unmittelbarkeit nie sein kann. Nur das Bedeutende kann in intentionaler Unmittelbarkeit an das Bedeutete heran. Denn zum Bedeuteten gibt es kraft seines Wesens nur einen einzigen Zugang. (Beweis!) Das Bezeichnende kann nicht an das Bedeutete selbst, sondern allein heran an das Bedeutende, gleichviel ob es fixiert sei oder nicht. Voraussetzung jeder Bezeichnung ist also das Correlat des Bedeuteten in der Sphäre des Bedeutenden. Eben jenes Correlat gleichviel ob bekannt oder nicht wird bezeichnet; nicht das Bedeutete selbst(,) auf das einzig jenes intentional unmittelbare Correlat auftrifft. - Die Ordnung, Sphäre jener Correlate, die Sphäre des Bedeutenden ist die Sprache (im Sinne des Logos). Die Logik hat als Grundhypothese: jedes Bedeutete (jeder Gegenstand) ist erkennbar (besteht für die Erkenntnis) nur durch sein Correlat mit der Sphäre des Bedeutenden. Logik ist Bedeutungs-
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Zur Sprachphilosophie und Erkenntniskritik
analyse. In der Sphäre des Bedeutenden werden alle logischen Grundkategorien vollendet. B a C BC bezeich (n) en a. Hier ist das Bedeutende, welches bezeichnet wird a , durch jene Seite wird zwar die echte Dreiecksseite bedeutet, jedoch durch die Bezeichnung jener Seite die echte Dreiecks seite nicht bezeichnet. Bedeutendes ist diese Kategorie durch die bei den andern gebildet, oder ist etwas Selbständiges in ihr